Zeitschrift des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschifffahrt [8]

Table of contents :
Front Cover
Die neue Gaswage Modell CE von Friedrich Lux (Mit Abbildung)
Revue de l'aéronautique 167 195 217
L'Année Scientifique et Industrielle
Militair-Wochenblatt
,,La France aérienne" 16
Der Luftschiffer Pompéien Piraud 45
Allerlei Spielzeug 68
Ausstellung in Köln 102
Explosion eines Luftballons 127
Militair-Luftschiffahrt in Russland 147
Ein französischer Luftballon in Hessen 176
Signalpistole 197
Berichtigung der Tabelle auf Seite 142 des Jahrg 1889 219
Godard's Luftfahrten in Rom 246
Der Ballon „Figaro"

Citation preview

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

21414 21-11

Herausgegeben Vom

Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin

und vom

Flugtechnischen Verein in Wien,

redigirt von

Dr. phil.

Wilhelm

Angerstein

in Berlin .

VIII. Jahrgang .

BERLIN 1889.

W. H. Kühl, Buchhandlung .

Ser15: 26.8-2.0.0

Sei 1527. 38. 327

MARVARD COLLEGE LIBRARY TRANSFERRED FROM BLUE HILL OBSERVATORY DEC 1 1933

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben Von dem Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem Flugtechnischen Verein in Wien. Redakteur : Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl , Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W. , Jägerstrasse 73.

VIII. Jahrgang .

1889.

Heft I.

Vorwort. Abermals ist ein Jahr versunken in dem unendlichen Meere der Zeit, ein Jahr, so schwer und sorgenvoll wie selten eines zuvor ; aber die düstern Schatten zerrannen gemach und mit wachsender Zuversicht sahen wir ein neues Gestirn dem Zenit zustreben! Schwer, wie auf allem Beginnen im deutschen Lande, lasteten die schmerz lichen Vorgänge

der ersten Jahreshälfte

zur Förderung der Luftschiffahrt.

auch auf dem Deutschen Vereine

Die Reihe der regelmässigen Sitzungen

wurde wiederholt unterbrochen, Niemand wagte sich mehr mit der rechten Arbeitsfreudigkeit an seine Aufgaben heran . Trotzdem war das Jahr kein verlorenes, es war ein Jahr der Samm lung und Sichtung, sowie ernster Studien auf den verschiedensten Gebieten. Die hundertste Vereinssitzung , welche am 2. Juni 1888 festlich be gangen wurde, gab Gelegenheit zu einem umfassenden Rückblick auf die bisherige Thätigkeit des Vereines, eröffnete aber auch zugleich einen Blick in

dessen nächste Zukunft ,

welche in dem Festvortrage v. Bezold's , des

Direktors des Königl. Meteorologischen Instituts, für die

innigere Durch

dringung von Luftschiffahrt und Meteorologie in Anspruch genommen wurde. Mit der am 23. Juni unternommenen Auffahrt v. Siegsfeld's , Dr. Kremser's und Opitz's in

dem dem Ersteren gehörigen Ballon

" Herder "

wurde der

erste Schritt in dieser Richtung gethan , welchem weitere bald folgen dürften . Aber auch der Verein als solcher darf hinter dem Eifer und der Opfer freudigkeit einzelner seiner Mitglieder nicht zurückbleiben . Umfange und seinen Mitteln

allmählich erstarkt ,

Er ist in seinem

birgt in sich anerkannte

Fachmänner in allen denjenigen Gebieten , welche der Luftschiffahrt Dienste zu leisten vermögen, besonders aber die bewährtesten praktischen Luftschiffer selbst .

So sollte er nun die Zeit für gekommen erachten , aus dem Stadium

der nothwendigen

Vorbereitungen

und

Anregungen

selbst

zur

That

zu

schreiten ; er sollte an die Lösung einer praktischen Aufgabe herantreten , VIII. 1

2

Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer -Vereine .

um allen Zweiflern zu beweisen , dass es ihm Ernst ist mit seinem Streben . So bereiten sich jetzt wirkliche Thaten vor im Schoosse des Vereines, zwar nicht mit lenkbaren Luftschiffen oder riesigen Ballons, mit welchen man den Ocean zu kreuzen wagen will , wohl aber in einer, auch bescheideneren Mitteln erreichbaren Arbeit, indem methodische Untersuchungen der Luft schichten bis zur

Höhe von

6-800 m

mittelst

kleinerer

Fesselballons,

welche selbstregistrirende Apparate zu tragen bestimmt sind, geplant werden . Die Vorarbeiten in der vor allen anderen wichtigen Frage der Apparate sind bis zu einem Punkte gediehen, dass man an deren Ausführbarkeit und einwurfsfreien Leistungen nach einer in dieser Vollkommenheit noch nirgends angewandten Methode füglich nicht mehr zweifeln kann. Die Zeitschrift für Luftschiffahrt, nicht mehr das alleinige Organ des

Deutschen Vereines zur Förderung der Luftschiffahrt, sondern auch das des gleichstrebenden Flugtechnischen Vereines in Wien , zeigt in dem reichen Inhalt ihres letzten Jahrganges, wie eifrig auch in diesem Schwestervereine an der Lösung wichtiger Probleme gearbeitet wird. Die in Wien statt gehabte Ausstellung gab ein Bild von dem gegenwärtigen Stande der Luft schiffahrt und eröffnete neue Gesichtspunkte für die in derselben zu er strebenden Fortschritte . So sehen wir Alles in Allem einem rüstigen Vorwärtskommen im neuen Jahre entgegen, dem der Erfolg nicht fehlen wird, wenn wir Alle treu und unentwegt zusammenstehen , um das , was dem Einzelnen schwer erreichbar Dr. Assmann .

ist, durch gemeinsame Arbeit zu fördern .

Organisation ,

Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer -Vereine.

Vortrag, gehalten am 14. 12. 1888 im deutschen Verein z. F. d. L. von Hermann W. L. Moedebeck, Premier- Lieutenant der Luftschiffer-Abtheilung . Die Wiege der Luftschiffahrt ist Frankreich, und das Volk, welches sich dieser Technik mit aufopfernder Hingebung angenommen hat , Franzosen. Ende des

sind die

Die politischen Wirren und die kriegerischen Ereignisse gegen vorigen und am Anfang dieses Jahrhunderts wirkten zunächst

störend auf die Weiterentwickelung der 1783 erfundenen Luftschiffahrt ein . Man darf wohl behaupten,

dass seit 1786 50

Jahre hindurch die Ent

wickelung der Luftschiffahrt keine Fortschritte zu verzeichnen hatte , weil eben die Zeit nicht dazu angethan war für ein so grossartiges Werk thätige Hände zu finden . Die Geschichte der Luftschiffahrt ist über 100 Jahre alt ; ihre Entwickelung

ist ganz neuen Datums.

Letztere beginnt in

Frankreich eigentlich erst im Jahre 1852 , in Deutschland mit dem Jahre 1882. Das erste Bestreben , einen Luftschiffahrts- Verein zu begründen , findet man in Frankreich erst nach der längeren Friedenszeit im Jahre 1834.

Damals

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine.

3

hatte in Paris Graf Lennox *) ein lenkbares Luftschiff von 2800 cbm Fassungs vermögen aus eigenen Mitteln erbaut ; die Auffahrt desselben sollte am 17. August stattfinden .

Indess der Ballon war zu schwer gebaut, er ver

blieb nach seiner Füllung auf der Erde, und Graf Lennox verlor durch diesen Versuch sein Ansehen und sein ganzes Vermögen .

Die von ihm beabsichtigte

Gründung der Société pour la navigation aérienne, verblieb als geschichtliches Dokument eines guten Willens auf den hinterlassenen Prospekten jenes so traurig verlaufenen Versuches . die Zahl derjenigen , welche

Ungeachtet dieses Misserfolges wuchs aber

anfingen , in ihren Mussestunden sich mit der

Luftschiffahrt zu beschäftigen und die Menge der von da ab in die Welt geschickten Broschüren wurde eine ganz bedeutende .

Die Seele praktischer

Versuche ward sehr bald der Luftschiffer Dupuis Delcourt,

ein Mann von

unvertilgbarem Eifer, welcher sich berufen fühlte , sein ganzes Leben der Erb schaft Montgolfiers zu widmen , ein Mann , der es in der That auch verdient , als ein erfolgreicher Vorkämpfer für die Entwickelung der Luftschiffahrt in Frankreich genannt zu werden .

Dupuis Delcourt vereinigte sich zunächst 1843

in Paris mit Marey Monge zum Bau eines Metallballons. wenngleich

sie

wegen

eintretenden

Diese Arbeit bleibt,

Mangels an verfügbaren

Geldmitteln

schliesslich nicht durchgeführt werden konnte, ein höchst denkwürdiger Ver such

in der Geschichte

der Luftschiffahrt **) .

Drei Jahre später arbeitete

Dupuis Delcourt zusammen mit dem Belgier Dr. Schraubenapparat für Ballons und gründete 1847 Brüssel die

van mit

Hecke an einem ebendemselben in

Société générale de navigation aérienne " . Diese Gesellschaft gab

2000 Aktien zu je

1000 Francs

aus , scheint indess wenig Anhang und

Glauben gefunden zu haben und hat wahrscheinlich mit dem Aufhören von Dr. v. Hecke's Versuchen ebenfalls ihr Ende gefunden.

Dupuis Delcourt liess

sich indess dadurch nicht entmuthigen . Fast gleichzeitig mit dem ersten Auf treten des Jngenieurs Henri Giffard mit seinem lenkbaren Ballon gründete er in Paris die " Société aérostatique et météorologique de France " und versuchte für diese Vereinigung auch ein Bulletin herauszugeben , welches vierteljährlich vom Oktober 1852 ab erschien , leider aber wegen zu mangelhafter Betheiligung nach dem Erscheinen von 4 Nummern wieder aufgegeben werden musste. Der Verein aber best and fort, wenngleich auch er sein Dasein nur sehr kümmerlich fristete . Die Mitglieder gaben ihre grösseren Arbeiten meist in Broschüren in Verlag , die wir hier und da ver einzelt in den Bibliotheken antreffen . Aus diesen hinterlassenen Denk steinen ihrer Thätigkeit lässt sich erkennen , schaftlich

gearbeitet wurde,

wie

dass

in dem Vereine

wissen

es auch kaum anders erwartet werden

konnte, von einer Gesellschaft, in der eine Zeit lang der bekannte Schrift steller Arago den Vorsitz führte . *) Vgl. G. Tissandier ,,La navigation aérienne , l'aviation et la direction des aérostats. Paris 1886 chez Hachette & Cie. **) Vergl. Marey- Monge Études sur l'aérostation , Paris 1847 chez Bachelier. 1*

4

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer- Vereine. Die Versuche Giffard's mit lenkbaren Ballons

haben

sicherlich nicht

verfehlt, verschiedene Mitglieder in eine bestimmte aeronautische Richtung Gegen das Jahr 1863 entstand plötzlich eine Spaltung in den Geistern, zwei Lager bildeten sich und bekämpften sich, es waren

hinein zu drängen .

die Verfechter des Problems lenkbarer Ballons und diejenigen der lenkbaren Flugmaschinen , des plus léger que l'air " und plus lourd que l'air " , wie man sich jenseits der Vogesen ausdrückte.

Die Möglichkeit der Herstellung lenkbarer Ballons war ausser durch Giffard's Versuche später im Jahre 1861/62 von dem Mitglied David nachgewiesen worden . *) Ein Modell von 5 m Länge und 1,20 m Durchmesser in Eiform lief, durch zwei mittelst Uhrwerk bewegliche Schrauben getrieben , in einem Garten an vollständigen Kreis , indem es

mit

ruhigen Tagen einen

einer Geschwindigkeit von 4-5 m be

gann, die dem Ablaufen des Uhrwerks gemäss , langsamer wurde. Gegen diese Vertheidiger des Ballons traten zunächst de la Landelle, Nadar und Vicomte Ponton d'Amécourt auf, indem sie im August 1863 die Société d'en couragement pour la locomotion aérienne " bildeten, die sehr bald den Namen „ Société d'aviation " annahm . Krieg den Ballons ! " Energie ging man ans Werk.

war die Parole dieses Vereins und mit Um die Unbeholfenheit der aërostatischen

Maschine allgemein klar zu legen und gleichzeitig aber, um die Verhältnisse des Luftozeans, in dem sich nächstens die Flugmaschinen tummeln sollten , kennen zu lernen, baute er den bekannten , 6000 cbm fassenden Ballon Le Géant, der im Oktober 1863 in Hannover eine dung hatte und bei dieser schliesslich zerriss . **

höchst unglückliche Lan

Ferner trat de la Landelle mit seinem Luftschiff auf, welchem die see männische Vorgeschichte seines Konstrukteurs sehr deutlich anzusehen ist, und der Vicomte Ponton d'Amécourt ging sofort daran,

seine Idee ,

einen

Schraubenflieger, in einem sauber gearbeiteten Modell im Jahre 1865 zu ver wirklichen . ***) Es lässt sich nicht leugnen , der neue Verein fing gut an und der grössere

Theil hervorragender Gelehrter und Ingenieure auch Babinet

vom Institut, stimmte seinem Gedankengange zu und schloss sich ihm an . Nadar hatte auch sofort eine neue Zeitschrift „ L'Aéronaute " ins Leben gerufen; nach dem Erscheinen von 5 Nummern ging aber auch diese Publikation wieder zu Grunde ; die Zahl ihrer Abonnenten war nicht über 41 gestiegen . *) Vgl. L. David Solution du problème de la navigation dans l'air. Paris 1864 chez F. Henry. à terre et en l'air, mémoires du Géant. Paris 1865. chez Dentu. **) Vgl. Nadar ***) Der Apparat befindet sich gegenwärtig im Besitz des französischen Luftschiff fahrtsvereins . Er wiegt leer 2,770 kg, der Kessel hat 0,08 m öhe Hund 0.10 m Durch messer. Der Apparat ist aus Aluminium , die Cylinder sind aus Bronze . Die beiden Schrauben haben 264 qcm Oberfläche . Die Höhe des Ganzen beträgt 0,62 m . Vgl. Ponton d'Amé court. La conquête de l'air par l'hélice. Paris 1863 chez Sausset. P. d'Amé court. Collection de Mémoires sur la locomotion aérienne sans ballons. Paris 1864-67 chez Gauthier- Villars.

Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine.

5

Ausser dieser entmuthigenden Thatsache kam sehr bald noch ein anderer Das Modell der Flug Umstand hinzu, der den Eifer siech werden liess. maschine war vorhanden , aber damit war man auch zur Ueberzeugung ge langt, dass man einen Motor, wie er erforderlich war, nicht zu bauen ver mochte . So kam es, dass auch diese Gesellschaft schliesslich ein sehr be scheidenes , stilles Dasein führte, indem sie sich wöchentlich einmal in den Ateliers von Nadar oder beim Vicomte Ponton d'Amécourt vereinigte. Ein neues Leben erwachte erst, als im Jahre 1868 Dr. medicinae

Hureau de Villeneuve mit der Gründung der Zeitschrift schifferliche Welt erweckte .

L'aéronaute " die luft

Von langer Hand her vorbereitet, konnte kein

günstigerer Zeitpunkt für das Erscheinen jener Publikation gefunden werden . In

London war damals von

der unter Präsidentschaft

des Herzogs von

Argyll stehenden " Aeronautical Society of Great Britain " im Crystallpalast der Weltausstellung eine besondere Abtheilung für Luftschiffahrt eingerichtet worden . Wenn die Gefahr vorlag zunächst nicht die erforderliche Anzahl wissen schaftlich werthvoller flugtechnischer Aufsätze zu erlangen, so konnte der Raum mit den sehr eingehend von Dr. Hureau de Villeneuve selbst geschriebenen Berichten über die Londoner Ausstellung ausgefüllt werden .

Diese Berichte

mussten auf die Interessenten Frankreichs anregend wirken und zugleich sie durch das Abonnement vereinen .

auf das Blatt zu gemeinsamen Gedankenaustausch

Sich die Mitarbeiterschaft auch des Auslandes, zunächst Englands ,

zu sichern war im Hinblick auf die Zahl der Freunde der Aëronautik, so wie auf den Absatz der Zeitung eine Lebensfrage für dieselbe .

Dr. Hureau

betitelte sie daher ; „ Bulletin mensuel international de la navigation aérienne " und reiste wie angedeutet selbst nach London,

um dort auch Beziehungen

mit den massgebenden Persönlichkeiten anzuknüpfen . Ein anderer Umstand, der für das Erscheinen des L'Aéronaute gerade jetzt sehr günstig schien , war die Einführung der Vorlesungen des Dr. Marey " über den Vogelflug am Collège français. Also auch in dieser Richtung war auf eine Reihe höchst lehrreicher Aufsätze zu rechnen . Aber Alles das genügte noch nicht. Dr. Hureau betrachtete den Existenzkampf der Luftschiffahrt als

eine

kosmopolitische Bewegung und

indem er überall zur Gründung von Vereinen und zu deren Förderung anregte, gedachte er gleichzeitig sein Organ zum Mittelpunkt des geistigen Verkehrs zwischen allen Aëronautikern zu machen . Ausser der britischen Gesellschaft unterhielt er Verkehr mit den damals existirenden folgenden : Société d'aviation de Lyon, gegründet von dem Uhrmacher Michel Loup * ) ; der Aeronautical Society of New York, unter dem Präsidium von Octavius Williamson esq .; und

*) Verfasser der Broschüre Lyon, 1853.

Solution du Problème de la locomotion aérienne.

6

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer- Vereine . des Luftschiffer-Vereins in Havanna, präsidirt durch Graf de Villa nueva del Ortalizado . Hureau de Villeneuve

Vereins

durch

hoffte

auch auf das Entstehen

Hauptmann Sachs * ),

welcher ihm durch den

eines Berliner preussischen

Legationssekretär v. Bülow vorgestellt war, und versprochen hatte in dieser Richtung thätig zu sein. Für die französischen Vereine war das Erscheinen des Aéronaute eine Aufmunterung, die bald in einer regeren Thätigkeit des Vereinslebens zum Ausdruck gelangte. Aber die Pläne Hureau de Villeneuve's waren damit noch nicht vollendet . Der Zwiespalt zwischen den beiden Lagern l'air " musste aufhören .

plus léger “ und „ plus lourd que

Mit leichter Mühe gelang es ihm im Jahre 1869 die

Société aérostatique et météorologique " auf den Namen : " Société aéronautique et météorologique umzutaufen

und jenem Verein so die Möglichkeit zu gewähren , Alles, was

sich überhaupt mit Luftschiffahrt befasste um seine Fahne

zu schaaren ,

Infolgedessen löste sich die Société d'aviation auf und ging mit ihren Mit gliedern und Sammlungen in den neuen Verein über, welcher wohl aus An erkennung dieser

Selbstlosigkeit

den Präsidenten

Vicomte Ponton d'Amécourt nunmehr zu General- Versammlung am 22. Mai 1869 er nahm folgende Satzungen an:

dem

jener

seinigen

Gesellschaft machte .

den

In der

wurde der Verein constituirt und

Satzungen der Société aéronautique et météorologique . Art. 1. Die französische Gesellschaft für Luftschiffahrt und Meteorologie bezweckt die An regung theoretischer und praktischer Forschungen, die geeignet sind die verschiedenen Verwendungen der Luftschiffahrt bekannt zu machen und zu vervollkommnen , sowie das Poblem der Luftschiffahrt zu lösen. Sie vertheilt Preise bestehend aus goldenen , silbernen und bronzenen Medaillen und ehrenden Erwähnungen.

Art. 2. Die Gesellschaft setzt sich zusammen aus ordentlichen Mitgliedern, Ehren -Mit gliedern und correspondirenden Mitgliedern. Art. 3 . Die ordentlichen und die Ehren -Mitglieder haben bei den Sitzungen volles Stimm recht ; die correspondiren den Mitglieder haben nur eine berathende Stimme . Art. 4. Der Vorstand der Gesellschaft setzt sich folgendermassen zusammen : Einer oder mehrere Ehren-Präsidenten ; ein Präsident ; 3 Vice- Präsidenten ; ein erster Schriftführer ; 2 beigeordnete Schriftführer ; ein Archivar ; ein Schatz meister und aus den Mitgliedern des Prüfungsausschusses, die keines der oben genannten Aemter ausüben. *) Der Ingenieur-Hauptmann Sachs hat im Archiv für Artillerie- und Ingenieur Offiziere , Band 63 Seite 191 , eine Denkschrift über die Luftschiffahrt veröffentlicht,

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine.

7

Art. 5. Der Prüfungs-Ausschuss setzt sich aus einer Anzahl von Mitgliedern zusammen, die alljährlich auf der allgemeinen Versammlung bestimmt wird; diese können den Ehren und den ordentlichen Mitgliedern entnommen werden. Er prüft alle Prospekte , die ihm von der Gesellschaft vorgelegt werden und erstattet darüber Bericht. Art. 6. Die Mitglieder des Vorstandes werden bei der jährlichen General- Versammlung neu gewählt ; sie können wiedergewählt werden ; die Wahl erfolgt durch Majorität der Stimmen der anwesenden Mitglieder ; die Abstimmung findet durch geheime Wahl statt. Art. 7. Wenn ein Mitglied des Vorstandes aus irgend einem Grunde aus seinem Amte ausscheidet , wird bei der nächsten Sitzung für dessen provisorischen Ersatz Sorge getragen. Art. 8. Die Arbeiten mit denen sich die Gesellschaft in den gewöhnlichen Sitzungen beschäftigt sind folgende : 1. Verlesen des Protokolls der vorigen Sitzung und der eingegangenen Schrift stücke ; 2. Verlesen der Berichte des Prüfungsausschusses und der Kommissionen ; 3. Vorschläge und verschiedene Mittheilungen; 4. Berathung über die Zulässigkeit von Personen, die als Mitglieder der Gesellschaft in Vorschlag gebracht worden sind. Das Protokoll jeder Sitzung ist nach seiner Annahme unterzeichnet von dem Vorstandsmitglied , welches präsidirt hat und dem Schriftführer, welcher den betreffenden Wortlaut aufgestellt hat. Art. 9. Die gewöhnlichen Sitzungen der Gesellschaft finden dreimal im Monat statt. Die Mitglieder der Gesellschaft können zu einer ausserordentlichen General -Versammlung durch den Präsidenten einberufen werden , wenn die Mehrzahl der Vorstandsmitglieder solches für nöthig erachtet. Die Mitglieder des Vorstandes und des Prüfungscomite's unterziehen sich einer Geldstrafè falls sie ohne vorherige Absage fehlen . Die Mitglieder des Vorstandes , welche die Zahlung ihrer Geldstrafen verweigern sind als ihres Amtes entsetzt zu betrachten. Art. 10. Die jährliche General -Versammlung, zu der die Mitglieder besonders eingeladen werden , findet im Monat Mai statt ; der Vorstand unterbreitet hierbei : 1. den Bericht über die Arbeiten und die finanzielle Lage der Gesellschaft ; 2. Vorschläge für die Vertheilung von Preisen; 3. Vorschläge, welche bezüglich Aenderungen und Ergänzungen der Satzungen gemacht werden können ; die Versammlung schreitet sodann zur Wahl des neuen Vorstandes. Art. 11 . Die Gesellschaft veröffentlicht eine Zeitschrift, welche Nachrichten, Forschungen und Denkschriften über ihre Arbeiten enthält.

Art. 12. Der Beitrag der ordentlichen Mitglieder beträgt 6 Fres. jährlich ; jedes Mitglied , welches einen Betrag von 100 Frcs . bezahlt ist vom jährlichen Beitrag entbunden und erhält den Titel „ ständiges Mitglied". Art. 13. Der Schatzmeister nimmt die Beiträge der Gesellschaft an gegen Quittungen, die

8

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer - Vereine.

durch ihn ausgestellt werden ; er besorgt auch die Zahlungen, nachdem er vom Vorstande damit beauftragt ist. Art. 14 . Personen, welche der Gesellschaft beizutreten wünschen , müssen dem 1. Schrift führer ihr Gesuch schriftlich einreichen ; dieser unterbreitet dasselbe bei der nächsten Sitzung bei welcher über die Betreffenden abgestimmt wird . Wenn 2 Mitglieder es beantragen findet geheime Abstimmung statt ; für die Aufnahme sind vier Fünftel Stimmen der anwesenden Mitglieder erforderlich. Aenderungen vorgeschlagen in der General-Versammlung am 28. Mai 1870 : Art. 11 hinter die Worte „ eine Zeitschrift" ist einzuschalten : „ betitelt L'aéro naute" und am Schluss hinzuzufügen : Das Abonnement auf diese Zeitschrift ist obligatorisch für alle Mit glieder, die nach dem 28. Mai 1870 aufgenommen sind . Ueber die Art, wie man das Problem zweckmässig lösen könnte war sich der Verein nicht klar . trotz

Berichte über gewöhnliche Ballonfahrten wurden

des Adjektiv's météorologique beim Vereinsnamen

keiner Beachtung

gewürdigt ; die Lenkbarkeit war der Stern dem man nachjagte. Dazu bedurfte er natürlich des Geldes, und unter den Vorschlägen die zur Erlangung von Geldmitteln gemacht wurden, ging einer sogar auf das Halten öffentlicher Vorträge in verschiedenen Städten gegen Geld aus. Man nahm indess von diesem sich mit den Prinzipien des Vereins unvereinbaren einigte sich schliesslich, indem man einen

den Vorschlage Abstand und

Preis von 100 Francs aussetzte für die beste Denkschrift, betreffend einen Plan für die Versuche mit einem lenkbaren Luftschiff. Die Wirksamkeit des Vereins in den ersten Jahren war im Ganzen eine geringe . Hureau de Villeneuve konnte mit Recht sagen " das den Dabei aber liess er Verein am meisten ehrende Werk ist die Zeitschrift ! " durchblicken, dass er der eigentliche Besitzer und Erhalter des Aéronaute war . Der Krieg 1870/71 zerstörte auch bald die Pläne für weitere Fort schritte, unter anderen auch den einer Beschickung der Industrieausstellung zu Lyon. Wie es nicht anders sein konnte , spielte dieser nur aus Gelehrten und Erfindern zusammengesetzte Verein während des Krieges selbst eine nur klägliche Rolle, weil er den einzig praktisch verwerthbaren Theil der Aeronautik vernachlässigt hatte.

Um sich aber bei

alledem

nützlich zu

erweisen, formirte Dr. Hureau de Villeneuve als Arzt eine ambulançe de la société aéronautique de Françe. Um die Ohnmacht des Vereins zu verdecken, verstand es Dr. Hureau de Villeneuve denselben mit einem grossartigen Nimbus zu umgeben. Die Gesellschaft wurde plötzlich sekret und nahm bis zum Frieden keine Mitglieder mehr auf. Man könnte sich hier die boshafte Be merkung erlauben , dass sie wohl alle Ursache hatte, sich auch vor ihrer eigenen Regierung sekret zu halten ;

sonderbar bleibt es wohl immerhin ,

wenn man sehen muss, wie Leute, denen die erste grossartige Gelegenheit geboten wird , in ihrer Lieblingsbeschäftigung etwas zu leisten , sich in die ich thue dem Verein wohl etwas Hospitäler zurückziehen . Aber Pardon , er hatte sich zur Pflicht gemacht, besonders den verwundeten Unrecht

9

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine .

Luftschiffern beizustehen und er war grossherzig genug, den " preussischen " Luftschiffer Wells auch aufnehmen zu wollen, was er nicht verfehlte , be von Seiten der Nadar und de

sonders zu bemerken. Unter der gänzlichen Nichtachtung Regierung litten die leitenden Persönlichkeiten bedeutend .

Fonvielle griffen daher die Regierung heftig an, als sie Dupuy de Lôme, den bekannten Marine-Ingenieur, ohne den Verein zu befragen, mit der Aus führung seines lenkbaren Luftschiffes betraut hatte . Aber was half es , man hatte anfangs gefehlt und musste nun sein Loos mit Würde tragen . Jetzt,

wo fast

täglich

Niederkunft ausserhalb theil

nahmen , jetzt

der

Ballons

Paris

Machtsphäre

fehlten

kam

zum

Bewusstsein

deren

Deutschen ,

sichere

Millionen

An über

der

der

für

die Aufzeichnungen von Luftschiffern

Windrichtungen und Windstärken , und welche der Ballonpost so wesentliche Man

verliessen ,

ebenso andere Beobachtungen , Dienste hätte leisten können .

fehlerhaften

Schritte

und

Hureau de

Villeneuve war wiederum der Erste , welcher richtig einzulenken versuchte , indem er mit Unterstützung des Unterrichts-Ministeriums öffentliche Vor träge über Statik und Dynamik der Luft und des Gases hielt,

welche

den

Luftschiffern eine Art theoretische Grundlage sein sollten, für den heutigen Leser indess auch nichts bieten, was für die Praxis dieses Berufs mit Be zug auf solche Vorbildung von Nutzen gewesen wäre .

Man muss hier Nach

sicht walten lassen .

Ballon

Dass Dr. Hureau irgend einmal

gefahren

sei ,

lässt sich nirgends herausfinden und herausfühlen ; kein Wunder also, wenn auch jene Vorträge in ihrem Effekt

aus dem

bescheidenen Rahmen eines

guten Willens hicht heraustraten . Die Belagerung von Paris erwies sich in der Folge als ein mächtiger Faktor für die innere Umgestaltung des Vereinslebens . Der Verein sollte. jetzt das werden , was er während des Krieges hätte sein sollen , eine wirksame Stütze für das Land. Die kosmopolitische Richtung wurde ge strichen und musste

ganz der nationalen Platz machen,

die freilich

im

Aéronaute äusserlich international zu bleiben versuchte , wohl auch, um sich die daraus ergebenden Vortheile des gegenseitigen internationalen Ideenaus tausches nicht entgehen zu lassen. Mit Deutschland wurden indess die wissenschaftlichen Beziehungen gänzlich abgebrochen , weil, wie die Redaktion des Aéronaute sich aus drückte, " die Deutschen sich als Räuber gezeigt haben und besonders die deutsche Wissenschaft das gefährlichste und thätigste Werkzeug des Er oberers gewesen sei. Der Major Sachs wurde aus der Liste der korrespondirenden Mitglieder des Vereins gestrichen .

Ich darf wohl hier einschalten , dass bei uns keiner

durch diese Stellungnahme der Gesellschaft getroffen

wurde,

hatte sich demnach auch selbst keines Vortheils zu begeben.

und letztere Ein deutscher

Verein existirte damals noch nicht , und die Sache selbst lag in Frankreich noch so im Argen, dass von dort Niemand von uns Bedeutendes hätte lernen

Ε

10

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine.

können .

Merkwürdigerweise glaubte man

damals

Berlin ein Verein unter dem Präsidium eines

in Paris,

es

existire in

gewissen Backhaus,

der ,

der Aéronaute uns berichtet , durch den Staat mit Geld unterstützt sei.

wie

worden

(Es würde uns gewiss interessiren , Näheres hierüber zu erfahren . ) Während der Belagerung hatten sich nun eine Reihe von Mitgliedern

der Akademie

der Wissenschaften

schäftigen müssen .

Theilweise

mit der Luftschiffahrt unfreiwillig be

mögen diese nun ein Interesse

wonnen haben, theilweise mögen sie

höhere Gesichtspunkte

dafür ge

zu der Noth

wendigkeit einer weiteren Ausbildung der Aëronautik verleitet haben , kurzum es vollzieht sich auch eine Umwandlung in der Stellung des Vereins zum Institut. Professor Janssen tritt dem Vereine bei . Hervé Mangon stellt ihm

die

école pratique des ponts

suche zur Verfügung, ordentliche

Mitglieder nur solche

ihres Wissens

und

et

die Satzungen

chaussées werden

für meteorologische Ver

dahin

abgeändert,

aufgenommen werden,

welche

ihrer Vaterlandsliebe geliefert haben .

als man zur Statutenrevision

dass

als

Beweise

Im März 1872 ,

schritt, auf Grund deren der Staat

um An

erkennung des Vereins als einer „ Société d'utilité publique " ersucht werden sollte, zählte dieser 52 ordentliche und 46 aggregirte Mitglieder. Der Aus schuss, welcher mit der Bearbeitung der neuen Satzungen beauftragt war, nahm indess so durchgreifende Aenderungen vor, rüber in Verfall

gerieth .

Mir

dass die Gesellschaft

erscheint das letztere

absichtlich

da

herbei

geführt, weil mit der Zeit in die " société aéronautique et météorologique

Ele

mente hineingekommen waren, welche dem Fortkommen ihrer Bestrebungen nicht dienlich

sein konnten .

Die

tüchtigeren Mitglieder

wie

Hureau de

Villeneuve, Crocé Spinelli , Frion etc. , traten aus und bildeten am 12. August 1872 die

Société française de navigation aérienne “ .

Zunächst traten nur 17 Mitglieder zusammen ; wir wollen nicht unsere Mitgliederzahl vergrössern, um uns

dadurch Gelder

Hureau de Villeneuve, im Gegentheil,

zu

verschaffen , sagte

wir wollen uns beschränken und nur

Leute von wissenschaftlicher Bildung aufnehmen ,

wir wollen

punkt für ernste Arbeit bilden , eine höhere Schule , in schiffahrt theoretisch und praktisch studiren kann .

einen Mittel

der man die Luft

Die alte „ Société aéro

nautique et météorologique die mehr Künstler und Erfinder als Gelehrte zählte und darunter horribili dictu sogar Mitglieder besass, die an ein Fliegen des Menschen glaubten, Namen und

löste

sich ebenfalls auf bezw.

nahm

sie

wieder

Mission der von Dupuis Delcourt 1852 gegründeten „ Société

aérostatique et météorologique “ an . Die ganz offenbar mit den höchsten Kreisen in Fühlung befindliche „ Société française de navigation aérienne

bewegte sich anfangs unter Leitung

des noch jungen Ingenieurs Crocé Spinelli nicht in den richtigen Bahnen . Zwar herrschte eine emsige Thätigkeit, aber letztere zersplitterte sich zu sehr in die verschiedenen Abtheilungen der Luftschiffahrt. Man beschäf

Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer Vereine.

11

tigte sich mit dem Vogelflug, mit leichten Motoren, dem Luftwiderstand , Luftschrauben und Fesselballons . Praktiche Versuche machte Renoir mit einer Luftschraube von 4,5 m Durchmesser, die er auf einer Decimal wage vertikal stehend angebracht und ausbalancirt hatte. Versetzte man diese in Rotation , so ergab sich bei 2

bis

/ Touren pro Sekunde eine Hubkraft von 12 kg.

Bezüglich der Fesselballons waren zwei Richtungen vorhanden.

Giffard

konstruirte grosse Ballons zu geschäftlichen Zwecken, Saco projektirte kleine , nur 200 cbm grosse, für die militärische Verwendung.

Man hatte diese An

gelegenheit im Jahre 1873 bereits so weit klar gelegt, dass fragenden Comite

man dem an

der Wiener Weltausstellung auf dessen Ersuchen

zwar allgemeine, aber doch hinreichend konnte .*)

orientirende Instruktion

eine,

überweisen

Alle diese Arbeiten waren gewiss recht nützlich für die Orientirung des Einzelnen und der Gesammtheit, vermochten aber einen praktischen Bei weiterem Fortschreiten der Nutzen für den Staat nicht abzuwerfen . Dinge in dieser Weise hätte bei einem zukünftigen Kriege die Gesellschaft noch genau eine ebenso klägliche Rolle gespielt, wie 1870/71 . Diesem Lauf der Dinge musste um so mehr Einhalt gethan werden , als man Wind davon bekommen hatte, dass in Berlin von Staatswegen Versuche mit Luft ballons gemacht waren. Professor Janssen, welcher im zweiten Jahre zum Vorsitzenden gewählt wurde, war der erste richtige Mann , welcher die Vereins- und Staatsinteressen zu amalgamiren verstand, und der zur blühenden Entwickelung der Gesellschaft den Grund legte, dadurch , dass er die Arbeit der Mehrzahl ihrer Mitglieder in gesunde Bahnen lenkte . Die Gesichtspunkte, nach welchen er den Verein leitete, waren folgende : 1 ) Der Verein muss die militärischen Fragen vorbereiten und hier mit dem Ministerium dienen. 2 ) Er muss sich mit der Meteorologie befassen , mit dem Luftozean , als Grundlage für das Problem der lenkbaren Luftschiffe , die selbst noch lange Zeit hätten . 3 ) Es muss die technische Aëronautik ins Auge gefasst werden , an welche sich die Studien über Vogelflug und über die Lenkbarkeit anschliessen könnten . Die Einwirkung Janssen's war eine ganz wunderbare . Beziehungen

mit der meteorologischen Gesellschaft

vatorium

Montsouris ,

zu

woselbst

Dr.

Renou

seit

Sofort wurden

und mit dem Obser geraumer Zeit

einen

*) Es dürfte den Leser interessiren, hierbei zu erfahren, dass Giffard mit seinem Fesselballon im Jahre 1867 innerhalb von 20 Tagen 97 000 Frcs. eingenommen hatte ; der Platz kostete 20 Fres. pro Person . Die Kabellänge betrug ca. 300 m . Dem Comité in Wien schlug man vor, einen Wasserstoffgasballon zu 4000-5000 cbm zu bauen ; das hierzu erforderliche Kapital wurde auf 100 000 Gulden veranschlagt. Vgl. Aéronaute 1873 , pag. 50,

12

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer- Vereine.

kleinen

Luftballon

mit

Registrir - Instrumenten

unterhielt ,

angeknüpft .

Nach gemeinsamen Berathungen mit diesen unternahmen am 26 , 9. 73 Crocé Spinelli, Penaud , Jobert , Dr. Petard und Sivel Fahrt in dem Étoile

die

erste

wissenschaftliche

polaire, einem Ballon von 2800 cbm Fassung.

gerüstet mit den besten Instrumenten, konnten sie bei der

Aus

eine Höhe

von

4700 m erreichenden Fahrt zahlreiche und werthvolle meteorologische

und

physiologische Aufzeichnungen der Stein kam ins Rollen ,

die

niederschreiben .

Aber damit nicht genug,

gefahrenen Mitglieder überboten

sich nun

mehr in technischen Verbesserungen des Ballonmaterials und der In strumente, und brachten eine Reihe theils recht erfreulicher Gedanken und Arbeiten hervor . * )

Janssen verstand es ,

die Freudigkeit des Schaffens

weiter zu reizen ; er stiftete eine goldene Medaille für die beste Arbeit über aërostatische Meteorologie . Auch die Akademie der Wissenschaften schien sich für den Verein zu erwärmen, denn eine stattliche Reihe ihrer Mit glieder trat demselben bei, und als eine Preisaufgabe stellte sie das Thema ; ,,Donner une théorie mathématique du vol des oiseaux ". So konnte Janssen als er im 3. Vereinsjahre seinem Nachfolger , dem Meteorologen Hervé Mangon** ) die Leitung abgab mit vollem Rechte behaupten, der Verein entwickele sich schnell und befände sich in den günstigsten Ver hältnissen. Er zählte im Januar 1874 , 89 Mitglieder, darunter befanden sich die Physiologen Prof. Marey , Pettigrew , Paul Bert, der Anatom Prof. Harting , der Chemiker Bertholet ; ferner Glaisher und de Fonvielle *** ). Hervé Mangon suchte das Geschaffene weiter zu entwickeln .

im Geiste

seines Vorgängers

Von Bedeutung wurde zunächst die Fertigstellung der Vereinssatzungen und der Geschäftsordnung und deren Genehmigung durch den Unterrichts minister (am 12. 12. 1873). Die Satzungen sind fein durchdachte . die Luftschiffahrt zu fördern , guten Willen geben.

durch

nicht

Man liess es bei dem Vorsatz,

allein bewenden ,

sondern suchte dem

Anreizen des Ehrgeizes einen treibenden Sporn zu

In der Aufnahme der Mitglieder wurde grosse Vorsicht beobachtet .

Die Einführung einer Aristokratie des Geistes dadurch, dass nur solche Mit

*) Erwähnt seien hier : Crocé Spinelli's Sonden, Sivel's Ventil und Reiber, Penaud's Reiber und Luftschiffertafeln, sowie seine Arbeit über „ Die Theorie des Anhaltens be wegter Massen " , Joberts Ankersack und Vorschläge, um das Drehen des Ballons zu ver hindern , um ein Steigen und Fallen ohne Ballastverbrauch zu bewirken und schliesslich sein Vorschlag eines Ersatzes für das Ventil, vgl. L'Aéronaute 1873, 1874. **) Charles François Hervé Mangon wurde zu Paris am 31. Juli 1821 geboren . Er besuchte die polytechnische Schule von 1840-1842 und trat dann in die école des ponts et chaussées ein. 1867 wurde er zum Offizier der Ehrenlegion ernannt, 1872 wurde er Mitglied des Instituts , 1878 Kommandeur der Ehrenlegion, 1880 Direktor des Conser vatoire des arts et métiers und 1887 Vicepräsident der Akademie der Wissenschaften. ***) Es sei mir gestattet, hierbei besonders darauf hinzuweisen, wie sehr die Spitzen der französischen Wissenschaft die Thätigkeit in der Luftschiffahrt zu ermuntern suchen .

Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer- Vereine .

13

glieder stimmberechtigt werden konnten, welche eine die Aeronautik be treffende wissenschaftliche Arbeit vorgelegt hatten, war gewiss geeignet, bei strenger Handhabung der betreffenden Vorschriften, dem Verein stets eine achtunggebietende Stellung zu erhalten . Am 22. 3. 1874 (vgl . Aéronaute mai 1874 ) konnten die Mitglieder Crocé Spinelli und Sivel eine wissen schaftliche Ballonfahrt unternehmen , welche sie bis zu einer Höhe von 7300 m hinaufführte . Bert

hatte

Sorgsam war diese Fahrt vorbereitet worden ;

mittelst

eines

besonderen

Apparates umfangreiche

darüber angestellt, in welcher Weise die Luftverdünnung

Paul

Versuche

auf den mensch

lichen und thierischen Organismus einwirkte und welche Mittel zur Ueber windung schädlicher Folgen zu brauchen wären. Die beiden Luftschiffer waren hierbei einem Drucke bis zu 23 ctm ausgesetzt worden und vermochten sich durch Einathmen einer Mischung von Luft und Sauerstoff hinreichend wohl darin zu erhalten. *) Sivel und Crocé Spinelli verblieben 13/4 Stunden in einer Höhe von über 5000 m und konnten feststellen , dass hier die Ein wirkungen der Luftveränderung sich fühlbarer machten , als im Laboratorium Paul Bert's. Zwischen 4000 und 6000 m mussten sie beständig die Luft säcke mit 40 pCt.

Sauerstoff zum Einathmen benutzen und über diese

Höhe hinaus die Mischung mit 75 pCt. Sauerstoff, wenn sie nicht Gefahr laufen wollten , in Bewusstlosigkeit zu verfallen . Ihr Puls stieg dabei von 80 auf 140 Schläge . Derartige Resultate waren wohl geeignet, zu weiteren Forschungen zu ermuthigen ; die mit den Fahrten verknüpften Unkosten vermochten indess nicht vom Verein bei seiner geringen Mit gliederzahl aufgebracht zu werden . Höchstwahrscheinlich in der Absicht, hierfür

Abhülfe

zu

schaffen,

führte Hervé Mangon die Abhaltung einer Festsitzung am 27. November 1874 herbei, bei welcher Gelegenheit

er vor einem auserwählten Publikum von

700 Personen für die Unterstützung des Vereins Propaganda machte. Der that sächliche Erfolg dieses Unternehmens scheint aus dem plötzlichen Anwachsen der Mitgliederzahl, sowie aus den späteren umfangreichen Versuchen hervorzugehen. Nebenbei liess aber der Vorstand sein militärisches Programm nicht ausser Acht. Eine Reihe Mitglieder hatte sich mit dem Fesselballon beschäftigt und eines, der unermüdliche,

fleissige Penaud, hatte

die Mittel

zur Ausführung seines Systems bewilligt erhalten , welches der Regierung angeboten werden sollte. Um jene Zeit nämlich plante das Kriegsministerium bereits

die Berufung einer Kommission

führung der militärischen Luftschiffahrt.

zur Prüfung

der Frage der Ein

Der Verein musste seiner Aufgabe ,

nach seinen Kräften der Heeresverwaltung vorzuarbeiten, durch etwas Greif bares gerecht werden. treten.

Auch der Frage der Montgolfieren wollte man näher

Dr. Hureau forderte dazu auf,

eine praktische Unterweisung über

die Anfertigung und Verwendung von Warmluftballons zu verfassen , deren militärische Verwerthung vielfach besprochen wurde. *) Vergl. Aéronaute 1874, pag. 276 u. 1875 .

14

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer- Vereine. Ueber die sich selbst gestellten Grenzen

sellschaft schritt man hinaus,

einer wissenschaftlichen Ge

indem man heroische Leistungen von Luft

schiffern bezw. Thaten selbstaufopfernder Hilfeleistung gefährdeter Aëronauten mit Medaillen auszeichnete . Ersteres wurde damit begründet , dass der Verein auch

ein Mittel-

schiffer, sein wollte,

und Stützpunkt, selbst für den niedrigsten Luft

der in

allen

Unterstützung finden würde .

Fällen bei ihm

Anregung,

Hilfe

und

Durch diese Verkündigung, welche mit einer

Austheilung von Medaillen an derartige Leute verknüpft wurde , breitete der Verein in der That seine Fittiche über die zahlreiche Schaar der Gewerbeluftschiffer aus ; gewisse Einwirkung

meine Vermuthung,

er bezweckte damit , eine

auf die Stellung und Ausbildung

dieser Leute

erhalten, scheint mir durch die später gegründete Schule eine stätigung zu erfahren . verständniss

zu

gewisse Be

Dass Alles das auf Anregung oder mit stillem Ein

der Regierung

geschah, beweisst

Thatsache einer Geldunterstützung, Staatswegen zu erfreuen hatte .

wohl

am Deutlichsten die

welcher sich zur Zeit der Verein von

Der unermüdliche Hervé Mangon sorgte weiterhin für eine Sub skription zur Inangriffnahme von zwei neuen wissenschaftlichen Fahrten , von denen eine, eine solche von langer Dauer und in annähernd gleicher Durch Aufforderung Höhenschicht, die andere eine Hochfahrt sein sollte . verschiedener

wissenschaftlicher Gesellschaften , sowie vieler Gelehrter zur

Betheiligung an diesem Unternehmen gelang es ihm bald , die Mittel hierzu zusammen zu bringen . Die erstere Fahrt fand am 23. und 24. 3. statt .

Es betheiligten sich

daran der Luftschiffer Sivel, der Ingenieur Crocé Spinelli, G. Tissandier, Chemiker, A. Tissandier, Architekt und Jobert, Mechaniker. Die Abfahrt fand Abends

620 Uhr statt in dem 3000 cbm

fassenden Ballon Zenith. *)

Die mitgenommene Ausrüstung bestand ausser mehreren Barometern , Thermo metern ,

Hygro- und Psychrometern ,

Bussolen, Ferngläsern

und Lupen

in

Davy'schen Lampen , 2 guten Spektroskopen , einem Elektroskop mit 200 m langem Kupferdraht, einem Visirinstrument von Penaud, einem Apparat zur Absorption

von Kohlensäure ,

konstruirt von Hervé Mangon u . Tissandier,

ferner in einem von Sivel erfundenen sehr feinen Schlepptau , welches , auf dem Boden schleifend , die Drehungen des Ballons verhindern sollte.

Sivel hatte

auch noch zwei Ballonsonden mitgenommen , deren eine 400 m über, die andere ebensoweit unter dem Korbe schweben sollte . Schliesslich sei noch eines

sehr

empfindlichen

Anemometers

von Crocé Spinelli und Sivel Er

wähnung gethan. Der Ballon verblieb zwischen 700 und 1100 m ; man konnte oben eine grössere Wärme als unten feststellen,

machte

eine Reihe

weiterer werth

voller Beobachtungen, wie Zunahme des Kohlensäuregehaltes

*) Vgl . Aéronaute 1875 , pag . 140.

der Luft mit

Zur Theorie des Fluges .

der Höhe etc , und landete endlich plaisir in der Gironde . Bald darnach,

am

15. April ,

15

am 24. Nachmittags

5 Uhr bei Mon

unternahmen Crocé Spinelli, Sivel und

G. Tissandier die sorgfältig vorbereitete Hochfahrt,

welche bekanntlich so

unglücklich mit dem Tode der beiden ersteren kühnen Forscher enden musste. Der Fehler, welcher die Kohlensäure- Vergiftung der beiden zur Folge hatte ,

ist der Mitnahme einer zu geringen Masse von Sauerstoff und der

durch die nächtlichen Vorbereitungsarbeiten erfolgten Schwächung und Er müdung in der Körperconstitution von Crocé Spinelli und Sivel zuzuschreiben . Die Luftschiffer sparten sehr mit dem Verbrauch

des Sauerstoff- Vorrathes

und gingen andererseits, um zum Ziel zu gelangen, auch wohl zu schnell in die Höhe . So verfielen sie schliesslich dieser verhängnissvollen , zum Tode führenden Ohnmacht.

Nur

G. Tissandier überstand und konnte uns von

dieser schrecklichen Fahrt Bericht erstatten .

Die erreichte Höhe schätzte

er auf 8000 m (280 mm) .

des

Das entsetzliche Ereigniss verfehlte nicht auf die weitere Thätigkeit Vereins lähmend einzuwirken. Ein Schmerzensruf ertönte durch die

gesammte wissenschaftliche und gebildete Welt . Aber beim Weinen konnte man nicht verharren .

Nachdem sofort in

umfangreicher Weise eine Sammlung für die Hinterbliebenen in die Wege geleitet war, die, Hervé Mangon Einen

wahrhaft

nebenbei bemerkt, 93 000 Frcs . zusammen brachte, rief

seinen Kämpfern

ermuthigend

das Wort „ Vorwärts ! " zu .

schönen Abschluss hatte das Leben Crocé Spinelli's noch

dadurch gefunden , dass dieser als ein Betheiligter an der von der Akademie gestellten Preisaufgabe über die mathematische Theorie des Vogelfluges sich mit einem Theilpreis den Lorbeer errang.

Allerdings war dem Aermsten

nicht mehr

die Freude vergönnt gewesen, diesen Ruhm zu erfahren .

ihm sowohl

wie mit Sivel gingen für die Entwickelung

Mit

der Luftschiffahrt

im Allgemeinen, und für den Verein im besonderen, zwei wackere , tüchtige Männer verloren .

Ihr Angedenken wird jederzeit geehrt werden .

Wenngleich der Verein

durch

die Beleihung des Hauptantheils

am

Preise an Penaud für die beste Lösung der eben angeführten Aufgabe be deutend ausgezeichnet wurde * ) , so vermochte dies doch lange Zeit hindurch nicht den Eindruck des überkommenen Unglückes zu verwischen .

(Schl . f.)

Zur Theorie des Fluges. Von K. Fuchs (Pressburg) . Allgemeine Formeln über den Flug lassen sich leicht aufstellen .

Wir

wollen annehmen, dass ein ideeller Vogel horizontal mit constanter mittlerer Geschwindigkeit gradlinig fliegt, wobei ein Flügelschlag (d . i . ein Nieder *) Der Preis wurde getheilt : 2000 Frcs. erhielt Penaud, 1000 Fres. Crocé Spinelli und Hureau de Villeneuve für eine gemeinsame Arbeit.

Zur Theorie des Fluges.

16

schlag und ein Aufschlag der Flügel) dem andern vollkommen gleicht . Die Richtung des Fluges bezeichnen wir mit x, die Verticale mit z, die Trans versale mity.

In jedem Momente wird der Luftdruck auf jedem Flügel

eine Resultante

schaffen, welche

bildet ;

Flügel um eine gewisse Axe bildet

mit den drei Axen

er schafft ferner in jedem Momente

die Winkel a, B, T

ein Kräftepaar ,

zu drehen strebt.

welches

den

Die Axe des Kräftepaares

mit den Hauptaxen die Winkel a¹ , 3 , 7¹ .

Wir werden zuerst

die

Resultanten, dann die Kräftepaare in Rechnung ziehen .

Die Resultante R liefert die drei Componenten X = R cos a Y - R cos B 2 = R cos 7. Die Componenten Y liegen stets rechts und links einander und heben somit einander auf. nenten X und Ź zu betrachten .

symmetrisch

zu

Wir haben also nur die Compo

Die Componente Z schafft im Vogelkörper von der Masse M und dem Gewichte P in jedem Momente die Bewegungsmenge

M dv,

Z dt.

Gleichzeitig schafft aber die Anziehung der Erde die Bewegungsmenge M dv₂

P dt = gMdt.

Während ponente Z,

eines Flügelschlages

welche

von der

Dauer T schafft

sich von Augenblick zu Augenblick

die Com

natürlich

ändert ,

nachdem die Flügelbewegung sich fortwährend ändert, die nach oben ge richtete Bewegungsmenge t=

mi

T

Zdt

0 während die Anziehungskraft der Erde gleichzeitig die nach unten gerichtete Bewegungsmenge m2 schafft.

PT

Wie wir später noch genauer sehen werden

bleibt der Vogel

schweben oder bewegt sich vertical mit constanter mittlerer Geschwindigkeit , sei es nach oben oder sei es nach unten, wenn er durch einen Flügelschlag keine Bewegungsmenge gewonnen oder verloren hat. Es muss also gelten == M2 m1

oder •t

PT

Τ

Zdt ~~~ 0

Das Gewicht, welches

durch eine gewisse Form des Flügelschlages

schwebend erhalten wird , ist also

Zur Theorie des Fluges .

17

T Zdt

P

T 0

t •S

1

R cos dt T

0 Auf ganz analoge Weise finden wir, dass die Bewegungsmenge, welche die X- Componente dem Vogel

in positiver Richtung

(nach rechts ) gibt,

gleich sein muss der negativen Bewegungsmenge, welche der Luftwiderstand erzeugt, wenn die mittlere progressive Geschwindigkeit constant bleiben soll . Es muss also gelten

•T

T

Xdt

Qdt

0 Wenn wir den Luftwiderstand constant sein lassen, dann lautet die Formel T Xdt

QT

oder der überwundene Luftwiderstand ist

T Xdt T S R2 ist, so ist es vortheilhaft, wenn Yo ist , weil е

Da

+ y² + Z²

dann X und Z grösser ausfallen . Wir gehen nun auf die Betrachtung der Flugarbeit über.

Der Flügel

bewegt sich im Allgemeinen nicht in der Richtung der Resultante R; wohl aber hat seine Bewegung notwendig eine Componente der Resultante ent gegen,

da ja der Luftwiderstand nur entgegen einer Bewegung stattfindet.

Der Flügel leistet also Arbeit .

Wenn die Bewegungsrichtung des Flügels

mit der Richtung der Resultante den Winkel

bildet, und die Geschwindig

keit des Flügels ist w , dann ist die Arbeit, welche der Flügel in der Zeit dt ausführt, gleichadt = Rw cos dt. Die Gesamtarbeit während eines Flügel schlages ist also

T

•T adt

Rw cos

dt

0 Die Flugarbeit per Secunde oder die mittlere Arbeit ist dann T 1 a dt A

୮ Ro cos dt

2

T

Zur Theorie des Fluges .

18

Endlich wollen wir die mittlere Fluggeschwindigkeit berechnen . Irgend ein Punkt des Flügels bewege sich mit der Geschwindigkeit

in

einer

Richtung, welche mit der z-Axe den Winkel , bildet, so dass sein hori zontaler Fortschritt gleich uv cos ist. Dann ist der Weg, welcher während eines Flügelschlages von dem Flügelpunkte zurückgelegt wird, gleich

T

7

vcos eidt

udt

Dies ist zugleich der vom Vogelkörper zurückgelegte Weg .

Der mittlere

Weg per Secunde oder die mittlere Geschwindigkeit des Vogels ist also

T 1 20

undt

V₁

T

T I

v cos adt T 0 Endlich ist der Weg ,

den

der

Vogel

während

verticaler Richtung nach oben zurücklegt, falls bahn mit der r-Axe ist

•T

eines

Flügelschlages in

der Winkel der Flügel

T

dt oder vcos dt for & foratt Die mittlere verticale Geschwindigkeit ist also T

l3

v cos 23 dt Sense Τ

1 13 di Andr

Wir können auch annehmen, dass die Bewegung des Flügels in einer gebrochenen Bahn, und in jedem Bahnelement mit constanter Flügelstellung und Geschwindigkeit erfolgt.

Dann können wir unsere Formeln folgender massen schreiben, wenn At + Aty + åtz + ... At S T ist

ZAt

P

YXAt

At

Last A

Q

At

V₂

getragene

Gewicht

ist

das

At

At

Alle vier Ausdrücke geben harmonische Mittel . Das

SpgAt

Sp, St

V₁ At

In Worten lauten sie :

harmonische

Vertical componenten des Luftdruckes . Der überwundene Luftwiderstand

ist

das

Mittel der Horizontal componenten des Luftdruckes .

Mittel der

harmonische

Zur Theorie des Fluges .

19

Die Flugarbeit per Secunde ist das harmonische Mittel der Theilarbeiten . Die mittlere progressive

Geschwindigkeit

ist das

harmo

nische Mittel der Theilprogressionen eines beliebigen Punktes . Die mittlere Erhebungsgeschwindigkeit ist das harmonische Mittel der Theilerhebungen eines beliebigen Punktes. Der Klarheit wegen wollen wir hier eine Untersuchung über die Be wegung des Vogelkörpers nachholen. Durch die Zeit , soll auf die Masse M die Kraft p₁

nach oben,

sodann durch die Zeit t

die Kraft

nach

unten wirken . Die -Action und die p -Action wechseln fortwährend ab. Erstere schafft die Bewegungsmenge + Mv, +4 , letztere aber die Be Periode schafft also keine Eine volle Mv wegungsmenge Mupata. Bewegungsmenge , dann ist auch

wenn Mu, -Mv₂- M (vv )

o ist,

V2 also v₁v

piti = pats Pit₁ Wenn Mam Beginne einer Periode die negative Geschwindigkeit dann ist der Weg, den M in der Zeit

- u hat,

zurücklegt , gleich

,2 SI == - ut, + 1/2 p₁4 M

Für u

1

Pit M

wird so, d . h. M kehrt an den Anfangspunkt zurück,

nachdem es eine Schwenkung nach unten ausgeführt hat . digkeit ist dann 71

Die Endgeschwin

ールート か M

かた iti + Pil 1/2 PPil i M M Piti = / 2 M + 1 Also hat M seine Geschwindigkeit umgekehrt.

Wann war die Geschwin

digkeit gleich Null , d . h . wann hat M zu steigen begonnen ? schwindigkeit nach der Zeit haben wir

Für die Ge

u + pit ༡ - . -M 4 1 0 Piti ――― 1/2 + M M

か /24 + 1) M (-1 Diese Geschwindigkeit ist gleich Null für in der Tiefe

=

½t .

Dann befindet sich M

s = —- ut + 1/₂, p₁ 1² M かだ itit P / 1 +1/2 AL M 2*

Zur Theorie des Fluges .

20

= 1 /₂Pit M (-4 + 1) Für

12t

wird hieraus

/ 1

51

4 ( 4 + 1/24 2M Pit₁2 1/8 M

Dies ist die äusserste Elongation nach unten . Auf ganz analoge Weise finden wir, dass M in der Zeit 1/2 ta bis zur

Höhe T emporsteigt,

darauf umkehrt,

Pat22 + 1/8 M

und am Ende der Periode wieder mit der

Geschwindigkeit

1/2Pata M Da aber piti pete ist, so ist ve V2

im Anfangspunkte eintrifft . ersehen hieraus ,

dass M in der Zeit t₁t

V₁.

eine Schwankung von

Wir der

Amplitude g 3 8 M (1 + to == 1/14 4 ) =- 45Р (pu² + pitc ) ausführt, dass also M in demselben Niveau schwebend bleibt . 1½Piti (0) u = - -/ M ist, dann wird sich M in der Zeit ti u

to um

Wenn

(t + t2) senken ; wenn

かな 1/21 / 1 ₂pit M +o

ist , dann wird sich M in der Zeit tit deutet also

um + o (to + t2) heben .

1 = 1/2piti M

Es be

u

die mittlere verticale Geschwindigkeit des Vogels .

Hierbei bedeutet u die

Geschwindigkeit am Anfange einer Periode. Die entwickelten Formeln wollen wir auf concrete Beispiele anwenden . Da wir doch nur approximativ rechnen können , so erlauben wir uns diejenigen Approximationen , welche uns am bequemsten sind . Wir denken uns also den Flügel als eine ebene Fläche von constanter Grösse .

Als Widerstands

gesetz nehmen wir an No², wobei N den auf die Flügelfläche normal stehenden Luftdruck , den Normaldruck bedeutet , o die Normalge schwindigkeit

(d . h. die Geschwindigkeit, mit der der Flügel sich unter

Ueberwindung des Luftwiderstandes in der Richtung seiner Normale bewegt ) bedeutet, unabhängig davon , ob der Flügel auch noch eine Tangential geschwindigkeit (parallel zu sich selbst) besitzt ; endlich ist der Pro portionalitätsfactor, welcher mit der Grösse des Flügels wächst. Wir schreiben. dem Vogel am besten nur einen Flügel zu .

Zur Theorie des Fluges.

Wir betrachten zuerst den Fall,

21

dass der Flügel horizontal liegt, mit

der Geschwindigkeit o durch die Zeit t, vertical nach unten sich bewegt, dann eingezogen und ohne Ueberwindung eines Widerstandes in der Zeit 2 in seine ursprüngliche Lage zurückgebracht wird . Dann haben wir Z N= 70² und Ziti + Z2t2

post + o ti + te

P ti +12

oder wenn wir schreiben

ti

tz T2

t₁ tit te

t2 + te

haben wir auch

P PN

N=

402

TI Der Flügeldruck muss also notwendig grösser sein, als das Gewicht des Vogels . Er ist der relativen Dauer des Niederschlages umgekehrt proportional. Die mittlere Flugarbeit per Secunde ist, da Flugarbeit nur beim Nieder schlag geleistet wird ,

Noti A

71 No ti + te

Mittelst der Gleichung P

7170372 N

TV finden wir hieraus A

Po

PVP T

Bei einem gegebenen Körpergewicht ist also die Flugarbeit um so kleiner, je grösser der Flügel und je kürzer die Zeit te des Aufschlages ist. Von besonderem Interesse ist die Flugarbeit, welche per Secunde auf die Gewichts einheit des Vogels fällt. Man könnte sie Kiloflugarbeit nennen. Sie ist

A a =

Р =V T1

Sie ist also um so grösser, je grösser das Gewicht des Vogels ist . Wir wollen nun die

vertikale Oscillation des Vogelkörpers

eines Flügelschlages berechnen .

während

Wie wir gefunden haben ist derselbe

1 0 == 8.11 (P₁ t₁² + pɔtɔ² ) P.22 wobei Pi und P₂ die alternirenden Kräfte sind . N--P und P == P.gMP, also

g PP) (N && [(N ) t2 + Pt ³ ] 8P Wenn wir daraus A bestimmen und in O einsetzen er 0

Nun ist P

N.

halten wir

wenn wir

In unserem Falle ist pi

0 = & t₂ (t₁ + t₂) 8 = 7 setzen, dann ist to -

Zur Theorie des Fluges.

22

0 = 87272 8 Die Oscillationsweite ist also um so grösser je länger relativ der Aufschlag dauert und je grösser die Dauer 7 eines Flügelschlages ist .

Sie ist von der

Masse des Vogels , von der Grösse der Flügel , vom Flügeldruck etc. unab hängig. Die Flugarbeit per Gewichtseinheit haben wir gefunden a = VP 13 Wenn ein zweiter Vogel linear die gleiche Form hat,

-mal grösser dimensionirt ist, aber genau

wie der erste Vogel,

dann ist seine Masse

3 - mal

grösser, die Flügelfläche aber nur n -mal grösser . Die Flugarbeit per Ge wichtseinheit wird also bei einem -mal grösser dimensionirten Vogel -mal grösser sein. Dieses Resultat hat natürlich gar keinen quantitativen Werth . Ein zweiter Flugtypus besteht darin , dass der Flügel ohne seine Lage und Grösse zu ändern zuerst mit der Kraft N w in der Zeit

über die Strecke

und der Geschwindigkeit z gehoben wird .

und

der Geschwindigkeit

gesenkt und dann mit der Kraft N,

in der Zeit t

über

dieselbe Strecke / wieder

Wir haben dann nach der Hauptformel, nachdem N½ negativ ist - Not P N₁t, ti + ti

h = Witi

N ==7w12

t₁ = h√ also

h

N₁ = 2022

W2t2

to

nV

Dies eingesetzt erhalten wir IM

Р

-1 N

VN IN IN + 1 N

Die getragene Last ist also um so grösser, je grösser die Differenz der Kräfte ist. Die Hauptsache ist, dass auf diese Weise werden kann. Für die Arbeit erhalten wir A

überhaupt geflogen

1, a₁ + ta 4 N 20+ N w t₁ + to 476 h (N₁ + N₂) IMIN

h 4V3

1? N₂

Die Flugarbeit ist also um so grösser , je grösser die Kräfte und je kleiner die Flügel sind. Die Kiloarbeit ist

A P

1

I N + 1 N₂

TRIN - IN,

Sie ist um so kleiner, je grösser die Differenz der Kräfte und je grösser der Flügel ist.

(Schluss folgt. )

23

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung .

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung . *) Von Rudolf Mewes. I. Um zunächst die Prioritätsfrage betreffs des Beweises, dass elektrischen Erscheinungen die Folge elektrischer Wellen sind , hier zu

die er

ledigen, konstatire ich, dass mein Beweis, der einen ganz anderen Aus gangspunkt, als der im Anfang Januar dieses Jahres von Herrn Professor Dr. Herz in Karlsruhe

geführte,

hat,

bereits

im Anfang Dezember des

vorigen Jahres geführt, und , wie Herr Dr. Angerstein zu bestätigen in der Lage ist, demselben bereits in der Mitte des Dezember zur Veröffentlichung in der Zeitschrift des Vereins übersandt, also jedenfalls unabhängig von dem später publizirten Beweise des Herrn Dr. Herz ist .

Beide Beweise er

gänzen sich übrigens in sehr schöner Weise , und darum lasse ich hier das , was ich über den letzteren in der Staatsbürger-Zeitung gelesen habe , zur vorläufigen Orientirung folgen ; Eine grosse Entdeckung auf dem Gebiete der Elektrizität hat, wie die Volkszeitung berichtet, ein deutscher Gelehrter gemacht.

Professor Dr. Herz in Karlsruhe hat durch eine Reihe

von sehr

sinnreich erdachten Versuchen nachgewiesen , dass sich die Wirkung elektrischen Schwingung als Welle in den Raum ausbreitet, und, er dies festgestellt , ist es ihm dadurch, dass

einer

nachdem

er den anregenden Leiter in

der Brennlinie eines grösseren parabolischen Hohlspiegels aufstellte , gelungen , diese Wellenwirkung auf grössere Entfernung bemerkbar zu machen. Es ist ihm auf diese Weise möglich geworden, festzustellen ,

dass die Wellen ,

abgesehen von ihrer ganz ungewöhnlichen Länge, vollständig in ihrem Ver halten den Lichtwellen gleich sind, sowohl was die gradlinige Ausdehnung, wie auch, was die Polarisation , die Reflektion und die Brechung anbelangt, so dass der Entdecker meint,

man könne

die Strahlen

elektrischer Kraft

vielleicht als Lichtstrahlen von sehr grosser Wellenlänge bezeichnen .

Der

wissenschaftliche Werth dieser Entdeckung dürfte in erster Linie darin be stehen, dass sie geeignet ist , Zweifel an der Identität von Licht, strahlender Wärme und elektrodynamischer Wellenbewegung zu beseitigen .

Ueber den

technischen Werth der Entdeckung werden uns die privilegirten Erfinder nicht allzu lange in Zweifel lassen. " Nunmehr kann ich zum Beweis der von mir aufgefundenen Beziehung zwischen dem elektrischen Leitungsvermögen und dem Brechungsvermögen Zu diesem Zwecke habe ich noch weiteres Beobachtungsmaterial anführen . die von den Herren Professoren Landolt und Gladstone für die Metalle in ihren löslichen , chemischen Verbindungen , also im flüssigen Aggregatzustande, experimentell bestimmten Brechungsexponenten mit den aus der Leitungs fähigkeit der flüssigen Metalle ermittelten Brechungsexponenten in folgender *) Siehe hierzu Heft XII, Jahrg. 1888 dieser Zeitschrift.

24

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

Tabelle verglichen.

Die Zahlen

für das elektrische Leitungsvermögen ( L)

der flüssigen Metalle sind aus Wiedemanns Lehre von der Elektrizität ent nommen und mittelst

dieser Werthe

die Brechungsexponenten

gemäss der Gleichung n21

L.

2

von mir berechnet worden .

Tabelle der direkt gemessenen und der aus der Leitungsfähigkeit ermittelten Brechungsexponenten der flüssigen Metalle.

Die von Landolt Die aus dem Lei und Gladstone tungsvermögen beobachteten berechneten

Namen

Leitungs

der

vermögen für

Metalle.

Elektrizität.

Brechungs exponenten .

Brechungs exponenten.

3

2,671

2,4

2,62

3,8

4,4 2,5

Eisen . Kupfer . • Platin .

13

Natrium . Kalium

13,69 8

1,202

4,5

1,178

3,6

5,76 13,69

2,67 2,122

3,1 4,5

Wismuth •

4,2

2,833

2,7

Blei .

4,76

2,4

3,41

Zinn Zink ..

10,56

2,05

2,8 4

Antimon ..

5,76

2,35

3,1

Quecksilber

1,631 3,4

2,45

Kadmium

Die Unterschiede in den

1,85 2,46

beiden Zahlenreihen

rühren

hauptsächlich

daher, dass das Gesetz Landolt's ; „ Das molekulare Brechungsvermögen einer Verbindung ist gleich der Summe

der Refraktions- Aequivalente ihrer Be

standtheile ,

Gültigkeit besitzt .

keine

unbeschränkte

(Das

Produkt

aus

spezifischem Brechungsvermögen und Atomgewicht wird als das Refraktions Aequivalent

des

betreffenden

Elementes

bezeichnet,

das

Produkt

Molekulargewicht und spezifischem Brechungsvermögen als das

aus

molekulare

Brechungsvermögen oder wohl auch als das Refraktions- Aequivalent der Ver bindung. cf. Landolt, Pogg, Ann , 1864. Bd . 123 , S. 600) . — Eine weitere, wichtige

experimentelle

Bestätigung

für die

Richtigkeit meiner Ansicht,

dass die elektrischen Vorgänge eine Wirkung der elektrischen Wellen sind , liefern die beobachteten Fortpflanzungsgeschwindigkeiten derselben in ver schiedenen Leitern, so gering auch bis jetzt noch das vorhandene Beobachtungsmaterial ist .

Es

müssen sich nämlich,

wenn

meine Theorie

richtig ist, die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten wie die Sinus der Brechungs winkel verhalten, d. h. es muss sin i C n sin r C'

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung .

25

sein, wenn die Geschwindigkeit der elektrischen Schwingungen in dem . Mittel bedeutet, in welchem die Strablen mit dem Einfallslothe den Winkel i bilden,

in dem, in welchem die Strahlen und das Einfallsloth den Winkelr einschliessen . Es muss also , wenn i grösser wie V ist, nach der Undulations

theorie die

Geschwindigkeit der Wellenbewegung im

ersten Medium

die

grössere sein, weil dann n 1 ist, und umgekehrt . Untersuchungen von Maxwell über die Influenzelektricität führten zu dem Resultat , dass in der Luft die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der elektrischen Wellen

annähernd

gleich derjenigen des Lichtes, also etwa gleich 42000 Meilen in der Sekunde ist. Mit Benutzung dieses Ergebnisses ergiebt sich für die Fortpflanzungs 42.000 8842

geschwindigkeit der Strahlen im Eisen der Werth

Meilen in

4,75

der

Sekunde.

Mitchell fand in einer

132

geographische Meilen langen

Eisendrahtleitung die Geschwindigkeit gleich 6200 Meilen . Nach Vollendung der Pacificbahn ergab sich, dass in den Telegraphenleitungen der elektrische Strom, um von Boston nach San -Franzisko und zurück zu gelangen , d . h. für eine Strecke von etwa 20 000 km nur 0,74 Sekunden braucht , also eine Geschwindigkeit von 135 000 km ( 18 000 geographische Meilen ) besitzt . Da die Fortpflanzungs (cf. Jochmann, Experimentalphysik, S. 267 ) . geschwindigkeit von der Länge der Leitung abhängt,

so ist die Ueberein

stimmung zwischen der Theorie und der Beobachtung hinreichend. In dem ersten Aufsatze über die Erklärung elektrischer Erscheinungen aus der Wirkung der elektrischen Wellen habe ich nachgewiesen,

dass das

elektrische Leitungsvermögen der brechenden Kraft n² - 1 gleich , bezüglich proportional ist , dass also das Leitungsvermögen der fortgepflanzten Wellen menge direkt

proportional ist .

Leiter vollständig treten,

können also auch nicht,

Bezug nehmen ,

Diejenigen Schwingungen ,

welche in dem .

verbleiben, können nach Aussen nicht in Wirksamkeit wenn wir auf den Vorgang der Induktion

bei der Erregung

der Induktionselektrizität in Betracht

kommen. Die Induktion kann also nur durch diejenigen Wellen bewirkt und bedingt werden , welche aus dem Leiter heraustreten können . Je grösser nun die brechende Kraft eines Leiters ist, um so kleiner ist dem gemäss das

spezifische Induktionsvermögen, je geringer dieselbe aber ist ,

um so grösser wird dann das letztere werden . Daraus folgt dann , dass die Induktionselektrizität bei gleicher Länge und Zahl der Windungen der induzirenden Spirale um so kleiner ist , je besser die Spirale leitet, dass dagegen bei gleichem Leitungswiderstande, ausgestrahlter Wellen der

also

bei der gleichen Menge

erzeugte Induktionsstrom von der Substanz der

Spirale unabhängig ist . Diese Folgerung aus der aufgestellten Auffassung vom Wesen der Elektrizität ist identisch mit den Gesetzen der Induktionsströme, welche von Die Lenz zuerst experimentell bewiesen sind (cf. Pogg . Ann . Bd . 34 ) . Resultate der Versuche,

welche

sich auf den Einfluss der Windungszahl

26

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung .

beziehen,

sind

in der folgenden Tabelle zusammengestellt.

Der Winkel a

ist der Ablenkungswinkel der Magnetnadel durch den Induktionsstrom .

Windungs zahıl n

2

1 a 2

2° 49'

Ա 2

sin 1

sin

11

Die

a 2

fast

S

14

16

20

69

12 ° 27'

22 ° 51 ′

26 ° 33 '

329 1

0,0491

0,1045

0,2156

0,3883

0,4470

0,5594

0,0245

0,0261

0,0269

0,0277

0,0279

0,0279

vollkommene

Horizontalreihe

beweist,

dass

Uebereinstimmung

der Windungszahl proportional sind , Kette des Beweises , Wellen sind.

der

Zahlen

der

letzten

die in der Spirale erregten Induktionsströme bildet also

ein weiteres Glied in der

dass die elektrischen Vorgänge

die Folge elektrischer

Die Unabhängigkeit der elektromotorischen Kraft der Induktion

von dem Stoffe der Spiralwindungen wird

durch die Beobachtungen

von

Lenz, Faraday und Hermann (Pogg. Ann . Bd . 92 und 142 ) allgemein als richtig bewiesen , und damit die Ansicht bestätigt, dass die Elektrizität Wellen bewegung ist. Es betrug nämlich , um nur zwei sehr heterogene Beob achtungen anzuführen , die Ablenkung des Galvanometers , als in den Strom kreis eingeschaltet waren • 89,1 1. die flüssige Spirale allein

selbe

2. die metallische Spirale allein .

85,8

3. beide Spiralen gleichgerichtet . 4. beide Spiralen entgegengesetzt

172,4 5,9.

Die Längen der Spiralen waren so gewählt, dass der Widerstand der war . Es ergiebt sich also aus diesen Beobachtungen mit Sicherheit

der Schluss , dass die elektromotorische Kraft der Induktion von der Natur des inducirten Leiters durchaus unabhängig ist , also die oben aufgestellte Theorie der Elektrizität richtig ist. Anschliessen möchte ich hier noch die freilich von selbst einleuchtende Bemerkung,

dass die von mir bestimmten Brechungsexponenten auf Grund

der Reihen von Cauchy und Briot, Christoffel oder auch Ketteler die Länge der elektrischen Wellen zu berechnen gestatten .

Die diesbezüglichen Zahlen

angaben werde ich mir bis auf einen der folgenden Abschnitte versparen , um meine Zahlenwerthe sogleich mit denjenigen des Herrn Herz vergleichen zu können . Zum Schluss dieses Abschnittes möchte ich noch in einer Tabelle die Resultate zusammenstellen ,

welche die von

mir aufgestellte Wellentheorie

der Elektrizität für das Leitungsvermögen und die Brechungsexponenten der gasförmigen, glühenden Gase einiger Metalle liefert .

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

27

Tabelle der theoretisch gefundenen Werthe der Leitungsfähigkeiten und Brechungsexponenten der Metallgase. Namen der Metallgase .

BrechungsBrechungs exponenten der exponenten der Metallgase flüssigen Metalle ng nf

Theoretisches Leitungs- oder Brechungs vermögen ng2 -1.

Quecksilber · Kadmium .

2,4

1,0015

0,003

3,4

Zink . .

3,7

1,001 1,0013

0,00275

Antimon . Zinn .

2,6

1,003

2,6

1,003

0,002

0,0065 0,00625

Mit diesen theoretischen Ergebnissen stimmt die Beobachtung überein, dass der Widerstand des Davyschen Lichtbogens wenig grösser als der der flüssigen Elektrizitätsleiter ist . Quantitativ genaue Beobachtungen sind meines Wissens, wenn man von den Untersuchungen Hoppe's über die Leitungsfähigkeit der Flammen absieht, über diesen Gegenstand überhaupt noch nicht gemacht. Aus diesem Grunde habe ich mich auch in der vor stehenden Tabelle nur auf die wenigen angeführten Zahlenangaben beschränkt. Zur Erklärung (ng

diene noch die Bemerkung , dass das Brechungsvermögen (nf2—1 ) .d 1 mittelst der Formel worin d die Dampfdichte des s.800

Metalles , bezogen auf Luft als Einheit , und s das spezifische Gewicht des flüssigen Metalles in Bezug auf Wasser und 1/800 das abgerundete specifische Gewicht der Luft in Bezug auf Wasser bedeutet, entsprechend den Forderungen der Fresnel'schen Wellentheorie berechnet ist . Die Zahlen können dem gemäss nur annäherungsweise richtig sein und den Anspruch auf absolute Richtigkeit nicht erheben . Um jedoch den Grad der Annäherung zu kenn zeichnen, den die theoretischen Werthe und die beobachteten zeigen, und um gleichzeitig zu beweisen , dass die obige Berechnungsweise ebenso auch für chemische Verbindungen gilt und auch umgekehrt, aus den bekannten Brechungsexponenten der gasförmigen Radikale den Brechungsexponenten der flüssigen Verbindung zu bestimmen gestattet, berechne ich aus dem Brechungs exponenten des Sauerstoffs den des Wassers mittelst

1,000272 und des Wasserstoffs nh = 1,000136 entsprechend umgeschriebenen Formel der der entsprechend

−1= 800 (z − 1).1 + 2.(nh —-1) — 800 (0,000543 + 0,000552 ) -0,876 ; also n² 1,876 , n = 1,37 . Nach den genauesten Messungen ist der Brechungsexponent des Wassers gleich 1,3309 , also die Uebereinstimmung zwischen der Theorie und der Beobachtung die grösstmögliche . In der benutzten Formel ist das Verhältniss des specifischen Gewichtes des gasförmigen Sauerstoffs , bezogen auf Luft als Einheit , und desjenigen des flüssigen Sauerstoffs in Bezug auf Wasser als Einheit gleich 1 und dies selbige Verhältniss für Wasserstoff gleich 2 angenommen . In der That ist dies Verhältniss beim Sauerstoff etwas kleiner , wie man aus dem Aufsatze

28

Mittheilungen aus Zeitschriften.

über das Atom- und Molekülvolumen in der Zeitschrift des Vereins, Jahrgang IV , Heft 4 und 5 , ersehen wird . Bei der genauen Berücksichtigung dieser Zahlen verhältnisse würde die Abweichung zwischen dem beobachteten und berechneten Brechungsexponenten des Wassers noch etwas geringer geworden sein . Im Anschluss an das hier angeführte Beispiel des Wassers werde ich im

folgenden Abschnitt, auf Grund der Undulationshypothese die Theorie

der Elektrolyse

entwickeln und darin einen neuen Beweis für die von mir

im Jahrgang 1887 nachgewiesene Ansicht liefern , dass man bei den chemischen Verbindungen die Volumänderungen als die räumliche Wirkung der

frei

werdenden Wärme anzusehen hat, die ausgestrahlte Wärme also den Charakter der chemischen Verbindung bestimmt und bedingt. (cf. Jahrgang VI . S. 108 sq. )

Mittheilungen aus Zeitschriften. L'Aéronaute. Bulletin mensuel illustré de la navigation aérienne , fondé et dirigé par le Dr. Abel Hureau de Villeneuve . 22. année . No. 1. Janvier 1889. Eugène Rigaut : Der Senator Rampont. Der Genannte war 1809 in Chablis (Yonne ) geboren, studirte Medizin und wurde am 4. September 1870 von der Regierung der National -Ver theidigung zum Generalpostmeister ernannt . Als solcher ergriff er den Ge danken, mittelst Luftballons eine Verbindung mit der Provinz einzurichten. Gleichfalls dankt man ihm, dass der Widerstand der Postbeamten gegen die Verwendung von Brieftauben beseitigt wurde. Im Jahre 1879 wurde Rampont einstimmig zum Vorsitzenden der französischen Luftschiffahrtsgesellschaft ge wählt . Obgleich er während der Belagerung Ballons verwandt hatte, so setzte er doch all sein Hoffen auf die Verwendung von Flugapparaten und wünschte, dass den Erfindern grössere Summen zur Verfügung ständen , ein Wunsch, der leider ohne Einfluss bleiben musste, da der Verblichene nicht mehr die frühere hohe Stellung bekleidete. Er starb am 24. November 1888 . Amans : Bericht über die aeronautische Ausstellung zu Wien 1888 , Fortsetzung 4. In diesem über die ausgestellten Instrumente und Apparate handelnden Theile des Berichts nimmt die Besprechung der Lössl'schen Apparate und Versuche den allermeisten Raum ein. Amans referirt zunächst ziemlich eingehend die Ergebnisse derselben in ganz hübscher Weise und knüpft daran dann seine und anderer Leute Bedenken, die sich namentlich gegen die den bewegten Körpern angeblich vorangehende keilförmige Schneide richtet, die aus der Luft sich bilden soll und bewirken, dass der Widerstand des Körpers nur von seinem Querschnitt, aber nicht von seinen sonstigen geometrischen Eigenschaften, ob konvex oder konkav, abhänge . Namentlich führt Amans die entgegenstehenden Beobachtungen zuverlässiger und all gemein bekannter Experimentatoren an . Zum Schluss erwähnt er kurz eines Apparates, den Luftwiderstand mittelst gradlinig bewegter Flächen zu messen . Aus dem Sitzungsbericht der Gesellschaft, 25. Oktober 1888 , ist einem Vortrage Trouvé's einiges zu entnehmen . Er weist einige galvanische Becher vor, welche bei 15 kg Gewicht eine Pferdekraft liefern. Ferner hat er Motoren nach Gramme und nach Siemens von ausserordentlich geringem Gewicht konstruirt . Einer derselben wiegt ohne den Becher nur 90 Gramm und weist trotzdem am Pronyschen Zaum eine Arbeit von 2 mkg auf.

Mittheilungen aus Zeitschriften .

29

Ausser den eisernen Polstücken ist alles daran aus Aluminium . Dieser Motor, der in einem Würfel von 3 cm Seite Platz findet , hebt sich zu einer Höhe von 22 m in der Sekunde mit Hilfe eines am oberen Ende befestigten Fadens . In Verbindung mit einer Schraube treibt er einen Aeroplan . Ein derartiger Motor würde pro Pferdekraft ungefähr 3,5 kg wiegen ohne Becher . Motoren von 2 bis 1 Pferdekraft, im Gewicht von 8 und 15 kg werden von Trouvé ganz häufig konstruirt. Die obige Gewichtsverminderung wird hauptsächlich durch den Ersatz des Kupfers durch Aluminium erzielt. Trouvé benutzt diese Motoren zu Studien über die Luftschraube . Revue du cercle militaire . Paris. In der Revue du cercle militaire befindet sich ein längerer Aufsatz über die Verwendung des Luftballons im Kriege , welcher mit einem allge meinen historischen Ueberblick beginnt und schliesslich auf den Stand der Militär-Luftschiffahrt von heute übergeht. Von letzterem erscheint uns Folgendes beachtenswerth : Von unserer Luftschiffer- Abtheilung heisst es an einer Stelle : " Ihnen verdankt man die Versuche mit leuchtenden Ballons , ent weder um als Signale mittelst einer elektrischen Lampe im Innern *) zu dienen oder um das Gelände auf eine grosse Entfernung mittelst eines elektrischen Lichtwerfers , der darüber angebracht ist , zu er leuchten. Die erstere dieser Anwendungen scheint nicht nützliche Er gebnisse liefern zu sollen , denn man sieht wegen der geringen Durch sichtigkeit der Umhüllung die Signale nicht weiter als bis auf 18 Kilometer. " Von dem Beschiessen der Ballons , sowie der voraussichtlichen An wendung von Fesselballons im Feldkriege sagt der Artikel : Schon während des Krieges 1870/71 bildeten die Ballons, die über die Cernirungslinien hinwegflogen, Zielobjekte für das feindliche Feuer, und die jenigen , die im Korbe sassen , hörten oft genug die Kugeln um denselben pfeifen . Krupp construirte selbst gegen dieselben ein Geschütz, dessen Laffete auf einem kleinen Wagen befestigt war , der schnell nach der Stelle , die gemeldete Ballons zu passiren hatten , befördert werden konnte . Im All gemeinen werden aber die freien Ballons, wenn sie zu günstiger Stunde ganz kurz vor Tagesanbruch aufsteigen und in einer genügenden Höhe fliegen, jedem Angriffsversuch entgehen . Dies ist aber nicht mit den Fesselballous der Fall , deren Aufsteigen nothgedrungen begrenzt ist. Im Jahre 1871 stellte man in Tours Ver suche an , um die Höhe festzustellen , in der sie vom Chassepotfeuer nicht mehr erreicht werden können. Der wirkliche Feind des Ballons ist aber nicht das Gewehr : er muss vielmehr das Geschütz fürchten, welches Shrapnels oder Granaten mit Kugeln schiesst . Schon 1880 trafen die Engländer einen Ballon, der sich in 260 Meter Höhe und 1780 Meter von einem Geschütz , das Shrapnels von 13 Pfund verfeuerte, befand. Der Ballon fiel langsam . Viel entscheidender sind die letzten auf dem Schiessplatze bei Cummersdorf ausgeführten deutschen Schiessversuche ; es wurden Shrapnels auf Ballons verfeuert , die auf 5000 Meter in einer Höhe von 100 bis 250 Meter sich befanden . Der erste fiel auf den zehnten Schuss ; der zweite ward mit dem *) Diese Versuche sind kürzlich in Frankreich in der Werkstatt Egasse in la Villette wieder aufgenommen worden .

Kleinere Mittheilungen.

30

zwanzigsten getroffen ; beide hatten 20 bis 30 Löcher, die sich durch das Entweichen des Gases vergrösserten . Es ist daher wahrscheinlich, dass man aus einem Fesselballon nur wird beobachten können , wenn man sich in einer grösseren Entfernung als fünf Kilometer von den feindlichen Batterien hält ; hingegen hat man festgestellt, dass der Ballon , wenn auch von Spreng stücken der Geschosse getroffen, meistens ziemlich langsam sich , einen Fall schirm bildend , zur Erde senkte . Die Luftschiffer laufen daher, wenn sie nicht selbst getroffen werden, keine grosse Gefahr. Man muss schliesslich noch bemerken , dass die Versuche , von denen wir gesprochen haben , Schiessplatzversuche , d . h . ausserhalb der gewöhn lichen Kriegsverhältnisse angestellt , waren. Ein Ballon ist am Ende eines Kabels befestigt und dient dort als unbewegliche Sch- ibe dem Feuer der Batterien, die sich Zeit lassen, da sie wohl wissen, dass er ihnen nicht ent rinnen wird . Man misst die Entfernung nach den genauesten Verfahren und ohne die hastige Uebereilung des Krieges, und doch ist es unter diesen ausserordentlich günstigen Verhältnissen selten , dass man weniger als eine Stunde braucht , um das Feuer zu regeln und das Ziel zu treffen. Diese Ergebnisse müssen uns einfach lehren, dass es gut ist, nicht übermässig die Dauer einer Luftstation zu verlängern . Eine Viertelstunde genügt meistens zu einer Beobachtung ; die Photographie wird , wenn man bei ihrem Verfahren einige durchaus gebotene Vervollkommnungen , die leicht ausführbar erscheinen , angewendet hat, gestatten , durch eine Augenblicks aufnahme unanfechtbare Zeugen über den Zustand des Geländes zu sammeln . Was wird nun eigentlich geschehen , wenn unerwartet, an irgend einem Punkte des Horizont sich schnell ein Luftballon erhebt ? Man muss zugeben , dass der Feind eine gewisse Zeit braucht, um ihn als solchen zu erkennen ; er hat nicht gerade eine Batterie zur Hand, die bestimmt ist, auf dieses muthmassliche Ziel zu feuern und wenn man auch zugiebt , dass die allge meine Bestimmung lautet, auf jeden erscheinenden Ballon zu feuern, so be darf man Zeit, um ihn zu bemerken, Zeit, um die Befehle des die Geschütz gruppe befehligenden Offiziers zu erhalten, Zeit , um die Entfernung zu schätzen, Zeit, um das Feuer zu regeln. Und während aller dieser Zeitver säumnisse ist der Indiskrete wieder verschwunden , schnell durch seine Dampf welle wieder zur Erde gezogen und im Trabe von seinen sechs Pferden weit anderswohin gebracht, um sich von Neuem unvermuthet von einem anderen Punkte aus, wo man ihn nicht erwartet, zu erheben . Wir meinen, dass, wenn man auf diese Weise verfährt, wir der Gefahr nicht mehr als die anderen Kämpfer ausgesetzt sind und das genügt ! Berghaus , Major a. D.

Kleinere Mittheilungen . ―

Hundertjähriges Jubiläum der Luftschiffahrt in Berlin . Am 27. September 1888 waren genau hundert Jahre verflossen , seitdem den Berlinern zum ersten Male das Vergnügen einer Luftballonfahrt bereitet wurde . Am 27. September 1788 fuhr der erste berufsmässige Luftschiffer, Jean Pierre Blanchard , dessen Unerschrockenheit damals die Welt mit Staunen erfüllte vom grossen Exerzierplatz vor dem Brandenburger Thor in die Höhe und sein Name war Wochen lang in dem Munde der Berliner. Das grosse Ereigniss brachte ganz Berlin auf die Beine. Der Platz, auf welchem das damals uner hörte Schauspiel aufgeführt wurde, war die Stelle des jetzigen Reichstagsgebäudes ; eben dort ist später auch der erste Circus in Berlin errichtet worden , in welchem Renz und

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

31

Bosco ihre Vorstellungen gaben. Mitten auf diesem Platz erhob sich ein Riesensaal, in welchem der Ballon war, ringsherum waren Plätze für 4000 Zuschauer abgegrenzt, ebenso war eine besondere Loge für den Hof vorhanden. Diese ganze Schaubühne war von ungeheuer grossen Jagdnetzen umspannt, welche von einem grossen Aufgebot von Soldaten Tag und Nacht bewacht wurden . Die Polizei hatte ganz besondere Vorsichtsmassregeln getroffen. Die Zeit der Luftfahrt war auf 3 Uhr 40 Min . Nachmittags festgesetzt, aber schon von 12 Uhr an durften Wagen und Reiter nicht mehr durch das Brandenburger, sondern nur durch das Potsdamer Thor passiren , „Jedermänniglich " wurde ernstlich ver warnt, sich alles Zudringens bei der „ härtesten Strafe" zu enthalten. Schon um 22 Uhr erschien der König auf dem Platze , bald darauf die Königin , die Prinzen und der gesammte Hofstaat. Der König und sein Gefolge traten in den Saal, wo der Luftballon zur Fahrt bereitet wurde und liess sich alle Einzelheiten des Mechanismus zeigen . Zur festgesetzten Stunde machte Blanchard mittelst einer Maschine an der einen Seite des Saales eine Oeffnung von 36 Fuss und der Ballon schwebte ins Freie, bejubelt von der vieltausendköpfigen Menschenmenge. Gleich darauf fuhr der Luftschiffer wohlgemuth in die Lüfte empor. Als er sich etwa 3000 Fuss hoch erhoben hatte, liess er einen Fall schirm herunter, woran ein Korb mit zwei kleinen Hunden befestigt war. Dieser senkte sich langsam und kam, ohne dass die Hunde eine Beschädigung erlitten hatten, in der Gegend des Gesundbrunnens zur Erde. Nach dem eigenen Bericht Blanchards in der „Gazette littéraire de Berlin " stieg er alsdann bis zu 5764 Fuss boch und kam in der Gegend des Dorfes Buchholz wieder zur Erde. Unzählige Personen waren ihm dorthin nachgeeilt. Eine mit 6 Pferden bespannte königliche Chaise war auch bald zur Stelle und brachte den Luftschiffer in einem wahren Triumphzuge nach dem Nationaltheater, wo auf des Königs Befehl dicht neben der königlichen Loge eine solche für Blanchard reservirt worden war. Derselbe wurde bei seinem Erscheinen vom Publikum mit jubelndem Beifall begrüsst und erstattete später in den Logen des Königs und der Königin Bericht über den Ausgang seiner Luftfahrt. Am 12. Oktober wurde dann im Garten der Frei maurerloge Royal York der Versuch mit dem Fallschirm wiederholt. Blanchard war der Held des Tages und er wurde nicht nur mit Ehren , sondern auch mit kostbaren Ge schenken überhäuft. So erhielt er : Vom Könige eine goldene Tabatière mit einem Medaillon und mit Brillanten reich geziert nebst 400 Dukaten ; von der Königin eine reich mit Perlen besetzte Tabatière ; von der Königin -Wittwe eine goldene , mit Brillanten be setzte Uhr; vom Kronprinzen eine Brillantnadel ; vom Prinzen Ludwig zwei schwere silberne Armleuchter ; von den Prinzessinnen Friederike und Wilhelmine zwei kostbare Uhren; von der Prinzessin Augusta einen Stock mit goldenem Knopf; vom Prinzen Heinrich ein Etui mit Perlen ; vom Prinzen Ferdinand eine goldene Uhr etc. etc. (Sehr ausführliche Mittheilungen hierüber haben wir bereits im Jahrgang 1885, Heft X, dieser Zeitschrift gebracht. D. Red .)

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. Protokoll der am 19. Januar 1889 im Restaurant Leipzigerstr. 14 abgehaltenen ausserordentlichen (105. ) Sitzung . Vorsitzender: Dr. Angerstein. Schriftführer: Dr. Kremser i. Vertr. Tages - Ordnung : 1. Jahresbericht des Vorstandes ; 2. Wahl des Vorstandes und der technischen Kommission für das Jahr 1889. Nachdem der Vorsitzende als neues Mitglied Herrn Dr. Hellmann, vorgeschlagen durch Herrn v. Siegsfeld und Dr. Kremser, angemeldet hatte, erstattete er den Jahres bericht über das abgelaufene Vereinsjahr. Während desselben fanden nur 7 ordent liche Sitzungen statt. Diese geringe Zahl war insbesondere durch den Mangel eines

32

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

geeigneten Lokals , das stetig gewechselt werden musste, veranlasst ; erst gegen Jahres schluss gelang es dem Vorsitzenden , in einem Saale der Kriegsakademie einen ständigen Platz für die ordentlichen Sitzungen zu gewinnen. Ein fernerer Grund lag in dem Ab leben Ihrer Majestäten des Kaisers Wilhelm und Friedrich, wodurch wiederholt Ver tagungen bedingt waren, und endlich in den Vorbereitungen zur Feier der 100. Sitzung. Diese Feier fand am 2. Juni statt und war mit einer aeronautischen Ausstellung verbunden. Sonst trat der Verein noch zweimal zusammen : am 6. März zur Besichtigung des Luftballons nebst zahlreicher zugehöriger Instrumente, welche Herr v. Siegsfeld für seine wissenschaftlichen Fahrten hergestellt hatte, und am 4. Juli zur Besichtigung der Brauerei Moabit , wobei Herr Dr. Weitz besonders die Kälteerzeugungsapparate demonstrirte . Die technische Kommission hat nur eine passive Rolle gespielt, was vor nehmlich auf den Mangel einer Geschäftsordnung im Allgemeinen und auf die Art der Geschäftsführung seitens ihres Vorsitzenden im Besonderen zurückzuführen ist . Die Zeitschrift , seit 1888 in Verbindung mit dem flugtechnischen Verein in Wien herausgegeben , hatte sich keines Aufschwungs zu erfreuen, da sie durch die zu umfangreiche Mitarbeit einzelner Mitglieder derselben zu einseitig geworden war. Die Mitgliederzahl beträgt etwa 100. Verstorben ist das langjährige Mitglied Gen.-Lt. z. D. Regely. Dr. Angerstein lehnt wiederholt den weiteren Vorsitz ab und schlägt für denselben Herrn Dr. Assmann vor. Dr. Schäffer erstattet sodann den Bericht über die Verwaltung der Ver einskasse , deren Stand ein guter zu nennen ist, da ein Baarbestand von 540 Mark vorhanden ist. Die vom Verein bestellten Revisoren Kühl und Priess haben Alles in Ordnung befunden . Unter Dankesbezeugungen erfolgte hierauf Dechargeertheilung. Die Bibliothek , deren Katalog schon in einem Korrekturabzuge vorlag, ver waltete Herr Lieutenant Gross. Derselbe ersucht für die Zukunft um mehr Direktiven für die Anschaffung von Büchern . Auch hier macht sich das Fehlen einer Geschäfts ordnung fühlbar. Die Herren Moedebeck, Müllenhof und Angerstein wollen dem Bibliothekar eine gewisse Selbstständigkeit gewahrt wissen, wenn auch die Mitglieder nicht ohne Ein fluss sein sollen. Das Auslegen von Zeitschriften und neuerschienenen bezw. anzukaufenden Büchern gelegentlich der Sitzungen wird empfohlen . Die durch Stimmzettel erfolgende Wahl des Vorstandes für 1889 ergab Folgendes : 1. Vors.: Dr. Assmann. 2. Vors.: Major Taubert. Schriftführer: v. Siegsfeld und Dr. Kremser. Schatzmeister : Dr. Schäffer. Bibliothekar : Lieutenant Gross . Vor dem Eintritt in die Wahl der technischen Kommission fragt Herr v. Siegsfeld , ob nicht die Vorstandsmitglieder von vornherein auch zur Kommission ge hören bezw . deren Sitzungen beiwohnen und an ihren Arbeiten sich betheiligen können . Dr. Angerstein erwidert darauf, dass nach der Geschichte der Entstehung der technischen Kommission dies nicht der Fall ist. Es erfolgt nunmehr auf Antrag Dr. Assmann's die Wahl durch Stimmzettel ; ge wählt werden Professor Dr. Börnstein , Lilienthal , Dr. Müllenhof, Gerlach, Dr. Majert , Opitz . Um die Weiterführung der Redaktion wird Herr Dr. Angerstein ersucht und demselben hierfür sowie für seine aufopfernde Thätigkeit als Vorsitzender der Dank des Vereins ausgedrückt. Herr Dr. Assmann , welcher die Dankesbezeugung vorgeschlagen, bittet zugleich Herrn Dr. Angerstein , die nächste Sitzung, welche er für den 25. Januar anberaumt habe, noch zu präsidiren. Zum Schluss wird Herr Dr. Hellmann als Mitglied des Vereins proklamirt. Kremser. Druck von Beyer & Münch, Berlin W., Behrenstr. 28 .

Zeitschrift für Luftschiffahrt

Herausgegeben von dem Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem Flugtechnischen Verein in Wien. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W., Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W. , Jägerstrasse 73.

VIII. Jahrgang .

1889.

Heft II/1

Das Kriegs- Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre) . Vortrag, gehalten in der Sitzung des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt am 25. Januar 1889 von Gross , Secondlieutenant der Luftschiffer-Abtheilung. (Mit einer lith, Tafel. ) *)

Die geringen Erfolge und Misserfolge , welche der Fesselballon bisher auf dem Kriegsschauplatze nur zu verzeichnen hatte, waren fast lediglich eine Folge der Mangelhaftigkeit beziehungsweise des Garnichtvorhandenseins eines brauchbaren von einer hierfür geschulten Truppe bedienten schiffer-Materials .

Kriegs - Luft

Aus den bisherigen geringen Erfolgen dem Ballon seinen hohen Werth und grossen Nutzen für die Kriegsführung streitig machen oder gar gänzlich absprechen zu wollen, wie dies z. B. von österreichischer Seite versucht wird ,

(cfr. den gegenwärtigen

Stand der Militär-Luftschiffahrt von Major

im Genie-Stabe Hess und Dr. ph . Wächter. Wien 1887. ), ist ebenso falsch als die häufig vertretene Ansicht , dass nur das lenkbare Luftschiff berufen sein könne , dermaleinst über dem Kriegsschauplatze nutzbringend zu schweben. Seit dem deutsch-französischen Kriege, in welchem bei der Belagerung von Paris der Ballon den Belagerten treffliche Dienste geleistet hatte (cfr. die Ballon- Brieftaubenpost während der Belagerung von Paris im Jahre 1870 bis 1871 von Lt. Gross . Heft VI der Zeitschrift des deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt, Jahrgang VI , 1887 ) , finden wir von Frankreich ausgehend eine allgemeine Thätigkeit auf dem Gebiete der Militär-Luftschiff fahrt, welche in schneller Folge so gute Früchte trug, dass heute alle grossen Militärmächte, Oesterreich ausgenommen, eine Luftschiffertruppe, mit einem auf das Sorgfältigste für die Kriegsverwendung speciell konstruirten Luft schiffermaterial ausgerüstet, besitzt. Während England und Deutschland , dem Vorgange Frankreichs folgend , sich durch eigenes jahrelanges Studium und praktische Versuche auf aëro *) Die Tafel wird dem nächsten Hefte beigegeben. VIII.

3

34

Das Kriegs- Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre) .

nautischem Gebiete ein kriegsbrauchbares Luftschiffermaterial selbst schufen , hielten es Italien , Russland, China, Belgien, Holland, Portugal, Spanien , die Argentinische Republik für vortheilhafter und bequemer, ihre Krigsluftschiffer parks aus den aëronautischen Werkstätten Yon's und Lachambre's in Paris zu beziehen . Der Ingenieur Gabriel Yon

war bereits auf aeronautischem Gebiete

als ein sehr geschickter und erfahrener Konstrukteur bekannt . Sein grosser Lehrmeister hierin war Henry Giffard, an dessen lenkbarem Ballon sowie an den weltbekannten Riesen - Fessel- Ballons der Weltausstellungen zu London und Paris, sowie ferner an dem lenkbaren Luftschiffe Dupuy de Lome's er gearbeitet hatte . Es gab somit wohl keinen Ingenieur seit Giffards Tode , dessen aëronautisches Wissen und praktische Erfahrung grösser sein konnte als Yon's . Auch der Name Lachambre hat in der aëronautischen Welt einen guten wohlbekannten Klang

durch die Theilnahme an dem Bau des lenk

baren Luftschiffes Tissandier's und die Konstruktion von Ballons für private Zwecke . Während nun begreiflicher Weise die französische, englische und deutsche Heeresverwaltung über ihr Luftschiffermaterial das peinlichste Geheimniss zu bewahren

suchen,

sind die

durch Yon und Lachambre an die vorher ge

nannten Staaten gelieferten Captif- Ballontrains wohl bekannt . Es dürfte wohl für Alle, welche an der Luftschiffahrt Interesse nehmen, lehrreich und nicht uninteressant sein , dieses Kriegs- Luftschiffermaterial Yon's und Lacham bre's, welches wesentlich von einander verschieden ist ,

genauer kennen zu

lernen, als dies bisher durch kleinere Beschreibungen geschehen konnte. Beginnen wir zunächst mit der Beschreibung des Luftschifferparks Yon's, welches derselbe an Italien, Russland und China geliefert hat. Im Jahre 1885 bestellte

die italienische Regierung bei Gabriel Yon

einen Luftschifferpark, welcher folgende Lieferungsbedingungen erfüllen sollte : 1. Der Ballon muss 2 Personen bis zu einer Höhe von 500 m tragen können . 2. Der Ballon muss in einer Höhe von 500 m noch einen so starken Auftrieb besitzen, um bei einem Winde von 10 m pro Sekunde sich in der Luft halten zu können und ein leichtes Funktioniren der ihn fesselnden Maschine zu gestatten . 3. Der Ballon muss sich bis zu einer Höhe von 500 m in 10 Minuten erheben und mit derselben Geschwindigkeit zur Erde einholen lassen . 4. Der Apparat, welcher den Ballon am Erdboden fesselt, muss während der Fesselfahrt transportirt werden können . 5. Die Füllung des Ballons mit Wasserstoffgas muss in ca. 3 Stunden möglich sein. Unter Berücksichtigung dieser Bedingungen erdachte und konstruirte Gabriel Yon einen Luftschifferpark, welcher im Wesentlichen aus folgenden 3 Haupttheilen besteht :

Das Kriegs-Luftschiffer-Material (System Yon und Lachambre).

35

1. Das eigentliche Ballonmaterial, in einem Wagen transportabel. 2. Der fahrbare Gaserzeuger .

3. Die fahrbare Dampfwinde .

1.

Das eigentliche Ballonmaterial.

Da das durch den Ballon zu hebende Gewicht

mehr in dem Eigen

gewichte des Ballons selbst mit Zubehör, als in dem Gewicht der beiden zu hebenden Personen besteht, so muss bei der Konstruktion eines Armeeballons vor Allem Bedacht genommen werden auf grösste Leichtigkeit des Materials bei ausreichender Festigkeit . Von allen , für Anfertigung von Ballons überhaupt brauchbaren Geweben erfüllt die Seide diese beiden Anforderungen in voli kommenster Weise, sie ist der leichteste und gleichzeitig festeste Stoff. Wir finden daher auch den Yon'schen Ballon , welcher bei 10 m Kugeldurchmesser ca. 536 cbm Inhalt besitzt, aus chinesischer sogenannter Ponghe- Seide an . gefertigt. Der Ballon ist kugelförmig , da die Kugel bei grösstem Inhalt die geringste Oberfläche, und da hier die Oberfläche ( Hülle) das Gewicht reprä sentirt , auch

das geringste Gewicht besitzt.

0,44 m breiten genäht .

Bahnen mit

doppelter

Sie ist aus 72 am Aequator

sogenannter Kappnath zusammen

An den beiden gegenüberliegenden Polen der kugelförmigen Hülle

ist je eine kreisförmige mit einer Schnur umsäumte Oeffnung für die beiden Ventile vorhanden . Um diese Oeffnungen herum liegt der sonst durchweg einfache Seidenstoff in halber doppelt,

einer Breite

da diese Theile

von 1,35 m der grösseren Festigkeit

des Ballons am meisten durch den Druck

des Gases bezw . den des Windes angestrengt werden . Dicht neben der unteren Ventilöffnung ist einmal der 6 m lange seidene Füllschlauch in den Stoff eingenäht, durch welchen das Gas in den Ballon bei der Füllung eintritt, ferner ist noch hier die durch 2 Kautschukscheiben . abgedichtete Oeffnung für den Durchgang der oberen Ventilleine durch 2 Holztellerchen an der Hülle befestigt . Die Hülle ist durch einen mehrfachen , Innen und Aussen aufgetragenen Firnissüberzug für Wasserstoff möglichst undurchlässig gemacht . Dieser Firniss besteht aus 80 %

Leinöl, 12 % Kautschuk und 8 %

Bleiglätte .

Es

wird hierdurch eine derartige Dichtigkeit des Stoffes erreicht, dass der Ballon innerhalb 24 Stunden nur 24-30 cbm von seinem Gase verliert. Der Ballon besitzt 2 Ventile ,

ein oberes,

um nach Belieben von der

Gondel aus durch den Zug an der Ventilleine Gas ausströmen zu lassen , und ein unteres automatisch wirkendes Ventil, welches sich von selbst öffnet, wenn die Gasspannung im Innern des Ballons Stoffes gefahrdrohende Grösse annimmt .

eine für die Haltbarkeit des

Dies kann geschehen einmal durch

Zunahme der Temperatur des Gases, oder durch geringeren Luftdruck der umgebenden Luft, wobei ebenso wie bei ersterer Gelegenheit das Gas im Ballon sich ausdehnen muss . So vermehrt sich z . B. bei 500 m Höhe durch den hier geringeren Luftdruck das Volumen eines Ballons von 536 cbm um 3*

Das Kriegs-Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre).

36

ca. 22 cbm und ferner bei Zunahme der Temperatur von 1º C. um 2 cbm. Es würde somit die Hülle des Ballons gesprengt werden , falls nicht durch dieses Sicherheitsventil der Ueberschuss an Gas austreten könnte . Was die Konstruktion der Ventile selbst anbelangt, so beruhen die selben auf dem Prinzip, dass durch den Zug von 4 Spiralfedern ein Metall teller gegen einen Holzkranz gepresst wird, welcher über einer Hohlkehle einen Kautschukring trägt.

Der scharfe Rand des Metalltellers presst sich

gegen den federnden Kautschuk und bewirkt hierdurch einen fast gas dichten Abschluss . Ein absolut gasdicht schliessendes Ballonventil herzu stellen,

welches

allen

übrigen an diesen subtilsten Theil des Ballons zu

stellenden Forderungen genügt , ist eine sehr schwierige Aufgabe .

Sie wird

durch das Ventil Yon auch nur theilweise gelöst, da dasselbe pro Stunde Während zum Oeffnen des oberen nur 0,36 m ca. 1 cbm Gas durchlässt . im Durchmesser weiten Ventiles ein Zug von in minimo 10 Kilogr. an der Ventilleine nothwendig ist, öffnet sich das untere 0,44 m im Durchmesser grosse Sicherheitsventil bei einer Gasspannung im Innern des Ballons, welche einer Zugkraft von 2,5 kg gleichkommt, von selbst.

Beide Ventile schliessen

sich von selbst wieder durch die Wirkung der 4 Spiralfedern , sobald der Zug an der Ventilleine bezw . der Gasdruck aufhört . oberen Ventils,

Die Ventilleine des

welche an 4 Oesen des Metalltellers befestigt ist,

hängt

durch den ganzen Ballon im Innern desselben und geht durch die Ballon hülle durch die vorerwähnten beiden Kautschukplatten mit starker Reibung hindurch zur Gondel herab . Auch das untere Ventil besitzt zur Sicherheit eine Ventilleine, obgleich es automatisch wirkt, falls der Mechanismus ver sagen sollte.

Am unteren Ventil ist ausserdem noch eine Leine angebracht ,

mit welcher dasselbe nach dem Ballontragering hin verspreizt wird , damit der untere Theil des Ballons nicht durch den Wind schirmartig in die Kugel eingedrückt werden kann. Die Ventile werden vor dem Gebrauch des Ballons erst in die hierzu bestimmten Oeffnungen eingesetzt , indem die beiden auf einander passenden Ventilringe , welche den Ballonstoff einklemmen durch je 8 Bolzen mit einander verbunden werden. Der Ballon wird von einem aus 2,5 mm starken Leinen von italieni schem Hanf gestrickten Filetnetz bis zum unteren Drittel der Kugel eng umschlossen. Dieses

Netz

besteht

aus 96 am Aequator 0,34 m weiten romben

förmigen Maschen , welche der Kugelform entsprechend nach oben und unten zu in ihrer Grösse abnehmen . Das Netz wird am oberen Theile durch einen Taukranz

abgeschlossen,

mit Schnallriemen

welcher um

festgeschnallt wird .

das Ventil herumliegend hier

Am unteren Ende geht das Netz

systematisch in 24 Auslaufleinen über, indem sich je 2 und 2 Maschen zu einer so

entstehenden grösseren Masche,

kleine Gänsefüsse genannt ,

und

diese wieder je 2 und 2 zu einer noch grösseren Masche, grosse Gänsefüsse , vereinigen.

An den so

entstandenen 24 grossen Gänsefüssen

hängen in

Das Kriegs- Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre) .

37

Ringen die 24 3,20 m langen und 8 mm starken Auslaufleinen , welche an ihrem freien Ende eine Schlaufe tragen, um sie an den Knebeln des Trage ringes anknebeln zu können. Die kleinen 3 mm und grösseren 4 mm starken Gänsefüsse und Auslaufleinen laufen durch Ringe, damit bei einem ungleichen Zug die Last gleichmässig auf alle Maschen des Netzes vertheilt wird .

Es

ist dies von der grössten Wichtigkeit ; denn nur so kann ein in den einzelnen Leinen so schwaches Netz halten, wenn alle Leinen gleichzeitig in Zug kommen .

Etwas oberhalb des Aequators sind am Netz in derselben Weise

wie die Auslaufleinen 24 sogenannte Halteleinen angebracht. 10,40 m lang, reichen also

Dieselben sind

weit unter den Ballon herab und sind zum

Transport des gefüllten Ballons sowie zur Verankerung desselben gegen den Wind bei der Füllung und Aufbewahrung des gefüllten Ballons bestimmt. Diese Leinen sind nicht dauernd mit dem Netze verbunden wie die Auslauf leinen, sondern werden

erst bei der Füllung evtl. angeknebelt .

Das Netz

ist , um es gegen Fäulniss zu schützen , mit Katechu imprägnirt . In den bisher beschriebenen Theilen unterscheidet sich der Yon'sche Armeeballon nur durch das bessere Material und die grössere Technik der Ausführung von den gewöhnlichen Ballons der Berufsluftschiffer. Wir kommen nunmehr zu einem sehr wesentlichen Theile des Armeeballons , der nur diesem eigen ist, es ist dies die Art der Aufhängung der Gondel in Verbindung mit der Fesselung des Ballons an dem Halteseil . Der von Italien bestellte Ballon sollte sich noch bei einem Wind Bei einem so starken

von 10 m pro Sekunde in der Luft halten können . Winde

erleidet

Auftriebe ganz

nun ein gefesselter Ballon bedeutende Schwankungen

selbst

bei noch so

kräftigem

in der Luft ; die Bewegungen

eines Segelschiffes im Sturme auf hoher See sind gering dagegen .

Soll nun

bei so bedeutenden Schwankungen ein Aufenthalt in der Gondel des Ballons überhaupt möglich sein und soll der in der Gondel befindliche Beobachter auch wirklich noch hierbei womöglich mit Ferngläsern beobachten können , so musste

eine Aufhängung der Gondel ersonnen werden , welche letztere

möglichst unabhängig von den Bewegungen des Ballons macht und ausser dem eine stetige senkrechte Lage der hängenden Gondel gewährleistet. Die Yon'sche Aufhängung der Gondel und Verbindung des Halteseiles mit dem Ballon erfüllt diese Bedingungen ziemlich vollkommen . An den vorher beschriebenen 24 Auslaufleinen des Netzes (Fig . 3) hängt mit Knebeln befestigt der obere 0,80 m im Durchmesser weite, 7 cm hohe und 3 cm starke Ring von Nussbaumholz . An diesem Ringe sind einmal nach dem Ballon zu die 24 Knebel für die 24 Auslaufleinen, ferner 8 Knebel für den unteren Ring von gleicher Gestalt angebracht. eine Gelenkverbindung

Beide Ringe sind durch

zweier ellyptischer Metallringe,

von denen der eine

durch den anderen hindurchgeht, verbunden . Der untere Ring trägt 8 Knebel zur Aufhängung der Gondel . Um nun das den Ballon an der Erde fesselnde Halteseil unabhängig von der Gondelaufhängung mit dem Ballon zu ver

38

Das Kriegs-Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre).

binden , trägt der obere Ring, durch eiserne Bänder gehalten, einen Schaft aus Tannenholz , 2,50 m lang , 9 cm in der Mitte stark. Dieser Schaft bildet die obere Seite des sogenannten Aufhängetrapezes, dessen untere Seite ein gleicher Schaft bildet .

Beide Schäfte

sind

durch

zwei 6,8 m lange

starke Leinen verbunden , welche in Auskehlungen der Schäfte an den Enden befestigt sind. Ausser diesen beiden Verbindungsleinen gehen der grössern Sicherheit wegen noch 2 Leinen von den Enden des unteren Schaftes nach dem oberen Ringe .

Der untere Schaft trägt ausserdem noch 2 Seilenden

mit Knebeln , an denen das Dynamometer und hierdurch das Halteseil mit dem Aufhängetrapez verbunden wird. Durch diese Aufhängung der Gondel an einem einzigen drehbaren Punkte muss dieselbe stets senkrecht durch ihre eigene Schwere herabhängen , mag der Ballon und

mit ihm das Aufhängetrapez mit Haltetau eine noch so

schiefe Lage zur Horizontalen einnehmen .

Das zwischen Halteseil und Aufhängetrapez eingeschaltete Dynamo meter zeigt die Stärke des Auftriebes sowie den Zug , welchen die Leinen auszuhalten haben, an und dient somit zur Controle der Sicherheit. Damit bei einem eventl . Bruche der Spiralfedern des Dynamometers keine Trennung des

Ballons von dem Halteseil vorkommen kann , ist eine

Sicherheitsverbindung des Trapezes mit dem Halteseil durch ein kurzes Tau ende noch vorhanden , welches in Zug kommt, sobald das Dynamometer sich ausschalten sollte. An dem unteren

der beiden Trage-Ringe hängt ,

an den 8 Gondel

leinen angeknebelt, die Gondel , ein Korb aus Weidengeflecht und spanischem Rohr. Die Gondel ist 1 m lang, 0,85 m breit und 0,90 m hoch, ihr oberer Rand ist

durch ein Rohr Kupfer,

ihr Boden

durch Holzleisten

verstärkt.

Die 4 Gondelleinen sind bei der Anfertigung des Korbes mit in den Boden und in die 4 Seitenwände desselben mit eingeflochten und treten mit ihren 8 Enden aus den 4 Wänden am oberen Rande des Korbes in gleichen Ab ständen zu je

2

an jeder Wand heraus .

Sie werden derartig

an den

8 Knebeln des Trageringes angeknebelt , dass sie sich zweimal überkreuzen , damit bei einer ungleichmässigen Belastung der Gondel dieselbe nicht schief hängen kann . Als besonderes Zubehör des Ballons ist noch zu nennen der Anker mit Ankertau . von

8,5

kg

Ersterer ist ein gewöhnlicher kleiner eiserner Schiffsanker Gewicht mit 2 Flucken und einem hölzernen Balken .

Der

Anker hängt an einem 32 m langen , 15 mm starken Ankertau aus Hanf und zwar wird dasselbe an einem hierzu am unteren Tragering angebrachten grossen Knebel angeknebelt. Später construirte Yon eine sogenannte Ankeregge, deren Vorzug darin besteht, dass von derselben stets wenigstens 3 Zinken in den Erdboden ein greifen müssen , während bei dem gewöhnlichen Anker nur 1 Zinken fassen kann. Um den Ballon bei dem Aufstieg und

bei dem Einholen genügend

Das Kriegs - Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre).

39

weit von der Dampfmaschine entfernen zu können , sind ferner an dem unteren Ringe zwei 50 m lange und 13 mm starke , sogenannte Manövrirtaue an geknebelt. Dieselben dienen gleichzeitig zum Transport der gefüllten Ballons über Hindernisse im Terrain , wie z . B. Bäume , Telephonleitungen etc. Schliesslich seien noch die Unterlegepläne, Füllschläuche und Sandsäcke erwähnt,

welche bei der Füllung des Ballons gebraucht werden. Letztere sind zu ihrer Konservirung mit einer Kupfersulfatlösung imprägnirt. Die Gewichtsverhältnisse der einzelnen Theile des Ballons sind folgende : Hülle (7mal gefirnisst ) oberes Ventil mit Leine .

110,0 kg 10,9 29

unteres Ventil mit Leine Netz komplet mit Halteleinen etc. Ringe mit Gelenkverbindung Verbindungs -Trapez Gondel

10,7 36,3

" "

13,0

"

16,0

"

17,0

"

7,3

Dynamometer Anker mit Tau .

19 14,5 7,0 "

Manövrirleinen

Sa.

241,8 kg bleiben somit, wenn man Der Ballon besitzt ca. 540 kg Auftrieb ; es das Gewicht von 2 Personen mit 150 kg und das des Halteseiles mit 100 kg in Anrechnung bringt, noch ca. 60 kg freier Auftrieb übrig, mit welchem der Ballon in 500 m Höhe mit dem Winde kämpfen muss . Das bisher beschriebene Ballonmaterial sowie noch das Zubehör für den Wasserstoffgas -Erzeuger und die Dampfwinde wird in einem mit 4 Pferden zu bespannenden Ballon-Transportwagen untergebracht und transportirt . Dieser eigens für diesen Zweck konstruirte Wagen besteht aus einem auf dem Hinterwagengestell angebrachten geschlossenen welcher durch

eine

auf seinem Decke eine Gallerie trägt .

einen Sitz

Kasten,

Auf dem Vorderwagen ist ein eben

falls durch eine Thür zugänglicher Sitzkasten angebracht, zeitig

grossen

zweiflüglige Thür von hinten her zugänglich ist und

für 3 Mann bildet .

welcher gleich

Zwischen Vorder- und Hinterwagen

ist noch ein offener durch ein Leinennetz gebildeter Raum abgegrenzt . Der grosse Kasten auf dem Hinterwagen nimmt den in der Gondel

verpackten Ballon, das Netz sowie alle grösseren Stücke des Materials auf, mit Ausnahme des Ankers, des Aufhängetrapezes und der Ringe, welche auf . dem Verdeck dieses Kastens untergebracht werden . Die Sitzkiste ist durch eine vertikale Wand in zwei Räume eingetheilt, von denen der eine für die Zubehörstücke des Wasserstoffgaserzeugers, der andere für die der Dampf winde bestimmt ist. Alles übrige kleinere Material sowie Reservetheile der Wagen finden Platz .

in dem offenen Raum

Das Gesammtgewicht

zwischen Vorder- und Hinterwagen

dieses Wagens

beträgt

1300 kg und voll

beladen nur 2 000 kg , ist also durch 4 Zugpferde bequem zu transportiren .

40

Das Kriegs-Luftschiffer- Material ( System Yon und Lachambre). 2.

Der fahrbare Wasserstoff- Gaserzeuger.

Der bei Weitem wichtigste Theil eines Armee- Luftschiffertrains ist der Wasserstoffgaserzeuger, da von seiner Leistungs- und Transportfähigkeit die taktische Verwendbarkeit des Ballons in erster Linie abhängt. Da von allen Gasen, welche überhaupt zur Füllung von Ballons, weil leichter als die Luft, verwendbar sind, das Wasserstoffgas das specifisch leichteste ist, so ist dieses Gas gerade zur Füllung von Armeeballons , bei denen es auf ein möglichst geringes Gewicht und Schnelligkeit der Füllung in erster Linie ankommt, besonders geeignet . Das Wasserstoffgas lässt sich nun in verschiedener Weise in grösseren Massen herstellen . Nach vielen Versuchen , dieses Gas in anderer Weise her zustellen , sind die Franzosen

schliesslich

wieder

zu der Methode zurück

gekehrt, dasselbe durch die Zersetzung des Wassers durch Eisen mit Hülfe verdünnter Schwefelsäure

zu fabriziren ,

weil

diese Art der Entwickelung

immer noch die rapideste bleibt, obgleich sie andere sehr grosse Nachtheile besitzt , so dass man sie wohl kaum als eine feldmässige bezeichnen kann .

Dem

Kapitän Renard der französischen Luftschifferabtheilung gebührt das Ver dienst,

zuerst

einen fahrbaren Wasserstoffgaserzeuger nach diesem Prinzip

erbaut zu haben , welcher , was die Schnelligkeit der Entwickelung anbelangt , den Anforderungen zu entsprechen scheint . Der fahrbare Gaserzeuger Yon's ist eine Nachahmung des Renard'schen Apparats, erreicht denselben hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit aber nicht . Der Yon'sche Gaserzeuger (Fig . 1 ) besteht zunächst aus 2 Haupttheilen , dem fahrbaren Untergestell und dem eigentlichen Gaserzeugungsapparat .

Das

fahrbare Untergestell wird durch einen vermittelst Federn auf einer Vorder und Hinterachse ruhenden Rahmen aus doppel T-Eisen für die Bespannung mit 6 Pferden eingerichtet ist.

gebildet,

welcher

Der eigentliche Gas

erzeugungsapparat setzt sich aus 4 Haupttheilen zusammen : 1. dem Mischgefäss für Eisen und Schwefelsäure . A. 2. dem Wäscher und Kühler . B. 3. den beiden Trockenthürmen . C. C.

4. der 3fachen Rohrleitung . D. Das Mischgefäss, in welchem die eigentliche Gasentwickelung vor sich geht, besteht aus 3 übereinander angeordneten Theilen, wie schon äusser lich aus der Form ersichtlich ist. Das Gefäss ist aus Eisen und ist überall dort, wo die Schwefelsäure mit demselben im Innern in Berührung kommt , mit Blei ausgekleidet, da das Blei von der Schwefelsäure nicht zerfressen wird . In dem unteren konischen Theile des Mischgefässes , welcher mit Eisen drehspänen gefüllt wird, tritt von unten her durch ein Rohr die durch Wasser verdünnte Schwefelsäure ein und gelangt durch einen durchlochten bleiernen Boden in die Eisenspäne,

wodurch die Gasentwickelung bewirkt

wird . Der mittlere cylinderförmige Theil des Entwicklers trägt innen einen zweiten engeren Cylinder, so dass zwischen beiden ein leerer Raum entsteht,

41

Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer- Vereine.

in welchen durch Löcher im inneren Cylinder das Gas zum Abflussrohr tritt . Da die Säuremischung diesen mittleren Theil des Entwicklers nicht mehr ganz anfüllt, so ist derselbe auch nur in seinem unteren Theile mit Blei ausgekleidet . Auf diesem Cylinder sitzt der dritte ebenfalls cylindrische Theil. Derselbe besteht aus zwei konzentrischen kreisförmigen Wänden , zwischen welche eine Abschlussglocke passt . Der Zwischenraum wird mit Wasser gefüllt, so dass hierdurch ein hydraulicher Gasabschluss bewirkt wird .

Die

Abschlussglocke trägt oben einen Hahn zum Ablassen der Luft beim Beginn der Füllung .

An dem Entwickelungsgefäss sind noch folgende Theile an

gebracht und bemerkenswerth : zwei Reinigungsthüren am unteren Theile, mit einer Druckschraube fest verschlossen . Das Zuleitungsrohr, durch welches das angesaugte Wasser und die Schwefelsäure in den Entwickler gelangt . Im Innern dieses Rohrs sind durchlochte Bleiplatten angebracht , um die Mischung zwischen Wasser und Säure möglichst innig zu machen Das heberförmige Rohr a zum Abfluss des verbrauchten Eisensulfates ,

heber

förmig, damit kein Gas gleichzeitig mit ausströmen kann . Schliesslich noch das Gasaustrittsrohr b, an welches sich der Kautschukschlauch anschliesst, der das Gas zu dem Wäscher und Kühler leitet. Der Wäscher B ist ein cylindrisches eisernes Gefäss durch eine Glocke hydraulisch abgeschlossen, wie der Entwickler. Im Innern befinden sich Systeme von mit feinen Löchern siebartig durchbohrten Röhren . obere System fällt fortwährend

Durch das

ein feiner Wasserregen, aus dem unteren

dagegen tritt Gas aus, durchsickert eine sich permanent erneuernde Wasser schicht, durchstreicht dann den Regen und tritt schliesslich durch das Rohr c in den einen Trockenthurm .

An dem Wäscher ist das heberartig gekrümmte

Abflussrohr d für das permanent abfliessende Wasser, ferner das Wasser zuleitungsrohr e mit Trichter angebracht. Ein Abflusshahn in der Mitte des Gefässbodens ermöglicht das gänzliche Ablassen des Wassers . Ist das aus dem Entwickler sehr heiss und noch nicht säurefrei kom mende Wasserstoffgas in dem Wäscher gekühlt und gewaschen, so tritt es in den einen Trockenthurm C , und von diesem durch ein Rohr in den zweiten Trockenthurm C2. (Schluss folgt . )

Organisation,

Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer -Vereine.

Vortrag, gehalten am 14. 12. 1888 im deutschen Verein z. F. d. L. vou Hermann W. L. Moedebeck, Premier Lieutenant der Luftschiffer- Abtheilung. (Schluss). Paul Bert, welcher durch seine Versuche über das Leben in verdünnter Luft nach diesem Ausfall der Fahrt sich mit seiner Theorie etwas erschüttert fühlen musste , wurde darauf vom Verein mit zartfühlender Rücksicht durch die Wahl zum Vorsitzenden vollstes Vertrauen und Anerkennung gezollt .

42

Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine .

Hervé Mangon übergab

ihm

den

Verein ,

welcher im

April 1875

36 ordentliche und 71 beigesellte Mitglieder zählte, übrigens im Zustande glücklichster wichtige

Verfassung .

Arbeit

Er

anzuregen,

hatte

nicht

unterlassen, noch eine

höchst

nämlich die Bearbeitung eines Aide mémoire ,

eines technologischen aëronautischen

Handbuches ; indess

Paul Bert, vor

züglich vielleicht als Physiologe und Staatsmann , verstand es weniger gut , die Arbeitsamkeit des Vereins zu fördern . Die Kommission zur Bearbeitung des Handbuches, war durch den Tod der beiden Märtyrer, sowie durch den aus Gesundheitsrücksichten nöthigen Rücktritt Penaud's von dieser Arbeit , so gut wie gesprengt ; sie hätte demnächst wieder ergänzt werden müssen , jedoch dachte man daran nicht. Die Beschäftigung der Vereinsmitglieder verlor an Einheit in der Sache .

Dazu kam noch , dass die äusseren Ver

hältnisse an sich schon diesen Verfall begünstigten . Im Mai 1874* ) bildete nämlich das Kriegsministerium eine commission des aérostats militaires aus mehreren Offizieren unter dem Vorsitz des Genie-Oberst Laussedat , einem Laussedat war vielseitig gebildeten und ziemlich weitblickenden Offizier. Ende 1874 dem Verein beigetreten und hatte bald die einflussreiche Stellung eines

Vicepräsidenten in demselben

sammlungen

besuchte ,

um

erlangt.

Je weniger Bert

die Ver

so mehr machte sich die Einwirkung dieses

Vicepräsidenten geltend , und es lag für ihn in seiner militärischen Eigen schaft wohl nahe , dass es seinem Wunsche entsprach , die Arbeitskraft der Gesellschaft vorzugsweise in militärische Bahnen

zu lenken .

Ein Neben

umstand, welcher ihm dabei zu Hülfe kam, war ein von einem Partikulier Poignant gestifteter Preis von 500 Frcs. für die beste Arbeit über den Luft widerstand, eine Frage, die ja doch ebenfalls für die Militär- Luftschiffahrt, welche sich natürlicherweise den lenkbaren Luftballon als Ziel gesteckt hatte, von Bedeutung war. Aber der gute Grund, den Janssen und Hervé Mangon geschaffen hatten , wirkte auch während der Zeit Paul Bert's noch nach und liess noch eine Anzahl schöner Früchte , Arbeiten voll wissenschaftlichen Werth, heranreifen.

Besondere

Erwähnung

verdienen Penaud's Arbeiten über den

Vogelflug und seine Versuche über verschiedene Drachenformen . Allgemein interessant erscheint uns auch die scharfe Kritik der Glaisher'schen Hoch fahrten vom 5. IX . 1862 und 18. IV . 1863 durch den Luftschiffer Adrien Duté Poitevin .

Der letztere weist darin auf die Abweichungen hin, welche

in dem französischen

Bericht

voyages aériens " und in dem

schienenen englischen (Travels in the air) zu finden sind . pag . 103 ) .

später

er

( Aéronaute 1876

Die Annahme, der Ballon sei, wie behauptet wird, am 5. IX. 62

11277 m (37000 ) gestiegen ,

eine Behauptung die Glaisher, der selbst be

kanntlich ohnmächtig wurde, aus dem Stande seines Minimumthermometers

*) Die erste commission des communications par voie aérienne wurde im Jahre 1874 in's Leben gerufen.

Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine .

43

und aus einem Gesetz der Temperatur- Abnahme mit der Höhe abzuleiten suchte, 1 ° C. 200 m, zieht A. D. Poitevin sehr in Zweifel. Von mehreren Vereinsmitgliedern , wie Oberst Laussedat , Gebr . Tissandier , Godard, Poitevin de Fonvielle u. s . f. , waren auch Fahrten unternommen worden, jedoch scheinen nach der Veröffentlichung diejenigen Tissandier's die einzigen zu sein , welche einen wissenschaftlichen Anhauch besitzen . In der Zeitschrift L'Aéronaute beginnt dieses Jahr die Geschichte älterer und fremdländischer

Ereignisse einen grösseren

Raum

einzunehmen ,

und ich

glaube kaum fehl zu gehen , wenn ich diese Erscheinung mit den ersten Studien der militärischen

Kommission in Zusammenhang bringe ,

welche

wohl zunächst die älteren Arbeiten , namentlich die des Generals Meusnier , hervorholte und nicht weniger die Versuche Haenlein's in Brünn jetzt, nach dem 4 Jahre darüber hingegangen waren , an das Tageslicht Frankreichs zog. (vgl . Aéronaute 1876). Das Unglück , welches den Oberst Laussedat mit der Kommission bei seiner dritten Ballonfahrt am 8. December 1875 im Ballon L'Univers zustiess , deckte die mangelhafte Technik bezl . Material und Ausbildung der Gewerbeluftschiffer auf und wurde demnächst die Veran lassung, dass man die Ballontechnik mehr in den Vordergrund treten liess . Grundlegend wurden in dieser Beziehung für den Verein und die militärische Kommission

die

Erfahrungen

Henri

Giffard's

( vgl. aéronaute

1886 pag . 70 ) , welche den Hauptpunkten nach , durch folgende Stichworte angedeutet sein mögen : Verwendung gummirter Stoffe mit Firnissauftrag ; viele Nähte und diese mit Bändern innen und aussen beklebt ; obere Kalotte mit weissem leichten wasserdichten Taft bedecken ; daran eine Aequatorleiste anbringen, damit Regenwasser nicht auf den Ballon überfliesst ; beim Netze grosse

Knoten vermeiden ;

Gänsefüsse

mit

Rollen

oder

Ringen

versehen

und Netz so präpariren , dass es weich bleibt und kein Wasser aufnimmt ; über dem Ventil ein Dach gegen Regen anbringen ; keine Gummi- sondern Metallfedern ; Reibungsband ; üben langdauernder Fahrten . Ein Preis von 500 Frcs . , den Bert für die beste Arbeit über Hoch fahrten aussetzte (vgl . Aéronaute 1876 pag. 116), scheint nach der Ueber nahme des Vorsitzes durch Laussedat keinen Bewerber gefunden zu haben . Laussedat übernahm den Verein am 24. V. 1876 mit 41 ordentlichen und 83 beigesellten Mitgliedern . mehrung des

Ausschusses ,

Das Wachsthum desselben machte eine Ver der seit

einiger Zeit den

Namen

" Beirath"

(conseil ) erhalten hatte , möglich und im Hinblick auf eine geplante Zunahme der Arbeit wünschenswerth . Der Beirath wurde daher auf die Zahl von 12 Mitgliedern gebracht .

Laussedat , der selbst noch an den Folgen seines

Unfalles krank darnieder lag , theilte dem Verein brieflich die Gesichtspunkte mit, die er festzuhalten gedachte . * )

*) Die Sitzungen fanden vom 1. Juli 1876 ab in der rue des Grands Augustins No. 7 statt.

44

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer- Vereine .

Die Hauptsache ,

sagte er , bleibt das Streben nach dem Bau eines

lenkbaren Luftschiffes, dann betonte er die Nothwendigkeit der Fertigstellung In der That schritt eines Aide mémoire's und eines Bibliothek-Kataloges . man nun zur Wahl einer Kommission von 11 Mitgliedern , welche das ,manuel théorique et pratique des aéronautes

bearbeiten sollten .

Es ent

wickelte sich in dieser Beziehung eine grosse Rührigkeit . Auch der Preis zur Entscheidung ; es waren nicht weniger als

Poignant gelangte jetzt

13 Arbeiten eingegangen , von denen 2 italienisch , 1 spanisch und 1 neu griechisch geschrieben waren. Als Preisrichter war ausser anderen auch der Hauptmann Renard erwählt worden .

Es entstand überhaupt allem Anscheine

eine innige Wechselbeziehung zwischen dem Verein und der militärischen Kommission , und letztere beschäftigte sich bereits damals ernst

nach jetzt

lich mit der Motorenfrage, denn der Oberst Laussedat berichtet selbst über Versuche , welche am 9. September mit einer Dampfmaschine von Felix du Temple zu Cherbourg stattgefunden hatten.* ) Nebenbei entwickelten sich aber auch im Stillen die anderen Zweige der aëronautischen Wissen schaft . Penaud und Hureau de Villeneuve hatten bereits mit Erfolg künst liche Vögel in kleinen Apparaten hergestellt.

Dazu gesellte sich jetzt Tatin's

mechanischer Vogel, welcher durch comprimirte Luft getrieben wurde . Der Oberst Laussedat zog sich aber merkwürdiger Weise plötzlich von der Waltung seines Amtes mehr zurück unter Hinweis auf seine dienstliche Stellung . Im Verein bereitete sich nunmehr langsam eine innere Zersetzung vor, die man sich wohl dadurch erklären kann, dass die hervorragenden , sich be sonders mit der praktischen Luftschiffahrt und Meteorologie beschäftigenden Elemente eine zeitlang ausschliesslich von der Militärkommission beansprucht wurden , der sehr bald unter dem Kriegsminister Berthaut der Park in Chalais - Meudon

zu praktischen Versuchen zur Verfügung gestellt wurde. Die hier besonders beanspruchten Mitglieder waren : Hervé Mangon , Janssen , der das meteorologische Observatorium in Meudon erhielt, Dr. Hureau de Villeneuve, welcher bekanntlich den Seidenstoff für die Meudoner Ballons durch eine

von ihm erfundene besondere Webemethode verbesserte ; ferner

G. und A. Tissandier, der Luftschiffer Adrien Duté Poitevin, der Mechaniker Jobert u. a. Der Zerfall des Vereins kommt plötzlich zum Ausbruch bei der Neu wahl des Vorstandes am 14. XII . 1876. Mit der Wahl des Vicomte Ponton d'Amécourt, des unbeugsamen Anhängers des Schraubenfliegers , wird an der durch die Satzungen gewährleisteten Geistes-Aristokratie gerüttelt . Das Volk

der beigesellten Mitglieder hat unter den ordentlichen Mitgliedern

*) Die Maschine bestand aus einem Kessel mit 70 Röhren von 7mm lichtem Durch messer und 1 mm Stärke, welche 600 Atmosphären Druck aushalten sollten. Das Gewicht der Maschine betrug 200 kg, das pro Stunde bei 10 Atm. Spannung nöthige Wasser betrug 275 kg bei 20-25 Hp . bezw. 8-10 kg pro Hp. (vgl. aéronaute 1876 pag. 312 )

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine .

45

eine unzufriedene Partei als Demagogen gefunden, welche die Forderung Zwar gelingt nach Gleichberechtigung zum Durchbruch bringen wollen . ihnen das nicht, die Satzungen werden nur in wenigen Punkten abgeändert, indess bald hernach tritt der grössere Theil der Vereinsmitglieder aus . Das Vereinsleben im Jahre 1877 ist nicht weiter der Erwähnung werth . Dr. Hureau de Villeneuve und der General-Postdirektor Rampon konnten als nächste Präsidenten 1878 und 1879 die Schäden erst nach und nach wieder wett machen.

Hierbei kamen ihnen die äusseren Verhältnisse, die Weltausstellung

mit Giffard's Riesenballon-Captif etwas zu Hülfe . *) Viele

fühlten

sich angeregt , dem Verein wieder ihr Interesse zuzu

wenden ; ja der Präsident der Republik, Mac Mahon, welcher als erster den Korb von Giffard's Ballon bestiegen hatte, trat als geheimer Förderer dem . · Verein zur Seite . ** ) Die guten Beziehungen zu Meudon traten wieder zu Tage, indem über daselbst angestellte technische Versuche, allerdings mit grosser Reserve, im Verein Vorträge gehalten wurden . Hiernach schwebte zur Zeit die Motoren frage in der Luft ; man war seit 1878 mit dem Bau eines lenkbaren Ballons beschäftigt .

Renard , dem seit Anfang 1879 der Pompier-Lieutenant Krebs

beigesellt war, hatte mit letzterem zusammen eine leichte Dampfmaschine besonderer Konstruktion ersonnen . Renard's Ausgangspunkte waren dabei folgende : Beim Kessel , so sagte er, wiegt das Wasser mehr als die Heiz fläche ; man muss letztere vergrössern, um die Verbrennungswärme gut aus nutzen und das Wasser vermindern zu können . von schwachem Durchmesser, können, erreichen .

Das lässt sich durch Röhren

die folglich eine geringe Wandstärke haben

Die Temperatur ist bei Gasheizung unten ca. 400 bis

500 , oben ca. 300 ° . Das Feuer darf nicht zu stark sein , weil die Erwärmung unregelmässige Strömungen verursacht und daher leicht ein Verbrennen der Heizfläche vorkommen kann .

Er hatte einen Apparat von 3 Hp . construirt ,

welcher kaum 3 Liter Wasser enthielt , was ihn zu einem leichten Kessel ohne geringe Oberfläche machte . geringen Wassergehaltes

Der Gang der Maschine war trotz des

empfindliche Organe gesichert ;

besonders

wurde die ingeniöse, von Krebs construirte Pumpe hervorgehoben .

Es wurde

auch eine Maschine 8 kg pro Hp.

durch

zu 6 Hp. gebaut ; für diese

wog die Heizfläche ca.

Die rastlose Thätigkeit des Hauptmanns Renard war bald in der Weise hervorgetreten, dass man ihm im Jahre 1880 das Präsidium des Vereins an vertraute.

Die Militärkommission bedurfte jetzt wohl kaum noch irgend einer

*) Dieser Ballon machte vom 28. VII. bis 4. XI. an 72 Tagen Auffahrten und nahm 35 000 Personen während dieser Zeit mit in die Höhe. **) Um jene Zeit suchte man auch in Russland, nachdem der Krieg mit der Türkei beendet war, den Sinn für die Aeronautik zu wecken. Der berühmte Chemiker Mendelejeff und mehrere andere Russen traten dem französischen Vereine bei ; die Korrespondenz mit Russland wurde eine beinahe regelmässige .

46

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine.

Belehrung von seiten des Vereines, im Gegentheil man kann sich des Ein drucks nicht erwehren ,

dass umgekehrt der Verein durch Renard belehrt und, auf der Zeit entsprechende, praktische Ziele geleitet wurde . Wahrschein

lich auf Anregung der Meudoner Offiziere

waren seit Anfang 1879 ver schiedene wichtige Apparate erfunden bezw. Aufgaben bearbeitet worden ; ich erwähne einen Apparat, um Leinölfirniss zu kochen, von Jobert, eine rotirende Dampfmaschine und Transmission auf grosse Entfernungen , sowie Anker ebenfalls von Jobert, ferner der Motor von Herreshoff u. a. mehr. Aber Eines kam

nicht zu Stande,

das Aide mémoire .

Da sich aber

seit 1876 bereits eine Schule für Luftschiffahrt gebildet hatte, von der ich später besonders sprechen werde, und da diese immer noch nach dem alten Zopfstil arbeitete,

erschien es im Interesse

des Staates wohl geboten ,

die

Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien in Meudon allgemeiner bekannt zu machen . So und nicht anders wird auf jeden Fall die Abhaltung der Vorträge Adrien Duté Poitevin's und Renard's über den Ballonbau und das Ballonfahren aufzufassen sein , in welchen zum ersten Male für diese Materie ein wissenschaftliches technisch durchgearbeitetes System zu schaffen gesucht wird .

Um sämmtliche Vereinsmitglieder zu einem erfreulichen Schaffen her

anzuziehen und jeglichen Neid und Missgunst, die sich wohl wegen Bevor zugung Einzelner gezeigt haben mochten , auszuschliessen, wurde für die dem nächst wieder in Aussicht genommenen Freifahrten eine neue Art der Be stimmung zur Theilnahme erfunden . Dr. Hureau hatte früher schon auf die Nothwendigkeit des Zusammenhaltens aller aëronautischer Richtungen hin gewiesen, denn sagte er, die Arbeiten der Militärkommission sind meist geheim, und der Zweck des Vereins ist umgekehrt allgemein luftschifferliche Kennt nisse gerade recht zu verbreiten , aber von den Aviatikern oder den Aëro statikern allein kann er nicht leben und keine Zeitschrift unterhalten ; bei den künftigen Auffahrten sollen indess alle Gelegenheit finden, wissenschaft liche Versuche im Ballon machen zu können , nur müssen solche , in einer Denkschrift ausgearbeitet , dem Vorstande überreicht werden ; eine Kommission soll schliesslich über die Würdigsten entscheiden . Das Ballonmaterial für diese Fahrten stellte der Grossindustrielle Bris sonet zur Verfügung .

Es tritt nunmehr ein neuer Faktor in die Geschichte des Vereins hinein, ein Faktor, der mir von seiten der Militärkommission und der Staatspostverwaltung in's Leben gerufen zu sein scheint , nämlich die aeronautische Privatindustrie, deren Nestor in der Person Brissonet's erkannt werden muss . Es sei mir hier gestattet, von der Société de navigation aérienne einen Blick abseits zu werfen auf die Académie d'aérostation météo rologique de Françe ) . d'aéronautes français .

Im Schosse jener Gesellschaft, lag die École Dieser Verein

* ) 29 rue de la Chapelle , Paris.

bildete

eigentlich

die

Fort

Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine.

47

setzung der von Dupuis Delcourt 1852 gegründeten Société aérostatique et météorologique de Françe . Die Mitglieder der letzteren , welche sich dem strengen wissenschaftlichen Geiste der neugegründeten Société française de navigation aérienne nicht anzuschliessen vermochten, kamen wöchentlich einmal zu Abendunterhaltungen zusammen .

Ihr Kreis vermehrte sich 1876

und man beschloss daher, praktisch an's Werk zu gehen, durch die Praxis die Theorie zu verbessern und junge Kräfte zu erziehen . Es wurden für eine Luftschifferschule Satzungen ausgearbeitet *) und eine Zeitschrift Le Ballon begründet, welche Brissonet gehörte, der überhaupt die Seele dieses Vereins war. Die Schule machte 1876

79 Freifahrten

1877

81

1878 1879

82

1880

117

"

95

Wie ersichtlich, nahm sie also einen zufrieden stellenden Fortgang und es wurden in der That eine grosse Reihe bekannterer Luftschiffer, wie Lhoste , Mangot, Valès , Jovis u. s. f. daselbst ausgebildet .

Dem grossen Verein aber,

zu dem wir nun wieder zurückkehren wollen, sowie jedem Privaten standen für ein Billiges jeder Zeit Ballons in beliebiger Grösse zur Verfügung .

Man

zahlte nur 5 % Abnutzungsgelder, Füllungs- , Reise- und Transportkosten ; der Luftschiffer

wurde kostenlos beigegeben .

schon für 300 und 500 Frcs . gemacht werden.

Derartige Fahrten konnten Als nun 1881 Tissandier

die Führung des Vereins übernahm, machte sich dessen Einfluss sehr bald in der Wiederaufnahme der seit Sivel's und Crocé Spinelli's Tod etwas ver nachlässigten aërostatischen Versuche geltend , wozu Brissonet's Institut wesent lich beitrug . Ballonfahrten und Versuche mit Ballonphotographie und ver schiedenen Ankern wurden mehrfach unternommen . Wie zweckmässig sich dabei der Gedanke eines Concours für die Fahren wollenden in der Société française de navigation aérienne erwies, zeigte sich an dem Eingange von 16 Arbeiten . Die Preise erhielten von diesen Ch . du Hauvel d'Andreville, welcher vordem auch den Preis Poignard (500 Fres . ) erhalten hatte, und der Luftschiffer Adrien Duté Poitevin .

Der erstere hatte

sich eine meteorologische Aufgabe betr. Wolkenbildung und Regenfall ge stellt , letzterer eine Navigationsaufgabe bezüglich Vorbeugen jeder Be schleunigung bei Gleichgewichtsschwankungen des Ballons . Am 20. Oktober 1881 unternahmen beide in einem nur 650 cbm fassenden Ballon ihre Fahrt, die sie in der besten Weise vollführten .

Ein versiegelter Richard'scher und

Tatin'scher Barograph legten

Richtigkeit ihrer

von der

aufgezeichneten

Höhenschwankungen Zeugniss ab. Eine nicht zu übersehende Bedeutung gewann unter der Einwirkung

*) Die Satzungen kamen 1876 heraus und wurden 1878 revidirt.

Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer- Vereine.

48

Tissandier's auch wieder das Streben nach der Lösung des Problems . Tissan dier selbst war damals mit der Konstruktion eines elektrischen Schraubenluft schiffes beschäftigt ; ein Modell des Fahrzeuges, auf welches er überdies ein Patent genommen hatte, stellte er auf der elektro-technischen Ausstellung in Paris 1881 aus. Er hat hiermit auf die Anstalt in Meudon bestimmend eingewirkt, die im übrigen, wie sich später herausstellte, auch die Vorschläge des Mechanikers Jobert nicht unbeachtet liess. welche die Annahme der Olivenform, die vorn durch Stahlplatten ( barettes d'acier) gegen Verunstal tungen durch den Luftwiderstand geschützt sein sollte, sowie die Verlegung der Schraube nach vorn empfehlen . Einen grossen Verlust erlitt der Verein durch den Tod des vortrefflichen Penaud . In seinem Testamente hinterliess dieser der Akademie der Wissenschaften

einen Preis von 3 000 Frcs . für

denjenigen, welcher die Frage der Luftschiffahrt am meisten fördere

( celui

qui aura le plus fait progresser la question de la locomotion aérienne ) .

So

trug Penaud noch nach seinem Tode dazu bei , die 100jährige Frage ihrem Ziele näher zu führen . *)

Tissandier's Nachfolger, der Ingenieur David Napoli ,

Direktor des Versuchslaboratoriums der Eisenbahnen des Ostens, bemühte sich, den Verein in der eingeschlagenen Richtung zu erhalten. Er drang darauf, wieder praktische Versuche über den Luftwiderstand . anzustellen , begünstigte die Gründung der École aérostatique Brissonet's, welche an Stelle der wahrscheinlich eingegangenen Ecole d'aéronautes français getreten war, und bereitete schliesslich die Wiederaufnahme meteorolo gischer Ballonfahrten vor, für welche ein Mitglied , Graf Dion, im Begriffe stand, einen Ballon anfertigen zu lassen. Höchst wahrscheinlich hat Napoli mit seinem Vortrag über die leichten Motoren auf die Arbeiten der Meudoner Offiziere auch einige Einwirkung gehabt . Er behauptete nämlich und suchte durch Rechnung nachzuweisen, dass die Elektricität den leichtesten , einfachsten und sichersten Motor liefern würde.

„ C'est l'éléctricité, qui fournira le moteur le plus léger , le plus simple

et le plus sûr ! "

Wir haben gesehen ,

wie Renard sich anfangs mit der

Dampfmaschine als der leichtesten Maschine beschäftigte . Von Warmluft- , Petroleum- und Gasmotoren schien man zunächst nicht viel zu halten. Eine Reihe stolzer Namen, Namen deren Klang schon in den entfern testen Erdwinkeln seinen Widerhall gefunden hatte, zierte den Verein, als er in das Centenarium der Erfindung des Luftballons eintrat .

Es lag auf

der Hand, dass in diesem Jahre unter der Leitung des General Perrier wieder etwas Besonderes geschaft werden musste . Man veranstaltete eine aëro nautische Ausstellung (vom 5.- 25 . Juni) im Trokadero und verband mit deren Eröffnung ein Festessen ,

an welchem auch Sadi Carnot theil nahm.

Der heutige Präsident der Republik erstattete hierbei

über die Thätigkeit

*) Es darf hier wohl noch hinzugefügt werden, dass auch der Preis Bordin 3000 Fre. „Ueber den Ursprung der Luftelektricität und die Gründe der Entwicklung elektrischer Erscheinungen in Gewitterwolken" der Beachtung seitens des Vereins nicht entging.

Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer- Vereine.

49

seines Vorfahren zu Gunsten der militärischen Verwendung des Ballons einen interessanten Bericht, aus dem zur Genüge seine eigene, vollkommen der Sache zugewandte Stellungnahme hervorgeht. dieses Jahr ferner dadurch, präsidentschaft annahm .

Für den Verein denkwürdig wurde.

dass der Minister Jules Ferry dessen Ehren

Mit dem, nach den neuesten Principien von Adrien Duté Poitevin ge bauten Ballon , Horizon konnten 3 wissenschaftliche Auffahrten unternommen werden .

Graf Dion und Herr Rembielinsky, welche dieses 3 900 cbm fassende

Fahrzeug auf ihre Kosten hatten bauen lassen, wollten damit die Vorgänge in der Atmosphäre zur Nachtzeit während eines Minimums studiren . Bei der ersten Fahrt, unternommen von Graf Dion , du Hauvel und Duté Poitevin am 11. März 1883 , kamen die kühnen Forscher Nachts in Schnee wolken hinein , welche den Ballon so stark beschwerten , dass er bald jäh herabfiel.

Eine sehr unangenehme Landung , theilweise durch das waldige

bergige Terrain , theilweise auch durch die grosse und plötzliche Entlastung des beschneiten Ballons, sowie durch den heftigen Wind herbeigeführt, fand schliesslich bei Aarau in der Schweiz statt . * ) Aber die Luftschiffer liessen sich durch derartige kleine Unannehmlich keiten nicht abhalten, den Ballon wieder in Stand zu setzen und am 29. und 30. Juli eine zweite Fahrt zu unternehmen . Dion hatte für diese den obersten Theil des Ballons mit einer leichten weissen Kalotte aus Baumwolle versehen , und führte im Korbe einen Venti lator mit, welcher stündlich 3 000 Cbm Luft zwischen jene Kalotte und den Ballon zu blasen vermochte .

Hierdurch hoffte er die,

infolge der Sonnen

bestrahlung hervorgerufene Temperaturerhöhung des Gases, welche nach den Versuchen in Meudon bei gefirnissten Seidenballons bis auf 60 ° steigt, ab zuschwächen. An dieser Fahrt betheiligten sich , ausser Graf Dion , Rembie linsky,

Prandhette und du Hauvel .

Ein bald eintretender Regen machte

die sinnreiche Vorkehrung zu nichte, weil die nasse Kalotte sich zusammen zog, dabei theilweise aus ihren Verbänden ausriss, das Netz verzog , und den Man landete Morgens Korb in eine bedenklich schiefe Lage brachte . — südlich Brüssel . Sehr günstig hingegen verlief am 27. und 28. August die dritte Fahrt, welche im Vogesenthale bei Münster nahe Colmar endete. (Theilnehmer : Graf Dion, Prinz Murat, Duté Poitevin, du Hauvel . ) **) Allen Arbeiten dieses Jahres setzte aber Tissandier's lenkbarer elek trischer Ballon, welcher sich das erste Mal am 8. Oktober den überraschten Parisern zeigte, die Krone auf; das war ein Ereignis, welches , wenngleich nicht von besonderem Erfolge begleitet, doch einige Fortschritte mit sich brachte und demgemäss Anerkennung verdiente .

*) vgl . Aéronaute 1883. **) vgl. Aéronaute 1884. VIII.

Der Preis Penaud wurde

50

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine.

auf Tissandier, den Konstrukteur seiner Luftschraube Tatin und Duroy de Bruignac, der eine eingehende Bearbeitung über den Luftwiderstand geliefert hatte, vertheilt. Man möchte annehmen , eine derartige Fülle von Begebenheiten hätte den Verein zu weiteren besonderen Leistungen anspornen müssen . Er be schränkte indess

seine weitere Thätigkeit auf die Fürsorge für die École

aérostatique, deren Schüler Vorträge über Meteorologie und Ballonbau von Vereinsmitgliedern hören mussten , und zum Schluss vor einigen Vorstands mitgliedern eine Prüfung abzulegen hatten .

Ein Versuch , für Luftschiffer

eine besondere Versicherungs- Gesellschaft zu begründen , scheiterte an der Theilnahmlosigkeit der Mitglieder. Bei Tissandier aber suchte sich der persönliche Ehrgeiz schliesslich eigene Wege , und gleiche Motive scheinen auch dem Austritt der Hauptleute Renard und Krebs aus dem Beirath zu Grunde gelegt werden zu müssen . Eine friedlichere stillere Beschäftigung brach sich Bahn .

Der Phy

siologe Prof. Marey, welcher mit anerkennenswerther Beharrlichkeit die Geheimnisse des Vogelfluges aufzuklären suchte, war ganz der geeignete Mann dazu , den Verein in diese Richtung einzulenken .

Von jetzt ab passirt

nichts Grossartiges mehr im Verein,

der Schwerpunkt der Förderung der Die epoche praktischen Luftschiffahrt ist nach Aussen verlegt worden. machenden Versuche von Renard -Krebs im August 1884 und im Jahre 1885 wurden mit Begeisterung aufgenommen.

Aber man bleibt Zuschauer, rafft

sich im günstigsten Falle noch zu dem Gedanken auf, einen grossen Vogel zu bauen, welcher ebenfalls durch Elektricität getrieben werden sollte , und dieser Vogel hat auch heutzutage die hervorragendsten Geister des Vereins noch nicht verlassen . Als die weiteren Versuche zu Meudon schliesslich die Ueberzeugung verbreiteten , dass man Ballons von grösseren Abmessungen bauen müsse , hörte man vollends auf, eigene Pläne zu machen . So verlebte der Verein Jahre der Ruhe unter Jamin 1885 , Berthelot 1886 und Marcel Deprez 1887. Dr. Hureau de Villeneuve beschäftigte seinen

sich fast

künstlichen Vögeln und Fledermäusen .

ausschliesslich

mit

Dr. Marey's Photographien

und Bronzen über den Vogelflug sind hinlänglich bekannt.

Hervorzuheben

wären noch Maillot's Versuche mit einem achteckigen Drachen von 72 qm Fläche, der 65 kg

10 m hoch nahm.

Diese Versuche

sind bis auf die

neueste Zeit fortgesetzt worden und haben ausser verschiedenen interessanten Beobachtungen uns auch den Beweis erbracht, dass die früher häufiger auf getauchte Behauptung, man könne derartige Drachenflächen nicht zugleich leicht und fest genug bauen, wohl eine Phrase war. Derartige Erfahrungen sollten uns fernerhin zur Vorsicht mahnen . Endlich erwähne ich noch den Heizkessel von Dion Trepardoux (25 kg pro Hp ) und die von Hervé erfun denen Verbesserungen des Ballonmaterials, einem neuen Anker u . s. f.

bestehend in neuen

Ventilen,

Organisation, Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer - Vereine.

51

Man darf sich nicht der Meinung hingeben, die seit 1884 empor gekommene Privatindustrie, bezeichnet durch die Namen Brissonet, Yon , Flaud verdanken . Diese und Lachambre habe dem Vereine ihr Aufblühen zu verdanken. Etablissements sind für ihre Entwicklung mehr Dank der Regierung schuldig, welche den Absatz ihres Materials in den verschiedenen fremden Ländern indirekt vermittelt bezw . vorbereitet hat. Das Gefühl dass sich der Verein auf dem absteigenden Aste seiner Existenz bewege, hat auch bei den Führern Als zu Beginn dieses Jahres der desselben bereits um sich gegriffen. Aéronaute auf die diesbezügliche Beobachtung von unserer Seite hinweist , giebt er deren Richtigkeit zu und schliesst daran einen Appell an Frank reich. Allem Auscheine nach hat dieser Ruf nicht gewirkt . Wenn wir die Zeitschrift L'Aéronaute, diese einst so schöne Zeitschrift, als Massstab für die Leistungsfähigkeit des Vereins zu Grunde legen, und ich glaube wohl in der Berechtigung hierzu nicht fehl zu greifen, dann nimmt der Nieder gang in ganz bedenklicher Weise zu . Was aber soll dann Deutschland anfangen , welches nach Ausspruch unseres geehrten Kollegen Frion von jenseits der Vogesen doch vollständig abhängt von fremden Luftschiffern , Erfindern und Konstrukteuren ?! Die Redaktion des heutigen Aéronaute stelle ich mir als sehr leichte einfache Aufgabe vor.

Eine Scheere, ein Topf Gummi arabicum mit Pinsel ,

die Comptes rendues, La Nature, den Argus der Presse und die Sitzungs berichte ; das genügt als Material für die Fertigstellung einer Nummer. Nun , man sollte das wahrhaftig auch auf unserer Seite lebhaft bedauern , nicht etwa weil wir, wie man dort sich gern schmeichelt , der französischen Originalaufsätze (?) bedürften , um uns, wie Frion sich vorstellt, kärglich davon . zu nähren ,

nein,

das

haben wir gottlob nicht nöthig ,

aber wir brauchen

sehr wohl eine ebenbürtige Konkurrenz, welche unseren Ehrgeiz anstachelt, eine Konkurrenz ,

mit der wir einen

ehrlichen und vornehmen Wettstreit

eingehen können , einen Wettstreit um die erfolgreichste Arbeit ! Was die französischen Vereine geschafft haben, wollen wir gern

an

was sie heute schaffen, wird erst wieder der Beachtung werth werden , wenn sie zur Selbsterkenntnis ihrer Verflachung gekommen sind .

erkennen ;

Wenn es mir gestattet wird , auf die Entwicklung der Société de navi gation aérienne zum Schluss noch einmal einen kurzen Rückblick zu werfen , so ergiebt sich, dass sie unter Gelehrten wie Janssen, Hervé Mangon und Laussedat zur Blüthe gelangt ist, -Männer, die mit eiserner Energie auf bestimmte Ziele zum Nutzen des Staates lossteuerten und hierzu die Intelligenz des Vereins auszubeuten verstanden .

Solcher Ziele waren sich die Nachfolger

nicht mehr bewusst oder es fehlte ihnen das Talent, bei einigen vielleicht auch das Interesse bezw. die Selbstlosigkeit, den Verein entsprechend den Zeitverhältnissen zu leiten . In

solchem gemeinnützigen Verein spielt sich in schnellerer Aufein

anderfolge dasselbe ab, was die Politik der Staaten ausmacht.

Sein Augen 4*

52

Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer-Vereine .

merk muss darauf gerichtet sein,

sich nützlich zu erweisen , nur dadurch

kann er lebensfähig bleiben . Das Wie ? wird einem häufigeren Wechsel unterworfen werden müssen, der von inneren und äusseren Verhältnissen ab hängig ist. Sache des Vorstandes ist es aber, mit klarem Blick die Zeit zu erkennen, und das Vereinsdasein , dessen Wirken und Schaffen der Worte machen es nicht, selben immer von Neuem wieder anzupassen . Thaten !

Nachdem der französische Verein der Entwickelung der militäri

schen Luftschiffahrt genugsam gedient hatte, wurde ihm gewissermassen der Laufpass zu Theil . Man denkt unwillkürlich an Schiller's Worte : Der Mohr hat seine Arbeit gethan , der Mohr kann gehen ! die Thätigkeit

Von da ab wurde

Detailarbeit, trotzdem immer noch bekannte Gelehrte und

Staatsmänner sich an die Spitze stellten .

Aber das gesammte aëronautische

Treiben scheint mir heute in Frankreich in drei Theile gespalten .

Besonders

abgeschieden ist die ziemlich grosse Zahl der gewöhnlichen weniger gebildeten Luftschiffer. Diese Trennung geht aus dem verschiedenen Bildungsgrade und den damit verknüpften anderen Interessen hervor ; nichts destoweniger konnte der Verein, wie er es einst angestrebt und durchgeführt hatte, auch für diese Leute weiter sorgen .

Fernerhin lebt die von Jahr zu Jahr sich

mehrende Zahl der militärischen

Luftschiffer beinahe ganz für sich .

Diese

bedürfen aber, da sie über Frankreich zerstreut sind, eines geistigen Bandes um sich über die Vorkommnisse und die neuen Erfindungen auf dem Ge biete der Luftschiffahrt auf dem Laufenden zu erhalten . Wäre der Aéronaute noch wie früher eine gut redigirte , gut versorgte Zeitschrift gewesen , so hätte er wohl diese Aufgabe übernehmen können , aber es weht kein frischer Geist mehr darin .

Altmodisch , wie sein Aeusseres , ist seine Seele , und so

war es nur zu natürlich , dass ein Konkurrenz - Unternehmen , die Revue de l'aéronautique, welches auf der Höhe der Zeit steht , ihm den Leserkreis und einen grossen Theil guter Mitarbeiter entzog. Bei einer an sich schon kleinen Anzahl

Betheiligter ,

ist

ein derartiger Ausfall von tiefgreifender

Bedeutung. Es wird, wie immer und überall, auch hier das Gesunde bestehen, das Kranke untergehen, und wir können uns keinem Zweifel darüber hingeben , wie die Zukunft entscheiden wird. Wenn wir die nationalen Gegensätze einmal bei Seite setzen und uns auf den

höheren Standpunkt

schwingen,

eigentlich immer einnehmen müssten ,

den Förderer der Luftschiffahrt

können

wir ein Erschlaffen unseres

wissenschaftlichen Schwestervereins jenseits der Vogesen nur bedauern und wünschen, dass es demselben unter seinem neuen Präsidenten , dem Deputirten Eugène Rigaut , zu finden . Ihnen aber ,

gelingen möge, den richtigen Pfad nach aufwärts wieder

meine Herren ,

französischen Vereine

manchen

wird

dieses

Ringen und

Fingerzeig bieten ,

Kämpfen

der

wie Sie selbst von der

Zukunft sicher den Lorbeer des Erfolges erringen können .

Bereiten Sie sich

Zur Theorie des Fluges .

53

vor auf eine beständige, eine harte Arbeit ; bei den vorzüglichen Eigenschaften , die, wie Thaten und Arbeiten zeigen, in Ihnen verkörpert sind, dürfte Ihnen unter dieser Voraussetzung die Palme des Sieges nicht vorenthalten bleiben.

Zur Theorie des Fluges. Von K. Fuchs (Pressburg) . (Schluss.) Für die

Oscillationsweite O erhalten wir

folgenden

Ausdruck.

Die

Hauptformel lautet

0

g p (p₁ti² + p2 t2²).

8 N₂ + P₁ und für P haben wir oben einen Hierbei ist p₁ = N₁ - P und p2 Wenn wir Ausdruck gefunden, der nur durch N und No gegeben ist. substituiren, dann erhalten wir für den Klammerausdruck die Form (wenn wir I N und VN2 durch vi und v2 ersetzen) : V₁² + v22 V₁2 + v22 piti² + p2 t₂² VI tỉ tv2 t22. Vi +22 V₁ + V2 Ferner ist V2 +22 V₁ V1

P = V1 V2 also

21 +22 V₁ w w V2

g 1 • 8 V₁ V2

V₁² + v₂²

(V₁ti² + vet2²). V₁ +22

Nun ist

t₁² = h² ? N₁

h2 ? N2

t22

also die letzte Klammer

h2 v₂h² (1433 +042) V22

h² ?

1 Vi + V2 V1 + V2:| = h²Q VsV 2 (½

und

0 = 18 g h² z

V₁2 +222 ‫ول‬ V1

V₁ + V2 7,2 + 222

1

= =

g

(

+3 )

Wir können aber auch anders rechnen . g

( NN) Oben haben wir

212 +222 -(vitr² + v₂te²). 21 V2 Den Klammerausdruck können wir auch schreiben 0

1 71 72

( 171² + ½ 72²) T².

Zur Theorie des Fluges.

54 Nun haben wir

N₂

t1 t2

IN

und hieraus IN₂ + IM IN

4 +12 12

oder

T2

༧་ ༧1 + ༧ %

und analog T1

V2 ༧1 + ༧༡.

Dies eingesetzt wird aus dem Klammerausdruck V1 V2 T2 21 + 22 und

0

+ N₂ 18 g-72 7 N₁ -Ni N2.

Die Oscillationsweite erscheint also abermals unabhängig vom Gewicht des Vogels .

Sie wächst rasch mit der Dauer des Flügelschlages .

Betrachten wir den ferneren Typus, dass der Flügel mit einer gewissen Neigung gegen die Horizontale mit der Kraft N durch die Zeit nieder geschlagen und hierauf in der Zeit 2 ohne Ueberwindung von Luftwider stand wieder aufgeschlagen wird . Dann liefert der Normaldruck N die Vertikalkomponente Z = N cos « und die Horizontal komponente X = N sin a. Das getragene Gewicht ist. P P Z₁ 4 + Z2 12 1 N cos a und hieraus Zi 41 +12 T1. Analog ist der überwundene horizontale Luftwiderstand е Q: X14 + X2t2 und hieraus X= 1 N sin a T1. 41 +12 Wenn der Vogel mit einer gewissen Geschwindigkeit Luftwiderstand Q = FV². Bedingung

fliegt , dann sei der

Für den Neigungswinkel a erhalten wir dann die

182 =

Q P

FV2 P.

Je schneller also der Vogel fliegen will, um so geneigter muss der Flügel erhalten wir die Bedingung sein. Für

N = 1 1 p² + Q² = =1 VP2 + T2 VA. T1 51 Durch Beschleunigung der Fluggeschwindigkeit wird also der erforderliche Flügeldruck sehr vergrössert.

Die Flugarbeit ist

aiti A

1 a1 = τι Νω t₁ + to

oder wegen N = 40² oder o

VN ist auch P

Zur Theorie des Fluges. 1

NIN R

A

55

2 (P₂ + FV+) .

129

Nun wollen wir die Oscillationen berechnen . gilt die Gleichung piti

Für die Vertikalkräfte

pete, wobei pZ -P und p

P ist .

Die Be

dingung lautet also (Z- P) t = Pt . Analog gilt für die Summe der Horizontalkräfte die Bedingung q₁ti

q2t2,

wenn die mittlere progressive Geschwindigkeit unverändert bleiben soll .

Hier

ist qi

X - Q, qQ also die Bedingung (X- Q) t = Qt2.

P2

Wir können nun eine interessante allgemeine Folgerung ableiten . Wir finden pate piti

41 K2

qit =

qt ,

pi

p2

42 qi Hieraus

ersehen

wir,

dass

q2. Resultante Ki

die

von pi und 91,

nämlich

2 K₁ = p² qi², und die Resultante K2 von pe und q2, nämlich K2 √ p²² + q2², gerade entgegengesetzte Richtung haben, und dass diese Richtung mit der Vertikalen den Winkel 91 Pi Wir wollen nun K₁ und K2 berechnen .

tg

bildet.

K₁ = √ (2− P)² + (X— Q)²

K2

Wir haben √ P² + Q².

ihre Werthe einsetzen , erhalten wir 2 - 2 ΚΑ V K₁ = √P² ( − 1)² + Q² ( 1)

Wenn wir für Z und

t2

| P² + Q². 41 Die Oscillationsamplitude ist

0

g (K₁ ti² + K2 t22) 8 P

g ( ²² √ P² + Q² A² + √ P² + Q² だ të 12") 8 P =

==

1 g P tz TV P² + Q²

1 + 8h TV₁1+ C)² 8

Sie ist also um so grösser, je grösser der Luftwiderstand ist, je schneller also der Vogel fliegt. Für die Neigung der Oscillationslinie finden wir

Zur Theorie des Fluges .

56

x- e Z-P

91 Pi

tor

oder auch 12 P2

tg

Q P

hieraus folgt die Bedingung

e-x P— V

Q P

Das ist nun die bekannte Relation X 2

Q P.

Die Oscillationsebene ist also um so mehr vorgeneigt, je grösser der Luft widerstand ist, je schneller also der Vogel fliegt. Wir betrachten noch einen letzten Flugtypus . Der Flügel wird mit der Neigung a zur Horizontalen und dem Normaldrucke M in der Bahn lo 4 bewegt, wobei er die Normalgeschwindigkeit zu und die Tangentialgeschwindig keit besitzt . Analoge Bedeutung haben auf der Strecke 2 die Grössen 2 , N2,

₁t,

w2, u . Die Vertikalgeschwindigkeiten seien C₁ und c2. Dann ist C1

wi cos ai + u₁ sin a₁ w2 cos az + uz sin az

C2 Es gelten, wenn

die Höhe des Flügelschlages ist: h Citi C₂ t2 = h ci ti == c2 t2 .

Wir haben also

ti



t2

C1

We cos a₂ + uz sin a₂ + w₁ cos a tu sin a1 .

Wenn wir berechnen

ti

ti + t2

1

t2

t2

T2

t₁

ti + t2

1

ti

τι

+1

+ 1 tz dann finden wir

uz sin az

W2 Cos a2

(u₁ sin a1 + wi cos a1) + (u2 sin az un sin an + w₁ cos un

- W2 COS 2)

w² cos a2) (u₁ sin a₁ + w₁ cos a1 ) † (u2 sin 02 N2 und New² einzusehen :

Hierbei haben wir wegen Niwi

2 = √ Na w W2 Wi = IN G ? n e ent lkompon sind sowohl bei Ni als auch bei N2 positiv , d . h . Die Vertika et nach oben gericht , u . s . w. N2 cos u2. Ni cos ai 21 22 ten nen mpo lko nta Von den Horizo positiv, d . h . beschleunigend, jedoch ist nur während negativ, verringernd ist . Es ist

Zur Theorie des Fluges .

X₂ =

X₁ = N₁ sin a1

57

Nå sin a .

Die getragene Last ist

1 P:= t₁ Z₁ + t₂ Zz = 1 N₁ cos a₁ + t₂ N₂ cos a₂. t₁ + tz Der überwundene Luftwiderstand ist t₁ X₁ — t₂ X₂

π N₁ sin a

Q:

T₂ N₂ sin 42.

t₁ + tz Die Flugarbeit ist 7₁ N₁³½ + ½ ѳ 2

A = - N₁ w + ₂ N₂ το w =

V? Die Horizontalgeschwindigkeiten

7'1

und

2 des Flügels sind w₁ sin a

ul cos a

V2 u₂ cos a₂ + wɔ sin aɔ. Die mittlere Horizontalgeschwindigkeit ist also V 5 % +5 72. Man findet hierfür -= (w, w₂ + u, u, ) sin (a, + a₂ ) + ( w₁ u₂ — w₂ u₁ ) cos (α, + α₂) V= (u , sin a1 + w₁ cos a₁ ) + ( w₂ sin a2 w cos a₂) wobei abermals gilt N w₁ = V √² ?

N2 W2

V ?

Die Oscillationen berechnen wir wie im vorigen Beispiele . Wir haben für die Horizontalkräfte 21 t - 122 t , wobei 91 === X₁ _ _ _ _ _ _ - Q und 42 = Q + X₂ ist. = pata, wobei p₁ = 21 Für die Verticalkräfte gilt p, 2, P und p₂ = P - Z₂ ist.

Die gleichzeitig wirkenden Kräfte p, und 2 geben eine Resultante K₁ 2 = p² + 212 und für ihre Richtung tg . Analog

für welche gilt K₁

geben die gleichzeitig wirkenden Kräfte

und 72 eine Resultante K2 , für

welche gilt K2 +92 und für ihre Neigung tgp . = 91 1 72 t2 Pit 91

Nun ist aber

Pat 92

P2. Pi Es gilt also Folglich fallen beide Resultanten in dieselbe Gerade. e+ X x - e છે.. = tgò tg P 21 P- Z

Aus diesen beiden Gleichungen finden wir übrigens die Bedingung P N₁ cos an Р - Zi Q- N₁ sin a Q- X₁ P— oder F - 22 Р Q + X2 N₁ cos 29 Q + N₂ sin 42 können wir auch Oben welche unabhängig von 1 und 2 erfüllt sein muss . schreiben

tg

Q- N₁ sin as - Q + N₂ sin ae == PN sos al P N₂ cos 42

Wie man sieht kann man die Neigungen a und

2 so wählen , dass die

Zur Theorie des Fluges .

58

Oscillationslinie eine beliebige Neigung erhält .

Sie liegt horizontal , 90° oder

d. h.

der Vogel hebt und senkt sich nicht im Fluge, wenn P COS a1 Ni.

Vertical liegt die Oscillationslinie, d . h. die horizontale Geschwindigkeit des Vogels bleibt constant für

sin ai

Q N₁.

Wir hätten die Formeln auch derart aufstellen können, dass wir die Bahn des Flügels Zeiten und 2.

12 als gegeben ansehen, ferner die Hubhöhe und.die Je nach der Wahl der gegebenen Theile erhält man

verschieden gestaltete Resultate, durch deren Discussion man eine bessere Einsicht in das Wesen des Fluges erhält .

Instructiv habe ich es gefunden

eine bestimmte Flügelbahn zu wählen , die Kräfte K und K2 zu berechnen , die Curve zu

construiren ,

Luft in Folge

der alternirenden Wirkung von Ki und Ke beschreibt ; so

dann die

welche

der Schwerpunkt des

Körpers in der

correspondirenden Lagen des Flügels und des Schwerpunktes zu

verbinden ; diese relativen Lagen auf einen fixen Punkt zu übertragen und dergestalt zu bestimmen , Thier ausführt .

wie

die Flügelbewegung aussieht ,

welche

das

Man findet längliche schmälere oder breitere Curven , deren

lange Axe aufrecht steht , aber bald nach vorn , bald nach hinten geneigt ist, wie man letzteres bei der zahmen Gans beobachten kann . Wir wollen nun noch einige allgemeine Bemerkungen machen .

Zu

nächst soll darauf hingewiesen werden, wie sehr man gemeinhin die Be deutung der Grösse der Flügel unterschätzt . Unsere Formel lautet P = q₁₂ 2₁ + ₂ Z₂2 .... wobei

51 +52 +3 ... = 1 gilt.

Wenn das getragene Gewicht gleich dem harmonischen Mittel der

Vertikalkomponenten ist, dann können dauernd die Vertikalkomponente gleich

wir approximativ annehmen , dass ist. Die Flugarbeit per Secunde

ist dann Pw , wenn w der Weg ist, um den die Luft dem Flügeldruck giebt .

Wir können also sagen :

Arbeit, welche geleistet wird , indem der Vogel vom Gewichte gebreiteten Flügeln sinkt . licher machen .

nach

Die Flugarbeit per Sekunde ist gleich der mit aus

Wir können uns diese Verhältnisse noch deut

Denken wir uns die ausgebreiteten Flügel als einen Fall

schirm , an dessen Stiel der Vogel sich hält . Vogel leistet, wenn er fliegt , ist gleich

Die Flugarbeit ,

welche der

der Arbeit , welche er leistet , wenn

er am Stiele des Fallschirmes in jedem Augenblick so hoch emporklettert, wie tief der Schirm gesunken ist , so dass der Vogel absolut stets in der selben Höhe bleibt . Secunde

Nun kann ein Mensch nicht auf die Dauer in jeder

1 m hoch steigen .

Die Flügel, mit denen er fliegt, müssten aber

selbst dann, wenn er dies könnte, so gross sein, wie ein Fallschirm , welcher

Zur Theorie des Fluges.

59

mit der Last eines Menschen per Secunde nur 1 m tief sinkt .

Theoretisch

könnte selbst ein Kind, welches per Secunde seinen Körper nur 1 cm hoch zu heben vermag, mit Leichtigkeit fliegen , wenn nur die Flügel so gross gemacht werden könnten , wie ein Fallschirm, der mit der Last des Kindes. per Secunde nur 1 cm tief sinkt. Es lässt sich die Frage aufwerfen, ob die Flugarbeit sich vielleicht dadurch vermindern liesse ,

dass man die Kraft nicht stetig,

sondern ruck

weise wirken lässt .

Wir rechnen folgendermassen . Durch die Zeit At wollen wir mittelst eines Flügeldruckes N : P eine Last P schwebend erhalten . Für N w2 ist dann die Flugarbeit wärend der Zeit At gleich A1

NwAt = & w³ ▲t.

Nun zerlegen wir At in zwei Hälften . ist der Flügeldruck NdN, in der erzeugte Bewegungsmenge ist dann

In der ersten Hälfte der Zeit

zweiten Hälfte ist er N - dN.

Die

(N + dN) ½ At + (N - dN) ½2 At = NAt PAt. Diese Bewegungsmenge ist erforderlich, um P schwebend zu erhalten ; P wird also auch bei dieser Abänderung schwebend getragen .

Wie gross

ist dann aber die Flugarbeit ? Wir haben GW2 N dNw dw.

Die Flugarbeit ist in den beiden Zeittheilen

Nun ist di w

?? (w + di w ) ³½t + ? (w - dew ) 3 1/2 A2 * daw zu nehmen , also A2 1/2 p At [( w + di w ) ³ + (w -- dw)³]

=

t.

1/2 ▲ [2 w³ + 2.3 w dw²] (w3 + 3wd w²) St

= A₁ + 37 wdw²At d N2

=

At.

A₁ + 3/4

VON Also ist die Arbeit vergrössert, wenn man die tragende Kraft schwanken lässt. Es ist

ein verbreiteter Irrthum ,

schlages und die Dauer als wäre ht

dass

die

Hubhöhe

des Flügel

des Niederschlages ein Mass der Flugarbeit gäben,

die Normalgeschwindigkeit des Flügels und die Flugarbeit

gleich 4h3 718

Wir ersehen nämlich aus der Formel cu

sin a¹ + wi cos a¹ , dass die

Tangentialgeschwindigkeit u sehr leicht den Haupttheil von c liefern kann . Für N₁ o ist auch wound clu¹ sin a . Die Hubhöhe h und die Verticalgeschwindigkeit c,

können dann noch so gross sein , und es wird

dennoch gar keine Flugarbeit geleistet.

60

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung Von Rudolf Mewes. II. In den beiden früheren Aufsätzen (Heft XII Jahrg. 1888 und Heft I Jahrg . 1889) über die Wellentheorie der Elektrizität Grund der vorhandenen

hat der Verfasser auf

Beobachtungen nachzuweisen unternommen, dass

die Elektrizität wegen ihrer Bethätigungsformen eine Wellenbewegung wie das Licht oder die Wärme sein muss. Zu demselben Ergebniss gelangt man auch , wenn man auf die mannigfachen Erzeugungsarten des elektrischen Stromes sein Augenmerk lenkt. - Die älteste , schon den Alten bekannte Art,

Elektrizität zu erzeugen,

geschah durch das Reiben des Bernsteins ,

wodurch derselbe bekanntlich die Eigenschaft erhält, leichte Papierstück chen oder Kugeln aus Hollundermark anziehen zu können . Nach dem griechischen Namen des Bernsteins „ expo “ hat später ( 1600 ) William Gilbert diese Fähigkeit „ Elektrizität" genannt. In der Folge ( 1671 ) hat Otto von Guericke, der berühmte Bürgermeister von Magdeburg, gezeigt , dass ausser dem Bernstein noch andere Körper durch Reiben elektrisch gemacht werden können ; auch hat derselbe angefertigt .

die erste Elektrisiermaschine

Namhafte Naturforscher, wie Boyle,

Newton ( 1675 ) ,

Stephen

Grey ( 1729) , du Faye ( 1734 ) , von Kleist ( 1745) und Cunaeus ( 1746) , Franklin und Symmer, haben auf dem von Guericke gelegten Fundament weiter gebaut und die Lehre von der Reibungselektrizität auf die Ent wickelungsstufe geführt, auf welcher sie im Grossen und Ganzen bis heute stehen geblieben ist. Da nun in allen Fällen , welche in der Reibungselek trizität behandelt werden, der elektrische Strom durch die Reibung hetero gener oder auch derselben Substanzen aneinander, also durch die Bewegung gewisser Körpermassen hervorgebracht wird, so muss der elektrische Strom nach dem von Robert Mayer so genial interpretirten Grundsatze

„ causa

aequat effectum" wiederum eine Bewegung und zwar eine äquivalente Be wegung gewisser Massentheilchen sein . Die durch die Reibung erzeugte Bewegung muss eben nach dem berühmten Gesetz Robert Mayers über die Verwandlung mechanischer Arbeit oder Massenbewegung in Wärme

eine

gleichwerthige Wärmemenge oder allgemeiner eine gleichwerthige undulirende Bewegung der Aetheratome und zum Theil auch der Körperatome sein . Je nach den äusseren Bedingungen und Wirkungsgelegenheiten und der Inten sität nehmen wir die so erzeugten Wellen als Licht-, Wärme- oder Elektri zitätsschwingungen wahr.

Da nun alle drei Wellenarten , wie man leicht

durch das Experiment nachweisen kann, durch Reibung und Stoss erzeugt werden können und die dazu erforderlichen Massenbewegungen sich nur quantitativ, nicht aber qualitativ von einander unterscheiden, so können die durch dieselben hervorgerufenen Vibrationen der Elektrizität, der Wärme und des Lichts sich ebenfalls nur quantitativ, aber nicht qualitativ von ein ander unterscheiden . Die Richtigkeit dieser unmittelbar aus dem Gesetze

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

61

von der Unzerstörbarkeit und formellen Wandelbarkeit der Kraft gezogenen Schlussfolgerung habe ich auf experimentellem Wege dadurch dargethan , dass ich aus der beobachteten Leitungsfähigkeit der Stoffe für den elektri schen Strom die Brechungsexponenten derselben für die ziemlich identischen thermischen und elektrischen Wellen abgeleitet und diese Werthe mit den direckt beobachteten Brechungsexponenten verglichen habe. Es bleibt mir also an dieser Stelle nur noch übrig, mit Benutzung der so ermittelten Brechungsexponenten auf Grund der Wellentheorie den Beweis zu führen , dass die durch Reibung erzeugten elektromotorischen Kräfte thatsächlich in dem von der Theorie geforderten, gesetzmässigen Zusammenhang mit der Intensität der Reibung und den Brechungsexponenten der geriebenen Körper stehen . Weil jedoch die Kraft der Reibung, welche die Ursache des elek trischen Stromes ist, in den angestellten Beobachtungen selten ihrer Grösse nach, auch nur schätzungsweise, angegeben ist, so würde ich mich ebenfalls nur auf annähernde Grössenangaben bei der Lösung dieser Aufgabe be schränken müssen und zu keinem endgültigen Resultat kommen können . Indessen lässt sich diese Schwierigkeit leicht umgehen, wenn man bedenkt, dass die Reibungselektrizität ihrem inneren Wesen nach Thermoelektrizität ist . Es ist nämlich bereits in dem ersten Drittel dieses Jahrhunderts auf Grund genauer Versuche von Bécquerrel und später von Gaugain und anderen Forschern nachgewiesen worden, dass die triboelektrischen Ströme durch die Wärmewirkungen hervorgerufen werden , welche durch die Reibung der Stoffe aneinander bedingt werden . Herr Professor Wiedemann berichtet darüber in dem zweiten Bande seiner Elektrizitätslehre Folgendes : „ Die durch Reibung zweier Metallplatten, welche mit den Enden des Galvano meters verbunden sind, erzeugten Ströme (Bècquerrel, Ann . de Chim. et de Phys . 38. p . 113, 1828 ) rühren von der dabei stattfindenden Wärmeent wickelung her. Auch haben sie dieselbe Richtung , wie wenn die Be rührungsstelle der beiden Metallplatten direkt erwärmt wird . Wenn beim Zusammenschlagen der auf einander gelegten Metalle kein Strom entsteht, so ist dies kein Gegenbeweis, da die hierbei an der Berührungsstelle ent wickelte Wärmemenge viel kleiner ist, als beim Reiben . Gaugain (Compt. rend . 36 , p . 541 , 1853 ; Ann . de Chim. et de Phys. [ 4 ] 6. p . 31 , 1865 ) hat in eine Kupferplatte ein aus einem Kupfer- und einem Eisendraht bestehen des und mit einem Galvanometer verbundenes Thermoelement eingelassen . Die Kupferplatte wurde eine Zeit lang ( 7 Minuten ) auf einer Eisenplatte hin- und hergerieben . Beide Platten waren ebenfalls mit einem Galvano meter verbunden. Dabei differirte die Intensität des Thermostromes , welcher in dem Thermoelement erregt wurde , höchstens um 2 bis 3 Galvanometergrade von der Intensität des direkt zwischen den Scheiben er regten Stromes . Hierdurch ist unmittelbar der Beweis geliefert, dass die sogenannten triboelektrischen Ströme thermoelektrischen Ursprungs sind ." Da demnach die Reibungs- und die Thermoelektrizität denselben Gesetzen unterworfen sein müssen, so kann ich die obengestellte Aufgabe dahin ab ändern, den Beweis zu liefern , dass entsprechend den Gesetzen der aufge

62

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

stellten Vibrationstheorie die thermoelektromotorischen Kräfte von der zu geführten Wärmemenge einerseits, und den brechenden Kräften der die Thermokette bildenden Stoffe andererseits, bestimmt werden . Dieser Beweis lässt sich mittelst des reichhaltig vorhandenen und zahlenmässig genauen Beobachtungsmaterials führen , welches im

2. Bande der Elektrizitätslehre

Wiedemanns zusammengestellt und im Folgenden benutzt worden ist. Es sei nun auf dem Wismuthstab a b der Kupferbügel e aufgelöthet und in demselben befinde sich die um ihren Mittelpunkt in horizontaler Ebene drehbare Magnetnadel NS . Es bildet sich dann, wie bekannt, beim Er wärmen der Löthstelle b ein Strom , welcher , wie die Ablenkung der Magnetnadel

beweist, durch die erwärmte Berührungsstelle vom Wismuth

zum Kupfer fliesst, also in der Richtung von b über c und a nach b zurück . Nach der Vibrationstheorie erklärt sich dieser Vorgang auf folgende Durch die Erwärmung nimmt die Löthstelle b eine ganz bestimmte

Weise .

Menge

undulirender

Wellen

auf,

welche ,

entsprechend

den

brechenden

Kräften der das Thermoelement bildenden Metalle Wismuth und Kupfer, von b aus im Wismuth nach a und auch im Kupfer über c nach a fort geleitet werden . Da jedoch die brechende Kraft der beiden Metalle eine verschiedene ist, so muss der Vibrationsstrom , den das besser leitende Metall durchlässt, grösser als der des schlechter leitenden Metalles sein ; also ist der Thermostrom um so grösser, je grösser die brechende Kraft des Kupfers im Verhältniss zu derjenigen des Wismuth ist, d. h. derselbe ist dem Brechungsvermögen des Kupfers direkt und demjenigen des Wis muth umgekehrt proportional . Indessen würde durch die beiden in a zu sammentreffenden , entgegengesetzt gerichteten Vibrationsströme die Löth stelle a ebenfalls erwärmt und ein dem ursprünglichen entgegengesetzt ge richteter Thermostrom erzeugt und damit schliesslich ein elektrischer Strom unmöglich

werden ,

da dadurch unbedingt ein

Fluss der Wellen wegen

mangelnden Gefälles verhindert wird ; denn die Wellen würden sich sozu sagen aufstauen . Um dies zu verhüten, muss eben die zweite Löthstelle bei a abgekühlt und auf einer konstanten Temperaturhöhe erhalten werden . Durch die Erwärmung auf der einen Stelle und die Abkühlung auf der anderen wird in dem metallischen Stromkreise, um das Bild vom fliessen den Strom beizubehalten, ein künstliches Gefälle geschaffen, sodass die über wiegenden Vibrationswellen im Kreise die beiden Leiter durcheilen können . Je grösser demnach die bei b zugeführte und die bei a weggenommene Wärme ist, um so grösser muss, vorausgesetzt, dass die brechenden Kräfte innerhalb der in Betracht kommenden Temperaturintervalle nicht wesent lich verschiedene Werthe annehmen , die Intensität des erzeugten Thermo stromes sein, d. h . es muss die elektromotorische Kraft innerhalb gewisser Grenzen der Temperaturdifferenz der Löthstellen direkt proportional sein . Dies aus der obigen Theorie abgeleitete Gesetz ist auf experimentellem Wege schon längst gefunden und durch die Erfahrungsthatsachen voll kommen bestätigt worden. Erwärmt man die Löthstelle a nacheinander

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

63

auf to und To , während man die Löthstelle b auf 0° erhält, so verhalten sich demnach die elektromotorischen Kräfte T t Ef : ET

oder: ET

ET



T : T _______

E

also nach der Proportion : ET -

Ꭼ Ꭲ - Et. ET

t

Dies Gesetz der Proportionalität soll bei Palladium und Platindrähten von 0 bis 350 ° C. gelten, wie Bècquerrel beobachtet hat, während nach Schinz dies nicht der Fall ist, da nach dessen Experimenten schon bei O 448 C. eine Umkehrung der Stromesrichtung eintritt. Indessen treten bei anderen Elementen ,

wie

durch genaue Beobachtungen nachgewiesen

schon bei geringeren Temperaturdifferenzen Abweichungen

von

ist,

der Pro

portionalität der elektromotorischen Kraft mit der Temperaturdifferenz der Löthstellen auf. Soll die oben aufgestellte Erklärung der Thermoströme richtig sein, so müssen die brechenden Kräfte der das Thermoelement bil denden Metalle durch die Temperaturänderungen in entsprechendem Masse verändert werden. Dass in der That die brechenden Kräfte der einzelnen Metalle mit der Temperatur mehr oder weniger veränderlich sind , habe ich bereits in dem . vorhergehenden Aufsatze nachgewiesen, sodass mir also an dieser Stelle nur darzulegen bleibt, dass diese Aenderungen wirklich dem Sinne und der Grösse nach mit der obigen Ansicht über das Wesen der Thermoelektrizität übereinstimmen . Eine grössere Schwächung der elektromotorischen Kraft der Thermokette, als die Temperatur an sich fordern würde, wird demnach dann eintreten, wenn das besser leitende Metall bei wachsender Temperatur eine verhältnissmässig stärkere Abnahme der brechenden Kraft oder, was dasselbe ist, des Leitungsvermögens zeigt ; eine stärkere Zunahme derselben dagegen, wenn umgekehrt das Leitungs vermögen des schlechter leitenden Metalles der Kette auch noch schneller abnimmt, als das besser leitende.

Bei hohen Temperaturen kann sogar der

Fall eintreten, dass in Folge der Aenderung des Brechungsvermögens die thermoelektrische Stellung der Metalle zu einander verändert und dadurch die Richtung des Thermostromes umgekehrt wird . lich ,

Dies ist aber nur mög

wenn der Strom einmal gleich Null wird und von dieser Temperatur

ab in entgegengesetztem Sinne kreisend wächst. Man nennt jene Temperatur, bei welcher der Thermostrom gleich Null ist, den neutralen Punkt der Kette . Eine bemerkenswerthe Eigenschaft dieses Punktes ist der Umstand, dass der Thermostrom immer gleich Null ist, wenn man die eine Löthstelle gerade soviel über den neutralen Punkt erwärmt, als die andere unter den selben. Es müssen also vom neutralen Punkte ab nach beiden Seiten hin bei den korrespondierenden Temperaturen die Leitungsfähigkeiten oder brechenden Kräfte der fraglichen Metalle ein entgegengesetztes Verhalten zeigen und dadurch That

zeigen

nach

die Wirkung

den,

bis

zu

des Thermostromes aufheben . In der Temperaturen ausgeführten

sehr hohen

64

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung .

Beobachtungen Müllers in Wesel, das Kupfer und Eisen einen Gang der Widerstände und damit der Leitungsfähigkeiten , welcher mit dieser aus der Ein ähnliches Theorie abgeleiteten Forderung vollkommen übereinstimmt . Resultat erhielt Thomson .

Bei einem von Thomson angewandten Kupfer

und Eisen lag nämlich der neutrale Punkt bei 280 ° , so dass also der Strom jedesmal verschwindet, wenn die Temperatur der einen Löthstelle um soviel über 280 erwärmt wird, wie die andere unter 280° erwärmt ist . In der That beweist die Beobachtung , wie man sich aus der unten folgenden Tabelle überzeugen kann, dass bei 21 ° und ungefähr 540 ° die Verhältnisse der Leitungsfähigkeiten des Kupfers und

Eisens einander ziemlich genau

gleich sind und demnach keinen Thermostrom hervorbringen können , durch die Beobachtung bestätigt wird .

wie

Beim Kupfer und Eisen ist also die

Erklärung des Thermostromes auf Grund der obigen Theorie als richtig nachgewiesen . Um auch für die übrigen Metalle diesen Beweis zu führen , würde eine Tabelle zu entwerfen sein,

in welcher die Leitungsfähigkeiten

der Metalle von den niedrigsten bis zu den höchsten Temperaturen ange geben und namentlich auf ihre Gleichheit beim neutralen Punkte geprüft werden. Leider reichen , die Beobachtungen über die Veränderung der Leitungsfähigkeit der Metalle mit steigender Temperatur nur in wenigen Fällen bis zu so hohen Temperaturen, wie hier in Frage kommen . Zur Bestätigung der obigen Behauptung kann ich daher nur die von Müller in Wesel angestellten Versuche über das Eisen, Kupfer und Platin an dieser Stelle anführen . Die hier folgende Tabelle ist aus Wüllner's Experimental physik, Bd . IV, S. 486 entnommen . Eisendraht. Temperatur

21 °

'Wider stand 690 1660

2850

Platindraht.

Kupferdraht.

Temperatur

210 glüht eben

beginnt anzulaufen 2250

karmoisin

gleichm. dunkelgrau glüht schwach glüht dunkelroth glüht hellroth

ziegelroth hellroth 21 °

2460 3058 3200

3650

Wider stand 864 2100 2450

3300 4700 910

Temperatur

Wider. stand

21 0

1985.5

glüht eben roth hellroth

4300

orange hellgelb 21 °

5400 6000 1984

4700 5050

glüht ganz hellroth 4550 glüht noch heller 4880 21 ° 727 Der neutrale Punkt ist für Eisen und Platin 519 ° ; folglich muss der Strom gleich Null werden , wenn man die eine Löthstelle auf etwa 1000 ° und die andere auf etwa 21 ° erhält. In der That ist nach den vorstehenden Beobachtungen bei Hellroth der Widerstand des Fe = 4880, der des

= Pt

5050,

beide haben also ziemlich gleiche Leitungsfähigkeiten .

vereinzelten Beobachtungen

Diesen

kann man jedoch keine grosse Beweiskraft zu

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung .

65

schreiben ; darum will ich noch auf eine andere Weise die Richtigkeit der Gemäss dieser Ansicht muss obigen Auffassung darzulegen versuchen. nämlich

die

elektromotorische Kraft einer Thermokette,

nebensächlichen Umständen absieht,

wenn man von

annähernd gleich dem Quotienten aus

den brechenden Kräften oder Leitungsfähigkeiten der beiden Metalle bei der angewandten Temperatur sein . Um dies zu prüfen, habe ich in folgender Tabelle den elektromotorischen Kräften einiger Metalle gegen das Silber, wenn die eine Löthstelle auf 100 °, die andere auf 0 ° erhalten wird, die Quotienten gegenübergestellt, welche das Leitungsvermögen der die Thermo kette bildenden Metalle bei 100 ° liefert. Da die thermoelektromotorische Kraft zwischen chemisch reinem Silber und Kupfer gleich 1 gesetzt ist, so müssen die elektromotorischen Kräfte und die berechneten Quotienten annähernd dieselben Zahlenwerthe besitzen.

Die thermoDie Quotienten elektromo aus dem torischen Leitungsvermögen. Kräfte.

Namen der Metalle.

Bi (käuflich, gepresster Draht)

35,81

Bi (rein)

32.91

Bi-Krystall (axial) Bi "" (äquatorial)

24,59

71,56 1.9

37,6

17,17

I

71,56

Co No. 1 (gepresst )

= 8,94

8,98 8 71,56

5,02

Ni (eisenhaltig) Co No. 2

7,156

5,49

K (in Röhren gegossen)

.

10 71,56 12

6

3,75

Pd (hart)

3.56

Na ( in Röhren gegossen) .

3,09

71.56

4,4 16,16 71,56

Al (Al. 91,77 ; Si 2,34 ; Fe 5,89).

1.28

1.79 40

Cu No. 1 (käufl. , weicher Draht) Cu No. 2



1,00

71,56 72.3

1

0,92 71.56

Au (rein, hartgezogener Draht)

0,61

1,2 57,36 71,56

do .

Ag

do.

57,36 71,56

0,83

21,36 ― 71,56

0,299

0,00

71,56 Zn (rein, gepresster Draht)

0,21

Cd (Blech, rein) .

0,33

16.2 = 0,22 71,56 VIII.

5

66

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung. Die Uebereinstimmung von Theorie und Beobachtung,

vorstehender Tabelle offenbart,

ist vollkommen hinreichend,

welche sich in zumal da die

geringsten Verschiedenheiten in der Konstitution der Stoffe merkliche Aende rungen in der elektromotorischen Kraft wie auch in der Leitungsfähigkeit veranlassen und die Beobachtungen von verschiedenen Forschern , also an Sehr zu nicht vollkommen gleichem Material ausgeführt worden sind . Gunsten der aufgestellten Theorie spricht der Umstand, dass mit der Umkehr der Stromesrichtung auch der Werth • des Quotienten umgekehrt werden muss , um den der elektromotorischen Kraft entsprechenden Werth zu liefern , wie dies aus den zuletzt angegebenen Beobachtungen hervorgeht. Noch weiteres Beobachtungsmaterial anzuführen , halte ich vorläufig nicht für noth wendig. Aus der hier gefundenen Uebereinstimmung zwischen der Theorie und der Beobachtung ergiebt sich ferner als unmittelbares Resultat, dass die thermoelektrischen Wellen in der That nichts anderes als Wärmewellen sind, welche nach den Brechungs- und Reflexionsgesetzen

zum Theil durch die

Metalle hindurchgeleitet und zum Theil, je nach der Grösse des Leitungs widerstandes, aus dem Leiter herausgestrahlt werden . An diesen sachlichen Vorgang möchte ich noch die Bemerkung anknüpfen , dass wir beim Messen der elektromotorischen Kraft mittelst der Tangentenbussole und ähnlicher Instrumente eigentlich die

durch Strahlung verloren gehende Menge der

elektrischen Wellen bestimmen, dagegen

mittelst des Voltameters wirklich

diejenige Elektrizitätsmenge, welche durch den Draht fortgeleitet wird . Nunmehr ist noch die galvanische Elektrizität vom Standpunkte der Vibra tionstheorie aus zu behandeln . Diese Frage lässt sich einfach und kurz durch die Bemerkung erledigen, dass die Kraft des galvanischen Stromes lediglich durch die Wärmewirkung des chemischen Prozesses in der Batterie bedingt wird, dass demnach die galvanischen Ströme ihrem Wesen nach auf die Thermoströme zurückzuführen sind . Was für die Thermoströme gilt, muss demnach - mutatis mutandis - auch für die galvanischen Ströme gelten , d . h . auch diese sind ( Vibrationen ) Schwingungen des Aethers, welche sich nach den bekannten Gesetzen in den Leitern fortpflanzen . Anstatt daher auf diese Frage hier noch näher einzugehen , halte ich es für prak tischer, sofort den entgegengesetzten Vorgang, nämlich die Verwendung des elektrischen Stromes zur Trennung chemischer Verbindungen in ihre Be standtheile auf Grund der Wellentheorie genauer zu untersuchen , weil man dadurch über die Entstehung des

elektrischen Stromes

Arbeit, d . h . durch chemische Wellen, könnte, aufgeklärt werden wird. Doch nunmehr zur Sache selbst.

besser,

durch chemische

als dies sonst geschehen

Da nach den

vorhergehenden Be

weisen die Elektrizität eine Wellenbewegung des Aethers ist, so muss die selbe ohne Ausnahme sich nach den Gesetzen der Wellenbewegung räum lich den Wirkungsgelegenheiten entsprechend bethätigen .

Dieser Forderung

muss die Elektrizität auch beim Durchgang durch schlechte, chemisch zu sammengesetzte Leiter genügen. Demnach müssen die einzelnen Moleküle der zu elektrolysierenden, binären Flüssigkeit sich so an einander lagern

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

67

und ordnen, dass diejenige Seite des Moleküls, welche von dem besser leitenden Atome (Radikal) gebildet wird , sich nach der Seite hin richtet, von wo der Strom herkommt, während das schlechter leitende Atomradikal sich nach der andern Seite wenden muss ; denn dem Einströmen des Stromes setzt das besser leitende Atom einen geringeren Widerstand ent gegen als das schlechter leitende, sodass nach den Gesetzen der Mechanik die elektrischen Schwingungen sämmtliche Atome so ordnen , dass das besser leitende das elektronegative und das andere das elektropositive Radikal wird. Dass die Elektrizität thatsächlich eine solche Drehung auszuüben vermag, beweisen die Beobachtungen

über die Drehung der in zwei Rich

tungen verschieden leitenden Krystalle .

Die diesbezüglichen Beobachtungen

(Wiedemanns Lehre von der Elektrizität im § 74) haben nämlich zur folgenden Regel geführt : „ Hiernach würde sich im allgemeinen die Aus breitung der Elektrizität auf den Krystallen in der Richtung am stärksten ausbilden, welche sich bei längerer elektrischer Influenz axial einstellt, in welcher die optische Elastizität am grössten ist und sich das Licht am langsamsten fortpflanzt . " Wenden wir dies, um das Verständnis zu erleichtern, auf einen bestimmten Fall an und zwar wollen wir die Elektrolyse des Wassers dazu wählen, da diese Verbindung, welche aus den beiden für die theoretische Chemie wichtigsten Elementen H und O zusammengesetzt ist, gewissermassen eine typische Bedeutung hat. Sollen nun die elektrischen Schwingungen die alleinige Ursache sein, welche die Trennung des Wassers in seine Radikale H² und O bewirkt, so muss, da bei der Elektrolyse des Wassers die beiden Radikale nach den Volumverhältnissen, in denen sie zur Verbindung zusammengetreten sind, auch wieder getrennt werden,

das

Brechungsvermögen des Sauerstoffs doppelt so gross sein, als dasjenige des Wasserstoffs. Nach den experimentellen Bestimmungen ist das Brechungs vermögen des Sauerstoffs 0,000513, das des Wasserstoffs = 0,000276 , also verhält sich thatsächlich die brechende Kraft des O zu derjenigen des H wie 2 : 1 . Aehnliche Grössenbeziehungen ergeben sich bei den übrigen chemischen Elementen für die brechende Kraft und die Atomwerthigkeit. Doch wieder

zurück

zu

dem

gewählten Beispiel .

Atome als unbeschränkt kleine Kugeln

Denken wir uns

die

denn irgend eine Gestalt müssen

wir ihnen doch zugestehen ; dann würden uns drei aneinander liegende kleine Kugeln das Bild eines Wassermoleküls geben , wie in beistehender Figur. In gleicher Lage werden sich die übrigen Wassermoleküle nach der obigen Darlegung orduen müssen . Da jedoch O so wohl als auch H die elektrischen Wellen sehr schlecht leiten,

H

so müssen sie dem Widerstande proportional, den sie demselben leisten, erwärmt, d . h . ihr chemischer Zusammenhang gelockert und schliesslich die letzten Wasserstoff-Atome gänzlich von ihrem Sauer stoffatom getrennt werden und als Wasserstoffmoleküle gasförmig entweichen , während das Sauerstoffatom sich mit den beiden vorhergehenden Wasser stoffatomen vereinigt und so fort, das erste Sauerstoffatom aber schliesslich an der positiven Elektrode gasförmig entweicht.

Genau so ist der Vorgang 5*

Betrachtungen über die Gesetze des Fluges.

68

bei der Elektrolyse der übrigen binären Verbindungen zu denken . In einer späteren Fortsetzung dieses Aufsatzes wird der Verfasser nachzuweisen ver suchen, dass auch bei diesen chemischen Verbindungen , sofern sie flüssig oder fest sind , ähnliche einfache Zahlenverhältnisse zwischen der chemischen Valenz und der brechenden Kraft obwalten. Da nach vorstehenden Aus einandersetzungen die chemische Wärme einer Verbindung lediglich durch das Verhältniss der brechenden Kräfte der sie bildenden Radikale bedingt wird, so leuchtet ein, dass die chemische Affinität, deren Produkt ja die Verbindungswärme ist , ebenfalls von dem Brechungsvermögen der Elemente abhängt, also im eigentlichen Sinne des Wortes nur eine besondere Bethäti gungsform der gemäss den brechenden Kräften ausstrahlenden Vibrationen des Aethers ist,

wie bereits früher (Jahrgang 1887 d . Zeitschrift) am Bei spiel des Wassers auf Grund der räumlichen Bethätigung der chemischen Kraft nachgewiesen worden ist . Es besteht somit zwischen den chemischen, den elektrischen , den thermischen und optischen , sowie den Gravitations wellen, deren Identität der Verfasser mit den Wärmewellen in dem Aufsatz „ Erklärung der Gravitation aus rein mechanischen Prinzipien" bewiesen zu haben glaubt, kein wesentlicher, sondern nur ein quantitativer Unterschied . Die Kraft ist also nur eine, nur ihre Bethätigungsformen sind wandelbar und ihre Mengen, nach Robert Mayer, einander stets äquivalent .

Betrachtungen über die Gesetze des Fluges. Von Alexander Freiherr von Ungern- Sternberg . Um der allgemein verbreiteten Ansicht , dass um fliegen zu können , mittelst der Flügel eine Kraft erzeugt werden muss, welche mindestens eben so gross ist , als die auf den Flugkörper wirkende Gravitationskraft, entgegen zutreten und den Nachweis zu führen , dass hierzu eine bedeutend kleinere Kraft erforderlich ist , erlaubt sich Schreiber dieses seine , auf langjährige Beobachtung der Flugthiere fussende Anschauung über die Gesetze des Fluges im Nachstehenden dem Leser zur Beurtheilung vorzulegen . Das Fliegen ist vergleichbar dem Sichaufwärtsschieben auf einer zur Horizontalebene mässig geneigten , sich stetig senkenden Ebene, und es muss die Geschwindigkeit ,

mit welcher die Aufwärtsschiebung erfolgt ,

grösser

sein, als das Sinken der schiefen Ebene, wenn der Flugkörper die Richtung in aufsteigender oder horizontaler Linie haben soll .

Zum Beweise für die

vorstehende Behauptung führe ich das folgende Beispiel an : Nehmen wir an , durch die Mitte eines Stückes Pappe von der Form eines Rechteckes sei ein Holzstift so durchgestossen , dass dieser mit der einen Seite des Pappstückes einen stumpfen, mit der anderen also einen spitzen Winkel bildet, wie die Fig . 1 zeigt , welche ein Querprofil des Pappstückes ist, und zwar muss dieser Stift an dem

Fig. 1. Pappstück so befestigt sein ,

dass wenn man dieses

Betrachtungen über die Gesetze des Fluges .

69

Pappstück mit dem Stifte frei in der Luft herabfallen lässt, der Stift seine Stellung zu dem Pappstück nicht ändert. Lässt man jetzt diesen Gegenstand fallen, so wird er nicht senkrecht fallen, sondern zum Theil nach der Seite des geneigten Endes hingleiten . Wir können uns die Schwerkraft , die auf diesen fallenden Gegenstand einwirkt in zwei Kräfte zerlegt vorstellen : in eine, welche zu dem Pappstück eine senkrechte Richtung hat, und in eine, die in der Richtung der Längenachse des Pappstückes wirkt .

Wenn a b in der Fig. 2 die Schwerkraft vor stellt, so wäre a c die Kraft, welche eine senkrecht

M

d

gerichtete Lage zur schiefen Ebene hat , und a d diejenige Kraft, welche den Körper in der Richtung der schiefen Ebene abwärts treibt. Obgleich die Kraft a d bedeutend kleiner als a c ist , so würde

cky Fig. 2. aus dem Grunde ,

sich der Körper dennoch schneller in der Richtung ad bewegen, als in der Richtung a c und zwar weil der Luftwiderstand ,

bedeutend grösser ist als der ,

den a c

zu überwinden hat,

dem die Kraft a d begegnet .

Nehmen wir würde eine Kraft a i (Fig. 3) geschaffen , welche gleich gross wäre , wie a d , derselben aber diametral entgegen wirken würde , so wäre die Folge, dass der Körper sich in der Richtung a c bewegen würde . Wäre jedoch die Kraft , welche der Kraft a d entgegenwirkt , grösser als nun

an ,

es

a d , so würde sie den Körper mit gleichförmig beschleunigter Geschwindig keit in der a d entgegengesetzten Richtung fortzubewegen trachten ; die Kraft a c aber ihn in der Richtung a c herabziehen . Nehmen wir nun an , der Körper würde mit dem Augenblick , wo man ihn frei fallen liesse, in der Richtung a c um 1/2 m in der Sekunde sinken ; die Kraft , welche der Kraft a d entgegenwirkt, dem Körper schliesslich eine Geschwindigkeit von 3 m pro Sekunde geben , so würde alsdann der Körper , da er sich in einer Sekunde in der Richtung a cum m fortbewegt, aber in der a d ent gegengesetzten Richtung in der Sekunde einen Weg von 3 m zurücklegt , in der Richtung a f (Fig. 3) fortbewegen, infolge dessen sich in allmählich aufsteigender Linie weiterbewegen . Der Körper würde sich somit in einer Linie fortbewegen , wie uns die Fig . 4 zeigt . M M M M N 3in N

N

сь Fig. 4

Fig. 3. Bisher haben

wir jedoch

den Luftwiderstand , der mit zunehmender

Geschwindigkeit des Flugkörpers stetig zunimmt , nicht in Rechnung ge Die Kraft dieses Luft widerstandes kann man sich in zwei Kräfte zogen.

Betrachtungen über die Gesetze des Fluges.

70

zerlegt denken : in eine , welche senkrecht gegen die Grundfläche des Körpers drückt, und in eine, welche gegen die Stirnfläche des Flugkörpers wirkt. Ist die Unterfläche von M N eine glatte Fläche, die keinen derartigen Vorsprung aufweist , wie ihn der Holzstift bildet , ferner aber das vordere Ende von M N derartig zugespitzt , wie es die Fig . 5 bei M zeigt, so wäre im vorliegenden Falle der Widerstand der zweiten Componente auf das kleinste Mass reducirt. Wenn in der Fig. 5 r s den Luftwiderstand vor

M stellt, so wäre os derjenige Theil desselben , welcher senkrecht gegen die Bauchfläche M N drückt und t s derjenige

Theil,

Flugkörpers wirkt. recht

gegen

die

welcher

gegen

die

Stirnfläche

des

Unterziehen wir nun erst die senk Bauchfläche

wirkende

Kraft

einer

Fig 5. Betrachtung, so finden wir, dass je grösser die Ge schwindigkeit ist, mit welcher sich ein Flugkörper bewegt, um so grösser diese Kraft werden würde. Es würde infolgedessen dieselbe ein langsameres Fallen des Körpers in der Richtung a c ( Fig . 3) bewirken . Sagen wir z . B , dass wenn der Körper bei kleiner Geschwindigkeit in der Richtung a c einen halben Meter fiele , dass er bei grösserer Geschwindigkeit nur 18 Meter fiele, so könnte die Neigung, welche die Grundfläche zur Hori zontalebene hat, mit zunehmender Geschwindigkeit des Körpers verringert werden , ohne dass sich die Richtung der Flugbahn ändert . Kraft.

Betrachten wir jetzt die gegen die Stirnfläche des Flugkörpers wirkende Dieselbe würde einen Widerstand bilden gegen die den Flugkörper

in der Richtung seiner Längenachse fortbewegenden Kraft ; da aber bei zu nehmender Geschwindigkeit des Flugkörpers , wie eben ausgeführt wurde, die Neigung, welche seine Bauchfläche gegen die horizontale hat , verringert werden kann , ohne dass der Körper schneller fällt, so würde dadurch der Widerstand, welchen die Kraft a d (Fig. 3 ) , der die Fortbewegung in der Richtung der Längenachse bewirkenden Kraft verursacht ,

kleiner werden ,

so dass , je grösser der durch schnellere Fortbewegung des Körpers erzeugte Luftwiderstand wird , um SO kleiner die Neigung der Grundfläche zur Horizontalebene zu sein braucht, und daher auch um so kleiner a d werden würde. Die Bauchfläche des Flugthieres ist es , die gleich dem Pappstück in dem angeführten Beispiel fallschirmartig auf die Luft wirkt, und wird mittelst der Flügel eine Kraft erzeugt , die das Flugthier in der Richtung seiner Längenachse fortbewegt. Damit der Flugkörper sich in aufsteigender oder auch nur horizontaler Linie fortbewegen kann , muss er sich eine schräg auf wärts gerichtete Lage geben. Zu diesem Zweck legt es denKopf und die Beine weiter nach hinten zurück, wodurch bedingt wird, dass der Schwer punkt des Flugkörpers mehr nach hinten verlegt wird ( die Beine leisten hier dasselbe , wie in dem angeführten Beispiel

der Holzstift) ; es findet infolge

Betrachtungen über die Gesetze des Fluges .

71

dessen eine kleine Drehung des Flugkörpers und zwar des hinteren Theils nach unten, und des vorderen Theils nach oben zu statt, wodurch das Flug thier die schräg aufwärts gerichtete Lage erhält .

Beabsichtigt das Flug

thier schräg abwärts zu fliegen , so hat es nur nöthig den Kopf oder die Beine , oder beides nach vorn zu strecken. strecken . Denselben Zweck erreicht der Vogel mittelst des Schwanzes .

Durch das Auseinanderfalten desselben be

wirkt er, dass der hintere Theil des Vogels mehr gestützt ist als das Vorder theil , somit sinkt das letztere .

Durch Zusammenfaltung bewirkt er, dass

dem hinteren Theile des Vogels bis zu einem gewissen Grade die Stütze entzogen wird, infolgedessen sinkt derselbe . - An dieser Stelle erlaube ich mir auf das Heft 9 , Band III der Jahrgang 1888

hinzuweisen, in

Naturwissenschaftlichen Wochenschrift "

welchem in

eingehender Weise über den

Zweck des Vogelschwanzes verhandelt wird . Nun fragt es sich, in welcher Weise durch die Bewegung der Flügel eine Kraft erzeugt wird , die den Flugkörper in der Richtung der Längen achse seines Körpers ,

welche ,

wie aus

dem

vorher Gesagten ersichtlich ,

während des Fliegens in horizontaler oder mässig ansteigender Fluglinie stets eine schräg aufwärts gerichtete Lage haben muss, vorwärts bewegt. Die Flugthiere schlagen die Flügel einfach auf und nieder . Nun ist bei Besprechung des gegen die Flügelflächen wirkenden Luft widerstandes zu unterscheiden , ob die Längenachse des Flugthieres nur mässig aufwärts gerichtet ist (angenommen zur Horizontalebene etwa unter einem Winkel von 15 Grad), in einer Lage, wie es sie während des Fliegens in horizontaler oder allmählich ansteigender Fluglinie hat, oder aber ob die Längenachse steil aufwärts gerichtet ist. Im ersteren Falle wird die Vorwärtsbewegung nur durch den Flügel niederschlag bewirkt, und zwar dadurch, dass infolge Niederschlagens der Flügel die Flügelflächen schräg gestellt werden, d . h. die Hinterkanten der selben nach oben aufgebogen werden . Man kann sich diesen gegen die schräg gestellten Flügelflächen wirkenden Luftwiderstand in zwei Kräfte zerlegt denken :

in eine,

welche

der Kraft a c (s. Fig. 3 ) entgegenwirkt,

nnd in eine , welche das Flugthier in der Richtung seiner Längenachse vor wärts schiebt . Hat nun das Flugthier den Niederschlag gethan , so werden infolge des aus der Flugbahn gegen den Flugkörper wirksamen Luftwider standes, des Luft widerstandes welcher, wie oben ausgeführt, ein langsameres Fallen des Körper in der Richtung a c (s. Fig. 3) zur Folge hat , die Flügel gehoben, denn ebenso wie er gegen die Bauchfläche des Flugthieres wirkt , drückt er auch gegen die Innenfläche der Flügel, und da letztere bedeutend leichter sind als der Körper, so werden sie von diesem Luft widerstande in der a c (s . Fig . 3) entgegengesetzten Richtung gehoben . Hat nämlich der Flugkörper eine nur mässig aufwärts gerichtete Lage, so ist erstens die Kraft a c (s . Fig . 3 ) grösser, ferner da die Kraft a d (s. Fig. 3 ) in dieser Lage klein ist, so ist der, nach Abzug der Kraft a d

72

Betrachtungen über die Gesetze des Fluges.

verbleibende Rest,

der

durch Muskelkraft erzeugten , in der Richtung der

Längenachse des Flugkörpers wirkenden Kraft grösser, als solches bei einer steiler aufwärts gerichteten Lage des Flugkörpers der Fall wäre , somit ist auch die Resultante der Kraft a c und der durch Muskelkraft erzeugten, die Vorwärtsbewegung bewirkenden Kraft, abzüglich der Kraft a d grösser, als bei dem eine steil aufwärts gerichtete Lage habenden Flugkörper ; infolge dessen wird denn auch der dieser Resultante entgegenstehende Luftwider stand, der gegen die mässig aufwärts gerichtete Grundfläche und die Innen fläche der Flügel wirkt, ein grösserer sein , da der Körper aus angeführten Gründen sich mit grösserer Geschwindigkeit bewegt. Anders verhält

es

sich bei einem steilen Auffluge, bei welchem die

Längenachse des Vogels unter einem grösseren Winkel geneigt sein muss (angenommen der Winkel, unter welchem die Längenachse zur Horizontal ebene geneigt ist, betrage 45 Grad) ; in diesem Falle (s . Fig. 3 ) kleiner sein , somit die Bewegung a c auch langsamer ;

ebenso

wird die Kraft a c

des Körpers in der Richtung

wird infolge Grösserseins von a d die Kraft,

mit welcher der Körper in der a d entgegengesetzten Richtung bewegt wird, auch kleiner sein ; somit wird der der Resultante dieser beiden Kräfte (nämlich a c und der in der Richtung der Längenachse wirkenden , durch Muskelkraft erzeugten , abzüglich der Kraft a d ) entgegenstehende

Luft

widerstand kleiner sein und daher nicht dazu ausreichen die Flügel aufzu heben. Nun müssen aber während eines steilen Auffluges die Flugthiere ihre Flügel gerade sehr schnell bewegen ; es findet daher auch bei dem durch Muskelkraft bewirkten Flügelaufschlag auch ein Druck gegen die Aussen fläche des Flügels statt, welcher (nämlich der Luftdruck) eine Schrägstellung der Flügelfläche nach unten zu bewirkt, und wirkt somit auch der Flügel aufschlag ――――――― bei einem steilen Auffluge - zur Vorwärtsbewegung. Da nun aber bei einem steilen Auffluge der Flügelaufschlag auch zur Vorwärtsbewegung wirksam ist , so müsste er auch , infolge der Schrägstellung der Flügelfläche, dem Körper eine Bewegung in der Richtung a c geben ; dem steht jedoch die Wirkung des Flügelniederschlages entgegen , die infolge des Umstandes, dass bei einer steil aufwärts gerichteten Lage des Flugkörpers die Kraft a c kleiner wird - bezüglich der Verminderung der Bewegung nach a c grösser ist . Wie durch photographische Momentaufnahmen

S S S S S S

S

erwiesen beschreiben die Flügel während ihrer Be wegung die hier abgebildete Linie ( Fig . 6 ) ; diese Linie wird aber gerade durch das einfache Auf- und Niederschlagen der Flügel eines Flugthieres , dessen Längenachse steil aufwärts ge richtet ist, beschrieben, denn sowohl beim Nieder

Fig. 6.

schlage wie beim Aufschlage werden infolge Schräg

schraubenartige

Gegen einige von Herrn Popper ausgesprochene Ansichten.

73

stellung der Flügelflächen - welche durch den auf dieselben einwirkenden Luftwiderstand erzeugt wird. die Flügel zum Theil nach vorn abge drückt, und zwar die beiden Flügelspitzen zumeist ; es wird aber beim Ueber gange vom Auf- zum Niederschlage und vom Nieder- zum Aufschlage während dieses Momentes, wo kein durch Flügelbewegung erzeugter Luft druck auf die Flügelflächen einwirkt. ― jedesmal ein Zurückgehen der Flügelflächen

aus der

vorgedrückten Stellung

wieder nach hinten zu er

folgen. Wäre man jedoch im Stande,

die durch Bewegung der Flügel be

schriebene Linie eines Flugthieres, dessen Längenachse eine nur mässig auf wärts gerichtete Lage hat eine Lage, bei welcher der Körper sofort grosse Geschwindigkeit erlangt

sss s. s

ss

photographisch wiederzugeben , so würde man eine von der vorstehenden Linie ab weichende Form erlangen ; dieselbe müsste die Form haben, wie sie Fig. 7 zeigt , denn nur beim Niederschlage wird in diesem Falle der Flügel nach vorn abge drückt .

Fig. 7.

Will das Flugthier die Richtung seines Fluges nach rechts oder nach links beliebig ändern, so hat es zu diesem Zwecke nur nöthig , den Flügel auf der Seite , nach welcher es zu wenden beabsichtigt, starr und unbewegt zu halten, dagegen mit dem andern Flügel in der Bewegung fortzufahren . Aus dem oben Ausgeführten dürfte erhellen, dass man sich das Fliegen nicht etwa so vorzustellen hat, als ob durch jeden Flügelniederschlag das Flugthier hochgehoben wird , sondern es wirken der Flügelniederschlag und bei einer steil aufwärts gerichteten Körperlage auch der Flügelaufschlag zur Erzeugung einer Kraft, die das Flugthier in der Richtung seiner Längen achse eine schiefe , stetig in der Richtung a c (Fig. 3 ) sinkende Ebene aufwärts treibt. Hierzu ist eine bedeutend kleinere Kraft ausreichend.

Gegen einige von Herrn Popper ausgesprochene Ansichten .*) Von A. Platte. Herr Ingenieur Popper hat in dem Aufsatze Ueber die Fortschritte und die Aussichten im Gebiete der Luftschiffahrt auch über den von mir. im

Jahre 1884

in

Vorschlag

Urtheil gefällt, welches dahin

gebrachten geht :

Aequatorballon

mit

Motor

ein

dass der Segelballon überhaupt , trotz

U nicht in diesen Blättern allzu oft das Wort ergreifen zu müssen, bitte ich alle Jene, die gegen meine im v. J. publizirte Abhandlung Einwendungen zu erheben beabsichtigen, dies sobald als möglich zu thun . Ich verschiebe daher meine auf die Be merkungen des Herrn Platte bezüglichen Aufklärungen bis auf Weiteres, um dann nach Einsicht in eventuelle weitere Einwendungen cumulativ , und so kurz als nur möglich, J. Popper. zu erwidern.

Gegen einige von Herrn Popper ausgesprochene Ansichten .

74

des verlockenden Anscheines dieses Gedankens, verwerflich sei und es Nie mandem anzurathen ist, sich mit ihm näher zu befassen . Ich würde mich diesem Urtheil sofort und lautlos unterwerfen, wenn

die Gründe, welche Herrn Popper zu diesem Endschlusse führten , sich als unantastbare erwiesen hätten . Dies ist aber nicht der Fall ; eine Prüfung dieser Gründe zeigt, dass die aufgestellten Behauptungen und die aus den selben gezogenen Schlüsse nicht vollständig zutreffen.

Herr Popper sagt : 1. der Aequatorballon horizontal vorwärts

mit Motor besitzt die zu bewegen, weil,

Fähigkeit nicht,

sich

wenn auf den durch seine

Ueberschwere schräg abwärts gleitenden Aequatorballon

ein Pro

peller senkrecht auf diese schräge Fluglinie nach oben zu drücken beginnt,

eine horizontale Fluglinie

(wie ich als feststehend an

nehme) nicht erzeugt werden kann , denn die Gravitation kann nur dann eine Arbeit leisten , also einem Körper eine lebendige Kraft eindrücken,

wenn die Entfernung von der Erde abnimmt ;

ein Aufzehren von Fallhöhe arbeitet die Schwere nicht.

ohne

( S. 183 ) .

2. der Segelballon bedarf unter allen Umständen mehr als doppelt so viel Pferdekräfte

des betreffenden Motors ,

als beim gewöhnlichen

horizontal geführten Ballon erforderlich sind . Was nun die erste Behauptung,

( S. 235 ) .

dass die Gravitation nur dann eine

Arbeit zu leisten vermag, wenn die Entfernung von der Erde abnimmt , an belangt, so scheint mir dieselbe mit dem Gesetze vom Parallelogramm der Kräfte im Widerspruche zu stehen . Letzteres lautet : Hat ein Körper zwei in den Richtungen von einander abweichende Bewegungen zugleich, so nimmt er eine zwischen beiden innen liegende Bewegungsrichtung an.

Die Diagonale eines aus zwei Geschwindig

keiten und dem von ihnen eingeschlossenen Winkel gebildeten Parallelo grammes giebt die Richtung und Grösse derjenigen Geschwindigkeit an , mit welcher die resultirende Bewegung wirklich vor sich geht . Wenn also der Aequatorballon während seines D

schrägen Abgleitens ,

C

wobei

er die Geschwindigkeit

E B erlangte, von der Propellerkraft E D mit ihrer Geschwindigkeit E D beeinflusst wird , so muss er die

Richtung und Geschwindigkeit E C annehmen , und es ist gar nicht einzusehen, warum diese neue Bewegungslinie E C nicht auch horizontal sein kann,

wenn nur die von

dem Propeller herrührende Ge

schwindigkeit ED die genügende Grösse besitzt.

Das, was Herr Popper behauptet, wird nur dann eintreten ,

wenn die

aufwärts wirkende Propellerkraft mit der Fallrichtung des Aequatorballons eine gerade Linie bildet, und dieser Fall ist wiederum nur möglich, wenn die Segelfläche genau horizontal steht und somit die Wirkungslinie der Gravitation senkrecht nach abwärts gerichtet sein kann . Sobald aber die

Gegen einige von Herrn Popper ausgesprochene Ansichten .

75

Richtung der Propellerkraft und die Abfalllinie des Ballons einen Winkel bilden , mag dieser nun gross oder klein sein, so wird die aus der Combi nation der Kräfte entstehende Bewegungsrichtung des Ballons von der senk rechten Falllinie abweichen und unter den geschilderten Umständen auch horizontal sein können . Das Gesetz vom Parallelogramm zu beweisen ,

dass

der Kräfte scheint also mit Evidenz

die von Herrn Popper aufgestellte

Behauptung 1

und

die daraus gezogene Folgerung 2 unstatthaft ist, denn der grössere Kraft verbrauch des Ballons ist nur dann voraussichtlich, wenn der Ballon im Zickzack statt horizontal fahren müsste. Herr Popper hat in seinen Ausführungen über den Aequatorballon, die Vortheile, die dieser von dem gewöhnlichen Ballon sicherlich voraus hat, gar nicht berührt . Es ist möglich, dass er dieselben nicht als solche auerkennt , aber immerhin wäre es wünschenswerth gewesen , in einer so umfassenden Kritik diese nicht ganz zu übergehen. Vielleicht lässt sich Herr Popper bestimmen, dies noch nachträglich zu thun ; zu dem Ende seien diese ver meintlichen Vortheile des Segelballons mit Uebergewicht noch einmal kurz aufgezählt. Dieselben sind : 1. dass das Ballonvolumen gegen bisher reduzirt werden kann ; 2. dass das Auf- und Niedersteigen ohne Gasverlust möglich ist ; 3. dass der Konstrukteur nicht mehr an ein bestimmtes Maschinen gewicht gebunden ist und nunmehr Maschinen, wie man sie schon heute zu erzeugen versteht, in Verwendung gebracht werden können ; 4. dass Fahrgeschwindigkeiten erzeugt werden können , die jene Renard's übertreffen . Mag man nun über die praktische Verwendbarkeit dieser Konstruktion wie immer denken , so viel ist sicher, dass mit obigen Vortheilen ein Fort schritt des Ballonwesens möglich wäre . Ich bin auch heute noch der Meinung , dass der Segelballon mit Ueber gewicht weit vortheilhafter anzuwenden wäre , als die im Gebrauche stehen den unlenksamen Militärballone, weil diese Segelballone die freie Bewegung nach jeder Richtung des Raumes besitzen und weil deren Konstruktion auf technisch richtigem Prinzipe basirt . Wenn ich heute dieses Projekt nicht mehr verfolge, so geschieht es nicht , weil ich dasselbe für schlecht oder unausführbar halte , sondern des wegen, weil mir Luftschiffe, welche auf dem Wellenfluge basiren und den Ballon ganz entbehrlich machen , vortheilhafter erscheinen. * * * Im 12. Heft des VII . Jahrganges dieser Zeitschrift unterzieht Herr J. Popper, seinem im 6. Heft gegebenen Versprechen nachkommend , den Wellenflug einer Erörterung und kommt Seite 384 zu dem Schlusse : dass der Wellenflug keinen Vortheil , sondern nur Nachtheil vor dem horizontalen Flug haben kann.

76

Gegen einige von Herrn Popper ausgesprochene Ansichten . Ich bin trotz der Ausführungen des Herrn Popper von der Richtigkeit

dieser Behauptung nicht überzeugt , denn in seiner ganzen Beweisführung sind die vorzüglichsten Gründe , welche laut dafür sprechen , dass der Wellen flug weniger Muskelkraft als der direkte Flug erheischt, nicht berührt. Es sei mir gestattet , diese Gründe nochmals kurz anzuführen : Alle Naturforscher, welche sich mit Beobachtung des Vogelfluges be schäftigen , konstatiren

übereinstimmend , dass die Segelvögel in bewegter

Luft, ohne Flügelschlag , auch höher steigen , als sie anfänglich gefallen waren ; da sich die Muskelkraft nun in Flügelbewegungen äussert , diese aber beim Segelflug nicht auftreten , so ist der Schluss berechtigt, dass der Flug ohne Flügelschlag nicht auf Muskelarbeit allein , sondern auch auf die Wirkung äusserer Kräfte zurückgeführt werden kann . Es wird diese Anschauung noch dadurch bekräftigt, dass der Nahrungs consum der Flugthiere mit der geleisteten Flugarbeit nicht in Einklang stände, wenn diese Arbeit nur den Muskeln entnommen würde , denn es ist ja konstatirt, dass z. B. der Nahrungsconsum der Brieftauben bei andauerndem Fliegen sich von dem gewöhnlichen Verbrauch nicht unterscheidet , was doch jedenfalls der Fall sein würde, wenn die Flugarbeit reine Muskelarbeit wäre. Eine ausserordentliche Arbeitsconcentration , die sich der Beobachtung, der Kleinheit der Einzelnbewegungen halber entzieht , wie sie Herr Popper voraussetzt, ist daher nicht denkbar. Der einleuchtendste Grund , warum der Wellenflug ein kraftsparender Flug sein muss , ist aber in der garnicht abzuleugnenden Thatsache zu finder , dass der Segelvogel während der ganzen Dauer seiner Bewegung sein Gewicht Herr Popper sagt nicht selbst trägt , sondern von der Luft tragen lässt . selbst Seite 373 : ihres Gewichtes ,

Die Schwierigkeit bei Flugmaschinen besteht im Tragen

Eine Methode des Fluges,

welche das Thier dieser Arbeit gänzlich

enthebt, braucht selbstverständlich gerade um ebensoviel weniger Muskel arbeit , als beim direkten Flug für diese Leistung aufgewendet werden muss . Das Tragen des Flugthieres durch die Luft geschieht beim Segelflug durch die Arbeit des Körpergewichtes und den beim Falle erregten Luft widerstand, während beim direkten Flug, das was dort Arbeitskraft war, hier zur Last wird . Ich glaube, wenn Herr Popper die hier angeführten Gründe ernstlich würdigt, ihm auch die Handhabe geboten ist, seine an sich richtige Rechnung dahin umzuformen , dass er die Sekundenarbeit , welche für die Flugleistung nothwendig ist, nicht allein als Arbeit des Motors bezeichnet, sondern der Wahrheit gemäss, es in der Formel zum Ausdruck bringt, dass die Sekun denarbeit E aus der Arbeit des Motors und aus der Arbeit der lebendigen Kraft des fallenden Gewichtes besteht, und es wird ihm gewiss nicht schwer fallen, jede dieser Kräfte mit ihrem wahren Werthe anzusetzen ; daraus geht

Gegen einige von Herrn Popper ausgesprochene Ansichten.

77

aber ohne Zweifel hervor, dass die Beobachtung nicht trügt und der Wellen flug in der That ein kraftsparender Flug ist . Auch der Anschauung des Herrn Popper, dass der Wind keine Aen derung in den mechanischen Relationen des Flugthieres hervorbringen kann , also weder als hemmende noch als bewegende Kraft für den Flug zähle , muss ich ganz entschieden entgegentreten . Wer nur zweimal den Flug der nämlichen Flugthiere, einmal bei Wind, einmal bei ruhiger Luft beobachtet hat, wird wissen , welcher gewaltige Unterschied zwischen beiden Bewegungen da zu sehen war. Wer staunt zum Beispiel nicht, wenn er sieht, dass eine Brieftaube, welche über eine Flügelkraft von 15 m pro Sekunde verfügt, ohne Anstand einem Winde von 15 m Stärke mit der gleichen Geschwindigkeit von 15 m entgegenfliegen kann und diese letztere Bewegung ohne Flügelschläge aus zuführen weiss , während beim Fluge in ruhiger Luft 6 bis 8 Flügelschläge pro Sekunde regelmässig erfolgen . Beim Winde verringert sich der Arbeitsaufwand des Motors und ver grössert sich die Fluggeschwindigkeit .

Beides kann nun auf die motorische

Wirkung des Windes zurückgeführt werden . Herr Popper gelangt , wie ich glaube , dadurch zu seiner irrthümlichen Anschauung,

dass er als Beobachter der Windwirkung auf schwere Flug

körper, seinen Standpunkt auf der Erde unnöthig verlässt und sich selbst in den Wind versetzt und mit ihm fortziehend denkt. Aber wenn Herr Popper die Güte hat, seine Beobachtungen von der aus zu vollführen , so wird er ohne Zweifel bemerken müssen, dass eine im Winde fallende schwere Fläche, je nachdem diese Fläche gegen Erde

die Windrichtung geneigt ist, entweder mit dem Winde in schräg abfallen der Bahn weiterzieht oder aber schräg gegen den Wind abfällt, wie es nach dem Parallelogramm der Kräfte gewiss nicht anders sein kann. Ich bin der festen Ueberzeugung ,

dass

das Flugproblem

nur dann

einer baldigen und vollständigen Lösung zugeführt werden kann , wenn man endlich von der falschen Meinung ablässt, der Vogel könne nur durch die Arbeit seiner Muskeln zum Fluge gebracht und auch nur durch diese Kraft im Fluge erhalten werden . Die Segelvögel beweisen mit überzeugender Deutlichkeit, dass die den Flug bewirkenden Kräfte in dem Körpergewichte,

dem Winde

und dem

Luftwiderstande gefunden werden und die Muskelkraft nur darum vorhanden ist,

um die

durch die Wirkung der äusseren Kräfte bereits

entstandene

Bewegung richtig zu lenken und etwa das erste Aufstehen vom Erdboden zu bewerkstelligen. Der Segelflug d. i.

der Flug

ohne Flügelschläge muss nachgeahmt

werden, weil er die einfachste Flugart ist und die geringsten Anforderungen an den Konstrukteur stellt. Auf den Flug, welcher nur durch Flügelschläge bewirkt werden kann , soll man vorerst ―――――― vergessen !

78

Mittheilungen aus Zeitschriften.

Mittheilungen aus Zeitschriften . Memorial de Ingenieros.

Madrid, 1887 .

Wie eifrig man sich neuerdings auch in Spanien mit der militärischen Luftschiffahrt befasst, ist aus einer grösseren Arbeit mit dem Titel „ Die militärische Luftschiffahrt ersichtlich, welche sich im Beiblatt des in Madrid erscheinenden " Memorial de ingenieros befindet , und den Oberst Don José Suarez de la Vega vom Ingenieur-Korps zum Verfasser hat. Die Abhandlung umfasst 277 Grossoktav- Seiten und ist bereits 1887 er schienen, jedoch erst neuerdings durch unseren geehrten Mitarbeiter, Herrn Major a . D. Berghaus , zu unserer näheren Kenntniss gelangt. Wir ver säumen nicht , unsere Leser auf den reichhaltigen Inhalt dieser Schrift hin zuweisen , indem wir zugleich bemerken , dass unser Gewährsmann gern bereit ist, über einzelne Kapitel auszugsweise Auskunft zu ertheilen . Der Inhalt ist nach einem längeren Vorwort, auf welches wir vielleicht später an anderer Stelle in unserer Zeitschrift noch zurückkommen, folgender : 1. Kapitel. Historische Uebersicht der militärischen Ver wendungen der Luftballons . Vorbetrachtungen . Frühere Projekte zur Erfindung von Luftballons . Erfindung der Luftballons . Anwendung der Luftballons in den Armeeen . Erste Kompagnie der militärischen Luftschiffer. Zweite Kompagnie der militärischen Luftschiffer. Die Fesselballons von 1798 bis 1870. Die militärischen Fesselballons von 1870 bis 1885. Die Militär Aufzählung und Untersuchung der haupt ballons in Amerika. sächlichsten , gegen die Verwendung von Fesselballons in den Armeeen gemachten Einwürfe . Gefahren , denen die Ballons durch feindliche Geschosse ausgesetzt sind . Ausdehnung der Versuche . Unzuträg lichkeiten des Dunstes und der athmosphärischen Einflüsse . Schwierigkeiten bei der Beobachtung wegen der Bewegungen des Ballons . Gefahren des Ballons und Schwierigkeiten beim Transport des Ballonmaterials . Wirklicher Nutzen der Ballons im Kriege und Ansichten über ihren Werth . 2. Kapitel. Verschiedene militärische Verwendungen der Luftballons . Die Photographic vom Ballon. Lufttelegraphie. Anwendung der Ballons zur Beleuchtung im Kriege. Die Ballons als Offensiv-Maschinen . Anwendbarkeit der bezeichneten Projekte. Post-Luftballons . Nutzen der Post-Luftballons.

Die Luftballons während der Belagerung von Paris .

3. Kapitel. Konstruktion und Handhabung der freien und der Fesselballons . Theorie der Luftballons. Berechnung der Aufsteige kraft der Ballons . Berechnung der Aufsteigekraft der Fesselballons und des Gewichtes und der Widerstandskraft ihrer Haltekabel . Form und Kon struktion der Umhüllung . Das zu verwendende Material. Apparate, um die Widerstandsfähigkeit und Undurchdringlichkeit der Stoffe zu prüfen. Ventile . Konstruktion des Netzes und der Gondel und Art der Befestigung derselben . Ballast, Leitseil und Anker. Gase, deren man sich zur Füllung der Ballons bedienen muss . Erzeugung des Hydrooxygengases . Ueber die Art und Weise den Ballon zu füllen . Manöver der Fesselballons . Instrumente und Regeln, die man bei der Luftschiffahrt an wenden muss. Lenken der freien Ballons unter Benutzung der Luftströmungen. Die Vorbereitung. Die Lenkbare Luftballons. 4. Kapitel. Aëronautik . Die lenkbaren Luftballons im 19. Jahrhundert. Lenkbare Luftballons von Giffard . Projekte und Versuche mit lenkbaren Luftballons während der Belagerung von Paris. Lenkbarer Luftballon von

Klemere Mittheilungen .

79

Dupuy de Lôme. Die lenkbaren Luftballons in Oesterreich . Versuche mit lenkbaren Luftballons in England . Projekte und Versuche mit lenkbaren Luftballons in Deutschland . Luftschiffahrtsversuche in Russland . Elektrisches Luftschiff der Gebrüder Tissandier. Lenkbares elektrisches Luftschiff von Renard und Krebs . Gegenwärtiger Standpunkt des Problems. lenkbaren Ballons im Kriege .

Zukunft der

5. Kapitel . Betrachtungen über die Organisation des militärischen Luftschifferdienstes. Bedingungen , die das Luftschiffahrtsmaterial erfüllen muss . Vergleichende Untersuchung der mit heisser Luft und der mit Hydro oxygengas gefüllten Ballons vom Gesichtspunkt ihrer militärischen Ver wendung aus. Ueber die für militärische Rekognoszirungsballons günstigste Form und Volumen. Ueber die Art, die Luftballons im Felde zu füllen und zu transportiren . Militärische Luftschiffertrains . Verwendung der Ballons auf dem Schlachtfelde . Kompagnien oder Sektionen. Revue du cercle militaire .

Organisation und Ausbildung der Luftschiffer

Paris.

Die genannte Zeitschrift berichtet unter dem 9. Februar d . J .; Die Presse theilt mit, dass der Luftschiffer Joris dem französischen Kriegs ministerium die Organisation einer Reserve - Luftschifferabtheilung vorschlagen wird, deren Material aus 8 Ballons von verschiedenen Ab messungen bestehen wird. Nach dem Kostenanschlage des Herrn Joris würden die jährlichen Ausgaben (ausser den Herstellungskosten) 200,000 Fres . nicht übersteigen . Herr Joris ist der Ansicht, dass die Luftschiffahrts verhältnisse für Frankreich günstige sind, und zwar von dem Gesichtspunkt aus, dass die am meisten in diesem Lande herrschenden Winde diejenigen sind, die von Westen nach Osten wehen. " Berghaus, Major a. D. Revista militar.

Lissabon .

Wir entnehmen der Ausgabe dieses Organs vom 31. Januar d. J. folgende interessante Notiz : Unter den ausserordentlichen Ausgaben des Königreiches Portugal figuriren in diesem Jahre 7,740,000 Reis ( 1000 Reis 3 = 3 1 Milreis 4,53 M.) , die zur Herstellung eines lenkbaren Luft ballons von 1500 Kubikmeter Inhalt bestimmt sind ; der Erfinder dieses Ballons ist der Major Cypriano Jardino .

Berghaus, Major a. D.

Kleinere Mittheilungen . Einheitliche Zeitregulirung. Der Direktor der Königl. Sternwarte in Berlin, Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Foerster , hat im 29 Reichsanzeiger" folgende , den öffent lichen Zeitregulirungsdienst betreffende, höchst interessante Mittheilung publizirt : „ Durch das Entgegenkommen Hrn . Staatssekretärs des Reichspostamtes, Dr. v. Stephan , wird schon in nächster Zukunft ein ansehnlicher Fortschritt in der einheitlichen Zeitregulirung ermöglicht werden. und zwar nicht bloss für Berlin , sondern für alle diejenigen Städte des Reichs- Post- und Telegraphengebiets, welche Fernsprecheinrichtungen besitzen . Es ist nämlich dem Ingenieur C. A. Mayrhofer, Direktor der Generalunternehmung für elek trische und Luft- Wasserdruckbetriebe, gelungen, eine Reihe von Einrichtungen herzu stellen , durch welche das Fernsprechleitungsnetz zur Richtighaltung von Uhren bei den Abonnenten in vollkommen zweckmässiger und für den Fernsprechbetrieb selber nicht im Mindesten störender Weise verwendbar wird. Und zwar geschieht dies dadurch, dass

80

Kleinere Mittheilungen .

von gewissen Zentralpunkten aus. an denen die Uhren auf Grund der Zeitmessungen der Sternwarte richtig erhalten werden, täglich in einem geeigneten Zeitpunkte (Morgens um 5 Uhr), wo der Fernsprechbetrieb vollständig ruht, alle Leitungen zu den betheiligten Abonnenten durch die regulirende Zentraluhr selbstthätig mit einem Signalgeber ver bunden werden, und dass gleichzeitig die bei den Abonnenten aufgestellten Uhren sich für die Dauer von wenigen Minuten ebenfalls selbstthätig mit der Fernsprechleitung ver binden. Während der Dauer dieser Verbindung empfangen sie dann einen elektrischen Strom , welcher, von dem Signalgeber der Zentraluhr ausgehend, alle die einzelnen Uhren jedesmal auf die Minute richtig stellt . Nachdem dies geschehen, lösen sowohl die Uhren der betheiligten Abonnenten als auch die Zentraluhr wiederum selbstthätig ihre Verbin dung mit den Fernsprechleitungen, so dass am Ende dieser wenigen Minuten , in denen das Leitungsnetz für die einheitliche Zeitregulirung gedient hat, Alles wieder im vorigen Stande und für den Fernsprechbetrieb unverändert bereit ist. Auf Grund einer eingehen den Prüfung dieses Projektes ist das Reichs- Postamt in seiner unablässigen Fürsorge für die Vervollkommnung der Verkehrseinrichtungen darauf eingegangen , dem genannten Techniker die Einführung der eben beschriebenen Veranstaltungen in die Fernsprech anlagen und hiernach auch die Eröffnung von Abonnements für die Richtighaltung der Uhren der Fernsprech- Abonnenten zu gestatten. Der Unternehmer, dessen Normal- und Zentraluhren theils unmittelbar durch Fernsprech- Verbindung mit der hiesigen königlichen Sternwarte, theils mittelbar durch Anschluss an die Angaben und die Regulirungs-Ein richtungen des von der Sternwarte geleiteten Normaluhren- Systems in zuverlässigster Weise richtig erhalten werden, wird nun zunächst für Berlin zu Abonnements auf die Richtighaltung der Uhren der Fernsprech -Abonnenten einladen . Ein solches Abonnement wird nicht nur die Richtighaltung je einer Uhr bis auf die Miuute verbürgen, sondern zugleich die Fürsorge des Unternehmers für die ordnungsmässige Instandhaltung und den regelmässigen Aufzug der Uhr sichern. Letzteres geschieht bei dem Luft- und Wasser drucksystem, wie es z. B. in den Räumen der hiesigen Fondsbörse und des Potsdamer Bahnhofs in zufriedenstellendem Betrieb ist , durch Benutzung des vorhandenen Wasser drucks . Für geeignete Fälle hat der Unternehmer auch eine Einrichtung hergestellt, welche den innerhalb einer Woche oder eines Monats stets in genügendem Grade und genügender Dauer vorhandenen Winddruck zum Uhrenaufzuge bequem verwerthbar macht, und es ist nicht daran zu zweifeln, dass eben dasselbe nöthigenfalls auch noch auf andere Weise selbstthätig mit gesicherter Regelmässigkeit durchführbar sein wird. Der grosse wirthschaftliche Fortschritt, welcher durch die Verwerthung des Fernsprechleitungsnetzes zur umfassenden einheitlichen Zeitregulirung verwirklicht wird, eröffnet zugleich die Hoffnung, dass es nun auch gelingen wird, die Einheitlichkeit der Zeitangaben an den öffentlichen Plätzen und Strassen in höherem Grade als bisher zu sichern. Die in Berlin bereits vorhandenen Normaluhren reichen hierzu erfahrungsgemäss wegen ihrer geringen Anzahl noch nicht aus. Sie bedürfen einer Ergänzung durch die öffentliche Darbietung einer viel grösseren, möglichst gleichmässig vertheilten Anzahl von Zeitangaben, welche durch selbstthätige Regulirung bis auf die Minute richtig erhalten werden. ( Die vor handenen Normaluhren werden daneben als die Vertreter der bis auf die Sekunde richtigen Zeitangabe ihre besondere Bedeutung behalten. ) Jedenfalls wird die Möglichkeit, mit Hülfe des Fernsprechleitungsnetzes in beliebigen Stadtgegenden auch gewisse Neben Mittelpunkte der einheitlichen Zeitaustheilung richtig zu erhalten, von entscheidenster Bedeutung sein ; denn von solchen Neben- Mittelpunkten ausgehend, wird man in engeren Gruppen mit Luft- und Wasserdruck oder in etwas grösserem Umfange auch mit elek trischen Veranstaltungen die Richtighaltung der Minute sowohl an beliebig zahlreichen öffentlichen Stellen als bei solchen Privatleuten , welche nicht mit dem Fernsprechnetz verbunden sind und sich um den Anschluss ihrer Uhren bewerben, mit Sicherheit ver bürgen können. “ Druck von Beyer & Münch, Berlin W., Behrenstr. 28.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin and dem Flugtechnischen Verein in Wien . Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat In Berlin, W. , Jägerstrasse 73.

VIII. Jahrgang .

1889.

Heft IV V.

Konstruktion, Leistungen und Schicksale der bisher gebauten Riesen-Fesselballons. Vortrag, gehalten im deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt von Hildenbrand, Lieutenant im Infanterie-Regiment No. 88. Fast dreiviertel Jahrhunderte waren verflossen, seitdem man zum Zwecke militärischer Beobachtungen die ersten Fesselballons benutzt hatte, als das Talent wiederum eines Franzosen durch neue Versuche auf diesem Gebiete , der Luftschiffahrt und nicht minder der Technik kaum zu erwartende Triumphe zu feiern gestattete . sechziger Jahre

Henry Giffard war es, der in der Mitte der

mit gutem Erfolge

es unternahm ,

Fesselballons

zu kon

struiren, welche die Leistungen aller bisher dagewesenen Unternehmungen dieser Art nicht nur weit hinter sich zurückliessen , sondern auch noch das besondere Verdienst besassen , zu Nacheiferungen in weiteren Kreisen fast aller zivilisirten Länder anzuspornen . In dem Nachfolgenden sei es versucht, in gedrängter Uebersicht die verschiedenartigen Konstruktionen , Leistungen und Schicksale der bisherigen Fesselballons grosser Dimensionen kurz zu erörtern . Zur Zeit

der

allgemeinen Ausstellung des Jahres 1867

konstruirte

Giffard auf dem Marsfelde zu Paris zuerst einen grossen Fesselballon von 5000 cbm. Der Ballon war aus Seide gefertigt und vermochte in seiner geräumigen Gondel, wenn er mit Wasserstoff gefüllt wurde, zwölf Personen bis zu 250 m emporzuheben. Giffard beförderte in den zwanzig Tagen, an welchen Auffahrten stattfanden , nicht weniger als 97 000 Personen, womit er, nebenbei gesagt, auch ein gutes Geschäft machte, da er sich den Platz. mit 20 Frcs. bezahlen liess . Schon in dem folgenden Jahre baute Giffard einen neuen Ballon von noch grösseren Dimensionen für die Londoner Ausstellung .

Derselbe hatte

einen Inhalt von

konstruirt und

12 000 cbm,

war aus gefirnisster Seide

konnte dreissig Personen bis zu einer Höhe von 500 m tragen . 6 VIII.

Indessen

82

Konstruktion, Leistungen u . Schicksale d . bisher gebaut. Riesen - Fesselballons .

scheint Giffard mit dieser Konstruktion weniger Glück gehabt zu haben, als mit seiner ersten . Die französische Zeitschrift " l'Aéronaute vom November 1868 lässt darüber vernehmen , dass die neugegründete englische Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt nach vergeblichen Versuchen , den berühmten Ballon " Le Géant " zu einem Fesselballon umzuändern , zu dem Bau eines solchen Giffard gewonnen habe. Der französische Aëronaut habe denn auch für 350 000 Frcs . einen prächtigen Ballon gebaut , der jedoch in Folge That eines Konstruktionsfehlers vollständig umgeändert werden musste. sache ist jedenfalls, dass die Engländer für ihre Luftschiffahrts- Ausstellung grosse Anstrengungen machten, auch einen Fesselballon in Thätigkeit vor führen zu können . Ehe sie aber hierzu den vorbeschriebenen Ballon bei Henry Giffard bestellten, mit

einen Ballon gebaut, bekannt ist.

sie die Herren Delamarne und Domange hatten in Folge dessen auch

hatten

dieser Arbeit betraut.

Die Letzteren

über dessen Konstruktion und Schicksal Folgendes

Der Ballon Delamarne's war aus Seide gefertigt , hatte einen Inhalt von 14 000 cbm und sollte mit Ammoniak gefüllt werden . Zur Entwicklung dieses Füllgases hatte er eine einfache Maschine konstruirt , welche aus einem Eisenblechcylinder von 1 m Höhe und 1,60 m Durchmesser bestand. Dieser Cylinder enthielt vier kupferne Gefässe von je 30 cm Durchmesser, welche durch einen im Charnier drehbaren Deckel verschlossen werden konnten.

Um den Ballon auf- und niedersteigen zu lassen , hatte man eine

Dampfwinde von zehn Pferdekräften

hergestellt,

die das Kabel auf einer

Rolle von 80 cm Durchmesser und 2 m Länge aufwickeln sollte .

Das Kabel

selbst war sehr schwach gehalten und sogar die Gondel, jener einfachste Theil eines Fesselballons unvollkommen gebaut. das Referat über die Londoner Ausstellung sellschaft

erhalten hatte,

zweifelt daran,

Ballons wirklich verwandt worden sei ;

Herr de Villeneuve , welcher

seitens der französischen Ge

dass Ammoniak zur Füllung des

er bezeichnet den Ballon geradezu

als eine Montgolfière und berichtet im Weiteren darüber : der Ausstellung am 28. Juni 1868

war nichts bereit ;

" Bei Eröffnung

als man einige Zeit

später die erste Füllung plante, musste dieselbe in Folge einer Havarie unterbrochen werden. Am nächsten Tage wiederholte man das Experiment. Die vier Kupfergefässe, welche mit Oel gefüllt waren, wurden angezündet und erzeugten eine enorme Hitze.

Der Cylinder, welcher die Gefässe ent

hielt, war einfach in die Gondel hineingesetzt worden, ohne durch irgend welche Vorrichtungen

gehalten

zu

werden .

Während

der Füllung

hatte

sich ein starker Wind erhoben, der den Stoff auf den Cylinder warf, worauf sich derselbe alsbald entzündete . " Die in der Zeitfolge nächsten Versuche mit grösseren Fesselballons fanden im August 1872 zu Marseille statt. In dieser Stadt hatte der Berufsluftschiffer Duté-Poitevin zunächst für Freifahrten einen Ballon von 2600 cbm erbaut .

Er verwandte diesen , mit Leuchtgas gefüllten Ballon auf

Konstruktion , Leistungen u. Schicksale d . bisher gebaut. Riesen - Fesselballons.

83

Wunsch des Publikums am 22. Juni genannten Jahres zu einer Fesselfahrt, wobei er mit drei Personen die Höhe von 250 m erreichte . Als sich in dessen während des Hochsteigens der Wind erhob , begann der Ballon das Kabel von der Winde abzuhaspeln . Durch dieses unerwartete Vorkommniss kopflos geworden , vergass der Maschinist die Sicherheitsbremse zu hand haben , wodurch die Insassen des Ballons zu einer unfreiwilligen Freifahrt und späterhin, angesichts von Toulon , zu einer noch unfreiwilligeren Landung im Mittelmeere sich gezwungen sahen . Der Ballon war indessen gut weg gekommen und Poitevin unternahm schon am nächsten Tage wiederum wanzig Fesselfahrten mit im Ganzen 150 Personen und darauf hin eine Freifahrt mit acht Personen ; 105 km von Marseille .

er

landete

diesmal glücklich

und trocken

Auch bei der Wiener Ausstellung im Jahre 1873 sollte ein Fessel ballon von 4000 cbm für das interessirte Publikum zur Verfügung stehen . Allein schon an dem Tage der ersten Füllung wurde derselbe vom Sturme entführt und bei seiner Landung durch niederösterreichische Bauern zerstört . Der Riese unter den Fesselballons , jenes Meisterstück der modernen. Technik,

der

grand ballon captif à vapeur H. Giffard "

entstand zur Zeit

der Pariser Weltausstellung des Jahres 1878. Dieser grosse Ballon wurde aus einem fast absolut dichten Stoff gefertigt , sodass er während ganzer Monate gefüllt bleiben konnte, ohne merklich an Gas zu verlieren . einen Durchmesser von 36 11 und einen Inhalt von 25 000 cbm . sammtgewicht dieses Kolosses betrug 14 000 kg . Ventilen versehen ,

von denen

Er hatte Das Ge

Der Ballon war mit zwei

das obere vermittelst

einer Leine geöffnet

werden konnte ,

das untere

(Appendix-) Ventil sich dagegen bei

gewissen Drucke

von selbst

öffnete .

einem

Der vorerwähnte Stoff bestand aus

sieben aufeinanderliegenden Schichten , welche von aussen nach innen gezählt bestanden aus :

1. einer Schicht gefirnisstem Mousseline,

2. einer Schicht

Kautschuk, 3. einer Schicht Flachsleinewand , von gleicher Anzahl Fäden in Kette und Schuss , 4. einer Kautschukschicht , 5. einer zweiten Schicht Leinewand, 6. einer Lage vulkanisiertem Kautschuk; den Beschluss machte, wie den Anfang, 7. eine gefirnisste Mousselinelage . Aeusserlich war der Ballon mit einer dünnen Schicht Silberbronze bestrichen, um durch die Reflexion der Sonnenstrahlen eine möglichst geringe Temperaturveränderung des Gases zu erzielen . Das Netz dieses gewaltigen Aërostaten, von 3300 kg,

beiläufig in einem Gewicht

bestand aus 11 mm starken Seilen ,

welche ,

da sie der zu

dicken Knoten wegen nicht gestrickt werden konnten, durch starken Bind faden und eine Umhüllung von Leder zu Netzmaschen mit einander ver bunden waren . Das Kabel hatte eine Länge von 600 m und war leicht konisch gehalten.

Es hatte an seinem schwächeren Ende eine Festigkeit

von 25 000 kg und soll an seinem stärkeren Ende mehr als das Doppelte dieses Gewichtes getragen haben .

Die beiden Halbkugeln des Riesenballons 6*

84

Konstruktion , Leistungen u. Schicksale d. bisher gebaut. Riesen-Fesselballons.

waren am begann .

25. Mai fertiggestellt,

worauf man sofort

mit dem Firnissen

Die Gondel des Ballons war aus Nussbaumholz gefertigt und hatte

die Form eines Ringes von 6 m Durchmesser. Unter dem Boden der gallerie förmig gebauten Gondel befanden sich Ballastsäcke, Anker und Ankertaue in besonderen Bodenräumen.

Die Aufhängung war derartig konstruirt , dass

zunächst die Gallerie durch sechzehn Seile mit einem ca. 11 m im Umfang messenden Holzringe verbunden war . sich sechzehn Knebel ,

An dem genannten Holzringe befanden

welche durch eine gleiche Anzahl Schlaufen ,

von

denen je zwei sich in einem Seile vereinigten , mit dem zweiten Ringe ver bunden waren . An diesem zweiten Ringe, der seinerseits durch acht Seile an einem grösseren Ring hing, war die Verbindung mit dem Kabel so an gebracht, dass dieselbe durch den hohlen Raum der ringförmigen Gallerie hindurchreichte.

Die Befestigung des Ballons mit dem Kabel geschah durch

zwei stählerne Cylinder, von denen der eine mit dem mittleren Ringe , der andere mit dem Kabel durch ein Schloss verbunden war.

Die Stahlcylinder

selbst hingen durch acht starke Eisenfedern so miteinander zusammen , dass durch dieselben an vier Dynamometern der jeweilige Zug auf das Kabel bis zu einem Gewichte von 25 000 kg abgelesen werden konnte.

Um das Kabel

durch scharfe Umbiegungen an keiner Stelle allzusehr anzugreifen , liess Giffard dasselbe über eine Erdrolle laufen , welche durch eine Art cardanischer Aufhängung allen Bewegungen

des Kabels folgen konnte und bei nach

lassendem Winde durch ein Gegengewicht in die alte Stellung zurück gedrückt wurde. Die Winde , vermittelst welcher der Fesselballon hoch gelassen wurde, war eines der merkwürdigsten Stücke des ganzen Systems . Dieselbe wog 42 000 kg und hatte einen Durchmesser von 1,70 m bei einer Gesammtlänge von 11 m. An den beiden Enden der Winde befanden sich mächtige Zahnräder von 3,50 m Durchmesser, welche die Drehung hervor brachten.

Die Winde selbst

war hohl und bestand aus fünf Cylindern,

welche durch Niete aneinander befestigt waren ; aussen war dieselbe gänzlich glatt,

um sie

herum aber waren

zehn Ringe festgelegt, in welche man

Schneckengänge für das Kabel eingeschliffen hatte. Im Ganzen hatte die Trommel der Winde 108 Windungen . Die Maschine, die den ganzen Apparat in Bewegung setzte, wurde vermittelst zweier Dampfkessel in Betrieb gesetzt und lieferte 300 Pferdekräfte . Der Wasserstoffgas - Erzeuger, der durch die heutige Technik überholt sein dürfte, bestand aus einem Bassin , in welches die Schwefelsäure geleitet und von wo dieselbe durch einen Injektor in ein erhöhtes Reservoir gehoben wurde, um von hier nach stattgehabter Mischung mit Wasser sich in den eigentlichen Gaserzeuger

zu

ergiessen .

In diesen wurden

sonderer Einrichtungen die Metallspähne hineinbefördert .

vermittelst be

Aus dem Erzeuger

strömte das entwickelte Gas durch einen Wasch-, einen Reinigungs- und einen Kühl- Apparat nach dem Gasometer. Zur Füllung des grossen Ballons verbrauchte man nicht weniger als 190 000 kg 52 % ige Schwefelsäure und

Konstruktion , Leistungen u. Schicksale d , bisher gehaut. Riesen- Fesselballons .

Der grosse Fesselballon

80 000 kg Eisen .

beförderte

85

während der Aus

stellung nicht weniger als 40 000 Personen, bis er schliesslich in Folge eines Orkans am 18. August 1879 zerstört wurde. Der " Aéronaute " erzählt darüber Folgendes : " Der Ballon wurde stets sehr sorgfältig gefüllt , als der selbe aber am 18. August 4 Uhr Nachmittags wegen eingetretenen Sturm windes zur Erde gezogen war,

öffnete sich das untere Ventil in Folge des

Dies bewirkte, dass der Wind jetzt in der durch das Ausströmen des Gases erstandenen Delle eine günstige Angriffsfläche erhielt. Um 4 Uhr Druckes .

35 Minuten trat bei einem heftigen Windstosse die Katastrophe ein , indem die Ballonhülle zerriss . " Der Ruhm

und die pekuniären Vortheile,

welche der grosse Ballon

seinem Erfinder eingetragen hatte , veranlasste unternehmende Amerikaner zu New- York im Jahre 1879 gleichfalls zu dem Bau eines grossen Aërostaten zu schreiten. Die Hülle dieses Ballons bestand aus gefirnisster Seide und hatte einen Inhalt von 5600 cbm. Pfd . , Wovon

Sein Gesammtgewicht betrug 4417 engl .

1980 auf den Stoff, 78 " das Ventil,

821

"

das Netz ,

47

Я

die beiden Ringe,

85

"

526

"

den Dynamometer, die Gondel und

880

"

das Kabel kamen .

Die Länge des Kabels betrug 1200 Fuss, das Gas wurde auf trocknem Wege erzeugt

und es vermochte

dieser

Ballon

am ersten Tage seiner

Indienststellung sechs Personen auf 200 m zu erheben . Nach allem, was darüber bekannt , scheint die Ballonhülle zu schwach gewesen zu sein , denn der Ballon platzte drei Fuss über der Erde, ohne dass ich darüber irgend welche Ursachen angegeben gefunden hätte . Den nächsten grossen Fesselballon sah man in dem Jahre 1880 auf der Ausstellung in Mailand .

Derselbe war mit Wasserstoff gefüllt , platzte aber bereits in dem Moment seines ersten Aufstieges . Weitere Angaben habe ich über diesen Fall nicht auffinden können . Mit besserem Erfolge bewährten sich die Fesselballons französischer Konstruktion auf der Ausstellung zu Turin im Jahre 1884.

Zwar wurde

der erste Ballon , welcher vom 14. bis 27. April 1884 in jener Stadt gestiegen war, am Nachmittage des letztgenannten Tages durch einen Blitzschlag ver nichtet, indessen Derselbe

war schon am 31. Mai

ein neuer Ballon fertiggestellt .

war aus Ponghee- Seide gefertigt und gefirnisst,

doppelte Stofflage

und

eine innere Luftblase .

zur Verhütung

des Zerplatzens

er hatte eine

durch Winddruck

Die Hülle wog gefirnisst mit Einschluss von zwei

Ventilen 490 kg, das Netz 214 , die Halteseile 101 , der Ring mit Zubehör 76 , die Gondel 273 , das conische Kabel 58 , das Kabelschloss 25 , der Anker

86

Konstruktion, Leistungen u. Schicksale .d . bisher gebaut. Riesen - Fesselballons.

51 , das Ankerseil 25 kg.

Der Durchmesser des Ventils betrug 95 cm ;

um

dasselbe vor Regen zu schützen, war es mit einer ledernen Kappe von 5 kg Gewicht äusserlich überzogen . Das Appendixventil wirkte selbstthätig bei einem Druck von 15 kg. Die im Innern des Ballons angebrachte Luftblase hatte einen Inhalt von 450 cbm bei einem Durchmesser von 8 und einer Länge von

10 m.

Zur Vertikalbewegung

dieses

Aërostaten diente

eine

Dampfwinde, deren Trommel 2,25 m stark und 3,50 m lang war ; das dazu gehörige Kabel hatte eine Länge von 850 m. Mit diesem Ballon wurde eine Reihe von Fesselfahrten ohne Störung ausgeführt , worauf er am italie nischen Nationalfeste eine Freifahrt machte. Fast zu derselben Zeit sah auch Nizza einen Fesselballon von 4000 cbm , der, mit Leuchtgas gefüllt, acht bis zehn Personen auf 200 m heben konnte . Nachdem derselbe vom 22. - 28 . Januar 1884 täglich gestiegen war , musste er wegen eines Sturmes entleert werden . Am 10. Februar begann dieser Ballon seine Fesselfahrten von Neuem auszuführen. Bemerkenswerth ist, dass derselbe (besonders seine Gondel) das getreue Abbild des 17 grand ballon à vapeur in verjüngtem Massstabe war. Er war aus der Fabrik des Eugène Godard hervorgegangen , Abermals Fesselballons riesiger Dimensionen

wurden im Jahre 1887

von Gabriel Yon für die chinesische Armee erbaut . noch lange in

Wenngleich dieselben

einem Depot des himmlischen Reiches liegen dürften, ehe

man von ihrer praktischen Verwendung Kunde erhält ,

so habe ich doch

geglaubt, sie anführen zu müssen , da ihre Anfertigung wenigstens die Aus breitung der Luftschifferkunst darzuthun scheint und dann aber auch der eine derselben bei einem Inhalt von 3000 cbm seiner Grösse wegen hierher gehört. Das Jahr 1888 sah in Brüssel ebenfalls einen Fesselballon von grossen

Dimensionen aufsteigen .

Derselbe erreichte bei seiner ersten Fesselfahrt die Höhe von 250 m, als er aber darauf eingeholt werden sollte, zeigte es sich, dass die Dampfwinde zu schwach war , so dass es schliesslich nur der Bei hilfe von vierzig Soldaten zu danken war, dass die Insassen des Ballons wieder an der gewünschten Stelle zur Erde kamen . Auch die Ausstellung zu Barcelona wollte des Zugmittels eines Ballon captif nicht entbehren .

In Folge dessen hat Gabriel Yon im vorigen Jahre

einen Ballon von 4200 cbm Inhalt aus Ponghee - Seide mit einer Widerstands kraft von 1000 kg auf den Quadratmeter konstruirt. Einrichtungen

unterschied sich

letztbeschriebenen .

der

In seinen einzelnen

genannte Ballon nicht sehr von den

Die Ballonhülle war gefirnisst und im Innern mit der

Meunier'schen Luftblase versehen .

Das Kabel wog ,

bei einer Länge von

400 m , 3000 kg und ist auf einen Wiederstand von 10 500 kg geprüft .

Die

Gondel war ringförmig . Die Maschine, welche die Winde in Thätigkeit setzte , leistete eine Arbeit von 25 Pferdekräften . Ein erster Ballon dieser Konstruktion funktionirte vom 4. bis 25. Juni, an welchem Tage er durch

Konstruktion , Leistungen u. Schicksale d. bisher gebaut. Riesen - Fesselballons. den Blitz

vernichtet wurde .

Darauf bauten Yon und Louis Godard den

zweiten Ballon, welcher am 11. August in Thätigkeit trat. virung wurde

derselbe

19. September gefüllt . dieses Jahres . tragen.

am

17. September

entleert und von Neuem am

beförderte er 20 904 Personen .

stellung betrug sechs Monate oder 180 Tage, Ballon konnte.

sich nur

Behufs Reno

Von da ab blieb er in Thätigkeit bis zum 22. Januar

Der Ballon vermochte bei jeder Fahrt

Im Ganzen

87

an 48 Tagen

zwölf Personen zu

Die Dauer der Aus

während

wegen schlechten

welcher Zeit der

Wetters

nicht

erheben

Die Füllung des Ballons mit Leuchtgaz dauerte 24 Stunden .

Zum Schlusse

sei noch Erwähnung gethan ,

dass die Franzosen für

ihre diesjährige Ausstellung den Bau eines ganz eminent grossen Ballons geplant hatten . Derselbe sollte einen Inhalt von 60 000 cbm erhalten und in seiner Gondel hundert Personen bis auf 1000 m Höhe emportragen.

Im

Innern sollte die Ballonhülle eine Meunier'sche Luftblase erhalten und die benöthigte Dampfwinde

600 Pferdekräfte

produziren .

Da

das Projekt in

dessen nicht zur Ausführung gekommen ist, so werde ich bei dem folgenden Resumé dasselbe auch gänzlich ausser Acht lassen . An das hier Vorgetragene sei es mir gestattet,

einige Bemerkungen

anknüpfen zu können . Wenn man

zunächst

die

Anzahl der

konstruirten

Fesselballons in

Betracht zieht, so findet man , dass dieselbe mit jedem Jahrzehnt gewachsen ist. Während in den sechziger Jahren nur drei Ballons und zwar nur in den beiden grössten

Städten

Europas

gestiegen

waren ,

so sind in

den

siebziger Jahren schon deren vier, in den achtziger Jahren deren sechs zu verzeichnen gewesen. Ergebniss,

Die einfache Betrachtung dieser Zahlen führt zu dem

dass das Interesse für die Luftschiffahrt sich gehoben hat,

wie

auf der anderen Seite die geringere Anzahl Unfälle die Verbesserung des Materials und der Konstruktion beweist. Was die Unfälle vorbeschriebener fünfzehn Fesselballons anbetrifft , durch Sturm,

einer

so sind also

durch Feuer und

zwei

zwei durch den Blitz , einer

in Folge

zu schwacher Kon

struktion oder durch die Ausdehnung des Gases beim Aufsteigen vernichtet worden . In zwei Fällen erwies sich die Maschine zu schwach. Verluste an Menschenleben waren überhaupt nicht zu beklagen .

Aus einer statisti

schen Zusammenstellung der Grösse der Ballons ergibt sich eine Zunahme des Kubikgehalts bis zum Jahre 1878 und von da eine vollkommen stetige Abnahme desselben .

Der grösste Fesselballon hatte einen Inhalt von 25 000 ,

der kleinste der hierher gehörigen einen solchen von 3000 cbm.

Zwar sind

alle diese Ballons grosser Dimensionen nur zur Befriedigung der Schaulust des Publikums entstanden ,

aber sie haben doch den Vorzug aufzuweisen ,

dass sie das Interesse weiterer Kreise auf die Luftschiffahrt hingelenkt haben. Fortan hat man in dem Fesselballon den Verbündeten , wie auch das Werk zeug sowohl der Meteorologen, als des Soldaten zu erblicken. Ansicht

eine wirklich

berechtigte

und zur Ueberzeugung

Dass diese

geworden

ist ,

88

Das Kriegs-Luftschiffer-Material (System Yon und Lachambre).

beweisen

einerseits die vielen Versuche,

welche zum Zwecke der Wissen

schaft im Ballon unternommen worden sind , wie andrerseits die militärische Wichtigkeit dieses Gebietes

am schlagendsten daraus hervorgeht ,

dass in

der Gegenwart ausser Deutschland , Frankreich und England , welche Staaten jeder für sich selbstständig vorgegangen sind, auch noch Russland , Italien, Spanien, Portugal , Holland , Belgien , Dänemark, China und die Argentinische Republik sich Luftschiffertrains angeschafft haben .

Schliessen wir daher mit

der Hoffnung , dass die Luftschiffahrt , deren Förderung Zweck unseres Vereins ist, sich derartig weiterentwickle, dass sie dem Vaterlande und der Wissenschaft die Dienste leisten könne, welche man von ihr erwarten darf.

Das Kriegs- Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre). Vortrag, gehalten in der Sitzung des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt am 25. Januar 1889 von Gross, Secondlieutenant der Luftschiffer- Abtheilung. (Mit einer lith . Tafel. ) (Schluss. ) Die beiden Trockenthürme sind zwei völlig gleiche Cylinder von Eisen Auf diese blech , in denen unten eine durchlochte Scheibe eingefügt ist . Scheibe wird in dem ersten Thurm zunächst eine ca. 10 cm hohe Schicht von Cokes und Holzkohle, darüber eine ca. 40 cm hohe Schicht caustischer Soda und hierauf bis zum Gasaustrittsrohr Calciumchlorür aufgeschüttet, während der zweite Trockenthurm nur mit Calciumchlorür gefüllt wird. Diese Chemikalien nehmen dem Gase einmal den Rest der etwa noch vor handenen Säure und die Feuchtigkeit . Beide Trockenthürme sind durch ein Rohr mit einander verbunden und durch Deckel mit Gummiliderung Zur Reinigung der Thürme sind am unteren Theile zwei Reinigungsöffnungen, mit Deckeln und Gummiliderung geschlossen , ange bracht. An dem linken Trockenthurm befindet sich das Gaseintrittsrohr c,

verschliessbar.

am

rechten

das Gasaustrittsrohr f,

an welches der Füllschlauch befestigt

wird, der das nunmehr fertige Wasserstoffgas in den Ballon leitet. Die

dreifache

Wäscher angebracht.

Röhrenleitung D ist Sie

zwischen

dem Entwickler

und

dient dazu , die nöthige Säure und das Wasser

anzusaugen und in den Entwickler bezw. in den Wäscher zu treiben . besteht hierzu aus drei Haupttheilen und zwar :

Sie

1. der kleinen Dampfpumpe, welche ihren Dampf durch einen Kautschuk schlauch von der, später zu beschreibenden Dampfwinde empfängt. 2. dem Wasserrohr, durch welches das Wasser mittelst der Pumpe in zwei Windkessel gepumpt wird, aus denen es einmal in das Zuführungsrohr des Erzeugungs- und in das des Waschgefässes gedrückt wird. 3.

dem

Säurerohr ,

ebenfalls

mit Windkessel

aus Phosphorbronce,

welche von der kalten Säure nicht angegriffen wird, um die Schwefelsäure anzusaugen und gleichfalls in das Zuführungsrohr des Entwicklers zu treiben .

Das Kriegs- Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre).

Säure

89

Das gleichzeitig durch die Dampfpumpe angesaugte Wasser und die stehen in einem constanten Verhältniss von 6 : 1 , ein Mischungs

verhältniss ,

welches sich bei Verwendung von Säure von 52-53º Beaumé

als das günstigste für die Entwickelung herausgestellt hat. Mischungsverhältniss wird

Dieses constante

durch den verschieden grossen Querschnitt des

Kolbens der Pumpe erreicht. Verfolgen wir zum

besseren Verständniss der Beschreibung des Gas

erzeugers die Entwickelung des Wasserstoffgases die einzelnen Theile des Apparates :

auf ihrem Wege

durch

Nachdem der Entwickler mit möglichst rostfreien , reinen Eisendreh spänen nahezu

gänzlich gefüllt und hydraulisch geschlossen ist,

und die

beiden Trockenthürme gleichfalls mit den vorher erwähnten Chemikalien beschickt sind , kann die Entwickelung beginnen . Durch die mit vier Atmosphären Druck arbeitende Dampfpumpe wird nun zunächst zur Reinigung der Eisenspäne

nur Wasser durch den Entwickler getrieben,

bis dasselbe

völlig rein zum Abflussrohr herausströmt, nunmehr wird die Säure mit an gesaugt und es beginnt fast sofort die Entwickelung des Wasserstoffgases . Nachdem die im Apparat vorhandene Luft durch das Gas ausgetrieben ist, wird die Schlauchverbindung mit dem Ballon vorgenommen und kann das Gas in den Ballon hierdurch eintreten. Das sich in dem Entwickler durch Zersetzung des Wassers bildende Wasserstoffgas tritt durch die Löcher des inneren Cylinders in den freien Zwischenraum im Entwickler und strömt von hier aus heiss, mit Wasserdampf vermischt, durch das Zuleitungsrohr in den Wäscher, wo es durch die Löcher des unteren Röhrensystems aus tretend,

durch

die Wasserschicht in Blasen aufsprudelt und nun von dem

feinen Wasserregen

getroffen

wird .

Hierbei kühlt

sich das Gas ab ,

der

Wasserdampf kondensirt sich und die Säurereste werden gleichzeitig fort gespült.

Von hier aus tritt das Gas in den linken und von diesem in den

rechten Trockenthurm ,

woselbst

die Feuchtigkeit

an

dem Calciumchlorür

hängen bleibt und nochmals die vielleicht noch vorhandenen Säurereste dem Gase genommen werden . Von schlauch nach dem Ballon.

hier aus strömt das Gas durch den Füll

Nach der bei der Entwickelung kommenden chemischen Formel: H₂ SO, + Fe

von Wasserstoffgas

zur

Geltung

Fe SO, +2 H

würden nach der Theorie 1343 kg reines Eisen und 2350 kg reine Schwefel säure zur Entwickelung von 536 cbm Wasserstoffgas nothwendig sein .

In

Wirklichkeit jedoch stellt sich der Verbrauch an Material bedeutend höher, da man, um die Entwickelung zu beschleunigen mit Materialverschwendung arbeiten muss . Bei dem Versuche mit dem Yon'schen Gaserzeuger sind denn auch 4500 kg Schwefelsäure von 52 ° B. und 2500 kg Eisendrehspähne verbraucht

worden .

namentlich

zur Kühlung

Der Wassergebrauch zur Verdünnung der Säure und ist

ein ganz enormer und beziffert sich bei einer

90

Das Kriegs-Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre).

Dauer der Füllung

von

nur 3 Stunden bereits auf 40 cbm, entsprechend

dem Wasserquantum von 26 Berliner Sprengwagen. für

eine Ballonfüllung

nothwendigen

chemischen

Zu dem Transport des Materials, bestehend in

Schwefelsäure und Eisenspänen sind 6 vierspännige landesübliche Fahrzeuge nothwendig ; das Wasser mitzuführen ist nicht erforderlich, die Füllung des Ballons muss in unmittelbarer Nähe eines Baches, Tümpels etc.

ausgeführt

werden . Das Gewicht des Wasserstoffgas-Erzeugers beträgt in ungefülltem Zustande 2900 kg. Wir kommen nunmehr

zur Beschreibung der fahrbaren Dampfwinde

(s . Figur 2 ) . Die Anwendung einer Windevorrichtung einem Ballon von

536 cbm Inhalt durchaus

mit

Dampfbetrieb

nothwendig,

Ueberwindung der Zugkraft des Ballons wegen,

ist bei

nicht etwa der

welche ja durch grössere

Belastung desselben minimal gemacht werden kann , als vielmehr der Wider standskraft des Winddruckes gegen die immerhin schon sehr grosse Ober fläche

eines

Sekunde

solchen

Ballons ,

sich in der Luft

wenn

derselbe

halten soll .

noch bei

10 m

Wind pro

Ferner ist auch nur eine Dampf

maschine im Stande , diesen Ballon von 500 m Höhe in höchsens 10 Minuten zur Erde herab zu holen . Die Yon'sche fahrbare Dampfwinde besteht aus 3 Haupttheilen : 1. dem fahrbaren Untergestell A, 2. der eigentlichen Dampfmaschine B, 3. der Wickel- oder Winde-Vorrichtung C. Das fahrbare Untergestell ist dem des Wasserstoffgaserzeugers ähnlich , es besteht ebenfalls aus einem Rahmen von I-Eisen , welcher durch Federn auf den beiden Achsen ruht. befestigt.

An diesem Rahmen sind alle übrigen Theile

Die eigentliche Dampfmaschine besteht zunächst aus stehenden Dampfkessel a,

dem aufrecht

welcher nach dem bekannten System Field con

struirt ist, also ein Quersiederohrkessel mit beiläufig 90 Siederöhren. Kessel ist die Armatur, bracht ,

also

ein

wie solche bei allen Kesseln Vorschrift ist,

Sicherheits-Ventil , ein Ablassventil ,

Am ange

Wasserstandsgläser,

2 Probirhähne, ein Manometer, ein Dampf- und Wasserabflusshahn. Die Dampfspannung im Kessel darf 7 Atmosphären nicht übersteigen , es beginnt daher bei diesem Druck das Sicherheitsventil von selbst abzu blasen.

Auf dem Kessel ist der kurze Schornstein mit Funkenfänger und

verschliessbarem Deckel oben aufgesetzt, unter dem Kessel ist der Feuerungs kasten mit Rost und Aschfall angebracht. Zur Speisung des Kessels welcher sein Wasser saugt,

vorhanden .

mit Wasser ist ein Giffard'scher Injektor,

aus einem am Gestell angebrachten Wasserkasten b

Von dem

oberen Theile des Dampfraumes des Kessels

führt ein sich gabelndes Dampfzuleitungsrohr c nach den beiden symmetrisch zur Achse angebrachten Dampfcylindern d , deren Kolben der Arbeits- oder

91

Das Kriegs- Luftschiffer- Material (System You und Lachambre).

Triebwelle e eine drehende Bewegung ertheilen , indem sie zwei unter einem rechten Winkel zu einander stehende Kurbeln bewegen. Die Winde- oder Wickel-Vorrichtung umfasst alle Rollen etc , über welche das Halteseil des Ballons läuft . Verfolgen wir den Weg dieses Seiles.

Vom Ballon

herkommend läuft

das

Halteseil

zunächst

über

die

Rolle mit Universalgelenk f, von hier über eine Rolle mit festem Lager g. von hier zweimal über die beiden Friktionsrollen h, welche zu diesem Zwecke Rillen besitzen. Nachdem das Tau diese beiden Rollen zweimal umlaufen hat, geht es über 2 Führungsrollen nach der kleinen Vertheilungsrolle i und von hier schliesslich auf die Vorrathsseiltrommel k, auf welcher es sich ordnungsmässig aufrollt. Die Arbeitsrolle theilt ihre drehende Bewegung den beiden Friktionsrollen durch ein Zahnrad mit und diese wieder versetzen die Welle, Bewegung.

auf welche

die Vertheilungsrolle

angebracht ist ,

in drehende

Diese Welle hat ein Schneckengewinde eingeschnitten , wodurch

die Vertheilungsrolle auf derselben hin und zurück gleitet und somit das Seil auf der Vorrathstrommel ordnungsmässig aufspult. Die Dampfmaschine gelangt nur zur Thätigkeit, um den Ballon einzu holen, während der Auftrieb des Ballons selbst beim Aufstieg die Wellen der Maschine dreht und somit das Seil abrollt. Um die Bewegungen der Maschine zu hemmen , wenn der aufsteigende Ballon dieselbe im entgegengesetzten Sinne ihrer Arbeit in Bewegung setzt, werden die beiden Dampfcylinder als Luftbremse verwendet ; sie saugen in diesem Falle aus dem Abflussrohre Luft auf und wirken somit wie zwei Luftpumpen. Ein an einem Ende der Saugpumpe angebrachter Zweiwege Hahn dient nun dazu , den Austritt der Luft aus den Cylindern zu verlang samen bezw . ganz abzusperren ,

wodurch man eine Luftbremse von ausser

ordentlicher Empfindlichkeit erhält. Ausserdem besitzt noch die Arbeits welle zur Sicherheit eine Bandbremse , welche durch ein Kurbelrad bedient werden kann .

Da die

Rolle

mit

Universalgelenk mit

dem Gestell

des

Wagens fest verbunden ist, so hängt der Ballon direkt an der Dampfwinde und kann mit dieser nach jeder beliebigen Richtung transportirt werden . Durch das an der Universalrolle angebrachte Kontregewicht folgt diese Rolle jeder Bewegung des Seiles nach allen Richtungen . Auf dem Vorderwagen ist ein Kutschersitz 1 angebracht, von dem aus die mit 6 Pferden zu bespannende Dampfwinde gefahren werden kann .

Das Gewicht dieser Maschine beträgt mit ungefülltem Kessel 2600 kg, die Heizflüche des Kessels ist 8 qm, die Hubkraft = 8 Pferdekräften , der Verbrauch an Dampf pro Arbeitsstunde 40 kg, der der Kohle 5 kg. Das den Ballon an der Dampfwinde fesselnde Kabel ist ein Hanfseil von 500 m Länge , aus bestem italienischen Hanf gesponnen . Um dieses Seil winden sich die beiden isolirten Kupferdrähte für

die telephonische

Verbindung des Ballons mit der Erde . An der Dampfmaschine werden die Enden dieser beiden Kupferdrähte in Klemmschrauben eingeschaltet , von

92

Das Kriegs- Luftschiffer-Material (System Yon und Lachambre).

denen die eine, nämlich die für die Hinleitung, mit einem Schleifbürstchen, welches auf einem auf der Welle der Vorrathstrommel isolirt aufgelegten Metallrade schleift, verbunden ist. Der andere Draht, nämlich der für die Rückleitung, ist mit einer Klemmschraube an dem Träger des Gestelles verbunden . Durch den Contact, welchen das Schleifbürstchen auf der sich drehenden Welle

unausgesetzt

während der Bewegung der

erhält , Maschine

ist

die

Telephonverbindung

gesichert.

Am

oberen Ende

auch des

Seiles werden die beiden Drähte einfach auf einige Meter vom Seile gelöst , nach der Gondel hingeführt und hier in ein Siemens'sches Telephon ge schaltet. Das Gewicht des Seiles beträgt 100 kg. Im Juni 1885

war Yon

mit dem Bau des nunmehr beschriebenen

Luftschifferparkes fertig, und fanden im Juli die Abnahmeversuche mit dem selben in Rom in Gegenwart des italienischen Kriegsministers und der für den Luftschifferdienst bestimmten Genie- Offiziere (des Grafen Péccori) statt. Diese Versuche fielen zur vollen Zufriedenheit der italienischen Re gierung aus ,

wenngleich auch der fahrbare Gaserzeuger nicht ganz den

gestellten Anforderungen entsprach, indem er pro Stunde nur 135 cbm Gas lieferte, so dass fast 4 Stunden zur Füllung des Ballons gebraucht wurden , während die Bedingung auf 3 Stunden lautete . Der komplete Luftschiffer park kostete 70 000 Lire inkl. eines Reserveballons. Durch den günstigen Ausfall dieser Versuche angeregt, bestellte die russische Regierung 2 solcher Armee- Ballontrains bei Gabriel Yon ; jedoch sollten die Ballons 3 Personen statt 2 tragen können . Die Ballons mussten dem entsprechend grösser gemacht werden . Statt der Seide verwendete Yon bei der Anfertigung dieser Ballons Baumwollenstoff, da die Kosten der Seide für so grosse Ballons sich zu hoch beliefen . Bei der Konstruktion dieses Luftschifferparks hatte sich Yon die Erfahrungen der stattgehabten Versuche ist

zu Nutze gemacht und einige Verbesserungen angebracht .

die Pumpe

im Wasserstoffgas- Erzeuger ,

Wäscher liefert ,

welche

unabhängig von den beiden

Wasser und die Säure

für

den Entwickler.

das Wasser für

anderen

So den

Pumpen für das

Hierdurch wird es möglich,

dass nach Aufhören der Zuleitung von Säure und Wasser in den Erzeuger der sich noch weiter werden kann.

entwickelnde Wasserstoff gekühlt

und

gewaschen

In dem russischen Gaserzeuger soll nach Angabe Yon's der

Ausfluss von Eisensulfat durch Verminderung der Säuremenge, die

ohne

auf das Eisen eingewirkt zu haben, abgeht, von statten gehen , wodurch die Leistungsfähigkeit des Apparates auf 300 cbm pro Stunde, also fast um das Doppelte gesteigert werden soll (?) . An der Dampfwinde sind gleichfalls Verbesserungen angebracht, welche dieselbe leichter und einfacher machen, Um das Gleiten des Taues anf den beiden Friktionsrollen zu vermeiden, wurden 3 statt 2 Kannelirungen auf den Rollen angebracht . Die Probeversuche

dieser beiden

neuen Luftschifferparks

wurden im

Das Kriegs - Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre).

93

September 1885 in Paris im Beisein des russischen Geniegenerals Boreskoff ausgeführt und fielen zur vollen Zufriedenheit aus . Auch die chinesische Regierung bestellte nun Ende des Jahres 1886 bei Gabriel Yon 2 Armeeballons, einen grossen von 3000 cbm Inhalt und einen kleineren von 500 cbm Inhalt , mit dem zur Füllung mit Wasserstoff und für Fesselfahrten nöthigen Material. Die Probeversuche mit diesem letzteren Ballon fanden am 15. , 16. und 17. Januar 1887 in Paris statt und fielen zur Zufriedenheit aus. Bei dem Transporte der Ballons nach China klebte jedoch

der grosse Ballon

derartig zusammen , dass derselbe nicht

mehr auseinandergefaltet werden konnte, ein Zeichen dafür, dass der Yon'sche sogenannte Spezialfirniss durchaus nicht besser ist als alle anderen Leinöl Firnisse. In Dezember 1888

fanden die Abnahmeversuche des von Yon für

Spanien gelieferten Luftschiffermaterials statt .

Der Ballon besitzt, wie der

russische, eine Tragkraft von 3 Personen, er ist über 600 cbm gross und kann in noch nicht 3 Stunden mit Wasserstoffgas gefüllt werden . In demselben Monat lieferte Yon ferner an die Argentinische Republik einen gleichen Luftschifferpark. Ehe wir nun zur Beschreibung des für die holländische und belgische Regierung von Lachambre konstruirten Luftschiffermaterials herangehen , müssen wir uns nochmal in Kurzem über die Gewichtsverhältnisse und die Transportfähigkeit

des Yon'schen Luftschifferparks,

mit

einem Wort über

seine Feldmässigkeit näher orientiren, weil grade aus der geringen Feld mässigkeit dieses Trains das Lachambre'sche Material entstanden zu sein scheint. Die italienische Regierung

hatte ursprünglich

den bestellten Luft

schiffertrain nur für den Festungskrieg projektirt und war erst durch das verhältnissmässig geringe kommen, diesen Park zu halten.

Gewicht

der Apparate auf den

Gedanken ge

auch für die Zwecke des Feldkrieges für geeignet

Eine mobile Luftschifferabtheilung nach dem System Yon besteht aus : 1. dem vierspännigen Ballon - Transportwagen, mit 2000 kg Gewicht, 2. dem sechsspännigen Gaserzeuger, mit 2900 kg Gewicht, 3. der sechsspännigen Dampfwinde, mit 2600 kg Gewicht Wasser im Kessel ) ,

4. 6 vierspännige Wagen zum Transport der

(ohne

Schwefelsäure,

des

Eisens und der Kohlen für eine einzige Füllung des Ballons, mit in Summa ca. 10 000 kg, 5. 1 zweispänniger Packwagen, mit ca. 500 kg Gewicht, in Summa 10 Fahrzeuge mit 42 Zugpferden mit 18 000 kg Gewicht . Hierbei ist zu bedenken , dass dieser bedeutende Train nur auf guten Chausseen oder Strassen sich bewegen kann, dass ferner das enorme Wasser quantum von 40 cbm Wasser für eine Füllung nicht mitgeführt wird, dass

Das Kriegs - Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre).

94

also die Füllung an einem Gewässer stattfinden muss,

und dass nur das

Material für eine einzige Füllung überhaupt hierbei transportirt wird . man nicht annehmen kann, Eisendrehspäne

Da

im Felde derartige Massen Schwefelsäure und

zu bekommen,

so ist das für die weiteren Füllungen des

Ballons benöthigte Material an Schwefelsäure und Eisen gewissermassen als zweite Munitionsstaffel , wie die Munition der Artillerie , nachzuführen. Vergleicht man allerdings hiermit die Gewichtsverhältnisse einer mobilen Feldbatterie

mit ihren 18 sechsspännigen Fahrzeugen und ihrer Munitions kolonne von 23 sechsspännigen und 3 vierspännigen Fahrzeugen, so muss man ohne Weiteres zugeben, dass die von vielen Seiten gerügte Schwer fälligkeit eines Luftschiffertrains garnicht so bedeutend ist , es bleibt aber hierbei stets zu bedenken, dass der mit Hülfe dieses Trains einmal gefüllte Ballon nur unter sonstigen günstigen Bedingungen überhaupt von Nutzen sein kann , während die Wirksamkeit der Feldbatterie eine absolut sichere bleibt. Mag man nun diesen Yon'schen Luftschifferpark für den Feldkrieg zu schwerfällig halten oder nicht , Thatsache ist , dass derselbe von den Italienern,

nachdem

bewährt hatte ,

er sich bei einer Belagerungsübung

vor Verona gut

für den Feldzug gegen Abessynien für

nicht genügend

gehalten wurde und dass die Italiener in Folge dessen sich für diesen Feld zug ein neues, wesentlich anderes Luftschiffermaterial beschafften . Aller dings ist die Verwendung des Ballons in diesem Kriege, die der Franzosen

im Feldzuge gegen China,

mässigkeit des bisher verwendeten Materials , zivilisirten , bergigen Strassen gab.

Ländern

geführt

ebenso wenig wie

massgebend für da

wurden ,

die Feld

beide Feldzüge in un es keine gebahnten

wo

Italien bezog aus England für den Feldzug gegen Abessynien zwei Ballons und zwar einen zu 200 cbm und einen noch kleineren zu 140 cbm Inhalt, ferner 200 Stahlcylinder, in welchen das Wasserstoffgas im kompri mirtem Zustande

transportirt wurde

(s . Figur 7) .

Die Ballons waren aus

Goldschlägerhaut gefertigt und besassen eine ausserordentliche Leichtigkeit. Der Ballon von 200 cbm konnte 1 Person auf 500 m Höhe heben , während der kleinere wohl nur als Gasometer zum Nachfüllen des grösseren benutzt wurde. Die Stahlcylinder von 2,40 m Länge, 0,13 m Durchmesser und 3 mm Wandstärke

enthielten jeder 4 cbm

auf

120

Atmosphären komprimirtes

Wasserstoffgas. Dieselben wogen 30 kg pro Stück und wurden auf dem Rücken von Kameelen transportirt. Den eigentlichen Wasserstoffgaserzeuger konstruirte Yon nach seinem alten Modell, nur mit dem Unterschiede, dass derselbe nicht fahrbar eingerichtet wurde und statt eines, zwei Entwickler Für so kleine Ballons war eine Dampfmaschine nicht erforderlich, ein Fahrzeug, welches gleichzeitig Ballonstransportwagen und

Yon baute

Handwinde vereinigte (Figur 4 ) .

Ueber die Thätigkeit und die Erfolge der

Das Kriegs-Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre). mit diesem sehr leichten Material

95

ausgerüsteten italienischen Luftschiffer

abtheilung in Massauah ist wenig in die Oeffentlichkeit gedrungen , es scheint , als wenn diese Leichtigkeit nur auf Kosten der Leistungsfähigkeit erreicht werden konnte . Die Franzosen, deren Kriegs- Luftschiffermaterial für das Yon'sche Vor bild gewesen ist, und im Wesentlichen mit einigen Verbesserungen dasselbe ist, beschlossen im Jahre 1884 in den Feldzug gegen China einen Luft Auch sie schafften sich hierfür ein ganz be schiffertrain mitzunehmen. sonderes Material .

Da man an den Transport einer Dampfwinde und eines

Gaserzeugers nicht denken konnte, so wurde ebenfalls nur ein kleiner Ballon für eine Person bestimmt konstruirt. Derselbe wurde an einer einfachen Handwinde gefesselt .

Das Wasserstoffgas wurde in stationären Apparaten

hergestellt, so dass der Ballon in - gefülltem Zustande wochenlang transportirt werden musste.

Zu seiner Nachfüllung wurde ein zweiter kleinerer Ballon

als Gasometer mitgeführt.

Die Erfolge der Luftschiffertruppe in diesem Feld

zuge sind recht günstige und um so mehr bemerkenswerthe, als einmal das Material durch die Schnelligkeit seiner Herstellung ein minderwerthiges war, und andererseits die lokalen Verhältnisse sehr ungünstig lagen. Wir sehen aus dieser Verwendung des Luftschiffermaterials sowohl von Seiten der Italiener in Massauah , als auch der Franzosen in Tonkin , das Bestreben,

kleinere Ballons für nur eine Person anzuwenden, sich von der

schwerfälligen Dampfwinde zu vereinfachen .

emanzipiren und auch die Gaserzeugung zu

Dies muss wohl auch der Grund gewesen sein , dass Gabriel

Yon in Paris ein Konkurrent aufgetreten ist , welcher im Wesentlichen diese Gesichtspunkte bei der Konstruktion seines Kriegs- Luftschifferparks zu Grunde legte.

Es ist dies die aëronautische Firma Lachambre Frères,

welche für

Holland, Belgien und Portugal bereits je einen Luftschifferpark geliefert hat. Der Luftschifferpark Lachambre's besteht nur aus zwei Spezialfahrzeugen , nämlich

1. dem

fahrbaren Wasserstoffgaserzeuger

( Figur 5 )

und 2. der

fahrbaren Dampfwinde , welche gleichzeitig als Ballon-Transport- und Geräthe wagen dient ( Figur 6 ) . Der

fahrbare Gaserzeuger beruht auf dem gleichen Prinzip wie der

Yons ; es scheint als wenn die Franzosen angesteckt durch das Beispiel ihrer eigenen Militär- Luftschifferabtheilung sich von der Herstellung des Wasser stoffgases aus Eisen und Schwefelsäure, unendlich viele Nachtheile besitzt,

eine Art

der Herstellung,

nicht emancipiren können.

welche

Lachambre

nimmt jedoch statt des einen Entwicklers von Yon deren 4 (a), welche zu je zweien gruppirt sind, wodurch im Prinzip eine bessere Ausnützung des Materials zweifellos erreicht wird . Er folgt hierin dem Vorgange Tissandiers , von dem er bei der Konstruktion und Füllung des lenkbaren elektrischen Ballons viel gelernt zu haben scheint. Auch die Zuführung der Säure mischung ist entschieden besser, als bei Yon. Dieselbe gelangt nämlich durch

ein

siebartig

durchlochtes

Bleirohr,

welches

kreisförmig

auf dem

Das Kriegs - Luftschiffer Material (System Yon und Lachambre ).

96

Boden der Entwickler liegt, in letzteren , und kann so schneller zirkuliren , als bei Yon , wo dieselbe erst den doppelten Boden durchdringen muss .

Die

4 Entwickler sind durch ein Syphongefäss mit einander verbunden , können jedoch durch besondere Hähne einzeln beliebig, in ihrer Thätigkeit unab hängig von einander ausgeschaltet werden , wodurch der grosse Vortheil erreicht wird , dass bei dem Schadhaftwerden des einen Entwicklers die Gasentwicklung

nicht unterbrochen zu

werden

welcher dem Youschen Erzeuger anhaftet.

braucht ,

ein

Uebelstand ,

Weniger praktisch als bei dem

Yonschen Erzeuger ist die Dichtung der Deckel bei dem Lachambreschen Apparate.

Sie wird

bei letzterem durch eine Kautschukliderung bewirkt ,

während Yon den ungleich besseren hydraulischen Abschluss gewählt hat . Wäscher b und Trockner cc sind im Prinzipe dieselben bei beiden Apparaten , bei dem Lachambre'schen ist nur die Gruppierung auf dem fahrbaren Unter gestell eine andere .

Der Wäscher hat hier eine Kastenform , auf welchem

die beiden cylindrischen Trockner liegen .

Die Säure kann durch einen auf

die

direkt

Säureflaschen passenden

werden .

Schlauch d

aus denselben

angesaugt

Es ist dies gleichfalls ein Vorzug gegen das Yon'sche Verfahren ,

wo die Säureflaschen

in

einen Mischbottig

erst entleert werden müssen ,

wobei sehr leicht Verletzungen der Mannschaften vorkommen können .

Da

jedoch ein Transport von Schwefelsäure in den im Handel üblichen Flaschen körben überhaupt durchaus unfeldmässig ist, vielmehr zum Transport eigene Säurewagen erforderlich erscheinen , so möchte ich dies nicht einmal als einen besonderen Vorzug bezeichnen . Der Hauptunterschied beider Apparate besteht aber in der Anwendung einer Pumpe für Handbetrieb bei Lachambre , während Yon die Dampfkraft zur Bewegung seines Pumpsystems verwendet . Lachambre hebt zwar diesen Punkt als einen besonderen Vorzug seines Apparates hervor ;

und in der

That er wäre es zweifellos , wenn mit Handbetrieb die ungeheure Masse des Kühl- und Mischungswassers in könnte . Dem ist aber nicht so. fähigkeit

des Erzeugers

pro Stunde beläuft,

ausreichender Menge geschafft werden Die verhältnissmässig geringe Leistungs

von Lachambre,

welche sich auf normal 120 cbm

kann nur bei der sonst so rationellen Anordnung der

übrigen Theile

eine Folge der nicht ausreichenden Leistungsfähigkeit der

Pumpen sein.

Wenn Yon

mit seinem einzigen Entwickler 250-300 cbm

und die französische Luftschifferabtheilung ebenfalls mit einem Entwickler 300 cbm pro Stunde erzeugen, so musste Lachambre mit seinen 4 Erzeugern mehr oder doch wenigstens das gleiche Quantum entwickeln können . Lachambre hat bei seiner

Pumpe

mit

Handbetrieb auch

nur

der

Noth gehorcht ; denn er hat keine Dampfmaschine, die Yon zur Verfügung durch seine Dampfwinde hat. Das Gewicht des Gaserzeugers beträgt 2400 kg also 500 kg weniger als der Yon's . Nach der Ansicht des Konstrukteurs sollen 2 Pferde diese

風 J 誠

HP 4 1 「



C2

B

.3 ig F Yon von delaufhängung Gon



చిపి

F ..4 ig winde Yon von Hand

042 0 00 44

442460

4000

Füllung Ballons des Abessynien inig .F .7

Gaserzeuger Lachambre von .5 Fig

One

Oberes V -Ballon entil Yon von ig.8 ..F

Handwinde von Lachambre Fig 6

3 ig ..F Yon ängung von Condelaufh

t

A

Handwinde von Fig .4 .Yon

b

b

44040

0 000 00

a

Füllung Ballons des Abessynien F .in ig.7

a

Oberes Ballon -Ventil F .von Yon ig.8

Das Kriegs- Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre) . Last ziehen ; ich glaube man kann jedoch zufrieden sein, diese Leistung vollbringen . Wir sehen hieraus ,

97

wenn 4 Pferde

dass wenn man auf die Dampfwinde verzichtet ,

man auch gleichzeitig eine andere Art der Gaserzeugung wählen muss . Beispiel hierfür bieten die beiden Feldzüge in Massauah und Tonkin .

Das

Die fahrbare Handwinde Figur 5 , welche gleichzeitig Ballontransport und Geräthwagen vorstellt, ist sehr einfach, besser gesagt : etwas primitiv und kann wohl kaum als ein Feldfahrzeug betrachtet werden. Sie besteht aus dem fahrbaren Gestell von I-Eisen, welche durch Federn auf den beiden Achsen ruhen . Zwischen diesen Trägern ist die Windevorrichtung meist unterhalb derselben angebracht . Die Handwindevorrichtung lässt sich ohne Auftritt von der Erde aus direkt bedienen . Mit Hülfe der 4 Kurbeln sollen 8 Mann den Ballon bei normaler Geschwindigkeit in 8 Minuten ,

bei be

schleunigter Geschwindigkeit schon in 6 Minuten aus 500 m Höhe einholen können , wobei die Rollen 40 Turen pro Minute zu machen haben . Eine Bremse mit Sperrklinke mässigt nach Belieben die Geschwindigkeit des Am Hinterwagen ist die Seilvorrathstrommel angebracht, auf

Aufstieges .

welche sich durch eine Schneckenvorrichtung , genau wie bei der Yon'schen Dampfwinde ,

das Seil ordnungsmässig aufhaspelt. Auch diese Trommel besitzt eine Sicherheitsbremse . Der Weg des Seiles ist hier ein gleicher wie der bei der Yon'schen Winde ; es umläuft, von der Vorrathstrommel über die Vertheilungsrolle kommend, 2 Friktionsrollen in Rillen, geht dann über eine Rolle mit feststehender Achse nach der Universalrolle , welche mitten über dem Wagen cardanisch aufgehängt ist . Um diesen Wagen gleichzeitig zum Ballontransport- und Geräthewagen zu machen, wird die verhältnissmässig für eine Person viel zu grosse Gondel auf den Hinterwagen gestellt und soll nun in ihr der Ballon mit allem Zu behör verpackt werden .

Auf dem Vorderwagen ist ausser dem Kutscher

bock noch ein eiserner Kasten aufgesetzt, in welchem die übrigen Geräthe u. s. w. Platz finden sollen. Was Lachambre hier Alles unterbringen und vor allen Dingen , wie er es unterbringen will, darüber schweigt er sich aus, er würde wohl auch in arge Verlegenheit kommen, wenn er es sagen sollte . Das Gewicht dieses zweiten Fahrzeuges beträgt 1600 kg, kann zur Noth also durch 2 Pferde bewegt werden. Entschieden rationeller gebaut ist die durch Yon an Italien für den Feldzug in Massauah gelieferte Handwinde (Figur 4), welche ebenfalls gleich zeitig Ballontransportwagen ist. Auf dem Hinterwagen ruht ein grosser mit einem Flügelthor verschlossener Kasten mit einer Gallerie oben . Der Mittel- und Vorderwagen trägt die genau wie bei der Dampfwinde an geordnete Wickelvorrichtung, welche durch je eine Kurbel auf jeder Seite des Wagens bewegt werden kann . Das Halteseil von 500 m Länge ist ebenfalls wie bei Yon aus bestem 7 VIII.

98

Das Kriegs - Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre) .

italienischen Hanf gedreht, es besitzt jedoch nicht durchweg die gleiche Stärke, sondern es ist oben stärker als unten . Es ist entschieden anzuerkennen , mit welchem Raffinement Lachambre auf die Gewichtserleichterung seines Materials bedacht ist . In den 3 Litzen , aus denen das Halteseil zusammen geschlagen ist ,

ist je ein isolirter Kupferdraht mit eingesponnen , so dass

ein Draht zur Reserve oder auch zur Herstellung einer telephonischen Ver bindung nach einem besonderen Orte vorhanden ist. Besser, als bei Yon , ist die Anbringung des Schleifkontaktes an der Maschine . Yon wendet ein gewöhnliches Schleifbürstchen an , wie dieselben bei den elektrischen Maschinen gangbar sind.

Dasselbe nützt sich schnell ab, ist oft verbogen und schleift

dann nicht genügend .

Um diesen Uebelstand zu vermeiden , lässt Lachambre ein auf der Welle der Vorrathstrommel isoliert aufgesetztes Kupferrad mit seinem vorspringenden Rande

in einem Quecksilbergefäss sich drehen , wo

durch ein stets sicherer Kontakt hergestellt wird . Wir kommen nun zur Beschreibung des Ballons des Lachambre'schen Parkes. Von dem Grundsatze ausgehend , dass eine Person im Feldkriege aus reichend sei, um die Beobachtung von der Gondel des Ballons aus auszu führen , wie dies die Franzosen in Tonkin bewiesen haben, konnte Lachambre seinen Ballon wesentlich kleiner machen als Yon, dessen Ballons 2 Personen , einen Beobachter und einen Luftschiffer, tragen müssen.

Der Lachambre'sche

Ballon , der gleichfalls aus Ponghe- Seide angefertigt ist ,

besitzt bei 8,75 m

Kugeldurchmesser 350 cbm Inhalt .

Eine ganz besondere Sorgfalt ist, wenn

man den Versicherungen Lachambres selbst trauen will, auf die Dichtung des Stoffes verwendet. Lachambre will einen Firniss erfunden haben, welcher nicht klebt , nicht brüchig wird und den Stoff nicht angreift .

Einen solchen

Firniss giebt es nicht ; auch Yon wollte einen solchen Spezialfirniss erfunden haben und doch klebte sein Ballon für die chinesische Regierung ; auch die französische Armee-Luftschifferabtheilung rühmt ihren Firniss , der nach dem alten Rezept Coutelle's hergestellt,

auch diese Vorzüge besitzen soll, und

doch verbrannte den Franzosen ein Ballon im Feldzuge gegen China durch Oxydiren des Firnisses, ein zweiter klebte fest zusammen . Ob nun der Lachambre'sche Firniss wirklich besser ist, muss die Erfahrung lehren .

Er

trägt diesen Firniss nur von Aussen auf, wodurch das Kleben allerdings verringert wird . Um die Näthe zu dichten , klebt er im Innern des Ballons gummirte Stoffstreifen mit aufgelöstem Gummi über dieselben . Ueber die weiteren Details des Lachambre'schen Ballons ist mir nichts bekannt, er hat nur ein oberes Ventil, welches, da es nur 4 kg wiegt, wohl nur ein einfaches Holzventil nach der bei den Berufsluftschiffern gebräuch lichen Art sein kann , ersetzt werden muss .

dessen

mangelhafte Dichtigkeit

durch einen

Kitt

Netz und Aufhängung der Gondel, sowie Anbringung des Halteseiles am Ballon ist wie bei Yon .

Das Kriegs - Luftschiffer- Material (System Yon und Lachambre).

99

Einen kleinen Unterschied gegen das Yon'sche Material möchte ich hier noch erwähnen , da er zeigt, dass Lachambre bei der Konstruktion seines Materials Alles wohl überlegt hat . Es ist dies die andere Art der Anbringung des Dynamometers. Schon aus der Zeichnung (Figur 3) geht hervor , dass die Insassen der Gondel nur sehr selten, nämlich dann, wenn das Halteseil sehr schräg zur Horizontalen liegt, das Dynamometer bei der Yon'schen Anbringung werden ablesen können . Lachambre , der diesen Uebelstand erkannt hat, hat ein Dynamometer konstruirt mit horizontal liegendem Zifferblatt , so dass man dasselbe stets beobachten kann . Die Gewichtsverhältnisse des Lachambre'schen Materials sind folgende : Gewicht der Hülle 60 kg Ventil . . 4 "

25 "

Netz mit Aequator u. Gänsefüssen Gondel •

12 " 12 "

Aufhängetrapez

3 19 15 " 40 "

Dynamometer Ankervorrichtungen . Haltekabel •

Sa. Der Ballon besitzt rund 350 kg Auftrieb. das Gewicht einer Person mit

171 kg

Es bleiben somit, wenn man

75 kg in Abrechnung bringt,

rund 100 kg

Auftrieb übrig, um einmal die Höhe von 500 m zu erreichen , um hier mit dem Winde zu konkurriren . Wie die Probeversuche mit diesem Luftschiffermaterial, welche bei der Uebergabe

desselben

stattfanden ,

ausgefallen

sind ,

darüber

fehlen

mir

detaillirtere Angaben, ich habe nur in Erfahrung bringen können , dass die Belgier mit dem Material nicht recht zufrieden gewesen seien. Fragen wir uns zum Schlusse : was hat Lachambre durch die Ver kleinerung seines Ballons und durch die Verzichtleistung auf die Dampf kraft zum Betriebe seiner Winde und der Pumpen seines Gaserzeugers gewonnen, ist der Grad der Feldmässigkeit seines Luftschiffermaterials ein wesentlich höherer, als der des Yon'schen Materials ? An dem zu transportirenden Gewichte , welches die Spezialfahrzeuge repräsentiren, hat Lachambre viel gewonnen , seine beiden Fahrzeuge wiegen zusammen voll bepackt 4171 kg, während die 3 Fahrzeuge Yons 7500 kg also fast das Doppelte wiegen .

Zur Erzeugung der 350 cbm Wasserstoffgas

braucht Lachambre natürlicher Weise nicht das gleiche Quantum an Eisen und Schwefelsäure , er kann dieses Material für eine einmalige Füllung in 4 Fahrzeugen transportiren , während Yon 6 braucht. Wir sehen somit, dass die Gewichtserleichterung und Verringerung des ganzen Trains eine ziemlich bedeutende ist. Aber diese Gewichtserleichterung ist auf Kosten der Leistungsfähigkeit 7*

100

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

erreicht.

Dies ist der grosse Fehler, welcher dem Lachambre'schen Material

anhaftet ;

denn

gebraucht.

es werden

3 Stunden

zur Füllung

dieses kleinen Ballons

Derselbe wird die eine Person, welche er überhaupt zu tragen

vermag, wohl nur am Tage der Füllung oder im günstigsten Falle noch am folgenden Tage heben können , während der grössere Yon'sche Ballon eine Person wohl noch 5-6 Tage nach der Füllung hebt .

Ein kleiner Ballon

mit einer Tragkraft von nur einer Person kann nur dann als für den Feld krieg brauchbar bezeichnet werden , wenn man entweder im Stande ist, den selben in kurzer Zeit an allen Orten zu füllen , ohne hierbei, wie Yon oder Lachambre an das Vorhandensein grosser Wassermassen gebunden zu sein , auch muss man das Füllungsmaterial bequem überall hintransportiren können ; oder aber der Ballon muss mehrere Tage lang im Stande sein , mit Sicherheit auch bei ungünstiger Witterung eine Person zu tragen. Es war nicht die Aufgabe dieses Vortrages, das durch französische Intelligenz und französischen Fleiss konstruirte Luftschiffermaterial durch eine abfällige Kritik herabzusetzen, im Gegentheil es ist hoch anzuerkennen , dass die Privatindustrie auf einem Gebiete, wo wahrlich wenig zu verdienen ist , da der Absatz stets ein geringer bleiben wird , doch immerhin recht Brauchbares geleistet hat . Wenn wir uns vor Augen führen, dass das Yon'sche Luftschiffer material die Konstruktion von im Wesentlichen ganz eigenartigen und neuen Maschinen erforderte,

dass ferner die an den Ballon selbst gestellten An

forderungen durchaus keine geringen waren, so müssen wir ohne Weiteres die Genialität und Geschicklichkeit des Erbauers anerkennen , wenngleich das gelieferte Material bei den heute zu Gebote stehenden Erfahrungen und dem heutigen Stande der Technik nicht als ein durchaus vollkommenes bezeichnet werden kann. Die deutsche Industrie hat sich bisher nur wenig mit der Luftschiffahrt beschäftigen können , da es ihr an der hierzu erforderlichen Anregung bis her gefehlt hat.

Aber, meine Herren ,

wo die Intelligenz und technische

Geschicklichkeit deutscher Ingenieure und Männer der Wissenschaft auf diesem Gebiete in Anspruch genommen wurde, da hat sie auch bereits so Gutes und Brauchbares geleistet , dass wir es ohne Ueberhebung aussprechen dürfen, dass Deutschland auch auf aëronautischem Gebiete den Wettstreit mit allen anderen Staaten nicht zu scheuen braucht.

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung . Von Rudolf Mewes. III .

In den bisherigen Beiträgen

zur

elektrischen Wellenlehre

ist

vom

Verfasser wenig Gewicht auf die räumliche Wirkungsweise des elektrischen

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

101

Stromes gelegt worden, da es sich zunächst um die Erklärung der elektri schen Vorgänge auf Grund der Brechung und Reflexion der elektrischen Schwingungen gehandelt hat . Dies hat darin seinen Grund gehabt , dass bereits in dem Aufsatze " Erklärung der Gravitationserscheinungen aus mechanischen Prinzipien

der Beweis geliefert worden ist, dass die räum

liche Wirkungsweise der Licht- , Wärme- und Elektrizitätswellen wegen der kugelförmigen ,

radialen

Ausbreitung

dieser

Wellen

mit

der

räumlichen

Wirkungsform der allgemeinen Massenanziehung übereinstimmen und dass demgemäss die durch jene Wellen bedingten Kräfte im umgekehrten Ver hältniss des Quadrats der Entfernung wirksam werden oder, allgemeiner ausgedrückt , dem Zwischenvolumen umgekehrt proportional sein müssen . An dieser Stelle will ich daher nur noch darauf besonders hinweisen , dass diese aus der Theorie sich ergebende Folgerung mit den über die räumliche Bethätigung der Elektrizität und des Magnetismus mittelst der Drehwage angestellten Beobachtungen vollständig im Einklange steht, also von dieser Seite her kein Widerspruch gegen die elektrische Wellentheorie zu erwarten ist . Um jedoch die äussersten Konsequenzen aus derselben für die Wirkung der strahlenden Elektrizität zu ziehen, möchte ich hier noch kurz auf die polarisierende Wirkung des Induktionsstromes eingehen . Dass der elektrische Strom auf die Licht- und Wärmestrahlen polarisierend einzuwirken vermag, ist seit Faraday's berühmter Entdeckung der " Magnetisirbarkeit des Licht strahls

nicht nur für die Licht- , sondern auch für die Wärmestrahlen durch

analoge Versuche mehrfach nachgewiesen worden . Diese Thatsachen würden unerklärt bleiben, wenn nicht die Elektrizität eine ebensolche Vibrations bewegung des Aethers wie Licht und Wärme wäre . Demnach bildet die Thatsache der Polarisierung der Licht- und Wärmestrahlen durch den elektrischen Strom ein neues Glied in der Kette des unternommenen Be weises, dass die Elektrizität eine Wellenbewegung analog der Wärme ist . Aus den Beobachtungen , welche Herr Dr. Leo Grunmach über die elektro magnetische Drehung der Polarisationsebene der strahlenden Wärme in festen und flüssigen Körpern ( Berlin , 1881 )

angestellt hat,

zieht derselbe

unter

anderen die Schlussfolgerung, dass bei direkter Einwirkung eines um den diathermanen Körper geleiteten galvanischen Stromes die Grösse der Drehung der Intensität des Stromes proportional ist . Da jedoch nur die wirklich aus dem Leitungsdraht ausgestrahlten Wellen, wie bereits oben bemerkt wurde , eine Wirkung ausserhalb des Stromkreises hervorbringen können und die Intensität derselben , abgesehen von der Stromstärke, von der brechenden Kraft des Leiters abhängt und aus demselben Grunde die Menge der in den diathermanen Körper eindringenden Wellen auch noch der brechenden Kraft desselben proportional ist, so muss bei gleicher Stromstärke und derselben Leitung die Grösse der Drehung lediglich von dem Brechungsvermögen abhängig sein , welches der vom galvanischen Strome direkt umflossene diathermane Körper besitzt .

Ueberhaupt muss nach den Forderungen der

102

Beiträge zur Erklärung der electrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

Wellentheorie

die

Grösse der

Ablenkung

des

polarisierten

Strahles

bei

gleicher Stromstärke und derselben Länge der durchstrahlten Schicht der brechenden Kraft dieser Schicht direkt proportional sein . Ferner muss die elektromagnetische Drehung der Polarisationsebene der strahlenden Wärme stets in dem Sinne stattfinden,

in welchem der Strom die Spirale durch

fliesst , bezüglich die Magnetkerne umkreist .

Dies durch die Beobachtung

als richtig nachgewiesene Gesetz (cf. die oben

erwähnte Abhandlung von

Herrn Dr. Grunmach, S. 41 ) bildet somit ein weiteres Moment in der Sicher stellung der

elektrischen Wellentheorie .

vorher aufgestellten

Behauptung ,

Zum

dass die

direkten Beweise

Grösse

der

der kurz

Polarisation dem

Brechungsvermögen der polarisierten Substanz ceteris paribus

proportional

Namen D 2

der

N1

D

M

n2.

1

N

M polarisierten Körper

1. Leichtes Flintglas.

mm

6

4,3

36

0,119

15

11,4

118

0,096

30

23,7

214

0,111

13,7 17,3 20,9

166

(0,130) 0,083

221

0,078

228

0,092

52

0,081 0,078

42 -

30

2. Schweres Flintglas.

20 30

30 10

7,45

92

30

18,95

244

30

30,6

228

30 3. Spiegelglasplatte .

30

238

30

0,038 (0,121 ) 0,141

9,9

70

102

0,145

20

14,8 17,3

30,05

128 206

0,135

30

0,146

35

36,2

237

0,153

5. Terpentinöl .

30

10,45

238

6. Destillirtes Wasser.

30 35

6,45

249

4. Flüssiger Schwefel kohlenstoff.

10. 16

30 35

3,7(?)

8. Schweres Flintglas .

15

7,75

30

13,1

1,573

42

1,650

158 1,7225 1,36544

205 24

1,536

205 1,64387

205

1,626

0,044

1,1727

205

1,474

(0,10) 0,026

0,7759

205 205

1,333

0,8642

205

1,365

1,7225

158

1,650

(0,069)

7. Absoluter Alkohol .

117

205 1,7225

0,134 (0,153)

9,1

1,47433

249

0,015 (? )

i

D: i

4,20

1,85

7.3

1,79

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

103

habe ich mit ausschliesslicher Benutzung der Beobachtungen Herrn Dr. Grunmachs vorstehende Tabelle zusammengestellt, in welcher die letzte

ist ,

Kolonne jedesmal das aus dem Brechungsexponenten berechnete Brechungs vermögen enthält. Diejenigen Werthe in den ersten Reihen , welche in Klammern eingeschlossen sind, sind aus der Annahme, dass die Grösse der Drehung der brechenden Kraft der durchstrahlten Schicht direkt proportional ist, berechnet worden . Zu dieser Tabelle möchte ich noch bemerken , dass aller Wahrschein lichkeit nach die Werthe für 5 , 6 und 7 etwas zu klein sind ; ferner, dass mit 11 die Zahl der jedesmal angewandten Bunsen'schen Elemente , mit D die Summe der beiden nach entgegengesetzten Seiten gerichteten Drehungen der Polarisationsebene der strahlenden Wärme, mit i die Intensität des er regenden Stromes, mit M die durch Induktion gemessene Stärke der auf die Substanzen wirkenden magnetisierenden Kraft , ferner mit die Länge der durchstrahlten Schicht , endlich mit der Brechungsexponent derselben bezeichnet wird.

Der Gang der Beobachtungen ist ein derartiger, dass bei

den drei ersten Beispielen das Experiment bei der zum Vergleich gewählten Schichtlänge zu den theoretisch gefundenen Werthen führen muss . Von der Polarisation der Lichtstrahlen durch den galvanischen oder durch den Induktionsstrom gilt dasselbe, wie das soeben über die Wärmestrahlen Ge sagte, so dass ich mir eine Behandlung des diesbezüglichen Gegenstandes hier ersparen kann , da dadurch ein wesentlich neues Resultat nicht gewonnen. wird. Auch kann ich den verehrten Lesern der Zeitschrift des Vereins nicht zumuthen ,

mir noch weiter in noch nicht vollständig durchforschten

Spezialgebiete der Elektrizitätslehre zu folgen.

Daher werde ich das Gebiet

der Elektrizität verlassen und ein anderes Gebiet der Physik, welches mit den technischen Fragen der Luftschiffahrt im engsten Zusammenhange steht, nämlich

die Lehre von der Festigkeit, Elastizität und den Adhäsions- und

Kohäsionskräften der festen, flüssigen und gasförmigen Körper, vom Stand punkte der Wellentheorie aus behandeln . Die Erklärung der molekular physikalischen Vorgänge lässt sich nämlich in ähnlicher Weise , wie dies in der Elektrizität geschehen ist ,

auf Grund der Undulationstheorie mit Be

nutzung des vorhandenen Beobachtungsmaterials geben,

wenn auch wegen

der zu grossen,

technischen Schwierigkeiten ein direkter,

Nachweis ,

die

dass

betreffenden

Erscheinungen eine

experimenteller

Wirkung der

aus

gestrahlten Wellen sind, sich nicht so leicht und einfach führen lassen wird, wie dies bei den Gravitationswellen mittelst eines grossen Hohlspiegels und des Horizontalpende's möglich ist und wie dies für die dynamo - elektrischen Der von mir zur Wellen von Herrn Professor Dr. Herz ausgeführt ist . Konstatierung der Reflexion der Gravitationswellen zu benutztende Spiegel wird einen Durchmesser von 1 m haben und den sechsten Theil einer Hohl kugel von 1 m Durchmesser bilden .

Nebenbei möchte ich an dieser Stelle

noch bemerken , dass zugespitzte Balken , wie Herr C. Buttenstedt beobachtet

104

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

und mir mitgetheilt hat, sich mit den spitzen Enden stärker anziehen , also entsprechend der von mir aufgestellten Wellentheorie

an den Spitzen die

Gravitationswellen stärker als seitwärts ausstrahlen . Die Beschreibung dieser und ähnlicher Versuche folgt in einem späteren Abschnitt. Allein auch ohne solche Versuche

dürfte der nachfolgende Beweis die Ansicht ,

dass

die zwischen den Molekülen derselben und verschiedener Körper wirksamen Kräfte die Folge ausströmender Wellen sind , stellen. Doch nun zum Thema selbst.

als die einzig richtige hin

- Die Molekularphysik sieht die ver

schiedenen Körper als ein Aggregat diskreter Theilchen , der physikalischen Moleküle, an und sucht auf Grund dieser Anschauung unter Zuhilfenahme der Voraussetzung, dass zwischen den einzelnen Molekülen Anziehungs- und Abstossungskräfte wirken,

die Aggregatzustände der Körper,

oder geringere Elastizität

und Festigkeit der Stoffe und die

hängigen Erscheinungen zu erklären .

die grössere davon ab

Wunderbarer Weise haben die That

sachen die Forscher zu der Schlussfolgerung gezwungen, dass die zwischen den Molekülen thätigen Kräfte, entgegen der allgemeinen Massenanziehung und der Elektrizität und dem Magnetismus, nicht lediglich von der Masse und dem Abstande der Moleküle,

sondern auch von der Natur derselben

abhängig sind und dass neben den Kohäsionskräften auch davon wesentlich verschiedene Repulsivkräfte wirksam werden .

Dieser Dualismus der Kräfte

sowohl, wie auch in noch viel höherem Grade jene verschiedenen Arten der Kohäsionskraft stehen im krassen Widerspruch mit dem immer weiter um sichgreifenden Prinzip von der Einheit der Naturkraft, welche sich wohl in verschiedenen Formen äussern , aber ihrem inneren Wesen nach immer nur eine sein kann .

Dieselben sind gleichsam ein Nothbehelf und werden nur

aus Mangel eines Besseren geduldet, da sie die in der Natur sich zeigenden Thatsachen bloss (formulieren ) aussprechen, ohne sie gesetzlich zu erklären. Die ältere Hypothese ist daher

durch die

überall in der exakten Natur

forschung gültige Vibrationstheorie zu ersetzen ; vor allen Dingen muss man aber auf Grund der letzteren, statt, wie dies früher geschehen ist, je nach der verschiedenen Kohäsion der einzelnen Körpertheilchen die drei Aggregat zustände zu unterscheiden , dieselben und die dafür gültigen Gesetze vielmehr als eine Folge der ausgesandten Wellenmengen nachweisen.

Bei den tropf

barflüssigen Substanzen ist bekanutlich die Kohäsion geringer als bei den festen, aber grösser als bei den gasförmigen . bei den Flüssigkeiten

Die Grösse dieser Kräfte ist

durch genaue Experimente

bestimmt worden .

Ich

behaupte nun, dass dieselben durch die von Molekül zu Molekül strömenden Wellen bedingt und bestimmt werden. Ist dies richtig , so müssen die brechenden Kräfte der einzelnen Substanzen den Kohäsionskräften derselben direkt proportional sein. Da nun die festen Körper im allgemeinen grössere Brechungsexponenten und somit auch grössere brechende Kräfte als die flüssigen Substanzen besitzen ,

so

müssen die Kohäsionskräfte der festeren

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung. Körper grösser Anziehung ,

als

welche

diejenigen der flüssigen sein ; ja , die

Moleküle

des

festen Körpers

105

es muss sogar die auf diejenigen der

Flüssigkeit ausüben, grösser sein, als diejenige der Flüssigkeitsmoleküle unter einander. In der That bestätigt die Beobachtung diese Folgerung der Theorie ; denn wirklich ist beispielsweise die Adhäsion des Wassers an einem Glasstabe grösser, als die Kohäsion der Wassertheilchen unter einander. Taucht man nämlich ein reines Glasstäbchen in's Wasser und zieht es dann heraus, so sieht man, dass eine Wasserschicht an demselben haftet .

Hält

man dasselbe vertikal, so sammelt sich an seinem unteren Ende ein Tropfen an, der nicht herabfällt, sondern der Wirkung der Schwere entgegen an dem Stäbchen haften bleibt .

Diese einzige Thatsache beweist das Dasein

der Adhäsion des flüssigen Körpers an dem festen, wie auch das der Kohäsion der einzelnen Theile der Flüssigkeit . Denn die zunächst am Glase an hängende Wasserschicht wird durch die Adhäsion des Wassers am Glase getragen und der übrige Theil des Tropfens durch die Kohäsion der Wasser moleküle .

Da also der Tropfen entgegen der Schwere getragen wird , so

muss in diesem Falle sowohl

die Kohäsion

der Flüssigkeit als auch die

Adhäsion derselben am Glase grösser als die Wirkung der Schwere sein . Der Versuch zeigt aber ferner, dass die Adhäsion des Wassers am Glase grösser ist, als die Kohäsion der Wassertheile unter einander ; denn beim Herausziehen des Stabes wurden die an dem Stabe haftenden Wasser moleküle

von ihren Nachbarmolekülen losgerissen ,

die Kohäsion

zusammenhingen.

Indessen ist

mit welchen sie durch

dies nicht immer der Fall .

Das bemerkenswertheste Beispiel für die entgegengesetzte Erscheinung bietet das Quecksilber, das an einem eingetauchten Glasstabe beim Herausziehen desselben nicht haften bleibt .

Gleichwohl

aber adhärirt das Quecksilber

stärker am Glase als das Wasser, wie die von Gay- Lussac mit Glasplatten angestellten

Messungen

stimmen mit

beweisen .

Die

soeben

angeführten

den Folgerungen der Undulationstheorie überein ;

Thatsachen denn

das

Brechungsvermögen des Glases ( 1,76 ) ist grösser als dasjenige des Wassers (0,7758) , so dass die Adhäsion der Wassermoleküle an dem Glasstabe grösser sein muss, als die Anziehung der Wassermoleküle untereinander . Hingegen ist die brechende Kraft des flüssigen Quecksilbers gleich 3, während diejenige des Glases gleich

1,76 ist ; folglich muss die Kohäsion der Quecksilber

theilchen, der Wirklichkeit entsprechend , grösser sein, als die Adhäsion der selben an der Glasplatte . Aus der Wellentheorie folgt ferner, dass die Metalle , da sie fast ohne grösseres Brechungsvermögen als das flüssige Quecksilber

Ausnahme ein

besitzen, von demselben benetzt werden, also die Moleküle desselben stärker anziehen, als sie unter einander kohärieren . Hierauf ist auch die bekannte Thatsache zurückzuführen , dass Quecksilber sich mit sämmtlichen Metallen legieren lässt. Die Kohäsion oder Adhäsion sowie die chemische Affinität sind demnach ihrem Wesen nach gleichartig,

wie bereits oben angedeutet

106

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

wurde .

Ob die

Adhäsion

oder die

Kohäsion der

verschiedenen

Körper

grösser oder kleiner ist, darüber entscheidet lediglich die brechende Kraft der in Frage kommenden Stoffe . Ist nämlich das Brechungsvermögen der Flüssigkeit grösser, als das Brechungsvermögen des mit ihr in Berührung gebrachten festen Körpers , so überwiegt eben die Kohäsion , die Flüssigkeit benetzt also denselben nicht ; ist hingegen das Brechungsvermögen der Flüssigkeit kleiner, als dasjenige des festen Körpers, so überwiegt die Ad häsion , die Flüssigkeit benetzt also den Körper. Dies bestätigt das Beispiel des Quecksilbers in recht augenscheinlicher Weise . Während nämlich das Quecksilber, das eine grössere brechende Kraft als das Glas besitzt, das letztere nicht benetzt, also daran nicht so stark adhäriert, dass die Kohäsion der Quecksilbertheile überwunden werden kann, wird Gold von Quecksilber benetzt, da das Gold ein bedeutend höheres Brechungsvermögen als Queck silber besitzt . In derselben Weise erklärt sich der Umstand, dass eine fettige Glasscheibe die Kohäsion der Wassertheile nicht zu überwinden ver mag, während reines Glas vom Wasser benetzt wird. Indessen haben diese allgemeinen Angaben nur geringe Beweiskraft ; dienen erst quantitativ genaue Zahlenangaben .

grössere

Beachtung ver

Nun hat Gay-Lussac, welcher seine diesbezüglichen Versuche in Laplace's Supplement à la Théorie de l'action capillaire, II . Supplement zum zehnten Buche der Mécanique céleste veröffentlicht hat, für einige Flüssigkeiten , welche

am Glase adhärieren,

mit einer Scheibe von 118,366 mm Durch

messer die Kohäsionskräfte gemessen und folgende Resultate erhalten .

Die

in der folgenden Tabelle angegebenen Gewichte, welche langsam aufgelegt wurden, waren gerade im Stande, die benetzte Platte loszureissen . Da Gay- Lussac

ganz dieselben Resultate erhielt ,

als er die Glasscheibe durch

eine Kupferplatte ersetzte, so liefern diese Versuche den zweifellosen Beweis , dass durch dieselben wirklich die Kohäsion der Flüssigkeiten gemessen wird. Da nach der oben aufgestellten Theorie die Kohäsionskräfte den brechenden Kräften direkt proportional sind , so müssen die experimentell bestimmten Zahlenwerthe einander nahezu gleich sein , weil bei den benutzten Flüssig keiten die brechenden Kräfte ebenfalls annähernd einander gleich sind .

Die

umstehende Tabelle bestätigt dies, wie man sieht. Die

Grenzen,

zwischen denen die

Werthe für

die

Kohäsionskräfte

schwanken, sind sehr erheblich, wie man an dem Beispiel des Quecksilbers sehen kann, so dass also die vorstehenden Beobachtungen noch keine end gültige Entscheidung liefern können .

Indessen geht daraus soviel wenigstens

hervor, dass die Kohäsionskraft und das Brechungsvermögen in einem ein 158 fachen, gesetzlichen Zusammenhange stehen ; denn es ist annähernd 59,4

2,6

296

3,84

59,4

0,82

und

0,82

Der angegebene Werth für das Brechungsvermögen

des Terpentinöls ist etwas zu gross , da das Material, für das der Brechungs

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

Namen der

Spezifisches Gewicht.

Gewichte.

Brechende Kraft.

0,8196

31,09 32,87

0,96

0,8595

80

0,9415

37,15

80

0,8694 1

34,10 59,40

Temperatur. Flüssigkeiten .

Alkohol

·

8,5 ° C. 100

Terpentinöl Wasser

8,5 "

13,596

Quecksilber .

107

1,16

0,82; 0,76

158

2,6 ; 4, 6 Landolt

296

3,84

exponent bestimmt wurde ,

ein grösseres spezifisches Gewicht als 0,8694 , 3.84 nämlich 0,886 , hatte ; es muss also der Quotient kleiner sein , als der 1,16 158 Werth wie dies die Rechnung thatsächlich zeigt. 34,10 ' Sicherer und genauerer lässt sich der gesetzliche Zusammenhang der Kohäsionskraft mit dem Brechungs- oder Leitungsvermögen der flüssigen Substanzen

mittelst

der

zahlreichen

Bestimmungen

nachweisen ,

welche

Quincke über die Grösse der Kohäsion geschmolzener Elemente und Ver bindungen angestellt hat . durch seine gelangte , durch

Studien

Bemerkenswerth ist übrigens, dass bereits Quincke

über die kapillaren Erscheinungen

dass dieselben nicht durch Molekularanziehung ,

eine

Spannung

zu

erklären

sind ,

welche

in

der

zu der Ansicht sondern besser Oberfläche der

Flüssigkeit wie in einer gespannten Membran vorhanden ist und an allen Stellen dieser Oberfläche denselben Werth hat, wenn die Flüssigkeit von demselben Körper begrenzt ist .

Diese Auffassung spricht sehr zu Gunsten

der auf Grund der Wellenbewegung versuchten Erklärung der Kohäsion ; denn

sind die

Kohäsion, so

von der Flüssigkeit ausgehenden Wellen die Ursache der müssen

dieselben

ebenso

wie die

elektrischen Wellen und

genau nach denselben Gesetzen in der Oberflächenschicht

eine Spannung

hervorrufen, welche ebenso wie die elektrische Spannung dem Brechungs vermögen und damit auch dem Leitungsvermögen direkt proportional ist. Die durch die Wellen bewirkten Oberflächen müssen Niveauflächen , d . h . Flächen gleichen Druckes sein , wenn die Flüssigkeit von demselben Körper umgrenzt wird . Aendert man die Spannung der Moleküle untereinander, etwa durch Rotation,

wie es Plateau

bei seinen Versuchen gethan hat ,

so muss sich

die Spannkraft mit der Zentrifugalkraft oder besser gesagt, der zentrale Wellendruck mit der Zentrifugalkraft ausgleichen .

Die Theorie fordert in

diesem Falle , dass die Gleichgewichtsfigur ein abgeplattetes Rotationsellipsoid wird . Plateau hat durch seine Experimente bewiesen , dass rotierende

108

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

Flüssigkeitstropfen unter dem Einfluss jener beiden Kräfte wirklich solche Gestalt annehmen .

eine

Da übrigens bereits Thomas Young im Jahre 1804

mit Hülfe der Spannungstheorie die drei Hauptsätze der Kapillarität gefunden. hat und die Versuche von G. Hagen, Plateau und von Mensbrugghe mit dünnen Flüssigkeitsmembranen die Spannung in der Oberfläche der Flüssig keiten zur Anschauung gebracht haben, trachtung,

wenn

es gelingt ,

so wird man dieser Art der Be

für die ihrem Wesen nach ebenfalls

transzendente Spannung eine

noch

einleuchtende mechanische Erklärung aufzu

finden, vor der älteren von Laplace und Poisson gelieferten Erklärung der Kohäsion durch in unmerklicher Entfernung wirkende, unbedingt

den

Vorzug

geben müssen ,

zumal

die

anziehende Kräfte

Bezugnahme

auf die

Spannung einen bestimmten physikalischen Begriff anstatt der immerhin unbekannten Molekularkräfte oder Molekularfunktionen einführt . Die Ursache der Spannung ist nach der bereits oben aufgestellten Ansicht die von der Flüssigkeit ausströmende Wellenbewegung, die Spannung also auf ein rein mechanisches Prinzip zurückgeführt.

Namen der Flüssigkeiten

Dass nun die Spannung der Flüssigkeits

Spezifische Oberflächen LeitungsSpezifisches ns Kohäsio vermögen spannung Temperatur Gewicht 626 H kraft beobachtet O 38,6 a2- HG 38,6

Leitungs vermögen berechnet

Pt

2000

18,915

17,86

8,82

Pd

1950

10,8

Fe

1400

7,08 5,64

Au

1200

7,8 17,099

25,26 27,14

11,71

5,22

Zn

360

25,42

4,56

4,31

3,7

Cd

320

16,84

3,66

4,64

3.4



6,9 8,394

Sn

230

7,144

Ho

--40

13,596 10,952

330

Pb

Ag Bi



Sb

.

1000

Agel Glas .

6.84 4,76

3,12

3,31

3,4

8,646 8,339

3,06

1,66

3,1

2,382

1,66

2,4

8,549

2,22

3,82 2,28

16,75 |

6,84 9.2

265

10,002 9,709

2,028

432

6,528

8,019 7,635

1,21

1,302

1,39

5,5

6,911

0,99

1100

2,38

15,21

0,942

1

17,58

0,458

0,9 (2) (0,678

H, 0 .



10,09

Se

217

Br

21

S.

111

4,2

3,419

0,366

3,25

3,895

0,330 0,219 0,2196

I

1,966

4,28

P ..

43

1,833

Wachs .

68

0,963

4,575 7,061

0,178

0,0855

Internationaler aëronautischer Kongress in Paris 1889

109

oberfläche thatsächlich eine Wirkung der ausstrahlenden Wellenbewegung ist, beweist die Proportionalität zwischen der Oberflächenspannung und dem Leitungs- oder Brechungsvermögen der kohärierenden Flüssigkeiten , wie sie in vorstehender Tabelle zutage tritt. Die Kohäsionskräfte sind von Quincke beobachtet worden, während die Leitungsfähigkeiten aus Wiedemanns Elektri sind die spezifischen Gewichte zitätslehre entnommen sind . In der Kolonne der Flüssigkeiten bei der in der ersten Kolonne angegebenen Temperatur Die vierte Zahlenreihe ist aus der dritten durch Division mit enthalten. der Zahl 38,66 .. entstanden. Die vorstehende Tabelle, in welcher in der letzten Zahlenreihe die aus dem Brechungsvermögen berechneten Leitungsfähigkeiten angegeben sind , beweist auf das deutlichste den von der Theorie verlangten Zusammenhang zwischen der Oberflächenspannung und dem Leitungsvermögen rierenden Flüssigkeiten .

Der für die

Leitungsfähigkeit des

der kohä

Quecksilbers

angegebene Werth 1,66 ist unbedingt zu klein, da dies die Leitungsfähigkeit bei 0 und nicht, wie verlangt, bei -40 ° ist . Bei den letzten sechs Substanzen findet wegen der ausserordentlichen Absorption der Wellen durch dieselben weder die Uebereinstimmung des Wärmeleitungsvermögens noch diejenige der Oberflächenspannung mit der brechenden Kraft statt, da die letztere durch den Einfluss der Absorption stark vergrössert wird . Da die Grösse der Absorption dem Unterschiede dieser Werthe proportional ist , so würde man dieselbe auf diese Weise bestimmen können . Indessen führt dies zunächst zu weit vom Thema ab und kann erst in dem Abschnitt über die Absorption erledigt werden.

Hier will ich nur noch darauf hingewiesen

haben, dass auch bei den letzten acht Stoffen das Leitungsvermögen und die Oberflächenspannung einander proportional sind, soweit die vorhandenen Beobachtungen darüber zu urtheilea gestatten.

Internationaler aëronautischer Kongress in Paris 1889. Bei Gelegenheit der diesjährigen Weltausstellung zu Paris soll daselbst Ende Juli und Anfangs August ein internationaler Kongress für Luft schiffahrt abgehalten werden . Hierzu ist ein „ Reglement" festgestellt, welches in wörtlicher Uebersetzung nach seiner Veröffentlichung in der Zeitschrift " L'Aéronaute" lautet: Art . 1. In Uebereinstimmung mit dem Ministerialerlass vom 5. De zember 1888 ist aus Anlass der Weltausstellung von 1889 in Paris ein internationaler aëronautischer Kongress in Aussicht genommen . Art. 2. Dieser Kongress wird am 31. Juli im Saale des Trocadero eröffnet werden und vier Tage dauern. Art. 3. Mitglieder des Kongresses werden alle diejenigen Personen sein, welche dem Sekretär des Organisations-Ausschusses ihren Beitritt vor Eröffnung der Session anzeigen oder welche während der Dauer der letzteren sich einschreiben lassen ; zudem müssen besagte Personen ihren Mitglieds

110

Internationaler aëronautischer Kongress in Paris 1889.

beitrag in der Höhe von 10 Frcs . entrichtet haben und vom Organisations Ausschusse als Mitglieder anerkannt sein . Art. 4. Die Mitglieder des Kongresses werden eine Karte erhalten,

welche ihnen durch Vermittlung des Organisations- Ausschusses überreicht werden wird . Diese Karten , welche keineswegs zum kostenfreien Besuch der Ausstellung berechtigen, gelten einzig und allein für die betreffende Person . Jede leihweise an eine andere Person überlassene Karte wird sofort zurückgezogen werden . Art. 5. Der Vorstand des Organisations -Ausschusses wird bei der ersten Sitzung die Nominirung des Kongress -Vorstandes vornehmen , welchem letzteren dann die Leitung der Arbeiten der Session obliegen wird. Art. 6. Der Vorstand des Kongresses bestimmt die Tagesordnung einer jeden Sitzung. Art . 7. Der Kongress umfasst : Allgemeine Sitzungen, Sitzungen der Ausschüsse , Berathungen , Besuche in wissenschaftlichen und gewerblichen Etablissements . Art. 8. Die Mitglieder des Kongresses haben allein das Recht, den nichtöffentlichen Sitzungen beizu wohnen , sowie den von dem Organisations Ausschusse vorbereiteten Besuchen , ferner Arbeiten vorzulegen und an den Verhandlungen sich zu betheiligen . Die Vertreter der öffentlichen Ver waltungskörper , sowohl der französischen wie der fremdländischen, werden an allen Vorrechten theilhaben , welche den Kongressmitgliedern vor behalten sind. Art . 9. Die dem Kongresse über jene Fragen vorgelegten Arbeiten, welche auf der Tagesordnung der Session figuriren, werden in allgemeiner Sitzung verhandelt werden . Die Arbeiten , welche nicht in diesem im Vor hinein veröffentlichten Programm vorgesehen sind, werden in Ausschuss Sitzungen zur Lesung kommen. Art 10. Keine Arbeit kann in einer Sitzung vorgelegt werden , noch zum Ausgangspunkt einer Diskussion dienen, wenn der Verfasser nicht vor dem 15. Juli den Hauptinhalt oder die Schlüsse derselben dem Organisations Aussschusse mitgetheilt hat. Art . 11. Die Redner dürfen die Tribüne nicht länger als 15 Minuten in Anspruch nehmen, auch nicht öfter als zweimal in derselben Sitzung zu demselben Gegenstande sprechen , es sei denn , dass die Versammlung, hierüber befragt, eine andere Entscheidung träfe . Art. 12. Die Kongressmitglieder, welche in einer Sitzung das Wort ergreifen, haben dem Schriftführer in den darauffolgenden 24 Stunden einen Auszug aus ihren Mittheilungen, behufs Feststellung der Protokolle , zu überreichen. Im Falle ein solcher Auszug nicht überreicht worden ist, wird der von dem Schriftführer redigirte Text an seine Stelle treten oder es wird lediglich der Titel Erwähnung finden . Art. 13. Der Organisations - Ausschuss kann im Einverständniss mit dem übergeordneten Ausschuss der Kongresse und Konferenzen von den Verfassern der Auszüge eine Kürzung der letzteren verlangen ; sie kann diese Kürzung selbst vornehmen oder die Einschaltung des blossen Titels beschliessen, wenn der Verfasser den modifizirten Auszug nicht in ent sprechender Zeit beigestellt hat. Art. 14. Die Protokolle werden in möglichst kurzer Zeit nach der Session in Druck gelegt und an die Mitglieder des Kongresses vertheilt werden.

111

Internationaler aëronantischer Kongress in Paris 1889 .

Art. 15. Ein ausführlicher Bericht über die Arbeiten des Kongresses wird von dem Organisations-Ausschusse veröffentlicht werden . Dieser behält sich das Recht vor, die Ausdehnnng der dem Drucke zu übergebenden Abhandlungen oder Mittheilungen zu bestimmen . Art . 16. Der Vorstand des Kongresses entscheidet in letzter Instanz über jeden im Reglement nicht vorgesehenen Fall. — Vom Organisations- Ausschuss sind dem internationalen aëronautischen Kongress folgende Fragen vorgelegt worden : A. Abtheilung für Luftschiffahrt. 1. Entwurf einer Bestimmung, betreffend die Ernennung eines aëro nautischen Zivil -Komitees mit folgenden Funktionen: Studienzeugnisse und Luftschifferdiplome auszustellen ; ein Korps von Berufs-Luftschiffern zu organisiren ; eine Gesellschaft für gegenseitige Hilfeleistung, ferner, für ver wundeten Luftschiffern und deren Familien zu leistende Pensionen zu gründen ; Mittheilungen seitens der zu prüfen ; Gelder zu bewilligen ;

Gesellschaft

entgegenzunehmen

und

wichtige Fragen zum Gegenstand des Studiums zu machen ; in allgemeinen Sitzungen der Gesellschaften Preise zur Ver theilung zu bringen ; die Entscheidung über die aëronautischen Abzeichen und Embleme zu treffen . 2. Studium der verschiedenen , bei den lenkbaren Luftballons zur An wendung kommenden Motoren 3. Genaue Bestimmung der bei der Luftschiffahrt gebräuchlichen Aus drücke . Vorschlag , das Wort " Aërostat ausschliesslich zur Bezeichnung der nicht lenkbaren Ballons zu benützen . Vorschlag , das Wort zur Bezeichnung der lenkbaren Ballons einzuführen .

Aëronat

B. Abtheilung für Flugtechnik. 1. Aufstellung einer Uebersicht über die Erfahrungen , betreffend den Widerstand der Fluida im Allgemeinen und der Luft im Besonderen , über die Körper von verschiedenen Formen und von verschieden winklig geneigten Flächen, unter Vermeidung der Benützung von sich drehenden Apparaten , in welchen die Zentrifugalkraft geeignet zu sein scheint, die gewonnenen Resultate zu beeinflussen . Studium der für die Flugtechnik anwendbaren Motoren. Vergleichung der typischen Apparate der Flugtechnik, Darstellung ihrer Vorzüge und Mängel. gebräuchlichen Treibkräfte .

Studium der verschiedenen in der Flugtechnik

2. Bestimmung der genauen Bedeutung der bei der Flugtechnik gebrauchten Ausdrücke. Vorschlag, das Wort „ Aëronef zur Bezeichnung eines Flugkörpers, der schwerer ist als die Luft, zu verwenden . Vorschlag des Wortes , Sustentation " für die Thätigkeit, sich durch mechanische Mittel in der Luft zu erhalten. Ausser diesen , von dem Organisations- Ausschusse vorgeschlagenen Fragen, können die Kongressmitglieder auch andere behandeln und werden aufgefordert, dieselben ehestens bekannt zu geben.

112

Die Königlich preussische Landesaufnahme . Alle den Kongress betreffenden Mittheilungen sind an Herrn Hureau

de Villeneuve , General- Sekretär des Organisations-Ausschusses in Paris , Rue d'Amsterdam 91 , zu richten.

Die Königlich preussische Landesaufnahme. Feldmarschall Graf v. Moltke hat den Generalstab der Armee in den 32 Jahren,

während deren er dessen Chef war, in einer Weise entwickelt

und zu einer Höhe emporgeführt, welche die ungetheilte Bewunderung des Inlandes wie des Auslandes gefunden hat und ein Vorbild für alle Heere geworden ist.

Entzieht sich die innere Friedensthätigkeit des eigentlichen

Generalstabes nnd damit auch seine Entwicklung in den einzelnen Theilen naturgemäss in vielen Beziehungen

der Oeffentlichkeit,

so

sind es doch

besonders zwei Einrichtungen , welche während der glorreichen Amtsführung des grossen Strategen eine besondere Gestaltung erfahren haben und in ihrer Thätigkeit mehr als der Generalstab selbst jedermann erkennbar sind . Es sind dies das Militär-Eisenbahnwesen und die Landesaufnahme . Wenn beide auch mit der eigentlichen Generalstabsthätigkeit nicht in unmittelbarem Zusammenhange

stehen, so schaffen sie

doch Mittel,

deren

der Generalstab zur Durchführung seiner Pläne nothwendigerweise bedarf, deren Leistungsfähigkeit daher der Chef des Generalstabes der Armee voll übersehen muss , wenn er sie für seine Zwecke richtig in Rechnung stellen will.

Diese beiden Einrichtungen,

sowie die

Militär-Telegraphie und die

Luftschiffer-Abtheilung , weisen in offenkundiger Weise auf die heutige ver änderte Entfaltung und Verwendung der Streitkräfte und auf die innige Verbindung der Kriegführung mit dem Volksleben hin . Bei Eisenbahnen und Telegraphen springt dies jedem in die Augen , weniger bei der Landes aufnahme, und doch kommt gerade deren Thätigkeit wie kein anderes Gebiet militärischen Schaffens den Werken des Friedens zugute . Dass auch die Luftschiffahrt um so mehr auf die Schöpfungen der Landesaufnahme ange wiesen ist, je allgemeinere Verwerthung die Luftschiffe zu wissenschaftlichen und militärischen Zwecken

finden, bedarf kaum der Erwähnung .

Es ist

deswegen aber auch für unsre Leser von Interesse, ein möglichst getreues Bild von dem Wirken und den Arbeiten

zu erhalten ,

welche

erforderlich

sind , um so sorgfältig hergestellte Spezialkarten zu erhalten, wie wir solche besitzen . Das Ziel der Landesaufnahme geht dahin , von Deutschland eine Karte herzustellen, die

mit

grösster Genauigkeit und Zuverlässigkeit,

mit thun

lichster Vollständigkeit und Uebersichtlichkeit die Lage eines jeden Fleckens und Hofes, die Art der Bodengestaltung, jeden Weg und Steg, jeden Fluss und Bach, die bebaute und die landwirthschaftlich bestellte Fläche, Wald und Sumpf, Berg und Thal, Hügel und Mulden, sowie endlich die Höhe der verschiedensten Punkte über dem Meeresspiegel klar und deutlich erkennbar

Die Königlich preussische Landesaufnahme.

macht .

Je

mehr dieses Ziel erreicht wird,

113

um so gründlicher und um so

zutreffender wird das Bild , das man sich vom Lande für alle Staatsverwaltungs zwecke

entwerfen kann.

Die genaueste Kenntniss des Landes ist für alle

Verwaltungszweige von massgebender Bedeutung ; und diese Bedeutung findet für Preussen ihren äusserlich erkennbaren Ausdruck in der Einrichtung des seit dem 21. Juli 1870 bestehenden Zentraldirektoriums der Vermessungen im preussischen Staate . Dasselbe besteht aus dem Chef des Generalstabs der Armee als Vorsitzendem, den Kommissarien der

einzelnen Ministerien

als Mitgliedern und einem höhern Generalstabsoffizier als dem Leiter der Bureaugeschäfte . Alljährlich im Herbst treten die Mitglieder in einer Sitzung zusammen, um die Jahresaufgabe für alle Arbeiten der Landesaufnahme fest zustellen und insbesondere alle die Einzelgesichtspunkte zu betonen und zu ermitteln, die bei der Lösung dieser Aufgabe für die einzelnen Verwaltungs zweige von besonderer Bedeutung sind. Diese Einrichtung giebt die Mög lichkeit, die früher so häufig vorgekommenen sogenannten Doppelmessungen, d . h. Messungen ,

welche von verschiedenen Ministerien,

ihren Bedürfnissen

entsprechend, an einem und demselben Orte stattgefunden hatten , auf das möglichst geringste Mass einzuschränken und hierdurch dem Staate ganz erhebliche Ersparnisse zuzuführen . Es werden zu diesem Zweck alle aus Staatsmitteln ausgeführten Kartenarbeiten und Vermessungen, zum grössten Theil auch deren Ergebnisse, gesammelt und registrirt,

in dem Bureau

des Zentraldirektoriums so

dass von hier aus zu jeder Zeit jede Auskunft

über das Vorhandensein etwa gewünschter Vermessungsergebnisse betreffend irgend einen Ort Preussens ertheilt werden kann. Die Ausführung dieser Beschlüsse

des Zentraldirektoriums ist Sache

des Chefs der seit dem 1. Januar 1875 neu organisirten " Landesaufnahme " , der dem Chef des Generalstabes der Armee unterstellt ist . Seit der Neu gestaltung waren Chefs

der Landesaufnahme bis

1882

Generallieutenant

v. Morozowicz, bis 1886 Generalmajor Regely * ), bis Mitte 1888 der jetzige Generalinspekteur des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen General lieutenant Golz , seitdem der langjährige Chef der Trigonometrischen Ab theilung Generalmajor Schreiber. Eingeschaltet sei hier , dass sich die Thätigkeit der Landesaufnahme nicht auf Preussen beschränkt, sondern nach gesondertem Abkommen mit den verbündeten deutschen Regierungen auf alle Gebiete des deutschen Reichs, mit Ausnahme von Bayern, Württemberg und Sachsen , erstreckt, dass aber auch für diese drei Königreiche derartige Anordnungen getroffen sind, dass in ihnen die Landesaufnahme sowie die Herstellung der betreffenden Blätter der Karte des deutschen Reichs genau nach denselben Grundsätzen und Massstäben erfolgt, wie dies für Preussen geschieht. Dem Chef der Landesaufnahme, der einen Adjutanten zur Seite hat,

*) Mitglied des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt 1882 bis zu seinem Tode am 22. April 1888. VIII. 8

vom Jahre

Die Königlich prenssische Landesaufnahme .

114

unterstehen drei Abtheilungschefs ,

20 Stabsoffiziere und

Hauptleute ,

die

sämmtlich zum Nebenetat des Grossen Generalstabs gehören , und eine grössere Anzahl von den Truppentheilen kommandirter Offiziere , ferner einige

höhere Zivilbeamte ,

darunter

drei Vermessungsdirigenten

und

ein

Plankammer- Inspektor, ein sorgfältig ausgesuchtes und geschultes technisches Personal von über 200 Köpfen, Unterbeamten .

endlich noch eine

grössere Anzahl von

Zu den für die Vermessungsarbeiten befohlenen jüngeren

Offizieren hat in der Mitte der 20er Jahre auch der jetzige Feldmarschall Graf Moltke gehört, von dem sehr saubere und übersichtliche Aufnahmen herrühren ; sie werden in den Archiven der Landesaufnahme als ein Heilig thum aufbewahrt ,

dem Institut zum

schönsten Vorbilde.

grössten

Stolze ,

dem Heere

zum

Das technische Personal zerfällt je nach seiner Dienst

zeit, nach dem Grade der Ausbildung und der künstlerischen Befähigung in endgültig angestellte und in Hülfsbeamte.

Zu den ersteren gehören 64 Tri

gonometer, Topographen und Kartographen, 3 technische Inspektoren, 1 Vor stand der Druckerei, 1 Oberphotograph, 18 Kupferstecher und Lithographen , 1 Galvanoplastiker, 8 Drucker ; zu den letzteren gehören 93 Trigonometer, Topographen und Kartographen , 11 Kupferstecher, Lithographen und Photo graphen, 1 Kupferdrucker, 1 Glasdrucker und 11 technische Gehülfen. Die Kosten der Landesaufnahme, soweit sie im Reichshaushalt vorgesehen sind , betragen jährlich mehr als

14

Millionen

Mark ;

mit Rücksicht

indess

darauf, dass die Ergebnisse der Landesaufnahme die militärischen Bedürfnisse weit

übersteigen

und

Interessen Preussens

in

erheblichem Masse

den

zugute kommen , hat Preussen

staatswirthschaftlichen als Beitrag

Kosten alljährlich die runde Summe von 800 000 M.

zu jenen

dem Reiche

zu er

statten , so dass dieses letztere rund nur etwas über 425 000 M. bei zusteuern hat. Die Einnahmen , welche die Landesaufnahme vor allem durch den Verkauf der Kartenwerke abgeführt. -

erzielt ,

werden

an die Reichskasse

So viele unserer Leser die einzelnen Blätter der Generalstabskarte in der Hand gehabt haben, so sehr sie

sich an der Sauberkeit und Durch

sichtigkeit der Ausführung erfreut und von der unbedingten Zuverlässigkeit und Vollständigkeit der Karten überzeugt haben , so werden sich doch nur wenige ein Bild von der unendlichen langjährigen Arbeit gemacht haben , welche die Fertigstellung einer einzelnen Karte, geschweige des ganzen Kartennetzes

bedingt, und von den

zahllosen und mannigfachen Kräften ,

die dazu in Bewegung gesetzt werden müssen .

Wir wollen versuchen, von

dieser Arbeit ein dem Laien einigermassen verständliches Bild zu geben . Die Grundlage eines jeden Kartenwerkes, das auf Zuverlässigkeit An spruch machen will, ist die genaue Bestimmung einer ausreichenden Anzahl ven Punkten (zehn auf die Quadratmeile) nach ihrer geographischen Länge und Breite sowie ihrer Höhe über dem Meeresspiegel .

Diese Aufgabe hat

die Trigonometrische Abtheilung der Landesaufnahme zu lösen , welche unter

Die Königlich preussische Landesaufnahme .

einem Chef,

6 Vermessungsdirigenten,

115

1 Vorstand der Redaktionssektion ,

8 kommandirte Offiziere , 20 definitiv angestellte Beamte , Trigonometer genannt, 6 Hülfstrigonometer und 3 Unterbeamte beschäftigt . Man beginnt bei dieser Arbeit damit, auf dem zu vermessenden Gebiete nach geographischer Länge und Breite Hauptpunkte zu bestimmen , welche mit einander Dreiecke bilden, deren Seiten eine Länge von 5-10 Meilen haben . Es ist dies die Haupttriangulation (Triangulation I. Ordnung ) , welche mit den vorzüglichsten Instrumenten und nach den schärfsten Rechen methoden ausgeführt wird und 2-3 Jahre in Anspruch nimmt, denn inner halb 1-2 Jahren werden die Punkte ausgewählt und mit Signalen , welche ein Visiren mit Instrumenten von Punkt zu Punkt gestatten , bebaut, während die eigentlichen Messungen in einem folgenden Jahre stattfinden . Es folgt hierauf die Triangulation II. Ordnung, durch welche in jenes weitmaschige Netz I. Ordnung eine solche Anzahl weiterer Punkte hinein gelegt wird, dass die Entfernung derselben unter einander auf 1-2 Meilen ermässigt wird.

Es ist dies die Arbeit eines 3. und 4. Jahres.

Ein weiteres Jahr braucht die Triangulation III . und IV. Ordnung, die sogenannte Detailtriangulation, durch welche die Zahl der Gesammt punkte in der Weise vermehrt wird, dass auf die Quadratmeile 10 derselben kommen und ihre Entfernung von einander Meile beträgt . Es nimmt hiernach allein die Vorbereitung für die eigentliche Auf nahme irgend eines Gebietstheiles die Zeit von 4-5 Jahren in Anspruch. Um alle die Punkte auf Menschenalter hinaus fest zu bezeichnen und auffindbar zu machen,

werden sie

" versteint " .

Es geschieht dies mittelst

einer , etwa 1 m tief in die Erde versenkten Steinplatte, auf deren Ober fläche ein Kreuz eingemeisselt ist ; der Schnittpunkt des Letzteren stellt den bestimmten Punkt dar. Damit derselbe aber auch oberirdisch kenntlich ist, wird auf die Platte eine fast 1 m lange vierkantige steinerne Säule , welche auf ihrer Stirnfläche ein gleiches Kreuz trägt, so aufgesetzt, dass sie aus der Erdoberfläche hervorragt und die beiden Kreuze genau senkrecht über einanderstehen . Die beiden genannten Steine sind bezüglich ihrer Form, Farbe und des Materials, aus dem sie bestehen, für die gesammte Monarchie gleich und werden aus den am Streitberge bei Striegan in Schlesien gelegenen Granitsteinbrüchen des Herrn v. Kulmiz geliefert. Zur Verhinderung einer Verrückung der Punkte nach ihrer Versteinung wird vom Staate eine Fläche von 2 qm im Umkreise derselben angekauft oder gegen Entschädigung enteignet ; diese Fläche darf nicht bebaut werden . Eine vorsätzliche, widerrechtliche Beschädigung oder Entfernung der Stein marken wird mit Gefängniss bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 1000 M. bestraft .

Eine weitere , oben bereits angedeutete Aufgabe der Trigonometrischen Abtheilung ist die Bestimmung sämmtlicher trigonometrischer Punkte nach ihrer Höhe über dem Meeresspiegel. Zu diesem Zwecke ist auf einer 8*

116

Die Königlich preussische Landesaufnahme.

grossen Anzahl von Chausseen ein das gesammte Staatsgebiet überspannen des Netz von Linien auf's Sorgfältigste und nach den erprobtesten Methoden nivellirt,

d . h . ihrer Höhenlage nach fortlaufend vermessen worden ,

eine

Arbeit , welche unter dem Namen „ Präzisionsnivellement der Trigonometrischen " Abtheilung der Landesaufnahme bekannt ist . Auf den nivellirten Chausseen sind an den Rändern derselben in Ent fernung von 2 zu 2 km etwa 1 m lange Steine, welche aus derselben Quelle wie

diejenigen der trigonometrischen Punkte bezogen sind und die Form

vierkantiger Säulen haben, gesetzt ; sie ragen ungefähr 3 dcm aus dem Erd boden hervor und es ist in ihrer der Chausseebahn zugekehrten Seitenfläche ein eiserner Bolzen eingelassen , welcher auf seinem runden hervorstehenden Kopfe eine Nummer trägt.

Mittelst dieser letztern wird die absolute Höhe

des betreffenden Punktes in den bezüglichen Veröffentlichungen der Trigono metrischen Abtheilung gefunden . Da diese Steine , trotz Ueberwachung derselben durch das Chaussee Aufsichtspersonal ,

einer

Verrückung

ausgesetzt

sind ,

wird zur

weiteren

Sicherung der Nivellementslinien längs derselben in gewissen Zwischen räumen in die Mauern massiver Gebäude wie Kirchen, Schulen u . s . w. noch eine andere Art Bolzen eingelassen , welche auf einer aus dem Mauerwerk hervortretenden Scheibe die Höhe des betreffenden Punktes direkt abzulesen gestattet . Der Ausgangspunkt aller dieser Nivellements ist der vor einigen Jahren an dem Gebäude der Sternwarte in Berlin nach allen Regeln der Kunst angebrachte,

auf Jahrhunderte hinaus fundirte und

von

allen deutschen

Bundesstaaten anerkannte „ Normal-Höhenpunkt " , welcher genau 37 m über dem Mittelwasser der Nordsee am Amsterdamer Pegel, dem „ Normal - Null punkt , überall mit NN. bezeichnet, liegt. Neben dem hervorragend staatswirthschaftlichen Interesse , welches das Präzisionsnivellement verfolgt , bildet es auch die Grundlage für alle weiteren Höhenmessungen, so auch für die Höhenbestimmung sämmtlicher trigono metrischen Punkte. Von den Nivellementslinien aus werden nämlich sämmt liche in der Nähe derselben gelegenen trigonometrischen Punkte annivellirt und wird von diesen aus die Höhe der übrigen Punkte durch ein trigono metrisches Nivellement gefunden. Hiermit

ist seitens der Trigonometrischen Abtheilung die Grundlage

für die eigentliche Aufnahme des Gebietes geschaffen und es beginnt nun mehr die Arbeit der Topographischen Abtheilung der Landesaufnahme. Dieser ist gleichfalls ein Chef vorgesetzt und unter ihm sind thätig : 6 Vermessungsdirigenten

( Stabsoffiziere

oder Hauptleute

vom Neben-Etat

des Generalstabes) sowie 80 Topographen, von denen 33 der Kategorie der fest angestellten,

47 aber derjenigen der Hülfsbeamten angehören und sich

grösstentheils aus dem Feuerwerks-Personal der Artillerie ergänzen . dem werden alljährlich

zu den Arbeiten der Abtheilung

Ausser

etwa 20 jüngere

Litterarische Besprechungen.

117

Offiziere, welche die Kriegsakademie besucht haben und zur Dienstleistung bei dem Grossen Generalstabe kommandirt sind , herangezogen .

Nachdem sowohl diese Letzteren , als auch die etwa neu angenommenen , aber noch nicht geübten Beamten, in besonderen Vorübungskursen für ihre Aufgabe in eingehendster Weise vorbereitet worden sind , geht das gesammte Personal , mit den nöthigen Instrumenten und sonstigen Utensilien wohl ver sehen , ab,

am 15. Mai jeden Jahres

in die verschiedenen Vermessungsbezirke

um in diesen bis weit in den Herbst hinein,

von Morgens früh bis

Abends spät , Tag für Tag bei Wind und Wetter thätig zu sein , denn die Jahresaufgabe der Abtheilung ist eine Neu-Aufnahme von 200 Quadrat meilen !

In jedem einzelnen Vermessungsbezirk wird die Aufnahme durch

einen Vermessungsdirigenten , welchem 15-20 Topographen unterstellt sind, überwacht und während der Arbeit im Felde fortlaufend kontrolirt. Diese Offfziere, in der Charge eines Hauptmanns, werden aus der Zahl derjenigen Offiziere, welche einige Jahre topographirt und für diesen Arbeitszweig sich besonders beanlagt erwiesen haben , ausgewählt . (Schluss folgt.)

Litterarische Besprechungen. Technologisches Wörterbuch, Deutsch-Englisch-Französisch. Gewerbe-, Civil- und Militär-Baukunst , Artillerie, Maschinenbau, Eisenbahnwesen, Strassen-, Brücken- und Wasserbau , Schiffbau und Schiffahrt, Berg- und Hüttenwesen, Mathematik, Physik, Elektrotechnik, Chemie, Mineralogie u. a. m. umfassend. Herausgegeben von Dr. Ernst Röhrig in Hannover. mit einem Vorworte von weil . Karl Karmarsch . Vierte verbesserte und bedeutend vermehrte Auflage. Preis 10 Mark.

Wiesbaden , Verlag von J. F. Bergmann .

Technologische Wörterbücher sind ein dringendes Bedürfniss . Bei den ausserordentlichen Fortschritten, welche die Technik in unserer Zeit macht, ist sie genöthigt, immer neue Fachausdrücke zu schaffen , und da sie mit. ihrer Thätigkeit in alle Wissenschaften, in alle Lebensgebiete hineingreift, so ist es natürlich, dass derjenige, der nicht selbst technischer Fachmann ist, jene Ausdrücke im Allgemeinen weder versteht noch kennt. Gewöhn liche Wörterbücher , Konversations-Lexika oder dergleichen geben darüber meistens keine oder doch nur ungenügende Auskunft ; es sind also Spezial Wörterbücher nothwendig . Indessen, wenn der Nichtfachmann, der ein solches nicht besitzt, vor einem ihm unbekannten technischen Ausdrucke wie vor einem für ihn unlösbaren Räthsel steht, so geräth auch der Techniker leicht in Verlegenheit, falls er sachliche Abhandlungen in einer fremden Sprache lesen will, welche er vielleicht sonst ganz gut beherrscht. Denn wie bei uns, so hat auch in den andern Ländern die Technik ihre eigene Terminologie geschaffen , die in einem gewöhnlichen verdeutschenden Wörter buche nicht zu finden ist. Die gleiche Verlegenheit tritt aber ein , wenn ein deutscher Techniker über irgend eine fachmännische Angelegenheit einer fremden Sprache schreiben will, wie dies bei den ausgebreiteten inter nationalen Verkehrsbeziehungen der Gegenwart sehr häufig nothwendig wird .

118 Es sind within behrlich.

Litterarische Besprechungen .

auch mehrsprachige

technologische Wörterbücher unent

Man wird häufig die Aeusserung hören können , dass alle technologi schen Wörterbücher an einem grossen Mangel leiden, nämlich an Unvoll ständigkeit . Diese Bemerkung ist berechtigt ; es kann auch gar nicht anders sein, denn einerseits ist das Gebiet, welches von einem solchen Lexikon umfasst werden muss , so ausserordentlich ausgedehnt , dass seine Grenzen kaum noch zu ziehen sind , andrerseits entstelien , wie schon eingangs bemerkt, fortwährend neue Fachausdrücke, da im weiteren Entwicklungs gange der Technologie immer neue Begriffe, neue Gegenstände etc. geschaffen werden. Der Mangel der Unvollständigkeit ist also nicht absolut zu ver meiden, soll er jedoch so weit als möglich vermieden werden , so ist es nothwendig, dass zur Bearbeitung des Wörterbuches eine grössere Anzahl tüchtiger Fachmänner, durch welche die verschiedenen einschlägigen Wissens gebiete Vertretung finden, vereinigt wird und dass in verhältnissmässig geringen Zwischenräumen neue Auflagen des Werkes einander folgen . Beiden eben genannten Vorbedingungen zur möglichsten Vollständigkeit entspricht das von uns oben näher bezeichnete technologische Wörterbuch. Dasselbe übertrifft an Vollständigkeit alle andern uns bekannt gewordenen litterarischen Unternehmungen ähnlicher Art bei weitem. Der durch ihre Publikationen längst rühmlichst bekannten Verlagsbuchhandlung J. F. Berg mann in Wiesbaden ist es gelungen, für dieses Wörterbuch eine Reihe der hervorragendsten Fachmänner als Mitarbeiter zu gewinnen und der allein schon genügend für die Vortrefflichkeit des Werkes sprechende rasche Absatz hat es ermöglicht, dass uns bereits die vierte Auflage vorliegt. Von Auflage zu Auflage hat dies Wörterbuch Vervollständigungen und Verbesserungen erfahren . Wir können hier nicht wohl ein Verzeichniss der sämmtlichen Mitarbeiter an der vierten Auflage folgen lassen, nur beispielsweise wollen wir anführen, dass zu der Letzteren Artillerie, Festungs bau, Geschützwesen etc. durch den Generalmajor v. Oppermann und den Generallieutenant Hartmann , Seewesen und Marine durch den Kaiserl . Marine-Ingenieur Professor Dill eine umfassende Neubearbeitung erfahren haben. Zum Schlusse möchten wir noch einen Wunsch äussern. In einer Sitzung des " Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt ( siehe Protokoll S. 125 dieses Heftes) regte Herr Premierlieutenant Moedebeck die Verdeutschung technischer Bezeichnungen der Luftschiffahrt und die Bearbeitung eines internationalen fachtechnischen Lexikons durch den Verein an. Diese Anregung war um um so zweckmässiger, als es der Luft schiffahrt und der Flugtechnik noch vielfach an feststehenden , allgemein eingeführten Fachbezeichnungen mangelt. Darüber ist nicht allein bei uns, sondern auch in Frankreich schon Klage geführt werden . Wir möchten nun wünschen, dass die Anregung des Herrn Moedebeck den beabsichtigten Erfolg haben möchte und dass die festgestellten aeronautischen Fachaus drücke dann auch in Röhrig's technologischem Wörterbuch Bürgerrecht, damit aber zugleich Eingang und Verbreitung in allen technischen Kreisen fänden. W. A.

Katalog einer reichhaltigen Sammlung von Werken mit Bezug auf Geschichte, Theorie und Praxis der Schiffsbaukunst incl. Schiffs - Maschinen wesen , Mechanik etc , Schiffs artillerie und Torpedowesen , See

Mittheilungen aus Zeitschriften . Taktik, Allgemeine Marine - Litteratur , Nautik etc. Kühl , Spezialbuchhandlung Berlin W. , 1889.

und

Antiquariat

119 Von W. H.

für Schiffsbau- Litteratur,

Die W. H. Kühl'sche Buchhandlung hat mit diesem Kataloge eine Zu sammenstellung der Marine-Litteratur geliefert, wie solche von gleicher Reich haltigkeit und Vollständigkeit bisher noch nicht vorhanden gewesen ist. Die darin aufgeführten Werke stammen zum grössten Theil aus dem Nachlass des kaiserlichen Marine-Ingenieurs H. Gaede und des Ingenieurs H. Burchard (Rostock) . Einen besondern Werth erhält der Katalog durch zahlreiche bei den einzelnen Büchertiteln aufgenommene Notizen über den Inhalt der betreffenden Werke, kritische Anmerkungen etc. Das ganze, nicht weniger als 78 enggedruckte Oktavseiten umfassende Verzeichniss ist systematisch in sechs Abtheilungen geordnet, welche enthalten : Allgemeine Technologie , Praktische Schiffsbaukunst und Konstruktionswesen etc. , Schiffsmaschinen wesen , Schiffsartillerie und Krie smarinewesen , Marinetechnik und Aus rüstung etc. , Allgemeine Marine-Litteratur, Nautik etc. - Wir machen unsere Leser besonders auf den Katalog aufmerksam, worin auch manches Werk erwähnt ist, das für den Flugtechniker werthvoll sein dürfte . -st- .

Mittheilungen aus Zeitschriften. Allgemeine Sport-Zeitung. Wochenschrift für alle Sportzweige . Heraus gegeben und redigirt von Viktor Silberer. X. Jahrgang. Wien , 1889 . Dieses grösste, in deutscher Sprache erscheinende Sportblatt hat einen so reichhaltigen Inhalt, wie unseres Wissens kein anderes Fachorgan seiner Art auf der Welt . Auch für die Luftschiffahrt hat dasselbe eine stehende Rubrik bestimmt, aus der wir in früheren Jahrgängen unserer Zeitschrift häufig Mittheilungen gebracht haben . Ihrer Tendenz entsprechend, behandelt die ,,Allg . Sport-Ztg. " die Luftschiffahrt als einen Sportzweig, nicht vom wissenschaftlichen Standpunkte des Flugtechnikers ; da indessen Praxis und Theorie im Interesse der Fortentwicklung der Sache Hand in Hand gehen müssen, so ist auch die Förderung des Ballonsports für diejenigen Be strebungen, denen unsere Zeitschrift dienen soll, von Interesse. - Die , Allg. Sport- Ztg . enthält im laufenden Jahrgang zunächst den Schluss eines voll ständigen Abdruckes des offiziellen Verzeichnisses der bei der aëronautischen Ausstellung, welche der Herausgeber des Blattes, Herr Silberer, im vorigen Jahre in Wien arrangirt hatte, ausgestellt gewesenen Gegenstände . Dieser Abdruck in der Zeitung ist insofern nützlich , als das Verzeichniss von historischem Interesse für die Luftschiffahrt ist und dasselbe so in weiteren Kreisen für die Zukunft aufbewahrt bleibt . In ihrer No. 5 bringt die ,,Allg. Sport-Ztg . " ferner ein längeres, der " Oesterr. -Ungar. Wehrzeitung " entnommenes Referat über einen am 16. Januar d. J. vor einem zahlreichen und glänzenden Publikum von Herrn Silberer in Wien gehaltenen Vortrag über die Fortschritte der aeronautischen Bestrebungen in neuerer Zeit. Nach dem Referat hat der Vortrag zwar wohl nichts enthalten, was unsern Lesern unbekannt sein dürfte, aber jedenfalls hat er das Interesse hervor ragender Kreise Wiens für die Luftschiffahrt neu angeregt . - No. 10 , 11 und 13 der " Allg . Sport- Ztg . " bringen Mittheilungen über Pariser Ballon -11. Wettfahrten , auf welche wir an anderer Stelle zurückkommen werden .

120

Mittheilungen aus Zeitschriften.

Der Stein der Weisen. Illustrirte Halbmonatschrift . Unterhaltung und Belehrung aus allen Gebieten des Wissens . Redigirt von A. v. Schweiger Lerchenfeld . A. Hartlebens Verlag in Wien , Pest und Leipzig . Diese, mit dem Beginn des gegenwärtigen Jahres in's Leben getretene, populär-wissenschaftliche Zeitschrift erscheint in Halbmonatsheften am 1. und 15. jeden Monats . Jedes Heft enthält vier Bogen Grossquart mit 35 bis 40 Text-Illustrationen, mehreren Kartonbildern etc. und kostet 50 Pfennig ――――― gewiss ein äusserst geringer Preis, wenn man erwägt, dass die Ilustrationen meist recht gut ausgeführt sind und der Text , dem Programme gemäss, eine wirklich ganz ausserordentliche Mannigfaltigkeit zeigt . Wir finden da geradezu " alles Mögliche und noch etwas mehr in den Kreis der Er örterungen gezogen ; Mechanik, Physik, Urgeschichte, Eisenbahnwesen , Schiff fahrt , Flugtechnik, Maschinenwesen , Hüttenkunde , Posteinrichtungen, Telegraphie, Fernsprechwesen , Bergwerkskunde, gewerbliche Technik. Thier leben, Jagd, Bergsport, Schiessen, Schwimmen , Turnen , Fechten, Radfahren, Schlittschuhlaufen , Astronomie , Meteorologie , Geographie , Waffenwesen, Photographie u . s . w . u. s. w. In Folge dieser starken Ausdehnung des Programms hat jedes einzelne Heft einen gar bunten Inhalt , dem man ausserdem nachsagen muss , dass er wirklich gemeinverständlich geschrieben ist . Es geht damit aber, wie oftmals mit sogenannten populär- wissenschaft lichen Schriften ; was dieselben bieten , ist häufig so populär “ , dass die Wissenschaftlichkeit dabei völlig verloren geht . Auf diese Weise kann woh! dem einen Zwecke, nämlich der Unterhaltung, genügt werden, aber dem andern , der Belehrung, wird in der Regel sehr wenig gedient, ja mitunter wirken derartige Publikationen mehr verwirrend , als belehrend und auf klärend . Das Bedenken, ob Letzteres nicht zu befürchten sei, ist uns namentlich bei einem Artikel , Neue Experimente in der Flug technik " , von dem Redakteur der Zeitschrift, Herrn A. von Schweiger Lerchenfeld, verfasst, den das zweite Heft enthält , sehr lebhaft aufgestiegen . Der Artikel ist mit zahlreichen Abbildungen versehen, von denen mehrere ganz vorzüglich ausgeführt sind . Ein Verzeichniss dieser Illustrationen giebt schon einen Einblick in den Inhalt des Textes ; es sind dargestellt : Knoxwell's Triplex-Ballon für arktische Fahrten , Giffard's Luftschiff, Sanderval's Flug apparat, Baranowski's Flugwerk, Luftschiff Dupuis de Lôme, Baumgarten Wölfert's Luftschiff, Haenlein's Luftschiff, Petin's Flugwerk, F. A. Wald's Luftschiffmodell, Gaston Tissandier's Luftschiff, Luftschiff von Renard und Krebs , Thayer's Luftschiff und Knoxwell's Militär- Ballon captiv . Der Text bemerkt, dass eins dieser Luftschiffe ein ganz unpraktisches Ballon-Uuge thüm ist ; von zwei anderen sagt er : Zu wahrhaft unsinniger Komplizirung der bis zu einem gewissen Zeitpunkte durch die Erfahrung gewonnenen Elemente zur Konstruirung eines lenkbaren Luftvehikels haben namentlich zwei Konstruktionen beigetragen " , worauf dann als Letztere das Wald'sche Wenn nun derartige Kon und das Petin'sche Luftschiff genannt sind. struktionen unsinnig komplizirt " oder, wie es im Texte von ihnen weiter abentheuerlich sind , dann ist es wohl nicht angemessen, sie noch heisst , durch Wort und Bild weiteren Kreisen bekannt zu machen. Oder sollte es etwa Absicht gewesen sein, abschreckende Beispiele anzuführen ? Dann hätte der Verfasser besser gethan, sich an den Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt zu wenden , der namentlich in den ersten Jahren seines Bestehens von Projektenmachern zahlreiche , noch in seinen Akten befindliche Einsendungen erhalten hat , von denen manche Kon

Kleinere Mittheilungen.

121

struktionen vorschlagen , welche ebenso unsinnig und abenteuerlich sind , aber daneben noch unwiderstehlich komisch wirken . Zum Schlusse mag noch bemerkt sein , dass sich in die Angaben des Textes ab und zu kleine Irrthümer eingeschlichen haben . So bezüglich des Flugwerks von Jakob -st • Degen, des Baumgarten-Wölfert'schen Luftschiffs u. s. f.

Kleinere Mittheilungen. Fesselballons und Fallschirmversuche zur Ergötzung des grossen Publikums sind in diesem Sommer bei uns an der Tagesordnung . In Hamburg und in Köln steigen Fesselballons auf; der Erste, der in Deutschland zu Beginn des diesjährigen Frühlings den Reigen mit Fallschirmversuchen begann , war der Amerikaner Leroux. Da derselbe grosses Aufsehen erregte, wollten die deutschen Berufsluftschiffer zeigen , dass sie nicht weniger Kühnheit besitzen . In letzterer Richtung haben sie übrigens schon früher Erstaunliches geleitet. (Wir erinnern an Rodeck's Landungen in der See, an Lattermann's Fabrten etc.) Einige nähere Mittheilungen über diese Versuche behalten wir uns für das nächste Heft unsrer Zeitsshrift vor.

Deutscher Verein zur Förderung

der Luftschiffahrt .

Protokoll der am 25. Januar 1889 im Saale der Königlichen Kriegs Akademie abgehaltenen ordentlichen (106. ) Sitzung. Vorsitzender : Dr. Angerstein . Schriftführer : Dr. Kremser. Tagesordnung : 1. Herr Lieutenant Gross : „ Das Kriegs - Luftschiffer-Material von Yon und Lachambre ; 2. Geschäftliches. Dr. Angerstein , welcher für diesmal noch den Vorsitz übernimmt, meldet zu nächst zur Mitgliedschaft die Herren Oberlieutenant Hörnes, Premierlieutenant Alberti, Sekondelieutenant v. Gödecke und Brauereibesitzer Treitschke an, welche statutengemäss von je zwei Mitgliedern des Vereins vorgeschlagen worden sind , und ertheilt sodann Herrn Lieutenant Gross das Wort zu dem angekündigten Vortrage über das „ Kriegs Luftschiffer-Material von You und Lachambre" . Die Misserfolge der Fesselballons beruhen besonders auf dem mangelhaften Material. Seit 1870 ist die Thätigkeit auf aeronautischem Gebiete zu Kriegszwecken eine sehr lebhafte, Frankreich , England und Deutschland besitzen eigene Werkstätten . Da ihre Arbeiten aber secret sind, kann über das Material nichts Näheres angegeben werden . Zahlreiche andere Staaten jedoch, so Italien, Russland, China , Belgien u . s . f. beziehen ihren Bedarf aus den Privatwerkstätten von Yon und Lachambre , über deren Aus rüstungen eingehende Informationen möglich sind . Redner verbreitet sich zunächst ausführlich über den Yon'schen Luftschiffer park , wie er auf Bestellung der italienischen Regierung hergerichtet wurde, und legte alle Einzelheiten, vielfach mit Hülfe selbst gefertigter trefflicher Zeichnungen und Ab bildungen, anschaulich dar. Die Ausführungen gliederten sich nach den drei Haupt bestandtheilen : Ballonmaterial, fahrbarer Wasserstofferzeuger, fahrbare Dampfwinde. Der Ballon , welcher zwei Personen auf 500 Meter Höhe tragen und bis zu 10 m. p. s. Windgeschwindigkeit ausreichende Stabilität haben sollte, wird in Bezug auf Stoff, Form , Ventile und sonstige Sicherheitsvorrichtungen, Firniss, Netz, Haltetau, Gondel nebst Befestigungs- und Stabilitätseinrichtungen genauer beschrieben . Auch über den Ballon - Transportwagen und sämmtliche Gewichtsverhältaisse werden ausführliche Angaben gemacht. Nach allgemeinen Bemerkungen über die Gaserzeugung , die für die Benutzung zu Kriegszwecken von der grössten Wichtigkeit ist, wird der Yon'sche fahrbare Wasser

122

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

stofferzeuger , der im Prinzip dem Renard'schen nachgebildet ist, näher besprochen . In drei Stunden sollte er den Ballon zur Füllung bringen. Der eigentliche Gaserzeuger nun, welcher auf einem fahrbaren Untergestell ruht, besteht aus dem Misch- oder Ent wickelungsgefäss. dem Wäscher und Kühler, zwei Trockenthürmen und einer zwischen Entwickler und Kühler angebrachten dreifachen Rohrleitung (Dampfpumpe, Wasserrohr, Säurerohr). Ein Hauptübelstand sei der enorme Materialverbrauch an Eisen und Schwefel säure , sowie der Umstand, dass das nöthige Wasserquantum zu gross zum Transportiren und dass also der Apparat nur da verwendet werden kann , wo Wasser vorhanden. Bei der Grösse des Ballons ist eine durch Dampf getriebene Winde , zumal der Ballon in 10 Minuten auf 500 Meter ab- oder aufgerollt werden soll, nothwendig. Auch hier werden die wesentlichen Bestandtheile : Untergestell, Dampfmaschine, Winde und Haltekabel mit telephonischen Leitungsdrähten und alle sonstigen Verhältnisse ein gehend geschildert und nach ihrer Güte gewürdigt. Die Abnahmeversuche ergaben zwar, dass die Bedingungen nicht ganz erfüllt waren, doch fielen sie immerhin zur Zufriedenheit aus. Bei späteren Bestellungen von Russland und China wurden noch einige Verbesserungen bezw . Veränderungen angebracht. Die Feldmässigkeit des Materials, welches 3 Spezial- und 7 andere Fahrzeuge mit 42 Zugpferden erfordere , sei bei der Schwerfälligkeit nicht genügend, daher hatten schon die Italiener bei den folgenden Bestellungen in England, sowie auch die Franzosen für Tonking leichteres Material angestrebt. Dieses Bestreben führte zur Konstruktion des Lachambre'schen Luftschiffer - Materials. Dasselbe besteht nur aus zwei Spezial fahrzeugen : dem Gaserzeuger, wo nur eine Handpumpe angewandt wird, und der fahr baren durch 8 Mann zu bedienenden Handwinde. Die Vorzüge gegen das Yon'sche System sind aber noch fraglicher Natur. Der Ballon ist selbstverständlich kleiner, nur eine Person tragend . Im Uebrigen gleicht derselbe, abgesehen von einigen Detail- Ver besserungen, dem Yon'schen. Wenn auch in Bezug auf die Gewichtsverhältnisse die Feldmässigkeit gewonnen hat, so ist doch die Leistungsfähigkeit stark reduzirt ; ent scheidende Versuche fehlen noch. Der französischen Industrie gebührt alle Anerkennung, aber die deutsche kaun, wenn sie auch noch nicht auf diesem Gebiete im Grossen nach Aussen getreten ist , den Wettkampf wohl aufnehmen. An den Vortrag knüpft sich keine Diskussion und , da auch keine wichtigen geschäftlichen Mittheilungen vorlagen, konnte die Sitzung mit Proklamirung der oben Kremser. genannten Mitglieder geschlossen werden .

Protokoll der am 18. Februar 1889 in einem Hörsaale der Königl. Kriegs - Akademie abgehaltenen (107.) Sitzung. Vorsitzender : Dr. Assmann . Schriftführer : von Sigsfeld . Tagesordnung: 1. Mittheilungen des Vorsitzenden über den Arbeitsplan des Vereins im Jahre 1889 ; 2. Herr Ingenieur O. Lilienthal : „ Der Kraftaufwand beim Vogel fluge und sein Einfluss auf die Möglichkeit des freien Fliegens" ; 3. Geschäftliche Mit theilungen. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung 71/2 Uhr mit der Mittheilung über die Wahl des Vorstandes und der technischen Kommission. Nach Nennung der zur Mit gliedschaft angemeldeten Herren übergiebt er dem Vereine ein Exemplar der von ihm redigirten Zeitschrift 12 das Wetter" nebst allen voraufgehenden Jahrgängen . Dr. Kremser verliest das Protokoll der Sitzung vom Januar 1889 , welches ohne Diskussion angenommen wird. Dr. Assmann entwickelt, anknüpfend an den letzten Vortrag des Herrn Moedebeck, die bisherige Thätigkeit des Vereins und bezeichnet als nächstliegendes Ziel, die Erforschung höherer Luftschichten nach ihren meteorologischen Eigenschaften in mit zunächst nicht

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

123

zu grossen Geldmitteln auszuführender Weise . Der Vorsitzende verwahrt sich dagegen, hiermit den Verein ganz auf das meteorologische Gebiet hinüberführen zu wollen, weist aber darauf hin, dass bei der grossen Allgemeinheit des bisherigen Programms zu wenig Positives geleistet wurde, und dass eine energischere Konzentrierung der Thätigkeit auf bestimmte Fragen erforderlich ist. Geeignet würde sein, von seiten des Vereins für die nächste Zeit eine grössere Anzahl Beobachtungen mittels Registrierinstrumenten, getragen von einem kleinen Fesselballon, auszuführen. Die Kosten würden sich auf etwa 1500 M. belaufen ; die wesentlichen Fragen sind bereits durch entsprechende Vorarbeiten erledigt. Mit einer Aufforderung zur Beisteuer für dieses Unternehmen, und nach Besprechung der Thätigkeit der technischen Kommission wünscht Herr Dr. Assmann dem Verein eine erspriessliche Artbeit. Herr O. Lilienthal führt als Fortsetzung seines Vortrages in der Sitzung vom 29. Oktober v. J. zunächst den Unterschied aus zwischen dem Fliegen auf der Stelle und dem Fliegen vorwärts ; erstere Flugart erfordert wesentlich mehr Kraft, als die zweite , sie wird aber im allgemeinen überschätzt. An der Hand von elf höchst instruktiven Wandkarten und einem Apparat von etwas über 2 m Höhe , welcher, durch Gewichte in Bewegung gesetzt, deren Fallhöhe bekannt und deren Fallzeit messbar ist, den Luft widerstand zu bestimmen gestattet, welchen zwei rechteckige Flächen bei schlagartiger Bewegung erfahren. Es ist dann noch, die Kraft zu eliminieren , nöthig, zwei Arme von gleichem Gewicht mit derselben Geschwindigkeit, wie die Flächen zu bewegen . Durch Handzeichnungen erläutert der Herr Vortragende die Methoden zur Ermittelung des Luftwiderstandes von Flächen, deren einzelne Theile mit verschiedener Geschwindigkeit bewegt werden. Würden die Flächen einfach rotieren, so würde bei gleicher mittlerer Geschwindigkeit nur 19 der Kraft zur Bewegung nöthig sein . Die Untersuchung über das Verhältniss der zu leistenden Arbeiten bei verschieden schneller auf- und abwärts gerichteter Bewegung der Flügel führt zu dem Resultat, dass das Minimum der Arbeit nicht etwa durch Verwendung der ganzen Zeit zur abwarts gerichteten Bewegung , sondern einem Theile derselben , welcher einen Bruchtheil übrig lässt, der sehr wohl für die Aufwärtsbewegung benutzt werden kann . Die Ermittelung der Richtung und Grösse der Kräfte, ausgeübt auf eine gegen die Bewegungsrichtung geneigte Fläche, weist in allen Fällen eine fast gleiche von der Normalen abweichende Komponente auf, welche der Herr Vortragende der Reibung zu schreibt. Die Versuche über den Luftwiderstand verschieden geformter Flächen von ver schiedener Grösse , gemessen durch einen mechanisch sehr vortheilhaft konstruierten Rotationsapparat ergaben als Richtung, nach welcher hin gearbeitet werden müsste , um zu günstigen Resultaten zu gelangen, das Ziel, eine Fläche zu finden, welche bei geringer Geschwindigkeit grossen Luftwiderstand erfährt . Als solche ergiebt sich die einfach gewölbte , welche noch die Eigenthümlichkeit aufweist, dass die resultierende Kraft von der Normalen auf die Mitte der Fläche nach der Bewegungsrichtung hin abweicht, ent gegengesetzt wie bei ebenen Flächen. Diese Wirkung ist wohl auf die mehr oder weniger vollkommene Vermeidung von Wirbeln zurückzuführen , welche bei Bewegung von ebenen Flächen entstehen, wodurch der Luft eine intensive Bewegung normal zur Bewegungsrichtung ertheilt wird, welche noch wesentlich verstärkt wird, wenn die Flächen in Spitzen auslaufen. In der kurzen Diskussion wurden die Methode der Elimination der Kraft, erforder lich die in dem oben erwähnten Apparat befindlichen todten Massen der Schlagflächen zu bewegen , besprochen , sowie Anfragen an den Herrn Vortragenden gerichtet betreffs Sichtbarmachung der Wirbel- und Wellenbewegung . Dr. Assmann theilt die seitens des Vorstandes geführten Verhandlungen mit dem Deutschen Ballonsportklub zu Köln, welcher den Antrag gestellt hatte, die Zeitschrift zu

124

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

Mittheilungen aus seinen Vereinssitzungen benützen zu können , sowie die Abfassung des Verlagskontraktes mit, der mit dem Verleger der Vereinszeitschrift, Herrn Kühl, abge schlossen ist. Als Vereinsmitglieder werden proklamirt die Herren Freiherr von Grünau in Karls ruhe , Dr. Less, Oberstabsarzt Dr. Hahn, Freiherr von Danckelmann , Dr. Knorre und Lieutenant Könen in Berlin. H. Bartsch v. Sigsfeld . Protokoll der am 25. März 1889 im Saale der Königl. Kriegs Akademie abgehaltenen (108.) Sitzung. Vorsitzender : Dr. Assmann. Schriftführer : Dr. Kremser. Tagesordnung : 1. Geschäftliches , Antrag des Vorstandes auf Bewilligung von 500 Mark aus der Vereinskasse für den Bau eines Fessel - Ballons mit Registrir-Apparaten ; 2. Herr v. Sigsfeld : „ Ueber die Konstruktion des vom Vereine zu beschaffenden Fessel Ballons und der Registrir- Apparate" ; 3. Herr Premier- Lieutenant Moedebeck : „ Die Ver deutschung technischer Bezeichnungen der Luftschiffahrt und Vorschlag für die Bearbeitung eines interuationalen flugtechnischen Sprach-Lexikons durch den Verein “ . Der Vorsitzende meldet bei Eröffnung der Sitzung die Herren Geh. Rath Neumayer, Professor Dr. v. Bezold und Dr. Vettin als neue Mitglieder an. Dagegen habe Herr Major Taubert seinen Austritt aus dem Vereine mitgetheilt. Die Wahl eines zweiten Vorsitzenden an seiner Statt ist am besten zu verschieben. Die technische Kommission habe ihre Arbeiten begonnen und Herrn Prof. Dr. Börnstein zum Vor sitzenden gewählt. - Derselbe berichtet über die Thätigkeit der Kommission, welche zunächst in der Festlegung einer Reihe von Problemen bestand, deren Lösung angebahnt bezw. durchgeführt werden soll . Nach Vorlesung des Protokolls der vorigen Sitzung machte der Vorsitzende sodann Mittheilung von einer Aufforderung des Herr Prof. Vogel zur Betheiligung an der photo graphischen Jubiläums -Ausstellung , ferner von einer Einladung zur Theilnahme am dies jährigen Geographentage, endlich von einem durch die gehörige Zahl von Mitgliedern eingebrachten Antrage auf Aenderung der Satzungen des Vereins . Auf der Tagesordnung steht zunächst der Antrag des Vorstandes zur Bewilligung von 500 Mark aus der Vereinskasse für den Bau eines Fesselballons mit Registrir apparaten. Im Anschluss an seine ausführlicheren Erörterungen in einer der früheren Sitzungen bemerkte der Vorsitzende, dass hiermit der erste Schritt zu selbständiger und erfolgversprechender Thätigkeit seitens des Vereins geschehen solle . Freilich sei die beantragte Summe nicht hinreichend. Das Fehlende werde aber z. Th. durch einmalige freiwillige Beiträge der einzelnen Mitglieder, wozu eine Liste ausliegt, besonders aber auch durch das Entgegenkommen der Herren Rudolph Hertzog, v. Siemens und v. Sigs feld beigebracht werden. Herr Hertzog hat schon jetzt eine Preisermässigung von 50 pCt. für die Ballonseide zugesagt und Herr v. Sigsfeld sich zur Lieferung sämmtlicher Registrir apparate bereit erklärt. Redner stelle daher den Antrag zur Abstimmung . Dieselbe wird jedoch auf die Bemerkung Prof. Börnstein's hin, dass ss besser wäre, erst nach dem orientirenden Vortrag des Herrn v . Sigsfeld, welcher als zweiter Punkt auf der Tages ordnung stand, abzustimmen , und nach noch einigen Vorfragen des Herrn Priess , welcher von vornherein Bedenken gegen den Antrag äusserte, bis nach dem Vortrag ver schoben. Herr v. Sigsfeld sprach nunmehr über die Konstruktion des vom Vereine zu schaffenden Fesselballons und der Registrirapparate. Trotz der entgegenstehenden Schwierigkeiten (Mangel eines eigenen Lokals zur Bergung des Ballons und Mangel an Geld) könne das Unternehmen durchgeführt werden . Der Redner beleuchtete die mög lichen Wege hierzu . Die Vereinskasse sei dazu im Stande und müsse das Opfer bringen, denn der Zweck sei nicht nur für die Wetterprognose, sondern auch für die Luftschiffer

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

125

von grosser Bedeutung. Hierauf folgten sorgfältige Erläuterungen und Erörterungen über die Konstruktion des geplanten Ballons . Form, Grösse , Stoff, Kabel wurden nach allen Hauptgesichtspunkten , besonders aber auch rücksichtlich der Preisverhältnisse besprochen und hierdurch die Wahl eines kugelförmigen Seidenballons von etwa 150 cbm Inhalt mit Stahlkabel und Handwinde begründet. Mit einem Gesammtbeitrage von 1000 Mark aus der Vereinskasse sei der Plan gesichert. Redner beschreibt sodann in Kürze seinen Apparat zur Registrirung der wahren Lufttemperatur, welcher vermöge eines Zentrifugalaspirators den wichtigen Vorzug con tinuirlicher Aspiration habe. Durch einen electrischen Motor von 2 kg ist eine sechs stündige Aspiration ermöglicht. Auch über die Prüfung der Wirkungsweise des Apparats bezüglich der Beseitigung von Strahlungseinflüssen werden eingehende Mittheilungen gemacht. Die Registrierung selbst soll auf photographischem Wege durchgeführt werden. An dem ausgestellten Originalapparate wurden nach Schluss der Sitzung die Darlegungen veranschaulicht. Herr v. Sigsfeld plaidirte schliesslich für Bewilligung der beantragten 500 Mark. Bei der sich anschliessenden Diskussion nimmt Herr Priess einen oppositionellen Standpunkt ein , indem er, ohne den Werth wissenschaftlicher Untersuchungen unter schätzen zu wollen, grössere Rücksichtnahme auf praktische Arbeiten verlangt . Ein grosser Fesselballon für mehrere Personen, auch zu Freifahrten geeignet , werde den Interessen des Vereins mehr dienen und schliesslich nicht mehr Kosten verursachen, als das jetzt geplante Unternehmen , dessen finanzielle Tragweite nicht abzusehen sei . Dr. Assmann hält dem entgegen, dass ein grösseres Unternehmen für rein praktische Zwecke zunächst nicht durchführbar sei , wie frühere Erfahrungen des Vereins gezeigt haben. Durch die Wissenschaft werden am ehesten die praktischen Ziele und mit ihnen der Verein selbst gefördert. Der jetzige Plan sei als eine erste Etappe zu betrachten. Geb. Rath Neumayer pflichtet dem Vorsitzenden bei, indem erst durch wissen schaftliche Erfahrungen in den höheren Luftschichten für die Praxis der Luftschiffahrt Erfolge und Vortheile sich erwarten lassen. Er wünsche sogar eine Erweiterung der vorliegenden Aufgaben, insbesondere anemometrische und electrische Beobachtungen . Mit dem ihm unterstellten Institute sage er alle Unterstützung diesen Bestrebungen zu. Nach einer kurzen Auseinandersetzung zwischen den Herren Dr. Less und von Sigsfeld über den Aspirationsapparat, sowie nach weiteren Einwendungen des Herrn Priess , der nur neben den wissenschaftlichen Zielen auch die praktische Seite betont wissen wollte und event. das bei ihm noch vorhandene Ballonmaterial zur Verfügung stellen will, wird der Antrag einstimmig angenommen. Nach der üblichen Pause sprach Herr Premierlieutenant Moedebeck über Ver deutschung technischer Bezeichnungen der Luftschiffahrt. Er erläutert zunächst die Ursachen der Einbürgerung von Fremdwörtern bei uns , verkennt nicht deren Vortheile, aber noch weniger ihre Nachtheile, besonders für die Volksauffassung . Das Streben nach Verdeutschung sei daher berechtigt, aber es sei schwer zu verwirklichen . Man dürfe nicht durch Verbindung verschiedener Stämme kompliziren, um treffende Ausdrücke zu erhalten, sondern es seien alte Stämme aus der Sprache des Volkes und der Schwester völker aufzusuchen. Er empfehle die Bearbeitung eines internationalen fachtechnischen Sprach- Lexikons durch den Verein, der hierbei besonders auf die Hülfe der auswärtigen Mitglieder rechnen muss . Redner schloss mit einigen Andeutungen und Fingerzeigen für die Vertheilung der Arbeit, Sonderung des Inhalts u. s. w. und gab auch eine Reihe von Verdeutschungen an. Am Ende der Sitzung fand noch die Proklamirung der eingangs genannten Herren Kremser. als neu aufgenommene Vereinsmitglieder statt.

126

Flugtechnischer Verein in Wien .

Flugtechnischer Verein in Wien . Protokoll der General-Versammlung am 19. März 1889. Vorzitzender: Herr Oberingenieur Friedr. Ritter v. Lössl. Schriftführer : Herren Regierungsrath H. Wien und Oberlieutenant P. Wostrowsky. Anwesend: 22 Mitglieder. In Verhinderung und Abwesenheit des Vorsitzenden Baron Roman v. Gostkowski übernimmt Herr Oberingenieur Friedr. Ritter v. Lössl den Vorsitz , begrüsst die Anwesen den mit warmen Worten und schreitet sofort zur Tagesordnung der Generalversammlung, indem er dem Schriftführer Regierungsrath Wien zur Erstattung des Berichtes über das abgelaufene Vereinsjahr 1888/89 das Wort ertheilt. Herr Regierungsrath Wien verliest den Bericht des Ausschusses , welcher von der Versammlung beifällig zur Kenntniss genommen wird . Hierauf erstatten Herr Oberlieutenant Paul Wostrowsky den Bericht des technischen Comités und Herr Cassaverwalter Friedrich Bosse den Rechnungsausweis und Cassabericht pro 1888. Nachdem der Revisor Herr Schurich im Namen des Revisions - Comités über die ordnungsgemässe Prüfung und den richtigen Befund der Rechnungslegung Bericht erstattet hat, wird dem Cassaverwalter sowie dem Ausschusse von der General-Versammlung ein stimmig das Absolutorium ertheilt. Hierauf erstattete der Schriftführer den Bericht über die Zusammensetzung des Ausschusses sowie über die innerhalb desselben stattgehabten Veränderungen während des abgelaufenen Vereinsjahres. Nach demselben bestand der Ausschuss aus folgenden Mitgliedern : Herr Wilhelm Bosse, Hoteldirector , " Baron Roman v. Gostkowski , Generaldirectionsrath , ۱۱ Dr. Josef Finger, Professor, Dr. Julius Hann, Hofrath und Director, 99 "" Josef Kareis, Oberingenieur , 33 Dr. Sigmund Exrer, Professor, 99 Wilhelm Kress, Klavierfabrikant, 19 Friedrich Ritter v. Lössl, Oberingenieur , 19 August Platte, Generaldirectionsrath, "" Josef Popper, Ingenieur, 99 Johann Radinger, Regierungsrath und Professor, 99 Friedrich von Stach, Baurath, 19 Heinrich Wien, Regierungsrath, 99 Paul Wostrowsky, Artillerie- Oberlieutenant , "" Julius Zigall, Artillerie - Oberlieutenant. Ausgetreten war im Laufe des Jahres Herr Professor Dr. Sigismund Exner. Statutengemäss durch das Loos zum Austritte bestimmt waren in der Ausschuss sitzung vom 15. März 1889 die Herren : Wilhelm Bosse, Josef Kareis, Friedr. Ritter v. Lössl, August Platte, Friedr. R. v. Stach, Heinrich Wien und Paul Wostrowsky. Bei den hierauf erfolgenden Neuwahlen wuree zuvörderst an Stelle des statuten gemäss ausscheidenden Obmannes , des Herrn Baron Roman v. Gostkowski, der Herr k. k . Artillerie-Major Nikolaus Ritter v. Wuich mit Acclamation zum Obmann des Vereins erwählt. Gleichzeitig wurde der vom Ausschusse eingebrachte Antrag auf Statutenänderung , dahingehend, dass der ausscheidende Vorsitzende von der General-Versammlung wieder gewählt werden könne, einstimmig angenommen . Die hierauf vorgenommenen Neuwahlen ergaben als einstimmiges Resultat die Wiederwahl der oben genannten durch das Loos ausgeschiedenen Ausschussmitglieder, die Neuwahl des Herrn Oberlehrers Carl Milla an Stelle des Herrn Professors Dr. Sigmund

Flugtechnischer Verein in Wien.

127

Exner zum Ausschussmitgliede , die Wiederwahl der Herren Heinrich Palm und Victor Schurich zu Revisoren und die Wahl der Herren Ladislaus R. v. Dutczynski und Dr. Max Herz zu Ersatz-Revisoren . Mit dem äusserst beifällig aufgenommenen Vortrage des Herrn Ingenieurs Josef Popper : „Litteraturbericht" schloss die General- Versammlung.

Bericht des Vereins -Ausschusses über das Vereinsjahr März 1888 bis März 1889. Erstattet der General-Versammlung des flugtechnischen Vereins in Wien. Vor Allem haben wir eine schmerzliche Pflicht zu erfüllen, indem wir eines Todes falles gedenken, den unser Verein in dem abgelaufenen Jahre zu beklagen hat. Eines unserer tüchtigsten Vereinsmitglieder, Professor Dr. Franz Josef Pisko ist am 26. Juni 1888 in Aussee gestorben . Allgemein bekannt und anerkannt als vorzüglicher Physiker, ist sein Verlust für uns um so schmerzlicher, als er regen Antheil an der Gründung unseres Vereines genommen und trotz seiner Krankheit bis zu den letzten Tagen seines der Wissenschaft geweihten Lebens allen flugtechnischen Fragen das grösste Interesse ent gegengebracht hat. Davon gibt unter Anderem Zeugniss seine ausgezeichnete im Jahre 1885 in der Zeitschrift für Luftschiffahrt veröffentlichte Uebersicht der Fortschritte der Luftschiffahrtsstudien . Wir bitten Sie, sein Andenken durch Erheben von den Sitzen zu ehren . (Die Versammlung erhebt sich von den Sitzen . ) Nunmehr zu unserem Berichte übergehend , können wir sagen, dass der Flug

technische Verein im abgelaufenen Vereinsjahre eine Thätigkeit entfaltete , auf die wir nicht ohne Befriedigung zurückblicken können . In acht Monats-Plenarversammlungen abgesehen von den verschiedenen Sitzungen Ihres Ausschusses und der von demselben nominirten Comités - wurden diverse flug technische Fragen und Probleme in Vorträgen behandelt und in eifrigen sachlichen Dis cussionen erörtert. In den Sommermonaten, die in Wien beinahe jeder Vereinsthätigkeit auf wissen schaftlichem Gebiete ein Ende zu bereiten pflegen , fanden sich Mitglieder unseres Vereines allmonatlich in zwanglosen Vereinigungen zusammen. um flugtechnische Fragen lebhaft zu besprechen. An der aeronautischen Ausstellung im Prater betheiligten sich aus unserem Vereine die Herren Kress , v. Lössl, Milla und Platte, theils mit Projektentwürfen und ver schiedenen Modellen , theils mit wissenschaftlichen Apparaten und flugtechnischen Publi kationen. Die Leistungen dieser Herren erregten in Fachkreisen Aufmerksamkeit ; sie wurden in hiesigen und ausländischen Tagesblättern besprochen und in fachmännischen Berichten allenthalben, so auch, wie wir mit Befriedigung konstatiren können, in dem französischen Fachblatte l'Aéronaute sehr gewürdigt. Die neue, im vergangenen Herbste wieder aufgenommene Vortragssaison brachte uns ferner an zwei Abenden die wissenschaftlich umfassenden Vorträge des Herrn Baron Gostkowski : „ Rückblicke auf die Anschauungsn über Gravitation " , ferner an zwei Abenden die mit Demonstrationen ausgestatteten Vorträge des Herrn Carl Milla : „Beiträge zur Erklärung des Fluges" und endlich in der letzten Plenarversammlung die mathematischen Darstellungen des Herrn Oberlieutenant Wostrowsky : „ Beziehungen zwischen Motor und Propeller". An alle diese Vorträge knüpften sich lebhafte und interessante Debatten. Die erwähnten Vorträge und die sich denselben anschliessenden Diskussionen lieferten dem Redaktions - Comité unseres Vereines bedeutendes und werthvolles Material für unsere mit dem Berliner Verein zur Förderung der Luftschiffahrt gemeinsam heraus gegebenes Vereins- Organ. Dasselbe befindet sich für das abgelaufene Vereinsjahr komplet in den Händen der Vereinsmitglieder.

128

Flugtechnischer Verein in Wien .

Gestatten Sie Ihrem Präsidium, dem Redakteur dieser Zeitschrift Herrn Dr. Wilhelm Angerstein, der sich der Aufgabe der Schriftleitung in uneigennütziger und aufopfernder Mühewaltung unterzieht , in Ihrem Namen wärmsten Dank und Anerkennung auszu sprechen. Unseren aufrichtigen Dank und die volle Anerkennung sämmtlicher Vereinsmit glieder verdient gleichermassen Herr Ingenieur Popper, der nicht nur bei Redaktion der Zeitschrift, sondern in allen den Verein berührenden Fragen und Aufgaben eine auf opferungsvolle und selbstlose Thätigkeit entfaltet. Zu bestem Danke sind wir auch Herrn Oberlieutenant Wostrowsky verpflichtet, der sich der grossen Mühe unterzieht , die an den Vereinsabenden stattfindenden Dis kussionen nicht nur stenographisch zu fixiren, sondern auch die Stenogramme schriftlich zu übertragen, wodurch er dem Vereine ganz ausserordentliche Dienste leistet . Gleichen Dank verdient auch die Wiener Tagespresse, die unsere Publikationen und Mittheilungen in willfährigster Weise zum Drucke befördert. Gestatten Sie ferner, dass Ihr Präsidium der geehrten Vereinsleitung des Wissen schaftlichen Club, in dessen gastlichen Räumen unser Verein für seine Plenar- und Aus schusssitzungen liebenswürdige Aufnahme fand, in Ihrem Namen den herzlichsten Dank ausspreche. Im Ganzen zeigt sich die Existenz unseres noch so jungen Vereines als äusserst erspriesslich, wenn auch noch keine äusserlich in's Auge fallenden Leistungen zu ver zeichnen sind. Das Interesse an der Flugtechnik wurde durch unsere Publikationen und Versammlungen nicht nur weit allgemeiner, sondern auch ein viel ernsteres als bisher ; dies geht schon daraus hervor, dass wir das Vergnügen hatten, sehr häufig Gäste bei unseren Vortragsabenden begrüssen zu können, die sich nicht selten an den Diskussionen mit Eifer betheiligten. Es ist ferner erwiesen, dass mehrere vorzügliche Fachgelehrte unseren Verhandlungen und Publikationen mit grosser Aufmerksamkeit folgen, um seiner zeit, nämlich nach gewonnener Einsicht in das flugtechnische Material, selbst mit Hand anzulegen und ihre gediegenen Kenntnisse , sowie ihre Fähigkeiten auch der Flugtechnik zuzuwenden. Es wird hoffentlich nicht lange währen , und wir werden sei es als Verein, sei es seitens einzelner Mitglieder - mit Leistungen hervortreten können, die auch von Solchen werden gewürdigt und anerkannt werden, die nicht im Stande sind , unsere bereits jetzt aufgewendete und fortgesetzte Gedankenarbeit zu verstehen oder nach ihrer Nothwendigkeit und Nützlichkeit für die Praxis zu würdigen, - eine Gedankenarbeit, die sich zum Zwecke setzt, nicht nur neue Vorschläge vorzubringen, sondern auch, und dies insbesondere, Kontroversen im flugtechnischen Gebiete ein Ende zu machen und Uebereinstimmung unter den Flugtechnikern und in Folge dessen vereinigte und gedeih liche Arbeit derselben auzubahnen.

Wir fügen Obigem noch folgende Mittheilungen an : Infolge einiger stattgehabten und noch im Zuge befindlichen Veränderungen in der Liste der Ausschussmitglieder werden wir das richtige Verzeichniss der Funktionäre des Wiener flugtechnischen Vereins erst in einem der nächsten Hefte zu geben in der Lage sein. Die Zahl der Mitglieder des Vereins beträgt 52. Während der Sommermonate finden am ersten Freitag jedes Monats Zusammenkünfte der Vereinsmitglieder bei Herrn Bosse im Hôtel Hoeller, VII, Burggasse 2 statt. Der Ausschuss hat die Gründung einer Vereinsbibliothek und die Anschaffung von Fachzeitschriften beschlossen ; es werden jene Herren, die etwa einschlägige Werke uns zum Geschenke machen wollen , gebeten , sie an Herrn Bosse zu senden, bei dem auch Einsicht in die abonnirten Zeitschriften genommen werden kann . Druck von Beyer & Münch, Berlin W., Behrenstr. 25.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben Von dem Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin and dem Flugtechnischen Verein in Wien. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl , Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W., Jägerstrasse 73. 1889.

VIII. Jahrgang .

Heft VI.

Trennung des Kriegs - Luftschiffer -Materials Yon's in Festungs- und Feld-Material . Von Gross, Lieutenant der Luftschiffer-Abtheilung. [Cfr. Zeitschrift für Luftschiffahrt VIII. Jahrgang, Heft 1I/III u . IV/V : „ Das Kriegs Luftschiffer-Material (System Yon und Lachambre)" von Gross. ] Als die Italiener im Jahre 1885 von Gabriel Yon ihren Kriegs-Luft schifferpark bezogen, beabsichtigten dieselben zunächst wohl nur , dieses Material für die Zwecke des Festungskrieges zu benutzen . Da sich der Luftschifferpark jedoch sowohl bei den Abnahme- Versuchen ,

als auch bei

Gelegenheit einer Belagerungsübung bei Verona gut bewährte und leicht transportabel erschien, so kam man auf den Gedanken, ihn auch für den Feldkrieg geeignet zu halten, bis das Gegentheil sich herausstellen würde. Dies geschah jedoch sehr bald .

Schon im Feldzuge der Franzosen in

China und später in dem der Italiener in Abessynien stellte sich die Noth wendigkeit heraus, ein wesentlich leichteres Luftschiffer-Material zu besitzen , als das bisher vorhandene, kaum Wege

zumal da in diesen wenig civilisirten Ländern

zum Transport

der immerhin doch bis

3000 kg schweren

Maschinen vorhanden waren. Sowohl die Franzosen als auch die Italiener construirten bezw. erwarben für ihre Feldzüge ein wesentlich leichteres Luftschiffer-Material und erzielten . hiermit, die Franzosen wenigstens, gute Erfolge. Diesen Verhältnissen

und Erfahrungen

Gabriel Yon , von dem bekanntlich die

Rechnung

tragend,

hat nun

meisten auswärtigen Staaten ihr

Kriegs - Luftschiffer - Material beziehen , eine Trennung seines Luftschiffer Diese Trennung Materials in Festungs- und Feld- Material vorgenommen. musste Yon umsomehr vornehmen , als sein Concurrent , die Firma „ Lachambre frères , ein wesentlich leichteres für den Feldkrieg bestimmtes Luftschiffer Material construirt und auch bereits verschiedenen Staaten verkauft hat. 9 VIII.

130

Trennung d . Kriegs - Luftschiffer- Mater. Yon's in Festungs- u . Feld - Material .

Das Festungs -Luftschiffer-Material Yon's ist das alte geblieben , es be steht aus :

1. dem fahrbaren Gaserzeuger, 2. der fahrbaren Dampfwinde , 3. dem

Ballon -Materialien wagen mit

einem Ballon von 536 cbm

Volumen aus fünffach gefirnisster chinesischer Seide . Hiervon wesentlich verschieden ist sein nunmehr

construirtes Feld

Luftschiffer-Material ; es besteht nur aus zwei Special-Fahrzeugen , nämlich dem Gaserzeuger und einem Wagen, welcher gleichzeitig die Dampfwinde und

das Ballon- Material trägt .

Der fahrbare Feld- Gaserzeuger,

auf

dem

alten Principe beruhend , hat zwei Entwickelungsgefässe statt des einen bei dem Festungs -Apparate, wodurch eine ununterbrochene Entwickelung und bessere Ausnutzung des chemischen Materials (Eisen und Schwefelsäure) bewirkt werden kann . Der Apparat entwickelt 125 cbm Wasserstoffgas pro Stunde und wiegt nur 1250 kg.

Zum Vergleich sei erwähnt, dass der

Festungs-Apparat Yon's 2900 kg und der Lachambre's 2400 kg wiegt . Das zweite Fahrzeug trägt zunächst den kleinen 3 Pferdekräfte starken Motor mit seinem Kessel, die Winde-Vorrichtung mit einem 500 m langen Hanfseil. Ferner ruht auf den Trägern dieses Fahrzeuges ein grosser Kasten ,

welcher das gesammte Ballon-Material in sich aufnimmt.

Auch

dieses Fahrzeug wiegt voll bepackt nur 1250 kg. Der Ballon, welcher nur eine Person auf 500 m Höhe zu tragen ver mag, hat eine Grösse von nur 300 cbm und ist sonst genau so gebaut , wie der 536 cbm fassende Ballon des Festungs -Materials . Um ein besseres Urtheil über die Feldmässigkeit dieses leichten Luft schiffertrains zu erhalten, wollen wir die Gewichts-Verhältnisse beider ver gleichend neben einander stellen :

Festungs - Material :

Feld - Material :

1. Gaserzeuger (sechsspännig ) 2900 kg

1. Gaserzeuger ( zweispännig ) 1250 kg und Transport 2. Winde

2. Dampfwinde

(sechs

spännig) . 3. Ballon - Transportwagen . • (vierspännig)

2600

,

2000

157

4. sechs vierspännige Trans portwagen mit Eisen , und Schwefelsäure

Kohlen

wagen ( zweispännig) . . 1250 , vierspännige Trans

3. drei

portwagen mit Eisen, 5000 Schwefelsäure u . Kohlen 5000 Sa.

5

Fahrzeuge

pferde .

16

Zug

7500 kg

10000 kg

Sa. 9 Fahrzeuge 40 Pferde 17500 kg Wir sehen hieraus,

dass

viel

am Gewicht gespart, die Anzahl der

Fahrzeuge und Pferde und somit die Länge des ganzen Trains wesentlich reducirt ist . Dass dieser Feld - Luftschiffertrain wohl die gleiche Bewegungs

131

Betrachtungen über Gummilösungsmittel . fähigkeit

wie eine Feldbatterie besitzt , liegt ausser Zweifel ;

der bisherige Vorwurf,

ein

auch dürfte

solcher Train verlängere die Marschcolonnen

einer Avantgarde zu sehr, bei der geringen Anzahl der benöthigten Fahr zeuge nicht mehr recht stichhaltig sein . Ob Gabriel Yon dieses leichte Feld - Material bereits an Staaten ver kauft hat, ist mir nicht bekannt, seine letzte Lieferung eines Luftschiffer parkes für Spanien im December 1888 scheint Festungs-Material gewesen zu sein, da nach stattgehabten Abnahme -Versuchen mit dem Ballon eine Freifahrt unternommen wurde, an welcher 5 Personen Theil nahmen ; der Ballon muss also wesentlich grösser gewesen sein , als der des Feld Materials.

Betrachtungen über Gummilösungsmittel . Vorbemerkung der Redaktion. Bei der häufigen Verwendung, welche die verschiedensten Gummilösungen in der Luftballontechnik gefunden haben , dürften für unsere Leser die nachfolgenden Betrachtungen über Gummilösungsmittel", welche wir der in Dresden erscheinenden Gummi - Zeitung" entnehmen , ein besonderes Interesse haben. Diese Betrachtungen bilden eine sehr instruktive Ergänzung zu dem Kapitel über das Dichten der Ballonhülle . Betreffs des Letzteren verweisen wir auf Moedebeck's „Handbuch der Luftschiffahrt ", II. , S. 24 u . flgde.

Kautschuk ist eines jener zahl Zusammensetzung von Gummi. reichen Naturprodukte, welche in grosser Fülle vorkommen , ein weites, sich mehr und mehr vergrösserndes Gebrauchsgebiet besitzen und obgleich von Naturkundigen vielfach beschrieben und experimental behandelt, nichts desto weniger noch keineswegs gründlich erforscht und bekannt sind . Noch nicht lange Zeit ist

verstrichen , seitdem man über die gewöhnlichsten Natur erzeugnisse, wie z. B. Zucker und Stärke, nähere Kenntniss erlangt hat und noch lange nicht ist das letzte Wort über dieselben gesprochen . Wenn

wir bis jetzt über diese Kohlenhydrate noch ziemlich wenig wissen , so ist unsere Kenntniss noch mangelhafter über die meisten jener pflanzlichen Kohlenhydrate, der Harze, welche man mit dem allgemeinen Namen „ Gummi “ Die Konstitution des Kautschuks ist, wie aus dem Folgenden er

belegt .

sichtlich, bis jetzt nicht mit Sicherheit bekannt, während hingegen seine chemische Zusammensetzung, d . h. die Stoffe, aus denen er besteht, voll kommen erforscht sind . Obgleich die nachstehenden Gummianalysen schon vor langen Jahren veröffentlicht worden sind, so weichen sie doch in den Hauptpunkten wenig von den Untersuchungen neuester Zeit ab .

So sehen wir, dass Kautschuk,

wenn rein , nur Kohlenstoff und Wasserstoff enthält,

während Sauerstoff

entweder gänzlich fehlt oder in solch kleiner Menge vorhanden ist , dass Die nachfolgenden ihm für die Praxis keinerlei Bedeutung zukommt. Analysen sind von Faraday (I), Berzelius (II) und Ure ( III) .

9*

132

Betrachtungen über Gummilösungsmittel. I

II

III

90,00 % 9,12 "

Kohlenstoff

87,20 %

87,50 %

Wasserstoff

12,80 99

12,50 ,

Sauerstoff .

"



100,00 % Es gilt

als

allgemeine

Regel ,

100,00 % dass

ein

0,88 "

100,00 %

Gehalt an

Sauerstoff dem

Gummi schädlich ist und wenn derselbe in irgend erheblicher Menge sich vorfindet , die Dehnbarkeit , Haltbarkeit und alle anderen guten Eigenschaften desselben wesentlich beeinflusst . Dieser Punkt ist absichtlich hier wieder hervorgehoben worden, weil ein von Sauerstoff ganz oder fast freier Gummi, ebenso wie von Schwefel oder andren Hologenen , gegenüber manchen Lösungs mitteln sich sehr gut verhält, während doch oxydirter Kautschuk eine ver hältnissmässig geringere Löslichkeit in demselben Lösungsmittel besitzt , ab gesehen von den anderen weniger erwünschten Eigenschaften . Kautschuk, gewonnen von verschiedenen Pflanzenarten, welche wiederum aus verschiedenem Boden und in anderen Klimaten gewachsen sind, schwankt natürlich auch in seiner Zusammensetzung und seinen Eigenschaften inner halb gewisser Grenzen ; nichts destoweniger muss im Allgemeinen zugestanden werden, dass " Gummi Gummi " ist, sowie dass die sehr zahlreichen, im Handel befindlichen Abarten und Qualitäten mehr infolge ihrer verschiedenen Zubereitungsweisen , als durch natürliche Verschiedenheiten bedingt sind. Welche Sorte und Art von Gummi aber immer in der Technik verarbeitet wird, stets tritt die Frage an den Fabrikanten heran : Wie ist derselbe am Besten zu erweichen, aufzuarbeiten und zu lösen ? Hierauf ist eine genügende , erschöpfende Antwort

erst dann

zu geben,

wenn zuvor ein Blick auf die

Eigenschaften jener Flüssigkeiten geworfen worden ist, welchen die Fähigkeit zukommt , Kautschuk in Lösung zu halten . Gummimilch . - Die chemisch -botanische Erzeugung der Kautschuk

abscheidung durch gewisse Pflanzen kann hier nicht Gegenstand der Be trachtung sein , so wenig wir auch bis jetzt davon wissen ; doch sei es er einige Worte über die ข Milch der gummierzeugenden Gewächse einzuschalten . - Der Ausdruck " Milch wird im Allgemeinen von solchen

laubt,

Flüssigkeiten gebraucht, welche beständig, oder zeitweise von weisser Farbe, mehr oder weniger undurchsichtig sind ; " Gummimilch erscheint dem un geübten Auge aber keineswegs verschieden von der Absonderungsflüssigkeit der Säugethiere .

Unter dem Mikroskop jedoch verschwindet diese Aehn lichkeit und Gummimilch erscheint dann als eine einfache gute Emulsion, die physikalisch nachgeahmt werden kann ihrer äusseren Erscheinung nach , indem man eine Benzoëlösung mit einer Lösung von Albumin oder Gummi arabicum in Wasser kräftig schüttelt. Kuhmilch hingegen ist eine aus Bläschen bestehende Emulsion , welche aus mit dünnen Häutchen um schlossenen Zelltröpfchen besteht, im Gegensatz zu den festen oder flüssigen

133

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

runden Gebilden , welche in allen künstlichen Mischungen jener Art und auch in manchen Pflanzensäften sich befinden. Zusammensetzung der Gummimilch . - Es erscheint angebracht, hier

zunächst die

hauptsächlichsten

Bestandtheile des

Rohproduktes der

Gummierzeugung nach einer Analyse von Faraday anzuführen : Kautschuk . Pflanzenalbumin

Wachs .

31,70 % 1,90 ,"

Spur.

Stickstoffhaltige Körper, in Wasser und Alkohol löslich Stoffe, in Wasser, aber nicht in Alkohol löslich . Wasser .

7,13 , 2,90 56,37 Я 100,00 %

Eine andere Probe Gummimilch, ausgestellt in der westindischen Ab theilung der Kolonialausstellung zeigte folgende Zusammensetzung : 37,13 % Kautschuk vom spec. Gewicht -- 0,9266 2,71 , Albumin • Wachs und Harz 3,44 Я

Flüchtige Oele



Spur. 4,17 "

Gummi, Zucker etc. Mineralstoffe .

0,23 52,32 "

Wasser und Verlust

100,00 % Vor einiger Zeit war man sehr eingenommen von dem Plan , Gummi milch im natürlichen Zustande nach Europa einzuführen, da man glaubte, dieselbe direkt zum Wasserdichtmachen von Stoffen und anderen Zwecken verwenden zu können ; Schwierigkeiten

dieser

bald aber stellte es sich heraus, dass praktische Die Milch gerann entgegenstanden .

Verwendung

entweder während des Transportes und schied den Gummi in fester Form aus oder sie zersetzte sich so schnell, wurde schlecht, zerstörte infolge eines Fäulnissprozesses den grössten Theil des Kautschuks völlig und machte den. Rest

minderwerthig.

Hierzu kam noch,

dass in Europa fester Gummi in

guter Qualität in genügender Menge beschafft werden konnte ,

so dass die

Milcheinführung nicht lohnte, selbst wenn dieselbe in guter Beschaffenheit anlangte. Daher musste dieser Plan aufgegeben werden. Gummigewinnung aus dem Safte oder der Milch . - Dieser Prozess ist schon so oft Gegenstand eingehender Beschreibung gewesen ,

dass es überflüssig erscheint, hier näher darauf einzugehen ; die ursprüng liche indianische Methode bestand darin, die Bäume anzuschneiden und die austretende Milch in mit Blättern ausgelegten Erdgruben aufzufangen . Man tauchte alsdann Thonklumpen in die Masse, trocknete sie über einem rauchen den, mit harzigem Holze unterhaltenen Feuer und wiederholte das Ver fahren so oft, bis eine dicke Schicht getrockneten Gummi's sich um den

134

Betrachtungen über Gummilösungsmittel .

Thonklumpen gelegt hatte. und der Gummi als Eine

andere

Das Ganze wurde dann zerbrochen , gewaschen

Flaschengummi

in den Handel gebracht .

Gewinnungsart besteht

in der Aufsammlung der

aus

fliessenden Milch in flachen Vertiefungen , irdenen Gefässen oder Pfannen , indem immer wieder frischer Saft hinzugefügt wird,

wenn der frühere er

starrt ist , und dies setzt man so lange . fort, bis sich ein lagenweise aufge bauter Block oder Kuchen gebildet hat . - Abweichende Gewinnungs versuche tauchten in den

verschiedenen

Ländern auf, doch meist ohne

wesentliche Vortheile zu bieten, da sie beschwerlich , kostspielig waren , auch kein besseres Produkt lieferten und Verfälschungen Spielraum boten , sodass die alten Urgewinnungsarten noch ihren Platz behaupten. Gummimilch ozess. Der Gewinnungs- oder Coagulationsproz zeigt sich, wie schon erwähnt , sehr geneigt, zur Zersetzung oder in Fäulniss überzugehen ; unter gewissen Verhältnissen

spaltet sie sich oder coagulirt

in eine dünne, durchsichtige wässerige Flüssigkeit und eine weisse , klebrige, elastische, feste Masse, welche Aehnlichkeit besitzt mit der durch Lab bewirkten

Ausscheidung in der

Thiermilch.

Eine grosse Anzahl

Stoffe

besitzt die Fähigkeit, Gummimilch zum Gerinnen zu bringen , und im All gemeinen kann gesagt werden , dass jede freie Säure oder jedes saure Salz , ebenso auch manche Salzlösungen Coagulation bewirken können . Wenn man z . B. zu frischer Gummimilch etwas verdünnte Schwefel säure (gewöhnliches Vitriolöl)

oder

Chlorwasserstoffsäure (Salzsäure),

oder

auch eine starke Lösung von doppelkohlensaurem Natron, ja selbst gewöhn liche Alaunlösung setzt, so

tritt Gerinnung

ein .

Obgleich in der Praxis

diese Methoden ziemlich Vortheile zu bieten scheinen gegenüber der meist gebrauchten langsamen Austrocknung des Saftes oder dem Rauchtrocken prozess , so erstreckte sich doch der Vortheil hierbei mehr auf Gewinn an Zeit,

als auf Erzielung eines besseren Produktes .

am Besten,

wenn sie

nach und nach,

Die Coagulation gelingt

allmählich zur Ausführung kommt ;

doch alsdann entsteht die Schwierigkeit, die vorräthige Milch unzersetzt zu erhalten . Der bisher übliche Prozess des Dörrens oder Austrocknens kann überall in's Werk gesetzt werden,

auch im Innern der Urwälder,

indem

man einige Zweige mit Thonballen überzieht , abwechselnd mit Wasser und Gummimilch befeuchtet und über Feuer trocknet ; die dazu nöthigen Materialien sind leicht zu beschaffen . schiedene

Zur Gerinnung dagegen müssen ver

Gefässe und Kessel , ferner reichlich Wasser und die

Chemikalien beschafft werden .

nöthigen

Jedoch , wenn auch diese Bedingungen alle

erfüllt wären, bleibt doch noch die Frage übrig : Ist der coagulirte Kautschuk von ebenso guter Qualität und Dauerhaftigkeit , während der langen Seereise ,

hält er sich ebenso gut

wie der aus eingetrocknetem Milchsaft ge

wonnene , der bis jetzt ausschliesslich zur Verarbeitung gelangt ? Diese Frage kann vorläufig bestimmt noch nicht beantwortet werden, noch

zur

entgültigen Entscheidung gelangen,

ehe sich unsere Kenntnisse

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

135

über Kautschuk und Gummi nicht wesentlich erweitert haben.

Man kann

aber doch sagen, dass mit Alaun coagulirte Gummimilch ein Produkt liefert, welches geringwerthiger ist ,

als der auf alte Art gewonnene Gummi .

Es

ist sehr schwer, aus dem geronnenen Gummi jede Spur von Mineralsäure auszuwaschen und wenn die Gerinnung durch ein Salz, z. B. Alaun , erfolgt ist,

so wächst

diese Schwierigkeit noch mehr und ein reines Produkt ist

fast nicht zu erzielen .

Proben von " völlig ausgewaschenem " , mittelst Alaun

coagulirtem Gummi enthielten noch 0,613 % an gewöhnlichem Kalialaun. Wie durch Versuche festgestellt worden ist, wirkt die Anwesenheit von Säuren oder Salzen fast immer schädlich auf Gummi ein und besonders ist Schwefelsäure sehr schädlich . Salzsäure ist mehr zu empfehlen , da sie sich leichter auswaschen lässt und auch bei gewöhnlicher Temperatur etwas flüchtig ist ; ferner bildet sie, wenn durch Ammoniak neutralisirt , ein völlig unschädliches Salz, Chlorammonium oder Salmiak, und endlich wirken etwa zurückbleibende Spuren von Salzsäure in gleicher Zeit weit weniger schädlich , als dies bei allen anderen Mineralsäuren der Fall ist . Obgleich sich diese einleitenden Bemerkungen über mittel

Gummilösungs

mehr mit Betrachtung von nichtlösenden , aber füllenden Mitteln

für Gummi beschäftigt haben ; so waren dieselben doch insofern nicht über flüssig,

als sie zur Klarstellung des Folgenden dienen .

Die Schwierigkeit

der guten, unzersetzten Erhaltung der Gummimilch zum Zwecke der Coagu lationsmethode ist oben erwähnt worden ; ein vorzügliches Mittel ist Am moniak , um die Zersetzung hintenanzuhalten . Man muss davon soviel zusetzen, dass die frische Milch starke alkalische Reaktion durch Lackmus papier anzeigt und kräftig nach dem Zusatzmittel riecht . Es giebt aber noch eine Anzahl fäulnisswidrig wirkender Mittel, Antiseptica , welche zu demselben Zweck dienen können, schaffen sind .

doch weniger billig und bequem zu be

Die Schwierigkeit, grosse Mengen starken Ammoniaks nach entlegenen Gegenden zu verschicken, ist nicht klein und die Eingeborenen können sich. schwer an den durchdringenden stechenden Geruch dieser Flüssigkeit ge wöhnen . Daher ist es besser, dasselbe in der Form des Bicarbonates zu versenden, welches ein trocknes, festes, weisses , geruchloses Pulver bildet ; durch Lösen in Wasser und Zusatz von Kalkmilch kann eine Ammoniak flüssigkeit von beliebiger Stärke in kurzer Zeit hergestellt werden , indem man von dem sich am Boden schnell absetzenden Niederschlage von kohlen saurem Kalk die klare Ammoniaklösung in dichtschliessende Gefässe abgiesst oder auch erst an Ort und Stelle nach angegebenem Verfahren die nöthige Menge jedesmal herstellt . Wir sehen also ,

dass Ammoniak ein wichtiges Mittel ist,

Gummi in

Lösung zu halten oder, besser gesagt, seine Ausscheidung aus der Milch zu hindern . (Fortsetzung folgt .)

Ueber die Emission und Absorption der Wärme und Elektrizität.

136

Ueber die Emission und Absorption der Wärme und Elektrizität. Von Rudolf Mewes. In den früheren Arbeiten über die elektrische Wellentheorie wurde vom Verfasser der Nachweis geführt,

dass die Elektrizität ebenso wie die

Wärme und das Licht eine schwingende Bewegung des Aethers ist .

Aus

dieser Thatsache folgt ohne weiteres , dass die Erscheinungen aller drei Gebiete mutatis mutandis ――――― denselben Gesetzen gehorchen müssen , wie dies bereits in einzelnen Fällen auf Grund der vorhandenen Beobachtungen gezeigt

worden ist .

Dies gilt

aber in vollstem Masse für zwei höchst

wichtige, mit einander in gesetzlichem Zusammenhange stehende Vorgänge, nämlich

für

die Absorption

und Emission der Wellen

durch die

festen ,

flüssigen und gasförmigen Stoffe . Der Strahlungsvorgang der Elektrizität stimmt nämlich mit demjenigen der Wärme vollkommen überein . Ebenso wie ein erwärmter Körper so lange Wärme ausstrahlt, als ihm ein anderer kälterer gegenübersteht, und zwar um so stärker, je höher seine Temperatur als diejenige der Umgebung ist , und um so schwächer, je mehr die Temperaturen einander gleich werden , ebenso sendet ein mit Elektrizität geladener Körper so lange elektrische Strahlen aus, als ihm ein anderer schwächer geladener gegenübersteht , und zwar auch in diesem Falle um so stärker, je grösser der Ueberschuss der Elektrizität in dem Körper über diejenige der Umgebung ist, und um so geringer, je kleiner derselbe ist. In derselben Weise wie bei der Wärme absorbirt ein Körper,

auf welchen von

einem anderen Elektrizität

über

strömt, einen Theil derselben gemäss seinem Absorptionsvermögen , bis die von ihm aufgenommene Elektrizitätsmenge gleich derjenigen ist, welche er in derselben Zeit an seine Umgebung durch Strahlung abgiebt . In einer Umgebung von niedrigerer Spannung wird daher ein elektrischer Körper so lange

Elektrizität

ausstrahlen , und die

Umgebung so lange Elektrizität

absorbiren müssen , bis die elektrische Spannung beider gleich geworden ist. In einer Umgebung von derselben Spannung kann also ein Körper, wie auch die Erfahrung bestätigt, seine Ladung, d . h . seine elektrische Spannung nicht ändern . - Angemessener kann man den Strahlungsvorgang der Aether wellen überhaupt, also sowohl den der Licht- und Wärmestrahlen als auch denjenigen der elektrischen Wellen , auf folgende Weise erklären . Wenn nämlich ein Körper eine solche elektrische Spannung besitzt, dass er über haupt Wellenbewegungen des Aethers veranlassen kann, so wird er dies ohne Zweifel

nicht nur dann thun ,

wenn ihm

ein schwächer geladener

Körper gegenübersteht, sondern auch jedenfalls noch dann, wenn ihm ein Körper mit stärkerer oder gleicher Ladung gegenübersteht ;

denn die Ab

wesenheit eines anderen Körpers kann eben im Verhältniss des ersteren zu dem ihn umgebenden und erfüllenden Aether keine Aenderung herbeiführen ,

Ueber die Emission und Absorption der Wärme und Elektrizität.

137

so dass, so lange die Ursache der elektrischen Aetherschwingungen besteht, auch diese fortdauern müssen. Die Intensität der von einem Körper ausgesandten Elektrizitätswellen wird dann nach dieser Auffassung sein und zwar möglicherweise eine

eine Funktion

für die Strahlen

verschiedene Funktion der Ladung ;

der elektrischen Ladung

verschiedener Wellenlänge

alle

diese Funktionen stimmen

aber jedenfalls darin überein, dass ihre Werthe mit steigender Ladung grösser werden . - In einer Umgebung von geringerer Ladung zerstreut also ein Körper seine Elektrizität dann aus dem Grunde,

weil er in seine

Umgebung eine grössere Menge elektrischer Wellen ausströmen lässt , als er von ihr erhält, während in einer Umgebung von stärkerer Ladung seine eigene Elektrizität wächst, weil er von aussen mehr Elektrizität empfängt, als er nach aussen aussendet . Diese Differenzen sind es nun , welche wir mit Hülfe der sogenannten Elektroskope beobachten ; in dem Falle hingegen , dass diese Unterschiede gleich Null werden, vermögen unsere Apparate keine Auskunft mehr zu geben, weil sich dann an ihnen keine Aenderungen mehr zeigen. In einer Umgebung gleicher Spannung, in welcher ein Körper seine Spannung nicht ändert, muss nun aber diese Differenz gleich Null sein , so dass dann die Strahlung der elektrischen Wellen sich nicht mehr beobachten lässt. Diese Anschauungsweise der elektrischen (magnetischen ) Strahlung ist genau dieselbe ,

durch welche Kirchhoff zu seinem

berühmten Gesetz

über das Verhältniss des Emissions- und Absorptionsvermögens für Licht und Wärme geführt

wurde, und führt in derselben Weise bei konsequenter

Durchführung

auch für die Elektrizität zu dem gleichen Satze , dass das Verhältniss zwischen dem Emissionsvermögen und dem Absorptionsvermögen ,

wenn dieselben auf die gleiche Wellenlänge bezogen werden, für alle Körper bei ein und derselben Temperatur dasselbe ist .

Der Beweis dieses Satzes

lässt sich, ohne dass man eine nähere Kenntniss des Vorganges der Emission oder Absorption nöthig hat , mit Rücksicht auf die soeben angeführte An schauung über die elektrische Strahlung ohne weiteres aus der Thatsache ableiten , dass ein Körper in einer Umgebung gleicher Spannung seine Ladung nicht ändert.

Da der

diesbezügliche Beweis

in allen Punkten genau mit

dem von Kirchhoff für die Licht- und Wärmestrahlen geführten überein stimmt, so verzichte ich darauf, denselben hier zu reproduzieren , und ver weise an dieser Stelle daher auf die einschlägige Abhandlung Kirchhoff's in Pogg. Ann. , Bd. 109. Daraus folgt , dass auch für die elektrischen Wellen die Beziehung

E E = e • A oder

e A

besteht,

d . h . das Verhältniss

zwischen dem Emissionsvermögen und dem

Absorptionsvermögen für dieselben Strahlen und bei gleicher Temperatur ist von der Natur der Fläche ganz unabhängig und für alle Körper dasselbe . Da nun dieser Satz noch bestehen bleibt, wenn wir die Strahlen betrachten ,

Ueber die Emission und Absorption der Wärme und Elektrizität .

138

welche die Fläche nach allen Richtungen aussendet und welche auf sie von allen Richtungen auffallen , so lässt sich derselbe sofort dahin verallgemeinern , dass der Quotient aus dem Emissions- und Absorptionsvermögen gleich dem Emissionsvermögen eines die elektrischen Wellen vollkommen absorbirenden E e ist, wenn E das Emissionsvermögen , A das Körpers ist, dass also A Absorptionsvermögen bei derselben Temperatur sind und e das Absorptions vermögen eines die elektrischen Strahlen vollkommen absorbirenden Körpers ist. - Der experimentelle Nachweis für die Richtigkeit des soeben theoretisch abgeleiteten Gesetzes ergiebt sich aus den Beobachtungen über die Emission oder Zerstreuung der Elektrizität der mit Elektrizität geladenen Körper, wenn dieselben sich in Luft oder anderen Gasen befinden . Das Gesetz der elektrischen Dispersion stimmt nämlich, wie die Beobachtung bestätigt hat, mit demjenigen der Erkaltung eines erwärmten auf das genaueste überein . Denn ebenso wie die Temperatur des erwärmten Körpers in einer geometri schen Progression

sinkt,

wenn

die

Zeiten

in arithmetischer Progression

wachsen, ebenso nehmen auch die Elektrizitätsmengen in einer geometrischen Reihe ab, wenn die Zeiten in arithmetischer Reihe zunehmen . Ferner beweist die Beobachtung, dass in beiden Fällen die Abnahme der Wellenbewegung von der Masse und Grösse der Oberfläche der Körper und in gewissen Grenzen auch von der Intensität der zugeführten Wellen menge unabhängig ist, also die Emission der Wärme und die Zerstreuung der Elektrizität einander wesensgleich sind .

Thatsächlich stimmen die beiden

diese Vorgänge darstellenden Formeln vollständig überein ; denn die Formel für die Erkaltung eines erwärmten Körpers lautet -p¹ x to e t

und diejenige für die Zerstreuung der Elektrizität --px " Q Qo e in welchen Formeln to die Anfangstemperatur, Qo die ursprüngliche Elek trizitätsmenge des Körpers und und die Temperatur, bezüglich die Elektrizitätsmenge zur Zeit und p¹ und p Konstanten sind . Es bleibt nunmehr nur noch übrig , den Nachweis zu führen , dass das Gesetz der Emission der thermischen und elektrischen Wellen sich in derselben Weise ändert,

wenn man das umgebende Medium ändert .

schon aus den allerdings nicht

Dies ist der Fall, wie

sehr zahlreichen Beobachtungen hierüber

zu erkennen ist . Die Zusammenstellung und Bearbeitung derselben gedenke ich in dem nächsten Aufsatze zu liefern ; hier will ich mir nur noch die Bemerkung gestatten, dass auch bei diesen Vorgängen die brechende Kraft der umgebenden Mittel massgebend ist.

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

139

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung . Von Rudolf Mewes. IV . In dem voraufgehenden Aufsatze über die Absorption und Emission der elektrischen Wellen wurde

der theoretische Beweis geführt, dass auch

für die elektrischen Wellen das Kirchhoff'sche Gesetz gültig ist, nach welchem das Verhältniss zwischen dem Emissions- und Absorptionsvermögen für die selbe Wellenlänge

und

dieselbe Temperatur bei allen Stoffen

gleich und

zwar gleich demjenigen eines vollkommen absorbirenden Körpers bei gleicher Temperatur ist . Der einfachste und zugleich umfassendste experimentelle Beweis hier für

ergiebt

sich zunächst

Leitungsvermögen der die

aus

den

zahlreichen

Elektrizität

Beobachtungen über das

leitenden Substanzen .

Je

weniger

elektrische Wellen nämlich ein Leiter absorbirt, also je durchlässiger dieselben ist, ein um so besserer Leiter ist derselbe offenbar, und umgekehrt, ein je besserer Leiter ein Stoff ist, um so weniger elektrische Strahlen ab sorbirt derselbe ; je schlechter jedoch derselbe leitet, um so weniger Strahlen lässt er dann natürlicherweise hindurch , um so mehr absorbirt er also . Demnach ist das Absorptionsvermögen dem Leitungsvermögen umgekehrt-, Die Beobachtung dem Leitungswiderstande dagegen direkt - proportional. beweist nun aber, dem

dass auch das Emissionsvermögen der Elektrizitätsleiter

Leitungsvermögen umgekehrt-,

proportional ist.

Denn ,

also dem Leitungswiderstande direkt

wie ich bereits in den Auseinandersetzungen über

die Erzeugung der Induktionsströme dargelegt habe, erhält man sowohl auf Grund der von

mir aufgestellten Elektrizitätstheorie als auch gemäss den

Induktionsgrundgesetzen von Faraday und Lenz stets , und zwar unabhängig von der Natur der induzierenden Spirale einen Induktionsstrom von der gleichen Stärke , wenn man die Länge der induzierenden Spirale nur SO wählt, dass der Widerstand immer derselbe ist ( cf. Heft I d . Zeitschrift in d . Jahrgang) .

Dies

ist aber nur möglich ,

wenn die ausgesandten Wellen ,

also das Emissionsvermögen , dem Leitungsvermögen umgekehrt -proportional sind . Da demnach bei den Leitern sowohl das Emissions- als auch das Absorptionsvermögen dem

elektrischen

Leitungsvermögen

umgekehrt - pro

portional sind, so muss der Quotient dieser beiden Grössen für alle Körper bei derselben Temperatur derselbe sein . Hand der Beobachtung bewiesen brechenden Kraft

(n² - 1 )

Nun ist , wie bereits früher an der

worden ist , das Leitungsvermögen der

direkt - proportional ;

folglich müssen

das Ab

sorptionsvermögen sowohl wie auch das Emissionsvermögen, die ja beide dem Leitungsvermögen umgekehrt - proportional sind , zu der brechenden Kraft ebenfalls im umgekehrten Verhältnisse stehen .

140

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung. Diese Beziehung kann aber nur so lange bestehen, als die Elektrizität

thatsächlich durch Leitung sich fortpflanzt, aber nicht mehr, sobald die Elektrizität sich in strahlender Form wie die strahlende Wärme oder das Licht durch die Nichtleiter verbreitet .

In diesem Falle ist nicht mehr der

Einfluss der Molekularschwingungen wie bei der Leitung der überwiegende , sondern derjenige des zwischen den einzelnen Körpermolekülen befindlichen Aethers, des Trägers der Elektrizitäts- und Wärmewellen.

Dem entsprechend

muss sich auch das Verhältniss der Absorption zur brechenden Kraft um kehren, da ja jetzt lediglich die grössere oder geringere Dichtigkeit des Aethers für

die Absorption

massgebend

ist .

Die Beobachtungsthatsachen

beweisen die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung ; denn in Wirklichkeit ist die Absorption der strahlenden Elektrizität und Wärme der brechenden In der folgenden Kraft nicht umgekehrt- , sondern direkt - proportional . Tabelle sind die

diesbezüglichen Beobachtungen

über die Absorption

der

Wärme- und Elektrizitätsstrahlen zusammengestellt und mit der brechenden Kraft der betreffenden Stoffe verglichen worden. Tabelle des Absorptionsvermögens und der brechenden Kraft der Gase.

Namen der Gase.

Absorptionsvermögen der strahlenden Wärme. Beob.: Magnus .

Brechende Kraft . Beob.: Dulong.

Absorptions vermögen d. strahlen den Elektrizität. Beob.: Boltzmann.

Luft

14,75

1

1

1

O..

14,75

1

0,924

0,924

H.

16,23

0,45

21,92

1,1 (?) 1,5

0,5

CO2 . CO .

1,526

1,603

27,95 24,50

2 (?) 1,7

1,157

1,169

1,71

1,678

23,39

1,63

1,504

1,60

40

2,8

45

3

2,302 ?

2,22 ?

NO, CHA . Oelbilde

nd . Gas . . . NH3 ·

Die Uebereinstimmung in den drei letzten Zahlenreihen ist, abgesehen von den beiden zweifelhaften Werthen des Absorptionsvermögens des H und CO, so gross, wie man sie nur wünschen kann , zumal da jede derselben die Beobachtungsresultate verschiedener Forscher bringt. Die beiden ersten Kolonnen sind aus den Beobachtungen von Magnus in Poggendorffs Annalen Bd. 112 entlehnt, die dritte enthält die von Dulong beobachteten brechen den Kräfte der Gase (Ann . de chim. et de phys , T. XXXI , p . 154 ; Pogg. Ann. , Bd . 6), und die letzte Reihe ist aus den von Boltzmann beobachteten Dielektrizitätskonstanten berechnet worden

(Pogg. Ann ., Bd. 155, p. 403) .

Betreffs der Berechnung der letzten Zahlenreihe ist noch zu bemerken, dass

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

141

Boltzmann die sogenannte Dielektrizitätskonstante D , d . h . diejenige Elektri zitätsmenge beobachtet hat,

welche ,

von derselben von verschiedenen di

elektrischen Medien in gleich starker Dicke umgebenen Kugel ausgehend , stets die Elektrizitätsmenge 1 durch Influenz auf einer konzentrischen Kugel schaale zu

erregen

vermag .

Die Differenz

Elektrizitätsmenge D und der

hindurchgegangenen Elektrizität 1 zurückgehaltene vermögen.

oder absorbirte

zwischen der influenzierenden

thatsächlich durch die isolierende Substanz giebt die in dem dielektrischen Medium Elektrizitätsmenge

oder das Absorptions

Die letzte Reihe giebt also den Werth des Ausdruckes D - 1

und da Dn², dem Quadrate des Brechungsexponenten , ist, so giebt die selbe, wie ja auch der Vergleich mit der dritten Reihe beweist, den Werth der brechenden Kraft 2-1 . Die vorstehende Bemerkung ist auch für die festen und flüssigen Nichtleiter,

wie Ebonit , Schellack, Paraffin , Schwefel

kohlenstoff, Flintglas u. s . w., gültig, weil auch bei diesen nach den in Wiedemanns Elektrizitätslehre Bd . 2 , S. 40 zusammengestellten Beobachtungen die Dielektrizitätskonstante D gleich dem Quadrate des Brechungsexponenten, also n2 ist. Uebrigens scheint es mir mit der aufgestellten elektrischen Wellen theorie besser übereinzustimmen, wenn die Grösse der bei der Influenz durch die verschiedenen Medien

absorbirten Elektrizität in der Weise ,

Polarisationswiderstand des Davy'schen Lichtbogens

wie

der

und der galvanischen

Batterien , von dem Verhältniss der brechenden Kräfte der in Frage kommen den Substanzen abhängig gedacht wird .

Nach den diesbezüglichen , bereits

in dem ersten Aufsatze (cf. Heft XII , 1888 d . Zeitschrift) gegebenen Er klärungen und Begründungen vermag nämlich die Elektrizität von einem Körper zu einem anderen um so leichter überzugehen , je mehr ihre Leitungs fähigkeiten, bezüglich ihre brechenden Kräfte mit einander übereinstimmen, während hingegen die Elektrizität von dem

einen zu dem anderen um so

schwerer übertreten kann, je verschiedener deren Leitungsfähigkeiten unter einander sind .

Dies gilt aber nur, wenn der Strom von dem besser leiten

den zu dem schlechter leitenden gerichtet ist .

Sobald aber die Richtung

des Stromes umgekehrt wird, kehrt sich auch das Uebergangsverhältnis um . Daraus folgt, wie ja auch die Beobachtung zeigt, dass die Elektrizität aus einem schlechten Leiter zu einem Leiter um so leichter übertreten kann , je grösser das Verhältniss der brechenden Kräfte der infrage kommenden Sub stanzen ist . Wenden wir dies auf den vorliegenden Fall der Influenz an , so ergiebt sich ohne weiteres die Schlussfolgerung, dass die im isolierenden Zwischenmittel zurückgehaltene Elektrizitätsmenge den brechenden Kräften der Isolierschichten proportional sein muss, weil die brechende Kraft des die elektrischen Wellen aufnehmenden Leiters, des Kondensators, stets die selbe bleibt und somit bei der Vergleichung der reziproken Quotienten aus der brechenden Kraft des Kondensators und des isolierenden Zwischenmittels sich heraushebt.

Vorstehende Auffassungsweise von dem Uebergang der

142

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

Elektrizität aus einer Substanz in eine andere erklärt, um auch noch diesen Punkt zu berühren , sofort die Thatsache, dass die Zerstreuungskoëffizienten ein und desselben Körpers, den man mit verschiedenen Gasen umgiebt , den brechenden Kräften

dieser Gase direkt - proportional sind. - Anmerkung : = 0 J=

Auch das Kirchhoff'sche Gesetz , nämlich die Kontinuitätsgleichung und die Leitungsgleichung

rJE, ergiebt sich als eine unmittelbare

Folge aus dieser Auffassung. Darnach kann

die

Zerstreuungsgeschwindigkeit

der Elektrizität

nur

von dem Quotienten aus den brechenden Kräften der umgebenden Medien einer- und der brechenden Kraft des die Elektrizität ausstrahlenden Körpers andererseits abhängen , so dass also die Zerstreuungskoëffizienten den brechen den Kräften der umgebenden Gase proportional sein müssen , wiederum das konstante Glied, bei der Vergleichung

der Quotienten

heraushebt.

koëffizienten thatsächlich den brechenden sind ,

beweisen die

da

sich ja

die brechende Kraft des geladenen Körpers,

folgenden

von

Dass die Zerstreuungs

Kräften der

Coulomb

Gase proportional

gefundenen Zahlen ,

welche

Warburg bestätigt gefunden hat. Tabelle der Zerstreuungsko ëffizienten und der brechenden Kräfte .

Druck

Namen

Zerstreuungskoëffizienten

Brechende Kräfte

der Stoffe.

Beobachtet : Warburg . Luft • . "

760 mm 380

"

1761

70

"

1/3441

1

1

1/1160

0,7 0,35 1160

H

760

- 0,444

1/2426

0,47

2426 1761 380

"

0,47

1/3721

0,47

3721 1160

CO₂

760

"

1000 (?)

= 1,16

1,526

1,08

1,526

1,31

1,526

1000 1761 380

1/1626 1626

3441 SO

"

17

1/2613

2613

Im Anschluss an die starke Abweichung zwischen dem theoretischen und dem beobachteten Werthe für Kohlensäure ist zu bemerken, dass die Bestimmung der Zerstreuungskoëffizienten mit grossen Schwierigkeiten ver knüpft

ist und

die

Resultate

anderer Forscher nicht

unerhebliche

Ab

weichungen zeigen . Dass ein Theil der Abnahme der Zerstreuungskoëffi zienten bei abnehmender Dichte sowie die Ursache des kleineren Werthes derselben in Wasserstoff nach Warburg der Rolle zuzuschreiben ist, welche

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

143

feste, in den Gasen schwebende Staubtheilchen spielen, halte ich für höchst unwahrscheinlich;

ich bin vielmehr der Ansicht,

dass

lediglich

die Ver

änderung der brechenden Kraft die Ursache für diese Erscheinung ist, wie aus den Beobachtungen gerade beim Wasserstoff deutlich hervorgeht . Da ich nunmehr sowohl theoretisch als auch experimentell bewiesen zu haben meine, dass auch die elektrischen Wellen dem Kirchhoff'schen Gesetze über das Verhältniss der Emission zur Absorption gehorchen , so die praktischen Konsequenzen desselben zu zeitigen und vor allen Dingen die Mittel anzugeben , durch welche man die elektrischen Wellen in derselben Weise wie die Wärme- und Lichtstrahlen

bleibt jetzt nur noch übrig ,

sozusagen spektralanalytisch zu untersuchen vermag . Diese Aufgabe dürfte sich in ähnlicher Weise lösen lassen, wie dies Bell mittelst seines Spektro phons für die Wärmewellen ausgeführt hat, nur mit dem Unterschiede , dass man das von Bell mit einem gewöhnlichen Spektrometer vereinigte Radiophon (eine

mit einer Glimmerplatte

verschlossene kleine Luftkapsel)

durch die

Induktionsspirale eines Mikrophons oder durch diejenige eines empfindlichen Galvanometers ersetzt, also an die Stelle des Okulars des Spektrometers Lässt man dann durch den Spalt des Spektrometers intermittirende elektrische Wellen hindurchgehen , so werden dieselben in der Induktions spirale des Mikrophons ebenfalls intermittirende Ströme erregen und dadurch einen Ton erzeugen .

setzt.

Bei Anwendung eines empfindlichen Galvanometers giebt die Grösse der Ablenkung der Magnetnadel die erzeugende Stromstärke an . Würde man nun die elektrischen Strahlen einer konstanten Elektrizitätsquelle vor dem Eintritt in den Spalt durch verschiedene Isolatoren

hindurchstrahlen

lassen, so würde man auf diesem Wege meines Erachtens nach nicht nur die Menge der durchgelassenen Elektrizität,

sondern auch deren Art,

d. h.

deren Wellenlänge, bestimmen können . Ob die nothwendigen Beobachtungen sich in der hier skizzierten Weise werden ausführen lassen und zu welchen Resultaten man auf diesem Wege gelangen wird , darüber vermag nur die Erfahrung zu entscheiden ; ob ferner die elektrischen Wellen in ähnlicher Weise wie die Lichtstrahlen für die Chemie höchst wichtige spektralana lytische Untersuchungen gestatten und zu weiteren Einsichten über den molekularen Bau der chemischen Verbindungen und Elemente führen werden , wer vermag dies jetzt von vornherein abzuweisen oder zu entscheiden ? Unmöglich ist es jedenfalls nicht ;

denn noch passt Pascal's Wort auf den

Menschen , qui apprend sans cesse et qui vit toujours " . Anmerkung : Eine eigenartige Bestätigung für die Richtigkeit der im vorstehenden Aufsatze gegebenen Erläuterungen über das Wesen der Ab sorption und Emission liefert das folgende vom Verfasser aufgefundene Gesetz über den Siedevorgang, der seinem inneren Kerne nach auf der Ab sorption und Emission der Wärmewellen beruht. Demgemäss bestätigen auch die Beobachtungen die folgende Beziehung : " Bei gleichem Druck sind

Die Königlich preussische Landesaufnahme .

144

die absoluten Siedetemperaturen den brechenden Kräften der Siedepunkts Dämpfe direkt - proportional d . h . es verhält sich für irgend zwei Flüssig keiten : T¡ : T, = n, ² −1 :; n, 2² -- 1. " Die Stoffe , für welche nach den vor handenen Beobachtungen dieses Gesetz gilt, sind : H, N, CO, O, CH , C₂H , CH, CO2 , BrH, PH3 , SH₂ , CI , C₂N , SO₂ , CS , Br , J, P , S , Se , Cd , Zn , Ag, Pt.

Die Königlich preussische Landesaufnahme. (Schluss . ) Die Hauptausrüstungsgegenstände

des Topographen

instrument, die „ Kippregel " genannt, und der „ Messtisch " . aus einem metallenen Lineal,

auf dem

sind :

das Mess

Erstere besteht

ein Fernrohr befestigt ist, das in

seinem Innern mit einem Fadenkreuz aus Spinnwebenfäden versehen ist .

Sie

gestattet , dass der Topograph auf seinen Messtisch alle Richtungslinien , welche von den einzelnen Standorten , die er im Gelände zu nehmen hat, nach allen markirten Punkten hingehen, tragen kann .

direkt und äusserst sicher auf

Unter Zuhilfenahme einer 3 m langen, mit einer Eintheilung

versehenen Messlatte, welche von einem kommandirten Soldaten gehandhabt und von diesem nach den verschiedensten im Umkreise von 600 m um den betreffenden Standort gelegenen und ihm von dem Topographen bezeichneten Punkten getragen und senkrecht aufgestellt wird, können mit dem Instrument ausserdem noch die Höhen-Unterschiede und Entfernungen zwischen jenen Lattenpunkten und dem Standorte des Topographen gemessen werden. Was den " Messtisch sammenlegbaren platte

anbelangt,

dreibeinigen

aufgeschraubt wird .

so

besteht

Untergestell ,

derselbe aus einem zu

auf welches

die

Я Messtisch

Die sonstigen Einrichtungen des Tisches müssen

es gestatten, denselben genau wagerecht zu stellen und zu orientiren , d . h. so einzurichten und festzustellen ,

dass die

an der Kippregel angebrachte

Magnetnadel genau nach Norden zeigt. Die " Messtischplatte

ist mit einem Papier überspannt, das allen an

dasselbe bezüglich bequemen Zeichnens, Wetterfestigkeit u. s . w . zu stellen den Anforderungen genügt und welches in dem Massstabe der Aufnahme, also 1:25 000 , in Längen- und Breitengrade getheilt ist und den Raum von 21 Quadratmeilen aufnimmt. In das Gradliniennetz sind die von der Trigonometrischen Abtheilung bestimmten Punkte mit peinlichster Genauig keit nach (geographischer) Länge und Breite eingetragen . Die

eigentliche Arbeit

des Topographen beginnt damit , dass er sich

auf den verschiedenen ihm von der Trigonometrischen Abtheilung gelieferten , ausserdem aber auch auf anderen von ihm selbst geschaffenen Hülfspunkten mit seinem Messtisch aufstellt und von diesen Standorten aus alle für die Aufnahme wichtigen

Punkte im Gelände nach ihrer Richtung und Ent

fernung in dem Massstabe 1:25 000

auf die Platte

aufträgt und deren

Die Königlich preussische Landesaufnahme. Höhe über N. N. (Normalhöhenpunkt) beschreibt . eine für den

vorliegenden Zweck

145

Hat er auf diese Weise

hinreichende Anzahl derartiger Punkte

bestimmt, wandert er bergauf, bergab , von Punkt zu Punkt und sucht auf der Platte

ein naturgetreues Bild des Geländes

zu erzeugen .

Dem Auge

des Topographen darf dabei nichts entgehen ; unter Beobachtung des Grossen und Ganzen darf, soll die Karte nicht lückenhaft und ungenau ausfallen , auch das auf den ersten Blick unwesentlich Erscheinende nicht vernach lässigt werden. Hierbei wird zunächst der Anbau berücksichtigt , und Wegenetz ,

d . h. das Wasser

die Wohnplätze , Wald- und Wiesengrenzen u . s . w .

Zuhilfenahme verkleinerter Flur- und Forstkarten eingezeichnet, versucht, die Formen des Geländes mit Hilfe der zahlreichen , den einzelnen Standorten eingetragenen,

mit

Es geschieht dies durch .

das Einzeichnen von Niveaulinien , d . h . solcher Linien, des Geländes

senkrechten Abständen

demnächst vorher auf

einer Höhenzahl versehenen

Lattenpunkte möglichst naturgetreu wiederzugeben .

gelegene Punkte

unter

welche gleich hoch

miteinander verbinden und in regelmässigen

über einander liegen .

Diese Niveau- oder Schicht

linien ermöglichen es , die Höhe bezw . Tiefe eines jeden Punktes im Gelände mit ziemlicher Genauigkeit ermitteln . Da das

ohne

weiteres Hülfsmittel aus

Zeichnen bei der Arbeit

im Gelände

der Karte

mit Bleistift

zu

erfolgt,

müssen die Linien, damit sie nicht vorzeitig sich verwischen, möglichst bald im Quartier mit Tusche nachgezogen werden . Zu dieser Arbeit müssen Sonn und Feiertage sowie ausgesprochene Regentage benutzt werden. Aus dem Gesagten dürfte hervorgehen, dass die 5-6 Monate ununter brochen dauernde Sommerthätigkeit eines Topographen, besonders desjenigen , dem eine Messtischplatte in unübersichtlichem und gebirgigem Gelände zu gewiesen ist , körperlich äusserst anstrengend und mit vielen Gefahren für die Gesundheit verknüpft ist, und dass zu dieser Arbeit nur ein ganz zuver lässiges welchem

Beamtenkorps

mit

Nutzen verwandt werden

kann ,

ein

solches ,

mit Hintansetzung der eigenen Interessen nur die genaueste Er

füllung der ihm übertragenen Pflicht am Herzen liegt, hat die " Landes aufnahme sich heranzubilden verstanden . Es ist dies insofern von be sonderer Wichtigkeit, als die Zahl der Vermessungsdirigenten im Verhältniss zu derjenigen der Topographen nur eine geringe sein kann und deshalb Revisionen der Arbeiten sich nur auf einen kleinen Theil derselben erstrecken können . Ist der Topograph

im Spätherbst aus dem Felde zurückgekehrt, so

wird die Messtischplatte von ihm völlig mit Tusche ausgezeichnet und der Anbau nach seinen verschiedenen Arten farbig angelegt ; sie, nachdem sie

alsdann gelangt

mit allen übrigen Kolleginnen gleichzeitig dem Chef des

Generalstabes der Armee zur Besichtigung vorgelegen hat, in die von einem Stabsoffizier, Vermessungsdirigenten , geleitete " Revisions - Sektion " . 10 VIII.

Die Königlich preussische Landesaufnahme .

146

Nachdem sie hier einer nach jeder Richtung hin sich erstreckenden Prüfung unterzogen und etwa aufgetauchte Zweifel bezüglich ihrer Richtigkeit im Gelände selbst behoben sind , wird sie der kartographischen Abtheilung übergeben. Diese Abtheilung, welche von einem Chef, dem mehrere Stabsoffiziere und höhere Beamte unterstellt sind , geleitet wird, bietet das Bild einer gewaltigen technischen Künstlerwerkstätte. Sie ist mit allen modernen Hülfsmitteln auf's Vollkommenste ausgestattet ; hier finden wir die mannig fachen Betriebe, wie zahlreiche Kupfer- und Steindruck- Pressen, eine Schnell druck -Presse

mit Maschinenbetrieb,

leistungsfähigsten Instrumenten ,

eine

photographische Anstalt mit den

eine galvanoplastische Anstalt, in welcher

einerseits die gestochenen Platten zum Druck, damit sie während desselben besseren Widerstand leisten , sollen , wieder .. entstählt

" verstählt ", sobald sie Korrekturen

erhalten

werden, andererseits galvanoplastische Relief- und

Tief-Platten genommen werden können , eine Anstalt zur Herstellung helio graphischer

Druckplatten ,

eine

Steinschleiferei ,

eine

elektrische

Licht

maschine, welche bei der photographischen Aufnahme von Karten an dunkeln Tagen für ausreichendes Licht zu sorgen hat u . s. w. Hier sitzen in langen Zimmerreihen zahlreiche Zeichner, Kupferstecher und Lithographien, welche mit unendlicher Sorgfalt Vorzügliches in ihrer Art leisten . In dieser Abtheilung werden nun zunächst die von der Topographi schen Abtheilung gelieferten " Messtischblätter " durch die Photographische Anstalt kopirt ; nur diese Abzüge werden für die weiteren Arbeiten benutzt , während die Originale in einem eigens zu diesem Zwecke hergerichteten feuerfesten Archiv aufbewahrt werden. Ausser anderen, das grössere Publikum weniger interessirenden Arbeiten besteht die Hauptaufgabe der genannten Abtheilung einerseits in der Ver vielfältigung der Messtischblätter in dem Massstabe der Original- Aufnahme 1:25 000,

andererseits in der

Herstellung einer um das Vierfache ver

kleinerten " Karte des deutschen Reiches der sogenannten Generalstabskarte,

in dem Verhältniss

1 : 100 000,

endlich in der Bearbeitung einer noch

mals um das Doppelte verkleinerten Karte in 1 : 200 000 der Topographi schen Spezialkarte von Mitteleuropa, früher Reymann'sche genannt . Zur Lösung der ersteren Aufgabe werden durch Lithographen , welche für diesen Arbeitszweig besonders ausgebildet sind, die Messtischblätter auf Stein gravirt, in der Druckerei der Abtheilung gedruckt und dann im Wege des Buchhandels öffentlich vertrieben. Sie haben für alle friedlichen staats wirthschaftlichen Zwecke eine grosse Bedeutung, denn sie bilden, da sie die Bedeckung des Bodens und seine Höhenverhältnisse auf jedem Punkte deutlich Strassenbauten,

erkennen lassen,

die Grundlage für

Ent- und Bewässerungsanlagen u . s . w.

meinen Entwürfe . Tausenden zählen,

einzelnen

alle auf Bahn- und gerichteten allge

Die lithographischen Steine dieser Blätter, welche nach werden

ebenso

wie die Originalblätter selbst in einem

Die Königlich preussische Landesaufnahme ,

147

eigenartig ausgestatteten und übersichtlich geordneten Archiv aufbewahrt, um hier für zu liegen.

einen etwa erforderlich werdenden Neudruck jederzeit bereit

Was die nächste Aufgabe, Reiches

betrifft,

so

die Herstellung der Karte des deutschen " Sektion " genannte Blatt derselben ,

wird ein jedes

welches den Raum von 7½ der oben genannten Messtischblätter umfasst, demnach

etwa 17 Quadratmeilen zur Darstellung bringt,

zunächst durch

künstlerisch ausgebildete Zeichner mit Tusche auf Papier gezeichnet . dies

eine

der

mühevollsten ,

zeitraubendsten Arbeiten

und

Es ist

erfordert ,

da

während derselben viele Einzelheiten , welche auf den Messtischblättern dar gestellt werden müssen ,

für

die verkleinerte Karte in Wegfall kommen ,

anderes aber in veränderter Gestalt zum Ausdruck gelangt, ausserordentliche Sachkenntniss , damit hierbei das richtige Mass gehalten wird und das Gesammtwerk den einheitlichen Charakter nicht verliert. Diese " Redaktion der Karte

wird von dem königlichen Landesvermessungsrath Kaupert, dem

bekannten Kartographen , der für sein Gebiet eine europäische Berühmtheit erlangt hat, geleitet. Die künstlerisch ausgeführten Zeichnungen bilden nun die Vorlage für den Kupferstich.

Die

25 Beamten , die hierin

thätig sind,

wurden theil

weise , da Künstler dieser Richtung nur spärlich vertreten , daher schwer zu erlangen sind, seitens der Abtheilung selbst hierfür ausgebildet . Auch diese Arbeit ist eine ausserordentlich zeitraubende und mühsame, da zur Fertig stellung

einer

einzigen Kupferplatte,

welche ein Blatt der Karte umfasst,

je nach der Mannigfaltigkeit der darzustellenden Bodenfläche, die ununter brochene Thätigkeit eines Kupferstechers 18 Monaten und mehr erforderlich ist.

während

einer Zeit

von 9 bis

Da die Topographische Abtheilung verpflichtet ist , alljährlich 200 Quadrat meilen

neu aufzunehmen, die Kartographische Abtheilung aber mit dieser

gleichen Schritt zu halten hat, werden von letzterer im Jahre etwa 90 Mess tischblätter und von der Karte des deutschen Reiches 12 , und da einige Ergänzungsarbeiten an veralteten Sektionen,

sowie die Bearbeitung ausser

preussischen , topographisch bereits aufgenommenen Gebiets , wie desjenigen der Grossherzogthümer Baden und Hessen ,

nebenhergehen, bis

und darüber fertiggestellt und in den Handel gebracht ;

15 Blätter

denn das ist der

grösste Fortschritt des modernen Karten weseus , dass es nicht mehr, wie in früheren Jahrhunderten , als Staatsgeheimniss behandelt, sondern als Gemein gut erklärt wird , zu dessen thunlichster Verbreitung die militärischen Kräfte am allermeisten mitwirken . Hiermit ist die Thätigkeit

der Kartographischen Abtheilung jedoch

noch nicht erschöpft ; es liegt ihr nämlich ausserdem noch ob, die zahllosen Druckplatten ,

die sie bisher von dem preussischen Gebiete hergestellt hat ,

auch auf dem laufenden zu erhalten , d . h . auf ihnen alle wichtigeren Ver änderungen im Gelände , besonders diejenigen , welche das Wegenetz betreffen , 10*

Die Königlich preussische Landesaufnahme.

148

möglichst bald nachzutragen. Zu diesem Zweck erhält sie von einigen Ver waltungsbehörden , vornehmlich von den Baubehörden der landräthlichen Kreise , alljährlich die hierauf bezüglichen Nachrichten zugesandt , ausserdem bereisen alljährlich mehrere Offiziere und Beamte während der Sommer monate gewisse Gebietstheile,

um an Ort und Stelle besonders

wichtige

Nachtragungen in den Blättern zu machen . Wenn auch für einzelne Arbeitszweige zeitweise die Hülfe der Privat industrie

in Anspruch genommen werden muss ,

so wird man doch,

wenn

noch die mannigfachen Nebenarbeiten dieser Abtheilung, vor Allem die An fertigung von Kreis-, Garnison- und Manöverkarten, unter welchen letzteren diejenigen für die Kaisermanöver eine grosse Rolle spielen , in Betracht zieht, zu der Ueberzeugung gelangen, einem

vortrefflich geschulten

dass jene vielseitigen Aufgaben nur von

und pflichttreuen Personal unter äusserster

Anspannung und unter militärischer Leitung gelöst werden können. Erwähnt sei hier noch, dass, um die Kartenerzeugnisse in den Handel zu bringen, eine besondere, von der Landesaufnahme abhängige Behörde, die " Plankammer " , besteht. Unter einem höhern Beamten , " Plankammer inspektor genannt, sind in ihr sechs Bureaubeamten thätig ; sie vermittelt den Verkehr mit den Kartenvertriebshandlungen, überwacht und kontrolirt die Kartenlager derselben, sorgt für deren stete Füllung und führt die Ab rechnungen.

Ausserdem ist ihr der schriftliche Verkehr mit den Verwaltungs

behörden bezüglich Ankauf und Verwaltung der zum Schutze der trigono metrischen Marksteine erforderlichen Bodenflächen übertragen . Wir glauben hiermit ein ungefähres Bild von der emsigen , schwierigen und umfangreichen Thätigkeit

entworfen zu haben,

welche die königliche

Landesaufnahme zum Nutzen fast aller Verwaltungsgebiete entfaltet ; nicht vergessen dürfen wir aber an dieser Stelle die grosse Entwicklung , welche die einzelnen in Betracht kommenden technischen Wissenschaften dieser Staatsanstalt verdanken . Bei Ausflügen und

auf Märschen nehmen wir die Generalstabskarte

als zuverlässigsten , unentbehrlichen und billigsten Wegweiser und Rathgeber zur Hand ; wer aber von uns ahnt es , dass zur Herstellung eines einzigen solchen Kartenblattes die fast ununterbrochene Thätigkeit zahlreicher aus erlesener Offiziere und Beamten während fast neun Jahren nöthig war! Bis zum Jahre 1871 konnten nur alljährlich 80 Quadratmeilen aufge nommen werden ; seitdem sind es 200 Quadratmeilen , und da Preussen etwa 6000 Quadratmeilen umfasst, so wird erst im folgenden Jahrhundert bei gleichen unermüdlichen Fortschritten die Neuaufnahme des Landes voll endet sein. Man sieht, es ist eine Riesenaufgabe, deren Lösung sich hier unter dem Chef des Generalstabes der Armee vollzieht ; aber es ist eine Arbeit , die so stetig, so zielbewusst , so vollendet verfolgt wird , dass ihre glückliche Beendigung keinem Zweifel mehr unterliegt.

Dann aber wird sie ein Denk

Mittheilungen aus Zeitschriften.

149

mal friedlicher weitausschauender Thätigkeit sein und bleiben, das unseren Enkeln und Urenkeln stets von Neuem volle Bewunderung abnöthigen wird , ein leuchtendes Denkmal der unermüdlichen Fürsorge und Tüchtigkeit unserer Hohenzollern und ihrer militärischen Berather!

Mittheilungen aus Zeitschriften. Allgemeine Sport- Zeitung. Wochenschrift für alle Sportzweige . Heraus gegeben und redigirt von Victor Silberer. X. Jahrgang. Wien , 1889 . Die Nummern 15 und 21 des Blattes bringen Mittheilungen über Fallschirmversuche , u . A. des amerikanischen Luftschiffers Leroux, auf welche wir an andrer Stelle zurückkommen werden . In No. 29 ist eine Notiz über eine in Brüssel beabsichtigte Ballonwettfahrt enthalten, die wir auch noch in unsrer Zeitschrift anderweitig zu erwähnen Gelegenheit haben werden. Ferner weist das Blatt in dieser Nummer auf den vor Kurzem in Broschüren form erschienenen Vortrag des Herrn Premierlieutenant Carl Brug in München , Ueber Militär - Luftschiffahrt hin . Die ་ Allg. Sport-Ztg. " hebt daraus namentlich folgenden Satz hervor : , Auch in Oesterreich trat man im vergangenen Sommer der Frage der Militär-Luftschiffahrt dadurch praktisch näher, dass man drei Offiziere und einen Physiker nach Berlin zur Königl . preussischen Luftschiffer- Ab theilung auf mehrere Monate zur Information schickte. Ob diese Offiziere auch, wie es anfänglich geplant gewesen zu sein scheint, nach England zur Besichtigung der dortigen aeronautischen Etablissements entsendet wurden , konnte ich nicht erfahren . Vorerst besitzen die Oesterreicher ein militärisch organisirtes Luftschifferwesen nicht. Hingegen hatte im Vorjahre der bekannte Wiener, Herr Victor Silberer, eine aeronautische Anstalt mit Luft schiffahrts-Ausstellung auf der sogenannten Feuerwerkswiese im Prater bei Wien eingerichtet. Ich hatte die Auszeichnung, im hohen Auftrage diese Ausstellung zu besichtigen . Herr Silberer hatte dortselbst eine grosse Zahl aeronautischer Gegenstände, welche in Frankreich aufgekauft worden waren, aufgestapelt und ausserdem den Luftschiffer Alfred Godard aus Paris, welcher der bekannten Luftschifferfamilie der Godards entstammt , für die Aus stellungsmonate des vergangenen Sommers engagirt . Diesen Franzosen bei den mannigfachen aeronautischen Verrichtungen zu sehen und zu sprechen , war sehr lehrreich . Aber auch das in der Silberer'schen Anstalt selbst hergestellte Luftschiffahrtsmaterial bot viel des Interessanten und konnte ich . mich von der Brauchbarkeit und Güte der Silberer'schen Luftfahrzeuge durch Erprobung eines derselben bei einer freien Fahrt überzeugen . Herr Silberer stellte mir nämlich den nur für eine Person berechneten kleinen Luftballon , Budapest zur Verfügung, welcher mich vom Wiener Prater bei herrlichem Wetter über die wunderschöne Donau-Kaiserstadt hinweg nach Gumpolds kirchen , also 21 Kilometer weit , in weniger als dreiviertel Stunden führte . " No. 38 der " Allg. Sport-Ztg . " bringt das Programm des diesjährigen , Internationalen Luftschiffer - Kongresses in Paris " , welches wir bereits im vorigen Hefte unsrer Zeitschrift S. 109 u . flgde . mitgetheilt haben. No. 55 enthält noch folgende nähere Angaben über den Kongress : „ Die Eröffnungssitzung des Kongresses wird am 31. Juli im grossen Festsaale des Trocadero stattfinden und zwar haben die Luftschiffer mit dem Organisations- Comité des zur selben Zeit nach Paris berufenen Kon

150

Mittheilungen aus Zeitschriften .

gresses der Colombophilen ( Taubenfreunde) ein Uebereinkommen getroffen , wonach beide Kongresse ihre Inaugurationssitzung gemeinsam unter dem Vorsitze des Aëronauten Janssen abhalten werden. Es ist ferner beschlossen worden, dass ein Fest zur Abhaltung kommen wird, bei welchem 100 000 Tauben losgelassen werden sollen und das mit einem Bankett der Mitglieder beider Kongresse schliessen wird . Ausserdem wird eine eigens eingesetzte Kommission dafür zu sorgen haben, dass die Mitglieder des aëronautischen Kongresses die auf ihre Studien bezüglichen industriellen Etablissements von Paris ohne Schwierigkeiten besuchen können. Diese Kommission wird zusammengesetzt sein aus den Herren : Bertrand , Duté-Poitevin , Wilfried de Fonvielle , Eugen Godard , Henri Hervé, Julhes, Lachambre, Frédéric Lhoste, Mangot, Marey, Nadar, Napoli, Renard, Roosebeeke , Teisserenc de Bort , Albert Tissandier. Das Organisations- Comité des aëronautischen Kongresses ist zusammengesetzt aus den Herren : Janssen, Präsident ; Eugène Rigaut , Gaston Tissandier, Gabriel Yon , Vize-Präsidenten ; Hureau de Villeneuve , Generalsekretär und Kassirer ; Charles du Hauvel, Triboulet, Schriftführer; Cassé, Archivar. Das Programm der zur Diskussion in öffentlicher Sitzung bestimmten Fragen ist vom Organisations-Comité wie folgt zusammengesetzt worden : 1. Soll man die verschiedenen Regierungen auffordern, Diplome für Zivil luftschiffer einzuführen ? 2. Ist es am Platze , von den Regierungen die Schaffung von Spezial gesetzen zu verlangen , welche die Verantwortlichkeit der Luftschiffer feststellen gegenüber den Passagieren , gegenüber dem Publikum, gegenüber den Eigenthümern des Platzes, wo der Abstieg von Statten geht, oder soll man sich diesbezüglich an das allgemeine Recht halten ? 3. Soll man die Anwendung des Seerechts auf die Bergung von Luft ballons verlangen . 4. Ist es am Platze, neue Regeln für die Verschollenheits- oder Todes Erklärung abgängiger Luftschiffer zu verlangen? 5. Soll man es geschehen lassen , dass den Luftschiffern im Kriege die Eigenschaft als kriegführende Partei versagt wird und dieselben als Spione behandelt werden? 6. Soll man aëronautische Abzeichen und Embleme schaffen? 7. Soll man die Gründung einer Gesellschaft für gegenseitige Hülfe leistung und für Altersversorgung zu Gunsten der Luftschiffer an streben? 8. Soll man die Bildung einer internationalen aëronautischen Zeichen sprache anstreben oder soll man die zur See üblichen Zeichen adoptiren? 9. Soll man die Veranstaltung von Ballon -Wettfahrten mit im Vorhinein bestimmtem Ziele befördern ? 10. Ist es am Platze, technische Ausdrücke zu schaffen oder den Sinn der bestehenden besser zu fixiren ? 11. Ist es am Platze, von jeder Regierung zu verlangen, dass sie ein nationales aëronautisches Comité schaffe, welches die Aufgabe haben soll , Studienzeugnisse und Diplome zu verleihen, sowie über alle die Zukunft der Luftschiffahrt betreffenden Fragen ihr Gutachten abzugeben? Der aëronautische Kongress wird aus vier Sektionen bestehen und zwar : 1. Aviation (Flugtechnik), 2. Material der Luftballons, 3. Physik und Chemie in ihrer Anwendung auf die Luftschiffahrt, 4. Aëronautische Manöver. "

Kleinere Mittheilungen .

151

Kleinere Mittheilungen. Bemerkung zur Prioritätsfrage der elektrischen Wellentheorie. In dem ersten Beitrag zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung (Heft I , S. 23 dieses Jahrg.) führte Unterzeichneter infolge unrichtiger Information an, dass die ähnlichen Arbeiten Herrn Professors Dr. Hertz erst im Januar dieses Jahres angestellt sind . Dies kann sich aber nur auf die endgültig entscheidende Arbeit desselben beziehen , da Herr Dr. Hertz , wie ich nachträglich gefunden habe, bereits im Jahre 1888 in dieser Richtung Versuche angestellt hat, welche nach meiner Ansicht schon den thatsächlichen Beweis der Wellennatur der elektro - dynamischen (Induktions- ) Bewegungen liefern . Mein damals allgemein erhobener Anspruch auf Priorität ist demnach hinfällig, während die eigenthümliche Art der Behandlung der diesbezüglichen Vorgänge in voller Unabhängigkeit bestehen bleibt. Rudolf Mewes. Ein deutscher Luftschiffer in Amerika verunglückt. Der deutsche Luft schiffer Streif ist , nach einer Meldung des B. Tagebl. " aus New-York, am Montag, den 29. April d. J., in Booneville, im Staat Indiana, verunglückt. Als er etwa 1500 Fuss hoch gestiegen war, platzte der Ballon. Streif war trotz des schrecklichen Sturzes nicht auf der Stelle todt, aber so zermalmt, dass er bald seinen Geist aufgab. Von den Zeugen der entsetzlichen Szene wurden viele ohnmächtig und Streifs Frau, die ihn stürzen sab , wurde wahnsinnig. Ueber ein scheinbares mechanisches Paradoxon. Im XII. Hefte des vorigen Jahrgangs der Zeitschr. f. Luftschiffahrt" (Seite 394) war ein interessanter, mit den vorstehenden Worten beginnender Artikel abgedruckt, in welchem der Grund besprochen wurde, warum beim Anhalten von „Eisenbahnzügen, die mit äusserst schnell wirkenden Bremsen versehen sind " , die auffallende Erscheinung sich bemerkbar macht, dass die Fahrgäste, statt, wie das Gesetz der Beharrung erwarten lässt, nach vorn hingeworfen zu werden, einen sie rückwärts schleudernden Stoss empfangen. Der Verfasser genannten Artikels greift zwar das aufgeworfene Problem richtig an, insofern er darauf hinweist , dass während des Bremsens der Fahrgast, ohne es recht gewahr zu werden, Bewegungen ausführt, welche verhindern , dass sein Körper, der Trägheit folgend , nach vorn hinüber . fällt. Wenn aber der Autor am Schlusse seiner Deduktionen bemerkt : „Endlich aber vermindert sich die Beschleunigung sehr schnell und verschwindet mit dem Halten des Zuges ; dem Reisenden bleibt keine Zeit , in die vertikale Gleichgewichtsstellung zu gelangen, er befindet sich in einer zu sehr nach hinten gebeugten Lage und fällt in dieser Richtung " so übersieht er , dass diesen Fall die Lage welche, nebenbei keineswegs bedingt, bemerkt, der Passagier gar nicht einmal einzunehmen braucht sondern vielmehr , der Ueberschuss veranlasst. Dieser Ueberschuss kommt aber dadurch zu Stande, dass beim plötzlichen resp. beim ziemlich plötzlichen Anhalten des Eisenbahn zuges in Folge der rückwärts arbeitenden Kraft der Bremse der Körper des Reisenden einen ihn rückwärts treibenden Stoss empfängt, welcher das Gleichgewicht seiner ihn nach vorn stossenden Schwungkraft und der vom Organismus herrührenden ihn in ent gegengesetzter Richtung bewegenden Kraft, zu Gunsten der Letzteren stört. Während also ein lebloser Passagier bei abnehmender Schnelligkeit der Fahrt immer einen ihn nach vorn treibenden Impuls der Beharrung gemäss empfängt, empfängt ein lebender Fahrgast hingegen, der in Anwendung gebrachten Kraft seines eigenen Organismus zufolge, einen nach hinten schleudernden Stoss , indem die durch Innervation erzengte Kraft in Vereinigung mit der durch die Bremse bewirkten stärker ist, als die unter 180º entgegen wirkende Flugkraft. Dass jede Abnahme der Schnelligkeit eines bewegten Körpers, wie sie auch zu Stande kommen mag , als die Wirkung einer dem in Bewegung begriffenen Körper unter 180 ° entgegenarbeitenden Kraft betrachtet werden muss, wie wir dies in Anbetracht der Bremse gethan haben, leuchtet Jedem ein, der metaphysisch geschult ist.

152

Kleinere Mittheilungen .

Hierbei hat man jedoch nicht aus dem Auge zu verlieren, dass eine in Wirksamkeit begriffene ( aktuelle " ) Kraft Zeit gebraucht, um sich auf ein System von Molekülen zu erstrecken und dass die Adhäsionskraft, die unsere Füsse mit dem ruhenden Boden des Vehikels verbindet, während noch der Körper dem vorwärts treibenden Schwunge folgt, als eine von unten aus rückwärts wirkende Kraft betrachtet werden muss. - Aus dem Erörterten folgt, dass nicht nur eine äusserst schnell wirkende Bremse" den Anlass zu den besprochenen Erscheinungen zu bieten braucht , sondern dass dieselben jedesmal im grösseren oder geringeren Masse eintreten, wenn irgend eine gleichförmig verlaufende Bewegung eine Verzögerung erfährt, wobei lebende Körper sich rückwärts, todte hingegen sich vorwärts zu bewegen suchen . ― Von Interesse für den Philosophen ist hier, wie bei allen Problemen der theoretischen Mechanik, der Umstand , dass wir behufs erschöpfen den Verständnisses mechanischer Vorgänge unsere Zuflucht zu metaphysischen An schauungen nehmen müssen, wie z . B. zu der hier in Anwendung gebrachten : Die Ab nahme der Schnelligkeit jeder Bewegung ist anzusehen als das Resultat einer der ursprünglichen Bewegung direkt entgegenwirkenden Kraft. ―――― In Betreff der weiteren hieran sich knüpfenden Durchführungen verweise ich auf den oben erwähnten Artikel „Ein scheinbares mechanisches Paradoxon" . Dr. Eugen Dreher. Der englische Luftschiffer Parcival Spencer hat am 19. März d. J. in Kalkutta eine sehr gefährliche Ballonfahrt gemacht . Die ersten Nachrichten darüber lauteten : „Der Luftschiffer Spencer stieg von dem Ballyganj Maidan in Gegenwart des Vizekönigs und Tausender von Zuschauern ohne Fallschirm in einem Ballon auf, der, nachdem er eine grosse Höhe erreicht hatte, in östlicher Richtung verschwand. Es ist bisher nicht bekannt geworden, ob und wo Spencer seitdem niedergestiegen ist . Sein Ausbleiben flösst die ernstesten Besorgnisse ein. Spencer, ein junger Mann von 25 Jahren, kam etwa Mitte Januar in Indien an und ist seitdem von seinem Ballon „ Empress of India" mittelst eines Fallschirmes mehrere Male glücklich herabgestiegen." - Nach träglich ist in der Times" noch folgender ansführlicherer Bericht erschienen : „ Spencer wollte auf der grossen Rennbahn in Kalkutta in einem Ballon aufsteigen und sich dann mittelst eines Fallschirms aus bedeutender Höhe herablassen. Zu dem Schauspiel hatten sich ausser dem Vizekönig von Indien , dem Gouverneur von Bengalen und der ganzen vornehmen Welt Kalkuttas Hunderttausende von Eingeborenen eingefunden. Um 6 Uhr Abends nahm Spencer seinen Sitz ein auf der schmalen ledernen Schlinge , welche die Gondel ersetzen sollte, und gab den Befehl zum Loslassen der Taue. Der Ballon wollte indess nicht in die Höhe steigen, da ihn augenscheinlich der Fallschirm zu schwer machte. Zur Bestürzung des Publikums nahm Spencer den Fallschirm vom Haken, woran er hing, und im nächsten Augenblick schwebte der Ballon in der Luft. Zehn Minuten später war er aus dem Gesichtskreise . Die Volksmenge begann sodann die fürchterliche Gefahr zu begreifen, in welcher Spencer schwebte. Der Ballon hatte weder Ballast noch Anker und besass kein Ventil. Auch war Spencer ohne einen Apparat , um das Niedersteigen zu regeln ; er war dünn gekleidet und hatte weder Speise noch Trank mitgenommen. Sein Tod schien unvermeidlich zu sein, aber am Donnerstag Abend lief durch den Draht die Meldung ein, dass Spencer glücklich niedergestiegen sei , und am nächsten Morgen kehrte er wohlbehalten nach Kalkutta zurück. Der Ballon hatte eine Höhe von 13000 Fuss erreicht und begann alsdann allmählich zu fallen . Als er sich dem Erdboden näherte sprang Spencer herab und befand sich am Donnerstag Abend zwischen 7 und 8 Uhr auf einer etwa 40 Meilen von Barasut gelegenen kleinen Insel. Mit Mühe fand er Obdach und Speise und wurde später nach dem in dem zivilisirten Theile des Sunderbunds gelegenen Hossainabad befördert. Hätte der Wind ihn nach einer wilderen und ent fernteren Gegend getragen, oder wäre er in das Meer hinaus verschlagen worden, was ganz möglich war, so hätte er seine Kühnheit sicherlich mit dem Leben gebüsst. “ Druck von Beyer & Münch, Berlin W., Behrenstr. 28.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem Flugtechnischen Verein in Wien. Redakteur: Dr. phil. Wilh . Angerstein in Berlin , S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl , Buchhandlung und Antiquariat in Berlin , W. , Jägerstrasse 73.

VIII. Jahrgang .

Heft VII.

1889.

Meteorologische Beobachtungen im Fesselballon . *) Von Prof. Dr. Köppen . In der heutigen Witterungslehre spielt das Wenige, was wir bis jetzt über die Vertheilung der Erscheinungen in den verschiedenen Höhenschichten der freien Atmosphäre wissen, eine höchst bedeutsame Rolle bei vielen Er klärungen ,

und

es

ist

das

Bedürfniss

nach

einer Erweiterung

Kenntnisse in dieser Richtung ein lebhaft gefühltes.

unserer

In der That hängt

das Verständniss vieler Vorgänge ganz und gar von einem gesicherten Ver gleich

der Zustände am Erdboden mit jenen in einer gewissen Höhe ab,

und lassen sich diese Fragen gar nicht anders als nur hypothetisch beant worten, wenn wir mit unseren Untersuchungen, wie bisher meist der Fall, am Boden kleben bleiben . Die Möglichkeit zu Untersuchungen in der freien Atmosphäre ist aber eine sehr beschränkte, und so durfte denn die günstige Gelegenheit, welche der grosse Fesselballon auf der Hamburgischen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung bietet , nicht unbenutzt verstreichen . Durch das liebenswürdige Entgegenkommen des Herrn Capitän Rodeck ist es möglich gewesen , auf einer Reihe von Fahrten theils durch den Unter zeichneten , theils durch andere Personen

eine

Anzahl interessanter Be

obachtungen zu gewinnen, wenngleich es sich zunächst hauptsächlich nur um Gewinnung vorläufiger Erfahrungen und passender Methoden handelte , die nunmehr unter günstigeren Umständen eine regelmässigere Anwendung finden sollen .

Die Beobachtungen beschränkten sich zunächst auf Temperatur

und Windgeschwindigkeit.

Die

Erstere

wurde mittelst eines

Rotations

Thermometers eigner, sehr einfacher Konstruktion bestimmt, welches ausser halb der Gondel im Schatten geschwungen wurde . Bei hochstehender Sonne um Mittag konnte das Schleudern des Thermometers im Schatten des Ballens geschehen , bei den Fahrten nach Sonnenuntergang kann überhaupt

*) Aus dem „ Hamburg. Correspondent" .

Vom Verfasser eingesandt.

Meteorologische Beobachtungen im Fesselballon.

154

der Einfluss von Strahlung auf das bewegte Thermometer als verschwindend klein angesehen werden ; dagegen war bei den Fahrten am Nachmittage die Ausschliessung von Sonnenstrahlung auf das Thermometer nicht leicht ; es wurde jedoch das Instrument thunlichst im Schatten der Gondel und des Beobachters gehalten und durch die rasche Bewegung und also intensivere Berührung mit grossen Mengen der Luft , deren Temperatur gemessen werden sollte, der Einfluss der Fehlerquellen eingeschränkt. Die Messungen der Windgeschwindigkeit geschahen mit einem von der Seewarte hierzu geliehenen Recknagel'schen Anemometer, welches in einer improvisirten cardanischen Aufhängung an einer Leine unterhalb der Gondel frei schwebte ;

dasselbe muss, um seine Beschädigung zu vermeiden , erst während des Aufstiegs hinabgelassen und vor dem Landen wieder herauf gezogen werden ; nach je 50 Umdrehungen des Windmessers ertönt ein in der Gondel befindliches kleines Klingelwerk.

Bis jetzt ist dieser Apparat nur wenige Male in Thätigkeit gewesen , und wir sparen uns die Mittheilung seiner Resultate deshalb für später auf. Die Temperatur- Beobachtungen

stellen

sich wie folgt (Thermometer - Angaben unkorrigirt , Korrektion -0,3 ° C. , die Angaben "7 unten sämmtlich mit demselben Rotationsthermo

meter auf dem Ballonplatz 1 , m über dem Boden gewonnen) : A. Versuche bei klarem Himmel vom 1.-- 14 . Juni : Temperat. Höhe Zeit 1. Juni, Vormittags 11 h 31 unten 24,8 ° C. 200 Meter 21,7 39 120 21.6 , "" 100 21,8 " "9 85 21,9 29 "" 60 22,3 " 19 40 228 "2 39 11h 44 25 2 27 unten 1. Juni , Nachmittags 5 h 15 200 Meter 24,5 "9 24.0 29 125 97 unten 25,2 19 4. Juni, Abends unten 9 h 40 20.8 "9 200 Meter 20,0 19 unten 20.2 12 6. Juni, Nachmittags 27,2 "" 5h 4 unten 130 Meter 25.5 29

Höhe Temperat. 9. Juni, Nachmittags unten 25,2° C. 5 h 20 230 Meter 24,0 "" Zeit

9h

11. Juni, Abends 0 unten 16,8 " 160 Meter 16,3 99

13. Juni , Nachmittags 3 h 45 unten 23.5 100 Meter 22,0 150 22,0 "7 22.0 200 39 unten 23,5

77 29 29 19 "

14. Juni, Abends unten 21,0 8 h 10 100 Meter 20,0 19.5 77 150 " 250 19,0 " ""

Versuche am 19. Juni bei bewölktem Himmel .

An diesem Tage wurde

mit den Fahrten früher begonnen, da gleichzeitig seitens des Herrn von Sigsfeld von München aus und seitens der Militär- Luftschiffer- Abtheilung von Berlin aus wissenschaftliche Freifahrten stattfanden,

und es erwünscht

war, möglichst viel vergleichende Beobachtungen während der Zeit zwischen

Meteorologische Beobachtungen im Fesselballon. 7 Uhr Morgens und 3 Uhr Nachmittags zu erhalten .

Das freundliche Ent

der betheiligten Herren gestattete an diesem achtungen während sechs Fahrten zwischen 12 und 3 Uhr zu Höhe Zeit Zeit Höhe Temperat. unten unten 12 h 15 2 h 45 19,0 ° C. 200 Meter 12 , 20 220 Meter 16.7 „ 180 unten 19.0 17 19 100 19 1h 0 unten 19,5 99 50 99 1 99 6 190 Meter 173 " unten 17,0 19 1 , 7 210 19 1 29 8 180 17,1 19 99 unten 2h 55 1 "" 9 150 17.0 19 "" 200 Meter 168 "" 1 29 10 110 19 150 99 17,3 19 1 29 11 100 "9 130 "9 1 12 12 70 17,4 13 "" 80 19 18.0 19 30 1 19 13 "" unten unten 18.3 n 1 19 17 Von 1h 9 an feiner Regen. 3h 10 unten

gegenkommen

155

Tage,

Beob

halten . Temperat. 19.2 ° C. 17,0 19 17.2 12 17,5 29 17,8 19 17.6 19 19,6 17,2 17,5 18.0 18.0 19,2

19 19 29 39 37 17

19,2 29 18,5 99 Meter 140 2 h 18 unten 19.7 ° C. 17,8 19 160 99 2 , 21 190 Meter 18,0 "9 180 17,2 99 99 17.6 "" 2 19 22 193 39 3 h 15 17,0 190 " 99 17,3 99 2 ,, 23 195 "" 199 17.0 99 19 2 17 24 200 17,0 "2 "" 17,4 19 80 19 17.0 „ 2 ,, 26 210 "" 17.8 40 39 39 17.0 29 2 , 28 150 "" 19,4 " unten 3 h 25 17,1 2 , 30. 115 39 "" gleich darauf Regen . 17.7 39 2 ,, 31 40 99 19.7 99 unten 2 , 35 B. Versuche am 21. u . 25. Juni , Himmel zu 14 mit Wolken bedeckt. 21. Juni, Abends 25. Juni, Nachmittags und Abends Höhe Temperat. Zeit Höhe Temperat. Zeit unten 24,50 C. 5 h 4 unten 8 h 52 18,6 ° C. 5 , 5 220 Meter 22.9 99 220 Meter 19.5 17 5 19 6 240 22,3 12 150 19.2 99 97 99 5 99 8 220 22,4 97 99 19,0 93 100 95 22.7 12 5 ‫ ور‬9 200 unten 17.8 19 17 22.6 19 5,9 180 99 22,7 99 5 99 10 130 " 17.5 99 unten 9 h 15 5 37 11 110 22,9 99 150 Meter 18,0 "7 11 18,1 " 23,3 19 29 150 5 , 11½½ 85 99 65 5 19 12 23,4 19 18.0 19 150 " " 50 1 23,6 5 29 39 2 150 18,0 39 19 ½ 27 25 24,1 19 19 17,5 19 5 , 13 60 39 5 12 14 unten 24,8 19 50 17,4 27 17 25 17,5 19 19 unten 20,5 "" 8h 15 185 " unten 50 Meter 20,2 ‫ور‬ 100 20,0 99 " 150 20,0 " 99 Eine aufmerksame Durchsicht der obigen Zahlen zeigt , dass das vor

Meteorologische Beobachtungen im Fesselballon.

156 dem 25. Juni um

angewandte Thermometer nicht genügend empfindlich war,

in der kurzen

Zeit

des Aufstiegs den Aenderungen der Temperatur

rasch genug folgen zu können .

Seine Angaben waren im Allgemeinen auf

der Niederfahrt niedriger, als auf gleichen Höhen während der Auffahrt , ja es wurde öfters die niedrigste Temperatur offenbar aus diesem Grunde erst erreicht, wenn der Ballon schon erheblich an Höhe verloren hatte . Durch Anwendung eines Thermometers mit kleinerer Kugel wird sich dieser Uebelstand einschränken lassen . Stellen wir die Unterschiede zwischen der Temperatur am Erdboden und am obersten erreichten Punkte nach den Tagesstunden zusammen , so erhalten wir folgende Uebersicht : Stunde 12

11 3,4

1 2,3

2 2,5

3

4

2,7

1,5

2,4

2,3

5 2,4

2,2

6

7

8

10

9 0,5

1,2

2,0

1,8

-1,3

0,5

1,2

0,5

-0,6

Es ergaben also 6 Fahrten zwischen 11 und 3 Uhr im Mittel oben eine um 2,6 ° C. niedrigere Temperatur, als unten ; bei 6 Fahrten zwischen 3 und 6 Uhr war diese mittlere Differenz 1,7 ° C. und bei 6 Fahrten zwischen 8 und 10 Uhr Abends endlich nur 0,3 ° C .; unter letzteren waren 2 , übrigens am selben Abend, am 21. Juni , unmittelbar hintereinander unternommene , wo es oben wärmer war, als am Erdboden ein Verhalten, welches am Abend schon oft beobachtet, aber immerhin stets besonders interessant ist . Diese verschiedene Vertheilung der Lufttemperatur nach der Höhe , äussert eine sehr bedeutende Wirkung auf die Bewegungen der Atmosphäre. Ein Kubikmeter warme Luft ist leichter,

als

ein Kubikmeter kalte Luft.

Ist daher die Luft am Erdboden bedeutend wärmer, als oben, so findet ein fortwährender Luftaustausch zwischen den Schichten statt, die untere Luft steigt streckenweise auf und wird durch herabsteigende Luft aus der Höhe ersetzt.

Ist dagegen die Temperatur durchweg gleich oder gar oben höher ,

als unten, so findet keine solche Mischung statt. Dann ist die unterste Luftschicht ungestört dem Einfluss des Erdbodens überlassen , welcher sie einerseits mit Verunreinigungen und Krankheitskeimen sättigt — davon rührt die Gefährlichkeit der Nachtluft

andererseits durch Reibung resp . Stoss

ihre Geschwindigkeit sehr beschränkt. Am Tage dagegen liefert , namentlich bei Sonnenschein, der fortwährende Luftwechsel immer neue rascher bewegte Luftmassen zum Erdboden hinab, Auffrischen

und eine Folge davon ist das bekannte

der Winde am Vormittag und Einschlafen derselben gegen

Sonnenuntergang, wie es auf den Festländern der ganzen Welt, namentlich aber bei heiterem Wetter und starker täglicher Temperaturschwankung sich zeigt .

Auf den Ozeanen fehlt diese Erscheinung .

Dieselbe zeigt aber ihre

Wirkungen recht augenfällig auch beim hiesigen Fesselballon . Abend ist derselbe

häufig in der Höhe

Am späten

von 150 bis 200 Metern , während

Meteorologische Beobachtungen im Fesselballon .

157

unten fast Windstille herrscht, einem heftigen Pendeln und Schwanken aus gesetzt, welches, vom Erdboden gesehen , sich ganz gefährlich ausnimmt, wenn es auch freilich weder wirkliche Gefahr bietet, noch auch den Insassen der Gondel recht bemerklich wird . Demgegenüber ist dann das eigentlich Schwierige , das Landen , auffallend ruhiger als am Tage, wo das oft wieder holte Hineingreifen von rasch bewegten Luftmassen aus der Höhe in der untersten Schicht Wirbel und Stösse erzeugt, die nach Richtung und Stärke unberechenbar sind . Nur wenn sie im Zusammenhang mit gewitterartigen Erscheinungen stehen , die von weiter hergewandert kommen, verspürte man solche Stösse und Wirbel manchmal bis nach 8 Uhr Abends.

Diese

Verhältnisse

machen

es sehr

wünschenswerth ,

tägliche gute

Beobachtungen der Temperatur und Windgeschwindigkeit von oben und unten für zwei möglichst entgegengesetzte Tageszeiten vergleichen zu können, nämlich so nahe dem Mittag , wie möglich , und spät am Abend . Leider beginnt der Zuspruch von Passagieren für den Ballon gewöhnlich erst so spät am Nachmittag, dass der Beginn der Fahrten aus geschäftlichen Rück sichten bis gegen 3 Uhr aufgeschoben wird . Immerhin sind auch dann recht lehrreiche Ergebnisse zu gewinnen, wenn die Beobachtungen konsequent und sorgfältig durchgeführt werden . Nachschrift. Zur Bestätigung des oben Gesagten füge ich noch die Beobachtungen eines späteren Tages hinzu, welche, weil ein längeres Kabel Verwendung fand und der Aufenthalt in der Höhe länger als gewöhnlich , nämlich 14 Stunde, dauerte, besonderes Interesse beanspruchen. Am 2. Juli , Nachmittags um 43

Uhr wurde bei bewölktem Himmel

am Erdboden vor dem Aufstieg 16,5 ° C. abgelesen, hierauf in 400 m Höhe 13,0 , in 350 m 13,2, in 300 m 13,7 , in 250 m 14,0, in 200 m 14,5 , in 150 m 14,8 , in 100 m 15,0 und in 50 m Höhe 15,5 ° C. Am Abend desselben Tages war bei fast wolkenlosem Himmel um 9 Uhr 50 Min . die Lufttemperatur unten vor dem Aufstieg 13,4º C. , sodann in 250 m Höhe 13,1 , von da bis 280 m und wieder bis 250 m hinunter konstant 13,0 , in 220 m 13,1 , in 200 m 13,2 , in 150 m 13,3 , in 110 m . 13,5 , in 80 m und 40 m Höhe 13,4 und am Erdboden, um 10 Uhr 6 Min . , 13,2 ° C.

Die

wärmste Schicht fand sich

also bei

110 m, doch auch in

280 m Höhe war die Temperatur nur etwa 0,3 ° C. niedriger als am Boden . Auf dieser Nachtfahrt wurde auch die interessante Erscheinung des ,Ballongespenstes " beobachtet, nämlich des Schattens des Ballons, welcher scheinbar riesengross in der dunstigen Luft erschien, wenn der Strahl des grossen Я Torpedosuchers

der Ausstellung auf den Ballon gerichtet war.

Fiel die Mitte desselben auf den Appendix oder die Gondel selbst , so erschien der Schatten dieser Theile von nordlichtartigen Strahlenbüscheln umgeben am Himmel ― eine prächtige Erscheinung, welche auch vom Erdboden z . B. von Wiezel's Hotel,

wahrgenommen werden konnte .

Diesem Licht

strahl, welcher dem Ballon während seiner Fahrt folgte, verdankt man auch

Das Wesen der Materie und des Naturerkennens.

158

die volle Schärfe,

mit welcher die Ablesungen des Thermometers und des

Aneroids vorgenommen werden konnten , da ja andere künstliche Beleuchtung im Ballon ausgeschlossen ist.

Das Wesen der Materie und des Naturerkennens. Von Rudolf Mewes. Die wichtigsten Zweige der exakten Naturforschung, die Physik und und Chemie, handeln von den Erscheinungen der Materie, sie lehren die mannigfaltigen Wirkungen

derselben kennen ;

ihr Gegenstand ist also der

Inbegriff aller wirkenden Materie oder, wie man treffend im Deutschen sagt , die Wirklichkeit . Die allgemeinsten Grundgesetze der Physik und Chemie müssen demnach mit dem Wesen der Materie nicht nur im Einklange stehen, sondern sich sogar daraus ableiten lassen .

Betrachten wir zunächst mit

und nach Schopenhauer die Materie etwas näher. Das ganze Wesen der Materie

besteht in ihrem Wirken ;

an ihren Wirkungen vermögen wir sie zu erkennen.

denn

nur

Nur als wirkend füllt

sie den Raum, füllt sie die Zeit, so dass kein anderes Sein derselben auch nur zu denken möglich ist.

Jede Wirkung hat jedoch eine Ursache zur

Voraussetzung und jede Ursache ist

selbst wiederum

anderen ; denn

und Ursache

sind

die Begriffe Wirkung

die Wirkung einer

wie Grund

und Folge

einander korrelat und in anfang- und endloser Kette unzertrennbar

fortlaufend.

Demnach ist Ursache und Wirkung in ewig auf- und nieder

steigendem Wechsel, d. h. Kausalität, Sein ist eben ihr Wirken.

das ganze Wesen der Materie ;

ihr

Das, worauf sie wirkt , ist allemal wieder Materie ;

ihr ganzes Sein und Wesen besteht also in der gesetzmässigen Veränderung, die ein Theil derselben im andern hervorbringt . Die Materie ist also ebenso wie Raum und Zeit gänzlich relativ, da sie nur mit Rücksicht auf andere Materie, auf die sie wirkt, existirt. Die Materie an sich, also ohne Beziehung auf ihre Wirkung, vermögen wir ebenso wenig wie Raum und Zeit an sich zu begreifen.

Unser Auffassungs

und Denkvermögen beruht lediglich auf der Summation und Differentiation gewisser Anschauungs- und Erkenntnisselemente, und darum können wir auch nur Differenzzustände wahrnehmen, also nicht die Materie an sich, sondern blos die Beziehungen der materiellen Theile unter sich, d. h. deren Zustandsänderungen .

Nun können aber Veränderungen nur im Raum und

in der Zeit stattfinden ; folglich setzt die Materie, deren Dasein ja auf Ver änderungen beruht, den Raum und die Zeit voraus. Weil die Materie jedoch im Wirken und damit in der Kausalität ihr Wesen hat, so setzt sie Raum und Zeit, nicht blos jedes für sich, sondern beide im Verein , voraus ; denn es würde bei allem Nebeneinander im Raum und allem Wechsel in der Zeit,

so lange jede dieser beiden Formen für sich und

sammenhang

mit der anderen Bestand

und Lauf hätte,

ohne Zu

keine Kausalität

Das Wesen der Materie und des Naturerkennens.

geben.

159

Im blossen Raum würden nämlich alle Erscheinungen und Zustände

unbeengt

nebeneinander liegen ,

während sie

in der unendlichen Zeit un

behindert auf einander folgen würden, so dass in beiden Fällen eine noth wendige Beziehung oder Regel, einmal möglich gesetzes

sein

beruht also

würde.

welcher sie folgen, Der Kern

nicht im

d . h . Kausalität , nicht

und die Bedeutung

blossen Wechsel

der

des Kausal

Zustände

an sich ,

sondern vielmehr darin , dass an demselben Orte im Raume jetzt ein Zustand ist und darauf ein anderer, und zu einer und derselben bestimmten Zeit hier dieser Zustand und dort jener ist.

Da demnach der nach dem Kausal

gesetze eintretende Wechsel jedesmal einen bestimmten Theil des Raumes und einen bestimmten Theil der Zeit zugleich und im Verein betrifft, also eine gegenseitige Beschränkung der Zeit und des Raumes durch einander bedingt, so vereinigt die Kausalität den Raum mit der Zeit. besteht aber im Wirken,

also in der Kausalität,

Nun

das ganze Wesen der

Materie ; folglich müssen auch in dieser Raum und Zeit vereinigt sein , also die Eigenschaften der Zeit und des Raumes trotz ihres Widerstreits in ihr sich zugleich offenbaren . Die Materie verknüpft, sagt daher Schopen hauer, ihr Wesen kurz charakterisirend, die bestandlose Flucht der Zeit mit dem starren unveränderlichen Beharren des Raumes , die unbeschränkte Theilbarkeit hat sie von beiden. Da nun die blosse Zeit kein Neben einander, der blosse Raum aber kein Vor, Nach oder Jetzt kennt, so wird folglich erst durch die wechselseitige Beschränkung von Zeit und Raum in der Materie das Zugleichsein vieler Zustände und damit auch überhaupt erst die Dauer möglich, welche ja nur an dem Wechsel des mit dem Dauernden zugleich Vorhandenen erkennbar ist . Weil natürlich demgemäss auch der Wechsel nur mittelst des Dauernden erkannt wird, so empfängt derselbe lediglich erst durch das in ihm Dauernde das Gepräge der Ver änderung, d . h. dasjenige des Wandels der Qualität und Form beim Beharren der Quantität und Substanz,

erhält also erst dadurch den Charakter der

Materie. , Im

blossen Raum " ,

fährt Schopenhauer das Vorstehende rekapitu

lirend fort, " wäre die Welt starr und unbeweglich, also kein Nacheinander, keine Veränderung, kein Wirken ; eben mit dem Wirken ist aber auch die Vorstellung der Materie aufgehoben. In der blossen Zeit wäre alles flüchtig, kein Beharren , kein Nebeneinander und daher kein Zugleich, folglich keine Dauer, also auch wieder keine Materie . Zeit und Raum erwächst die Materie,

Erst durch die Vereinigung von

d . h. die Möglichkeit des Zugleich

seins und dadurch der Dauer, durch diese wieder des Beharrens der Substanz bei der Veränderung der Zustände.

Im Verein von Zeit und Raum ihr

Wesen habend, trägt die Materie durchweg das Gepräge von beiden . der im

Vorstehenden

gegebenen

Ableitung

der

Auf

Grundbestimmungen der

Materie aus den uns a priori bewussten Formen unserer Erkenntniss , aus Raum , Zeit und Kausalität, beruht nun, dass wir ihr gewisse Eigenschaften

Das Wesen der Materie und des Naturerkennens .

160

a priori zuerkennen, nämlich Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, unendliche Theilbarkeit, Beharrlichkeit oder Unzerstörbarkeit und endlich Beweglichkeit oder Wirksamkeit.

Dies sind die einzigen der Materie wirklich immanenten die Grundelemente für wahre , umfassende Grundgesetze der Naturerscheinungen liefern ; dies sind die charakteristischen

Eigenschaften ,

welche allein

Grundeigenschaften ,

aus welchen

sich sämmtliche Wirkungen der Materie

nach denselben für alle Natur massgebenden mechanischen Prinzipien her leiten lassen . Diese Art der Erkenntniss der Wirklichkeit ist erst Naturerkennen - 9 genauer gesagt naturwissenschnftliches Erkennen oder Erkennen der Körper welt mit Hülfe und im Sinne der theoretischen Naturwissenschaft . Darnach ist Naturerkennnen nichts anderes, als Zurückführung der Veränderungen in der Körperwelt auf die

aller Materie a priori zukommenden Grundeigen

schaften. Nun bezieht sich, wie im ersten Theile dieser Ausführungen dargelegt ist, die Gesetzmässigkeit dieser Veränderungen immer auf Raum und Zeit zugleich und hat eben nur dadurch Bedeutung . Wirken

der

Materie

Daraus folgt,

dem Kausalgesetze gehorcht ,

unzerstörbar und nur qualitativ wandelbar sind ;

dass das

also die Naturkräfte

alle Naturkräfte müssen

also dem Krafterhaltungsgesetze als ihrem obersten Gesetze gehorchen . Hieraus folgt ferner ohne weiteres, dass das Wirken der Materie zugleich in funktioneller Beziehung zu der räumlichen und zeitlichen Bethätigungsmöglichkeit stehen muss , dass also die Gesetze der Natur erscheinungen nicht blosse Raum-

oder blosse

Zeitgesetze

sein können ,

sondern als Bewegungsgesetze gleichzeitig auf beide Bezug haben. Das Wesen der Naturgesetze beruht also in der Raum- Zeitlichkeit , da das Wirken der Materie von der wechselseitigen Beschränkung des Raumes durch die Zeit abhängt.

Gerade auf diese a priori feststehende Wahrheit

hat man bei der Formulirung der

allgemeinen Grundgesetze der Natur

erscheinungen, wenn man von dem elektrodynamischen Grundgesetze Webers absieht, bisher überhaupt keine Rücksicht genommen, sondern die fraglichen Grundgesetze nur im Hinblick auf die räumliche Wirkungsweise der Natur kräfte formulirt ,

weil eben die zeitliche Bethätigungsmöglichkeit bei den

bisher behandelten Vorgängen stets dieselbe, ihrer Grösse nach unmerklich ist .

also ohne Einfluss,

und auch

Und doch beruht die ganze Wirklichkeit allein auf der Vereinigung von Raum und Zeit.

Nimmt man,

wie dies bisher geschehen ist ,

in ein

seitiger Weise nur auf die räumliche Bethätigungsweise der Naturkräfte bei der Aufstellung ihrer Wirkungsgesetze Bezug, so geräth man daher in Widerspruch mit den Thatsachen , wie dies beim Newtonschen Potential sich leicht nachweisen lässt. Es ist daher nicht ganz zutreffend , das Natur erkennen, wie du Bois-Reymond es thut, als ein Zurückführen der Ver änderungen in der Körperwelt auf Bewegungen von Atomen anzusehen, die durch deren von der Zeit unabhängige Zentralkräfte bewirkt werden .

Denn

Das Wesen der Materie und des Naturerkennens.

161

abgesehen davon , dass diese Zentralkräfte ihrem inneren Wesen nach trans cendent und selbst erst aus der Mechanik der Atome herzuleiten sind, können dieselben als Wirkung der Atombewegung von der Zeit nicht unabhängig sein, wenn auch bei einzelnen die zeitliche Bethätigungsmöglichkeit nicht kontrolirbar ist, weil wir dieselbe bei diesen mit unseren Mitteln nicht abzuändern vermögen .

Anstatt das Grundgesetz Webers auf rein theoreti

schem Wege zu bestreiten und zu bekämpfen , hätten daher die tonangeben den Physiker der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts da

es mit der Erfahrung im Einklange steht,

Materie

eingehender prüfen

Umstand nicht allgemeinere

entgangen ,

ist und

sollen .

dasselbe vielmehr,

auf Grund des Wesens der

Sicherlich wäre

denselben

dann der

dass die Formulirung Webers nicht nur die

als solche das

räumliche Kraftbethätigungsgesetz in

sich einschliesst, sondern mit Nothwendigkeit als das prinzipiell allein richtige aus der Raumzeitlichkeit des materiellen Wirkens folgt. Wie schwer sich übrigens die neueren Physiker zu dem Gedanken entschliessen und auf raffen können, dass die Kraft , ebenso wie zum Raum, so auch zur Zeit in funktioneller Beziehung steht,

dass,

um Dührings Bild

für die räumliche

Wirksamkeit auf die zeitliche zu übertragen, die Zeit wie der Raum eine Maschine ist, welche die Bethätigung der Naturkräfte regelt, kann man daraus ersehen , dass man sich nur schwer von der Newton'schen Vor stellung der allein räumlichen Wirkungsart der Kräfte hat emancipiren können und anfangs nur vereinzelt leise Zweifel an der allgemeinen Gültigkeit derselben laut wurden . Indem ich auf Webers Grundgesetz als den wichtigsten Schritt in dieser Hinsicht hinweise und die daran anknüpfenden Gedankenwendungen Herrn Professor Zöllners und Dr. Isenkrahe's übergehe, will ich nur noch bemerken, dass selbst Herr Dr. Dühring in seinem so hochbedeutenden und an fruchtbaren und weittragenden Grundgesetzen so reichen Werke

" Neue Grundgesetze der Physik und Chemie

die

Rolle ,

welche die Zeit in der Bethätigung der Naturkräfte spielt , nur nebenbei streift und deren sicherlich

prinzipielle Tragweite nicht erkannt

aber nicht in

verdienter Weise

zu

gewürdigt hat .

haben scheint , Bei dieser Ge

legenheit bemerkt übrigens Herr Dühring vollkommen richtig ,

dass

eine

Veränderung der zeitlichen Bethätigungsmöglichkeit einer Naturkraft nicht durch diese selbst, sondern nur durch eine Geschwindigkeit bedingt werden. kann, welche das Bewegliche (das Objekt) schon anderweitig haben mag. Im Anschluss hieran beschränkt sich nun Dühring auf die kurze Bemerkung, dass , da jede Kraftentwicklung Zeit gebraucht , beim Durchlaufen des Raumes mit einer sehr grossen , ein gewisses Mass überschreitenden Ge schwindigkeit die summirte Stellenwirkung erheblich abgeändert wird . Die Wechselbeziehung zwischen dieser zeitlichen Bethätigungsform und der räum lichen beide sind nämlich einander der Form nach gleich , aber sich stets wechselseitig verkleinernd oder ersetzend -- wird nicht mit dem gehörigen Nachdruck hervorgehoben . VIII.

Für

diese letztere Ansicht scheint 11

Das Wesen der Materie und des Naturerkennens.

162

der scheinbar absichtslose Hinweis zu sprechen, dass es in der Natur Kräfte geben könne , wiegende sei ,

bei

denen

die

zeitliche Bethätigungsmöglichkeit

die über

während die räumliche dagegen fast vollständig zurücktrete.

Doch der Sachverhalt mag nun sein, wie er will , jedenfalls folgt aus den obigen Deduktionen mit unzweifelhafter Sicherheit,

dass die Grundgesetze

der Natur als Bewegungsgesetze räumlich- zeitlicher Natur sein müssen . Da man nun entsprechend der unbeschränkten Theilbarkeit der Materie in den Erklärungsversuchen

der

Naturphänomene

bis

auf die

Bewegung

der

materiellen Elementartheile , der sogenannten Atome, geführt wird und aus deren Bewegung die wirklich beobachteten Vorgänge mit mehr oder weniger Erfolg nach den mechanischen Grundprinzipien herleitet, so kann man nun mehr sagen, dass das Wesen des Naturerkennens darin besteht , die Ver änderungen in der Körperwelt nach den allgemein gültigen mechanischen Prinzipien auf die konstante Summe der räumlich - zeitlich sich bethätigen den Bewegung einer konstanten Menge von zurückzuführen .

materiellen Elementartheilen

Mehr zu wollen, heisst das Wesen und die Grenzen unseres Natur erkennens, ja unseres Erkenntnissvermögens überhaupt, verkennen und An sprüche erheben , welche niemals befriedigt werden können.

Was Materie,

Kraft und Bewegung an sich ist , vermögen wir ebensowenig zu begreifen , als

was Leben , Bewusstsein und vernünftiges Denken an sich d. h . ohne

Rücksicht auf die Wirklichkeit ist , weil unsere Sinneswerkzeuge nur Differenz zustände oder Veränderungen der materiellen Welt aufzunehmen vermögen . Ohne Wirken d . h . ohne materielle Bewegung ist weder die Materie selbst noch auch das Leben ,

Empfinden und Denken

überhaupt möglich ; denn

Mensch und Welt sind gleichsam zwei einander wechselsweise bedingende und bestimmende Kräfte .

Ich verzichte daher, die auf innerem Widerspruch

beruhenden Erklärungsversuche der Wirklichkeit mittelst der sogenannten philosophischen Atome , Substrats noch näher

also mittelst eines undenkbaren ,

derartigen Naturerkennens ist Reymond in dem

eigenschaftslosen

zu besprechen ; die Hohlheit und Nichtigkeit eines ja bereits

interessanten Vortrage

von Herrn

Professor du Bois

" Ueber die Grenzen des Natur

erkennens gebührend gekennzeichnet worden. Zum Schlusse möchte ich nun noch darauf hinweisen , dass das aus vorstehender Darlegung folgende, räumlich- zeitliche Kraftbethätigungsgesetz in

derselben

Weise ,

Wirkungen geschehen

wie ist,

dies auch

von für

Weber für alle

übrigen

die

elektrodynamischen

Naturkräfte in einem

späteren Aufsatze formulirt und an besonders wichtigen Spezialfällen ein gehend erläutert werden soll .

163

Betrachtungen über Gummilösungsmittel,

Betrachtungen über Gummilösungsmittel . (Fortsetzung.) Weitere Bemerkungen über Coagulation oder Gerinnung der Gummimilch. - Ammoniak ist, wie wir im vorigen Artikel auseinander setzten,

eines

der besten und

Gummisaftes in Lösung verhindern. gungen,

zu

geeignetsten

Doch vermag Ammoniak

zu denen

Mittel,

um den Gummi des

halten und seine Gerinnung längere Zeit zu

vor Allem

unter gewissen ungünstigen Bedin

eine hohe Lufttemperatur gehört, nur die

Trennung oder Coagulation der Gummimilch zu verzögern und selbst dies leider auch nur auf kurze Zeit . zugesetzten Flüssigkeit

Wenn hingegen der Ammoniakgehalt der

sehr gering,

und die Milch verhältnissmässig reich

an Albuminstoffen ist, so tritt eine Spaltung sehr leicht ein und die Zer setzung schreitet so schnell fort, dass der Gummi dem Verderben anheim fällt, ehe dagegen Massregeln ergriffen werden können . Andererseits ergab sich, dass, wenn ein beträchtlicher Ueberschuss an starker Ammoniak flüssigkeit zugesetzt wurde, um die Milch vor Zersetzung oder Coagulation zu bewahren , dieselbe auch dann, wenn sie stark geschüttelt oder raschen Temperaturänderungen ausgesetzt wird, doch lange Zeit intakt blieb, aber der daraus mittels Säure abgeschiedene Gummi nicht genügend ausfiel.

Seine Elastizität und Dehnbarkeit war mehr oder weniger herab

gesetzt und eine gewisse unliebsame

Auflockerung

der

Struktur

beobachtet, welche seinen Marktwerth empfindlich beeinträchtigte. Andere salzhaltige Lösungsmittel . -――― Salzlösungen ,

unseren Zwecken entsprechen ,

wurde

welche

scheinen wenig bekannt und noch weniger

praktisch erprobt worden zu sein . Phosphorsaures Natron , sowohl das drei basische Salz , als auch das pyrophosphorsaure Natron , üben einige Wirkung als Lösungsmittel aus, doch fehlt es zur Zeit noch an eingehenden Ver suchen. Cyanalkalien halten Gummimilch sehr gut in Emulsion , doch sind sie bei Anwendung im Grossen einerseits zu theuer,

andererseits ihrer

giftigen Eigenschaften wegen zu gefährlich . Die borsauren Salze, besonders doppeltborsaures Natron oder Borax können ebenfalls verwendet werden , um Gummimilch vor dem Gerinnen zu bewahren ; auch spricht ihr anti septischer Einfluss

zu ihren Gunsten . Doch zeigt mit Boraten versetzte Gummimilch, wenn der Zusatz nicht in sehr verdünntem Zustande geschah, einen sehr beachtenswerthen Nachtheil. Borsäure besitzt nämlich die Eigen schaft, bei Zusatz von Salz- oder anderen Säuren aus ihren Lösungen in

schuppigen Krystallen auszufallen, welche von dem gerinnenden Gummi ein gehüllt werden und mit der Zeit schädlich wirken können. Dieser wunde Punkt kann, wie schon angedeutet, durch geeignete Verdünnung vor der Fällung ausgeglichen werden . — Salicylsaures Natron erhält auf Grund seiner fäulnisswidrig wirkenden Eigenschaften Gummimilch einige Zeit un verändert. In der That ist ein Zusatz dieses Salzes oder Salicylsäure selbst 11*

164

Betrachtungen über Gummilösungsmittel .

zur Milch von Vortheil, besonders wenn nur geringe Mengen von Ammoniak vorher hinzugefügt worden sind . Weder Zersetzung noch Fäulniss tritt unter diesen Umständen ein und die Gummiemulsion hält sich in der möglichst besten Beschaffenheit für die nachfolgende Fällung. haben Versuche ergeben,

dass die

Endlich

antiseptisch wirkenden Naphthole eben

falls sich gut zur Konservirung von Gummimilch eignen ; einer der besten Stoffe in dieser Hinsicht ist das sogenannte Hydronaphthol, welches schon in sehr geringen Mengen , z. B. pro 1 Liter Flüssigkeit 0,3 gr Hydronaphthol zugesetzt, nebst einem Minimum von Ammoniak die Milch längere Zeit vollständig frisch erhält . Weitere Fällungsmittel ausser Salzsäure . ――― Obgleich Salz säure bei Weitem die beste von allen Mineralsäuren zur Fällung oder Ge rinnung von Gummimilch ist ,

so giebt

es doch auch organische Säuren ,

welche die gewünschte Wirkung ebensogut oder selbst noch besser erfüllen und

die

hierzu

zweckdienlicher

sind,

da sie den abgeschiedenen Gummi

nicht angreifen und leichter transportirt werden können, als die flüssigen Mineralsäuren . Unter den organischen Säuren verdienen Weinsäure und Citronensäure Beachtung, besonders die Letztere, da sie und ihre Salze sehr leicht anwendbar sind . Citronensäure kann in heissen Gegenden in Form von Citronen- oder Limonensaft schnell beschafft und somit die heikle Frage hinsichtlich

des Transportes nach unbewohnten Gummigewinnungs

stellen leichter gelöst werden. Auch Oxalsäure, die in Früchten und anderen Theilen vieler Pflanzen reichlich vorkommt, kann für diesen Zweck zur Verwendung gelangen ; ihre Wirkung ist kräftiger wie die aller andern organischen Säuren,

trotzdem schädigt sie den Gummi nicht,

sondern übt

hingegen ihrer reduzirenden und desoxydirenden Eigenschaften wegen einen Ueberdies ist die Anwendung von günstigen Einfluss auf denselben aus . Oxalsäure in Form

von Krystallen oder trocknem Pulver beim praktischen

Gebrauch bequemer, als Salzsäure oder gewöhnlicher Alaun. -

Das saure

oxalsaure Kali , gewöhnlich Sauerkleesalz genannt, würde wohl das passendste Coagulationsmittel sein, da es zudem billiger als crystallisirte Oxalsäure ist. — Flüchtige organische Säuren. ――― Ameisensäure kann als ideales " Fällungsmittel für Gummimilch gelten, insofern als sie sehr kräftig wirkt , leicht anzuwenden und leichter flüchtig als Salzsäure

ist .

Selbst wenn

Spuren derselben vom Gummi zurückgehalten werden , so wirken dieselben infolge ihrer mächtig reduzirenden Eigenschaften eher günstig als schädlich . Ein Hinderniss für Anwendung der Ameisensäure im Grossen bildet noch ihr hoher Preis, doch kann sie, bei grösserem Bedarf jedenfalls billiger her gestellt werden . --- Es scheint, dass auch verdünnte Essigsäure ein brauch bares Fällungsmittel für Gummimilch abgiebt ; auch sie schädigt den aus geschiedenen Gummi nicht, wenn nicht alle Antheile durch Auswaschen entfernt worden sind ; sie ist gänzlich an der Luft flüchtig und verursacht bei weiterer Verarbeitung des Rohgummi's keine Klebrigkeit desselben . -

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

165

Obgleich die Essigsäure nicht in so hohem Grade die vorzüglichen Eigen schaften der zuerst angeführten Ameisensäure besitzt ,

so kann

ganz gut für die Gummifällung angewendet werden, umsomehr, ihre Salze die gleiche Wirkung ausüben .

sie

doch

als auch

Wo immer jetzt Gummimilch im

Grossen auf technische rationelle Weise zur Gerinnung und Fällung gebracht wird , sei es nun unter Anwendung von Salzsäure, Bisulfaten, Alaun u . dergl . , so ist doch dringend anzurathen , die genannten Gerinnungsmittel bei Seite zu lassen und durch Essigsäure zu ersetzen , Dienste leistet ;

welche dieselben und bessere

wer einmal mit Essigsäure Gummi aus der Milch abge

schieden hat , kehrt gewiss nicht zu den jetzt noch gebräuchlichen Fällungs mitteln zurück . Pflanzliche Gerinnungsmittel (Withania ) . ---- Es giebt , wie bekannt, verschiedene Naturprodukte, hauptsächlich pflanzlichen Ursprungs , welche im Stande sind, gewöhnliche Kuhmilch zum Gerinnen zu bringen, in gleicher Weise wie dies Lab thut, ohne dass dieselben , soweit sich dies durch Prüfung mittels Reagenzpapier feststellen lässt, freie Säure enthalten . Eines der vorzüglichsten dieser Mittel ist der sogenannte indische

Pflanzen

lab " , welcher von der Withania coagulaus benannten Pflanze stammt und verschiedene Lokalnamen führt ; so z. B. heisst er in Bombay " Kaknaj “ , in ――― Die Frucht dieser Spinbajja " . oder bei den Afghanen Indien " Akri Pflanze besitzt die Gestalt einer kleinen Kirsche, deren Fleisch , wenn zu frischer Kuhmilch gebracht, dieselbe sogleich in ein festes Coagulum ver wandelt, welches sich in jeder Hinsicht vortrefflich zur Käsebereitung eignet. 0.3 bis 0,4 gr dieses Fruchtfleisches genügen, um 5 Liter Kuhmilch zum Gerinnen zu bringen , und Versuche haben ergeben, dass eine etwas grössere Menge davon ebenfalls Gummimilch zur Coagulation veranlasst, wenn dieselbe Da die Withania in den nicht zu sehr alkalisch oder ammoniakalisch ist. nordwestlichen Provinzen Indiens, in Afghanistan u. a. O.

wild wächst , so

die Möglichkeit vor , dieselbe oder Pflanzen ähnlicher Eigenschaften anderwärts anzubauen, besonders in der Nähe von Gummibaumkulturen. — Hierüber sollen nur wenige Physikalische Fällungsmittel . ―

liegt

Worte

gesagt

merksamkeit

werden ,

da

denselben

geschenkt worden ist .

bis

jetzt

noch

sehr

wenig

Auf

Zuerst gehört hierher der elektrische

Strom, der sich sehr gut zur Coagulirung von Gummimilch eignet . Der einfachste Weg seiner Anwendung besteht in dem Durchleiten eines mässig starken Stromes in die gut durchzurührende Gummimilch, welcher durch eine Daniell'sche oder andere Batterie erzeugt und durch eine Reihe Metall ―――― Starke Bewegung elektroden von grosser Oberfläche eingeführt wird. allein , selbst wenn lange Zeit fortgesetzt, bringt Gummimilch nicht völlig zur Gerinnung ; doch leistet hier eine einfache Maschine, z. B. eine Centri Auf diese Weise dargestellter Dienste . fuge oder ein Seperator gute Dienste. Gummi ist meist von besserer Beschaffenheit , als auf andere Art ab geschiedener ,

und da man hier nicht nöthig hat ,

fremde

Stoffe

zuzu

166

Die aëronautische Spezial-Ausstellung in Köln.

fügen,

so fällt das lästige und zeitraubende Auswaschen oder Verdunsten hinweg . Verschiedene Lösungsarten des Kautschuks . - Hat man nun

auf eine oder andere Weise, den Gummi aus der Milch als feste Masse aus geschieden , so gilt es, das beste Lösungsmittel für denselben zu wählen , um eine wirkliche Lösung zu erhalten, welche im Stande ist, zum Wasserdicht machen und den verschiedenen anderen Verwendungen in unserer Industrie zu dienen.

Welche Art von Flüssigkeit auch angewendet oder in Betracht

gezogen werden möge, so kann man doch zunächst folgende verschiedene Arten unterscheiden, um Kautschuk gänzlich oder theilweise in Lösung zu bringen : 1. Behandlung mit kalten Flüssigkeiten ; 2. Behandlung mit heissen Flüssigkeiten : 3. Lösen in kochenden Flüssigkeiten bei gewöhnlichem oder höherem Druck ; 4. Benutzung von zwei oder mehreren Flüssigkeiten unter obigen Bedingungen ; 5. Behandlung von Gummi oder seiner beabsichtigten Lösungsmittel mit anderen Stoffen, z. B. flüchtigen Oelen, mit der Absicht ihre Löslichkeit zu vermehren ; 6. Wiederholte Destillation . Gehen wir nun

zunächst

zur Betrachtung

des Einflusses über,

Wasser und wässrige Lösungen auf Gummi ausüben .

den

(Fortsetzung folgt.)

Die aëronautische Spezial -Ausstellung in Köln . Im November vorigen Jahres versandte

"7 der Vorstand der Inter

nationalen Sport - Ausstellung Köln 1889 geplanten Unternehmung .

das Programm der von ihm

In demselben war als VII . Abtheilung der be

absichtigten Ausstellung eine , Aeronautische Spezial- Ausstellung

aufgeführt,

welche folgende Gegenstände enthalten sollte : 1. Zeichnungen , Modelle und Litteratur des Alterthums bis auf die Gegenwart ; 2. Projekte von Luftschiffen , Apparate etc.; 3. Ausgeführte physikalische Apparate und

Motore

für

die

Aëronautik ; 4. Materialien ; 5. Luftschiffe und Ballons für praktische Versuche . dass

Fast gleichzeitig mit diesem Programm erhielten wir die Nachricht, sich in Köln ein Verein unter dem Namen " Deutscher Ballon

Sport - Klub

gebildet und

dass

derselbe die

geschäftliche Leitung der

aëronautischen Abtheilung der Internationalen Sport- Ausstellung übernommen habe .

Der Vorstand dieses Vereins wurde gebildet aus den Herren : Baron

Die aëronantische Spezial-Ausstellung in Köln . von Fürstenberg,

Rittergutsbesitzer,

167

Ehrenpräsident ; M. G. A. Wolff, In

genieur und Aëronaut, geschäftsführender Vorsitzender ;

C. Vrancken, Hof

spediteur, geschäftsführender Vorsitzender in Vertretung ; Dr. Friedel , Rechts anwalt, Bibliothekar ; J. E. Hahn , Rittergutsbesitzer, Sekretär ; Palm,

Sekretär in Vertretung ; Emil Lingens,

Uhrmacher,

Ritter von

Schatzmeister ;

Leopold Küchen, Ingenieur und Fabrikbesitzer, Schatzmeister in Vertretung ; Brüggen jun. , Rentier, und C. Firmenich, Kaufmann, Materialienverwalter. Der Verein hatte ferner eine technische Kommission eingesetzt, bestehend aus den Ingenieuren : Robert Küchen, F. Blank und M. Hoffmann. In einem

Rundschreiben ,

Leopold Küchen,

M. G. A. Wolff,

welches der Vorstand des neuen Vereins

anfangs 1889 erliess, war folgende Mittheilung enthalten : „ Um möglichst die Aëronautik zu fördern, schreibt der unterzeichnete Klub einen Preis von 1000 Mark sowie die goldene Klub - Medaille aus für das beste vollständige Modell eines lenkbaren Luftschiffes . Das Modell darf unter 1 Meter Länge nicht in Begleitung sandt sein. "

hergestellt werden ,

einer vollständigen

Beschreibung bis

muss sauber verpackt 5. Mai d . J.

einge

Obwohl der Ballon- Sport-Klub, wie uns von ganz unparteiischer Seite mitgetheilt worden ist , eifrig bemüht gewesen , das Unternehmen in würdiger Weise durchzuführen , haben die von ihm erzielten Erfolge doch den ge Wie die Internationale Sport hegten Voraussetzungen nicht entsprochen . Ausstellung in Köln überhaupt hinter den Erwartungen zurückgeblieben , so ist auch im Besondern die Aëronautische Spezial- Ausstellung in Folge äusserst schwacher Betheiligung von Ausstellern und, wie es scheint, auch noch in Folge andrer Widerwärtigkeiten nicht Das geworden, was man beabsichtigt für das beste voll und gehofft hatte . Von der Ertheilung eines Preises ständige Modell eines lenkbaren Luftschiffes ist Alles ganz still geworden . Eine Erklärung hierfür dürfte wohl die Schilderung geben , welche das nach folgende, dem Redakteur dieser Zeitschrift mit der Ermächtigung zur Ver öffentlichung zugegangene Schreiben enthält : „Sehr geehrter Herr Doktor! Als ich im August auf meiner Reise Köln berührte, dachte ich an Sie und beeilte mich, sehr bald die hier eröffnete Sport-Ausstellung zu besuchen , um Ihnen

über

deren Spezial- Abtheilung , Aëronautik "

eingehend zu be

richten . Ich freute mich , offen gestanden, wieder einmal Gelegenheit zu finden , die alte reiche Hansestadt mit ihrem ehrwürdigen Dom von oben im Fesselballon in ihrer freundlichen Lage überschauen zu können , und trat zu diesem Zweck meine Fahrt nach dem Ausstellungsfelde beim Zoologischen Garten bereits so zeitig an, dass ich um 3 Uhr dort eintraf. Der Eindruck der Ausstellung im Allgemeinen mit ihren stilvollen hübschen Pavillons war ein sehr anheimelnder, um so mehr musste ich mich wundern , eine Menschen leere dort zu finden, die mir den Aufenthalt in dem grossen Terrain beinahe

168

Die aëronautische Spezial-Ausstellung in Köln .

unbehaglich machte .

schritt wohlgemuth an meine Aufgabe

Indess ich

Der Katalog wies 23 Nummern über Aëronautik auf; das ist zwar aber sollte unter dem Wenigen nicht etwas Brauchbares sein ? warum wenig, Lange musste ich suchen, bevor ich das Wenige in einer langen Halle heran.

untergebracht fand .

Mit dieser Entdeckung zugleich wurde meine freudige

Stimmung etwas entnüchtert . Das Streben des Ballon- Sport- Klubs, etwas zu leisten und zu schaffen, ist gewiss anerkennenswerth und verdient voll kommen allseitige Unterstützung ; ich möchte keinen Stein auf ihn werfen , aber bessere Arrangements für jene kleine Ausstellung hätte er sicherlich Dem weniger interessirten Besucher musste die sich dar treffen können . bietende aëronautische Abtheilung

einen sehr

traurigen Begriff von dem

Stande der Sache in Deutschland beibringen und das hat ohne Zweifel den vielen Fremden, die auf der Durchreise von der pariser Ausstellung Köln passiren, einen Massstab für unsere bezüglichen Leistungen gegeben. Aber was macht's ! Wir haben eigentlich nur den Wunsch, von unseren Lands leuten möglichst viele für unsere Arbeit zu gewinnen, und das dürfte in der Weise nicht erreicht werden. Ich nahm den Katalog

zur Hand und gedachte nun , der Reihe nach

die Sachen durchzusehen , aber siche da, Nummern standen garnicht an den Gegenständen und der grösste Theil von dem im Katalog Aufgeführten, welches sich auch ohne Nummer hätte erkennbar machen müssen, war nicht sichtbar.

Im Bewusstsein der mir selbst auferlegten Pflicht, Ihnen zu be

richten, gab ich mir Mühe, Herrn Wolff zu finden , leider aber vergebens. So

war ich schliesslich ganz auf meine eigene Führung angewiesen und

kann daher nur kurz angeben, gesehen habe.

was ich in jener Halle zusammengestapelt

Zunächst fielen mir zwei Ballonkörbe in die Augen, der eine ring förmig für einen Fesselballon, genau so wie Giffard ihn zuerst konstruirt hatte, der andere viereckig für einen Freiballon.

Dabei lagen die Ballon

hüllen mit allem Zubehör, an denen nichts Besonderes zu sehen war. hin standen ein Paar in zierlichen Formen

von Kitz in Köln

Weiter gefertigte

Ballonkörbe , die ich anfangs für Papierkörbe hielt , in welchen man die täglich einlaufenden dummen Erfindungen lenkbarer Luftschiffe vielleicht würde unterbringen können . Interessant war für mich erst der Gondelbrems - Auker ,

System

Max Wolff (No. 545 des Katalogs) , welcher aus einem nach der Korbform gebogenen viereckigen Stück Bandeisen mit einem Besatz von vielen Anker armen bestand. Ich weiss nicht, ob ich in unserem Vereine oder aus irgend einer Schrift von dieser Einrichtung schon einmal gehört hatte ; der Gedanke war mir nicht neu, nur die Art der Ausführung zu sehen, hat mich erfreut . Leider habe ich nicht erfahren

können, in welcher Weise

dies um den

unteren Rand des Korbes zu befestigende Instrument dort so angebracht werden soll, dass der Korb selbst nicht bei einer Schleiffahrt auseinander

169

Die aeronautische Spezial- Ausstellung in Köln . gerissen wird.

Machen lässt es sich auf alle Fälle ;

dass es aber zweck

mässig ist, hierfür ein so gewichtiges Instrument mitzuführen, bezweifeln . Als guter alter Bekannter begrüsste

mich

dann die

möchte ich

kleine Flug

maschine von Wilhelm Kress in Wien , die ja fast allgemein unseren Lesern bekannt ist. Gleich dahinter aber erblickte ich ein entsetzlich schwerfälliges Gestell mit einer Unzahl Federn , jede einzelne mit peinlicher Sorgfalt an Gabeln aus Draht befestigt, welche wieder unter sich verbunden. ein mechanisches Werk darstellten , das sich ", Modell eines Lenk apparates für Luftschiffe von Stefan Höckner in München be nannte.

Es steckt viel Mühe ,

konnte mich nicht abhalten,

viel Arbeit darin,

das ist wahr, indess das

mich dreimal zu bekreuzen und schleunigst

weiter zu gehen , und ich glaube, jeder andere Luftschiffer würde es ebenso gemacht haben . Ein anderes Modell eines lenkbaren Luftschiffes , welches Geissler aus Hamburg ausgestellt hatte, bot nichts des Besonderen .

Der Erfinder war

aber der Durchführung seiner Idee schon soweit praktisch zu Leibe gegangen , dass er sich mit den Baumaterialien etwas beschäftigt hatte . Das wirkt wohlthuend auf einen beschauenden Praktiker. Freilich inwieweit diese von Geissler gemachten Vorschläge brauchbar sind, lässt sich durch Angucken der Gegenstände nicht ermessen . Er hatte zweierlei Baumaterial ausgestellt : eine Stange aus Pfauenfedern etwa 3 cm Durchmesser, die nach seiner An gabe sehr fest, zäh und leicht sein soll , ferner eine Konstruktion aus Rohr stäben von gleichem Durchmesser, die eigenartig umflochten waren . Nun zum

Glanzpunkt der Ausstellung !

Diese

Empfindung

drängte

sich mir sofort auf beim Anblick des sauber gearbeiteten Modells eines lenkbaren Luftschiffes, welches in der Mitte der Halle unter einem Glas kasten stand. * ) Ein walzenförmiger Ballon mit Kegelflächen an den Enden , an dessen unterem Theil ein

seiner Form angepasstes Rahmengestell aus

zwei parallel laufenden Röhren befestigt war, bot die Hauptmasse dar . Rahmen trug

in der Mitte den Motor (bei

Der

dem Modell offenbar durch

Spiritus zu treiben) . Der Ballonkörper selbst besitzt eine innere Versteifungs konstruktion und hat unten einen Schlitz , damit für Kajüte , Motor und Propeller, welche sich alle auf dem Rahmen befinden , der genügende Raum geschaffen wird . Die Propeller sind zwei zweiflügelige Wendeflügel , deren einer vor, der andere hinter dem Motor innerhalb des Rahmens liegt. Es ist erkennbar, dass die Röhren des Rahmens gleichzeitig als Zu- beziehungs weise Ableitungsröhren des Dampfes dienen sollen ; die Dampfcylinder sind in Höhe der Propeller an ihnen angebracht.

*) Dies Modell ist, wenn wir nicht sehr irren, von Herrn Maximilian Wolff ans D. Red. gestellt.

Kleinere Mittheilungen .

170

Weiter habe ich nichts Besonderes von der Ausstellung zu melden , was für Sie Interesse haben könnte. Ich ging dann hinaus nach dem Ballonauffahrtsorte, missmuthig , weil ich ja bereits den Beweis besass ,

dass der Fesselballon

nicht gefüllt war.

Den zu 80,000 Mark taxirten , 6800 Cbm. grossen Ballon hatte ich ja dort liegen gesehen. (Ueber den Preis war ich etwas erschrocken . ) Die maschinellen Einrichtungen lehnen sich , soviel ich sehen konnte, im Allgemeinen an die ehemals von Giffard angewendeten Konstruktionen an . Offen eingestanden , bin ich von der Ausstellung nicht befriedigt worden . Ein so junger Verein ,

wie der Ballon - Sport- Klub

ist noch

nicht in der

Lage, ein solches Unternehmen erfolgreich zu insceniren , weil der grössere Theil von dessen Mitgliedern wohl noch nicht -- wie soll ich sagen? in der Luftschiffahrt genügend warm geworden .

Die derzeitige Entwickelung

der Letzteren und die Bedürfnisse derselben sind dem grösseren Publikum noch zu unbekannt . Aber ich möchte trotz des, meiner Meinung nach etwas verfrühten in die Oeffentlichkeittretens unserer geehrten Kollegen am Rhein ihnen zurufen :

" Fahret fort

mit Eurem guten Streben ,

Opferwilligkeit ; die Zeit wird Euch Erfahrungen Früchte entspriessen können ! "

lehren ,

mit Eurer

aus denen gute

Ich schliesse meinen Bericht , indem ich mich Ihnen , verehrtester Herr Doktor, bestens empfehle.

Mit besonderer Hochachtung Ihr ergebener Moedebeck. "

Kleinere Mittheilungen. - Ein Ballon in der Nordsee . Das „ Hamburger Fremdenblatt" berichtete am 18. März d. J.:,,Der von Grangemouth an die Stadt gekommene Hamburger Dampfer „Arnim ", Kapitän Foget traf in der Nordsee, nordwestlich von Terschelling, einen noch halb mit Leuchtgas gefüllten grossen Luftballon französischen Ursprungs von etwa 60 Fuss Länge auf dem Wasser treibend. Trotz des hohen Seeganges setzte der Kapitän Foget ein Boot aus, und es gelang, den Ballon an einer Leine fest zu machen und unversehrt an Bord zu bringen. Es machte nicht geringe Schwierigkeiten , den Ballon des Gases und des Wassers, welches er in sich aufgenommen hatte, zu entledigen und auf Deck zu verstauen. Der Ballon bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von 5 bis 6 Seemeilen per Stunde, so dass der Dampfer genöthigt war, mit voller Kraft zu folgen , um Boot und Leute wieder aufzunehmen. Es wehte zur Zeit eine starke Brise aus SSO. Der Ballon ist noch neu und unverletzt, jedoch fehlt das Netzwerk und sonstiges Zubehör. Auf dem Ventil befindet sich die Marke : „ Spécialité pour M. Mrs. les Aéronautes Charles Comme. Paris". ― Uebungen der Luftschiffernormalschule zu Paris. Wie ㄌ La France militaire" berichtet, hat die Luftschiffernormalschule zu Paris am 14. Juli d . J. folgende Aufstiege bewerkstelligen lassen : 1. In Limoges den „ Nouveau Monde" von 1000 Raummetern mit dem Prä sidenten Vernanchet, Herrn Sibillot und zwei Luftschifferzöglingen ; 2. In Tours den „ Gay- Lussac “ von 1000 Raummetern mit einem Sektionschef, einem Chef und zwei Zöglingen ;

Kleinere Mittheilungen.

171

3. In Troyes den „ Giffard " von 800 Raummetern mit einem Offizier und zwei Zöglingen ; 4. In Luneville den „ Lavoisier " von 800 Raummetern mit einem Offizier und zwei Zöglingen ; 5. In Annecy den „ Sivel " von 500 Raummetern mit einem Offizier und zwei Zöglingen ; 6. In Orleans den „Pilâtre de Rozier" von 480 Raummetern mit einem Offizier und einem Zögling ; 7. In Provins den „ Vercingetorix" von 400 Raummetern mit einem Sektionschef. Diese Aufstiege, die durchaus keinen spekulativen Charakter tragen, haben den Zweck, den Sinn für die Luftschiffahrt zu verbreiten und auf dem französischen Gebiet das Entstehen von Verbindungen hervorzurufen, die im Falle eines Krieges dem Kriegs minister ein vollständiges Material und ein an die Führung von Luftballons gewöhntes Berghaus , Major a. D. Personal zur Verfügung stellen könnten . - Französische Reklame. Die französischen Luftschiffer verstehen ganz aus gezeichnet, für sich Reklame zu machen. So preist Lachambre seinen Fesselballon der Weltaussellung durch die Blätter folgendermassen an : „Henri Lachambre, der wohl bekannte Verfertiger von Ballons, hat dieses grossartige Muster eines Fesselballons erbaut und die Fesselfahrten finden unter seiner Leitung und ganz besonderen Ueberwachung statt. Die Pariser und die fremdländische Presse hat sich mit der Einweihung dieses Fesselballons der Ausstellung beschäftigt und an 3000 Pessonen konnten schon aus der Höhe von 400 Meter das feenhafte Panorama von Paris und Umgegend betrachten . Ihre Befriedigung nach der Auffahrt bestätigt die vollkommene Sicherheit des Materials , welches übrigens durch eine besondere Kommission staatlicherseits geprüft worden ist. Vergessen wir dabei nicht der grossen Anziehungskraft zu gedenken, welche die nächt lichen Auffahrten mit dem elektrischen Scheinwerfer auf das Publikum ausüben ; die Auffahrenden werden sich das unvergessliche Andenken einer nächtlichen Ballonfahrt in dem Grand Ballon captif de l'Exposition bewahren . Um zu schliessen , sei hinzugefügt, dass für den sehr geringen Preis von 10 Fres . Jedermann dann später anderswo sagen kann, dass er Ballon gefahren ist. Die Photographie, welche nach jeder Fahrt auf genommen wird, giebt den unwiderleglichen Beweis ihrer Luftreise. “ - Wenn man bedenkt, dass ausser dem Lachambre'schen noch ein viel grösserer Ballon von Yon während der Ausstellung in Paris Fesselfahrten macht , erscheint der Zweck jener Reklame erst vollends im rechten Lichte ; sie ist äusserst schlau verfasst und mancher Gimpel dürfte wohl auf diesen Leim gehen. S. Ueber eine verunglückte Ballonfahrt der Militär- Luftschiffer-Abtheilung in Berlin berichteten Bromberger Blätter : „ Am Freitag, d . 12. Juli, Vormittags 9 Uhr stiegen in Schöneberg von der Militär-Luftschiffer- Abtheilung der Lieutenant Gurlitt und zwei Soldaten (zur Uebung eingezogene Reservisten) in einem Ballon auf. Zwischen 12 und 1 Uhr kam der Ballon, der etwa 80 Kilometer in der Stunde zurückgelegt hatte, in die Nähe von Samotschin . Hier glaubten die Insassen des Ballons , auf den Netzewiesen ein geeignetes Terrain zum Landen gefunden zu haben, und warfen den Anker aus . In dem weichen , moorigen Boden konnte sich der Anker indessen nicht festhaken und der Ballon wurde von dem heftigen Winde, der zur Zeit herrschte, weiter geschleift, bis er an den Telegraphendrähten des Netzedammes für einige Zeit hängen blieb. Da die Lage der Luftschiffer eine äusserst kritische war, zumal der Ballon von dem starken Winde fort während hin- und hergeschleudert wurde, schickten sich die beiden Soldaten an, die Taue, womit die Gondel an den Ballon befestigt war, zu kappen , während der Offizier die Ventilklappe zu öffnen versuchte. Noch war dies Geschäft nicht beendet, als ein Windstoss den Ballon losriss und weiter trug. Durch den Stoss wurde einer der Soldaten herausgeschleudert, fiel auf den Netzedamm herab und blieb daselbst etwa eine halbe

172

Kleinere Mittheilungen.

Stunde bewustloss liegen. Als er aufgefunden wurde, hielt er noch krampfhaft das Messer umschlungen, womit er die Taue der Gondel (zum Theil) gekappt hatte . Für die zwei anderen Insassen des Ballons begann jetzt eine Fahrt auf Tod und Leben. Der Anker war beschädigt, und der Ballon erhob sich abwechselnd hoch in die Lüfte und senkte zich dann wieder derart, dass die Gondel, welche nur noch mit einem einzigen Tau am Ballon befestigt war, auf der Erde geschleift wurde. Der Offizier, der vielleicht einen günstigen Moment hatte benutzen wollen, um sich durch einen Sprung zur Erde zu retten, verwickelte sich dabei in das Ventiltau, in welchem er mit einem Fusse hängen blieb. So wurde der Offizier mit rasender Schnelligkeit fortgetragen bezw. geschleift. In dieser entsetzlichen Lage legte der Offizier etwa 2 Kilometer zurück, bis der Ballon endlich in der Nähe der Ortschaft Heliodorowo zwischen zwei Bäumen hängen blieb. Dort wurde der besinnungslose Offizier von dem Rittergutsbesitzer Herrn B., der dem Ballon nachgefahren war, aus seiner schrecklichen Lage befreit und nach dem Dominium Samotschin gebracht und verpflegt. Der zweite Soldat war schon vorher aus der Gondel herausgefallen, und zwar glücklicherweise in einen Wassertümpel auf den Netzewiesen , sodass er ausser dem unfreiwilligen Bade keinen Schaden genommen hat. Nach Unter bringung des Offiziers wurden auch die beiden Soldaten aufgesucht und mit dem voll ständig defekt gewordenen Ballon nach dem Dominium gebracht. - Luftschiffer Ernst Syring . Am Sonntag, d. 30. Juni d. J. spielte sich vor den Augen zahlreicher Spaziergänger in Berlin und zwar

der unmittelbaren Nähe der

Verbindungsbahn , zwischen der Greifswalderstrasse und der Landsberger Allee ein auf regendes aeronautisches Schauspiel ab. Es war etwa 15 Minuten nach 7 Uhr Abends, als die Passanten jener Stadtgegend einen Luftballon wie sich später herausstellte, der dem Luftschiffer Ernst Syring gehörige Ballon ,, Victoria" , der etwa 15 Minuten vor her von Huth's Konzertgarten auf dem Gesundbrunnen aufgestiegen , - über Berlin kommend , mit rapider Schnelligkeit sich herabsenken sahen . Syring so berichtete die Berliner Tagespresse ― der allem Anschein nach auf dem freien Felde in der Nähe des jüdischen Friedhofes bei Weissensee zu landen beabsichtigte, hatte das Ventil gezogen, vermuthlich aber etwas zu lange , so dass der Ballon , der bereits in sich selbst zusammen zuklappen schien, mit furchtbarer Schnelligkeit herabkam und zwischen der Stadt und dem Bahndamm mit der Gondel mehrmals den Boden berührte . Seltsam erschien es dabei, dass Syring keinen Versuch machte, den Anker auszuwerfen. Um eine Karambolage mit den Telegraphendrähten am Bahnkörper, auf welche der Ballon mit Windeseile zu trieb, zu vermeiden , warf Syring den letzten Ballast , Kleidungsstücke etc. aus der Gondel, konnte aber die Katastrophe nicht mehr verhindern und stiess mit solcher Wucht auf die Drähte, dass diese die Leinen, welche die Gondel mit dem Ballonnetz verbinden, gleich Zwirnfäden durchschnitten und die Gondel zu Boden stürzen liessen, während der nun fessellose Ballon pfeilschnell wieder emporschoss und bald den Blicken entschwunden war. Tausende von Spaziergängern und Passanten, welche das aufregende Schauspiel mit angesehen, strömten nunmehr der Stelle zu, an welcher die Gondel auf die Erde gestürzt war, und fanden Syring daselbst in einem beklagenswerthen Zustande vor. Er schien ausser Knochenbrüchen auch schwere inuere Verletzungen davongetragen zu haben , vermochte trotzdem aber noch dem Wunsche Ausdruck zu geben, dass man ihn nach dem Huth'schen Konzertgarten zurückschaffen möge. Mit Mühe requirirte man einen Wagen und unter Beistand einiger hilfreicher Männer, die den Verletzten in ihren Armen hielten , erfolgte die Ueberführung nach dem Gesundbrunnen . Ein dort herbei gerufener Arzt renkte zuvörderst den ausgefallenen linken Arm ein und konstatirte eine bedenkliche Erschütterung der Wirbelsäule, sowie anscheinend schwere innere Verletzungen . Der Ballon ist erst mehrere Tage später in grösserer Entfernung und übel zugerichtet zwischen Bäumen aufgefunden worden . - Aus München . In München hat sich ein Komité zur Gründung eines Luft

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

173

schiffahrtvereins gebildet. Dasselbe war durch das Entgegenkommen eines Mitgliedes des Deutschen Vereins zür Förderung der Luftschiffahrt, des Herrn v. Sigsfeld, in der Lage gewesen, bereits am 10. Juli d . J. die zweite wissenschaftliche Luftreise zu veranstalten , Münchener Blätter berichten darüber folgendermassen : ,,Heute Vormittag veranstaltete das Komité für Gründung des Münchener Luftschiffahrt-Vereins eine Auffahrt des Herrn Baron Sigsfeld gehörigen Ballons „ Herder" . Zur Besichtigung der Auffahrt hatte das Komité Einladungen ergehen lassen, welchen auch von einem sehr zahlreichen Publikum Folge geleistet wurde. Besonders fanden sich sehr viele höhere Offiziere ein. Der Zweck dieser Luftreise war derselbe wie bei der ersten Auffahrt am 18. Juni ein rein wissenschaftlicher. Die Hauptaufgabe der Luftschiffer besteht in der Messung der Temperaturen in verschiedenen Höhen. Die Auffahrt fand auf einem Rasen neben dem grossen Gasometer der Gasfabrik Haidhausen statt, welche auch die Füllung des Ballons übernommen hatte . Soldaten des Eisenbahnbataillons waren zur Hilfeleistung kommandirt, während Herr Baron Sigsfeld die sämmtlichen Vorbereitungen selbst in die Hand nahm. Die Füllung des ansehnlichen Ballons nahm über zwei Stunden in Anspruch. Gegen halb 9 Uhr fuhr Se. k. Hoheit der Prinz-Regent mit dem Adjutanten Frhrn. v. Wolfskeel in den Hof ein und wurde von den Offizieren, dem Komité, sowie Herrn Polizeipräsident v. Müller empfangen. Später erschien noch Herzog Ludwig. Der Prinz-Regent liess sich die einzelnen Herren vorstellen und unterhielt sich längere Zeit mit Herrn v. Sigsfeld , den Herren Lieutenants Brug und Kollmann, sowie Herrn Studienlehrer Dr. Vogel am Kadettenkorps, welche Drei die Fahrt mitmachten. Se . k. Hoheit liess sich die einzelnen Vorrichtungen , sowie die Instrumente genau erklären. Nachdem der Ballon geschlossen, wurde der grosse , viereckige Korb mit ihm verbunden , der Ballast eingelegt , die Instrumente angebracht u . s. w. Herr Lietenant Brug nahm in einem gewöhnlichen Rucksack den nöthigen Proviant mit . Nachdem der Ballon zum Aufstieg vollständig bereit, wurden Proben über die Tragfähigkeit angestellt. „ Hände lüften !" hiess das Kommando und der Ballon erhob sich nur wenig über die Erde . Der Ballast wurde etwas verringert und die Herren stiegen ein . Das Wetter war für die Auffahrt überaus günstig . Der Wind kam ziemlich stark von Westen, so dass man sich über die Richtung der Fahrt vollkommen klar war. Ein kleiner Versuchsballon aus Seidenpapier wurde vorher aufgelassen. In dem Ballon wurde auch ein Korb mit Brieftauben mitgenommen. Kurz vor 9 Uhr stieg Herr Iieutenant Brug nochmals aus dem Korb und meldete dem Prinzregenten, dass der Ballon zur Abfahrt bereit sei . Se. k. Hoheit wünschte den Herren viel Glück zu ihrer Fahrt. Auf das Kommando „ Los ! " wurde der Korb los gelassen und der Ballon stieg ziemlich rasch und sehr ruhig empor in der Richtung über Ramersdorf nach Süd- Osten. In kaum 100 Meter Höhe wurden bereits mehrere Säckchen Ballast ausgeworfen . Lieutenant Brug stand, eine blau-weisse Fahne in der Hand, oben auf dem Korb und winkte den zahlreichen Zuschauern zu, welche seine Abschiedsgrüsse erwiderten. Später schlug der Ballon eine direkt südliche Richtung ein . Der Ballon, welcher von mehreren Herren photographirt wurde, war noch weit sichtbar und hielt sich lange Zeit in mässiger Höhe. -- Nachschrift. Aus Wasserburg , a. I. wird uns telegraphisch gemeldet: „ Soeben, 11 Uhr 5 Min . passirt der Luftballon die Bahnlinie Rosenheim- Mühl dorf bei Wasserburg a. I.“

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. Satzungen. Nach der in der Vereinssitzung vom 15. April 1888 angenommenen Fassung.

$ 1. Der Verein hat den Zweck, nach Kräften allen Interessen zu dienen , welche die Luftschiffahrt berühren,

174

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. § 2. Angestrebt wird die Erreichung dieses Zweckes durch : 1. die Abhaltung wissenschaftlicher Vorträge in öffentlichen Vereinssitzungen ; 2. die theoretische und praktische Bearbeitung aller das Gebiet der Luftschiffahrt berührenden Fragen ; 3. die Prüfung eingesandter Vorschläge , Erfindungen , Instru mente , Materialien u . s . w . 4. die Herausgabe einer fachwissenschaftlichen Monatsschrift unter dem Titel : Zeitschrift für Luftschiffahrt . $ 3.

Der Verein , welcher seinen Hauptsitz in Berlin hat, besteht aus : 1. ordentlichen Mitgliedern, 2. Ehrenmitgliedern , 3. korrespondiren den Mitgliedern . Die ordentlichen Mitglieder zerfallen in : a. einheimische Mitglieder, b. auswärtige Mitglieder. Einheimische Mitglieder sind solche, welche ihren Wohnsitz in Berlin oder dessen Vororten haben. Ordentliches Mitglied kaun ein Jeder werden , welcher, durch zwei Mitglieder vorgeschlagen , den Vorsitzenden schriftlich um Aufnahme er sucht. Hiervon hat der Vorsitzende in der nächsten Sitzung dem Vereine Mittheilung zu machen und , falls Widerspruch nicht erfolgt, die Aufnahme am Schluss derselben Sitzung zu vollziehen . Andernfalls hat geheime Ab stimmung in der nächstfolgenden Sitzung zu erfolgen , bei welcher eine Zweidrittel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder entscheidet. Zu Ehrenmitgliedern können auf Vorschlag des Vorstandes durch Mehrheitsbeschluss solche Personen ernannt werden, welche sich um deu Verein oder um die Luftschiffahrt in hervorragender Weise verdient gemacht haben. Zu korrespondirenden Mitgliedern können auf Antrag des Vor standes solche ausserhalb Berlins wohnenden Personen ernannt werden, welche die Zwecke des Vereines durch Mittheilungen, Berichterstattungen, oder in sonst geeigneter Weise fördern . § 4. Der jährliche Vereinsbeitrag beträgt für einheimische ordentliche Mit Derselbe ist im Voraus an den glieder 20 Mk. , für auswärtige 12 Mk.

Schatzmeister des Vereines , auf Wunsch in viertel- oder halbjährlichen Mitglieder, welche mit dem Beitrage im Theilzahlungen zu entrichten . Rückstande sind und wiederholten schriftlichen Aufforderungen seitens des Schatzmeisters nicht nachkommen , gehen nach Beschluss des Vorstandes ihrer Mitgliedschaft verlustig. Mitglieder , welche vor dem 1. Oktober eintreten , zahlen den vollen Jahresbeitrag, dagegen bleiben die im vierten Quartal Eintretenden bei tragsfrei. Mitglieder, welche einen einmaligen Beitrag von 300 Mk, entrichten , bleiben von weiteren Beitragszahlungen befreit. Ehrenmitglieder und korrespondirende Mitglieder zahlen keinen Beitrag. $ Sämmtliche Mitglieder erhalten alle sonstigen Veröffentlichungen des Mitglieder , welche im letzten

5. die Zeitschrift für Luftschiffahrt und Vereines unentgeltlich. Quartale des Vereinsjahres eintreten,

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

175

sind zum Bezuge des laufenden Jahrganges der Zeitschrift für Luftschiffahrt gegen Zahlung von 10 Mk. an den Verein verpflichtet. § 6. Die Leitung des Vereines ruht in den Händen des Vorstandes , welcher aus sechs Mitgliedern besteht : dem Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsitzenden, zwei Schrift führern, dem Schatzmeister, dem Bücherwart. Die Vorstandsmitglieder werden durch absolute Stimmenmehrheit einer im Januar stattfindenden ausserordentlichen Versammlung ein jedes in be sonderem Wahlgange durch Stimmzettel auf die Dauer eines Jahres gewählt. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende. Im Laufe des Geschäfts jahres ausscheidende Vorstandsmitglieder werden durch den Vorstand ergänzt, worüber in der nächsten Vereinssitzung Mittheilung zu machen ist . Dem Vorstande ist die Leitung und Ausführung sämmtlicher Geschäfte und Beschlüsse des Vereines übertragen ; derselbe ist berechtigt , die laufenden Ausgaben aus der Vereinskasse zu bestreiten und über ausserordentliche Ausgaben bis zur Höhe von 50 Mk . zu verfügen. Zur Gültigkeit eines Vorstandsbeschlusses ist die Anwesenheit von mindestens drei Vorstandsmitgliedern in einer diesen bekannt gemachten Sitzung erforderlich ; bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende . Ueber die Beschlüsse des Vorstandes ist ein Protokoll zu führen . Der Vorsitzende überwacht den Geschäftsgang, vertritt den Verein. nach aussen, führt den Vorsitz in den Versammlungen, hat alle eine Ver pflichtung des Vereines enthaltenden Schriftstücke zu unterschreiben und alle Rechnungen zur Zahlung anzuweisen . Die Schriftführer führen das Protokoll in den Vorstands- und Vereinssitzungen, haben die Einladungen zu den letzteren und im Einver nehmen mit dem Vorsitzenden den Briefwechsel zu besorgen . Der Schatzmeister hat die Geldgeschäfte des Vereines zu führen und in der ausserordentlichen Januar-Sitzung einen Bücherabschluss vor zulegen, welcher vorher von zwei im December zu bezeichnenden Mitgliedern geprüft worden ist. Letztere haben über den Befund der Bücher in der Januar-Sitzung Bericht zu erstatten . Legt der Schatzmeister vor Jahres schluss sein Amt nieder, so ist dem Vorstande gleichfalls ein von zwei Mit gliedern geprüfter Bücherabschluss vorzulegen. Der Bücherwart ordnet die Büchersammlung des Vereines und ergänzt dieselbe auf Beschluss des Vorstandes. Demselben liegt es ob, in jeder Sitzung die Zeitschriften und Bücher zur Ansicht auszulegen. $ 7. Die ausserordentliche Januar- Versammlung wählt alljährlich einen tech nischen Ausschuss , welcher soweit thunlich aus Vertretern der ver schiedenen einschlägigen Berufsarten zu bestehen hat. Derselbe hat die Aufgabe, alle wichtigeren Fragen der Luftschiffahrt zu erörtern, über Gegen stände , welche ihm vom Vorstande zugewiesen werden, zu verhandeln, ein gesandte Vorschläge und Arbeiten zu prüfen und über seine Thätigkeit in geeigneter Weise Bericht zu erstatten. Der Ausschuss wählt einen Vor sitzenden und hat das Recht unbegrenzter Ergänzung. Den Vorstandsmitgliedern des Vereines steht das Recht zu , an den Sitzungen des Ausschusses berathend theilzunehmen ; der Vereinsvorsitzende ist zu denselben regelmässig einzuladen und hat bei Beschlüssen das Ein spruchsrecht .

176

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

§ 8. Zur Führung der Redaktionsgeschäfte der Zeitschrift für Luftschiffahrt ernennt der Vorstand gemeinsam mit dem technischen Ausschuss ein hier für geeignetes Vereinsmitglied auf die Dauer von drei Jahren , welches dem technischen Ausschuss anzugehören hat. Demselben steht ein aus Fach männern zusammengesetzter Redaktions- Ausschuss zur Seite, welchen der Vor stand gemeinsam mit dem technischen Ausschuss auswählt . Der Redaktions Ausschuss hat alle ihm vom Redakteur vorgelegten fachwissenschaftlichen Aufsätze Behufs ihrer Aufnahme in die Zeitschrift zu begutachten ; im Falle von Meinungsverschiedenheiten entscheidet der Vorstand . Derselbe hat ausser dem über einschlägige Aufsätze und andere Publikationen fortlaufend für die Zeitschrift für Luftschiffahrt zu berichten und einen Obmann zu wählen, welcher im Nothfalle den Redakteur zu vertreten hat.

$ 9. Die ordentlichen Vereinsversammlungen finden gemeinhin monatlich statt ; jedoch kann auf Beschluss des Vereines die Zahl der Sitzungen ver ändert werden. Die einheimischen Mitglieder werden zu jeder Versammlung unter Angabe der Tagesordnung eingeladen ; auswärtige Mitglieder, welche die Versammlungen zu besuchen wünschen , haben dem Vorsitzenden ihre Adresse mitzutheilen . Gäste können an den Vereinssitzungen theilnehmen , wenn sie von einem Mitgliede eingeführt werden ; dieselben haben sich dem Vorsitzenden vorzustellen und ihren Namen in das Fremdenbuch einzutragen . Die Reihenfolge der Verhandlungen findet nach der Tagesordnung statt ; Gegenstände , welche nicht auf der Tagesordnung stehen , können nur im Falle der Dringlichkeit, über welche der Vorsitzende zu entscheiden hat , zur Verhandlung gelangen. Anträge sind dem Vorsitzenden 14 Tage vor der Sitzung schriftlich einzureichen. Ueber jede Sitzung wird ein Protokoll geführt, welches der nächsten Versammlung zur Annahme vorzulegen ist. § 10. Die Büchersammlung des Vereines steht den Mitgliedern nach den Vorschriften der Bücherordnung zur freien Verfügung. § 11 . Mitglieder, welche aus dem Vereine ausscheiden , oder durch Beschluss des Vorstandes oder des Vereines ausgeschlossen werden, haben keine An sprüche an das Vermögen des Vereines . § 12 . Anträge auf Abänderung der Satzungen sind von 10 Mitgliedern unter schrieben dem Vorsitzenden schriftlich einzureichen, müssen in einer Vereins sitzung bekannt gemacht sammlung gesetzt werden .

und auf die Tagesordnung der nächsten Ver

§ 13. Die Auflösung des Vereines kann nur in zwei hinter einander folgen den Sitzungen von mindestens zwei Dritttheilen der hiesigen Mitglieder be schlossen werden . Das vorhandene Vereinsvermögen ist in diesem Falle für einen wissenschaftlichen Zweck, welcher mit der Luftschiffahrt Berührung hat, zu verwenden . § 14 . Alle abweichenden Bestimmungen früherer Satzungen sind hierdurch aufgehoben. Druck von Beyer & Münch, Berlin W., Behrenstr. 28.

Zeitschrift für Luftschiffahrt

Herausgegeben von dem Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem Flugtechnischen Verein in Wien. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl , Buchhandlung und Antiquariat in Berlin , W. , Jägerstrasse 73. 1889.

VIII. Jahrgang .

Heft VIII IX.

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug . Vortrag gehalten am 16. April d. J. in der Generalversammlung des Flugtechnischen Vereines in Wien von Drd. med. Max Herz. (Mit zwei lithographirten Tafeln .) Der Flug, wie er in der Natur vor sich geht, ist uns noch immer ein Räthsel , 19.

ein Wunder,

Jahrhunderts

dessen mechanische Erklärung der Wissenschaft des

erfolgreichen

Widerstand

geleistet hat ,

trotz der

mit

Mikroskopen und Fernröhren und vor allem mit Mathematik ausgerüsteten Forschung, ein Wunder, das uns auf Schritt und Tritt begegnet und den höhnt, der nach seiner Deutung sucht. - Selbst in den Strassen der Gross stadt scheucht unser Fuss nicht selten die friedlichen Segler der Luft vom Boden auf, und es mag nun Wind sein oder Windstille , man mag vom Rücken

oder vornher kommen , immer wird der Vogel imstande sein, sich

aufzuschwingen und von uns wegzufliegen, mit dem Winde oder gegen ihn , er wird dies imstande sein vermöge seines Flügelschlages und nur durch. diesen Ich spreche damit eine Wahrheit aus, die manchem selbstverständ lich vorkommen mag, die aber in Fachkreisen nicht eben so gewürdigt wird , wie von dem Laien .

Es wurde behauptet , dass zum Auffluge, ja zum Fluge überhaupt Wind nöthig sei, ein Irrthum, der stündlich tausendfältig durch den Augenschein widerlegt wird. Man liess sich zu dieser Annahme dadurch verleiten , dass man an dem sogenannten Segelfluge, einer Flugart, deren lebendige Kraft nicht durch die Muskelarbeit des Fliegers aufgebracht werden soll , de monstriren wollte , wie die bewegte Luft schon allein dem Vogel das Fliegen möglich mache, und daher die Wirksamkeit derselben auch sonst begreiflich fand beim Ruderfluge . Man hat dem Segelfluge als einem sowohl vom wissenschaftlichen wie vom praktischen Standpunkte aus interessanten Probleme sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt , ja von ihm VIII.

aber gewiss 12

178

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug.

mit Unrecht

das zukünftige Heil

der Flugtechnik

erwartet

und Flug

apparate auf die Anschauungen hin construirt, die man sich von ihm machte. Ich will in dieser Glaubenssache, denn das ist die ganze Frage vorläufig noch, gleich mein Bekenntnis ablegen . Vor allem sind die Luftströmungen , die man in's Kalkül gezogen hat, nicht immer da und wahrscheinlich meistens nicht von solcher Art, dass sie

z. B. die kurzen Wanderungen der Taube, die sie zum Behufe ihres Nahrungs erwerbes kreuz und quer unternimmt , fördern oder gar , wie ja auch behauptet wird, allein ermöglichen könnten.

Zumeist sehen wir den Vogel

die Flügel schlagen und in der grössten Zahl jener Fälle, wo er dies nicht thut, wo er mit ausgespannten Flügeln durch die Luft schwebt, können wir immer noch nicht von Segelflug reden, denn wir haben dann meist noch das einfache Phänomen des Beharrungsvermögens vor uns, d. h . der Vogel fliegt scheinbar

ohne sein Zuthun bequem dahin, weil er früher in seinem Körper durch mächtige Flügelschläge lebendige Kraft aufgespeichert hat, welche für einige Zeit vorhält. Dann muss er wieder von Neuem arbeiten. In

einem Aufsatze,

der mit Recht den Segelflug als die bequemste

aller Locomotionen preist,

ruft der Autor aus, es wäre traurig , wenn der . Vogel sein Gewicht in der Luft tragen müsste . Er muss es dennoch und das dynamische Luftschiff der Zukunft wird es auch müssen und wer weiss, ob die vielgepriesenen Luftströmungen, die ihm dies ersparen sollen, nicht dereinst ein Haupthindernis sein werden . Diese sogenannte Schwebearbeit muss unter jeder Bedingung geleistet werden d . h . wenn ein Vogel nicht

fällt, so hält ihn eben etwas in die Höhe, und da ihm niemand zu Hilfe kommt, so muss er es selbst thun durch die Arbeit seiner Muskeln , Der Papierdrache hat keine Muskeln und schwebt doch . Der Knabe leistet die Schwebearbeit für ihn, indem er mit dem Schnurende in der Hand dahin läuft, oder der Wind, wenn die Schnur demselben entgegengespannt ist, und nur dann, welche selbstverständliche Thatsache in ihrer Wesenheit nicht genug betont werden kann , da ja der Drachenflug auch zur Erklärung des Segelfluges herangezogen wird . Wenn ein horizontal dahinströmender Wind eine Fläche heben soll, sei es nun Vogel, Drache oder Luftschiff, muss immer eine

zweite Kraft hinzukommen,

welche mit demselben eine

senkrechte

oder doch ansteigende Resultierende giebt . Beim Drachen ist es der Zug an der Schnur, der dies leistet. Kappt man die Schnur, so fällt der Drache . Ein Vogel, der vermittelst des Windes aufsteigen will , muss

gegen ihn rennen,

wie man das deutlich an grösseren Vögeln sieht, also eine bedeutende Muskelarbeit leisten und man kann dann doch nicht sagen, der Wind habe ihn gehoben , ebensowenig wie ich sagen kann , eine Stiege

habe mich in den dritten Stock gehoben ; Der mitten in einem Luftstrom

sie war mir nur ein Werkzeug.

schwebende Vogel

kann den Wind nur so lange durch irgendwelche Flügelstellung zu seiner Hebung ausnützen , als er wegen der Trägheit seines Körpers nicht mitgenommen wird . Ist dies ein

179

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug.

mal geschehen, dann existiert der Strom einfach nicht mehr für ihn , es ist, als schwebe er in ruhiger Luft , er fällt wie ein freigewordener Drache . Anders ist es an der Grenze zweier in verschiedenen Richtungen oder auch nur mit verschiedener Geschwindigkeit strömenden Winde . Hier findet die einzig plausible Form des Segelflages, das Kreisen , statt ; hier kann sich der Vogel eventuell ohne Muskelarbeit erhalten, denn hier haben wir in Gestalt der beiden Luftströme die beiden Kräfte, die bei richtiger Benutzung eine senkrechte Komponente zu erzeugen imstande sind . Als Exempel will ich zur Erläuterung den idealen Fall durchführen, wo zwei horizontale und entgegengesetzte Winde über einander fliessen und durch eine Ebene scharf von einander geschieden sind . In der Fig. 1A schwebe der Vogel in der Richtung und mit der Ge schwindigkeit untern

des oberen Windes .

Er muss also fallen und taucht in den

entgegengesetzten Strom, der ihn sofort

erfasst

nehmen sucht, also seine Flugrichtung umzukehren . seine Flügelstellung in geeigneter Weise,

und

mit sich zu

Aendert jetzt der Vogel

wie etwa in B, so kann er den

Kampf zwischen seinem Trägheitsmoment und dem Anprall des Windes zu seiner Hebung benutzen und kommt mit stark herabgeminderter Geschwin digkeit

in die obere Luftschicht zurück, stellt sofort seine Flügel um und

kann wieder so lange gehoben werden, als er noch nicht die Geschwindigkeit Dann fällt er wieder u . s. w. Die Flugbahn des oberen Windes hat . stellt eine Wellenlinie dar, deren untere Schleifen steiler sind, als die oberen. Diese Trennungsfläche zwischen den verschieden bewegten Luftschichten darf man sich aber nicht etwa als eine Ebene darstellen , wie wir es der Einfachheit halber angenommen haben, sondern die eine wallt in die andere hinein , wie ein sturmgepeitschtes Meer und zwar aus denselben Gründen wie dieses und es bilden sich riesenhafte Luftwogen, die leicht stellenweise wirken können wie ein senkrechter Wind und uns eine verständlichere Er klärung

geben für

die aufwärtsgehenden Luftströmungen, die die Ballon

schiffer beobachtet haben , als die Hypothese , welche annimmt, dass Wärme differenzen verhältnismässig winziger Bodenflächen eine so starke Bewegung der Luft verursachen . Trotz alledem sehen wir leblose Körper ungeheuere Strecken dahin schweben, die Wolken d. s. Tausende von Hektolitern Wasser. Wie er halten sich diese in der Luft , da sie doch nicht kreisen wie die Vögel , nicht auf- und niedertauchen in verschiedene Winde, sondern geradeaus ihren Weg verfolgen - mit dem Winde ? der Wolken,

Der so unendlich langsame Fall

denn ihr anscheinendes Schweben ist nichts anderes, wird er

reicht durch die Vergrösserung der Grundfläche, des

spezifischen Gewichtes,

dadurch, dass zum

wie man

der kolossale Raum, den

grössten Theile

Wassertröpfchen

von Luft

die Wolke

erfüllt ist,

der Wolkenmasse

nicht durch Verringerung

wohl auch zu glauben pflegt ,

nicht

als Ganzes einnimmt,

sondern jedes einzelne kleinste

würde so langsam zu Boden schweben, 12*

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug.

180

weil seine Unterfläche riesig gross ist im Vergleiche zu seiner Masse, ebenso wie ein Kohlenpartikelchen des Rauches oder ein Staubkörnchen der At mosphäre. Wer leistet die Schwebearbeit für die Wolke? Die Sonne. Durch ihre Wärme war das Wasser verdampft, als Gas in die Höhe ge stiegen und zur Wolke kondensiert . Die Wärme der Sonnenstrahlen hatte die lebendige Kraft zum Lufttransporte so ungeheurer Wassermassen geliefert . Das Kreisen nun ist

eine sehr seltene Flugart und findet bei der

gewöhnlichen Fortbewegung der Flieger kaum hie und da eine Verwendung. Sonst muss immer durch Muskelaktion Schwebearbeit geleistet werden, und hat man sich über das Wie zum Theile sehr sonderbare Ansichten gebildet . Wie stellt man

sich z. B die Schwebearbeit

eines fliegenden Fisches vor?

Man stellt sich vor, über die ausgespreizten Flossen laufen Wellen ab, die dadurch erzeugt würden, dass die Flossenrippen alternierend auf und ab bewegt würden, wodurch der Fisch nicht nur in der Höhe erhalten, sondern auch nach vorwärts Welle bewegen

gebracht

werden

soll.

Die Punkte B ( Fig. 2 ) in der

sich nach abwärts und suchen allerdings den Fischkörper

zu heben , aber die Punkte A, die nach aufwärts schwingen , vernichten diese ganze Wirkung , wie leicht einzusehen , denn auch über den Flossen befindet sich Luft, die Widerstand leistet . Eine Vorwärtsbewegung kann eventuell zustande kommen , wenn diese Welle eine fortschreitende ist , aber auch dies findet bei der geringen Amplitude der Welle und der geringen Dichte der Luft kaum statt . Wenn ein Fisch, wie man es nennt, mit dem Schwanze rudert, beschreibt er mit dem ganzen Körper fortschreitende Wellen von bedeutender Amplitude und schiesst dadurch im Wasser vorwärts — im Wasser, aber nicht in

einem so dünnen Medium

solche Bewegung gänzlich nutzlos

wäre,

wenn

wie die Luft, wo eine

sie nicht von ungeheuer

grossen dabei ungeheuer leichten Flächen ungeheuer rasch ausgeführt würde, was ja beim fliegenden Fisch nicht einmal annähernd der Fall ist . Da man die Schwebearbeit als diejenige Arbeit definiert, welche dazu verbraucht wird,

um die Wirkung der Schwerkraft

aufzuheben ,

so glaubt

man auch mitunter, dieselbe an Grösse derjenigen Arbeit gleichsetzen zu können, welche die Schwere leisten würde, wäre sie ungehindert. Wenn ein Körper von der Masse m frei fällt, = m.gt", weil gt

leistet die Schwerkraft eine Arbeit

der Weg ist , den der Körper zurückgelegt hat .

In der

ersten Sekunde wäre dann die Schwebearbeit mg . 1 , in der zweiten Sekunde mg . 4, in der dritten Sekunde = mg . 9 u. s. w. und so stiege die Schwebearbeit ,

wüchse sie wirklich mit dem Quadrate der Zeilen, bald

in's Unendliche, während der Körper doch blos an seinem Platze bliebe. Der Körper bleibt an seinem Platze .

Um eine Masse zu immobilisieren,

ist ja eigentlich keine lebendige Kraft nöthig, sondern nur um eine Masse zu bewegen, darin besteht ja das Wesen der Kraft und Arbeit. Die Schwebe arbeit ist

eine Arbeit

von eigenthümlicher Art.

Damit P (Fig . 3 ) ,

das

durch eine Schnur mit dem Umfange der grösseren Welle in Verbindung

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug.

steht,

nicht falle, ist nur

ein Gegengewicht Q nöthig

181 RP 9 also keine r

Arbeit. Denkt man sich P als einen durchbohrten Cylinder, durch dessen Bohrung die Schnur mit Reibung läuft, dann wird P fallen. Vergrössert man G nach und nach, dann wird man zu einem Punkte gelangen, wo P wiederum an seinem Platze bleibt und zwar wird man zu G umsomehr hin zufügen müssen, je geringer die Reibung der Schnur im Bohrkanale ist . Jetzt wird also lebendige Kraft verbraucht, um P am Platze zu erhalten , denn G fällt wegen des Widerstandes langsamer, als wenn es frei wäre, PR h , worin h und die Schwebearbeit ist, wie sich leicht beweisen lässt, r

die Fallhöhe von G bedeutet . Die Fallhöhe wird in einem umgekehrten Auf den Flug ange Verhältnisse zu der Reibung im Bohrkanal stehen . nd der Luft, also rsta ser der Wide wendet, bedeutet dies so viel als : je grös je grösser die Flugflächen , desto geringer ist die Schwebearbeit . Beim Flug der Thiere , wo die Schwebearbeit periodisch geleistet wird , liegt die Sache noch etwas anders . anderen ,

Zwischen einem Flügelschlage und dem

während also die betreffende Flugvorrichtung gehoben wird, fällt

das Thier, es hat mithin die Schwebearbeit den Zweck, den Körper immer wieder auf seine frühere Höhe zu heben . Denken wir uns , die Hebung dauere so lange,

als die Senkung,

was in Wirklichkeit nicht der Fall ist,

so würde gerade die Hälfte der ganzen Zeit zur Arbeit verwendet . das Thier in der Sekunde fünf Flügelschläge ,

dann

hat

es

Macht

in derselben

fünfmal den Fall einer Zehntelsekunde aufzuheben , also die Leistung *) - 5.mg 100 aufzubringen ; bei 6 Flügelschlägen die Leistung = 6 mg . 1445 bei 10 Flügelschlägen die Leistung * 10 mg . 1/400 . Diese Leistungen verhalten sich wie 10 : 6 : 5 . Daraus würde das Gesetz folgen : Die Schwebearbeitsleistungen bei verschieden raschen Flügel schlägen verhalten sich wie die Zeiten, welche die Hebungen der Flügel beanspruchen so lange die Gesetze des freien Falles giltig sind , oder : je mehr Flügelschläge in der Sekunde, desto weniger Schwebearbeit. Der Fall

eines Fliegers

mit ausgespanntem Flugapparat ist aber nur

kurze Zeit ein beschleunigter. Die Geschwindigkeit beim freien Falle nimmt mit der ersten Potenz der Zeit zu , der Widerstand der Luft und mit ihm die Verzögerung des

Falles

durch die

Luft

mit dem Quadrate der Ge

schwindigkeit, also auch mit dem Quadrate der Zeit . Zeit

ist diese Verzögerung so gross,

verwandelt

Nach einer gewissen

wie die Beschleunigung und der Fall

sich in einen gleichmässigen .

Nur innerhalb dieser Zeit,

die

*) Hier ist Arbeit und Leistung wohl zu unterscheiden . Wenn ein Körper an seinem Platze schwebt, ist die Leistung Q, während die Arbeit ganz bedeutend sein kann . Sie wird dann eben nicht zur Massenbewegung, sondern zur Erzeugung einer Energie anderer Art, Wärme, Elektrizität u . s. w. verwendet.

182

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug.

wegen der grossen Flügelflächen der Thiere eine sehr kurze ist,

kann eine

Beschleunigung des Flügelschlages die geforderte Leistung herabsetzen. Alle Flügelschläge , die länger dauern, als diese Zeit - und das sind wohl alle ―― sind von diesem unserem Standpunkte aus gleichwerthig . Ferner hebt der Vogel seine Flügel rascher, als er sie senkt, und man kann leicht auf den Gedanken kommen , dass er hierzu eine von der Zahl der Schläge unabhängige konstante Zeit braucht , eine gewisse Berechtigung hat .

eine Annahme,

die auch

Diese Voraussetzung kehrt das obige Ver

hältnis der Schwebearbeitsleistungen um, denn je mehr Schläge, desto mehr verlorene Zeit u . s. w. Die Schwebearbeit kann dem Thiere

erleichtert werden durch senk

rechte Luftströmungen und wir haben im früheren angedeutet, auf welche Weise wir uns dieselben entstanden denken . Diese Arbeit oder die senkrechte Flugkomponente ist derjenige Faktor, mit dem der Flugtechniker vor allem rechnen sollte .

Wir müssen uns vor

erst in die Luft aufschwingen können und dort erhalten , ehe wir an den bequemen Segelflug denken , der nur gelegentlich und in bedeutenden Höhen ausführbar ist . Die meisten Erfinder machen sich die Sache leichter . Sie lassen sich von einem Ballon in die Höhe

tragen oder steigen auf einen

Thurm etc. Es zeigen uns aber diese Verfahren nur eine bedenkliche Lücke in dem jetzigen Stande der Flugtechnik, Ich möchte behaupten, dass die Schwebearbeit die einzige Arbeit ist , die überhaupt billiger Weise geleistet werden muss, denn um die Maschine horizontal zu bewegen, brauche ich ja eigentlich, abgesehen von dem Luft widerstande, den ich so gering machen kann, als ich will, gar keine Kraft , weil die Bewegung in einer Ebene vor sich geht, deren sämmtliche Punkte dieselbe Energie der Lage haben .

Stelle ich aber meine Flugfläche schief,

wie dies bei vielen Projekten geschieht, dann vergrössere ich den Luft widerstand in der Horizontalen und thue dies, um auch eine senkrechte Komponente zu erzeugen, und das ist ja, was man Schwebearbeit nennt. Wie geschieht der Aufflug in der Natur, wie erzeugen die Flugthiere die senkrechte Komponente ihrer Bahn ?

Die Fliege,

die Fledermaus , der

Vogel thun dies, indem sie ihre Flügel in entsprechender Weise bewegen, und wir haben da drei Modelle vor uns, die förmlich zur einfachen Nach ahmung einladen .

Es ist dies unzählige Male geschehen, um immer wieder

trotz des aufopferndsten Enthusiasmus, Erfinder kläglich zu scheitern .

ich möchte sagen Fanatismus

der

Das dynamische Luftschiff, die Flugmaschine ,

wird auch, wenn wir nach Analogien schliessen dürfen , keine Flügel haben, ebenso wenig

wie der Dampfer Flossen

Natur mit ihren grossartig plizierten Motors

einfachen

einen blossen Strang,

oder die Lokomotive Beine .

Mitteln ,

auch darin nicht sklavisch nachahmen dürfen, nicht auskommen können

die

an Stelle

einen Muskel,

mit Charniergelenken,

setzt ,

Die

eines kom werden

wir

wir werden wahrscheinlich Hebeln

und Flügeln ,

es

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug . werden neue Prinzipien nöthig sein,

183

wie die Schraube und das Rad nöthig

waren auf jenen Gebieten . Ob wir in der unökonomischen Luftschraube schon das besitzen, was uns frommt, lässt sich derzeit nicht entscheiden . Beim Flügelschlage wird eine Fläche periodisch gehoben und gesenkt . Geschieht beides auf gleiche Weise so, dass die Luft der Aufwärtsbewegung dann ist das Ganze

der Senkung ,

denselben Widerstand entgegensetzt, wie

ein müssiges Spiel, denn was der Thierkörper durch das eine gewinnt, ver liert er durch das andere. Es muss also offenbar der Flügel mit geringerem Widerstande gehoben als gesenkt werden . Denken wir uns als Flügel einen Hohlkegel,

dessen Spitze nach oben

sieht, so ist dieses Postulat ohne Weiteres erfüllt, denn ein Kegel wird ja bei der Hebung die Luft

mit seiner Spitze leichter durchschneiden , als mit

seiner Basis beim Senken, ein Prinzip, das die Natur beim Vogelflügel kaum angedeutet, praktisch aber nirgends verwerthet hat - nicht ebenso der menschliche Erfindungsgeist . Die drei aufgestellten Typen, Fliege , Fledermaus, Vogel, werden nun in verschiedener Art der eben erwähnten unerlässlichen Bedingung gerecht . Der Fliegenflügel Platte

dar,

Längsaxe stimmt,

die

stellt eine in sich starre, von ebenen Flächen begrenzte um zwei Axen

drehbar ist,

von denen

des Flügels, die andere mit der Längsaxe kann also,

thut dies gerne,

wenn dasselbe

die eine mit der

des Thieres

an seinem Platze

schwebt,

überein

die Fliege

der Bedingung einer mit geringerem Widerstande ausge

führten Hebung nicht anders genügen ,

als indem er so gedreht wird,

dass

er mit der Kante nach aufwärts sieht, in die Höhe gehoben , dann so gedreht wird,

dass

u. s. w.

er mit

einer Fläche nach abwärts

Diese Drehungen

brauchen nicht um

sieht,

herabgedrückt wird

die Mittellinie der Flügel

flächen stattzufinden,

was auch wahrscheinlich

nicht der Fall ist ,

wie wir

später sehen werden .

Bei vielen Insektenflügeln sieht man die Vorderkanten

dunkel und allem Anscheine nach versteift, so dass diese die Drehungsaxen abgeben dürften . Ihre Vorwärtsbewegung bewirkt thiere dadurch , werden.

die Fliege

wie

alle

andern Flug

dass die Flügel mit gesenkten Vorderkanten herabgedrückt

Ein Luftschiff, das diesen Typus imitiert, es gibt deren gewiss mehrere , muss im wesentlichen aus Flügeln bestehen, die ausser einer Bewegung von oben nach unten auch eine Drehung um ihre eigne Längsaxe erlauben . Wenden wir uns zu einer andern Flugart, zu der der Fledermaus . Die Haut derselben ist keine starre Fläche mehr, denn sie besitzt einen höchst sinnreichen Mechanismus , der sie zu falten ermöglicht . wäre sie,

da

sie nicht

nur an Armen und Beinen ,

Ohne diese Fähigkeit sondern auch an den

Flanken des Thieres befestigt ist und die Drehung um die frontale Axe unmöglich macht , zum Fliegen oder besser Flattern unbrauchbar. Die Fledermaus leitet ihren Flug mit einem Sturze ein, denn sie ist bekanntlich

184

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug.

nicht im Stande vom Boden aufzufliegen, ebenso wie dies manchen grossen Vögeln schwer wird und ganz gewiss aus keinem andern Grunde , als weil sie ,

wenn sie

sich am Boden befinden, ihre grossen Schwingen nicht in

Bewegung setzen, nicht unter sich schlagen können ; man hat nämlich auch andere Gründe ausfindig gemacht . Hätte die Fledermaus ausser ihren vieren noch zwei lange Storchbeine, würde auch ihr ohne Zweifel der Aufflug keine Schwierigkeiten bereiten,

und diese Thatsche wirft ein interessantes

Streiflicht auf den Nutzen oder den Zweck der langen Beine, wie sie vielen Vögeln beigegeben wurden, weil sie sich ihre Nahrung nur am Boden suchen. Die Fledermaus kann dieselben entbehren, da sie ihrer Beute nur in den Lüften nachjagt,

und den Adler zwingt die Kürze seiner Beine auf Höhen

zu horsten . Wenn sich eine Flugmaschine nicht vom Boden erheben kann , so hat dies vielleicht auch darin seinen Grund, dass sie ihre Theile erst in der Luft

wirksam in Bewegung

zu setzen vermag oder auch,

und das ist

leider das Wahrscheinlichere, weil sie keine genügend grosse senkrechte Flugkomponente zu erzeugen imstande ist. Die Fledermaus leitet also ihren Flug mit einem Sturze ein ,

indem sie sich kopfüber herabfallen lässt.

gleich spannt sie ihre Flughäute Jetzt hat

sie sie

So

aus und schlägt sie energisch unter sich .

aber mit geringem Widerstande zu heben , und sie thut

dies, da sie ihre Flugflächen nicht drehen dieselben verringert, faltet.

kann wie die Fliege, indem sie

Indem sich dieses Spiel wiederholt, arbeitet sie

auf wirkungsvolle Art dem Falle entgegen, aber, wie man sieht, durch eine ziemlich beschwerliche Aktion und, da das Thier zur Hebung der Flughäute viel Zeit braucht, fällt es während derselben ein wahrnehmberes Stück, was seinem Fluge den stossweisen Charakter gibt Flatterthieres eingetragen hat.

und ihm den Namen eines

Dies durch einen Flugapparat nachzuahmen , schwer, doch ist es versucht worden .

scheint a priori

sehr

So wäre ich zu dem dritten Typus gelangt, zum Vogelfluge , bei dem die Natur, was Zweckmässigkeit und Eleganz betrifft, das Höchte geleistet hat, an dessen leichten Dahinschweben sich der aëronautische Erfinder be rauscht, so dass er leider nicht selten die ruhige, sachliche Ueberlegung für ein zweckloses Schwärmen dahingiebt und Idee macht.

sich zu einem Fanatiker seiner

Der Flug des Vogels ist so komplizirt, wie sein Flugorgan . Beide ver wirren durch eine Fülle der interessantesten Details, und es gehört zu den lohnendsten Arbeiten,

die Einzelheiten des Baues mit den Funktionen des

Flügels in Zusammenhang zu bringen. Der Vogelflügel (Schema Fig. 4 ) ist

ein elastisches Gebilde ,

dessen

Vorderrand durch das Skelet starr ist, während es nach hinten an Festigkeit immer abnimmt . Die Muskulatur setzt sich natürlich am Skelete , als am vordern Rande, an und das hat die wichtige Folge, dass sich der Flügel, wenn er auf die Luft drückt, sowohl beim Senken wie beim Heben schief

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug .

185

stellt , weil der Luftdruck den Hintertheil entweder hebt oder herabdrückt . Wenn der Vogel den Flügel senkt, so folgt nur das

starre Skelet

dem

Muskelzuge vollständig , die hintern Theile thun dies langsamer, so dass der selbe eine schiefe Fläche darstellt ( Fig. 12B), die den Körper nicht nur hebt, sondern auch vorwärts treibt .

Je mehr diese Fläche gegen den Horizont

geneigt ist, desto grösser ist natürlich die horizontale Komponente im Ver gleiche zur senkrechten . Diese Neigung nun zu verändern, hat der Vogel zwei Mittel, nämlich erstens den Flügel rascher oder langsamer zu senken , denn mit der rascheren Senkung stellt sich der Flügel wegen des stärkeren Luftdruckes auf seine Unterfläche schiefer, und zweitens, indem er die Neigung seines ganzen Körpers zum Horizonte, somit auch die des Flügels, ändert .

Das Einfachste

schiene wohl auf den ersten Blick , die Armknochen zu drehen, doch dieses ist ihm aus guten Gründen versagt. Vogel nicht wie beim Menschen gelenk,

welches

Das Schultergelenk stellt nämlich beim

ein Kugelgelenk dar, sondern ein Sattel

wie das Daumengelenk unserer Hand

nach allen Richtungen aber keine Drehung erlaubt. den grossen Vortheil,

dass er keine Muskulatur

wohl Bewegungen

Dies hat für den Vogel

also keine Kraft braucht,

um den Flügel zu drehen respektive zu fixieren , was bei der Schmalheit des Knochens und der Grösse der Fläche mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden wäre. Um

rascher vorwärts zu kommen,

steht dem Flieger noch ein Weg

offen und zwar ohne die Neigung seiner Flugflächen zu ändern : er ver grössert den Bogen, den er mit denselben beschreibt . Der Hebung des Körpers dient in Fig . 5

vor allem die Bewegung auf der Strecke a b, die

Strecken ca und db gehen für dieselbe die horizontale Komponente, ohne

höher

steigen,

oder

ziemlich verloren ,

und das Thier kann, das Gegentheil

nicht aber für

wenn es rascher fliegen,

will, dies ganz gut dadurch er

reichen , dass es die einzelnen Exkursionen seiner Flügel ändert. Alle

diese

drei Punkte sind,

wie mir scheint,

für

mit Flügeln ver

sehene Flugapparate wohl zu beherzigen . Bisher haben wir uns mit der Senkung

des Vogelflügels beschäftigt

und wollen nun einmal sehen , wie es möglich ist, dass derselbe mit geringerem Widerstande gehoben wird , Aufflug und den ruhigen,

wobei wir zweierlei unterscheiden müssen : horizontalen Flug.

den

Was den Aufflug anbelangt,

geben uns die Marey'schen Momentphotographien

erschöpfenden Aufschluss

und,

er

wenn ich

dieselben richtig

verstehe , lässt

sich folgendermassen

schematisieren : der Vogel senkt seine Flügel bei vollständig gestrecktem Ellbogengelenk, und es entstehen Stellungen wie in Fig. 8 . Weniger klar ist der horizontale Flug, bei dem wir eine derartige Ab knickung

nicht wahrnehmen

können .

Der Vogelflügel ist weder um zwei

Axen drehbar, wie der der Fliege , noch faltet er sich, wie die Flughaut der Fledermaus, wenigstens nicht in so hohem Grade, dagegen hat er vor beiden

186

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug.

voraus,

dass er aus einzelnen diskreten Theilen besteht, den Federn .

Man

betrachte eine Schwungfeder. Eine starre Rippe , der Kiel , und auf einer Seite derselben der weiche Bart . Man blase auf die Fläche, und die Feder wird

trachten ,

sich um

ihre Längsaxe

zu

drehen ,

giebt nach und biegt sich zu einer langen Rinne .

oder der weiche Bart

Führen wir durch einen

Vogelflügel einen Schnitt quer auf die Richtung der Federn , so erhalten wir die Durchschnitte derselben dachziegelförmig, jalousienartig angeordnet . Der erste Gedanke bei diesem Anblicke ist der, dass der Luftdruck bei der Hebung des Flügels die Federbärte oder auch die ganzen ihn dadurch zu einem groben Roste umgestaltet, während hingegen die Jalousien schliessen und nun der Luft eine Fläche entgegensetzen ( Fig . 7 A und B). Thatsächlich

Federn dreht und der Senkung sich widerstandsfähige leistet auch ein

Flügel,

wenn man ihn mit der Hand hin- und herbewegt, schon für das blosse Tastgefühl in dem obigen Sinne nach beiden Seiten hin verschiedenen Widerstand . Ich machte daraufhin folgendes Experiment : ich strich einer kräftigen Taube von deren Flugfähigkeit ich mich vorher überzeugt hatte , eine geringe Menge Zuckersyrup,

welcher nicht trocknet,

Sie konnte nun ihre Flügel anstandslos

zwischen die Schwungfedern .

ausspannen und falten ,

indem das

Klebemittel eine Verschiebung der Federbärte an einander nicht, wohl aber jede Drehung

derselben verhinderte.

Als ich jetzt das Thier vom Tische

scheuchte, arbeitete es zwar mit seinen Flügeln , kam aber unbeholfen zu Boden . Auf eine Stiege gestellt, schwang sich die Taube durch einen energischen Schlag auf die nächste Stufe, als sie jedoch die Flügel rasch hob , überstürzte sie sich nach rückwärts, was einen höchst überraschenden Anblick darbot und kaum anders zu erklären ist, als dass die Hebung einen ganz ungewöhnlich grossen Widerstand fand . Ich warf den Vogel schliess lich aus einem Fenster des ersten Stockwerkes und er fiel wie ein Stein. Nachdem ich ihn

durch Waschung

von dem Syrup befreit hatte , erlangte

er nach kurzer Zeit sein Flugvermögen

wieder .

Um der Deutung zu be

gegnen, dass der Klebestoff etwa die Flügel zu sehr belastet hätte , muss ich bemerken, dass ich kaum drei bis vier Gramm desselben verbrauchte. Von diesem Momente an war ich fest von der Wirksamkeit der Jalousien überzeugt . Da machte Herr Ingenieur Popper in meiner Gegenwart einen anderen Versuch . Er brachte einen Taubenflügel in den Luftstrom eines Ventilators und prüfte nahm .

durch

eine Reihe von Kerzen die Richtung ,

welche die Luft

Ob man nun den Flügel von seiner Bauch- oder von seiner Rücken

seite aus anblies, es ging keine Luft durch, manchmal scheinbar öffneten .

wenn sich die Jalousien auch

Um der Sache auf den Grund zu kommen, beschloss ich , Flügel rotieren zu lassen, und zwar annähernd um dieselbe Axe wie beim lebenden Vogel , um den Luftwiderstand nach beiden Richtungen festzustellen . - Es sollte

187

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug.

dies an einem kleinen Rotatorium durch den Fall eines Gewichtes geschehen (Fig. 6 ). Ich nahm vollständig frische Flügel, denn nur an diesen sind die einzelnen Federn leicht drehbar - so leicht drehbar, dass es mir förmlich unbegreiflich ist, wie es geschehen kann , dass sie nicht schon durch mässigen Luftdruck gedreht werden . keine

Eine Reihe von Versuchen misslang , es konnte

nennenswerthe Differenz

nach irgend einer Richtung nachgewiesen

werden und ich musste doch auf enorme Differenzen gefasst sein , wenn ich bedachte, dass die Rückenmuskulatur nicht nur um vieles schwächer ist, als die

der Brust

sie beträgt ungefähr ein Fünftel von dieser

, sondern

auch den Flügel trotzdem noch rascher hebt, als er gesenkt wird . Als ich aber einmal die Versuchsart so variirte, dass ich die Leiste, an der ich den Flügel befestigte, nicht mehr wie früher an der Bauchseite, sondern an der Rückenseite anbrachte, hatte ich einen Erfolg.

Das

2 Kilogewicht fiel,

wenn der Apparat der Hebung entsprechend rotierte, 10 Sekunden im anderen Falle 15 Sekunden konstant, so oft ich den Versuch wiederholte Welche Funktion konnte nun aber die an der Bauchseite angebrachte Leiste gehemmt haben?

Um dies zu finden,

besah ich mir die Art,

welche die Federn mit dem Skelett in Verbindung gebracht sind .

auf

In Fig . 10

sei ganz schematisch K ein Flügelknochen, M die Muskulatur, die ihm an liegt und F und F, zwei Federkiele .

Ferner sehen wir aber ein wichtiges

Gebilde B, eine derbe bindegewebige bandförmige Membran , die auf der einen Seite einen freien Rand besitzt mn und mit diesem an den Schwung federn der Reihe nach sich anlöthet, auf der anderen direkt in den Ueber zug der Muskulatur übergeht . Der Nutzen derselben liegt auf der Hand . Eine Bewegung der Federn im Sinne der Pfeile wird sie nicht hindern können , sie spannt sich aber straff, sobald ein Druck auf die Unterseite der Federn ausgeübt

wird .

Bei der raschen Hebung des Flügels können also

die Federn eventuell nachgeben und sich nach abwärts biegen, während sich das Band faltet , bei der Senkung hingegen werden die Federn durch das Band fixiert, und die im früheren beschriebene Schiefstellung findet nur insoweit statt, dass

als es die Elastizität und die Deckfedern gestatten . Wir sehen also , beschriebenen Drehungen der Flügel wegen der Be

die so häufig

schaffenheit der Gelenke gar keine solchen sind und wodurch sie entbehrlich werden. Wenn ich noch den ,

wenn ich nicht irre, von Herrn Prof. Milla er

wähnten Umstand, dass nämlich der Vogel möglicherweise bei jeder Hebung die Oberfläche seiner Flügel durch Zusammenschieben der Handfedern ver kleinert, und es scheint mir dies nicht unwahrscheinlich ,

da ich zu beiden

Seiten der Vorderarmknochen zwei starke Muskeln lediglich für diesen Zweck angebracht sehe,

dann kann ich mir wohl vorstellen, dass der Widerstand

für die eine Hälfte des Flügelschlages ein wesentlich kleinerer ist. Die Flügelhebung kann man aber noch von zwei anderen Standpunkten aus betrachten , nämlich als eine Funktion des Falles und als eine Funktion

188

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug.

der Vorwärtsbewegung

des

Thierkörpers .

Denken

wir uns den Flieger,

Fliege , Fledermaus oder Vogel, mit ausgespannten Flugflächen fallend , so wird der Körper desselben vermöge seiner kleinen Unterfläche und seines grossen Gewichtes

viel rascher

zu fallen suchen, als

Flügel desselben .

Spannt er keinen Muskel , so klappen die Flügel selbst

thätig nach oben zusammen (Schema Fig. 15 ) . desto rascher wird dies geschehen . Die Vorwärtsbewegung

kommt

der

die leichten, grossen

Je schwerer der Körper ist ,

Hebung

zunächst

beim

Vogel

folgendermassen zu statten : bei horizontaler Körperlage und ausgespannten Flügeln nimmt jede Schwungfeder eine solche Lage an, dass ihr Kiel vorn , innen und oben, die Fahne hinten, aussen und unten ist, fixiert durch das oben beschriebene Band (Fig. 12 A).

Die Fahnen bilden also Streifen, die

von vorn oben nach hinten unten verlaufen . die Luft,

Beim Abwärtsschlagen drückt

wie wir gesehen haben , die Hinterenden hinauf (Fig . 12 B) , bis

der Flügel an seinem tiefsten Punkte angelangt ist, dann nehmen die Federn wieder ihre Ruhelage ein . Der Vogel bewegt sich aber vorwärts und es drückt nun die Luft auf die Unter- resp . Vorderflächen der Flügel.

Dieser

Druck hat eine senkrechte Komponente, die die Hebung unterstützen kann . Natürlich erleidet dadurch der Körper einen Verlust an lebendiger Kraft, der umso weniger bedeutet, je schwerer er ist. Trotz alledem möchte ich eine Annahme der Jalousienwirkung der Schwungfedern solange nicht gänzlich von der Hand weisen, als ich keine genügende Erklärung dafür habe, warum die Taube so absolut nicht fliegen konnte, als ich ihr Syrup zwischen die Federn brachte, und warum die so leicht beweglichen Schwungfedern nicht dem einseitigen Druck auf ihre Fahnen gehorchen . Dieses letztere scheint

mir umso unbegreiflicher,

primitiven Nachahmung der Jalousien raschend schöne Resultate

erzielte .

als ich

mit

an meinem Rotatorium ganz Ich bog aus Rotang zwei

einer über

dreieckige

Gestelle ( Fig. 9 ) , in welche ich möglichst straff dünne Fäden spannte.

An

diese klebte ich Papierstreifen, so dass dieselben sich jasousienartig theil weise deckten . Erhielt ich nun , wenn diese gegen die Kanten rotierten , eine Falldauer des Gewichtes von 4 Sekunden , dann brauchte der Fall , wenn die Jalousien sich öffnen konnten, 6 Sekunden , nach der entgegengesetzten Seite 12 Sekunden. Die Verzögerung betrug anderen 8 Sekunden .

also

im ersten Falle 2 , im

Hiermit glaube ich, die praktische Verwendbarkeit der Jalousien er wiesen zu haben, und muss mich nur darüber wundern, dass ihnen die Flug technik nicht mehr Beachtung schenkt.

Es dürfte sich dieses Prinzip wohl

bei allen jenen Flugapparaten bewähren, welche grosse Flächen periodisch auf- und abbewegen, mithin bei den vor allem auf persönlichen Flug ab zielenden Vorrichtungen, denn diesen ist ja die Anwendung der Luftschraube versagt.

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug.

189

Ist die Möglichkeit des persönlichen Fluges überhaupt wahrscheinlich ? Der Streit über diesen eigentlich höchst wichtigen Punkt zieht immer weitere Kreise und gleich gross, wie die Ueberzeugung der Vertheidiger, ist die Skepsis derjenigen, die diese Frage rundweg verneinen . Man kann die Möglichkeit des Kunstfluges von zwei Standpunkten aus leugnen, vom phy siologischen und vom rein mechanischen d . h. , wenn der Kunstflug unmög lich ist, so ist er es entweder deshalb, weil der Mensch als solcher sich aus irgend welchen Gründen auch mit sonst hierzu geeigneten Vorrichtungen nicht in die Luft

erheben kann,

oder deshalb,

weil die Konstruktion des

betreffenden Mechanismus unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnet . Unglaube der Gegner bezieht sich gipfelt

in dem Satze,

gewöhnlich auf den ersten Punkt und

dass der Mensch einfach nicht imstande sei,

Gewicht in bedeutende Höhen zu bringen und dort zu erhalten . träger,

der treppauf,

Der

sein

Der Brief

treppab rennt, hebt vermittels der Muskulatur seiner

untern Extremitäten seinen Körper oftmals hoch und rasch, der Bergsteiger thut dies langsamer, aber um so höher, ein einfacher Aufzug ermöglicht es der

verhältnismässig

winzigen

Lasten viele Stockwerke hoch

Armmuskulatur

eines

Mannes ,

zu schleppen , und Archimedes

seiner Schraube den ganzen Erdball von seiner Stelle bewegen, ihm einen Stützpunkt böte . Flugtechnik.

ungeheure wollte

mit

wenn man

Nach einem solchen Stützpunkt sucht eben die

Es wird auch darüber gestritten , ob ein Mensch so stark sei , wie ein Vogel .

Der Mensch ist meiner Ansicht nach entschieden schwächer, d . h.

das Verhältniss seiner gesammten Muskelmasse

zu seinem Körpergewichte

ist, so weit ich es ohne Wage schätzen kann, kein so günstiges , als beim Vogel,

und bedenken

tragen hat,

so

wir,

können

dass

er überdies

noch

einen Flugapparat

wir uns der Ansicht nicht verschliessen ,

zu

dass der

Mensch unter bedeutend ungünstigere Flugbedingnisse gestellt ist , als der Vogel . Deshalb ist aber der Kunstflug noch nicht unmöglich , doch wird Dem Vogel er, glaube ich, wenn er gelingt, immer ein mühsamer sein . werden wir nie gleichen, elegant durch

höchstens

die Luft schiessen

dem Schmetterling,

wir werden nie

oder gar in wenigen Tagen in einen

anderen Welttheil fliegen, wie ein Zugvogel.

Der Schmetterlingsflug scheint

mir überhaupt für den Menschen ein geeigneteres Paradigma zu sein, denn er wird von einer sehr schwachen Muskulatur mit sehr ausgedehnten Flächen von einfachstem Baue ausgeführt .

Ausserdem macht der Schmetter

ling unverhältnissmässig wenig Flügelschläge oft nur 4 bis 10 in der Sekunde also viel weniger,

als Vögel von bedeutend grösserem Gewichte .

Der per

sönliche Flug wird wahrscheinlich als solcher nie grosse Bedeutung erlangen , wohl aber vielleicht Motoren .

als Vorstufe für

Da jede Pause in der Flugarbeit

den dereinstigen Lufttransport mit

einen Verlust bedeutet,

so kann es

nur von Nutzen sein , wenn derartige Apparate zwei Flächensysteme besitzen,

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug.

190

die mit einander in ihrer Bewegung alternieren, so zwar, dass das eine gehoben wird, wenn sich das andere senkt und arbeitet. Dies im Zusammen hange

mit

dem Jalousienprinzip

gestaltete

sich

mir zu einer Idee , nach

welcher die Vorrichtung aus sechs Flugflächen bestände, von denen je drei fest mit einander verbunden wären, wie in Fig. 13 Ar mit An und AI , BI mit BII und BIL . Setzt man nun das Pedale I mit den Jalousien flächen Al und BI in Verbindung, das Pedale II mit A , A1 , B1 und BI , so werden sich, wenn II getreten wird , die mit z bezeichneten Flächen senken und die anderen heben . Es würde auf diese Art, armigen Hebel

Tritt man I, so ist es umgekehrt. wie

bei so vielen Projekten, von dem ein

Gebrauch gemacht,

wie

Flugsystemen Anwendung gefunden .

er ja auch bei allen natürlichen

Doch giebt es gegen diesen gewichtige

Bedenken. Der Unterstützungspunkt des Hebels ist beim Flügel im Schulter gelenke (Fig . 11 G) , der Angriffspunkt der Kraft in A. AJ stelle die Muskeln vor, die den Flügel senken , AH diejenigen, welche ihn heben und sind die Muskelfasern beim Vogel so angeordnet, wie es für eine so kraft volle Wirkung nothwendig ist , d . h . die Muskeln sind sehr kurz , aber breit , so dass sie sich

zwar nicht

um

eine grosse Strecke

verkürzen

können ,

ihre Kontraktioneu aber mit umso grösserer Kraft ausführen , was bei der menschlichen Muskulatur schon nicht der Fall ist. Ferner braucht der Mensch eine grössere Flügelfläche per Kilogramm seines Körpergewichtes als der Vogel, weil er schwächer ist als dieser, denn die Schwebearbeit für das gleiche Gewicht ist umso kleiner, je grösser die Fallschirmfläche ist. Vergrössert man aber den Flügel, dann vergrössert man das Stück AF und das Hebelverhältnis

GA: GF wird

dadurch

noch ungünstiger für

den

Menschen mit seinen langgestreckten Muskeln . Wenn der Mensch also mit seinen Extremitäten in dem Punkte A angreift, so hat er einen sehr grossen Druck zu überwinden, dafür braucht er diesen Punkt nicht weit zu bewegen, denn wegen seiner Nähe an dem Hypomochlion G ist seine Exkursionsgrösse klein .

Dies widerspricht

aber geradezu

unserem Körperbau ,

der für

Enden unserer Extremitäten nur verhältnismässig geringe Drucke ,

die

aber um

so grössere Exkursionen gestattet. Mutatis mutandis gilt dies in gewissem Grade auch von allen unseren Motoren . Nicht zu unterschätzen ist auch , da ja die künstlichen Flügel kaum so leicht gerathen dürften wie

die

natürlichen , dass bei solchen Hebelverhältnissen eine gewaltige todte Last zu heben wäre . Vielen von diesen Uebelständen kann man aber dadurch ausweichen. dass man jalousienartig durchbrochene Fallschirme nimmt , welche dann die beiden alternirend beweglichen Flächen darstellen , und ich will am Schlusse dieser meiner Betrachtungen eine Art ausführen , wie dies wohl nebst vielen anderen geschehen könnte. Ich denke mir in Fig. 14 die beiden Schirme Der obere I steht

übereinander

durch die Stange a x mit dem Gürtel des

gesetzt .

Mannes in

191

Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug .

fester Verbindung und II ist längs dieser Stange, die durch seine Mitte geht, leicht verschiebbar. Der Bogen mn und die Seite md und ne vermitteln den Zusammenhang des letzteren mit dem Trapez de, auf welchem der Mann steht . Die Schirme könnten nach Art der Bicycleräder gebaut sein , nämlich aus einem kreisrund zusammengebogenem Rohr bestehen , das durch die straff gespannten Schnüre ha, ia, kf, etc. und hf, if, kf etc. fixirt würde . Die radiär angeordneten Jalousien liessen sich wie die japanesischen Fächer an fertigen, die aus Pergamentpapier bestehen, durch dünne Rohrstreifchen ver steift und von unglaublicher Festigkeit und Leichtigkeit sind . die ganze Vorrichtung nicht allzu schwer ausfallen.

So dürfte

Streckt der Flieger die unteren Extremitäten und beugt er zugleich die Arme, dann drückt er mit Gewalt den unteren Schirm herab , während er den oberen hebt.

Beugt er die Beine und streckt er die Arme, dann ist

es umgekehrt, und es lässt sich, da die Hebung wegen der Jalousien

mit

geringem, die Senkung mit bedeutendem Widerstande vor sich geht , hier von wohl ein Effekt erwarten.

Ueberdies sind diese Bewegungen die ein

fachsten und weitaus kräftigsten , die wir haben .

Die ganzen grossen Mus

kelmassen der Schultern, der Brust, der Arme, des Gesässes, der Schenkel , der Waden sind hauptsächlich auf sie berechnet . Nehmen wir nun an ,

es wäre gelungen , sich mit einem solchen oder

ähnlichen Apparate

zu

Flugmaschine,

Vorwärtsbewegung.

dieselbe

zur

erheben , so kämen wir zur zweiten Aufgabe einer

bekanntlich dadurch,

tiefer stellen.

Die

geflügelten

Thiere

erreichen

dass sie die Vorderkanten ihrer Schwingen

Das könnte man auch hier durch Anbringung eines Charnier

gelenkes (Fig . 16 C) .

Hörte der Flieger auf zu arbeiten , so hinge er ein

fach an einem Fallschirm,

und dieser ist lenkbar ,

wie wir durch Hengler

wissen , lenkbar durch einseitige Belastung oder durch Schiefstellung , was ja eigentlich dasselbe ist, bar wäre.

wodurch auch der vielgerühmte Segelflug ausführ

Ich will damit nicht eine Maschine erfunden , sondern nur eine Idee angeregt haben. Es ist nichts leichter als eine Flugmaschine zu erfinden , und es ist mancher darüber zum Bettler und Narren geworden , ja hat sogar sein Leben für seine phantastische Idee gewagt und geopfert .

Und dennoch

wurde auf dem Gebiete des persönlichen Fluges noch nichts erreicht ,

noch

immer ist die Flugtechnik ein beliebter Tummelplatz des Erfinderwahnsinns, sie ist die Alchymie des 19. Jahrhunderts . besser werde,

seitdem sich

eine

Wir haben Hoffnung ,

dass es

specifisch flugtechnische Wissenschaft zu

entwickeln beginnt, die auf zwei mächtigen Säulen ruht, auf der Mathematik und Physiologie .

Die neueren Fallschirmversuche.

192

Die neueren Fallschirmversuche. Von Dr. Wilhelm Angerstein. Ein weit verbreiteter Irrthum, den man sogar nicht selten in angeb lich wissenschaftlichen Werken finden kann, behauptet, dass der Fallschirm durch den Luftschiffer Blanchard im Jahre 1784 , also etwa ein Jahr nach Erfindung des Luftballons durch Montgolfier , erfunden worden sei.

That

sächlich hat man das der Konstruktion des Fallschirms zu Grunde liegende Prinzip schon viel früher gekannt und es steht auch fest, dass dasselbe be reits viel früher

angewandt

worden ist .

Beispielsweise befindet sich unter

den Zeichnungen und Entwürfen von Flugmaschinen, welche Leonardo da Vinci angefertigt hat, eine wahrscheinlich aus dem Jahre 1514 herrührende Skizze, die einen Fallschirm darstellt, wie aus einer von dem grossen Künstler eigenhändig darunter geschriebenen Erklärung hervorgeht. Einen Fallschirm hat ferner auch der italienische Architekt Faust Veranzio konstruirt und in einem 1617 in Venedig erschienenen Werke beschrieben und bildlich dar gestellt .

Andere, deren Namen ich hier übergehe, sind ebenfalls und wahr

scheinlich unabhängig von einander im siebzehnten und

achtzehnten Jahr

hundert auf den Gedanken gekommen , solche Fallapparate anzufertigen. Dass die Erfindung der Brüder Montgolfier, so zufällig sie gewesen

sein mochte, in einem ihrer Zeit fast unerhörten Maasse die Aufmerksamkeit aller Welt auf sich lenkte , ist bekannt. Die Erfindung wirkte natürlich auch auf Andere anregend und bald beschäftigten sich viele bedeutende nnd unbedeutende Persönlichkeiten mit der Lösung der grossen Aufgabe , die Lüfte zu durchfliegen .

Nicht lange nachdem der erste Montgolfier'sche Heiss ein " Riesenballon " , wie unsere heutigen Luftschiffer in ihrem Reklamestyl sagen würden , von 34 m Umfang - am 5. Juni 1783 aufge

luftballon

stiegen war , tauchten verschiedene aëronautische Erfindungen von ausser ordentlicher Wichtigkeit auf. Der Physiker Professor Charles erfand die mit Gas gefüllten Ballons , deren erster bereits am 27. August 1783 auf dem Marsfelde bei Paris aufstieg . Um dieselbe Zeit machte auch der Physiker Sebastian Lenormand zu Montpellier Versuche mit Fallschirmen . Lenormand soll bereits ein Jahrzehnt früher Fallschirmversuche angestellt, sich beispielsweise mit einem aufgespannten , durch Schnüre gegen das Um kippen gesicherten Regenschirm vom Dache oder einem Fenster seines Wohnhauses auf die Strasse herabgelassen haben. In der allgemeinen Er regung, welche die Montgolfier'sche Erfindung hervorgerufen, lag für ihn nun die Anregung, diese Versuche im Jahre 1783 wieder aufzunehmen, und im September dieses Jahres waren die letzteren so weit gediehen, dass er damit an die Oeffentlichkeit treten konnte. Lenormands Fallschirm hatte anfangs lediglich die Form eines grossen starken Regenschirms , dessen Fischbeinstäbe an ihren Enden mit Schnüren versehen waren, die nach dem Schirmstock gezogen und dort, straff gespannt,

Die neueren Fallschirmversuche.

193

befestigt wurden, so dass sie bei geöffnetem Schirm das Umkippen , bezw. Aufwärtsgebogenwerden , der Stäbe verhinderten.

Von dieser ursprünglichen

Form ging er aber selbst bald ab , indem er einen wesentlich vollkommeneren Fallschirm , bei dem namentlich auch der Schirmstock fortgelassen war, konstruirte .

Einen ähnlichen Fallschirm stellte sich dann der Luftschiffer

Garnerin her, ein Schüler des Professor Charles, übrigens der erste Aëro naut,

der

überhaupt

das

Wagstück unternommen hat, sich mit einem Fallschirm von einem Luftballon aus zur Erde niederzulassen .

(Fig. 1

zeigt Garnerin's damaligen Fallschirm nach einer älteren Abbildung. ) Es geschah dies zu Paris am 22. Okt. 1797 . Alle zeitgenössischen Berichte stimmen darin überein , dass bis dahin noch niemand das Gleiche versucht hatte ; nichts desto weniger hat jedoch Blanchard behauptet, er habe bereits 1795 einen Fallschirm benutzt. indessen

Fig. 1.

Diese Angabe ist durch

nichts

ver

bürgt und da es Blanchard niemals mit der Wahrheit

genau genommen, wenn er für sich selbst Reklame machen wollte , so wird man gut thun, auch in dieser Beziehung ihm nicht zu glauben. Auf jene Behauptung dürfte aber der Irrthum zurückzuführen sein, dass er Erfinder des Fallschirms gewesen . Garnerin sass bei dem Fall am 22. Oktober 1797 nach dem Berichte , den der Astronom de Lalande darüber der Akademie erstattete , in einem Korbe, welcher an Schnüren hing, die an der Peripherie eines ausgespannten Der so konstruirte Schirm hatte stocklosen Schirmes angebracht waren. jedoch noch einen grossen Uebelstand ; er gerieth beim Falle dermaassen in Schwankungen, dass ein vollständiges Umschlagen des ganzen Apparates unvermeidlich schien und in Folge dessen aus dem Kreise der Zuschauer laute Schreckensrufe hörbar wurden , nervöse Personen sogar in Ohnmacht fielen. Um nun diese Schwankungen oder richtiger Pendelschwingungen zu beseitigen , rieth de Lalande dem kühnen Aëronauten , seinen Fallschirm bei künftigen Versuchen oben in der Mitte mit einem grossen Loche zu versehen, durch welches die von unten widerstehende Luft hindurchströmen könnte, und in das Loch, um den Schirm gegen Aufreissen zu schützen, ein 13 VIII.

Die neueren Fallschirmversuche.

194 festes Rohr einzusetzen .

Garnerin befolgte diesen Rath und schuf damit

diejenige Fallschirmform, welche von den Berufsluftschiffern , die neuerdings ihre Schaustellungen durch Fallschirmversuche interessanter zu machen suchen, nicht viel verändert noch immer benutzt wird. Nachdem die Fallschirmversuche seit dem Ende der dreissiger Jahre dieses Jahrhunderts allmählich seltener geworden und sowohl die Luftschiffer wie das grosse Publikum mehr und mehr den Geschmack daran verloren zu haben schienen , kündigte im Jahre 1886 plötzlich der amerikanische Akrobat und Luftschiffer Thomas Sackett Baldwin an , er werde demnächst mit einem eigens von ihm konstruirten Fallschirm sich in New- York von einem Luftballon aus der Höhe von 5000 Fuss zur Erde niederlassen. Diese An kündigung erschien zuerst natürlich in den Blättern der nordamerikanischen Union , sie machte indessen so bedeutendes Aufsehen, dass auch die Presse Wirklich Englands , Frankreichs und Deutschlands davon Notiz nahm . machte Baldwin sein Versprechen insofern wahr, als er ausserordenlich kühne Fallschirmversuche unternahm ,

wobei allerdings die Höhe , aus welcher er

sich herabliess, nicht kontrolirt wurde .

Augenzeugen behaupteten , dieselbe

sei jedenfalls viel geringer als 5000 Fuss gewesen ; wie dem aber auch sein möge , unzweifelhaft gehörte zu der Art der Ausführung des Experiments , welche der Amerikaner gewählt hatte, ungewöhnlicher Muth und seltene Körperkraft . Er schreckte auch vor der Wiederholung nicht zurück, nach dem er am 10. August 1887 aufgestiegen und , mit seinem Fallschirm in's Meer gefallen, dem Ertrinken nahe aufgefischt worden war. * ) Baldwins Fallschirm (Fig. 2) war ein Sack in Gestalt einer unten abgeschnittenen

und daselbst offenen Hohlkugel , oben ge schlossen oder, wie andere Berichterstatter behaupten, mit einer kleinen Oeffnung ver sehen. Dieser Fallschirm war zusammen gefaltet

an

dem

Baldwin aufstieg,

Luftballon ,

mit

dem

und zwar etwa in der

Höhe des Aequators desselben mit einer leicht funktionirenden Ablösevorrichtung an 1.

gebracht.

Der Ballon hatte keine Gondel,

sondern unter dem Ballonring sass der Luft schiffer in einem herabhängenden starken Gurte. Die Enden der Fallschirmschnüre

Fig. 2.

waren zu bequemen Handgriffen vereinigt, die er in den Händen hielt. Sobald er die Höhe erreicht hatte, welche er zu dem

Experiment für angemessen erachtete, löste er mittelst einer Leine den Fall

Siehe Jahrg . 1887 Heft XI Seite 336 dieser Zeitschrift.

Die neueren Fallschirmversuche.

schirm vom Ballon

195

ab und gleichzeitig stürzte er sich,

den Letzteren sich

selbst überlassend, aus seinem Gurtsitze in die Tiefe . Der Fall war anfangs ausserordentlich rasch, aber bald entfaltete sich der Fallschirm und dann gelangte Baldwin langsam, jedoch mit gewaltigen Pendelschwingungen zur Erde.

Bezüglich der Fallgeschwindigkeit des Baldwin'schen Fallschirms liegt

mir eine Zeitungsnotiz vor ,

wonach Baldwin bei einer Fahrt,

August 1887 zu Rockaway im Staate New-York unternahm,

die er im

für den Fall

aus der Höhe einer englischen Meile vom Momente des Absturzes Landung 84 Sekunden brauchte.

bis zur

Man kann durchaus nicht behaupten, dass die Baldwin'sche Fallschirm form besonders

zweckmässig gewesen ;

sie ist sogar nicht im Geringsten

höher zu stellen, als die erste von Garnerin erfundene . Eigenthum Baldwin's gewesen , ist wohl um so

Dass sie das geistige

eher zu glauben ,

als sie

ganz den Charakter der Ursprünglichkeit trägt, der den Erfindungen von nicht wissenschaftlich und nicht fachtechnisch gebildeten Leuten eigen zu sein pflegt.

Baldwin hatte jedenfalls die Theorie

des Fallschirms nicht

weiter studirt, sondern nur bezweckt, sich ein Geräth zu schaffen, mit dem er, der anerkannt waghalsige Akrobat, etwas zeigen konnte , was keiner seiner Konkurrenten dem Publikum vorführte . Er wollte als „ Künstler " einen aussergewöhnlichen Erfolg erzielen und dies ist ihm glänzend gelungen . Innerhalb zweier Jahre soll er sich, wie amerikanische Blätter berichteten , durch

seine Fallschirmversuche

haben.

ein beträchtliches (?) Vermögen

erworben

Im Herbst 1887 machte er übrigens auch eine Reise nach England

und zeigte

seine

kühnen

Städten des Inselreiches.

Experimente

in London

und

anderen grossen

Seitdem scheint er sich jedoch in's Privatleben

zurückgezogen zu haben ; wenigstens hat er aufgehört, in weiteren Kreisen von sich reden zu machen . Des Baldwin'schen Fallschirmes wurde in der Presse Jahre

1888 ,

fast

ein Jahr

noch einmal im

nachdem Baldwin in England seine

stellungen gegeben, Erwähnung gethan.

Schau

Englische Blätter berichteten, das

britische Kriegsministerium habe bei dem genannten Aëronauten drei seiner Apparate

zu Versuchszwecken

Fallschirms sei,

dass er sich

bestellt ; eine besondere Eigenschaft dieses einigermassen steuern lasse, indem eine Seite

desselben mittelst einer Schnur

herabgedrückt werden könne .

diese Angaben auf Thatsachen

beruhen,

In wieweit

vermag ich nicht festzustellen.

Indessen dürfte hier noch eine zweite Mittheilung englischer Blätter anzu führen sein.

Nach derselben sind Mitte Dezember 1888 Perceval Spencer

und zwei andere Mitglieder der englischen Ballon- Gesellschaft von London . nach Suakin abgereist . Dieselben nahmen zwei Luftballons, wissenschaft liche Instrumente, einen photographischen Apparat und mit

sich.

Besonders betont wurde dabei,

einen Fallschirm

es sei dies jedenfalls das erste

Mal, dass ein Fallschirm im Kriege zur Anwendung kommen werde. Es ist sehr begreiflich,

dass die Erfolge Baldwin's

rasch zur Nach 13*

Die neueren Fallschirmversuche.

196

Seit dem Sommer 1887

ahmung anregten.

sind die

amerikanischen und

dann auch die englischen Luftschiffer nach und nach fast sämmtlich

dazu

ihren Luftballonfahrten Fallschirmproduktionen zu ver binden , die manchmal jedoch ziemlich übel verlaufen . So stieg zum Beispiel der englische Luftschiffer Spencer , der kurz vorher von einer " Kunstreise "

übergegangen,

mit

nach England zurückgekehrt war, am Pfingstmontag dieses Jahres ( 1889 ) in Hastings mit einem Ballon auf, von welchem er sich mittelst Fallschirms aus bedeutender Höhe herabliess . Er fiel in die See

durch Indien

und konnte sich,

obwohl er mit

einem Rettungsgürtel versehen war ,

nur

lange über Wasser halten, bis Hülfe kam. Auf den in der besprochenen Tod des Luftschiffers Leroux werde ich

mit Mühe so

Presse vielseitig

weiterhin ausführlich einzugehen Gelegenheit haben . Einen sehr glücklichen Verlauf hatte dagegen ein Fallschirmversuch , den der Irländer Leeds am 5. Juli 1887 in Quincy (Illinois, Nord- Amerika ) unternahm . Derselbe verliess den Ballon in der Höhe von 5000 Fuss ; zwei Magistratsmitglieder von Quincy hatten die Fahrt mitgemacht , um die Höhe festzustellen. Der Fallschirm soll eine eigenthümliche Konstruktion Leeds' gewesen sein, näheres habe ich darüber jedoch nicht erfahren können . Der Versuch machte sehr groses Aufsehen ,

es wurde in Quincy eine freiwillige

Sammlung veranstaltet, die angeblich den Betrag von 14 000 Dollars ergab, und diese Summe soll Leeds als Ehrengeschenk erhalten haben .

Derartige

Thatsachen und auch schon derartige Zeitungsberichte , selbst wenn sie nicht wahr sind, dürften jedenfalls geeignet sein , tollkühne Leute zu immer ge wagteren Fallschirmversuchen anzuregen. Nicht minder glücklich verlief eine Fallschirmlandung des Luftschiffers Edward D. Hogan am nicht hat.

die Erzählung

13. April 1888 in

von einem

New-York,

obwohl

dieselbe

reichen Ehrengeschenk zur Folge gehabt

Hogan hatte sich verpflichtet, von der Ballongondel in der Höhe von

10 000 Fuss

abzuspringen .

Er that dies auch und landete angeblich erst

drei Minuten

nach dem Absprunge. In einem mir vorliegenden Berichte heisst es dann : " Hogan sagte, er habe den Athem nur für einige Sekunden. verloren und denselben nach Füllung des Schirmes leicht wiedergefunden . Der Schirm ist aus dickem Tuch und hat einen Durchmesser von 20 Fuss . Schwingungen des Apparates sind durch ein vierzölliges Loch in der Mitte der Ueberspannung verhindert (??) . Luftschiffer mit

dem Fallschirm

Hogan hat nie

manövriren sehen

vorher einen andern

und selbst

erst einige

Versuche aus nur sehr mässiger Höhe unternommen . “ Im Frühjahr 1889 kam der amerikanische Luftschiffer Charles Leroux nach Berlin . *)

Er setzte

sich hier mit den hohen militärischen Behörden

*) Der eigentliche Anlass, welcher Leroux und seinen Gefährten Loyal nach Berlin führte, war folgender. Wie im vorigen Hefte unserer Zeitschrift ( Seite 170) erwähnt ist, wurde Mitte März d. J. von einem Hamburger Dampfer in der Nordsee ein Luftballon aufgefischt. Da der Eigenthümer unbekannt war und die Möglichkeit , dass der Ballon

Die neueren Fallschirmversuche.

in Verbindung und da in Deutschland seit versuche nicht

197

sehr langer Zeit Fallschirm

stattgefunden hatten, so wurde ihm Gelegenheit gegeben ,

mit seinem Ballon auf dem Uebungsplatze der Militär-Luftschiffer- Abtheilung bei Schöneberg mit seinem Luftballon zum Behufe eines solchen Versuches aufzusteigen.

Am 16. April d . J. unternahm Leroux im Beisein vieler hohen

Militärs und andrer geladenen Gäste die Fahrt.

Er stieg mit dem Ballon

allein auf, musste den Letzteren also von dem Augenblicke an, in welchem er sich mit dem Fallschirm von demselben herabstürzte, seinem Schicksal überlassen.

Leroux' Fallschirm sollte nach den durch die Presse gegangenen An gaben eine eigene Erfindung seines Eigenthümers sein , thatsächlich war er jedoch

aus der

Fabrik von Yon in Paris hervorgegangen.

Baldwin befestigte

auch Leroux beim Aufstieg

schlossenem Zustande am Ballon , in der Höhe des Aequators .

Ebenso

wie

seinen Fallschirm in ge

beziehungsweise am Netzwerk desselben ,

Als Befestigungsmittel benutzte Leroux dabei

einen Karabinerhaken. keine Gondel

Bei der Fahrt am 16. April war unter dem Ballon angebracht, Leroux sass daher während des Aufstieges bis

zum Moment seines Absturzes im Ballonringe. Der Fallschirm - wie bemerkt, von Yon in Paris konstruirt

bestand

aus starkem Seidenstoff und hatte in der Mitte eine, mit einem festen Reifen eingefasste Oeffnung von etwa zwei Fuss Durchmesser. Der Durchmesser des ganzen Schirmes hatte etwa die sechsfache oder siebenfache Länge . Inner halb des Schirmes befand sich ein zweiter grösserer Reifen, lose so ange bracht , dass derselbe , je nach der Ausspannung des Schirmes , von dem äusseren Rande desselben nach der erwähnten Oeffnung beziehungsweise nach der Mitte zu gleiten konnte . Beim Aufstieg mit dem Ballon war der grössere Reifen zunächst am Rande des Schirmes mit leicht löslichen Schlaufen befestigt . In Folge dessen konnte sich beim Absturze sofort die Luft in den Schirm hineinsetzen und den letzteren sicher und rasch aus breiten .

Indem dies geschah,

wobei der Schirm natürlich anfangs ausser

ordentlich schnell fiel, nahm derselbe die Form einer Glocke an, und während er sich nun weiter ausbreitete , lösten sich die den grösseren Reifen am Rande haltenden Schlaufen und dieser Reifen glitt dann in Folge des ge waltigen Druckes der Luft von unten im Innern des Fallschirmes in die Höhe , der mittleren Oeffnung zu.

Da der grössere Reifen in dem Schirme

dann nicht mehr befestigt war, sondern in demselben nur durch den Luft druck von unten gehalten wurde, so musste er herausfallen, sobald dieser Luftdruck aufhörte, was dann auch im Momente der Landung geschah . Am oberen , die Mittelöffnung einschliessenden Ringe war noch ein starker Gurt der deutschen Militär-Luftschiffer-Abtheilung gehöre , den Findern nicht ausgeschlossen erschien, so wurde derselbe seitens der Letzteren nach Berlin gesandt. Eigenthümer waren indessen Leroux und Loyal, die sich, nachdem die Auffischung durch die Zeitungen bekannt geworden, nach Berlin begaben und hier ihren Ballon in Empfang nahmen.

Die neueren Fallschirmversuche .

198

angebracht, der nach unten geführt und hier mit einem Handgriff versehen war. Sobald Leroux diesen Gurt, den er jederzeit erfassen konnte, anzog, zog er den oberen Ring und damit den diesem zunächst befindlichen Theil des Fallschirmes in das Innere der von dem letzteren gebildeten Glocken form hinein, wodurch die Fallgeschwindigkeit geringer wurde . Der Luft schiffer konnte also durch Anziehen und Loslassen des Gurtes den Fallschirm langsamer und rascher fallen lassen . Von dem kleineren Ringe des Fallschirmes ausgehend, waren dünne, aber sehr feste Seile in radialer Richtung mit gleichen Abständen in das Fallschirmzeug eingenäht ; dieselben reichten weit über den Rand hinaus und liefen unten in einem Ringe zusammen, an welchen sich Leroux beim Fall mit den Händen festhielt . In dem Augenblick, sobald er vom Ballon aus den Fall ausführen wollte, öffnete er mittelst einer Leine den Karabiner haken; sofort senkte sich der Fallschirm über ihm herab, aber gleichzeitig stürzte sich Leroux in die Tiefe . Anfangs war die Fallgeschwindigkeit immer geradezu beängstigend schnell , dann aber, sobald sich der Schirm ausdehnte und die Glockenform annahm, wurde der Fall langsamer, so dass selbst eine mässige Windströmung den Luftschiffer mit seinem Fallschirm aus der senkrechten in eine schräge Falllinie drängen konnte . Von dem Mo mente des Absturzes in einer Höhe von angeblich tausend Metern vergingen bis zu dem Augenblick der Landung etwa drei bis vier Minuten , indessen ist dabei zu bemerken, dass Leroux selbst äusserte, er könne mit Hülfe des erwähnten Gurtes so sehr auf die Fallgeschwindigkeit einwirken , dass er eine Behaup falle . entweder wie ein Stein oder wie ein Blatt Papier “ , tung, die aber doch etwas übertrieben sein dürfte . Nach dem Vorbilde Baldwin's hing Leroux

während des Falles

frei

an dem Fallschirmringe, an dem er sich mit nach oben gestreckten Armen hielt . Um sich so minutenlang halten zu können und dabei auch gegen unwillkührliches Loslassen sicher zu sein, ist ein bedeutendes Maass an Kör perkraft, Ruhe und Besonnenheit erforderlich . unwillkürliche Loslassen geschützt zu sein,

Um einigermassen gegen das

waren

die Handgriffe

an dem

Fallschirmringe Leroux's mittelst einer Gummivorrichtung so konstruirt, dass sie nur mit einem Ruck losgelassen werden konnten. Zu seiner Sicherung hatte Leroux ferner noch am Ringe eine dünne, dem Zuschauer aus der Ferne nicht sichtbare, äusserst feste Schnur angebracht, die in einem Bogen herabhing, so dass er - je nach der Länge der Schnur - darin stehen oder rittlings sitzen konnte . Die Hände hatten daher bei ihm nicht die ganze Last des Körpers zu tragen ; die Unterstützung, welche der Letztere durch die Schnur erhielt, dürfte sogar recht wesentlich gewesen sein.. Die

Gefährlichkeit

der Fallschirmversuche

wird jedenfalls durch

die

Pendelschwingungen vermehrt ; Leroux hat jedoch diese Schwingungen nicht nur nicht

zu

vermeiden gesucht, sondern dieselben sogar durch wechsel

seitiges Anziehen der Arme absichtlich verstärkt, um dadurch der Fallliuie

Die neueren Fallschirmversuche.

199

eine grössere Abweichung von der Senkrechten zu geben, wenn er befürch ten musste, bei senkrechtem Falle

auf Bäume oder Häuser

zu gerathen.

Indessen dürfte es wohl noch zu prüfen sein, ob es auf diese Weise in der That möglich ist, den Fallschirm nach einem bestimmten Punkte hin oder von einem solchen fortzulenken . Leroux hat nach jener Fahrt vom 16. April d . J. in Berlin noch eine Anzahl anderer Fahrten von einem öffentlichen Lokale ( , Neue Welt Hasenhaide ) aus vor einer grossen Zuschauermasse unternommen.

in der Es be

gleitete ihn dabei ein anderer amerikanischer Luftschiffer, namens Loyal , der Mitbesitzer des ihnen beiden gehörigen Ballons war.

Leroux und Loyal

machten diese Fahrten mit einer Gondel am Ballon , von deren Rande sich Leroux mit dem Fallschirm herabstürzte, während Loyal die Luftreise fort setzte und in einiger Entfernung

ebenfalls

landete .

Nachdem die beiden

Aëronauten Berlin verlassen, haben sie noch eine Anzahl anderer grösserer Städte Deutschlands besucht . In Bremen erlitten sie einen Unfall. Nach einem dort erscheinenden Blättern entnommenen Berichte sollte der Ballon am ersten Pfingstfeiertage zunächst als Fesselballon dienen, dann aber eine

Freifahrt

machen

Fallschirmversuch

und

stattfinden .

bei

dieser

letzteren

sollte

Gegen 8 Uhr am Abend

der

Leroux'sche

entstand heftiger

Ostwind ; das Tau, mit dem der Ballon gefesselt war, konnte jetzt durch die am Boden aufgestellte Maschine nicht mehr gehalten werden , vielmehr stürzte die letztere um und wurde fortgeschleift, wobei ein Mann nicht unerhebliche Verletzungen erlitt ; dann wurde das Tau an einer Dachrinne hin und her gescheuert, bis es zerriss und der nun freie Ballon sich rasch in die Luft erhob.

In der Gondel befand sich nur Leroux, am Ballon war aber bereits

der Fallschirm befestigt , den der Luftschiffer in der Befürchtung, von dem heftigen Winde dem Meere zugetrieben zu werden, sofort zum Landen be nutzte. Er liess den Ballon fliegen und stürzte sich mit seinem Fallschirm noch über den Häusern der Stadt in die Tiefe ; er landete, ohne Schaden zu nehmen, auf der Strasse neben dem " Schützenhofe " . Ein viel schwererer Unglücksfall sollte nachfolgen . Am 24. September kam

aus Reval die Nachricht, Leroux sei mit seinem Fallschirm in's Meer Die Tagespresse brachte über diesen Unglücks die jedoch in den einzelnen Punkten wesentlich

gefallen und ertrunken * ) . fall zahlreiche

Berichte,

von einander abwichen und so handgreifliche Ungenauigkeiten enthielten, dass sich selbst ein Sachkundiger kein klares Bild von dem Verlaufe und Es musste dies sehr be den Ursachen des Ereignisses machen konnte.

Leroux war zweiunddreissig Jahre alt, er war geboren in Waterbury im Staate Connecticut in Nordamerika. Es wird erzählt, er habe früher Matrosendienste in der amerikanischen Handelsmarine gethan, sei dann aber genöthigt gewesen, bei einer Feuers brunst in Chicago sein Leben durch einen Sprung aus einem fünfstöckigen Hause zu retten, und hierdurch sei er auf den Gedanken gekommen, Fallschirmversuche zu machen . Se non è vero, è ben trovato.

Die neueren Fallschirmversuche.

200

dauerlich erscheinen , weil ähnliche Vorkommnisse in der Praxis mit Sicher heit nur vermieden werden können , wenn man an den trüben Erfahrungen , die gemacht worden sind, gelernt hat.

Letzteres ist jedoch nur möglich ,

wenn man sich in voller Kenntniss des Herganges befindet. Um so erfreulicher war es mir, von einem der keineswegs zahlreichen Augenzeugen des Unglücksfalles einen genauen erhalten.

Bericht über denselben zu

Herr L. von Baumgarten in Reval , dem ich hiermit für die

Sendung meinen ergebensten Dank ausspreche, schrieb mir wörtlich Folgendes : ,Der Ballon stieg auf den Anlagen der alten Festungswerke im Süd westen der Stadt vor einer grossen Volksmenge, weshalb es in Katharinen thal, der nordöstlichen Villenvorstadt, in der ich mich befand, ganz menschen leer war. Die Windrichtung aus Südwest liess schon am Morgen mit Be stimmtheit vorhersehen, dass Leroux, wollte er nicht auf die Meeresbucht getrieben werden, auf die unser Haus umgebenden Wiesen, drei Werst von der Stadt am Meere belegen , sich niederfallen lassen musste. Diese Absicht hat auch Leroux, nachdem er die Oertlichkeit in Augenschein genommen, seinem Gehülfen gegenüber ausgesprochen.

Ich beobachtete die Katastrophe

während ihres ganzen Verlaufes aus der möglichsten Nähe mit bewaffnetem Auge. Meine Wahrnehmungen stimmten mit denjenigen der neben mir stehenden Personen überein und wurden durch den Befund der Sektion in allen Einzelnheiten bestätigt . ansehen.

Ich kann demnach dieselben als verbürgt

Die einzelnen charakteristischen Situationen sind in den beigefügten

Zeichnungen wiedergegeben .

Fig. 3.

Fig. 4.

, Als Leroux über den letzten Häusern der Stadt heranschwebte , sah ich den Fallschirm, wie in Fig. 3, rechts vom Ballon herabhängen * ). Ich weiss nicht, ob Leroux den Schirm ziehen konnte, mir erschien es so, oder *) In den hier als Fig . 3 und 4 wiedergegebenen Zeichnungen hat Herr v. Baumgarten die Anbringung des Fallschirms in einer von dem in Berlin Gesehenen abweichenden Weise dargestellt. Bei seinen Berliner Versuchen hatte Leroux den Fallschirm nicht oben, sondern in der Höhe des Aequators am Ballon befestigt.

Die neueren Fallschirmversuche .

201

es drehte sich der Ballon, jedenfalls bewegte sich der Schirm vor meinen Augen von rechts nach links ( Fig. 4 ) , so dass, als Leroux absprang, der Schirm sich auf der Windseite befand (jedenfalls ungünstig) und nach kurzem Sturze, wie ein Segel vor dem Winde in schräger Linie wohl zwei Werst weit auf's Meer getrieben wurde. Dabei schwankte der Schirm heftig. Leroux wurde wie ein Pendel hin und her geschwungen , einige Male so stark,

dass wie beim hohen Schaukeln die Taue schlaff wurden ,

wie in

Fig. 5 , der Schirm auch vorübergehend etwas eingedrückt wurde .

Ueber

Fig. 5.

Fig. 6.

der Meeresbucht angekommen, fasste ihn ein Stosswind, der den Schirm stark eindrückte (Fig. 6), aus Norden, warf ihn mit solcher Gewalt dass der Schirm zuerst die Oberfläche des Wassers berührte und dann erst Leroux seitwärts hinabstürzte (Fig. 7 ).

Der Schirm lag nach Süden, Leroux nach

Fig. 7. Norden, also fast in entgegengesetzter Richtung des Fluges .

Ich sah deut

lich, dass er zweimal auftauchte und heftige, krampfhafte Bewegungen im Wasser machte, bevor er versank. Es ist mir also zweifellos, dass er er trunken , nicht in der Luft gestorben ist. Nach geraumer Zeit erst kamen Hätten diese wenigstens verschiedene Böte und Schiffe aus dem Hafen. aufgemerkt, wo Leroux in's Wasser fiel, er wäre noch zu retten gewesen . Sie suchten aber alle viel zu weit am jenseitigen Ufer . ,Meine Ansicht ist nun, dass Leroux bei dem Südwest , dem bei uns gefährlichsten, oft umspringenden, stossweise eintretenden Winde , nicht hätte

Die neueren Fallschirmversuche.

202

aufsteigen sollen. Dass ein Luftschiffer sich über solche lokale Eigenthüm lichkeiten orientiren müsste, um darnach seine Dispositionen zu treffen , halte ich für unbedingt nothwendig.

Auf der Erde war der Wind schwach, der

Flug der Wolken aber zeigte eine starke Strömung in höheren Luftschichten und diese trug den Schirm weiter, als Leroux erwartet hatte .

Die heftigen

Schwingungen täuschten ihn wohl auch über die Höhe, in der er sich über dem Wasser befand . Er wollte vielleicht noch eine Schwingung abwarten, die ihn wieder perpendikulär über den Meeresspiegel gebracht hätte, um sich dann vom Schirm zu lösen und fallen zu lassen, während es ihm im Wasser nicht mehr gelang, sich loszumachen , da ein Tau ihm , unter den Armen hindurchgehend , über den Rücken lief und sein einer Fuss gleichfalls in einer Schlinge sich befand . “ So weit der Bericht des Herrn von Baumgarten.

Die Zeitungen haben

an den Todesfall allerlei Betrachtungen geknüpft , die zum weit über wiegenden Theile jedoch nur den Beweis geliefert haben, dass die Ein richtungen und die Bewegungsgesetze des Fallschirm's in weiteren Kreisen noch recht wenig bekannt sind . Eine bemerkenswerthe Aeusserung brachte die Wiener 17 Neue freie Presse " . Dieselbe schrieb nämlich : , Dieses Herablassen von einem Ballon mittelst eines Fallschirm's ist eine Produktion, die mit der eigentlichen Aëronautik ebenso wenig zu thun hat, wie die grauenerregenden Produktionen an den mit Ballons verbundenen Trapezen. Solche halsbrecherische Kunststücke können gar nicht von Aëro nauten, sondern nur von Akrobaten ausgeführt werden, die aber von der Luftschiffahrt zu wenig verstehen , als dass sie sich vor den Gefahren der Dadurch hat auch Leroux seinen Untergang selben schützen könnten . gefunden.

Es wäre hoch an der Zeit, dass in zivilisirten Ländern derartige

gefährliche Produktionen, in denen sich die Artisten gegenseitig zu überbieten suchen , um die Menge in Aufregung zu versetzen , ein- für allemal verboten werden. " Hierzu bemerkt die ebenfalls in Wien erscheinende " Allgemeine Sport vom 29. September d . J.: " Unsererseits wollen wir nur noch anfügen, dass in dem Lande, in welchem die Luftschiffahrt in der höchsten Entwicklung und im grössten Ansehen steht, nämlich in Frankreich , die Fallschirm-Produktionen polizeilich verboten sind . Der Fallschirm hat auch

Zeitung

für den praktischen Aëronauten absolut gar keinen Werth. " In diesen Aeusserungen scheint mir denn doch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden zu sein .

Man kann ganz damit einverstanden

sein, dass die lediglich zur Befriedigung der Schaulust dienenden Fallschirm produktionen verboten

werden ,

und kann dennoch von dem Werthe der

Fallschirmversuche überhaupt eine höhere Meinung haben . Dass bei den Fallschirmversuchen, auch abgesehen von einem etwaigen Sturz in's Wasser,

Unglücksfälle vorkommen können , liegt auf der Hand.

So stieg beispielsweise

am

31.

August

d.

J.

eine

Amerikanerin ,

Miss

Die neueren Fallschirmversuche

203

Beaumont , in London mit einem Luftballon auf und liess sich aus angeb lich 1000 Fuss Höhe dem Letzteren an

mit einem Fallschirm

einen Blitzableiter

herunter,

gerieth jedoch mit

eines Fabrikschornsteins

und blieb

dort in einer Höhe von etwa sechzig Fuss hängen; sie war, da es ihr nicht möglich, den Fallschirm wieder frei zu machen, genöthigt, sich an dem Blitzableiter festzuhalten, bis sie mit Hülfe einer Rettungsleiter der Feuer wehr aus ihrer peinlichen Lage befreit wurde. Während Baldwin , Leroux und andere ihren Fallschirm am Ballon selbst angebracht haben, hat der belgische Luftschiffer Toulet * ) eine andere Anbringungsart vorgezogen. Er hat nämlich seinen Fallschirm an der Stelle befestigt, wo dies am 22. Oktober 1797 Garnerin und dann alle Luftschiffer, welche bis in die

vierziger Jahre

dieses Jahrhunderts

hinein Fallschirm

versuche gemacht, nach dem Vorgange jenes gethan haben, das heisst unter der Ballongondel . In dieser Weise hat Toulet in Belgien und in der Rhein provinz mit einem Fallschirm experimentirt. Für einen Luftschiffer , der darauf spekulirt, seinen Zuschauern ein aufregendes Schauspiel darzubieten, ist der " sensationelle Sturz jedenfalls wirkungsvoller .

oder Sprung vom Gondelrand in die Tiefe

In England haben übrigens auch bereits Privatpersonen angefangen, den "" Fallschirmsport zu betreiben . So wird in der Tagespressse berichtet , dass ein reicher Stocktoner Kaufmann , namens Dorie , am 17. September d. J. in London eine Luftballonfahrt mit der Absicht, sich mittelst eines Fallschirms

zur Erde niederzulassen ,

unternommen

habe .

Diesem Herrn

soll dabei ein eigenthümliches Abenteuer begegnet sein. Kaum war er mit als der Letztere durch einen heftigen Wind den

dem Ballon aufgestiegen ,

Blicken der beim Aufstiege Anwesenden Fallschirmexperiment stattgefunden hatte .

entzogen wurde, bevor noch das Die Zuschauer hofften des Ballons

bald wieder ansichtig zu werden , warteten jedoch schliesslich stundenlang vergeblich ; endlich nach drei und einer halben Stunde kehrte Mr. Dorie ohne Ballon aber wohlbehalten zurück, er war in grösserer Entfernung nicht mit dem Fallschirm , der Wind sei in Kraft besessen,

sondern mit dem Ballon selbst gelandet und erzählte ,

der Höhe so heftig gewesen ,

dass er

nicht genügende

um sich mit dem Fallschirm vom Ballon loszureissen , wes

wegen er in einer Höhe von 8000 Metern das Ballonventil geöffnet und so die Landung herbeigeführt habe. Diese Erzählung ist unbedingt unglaub würdig ; es lässt sich wirklich nicht einsehen, wie die Heftigkeit des Windes im Stande sein sollte , die Trennung des Fallschirms vom Ballon zu ver hindern. Das Richtige wird wahrscheinlich sein , dass dem Mr. Dorie der Fallschirmversuch unterwegs leid geworden ist. Da unsere deutschen Berufsluftschiffer denjenigen anderer Nationen an Kühnheit nicht nachstehen , so ist es selbstverständlich , dass auch sie

*) Auswärtiges Mitglied des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt.

Die neueren Fallschirmversuche.

204

begonnen haben , den Fallschirm zu benutzen , nachdem derselbe wieder in Aufnahme gekommen ist. Die Fallschirmexperimente sind bei den Berufs luftschiffern eben Mode geworden, so wie es vor einem Jahrzehnt und noch früher einmal bei ihnen Mode war, einen Akrobaten oder wo möglich eine Akrobatin, an einem unter der Gondel hängenden Trapez „ arbeitend " , mit in die Höhe zu nehmen . Unter denjenigen deutschen Luftschiffern , welche mit ihren Fallschirmversuchen neuerdings Aufsehen gemacht haben, ist namentlich der Luftschiffer Lattemann zu nennen , der seit einer Reihe von Jahren stets ganz allein seine Fahrten mit einem eigenthümlich kon struirten Ballon unternimmt. Auch einem der deutschen Luftschiffer ist bei einem Fallschirmversuch ein Unfall zugestossen .

Der Luftschiffer Herzberg stieg am 26. Mai d . J.

in einem Vergnügungslokale Berlin's (Weimann's Volksgarten auf dem Ge sundbrunnen) mit einem den Luftschiffern Gebrüder Damm gehörigen Ballon auf und liess sich aus einer Höhe von angeblich 3000 Fuss mit einem Fall schirm nieder .

Herzberg hat mir gelegentlich persönlich mitgetheilt , dass

es ihm stets gelinge, mittelst der Pendelschwingungen seinem eine Direktion zu geben .

An dem genannten Tage manöverirte er, wie der

" Berliner Lokal - Anzeiger " berichtete , gewünschte

Stelle

erreichte ;

nur noch

so vorzüglich, dass er wirklich die etwa sechs Meter vom Erdboden

entfernt , wurde der Fallschirm jedoch plötzlich von stoss

Fallschirm

einem heftigen Wind

erfasst und gegen ein in der Nähe befindliches Gebäude (Turnhalle)

getrieben, wo sich derselbe an einem Schornstein festhakte. Lage wurde

Herzberg

mit grosser

In dieser üblen

Gewalt gegen die Mauer geschleudert

und erlitt dabei eine Verletzung der Kniescheibe sowie eine Verstauchung des rechten Fusses . Auch Montgolfièren sind zum Aufsteigen bei Fallschirmversuchen be nutzt worden und es scheinen die Amerikaner hierin ebenfalls vorangegangen zu sein.

Am 30. März d. J. stieg der Amerikaner Professor Williams von London aus mit einer Montgolfière in die Lüfte . In einer Höhe von

angeblich 4000 bis 5000 Fuss öffnete der Luftschiffer

einen unter dem

Ballon angebrachten Fallschirm und liess sich mit demselben zur Erde herab. Der Ballon muss bereits vorher im Sinken begriffen , die Luft darin also im Erkalten gewesen sein, denn derselbe fiel ,

nachdem sich der Luftschiffer

mit dem Fallschirm von ihm getrennt hatte, ebenfalls sofort und erreichte die Erde noch eher, als der Letztere, woraus sich jedenfalls ergiebt, dass die Fallbewegung des Schirm's ausserordentlich langsam war. Ueber einen anderen Fallschirmversuch mit Benutzung einer Montgol

fière,

den der amerikanische Akrobat und Luftschiffer Thompson am 12. August d. J. zu Milwaukee im Staate Wisconsin unternahm , liegt mir ein Bericht eines in aëronautischen Dingen wohl erfahrenen Augenzeugen vor . * )

*) Man vergleiche den vollständigen Bericht in diesem Hefte unter „ Aus Amerika “ .

Die neueren Fallschirmversuche.

Derselbe Ballon ,

schreibt : woran

Auslaufleinen .

Thompson

hängt

seinen

sich keine Gondel befindet,

205

Fallschirm

tief unter

dem

an den Vereinigungsring der

So lange der Ballon steigt und bis der Fallschirm sich öffnet,

hängt der Letztere wie ein Schirm ohne Stiel herab und noch viel tiefer, auf einem Ringe, in welchem die Schnüre des Fallschirms sich vereinigen, sitzt der Luftschiffer. Sobald der Ballon zu sinken begonnen hat, bläht sich allmählich der Fallschirm auf.

Alsdann bewerkstelligt der Luftschiffer

die Ablösung vom Ballon und vermuthlich zugleich ein Oeffnen des Ballons oben, worauf der Fallschirm in absoluter Ruhe niedersinkt. Der Heissluft ballon war übrigens höchstens 300 Fuss hoch gestiegen, als er ohne Zuthun des Luftschiffers zu sinken begann und zwar genau so langsam, wie nachher der Fallschirm losgelöst fiel . Den Durchmesser des ausgebreiteten Fall schirms schätze ich auf 20 bis 25 Fuss . Der Luftschiffer landete etwa 1700 Fuss vom Abfahrtsplatze, der Ballon ungefähr 2000 Fuss davon ent fernt. Thompson kam übrigens mit verbundenem Kopfe zurück, er war beim Landen zwischen Bäumen hindurch auf einen Steinhaufen gefallen . Es scheint

überhaupt,

als ob in

neuester Zeit von den Berufsluft

schiffern auch die Montgolfière wieder häufiger angewandt wird, als dies sonst geschehen ; wenigstens wird ab und zu von einem Luftschiffer in der Presse berichtet , er sei mit einem solchen Ballon aufgestiegen .

Ein eigen

thümlicher Vorfall ereignete sich bei einer derartigen Gelegenheit vor nicht langer Zeit in Mustapha in Algier. Dort stieg ein gewisser Garutti mit einer Montgolfière ohne Gondel auf. Er hielt sich au einem unter dem Aërostaten angebrachten gefahrvolle Fahrt.

Strick mit den Händen fest und begann so die

In der Höhe von angeblich 200 Metern riss jedoch der

Ballon und fiel als formlose Masse mit grosser Geschwindigkeit nicht weit vom Auffahrtspunkte zu Boden .

Allgemein glaubten die Zuschauer, Garutti

müsse zerschmettert sein ; derselbe hatte sich jedoch beim Sturze nur das rechte Bein gebrochen , sonst war er unversehrt geblieben . Offenbar hatte hier der zerrissene Heissluftballon fallschirmartig gewirkt und so den Sturz gemildert.

Aehnliche Fälle sind wiederholt vorgekommen .

In dem in Paris 1870 erschienenen Werke : „ Voyages aériens " von Glaisher , Flammarion , de Fonvielle und Gaston Tissandier ist ebenfalls ein Ein Gasballon, der mit drei Insassen in verbürgter Fall der Art erzählt war, platzte in bedeutender Höhe , so dass die zerriss, und stürzte nun in die Tiefe ; am Fetzen in vollständig Ballonhülle Boden schlug die Gondel allerdings heftig auf, die Insassen hatten jedoch

der Gondel aufgestiegen

ausser dem Schrecken und einigen Hautabschürfungen keinen Sehr lebhaft hieran erinnernde Abenteuer hat der als gelitten. eines lenkbaren

Luftschiffes

bekannte,

inzwischen

verstorbene

Schaden Erfinder ehemalige

Königlich sächsische Oberförster Georg Baumgarten erlebt . Am ersten Osterfeiertage des Jahres 1880 stieg derselbe auf einem öffentlichen Platze In in Leipzig mit seinem Luftschiff unter grossem Menschenzulauf auf.

Die neueren Fallschirmversuche.

206

Folge eines Missverständnisses der ungeübten Hülfsmannschaften war der Ballon eher losgelassen worden, als Baumgarten gewollt und bevor er seine Vor kehrungen vollständig beendet hatte.

Dadurch erhielt der längliche Ballon

in der Luft eine falsche Stellung und platzte, ebenfalls in bedeutender Höhe. Baumgarten stürzte

mit

dem Luftschiff zu Boden und blieb , obwohl das

Letztere völlig zerrissen und zertrümmert war, unverletzt . Einen ähnlichen Unfall erlitt derselbe am 5. März 1882 im Flora - Etablissement zu Char lottenburg bei Berlin .

Auch hier wollte er mit dem von ihm konstruirten

Luftschiff aufsteigen, sein Ballon gerieth aber an das Dach des Floragebäudes , bekam

dort

einen mehrere Meter langen Riss und stürzte zu Boden, den

Erfinder unter seinen Trümmern begrabend . Auch diesmal war Baumgarten ganz unbeschädigt geblieben, was nur dadurch zu erklären ist, dass der zerfetzte

Ballon

fallschirmähnlich gewirkt

hat und dass so die

des Sturzes , beziehungsweise des Aufschlagens auf den Boden , worden. Betrachtet man die

neueren Fallschirmversuche

Gewalt

gemildert

im Allgemeinen ,

so

wird man finden, dass die von den Berufsluftschiffern angewandten Fall schirme sich sämmtlich nicht wesentlich von dem Fallschirm unterscheiden, den Garnerin bereits im Jahre 1797 benutzt hat . Einen Fortschritt von Bedeutung lassen alle

die neueren Fallschirme

nicht erkennen und keiner

der jetzt mit derartigen Versuchen beschäftigten Aëronauten hat sich bisher entschlossen, andere Konstruktionen , die der zweckmässiger bezeichnen muss, zu benutzen .

Theoretiker als unbedingt Weswegen die Praktiker

diesen anderen Konstruktionen gegenüber eine solche Zurückhaltung zeigen, dürfte

schwer

festzustellen

sein ;

sicher ist ,

dass die Letzteren manchem

Berufsluftschiffer unbekannt geblieben sind und dass andere den Eindruck , den die Anwendung auf das weniger sensationell halten .

zuschauende Publikum

machen

könnte, für

Eine andere, als die gewöhnlich übliche Form des Fallschirms stellt schon die Zeichnung dar, welche wie eingangs erwähnt - Leonardo da Vinci

etwa im Jahre 1514

nämlich das Bild unteren

einer

Kanten Seile

zu

einem

hängende Person gefasst hält. jemand Höhe

angefertigt

abgestumpiten

von deren

den eine daran

Leonardo hat darunter geschrieben :

ein Zeltdach (padiglione )

wie gross

Diese Zeichnung zeigt

Handgriffe herabgehen,

17 Wenn

aus gesteifter Leinwand von zwölf Ellen

und zwölf Ellen Seitenlänge besitzt,

liebigen Höhe,

hat .

vierseitigen Pyramide ,

so wird er sich von jeder be

dieselbe auch sein möge,

ohne Furcht

vor Be

schädigung herablassen können . “ Der

Fallschirm ,

Veranzio in Venedig wich ebenfalls von

den

der

ebenfalls

eingangs

erwähnte

Architekt

im Anfange des 17. Jahrhunderts konstruirt hatte ,

der gewöhnlichen Schirmform vollständig ab .

Er sollte

nämlich aus einer quadratischen steifen Fläche bestehen, an deren Rändern Seile angebracht werden sollten, die unterhalb der Mitte des schwebenden

Die neueren Fallschirmversuche.

207

Apparates zusammenlaufend einen Mann zu tragen hätten . scheint diese Konstruktion durchaus nicht empfehlenswerth.

Jedenfalls er

Die Uebelstände , welche mit der Benutzung des kuppelartig gewölbten oder regenschirmförmigen Fallschirms verbunden sind , namentlich das starke Schwanken, dessen verderbliche Wirkung sich besonders bei dem Unglück Leroux's gezeigt hat , ist bereits anfangs dieses Jahrhunderts Anlass gewesen , auf andere, zweckmässigere Formen zu sinnen . Einen Versuch mit einem solchen machte jedoch erst am 29. Juli 1837 der Eugländer Cocking in London .

Der Cocking'sche Fallschirm hatte die Form eines auf der Spitze

stehenden abgestumpften Kegels , dessen obere wagerechte Fläche etwa 40 engl . Fuss im Durchmesser hatte, während die untere nicht mehr als 4 engl. Fuss im Durchmesser enthielt. Um dem Schirm bei dieser Gestalt möglichste Festigkeit ohne

erhebliches Gewicht

zu geben,

war der Kegel

aus Drähten und dünnen Blechröhren verfertigt, die mit fester feiner Lein Am genannten Tage stieg Cocking mit dem be wand überspannt waren. Der Fallschirm hing unter der Gondel auf. von Green's Ballon un in der Höhe von 5000 Fuss durchschnitt Cocking das Seil, mit welchem er befestigt war ; statt nun aber, wie er vorausgesetzt hatte, in grossen Spiralen ruhig zu Boden zu sinken, stürzte er mit furcht

kannten Luftschiffer Green

barer Schnelligkeit herab und fand auf der Stelle seinen Tod .

Die Ursache

damals und auch später von vielen der Konstruktion des Fallschirmes zugeschrieben, andere jedoch und darunter Augenzeugen sowie der amerikanische Luftschiffer Wise , der selbst mit ähnlich kon

des Unglücks wurde

struirten Ballons Versuche angestellt hat, sind (letzterer in seinem 1850 in Philadelphia erschienenen grossen Werke „ A system of aeronautics “ ) der Ueberzeugung, dass der Fehler nicht in der Konstruktion , sondern in der mangelhaften Ausführung gelegen hatte. In dem Bestreben, den Fallschirm recht leicht zu machen, hatte ihm Cocking nicht die genügende Festigkeit gegeben ; der Schirm war daher nicht im Stande, den auf ihn wirkenden Luftdruck auszuhalten, er wurde zusammengedrückt, die dünnen Blech röhren und Drähte brachen und nun stürzte Cocking rettungslos in die Tiefe. Ehe Cocking übrigens

mit seinem Fallschirm

an die Oeffentlichkeit trat, hatte ein Deutscher eine neue , von ihm ersonnene Fallschirmkonstruktion ersonnen, die möglicherweise Cockings Vorbild gewesen . Der neuerdings erst wegen des von ihm

erfundenen Horizontal-Pendels häufiger genannte Physiker Lorenz Hengler aus Württemberg veröffentlichte nämlich im Jahr gang 1832 von Dingler's Polytechnischem Journal einen Artikel, worin er empfahl die Kuppelform für den Fallschirm nach wie vor zu wählen , nur solle man die Wölbung nach unten anstatt nach oben machen . * ) Es ist zu vermuthen ,

dass Hengler's Veröffentlichung auf andere,

vielleicht auch auf

*) Vergleiche V. Jahrg . ( 1886) dieser Zeitschrift, Heft IX, Seite 252 .

208

Beitrag zur Erklärung des Gravitationsproblems .

Cocking anregend einfacher Weise

gewirkt hat,

da er in Dingler's Journal auch in sehr

einen unumstösslichen Beweis geführt hat,

dass die von ihm vorgeschlagene Gestalt des Fallschirms unbedingt den Vorzug verdient. Die wahrscheinlichen Gründe, weswegen trotzdem die Hengler'sche Kon struktion bei den praktischen Berufsluftschiffern keine Aufnahme gefunden hat , habe ich schon angedeutet . Sehr beachtenswerthe Vorschläge zu anderen Fallschirmkonstruktionen sind ausserdem in dieser Zeitschrift ge macht und zwar von Herrn Rud . Mewes im VI . Jahrg . ( 1887 ) , Heft III , Seite 65 u . flgde., und von Herrn Josef Popper im VII. Jahrg. ( 1888 ), Heft VII, Seite 211. Indem ich hierauf verweise, kann ich eine nähere Mittheilung über diese Konstruktionen an dieser Stelle wohl unterlassen . Ich

möchte zum Schlusse hier nur noch die eine Bemerkung hinzufügen, dass das neuerdings wieder häufige Vorkommen der fast in Vergessenheit gerathen gewesenen öffentlichen Fallschirmfahrten, die immerhin halsbreche rische Experimente bleiben , nicht gerade sehr für die humane Richtung unsres Zeitgeistes spricht.

Beitrag zur Erklärung des Gravitationsproblems. Von Rudolf Mewes. Im Anschluss an den Aufsatz , Erklärung der Gravitationserscheinungen aus rein mechanischen Prinzipien (Jahrg . 1886 , Heft I dies . Zeitschr .) hat der Verfasser

in mehreren Beiträgen die Identität der allgemeinen Massen

anziehung mit der chemischen Affinität auf Grund der räumlichen Wirkungs weise

dieser Kräfte nachgewiesen.

Da jedoch schon die erste und grund

legende Arbeit über die Erklärung der Gravitation aus der ausgestrahlten Vibrationsmenge der anziehenden Massen selbst Freunden der mechanischen Erklärungsversuche der Attraktion beim flüchtigen Lesen nicht streng genug erschien, andererseits aber sogar wegen ihrer bündigen Form den geistigen Horizont technisch geschulter Köpfe überstieg und darum unliebsame Aeusse rungen über jene Arbeit von denselben verbreitet wurden, so möchte ich, um

auch den

weitgehendsten

uud strengsten Anforderungen zu genügen,

auf Grund unanfechtbarer Beobachtungsthatsachen in ähnlicher Weise, wie Newton die Identität zwischen irdischer Schwerkraft und kosmischer An ziehungskraft

dargethan hat, die Identität der Massenanziehung mit der

molekularen Kohäsionskraft und der chemischen Verwandtschaft rechnungs mässig nachweisen. Nach den Beobachtungen von Guthrie über die Kapillaritätskoeffizienten (Guthrie, On drops.

Proceedieg of Royal society of London.

T. XIII ) ver

mag eine Glaskugel, deren Radius 7,1 mm beträgt, Wassertropfen im Gewicht von 129,7 mg nicht mehr festzuhalten ; diese Zahl ist also der Grenzwerth , dem sich die Kohäsionskraft der Kugel unbeschränkt nähert, da erst die Tropfen nach Erreichung dieses Gewichts herabfielen. Das Gewicht der

Beitrag zur Erklärung des Gravitationsproblems.

209

anziehenden Glaskugel beträgt , die Dichtigkeit desselben d 3,3 (oder 2,5) 4 gesetz, r3d 4,945 g 5 g, (bezüglich 3,79 g) . Eine Glaskugel von 3 5g Gewicht würde demnach auf ihrer Oberfläche ein Gewicht von 129,7 mg oder rund 0,13 g durch Molekularanziehung festzuhalten vermögen.

Ist nun

die Anziehungskraft der Sonne identisch mit der Kohäsionskraft , so muss auch die Anziehungskraft der Sonne

an ihrer Oberfläche sich zu der Au

ziehungskraft jener Glaskugel an ihrer Oberfläche wie die Sonnenmasse zu der Glasmasse verhalten, da in dem Spezialfall der Oberfläche nur die Massen die massgebenden Faktoren sind. Demnach besteht, wenn die Sonnen attraktion an ihrer Oberfläche mit S bezeichnet wird , die Beziehung 0,005 kg : 4 ist der Sonnenhalbmesser in Deci 0,0013 kg : S. Für r³ . 0,25 kg 3 meter einzusetzen , mithin also r = 7 133 800 000 dcm. 7 000 000 000 dem, so

erhält

Setzen wir rund r =

man aus vorstehender Proportion folgenden

Werth für S936 390 Quadrillionen kg oder rund gleich einer Quintillion kg. Der Gesammtmassenzug an der Sonnenoberfläche beträgt demgemäss Quintillion kg.

eine

Rechnet man denselben nach dem Attraktionsgesetz Newtons

auf Grund dieser Zahl für die Erdferne aus, so findet man aus der Proportion 1 1 x: S 96 1372 20 613 0002 für denselben 96 1372.S

x= 20 613 0002 100 0002. S 20 000 0002

1 Quintillion 40 000 x = 25 Quadrillionen kg.

oder rund x

Setzt man die Dichtigkeit der Glaskugel gleich 2,5,

was zutreffender

sein dürfte, da Guthrie wahrscheinlich eine Crownglaskugel und nicht eine solche aus Flintglas benutzt haben wird, so erhält man für 5 .25 Quadrillionen kg, also 3,79 33 Quadrillionen kg. x

den Werth

Der aus den Beobachtungen von Pouillet und Hagen berechnete Ge sammtwärme- oder Massendruck oder Zug der Sonne in der Erdferne beträgt 34 Quadrillionen kg , wie man in der ersten Arbeit über die Erklärung der Gravitation aus rein mechanischen Jahrg. V, S. 21 ) . (25 , bezüglich oder

Prinzipien nachsehen kann

( Z. d . V.

Die Uebereinstimmung des Werthes von x mit diesem besser 33 Quadrillionen

mit 34 Quadrillionen ) ist be

weisend für die Wesensgleichheit der Kohäsionskraft mit der Massenanziehung. Der zweite Beweis, welcher sich auf die Identität der Gravitation mit der chemischen Verwandtschaft bezieht,

ergiebt sich auf folgende Weise .

Bei der Verbindung von 1 kg O ( Sauerstoff ) mit 1 kg H (Wasserstoff), um 14 VIII.

210

Beitrag zur Erklärung des Gravitationsproblems.

diesen schon früher benutzten Grundtypus Grunde zu legen,

auch hier der Betrachtung zu

werden 34 500 Wärmeeinheiten entbunden,

während das

Zwischenvolumen sich gleichzeitig in entsprechendem Masse vermindert . Wie bereits in einer früheren Arbeit nachgewiesen worden ist, ist für die entbundene Wärmemenge lediglich die Verringerung des Zwischenvolumens massgebend, gleichgültig, ob dieselbe durch die chemische Verwandtschaft oder durch äusseren Druck oder durch die Kohäsionskraft bei der Absorption bewirkt wird. Dieselbe Wärmemenge würde man -――――― mutatis mutandis — bei der

chemischen Vereinigung

anderer Substanzen

gleiche Zwischenvolumen verminderung

erhalten ,

wenn

eine

von dem dem vorigen gleichen Aus

gangszwischenvolumen ab stattfindet.

Es

Atomwärme und dem von Dühring

folgt dies aus der Konstanz der

verallgemeinerten Gesetze Avogadros.

Würde man nun statt der 9 kg (OH) grössere Mengen dieser Stoffe mit einander verbrennen oder bis zur Wasserdichte irgendwie kondensiren, so würde

man diesen Massen proportionale Wärmemengen erhalten .

nun thatsächlich ,

wie der Verfasser

Sind

bereits früher streng nachgewiesen zu

haben glaubt, die chemische Affinität und die allgemeine Massenanziehung wesensidentisch , so muss man , wenn man die Sonnenmasse mit dem Quotienten 34 500 multiplizirt, diejenige Wärmemenge erhalten , welche die Sonnen 9 masse zu entbinden vermag, wenn sie von einem jenem Gasgemische gleichen Dichtigkeitszustande aus sich bis dichtet.

zu

Da jedoch die Dichtigkeit

der Dichtigkeit 1

des Wassers ver 1 der Sonnenmasse gleich derjenigen 4

des Wassers ist, so wird also, da bereits bei solchen Dichtigkeitszuständen das Zwischenvolumen sich mit grosser Annäherung dem spezifischen Gewichte proportional ändert, während bei weiterer Verdichtung dies Verhältniss wiederum 34 500 und der ein abweichendes wird , das Produkt aus dem Quotienten 9 Sonnenmasse ungefähr vier mal so gross sein, als die von der Sonne bis jetzt 3 bereits ausgestrahlte Wärmemenge, so dass also jenes Produktes die der 4 Sonne gegenwärtig noch zukommende oder zur Verfügung stehende Wärme darstellen. Dieselbe wird frei werden, wenn die Sonne sich bis zur Dichtig keit 1 abkühlt.

Dieser in der Sonnenmasse noch vorhandene Wärmevorrath

beträgt

also unter der Annahme der Wesensgleichheit zwischen kosmischer 3 43 元 34 500 Attraktion und chemischer Verwandtschaft und Kohäsion • . 4 9 3 · 4

Wärmeeinheiten. Bezeichnet man nun die Sonnentemperatur41.mit 0, die spezifische Wärme derselben mit c, so ist die in der Soane augenblicklich 4 noch vorhandene Wärmemenge -- 0,25 . р.3 ct Kalorien. Dieser Aus 3 druck muss , wenn unsere Behauptung der Identität der Affinität und Gravi

Betrachtungen über Gummilösungsmittel,

3

34 500

r3

tation richtig ist , gleich dem obigen Werthe

4 4 also

3

4

4

3

3. 0,25 . ct

211

. 0,25 sein,

3

9

34 500 3. 0,25 .

3

9

34 500

und demnach ct

12 oder rund ct == 3000 sein. Dieser Werth für das Produkt et stimmt mit den aus der Spektral analyse und anderweitig erschlossenen Zahlenwerthen für die Sonnentempe ratur und die spezifische Wärme derselben überein , so dass auch dadurch rechnungsmässig der Nachweis für die Identität der chemischen Kraft mit der kosmischen Attraktion geliefert ist . Die von Claude Louis Berthollet gleichsam divinatorisch gewonnene dass

Ueberzeugung,

chemische Verwandtschaft und kosmische Attraktion

die Aeusserung ein und derselben Grundkraft sind , hat sich somit vollständig als richtig erwiesen . Damit ist die Brücke zwischen der kosmischen Mechanik sowohl wie auch zwischen den so lange von einander getrennten Schwester wissenschaften der Physik und Chemie untereinander und mit jener end gültig geschlagen. Die hieraus folgenden Konsequenzen hoffe ich später darlegen zu können .

Betrachtungen über Gummilösungsmittel .

(Fortsetzung.) Wasser als Lösungsmittel. unter gewöhnlichen

Es ist allerdings Thatsache , dass Wasser

Umständen Gummi nicht zu lösen vermag, doch da

bekanntlich in der aus den Gummibäumen gewonnenen Milch sich Gummi gelöst

oder fein zertheilt

befindet,

und da diese Milch

sondern eine wässerige Flüssigkeit bildet, so ist

keine spirituöse ,

es augenscheinlich , dass

Wasser oder wasserhaltige Körper die Fähigkeit besitzen, Gummi in Lösung zu erhalten ; es kann aber eine 29, wirklich wässerige Gummilösung " direkt natürlich

nicht

erzeugt werden,

aber es ist möglich , eine solche in mehr

oder weniger vollkommener Form auf künstlichem Wege darzustellen. Giesst man eine Lösung von reinem Gummi in Chloroform, Chlor schwefel, Schwefelkohlenstoff oder Benzin in eine verhältnissmässig grosse Menge starken Alkohol, so fällt aller Gummi in Form von leichten, anhän genden Flocken, weiss oder zart gelblich gefärbt, nieder ; diese Flocken ballen sich schnell zusammen und setzen sich beim Umrühren mit einem Stabe

oder

Spatel als weisse,

etwas klebrige Masse daran fest .

Die im

Gummi vorhandenen löslichen Harze und Farbstoffe werden vom Alkohol aufgenommen und der Gummi bildet, nach dem Auskneten mit Alkohol und weichem Stoffe und

oder

destillirtem Wasser, wodurch

andere Unreinheiten

die oxy lirend wirkenden

entfernt werden , reinen Gummi besonders 14*

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

212

für die Zahntechnik verwendbar .

In der That war lange Zeit hindurch der

soeben kurz beschriebene Prozess der einzige Weg, um Gummi für zahn technische Arbeiten herzustellen , welcher ausserdem mit auf ähnlichem Wege erhaltener 17 weisser Guttapercha " , mit Zinkoxyd oder anderen passenden Farbstoffen versetzt wurde. Künstliche Gummimilch.

Es ist einleuchtend, dass Gummilösungen

obiger Beschaffenheit ihren Kautschuk nicht so vollständig abgeben, wenn man sie in Wasser anstatt in Spiritus giesst, da die beiden Flüssigkeiten, das Lösungsmittel und Wasser nicht mischbar sind ; wenn hingegen zu einer 10 oder 15

Lösung von bestem Paragummi

in Chloroform oder Benzin

nur wenig starker Alkohol, nicht genügend zur Füllung des Gummis, vor sichtig gesetzt wird und man diese Mischung unter fortwährendem kräftigen Rühren in eine grosse Menge lauwarmen Wassers giesst , so tritt sogleich eine Ausfüllung des Gummis aus seinem Lösungsmittel ein . Das allmähliche Entfernen des flüchtigen Lösungsmittels mit Hülfe erleichtert natürlich wesentlich die Ausscheidung.

eines

Dampfstromes

Um eine Emulsion zu erhalten, welche gewisse physikalische Aehnlich keiten mit der natürlichen Gummimilch besitzt, ist es nöthig, die natürlichen Charaktereigenschaften dieses Pflanzensaftes in gewissem Grade nachzualimen, d . h . die Flüssigkeit muss emulsionsfähige Stoffe enthalten und mehr oder weniger alkalisch reagiren .

Die meisten Albuminkörper sind in Chloroform,

Alkohol , Benzin etc. nicht löslich, doch könnte hierzu eine Lösung von Gummi arabicum oder Gelatine zur Anwendung kommen . Besser jedoch erfüllt den Zweck eine schwache Kaliharzseife, welche mit wenig Ammoniak Mit einer solchen

zusatz in einer Stärke von 22-4 % angewendet wird . Flüssigkeit

ist

es

möglich ,

eine

Gummimilch

künstlich

herzustellen ,

die

manche Aehnlichkeit mit dem natürlichen Produkt zeigt ; jedoch ist man nicht im Stande, künstliche Emulsionen dieser Art von so hohem Gummi gehalt zu erzeugen, wie solchen die natürlich ausgeflossene Milch enthält. ――― Eine für unsere Zwecke am Besten passende emulsionsfähige Verbindung ist die Kaliseife des natürlichen Gummiharzes ; dieses Harz oder besser dieses Gemenge von Harzen findet sich in jedem Handelsgummi in grösserer oder geringerer Menge vor, darf aber nicht mit den harzigen Körpern verwechselt werden, welche bei Zersetzung von Gummi durch Oxydation sich verbinden . Eine

2-22 %

wässerige Lösung dieses verseiften Normalgummiharzes ist

schon genügend stark, um eine verhältnissmässig bedeutende Menge Gummi in den milchigen Zustand zu versetzen oder den Gummi in feinster Ver theilung zu halten . Normalharze im Gummi .

Ein kleiner Antheil dieser Harze scheint

aus Abietinsäure oder einem diesem ähnlichen Körper zu bestehen; manche dieser Harze enthalten Sauerstoff, während Anderen dieses Element fehlt . Alle jedoch stimmen darin überein, dass sie in 85 % und stärkerem Alkohol löslich

sind .

Nachfolgende Tabelle

zeigt den

Gehalt in

85 %

Alkohol

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

213

Harzen in Gummisorten verschiedener Abstammung an . Die zu den Versuchen dienenden Proben wurden in allen Fällen aus der Mitte der Stücke genommen, um die durch Luftwirkung auf der Oberfläche bewirkte

löslichen

Oxydation zu umgehen .

No. der Probe

Gummiart

123

Para

3

17

!

5

"

6

" (?) Madagascar

8

Columbia

11

15

4,06 "

3,40 17 2,11

Ceara

13 14

0,85 " 2,92 "

5,22 ་་ 2,84 "

9

12

0,91 % 0,60 ? 1,62 " 1,14 "

I

4

10

Normalharz in 85 % Alkohol löslich

2,33 " 1,80 "

" Assam

16

1,16 " 6,45 ," 4,88 "

17

Burmah

18

Rio

19

Afrika (diverse )

8,23 "

Mangabeira Unbekannter Abstammung

10,60 " 6,71 " 8,43 , 11,14 ,

20

21 22

23 24 25

26

99

5,20 ," 3,37 .

7,27 , 6,80 , 16,56 "

Die Proben 23 und 26 waren offenbar verfälscht durch Mischung von anderen Harzstoffen mit Naturgummi. Obgleich die obigen Löslichkeits grade sehr verschieden sind, so lassen sie doch wieder erkennen, dass der wahre Werth eines Gummis in deutlichem Zusammenhange steht mit dem Gehalt an spirituslöslichen Harzen in demselben . So sind z . B. die sich durch niedrigen Gehalt an löslichen Harzen auszeichnenden Proben 2 und 5 zugleich die besten und theuersten Sorten. Seifenlösungen und besonders solche, welche zum grössten Theil aus

Betrachtungen über Gummilösungsmittel .

214 Harzsäuren,

verbunden

gesehen haben ,

mit geeigneten

Alkalien bestehen,

sind,

wie wir

sehr geeignet, Gummi zu lösen oder besser zu verhindern ,

dass er sich aus einer wässerigen Flüssigkeit , in welcher er sich emulgirt befindet, abscheidet . Die Seifen, welche man erhält durch Verseifung des Normalharzes von unsere Zwecke werden wird.

guten

Madagascar- , Ceara- oder Assam-Gummi sind für

die besten,

Borax als

auf welchen

Lösungsmittel.

Punkt später zurück gekommen

Seit langer Zeit ist es bekannt, dass

eine Lösung von Doppeltborsaurem Natron oder Borax die Eigenschaft be sitzt, verschiedene Harze, die von Wasser oder Salzlösungen nicht angegriffen werden , für

zu

eine

lösen

oder

Schreibtinte,

zu erweichen .

So eignet sich z . B. als Grundlage

die von Wasser und

zerstört wird, vorzüglich

eine

halbgesättigte

mässig starken Säuren nicht Lösung gewöhnlichen Borax,

die soviel gelben Schellack enthält, als sie während eines 20 Minuten langen Kochens

aufnehmen

kann .

Auf gleiche Art kann ein sehr brauchbarer

Wasserlack für Photographen und Zeichner erhalten werden, wenn man statt gelben Schellack weissen nimmt . Gummi kann nicht allein

Dies beiläufig . durch

Boraxlösung

emulgirt werden , wie

schon früher erwähnt wurde, sondern roher fester Gummi löst sich wirklich darin auf.

Will man nur eine Emulsion darstellen , so mischt man unter

kräftigem Rühren

in

Benzin

oder

anderen

Kohlenwasserstoffen

gelösten

Gummi, dem man ein wenig Alkohol zugesetzt hat , mit einer 2 5 gesättigten Boraxlösung , bei ungefähr 50-60 ° C.; das Rühren muss so lange fortgesetzt werden,

am

Besten

durch mechanische

Hilfsmittel,

doch nicht zu heftig ,

bis das Gemenge sich auf Lufttemperatur abgekühlt hat .

Nicht mehr als

312-42 % Gummi soll in der Lösung enthalten sein , denn bei höherem Gehalt scheidet sich derselbe schnell aus unter Gewinnung der ganzen Masse, sobald

die

Trennung beginnt.

Ceara- oder Madagascar- Gummi geben mit

Boraxlösungen die besten Resultate ; selbst Para ist hierzu nicht so gut zu gebrauchen . -- Zur direkten Auflösung kann eine oder 3 gesättigte Boraxlösung dienen und bei dieser Gelegenheit möge zum besseren Ver ständniss erklärt werden , was unter einer 25-2-, 3-, etc. gesättigten Will man eine Boraxlösung zu verstehen ist. - oder ganz gesässigte Boraxlösung anfertigen, so kocht man eine genügende Menge destillirtes oder weiches Wasser wenigstens 15-20 Minuten lang

mit einem Ueber

schuss

wobei sich Salz in

an Borax ,

lässt

dann auf 15,59 C.

Krystallen wieder ausscheidet,

abkühlen ,

giesst oder filtrirt die gesättigte Lösung ab,

welche bei dieser Temperatur nicht mehr im Stande ist , weiteren Borax aufzulösen . - Soll nun eine - gesättigte Lösung hergestellt werden , so mischt man obige gesättigte Flüssigkeit mit gleichen Gewichtstheilen Wasser ; zu einer - oder 3 -gesättigten Lösung mischt man 2 oder 3 Theile obiger gesättigter Boraxlösung mit 3 resp. 2 Theilen Wasser etc. (Forts. folgt.)

Aus Amerika,

215

Aus Amerika. Von Herrn Hauptmann a . D. von Brandis ging uns aus Milwaukee , Wisc. , unter dem 12. August d . J. folgende Mittheilung zu : Я Heute wohnte ich einer Ballonfahrt mit Fallschirm- Experiment bei. Da die Einrichtung einiges Neue darbot und Aehnliches zu Versuchen mit Der Luftschiffer Aëroplanfahrten verwendbar scheint , so berichte ich . Thompson, zugleich Akrobat, ist ein Schüler Baldwin's, über dessen erste Während Fahrt vor einigen Jahren ich damals Mittheilungen machte. Baldwin mit seinem unaufgeblähten Fallschirme aus der Gondel sprang , hängt Thompson einen solchen Fallschirm mit seinem Mittelpunkte tief unter dem Ballon, ohne Gondel, an dem Vereinigungsringe der Auslauf leinen an . Solange der Ballon steigt und bevor er fällt, hängt der aus gezackte Kugelausschnitt von Leinen wie ein geschlossener Schirm ohne Stiel herab ; und noch weit tiefer auf einem Ringe, in welchem die Schnüre , die von den Zacken ausgehen, sich vereinigen, sitzt der Luftschiffer. bald der Ballon sinkt, bläht sich allmählich der Fallschirm auf. Alsdann bewerkstelligt der Luftschiffer die Ablösung vom Ballon, vermuthlich zugleich ein Oeffnen des Ballons oben , und nun sinkt der Fallschirm in absoluter Ruhe langsam nieder. In diesem Falle war es ein Heissluftballon , der höchstens 300 Fuss hoch stieg , dessen Sinken zunächst ohne Zuthun des Luftschiffers erfolgte und genau so langsam wie hinterher der Fallschirm allein sank. Den Durchmesser des Fallschirmes , eine Sehne von etwa neunzig Grad, schätze ich auf 20 bis 25 Fuss . Der Luftschiffer kam etwa 1700 Fuss vom Abfahrtsplatze, der Ballon 2000 Fuss davon herab. Beim Niedergehen hängte der Luftschiffer sich mit den Händen an den Ring, was ihm freieren Gebrauch der Füsse gestattet ; trotzdem kam er mit ver bundenem Kopfe zurück ; er soll durch die Aeste eines Baumes hindurch auf einem Steinhaufen gelandet sein . Die Fahrt geschah nämlich inmitten eines baumreichen Stadttheiles mit dichten Reihen von kleinen Häusern. Der Wind war von sehr geringer Stärke, ein bis zwei Meter in der Sekunde . Die Entfernung des Luft schiffers von der oberen Spitze des elliptischen Ballons betrug mehr als 100 Fuss, und obgleich der Ballon sich nur wenig seitwärts bewegte, wurde doch der Luftschiffer schräg aufwärts zwischen Bäumen hindurch geschleift. Hinterher fielen verschiedene kleine Zweige und Blätter herab . Das Heizen geschah von einem Heerde aus, der nur etwa zehn Fuss vom Ballon ent fernt war und von welchem eine unterirdische Leitung unter die Mitte des Ballons führte, der mit seiner oberen Spitze mittelst zweier Seile zwischen Bäumen so aufgehängt war, dass er, wenn gefüllt, den Boden berührte . Die untere Oeffnung hatte einen Durchmesser von 6 Fuss und wurde durch einen Reifring offen gehalten . Das Leinen der Hülle reichte jedoch noch einige Fuss über den Reif hinab und war da in vier bis sechs Lappen geschlitzt , welche, nach aussen gelegt und durch ein Dutzend Männer mit den Füssen bestanden, zum Stillhalten während des Füllens dienten . Zuerst wurden Stücke zerschlagener Fässer verbrannt , hinterher wiederholt von einer Flüssigkeit , vielleicht Oel, in die Flammen gegossen , welche zu Zeiten im Ballon bis fünf Fuss hoch aufschlugen . Ein Zupfen an der Hülle von aussen schien den Zug zu beschleunigen . Während des Füllens drang fortwährend Holzrauch aus vielen oberen Stellen des Ballons, und nachher, als der vom Fallschirme befreite Ballon sich ziemlich schnell völlig entleerte, kam zum

216

Fahrt des Ballons

Le Nouveau Monde" am 14. Juli 1889 .

Schlusse eine zwanzig Fuss hohe Säule sehr dicken schwarzen Rauches, wie Oehlrauch , oben heraus , so dass man anfangs glaubte, der Ballon sei schliesslich in Brand gerathen. Mir kam bei diesem Vorgange der Gedanke, dass man in ganz ähn licher Weise, auf freiem Felde gefahrlos, statt des Fallschirmes ein Aëroplan mit Tretschraube verwenden könnte, theils um Proben zu nehmen, etwa auch mit einem Motor und in entsprechend vergrössertem Style, theils um das Fallen ein wenig dirigiren zu können , wäre es auch nur durch Ver stellungen in den Winkeln des Aëroplan . " Ueber verschiedene neuere Luftschiff- Projekte möchte ich schweigen, nur als Kuriosum erwähne ich, dass zwei Erfinder für ihr Luftschiff die gleiche Idee haben, nämlich einen ganz oder theilweise luftleeren Ballon aus Stahlplatten . Der Eine derselben , welchem ein Patent verweigert wurde, was nach hiesigen Gesetzen nur dadurch verursacht sein kann , dass ihm ein Anderer zuvorkam, beklagt sich darüber bitterlich. Da er un bemittelt ist , so wird uns der Genuss eines Prozesses um luftleere Stahl ballons nicht zu theil werden, und wir werden, und wir werden, da eine Summe als Schadenersatz nicht festgestellt wird, über den Werth im Un gewissen verbleiben . “

Fahrt des Ballons ,, Le Nouveau Monde" am 14. Juli 1889. *) Auf Anordnung der Normalluftschifferschule zu Paris stiegen am 14. Juli d. J. in sieben verschiedenen französischen Städten Luftballons auf, und entnehmen wir der France militaire " vom 21. Juli über die Fahrt eines dieser Ballons, des Nouveau Monde , folgenden Bericht : erhob sich in Limoges , am 14. Juli vom Der " Nouveau Monde Juliplatz um 4,10 Nachmittags und führte vier Passagiere mit sich : Herrn Vernanchet, Präsidenten der Normalluftschifferschule von Paris, die Zöglinge Lassagne und Migeon und Charles Sibillot , Chefredakteur der 15 France colombophile et aérostatique " . Rauminhalt des Ballons : 1000 Kubikfuss Die Füllung begann um 10 Uhr 30 Min . und war am 4 Uhr beendet. Totale aufsteigende Kraft : 680 Kilo . Windrichtung: Westen nach Osten. Schnelligkeit des Windes an der Erde : 100 K. Schnelligkeit des Windes über 800 Meter Höhe : 40 K. Barometrischer Druck an der Erde : 747 . Temperatur an der Erde : 27 . Grösste durch den barometrischen Registrirapparat verzeichnete Höhe : 3300 Meter. Temperatur der Luft : Maximum 27 ° , Minimum 12º. Hygrometer : 27 . Ballast beim Aufstieg : 95 Kilo Sand, ein Käfig mit 12 Tauben und verschiedene Apparate . Ballast bei der Landung: 35 Kilo einschliesslich des Käfigs mit zwei Tauben und der Apparate. Landung bei Saint-Leonhard , 4 Uhr 55 Minuten.

30 Kilometer vom Aufsteigepunkt um

*) Man vergleiche hierzu die kleinere Mittheilung im vorigen Heft, Seite 170.

Fahrt des Ballons „ Le Nouveau Monde

am 14. Juli 1889.

217

Dauer der Entleerung : 50 Minuten . Havarieen vor der Abfahrt : zwei Leitseile zerrissen , ein Gänsefuss (eiserne Klammer) zerbrochen, eine Masche gerissen. Havarieen bei der Landung : Keine Die Manöver wurden durch Herrn Vernanchet kommandirt. Die Füllung wird durch einen ziemlich heftigen Wind erschwert, der den Ballon von dem Gasbehälter forttreibt ; es ist auf diese Weise nicht möglich, den Ballon ganz zu füllen . Der zuerst vom Erdwinde fortgetragene Ballon bleibt, als er diesem entzogen, einen Augenblick stehen und wird dann von einem Luftstrom in der Richtung auf Saint-Leonhard getragen Zwei in der Höhe von 100 Meter losgelassene Tauben geben das Zeichen zum Auffliegen einer grossen Zahl anderer Tauben von der Erde aus, welches die Gesellschaft l'espérance militaire " veranstaltet hatte . Der geflügelte Wirbelwind umgibt die Gondel, die denselben schnell durch schneidet. Die Tauben zerstreuen sich nach zwei oder drei gemeinschaftlich ausgeführten Evolutionen in kleinen Gruppen . Acht Tauben wurden dann nacheinander von 800 bis 1300 Meter Höhe losgelassen . Im Allgemeinen mit der Hand geworfen , fallen sie schwerfällig im Raum, der sie nicht zu tragen scheint ; sobald sie eine niedere , zum Fliegen geeignete Schicht erreicht haben , begannen sie Orientirungskreise zu beschreiben , als wenn sie von der Erde abgeflogen wären . Sie fanden jedoch ihr wirkliches Element erst zwischen 400 und 200 Meter über dem Erdboden, keine einzige versuchte beim Verlassen des Ballons höher zu steigen. So lange der Aufstieg dauerte, hörten sie nicht auf, die Augen nach der Tiefe gerichtet zu haben. Auf 1200 Meter ging eine Taube, da der Käfig offen war, freiwillig heraus . Auf dem Deckel sitzend , begann der Vogel seine Forschungen ; aber sein Kopf bewegte sich nur gegen die Erde, und während er nach unten blickte, zog er sich gegen die Mitte des Deckels zurück . Mit einem leichten Schlag der Hand berührt, schwang sich der Hasenfuss in den Raum ; die weit geöffneten Flügel machten keine Bewegung, und der Rassevogel, der aus Gewohnheit beim Fluge seine Schwanzfedern schliesst, dehnte seinen Schweif nach Art eines Fallschirmes weit auseinander. Diese Taube beschrieb, während die anderen in Spiralen sich gesenkt hatten, eine ununterbrochene schräge Linie, bis sie die für den Flug günstige Schicht traf. Weniger glücklich war eine des Schweifes beraubte Taube ; das arme Thier fiel , sich um sich selbst drehend , wie ein Kind, das sich einen steilen Abhang herab rollen lässt. Es ist bemerkenswerth , dass die beiden, um per Depesche die Landung mitzutheilen, zurückbehaltenen Tauben in der normalen Zeit, nachdem sie auf der Erde losgelassen waren , und vor ihren Gefährten, die aus der Höhe in der Luft gefallen waren, anlangten. Es ist daher wohl die Annahme gestattet, dass die durch den schwin delnden Abstieg erschöpften Vögel gezwungen gewesen sind, zu halten, um ihren äusserst empfänglichen Organismus zu beruhigen ; sämmtlich trafen sie früher oder später auf ihrem Taubenschlag ein. Die Mehrzahl der Tauben, welche zu diesen Versuchen gedient haben, gehören Herrn Paroutaud, Präsidenten der colombophilen Gesellschaft ; es sind ausgezeichnete Exemplare , welche die Reisen von Paris und von Bayonne gemacht haben .

Fahrt des Ballons „ Le Nouveau Monde" am 14. Juli 1889 .

218

Eine letzte Schlussfolgerung drängt sich noch auf; es ist die , dass das Auge, so sehr es auch sonst die Taube unterstützt , nicht die alleinige Rolle in der Orientirung spielt, da in Folge der sphärischen Gestalt des Erdballs die Taube 785 Meter in die Höhe steigen müsste, um 100 Kilometer weit sehen zu können. Nun hat aber wieder einmal die Erfahrung gezeigt, dass G. Tissandier mit seiner Behauptung Recht hat, dass unsere Brieftauben sich nicht in solchen Höhen halten . Man muss daher wieder auf die Hypo these eines Spezialsinnes zurückkommen, welchen die Taube in Folge einer rationellen Erziehung in hohem Masse entwickelt besitzt, und welcher selbst den wilden Tauben gestattet, in der dunkelsten Nacht in einem fremden Terrain instinktiv sich zu orientiren .

Wenn

in

Einige wesentliche Betrachtungen. Kriegszeiten ein Luftballon aus einer Festung zu

dem

doppelten Zweck, auf seiner Fahrt die feindlichen Stellungen aufzunehmen und eine weite Reise auszuführen , um in unbesetztem Lande niederzugehen , aufsteigt, so muss er folgende Vorbedingungen erfüllen , welche uns wesent lich zu sein scheinen : Abfahrt mit durchaus gefülltem Ballon . Dies wird in der That ge statten, Ballast in genügender Menge mitzuführen, um die Dauer der Reise zu sichern ; man wird so weniger schnell und weniger hoch steigen , aber man wird das Gleichgewicht besser regeln ; schliesslich darf man , Voraus gesetzt dass man sich ausserhalb der Tragweite der Geschosse hält, sich nicht über 500 bis 1000 Meter erheben , wenn es sich darum handelt, Rekognoszirungen im freien Ballon auszuführen . Auf 800 Meter schwebte z. B. der Nouveau Monde über einem prächtigen , einer wunderbaren planimetrischen Karte gleichenden Panorama . Die Strassen entrollten sich wie Strohbänder, deren Spur man selbst nicht in dem grünen Vorhang der Wälder und der Dickichte verlor ; die Eisenbahnen blieben als schwarze Streifen vollständig sichtbar, während der Wasserlauf der Vienne in einer ziemlichen Rinne, so weit man sehen konnte, inmitten kleiner Hügel wogte, deren Vorhandensein eine etwas dunkle Färbung verrieth. Denn unter uns schien Alles nur der glatte Boden einer Schüssel zu sein, der zierlich wie ein unregelmässiges Damenbrett bemalt war und auf welchen hier und dort ein Kind kleine Häuser und andere Zubehörstücke des Spielzeuges , „ Schäferei benannt, hingesetzt zu haben schien . Alles war sehr klein, aber sehr deutlich , so dass der militärische Beobachter mit einem einzigen Blick die kom plizirtesten Bewegungen umfasst hätte, und zwar um so besser, als von Jenseits Zeit zu Zeit der Ballon langsam sich um sich selbst drehte . 800 Meter sah man, während wir in einem blauen Ausschnitt trieben, noch die Erde aber wie auf dem Grunde eines ungeheuren Brunnens mit über einander gelegten Wolken als Wände. Da die Atmosphäre bald mehr und mehr undurchsichtig wurde , wäre es nutzlos gewesen, den Versuch zu machen, irgend einen Punkt am Erdboden zu erkennen . Wenn ein Ballon mit einer Festung durch Tauben in Verbindung stehen soll, so muss man zur Loslassung der Brieftauben sich so viel als möglich bis zur Höhe der Erdenluft senken , damit der Vogel ohne Zögern den Weg nach seinem Taubenschlag einschlägt . Im Nothfalle ist es, um sein schleuniges Eintreffen zu sichern, besser, die Luftreise in horizontaler Richtung zu verlängern, denn man kann von jetzt ab sicher sein , dass eine vom Erdboden auf 30 Kilometer Entfernung losgelassene Taube schneller als eine andere Taube von demselben Werthe , die auf nur 800 oder

Litterarische Besprechungen.

219

1200 Meter direkt über dem betreffenden Punkte losgelassen ist, an dem selben anlangt .

Drei unangenehme Eindrücke sind hervorzuheben : 1. Das ängstliche Gefühl bei der Abfahrt, während der Ballon fest auf der Erde liegt, und Alles unter der Wirkung des Windes kracht und knarrt . 2. Auf 800 Meter Sausen in den Ohren , dem drei oder vier kurze im Kopf wiedertönende Stösse vorangehen , während die Schläfen durch einen unsichtbaren Kreis zusammengeschnürt erscheinen. 3. Beim Niederstieg eine leichte Beklemmung , wenn der Anker gefasst hat und der Ballon wie eine Masse herabschiesst (mit Ausnahme der letzten Meter, wo Herr Vernanchet mit seltener Geschicklichkeit plötzlich den Sturz durch Auswerfen einer richtig. bemessenen Menge Ballast parirte ). Jeder dieser drei unangenehmen Eindrücke währte indess nur einige Sekunden . Berghans , Major a. D.

Litterarische Besprechungen . A. von Parseval , Sekondlieutenant im Königl. Bayerischen 3. Infanterie Regiment Prinz Karl von Bayern : Die Mechanik des Vogelfluges, mit 3 Tafeln und 6 Text- Abbildungen. Wiesbaden, Verlag von J. F. Bergmann, 1889. VII u . 138. 8º. Ein aus frischem freudigem Schaffensdrange und dem Gefühle des Könnens geschriebenes Buch! Der Verfasser hat sich vorgenommen, die mechanischen Vorgänge des Vogelfluges zu analysiren. Mit bemerkenswerther Gewandtheit zerlegt er die sich darbietenden Fragen und macht sie der mathematischen Behandlung zugänglich . Die Art und Weise , wie er das thut , und die Sicherheit, mit der er die mathematischen und mechanischen Fragen behandelt, gereichen dem Buche durchaus zur Empfehlung . Der Leser kommt zu der Empfindung, dass er von der Hand eines sicheren und zuverlässigen Führers auf dem Ge biete der Flugwissenschaft geleitet werde , eines Führers , der die sich auf thürmenden Schwierigkeiten zu überwältigen oder gewandt zu umgehen weiss . Gleich die auf Seite 2 gegebene Anführung der benutzten Schriften erweckt eine günstige Meinung vom Urtheile des Verfassers . Mit scharfen und verständlichen Erklärungen der gebrauchten Kunst ausdrücke beginnend , behandelt er zunächst die Form der Bewegung, das Gesetz des Luftwiderstandes , die allgemeinen Grundsätze der Aërodynamik und den mathematischen Flügel . Letzteres Kapitel scheint mir das Eigen artigste und Interessanteste des ganzen Buches zu sein. Es wird darin her geleitet, welche Form ein Flügel haben muss , um mit möglichster Arbeits ersparniss zu arbeiten. Eine ganz hübsch zusammenfassende Charakreristik des hier Entwickelten findet sich im § 28. Im Anschluss hieran wird gezeigt, dass der natürliche Flügel dieses mathematische Ideal zu verwirklichen be müht ist und wie ihm dies gelungen . Unter Anderem finden wir auch hier einen Grund für die Einzelstellung der Schwungfedern grosser Rudervögel, der von den sonst angeführten abweicht. Es scheint die Natur mit demselbem Mittel verschiedene Zwecke erreicht zu haben. Die nächsten Kapitel behandeln die Hebung des Flügels, die Wirkung

Litterarische Besprechungen.

220

des Motors auf denselben, die Funktion der passiven Flächen und die Flug arbeit in der Natur. Der Verfasser kommt in diesem letzteren zu dem Schlusse , dass der Widerstandskoefficient der Luft gegen Flächen , wie solche beim Fluge ge braucht werden , und unter Winkeln , wie die Luft sie dabei trifft , erheblich grösser sein müsse , als man bisher glaubte . Er muthmasst hier richtig, was durch direkte Versuche und Messungen Lilienthal und ähnlich Renard in der That gefunden haben . Eine Erklärung dieser Sache durch allgemeine Betrachtungen halten wir aber für nnthulich. Sie nehmen in der flugtechnischen Literatur leider einen schon allzubreiten Raum ein. Der 56 und folgende bringen eine Polemik gegen den bekannten Aufsatz von Helmholtz , mit dessen Abdruck in dieser Zeitschrift IV . Jahrgg. 1885 , Heft III , Seite 65 sich die Redaktion den Dank der Leser verdient hat . Wir halten nun dafür , dass der dort entwickelte Satz unerschüttert Wenn der Ver da steht, wie der rocher de bronce Friedrich Wilhelms I. fasser einige Helmholtz'sche Ergebnisse anführt und dann fortfährt : *) , bei Berücksichtigung der Fallverminderung beim Gleiten ist das Ergebniss ein wesentlich anderes" oder Seite 115 und 116 , der Fehler im Helmholtz'schen Theorem . . . . liegt in der Annahme über das Luftwiderstandsgesetz “ , so muss man darauf erwidern , dass jene Helmholtz'schen Untersuchungen auf den allgemeinen Differentialgleichungen der Flüssigkeitsbewegungen beruhen . Darin ist nicht ein Umstand berücksichtigt und ein anderer nicht, sondern alles, was Menschen etwa jetzt und nach Jahrhunderten über Flüssigkeits bewegungen im Einzelnen wissen , ebenso wie das , was ihnen nicht zu ent räthseln glückt , ist in jenen Differentialgleichungen enthalten und ist , wenn man sich nun noch dieses Ausdruckes bedienen darf, mitberücksichtigt . Aber man darf nicht vergessen , dass Helmholtz nur entwickelt hat , wie sich diese und jene Grössen mit den Lineardimensionen bei geometrisch ähnlichen Flüssigkeitsbewegungen ändern . Wenn also der Verfasser (S. 113 ) zur Widerlegung eine gewisse Folgerung zieht unter der " Voraus setzung, dass die Horizontalgeschwindigkeit sich nicht ändert , so verneint er hiermit von vorn herein die Voraussetzung des Helmholtz'schen Theorems und somit dessen Anwendbarkeit auf den gegebenen Fall , kann also auch umgekehrt daraus keinen Einwand herleiten. Das folgende Kapitel ist dem Fluge ohne Flügelschlag gewidmet, der hier seine befriedigende Erklärung findet. Vielleicht könnte die Rechnung etwas weniger summarisch sein. Indessen weiss Referent aus eigener Er fahrung, auf was für Schwierigkeiten man bei genauerem Eingehen stösst . Ueberhaupt ist der Zweck des Buches nicht die wissenschaftliche Er ledigung der berührten Fragen. Es kann das auch heutzutage noch gar nicht sein. Aber schon die vereinfachte mathematische Behandlung vieler Fragen ist ein grosses Verdienst , und das Ergebniss ist geeignet, zu ermuthigen . Gewiss mit Recht sagt der Verfasser zum Schluss des letzten Kapitels , das von den Flugformen und Typen, deren letzter die Flugmaschine ist, handelt : Die auf unrichtige Berechnungen fussende , weit verbreitete pessimistische Ansicht bezüglich der Ausführbarkeit der Flugmaschine ist nicht zutreffend , vielmehr kann die Möglichkeit des dynamischen Fluges ohne übertrieben grossen Arheitsaufwand gar nicht geleugnet werden . "

*) Seite 112.

Mittheilungen aus Zeitschriften.

221

„ Die Hauptschwierigkeit dürfte nicht in der Konstruction des Motors liegen, bei dem uns eine umfangreiche Erfahrung zur Seite steht, sondern im Bau des eigentlichen Flugapparates ; denn in dieser Richtung wird man eine Industrie erst schaffen müssen. " Nach Obigem kann man das Buch allen denen, welche sich für die Möglichkeit des Kunstfluges interessiren , sei es auch nur mit dem Herzen , oder welche sich über die Mechanik des Fluges, d . h. nicht über das That sächliche, sondern über das Nothwendige desselben , orientiren wollen, empfehlen. Die Leser werden auch gern die Mühe mit in den Kauf nehmen , die Gl. citirten Figuren aus den Tafeln richtig herauszufinden .

Mittheilungen aus Zeitschriften . L'Aéronaute, Bulletin mensuel illustré de la navigation aérienne , fondé et dirigé par le Dr. Abel Hureau de Villeneuve. 22. année . No. 2-8. Février Août 1889. Das Februarheft beginnt mit der 4. Fortsetzung des durch Herrn Amans dem Verein erstatteten Berichtes über die aëronautische Aus stellung zu Wien im Jahre 1888 und bespricht die folgenden Apparate : Gaswage von Lux in Karlsruhe, Maximal- und Minimal- Thermometer von Kapeller in Wien , Reisepsychrometer von Lambrecht in Göttingen, ein ,Polymeter von demselben, ein Hygrometer von Kasimir Wurster, ver schiedene Apparate von Hauck etc. Er geht dann dazu über, auf den In halt der übrigen Abtheilungen der Ausstellung hinzuweisen und schliesst seine wohlgelungene Berichterstattung mit dem Worte des früheren Vorsitzenden des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt : " Kein Volk darf ungestraft die wissenschaftlichen Bestrebungen eines andern ignorieren " . Marey , Ueber die Schwimmbewegung der Aale , mit Hilfe der Photochronographie studirt. Man kann bei den in Zwischenräumen von ein Zehntelsekunden auf genommenen Bildern die Wellenform am Körper sehr gut fortschreiten sehen, während der Aal zugleich vorwärtsgleitet . Es ergab sich , dass die Wellenform am Körper sich mit einer Geschwindigkeit von 21 cm in der Sekunde nach hinten verschob, während der Aal mit 19 cm Geschwindigkeit nach vorn glitt . Der Rücklauf betrüge hiernach etwa 10 % und diese Be wegungsart charakterisirte sich, mit der der Schiffsschraube verglichen , als eine ziemlich vollkommene . A. Hureau de Villeneuve , Bemerkung zu vorstehender Mit theilung . Hureau macht darauf aufmerksam, dass schon Pettigrew die Bewegung des Vogelfluges eine wellenförmige genannt und mit der des Aales verglichen habe . Der Rest dieses Heftes ist mit Sitzungsberichten ausgefüllt, aus denen nichts Wesentliches hervorzuheben ist. -

Inhalt des Märzheftes : Emil Veyrin , Vom Segelfluge . " Gewisse Personen sind fest überzeugt, dass der Vogelflug nicht voraus setzt und nicht erfordert die Hilfe irgend einer Triebkraft . Das hiesse, dass der segelnde Vogel Arbeit leistet, ohne welche zu verausgaben . Nach diesem viel versprechenden Anfange fühlt sich der Leser bitter enttäuscht, nur die allgemein gehaltene Erklärung zu finden , dass ein Vogel auf Kosten

222

Mittheilungen aus Zeitschriften .

seiner Höhe bei schwach vornübergeneigten Flügeln mit gleichförmiger Ge schwindigkeit dahinzugleiten vermag, und an Höhe nur auf Kosten seiner Geschwindigkeit gewinnen kann . Wendungen , wie " Utilisirung des eigenen " Gewichtes sind keine Erklärung, sondern nur Ausdruck der Hilflosigkeit. Uebrigens ist das Räthsel des Segelfluges von verschiedenen Seiten aus unabhängig von einander ― zuerst wohl von Lord Rayleigh , so weit gelöst, als ohne schwierige Rechnungen möglich. E. Aimé , Oberfläche und Inhalt des spindelförmigen Ballons , System Giffard . Ein rein mathematischer Aufsatz . Der Verfasser denkt sich die Gestalt eines solchen Ballons entstanden durch Rotation eines Kreissegmentes um seine Sehne . Die Länge des Ballons sei a , seine grösste Dicke 6 ( ersteres also die Sehne des Segmentes, letzteres die doppelte Pfeilhöhe), dann erhält er für die Oberfläche S die Formeln : 2 ab sin a == a² + b²

ña

ľ

cosy

cotgu 180 Sasin y sin a.

und

ir de

Inhalt : V,

2 ab

sin a

wie vorher,

a² +



sin a I 180 g a π a con 3 ty 7 }] cos' == cotg a tg 1 V 7. a³ sin_25. 6 cos

Aus den Sitzungsberichten ist allenfalls erwähnenswerth der Motor mit sofortiger Dampferzeugung von Serpollet . Bei jenem wird in jedem Augenblick nur so viel Wasser in den Kessel gespritzt, als augenblicklich verdampft, sodass die Möglichkeit eine Explosion ausgeschlossen Der Kessel hat die Gestalt einer langen, ausserordentlich feinen Stahl drahtröhre von nur 10 mm innerer Weite. Während er auf einer Tem peratur von 250 bis 300 " C. erhalten wird, wird das Wasser an einem Ende eingespritzt und entweicht am andern als Dampf. Das Gewicht des Apparates scheint verhältnissmässig gross . Eine Maschine von 1 Pferdekraft wiegt 33 kg, sie hat eine Heizfläche von 48 qdm bei einem Hohlraum von kaum 25 ccm . Heerd und Kessel wiegen zusammen 100 kg . --Den grössten Theil des April hefts umfasst der Bericht über die Versuche des Kommandanten Renard , der auch im ersten diesjährigen Heft der revue de l'aéronautique steht . Es folgt Ch. Labrousse , la stadia des aéronautes , Ent fernungsmesser für Luftschiffer , richtiger für Luftschiffe . Aus dem Gesichtswinkel unter dem einem ein Gegenstand von bekannter Grösse erscheint, kann man seine Entfernung berechnen , und darauf basierend einen Apparat konstruireu , an dessen Skala man die Entfernung ohne Weiteres ablesen kann, sobald man ihn richtig eingestellt hat. Er gleicht im Wesentlichen dem Saitenmesser, den die Geigenmacher benutzen . Ein solcher spitzer Winkel, aus Blech oder Kartonpapier geschnitten , wird in

Mittheilungen aus Zeitschriften.

223

50 cm Entfernung so vor's Auge gehalten, dass der Ballon beide Schenkel zu tangiren scheint , und dann wird die Skala an der Berührungsstelle ab gelesen . Die Höhe des Ballons wird durch Messung der vertikalen und horizontalen Seite desjenigen rechtwinkligen Dreiecks ermittelt , dessen Hypo tenuse die oben erwähnten 50 cm Abstand ist. Natürlich handelt es sich bei diesem ganzen Verfahren um eine rohe Annäherung. Aus den Sitzungsberichten entnehmen wir, dass es den Liebhabern von Luftfahrten amtlich untersagt sein soll, vom Ballon aus Photographien aus der Vogelperspektive aufzunehmen wegen der Spionengefahr. Du Hauvel räth , jedenfalls sehr vorsichtig zu sein . Man könnte, wenn man bei der Landung im Besitze eines photographischen Apparates abgefasst wird, als Spion behandelt werden , was denn doch sehr unangenehm wäre . — Das Maiheft enthält : Labrousse , Anker für Luftschiffe. Der Verfasser, welcher früher Seeoffizier war, spricht nacheinader über das Auswerfen des Ankers, über das Schleppseil , über die Frage , ob Anker mit zwei oder mehr Armen , über den Martinschen Anker , den er sehr empfiehlt , über die Ersetzung des Eisens durch ein nicht magnetisches Metall und über die empfehlenswerteste Weise , den Anker auszuwerfen . W. de Fonvielle . Les courses en ballon . - Wettluftfahrten . Wie schon gelegentlich im Jahre 1888 wurden auch in diesem und zwar an den 5 Sonntagen des Monats März vom Quai Billy aus Wettfahrten vor zahlreichem Publikum in der Weise veranstaltet, dass unter Rücksicht auf die herrschende Windrichtung der Kirchthurm eines Ortes als Ziel bestimmt wurde und darn der Aëronaut als Sieger galt, dem es gelang, diesem Ziele am nächsten zu kommen . Dabei wurde die Fahrt stets nur auf die Dauer einer Stunde ungefähr bemessen , damit die Luftschiffer am selben Abend wieder in Paris zurück sein konnten . Da das Ziel einige Male absichtlich nicht genau in der Windrichtung gewählt wurde , so galt es, anders gerichtete Windströmungen aufzusuchen und zu benutzen . Ausserdem bestand meistens die Schwierigkeit des Landens auf eng umgrenztem Platze . Hierin that sich besonders L'hoste hervor, der in dem von Gräben durchschnittenen Gelände Hollands eine besondere Uebung erlangt hat. Künftig wird man statt der Kirchen, deren Erreichung durch das um gebende Häusermeer erschwert ist , lieber Bahnhöfe als Ziel bestimmen , da sie in der Regel freier liegen , und ihre Auffindung durch die weithin kennt lichen Schienenstränge erleichtert ist . Inhalt des Juni- und des Juliheftes : W. de Fonvielle . Die Luftschiffahrt auf der Ausstellung von 1889. I und II . Bretonnière , Studie über den Segelflug . I und II . Herr Bretonnière, in Constantine im östlichen Algier wohnhaft, hat oft Gelegenheit gehabt, grosse Segler, wie Geier und Storch , den Segelflug aus führen zu sehen , und hat sich , im Besitze ausreichender Kenntnisse der Mechanik, eine sachlich zutreffende Erklärung gebildet, wenigstens so weit man dies aus den bisherigen beiden Artikeln sehen kann . Dass die von ihm benutzten Formeln von Hutton über den Luftwider stand sehr angreifbar sind, thut den späteren allgemeinen Besprechungen glücklicherweise keinen Eintrag. Namentlich betont er, dass die durch Abwärtsgleiten auf geneigter Bahn erlangte lebendige Kraft niemals aus reicht, um wieder dieselbe Höhe zu gewinnen . Er erläutert dann die Wirkung

Kleinere Mittheilungen .

224

von Windstössen, wie diese dem Vogel die Möglichkeit gewähren, sich auf die ursprüngliche oder gar noch grössere Höhe zu erheben, und verspricht zu zeigen, wie jener sich regelmässig auftretende Windstösse verschaffen könne . Offenbar haben wir also in einer künftigen Fortsetzung das Kreisen auf einer Spirale mit geneigter Axe erklärt zu erwarten . Nur in einem Punkte ist der Verfasser zu berichtigen. Er sagt , das Schauspiel der schwebenden Vögel entzündete in ihm den Wunsch, hinter das Geheimniss ihrer Bewegung ohne Flügelschlag zu kommen, und er begann nach einer allgemein angenommenen Theorie zu suchen, fand sie aber nicht , fand im Gegentheil, dass noch nicht einmal die Elemente dem Streite entrückt seien, und musste sich also selbst an die Erklärung machen. Diese scheint ihm ja geglückt zu sein , aber man kann nicht zugeben, dass die Erklärung in ihren Hauptzügen heute noch zweifelhaft wäre . Sie ist mit geringem Zeitunterschiede , unabhängig von einander, von mehreren Seiten in England und in Deutschland gegeben worden. Es scheint dies zu zeigen , wie überall das Interesse für Flugfragen steigt . Sitzungsberichte. Im Anschluss an eine in der Zeitschrift , Praktische Physik erörterte Frage bespricht O. Frion einen Apparat , um die Be schleunigung der auf- oder absteigenden Bewegung eines Ballons zu erkennen . Unter Verschiedenes wird der Ballon kaptif besprochen , der auf der Pariser Ausstellung in Thätigkeit ist, ferner angezeigt , dass am 19. August von Brüssel aus ein Ballon wettfahren stattfindet, an dem sich 5 belgische, 14 französische und ein deutscher Luftschiffer betheiligen. Das Augustheft bringt einen Bericht Luftschiffahrtskongress in Paris.

über den Internationalen

Kleinere Mittheilungen. P. Klinder †.

Der Kaiserl. Russische Generalmajor a. D. P. Klinder zu

Moskan, seit dem 13. März 1882 korrespondirendes Mitglied des Deutschen Vereius zur Förderung der Luftschiffahrt, ist, wie wir erfahren, vor Kurzem verstorben . Derselbe hat, solange er aktiver Militär war, namentlich in sofern für die Luftschiffahrt gewirkt, als er das allgemeine Interesse dafür zu gewinnen und Verständniss davon zu verbreiten suchte. Oeffentliche Vorträge, die er in St. Petersburg und in Odessa gehalten, sowie von ihm verfasste, in viel gelesenen Zeitungen Russlands gedruckte Aufsätze behandelten die Geschichte und den gegenwärtigen Stand der Luftschiffahrt oder waren dazu bestimmt, über die durch die Letztere erreichbaren Ziele aufzuklären . In St. Petersburg hatte er eine aeronautische Gesellschaft gegründet, deren Vorsitz er bis zu seiner Versetzung nach Odessa im Jahre 1883 geführt hat. Mehrere Jahre hindurch stand er in ziemlich regelmässigem Briefwechsel mit dem Redakteur dieser Zeitschrift und mit anderen Mit gliedern des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt. Mehrfach sind Mit theilungen und Berichte von ihm in unsrer Zeitschrift zum Abdrucke gelangt . Persönlich war der Verstorbene eine ausserordentlich stattliche und sympathische Erscheinung, auch verstand er es in seltenem Masse, durch fesselnde Rede seine Zuhörer für die von ihm vertretenen Ideen zu erwärmen . In Folge eines Leidens, welches auch die Ursache seines Todes geworden, vermochte er jedoch während der letzten Jahre weder öffentlich für -11. unsre Sache zu wirken, noch den erwähnten Briefwechsel fortzusetzen.

Druck von Beyer & Münch, Berlin W., Behrenstr. 28.

]

Taf. I.

Zeitschrift für Luftschiffahrt, Jahrg. 1889.

Fig1.

B

Fig3

Fig 2 A

n

R

P

Q

Han

Fig4

Fig5

Vorderarm federn

Dorn

DeckFede

rn

Fig6

dfe

Vordera --andske rm H let

der

B

a

k

ri

b

a er

Ob

A

Fig7

Fig8.

B

AAA

ि AA

A

V D

Flügelhebung MAX HERZ, über das Fliegen etc.

Photolutographie v & Spise &

When

Taf. II.

Zeitschrift für Luftschiffahrt, Jahrg. 1889.

Fig9

Fig 10 w

F

Fig11 MA

w ཁ་: ངས༥ ཡང་་་་་་་་་་་་ག་་་་་་་་་་་་་་་་ ། ་ ་ངu" D ་ w n DD um D K D DD rnm vo R ་་་ ་་་ ་་་ ་་་་་་།༤NHI ་་་་་་་་་

M₂

m

Fig12

Fig13

A A1

Απ.

Br

vorn

B

B

B ↑

A1

Fig14

I

II

m

n

Fig15 Fig16

C

MAX HERZ, über das Fliegen etc.

Photolitograplue & R. Spies & Co Wien

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin Dn1 dem Flugtechnischen Verein in Wien. Redakteur: Dr. phil. Wilh . Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W., Jägerstrasse 73,

VIII. Jahrgang .

1889.

Heft X.

Das englische Ballonmaterial. Von Hermann Hoernes, Oberlieutenant im k. u . k. Eisenbahn- und Telegraphen Regimente. Das englische Heer, meist gegen Nicht-Europäer kämpfend, bemächtigt sich naturgemäss rasch aller Fortschritte der Technik, um im Kampfe mit den minder Zivilisirten das Uebergewicht zu behalten . zum Beispiel von

Keine Armee machte

dem Telegraphen so ausgedehnte Verwendung,

wie die

englische . Eine numerisch bedeutend grössere Zahl von Streitern sehen wir meist von einer kleinen , aber mit allen Mitteln moderner Technik aus gerüsteten Armee besiegt. Auch das Ballonwesen machten sich die Engländer kriegsdienstbar. Obgleich

nicht

ihrem Erfindungsgeiste

entsprungen ,

bildete sich dasselbe

doch in England bald in ganz eigenartiger, aber durch und durch indi vidueller Weise aus. In England unterscheidet sich das Ballon wesen nach jeder Richtung hin von dem auf dem Kontinente üblichen . Unwillkürlich kommt Derjenige zu einer ganz einseitigen Beurtheilung der militär-aëro nautischen Frage , welcher nur das bis nun gebräuchliche französische Material kennt.

Die Kriegsschauplätze der Engländer in Asien und Afrika sind meist arm an Kulturstrassen ; durch Steppen , Wüsten und über Hochgebirge geht der Weg fast durchwegs auf Saumpfaden. An einen Nachschub der Heeres bedürfnisse mittels Wagenkolonnen , wie die modernen Armeen es fordern , ist unter solchen Verhältnissen nicht zu denken . Daher müssen alle Be dürfnisse in Formen und Gewichte getheilt werden,

welche entweder von

Tragthieren und Menschen getragen oder auf Karren transportirt werden können . Diesen Forderungen musste auch die englische Militär-Aëronautik Rechnung tragen. Wir finden demnach ein leichteres Material vor, welches hier, so weit es der Raum gestattet, näher beschrieben werden soll. 15 VIII.

Das englische Ballonmaterial.

226

Bekanntlich gehören stände :

zu

Der komplete Ballon

einer Ballon captiv- Station folgende Gegen

( welcher Ausdruck die Hülle,

das Ventil,

das

Netz, sammt Auslaufleinen und Haltestricken, den Tragring, den Korb und das Zubehör in sich fasst) , das Kabel und die Winde, sowie die zum Füllen nöthigen Apparate . Beobachter im Manne .

Während

Korbe

man auf dem Kontinente mindestens zwei

fordert ,

Der Vortheil,

begnügen

das dadurch

sich

die

erreicht wird,

Engländer mit

einem

springt in die Augen.

Der Ballon kann bedeutend kleiner gehalten werden ,

daher

wieder alle

Dimensionen geringere Stärken erfordern ; der Apparat ist schneller aktions fähig etc. Ausser in den Dimensionen unterscheidet sich das englische Ballon captiv-System

von dem französischen noch besonders durch die aus

anderem Material geformte Hülle, den Kabelwagen und die Art und Weise der Füllung .

Die Hüllen der Ballons sind aus Goldschlägerhäutchen

erzeugt . Es sind dies die inneren , äusserst feinen Häute der Gedärme von Schafen. Die Art und Weise , wie diese kleinen Häutchen , welche angeblich nur 30 bis 40 cm gross sein sollen ,

von welchen ich aber in Birmingham ein Stück von etwa 80 bis 100 cm Länge und 10 bis 12 cm Breite gesehen habe , in der aëronautischen Anstalt zu Chatam oder in der Fabrik Nordenfeld zu Birmingham zu einem Ganzen zusammengefügt werden, ist ein Geheimniss . Vermuthlich werden diese Darmhäute in 2 , 4, 6 , 8 bis 12fachen Lagen mittelst

hydraulischer Pressen im nassen

Zustande

über und an

einander geklebt. An dem fertigen Ballon erkennt man absolut nicht die Stellen, wo dieselben zusammengefügt wurden . Die einzelnen Häute lassen sich auf keine Weise

mehr

ablösen und

bilden ein

einziges Stück.

Der

gefüllte Ballon hat eine lichte, braungelbliche Farbe , ist durchscheinend und lässt zahlreiche , miteinander jedoch nicht zusammenhängende , dunklere Zickzacklinien erkennen . Das Ganze sieht einer ungeheueren , gespannten Schweinsblase nicht unähnlich . Eine besondere Präparirung mit Firniss oder dergleichen ist nicht nöthig. Die grossen Vorzüge dieses

dichtigkeit, das Hinwegfallen

Ballonstoffes

sind :

die besondere

Gas

aller Nähte und die relativ grosse Festigkeit

Feuchtigkeit und Nässe üben in Anbetracht des geringen Gewichtes. keinen wesentlichen Einfluss auf den Ballonstoff; er wird durch Wasser nicht aufgeweicht, lässt Flüssigkeiten nicht durchsickern , und den Regen leicht ablaufen. Die Nässe ist nicht im Stande, das Zusammenkleben zweier Flächen-Elemente

zu

lösen ; auch

kann der Ballon aus Goldschlägerhaut

deponirt werden . Ob es leicht oder falls sie beim Gebrauche Risse erhalten haben , schnell wieder in Stand zu setzen, ist, ohne mit dem Material selbst Nordenfeld praktische Versuche gemacht zu haben , schwer zu sagen. durch längere Zeit

ohne Nachtheil schwierig sei,

behauptet ,

solche Ballonhüllen ,

eine

Reparatur

sei

selbst

im Felde

leicht

und

einfach

zu

Das englische Ballonmaterial .

227

bewerkstelligen, welchen Angaben Glauben nicht beizumessen , kein Grund vorliegt. Schwer kann man sich auch überzeugen , ob der Stoff in allen Theilen gleichmässige Stärke und Widerstandsfähigkeit besitzt . Bei der Prüfung auf der Zerreissmaschine wurden gute Resultate erzielt , welche auf bedeutende Festigkeit hinweisen. erst

Ein gefüllter Ballon von 60 cm Durchmesser wurde

dadurch zum Platzen gebracht ,

dass

ein Mann von 95 kg Gewicht

mehrere Male auf ihn hinaufsprang. Der Preis eines kompleten Ballons , d. i . einschliesslich Netz, Gondel und Anker, stellt sich bei 220m³ Fassungs raum auf 6000 fl .; bei 260 m³ auf 7300 fl . , also 12 bis 2 mal so theuer als bei einem Seidenballon von gleichem Inhalt. Ueber Ventil , Netz , Korb und Anker ist Besonderes nicht zu sagen. Das Kabel hat eine Länge von 500 m, ist aus bestem Stahldraht gewunden und hat im Innern eine Seele von isolirtem Kupferdrahte , zu dem Zwecke , um den Beobachter im Ballon mit einer Telephon - Station auf der Erde in Verbindung zu setzen . Nachdem der Ballon, besonders bei Wind, mehr oder minder heftigen Schwankungen ausgesetzt ist , erleidet das Kabel einen heftigen Zug, wodurch dessen Länge oft um ein beträchtliches Stück ausge Es war schwierig, das Kabel so zu erzeugen, dass die Kupfer

dehnt wird .

seele hierbei nicht Risse erhielt , welche ihre Leitungsfähigkeit beeinflussen . Zum Transporte der Ballons werden eigens konstruirte Wagen ver wendet. Auf denselben ist auch eine Handwinde zum Betriebe durch vier Mann montirt .

Für die

kleinen Ballone genügt dies.

Bei dem geringen

Volumen des englischen Ballons erfordert die Arbeitsleistung zum Einziehen des auf 500 m Höhe gestiegenen Aërostaten einen geringeren Kraftaufwand , kann

daher rascher

vor sich gehen , als bei den grösseren französischen

Seidenballonen . Bleibt auch die Leistung der Handwinde immerhin erheb lich gegen diejenige einer Dampfwinde zurück, so hat sie doch den Vortheil der leichteren und schnelleren Bedienung

und des geringeren Gewichtes,

welch' letzterer eben bei diesem Material nicht hoch genug anzuschlagen ist. Die Wagen sind sehr leicht und handsam konstruirt und auf jedem Terrain mit Vortheil zu verwenden. Der Preis stellt sich auf 1200 fl. Zum Transporte des Ballons in gefülltem Zustande sind am Aequator des Netzes eigene , recht sinnreich konstruirte Halteleinen

angebracht ,

an

denen der Ballon auch schnell zu geringeren Höhen aufgelassen werden kann , was zur flüchtigen Rekognoscirung näher liegender Objekte in unkultivirten Gegenden oft auch genügt . Das aber nebst

eigentliche Charakteristikon dem Hüllenstoff die

schiedene Füllungsmethode .

des

englischen Ballonsystems bildet

von den festländischen Arten

ganz ver

Während man nämlich bei den Armeen des

europäischen Festlandes das Trag- Gas erst im Felde an Ort und Stelle er zeugt,

führen

es

die Engländer,

schon

im fertigen Zustande in eisernen

Flaschen komprimirt, mit sich .

15*

Das englische Ballonmaterial .

228

Man erkennt auf den beiden Systeme. Gegenwärtig

ist

man

ersten Blick den prinzipiellen Unterschied der

noch nicht einig darüber , welches die

schnellste und rationellste Methode

beste,

zur Erzeugung des Wasserstoffes sei .

Die Frage ist überhaupt noch nicht abgeschlossen . Nach dem festländischen System sind mehrere schwere Wagen zur Erzeugung selbst und ausserdem noch solche zum Nachführen

des Rohmaterials erforderlich .

Eine Theilung

der Lasten ist kaum durchführbar. Dem gehen die Briten einfach aus dem Wege. Das Wasserstoffgas wird im Inlande fabriksmässig --- auf welche Weise, hat hier für uns keinerlei Interesse -- erzeugt, in Flaschen gepresst und diese selbst werden der Armee nachgeführt . Die ganze Manipulation wird im Etablissement

M.

Nordenfeld in

Birmingham bewirkt . Ihrer Eigenart wegen beansprucht sie ein so hohes Die Stahl Interesse, dass eine nähere Beschreibung lohnend erscheint. flaschen (tubs genannt ) werden aus 4 mm starken Blechen vom allerbesten englischen Stahle angefertigt . Das Blech wird zunächst in Rechtecke, den der Flasche entsprechend , zerschnitten dann über Walzen gebracht und zusammengerollt, wobei die , auf den beiden parallelen Seiten

Dimensionen

sich befindenden Zähne übereinander artiges, festes Gefüge entsteht.

greifen ,

wodurch

später

ein gleich

Die so vorbereiteten Blechzylinder werden in einem Kohlenofen ein gelegt und daselbst bis zur hellen Weissglut erhitzt . Wenn dies erreicht ist,

treten dieselben

unmittelbar aus dem Ofen über Führungsschlitten in

ein eigenes Walzwerk ein, in welchem durch starken Druck die übereinander greifenden zahnartigen Kanten mit einander dicht verschweisst werden . Es gehören hierzu sehr geschickte Hüttenarbeiter, deren besondere Kunst darin besteht,

die richtige Erhitzung des Stahlbleches genau wahrzunehmen ,

um

eine vollständige widerstandsfähige und dichte Verschweissung zu bewirken , ohne die Temperatur so hoch steigen zu lassen,

dass das Stahlblech ver

brennt, welcher Fall trotzdem selbst bei geschickteren Arbeitern hier und da eintritt. Die bracht , Konus

hergestellten Zylinder werden hierauf in einen zweiten Ofen ge

hier jedoch nur an einem Ende weisswarm gemacht . mit halbkugeligem Ende

wird eine Stahlkappe

Ueber einen

angeschweisst und

diese mit dem Hammer nach der Form zugeklopft . Es bedarf hierzu eines mehrmaligen Einlegens des Rohres in den Ofen und erfordert auch diese Manipulation grosse Geschicklichkeit. An dem anderen Ende bekommen die Flaschen aufdrehbare Abschluss ventile , mit kleinen rohrartigen Fortsetzungen , deren Herstellung und Kon struktion die Firma als Fabrikgeheimniss der Oeffentlichkeit vorenthält. Der Preis

einer solchen Flasche beträgt 90 fl . ö: W.

etwa 130 Atmosphären Druck (1 Atmosphäre 1 kg

Sie fasst bei

entspricht dem Druck von

auf das Quadratzentimeter) 4 m³ Wasserstoffgas.

Die Füllung

einer

Das englische Ballonmaterial. eine solche kostet

Flasche mit Gas

werkschaft 15 Minuten . Flasche rund 100 fl .

229

16 fl. ö . W. -

dauert in der Ge

Bei Anschaffungen im Grossen kostet die gefüllte

Ist eine Reihe von Flaschen erzeugt, so wird mit denselben eine Er probung auf ihre Druckfestigkeit vorgenommen .

Um aber hierbei Unglücks

fälle hintanzuhalten , geschieht die Erprobung mittels komprimirtem Wasser, denn

dieses braucht,

um sein früheres Volumen

zu erhalten,

nur wenig,

Gas aber eine enorme Ausdehnung , weshalb auch ein Fehler in den Flaschen bei Wasser nur einen Riss zur Folge hat , während bei Gas eine Explosion entstände und die hierbei Nächstweilenden in eminente Gefahr brächte . Um

eine

entsprechende Sicherheit zu erlangen,

setzt

man

also die

Flaschen einem hydraulischen Drucke von 240 Atmosphären aus , welchen sie , ohne zu bersten , längere Zeit aushalten müssen . Bestehen sie diese Probe gut, so wird, mittelst einer dreizylindrischen Compressions-Pumpe, von denen jede stärker und kleiner als die vorhergehende ist , das Gas in die Stahlflaschen mit einem Drucke von 120 bis 150 Atmosphären eingepumpt. Hierbei tritt eine bedeutende Wärmeentwicklung auf, welche wieder durch Wasserkühlung sorgt

beseitigt wird .

Den Betrieb der Compressions- Pumpe be

eine eigene zehnpferdige Dampfmaschine ,

hörigen Dampfkessel auf 8200 fl .

welche sammt dem zuge

zu stehen kommt .

Ist die Füllung der

Flaschen beendet, so wird das Ventil zugeschraubt und werden dieselben an sicheren Orten deponirt. Zum Füllen des Ballons legt man eine Zahl von solchen Flaschen

nebeneinander auf den Boden und bringt an das Ansatzrohr , welches beim Ventil sich befindet, einen Gummischlauch an , nachdem derselbe schon früher mit seinem Metallansatz an ein grösseres Gefäss angeschraubt wurde. Das letztere hat eine Länge von etwa 70 bis 80 cm bei 40 cm Breite und ist am besten mit einer länglichen, metallenen, unten geschlossenen Braten glocke zu vergleichen . Der flache Theil ist von etwa 40 Oeffnungen durch brochen, welche Ansätze zum Anschrauben der Gummischläuche haben , der mittlere gewölbte Theil hat eine grössere Oeffnung mit einem Ansatz , an welchen der Füllungsschlauch eingesetzt wird . Damit beim Füllen des Ballons an diesem Zwischenrohren keine zu grosse Kälte auftritt , muss das Aus fliessen des Gases entsprechend regulirt, eventuell Feuer in der Nähe unter halten werden . Diese Zwischenrohre sammt Zubehör stellen sich in Summa auf 200 fl. Zur Füllung eines Ballons von 220 m³ sind 55 , für einen Ballon von 260 m³ Inhalt aber 65 Flaschen erforderlich. Solche Ballone selbst werden von der Firma Howard Lane and Com pagnie in Birmingham erzeugt. Die englische Regierung lässt dieselben in ihrer aëronautischen Anstalt zu Chatam herstellen . Durch den im Vorjahre mit der Freisprechung des Major Templer beendigten Process*) ist *) Siehe Jahrg. 1888, Heft VIII , Seite 248 dieser Zeitschrift. D. Red.

es fast

230

Das englische Ballonmaterial.

erwiesen, dass das in Chatam und Birmingham erzeugte Ballon material von gleicher Beschaffenheit ist .

Denn ähnlich

wie

in Meudon bei Paris hat

auch in Chatam im Allgemeinen Niemand Zutritt zu den Werkstätten , und sollte die Fabrikation der Hüllen etc. ein Geheimniss der Regierung bleiben. Bei den Feldzügen der Engländer im

Sudan und im Beschuanaland

betheiligte sich je ein Ballontrain unter dem Kommando des Majors Templer beziehungsweise Majors Elsdale . In beiden Feldzügen waren aber auch italienische Offiziere anwesend, welche der Ballontruppe ihre besondere Auf merksamkeit widmeten. Die gute Verwendung des Materials hatte zur Folge , dass italienische Luftschiffer-Offiziere , an deren Spitze Graf Pecori- Giraldi stand , nach Eng land entsendet wurden , um daselbst die Anstalten zum Ankaufe eines solchen Trains zu treffen . Von der englischen Regierung erhielten dieselben auch die Erlaubniss, das Militär-Luftschiffer-Etablissement in Chatam zu besich tigen .

Es soll ihnen hierbei aber nicht Alles gezeigt und Manches nicht

eingehend erklärt worden sein, so zum Beispiel das Ventil etc. Kurz darauf wurden bei Howard Lane and Compagnie und Nordenfeld Bestellungen ge macht, in Birmingham Ballone aus Goldschlägerhaut geklebt und sogar an dem von der englischen Regierung geheim gehaltenen Ventil Verbesserungen angebracht, was sich leicht dadurch erklärt, dass dasselbe auch vom Mechaniker Mr. Lege aus London bezogen wurde , der es geheim zu halten gar keinen Auftrag hatte. Thatsächlich haben auch die Italiener in ihren afrikanischen Kolonien jetzt das englische Ballonmaterial in Verwendung , und waren im Vorjahre auf der Italian Exhibition in Kensington , einem Vororte von London, sehr interessante Photographien der in Suakim in Thätigkeit befindlichen Ballon captivs zu sehen, welche dem Beschauer ein deutliches Bild von dem unter Umständen hohen Werthe solcher Stationen vor Augen führten . Es erübrigt noch eine Trains

kurze Zusammenstellung der Kosten und des

einer Ballon captiv- Station zu geben .

Eine

solche Station besteht

aus einem Ballon in Action und einem ungefüllten in Reserve, zwei Ballon wagen mit Winde und einer Zahl von Tragthieren oder Karren zum Trans porte der eisernen Flaschen mit komprimirtem Wasserstoffgas . hat

etwa ein Gewicht von 30 kg,

Eine Flasche

1,20 m Länge und 25 cm Durchmesser.

Ein Tragthier trägt deren vier Stück. Auf einem zweirädrigen, eigens konstruirten Karren können zehn Stück verladen werden . Nimmt man in's Feld, in die vordersten Linien eine zweimalige komplete Füllung mit , so genügt dies bei der guten Gasdichthaltung des Materials vollständig . Zu einem Ballon von 260 m³ Inhalt werden daher 130 Flaschen be nöthigt ; bei

220 m³

aber 110.

Also

33 ,

beziehungsweise 28 Tragthiere

oder 13 , beziehungsweise 11 Karren . In den Reserve- Anstalten erster Linie müsste ebenfalls für jeden Ballon zu einer mindestens zweimaligen Nachfüllung Gas vorhanden sein.

231

Betrachtungen über Gummilösungsmittel. Die Kosten des Materials belaufen sich wie folgt : Ein Ballon zu 260 m³: Ein Ballon zu 220 m³ : 1 Ballon in Aktion .

·

6 000 fl.

1 Ballon in Aktion .

·

7 300 fl.

1 Ballon in Reserve .



6.000 ,

1 Ballon in Reserve .

.

7 300 ,

55 Flaschen

zur

ersten

Füllung • zur 55 Flaschen

ersten

zur

ersten

Füllung • zur

. ersten

65 Flaschen 5 500

65 Flaschen

6 500 ,

110 Flaschen in Reserve . 11 000 ,

· • 6.500 , 130 Flaschen in Reserve . 13 000

Im Depot zweiter Linie :

Im Depot zweiter Linie :

·

Nachfüllung

5 500 ,

Nachfüllung

2 Ballonwagen m . Winde Zubehör .

2 400 , 600 ,

2 Ballonwagen m . Winde Zubehör •

11 Karren mit Zugthieren

5 000 ,

13 Karren mit Zugthieren

2 400 , 1.000 Я 6 000

Summe 50 000 fl.

Summe 42 000 fl.

Es sind hier absichtlich die Kosten eher zu hoch, als zu niedrig, ver anschlagt. Will ein Staat nach diesem System mit Ballon captiv-Stationen sich versehen, so hat er den einen Vortheil, dass er im Frieden nicht genöthigt ist, das ganze Material anzuschaffen , denn auf Grund entsprechender Ver einbarungen mit Fabriken können im Bedarfsfalle die noch erforderlichen Durch Subventionirung könnte man Erzeugnisse sofort geliefert werden . hier entsprechend vorarbeiten. Fassen wir zum Schlusse

die Vor- und Nachtheile kurz

zusammen ,

so bemerken wir in ersterer Richtung : Die besondere Leichtigkeit und Gas dichte der Hülle ; es entfällt die Gasbereitung im Felde und kann daher die ganze Station schon eine Stunde nach Erhalt des ersten Befehles zum Aufsteigen, an Ort und Stelle in Thätigkeit treten . Das Ganze ist sehr leicht, kompendiös und erfordert nicht viel Leute zur Bedienung . 15 bis 20 Mann genügen vollkommen. Als ein Uebelstand muss die Thatsache be zeichnet werden , dass die Füllung der Flaschen nur in der eigens hierzu eingerichteten Abtheilung der Fabrik im Inlande geschehen kann. Das Material ist verhältnissmässig nicht theuerer, als das, welches der französische Aëronaut Yon liefert , und das in fast allen europäischen Staaten , mit Aus nahme Oesterreich -Ungarns, eingeführt ist .

Betrachtungen über Gummilösungsmittel . (Fortsetzung .) Zum Gebrauch wird die Boraxlösung , nachdem ihre Stärke bei 15,5° C. festgestellt worden ist,

auf 50-60° C.

erwärmt und der Gummi in sehr

feine Spähne zerschnitten, sorgfältig eingerührt . kann man eine starke

Für schwache Gummilösung

- gesättigte Boraxlösung auf 75-90° C. erhitzen ; mittel

Lösungen werden

mittelst

1/2-gesättigter

Boraxflüssigkeit bei Koch

232

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

temperatur

bereitet, während starke Borax-Gummilösungen mit Hülfe von

3- oder

-gesättigten

Lösungen hergestellt werden ,

deren

Erhitzung in

geschlossenen

Kesseln bei einer Pressung von 1½ -3 Atmosphären vor genommen werden muss . ―――――― Auf diese Art hergestellte Borax- Gummilösungen können mehr als 8 % gelösten Gummi enthalten , doch muss grosse Sorgfalt

darauf verwendet werden, ihre Coagulirung oder Gelatinirung zur unrechten Solche Lösungen können verschiedene Verwendung Zeit zu verhindern . finden, so z. B. um groben Geweben und Stoffen mehr Festigkeit , Schutz und Wasserdichtheit zu verleihen oder zum Imprägniren von Papiermasse , Matten, Matrazen u . s . w . Besonders brauchbar sind solche Borax- Gummi lösungen in allen Fällen , wo es auf Billigkeit ankommt und auf das äussere Aussehen,

auf Glätte,

Sauberkeit kein Werth

gelegt wird, also besonders

für gröbere Fabrikate und Ueberzüge . Die Alkohol - Reihe. - Alkohol oder jenes bekannte Glied dieser Klasse, welches im gewöhnlichen Leben Spiritus genannt wird, soll uns hier als Gummilösungsmittel nicht lange beschäftigen .

Er

wird ,

wie

bereits

früher erwähnt wurde, in der Stärke von 85 % nicht als Lösungsmittel für Kautschuk angewendet , sondern auf Grund seiner Lösungsfähigkeit für ge wisse harzartige Körper , die mehr oder weniger bei der Verarbeitung des Gummi schädlich wirken . Mit anderen Worten , es steht fest , dass mit Spiritus behandelter Gummi stets den Vorzug verdient, wenn es sich in der Praxis darum handelt, denselben in so reinem Zustande anzuwenden, wie es ohne Zuhilfenahme von Bleich- oder Zertheilungs- Prozessen geschehen kann . ― Obgleich das Verhalten von Gummi gegen Alkohol noch nicht streng wissenschaftlich untersucht worden ist und daher auch keine sicheren Er gebnisse vorliegen, so haben doch einige in dieser Richtung angestellte Ver suche interessante Thatsachen ergeben . Die zum Versuch dienenden Gummi proben wurden in Streifen von gleicher Stärke zerschnitten und ein Theil derselben 48 Stunden lang durch Ausziehen mit Alkohol von allen darin löslichen Stoffen befreit , schnell getrocknet und mit „ B " bezeichnet. Der andere Theil der Gummiproben , welcher also eine Alkoholbehandlung nicht erfuhr ,

heisse „ A " .

Sowohl A als

auch B wurden getrennt mastizirt in

einem kleinen Apparat gleich lange Zeit und dann in gewissen Zeiträumen Theile jeder Schwefel .

Probe

sorgfältig vulkanisirt

unter Anwendung

von

22 %

Man verwandte besondere Sorgfalt darauf, dass nicht allein die

zu jeder Probe verbrauchte Bahandlungszeit eine gleiche war , sondern dass auch die Temperatur in jedem einzelnen Falle nicht zu sehr schwankte. Der mastizirte Gummi ward stets zu gleicher Dicke ausgerollt und je eine Probe bedeckt und unbedeckt jahrelang liegen gelassen , so dass die unbe deckten Proben dem Regen , Sonnenschein und jedem Temperaturwechsel ausgesetzt waren. Mit dem Ausdruck in nachfolgender Tabelle begann sich zu zersetzen ,

eine Bezeichnung ,

sehr glücklich gewählt ist ,

die allerdings in Bezug auf Gummi nicht

soll ausgedrückt werden ,

dass die Probe ein

Betrachtungen über Gummilösungsmittel,

233

10 % , ihrer ursprünglichen Elastizität und Festigkeit wenig, ungefähr 8 Während des ersten Versuchsjahres wurden die Proben eingebüsst hatte. alle 3 Monate untersucht , später alle Monate ; nach Ablauf von 6 Jahren wurden die Beobachtungen eingestellt.

Probe der No.

Wirkung der Alkohol- Behandlung auf Gummi.

Abstammung des

bedeckt

unbedeckt

bedeckt

unbedeckt

Para

3' + Jahr 434 19

1 Jahr 11 Mon.

5 Jahr

3Jahr 10 Mon.

123

Gummis

"

4 5

" (?) Ceara

6 7 8

Columbia

9 10

Madagascar

Mangabeira 17 Assam

15

""

52 Jahr

4 Jahr 7 Mon.

4 4

99

2

""

99 11 19 5 Jahr 5 19 32 Jahr

" unbekannt

4 Jahr 2 Mon.

18

"

44 Jahr

* 21

99 2 99 3 Jahr

99 99 5 Jahr 10 Mon. 5 Jahr 10 Mon.

keine Aenderung 5 5 Jahr 4 2 Jahr 10 Mon. 5 Mon. 11 Jahr 5 13 19 10 97 44 Jahr keine Aenderung 6 4Jahr 7 Mon,

2 2

1

19 99 10 99 34 Jahr 99

5

" ( a ) Para

*22 (b)

"

5 5

" *26 (d) unbekannt

* 27 (e)

Я

99 11 99 10

1

99

5 19 11 99 4

1

19

99

1

7 99 99 8 Mon.

99 21 Jahr 21/2 99

8

•9

8

99 19 Jahr (?)

434 Jahr 4 Jahr 2 Mon.

4Jahr 7 Mon. 3

4

99 10 1 99 4 99

99 7 99 4 Jahr

514 Jahr 3 Jahr

5 Jahr

99

99

99

4

19

5 Jahr

1 Jahr 10 Mon. 4 1

19

4 Jahr 10 Mon.

keine Aenderung 5 44 Jahr

99

99

2 8

99

2 99 3 Jahr 3 Jahr 8 Mon. 2 Jahr 10 Mon. 5 Jahr 10 Mon.

*23 (c) Madagascar 2 2 *24 Afrika *25

4 Jahr

Jahr

99

keine Aenderung 99 5 Jahr 5 Jahr 5 Mon.

3 Jahr 8 Mon. 2 Jahr 8 Mon.

20

52 Jahr

99

keine Aenderung 4 Jahr 4 Mon. keine Aenderung keine Aenderung 6 Jahr 1 Mon. 5 Jahr 2 Mon. 3 99 11 91 19 5 Jahr keine Aenderung 6 Jahr (? ) 99

17

19

6

keine Aenderung 4 Jahr 4 Mon. keine Aenderung keine Aenderung 6 Jahr 3 29 8 99 6 Jahr (?) 99 6 Jahr 6 Jahr 4 Jahr 42 Jahr

3 99 4 Jahr 7 Mon.

14

16

4 Jahr

33/4

11 12 13

, A " begann sich zu zersetzen , B " begann sich zu zersetzen

99

2 Jahr 11 Mon. 23

Jahr

99

3 Jahr

19

3 Jahr 5 Mon.

* Vulkanisirte Proben. - (a ) Dieselbe Abstammung wie No. 2. (b) wie No. 4. ―――― (c) wie No. 17. - (d) wie No. 18.

――――――

So unvollkommen und mangelhaft diese Versuche auch in vieler Hin sicht sind, so genügen sie doch , um zu zeigen, dass in den meisten Fällen

234

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

Alkokol im Stande ist , aus dem Rohgummi Harzstoffe , welche schädlich wirken , zu entfernen , denn der davon befreite Gummi hält sich besser als der nicht mit Alkohol behandelte . Unlöslich in Aethylalkohol wie Gummi ist, (mit Ausnahme jener harzigen Stoffe, die durch starken Spiritus heraus gezogen werden), kann man doch eine alkoholische Lösung desselben erhalten , oder eine Halbemulsion , genügend stark für wasserdichte Stoffe, wenn erstens gewisse ätherische Oele dem Alkohol zugesetzt werden und zweitens , wenn die Lösung durch wiederholte Destillation bewirkt wird . Dieses letztere Verfahren soll hier noch kurz Erläuterung finden .

Absoluter Alkohol oder

besser noch dessen Dämpfe , üben einen grösseren erweichenden Einfluss auf Gummi aus als 85-90 % Spiritus , derselbe stellt sich aber zum Gebrauch im Grossen zu theuer. Die oben angeführten Versuche beziehen sich auf gewöhnlichen Spiritus , können aber auch für rektifizirten Alkohol gelten . Methylalkohol oder Holzgeist. - Man ist bis jetzt der Ansicht gewesen, dass Methylalkohol oder Holzgeist Kautschuk schwierig löst , doch Reiner Methyl scheint dies nicht so ohne Weiteres Geltung zu haben .

alkohol übt allerdings sehr wenig Einfluss auf Gummi aus, selbst nicht als Erweicher ; doch oft enthält der rohe Holzgeist als Unreinigkeiten so grosse Mengen höherer Alkohole und Kohlenwasserstoffe der Benzinreihe, dass diese Flüssigkeit, wenn heiss angewendet, dünne Gummistreifen bedeutend auf schwillt und in solchem Grade erweicht,

dass dieselben durch mechanische

klebrige Mischung von ungleicher Beschaffenheit ver setzt werden. Aus diesem Grunde scheint Methylalkohol kein brauchbares Mittel für Gummilösungen zu sein . Amylalkohol oder Fuselöl. -- Auch vom Fuselöl nahm man an,

Mittel in eine dicke,

dass dasselbe völlig unlöslich auf Gummi sei , gleich den obigen homologen Alkoholen ; doch ist dies unter gewissen Umständen nicht der Fall, wie Ver suche ergeben haben . Eine Gummiprobe , wahrscheinlich aus Ober-Burmah stammend ,

welche sich den gewöhnlichen Lösungsmitteln gegenüber fast unangreifbar verhielt , gab eine klare Lösung beim Erwärmen mit Amyl alkohol , welcher frei von Wasser und niederen Alkoholen war. Nach dem

Verdampfen des Lösungsmittels ,

wozu ein ziemlich langes Erhitzeu nöthig war, hinterblieb ein Gummi von verhältnissmässig guter Beschaffenheit. -Ceara- Gummi in verschlossener Röhre unter Druck mit Amylalkohol behandelt ,

ergab eine durchsichtige 5 % Lösung , welche leichtflüssiger und beweglicher schien, als eine gleich starke Benzinlösung. Abgekühlt und vom Druck ent lastet, zeigte die Lösung keine Neigung zu coaguliren oder klebrig zu werden . Nach diesen Ergebnissen kann man das Fuselöl als praktisches Gummilösungs mittel nicht ganz ausschliessen . - Für gewisse Zwecke ist ein Copalgummi cement vorzüglich brauchbar, da er sehr dehnbar und weniger zur Zersetzung geneigt ist, als manche andere Kitte dieser Klasse . Schöner gut oxydirter Copal löst sich nicht leicht in Flüssigkeiten der Benzinklasse oder in Schwefelkohlenstoff ; aber mit etwas Lavendelöl versetzt und mit gutem

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

235

Amylalkohol längere Zeit erwärmt , lösen sich Gummi und Copal ohne Schwierigkeit . Was die anderen Alkohole betrifft, wenigstens diejenigen , welche nicht zu theuer für unsere Zwecke herzustellen wären, so sind ihre Eigenschaften wenig studirt .

hinsichtlich des Lösungsvermögens für Gummi noch sehr Einige Versuche mit der Phenyl- und Cresylgruppe (Carbol

säure etc ) sind angestellt worden , aber die Ergebnisse waren nicht der Art, dass sie zum weiteren Verfolg ermunterten . Eine oder zwei Verbindungen der aromatischen Reihe zeigten hingegen ein mehr versprechendes Verhalten , doch soll darauf hier nicht näher eingegangen werden. Die Aether.

Hier steht dem Forscher ein grosses Feld offen ;

diese Klasse von Flüssigkeiten in Gummifabrikanten vernachlässigt worden so fern zu sein , wo die Aether auch Ein Aether Interesse besitzen werden.

gleich

ob

jeder Hinsicht bis jetzt von den ist, so scheint die Zeit doch nicht für unsere Industrie ein grösseres lässt sich auf sehr verschiedene

Weise herstellen ; einer der einfachsten Wege besteht in Abspaltung eines Moleküls Wasser von einem Alkohol . --Gewöhnlicher Aether, früher fälsch lich Schwefeläther genanut,

wird meist hergestellt durch Destillation einer

Mischung von Spiritus und Schwefelsäure ; das Destillat wird gewaschen und über wasserentziehende Körper, wie z. B. Chlorcalcium, ungelöschter Kalk und dergl. rektifizirt .

Für Gummilösungen ist es nicht nothwendig , dass

der Aether völlig rein sei ; doch muss er natürlich frei von Wasser, sowohl mechanisch anhängendem als auch gelöstem sein . Also trockener Aether 0,720 bei Normaldruck und Normal ist erforderlich, vom spez. Gew. ganze Anzahl der Gummireihe an eine löst Diese Flüssigkeit temperatur. gehörender Körper, auch Kautschuk, mit grosser Leichtigkeit auf. (Fortsetzung folgt. )

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung . Von Rudolf Mewes. V. In dem Aufsatze über 29 das Wesen der Materie und des Naturerkennens " hat der Verfasser nachgewiesen , dass die Naturkräfte ohne Ausnahme un zerstörlich sind und zweitens zur räumlichen und zeitlichen Bethätigungs möglichkeit in einer funktionellen Beziehung stehen und dass drittens alle Naturerscheinungen die Wirkungen der vibrirenden Bewegungen der mate riellen Elementartheile sind . Da nun der zwischen den einzelnen Atomen befindliche Raum der Spielraum für diese Aethervibrationen ist, so müssen die Naturkräfte ohne Ausnahme dem Zwischenvolumen umgekehrt proportional sein. Die Richtigkeit dieses Gesetzes hat Dühring an den Raum- und Druck beziehungen der, Gase an der Hand der experimentellen Thatsachen sicher

236

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung.

nachgewiesen.

Allein dieses Kraftgesetz, das sich aus dem Grundwesen der

Materie ergiebt, findet auch Anwendung auf die übrigen Naturkräfte , nämlich auf die Kohäsion , die chemische Verwandtschaft, das Licht, die Wärme , die Elektrizität und Massen - Attraktion . Für diese Kräfte wurde, wenn man von der Kohäsion absieht ,

vom Verfasser in früheren Arbeiten die Gültigkeit jenes räumlichen Wirkungsgesetzes in einzelnen Fällen nachgewiesen . Aus der im Heft XII des Jahrg . 1888 d . Z. gegebenen Erklärung der brechen den Kraft 2-1 folgt ohne weiteres, dass die brechende Kraft ihrem Wirkungsraum, d. h. dem zwischen den Molekülen befindlichen Raume um gekehrt proportional sein

muss.

Demnach ist

das

Biot-Arago- Hoek'sche

Gesetz dahin abzuändern , dass der Quotient aus der brechenden Kraft und der Zwischenvolumänderung

oder das Produkt aus der brechenden Kraft und dem Zwischen volumen eines Radikals stets konstant ist , mag dasselbe sich mit anderen Radikalen vereinigen oder nicht . Bei allen Zustands änderungen ist

für

die

brechende Kraft des

dessen Zwischen volumänderung

massgebend .

betreffenden Elementes nur Bezeichnet man nun mit

n, n₁ die Brechungsexponenten eines Stoffes , welche den bezüglichen Zwischen volumen v - x und 7. entsprechen , so muss sich verhalten 2-1 :

1 n₁ 2

1=

v-x

1 VI -x

V -X die spezifische

Nennt man nun das Produkt aus (n² - 1 ) und brechende

Kraft ,

SO

besteht

das

Gesetz:

Die

spezifische brechende Kraft einer Verbindung ist gleich der Summe der spezifischen brechenden Kräfte der Radikale in der Verbindung " . Als Beweis für die Richtigkeit dieses Gesetzes werde ich nur das Beispiel des Chlorwassserstoffes anführen , da der Leser leicht weiteres Beobachtungs material mittelst des Gesetzes berechnen kann . Nun besteht ein Volumen 1 1 Volumen H + Volumen C , die ohne Kondensation zu H Claus 2 2 sammentreten ;

folglich sind die Zwischen volumina,

wenn

man mit

das

Molekülvolumen des H, mit x, das des C bezeichnet, bezüglich 1 − (x + x₁ ), 0,5und 0,5 x₁ . Ist N der Brechungsexponent des HCl, n der des H und der des Cl, so besteht nach obigem Gesetze die Gleichung 2 (N° 1 ) ( 1 −[x + x1 ] ) - (n² - 1 ) (0,5 -x) + (n, ² −1 ) ( 0,5 —x₁ ) . Nun ist N2-1

1,527 , n² —1 = 0,47 ,

12

1 1600

durch Beobachtung gefunden worden.

1 und *₁ =

1 == 2,623 , x =

70

Setzt man diese Werthe auf beiden

Seiten der Gleichung ein und führt die Rechnung aus, so erhält man für (N² −1 ) ( 1 −[xx ]) den Werth 1,50409 und für ( 2 ) (0,5 −x) + ( 2-1 ) (0,5 -x ) den Werth 1,509496 , also zwei Werthe, welche sehr genau mit einander übereinstimmen . Wie leicht einleuchtet, hängt die Zwischenvolumänderung

von

der Verwandtschaft der Radikale zu einander

ab , und da jene den brechenden Kräften proportional ist, so kann man vor stehendes Gesetz vortheilhaft zur Bestimmung der chemischen Bindekraft

Aus Spanien.

oder Affinität der Radikale benutzen .

237

Auf diese Weise kann die Bestimmung

derselben aus den Siedepunkten kontroliert und wesentlich unterstützt und gefördert werden, da die Brechungsexponenten mit grösster Genauigkeit sich bestimmen lassen . Indessen möchte ich an dieser Stelle auf die chemische Vertiefung des gefundenen Gesetzes verzichten. - Zum Schluss möchte ich noch bemerken , dass sämmtliche physikalische Vorgänge, welche den brechen den Kräften direkt proportional sind, wegen des oben formulirten Gesetzes ebenfalls dem Zwischenvolumen umgekert proportional sind, wegen des oben formulirten Gesetzes ebenfalls dem Zwischenvolumen umgekehrt proportional sind , wie z. B die Oberflächenspannung der Kohäsion und das elektrische und thermische Leitungsvermögen . Ferner habe ich noch die Pflicht zu erfüllen , an dieser Stelle auf die früheren Arbeiten Herrn Professors Ketteler über die Proportionalität des Zwischen volumens und der brechenden Kraft bei Temperaturänderungen hin weisen. Man findet dieselben in Wiedemanns Annalen, Jahrgang 1888.

Aus Spanien. Die Königin - Regentin im Luftballon. entnehmen dem " Memorial de ingenieros del ejercito " vom Wir · 1. Juli d . J. folgenden Bericht: Dem Ingenieurkorps ist von Ihrer Majestät der Königin - Regentin wiederum ein Auszeichnungsbeweis , eine hohe Ehre und ein neues Zeugniss des Vertrauens geworden . Die vierte Kompagnie des Telegraphenbataillons hatte schon die ersten Versuche mit den Apparaten , die ihren Luftschifferpark bilden, gemacht. Den mühsamen Tagen rauher Arbeit bei den Versuchen folgte ein anderer vollständiger Genugthuung, an welchem man den gefüllten Ballon durch das Netz gefesselt, den Manövrirtauen gehorchend und wie von heftigem Impulte beseelt , sich in den Raum zu schwingen, sanft sich in den Lüften schaukeln sah ; und wie um noch mehr den Kontrast zwischen dem Ver suche und dem Erfolge hervorzuheben, so folgte den stürmischen und un freundlichen Tagen ein heiterer, lauer und ruhiger Nachmittag. Man hatte am Morgen den ersten Ballonaufstieg mit einer Aufsteige kraft rund von mehr als 400 Kilo, dem zum Theil Sandsäcke das Gegen gewicht hielten, ausgeführt und bereitete sich auf den zweiten vor, als Ihre Majestät, nur von der Frau Gräfin von Sorrondegni begleitet im Hofe des Königlichen Pavillons des Lagers in einer Viktoriachaise erschien ; dieser Hof war von der erlauchten Frau zu den Versuchen eingeräumt und durch den fortwährenden Regen an den vorhergehenden Tagen in einen kothigen Sumpf verwandelt worden . Durch denselben hindurch gelangten Ihre Majestät auf die Mitte des Hofes, wo man sich für den Aufstieg vorbereitete . Vom ersten Augenblick an äusserte Ihre Majestät den Wunsch, einen Platz in der Gondel einzunehmen und beschäftigte sich genau mit allen Details des Ballons, welche die dort anwesenden Offiziere ihr erklärten . Sie wohnte dann der Einschiffung, dem Aufstiege und dem Abstiege des Direktors der Militärkommunikationen, Kriegsbrigadiers Marin, und des Oberst Ayllon bei und äuserte, als beide von dem prächtigen Eindruck sprachen , den die

238

Aus Spanien .

Schönheit des ausgedehnten Panorama's, das sie sich zu ihren Füssen ent wickeln sahen, auf sie gemacht habe, noch bestimmter und entschlossener ihren Wunsch . Die Ehre, welche sämmtlichen anwesenden Ingenieuren widerfahren sollte, und das bestimmte Bewusstsein der absoluten Sicherheit des Apparates gestatteten nicht, dem Wunsche zu widerstreben ; ebenso wenig war es erlaubt, der Furcht Raum zu geben, dass ein fernliegender, schliesslich aber immerhin möglicher Unfall sich ereignen und den Aufstieg , wenn auch nicht gefährlich, so doch mindestens unangenehm machen könnte. Hierauf lud die Königin , allein von dem plötzlichen Impulse ihres freien Willens bewogen, den Obersten Ayllon ein, sie zu begleiten , bestieg nicht ohne Schwierigkeiten die kleine Gondel, welche die Soldaten festhielten , setzte sich auf einen Feldsessel, und einen Augenblick darauf erhob sich, zuerst durch Manövrirseile und dann nur allein durch das Kabel gehalten , der Ballon langsam in die Lüfte, während als unzweideutige Zeichen wirk lichen Enthusiasmus der vielstimmige und wiederholte Ruf " Viva la Reina “ und Beifallsgeklatsche ertönten . Von den 500 Metern, die das Kabel misst , wurden 300 abgerollt, und begrüsste Ihre Majestät von der Gondel aus Diejenigen , die ihr von der Erde aus Beifall zollten . Hierauf gab Oberst Ayllon das verabredete Zeichen , das Kabel rollte sich wieder auf und erfassten , als die Leitseile den Boden berührten, die Soldaten dieselben von Neuem, um den Ballon an die Aus schiffungsstelle zu leiten . Als er noch 8 bis 10 Meter von dieser entfernt war, hielt man einen Augenblick an, um einem der Offiziere Gelegenheit zu geben, eine photographische Aufnahme zu machen . Hierauf endete der Abstieg . Ihre Majestät sprang leicht zur Erde , während ein erneutes , von einem Ingenieursergeanten ausgebrachtes , Viva la Reina " , in das die Soldaten einstimmten , sie begrüsste , und nahm die Glückwünsche aller Anwesenden, sowie die Ansprache entgegen, in welcher der Chef des Telegraphendienstes, Oberstlieutenant Francisco Perez de los Cobos, den tiefempfundenen Dank des Bataillons für die empfangene Ehre darbrachte . Ihre Majestät nahmen diese Zeichen des Dankes und des Enthusiasmus mit grossem Wohlwollen entgegen und versprachen Herrn Cabos , dem Ba taillon zur Erinnerung an den soeben gemachten Aufstieg ihr Bild zu sen den. Als Allerhöchstdieselbe dann in dem Wagen, in dem sie gekommen , wieder abfuhren , wiederholten sich von Neuem die warm empfundenen und enthusiastischen Kundgebungen . Der Ballon hat seitdem seine Reisen fortgesetzt, die man an den folgenden Tagen wiederholte. Diese Versuche werden später in dieser Zeitschrift veröffentlicht werden . Dem Telegraphenbataillon ist eine Photographie in grossem Maassstabe der Königin- Regentin mit der Inschrift von der Hand der Köni gin : " Al Batallon de Telegraphos, en reinerdo de mi primera ascension en un aerostato d. 28. Juni de 1889. Maria Cristina. " zugegangen , und hat dies Bild seinen Platz im Fahnenzimmer gefunden . Dasselbe wird zum ste ten Andenken an den Tag dienen, an welchem die erhabene Königin von Spanien dem Ingenieurkorps eine so deutliche Probe ehrenden Vertrauens gab. Ihn wird auch der Name des ersten Militärluftballons des spanischen Heeres verewigen, welcher " Maria Cristina heissen wird.

Militärische Luftschifferübungen . Das Memorial de ingenieros de ejercito Ausgabe vom 1. August d . J. folgendes :

berichtet

ferner

in seiner

Mittheilungen aus Zeitschriften.

239

Am Morgen des 19. Juli fand mit gutem Ausgange der erste Versuch des freien Aufstiegs statt, welcher nach dem Entwurfe Sr. Exzellenz des Herrn Direktors die Annahmeprobe des durch die vierte Kompagnie des Telegraphenbataillons erworbenen Luftschiffahrtsmaterials beenden sollte . Die Füllung des Ballons fand am vorhergehenden Nachmittage statt, und erreichte man mit Beendigung dieser Operation eine Aufsteigekraft von 500 Kilo , welche sich jedoch wegen des starken Windes, welcher sich einige Stunden lang erhob und den Druck des Gases gegen das automatische Ventil vermehrte , wodurch durch dasselbe eine leichte Entweichung stattfand , etwas verminderte . Das bei dem freien Aufstieg beförderte Gewicht betrug 386 Kilo, von welchen 286 Kilo auf die Reisenden , die Instrumente, die Leitseile etc. und 100 Kilo auf den Ballast kamen. Der Oberst D. Licer Lopez, welcher dies Material in Paris in Empfang genommen hatte, der Oberstlieutenant D. Francisco Perez de los Cobos , erster Chef des Bataillons, der Kapitän der 4. Kompagnie D. Fernando Aranguren und der Lieutenant D. Anselmo Sanchoz Tirado, welcher der Anfertigung des Materials in den Werkstätten des Herrn Yon in Paris bei gewohnt hatte, waren beauftragt, diesen ersten Versuch anzustellen . Der Aufstieg fand vom Hofteich (Königliches Haus des Luynos ) um 9 Uhr Der " Maria Cristina " erhob sich mit dem ersten Im 10 Minuten statt . pulse bis 50 Meter und fuhr dann fort bis zu 400 Meter in die Höhe zu steigen, in welcher Höhe er während des Fluges über Madrid blieb, der in gerader Linie in der Richtung auf Vicalvaro stattfand . Kurz darauf, als der Ballon diesen Ort passirt hatte, senkte er sich um 150 Meter, und warf man , um ein plötzliches Fallen zu verhindern , 10 Kilo Ballast aus, welche genügten, dass der " Maria Cristina " sich bis auf 1050 Meter, der grössten bei diesem Versuch erreichten Höhe , erhob . Mit Rücksicht auf die einge schlagene Richtung entschloss man sich, um die Rückkehr nicht übermässig durch Entfernung von der Eisenbahn zu erschweren , sich am Ende von Velilla de San Antonio niederzulassen , und ward die Landung ohne den geringsten Unfall um 10 Uhr 35 Minuten bewerkstelligt . Der Anker schleppte auf dem Erdboden nicht mehr als 2 Meter , bis er fasste, und hielt das zweckmässig ausgeworfene Leitseil nach und nach den Flug des Ballons auf, bis er allmählich ganz sanft zu Halten kam. Man machte sich dann dabei, den Aërostaten zu entleeren und zusam menzulegen, welche Arbeit leicht mit Hilfe der in der Nähe befindlichen Feldarbeiter, die schnell zur Hilfe eilten , um unseren Kameraden ihre Dienste anzubieten, vor sich ging. Die an der Expedition Betheiligten begaben sich nach Loeches, wo sie von der Munizipalität und der Bevölkerung sehr liebenswürdig aufgenommen und von Herrn Roman, Besitzer der Wasserheilanstalt La Margarita“, prächtig bewirthet wurden ; von dort begaben sie sich mit dem Zuge von Guadalajara, den sie in Torrejon bestiegen, nach Madrid zurück. In der nächsten Zeit werden kurz hintereinander noch vier freie Auf stiege während des Herbstes stattfinden . Berghaus, Major a. D.

Mittheilungen aus Zeitschriften . „La Nature", No. 850, vom 14. Sept. 1889 bringt zunächst als Autograph einen interessanten Brief von Edison an Tissandier, in dem er sich für 2 Exemplare der Zeitschrift bedankt, in welcher der Aufsatz über

240

Kleinere Mittheilungen.

seinen Phonographen enthalten ist . Da sich darin auch ein Hinweis auf die Luftschiffahrt befindet sei er im Wortlaut wiedergegeben : Hôtel du Rhin . Aug. 30. 1889. Friend Tissandier! Many thanks for the two books and the Copies of La Nature. I hope you will come to our exhibition in 1892. Bring a practical Aerial Ship with you. -co I am sure, it can be done, but every one seems to be on the wrong track. Yours Thom . A. Edison . Uebersetzt : L. T. Vielen Dank für die beiden Bücher und die Exemplare von La Nature . Ich hoffe , Sie werden im Jahre 1892 nach unserer Ausstellung - Ich bin über kommen. Bringen Sie uns ein praktisches Luftschiff mit. zeugt, es lässt sich machen , aber man scheint auf einem falschen Wege zu sein. Ihr ergebener Thomas A. Edison . Weiter enthält die Zeitschrift einen Aufsatz über die Fesselballons in Paris im Jahre 1889. In Paris sind zwei Fesselballons zur Zeit in Benutzung, der eine von Gabriel Yon und Louis Godard erbaut, befindet sich auf einem Terrain in der Kleberstrasse nahe dem Trokadero . Sein Volumen beträgt 3053 cbm, Oberfläche 1017 qm, Durchmesser 18 m . Er ist aus einfacher Pongheeseide gefertigt und gefirnisst. Der ganzen Bauart hat der ehemalige Giffard'sche Ballon captif als Vorbild gedient. Das Kabel ist 400 m lang ; in dem ringförmigen Korbe haben 22 Personen Platz . Eine Neuerung ist die im Innern des Ballons angebrachte Luftblase, die bei Zusammenziehung des Gases infolge der Abkühlung gegen Abend etwas aufgeblasen wird, da mit der Wind keine Delle im Ballonstoff bilden kann . Der Ballon wird durch eine Dampfwinde von 28 Hp gehalten . Der zweite Fesselballon ist von Lachambre gefertigt . Seine Grösse ist nur 2600 cbm, sein Durchmesser 17 m. Auch er hat im Innern einen Luftsack von 300 cbm und ein Kabel von 400 m Länge . Mit Wasserstoff gefüllt , nimmt er 8 bis 10 Personen hoch. Die Dampfwinde ist fahrbar, aber vom Dampfkessel getrennt, der S. gleichfalls fahrbar ist und 16 Hp leisten soll .

Kleinere Mittheilungen . - Eine Negersage . Von unserm Vereinsmitgliede Herrn Lieutenant Gurlitt erhalten wir folgende Mittheilung : Eine eigenthümliche Erscheinung ist es , dass sich manche Sagen in der Geschichte der Völker wiederholen , so auch die vom fliegenden Mann . Nicht so bekannt, wie die Sage vom Icarus und andere, wird folgende sein , welche Stanley in seinem Werke „ Through the dark Continent" erzählt. Derselbe bereiste bekanntlich in den Jahren 1874-1878 den dunklen Erdtheil und hielt sich während dieser Reise längere Zeit bei dem König Mtesa von Waganda, im Nordwesten des Victoria- See, auf. Zu den drei Nationalhelden der Waganda's gehört auch Kibaga, der zur Zeit Nakivingi's, eines Vorfahrens von Mtesa, lebte und die Fähigkeit des Fliegens besessen haben soll. Von demselben erzählt Stanley folgendes : "2 When the king (Nakivingi ) warred with the Wangoro, he sent Kibaga into the air to as certain the where abouts of the fre, who, when discovered by this extraordinary being, were attacked on land in their hiding- places by Nakivingi and from above by the active and faithful Kibaga, who showered great rocks on them and by these means slew

Kleinere Mittheilungen.

241

a great number. It happened that among the captives of Ungoro Kibaga saw a beauti ful woman who was socicited by the king in marriage. As Nakivingi was greatly in debted to Kibaga for his services, he gave her to Kibaga as wife, with a warning not to impart the knowledge of his power to her, last she should betray him. For a long time after Marriage his wife knew nothing of his power, but suspecting something strange in him from his repeated sudden absences and reappearances at his home , she set her self to watch him and one morning as he left his hut she was surprised to see him suddenly mount into the air with a burden of rocks on his back. On seeing this she remembered the Wangoro complaining that more of their people was killed by some means from above than by the spears of Nakivingi, and Delilah like loving her race and her people more than she loved her husband, she hastened to her people's camp and communicated to surprise of the Wangoro, what she had that day learned. ,,To avenge themselves on Kibaga, the Wangoro set archers in ambush on the summits each lofty hill, with instruments to confine themselves to watching the air and listening to the brushing of the wings and to shoot their arrows in the direction of the sound , whether anything was seen or not . By this means on a cert in day, as Nakivingi marched to the battle, Kibaga was wounded to death by an arrow andu pon the road larg drops of blood where seen felling and on coming to a tall tree the king detected a dead body entangled in its branches. " Die Uebersetzung lautet : Als der König mit den Wangoros stritt, sandte er Kibago in die Luft , sich von den Absichten der Feinde zu überzeugen, welche, nachdem sie durch dieses aussergewöhn liche Wesen entdeckt, auf der Erde durch Nakivingi in ihren Schlupfwinkeln angegriffen wurden , von oben durch den thätigen und treuen Kibago, welcher grosse Felsen auf sie schmetterte und auf diese Weise eine grosse Zahl erschlug . Es ereignete sich, dass unter den Kriegsgefangenen von Ungoro, Kibago eine wunderschöne Frau sah, welche mit dem König verheirathet war. Da Nakivingi dem Kibago für seine Dienste sehr verpflichtet war, so gab er sie ihm zur Frau mit der Warnung, ihr nicht die Fähigkeit seiner Macht mitzutheilen, damit sie ihn nicht verriethe . Eine lange Zeit nach der Hochzeit wusste seine Frau nichts von on seiner Kunst, aber, irgend etwas Seltsames bei seiner wiederholten plötz lichen Abwesenheit und Rückkehr nach Hause vermuthend, stellte sie sich auf Wache, und als er eines Morgens seine Wohnung verlassen hatte, war sie überrascht, ihn plötzlich in der Luft schweben zu sehen mit einer Felsenmasse auf dem Rücken . Sie sah dies und erin nerte sich der Klagen der Wangoros, dass mehr von ihrem Volk auf solche Weise von oben getödtet wurden, als durch die Waffen des Nakivingi. Delilah liebte ihren Stamm und ihr Volk mehr als ihren Mann, eilte daher zu ihres Volkes Lager und erzählte zur Ueberraschung der Wangoros, was sie erkundet. Um sich an Kibago selbst zu rächen, stellten die Wangoros Bogenschützen in Hinterhalt auf die Spitze jedes hohen Hügels, mit Waffen, sich selbst zu vertheidigen, die Luft zu bewachen und auf das Rauschen der Flügel zu lauschen und ihre Pfeile in die Richtung des Geräusches zu schiessen , ob etwas zu sehen wäre oder nicht. Auf diese Weise wurde eines Tages , als Nakivingi in die Schlacht zog , Kibago durch einen Pfeil zu Tode verwundet, und man bemerkte auf dem Wege grosse Blutstropfen von einem hohen Baume fallen. Der König entdeckte auch einen Leichnam in seinen Zweigen verwickelt. Als der Baum gefällt war, sah Nakivingi zu seinem unendlichen Kummer, dass es der Körper seines treuen fliegenden Kriegers war. Die Redaktion . Gambetta's Luftfahrt. Léon Gambetta hat jetzt an der Stelle in Epineuse ein Denkmal erhalten, wo er auf seiner Ballonfahrt aus dem umlagerten Paris am 7. Oktober 1870 landete . Der Sonntag, der 6. Oktober d. J., war zur Enthüllung des Denkmals gewählt, bei welcher auch der gegenwkrfige Minister der auswärtigen An gelegenheiten Frankreichs und damalige Fahrgenosse Gambetta's, Spuller, anwesend war. 16 VIII.

242

Kleinere Mittheilungen.

Aus Anlass dieser Enthüllungsfeier geht eine Schilderung der Vorgänge bei jener be rühmten Ballonfahrt durch die Presse, die wir nachfolgend wiedergeben : ,,Paris war seit wenigen Tagen gänzlich von den Deutschen eingeschlossen ; da beschloss Gambetta , der Organisator des nationalen Widerstandes, der in Paris seine Flügel beschnitten fühlte, auf dem ungewöhnlichen , aber allein noch möglichen Wege durch die Luft zu entweichen . Der Luftballon Armand Barbès war als Fahrzeug ausersehen und sollte am 4. Oktober in der Frühe abgehen ; aber es war an dem Tage nebelig, desgleichen die folgenden Tage. Man hielt die Gefahr, bei Nacht oder Nebel abzugehen, für grösser als bei hellem Tage , obwohl die Aufmerksamkeit der Belagernden dann unbedingt auf das Luftschiff gelenkt werden musste ; man hätte aber zur Nachtzeit und bei Nebel mitten unter Feinden landen können, ohne es zu ahnen, und wäre somit aus dem Regen in die Traufe, aus dem zwar belagerten, aber doch so geräumigen Paris in die Gefangenschaft der Preussen gerathen. Gambetta hatte Eile und wollte am 7. Oktober abfahren, welches Wetter auch immer sein sollte . Wegen der herrschenden Frische rieth man Gambetta , mit warmen Kleidern sich zu versehen , und bei dieser Gelegenheit kaufte er jenen Pelzmantel , in dem er so oftmals bildlich dargestellt worden ist. Der bekannte Luftschiffer Nadar empfahl Gam betta und Spuller einen gewissen Trichet zur Begleitung des Luftschiffes ; derselbe hatte in der That schon achtundsiebzig Auffahrten gemacht und war immer glücklich davon gekommen. Das erweckte Vertrauen ; nur verschwieg Nadar Eines, nämlich, dass Trichet immer nur auf Jahrmärkten aufgefahren war und , einmal in der Höhe, keinen anderen Gedanken hatte , als möglichst schnell wieder zur Erde zu kommen . Dieser Gedanke beherrschte Trichet auch auf dieser historischen Fahrt. Am 7. Oktober Morgens kurz vor 10 Uhr stiegen Gambetta, Trichet und Spuller auf. Der Ballon flog zuerst über Saint- Quen, wo ihn die Belagernden mit Schüssen begrüssten, ohne ihn jedoch zu be schädigen. Trichet wollte aber auch jetzt schon hinunter, während Gambetta nicht weit genug fahren konnte. Die erste Landung wurde bei Chantilly versucht. Das Wetter war herrlich, auf den Aeckern arbeiteten die Bauern in grosser Zahl, welche auf den Ballon zueilten und die Gondel festhielten . Gambetta gab ihnen Kunde vom Stand der Dinge in Paris und fragte, ob die Preussen schon da wären. „ Ganz nahe, und Sie thun gut, sich davon zu machen. " Wieder ging der Ballon schneil in die Luft. Als er über Creil kam , wurde er wiederum beschossen. Trichet bekam aber auch jetzt bald wieder Lust zu landen . Man bemerkte unter sich ein Gehöft, in welchem Gewehrbündel auf gestellt waren . Trichet wollte Franktireurs erkannt haben, was sehr sonderbar ist, da man doch leichter einen preussischen Soldaten von einem Franktireur, als ein Gewehr bündel von irgend einem andern Dinge unterscheiden kann . Als der Ballon sich der Erde näherte, entpuppten die angeblichen Franktireurs sich als Preussen, welche dem Ballon ganze Salven zusandten und dabei wahrscheinlich mehrere Löcher beibrachten. Derselbe hob sich aber doch wieder für einige Zeit. Reisenden ein , dass sie landen mussten ; sie

Als er merklich an Gas verlor, sahen die merkten einen Fluss, jenseits dessen sie in

Sicherheit zu sein glaubten. Es war drei Uhr, unten lag Epineuse, und der Ballon fiel. Die Bauern liefen wieder zusammen und halfen. Gambetta war gerettet. Die Reisen den wurden beim Maire von Epineuse freundlich aufgenommen und bewirthet. Da die Mairestochter, Fräulein Dupuis die mitgebrachten Brieftauben liebkoste, betraute Herr Spuller sie mit dem hochwichtigen Auftrage, durch Fliegenlassen derselben den Parisern die erste Nachricht von dem glücklichen Ausgange der gefahrvollen Reise zu überbringen. Das junge Mädchen 99 war von der Bedeutung ihrer Handlung so überwältigt, dass sie Herrn Spuller ohnmächtig in die Arme fiel ". Gambetta gönnte sich keine Ruhe , langte noch denselben Abend über Montdidier in Amiens an, Wo er mit den Präfekten der Somme, des Pas de Calais und des Nord Berathung hielt. Die Eiche, an welcher Gam betta in der Nähe von Epineuse landete, war dadurch zu einer historischen Berühmtheit gekommen, und Touristen strömten schaarenweise hin . Der Besitzer des Waldes, zu dem

Kleinere Mittheilungen .

243

der „ Gambettabaum " gehörte, hatte kein Verständniss für patriotische Denkwürdigkeiten , und der sich nach seinem Forst richtende Fremdenschwarm war ihm höchst lästig . Er liess daher trotz aller Bitten eines Tages den Baun fällen. Nun sammelte man Geld, um an der Stelle ein Denkmal zu errichten. Gambetta hat dem Maire Dupuis seinen Dienst nie vergessen ; dieser besuchte ihn oft in Paris und wurde stets sofort unangemeldet im Ministerium oder im Palais Bourbon vorgelassen . " Campbell's lenkbares Luftschiff. Vor einiger Zeit wurde in der Presse der Vereinigten Staaten mit grosser Zuversicht berichtet, der Amerikaner Campbell habe das Problem der Luftschiffahrt endlich in vollkommen befriedigender Weise gelöst . So zuverlässig aber die Berichte klangen, so wenig waren sie berechtigt. Ein am 16. Juli d. J. stattgehabter Versuch hat alle vorher gemachten Versprechungen und Behauptungen des Erfinders als haltlose Reklame oder als auf Illusionen beruhend erwiesen . Ueber Campbell und sein lenkbares Luftschiff äussert nun die ,,New-Yorker Scientific " folgendes : „ Im Herbst vorigen Jahres machte das von Peter M. Campbell erfundene lenkbare Luftschiff mehrere kurze, im Grossen und Ganzen befriedigende Probefahrten in Coney Island ; die Verhältnisse waren sehr günstige, besonders da völlige Windstille herrschte , und die Strecken nicht sehr gross waren . Darüber hinwegsehend, behaupteten viele, auch deutsche Blätter, das Problem sei gelöst . Der unglückliche Verlauf des Aufstieges vom 16. Juli beweist, dass die Freude verfrüht war. Campbell hatte im Laufe des letzten Frühjahrs einen neuen Ballon erbaut von eiförmiger Gestalt, aus eigens dazu aus Japan bezogener leichter Seide . Der Ballon hatte etwa 20 Meter Länge bei 4 oder 5 Meter grösstem Durchmesser und konnte nur eine Person tragen . Mit Ausnahme der Ballonform, die hinter der sonst jetzt meist verwendeten Cigarrenform zurücksteht, war an dem Luft schiff Alles vorzüglich. Es besass sechs Schrauben zur Fortbewegung, eine unter der kreisförmigen Gondel mit senkrechter Axe zum Heben oder Senken des Fahrzeugs , eine grosse mit wagerechter Axe vorn an der Spitze zur Vorwärtsbewegung und je zwei vorn und hinten zur seitlichen Verschiebung. Alle diese Schrauben erhielten von der Gondel aus Bewegung mittels Handkurbeln und Schnurläufen ; eine Betriebsmaschine war nicht beigegeben, vielmehr musste der Fahrende allein die gesammte Kraft leisten . Ob das ein Missstand ist oder nicht ? Ich glaube nicht. Es war alles gethan, um die Lenkbarkeit zu ermöglichen ; zu den vier Lenkschrauben, von denen stets zwei , eine vorn, eine hinten , gleichzeitig sich bewegen sollten , kam noch ein grosses Steuerruder. Man muss zugeben, dass das Luftschiff Campbell's eines der vorzüglichsten , am meisten Erfolg verheissendes war. Und trotzdem, wie sind diese Verheissungen erfüllt worden ! Um 10 Uhr Vor mittags des genannten Tages war im Hofe des Nassau- Gaswerks in New-York die Füllung des Ballons (mit über 15,000 Kubikfuss Gas) beendet. Professor Hogan bestieg die Gondel und liess die haltenden Taue kappen. Das Luftschiff schoss empor und nahm eine südöstliche Richtung an. Man sah, wie Hogan sich bemühte, die Axe des Ballons mit der Windrichtung in Uebereinstimmung zu bringen . Es gelang ihm nicht. Der Ballon blieb dem Winde überlassen, trieb gegen den Ozean hinaus und verschwand. Von ihm oder seinem Lenker wurde seither keine Spur mehr gefunden . Professor Hogan war 1852 geboren und hatte bereits 1868 seine erste Luftfahrt gemacht in einem selbserbauten Ballon, für einen Sechzehnjährigen eine achtunggebietende Leistung. Seitdem hatte er über zweihundert Luftfahrten, in den letzten Jahren besonders gern auch Fallschirmreisen durchgeführt. Er galt als eine der ersten Autoritäten im Gebiet der Luftschiffahrt. Es ist daher schwer anzunehmen, ein Fehler von Seiten des Luftschiffers sei die Ursache gewesen, dass das Fahrzeug sich als unlenkbar erwies. Bei der Einfachheit des Mechanis mus ist auch an ein Versagen desselben nicht leicht zu glauben ; es müsste denn sein, dass irgend einer der Theile, die wegen der nothwendigen Leichtigkeit nur so stark gehalten waren, als unbedingt nöthig, gebrochen sei . Am zutreffendsten erscheint die Annahme, dass die verfügbare Kraft dem zu überwindenden Widerstand nicht gewachsen 16*

244

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

war ; das ist die Klippe, woran bisher alle Versuche , eine verlässliche Luftschiffahrt zu erzielen, gescheitert sind und wohl auch für absehbare Zeit noch seheitern werden . Der Bailon war klein , er trug ja ausser seinem Eigengewicht und dem unvermeidlichen Ballast nur eine Person , den Professor Hogan. Zur Bewegung war ausschliesslich die Muskel kraft dieses Mannes verfügbar , mithin also / Pferdekraft. Genügt dies , um einer Masse, welche in der Bewegungsrichtung eine Oherfläche von ungefähr 25 Quadratmeter hat, eine nennenswerthe Geschwindigkeit zu ertheilen ? Eine in ihren Angelu leicht gehende Stubenthüre von zwei Quadratmeter Fläche so rasch zu bewegen, dass die äusserste Kante in der Sekunde etwa sieben bis acht Meter Weg macht, erfordert den grössten Theil einer Menschenkraft. Wie soll eine solche genügen, ein Luftschiff mit ähnlicher Geschwindigkeit fortzutreiben ? Also hätte Campbell eine Maschine zum Betriebe der Schrauben auf seinem Luftschiff aufstellen sollen. " Ob dadurch viel geändert worden wäre ? Die Maschine hätte eben Gewicht gehabt, und um sie tragen zu müssen, hätte der Ballon und dessen Oberfläche bedeutend vergrössert werden müssen. In welchem Verhältniss , zeigt folgende Erwägung. Es sind nicht viele Kraftmaschinen da , unter denen der Erbauer eines Luftschiffs wählen könnte ; ausser Dampf- , Kohlensäure- , Petroleum und Elektro-Motor wohl nichts mehr. Nun wiegt ein Deutzer Petroleummotor von nur einer Pferdekraft (vier bis sechs Mann Arbeit) schon über 1500 Kilogramm ! Campbell's Ballon hätte, durch einen solchen betrieben, wenigstens zwanzigmal grösser sein müssen, aber nur fünf- bis sechsmal mehr Kraft erhalten . Ein Elektromotor von einer Pferde kraft wiegt freilich nur 28 bis 30 Kilogramm (System Immisch) , aber die Accumulatoren , die ihm die Elektrizität liefern müssen , wiegen, sofern der Betrieb einige Stunden dauern soll, wenigstens sieben bis acht Zentner. Ich glaube nicht, dass es eine Maschine giebt , die im Verhältniss zur Leistung von geringerem Gewicht gemacht werden kann , als die Dampfmaschine, aber auch da wiegt die leichteste mir bekannte ( Dampfmotor, erbaut von den Eisenwerken Gaggenau, vertrieben durch A. Zemsch in Wiesbaden) sammt Kessel , Wasser und Heizmaterial noch gegen 350 Kilogramm bei einer Pferdekraft-Leistung. Auch ein solcher Motor hätte die Bewegungsfähigkeit des Campbellschen Luftschiffs nicht sehr gebessert. Vorläufig J haben nach meiner Ansicht die Bestrebungen, ein wirklich lenkbares Luftschiff herzustellen, wenig Aussichten auf Erfolg . Schon der sehr langsame Fortschritt auf dem Gebiete lässt darauf schliessen ; andere Probleme waren kaum auf getaucht, als auch schon praktisch brauchbare Lösungen gefunden wurden ; ich erinnere nur an Gasmaschine, elektrische Bogen- und Glüh- Lampe, elektrische Eisenbahn, zahl zeiche Arbeitsmaschinen u . A. Warum geht die Lösung des Problems der Luftschiffahrt nicht ebenso rasch voran ? Warum sind hier die zahlreichen grossen Opfer an Menschen leben, Geld (das verschwundene Luftschiff Campbells kostete über 3000 Dollars) und geistiger Arbeit nutzlos ? Die Antwort mag sich der geneigte Leser selber geben . "

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. *) Protokoll der am 15. April 1889 im Saale der Königlichen Kriegs Akademie abgehaltenen ordentlichen (109. ) Sitzung. Vorsitzender : Dr. Assmann . Schriftführer : von Sigsfeld. Tagesordnung : 1. Geschäftliche Mittheilungen ; 2. Herr Ingenieur G. Lilien thal : „ Der Kraftaufwand beim Vogelfluge und sein Einfluss auf die Möglichkeit des freien Fliegens (Schlussvortrag) ; 3. Beschlussfassung üer den am 25. März eingebrachten An trag auf Revision der Statuten. *) Zur Berichtigung sei hier erwähnt , dass die im VII. Hefte Seite 173 u. folgde. mitgetheilten Satzungen des Vereins in Folge eines Versehens vom 15. April 1888 statt vom 15. April 1889 datirt sind.

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

245

Der Vorsitzende, Herr Dr. Assmann , zeigt dem Vereine den Tod der Herrn Hoppenstedt und Cohen an, welche bisher dem Vereine als Mitglieder angehört haben, ferner, dass Herr Elsner aus dem Vereine ausgetreten ist. Es folgt dann die Mittheilung, dass Herr Rudolph Hertzog in anerkennenswerther Weise den Seidenstoff zu dem vom Ver eine herzustellenden Fesselballon demselben gratis zur Verfügung stelle. Zum Danke für diese Schenkung erheben sich die anwesenden Mitglieder des Vereines von ihren Sitzen. Herr Dr. Kremser verliest das Protokoll der letzten Sitzung, welches ohne Dis kussion angenommen wird. Herr Lilienthal führt im Anschluss an seinen letzten Vortrag weiter aus , wie durch eine einheitliche Wellenbewegung der Luft der Widerstand gekrümmter Flächen erheblich grösser wird als der ebenen Flächen. Aus einer grossen Zahl von Versuchen zeigte die einfach gewölbte Fläche sich als am besten mit dieser beim Fliegen so vor theilhaften Eigenschaft ausgestattet. Aus den Versuchen ergiebt sich ferner auch ein erheblicher Unterschied zwischen den Widerstanden bei verschiedener Neigung der Flächen bei gleicher Bewegung der Luft . Es sind diese Versuche nicht nur mit dem Rotationsapparat, sondern auch direkt bei Wind angestellt. Beobachtungen zeigen, dass der Flügel des Vogels anders gekrümmt ist bei Ruhe und beim Fliegen, wobei eine Durchbiegung von 1/12 der Breite eintritt. Eine Fläche, welche geeignet ist , selbstthätig sich nach der Windrichtung einzu stellen, richtet sich im Durchschnitt 12 ° nach oben, aber nur 4 ° nach unten, wenn man sie umkehrt , dieses alles in einer Höhe von 2 bis 4 Meter über dem Erdboden. Es zeigt sich die auffallende Thatsache, dass solche Flächen einen Widerstand erfahren, welcher fast vertikal gerichtet ist bei horizontaler Lage der Fläche und der seinem Betrage nach nahezu halb so gross ist , als bei einer Stellung der Fläche senkrecht zur Luftbewegung. Diese Versuche sind auf einer exponirten Ebene, der jetzigen Charlottenburger Rennbahn ausgeführt. Es übt also die bewegte Luft eine Wirkung aus wie die eines aufsteigenden Luftstromes, ohne dass , nach der Ansicht des Vortragenden, die einzelnen Theile selbst aufsteigen. An den bei den Versuchen benutzten Flächen erläutert der Vor tragende diese Kraftwirkung . Linsenförmig gestaltete Flächen mit flacher Wölbung müssen bis 12 ° geneigt wer den, wenn der vertikale Widerstand gleich 0 sein soll. Die Versuchsflächen waren aus Holz, Blech und Papier auf ein mit Rippen versehenes Gestell gespannt, sorgfältig aus geführt. Balancirte man eine solche Fläche an einem vertikal beweglichen Hebel aus, so stellte sich dieselbe in bewegter Luft stets nach oben ; ja man konnte derselben eine beträchtliche Belastung geben, ohne die Wirkung aufzuheben. Für das Studium des Vogelfluges stellt der Vortragende als besonders geeignete Beobachtungsobjekte die Möven hin gegenüber den Schwalben, welche durch die Jagd auf Insekten zu heftigen Flugbewegungen veranlasst werden. Bei vom Beobachter weg fliegenden Möven kann man das Drehen der Flügel deutlich wahrnehmen, namentlich an den Spitzen, welche demnach das Vorwärtsfliegen beeinflussen, während die dem Körper nahegelegenen Theile des Flügels mehr das Tragen besorgen . Die gespreizte Form der Flügel beruht darauf, dass die Federn am Ende verschie dene Stellungen einnehmen müssen und zwar so, dass sie beim Uebergange aus der einen in die andere durch die Flügelebene hindurchschlagen . Zusammenfassend bemerkt der Vortragende, dass im Gegensatz zu den Berech nungen bestimmte Flächen mit dem dritten bis fünften Theil der bewegenden Kraft be anspruchen, und diese Eigenthümlichkeit der gewölbten Flächen ist ein Privilegium der Vogelwelt, der auf diese Weise ein schnelles Fliegen mit wenig Kraft ermöglicht ist. Zu verwundern ist, dass die flugtechnische Literatur sich bis jetzt nur mit ebenen Flächen abgegeben hat. In der Diskussion bemerkt Herr Gerlach , dass in Lehrbüchern (von Poncelet

246

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

z. B.) die Ansicht ausgesprochen ist, dass schwach gekrümmte Flächen dieselbe Wirkung hätten wie ebene. Prof. Börnstein fragt nach der Gestalt des Gestelles , an welchem die Mes sungen der aufwärts gerichteten Komponenten den Luftbewegungen ausgeführt sind, wegen des etwaigen Einflusses grösserer Konstruktionstheile auf die Bewegung der Luft. Dr. Sprung hebt hervor, dass irdische Gegenstände einen erheblichen Einfluss auf die Luft ausübten. Lieut. Gross bestätigt die Beobachtungen des Vortragenden, dass bei wechseln der Richtung des Standes die Geschwindigkeiten in verschiedenen Höhen erheblich ver schieden sind. Nach Berathung der Statuten wird die Mitgliedschaft der Herren Dr. Fränkel, von Sigsfeld. Mumme, Berson und Lipkowitz erklärt. Protokoll der am 20. Mai 1889 im Saale der Königl. Kriegs - Akademie abgehaltenen (110.) Sitzung. Vorsitzender : Dr. Assmanu. Schriftführer : von Sigsfeld. Tagesordnung : 1. Geschäftliche Mittheilungen ; 2. Herr Lieutenant Hilden brand : Konstruktion , Leistungen und Schicksale der bisher gebauten Riesen - Fesselballons ; 3. Herr von Sigsfeld : Ueber die Nothwendigkeit, die Vertheilung der Lufttemperatur mit Hülfe des Fesselballons zu ermitteln . Der Vorsitzende , Dr. A s s m a nn , macht Mittheilungen über den Ballon- Sport- Klub in Köln . Nach einer Besprechung über die Thätigkeit desselben trägt Herr Lieutenant Hildenbrand ,, Ueber die Schicksale der grossen Fesselballons " vor auf Grund einer sorgfältigen Zusammenstellung des umfassenden Materials . Der erste, welcher in grossen Dimensionen einen Fesselballon ausführte, war Henri Giffard , und zwar war die Konstruktion so gut, dass durch seine Anregung eine wieder holte Nachahmung dieses Unternehmens sich ergab. Der Ballon vermochte 12 Personen auf eine Höhe von 250 m hinaufzutragen. Im Ganzen stiegen mit ihm 97 000 Personen. Den nächstengrösseren Ballon sah man in London , das Volumen von 12 000 Kbm . ergab genügende Tragkraft für 30 Personen . Ein verunglückter Versuch ist zu bemerken , den Ballon mit Ammoniakgas zu füllen. Der Ballon verbrannte. Verunglückt waren noch die Unternehmungen von Marseille und in Wien. Im Gegensatz zu diesen Eindrücken stand die solide Bauart des grossen Pariser Ballons , abermals von Henry Giffard ausgeführt. Seine Gasmasse von 25 000 cbm war umschlossen von einer mehrfachen Hülle , in der die einzelneu Stoffe der Reihe nach aus Mouseline, Kautschuk, Flachsleinwand, Kautschuk, Leinwand, vulkanisirtem Gummi und endlich gefirnisster Mouseline bestanden. Um den Strahlungseinfluss auf die Temperatur des Gases möglichst herabzudrücken , war dem Ganzen ein Ueberzug aus Silber-Bronce gegeben . Die Hauptgewichte beliefen sich die Hülle auf 14 000, das Netz auf 3000 kg. Das Kabel war ausserdem nach unten verjüngt auf gleiche Festigkeit berechnet. Das Kabel lief über eine frei bewegliche Erdrolle zu der 42 000 kg schweren Winde , deren Durchmesser 1,70 betrug und welche durch eine 300pterdige Maschine betrieben wurde . 40 000 Personen hatte der Ballon hinaufgeführt , als er durch einen Orkau zer stört wurde. Hierauf folgen eine Reihe missglückter Unternehmungen in New- York, Mailand und Turin, wo ein Blitzschlag den Ballon vernichtete . In Nizza stieg ein Ballon für 8 bis 10 Personen berechnet, der namentlich in der Ausführung des Korbes eine Nachahmung der Giffardschen Konstruktion darbot . Zu nennen sind noch die Ballons in Brüssel und Barcelona. Man hat zusammen in den 60er Jahren 3, in den 70er Jahren 4. in den 80er Jahren 4 grosse Ballons gesehen, von denen 2 durch den Blitz, 2 durch Sturm, 1 durch Feuer

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

247

uud 1 durch zu schwache Konstruktionen zu Grunde gingen. Der Grösste von ihnen hatte 25 000, der kleinste 3000 cbm Rauminhalt. Alle hatten den Zweck, die Schaulust des Publikums zu befriedigen. Herr Dr. Angerstein theilte ferner einige Details über den Ballon zu Wien 1873 mit. Hierauf gab v. Sigsfeld einen allgemeinen Ueberblick über die Vortheile me teorologischer Beobachtungen vom Fesselballon und erläuterte an den Apparaten , welche für die Vorarbeiten zur Konstruktion der erforderlichen Registrirwerke gedient hatten, die Wirkungsweise derselben . v. Sigsfeld .

Protokoll der am 30. September 1889 im Saale der Königl . Kriegs Akademie abgehaltenen (111. ) Sitzung . Vorsitzender : Dr. Assmann. Schriftführer : Dr. Kremser. Tagesordnung : 1. Geschäftliche Mittheilungen ; 2. Vortrag des Herrn Dr. Angerstein : Ueber die neueren Fallschirm-Versuche. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit einer Begrüssung der Mitglieder nach den Sommerferien und machte sodann einige geschäftliche Mittheilungen. Inzwischen habe in Paris ein aëronautischer Kongress stattgefunden ; da zu demselben keine officielle Einladung an den Verein erfolgt ist, so habe derselbe sich nicht veranlasst gesehen , hierzu irgendwelche Stellung zu nehmen. Von Herrn Rudolph Hertzog ist die Seide für den geplanten Fesselballon fertig gestellt und dem Vereine nunmehr als Geschenk überwiesen worden. Es handle sich jetzt um Beschaffung des weiterhin nöthigen Apparats . In Wien ist von Versuchen her , die vor zehn Jahren durch Schwackhöfer angestellt wurden, ein Ballonpark vorhanden , der dem Vereine zum Kauf angeboten ist ; sollte sich derselbe als geeignet erweisen, so werden weitere Unterhandlungen angeknüpft werden. Die Mitgliederliste sei von neuem revidirt worden ; nach derselben besteht der Verein gegenwärtig aus 1 E.-M., 1 c. M. , 47 einheimischen und 63 auswärtigen Mit gliedern . Den Austritt haben angemeldet die HH. Dr. Weitz und Lt. Reimboldt , neu angemeldet sind die HH. Zimer-London, Wegner-Thorn und Graf v. Schwerin- Hirschberg. Der Schriftführer v. Sigsfeld ist bis zum Dezember durch dringende Geschäfte ver hindert, seine Funktionen zu erfüllen und wird durch den zweiten Schriftführer Dr. Kremser vertreten. Hierauf wurde dem Vorsitzenden des technischen Ausschusses, Herrn Prof. Börn stein das Wort ertheilt zu einem kurzen Berichte bezw. Gutachten über einen Vorschlag des Herrn Taubert in Prag zur Lenkbarmachung des Ballons : seine Idee sei nicht neu und erscheine für praktische Verwerthung kaum geeignet. Hierauf folgte der angekündigte Vortrag des Herrn Dr. Angerstein. In einem geschichtlichen Rückblicke erwähnt der Redner die ersten Nachweise von Fallschirmen. Er weist die stark verbreitete Annahme zurück, dass Blanchard einen solchen erfunden oder benutzt habe . Jedenfalls kannte man ihn schon im Alterthum . Aber erst in Leonardo da Vinci's nachgelassenen Zeichnungen finde man eine Darstellung eines Fallschirms. Zum ersten Male konstruirt wurde er von Lenormand i. J. 1783 , ohne jedoch Verwendung zu finden. Erst Garnerin, einem Schüler Charles', gelang es , einen brauchbaren Fallschirm herzustellen ( 1797) und mit demselben, zumal nach den vorgeschlagenen Verbesserungen de Lalande's, zahlreiche praktische Versuche zu machen. Bis in die dreissiger Jahre dieses Jahrhunderts war der Abstieg vermittelst des Fallschirms ein nicht seltenes Schau stück. Dann gerieth er mehr und mehr in Vergessenheit, aus welcher er in der neuesten Zeit durch den Amerikaner Baldwin zu sensationellen Erfolgen wieder an das Tageslicht gezogen wurde. Redner erwähnt sodann die Erfolge und Erlebnisse der Leeds , Spencer

248

Flugtechnischer Verein in Wien .

und Leroux , deren Fallschirme im Prinzip jedoch nichts Neues gegen den Garnerin'schen boten. Besonders wurde eingehender die Leroux'sche Modifikation besprochen. Schliess lich wird auch noch der Fallschirm - Abstiege Toulet's, Lattemann's und Anderer gedacht. Die Benutzung des Fallschirms diene hauptsächlich zur Reklame und erfolge meist durch Akrobaten, da allerdings kräftige und geübte Muskeln hierzu nothwendig wären, für den Luftschiffer sei er ohne wesentlichen Zweck, da im Nothfalle der Ballon selbst als Fall schirm wirkt, wie es thatsächlich mehrfach vorgekommen. Es werden sodann verschiedene Konstruktionen bezw. Vorschläge zu Fallschirmen, so von Leonardo da Vinci , Cocking, Hengler, Veranzo, Popper etc. , skizzirt. Mit der Frage, ob thatsächlich, wie es den Anschein habe, in Frankreich öffentliche Fallschirm -Versuche verboten seien, und dem Hinweis darauf, dass vielleicht erst bei einem eventuellen dynamischen Fluge der Fallschirm zur Geltung kommen werde , schloss der Vortrag. In der lebhaften hieran sich schliessenden Diskussion berichtigte zunächst Herr Lieutenannt Gross durch Zeichnungen und Erklärungen die Auffassung des Vortragenden bezüglich des Leroux'schen Fallschirms . Derselbe zeige doch wesentlich Neues, indem er die Eigenthümlichkeit biete, das Gewicht von der Aussenfläche auf die Innenfläche verlegen zu können ; durch die hierdurch eintretende Deformation werde die Fallgeschwindigkeit regulirt. Herr Premier-Lieutenant Moe debeck erzählt sodann, wie Leroux zu uns kam , sein Material stamme von You, sei also französischen Ursprungs, so dass wohl kaum an ein Verbot, wie das oben erwähnte, zu denken sei. Auch giebt derselbe noch einige Zu sätze zur Beschreibung des Leroux'schen Fallschirms . 圆 Herr Priess meint, dass die Pendelungen des Schirmes nur ein Fehler der Kon struktion seien und spricht hiernach auch über Lattemann's Versuche . Nachdem noch Herr Dr. Kronberg einige Erläuterungen über den Leroux'schen Fallschirm , den er mehrfach mit dem Operngucker verfolgt habe, sowie über Fallschirme im Allgemeinen gegeben hatte, konnte die Sitzung mit Proklamirung der neuen Mitglieder Kremser. geschlossen werden .

Flugtechnischer Verein in Wien. Ausschussmitglieder. Obmann : Herr Artillerie- Major Nikolaus Ritter von Wuich. Erster Obmann- Stellvertreter : Herr k. k . Generaldirektionsrath Baron R. von Gostkowski. Zweiter Obmann- Stellvertreter : Herr k. k. Generaldirektionsrath i . P. A. Platte. Schriftführer : Herr Regierungsrath H. Wien. Redakteur der Zeitschrift (an Stelle des wegen Geschäftsüberbürdung zurück getretenen Herrn J. Popper) : A. Platte. Kassenverwalter : Herr W. Bosse. Obmann der technischen Kommission : Herr Regierungsrath Prof. J. Radinger Schriftführer der technischen Kommission . Herr Artill . - Oberlieut. P. Wostrowsky. Ausserdem : Herr Oberingenieur im k. k . Handelsministerium Kareis , Herr W. Kress , Herr Oberingenieur Ritter von Loessi , Herr Bürgerschullehrer C. Milla , Herr Techniker J. Popper , Herr Baurath Fr. von Stach und Herr Oberlieutenant J. Zigall. Rechnungsrevisoren : Herr Ingenieur Palm und Herr Buchhändler C. Schurich ; deren Stellvertreter ; Herr Baurath Duczinsky und Herr Drd . med . M. Her z. Druck von Beyer & Münch, Berlin W. , Behrenstr. 28.

100

108 9 8 で 6 2

das feuchte Thermometer zerbricht beim Schleudern.

+00

1 +0 1 2 3

+6 6 9 +10 +11 +12 +137 14 +15 +16

cometers in Celsius ? feuchten Thermometers.

y z

to

x

+ bcde 480 3500 500 3000

+0 +1 +9 4 + 土 + +8 +9 +10 411 +19 +45 +14 +151 416

+229 mm 480

3650 m

max

500 +25°C.

Nautilus

550 9500

550 9000

600

600

650 1

650

700

α

d'

119

y

an Bord des „ Nautilus"

rd's frères (1 : 1 ) 4000 3500

tut

bust

br A 1.38 ng du

m

x

15 470 15

1233

512

Abfahrt 2hr 7 Morgens

150 160 110 a bc d e mm Druck. 2

1241 124 8 5

15 A

‫ד‬ H

DOO

с

0190

en 1 1 1

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem Flugtechnischen Verein in Wien. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein In Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W. , Jägerstrasse 73.

VIII. Jahrgang.

1889.

Heft XI.

Einige wissenschaftliche Ergebnisse gleichzeitiger am 19. Juni 1889 angestellter Beobachtungen in den höheren Luftschichten im Luft ballon und auf meteorologischen Hochstationen. Theil I : Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten . Von Gross, Secondlieutenant der Luftschiffer-Abtheilung. (Mit einer lithographirten Tafel.) Will man die Gesetze ergründen und studiren, nach denen

sich der

ewige Wechsel des Zustandes unserer Atmosphäre vollzieht , um hieraus, wenigstens mit annähernder Sicherheit, den in alle menschlichen Verhält nisse so tief einschneidenden Witterungswechsel vorher zu bestimmen , darf man sich nicht damit begnügen ,

so

die aus den zahlreichen über die

ganze zivilisirte Welt heut zu Tage verbreiteten meteorologischen Stationen täglich telegraphisch einlaufenden Beobachtungen zu registriren und zu kombiniren, man muss vielmehr in das zu untersuchende Element selbst , die freie Atmosphäre, wo jener ewige Wechsel sich vollzieht, eindringen . wird

man nicht nur,

wie auf der Erde, die Wirkungen

Hier

meteorologischer

Erscheinungen, sondern, was ungleich werthvoller ist, ihre Ursachen kennen lernen und studiren können . Dem Menschen stehen zwei Mittel zu Gebote, zudringen ;

in jenes Element ein

er kann die natürlichen Erhebungen der Erde, jene Bergriesen ,

welche hoch in die Atmosphäre hineinragen, erklimmen und hier seine Beobachtungen anstellen , oder aber er darf die Gefahren einer Luftreise nicht scheuen , er muss sich und seine Instrumente dem freilich immer noch ziemlich unvollkommenen Luftballon anvertrauen. Beide Arten,

sich in die Luft zu erheben ,

sind von einander grund

verschieden , beide geben daher auch ganz verschiedene Resultate der dort angestellten meteorologischen Beobachtungen . Eine meteorologische Hochstation, sie mag noch so isolirt auf der

250

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten .

höchsten Klippe

eines Bergriesen aufgebaut sein,

klebt doch

an der Erde,

deren Wärme- und Feuchtigkeitsstrahlung ihre Instrumente ganz wesentlich beeinflusst .

Die

hier angestellten Messungen

werden

nie

mit

denen der

gleich hohen Luftzone der freien Atmosphäre übereinstimmen. Anders verhält es sich mit einem frei in der Luft schwebenden Ballon. Dieser ist unabhängig von der Erde, sein geringes Volumen kann kaum die hier zweckmässig angebrachten Instrumente

wesentlich beeinflussen.

Der

Ballon kann jede dem Forscher wünschenswerthe Höhe ersteigen und diese nach Belieben wechseln . Aber auch die in einem freischwebenden Luftballon angestellten mete orologischen Messungen können kein einwandfreies Resultat ergeben , solange der Ballon noch nicht durch Maschinenkraft unter den Willen des Menschen als ein Spielball des Windes von jeder Luftstörung fortgerissen wird ; denn schon während der Ablesungen der Instrumente wird er seinen Standort in der Luft und seine Höhe verändert haben .

gebeugt,

Ich möchte mir hier einen populären Vergleich dieser beiden Methoden , den Luftraum zu erforschen , erlauben. Die Luftzone, die der Mensch durch Ersteigen der Berggipfel erreichen kann , möchte ich das grosse meteorolo gische Weltenhaus nennen . Der Meteorologe kann in diesem Hause die verschiedenen Etagen ersteigen, der Wetterthurm seines Hause .

Hauses

er bleibt aber doch immer, sich

erheben

Seine meteorologischen Beobachtungen

der freien Atmosphäre äusseren Luft.

ähnlich

verhalten ,

mag,

in

so hoch auch

oder

auf seinem

hier werden sich zu denen

wie

die

eines

Zimmers

zur

Der Ballon erst giebt dem Meteorologen die Gelegenheit , sein Welten haus zu verlassen und sich frei in seinem Elemente zu bewegen , wohin ihn sein Wissensdrang oder sein Beruf treibt . Vereint man nun diese beiden Arten der meteorologischen Beobachtung auf Hochstationen und im Ballon in rationeller Weise, so wird man sicher Resultate gewinnen,

welche wohl geeignet

das zur Aufstellung der Material zu bieten.

sein dürften ,

Wechsels

Gesetze des

den Meteorologen

der Atmosphäre

nöthige

Der hohe Werth, ja die Nothwendigkeit eines gemeinsamen Arbeitens des Meteorologen und Luftschiffers ist längst nicht nur gefühlt und erkannt, sondern auch praktisch durchgeführt worden . Das glänzendste Beispiel und Vorbild hierin bietet uns Glaisher, jener berühmte englische Meteorologe , welcher gleichzeitig auch durch seine

zahlreichen wissenschaftlichen Luft

reisen bis in die höchsten dem Menschen wohl auch der

überhaupt

erreichbaren Höhen ,

berühmteste Luftschiffer genannt werden darf.

verdienen Welsch, Biot, genannt zu werden .

Gay-Lyssac,

Mendeljeff,

Nächst ihm

Tissandier hier rühmend

Das Verdienst ein Zusammenwirken des Meteorologen und Luftschiffers in Deutschland angebahnt und auch

erreicht

zu haben,

gebührt dem

Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in erster Linie

251

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten. dadurch ,

dass

die

hier massgebenden

Meteorologen ,

ihr verehrter

Herr

Direktor an der Spitze, nicht nur Mitglieder dieses Vereines geworden sind . und darin Ehrenämter bekleiden , sondern dadurch , dass dieselben mit Rath und That theoretisch und praktisch mit uns Luftschiffern für die gute Sache auch arbeiten . Auch unsere Meteorologen

scheuen sich nicht mehr,

den Luftballon

als ein höchst werthvolles meteorologisches Instrument anzuerkennen , und sich demselben persönlich anzuvertrauen . Ich erinnere hier an die wissenschaftliche Fahrt des Ballons „ Herder " mit Herrn von Sigsfeld und Dr. Kremser im verflossenen Jahre, ich gedenke ferner der praktischen Erprobung des von Dr. Assmann konstruirten Aspi rations -Thermo- und Psychrometers durch diesen selbst im Luftballon . Herrn Professor von Bezold haben wir es hauptsächlich zu danken , dass

auf diesem Gebiete ein Zusammenwirken der bezüglichen Königlichen

Behörden und Institute erreicht worden ist ; in Sonderheit des Königlichen Meteorologischen Institutes und

der Königlichen Luftschiffer - Abtheilung.

Sämmtliche Offiziere dieser Abtheilung sind Mitglieder dieses Vereines und arbeiten praktisch und theoretisch mit an der hohen Aufgabe desselben. Der Gegenstand meines heutigen Vortrages ist schliesslich der beste Beweis für das, was ich bisher einleitender Weise erwähnt habe. Angeregt durch Herrn Dr. Assmann ,

unserm verehrten Vorsitzenden ,

wurde durch Herrn von Sigsfeld und Premierlieutenant Brug, thätige Mitglieder dieses Vereins, am 19. Juni dieses Jahres schaftliche

Ballonfahrt mit dem

1500 cbm grossen Ballon

Herrn von Sigsfeld von München aus unternommen .

beide eifrige eine wissen " Herder

des

Gleichzeitig stellte Herr

Dr. Assmann auf der moteorologischen Hochstation des Hohen- Säntis in der Schweiz mit gleichen Instrumenten , dem vorher schon erwähnten Aspirations Instrumente, seine Beobachtungen an. Das Königlich Bayrische Meteorologische Institut nahm sich der Sache warm an und veranlasste eine analoge gleich zeitige Beobachtung sämmtlicher in ihrem Bereiche liegender Stationen , und wandte sich mit der Bitte um ein Gleiches an den Direktor des Schwester institutes in Preussen, Herrn Professor von Bezold. Auch hier fand das Unternehmen warme Fürsprache. Die preussischen Stationen erhielten Weisung genaue gleichzeitige Beobachtungen nach gegebenen Dispositionen anzustellen. Herr Professor von Bezold wandte sich ferner an die Luft schiffer-Abtheilung mit der Bitte , einen Ballon gleichzeitig zu wissenschaft lichen Zwecken aufsteigen zu lassen,

wozu

bereitwilligst Instrumente zur

Verfügung gestellt wurden . Auch die Luftschiffer- Abtheilung zeigte sich gern bereit, dieses Unternehmen nach Kräften zu unterstützen und liess am 19. Juni gleichzeitig drei Ballons

steigen .

Von diesen war der eine , mit

Premierlieutenant Moedebeck und mir selbst bemannt, zu wissenschaftlichen Beobachtungen bestimmt , die beiden anderen Ballons dienten militärischen Zwecken ,

erhielten jedoch Anweisung , gleichzeitig an den mitgegebenen .

meteorologischen Instrumenten Ablesungen vorzunehmen.

252

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten. Der Ballon , Nautilus " ,

welcher

durch Premierlieutenant Moedebeck

und mich bemannt war, trug ausser einer recht ansehnlichen Ballastmenge, die uns eine lange und

hohe Fahrt gewährleistete , ein gutes kontrollirtes

Aneroid-Barometer, einen registrirenden Barographen, dessen Kurve auf der Tafel eingezeichnet ist, Psychrometer .

einen Schleuder-Thermometer und ein Schleuder

Zur genaueren Ortsbestimmung, welche zur Feststellung der

Windgeschwindigkeit nothwendig ist,

hatten wir

ausser unserem Kompass

ein 200 m langes Loth herabhängen , welches zur besseren Sichtbarkeit eine weisse Pappscheibe unten trug. Die Resultate

unserer Beobachtungen von Temperatur,

Feuchtigkeit,

Luftdruck, Windrichtung und Windgeschwindigkeit habe ich nach der Be obachtungs -Tabelle, welche im Ballon selbst von mir geführt wurde , in der beiliegenden Zeichnung

graphisch

dargestellt,

zu

deren

Erläuterung noch

Folgendes gesagt sein mag: Der untere Theil der Zeichnung giebt uns die auf die Erde projicirte Flugbahn der drei Ballons , und zwar die des „,, Nautilus" in einer kräftigen schwarzen Linie.

Die an der Linie stehenden Buchstaben des kleinen Alpha

betes sind Visir-Punkte auf der Erde, welche im Ballon auf der General stabskarte bezeichnet wurden . Die Flugbahn des Ballons Orion " ist durch - Linie, die des Ballons " Lerche durch eine — Linie eine markirt ; bei den letzteren beiden sind die Visirpunkte fortgelassen ,

damit

das Bild nicht zu undeutlich werde , dieselben sind aber aus den beigefügten Tabellen dieser Ballons ersichtlich . Nunmehr sind auf einer horizontalen Linie

über der Erdzeichnung die Visirpunkte der Reihe nach in den Ab

ständen des Maassstabes der Karte ( 1 : 500 000) aufgetragen und in den selben Lothe errichtet.

Auf diesen Lothen ist der Luftdruck,

Ballon über diesen Punkten gemessen wurde , aufgetragen.

welcher im

Da der Luftdruck

umgekehrt proportional der Höhe ist, so geben uns diese Lothe gleichzeitig auch die Höhe des Ballons an. Es sind nun die Endpunkte dieser Lothe durch eine

Kurve ,

welche

sich dem Höhenwechsel des Ballons zwischen

diesen Punkten (siehe Tabelle) anschmiegt , erhalten wir die Barometerkurve, Ballons in der Luft nach Höhe .

oder,

verbunden werden .

Hierdurch

was dasselbe ist, die Fluglinie des

Dieselbe Zeichnung giebt noch Höhe und

Mächtigkeit der vorhandenen Wolken , sowie den Ballastverbrauch an . Im

oberen Theile der Tafel sind die Temperatur- und Feuchtigkeits

messungen graphisch dargestellt ; es bedeutet

die ausgezogene

Kurve

die

Schwankungen des trockenen Schleuder- Thermometers, die gestrichelte Linie die des feuchten Thermometers.

Wenn beide gleiche Grade angeben, so ist

die Luft mit Feuchtigkeit gesättigt, je mehr die Kurven sich von einander entfernen, um so trockener ist die Luft und umgekehrt . Schliesslich ist noch die Kurve des

registrirenden Barographen

in natürlicher Grösse auf

gezeichnet. Ehe ich auf die eigentlichen meteorologische Beobachtungen selbst ein gehe, will ich den Herren eine Schilderung der Fahrt geben .

253

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten.

Nachdem wir in Zwischenräumen von 5 Minuten die beiden Ballons , Orion

und

Lerche

von denen ersterer 3, letzterer 2 Personen an Bord

führte, hatten aufsteigen lassen, bestiegen wir die Gondel unseres Ballons und erhoben uns Punkt 7 Uhr Münchener Zeit absichtlich sehr langsam steigend in die prachtvoll klare Morgenluft .

Der Himmel

war fast ganz

rein , die Sonne strahlte in vollem Glanze herab, nur ganz vereinzelte Cirrus Kein Luftzug war wölkchen schwebten über uns in unerreichbarer Höhe auf der Erde zu spüren, so emporstiegen.

Langsam

,Orion

Lerche

und

dass

zog

der

nach ,

wir fast senkrecht über unserem Platze Nautilus

welche

seinen

ihren Kurs

beiden

Vorgängern

nach SO einschlugen .

Obgleich , Orion " einen Vorsprung von 10 Minuten besass, blieben wir doch in Rufweite ; die kleine ,,Lerche" blieb sehr bald unter uns schwebend etwas zurück und wich in ihrem Kurs mehr nach Osten zu ab. So zogen wir drei immer in Rufweite bleibend und uns unsere Beobachtungen zurufend bis gegen 9 Uhr gleichmässig langsam vorwärts, passirten um 814 Uhr die Spree südlich Cöpenick bereits in einer Höhe von 1100 m, üerflogen immer höher steigend die malerisch unter uns gelegenen Spree- Seen südlich des grossen Müggelsees und zogen den Kurs nach SO innehaltend immer an der Spree zurück ,

entlang auf Fürstenwalde zu .

Die ,,Lerche" blieb immer mehr

schon fürchteten wir, sie würde den grossen Müggelsee passiren ;

doch noch reichte ihre Kraft, bald war auch sie in unsere Höhe gelangt Unsere mittlere Geschwindigkeit betrug 4,2 m pro und zog uns nach .

Sekunde. Die

vorher

erwähnten

Cirruswölkchen

senkten

sich

immer tiefer

herab , verloren ihre schöne Federform und verwandelten sich in kleine Schäfchen -Wolken. Von 9 Uhr ab bewölkte sich der Himmel sehr schnell ;

mächtige Kumuluswolken

entstanden vor uns, deren Köpfe

weit

über uns emporragten . Sehr bald entzogen uns die immer massiger werden den Wolken zeitweise den erwärmenden Einfluss der Sonne, so dass wir nur mit grossen Ballastopfern unsern Ballon zum weiteren Steigen zwingen konnten. Um 9 Uhr 17 Minuten über dem Punkte m (Alt- Hartmannsdorf) in 1400 m Höhe schwebend ,

stieg vor uns eine an ihrem unteren Rande

tief blauschwarze mächtige Wolke rapide auf, indem sie sich gleichzeitig immer näher auf den Ballon zuwälzte . Die beiden Ballons ,,Orion" und ,,Lerche" verschwanden hinter derselben unseren Blicken . Es wurde uns sofort klar, wegen ihres

dass ein längeres Verweilen in oder auch unter dieser Wolke abkühlenden Einflusses auf den Ballon , nicht möglich sein

würde, und beschlossen , den Kampf mit derselben aufzunehmen . Je näher uns die Wolke kam , um so kälter wurde es , nur noch 3 ° Wärme zeigte das Thermometer, gleichzeitig spürten wir den kalten Wind , welcher von der Wolke ausging. Um 9 Uhr 50 Minuten über dem Punkte O (Wulchen ) in 1800 m Höhe erreichten wir den unteren Rand der Wolke und verloren somit den Blick auf die Erde . unsere beiden

Kameraden ,

Wir warfen noch einen Abschiedsblick auf

welche tief unter der

schwarzblauen

Wolke

254

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten .

schwebten ; dann nahm uns

dieselbe in ihre feuchten kalten Arme .

Die

Temperatur sank schnell unter den Gefrierpunkt herab , die Korbleinen , unsere Uniformen und Bärte bereiften, das nasse Thermometer fror ein , das trockene bedeckte sich beim Schleudern mit einer dicken milchigen Eiskruste .

Gleich

zeitig wurden wir durch den in der Wolke tobenden Wirbelwind erfasst, durch den der Ballon , bisher ein Urbild der Ruhe, hin und her geschleudert wurde. Die Nebelschichten der Wolke rasten wild durch einander um uns herum .

Anfangs begann der " Nautilus ", dessen Gas noch warm war,

der kalten Umgebung

rapide zu steigen ,

doch

bald

in

erlahmte seine Kraft ,

immer wieder versuchte er zur Erde zurückzufallen, obgleich wir den Ballast sackweise opferten . Doch wir mussten hindurch, also mehr Ballast heraus , schon spürten wir, dass es lichter über uns wurde, schon fühlten wir den erwärmenden Einfluss der Sonne auf unseren erstarrten Gliedern .

Um 10 Uhr

18 Minuten , also nach fast halbstündigem Kampfe hatten wir gesiegt : der Ballon trat in einer Höhe von 2800 m aus dem oberen Rande der Wolken heraus .

Azurblau wölbte der Himmel sich wieder über uns ; die strahlendste

Sonne übergoss das Wolkenmeer unter uns mit blendendem Glanze . Auch ein kleines Stückchen Erde war durch ein Wolkenloch sichtbar und in dem selben schwebte

der „ Orion " wie eine Erbse gross .

Bald zertheilten sich

die Wolken wieder mehr und mehr, so dass es uns gelang , den Ort der Erde, über welchem wir uns befanden , wieder zu bestimmen . Wir befanden uns in der Höhe von Müllrose am Kanal ;

vor uns wand sich die Oder wie

ein Silberband durch die bläulich schimmernden Felder, hinter uns erglänzten die grossen Seen von Storkow. In der Hoffnung, uns jetzt wieder an der Sonne erwärmen zu können , 6º C. so lange wurden wir bitter getäuscht, das Thermometer zeigte wir der Wolke nahe blieben .

Die Sonne trieb uns bald noch höher hinauf,

wir passirten um 11 Uhr 17 Minuten in Frankfurt,

3000 m Höhe die Oder südlich

welches uns von einer Wolke verhüllt wurde .

sahen die kleinen Segelschiffchen auf dem Strome aus, kaum wie ein Bach erschien .

Ganz allerliebst

welcher selbst uns

Der Wind nahm jetzt an Stärke zu (6,6 m pro Sekunde) und wich mehr nach O NO zu ab . Die Wolken zertheilten sich mehr und mehr, hoch über uns

bildete sich ein dichter Cirrusschleier,

der uns die Sonne

zeitweise verhüllte . Wir hielten jetzt unseren Ballon in einer Höhe zwischen 3000 und 3500 m, übersprangen stets die vor uns auftauchenden Kumulus köpfe und bedienten fleissig unsere Instrumente,

obgleich mir vom Schleu

dern des Thermometers bei 7 Grad Kälte die Hände zu Eisklumpen zu wer den drohten. Es wäre jetzt wohl Zeit zur Landung gewesen, das Terrain unter uns wir hatten eine stattliche Reihe von Beobachtungen

war geeignet hierzu ,

gemacht, die Kälte und heftige Kopfschmerzen hatten uns ermüdet und angestrengt. Doch mein Kamerad Moedebeck wollte von einem solchen Vorschlage nichts wissen , sein Blick war schon lange nach O zu gerichtet,

255

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten.

wo am Horizonte die Thürme des Städtchens Schwiebus erglänzten . Nicht weit von dort auf dem väterlichen Gute weilte seine Braut und hatte viel leicht schon mit sorgendem Auge den Ballon als Punkt in der Luft erspäht. Da der Wind hier oben in 3500 m Höhe uns günstig erschien, um unser Ziel zu erreichen, so bemühten halten. Um 1 Uhr 3 Minuten

wir uns, den Ballon in dieser Höhe zu erreichten wir unsere Maximalhöhe von

3600 m ; von nun an sank der Ballon langsam, aber stetig, ohne dass wir es wagen durften , noch Ballast zu werfen , um ihn zu halten ; denn wir hatten nur noch den allernothwendigsten Ballast, um den Aufprall auf die Erde zu pariren.

Die Landung

war nicht leicht aus dieser grossen Höhe ,

die Erde prachtvoll klar unter uns lag,

obgleich

zumal da der Unterwind ,

wie wir

bald zu unserem grossen Aerger erkennen mussten , uns aus der gewünschten Richtung weit verschlug .

Dicht

bei

dem ominösen Dorfe Kalau

berührte

unsere Gondel um 1 Uhr 40 Minuten derartig unsanft die Mutter Erde, dass zunächst die Instrumente zerbrachen , beobachtet hatte.

Doch

wir selbst

die ich bis zum letzten Augenblicke hatten auf uns gut Acht gegeben , ein

kräftiger Klimmzug in die Gondeltaue hinauf bewahrte unsere Beine vor einem gleichen Schicksal. Moedebeck entleerte mit Hülfe der biederen Kalauer, die ihrem Namen machten, den Ballon ,

durch

entsprechende Bemerkungen volle Ehre

während ich in einem Roggenfelde

die Instrumente

und mein Beobachtungs -Buch suchte und Gott sei Dank auch fand .

Sodann

verpackten wir unseren " Nautilus “ auf einem Leiterwagen und schickten ihn nach Meseritz , dem Städtchen, in welchem ich lange Jahre das Gymnasium besucht hatte und jedes Haus wieder erkannte ; wir selbst fuhren nach Klein Daumer, dem Gute des Schwiegervaters Moedebecks. raschung und Aufnahme brauche ich wohl nicht zu

Die freudige Ueber schildern ;

es fallen ja

nicht alle Tage Bräutigams vom Himmel . Es wird Sie nun zunächst interessiren, das Schicksal der beiden anderen Ballons kennen zu lernen. Wir hatten beide verloren, als wir in die Wolken tauchten und sahen nur den einen , wieder.

" Orion

den Kampf mit

es war , Orion " ,

bei Müllrose

war gleichfalls mit der Wolke in Kollision gerathen, hatte aufgenommen ,

und landete um

10 Uhr 45 Minuten bei Mertz unweit Beeskow a./Spree,

derselben jedoch

nicht

nachdem er eine

Maximalhöhe von 2300 m erreicht hatte.

Der kleinere Ballon , Lerche " , der

nur wenig Ballast besass, hatte sich ganz wacker gehalten, war aber auch ein Opfer jener Wolke geworden und landete aus 1600 m Höhe im Fürsten walder Forst, ohne dass bei der Landung auf den hohen Kiefern des Waldes Ballon oder Insassen beschädigt wurden . Ich möchte nun die sehr zahlreichen und sorgfältig angestellten mete orologischen Beobachtungen Die

eigentliche

dieser Ballonfahrten

wissenschaftliche

Verarbeitung

etwas näher besprechen . und

Ausbeutung

des ge

sammelten Materials im Zusammenhange mit den Beobachtungen des Ballons , Herder " ,

welcher wie

schon

erwähnt in München

aufstieg,

sowie der

Beobachtungen der meteorologischen Hochstationen muss ich berufeneren

256

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten.

Autoritäten

überlassen .

und Bayerns wird vorenthalten.

Das Königliche Meteorologische Institut Preussens

uns seiner Zeit das gewonnene Resultat

gewiss nicht

Vergleichen wir zunächst einmal die beiden Kurven des trockenen und feuchten Thermometers im Zusammenhang mit der darunter befindlichen Barometer-Kurve .

Wir sehen Anfangs die Temperatur (trockener Thermo

meter) recht gesetzmässig mit zunehmender Höhe abnehmen,

die Thermo

meterkurve folgt hier fast jeder Schwankung des Luftdruckes also der Höhe , bis zu dem Augenblick, wo der Ballon mit den Wolken in Kollision geräth. Von hier ab ist es vorbei mit der Gesetzmässigkeit der Temperaturabnahme mit zunehmender Höhe.

Wir bemerken zunächst einen sehr jähen Sprung

des Thermometers in der Wolke selbst, kühlung der Luft,

oberen Wolkenrande heraustritt . meter gefallen ist ,

d . h . eine sehr jähe und tiefe Ab

die sich bis 6 ° Kälte steigert,

als der Ballon aus dem

Fast ebenso schnell jedoch als das Thermo

steigt es aber auch wieder ,

nachdem der Ballon die

Wolken überwunden hat, die Temperatur nimmt also hier zu mit zunehmen der Höhe, jedoch nur für kurze Zeit, wieder der des Barometers

sich

Sprünge

die Thermometerkurve beginnt bald

anzupassen,

stören die Gesetzmässigkeit.

nur einzelne

unregelmässige

Es ist für den Meteorologen nichts

Neues, was sich hier aus dem Vergleiche der Kurven ergiebt . Die Wolken sind stets kälter als ihrer Höhe sonst zukommen würde, da bei ihrer Bildung Wärme verbraucht wird.

Ist nun über den Wolken der Himmel frei ,

so

strahlen die Wolken die aufgefangene Sonnenwärme ebenso in den Himmels raum zurück wie die Erde dies thut, über

den Wolken

eine

es muss also nach der Theorie dicht

Lufterwärmung

eintreten ,

welche ,

wenn

keine

onstigen störenden Einflüsse vorhanden sind, mit zunehmender Höhe wieder abnimmt.

Diesen Vorgang habe ich auch in der Praxis bei Gelegenheit

vieler Ballonfahrten an nur,

meinen Instrumenten beobachten

wenn eine gleichmässige stratusartige Wolkendecke,

können ; jedoch welche meist an

nähernd horizontal an ihrer Oberfläche zu sein pflegt, die Sonnenstrahlen auffing. Anders ist es bei den massigen in ihrer Oberfläche oft um tausende von Metern

differirenden Kumuluswolken,

welche

den schwimmenden Eis

bergen des Meeres vergleichbar sind . Diese werfen schlechterdings jedes Gesetz des Meteorologen über den Haufen , sie wirken lokal abkühlend und erwärmend auf die umgebende Luft. Es ist dies ja auch theoretisch schon natürlich ; denn diese Wolken verdanken auch nur lokalen Einflüssen der ungleichmässig erwärmten Luft ihre Entstehung . Weiteres der unregelmässige

Hieraus erklärt sich ohne

Verlauf der Thermometer - Kurve

von dem

Augenblick an, wo zeitweise grosse Kumuluswolken unter dem Ballon vorbei zogen. Auffallend bleibt bei der Landung aus 3650 m die unverhältniss mässig grosse Erwärmung der Luft mit Abnahme der Höhe. Wir konstatiren hier einen Temperaturunterschied von 31,5 ° C. zwischen der Erde und jener Höhe .

Man könnte hier den Einwand machen, dass das Thermometer nicht

so schnell dem jähen Falle

des Ballons hätte folgen können .

Dies auch

257

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten.

zugegeben ; wird hierdurch der enorme Temperatur- Unterschied nicht tangirt ; denn beide Messungen , sowohl die von 6 ° Kälte in jener Höhe und 25,5 ° Wärme auf der Erde sind im Zustande der Ruhe durch sehr langes Schleudern des Instrumentes gewonnen worden, es können nur die Messungen während des allerdings rapiden Falles beeinträchtigt worden sein.

des Ballons durch Trägheit des Instrumentes

Vergleichen wir die Kurve des trockenen mit der des feuchten Thermo meters, so erhalten wir den Grad der Feuchtigkeit der Luft und zwar so , dass, je näher sich jene beiden Linien kommen, um so grösser der Feuch tigkeitsgehalt der Luft wird, und umgekehrt . Wir sehen aus dem Ver gleich, dass die schnell zunimmt,

Feuchtigkeit der Luft bei Annäherung an die Wolken dass in der Wolke selbst, wo beide Kurven in einander

laufen , die Luft mit Wasserdampf vollkommen gesättigt ist . Jedoch im unteren Theile der Wolke ist dies nur der Fall, nach oben zu nimmt der Feuchtigkeitsgehalt wieder ab, eine Beobachtung, welche ich schon häufig gemacht habe. Es ist dies wohl auch erklärlich . Im oberen Theile der Wolke

wirkt

die Sonne

bereits wieder

auf erstere ein .

Kurz

über der

Wolke macht auch das feuchte Thermometer den jähen Sprung mit, Luft wird plötzlich sehr trocken,

gestrahlten Wärme der Wolke ergiebt . liert nun ihre Regelmässigkeit trockenen Thermometers , störend wirken müssen.

da

die

was sich ohne Weiteres aus der rück Auch die Feuchtigkeitskurve ver

aus demselben Grunde, wie die Kurve des

auch

auf sie die

einzelnen

Kumulus wolken

Die Wolken selbst , deren Mächtigkeit nach der Höhe ca. 1000 m . betrug, waren am 19. Juni ziemlich feucht, wir konnten die einzelnen Moleküle derselben deutlich wie Staub sehen ; dieselben waren jedoch nicht gefroren, obgleich bis 7 Kälte in ihnen herrschte . Erst bei dem Ansetzen an unsere Kleider und das Tauwerk des Ballons erstarrten sie zu Reif und bildeten um die Instrumente eine Eiskruste von milchigem Aussehen . In der grossen Kumuluswolke, welche wir durchschnitten , war wieder, wie ich dies fast stets gefunden habe, ein wirbelartiger Wind, welcher die einzelnen Theile der Wolke in wilder Jagd durcheinander trieb . Dieser Wirbel,

welcher übrigens auch von der Erde aus an jenen Haufenwolken

deutlich sichtbar wird durch die rotirende Bewegung der Wolken in sich , ist

häufig

so

stark ,

dass

der

Schwankungen gerathen kann . uns

Ballon

dadurch

geradezu

in gefährliche

Ich entsinne mich zweier Fahrten , wo wir

auf den Gondelboden kauerten und krampfhaft an den Gondelleinen

anklammern mussten , so stark waren die Schwankungen des Ballons, in welchen der Wind eine Delle eindrückte und eine unheimliche Musik durch sein Sausen hervorrief. Die Windrichtung war an jenem Tage nicht die gleiche in der durch messenen Höhe ; er drehte mit zunehmender Höhe aus NW mehr nach W zu

herum .

Die Windgeschwindigkeit nahm um

3000 gegen 1000 m Höhe zu . VIII.

durchschnittlich 17

3 m in

258

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten. Die Resultate der meteorologischen Beobachtungen der beiden Ballons

, Orion “ und „ Lerche

sind mir nicht zuverlässig genug,

um allzu hohen

Werth auf dieselben zu legen ; es befanden sich ungeübte Beobachter an Bord derselben . Die Resultate, welche in der Tabelle ebenfalls gegeben werden sollen , stimmen jedoch im Allgemeinen mit den unsrigen überein . Interessant ist an den drei Projektionen der Flugbahnen auf die Erde zu sehen,

wie der Wind schon in der geringen Höhe ,

in welcher die drei

Ballons sich Anfangs befanden , in seiner Richtung wechselt. Wie ich schon im Anfange meines Vortrages erwähnt,

hat Herr von

Sigsfeld und Premierlieutenant Brug an demselben Tage eine wissenschaft liche Beobachtungsfahrt mit dem Ballon " Herder " von München aus unter nommen .

Obgleich mir die Resultate der dortigen Beobachtungen zu Gebote

stehen , halte ich mich nicht für berufen , dieselben zu besprechen. Herr von Sigsfeld wird hierüber wohl selbst Näheres seiner Zeit uns mittheilen . Der Ballon , Herder

nahm Anfangs seinen Kurs von München aus nach W,

kehrte jedoch bald um und flog nach O , so dass die beiden Herren nicht , wie sie gehofft hatten , dem Hohen-Säntis näher kommen konnten , von dem aus Herr Dr. Assmann ,

dem ich nunmehr das Wort überlasse,

süchtig oft mit dem Fernglase den Horizont nach dem haben mag.

wohl sehn

Herder

abgesucht

Beobachtungs - Tabelle des Ballons " Nautilus ".

Zeit.

7 U.Vm. 71 M. 72 751

715

7 18 720 7 22 725 727 731 7 32 733 73612 7 28

Baro- Thermometer meter Со mm Druck. trocken feucht.

Ort.

Bemerkungen.

Leichtes Cirrus Gewölk von W nach O, sonst klar. Die Erde erscheint etwas dunstig unter uns, im N leichtes Haufengewölk. Wir schwenken mit zunehmender Höhe mehr nach O zu ab. a. Train - Ka Der Wind nimmt zu. serne, Tempel hof. Psychrometer befeuchtet, da schon trocken. 6. Chauss. Tem Wir wollen höher hinauf, daher: 12 Sack Ballast hinaus. pelhof- Berlin.

766 5+ 18,5+ 14 Luftsch.-Abth. 750.5 749 +18 Ballon-Halle. 738 +17,5+ 12,5 +15,510,5 ] 728

+15,5 +15.5 +15,5+ 10

726 723 722 720 720 713 704,5

+15,5+ 10 +15 + 13,5 + 9

702 696

+13

693,5 694 687 +13 686,5

+8,6

+8

Ringbahn.

‫ „ܕ‬Orion “ und „ Lerche " hinunter.

lassen den Anker

1/2 Sack Ballast hinaus. + 21 ° im Schatten ungeschleudert. c. Wegekreuz. | Der Rauch von Berlin liegt 1000 m hoch. 14 Sack Ballast hinaus . " Lerche" unter uns, „ Orion" gleich hoch d. Chaussee vor uns. Britz-Berlin.

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten.

Zeit.

739 742 7451/2 750 753 756 81 85 87 8 15 817 8 20 8 21 8 25 8 28 8 33 834 8 36 841 844 845 8 48 8 53

92 94

95 9 10 9 11 9 12 9 15 917 9 20 9 22 9 24 9 25 9 27

9 30 9 32 9 35 9 36 9 37

Baro- Thermometer meter Co mm Druck. trocken feucht. 690 682 +12,5 +7 680,7 + 13 +7 682 685

Ort.

259

Bemerkungen.

1/2 Sack Ballast. +180 ungeschleudert im Schatten. e. Chaussee Ru dow- Rixdorf. Prachtvoller Cirrus aus SW- NO.

d . bei Johannis- 14 Sack Ballast. thal. 1/2 Sack Ballast. Sonne durch Cirrus ver 681,5 12,5 +5,5 f. 671 schleiert. 668 +11 +6 g. Gr. Linde. Cirrus fällt herab und wird kl . Kumulus . 670 Eisenbahn. ,,Orion" treibt mehr südlich ab als wir. 1/4 Sack Ballast. 661,5 + 9,5 +5,5 659 h. Spreeufer. Klarer Himmel, die Sonne sticht. 662 " Lerche" treibt mehr nach O zu ab. Spree. 664 1/4 Sack Ballast . 180 ungeschleudert im Spree. Schatten. 648 +8 +5,4 Spree. 1/4 Sack Ballast. ,,Lerche" bei Köpenick. 651 Hauch sichtbar. „,Orion" kommt näher. 645 1/2 Sack Ballast. +7,8 +4,5 Spree. 617 Cirrus hat sich noch mehr gesenkt und auf gelöst. 649 14 Sack Ballast. 632 +6,8 + 3,8i. Seddin- See . 1/4 Sack Ballast. 638 ,,Lerche" scheint in den Müggelsee zu fallen. 641 1/4 Sack Ballast. 636,5 + 8 +4,8 Südlich Gosen . 12 Sack Ballast. „ Lerche " hebt sich wieder. + 2,5k. Neu-Zittau. ,, Lerche" hält sich , „ Orion " gleich weit und 621,5 + 5 hoch. 618 +5 +3 1. Es bilden sich plötzlich am ganzen Horizonte 620 Wolken , welche näher kommen. Sonne verschleiert durch Wolken . 622 1/4 Sack Ballast . Es bildet sich ganz plötz lich eine mächtige dunkle 608,5 + 4,5 +3 1/4 Sack Ballast. 613 Wolke unter uns, welche 617 1/4 Sack Ballast. rapide aufsteigt und die Sonne uns entzieht. 630 3/4 Sack Ballast. Die Wolke kommt auf uns 1/2 Sack Ballast. 640 los , wir spüren ihren Wind, es wird sehr kalt. 637 m. Alt - Hart 619 +4 mannsdorf. 614 624 12 Sack Ballast. Die Sonne ist immer noch 626 verdeckt. 1/2 Sack Ballast. 628 n. Spreehagen . 14 Sack Ballast. 630 1/4 Sack Ballast. 639 640 638 17*

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten .

260

Zeit.

Baro- Thermometer meter со mm Druck. trocken feucht.

Ort.

9 39 945 947 9.50 9 51

633,5 5,5 +4.5 614 608 604,53,5 +15 0. Wulschen. 609

9.54 9.55

588 580

9 57 9.59 10 1021/ 108 10 141/ 10 16

565,5 565 560 563 559 541 531,5

1018 10 19 10 20 10 22

530,5 532 530 514 516 518 500

10 31 10 32 10 35 1040 1045

Wir spüren Wind. ,,Lerche" bekommt Sonne. .,Orion" fährt schneller. Dicke Regenwolken. ,,Lerche" verschwunden. Unterer Rand der Wolke, es wird eisekalt. ,,Lerche" wieder sichtbar. +1,505 In den Wolken . 1 Sack Ballast. Der Ballon steigt mächtig, +0 0,5 man riecht das ausströmende Gas. Wirbel wind in der Wolke, der Ballen beginnt zu schwanken. 1.5 -- 1.5 Die Wassertröpfchen der Wolke rasen durch -2 einander. Eis an unseren Kleidern . Das -2,5-0,5 nasse Thermometer friert permanent ein. Der Nebel wird heller nach oben zu. — 2,5 - 2,5 | 112 Sack Ballast hinaus. Ballon muss durch die Wolken. -3,5 4 Gasgeruch, wir steigen rapide. Thermometer mit dieker Eisschicht umgeben. Oberer Wolkenrand. 14 Sack Ballast. Sonne da, blauer Himmel über uns , einzelne Cirrus. Erde auch sichtbar . Prachtvoll klar. Wolkenmeer 6 - 9,5 herrlich.

An der Spree. ――― 2

-7

Bei Beeskow.

1,5-6,5 Bei Müllrose.

1/4 Sack Ballast. 14 Sack Ballast. .,Orion" durch Wolkenloch tief unten sichtbar. Die Sonne sticht. Oder vor uns sichtbar. Der Ballon setzt über die einzelnen Kumlus

Wolkenköpfe hinweg und bleibt am oberen Wolkenrand.

Ballon wird schlaff. „ Orion“ und „ Lerche“ scheinen gelandet zu sein. -2,5-7,5 p. Am Kanal. q U.- u . O. Lindow. Wir spüren Wind. - 4,5 Postkarte hinunter geworfen. - 45 Bahu a. d. Oder. Wir kaben leider nur noch 5 Sack Ballast. Postkarte. - 057,5 . Kunitza./Od . 12 Sack Ballast hinaus . Die Wolken zer theilen sich immer mehr. -2.5 7,5 Im Barometer sind 155 ° Wärme. t. Papiermühle. Die unteren Wolken werden immer weniger, - -6 dagegen bildet sich oben eine Cirrusschicht. 1010

10 50 10 51 10 53 11 11 4 11 5/1/2 117 11 11 11 13 11 17 11 22 11 25 11 30 11 32 11 35 11 36 11 39 11 45

497 498 505 495 513 514 495 505 504 510 516 521 520 510 520 513 515,5 521 523 525 535

Bemerkungen.

u. Matschdorf.

-47 1/2 Sack Ballast.

261

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten.

Zeit.

11 51 11 56 11 59 126 128 12 13 12 17 12 19 12 22 12 28 12 32 12 33 1240 12 41 12 43 12 45 12 58 12 13 15 1 11 | 17 1 19 125 127 1 28 1 30 1 31 1 32 1 33 135

1 36 1 38 140

Baro Thermometer meter Со mm Druck. trocken fencht. 5 531,5 --3,5 520 530 523 -256,5 518 510 500 495 7 7,8 490 508 513 3 -65 512 503 507 514 513,5 496 490 488 498 520 2 513 520 525 537 5 1,5 555 580 +2 600 +4 614 +6 640 +8 670 +11 700 754 762 762 +25,5

Bemerkungen.

Ort.

Wald b. Reppen .

e. Wildenhagen vor Görlitz.

130 Wärme im Barometer. werden wieder massiger.

Die Wolken

Der Wind nimmt mehr zu.

w. Oberer Wolkenrand (3500 m hoch). Bei Sternberg. Bahn bei Stern berg. x. Chaussee von y. Sternberg. 2. Coritten. al. 61.

el.

Selchow.

Nördlich Liebenow.

Eine mächtige Wolke vor uns. 1/4 Sack Ballast hinaus . Schwiebus sichtbar. Sonne hinter der Wolke. Wir wollen bei Klein-Daumer landen. Sonne hinter Cirrusschleier. Maximalhöhe 3650 m. Der Ballon soll tiefer jetzt. Meseritz zu sehen. Der Unterwind geht mehr nach NO zu , wir werden daher nicht nach Kl. Daumer kommen. 1/2 Sack Ballast .

Es geht zur Landung.

Der Unterwind weht fast unter 90 ° nach NO, wir kommen nach Meseritz.

Landung bei der Ziegelei von Kalau im Kornfelde, heftiger Aufprall. Die Instru mente zerbrechen.

Beobachtungs - Tabelle des Ballons " Orion " . Baro meter mm Druck

6 50 7 77 716

766 732,5 712 704,5

77

Zeit

Thermometer Co

Hygro meter v.Lambrecht geschleud. %

+-19 +19 +16 + 15

78 64 62 60

Ort

Luftschiffer-Abtheilung

Tempelhof

Bemerkungen

262

Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten.

Zeit

725 740 750

∞ ∞

80 87 8 15 825 835 35 57

845 855 95 9 15 9 35 945 9 55 105 10 15 1045

Baro meter mm Druck

Thermo meter Co

Hygro meter V.Lambrecht geschleud. %

696 672 671,5 663,5 653.5 637,5 625 619 622 611,5 610 621 612 572 613 606,5 571

+14,5 +12 +13 +13 +11,5 + 10 +9 + 7,5 +10 +8 +7 + 8,5 +9 +5 + 9,5 +8 +6

56 52 48 53 55 51 53 69 58 61 66 65 75 71 87 71 70

Ort

Bemerkungen

Johannisthal

Anker hinuntergelassen.

Glienicke Falkenberg Zeuthner See zw.Crossen u. Wermsdorf Wermsdorfer Forst links Friedersdorfer Forst Kumuluswolken seitwärts von mir über Hartmannsdorf dem Ballon ,, Nautilus " . Spreehagen Eine aus dem See auf Colpin steigendeWolke nimmt Scharmützel - See uns mit hoch. Wilmersdorf 99 Lerche " landet i . Walde. In der Wolke. Görtzig Landung b.Mertzi.Kornf.

Beobachtungs - Tabelle des Ballons , Lerche ".

བ་ྲ

Zeit

6 50

77 715 730 7 38 8 85

8 10 8 18 8 20 834 842 8.49 852 9 12 9 18 9 29 9 39 9 45 9.54

10 15

Baro Thermo meter meter Co mm Druck geschleud.

763 725 721 697 689 676 5

+19

671 655 5 673 647,5 687 655 637 663 693 677,5 648 6195 689

+14 +12

+ 16,5

Ballast Ort

1/2 1/4

+17 +15

Tempelhof bei Britz

Johannisthal

1/2

1/4 +145

1/2

+14 +14,5 +15,5 + 12,5

Bemerkungen

Sack

Adlershof Spree- Eiswerke Müggel-Berge Gr. Bürge - See Müggelsheim

am Störitz - See Neu Münchwinkel

Landung im Forst

Auf die Tempera tur- und Barometer Beobachtungen dies. Ballons darf nicht zu hoher Werth gelegt werden , da der Be obachter seine erste selbständige Fabrt machte und noch un geübt ist. Gross.

Beiträge zur Erklärung des Fluges .

263

Beiträge zur Erklärung des Fluges. Inhalts-Angabe eines Vortrages des Herrn C. Milla, gehalten im Flugtechnischen Verein zu Wien. Der Schwerpunkt des Vogels

ist im wesentlichen unverrückbar ;

er

wird nur dann verschoben, wenn der Vogel Beute trägt , also rückwärts, wenn er mit den Fängen, vorwärts, wenn er mit dem Schnabel fasst. Der Schwerpunkt des Vogels liegt hinter der Lothebene,

die durch

die Flügalgelenke (Oberarmgelenke ) gelegt wird (den Vogel im wagrechten Fluge gedacht), und zwar ist er zu denken in einer zweiten Lothebene , die 210 der grössten Flügelbreite von der ersten Ebene absteht . unter der Wagebene, die die Flügelgelenke durchschneidet .

Er liegt endlich

Der Druckmittelpunkt beim Angriff der Luft auf die Flugfläche (Flügel und Körperunterfläche) ist in zwiefacher Hinsicht

verschiebbar .

erstlich um so mehr dem Luftstrome entgegen, je

kleiner der Winkel ist ,

Er rückt

unter welchem Luftstrom und Flugfläche zu einander geneigt sind , zweitens verschiebt der Vogel seine Flügel in ihrer eigenen Ebene vor- oder rückwärts, so dass sich dadurch allein schon ein Verstellen des Druckmittel punktes

vor oder

hinter den Schwerpunkt des Vogelkörpers ergibt ,

oder

auch, dass sich beide Punkte decken , und zwar selbst dann, wenn die Lage des Schwerpunktes durch Beutetragen wesentlich verändert wird . Grosse Vögel fallen mit ausgebreiteten Flügeln (fallschirmartig ) schneller, als kleine, und zwar verhalten sich diese Fallschirmgeschwindigkeiten wie die sechsten Wurzeln der Vogelgewichte . Die

Flugfläche

für den

Menschen

(d . h .

für

100 kg

Gewicht

des

Menschen mit einem Apparat) ist 8 bis 11 m². Der Flügelschlag des Vogels

erfolgt einfach senkrecht auf und ab,

wobei aber der Vogel ruhend zu denken ist ; in Wahrheit (bei der Vorwärts bewegung) bewegt sich der Flügel schief auf und ab, da sich diese Bewegung aus Flügel- und Körperbewegung zusammensetzt . Der Segelflug ist bei gleichförmiger Luftströmung erklärbar. aussetzung

desselben

ist

grosse Masse des Vogelkörpers .

Vor

Die Ausführung

dieser Flugart erfolgt in der Weise durch Kreisen , dass sich der Vogel mit dem Winde ziehend senkt, gegen den Wind fliegend aber erhebt .

Im ersten

Falle wird die Geschwindigkeit des sinkenden Vogels durch die Windes kraft vermehrt , im zweiten Falle die Steigfähigkeit, vorausgesetzt, dass die Wucht hinreichend gross sei .

Der angezogene

Vergleich

des

Vogelfluges

Bootes auf strömendem Wasser ist unzulässig,

mit dem Ziehen

eines

weil sich das Boot bloss in

zwei Ausdehnungen des Raumes bewegen kann , der kreisende Vogel aber Beim Boote ist bloss die Strömungskraft des Wassers wirksam ,

in drei.

nebst dieser Strömungskraft des Mittels die Schwerkraft beim Erheben aber die in Form von Wucht umgewandelten Kräfte beim Senken, Schwere und Windeskraft, wobei die letztere noch stetig fortwirkt und

beim Vogel

zwar dadurch, dass sie die Steigfähigkeit vermehrt.

264

Beiträge zur Erklärung des Fluges. Diskussion des Vortrages.

Kress : Die Beweisführung Gerlach's scheint mir nicht richtig gegeben worden zu sein . Gerlach sagt nämlich : Fliegt ein Storch z . B. gegen einen Wind von 6 m Geschwindigkeit auf, so besitzt er , sobald er sich über die Erdoberfläche erhoben hat, gegen den Wind eine Geschwindigkeit von 6 m in jenem Momente, wo er der Erde gegenüber stille steht. Kehrt der Vogel nun um , so hat er, in die Richtung des Windes gelangt, dem Winde gegen über noch immer eine Geschwindigkeit von 6 m , da dieser aber selbst eine Geschwindigkeit von 6 m besitzt, wird der Storch natürlich der Erde gegen über 12 m Geschwindigkeit besitzen . Würde er in diesem Momente in eine ruhige Luft tauchen , so würde er in dieser eine Geschwindigkeit von 12 m haben. Solange er in der bewegten Luft mit gleichem Arbeitsaufwande fortrudert, wird er auch die gleiche Geschwindigkeit gegen diese , d . i . also 6 m, beibehalten und der Erde gegenüber sich mit 12 m Geschwindigkeit bewegen . ―― Milla : Ich kann nur Baron Gostkowski : Trugschluss gemacht . Er Flügeln ohne Flügelschlag, der Schwerkraft müsste er

das bereits Gesagte wiederholen. Ich glaube , der Herr Vortragende hat einen sagte : Der Vogel schwebt mit ausgebreiteten also ohne Aufwendung von Muskelkraft ; infolge herunter fallen ; vertikal kann er nicht fallen ,

also muss er in einer Kurve fallen ; das ist richtig. Er hat ferner hervor gehoben , dass die Geschwindigkeit am Ende des in der Figur gezeichneten Bogens grösser ist, als jene des Windes ; auch das lässt sich beweisen . Sie muss nach dem Hinabgleiten wegen der erlangten Fallgeschwindigkeit grösser sein, denn diese kommt zur anfänglichen hinzu . Er hat ferner gesagt, diese Kurve resultirt aus dem Spiel der Schwerkraft und des Winddruckes . Jetzt kommt der Trugschluss. Er sagte weiter (wobei ich vermuthe, die Wendung werde durch Flügelarbeit ausgeführt) : Der Vogel wendet sich herum und verliert dabei nichts an Geschwindigkeit und als Beispiel dafür ist ohne weitere Rechnung die Bewegung der Erde angeführt worden . Ich glaube , dieses Beispiel ist nicht zutreffend . Es handelt sich hier um eine Bewegung in bewegter Luft , die Erde aber bewegt sich nicht in der Luft auch nicht in einem bewegten Medium überhaupt. Ich sehe jedoch davon ab . Es wurde nämlich gesagt : Der Vogel kehrt seine Richtung um und erreicht jetzt eine grössere Geschwindigkeit und zwar deshalb, weil er an Geschwindigkeit nichts verloren hat und jetzt ein neues Spiel von Kräften zum Vorschein kommt und zwar durch die lebendige Kraft und die Geschwindigkeit des Windes. Ich glaube, das ist falsch . Es ist Verwechslung der Begriffe Kraft und lebendige Kraft überhaupt . Lebendige Kraft ist keine Kraft, das ist wie die Pferdekraft ein Arbeitsquantum , ist ein Produkt aus der Masse in das Quadrat der Geschwindigkeit . Eine Arbeit aber kann man nicht mit einer Geschwindigkeit zusammen setzen . Lebendige Kraft ist nur ange sammelte Arbeit zur Ueberwindung der Widerstände . Wäre kein Wider stand vorhanden, so ginge der Vogel mit derselben Geschwindigkeit weiter . Infolge der Widersstände aber wird das angesammelte Arbeitsvermögen auf gezehrt, der Vogel gibt die lebendige Kraft aus zur Ueberwindung der Widerstände. Diese aber sind sehr gross . Der Herr Vortragende hat be hauptet, sie seien klein, weil die Dichte des Vogelkörpers zur Dichte der Luft sich wie 1000 : 1 verhält . Weil der Vogel schwer ist und grosse lebendige Kraft hat, überwindet er die Widerstände leicht . Der Widerstand hängt aber von dem Quadrate der Geschwindigkeit ab . Je grösser also die Windgeschwindigkeit, desto mehr muss der Vogel von seiner lebendigen

Beiträge zur Erklärung des Fluges.

265

Kraft abgeben, den Widerstand der Luft zu überwinden , desto mehr verliert er an lebendiger Kraft . Hörte der Widerstand auf, so würde der Vogel be deutend schneller fliegen, er kann also unmöglich mit derselben Geschwin digkeit fliegen , während er den Bogen beschreibt, als nach dem Umkehren . Dass gar der Vogel am Ende der Bahn an Höhe gewonnen haben soll , ist direkt unmöglich ; leistet er keine Arbeit , so kann er auch nicht steigen . Wenn er steigt, dann muss er soviel Muskelkraft aufgewendet haben, um alle Widerstände zu überwinden . Ohne sich anzustrengen , ohne Arbeit ge leistet zu haben, kann er absolut nicht steigen . Ich glaube, da würde seine Geschwindigkeit schon früher aufgezehrt sein . Man bedenke dabei, dass ich die Sache nicht so genau studirt habe und auch noch nicht gelesen , was diesbezüglich schon veröffentlicht wurde. Ich bin eben anderweitig zu sehr in Anspruch genommen Aber nach den allgemeinen Prinzipien der Mechanik kommt es mir unwahrscheinlich vor. Ich möchte den Herren Vortragenden deswegen fragen, wie er sich die Sache vorstellt , da er doch über die Ge setze der Mechanik ohne Zweifel im Klaren sein muss ? Es muss da ein Irrthum obwalten ; entweder von Seite des Herrn Vortragenden durch Ver wechslung der Begriffe " lebendige Kraft und " Arbeit “ , oder ein Missver ständniss meinerseits. Milla : Ich habe die Begriffe ,lebendige Kraft und „ Arbeit nur im üblichen Sinne gebraucht, da mir der Unterschied sehr wohl bekannt ist . Die lebendige Kraft wird aber auch im Sinne einer Kraft gebraucht, zum Beispiel : Wird, wie es bei den älteren Gewehren gebräuchlich war , nebst einer Kugel noch ein Pfropf geladen , so fliegt der Propf nur wenige Schritte , während die Kugel mehrere Hundert Meter zurücklegt und noch immer die Kraft hat, einen Menschen zu tödten. Beim Verlassen des Laufes haben beide dieselbe Geschwindigkeit, aber der Pfropf hat nicht dieselbe lebendige Kraft wie die Kugel ; deswegen fliegt diese weiter und kann mehr Arbeit leisten, z. B. ein Brett durchschlagen, einen Knochen zertrümmern u. s . w. Die lebendige Kraft ist es auch , die bei Eisenbahn - Zusammenstössen jene fürchterlichen Verheerungen anrichtet. Sie ist aufgespeicherte Arbeit und wirkt als Kraft . Es ist das eine ähnliche Wirkung , wie jene, welche z. B. der Schlosser durch Zuschlagen mit dem Hammer erzielt ; er hat durch seine Muskelkraft die lebendige Kraft hervorgerufen , wir können sie also als aufgespeicherte Kraft ansehen . Auch beim Vogel wirkt die angesammelte Arbeit als Kraft, indem sie ihn in die Höhe bringt. Gostkowski : Diese Erklärungen haben meine Bedenken nicht zerstreut, sondern nur verstärkt . Ich zweifle nicht, dass es nach Meinung des Herrn Vortragenden Arbeit ist ; aber Arbeit und Geschwindigkeit kann man nicht zusammensetzen , wie zwei Kräfte ; nur gleichartige Grössen können zusammen gesetzt werden. Ich glaube daher, dass der Vogel im Momente , wo er zu wenden beginnt, Muskelthätigkeit entwickeln muss, um sich einen künst lichen Widerstand zu schaffen . Dass dieser Umschwung allein in Folge der Geschwindigkeit und angesammelten Arbeit eintreten soll, ist mir nicht erklärlich und diesbezüglich bitte ich um Aufklärung. Prohaska : Es scheint mir, dass vor Allem entschieden werden müsse , ob es möglich sei, dass der Vogel lediglich infolge seiner lebendigen Kraft im Stande sei , höher zu steigen, als er ursprünglich war . Rechnet man die Arbeit, die zum Steigen nöthig war, sie ist P.h ; der Vogel hat durch Flügelschläge die Geschwindigkeit v erlangt , zu welcher noch jene des Windes und die durch den Fall erlangte hinzutritt ; dadurch ist die lebendige Kraft des Vogels bestimmt . Ist nun diese grösser als P.h, so wird der

266

Beiträge zur Erklärung des Fluges.

Vogel zwar höher steigen können , aber dadurch seine Geschwindigkeit zun grossen Theile oder vielleicht auch ganz aufzehren. Gostkowski : Wenn der Vogel durch Muskelthätigkeit schon eine gewisse Geschwindigkeit erlangt hat , ist es zweifellos , dass er die verlorene Höhe oder auch mehr wieder gewinnen kann ; aber er muss eben Arbeit leisten. Prof. v. Rylski : Ich möchte mir über einen Punkt Aufklärung erbitten . Der Vogel hat eine anfängliche Geschwindigkeit , vermehrt diese durch Fallen und durch den nachschiebenden Wind ; obwohl ich nicht ein sehe , wie der Wind einen schneller fliegenden Vogel nachschieben kann , gebe ich es aber zu . Die Summe dieser drei Geschwindigkeiten ergibt nun eine solche Geschwindigkeit, dass der Vogel infolge seiner lebendigen Kraft, die er zur Erhebung verwerthet, höher steigen kann ; dafür hat er, oben ange langt, eine kleinere Geschwindigkeit, oder sie ist vielleicht gar schon Null. Ich frage nun, wie macht der Vogel den zweiten Kreis. Er hat bis jetzt auf Kosten einer gehabten Geschwindigkeit gezehrt ; er wird aber zu einem Punkte gelangen, wo er keine Geschwindigkeit mehr hat. Wie kreist er nun weiter ? Milla: Es hat sich hauptsächlich darum gehandelt, ob der Vogel überhaupt im Stande ist , höher zu kommen , und das wurde zugegeben . Wenn auch seine Geschwindigkeit dadurch aufgezehrt wurde, so hat er nun eine grössere Fallhöhe , also eine vermehrte Spannkraft der Lage und da durch mehr Anrecht, abermals durch Abfallen eine grössere Höhe zu er langen. - Wie er die grössere Höhe erreicht hat, ob durch Muskelarbeit oder durch Kreisen , das ist nebensächlich , aber er wird das zweite Mal abermals eine grössere Höhe erreichen , und nicht mehr so oft fallen müssen, um abermals an Höhe zu gewinnen . Ferner möchte ich dem Herrn Baron Gostkowski erwidern , dass ich nicht behauptet habe , der Vogel mache den Kreis ohne Muskelthätigkeit ; er muss seine Flügel bewegen, aber nicht um vorwärts zu kommen oder sich schwebend zu erhalten , sondern um sich zu steuern . - Nur während der Wendung ist Arbeit nöthig, um die Flügel nach vorne zu stellen . Diese Thätigkeit verzehrt nicht viel von seiner Geschwindigkeit. Auf diese Art beschreibt er seine Kreise . Gostkowski : Herr Milla hat gesagt , der Vogel habe eine Energie der Lage, infolge dessen kann er sich bewegen, und braucht nicht so oft zu fallen, um dennoch eine grössere Höhe zu erreichen . - Diese Energie nützt ihm gar nichts ; er kann ein Arbeitsvermögen nur erlangen , wenn er sich fallen lässt ; dadurch dass der Vogel eine Höhe hat, ist ihm nur Ge legenheit geboten , durch Abfallen Arbeitsvermögen anzusammeln, so lange er aber nicht fällt, kann er auch kein Arbeitsvermögen erlangen . Stach : Ich möchte aufmerksam machen , dass die Bewegung über haupt nur eine relative ist. Ein drastisches Beispiel hierfür bietet ja unsere Erde selbst. Die Geschwindigkeit jedes einzelnen Punktes ist eine ganz enorme ; die Luft hat also eine Geschwindigkeit , welche jene der ärgsten Stürme weit übertrifft, und dennoch fühlen wir nichts davon , weil wir eben die Bewegung der Erde mitmachen . Ein Wind oder Sturm entsteht, wenn zwischen den Geschwindigkeiten der Erdoberfläche und der Luft eine Diffe Dies Gefühl hat der Vogel , sobald er von der Erdoberfläche in die bewegte Luft eintaucht, da er in diesem Momente nur mit seiner eigenen Geschwindigkeit arbeiten kann . Ist er aber einmal in der Luft und hat diese vollkommen gleichförmige Geschwindigkeit , was nie vorzukommen pflegt, denn es treten immer Wellen auf, aber vorausgesetzt , die Luft würde

267

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

sich wirklich gleichförmig bewegen , so fliegt der Vogel wie in einem ruhigen Medium und müsste seine Kreise so ziehen wie in ruhiger Luft, und er scheinen dieselben als Spiralen , der Vogel zieht aber Kreise . Ich kann mir gar nicht denken , wie sogenannte bewegte Luft dem Vogel überhaupt nutzen kann, wie er aus dieser lebendige Kraft oder Arbeit gewinnen kann . Ich glaube wirklich, für die Erklärung , wieso der Vogel längere Zeit ohne Flügelschlag schweben könne, jene Theorie annehmen zu sollen , welche Herr Popper seiner Zeit gegeben hat. Nur unter der Annahme wechselnder Geschwindigkeit und der Fähigkeit des Vogels , jede Geschwindigkeitsdifferenz durch entsprechende Anstellung der Flügel auszunützen, scheint mir das Segeln erklärlich ; in vollkommen gleichförmig bewegter Luft aber kann ich mir dasselbe nicht vorstellen . (Schluss folgt .)

Betrachtungen über Gummilösungsmittel . (Fortsetzung. ) Gebrauch der Aether. ― Aether ist , wenn sorgfältig nach den im

vorigen Artikel angegebenen Methoden von allen Wasserspuren befreit , als Gummilösungsmittel,

wenn auch nicht der besten Art,

angewendet worden

und zwar dann mit Erfolg, wenn es galt, eine sehr schwierig lösliche Gummi sorte

zu verarbeiten .

zweierlei Art geschehen . mittel,

Seine Benutzung als

Gummilösungsmittel kann auf

Einmal als theilweises Erweichungs- oder Lösungs

wenn Gummistreifen

entweder auf einander

oder zwischen Textil

stoffen befestigt werden sollen . Dann genügt einfaches Benetzen der Ober flächen mit wasserfreiem Aether und sofortiges Zusammenpressen der auf einander zu befessigenden Stoffe

durch Rollen

oder Walzen .

Ein zweites

Verfahren, welches sich besonders für endlose Streifen und Bänder von nicht zu grosser Breite eignet, besteht in dem Durchdringen der Stoffe mit Aether dampf in dem Augenblicke, wenn sie mit den Gummistreifen zusammengepresst werden . Die durch diese Methode erzielten Vortheile bestehen, wie man behauptet, in grösserer Dehnbarkeit und Beständigkeit der Gummifabrikate ,

sowie im

Fehlen der Klebrigkeit und des unangenehmen Geruches kurz nach der Be Auf diesem Wege kann allerdings dieser langanhaftende Geruch , welcher in allen mit Hülfe von Steinkohlentheernaphta hergestellten Gummi

handlung.

waaren sich unliebsam bemerklich macht , gänzlich oder zum grössten Theil vermieden werden , aber der verarbeitete Gummi ist zuerst theilweise ent -- Zweitens gebraucht man Aether als ein Hülfsmittel, um Gummi schwefelt . in den gewöhnlich angewendeten oder anderen Lösungsmitteln leichter lös lich zu machen . Auch hier schlägt man zwei Wege ein, man lässt entweder den Gummi in kaltem Aether aufschwel'en , trocknet und löst ihn dann in Ben zin oder man setzt den Gummi in luftdicht verschlossenen Räumen dem Einfluss von Aetherdämpfen aus ,

von denen derselbe so

viel als

aufnimmt, und bewirkt dann seine völlige Lösung in Benzin .

möglich

Auf letztere

Art gelingt es, eine vollkommenere Lösung zu erzielen , d . h . die Gummi lösung ist weniger zähe und von höherem Prozentgehalt an Gummi. — Ein anderer hierher gehöriger interessanter Punkt liegt in der Thatsache , dass

268 alte,

Betrachtungen über Gummilösungsmittel. oxydirte,

schlechte

und schwerlösliche Gummisorten der Behandlung

mit kohlenwasserstoffhaltigen Lösungsmitteln zugänglicher gemacht werden , wenn sie vorher Aetherdämpfen ausgesetzt wurden , wobei geringe Mengen des Letzteren, unter Voraussetzung der nöthigen Vorsichtsmassregeln gegen Ver dampfung und Verlust, genügend sind , eine bemerkenswerthe Erhöhung der Löslichkeit herbeizuführen . Die zusammengesetzten Aether. - Natürlich ist hier nicht der

Platz näher

auf die

Körper einzugehen,

chemische Zusammensetzung und Herstellung

dieser

sondern nur ihre Anwendung zu Gummilösungszwecken

soll in's Auge gefasst werden .

Zu den einfachsten Körpern jener Art, im

chemischen Sinne gesprochen,

gehören die Verbindungen , in denen Aethyl

oder eines seiner Homologen, wie Methyl, Amyl etc. , anstatt wie in den ge wöhnlichen Aetherreihen mit Sauerstoff, mit einem das Halogene Chlor , - Noch vor nicht langer Zeit konnte man Brom oder Jod verbunden sind . mit gutem Grunde behaupten , dass jede Aetherverwendung in der Gummi industrie ein zu kostspieliges Verfahren sei ; aber seit wenigen Jahren hat sich dieser Zweig der chemischen Industrie auf solche Höhe emporgeschwungen , dass die als Laboratoriumsseltenheiten früher angesehenen zusammengesetzten Aether jetzt buchstäblich tonnenweise hergestellt werden . Als Beispiel diene die Thatsache, dass man vor ungefähr 10 Jahren für 1 grm, Jodäthyl den hundertfachen Preis zahlte. - Eine dieser Aetherverbindungen, das Methylchlorid Methylchlorid. oder Chlormethyl, ist bei gewöhnlicher Temperatur ein Gas, kann aber durch Druck und Kälte leicht zu einer Flüssigkeit verdichtet und in dieser flüssigen Form in besonders konstruirten Gefässen aufbewahrt werden . Jetzt wird es viel für ärztliche

Zwecke

als lokales

Anästheticum

benutzt .

Wenn die

Nachfrage nach Methylchlorid in Folge seiner industriellen Verwendung sich steigern sollte , so könnte es in grossen Massen , ohne Schwierigkeit zu ge ringem Preise geliefert werden .

Methylchlorid soll hier als Beispiel dienen , wie werthvoll für die Gummiindustrie Körper dieser Klasse werden können , obgleich es noch der experimentellen Beweise im Grossen bedarf, ob es das beste Gummilösungsmittel dieser Art ist . --- Gleich manchem um zu zeigen,

anderen dieser zusammengesetzten Aether übt das Methylchlorid einen ziem lich bedeutend reduzirenden oder desoxydirenden Einfluss auf verdorbenen Gummi aus und erleichtert ausserdem die Lösung guten Gummis in den ge wöhnlichen Lösungsmitteln . So ergab ein Versuch mit altem Gummi , welcher unter gewöhnlichen Umständen über 3 Wochen nöthig hatte , um eins 6-7 % Lösung in fast reinem Toluol zu geben, dass von demselben, nachdem er 24 Stunden lang mit ungefähr der Hälfte seines Gewichtes an Methylchlorid , der unter dem zu seiner Verflüssigung nöthigen Druck ge halten wurde, hatten. Hinsicht

behandelt worden war,

sich in 4 Tagen über 10 % gelöst

Die so hergestellte Lösung zeigte befriedigender,

als

sich

wenig zähe und in jeder

die auf gewöhnlichem Wege erhaltene. Auserdem scheint es nicht unwahrscheinlich zu sein, dass Methylchlorid oder

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

269

andere Verbindungen mit gleichen Eigenschaften sich sehr nützlich bei Her stellung von

Gummischwamm " zeigen

würden .

Wenn

flüssiges

Methyl

chlorid mit zähem Gummi unter Druck innig verarbeitet wird, so kann bei Aufhebung oder Verminderung der Pressung leicht eine durch die ganze Masse gehende gewünschte Struktur erreicht werden ; zudem aber würde die reduzirende Thätigkeit des Aethers das Material bis zu gewissem Grade vor jenem vorzeitigen Verderben bewahren , welches das Schicksal aller auf ge wöhnlichem Wege

gefertigter Gummischwämme leider ist .

der Mühe stellen.

in dieser Richtung einige Versuche im Grossen anzu

werth ,

Methylchlorid

erhält

Es wäre wohl

man leicht durch Erhitzen und Destilliren von

Holzgeist mit Schwefelsäure und Chlornatrium oder Kochsalz ; das Gas wird gewaschen, getrocknet und in geeigneten Vorrichtungen verdichtet , die es mit Hülfe einer starken Pumpe und guter Kühleinrichtung in die flüssige Form bringen . Methyl- und angestellte

Aethylbromid . ――――― Einige mit diesen Flüssigkeiten

Versuche haben

ergeben ,

dass,

wahrscheinlich in Folge ihrer

starken Neigung zur Zersetzung, die Einwirkung auf Gummi eine durchaus schädliche und ungünstige ist, so dass weitere Versuche nach dieser Richtung hin für unsere Industrie brauchbare Resultate nicht versprechen. Aethyljodid . Diese Verbindung stellt man jetzt in grossen Mengen zu Zwecken der Farbindustrie her ; doch obgleich sie leicht in Form einer schweren,

nicht sehr flüchtigen Flüssigkeit erhalten werden kann ,

so sind

doch der Erfahrungen hinsichtlich seiner Wirkung auf Gummi und Gummi gemenge zu wenige und zu geringe, als dass sich schon ein sicheres Urtheil über seine Verwendbarkeit für unsere Zwecke bilden liesse.

Man kann nur

anführen , dass Jodäthyl in Verbindung mit kalter Vulkanisation ein sehr starkes Unterstützungsmittel derselben ist, indem es einer kleinen Menge von Chlorschwefel eine grosse langandauernde Wirksamkeit verleiht , sowie dass es , als Vorbereitungs- oder Hülfsmittel bei gewöhnlichen Gummilösungs mitteln benutzt, die Lösung selbst sehr beschleunigt und bei Anwendung von nur 1-2 % die Zähigkeit der Lösung vermindert . Auch scheint Jod äthyl mehr oder weniger günstig bei Wiederherstellung verdorbenen Gummi's zu wirken . Alle diese günstigen Eigenschaften müssen aber noch näher geprüft und an zahlreichen Versuchen erhärtet werden . Schon früher ist von essigsauren und Andere Aetherarten . Aethern die Rede gewesen ; der erstere hat vielleicht als Gummilösungsmittel eine Zukunft, obgleich seine Wirkung keine so kräftige ist, wie die der oben angeführten Aether und ausserdem seine Mischbarkeit

ameisensauren

mit Flüssigkeiten der Kohlensauerstoffgruppe zu wünschen übrig lässt . An dererseits muss daran errinnert werden, dass bei Benutzung von Essigäther die Gefahr einer Oxydation gering ist, sowie dass für alle Gummimischungen, in denen Schiessbaumwolle mit oder ohne Zusatz von Kamphor enthalten ist,

d. h.

also bei dem Xylonit oder Celluloid ,

Essigäther ein sehr gutes

270

Betrachtungen über Gummilösungsmittel .

Mittel abgiebt, auch ein geringer Preis zu seinem Vortheil spricht. Zweifel steht aber Essigäther gegenüber manchen Gummisorten,

Ohne

so z B.

denen aus Madagaskar, die sich sehr schwierig mit gewissen Lösungsmitteln behandeln lassen , dem Amyläther.

bei Weitem der

entsprechenden Amylverbindung

nach,

Doch ist dessen zu starker unangenehmer Geruch und die

Wirkung seiner Dämpfe auf die

damit beschäftigten Arbeiter,

sowie sein

hoher Preis mehr als genügend , um seine guten Eigenschaften der grösseren Lösungsfähigkeit gegenüber dem Essigäther auszugleichen . Bei Besprechung der Aethersorten als Gummilösungsmittel verdient erwähnt zu werden, dass die ersten, für ärztlichen Gebrauch dienenden Gummischläuche durch französische Gelehrte mit Hülfe einer Lösung von Kautschuk in Aether angefertigt wurden . ――――― Der Pariser Academie Royale wurde im Jahre 1761 von Hérissent und Macquer ein Schriftchen, betitelt , Sur Caoutchouc- Résine de Cayenne " , vorgelegt, in welchem die Verfasser ihre

Studien

und Versuche

Gummi zusammenstellten .

über die Einwirkung

verschiedener

Oele

auf

Sie theilten mit, dass es ihnen in sehr wenigen

Fällen und mit vieler Mühe gelungen sei,

Gummi in Lösung

zu bringen,

sondern sie meist nur eine weiche Masse erhalten hätten, welche nicht wieder erhärten wollte , vielmehr den Gummi als elastischen Körper wieder ergab. Selbst mehrmals über Kalk destillirtes Terpentinöl ergab keine befriedigen den Erfolge und sie wählten zuletzt als bestes Lösungsmittel sehr sorgfältig rektifizirten und gereinigten Aether .

Ferner wird in der Schrift angeführt,

dass von 8-10 Pfund gewöhnlichem Aether nur kaum 2 Pfund von genü gender Reinheit und Stärke zur Lösung des Я résine élastique de Cayenne" erhalten werden konnten .

Macquer stellte Gummischläuche dar , welche aber

nicht sehr gleichmässig ausfielen , indem er Gummi in dem speziell gereinigten Aether löste und in diese Flüssigkeit lange , enge Wachscylinder tauchte . Diese Cylinder wurden schnell herausgezogen,

der Luft ausgesetzt, so dass

der Aether verdampfte und eine dünne Gummischicht auf dem Wachs zu rückblieb . Durch wiederholtes Eintauchen etc. erzielte er die nöthige Wandstärke . Alsdann schmolz man den Wachskern durch Einlegen in heisses Wasser aus und erhielt so einen dünnen Gummischlauch . — 1768 veröffent lichte Grossart einen weiteren Beitrag über diesen Gegenstand ; doch bot er nicht viel Neues , denn ausser einigen wenigen Verbesserungen im tech nischen Theil des Verfahrens, stellte auch er seine Gummischläuche mit Hülfe ätherischer Lösungen, Wachskernen und heissem Wasser her. — Die auf diese umständliche Weise hergestellten Schläuche, von denen noch Proben in Paris

sich vorfinden, waren 125 mm lang und hatten 12 mm im Durch

messer; die Wände waren dünn und uneben, die Farbe schmutziges Braun schwarz mit einem Stich in's Röthliche. Sie glichen den Stücken eines grossen gutgenährten Wurmes und würden unserem jetzigen Gummischlauch fabrikanten nur ein mitleidiges Achselzucken bei ihrem Anblick entlocken . (Fortsetzung folgt. )

Kleinere Mittheilungen .

271

Kleinere Mittheilungen. Ballontelegraphie. In England sind unlängst , wie der ,,Elektrotechnische Anzeiger" mittheilt, Versuche mit einem Signalballon gemacht worden , mittels dessen man bei Tag und bei Nacht auf grössere Entfernungen hin optische Telegraphenzeichen geben kann. Bei dieser Vorrichtung dient ein gefesselter Ballon , welcher an zwei Drähten befestigt ist, dazu, den Telegraphenapparat, der aus mehreren beweglichen Armen be steht, in die Höhe zu tragen. Die Arme können mit Hülfe des durch die Drähte geleiteten Stromes in verschiedene Stellungen gebracht werden und aus diesen Stellungen Jassen sich dann Zeichen zusammensetzen, über deren Bedeutung sich die Betreffenden , die mit einander sprechen wollen , vereinbaren . Der ganze Apparat einschliesslich der Gaserzeugungsmaschine , soll nur 20 Kilogramm wiegen, so dass ihn ein Mann bequem tragen kann. - Warnung. Aus Buenos -Ayres sind uns Nachrichten zugegangen, welche vor einem gewissen August Brock , gebürtig aus Henneberg in Preussen, warnen . Derselbe hat es verstanden, sich Berechnungen , Zeichnungen und Modelle lenkbarer Luftschiffe zu verschaffen und vermittelst derselben Kapitalisten verleitet, ihm Gelder anzuvertrauen. Unter irgend einem Vorgeben hat er sich zur Zeit nach Europa eingeschifft . Er hatte dabei solche Eile, dass er an das Bezahlen seiner Schulden nicht mehr gedacht hat. Brock ist Zimmermann von Profession, nennt sich jedoch gewönlich Baumeister Broock. M. In Argentinien hat er von seinem Luftschiffe viel Wesens gemacht.

Deutscher Verein zur Förderung Protokoll

der

der Luftschiffahrt.

am 21. Oktober 1889 im Saale der Königl. Akademie abgehaltenen (112.) Sitzung.

Vorsitzender : Dr. Assmann .

Kriegs

Schriftführer : Dr. Kremser.

Tagesordnung : 1. Geschäftliche Mittheilungen ; 2. Ueber einige wissen schaftliche Ergebnisse gleichzeitiger am 19. Juni 1889 angestellter Beobachtungen in den höheren Luftschichten : a) Herr Lieutenant Gross : Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten, b) Herr Dr. Assmann : Ergebnisse der Beobachtungen auf dem Säntisgipfel. Der Vorsitzende meldet zur Mitgliedschaft an die Herren Kowanko , Amtsberg , Eichmann, Schöbel, Dieterici, Frühling und Wittich und theilt zugleich den Austritt der Herren Alberti und Oschatz mit. Auf Beschluss des Vorstandes werden die Herren Hauptmann a. D. von Brandis in Milwaukee und Major a. D. Berghaus in Görlitz zu korrespondirenden Mitgliedern vorgeschlagen, gegen deren Wahl der Verein keinen Ein spruch erhebt. Zum Mitglied des Redaktions-Ausschusses ist seitens des Vorstandes Herr Dr. Kronberg gewählt worden . Der Vorstand hat ferner beschlossen, einige Exemplare der Zeitschrift für die Zwecke des Vereins anzukaufen. Nach diesen geschäftlichen Mittheilungen erbittet zunächst Herr Dr. Angerstein das Wort zur Verlesung einer eingehenden Darstellung des Hergangs bei der Ver unglückung Leroux's in Reval von einem Augenzeugen ; durch dieselbe werden die in der vorigen Sitzung über Ursache und Verlauf dieses Unfalls geäusserten Meinungen berichtigt. Hierauf hielt Herr Lieutenant Gross den angekündigten Vortrag. In dessen Ein gang wurde das erfreuliche Zusammenwirken von Luftschiffern und Meteorologen in der Gegenwart betont ; in der für beide Theile wichtigen, methodischen Erforschung der höheren Luftschichten ist in diesem Jahre ein bedeutungsvoller Schritt gemacht worden insofern am 19. Juni zu dem gedachten Zweck gleichzeitige Auffahrten von verschiedenen Punkten, nämlich von München, Berlin und Hamburg veranstaltet und entsprechende Beobachtungen auf dem hohen Säntisgipfel angeschlossen wurden. Von Berlin allein

272

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

gingen zu der festgesetzten Zeit, 7 Vorm. , in Abständen von je 5 Minuten 3 Ballons auf. In dem einen derselben, dem „ Nautilus " , dessen wissenschaftliche Ausrüstung näher beschrieben wurde, hatte der Vortragende und Herr Premier-Lieutenant Moedebeck Platz genommen . Ueber die Flugbahn lagen recht instruktive Zeichnungen vor. Die Ballons gingen zuerst fast senkrecht in die Höhe und blieben lange Zeit auf Rufweite bei ein ander. Daun wandten sie sich ostsüdöstlich nach den Spreeseen hin mit nur 4 m p. s. Geschwindigkeit. In 1400 m traten zwischen die Ballons Kumuluswolken, sodass sie nun für einander unsichtbar wurden. Hier herrschte nur 3º Wärme. Bei 1800 m Höhe erreichte der „ Nantilus " den unteren Rand einer schweren Wolke, in welcher die Tem peratur unter den Gefrierpunkt fiel und Wirbelwinde ein Pendeln der Gondel verursachten . Nach einer halben Stunde trat der Ballon bei 2800 m aus der Wolke heraus und hatte nun das Wolkenmeer unter sich . In 3000 m Höhe wurde der Wind stärker (6 m p . s.) und wich nun nach ONO ab, während die Temperatur immer mehr sank. Um 1 Nachm . erreichte der Ballon die Maximalhöhe von 3600 m. Bald nachher wurde die Landung beschlossen . Mit Rücksicht auf die grosse Höhe war der Landungsstoss sehr heftig, sodass die Instrumente zerbrachen. Die Landung erfolgte in der Nähe von Meseritz. Die anderen Ballons waren schon viel früher gelandet , der eine kam um 103 Vorm . an der Spree bei Mertz herunter, nachdem er eine Höhe von 2300 m erreicht hatte, der andere bei Fürstenwalde nach einer Maximalhöhe von 1600 m. Nach den Ergebnissen ist besonders Folgendes hervorzuheben : Die Temperatur nimmt zunächst gesetzmässig mit zunehmender Höhe ab , in der Wolke tritt jedoch eine Störung, ja fast eine Umkehr ein. Im oberen Theile der Wolke wird die Feuchtigkeit geringer und ist am geringsten unmittelbar darüber. Die Wolkenelemente waren bei 70 noch flüssig und wurden erst beim Auffallen zu Eis . Interessant erscheint endlich die Abweichung der Richtung der Ballous trotz der nicht gerade bedeutenden Höhen differenz . In der sich anschliessenden Diskussion bemerkte Prof. von Bezold unter Anderem , dass das Hineintreiben des Ballons in die Wolke auf den sehr wichtigen Umstand hin deute, dass die wahre Geschwindigkeit der Luft und der Wolken nicht übereinstimmend sei. Durch die Annahme einer steten lokalen Erneuerung der Wolke dürfte übrigens schon eine einleuchtende Erklärung gegeben sein. Dr. Assmann führt als plausiblen Grund des scheinbaren Geschwindigkeitsunterschiedes von Ballon und Wolke auch die schnelle Entwickelung der Wolke an, vermöge der die Kondensationsgrenze eben auf den Ballon vorrückt. Herr Dr. Assmann schloss hieran seinen Bericht über die Ergebnisse der Beob achtungen auf dem Säntisgipfel. Der Vortragende hatte in richtiger Würdigung der Wichtigkeit gleichzeitiger Beobachtungen in derselben Höhe auf einem festen Observatorium und im Ballon Herrn von Sigsfeld angeregt, von München aus eine Auffahrt zu unter nehmen während der Zeit , wo er selbst zum Zwecke wissenschaftlicher Untersuchungen auf dem Säntis weilte . Die Fahrten des 19. Juni 1889 waren eine Folge dieser Anregung. Die genannten wissenschaftlichen Untersuchungen betrafen insbesondere die weitere Prüfung des Aspirations - Thermometers, welches von dem Vortragenden in seiner vollendeten Gestalt vorgelegt wurde. Nach einer kurzen Schilderung der Witterungs erscheinungen auf dem Säntis an jenem Tage wird die allgemeine atmosphärische Lage und die Beziehung der einzelnen Flugbahnen sowie der meteorologischen Verhältnisse auf dem Säntis zu derselben an der Hand von Zeichnungen eingehend besprochen und unter anderen Ergebnissen besonders die Thatsache als richtig hervorgehoben , dass selbst in diesen grossen Höhen ein bedeutender Gegensatz in den Temperaturverhältnissen bestand . Zum Schluss wurden mehrere photographische Aufnahmen sehenswerther Objekte Kremser. vom Säntis vorgezeigt.

Druck von Beyer & Munch, Berlin W., Behrenstr. 28.

Zeitschrift für Luftschiffahrt .

Herausgegeben von dem Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin Bn! dem Flugtechnischen Verein in Wien. Redakteur : Dr. phil. Wilh . Angerstein In Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl , Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W. , Jägerstrasse 73.

VIII. Jahrgang.

1889.

Heft XII.

Die Fesselballon - Abtheilung der Hamburgischen Gewerbe- und Industrie Ausstellung von 1889. Von G. Rodeck, Ingenieur - Luftschiffer. Eine der verschiedenartigen Sonderunternehmungen , welche die „ Hamb . Industrie -Ausstellung

in's Leben rief, bildete die Ballon - Abtheilung .

waren Fesselballonfahrten in grösserem

Bisher

Massstabe in Hamburg noch nie

zur Ausführung gelangt und man war daher von vorn herein bestrebt, die Ballon- Abtheilung, als einem allgemeinen Akklamationsmittel der Ausstellung, eine würdige Ausstattung zu verleihen . Die Organisation und gesammte technische Einrichtung und Betriebs leitung war, nach Genehmigung derselben durch die technische Staatsbehörde und seitens des hohen Senats, mir übertragen worden . Der Ballonplatz

von

ca.

60 m Radius war im äussersten, südlichen.

Theile der Ausstellung, am sogenannten Millernthor belegen und theilweise von hohen Bäumen umgeben , welche bei Ostwind eine allerdings ungünstige Nähe hatten . Interessant war es für die Ballonfahrer, dass der Platz des Aufstieges

mitten im Häusermeere von Hamburg und Altona sich befand,

sodass das Panorama bei günstigem nebelfreiem Wetter, besonders an Feier tagen, wo nicht rauchende Schornsteine die Aussicht störten, ein selten schönes war. Der durchgängig

begrandete

Ballonplatz war von

zwei Seiten durch

Barrièren für das Publikum abgetheilt, am südlichen Ende befand sich der , Ballonschuppen

von der

spitzigem

in Holzbau errichtet .

Dache ,

Gestalt

eines

kolossalen Würfels

der Rückwand nach der Sturmwetterscheide WWS gerichtet seine vordere ,

mit

stumpf

Der viereckige Schuppen war mit und konnte

nach dem Platz offene Seite durch zwei riesige Schubthüren

(mit Segeltucheinsatz) auf Rollwerk in eisernen Schienen laufend , geschlossen werden. Der 1870 cbm fassende kugelförmige Ballon konnte nach Ab 18 VIII.

274

Die Fesselballon - Abth . d. Hamburg . Gewerbe- u. Industrie - Ausstell. v. 1889.

montirung der Gondel durch den geöffneten Eingang bequem in den Seitlich des Schuppens war eine Schuppen ein- und ausgeführt werden . Ballonwache

ebenfalls in Holzbau

errichtet, welche in Kabinen für den

Kapitän-Luftschiffer , für die Luftschifferassistenten und das Maschinenper sonal sowie für die Mannschaften eingetheilt war. Ferner war noch ein Maschinenhaus " und eine " Gasuhrenstation " errichtet . Der Betrieb war, soweit es sich mit dessen praktischen Zwecken ver einbaren liess , in militärischer Weise organisirt ; das Personal bestand aus 1 Kapitän- Luftschiffer, 1. und 2. Luftschiffer-Assistenten, 1 Maschinen- und Gasmeister, 1 Zahlmeister, 3 Unteroffizieren inkl . Maschinist und 23 Matrosen, doch wurde später nach Einschulung der Mannschaft dieselbe auf 14 Per sonen reduzirt . Die Assistenten

und

Unteroffiziere

waren

bereits

im Umgang

mit

Luftballons vertraut, die übrige Mannschaft, sowie zwei der Ersteren waren Seeleute bezw . Soldaten .

Seesteuerleute von der Handelsmarine oder aber gediente

Als Maschinen- und Gasmeister fungirte Herr Lüllemann .

Das Personal

trug eine dem Betrieb gehörige Uniform, welche der Marineuniform ähnelte und aus einer Garnitur und Arbeitsanzug bestand, und war mit Ausnahme der Matrosen mit vierzehntägiger Löhnung angestellt. Die Matrosen standen in Tagesheuer von Mk . 3,30 exkl. Ueberstunden und Wachtgeldern . Der bei geeignetem

Wetter

begann 10 Uhr Vormittags 120 Minuten Pause.

in

regelmässig

stattfindende Aussendienst

und dauerte bis eventuell 10 Uhr Abends mit

Bei Ausserdienststellung des Ballons wurde derselbe nach Einführung die Halle dortselbst durch Ballast und Halteleinen vertaut und unter

Wache eines Luftschiffers und zweier Matrosen gestellt, welche gegen 5 Uhr Morgens die tägliche

Nachfüllung vorzunehmen hatten.

Um das Personal

mit der technischen Beschaffenheit des Ballons von vorn herein vertraut zu machen, war der grössere Theil desselben bereits beim Baue des Ballons, welcher von den Herren Rodeck und Lüllemann geleitet wurde, beschäftigt , ausserdem wurden

die

Leute sämmtlich im Umgang

den zugehörigen Einrichtungen unterrichtet. sowohl bei auch

der

" Schweizerischen

Unfall -Versicherungs - Gesellschaft " ,

bei der " Berufsgenossenschaft für

Invaliditätsfall versichert, verzeichnen . Die nicht

zum

voll

mit dem Ballon und

Das gesammte Personal war

Eisen und Stahl

doch hatte der Betrieb

für Todes- und

einen Unfall nicht zu

Betrieb gehörige 20 pferdige Dampfmaschine , welche jedoch

beansprucht wurde,

bewegte

eine

grosse

auf Friktionsrollen

laufende Tautrommel von 0,60 cm Radius , zur Aufnahme des Kabels . verfügte 600 m

über Länge,

Zwischen der

als

zwei

Man

Haltekabel aus verzinntem Stahldraht von 300 m und

berechnet

zu

4000 kg

Ballongondel und dem

bezw.

6000 kg

Bruchfestigkeit.

Maschinenhaus war eine im Kabel

Die Fesselballon- Abth . d . Hamburg. Gewerbe- u. Industrie-Ausstell . v. 1889.

275

liegende Telephonverbindung, speziell zur Benutzung für die Betriebsbeamten Eine unterirdische

eingerichtet .

Dampfrohrleitung vermittelte die Dampf

abgabe aus den Kesseln der Hauptmaschinenhalle für die Kabelwinde. Der Beschränktheit des Platzes Rechnung tragend, war die Erdführungsrolle für das Kabel verlegbar in einem rechtwinklig zur Achse der Tautrommel sich erstreckenden,

unterirdischen,

überbrückten

Kanal, welche Einrichtung es

ermöglichte, jederzeit ohne Schwierigkeit , der herrschenden Windrichtung entsprechend, den günstigsten Winkel für das meist aus der Vertikalen abneigende

Kabel

zu bilden .

Das Kabel führte sich in einem System von

oberhalb der Erdrolle quadratisch über einander angeordneten Walzen selbst thätig und lief, um seiner Abnutzung möglichst vorzubeugen und die Reibung zu vermindern ,

über

ein

Schleifzeug, welches

eine äusserst konsistent ge

haltene Kabel-Graphitschmiere an das Kabel beständig abgab . Der aus

einem

vorzüglichen

baumwollenen

Ballonstoff hergestellte

kugelförmige Ballon von 1870 cbm Raumgehalt war nach den neuesten Regeln und Erfahrungen der Ballontechnik konstruirt und seine Fahrsicher heit bis

zu einer Windgeschwindigkeit von 8 m pro Sekunde berechnet , der Ballon hat sich jedoch mehrere Male bei grösserer, eines Tages sogar bei

13,5 m Windgeschwindigkeit als sicher bewährt. Am 29. Mai Abends lag der Ballon bei einer unerwartet aufbrechenden Boe auf 380 m draussen und konnte nur mit äusserster Schwierigkeit eingeholt werden . Die Hülle war durchweg doppelt, vom Ventil bis 0,50 m unter dem Aequator dreifach ; bis

1,50 m über dem Aequator vierfach,

3,50 m ab

Ventil aus fünffacher Stofflage und beim Ventileinsatz aus sechsfacher Lage hergestellt .

Zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der

die Längsnäthe Schnüre aus italiener Hanf eingelegt.

Hülle waren in

Von den zwei runden.

und einer viereckigen Gondel , über welche der Betrieb verfügte , hat die Letztere sich als

am besten hängend bewährt.

An Bord des Ballons befanden sich

stets ausser Anker, Schleppseil und Ballast, ein Höhenmesser, ein Kompass , diverse Ferngläser , aufrollbare Generalstabskarten von Hamburgs Umgebung. Die

Bei jedem Aufstiege war mindestens ein Luftschiffer im Korbe stationirt. Kommando's zwischen den Stationen " Ballon " und ข Maschine " wurde

per Telephon und Pfeif- Signalen in genau geregelter Weise gegeben . Besonderes Interesse widmete man den meteorologischen Beobachtungen nach Vorschrift und

Anleitung der

Herren

Gelehrten von der deutschen

Seewarte . Auf dem höchsten Punkte des Daches des Ballonschuppens war ein Recknagel'sches Anemometer aufgestellt, an welchem ununterbrochen Ein gleiches Instrument wurde stündlich Ablesungen gemacht wurden. auch im Ballon mitgeführt und lieferten die Vergleiche beider Instrumente Ferner wurden mit denen der Seewarte höchst interessante Resultate . täglich drei- bis viermal sowie Abends bei elektrischem Lichte Thermometer Das der Seewarte zur Verfügung gestellte Beob messungen angestellt . achtungsmaterial wurde seitens

derselben regelmässig in den Tagesblättern 18*

276

Die Fesselballon -Abth . d . Hamburg. Gewerbe- u. Industrie- Ausstell. v. 1889.

unter den

offiziellen

meteorologische

Wetterberichten veröffentlicht.

Thätigkeit im

(Näheres

über

die

Fesselballon siehe Aufsatz von Herrn Prof.

Dr. Köppen , Heft X d . Jahrgangs . ) Erwähnenswerth dürfte es sein, 15. Juli bis 13. November 1889

dass

der Ballon " Hammonia

seine Leuchtgasfüllung ,

vom

welche allerdings

durch tägliche Nachfüllung ergänzt wurde, hielt und dabei seine volle Trag fähigkeit beibehielt . Die durchschnittlich 270 bis 300 cbm betragende tägliche Nachfüllung geschah in folgender Weise . wurde an einem kleinen Block,

Ein versteifter Schlauch

welcher am Ventildeckel angebracht war,

durch den Appendix bis zum Ventil aufgehisst ,

so dass neuhinzugeführtes

Gas direkt in das chemisch reinste, oben liegende Gas des Ballons ausströmte ; das im

unteren Raume des Ballons

befindliche schlechte Mischgas wurde

durch ein Appendixventil vermöge des Ueberdruckes aus der oberen Halb kugel ausgepresst .

Sobald der Ballon die die normale Tragkraft anzeigenden

Ballastsäcke gehoben hatte, wurde die Nachfüllung , welche durch drei Uhren gezählt wurde, beendigt. Neufüllungen in erster Zeit, erfolgten direkt vom Hauptrohr. An Bord der " Hammonia

wurden

zahlreiche photographische Auf

nahmen gemacht, unter anderem auch durch Herrn Premierlieutenant vom Hagen, welchem ein daselbst aufgenommenes , vorzüglich vergrössertes Bild prämiirt wurde in der Berliner photographischen Aussstellung. Die Ballon-Abtheilung gesehenen Fachleuten Ballons beehrt . Am 29. Juni

wurde von vielen hohen Herrschaften und an

durch

wurde

eingehende Besichtigung

und Benutzung des

der Ballon Herrn Staatsminister von Boetticher

vorgeführt, wobei der hanseatische Ministerresident Dr. Kroneger nebst Frau Oberbürgermeister theiligten.

Versmann

(zu

Hamburg)

sich

an dem Aufstieg

be

Am 8. Juli machte Herr Generalpostmeister Dr. v. Stephan mit zweien seiner Töchter 9 Uhr Abends bei Illumination und Feuerwerk im Aus stellungspark einen Aufstieg zu 500 m Höhe , Se. Excellenz sehr entzückt waren . Der

König von

Griechenland

und

Prinz

von welcher Unternehmung

Waldemar von Dänemark

besichtigten am 31. Juli eingehend die Ballon -Abtheilung, lebhaft bedauernd , dass ein Aufstieg im Ballon zur Zeit ihres Besuches des stürmischen Wetters halber nicht angängig war. Se. Königl . Hoheit Prinz Albrecht von Preussen beehrte am 26. und 27. August die Gewerbe- Ausstellung und befahl die Vorführung des Fessel ballons,

welcher das

26. August Abends,

Interesse

des

hohen

bei seinem Rundgange

Herrn

erweckt hatte,

als am

durch die im Festglanze

er

strahlende Ausstellung, in dem auf 350 m stehenden elektrisch beleuchteten Fesselballon 4 Militärtrompeter durch das Lied " Heil Dir im Siegerkranz einen " Gruss aus den Lüften " darbrachten . Das stürmische Wetter, welches

Die Fesselballon -Abth. d. Hamburg . Gewerbe- u . Industrie-Ausstell . v. 1889. am Vormittag

des 27. leider herrschte ,

bewog die Begleiter

277

des Prinzen ,

denselben zu bitten , von einer persönlichen Theilnahme am Aufstiege Abstand zu nehmen, doch verfolgte der hohe Herr alsdann mit sichtlichem Interesse die bei dem stark boigem Wetter nicht ganz gefahrlose Auffahrt des von Herrn Rodeck und zwei Matrosen bemannten Ballons. Zahlreiche

Offiziere

(fast

das

gesammte

Offizierkorps

der

Stader

Artillerie), auch einige Mitglieder des Vereins, besuchten und benutzten den Ballon . Der kommandirende Admiral Freiherr von der Goltz beehrte am zweimal die

2. September ( Sedantag )

Ballon-Abtheilung, indem

er beide

Male persönlich zu 600 m aufstieg und eingehende Erklärungen des Betriebs entgegennahm . Der Admiral erklärte sich nach seinen Auffahrten von der Zweckmässigkeit des Fesselballons als Rekognoszirungsmittel sehr befriedigt und überrascht und äusserte die Ueberzeugung, dass derselbe in gleicher Eigenschaft auch für die Marine brauchbar sei.

dass

Eine recht originelle , obgleich nicht gerade ästhetische Idee war die , man in Riesenlettern die Firma Kemmerich als Reklame um den

Aequator des Ballons angebracht hatte während der Dauer der Ausstellung. Die , Compagnie Kemmerich zahlte für diese seltsame Reklame an die Be triebskasse 10,000 M. -- ? — Befördert hat der Ballon in der Zeit vom 15. Mai bis 7. Oktober 1889 7968 Personen in Höhen von 300 bis 600 m. durchschnittlich 3 bis 10 Auffahrten . Passagierpreis pro Kopf 10 M.,

Stündlich machte derselbe

Vom 15. Mai bis 8. Juni betrug der

von da ab bis

zum

Schlusse der Aus

stellung 5 M. Von den 146 Tagen der Ausstellungsdauer konnte der Ballon nur an 16 Tagen wegen Regen und Sturmwetter nicht in Dienst gestellt werden . Da durch den Fesselballon in der Ausstellung der Nachweis geliefert wurde, dass ein derartiger Betrieb fast regelmässig ausführbar ist , hierorts , so plant die Seewarte

zu Hamburg , im Verein mit dem Verfasser dieses

Berichtes die Einrichtung eines permanent zu betreibenden , kleineren Fessel ballons von besonderer Konstruktion , mit selbstregistrirenden Instrumenten , um auf die bisher erlangten ballonmeteorologischen Ergebnisse weiterbauen zu können . Der Fesselballon

Hammonia " ,

welcher

zu

den wenigen Aërostaten

dieser Art zählt , die keinen Unfall bei so langer regelmässiger Betriebszeit zu verzeichnen hatten, ist nach Bremen verkauft worden , um in der " Nord westdeutschen Gewerbe- Ausstellung " daselbst hoffentlich mit gleichem Glücke , seine " hebende Thätigkeit

im Jahre 1890 fortzusetzen .

278

Beiträge zur Erklärung des Fluges.

Beiträge zur Erklärung des Fluges . Inhalts - Angabe eines Vortrages des Herrn C. Milla , gehalten im Flugtechnischen Verein zu Wien.

Diskussion des Vortrages . (Schluss.) Milla : Gerlach und Kress haben dasselbe Beispiel angeführt : Wenn man nämlich von einem Ballon aus, der genau dieselbe Geschwindigkeit wie die Luft hat, zu einem zweiten in derselben Luftströmung, also mit der selben Geschwindigkeit dahin schwebenden Ballon fliegen lässt, so hat eine Taube stets dieselbe Arbeit zu leisten , ob sie mit der Luftströmung oder gegen diese fliegt. Bewegt sich die Taube zwischen den beiden Ballons hin und her so muss sie Spiral- oder eigentlich Radlinien beschreiben . Wollte sie von den Ballons stets dieselbe Entfernung beibehalten , so müsste sie mit konstanter Geschwindigkeit fliegen, nämlich mit jener des Windes, sie ist aber dann ein Spielball des Windes wie der Ballon und hat nicht die Fähigkeit, sich nach einem beliebigen Orte zu bewegen . Sie kann es aber, nur ist ihr der Wind ein Hinderniss gegen ihre Geschwindigkeit ; ich läugne das nicht, aber er ertheilt ihr dafür mehr Auftrieb . Wenn ich früher behauptet habe , der Gegenwind fördere den Vogelflug, so ist damit nicht zu verstehen, dass der Vogel schneller vorwärts komme, wenn er gegen den Wind fliegt, aber der Wind wirkt hebend und dadurch fördernd Der Vogel muss sich in der Luft erhalten und vorwärts bewegen. Eie Kraft, die ihn hebt, fördert also seinen Flug ; der Vogelkörper will gehoben sein und diesen Dienst leistet ihm der Wind , wenn er gegen diesen fliegt. In diesem Sinne will ich verstanden sein . Platte: Von den eben gehörten Aeusserungen kann ich jenen des Herrn Baron nicht ganz zustimmen ; auch glaube ich , dass die von Herrn Milla gezeichnete Figur die Anschauungen etwas verwirrt. Es ist am besten , man bleibt der Natur getreu ; der Vogel fällt gegen den Wind ab und nicht mit diesem , wie die Bilder von Charey zeigen ; ich betone ganz ohne Muskelkraft . In der ersten Welle verliert der Vogel viel an Höhe , gleicht dies aber in den folgenden wieder aus. Er fällt gegen den Wind ab, be schleunigt sich durch Fallen, dreht sich nach aufwärts und die angesammelte Arbeit hebt ihn hinauf und zwar mit stetig abnehmender Geschwindigkeit, die jedoch nicht Null wird, weil er mit dieser Geschwindigkeit noch höher steigen könnte . Betrachtet man den Adlerflug mit einem Instrumente, so sieht man dieses Auf- und Absteigen sehr deutlich . Der Vogel fällt darin wieder, bekommt eine neue Geschwindigkeit, mit der er sich aber mals aufschwingt . Die Geschwindigkeit des Falles , des Flügels und des Windes geben zusammen die Kraftgrösse, welche nach einigen Wellen den Vogel höher hebt, als er abgefallen ist. Gostkowski : Bis zum ersten dort an sinken aber die Scheitel der Platte : Hier ist keine ruhige und der Vogel fällt gegen den Wind durch Muskelkraft .

Wellenberg dürfte dies stimmen , von Wellenberge immer tiefer. Luft, wir setzen eine bewegte voraus durch seine eigene Schwere und nicht

Gostkowski : Seine ursprüngliche Geschwindigkeit ist aber sehr rasch aufgezehrt .

279

Beiträge zur Erklärung des Fluges.

Platte : ihn hebt.

Die

Luft giebt

ihm aber potentielle

Energie,

indem

sie

Stach: Aber doch nicht, ohne dass der Vogel Flügelschläge macht . Platte : Er macht keine Bewegung mit den Flügeln ; er fällt mit dem eigenen Gewicht und die Luft drückt auf seine Flügelflächen . Gostkowski : Zuwachs an Arbeit und Energie, was das Höherkommen doch ist, kann er nur durch Muskelarbeit erlangen. Platte : In ruhiger Luft ja , aber in bewegter braucht er nicht zu arbeiten. Wir sehen das ja z. B. an einem der schwerfälligsten Vögel, an der Krähe, welche sehr schön segelt. Gostkowski: Der Vogel muss zum Fliegen Arbeit leisten , ohne Muskelarbeit ist es nicht denkbar. Platte : Das wird auch die Rechnung beweisen . Ermittelt man die lebendige Kraft, welche durch den Fall bis zum tiefsten Punkt der Welle angesammelt wird, so findet man, dass sie wohl ausreicht , den Vogel wieder auf die ursprüngliche Höhe zu heben . Ich glaube auch, mar sollte sich mit dieser Frage mehr beschäftigen und die Erfindung von leichten Kraft maschinen bis zur Lösung des Segelfluges vertagen. Kress : Ich will auf das früher zitirte Beispiel von den zwei Ballons zurückkommen . Fliegt eine Taube von einem dieser Ballons zum anderen oder aber umkreist sie einen derselben , so hat sie für eine gewisse begrenzte Zeit Wind . Ist aber einmal diese Zeit überwunden, so existirt für die Taube der Wind nicht mehr, der Wind existirt eben nur vom Momente des Eintauchens in die bewegte Luftschicht an durch eine begrenzte Zeit , wie dies ja auch beim Abfliegen vom Erdboden der Fall ist . Ob die Taube nun mit oder gegen den Wind fliegt, sie hat stets die gleiche Arbeit zu leisten, die Ballons sind für sie feststehend. Herr Platte rechnet nur Fall höhen. In der ersten Welle hat der Vogel, der in die bewegte Luftschicht ohne Flügelschlag eintaucht , eine gewisse Geschwindigkeitsdifferenz gegen die Luft, nach einiger Zeit, vielleicht schon in der zweiten Welle , aber nicht mehr. Denkt man sich ein Unterseeboot in einem Strome und einen Taucher, so ist, falls der Taucher den Grund nicht sieht, für ihn das Boot ein unbewegtes Objekt, weil er seine Stellung gegen dasselbe nicht ändert, wenn er nicht arbeitet , d . h . schwimmt. Die Taube kann dies gegenseitige Verhältniss dem Ballon gegenüber auch nur nach ihrer Muskelthätigkeit schätzen. Dass sie gegen den Erdboden ganz andere Geschwindigkeiten hat, das ist selbstverständlich . Rylski : Es wurde gesagt : Der Vogel erlangt durch den Fall eine grössere Geschwindigkeit, weil er den Wind gegen sich hat. Lässt man z. B. eine Kugel über ein Brett hinabrollen, so erlangt sie am Ende des Brettes eine gewisse Geschwindigkeit ; wird diese Kugel während des Falles aber angeblasen, so kann doch die Geschwindigkeit nicht grösser werden ? Oberlehrer Zdarsky : Herr Kress hat behauptet, es sei für die Taube gleich, ob sie mit oder gegen den Wind fliege . Ich glaube , es ist dasselbe Verhältniss, wenn man in einem Strome untertaucht und da ist es nicht gleich, ob man mit oder gegen den Strom schwimmt. Platte : Ich möchte gegen die Herren Stach und Kress erwähnen , dass man in einem Eisenbahnzuge nahezu die nämliche Vorstellung hat . Steht man auf einem Schotterzuge z. B. hinter der Maschine, so empfindet man fast gar keinen Wind , am letzten Wagen hingegen fühlt man einen förm lichen Sturm , man hat die ganze Kraft des Windes gegen sich . Wenn nun

280

Beiträge zur Erklärung des Fluges .

die Taube gegen die Luft fliegt , wird sie eine ganz andere Kraft brauchen , als mit der Luft . Stach : Ich möchte Herrn Zdarsky gegenüber erwähnen , dass das Beispiel vom Schwimmen hier gar nicht passt . Die Geschwindigkeit eines Stromes ändert sich mit der Tiefe ; sie hat in einer gewissen Tiefe unter der Oberfläche ein Maximum und nimmt von da an nach oben und unten ab . Der Schwimmer bewegt sich dann immer in Schichten mit verschiedenen Geschwindigkeiten . Oberlehrer Prohaska : Ich glaube es mir vorstellen zu können , wie der Flug gegen den Wind fördernd wirken kann . Hat der Vogel ein geringes Gewicht, so wird er vom Winde mitgerissen . Nur infolge grossen Gewichtes kann er widerstehen ; er empfängt den Luftwiderstand von unten , direkt entgegen der Bewegung. Zerlegt man den Widerstand, so resultirt eine Komponente die nach aufwärts gerichtet ist, also hebend wirken muss. Zdarsky: Während des Tauchens hat man verschiedene Geschwindig keiten zu überwinden, ist man aber am Boden , wo die Geschwindigkeit gleichförmig ist, so kann es doch nicht gleich sein, ob man mit oder gegen den Strom schwimmt . Oberlieut. Hoppner : Die eben berührte Streitfrage ist durch einen Versuch, den wir gelegentlich der Uebungen zu Budapest in der Donau gemacht, vollkommen klargestellt . Es hat sich zur Evidenz erwiesen , dass nach einiger Zeit Niemand angeben konnte, ob er mit dem Strom oder gegen diesen schwimme. Die Zweifler haben ihre falsche Auffassung mit mehreren Flaschen Champagner büssen müssen. Popper : Ich möchte bemerken, es verdient hervorgehoben zu werden, dass Differenzen im Luftozean bestehen wie von Gerlach und vor ihm schon von Lord Rayleigh angenommen wurde ; ich habe etwas anderes hervorgehoben, was praktisch vollkommen zulässig ist . Beide sprechen von verschiedenen Geschwindigkeiten nach der Höhe, so dass ein fortwährendes Auf- und Ein tauchen stattfindet . Diese Erklärung habe ich fallen gelassen und hervor gehoben, der Vogel bleibe im Niveau ; der Luftozean hat aber fortwährende Stösse ; diese fortwährend wechselnde Geschwindigkeit nutzt der Vogel aus. Summirt man die Ein gleichförmiges Blasen der Luft giebt es nicht. während der Diskussion vorgebrachten Ansichten , so ergiebt sich die Majorität gegen die Ausführungen des Vortragenden . Die Frage steht folgendermassen und damit sind die Herrn einverstanden . Ein Vogel kann ohne Muskelthätigkeit nicht höher steigen , wenn kein Wind weht. Es fragt sich nun : Kann er es, wenn ein Wind geht ? Ich halte es für un möglich. Der ursprüngliche Impuls ist hier nicht massgebend . Ueber die Art und Weise, wie der Vogel im Stande ist , mit Benutzung des Windes höher zu steigen, fand ich nie rechnerische oder graphische Darlegungen. Was nun die Taube und den Ballon betrifft, so fühlt diese gar keinen Unterschied, ob ein Wind weht oder nicht, das kann man sich auch leicht ohne Rechnung veranschaulichen. Damit ist aber auch die Frage gelöst . Wenn der Wind etwas zur Förderung des Fluges beiträgt, so muss sich auch nachweisen lassen, wie viel er leistet. Denken wir uns, der Insasse des Ballons sehe die Erde nicht und soll nun angeben, wie gross ist die Geschwindigkeit des Ballons ? Man kann dieselbe nicht messen, weil ausser dem Ballon kein Fixpunkt vorhanden ist . Fliegt nun die Taube von einem Ballon zum anderen , oder umkreist sie einen derselben, so kann man von einem Ort bezüglich der Erde nicht reden , weil man diese nicht sieht . Die

281

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

Taube fliegt also gerade so, wie in ruhiger Luft . Sie ist auch faktisch nicht anders daran , als im Luftballon , wie Herr Milla zweifelnd sich aus gedrückt hat . Es ist dies kein Widerspruch . Wollte Jemand die Ge schwindigkeit des Golfstromes messen und hätte keinen Fixpunkt , so könnte er es nicht, weil er überhaupt nicht weiss, dass er sich im Golfstrome be findet . Eine Grösse nun , die mechanischen Einfluss üben soll , muss sich messen lassen. Daraus ist klar, dass der Wind für den Vogelflug irrelevant ist. Im Verhältniss zur Erde ist die Sache eben etwas anders zu be trachten. Milla : Ich habe es bei der Erörterung mit Herrn Kress hervor gehoben und finde es auch jetzt für nöthig : ich meine, man verwechselt die Begriffe ; statt Kraft und Geschwindigkeit will ich besser sagen Arbeit und Geschwindigkeit. Ich gebe zu, die Arbeit, welche die Taube zu leisten hat , ist ganz die gleiche, ob sie mit dem Winde oder diesem entgegen fliegt . Ich gebe das zu ; aber die Geschwindigkeit ist nicht die gleiche . ( Kress : Mit Bezug auf die Erde . ) Ja, mit Bezug auf die Erde ; halten wir das fest , so kann man sich vielleicht einigen . Popper : Es ist kein Missverständniss vorhanden . Wenn Sie zugeben , dass die Arbeit dieselbe ist , so sind wir ja einig. Geschwindigkeit ist ja nur ein relativer Begriff, da sie stets auf ein Objekt bezogen werden muss. Rylski : Ich glaube auf ein anderes Beispiel hinweisen zu können , welches zeigt, dass es gleichgiltig ist, nach welcher Richtung die Taube fliegt ; denn es kommt ja hier nur auf die relative Bewegung an . Die Erde dreht sich und mit dieser die Luft, die Bäume und die Taube. Da ist es doch ganz gleichgiltig ob die Taube von Ost nach West, oder umgekehrt fliegt, trotz der enormen Umfangsgeschwindigkeit . Dasselbe Verhältniss ist auch beim Ballon. Gostkowski: Da Niemand mehr zum Worte gemeldet ist , schliesse ich die Diskussion und danke dem Herrn Vortragenden im Namen der Ver sammlung für den Vortrag selbst, wie auch für das gewählte Thema , welches Anlass zu einer lebhaften Diskussion von ausserordentlichem Interesse gegeben Ueber ein Thema zu hat. Die Frage ist noch lange nicht erschöpft . diskutiren , über welches die Akten bereits geschlossen sind , ist nicht interessant ; eine Frage aufzuwerfen, die nicht geklärt ist, ist ein Verdienst ; das möchte ich hervorheben und dem Herrn Milla nochmals im Namen der Versammlung den ergebensten und herzlichsten Dank aussprechen . Für die Aufnahme und Uebertragung : Wostrowsky , Oberlieutenant.

Betrachtungen über Gummilösungsmittel . (Fortsetzung. ) Die

Benzinreihe.

Wenden wir uns nun zur Betrachtung einiger

flüssiger Kohlenwasserstoffe, die als Gummilösungsmittel sehr dienlich sind. Unter ihnen nimmt die Benzingruppe die erste Stelle ein . benzol,

eine Mischung

von

gewöhnlichem Steinkohlennaphta

Das Handels mit

anderen

Stoffen, welche durch geeignete Behandlung mehr oder weniger schwierig getrennt werden können , gehört hierher ; ihr Gefrier- und Siedepunkt , sowie ihre Dichte

sind verschieden ,

ebenso

ihre Zusammensetzung und Eigen

Betrachtungen über Gummilösungsmittel .

282 schaften.

Im Allgemeinen können die Benzine

Flüssigkeiten

als neutrale, leichte, ölige

von der Zusammensetzung C6 H6 oder deren Homologen be

zeichnet werden , in denen jedes Wasserstoffatom durch verschiedene andere Stoffe (Elemente oder Verbindungen) ersetzt werden kann, so dass durch diese Substitution , welche auch an den anderen 5 Wasserstoffatomen statt haben kann ,

die besonderen Eigenschaften

der auf diese Art entstehenden

Produkte bedingt werden . In nachfolgender Tabelle sind die hauptsächlichsten Benzine , mit denen die Gummiindustrie besonders zu rechnen hat,

angeführt,

nebst den ihnen

zukommenden Formeln und Eigenschaften , die allerdings an chemisch reinen Kohlenwasserstoffen festgestellt wurden , aber auch für die Zusammensetzung jeder Probe Handelsbenzol gültig sind . Eigenschaften einiger Benzine. Name Formel spec . Gew. Gefrierpunkt Siedepunkt Benzin • • Cε 80,50 C. + 5,5 ° C. 0,884 6 Hε 0,871 Toluen • C.9 Hs8 - 22,0° C. 111,0 ° C.

Orthoxylen . Metaxylen ·

Cg8 H10 Cg8 H10

- 24,0 ° C.

142,5 ° C.

Paraxylen •

Cs8 H10

+ 15,0° C.

139,0 ° C. 136,5 ° C.

Von den Xylenen licher Menge anwesend ,

übt die Orthoverbindung, allein keinen Einfluss

selbst wenn in beträcht auf Gummi aus ; jede der

anderen Benzine wirkt mehr oder weniger schädlich . zur Schwellung des Gummis,

Die Eine hat Neigung

ohne ihn wirklich zu lösen,

eine Lösung von bestimmtem Gehalt

Andere machen

zu klebrig oder sie hinterlassen den

Gummi beim Trocknen in einer zähen oder porösen Beschaffenheit. Benzin, d. h . das reine 90-98 % Handelsbenzol ist für unsere Zwecke von grösserem Werth, als die Xylene . dass

ein

niedriger

Siedepunkt

nicht

Es soll hier daran erinnert werden , nothwendigerweise ein reines Benzin

voraussetzt, denn eine vergleichsweise geringe Menge der sogenannten leichten Kohlenwasserstoffe, z . B. Amylen , C, H₁10 genügen, um sowohl die Dichte

als

auch den Siedepunkt der betreffenden Benzine herabzudrücken .

Dieselbe Wirkung bringt auch Schwefelkohlenstoff hervor, welcher aber die Dichte der Benzole, in denen es als Verunreinigung enthalten ist, vermehrt . So wird z . B. die Dichte eines guten 90 % Benzols durch Schwefel kohlen stoff vermehrt bei Anwesenheit von

1 % um 0,0033 112 % " 0,0050 2 % ช 0,0065 212 % 3

"

0,0080

%

Я 0,0093 etc. Jedoch ist Schwefelkohlenstoff, so nützlich es für sich

als Gummi

lösungsmittel ist, keineswegs ein erwünschter Begleiter im Benzol , wenn dasselbe für Gummilösungszwecke benutzt werden soll, hauptsächlich da er

283

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

unter allen Umständen hydratisirte und oxydirte Schwefelverbindungen bildet . Es sollte daher Sckwefelkohlenstoff unter allen Umständen, wenn im Benzol enthalten, daraus entfernt werden. Reinigung des Benzols.

Handelsbenzole , selbst von bester Qualität,

sind oft milchig getrübt durch Anwesenheit von Wasser ; Spuren desselben sind stets vorhanden , wenn auch nur 0,03-0,04 % Wasser vom Benzol aufgenommen werden können .

Um es zu reinigen, trocknet man zuerst und

befreit es von jeder Spur Wasser durch Schütteln mit kleinen Mengen frisch gelöschten Kalk ; nach dem Filtriren oder Abgiessen der klaren Flüssigkeit, fügt

man

eine Lösung von ungefähr

1 %

reinem Aetzkali in möglichst

wenig absolutem heissem Alkohol hinzu und schüttelt eine Zeit lang tüchtig. Ist Schwefelkohlenstoff im Benzol vorhanden , so giebt sich dies durch Gelb färbung und Abscheidung seidenartiger gelber Krystalle saurem Kali zu erkennen , welche abfiltrirt werden.

von

xanthogen

Wäscht man nun das filtrirte Benzol einige Mal mit frischem Wasser und behandelt

es dann zur Entfernung desselben ,

wie vorher beschrieben,

mit Kalk , so erhält man ein von Schwefelkohlenstoff und anderen Schwefel verbindungen freies brauchbares Produkt . In verschiedenen Proben von Handelsbenzol wurden 1,62-4,72 % Schwefelkohlenstoff gefunden . Die 50 %-Handelsbenzole sind stets weniger verunreinigt in dieser Hinsicht und Handelstoluole oder gutes Toluen enthält selten mehr als 0,15 % an Schwefel kohlenstoff. Thiophen.

Diese Verbindung soll hier erwähnt werden, nicht allein

weil sie fast stets im Steinkohlentheernaphta und Handelsbenzole als Ver unreinigung vorkommt , sondern auch auf Grund ihrer Benutzbarkeit als Gummilösungsmittel selbst . Die Versuche über Tiophen sind noch nicht abgeschlossen ;

doch

so

viel

kann bereits

gesagt

werden ,

das

dasselbe,

besonders für einige afrikanische Gummisorten von schwerer Löslichkeit, ein gutes Lösungsmittel zu sein scheint. Auch bei der Chlorschwefel vulkanisation ist Thiophen verwendbar. Tiophen enthalten ,

so

Da die Benzole 0,18-0,70 % an

könnte es bei regelmässigem Bedarf zu mässigem

Preise hergestellt werden. Die allgemeinen Eigenschaften des reinen Thiophens sind denen des Benzins nicht unähnlich . Es stellt eine farblose , helle Flüssigkeit dar, die sich nicht mit Wasser mischt, gegen Alkalien und verdünnte Säuren sich indifferent verhält ; der Siedepunkt liegt bei 84 ° C. Thiophen übertrifft aber an Dichte das Benzin beträchtlich, denn sein spez. Gew. ist bei 15 ° C.

1,07 ; es sinkt daher im Wasser unter.

lautet C₁4 H₁ S. Toluen als Gummilösungsmittel .

Seine Formel

Wie schon oben erwähnt wurde ,

eignet sich Toluen besser als Lösungsmittel für die meisten Gummisorten als Benzin und zwar ist das 50 %-Handelsbenzol, welches mehr Toluen ent hält als das 90 %. vorzuziehen . Ueberdies sind die schädlichen Schwefel verbindungen auch in Ersteren in geringer Menge enthalten .

Es muss aber

284

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

natürlich der Werth des Toluens für unsere Zwecke, nach Allem , haupt sächlich abhängen von seinem Verhalten gegen Gummi selbst und in dieser Hinsicht ist es nicht schwierig , seine Ueberlegenheit dem Benzin gegenüber darzuthun. Die Vortheile , welche Toluen bietet, sind kurz folgende : 1. Toluen , caeteris paribus , löst die meisten Gummisorten in 5% der Zeit, als dies Benzin thut. 2 . Die Lösungen sind weniger zähe und mehr beweglich . 3.

Sein höherer Siedepunkt gestattet die Lösungen auf eine höhere

Temperatur mit verhältnissmässig geringer Dampfspannung und weniger Ver dampfungsverlust zu erhitzen . 4. 5.

Eine gleiche Menge Lösung enthält eine grössere Menge Gummi. Toluen verändert sich nicht bei kaltem Wetter und behält seine

lösende Kraft selbst bei Abkühlung auf 0° C. 6.

Der

aus einer Toluenlösung

erhaltene Gummi ist fester und ge

schmeidiger, als der Benzingummi . 7.

Toluendampf, wenn dasselbe rein ist, verursacht bei den Arbeitern

nicht in dem Grade Uebelkeit und Kopfschmerz, wie dies bei den Benzinen und Xylenen leider der Fall ist . 8.

Toluen scheint den Wirkungen anderer Stoffe, wie z. B. Lavendel

öl , Kamphor und Encalyptusöl, sehr zugänglich zu sein, welche Stoffe die lösende Kraft der Kohlenwasserstoffe für Gummi zu erhöhen im Stande sind. Es ist früher gesagt worden, dass 50 % -Handelsbenzole für viele Zwecke sehr brauchbar seien, aber da genügend reines Toluen zu mässigem Preise zu erlangen ist, so ist dieses doch noch vorzuziehen .

Denn wenn man statt

unreiner und stets wechselnder Mischungen, eine Flüssigkoit von bestimmter Zusammensetzung benutzen kann ,

so sind die Ergebnisse sicherer und zu

friedenstellender und das Verfahren verläuft im Allgemeinen glatter, selbst wenn der Vortheil nicht gleich in die Augen

springt.

Daher muss dem

Toluen für schwerlösliche Gummisorten der Vorzug bleiben . Wohl Mancher in der Gummiindustrie

hat keine

klare Vorstellung

von den Hauptarten der Handelsbenzole und scheint es daher geboten , hier einen kurzen Ueberblick über dieselben zu geben. Nur einmal rektifizirte Naphta sollte nie für Gummizwecke benutzt werden , denn dieselbe ist so unrein, dass sie auf jede Gummimischung, mit der sie in Berührung kommt, schädlich einwirken muss.

Sie besitzt meist

die Farbe des Gerstenzuckers und ein spez . Gew. von 0,884-0,895 oder darüber . Ausser den für unsere Zwecke brauchbarrn ein oder zwei Kohlen wasserstoffen enthält sie noch eine Menge Verbindungen , erwünscht wie

sind,

Karbol- ,

darunter die

Cresyl-

und

die für uns nicht

höchst schädlichen Körper der Phenoklasse,

andere

Säuren ;

ausserdem

Pyridinbasen

etc.

Weniger schädlich sind die stets in dieser Naphta vorkommenden Naphtaline und Paraffine ;

ausserdem enthält sie noch als neutrales Verdünnungsmittel

285

Betrachtungen über Gummilösungsmittel, leichte Kohlenwasserstoffe, die „ per se

nicht schädlich , aber auch für unsere

Zwecke nicht nützlich sind und geringe Lösungskraft besitzen .

Mit dem 90 % -Handelsbenzol haben wir uns schon beschäftigt ; wie der Name sagt, sollen davon 90 Volumen

% überdestilliren , ehe die Tem peratur über 100 ° C. hinausgeht. Bei einem guten Benzol dieser Art sollen nicht mehr als 3-4 % unter 80 ° C , 25-28 % unter 85 ° C. , volle 90 % bei 100 ° C. und der Rest völlig bei weniger als 120 ° C. übergehen . Rohes 90 % Benzol enthält 4-6 % leichte Kohlenwasserstoffe und Schwefelkohlen

stoff, 24 % Tuloen (einschliesslich ca. 3-4 % Xylen), 70 % reines Benzin . Der Gehalt an Benzin steigt manchmal bis auf 77 % , fällt aber auch bei den schlechtesten Sorten auf 61 % herab. Das spez . Gewicht des 90 % Benzols schwankt zwischen 0,879-0,888 ; die englischen Benzole haben in folge ihres Gehaltes an Schwefelkohlenstoff ein hohes spez . Gewicht , während die schottischen Benzole meist frei von dieser Verunreinigung sind , doch oft 6--9 % leichte Kohlenwasserstoffe enthalten und daher ein spez . Gewicht von 0,868-0,874 zeigen . Beim 50 %-Handelsbenzol , mit einem spez. Gewicht von 0,878-0,880, sollen bei 100 ° C. die Hälfte seines Volumens überdestilliren und 4% des Rückstandes zwischen 100-120 ° C. , daher es auch oft als 50/90 -Benzol be zeichnet wird .

Der Rest von 10 % soll übergehen, ehe die Temperatur auf

130 ° C. gestiegen ist. Werth der zwischen obigen liegenden Handelsbenzole .

In

Gummifabriken werden oft Handelsbenzole benutzt, welche zwischen 50 % und 90 % liegen, so dass es von Werth ist, zu wissen , welchen Gehalt ein solches Benzol an 90 % und 50 % besitzt . Dies kann man durch einen sehr ein fachen Versuch mit Hilfe einer kleinen Rechnung ermitteln . Man misst 100 Volumentheile des Gemenges bei 15,5 ° C. ab und destillirt auf gewöhnliche Art ;

das bei

100 ° C.

erhaltene Destillat

misst

man

wieder genau bei

15,5 ° C. und bestimmt nun nach folgender Formel den Gehalt an beiden Benzolen :

1. x = a 2. y

2,5 C. ――――――― X. 100

Hierin bedeutet :

a = Menge des Destillats bei 100 ° C. erhalten ; b = niedrigstes prozentiges Benzol in der Mischung (hier X = Prozentgehalt an 90 % -Benzol ; " Я 50 % y

50);

Beispiel . Man habe ein Gemenge von 90 %- und 50 % -Benzol, welches frei ist von grösseren Mengen Schwefelkohlenstoff einerseits und leichten Kohlenwasserstoffen andererseits .

Es wurde ermittelt,

theile bei 100 ° C. überdistillirten .

Setzen wir diese Daten in unsere Formeln

ein, so ergiebt sich

dass 71,5 Volumen

Litterarische Besprechungen.

286

1. 2.

X= y

71,5 - 2,5 100 - 53,5

50

53,5% an 90 %-Benzol. 46,5% an 50 %-Benzol.

Diese Methode giebt in den gewöhnlichen Fällen brauchbare Resultate und liegt die Fehlergrenze nur bei 0,6-0,7 %. (Fortsetzung folgt im nächsten Jahrgange .)

Litterarische Besprechungen. Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst . Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Auf Grund zahlreicher, von O. und G. Lilienthal aus geführter Versuche bearbeitet von Otto Lilienthal , Ingenieur und Maschinenfabrikant in Berlin . Mit 80 Holzschnitten, 8 lithographirten Tafeln und 1 Titelbild in Farbendruck. lagsbuchhandlung (Herm . Heyfelder ) .

Berlin , 1889.

R. Gärtner's Ver

Nur allzu lange hoffte man die Lösung des Flugproblems durch die Vervollkommnung des Luftballons erreichen zu können . Nachdem dem Menschen durch die Anwendung leichter Gase die Erhebung vom Erdboden gelungen war, erschien es als eine leichte Aufgabe , den Aërostaten nach beliebigen Richtungen zu dirigiren . Doch immer wieder verhinderte das schwerfällige Volumen des Ballons jeden Erfolg. Und nach 100jährigen unausgesetzten Bemühungen , den Ballon lenkbar zu machen, stellte sich als unzweifelhaft sicheres Ergebniss heraus, dass eine wirkliche Lenkung des Ballons unausführbar ist und dass ein brauchbares Mittelding zwischen Ballon und Flugmaschine nicht konstruirt werden kann. Die Flugmaschine ohne Ballon musste naturgemäss das Ziel der Flug techniker werden. Die Flugapparate der zahreichen fliegenden Thiere, die Formen der Flugbewegung und die physikalische Erklärung des Fluges gewannen wieder ein erhöhtes technisches Interesse . Zumal der Vogelflug wurde eingehend studirt . Noch jetzt wird diese Arbeit von den verschiedensten Seiten her gefördert . Anatomen untersuchen den Bau des Vogelkörpers und bestimmen die Grösse der Flugflächen ; Physiologen messen die Leistungs fähigkeit der Flugmuskeln, sowie die Schnelligkeit der Flügelschläge und benutzen die Momentphotographie zur genauen Feststellung der Bewegungs form ; Mathematiker und Ingenieure analysieren den Flugapparat und seine Wirkungen und auch die Techniker beginnen jetzt aus ihrer Reserve heraus zutreten, indem sie die beim Fluge auftretenden Erscheinungen des Luft widerstandes einer genauen Messung unterziehen . Eine wissenschaftliche Erklärung der Flugmechanik kann erst gegeben werden , nachdem die beim Vogelfluge zur Wirkung kommenden Luftwider standsgesetze sicher festgestellt sind . Nun lassen sich aber, das zeigten die zahlreichen Untersuchungen der Mathematiker und Physiker, die so ausser ordentlich komplizirten Widerstände am bewegten Vogelflügel nicht am Studiertische berechnen ; nur der Versuch mit strenger Innehaltung der in der Natur beim Vogelfluge obwaltenden Bedingungen konnte wirklich brauch bare, praktisch anwendbare Ergebnisse liefern . Das Verdienst, derartige Versuche zuerst angestellt zu haben , gebührt dem Ingenieur O. Lilienthal . Durch seine während eines Zeitraumes von 23 Jahren fortgesetzten systematischen Experimente stellte er die Grösse des Luftwiderstandes fest, welcher am bewegten Vogelflügel auftritt. Durch

Litterarische Besprechungen.

287

die Versuche ist eine Lücke ausgefüllt, die schon seit langer Zeit em pfunden war. Das Resultat dieser Untersuchung besteht hauptsächlich darin , dass er kannt worden ist, weshalb die Schlagbewegungen des gewölbten Vogelflügels einen Luftwiderstand erzeugen , der mit äusserst geringem Kraftaufwande einen raschen Flug ermöglicht . Es wird hieraus der Schluss gezogen , dass die genaue Nachahmung des Vogelfluges in Bezug auf die Luftwiderstandsverhältnisse den einzigen Weg biete für ein freies , schnelles und zugleich wenig Kraft erfordendes Fliegen. Die Darstellung ist in dem Lilienthal'schen Werke durchweg ganz allgemein verständlich . Möge diese Arbeit in weiten Kreisen das Interesse M-f. finden, das sie verdient . Erörterung der wichtigsten aëronautischen Streitfragen in populärer Darstellung von August Platte, Ingenieur . Wien, 1889. Spielhagen & Schurich. Der Titel deckt sich nicht mit dem Inhalt der in allgemein verständlicher Form darzuthun sucht , wellenförmigen Vogelflug durch die Luft bewegende die allein brauchbare Flugmaschine sei. Der Herr

kleinen Brochure , die dass nur der sich im Platte'sche Segelballon Verfasser bietet dem

jenigen, der seine seit Jahren verfochtene Idee kennt, keinen fesselnden Lese stoff, im Gegentheil kann man sehr wohl behaupten, dass die sich immerfort wiederholenden gleichen Betrachtungen schliesslich jeden vorwärts strebenden Flugtechniker ermüden . Es lässt sich allerdings mit Naturanschauung und richtiger Rechnung manches erreichen , den Beweis der Richtigkeit kann indess doch nur das Experiment bieten , und dass Herr Platte in den vielen Jahren seiner eifrigen Thätigkeit für die Flugtechnik anstatt mit Feder und Tinte mit einem Modell seines Segelballons gearbeitet hätte, ist ein Wunsch, den mit dem Rezensenten gewiss bereits mancher andere getheilt hat. Die Naturanschauung kann trügen und die auf ihr beruhenden Rechnungen können irre leiten . Der Herr Verfasser legt dem Wellenfluge der Vögel eine viel zu grosse Bedeutung bei. Wir haben nie beobachten können, dass wandernde Vögel sich desselben bedienten , sie, die wegen des weiten Weges, den sie zurückzulegen pflegen , doch gerade Kraftersparniss nöthig hätten . Für Brief tauben wird , allerdings ohne Quellenangabe , eine Mittheilung gemacht, wonach eine solche nach achtstündigem Flug mit 21 m Geschwindigkeit nicht mehr an Gewicht verloren haben soll , als wenn sie ohne Nahrung im Käfig geblieben wäre, und hieraus wird der Schluss gezogen, die Flugarbeit sei keine reine Muskelarbeit, d . h. der Leser wird auf die unausgesprochene Behauptung geführt , auch hier kann nur der Wellenflug des Räthsels Lösung sein . Rezensent vermochte den Segelflug der Vögel bisher nur beim Kreisen (Raubvögel und Reiher) zu beobachten, wobei nur eine geringe Vorwärts bewegung stattfand, dann ferner bei Seevögeln, bei denen die eigenartigen Luftbewegungen über der bewegten See Manches hierzu beitragen dürften . Herr Platte sucht dann weiter klar zu legen , dass man für den Bau einer auf dem Segelfluge beruhenden Flugmaschine , sich des Ballons als Entlastungsmittels bedienen müsse ; der unentbehrliche Ballon , meint er, würde mit jedem Fortschritt der Maschinentechnik an Grösse abnehmen

288

Litterarische Besprechungen.

und der Bewegungswiderstand, den sein Volumen verursacht, dadurch kleiner werden . Weiter sagt der Herr Verfasser, dass jene Luftschiffe ohne Ballon nie der Forderung, von jedem Punkte abzufliegen , entsprechen würden , weil sie eben eine gewisse lebendige Kraft, die er durch den Fall von oben er reichen will, haben müssten . Von einem Ballon selbst hat Herr Platte eine etwas unvollkommene Vorstellung ; er spricht von dessen negativem Gewicht, während doch in der That ein Ballon ein ganz ansehnliches positives Gewicht darstellt. Wir erwähnen, dass Renard's Luftschiff 2000 kg 40 Ztr. wog. Er kann sich ferner nicht losmachen von der ganz verfehlten Idee des Ballons mit Ueberschwere, d . h. auf dem Erdboden. Man fragt sich wohl : wozu das ? Ist es nicht viel besser, wenn die Ueberschwere in einigen Hundert Meter Höhe vorhanden ist ? Das weiss jeder Luftschiffer, dass von der Gleichgewichtszone aus nach abwärts sein Fahrzeug überall diese Ueber schwere besitzt. Wir möchten dem Herrn Verfasser an's Herz legen, sich einmal eingehend mit der Praxis des Luftfahrens zu beschäftigen , und sind gewiss, er wird dann seine Flugmaschine mit ganz anderen Augen betrachten und nicht mehr so despektirlich auf die " Spielereien herabsehen , die die Militärbehörden mit den Kaptif- und unlenkbaren Ballons treiben . Recht sonderbar ist die Behauptung, dass der Segelballon mit Ueber gewicht dazu wie geschaffen sei, um über die kontroversen Fragen des Vogelfluges Aufschluss zu ertheilen . Wir glauben, dass uns hierin in der Momentphotographie und in Versuchen , wie sie von Lilienthal angestellt worden sind , viel bessere Mittel zur Verfügung stehen. In der ganzen Arbeit urtheilt der Herr Verfasser fortwährend ab sprechend über alles das, was sich seinem , für ihn allein seligmachenden Prinzipe nicht beugen will ; seine Kritiker sind seiner Meinung nach unfähig, nicht objektiv genug und oberflächlich , die flugtechnische Presse operire unregelmässig und dann zusammenhanglos und stehe zur Zeit ihrer Ge brechen halber nicht in jenem Ansehen, welches sich andere Fachzeit schriften erfreuen , in den Vereinen herrsche nur Scheinleben und die Wissenschaft habe Nichts gethan für die Aëronautik ; was man über Aëro nautik weiss , sei von jenem Laienvolke gekommen, dessen Denken oft so mitleidvoll behandelt werde ―――――― zu diesem muss sich wohl der Herr Ver fasser auch rechnen ____ und was das Schlimmste, es öffneten sich nicht ein mal die Taschen , um zur Erforschung der Mechanik der Luft Mittel zu gewähren. Wir können dem Herrn Verfasser in keiner Beziehung zustimmen , und müssen im Gegentheil recht bedauern , dass er mit seiner Brochüre Vorstel lungen in weitere Kreise trägt , welche den Bestrebungen der Luftschiffahrt schaden müssen , da sie in vieler Beziehung anfechtbar sind , wie er selbst auch im XI. Abschnitt seiner Schrift herauszufühlen scheint. Dem Volke soll man das Beste und das Fertige reichen , nicht aber Flugprinzipien , die des Beweises noch ermangeln und die verwirrend auf die Menge wirken müssen . Wir würden uns freuen, wenn der Herr Verfasser bei seinem be deutenden Interesse für die Luftschiffahrt und bei seiner unermüdlichen Schaffensfreudigkeit für dieselbe sich mehr denjenigen Fragen der Aëronautik zuwendete , welche nicht prinzipieller Natur sind und ernste Fortschritte Moedebeck. bieten.

Mittheilungen aus Zeitschriften.

289

Mittheilungen aus Zeitschriften. Revue de l'aéronautique Hervé. Paris .

théoretique

et

appliquée.

Directeur

Henri

1. Jahrgang. 1888. 4. Lieferung. Die Leitung dieses Blattes theilt mit, dass sie seit Bestehen desselben mit mehreren Tausend von Zuschriften und Aufsätzen überschüttet worden ist, welche sämmtlich die Luftschiffahrt betreffen , von denen aber nur eine verschwindend geringe Zahl treffende Gedanken, die grosse Mehrheit dagegen ein Gewebe von Unrichtigkeiten enthalten. Dergleichen kann in einem ernsten Blatt nur mit Stillschweigen beantwortet werden. Renard , der künstliche Flug (la locomotion aérienne par les appareils plus lourds que l'air). Man hat den Offizieren der französischen Luftschifferabtheilung häufig vorgeworfen, sie ständen dem Kunstfluge durch aus abgeneigt gegenüber. Dies ist keineswegs richtig. Renard hat sich nur mit den lenkbaren Ballons deswegen so eingehend beschäftigt, weil ihm hier unter den gegenwärtigen Verhältnissen der einzige Weg erschien, auf dem man die Fortbewegung durch die Luft erreichen könne . Dass er in der That einen viel weiteren Blick gehabt, beweist die vorliegende haupt sächlich aus dem Jahre 1873 stammende Artikelserie . Das Problem des Fluges spaltet sich in die beiden folgenden : 1. Einen Körper in bestimmter Höhe ohne andere Stütze, als die Luft, zu halten ; 2. Diesem Luftschiff eine solche Horizontalgeschwindigkeit zu er theilen , welche es befähigt eine willkürliche Richtung einzu halten. Renard erläutert zunächst den Einfluss des Windes auf das Luftschiff. Er vergleicht letzteren mit einem ungeheuren Floss, dessen Bewegung alles darauf Befindliche mitmachen muss, sodass der absolute Weg des Luft schiffes die geometrische Summe aus dem absoluten Wege des Windes und dem relativen des Schiffes in Bezug auf letzteren ist . Für die stete Lenk barkeit eines Luftschiffes genügt es daher, dass seine Eigengeschwindigkeit der der stärksten gewöhnlich vorkommenden Winde überlegen sei, d . h . solchen von 20 m . Was nun zunächst die Aufgabe betrifft, ein Luftschiff schwebend zu erhalten, so überzeugt man sich leicht, dass man unterscheiden muss, zwischen Schweben an Ort und Schweben mit gleichzeitiger Fort bewegung. Eine einfache Besprechung zeigt, dass die Arbeit, welche pro 1 kg erforderlich ist, um einen Körper schwebend zu erhalten, durchaus un bestimmt bleibt, da sie noch von dem Verhältniss des Gesammtgewichtes zur tragenden Fläche ( Meter und Kilogramm als Masse ) abhängt . Uebrigens findet man unausführbahr grosse Flächen nöthig . Dasselbe gilt nach Renard auch von den Vertikalschrauben, die aber trotzdem etwas Verführerisches an sich haben , da sie durch geringe Schrägstellung der Axe auch dem zweiten Zwecke, der Fortbewegung zu entsprechen gestatten . Einige Worte gönnt Renard auch denjenigen Vorschlägen, welche Körper durch den Rück stoss ausströmender Gase nach Raketenmanier durch die Luft bewegen wollen, und welche auch auf den leeren Raum anwendbar sein sollen und daher dem kühnsten Ideenfluge Raum geben . Es folgt die Untersuchung des Schwebens , welches eine gewisse Horizontalgeschwindigkeit zur Voraus setzung hat, d. h. das Schweben mittelst horizontal bewegter Drachenflächen (Fortsetzung folgt in der nächsten Lieferung) . 19 VIII.

290

Mittheilungen aus Zeitschriften.

G. Tissandier , General Meusniers Projekt eines lenkbaren Ballons. Der Verfasser giebt einige Mittheilungen über Meusniers Pläne und zahlreiche Denkschriften , aus deren einer der erste Vorschlag der so genanten Meusnier'schen Tasche wörtlich abgedruckt wird . Ein früher Tod verhinderte den General an seinem weiteren Wirken . Er fiel 1794 vor Mainz. Der Atlas seines Hauptwerkes wurde 1870 bei der Uebergabe von Metz, woselbst er in der Ingenieurschule aufbewahrt wurde, vor den Händen der Deutschen gerettet . Béthuys , Ueber die Meusniers'schen Tasche . So populär der Name Meusniers jetzt in Frankreich geworden hat man ihm doch in Tours seiner Geburtsstadt vor Kurzem ein Denkmal errichtet - so wenig werden doch die meisten Leute von seinen Verdiensten wissen . An dieser Stelle interessiren nur seine Bestrebungen auf dem Gebiete der Luftschiff fahrt. Er hat gezeigt, dass ein lenkbares Luftschiff verlängert sein muss , dass es seine Gestalt nicht ändern darf und dass zur Erreichung dieses Zieles die nach ihm benannte Tasche ein brauchbares Mittel sei . Aber die Benutzung derselben, um einen Ballon willkürlich während der Fahrt zu belasten oder zu entlasten , ist starken Zweifeln ausgesetzt. Béthuys zeigt , dass das Gewicht einer genügend haltbaren Tasche ein unverhältnissmässig hohes sein müsste, ganz abgesehen von der grossen zur Kompression der Luft nöthigen Arbeit. Daher sei sie für den beabsichtigten Zweck unverwendbar. Abdruck eines bisher unveröffentlichten Briefes von Benjamin Franklin an Joseph Banks über die erste Auffahrt Pilâtre de Roziers und des Marquis d'Arlanda , wie ihn G. Tissandier in der " Nature " in franzö sischer Uebersetzung veröffentlicht. Referat schiffahrt.

über die Nummern 4-6 , 1888 ,

der Zeitschrift für Luft

2. Jahrgang. 1889. 1. Lieferung . Renard , der künstliche Flug . (Fortsetzung.) Der Verfasser be richtigt zunächst einen Fehler des ersten, in der vorigen Lieferung ent haltenen Theiles seiner Arbeit , auf welchen er durch Zuschriften von ver schiedenen Seiten her aufmerksam gemacht worden ist, der übrigens uner heblich ist und mit dem Folgenden keinen Zusammenhang hat. Er bespricht sodann die Gleichungen , welche für einen Drachenflieger oder Aëroplan im Zustande gleichförmiger Bewegung bestehen müssen. Diesen Apparat stellt er sich als lang und spitz geformten Körper vor, ähnlich den Luftschiffen Giffards und Dupuy- de-Lômes , am einen Ende versehen mit einer Schraube zur Vorwärtsbewegung und über dem ganzen eine Reihe von übereinander gestellten Drachenflächen . Diese, gewiss unzweckmässige Ueber einanderhäufung hat ihren Anlass in früheren , inzwischen berichtigten Vor stellungen und ist für die weitere Theorie ohne jeglichen Einfluss . Es wird nun vorausgesetzt , dass die Fortbewegung des Schiffes stets in seiner Längs richtung erfolge, und dass der Winkel, den diese einerseits mit der Hori zontalen und andererseits mit den Drachenflächen bildet, stets so klein sei, dass man den Sinus durch den Bogen und den Kosinus durch Eins ersetzen könne. Hieraus folgt dann unter Benutzung der Gleichgewichtsbedingungen, dass die Geschwindigkeit , welche das Schiff besitzen muss , um von den Drachenflächen auf gradliniger Bahn getragen zu werden , von der Neigung oder Steigung der letzteren unabhängig ist, während sie der Quadratwurzel des Winkels der Drachenfläche gegen die Bahn umgekehrt proportional ist . Im folgenden Abschnitte untersucht Renard die Arbeit in ihrer Abhängig

Mittheilungen aus Zeitschriften.

291

keit vom Wege. Sie setzt sich aus zwei Theilen zusammen , dem einen , der einfach zum Heben des Schiffes erforderlich ist und von der Neigung der Bahn abhängt, dem anderen, der auch auf horizontaler Bahn und dann ausschliesslich vorhanden ist und vom Widerstande der Drachenfläche und des Schiffskörpers herrührt . Den ersten Theil kann man nicht ändern . Der zweite dagegen ist grösser oder kleiner je nach der geringeren oder höheren Vollendung des Schiffes . Ein solcher passiver Widerstand ist vergleichs weise bei einem Fahrzeuge geringer, wenn man es mit Rädern versieht , als wenn man es nur schleift, ist ferner geringer für Räder, die sich auf Holz oder Eisenschienen bewegen , als für solche auf dem blossen Erdboden . Er ist übrigens, um auf unsern Fall zurückzukommen , unabhängig von der Dichte der Luft, also von der Höhe überm Erdboden . Je nach der Stellung der Drachenflächen ändert sich nun dieser Horizontal -Widerstand und er wird am kleinsten , wenn der Widerstand der Drachenfläche gerade gleich dem des Schiffskörpers ist. Die hierzu erforderliche Stellung der Fläche ist unabhängig vom Gewichte des Schiffes und braucht also infolge der während der Fahrt, z . B. durch Brennmaterialverbrauch, stattfindenden Gewichts veränderungen nicht geändert zu werden . Es zeigt sich ferner , dass die zu einer bestimmten Fahrt erforderliche Arbeit nur von den Koordinaten des Anfangs- und Endpunktes, nicht aber von der mehr oder weniger wellen förmigen Gestalt der Bahn abhängt. Man kann sich senkrecht zur Vertikal ebene der Bahn eine Anzahl derartig geneigter paralleler Ebenen konstruirt denken , dass ein Herabgleiten des Schiffes parallel einer solchen keine Arbeit. erfordert, das Erreichen einer derselben an irgend einer Stelle aber immer dieselbe Arbeit erfordert . Sie spielen also die Rolle von Niveauflächen oder Flächen gleichen Potentiales. Man darf aber hierbei keineswegs die anfangs betreffs der Winkel gemachten Einschränkungen vergessen . Der Abstand dieser gleichem Brennmittelverbrauch entsprechenden Ebenen wird beständig grösser infolge der Gewichtsabnahme des Schiffes. Die oben erwähnten Voraussetzungen haben zur Folge, dass die Rechnung sich nur auf den Fall anwenden lässt, dass die Neigung der Bahn geringer ist , als der Einfalls winkel jener Ebenen , dass die Arbeit also beständig positiv bleibt . Was die Abhängigkeit der Arbeit von der Zeit betrifft, so zeigt sich, dass der geringste Arbeitsverbrauch pro Sekunde erzielt wird , wenn der Widerstand des Drachens den von der Steigung der Bahn herrührenden um den drei fachen Widerstand des Schiffes übertrifft . Um mit einer gegebenen Menge Brennmaterial möglichst lange zu fliegen , muss man anders operiren, als um möglichst weit zu fliegen. Bei horizontaler Bahn muss der Neigungs winkel des Drachens im ersteren Falle 3 mal so gross sein, als im letzteren . Während in diesem die Arbeit nur unerheblich grösser sein muss , ist die Daher Geschwindigkeit erheblich grösser, nämlich ebenfalls 1,732 mal. empfiehlt arbeiten .

es sich in der Regel, mit diesem Winkel kleinsten Zuges zu Die Fortsetzung der Renard'schen Arbeit folgt nächstens .

Marcel Degouy ; Das Gleichgewicht von Fesselballons , eine geometrische Studie. Der Verfasser sieht bei vorliegender Untersuchung von der Einwirkung des Windes auf das Kabel , sowie von der etwaigen Veränderlichkeit des Windes mit der Höhe ab . Seine Arbeit muss daher im Wesentlichen eine Studie über die Eigenschaften der Kettenlinie sein, die er mit Geschick unter möglichster Vermeidung allgemeiner Rechnungen durchführt . Er erläutert zunächst , dass die Steigkraft gleich dem Gewicht des gehobenen Kabels ist und der Winddruck gegen den Ballon gleich der 19*

292

Mittheilungen aus Zeitschriften .

Spannung des Kabels an seinem tiefsten Punkte , dem Scheitel, oder allge meiner gleich der Horizontalkomponente der Spannung. Die Form der Kettenlinie hängt nur von der Windstärke ab . Degouy unterscheidet sodann diejenige Stellung des Ballons , bei der das Kabel in seinem Scheitel vom Erdboden berührt wird, als Hauptstellung von denjenigen Nebenstellungen, die einer beliebigen anderen Kabellänge angehören . Erstere ist die maxi male Steighöhe des Ballons bei gegebener Windstärke. Dieselbe ist gleich der Differenz der Spannung des Seiles am Ballon und der Kraft des Windes , beide Kräfte aufgezeichnet mit derjenigen Kabellänge als Mass , deren Ge wicht ihnen im Kräftedreieck das Gleichgewicht hält. Oder verallgemeinert : Der Höhenunterschied zweier beliebigen Kabelpunkte ist gleich der Differenz der Spannungen in diesen beiden Punkten , divi diert durch das Gewicht des laufenden Meters des Kabels . Den Nenner lässt Degouy infolge der besonderen Wahl seiner Einheiten fort . Diese einfache aber wichtige Beziehung ist lediglich im Gesetz der Ketten linie begründet und findet sich daher auch in der Theorie des Drachens wieder, sobald man von der Einwirkung des Windes auf die Drachenleine absieht. (Vergl . z . B. „ Z. d . V. z. F. d . L. 1883. p. 261 Glg. 3 u . 7. ) Die Ergebnisse der Betrachtungen werden jedesmal zu einfachen geometrischen Konstruktionen zurechtgelegt. (Forts. folgt. ) Hieran schliesst sich ein Referat über Renards Versuche über den Widerstand der Luft , worüber er der französischen physikalischen Gesellschaft in der Sitzung vom 18. Januar 1889 Bericht erstattet hat. Dieselben erstrecken sich 1 ) auf den Widerstand der Luft gegen dünne Flächen, die normal oder schief zum Luftstrom bewegt werden, 2) auf den Widerstand von Luftschiffen 3 ) auf die Luftpropeller. Den ersten Punkt betreffend glaubt Renard in dem namentlich in Frankreich heftig geführten Streit über den Sinus simple ou carré sich für den ersteren entscheiden zu müssen, dergestalt jedoch , dass seine Beobachtungen am besten durch eine Formel N 4 S v² (a sin a ―――― (a1) sin ³α) wiedergegeben werden , wobei eine konstante , etwa 0,125 , S die Fläche in qm , v die Geschwindigkeit in m, a den Winkel der bewegten Ebene mit der Bewegungsrichtung und a eine Zahl grösser als 1 , wahrscheinlich 2 be deutet, sodass man für kleine, dann in in Bogenmass anzugebende Winkel angenähert N 2 S va haben würde. Daraus ergiebt sich dann, wie auch in unserer Zeitschrift früher ausgeführt ( Z. d . V. z . F. d . L. , V. Jahrg . 1886 , p. 82), dass die Flugarbeit der Vögel eine minimale sein muss bei einer gewissen Geschwindigkeit , die sie vermuthlich gewöhnlich innehalten . Desgleichen ermittelt Renard , und hierbei auch experimentell , dass unter den Luftschrauben eine solche von gewisser Steigung die beste ist . Als Mass für die Güte entwickelt Renard das Verhältniss P3 : T2, unter P den Zug der Schraube in kg, unter 7 die verbrauchte Arbeit in mkg ver standen . Renard gedenkt seine Arbeiten fortzusetzen. Bei den grossen ihm zur Verfügung stehenden Geldmitteln und seiner bisher entwickelten Um sicht und Energie im Angriff nothwendiger Untersuchungen dürfen wir weitere interessante Erfolge erwarten . Den Rest der Lieferung 1 nimmt ein die Liste der zum Aëronauten kongress 1889 ernannten Kommissare, Referate, und die Besprechung des Buches : Espitallier, Die Ballons und ihre Anwendung im Kriege (Espitallier, capitaine du génie, les ballons et leur emploi à la guerre , G. Masson Gl. éditeur, 120 boulevard Saint-Germain, Paris) .

Kleinere Mittheilungen.

293

Kleinere Mittheilungen. -- Statoskop. Im Jahre 1889 haben die Gebrüder Richard in Paris eine neue Auflage ihrer "9 Notice sur les instruments enregistreurs " herausgegeben , welche gegen die erste bedeutend erweitert ist ; wir entnehmen derselben Folgendes : „ Das Statoskop ist ein Luftbarometer, und besteht aus einem Metallreservoir, welches mit einem hochempfindlichen Manometer kommunizirt. Letzteres vermag noch Druckver änderungen anzugeben, welche einem Zehntel - Millimeter Wasser gleichwerthig sind. Wenn bei konstanter Temperatur die elastische Wand des Manometers von einer Seite her dem atmosphärischen Drucke, von der anderen dem konstanten Drucke des abge schlossenen Luftquantums ausgesetzt ist, werden die Aenderungen des atmosphärischen Druckes allein das Instrument beeinflussen. Während also bei dem gewöhnlichen Metall Barometer die elastische Wand dem ganzen Atmosphärendrucke das Gleichgewicht halten, und deshalb verhältnissmässig kräftig konstruirt sein muss, übernimmt hier die abge sperrte Luft diese Rolle ; die elastische Wand kann deshalb sehr dünn sein, so dass sie jedem einseitigen Ueberdrucke weit mehr nachgiebt, als das gewöhnliche Metallbarometer. Wegen dieser grossen Empfindlichkeit erscheint es unthunlich, der Skala - nach Milli meter Quecksilberdruck gerechnet denselben Umfang zu geben , wie bei dem ge wöhnlichen Berometer. Vor jeder Benutzung des Instrnmentes muss man deshalb den Zeiger auf Null zurückführen , wozu nichts weiter nöthig ist, als durch Oeffnen eines Hahnes das Reservoir mit der umgebenden Luft in Verbindung zu setzen . In der Praxis wird man den Hahn im Allgemeinen offen lassen und unmittelbar vor jeder Benutzung erst schliessen. (Gerade dieses Verfahren ist es , welches durch die Verwendung der elastischen Kraft der Luft ermöglicht wird ; käme es darauf nicht an, so könnte man wohl daran denken, die abgesperrte Luft durch eine Feder zu ersetzen . ) Obgleich das Statoskop nur zu kurz dauernden Beobachtungen bestimmt ist, und deshalb der störende Einfluss von Temperatur-Aenderungen der Umgebung im Allgemeinen vernachlässigt werden kann , so ist der Sicherheit halber das Reservoir doch mit schlechten Wärme leitern umgeben worden. Ursprünglich ist das in Rede stehende Instrument konstruirt worden, um dem Luftschiffer ein einfaches und sicheres Hülfsmittel zur Feststellung der auf- oder absteigenden Bewegung des Ballons an die Hand zu geben. Hieraus ist auch der Name Statoskop entstanden. " Sp. - Preise für Leistungen in der Aeronautik. Bei Gelegenheit der 1889 er Welt -Ausstellung in Paris sind folgende Preise für hervorragende Leistungen auf dem Gebiete der Luftschiffahrt zur Vertheilung gelangt : Die goldene Medaille erhielt der Fabrikant des Militär-Luftschiffer-Materials G. Yon , die silberne Medaille empfing die Firma Lachambre und Hervé , die bronzene Medaille wurde dem Eigenthümer des ,Aéronaute" Dr. Hureau de Villeneuve sowie der Académie d'Aérostation ertheilt. Die Arbeiten der Herren Cassé und Rouland fanden ehrenvolle Erwähnung.

Deutscher Verein zur Förderung

der Luftschiffahrt.

Protokoll der am 18. November 1889 im Saale der Königl. Kriegs Akademie abgehaltenen (113.) Sitzung. Schriftführer : Dr. Kremser.

Vorsitzender : Dr. Assmann.

Tagesordnung : 1. Geschäftliche Mittheilungen ; 2. Herr Regier.- Baumeister Hansen aus Hannover : Ueber die Theorie des dynamischen Luftschiffes. Bei der Eröffnung der Sitzung theilt der Vorsitzende mit, dass eine Reihe von Protokollen zur Kenntnissnahme und Annahme seitens der Versammlung auf dem Vor standstische ausliegen, und ertheilt hierauf dem Vereinsbibliothekar Herrn Lieut. Gross das Wort zur kurzen Berichterstattung über die neuesten litterarischen Eingänge. Im

294

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

Anschluss daran bespricht der Redakteur der Vereinszeitschrift Herr Dr. Angerstein , nachdem er von der Konstituirung des Redaktionsausschusses und der Wahl des Herrn Prem .- Lieut. Moedebeck zum Obmann desselben Mittheilung gemacht, die neu erschienenen flugtechnischen Werke der Mitglieder von Parseval und Lilienthal. Alsdann hielt Herr Regier. - Baumeister Hansen den angekündigten Vortrag. Gegenüber den grossen Fortschritten auf allen technischen und wissenschaftlichen Gebieten sei es verwunderlich , dass die Leistungsfähigkeit des lenkbaren Luftballons bisher eine so bescheidene geblieben sei . Die richtige Erklärung liege wohl darin, dass das Prinzip des lenkbaren Ballons ein verfehltes ist. Im Gegensatz hierzu bietet das dynamische Flugschiff mehr Aussicht auf Erfolg. Zum Beweise legt Redner noch keinen fertigen Entwurf vor, sondern stellt eine Reihe theoretischer Betrachtungen an, aus denen die Durchführbarkeit seines Gedankens hervorgehe. Er habe für seine Untersuchungen die Drachenform zu Grunde gelegt , wozu als Bewegungsmechanismus die Flügelwelle hinzu genommen wurde. Sie zwingt zwar zu grossen Dimensionen , allein die Formeln für den Luftwiderstand seien darauf direkt anwendbar. Von diesen bängt die Entscheidung ab , ob die Leistungsfähigkeit bei den angenommenen bezw. erprobten Verhältnissen gross genug ist, um eine bestimmte Geschwindigkeit zu erzeugen. Bezüglich des Widerstandes seien die für Wasserschiffe gültig gefundenen Formeln mutatis mutandis auch hier anzu wenden. Sobald man den Neigungswinkel klein wählt, ist die Möglichkeit der Lenkbarkeit mit unseren bisherigen Kraftmaschinen gegeben ; die erforderliche Fläche des Apparates, wenigstens die als minimal sich ergebende, hindere ebenfalls die Ausführbarkeit nicht. Dazu komme, dass in vieler Beziehung die angenommenen Verhältnisse in Wirklichkeit durch erweiterte Untersuchungen ein noch günstigeres Resultat ergeben würden. Diese Untersuchungen müssten betreffen die Bestimmung des Luftwiderstandes für kleine Winkel und grosse Geschwindigkeiten , die Ermittelung des Nutzeffekts der Flügelwelle, endlich eine genauere Beobachtung des Druckes der Luft. In der angeschlossenen Diskussion bestätigt Herr von Sigsfeld einzelne Voraus setzungen des Redners , hält aber dem Ganzen entgegen, dass gewölbte Flächen günstigere Ergebnisse lieferten . Herr Hansen stimmt dem zu, da seine weiteren Untersuchungen ebenfalls darauf führten ; noch günstiger scheine die Verbindung einer gewölbten Fläche mit einer auf der Vorderkante derselben aufgesetzten geneigten kurzen Ebene . Zu der letzteren Form , als einer sehr geeigneten, ist auch Herr O. Lilienthal gelangt, indem eine verdickte Vorderkante der Wölbfläche die günstigsten Resultate ergab. Nach einigen Auseinandersetzungen des Herrn Dr. Kronberg und v. Sigsfeld mit Herrn Hansen über die Lenkbarmaehung im vertikalen und horizontalen Sinne durch die eine Flügel welle bezw . über die Wirkung der Luftschrauben machte Herr Priess einige Ausstellungen über die praktische Durchführberkeit der Idee . Zum Schluss wurde noch Herr Ganswind zum Worte zugelassen, der nach ver schiedenen Auslassungen über den von ihm gegründeten „ patriotischen Verein für Luft sehiffahrt den praktischen Werth des Flugapparats für übertrieben hält und ferner bedauert, dass den bezüglichen Versuchen besonders die zwei Schwierigkeiten, geeigneten Raum und genügende Aufsicht zu erlangen, entgegenstehen. Nach einer kurzen Pause schildert Herr v. Sigsfeld einige Luftfahrten, die er vornehmlich im Interesse der Meteorologie zur Ausprobung einzelner Methoden von bayrischen Orten aus unternommen hatte . Die Methoden betreffen die Ermittelung der wahren Lufttemperatur , sowie der vertikalen Bewegung der Luft , ferner die Orts bestimmung durch Sounen- oder Sternbeobachtungen im Ballon . Nach Mittheilung einer Reihe wichtiger Beobachtungen beschrieb der Vortragende noch die gefabrvolle, aber interessante Landung der zweiten Fahrt. Der Vorsitzende schloss hierauf mit Dankesworten für die Vorträge die Sitzung . Kremser.

Inhaltsverzeichniss des achten Jahrgangs.

295

Inhaltsverzeichniss des achten Jahrgangs . (Die Ziffern hinter den Titeln bedeuten die Seitenzahlen.) Abhandlungen, Vorträge, Polemisches. Organisation , Schaffen und Wirken der französischen Luftschiffer - Vereine. H. W. L. Moedebeck . Zur Theorie des Fluges. Von K. Fuchs (Pressburg)

Seite Von 2. 41 15. 53

88393

Beiträge zur Erklärung der elektrischen Vorgänge aus der Wellenbewegung. Von Rudolf Mewes 23. 60. 100. 139. 235 Das Kriegs - Luftschiffer - Material (System Yon und Lachambre) . Von Gross. ( Mit 33. 88 einer lithographirten Tafel) . Betrachtungen über die Gesetze des Fluges. Von Alexander Freiherr von Ungern 68 Sternberg. ( Mit Zeichnungen) . 73 Gegen einige von Herrn Popper ausgesprochene Ansichten . Von A. Platte Konstruktion, Leistungen und Schicksale der bisher gebauten Riesen-Fesselballons. Von Hildenbrand . . . 81 112. 144 Die Königlich preussische Landesaufnahme . Trennung des Kriegs- Luftschiffer - Materials Yon's in Festungs- und Feld - Material. Von Gross .. · • 131. 163. 211. 231. 267. Betrachtungen über Gummilösungsmittel . Ueber die Emission und Absorption der Wärme und Elektrizität. Von Rudolf Mewes Meteorologische Beobachtungen im Fesselballon . Von Prof. Dr. Köppen . Das Wesen der Materie und des Naturerkennens. Von Rudolf Mewes . Die aëronautische Spezial- Ausstellung in Köln Ueber das Fliegen und insbesondere den Vogelflug. Von Drd . M. Herz . ( Mit zwei • lithographirten Tafeln) Die neueren Fallschirmversuche. Von Dr. Wilhelm Angerstein . (Mit Abbildungen) Beitrag zur Erklärung des Gravitationsproblems . Von Rudolf Mewes Das englische Ballonmaterial. Von Hermann Hoernes . Einige wissenschaftliche Ergebnisse gleichzeitiger am 19. Juni 1889 angestellter Beobachtungen in den höheren Luftschichten im Luftballon und auf meteo rologischen Hochstationen . Theil I : Ergebnisse mehrerer gleichzeitiger Ballonfahrten . Von Gross. ( Mit einer lithographirten Tafel) . Beiträge zur Erklärung des Fluges . Inhalts - Angabe eines Vortrages von C. Milla 263. und Diskussion des Vortrages

129 281 136 153 158 166

177 192 208 225

249 278

Die Fesselballon - Abtheilung der Hamburger Gewerbe- und Industrie - Ausstellung von 1889. Von G. Rodeck ...

273

Korrespondenzen, Berichte. Aus Amerika Fahrt des Ballons ,,Le Nouveau Monde" am 14. Juli 1889 Aus Spanien

215 216 237

Litterarische Besprechungen. Technologisches Wörterbuch, Deutsch- Englisch - Französisch . Katalog von Werken über Geschichte, Theorie und Praxis der Schiffsbaukuust • A. von Parseval, Die Mechanik des Vogelfluges 0. Lilienthal, Der Vogelflug . A. Platte, Erörterung der wichtigsten aëronautischen Streitfragen Mittheilungen aus Zeitschriften. L'Aéronaute . Revue du cercle militaire



117 118 219 286 287

28. 221 29. 79

296

Inhaltsverzeichniss des achten Jahrgangs.

Seite 78 79 119. 149 120 239 289

Memorial de Ingenieros . Revista militar . Allgemeine Sport-Zeitung • Der Stein der Weisen · La Nature Revue de l'aéronautique Kleinere Mittheilungen. Hundertjähriges Jubiläum der Luftschiffahrt in Berlin . Einheitliche Zeitregulirung Fesselballons und Fallschirmversuche Bemerkung zur Prioritätsfrage der elektrischen Wellentheorie. Ein deutscher Luftschiffer in Amerika verunglückt . Ueber ein scheinbares mechanisches Paradoxon . Der englische Luftschiffer Parcival Spencer Ein Ballon in der Nordsee

Von Rudolf Mewes

Von Dr. Eugen Dreher

Uebungen der Luftschiffernormalschule zu Paris Französische Reklame . Ueber eine verunglückte Ballonfahrt der Militär- Luftschiffer- Abtheilung Luftschiffer Ernst Syring • Aus München P. Klinder + Eine Negersage Gambetta's Luftfahrt . Campbell's lenkbares Luftschiff Ballontelegraphie Warnung . Statoskop . Preise für Leistungen in der Aeronautik

30 79 121 151 151 151 152 170 170 171 171 172 172 224 240 241 243 271 271 293 293

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. Protokoll der Sitzung vom 19. Januar 1889 "7 "" ท "" 25. Januar 1889 18. Februar 1889 "" 99 "" "1 99 25. März 1889 . 99 "9 "1 Satzungen vom 15. April 1889 Protokoll der Sitzung vom 15. April 1889 "" 39 20. Mai 1889 . 99 99 29 99 29 30. September 1889 "9 "" 99 99 99 21. Oktober 1889 . 12 " 29 99 18. November 1889

31 121 122 124 173 244 245 247 271 293

Flugtechnischer Verein in Wien. Protokoll der General - Versammlung am 19. März 1889 Bericht des Vereins- Ausschusses über das Vereinsjahr März 1888 bis März 1889 Ausschussmitglieder und Rechnungsrevisoren .

126 127 248

Verschiedenes . Vorwort. Von Dr. Assmann . Internationaler aëronautischer Kongress in Paris 1889 Inhaltsverzeichniss des achten Jahrgangs

1 109 295

Druck von Beyer & Münch, Berlin W., Behrenstr. 28.

Zeitschrift

für

Luftschiffahrt.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

2

Herausgegeben

von dem

Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien , zugleich Organ des

Münchener Vereines für Luftschiffahrt,

redigirt von

Dr. phil.

Wilhelm Angerstein in Berlin .

IX. Jahrgang .

BERLIN . Verlag von W. H. Kühl W., 73 Jägerstrasse. 1890.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W. , Jägerstrasse 73.

Heft I.

1890.

IX. Jahrgang .

Das Aspirations- Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon . Von Dr. R. Assmann . Unter denjenigen Aufgaben , deren Lösung allein unter Zuhülfenahme des Luftballons gelingen kann, steht die Ermittelung der Temperatur- und Feuchtigkeitsvertheilung in der Atmosphäre in erster Linie. Wir wissen zwar im allgemeinen, dass die Temperatur mit der Er hebung über die Erdoberfläche

abnimmt, ebenso, dass der Wasserdampf

gehalt hoher atmosphärischer Schichten geringer ist, als solcher, welche der Erdoberfläche näher sind, aber über das Mass dieser Abnahme unter den verschiedensten Witterungsverhältnissen ist unsere Kenntnis noch äusserst unvollkommen. Die

Gleichgewichtsverhältnisse der Atmosphäre

sind aber von den

beiden meteorologischen Elementen Temperatur und Wasserdampfgehalt der Luft in so hohem Grade abhängig, dass ein allseitiges Eindringen in die atmosphärischen Vorgänge ohne deren genaueste Kenntnis unmöglich er scheinen muss . Es ist daher nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, dass der Korb des Luftballons für wesentliche Theile der Meteorologie die Rolle der „Wiege" zu vertreten berufen ist. Ueberall,

wo

es

sich um die Vorgänge der

„ freien “

Atmosphäre

handelt, können Gipfel - Observatorien trotz ihrer sonstigen erheblichen Vor züge den Luftballon nicht ersetzen, da sie niemals von dem Einfluss der Unterlage ,

des

Gipfels und des ganzen Gebirges befreit werden können,

während der von der Luft getragene , ihr überall hin widerstandslos folgende Gasballo nur in sehr untergeordnetem Grade im Stande ist, einen Eigen Einfluss auf seine Umgebung auszuüben. Diese und ähnliche Erwägungen haben deshalb schon bald nach der 1 IX .

Das Aspirations -Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon .

2

Erfindung des Luftballons die Forscher aller Nationen in die Gondel geführt , alle beseelt von dem Verlangen , unter Ausschluss aller störenden Neben umstände die Räthsel des Luftmeeres zu lösen . Aber mit dem Eindringen in die höheren Luftschichten allein war für die Wissenschaft noch wenig erreicht; diese bedarf der Messungen, der Zahlenwerthe. Und um diese zu gewinnen, bedurfte man der zweckent sprechenden Methoden und der Apparate. Lange Zeit hindurch meinte man.

mit der freien Aufhängung eines

gewöhnlichen Thermometers und der Beobachtung eines der gebräuchlichen Hygrometer genug gethan zu haben, um Werthe von wissenschaftlicher Be deutung zu gewinnen.

Erst als man einsah, dass die Angaben derselben

von wechselvollen äusseren Bedingungen , wie Besonnung . Beschattung oder Benetzung abhängig waren, änderungen des

sowie,

dass nicht selten bei schnellen Höhen

Ballons das Wärmegefühl den Angaben der Thermometer

nicht entsprach, ging man an die Verfeinerung der Beobachtungs - Apparate, indem man dieselben den machen versuchte . So schloss durchbrochene

Störungen zu

entziehen und

empfindlicher zu

man die Thermometer und Hygrometer in Gehäuse oder

Schränke

ein und vergrösserte ihre

Berührungsfläche mit

der Luft, hierdurch die genannten Störungen zwar zum Theil vermeidend, aber neue und schädlichere an deren Stelle setzend . Denn bei der im frei fliegenden Ballon fast

ausnahmslos

herrschenden Windstille

musste jede

Behinderung des freien Luftzutritts zu den Apparaten Irrthümer hervorrufen . Erst die praktischen Engländer schlugen den richtigen Weg zur Ver meidung der wichtigsten Störungen ein, indem Welsh im Jahre 1853 zuerst ein selbsterdachtes Thermometer in Verwendung nahm, bei welchem eine künstliche Lufterneuerung durch Aspiration der Aussenluft bewirkt wurde . Aber obwohl auch der erfolgreichste und kühnste aller gelehrten Luftschiffer, James Glaisher , nahm,

diesen Welsh'schen Apparat wiederholt in Verwendung

gelang es nicht,

diesem

eine derartige Gestalt zu geben,

dass er

für die Erfüllung seiner Aufgaben im Luftballon als völlig geeignet an gesehen werden konnte .

Glaisher selbst scheint diesen Apparat wieder

verlassen zu haben, womit dieser in unverdiente Vergessenheit gerieth .

eine, wie wir sehen werden , völlig

Unbekannt mit diesen Versuchen von Welsh und Glaisher kam der Verfasser dieser Zeilen im Verlaufe analoger Experimente selbständig auf den Gedanken, unter Vermeidung aller unnöthigen Massen ein Thermometer in

eine

spiegelnde

Metallhülle

einzuschliessen und an demselben

einen

kräftigen Luftstrom fortgesetzt vorüberzuführen. Die spiegelnde Hülle sollte einen Theil der sie treffenden Wärmestrahlen zurückwerfen , die fortgesetzte Lufterneuerung aber Luft unter ihren natürlichen Bedingungen in so grosser Menge und mit so grosser Geschwindigkeit an dem Thermometergefäss vor überführen, dass das einzelne Lufttheilchen nicht Zeit genug hätte, um sich

Das Aspirations-Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon.

3

an der höher temperirten Umhüllung in einer für die Praxis erheblichen . Weise zu erwärmen. So

entstand das Aspirations - Thermometer und unter Berücksichtigung

ähnlicher Erwägungen das

Aspirations - Psychrometer.

indem ein zweites ,

mittels einer Musselinumhüllung zur Wasserverdampfung in bekannter Weise hergerichtetes Themometer unter gleiche äussere Bedingungen versetzt wurde . Nach längeren , durch mehrfache Probe-Konstruktionen und Abstellung der ermittelten Fehler bewirkten Untersuchungen gelang es dem Verfasser dieser Zeilen, dem von ihm erdachten Apparate eine Form zu geben, welche allen Anforderungen in vollem Masse gerecht wird. Eine ganz wesentliche Förderung dieser Arbeiten, besonders soweit

es sich um konstruktive Vervollkommnung des Aspirations Mechanismus handelte, erfuhr der Verfasser durch die überaus thätige und sachverständige Mitarbeit des in Luftschifferkreisen rühmlichst bekannten Ingenieurs Herrn Bartsch von Sigsfeld , welcher weder Mühe noch Kosten scheute, um der mannigfachen Schwierigkeiten Herr zu werden , welche der praktischen Ver werthung des an sich ohne Zweifel richtigen Princips entgegentraten. Der Apparat in seiner jetzigen, wohl als endgültig anzusehenden Form ist folgender : Zwei in

Grade getheilte feine, sorgfältig mit Normalinstrumenten

Thermometer mit cylindrischen Gefässen von 4 mm Durch messer und 12 mm Länge (a umstehender Figur) sind mit ihren unteren Enden in offene cylindrische Röhren von 1 cm Durchmesser und 5 cm

verglichene

Höhe (6) eingeschlossen, sodass das Thermometergefäss etwas oberhalb der Mitte der Röhre, aber genau in dessen Längsachse sich befindet. Diese wird von einer zweiten, weiteren umhüllt (c), welche einen Durch Röhre messer von 1,75 cm und eine Länge von 4,5 cm hat und an ihrem unteren Ende trichterförmig erweitert ist, sodass hier die Oeffnung 2,5 cm Durch haben eine Wandstärke von messer besitzt. Die beiden Hüllrohre b und 0,5 mm ,

Messing und sind innen wie aussen Die innere Röhre b ist an der äusseren e vermittelst vier feiner

bestehen aus

hochpolirt.

vernickeltem

metallener Schrauben e von nur 0,6 mm Stärke befestigt ; die äussere ist mittels eines Gewindes in dem Elfenbeinringe d eingeschraubt. Da die äussere Röhre kürzer ist, als die innere, ausserdem noch um 2 mm die innere nach unten überragt ,

findet keine metallische Berührung zwischen

beiden Röhren statt. Die beiden Elfenbeinringe d sind mittels Gewinden in dem aus 2 mm . starkem vernickeltem Messing bestehenden Gussstück f eingeschraubt, welches zwei 2.1 cm weite, zu einem gemeinschaftlichen Rohr von 2 cm Durch messer sich vereinigende kurze Röhrenstücke darstellt. Senkrecht über dem inneren Hüllrohre

sind beide Schenkel von f durchbohrt, um die Thermo

meter durchzulassen,

welche an dieser Stelle Metallringeh tragen und mittels derselben dicht in die Durchbohrungen passen. 1*

4

Das Aspirations- Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon. An das Mittelstück von f ist die 2 cm ‫ט‬ weite und 21,6 cm lange cylindrische Mes singröhre g fest angesetzt , welche an ihrem oberen Ende glatt und rechtwinklig t zur Längsachse abgeschnitten ist. Zwischen die beiden Schenkel des Guss stückes

u

ul

S

bei Gl

TIL

ist von unten her ein enges Rohr

von 2 mm Durchmesser eingeschraubt, wel ches unten bei i verstärkt ist und oben in eine feine offene Spitze ausläuft.

Das gerade Mittelrohr g trägt unter halb seines oberen Endes zwei kräftige. ), seitlich um 2 cm hervorragende Stützen (4 welche an zwei Stellen senkrecht durch bohrt sind.

Die inneren Oeffnungen nehmen

die oberen Metallkappen m der Thermo meter auf. Zur Sicherung der beiden ausserhalb des Mittelrohres parallel mit diesem ver laufenden Thermometer dienen die Metall

g

stangen

, welche am Gussstück / mittels

je zweier Schrauben befestigt sind und oben, durch die äusseren Oeffnungen der Stützen hindurchreichend, mittels Schrau benmuttern eine feste Verbindung des gan zen Apparates bewirken ; zugleich decken die Schraubenmuttern die Kappen m der Thermometer zu einem kleinen Theile, hier durch ein Herausfallen der letzteren ver hindernd . Im Innern des grossen Mittelrohres g befindet sich unmittelbar unter dessen oberer Oeffnung ein Achsenlager o in der Weise befestigt, dass es durch drei kräftige, aber in ihren Breitendurchmessern möglichst

Stützen

und

oben

schmale ,

getragen

höhlung steht

das

unten

wird.

zugeschärfte Lager

In der

feingeschliffene

abge

rundete Ende der Welle p, deren oberes Ende, in b

in

einem

einen Neuner-Trieb übergehend, entsprechenden

der Zeichnung steckt.

Fig. 1.

Lager

des

in

fortgelassenen Uhrwerkes

Das Aspirations- Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon . Die Welle

5

bildet die Drehungsachse der metallenen Aspiratorscheiben

r und r ' , welche nach unten konvex gekrümmt, einen Durchmesser von 8,4 cm haben, in der Mitte 1 cm, am Rande 3 mm von einander entfernt und durch 4 bunden sind.

entsprechend geformte radiäre Rippen s mit einander ver Diese Rippen sind in der Weise angebracht, dass sie sich

der Bewegungsrichtung der auf centrifugalen Bahnen zwischen den Scheiben strömenden Luft möglichst anschliessen .

Nach unten ist die untere Scheibe

r in der Mitte ringförmig glatt abgeschnitten und zwar befindet sich dieser scharfe,

durchaus

ebene Rand q in unmittelbarster Nähe

des

analogen

Oberrandes des Mittelrohres g, sodass beide Ränder sich nirgends berühren, der zwischen ihnen befindliche ringförmige Spalt aber so schmal als möglich ist. An einer äusseren Verstärkung des Mittelrohres g sitzt nun eine die Aspiratorscheiben und das ganze Uhrwerk umschliessende Metallkapsel t mittels eines Gewindes an, welche nur am Rande, entsprechend dem Rande der Aspiratorscheiben, bis auf einige verbindende Stützen aufgeschnitten ist, sodass eine fensterartig unterbrochene Spalte vom 5 mm Breite (2) rings herumläuft. In der Mitte der Metall kappe

sitzt

ein

kugelig

abgedrehter

Knopfv, welcher mit zwei entsprechend ausgehöhlten Klemmbacken eines starken eisernen Schraubdornes von 30 cm Länge ein Kugelgelenk bildet, vermittels dessen der ganze Apparat frei nach allen Richtungen drehbar aufgehängt werden kann. Alle metallischen Theile des Apparates, mit Ausnahme des Uhrwerkes und der Aspiratorscheiben , sind vernickelt und polirt . Fig. 2 stellt den Apparat in seiner äusseren Ansicht, mit denselben Buchstaben, wie in Figur 1 soweit möglich versehen, dar. Betrachten wir nun die Wirkungsweise des Apparates . Die beiden, durch radiär gestellte Rippen verbundenen Aspiratorscheiben

stellen den unter dem Namen „ Centri

fugal-Ventilator " oder „ Exhaustor" bekannten Apparat dar. Wird das Scheibenpaar in Drehung um seine centrale Axe versetzt, so wird die zwischen beiden Scheiben be findliche Luft zur Theilnahme an dieser Bewegung theils durch Reibung an den Scheiben selbst , besonders aber durch das Vorhandensein der 4 Rippen gezwungen , wird aber durch Centrifugalkraft nach dem Rande ben gedrängt ;

hier

erhält

sie

die

grösste

der Schei Drehungsge

schwindigkeit in der Zeiteinheit und wird nach aussen geschleudert , wobei sie die Scheibe nach bekannten Ge setzen in der Richtung der Tangente verlässt .

Der so be

Fig. 2.

Das Aspirations - Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon.

6

wirkte Luftverlust muss aber,

da ein anderer Weg nicht offen steht, aus

der unteren, in der Mitte gelegenen Oeffnung der Scheiben (bei q Fig. 1 ) und weiterhin aus dem sich anschliessenden weiten Mittelrohre g, ferner aus der in den beiden Schenkeln dieses Rohres und dem zwischen den Hüllen

und e und zwischen

und

dem Thermometer a frei bleibenden

Raume, endlich aus der freien Atmosphäre unterhalb der beiden Oeffnungen von b und c ersetzt werden, so dass wir, wie die Pfeile in Fig. 1 andeuten. eine an den Thermometergefässen vorbeiführende, zwischen den beiden Hüll rohren durchstreichende, im Mittelrohre aufwärts gehende und aus der Aspi ratorscheibe austretende Luftströmung durch den ganzen Apparat haben, so lange die Aspiratorscheibe sich in Bewegung befindet. Dieses ausser der Eintritts- und Austrittsöffnung überall geschlossene Röhrensystem hat an zwei Stellen kleine Nebenöffnungen, durch welche Luft in den Apparat

eintreten könnte .

Spitzenöffnung des bei

Diese befinden

sich bei k ,

mit der Aussenluft kommunicirenden

der feinen centralen

Rohres, und bei q, dem feinen ringförmigen Spalte zwischen Aspiratorscheibe und Mittelrohr. Wie wir später sehen werden, ist aber die im Röhrensysteme bei der Luftbewegung eintretende Druckverminderung eine so ausserordentlich ge ringe, dass dieselbe nur minimale Luftmengen durch die genannten engen Lücken hindurchzusaugen vermag, zumal eben die Enge der offenen Räume der durchströmenden Luft erhebliche Reibungswiderstände in den Weg legt . Der Zweck der centralen Röhre ik wird weiter unten erläutert werden. Die Menge der in der Zeiteinheit durch das Röhrensystem geführten Luft wird durch folgende Momente bestimmt werden. Zunächst kommt der Durchmesser und die Umdrehungsgeschwindigkeit der Aspiratorscheibe in Betracht. Die Menge der in dem Zwischenraume zwischen den beiden Scheiben eingeschlossenen Luft wird eine um so grössere sein, je grösser der Durch messer der Scheiben selbst ist ; bei gleicher Umdrehungsgeschwindigkeit wird daher aus einer grösseren Scheibe mehr Luft ausgeschleudert werden, aus einer kleineren.

Da der Durchmesser der Scheibe 8,4 cm ,

als

also deren

Umfang 26,4 cm ist , legt die Peripherie derselben bei einer Umdrehung einen Weg von 26,4 cm zurück. Die eingeschlossene Luft kann allerdings der Aspiratorscheibe

nicht

absolut folgen ,

deshalb wird

ihre Austritts

geschwindigkeit hinter diesem Werthe zurückbleiben müssen . Von Wichtigkeit ist ferner die Kenntnis der Drehungsgeschwindigkeit. In unserem Apparate

setzt

sich der Bewegungsmechanismus der Scheibe

folgendermassen zusammen . Eine Federtrommel mit 80 Zähnen greift in einen Trieb mit 12 Zähnen, sodass 1stzterer um das mit demselben verbundene Rad von 80 Zähnen bei einer Umdrehung der ersteren 6 Umdrehungen ausführen muss . Dieses dreht mittels eines Triebes von 24 Zähnen ein zweites Rad von 84 Zähnen

5

Das Aspirations - Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon. Die Welle

bildet die Drehungsachse der metallenen Aspiratorscheiben

rund r', welche nach unten konvex gekrümmt, einen Durchmesser von 8,4 cm haben, in der Mitte 1 cm, am Rande 3 mm von einander entfernt und durch 4 bunden sind .

entsprechend geformte radiäre Rippen s mit einander ver Diese Rippen sind in der Weise angebracht, dass sie sich

der Bewegungsrichtung der auf centrifugalen Bahnen zwischen den Scheiben strömenden Luft möglichst anschliessen .

Nach unten ist die untere Scheibe

r in der Mitte ringförmig glatt abgeschnitten und zwar befindet sich dieser scharfe,

durchaus

ebene Rand q in unmittelbarster Nähe

des

analogen

Oberrandes des Mittelrohres g, sodass beide Ränder sich nirgends berühren, der zwischen ihnen befindliche ringförmige Spalt aber so schmal als möglich ist. An einer äusseren Verstärkung des Mittelrohres g sitzt nun eine die Aspiratorscheiben und das ganze Uhrwerk umschliessende Metallkapsel t mittels eines Gewindes an, welche nur am Rande, entsprechend dem Rande der Aspiratorscheiben, bis auf einige verbindende Stützen aufgeschnitten ist, sodass eine fensterartig unterbrochene Spalte vom 5 mm Breite (w) rings herumläuft. In der Mitte der Metall kappe

sitzt

ein

kugelig

abgedrehter

Knopf v, welcher mit zwei entsprechend ausgehöhlten Klemmbacken eines starken eisernen Schraubdornes von 30 cm Länge

ein Kugelgelenk bildet, vermittels dessen der ganze Apparat frei nach allen Richtungen drehbar aufgehängt werden kann. Alle metallischen Theile des Apparates, mit Ausnahme des Uhrwerkes und der Aspiratorscheiben, sind vernickelt und polirt. Fig. 2 stellt den Apparat in seiner äusseren Ansicht, mit denselben Buchstaben, wie in Figur 1 soweit möglich versehen, dar.

Betrachten wir nun die Wirkungsweise des Apparates . Die beiden, durch radiär gestellte Rippen verbundenen stellen den unter dem Namen „ Centri fugal-Ventilator " oder „ Exhaustor " bekannten Apparat dar. Aspiratorscheiben

Wird das Scheibenpaar in Drehung um seine centrale Axe versetzt, so wird die zwischen beiden Scheiben be findliche

Luft zur Theilnahme an dieser Bewegung theils

durch Reibung an den Scheiben selbst , besonders aber durch das Vorhandensein der 4 Rippen gezwungen , wird aber durch Centrifugalkraft nach dem Rande ben

gedrängt ;

hier

erhält

sie

die

grösste

der Schei

Drehungsge

schwindigkeit

in der Zeiteinheit und wird nach

geschleudert ,

wobei

aussen

sie die Scheibe nach bekannten Ge

setzen in der Richtung der Tangente verlässt .

Der so be

Fig. 2.

6

Das Aspirations - Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon.

wirkte Luftverlust muss aber,

da ein anderer Weg nicht offen steht, aus

der unteren , in der Mitte gelegenen Oeffnung

der Scheiben

(bei q Fig. 1 )

und weiterhin aus dem sich anschliessenden weiten Mittelrohre g, ferner aus der in den beiden Schenkeln dieses Rohres und dem zwischen den Hüllen

und c und zwischen

und

dem Thermometer a frei bleibenden

Raume, endlich aus der freien Atmosphäre unterhalb der beiden Oeffnungen von

und

ersetzt werden, so dass wir, wie die Pfeile in Fig. 1 andeuten.

eine an den Thermometergefässen vorbeiführende, zwischen den beiden Hüll rohren durchstreichende, im Mittelrohre aufwärts gehende und aus der Aspi ratorscheibe austretende Luftströmung durch den ganzen Apparat haben, so lange die Aspiratorscheibe sich in Bewegung befindet. Dieses ausser der Eintritts- und Austrittsöffnung überall geschlossene Röhrensystem hat an zwei Stellen kleine Nebenöffnungen, durch welche Luft in den Apparat eintreten könnte . Spitzenöffnung

des

bei i

mit

Diese befinden

der

sich bei k ,

Aussenluft kommunicirenden

der feinen centralen

Rohres, und bei q, dem feinen ringförmigen Spalte zwischen Aspiratorscheibe und Mittelrohr. Wie wir später sehen werden, ist aber die im Röhrensysteme bei der Luftbewegung eintretende Druckverminderung ringe,

dass

eine so ausserordentlich ge

dieselbe nur minimale Luftmengen durch die genannten engen

Lücken hindurchzusaugen vermag, zumal eben die Enge der offenen Räume der durchströmenden Luft erhebliche Reibungswiderstände in den Weg legt. Der Zweck der centralen Röhre ik wird weiter unten erläutert werden. Die Menge der in der Zeiteinheit durch das Röhrensystem geführten Luft wird durch folgende Momente bestimmt werden. Zunächst kommt der Durchmesser und die Umdrehungsgeschwindigkeit der Aspiratorscheibe in Betracht. Die Menge der in dem Zwischenraume zwischen den beiden Scheiben eingeschlossenen Luft wird eine um so grössere sein , je grösser der Durch messer der Scheiben selbst ist ; bei gleicher Umdrehungsgeschwindigkeit wird daher aus einer grösseren Scheibe mehr Luft ausgeschleudert werden, aus einer kleineren . Umfang 26,4 cm ist ,

Da der Durchmesser der Scheibe 8,4 cm,

als

also deren

legt die Peripherie derselben bei einer Umdrehung

einen Weg von 26,4 cm zurück.

Die eingeschlossene Luft kann allerdings

der Aspiratorscheibe nicht absolut folgen , deshalb wird ihre geschwindigkeit hinter diesem Werthe zurückbleiben müssen.

Austritts

Von Wichtigkeit ist ferner die Kenntnis der Drehungsgeschwindigkeit. In unserem Apparate setzt folgendermassen zusammen .

sich der Bewegungsmechanismus der Scheibe

Eine Federtrommel mit 80 Zähnen greift in einen Trieb mit 12 Zähnen , sodass 1stzterer um das mit demselben verbundene Rad von 80 Zähnen bei einer Umdrehung der ersteren 6 Umdrehungen ausführen muss . Dieses dreht mittels eines Triebes von 24 Zähnen ein zweites Rad von 84 Zähnen

7

Das Aspirations-Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon . 3

Mal, ferner mittels eines Siebenertriebes ein drittes Rad von 70 Zähnen

12 Mal und dieses greift in den Neunertrieb der Aspiratorscheibe ein, dem selben 7 Umdrehungen bei einer eigenen Umdrehung ertheilend . Aus dem

Produkt der vier Uebersetzungen

6

X 33 X 12 X 7¾

erhalten

wir die Zahl der Umdrehungen der Aspiratorscheibe bei einer Umdrehung der Federtrommel gleich 2070. Die vollständig aufgezogene Feder des Uhrwerks lässt aber die Federtrommel 7 Umdrehungen ausführen, woraus sich die Gesammtzahl

der Umdrehungen der Aspiratorscheibe auf 14 490

berechnet. Der von einem Punkte der Peripherie während dieses Ablaufes zurückgelegte Weg wird also 14 490 X 26,4 cm , also = 3825 m betragen. Die Zeit, in welcher der volle Ablauf des Werkes erfolgt, ist 12 Minuten 12 Sekunden

(732 Sekunden ),

woraus

sich eine mittlere Tourenzahl der

Scheibe von 19,8 pro Sekunde ergiebt. Nun erhellt aber, dass diese mittlere Umdrehungsgeschwindigkeit nicht in allen Zeitintervallen des ganzen Ablaufes vorhanden sein wird ; im An fange wird die Massenträgheit , am Ende die Verminderung der Federspan nung eine Verringerung derselben herbeiführen müssen , während zwischen beiden Zeiten eine grössere Geschwindigkeit herrschen muss . Bei der Wichtigkeit ,

den von der Umdrehungsgeschwindigkeit direkt

abhängigen Betrag der Luftbewegung zu kennen, wie wir später sehen wer den, ist es nöthig, den ganzen Ablauf in einzelne Abschnitte zu zerlegen . Zählt man die Anzahl Federtrommel nöthig ist,

Sekunden ,

welche

zu einer Umdrehung der

dividirt mit dieser Zahl in die bekannten ent

sprechenden 2070 Umdrehungen der Aspiratorscheibe , gende Werthe :

so erhält man fol

Die Aspiratorscheibe macht bei der 1. Umdrehung der Federtrommel 21,34 Touren pro Sekunde , 2. 24,35 19 97 "2 "" 19 99 3. 21,34 "" 99 17 "7 22 "" 4. 20,70 99 13 97 19 39 "" 20.70 5. 99 99 99 99 19 19 6. 18,82 99 19 99 99 "9 "" 15,91 62. "9 "" 99 "" "" 99 634 14,79 99 "" "" ,,

Die letzte Vierteldre hu

zeigt eine fortgesetzt verringert Tourenzahl , e ng deren Endwerthe nicht mehr von der Spannung der Feder, fondern von dem Beharrungs der bewegten Scheibe abhängen . Dieselbe ist praktisch vermög nicht verwerthba .en r Da aus ferneren Untersuchungen hervorgeht, dass bei dem Durchmesser der Scheibe von 8,4 cm eine Umdrehungszahl von 15 Touren pro Sekunde noch eine genügende Strömungsgeschwindigkeit der Luft im Apparate er zeugt, so können 62 Umdrehungen der Federtrommel, entsprechend 11½

8

Das Aspirations -Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon .

Minuten Ablaufdauer werden.

als verwendbar für den Aspirationszweck betrachtet

Wie gross sind nun die durch diese Umdrehungsgeschwindigkeit in Bewegung gesetzten Luftmassen?

Bei der Beantwortung

dieser für die ganze Theorie des Apparates

wichtigsten Frage treten offenbar höchst komplicirte Verhältnisse auf. Denn der Berechnung stellen sich theils Reibungswiderstände der verschiedensten Art im Innern des ganzen Systems , dessen Querschnitte nicht überall die gleichen sind, entgegen, theils werden an Strömungshindernissen Luftwirbel entstehen , dürfte.

deren verzögernde Wirkung kaum in Rechnung zu stellen sein

So bleibt nur das Experiment, d. h. die direkte Messung der in der Zeiteinheit , oder während des ganzen Ablaufes wirklich bewegten Luft mengen übrig. Nach langen Versuchen mit verschiedenen Messungsmethoden ,

deren

Besprechung uns zu weit führen würde, gelang es Herrn von Sigsfeld , ein überaus einfaches und in Bezug auf die Sicherheit seiner Ergebnisse aus reichendes Verfahren zu erdenken, welches darin besteht, dass man in ein cylindrisches, an beiden Enden offenes weites Glasrohr den Apparat an einem Ende in der Weise luftdicht einsetzt , dass die beiden Oeffnungen der äusseren Hüllrohre (c . Fig. 1 ) frei in dasselbe hineinragen, während man das andere,

untere Ende des Cylinders durch eine Seifenhaut abschliesst.

Taucht man nämlich, nachdem man die ganze Innenfläche des Cylinders mit gewöhnlichem Seifenwasser benetzt hat, das untere Ende desselben in eine Seifenlösung ein und hebt darauf den Cylinder aus derselben heraus , so spannt sich über die Oeffnung eine Seifenhaut aus . Wird nun die darüber befindliche Luft durch den Aspirator angesogen ,

so folgt diese Seifenhaut

der fortschreitenden Luftentleerung des Raumes ,

indem sie unter Empor

wölbung ihrer Mitte in die Höhe steigt, ringen Reibungsverluste

und zwar muss ,

da man die ge

an der benetzten Glaswand vernachlässigen darf,

in der Geschwindigkeit der Emporbewegung ein

direktes Maass

für den

stattgehabten Luftverbrauch gewonnen werden. Vermittels

dieser Methode

ist man im Stande ,

jede Schwankung in

der Aspirationswirkung des Apparates unmittelbar anschaulich und der Mes sung zugänglich zu machen , ausserdem aber vermag man mit voller Deutlich keit den Beweis zu liefern , dass die mit den früher konstruirten Instru menten erzielten weniger günstigen Resultate vor allen Dingen in einer un genügenden Luftbewegung an den Thermometern ihren Grund hatten . Ohne

uns

in

die Einzelheiten

dieser

Untersuchungen

einzulassen,

wollen wir im Folgenden nur kurz deren wichtigste Resultate erwähnen. Aus einem Cylinder von 5 Liter Inhalt wurde durch den oben näher beschriebenen Aspirations- Apparat die gesammte Luft von 5 Liter Volumen in 5,0

Sekunden,

also 1 Liter pro Sekunde

entleert.

Da

alle

bei der

Eine Fahrt auf weite Entfernung.

9

Prüfundsmethode in Frage kommenden Unsicherheiten und Fehler allein in dem Sinne wirken können, dass die Messung der wirklichen Luftbewegung gegenüber zu klein ausfällt ,

so können wir den genannten Werth von

1 Liter pro Sekunde als völlig sicher konstatirten Minimalbetrag ansehen. Von der Bedeutung dieses Werthes erhält man einen besseren Begriff, wenn wenn man sich vorstellt, dass ein Kubikmeter Luft (= 1000 Liter) in 1000 Sekunden, d. h. in 16 Minuten und 40 Sekunden, in einer Stunde also eine Menge von 3,6 Kubikmeter Luft durch den Apparat geführt wird. Wichtiger als diese Ueberlegung ist aber für die Theorie des Appa rates die Kenntnis der Strömungsgeschwindigkeit, welche an der für den Endzweck wesentlichsten Stelle desselben, also an den Thermometergefässen zu Stande kommt. Berechnen wir unter Zugrundelegung der oben S. 3 gegebenen Maasse des Apparates den in der Höhe der Thermometergefässe vorhandenen Quer schnitt, indem wir von dem inneren Gesammtquerschnitt des äusseren Hüll rohres den Dickendurchmesser des inneren Hüllrohres und des Thermometer gefässes in Abzug bringen ,

so finden wir denselben gleich 208,5 qmm , an

beiden Thermometern also gleich 417 qmm .

Wenn in einer Sekunde 1 Liter

1 Million Kubikmillimeter Luft durch den Apparat geführt wird, so wird bei einem Querschnitt von 417 qmm die durchströmende Luftsäule eine Länge 1000000 ** 2398 mm von 2,4 m in der Sekunde haben müssen. Dem 417 nach legt der Luftstrom an den Thermometern diesen Weg von 2,4 m in der Sekunde zurück. Betrachten wir die Weglänge, auf welcher die aspirirte Luft überhaupt in Berührung mit solchen Körpern geräth, welche eine von der Lufttempe ratur abweichende Eigentemperatur besitzen, ehe sie auf das messende Instru ment, das Thermometergefäss, einwirkt, so finden wir den Betrag von 35 mm , vom unteren Rande der Hüllröhre bis zum oberen Ende des Thermometer gefässes gerechnet .

Dieser ganze Weg von 35 mm Länge wird aber von

dem 2,4 m pro Sekunde zurücklegenden Luftstrome in dem äusserst kleinen Zeitraume von 169 Sekunde zurückgelegt, welcher so geringfügig ist, dass ein Einfluss auf das Thermometergefäss von Wärme nicht zu erwarten ist.

durch Leitung oder Zuführung

(Schluss folgt. )

Eine Fahrt auf weite Entfernung . Ueber eine Fahrt auf weite Entfernung hat Premier-Lieutenant Bjelajef von der kais.

russischen Lehrabtheilung der Kriegsluftschiffer in der in

St. Petersburg erscheinenden „ Nowoje wremja “ ( „ Neuen Welt “ ) vom 7. Ok tober 1889 Folgendes berichtet : Unter den Luftschiffern wurde schon häufig die Meinung ausgesprochen,

Eine Fahrt auf weite Entfernung.

10 dass

die gewöhnlich unternommenen Luftfahrten von bei weitem zu kurzer

Dauer seien, um vollkommen alle Mittel zur Leitung des Ballons benutzen und um, SO zu sagen, mit dem Ballon manöveriren zu können . Kürzlich beschäftigte

man

sich von neuem mit dieser Frage, und der Versuch war,

Dank der Energie der damit betrauten Persönlichkeiten, von Erfolg begleitet. Man beabsichtigte,

einen der grossen Luftballons des Lehrkommandos

der Militär-Luftschiffer- Abtheilung mit Wasserstoff zu füllen und in dem selben die Fahrt zu Zweien zu unternehmen. Die Umstände liessen es aber nicht

zu ,

diese Absicht genau auszuführen, und zwar deshalb nicht,

weil die grossen Ballons für Leuchtgas bestimmt und daher für Wasserstoff nicht hinreichend gasdicht sind. Man musste sich aus diesem Grunde mit einem Ballon von 640 Kubikmeter begnügen . In der Nacht zum 5. Ok tober wurde auf dem Felde von Wolkowo bei elektrischem Licht die Füllung des Ballons vollzogen, und am 5. , um 7 Uhr 50 Minuten morgens , nahmen in der Gondel der Oberst vom Generalstabe Orlof und der Premier- Lieute Der Ballon war bei weitem nicht so gross , als man nant Bjelajef Platz.

wünschte, und da

er ausserdem nicht ganz gefüllt war, konnte man nur

sechs Säcke Ballast mitnehmen , ein Umstand, der kaum auf eine lange Der Ballon schlug zuerst eine südliche Richtung bis Fahrt hoffen liess . zur Zerskocelskischen Eisenbahn ein,

alsdann stieg er höher und wandte

sich nach Nordost ; bei der Fabrik von Obuchock überschritt er die Newa Die Fahrt fand in den Wolken statt. und wandte sich nach Osten. Zuweilen nur konnte man sich nach dem Plan orientiren, indem man Wolkenlücken benutzte . Als man zum Schwarzen Bach kam , welcher sich in die Néwa nahe von deren Quelle ergiesst, liess man den Ballon fallen, da es gefährlich erschien, den See zu überfliegen, obgleich hierfür Alles in Bereitschaft war. Das Dampfboot „ Oserni " des Ministeriums für Wegebau stand bei dem Leuchtthurm von Koschkin bereit,

Dank der Liebenswürdig.

keit des Direktors der Abtheilung für Land- und Wasserverkehr. In einer Höhe von 600 m wandte sich der Ballon nach Süden und dann nach Süd westen und verfolgte die Newa stromaufwärts. Angesichts des ausserordent lichen Interesses einer solchen selten vorhandenen wechselnden Luftströmung beschloss man, die Dauer der Fahrt bis zur äussersten Grenze auszudehnen . Der Ballon folgte nun, wie bemerkt, dem Laufe der Newa stromaufwärts (in südwestlicher Richtung) ; bei dem Landhause am Flusse ging er auf das linke Ufer über und begann dann, sich von demselben zu entfernen. Unter sich dichte Nebelwolken . Um 3 Uhr Nachmittags unter die Wolken zu gehen, um sich genau zu orientiren, welches bis dahin nur durch Wolkenöffnungen und Zurufe von der Erde geschehen war. Der Ballon senkte sich in undurchdringliche Nebelmassen. Feuchte, von unten herauskommende Kälte durchdrang die Luftschiffer. Zu

dem Ballon befanden beschloss

man,

beiden Seiten und oben waren nur weissliche Nebelmasson. Minuten und die Erde wurde sichtbar.

Noch einige

Der Ballon befand sich jetzt südlich

Ueber den Vogelflug.

des Kreuzungspunktes der

11

Zweige der baltischen Eisenbahn , überschritt

darauf den nach Nikolajebsk führenden Schienenweg und näherte sich den Bahngeleisen nach Warschau. Inzwischen wurde es dunkel ; die Oertlich keit erforderte

durch ihre

berechnete Landung, Fahrt nicht zuliess . Korb die Erde

Beschaffenheit

(Wald und

Sumpf) eine genau

da die Tragkraft des Ballons eine Verlängerung der Man landete . Um 3 Uhr 20 Minuten berührte der

auf einer Waldblösse und die Fahrt war damit beendigt.

Die Landung vollzog sich bei dem Dorfe Kowschowo, 18 Werst von Gatschina. Die

vorstehende

Fahrt ist von Interesse

durch ihre

lange

Dauer

(7½ Stunde) und für die Beleuchtung der Frage, Luftballons durch Be nutzung der Luftströmungen eine gewünschte Richtung zu geben. Theil der Fahrt (bis

Schlüsselburg)

Der erste

war beständig in einer Höhe von

1½ Werst und die allgemeine Richtung war nach ONO ;

der

zweite Theil

vollzog sich in einer Höhe von 2 Werst und die allgemeine Richtung war fast diametral entgegengesetzt (nach SW). Da man während der Fahrt Luftströmungen aller Richtungen antraf, so würde es möglich gewesen sein, wenn die Bedingungen für die Fortsetzung der Fahrt günstigere gewesen wären, den Kreis zu schliessen und nach dem Felde von Wolkowo zurück zukehren.

Endlich fordert die vorstehende Fahrt zur Nachahmung auf und

kann vielleicht sehr die Frage befördern, Luftströmungen zu benutzen, einer der rationellsten Wege zur Lösung der Frage, den Ballon eine gewünschte Richtung einschlagen zu lassen. In

72 Stunde

legten die

Luftschiffer nur

127 Werst

zurück ;

als

Erklärung für den kurzen Weg dient die herrschende Windstille und der häufige Uebergang aus einer Luftströmung in die andere . Als

der Ballon

Luftschiffer

sich in einer Höhe von 100 m befand, konnten die

sich mit den Landbewohnern unterhalten.

In einer Höhe von

1800 m lag zwischen ihnen und der Erde eine zweifache dichte Wolkenschicht. Das

Dampfboot

„ Oserni "

blieb bei dem Leuchtthurm von Koschkin

liegen und kehrte nach Schlüsselburg zurück, als man sah, dass der Ballon Gu. eine entgegengesetzte Richtung einschlug.

Ueber den Vogelflug . Bemerkungen eines praktischen Jägers. Nach den zahlreichen Aufsätzen, welche im Laufe der Jahre in dieser Zeitschrift über Schwebe-, Wellen- und anderen Flug erschienen sind und bei deren Lektüre es mir manchmal erschienen, als ob das Grübeln über den Flug

ohne die Naturanschauung zum Fluche für die Flugtechnik ge

worden,

nach Alledem berührte mich der Vortrag des Herrn Drd . Max Frühlingswehen. Die darin zum Ausdrucke gelangten Vor

Herz

wie

stellungen und Folgerungen fallen so genau mit meinen eigenen Ueber zeugungen, die ich aus der persönlichen Beobachtung als alter Waidmann

Ueber den Vogelflug .

12

gewonnen habe, zusammen , dass sich beide fast vollständig decken. früheren

Nach

Auslassungen hätte man beinahe glauben sollen, dass der Vogel

auch in leblosem Zustande weiter fliegen könnte, wenn er beispielsweise im rechten Moment seiner Flügelspannung von der Kugel des Jägers ge troffen worden . Solche Arbeiten, wie die des Herrn Drd . Herz erscheinen mir geeignet, in das Wirrsal problematischer Theorien wieder Ordnung zu bringen ; sie leiten zugleich auf den richtigen Weg zurück, nämlich auf den der Naturbeobachtung und des Experimentirens. Wer mit der Aufmerksamkeit eines alten Jägers, dessen Sinne und in Folge dessen auch Beobachtungskraft durch die lange und häufige Uebung ausserordentlich geschärft und gestärkt sind,

den Vogelflug verfolgt,

der

wird sich bald von der Hinfälligkeit der Wellen- und Schwebeflugtheorien überzeugen. Ruhe

Wenn

zum

der Flügel seine

ihrer Flugschleife

Beispiel Kreise

segelnd majestätisch

Auge zeigende Ruhe

Schritten

noch eine grosse

dahinzieht, so ist die sich unserm

doch immer nur der Ausfluss

heisst des Flügelschlages. kräftigen

ein grosser Raubvogel in fast absoluter

zieht oder wenn eine Schaar Kraniche in

auf glattem Eise

sich in vollkommener Ruhestellung

Strecke weit fortzubewegen vermag, so können auch die

Vögel auf der,

so

verursachenden,

Luftbahn

jedenfalls

besondere Arbeitsleistung,

ohne

früherer Arbeit, das

Aehnlich wie ein Schlittschuhläufer nach einigen

zu sagen: noch glatteren, weil noch weniger Reibung bedeutende Strecken ohne merkliche Bewegung, fortgleiten und

je nach

der

Flügelstellung selbst verschiedene Richtungen durcheilen . Beobachtet man eine Kranichschaar genau längere Zeit,

so wird man

stets sehen, dass dieselbe in fast gleichen Zwischenräumen meist fünf bis sechs allerdings oft sehr leichte, ja beinahe unmerkliche Flügelschläge macht und dann wieder eine Strecke mit augenscheinlich still gehaltenen Flügeln weiterzieht. Wie gewaltig der Flügelschlag wirkt, kann man niemals besser sehen, als wenn man einem Rebhuhn in den Kopf geschossen hat . Das Thier schlägt in seiner Todesangst, besitzt,

so lange es noch die

erforderliche Kraft

heftig mit den Flügeln und die Wirkung davon ist eine fast senk

recht, wie eine Rakete, aufsteigende Bewegung, die erst mit dem Tode des Rebhuhns , aber dann sofort, in hoher Luft ihr Ende erreicht. Aehnlich steigt

eine

Schnepfe

aus dem Gehölze auf, bis sie , oben über den Wald

bäumen angelangt, schnell in horizontaler Richtung davonfliegt. Alle Beobachtungen führen zu der Ueberzeugung, dass der Flügelschlag und nur dieser allein für alle Bewegungen des Vogels das eigentliche und ursprüngliche Movens bildet. Auch mit der

Ansicht des Herrn Drd . Herz, dass die Flügel eine

jalousieartige Wirkung haben, stimme ich vollkommen überein ; auch scheint mir, die jüngst in dieser Zeitschrift bei Besprechung eines Modells erwähnte Kombination von Vogelflügeln nicht ganz so verwerflich, als sie dort hin

Mittheilungen aus Zeitschriften. gestellt worden.

13

zum Mindesten durch Versuche damit instruktiv zu sein .

Das übrigens Herr Drd. Herz bei seinem Experiment mit sich drehenden Flügeln ( siehe Fig. 6 der Tafel I zu Heft VIII/IX für 1889 ) ein negatives Resultat erhalten, dürfte auf einem Irrthum beruhen. Ich glaube, es ist zutreffender, anzunehmen, dass das Resultat nur kein merkbar positives war. Meiner Ueberzeugung nach konnte ein bedeutenderer Erfolg bei der rotiren den Bewegung, während die Flügel nur in etwas schiefer Stellung, kaum wie eine Schiffsschraube , Hätte Herr Drd .

die Luft durchschnitten,

nicht erreicht werden.

Herz seinen Apparat so konstruirt,

dem Flügelschlage entsprochen hätte, ein sichtbar positives gewesen wäre. Schliesslich möchte ich

dass

so bin ich sicher,

die Bewegung

dass das Resultat

noch auf eine meiner Ansicht nach wichtige

Durch den Flügelschlag Folge der Flügelbewegung des Vogels hinweisen . befindliche Luft zusammen wird die unter dem Körper des fliegenden Vogels gedrückt, die zusammengedrückte Luft hat aber das natürliche Bestreben, sich wieder auszudehnen, und drückt daher ihrerseits einmal auf die untere Die Elastizität der ruhige Luftsäule , dann aber auch auf den Vogelkörper. durch den Flügelschlag komprimirten Luft hat also die Wirkung, dass der Vogel einen von unten kommenden , ihn mithin hebenden und je nach der Flügelstellung auch vorwärts schiebenden Druck erhält, der für den Flug W. S. nicht unwesentlich sein dürfte.

Mittheilungen aus Zeitschriften . Meteorologische Zeitschrift. Herausgegeben im Auftrage der Oester reichischen Gesellschaft für Meteorologie und der Deutschen Meteorologi schen Gesellschaft, redigirt von Dr. J. Hann , Wien, Hohe Warte, und Dr. W. Köppen . Hamburg. Seewarte. Wien, Verlag von Eduard Völzel. VI. Jahrgang, 1889. November- Heft und Dezember-Heft. Kleine Mittheilung über die Bestimmung der Wolkenhöhe mittelst des elektrischen Lichtes von J. H. Strumper in Hamburg (November Heft, S. 440) . • Der Rodeck'sche Fesselballon auf der Hamburgischen Ge werbe- und Industrie- Ausstellung des Jahres 1889 wurde häufig von dem „ Torpedosucher" beleuchtet, einem elektrischen Bogenlichte mit Reflektor, dessen Strahl gelegentlich über die ganze Stadt hinwegreichte . In einer Entfernung von 3 km beobachtete Verf. am Abende des 13. Juli, wie gleich zeitig die untere Fläche der Wolken von dem Lichtstrahle getroffen wurde ; da ein Winkelinstrument nicht bei der Hand war, so wurde schätzungsweise (durch 4 Herren) festgestellt, dass die Länge des Strahles vom Torpedo sucher bis zum Ballon in seiner ganzen Länge vom Torpedosucher bis zu den Wolken 7--8 Mal enthalten war. Der Ballon stand etwa 1, höher als die Michaeliskirche, folglich ungefähr 170 m über dem Erdboden ; hieraus ergiebt sich, dass die Höhe des unteren Wolkenrandes etwa 170 X 7½ = 1175 m über dem Boden betrug. Diese Notiz erinnert an einen im Jahre 1882 von Herrn O. Jesse ausgegangenen Vorschlag, die Höhe der Wolken mit Hülfe einer intensiven

14

Mittheilungen aus Zeitschriften .

Lichtquelle zu bestimmen, welche einen möglichst beschränkten Theil der Wolke beleuchtet und dadurch für zwei mit entsprechenden Winkelinstru menten (rohen Theodoliten ) ausgerüstete Beobachter den Zielpunkt schafft. (Oesterr. Meteor. Z., S. 182. ) Ueber eine andere Gelegenheitsmethode zur Bestimmung der Wolken höhe berichtet im Dezember-Heft auf S. 479 Herr Friedr. Roth in Buxte hude. Von seinem Wohnorte aus sah er am 30. September vor. J. die aus WNW ziehenden Strichregen-Wolken über Hamburg hinziehen und konnte deutlich erkennen , über welchem Theile der Stadt sich dieselben befanden. Damit war die Entfernung vom Beobachtungspunkte gegeben, und eine rohe Winkelmessung genügte nun, die Höhe zu ermitteln . In einem Falle er gaben sich für den unteren Wolkenrand ungefähr 670 m, in einem anderen 480-650 m. Ein neuer Wolken - Atlas (Dezember- Heft, S. 447). Die Verlags anstalt Gustav W. Seitz Nachfolger in Hamburg hat sich angeregt durch hervorragende Meteorologen entschlossen. Farbendruckbilder der wich tigsten Wolkenformen herauszugeben . Eigentlicher geistiger Urheber ist Herr Professor H. H. Hildebrandson in Upsala ; von ihm und von den Herren Professoren Neumayer und Köppen in Hamburg wurde aus einer grösseren Zahl von verschiedenen Künstlern Schwedens und Deutschlands gemalten Oelbildern eine Auswahl getroffen . Ein Theil der Bilder ist unter Leitung der genannten Herren mehrfach umgearbeitet worden, um möglichst charakteristische Bilder zu erzielen . Auch wurden bei Ausführung der Bilder gefällige Rathschläge von Herren Weilbach in Kopenhagen benutzt, welcher früher bereits einmal eine ähnliche Veröffentlichung vorgenommen hat. Die Klassifikation der Wolken ist die von Hildebrandson und Abercromby. Die grossen Kosten der Publikation werden zum Theil durch eine Subvention aus der Stiftung "" Lars Hiertas Miune " in Stockholm getragen, so dass es möglich sein wird, die Sammlung von 12 Bildern im Format von 30 x 22 cm (ohne den Rand ) , mit kurzem Text und Mappe , zum Preise von 12 M. das Exemplar, und beim Bezuge von 25 Exemplaren zu 10 M. abzugeben , falls von Seiten der meteorologischen Institute eine einigermassen genügende Betheiligung an der Subskription erfolgt, wie sie von einigen bereits in Aussicht gestellt ist . Diesem Wolken-Atlas ist eine grosse Verbreitung sehr zu wünschen. damit er in Zukunft die nothwendige Grundlage bilde, um bei der grossen Mannigfaltigkeit der Wolkenformen die sonst so sehr schwierige Verständi gung zu erzielen. Dass derselbe aus diesem Grunde auch dem Luftschiffer höchst willkommen sein wird, ist sicher anzunehmen. Leuchtende Nachtwolken beschreibt im Dezemberheft (S. 478 ) der Kurarzt Herr Dr. G. Pröll in Meran . Am 22. Oktober 1889 von 8 bis 10 Uhr Abends sah der ganze Horizont von O über S nach SW so leuchtend aus, wie der Reflex der Gasbeleuchtung einer grossen Stadt, von einer Höhe aus gesehen. Als der Beobachter nach Mitternacht in einem nach NNW gelegenen Zimmer, welches sonst stockfinster ist, erwachte, konnte er die Möbel im Zimmer, wie im Dämmerungslichte , unterscheiden. Dabei regnete es seit 3 Tagen unaufhörlich , bei warmer Siroccoluft" , ohne Wind . In der Nacht zum 1. November zeigte sich die Erscheinung abermals . Sp. Le spectateur militaire vom 15. Juli 1889 bringt aus Feder einen interessanten Aufsatz über :

de

Fonvielle's

„ Die Ballons auf der Allgemeinen Ausstellung. "

Nach einigen

Mittheilungen aus Zeitschriften.

15

einleitenden Bemerkungen über die historische Ausstellung Tissandiers be spricht er die Ausstellung des Ministeriums folgendermassen : „In dem grossen Gebäude des Kriegsministeriums auf der Esplanade des Invalides , welches an sich ein beträchtliches Kapital repräsentirt, giebt es kein einziges Detail, das nicht mit Sorgfalt studirt wäre und tiefe mathe matische Kenntnisse bekundete . Aber Alles zeugt von absoluter Abwesenheit der gewöhnlichen Praxis in der Luftschiffahrt. Man begreift, dass ein Kriegsminister, welcher einen hervorragenden Aufsatz über Analysen redigirt hat, ein erhabenes Vertrauen dazu gefasst hat und dass er, wie seine Vor gänger, geglaubt hat, die Ballons der Belagerung dadurch ehren zu müssen, dass er die Mittel gewährte, Grosses zu leisten . Man hat auch Grosses geleistet, noch mehr. man hat Schönes geleistet, aber. man hat Schwer fälliges geleistet ! Alle diese Gondeln, gepolstert und voll Luxus, verstossen gegen die Grundlage, sie bieten eine zu grosse Handhabe dem ewigen Feinde der Luftschiffer, der Schwere ; es ist keine einzige darunter, welche denjenigen eines Ballons aus der Zeit der Belagerung gleichkäme , wie sie glücklicherweise auch dem Publikum vor Augen geführt ist und die an ein ruhmreiches Blatt der Annalen der französischen Luftschiffahrt erinnert . Warum wird jenes leichte biegsame Modell, das vor den Augen des Feindes an einem Tage glücklicher Eingebung und patriotischer Improvisation ange nommen wurde, verworfen? Mit welchem Rechte wird dieses Tauwerk aus Baumwolle eingeführt, wenn die gesammte Marine zufrieden ist mit dem Tauwerk aus Hanf? Sind denn nicht die Luftschiffer die Matrosen der Atmosphäre? Die ausgestellten Ventile sind ohne ernsten Grund komplizirt, sie können ihren Dienst nicht besser erfüllen, als die einfachsten ihrer Art. Was die Ketten anlangt, die unter dem Namen Anker ausgestellt sind, so müssen diese brechen, sobald sie sich festhaken, und dann, Kopf weg ! wenn sie schleppen . Die Aufhängungen sind nicht besser, man ist in den um gekehrten Fehler der Engländer verfallen, welche ihre Luftschiffer so dicht an den Füllansatz heran hängen, dass sie immer im Begriffe stehen , ohn mächtig zu werden ! Wir müssen den Direktoren von Meudon danken für den Fleiss, mit dem sie die wichtigsten Luftschiffkonstruktionen, welche mit der Hoffnung verwirklicht wurden, dem Ballon eine Vorwärtsbewegung zu ertheilen, gemalt haben, denn dieser Ausstellung ist es gelungen, uns von der Manie des lenkbaren Ballons zu heilen. " Der Verfasser fährt in dieser Weise fort, die Meudoner Offiziere an zugreifen. Die Dampfmaschine Giffard's sei viel besser, als die elektro motorische, aber auch sie , in der Konstruktion, wie Giffard sie sich dachte , würde nicht viel ausrichten können. Giffard's Zaudern, an die Ausführung eines neuen Luftschiffes zu schreiten, wäre hervorgerufen worden durch die Ueberzeugung von der Unmöglichkeit der Verwirklichung seiner Jugend träume und andererseits durch die Scham, seine Selbsttäuschung einzu gestehen. Der Ballon captif, den alle Welt bewunderte, hätte ihm diese Ueberzeugung beigebracht. Ebenso soll Dupuy de Lôme von der Lenk barkeit des Ballons vor seinem Tode abgekommen sein. Das wahre Ver dienst des Kriegsministers beruhe darin, dass er zur Expedition nach Tonkin Ballons entsandt habe . Der aëronautische Kongress habe in seinem Rund schreiben sich der Erwähnung jeglicher Versuche enthalten, deren Erfolg zweifelhaft schien. Die öffentliche Meinung bekehre sich jetzt auch und sähe in den Ballons nicht mehr die Nebenbuhler der Dampfschiffe . Man müsse auf Verbesserung der Ballonkonstruktion und Fortbildung in der

16

Kleinere Mittheilungen.

Ballonführung hinstreben und sich fragen, wie man sie sich nützlich machen. könnte für den Fortschritt der französischen Meteorologie . Wenn der Staat 1% des ausgegebenen Geldes der Entwickelung der praktischen Luftschiff fahrt zugewendet hätte, der Kunst, die kommenden Winde vorauszusagen und die vorhandenen auszunützen , könnten die Luftschiffer heute schon Wunder thun . Man verdanke jetzt anderen glücklichen Umständen ein den Luftschiffern zu Hülfe kommendes Element, bestehend in dem Eiffelthurm , welcher eine ganze Reihe wissenschaftlicher Daten zu bestimmen erlaubt, die für die natürliche Lenkbarkeit die Grundlage bilden. Zum Schluss bespricht Verfasser den Fesselballon Yon's auf der Kleber Avenue, indem er im Vergleich mit Giffard's Ballon von 1878 namentlich auf die zur Zeit gemachten Fortschritte hinweist . Er endigt mit einem pathetischen Lobhymnus auf den gewöhnlichen Kugelballon , ein ein faches Werkzeug, mit dem man Wunder thun und im Kriegsfalle Triumphe feiern könne. M.

Kleinere Mittheilungen. ,,La France aérienne" betitelt sich ein neues französisches Journal, welches sich das Ziel gesteckt hat, in einem einheitlichen Organ das Werk fortzusetzen, welches „ l'aérostat“ und „ la France colombophile" begonnen hatten. Der Redakteur des neuen Journals, Charles Sibillot , verspricht , „ den Traditionen der wissenschaftlichen und patriotischen Bestrebungen streng treu, das heisst wachsam, unparteiisch und aufrichtig zu bleiben“ . Be. (La France militäire 12. 11. 89.) -- Mit dem Fallschirm im Meere verunglückt. Aus London wird berichtet : „ Am 5. November stieg der als tollkühner Luftschiffer in Amerika wohlbekannte van Tassel in Honolulu zu Ehren des Geburtsfestes des Königs in einem Ballon in die Luft . Eine ungeheuere Menge schaute zu. Der Ballon stieg langsam und trieb seewärts. In einer Höhe von 600 Fuss sah man van Tassel den Ballon verlassen und vermittelst des Fall schirmes hinabgleiten . Es hatte jedoch den Anschein, als ob der Fallschirm nicht gut arbeitete. Van Tassel's Bruder bestieg ein Boot, sobald der Ballon die Richtung nach dem Meere nahm ; ein kleiner Dampfer folgte und war kaum 20 Meter von dem Luft schiffer entfernt, als dieser in's Wasser fiel und sofort von den Haifischen unter die Oberfläche gezerrt wurde. Er war in Stücke zerrissen, bevor die Leute an Bord des Dampfers ein Boot in die See gelassen hatten.“ Kriegsschwalben. Ein Bürger aus Roubaix (Frankreich ) liess an einem Tage auf der Invalidenesplanade in Paris zwei Schwalben fliegen , welche die über 150 Kilo meter betragende Entfernung nach Roubaix in 75 Minuten zurücklegten . Bekanntlich soll auf dem Mont Valérien bei Paris ein Kriegs- resp . Briefschwalbenstation eingerichtet werden, sobald über die Möglichkeit der Dressur, deren Zeitdauer man auf 4-5 Wochen Be. veranschlagt, genügende Erfahrungen gesammelt sind . Neuer Verein in Frankreich . Unter dem Titel „ Société Française d'aérostation " hat sich in Bordeaux ein Verein gebildet, welcher die Förderung der Luftschiffahrt bezweckt. Derselbe zerfällt in stiftende Mitglieder, die den Verein durch Geschenke unterstützen , ordentliche Mitglieder, die einen Jahresbeitrag von 12 Fres. zahlen, und Ehrenmitglieder, deren Beitrag 10 Fres. beträgt, Der Verein bittet Freunde der Luftschiffahrt um Unterstützung durch Schenkung von Büchern, Instrumenten u. s. f. Als Präsident ist der Schriftsteller Raymond Bouchard gewählt worden. (La Françe M. aérienne . ) -- Zur Konservirung der Ballonnetze wird vorgeschlagen , dieselben entweder

Kleinere Mittheilungen.

17

mehrere Tage in eine Tanninlösung zu legen oder, was weniger bekannt ist, dieselben zunächst in einem warmen Ofen austrocknen zu lassen und darauf in eine Kupfervitriol lösung zu tauchen . (La Françe aérienne. ) M. -- Permanente aëronautische Ausstellung. Die 39 Société pratique de pilo tage aéronautique " in Paris hat der „ La Françe aérienne" zufolge im Foyer des Tausendkünstlertheaters von Professor Dicksonn eine permanente Ausstellung eröffnet, welche von Werkzeugen der Luftschiffahrt stets das Neueste aufweisen soll. Ausserdem befinden sich darin Modelle von Ballons und Drachenfliegern, aëronautische Kuriositäten, Bilder, Photographien u. s. f. M. --- Die ,,École normale d'aérostation " in Paris hat sich nach Art der Sport klubs eine Flagge zugelegt mit der trefflichen Devise „ Non nobis sed patriae". In einer der letzten Nummern von „ La Françe aérienne " zeigt der Ausschuss desselben an, dass die vorgeschriebene Anzahl von dreissig Mitgliedern erreicht und daher keine Stelle mehr frei ist. Neu hinzutretende Reflektanten können am Unterrichte theilnehmen, müssen im übrigen aber warten, bis Vakanzen eintreten. Die Schule bezweckt bekanntlich die Aus bildung praktischer Luftschiffer. M. Ersatz des Seeankers . Brissonet fils schlägt in La Françe aérienne" als Ersatz des aus einem kegelförmigen Sack bestehenden Seeankers eine Vorrichtung vor, die aus tellerförmigen Scheiben von 12 m Durchmesser besteht, welche in etwa 1 m Entfernung von einander auf dem Schlepptau so aufgezogen sein sollen, dass die Scheibe zum Tau senkrecht steht. Durch diese Vorrichtung soll ein Uebelstand des Seeankers, darin bestehend, dass er sich mit seinem Manövertau leicht verwickelt und dann un brauchbar wird , vermieden werden . Beim Schleifen über See halten die eingetauchten Scheiben vermöge des Widerstands, den sie dem Wasser bieten, den Ballon fest . Will der Luftschiffer sich weiter fliegen lassen, so genügt ein Ballastauswurf, den Ballon zum Steigen zu bringen und hierbei die Scheiben der Reihe nach aus dem Wasser heraus zu M. heben. Brissonet empfiehlt solches Schlepptau als praktisch und billig. --- Wollte das Fliegen probiren . Dem Milwaukee „ Seeboten “ vom 23. November 1889 entnehmen wir folgendes kleines Histörchen : „Nach dem berühmten Muster des Schneiders von Ulm oder des bekannten Luftschiffers Sam Baldwin aus Quincy wollte dieser Tage der junge Johann Millyer aus Fort Madison, Ja., das Fliegen probiren. Ihm leuchtete besonders die Niederfahrt mit Hülfe eines Fallschirmes ein, und nichts schien ihm leichter, als dieses Kunststück nachzumachen. Also ging er zu Herrn Wyte, dem Manne, der die Post zwischen Fort Madison und Powellton hin und her befördert und bei Regenwetter einen grossen Schirm über seinem Wagen aufgespannt hat. Diesen Schirm entlehnte er von dem gefälligen Postboten und begab sich dann nach der Farm von Amos Thornber mit der ausgesprochenen Absicht, dass er sich von dem Thurme der 60 Fuss hohen Windmühle des Farmers herablassen wolle. Man glaubte allgemein, Millyer mache nur einen Scherz, deshalb dachte Niemand daran, ihn im Ernst zurück zuhalten. Der angehende Nachfolger des Schneiders von Ulm aber erstieg ruhig den Thurm , spannte oben seinen Schirm auf und sprang frischweg in die Luft hinaus. Anstatt ihn jedoch sanft hinabzutragen, drehte sich der Schirm natürlich mit einem Ruck um, und der unglückliche Luftschiffer stürzte mit schrecklicher Geschwindigkeit hinab. Er blieb bewusstlos liegen und wurde nach Hause gebracht. Dort zeigte es sich, dass er verschiedene Knochen gebrochen hatte, aber doch mit dem Leben davonkommen wird . " v. B. de Fonvielle and die Offiziere in Meudon. Die in de Fonvielle's Schriften seit Jahren sich kund gebenden versteckten und offenen Feindseligkeiten gegen die Thätigkeit der Offiziere in Meudon finden vielleicht eine treffende Erklärung durch eine kleine Erzählung, welche wir aus dem jüngst erschienenen Buche : „Les aérostiers mili taires" von G. Bethuys herausgreifen. Kurz nachdem am 9. August 1884 Renard seine 2 IX .

18

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt .

erste gelungene Fahrt mit dem lenkbaren Luftschiff La Françe gemacht hatte, erschien bei ihm ein Journalist, welcher sich etwa folgendermassen einführte : „ Capitaine, je suis M. X. que vous connaissez de réputation ; vouz me savez grand amateur d'aérostation en même temps qu'écrivain ; je viens vous demander une place dans votre nacelle, et vous pouvez compter sur un compte rendu des plus complets et des plus élogieux. " Darauf erwiderte Renard :

99 Si j'avais une place de libre dans ma nacelle, je prendrais bien vite un aide pour ma manoeuvre, et non pas un étranger ; encore bien moins un journaliste, attendu que je n'ai nul besoin de réclame ." „ Ah ! vous le prenez ainsi", antwortete der Journalist, „ eh bien, souvenez -vous que j'ai une plume : je m'en servirai. “ M. Und er hat sich derselben bedient. Rache ist süss !

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. Mitglieder -Verzeichniss vom 20. Januar 1890.

A. Ehrenmitglied. (Durch Vereinsbeschluss vom 13. März 1886. ) Angerstein , Wilhelm, Dr. phil. , Schriftsteller, Berlin SW. , Gneisenaustr. 28. B. Korrespondirende Mitglieder. (Durch Vereinsbeschluss vom 21. Oktober 1889.) 1. Berghaus , Major a. D. , Görlitz, Moltkestr. 19. 2. von Brandis , Hauptmann a. D. , Milwaukee, U. S. of Amerika . C. Einheimische ordentliche Mitglieder. 1. Albrecht , Th. , Prof. Dr. , Sektionschef im geodätischen Institut, W., Wichmannstr. 12c. 2. Assmann , Richard, Dr. med . et phil., Wissenschaftlicher Oberbeamter am Kgl . Meteorologischen Institut und Privatdocent an der Universität, W., Schinkelplatz 6 . 3. Bartsch von Sigsfeld , H., Ingenieur, Sec.- Lieutenant d . Res. des 2. Garde-Ulanen Regiments, NW. , Werftstr. 4 I. 4. Baschin , O. , N., Swinemünderstr. 1 . 5. Berson , Arthur, W., Unter den Linden 16 , Pension Müller. 6. von Bezold , Wilhelm, Dr. phil ., Professor, Direktor d. Kgl. Meteorologischen In stituts, W., Schinkelplatz 6 . 7. Börnstein , Richard, Dr. phil., Professor der Physik an der Kgl. Landwirthschaft lichen Hochschule, N., Invalidenstr. 42. 8. Buchholtz , Oberstlieutenant a. D. , W. , Nettelbeckstr. 18/19. 9. Fränkel , Karl, Dr. med. , Privatdocent und Assistent am Kgl. Hygienischen Institut, W., Potsdamerstr. 22. 10. Gerlach , Edmund, Oberlehrer, W., Göbenstr. 10 III . 11. von Goetzen , Graf, Sec. - Lieutenant im 2. Garde - Ulanen - Regiment , NW. , Alt Moabit 138 . 12. Gross , H., Second-Lieutenant in der Kgl . Luftschiffer- Abtheilung, W. , Göbenstr. 14 III . 13. Gurlitt , Second-Lieutenant in der Kgl. Luftschiffer-Abtheilung, Kaserne der Luft schiffer-Abtheilung Tempelhofer Feld, Schöneberg b. Berlin. 14. Hahn , Gustav, Dr. med., Oberstabsarzt I. Kl . und Regimentsarzt im Kaiser-Alexander Garde-Grenadier- Regiment No. 1 , N. , Am Kupfergraben 4. 15. Hellmann , Gustav, Dr. phil ., Wissenschaftlicher Oberbeamter am Kgl . Meteorolo gischen Institut, W., Schinkelplatz 6 .

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

19

16. Heydweiller , F., Kaufmann, W., Steinmetzstr . 31 . 17. Hoffmann , Kurt, Kgl . Regierungs -Baumeister und Sec. - Lieutenant i . d . Res . des Eisenbahn-Regiments, N., Kesselstr. 7 . 18. Kiewel , Assistent im Kgl . Meteorologischen Institut , W., Schinkelplatz 6 . 19. Knorre , V. , Dr. phil . , I. Observator an der Kgl . Sternwarte, SW. , Lindenstr. 91 . 20. Kremser, Victor, Dr. phil . , Wissenschaftlicher Assistent am Kgl. Meteorologischen Institut, W., Schinkelplatz 6. 21. Kronberg . H. , Dr. phil., Chemiker am Kaiserlichen Reichs - Patentait, SW., Schönebergerstr. 17a. 22. Kühl , W. H., Buchhändler , W., Jägerstr. 73. 23. Less , E., Dr. phil., Assistent an der Kgl. Landwirthschaftlichen Hochschule, N., Invalidenstr. 42. 24. Lilienthal , Otto, Ingenieur und Fabrikbesitzer, SO. , Köpnickerstr. 110 . 25. Lipkowitz , M., Redacteur, Direktor des Berliner Wetterbureaus, W., Jägerstr. 27. 26. Lübbecke , W. , Premier-Lieutenant im Kgl . Eisenbahn-Regiment, W. , Potsdamer str. 88. 27. Majert , Wilhelm, Dr. phil . , Chemiker, O. , Madaistr. 10 . 28. Mewes , Rudolf, cand. math. , NO ., Höchstestr . 26 I r . 29. Moedebeck , Hermann, Premier - Lieutenant in der Kgl. Luftschiffer - Abtheilung, W., Motzstr. 12 III. 30. Müllenhoff, Karl, Dr. phil., Oberlehrer, NW. , Pritzwalkerstr. 6 . 31. Müller , Egbert, Dr. phil. et jur., Ausserordentlicher wissenschaftlicher Hülfsarbeiter im Grossen Generalstabe, NW. , Scharnhorststr. 7 IV. 32. Mumme , Fritz , Hilfsarbeiter im Kgl . Meteorologischen Institut, W. , Schinkelplatz 6 . 33. Opitz , Richard, Kgl. Militär-Luftschiffer, W. , Culmstr. 30 . 34. Priess , Friedrich, Bildhauer, NO., Landsberger-Allee 19/20. 35. Reinke , Albert, Ingenieur, C. , Heiligegeiststr. 50, vorn II. 36. Roland , H. , Hauptmann und Compagnie - Chef im Kgl. Eisenbahn - Regiment , SW. , Gneisenaustr. 109/110. 37. Schaeffer , Otto, Dr. phil. , Redakteur, N.. Treskowstr. 42. 38. Sprung , Adolf, Dr. phil . , Wissenschaftlicher Oberbeamter am Kgl . Meteorologischen Institut, W., Schinkelplatz 6. 39. Tenzer , G., Inhaber eines Engros- Geschäftes für Seide und Sammet, C. , Spittel markt 7. 40. von Tschudi , Hauptmann und Commandeur der Kgl. Luftschiffer -Abtheilung, W. , Culmstr. 34 II. 41. Vettin , Fr., Dr. med., prakt, Arzt, SW., Bernburgerstr. 24. D. Auswärtige ordentliche Mitglieder. 1. 2. 3. 4.

Amtsberg , Second- Lieutenant in der 3. Ingenieur-Inspektion, Diedenhofen. Bauer , Major im Kurmärk. Dragoner- Regiment No. 15, Colmar im Elsass. Beitelrock , Heinrich, Kgl. Bayer. Hauptmann a. D. , Aibling bei München. Bodding , Kgl . Norwegischer Premier- Lieutenant, Christiana, Thranes Gade 15b , z. Z. in Halle a. S,, Wilhelmstr. 23 I.

5. Boes , Ingenieur, Kevelaer. 6. Boreskoff , Kaiserl . Russischer Generalmajor im Ingenieur - Corps, St. Petersburg, Ingenieurstr. 14. Eichstadt in Bayern. 7. von Branca , Freiherr, Kgl. Bayer. Maj 8. Briese , Premier- Lieutenant im Pommerschen Infanterie- Regiment No. 21 , Thorn. 9. Brug , W., Premier-Lieutenant im Kgl. Bayer. Pionier-Bataillon No. 1 , commandirt zum Kgl. Bayer. Generalstabe, München . 2*

20

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

10. Caro , Ingenieur, Fabrikbesitzer und Premier - Lieutenant d . Res. , Gleiwitz in Ober schlesien. 11. Dieterici , Second - Lieutenant im Schleswig - Holsteinschen Pionier-Bataillon No. 9 , Rendsburg. 12. Duncker , Georg, Hamburg, Kleine Brückenstr. 14. 13. von Eichendorff, Freiherr, Sec.- Lieutenant im Infanterie- Regiment No. 130, Metz. 14. Eichmann , Second-Lieutenant in der 4. Ingenieur- Inspektion , Coblenz . 15. von Feilitzsch , Freiherr, Lieutenant im 4. Kgl . Bayer. Chevauxlegers - Regiment, Augsburg, Am Kitzenmarkt. 16. Fortmüller , Second- Lieutenant im Kgl. Sächs . Pionier - Bataillon No. 12 , Dresden . 17. Frick , Wilhelm , Rector del Liceo. Valdivia , Chile. 18. Fröhlich , W., Ingenieur, Bismarckhütte bei Schwientochlowitz . 19. Frühling , Second-Lieutenant im Hannoverschen Pionier-Bataillon No. 10, Minden. 20. Fuchs , Lehrer der Naturwissenschaften an der Kreisrealschule auf dem Max- Josephs Stift, München, Kreisrealschule. 21. Gerhardi , Second- Lieutenant im Infanterie-Regiment No. 130 , Metz . 22. Gierow , Otto, Ingenieur, Lissabon, Largo do Caldar No. 1 (pr. ad . Sauerland und Gierow). 23. von Grünau , Kurt, Freiherr, Karlsruhe, Linkenheimerstr. 13 . 24. Haenlein , Paul, Oberingenieur, Frauenfeld, Kanton Thurgau, Schweiz . 25. Hildenbrand , Second- Lieutenant im Infanterie - Regiment No. 88 , Mainz, Weiher garten 9. 26. Hörnes , Hermann, Oberlieutenant im K. K. Oesterreichischen Eisenbahn-Regiment, Korneuburg b. Wien, Wallgasse 3, z. Zeit in Terz bei St. Egyd (Niederösterreich). 27. Hornhardt , Second-Lieutenant im 1. Westphäl. Infanterie- Regiment No. 15, Paderborn. 28. Keiper , Rechnungsrath, Hofgeismar. 29. Kellner , Max, Kaufmann, Frankfurt a . Main , Hasengasse 17 (bei Dr. Glöckner). 30. Kiefer , Second-Lieutenant im Kgl. Bayer. Infanterie - Regiment No. 14, Nürnberg, Wolfgasse 6. 31. Kirchhoff, Alfred, Professor der Erdkunde, Halle a. S., Ulestr. 4. 32. Krupp , Ingenieur, Wien I., Wollzeile 12. 33. von Koenen , Second-Lieutenant im 1. Hess . Husaren-Regiment No. 13, Mainz. 34. Kowagnko , Alexander, Premier - Lieutenant der Kais . Russischen Garde - Sappeurs, Chef der Militär- Luftschiffer, St. Petersburg, Nikolajewskaja 29. 35. Lambrecht , Second-Lieutenant im Schles . Fuss - Artillerie - Regiment No. 6 , Neisse . 36. Lüllemann , J., Mechaniker, Hamburg, Mühlenstr. 6 . 37. Lux , Chemiker und Fabrikbesitzer, Ludwigshafen. 38. Mackeldey , Second-Lieutenant im Hess . Pionier-Bataillon No. 11 , Mainz. 39. Meissel , E., Dr. phil. , Direktor der städtischen Realschule , Kiel. 40. Neumann , Kgl . Sächs. Hauptmann z. D. , Potsdam, Weissenburgerstr. 8. 41. Neumayer, Georg, Geheimer Admiralitätsrath, Prof, Dr. , Direktor der Deutschen Seewarte, Hamburg, Deutsche Seewarte. 42. Offizier - Klub , der, zu Pirmasens, Pirmasens (Bayern). 43. von Parseval , August, Freiherr, Second -Lieutenant im Infanterie-Regiment Prinz Karl von Bayern No. 3, Augsburg, Infanterie - Kaserne. 44. von Petersdorf, ' Second- Lieutenant im Ostpreuss. Infanterie- Regiment No. 33 , Königsberg i. Pr. 45. Pöhlmann , Second - Lieutenant im Kgl . Bayer. Fuss -Artillerie - Regiment No. 2, Metz, Gensdarmeriestr. 9. 46. Rassmann , Kgl . Kreisbaumeister und Lieutenant d. Res., Preuss .- Stargard. 47. Rassmus , Ernst, Civilingenieur, Magdeburg , Wallstr. 2.

Flugtechnischer Verein in Wien. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56.

21

Rau , Henry, Brauereibesitzer, Mannheim. Reichenbach , Oskar, raf von, London 3 Cromwell Crescent, South Kensington. Richter , Premier-Lieutenant a . D. und Rittergutsbesitzer, Falkenberg b. Grünau. Rodeck , Georg, Ingenieur und Luftschiffer, Hamburg, Mühlenstr. 6. Schenk , Second-Lieutenant im Infanterie-Regiment No. 17, Mühlhausen i. E. Schöbel , Second-Lieutenant in der 3. Ingenieur-Inspektion, Diedenhofen. Schwerin , Bogislav, Graf von , Hirschberg in Schlesien , Warmbrunnerstr. 26a. Siedersleben , W., Kommissionsrath und Fabrikbesitzer, Bernburg. Silberer , Victor, Herausgeber der Allgemeinen Sport - Zeitung, Wien I. , Elisabeth str. 17.

57. Stapf, Thomas, Ingenieur der Ferreri di Udine, Udine ( Italien ) . 58. Suntheim , Second-Lieutenant im Grenadier- Regiment König Friedrich Wilhelm I. (2. Ostpreuss. ) No. 3, Königsberg i. Pr. 39. Thienemann , Bankinspektor und Lieutenant d. Res., Mainz, Gothaer Bank, Drei kronenstr. 5. 60. 61. 62. 63. 64. 65.

Toulet , Auguste, Luftschiffer, Brüssel , 21 Rue Joseph de Keyn 21 . Treitschke , Friedrich, Brauereibesitzer, Erfurt, Marktstr. 34. Turner , Lieutenant im Infanterie-Regiment No. 87, Mainz. Wegener , Lieutenant im Infanterie- Regiment No. 61 , Thorn . Wittich , Second -Lieutenant im Infanterie- Regiment No. 138 , Strassburg i . E.

von Wurstemberger , Dr. phil. , Ingenieur und Lieutenant i. d. Res. des Eisenbahn Regiments, Zürich, Sihlstr. 43. 66. von Zieglauer - Blumenthal , Kgl. Bayer. Direktor, Wasserburg a . Inn. 67. Ziem , Chemiker, Kairo, Aegypten . 68. Zimer, F. W. , Patentee and Manufacturer, 72 London Wall, London E. C. Der Vorstand für 1890 besteht aus den Herren : Dr. Assmann , I. Vorsitzender. Oberstlieutenant a . D. Buchholtz , II. Vorsitzender. H. Bartsch von Sigsfeld , I. Schriftführer. Dr. V. Kremser , II. Schriftführer. Dr. Schaeffer , Schatzmeister. Lieutenant Gross , Bücherwart. Alle Zusendungen in Vereinsangelegenheiten sind an den I. Vorsitzenden, Dr. Ass mann , Berlin W. , Schinkelplatz 6 ; alle Geldsendungen an den Schatzmeister Dr. Schaeffer , Berlin N., Treskowstr. 42 ; alle Zusendungen in Redactionsangelegenheiten an den Redacteur der Zeitschrift für Luftschiffahrt, Dr. W. Angerstein , Berlin SW. , Gneisenaustr. 28, zu richten .

Flugtechnischer Verein in Wien . Plenar

Sitzung am 7. Januar 1890.

Obmannstellvertreter Herr Baron Gostkowski eröffnet die Sitzung, da der Ob mann Herr k. k. Major Wuich durch Krankheit verhindert ist , an derselben theilzu nehmen. Herr Baron Gostkowski nimmt selbst das Wort, um die Diskussion über Platte's Arbeiten 99 Ueber den Wellenflug der Vögel " einzuleiten . Redner erörtert zunächst, welche Ansichten Platte über die Natur des Wellen fluges vertritt und welche Rechnungen er zum Beweise seiner Behauptungen ausführt. Der Segelflug, welcher ohne Flügelschlag, also ohne Muskelarbeit erfolge, sei das Ideal, dessen Nachahmung die Flugtechnik anzustreben habe, da er offenbar das Minimum an

22

Flugtechnischer Verein in Wien.

Muskelkraftaufwand erheische. Die Rechnungen, welche Platte zur Bekräftigung dieser These in einer neueren, noch ungedruckten Arbeit über lenkbare Flugapparate anstelle, scheinen vorerst auch wirklich diesen Nachweis zu erbringen ; wenigstens sind alle Ein wendungen, welche bisher gegen die Ausführungen Platte's vorgebracht wurden, gewiss als nicht zutreffend zu bezeichnen ; so sei die Einwendung Gerlach's, dass der Vogel bei seinem ersten Absturz an die widerstehende Luft viel Arbeit abgebe und daher in der verbleibenden lebendigen Kraft nicht mehr das Mittel habe , um sich durch die Arbeit derselben zu erheben, darum unzutreffend, weil trotz des Arbeitsverlustes während des Absturzes in dem Momente, wo der Vogel den Aufwärtsflug beginnt, ja doch ein Quantum lebendiger Kraft vorhanden ist, welches für mehrere Wellen ausreichen kann und wird, wie ja die Rechnungen Platte's unzweifelhaft nachweisen. Ebensowenig kann man der Einwendung Popper's, dass der direkte Flug darum dem indirekten Flug vorzuziehen sei, weil ja der motorische Kraftaufwand für den Flug mit der Wellentiefe abnehmen müsse und daher am kleinsten sein wird, wenn die Wellen tiefe 0 , d . h. der Flug horizontal wird, zustimmen, denn es ist ja evident, dass bei dem von Popper befürworteten Horizontalflug der Motor das Schiffsgewicht durch die Luft zu tragen habe, während beim Wellenflug die Tragkraft der Luft zu diesem Zwecke, durch den Druck, der durch den Flugkörper auf die Luft ausgeübt wird, Benutzung finde. Ebensowenig habe Parseval in seinem kürzlich erschienenen Werke den Wellenflug richtig berechnet, denn er übersieht den Zuwachs an lebendiger Kraft, welchen der Vogelkörper durch den Fall in dem absteigenden Aste der Welle empfängt. Scheinbar ist daher Platte mit seiner Behauptung , der Wellenflug bedürfe nur den fünften Theil der motorischen Kraft, welchen der direkte Flug absorbirt, im Rechte. Aber er ist dies auch nur scheinbar, denn alle mathematischen Grundlagen auf welche hin Platte seine Rechnungen ausführte, seien angreifbar, weil ja die Bewegung nicht im leeren Raum, sondern in einem widerstehenden Mittel stattfinde und wenn man dies berücksichtige und die richtigen Formeln in Anwendung bringe, so ergäbe sich, dass der indirekte Flug nicht ein kraftsparender, sondern gewiss ein kraftverschwenden der Flug wäre. Baron Gostkowski entwickelt nun die Fallformeln in widerstehenden Mitteln auf Grund der höheren Analysis und wendet dieselben schliesslich auf den Wellenflug an, woraus sich ergiebt, dass der Wellenflug mehr motorische Kraft, als der direkte Flug, in Anspruch nehme. Baron Gostkowski folgert hieraus, dass es endlich an der Zeit wäre, die Phan tasie, dass der Wellenflug ein kraftsparender Flug wäre, fallen zu lassen . Um dieses Resultat zu erzielen, habe er sich bemüht, die vorgeführten, den bisher begangenen Irr thum nachweisenden Formeln, mit Vorsicht und Bedacht zu entwickeln. (Die mathe matische Entwicklung wird demnächst in diesen Blättern gebracht werden .) Hierauf nimmt Ingenieur Lippert das Wort und stellt in längerer Auseinander setzung dar, dass das, was er anstrebe, nicht Platte's Wellenflug sei . Er wolle immer nur beweisen, dass seine Ruderflugmethode die motorische Arbeit reduzire, dieser Beweis sei ihm gewiss gelungen ; es sei nicht seine Schuld, wenn man ihn durchaus nicht ver stehen wolle. Herr Platte spricht Herrn Baron Gostkowski für die übersichtliche Darstellung seinen besonderen Dank aus, er könne sich nur mit den gemachten Schlussfolgerungen nicht einverstanden erklären, denn es sei nicht der Wahrheit entsprechend , dass die von ihm angewendeten Wellner'schen Formeln, welche ja auf den von Baron Gostkowski als richtig anerkannten Loessl'schen Formeln basiren, den Fehler enthalten würden, welchen Baron Gostkowski denselben imputirt. Im Gegentheil, seiner Meinung nach seien die Wellner'schen Formeln, die ja auch im Experiment volle Bestätigung finden, wirkliche Fun damentalsätze der Flugtechnik und er bedauere es sehr, dass dieselben in dieser Ver

Münchener Verein für Luftschiffahrt.

23

sammlung als falsch bezeichnet werden, ohne dass zugleich der Beweis dafür erbracht worden wäre. Die Wellner'schen Grundformeln (Redner schreibt dieselben an die Tafel) berücksichtigen alle beim Flug vorkommenden Umstände, also auch den fallverzögernden Einfluss des Luftwiderstandes und es sei der Wahrheit entgegen, wenn die Behauptung aufgestellt würde, die Wellner'schen Formeln seien unrichtig berechnet. Die Rechnung, welche Herr Baron Gostkowski aufstellte, muss aber schon aus dem triftigen Grunde in ihrer Richtigkeit bezweifelt werden, weil dieselbe mit den Anschauungsthatsachen nicht in Uebereinstimmung stehe, und was nütze eine Rechnung , die ein Resultat liefere, welches das Experiment nicht bestätige ? Sie muss ja falsch sein ! Man könne ja den Segelflug sowohl bei ruhiger Luft, als auch bei Wind beobachten und man kann in ersterem Falle aus der geringeren Zahl von Flügelschlägen , als beim direkten Flug, auch auf den geringeren Kraftaufwand beim Wellenfluge unmittelbar schliessen. Baron Gostkowski hält seine Ansicht, dass die Wellner'schen Formeln nicht zutreffend seien , aufrecht , und verspricht , dieselben demnächst einer Erörterung zu unterziehen. Hierauf wird die Diskussion, der vorgerückten Zeit halber, abgebrochen und deren Platte , Schriftführer. Fortsetzung für die nächste Versammlung anberaumt.

Münchener Verein für Luftschiffahrt. Konstituirende Versammlung. Donnerstag, den 21. November, fand im Restaurant Platzl in München die Gründung des „ Münchener Vereins für Luftschiffahrt " statt. Herr Ingenieur Steinach eröffnete die Versammlung mit der Mittheilung, dass bereits mehr als 200 Herren ihren Beitritt zum Vereine erklärt haben und dass Herr v. Sigsfeld seinen Ballon zur Verfügung gestellt habe, so dass der Verein seine Arbeiten sofort beginnen könne. Es sollten drei Abtheilungen gegründet werden : die wissenschaftliche, die Luftschifferabtheilung und die für Förderung der allgemeinen Vereinszwecke. Hierauf ergriff Herr Dr. Finsterwalder , Dozent an der technischen Hochschule, das Wort, um die Ziele der wissenschaftlichen Abtheilung auseinander zu setzen. Er berührte zunächst die Bedeutung der Luftschiffahrt für die Physik im allgemeinen, die hauptsächlich in der Möglichkeit besteht, Phänomene, wie sie sich z . B. an den magneti schen und elektrischen Zustand des Erdkörpers knüpfen, frei von den störenden Lokal einflüssen der Erdoberfläche beobachten zu können . Den Hauptvortheil aus der Luftschiffahrt zieht aber die Physik der Atmosphäre, die Meteorologie. Der jüngste Zweig derselben, die Thermodynamik der Atmosphäre, bringt Druck, Temperatur und Feuchtigkeitsverhältnisse der Luft in verschieden hohen Regionen in enges Abhängigkeits verhältniss und gestattet unter gewissen Voraussetzungen die Berechnung des Zustandes höherer Luftschichten aus den niedriegeren und umgekehrt. Beobachtungsreihen über die Zustände der Atmosphäre in verschiedenen Höhen ermöglichen die Prüfung jener Vor aussetzungen. Ein volles Verständniss der Vorgänge in der Atmosphäre muss auch auf die Wetterprognose von weittragendem Einflusse sein. Von den drei Möglichkeiten, meteorologische Beobachtungen in grösserer Höhe anzustellen, nämlich durch Fessel ballons mit Registririnstrumenten , bei freien Fahrten der Beobachter und mittelst freier Versuchsballons mit Signalvorrichtungen , empfiehlt sich für den Verein zunächst die zweite, weil sie sich am naturgemässesten den übrigen Zwecken desselben anschliesst. Die meteorologische Zentralstation, an der Spitze Herr Direktor Dr. Lang, hat in richtiger Würdigung der Bedeutung solcher Fahrten die Mitwirkung durch Mobilisirung des Be obachtungsnetzes zugesagt. Der Vortragende schliesst mit dem Hinweise, dass jede Förderung meteorologischer Erkenntniss der Aeronautik wieder zum Vortheile gereiche.

24

Münchener Verein für Luftschiffahrt.

Nach ihm sprach Herr Premierlieutenant Brug, z. Z. kommandirt zum General stabe, der bei wiederholten Kommandos zur k. preussischen Luftschifferabtheilung sich eine nicht unbedeutende Praxis zu erwerben Gelegenheit hatte, über die Aufgaben der zweiten Abtheilung des Vereines ; dieselbe soll sich auf dem Boden der Praxis bewegen . Drei Gruppen von Herren wären zunächst in der praktischen Luftschiffahrt auszubilden : 1. Männer der Wissenschaft, 2. Techniker in weiterem Sinne des Wortes , 3. Offiziere, zu denen als vierte Gruppe noch diejenigen kommen , welche die Luftschiffahrt um ihrer selbst willen betreiben wollen . Die Bedeutung der Fahrten der Gelehrten hat der Vorredner besprochen. Die Aeronautik ist aber an sich noch sehr verbesserungsfähig , ausserdem ist viel neues zu erdenken; da dies am grünen Tisch allein nicht möglich ist, braucht man Techniker, die zugleich Luftschiffer sind . Die Einzelheiten des Ballons Hülle, Netz, Ventile etc. sowie die Beobachtungsinstrumente sind noch sehr verbesserungsfähig . Mit dem gegenwärtigen Ballon kann man sich noch nicht dauernd in beliebiger Höhe halten oder die Höhen beliebig wechseln. Und doch wäre gerade dies für die Wissen schaft von besonderem Werthe, wie es denn auch die Grundbedingung für die Kon struktion und Bedienung des lenkbaren Luftschiffes ist. Auch die Gasfrage ist noch nicht in befriedigender Weise gelöst : wie stellt man das tragfähigste Gas, den Wasser stoff, am raschesten und billigsten her? Dies ist für die Kriegsaëronautik von besonderer Bedeutung, da ohne Zweifel die Ballons in künftigen Feldzügen eine grosse Rolle spielen werden ; aber wie man sie füllt, dadurch dass man das Gas im Felde erst erzeugt oder dass dasselbe in komprimirtem Zustande in Behältern mitgeführt wird, darüber sind die Ansichten noch sehr getheilt. Die Frage des lenkbaren Luftschiffes kann, wenn über haupt, nur durch fortgesetzte praktische Versuche, die auf wissenschaftlicher Grundlage angestellt und systematisch an einander gereiht werden , ihre Lösung finden . Wegen der Wichtigkeit des Ballons für die Kriegführung ist die Ausbildung von Offizieren in der Luftschiffahrt von vaterländischem Interesse. Dass es schliesslich bald Herren genug geben wird, welche des Vergnügens wegen fahren, wird niemand bezweifeln, der jemals den ganz ausserordentlichen Naturgenuss einer Ballonfahrt gekostet hat . Hierauf besprach Herr Dr. Vogel , Studienlehrer an den k. Militär- Bildungs anstalten, die Aufgaben der allgemeinen Abtheilung. Sie wird durch Veranstaltung von Vereinsversammlungen , in welchen Vorträge über aëronautische Fragen gehalten, sowie Berichte über die Ergebnisse der Fahrten und über die einschlägige neuere Litteratur egeben werden, möglichst weite Kreise für das Unternehmen zu interessiren haben. Weiter wurde noch mitgetheilt, dass möglichst bald eine Fahrt veranstaltet werden soll und dass der „ Deutsche Verein zur Förderung der Luftschiffahrt" in Berlin seine Zeit schrift dem Münchener Vereine in dankenswerther Weise zur Verfügung gestellt hat. Hierauf wurde zur Konstituirung des Vereins geschritten ; der Statutenentwurf wurde einstimmig angenommen und zugleich wurde beschlossen , dass der Verein die Rechte eines anerkannten“ erwerben solle. In die Vorstandschaft wurden gewählt die Herren : Prof. Dr. Sohncke , Mitglied der Akademie der Wissenschaften, als 1., Haupt mann im Generalstabe Belleville als 2. Vorsitzender, Katastergeometer Oberbauer als Schriftführer, Buchhändler E. Stahl jun. als Schatzmeister, sowie als Beisitzer die Herren Direktor Aubry , Premierlieutenant Gollwitzer , Fabrikant A. Riedinger aus Augs burg und Hauptmann Strassner. Nachdem Herr v. Sigsfeld noch namens des „ Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt" den neugegründeten Verein beglückwünscht hatte, schloss Herr Prof. Sohncke die Versammlung. Unmittelbar darauf fand eine Sitzung der Vorstandschaft statt, in welcher als Abtheilungsvorstände die Herren Dr. Finsterwalder für die wissenschaftliche, Premier lieutenant Brug für die Luftschifferabtheilung und Dr. Vogel für die allgemeine Ab theilung gewählt wurden . Druck von Beyer & Münch, Berlin W., Behrenstr. 28.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur: Dr. phil. With. Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W. , Jägerstrasse 73.

IX. Jahrgang .

Heft II.

1890.

Der Fesselballon des Deutschen Vereines zur Förderung der Luftschiffahrt, seine Berechnung, Konstruktion und Kostenanschlag. Vortrag, in der Sitzung vom 16. Dezember 1889 gehalten von Gross, Lieutenant der Luftschiffer-Abtheilung. Im Laufe des verflossenen Jahres hielt an dieser Stelle Herr Premier lieutenant Moedebeck zwei Vorträge ,

in denen er ein anschauliches Bild

der Thätigkeit des Deutschen Vereines zur Förderung der Luftschiffahrt und der des französischen Luftschiffahrts-Vereines (Société française de la navi gation aérienne) uns vor Augen führte.

Diese beiden Vorträge sind nicht

ohne Einfluss auf die Weiterentwickelung unseres Vereines geblieben ;

sie

haben in den Mitgliedern und namentlich dem Vorstande den festen Vor satz gereift,

endlich dem Vereine auch eine praktische greifbare Aufgabe

zu stellen, und den nicht unberechtigten Vorwurf zu widerlegen , dass dieser Verein über all' den gelehrten Abhandlungen seiner Zeitschrift und wissen schaftlichen Vorträgen seinen wahren Zweck und seinen gesunden Boden, nämlich die Förderung der Luftschiffahrt in der Praxis , verloren bezw . nie besessen habe. Fragen wir uns nun, was kann denn die praktische Aufgabe eines solchen Vereines sein, wodurch kann er denn, wie es in seinen Statuten lautet, 99 allen Interessen dienen, welche die Luftschiffahrt berühren “ ? Um diese Frage richtig beantworten zu können, müssen wir uns zu nächst

einmal

fragen ,

wodurch

kann

denn

überhaupt ein

Ballon in

seinem gegenwärtigen Zustande menschlichen Interessen nutzbringend gemacht werden? Bis vor wenigen Jahren war der bei

seiner Erfindung so begeistert

begrüsste Luftballon fast lediglich dazu verdammt, die Schaulust der grossen

26

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt.

Volksmenge zu befriedigen und hierdurch die Taschen unternehmungslustiger Besitzer

von Vergnügungslokalen und

klingender Münze zu füllen.

sogenannter Berufsluftschiffer mit

Kann dies wohl die Aufgabe des Ballons sein ;

kann er dem Menschen, der bisher alle Erfindungen nutzbar gemacht hat, nicht bessere Dienste leisten ? Sicherlich kann er es ,

seinen Interessen

und zwar in doppelter Weise ;

einmal als

Höhenobservatorium im Kriege, also als ein jetzt überall eingeführtes werth volles. Kriegsgeräth und

zweitens

als das einzige Mittel,

dem Mann der

Wissenschaft Gelegenheit zu geben , in das Element einzudringen, welches sich seinem erforschenden Geiste am längsten entzogen hat. Die Anwendung des Ballons als Kriegsgeräth liegt in den besten Händen. Fast alle Staaten besitzen gegenwärtig wohlorganisirte Luft schiffer- Abtheilungen,

deren Aufgabe

es ist,

unausgesetzt an

der Vervoll

kommnung des Ballonmaterials in dieser Richtung zu arbeiten .

Hier sind

denn auch sehr schnell im Laufe weniger Jahre sehr erfreuliche Fortschritte zu konstatiren. Ich erinnere hier an den von mir im Laufe dieses Jahres gehaltenen Vortrag :

Das Kriegs - Luftschiffermaterial

fremder Staaten.

Die für diesen

Vortrag damals verwendeten Zeichnungen habe ich heute hier wieder aus gehängt , da sie uns einen leichten Vergleich mit dem später hier zu beschreibenden Ballon bieten und zeigen sollen, dass der Ballon des Vereins einen Vergleich mit diesen Kriegsballons nicht zu scheuen braucht. Anders steht es mit der Verwendung des Luftballons zu wissenschaft licher Erforschung des Luftozeans ;

hier steht uns ein Feld reicher und

verdienstvoller Thätigkeit offen, das wahrlich der Intelligenz und Energie ganzer Männer werth ist. Hier lassen Sie unsern Verein bahnbrechend eingreifen , hier liegt sein gesundes Fundament, auf welchem weiterbauend keine Luftschlösser, sondern solide Laboratorien der Wissenschaft entstehen können . In dieser Ueberzeugung hatte denn auch Förderung beschlossen,

der Luftschiffahrt

in

seinen

ersten

der Deutsche Verein Sitzungen

dieses

zur

Jahres

einen Fesselballon zu bauen , welcher mit selbstregistrirenden

werthvollen meteorologischen Instrumenten versehen, möglichst häufig und andauernd in einer Höhe schweben kann, wohin kein menschliches Bau werk,

auch wenn man zwei Eiffelthürme übereinander setzte,

emporragt.

Der Verein bewilligte einstimmig aus seiner Kasse 500 Mark, eine Samm lung freiwilliger Beiträge von Vereinsmitgliedern für diese Zwecke ergab weitere 300 Mark, so dass unverzüglich mit den Vorbereitungen begonnen werden konnte. Herr von Sigsfeld übernahm in dankenswerthester Weise nicht nur die theoretische Konstruktion der Beobachtungsinstrumente, sich sogar dieselben aus eigenen Mitteln

zu beschaffen .

sondern

erbot

Ich kann Ihnen

die erfreuliche Mittheilung machen, dass diese Instrumente nicht nur bereits

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt. fertiggestellt sind,

27

sondern dass dieselben augenblicklich durch Herrn von

Sigsfeld im Ballon selbst erprobt und hiernach gleich verbessert werden, so dass diese wesentlichste Frage bereits gelöst sein wird, ehe der Ballon sich zum ersten Male in die Luft erhebt. Während Herr von Sigsfeld mit seinem, vor keinen Schwierigkeiten zurückschreckenden Feuereifer an diesem Theile der Aufgabe zum grössten Theil in Augsburg arbeitete, gewesen.

sind wir hier in Berlin auch nicht unthätig

Herr Dr. Assmann, unser werther Herr Vorsitzender, versuchte

für unser Unternehmen Interesse bei den Spitzen der Wissenschaft und Industrie zu erwecken, und wurden seine Bemühungen von gutem Erfolge gekrönt . Herr Kommerzienrath Rudolph Hertzog liess

für

den

Ballon

des

Vereins Primaseide eigens anfertigen, welche im Juli dieses Jahres dem Vereine als Geschenk überreicht wurde. Dieselbe erwies sich bei den später zu beschreibenden Proben als ganz vorzüglich.

Herr Geheimrath von

Siemens stellte zunächst Herrn von Sigsfeld und damit den Bestrebungen des Vereins ein Stahldrahtkabel mit isolirter Kupferleitung zur Verfügung, welches bei sehr grosser Festigkeit ein ungemein geringes Gewicht besitzt, und somit auch als ganz vorzüglich bezeichnet zu werden verdient. Nachdem diese wesentlichsten Punkte erledigt waren , Instrumente, Stoff und Kabel , konnte zu der genauen Berechnung des Ballons geschritten werden, eine Aufgabe, der ich selbst mich unterzogen habe. Da diese Berechnungen und Konstruktionen, sowie die praktische Er probung des zu verwendenden Materials nicht nur lehrreich , sondern auch für viele der hier anwesenden Herren interessant sein dürften , so habe ich heute die Ehre, Ihnen, meine Herren, darüber genauen Bericht zu erstatten. Gleichzeitig will ich diese Gelegenheit benutzen , Gesichtspunkte , welche bei dem kommen, auseinander zu setzen .

Bau dieses

Ihnen die massgebenden

Fesselballons

zur Sprache

In erster Linie handelte es sich darum, die rationelle Grösse des Ballons zu bestimmen. Hierfür ist massgebend einmal, welche Last der Ballon heben, und wie hoch er diese Last heben solle. Die Last theilen wir in die todte Last und die Nutzlast ein , erstere durch den Ballon selbst mit völlig aufgerolltem Kabel , letztere durch das Gewicht der zu hebenden Instrumente repräsentirt. Die todte Last, also das Gewicht des Ballonmateriales selbst, musste auf ein Minimum zu reduziren mein Bestreben sein, damit der Ballon mög lichst klein werden konnte. Je kleiner der Ballon , um so geringer ist der Luftdruck gegen seine Oberfläche, um so besser hält er sich also gegen den Wind, um so leichter ist derselbe zu bedienen und um so geringer sind die Materialkosten .

Aus allen

diesen schwerwiegenden Gründen war hier eine sorgfältige Berechnung geboten.

28

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt. Man glaube ja nicht,

dass man mit einem Fesselballon durch Ver

grösserung seines Auftriebes

oder,

gegen den Wind ankämpfen könne .

was

dasselbe

bedeutet,

seiner Grösse

Hier ist die Grenze sehr bald erreicht,

wo der Winddruck gegen die grössere Oberfläche dem Auftriebe des grösse ren Ballons

überlegen

ist .

Ein Fesselballon hält sich überhaupt nur bis

zu einer gewissen Windstärke in der Luft (6 m pro Sekunde sind hier das Maximum) und wird bei wachsender Windstärke erbarmungslos zur Erde herab gedrückt. Ich musste nun , können ,

um das

todte

Gewicht annähernd

bestimmen zu

zunächst praktische Wägungen und Prüfungen des Stoffes ,

sowie

sämmtlicher übrigen Theile des Ballons vornehmen. Hierzu war es zunächst nöthig, •

ein

Stück

der

Seide gasdicht

zu präpariren ,

d . h . so lange mit

Ballonfirniss zu bestreichen , bis es ausreichende Gasdichtigkeit besass . Quadratmeter ,

welcher in rohem Zustand 69,10 gr wog ,

völlig mit Ballonfirniss gesättigt,

wurde

Ein

zunächst

wodurch er 52,4 gr an Gewicht zunahm .

Nachdem der Firniss völlig getrocknet war, wurde die Seide ein zweites und drittes Mal leicht übergefirnisst und wog nunmehr der Quadratmeter fertig präparirter Ballonstoff 175 gr.

Ein weiteres Präpariren mit Firniss erwies

sich bei der nunmehr angestellten Gasdichtigkeitsprobe als nicht mehr er forderlich. geprüft.

Bei

dieser Probe

wurde gleichzeitig

die Festigkeit

der Seide

Es wurde das Stück Seide über ein eisernes Gefäss fest und luftdicht

eingespannnt, in welches durch eine Luftpumpe Luft eingepresst werden kann . Die ursprünglich horizontal liegende Seide Trommelfell ,

spannte sich zunächst wie ein

wölbte sich hierauf zur Kugel - Kallotte unter dem Luftdruck,

welcher bereits eine halbe Atmosphäre überschritt und platzte schliesslich mit dem Knalle eines Gewehrschusses bei 0,75 Atmosphären Ueberdruck . Dass dieser Druck überhaupt in dem Stoffe zu halten war, ist ein Zeichen vorzüglicher Gasdichtigkeit sowie gleichzeitig grosser Festigkeit . Ein Ueber druck des Gases im Innern des Ballons von auch nur 0,2 Atmosphären ist schon völlig ausgeschlossen, wie wir später noch sehen werden. Ich habe ein Stück dieses Probestückes hier mitgebracht und bitte dasselbe zirkuliren lassen zu wollen. Sie werden

an dem

Stoffe den Einfluss der Probe nicht erkennen

können, so vorzüglich hat sich

die Seide gehalten.

Gleichzeitig habe ich

an diesem Stück eine Naht zur Anschauung gebracht, will aber hierbei er wähnen, dass dieselbe nicht gefirnisst ist , Stoffe erst nähen liess .

da ich dieselbe an dem fertigen

Um das Gewicht des Netzes annähernd vorausbestimmen zu können, musste ich mich zunächst über die Anzahl der Netzmaschen und die Stärke der Netzleinen schlüssig machen . Bei der Wahl der Anzahl der Netzmaschen muss man einmal berück sichtigen, dass dieselbe wegen der rationellen Ueberführung des Netzes durch " Gänsefüsse " in die der Auslaufleinen durch 4 theilbar ist, ferner

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt.

29

soll die Anzahl der Maschen in die Zahl , welche den Umfang des Ballons in Meter angiebt, so bemessen sein ,

dass die grösste Masche im Aequator

des Ballons keine grössere Seitenlänge als 50 cm erhält.

Es ist dies eine

Erfahrungszahl , mit der Festigkeit des Stoffes selbst zusammenhängend . dieser Erwägung Maschen.

ergab

Aus

sich die Zahl 48 als die rationellste Anzahl der

Die Stärke der Netzleinen musste nun so bemessen werden, dass ein mal die Summe sämmtlicher Netzleinen, welche bei 48 Maschen 96 beträgt, da jede Masche aus zwei Leinen besteht, mit mindestens zehnfacher Sicher heit den vollen Auftrieb des Ballons ohne Kabel, welcher rund 1 Ctr. be tragen sollte, aushalten kann. Andererseits durfte unter ein bestimmtes Minimum an Stärke wegen der Abnutzung und ungleichen Belastung des Netzes durch die bei der Füllung einzuhakenden Sandsäcke nicht gegangen werden.

Dieses Minimum setzte ich mit 1,5 mm fest und und untersuchte

nun, ob die 96 Netzleinen von 1,5 mm Stärke im Stande von 1 Ctr.

mit zehnfacher Sicherheit

zu tragen.

seien,

die Last

Ich belastete hierzu eine

aus einer 1,5 mm starken Leine hergestellte Netzmasche von 50 cm Seiten länge am Dynamometer mit Sandsäcken und fand, dass dieselben bei 35 kg Belastung im Knoten riss .

Es würden somit 48 solcher Maschen 1680 kg

33,6 Ctr. tragen können .

Es ergab sich somit für das Netz eine mehr

als dreissigfache Sicherheit. Nunmehr setzte ich die nothwendige Länge der Netzleinen in Gewicht um und fand , dass das Netz ein Gewicht von ca. 3 kg besitzen würde. Auch diese Proben habe ich hierher mitgebracht und bitte dieselben zirkuliren lassen zu wollen. Nahm ich nun für das Sicherheitsventil 3 kg, den Tragering mit Trapez 4 kg Gewicht an, so hatte ich die todte Last des Ballons ohne Haltekabel , dessen Gewicht ja von der hier, zur Sprache kommenden Grösse des Ballons unabhängig ist .

Ich musste auch ein ungefähres Gewicht des fertigen Ballons

von ca. 40 kg rechnen, welches sich wie folgt vertheilt : • 25 kg, Gewicht der Hülle 19

des Netzes

""

·

3

97

des Ventiles

3

""

99

des Ringes

2

"9

17

des Trapezes

3

""

36 kg. Das von Herrn Geheimrath von Siemens zur Verfügung gestellte Kabel besitzt ein Gewicht von 16 kg, das Gewicht sämmtlicher Instrumente wird, wie mir Herr von Sigsfeld angab , ca. 8 kg betragen, mithin musste ich in Summa mit dem im Ballon enthaltenen Leuchtgase, von welchem in Berlin der Kubikmeter durchschnittlich 0,65 kg trägt, ca. 64 kg heben. (Schluss folgt. )

30

Das Aspirations- Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon.

Das Aspirations- Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon . Von Dr. R. Assmann . (Schluss . ) aber noch der Umstand,

Hierzu tritt hüllung von

dass

allein die äussere Um

strahlender Wärme getroffen und dementsprechend über die

Temperatur der Luft erwärmt wird , während das innere Hüllrohr selbst schon eine der Lufttemperatur äusserst nahekommende Eigentemperatur be sitzt , deshalb nur noch einen sehr geringen Betrag von Wärme an die in seinem Innern strömende Luft abzugeben vermag, sodass das eingeschlossene Thermometergefäss weder durch Leitung noch durch Zuführung einen irgend wie in Frage kommenden Wärmebetrag erhalten kann. Als einzige Möglichkeit einer Beeinflussung des Thermometers bleibt nur noch die durch Strahlung von der Innenröhre erfolgende Wärmewirkung übrig. Um deren Betrag festzustellen, bedurfte es der experimentellen Prüfung . In erster Linie war hierzu die Kenntnis derjenigen Temperatur noth wendig , welche die äussere Hülle unter dem Einflusse intensiver Sonnen strahlung annehmen kann . Nach vielen vergeblichen, z. Th. recht komplicirten Prüfungsmethoden, z . B. des thermoelektrischen Verfahrens, folgte ich einem Hinweise des Herrn Prof. von Bezold , indem ich aus der Reihe der leicht schmelzbaren Fett säuren einige aussuchte , deren Schmelzpunkt und Erstarrungspunkt einer wenig veränderlichen Temperatur entsprach, und von denselben kleine Pro ben im festen Zustande auf das äussere Umhüllungsrohr brachte. Erreichte dieses Rohr die entsprechende Schmelztemperatur der Fettsäure , so musste diese selbst flüssig werden. Selbstverständlich durfte man wegen der abweichenden Wärme- Ab sorption dieses Körpers denselben nicht unmittelbar der Sonnenstrahlung aussetzen , musste ihn vielmehr an der beschatteten Seite des Hüllrohres anbringen, wobei man annehmen durfte , dass bei der guten Wärmeleitung eines Metalles der Temperaturunterschied der besonnten und beschatteten Seite desselben Rohres ein sehr geringer sein werde. Unter der äusserst intensiven Sonnenstrahlung, wie sie in den höheren atmosphärischen Schichten stattfindet , wurde aus einer Reihe derartiger Beobachtungen auf dem Gipfel des 2504 m hohen Säntis gefunden, dass selbst in der

Zeit des

höchsten

Sonnenstandes (am 25. Juni 1889, vor

mittags gegen 10 Uhr) die äussere Hülle niemals einen Temperatur- Ueber schuss von 3 ° C. im Gange war.

über die Lufttemperatur erreichte, wenn die Aspiration

Die in Verwendung genommene , auf ihren Schmelzpunkt

von 13 ° C. wiederholt an Ort und Stelle geprüfte Undecylensäure , im festen Zustande in der Grösse einer Linse auf die Schattenseiten der äusseren Umhüllungen selbst bei

von 2

Aspirations - Thermometern

einer Lufttemperatur von

10,5 ° C.

gebracht ,

blieb

noch fest, schmolz jedoch

sofort, sowie bei aufhörender Aspiration die Thermometer auf 13,4° stiegen.

Das Aspirations-Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon. Kann man nun als



31

aber annehmen, dass der Einfluss einer um weniger

höher temperirten äusseren Umhüllung auf das in das Innenrohr

eingeschlossene

Thermometer

so gering sein werde, dass man ihn für das

praktische Bedürfniss vernachlässigen dürfte? Auch diese Frage liess sich am einfachsten auf experimentellem Wege

lösen. Brachte

man

in

einem

möglichst freien Zimmer zwei

von

schnellen

Temperatur - Schwankungen

Aspirations-Thermometer dicht neben ein

ander in der Weise an, dass dem Hüllrohre des einen eine beliebige Tem peratur künstlich ertheilt werden konnte, während das andere Instrument diesen Einfluss

nicht erfuhr,

so konnte

man

Schritt für Schritt aus der

zwischen den beiden Thermometern eintretenden Differenz der Stände den Betrag des vom erwärmten Hüllrohre ausgehenden thermischen Einflusses erkennen . Zu diesem Zwecke wurde das äussere Hüllrohr des einen Apparates mit einem Trichter umgeben, in welchen Wasser von einer höheren Tem Hierbei peratur, als der Lufttemperatur entsprach, eingegossen wurde. zeigte sich das geradezu überraschende Resultat, dass bei einem Temperatur Ueberschuss von mehr als 30°, welchen man dem äusseren Hüllrohre durch Umgebung mit entsprechend warmen Wasser ertheilte, der Einfluss auf das eingeschlossene Thermometer noch nicht 0,1 ° betrug. Der Schluss dürfte demnach als unanfechtbar anzusehen sein , dass, wenn ein Temperatur - Ueberschuss des äusseren Hüllrohres von 30° ohne Einfluss auf das Thermometer bleibt , ein solcher von weniger als 3º, wie er unter stärkster Sonnenstrahlung in 2500 m Höhe festgestellt worden ist , gleichfalls den Stand des Thermo meters

zu

erhöhen nicht im Stande ist.

Hieraus folgt , dass das

Thermometer dem Einflusse derartig intensiver Sonnenstrahlung in

einer

für

das

praktische

Bedürfniss

völlig

ausreichenden

Weise entzogen ist. Der Apparat erweist sich somit als durchaus geeignet, um unter den jenigen Verhältnissen, in welchen alle anderen Methoden unzuverlässige Tem peraturwerthe ergeben , solche Angaben zu liefern , welche einer grösstmög lichen Annäherung an die wahre Temperatur der Luft entsprechen. Der Benetzung durch Niederschläge sind die Thermometer überdies durch das sie umgebende System doppelter Metallhüllen völlig entzogen. Es könnte aber vorweg zweifelhaft erscheinen, ob eine Benetzung der Aussenhülle durch Niederschläge nicht dadurch einen störenden Einfluss auf die eingeschlossenen Thermometer auszuüben vermöchte, dass der Aussen hülle bei nicht dampfgesättigter Luft eine beträchtliche Wärmemenge durch Verdampfung des benetzenden Wassers entzogen würde. Die hierdurch bewirkte Temperatur-Erniedrigung der äusseren Hülle würde

aber unter

keinen Umständen einen so bedeutenden Betrag erreichen können, dass die selbe

etwa 30° unter

die Temperatur der Luft herabgehen könnte , zumal

32

Das Aspirations- Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon.

bei fallendem

Niederschlag die Luft zwar nicht dampfgesättigt zu sein

braucht, aber doch niemals extreme Trockenheit aufweisst.

Das Experiment

hat aber gezeigt, dass ein Temperaturunterschied von 30° zwischen Aussen hülle und Luft noch ohne Einfluss auf das eingeschlossene Thermometer bleibt. So darf man auch mit Sicherheit schliessen, dass dasselbe auch von erheblich geringeren Temperaturdifferenzen gelten muss . Als

ein

weiterer,

wichtiger Vortheil

des

besonders für die Benutzung im Luftballon höchst Aspirations - Thermometers muss

gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber allen peraturmessung angesehen werden.

anderen

dessen erheblich

Methoden

der Tem

Alle bisherigen, im Luftballon gewonnenen Temperaturreihen zeigen mit voller Deutlichkeit, dass die Thermometer den beim Auf- und Absteigen erfolgenden schnellen Aenderungen der Lufttemperatur nicht zu folgen ver mochten. Selbst bei denjenigen kurzdauernden Ballonfahrten , welche bei wolkenreinem Himmel und Windstille , sowie zu einer Tageszeit erfolgten, in welcher die Aenderung der Lufttemperatur nur geringe Werthe erreicht, zeigen sich ausnahmslos die beim Auffahren beobachteten Temperaturen erheblich höher,

als die beim Absteigen in denselben Höhen abgelesenen

Werthe, sobald die Höhenänderungen einigermassen schnell stattfanden . Die Thermometer waren eben nicht im Stande , den schnellen Temperatur änderungen zu folgen,

behielten daher beim Aufsteigen in allen Schichten

die höheren Temperaturen der niedrigeren, beim Absteigen die niedereren Temperaturen der höheren Schichten bei, nachdem sie bei längerem Aufent halt in einer und derselben Schicht in der Höhe sich mit der Lufttemperatur in das Gleichgewicht gesetzt hatten. genannten Mängel der Exposition,

Abgesehen von den durch die oben

welche durch abwechselnde Besonnung

und Beschattung störend einwirkten, veranlassten scheinbaren Temperatur sprüngen finden wir fast regelmässig beim Aufstieg in der obersten, beim Abstieg in der untersten durchfahrenen Schicht auffallend grosse , den Gesetzen über die Abnahme der Lufttemperatur mit der Höhe durchaus nicht entsprechende Aenderungen . Alle diese scheinbaren Abnormitäten der Temperatur- Vertheilung dürften sich bei der Verwendung besserer Methoden und grösserer Empfindlichkeit der Thermometer als Irrthümer herausstellen . Unserm Apparat aber sichert die in ihm stattfindende massenhafte Lufterneuerung

in Verbindung

mit dem äusserst kleinen Thermometer

gefässe eine ganz beträchtliche Steigerung der Empfindlichkeit, sobald man dafür sorgt, dass er so weit ausserhalb der Ballongondel aufgehängt wird , dass nicht mitgeführte anders temperirte Luft aus derselben oder von ihren Wandungen in die Thermometer zu treten vermag . Es dürfte daher, um möglichst fehlerfreie Ablesungen zu erhalten, die Befestigung des Apparates an dem Ende einer etwa 2,5 m langen kräftigen Bambusrohrstange zu empfehlen sein, welche durch zwei an gegenüberliegen den Stellen der Gondelseile geknüpfte Schnurösen in mehr als Körperhöhe

Das Aspirations- Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon .

33

gesteckt ist, wobei man, um ein Herausgleiten der Stange zu verhüten, das andere freie Ende mit einem Querknebel versieht. Der Thermometer-Apparat darf aber sich nicht selbst in der Augen höhe des aufrecht stehenden Beobachters am andern Ende der Stange be finden, sondern muss an einer Schnur oder einem festen Halter von demselben so weit herabhängen , dass die unteren Oeffnungen des Apparates noch Der Apparat wird, unterhalb der Höhe des Gondelrandes sich befinden. nachdem das über 11 Minuten laufende Uhrwerk aufgezogen ist, mit der Stange so weit über den Gondelrand hinausgeschoben, dass er wenigstens 1 m weit Zur Ablesung wird die Stange schnell soweit

von demselben entfernt ist.

herangezogen , dass der sitzende Beobachter über den Gondelrand hinweg die Thermometer schnell abzulesen vermag, und dieselbe dann so bald als möglich wieder nach aussen geschoben. Für systematische Beobachtungen würde es sich empfehlen , in Ver bindung mit der Bambusstange ein kleines Ablese - Fernrohr in gleicher Höhe mit der Mitte der Thermometerskala , 1 bis 1,5 m von dem Apparate ent fernt, anzubringen und mittels desselben die Ablesungen auszuführen , ohne das Thermometer an die Gondel heranzuziehen. In diesem Falle könnte der Apparat auch höher als der Gondelrand hängen. An Stelle dieser in jedem Ballon ohne weiteres anzubringenden Vor richtung verwandte Herr von Sigsfeld bei seiner Fahrt im Ballon „ Herder" mit Herrn Dr. Kremser im Juni 1888 einen an der Aussenseite der Gondel um

eine senkrechte Axe drehbar angebrachten

welcher zur Ablesung herangezogen wurde . Forscher auch feststellen,

dass

Galgen aus Bambusrohr,

Hierbei konnten die genannten

eine weitere Entfernung des Thermometers

von der Gondel, im genannten Falle bis auf 11 m, keine Vortheile darbot. Die Empfindlichkeit des Aspirationspsychrometers ist nach den neuerdings angestellten Versuchen als eine gegen ein gewöhnliches Thermometer etwa ver fünffachte anzusehen, wodurch ohne Zweifel bei allen nicht gerade rapiden Aufstiegen und Abstiegen

erreicht werden dürfte,

dass

die

Thermometer

den wirklichen Temperatur- Aenderungen zu folgen vermögen . Es

erübrigt nun noch,

über die Verwendung des feuchten Thermo

meters zum Zwecke der Ermittlung des Wasserdampfgehaltes der Luft bei Ballonfahrten die nöthigen Angaben zu machen . Nach den vorläufigen Untersuchungen des Herrn Dr. Sprung (s . „ Das Wetter " , 1888 , No. 5, p. 105) verlangt das Aspirations-Psychrometer haupt sächlich aus dem Grunde eine andere Konstante in der Psychrometerformel , als das gewöhnliche Psychrometer, weil die Geschwindigkeit des Luftstromes bei dem ersteren im Durchschnitt eine grössere ist, als diejenige , welche bei der gebräuchlichen Formel für das letztere vorausgesetzt wird. Sprung führt an genanntem

Orte

aus,

dass bei

der gewöhnlichen vereinfachten

b

Psychrometerformel

f= f¹A (t - t') 755 IX .

3

34 www

Das Aspirations - Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon. wo

die Temperatur des trockenen,

die des feuchten Thermometers , f die Maximalspannung des Wasserdampfes bei der Temperatur ', f die wirklich vorhandene und zu bestimmende Wasserdampfspannkraft der Luft (den "" Dampfdruck" ), 6 den Barometerstand und A eine Konstante bedeutet, diese Konstante A für = 9° den Wertb von 0,603 , rund 0,6 , dann habe, wenn b, b ' und b in Millimetern Quecksilberhöhe und t, sowie in Celsiusgraden ausgedrückt werde. Durch Vergleichungen mit anderen , absolute Bestimmungen von ƒ und fgestattenden Methoden Aspirationspsychrometer

gelangte Sprung zu dem Ergebnis,

das für das

an Stelle der Konstante A = 0,6 der Werth von

0,5 zu setzen sei, um recht gute Uebereinstimmung zu erzielen . sind allerdings

die gewöhnlichen

Psychrometertafeln (Wild ,

Hiernach

Jelinek) für

das Aspirations-Psychrometer nicht ohne Weiteres zu verwenden, aber man gewinnt mittels einer

einfachen Rechnung aus der bekannten Spannkraft

tabelle des gesättigten Wasserdampfes leicht den gesuchten Werth von f¹. Es sei z. B. , wie Sprung weiter ausführt , beobachtet = 18,9 ° und ¹ == = 11,9 °. Die Spannkrafttabelle liefert für f¹ 10,4 mm ; dieser Werth ist um 18,911,9 = 3,5 zu verringern, woraus man = 6,9 mm findet. Mit Hülfe 2

f derselben Spannkrafttabelle findet man die relative Feuchtigkeit R =

100,

fm also, da fm , der Maximaldampfdruck, welcher der Lufttemperatur 6,9 • 100 = 42,6 %. entspricht = 16,2 mm ist, auch R 16.2 Für die Verwendung des Psychrometers in höheren Atmosphäre kommt natürlich noch die Berücksichtigung in Frage.

= 18,9 °

Schichten der

des Luftdruckes

Für den praktischen Gebrauch des Psychrometers bei Ballonfahrten bedarf aber unser Apparat noch einer wesentlichen Abänderung.

Wenn man

überlegt, dass besonders bei Ballonfahrten, welche die Wolkendecke, vielleicht wiederholt kreuzen,

ausserordentlich grosse und kurze Schwankungen der

Luftfeuchtigkeit vorkommen, dass aber anderseits die der Musselinumhüllung feuchten Thermometers imprägnirte Wassermenge gelegentlich binnen kurzer Zeit zur vollständigen Verdampfung kommt und demgemäss erneuert werden muss, wobei das feuchte Thermometer vorübergehend die Temperatur des zugeführten Wassers annimmt, dann sieht man ein, dass hieraus erheb liche Unsicherheiten über die Korrektheit der Angaben des feuchten Thermo meters hervorgehen müssen. Es ist hier bei dem zuweilen schnellen Wechsel der Luftfeuchtigkeit nicht möglich,

wie

an der Erdoberfläche,

aus

dem

Konstantwerden des Instrumentes auf die erfolgte Einstellung" desselben Dies gilt vom Aspiratios -Psychrometer aus dem Grunde zu schliessen. noch in höherem Masse,

weil der stärkere Luftstrom auch eine grössere

Menge von Wasser vom feuchten Thermometer verdampfen lässt .

Das Aspirations- Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon. Um diese Uebelstände

zu vermeiden,

bedarf man

35

für das Ballon

Aspirations - Psychrometer zweier "" feuchter " Thermometer , welche ab wechselnd zur Ablesung benutzt werden. Der Apparat hat zu diesem Behufe statt der in Fig. 1 und 2 sichtbaren zwei unteren Schenkel deren drei, indem das dritte aus dem centralen Gusstück nach vorn vorspringt und ebenso, wie die beiden anderen in polirter Hüllröhre ein Thermometer ein schliesst.

Die centrale Röhre ist dementsprechend etwas weiter, der Durch

messer der Aspiratorscheibe

etwas grösser gewählt worden,

um bei der

eingetretenen Querschnittsvergrösserung keine Verringerung der Luftstrom Geschwindigkeit zu erzeugen . Zwei der Thermometergefässe sind mit Musselin umwickelt und werden bei Beginn der Beobachtung beide befeuchtet.

So lange beide denselben

Stand zeigen, kann jedes derselben zur Ablesung benutzt werden .

Nach

einer durch die Erfahrung zu regelnden* ) , lieber aber zu kurz als zu lang bemessenen Zeit , am besten nach 10 Minuten , wo auch das Uhrwerk des

Aspirators

aufgezogen

werden

muss ,

wird

dem

einen

der

beiden

,,feuchten" Instrumente Wasser zugeführt, wobei dasselbe gewöhnlich seinen Stand erheblich ändert entsprechend der Temperatur des verwandten Wassers . Nach einiger Zeit aber wird es sich dem Stande des anderen Instrumentes wieder genähert haben und schliesslich die gleiche Angabe liefern . Von diesem Punkte an können an diesem die Ablesungen gemacht, das andere Thermometer aber nun der Befeuchtung unterworfen werden. Auf diese Weise ist man im Stande, ununterbrochene Psychrometerwerthe zu erhalten . Dasselbe Verfahren ist aber auch in denjenigen Fällen anzuwenden , in welchen die Temperatur des feuchten Thermometers , oder auch die des trocknen unter 0 ° sinkt. Sehr häufig bemerkt man in diesem Falle, besonders, wie es scheint ,

bei neuen Umwicklungen und in der ersten Zeit dieser

Temperaturerniedrigung,

dass das feuchte Thermometer,

ohne bei 0º Halt

zu machen, bis das ganze Wasser zu Eis gefroren ist, schnell um mehrere Grad unter 0º herabsinkt, indem es eine sogenannte „ Ueberkaltung " oder „ Ueberschmelzung" erleidet, plötzlich aber mit einem Sprunge wieder auf 0° emporschnellt um nun erst langsam bis auf den der Luftfeuchtigkeit entsprechenden tiefsten Stand zu sinken .

Die von H. A. Hazen in Washington

herrührende Behauptung , dass der bei der Ueberkaltung des Wassers erreichte tiefste Stand identisch sei mit dem bei der nachfolgenden Eis verdunstung erreichten, hat sich in vielen Fällen eigener Beobachtungen des Verfassers nicht als genügend sicher bewahrheitet. Das feuchte Thermometer wird unter diesen Umständen für eine fortlaufende Ablesung zu einer wahren crux für den gewissenhaften Beobachter!

*) Aus Versuchen in trockner Zimmerluft von 30-33 % relativer Feuchtigkeit hat sich ergeben, dass das „Befeuchtungswasser" des feuchten Thermometers durchschnittlich in 25-30 Minuten bei im Gange befindlicher Aspiration verdampfte. 3*

36

Das Aspirations -Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon.

Benutzt man aber den beschriebenen Doppel- Apparat, so gestaltet sich die Beobachtung wesentlich leichter, wenn man die Befeuchtungspausen so weit als möglich auseinanderzurücken sucht, Verdunstung des Eises

was man bei der langsamen

auch gut thun kann .

Man befeuchtet auch hier, wenn die Auffahrt schon bei Temperaturen unter 0 ° beginnt, beide Thermo meter im Anfange gleichzeitig und gewinnt aus der Beobachtung des Ganges beider auch einen sicheren Anhalt über den Gang der Ueberkaltung und nachherigen "" Einstellung" . Wenn man nicht in aussergewöhnlich trocknen Luftschichten sich befindet , was man aus der verhältnismässig grossen Differenz zwischen dem trocknen und feuchten Thermometer schliessen kann

bei einer Lufttemperattur ur von von 4 ° schon

eine

10 ° bezeichnet eine Psychrometerdifferenz ausserordentliche Trockenheit , wird man höchstens

in Zwischenräumen von 12 bis 3/4 Stunde die Befeuchtung des einen feuchten Thermometers vorzunehmen brauchen . Hierbei tauche man das Thermometergefäss nur wenige Sekunden lang in das Wasser ein , sodass nicht alles im Musselin befindliche Eis zur Schmelzung kommt, weil das Vorhandensein von etwas Eis im Musselin gewöhnlich das Eintreten der Ueberkaltung verhindert. Dies erkennt man daraus, dass das Thermometer einige Zeit bei 0 ° Halt macht und dann langsam weiter sinkt. In allen Fällen aber dürfte auch der Ueberkaltungs- und Einstellungsprozess innerhalb der Zeit ablaufen , während welcher das andre Instrument noch korrekte , dem Wasserdampfgehalte der Luft entsprechende Angaben liefert. Zur Vornahme der Befeuchtung dient eine sehr zweckmässig konstruirte Vorrichtung,

welche aus einem kleinen starken Gummiball mit Schlauch

stück besteht, in welches letztere eine kurze Glasröhre eingesetzt ist, deren Durchmesser ein derartiger ist, dass sie in die innere Hüllröhre des Thermo meterapparates (Fig. 1 ) leicht eingeführt werden kann und dabei das um wickelte Thermometergefäss in sich aufnimmt.

Die Länge der Glasröhre

ist so berechnet, dass dieselbe nur so tief eingeschoben werden kann, dass sie bis über die Musselinumwicklung hinaufreicht. Der Gummiball wird mit destillirtem oder Regenwasser ganz angefüllt, darauf das Schlauchstück durch einen darübergeschobenenen dass

man den Apparat ohne

Quetschhahn

so

sicher

abgeschlossen,

weiteren Verschluss in der Tasche tragen

kann, wodurch man das Wasser bei Frosttemperaturen auch am besten vor dem Gefrieren schützt. Zur Befeuchtung hält man die Glasröhre senkrecht in

die Höhe,

drückt mit der linken Hand den Quetschhahn

etwas aus

einander, wodurch man das Schlauchstück öffnet, und komprimirt dabei mit der rechten Hand den wassergefüllten Gummiball vorsichtig so weit, dass im Glasrohre Wasser bis zu der eingeritzten Strichmarke ansteigt. Lässt man nun den Quetschhahn wieder wirken, so schliesst dieser das in der Röhre über ihm befindliche Wasser ab ,

mit welchem man nun durch Ein

führen der Glasröhre in das innere Hüllrohr des feuchten Thermometers dessen Musselinumhüllung durch Eintauchen befeuchtet. Bei dem Ein

Das Aspirations -Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon.

37

tauchen des Thermometergefässes in das Glasrohr steigt das Wasser nun so weit, dass es bis zu dessen Rande aufsteigt und so, ohne überzulaufen, die ganze Musselinhülle durchtränkt. Man thut gut, danach, während das Thermometergefäss

noch einge

taucht ist , den Quetschhahn zu öffnen, wodurch der elastische Gummiball unter Annahme seiner früheren Gestalt das Wasser aus der Glasröhre, und damit saugt.

einen am Thermometer

etwa hängen bleibenden

Tropfen

zurück

Einige Uebung mit dem Aspirations - Psychrometer ermöglicht es , die beschriebenen Manipulationen des Aufziehens des Uhrwerkes , regelmässig alle 10 Minuten geschehen sollte,

alle

welches

sowie der Befeuchtung mit

leichter Mühe auszuführen , da der Apparat gegenüber den früher verwandten ähnlichen mit Saugebalg - Apirator den grossen Vorzug besitzt,

nicht einer

ununterbrochenen Bedienung zu bedürfen . Mit regelmässigen Ablesungen in Pausen von 5 Minuten

wird man

bei längeren Ballonfahrten meistens schon ganz erhebliches Beobachtungs material gewinnen können, während man unter besonderen Verhältnissen, z. B. beim Passiren einer Wolkendecke oder bei plötzlichen Kursänderungen, wenn möglich auch beim Auf- und Absteigen in kürzeren Pausen beob achten sollte . Zu erwähnen ist noch kurz die Bestimmung des in der Fig . 1 mit bezeichneten dünnen centralen Rohres. Dasselbe hat den Zweck,

in Verbindung mit einem von unten ange

setzten Gummigebläse , welches mit der Hand getrieben wird, einen kräftigen Luftstrom aus der feinen Oeffnung bei a in das centrale Rohr eintreten zu lassen. Da dieser Eintritt von Luft unter starkem Drucke erfolgt, reisst dieselbe, als Injektorstrahl wirkend , die in dem weiten Rohre befindliche Luft mit sich fort, sodass zu deren Ersatz neue von unten, an den Thermo metern vorbei einströmen muss. Da das Handgebläse eine elastische, durch ein Netz vor dem Zerplatzen geschützte Luftkammer besitzt, erfolgt der Luftstrahl und die hierdurch bewirkte Aspiration von Luft kontinuirlich . Untersuchungen ergeben, dass man mittels dieses Apparates bei still stehendem Uhrwerke einen Luftstrom von 2,6 m p . Sek . bei den Thermo metern vorüberführt ; wendet man aber Uhraspirator und Injektoraspirator gleichzeitig an, so erzielt man sogar eine Geschwindigkeit von 3,0 m p. Sec. Für den Luftballon hat dieser Injektorapparat nur den Zweck,

im Falle

einer plötzlichen Beschädigung des Uhrwerkes , Zerspringen der Uhrfeder, oder Einfrieren desselben nach vorhergegangener zufälliger Durchnässung, die Beobachtungen noch, allerdings in wesentlich unbequemerer Weise fort setzen zu können . Der vorstehend beschriebene Apparat dürfte in der That geeignet sein, um die bei Ballonfahrten

anzustellenden Beobachtungen über Temperatur

und Wasserdampfgehalt der Luft auf eine bisher auch nicht annähernd

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

38

erreichte Stufe der Vollkommenheit und Sicherheit zu erheben und hiermit wahrscheinlich dazu beitragen , dass unsere bisher auf mangelhaftem Material aufgebauten thermodynamischen Anschauungen eine wesentliche Aenderung erfahren. *) Das beschriebene Aspirationsthermometer wird aber auch, statt des Uhrwerkes von einem kleinen Elektromotor während 8 10 Stunden ununterbrochen getrieben, nach dem Plane des Herrn von Sigsfeld mit einer fortlaufenden photographischen Selbstregistrirung versehen werden und so ein kontinuirliches Bild der Temperaturänderungen in der Höhe von ausser ordentlicher Feinheit zu geben im Stande sein . Der vom Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt z. Z. konstruirte kleine

Fesselballon ist bestimmt,

einen derartigen Registrir

apparat an möglichst vielen Tagen in die Lüfte zu tragen und ihn dort möglichst viele Stunden lang schwebend zu erhalten ,

damit aus

seinen

Angaben ein für die meteorologische Wissenschaft sowohl, als auch rück wirkend für die Luftschiffahrt selbst noch ungelöstes Räthsel seiner Lösung nahegeführt werde.

Betrachtungen über Gummilösungsmittel . (Fortsetzung aus Heft XII des vorigen Jahrgangs .) 30 - prozentige Benzole. Die sogenannten „ 30- prozentigen Benzole des Handels " Flüssigkeiten, von denen etwa nur der dritte Theil bei Temperaturen unter 100 ° C. übergeht,

während 45 bis 55 % bei 100 ° bis

125 ° C. (212 ° bis 257 ° Fahrenheit) und der Rest bei verschiedenen höheren Graden überdestillirt sind nicht so geeignet zur Kautschukbearbeitung, als es ihnen bisher zugeschrieben wurde .

Denn es eignen sich für feinere

überzogene Gegenstände die Benzole mit höher liegenden Siedepunkten aus gezeichnet zum Lösen von Kautschuks der mehr pechigen und widerstands fähigeren Art. Solvent - Naphta .

Eine ähnliche Bemerkung passt auf die gewöhnlich

gekauften „ Solvent-Naphtas " ; früher wurde diese Bezeichnung auf ein besseres und bestimmteres Produkt angewendet,

als dies jetzt der Fall ist .

Jetzt

scheint die „ Solvent-Naphta " aus den mässig flüchtigen Bestandtheilen des Steinkohlentheeröls zu bestehen, nachdem man aus ihm alle Substanzen sorgfältig gewonnen hat,

welche

auf dem Markt einigen Werth besitzen.

Mit anderen Worten, sie besteht aus dem Nachlauf, dessen spezifisches Gewicht man gehörig heruntergedrückt hat mittelst eines der leichteren Homologen des Benzols oder auch mit ein wenig Petroleum-Aether , wie es eben am besten passt. Gewöhnlich gehen 5 bis ungefähr 40 % unter *) Der Apparat wird sowohl in seiner einfacheren , für Reisebeobachtungen vor nehmlich in den Tropen geeigneten Form , als auch in seiner Ausstattung für den Ge brauch im Luftballon von der Firma R. Fuess, Berlin SW, Alte Jakobstrasse 108 , ge liefert.

39

Betrachtungen über Gummilösungsmittel. 125° C. (257 ° Fahr. ) über ,

aber wie hoch das Thermometer steigt,

ehe

alles überdestillirt ist, das ist eine Frage, deren Beantwortung beinahe bei jeder Probe anders lautet . Es liegen mir zwei Proben von „ Solvent-Naphta “ vor, denen, laut dem sie begleitenden Gutachten, nur ein Merkmal gemein sam ist

dass

"" nicht die Eigenschaft eines

sie nämlich augenscheinlich

Kautschuklösungsmittels besitzen “ . Solche Lösungs- oder Brenn * )-Naphtas sind gewöhnlich sehr reich an Paraffinen

und Naphtalien .

Vertreter

einer dieser

beiden Klassen von

Kohlenwasserstoffen sind (wie vorher eben bemerkt wurde) stets mehr oder weniger nachtheilig für eine gute Quantität Kautschuk, und zwar so sehr, dass ich meinen Klienten den Rath gebe, Tobiol, Benzol , Benzole

beim Abschluss einer Lieferung von

oder irgend einem der

im Handel vorkommenden höhern

zur Kautschukbearbeitung sich stets das ausdrückliche Recht vor

zubehalten,

dass

sie

alles ,

was mehr als

0,5 % irgend eines Paraffins,

Naphtalins, Anthracens oder deren Homologen Verkäufers zurücksenden können ". Unter Anwendung

enthält,

einer dünnen Glasretorte,

die

„ auf Kosten

des

4 Liter fasste und

selbstverständlich ausgezeichneter Kondensationseinrichtungen,

wurden bei

der Destillation von Handels-Benzolen ausgezeichneter Qualität die Resultate erhalten,

welche in der folgenden Tabelle aufgeführt sind,

den entsprechenden

spezifischen Gewichten.

mit geringfügigen Abänderungen ,

zugleich neben

Diese Resultate (welche ich,

nach Hohenhausen angebe)

sind typisch,

und dürften für die gewöhnlich nöthige Auskunft von Nutzen sein : Fraktionirte Destillation von Handels- Benzolen .

Prozentgehalt des Destillates.

Temperatur.

90 Proz. Benzol

Celsius .

50 Proz . Benzol

30 Proz . Benzol

Fahrenheit . Spez . - Gew.

0,882 Spez.- Gew.

0,878 Spez.- Gew.

85°

185°

22 %

90°

194°

74 %

95°

203°

87 %

18 %

208,4° 212°

88,7 %

40 %

21 %

90 %

50 %

30 %

98º 100° 105°

221 °

94 %

68 %

55 %

110 ° 115°

230° 239°

98 %

79 %

73 %

99 %

85 %

84 %

120°

248 °

100 %

90 %

90 %

130°

266 °

Für alle

Zwecke,

0,875

100 % die

mit

der Kautschuk-Industrie in

Verbindung

*) Brenn-Naphta berührt uns wenig, da sie nur als Brennmaterial in gewöhn lichen Lampen oder in Oefen dient.

40

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

stehen,

kann diese Destillations- Probe mittelst einer gewöhnlichen Retorte

und Kühler mit einem genügenden Grade der Genauigkeit ausgeführt werden, vorausgesetzt, dass das angewandte Thermometer zuverlässig ist, und dass seine Kugel während der Operation sorgfältig unter der Oberfläche der Flüssigkeit gehalten wird. Eine genauere fraktionirte Destillation, wie sie zum Beispiel nöthig ist bei Untersuchung der in der Farbentechnik ange wandten Benzole, erfordert einen besonderen Destillirkolben und eine Reihe von Kugeln (Dephlegmations- Apparat), und ist hier nicht nöthig. Stellen wir nun die Lösungsmittel der Benzolklasse zusammen in der Reihenfolge ,

wie

sie

sich

in der Praxis

für

unsern bestimmten Zweck

bewährt haben, so erhalten wir :

1. Toluol ( Handels- ) . 2. 50 bis 90 % -Benzol ausgezeichneter Qualität.

3. Benzin (Handels-) . 4. 90 %-Benzol (vorzüglich, frei von Schwefel) . 5. Ortho-Xylol.

6. Xylole (Handels- ) . 7. 30 % -Benzol. Und dann mögen wir vielleicht einreihen , aber ziemlich weit hinten : 8. Solvent-Naphta unserer Tage. Ich Ende

führe hier nicht die Kohlenwasserstoffe auf,

der Reihe in irgend einer Richtung stehen,

schiedene Einwendungen machen kann,

wie dies

die am äussersten

da man gegen sie ver schon konstatirt wurde .

Bei Betrachtung der relativen Lösungsfähigkeiten muss man aber beachten, dass man, wenn es nicht anderwärts genau angegeben ist, auf ihre Fähigkeit, Para- und andere Kautschuks der besten Qualität zu lösen, achten muss , da bei einigen Gummiarten zuweilen Unregelmässigkeiten vorkommen, welche nicht immer leicht erklärbar sind .

Die Petroleum - Arten.

In der

sehr

unbestimmten Bezeichnung

„ Petroleum " sind eine sehr grosse Zahl flüssiger Kohlenwasserstoffe in begriffen, und die blosse Aufzählung der gewöhnlichsten Arten derselben und ihrer hauptsächlichen Eigenschaften würde weit mehr Raum in Anspruch nehmen, als ihnen hier zugewiesen werden kann. Zwei Arten des Roh petroleums mögen hier nochmals geprüft werden , unter Anwendung der gewöhnlich üblichen Bezeichnungen nämlich : a) das natürliche Petroleum, oder die mineralische Naphta, welche man findet in Amerika, Russland und anderen Orten vermittelst abgeteufter Brunnen oder Bohrlöchern ; und b) das künstlich dadurch bereitete, dass man Brandschiefer der trockenen Destillation unterwirft. Von letzterem soll das „ Young'sche Paraffinöl " als Typus genommen werden. Diese zwei Arten von Petroleum, welche aller Wahr scheinlichkeit nach einen gemeinsamen Ursprung besitzen indem Brand schiefer und andere bituminöse Mineralien im Laboratorium der Natur, resp . dem des Menschen der Einwirkung von Hitze unterworfen werden - gleichen

41

Betrachtungen über Gummilösungsmittel. einander in hohem Grade,

und zeigen auch gewisse Aehnlichkeit mit den

eben besprochenen Steinkohlentheerprodukten . Die Hauptpunkte, worin diese drei Naphta- Arten

das

sind die

leichtern Flüssigkeiten , erhalten durch Destillation der eben genannten Materialien übereinstimmen und von einander abweichen , dürften in einigem Masse jedem Kautschukfabrikanten bekannt sein,

und da sie von

Herrn A. H. Allen sehr hübsch und kurz zusammengefasst worden sind, so rechtfertige ich mich nicht erst dafür, dass ich ihn hier anführe : Tabelle über die Verschiedenheiten der drei Naphta- Arten .

Ort der

Petroleum

Brandschiefer

Steinkohlentheer

Charakteristik .

Naphta .

Naphta .

Naphta .

Enthält minde stens 75 0 Heptan

Enthält minde stens 40 % bis 50 % Heptylen , C. H,4, und an dere Kohlen

Besteht fast ganz

0,718

0,876

C, H, und andere Kohlenwasser stoffe der Sumpf Chemische Zusammensetzung.

gas- oder Paraffin reihen, der Rest wahrscheinlich Olefine Cn H,an mit bestimmten Spuren von Ben C. H,6 zol und seinen Homo

logen. 0,700

Spezifisches Gewicht bei 15° C. (59° F.) Destillirt in der

65 und 1000 C.

Hauptsache über bei

(169-212º F. ) .

Lösungsfähigkeit für Steinkohlenpech.

Lösungsfähigkeit für Kautschuk (W. L.-S. )

aus Benzol, C.6 H,,, und andern homolog . Kohlen wasserstoffen . Ein wasserstoffe der geringer Prozent Olefinreihe , der gehalt an leichten Kohlenwasser Rest Paraffine, Cn H,2n + 2. keine stoffen in einigen Proben. Spur von Benzol und seinen Ho mologen.

65 und

100º C.

(169-212° F. ) .

Sehr geringe Ein Aehnlich dem vor hergehenden. wirkung , flüssig aber schwach ge färbt, auch bei längerer Ein wirkung. Geringe Ein Einwirkung sehr wirkung in der ähnlich der vor Kälte. Durch hergehenden ; Wärme u. Druck Schiefer Naphta können klebrige löst sehr oft Mada Massen und theil gascar- Kautschuk weise Lösungen besser als andere. erhalten werden, aber solche Lö sungen trochnen selten gut ein.

80 und 120° C. (1760-248° F.). Löst das Pech leicht unter Bil dung einer tief braunen Lösung.

Die meisten Kaut schuk -Arten schwellen schnell an ; durch gelindes Erwärmen wird die Lösung leicht bewirkt.

Mittheilungen aus Zeitschriften .

42

Ort der

Petroleum

Brandschiefer

Steinkohlentheer

Charakteristik.

Naphta .

Naphta .

Naphta .

Verhalten beim Schütteln von 3 Thei len der Probe bis 20° C. (68° F. ) mit 1 Theil der ge schmolzenen Kry stalle der reinen Karbolsäure.

Keine sichtbare Lösung. Die Flüssigkeiten sind mischbar, nicht aber eine Menge Krystalle ab setzend, wenn ein wenig unter 0º C. (32° F. ) abgekühlt wird.

Die Flüssigkeiten bilden eine homo

Die Flüssigkeiten bilden eine homo gene Mischung.

Reaktion mit Brom in der Kälte.

Vereinigt sich mit 10 % seines Ge wichts von Brom.

gene Masse , oft eine Menge Kry stalle abscheidend bei 18° 20° C. (64,4°

68 ° F.).

Verbindet sichmit 60 % seines Ge wichts u. darüber.

Reagirt langsam. einem be mit trächtlichen Theil des Broms.

Diejenigen Proben der beiden natürlichen Petroleumarten, weche eine Dichte von über 0,730 besitzen, haben auch eine grössere Lösungsfähigkeit für Kautschuk, als die leichteren Proben.

Aber ich übergehe diese Klasse

von Lösungsmitteln

weil

mit wenigen Worten,

sie

auch gewöhnlich eine

sehr unangenehme Eigenschaft besitzen . Diese Petroleums sind, gleichviel ob allein oder (wie es zuweilen zu Handelszwecken geschieht) gemengt mit einem Benzol oder mit „ Solvent Naphta " , dem Kautschuk sehr schädlich . Sie wirken stets kürzend ein auf die Dauer der Haltbarkeit der Kautschuk Waaren, und vermindernd auf ihre Zähigkeit, mit andern Worten, sie ver derben sie .

Es ist dies theils der ozonisirenden Kraft einiger ihrer Bestand

theile zuzuschreiben,

theils auch anderen Ursachen.

Es ist also durchaus

kein Grund vorhanden, weshalb man diese Petroleumsorten in der Kautschuk Industrie verwenden sollte, da ja die aus den Steinkohlentheerölen erhaltenen Lösungsmittel in jeder Hinsicht besser sind und, wenn nur mit dem nöthigen Verstande gearbeitet wird , auch nicht theurer kommen. (Forts. folgt . )

Mittheilungen aus Zeitschriften . La Nature. Paris 1889 . In No. 814 der „ Natur" sind zwei Briefe von Beaumarchais ver öffentlicht mit der Ueberschrift : „ Sur la Direction des Ballons “. Diese beiden Briefe haben mit der Luftschiffahrt nur wenig zu schaffen. M. Beau marchais, jener Dichter des Barbier von Sevilla und der Hochzeit des Figaro, der aber sonst nur einen ziemlich zweifelhaften Ruhm geniesst , schreibt darin an den Minister des Innern in etwas unsachlicher Weise , dass er doch das Projekt eines gewissen Skott unterstützen sollte und nicht den Engländern die grossartige Idee desselben überlassen möchte . Der Redakteur der „ Natur “ , Herr Gaston Tissandier, sieht sich zum Schluss genöthigt, einige ganz kurze Worte über die Erfindung des Dragoner-Rittmeisters Skott hinzuzufügen und zwei Skizzen über dessen Projekt zu geben. Es handelt

Mittheilungen aus Zeitschriften.

43

sich darnach um einen fliegenden Fisch, der durch ein vorderes oder hinteres Anheben nach oben oder unten fliegen soll . Das Anheben wird durch Zusammenpressen von Luft in Schwimmblasen vorn oder hinten bewerk stelligt. In No. 830 der „ Natur " findet sich ein Aufsatz über den Angriff und die Vertheidigung von Brieftauben. Darnach hätte Deutschland schon längere Zeit darauf Bedacht genommen den Verkehr durch Brief tauben zu stören und zwar durch Falken, die darauf abgerichtet wären, die depeschentragenden Brieftauben zu fangen. Zwar scheint den Franzosen diese unsere Sicherung gegen die Brieftauben ziemlich zweifelhaft, aber sie meinen doch, dass wir davon Erfolg haben könnten, wenn wir eine belagerte Festung mit Stationen umgäben, welche Falkenjäger mit ihren abgerichteten Falken inne hielten. Desshalb sei es für die Franzosen die höchste Zeit, dafür wieder ihre Maassnahmen zu treffen. Man hätte schon vorgeschlagen , die Brieftauben vor ihrer Abschickung in eine recht stänkrige Flüssigkeit zu tauchen, welche die Raubvögel abhielte, aber warum sollte man sich nicht eines schon erprobten Mittels bedienen ? Es soll nämlich in China jede eben flügge gewordene Taube gleich von Anfang an mit einem sehr leichten Pfeifchen aus Bambusrohr versehen werden , das am Schwanz befestigt werden . Diese Pfeifchen sollen schon seit vielen Jahren zum Schutz gegen die Raubvögel bei den Tauben in China in Anwendung gebracht werden. Diese Pfeifchen sind kleine Bambusstücke, welche ver schiedene Röhrchen mit Löchern erhalten . Fliegt nun die Taube mit diesen Pfeifchen durch die Luft, so saugt sich die Luft durch die Löcher ein und bewirkt ein Pfeifen , durch welches die Raubvögel erschreckt werden sollen, so dass sie die Tauben nicht verfolgen. In China sollen sogar die Tauben schwärme mit verschieden abgestimmten Pfeifen versehen sein , so dass immer der Führer dieser Schwärme anders pfeift, wie alle übrigen, und bei dem Fliegen von Taubenschwärmen gleichsam Konzerte gepfiffen werden. (?) Diese Pfeifchen sind in China durch einen Firnissüberzug gegen Nässe geschützt . - Dann wird in dem Aufsatz weiter berichtet über einen Aufsatz in einer italienischen militärischen Zeitschrift der „ Rivista militare italiana". Darnach hat der italienische Hauptmann Malagoli, der Direktor der Brief taubenstationen in Italien, Versuche mit diesen Pfeifchen gemacht. Derselbe hat vier derselben von einem Herrn Emil Balli , der jetzt in Lugano wohnt, früher aber lange in Peking gelebt hat, geschenkt bekommen. Die grösste dieser Pfeifen ist aus 13 Röhrchen zusammengesetzt, hat 22 cm im Durchmesser, wiegt aber nur 7 Gramm. Die zweite Pfeife besteht aus 7 Röhrchen, die dritte hat ungefähr 4 cm im Durchmesser, dieselben wiegen nur 5 Gramm . Die vierte schliesslich mit 3 grossen Röhrchen wiegt nur 3 Gramm . Jede Pfeife ist mit einer hölzernen Klappe unter den Röhrchen versehen. Zur Befestigung der Pfeife an der Taube werden die mittelsten beiden Schwanzfedern 1 cm von der Wurzel zusammen gebunden . Diese beiden Federn nehmen in ihrer Mitte die Klappe der Pfeife auf. In das Loch dieser Klappe unter den beiden Federn wird ein Stück Holz ein geschoben, so dass es nicht verloren gehen kann. Die Oeffnungen , durch welche die Luft in die Röhrchen eintritt, zeigen natürlich nach den Köpfen der Tauben hin. Die mit diesen Pfeifen angestellten Versuche haben in der That ein Pfeifen beim Fluge der Tauben konstatirt- und hat man das Pfeifen unten von einer Höhe von 150 m höhren können . Jetzt will man diese Pfeifen in den Alpenstationen in Anwendung bringen, um dort, wo so

Mittheilungen aus Zeitschriften.

44

viele Raubvögel sind, die Pfeifen praktisch zu erproben. Schliesslich sieht sich der Verfasser des Aufsatzes der „ Nature " genöthigt, dem französischen Kriegsminister Vorwürfe zu machen, dass in Frankreich noch keine Versuche damit gemacht würden, obwohl schon einige Offiziere an den französischen Grenzen nm Zustellung solcher Pfeifen gebeten hätten . No. 843 von „ La Nature " bringt einen Aufsatz über die Transport mittel im „ Palast der freien Küste " auf der Pariser Weltausstellung von 1889. Nachdem in dem Artikel die verschiedenen Transportmittel historisch entwickelt sind, folgt Folgendes über Luftschiffahrt : „ Es werden in der Ausstellung gezeigt, ein verkleinertes Modell der ersten Montgolfière von Pilâtre de Rozier und d'Arlandes ( 1783 ) . Ein anderes ähnliches Modell In der grossen zeigt den ersten Gas-Ballon von Charles und Robert. Mittel-Kuppel befindet sich ein moderner Ballon mit Korb . Er besteht aus chinesischer Seide und ist von Lachambre gebaut. " Zum Schluss wird der Besuch dieser Sektion der Ausstellung warm empfohlen. In No. 857 von

La Nature" finden wir einen Bericht über Gam

betta's Ballonfahrt und das Denkmal in Epineuse von Gaston Tissandier. Wir haben bereits im vorigen Jahrgang unserer Zeitschrift (Heft X Seite 241 ) dieses Denkmals Erwähnung gethan und lassen daher hier nur den interessantesten Inhalt des Tissandier'schen Berichts folgen : „ Am Sonntag den 13. Oktober 1889 fand in Epineuse (Oise) die Ein weihung eines Denkmals statt, was höchst interesssant war, weil es an die Ballons der Belagerung von Paris erinnerte . Wir wollen hier von dem jenigen Denkmal sprechen, das unter dem Schutze des „ Conseil général von Oise" errichtet wurde, zur Erinnerung an die Luftschiffahrt Gambetta's und Spuller's während des Krieges von 1870 , jener denkwürdigen Luftfahrt, die dem Minister des Innern und dem Kriegsminister vergönnte, in der National- Vertheidigung den Vorsitz zu führen . Das Erinnerungsdenkmal ist eine äusserst einfache Pyramide, die aus hartem , beschlagenem Stein erbaut ist. Auf zwei Seiten liest man folgende Inschriften : „Am 7. Oktober fuhr Gambetta, von seinem Freunde Spuller begleitet, im Ballon „ Armand Barbès" aus dem belagerten Paris ab. Nachdem dieser Ballon feindliche Salven empfangen hatte, landete er in dem Gehölz von Favières, im Landgebiet von Epineuse. “ Herr Spuller, Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, war mit den Herren Janssen vom Institut, Joseph Reinach, W. de Fonvielle u. Andern aus Paris gekommen ; er hat die aufregende Reise , welche er während der Nach ange Belagerung unternommen , in's Gedächtniss zurückgerufen. kündigten Reden durch Herrn Célestin Lagache, Staatsrath de l'Oise, und durch Herrn Hainsselin, den Abgeordneten von Clermont, wurde die Feier mit einer Ansprache Janssen's beendet, der in seiner Eigenschaft als Prä sident des aëronautischen Kongresses sprach. Wir wiederholen, dass Gambetta, als er nach den ersten Niederlagen Frankreichs die Nothwendigkeit einsah, die Défense nationale zu organisiren, sich entschloss , dass eingeschlossene Paris zu verlassen, und sich nach Tours zu begeben. Am 7. Oktober fuhr er in dem Ballon l'Armand Barbès " in Begleitung von Spuller, unter Führung des Aëronauten Trichet von dem Platz Saint Pierre à Montmartre ab. Der Ballon, welcher Gambetta und sein Glück trug, landete in Epineuse in der Nähe von Montdidier . Die Reisenden wurden durch den Wind auf eine Eiche geworfen, welch letztere

Kleinere Mittheilungen .

45

noch lange den Namen Gambettas Eiche führte . Sie waren in der Luft, wie die meisten Luftschiffer während der Belagerung von Paris, von den Deutschen mit Gewehrfeuer, aber ohne Erfolg, beschossen worden . Als sie landeten, vermutheten Gambetta und Spuller, dass die feindlichen Truppen sich bemühen würden , sie gefangen zu nehmen ;. sie beeilten daher ihre Abreise. In der That wurden deutsche Dragoner zur Verfolgung des Luft ballons entsandt, jedoch kamen diese Dragoner „ zu spät “ . Die Luftballons sind während der Belagerung von Paris für Frankreich von sehr grossem Nutzen gewesen, sie haben die moralische Wirkung der Einschliessung illusorisch gemacht und Dank den Postballons es Paris ermöglicht, immer mit der Provinz zu verkehren . „ Die Feinde Frankreichs, deren Vorhaben durch die Erfindung der Gebrüder Montgolfier theilweise vereitelt wurde, konnten nicht verhindern , dass Kopf und Herz vereinigt blieben. "

Kleinere Mittheilungen. Der Luftschiffer Pompeïen Pirand, Chef - Aëronaut des Luftschiffer - Klubs zu Lyon, ist auf Veranlassung des Kriegsministers nach Meudon berufen worden , um dort selbst dem Major Renard seinen neu erfundenen Luftpropeller vorzuführen . (La Françe aérienne.) Mck. ------ Der Verein ,, Sport Aéronautique de Seine - et - Oise“ hat mit einem Bericht über seine Thätigkeit an den Maire von Versailles eine Petition um eine jährliche Unter stützung eingereicht. Der Verein hat im Jahre 1888 zwei Auffahrten mit Montgolfièren und zwei mit Gasballons veranstaltet. Im Jahre 1889 ist nur eine Fahrt unternommen worden. Die aeronautische Sektion der Ausstellung wurde zweimal, die Gasfabrik zu Mck. Versailles einmal besucht. (La Françe aérienne .) Spelterini , der Luftschiffer, welcher vor 2 Jahren mit der Seiltänzerin Leona Dare in der Flora zu Charlottenburg aufstieg, hat am 20. November von Bukarest aus eine Ballonfahrt unternommen, welche in eines Waldes Einöde bei Turtukaja an der Donau in Bulgarien bei Sonnenuntergang endete. Die Theilnehmer an der Fahrt waren die Herren Gregor Balatschano, der Ingenieur- Offizier Vaitojano und Herr Paul Haritinl. Mck. (La Françe aérienne.). Notizen von einer Fesselfahrt zu Schöneberg-Berlin am 17. Januar 1890 von 945 bis 105 Uhr. Wetter nebelig und fast windstill, 50 m bis 100 m 41/2º C., 200 m 434° C. , Erde nur noch schwach sichtbar ; der Dampf von Lokomotiven zieht als gerader Strich durch den Nebeldunst ; 240 m obere Grenze der Nebelschicht ; der Himmel ist gleichmässig mit einer Wolkenschicht überzogen, im östlichen Horizont etwas Röthe . 435 m + 42° Spitze des Kreuzbergdenkmals im Nebel erkennbar. Im Osten Berlins überragt die Nebelschicht eine Dunstmasse. Beim Herabgehen zeigte das Schleuder thermometer folgende Werthe : 200 m + 5º, 150 m + 4/40, 100 m + 440, 50 m +- 4º, auf dem Erdboden + 4º. Moedebeck. École Normale d'aérostation. Am 8. Oktober 1889 fand eine öffentliche Sitzung des École Normale d'aérostation statt, in welcher nach einer Ansprache des Präsidenten Vernauchat von Seiten des Schriftführers Malfroy über Zweck und Thätigkeit dieses Institutes eingehend berichtet wurde. Wir heben Folgendes aus dem Berichte hervor. Die École Normale d'aérostation wurde am 12. September 1888 durch Vernauchet ge gründet und erhielt am 9. Dezember desselben Jahres das Vorrecht, dass die sie be suchenden Zöglinge, welche noch nicht gedient haben, bei der Militär - Luftschiffer- Kom pagnie zur Einstellung gelangen sollten. Der Hauptzweck der Schule besteht demnach in der gründlichen Vorbereitung junger Leute für den Luftschifferberuf, sowie in der Fortbildung älterer Luftschiffer, um diese für militärische und wissenschaftliche Unter

46

Münchener Verein für Luftschiffahrt.

nehmen geeignet zu machen. Es wird daher ausser Ballonfahren theoretischer und praktischer Unterricht ertheilt. Ballonfahrten konnten im Jahre 1889 14 veranstaltet werden, an denen sich 25 Mitglieder betheiligten. An kleinen Ballons zu 50 und 100 cbm wurden die Zöglinge in der Behandlung des Materials unterwiesen ; das Füllen dieses letzteren geschah mit Luft durch den Ventilator. Die stattgefundenen Vorlesungen waren nachstehende : Labrousse , Marineoffizier a . D. Ueber nützliche Verbesserungen und neues für die Luftschiffahrt nützliches Geräth. Dr. Deneuve . Regeln der Hygiene, die der Luftschiffer zu beachten hat. Mondot. Die Photographie im Ballon . Cassé. Die Anfertigung von Ballons. Professor Aimé. Aërostatik. Von den Schülern sind 2 in das Luftschiffer-Korps des 3. Genie-Regiments zu Arras eingetreten, 4 andere werden dieses Jahr ebendahin folgen. ( La Françe aérienne.) Mck.

Münchener Verein für Luftschiffahrt.

Erste Mitglieder -Versammlung am 7. Februar 1890 . Heute Abend fand hier im Festsaal des Kunstgewerbehauses der erste Vortrag des im November vorigen Jahres gegründeten Münchener Vereins für Luftschiffahrt statt. Die Versammlung war zahlreich besucht und wurde insbesondere geehrt durch die An wesenheit der K. Hoheiten Prinz Leopold und Rupprecht von Bayern. Der Vorsitzende , Prof. Dr. Sohncke begrüsste die Versammlung , sprach den K. Hoheiten für Hochderen Erscheinen den Dank des Vereins aus und gab dann eine kurze Uebersicht der Entwickelung der Luftschiffahrt. Er führte aus, wie die ersten` Luftreisen zwar nur als Vergnügungsreisen mit einem neuen Beförderungsmittel betrachtet wurden, wie sich dann aber sofort die Wissenschaft der Sache annahm, an Stelle der bei den ersten Fahrten als Träger benutzten erwärmten Luft Wasserstoffgas verwandte, und wie sofort auch Untersuchungen über Zusammensetzung, Temperatur u. s . w. der höheren Luftschichten angestellt wurden. Auch der schon in der Schlacht von Fleurus ( 16. Juni 1794) von den Franzosen geschehenen Benutzung des Fesselballons zur Ge winnung eines Einblicks in die feindliche Aufstellung, wie der mehrfachen Verwendung des Luftschiffs bei der Vertheidigung von Paris im Jahre 1870 zur Verbringung von Nachrichten nach aussen wurde gedacht, endlich wurden die Bestrebungen nach Her stellung eines lenkbaren Luftschiffes kurz erwähnt. Die grossen Kreise, welche sich heutigen Tages für die Luftschiffahrt interessiren , theilt Redner in Vertreter der Wissenschaft, dann solche, welche die Luftschiffahrt des damit verbundenen hohen Naturgenusses wegen, und solche, welche sie als Sport betreiben. Ersteren wären auch jene beizuzählen, welche sich mit Ausnutzung des Luftschiffs für militärische Zwecke beschäftigen. Das Streben nach Vervollkommnung der Luftschiffahrt hat bis heute diesbezügliche Vereine in Wien , Berlin , Köln und München in's Leben gerufen und eine besonders günstige Vorbedeutung des letztgenannten und jüngsten Vereins darf wohl darin erblickt werden, dass derselbe bereits über 260 Mitglieder zählt, unter denen sich 6 Angehörige des bayerischen Königshauses befinden. Was die Entstehung des Münchener Vereins anlangt, so war die Anregung zu derselben am 8. August 1888 durch die Premier-Lieutenants Kallmann und Brug gegeben worden, welche von Ingenieur Steinach, Dr. Lang, Dr. Vogel u. A. sofort eifrig unter stützt wurde. Durch das ausserordentlich freundliche Entgegenkommen des in Luft schifferkreisen überall bekannten Naturforschers v. Sigsfeld und der Opferwilligkeit eines Gönners der Vereinszwecke wurde es drei künftigen Vereinsmitgliedern ermöglicht, am

Münchener Verein für Luftschiffahrt.

47

10. Juli 1889 eine Fahrt zu machen, welche der seitdem gegründete Verein als seine erste Vereinsfahrt bezeichnen darf. Der Erwähnung verdient dabei noch , dass während dieser Fahrt eine Reihe meteorologischer Stationen der Nordseite der Alpen entlang zur Anstellung von korrespon direnden Beobachtungen besetzt waren. Als Ziele, welche der Verein verfolgt, wurden vom Vorsitzenden aufgeführt : 1. Ausbildung praktischer Luftschiffer. 2. Veranstaltung wissenschaftlicher Fahrten . 3. Einrichtung einer Ballonstation für wissenschaftliche Beobachtungen. 4. Verbesserungen und Erfindungen . 5. Gutachten über derartige Vorschläge. 6. Pflege der Theilnahme für Luftschiffahrt durch Versammlungen und Ver träge. Zum Verfolg dieser Ziele gliedert sich der Verein in 3 Abtheilungen : 1. Abtheilung für wissenschaftliche Ausnützung der Leistungen des Vereins. Vorstand ist Dr. Finsterwalder, Dozent an der technischen Hochschule. 2. Abtheilung für praktische Luftschifferei. Vorstand : Pr.- Lieutenant Brug. 3. Abtheilung für allgemeine Vereinszwecke , Verwaltung , Beschaffung der Mittel u. s. w. Vorstand : Dr. Vogel, Studienlehrer. Die 3 Abtheilungsvorstände wählen zu ihrer Unterstützung von Fall zu Fall aus den Mitgliedern des Vereins die ihnen erwünschten Kräfte aus. Nach diesen Mittheilungen nahm Herr Premierlieutenant Brug das Wort. Ein leitend bemerkte derselbe, dass es nicht möglich sei, in einem einstündigen Vortrage alle Gebiete der aëronautischen Wissenschaft, wenn auch nur in skizzenhafter Weise, zu besprechen. Er stelle sich daher mit Rücksicht darauf, dass der Verein bei Eintritt der günstigen Jahreszeit mit der Durchführung einer Reihe von Ballonfahrten beginnen wolle, zunächst zur Aufgabe, ein möglichst vollständiges Bild von einem den Anforderungen der Jetztzeit entsprechenden Luftfahrzeuge zu entwerfen, aber nicht von einem so genannten lenkbaren, sondern von dem gewöhnlichen kugel- oder birnförmigen Ballon . Denn dieses Luftschiff sei zur Zeit das eigentliche aeronautische Gebrauchsfahrzeug, welches sowohl zu militärischen wie zu wissenschaftlichen Luftreisen mit entschiedenem Erfolge Verwendung finde. In diesen Diensten werde dasselbe aber noch bedeutend leistungsfähiger werden , wenn die Zahl der technisch und wissenschaftlich gebildeten Luftschiffer sich vergrössert haben wird, weil alsdann naturgemäss die aëronautische Technik vervollkommnet und die wissenschaftlichen Instrumente für die Luftreisen ver bessert würden. Der Redner besprach nun kurz die in der Praxis für Ballonfüllungen in Betracht kommenden Gase und sodann in eingehender Weise die wichtigsten Bestandtheile des kugelförmigen Luftballons. Hierbei wurde dasjenige besonders betont, auf was es bei der Konstruktion dieser Theile vor Allem ankommt und was daher z . B. von der Ballon hülle, dem Ventile, dem Netze, dem Ballonringe, der Gondel, dem Anker etc. unbedingt zu fordern ist. Anschliessend hieran reihte sich die Schilderung der Vorgänge bei einer normalen Landung, sowie bei einer Schleppfahrt, bei welch' letzterer das Ballonmaterial begreif licherweise am meisten beansprucht werde. Sodann stellte der Redner eine kurze Betrachtung über die Wahl des Landungs platzes an. Es sei eine der wichtigsten Aufgaben des Führers des Luftschiffes, in der Windrichtung einen möglichst windstillen Platz aufzusuchen und dort sodann zur Erde zu gehen. Durch eine geschickt ausgeführte Landung am richtigen Orte werde auch bei sehr windigem Wetter die Schleppfahrt entweder vermieden oder doch abgekürzt . Bei dem Aufsuchen eines solchen Platzes können meteorologische Kenntnisse von grossem

48

Münchener Verein für Luftschiffahrt.

Werthe werden. Redner erinnert an die sehr interessante und wohlgelungene Luftreise, welche v. Sigsfeld mit August Riedinger und Lieutenant v. Parseval im Januar dieses Jahres von der Haidhauser Gasfabrik aus unternahm. In der Höhe herrschte ein gleich mässig starker Wind von 30 m in der Sekunde. Die Landung aber erfolgte in Folge der richtigen Beurtheilung von Nebelbildungen etc. an tief gelegenen Stellen in absoluter Windstille. Der Vortragende führte nunmehr aus, in welcher Weise die Abfahrt eines Luft schiffes sowie die eigentliche Ballonfahrt selbst bis zum Momente der Landung regelrecht auszuführen sei, und verwies hierbei auf eine Reihe von Luftreisen, von welchen Ab bildungen im Saale aufgehängt waren. Hierauf erwähnte Premierlieutenant Brug die bis jetzt von den Mitgliedern des Münchener Vereines seit dem vorigen Sommer in Bayern zur Ausführung gebrachten 5 Luftreisen, an welchen sich im Ganzen 8 verschiedene Herrn betheiligten. Das Haupt verdienst an dem Zustandekommen dieser Fahrten gebühre v. Sigsfeld , welcher in rühmenswerther Bereitwilligkeit seinen Luftballon den Vereinsmitgliedern seither zur Verfügung stellte und auch künftighin für freie Fahrten zu überlassen gesonnen sei. Auch der hiesigen Gasgesellschaft wurde die Anerkennung, dass durch deren Entgegenkommen die Füllung des Ballons in der Haidhauser Gasfabrik in sehr bequeiner und kurzer Zeit bethätigt werden könne. Die genannten 5 Luftreisen der Mitglieder des Münchener Vereins werden ebenso wie alle zukünftigen in einem Fahrtenbuche, welches die Abtheilung 2 anlegen wird, in graphischer Darstellung Aufnahme finden. Schliesslich wies der Redner darauf hin, dass der Münchener Verein sein erstes Lebensjahr unter den denkbar günstigsten Verhältnissen und Aussichten begonnen habe, wie solches schon den Worten des Prof. Dr. Sohncke, des 1. Vorstandes des Vereins, entnommen werden konnte. Der Münchener Verein sei der grösste Luftschifferverein von Deutschland , ja der ganzen Welt. Das grosse Interesse, welches dem Verein von den Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften entgegengebracht werde , sodann der Umstand, dass unter den Vereinsmitgliedern alle Kräfte sich finden, welche berufen erscheinen, die Aëronautik in erspriesslicher Weise zu fördern, und endlich die ausser ordentlich günstige Lage von München für Anstellung von wissenschaftlichen Luftreisen am Fusse der Alpen, wobei korrespondirende Beobachtungen auf Bergeshöhen leicht aus führbar sind - diese Verhältnisse dürften dem Vereine eine gute Zukunft sichern. Der selbe werde durch die Ausübung der praktischen Aëronautik und durch die wissenschaft liche Verwerthung des hierbei gewonnenen Materiales die ihm gestellte Aufgabe immer mehr erfüllen und dazu beitragen , um das zu erreichen , was Einzelne nur mit Aufwand ausserordentlich grosser Opfer zu leisten im Stande sind, dass nämlich der Luftballon ein absolut brauchbares und dadurch unentbehrliches Werkzeug des Naturforschers und des Soldaten werde zum Besten der Wissenschaft und zum Wohle des Vaterlandes . Der Vorsitzende lud nunmehr zur Diskussion ein . Dr. Finsterwalder ergriff das Wort zu einem kurzen Hinweis auf die mehrfach vorhandenen, sehr gut gelungenen photographischen Aufnahmen des Geländes vom freifliegenden Ballon aus, sowie die sehr schön ausgeführten Vergrösserungen einzelner derselben. Auch erläuterte er kurz die wissenschaftliche Bedeutung und Ausnützung solcher Aufnahmen zur Herstellung von Karten auf dem Wege der Konstruktion , wobei Erforderniss sei, dass man die Lage von 3 bis 4 Punkten der Aufnahme auf der Karte bereits genau kenne . Eine der wissen schaftlichen Aufgaben des Vereins sei es , für diese Thätigkeit eine gut verwendbare Methode ausfindig zu machen. Nachdem sich Niemand mehr zum Worte meldete, machte Dr. Sohncke noch einige geschäftliche Mittheilungen und schloss damit die anregende Versammlung .

Druck von Beyer & Münch, Berlin W. , Behrenstr. 28.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur : Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W. , Jägerstrasse 73.

IX. Jahrgang.

1890.

Heft III.

Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation. Vorgetragen im Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt am 16. Dezember 1889 von Julius Griese. Die langsame Entwicklung der Aëronautik trotz der vielfachsten An strengungen, die vielen erfolglosen Versuche auf dem Gebiete der Aviation bestimmten mich vor Jahren zu einer Exkursion auf diese so hoch interessanten und Ziele,

den

doch so

schwer zugänglichen Wissensgebiete mit dem

Gründen obiger Erscheinungen nachzuforschen und, wenn es

angezeigt sein sollte, selbst einen Ritt in das unbekannte Land zu wagen . Eine erste Rekognoscirung hatte zum Ergebniss , dass ich die Aëronautik ihrer Aussichtslosigkeit wegen bei Seite liegen liess , das System der Luft schrauben nur streifte und mich ganz dem engeren Aviationsproblem zu wandte, weil hier mit den einfachsten Hülfsmitteln auszukommen war und auc die persönliche Freiheit des Einzelnen am vollständigsten bewahrt blieb. Meine

Forschung begann mit einer kritischen Untersuchung meiner

und Anderer Vorstellungen vom Fliegen, um zunächst alle etwa vorhandenen Vorurtheile zu beseitigen . Hierbei machte ich es mir zum Grundsatze , meine

Arbeiten

sich in

der Weise

entwickeln

zu

lassen,

dass jedem

analytischen Ergebnisse der Versuch folgte und aus dessen Resultaten die folgenden Aufgaben sich ergaben. Auf diese Weise arbeitete ich mich gleichsam auf einer Spiralbahn immer tiefer bis zum Kerne des Ganzen hinab, ohne den festen Boden der Thatsachen zu verlieren . Um

einen guten

Ueberblick über das grosse Operationsfeld zu be

halten, zerlegte ich es in drei Abtheilungen .

Die eine betraf die Unter

suchungen über die Bewegungen des Menschen auf festem Boden , Gehen , IX . 4

50

Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation .

Laufen,

Springen,

und

die

bezüglichen quantitativen Verhältnisse

dieser

Bewegungsweisen, soweit solche sich als nöthig erwiesen ; die zweite betraf die Eigenschaften der Luft, die dritte endlich das Werkzeug selbst , durch welches die

Bewegungsweise des

Menschen für Bewegungen in der Luft

verwendbar gemacht werden sollte , Mit eignen Methoden und Messinstrumenten wurde die Schnelligkeit der Beine, sowie deren Muskeldruck bestimmt und damit ein Bild der für Fliegezwecke verfügbaren Kraft des Menschen erhalten . Die wichtigsten Gesichtspunkte, die sich hierbei ergaben , sind : 1. nur die Muskelgruppen, welche dem Menschen auch auf dem Erd boden als Bewegungskräfte Verwendung kommen ;

dienen,

dürfen mit Ausschluss der Arme zur

2. die aufrechte Körperhaltung ist unter allen Umständen aus physio logischen, wie dynamisch mechanischen Gründen zu behaupten ; 3. die Behinderung des freien Muskelspiels durch den Apparat muss ein Minimum bleiben , besonders ist der Oberkörper von jeder Belästigung frei zu erhalten : 4. der Anflug ist vom zustreben.

Gehen resp .

Laufen

oder Springen aus an

Unter den zur Ergründung der Lufteigenschaften, wie ihrer Wirkung gegen Flügelschlag und der Eigenschaften der Flügel angefertigten Hülfs instrumenten befindet sich auch ein selbstaufzeichnender Messapparat für Flügelschnelligkeit und Luftgegendruck .

Derselbe

giebt die betreffenden

Werthe in Kurven , also für alle Zeittheilchen an und gestattet so ein voll ständiges Bild der Vorgänge. Einige Ergebnisse sind: 1. Nur der Trägheitswiderstand und die Elastizität der Luft wirken bei Flügelschlag. 2. Der Widerstand bleibt klein bei gleichmässigem Flügelschlag aus Stand, wächst aber stark an bei beschleunigtem Flügelschlage und gleich zeitig vorhandener horizontaler Bewegung . 3. Bei konstanter Winkelgeschwindigkeit ist derselbe den Kuben der Flügellängen proportional. 4. Eine grössere horizontale Bewegung ist ein wesentliches Erforder niss für das Zustandekommen des Fluges.

als

5. Flügel von 2,6 bis 3 m Länge und je 3 bis 4 qm Fläche können ausreichend betrachtet werden. Nicht der grössere, wohl aber der

längere Flügel muss als der vortheilhaftere gelten. Dieser Berechnung der Flügelgrössen ist der kleinste der gefundenen Luftwiderstandswerthe zu Grunde gelegt .

Diese Dimensionen sind im Ver

gleich mit den Flügelflächen grösserer Vögel pro Gewichtseinheit grösser ausgefallen, als jene. Sie wissen,

dass

die Flächen der Vogelflügel

mit der Körpergrösse

Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation.

51

Eine diese Beziehungen zwischen Flügelgrösse und

relativ kleiner werden.

Körpergewicht annähernd ausdrückende Formel ist, wenn mit F und f die Flächen, mit G und g die Körpergewichte bezeichnet werden :

2/3 ) ƒ( 2 Als Ursache dieser Erscheinung, wie auch der Abnahme der Flügel schlagzahl mit der Grösse der Flieger , kann die Zunahme der Flügelwirkung mit den Kuben der Flügellängen gelten.

Mit dem in der ersten und zweiten Abtheilung zunächst gewonnenen Materiale war nun ein fester Grund gelegt, von dem aus die Bearbeitung der dritten Abtheilung beginnen konnte. Die zu lösende Aufgabe war : Es ist ein Flügelapparat zu ersinnen, der bei möglichst inniger Ver bindung mit dem Menschenkörper, diesem doch volle Beweglichkeit bewahrt ; der das Gehen, Laufen, Springen auf dem Boden und die Bewegung der Flügel

allein durch die Beine gestattet ;

Trägheitsmoment bei

dessen Flügel

ein

so geringes

ausreichender Festigkeit und Ausdehnung besitzen,

dass sie bei der erforderlichen Schnelligkeit ihrer Bewegung keinen grössern als den verfügbaren Kraftaufwand erfordern und zugleich behufs leichter Aufbewahrung einfach zusammenlegbar und entfaltbar sind. Das Ganze ist nach Möglichkeit einfach zu halten, damit Kraftverluste durch Reibung etc.

klein bleiben können, und leicht, damit keine wesent

liche Erschwerung des Körpers eintritt. Es waren also hauptsächlich drei Gesichtspunkte zu beachten : a) der Apparat im Verhältniss zum Körper, b) im Verhältniss zur Luft und c) die inneren Eigenschaften des Apparates . Im

Laufe längerer Zeit wurden mehrere Apparate erbaut, denn es

war nicht zu erwarten, dass gleich der erste brauchbar sein würde ; zugleich wurde von mir dahin gestrebt,

die auftauchenden Fragen

in allgemein

gültiger Weise zu lösen. Mit dem zuletzt für Studienzwecke in natürlicher Grösse ausgeführten Apparate bin ich jetzt der gestellten Aufgabe so nahe gekommen, dass ich ihn als Typus aller Folgenden gelten lassen kann. Indess

betrachte

ich ihn, wie

wicklung nicht vorzugreifen,

er jetzt ist, noch nicht, um der Ent

als Fliegeapparat,

sondern nur als eine Art

Turngeräth und benenne ihn, um sein Wesen besser zu bezeichnen , „ Sprung flügel " , welches Wort dem turnerischen Sprungstab " nachgebildet ist. Beschreibung : Dieser Apparat besteht aus einem um den Bauch zu legenden breiten Holzringe, der da, wo er auf den Hüften aufliegt, gepolstert ist . Von diesem geht ein Bügel von vorne zwischen den Beinen durch nach hinten . An dem Bauchringe sind zwei Flügel in Nabelhöhe gabel förmig mit Charnieren befestigt .

52

Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation. Diese

Befestigung der

Flügel in

Nabelhöhe,

die von der bis jetzt

vorhandenen Vorstellung über den Ort der Flügelbefestigung so vollständig abweicht, ist unter andern begründet durch : 1. erwies

sich

das

Becken als die beste Befestigungsstelle für den

Apparat und die Hüften als die geeignetsten Träger desselben .

Zugleich

wurde der Abstand der Flügel von den Füssen am kleinsten ; 2. wurde hierdurch der Oberkörper mit Brust und Armen in voller Freiheit und Beweglichkeit erhalten ; 3. war nur, sobald die Drehaxe der Flügel möglichst nahe dem Schwerpunkte des ganzen Systems zu liegen kam, ein schnelles, feines und exaktes Balancement ausführbar und schnell muss dieses wegen der Schnellig keit, mit der alle anderen Bewegungen sich vollziehen, ausgeführt werden können ; 4. würde bei

einer Befestigung der Flügel weit über dem Schwer

punkte wegen der grossen Flügelflächen der Oberkörper durch die indirekte Gegenströmung der Luft mehr gehemmt werden, als der Unterkörper, dieser somit voreilen und hieraus starke Schwankungen des ganzen Körpers ent stehen , zugleich auch eine feste und sichere Erhaltung der nöthigen Flügel neigung zur Bewegungsrichtung oder zum Horizonte unausführbar werden. Das Bauchringe

Gerüst des Flügels besteht aus der mit zwei Zweigen an dem durch Charniere befestigten Hauptrippe ,

welche

den ganzen

Flügel bis zur Spitze durchzieht und von der sich in der Mitte je zwei Das Material der Rippen ist Nebenrippen nach jeder Seite abzweigen. Holz und Rohr.

Ueber diese ist eine Decke aus Pausleinen gespannt.

Das vor der Mittelrippe liegende Flächenstück ist schmaler und starrer gehalten, als das nach hinten liegende, um den Flügel zum beständigen vorwärts gerichteten Antriebe zu befähigen. Aus konstruktiven Gründen und in Folge der dem Flügel zuertheilten Aufgaben hat derselbe,

ohne dass

diesem Vorbilde bewusst nachgestrebt

wurde, eine den Fledermausflügeln ähnliche Form erhalten. Drei Decimeter von der Drehaxe desselben entfernt ist eine Leine befestigt, deren anderes Ende durch einen Bügel mit dem Zehentheil des Fusses verbunden ist und durch die beim Strecken des Beines der Flügel niedergezogen wird. Ein automatisch wirkender Greifer gestattet, die Verbindung der Leine mit dem Flügel zu lockern, doch so, dass diese sich jederzeit selbstthätig wieder herstellt. Hierdurch kann ein Mitbewegen der Flügel beim Gehen auf dem Boden vermieden werden. Jeder Flügel ist unabhängig von dem andern, durch ein Bein zu bewegen. Für die Zwecke des Flügelhebens befindet sich am Bauchringe hinter dem Rücken eine vertikale Stütze, von deren Spitze aus elastische Bänder nach den Flügeln gehen, wodurch diese über die horizontale Lage hinaus gehoben und gehalten werden.

Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation. Ausserdem

befindet

greifen der Hände . dirigirende und

53

sich unter den Flügeln ein Rohrbügel zum Ein

Die Thätigkeit dieser ist während des Fluges nur eine

aushelfende, denn die Hauptarbeit des Flügelhebens wird

von den elastischen Bändern und der indirekten horizontalen Luftströmung gegen die etwas geneigten Flügel geleistet, also in letzter Linie durch die Arbeit der Beine, insofern

die elastischen Bänder zu spannen und

diese

die horizontale Bewegung des Körpers zu erzeugen haben. Um den Druck, der durch den Bauchring auf den Körper wirkt, erträglich zu machen, ist derselbe durch vom Bauchringe über die Schultern geführte

Gurte auf Hüften und

gegenseitig ergänzen zunehmen haben. Die Festigkeit,

und

Schultern vertheilt,

nur je

ein Viertel

des

so

dass

diese sich

Gesammtdruckes

auf

die den Flügeln zu geben ist, wird bestimmt durch

den Maximalwerth, den die Luftreaktionen gegen dieselben annehmen können. Derselbe ist dem Gesammtgewicht der Flugmassen gleich und kann darüber nicht hinausgehen, da der geringste Ueberschuss an Luftdruck über den Schwerdruck zu einer Hebung des Gesammtsystems Veranlassung giebt und hierbei die in ihrer ganzen Ausdehnung mitgehobenen Flügel ein ent sprechender Theil an ihrer Stosswirkung gegen die Luft verlieren müssen und somit der ursprüngliche Gleichgewichtszustand zwischen Luftdruck und Schwerdruck sich wieder herstellt. Die Flügel haben eine Länge,

annähernd 6 kg, Flügel

Gesammtfläche von

1,3 m mittlerer Breite . dasjenige

zusammenklappbar,

Das ganze

eines

Flügels

21

ca.

5,5 qm bei 2,6 m

Gewicht des kg.

Apparates

ist

In der Mitte sind die

und der ganze Apparat kann im zusammen

gelegten Zustande im Kleiderspinde aufbewahrt werden. Die Entfaltung

der Flügel und ihre Befestigung am Körper ist ein

fach und nimmt nur wenige Minuten in Anspruch. Die Verwendung ist folgende : Sobald der Apparat durch Umlegen des Ringes um den Bauch am Körper befestigt ist, die Flügel mit den Füssen verbunden und entfaltet sind , wird ein Anlauf zu einem Weitsprunge genommen, um gleich von Anfang an grössere horizontale Bewegung zu erhalten.

Zugleich mit den

Beinen heben sich während des Sprunges die Flügel und durch das nach Erreichung des Sprunggipfels erfolgende Strecken der Beine werden sie mit. niedergezogen und damit der erste Flügelschlag bewirkt. Die Art der Muskelkontraktion ist also bestimmend für den Verlauf des Flügelschlages . War das Beinstrecken nicht ausreichend kräftig, oder waren die Flügel zu klein, so wird durch den Flügelschlag zunächst nur eine Verzögerung des Niederfalls des Springers und damit zusammenhängend eine Verlängerung des Sprungweges erreicht ; vollzog sich dagegen das Beinstrecken mit Hüpf schnelligkeit bei

ausreichenden Flügelflächen,

so erlangen diese diejenige

54

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt .

Bewegungsgrösse, bei der ein absoluter Luftwiderstand erregt und ein Sprung durch Flügelstoss gegen die Luft, also Flugsprung in ähnlicher Weise zu Stande kommen kann , wie ein Bodensprung durch Stoss der Beine gegen den Boden entsteht. Beim Beginn des Flügelschlages haben die Flügel noch eine hohe ungünstige Stellung, auch ist die Muskelenergie noch gering. Dies hat zunächst eine Senkung des Flugkörpers zur Folge, doch erfährt dieser hierbei zugleich unter dem Einflusse der Schwere eine Vermehrung seiner lebendigen Kraft.

Bald aber hat sich die Muskelenergie voll ent

wickelt und die Flügel ausser einer günstigeren Stellung auch die nöthige Bewegungsgrösse erhalten, infolge dessen ist die Luftreaktion stetig grösser, der Einfluss der Schwere und mit dieser die Senkung stetig kleiner ge worden und schliesslich geht die Flugbahn aus der absteigenden durch die horizontale in die aufsteigende Richtung über. Der vorher während

der

Senkung erlangte

Zuwachs

an lebendiger

Kraft setzt sich jetzt in Auftrieb um, ähnlich wie auf der Rutschbahn die vom Wagen beim Abwärtsrollen erlangte Geschwindigkeit ihn wieder auf wärts zu treiben vermag . (Schluss folgt . )

Der Fesselballon des Deutschen Vereines zur Förderung der Luftschiffahrt, seine Berechnung, Konstruktion und Kostenanschlag. Vortrag, in der Sitzung vom 16. Dezember 1889 gehalten von Gross, Lieutenant der Luftschiffer-Abtheilung. (Schluss . ) Es fragte sich nunmehr, wie hoch soll der Ballon sich und diese Last heben? Hier waren die Herren Meteorologen mit ihren allerdings möglichst hochgehenden Wünschen massgebend. Die Steighöhe von 500 m,

welche gewöhnlich den üblichen Fessel

ballons gegeben wird, reichte ihnen nicht aus ,

sie wünschten den Ballon

möglichst bis auf 800 m sich erheben zu sehen.

Ich musste diese Zahl als

das Maximum der Steighöhe

annehmen .

Während zur Erreichung dieser

Höhe von 800 m ein freier Ballon von ca. 130 cbm Inhalt nur eines ge ringen Auftriebes von ca. 5 kg gebraucht, so bedarf dagegen ein gefesselter Ballon, selbst wenn man selbstverständlich das Gewicht des 800 m langen Kabels mit in Rechnung zieht, eines ungleich stärkern Auftriebes, da hier der geringste Wind das Bestreben hat, den Ballon zur Seite und somit tiefer zu drücken. Der gefesselte Ballon bedarf also einer Kraft, welche dem Winde Widerstand entgegensetzt , und diese Kraft ist sein Auftrieb , der das Bestreben hat, den Ballon senkrecht nach oben zu ziehen. Ich bestimmte die Grösse des freien Auftriebes , d . h . der Kraft, mit welcher der Ballon an dem voll abgerollten Kabel nach oben noch zieht, auf 20 kg,

wobei

ich mir jedoch voll bewusst bin,

dass der Ballon mit

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt. diesem immer noch geringen Auftrieb nur selten bei volle Höhe von 800 m wird erreichen können . Als Beispiel des Unterschiedes

zwischen Fessel-

55

ruhigem Wetter die

und Freiballon sei

hier erwähnt, dass dieser Ballon mit 800 m Kabel losgelassen eine Höhe von ca. 2500 m erreichen würde, ehe er seine Gleichgewichtslage fände. Nach Kombination aller dieser massgebenden Gesichtspunkte und an gestellter Prüfungen fand ich als das Minimum der Grösse des Ballons , der unseren Anforderungen entsprechen kann, 130 cbm. Die Kugelform ,

als

derjenige

mathemathische Körper,

welcher bei

grösstem Volumen die kleinste Oberfläche, also hier, wo durch die Oberfläche gleichzeitig das Gewicht repräsentirt wird, auch das kleinste Gewicht besitzt, wurde als die rationellste Form des Ballons gewählt. Eine Kugel von 130 cbm Inhalt besitzt folgende Grössenverhältnisse : Radius = 3,135 m, 1 Durchmesser 6.270 m,

Oberfläche

121,52 qm, 19,70 m.

Umfang ..

Ich musste mich nun zunächst vergewissern, ob auch aus den vorhan denen 141,6 qm Seide dieser Ballon herzustellen sei ; denn wenn auch die Oberfläche nur

121,52 qm beträgt ,

so kann man keineswegs aus 121 m

Stoff, welcher 1 m breit liegt, diese Kugeloberfläche herausschneiden, da für die Nähte und durch die zugespitzte Form der einzelnen Bahnen , aus denen diese Kugel zusammengenäht werden muss , viel Stoff verloren geht.

Zu

meiner Freude fand ich, dass, wenn man die einzelnen Bahnen wieder aus 3 einzelnen Stücken zusammensetzt und recht rationell und sparsam beim Zuschneiden verfährt, gerade, wenn auch knapp , dieser Ballon sich aus der vorhandenenen Seide zuschneiden lasse. Somit waren alle Vorbereitungen getroffen, ich konnte zu der Berech nung und Konstruktion auf dem Papier schreiten. Die vorhandene Seide liegt 1 m breit.

Es geht hiervon

auf jeder

Seite 15 mm für die Kappnath ab. Der Umfang des Ballons beträgt 19,70 m, mithin muss ich den Ballon aus 20 einzelnen Bahnen zusammen nähen. Somit ist die Breite der Bahn im Aequator des Ballons gemessen bekannt. Die Länge derselben beträgt 14 des Umfanges, da der Ballon aus zwei Halbkugeln zusammengesetzt wird.

Die Abnahme der Breite der

Schablone nach dem Pole hin unterliegt einer mathematischen Gesetz mässigkeit, da die Umfänge aller Kreise, die ich durch Schnitte der Kugel erhalte, sich stets wie die zugehörigen Radien verhalten .

Es ist somit ein

einfaches trigonometrisches Rechenexempel , nach welchem die Breiten abnahme einer solchen Kugelbahn sich leicht berechnen lässt. Die Herren finden das Resultat dieser Rechnung , mit der ich Sie hier nicht belästigen will, in der Zeichnung dargestellt, welche ich zirkuliren zu lassen bitte. Würde man diese Viertelbahn

in ihrer vollen Länge

aus dem Stoffe zu

56

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt .

schneiden wollen, vermeiden sein .

so würde hierdurch

sehr viel Abfall

an Stoff nicht zu

Bei so kostbarem Stoff, wie der unsrige ist -- der Quadrat

meter kostet beiläufig, nota bene wenn wir ihn bezahlen müssten, 8 M. wäre dies unverantwortlich, auch würden wir aus unseren 140 m nicht die 40 Bahnen für die beiden Halbkugeln des Ballons herausschneiden können . Sie sehen daher die Viertel-Bahn in 3 einzelne Theile zerlegt, so dass man durch rationelles Vertheilen und Ineinanderschieben dieser kleineren Theile sehr wenig Verschnitt erhält.

Allerdings erhält man durch dieses Verfahren

mehr Näthe, auch die Arbeit des Zusammennähens ist grösser und müh samer ; doch nimmt man dies gern in Kauf, zumal da durch diese Näthe die Festigkeit des Ballons wächst.

Die Nath selbst ist eine doppelte Kapp

nath ; dieselbe hat den Vorzug sehr grosser Festigkeit, die einzelnen Näthe des Ballons bilden gewissermassen Verstärkungsrippen, Stoff vierfach liegt.

da in ihnen der

Die Herren finden die Nath in der Stoffprobe .

Gehen wir nun gleich auf die Konstruktion des Netzes über, da die selbe mit der der Ballonbahn grosse Aehnlichkeit besitzt. Es wird hier gleichfalls eine Netzbahn berechnet, deren Breite im Aequator sich aus der Division der Anzahl der Maschen in den Ballonumfang ergiebt .

Es wird

nun durch dasselbe trigonometrische Rechenexempel die Verjüngung der Bahn nach dem Pole hin berechnet und graphisch dargestellt. Auf der Grundlinie dieser Netzbahn wird die Aequatormasche konstruirt und zwar so , dass die Weite der rombenförmigen Masche gleich der halben Höhe derselben wird . Man erhält nun durch Verlängern der Seiten der Masche über ihre Spitze hinaus bis an die Begrenzung der Netzbahn, die zweite Masche und so fort. Am Pole müssten der Theorie nach die Maschen allmählich zu einem Punkte zusammenschmelzen.

Da dies natürlich

in der Praxis nicht angängig ist , so hört man mit der Verjüngung der Maschen auf, sobald dieselben eine zu kleine Seitenlänge erhalten würden. Sie sehen hier,

dass die kleinste Masche noch 11 cm Seitenlänge besitzt,

unter dieses Mass wird nicht gern gegangen, Ballon Knoten an Knoten liegen würde. einen Ring in sich geschlossen.

da sonst auf dem gefüllten

Oben am Pol wird das Netz durch

Vom Aequator nach unten zu reicht das

Netz, welches sich auch hier nach der Kugelform verjüngt, bis zum unteren Drittel des Ballons. An die letzten Netzmaschen schliessen sich die so genannten kleinen Gänsefüsse, welche je 2 Maschen fassen, an diese die grossen Gänsefüsse, welche wieder 2 kleine Gänsefüsse vereinigen . In den 12 grossen Gänsefüssen hängen in messingenen Kauschen die 12 Auslauf leinen des Netzes . Sowohl die kleinen, als auch die grossen Gänsefüsse sind unter sich und

mit

dem

Netz

nicht

fest

verbunden ,

sondern

laufen

in

kleinen

messingenen Ringen, damit bei ungleichmässigem Zuge die einzelnen Maschen sich in den Ringen verschieben können, wie es gerade der Zug verlangt, und stets sämmtliche Netzleinen gleichmässig in Zug kommen.

Nur bei einer

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt.

57

so rationellen Vertheilung des Zuges auf alle einzelnen Maschen des Netzes kann man die einzelnen Leinen so schwach nehmen, wie es hier geschehen ist, und kann überhaupt eine Rede sein von einer Berechnung des Zuges , den die einzelne Netzleine auszuhalten hat. Die 12 Auslaufleinen, deren Länge auf nur 2 m bemessen ist, endigen in Schlaufen , mit denen sie über die 12 kleinen Knebel des Halteringes geschleift werden können . Der Haltering selbst erhält einen Durchmesser von 50 cm , eine Stärke von 2 cm, eine Höhe von 4 cm und wird aus einzelnen Eschenholz Lamellen geleimt. Er trägt auf seiner oberen Seite die 12 kleinen Knebel für die 12 Auslaufleinen, nach unten zu 2 grössere Knebel zur Anbringung des Trapezes .

Diese beiden Knebel werden von 2 Gänsefüssen gehalten ,

damit der Ring nicht nur an 2 Stellen beansprucht, sondern der Zug gleich mässig auf den ganzen Ring vertheilt wird. Das Haltetrapez wird aus 10 mm starken Leinen hergestellt, welche die 1,50 m lange , 5 cm in der Mitte starke Eschenholztrapezstange tragen und sich unter derselben zu einem Dreieck vereinigen , Haltekabel befestigt wird.

in dessen Spitze das

Die Trapezleine wird mit ihren Schlaufen über die beiden Knebel des Ringes geschleift und bildet mit dem Dreieck ein einziges Stück, so dass selbst bei einem Bruche der Trapezstange der Ballon gefesselt bleibt . An diesem Trapez sind ferner noch zwei kurze Leinenenden angebracht, um den Ballon bei dem Einholen bequem von der Winde fortziehen zu können . Es blieb nunmehr nur noch die Ventilfrage des Ballons zu überlegen. Es ist hier in dem Vereine selbst schon einmal durch Herrn von Sigsfeld die Frage erörtert worden, ob ein Ballon nicht einfach geschlossen werden,

und dem in seinem Innern entstehenden Ueberdruck durch Aus

dehnung des Gases,

sei

es durch Temperaturzunahme oder abnehmenden

Luftdruck bei zunehmender Steigehöhe, durch seine Festigkeit widerstehen könne.

Diese Frage muss

ich

entschieden mit nein beantworten ,

man

müsste denn gerade die Ballonhülle sehr stark und das Netz sehr eng machen. Dies wäre jedoch aus Rücksicht auf Leichtigkeit des Materials sehr unrationell. Jeder freie Ballon muss ein oberes , jeder Fesselballon mindestens ein unteres, soll er Personen mit hochheben, ein oberes und unteres Ventil besitzen. Ein Fesselballon, wie der unsrige, kann das obere Ventil, welches nur für den Fall einer unfreiwilligen Freifahrt bei einem Reissen des Kabels gezogen wird, entbehren, da ja keine Person zum Ziehen desselben sich am Ballon befindet.

Die Entleerung des Ballons,

zu der sonst noch

das obere Ventil dient, kann sehr gut auch durch den Füllansatz erfolgen ; man braucht den Ballon hierzu nur so umzulegen, dass der Füllansatz nach oben gerichtet ist. Ein unteres Ventil jedoch kann unser Ballon schlechter dings nicht entbehren, er würde unfehlbar durch den im Innern entstehen

58

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt.

den Druck zerplatzen .

Dieses untere, oder besser gesagt, Sicherheits -Ventil

muss hier, da keine Person zum Oeffnen desselben, wie sonst bei Fessel ballons, vorhanden ist, sich von sebst öffnen, sobald eine für die Festigkeit des Stoffes gefahrdrohende Spannung im Innern des Ballons entsteht .

Diese

Spannung würde zweifellos schon dadurch entstehen, dass man den gefüllten Ballon auf ca. 800 m Höhe steigen liesse, da hier das unter dem Luftdruck der Erdoberfläche in den Ballon gefüllte Gas gegen den geringeren Luft druck in 800 m Höhe einen gewaltigen Ueberdruck erhält.

Hierzu kommt

noch die Ausdehnung des Gases durch zunehmende Temperatur im Ballon, welche sehr bedeutend sein kann. So hat z. B. Herr v. Sigsfeld bei einer Ballonfahrt in

seinem Ballon über

50 ° Wärme gemessen ,

während die

Lufttemperatur nur ca. 12 ° betrug. Lässt man den Fesselballon , wie dies bei dem freien Ballon der Fall ist, unten offen, so drückt der Wind sehr schnell einen grossen Theil des Gases unten heraus und übt nun in der hierdurch entstehenden Delle solche Kraft aus, dass der Ballon sehr bald auf der Erde liegen würde . Die Schwierigkeit der Konstruktion eines solchen Sicherheits -Ventiles beruht nun darin , dass die Kraft, mit welcher man das Ventil geschlossen halten kann, nur eine minimale sein darf, da ja der immerhin doch geringe Gasdruck nach unten das Ventil öffnen soll. Nach vielen Versuchen ist es mir gelungen, eine so empfindliche weiche Gummiliderung zu konstruiren , welche diesen Anforderungen genügt . Diese Liderung, also der gas- und luftdichte Abschluss der beiden gegen einander gepressten Ventilflächen, besteht in 2 von einander verschiedenen Gummi ringen . Der obere Gummiring ist hohl, hat halbkreisförmigen Querschnitt, Der untere und hat in seiner Höhlung die ja ungemein elastische Luft. Gummiring ist flach, liegt aber über einer breiten tiefen Hohlkehle, so dass die Elastizität des Gummis hierdurch noch wesentlich verstärkt wird. Es wird nun durch die Zugkraft von 4 Spiralfedern der untere Gummiring gegen den oberen herangepresst, wodurch schon bei ganz geringer Zugkraft der Spiralen , ein gas- und luftdichter Abschluss erzielt werden kann . Die Zugkraft der 4 Spiralfedern muss so abbalanzirt werden, sich zu öffnen beginnt, entstehen.

dass das Ventil

sobald etwa 0,2 Atmosphären Druck im Ballon

Das Ventil wird in den Füllansatz mit einem Riemen eingeschnallt. Die Weite desselben habe ich auf 20 cm, den Hub auf 3 cm festgesetzt, wodurch für den Abfluss des Gases selbst bei einem Abreissen des Ballons genügend Raum vorhanden ist. Hiermit waren die theoretischen Ueberlegungen und Berechnungen ab geschlossen und konnte werden.

mit der Konstruktion

auf dem Papier begonnen

Die Herren finden hier auf den photographischen

Abzügen meiner

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt.

59

Konstruktionszeichnung das Resultat verzeichnet mit allen dazu gehörigen erläuternden Bemerkungen . Die vorher beschriebene Schablone oder das Muster für die einzelnen Bahnen wird aus Pappe ausgeschnitten und hiernach die Seide selbst genau nachgeschnitten. Hierauf werden die einzelnen Theile der Bahnen, darauf die Bahnen selbst mit der Stichmaschine durch die Kappnaht zusammen genäht, so dass der Ballon eine oben und unten mit einem Loch versehene Kugel bildet. der

Um diese beiden Löcher herum wird in etwa 50 cm Breite

Stoff doppelt genommen, da hier das Ventil und oben ein Ring ein

gesetzt werden muss, an welchem der Netzring angeschnallt wird. beginnt das Firnissen der Hülle .

Nunmehr

Dieselbe wird sauber in Falten bahnen

weise zusammengelegt und Bahn für Bahn mit wollenen Ballen mit Ballon firniss gekochtes Leinöl mit etwas Siccativ eingerieben, wobei die Nähte ganz besonders

gut getränkt werden

müssen .

Der so präparirte

Ballon muss nun zum Trocknen so ausgelegt werden, dass die Luft überall Zutritt hat, da sonst der Firniss oxydirt , d . h. verbrennt, und den Stoff hierzu gehören etwa total zerstört . Sobald der Firniss trocken ist 8 Tage

, wird der Ballon mit Luft durch einen Ventilator aufgeblasen

und nun von Neuem so oft gefirnisst, bis er die ausreichende Gasdichtigkeit besitzt.

Die Stoffprobe, welche die Herren hier sehen, ist dreimal gefirnisst

und vorzüglich gasdicht. mehrere Wochen , verliert.

Nun muss der Ballon möglischst lange, am besten

trocknen,

da

sonst der Firniss seine Klebrigkeit nicht

Inzwischen können alle übrigen Theile angefertigt werden.

Das Netz wird durchweg aus der 1,5 mm starken Leine (siehe Proben) gestrickt. Es werden nach den vorhandenen Maassen Strickbretter zuge schnitten und über diese die Maschen geknotet, damit jede Masche derselben Reihe auch absolut gleich wird. Die Gänsefüsse werden am besten über eine durch Nägel auf einer Dielung hergestellten Lehre gestrickt, wobei gleichzeitig die Ringe mit eingelegt werden müssen. Die kleinen Gänsefüsse erhalten, da die Leinen hier die doppelte Länge der Maschen besitzen , eine Stärke von 2,5 mm, die grossen Gänsefüsse wegen ihrer grösseren Länge und halben Anzahl 3 mm Stärke , die zwölf Auslaufleinen 5 mm Stärke. Der Netzring oben wird aus Draht gewickelt und mit Bindfaden umsponnen. Ventil , Ring und Trapez werden nach der Zeichnung angefertigt. Ich komme nunmehr zu der Kabelfrage, sowie der Besprechung einer Windevorrichtung zum Auf- und Abrollen des Kabels . Herr v . Sigsfeld hat den

Ballon, mit welchem er augenblicklich in

Augsburg die Instrumente probirt, an einem 1200 m langen Hanfseil, welches hier in Berlin bei demselben Seiler, von welchem diese Proben stammen , angefertigt ist. Dasselbe ist 1200 m lang, 8 mm stark und wiegt 54 kg . Seine Zugfestigkeit würde für unseren Ballon vollkommen ausreichen ; doch ist dasselbe leider sehr schwer, ein Fehler, welcher allen Hanfseilen anhaftet.

60

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderang der Luftschiffahrt.

Da Herr v. Sigsfeld seinen Ballon mit Wasserstoffgas füllt, so kommt das

. Gewicht bei ihm, der grösseren Tragfähigkeit dieses Gases wegen, nicht so Betracht, als hier, wo wir aus pekuniären Gründen gezwungen stark sind,

Leuchtgasfüllung zu nehmen.

Immerhin würde auch unser Ballon

dieses Halteseil tragen, wir müssten dann freilich uns mit 500 m in maximo, welche 22,5 kg wiegen würden, begnügen . Das von Herrn Geheimrath v. Siemens zur Verfügung gestellte Stahl drahtkabel mit isolirter innerer Kupferleitung besitzt bei 800 m Länge nur ein Gewicht von 16 kg, bei einer gleichen Festigkeit .

Dieselbe beträgt ca.

eine halbe Tonne, also gleich 10 Ctr. 5000 kg. Ich habe dieses Kabel bei der Berechnung zu Grunde gelegt, in der festen Zuversicht, dass Herr v. Siemens uns dieses Kabel weiter zur Ver fügung stellen werde, sobald er sich von dem unseres Unternehmens überzeugt haben wird.

Sie,

wissenschaftlichen Ernst

Was die Windevorrichtung für das Haltekabel anbelangt, so wissen dass die militärischen Fesselballons in allen Staaten an fahrbaren

Dampfwinden gefesselt, hochgelassen und angeholt werden. in einem Vortrage auch schiffer-Materials

Ich habe hier

seinerzeit bei der Besprechung des Armee - Luft

fremder Staaten eingehend mich über diese Frage aus

gelassen und habe die damals für den Vortrag angefertigte Zeichnung hier wieder ausgehängt . Auch Herr v . Sigsfeld benutzt eine Maschine für seinen Fesselballon, welche zufällig in der Fabrik, wo er diese Versuche anstellt, zur Ver fügung steht. Wir müssen uns hier,

meine Herren,

aus nahe liegenden Gründen

mit primitiveren Mitteln begnügen , wir können nur eine Winde mit Hand betrieb vorläufig beschaffen und bedienen. Während nun zum Auf- und Abrollen eines biegsamen Hanfseiles eine einfache Winde, wie sie z . B. die Maurer zum Aufwinden

der Steine bei

Bauten, oder kleine Schiffe zum Aufwinden ihrer Anker benutzen, vollständig ausreicht, erfordert ein Stahlseil, an welchem ein so wechselnder Zug, wie ihn ein vom Winde hin- und hergeworfener Ballon ausübt, einer sehr sorg fältig geführten Aufwickelung, da sonst das doch nur wenig biegsame Stahl kabel sehr leicht eine Schlinge bildet und dann bricht. Das Stahlkabel muss möglichst in einer einziger Lage auf einer grossen Trommel , auf welcher es sich in eingedrehte Rillen einlegt, so aufgewickelt werden, dass ein Schlag neben dem andern zu liegen kommt. Hierzu ist eine selbstthätige Führung des Kabels auf der Trommel erforderlich, welche nicht unwesentlich die ganze Einrichtung komplizirt. Diese Führung erfolgt nach Analogie der Maschinen in grossen Webereien dadurch, dass eine Führungsrolle , über welche das Kabel läuft, ehe es auf die Trommel sich legt, auf einer Schraube vorwärts läuft, welche Achse der Trommel bewegt.

sich gleichzeitig mit der

Der Fesselballon des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt.

61

Doch bietet die Konstruktion einer solchen Winde keine technischen Schwierigkeiten, nur der Kostenpunkt spielt hierbei eine nicht unbedeutende Rolle.

Ich möchte hierbei noch erwähnen, dass man sich über die Leistungs fähigkeit einer Handwinde keinen falschen Illusionen hingeben darf. Wenn Z. B. Lachambre angiebt, dass er mit seiner Handwinde einen 300 cbm grossen Ballon mit 4 Mann in 5 Minuten aus 500 m Höhe einholen wolle, so ist dies einfach eine reklamenhafte Uebertreibung, man kann sich sehr leicht mathematisch von der Unmöglichkeit dieser Leistung überzeugen. Wir werden bei unserer Handwinde, welche durch zwei Mann bedient wird

im Nothfalle soll sogar ein Mann die Leistung vollbringen können

pro 100 m durchschnittlich auf 10 Minuten rechnen müssen. Doch ich will mich hier nicht zu sehr in die technischen Details dieser Frage vertiefen, wenn wir soweit hierüber Ihnen Näheres vorzutragen.

sind,

bin ich gern bereit, auch

Ich möchte ferner hierbei unsere Herren Ingenieure, welche Mitglieder des Vereins sind, anregen, über die Winde einmal nachzudenken und nach zurechnen. So würde z. B. Herr Ingenieur Lilienthal sicher im Stande sein , uns hierüber nicht nur Vorschläge zu machen, sondern vielleicht in seiner Fabrik den Bau der Winde selbst übernehmen können . Zum Schluss komme ich auf die pekuniäre Frage des Unternehmens und werde mir erlauben, Ihnen einen Kostenanschlag zu geben. Zunächst sei hier noch einmal hervorgehoben, dass wir lediglich durch die Freigebigkeit des Herrn Hertzog im Stande sind, einen so soliden und vollkommenen Ballon zu bauen , denn, meine Herren, der Stoff allein reprä sentirt einen Werth von 1125 Mark. Die weiteren Kosten vertheilen sich , wie folgt, auf die einzelnen Theile des Ballons :

Für das Nähen des Ballons .

.

20 Mk.

.

Der Firniss , 20 kg, à kg 1,25 Mk. Oberer Holzring mit Oesen und Riemen

25 10

""

Füllansatzring mit Leinen Sicherheits -Ventil mit Riemen

10

19

50

""

99

10 kg Netzleinen Für das Stricken des Netzes

50

""

10

99

Ballonring mit Knebeln

10

39

9

""

6

19

Trapez mit Stange Ring und Kauschen für das Netz

Sa. 200 Mk . Erhalten wir das Stahldrahtkabel des Herrn Geheimrath v. Siemens zur Benutzung, so würde die Beschaffung einer Winde wohl 500 Mk. Kosten verursachen. Nehmen wir ein 500 m langes Hanfseil , welches selbst ca. 70 Mk.

Betrachtungen über Gummilösungsmittel .

62

kosten würde, so wäre die Beschaffung einer primitiven Winde wesentlich billiger ; dieselbe wäre für 200 m wohl zu konstruiren . Wir würden hier mit aber auf die 800 m Höhe verzichten müssen, wie ich schon auseinander gesetzt habe. Hierzu kommt noch die Beschaffung der für die Füllung und Auf bewahrung des Ballons nothwendigen Materialien und Geräthschaften u . s . w . 1 Unterlegeplan für die Füllung u. z. Einschlagen des verpackten Ballons, 6 m lang und breit •

15 Mk.

50 Sandsäcke, à Stück 50 Pf. .

25

""

20 m Füllschlauch (gefirnisst)

15

19

2 Fülltüllen von Blech

5

""

1 Spaten zum Füllen der Säcke

3

99

20

"

1 Korb oder Kiste zur Aufbewahrung des Ballons

83 Mk. Mithin würden

sich die

Kosten

der ganzen Anschaffung auf rund

300 Mk. belaufen , wozu dann noch die der Winde treten würden . Es ist mithin mit dem disponiblen Gelde durchaus auszukommen . Wenn der Verein mit meinen Berechnungen und Vorschlägen sich ein verstanden

erklärt,

geltend macht,

so

bezw. werde

keine ich im

abändernden Vorschläge

oder Wünsche

neuen Jahre mit der Ausführung der

Arbeiten beginnen , welche unter meiner persönlichen Aufsicht von Hand werkern und

Leuten ausgeführt werden sollen, welche in dem Bau von

Ballons und dessen Zubehör Erfahrung besitzen . Ich schliesse mit dem Wunsche, dass der fertige Ballon recht oft und lange zu Nutz und Frommen der Wissenschaft und zur berechtigten Genug thuung des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt über der Kaiserstadt Berlin im Jahre 1890 schweben möge !

Betrachtungen über Gummilösungsmittel . (Fortsetzung .) Harz - Oel ( Rosin - Oil ) . schuk bietet das „ Rosin - Oil "

Als ein einfaches Lösungsmittel für Kaut vor den sogenannten Flüssigkeiten keine

Vortheile ; sondern seine Fähigkeit, Kautschuk zu lösen ist, besonders , wenn es sehr rektifizirt ist, durchaus keine besonders hohe. Diese Beobachtung · gilt aber nur, wie immer, wenn reine oder fast reine Kautschuks behandelt. werden ; bei verschiedenen Kautschuk- Mischungen, und besonders dann, wenn „E. G. " oder „ Almadina "

mit dem gewöhnlichen Kautschuk gemengt ist,

thut das „ Rosin- Oil " (Ol . Succini Rect. ) sehr oft gute Dienste .

Das „ Rosin

Oil " der gewöhnlichen Sorte ist zuweilen als Fälschungsmittel der Naphta beigemengt, und wirkt dann oft schädlich. Um es nachzuweisen, ist wohl die Methode mit Aceton die beste. Ein Theil Aceton wird mit zwei Theilen der fraglichen Probe einige Minuten lang leicht geschüttelt ; die Mischung

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

63

scheidet sich beim Stehen schnell in zwei getrennte Schichten, das Aceton (und das , was es herausgelöst enthält) zu oberst.

Ein Theil dieser obern

Schicht wird mit Hilfe einer Pipette herausgehoben,

oder auch abgewogen ,

vorsichtig bei niedrer Temperatur verdunsten gelassen, und der Rückstand abermals gewogen ; der letztere sollte nicht mehr als 20 % der angewandten Menge betragen .

Erhält man etwas mehr oder weniger,

als diese Menge,

dass man besonders noch " Rosin- Oil " suchen muss ;

so zeigt das an,

dann wird der Geruch beim Erhitzen, das

spezifische Gewicht,

und

und das

eigenthümliche seifenartige Mojma, gebildet beim Erwärmen mit Kalkmilch (wenn 99 Rosin - Oil " in irgend welcher Menge vorhanden ist),

genügen, diese

Frage zu erledigen . Die Lösungsmittel der Methan - Reihe. Methan, CH, C3 H

der sich

ebenso

und andere Glieder dieser Reihe,

Sorten des

und obgleich

daher

das Propan ,

in pennsylvanischen und anderen

natürlichen Petroleums findet

ratur ein Gas ,

Der Kohlenwasserstoff

wie das Aethom, C₂ H ,

ist bei gewöhnlicher Tempe

nicht allein als

Lösungsmittel für

Kautschuk verwendbar, so doch in Verbindung mit andern Lösungsmitteln . Nicht nur der auch gefunden

reduzirende Einfluss (und aus diesem

des Methans wirkt günstig ; ich habe Grunde

mache

ich es hier besonders

namhaft), dass die Auflösungsfähigkeit der schon besprochenen Flüssigkeiten wächst, wenn sie mehr oder weniger Methan gelöst enthalten. Nehmen wir z. B. Benzin (oder Benzol) und leiten reines und sorg fältig getrocknetes Methan oder Sumpfgas ein,

so löst sich

letzteren in dem

Dabei

flüssigen Kohlenwasserstoff.

Vorkehrungen treffen, erleidet.

ein Theil des

muss man natürlich

damit man nicht Verluste an Gas und Flüssigkeit

Benzin (d . i. gutes

Handels - Benzol) ,

2-3 % Methan gesättigt worden ist ,

ist

welches

auf diese Weise

mit

ein besseres Lösungsmittel für

Kautschuk als das gewöhnliche Benzol ; die Lösung trocknet schneller ein und verleiht eine schönere Oberfläche . Annähernd dieselben Resultate, wie sie unten für Benzol angegeben sind, ergaben auch die mit den andern vier schon besprochenen Lösungsmitteln angestellten Versuche : Benzol , allein, löst 10 Theile reinen Kautschuks . Ein Benzol , welches 2 % Methan enthält, löst 10,75 Theile Kautschuk "9

99

2,5 %

39

"7

3.0 %

11,00

99 99 11,18 "2 19 "2 "" . Ferner ist auch die zur vollständigen Lösung erforderliche Zeit bei einem

""

19

99 99

methanhaltigen Benzol geringer. Die andern Glieder der Methanreihe müssen in ihrer Wirkung auf Gummi erst noch untersucht werden. Doch muss erwähnt werden, dass mehrere der höheren Glieder (die also mehr als ein Atom Kohlenstoff ent halten) wegen ihrer ozonisirenden Eigenschaften dem Kautschuk schädlich sind, wie dies schon einmal betont worden ist.

Betrachtungen über Gummilösungsmittel .

64

Darstellung des Methans oder Sumpfgases . Um diese Angaben möglichst vollständig zu machen und vielleicht im Interesse einiger Leser dieses Blattes,

die die Wirkungen

des methanhaltigen Benzols

zu prüfen

wünschen, soll, unter Weglassung aller mechanischen Operationen, eine Be schreibung der besten Darstellungs-Methode des Methans folgen. Sechs Theile Kalk, drei Theile Aetzkali, zwei Theile Aetznatron und vier oder fünf Theile

essigsaures Natrium*) werden gepulvert und innig

gemischt ; das Gemisch wird in einer passenden Retorte langsam erhitzt . Die Retorte kann für kleinere Mengen aus hartem Glase sein ; für grössere Mengen aber muss

man eine Retorte

aus

feuerfestem Thon oder einen

eisernen Zylinder verwenden, wie man sie bei der Herstellung des Leucht gases gebraucht. Nach einiger Zeit entwickelt sich ein farbloses und fast oder ganz

geruchloses

Gas ,

leuchtender Flamme brennt.

welches

angezündet

mit bläulicher ,

nicht

Man kann es nun sogleich verbrauchen oder

es in einem Gasometer über Wasser auffangen . Ehe man es aber in Benzol leitet, muss das Methan über geschmolzenes Chlorcalium oder Aetz kalk oder werden.

durch

eine

Reihe

Gechlorte Methane .

der gewöhnlichen

Trockenflaschen

Nehmen wir das Methan , CH ,

geleitet

als Reprä

sentanten an, so ist es für den Chemiker selbstverständlich, dass die darin enthaltenen vier Wasserstoffatome durch Chlor ersetzbar sein müssen ; dieser Ersatz

ist in der That ausführbar.

haltenen Verbindungen

Die Verwandtschaft der

zum Methan selbst und untereinander,

die folgende Tabelle augenscheinlich gemacht werden . 1.

oder :

und er

soll durch

Wir haben

Methan oder Methyl wasserstoff, CH, H, oder CH , H

H-C-H 1 H 2. oder :

Monochlormethan (Methyl - Chlorid) CH , Cl , H H- C -H CI

3. oder :

Dichlormethan (Methylen-Dichlorid), CH, Cl2 , H H- C - Cl Cl

*) Wendet man das „ trockene" essigsaure Natrium des Handels an, so muss man es vorher noch über einer Gasflamme trocknen .

Betrachtungen über Gummilösungsmittel. 4.

65

Trichlormethan (Chloroform), CH C1 ,

oder :

CI H ---C - Cl

CI Und , resultirt : 5.

oder :

wenn

endlich aller Wasserstoff durch Chlor ersetzt ist ,

so

Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff ), C C1 , CL 1 C1 - C

CI

Cl Alle diese Substitutionsprodukte kann man herstellen durch direkte. Einwirkung von Chlor auf Methan,

aber man hat in der Praxis bessere Die ganze (obgleich auch umständlichere) Darstellungsmethoden adoptirt. Reihe ist für die Kautschuk-Industrie von grossem Interesse und man wird ihr in Zukunft zweifellos noch mehr Aufmerksamkeit schenken, als es jetzt der Fall ist. Das erste Glied, das Methan selbst, ist eben abgehandelt worden;

über No. 2 handelt ein früherer Artikel;

sofort noch näher besprochen werden ;

No. 3 und 4

sollen

sie verdienen (neben dem Schwefel

kohlenstoff ) den Namen idealer Lösungsmittel für Kautschuk.

Chloroform. Destillation

eines

Man Gemisches

gewinnt das von

Chloroform

Methylalkohol

gewöhnlich durch

(Holzgeist) ,

Chlorkalk

(Bleichkalk), gelöschtem Kalk und Wasser. Wasserdampf und Chloroform gehen über und werden kondensirt ; das Chloroform sammelt sich am Boden der Vorlage, da es ein halb Mal so schwer ist, als Wasser.

Reines Chloro

form besitzt bei der Normaltemperatur ein spezifisches Gewicht von 1,5009 ; aber es

enthält stets

eine geringe Menge

absoluten Alkohols

(um eine

allmähliche Zersetzung bei längerem Aufbewahren zu verhindern) , deshalb nimmt man seine Dichte gewöhnlich zu 1.496 bis 1.498 an.

und Als

ein Lösungsmittel für Kautschuk steht es in gleicher Höhe mit dem Schwefel kohlenstoff, CS ,, und wird (soweit uns bekannt) nur vom Tetrachlorkohlen stoff. CCI,, übertroffen. Dünne Scheiben von Kautschuk schwellen sehr schnell auf, und lösen sich bald, selbst in kaltem Chloroform ; die Lösung ist ferner eine sehr bewegliche, ihre Konsistenz ist nur 2/3 so zähe , als die der Lösung von Kautschuk in Benzol unter denselben Mengenverhältnissen . Das Chloroform hat aber in der Praxis zwei Nachtheile die Wirkung seiner Dämpfe auf die Arbeiter, und den verhältnissmässig hohen Preis .

Was das Erste, die Wirkung seiner Dämpfe anlangt, so kann man

dies fast stets vermeiden, indem man in den geeigneten Apparaten arbeitet, in welchem das Chloroform gar nicht in Berührung kommt mit der Zimmer luft und indem man alle Operationen ausführt in dichtgeschlossenen Räumen, 5 IX.

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

66

an welche sich passende Kondensationseinrichtungen anschliessen . Auf diese Weise kann der Verlust durch Verdunsten des Chloroforms auf ein Minimum gebracht werden . Der zweite Nachtheil,

der hohe Preis , wird sich mit jedem kommen

den erfolgreichen Jahre vermindern ;

schon jetzt hat sich das

„ Aceton

Chloroform " von vorzüglicher Qualität einen Platz auf dem Markte erobert. Ferner aber giebt es , meiner Meinung nach,

keinen Grund, weshalb nicht

Chloroform (wie auch manche andere werthvolle Glieder dieser Reihe) ein mal billig dargestellt werden könnten aus

den Kohlenhydraten,

die sich

massenhaft in der Natur vorfinden, und vor Allem ohne Anwendung von Alkohol oder Aceton . welchem

Wahrscheinlich liegt der Tag nicht mehr fern,

eine vollständige

Umwälzung in Bezug

auf die

methoden dieser Verbindungen stattfinden wird. Das Gemisch von Alkohol , Aether und

an

Darstellungs

Chloroform.

Diese

in der Medizin wohlbekannte Mischung hat als Anästhetikum verschiedene Vortheile vor den sie ausmachenden einzelnen Bestandtheilen. Aendert man die Verhältnisse der drei Gemengtheile,

so erhält man

eine Flüssigkeit, die als Lösungsmittel für feine Kautschuks sehr werthvoll ist und die ausserdem nur etwa halb so theuer ist, als Chloroform allein. Man kann natürlich für verschiedene Zwecke das Verhältniss nach Belieben anders wählen ;

eine Flüssigkeit von der folgenden Zusammensetzung be

währt sich als vorzügliches Lösungsmittel für feinere Gummisorten, die zur Herstellung zahn- und wundärztlicher Instrumente und verschiedener anderer Sachen Anwendung finden : Alkohol (absol . ) . Chloroform

15

38 47

Aether

100 Es ist nicht nur die Lösungsfähigkeit dieser Mischung sowohl für Kautschuk wie für Guttapercha gut ein,

eine sehr beträchtliche,

sowohl in Pflanzenfaser- Gewebe,

die Lösung dringt auch sehr

wie auch in thierische Gewebe.

Aus diesen Gründen dürfte sie sich empfehlen bei Herstellung chirurgischer Bandagen, bei Bereitung des englischen Pflasters , wie auch anderen Pflasters, bei der Fabrikation

wollener wasserdichter Kleider der feinsten Art ,

der Aufbewahrung der feinsten Seidengarne etc. etc. Tetrachlorkohlenstoff. Das ist das letzte welches hier zu erwähnen ist ; besser bekannt,

der

bei

Methanderivate,

es ist, obwohl dem Kautschuk-Industriellen

doch einer eingehenden Besprechung werth ;

denn es wird

von keiner andern Verbindung als Lösungsmittel für Kautschuk übertroffen und ist auch in anderer Hinsicht allen schon vorzuziehen.

angeführten Flüssigkeiten

Tetrachlorkohlenstoff kann erhalten werden (wie schon gesagt) durch Behandeln von Chloroform mit Chlor. Eine bessere Methode besteht darin,

Mittheilungen aus Zeitschriften .

67

dass man trockenes Chlorgas einwirken lässt auf flüssigen Schwefelkohlen stoff, indem man eine kleine Menge irgend eines Chlorüberträgers (z . B. Jodphosphor) suspendirt hat.

Aller Schwefel

im Schwefelkohlenstoff, CS ,

wird durch Chlor ersetzt (unter gleichzeitiger Bildung von Chlorschwefel, S. C ) ; der erhaltene gereinigt werden .

Tetrachlorkohlenstoff kann

auf

passende

Weise

Noch besser aber modifizirt man diese Darstellungsmethode dahin, dass man das Chlor im nascierenden Zustande auf den Schwefelkohlenstoff einwirken lässt. Leider aber ist der Preis des Tetrachlorkohlenstoffs immer noch ein viel zu hoher, als dass man ihn in der gebührenden Weise bei der Kautschuk verarbeitung verwenden könnte .

Eines Tages wird er jedenfalls in unge

heuren Mengen verwandt werden,

wenn es gelungen sein wird, den Tetra

chlorkohlenstoff darzustellen durch die Vereinigung von Kohlensäure (Kohlen sönderanhydrid ) , Kohlenoxyd und Salzsäuregas bei dem erforderlichen Druck und der nöthigen Temperatur.

Einige vom Verfasser in

dieser Hinsicht

angestellte Versuche sind nicht ganz ohne Erfolg gewesen . Der Tetrachlorkohlenstoff löst Gummi in vorzüglichem Grade . Lösungen sind von sehr geringer Zähigkeit was von Werth ist lassen nach ihrer Verflüchtigung schaften zurück.

den

Gummi in

unveränderten

Die und

Eigen

(Schluss folgt. )

Mittheilungen aus Zeitschriften . Allgemeine Sport-Zeitung. Wochenschrift für alle Sportzweige . Heraus gegeben und redigirt von Viktor Silberer. XI. Jahrgang, Wien 1890 . Die 19 Allg. Sport-Ztg. " vom 9. Februar d. J. bringt folgende Mit theilung 22 Bei Aschach an der Donau in Oberösterreich ist am 10. Januar um 2 Uhr Nachmittags ein Ballon gelandet, der am Vormittage in München aufgestiegen war. Ueber die Fahrt liegt derzeit noch kein weiterer Bericht vor ; die Theilnehmer an derselben waren der bekannte deutsche Amateur Aëronaut Herr v. Sigsfeld und die Herren A. v. Parseval und A. Riedinger. " In der Allg. Sport- Ztg. " vom 16. Februar d. J. berichtet der Heraus geber derselben aus Nizza folgendes : „ Der Ballon Captiv, der jetzt hier in Nizza auf dem Platze vor der englischen Kirche seine täglichen Auf fahrten macht, ist derselbe, der voriges Jahr während der Weltausstellung in Paris in Thätigkeit war. Er hat damals im ganzen nicht weniger als 1564 Auffahrten gemacht, wobei er 19 194 Herren und 3571 Damen mit in die Lüfte nahm. Für die Fachwelt dürften die nachfolgenden technischen Daten über diesen Ballon von Interesse sein. Der Durchmesser desselben beträgt 18 Meter, der Umfang 56 % Meter, seine Oberfläche 1017,878 Qua- dratmeter, sein Inhalt 3053,635 Raummeter. Die gesammten Nähte des Ballons haben eine Länge von 3 Kilometer und 545 Meter. Das Netz zählt 384 Faden, resp . 192 Maschen über den Umfang, im Ganzen aber 24 000 Maschen ; es wäre im Stande 20 000 Kilo zu tragen, hat aber nie mehr als höchstens 1500 Kilo zu halten . Das 450 Meter lange Kabel , an dem der 5*

68

Kleinere Mittheilungen.

Ballon emporgelassen wird, ist ein gar nicht dickes, aber vorzügliches Hanf seil, das auf 19500 Kilo Tragfähigkeit geprüft ist, wovon aber nie mehr als 530 Kilo in Anspruch genommen werden. Die Dampfmaschine, welche den Ballon emporlässt und wieder herabzieht. hat zwei Cylinder und arbeitet bei 62 Kilo Druck mit 26 Pferdekraft. Ihre Schnelligkeit bei der Kabel arbeit ist ein Meter pro Sekunde. ob auf oder ab. In dem Korbe des Ballons haben bis zu 10 Personen Platz. Die Aussicht, die man über Nizza geniesst, ist herrlich, dabei ist hier so wenig Wind, dass der Ballon stets fast ganz senkrecht emporsteigt und gar nicht schwankt, wozu allerdings auch der Umstand wesentlich beiträgt, dass derselbe stets mit einem leben digen Auftrieb von 500-600 Kilo in die Höhe gelassen wird. Leider ist der geschäftliche Erfolg des Unternehmens ein sehr schwacher. Der Ballon wird wenig benutzt, trotzdem der Fahrpreis nur 7 Francs beträgt, und auch der Besuch des Aufstiegplatzes ist ein überaus spärlicher , nachdem man die Auffahrten ganz vorzüglich von aussen sieht. Von hier aus beabsich tigen die Godards dann mit dem Ballon nach Italien oder nach Amerika zu gehen. "

Kleinere Mittheilungen . Allerlei Spielzeug. Weihnachten des Jahres 1889 hat uns eine Reihe von Ge brauchs- und Luxus - Gegenständen dargeboten, welche ihr Motiv der Luftschiffahrt ent nehmen und die wir um so weniger unbeachtet lassen dürfen, als sie uns die erfreulichen Rückschlüsse gestatten, dass das seit Jahren von uns angebahnte Interesse für die Sache immer weitere Kreise erfasst haben muss . So und nicht anders möchten wir wenigstens die Nachfrage nach derartigen Ballonartikeln auffassen . Da finden wir zunächst in den Fünfzig - Pfennig - Bazaren ein kleines Spielzeug, eine Art Drehorgel mit drei Tönen, bei deren melodischem Geklimper zwei Ballons auf- und abgondeln, zugleich bewundert von vorbeiziehenden Spaziergängern . Ausserdem finden wir dort ein Ballonspiel, was leider nur zu langweilig ist und kaum der Erwähnung verdient. Weiter im Drei - Mark - Bazar sind reizende Ballons aus Porzellan in Gestalt von Ampeln, in deren Schiffchen ein kleiner Amor das Ruder führt. Wer weiss , bei wie vielen Schönen dieser kleine Engel diesen Weihnachten gelandet ist ? Möge er ihnen auch das ersehnte Glück bringen . Anderwärts fanden wir Spiegel, deren Glas in Ballonform geschliffen war, während der Fuss, ein sehr geschmackvoller Bronzeguss, einen Theil des Netzwerkes mit Gondel und Luftschiffer darstellte. Aber damit nicht genug, die gesammte Luftschiffer- Abtheilung kann man sich heuer bei Hasselbach in der Kronenstrasse in Berlin erstehen . Es ist eine wunderhübsche Zusammenstellung von Zinnsoldaten , welche diesen ziemlich umfang reichen Kasten füllt. Da finden wir mehrere Ballons aus Gummi , mit richtigen Netzen und Blechgondeln, in welchen auch die Telephonleitung nicht vergessen ist. Die Ballons, mit Wasserstoff gefüllt, sind in der That im Stande, ihre bleiernen Luftschiffer zu heben. Und welch ein Wagenpark gehört zu solcher Abtheilung ? Ein Gaserzeuger, ein Tele phonwagen, zwei Materialwagen und ausserdem eine eigenartig gebaute Winde . Dieses Spielzeug ist in Dresden gefertigt worden. Ein anderes derselben Art , welches aus flachen Figuren besteht und dementsprechend wohlfeiler ist, stammt aus Nürnberg . Bei diesem hat dem Bildner die Phantasie sehr hülfreich zur Seite gestanden. Es sind ganz wunderbare Gasapparate und eine sehr primitive Handwinde, die er uns vorführt. Dafür aber liefert er auch gleich den gesammten Generalstab dazu und eine Maschine für elek trisches Licht, für welche die Schuckart'sche offenbar als Vorbild gedient hat . Mck. Ballonfahrt von Gibraltar aus. Am 7. Dezember v. J. wurde von Gibraltar aus eine freie Ballonfahrt gemacht. Theilnehmer an derselben waren der Prof. Dale ,

Kleinere Mittheilungen . Kapt. Kirkpatrick , die Lieutenants Greenfield , Webb und Fowler.

69 Die An

gelegenheit verursachte in der Festung grosses Aufsehen, da bislang nur ein einziges Mal ein Aufstieg vom Felsen aus unternommen wurde, und bei jener Gelegenheit verlor der kühne Luftschiffer sein Leben. Der Ballon stieg , als er losgelassen wurde , schnell in die Höhe und verschwand bald in den Wolken, welche bei Ostwind den Felsen stets umhüllen. In einer Höhe von 5600 Fuss wurde die Hitze sehr bedeutend jedenfalls bedeutender, als irgend einer der Theilnehmer bisher erfahren hatte, - die Folge war ein rapider Gasverlust . Der Ballon blieb in dieser Höhe ungefähr 20 Minuten und trieb hierbei in südwestlicher Richtung über die äussersten südlichen Spitzen Spaniens hinweg . Die Lage der Insassen des Ballons wurde hierdurch keine beneidenswerthe, da der Ballon nur Gas für 2 Stunden enthielt und die Gefahr vorhanden war. dass er entweder in der Meerenge oder im günstigerem Falle auf afrikanischem Boden inmitten feindselig ge sinnter Araber niederging . Zum Glück bemerkte Prof. Dale eine tiefer liegende, in west licher Richtung ziehende Wolkenschicht ; man ging in Folge dessen bis auf 4000 Fuss herunter und legte in dieser Wolke ca. 8 engl. Meilen pro Stunde in der Richtung auf Tarifa zurück. Die See war vollständig ruhig, das Panorama grossartig. Im Norden sah man die Hügel bei Ronda mit der Sierra Nevada im Hintergrunde ; im Süden lag Afrika und fast unmittelbar unter dem Ballon erhoben sich die Säulen des Herkules. Der Ballon verliess Gibraltar um 11 , Uhr Nachmittags und gegen 20 Minuten vor 3 Uhr sahen die Luftschiffer unter sich einen Berghang, auf welchem man niederzugehen beab sichtigte. Die Gondel schlug auf den Boden auf, erhob sich aber mit dem Ballon noch einmal und wurde einige 100 Yards geschleift, ehe der Anker fasste. Der Landungs punkt lag ca. 1000 Fuss über dem Meeresspiegel auf dem steilen Hange eines Berges ca. 2 engl. Meilen seitwärts der Strasse nach Tarifa. Grosse Schwierigkeit verursachte die Beförderung des ohne Gondel 7 Ctr. schweren Ballons den Berghang hinunter. Aber endlich gelang mit Hülfe einiger Bauern die Verpackung desselben auf Mauleseln. Die Luftschiffer begaben sich zu Pferde nach Tarifa und kehrten am folgenden Morgen nach K. W. Gibraltar zurück. (Admiralty and Horse Guards Gazette.) Luftschiffer-Arena . In Paris soll ein Herr Menier Mehus den 6000 Personen fassenden Cirkus „ Paris-Madrid" auf dem Boulevard Delepert für 240 000 Fres. gekauft haben mit der Absicht , denselben in eine Luftschiffer- Arena umzuwandeln , in der Er finder Gelegenheit haben sollen , ihre Modelle auszustellen und zu versuchen. Zugleich sollen aëronautische Schaustellungen verschiedenster Art vorgeführt werden, an die man Mck. grosse Erwartungen knüpft. (La France aérienne. ) . Die Académie d'aérostation Météorologique de France hat am 27. November v. J. in einer General - Versammlung als neuen Vorstand folgende Mitglieder erwählt : Präsident Aimé , Ehrenpräsident Maret Leriche , Vize- Präsidenten Mangin und Me slé , General - Schriftführer Deneuve , Schriftführer Picot und Balzon Schatzmeister Rat , beigesellter Schatzmeister Lelong , Archivist Rouland , Bücherwart Leblanc , Bei Mck. sitzer van Roosebeke , Censeur Sibillot. ( La Françe aérienne . ) Anfertigung von Ballonstoffen in Frankreich. Der Direktor des militärischen Luftschifferparks in Meudon , Major Renard, hat ein Schreiben an die Handelskammer in Lyon gerichtet, in welchem er dieselbe ersucht, ihm die lyonneser Fabrikanten anzugeben, welche die zur Anfertigung von Ballons nöthigen Seidengewebe zu liefern im Stande seien . Diese im Allgemeinen von China gelieferten Gewebe müssen besonders fest und widerstandsfähig , verbunden mit grosser Leichtigkeit, sein. Die Syndikatkammer der Seidenfabriken, welcher der Antrag übersandt worden, ist damit beschäftigt, Erkundigungen bei denjenigen Fabrikanten einzuziehen , die diese Stoffe zu liefern im Stande sind . Die selben werden baldigst an den Major Renard eingesandt werden . Be, (La France militaire 17./18 . 2. 90. )

70

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. Protokoll der am 16. Dezember 1889 im S. ale der Königl. Kriegs akademie abgehaltenen (114.) Sitzung. Vorsitzender : Dr. Assmann .

Schriftführer : Dr. Kremser.

Tagesordnung : 1. Geschäftliches ; 2. Herr Lieutenant Gross : Berechnung, Konstruktion und Kostenanschlag des vom Verein zu erbauenden Fesselballons ; 3. Herr Oberapotheker Griese : Ueber den Sprungflügel. Der Vorsitzende theilt mit, dass zur Mitgliedschaft Herr Kiewel angemeldet ist, und dass der Münchener Verein für Luftschiffahrt sich zur Abnahme von 60 Exemplaren der Zeitschrift unter gewissen, noch weiter zu diskutirenden Bedingungen bereit erklärt hat. Herr Pr.-Lt. Moedebeck , als Obmann des Redaktions - Ausschusses berichtet sodann über einige wichtigere litterarische Erscheinungen. Zur besseren Unterbringung der Bücher der Vereinsbibliothek hat der Vorstand die Anschaffung eines neuen Schrankes beschlossen . Nach diesen geschäftlichen Mit theilungen hielt Herr Lt. Gross den angekündigten Vortrag. Durch den Plan des Vorstandes, einen Fesselballon zu Beobachtungszwecken zu bauen, ist dem Verein eine greifbare, praktische Aufgabe gestellt. Bis vor wenigen Jahren diente der Ballon nur der Schaulust, aber Besseres kann er leisten als Höhenobservatorium für den Krieg und für die Meteorologie . Zu dem ersteren Zwecke sei durch . die Luftschifferabtheilungen zur Genüge gesorgt, auf dem letzteren Gebiete jedoch bietet sich noch reiche und ver dienstvolle Thätigkeit, und auf diesem wolle nun der Verein seine Mittel und Kräfte verwenden. Da durch H. v. Sigsfeld für die Instrumente gesorgt, H. Hertzog die Seide geschenkt und H. Siemens ein Stahldrahtkabel zur Verfügung gestellt, sei der Bau des Ballons gesichert . Er habe es übernommen, denselben auszuführen. Der Vortragende bespricht nun Grösse, Form, Gewicht, Konstruktion und sonstige Verhältnisse des eigent lichen Ballons, des Netzes, des Ventils und erörtert eingehend die Ueberlegungen, welche nöthig waren, um Alles den Forderungen der Meteorologen, der Technik und den durch die gegebenen Verhältnisse gestellten Bedingungen konform zu machen. Der Ballon werde bei der todten Last von 64 kg und einem Volumen von 180 cbm im Stande sein, als Fesselballon bis zu 800 m Höhe zu steigen, allerdings nur bei ganz ruhigem Wetter. Schwierigkeiten bereite noch die Beschaffung einer geeigneten Winde für das Stahldrath kabel, welches wegen seiner geringeren Schwere gerade für diesen Zweck empfehlens werther als ein Hanfseil sei ; die Nothwendigkeit einer sehr sorgfältigen Aufwickelung komplizire und vertheuere die Einrichtung. Es sei naturgemäss hier nur an Handbetrieb zu denken. Die Winde werde mindestens auf 500 Mark zu stehen kommen. Zum Schluss stellte der Vortragende auch alle anderen noch nöthigen Ausgaben zusammen, welche insgesammt etwa 300 Mark ergaben ; die Mittel des Vereins seien ausreichend , um auch diese Kosten zu decken . In der sich anschliessenden Diskussion, an welcher sich die Herren Assmann , Lilienthal , Kronberg und v. Sigsfeld betheiligten , schien besonders die Ein wendung des Herrn Lilienthal von Bedeutung, dass nach dessen Erfahrungen ein Hanfseil spezifisch fester, als ein Stahldraht von der gleichen Schwere, sei. Auch Herr v . Sigsfeld , welcher mittheilte, dass die Siemens'schen Kabel die besten bisherigen Materialien um das Doppelte an Güte übertreffen sollen , sprach sich zum Schluss dahin aus, dass weitere Versuche mit Hanfkabel jedenfalls wohl angebracht seien . Nach einer kurzen Pause sprach sodann Herr Oberapotheker Griese über den „ Sprungflügel“ . Ausgehend von der natürlichen Bewegung des Menschen auf festem Boden und unter Zugrundelegung der Eigenschaften der Luft sei er nach eingehenden Forschungen auf einen Flügelapparat geführt worden, welcher nur eine Bewegung mit den Füssen und den dem Menschen verfügbaren Kraftaufwand erfordert ; er habe den

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt .

71

selben als „ Sprungflügel “ bezeichnet. Bei dem Apparate, welchen der Vortragende nach Konstruktion und Material eingehend beschreibt , betrage das Gesammtgewicht nur 12 Pfund. Bei der Benutzung desselben sei das Hüpfen die Hauptsache, daneben werde aber auch der Wellenflug von Belang . Wegen der dauernden Anstrengung muss jedoch eine mechanische Kraft attachirt werden , zu welcher sich am besten ein Kohlenwasser stoffmotor eigne. Aber auch bei dieser Erleichterung werde noch Uebung nothwendig sein . Der Sprung mit dem Sprungflügel könne und müsse daher ein Gegenstand des Turnunterrichts werden. Der Apparat sei noch nicht fertiggestellt ; wenn dies der Fall sein wird, werden sicherlich noch weitere Erleichterungen und Verbesserungen sich ergeben. Kremser. Zum Schluss wurde Herr Kiewel als Mitglied proklamirt. Protokoll der am 20. Januar 1890 im Saale der Königl. Kriegsakademie abgehaltenen ( 115. ) Sitzung . Vorsitzender : Dr. Assmann, Schriftführer : Dr. Kremser. Tagesordnung : 1 ) Geschäftliches ; 2) Herr Luftschiffer Herzberg : Ueber die Abgabe von Leuchtdepeschen vom Fessel- und Freiballon aus , durch Experimente er läutert. Der Vorsitzende meldet bei Eröffnung der Sitzung die Herren Graf v. Götzen und Buchholtz als neue Mitglieder an und theilte mit, dass von Herrn Richter (Grünau) 150 Mark für den Fesselballon gestiftet seien . Von der durch Verwendung eines Stahl drahtkabels bedingten Form der Handwinde für denselben müsse man übrigens wohl Ab stand nehmen, da eine hiesige Firma die Kosten derselben auf 3900 Mark veranschlagt. Nachdem Herr Lieutenant Gross über die Eingänge zur Bibliothek Bericht erstattet hatte, sprach Herr Herzberg über das oben genannte Thema. Von dem Platze der Landesausstellung aus habe er Nachtfahrten mit besonderer Berücksichtigung elektrischer Beleuchtung durch Tauchapparate geplant ; dieselben seien jedoch von der Polizei nicht gestattet worden. Da er demnächst die Versuche im Aus lande durchführen werde, benutze er gern die Gelegenheit, noch vorher den Verein von der Möglichkeit zu überzeugen , Signale und Depeschen vom Ballon aus vermittelst elektrischen Lichtes geben zu können . Man kann die Glühlampen entweder im Ballon selbst anbringen , wenn derselbe transparent ist, oder auch bei Benutzung eines guten Reflektors in der Gondel , so dass der Ballon in derjenigen Farbe erscheint, welche das umhüllende Glas der Glühlampe zeigt. Indem man nun verschiedenfarbige Lampen nach einander anwendet, und sich über ein auf der Aufeinanderfolge derselben beruhendes Alphabet verständigt, könne man in der Nacht auf weite Strecken mit Sicherheit Nach richten übermitteln. Der Vortragende deutete dies auch durch das Experiment an, indem er unter Zugrundelegung des Morsealphabets, wobei weisses Licht , rothes . bezeichete, einige Worte signalisirte. Hierauf gab Herr Ingenieur Blankenhagen, von welchem die angewandten Apparate herrühren, nähere Erläuterungen über die Anbringung der elektrischen Sicher heitslampen , sowie über ihre Konstruktion und Brenndauer, über die Akkumulatoren u . s . w. Herr Dr. Assmann betonte schliesslich noch die Zweckdienlichkeit dieser elektri schen Laternen für exponirte meteorologische Stationen, wo die gewöhnlichen Laternen bei Sturm versagen . Zum Schluss erfolgte die Proklamation der neuen Mitglieder. Nach einer kurzen Pause schloss sich daran eine ausserordentliche Sitzung , in welcher die verschiedenen Jahresberichte entgegengenommen wurden und die Neuwahl des Vorstandes, sowie des technischen Ausschusses erfolgte. Ueber die Thätigkeit des Vereins im Allgemeinen berichtete der Vorsitzende. Es haben ausser der Generalversammlung 10 ordentliche Sitzungen des Vereins

72

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt .

stattgefunden, in welchen 15 längere Vorträge gehalten wurden.

Der Vorstand trat

10 mal, der technische Ausschuss 4mal, der Redaktionsausschuss 3 mal zu Berathungen zusammen. Dem Verein beigetreten sind im Berichtsjahre 16 einheimische und 19 aus wärtige Mitglieder, ausgeschieden 15 einheimische und 2 auswärtige, sodass ein Zuwachs von 18 Mitgliedern stattgefunden hat. Der Verein hat somit gegenwärtig folgenden Bestand : 1 Ehrenmitglied, 2 korrespondirende Mitglieder, 40 einheimische und 67 aus wärtige, zusammen 110 Mitglieder. Zum Schluss werden noch die wichtigsten Beschlüsse und Vorgänge im Vereinsleben übersichtlich zusammengestellt und beleuchtet. Prof. Börnstein berichtet als Vorsitzender des technischen Ausschusses über die Leistungen desselben sie sind trotz des reichhaltigen Programms gering geblieben ; eingelaufene Projekte, die übrigens ohne praktischen Werth waren, wurden geprüft und Anfragen technischer Natur beantwortet. Für den Redaktionsausschuss spricht Herr Dr. Angerstein. Er begründet die Verzögerungen im Erscheinen der einzelnen Hefte mit den Schwierigkeiten, mit welchen die Redaktion bisher zu kämpfen hatte. Der bisherige Mangel an Material werde in Zukunft durch die Thätigkeit des Ausschusses fortfallen, der schon jetzt für reichhaltigen Stoff gesorgt habe, sodass für die Zukunft regelmässiges Erscheinen mit Sicherheit in Aussicht gestellt werden könnte. Der Kassenbericht des Schatzmeisters Dr. Schäffer zeigte die günstige Ent wickelung der finanziellen Verhältnisse des Vereins . Den 1198 Mark Ausgaben stehe eine Einnahme von 2876 Mark gegenüber, so dass Januar 1890 ein Kassenbestand von 1658 Mark vorhanden ist . Die vorausgesehenen Ausgaben für den Fesselballon vor läufig 830 Mark werden, zumal die Einnahmen i. J. 1890 hinzukommen, die günstige Finanzlage nicht alteriren. - Die Bestellung der Kassenrevisoren, welche in der De zembersitzung stattzufinden hatte, war vergessen worden ; der Vorsitzende hatte jedoch die Herren Kühl und Priess , welche schon früher dieses Amtes gewaltet haben, ge beten, die Kassenrevision vorzunehmen . Die Versammlung ertheilte nachträglich dieser Wahl Zustimmung. Dieselben haben nun nach der Mittheilung des Herrn Priess die Kasse in Ordnung befunden , sodass dem Schatzmeister Entlastung ertheilt werden konnte. Einige seitens des Herrn Priess geäusserte Wünsche bezw. Vorwürfe weist Herr Schäffer zurück. Bei der hierauf folgenden Vorstandswahl machte Herr Dr. Angerstein den Vorschlag, folgende Herren zu wählen : als I. Vorsitzenden : Dr. Assmann 22 II. Oberstlieutenant a . D. Buchholtz, 39 ; Schriftführer: v. Sigsfeld und Dr. Kremser, Dr. Schäffer, 99 Schatzmeister : Lieutenant Gross. 39 Bücherwart : Dieselben wurden auch mit grosser Majorität bezw. einstimmig gewählt und nahmen die Wahl an ; auch von Herrn v. Siegsfeld , welcher abwesend war, liess sich dies er warten. Herr Buchholtz bittet jedoch mit Rücksicht auf seine früheren Erfahrungen und seine angegriffene Gesundheit ihn von etwaiger Prüfung von Projekten u. dergl. ent binden zu wollen . In den technischen Ausschuss wurden sodann gewählt die Herren : Albrecht, Börn stein, Kronberg , Lilienthal, Opitz , sowie Müllenhoff und Gerlach, die letzteren mit gleicher Stimmenzahl. Da jedoch Herr Müllenhoff ablehnte , ist Herr Gerlach als 6. Mitglied des technischen Ausschusses gewählt. Nach einigen Auseinandersetzungen zwischen den Herren Priess , Buchholtz und Moedebeck wurde die Sitzung geschlossen. Kremser.

Druck von Beyer & Münch, Berlin SW., Kochstr. 55.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W., Jägerstrasse 73.

IX. Jahrgang.

1890.

Heft IV.

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons ,,Herder"

vom 23. Juni 1888. Von Dr. V. Kremser.

Einleitung. Zur Schaulust ist das Luftschiff in Deutschland genugsam verwendet worden, herzlich selten aber für die Wissenschaft. Nach einigen zum Theil verunglückten, zum Theil resultatlosen Versuchen nach dieser Richtung zu Beginn des Jahrhunderts blieb es lange ganz still . und als wissenschaft liches Hülfsmittel ward der Ballon so gut wie vergessen . Nicht die ewig denkwürdigen Unternehmungen der Engländer und nicht die hervorragenden Verdienste der Franzosen auf diesem Gebiete vermochten die Deutschen bei aller Anerkennung und Bewunderung jener Leistungen zum selbständigen Vorgehen anzutreiben und zur Erforschung des Luftmeeres durch eigene Beobachtungen bei Ballonfahrten anzuspornen. Und doch waren durch die Fahrten jener die Aufgaben nicht erschöpft, welche die Meteorologie eben nur durch die Luftreisen zu lösen vermag ! Die erfolgversprechende Anwendung der Lehren der modernen Physik, ins besondere der mechanischen Wärmetheorie auf die Meteorologie, forschung der Ursachen der Entwickelung und des atmosphärischen Vorgänge u. s . w .

die Er

Zusammenhangs der

bedarf im Gegentheil noch mehr ver

tieften und vielseitigeren Beobachtungsmaterials aus den höheren Regionen. Aber auch deswegen muss eine weitere Fortsetzung wissenschaftlicher Fahrten nothwendig erscheinen, weil man in der Gegenwart, durch die Er fahrungen

an den

meteorologischen

Stationen

gewitzigt ,

die

bisherigen

Resultate keineswegs als gleich vertrauenswerth ansehen darf, indem sicher

74

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888 .

lich vielfach lokale Beeinflussungen und instrumentelle Fehler für die ange strebte Genauigkeit

störend gewirkt haben.

Trotzdem blieb man in dem

auf allen sonstigen physikalischen Gebieten rastlos vorwärts schreitenden Deutschland in dieser Hinsicht zurück. Erst in den letzten Jahren macht sich ein regeres wissenschaftliches Streben in aëronautischen Kreisen geltend, nicht

zum geringsten Theil veranlasst durch den Deutschen Verein

Förderung der Luftschiffahrt.

zur

Einzelne Fahrten der Mitglieder desselben

zeigten zuuächst die gute Absicht, Untersuchungen in den höheren Schichten der Atmosphäre anzustellen .

Ferner aber bemühen sich seit Errichtung

der Militärluftschifferabtheilung die Offiziere derselben in höchst dankens werther Weis neben ihren dienstlichen Verrichtungen nicht nur allgemein allen atmosphärischen Vorkommnissen ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden, sondern auch zahlreiche instrumentelle Beobachtungen anzustellen . Die Mittheilungen

der

Herren Buchholtz ,

Moedebeck ,

Gross

geben

hiervon

genügend Zeugniss und die bereits in Angriff genommene Bearbeitung ihres Luftfahrten-Materials wird nach manchen Richtungen hin wichtige Resultate ergeben . Man darf jedoch nicht vergessen, Beobachtungen

dass hierbei die wissenschaftlichen

eben nur nebenher gehen können und dass also an eine

systematische Durchforschung des Luftmeeres nicht gut zu denken ist .

Um so

verdienstvoller ist daher das Unternehmen des Herrn von Sigsfeld, welcher nicht nur unter persönlicher Ueberwachung und Anweisung einen Ballon hauptsächlich für wissenschaftliche Zwecke und ausserdem zur Erprobung selbst erdachter aëronautisch-technischer Neuerungen aus eigenen Mitteln bauen liess, sondern auch keine Mühen und Kosten scheute, denselben mit theilweis

selbst ersonnenen Instrumenten auszurüsten,

deren Verwendung

einwurfsfreie Ergebnisse zu liefern verspricht. Mit diesem "" Herder"

getauften Ballon

sollen nun bei bestimmten

Wettertypen zur Erforschung der meteorologischen und elektrischen Ver hältnisse der freien Atmosphäre in den verschiedenen Schichten Tag- und später auch Nachtfahrten unternommen werden . Die

erste Fahrt wurde von Herrn von Sigsfeld in Begleitung des

Herrn Luftschiffer Opitz und des Verfassers dieser Zeilen am 23. Juni 1888 von Berlin aus unternommen . Obgleich die Absicht vorliegt, die Beschreibung des Ballons mit seiner technischen und wissenschaftlichen Ausrüstung , sowie die einzelnen Beob achtungen sämmtlicher Fahrten und ihre Resultate in einem besonderen Werke niederzulegen , erschien es doch angezeigt, schon jetzt einige Ergeb nisse dieser ersten Fahrt in etwas kürzerer Fassung der Oeffentlichkeit zu übergeben. Unter Zustimmung des Herrn von Sigsfeld mögen daher an dieser Stelle Platz finden.

dieselben

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888.

75

Allgemeines über die Fahrt. Gemäss des Programms sollte die erste Fahrt innerhalb eines baro metrischen Maximums von statten gehen.

Zwar war am 23. Juni 1888

dieses Maximum nicht sehr ausgeprägt , der Kern desselben auch nicht ganz nahe ;

doch durfte man bei den verschiedenartigen Schwierigkeiten, welche

der Zurüstung einer Ballonfahrt bei einem Privatmanne entgegenstehen, die immerhin günstige Gelegenheit nicht vorüber gehen lassen . war hoch,

ziemlich gleichmässig über

Der Luftdruck

Zentraleuropa vertheilt und ohne

Neigung zu wesentlichen Aenderungen ; der höchste Luftdruck (771 mm) lag bei den Hebriden, die Isobare 765 verlief vom Kanal ostwärts nach Galizien hin,

um

sich dann nach Norden

zu wenden.

Wind wehte über Norddeutschland, Der Himmel war heiter, Feuchtigkeit gering.

Der schwache bis mässige

insbesondere über Berlin,

aus Osten.

die Temperatur hoch und über dem Mittel ,

die

Die Auffahrt erfolgte um 9h 21 m Vorm. von der Schöneberger Gas anstalt bei Berlin . Der Ballon wurde mittelst Theodoliten von der Ab fahrtsstelle aus durch Herrn Dr. Lachmann, vom Dache des meteorologischen Instituts durch Herrn Baschin verfolgt.

Bei

seiner

schnellen Bewegung

nach Westen entzog er sich jedoch bald der trigonometrischen Beobachtung. Das Ordnen des Ballasts, das nicht ganz einfache Anbringen und Befestigen der Instrumente, die Einrichtung der Plätze für die drei Theilnehmer u. s. w. erforderten bei dem verhältnissmässig beschränkten Raume in der Gondel längere

Zeit,

9 h 28 m,

so dass genauere

Aneroidablesungen und

mente aber erst gegen 10 ,2 h beginnen konnten . ohne

-notirungen erst

genauere Beobachtungen der Temperatur und der anderen Ele

wesentliche Unterbrechung bis

die Landung beschlossen wurde . das Einziehen

Die Beobachtungen wurden.

gegen 3 Uhr Nachm. fortgesetzt, wo

Bis zu dieser selbst verging aber noch

einige Zeit,

da

Instrumente,

das Einpacken der letzteren, Herablassen des Ankers , Klar

der Vorrichtungen

zur Aufhängung der

machen aller gerade für die Landung auszuprobenden Neuerungen , Prüfen der Erdbodenverhältnisse u. s . w. nicht überstürzt werden durften . Die Fahrt ging mit einigen Abweichungen fast genau nach Westen . Gegen 11½ a wurde die Havel südlich Rathenow in einer Höhe von etwa 1500 Meter überflogen ; um etwa 12

p war die Elbe nahe Tangermünde

(Ballonhöhe 2000 Meter) erreicht ; um 1/2 p stand der Ballon 2400 Meter über Gardelegen, wo die Fortbewegung sich sehr verlangsamte, so dass der Ort noch um 3 p gesehen werden konnte. Es ist für die weitere Ver arbeitung wichtig ,

dass

sich in Gardelegen

eine meteorologische Station

befindet, deren Beobachter, Herr Hauptlehrer Lange, den Ballon sehr bald wahrnahm

und

sogleich (12 p) seine Instrumente

ablas ,

die

gewöhnlichen Beobachtungstermin um 2p keine Aenderungen

bis

zum

zeigten.

In dieser Höhe wurde die niedrigste Temperatur beobachtet : 5,6 bei 27 2 in der untersten Schicht. Weiterhin liess man den Ballon sich

76

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888.

allmählich senken .

Um etwa 4 p wurde ,

oberfläche dazu einlud ,

als die Beschaffenheit der Erd

das Ventil gezogen ;

südlich der Ortschaft Hohn

horst bei Celle erfolgte der erste, ziemlich heftige Landungsstoss . Der Wind unten war bis zu 10 m p. S. aufgefrischt. Bei der Kraft des Windes und

dem lockeren Erdreich

der Lüneburger Haide konnte der

Anker nicht fassen , vielmehr wickelte sich bei der nun beginnenden Schleiffahrt das Ankertau um denselben, so dass von ihm nicht mehr viel Hülfe erhofft werden durfte.

Aber auch die erwartete Wirkung der Zerreiss

vorrichtung, welche alsbald angewandt wurde, schien auszubleiben

wenn

auch nachträglich konstatirt wurde , dass durch dieselbe ein ganz bedeu tendes Loch in den Ballon gerissen war. Nahezu 12 km betrug diese Fahrt über Haide, Gräben und Wege, durch Saatfelder und Wälder, bis endlich ein Moment des Stillstands zum blitzschnellen Zerschneiden der Seile , welche Gondel und Ring verbinden, benutzt werden konnte und so den Schluss der Fahrt herbeiführte . Er erfolgte hart vor Bunkenburg, einer kleinen Kolonie, 17 km östlich von Celle .

Die Instrumente , deren Konstruktion , Aufstellung und Beobachtung. Es mögen nun zunächst einige kurze Auslassungen über die instru mentelle Ausrüstung soweit dies zum Verständniss bezw. zur richtigen Beurtheilung des

Folgenden nöthig

erscheint

vorangeschickt werden.

Zur Bestimmung der Temperatur und Feuchtigkeit der Luft, welche bei der starken Insolation in der Höhe und bei der gewöhnlich vollkommenen Wind stille in der Gondel mit den üblichen Thermometeraufstellungen unausführbar ist oder zu ganz falschen Resultaten führt, diente das Assmann'sche Aspi rations -Psychrometer mit Saugebalg.

Wenn auch die damalige Form

mit

intermittirender Aspiration von der jetzigen *) überholt ist, so dürfte doch das angewandte Instrument die wahre Lufttemperatur ohne nennenswerthe Abweichung ergeben haben. Denn es war nicht nur vorher von Herrn v. Sigsfeld und im meteorologischen Institut bei direkter Sonnenbestrahlung ausgeprobt worden ,

sondern es machte sich auch während der Fahrt ver

möge der allerdings sehr sorgfältigen Bedienung des Balges eine kräftige Lufteinströmung durch lautes Sausen bemerkbar und somit eine ungestörte Funktionirung des Apparates . Zu bedauern bleibt es freilich, dass eine selbstthätige und kontinuirliche Aspiration, welche sich bei vorangegangenen Versuchen wohl bewährt hatte, nicht zur Wirksamkeit kam.

Dieselbe war

hervorgerufen worden durch Sandausfluss aus einer 12 m langen vertikal hän genden Röhre mit einem nahe dem oberen Ende seitlich angebrachten Ansatz stück, das mit der Umhüllung der Thermometer durch einen Gummischlauch verbunden war. Zusammengebackener Sand oder dergl . verstopfte die Röhre . und so versagte dieser Aspirationsapparat den Dienst . Infolge dessen

*) S. diese Zeitschrift, Jahrgang 1890, Heft 1 und 2 .

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder " v. 23. Juni 1888.

77

konnte die auf die Dauer höchst unbequeme, ermüdende und von sonstigen Beobachtungen ablenkende Handhabung des Balges nicht umgangen werden. Dieselbe wurde, wenn überhaupt unterbrochen, stets mehrere Minuten vor der betreffenden Ablesung begonnen, so dass die an sich schon sehr empfind lichen Thermometer stets die Temperatur der vorbeistreichenden Luft wieder Die Befeuchtung des Psychrometers erfolgte durch annehmen konnten. schnittlich 6 Minuten vor der nächsten Ablesung und wurde 20 bis 25 Minuten wiederholt. Von diesen Aspirationspsychrometern

waren

zwei

Paar

etwa alle

vorhanden,

welche an Bambusstangen derartig angebracht waren, dass das eine in 2 m, das andere in 11 m Entfernung vom Gondelrande sich befand .

Das erstere

wurde für gewöhnlich benutzt und zu jeder Ablesung durch eine einfache schnelle Drehung der Stange um ihren an einer Gondelecke befestigten vertikalen Theil nach der anderen Gondelecke herangezogen, wo sich der Beobachter befand ; das letztere, welches mit einem Fernrohr abgelesen wurde, hatte den Zweck, einen etwaigen Einfluss des durch die Sonnen strahlen stark

erwärmten Systems Ballon- Gondel

auf die Lufttemperatur

der nächsten Umgebung bezw . auf die nur 2 m entfernten Thermometer zu ermitteln .

Da nämlich der Radius des Ballons etwa 7 m betrug, so ragten

jene äusseren Thermometer noch um 4-5 m über die Peripherie des Ballons hinaus und da überdies die Bambusstange unterhalb des Ballons in der Höhe der Gondel lag, um 9 m entfernt. schwachen,

so waren sie von demselben im Minimum

Bei der fast immer vorhandenen, wenn auch häufig ganz

vertikalen Bewegung des Ballons ist die Annahme berechtigt,

dass in jener Entfernung die Luft nicht mehr durch Erwärmung vom Ballon beeinflusst war ; jedenfalls hätten sich hier niedrigere Temperaturen ergeben müssen , als bei den nahen Thermometern . Eine Uebereinstimmung der Angaben beider Aufstellungen kann daher als Beweis dafür angenommen werden, dass schon in einer Entfernung von 2 m eine lokale Lufterwärmung nicht mehr vorhanden ist, und vielleicht auch als Beweis dafür, dass die angewandte Aspiration zur Bestimmung der wahren Lufttemperatur genügend war. Thatsächlich ergab sich auch zwischen beiden keine belangreiche Differenz .

Leider konnten aber diese vergleichenden Beobachtungen nicht

völlig gleichzeitig und auch nur selten angestellt werden , weil die Be nutzung zweier Saugebälge bei dem beschränkten Raume in der Gondel sehr erschwert war.

Immerhin zeigte sich, dass in ungefähr gleicher Höhe

sowohl bei aufwärts gerichteter wie bei absteigender Bewegung des Ballons die Thermometer innerhalb eines Grades übereinstimmend waren, so dass die Ablesungen der nahen Thermometer schon für sich allein als mass gebend angenommen und den unten folgenden Ergebnissen zu Grunde gelegt werden konnten . Hierbei sei erwähnt, dass gleichzeitig ein nicht aspirirtes Thermometer 8-10 Grad höhere Temperaturen

angab.

Sämmtliche

Thermometer waren selbstverständlich vorher genau geprüft worden .

78

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888. Zur Bestimmung der durch Strahlung stark beeinflussten Temperatur

des Ballongases war im Innern desselben ein Luftthermometer aufgehängt : eine dünnwandige cylindrische Röhre von Silber , durch ein kleinkalibriges Messingrohr mit einer in der Gondel befindlichen Kapsel verbunden . in welcher durch ein Glasfenster ablesbar ein Aneroid eingeschlossen war. Die Luft im Innern des Thermometers war vorher ausgetrocknet , der ganze Apparat auf Luftdichtigkeit geprüft und der Werth der Skalentheile ermittelt. Die Ballontemperatur ist zwar mehr fahrttechnisch als meteorologisch inter essant ; da sie jedoch einen Begriff von der Wirkung der Insolation in jenen Höhen giebt , schien das betreffende Instrument und einiges über seine An gaben erwähnenswerth. Dass bei dem völlig heiteren und überaus trockenen Wetter zumal in grösseren Höhen die Ballonhülle und weiterhin das von ihr eingeschlossene Gas stark erwärmt werden musste, war von vornherein an zunehmen , dennoch war der enorme Betrag überraschend : die Temperatur im Innern des Ballons schwankte bezw. stieg während der Fahrt von 44 bis 58 °, während die Lufttemperatur bis nahezu 5º sank ! Für die Beobachtung des Luftdrucks waren Aneroide und ein Heber barometer vorhanden . Das Heberbarometer, bei welchem die Skala auf der Glasröhre eingeritzt war, hatte, um den Einfluss der Sonnenstrahlung abzu schwächen, eine blankpolirte Nickelhülle, die nur längs der Skala zum Zwecke der Ablesung durchbrochen war.

Wegen der vermutheten Schwankungen des

Quecksilbers war bei den vorangegangenen Prüfungen , ebenso wie während der Fahrt , nicht der obere Rand der Kuppe , sondern die Berührungsstelle mit dem Glase eingestellt worden. Die Differenzen zwischen diesen Ab lesungen und den Angaben

des Normalbarometers

waren daher unregel

mässiger als gewöhnlich ; der Fehler einer Einstellung ergab sich = '/, mm , so dass mit Rücksicht auf diese Ungenauigkeit die ermittelte Korrektion 0.1 mm nicht weiter beachtet zu werden brauchte . Das Aneroid ,

welches

zu den regelmässigen Beobachtungen benutzt

wurde, war ebenfalls vorher, auch bei niedrigem Luftdruck, geprüft worden . Es zeigte bei

den verschiedenen zahlreichen Vergleichungen nicht gerade

sehr zufriedenstellende Uebereinstimmung und infolge dessen auch keinen ein fachen Gang der Korrektionen , so dass die Bestimmung derselben bis auf Zehntel Millimeter auf wirkliche Genauigkeit keinen Anspruch machen durfte .

Bis

zu 700 mm konnte man hiernach etwa 8 , bis zu 650 mm +7 , bis zu Aber selbst die Anwendung 600 mm 6 mm als Korrektion annehmen . dieser Werthe auf die Beobachtungen während der Fahrt erwies sich als illusorisch und zwar wegen der Bestrahlung des Aneroids durch die Sonne . Zur Veranschaulichung dieser Thatsache sei beispielsweise erwähnt , dass das Thermometer am Aneroid in einer Höhe von 2100 m bis auf 40º ge stiegen war, während das attachirte Thermometer am Heberbarometer 18 ° angab und die Lufttemperatur 8 ° betrug . Dass bei derartig hervortretenden, sicherlich ganz unregelmässig wirkenden Insolationsverhältnissen die vorher

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder “ v. 23. Juni 1888. unten

gefundenen

Korrektionen

nicht

mehr

zutreffend

waren ,

79

erscheint

wohl selbstverständlich. Es wurden daher andere und zwar nach folgender Art bestimmte Korrektionen benutzt. An Punkten , wo der Ballon sich in Gleichgewichtslage befand, d. h . sich gleichmässig im selben Niveau bewegte, wurde das Heberbarometer selben mit

und nur in diesen Lagen wird man sich des

Sicherheit bedienen können ,

da bei beschleunigter oder ver

zögerter vertikaler Bewegung eine verschieden lange Quecksilbersäule dem Luftdruck das Gleichgewicht hält, wie im Zustande der Ruhe - sorgfältig eingestellt und gleichzeitig das Aneroid abgelesen .

Die Differenz dieser Ab

lesung gegen den auf 0 ° reduzirten Stand des Heberbarometers wurde für Zwar die nächstliegenden Aneriodablesungen als Korrektion genommen. schwanken auch hier

eben infolge der ungleichartigen Erwärmungsver

hältnisse die einzelnen Differenzen für denselben Luftdruckwerth, gleich wohl verdienen aber die so erhaltenen Korrektionen, wenn man sich auf ganze Millimeter beschränkt , volles Vertrauen ; sie schwanken zwischen + 4 und +7 mm.

Mit Rücksicht auf die fast ununterbrochenen , häufig sehr schnellen

Aenderungen des Luftdrucks einerseits und auf die Störungen durch Strah lung u . s . w. andrerseits wird man wohl überhaupt auf eine Genauigkeit von 0,1 mm verzichten müssen, wenn nicht auch in dieser Hinsicht ganz besondere Vorkehrungen getroffen werden. auf hinzuweisen ,

dass

Es erscheint nicht unwichtig. überhaupt dar

man sehr zufrieden sein darf,

wenn die Angaben

früherer und auch wohl späterer Fahrten auf ganze Millimeter verlässlich erscheinen . Notirungen des

Aneroids

wurden

etwa

100 gemacht,

insbesondere

immer genau zu der Zeit , wenn irgend eine Temperaturbeobachtung ange stellt wurde ; Beobachtungen am trockenen und feuchten Thermometer sind etwa 50 niedergeschrieben worden. Eine Reihe anderer während der Fahrt bereit gehaltener Instrumente aufzuzählen , erübrigt sich , da dieselben bei den anderen drängenden Ge schäften nicht in Thätigkeit traten . Die ausführliche Publikation

sämmtlicher Beobachtungen bleibt

das erwähnte Werk des Herrn v. Sigsfeld vorbehalten.

für

Hier soll nur ein

Bericht über die Ergebnisse und deren Herleitung mit einigen allgemeineren Betrachtungen gegeben werden.

Temperatur. Ehe zur Ableitung der Mitteltemperaturen der verschiedenen Schichten d. h . zur genauen Ermittelung der vertikalen Temperaturabnahme geschritten werden konnte , galt es die den einzelnen Ablesungen entsprechenden Höhen genauer festzustellen. Zur allgemeinen Darstellung der Fluglinie des Ballons mag es allenfalls hinreichend sein ,

die fundamentale Höhenformel ohne

Rücksicht auf Temperatur, Feuchtigkeit u . s . w . zu benutzen , oder selbst auch die mit der das allgemein übliche Verfahren der Luftschiffer

80

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder “ v. 23. Juni 1888.

Luftdruckskala parallel laufende Höhenskala auf den Aneroiden direkt zu verwerthen ; sobald man jedoch irgend eine Messung zu meteorologischen oder sonstigen wissenschaftlichen Zwecken vornimmt , darf man zum mindesten den wichtigen Einfluss der Temperatur nicht mehr vernachlässigen , da selbst bei den Höhen, wie sie auf der vorliegenden Fahrt erreicht wurden , der Fehler bis zu 200 m betragen kann

und um so weniger hier, wo die Aufgabe

des ganzen Unternehmens darin bestand . verlässliche und möglichst genaue Werthe zu erhalten . Es wurde nun folgender Weg eingeschlagen.

Da Luftdruck und Tem

peratur in der Höhe durch direkte Beobachtung bekannt war, handelte es sich nur darum , die entsprechenden Werthe derjenigen Orte zu finden, über welchen der Ballon sich gerade befand .

Dies lässt sich nun bis zu einem

gewissen Grade durch die Wetterkarten erreichen, wenn man angenähert zu gleich auch die zeitlichen Aenderungen während der Fahrtdauer in Betracht zieht.

Im Allgemeinen wird man sich damit begnügen müssen und vielleicht

auch begnügen können.

In unserem Falle

sind jedoch die Verhältnisse

günstiger, insofern erstens von dem Ausgangspunkte (Berlin bezw. Spandau) Registrirbeobachtungen vorliegen, zweitens ein grosser Theil der Fahrt, und zwar bis fast zum Schluss der Beobachtungen ,

sich über einer meteoro

logischen Station vollzieht, die zudem ziemlich in der Mitte zwischen zwei Stationen erster Ordnung (Hamburg ; Berlin) liegt, und endlich drittens, weil Vertheilung und Gang des Luftdrucks und der Temperatur an dem besagten Tage sehr gleichmässig war, soweit wenigstens das überflogene Gebiet in Betracht kommt. Es wurden daher ohne Weiteres für die ersten zwei Stunden der Fahrt die Berlin- Spandauer Registrirbeobachtungen von Luftdruck und Temperatur Für die weitere als giltig für die Unterlage angesehen und verwerthet. Strecke wurden die Mittel aus den stündlichen Aenderungen zu Berlin und Hamburg, welche übrigens für den Luftdruck um höchstens 0,2 mm, für die Temperatur um höchstens einen halben Grad differiren , in entsprechender Weise auf die Terminablesungen in Gardelegen vertheilt , und damit Daten erhalten, welche bei dem geringen Gradienten Berlin-Gardelegen und selbst Berlin- Hamburg sehr wohl als der Wahrheit ganz nahe kommende Werthe für die einzelnen Fusspunkte zu den Ballonörtern angesehen werden können . Es betrug der Luftdruck, auf's Meeresniveau reducirt : 12 a 8a 9a 10a 11 a 1p 2p Berlin •

766.2

66.1

66.1

66.2

65.9

65.7

65.5

3p

4p

65.4

65.2

Hamburg

764.5

64.6

64.6

64.7

64.5

64.2

64.0

64.0

63.9

Gardelegen

765.8

65.8

65.8

65.9

65.7

65.4

65.2

65.1

64.9

Die Temperatur an der Erdoberfläche war : 23.8 25.0 25.5 26.4 26.6 27.7 Berlin- Spandau • 19.2 21.1 22.5 23.2 23.8 24.9 Hamburg .

27.5 24.5

28.0 24.2

27.6 23.8

27.7

27.5

27.6

27.2

Gardelegen

21.9

23.7

24.9

25.9

26.5

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888.

81

Die balbfett gedruckten Werthe wurden nun für die weitere Unter suchung zu Grunde gelegt und mit den direkten Beobachtungen im Ballon zunächst dazu benutzt , um die Höhen über dem Meeresniveau zu erhalten . Von einer Rücksichtnahme auf Schwerkraftsänderung mit der Höhe und auf Feuchtigkeit war hierbei abzusehen , da die hierdurch bedingten Korrektionen nur unwesentliche Aenderungen im Verhältniss zu dem sonstigen Genauig keitsgrade ( + 15 m) ergeben hätten ;

es konnte somit von der Radau'schen

Formel, mit Hintansetzung der Schwerekorrektion, Gebrauch gemacht werden, für welche in Jelinek's " Anleitung" Tafeln vorhanden sind. Zur Ermittelung der vertikalen Vertheilung der Temperatur wurde nun zu jeder Beobachtung im Ballon die zugehörige Höhe und ferner die gleichzeitige Temperatur an der Erdoberfläche bestimmt und hieraus die Tem peraturabnahme per 100 m berechnet.

Da sich die berechneten Höhen auf das

Meeresniveau, die Temperaturen unten jedoch auf die Erdoberfläche bezogen, musste noch

die Erhebung der letzteren über dem Meeresspiegel berück

sichtigt werden.

Die Landschaften , über welche der Ballon sich bewegte,

schwanken in ihrer Meereshöhe zwischen 30 und 50 m. wenigstens soweit Beobachtungen vorliegen ;

es wurden daher für diesen Zweck im Durch

schnitt 40 m von den oben angegebenen Höhen in Abzug gebracht.

Die ein

zelnen Werthe, welche an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden können, wurden nach den Höhenstufen in Gruppen zusammengefasst ; dieselben bieten nun folgendes Bild :

Temperaturabnahme .

per 100 m Mittel (Extreme)

insgesammt

Beobachtungen)

von H == 0 m bis H -

(3)

1240 (1100-1400)

129,9

1,04 (1,11 ; 0,98)

1540 (1400-1700) 1780 (1700-2000)

15,1

0.98 (1,06 ; 0º, 86)

179.2

0,97 (1,05 ; 0º,90)

(Zahl der

(6) (15)

(13)

2130 (2000-2300)

199,8

0º, 92 (1º,00 ; 0º, 82)

(13)

2370 (2300-2500)

20º,8

0°,88 (0°,93 ; 0,81)

(50)

Mittel : 1960 ( 1100-2500)

18,4

0°, 94 (1º, 11 ; 0º, 81 )

Auffallend ist zunächst der überaus grosse Betrag für die Temperatur abnahme, selbst im gesammten Durchschnitt. Bei keiner der Glaisher'schen Freifahrten ist dieser Betrag erreicht worden.

In den unteren Schichten,

und sogar bis nahezu 1500 m Höhe entspricht derselbe einem labilen Gleich gewichtszustande

der

Atmosphäre.

Dies

deutet

einerseits

günstigen Bedingungen zu schneller Temperaturabnahme

hin

auf die

(warmes, heiteres,

trockenes Wetter innerhalb einer Anticyclone ; Kontinentalität ; Mittagszeit), andrerseits aber auch auf die Güte der Temperaturbestimmung. Ferner springt sofort die Thatsache in die Augen , dass die Temperatur abnahme nach oben hin sich ziemlich schnell verringert und zwar offenbar 6 IX .

82

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888 .

in einer gesetzmässigen Weise .

Dieser Umstand sowohl, wie die Zahl und

Güte der Beobachtungen geben Anlass, diese Gesetzmässigkeit in eine mathematische Form zu kleiden. Es wurde die einfache Beziehung gewählt h Ah a 3 wo A h die durchschnittliche Abnahme per 100 m von der 100' untersten Schicht bis zur Höhe h stimmende Faktoren

sind . * )

bedeutet,

a und 3 aber noch zu be

Die Unbekannten a und 3 können nun,

da h das zu h gehörige A aus den obigen Gruppenwerthen in 5 Fällen bekannt ist, aus den so entstehenden 5 Gleichungen nach der Methode der kleinsten Quadrate gefunden werden. Man erhält : h ‫ܙܠ‬ 0.016 19.25 100 Häufig ist es von grösserem Interesse, schnittlichen

Abnahme

gewissen Höhe

per

100 m

statt der gesammten durch

von der Erdoberfläche

bis

die Temperaturabnahme bei Erhebung um 100 m

bestimmten Höhenschicht zu kennen ;

zu einer in einer

diesen Werth gewinnt man aus den

bereits ermittelten Zahlen durch die leicht zu verificirende Beziehung : h h 23 ᎾᏥ 0.032 a 1.25 100 100' Endlich kann der gesammte Betrag der Abnahme (T ) bis zu einer beliebigen Höhe oder, sofern die Temperatur an der Erdoberfläche (T ) be kannt ist, die Lufttemperatur in der Höhe h (Th ) durch die Formel : h h 2 h ‫ ܙܠ‬-Th To Tu 1.25 0.016 100 100 100 berechnet

werden . Die nachfolgende Tabelle giebt die einzelnen Werthe von Ah. Oh , Th für h von 100 zu 100 m. Ꮎ1 h Ab Th Δ 1º für **) h ber. (beob . ) 1.22 1.23 1.2 100 82 m

200

1.22

1.19

2.4

300

1.20

1.15

3.6

400

1.19

1.12

4.7

500

1.17

1.09

5.8 6.9

600

1.15

1.05

700

1.14

1.02

7.9

800

1.12

0.99

8.9

900

1.11

0.96

9.9

1000

1.09

0.93

10.9

92

104

ergiebt sich *) 0 und könnte als Abnahme in der alleruntersten Schicht J11 definirt werden , während 2 Jn + 100 die Aenderung von A bei Erhebung um 100 m bedeutet. **) Diese letzte Kolumne enthält noch Angaben über die Zahl der Meter, um welche man sich in den verschiedenen Schichten erheben muss, um eine Temperatura bnahme von 1º zu erreichen .

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v . 23. Juni 1888 . h

Ən

Ab

1300

ber. (beob. ) 1.07 0.90 0.87 1.06 (1.04) 1.04 0.83

1400

1.03

1500

1.01

1100 1200

Th

83

A = 1 ° fur h=

11.8 12.7

13.5

0.80

14.6

0.77

15.1

120

(0.98) 0.99

0.74

15.9

1700

0.98

0.71

16.6

1800

2000

0.93

0.68 0.64 0.61

17.3

1900

0.96 (0.97) 0.95

18.6

0.59

19.2

0.55

19.7

1600

141

17.9

2100

0.91

2200

0.90

2300

0.88

0.52

20.3

2400

0.87

0.49

20.8

2500

0.85

0.45

21.2

173

(0.92)

(0.88 ) 222

Die Werthe für die ersten 1000 m sind cursiv gesetzt worden , weil sie lediglich aus einer Formel berechnet sind , die auf Beobachtungen in grösseren Höhen basirt ; die Ausdehnung des durch die Formel ausgedrückten Gesetzes auf die untersten Schichten erscheint nicht einwurfsfrei, zumal alle Anzeichen dafür sprechen, dass in diesen Schichten eine noch viel grössere Temperaturabnahme stattgefunden hat , als wie es die berechneten Werthe

angaben. Im Uebrigen aber dürften die Zahlen der obigen Tabelle - wenigstens vorläufig - überall da als obere Grenzwerthe zu Grunde gelegt werden, wo es sich um Untersuchungen über die atmosphärischen Verhältnisse in einer sommerlichen Anticyclone handelt.

Hierzu fordert vor allem die Grösse

jener Werthe, aber auch der schon geschilderte Witterungszustand und end lich auch die Tageszeit der Beobachtungen ( 10a - 3p) auf, welche , wie aus anderweitigen Untersuchungen bekannt , einer schnellen Temperaturab nahme am günstigsten ist. Den täglichen Gang, die stündlichen Aenderungen der letzteren während

der Fahrtdauer abzuleiten, wurde nicht für angängig gehalten.

Denn sicher

lich werden die periodischen Temperaturschwankungen in der Höhe zu dieser Tageszeit sehr klein sein , da selbst an der Erdoberfläche während der ganzen Beobachtungsdaner die Schwankung der Temperatur nur etwa 11 ° betrug ; und es wäre illusorisch, jene winzigen Beträge aus den erklärlicher weise im Einzelnen (s . Kolumne Extreme " auf S. 81 ) nicht ganz überein stimmenden Beobachtungen in wechselnden Höhen ermitteln zu wollen. Erklärlicherweise deswegen , weil zunächst die Einzelbeobachtungen infolge Zusammentreffens verschiedener hier nicht weiter zu erörternder Fehler 6*

84

Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation.

quellen vielleicht um mehrere Zehntel Grade von der Wahrheit abweichend sein können , dann aber auch, weil ein Einfluss der wechselnden Boden beschaffenheit mit ihrer verschiedenen Reaktion gegen die Insolation auf die Temperatur in den hier erreichten Höhen keineswegs so ganz ausgeschlossen erscheint. (Schluss folgt .)

Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation. Vorgetragen im Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt am 16. Dezember 1889 von Julius Griese. (Schluss. ) Der beim Beginn des Flügelschlages eingetretene Höhenverlust wird also während des vollen wirksamen Flügelschlages wiedergewonnen , von etwaigem gänzlichem Verlusttheil abgesehen , schädlich betrachtet werden kann .

sodass jener Abfall als un

Vorauszusetzen ist hierbei jedoch, dass

die Zeit des vollen Flügelschlages gleich derjenigen der Senkung ist und diese Bedingung kann durch Wahl genügend grosser Flügel erfüllt werden, so lange diese nur leicht genug bleiben . Damit nun während des Sprunges die Flügel unbehindert durch die Luft von oben sich heben können und zugleich auch durch die ihnen hori zontal entgegengeführten Luftmassen selbst gehoben werden, müssen sie eine mässige Neigung zur Bewegungsrichtung haben. Dieselbe ist zunächst nur der Schnelligkeit des Flügelhebens anzupassen und genügen 3 bis 5 °; eine Vergrösserung derselben triebs

würde

eine

weitere Vermehrung des Auf

auf Kosten der Flugschnelligkeit bewirken,

Hauptzweck zu gelten hat,

möglichst

aber

weil diese

als

zu vermeiden sein und höchstens

während der Zeit des Abfalls am Anfang des Flugniederschlages zur Hemmung des Abfalls verwendet werden dürfen. Die Herstellung der geeignetsten Flügelneigung lancements .

zur Bewegungsrichtung

ist Aufgabe

des

Ba

Dieses stimmt im Allgemeinen mit dem beim Bodensprunge überein, ist aber ,

Uebung zur Ueberwindung des Neuartigen und Ungewohnten

vorausgesetzt, sicherer, weil beim Bodensprung während des Sprunges jede Stütze fehlt ,

hier aber durch die Flügel

an der Luft stets

eine Stütze

zur Verfügung ist und auch der Schwerpunkt unter den Stützpunkten der Flügel liegt. Die Steuerung, das Wenden, Kreisen wird durch differentirten Flügel schlag bewirkt , d . i . durch einseitig stärker wirkende Beinkraft , wie auch beim Laufen. Die durch den Anlauf gewonnene und durch die Flügelschläge unter haltene horizontale Bewegung ist von wesentlicher Bedeutung für das Zu standekommen des Flugsprungs. Es wird hierdurch bewirkt :

Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation . 1.

dass die

durch Flammen

sichtbar zu

85

machende Luftkeilbildung

unter den Flügeln , welche bei sehr geringer Horizontalbewegung auftritt und ein Abgleiten der Luft also eine Schwächung des Luft widerstandes bedeutet, vermindert und verhindert wird ; 2.

dass an Stelle der durch den Flügelstoss bewegten und hierdurch wirkungsschwach gewordenen Luftmassen stets neue ruhende Luft massen mit dem grössten Trägheitswiderstande treten,

die auch ,

weil die Bewegungen von Luft und Flügel so die grösste Differenz erhalten, den kräftigsten Stoss und Gegenstoss erfahren und leisten ; 3.

dass die in Aktion tretenden Luftmassen eine Vermehrung erfahren, welche ebenfalls eine Erhöhung der Wirkung ergiebt;

4.

dass

aus

der gleichzeitigen horizontalen und vertikalen Flügel

bewegung eine resultirende hervorgeht, die ungeachtet der schrägen Stossrichtung bei grösserer Horizontalbewegung ebenfalls von günstigem Einfluss auf die Wirkung ist. Das Gesammtergebniss ist also allgemein eine Erhöhung der Reaktions kraft der Luft und diese nimmt mit der Horizontalbewegung zu und ge stattet eine Mässigung des Flügelstosses . Vorgänge des

Fluges,

wie das Schweben, Kreisen ohne merklichen

Flügelschlag werden mit Zuhülfenahme jener Einflüsse, sobald durch grössere Versuche ausreichend quantitatives Material gewonnen, in zwangloserer Weise, als es bisher möglich ist, ihre Erklärung finden . Ausserdem müssen diese Formen des Fluges bereits als das Ergebniss hoher künstlerischer Ausbildung betrachtet werden und nicht als Elementar bestandtheil des Fliegens .

Als solcher hat allein das Hüpfen ,

der Flug

sprung zu gelten und dieser ist daher zum Ausgang der Forschung zu nehmen, ist allein als das Abc dieser neuen Wissenschaft anzusehen. Nach bis jetzt allgemeiner Auffassung ist das Fliegen ein Getragen werden von der Luft, ein Gleiten auf derselben. Wird aber hierauf die Untersuchung begründet, so führt dieselbe zu vielen unbekannten und schwer experimentell zu bestimmenden Faktoren, wodurch die Ergebnisse ganz un bestimmt und werthlos bleiben . Ausserdem stellt sich heraus, dass diese Auffassung keine sich mit der Wirklichkeit deckende ist, sondern nur eine Seite der Vorgänge angiebt und ihrem ganzen Wesen nach an das Ende der Entwicklung , Gründen

nicht an

den Anfang gehört.

wie durch meine Arbeiten

Ich bin aus praktischen

zu einer jener Auffassung gegenüber

stehenden gelangt, indem ich das Fliegen als eine Reihe aufeinanderfolgen der Hüpfbewegungen

ansehe ,

bewirkt durch Stoss

der Flügel gegen die

Luft, und von allen sonstigen Einflüssen der Luft gegen die Flügel , wie es die andere Auffassung nöthig hat, zunächst absehe . Dies gestattet

mir.

bei der Rechnung alle schwer zu bestimmenden

Faktoren auszuschliessen, und verlangt nur Kenntniss des Sprunges und der Grösse der Luftreaktion beim Stoss einer Fläche gegen dieselbe ; es erlaubt

Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation .

86

ferner zum Theil

die Vorgänge

des Fliegens an denen des Hüpfens zu

studiren und es ermöglicht, die Voraussetzungen zum Gelingen des Fliegens auf ein Minimum zu reduziren, nämlich a) Hüpfsprungfähigkeit mit dem Apparate , b) ausreichende Flügelgrösse, damit absoluter Luftwiderstand entstehen, und der Flugsprung zu Stande kommen kann . Mit der Wirklichkeit harmonirt meine Auffassung

allerdings

auch

nicht, sondern diese liegt in der Mitte zwischen beiden und es sind nicht nur Flugarten, von denen die eine sich dieser, die andere jener Auf fassung nähert, denkbar, sondern diese Verschiedenartigkeit ist , wie meine Beobachtungen mir bestätigt haben , thatsächlich vorhanden . Basire ich also meine Berechnungen auf den reinen Hüpfsprung, dann dürften sich von allen sonstigen Einflüssen der Luft nur Mithülfe , Er leichterungen und Vortheile erwarten lassen. Diese hüpfende Bewegungsweise fordert behufs möglichster Reduktion des Sprunges grössere Flächen, damit die Ausdauer ein Maximum werden kann. Immerhin ist das Krafterforderniss grösser , als der mittleren Leistung des Menschen entspricht, einmal wegen des Apparatgewichtes und dessen Reibungen, dann auch wegen der sprungartigen Bewegungsweise. Jeder Einsichtige

wird sich aber stets

grösseren Kraftaufwand der Flug,

gesagt haben ,

dass

ohne

der ja auch eine grössere Bewegung

darstellt, ebensowenig zu Stande kommen kann, wie das Laufen, und nur gewünscht haben , es möchte dieser Kraftaufwand innerhalb der Grenzen des Möglichen bleiben, und dies ist der Fall. Die erforderliche Anstrengung wird sich zwischen der des Tanzens und Laufens einreihen, vielleicht auch bis zu der des Tanzens ermässigen lassen, sobald die Technik noch leichtere und um 1 bis 2 Fuss längere Flügel bauen kann, und dies darf sicher erwartet werden. Hiermit bleibt aber die Flugzeit immer noch klein, obschon auch mit dieser viel gewonnen ist .

Ein Beispiel möge dies klar legen .

Die Laufgeschwindigkeit ist im Mittel 15 ' , die des Schlittschuhlaufens . . 20' , stille oder nur mässig be wegte Luft vorausgesetzt . Die Flugschnelligkeit muss beide übertreffen, weil der Flug sich auf Luftbahnen vollzieht , diese

die

noch glätter als die Eisbahnen sind und weil

Luftbahnen nicht als Ebenen ,

sondern durch die Flügelauf- und

-niederschläge als Wellenbahnen zu gelten haben und daher auch die Be schleunigung durch die Schwerkraft wie beim Gleiten auf schiefen Ebenen hinzutritt. Wird daher die Flugschnelligkeit zu 20

angenommen, dann ist bei

1 Minute Ausdauer der Flugweg 1200 Fuss und bei 5 Minuten Ausdauer 6000 Fuss. Dennoch ist hiermit höchstens ein neuer, wenn auch interessanter Sport

Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation . gewonnen und dies konnte

mich nicht befriedigen.

waren daher auch darauf gerichtet ,

Meine Bemühungen

Ausdauer nach

die

87

Möglichkeit zu

steigern . Durch Vergrösserung der Flügel und Herabminderung ihres Ge wichtes war dies nicht mehr zu erreichen, auch die Muskel können durch Uebung nicht beliebig gekräftigt werden , nische Kraft beigeordnet werden.

daher musste ihnen eine mecha

Bei meinem Suchen nach einem geeigneten Kraftmotor traten zwei Fragen besonders energisch auf: a)

sollte die Kraft als eine selbständige gelten, sodass die Muskeln ganz zur Ruhe kommen und der Körper zur todten Last wird, oder

b) sollte die Kraft nur als Assistenz der Muskeln gelten und die vitale Energie des Körpers voll erhalten bleiben? In der Stellung dieser Fragen liegt auch bereits ihre Antwort .

Die

Körperkräfte durften nicht ausser Aktion treten , nur ihre Inanspruchnahme war zu ermässigen ,

so dass auch das Belebende und Erfreuende , das im

Selbstbewegen liegt, erhalten bleiben konnte . Da dieser Motor, mit dem Apparat verbunden , denselben weiter be schweren musste , so war die grösste Schwierigkeit, ihn so einfach zu ge stalten und leicht zu bauen , dass sein Gewicht im Verhältniss zur ganzen Flugmasse klein blieb. Nach vielem Hin- und Hertasten habe ich

solchen Motor , der als

CH- Motor gelten kann, zu Stande gebracht. Es ist dies

dadurch ermöglicht worden , dass ich sämmtliche

regu

lirende Theile fortfallen liess, auch den kontinuirlichen Gang preisgab und den Antrieb und die Regulirung durch die Beine besorgen lasse und zwar für jeden Stoss von neuem . Oekonomisch ist derselbe allerdings nicht, doch diese Aufgabe musste zunächst aus dem Spiele bleiben . Mit Hülfe solchen Motors wird die Dauer des Fliegens das Maximum erreichen, also so lange währen , als die Muskeln bei mässiger Anstrengung zu arbeiten vermögen, und hiermit wird auch das Fliegen eine hohe praktische Bedeutung erhalten haben. In Benutzung jedoch kann derselbe erst treten, sobald die Herrschaft über den Hauptapparat gewonnen ist. Wie nämlich der Besitz von Schlittschuhen nicht auch die Fähigkeit damit zu laufen giebt, oder der Besitz eines Reitpferdes die Fähigkeit des Reitens, so auch ist mit dem Besitze des Apparates nicht ohne Weiteres die Fertigkeit des Fliegens verbunden, sondern wie dort bedarf es auch hier der Uebung.

Es sind jedoch diese Uebungen höchst einfacher Art und

die grössten Schwierigkeiten liegen allein in der Neuheit des Ganzen, dem Ungewohnten und der daraus sich ergebenden Unbeholfenheit. Das Vorzuübende besteht im Sprunge mit dem Apparate und im Ba lancement. Wegen der Uebereinstimmung der Vorübungen des Fliegens mit den

88

Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation .

turnerischen Freiübungen erweist sich der Turnplatz als die geeignetste Uebungsstätte ;

das Fliegen

selbst ist am besten nur als Turnübung mit

einem neuen Turngeräth aufzufassen und dem Turnen als dem Allgemeinen unterzuordnen. Unter diesem Gesichtspunkte kann der deutsche Turnplatz zur Geburtsstätte des Fliegens werden . Das Wort „ Fliegen " ist auch be reits in der Turnsprache

enthalten und wird

damit die Bewegung des

Körpers während des Sprunges bezeichnet, und das eigentliche Fliegen ist nichts weiter, als eine Fortsetzung des Sprunges auf der Luft an Stelle des Bodens und Aneinanderreihung vieler solcher Sprünge. Sobald Sie Sich diese Beziehungen zwischen Sprung und Flug klarer gemacht, werden Sie mit mir darin übereinstimmen, dass hier und nur hier allein und sonst nirgendwo die Eingangspforte in das Luftreich liegt und dass nur noch der Schritt über die Schwelle zu thun ist, der vielleicht noch manche Schwierigkeiten bereiten , aber schliesslich gethan wird. Ausser der Verwendung , die der Apparat bereits als Turngeräth für Freiübungen mit demselben , wie Uebungen im Hang und andere Kombi nationen finden kann, wird er besonders der weiteren Forschung sich als nützliches und fruchtbringendes Hülfsmittel erweisen.

Während die prakti

schen Uebungen auf dem Turnplatze stets Anregungen zur bequemeren Ge staltung desselben geben werden , wird die Forschung sich bemühen, die dort gewonnenen Resultate zu verwerthen , sowie etwaige in Erscheinung getretene Lücken der Erkenntniss auszufüllen und die Technik ihm immer leichter zu machen suchen, damit er die Verwandlung aus dem Turngeräth zum vollwerthigen Fliegeapparat erfahren kann. Es wird jetzt die Aufgabe zu lösen sein, den für meine Studienzwecke nur roh ausgeführten vorhandenen Apparat durch einen sorgfältiger herge stellten zu ersetzen und mit diesem systematische Uebungen anstellen zu lassen . Dadurch wird das Material zur endgültigen Feststellung der Flügel grössen gewonnen werden und zugleich können frühere Versuchsresultate hierbei von neuem auf ihre Richtigkeit geprüft werden. Luftwiderstandswerthe ,

Sollten z. B. viele

die mit kleineren Flügeln von mir gefunden sind

und die auffallend gross sind, ihre Bestätigung finden, dann ist die Hoffnung aussichtsvoll , dass die Flugdauer auch ohne Motorhülfe grössere Werthe annehmen kann, dass der Flug auch so lange währen kann , wie ein Soldat mit voller Ausrüstung im Eilschritt zu marschiren vermag. Zunächst allerdings zu stellen lernen.

müssen

wir die

allerleichtesten Apparate fertig

Ich habe mit dem Vorgetragenen versucht, Ihnen, wenn auch nur in Umrissen ,

ein meiner Auffassung vom Fliegen

entsprechendes Bild

zu

zeichnen und Ihnen den meiner Meinung nach kürzesten Weg zu diesem Ziele zu zeigen . Wenn mir dies gelungen ist und ich damit zugleich auch Ihr Interesse

89

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

für meine Bestrebungen gewonnen habe, dann ist der Zweck meiner heutigen Mittheilungen voll erreicht , und ich habe Ihnen nur noch Dank zu sagen für die mir hierzu gewährte Gelegenheit.

Betrachtungen über Gummilösungsmittel . (Schluss . ) Schwefelkohlenstoff.

Der Schwefelkohlenstoff gehört entschieden

zu den besten Lösungsmitteln für Kautschuk und ähnliche Stoffe, und sein geringer Preis (im Vergleich zu Chloroform und den andern hier besprochenen Lösungsmitteln) hat bewirkt, dass man ihn jetzt sehr viel verwendet. Die Nachtheile des Schwefelkohlenstoffs (abgesehen von seiner grossen

Flüchtigkeit ; schrieben , fassen :

die dadurch bewirkten Verluste,

auf ein Minimum

kann man,

wie schon be

reduzieren) kann man wie folgt zusammen

1. Seine Feuergefährlichkeit, welche grösser ist, als bei einer andern Flüssigkeit, da die schweren Dämpfe des Schwefelkohlenstoffs sich ausser ordentlich weit hinziehen und entflammen können.*) 2. Der giftige Charakter der Dämpfe . Selbst wenn die Atmosphäre, in denen sich die Arbeiter aufhalten müssen, nur ganz kleine Mengen von Schwefelkoblanstoff enthält, schädlich

wirkt sie,

auf die Gesundheit.

auf die Dauer

eingeathmet,

sehr

Schon eine an sich ganz unbedeutende Un

dichtheit kann grosses Unheil anrichten, da die giftige Wirkung des Schwefel kohlenstoffs weit stärker und schneller ist, als die der Kohlensäure . 3. Sein Bestreben, sich, selbst wenn er sorgfältigst gereinigt ist, mehr oder weniger beim Stehen zu verändern unter Bildung verschiedener neuer Verbindungen,

die meist

Arten des Gummis . den

mehr oder weniger

Sonnenschein,

Schwefelkohlenstoff (CS2 )

freien Schwefel ;

ja

schon

schädlich einwirken auf alle diffuses

Tageslicht,

zerlegt

allmählich in das Monosulphid (CS ) und

bei Gegenwart von Wasser bildet sich ferner in kleinen

Mengen ein Hydrat,

und

ebenso

das Kohlenoxysulfid (COS) .

Das

erste

(CS) ist ein rother fester Körper, das zweite fast farblos, und das dritte ist bei gewöhnlichen Temperaturen ein Gas , welches sich im unzersetzten Schwefelkohlenstoff etwas löst. Es ist noch unentschieden, welches von den dreien am schädlichsten für Kautschuk ist. Um mir über diesen wichtigen Punkt einige Klarheit zu verschaffen, habe ich einen

Streifen Kautschuk zwischen

zwei

und in der Mitte eine trennende Wand eingesetzt.

Rahmen

ausgespannt,

Die eine Hälfte wurde

nun mit dem rothen Monosulfid sorgfältig bestreut, die andere aber sich selbst überlassen. Nach 6 Wochen schon hatte die mit CS bestreute *) Verfasser erinnert sich, dass z . B. beim Destilliren von CS einmal auf eine Entfernung von 243/4 Fuss vom Kessel die Dämpfe anbrannten. und die Flamme wie eine blaue Schlange am Boden bis zum Kessel hinlief.

90

Betrachtungen über Gummilösungsmittel.

Hälfte

ungefähr

85 %

seiner Dehnbarkeit verloren,

Hälfte sich viele Monate gleich gut hielt. zeigen, wie nöthig es ist,

während die andre

Diese Thatsache genügt , um zu

den Schwefelkohlenstoff nur in reinster Form zu

verwenden und ihn , wenn er einige Zeit gestanden hat, wieder zu reinigen . Die Reinigung des Schwefel kohlenstoffs. Der gewöhnliche Schwefelkohlenstoff des Handels wird zunächst mit ca. 6 bis 8 Theilen Quecksilber geschüttelt, und dann destillirt ; dabei benutzt man ein Wasser bad. Das Destillat wird nun mit etwa 0,5 % seines Gewichts Kalium permanganat geschüttelt, und einen oder zwei Tage stehen gelassen .

Danach

wird

die Flüssigkeit vom Rückstande getrennt und mindestens drei Tage mit Blei- Abfällen (Bleiplatten etc.) stehen gelassen. Endlich wird der Schwefelkohlenstoff mit ungefähr 1/30 oder 1/40 seines Gewichts an neutral reagirendem Fett, Oel oder Paraffin gemischt

wie

zum Beispiel frischem Schmalz, Baumwollsamenöl etc. — und destillirt über ein paar Stücken frischer Holzkohle ; die kondensirte Flüssigkeit lässt man einige breite bleierne Platten hinunterfliessen in die Kessel, aufbewahrt werden soll.

in denen sie

Der so gereinigte Schwefelkohlenstoff ist eine farblose, bewegliche, stark lichtbrechende, und sehr flüchtige Flüssigkeit, von ganz angenehmem ätherischen Geruch, frei von dem an faule Eier erinnernden des käuflichen Produktes .

Selbst der sogen.

„ geruchlose Schwefelkohlenstoff"

scheulich im Vergleich mit dem so gereinigten . Methoden

zur

Reinigung

des

riecht ab

Es sind neuerdings einige

Schwefelkohlenstoffs veröffentlicht

doch sind sie entweder unwirksam,

worden ;

oder aber sie beladen den Schwefel

kohlenstoff mit Quecksilber und dessen Salzen , sind also viel zu kostspielig, um hier in Frage kommen zu können. Das

spezifische Gewicht des Schwefelkohlenstoffs ist 1,29 und seine

Entflammungs-Temperatur liegt

bei 46,04 C

( 114,87 F. ) bei

760 mm

Barometerstand.

Seine Dämpfe entzünden sich bei sehr niederer Temperatur, J nämlich etwa bei 149 C (300 " F. ) . Der Schwefelkohlenstoff wurde entdeckt vor nahezu einem Jahrhundert, 1796 von Lampacius in Freiberg i . S .; zuerst stellte man ihn dar durch Erhitzen von Schwefeleisen , Schwefelkupfer oder Schwefelantimon mit Holszkohle .

Jetzt stellt man ihn in grossem Maass

stabe dar, indem man Schwefeldämpfe über Holzkohle streichen lässt, welche man in thönernen oder eisernen Retorten bis zur hellen Rothgluth erhitzt hat. Da man den Schwefelkohlenstoff für Kautschuk-Zwecke doch stets in der vorher angegebenen Weise reinigen muss, so ist es am vortheilhaftesten, die eigentliche Darstellung desselben andern zu überlassen. Ueberdies ist der Prozess sehr gefährlich, und lohnt sich nur, wenn er in sehr grossem Maassstabe ausgeführt wird. Die Eigenschaften des Schwefelkohlenstoffs , welche hier noch von besonderem Interesse sind , sollen kurz zusammengefasst werden . Es ist ein so

vortreffliches Lösungsmittel für Kautschuk und andre Gummi

91

Betrachtungen über Gummilösungsmittel .

arten, wie man dies nur noch von einigen der schon besprochenen Kohlen stoffverbindungen behaupten kann.

Er löst ferner vorzüglich den freien

Schwefel , wie fast alle Schwefelverbindungen, und mischt sich mit den wie meisten Flüssigkeiten, die den Kautschuk zu vulkanisiren fähig sind, die

Chloride

des

Schwefels

er

kann

daher

werden, um diese zu verdünnen. Er mischt sich leicht mit den fetten Oelen, das ist hier von besonderer Bedeutung

vortheilhaft

angewandt

und ebenso auch

und

mit allen ätherischen und flüchtigen

Oelen ; er löst ferner alle Harze in vollkommener Weise, mit Ausnahme von Schellack. Obwohl der Schwefelkohlenstoff sowohl Schwefel wie Kautschuk löst,

so ist er doch indifferent gegen vulkanisirten Kautschuk.

Dies hat praktischen Nutzen , da es uns in den Stand setzt, auf einfache Weise den vulkanisirten Kautschuk zu trennen vom rohen Kautschuk und vom Schwefel. Aetherische

Oele.

Die ätherischen Oele sind,

mit wenigen Aus

nahmen, nicht brauchbar als Kautschuk-Lösungsmittel ; einige sind zu theuer, andre geben schlecht trocknende Lösungen ; schädlich ein auf den Kautschuk.

wieder andre wirken dabei

Die ätherischen Oele können in folgender Weise klassifizirt werden : Sie bestehen zum 1. Aetherische Oele, wie das Wintergrünöl etc. grössten Theile aus Säureresten, oder deren Salzen.

Ihre Lösungsfähigkeit

ist verhältnissmässig gering und unbefriedigend. 2.

Aldehyd- Oele, wie das Zimmt-Oel, das Bittermandel- Oel etc.

Für

sie gilt dasselbe wie unter 1 , wenn auch in geringerem Grade. 3.

Cedern-Oele, in denen der Kohlenwasserstoff C5 H24 , einige Isomen

und deren Oxydationsprodukte enthalten sind .

Diese lösen den Kautschuk

besser, aber wirken zugleich in verschiedener Weise ein .

Einige sind aber

in kleinen Quantitäten nützlich , indem sie die Lösung beschleunigen . 4.

Die

„ Terpene " ,

deren

Hauptbestandtheil ausgemacht wird vom

Terpentin, C₁o H16 , seinen Isomeren und Oxydationsprodukten. Das Terpentin- Oel soll als deren Repräsentant dienen, und sollen nun einige Angaben über ihre Haupteigenschaften folgen. An erster Stelle muss hier genannt werden das Oel von : „ Eucalyptus Globuluo ",

dann kommen Birkenöl, Citronen - Oel,

Terpentinöl .

Letzteres

ist wegen seines verhältnissmässig billigen Preises schon seit langer Zeit als Lösungsmittel für Kautschuk verwendet worden ; es wirkt jedoch schädlich ein auf Gummi und macht die Oberfläche klebrig, und es ist daher vom Benzol vollständig verdrängt worden. Wie auch verschiedene andre Glieder dieser Reihe, wirkt das Terpentinöl oxydirend ein auf Kautschuk ; merkwürdig ist es daher, dass das Eucalyptus Oel (wenn es mit der nöthigen Vorsicht angewandt wird) nicht nur Gummi sehr leicht auflöst, sondern auch durchaus keine derartige oxydirende Eigen schaft zeigt.

Früher hatte ja das Eucalyptus- Oel einen viel zu hohen Preis ;

Die Windgeschwindigkeit auf der Spitze des Eiffelthurms .

92

doch jetzt ist es ein Nebenprodukt geworden in der Fabrikation von Flüssig man ihm

in

Siedepunkt. Name des Oeles .

Formel .

Spezf. Gew.

F.

Terpentinöl (amerikan. ) . "" (russisch. ) Athamanta- Oel Bergamot-Oel Carni- Oel •

C.

C₁ , H16 0,864-0,870 312°-320° 156° -160° 4,764 0,862-0,872 99 "9 " "9 325°,4 163° 0,843 "9

"9

0,869-0,875

3610,4

1830

22

0,945

3430,4 473"

245°

4900

2540,4

345º,2

174º

1730

Copaiba-Oel

99

Pfeffer- Oel • Elemi - Oel

""

0,878-0,920 0,929-0,945

99

0,849

99

0,917

""

0,881

329°

165º

0,850 0,847

320°

313°

160º 1560

0,842

338°

0,852-0,870

3430

Eucalyptus (E. Globulus) "" (E. Amigdalina) Juniper-Oel Birkentheer- Oel

Kautschuk-Oel .

der

Dampf dichtg

keiten zum Ueberziehen der Dampfkessel, und sollte Kautschuk-Industrie mehr Aufmerksamkeit zuwenden.

99 99 (?) 99 (?)

Citronen- Oel

99

Terpentinöl v. Gaultheria

99

""

Gewürznelke

""

99

99

99

"" Baldrian "9 Pfeffer

99

Tolu-Balsam

99 £"

2

2910-350° 144° -1770

0,930-1,060

0,864 0,837

1700 1730

5,28 4,46

320⁰

1600

4.87 4.92

4830,8

2910

320⁰

1600

332°

166,6 1600

320⁰

4,60 4,73

Ind. Rubb. Journ .

Die Windgeschwindigkeit auf der Spitze des Eiffelthurms . Die meteorologischen Beobachtungen auf der Spitze des Eiffelthurms während der drei ersten Monate Juli , August und September v. J. haben schon sehr beachtenswerthe Resultate in Betreff der Windgeschwindigkeit geliefert. Dieselbe wird mittelst eines Richard'schen Anemometers , dessen Schalenkreuz in einer Höhe von 303 m über dem Erdboden sich befindet, registrirt .

Ein ganz gleiches Instrument ist auf dem Thurme des meteoro

logischen Zentral - Bureaus in 21 m Höhe über dem Erdboden und in 500 m Entfernung vom Eiffelthurm

aufgestellt.

Am 1. Oktober betrug die Zahl

der vollständigen Beobachtungstage 101 , wovon 12 in den Juni, 28 in den Die täglichen Juli, 31 in den August und 30 in den September fallen . Schwankungen der Windgeschindigkeit, für jeden Monat gesondert berechnet, befolgen auch in jedem Monat genau dasselbe Gesetz .

Nachstehend folgen

93

Die Windgeschwindigkeit auf der Spitze des Eiffelthurms.

die Mittelwerthe der 101 Tage für jede Stunde des Tages, zugleich mit den auf dem meteorologischen Zentral-Bureau gefundenen Mittelwerthen; die

letzte

Kolumne

giebt

der Spitze des Eiffelthurms Bureaus an.

das Verhältniss

der Windgeschwindigkeit auf

zu derjenigen auf dem Thurme des Zentral

Mittlere Windgeschindigkeit in Metern pro Sek.

Eiffelthurm

Zentral-Bureau

Verhältniss

Oh Mitternacht 1

8.48

1.85

4.6

12

8.42.

1.73

4.9

2

8.10

1.61

5.0

3

7.97

1.62

4.9

4

7.68

1.60

4.8

5

7.49

1.50

5.0

6

7.08 6.55

1.64

4.3

7

1.86

3.5

8

5.60

2.09

2.7

9

5.47 5.35

2.40

2.3

Stunde

2.66

2.0

5.94

2.95

2.0

6.03

3.07

2.0

1

6.32

3.19

2.0

2

6.44

3.07

2.1

3

6.21

2.82

2.2

4

48

6.46

2.85

2.3

5

6.69

2.78

2.4

6

6.73

2.47

2.7

7

2.11

3.3

8

6.98 7.72

2.02

3.8

9

8.12

1.98

4.1

10

8.60

2.07

4.2

11

8.75

1.95

4.5

10 11

12

Mittag

Das Gesammt- Mittel für diese 101 Tage beträgt 7.05 m pro Sek. auf der Spitze des Eiffelthurmes und 2.24 m auf dem Thurme des Zentral Bureaus , was für den Höhenunterschied von 282 m eine dreimal (3.1 ) grössere Windgeschwindigkeit in der Höhe, als in der Nähe des Erdbodens, ergiebt. Auf dem Zentral - Bureau, wie bei allen niedrig gelegenen Stationen,

zeigt

sich in der täglichen Schwankung der Windgeschwindigkeit nur ein Minimum bei Sonnenaufgang und ein Maximum um 1 Uhr Nachmittags,

sie ist also

ganz analog der täglichen Periode der Temperatur. Die Gründe für die Aehnlichkeit im Gange beider Erscheinungen sind bekannt. Auf höher

94

Die Windgeschwindigkeit auf der Spitze des Eiffelthurms .

gelegenen Stationen hat die tägliche Periode der Windgeschwindigkeit einen umgekehrten Gang,

wie man auf allen Bergstationen beobachtet

(Puy du

Dôme, Pic du Midi, Säntis, Obir, Sonnblick etc.) . Es ist nun sehr bemerkenswerth, bei einer relativ Das

tägliche

dass diese Umkehrung sich schon

so geringen Höhe, wie die des Eiffelthurms , kund giebt.

Minimum

10 Uhr Vormittags

der Windgeschwindigkeit

und das

Maximum gegen

charakteristische Maximum niedrig Tages ist dort kaum angedeutet.

11

stellt

sich dort gegen

Uhr Abends

ein ; das

gelegener Stationen in der Mitte des Diese Umkehrung tritt noch schärfer in

dem Gange des Verhältnisses der Windgeschwindigkeit in der Höhe und in der Nähe der Erdoberfläche hervor. Dieses Verhältnisss ist in den ersten 5 Tagesstunden nahezu konstant gleich 5 , es nimmt dann rasch ab , wird gleich 2 gegen 10 Uhr Vormittags , behält diesen Werth bis 2 oder 3 Uhr Nachmittags und nimmt dann regelmässig zu bis Mitternacht. Man könnte

sich fragen,

ob diese Eigenthümlichkeit nicht ganz oder

zum Theil störenden Faktoren zuzuschreiben sei, die die Bewegung der Luft durch die Masse des Thurmes und die Erwärmung, welche derselbe am Tage unter dem Einflusse der Sonnenstrahlung erleidet, Schon a priori

der Gestalt des Thurmes,

seiner relativen Leichtigkeit und der geringen

Oberfläche, die er dem Winde bietet. zu können ,

beeinflussen.

ist diese Störungsursache nicht sehr wahrscheinlich, wegen

wenn sie

zweier Reihen von

existiren

Um diese Einflüsse besser erkennen

sollten,

hat Herr Angot die Mittelwerthe

heiteren und trüben Tagen gesondert berechnet,

deren

erste aus 20 Tagen mit unbedecktem Himmel und vorherrschenden Nord und Ostwinden, die zweite aus 33 Tagen mit bedecktem Himmel und Süd und Westwinden bestand . Diese beiden Reihen ergaben Kurven, die so wohl unter sich als auch mit derjenigen aus dem allgemeinen 101 tägigen Mittel absolut ähnlich waren. In einer Höhe von

300 m und in freier Luft ist also

die tägliche

Periode der Windgeschwindigkeit ganz verschieden von derjenigen in der Nähe des Bodens und nähert sich mehr derjenigen auf hohen Bergen. Ein anderer Punkt,

der spezielle Beachtung verdient.

ist der ,

dass

die Windgeschwindigkeit in 300 m Höhe viel grösser ist , als man gewöhn lich annimmt ; für die 101 Sommertage beträgt sie über 7 m pro Sekunde. Unter 2516 Beobachtungsstunden betrug die Windgeschwindigkeit während 986 Stunden (39 %) mehr als 8 m,

während 522 Stunden (21 %) mehr als

Die Kenntniss dieser Zahlen besitzt grosses Interesse für die Luft schiffahrt. (Comptes Rendus, Tome CIX . 1889. No. 19. ) Dr. P. Andries (in der 99 Naturwissenschaftl . Wochenschr. " vom 5. Januar 1890).

Freier Aufstieg des Fesselballons „ Godard" am 18. November 1889 in Paris.

95

Freier Aufstieg des Fesselballons ,, Godard " am 18. November 1889 in Paris. Wir entnehmen dem „, Memorial de ingenieros " vom 15. Dezember v. J. folgende Schilderung dieses Aufstieges , die die spanische Militärzeitschrift wiederum aus „ le Soleil " und zwar aus der Feder des Redakteurs dieses Journals , Herrn Cardane , entnommen hat .

welcher selbst an dem Aufstieg Theil nahm,

Der Redakteur des „ Soleil " schreibt :

Als wir den freien Aufstieg des grossen Fesselballons „ Godard " an kündigten,

erinnerten wir an zwei andere frühere,

wöhnlich grosse Anzahl

an welchen eine unge

Reisender Theil nahm ; den von Louis Godard

geleiteten Aufstieg des Luftballons

le Géant " im Jahre 1863 , an welchem

13 Personen Theil nahmen und den des lenkbaren Luftballons Dupuy de Lôme's im Jahre 1872 , in welchem unter Leitung des Herrn Gabriel Yon 14 Passagiere den Luftraum durchkreuzten . suche gewesen sind,

so kann man ihnen

So interessant auch diese Ver doch nicht

beimessen, als wie dem am 18. November 1889 stiege des grossen Fesselballons „ Godard ".

dieselbe Wichtigkeit

ausgeführten freien Auf

Seitdem das Publikum sich für die Fesselaufstiege begann, bricht,

beschäftigte man sich mit der Frage :

würde,

zu interessiren

wenn das Kabel

mit dem Fesselballon sich , wie mit einem für freie Aufstiege kon

struirten Ballon, manövriren lassen? Würden seine Ventile ohne Schwierig keiten funktioniren ?

Selbst die Luftschiffer hegten hierüber Zweifel.

sind die Zweifel Dank diesem interessanten Aufstiege,

Heute

dessen Ruhm den

mit Theil nehmenden Herren Gabriel Yon und Louis Godard gebührt, gelöst. Man hatte die Stunde der Abreise Kleber-Avenue Uhr drängte

von dem Aufstiegsfelde

auf 22 Uhr Nachmittags festgesetzt ;

an der

aber schon seit ein

sich die Menschenmenge um den abgeschlossenen Raum,

dessen Mitte die Leute der Luftschiffahrtsgesellschaft

99 La Française "

in die

letzte Hand an den Apparat des riesigen Ballons legten, dessen imponirende Silhouette sich deutlich gegen den nebeligen Hintergrund abzeichnete. In den Fenstern und auf den nächsten Dächern harrten viele Hunderte von Personen geduldig der Stunde der Abreise, und nahm eine ringsherum gelagerte Wolke von Photographen Ansichten der Vorbereitungen auf. Neben dem ungeheueren,

durch seine Taue gehaltenen Luftballon führte man die

Operation des Füllens des „ Marceau " ,

eines Ballons von 400 Kubikmeter

Inhalt aus , welcher zugleich mit seinem grösseren Bruder einen Vergleichungs aufstieg ausführen sollte . Den grossen ringförmigen Korb,

der zu den Fesselaufstiegen diente,

hatte man durch drei viereckige * ) ersetzt,

die,

unter sich fest verbunden,

*) Diese Massregel war offenbar getroffen worden, um sich beim Landen nicht körperliche Beschädigungen durch gegenseitiges Stossen und Treten zuzuziehen . D. R.

96

Freier Aufstieg des Fesselballons „ Godard " am 18. November 1889 in Paris .

ein Ganzes mit drei Abtheilungen bildeten . Die Herrichtung dieser drei Körbe haben den Herren Yon und Godard die verdienten Lobsprüche aller Sachverständigen eingebracht.

Von den 48 Auslaufleinen waren 24 an dem

Ringe des mittleren Korbes, welcher der grösste war, und je zwölf an dem Ringe der äusseren befestigt . Die drei Ringe der Körbe wurden in ihren respektiven Lagen durch einen vereinigte, festgehalten.

zu den Körben

parallelen Baum,

der sie

Um 22 Uhr bot das Aufstiegsfeld der Kleber-Avenue einen hoch interessanten Anblick. Die Menge , welche um die Einfriedigung herum immer mehr anwuchs, zeigte in ihrer Erregung das lebhafte Interesse , welches dieser Aufstieg ohne Vorgänger erregte .

Redensarten von schlechter Vor

bedeutung für diejenigen, die an demselben Theil zu nehmen hatten, flogen hin und her. zurück.

Trotzdem trat im Augenblick

der Abreise kein Einziger

Zwanzig Personen nahmen ihre Plätze

grossen Ballons „ Godard " schiffer Gabriel Yon ,

ein .

in

den drei Körben des

In dem mittleren befanden sich die Luft

Louis Godard und E. Rat ,

der Professor des

Michelet-Museums Malfroy , Charles Arnould vom Hause Ch . Arnould & Heidelberg aus Reims , Ecequiel Jimenez und Gemahlin von der mexi kanischen Kolonie, Frau von Courty, der Brasilianer Graf von V ... und der Redakteur des „ Soleil " Cardane , der Verfasser dieser Zeilen. In einen der Seitenkörbe postirten sich die Luftschiffer Camille Dartois und Alfred Godard , Frau von Combes und Herr Lemaire mit seiner Gemahlin und in dem anderen der Luftschiffahrtsingenieur Corot , Turpin , der Erfinder des Melinits , Industrieller ;

Penalver, ein Spanier,

im Ganzen vier Damen und

und Desjardin , ein

sechszehn Herren, von

sechs Luftschiffer der Gesellschaft 99 La Française " waren . davon schaukelte sich ,

zur Abfahrt bereit,

Eugène Taupin , Eugène George Collet , bestiegen .

der „ Marceau " ,

dessen Korb

Godard und der Redakteur des

Es ist drei Uhr weniger zwanzig Minuten.

denen

Wenige Schritte

„ Temps “

Die fünf letzten gehören

den Photographen, die in ihre Apparate Platten und immer mehr Platten, zweifellos in der geheimen Hoffnung, schieben, dass wir die Opfer einer fürchterlichen Katastrophe werden. Endlich giebt der 99 Marceau" das Zeichen zur Abfahrt, erhebt sich reissend schnell in die Höhe und schlägt dann eine östliche Richtung ein. Nun kommen wir an die Reihe.

Die Haltetaue werden gelöst ,

Körbe werden um einen Theil der Ballaststücke, leichtert,

die

sie

enthalten ,

bis sich der ungeheure Ballon leicht vom Erdboden hebt.

sind bereit.

die er Wir

Louis Godard giebt das Zeichen zum Loslassen und leert

schleunigst einen Sack Ballast.

Langsam erhebt

sich der riesige Ballon

unter den Beifallsrufen der Menge in die Lüfte . Louis Godard hängt sich mit einem Fuss auf den Kranz des mittleren Korbes und der linken Hand in den Auslaufleinen

zum Gruss in das Weite .

Die Abfahrt geht

sehr

Freier Aufstieg des Fesselballons „ Godard “ am 18. November 1889 in Paris. glücklich von Statten.

97

Unten werden Schirme und Taschentücher geschwenkt:

die Menge wimmelt auf der Kleber - Avenue und dem Trocaderoplatz und verschwindet bald im Nebel, der immer dichter wird, je höher wir steigen. Zuerst wendet sich der Ballon gegen Osten; an den Thürmen des Trocadero angelangt und durch Auswerfen von Ballast erleichtert, wendet er seinen Flug gegen Westen . Wir passiren über Passy ; die dichte Nebel schicht, welche wir durchfliegen, gestattet uns aber nicht, die grossen Strassen zu unterscheiden und Notizen für den Bericht zu machen. Nach und nach schichten sich unter dem Korbe Wolken von einem milchigen Weiss auf und isoliren uns vollständig von der Erde. Es hat den Anschein, als ob wir uns inmitten eines ungeheueren, nur durch einen Nebelhorizont begrenzten Ozeans befänden . Die Herren Gabriel Yon und Louis Godard leiten das Manöver des Mittelkorbes , Camille Dartois, unterstützt von Alfred Godard das des einen, Corot das des anderen Seitenkorbes . Kleine, fliegen gelassene Stückchen Papier dienen dazu , den Flug des Ballons festzustellen. Es wird mehr Ballast ausgeworfen , und wir steigen bis 500 m.

Ein klarer Augenblick gestattet uns,

die

Avenue de Long

champes zu erkennen , deren Richtung wir folgen. In diesem Augenblick begegnen wir im Raume dem Marceau " , welcher uns rasch vorausfliegt. Camille Dartois lässt das Horn ertönen , doch erhalten wir keine Antwort. Der Luftschiffer Rat, dem die Gondel zu eng scheint, klettert unerschrocken in den Ring über dieselbe , richtet es sich bequem ein und bleibt dort den Rest der Reise. Wir befinden uns 650 m hoch, als wir Croissy passiren ; das Thermo meter zeigt 12º. Der immer noch dichte Nebel gestattet uns die Erde nur in sehr kurzen Momenten zu erblicken ; doch vernehmen wir ganz deutlich die Geräusche, die von ihr ausgehen. Einmal sind es Flintenschüsse, dann wieder Trompetentöne, ländliche Festmusiken , Hundegebell und sehr oft die Rufe : „ Hah ! hah ! ein Ballon ! " von den Bauern , welche unseren Luftballon wahrnehmen, während wir nichts zu unseren Füssen sehen können .

Wir befinden uns vor einer Häusermasse, aus der Stimmengewirr auf In Saint Germain ", antworten die. "" Wo sind wir?" ruft Dartois .

steigt.

Stimmen. „ Danke ! " Wir überfliegen den Park von Saint Germain in einer Höhe von 540 m. Camille Dartois lockert allmählich sein 98 m langes Schlepptau, während Yon, Godard und Corot den Horizontalflug des Ballons durch Auswerfen von Papierstückchen und Ballast regeln . Wir passiren über Poissy , durchschneiden das vierte oder fünfte Mal die Seine in ihren Krümmungen und gelangen nach einem unbekannten Ort . Die Trompeten stösse werden hier wie bei Saint Germain wiederholt, und als hier Camille Dartois die Leute auf dem Felde fragt, wo wir sind , antwortetet eine Stentorstimme : „ In Medan " . Wir begrüssen das Dorf, in welchem der Ver fasser der „ Rougon- Macquart " wohnt. Etwas weiter hin fordern uns die Bauersleute von Bréteuil zum Landen auf und warnen uns vor dem Ein 7 IX .

98

Freier Aufstieg des Fesselballons 19 Godard" am 18. November 1889 in Paris .

schlagen der Richtung gegen ein Gehölz .

Einige Minuten später befinden

wir uns in der That über Bäumen .

Es war vier Uhr und fünfunddreissig Minuten , und allmählich brach der Abend herein . Es war nöthig, an den Abstieg zu denken. Herr Yon zieht an der Ventilleine, die in vollkommener Weise funktionirt, und der Ballon sinkt von 500 auf 250 m. Wir langen über Chapet Schnelligkeit unseres Fluges ;

an ,

eine leichte

Brise

beschleunigt

die

das Thermometer zeigt 11 °, doch fängt die

Kälte an, sich weniger fühlbar zu machen .

Es ist zehn Minuten vor fünf,

als wir das Thal von Bonafle passiren ; wir befinden uns in nur 50 m Höhe und bereiten uns zum Landen vor , als wir bemerken , dass der Wind uns gegen die Berglehne treibt , auf welcher die Ortschaft Bonafle, die uns vor her der Nebel verhüllt hatte , stufenweise aufgebaut liegt . Die Bewohner haben den Ballon bemerkt und laufen schreiend hinter uns her. Wir streifen den Thurm der Kirche und gelangen über die Felder, welche Bonafle um geben. 99 Greift das Tau! " rufen wir den Landleuten zu. Diese eilen schnellen Laufes herbei ; der Anker wird ausgeworfen und berührt die Erde, während Yon das Ventil öffnet. Der Ballon fällt schnell und berührt fast den Erdboden ; die Landleute hängen sich an den Korb , Erde festzuhalten .

um ihn an der

Wir haben weder den geringsten Stoss noch selbst die

kleinste Erschütterung empfunden .

Es ist ein bewunderungswürdiger Ab

stieg, für welchen alle Passagiere den Herren Gabriel Yon und Louis Godard ihren Beifall zollen . Von allen Seiten strömen die Landleute herbei.

Rasch sehen wir uns

von mehr als zweihundert Personen umgeben, welche sich zur Unterstützung beim Leeren des Ballons anbieten . Die Nacht tritt sehr bald ein und über rascht uns in voller Arbeit. Während einiger Augenblicke schaukelt sich der grosse Fesselballon des Trokadero noch über den Körben und lässt das Rauschen seiner Umhüllung hören , das mit dem Fallen und Einsinken an Stärke zunimmt .

Dann senkt er sich, als wenn er von seiner langen Arbeit

ermüdet wäre , langsam mit wirklicher Majestät auf den Erdboden . Nichts Malerischeres , als das Gemälde, das sich nun unseren Blicken bot ! Rund herum um die ungeheuere bewegliche Masse bemächtigten sich , von den Herren Godard und Dartois angeleitet, die Dörfler der Netzmaschen, um das Zeug zusammenzudrücken, während in einiger Entfernung gruppirte Weiber und Kinder, die Arbeiter mit ihren Laternen beleuchtend , den ganzen Vor gang eifrig verfolgen. Es war keine leichte Sache, einen Ballon von solchen Abmessungen zu entleeren, doch war die Arbeit, Dank der Gewandtheit des Herrn Godard und der durch die Bewohner von Bonafle geleisteten Unter stützung , in anderthalb Stunden beendet, und sämmtliche Gegenstände und Materialien , die das beträchtliche Ganze des Fesselballons ausmachten , in den drei nunmehr von einander getrennten und drei ungeheuere Ballen bildenden Körben verpackt. In Bonafle waren keine Fahrzeuge vorhanden, um den zusammengelegten

Litterarische Besprechungen.

99

Ballon und sein Zubehör nach der mehr als 3 km entfernten Bahnstation Meulan- les-Mureaux zu schaffen.

Man musste dieselben aus Meulan selbst

kommen lassen , und wir , obgleich die Nacht völlig hereingebrochen war, zwischen den Arbeitern und Bäuerinnen bis 82 Uhr auf dem Felde bleiben . Endlich kamen die Fuhrwerke an ,

die Landleute liehen uns wieder ihre

Unterstützung um die ungeheuren Ballen zu verladen , und bald setzten wir uns nach Meulan in Marsch. Die Bewohner von Bonafle drückten den Aëronauten und Reisenden ihren Beifall ,

und diese ihrerseits jenen ihren

aufrichtigsten Dank für ihre liebenswürdige Aufnahme und Unterstützung aus. Der zu derselben Zeit, wie der grosse Luftballon „ Godard " , abge gangene Ballon 17 Marceau " hatte eine nicht weniger glückliche Fahrt gehabt . Mein Kollege

der Zeitung „ le Temps " ,

George Collet , welcher

sich mit.

Taupin und Eugène Godard in dem Korbe befand, hat mir folgende Notizen zukommen lassen ; „ Nachdem wir den grossen Ballon aus dem Gesicht ver loren, haben wir uns fast fortwährend 50 m von der Erde entfernt gehalten. Beim Einbruch der Nacht haben wir es ähnlich gemacht.

Inmitten eines

Feldes berührte unser Ballon die Erde , und erhoben wir uns nach einem Sprunge bis 200 m. Nach einer weiteren Stunde Weges, die bereits in der Nacht und in einem Nebel , der uns nicht gestattete, die Angaben unseres Barometers abzulesen , Epône.

zurückgelegt wurde ,

sahen wir Lichter.

Es war

Zwei Landleute erfassten das ausgeworfene Tau und wir landeten

um 52 Uhr mitten auf dem Felde .

Entleeren des Ballons, Zusammenlegen

des Netzes, Transport nach der Bahnstation und Speisen war das Werk von zwei Stunden. " Der freie Aufstieg des grossen Fesselballons „ Godard " wird in den Jahrbüchern der Luftschiffahrt Epoche machen, weil es, wie wir bereits ge sagt haben , das erste Mal war , Lüften anvertraut haben.

dass sich zwanzig Personen zugleich den Berghaus, Major a. D.

Litterarische Besprechungen . Technologisches Wörterbuch, Französisch - Deutsch- Englisch. Gewerbe, Zivil- und Militär - Baukunst , Artillerie , Maschinenbau , Eisenbahnwesen. Strassen- , Brücken- und Wasserbau , Schiffbau und Schiffahrt , Berg- und Hüttenwesen , Mathematik , Physik , Elektrotechnik , Chemie , Mineralogie u. a. m. umfassend . Herausgegeben von Dr. Ernst Röhrig in Hannover, mit einem Vorworte von weil . Karl Karmarsch . Dritte verbesserte und bedeutend vermehrte Auflage . Preis 12 Mark.

Wiesbaden , Verlag von J. F. Bergmann .

Schon im vorigen Jahrgange unsrer Zeitschrift (s . Heft IV/V, S. 117) haben wir auf dies technologische Wörterbuch , und zwar speziell auf den deutsch- englisch-französischen Band desselben hingewiesen. Im Anschlusse an unsere damalige Besprechung nehmen wir heute Gelegenheit, die dritte Auflage des französisch - deutsch - englischen Bandes der Beachtung unserer Leser zu empfehlen . Selbstverständlich ist auch dieser Band aus dem Zu 7*

100

Mittheilungen aus Zeitschriften.

sammenwirken einer grösseren Anzahl von Mitarbeitern hervorgegangen, deren fachmännische Bedeutung für den Werth des Werkes bürgt. Deswegen dürften die Namen derselben für den Leser nicht ohne Interesse sein. Es sind bearbeitet : Physik und Mechanik von Dr. H. Kayser , Professor an der technischen Hochschule in Hannover ; Chemie und chemische Technologie, Herstellung der Chemikalien und der Farbenwaren , Kohlen- und Kalk brennerei, Firniss-, Oel-, Lichter- und Seifenfabrikation , Leimsiederei, Gerberei, Bierbrauerei, Branntweinbrennerei , Bleichen und Färberei sowie Zeugdruck von E. Hoyer, Professor der Technologie an der technischen Hochschule in München ; Mineralogie von Dr. E. Weiss , Professor der Mineralogie an der Bergakademie und k. Landesgeologe in Berlin ; Geognosie von Professor Dr. E. Kayser in Marburg ; Bergbau und Salinenwesen von Geh. Oberberg rath Th. Freund in Berlin und Ingenieur Dr. Ernst Röhrig in Hannover ; Verhüttung der Erze (Metallurgie mit Ausnahme des Eisens) von Ingenieur Dr. Ernst Röhrig in Hannover und Dr. Erich Schiller, Bibliothekar der Bergakademie und geologischen Landesanstalt in Berlin ; Verarbeitung der Metalle von Professor E. Hoyer in München und Professor A. Lüdecke in Braunschweig ; Gewinnung und Darstellung von Eisen und Stahl von Geh. Bergrath Dr. H. Wedding in Berlin ; Hochbau, Baugewerbe, Baumaterialien und Ornamentik von Regier.- Baumeister W. Saegert in Berlin ; Strassen-, Wasser- und Brückenbau von Wasserbauinspektor H. Keller in Berlin ; Eisenbahn- und Telegraphenwesen von Ingenieur Dr. Ernst Röhrig in Hannover und Kommissionsrath F. C. Glaser in Berlin ; Militärwesen, Ar tillerie, Geschütz- und Handwaffen - Herstellung , Feuerwerkerei etc. von Ge nerallieutenant z . D. Jul . Hartmann in Berlin ; Kriegsbaukunst, Befestigungs und Minenwesen von Generalmajor z . D. von Oppermann in Hannover ; Seewesen, Schiffbau und Schiffahrt von O. Dill , Professor des Schiffbaues an der technischen Hochschule in Berlin ; Maschinenbau von Oberingenieur L. Bach in Linden bei Hannover und Professor E. Hoyer in München ; Holz-, Glas- und Thonwaaren, Spinnerei und Weberei, Papier und Tapeten fabrikation, Handwerkszeuge und Geräthe von Professor E. Hoyer in München ; endlich Elektrotechnik von Ingenieur C. Biedermann , Hülfs arbeiter im Reichspatentamte in Berlin . Wir wünschen auch diesem Bande des technologischen Wörterbuches möglichst raschen Absatz , damit die Verlagshandlung in den Stand gesetzt werde, durch Veranstaltung schnell auf einander folgender neuer Auflagen das vortreffliche Werk , den fort währenden Fortschritten der Technik entsprechend , stets zeitgemäss zu erhalten .

Mittheilungen aus Zeitschriften . Prometheus. Illustrirte Wochenschrift über die Fortschritte der angewandten Naturwissenschaften ; herausgegeben von Dr. Otto N. Witt. Verlag von Rudolf Mückenberger in Berlin. Band I. 1890 . In No. 5 dieser neuen , vortrefflich ausgestatteten Zeitschrift befindet sich ein Artikel aus der fachmännischen Feder des Redakteurs derselben, Herrn Dr. Otto N. Witt . in dem eingehend die vom Grafen Chardonet er fundene künstliche Seide besprochen wird. Die künstliche Seide besteht aus Collodion , welches in einem Gemisch von 38 Theilen Aether und 42 Theilen Alkohol gelöst und durch ein feines Haarrohr in ein mit Wasser gefülltes Gefäss hineingepresst wird .

Letzteres ist nöthig , um dem Stoffe

Mittheilungen aus Zeitschriften. die Lösungsflüssigkeit zu entziehen und ihn somit erstarren zu lassen .

101 Bei

nicht genügender Feinheit wird der Faden dann in frischem Zustande ge Schliesslich streckt und darnach durch warme Luft getrocknet . Schliesslich werden mehrere Fäden durch Zusammendrehen vereinigt. Um dem Fabrikat die Entzündlichkeit zu nehmen, findet alsdann noch eine chemische Behandlung statt, die der Erfinder geheim hält und welche nach Dr. Witt in einer Ein wirkung reduzirender Mittel, wie z. B. Zinnsalz, besteht. Diese Denitrirung soll indess noch viel zu wünschen übrig lassen. An Glanz und Aussehen soll die künstliche Seide der natürlichen gleichen , ihre Tragfähigkeit ist aber nur 2 der echten Seide , kommt indess derjenigen von Eisendraht gleich. Das Kilo künstlicher Seide soll 12 bis 16 Mark kosten. Der Prometheus bringt in seiner No. 9 einen Aufsatz , betitelt „ Die Entwickelung der Fallschirmtechnik " von Hermann W. L. Moedebeck, in dem zunächst eine historische Entwickelung dieses Apparates gegeben und schliesslich auf eine eingehendere Besprechung des Fallschirmes von Leroux eingegangen wird. Es dürfte daraus hervorgehoben werden , dass die in unserer Zeitschrift behauptete Priorität des Kandidaten Hengler bezüglich des umgekehrten, sogenannten Cocking'schen Fallschirms auf einem Irrthum beruht, da , wie der Verfasser des Aufsatzes nachweist , Cocking bereits im Jahre 1814 mit der Idee des umgekehrten Fallschirmes umging . Auch wird erwähnt, dass Zachariae in seinem Buch " Geschichte der Luftschwimm Kunst ", Leipzig 1823 schon einen dem Cocking'schen gleichen Vorschlag machte. Hinsichtlich des Unterganges des Mr. Leroux wird darauf hingewiesen, dass das starke Pendeln des Fallschirms vor seinem Hineinfallen in das Meer wahrscheinlich dem Umstande zuzuschreiben sei, dass der Luftschiffer, in der Erkenntniss der ihm drohenden Gefahr, den Fallschirm in der Mitte eingezogen habe , in der Hoffnung , es möchten bei dem so hervorgerufenen langsameren Fall die zu seiner Hilfe ausgesendeten Schiffe ihn noch er reichen können. S. La Nature.

17. Jahrg.

Paris 1889 .

No. 818 (2. Febr. ) enthält S. 156 einen mit mehreren Abbildungen ausgestatteten Aufsatz über Schraubenflieger (les hélicoptères - jouets). Der ungenannte Verfasser beschreibt mehrere Formen dieses niedlichen Spielzeuges , dessen Erfindung durch Launoy und Bienvenu dem Jahre 1784 angehört. Heutigen Tages kostet es in der einfachsten Ausführung 10 Cent. Es darf als jedermann bekannt gelten. Ueber seinen Werth für die Er ringung des Kunstfluges urtheilt der Verfasser, dass es trotz des geistreichen Gedankens, der ihm zu Grunde liegt, auf die weitere Entwickelung der Flugfrage ohne jeden Einfluss bleiben wird . Dem Schraubenflieger wird ursprünglich eine gewisse lebendige Kraft mitgetheilt, auf deren Kosten er sich durch die Luft bewegt . Er ist in der That nichts weiter, als ein geworfener Körper . Nur wenn man ihm von der Erde aus seinen Arbeits verlust stetig ersetzen könnte, wäre ein längeres Schweben möglich, aber begreiflicherweise ohne Fortbewegung. No. 849 (7. Septbr. ) Seite 234 : Pottier, ingenieur des arts et manufactures, Theorie des Drachens . „Heute, wo der Drachen höherer Bestimmung entgegenzufliegen scheint, wäre es doch gerechtfertigt, seiner Theorie näher zu treten " . — Im Verfolg dieses Gedankens giebt der Verfasser eine einfache konstruktive Lösung der Frage : Welches ist der grösste Winkel , den die Schnur des Drachens

Kleinere Mittheilungen .

102 mit der Horizontalen bildet?

„ Es sei

die Geschwindigkeit des horizontal

gedachten Windes in Metern pro Sekunde, P der Druck in Kilogrammen , den er auf die Oberfläche S des Drachens , sobald sie ihm vertikal entgegen gestellt wird, ausübt. Ueber einer Strecke AD als Durchmesser, welche in willkürlichem Maassstabe der Druck P vorstelle, beschreibe man den Halbkreis A KD. Im Punkte D ziehe man DC unter einem Winkel von etwa 7 = 20º, sodass DC in Grösse und Richtung den Zug des Drachen schwanzes darstelle . Man ziehe ferner CB, sodass es das Gewicht des Drachens (ohne Schwanz , aber mit Schnur (? !) und etwaigem Uebergewicht) wieder der Grösse und Richtung nach vorstelle. Vom Punkte B ziehe man eine Tangente BK an den Kreis und verbinde K mit A und D. Alsdann giebt 1 ) BK Grösse und Richtung des Zuges , den der Drachen auf das Seil am Knebel ausübt, 2 ) KAD ist der Winkel, den der Drachen mit der Horizontalen bildet, sobald er das Maximum seiner Höhe erreicht hat. 3) Endlich ist KD der Normaldruck des Windes gegen den Drachen . “ Die Konstruktion ist im Wesentlichen richtig. Ihr liegt die Voraussetzung zu Grunde, dass der Winddruck gegen eine geneigte Fläche dem Sinus des Neigungswinkels proportional sei , eine Annahme, die unter den mathematisch einfach ausdrückbaren jedenfalls der Wahrheit am nächsten kommt. Da gegen scheint die Vorstellung über die Grösse des vom Schwanze ausge übten Zuges als Funktion des Winkels gegen die Horizontale mir anfechtbar zu sein, ist aber von zu geringem Belang, um näher darauf einzugehen . G.

Kleinere Mittheilungen. ―

Ausstellung in Köln . Wir erhalten aus Köln einen vom 1. März d. J. datirten Prospekt, welcher folgendermassen eingeleitet ist : „ Im Jahre 1890 finden in Köln auf dem Terrain des Kaisergartens und dessen Umgebung zwei bedeutende Ausstellungen, die Allgemeine Ausstellung für Kriegs kunst und Armeebedarf und die Landwirthschaftliche Jubiläums - Ausstel lung , örtlich vereint statt . Nachdem heute neben Sr. Excellenz Dr. Graf Hellmuth von Moltke, Generalfeldmarschall und Präses der Landesvertheidigungs- Kommission , über siebenhundert Mitglieder (höhere Offiziere, Verwaltungsbeamte, Gross-Industrielle) dem Haupt-Comité der „ Kriegskunst- Ausstellung" als Ehrenmitglieder und Mitglieder des General -Comité's in Deutschland beigetreten sind, glauben wir es nicht unterlassen zu können, Ihrem geschätzten Hause mitzutheilen, dass für die Klasse 127 Luftschiff fahrt eine besondere hervorragende Abtheilung in der Kriegskunst - Ausstellung vorge sehen ist und von dem hiesigen deutschen Verein zur Förderung der lenkbaren Luft schiffahrt arrangirt und geleitet wird. " Trotz des Fiaskos, welches im vorigen Jahre in Köln mit einer Luftschiffahrts Ausstellung gemacht worden ist, wagt man es also wieder, dort eine solche in Szene zu setzen. In Köln werden alljährlich einige Fachausstellungen abgehalten . Man ist da selbst wirklich ausserordentlich gewandt darin, immer wieder „ Fächer“ aufzufinden, für welche eine Ausstellung „ dringendes Bedürfniss“ ist. Was die Kritik nachher über die Ausstellungen sagt, scheint die Veranstalter, die dabei offenbar ein gutes Geschäft machen, wenig zu kümmern. Die Leitung der Abtheilung für Luftschiffahrt in der Kriegskunst-Ausstellung von 1890 hat, wie der Prospekt sagt, der Kölner „ Deutsche Verein zur Förderung der lenkbaren Luftschiffahrt“ übernommen. Wir erfahren auf diese Weise zum ersten Male etwas von der Existenz des eben genannten Vereins, der seinen Namen demjenigen des ältesten in Deutschland bestehenden Vereines für Luft

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

103

schiffahrt in einer Weise nachgebildet hat, die nothwendig zu Verwechslungen führen muss. Das ist entweder Absicht oder -- das Gegentheil von Klugheit. Wir möchten für jeden Fall darauf aufmerksam machen, dass der im Jahre 1881 in Berlin gegründete „ Deutsche Verein zur Förderung der Luftschiffahrt " , der unter Anderem diese Zeitschrift geschaffen und auch im Auslande Mitglieder besitzt , nichts gemein hat mit dem Kölner -st . „Deutschen Verein zur Förderung der lenkbaren Luftschiffahrt “ . - Ressortverhältnisse in Frankreich. Wie 39 La Françe aérienne" meldet, sind die Angelegenheiten der Militär-Luftschiffahrt und der Brieftauben nicht mehr der technischen Abtheilung des Generalstabes sondern vielmehr der 4. Geniedirektion unterstellt. Der Oberst Philippe , welcher der Abtheilungschef der ersteren ist, sollte diesen Dienst zweigen vorstehen, obwohl seine sonstige Beschäftigung denselben ganz fremd war, so dass es kaum zu erwarten stand, dass er Bedeutendes zur Entwickelung derselben hätte beitragen können. Auf die 4. Geniedirektion werden nun grössere Hoffnungen gesetzt. Mck.

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. Protokoll der am 24. Februar 1890 im Saale der Königl . Kriegs akademie abgehaltenen (116.) Sitzung. Vorsitzender : Dr. Assmann . Schriftführer : Dr. Kremser. Auf der Tagesordnung stehen ausser geschäftlichen Mittheilungen zwei Vor träge von Herrn Premierlieutenant Mode beck : Ueber Ballonfahrten mit grosser Ge schwindigkeit, und von Herrn Dr. Knorre über das Thema : 99 Welchen Einfluss übt die Anziehung der Erde in Verbindung mit dem durch sie erregten Luftwiderstand auf das Vorwärtsfliegen der Vögel aus ? “ Der Vorsitzende meldet bei Eröffnung der Sitzung die Herren Jicinski, Hansen und Kundt als Mitglieder an und theilt sodann mit, dass der technische Ausschuss sich konstituirt und Herrn Prof. Börnstein wiederum zum Obmann erwählt hat ; wegen der Ablehnung der Wahl in denselben seitens des Herrn Gerlach wird wohl am besten Cooptation erfolgen. Nach einer Hinweisung auf die Verhandlungen mit dem Verleger wegen Abgabe von Separatabdrücken an die Autoren, proklamirt der Vorsitzende Herrn Premierlieutenant Moedebeck, welcher demnächst Berlin verlässt, gemäss eines Vorstands beschlusses unter Worten der Anerkennung für seine dem Verein geleisteten Dienste zum korrespondirenden Mitgliede. Herr Pr.-Lt. Moedebeck dankt unter dem Versprechen weiterer Unterstützung des Vereines und geht sodann zu dem angekündigten Vortrage über. Zu den inter essanteren Fahrten sind solche innerhalb eines tiefen Luftdruckminimums und bei stür mischem Wetter zu rechnen ; sie sind deswegen um so mehr werthvoll, weil die Wind beobachtungen auf der Erde, ja auch auf hohen Bergen und Thürmen, durch die Unter lage sehr beeinflusst sind, während die Flugbahn des Ballons einen Einblick in die wahre, allgemeine Bewegung der Luftmassen gestattet. Füllung, Auffahrt und besonders die Landung sind allerdings bei stürmischem Wetter äusserst schwierig. Die Landung ist mehr ein Scheitern zu nennen ; alle Hülfsapparate versagen. Das einzig brauchbare Mittel wäre die Zerreissleine, wenn sie nicht andere Gefahren hervorrufen würde. Nach Erwähnung einer Reihe von Fahrten bei stürmischem Wetter, deren Daten aber wenig vertrauenswerth sind, werden besonders zwei Fahrten näher beschrieben, die eine von Herrn Lieutenant Gurlitt, die andere vom Redner unternommen . Die letztere fand am 22. Januar d. J. von Berlin aus statt und endete in der Nähe von Anklam . Die Geschwindigkeiten in den durchfahrenen Schichten von 400-800 m Höhe wechselten häufig und bedeutend ; die durchschnittliche betrug 22,8 m p. s., während im Maximum

104

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

41 m p. s. beobachtet wurden . Bei der Gurlitt'schen Fahrt war die Geschwindigkeit in den unteren Schichten 16-18 m, in grösserer Höhe 25-32 m und bei 2000 m Höhe bis auf 40 m ansteigend, im Durchschnitt endlich 21 m p. s . - Die Fahrt des Vortragen den, bei der also die Geschwindigkeit noch grösser war, biete noch insofern Interesse, als die Temperatur, gemessen durch ein Schleuderthermometer, nach oben hin von 1º bis 3º C. zunahm, trotz der starken Luftbewegung. Nach der üblichen Pause hielt Herr Dr. Knorre den angekündigten Vortrag. Beim Vogelflug, so führte derselbe aus, kommen folgende Punkte in Frage : 1. die be wegte Luft, 2. die Kraftäusserung des Vogels , 3. Gestalt und Haltung des Vogels , 4. die Anziehung der Erde in Verbindung mit dem durch das Fallen des Vogels erzeugten Luftwiderstande. Es möge nun angenommen werden, dass der Vogel sich beim Fliegen eine Gestalt gebe, vermöge welcher er die ihm zu Gebote stehenden Naturkräfte möglichst vortheilhaft ausnutze, um nur ein Minimum eigener Kraft zu gebrauchen. Die Aufgabe, welche der Vortragende sich gestellt, besteht nun darin, experimentell nachzuweisen, welchen Maximal-Effekt man beim Vorwärtsfliegen dünner Platten erzielen kann, wenn man sie in ruhender Luft fallen lässt. 1. Wenn man eine ebene, dünne, homogene Platte, beispielsweise in Form eines Rechtecks parallel zum Horizonte fallen lässt, so muss sie in ruhender Luft senkrecht herunterfallen, da die drei Punkte : Mittelpunkt der Figur, Schwerpunkt und Angriffs punkt der Resultante, welche dem Luftwiderstande entspricht, in einem Punkt zusammen fallen, und die Anziehung der Erde sowohl, als auch der Luftwiderstand in völlig sym metrischer Weise um diesen Punkt auf die Platte einwirken. 2. Lässt man aber dieselbe Platte in einer zum Horizonte geneigten Lage fallen, so geht auch das Fallen in einer schrägen Richtung zum Horizonte vor sich. Ausserdem finden Pendel- und Drehungsbewegungen statt. 3. Aufhebung der Drehungen durch Trennung des Schwerpunktes vom Mittel punkte des Luftwiderstandes, indem eine Kante der Platte in geeigneter Weise belastet wird. Es hat dann der erstere Punkt das Bestreben , um den zweiten zu pendeln . 4. Ersetzung eines Theiles der Belastung durch geeignete Anwendung Lilien thal'scher krummer Flächen. 5. Vortheile, welche grössere Platten bieten : Langsame Drehungs- resp. Pendel Bewegungen. 6. Das Vorwärtsfliegen kommt auch zu Stande, wenn man die Apparate horizontal fallen lässt, doch muss die Fallhöhe grösser sein, weil der Schwerpunkt stärker herunter pendelt, und zunächst ein steiles Herunterfallen bewirkt, ehe die horizontale Flugrichtung beginnt . 7. Der Vogel giebt sich beim Vorwärtsfliegen eine Gestalt, durch welche er das Bestreben hat, schräg gegen den Horizont zu fallen ; der Flügelschlag verstärkt das Vor wärtsfliegen und ersetzt den Verlust an Höhe . 8. Die Segler können gleiche Schweberichtung erzielen durch beständige minimale Veränderung des Abstandes des Kopfes vom Rumpfe, durch welche Drehungen und Pendelungen aufgehoben werden. Die verschiedenen Momente wurden durch vielfach gut gelungene Experimente veranschaulicht. Herr Dr. Angerstein schlägt vor, hierüber erst in der nächsten Sitzung zu dis kutiren, weil die vorgetragenen Ideen und Erörterungen vorher eingehendere Ueberlegung wünschenswerth machten. Der Vorsitzende nimmt dies für die nächste Sitzung in Aussicht und schliesst so Kremser. dann mit der Proklamirung der neuen Mitglieder.

Druck von Beyer & Münch, Berlin SW., Kochstr. 55.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein In Berlin, S.W., Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl , Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W., Jägerstrasse 73.

1890.

IX. Jahrgang.

Heft V.

Integration zweier Differential - Gleichungen, die sich

auf die Be

wegung des Drachen beziehen . Von Franz Prohaska, Bürgerschullehrer in Rudolfsheim. Mein Freund und Kollege, Herr Carl Milla , übergab mir im Sommer vorigen Jahres

zwei

Differentialgleichungen, welche

das

Bewegungsgesetz

eines unter dem Einflusse des Luftwiderstandes sich bewegenden Drachen darstellen. Er ersuchte mich um deren Integration. Dieselbe gelang mir wider Erwarten, und ich lege dieselbe den Fachmännern vor in der Hoff nung, hiermit auch ein kleines Schärflein zur Lösung blems beizutragen .

eines grossen Pro

Es sei AB der Drachen. f seine Fläche, a der Neigungswinkel gegen die Abscissenaxe, Mu die Bewegungsrichtung , welche mit Mr den Winkel 3 bildet, v die Geschwin Fig. 1. digkeit des Drachen . Senk B u recht zur Bewegungsrichtung N Ch bietet der Schirm die Fläche BC dar, und es ist BC = f GB sin (a - 3). Der Widerstand A ist demnach af sin (a—3) .v²,

R

unter a eine gewisse Konstante verstanden . Stellt man diesen Widerstand durch die Gerade MN dar, so ist MR der Druck senkrecht zum Schirm. Es ist MR = MN sin (a ) = afv² 2 sin (a - 3 ) .

Von der Komponente parallel zum Schirm wird vorausgesetzt ,

dass sie auf die Bewegung ohne Einfluss bleibe.

Zerlegt man endlich den

senkrechten Druck MR in zwei Komponenten, parallel zu den Koordinaten

106

Integration zweier Differential - Gleichungen, etc. 2

axen, so ergiebt sich eine Horizontalkraft Kaf v² sin (a - 3) . sin a, welche 2 der Bewegung entgegenwirkt, und eine Hebekraft H af v² sin (a -3) cos a, welche noch um das Drachengewicht P zu vermindern ist. Ist aber m die Masse des Beweglichen , so lassen sich nach den Lehren der Analysis de x und m . d²y die Kräfte auch ausdrücken durch m . Es is also : d t2 d t² 2 d2 x m . af v² sin (a - 3) . sin a d t2 2 d2 y m. = af v² sin (a3) . cos a - P dt P = oder da g (Acceleration der Schwere) ist, so folgt : m

d2 x d t2 d2 y

d t2

2 afv³ si n (a -3) sin a m 2 a f'v2 sin (a -3) cos a g 212

Fig. 2.

I.

Diese Gleichungen blei ben

dieselben,

wenn

der

Winkel a negativ wird und die Bewegung wie in Fig. 2 erfolgt. Der Luftdruck be 25 α

wirkt hier eine positive

B Komponente

nach

x und

eine positive nach . y. Dies geben aber auch die Formeln

B

I für ein negatives a. In den Fällen der Fi guren 3 und 4 müssen aber

u

Fig. 3. d2 x

d t2 d2 y d t2

die Gleichungen geschrieben werden : 2

afv2 sin (a- ẞ) . sin a m 2 af v2 sin (a- 3) cos a m

II. g

Bei der Bewegung in Figur 3 ist

Fig. 4.

B

B

, die y - Kom - Komponente die ponente negativ ; so folgt es auch aus ein posi den Formeln II für tives a. Bei der Bewegung in Figur 4 ist die x- Komponente --- und auch die

107

Integration zweier Differential- Gleichungen, etc. y-Komponente negativ.

So folgt es

auch aus den Formeln II für ein

negatives a. Indes sind die Bewegungszustände der Figuren 3 und 4 selten, dürfte nur beim Umsteuern vorkommen. Es sei noch bemerkt, dass stumpfe Werthe des Winkels

und

in dieser

Rechnung ausgeschlossen bleiben ;

denn mit

der Zählung des Winkels a

von 0 bis 90 ° und von 0 bis tracht gezogen .

90 ° sind alle Schirmstellungen in Be

Integration der Formeln I. 2 d2 x af sin (a 1) B) v2 . sin a m d t2 2 d² y af sin (a B) . v² . cos a = + g 8.2) m a 12 1.

I.

Multiplizirt man die Gl . 1 mit cotg u, so folgt : dex d² y • cotg a g .... 3 ) woraus : dt dt2

dy dt dx dy = v Nun ist dt y ' dt Vy

dx

gata dt cot

gt .. 4) folgt.

ข x" folglich : vcotg a + G₁ --- g t . . . . (5)

Um C, zu bestimmen, setzen wir t

0.

Ist die Geschwindigkeit des

Drachen zu Beginn der Bewegung v, und seine Bewegungsrichtung durch = 0: den Winkel B, bestimmt, so folgt für t = vo sin Bo v cos ß cotg a + G₁ , folglich :

C =

2

( sin o t cos Bo cong a)

Die Grösse C

Vo · cos (a sin a

Bo) .. (6)

ist also als bekannt anzusehen.

Die Gl . 1 lässt sich

wie folgt schreiben : d2 x af (sin a cos B. v

eos a sin

. v)2 sin a oder :

m

d to dv

x

dt

af (sin u . v x m

sin a. cos a . ບ 2)2 y

Setzt man nun statt v den Werth aus Gl. 5 so folgt : y dv x . a f sin a sin a.v cos a ( υ x x m "[ colgata - n dt oder :

dv x dt

oder :

cos a af sin a ―― cos a (C vx (sin a + sina a m "[v.

2 8 1 )] ²

Integration zweier Differential - Gleichungen , etc.

108 dvx

af m sin a [ X

dt

2 - · g t)]² ... (7)

sin a cos a (C

Diese Differentialgleichung ist hinsichtlichtlich v X von der 1. Ordnung . Sie lässt sich, wie folgt, integriren . Man setze : sin a cos a (C -g t) = u ... (8), so folgt : vx

dv

du

X

Dies in 7 substituirt, giebt :

+ sin a cos a.g dt

dt

du

af u2 , woraus folgt : m sin a du

g sin a cos a ――

dt dt

af m sin a

g sin a cos a

und u2

du t

af m sin a

g sin a cos a

u2

Setzt man vor das Integralzeichen die beiden Faktoren 1

m

deren Produkt 21g sin a cos a

•V

ist, so müssen hinter das a f g cos a

2

Dies giebt :

Integralzeichen ihre reciproken Werthe gesetzt werden.

Vaf m sin a

21 g sin a cos a

m

m sin a und af

t = 11 2 a f g cos a

g sin a cos a

du

af u2 m sin a

Der Ausdruck unter dem Integralzeichen ist aber die Summe :

V_af • du m sin a

· du Vaf m sin a +

af • u Vg sin a cos a + V m sin a

af m sin a

Vg sin a cos a

U

Jeder dieser Summanden giebt integrirt den Logarithmus des Nenners , beim zweiten mit negativem Zeichen . Es wird daher :

m 1 V 2 a fg cos a

Vg sin a cos a t

e

V_af m sin a

u m

+ af Vg sin a cos a + V m sin a

2

-.IC , a fg cos a

u

1 wo C die willkürliche Konstante der Integration ist, werdon wird.

die später bestimmt

Hieraus folgt nun : Vg sin a cos a + e

Vaf m sin a

u -

at Vg sin a cos a -

V_af • u m sin a

V

afg cos a ―――――― I C₂ m

109

Integration zweier Differential- Gleichungen, etc.

folglich : Vg sin a cos a +

Vaf • u m sin a

Vg sin a cos a

Vaf • u m sin a

Daher :

C₂

2 tv afg cos a m e

Vaf • u m sin a

C

2 ty afg cos a e m + C₂

Vg sin a cos a

und :

sin a . V

tra fg cos a m

m g cos a af

2 tva fg cos a e m

C₂

2 tva fg cos a e m + C₂

Setzen wir nun Kürze halber: af B .... 8) m . g cos a so folgt, wenn man den Werth von u in Gl . 8) setzt : sin a e2 At C₂ • 10) 0, sin a cos a (C₁ gt) + e2 1 + C₂ Β Es muss betont werden, dass die Grössen A u. B auch dann reell Um C, zu bestimmen, setzen wir in Gl. 10) bleiben, wenn a negativ ist.

Vaf.g cos a m

t

0.

A, V

Es wird :

sin a cos a · Du (sin Pu t cos 3, cotg a ) t

vó cos Bu

sin a 1 C₁₂ • B 1 + C₂

indem für C, der Werth aus Gl . 6) substituirt wurde . Hieraus ergiebt sich : 2 sin a 1 C = cos cos B a) a cos a sin sin B Bo (cos vo B1 + C₂ vo (cos 3 sin a²

sin a cos a sin Bo)

= v sin a sin (a - 3 ) ; daher: 1 - C - 3.) und B v sin (a 1 + C₂ 1 Bv sin (a Bu) 11 ) C₂ ――――――――― Bo) 1 + B v sin (a Setzt man den Werth von v Es ist nun leicht, v, zu bestimmen. die Gl . 5 ) , so folgt:

Vy

2 sin a (C₁

Cos a e² At

C₂

---

g t)

12) B

e2 At + C₂

I v I 2 + v y 2 oder : e2 At 1 C2 sin a² (C₁ gt) ² + B2e2 At + C₂

Ferner ist : v

v2

13)

Aus Gl . 10) folgt ferner durch Integration :

sin a e2 At

x = sin a cos a ( C, t ―— ½g t²) +

B

C₂ • dt e2 At + C₂

in

110

Integration zweier Differential - Gleichungen , etc. Auch diese Integration lässt sich ausführen.

e2 At ――――――― C₂

A.eAt

Es ist nähmlich :

C₂ . A e -At

.dt

· C₂ e2 At + 0 Je² = ;

S¹ . e At 4 ⋅ A At dt = Α ! + C₂.e-

Nun ist der Zähler das Differential des Nenners , folglich : sin a ´e (e¹t + C₂.e - ¹¹) + Cz . x = sin a cos a (C, t — 12 g t²) + ᎪᏴ

Da für t = 0, Ꮖ man schreiben kann :

o werden muss , so bestimmt sich C,3 derart , dass sin a

Ꮖ == sin a cos a (C₁ t − x

est + C₂.e - At

.e.

g f) + ᎪᏴ

14)

1 + C₂

x cotg a + C₁ t -- 2 gt , daher wird : Die Gl . 5 ) giebt integrirt : y = eAt + C₂ · e-At cos a 1 e y = sin a² (C₁t - 2 gt²) ... 15) 1 + C₂ AB Könnte man aus Gl . 14) und 15) t eliminieren, Gleichung der Kurve. Es ergiebt Gleichung :

sich

endlich noch

gäbe dies

so

die

die Bewegungs - Richtung durch die

Vy tg ẞ

..... 16)

Setzt man noch den Werth v, aus Gleichung 10) in die Gleichung 7), so folgt: d2 x

d t²

sin a²2 af (02.11— C₂)2 oder : m sin a B2 +

d2 x

e2A

C12 17)

-g sin a cos a

dt

e2A

+ C₂

Daher wird :

d² y d t²

2 2 g cos a2 (6² 11= 0;)². 11 + C₂

g ... 18 )

hieraus ergeben sich nun durch Multiplikation mit m die Kräfte : e2 At P. sin a cos a Widerstand W 19) ) ( 211+ C₂ C₂ 2 e2A Hebekraft H ***** P. cos a² . 20) €2.11 + C₂ Stellen wir nun die gefundenen Resultate

mit neuer Numeration zu

sammen, so ergeben sich folgende Gleichungen : 2 d2 x af v² 3) sin a d t2 m . sin (a 2 d2 y af v2 sin (a g 3) . cos a d t2 m C₁ =

(sin P , + cos 3 , cotga )

vo cos ( sin a

I. 2)

B. ) ... 3)

111

Integration zweier Differential- Gleichungen, etc.

A

Va

f.g Cos a 9 B m

af 4) m.g cos a

1 B v sin (a Bo) " 5) 1 + B v sin (a - Bo) C2 sin a e2At • Vx = sin a cos a (C₁ − g t) + e2At + C₂ B C2 e²At 2 eos a

C₂

6) 7)

sin a (C₁gt)

B

e2At + C₂

=

g t. v, · cotga + C e2.1 1 2 v2 = ve ²2 + v y 2 (c² 11= sin a (C₁gt)2 + B2e21 + C₂;)2 si a n est + C₂.e - A t 1 x = sin a cos a (C₁t — —2 g t²) + A B • e 1 + C₂ cos a eAt + C₂2 e - At e y = sin a² (C₁ t 2 gt ) ᎪᏴ 1 + C₂ 1 x cotg a + C₁ t 2 g t2. e2At d2 x C₂ 2 11) g sin a cos a d t2 e2At + C₂ O2 2 d² y e2A1 V g cos a² g ... 12 ) d t2 e2 At + C₂/

Widerstand WP sin a cos a ( 6211++ 8;)² e2At + C₂. e2At C₂ 2 = P cos a² C Hebekraft H = ele+ C₂ Richtung : tg 3

Vy vx

8)

9)

10)

13)

14)

15)

Diese Formeln gelten, wenn der Luftwiderstand die untere Fläche des Schirmes trifft, gleichgültig, ob a positiv oder negativ ist. 2. Integration der Gleichungen II. Die Formeln II gelten dann, wenn der Luftwiderstand die obere Fläche des Drachen trifft. Dieser Fall wird selten eintreten und von dem Drachen flieger selbst stets vermieden werden.

d2 x dt2

Es ist :

2 af sin a sin (a —— 3)² v² m

1) II .

d2 y d t² Wie früher :

2 a f cos a si n (a B) v² g ... 2) m d2x d2y - cotg a ――――― 9 d t2 d t2 dx

dy dt

dt

Vy

v, cotgat C

• cotgat C

gt

gt

3)

112

Integration zweier Differential - Gleichungen, etc.

Setzt man t C₁

o, so bestimmt sich

Aus 1 ) folgt : d2x

VD sin a cos (a - 3 ) .... 4 )

+ cos 3, cotg a)

( sin B

2

2

afsin a (sin a cos ß . v m

d t2

cos a sin 3. v)

2 cas a vy )

-- afsin a (sin a v m

und wenn man für v, den Werth aus Gl . 3) setzt :

2

d2x d t2

d2x d t2

af sin a m

sin a . vr

af sin a m

cos a2 Vs sin a + sin a (sin

cos a ( — vị cotg a +

--

- g t)

C

cos a (C₁ - gt) 2

d vx

af Vx m sin a [

dt

sin a cos a (C₁

5)

g t)

Diese Differentialgleichung ist hinsichtlich v, von der 1. Ordnung. sie zu integrieren, setze man : u Vx sin a cos a (C ―――――- gt) 6) du d vx so wird: + sin a cos a • g folglich : dt dt'

Um

du af • u2 sin a cos a . g + dt m sin a Hieraus :

du

du

dt

g . sin a cos a +

af 9 sin a cos a + m sin a

af . U2, m . sin a

u2

Dies lässt sich schreiben : du

1

t ==

af

u2

1+

g sin a cos a

m g sin a² cos a

af

du

V

1

mg sin a² cos a

t g sin a cos a

m g sin a² cos a

V

af

af

• u2

1+ m g sin a² cos a

dz Da

Arc tg z, so folgt: 1 + 22

S m

t

V

a fg cos a

1 · Are tg ( in a V

m

af

• u mg cos a

• C. Daher :

+V afg cos a

af afg cos a Are to (ama Vmgcos • U Var m si a )-V ( tg ( sin n a

t

C₂

113

Integration zweier Differential- Gleichungen, etc.

my cos a af Setzen wir wie früher :

sin a ·

u

tg O

V

r · g cos a m

afg cos a .t m

af

Va

B ...

Ꭺ, V

7)

m.g cos a

so wird :

sin a Vi

sin a cos a (C₁

- C₂ ) . . . 8 )

.tg (At

-gt) +

B

Um die Konstante C, zu bestimmen , setzen wir in d . Gl . 8) t = 0. Man erhält : sin a vo cos Bo sin a cos a . , (sin Bo + cos 3 , city cotg a ) B .tg Ca hieraus : sin a .tg C B

v (sin a cos a sin 3

+ cos 3, cos ¤² -- cos Bo)

--vo sin a (cos a sin 3

www v sin a . sin (a - Bo)

cos 3 sin a)

Daher : tg C- - B v sin (a _____ 3 ) .... 9) Setzt man den Werth von v, aus Gl . 8 ) in d. Gl. 3) , so folgt : 2 cos a • tg (At C₂) 10) sin a (C₁ Vy gt) B

Nun ist v

10 ł 2 + 0 y 2

. 11 ) oder : 1 gt) ² + B2 . tg (At-

v² = sin a² (C₁

2 C₂) ..

12)

Die Richtung der Bewegung folgt aus : tg 3

Um x zu bestimmen ,

Vy Vs

13)

hat man die Gleichung 8) zu integriren .

Es

ergiebt sich :

sin a

x = sin a cos a (C₁ t -

1 g t²) +

B

――――― sin (At C2) cos (A t C₂)

dt

At — C₂ ) d t. Syar ·

Nun ist :

tg (At 1 t― C₂) d t =

cos ne (At — C₂) A 4.Sa co (

Si 1 .e cos (At

C₂) , folglich :

A

sin a 1 x = sin a cos a ( C₁ t — 2 gt) -.e cos (A t — C₂) + C3⋅ AB Da für t

o, xo werden muss , so bestimmt sich C, dermassen ,

dass man schreiben kann : IX.

8

114

Integration zweier Differential -Gleichungen , etc.

sin a

cos (A t

C₂)

e

x = sin a cos a (C₁ t — 12 g t²)

14)

AB

cos C₂

Nun folgt durch Integration der Gl . 3 : 1 − x cotg a + C₁ tgt , folglich : y= cos (At ― C₂) cos a y = sin a² (C₁t — 1/2 g t²) + AB cos C₂

15)

Setzt man den Werth v aus Gl . 8) in 5) , so folgt : 2 sin a² d² x af C₂) oder: B2 tg (At m sin a dt 2

d² x

g sin a cos a tg (At

d t²

16)

C₂)

Daher: 2 g cos a² tg (At ― C2)

d² y d t2 Hiera

g. •

17 )

best

M immt sich nun durch ultiplika

mit m: 2 Antrieb nach vorne : W - P sin a cos a tg (At ――― C₂) 2 Druck von oben : H == P cos a² tg (At C₂) .... 19) us

tion

18)

Stellen wir nun die gefundenen Resultate mit neuer Numeration zu sammen, so ist : d2 x d t²

d² y d t²

2 af sin a ―――――――― 3) v2 . sin (a m 2 af cos a sin (a 3) v2 m

Va

f.g cos a 9 B m

tg C₂

vs = sin a cos a (C₁ -

Vy

2 sin a (C₁ ―

II. g.

VO • sin a cos (a

=

C₁ Co n ( sin Pin + cos 3 , city a A

1)

2)

3 ) . . . 3)

af 4)

V m.g cos a

3.) . B vo sin (a 5) sin a gt) + B .tg (At - C₂) C₂) . . . 6 )

cos a gt) -

-

v, cotg a + C

B

tg (At — C₂)

7)

g t.

2 2 + v 2 = sin a² (C₁g t)² + 1 y B C₂) 2 tg (At Be sin a cos (At - C₂) x = sin a cos a (C₁ e 1 t - 1/2 g f²) (C₁t AB cos C₂ cos a cos (At C₂) y = sin a² (C₁t - 2½ g t²) + AB cos C₂

v2

=

- 1 gt. 1 x cotg a + C₁t

8)

9)

10)

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder“ v. 23. Juni 1888.

Vy Vx

tg ẞ

115

11)

2

d2 x

g sin a cos a . tg (At

d t² de y

2 g cos a tg (At

d t2

C2) 12)

2 Ca) C₂) -9

2 Antrieb W = P sin a cos a . tg (At C2) | 13) 2 2 = Druck von oben H ' P cos a tg (At C₂) Ich behalte mir eine ausführliche Diskussion dieser Resultate für einen zweiten Artikel vor.

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons ,, Herder"

vom 23. Juni 1888. Von Dr. V. Kremser. (Schluss . ) Zum

Schluss

dieser Ergebnisse

dürfte eine

Vergleichung

mit den

gleichzeitigen Temperaturbeobachtungen auf den norddeutschen Bergstationen nicht uninteressant sein .

Es wurde am 23. Juni 1888

Eichberg

·

(h -

349)

220.6

Wang



(h = 873)

180.2

Riesen gebirge Schneekoppe

(h = 1603 )

beobachtet um 2p : Temperatur Abnahme :

40.4

(5.6)

5º.3

(6.2)

120.9

Nach der auf den Ballonbeobachtungen fussenden Tabelle (S. 82 und 83 ) ergeben sich für dieselben Höhen die in Klammern gesetzten Werthe. Zwischen Eichberg und Schneekoppe bestand somit eine Temperaturdifferenz von 90.7 ,

während sich nach den Beobachtungen im Ballon für dieselbe

Höhendifferenz 11 °.8 ergiebt,

oder mit anderen Worten : im Riesengebirge

wurde eine Abnahme per 100 m von 0°.78 , in der freien Luft für dieselbe Aehnlich im Glatzer Gebirge : Höhe eine solche von 0°.94 beobachtet. Temperatur Temp. 2p Abnahme : 219.9 Lichtenwalde · (h 510) 5º.4 (6º.9) 16º.5 Glatzer Schneeberg (h = 1220) also Abnahme per 100 m 0 °.76 gegen (0°.97 ) in der freien Atmosphäre. Ebenso zeigt sich auch bei den anderen Bergstationen, dass die Ab nahme nach deren Beobachtungen viel geringer ist , als nach den Beob achtungen im Ballon — ein Resultat, das in Anbetracht der lokalen Er wärmungen, welchen eben selbst noch eine Gipfelstation ausgesetzt ist, zu erwarten war. Feuchtigkeit. Die Sicherheit, welche den oben erhaltenen Ergebnissen der Temperatur beobachtungen auch absolut genommen beigelegt werden kann, kommt leider 8*

116

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888.

den folgenden Angaben über die Feuchtigkeitsverhältnisse nicht in gleichem Grade zu. Nicht als ob die zu Grunde liegenden psychrometrischen Beob achtungen weniger verlässlich wären Sorgfalt auf dieselben verwendet

es wurde im Gegentheil noch mehr sondern weil es uns noch an einer

vollkommen zutreffenden Psychrometerformel für das verwendete Aspirations psychrometer gebricht. Die Wild-Jelinck'schen Tafeln mussten von der Benutzung von vornherein ausgeschlossen werden ; sie geben viel zu niedrige Werthe.

Glücklicherweise hat Sprung*) eine

vorläufige Formel ,

für das

Aspirationspsychrometer gültig, gegeben. Sie beruht zwar nur auf wenigen,

auch nicht völlig übereinstimmen

den Beobachtungen und dürfte wohl kaum auf die verschiedenen Formen der Assmann'schen Aspirationspsychrometer, ja nicht einmal auf alle Indi viduen der älteren Konstruktion , welche bei der Sprung'schen Untersuchung zu Grunde gelegt war, ohne Weiteres anwendbar sein ; es lässt sich jedoch erwarten , dass die noch hervorgehenden Modifikationen der Formel bedeutende Differenzen gegen die aus der ersten Formel ermittelte Feuch tigkeit nicht zur Folge haben wird, insbesondere aber nicht in dem Ver hältniss der resultirenden Werthe zu einander. Wenn somit auch die Zahlen für die absolute und relative Feuchtigkeit , welche einzeln nach der Sprung'schen Formel berechnet wurden, Anspruch auf absolute Genauigkeit nicht haben, so dürften sie doch von der Wahrheit nicht allzuweit entfernt sein, vor Allem aber haben die Schwankungen derselben unstreitig reale Bedeutung. Da Registrirbeobachtungen über den Gang der Feuchtigkeit an der Erdoberfläche nicht vorhanden sind,

so war es nicht möglich , in ähnlicher

Weise wie die Temperatur auch die Feuchtigkeit in der Höhe fortlaufend in Beziehung zu

setzen mit derjenigen

am Boden.

Es

wurde

vielmehr

einfach aus den vorhandenen Beobachtungen die mittlere Feuchtigkeit für die verschiedenen Schichten unmittelbar berechnet, wobei dieselben Höhen stufen wie bei der Temperatur gewählt wurden. Den tageszeitlichen Aenderungen während der Beobachtungsdauer (11a - 3p ) wird

zwar auf

diese Weise nicht Rechnung getragen ; man kann jedoch annehmen, dass dieselben, da auch die Temperatur eine geringe Schwankung gezeigt hatte, ebenfalls unbedeutend gewesen sein werden.

Ueberdies gehören die Zeit

momente der einzelnen Beobachtungen in jeder Schicht verschiedenen Stunden an, so dass die respektiven Mittel nahezu derselben Mittelzeit entsprechen ―― mit alleiniger Ausnahme etwa der 1. Schicht ( 1100-1400 m) , welche in den Beginn der Beobachtungen fällt . Man kann ferner ohne groben Fehler annehmen , dass dieser Mittelzeit auch die Beobachtung um 11p zu Gardelegen nahe liegt, welche genau dieselben Werthe

*) Das

wie

die

2p - Beobachtung ergab.

Wetter" 1888 pg. 105 : ff' -

b 0.5 (t − t) 755

Bei den schwachen

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888.

117

periodischen Aenderungen unten und wahrscheinlich auch oben erschien es somit gestattet, die Gardelegener Beobachtung der Feuchtigkeit

zum Ver

gleich heranzuziehen ; man erhält so folgendes Bild der vertikalen Ver theilung der Feuchtigkeit , 11a und 3p :

mittlere Höhe : m

gültig für eine gewisse Mittelzeit zwischen

absol. Mittel (Extreme) mm

Nach d. Hann

relat.

(Zahl d. Beob.)

Schicht

(2)

Gardelegen

(3)

1100-1400

1250

6.5 (6.7 ; 6.3)

58 (61 ; 55)

5.3

50

Mittel (Extreme) % 31

8.3

schen Formel mm 8.3

(6)

1400-1700

1550

5.2 (5.7 ; 3.5)

52 (61 ; 34)

4.8

(14)

1700-2000

1780

3.8 (5.2 ; 1.3)

44 (62 ; 17)

4.4

(10)

2000-2300

2140

2.1 (4.2 ; 1.0)

26 (49 ; 12)

3.9

(12)

2300-2500

2370

1.4 (3.3 ; 0.6 )

19 (47 ;

3.6

Zunächst

zeigt

ein Blick

auf

die

Spalten

8)

22 (Extreme) “ ,

dass

die

Feuchtigkeit, absolute wie relative, in derselben Schicht bedeutenden und, wie das Beobachtungsjournal

lehrt,

ganz plötzlichen Schwankungen unter

worfen ist, wenigstens bis zu den erreichten Höhen. Einmal, um 1h 26m, als der Ballon sich in einer Höhe von 2370 m befand, geschah es sogar, dass in unmittelbarer Nähe,

augenscheinlich nur wenige Hundert Meter

entfernt, und in gleicher Höhe im Verlaufe weniger Sekunden eine Wolke sich bildete, die allerdings nach einigen Minuten wieder aufgelöst war, — während gleichzeitig im Ballon nur 16 %

Feuchtigkeit beobachtet wurde.

Diese grossen irregulären Schwankungen in horizontaler Richtung deuten ohne Zweifel auf schnellen Wechsel des Regimes Ströme.

auf-

und

absteigender

Während entsprechend der anticyclonalen Wetterlage die Luft in

grosser Ausdehnung aus der Höhe nach abwärts sinkt, dringen als Folge der grossen Erwärmung der Erdoberfläche Luftmassen von unten keilförmig, säulenförmig gewissermassen in die Front jenes absteigenden Stromes ein, um sich dann , da die horizontalen Geschwindigkeiten verschieden , mit dem selben zu vermischen . Jene plötzlich auftauchende Wolke war sicherlich anderes als das Kapitäl einer vom Erdboden mit Macht empor

nichts

dringenden und durch die niedersinkende Atmosphäre noch nicht gestörten Luftsäule ; denn wenn man ein Luftquantum von der Beschaffenheit, wie sie die damaligen Beobachtungen an der Erdoberfläche zeigen (t27.5, e = 8.3 , b = 761 ) einfach nach der Theorie d . h . ohne jede Störung von ausserhalb aufsteigen lässt, dann tritt, wie eine Berechnung ergiebt, die Kondensation in einer Höhe von 2420 m ein, d. i. ungefähr dieselbe Höhe, in welcher die genannte Wolke gesehen wurde. Nur so wird es erklärlich , dass in unmittelbarer Nähe geringe und hohe Feuchtigkeit neben einander bestehen konnte. Deuten somit schon die Schwankungen auf eine gegenseitige Durch

118

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888 .

dringung und Mischung aufwärts und abwärts gerichteter Luftmassen hin, so kann unseres Dafürhaltens auch die exorbitant schnelle vertikale Ab nahme der absoluten Feuchtigkeit und vor allem auch das eigenthümliche Verhalten der relativen nur hierin seine Begründung finden . Die vertikale Vertheilung der Feuchtigkeit in unserer Atmosphäre bedarf überhaupt noch sehr weiterer Untersuchungen und auch noch eines umfassenderen einwurfs freien Beobachtungsmaterials .

Zu fundamentalen Forschungen sind hierzu eigentlich nur die Beobachtungen an den Gebirgsstationen benutzt worden ; dass deren Ergebnisse aber -- selbst die Giltigkeit der angewandten

Psychrometer- Formel vorausgesetzt

noch weniger als bei der Temperatur auf die freie Atmosphäre übertragen werden dürfen, wird wohl ohne Wider spruch allgemein anerkannt. Hann hat aus den Beobachtungen an Hoch stationen

eine Formel für die

Dampfdrucks

durchschnittliche vertikale Aenderung des h 6517 (Wo e den Dampfdruck in der abgeleitet: e = E. 10

Höhe h, E denjenigen im unteren Niveau bezeichnet) . Wenn nun auch nach den obigen Auslassungen dieselbe den Zuständen in der freien Atmosphäre kaum entsprechen dürfte, so erschien es doch interessant , die aus derselben sich ergebenden Werthe für dieselben Höhen mit den entsprechenden aus den Ballonbeobachtungen zum Zwecke der Vergleichung zusammenzustellen ; sind daher der obigen Tabelle in der letzten Spalte beigefügt . Man sieht, dass in den unteren Schichten, etwa bis zu 1600 m Höhe, der Dampf druck nach der Hann'schen Formel kleiner ist als der beobachtete ; dann aber kehrt sich dieses Verhältniss um und in einer Höhe von etwa 2400 m sie

wird der berechnete Werth fast dreimal so gross als der beobachtete . Die grosse absolute Trockenheit in den höheren Schichten würde noch nicht den Eindruck des Aussergewöhnlichen hervorrufen , wenn nicht auch die relative Feuchtigkeit trotz der bedeutenden vertikalen Temperaturabnahme eine so auffallende Verringerung zeigen würde . In den unteren Schichten erfährt sie zwar einen Zuwachs , um aber dann innerhalb der hier unter suchten Schichten mit der Höhe geradezu rapide abzunehmen. Es entstand so die Frage , wie kann eine solche , ja wie kann überhaupt eine Abnahme der relativen Feuchtigkeit mit der Höhe erklärt werden ? - Denkt man sich zum Zwecke einer allgemeinen Ueberlegung ein Luftquantum von bestimmten physischen Qualitäten frei von äusseren Einflüssen aufwärts bewegt, so wird sich der Dampfdruck , so lange der Sättigungspunkt nicht erreicht ist , nur im Verhältniss des zunehmenden Volumens oder des abnehmenden Luftdrucks, also sehr langsam verringern, während die Temperatur ( 1 ° per 100 m) und mit ihr die Maximalspannung sehr schnell abnimmt ; das Resultat ist die An näherung des Dampfgehaltes an den Sättigungswerth , d. h. eine Zunahme der relativen Feuchtigkeit nach oben . Sinkt umgekehrt eine abgeschlossene Luftmasse nach unten, so wird die absolute Feuchtigkeit nur im Verhältniss des zunehmeden Luftdrucks, d . h. langsam wachsen , während die Temperatur

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888.

119

und mit derselben der ihr entsprechende Maximaldruck des Dampfes unver hältnissmässig schnell erhöht wird ; der Dampfgehalt entfernt sich daher vom Sättigungspunkte immer mehr , d . h. die relative Feuchtigkeit nimmt nach unten hin ab. In beiden Fällen hat man also mit grösserer Höhe eine grössere

relative Feuchtigkeit !

Wenn trotzdem die

relative Feuchtigkeit

nach oben hin abnimmt, so kann dies seinen Grund nur haben entweder in einer äusserst verlangsamten Abnahme der Temperatur bezw . in einer Tem peraturumkehr (Nebel, niederer Stratus in winterlichen Anticyclonen) oder in einer besonderen Mischung der durch Verdunstung von der Erdoberfläche mit Feuchtigkeit geladenen aufsteigenden und Luftströmungen.

der trockenen absteigenden

Der letztere Fall soll an dem hier vorliegenden speziellen

Beispiel näher auseinandergesetzt werden . Im Grunde genommen kommt die Erklärung der Abnahme der relativen Feuchtigkeit bei

dem hier bestehenden Witterungscharakter auf dasselbe

hinaus , wie die Begründung der rapiden Abnahme des Dampfdrucks , denn die relative Feuchtigkeit ergiebt sich dann aus den Temperaturverhältnissen ohne Weiteres. Lässt man den absteigenden Luftstrom aus einer Höhe , wo er in voller Reinheit herrscht und wo der Luftdruck , der Dampfdruck sein mag bei Ausschluss sonstiger Einflüsse

weiter sinken, so wird an der Stelle , € wo der Luftdruckp geworden ist, der Dampfdruck p sein. Lässt man Τ

dagegen Luft aus der untersten Schicht (Luftdruck = P, Dampfdruck = E) für sich allein emporsteigen , so wird an derselben Stelle (Luftdruck = p ) die E absolute Feuchtigkeit PP vorhanden sein. Wenn nun aber in dem be trachteten Orte irgend eine andere Feuchtigkeit = e beobachtet wird ,

SO

scheint eine naturgemässe Erklärung hierfür die zu sein, dass dort die Luft in ihrer Zusammensetzung zu verschiedenen Theilen vom absteigenden und und aufsteigenden Luftstrome herstammt, oder kurz, dass eine Mischung eingetreten ist. Es ist alsdann zu berechnen , wieviel Luftmengen von oben und wieviel von unten stammen müssen , um eine Feuchtigkeit von der bestehenden Grösse zu ergeben. Bezeichnet man die respektiven Luftmengen mit und n , so muss die Bedingung E € v n ❤ p ist. Hieraus folgt : P pP + e =

erfüllt werden ,

dass

n + v V n

e -pE/P e η επ

als Mischungsverhältniss . Nimmt man an, dass die höchste hier beobachtete Schicht (s . d . Tabelle) lediglich dem absteigenden Luftdruck angehört

eine Annahme, die natür

lich in Ermangelung von Beobachtungen aus noch höheren Regionen nur

120

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder " v. 23. Juni 1888.

beispielsweise gemacht

wird

und setzt

demnach

*

1.4 ,

T = 577

(h = 2370), und legt man ferner als Ausgangswerthe für den aufsteigenden Luftstrom E = 8.3 , P 761 zu Grunde , so folgt als Bedingung für das Zustandekommen der den Beobachtungen entsprechenden absoluten Feuch tigkeiten in den zwischenliegenden Schichten vermittelst Mischung das Ver V (im Anschluss an die obige Tabelle) : hältniss n

h

e

1250

6.5

0.14

1550

5.2

0.5

1780

3.8

1.3

2140

2.1

6.6

n

d. h. zum Beispiel : in der Höhe von 2140 m muss die Luft zu 66 Theilen von oben, zu 10 Theilen von unten stammen, damit unter den vorhandenen bezw.

angenommenen

physikalischen

Zuständen

daselbst

eine

absolute

Feuchtigkeit von 2.1 mm die Folge ist. Es ist hier nicht der Platz, die zu solchen Mischungen nothwendige

Zirkulation der Luftmassen genauer zu verfolgen und zu erklären , und noch die berührten Fragen noch weiter zu diskutiren, die ermittelten Zahlenwerthe zu weiteren Hypothesen, Schlussfolgerungen oder zur Auf

weniger,

stellung von Formeln zu benutzen, zumal man sich stets vergegenwärtigen muss, dass die ermittelten Werthe der Feuchtigkeit nach den vorangestellten Auslassungen noch nicht die erforderliche Sicherheit haben. Wind. Da der Ballon , ein Spielball der Winde, allen Einflüssen der Luft bewegung unmittelbar Folge giebt während der besprochenen Fahrt wurde nur selten Wind in der Gondel verspürt ――――――― so bietet sein Weg ein vor treffliches Mittel zur Bestimmung der Richtung und Geschwindigkeit des Windes in den höheren Regionen, viel besser als die Beobachtung des Zuges der Wolken. Denn die letzteren sind nicht feste , unveränderliche Objekte, sondern im steten Entstehen , Wachsen und Vergehen begriffen , können sie sehr leicht die wahre Windbewegung verschleiern ; ja unter Umständen ver harren sie als lokale Kondensationsprodukte oder richtiger -prozesse über einem bestimmten Punkte und bleiben somit von der Luftströmung fast un berührt.

So manche Fragen über die Bewegungsverhältnisse in der freien

Atmosphäre dürften vielleicht nur durch zahlreiche Ballonfahrten oder durch Beobachtungen von kleineren Versuchsballons gelöst werden . Es soll daher die vorliegende Fahrt auch nach dieser Richtung sorgfältig diskutirt werden. Was zunächst die Windrichtung anbelangt , so war dieselbe nach dem Kurs des Ballons bis hinauf in die höchsten erreichten Höhen (2500 m)

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888.

121

eine fast genau östliche mit einer durchschnittlichen Abweichung von nur wenigen Graden nach Süd, während in der Nähe der Erdoberfläche die eben falls östliche Luftströmung eher etwas nach Nord abgelenkt war. Zu der auf Seite 75 gegebenen Beschreibung der Wetterlage bezw. Luftdruckvertheilung muss hier , um die östliche Strömung verstehen zu können, noch ergänzend hinzugefügt werden, dass ein schwaches sekundäres Maximum , das im Verlaufe der von 5 zu 5 mm fortschreitenden Isobaren nicht hervortritt, über Dänemark zu liegen schien. Nach den trigonometrischen Beobachtungen bewegte sich der Ballon in den ersten Minuten nach der Abfahrt (9h 21m) bis etwa zur Höhe von 500m fast nach Westsüdwest, um dann gegen 9h 40m, wo die Orientirung bezw. Einzeichnung in die Karten begann , mit aller Deutlichkeit ein wenig nach Norden hin umzubiegen und diese Richtung bis gegen 11a (Höhe 1800 m) innezuhalten; hierauf wendete er sich unter schwachen Krümmungen wieder nach Süden und zwar sehr ausgesprochen, als (1p) der grosse Letz linger Forst in Sicht kam, in dessen Mitte er sodann scharf nach Nordwest drehte ; er näherte sich in Folge dessen Gardelegen, wo die Bewegung jedoch sehr verlangsamt war; von da ging es wieder in kleinen Kurven , die nicht Es ist genau beachtet wurden , im Allgemeinen nach Westen hin weiter. überhaupt sehr zu beklagen ,

dass bei den verschiedenen dringenden und

drängenden Arbeiten in der Gondel der zurückgelegte Weg nicht schärfer, unter genauer Berücksichtigung von Ort und Zeit, in die Karten eingetragen werden konnte . Die Begründung der Windungen und Kursänderungen wäre auf Grund dieses Materials viel leichter und sicherer gewesen. So bleibt nur übrig, für die grossen Züge jener Abweichungen Erklärungen zu ver suchen. Dass dieselben in den allgemeinen atmosphärischen Zuständen be gründet wären, ist nicht gut anzunehmen. Einmal weil Luftdruck und Tem peratur sehr gleichmässig und regelmässig vertheilt waren , und dann weil die Abweichungen gleichen Sinnes keineswegs denselben Höhenlagen ent Es erscheint viel natürlicher, einen Einfluss der Bodenbeschaffen heit auf diese Aenderungen der Fahrtrichtung und somit der Windrichtung, selbst in den höheren Schichten anzunehmen . Grössere Wasseransammlungen sprechen.

und Waldkomplexe ziehen nach der Sprache der Luftschiffer den Ballon an, sowohl im vertikalen wie horizontalen Sinne . Dies gilt nur für den Sommer, und lässt sich wohl am einfachsten dadurch erklären , dass man eine ab kühlende Wirkung der Wasser- oder Laubmassen auf die darüber lagernden Luftschichten gegenüber den durch Besonnung stärker erwärmten freien Bodenflächen annehmen darf. Die Luft über den ersteren ist infolge dessen dichter, und die Flächen gleichen Druckes liegen tiefer als ausserhalb der selben . In der Höhe nimmt daher die Luftdruckvertheilung den Charakter eines , wenn auch schwach ausgesprochenen Minimums an, dessen Zentrum nun die Luft und damit der Ballon zustreben muss .

Das Resultat ist, dass

der Ballon nach dem Walde oder See hin abgelenkt wird und über den

122

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder“ v. 23. Juni 1888.

selben ins Sinken kommt.

Die Erfahrung hat dies thatsächlich mehrfach

bestätigt, nur blieb es fraglich , ob dieser Einfluss sich bis in die Höhen von 2500 m geltend machen kann .

Bei dem heiteren,

warmen und trockenen

Wetter werden jedoch Temperatur- und Luftdruckdifferenzen eben stärker hervorgetreten sein, um eine derartige Wirkung hervorzubringen . Untersucht man nach dieser Richtung den Aufriss der Fahrtlinie , so lässt sich that sächlich ein Einfluss der Wälder nicht verkennen. Verbindet man Berlin und Gardelegen durch eine gerade Linie, so fällt eine Ablenkung der Flug linie von derselben an allen den Stellen in die Augen, wo grosse Wald gebiete nahe liegen, so beim Spandauer Forst, dem ausgedehnten Buschlande auf der rechten Seite der Havel, deutlicher noch beim Grünauer Forst , am sichersten beim grossen Letzlinger Forst und

endlich noch jenseits von

Gardelegen bei den Klötz'schen Waldungen . Es wäre doch ein merkwürdiger Zufall , dass die Ausbiegungen der Fahrt immer mit der Lage der Wald komplexe zusammenfallen , ohne durch dieselben in der oben angedeuteten Weise beeinflusst zu sein! Vor der Besprechung der Windgeschwindigkeiten bei der Fahrt, deren Bestimmung bei der geringen Zahl zeitlich markirter Punkte leider ebenfalls nicht genügende Einzelheiten bietet,

mögen zuvörderst zur Ver

gleichung die stündlichen Mittelwerthe der Windgeschwindigkeit ( in m . p. s . ) an der Erdoberfläche nach den

Beobachtungen vom

23.

Juni

1888 zu

Berlin. Magdeburg und Hamburg hier Platz finden :

9-10

Hamburg .

12-1

Nachmittags 1-2 2-3 3-4

4-5

8.0

8.2

8.3

8.2

8.0

7.7

6.1

6.5

. 8.0 . 3.9

6.8

6.8

7.2

6.4

6.4

6.8

7.0

5.3

5.8

6.0

8.6

8.8

9.3

8.8

Berlin . Magdeburg

Vormittags 10-11 11-12

Eigenthümlich ist, dass Berlin und Magdeburg den gewöhnlichen täg lichen Gang der Windgeschwindigkeit bei heiterem Wetter nicht erkennen lassen, während er bei Hamburg, wohin der Ballon beinahe zusteuerte, sehr deutlich ausgeprägt war. Die Windverhältnisse in den unteren Regionen können, da die Beob achtungen im Ballon erst später begannen, nur durch die oben erwähnten trigonometrischen

Beobachtungen

ermittelt

werden.

Die Herleitung der

nöthigen Formeln und die Rechnungsmethode mag an dieser Stelle über gangen werden .

Darauf muss jedoch hingewiesen werden, dass infolge der

Mängel der Instrumente,

nicht ganz aufgeklärter Differenzen

in den Uhr

zeiten und endlich wegen der schnellen Fortbewegung des Ballons in der selben Richtung von beiden Beobachtern weg die erzielte Genauigkeit nur Nach dem angestellten Prüfungsverfahren eine mässige zu nennen ist. dürften die berechneten Höhen nur auf 8 % , die zugehörigen Geschwindig keiten vielleicht nur auf 5 % genau sein .

Das Resultat ist nun folgendes :

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder“ v. 23. Juni 1888. Zeit

Höhe m

(9 h 21 m) 9 23

0 270

9

25

460

9

28

870

9

32

1000

9

35

1090

9

37

1240

(9

43)

(1430)

123

Geschwindigkeit (m. p . s.)

(7.0) 9.4 9.7

12.3 11.9 11.4 (8.3)

Der erste Werth (7.0) ist fraglich, genug festgestellt worden ist, extrapolirten Beobachtungen wähnte Genauigkeitsgrad zu .

weil die Abfahrtszeit nicht genau

der letzte ( 8.3 ) deshalb, beruht ;

weil er schon auf

den anderen kommt der vorher

er

Unmittelbar ergiebt sich hieraus zunächst das erwartete Resultat, dass die Geschwindigkeit der Luftbewegung mit der Höhe zunimmt. Das Mass dieser Zunahme ist aber ein geringes, nämlich von 7-8 m am Erdboden bis etwa 121½ m der Höhe von 1000 Metern . Schon von da ab findet nun aber merkwürdigerweise eine deutliche Abnahme mit der Höhe statt. Dass dies etwa nicht auf Beobachtungsfehlern beruht, ergiebt das hiermit übereinstimmende Resultat der Beobachtungen vom Ballon aus, von welchen im Folgenden gesprochen werden soll.

Die festgelegten Punkte sind, wie

erwähnt, nicht zahlreich, aber sie genügen, um zu ersehen , dass in den höheren Schichten eine immerhin bemerkenswerthe Abnahme der Luft bewegung mit zunehmender Höhe bestanden hat.

Die Entfernungen in der

folgenden Zusammenstellung sind nur angenäherte Werthe,

aber doch mit

Rücksicht auf die grösseren Kurven der Fahrt ermittelt. Ent Mittlere Ge Zugehörige mittlere Höhe fernung Ort Zeit schwindigkeit m (m . p . s .) (km ) Auffahrtsstelle . 9h 21m 0 wegen schneller Aende 10.6 1. Havelübergang, südlich rung (0-1200) unbestimmbar 12 Schildhorn 9 40 2. Havelübergang, südlich Rathenow 11

34

72

Elbübergang, südwestlich von Stendal . . 12

25

98

Nahe Letzlingen

1

40

130

Ueber Gardelegen bis

214 (?)

Bunkenburg bei Celle

.

4

145 215

8.8

1400

8.5

1700

7.1

2100

7.0? 1)

2400

11.12)

Zwischen 2000 und 5002)

(11.9)3) (220) ³) 1 ) Inzwischen bis zu scheinbarer Stille abnehmend ; Gardelegen blieb bis 3 p sicht bar. 2) Von 2 h 40 m (h 2000 m ) ging es unter Schwankungen abwärts ; meist in tieferen Lagen fliegend. 3) Mit Rücksicht auf die wahrscheinliche Grösse der Kurven .

124

Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Herder" v. 23. Juni 1888. Die Abnahme der Geschwindigkeit machte sich den Insassen des

Ballons besonders

über Gardelegen

nicht von der Stelle " .

Während

unmittelbar bemerkbar :

einer geraumen ,

„ Man kam

allerdings aber nicht

festgestellten Zeit war somit die Windbewegung in einer Höhe von 2300 bis 2500 m noch langsamer als 7 m. p. s. Man könnte vielleicht zur Be gründung dieser Abnahme an den täglichen Gang der Windgeschwindigkeit in grösserer Entfernung von

der Erdoberfläche

denken.

Aber abgesehen

davon, dass dann die Espy-Köppen'sche Theorie hinfällig werden würde, welche in der Höhe eine absolut grössere Geschwindigkeit als an der Erd oberfläche

annimmt ,

während nach den Beobachtungen in der Höhe von

2500 m weniger als 7 m. p . s ., an der Erdoberfläche eher mehr als 7 m . p . s . anzunehmen ist, widersprechen diesem Gedanken auch die trigonometrischen Beobachtungen um 91/ a, welche jenes eigenthümliche Verhalten ebenfalls bereits angedeutet hatten .

Man wird daher wohl eine andere Luftdruckvertheilung in grösseren Höhen

zur Erklärung herbeiziehen müssen .

In der That ist dieselbe auf

Grund der Temperaturverhältnisse schon im Allgemeinen nicht schwierig. Denn im Maximum nimmt die Temperatur durchschnittlich nach Norden hin ab ; der Gradient muss daher nach oben hin für Ostwinde schwächer, für Westwinde stärker werden. Hier liegt nun aber nach der Wetterkarte von 8a des betreffenden Tages der noch günstigere Fall eines sommerlichen Luftdruckmaximums mit ausgesprochen kaltem Zentrum vor : Der Isobare 765 entspricht in Deutschland eine Temperatur von etwa 20 , während das Zentrum bei den Hebriden mit etwas mehr als 770 mm Luftdruck eine Temperatur von etwa 10 ° hat.

Am Nachmittagstermin war die Luftdruck

vertheilung dieselbe, während die Temperaturgegensätze sich sicherlich nur verschärft haben werden. Selbst wenn man aber nur die 8a - Temperaturen zu Grunde legt und die Temperaturabnahme über dem Meere nur zu 0.6, über dem Festlande aber zu 0°.9 pro 100 m annimmt, folgt doch mit Noth wendigkeit , dass in der Höhe von 2500 m die Luftdruckdifferenz nahezu ausgeglichen ist. zunehmender Höhe

Somit

erscheint die Schwächung der Luftströmung mit erklärlich. Dass sie aber in den untersten Schichten

noch gewachsen war, ist wohl in bekannter Weise der Verringerung der Reibung zuzuschreiben. Während der Ballon sich hoch in den Lüften in der geschilderten Weise bewegte, hatte inzwischen die Windgeschwindigkeit an der Erdober fläche merklich zugenommen. Dies zeigt sich zwar nicht, wie schon oben bemerkt, in den Registrierungen zu Berlin und Magdeburg, wohl aber in Hamburg, dem der Ballon bei der Landung wesentlich näher kam. Bei derselben raste daher der Ballon über den Erdboden dahin. Schilderung der Wirkungen,

welche die

unter dem Einfluss des Winddrucks mochte, übergangen werden .

Es mag die

am Boden fortgeschleifte Gondel

auf den Ballon hervorzubringen ver

Eine Beobachtung jedoch erscheint erwähnens

125

Noch einmal die „ aëronautischen Streitfragen “ . werth.

Als der Ballon schon mehrere Hundert Meter am Erdboden entlang

geschleift war,

standen plötzlich drei,

schätzungsweise 25 m hohe Eichen

im Wege, zwischen denen der Ballon vielleicht hätte durchkommen können . Kurz vorher wurde derselbe aber,

offenbar infolge der Windstauung vor

den Eichen, sammt der Gondel wieder in die Höhe gehoben und über die Eichen gejagt , um auf der anderen Seite wieder aufzuschlagen. Zur Illustration der Windkraft und des Windweges bei Hindernissen unter immerhin noch mässiger Luftbewegung ein sehr lehrreicher Fall !

Bemerkenswerthe optische Erscheinungen, zu deren Beobachtung alles vorbereitet war, trafen bei dem klaren Wetter - erst gegen Schluss zeigte sich im

Südwesten zusammenhängendes

Cist . - Gewölk

nicht

ein ; der

Himmel blieb heiter, er war reiner, aber keineswegs intensiver blau als unten. Interessant war es, dass man am Horizont das Dunstmeer sich ziemlich scharf gegen den Himmel abheben

sah; auf dem Dunstmeere

schwammen vereinzelt, infolge des Durchblicks jedoch scheinbar perlschnur artig aneinandergereiht,

kleine Cumuli

eine Erscheinung,

die man ja

von höheren Punkten in den Alpen häufiger zu sehen in der Lage ist. * * * Die bescheidenen Beiträge zu unseren Kenntnissen vom Luftmeere , welche

diese Fahrt

wendigkeit zeigen,

ergeben hat, durch weitere

dürften wohl nur noch mehr die Noth Fahrten und

Material zu noch eingehenderen Studien Meteorologie

das

Heil zu

erwarten !

erweiterte Beobachtungen

zu sammeln.

Möchte

die

Zusammengehen der Luftschiffer und Meteorologen,

Von oben hat die

Mahnung zu thätigem welche Professor von

Bezold bei der Feier der 100. Sitzung des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt in so beredter Weise an denselben richtete, recht lange nachhaltig wirksam sein und für beide Theile gute Früchte zeitigen.

Noch einmal die ,, aëronautischen Streitfragen". In Heft 12. Jahrgang 1889 , dieser Zeitschrift erschien eine Besprechung über Plattes " Erörterungen der wichtigsten aëronautischen Streitfragen " . mit welcher ich mich, bei aller persönlichen Hochachtung für den Herrn Verfasser der Kritik und in rückhaltlosester Anerkennung seiner vielen Verdienste um den Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt und um diese selbst, nicht einverstanden erklären kann . Indem ich hoffe, dass eine nähere Darlegung der Gründe der Sache an sich nur zu nützen vermag, möchte ich mir erlauben, über die in Rede stehende Arbeit meine bescheidenen Ansichten näher darzulegen. Ich glaube, Herr Platte verfolgte bei Verfassung seiner Brochüre allein. den Zweck , einzelne Fragen der Flugtechnik , welche ihm nach seinem individuellen Dafürhalten , durch die bis dahin erschienene Litteratur noch nicht völlig durchgearbeitet schienen , einer wünschenswerthen Klärung zu unterziehen. Darin , dass Herr Platte auch in seiner neuesten Schrift seinen

Noch einmal die „ aëronautischen Streitfragen ".

126

einmal gewonnenen festen Ueberzeugungen nicht untreu wird, vermöchte ich keinen Fehler zu entdecken ; umsoweniger, als er bestrebt ist, in derselben seinen Ideen neue Nahrung zuzuführen. In wie weit Herr Platte mit den Thatsachen sich deckt, wenn er über die aëronautischen Vereine ein abträgliches Urtheil fällt, kann ich noch nicht entscheiden . Jedenfalls hat er Recht, sich zu beklagen, dass die Gelehrtenwelt sich konsequent der Luftschiffahrt fernhält. Giebt es doch eine Menge hochwissenschaftlicher Fragen, welche die Luftschiffahrt auf's Innigste berühren und deren Lösung für das Gedeihen derselben von hohem Werthe wäre . Ich möchte hier speziell die noch bei weitem nicht abge schlossenen Versuche über Luftwiderstand, und den Einfluss des Windes auf sich selbstthätig in der Luft bewegende Mechanismen, und endlich den Vogel- und Insektenflug im speziellen hervorheben . Die Auffahrten mit unlenkbaren und mit den Kaptivballons, welche von den Militärbehörden der meisten europäischen Staaten mit Eifer be trieben werden, hatte Herr Platte sehr Unrecht eine Spielerei zu nennen, da sie weit entfernt sind, eine solche zu sein, und auch der Aëronautik, wie der Flugtechnik namhaften Nutzen gewähren. Herr Platte ist , als ein im Dienste ergrauter, praktischer Ingenieur. weniger Mathematiker, als Naturbeobachter ; als solcher aber leistete er vorzügliches . Trotz aller Anfeindungen bleibt er beharrlich bei dem, was ihm die Natur in tausenden von Variationen täglich vor Augen führt . Umsonst sucht man streng mathematische Nachweise in der Schrift, man ist aber versucht, gerne auf dieselben zu verzichten, so überzeugend setzt Platte die in den einzelnen Kapiteln behandelten Fragen auseinander . Er sagt , dass Wind , Gewicht und Luftwiderstand nicht nur als bewegungsverzögernde , sondern auch im hohen Grade als flugfördernde Faktoren zu betrachten seien. Er behauptet , dass der Vogel , vermöge seiner Bauart , mit grossen Unterflächen und verhältnissmässig kleinen Vorderflächen auf das Schweben von Natur aus geradezu hingewiesen sei, und dass mit dem Wellenfluge, wo der Vogel beim Abwärtsgleiten lebendige Kraft in sich gesammelt, um sie dann zum Aufwärtsfluge, ohne grosse Muskelarbeit zu verrichten, auszunützen , eine grosse Kraftersparniss resultire . Konsequenter Weise folgert Herr Platte daraus, dass auch die Aviation an den von der Natur in so glänzender Weise uns vor Augen geführten Bei spielen, sich ein Muster nehmen solle, um das Ziel ihrer Wünsche zu erreichen . Herr Platte

schildert das Fiasco

der bis nun bekannten lenkbaren

Ballons, und ich glaube, es kann ihm hierbei Niemand Unrecht geben. Es ist sehr schwer, wenn man nicht eben durch des Schicksals be sondere Gunst selbst mit irdischen Glücksgütern reich gesegnet ist — praktische Versuche in der Luftschiffahrt zu unternehmen . Ich glaube, es sollte Niemandem ein Vorwurf deshalb gemacht werden , weil er nicht in der Lage ist, seine Ideen auch thatsächlich zu verwirklichen . Wer an der geistig zu leistenden Arbeit redlich sein Schärflein , wenn auch nur im Wege litterarischer Besprechungen, beitrug, hat schon etwas geleistet. Doppelte Befriedigung kann aber jenen erfüllen, dem es gelungen ist , ein braches unbekanntes Feld der Kultur zu gewinnen .

im

Die aëronautischen Streitfragen haben den unmittelbaren Anlass gegeben, Flugtechnischen Vereine zu Wien Gegenstand von zahlreichen Dis

Kleinere Mittheilungen .

127

kussionen zu bilden, von welchen die Luftschiffahrt sicher grossen Nutzen zu ziehen in der Lage ist. Ich für meine Person möchte Allen sich mit Luftschiffahrt und Aviation näher Befassenden die eingehende Lektüre des in Rede stehenden Büchleins anempfehlen . Wer mit demselben sich nicht einverstanden erklären kann, wird sich ebenso wie Herr Platte den Dank der Leser erwerben , wenn er an der Hand von Thatsachen versucht, eine fachgemässe Widerlegung des in den aëronautischen Betrachtungen Gebotenen zu veröffentlichen . Wohl soll man dem 99 Volke das Beste und das Fertige " reichen ; die in Rede stehende Schrift ist aber nicht dem Volke , sondern, wie der Ver fasser auf Seite 28 sagt : „ nur den engeren Freunden der Flugtechnik, welchen die ab und zu berührten theoretischen Aufgaben schon bekannt sind, gewidmet “ . „ Das Bessere ist der Feind des Guten ", und gut anregend glaube ich die aëronautischen Streitfragen bezeichnen zu dürfen ; desshalb freute ich mich ihres Erscheinens. Von dem Gesichtspunkte ausgehend, dass die grosse Sache, welcher wir alle gemeinsam dienen, nur gewinnen könne, wenn, im Ringen nach Wahrheit, Klarheit in offene Fragen (sei es im Wege schriftlicher Meinungs äusserungen, sei es im noch besseren Wege des Experimentes ) gebracht werde, unternahm ich es, noch einmal auf die aeronautischen Streitfragen hinzuweisen. Mögen sie immerhin einen Zankapfel bilden, desshalb sind sie Streitfragen . Die Geheimnisse der Natur sind uns verschleiert und nur mühevoll brich sich richtige Erkenntniss Bahn . Wir alle sind Menschen und streben und können wie Menschen auch irren . Wer redlich strebt, hat sich des Irrthums nicht zu schämen . Und immer gilt des Dichters hohes Wort : Hoernes, Oblt. „ Durch Kampf zum Sieg! "

Kleinere Mittheilungen. -

Explosion eines Luftballons. Aus München - Gladbach wird unter dem 28. April berichtet : „ Der gestern im Kaisergarten aufgelassene Luftballon „ Stollwerck " , welcher von seinem Besitzer und Erbauer, Kapitän Wolff aus Köln, gefahren wurde, sollte gar bald ein tragisches Ende erleben, welches beinahe für Hunderte von Menschen verhäng nissvoll hätte werden können . Kapitän Wolff giebt der „ Gl . Ztg. " folgenden Bericht über die Katastrophe. „ Der Ballon wurde Nachmittags um 5 Uhr aufgelassen, derselbe steuerte von einem leichten Winde getrieben auf SW zu. Als Passagiere waren an Bord ein Herr und eine junge Dame von M. - Gladbach ; ausserdem hatten wir 3 Zentner Ballast, hinreichend, um eine Fahrt bis Köln auszuführen . Aber das Schicksal hatte es anders bestimmt. Wir stiegen bis 1350 Meter ; wir hatten 3 Grad unter Null, also Kälte ; leise und langsam stiegen wir bis unter eine dichte Wolke, welche eine ganze Anzahl von Schneeflocken auf uns niedersandte. Da tönte es dumpf über uns, ein Gewitter der schwersten Art kam schnell an uns vorüber. Infolgedessen bereitete ich den Ballon für den Abstieg vor, um nicht eventuell eine Sturmfahrt mit unberechenbarem Ausgang zu bekommen, umsomehr, da ich eine Dame an Bord hatte, weshalb ich doppelt vorsichtig war. Die Landung ging glatt, ruhig und ohne jeden Aufschlag von statten, sodass wir wohlbehalten in der Nähe des Gasthauses von Schelsen niederkamen . Kaum waren die Passagiere ausgestiegen , so ging ein Höllenspektakel von den versammelten Leuten los , sodass ich mich heiser schreien konnte ohne jeden nennenswerthen Erfolg. Ich bat die Herren, die Cigarren und Pfeifen wegzuthun ; ich habe persönlich die Leute zurück gedrängt, aber es war nicht möglich, solche unverständige Menschen zum Zurückgehen

128

Kleinere Mittheilungen .

zu bewegen. Die Katastrophe sollte denn auch kommen ; ein Bursche, welcher sich in der Nähe eine Pfeife anzündete, war die Veranlassung , dass das ausströmende Gas plötzlich mit donnerähnlichem Knall explodirte und den Ballon in Brand setzte. Ein heftiger Wind trieb in zwei Meter Höhe den Ballon über uns weg ; alles stob aus einander, fiel übereinander, viele Männer hatten Brandwunden , und leider gerade die jenigen, welche so liebenswürdig waren , zu helfen . So musste der Unschuldige mit dem Schuldigen leiden . Damit der brennende Ballon nicht auf das Dorf zu fliegen konnte, hielt ich am Netz den Ballon fest und wurde so eine ganze Strecke geschleift, da ich nicht loslassen wollte, um die armen fliehenden Menschen nicht verbrennen zu lassen. Ich habe infolge dessen auch nur Trümmer des Ballons wieder mitbringen können, welche im Saal des Kaisergartens zur Ansicht liegen. " Wie das genannte Blatt hört, hat Herr Wolff ausserdem noch schlechte Geschäfte gemacht, da nur 200 Personen im Kaiser garten anwesend waren. Herrn Wolff trifft dieser Verlust sehr empfindlich , da der Herr jetzt nicht in der Lage ist, seine kontraktlichen Fahrten in der Kriegskunst- Ausstellung zu Köln auszuführen . " Brieftauben-Versuche in Russland. Am 16. September v. J. fand in St. Peters burg ein interessanter Aufstieg mit dem Ballon der kaiserlichen technischen Gesell schaft zu dem Zwecke statt, um Uebermittelungsversuche von Notizen und Negativ Photographieen mittelst Brieftauben vom Ballon aus anzustellen . Die Luftschiffer waren der Ingenieuroberst Kozlof , der Chef der Luftschifferabtheilung Ko wagnko und die Professoren Wroblewsky und Malachowsky , welcher letztere die Luftreise in einem interessanten Artikel in der Zeitschrift „ Niwa" beschreibt . Die auf Häutchen mittelst einer in der Gondel eingeschifften Camera obscura erhaltenen Negativphotographieen wurden, nachdem sie genügend zum Schutze gegen die Einwirkungen des Lichtes bedeckt worden, den Tauben anvertraut, welche die Luftschiffer in Käfigen mit sich führten ; die Tauben zeigten durchaus nicht den Wunsch, die Gondel zu verlassen , und mussten mit Gewalt entfernt werden , worauf sie alsbald die Richtung nach ihrem Bestimmungsort einschlugen und in kurzer Zeit Nachrichten und Photographieen dorthin beförderten. Die Resultate der Versuche waren äusserst befriedigend , ebenso auch die anderer wissen schaftlichen Beobachtungen, welche die Luftschiffer in Gemässheit des vorher durch die erwähnte kaiserlich russische technische Gesellschaft aufgestellten Programms unter Be. nahmen. (Memorial de ingenieros , 15. 11. 89. ) - Luftschiffahrt und Marine in Frankreich. Man wird sich erinnern, dass vor etwa einem Jahre in Toulon unter Leitung des Linienschiffslieutenants Serpette Versuche mit Fesselballons am Bord eines Fahrzeuges angestellt wurden. In Folge dieser sehr gut gelungenen Versuche hatte der Marineminister in diesem Hafen und in Brest Luft schifferparks organisiren lassen , doch hatte man sich nicht weiter mit denselben beschäf tigt . Nunmehr sind in Toulon Befehle zur Vereinigung einiger Matrosen und Avancirten am Mittelmeergeschwader eingetroffen, welche unter der Leitung des Lieutenants Serpette eine praktische Luftschifferausbildung geniessen werden. Zugleich wird eine Anzahl ausgedienter, unter den Befehl des Hafendirektors gestellter Matrosen eine gleiche Aus bildung erhalten ; diesen Leuten wird auch die Instandhaltung des Materials obliegen. Man kann daher erwarten, nächstens die grossen Kriegsschiffe mit Fesselballons ausge rüstet zu sehen. Berghaus. Bewaffnung der Militär- Luftschiffer in Frankreich. Auf Befehl des Kriegsministers sollen im Kriegsfalle Militär- Luftschiffer anstatt mit dem Repetirgewehr mit dem Artillerie Karabiner (mousqueton d'Artillerie) ausgerüstet werden, um ihnen das Manövriren mit dem Ballon bei starkem Wind nach Möglichkeit zu erleichtern . (La Françe aérienne. ) Moedebeck.

Druck von Beyer & Munch, Berlin SW., Kochstr. 55.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur: Dr. phil. Wilh . Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W., Jägerstrasse 73.

IX. Jahrgang .

1890.

Heft VI.

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs . Von Hansen, Regierungs- Baumeister in Hannover. Als vor einigen Jahren der lenkbare Ballon erfunden wurde , man vielfach die Ueberzeugung aussprechen ,

hörte

dass hiermit das schwierige

und vielumstrittene Problem des lenkbaren Luftschiffs endgültig gelöst sei , und man konnte sich der Hoffnung hingeben , dass diese ersten Anfänge sehr bald zu einem wirklich brauchbaren Luftschiff führen würden, d. h. einem

solchen ,

welches

ausreichende

Geschwindigkeit

und

vollkommene

Lenkfähigkeit mit einander vereinigt. Diese Erwartungen sind leider nicht in Erfüllung gegangen.

Nicht

nur hat das ursprüngliche Luftschiff bis jetzt keine wesentlichen Verbesse rungen erfahren , sondern es hat sich auch bei näherer Prüfung heraus gestellt, dass die Erfolge desselben nicht so bedeutend sind, als es ursprüng lich schien . Jedenfalls ist es Thatsache, dass zur Zeit noch kein lenkbares Luftschiff vorhanden ist, welches auch nur den bescheidensten Ansprüchen in Bezug auf Geschwindigkeit und Lenkbarkeit Genüge leisten könnte. Vergleichen wir damit die staunenswerthen Erfolge , die inzwischen auf anderen Gebieten unserer hochentwickelten Technik erzielt sind, bei der elektrischen Beleuchtung, dem Telephon,

z . B.

dem Phonographen,

so

müssen wir sagen, dass die Luftschiffahrt dagegen zurückgeblieben ist. Woran kann das liegen? Unzweifelhaft hat für den Laien, d . h. für denjenigen, der mit den einschlägigen physikalischen Gesetzen nicht vertraut, oder der wenigstens nicht gewohnt ist, damit zu rechnen, die Idee des lenkbaren Ballons viel Verführerisches an sich.

Da die bedeutende Tragkraft des Ballons allgemein

bekannt ist, während andererseits die Neigung besteht. den Luftwiderstand , IX. 9

130

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs.

als etwas weniger Bekanntes, zu gering zu schätzen , so darf es nicht über raschen ,

dass

vielfach die

Ursache

für

die

bisherigen Misserfolge des

Problems lediglich im Vorhandensein bedeutender technischer

Schwierig

keiten gesucht wird . Wenn auch nicht geleugnet werden kann,

dass unser Problem that

sächlich mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, so legt der Ver fasser diesen doch keine so grosse Bedeutung bei, dass sie bis jetzt die weitere Entwicklung der Luftschiffahrt hätten zurückhalten können . Bei dem heutigen Stande unserer Technik , wo man fast täglich yon den gross artigsten Erfindungen hört, wäre es kleinlich , in dieser Beziehung an ihrem Können zu verzweifeln . Wir sehen überall, dass, sobald erst die richtige Idee

einer Erfindung auftaucht,

dieselbe auch innerhalb ganz

kurzer Zeit

eine praktische Verwerthung findet . Der Verfasser neigt daher der Ansicht zu ,

dass eine andere Ursache

für das Scheitern der bisherigen Versuche verantwortlich sei, nämlich die : dass das Prinzip des lenkbaren Ballons ein verfehltes ist. Bringt man die Gesetze über den Luftwiderstand von Körpern , welche bis jetzt leider nur sehr unvollkommen bekannt sind, zur Anwendung auf den Ballon, und setzt man ferner die bekannte Leistungsfähigkeit unserer Kraftmaschinen damit in Beziehung,

so zeigt sich in der That,

dass der

lenkbare Ballon wenig Aussicht hat , jemals eine praktisch brauchbare Gestaltung zu erlangen . Die grösste bisher erzielte Geschwindigkeit von 6m

ist vollständig unzureichend ;

muss

soll das Luftschiff brauchbar sein ,

es eine Geschwindigkeit besitzen ,

so

welche diejenige der gewöhnlich

vorkommenden Winde erheblich übersteigt, also mindestens 15-20 m.

An

Erreichung dieses Zieles ist aber beim Ballon in absehbarer Zeit nicht zu

denken ;

denn

es

bleibt

stets

die

nicht

wegzuleugnende

Thatsache

bestehen, dass bei grössern Geschwindigkeiten die Bewegungswiderstände so ausserordentlich wachsen, dass die Kraft unserer Maschinen nicht aus reicht zu ihrer Bewältigung .

Obwohl die Möglichkeit nicht ausgeschlossen

ist, dass durch zweckmässigere Einrichtungen in der Zukunft die Leistungen des Ballons vergrössert werden können , so sind doch vorläufig wesentliche Verbesserungen nicht zu erwarten. Erwägungen und Berechnungen dieser Art veranlassten den Verfasser nach einer günstigeren Form für das lenkbare Luftschiff zu suchen, führten zu dem Ergebniss ,

dass das rein dynamische Luftschiff,

und

welches

den folgenden Berechnungen zu Grunde gelegt ist, mehr Aussicht auf Er folg bietet. Da die Unterlagen , auf welche sich die folgenden Berechnungen stützen, vielfach noch der wünschenswerthen Zuverlässigkeit und Bestimmt heit entbehren, und sich voraussehen lässt, dass die angestrebte Lösung des Problems noch vielfache Wandlungen durchmachen muss, ehe sie zur Aus führung reif ist, hielt es der Verfasser nicht für angezeigt, mit dem fertigen

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs .

131

Entwurfe eines Luftschiffes vor die Oeffentlichkeit zu treten, sondern stellte sich die Aufgabe, suchen und

das Problem nach allen Seiten theoretisch zu unter

die zu erwartenden Schwierigkeiten auf rechnerischem Wege

ihrer Lösung entgegen zu führen . Es war nöthig , diese Berechnungen an eine bestimmte Form des Luft schiffes anzuknüpfen. Vom Verfasser wurde dazu die Drachenform gewählt, ähnlich den bekannten Papierdrachen , die unserer Jugend als Spielzeug dienen. Die Fortbewegung des Luftschiffs soll vermittelt werden durch eine Flügelwelle, deren Wirkungsart ähnlich zu denken ist wie bei der Schiffs schraube, und die durch eine Kraftmaschine getrieben wird . Letztere befindet sich in einer Gondel,

welche auch für die Aufnahme von Personen ein Die Steuerung in senkrechter und wagerechter Richtung kann entweder durch ein entsprechend geformtes Steuerruder erreicht werden,

gerichtet ist.

oder dadurch, dass die Flügelwelle nach beiden Richtungen hin beweglich Ersteres dürfte am einfachsten sein .

gemacht wird .

Fig. 1 und 2 zeigen Grundriss und Aufriss des Luftschiffes in schematischer Darstellung. In

Fig. 1.

diesen Skizzen ist, um die Berechnungen übersicht licher gestalten zu können , die Gondel als selbst ständiger, unter dem Luftschiff hängender Körper dargestellt. mässiger,

Für die

Ausführung ist es

dieselbe in eine feste

zweck

organische Ver

Fig. 2.

bindung mit dem Luftschiff zu setzen , so dass sie den Rumpf bildet, anschliesst.

an welchen

sich alles andere

Verschiedene Gründe sprechen zwar dafür, dass es günstiger sei, dem Luftschiff nicht die langgestreckte

Fig. 3.

Form eines Drachens, sondern eine vogelartige Gestalt Es ist wahrscheinlich, dass die zu geben (Fig. 3 ) . welcher bei den fol Luftwiderstand, dem von letztere genden Berechnungen eine Hauptrolle spielt, in günsti gerer Weise beeinflusst wird, als der Drache, und dass demnach bei gleicher Leistungsfähigkeit das Luftschiff von der Form eines Vogels geringere Abmessungen zu erhalten braucht. Diese Anschauungen

stützen sich jedoch

lediglich

auf Vermuthungen, die bis jetzt nicht durch Versuche geprüft und daher nicht ausreichend sicher sind , um eine Unterlage für die folgenden Berechnungen abgeben zu können . Es ist daher für die nachstehenden Untersuchungen die voraus sichtlich ungünstigere Drachenform beibehalten . weil die vorhandenen und 9*

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs.

132

durch Versuche festgestellten Formeln über den Luftwiderstand unmittelbaren Anwendung auf dieselbe eignen. Die erste Anregung

sich zur

zu dem Gedanken,

das Problem des lenkbaren

Luftschiffs in der angedeuteten Art zu lösen,

erhielt der Verfasser durch

die Beobachtung, dass einzelne Vogelarten, z. B. der Storch, die Weihe, die Schwalbe, im Stande sind, längere Zeit in annähernd waagerechter Richtung vorwärts

zu schweben,

machen brauchen . Thatsache,

ohne

dass

sie

die geringste Flügelbewegung zu

Eine weitere Anregung

ergab sich aus der bekannten

dass an der Leine gehaltene Papierdrachen vom Winde empor

gehoben und in der Luft frei schwebend erhalten werden. Das Wesentliche beider Erscheinungen besteht darin, dass ein Körper, dessen Gewicht im Verhältniss zu seiner Flächenausdehnung gering ist, in eine relative Bewegung zu der ihn umgebenden Luft gesetzt wird und der hierbei auftretende senkrechte Luftwiderstand der Fig. 4.

Lei

Schwere des Körpers das Gleichgewicht hält. Fig. 4 und 5 bedeuten Aufriss und Grundriss

a

eines Drachens , dessen Dicke gleich Null gedacht ist. Der Winkel mit der Horizontalen sei ɑ . Es wirken

ne

Fig. 5.

auf denselben folgende Kräfte : 1. Der Luftwiderstand, welchen wir ersetzt denken können durch eine Kraft P senkrecht und eine Kraft R parallel zur Drachenfläche (Fig. 6). 2. Das Eigengewicht G₁ des Drachens . 3. Die Spannung Q der Leine, welche wir in die

Fig. 6.

Kraft Z,

(in der Drachenebene) und die Kraft G₂

(parallel G₁ ) zerlegen wollen. 709

Nach Ausführung dieser Zerlegung entsteht neben stehendes Kräftebild (Fig. 6) , welches auch gültig ist für den Fall, dass die Luft sich in Ruhe befindet,

PG während die Leine in waagerechter Richtung mit der Geschwindigkeit v vorwärts gezogen wird . Im letztern Falle sei N die Summe der horizontalen Komponenten aller Bewegungswiderstände ; dann N. v. ist die zu überwindende Widerstandsarbeit in der Zeiteinheit während die A₁

mechanische Arbeit der treibenden Kraft in der Zeiteinheit

Z.v.cos a ist.

Genau dasselbe Kräftebild wie oben entsteht, wenn

wir die Leine fortlassen und dagegen eine Maschine vom Gewicht G am Drachen anbringen, welche durch Drehung der Flügelwelle die nutzbare Triebkraft Z erzeugt. Ganz unzweifelhaft sind wir daher im Stande, ein Luftschiff von genau derselben Form und demselben Gewicht wie der Papierdrache mit der beliebigen Geschwindigkeit

im Raume vorwärts zu

treiben, wenn es möglich ist, eine Kraftmaschine herzustellen, welche, bei einem Gewicht = Gg,

eine so grosse nutzbare Triebkraft Z leistet ,

dass

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs . dadurch die Bewegungswiderstände, überwunden werden. Die Bedingungen,

133

einschliesslich desjenigen der Gondel,

unter denen dies möglich ist, sollen im Folgenden

ermittelt werden ; wir wollen uns jedoch darauf beschränken, lediglich den Fall der gleichförmigen Bewegung rechnerisch zu untersuchen. Wenn die Maschine ausreichend stark ist, um das Luftschiff längere Zeit hindurch in

gleichförmiger Bewegung zu

auch grösseren Schiffes.

Ansprüchen

erhalten,

genügen,

so kann sie offenbar zeitweise

z.

B.

bei

der Ingangsetzung

des

Wir wollen jetzt die hauptsächlichsten Punkte in's Auge fassen, welche auf die Lösung unseres Problems von Einfluss sind : 1.

Die

Grösse

der mechanischen Arbeit,

welche

von einer

Kraft

maschine geleistet werden kann, ist unzweifelhaft in hohem Grade abhängig von ihrem Gewicht (alle Betriebsmaterialien, Brennftoffe u. s . w. sind in dies Gewicht einbegriffen) .

Je grösser die Masse der zu leistenden Arbeit

ist, namentlich wenn dieselbe sich über eine längere Zeitdauer gleichmässig vertheilen soll , um so grösser ist das Gewicht der betriebsfähigen Maschine. Es

werde

angenommen,

dass

die gesammte

von der Maschine

zu

leistende Arbeit sich gleichmässig über die ganze Zeitdauer ihrer Thätigkeit vertheilt ; unter dieser Voraussetzung soll das Verhältniss : Nutzbare Arbeit der Maschine pro Zeiteinheit Gewicht der Maschine

A =

mit dem

Namen

„ Leistungsfähigkeit der

Maschine " = L belegt

G werden. Je nach der Länge der Zeit während welcher die Maschine ohne Er gänzung ihres

Bedarfs

an Brennmaterial ,

bezw.

ohne Erneuerung ihres

Kraftvorraths, arbeiten soll , ist natürlich die Grösse L etwas veränderlich ; sie wird um so kleiner, je länger die Zeit ist . Wir wollen jedoch L als unveränderlich ansehen und den Werth so wählen, dass eine Arbeitsdauer der Kraftmaschine von etwa einigen Stunden erzielt werden kann . erscheint L

Passend

2 , d . h. eine Kraftmaschine von 100 kg Gewicht kann eine

Arbeit von 200 kgm leisten. 2.

Sodann wären

die Beziehungen

zu ermitteln

zwischen der nutz

baren Triebkraft Z und der nutzbaren Arbeit der Kraftmaschine, die Flügelwelle in Bewegung setzt.

welche

Aus den am Schluss dieses Aufsatzes

folgenden Untersuchungen ergiebt sich, dass die nutzbare mechanische Arbeit der Triebkraft, welche wir kurz mit dem Namen „ Triebarbeit “ bezeichnen wollen , gleich dem nten Theil der nutzbaren Arbeit der Kraftmaschine sei. In Zahlen lautet dies A

A₁ = n n ist schätzungsweise zu etwa 1,2-2,0 angenommen.

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs .

134

3. Wenn n und L als gegebene Festwerthe angenommen werden, die je nach der Art der Kraftmaschine und der Form der Flügel etwas ver schieden ausfallen können , so hängt die Entscheidung darüber ob das geplante Luftschiff möglich ist , lediglich von namentlich von dem Verhältniss :

den

Luftwiderständen ab ,

Auftrieb

Es

Bewegungswiderstände soll daher unsere Aufgabe sein, einerseits

die

Grössen

dieser

Kräfte zu ermitteln, andererseits zu untersuchen , ob es angängig ist, durch Wahl einer geeigneten Form des Schiffes bezw. durch andere Mittel dies Verhältniss so günstig zu gestalten, dass die Leistungsfähigkeit unserer vor handenen Kraftmaschinen gross genug ist, um eine ausreichende Geschwin Der Widerstand, welchen die Fläche des Drachens digkeit zu erzeugen. erfährt, muss offenbar denselben Gesetzen folgen, wie der Luftwiderstand Letzterer ist durch Versuche im Mittel zu von Planscheiben. P

♡ v2 · ĭ · F 2g

bestimmt worden, wenn die Scheibe senkrecht zu ihrer Bewegungsrichtung steht. Es bedeutet : P den Luftwiderstand der Scheibe , einen Festwerth, der im Durchschnitt 1,9--2,0 beträgt, v die Geschwindigkeit der Scheibe, das spezifische Gewicht der Luft, g die Beschleunigung der Schwere , F die Fläche der Scheibe. Bildet dagegen die Scheibe mit der Bewegungsrichtung den Winkel a, so sollte man nach der Newtonschen Theorie des Winddrucks erwarten; dass der Widerstand Pa, welchen sie senkrecht zu ihrer Fläche erfährt = P. sin a sei (P hat dieselbe Bedeutung wie oben) . Zahlreiche Versuche z . B. von Hagen, v. Lössl, Vince, Hutton , haben jedoch ergeben, dass dies nicht richtig ist .

Obwohl die Versuchsresultate

im Einzelnen bedeutend abweichen, so folgt doch aus ihnen mit Sicherheit, dass der Widerstand wesentlich grösser anzunehmen ist. v. Lössl ist beispielsweise Pa - P. sin a,

während die Versuche von Vince mit der Formel

ausreichende

Nach Hagen und

Uebereinstimmung

zeigen

Pa = P (4+ ) sin a 4. sin a (Diese Formel ist entnommen aus Gerlach, Civilingenieur, 1885. ) Allgemein ist demnach PP . 9, worin deutet.

einen echten Bruch be

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs . Ferner kommt die Reibung R in Frage. sind wir vollständig im Unklaren ; werden, dass (3)

Ueber die Grösse derselben

es soll jedoch die Annahme gemacht

R. Pa (nach Euler) einen kleinen Bruch bedeutet, der zu 1/1000 geschätzt werden.

worin

sei,

135

möge (s. Anm . 1 auf Seite 144). Ausser dem Luftwiderstand der Drachenfläche ist noch derjenige der Gondel von Wichtigkeit.

Leider sind wir auch hier auf unsichere Schätzungen

angewiesen, da entsprechende Versuche nicht vorliegen .

Einen werthvollen

Anhalt geben jedoch die zahlreichen Versuche über den Schiffs widerstand im Wasser. Da Luft und Wasser, so weit ihr Widerstand gegen Körper in

Frage kommt ,

ein genau gleiches Verhalten zeigen (Vergl . Grashof,

Hydraulik, S. 897 u . f. ) , so unterliegt es jedenfalls keinem Bedenken , die bei obigen Versuchen gefundenen Zahlenwerthe in entsprechender Weise auf die Gondel zu übertragen, vorausgesetzt, dass dieselbe eine schiffs ähnliche Form erhält. Demnach kann der Gondelwiderstand (nach Grashof, Hydraulik, S. 893)

T

(4)

H=

.v² F.

2g gesetzt werden . Darin bedeutet : einen von der Form der ? welcher zu rund 20

Gondel

abhängigen Versuchswerth,

0,1 anzunehmen ist,

F den grössten Querschnitt der Gondel. Um auch dem Luftwiderstand an den Stirnflächen

des

Drachens

Rechnung zu tragen, soll F, etwas zu gross gewählt werden . Nachdem so die einzelnen Grössen näher besprochen sind, wollen wir zur mathematischen Verwerthung derselben übergehen. Wenn das Luftschiff in gleichförmiger, horizontaler Bewegung be griffen ist, so müssen bekanntlich sämmtliche äusseren Kräfte im Gleich Demnach ist auch die Bedingung erfüllt, dass die sämmt lichen widerstehenden Kräfte gleich der nutzbaren Triebkraft sind , d . h. in Zahlen

gewicht sein .

N = Z.cos a oder

N.v

(5)

Z. cos a . v == A₁.

Da ferner AL . G₂ und

A A, = n so folgt aus (5) :

(6)

N. v = L.G₂ . n

I

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs .

136

Dies ist die Grundgleichung, von der wir ausgehen . Sobald es möglich ist dem Luftschiff eine derartige Form zu geben, dass diese Bedingung erfüllt wird, kann das Problem des rein dynamischen Luftschiffs als lösbar bezeichnet werden. Es lässt

sich nachweisen ,

dass in der That das Luftschiff von der

Form eines Drachens diese Bedingung meistens erfüllt , Winkel mit der Horizontalen flach, gegen gross , etwa 10 m wählt.

sobald man den

etwa 10 , die Geschwindigkeit da Wir wollen diesen Nachweis bereits

als geführt betrachten und uns die Aufgabe stellen, zu berechnen , wie gross die Fläche F eines Luftschiffs

gemacht werden muss ,

welches eine be

stimmte Last G3 mit einer gewissen Geschwindigkeit in horizontaler Richtung vorwärts bewegen soll . Giebt die Formel für F, welche wir so erhalten, positive und reelle Werthe, so liegt hierin offenbar der Beweis , der oben als geführt vorausgesetzt wurde . Fig. 7 stelle die Seitenansicht eines Luft schiffes von der Fläche F dar. Es wirken auf

Fig. 7.

Z H R

dasselbe folgende Kräfte : 1. Die nutzbare Triebkraft Z.

H←

2. Das Gewicht G des Schiffes bestehend aus : dem Eigengewicht G₁, dem Gewicht der betriebs fähigen Maschine nebst Zubehör - G₂, und der

Pa

Nutzlast G3. G₁ kannm . F angenommen werden , bedeutet.

worin m

3. Der Luftwiderstand gegen die Drachenfläche , beiden Kräfte P und R ersetzt werden soll Drachenfläche ).

einen

Festwerth

welcher durch die

(P senkrecht,

R parallel zur

4. Der Luftwiderstand H der Gondel (und der Stirnflächen des Drachens) . Diesen können wir ersetzen durch eine Kraft H im Angriffspunkt von P und ein Drehmoment H. h. Letzteres ist bei den folgenden Berechnungen als unwesentlich fortgelassen . Es bedeute ferner : ɑ den Winkel,

welchen das Luftschiff mit der Horizontalen

ein

schliesst, die Entfernung des Angriffspunktes der Kraft P von 0, 7 die Entfernung des Schwerpunktes der Gesammtlast G von 0.

(7)

(8)

Die allgemeinen Gleichgewichtsbedingungen lauten : Z.cos ò G. sin a ――――――― H. cos a = 0 R 0 G • cos a + H. sin a P Z. sinò

Z. sin.λ + G. cos a . (l

(9)

λ)

0.

Z, λ, G unda können nur positiv sein, demnach folgt aus (9), sin

und (1 wenn

) immer verschiedenes Vorzeichen haben müssen, d. h. negativ muss

>λ,

dass

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs .

< λ, positiv muss wenn und wenn 0, so muss l

137

λ sein.

Es soll im Folgenden nur der Fall betrachtet werden, dass

O ist,

wobei wir die Frage unentschieden lassen wollen, ob diese Anordnung auch www die zweckmässigste ist. Dann folgt aus (9) , dass für jeden beliebigen Winkel a Gleichgewicht vorhanden sein kann, sobald = X ist ; d . h . mit andern Worten : Wenn der Angriffspunkt des Luftwiderstandes vom Punkte 0 den gleichen

waagerechten Abstand hat, wie der Schwerpunkt des ganzen

Luftschiffes, so kann der Winkel a vollständig beliebig gewählt werden. Wohl zu beachten ist, dass gerade wie bei Seeschiffen der Schwer punkt tiefer liegen muss,

als der Angriffspunkt des Auftriebes .

Andern

falls würde eine Störung des Gleichgewichts und ein Niederstürzen des Ferner erscheint es zweckmässig, den Luftschiffes unvermeidlich sein. Schwerpunkt seitlich verschiebbar zu machen .

Denn einerseits ändert der

Angriffspunkt des Auftriebes bei einem Wechsel der Geschwindigkeit seine Lage ; andererseits kann man , da stets der Schwerpunkt sich senkrecht unter den Angriffspunkt einstellen muss,

durch eine

seitliche Verschiebung des

ersteren eine Aenderung des Winkels a erzielen. Sobald

(10)

0 ist, fällt Gleichung (9) fort und es folgt aus (7) und (8) : H cos a 0. R ―――― G. sin a Ꮓ

(11)

P

(12)

Da Gm F + G₂2 + G3

G. cos a

0.

H. sin a

so haben wir 7 Gleichungen, aber 8 Unbekannte (R, Z, G, P, v, G , F und H), demnach können wir noch eine Grösse z . B. v als bekannt voraussetzen. Zu beachten ist jedoch, dass a und

immer in einer gewissen Beziehung

zu einander stehen müssen ; setzen wir nämlich in ( 11 )

T P = q.v² . F.d

2g und Gm F

G₂ + Gg,

so folgt daraus :

7.v² . F.8

T 2g

(m F + G₂2 + G³) cos a

H. sin a

und (13)

F

H. sin a (G₂ + G3) cos a 7.v² d Y ----- m cos a 2g

Da F niemals negative Werthe annehmen darf, so muss der Nenner des Bruches stets grösser als Null, demnach : ĭ > m cos a 7 v2 d 2g bezw.

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs.

cos a

m

(13a)

v2

7 29

6

138

P sein.

Aus ( 13) folgt : (13b)

Ga

7 d v2 • F(4 v² cos a 2 g

m

+ H . tg a

G3,

ferner aus ( 10) , ( 12 ) (wenn die Reibung R. P gesetzt wird) ĭ + sin a (m F + G₂2 + G3 ) + H. cos a .. F. v² . d Ꮓ 2g

oder [mit Benutzung von ( 13)]



F • F.v2 . Ꮽ

H (p + tg a) + cos a 2g

ĭ

Demnach ist :

N.v = Z.v • cos a = ? • F. v³ .

(p + tg a)

7 • cos a + H. v.

2g Dies und ( 13b) in (6) eingesetzt giebt :

ĭ

· cos a

4. F. v³ . d (p + tg a)

H. v L

2g

d

n

ĭ m

F (? . v²

+ H. tg a

G3

cos a 2 g woraus nach Einsetzung des Werthes für H und nach kurzer Umformung schliesslich folgt : v tg a) 2 → (L Gs + 91 · 0² . F₁ 2g m (14) F 1 n ĭ . v (p + tg a) . cos u 4.v².d . ĭ d . v L 7. · 2 g cos a 2g Bezogen auf m und kg kann gesetzt werden :

7 0,12

?. 2g

12 7 - 0,007 9

m

0,4

ferner ist schätzungsweise

n = 1,2 A = L G2

2,0 2

Le 1/1000 Nach Einsetzung dieser Zahlenwerthe findet man durch Probiren, dass die Formel ( 14) nur dann positive Werthe giebt, wenn a sehr klein gewählt n wird, etwa 1/10 . Ferner zeigt sich, sobald v und gewählt sind, dass L sehr verschiedene Winkel a

möglich sind ; jedoch giebt es

einen Werth

139

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs .

von a , für welchen F ein Minimum wird . Dementsprechend giebt es auch für einen Werth für welchen F zum Minimum wird. Zunächst soll es unsere Aufgabe sein, diese beiden Werthe von a und v, welche wir durch das Zeichen * kenntlich machen wollen , zu be d F dF und gleich Null gesetzt werden. rechnen. Zu dem Zwecke soll da d v dF wird überaus verwickelt. Da wir Die erste Ableitung von F = d a 1/10 sein muss, so unterliegt jedoch oben gefunden hahen, dass a stets es keinem Bedenken in Gleichung ( 14) cos a = 1 sin a tg a = a zu setzen .

tg a)

Ferner kann in der Klammer

die

Grösse tg a

ver

G⋅ L nachlässigt werden .

Endlich wird für sehr kleine Winkel

= a . a, worin

a einen Festwerth bedeutet, der nach v. Lössl = 1 nach Vince = 1,78 ist. Unter Berücksichtigung dieser Vereinfachungen geht ( 14) über in :

G3 + 21. v³ . ( 15)

F 7.v2 · a (1 7. 0° 214.9.0 9

7.v2 ·

7 • F₁ 2g L m

7 · a. a

n • L v (je + α)

2g Daraus folgt nach kurzer Entwicklung : n dF n • 2.a • je + v • 0 1 + v • L λα L demnach wird

a 2n v

32

L

( 16)

welches den Nährungswerth L

( 16a)

a*

ergiebt.

2n v dF dv

Ferner erhalten wir aus (15) ĭ m n n + 0 = G. 7.a.a ( 2-3.0 . L (se + c)) + v³. 1 · L·• F. (q . a . a . 2g v2

und daraus G3



0 (17)

F

m 2 je ta 3. G3 ―――――― n ĭ + v 7 ĭ a. a. ? • 71 · L2 71 · [ F g 2g 2g

+23

den Werth aus ( 16) einsetzen und zur Ver L2 je2 jez vernachlässigen , den Werth 4 4 einfachung in der Klammer (44.m².v2 Indem wir hierin für

folgt daraus die Gleichung fur

:

T

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs.

140

1 2. L G3 L\2. 2. G3 7 1-29- * v . + 32.-( ) 7 ² F, 21 * 29*.n * F 2g

6m L

3

+

ĭ 7.a.

ημ

༢། ༤

(18) Vx

L 2g

0

welche zum Zweck der numerischen Berechnung die Form erhält : 2 1 6m Gs Lv.* 2 + G3 =0 • v* + • T ĭ )² 4 ·1 n fe n .a . 8 F . 1)+F( Le ) 2.71 • 29 μ 2g

(19) 2 *

(20)

Nach Einsetzung der Zahlenwerthe für , u . s. w. wird hieraus : 2 20 L G3 L\2 G3 * + 2 V*2 . V.* 0. . 44 * + 62-3) + 2;. (14)2.500 (1² n 7 1000 ( F F₁

Mit Hülfe dieser Gleichung ist für verschiedene Werthe von G , F₁, n und a die Grösse v berechnet worden ; sodann a aus (16a) , und endlich L F min aus ( 15), nachdem hierin anstatt gesetzt sind. der Tabelle ;

und

die Grössen

und d* ein

Die Resultate dieser Rechnung finden sich in nachstehen sämmtliche Grössen sind nur Nährungswerthe. F ist in

qm angegeben (in runden Zahlen) ; G, ist zu 80 kg (= Gewicht eines Menschen) ; G3 80 bezw. 100. F₁ zu 1.0 bezw. 0,8 qm gewählt, also Fi Gs

80

Fi == 0,8

F₁ = 1,0 27

n = L

0,4

0,8

1,0

0,4

0,8

1,0

27 1 22

26 1 42

27

29 1 23

29 1 46

29

1 54

80

360

590

70

290

520

22

d*

26 1 20

1 35

22 1 44

27 1 22

24 1 38

24 1 48

Fmin

40

140

210

40

130

170

= d a

ยX a*

Fmin =

1 = d ,78 a

80

G3

~*

Die gefundenen Zahlenwerthe

von F sowohl ,

1 58

als auch die Werthe

für die günstigsten Winkel und Geschwindigkeiten , geben zwar einen werth vollen Anhalt, sind aber an sich unzuverlässig, da die Unterlagen, auf welche sich die betreffenden Formeln stützen , nicht hinreichend sicher sind . Die Formel ( 14) giebt jedoch , bei geeigneter Wahl von v und ɑ , auch dann noch positive und reelle Werthe für F, F

ganz andere Werthe annehmen,

ausgesetzt wurde .

wenn die Grössen n, L, d ,

als bei den obigen Berechnungen vor

Bei der vielfachen Unsicherheit unserer Annahmen ist

diese Eigenschaft der Formel überaus werthvoll, denn sie liefert den Nach weis, dass die angestrebte Lösung des Problems auch dann noch Aussicht

141

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs .

auf Erfolg bietet, wenn sich bei näherer Prüfung herausstellen sollte, dass die oben zu Grunde gelegten Schätzungswerthe falsch sind.

Auch scheint.

die Formel (14) darauf hinzudeuten, dass im letzteren Fall bezüglich der günstigsten Winkel

und Geschwindigkeiten

die obigen Resultate

ebenfalls

annähernd ihre Gültigkeit behalten. Wir können hieraus mit hoher Wahrscheinlichkeit schliessen, dass das rein dynamische Luftschiff von der Form eines Drachens in der That aus führbar ist,

und dass die Leistungsfähigkeit unserer vorhandenen Kraft

maschinen ausreicht,

um demselben Geschwindigkeiten

von

20-30 m zu

ertheilen. Bedingung ist jedoch, dass man den Neigungswinkel des Luft schiffes sehr flach, etwa kleiner als 115-120 wählt. Am günstigsten arbeitet die Maschine bei einem Winkel von etwa 125-1/30 und einer Geschwindigkeit von etwa 25 m (s . Anm. 2 auf Seite 144) . Dagegen möge nochmals Er wähnung finden ,

dass

die grösste

bisher

erreichte

Geschwindigkeit des

lenkbaren Ballons etwa 6 m (nach anderen Angaben 9 m) beträgt. Nachdem so die Grundgesetze des rein dynamischen Luftschiffs fest gestellt sind, erübrigt noch die Sache im Einzelnen weiter zu bearbeiten . Unsere erste und wichtigste Aufgabe ist die genaue Bestimmung des Luft widerstandes, und zwar sowohl des Drachens, als auch der Gondel . Die bisherigen Versuche reichen hierzu aus zwei Gründen nicht aus : Erstens

wurden bei

denselben nur grosse Winkel und kleine Ge

schwindigkeiten angewandt ; es lagen demnach ganz andere Verhältnisse vor, als wie beim Luftschiff. v . Lössl nahm bei seinen Versuchen Geschwin digkeiten von 0,6 bis 2,0 m und nur Winkel grösser als 10 ° an, während die

anderen Versuche

sämmtlich mit Geschwindigkeiten kleiner als 10 m

ausgeführt wurden . Da bis jetzt nicht erwiesen ist , dass die gefundenen Gesetze auch für kleine Winkel bezw. grosse Geschwindigkeiten ihre Gültigkeit behalten, so ist es grundsätzlich unzulässig, die dort gefundenen Formeln hier zu benutzen,

wo Geschwindigkeiten von 20-30 m und nur

kleine Winkel vorkommen.

Wenn dieselben trotzdem Verwendung gefunden

haben, so liegt dies daran, handen sind.

dass andere brauchbare Formeln

nicht vor

Zweitens sprechen verschiedene Gründe dafür , dass bei den bisherigen Versuchen von unrichtigen Voraussetzungen über das Wesen des druckes

ausgegangen wurde,

Luft

dass dem entsprechend die betreffenden Ver

suchsresultate eine falsche Deutung erfahren haben und aus diesem Grunde nur mit Vorsicht angewandt werden dürfen. Bevor daher mit Aussicht auf Erfolg an die Ausarbeitung eines voll ständigen Entwurfes

kerangetreten werden kann,

ist es erforderlich,

dass

neue Versuche unter passenden Verhältnissen angestellt werden, und zugleich erwünscht, dass Hand in Hand damit erneute theoretische Untersuchungen über den Luftdruck stattfinden. Die Anschauung, dass die bisher üblichen Annahmen über das Wesen

142

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs .

des Luftwiderstandes unzutreffend sind , ist nicht neu ; es sollen jedoch im Folgenden einige Gründe dafür angeführt werden , welche auf neuen Ge sichtspunkten beruhen. Wenn ein Luftstrom

von unbegrenzter Ausdehnung

auf eine Plan

scheibe A A¹ B¹ B trifft , so erfahren die Luftkörperchen in der Nähe der der Scheibe

eine Aenderung

wegungrichtung.

ihrer

spezifischen Pressung und ihrer Be

Es bildet sich vor der Scheibe ein ruhender Luftkörper,

welcher sich im Zustande

der Verdichtung befindet ;

hinter der Scheibe

entsteht in Folge der inneren Reibung der Luftkörperchen dünnter Luft angefüllter Raum.

ein mit ver

Letztere Thatsache ist zwar schon lange

bekannt, aber merkwürdigerweise bis jetzt bei der Ermittelung des Wind drucks bezw. des Luftwiderstandes nicht in Betracht gezogen worden .

Da

gegen haben die entsprechenden Erscheinungen Berücksichtigung gefunden Da bei der Berechnung des Widerstandes von Körpern im Wasser. jedoch Luft und Wasser,

wie bereits

oben bemerkt,

ein genau gleiches

Verhalten zeigen, so können wir ohne Weiteres die von Grashof (Hydraulk, S. 884 u . f. )

Fig. 8. H

bezüglich

des

Wassers

ent

wickelten Anschauungen nach hier übertragen. Die Wege einiger Luftkörperchen werden durch die Pfeile in Fig. 8 angedeutet. Die

R X

-N-

-X₁

B

R2

F

im

Linien X A R₁ NX, bezw. X B R₂ N X₁ stellen den Durchschnitt einer senkrechten Ebene mit der sogenannten Trennungsfläche dar. Ausserhalb der Letzteren sind die Luft

Zustande

der

körperchen in Bewegung und befinden sich Verdichtung. Innerhalb derselben befinden sich die

Körperchen in Ruhe bezw. in Wirbelbewegung ; die spezifische Pressung ist im Raume XAB und im Raume R, NR₂ grösser, im Raume AR, R, B kleiner als die normale . In der Trennungsfläche selbst findet ein plötzlicher Wechsel der Ge schwindigkeit und der spezifischen Pressung statt. Die in der Fläche AR, bezw- BR, liegenden Körperchen stehen unter dem Einfluss einer von aussen nach innen gerichteten Pressung,

welche

bewirkt, dass die Bahn derselben , welche bei A die Richtung JH hatte, mehr und mehr nach innen abweicht. Es lässt sich erwarten , dass die Form der Kurve AR, N von der Geschwindigkeit v abhängt, und dass sie um so langgestreckter sein wird, je grösser v ist. Es bezeichne : p die spezifische Pressung des ungestörten Luftstromes, P + P die mittlere Scheibe,

spezifische Pressung an der Vorderseite der

pp, desgl. an der Rückseite.

143

Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs.

v2 h die Geschwindigkeitshöhe 2g so beträgt der gesammte Luftdruck auf die vordere Fläche

der Scheibe

(p + P ) F, auf die Hinterfläche (pp ) F, demnach der Gesammtdruck auf die Scheibe P -= ( p + p₁) F — (p --- p₁ ) F oder (21 )

P = (p + p₁ ) F Bei der Pitot'schen Röhre ist die Luftverdünnung hinter der Oeffnung

gemessen,

h ..

Da dieselbe Ursache, welche dort die Luftverdünnung

verursacht hat, nämlich die Reibung der Luftkörperchen, in gleichem Maasse hier besteht, so erscheint die Annahme zulässig, dass , wenn man von den sogenannten Rückströmungen absieht, hier derselbe Grad der Luftverdünnung eintreten wird, wie dort. Demnach kann man schliessen, dass annähernd Po - P₁h.7 und

ĭ P

(22)

2 F.h. ĭ bezw.

2. F v² .

2g sei. Wenn die Scheibe unter dem Winkel a gegen die Richtung von v geneigt ist , so müssen die Luftkörperchen etwa die in Fig . 9 angedeuteten Wege nehmen. Der Ueberdruck an der Vorder

Fig. 9. A

v2

• 7, son

seite beträgt jetzt nicht mehr

2g dern wird um so kleiner, je mehr a abnimmt . schem Wege denselben berechnet zu 2 π • sin a v2

4+

Rayleigh hat auf theoreti

7.

. sin a 2 g

Dagegen sollte man (nach dem Gesetz der Pitot schen Röhre) erwarten , dass die Luftverdünnung an der Hinterseite sammtdruck (23)

Pa

h . 7,

demnach der

Ge

2. sin a .h F.1 + (1 4 + π . sin(a).h

betrüge. Dass in der That auf der Rückseite

eine Luftverdünnunghein

treten kann , wird durch die Versuche mit dem Log von Berthon bestätigt. In der Wirklichkeit wird aber der erreicht werden,

obige Werth voraussichtlich nie

weil die zu Grunde liegende Annahme,

dass die ganze

Rückseite der Scheibe innerhalb des luftverdünnten Raumes liege, meistens nicht zutrifft. Fig. 10 bedeute einen senkrechten Schnitt durch die Scheibe und die

144

Mittheilungen aus Zeitschriften. Letztere wird bei kleinen Winkeln Innerhalb des annehmen .

Trennungsfläche.

Fig. 10.

etwa die

A CZ

Form

C Raumes AC herrscht Luftverdünnung , in der Strecke CZB normale Pressung oder Ueberdruck. - Im Grundriss wird der Schnitt einer horizontalen Ebene mit der B

Fig. 11. A a

I

B Trennungsfläche die in Fig. 11 dargestellte Form haben . Nur im Raum AQ, Q 2 41 ist Luftverdünnung, ausserhalb normale Pressung bezw. Ueberdruck.

A'

B' Demnach leuchtet

ein ,

dass

Pressung an der Rückseite grösser als p - h ,

die

mittlere

spezifische

und der Luftdruck gegen

die Scheibe entsprechend kleiner wird als Formel (23) angiebt . Aus den obigen Betrachtungen erklärt sich ferner : 1. Dass der Angriffspunkt des Luftdruckes bei geneigten Scheiben nicht in die Mitte fällt, sondern nach dem Rande verschoben ist, der Wind richtung entgegen. 2. Dass die Versuche

über

den Luftwiderstand

so

ausserordentlich

verschiedene Resultate ergeben konnten . Die weitere Untersuchung der vorstehend angedeuteten Erscheinungen, sowie ihre Verwerthung für unser Problem vorbehalten bleiben.

sollen

einer spätern Arbeit

Anm . 1 (zu S. 135) . Meistens wird μl 0 gesetzt ; auch für diesen Fall behalten die folgenden Untersuchungen ihre Gültigkeit. Anm. 2 (zu S. 141 ) . bisherigen Versuche

Hiernach darf es nicht überraschen,

mit drachenähnlichen Luftschiffen,

dass die

bei denen nur eine

geringe Geschwindigkeit erstrebt wurde, keinen Erfolg hatten.

Mittheilungen aus Zeitschriften . L'Aéronaute. Bulletin mensuel illustré de la navigation aérienne, fondé et dirigé par le Dr. Abel Hureau de Villeneuve. 22. année . No. 9 und 10. September , Oktober 1889. Der Bericht über den internationalen aëronautischen Kon gress zu Paris im Jahre 1889 wird in diesem Hefte fortsgesetzt und zwar enthält dieses sowohl wie das folgende den Sitzungsbericht der Sektion für Aviation ( Flug ) . Rigaut, Deputirter des Aisne- Departement eröffnet die Sitzung mit einer Ansprache, worin er unter anderm die Gesellschaft auffordert, sich seines Einflusses auf die öffentlichen Gewalten zu bedienen zur Unterstützung ihrer Bestrebungen. Nachdem die Gesellschaft die künstlichen Vögel von Hureau de Ville neuve, Penaud, Patin , Jobert und Pichancourt habe fliegen sehen, möchte man die mythische Taube des Archytas von Tarent, mit dem die Be strebungen zu fliegen beginnen, für Wirklichkeit halten. In neuerer Zeit haben sich viele Leute diesen Bestrebungen zuge wendet , die einen Anhänger des Ruder- , die anderen des Segel- oder

Mittheilungen aus Zeitschriften.

145

Drachen-Fluges . Ohne Partei zu ergreifen , wird man gern jedem zu seinem etwaigen Erfolge Glück wünschen. Hierauf entwickelt Albert Bazin seine Ansichten über den Segel flug , welche nur auf Erklärung derselben durch aufsteigende Luftströmungen hinauskommen . Er fordert das Sammeln von möglichst zahlreichen Be obachtungen und stellt sodann einen Drachen mit doppelter Schnur vor, über deren Zweck und Nutzen man im Unklaren bleibt. Dr. Amans aus Montpellier spricht über zweckmässigste Flügelformen . Im Anschluss hieran behauptet Drzewiecki die Ueberlegenheit elastischer - wohl nicht mit Unrecht. Flügel und Schrauben über starre, Herr Chanute aus Chicago setzt seine Theorie des Luftwiderstandes auseinander, die sich zunächst in Betrachtungen über die Menge der durch eine widerstehende Scheibe in ihrer Bewegung gehemmten Luftmoleküle ergeht. Seine Theorie giebt, wie er versichert, Zahlen , die mit den Be obachtungen übereinstimmen, wie sie namentlich die englische Luftschiffahrts gesellschaft 1871 und M. Skye in Australien 1885 (M. Mather, popular science monthly) angestellt habe . Irgend ein sicheres Urtheil über diese Theorie kann man aus dem Vortrage nicht gewinnen . Dagegen ist der nunmehr sich anschliessende Vortrag des Herrn Drzewiecki, Ingenieur zu St. Petersburg, Vizepräsident der VII. Sektion der kaiserl . russischen technischen Gesellschaft, sehr klar und anregend . Er führt aus, wie wenig die bisher meist herrschende Ansicht über den Flug begründet sei , dass nämlich die Vögel unmittelbar durch ihren Flügelschlag sich in der Luft zu halten vermöchten, unabhängig von ihrer Ortsbewegung, - als sogenannte Orthopteren . Ein einfaches Rechenexempel mit durchaus bekannten Daten zeigt , dass z . B. ein Bussard auf diese Weise kaum 1/10 seines Körpergewichtes trüge . Zahlreiche Beispiele verweisen vielmehr auf die Richtigkeit des Mouillardschen Ausspruches : „ Ohne Geschwindigkeit kein Flug" , eine Erfahrung, die sowohl beim Fangen als beim Gefangen halten von Vögeln vielfach angewendet wird. Nach jener Theorie bestände zwischen der Flügeloberfläche und der Fluggeschwindigkeit durchaus kein nothwendiger Zusammenhang, was aber den Thatsachen durchaus widerspricht . Auch die Mareyschen Versuche befinden sich, richtig verstanden, damit in Uebereinstimmung, dass die tragende Wirkung des Flügelschlages durch aus als Drachenwirkung (aéroplane) angesehen werden muss. Redner giebt nunmehr eine Rechnung auf Grund dieser Anschauungen und sonst bekannter Beobachtungsdaten . Er geht von einer Formel des Oberst Duckemin aus über den Widerstand gegen schiefe Flächen , trifft aber an derselben noch einige Aenderungen. Er berechnet dann die Trag fäigkeit des Quadratmeters Drachenfläche als Funktion der Geschwindigkeit und des Neigungswinkels, ebenso die Arbeit, indem er den zu überwinden den Widerstand als die Summe aus Horizontalkomponente des Drachen druckes , aus Stirnwiderstand und aus Reibung ansetzt. Die nöthigen Daten entnimmt er, soweit irgend möglich, der Erfahrung und findet dann, dass die Arbeit, welche nöthig ist , um 1 qm Drachenfläche horizontal vorwärts zu treiben, ein Minimum besitze, und, dass für dasselbe bei seinen Daten, nahezu unabhängig von der Geschwindigkeit, der Neigungswinkel der Fläche 1º 50' sein müsse. Es folgen dann Betrachtungen über das Gleichgewicht des Aëroplanes, welches Herr Drzewiecki auf Grund des Gesetzes von Avanzani für sehr 10 IX.

146

Mittheilungen aus Zeitschriften.

gesichert hält, und schliesslich die Anwendung der gewonnenen Gesichts punkte auf den Flug der Vögel , so weit wir darüber Daten besitzen. Im allgemeinen gewährt die entwickelte Theorie sehr befriedigende Aufschlüsse . Ohne gerade im Einzelnen Neues zu bieten, ist dieser Aufsatz doch als Ganzes recht lesenswerth . Bazin berichtigt brieflich einige Ungenauigkeiten, die in dem Bericht des Aéronaute über Bazins Theorie des Segelfluges enthalten waren . Heft 11 , November, bringt ein Referat über die Sitzung der zweiten Sektion des aëronautischen Kongresses , welche über das Ballonmaterial verhandelte unter der Präsidentschaft Gabriel Yons. Es sprechen nach der Begrüssung durch den Präsidenten zunächst Arcon , Leiter derjenigen Gasanstalt zu Paris, von der die Ballons in der Regel aufsteigen , über einen Vorschlag zur Fortbewegung der Ballons ; O. Frion im Namen Théophile Duvergers aus Écouen über einen neuen an Ballons anbringbaren Propeller, der sehr merkwürdig scheint ; Aimé über die Nothwendigkeit, den Ballon vor allen Dingen am Steigen zu verhindern , und endlich Arsène Olivier über verschiedene von ihm ausgestellte Modelle. Hiermit schliesst im Wesentlichen die Sitzung. In der Sitzung der société de l'aéronautique sprach van Roosebecke über die Geschwindigkeiten der Brieftauben, namentlich über den Einfluss dieses oder jenes Defektes ihres Gefieders, über die Resultate einer An zahl von Wettflügen, deren grösster sich auf eine Entfernung von 900 km erstreckte . Gl. Der Stein der Weisen . Illustrirte Halbmonatschrift für Haus und Familie. Unterhaltung und Belehrung aus allen Gebieten des Wissens . Redigirt von A. v . Schweiger - Lerchenfeld . A. Hartleben's Verlag in Wien . 1890. Diese Zeitschrift, deren wir bereits im vorigen Jahre an dieser Stelle Erwähnung gethan, bringt in ihrem 11. Hefte des gegenwärtigen Jahrgangs eine Mittheilung über 99 Neues von der Luftschiffahrt ". Der Verfasser der mit zwei dem Scientific American " entnommenen Abbildungen versehenen Mittheilung, G. van Muyden, äussert sich selbst in einer Weise, welche erkennen lässt, dass er den von ihm angegebenen Projekten keinen prakti schen Werth beimisst . Wir stimmen ihm in dieser Beziehung zu , meinen • aber, dass es bei dieser Ansicht besser gewesen wäre, in der zur „ Unter haltung und Belehrung" bestimmten Zeitschrift ganz darüber zu schweigen. Durch die Bekanntgabe derartiger Erfindungen in den Kreisen, denen die Leser eines solchen Blattes angehören, wird nur zur Diskreditirung aller flugtechnischen Bestrebungen im grossen Publikum beigetragen . G. van Muyden erwähnt erstens eines „ lenkbaren " Luftschiffs von Herm . Rieckert in New-York und zweitens eines Personentransport- Drachens von Dr. David Thayer in Boston, den der Erfinder 99 Lufteisenbahn " nennt, vermuthlich weil damit nach seiner Annahme die Geschwindigkeit eines Eisenbahnzuges erreicht oder wohl gar übertroffen werden kann. Das erste der beiden Projekte ist so geistreich " , dass es schade ist, darüber noch ein Wort zu verlieren . Der Thayer'sche Drachen besteht aus drei mit festem Stoffe bespannten Rahmen in Rechteckform, die so angeordnet sind , dass sie in parallelen Ebenen quergestellt hintereinander und, theilweise sich deckend . über einander in der Luft schweben . Um diesen Drachen auf alle Fälle in der Luft zu erhalten , sind über dem obersten Rechteck drei kleine gas

Kleinere Mittheilungen .

147

gefüllte Ballons angebracht. Der Drachen ist durch drei parallel neben einander herabhängende Kabel unten an einem Floss oder an einem Wagen bezw. einem Schlitten befestigt ; ersteres für den Gebrauch auf dem Meere, letzteres für den auf dem Lande oder auf dem Eise. An die Kabel ist ausserdem ein Korb befestigt, der sich mit Hülfe eines Segels höher oder niedriger stellen lassen soll und der zur Aufnahme der Reisenden bestimmt ist, die also nach Belieben unmittelbar unter dem Drachen , auf halber Höhe oder dicht über der Erde fahren können . An den Rechtecken , welche den Drachen bilden , sind Seitenflügel angebracht, welche mittelst Leinen von dem Korbe aus gestellt werden können und zur Lenkung dienen sollen ; ebenso sind noch andere Leinen vorhanden, um die Stellung der einzelnen Rechtecke sowie des ganzen Drachens zu ändern . Der Erfinder setzt natür lich grosse Hoffnungen in sein Werk, aber davon, dass es ausgeführt werden -r-. wird, hat noch nichts verlautet.

Kleinere Mittheilungen. Militär-Luftschiffahrt in Russland. Der „ russische Invalide " schreibt : Im Dezember hat die erste Entlassung von Offizieren stattgefunden, welche ihre Studien in der Luft schiffer-Applikationsschule beendet haben . Diese sämmtlichen Militärs sind für die Mission , der sie sich widmen , gut vorbereitet . Jeder derselben hat mindestens drei Aufstiege im freien Ballon mitgemacht, und haben sämmtliche aus dem Fesselballon zu beobachten gelernt. Zu derselben Zeit , wo diese Offiziere zu ihren ursprünglichen Truppentheilen zurückkehrten, hatten die Soldaten des Luftschiffahrtsdienstes ihre Lehrzeit an der Appli kationsschule durchgemacht. Ein Theil dieser Soldaten hat gelernt, die Körper der Ballons zu verfertigen, ein anderer versteht die Netze zu flechten, ein dritter kennt die Anfertigung des Firniss, ein vierter ist in der Handhabung der Apparate zur Erzeugung des Gases ausgebildet. Sämmtliche sind ausserdem mit dem Manöver der freien und der Fesselballons vertraut. Berghaus. Durchgegangener Fesselballon . In Montpellier zerriss am 21. August v. J. ein Ballon, welcher dem 2. französischen Genieregiment zu Versuchen diente, sein Ankertau, ehe die Offiziere die Gondel bestiegen. Er erhob sich jäh, von einem heftigen West winde getrieben nach dem Meere zu . Am folgenden Tage wurde er jedoch in der Camargue, nahe Sainte- Marie-de- la- Mer, wieder aufgefunden . (La France militaire) . Berghaus. Ein losgelassener Fesselballon . Eines der interessantesten Manöver, das zugleich bei seinen Zuschauern eine gewisse Erregung verursachte, fand am 22. August v. J. Morgens vom Geniepark zu Grenoble aus statt. Der mit dem Kapitän Lobel besetzte Fesselballon des Geniecorps erhob sich bis zur Kabelhöhe ; dann wurde plötzlich auf ein gegebenes Zeichen das Kabel losgehakt und erhob sich sofort der in Freiheit gesetzte Ballon bis zu einer ungeheuren Höhe in die Lüfte, wobei er eine nordöstliche Richtung einschlug. Nachdem er den Saint-Eynard passirt hatte, entschwand er den Blicken der Zuschauer. Viele glaubten, dass der Ballon seine Haltekabel zerrissen habe, und dass der in den Zeitungen von Montpellier mitgetheilte Unfall (siehe oben) sich in Grenoble wiederholt habe. Kapitän Lobel landete ohne Schwierigkeit bei Lancey , von wo er telegraphisch den glücklichen Ausgang seines Manövers mittheilte. Eine Genieabtheilung ward sofort nach Lancey entsandt, um den Aërostaten zu entleeren und nach Grenoble Berghaus . zu schaffen. ( La France militaire. )

10*

148

Flugtechnischer Verein in Wien .

Flugtechnischer Verein in Wien. Plenar - Sitzung am 22. Januar 1890. Herr Obmannstellvertreter Baron Gostkowski eröffnet die Sitzung mit der Mit theilung, dass der Obmann, Herr k. k. Major R. v. Wuich, auch heute verhindert sei, den Vorsitz zu führen. Nach Verlesung des Resumés über die Verhandlungen in der letzten Sitzung und Anerkennung desselben, giebt der Vorsitzende dem zum Worte angemeldeten Herrn In genieur Josef Popper das Wort zur Fortsetzung der Diskussion über den Wellenflug der Vögel und hält derselbe sodann den unten im Auszuge wiedergegebenen Vortrag.*) Herr Platte , der nun das Wort nimmt, führt aus, dass er bei aller Anerkennung, welche er dem Vortrag des Herrn Vorredners entgegenbringe, doch nicht umhin könne zu bemerken , dass durch die Darlegungen desselben der stichhaltige Beweis , dass der Wellenflug keine Vortheile darbiete, ihm noch immer nicht erbracht erscheine. Wäre seine Idee , der Wellenflug sei ein kraftsparender Flug, nur so ein flüchtig hingeworfener Gedanke , so würde Redner sich wahrscheinlich durch den heutigen glänzenden Vortrag bestimmen lassen , diese Idee , wie es ja so vielen anderen täglich passirt , fallen zu lasssen . Dem ist aber nicht so. Der Redner hat sich im Verlaufe mehrerer Jahre bemüht , diesen Grundgedanken nach allen Seiten zu drehen und zu wenden und ist vorzüglich durch Naturanschauung , aber auch durch mit ihr überein stimmende Rechnung und Versuche heute zur feststehenden Ueberzeugung gelangt, dass nur durch die Annahme des Segelprinzips das Flugproblem zur Lösung kommen kann. So fest gefügt nun auch der Quaderbau, den uns Herr Popper heute aufgeführt, ist, so will Redner doch versuchen in denselben hineinzugelangen, um dort seine Ansicht, so gut es gehen will, als richtig darzulrgen. Redner glaubt in der Anwendung des Segelballons mit Ueberlast ein die Vor stellung erleichterndes M ttel gefunden zu haben , um den von Herrn Popper bezeichneten und auch thatsächlich vorhandenen Rechnungsschwierigkeiten theilweise zu begegnen . Man habe sich einen Segelballon mit Ueberlast vorzustellen, welcher mit einem Ge wichte von 75 kg am Boden haftet und dessen Motor die Fähigkeit besässe, ein Gewicht von 150 kg in die Luft zu heben. Dieser Segelballon wird sich also , wenn die Schraube nach aufwärts drückend in Bewegung gesetzt wird , mit einer dem Drucke von 75 kg entsprechenden Geschwindig keit heben. Man nehme nun an, diese Hebung sei vollzogen. Es wird nun dem Lenker des Ballons die Aufgabe gestellt, diesen , bei stillstehender Maschine mit 75 kg Gewicht nach unten drückenden Ballon , einmal genau horizontal von seinem Standpunkte A nach einem 1000 m entfernt gelegenen Punkt B zu führen, und das andere Mal hätte der Luftschiffer denselben Weg aber in Wellen , oder , wenn man will, in einer Welle zurückzulegen. In beiden Fällen wird der Luftschiffer verpflichtet , den Aufwand an motorischer Kraft zu verzeichnen, so dass man aus diesen Aufzeichnungen entscheiden kann , ob der direkte oder indirekte Flug mehr Maschinenkraft in Anspruch nahm . Um die eine und die andere Bewegung auch ausführen zu können , besässe das Luftschiff eine so grosse Segelfläche , dass das Verhältniss der Stirn zur Unterfläche ein solches werde, dass die Wellner'sche Falllinie des schweren Apparates mit der Hori zontalen einen Winkel von 14 ° einschliesst, was eine Schrägstellung der Segelfläche nach abwärts von 7º voraussetzt .

*) Dieser Vortrag wird, etwas erweitert und mit Berücksichtigung einer neueren J. P. Publikation über den Segelflug, etwas später erscheinen.

Flugtechnischer Verein in Wien.

149

Andererseits wäre die Axe des Motors so eingerichtet, dass der Propeller auch für den Horizontalflug Verwendung finden könnte, wobei die Segelfläche ebenfalls eine Neigung von 7º, aber dieses Mal nach aufwärts erhält. Nach diesen Annahmen würde der Segelballon , wenn er durch den Druck seines eigenen Gewichtes fällt , auf jeden Meter zurückgelegten Horizontalweg ca. 25 m Höhe verlieren, auf den halben Wellenweg daher 125 m Höhe verloren haben. Um nun die Rechnung auf das aller einfachste zu gestalten wolle man weiter an nehmen, dass der Flächenwiderstand des sich vorwärts bewegenden Fahrzeuges in beiden Bewegungsfällen Null wäre , so dass dem Motor des Schiffes keine andere Aufgabe ob läge, als das Gewicht des Schiffes von dem Punkte A nach B zu tragen. Der Widerstand, welchen der Motor zu bewältigen hat, beträgt daher unter diesen Annahmen genau den Gravitationsdruck des Schiffes, d. i. das Gewicht von 75 kg, und weil der Weg, auf welchen dieses Gewicht von dem Motor unterstützt durch die Luft zu tragen ist, 1000 m beträgt, so ist das Arbeitsmaass der dem Motor auferlegten Leistung 1000 × 75 = 75,000 mkg. Nun, nachdem das für den Horizontalflug nothwendig gewordene Arbeitsausmaass ermittelt wurde, soll der nämliche Weg in Wellen zurückgelegt werden. Die Bewegung im absteigenden Aste der Welle erheischt keine Arbeit des Motors, es wird zu dieser Bewegung die Arbeitskraft des gehobenen Gewichtes benutzt. Das Schlff ist aber bei dieser Bewegung um 125 m gefallen, um welche Höhe es im auf steigenden Aste der Welle zu heben ist, wofür, da auch hier von dem Höhenwiderstande abzusehen ist , das Arbeitsmaass 125 X 75 9375 mkg zutreffend ist. So roh und flüchtig auch diese Rechnung sein mag , so scheint sie doch darzu thun, dass der Wellenflug unter zupassender Konstruktion des Flugobjektes in der That von Vortheil sein kann. Herr Popper wendet gegen diese Rechnung ein, dass es durchaus unstatthaft sei, die geleistete Arbeit beim direkten Flug durch Multiplikation des Gewichtes mit dem Wege auszudrücken, da man gar nicht gegen die Schwere fahre. Dieses Produkt habe aber hier gar keine mechanische Bedeutung, und wenn man sich die Unterlage z. B. als eine feste Tischplatte denkt, so wäre, falls keine Luft und Reibungswiderstände voraus gesetzt werden, gar keine Arbeit nothwendig . Herr Oberlieutenant Hoernes bemerkt dagegen, dass dies eine zu weit gehende Auslegung wäre, denn die Widerstände seien ja noch immer theilweise in dem Gewichte vorhanden, welches in freier Luft dem Gravitationszuge folgen würde, wenn keine Arbeit um dies zu hindern, angewendet würde . Durch die Vernachlässigung der Flächenwiderstände in der Rechnung ist der Ge wichtswiderstand noch nicht eliminirt . Herr Popper entgegnet, das sei seitens des Herrn Vorredners ein Missverständniss des Gesagten ; die von einem fliegenden Körper zu leistende Arbeit, sei es die Sekunden-, sei es die totale Arbeit, sei im allgemeinen eine unbestimmte Aufgabe, und behufs einer Berechnung müssen Grösse , Form , Stellung des Körpers und die Dichte des Mediums, also hier der Luft gegeben sein, indem er sich fortbewegt ; natürlich sei eine Arbeit auch bei horizontalem Fluge zu leisten und in seinem Buche über Flugtechnik sei ja diese Grösse genau angegeben und physikalisch verständlich gemacht worden. Da nun Herr Platte soeben durch eine einfache Rechnung den Vorzug des Wellenfluges vor dem direkten nachweisen wollte, so fällt der Beweis in sich zusammen, wenn man weiss , dass obiges, dem Vergleich zu Grunde gelegte Produkt von 1000 X 75 als Arbeitsgrösse keine Berechtigung hat, man könnte ja solche Verhältnisse, wenn man wollte, voraussetzen, dass das Gewicht von 75 kg nicht mit 1000 , sondern z . B. mit 110 m zu multipliziren wäre, dann wäre nach dem Vorgange der Platte'schen Berechnung wiederum der direkte Flug

150

Münchener Verein für Luftschiffahrt.

ökonomischer ; es handelt sich also stets um eine präzise Berechnung mit Berücksichtigung aller gegebenen Verhältnisse. Herr Baron Gostkowski meint, Platte begehe einen ähnlichen Fehler, den Manche begehen, welche die Arbeit eines 75 kg schweren Menschen, der pro Sekunde 1m geht, mit 75 X 1 = 75 mkg bemessen. Herr Platte bemerkt , dass er sich dieses Fehlers nicht bewusst sei , denn es sei ja doch etwas anderes, wenn man das Maass der Kraft nach Weg und Gewicht bei der Bewegung eines schweren Körpers in der Luft beziffere , als dann , wenn man dasselbe Maass für die Bewegung des Menschen auf der Erde, dessen Schritte durch die Erde ge stützt werden, festhalte. Herr Kress hebt hervor, dass er einiges aus dem Vortrage Popper's schon früher gesagt und auch veröffentlicht habe, speziell das Einsinken des fallenden Körpers in der Luft. Herr Popper stellt den Antrag , die Debatte der vorgerückten Stunde halber zu schliessen, es sei ja doch unthunlich , dieselbe heute zu Ende zu führen und schlägt vor, dass ein praktisches Beispiel scharf durchgerechnet werde , dasselbe sollte in präciser Weise als Aufgabe hingestellt und Herrn Platte zur Durchrechnung in seinem Sinne übergeben werden, er ( Hr. Popper) mache sich erbötig , stets nachzuweisen , dass eine eventuell dem Wellenfluge günstige Berechnung fehlerhaft sei, und wolle er dann das Rechnungmaterial dem Vereine und der technischen Kommission zum weiteren Studium übergeben . Herr Platte erklärt sich bereit, eine solche Arbeit auszuführen, nur soll ihm die Aufgabe präcise gestellt werden . Wien, Schriftführer. Hierauf wird die Sitzung um 10 Uhr geschlossen.

Münchener Verein für Luftschiffahrt. Sitzung am 20. Mai 1890. Vorsitzender : Herr Professor Dr. Sohncke . Die Tagesordnung enthielt : 1. Vortrag des Herrn Premierlieutenant Kollmann , kommandirt zur k. b. Luftschiffer - Lehrabtheilung , über „ Aeronautisches Kriegs material" ; 2. Vortrag des Herrn Dr. L. Graetz, Dozent an der Universität, über „ Die elektrischen Einrichtungen des lenkbaren Ballons la France ". Der Vortrag des Herrn Premierlieutenant Kollmann gliederte sich in zwei Theile, deren erster sich auf die Leistungen und die Verwendung des Kriegsballons, sowie die Anforderungen , welche an denselben zu stellen sind, bezog. Im zweiten Theile wurde das Luftschiffermaterial besprochen, welches die Armeen der Grossstaten - excl . Deutsch land gegenwärtig besitzen. Inhalt des ersten Theiles : Zweck der Ballonrekognoszirung : „ Zeitgewinn auf dem Schlachtfelde. " Der Beobachter sieht die Verhältnisse , wie sie momentan thatsächlich sind ; die Truppenleitung kann der telephonischen Meldung den Befehl unmittelbar folgen lassen. Werth der Kenntniss der Stellung und Bewegung der eigenen Truppen, z. B. bei gleichzeitiger Operation räumlich getrennter Abtheilungen. Verwendung des gefesselten und freien Ballons im Festungskriege. Ballonphotographie und Brieftauben. Signal ballons mit elektrischer Beleuchtung (Vorführung eines solchen ) . Ballontorpedo. Beweis des politischen, strategischen und taktischen Werthes der Luftballons durch das zernirte Paris 1870, 71. Herstellung eines kriegsbrauchbaren Materials erst im letzten Jahrzehnt. Nothwendkeit des Vorhandenseins eines dauerhaften, einfachen und leichten Materials, eines geschulten Personals von als Beobachter und Aëronauten ausgebildeten Offizieren. Schattenseiten : Herabschiessen des Ballons , Abhängigkeit desselben von Wind und

Münchener Verein für Luftschiffahrt.

151

Wetter. Ein einziger Erfolg kann mehrere Misserfolge wettmachen . Selbstständiges Vorgehen auf militär- aëronautischem Gebiete von Frankreich, England und Deutschland. Die übrigen Grossstaaten bezogen das Material aus den Werkstätten Yon's oder von der Firma Lachambre- Frères aus Paris oder von Nordenfeld aus England . Spezialität der Armee Fessel - Ballons : senkrechte Korbaufhängung auch bei bedeutenden Ballon schwankungen. Bestandtheile einer Fesselballonstation : 1. Ballon mit Zubehör, 2. Kabel mit Telephonleitung, 3. Dampf- oder Handwinde, 4. Gaserzeugungsapparate. Inhalt des zweiten Theiles : A. Der Ballon mit Zubehör, die Korbaufhängung und das Kabel ; B. Wasserstofferzeugungs-Apparate ; C. Die Dampf- und die Handwinden ; Je unter den einzelnen Titeln wurde das von D. Die englische Gasfüllungsmethode . Yon konstruirte Festungs- und Feldmaterial, das Material von Lachambre-Frères und von Nordenfeld unter Angabe der Mass- und Gewichtsverhältnisse etc. an der Hand von graphischen Darstellungen erläutert ; sowie auch das französische Armeematerial berück sichtigt. Während sonst das Wasserstoffgas durch Zersetzung des Wassers durch Eisen spähne und verdünnte Schwefelsäure erzeugt wird, führen die Engländer dasselbe in komprimirtem Zustande fertig mit. Die Italiener verwendeten einen nach englischem System konstruirten Feldpark mit Erfolg zwei Monate lang in Massaua 1887/88. Zeichnungen, sowie Photographien aus Massaua und ein englischer Stahlzylinder (von Herrn August Riedinger in Augsburg zur Verfügung gestellt) veranschaulichten diesen Theil des Vortrags . Resumé : Der Vergleich der verschiedenen Armee- Ballonparks führte zu folgendem Resultat : Das Material von Yon und Lachambre ist zweifellos kriegsbrauchbar und die Leistungen dieser Privatindustrie sind sehr anzuerkennen , feldmässig aber sind diese Trains in dem Sinne nicht, dass sie schnell an jedem Orte auff hren können , wo die Truppenführung sie verwenden will und dass sie dort in der kürzesten Zeit in Thätig keit treten ; sie sind es auch desshalb nicht, weil man zur Gaserzeugung zu viel Material mit- und nachführen muss. Als feldmässig kann nach diesen Richtungen bis heute nur das englische Material bezeichnet werden , dessen Leistungsfähigkeit es ermöglicht, dass der Ballonrekognoszent eine Stunde nach dem Anfahren des Trains die Beobachtung begonnen hat. Redner schliesst mit den Worten : Treue Pflichterfüllung wird den deutschen Soldaten auszeichnen, nicht nur zu Wasser und zu Land, sondern auch hoch in den Lüften, dem Vaterlande zum Heil. An der Diskussion , die diesem Vortrage folgte , betheiligten sich die Herren Dr. P. Vogel nnd Hauptmann Brug. Der zweite Vortragende, Herr Dr. Graetz , besprach in seinem Vortrage zuerst die Schwierigkeiten , die sich der Lenkung des Ballons entgegensetzen, und die Mittel, diese zu beseitigen, wie sie von Giffard, Dupuy de Lome, Tissandier, Renard und Krebs angewandt wurden . Aus den Dimensionen der von ihnen benutzten Fahrzeuge und der Grösse der angewendeten Kraft (Dampfmaschinenkraft bei Giffard, Menschenkraft bei Dupuy de Lôme, elektrische Kraft durch Batterien und Dynamomaschinen bei Tissandier, Renard und Krebs ) wurde gezeigt, dass der für die Geschwindigkeit des Ballons wesent Pferdestärke bei allen bis zu Renard und Krebs ausge liche Quotient K Grösster Querschnitt führten Ballons Werthe zwischen 1,8 und 2,5 besass, so dass die Eigengeschwindigkeit dieser Ballons nahezu dieselbe, nämlich zwischen 2 und 3 Metern in der Sekunde betrug. Da dieser Quotient mit der dritten Potenz der Geschwindigkeit wachsen muss , so muss ein Ballon , der doppelte Geschwindigkeit etwa 6 Meter , besitzen soll , durch einen Koeffizienten K = 16 (ungefähr) charakterisirt sein. Um dieses bei Dimensionen der Ballons zu erreichen, die nicht zu weit von den bisher benutzten abweichen, ist es nöthig, eine Maschinenkraft in den Ballon zu bringen, welche zum mindesten 9 Pferdekräfte

152

Münchener Verein für Luftschiffahrt .

liefert, während die von Tissandier benutzte nur 1/2 HP besass . Sollte die Kraft auf elektrischem Wege geliefert werden, wie es Renard und Krebs bei ihrem Ballon „ La France" versuchten, so müssten nothwendig andere Batterien benutzt werden, als die von Tissandier. Denn die Batterie und Maschine von Tissandier, im Verhältniss des grösseren Effekts vergrössert, hätte 1800 Kilo Gewicht gehabt, während die Totaltragkraft des Ballons von den angegebenen Dimensionen (inkl. Eigengewicht) nur 2000 Kilo betrug. Es war daher das wesentliche Erforderniss, eine leichte und wirksame Batterie für Ballon zwecke zu bauen. Dies gelang durch Konstruktion der „ Chlorchromelemente " von Renard . Diese Elemente gehören zur Klasse der Chromsäureelemente, bei denen die Depolarisation durch Chromsäure bewirkt wird , nur wird statt des sonst angewendeten doppelt chrom sauren Kalis bei diesen reine Chromsäure benutzt und statt der Schwefelsäure wird hier Salszsäure oder in anderen Fällen Gemische von Salzsäure und Schwefelsäure benutzt . Die Erhöhung der Wirksamkeit dieser Elemente gegen die gewöhnlichen wurde durch eine Reihe von Versuchen gezeigt, aus denen sich ergab, dass man für eine Pferdestunde ca. 15 Liter Flüssigkeit braucht, während die alten Batterien viel mehr erforderten. Die wirksamere Batterie allein bedingt aber den Vorzug der Renard'schen Anordnung vor der Tissandier'schen nicht. Vielmehr ist die Verringerung des Gewichtes wesentlich noch dadurch hervorgebracht, dass genau durch Versuche und Rechnung die Menge der für bestimmte Leistungeu anzuwendenden Flüssigkeitsmengen , ferner die möglichst günstigen Dimensionen für die benutzten Gefässe und Elektroden sorgfältig bestimmt wurden. Die Elemente enthielten als positive Elektroden dünnes, platinirtes Silberblech, als negative Elektroden Zinkdrähte, welche nicht amalgamirt wurden, da die Amalgamation bei diesen Flüssigkeiten nichts nutzt . Die günstigste Klemmspannung für die Ent ladung ergab sich durch Versuche zu 1,25 Volt. In der Batterie wurden je 6 Elemente parallel geschaltet und 2 solche Reihen bilden eine Gruppe, die 10 Kilo wiegt und etwa 2% Pferdestunden Arbeit liefern konnte. Für ein Pferd brauchte man 4 Gruppen . Der Ballon enthielt nun 40 Gruppen 480 Elemente, so dass die Batterie bei 400 Kilo Gewicht 10 HP liefern konnte. Da die ganze aufgespeicherte Energie 16 Pferdestunden betrug - soweit gerechnet, bis die Stromstärke auf die Hälfte ihres Maximalwerthes gesunken war so konnte der Effekt von 10 HP während 1 Stunde und 36 Minuten geliefert werden. Mit dieser Batterie gelang es Renard und Krebs die bekannten Rund fahrten zu machen . Obwohl also dadurch ein Fortschritt in der Lenkung des Ballons gemacht wurde, ist dieser doch, trotz der grossen Anstrengung, nur minimal . Denn eine brauchbare Lösung des Problems ist erst dann gefunden, wenn diese Leistung oder eine höhere mindestens 10 Stunden lang geliefert werden kann. Dieses Problem hat aber, wie es scheint, nur Aussicht auf Lösung durch Zurückgehen auf den Giffard'schen Gedanken der Konstruktion von Riesenballons, entsprechend den Riesendampfschiffen. In der Diskussion wurde von Herrn Professor Sohncke darauf hingewiesen , dass auch dieses Problem durch die Konstruktion von leichten Akkumulatoren aus Aluminium - viel gewinnen würde, die aber vorläufig, trotz vielfacher Bemühungen, nur als er strebenswerthes Ziel gelten können . Den Schluss der Sitzung bildeten geschäftliche Mittheilungen, aus denen zu ent nehmen ist, dass der Verein jetzt 340 Mitglieder zählt und dass in nächster Zeit der Bau eines eigenen Ballons in Angriff genommen werden wird .

Mittheilung der Redaktion :

Eine den Wirkungsgrad der Flügel

schraube betreffende Ergänzung der in diesem Hefte enthaltenen Abhandlung des Herrn Regierungs - Baumeisters Hansen Hefte folgen .

wird in einem der nächsten

Druck von Beyer & Münch, Berlin SW., Kochstr. 55.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W., Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin , W., Jägerstrasse 73.

IX. Jahrgang.

Heft VII.

1890.

Ueber den Werth der Ozonmessungen bei Ballonfahrten.` Vortrag, gehalten im Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt am 21. April 1890 von Oberstlieutenant a. D. Buchholtz. In diesem Monat feiert das in letzter Zeit häufiger besprochene Ozon seinen 50. Geburtstag und ist es deshalb gleichzeitig ein Akt der Pietät gegen den verdienstvollen Entdecker, wenn ich heute diesen so überaus wichtigen Bestandtheil unserer Atmosphäre zum Gegenstand einer Be sprechung wähle. In einer vom 8. April 1840 datirten in den „ Annalen der Physik und Chemie" erschienenen Abhandlung , betitelt : „ Beobachtungen über den bei der Elektrolyse des Wassers und dem Ausströmen der gewöhnlichen Elek trizität aus Spitzen sich entwickelnden Geruch " , bespricht der Baseler Prof. Christian Friedrich Schönbein seine Entdeckung und schliesst dieselbe mit dem Vorschlag, "9 das riechende Prinzip Ozon zu nennen " . „ Die völlige Unwissenheit ", sagt Schönbein, 99 in der wir uns noch in Bezug auf die Ursache des

elektrischen Geruchs befinden,

und das Auf

treten desselben unter scheinbar so verschiedenen Umständen , reizten schon lange meine wissenschaftliche Neugierde und veranlassten mich, Versuche in der Absicht anzustellen, über das räthselhafte Phänomen auf experimen tellem Wege Licht zu verbreiten .

Meine Bemühungen waren lange ver

geblich, endlich ist es mir aber gelungen , den Schleier, der die fragliche Erscheinung noch deckt, wenn nicht völlig zu lüften, doch etwas zu heben und die Lösung des Räthsels anzubahnen. " Leider ist nun dieser Schleier heute, nach 50 Jahren, noch nicht voll kommen gelüftet, obwohl man gerade in allerletzter Zeit von verschiedenen Seiten die strebt hat.

weitere Lösung

des

noch

immer

vorhandenen Räthsels

er

Ueber den Werth der Ozonmessungen bei Ballonfahrten.

154

Da ich nun der Ansicht bin , dass derartige Bestrebungen durch die Luftschiffahrt wesentlich gefördert werden können , ausführen werde,

wie ich später näher

gestatten Sie mir wohl, einen kurzen Rückblick in die

hinter uns liegende Zeit und daran anschliessend einige persönliche Bemer kungen und Voraussetzungen auszusprechen, wenn auch meine Mittheilungen vielen von Ihnen nichts Neues bringen werden . Die Wahrnehmung eines eigenartigen Geruchs nach Blitzschlägen ist sehr alt und findet bereits in den ältesten Schriften Erwähnung, auch hat schon Franklin,

lange vor Schönbein,

die Uebereinstimmung des Geruchs

bei Blitzschlägen mit dem durch eine Elektrisirmaschine hervorgebrachten hervorgehoben und einer durch die Elektrizität erzeugten Zersetzung der Luft zugeschrieben . Schönbein glaubte nun anfangs , dass im Wasser und in der Luft ausser den bekannten Stoffen noch ein anderer, dem Chlor ähnlicher Grund stoff enthalten sei ,

später glaubte er dasselbe in einem Bestandtheil des

Stickstoffs, dann wieder in einer eigenthümlichen Verbindung von Wasser stoff und Sauerstoff suchen zu müssen, kam aber schliesslich zu der Ueber zeugung, dass die Ursache des Geruchs auf einem besonderen Zustande des Sauerstoffes , welcher sowohl im Wasser als in der Luft reichlich vorhanden ist, beruhe. Wie stets eine neue Entdeckung, so folgte auch der des Ozons s. Z. ein langer wissenschaftlicher Streit, an welchem sich besonders de la Rive betheiligte .

Seine

Erklärungen des Nordlichtes haben gezeigt ,

welchen

grossen Einfluss er der Elektrizität in der Atmosphäre zuschreibt.

Später

kam Andrew und Tait zu der noch heute bestehenden Ueberzeugung, dass der Ozon Sauerstoff in einer allotragischen Modifikation sei, indem sich 3 Volumen desselben zu 2 verdichten und bezeichnet man ihn deshalb mit 03. Man nahm an,

dass der Ozon

aktiver,

polarisirter Sauerstoff sei,

welcher aber in reinem Zustande nicht vorkomme, sondern nur mehr oder minder stark vermischt in der atmosphärischen Luft vorhanden sei .

Durch

eingehende Untersuchungen von v. Babo, Claus, Soret, Meissner und Brodie ist diese Annahme vollkommen bestätigt worden. Ich möchte nunmehr auf die

chemischen Eigenschaften des

Ozons

näher eingehen, wenigstens so weit sie uns bekannt sind, denn unzweifel haft wird die Zukunft diese Kenntniss noch beträchtlich erweitern . Nach dem vorher Gesagten muss das Ozon die uns längst bekannten, die Verbrennung bezw. Zerstörung begünstigenden Eigenschaften des Sauer stoffs in noch höherem Maasse besitzen und ist es deshalb für die organi sche und anorganische Natur von grosser Bedeutung.

Während nun aber

der Sauerstoff sich meist erst bei höherer Temperatur mit anderen Körpern vereinigt, wirkt Ozon schon bei gewöhnlicher Temperatur höchst energisch oxydirend und fuhrt fast alle Körper in die höchsten Oxydationsstufen über.

Ueber den Werth der Ozonmessungen bei Ballonfahrten.

155

Obwohl diese Eigenschaft besonders in der Industrie schon eine ver schiedenartige Verwendung gefunden hat, die ich indessen hier nicht erörtern kann, hat das Ozon doch durch sein Vorkommen in der Atmosphäre und in Folge dessen durch seinen Einfluss auf das Leben der Organismen neuer dings viel von sich reden gemacht. Dieses Interesse würde aber ein noch grösseres sein, wenn wir ein ganz einfaches und zuverlässiges Mittel hätten , den Ozongehalt der Atmo sphäre und seine Schwankungen zu messen, so dass man jederzeit bestimmt angeben könnte, wie viel seien.

% Ozon in der uns umgebenden Luft enthalten

Um den Ozongehalt zu bestimmen, bediente sich schon Schönbein eines Ozonmessers, der nach 50 Jahren noch durch keinen besseren ersetzt ist und dessen Zuverlässigkeit von vielen Chemikern bezweifelt wird. Die Eigenschaft nämlich, dass er aus Jodkalium das Jod frei macht und in Folge dessen mit jodkaliumhaltigem Kleister bestrichenes Papier bläut , benutzte Schönlein zur Aufstellung einer Skala, welche nach der verschieden starken Färbung den jedesmaligen Ozongehalt erkennen liess . Natürlich lässt sich daraus ein bestimmter Prozentsatz nicht ermitteln und hat man dieser Methode den Vorwurf gemacht,

dass noch andere Bestandtheile der Luft

bezw. Verunreinigungen derselben, in gleicher Weise auf das Papier ein wirken können. Nun hat man in neuerer Zeit eine andere Methode in Vorschlag ge bracht, die angeblich sehr zuverlässige Resultate ergeben haben soll , obwohl sie allerdings ziemlich umständlich ist und kaum eine grosse Verbreitung finden wird. Das Spektroskop , welches die verschiedenen Stoffe der entferntesten Sterne erkennen lässt, soll auch im Stande sein, den Ozongehalt der Atmo sphäre genau zu bestimmen. Nachdem es dem Franzosen Chappuis gelungen war ,

die schon von

Schönbein für möglich gehaltene Verflüssigung des Ozons bei einem Druck von 175 Atmosphären und einer Temperatur von 100 auszuführen , wurde er durch die intensiv blaue Farbe dieses flüssigen Ozons auf den Gedanken gebracht, es müsse gelbes und rothes Licht , durch das Ozongas hindurchgeführt , von demselben absorbirt werden . Das Auftreten dunkler Absorbtionsstreifen

an immer derselben Stelle im Gelb und Roth in der

durch das Spektroscop beobachteten Atmosphäre giebt den Beweis von dem Vorhandensein des Ozons in derselben. Aus der Stärke der dunklen Streifen lässt sich auf die Menge des vorhandenen Ozons schliessen . Leider bin ich nicht in der Lage, Ihnen über den Grad der Zuver lässigkeit dieser Methode genauere Angaben machen zu können , jedenfalls hat aber das Spectroscop in der Wissenschaft einen so guten Ruf, dass man wohl zu den besten Hoffnungen berechtigt ist . Die weitere Annahme Chappuis , die blaue Farbe des Himmels dem

156

Ueber den Werth der Ozonmessungen bei Ballonfahrten .

Ozongehalt der Atmosphäre zuzuschreiben , scheint sich indessen in Folge weiterer Forschungen nicht bestätigt zu haben . Nach den bis jetzt über das Vorkommen von Ozon in der Atmosphäre gemachten Beobachtungen, lassen sich unzweifelhaft alle die früher ange nommenen verschiedenen Ursachen,

welche als Ozon erzeugend angegeben

wurden, auf eine einzige und zwar die elektrische zurückführen .

Es unter

liegt heute wohl keinem Zweifel mehr, dass der Ozongehalt der Luft mit der Feuchtigkeit derselben zunimmt erzeugt wird .

und

Es wird sogar behauptet ,

durch

elektrische Entladungen

dass elektrische Funken ,

durch

trockene Luft geführt, Untersalpetersäure und nur durch feuchte Luft geleitet , Ozon erzeugen . Jedenfalls finden sich in den bis jetzt aus Be obachtungen gefolgerten Annahmen noch manche Punkte , zu deren Klärung die tragen kann.

Luftschiffahrt

nicht völlig aufgeklärte

vielleicht das

Ihrige

bei

Ich muss zum Verständniss meiner Behauptung näher auf die bis jetzt gemachten Beobachtungen eingehen . Ausser bei den mit starken elektrischen Entladungen begleiteten Gewittern soll das Ozon beim Verdunsten des Wassers entstehen, man behauptet sogar, dass Regen und Schnee selbst im Stande seien, durch Verdichtung Elektrizität zu erzeugen und damit Ozon zu liefern . Es ist ja bekannt,

dass eine

andere atmosphärisch- elektrische Erscheinung,

das

St. Elmsfeuer, nur bei Gewitter und Niederschlägen besonders bei Schneefall auftritt. Die in jüngster Zeit gemachte Beobachtung, dass durch den Druck der Brandungswellen gegen die Hohlräume der Küsten Ozon erzeugt wird, dürfte sich ebenfalls erst als eine Wirkung der durch die Brandung er zeugten Elektrizität erklären lassen. Wenn wir vorher einen gewissen Feuchtigkeitsgehalt als Bedingung für das Vorhandensein von Ozon annahmen, so würde dem die Behauptung widersprechen , dass selbst in der Sahara und Libyschen Wüste ein wahr nehmbarer Ozongehalt gefunden sei . Dieser von einzelnen Forschern, nament lich

von Zittel ,

gemachten Angabe dürfte

meines

Erachtens

aber die

andere Thatsache widersprechen , dass in jenen trockenen Wüstenstrecken die thierischen Kadaver nicht in Verwesung übergehen, sondern zu Mumien zusammen trocknen. Der Ozongehalt der Atmosphäre ist nach der Jahreszeit ein sehr ver schiedener, im Allgemeinen fällt das Maximum in das Frühjahr vom März Mai , das Minimum in den Herbst, September bis November. Die Windrichtung scheint nur insofern von Einfluss zu sein, als sie je nach der bis

Jahreszeit grössere oder geringere Luftfeuchtigkeit bedingt; dagegen wirkt die Stärke der Luftbewegung direkt auf den Ozongehalt. Bei feuchtwarmer, regnerischer, stürmischer Witterung ist die Luft in der Regel sehr ozon reich, bei anhaltend trocknem, heissem, ruhigem Wetter ozonarm. Der Ozongehalt soll stets mit der Höhe zunehmen und scheint der

Ueber den Werth der Ozonmessungen bei Ballonfahrten.

157

Erdoberfläche aus den höheren Regionen stätig zugeführt zu werden , um dort die ihm von der Natur gestellte Aufgabe zu erfüllen. nur durch die Niederschläge ermittelt wird,

Ob diese Zuführung

oder noch in anderer Weise

geschieht, scheint noch nicht genügend aufgeklärt zu sein. Jedenfalls hat man festgestellt, dass der Unterschied im Ozongehalt zwischen den der Erde

entsteigenden Nebeln und den in der Luft sich

befindenden Wolken so beträchtlich ist ,

dass man im Hochgebirge daran

erkennen kann , ob sich ein einstellender Nebel an der Erdoberfläche gebildet und herangezogen ist , oder ob er durch das Herabsinken einer Wolke entstand ; im letzteren Falle ist ein hoher Ozongehalt vorhanden , während der an der Erde entstandene Nebel fast ozonfrei ist. Der hohe Ozon gehalt der Wolken, bezw. der Unterschied zwischen dieser und der übrigen Atmosphäre , soll besonders im Hochgebirge beim Eintritt in eine tief stehende Wolke zu erkennen sein. Dem Luftschiffer bietet sich aber eine viel bessere Gelegenheit, der artige Untersuchungen vorzunehmen , als dies im Gebirge möglich ist, da es von grossem Werth sein würde, den Ozongehalt auch oberhalb der betreffen den Wolke zu ermitteln . Dass das Ozon an den Stellen, an welchen es im Haushalt der Natur verbraucht wird , sich nicht in so grossen Mengen vorfindet, als an anderen, kann nicht Wunder nehmen. An bewohnten Orten , an Stellen , an denen thierische und pflanzliche Substanzen verwesen und faulen, an Sümpfen und stehenden Gewässern ist nur ein geringer Ozongehalt zu finden, während im

Freien,

besonders

an der

Meeresküste

und in Wäldern mit jungen

Beständen ein hoher Ozongehalt konstatirt worden ist .

Aeltere Bestände

mit verwesendem Laub und faulenden Stämmen zeigen dem entsprechend einen geringen Ozongehalt, da der Verwesungsprozess Ozon absorbirt. Auf diesem Oxydationsvermögen beruht die oft besprochene hohe Be deutung des Ozons für die Gesundheit des Menschen . Es zerstört nicht nur die schädlichen, sich bei der Verwesung bildenden Miasmen, sondern befördert auch die Verbrennung des menschlichen Körpers d. h. erleichtert die Respiration .

Schon in den Zeiten, in welchen man diese Eigenschaften und das Ozon selbst noch nicht kannte, wählte man solche Plätze zu klimatischen Kurorten aus, von denen wir heute sagen würden, sie haben einen sehr hohen Ozongehalt. Das wohlige Gefühl beim Athmen, wie wir es nach einem Gewitter

und an solchen ozonreichen Kurorten empfinden , ist ein zuverlässigerer Beweis für den Nutzen des Ozons für den menschlichen Organismus , als alle theoretischen Erörterungen . Mit der Entdeckung des Ozons und seiner chemischen Eigenschaften sind aber die Mediziner nicht länger über seine wohlthuende Wirkung für den menschlichen Körper im Zweifel gewesen, wie die vielfachen Publi kationen über den Ozongehalt einzelner Kurorte erkennen lassen.

Ueber den Werth der Ozonmessungen bei Ballonfahrten.

158

Vornehmlich hat sich mit dem hygienischen Werth des Ozons der verstorbene

Geh. Medizinalrath Dr. Lender als

beschäftigt und sich unausgesetzt bemüht, lichen Heilmittel einzuverleiben .

Badearzt von Kissingen

ihn der grossen Zahl der ärzt

Die heilkräftigende Wirkung in der Nähe

der Salinen hat unzweifelhaft ihren Hauptgrund in der reichlichen Menge Ozon, welcher sich dort, ebenso wie an der See, bei der Verdunstung des Wassers bildet. Wenn ich vorher sagte, dass der sich durch Verdunstung an der Erd oberfläche bildende Nebel keinen Ozongehalt hätte ,

so scheint

darin ein

Widerspruch zu liegen, doch dürfte sich dies damit erklären lassen, dass ein gewisser Salzgehalt zur Entstehung des Ozons erforderlich ist . Vielleicht finden wir eine Erklärung hierfür in der de la Rive'schen Nordlichttheorie, deren ich vorhin schon Erwähnung that.

Bei der Elektrisir

maschine ist der Ozongeruch nur an der positiven Elektrode bemerkbar. was schon Schönbein zu dem Schluss führte, dass positive Elektrizität zur Erzeugung des Ozons erforderlich sei .

Nun ist nach de la Rive das Meer

positiv elektrisch, während die Erde die negative Elektrizität enthalte und folgert er hieraus , dass die der Erdoberfläche entstammenden Wolken negativ, die vom Meere kommenden aber positiv elektrisch seien .

Vielleicht

ist der hohe Salzgehalt des Salinenwassers ein Grund für die Ausnahme dieser Regel und befähigt es dem Meerwasser gleich bei seiner Verdunstung Ozon zu entwickeln. Ausser Herrn Dr. Lender hat neuerdings , so viel mir bekannt, noch ein anderer Arzt versucht, die Heilkraft des Ozons für die leidende Mensch heit zu verwenden .

Hofrath Dr. Stein in Frankfurt a. M. will bei Asthma

und Lungenleiden Inhalationen von künstlich entwickeltem Ozon mit gutem Erfolg ausgeführt haben. bekannt,

ob

diese Erfolge

Mir

ist als

Uneingeweihtem

allerdings

so durchschlagend gewesen sind,

nicht

dass sie die

Fachgenossen von der Richtigkeit dieser Heilmethode überzeugt haben. In allerneuester Zeit ist zu diesen Versuchen nun noch die An wendung des Ozons in Form von Ozonwasser hinzugekommen, doch bin ich noch nicht in der Lage, Ihnen über die damit erzielten Erfolge Mittheilung machen zu können, auch braucht eine neue Erfindung immer eine gewisse Zeit, um sich Geltung zu verschaffen, bezw. etwa vorhandene Uebelstände und oft unberechtigte Widerstände zu überwinden. Neben dieser Wirkung als Heilmittel hat nun das Ozon augenblicklich in einer anderen Hinsicht die Aufmerksamkeit weiterer Kreise erregt und glaube ich,

dass wiederum gerade der Luftschiffer im Stande sein wird,

zu dieser überaus wichtigen Frage weiteres Beobachtungsmaterial zu liefern . Es ist dies die desinfizirende bezw. luftreinigende Eigenschaft des Ozons oder, wenn man die Quelle desselben bezeichnet, der Elektrizität . Schon im Jahre 1876 wurde bei uns von Dr. Nahrwold die Ent deckung gemacht ,

dass durch die

einer Elektrisirmaschine

entströmende

Ueber den Werth der Ozonmessungen bei Ballonfahrten. Elektrizität

in

einem geschlossenen Raum

der darin

159

vorhandene

Staub

niedergeschlagen bezw. an den Wänden abgelagert würde, während in Eng land schon im Jahre 1850 ein Herr Guitard eine gleiche Beobachtung in Bezug auf den in solchem Raum vorhandenen Rauch gemacht hatte.

Merk

würdigerweise haben die beiden Entdeckungen, obwohl sie einestheils in Wiedemann's Annalen Bd. V , anderntheils in No. 1421 des Mechanics Magazine bekannt gemacht wurden, in wissenschaftlichen Kreisen -- wie es keine weitere Beachtung gefunden; erst vor etwa drei Jahren hat

scheint

der englische Physiker Oliver Lodge wiederum Versuche in dieser Richtung angestellt und, wie es scheint, mit gutem Erfolg. Herr Professor weiterer Kreise

auf

Dr. Förster hat das Verdienst, diese Entdeckung

sich in der Juni- Sitzung darüber aus :

hingelenkt

die Aufmerksamkeit

zu haben ,

des Elektrotechnischen Vereins

er sprach

folgendermassen

„ Oliver Lodge hat gefunden, dass die Glimmentladungen Holtz'scher Elektrisirmaschinen im Stande seien , einen mit dickstem Qualm erfüllten Raum in kürzester Zeit vollständig zu klären, indem die Rauchtheilchen in der Luft sich in Kraftlinien anordnen, an einander haften und dadurch hinabsenken, bezw. an den Elektroden sich ablagern. "

99 Diese merkwürdige Wirkung ist seit jener Zeit, wie neuere , von mir eingeleitete Ermittelungen ergeben haben, zwar als Kuriosum an vielen Stellen nachgemacht, ja auch in verwerthen gesucht , entwickelt worden .

einigen Fabriken u . s . w.

praktisch

zu

aber an keiner Stelle merklich weiter erprobt und Der Entdecker , der sie unter lebhaftem Bedauern

über die veränderten Arbeitsverhältnisse, die ihn selbst von der Verfolgung der Sache abhielten, bestätigt, hält dieselben für höchst entwickelungsfähig, wenn sie nachhaltig und mit gehöriger elektrischer Kompetenz in die Hand genommen werden. " „ Gerade eine solche elektrische Art der Luftreinigung würde die Be dingungen eines Luftfilters in der idealsten Weise erfüllen, vielleicht sogar die praktische

Lösung

wichtigster hygienischer Aufgaben ,

betreffend die

Bekämpfung der Ausbreitung von Ansteckungsstoffen durch die Luft ermög lichen.

Dem ungeachtet ruht die Sache seit 3 Jahren fast ganz unerprobt. "

Der Vortragende richtete deshalb an den vorgenannten Verein die Auf forderung,

weitere Versuche in dieser Richtung

anzustellen .

Wie aus der

Tagesordnung hervorgeht, will Herr Prof. Förster in der Juli - Sitzung dem Elektrotechnischen Vereine weitere Mittheilungen über die in England aus geführten Versuche machen . Ehe ich zu weiteren Folgerungen auf Grund dieser Entdeckung über gehe, möchte ich Sie an die seiner Zeit dem Verein von Herrn Dr. Vettin vorgeführten Experimente

erinnern ,

die,

wie mir scheint,

besprochenen einen gewissen Zusammenhang haben.

mit den

eben

Auch bei jenen Experi

menten wurde der Rauch auf elektrischem Wege , wenn auch nicht beseitigt

160

Ueber den Werth der Ozonmessungen bei Ballonfahrten.

dazu war wohl die dem Elektrophor entströmende Elektrizität zu gering so doch in Kraftlinien geordnet, wie dies Lodge angiebt. Herr Dr. Vettin wies darauf hin, dass die hochstehenden Cirruswolken in den meisten Fällen ganz gleiche Formen zeigen, also wohl in jenen Regionen eine elektrische Einwirkung vorausgesetzt werden müsse . Nach den neueren Erfahrungen würde man diese Einwirkung dem Ozon zuschreiben und deshalb folgern müssen,

dass gerade in den oberen Regionen

Ozongehalt vorhanden sein muss .

der Atmosphäre

ein hoher

Leider kann der Ballon diese Region

allerdings nicht erreichen, um uns hierüber Gewissheit zu verschaffen, immer hin wird er aber über die Zunahme des Ozongehalts mit der Höhe Auskunft geben können . Ich

möchte nun darauf zurückkommen,

stark ozonisirte Luft

99 einen Luftfilter"

dass Herr Prof. Förster die

genannt hat und wird diese An

nahme, wie es scheint, durch die mit Ozonwasser gemachten Versuche voll kommen bestätigt . nachgewiesen,

Herr Dr. Jeserich hat durch Experimente neuerdings

dass Ozonwasser, unreinem Wasser beigemischt,

enthaltenen Organismen zerstört. gehende Untersuchung der

alle darin

Ausserdem hat vor einiger Zeit eine ein

ozonreichen Luft des Meeres und der Meeres

küste zu der Entdeckung geführt, dass dieselbe fast ganz frei von Unrein lichkeiten und Mikroorganismen war. Es würde sich nun allerdings zuvörderst die Frage aufwerfen lassen, bei wieviel Prozent Ozon tritt eine Zerstörung der verschiedenen Organismen ein und wie weit kann der Ozongehalt gesteigert werden, ohne dem Menschen schädlich zu werden ? Versuche an lebenden Thieren haben ergeben, dass Thiere, welche verdünntes Ozon einathmeten , schläfrig wurden und , wenn sie länger in solcher Luft blieben, langsam starben. Von Haller ist ein Zusammenhang zwischen katarrhalischer Lungenentzündung und dem Ozon gehalt der Luft in der Art nachgewiesen worden , dass beide im Winter allmählich zunehmen , im Frühling ihr Maximum, im Herbst ihr Minimum erreichen , während , wie vorher erwähnt . Dr. Stein bei Lungenkranken ozonisirte Luft zur Heilung anwendet. Dass ein durch reichlichen Ozon genuss gesteigerter Verbrennungsprozess schläfrig macht , erscheint mir er klärlich, ebenso, wie man durch einen ungewohnt langen Aufenthalt in der freien Luft- ohne Nachtheil für seine Gesundheit ermüdet ; dass ein künstlich gesteigerter Ozongehalt dem Körper schaden kann, unterliegt wohl keinem Zweifel, da er dann zerstörend auf die zunächst von ihm getroffenen Organe einwirken, bezw. Entzündungen hervorrufen wird. Man hat, wie ich glaube , damit dem Ozon einen ganz ungerechtfer tigten Vorwurf gemacht, denn ähnliche Eigenschaften haben noch viele andere Naturkräfte , die sich der Mensch dienstbar gemacht hat. An ihrer Spitze steht die Elektrizität selbst , die sowohl zum Heilen von körper lichen Gebrechen wie auch zum Hinrichten von Menschen angewendet wird . Ferner möchte ich Sie an das Feuer erinnern ,

von

dem schon Schiller

Ueber den Werth der Ozonmessungen bei Ballonfahrten.

161

sagt : 97 Wohlthuend ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht“ u. s. w. Augenblicklich handelt es sich um die Beantwortung der Frage, welchen Vortheil haben wir von der zerstörenden Kraft des in der Atmosphäre ent haltenen Ozons? Nach dem vorher Gesagten liegt die Voraussetzung nahe, dass in gleicher Weise wie im Wasser auch in der Luft durch das Ozon schädliche Organismen zerstört und damit beseitigt werden. Man hat desshalb einem

zu

schon früher das Auftreten der Cholera und anderer Epidemien geringen

Ozongehalt

zugeschrieben ,

Seuchen andauernde Trockenheit vorausging.

da

ausserdem

derartigen

Neuerdings ist von englischen

Aerzten die vorigen Herbst und Winter über ganz Europa von Osten nach Westen sich verbreitende Influenza auch auf dieselbe Ursache zurückgeführt worden ; leider fehlt diesen Voraussetzungen noch ein vollgültiger Beweis , den zu erbringen der Zukunft überlassen bleiben muss . Dennoch ist die Annahme wohl begründet genug und verdient eher eine weitere Erwägung, als kurz von der Hand gewiesen zu werden. Ich halte es aus diesem Grunde für eine wichtige Aufgabe der Luft schiffahrt in dieser Hinsicht Aufklärung zu schaffen . Es wird für den Luft schiffer ein Leichtes sein, aus verschiedenen Höhen Luftproben mitzubringen, die dann vom Chemiker auf ihren Ozongehalt und sonst darin vorhandene Bestandtheile untersucht werden müssten.

Auch Pettenkofer ist der Ansicht ,

dass es gelingen würde, aus dem Ozongehalt der Luft den Grad der Ver unreinigung derselben zu bestimmen. Zeigt sich die Luft mit hohem Ozongehalt frei von Mikroorganismen und sonst schädlichen Bestandtheilen , so würde damit schon eine wichtige Entdeckung gemacht sein.

Auch genauere Ermittelungen über den mit der

Höhe steigenden Ozongehalt, den Ozongehalt der Wolken u. s . w. sind jeden falls von grösserem Werth, als die Messungen der Temperatur, des Feuch tigkeitsgehaltes u . dergl . Die Erlangung solcher Proben geschieht wohl am Einfachsten in der s. Z. von Herrn Dr. Jeserich ausgeführten Weise durch Mitnahme luftleerer

Glasballons, die in den betreffenden Höhen geöffnet und nach Füllung wieder geschlossen werden . Allerdings würde ein wissenschaftliches Institut den Luftschiffern diese Ballons mit vielleicht das Reichsgesundheitsamt Auch halte ich geben und die spätere Untersuchung ausführen müssen . Berlin hat bis jetzt ausgedehntere Ozonmessungen an verschiedenen Orten für wichtig , wenn auch der jetzt noch ge nur drei solcher Stationen bräuchliche Messapparat mancherlei Einwendungen zulässt. M. H.! Ich bin mir wohl bewusst , dass man bei derartigen Erör terungen , wie meine heutige , sich leicht zu falschen Folgerungen verleiten lässt und oft zu argen Trugschlüssen kommen kann , glaube aber, dass es doch von Interesse sein würde, die augenblicklich weite Kreise beschäftigende Frage gerade an dieser Stelle zu erörtern . IX .

Ich habe meinen Voraussetzungen 11

„L'Aéronaute de Berlin ".

162

absichtlich etwas viel Auftrieb gegeben , da schon während des Vortrages durch Diffusion viel davon verloren geht und ich die Frage einige Zeit in der Schwebe erhalten möchte . Eine Widerlegung der von mir gemachten Angaben und ausgesprochenen Vermuthungen würde für die Lösung mancher noch vorhandenen Räthsel aber nur von Nutzen sein.

,,L'Aéronaute de Berlin." So nennt Herr de Fonvielle unsere Zeitschrift in einem ebenso über schriebenen längeren Artikel im Maiheft des „ Spectateur militaire ", welcher sich ausschliesslich mit unseren

aëronautischen Einrichtungen beschäftigt

und daher von uns nicht unbeachtet gelassen werden kann.

Die Eindrücke,

welche unser verehrter Nachbar jenseits der Vogesen in der Ferne von uns gewonnen hat, entbehren nicht einer gewissen Voreingenommenheit gegen uns, die sich verschiedentlich durch bissige Bemerkungen Luft macht.

„ Die

Deutschen sind in der Luftschiffahrt noch sehr ungeschickt , wir brauchen uns vor ihnen nicht zu fürchten ! " Das etwa ist der rothe Faden , welcher sich durch die elegant geschriebene Arbeit hindurchzieht. Es wird unsere geehrten Leser zunächst interessiren, zu erfahren, dass wir mehr als acht Jahre hindurch uns der besonderen Fürsorge und einer jährlichen Unterstützung seitens des Fürsten Bismarck zu erfreuen hatten. Die Erbschaft des eisernen Kanzlers wird sein Nachfolger jedenfalls über nehmen ,

daher erachtet de Fonvielle es für zeitgemäss ,

die Massnahmen

einer, der Pariser nachgebildeten Einrichtung, welche die Vorzüge einer be sonderen Gesellschaft mit einem Staatsunternehmen verbindet , bekannt zu machen .

Um überhaupt die unserem nationalen Genie bis dahin „ rebellisch

erschienene Luftschiffkunst " bei uns einbürgern zu können , wäre eine Ver bindung der Militär- und Zivil-Luftschiffer nothwendig gewesen.

Der Ver

fasser hebt ganz besonders hervor, wie das aristokratische Offizierkorps her abgestiegen wäre und sich seiner mehr der Erde angehörenden Vorurtheile begeben hätte, um am Himmel eine gute Rolle zu spielen. Die Berliner Gesellschaft halte ihre Versammlungen im Saale der Kriegs- Akademie ab , bezahle keine Miethe und werde in jeder Beziehung mit Wohlthaten seitens Seiner Majestät des Kaisers überhäuft (!! ) .

Ja , Seine

Majestät habe geäussert, „ an den Ufern der Spree müsse diese allerhöchste Lehre dem Volke

vorgetragen werden (devait être infligée) ,

welches

die

Dienste, die der Ballon bei der Belagerung von Paris den Franzosen geleistet, schon wieder vergessen habe! " Nachdem darauf eines Längeren das Fehlen des dritten „ f" im Worte Luftschiffahrt unserer Zeitschrift besprochen , wobei unserem verehrten Herrn Redakteur der Vorwurf gemacht wird , hierzu recht viel Zeit gebraucht zu haben, bezeichnet de Fonvielle als Triebfedern der Redaktion Dr. Angerstein. Lieutenant Moedebeck und Lieutenant Gross . Von des Letzteren Feder hebt

„L'Aéronaute de Berlin".

163

er die Eleganz und Lebhaftigkeit hervor, welche man wenig gewohnt sei in der deutschen Litteratur zu finden.

Er weist dann auf die Schwierigkeiten

hin, welche sich für einen passenden Ersatz an Luftmatrosen in Deutschland ergeben hätten , welches viel leichter Kürassiere oder Garde- Grenadiere stellen könnte . Wir glauben, dass diese naiven , echt französischen Anschauungen ebenso wie noch einige folgende unseren Lesern nur zur Erheiterung dienen werden. Infolge dieser Missstände hätten wir auch stets gern fremden Luft schiffern die Arme geöffnet , aber natürlich hätte kein Luftschiffer des be lagerten Paris unseren Einladungen entsprochen , wir hätten uns mit einem falschen Godard begnügen müssen. schiffer zu uns gekommen ,

Schliesslich wären amerikanische Luft

so letzthin Leroux ,

welcher angesichts

des

Dr. Angerstein in der Ostsee bei Memel (sic !) ertrunken sei , und der Luft schiffer Damm, dessen unglückliche Fahrt nach Oranienburg mit dem Ballon „ Fürst Bismarck " eingehend und sarkastisch geschildert wird .

Aber Herr

de Fonvielle ist weit davon entfernt, an uns nur allein Keulenschläge aus zutheilen, nein , er betrachtet uns als Unerfahrene , gleichsam als Kinder, und enthält sich nicht belehrender Winke, die er wohl unterlassen würde , wenn er erst einmal in unserem Kreise im Saale der Kriegs - Akademie zu Gaste gewesen sein würde . Unsere Militärluftschiffer wollen nach seiner Meinung den Fallschirm benutzen , um mittelst dieses vom Freiballon in das Innere einer Festung zu fallen. Das tadelt er scharf und er schreibt solche Vorsätze der geringen Erfahrung unserer Militärs im eigentlichen Ballonwesen zu . Auch fehlten ihnen die hierzu erforderlichen Eigenschaften schon von Natur aus .

Man

könnte zu ihrer Entschuldigung anführen , sie suchten den mechanischen Theil der Luftschiffahrt zu verbessern und betrieben den aëronautischen da her nur mittelmässig, aber sie hätten von der Wichtigkeit dieser ersteren Richtung einen allzu hohen Begriff. Verfasser geht nun auf die Organisation des Vereins über und auf deren geschichtliche Entwickelung.

Nach der Ausstellung in Wien hätten.

Mitglieder des Berliner Vereins die Wiener überredet , den „ Aéronaute de Berlin " zu ihrem Vereinsorgan zu machen . Wie immer hätten die Prussiens bei der Theilung den Löwen - Antheil (!) bekommen.

Das lenkbare Luft

schiff sei bei der Militär - Luftschiffahrt in zweite Linie getreten.

Darauf

wenigstens deuteten die vielen Freifahrten hin . Es wird der Argwohn ge schöpft, dass wir als kluge Politiker, die, welche sich in anderen Ländern mit der Lenkbarkeit beschäftigt hätten, lobten und aufmunterten , während wir die Anhänger der Praxis überall zu unterdrücken trachteten .

Man wolle

sich darin bei uns das Monopol bewahren. Es wird darauf von dem Einfluss gesprochen , welchen der Berliner wahr Verein auf die Begründung einer société populaire dite patriotique scheinlich der nur kurze Zeit dagewesene Verein des Herrn Ganzwindt 11*

„L'Aéronaute de Berlin".

164

sowie ferner auf den Münchener Verein gehabt hat. dieselbe Zeitschrift angenommen,

welche somit

Auch

diese hätten

"" le centre d'une véritable

fédération aéronautique " geworden sei. Wenn Berlin einen Henry Giffard hätte, der Millionen der Regierung für Fortschritte der Wissenschaft übergäbe, so hätten dort die Luftschiffer nicht nöthig, an das Ministerium für gute Verwendung solcher Reichthümer eine Bittschrift richten zu müssen. Bei uns sei Alles in so guter Ordnung. dass die meteorologischen Vereine selbst in den grossen Luftwettstreit ein Die Mitglieder und die Luftschiffer- Offiziere seien alle in beiden Vereinen. Von diesem Zusammenwirken gäbe eine am 19. Juni ausgeführte dreifache Ballonfahrt den

schlagendsten Beweis .

Auch von München sei

zur selben Zeit ein Ballon aufgestiegen und Dr. von Bezold (?) habe auf einem Berge in der Schweiz gleichzeitig Beobachtungen angestellt. Unternehmen

sei vollkommen geglückt und

Dieses

der bayerische Verein sei als

eine darauf folgende Errungenschaft anzusehen.

Hierdurch ermuntert, habe

Dr. Angerstein dem Luftschifferverein in Paris einen ähnlichen Vorschlag gemacht *).

Das Anerbieten

sei analog dem gewesen,

welches ein wenig

später die französische Regierung von seiten eines erlauchten Antragstellers (initiateur) bezüglich der Arbeiterkonferenz erhielt.

Von einigen chemischen

Prozessen und Handgriffen abgesehen, glaubt de Fonvielle, sei in der Luft schiffahrt nicht leicht etwas lange geheim zu halten . Die Haltung der deutschen Gesellschaft sei für die französische Eigenliebe sehr schmeichel haft und für die Erhaltung der eigenen Superiorität ungefährlich , aber man wisse nicht, was dahinter stecke, die französische Gesellschaft würde pflicht vergessen gehandelt haben , wenn sie einen Augenblick vergessen hätte, dass die deutsche Gesellschaft eine bemäntelte Abtheilung (émanation déguisée) des Kriegsministeriums,

ein

offiziöses Anhängsel

der

kaiserlichen Luft

schiffahrt sei (hört ! hört !) . -- Daher habe man die Ehre einer thätigen Mit arbeiterschaft, so verführerisch sie auch in Vorschlag gebracht worden sei, höflich abgelehnt und die Antragsteller auf den nächsten Kongress zu Paris verwiesen.

aëronautischen

Verfasser ergeht sich darauf in einer beispiellos absprechenden , satyri schen Art einer Besprechung der von uns im Juni 1889 ausgeführten Fahrten, ganz besonders

der Fahrt des Nautilus .

sich Referent dieser Zeilen

Als Führer des Nautilus fühlt

für zu vornehm,

um derartigen tendenziösen

Giftpfeilen überhaupt Beachtung, geschweige denn ein Wort der Erwiderung entgegenzuhalten und ist derselbe davon überzeugt, dass sein eifriger Ge fährte und lieber Kamerad Gross darin mit ihm eines Sinnes sein wird. In gleicher Weise

wird die Landung der durch die Zeitungen bekannt

gewordenen Fahrt vom 28. März besprochen.

Hier tritt dann in dem ganzen

Aufsatz plötzlich ein Wedepunkt ein, indem Herr de Fonvielle durch näheres

Eine Mittheilung darüber wird im nächsten Hefte folgen .

D. Red.

Litterarische Besprechungen.

165

Eingehen auf das Landen gewissermassen so gnädig ist , uns auf Ver schiedenes aufmerksam zu machen und uns zu belehren . 99 Wenn die Berliner anstatt in den Schmähschriften gegen uns herumzu Offiziere " , sagt er, blättern , besser unsere Bücher studiren würden, wären solche Unfälle nicht möglich. Dabei schlägt er den Gebrauch eines an das Ankertau angesetzten Kautschukbandes (Giffard's Erfindung) vor . Bei dessen Anwendung könne Seiner Majestät gewöhnlichster Pionier sich nicht die Beine brechen . Man sähe aus Allem, wie wenig wir zu fürchten seien . Aber die Lektüre unserer Zeitschrift zeige, dass wir uns auf rationellem Wege befänden und nichts ein beliebter Hieb gegen die Arbeiten von Renard und

unnütz ausgeben,

Krebs . Es gäbe nur einen Weg. Etwas zu erreichen , der läge in Unter Daran solle auch stützung wissenschaftlicher Fahrten durch den Staat . Frankreich denken . in Chicago theilweise

Mit einem Hinweis auf die bevorstehende Ausstellung

schliesst diese Abhandlung de Fonvielle's , wunderbaren

Anschauungen

sicherlich

welche mit ihren

öfter die Lachmuskeln

unserer geehrten Leser in Thätigkeit versetzt haben wird. G. Moedebeck , Premier-Lieutenant im Fuss- Artillerie- Rgt . No. 11.

Litterarische Besprechungen.

La guerre et le sport colombophile par E. Vidière , capitaine adjutant En vente à la librairie de Paris major au 29. territorial d'infanterie. 20, boulevard Montmartre . In der Einleitung setzt der Verfasser auseinander, dass eine Taube, um eine gute Brieftaube zu werden. in methodischer Weise geübt werden , und daher der Zweck der kolombophilen Wettbewerber der sein muss , zur Abrichtung aufzumuntern und zur Erkennung der besten Brieftauben beizu tragen. Daher die Nothwendigkeit kolombophile Gesellschaften zu gründen. Der Kapitän Vidière sagt mit Recht, dass die Verwendung von Brief tauben in belagerten Plätzen ein Kommunikationsmittel biete, welches die grössten Dienste zu leisten berufen sei, denn die Nachrichten ausserhalb können unter vielen Umständen einen ernstlichen Einfluss auf die Operationen und die Entschliessungen des Vertheidigers üben. Um eine gute Brieftaube zu sein, müssen bei der Taube folgende Eigenschaften in hohem Grade entwickelt sein: Anhänglichkeit an den Taubenschlag , Schnelligkeit des Fluges und Orientirungsinstinkt . Die Ent wickelung dieser angeborenen Eigenschaften erfordert eine gewisse Er ziehung . Einen grossen Theil seiner Broschüre hat der Verfasser der Prüfung folgender Fragen gewidmet : Organisation einer kolombophilen Gesellschaft ; Konstruktion des Taubenschlages ; Ernährung der Tauben ; ihre Züchtung und Abrichtung: Art und Weise, sie die Depeschen befördern zu lassen ; Fang und Vernichtung der Tauben ; ihr Transport per Eisenbahn ; ihre Re quisition (im Kriegsfall) und ihr Schutz ; ihre Zählung. Berghaus . Diese sämmtlichen Fragen sind mit Klarheit behandelt.

166

Mittheilungen aus Zeitschriften.

Mittheilungen aus Zeitschriften . Allgemeine Sport-Zeitung. Wochenschrift für alle Sportzweige . Heraus gegeben und redigirt von Viktor Silberer. XI. Jahrgang, Wien 1890 . Die Allg . Sport- Ztg. " bringt in ihrer No. 35 vom 25. Mai d . J. folgende interessante Mittheilung : „ In Wien wurde mit 15. April in der aëronautischen Anstalt im k . k. Prater ein militär-aeronautischer Kurs eröffnet , dessen fachliche Leitung vom hohen Reichs - Kriegsministerium dem Herausgeber dieses Blattes über tragen wurde . Nach Absolvirung der nothwendigen technischen Vorübungen begannen am 10. Mai die freien Auffahrten der Herren Offiziere . Schon am 3. Mai war ein grosser Ballon gefüllt und mit demselben manövrirt worden, ein Aufstieg musste jedoch wegen des herrschenden sehr starken Windes unterbleiben. Am Samstag den 10. Mai nun war das Wetter sehr günstig und um 5 Uhr erhob sich der imposante „ Vater Radetzky" , geführt von dem Leiter des militär- aëronautischen Kurses und bemannt mit den drei rangältesten Offizieren der Luftschiffer - Abtheilung, den Herren Ober lieutenant Hermann Hoernes vom Eisenbahnregiment, Oberlieutenant Johann Sojka vom 4. Pionierbataillon und Oberlieutenant Josef Trieb vom 2. Genie regimente , majestätisch in die Lüfte. Die Landung erfolgte nach zwei stündiger Fahrt bis zu 1600 Meter Höhe nächst Leitzersdorf bei Stockerau. Am Freitag den 16. Mai hat die neugeschaffene Militär - Luftschiffer Abtheilung wieder eine freie Luftfahrt mit dem grossen Ballon „ Vater Radetzky" unternommen, an welcher ausser dem Leiter des Unterrichts kurses die Herren Oberlieutenant Josef Watzek vom Pionierregiment, Lieutenant Franz Eckert vom 1. Genieregiment und Lieutenant Franz Hinterstoisser des Eisenbahn- und Telegraphenregiments theilnahmen. Der Aufstieg erfolgte bei leichtem Nordwinde um 4 Uhr. Diese Luftfahrt hat nahezu drei Stunden gewährt, wobei zweimal die Höhe von 1600 Meter überschritten wurde. Die Landung erfolgte um 7 Uhr Abends bei Wampers dorf nächst Pottendorf. - Samstag den 17. Mai um 4 Uhr erfolgte aber mals ein Aufstieg, an welchem ausser dem Führer des Ballons die Herren Oberlieutenant Johann Sojka vom 4. Pionierbataillon , Oberlieutenant Josef Trieb vom 2. Genieregiment und Oberlieutenant Josef Watzek vom 5 Pionierbataillon und Lieutenant Eckert vom 1. Genieregiment theil nahmen. Diese Luftfahrt war in mehr als einer Hinsicht sehr bemerkens werth . Zunächst war es das erste Mal, dass in Oesterreich fünf Personen zugleich in einem Ballon aufstiegen . Weiters ist es interessant, dass die Gesellschaft nach einstündiger Fahrt bei Brunn an der Südbahn landete, einen der Herren Offiziere absetzte, frischen Ballast einnahm, sodann wieder aufstieg und noch über zwei Stunden weiterfuhr, um schliesslich in der Nähe von Pottenstein zu landen. Der Ballon nahm dabei seinen Weg über Maria-Enzersdorf, die Ruine Liechtenstein, die Vorderbrühl, direkt über die Aussichtswarte des Anninger, über das Helenenthal, um sich dann ganz westwärts in den Wienerwald zu wenden. Die Landung wurde dadurch einigermassen erschwert und musste schliesslich ein sehr enges schmales Thal dazu benutzt werden, in welchem der Vater Radetzky " knapp an einem Waldessaume auf die Bäume herabkam. Mit Hilfe der herbeige kommenen Leute wurde sodann der Ballon an seinem langen Schlepp auf eine kleine Wiese herabbugsirt, nachdem vorher einer der Herren Offiziere. um das Gewicht zu entlasten, an einem Schleppseil zur Erde geklettert war.

Mittheilungen aus Zeitschriften .

167

Am Montag den 19. Mai um 4 Uhr fand wieder eine Auffahrt statt, dies mal zum ersten Male unter Führung des technischen Assistenten der aëro nautischen Anstalt , Mr. Hansen , an welcher die Herren Oberlieutenant Hermann Hoernes , Lieutenant Franz Hinterstoisser , beide des Eisen bahn- und Telegraphenregiments, und Oberlieutenant Josef Trieb des Genie regiments No. 2 theilnahmen . Diese Luftreise erstreckte sich schon auf vier Stunden, die Länge der Fahrt betrug 122 Kilometer und die Landung er folgte bei St. Marein, Bahnstation Göpferitz, westlich von Horn . “ Das Blatt des Herrn Silberer berichtet in seiner No. 37 vom 1. Juni über weitere Auffahrten folgendes : ..In Wien hat am Donnerstag den 22. Mai um 2 Uhr Nachmittags eine Auffahrt des „ Vater Radetzky" mit drei Herren Frequenten des militär aëronautischen Kurses unter Führung des technischen Assistenten der aëro nautischen Anstalt Mr. Hansen stattgefunden. Die Theilnehmer waren die Herren : Oberlieutenant Josef Watzek des 5. Pionierbataillons, Lieutenant Franz Hinterstoisser des Eisenbahn- und Telegraphenregiments und Lieutenant Franz Eckert des Genieregiments No. 1. Es war eine Fahrt von längerer Dauer in Aussicht genommen, doch trat bald nach dem Auf stiege völlige Windstille ein und zogen von mehreren Seiten Gewitter auf, so dass es gerathen erschien, die Fahrt abzubrechen, und wurde anderthalb Stunden nach dem Aufstiege nächst Hütteldorf in strömendem Regen gelandet. I Am Mittwoch den 28. Mai fand um 4 Uhr Nachmittags abermals eine Auffahrt statt, an welcher ausser Mr. Hansen die Herren Oberlieutenant Hermann Hoernes und Lieutenant Franz Hinterstoisser des Eisenbahn und Telegraphenregiments und Lieutenant Franz Eckert des Genieregiments No. 1 theilnahmen . Nach vierstündiger Fahrt, theilweise dicht in Wolken gehüllt, wobei der Ballon zweimal die Donau passirte, wurde bei Inning, nächst Loosdorf an der Westbahn, oberhalb St. Pölten, gut gelandet. Die zurückgelegte Strecke beträgt 97 Kilometer. " Revue de l'aéronautique théorique et appliquée. Directeur Henri Hervé . Paris. - 2. Jahrgang, 1889, 2. , 3. und 4. Lieferung. Mit Beginn dieser Lieferung setzt Lieutenant Marcel Degony seine geometrische Studie : „ Ueber das Gleichgewicht der Fesselballons " fort, und zwar erstreckt sich die Untersuchung zunächst auf die Veränderung der Steighöhe des Ballons, wenn unter sonst gleichen Umständen der Wind sich ändert. Die Absicht des Verfassers ist es bei diesem ganzen Aufsatz weniger, Formeln zu entwickeln , als die gegenseitige Abhängigkeit der frag lichen Grössen mit den Mitteln der Geometrie anschaulich zu machen. Dies geschieht in vielen Fällen auf recht elegante Weise . So liest man z . B. aus der für die vorstehende Frage konstruirten Figur ohne Schwierigkeit ab, dass bis zu einer gewissen Grenze die Vermehrung der Windstärke fast nur den Erfolg hat, die Höhe des Ballons zu vermindern, ohne die Spannung des Kabels merklich zu steigern , darüber hinaus aber im Gegentheil diese Spannung reissend schnell vermehrt, ohne noch viel an der Höhe zu ändern. Zweitens wird im selben Kapitel die Frage behandelt , wie sich die Höhe des Ballons bei konstantem Winde mit der Steigkraft ändert, und drittens , wie man letztere ändern müsste, um bei steigendem Winde dieselbe Höhe zu behaupten . In letzterem Falle wird der Zusammenhang geometrisch durch eine Parabel dargestellt, deren vom Brennpunkt an auf der Axe ge messene Abscissen den Winddruck, deren Ordinaten die Steigkraft darstellen.

168

d.

Mittheilungen aus Zeitschriften . Das Kapitel IV gilt der Abtrift des Fesselballons durch den Wind, der Entfernung des Anfangspunktes des Kabels von der durch seinen

oberen Endpunkt gefällten Senkrechten . Indem hier gleichzeitig die Längen beider Linien durch denselben Winkel, den das Seil an seinem oberen Ende mit der Horizontalen macht, ausgedrückt werden , erhält man den Ort des Ballons . Die entwickelten Formeln würden einem Aëronauten z . B. er lauben, von der Gondel aus durch eine einzige vertikale Visirung die Höhe zu ermitteln . Sie würden auch gestatten, den Platz zu ermitteln , wo man die Trommel des Kabels aufstellen müsste , damit der Ballon genau senk recht über einen vorausbestimmten Punkt zu stehen käme. Dies könnte dazu dienen, bei Tage eine feindliche Stellung zu photographiren, bei Nacht Sprengstoffe auf sie fallen zu lassen, den Ballon beide mal ohne Gondel vorausgesetzt. Indem man in den entwickelten Gleichungen die Steigkraft mit Hilfe der Bedingung, dass die Kabellänge konstant sein soll, eliminirt, ergiebt sich eine gewisse Gleichgewichtskurve , auf der der Ballon sich bei konstanter Windstärke und konstanter Kabellänge , aber veränderlicher Steigkraft, be wegt. Degony benennt sie isaurische Ellipse isos gleich, aura der Wind hauch. Voraussetzung ist hierbei beständig , dass das Kabel sich mit keinem Theil seiner Länge auf den Erdboden lege, also eventuell an einem genügend erhöhten Punkt befestigt sei . Wenn im Gegentheil das Kabel anfangs in Richtung des Windes auf liegt und der Ballon mit wachsender Steigkraft mehr und mehr davon auf hebt, so beschreibt er eine ganz andere Kurve, welche Degony eine isaurische Hyperbel nennt . Diese geht von dem Punkte ab in einen Kurvenbogen der ersteren Art über , wo der Ballon das Kabel völlig vom Erdboden ge hoben hat. Bei weitem der häufigste Fall ist, dass ein Fesselballon bei konstanter Steigkraft und gegebenem Kabel seinen Ort in Folge der wechselnden Wind stärke ändert. Die dann beschriebenen Kurven ähneln wieder den Ellipsen, haben aber, wie all' die vorhergehenden, eine hübsch transscendente Gleichung und heissen nach Degony Balancetten . Wenn endlich ausschliesslich die Länge des Kabels geändert wird, während Wind und Steigkraft dieselben bleiben, so geht die Bewegung so vor sich , als wenn die Kettenlinie , starr gedacht , durch den Fesselpunkt parallel sich selbst aufwärts glitte. Der Ballon selbst beschreibt dann eine sogenannte sekundäre, d. h. umgekehrt , oder mit der Axe nach unten ge richtete Kettenlinie . Im letzten Kapitel betrachtet Degony die freien Ballons mit Schlepp seil. Zur Zeit, wo dieses schleift, gelten die Gesetze des Fesselballons mit gewissen Abänderungen. Wenn nämlich die Reibung auf dem Erdboden grösser wird, so erfährt der Ballon einen stärkeren relativen Wind und nähert sich dem Erdboden, ohne dass seine Steigkraft geringer geworden ist. Daher darf der Luftschiffer daraus , dass der Ballon sich dem Boden nähert, nicht ohne Weiteres auf eine Verminderung der Steigkraft schliessen. Es kann eine Aenderung der Bodenbeschaffenheit daran schuld sein . Dies letzere ist sicher die ausschliessliche Ursache , wenn es gelingt, mit Hilfe von Marken am Schleppseil zu erkennen , dass die Länge des schleifenden Theiles dieselbe geblieben ist.

steigt.

Wenn der Ballon einen Sonnenblick bekommt , erwärmt er sich und Er hebt dadurch einen grösseren Theil des Seiles. Nunmehr wird

Mittheilungen aus Zeitschriften .

169

die Reibung des schleppenden Theiles geringer , der Ballon wird weniger gehemmt, erfährt weniger relativen Wind und steigt auch aus diesem Grunde. Die Höhe wird also durch die Zunahme der Steigkraft und durch die Ver minderung der Reibung in gleichem Sinne beeinflusst. Den Schluss dieses interessanten Aufsatzes bildet eine Betrachtung über das Verhalten des Ballons mit Schleppseil bei Ueberwindung starker Unebenheiten des Erdbodens . G. Espitallies. Anwendung der Elektrolyse für die Her stellung von Wasserstoff. Bericht und Kritik über einen Aufsatz des Herrn Latschinow im Russkii Invalide . Wenn die Herstellung des Wasser stoffs auf elektolytischem Wege noch keine industrielle Ausbeutung erfahren hat, so liegt dies an zwei Schwierigkeiten , an dem hohen Preise der nöthigen Platinelektroden und an dem grossen inneren Widerstande der Flüssigkeiten. Allerdings könnte man jene durch andere Stoffe , z . B. Retortenkohle er setzen. Man würde sich aber bald überzeugen, dass diese Stoffe vom Gase in statu nascendi stark angegriffen würden. Es bleibt nur das Platin . Latschinow preist nun das elektrolytische Verfahren und berechnet die Kosten, diese allerdings mit einer starken Neigung zu Gunsten der gerühmten Methode, wie wenigstens Espitallier behauptet, so z . B. , dass der nebenbei erhaltene Sauerstoff mit 4 Fres . pro cbm verkauft werden könnte . Es bleibt aber trotzdem zu hoffen und zu erwarten , dass sich die Industrie dieser Sache bemächtigt . Künstliche Seide , von X. Nach vielen Versuchen, einen der Seide ähnlichen Stoff auf künstlichem Wege herzustellen, ist dies vor einiger Zeit den beiden Herren Chardonnet in Paris und du Vivier in Nanterre gelungen. Ersterer hat bereits im Jahre 1884 der Akademie der Wissenschaften ein im Jahre 1887 eröffnetes Schreiben über diese Erfindung überreicht . Man stellt eine Lösung von 3 gr nitrirter Cellulose in 100 bis 150 gr einer Mischung von Alkohol und Aether zu gleichen Theilen her. Man fügt dann 2,5 cbcm einer filtrirten Lösung von trockenem Eisenprotochlorür in Alkohol hinzu ; ebenso 1,5 cbcm einer Lösung von Tannin in Alkohol . Dies alles wird in einem zur Verhütung der Verdunstung geschlossenen Gefässe filtrirt. Dann lässt man diese Lösung durch eine etwa 0,1 mm weite Oeffnung unter mit 1/2 % Salpetersäure versetztem Wasser, bei einem Ueberdruck von wenigen cm auslaufen . Der Flüssigkeitsfaden gewinnt hierbei , wird gleichmässig weiter gezogen und schleunig getrocknet. Der Faden ist dunkelgrau, lässt sich färben mit löslichen Farbstoffen , sieht seidenartig aus und hat eine Zugfestigkeit von 20 bis 25 kg pro 1 qmm bei einem spezifischen Gewicht von 1,49 . Ebenso ist seine Elastizität der der Seide ähnlich. Seine Reiss länge würde somit etwa 16,000 m betragen. In ähnlicher Weise verfährt Herr Viviers . Eine nach seinen Methoden arbeitende Fabrik würde das Holz in ungeahnter Weise zur Herstellung von Seide verwerthen . Auf weitere Einzelheiten müssen wir hier verzichten . In dem Aufsatze von Béthuys : Chronique de l'exposition I. l'aéronautique militaire interessirt uns besonders die Uebersicht über die allmähliche Entwickelung der Wasserstofffabrikation . Denn dies Gas ist der eigentliche Träger der ganzen Luftschiffahrt. Man darf folgende Methoden unterscheiden nach ihrer geschichtlichen Reihenfolge : 1. Apparat von Charles , 1783 ; diese Tonnenmethode wurde bis

zum Jahre 1875 allein als praktisch ausführbar erachtet . 2. Apparat von Conté , 1794, im Gebrauch unter der ersten Republik.

170

Mittheilungen aus Zeitschriften.

Der Wasserstoff wurde entwickelt durch die Zersetzung des Wasserdampfes durch rothglühendes Eisen . 3. Apparat mit Zirkulation und Spülung , 1875 , erfunden vom Kommandanten Renard. 4. Fester Apparat mit Zirkulation , System Renard. Gegen wärtig im Gebrauch, erzeugt 250 cbm in der Stunde. 5. Fester Apparat mit Zirkulation von Giffard , 1878 , gebraucht beim Fesselballon der damaligen Ausstellung. 6. Desgl . von Tissandier , 1883. 7. Apparat zur Füllung der Ballons im Felde . Werthvoller Apparat auf Rädern, der den Truppen überallhin folgen kann und stets bereit ist. Er soll 300 cbm pro Stunde liefern . 8. Apparat mit Gazeïnegebrauch , Renard. 1880-86 . Gazeïne ist im Stande, bei verhältnissmässig geringer Temperatur Wasserstoff zu entwickeln . 50 cbm die Stunde . Vergleichende Tabelle der Wasserstofferzeugung.

Wasserdampfu . Eisen, (Re torten) . (Tiegel) . "9 99 u. geschmolz. Zink Siedendes Wasser, Anti mon und Zink Siedendes Wasser, Kupfer und Zink Eisenspähne u . Schwefel säure Eisenspähne u . Salzsäure Zink und Schwefelsäure . Natrium und Wasser . • Calcium und Wasser . Zink und Soda (salin?) . Aluminium und Soda . Zink, Kalk u . Sägespähne Gazeïne destillirtes Elektrolyse , Wasser .

Gewicht der Stoffe für 1 cbm Gas in kg hne Brennstoff

Materialien.

2200 5000 3000

Preis des 1 cbm in Frcs.

0,8-1 0,4-0,5 1,8--2

3000

3

3000

1,8-2

8-9000 12-13000 8 --9000 2300 2000 12000 5500 8000 3000

1-1,2 1-1,2 2.5 25 99 4 ? 0.2-0.25 5,8

0,081

0,3-0,4

Bemerkungen

Enormer Apparat, schnell abgenutzt, schwer zu be dienen, Entwickelung un regelmässig u. langsam. Entwickelung viel zu lang sam. Desgl. Im Gebrauch an der Stelle.

Renard stellt Proben von Kalzium aus , nach selbst erfundener Methode erhält.

Gewicht zu gross . Saure Dämpfe. Zutheuer, Entw.gefährlich. Ausgezeichnet, zu theuer. Schwer, sonst gut, Tonkin. Zu theuer. Gas schwer, Entw.langsam . Gut, aber langsam. Sehr langsam .

das er in grossen Mengen

Wenn dieser Offizier keine Apparate zur elektrolytischen Erzeugung des Gases ausgestellt hat, so geschieht dies aus begreiflicher Zurückhaltung. Er hat in der That in Chalais hierfür eine kleine Werkstatt, in der Volta meter seiner Erfindung mit 8 bis 10 Pferdekraft getrieben werden. Bemerkenswerth sind in diesem Theile der Ausstellung noch die kupfernen Flaschen zum Feldtransport der Schwefelsäure und die Stahl flaschen für komprimirten Wasserstoff. Die ersteren sind den sonst gebräuch

Mittheilungen aus Zeitschriften.

171

lichen Glasballons bedeutend überlegen, da sie, ohne Gefahr zu brechen , übereinandergepackt und gefahren werden können . Die letzteren sind Zylinder mit Halbkugeln an den Enden und auf 200 atm. Druck erprobt. Sie haben einen doppelt wirkenden Verschluss. Das Gewicht des Metalls pro Kubikmeter aufgespeicherten Gases beträgt noch nicht 8 kg. In den an den Wänden des Ausstellungsgebäudes aufgestellten Glas schränken findet man Proben aller für die Luftschiffahrt wichtigen Stoffe ausgestellt. Von besonderem Interesse sind die von dem Institut zu Chalais ausgelegten gefirnissten Stoffe. Ihre Gewichte in Gramm pro 1 qdm giebt Gewicht der folgende Tabelle : Firnissschicht 0.96 Ponghée, einfach, ungefirnisst 1.39 2.35 einmal gefirnisst . 99 zweimal 2,81 0,46 99 "9 dreimal 3.09 0.28 "" 99 viermal 3.25 0,16 99 "" fünfmal 0.08 u . einmal geölt 3,33 99 "9 Im Innern der Halle ist ein Ballonmodell im Massstabe 2 : 5 aus gestellt, ausserdem die verschiedenen Methoden der Gondelaufhängung so wohl für gefesselte , als für freie Ballons . Unter jenen ist die von Renard im Jahre 1877 erfundene hervorzuheben, welche eine gleichmässige Ver theilung des Zuges des Hebels auf alle Tragleinen , beständige Horizontalität des Gondelrandes bei beliebiger Neigung des Kabels und sichere Aus richtung der Gondel nach dem Winde bezweckt. Unter den übrigen ausgestellten Apparaten sei noch eine Maschine von Renard zur Messung der Zugfestigkeit der Seile erwähnt und ein aeronautischer Kompass des Oberst Mangin vom Jahre 1875 be schrieben. Er besteht im Wesentlichen aus einem Fernrohr mit senkrechter optischer Axe, in kardanischer Aufhängung am Gondelrande zu befestigen. Im Gesichtsfelde des Fernrohrs bemerkt man drei parallele Fäden gespannt und senkrecht dazu andere in grösserer Zahl . Zugleich sieht man die Nadel einer Bussole, deren Theilkreis der Fassung folgt. Um die ein geschlagene Richtung zu schätzen, dreht man das Rohr, bis die Bilder der irdischen Gegenstände sich parallel den vielen Fäden verschieben. In diesem Augenblick sind sie parallel der Bewegungsrichtung des Ballons und man liest die Stellung der Magnetnadel auf dem Limbus ab . Man misst ferner die Geschwindigkeit dadurch, dass man am Chronometer die Zeiten des Durch gangs eines wohlbegrenzten irdischen Objektes durch die drei parallelen Fäden des Kreuzes markirt. Der von ihrem Abstand überspannte Winkel ist so gross , dass die Basis des Triangels ein Zehntel seiner Höhe ist . Daher hat man einfach die Höhe des Ballons über der Erde durch 10 zu theilen und durch die Anzahl der zwischen Fadendurchgängen verflossenen Sekunden, um die Ballongeschwindigkeit in Metern zu erhalten . Im Hintergrunde des Ausstellungssaales bedeckt ein grosses Gemälde die Wand, auf dem in gleichem Maassstabe die Ballons von Meusnier 1792 , nur Projekt, Giffard 1852 , Dupuy de Lôme 1870-72 . Haenlein 1872 , Tissandier 1883-84 , Renard und Krebs 1884-85 abgebildet sind . Aber die grösste Neugier erregt die berühmte 33 m lange und nur 570 kg schwere Gondel des Ballons 33 La France " . In ihrer Mitte befindet sich eine Art Kajüte yon 2 m Länge, 1,30 m Breite und 1,90 m Höhe, deren Vordergrund

172

Mittheilungen aus Zeitschriften.

den elektrischen Motor von 9 Pferdekraft umfasst; dieser überträgt durch ein leichtes Getriebe und eine hohle Blechwelle seine Kraft auf die Schraube.

3

Ueber der Maschine sieht man Voltameter und Amperemeter und zur Seite des Schiffers rechts einen Kommutator zur Steuerung der Maschine, links das Steuerrad und ein künstliches Niveau , um die Neigung des Ballons zu beurtheilen . Im Hintergrunde stehen die Chlorchromelemente der elektri schen Batterie, über welche noch folgende Notizen gegeben werden : Gewicht Energie Dauer 100 watts 1h 15' Batterie von 12 Elem. von 30mm en couronne 5 kg 10 "2 200 29 1 h 30' Batteriengruppe des „ La France " 35' Batterie von 36 Elem , 20 mm 6,95 kg 200 2h 20' 120 Marinebatterie, 24 Elem. , 35 mm 24 kg 12 99 40 2 h 30' Pneumat. Laboratoriumsbatt . (i . Glas) 5h 40 "" im industr. Gebrauch 7 Elem. 50 mm 20 97 "" 1h 80 im medizin. Gebrauch 6 Elem. . . 10 29 99 "" Eine elektrische Signal - Lampe 1887 von Renard konstruirt und ein Fallschirm von demselben vom Jahre 1874 sind noch erwähnenswerth, so wie verschiedene wohlgelungene Photographien vom Ballon aus , deren eine, den Einzug des Präsidenten Carnot in Grenoble 1888 darstellend, die Revue Gl. de l'aéronautique zur Darstellung bringt. -La Nature .

17. Jahrg

Paris, 1889 .

Ueber die optischen Erscheinungen der Atmosphäre hat Herr M. A. Cornu einen Vortrag gehalten, über welchen Herr G. Tissandier in „ La Nature " (vom 16. März 1889) Bericht erstattet. Es ist leicht zu zeigen, dass zwischen dem Blau des Himmels und den Dämmerungs - Farben eine enge Beziehung existirt. Die Luft ist nur blau, wenn sie sich auf einen dunklen Hintergrund projizirt und von der Seite her beleuchtet wird . Mit dem Blau gewisser Seen ist deshalb das des Himmels nicht zu vergleichen ; sonst müsste die Sonne um so mehr blau erscheinen, je länger der Weg ist, den ihre Strahlen in der Atmosphäre zurücklegen. In Wirklichkeit nimmt dieselbe dabei aber eine in's Orange und Karmosinroth gehende Farbe an. Das blaue Wasser der Seen verdankt seine Färbung einfach der Trans parenz, gerade so wie z. B. eine Lösung von ammoniakalischem Kupfer vitriol . Alle optischen Eigenschaften der Luft dagegen können dadurch nachgeahmt werden , dass man einige Tropfen einer alkoholischen Mastix Lösung in destillirtes Wasser mischt. Die Emulsion ist bei seitlicher Be leuchtung blau , in der Durchsicht dagegen gelb und würde hierbei orange oder gar roth geben, wenn die Schicht mächtig genug wäre . „ Das Blau des Himmels und das Roth der Dämmerung sind komplementär ; die Luft hat also , wie viele andere Körper, die Eigenschaft, das weisse Licht zu zer legen : Die rothen Strahlen werden hindurchgelassen , die blauen reflektirt. " (Diese Auffassung rührt wohl von Brandes her, während Clausius das Blau des Himmels aus der Interferenzwirkung der zarten Wasserbläschen wie bei Seifenblasen zu erklären suchte. ) Um die Erscheinung des Regenbogens nachzuahmen, fülle man einen Glaskolben von etwa 6 cm Durchmesser mit Wasser und lasse darauf ver möge einer grossen Oeffnung im Fensterladen ein horizontales Strahlenbündel der Sonne fallen; auf einem weissen Schirme in etwa 2 m Entfernung bilden sich dann zwei Farbenkreise, deren Kolorit zwar weniger lebhaft ist,

Mittheilungen aus Zeitschriften.

173

wie bei einem Regenbogen und seinem Begleiter, aber genau dieselbe An ordnung der Farben aufweist. " (Uns will es scheinen , als ob dieser Ver such den nicht genügend Eingeweihten dazu verführen könnte , das Phänomen des Regenbogens für ein weit einfacheres zu halten, als es wirklich ist. ) Um die Höfe um Sonne und Mond nachzuahmen , lasse man das ebenerwähnte Sonnenstrahlen-Bündel - auf 2 bis 3 cm reduzirt eine mit Lycopodium bestreute Glasplatte passiren : man wird alsdann das Sonnen bild von irisirenden Ringen umgeben finden , welche den Höfen vollkommen gleichwerthig sind . Diese Diffraktions-Erscheinungen treten nur dann deut lich auf, wenn die Partikelchen nahezu gleiche Grösse haben ; ein feines Pulver, welches durch Zerreiben von Bimstein u . dergl. hergestellt ist, kann das Lycopodium nicht ersetzen. Den interessantesten Theil des Artikels bildet wohl eine Anleitung zur Nachahmung der Ringe um Sonne und Mond und der Neben sonnen. In ein flaches , 15 bis 20 mm dickes Glasgefäss mit parallelen Wänden füllt man eine kalt gesättigte Alaun - Lösung, vermischt dieselbe mit etwa 10 schwachem Alkohol und rührt einige Minuten um. Alsbald be ginnt die langsame Ausscheidung mikroskopischer Krystalle ; man sieht die selben in der Flüssigkeit schwimmen und funkeln , wie Eisnadeln in der Luft bei kaltem sonnigen Wetter. Blickt man durch die zuvor aufgerührte Flüssigkeit nach einer Kerzenflamme, so sieht man zunächst eine Art dicken Nebels die Flamme fast verhüllen, indem die Krystalle noch gross und zahl reich sind. Bald aber klärt sich die Aussicht, und man erblickt einen Kreis , 0 welcher dem ziemlich häufigen Mond- und Sonnen - Ringe von 22 Halb messer entspricht. Der röthliche innere Rand ist scharf begrenzt und hebt sich deutlich ab vom dunklen Grunde der ganzen Kreisfläche ; der äussere Rand dagegen ist, wie bei dem natürlichen Phänomen, bläulich und verliert sich gegen den weisslichen Hintergrund. Allmählich werden die Farben leb hafter, und es bildet sich ein zweiter Ring von schwächerem Glanze und ungefähr doppeltem Durchmesser , welcher dem Mond- und Sonnen- Ringe von 46 Radius entspricht. Die Erscheinung der Ringe ist bei diesem Versuche intensiv genug, um durch Projektion einem ganzen Auditorium vorgeführt werden zu können. Die Nebensonnenstreifen soll man einfach dadurch nachahmen, dass man durch eine Glasplatte , auf welcher mittelst des Fingers etwas Wachs verrieben wurde , nach einem Lichte schaut. Die Lichtstreifen ver laufen senkrecht zu den auf der Glasplatte erzeugten zarten Wällen von durchscheinender Substanz ; ihre Entstehung durch Brechung des Lichtes ist offenbar eine ähnliche, wie diejenige der senkrechten Streifen, in welche das Bild des Mondes bei der Reflektion von einer nicht ganz ruhigen Wasser oberfläche verwandelt wird. Sp. La Nature No. 862 bringt eine Zeichnung einer wohlgelungenen Wolkenphotographie , die bei regnerischem Wetter in dem Augenblick aufgenommen ist, wo ein Ballon sich in jene trübe Masse erhebt. In dem danebenstehenden Text wird auf die Wichtigkeit der Wolkenphotographie für die Meteorologie verwiesen und dass es schon vielfach versucht wäre, gute Wolkenbilder zu erhalten, beispielsweise von Albercomby , der es darin zu schönen Resultaten gebracht habe . Die abgebildete Photographie wurde von Jules Tardieu in Limoges im Juli 1889 gemacht. Die Wolken tragen . den ausgeprägten Nimbus-Charakter. Um gute Bilder dieser Art zu erhalten, wird nach den Annales des sciences physiques et naturelles de Genève folgendes

174

Mittheilungen aus Zeitschriften .

angegeben : Das blaue Himmelslicht wirke beinahe ebenso auf die photo graphische Platte, wie das Weiss der Wolken, daher sei es sehr schwer, ein klares Bild von letzteren zu erhalten . Es lässt sich indess erreichen, wenn man die Strahlen durch ein Nicol'sches Prisma gehen lässt, oder, was leichter ist, wenn man sie in die Dunkelkammer erst nach Reflektion von einem schwarzen Glasspiegel, der entsprechend gerichtet sein muss , gelangen lässt . Auf diese Weise verschwindet vollkommen das polarisirende Himmelslicht und das natürliche Licht der Wolke bleibt sehr viel intensiver. Man ge langt zu dem gleichen Resultat, wenn man das aus einem Wassernapf reflektirte Wolkenbild photographirt , wie es Dr. Burckhard beobachtet hat . Ueber diese Vorschriften werden Versuche und weitere Erläuterungen M. versprochen . L'Aéronaute. Bulletin mensuel illustré de la navigation aérienne, fondé et dirigé par le Dr. Abel Hureau de Villeneuve . 22. année. No. 12. Dezember 1889 . Internationaler Kongress für Luftschiffahrt (Forts . ) . 3. Sektion. Anwendung der Chemie und Physik auf die Luftschiffahrt. Vor sitzender W. de Fonvielle. Der Vorsitzende giebt in seiner Ansprache dem Bedauern Ausdruck, dass die Auffahrten mittelst Ballon in Paris seltener würden. Man fange an, über höheren Zielen die Bedeutung des Ballons zu missachten. Sie sind aber nützlich nicht blos für die, welche darin auffahren. sondern auch für die, welche die Niederfahrt mit ansehen und dabei helfen . Sie wecken dadurch Interesse, sie machen Propaganda für die Luftschiffahrt. Sie sind ferner werthvoll zur Erwerbung von Muth , Kühnheit, Entschlossenheit bei der männlichen Jugend. Unersetzlich aber sind sie für das Studium der physikalischen und meteorologischen Eigenschaften der Sonne und der Erde. Agustin Chavez aus Mexiko zeigt und erklärt seinen Anemoto neometer , einen Apparat, welcher den Luftwiderstand gegen beliebig gestaltete Flächen messen soll, ohne zur Rotation seine Zuflucht zu nehmen. Er besteht im Wesentlichen aus zwei gleichen , offenen Blechzylindern . Diese stehen in geringem Zwischenraum hintereinander, sodass die Axe des einen die Verlängerung der des andern ist. Die zu untersuchende Fläche wird zwischen beide gehängt. Man richtet den Apparat so gegen den Wind, dass er durch den ersten Zylinder hindurch weht und die getroffene Wider standsfläche der Mündung des zweiten Zylinders nähert. Nunmehr treibt man mittelst eines Ventilators so stark Luft durch den zweiten Zylinder, dass die Scheibe wieder in ihre ursprüngliche Gleichsgewichtslage zurück geführt wird. Dann halten der Druck des Windes und des Ventilator stromes einander das Gleichgewicht. Der Druck des letzteren wird nun mehr in einer seitlichen Ansatzröhre des zweiten Zylinders mittelst eines Bourdon'schen Manometers gemessen. Es scheint sich bei diesem Apparat das Sprichwort zu bewahrheiten : incidit in scyllam, qui vult vitare charyb din. “ Was Herr Chavez misst, ist in keiner Weise mehr der reine Druck des Windes , es wirken zu viele unbestimmbare Einflüsse mit , und es scheinen die vielgeschmähten rotirenden Apparate immerhin noch unersetzbar. Richard beschreibt mehrere von ihm ausgestellte Apparate, zunächst ein Statoskop , um zu erkennen , ob der Ballon steigt oder sinkt. Dasselbe ist nur eine unbewusste Wiederholung des Pénaud'schen Apparates . Sodann ein registrirendes Barometer. Endlich mehrere Anemometer mit rotirendem Windrädchen .

Mittheilungen aus Zeitschriften .

175

Drzewiecki beschreibt einen von ihm 1875 erfundenen Anemometer, welchen er den Gebrüdern Richard zur versuchsweisen Ausführung empfiehlt, während L. Triboulet über seine für den Gebrauch der Luftschiffer ein gerichteten photographischen Apparate spricht, insbesondere über sein „ télé mètre-micrographique " , mittelst dessen er Bilder der Generalstabskarte in 1/12 der Grösse auf Kollodiumhäuten herstellt. Alexander Sallé sucht die Versammlung für seine Entdeckung zu begeistern, die Ballons mit Ammoniakgas zu füllen . Er weiss nicht, dass jeder , der sich , sei es auch nur theoretisch , mit Luftschiffahrt be . Schliesslich macht ihn schäftigt , einmal diesen Gedanken erwogen hat . Hureau de Villeneuve darauf aufmerksam, dass z . B. Tellier vor langer Zeit schon diesen Vorschlag veröffentlicht hat, man aber längst seine Wenn nur ganz wenig des praktische Unausführbarkeit erkannt habe. betreffenden Gases entweicht, so ätzt es die Schleimhäute der Augen und reizt zu Husten . Es greift das Kupfer der Apparate an und zerstört den Firniss, indem es ihn zerfrisst. Hureau de Villeneuve zeigt darauf an, dass der Ingenieur und Elektriker Raymond Chalc bei einer Auffahrt mit einem länglichen Ballon in Brüssel um's Leben gekommen sei . Egasse kündigt an , dass er reines Wasserstoffgas den Luftschiffern zu 0,20 Fres . pro cbm liefern kann. Er will in der Lage sein, 300 cbm stündlich darzustellen. Das Gas wird als Nebenprodukt des als Desinfek tionsmittel gebräuchlichen Zinkchlorürs aus der Salzsäure gewonnen. Labrousse bringt einige Punkte vor, welche mit den Gasgesellschaften bezüglich Gas lieferung an Luftschiffer vereinbart werden möchten. 1 ) An für Auffahrten günstigen Punkten soll Gelegenheit zur Gasfüllung von Ballons geboten werden. 2 ) Es sollen Vorkehrungen daselbst getroffen werden , dass das Gas möglichst trocken in die Ballons fliesst. 3 ) Man solle nach Mitteln suchen, den Luftschiffern ein für ihre Verwendung passenderes Gas zu liefern . 4) Es solle die Möglichkeit geschaffen werden , dass der Luftschiffer gegen geringes Entgeld eine Analyse des von ihm benutzten Gases erhalte . Labrousse bespricht darauf einen Marine-Kompas ; anstatt eines Hygrometers schlägt er gewöhnlichen Luftschiffern ein Hygroskop vor , bestehend aus einer in Kobaltchlorür getränkten weissen Feder, die trocken blau, feucht rosa erscheint. Weiterhin schlägt er den Gebrauch eines Spektroskops und die genaue Beobachtung freier Ballons von der Erde aus vor und Ver G. gleichung der beiden Aufzeichnungen. L'Année Scientifique et Industrielle von Louis Figuier. gang, 1889.

XXX . Jahr

Dies Jahrbuch bringt in der Abtheilung Chemie einen Artikel über die Darstellung von reinem Wasserstoff auf trocknem Wege nach W. Majert und G. Richter. Das Verfahren beruht sagt das Kapitel auf der Er hitzung von Zinkpulver mit Kalkhydrat. Bei hoher Temperatur wirkt das Zink auf das Wassermolekül der Kalkverbindung und giebt Zinkoxyd und Wasserstoff. Das Kalkhydrat lässt sich durch Aluminium- Cement und jeden anderen Körper, der mit Wasser chemisch verbunden ist, ersetzen. Das Darstellungs-Verfahren ist ein ununterbrochenes, dank der Anwendung eines geeigneten hydraulischen Abschlusses. Wenn ein Rohr des Ofens kein Gas mehr liefert , öffnet man den Verschluss und führt neue Materialladungen hinein , ohne dass der aus den anderen Röhren des Apparates kommende

176

Kleinere Mittheilungen .

Wasserstoff sich in die Luft entladen kann, weil alle Gasableitungsrohre in Wasser eingetaucht sind , bevor sie das Gas in das Sammelgefäss führen . Da die Darstellungsart eine ununterbrochene ist, gewinnt man an Oekonomie in Bezug auf Zeit und Brennmaterial . Wenn die Zersetzung des Kalk hydrates durch das Zink ungehindert von statten ginge , würde diese Er zeugungsart für gewisse Fälle , z. B. für das Ballonfüllen der Armee im Felde, grosse Vortheile bieten. Das mitzuführende Gewicht würde geringer sein, ohne von den Schwierigkeiten des Mitführens der Säuren und der Un bequemlichkeit des Transportes der letzteren in gewissen Gegenden zu reden . Dahingegen würde der Preis des Wasserstoffs zweimal höher sein für den Prozess mit Zink, als für denjenigen mit Eisen und Schwefelsäure ; aber diese Betrachtung hat wenig Einfluss auf die militärische Verwendung. In Deutschland ist die Erzeugung des Wasserstoffes auf trockenem Wege in den Luftschifferschulen sehr in Gunst. Man hat ihn in der Luftschifferschule zu Meudon versucht , aber das Resultat der Versuche ist nicht sehr günstig ausgefallen . Wir glauben, dass vorstehende französische Beurtheilung des Maject Richter'schen Gasdarstellungs - Verfahrens für viele unserer geehrten Leser M. von besonderem Interesse sein dürfte.

Kleinere Mittheilungen. -

Ein französischer Luftballon in Hessen .

Aus Meisenheim wird unter dem

27. Juni cr. berichtet : „ Heute Morgen landete nahe bei unserer Stadt ein grosser Luft ballon . Die Insassen waren die Herren Jovis, Mallet, Pierre, Girod, André Hartmann , Albert Oberkampf, Philippe Vernes aus Paris, die gestern Abend um 9 Uhr mit ihrem Luftschiff „ Le Figaro " die Stadt an der Seine verlassen hatten. Die Landung ging mit Hülfe einiger auf dem Felde beschäftigter Leute glücklich von statten. Die Luftschiffer befanden sich nach ihrer Angabe auf einer Vergnügungsreise nach dem Rhein, hatten Brieftauben, einen photographischen Apparat und andere Reise - Artikel bei sich und treten heute noch nach mehrstündigem Verweilen die Rückreise nach Paris von der Station Staudernheim aus an . Mangel an Gas zwang sie zum Landen . Hoffentlich ver gessen die Herren nicht, den lieben Parisern von dem zuvorkommenden Empfang des Besuchs aus den Lüften seitens der preussischen Behörden und des Publikums zu erzählen. " Der Luftballon im Dienst der Marine. Wie die „ Tägl. Rundsch. " mittheilt, sollen in nächster Zeit unter Leitung von Offizieren unserer deutschen Luftschifferabtheilung auf einem Kriegsschiff Versuche mit einem Fesselballon gemacht werden . Es wird sich darum handeln , Erfahrungen darüber zu gewinnen , ob der Ballon mit Vortheil zur Rekognoszirung auf hoher See wie an der Küste benutzt werden kann, und ob der Gebrauch desselben an Bord eines Kriegsschiffes überhaupt technisch durchführbar ist. Von dem Ausgang des Versuches wird es abhängen , ob der Luftballon künftighin auch im Dienst der kaiserlichen Marine zur Verwendung gelangt. Verunglückt mit einem Fallschirm. In Boardstown im Staate Illinois ereignete sich, wie amerikanische Blätter berichten , kürzlich ein eigenartiges Unglück, bei welchem Samuel Black, ein Fallschirmkünstler aus dem Westen, getödtet wurde. Black stieg in seinem Ballon auf, bis er eine Höhe von 400 Fuss erreichte, da gerieth der Fallschirm durch Funken aus einem grossen Schornstein in der Nachbarschaft in Brand . Er wurde sofort vom Ballon getrennt und fiel brennend zu Boden, während Black pfeilschnell niederstürzte und zwei Meilen von dem Orte, wo er aufgestiegen war, als bis zur Un * kenntlichkeit verstümmelte Leiche vorgefunden wurde.

Druck von Beyer & Münch, Berlin SW. , Kochstr. 55.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur : Dr. phil. Wilh. Angerstein In Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl , Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W., Jägerstrasse 73.

IX. Jahrgang.

1890.

Heft VIII .

Berechnung des Wirkungsgrades der Flügelschraube . Von Hansen, Regierungs- Baumeister in Hannover. Die Betrachtungen über die Theorie des rein dynamischen Luftschiffs in Heft VI dieser Zeitschrift waren bereits abgeschlossen, als von einer Seite Zweifel dahin laut wurden, dass der Wirkungsgrad der Flügelwelle bei den obigen Berechnungen zu günstig gewählt sei.

Der Verfasser wurde

dadurch veranlasst auch diese Frage auf Grund derselben Annahmen die für das Luftschiff massgebend sind , einer theoretischen Erörterung zu unter ziehen.

Naturgemäss gelten bezüglich der Zuverlässigkeit der folgenden

Berechnungen dieselben Bemerkungen wie oben. Zur Vereinfachung der Rechnung sollen folgende Annahmen gemacht werden : 1.

Die

Reibung ,

sowohl die

zwischen Luft und Flügelwelle, dass nur ein Theil

Zapfenreibung als auch die Reibung

soll in der Art Berücksichtigung finden,

A.t der von der Kraftmaschine geleisteten Arbeit

als zur Drehung der Flügelwelle verwendet in Rechnung gestellt wird. 2.

Es soll lediglich der Fall in Betracht gezogen werden, dass Luft

schiff und Flügelrad in gleichförmiger Bewegung begriffen sind. Letzteres setzt voraus , dass sich sämmtliche äusseren Kräfte im Gleich gewicht halten ; demnach muss die Summe aller Bewegungswiderstände des Luftschiffes gleich der treibenden Kraft,

und die nutzbare Arbeitsleistung

der Kraftmaschine gleich der Widerstandsarbeit der Flügelwelle

(gegen

Drehung) sein. Die Flügel müssen offenbar eine schraubenartige Fläche bilden, ähnlich wie bei der Schiffsschraube (s . Fig. 1 u. 2 ) . Ein Schnitt durch einen Flügel im Abstande x von der Drehungsaxe stellt sich als grade Linie dar (Fig. 3 ). IX .

12

178

Berechnung des Wirkungsgrades der Flügelschraube . b

a

-b

P

Ve

d

83

Drehaxe. Drehaxe.

B

Fig. 1.

Fig. 2.

Fig. 3 (Schnitt a-b).

Es bedeute : die fortschreitende Geschwindigkeit des Luftschiffes und des fest damit verbundenen Flügelrades ; V die Umfangsgeschwindigkeit des Flügels im Punkte x = 1; VᏟ die Umfangsgeschwindigkeit v, die resultirende Geschwindigkeit eines Flügelelements im Abstande d P den Luftwiderstand x von der Drehungsaxe ;

df die Fläche den Winkel, welchen die resultirende Bewegungsrichtung des Flügel elements mit einer senkrecht zur Drehungsaxe stehenden Ebene bildet, so U dass tg = √x den Winkel des Flächenelements mit der resultirenden Bewegungs von x unabhängig sei ) : richtung (wir wollen die Annahme machen, dass u die Zahl der Umdrehungen der Flügelwelle in der Sekunde ; g die Beschleunigung der Schwere ; 7 das spezifische Gewicht der Luft ; einen durch Versuche ermittelten Festwerth = rd 2 ; 7 die Länge des Flügels ;

b die Breite des Flügels am Umfange ; A die nutzbare mechanische Arbeitsleistung der Kraftmaschine in der Zeiteinheit ; Z die nutzbare Triebkraft, gemessen in der Richtung der Drehungs axe, welche durch die Umdrehung der Flügel erzeugt wird ; m einen Festwerth Anmerkung.

V₁ U

Der Neigungswinkel des Luftschiffes gegen die Hori

zontale ist bei den folgenden Berechnungen unendlich klein gedacht.

Berechnung des Wirkungsgrades der Flügelschraube.

179

Das Flächenelement df können wir als eine Ebene

von unendlich

geringer Breite ansehen, es sind demnach die Gesetze über den Luftwider stand von Planscheiben ohne Weiteres hierauf anwendbar. Zerlegen wir den Luftwiderstand d P des Elements in eine Komponente d P. cos (in der Bewegungsrichtung des Schiffes) und eine Komponente d P. sin ẞ senkrecht hierzu, so bildet die erstere einen Theil der nutzbaren Triebkraft Z,

während

die

letztere

sich

als Widerstand gegen Drehung

äussert und die mechanische Arbeit d P. sin 3.2 .. x . u in der Zeit einheit leistet.

Wenn die Anzahl der Flügel zwei beträgt, so gelten die Gleichungen : Ζ

(1)

2Car d P. cos B

und အ

A.t

(2)

2d P. sin 3.2 π.x. u 0

Nehmen wir auf Grund der v. Lössl'schen Versuche an, dass d P bx ĭ .dx, Gleichung (1 ) den sei so erhält , da df df . v , 2. sin 3. p • ι 2g Werth: •/ bx 2 Ꮓ dx.v2 . sin 2.7 • ĭ .• cos p ι 2g Da ferner cos B

cos (

+ €)

sowie

cos

. cos e

V

m .. x

Vx ‫ט‬

1. vs

sin

sin €

COS E

und

sin = ย ausserdem

V₁

| ¿ ² + V¸²

2+

V₁ 2. x² 72

m

+ x2 ι Vu m2 +

ist, so geht (3) über in :

•7

b ĭ m2 cos.m (4) Z = 2.7 . sin 3.7 . 2g ι ι [

Das Integral

zu

74 8 m²

12

dx + x² - sin ? V m2

xdx m²

+ x² ] d

12 x² d x Vm² +2 ergiebt sich nach kurzer Entwicklung z «, ] 1

V 1 + m² (2m³ + m) + log n m + 1 1 + m²

während

12*

180

Berechnung des Wirkungsgrades der Flügelschraube. •7

12 xdx +2 den Werth m² Cave 3 (1 + m²) ¾½ m³ 3 [ 73

1

annimmt .

Nach Einführung dieser Resultate erhält Gleichung (4) die Form: 1 cos {1 1 + m² ( 2m³ + m) + logn ĭ 027 m + ] 1 + m² (5) Z = 2.b.sin2.7. 3/ sin 2g m² (1 + m²)³½2 3 Setzen wir ebenso in Gleichung (2 ) : sin . cos + cos 2. sin ε, sin 3 und beachten dass :

2 . T

X

U

V₁་ . x

m . v. X

ι

ι

VJ

so geht dieselbe über in : (6) m2,3 A.t2 .. ..sing. 72 24 /7-20 g

m ι

12 .sing.x dx + x² + cos z . ³ d.c V m2 d Sou

x² d x

12 m²2

• x3 d x

12 x2 V m² +

ergiebt sich nach kurzer Entwicklung zu : m2

15

2

2

+ 5.m

[ 11+ m² (m²

+ 3

3

3

während das zweite Integral denselben Werth annimmt wie oben. Schliesslich erhalten wir demnach : sin m² -- 2 2 (7) + + (m² m² 1+ | || 331 537 3 . 3 5 A.t == 2.6.3.2.si nz. m² 29 1 COS + cos 8 [ 1 1 + m² ( 2m³ + m) + logn m + ] 1 + m²

(8)

Indem wir hieraus b bestimmen und den Werth in (5 ) einsetzen, folgt : 1 cos 3 1 + m² (2 m³ + m) + log n s 8 m² 1 +m m + Z.D = A.t. 1 cos + [ 1 ' 1 + m² (2 m³ + m) + log n m + √ 1 + m² ] sin 1] 3 [(1 + m²)³½

sin +

m2 + | 1 + m² 3 m² :( 5 T

2

2 +

3

3

Die Klammergrösse 7 giebt uns den gesuchten Wirkungsgrad der Flügelwelle ; derselbe ist lediglich abhängig von dem Winkel und der Grösse m, d. h. von der Umfangsgeschwindigkeit.

Bericht über die Fahrt des Ballons „ Strepet " am 5. Oktober 1889.

181

Der Augenschein lehrt, dass die Flügelwelle um so günstiger arbeitet je kleiner

wird ; um zu sehen in welchem Masse dies stattfindet ist in für verschiedene Winkel

der folgenden Tabelle der Wirkungsgrad (= ) 1 berechnet worden.

Für m

1

1

wird

0,63 wenn

1/5,

0,80

1/10 .

n

1 19

29

n

1 - 1/20

0,90

19 n 1

0.96

"9

1/50:

""

n 1 ändert, wenn m

Ebenso ist berechnet worden , wie sich die Grösse

n verschiedene Werthe annimmt.

Für

=

1/10

1

wird

0,80 wenn m

1.

n 1

99

0.81

93

m * 2,

0,77

"9

m - 3,

0.73

""

m

1 n 1

12

4.

n

Hiernach ist der Wirkungsgrad etwa am günstigsten wenn m2 wird.

Bericht über die Fahrt des Ballons ,, Strepet" am 5. Oktober 1889. Von Orlof, Oberst im kaiserlich russischen Generalstabe, nach dem Russischen übersetzt von Gurlitt , Sekonde - Lieutenant der Luftschiffer - Abtheilung. (Hierzu folgt im nächsten Hefte eine litographirte Tafel.) Der Militair- Luftschiffer - Abtheilung fallen im Kriege drei Aufgaben zu , als wichtigster Theil ihrer Thätigkeit , die Beobachtung vom Fesselballon aus , zweitens die Ausführung freier Fahrten unter Be nutzung günstiger Winde oder vermittelst lenkbarer Luftschiffe und drittens die Vernichtung feindlichen Materials und Personals vom Ballon aus . Die

und zwar erstens ,

Lösung der Fragen des lenkbaren Luftschiffes und des Torpedo-Ballons ist einer späteren Zeit vorbehalten , die , nach den recht günstigen Resultaten der Versuche der französischen Hauptleute Renard und Krebs und anderer Luftschiffer zu schliessen, nicht allzufern liegt. Ein Bombardement vom Ballon aus lässt dann nur nennenswerthe Re

182

Bericht über die Fahrt des Ballons „ Strepet" am 5. Oktober 1889 .

sultate und einen hinreichenden moralischen Eindruck auf den Gegner er hoffen ,

wenn es im grossen Massstab ausgeführt wird , und dies erfordert

grosse Mittel .

Was die Lenkbarmachung des Luftschiffes anbetrifft , so ist

dies eine nutzlose Beschäftigung da, wo die Luftschiffahrt sich noch in ihrer ersten Entwickelung befindet, nutzlos solange , bis die näher liegenden Fragen gelöst sind, wie die Beobachtung vom Fesselballon aus und die Aufrechter haltung der Verbindung, falls dies anders nicht mehr möglich ist, vermittelst des freien Ballons unter Benutzung günstiger Luftströmungen. Es ist richtig , so lange das Luftschiff nicht lenkbar ist, kann man auch nicht in eine belagerte Festung gelangen und nicht eine Festung in einer vorher genau bestimmten Richtung verlassen .

Aber die Fälle , wo es nöthig wird

einen Ballon in einer belagerten Festung landen zu lassen, sind selten , (z . B. Sendung eines neuen Kommandanten) da die Ueberbringung von Nachrichten in die Festung vorzüglich durch Post - Brieftauben ausgeführt werden kann, welche man entweder vor der Einschliessung aus der Festung entfernt hat, oder die man auch mit einem die Festung verlassenden Ballon mitnehmen kann.

Will man aus einer belagerten Festung in eine bestimmte Richtung

fliegen, so muss man einen hierzu geeigneten Wind abwarten, oder eine lange Fahrt unternehmen . Es wird alsdann nicht schwer halten, aus dem Bereich des Belagerers herauszukommen ,

zu landen und dann auf dem Landwege

den gewünschten Punkt zu erreichen . Aus den oben angeführten Gründen konnten auch die in der letzten Zeit von unserer Luftschiffer- Abtheilung unternommenen Fahrten nur dazu dienen, die Anfangsgründe für die freie Fahrt zu erlernen . Sie waren darum nicht weniger nützlich, aber ihnen fehlte das Wesentlichste einer im Kriege unternommenen Fahrt.

Die Unruhe bei der Abfahrt und Landung versetzen

den Luftschiffer etwas in Aufregung, nur bei einer langen Fahrt kann sich derselbe so zu sagen in seinem Korb häuslich einrichten und mit dem Ballon gehörig manövriren und dann wird die Fahrt ganz besonders lehrreich.

Die

letzten Fahrten waren so kurz (einige nur 3/4 Stunde) , dass die Insassen sich kaum ordentlich umsehen konnten . Der Grund, weshalb die Fahrten von so kurzer Dauer waren, ist zum Theil in dem Umstande zu suchen , dass Petersburg nebst Umgegeud von zwei Seiten von grossen Wassermassen eingeschlossen ist.

Im Westen der

finnische Meerbusen, im Osten der Ladoga See. Die meisten Fahrten gehen in der Richtung einer dieser beiden Wasserflächen ,

und die

Luftschiffer

müssen daher bald landen , um nicht ein unfreiwilliges Bad nehmen zu müssen .

An der Grenze des trockenen Landes findet die Fahrt jedesmal

ihr vorzeitiges Ende . Die Abneigung der Luftschiffer vor dem Ladoga See ist nicht ganz gerechtfertigt. Im Gegentheil , derselbe veranschaulicht so recht Verhältnisse, wie sie recht gut im Kriege vorkommen können .

Man kann annehmen , es

sei der Belagerer, in deren Mitte man landen muss, wenn es unmöglich ist

Bericht über die Fahrt des Ballons „ Strepet “ am 5. Oktober 1889.

183

denselben zu überfliegen . Dies war auch der leitende Gedanke für die am 5. Oktober in Aussicht genommene Fahrt. Man beabsichtigte einen der grossen Ballons der Luftschiffer- Abtheilung mit Wasserstoffgas zu füllen und die Fahrt nur zu zweien auszuführen, um wenigstens 40-50 Sack Ballast mitnehmen zu können .

Denn die Länge

einer Fahrt hängt bekanntlich in erster Linie von der Menge des mitge nommenen Ballastes ab . Da bei dem herrschenden Südwestwind die Fahrt über den Ladoga See gehen musste, so lag, dank der Liebenswürdigkeit des Ministeriums des Wegbaues,

bei dem Leuchtthurm Koschka der Dampfer

"" Oserni " (Kapitän Schkot) unter Dampf, um nöthigen Falls den Luftschiffern Hülfe bringen zu könnnen . Man musste diese Hülfe in Anspruch nehmen, da es bei dem oben erwähnten Auftrieb des Ballons vielleicht möglich war nicht nur den Ladoga See, sondern auch den Onega See zu überfliegen. Die Umstände liessen dieses Projekt nicht zur Ausführung kommen. Am 4. Oktober, Nachmittags um 4 Uhr, begann man auf dem Felde von Wolkowo mit der Bereitung von Wasserstoffgas vermittelst Eisenspähne und 52 prozentiger Schwefelsäure.

Es wurde hierzu ein stationärer Apparat

des französischen Ingenieurs Yon, welcher aus Paris mit einigen Theilen für den Bau eines lenkbaren Luftschiffes beschafft worden war. entspricht fast vollständig

dem von uns seiner Zeit

Dieser Apparat

in der Abhandlung

„ Kurze Beschreibung des Materials der Luftschiffer- Abtheilung" beschriebenen , nur hat der diesmal benutzte bei weitem grössere Abmessungen, wiegt 300 Pud ( 1 Pud - 16,38 kg , folglich 4914 kg) und ist berechnet für die Herstellung von 4000 kbm Wasserstoffgas . Man sollte denken , dass ein solcher Apparat ohne Schwierigkeit 1000 kbm liefern könnte. In der That ging anfangs die Entwickelung sehr schnell vor sich, und dabei war das Gas hervorragend rein und frei von dem charakteristischen Knoblauch - Geruch. Das Gas wurde in dem Ballon „ Strepet " gesammelt ; später schlug man vor es in Gasbehältern zu sammeln und dann am Morgen in den Ballon überzuführen. Als es dunkel wurde, wurde ein hinreichend grosses Feld durch Glüh licht erleuchtet, und so gleichzeitig der sehr lehrreiche Versuch einer nächt lichen Ballon -Füllung gemacht. für diesen Zweck. Bald aber liess

Das Glühlicht zeigte sich als sehr geeignet

die Entwickelung des Gases nach und um 2 Uhr

Nachts musste man die Arbeit ganz einstellen , weil die Säure die Bronze Ventile durchfressen hatte . *) Nur wenig Wasserstoff wurde noch entwickelt, so dass der „ Strepet " bei weitem nicht ganz voll war. Man musste von dem Vorhaben eine aussergewöhnliche Fahrt zu machen abstehen . An ein Ueber fliegen des Ladoga See war nicht zu denken.

*) Das sind die guten Apparate der Firma Yon in Paris , das Kriegsluftschiffer D. Red. Material Frankreichs und vieler anderer Staaten .

Bericht über die Fahrt des Ballons

184

Strepet

am 5. Oktober 1889.

Am Morgen kühlte sich das Gas im Ballon ab, sein Umfang schrumpfte zusammen,

und der untere Theil flatterte im Winde, der

zu zwei Drittheilen voll zu sein und machte

Strepet " schien

einen recht kläglichen Ein

druck. Es trat daher die Frage an uns heran , sollten wir unter diesen Umständen die Fahrt unternehmen? Solle es nicht besser sein, durch drei Offiziere der Luftschiffer-Abtheilung eine gewöhnliche Uebungsfahrt unter nehmen zu lassen? Zuletzt kamen wir überein, die Fahrt unternehmen zu wollen, wenn wir wenigstens sechs Säcke mit Ballast mitnehmen könnten . Meine im Jahre

1876 von der Festung Brest-Litowsk aus unter

nommene Fahrt hat gezeigt, dass man mit weniger Ballast nicht fahren soll. Es zeigte sich,

dass der

Strepet

im Stande war, sechs Säcke Ballast zu

tragen, doch mussten wir einen Theil der Kleidungsstücke , welche wir mit nehmen wollten , zurücklassen . Das Anknebeln und Fertigmachen des Korbes ging schnell von statten . da dies sowie auch die Füllung nach den schifferdienst vor sich ging . Die Ausrüstung des Korbes (à 6 Pud

98 kg) .

Vorschriften für den Feldluft

war folgende :

1 ) sechs Säcke Ballast

Dieselben wurden aussen an den Seiten des Korbes

befestigt, zwei jedoch in den Korb hineingenommen, um darauf zu sitzen ; 2) ein Anker (30 Pfund = 12 kg) mit einem 30 Saschen ( 1 Saschen = 2.134 m, folgt 64 m) langen Ankertau, welches an der Seite des Korbes, aufgeschlossen, aufgehängt war ; 3 ) ein Barograph (selbstregistrirendes Baro meter) von Richard mit einer Skala für 3500 m und einem Uhrwerk für 36 Stunden. Derselbe war an den Korbleinen in Manneshöhe befestigt. Ein kleines Aneroïd- Barometer mit einem Thermometer mit Celsius -Ein theilung, dasselbe wurde ebenfalls an den Korbleinen befestigt. Ein Kompass, eine Uhr, eine Signalpfeife, eine rothe Flagge, ein Schwimmgürtel aus Kork , zwei kleine Schaufeln zum Auswerfen des Ballastes . eine Luftschifferuhr, Karten in kleinem und grösserem Massstabe, und zwei Filzmäntel .

Alle

vier Tagebücher,

Proviant

diese Gegenstände wogen zusammen mit den

beiden Luftschiffern gegen 12 Pud ( 197 kg) . Die Letzteren waren in Ueber röcken, und hatten warmes Unterzeug angezogen, der ganze Ballon mit Anker und Anktertau wog gegen 13 Pud (213 kg) , gesammte Auftrieb 31 Pud betrug (508 kg). Der Ballon

hieraus folgt,

dass der

Strepet" ist durch Leute der Luftschiffer- Abtheilung aus

Seide verfertigt und hat ein gewöhnliches Holzventil .

Im Sommer dieses

Jahres hat er vortreffliche Dienste im Lager bei Krasnoe- Selo und in Ust Ijorski geleistet. An der Fahrt sollten Theil nehmen ausser dem Schreiber dieser Zeilen (Oberst Orlof), der Premier- Lieutenant der Luftschiffer- Abtheilung Bjelajef ein erfahrener Offizier, welcher schon seit 1886 der Abtheilung angehört. Wir fühlten uns frisch und munter, obgleich wir vor der Fahrt sehr wenig geschlafen hatten. Erst um 22 Uhr Nachts war man mit der

Bericht über die Fahrt des Ballons „ Strepet " am 5. Oktober 1889 . Füllung fertig,

185

etwas Zeit nahm noch das Fertigmachen des Ballons in

Anspruch, und schon um 6 Uhr früh standen wir auf. stürzung dürfte eigentlich nicht stattfinden. für eine frühe Abfahrt.

Eine solche Ueber

Doch wir hatten unsere Gründe

Die Erfahrungen der letzten Zeit hatten gezeigt,

dass die mittlere Fahrtgeschwindigkeit des Ballons 30 Werst (32 Kilometer) in der Stunde beträgt (1 Werst 1067 m) . fliegen, musste man wenigstens 200 Werst,

Um den Ladoga- See zu über aller Wahrscheinlichkeit nach

aber 300 Werst (320 Kilometer) zurücklegen , wozu man also wenigstens 10 Stunden gebrauchen musste . Da in St. Petersburg am 5. Oktober die Sonne um 52 Uhr Abends untergeht, musste man, um noch Tageslicht für die Landung zu haben, spätestens um 6 Uhr 45 Min. früh abfahren . Indessen konnte die Abfahrt erst um 7 Uhr 50 Min. Vormittags statt finden. Die Sonne, von Nebel verdeckt, schien nur schwach ; der Himmel war zum grössten Theil mit Wolken bedeckt, es war nasskalt, das Thermo meter zeigte 13,5 ° Celsius ; ein schwacher Nordwest deutete auf eine Fahrt nach Süden hin. General- Lieutenant Boreskof, die Offiziere und Leute der Luftschiffer Abtheilung und einige andere Leute wohnten der frühen Abfahrt vom Felde von Wolkowo bei , welches von Petersburg ziemlich entfernt ist. Wir bestiegen den Korb und erhoben uns recht schnell .

Da wir es nicht liebten.

schnell aufzusteigen, so beabsichtigten wir mit weniger Auftrieb abzufahren ; dies gelang uns aber nicht, weil zu viel Ballast ausgeworfen wurde.

Kriegs

Luftfahrten sollten eine möglichst geringe Höhe haben , so lange man sich über den eigenen Truppen befindet, um den Ballast für den letzten Theil der Fahrt aufzubewahren.

Die Praxis lehrt aber, dass man in der Regel

zu viel Ballast auswirft, dieses kostbare Material des Luftschiffers, sei es in der Absicht eine effektvolle Abfahrt des Luftballons herbeizufuhren. sei es in Folge der Aufregung im feierlichen Augenblick der Abfahrt. durch wird die Güte der Fahrt beeinträchtigt.

Hier

Schon nach 7 Minuten flog der „ Strepet " in einer Höhe von 500 m und schlug eine südliche Richtung ein, längs dem Schienenweg nach Zarskoje Diese Richtung war uns Selo, diesem auf der westlichen Seite folgend. sehr angenehm, umsomehr, da wir nun nichts von den Wassermassen des Ladoga- Sees und den im Norden gelegenen Sümpfen zu befürchten hatten . Unter uns flogen einige Federwolken , zwischen die hindurch wir deutlich Petersburg erkennen konnten, dessen Umgegend, den finnischen Meerbusen , die gleichmässig angelegten Obstgärten u. s . w . Am Besten hoben sich die Wege, Stege und Brücken ab .

Auch die Neva war sichtbar.

Das Ganze

stellte ein sehr farbenreiches Bild dar und ähnelte sehr einer in grossem Massstab

entworfenen Karte.

Nach einer Fahrt von 3½ Werst (3,7 km),

wandten wir uns nach Osten und überflogen die Bahn von Zarskoje- Selo. Der Ballon stieg fortwährend, als er jedoch eine Höhe von 825 m erreicht hatte , zeigte er eine schwache Tendenz zum Fallen. Der Premier- Lieutenant

Die neue Gaswaage Modell CE.

186

Bjelajef war nur geübt im Fahren mit Leuchtgas- Ballons ; es war seine erste Fahrt mit einem Wasserstoffballon. Letzterer Ballon ist bekanntlich viel empfindlicher und

reagirt

schon bei

ganz

geringem Ballastauswurf.

Anstatt also nur eine ganz geringe Menge über Bord zu werfen, warf der Lieutenant Bjelajef zwei volle Schaufeln voll aus. Der Ballon stieg schnell bis zu einer Höhe von 1060 m , die Temperatur sank auf + 7º. Der Ballon behielt noch die uns angenehme Richtung nach Südost bei und wir gaben uns schon der Hoffnung hin, südlich der Neva und des Ladoga- Sees zu bleiben . Die Erde bedeckte Nebel, welcher sich zu Kumuluswolken be ständig zusammenballte. von Nebel .

Die Neva und der finnische Meerbusen waren frei

In der Höhe , in welcher wir uns befanden, war die Luftbewegung geringer als auf der Erde.

Der „ Strepet" hatte sich in Folge der dünneren

Luft bis zum Füllansatz (Appendix) voll aufgebläht. Man konnte in den Ballon hineinsehen . Das Netz lag etwas schief, so dass die Ballonhülle Doch dies war ohne wesentlichen Einfluss auf die Fahrt . Runzeln bekam. Der Barograph zeigte uns jetzt, dass der Ballon , wohl in Folge der Regenwolken, anting zu fallen (1040 m), was wir durch allmähliches Aus werfen einer Schaufel voll Ballast auszugleichen suchten . Bald stieg auch der 99 Strepet

wieder und wir rochen den eigenthümlichen Knoblauchgeruch des Füllgases, welches aus dem Füllansatz herausströmte . Man kann daher das Fallen und Steigen des Ballons auch ohne Barometer durch das Gefühl wahrnehmen und zwar erstens das Steigen durch den Geruch des aus strömenden Gases ,

und Fallen und Steigen durch Ohrensausen in Folge

der verschiedenen Dichtigkeit der Luftschichten. Der letzteren Erscheinung kann man entgegenwirken durch Aufreissen des Mundes oder künstliches (Schluss folgt. )

Gähnen.

Die neue Gaswaage Modell CE von Friedrich Lux in Ludwigshafen am Rhein . Beim Gebrauch der bisher am meisten verbreiteten Gaswaage Modell C haben sich mit der Zeit verschiedene Mängel gezeigt , deren Beseitigung wünschenswerth erschien . Die Lagerung des Waagebalkens auf Stahlspitzen, theoretisch in Bezug auf Empfindlichkeit die

beste Anordnung ,

zeigte

sich insofern praktisch

mangelhaft, als durch den auf die kleinen Lagerflächen ausgeübten relativ hohen Druck bald eine Abnutzung sowohl der Spitzen wie der Lager ein Ich ersetzte trat, welche störend auf den Gang des Apparates einwirkte . daher im Jahr 1888 die Lagerung auf Spitzen durch eine solche auf einer Stahlschneide. Die Sicherung des Waagebalkens gegen Herabgleiten von den Lagern wurde hierbei in der Weise erzielt, dass letztere rinnenförmig ein gekerbt und mit Stossplatten versehen wurden.

Die neue Gaswaage Modell CE .

187

Doch auch diese Lagerung erwies sich den Ansprüchen gegenüber, welche an die Gaswaage gestellt werden, als nicht genügend, da das einge kerbte Lager Anlass zu Unsicherheiten in der Stellung der Schneide gab. Ich entschloss mich daher , an Stelle der eingekerbten vollkommen ebene Lager einzuführen, wie dies bei der Gaswaage Modell E bereits der Fall ist . Als nothwendige Ergänzung musste nun natürlich auch die Feststellung (Arretirung) hinzutreten , welche dazu dient, den Balken aus seinen durch die unvermeidlichen Erschütterungen erfolgenden Verrückungen immer in seine bestimmte Lage zurückzuführen und die Schneide möglichst zu schonen , indem die Waage für gewöhnlich festgestellt zu halten und nur behufs Ab lesung auszulösen ist. Die gewöhnliche Feststellung , bei deren Gebrauch der Waagebalken jedesmal in die waagerechte Lage zurückgeführt wird ,

war hier nicht zu

lässig, da bei stark geneigter Lage des Balkens letzterer bei der Feststellung starke Stösse empfangen, bei der Auslösung in langdauernde Schwingungen von grosser Weite versetzt werden würde , was einerseits den Apparat ge fährden, andererseits das Ablesen erschweren und erheblich verzögern würde. Ich führte deshalb , wie bei Modell E , eine Feststellung ein , welche ich kurz als cylindrische bezeichnen will ; es ist nämlich die Sitzfläche des Balkenmittelkörpers erhaben cylindrisch, die Feststellungslagerfläche zur Auf nahme des ersteren vertieft cylindrisch ausgebildet ; die Axe dieser beiden sich deckenden Cylinderflächen fällt mit der Lagerschneide zusammen. In folge dessen kann der Waagebalken ohne Erschütterung in jeder beliebigen Lage festgehalten werden . Eine weitere Quelle von Ungenauigkeiten war ferner noch der grosse Winkelausschlag des als reine Neigungswaage konstruirten Modells C , da erstens die Stellung des Balkens in stark geneigter Lage keine so zuver lässige ist, als in wagerechter oder doch nur schwach geneigter Lage , und da ferner, wie bereits in der ersten Beschreibung der Gaswaage auseinander gesetzt , der gleichmässig getheilte Gradbogen nach oben und nach unten. einen wenn auch nur kleinen Fehler in sich schloss. Ich hielt es daher für rathsam, auch hier das bei dem Modell E be währte System der zusammengesetzten Gewichts- und Neigungswaage einzu- . führen , bei welchem der grössere Theil der Gewichtsänderungen durch Ver schieben eines Laufgewichts (des „ Reiters " ) abgeglichen, der Rest durch die Neigung des Balkens bestimmt wird . Und um nun diese Neigung noch auf das mindeste Maass zu beschränken , benutze ich in dem vorliegenden Modell zur Ablesung nicht, wie bei Modell E , eine besondere über dem am Säulen fuss befindlichen Gradbogen spielende Nadel , sondern , wie bei Modell C , den eine Stahlspitze tragenden , vor einem seitlichen Gradbogen sich be wegenden langen Balken selbst. Der Gradbogen ist noch etwas weiter hinausgerückt wie bei Modell C , so dass der Hebelarm des Zeigers noch grösser geworden ist , gleichzeitig

188

Die neue Gaswaage Modell CE.

aber wurde an Stelle der früheren , etwas weit gehaltenen Theilung nun mehr eine solche in Millimeter gesetzt, ' welche sich als durchaus genügend erwiesen hat. Durch diese letzteren Massnahmen habe ich zweierlei erreicht, erstens , dass bei genügender Genauigkeit im Ablesen die Beanspruchung der Schneide eine möglichst geringe ist, da die grösste Ablenkung nur noch den vierten Theil der früheren beträgt, und dass zweitens durch Tieferlegung des Schwer punkts die Schwingungsdauer abgekürzt, die Schnelligkeit und Sicherheit der Ablesung daher erhöht wird. Es könnte nun auf den ersten Blick den Anschein haben, als wenn die Ersetzung der reinen Neigungswaage durch die zusammengesetzte Ge wichts- und Neigungswaage, trotz der dadurch erzielten grösseren Genauigkeit und Zuverlässigkeit, praktisch genommen, ein Rückschritt sei, da nun beim Wägen eine Handlung mehr, das Verschieben des Reiters, auszuführen und eine doppelte Ablesung vorzunehmen sei . Doch ist dies thatsächlich nicht

E.ADE X.R.Stuttg.

Die neue Gaswaage Modell CE.

189

der Fall, wie sich gleich weiter unten bei der Anleitung zum Gebrauch der Waage zeigen wird. Schliesslich

erwähne ich noch,

neue Modell CE halte,

dass ich es als unerlässlich für das

dass dasselbe gleich von Haus aus in einen mit

Stellschrauben und Dosenlibelle versehenen Glaskasten von geeigneter Form und Grösse eingebaut wird. Das neue Modell setzt sich demnach nunmehr wie folgt zusammen : In einem mit Stellschrauben und Dosenlibelle versehenen, verschliess baren Glaskasten ,

dessen Vorderseite sich nach oben aufklappen lässt, so

dass das ganze Innere des Gehäuses bequem zugänglich ist , erhebt sich in der Mitte eine durchbohrte Messingsäule mit gabelförmig getheiltem Kopf. Dieser letztere trägt oben in schwalbenschwanzähnlichen Nuten die Achat lager ; an der vorderen und hinteren Stirnseite desselben sind durchbohrte Träger für die Elfenbeinnäpfchen angebracht , welche , mit Quecksilber gefüllt, den gasdichten Verschluss für den Ein- und Austritt des Gases bilden. Seitlich an

diesen

Trägern

sind Verschraubungen angebracht ,

um

nach Wunsch noch ein Thermometer und ein Manometer zur Messung von Nach unten Temperatur und Druck des Gases anbringen zu können . schliessen an die Träger die Gasleitungsrohre an, welche durch den Boden treten , unterhalb desselben nach einer der Seiten des Gehäuses abbiegen und daselbst aussen in zwei Hähne münden. In dem Innern der Säule bewegt sich das Gestänge der Feststellungs vorrichtung, welches oben das vertieft zylindrische Lager trägt und durch ein Excenter gehoben und gesenkt wird ; letzteres sitzt auf einer Axe, welche nach vorne durch die Mitte des Stirnrahmens tritt und daselbst mit einem geränderten Knopf versehen ist. Der Waagebalken gleicht demjenigen von Modell E, besteht also aus dem Mittelkörper mit den winkelförmigen Ansatzröhrchen, sowie den beiden Regelungsschrauben , der Messinghohlkugel und dem sechskantigen eigent lichen Balken, welcher mit einer Theilung und entsprechenden Einkerbungen zur Aufnahme des Reiters versehen ist. An seinem Ende trägt der Balken eine feine Stahlspitze , welche über dem Gradbogen spielt ; letzterer ist durch ein Messingstängchen fest mit der Säule verbunden . Der Waagebalken ist in 100 Theile getheilt und von 10 zu 10 Theilen, vom Mittelkörper an gerechnet , mit den Bezeichnungen 0,0 0,1 . . . .

1,0

versehen. Der Gradbogen ist in 50 Theile getheilt, deren mittelster die Bezeichnung 0,0 trägt, während nach oben und unten von 10 zu 10 Theilen die Bezeichnungen 0,1 0,2

stehen.

Oberhalb der Bezeichnung 0,0 ist ein

Pluszeichen (+- ), unterhalb derselben ein (- ) angebracht . Bei Aufstellung der Waage verfährt man in der Weise , dass man zunächst dem ganzen Apparat einen möglichst festen, dem direkten Sonnen licht sowie

starken Temperaturwechseln nicht ausgesetzten Standort gibt,

Die neue Gaswaage Modell CE.

190

und das Gehäuse mittelst der Stellschrauben und unter Beobachtung der Dosenlibelle genau wagrecht einstellt. Sodann füllt man das in zwei Fläschchen beigegebene Quecksilber in die Elfenbeinnäpfchen ein, setzt den Waagebalken auf die Lager auf und stellt denselben durch Rechtsdrehen des geränderten Knopfes zunächst fest . Hierauf setzt man den aus Nickel verfertigten Reiter auf die mit 1,0 be zeichnete Stelle des Balken so auf, dass er frei beweglich in der betreffen den Einkerbung sitzt. Löst man nun die Waage aus , so soll die Spitze des Zeigers genau auf die Stelle 0,0 des Gradbogens zeigen ; man erreicht dies leicht durch entsprechendes Verstellen der in wagrechter Richtung verschiebbaren ,

am

Mittelkörper angebrachten Regelungsschraube. Hierauf setzt man den Reiter auf 0,8 des Balkens.

Hat die Waage

die richtige Empfindlichkeit, so soll jedem Grad auf dem Balken ein Grad des Bogens entsprechen ; es muss also nunmehr der Zeiger sich auf + 0.2 des Gradbogens einstellen (0,8 0,2 = 1,0) . Auch dies wird leicht, und zwar durch entsprechendes Verstellen der in senkrechter Richtung beweg lichen Regelungsschraube

erreicht,

wie dies ausführlich in der ersten Be

schreibung der Gaswaage geschildert ist, und die Waage ist alsdann zum Gebrauch fertig. Beim Gebrauch der Gaswaage Modell CE verfährt man in der Weise, nachdem die Prüfung und Einstellung wie geschildert vorge

dass man ,

nommen worden ist, das Gas in den Apparat eintreten lässt, und , bei fest gestelltem Waagebalken, den Reiter an eine Stelle setzt, welche dem ver mutheten spezifischen Gewicht des zu untersuchenden Gases annähernd ent spricht. Man wird also beispielsweise den Reiter bei Steinkohlengas auf 0,4 setzen. Die Bohrungen sind bei dem neuen Modell soweit gehalten, dass bei einem Druck von etwa 25 mm Wassersäule nach 2-3 Minuten nahezu alle Luft ausgetrieben, nach 5 Minuten der Apparat mit reinem Gas gefüllt ist . Löst man die Waage versuchsweise aus, so stelle sich beispielsweise der Zeiger auf +0,07 des Gradbogens ein : das spezifische Gewicht des Gases wäre dann 0,4 0,07 Hätte sich der Zeiger dagegen 0.47 . beispielsweise auf 0,02 des Gradbogens gestellt, so würde dies ein spezifisches Gewicht von 0,40.02

0.38 anzeigen.

Da nun auf dem Gradbogen 25 Theile nach oben und ebenso viele nach unten abgetragen sind, so beherrscht man mit der einen Stellung des Reiters (auf 0.4) die spezifischen Gewichte von 0,15 bis 0,65 . Und da, selbst wenn man das Gas direkt einer einzelnen Retorte entnimmt , die . spezifischen Gewichte diese Grenzen kaum, bei gewöhnlicher Entnahme aber nie erreichen, so ergiebt sich daraus, dass das Arbeiten mit der Waage CE nicht umständlicher ist, wie mit dem früheren Modell C ; dass es um vieles zuverlässiger ist, ergiebt sich aus dem Obigen .

Litterarische Besprechungen.

191

Litterarische Besprechungen . Der mühelose Segelflug der Vögel und die segelnde Luftschiffahrt als Endziel hundertjährigen Strebens. Ein Vortrag, gehalten am 18. Januar 1890 im Polytechnischen Klub in Graz, von A. Ritter von Miller Hauenfels , Professor a. D. Wien , Spielhagen & Schurich, 1890. Die Schrift ist im ersten Theil ein Versuch die Ansichten einer An zahl österreichischer Ingenieure über den Segelflug wissenschaftlich zu begründen. Hiernach erhalten sich viele Vögel dadurch in der Luft schwebend, dass sie durch einen Steil - Absturz zunächst eine gewisse Eigen geschwindigkeit sich erwerben und mittelst derselben dann wieder empor steigen, indem die unter den Flugflächen sich verdichtende Luft eine nahezu reibungslose Gleitbahn bilde. Der Luftwiderstand auf die Flugflächen sei also ein fördernder, kein hemmender, und der vom Körper erzeugte Stirn widerstand werde durch wenige Flügelschläge leicht überwunden. Bedingung für Ausführung dieses Segelflugs sei ein gewisses Mass von Horizontal geschwindigkeit. Nach einigen allgemeinen Bemerkungen und kurzen Artikeln über die Stabilität und über den Horizontalflug kommt der Autor auf sein Thema, entwickelt zunächst klar , wie er sich den Bewegungs - Vorgang denkt und stellt sodann die Bewegungs - Gleichung auf. Hierbei ist aber dem Verfasser trotz des gelehrten Rüstzeugs ein schwerer prinzipieller Irrthum untergelaufen : der ganze Vorgang, wie er ihn beschreibt, ist mechanisch unmöglich . Wenn der Flug mit gleichmässigen Wellen auf die Dauer fortgesetzt werden soll , so muss das Gleichgewicht der Kräfte in horizontaler und vertikaler Richtung innerhalb jeder einzelnen Welle erreicht sein. Angenommen nun, das Gleichgewicht der vertikalen Kräfte sei erreicht , und das Luftschiff befinde sich am Ende der Welle wieder auf seinem Anfangsniveau; den Einfluss des Stirnwiderstandes wollen wir zunächst vernachlässigen : dann ist wohl die Summe der vertikalen Arbeiten gleich Null , es kann jedoch die Horizontalgeschwindigkeit nicht dauernd aufrecht erhalten bleiben . Allerdings kann der Vogel durch Vorn überneigung seiner Flugflächen beim Niedergleiten einen horizontalen An trieb gewinnen. Dieser Antrieb ist aber jederzeit kleiner , als die beim Wiederaufsteigen eintretende Verzögerung. Beim Niedergleiten ist nämlich der Winkel, den die Flugfläche nach rückwärts mit dem Horizont bildet, im Allgemeinen kleiner als derjenige , den sie beim Aufsteigen nach vorwärts mit dem Horizont einschliesst und zwar desshalb, weil die Flugfläche, um überhaupt einen Effekt zu geben, einen Winkel, den Luftstosswinkel, mit ihrer Bahn gegen vorne einschliessen muss . Beim Abwärtsflug ist sie dann um diesen Stosswinkel weniger vorn über geneigt, beim Anstieg um denselben mehr erhoben, und da die hori zontalen Komponenten der Widerstände dem Sinus der Neigungen zum Horizont proportional sind, so wird eben durch die Existenz dieses Stoss winkels der beim Niedergleiten entstehende Antrieb vermindert und die verzögernde Kraft beim Ansteigen vermehrt. Vollkommen scharf tritt dies hervor, wenn man die Flugbahn des „ Schönseglers " mit dem Autor aus Parabelbögen bestehen lässt, also die an- und absteigenden Aeste der Kurven symmetrisch denkt. Dann sind in symmetrischen Phasen des Auf- und Niederflugs die Bahnwinkel zur Horizontalen gleich jedoch mit entgegengesetzten Vor

192

Mittheilungen aus Zeitschriften.

zeichen ; folglich sind die Neigungen der Flugflächen zur Horizontalen um den doppelten Luftstosswinkel verschieden und der Rücktrieb beim Empor schweben ist in Folge des Steilerstehens der Fläche stets grösser als der Antrieb beim Sinken. Der Vogel muss also Arbeit leisten , obwohl in horizontaler Richtung doch Schwebearbeit, und dies ist ein prinzipielles , durch keine wie immer geartete Form der Bahn oder der Flugflächen zu umgehendes Erforderniss . Die Erklärung , dass der Vogel auf der unter seinen Flügeln ver dichteten Luft wie auf elastischen Kissen wieder emporgetragen werde, ist völlig irrig, da der Vogel beim Vorwärtsflug stets auf frische unverdichtete Luftmassen trifft. Die Flugflächen schieben vielmehr die Luft einfach bei Seite ; die verbrauchte Arbeit erzeugt Massenbewegung. Die Luft wirkt also als Bremse und nicht als elastische Feder. Somit steht die Segeltheorie Herrn von Miller's mit dem mechanischen Grundgesetz von der Erhaltung der Kraft im Widerspruch. Eine Erklärung der Segelerscheinungen kann nur in den Bewegungen der Luft und zunächst in den aufsteigenden Luftströmungen gefunden werden. Ich selbst habe mehrfach Möven beobachtet, wie sie den durch Rauch oder Nebel gekennzeichneten hebenden Luftstrom aufsuchten , um sich in die Höhe tragen zu lassen, indem sie mit lautem Geschrei ihre Gefährten herbeiriefen . Aehnliches sieht man an Krähen und Rauchschwalben. Für die bessern Segler dürfte das lässt sich aus der Arbeits leistung beim Normalflug mit Sicherheit schliessen - eine Steiggeschwindig keit der Luft von 70-80 cm per Sekunde genügen, und solche Strömungen giebt es an jedem sonnigen Tage . Es kommen aber viel beträchtlichere vertikale Strömungen vor. So ergab sich bei einer am 25. Juni durch Herrn von Sigsfeld ausgeführten Ballonfahrt in einem Kumulus eine vertikale Steiggeschwindigkeit von 29 m. In welcher Weise ferner Differenzen der Windrichtung und Geschwindigkeit durch den Vogel ausgenützt werden können, habe ich an anderm Ort auseinandergesetzt. Hiernach erklären sich die Segelerscheinungen zur Genüge . Eines Eingehens auf Einzelheiten der Schrift bedarf es nach dem Gesagten wohl kaum. Das im zweiten Theil auseinander gesetzte Projekt ist im Wesentlichen identisch mit dem Wolff'schen . Nur das Eine möchte ich bezüglich der Versuche bemerken , dass , wer derartiges veröffentlicht, verpflichtet ist, mindestens die Grundlagen der Konstruktion experimentell vorher festzustellen . Hätte Herr von Miller das gethan, so wäre die Schrift höchst wahrscheinlich ungeschrieben geblieben. So ist sie nur geeignet, die Köpfe zu verwirren, und aus diesem Grund ist ein energischer Widerspruch von Parseval. im öffentlichen Interesse .

Mittheilungen aus Zeitschriften . Allgemeine Sport- Zeitung . Wochenschrift für alle Sportzweige . Heraus gegeben und redigirt von Viktor Silberer. XI. Jahrgang, Wien 1890 . Die 99 Allg. Sport- Ztg. " bringt in ihrer No. 44 vom 22. Juni d . J. .folgende Notiz : Aus Russland wurde ddo . 13. Januar gemeldet : „ Der russische Invalide " veröffentlicht eine Ordre, nach welcher in diesem Jahre ein Luftschiffer- Uebungspark und im Jahre 1891 eine Luftschiffer- Festungs abtheilung gebildet werden soll ". In No. 48 vom 6. Juli d . J. findet sich ein Briefwechsel zwischen dem

Mittheilungen aus Zeitschriften.

193

Redakteur unserer Zeitschrift, Dr. W. Angerstein in Berlin, und dem Her ausgeber des Aéronaute " und Vizepräsidenten der französischen Gesellschaft für Luftschiffahrt, Herrn Dr. Abel Hureau de Villeneuve in Paris. Ueber den Inhalt derselben gehen wir heute hinweg , behalten uns aber vor, an anderer Stelle darauf eingehender zurückzukommen. Das Blatt des Herrn Silberer berichtet ferner in seiner No. 50 vom 13. Juli über mehrere Luftfahrten des militär- aëronautischen Kurses in Wien. Am 2. Juni cr. stieg Oberlieutenant Josef Trieb mit dem kleinen Schulballon Budapest " allein auf, erreichte bei sehr schwachem Nordwest eine Höhe von 1000 m und landete nach einer Fahrt von 80 Minuten glatt südöstlich von Schwadorf. Strecke : 22,8 Kilometer. Die zweite Auf fahrt unternahm mit demselben Ballon am 3. Juni Oberlieutenant Hans Sojka vom 4. Pionier-Bataillon . Wegen völliger Windstille musste nach 1 Stunde 15 Min. der Niederstieg und zwar inmitten des Häusermeeres von Wien vorgenommen werden, welcher auch glücklich erfolgt wäre, wenn nicht bei der Landung im Augarten ungefähr 30,000 Menschen dabei hätten helfen wollen und dabei den Ballon wie seinen Führer in ernste Gefahr brachten . Am 4. Juni stieg Abends 6 Uhr Oberlieutenant Josef Watzek vom 5. Pionier-Bataillon mit demselben Ballon auf und landete 75 Minuten ▬▬▬▬ später nach schöner ruhiger Fahrt bei St. Andrä-Wördern . Höhe 760 m. Eine Privatfahrt machten am 5. Juni Abends halb acht Uhr mit dem Ballon „Vater Radetzky " Lieutenant Franz Hinterstoisser vom Eisenbahn- und Telegraphenregiment und Herr Viktor Silberer mit Frau Kathi Schratt vom Burgtheater und Herr Alexander Baltazzi, ein bekannter Sportsmann . Bei der nach dreiviertelstündiger ruhiger Fahrt erfolgenden Landung bei Aspern auf dem Marchfelde stiegen Frau Schratt, Herr Silberer und Baltazzi aus dem Ballon aus und Oberlieutenant Trieb zu Lieutenant Hinterstoisser hinein . In einstündiger Fahrt wurde eine Höhe von 3750 m erreicht und bei stockfinsterer Nacht in strömendem Regen bei Schwechacht, nächst Katharinenhof, gelandet. - Am 10. Juni, Nachm. 5,45, stieg Oberlieutenant Hermann Hoernes vom Eisenbahn- und Telegraphenregiment im Ballon „ Budapest auf und landete nach einer schönen Fahrt von 63 Minuten wohlbehalten bei Hennersdorf. Höhe 720 m, Strecke 13 Kilometer. Mit einem Resultat von 232 Kilom. Strecke und 960 m Höhe endete am 17. Juni in glatter Landung nächst Andlersdorf bei Orth im Marchfelde die Fahrt des Lieutenant Hinterstoisser , nachdem sie nur 55 Minuten ge währt hatte. Die nächsten Fahrten unternahmen am 21. Juni Herr Lieutenant Franz Eckert vom Genie- Regiment No. 1 und landete nach 65 Minuten nächst Schwadorf, Höhe 1150 m, Strecke 24 Kilom.; am 22. Juni ferner Oberlieutenant Watzek, Landung nach 1 stündiger Fahrt bei Unter- Siebenbrunn im Marchfelde , Höhe 1250 m, Strecke 30 Kilom .; am 23. Juni darauf Oberlieutenant Sojka , Landung nach 75 Minuten bei Rauchenrath, Strecke 182 Kilom , Höhe 1900 m ; am 25. Juni Lieutenant Eckert , Landung nach einer Stunde bei Mannersdorf, Strecke 33 Kilom . , Höhe 1750 m. No. 52 vom 20. Juli d . J. der "" Allg. Sport-Ztg. " bringt fernere Mit theilungen über eine Doppelfahrt der beiden Ballons Budapest “ und „ Vater Radetzky" am 26. Juni er. 4 Uhr Nachm. Ersteren leitete Oberlieutenant Trieb , letzteren V. Silberer mit den Lieutenants Hoernes , Sojka und Watzek. ,, Budapest " ging in einer Höhe von 1500 m nordöstlich ins Marchfeld, IX.

während "" Vater Radetzky"

in Höhe

von nur 900 m westlich 13

194

Mittheilungen aus Zeitschriften.

über die Wienerwaldkette ins Tullnerfeld ziehend bei St. Andrä-Wördern landete . Resultate : „ Budapest " nach 21stündiger Fahrt Strecke 35½ Kilom. , Höhe bis 1700 m; „ Vater Radetzky" Höhe 900 m, dreistündige Fahrt . Am 30. Juni cr. Aufstieg des Oberlieutenants Hermann Hoernes , Landung nächst dem Haschhofe bei Weidling. In Gegenwart Sr Exzellenz des Generalstabschefs , Feldzeugmeister Freiherrn von Beck nebst glänzender Suite wurde am 1. Juli 14 Uhr Nachm. die Doppelfahrt der Ballons „ Buda pest “ und „ Vater Radetzky" wiederholt. Ersterer , geführt vom Ober lieutenant Hinterstoisser , landete nach 20 Minuten mit 1450 m Höhe und 20 2 Kilom. Strecke bei Kreutzenstein , nächst Korneuburg, letzterer mit den Oberlieutenants Trieb , Hoernes und Eckert ging nach längerer Fahrt in Skala bei Humpoletz in Böhmen nieder. ---- Am 4. Juli stieg „ Vater Radetzky" mit Herrn V. Silberer , Frau Marie Edle von Amerling und den Lieutenants Sojka und Watzek auf und landete nach 1,55 stündiger Fahrt bei Petronell, Strecke 36.8 Kilom. Dienstag, den 8. Juli wurde. „ Vater Radetzky" zum ersten Male als Ballon captif verwandt. Zuerst fuhren Oberlieutenant Trieb und Eckert bis 150 m, sodann der letztere mit Oberlieutenant Weineck bis zu 200 m empor. In dieser Höhe löste sich jedoch, als man das Kabel einholen wollte, eine Seilschlinge am Korbe und der Ballon flog frei davon . Nach einer Fahrt von einer Stunde wurde der Ballon glücklich nächst Leitzersdorf bei Stockerau zum Landen gebracht. Oberlieutenant Weineck stieg aus, während Oberlieutenant Trieb nach Ein nahme neuen Ballastes wieder aufstieg und nach einer anstrengenden Fahrt durch die ganze Nacht um 4 Uhr Morgens bei Lipownok im Neuträer Komitate in Ungarn glücklich, aber erschöpft, landete. Der Ballon war zuerst in südöstlicher, dann nordwestlicher Richtung in grosser Höhe über die kleinen Karpathen nach Ungarn hineingelangt. Am 11. Juli sollten wieder Uebungen des militärischen Luftschifferkorps mit dem als Ballon captif ausgerüsteten " Vater Radetzky" im Beisein des neuen Präsidenten des militärtechnischen Komitees , Sr. Exz . F.-M.-L. Vogl , stattfinden. Man sah jedoch des starken Oberwindes wegen davon ab und liess den Ballon Abends nach 9 Uhr frei mit den Oberlieutenants Hermann Hoernes und Franz Eckert , für die Nachtfahrt ausgerüstet, aufsteigen . Nach Sturm und Gewitter landeten sie um 8 Uhr Morgens bei Bruczkow nächst Posen in Preussisch-Polen. Strecke 550 Kilom.. Dauer der Fahrt 11 Stunden . Ein neuer Versuch mit dem "" Vater Radetzky" als Ballon captif wurde am 16. Juli, Abends 36 Uhr, in Anwesenheit des vollzähligen militär- aëro nautischen Kurses , zahlreicher militärischer Gäste und schliesslich des Generalstabs-Chef-Stellvertreters Sr. Exz . F.-M.-L. von Galpokzy vorge nommen. Letzterer nahm an der dritten Auffahrt des Ballons in Begleitung Viktor Silberers und des Oberlieutenants Sojka persönlich Theil . Nach sieben derartigen Auffahrten mit dem Ballon captif, welche bis zur Höhe von 300 m ausgedehnt wurden und sämmtlich gelangen , stieg der Ballon um 3/410 Uhr Abends zu langer Nachtfahrt gerüstet mit den Oberlieutenants Hans Sojka und Johann Watzek zu freier Fahrt empor. Der Ballon stieg bis zu 2000 m auf, bewegte sich aber bei der herrschenden Windstille fast gar nicht von der Stelle, so dass nach 12 stündiger Fahrt die Landung in der Umgebung von Tulle bewirkt wurde, welche auch vollständig gelang. No. 52 des Blattes bringt noch eine hier im Auszuge wiedergegebene Mittheilung. In Paris hat am 26. Juni Abends 9 Uhr 20 Minuten eine Auffahrt des

Luftballons

„ Le

Figaro "

stattgefunden .

Der Zweck war

Mittheilungen aus Zeitschriften.

195

weniger ein aëronautischer als vielmehr physikalischer, denn es handelte sich um die Anstellung von Lichtversuchen mittelst optischer Instrumente, welche theils auf der dritten Plattform des Eiffelthurmes, theils an dem Ballon selbst angebracht waren. In der Gondel befanden sich die Herren Jovis und Mallet als Leiter, sowie drei Amateurs aus der Pariser Finanz welt. In der Gondel führte der Ballon zwei elektrische Inkandeszent-Lampen mit, jede von 20 Kerzen Leuchtkraft, welche im Brennpunkte eines auf den Eiffelthurm gerichteten Reflektors angebracht waren. Trotz bedeckten Himmels wurde vom Thurme aus das Licht der Lampe bis 111 Uhr mit freiem Auge und bis 112 Uhr mit dem Fernrohr verfolgt. Als man das Licht nicht mehr wahrnehmen konnte , befand sich der Ballon nahe an 100 Kilom . vom Thurme und in einer Höhe von 1000 m entfernt. Dieser Versuch zeigt, dass durch Benutzung von Luftballons optische Signale auf grosse Entfernungen ausgetauscht werden können , was besonders im Kriege von grosser Wichtigkeit sein kann. Die Landung erfolgte nach einer Fahrt von 10 Stunden 40 Minuten nach Zurücklegung von etwa 450 Kilom . um 8 Uhr Morgens bei Meisenheim, Regierungsbezirk Coblenz. Diese Luftreise erinnert an die Auffahrt , welche während der Belagerung von Paris von dem Ballon "9 General Chanzy" am 18. Dezember 1870 ausgeführt wurde ; derselbe landete, nachdem er um 2 Uhr Morgens von Paris abgegangen war, 15 Stunden später in der Nähe von Ansbach nach Zurücklegung von 850 Kilom. Die vier französischen Reisenden wurden gefangen genommen und erst nach dem Friedensschluss wieder in Freiheit gesetzt. Revue de l'aéronautique théorique et appliquée. Directeur Henri Hervé . Paris , 2. Jahrgang, 1889 , 2. , 3. und 4. Lieferung. (Fortsetzung des Berichtes ) Kommandant Renard beginnt einen Aufsatz über: 99 die Maschine zur Untersuchung von Luftschrauben, Versuch zu Châlais vom Jahre 1888 " , in dem er zunächst die Formeln wiederholt und zur Grund lage des Folgenden nimmt, welche für eine gleichförmig herabsinkende Scheibe gelten . Hieraus weist er die Unzulässigkeit vielfach beliebter Zahl vergleiche nach - nämlich den Axialdruck mit der pro Sekunde ver brauchten Arbeit zu vergleichen und hebt für die Schraube die folgen den Punkte ausdrücklich hervor : 1. Der Axialdruck ist proportional dem Quadrat der Winkelgeschwin digkeit, 2. die Arbeit dem Kubus derselben. 3. Das Verhältniss des Zuges zur Arbeit ist daher keineswegs konstant für dieselbe Schraube, vielmehr der Winkelgeschwindigkeit umgekehrt pro portional und kann daher nicht als Vergleichskriterium dienen. 4. Wohl aber ist das Verhältniss des Kubus des Zuges zum Quadrate der Arbeit konstant und zwar gleich dem Luftwiderstandskoeffizienten multi pliziert mit der „ fiktiven " Schraubenoberfläche. Vermittelst letzterer können also zwei Schrauben miteinander verglichen werden. Ein zweckmässig angelegter Messapparat muss die gleichzeitige Messung der drei Grössen : Arbeit, Geschwindigkeit und Zug gestatten. Das zweite wird leicht erreicht mittelst eines elektrisch in Thätigkeit gesetzten Touren zählers . Den Zug misst man vermöge eines Winkelhebels, an dessen einem Arme die Schraube angreift, während das Gegengewicht am andern Arme so bemessen wird, dass der Hebel in seine Gleichgewichtslage zurück 13*

196

Mittheilungen aus Zeitschriften .

geführt wird. Um endlich die Arbeitsgrösse zu finden, ermittelt man das von der Schraube erzeugte Drehungsmoment, indem der um eine zweite , diesmal der Schraubenaxe parallele Axe drehbare Apparat durch Gegen gewichte in seine Gleichgewichtslage zurückgeführt wird . Durch Multi plikation des erhaltenen Momentes mit der bekannten Winkelgeschwindigkeit ergiebt sich die Arbeitsgrösse . Der Apparat scheint in der That zweck mässig konstruirt. Er beruht auf dem besten Instrument, das wir haben, dem Hebel, und führt fast alle Messungen auf die des Gleichgewichts von Kräften zurück. Der Aufsatz ist sehr klar und verständlich geschrieben, bringt aller dings ausser der Beschreibung des Apparates und einigen Daten über die Schraube des Ballons La France " vorläufig nichts Neues . Forts. folgt. G. E. , Die Fortschritte der Militärluftschiffahrt in Oester reich. Referat über einen Aufsatz der Zeitschrift für Luftschiffahrt. G. Tissandier, Die Frage der leichten Motoren ; die dynamo elektrischen Maschinen. Der Aufsatz enthält zunächst eine Tabelle über die Gewichte Gramme scher Motoren pro Pferdekraft, wie sie namentlich Sautter Lemonnier liefert. Das günstigste Verhältniss weisen einige Maschinen auf, welche bei 5,2 Pferdekraft 170 kg wiegen, das macht 32,7 kg pro 1 Pferdekraft. Die zu ihrem Betriebe nöthige elektrische Kraft kann von Akkumu latoren geliefert werden, oder von Batterien . Es genüge zu bemerken, dass letztere jenen bei weitem überlegen sind und, dass die leichteste Batterie (Renard) pro Pferdekraft und Stunde 24 kg wiegt . Eine für die Technik des Ballonbaues und für die Sicherheit der Luftschiffer gleich wichtige Frage ist die nach der Spannung der Ballon Beide Grössen hängen von nur mangelhaft hülle und des Netzes. bekannten Umständen ab . Jede Arbeit hierüber verdient die lebhafte Auf merksamkeit der Luftschiffer. Herr Lauriol , bringt die Ergebnisse seiner Studien hierüber in diesem und dem folgenden Hefte der Revue zur öffent lichen Kenntniss . Er macht darauf aufmerksam , dass die üblichen An nahmen eine überall positive Spannung, sowie stetige Druckänderung ergeben. während in Wahrheit auch negativer Druck und Diskontinuität der Spannung vorkommt. Die Frage der Vertheilung der Spannung um einen gewissen Punkt herum hat Renard studirt . Er pflegt sie seinen Zuhörern in Meudon jedes Jahr vorzutragen. Vielleicht ist hierin der Grund zu suchen, dass Herr Lauriol gleich im ersten und zweiten Kapitel die Erklärung und Be gründung seiner Fundamentalgleichungen gar nicht oder in so wenig be friedigender Weise giebt, dass Referent eine weitere Kontrolle der Rechnung für zwecklos erachten musste. Wir beschränken uns daher auf die von Herrn Lauriol selbst gegebene Zusammenfassung seiner Ergebnisse : Wenn man vom verformten Kegelballon zu einem solchen von nur wenig anderer Gestalt übergeht, welcher sich in dieser erhält, so ändern sich die Spannungen wenig. Das Hemde oder Netz eines Ballons tragen den grössten Theil der Spannung, während die Hülle hauptsächlich die Gasdichtigkeit hergiebt und um so besser ihre Form bewahrt. je schwächere Spannungen sie zu ertragen hat. Auf alle Fälle wäre es am besten dem Ballon gleich von vorn herein eine bleibende Gestalt zu geben . Die genaue Bestimmung derselben wäre vielleicht ein wenig umständlich, aber, wenn einmal gelungen , so würde die Konstruktion eines dergestaltigen Ballons nicht grössere Schwierigkeiten verursachen, als eines kugelförmigen.

Kleinere Mittheilungen.

197

Den Rest des Heftes bilden Mittheilungen aus anderen Zeitschriften und eine angabenreiche Notiz über die beiden Fesselballons der Pariser Aus Gl. stellung von Lachambre und Yon .

Kleinere Mittheilungen. Signalpistole. Der Viceadmiral Ward , Generalinspekteur der Royal National Lifeboat Institution macht in der „Times " auf eine Signalpistole aufmerksam . Man kann mit derselben Leuchtkörper beliebiger Farbe bis zur Höhe von 100 oder 120 m feuern . Diese Feuerzeichen sollen bei klarer Luft bis zu 20 englischen Meilen sichtbar sein, eignen sich also zur See, namentlich für in Seenoth befindliche, vorzüglich zur Abgabe von Signalen. Diese Erfindung des Lieutenant Very der Marine der Vereinigten Staaten soll auch schon dort sowie in Grossbritannien Eingang gefunden haben. Neues Werk von Marey. Zur vorläufigen Nachricht, dass vor kurzem von dem wohlbekannten Forscher Professor Marey ein Buch „ Der Vogelflug " erschienen ist, über das die Zeitschrift den Lesern hofft baldigst Bericht erstatten zu können . Hier vorläufig sein Titel : „ Marey, le vol des oiseaux ; G. Masson. éditeur, Paris 1890. 8º, 164 fig. et 1 pl . “ Unglück bei einem Fallschirmversuche. Der am Dienstag Nachmittag in Schloss Weissensee bei Berlin aufsteigende Luftschiffer L. war bereits vor einer zahlreichen Volksmenge haushoch emporgestiegen, und es handelte sich nun darum, nach Oeffnung des Ventils mittels des Fallschirmes wieder zur Erde zu gelangen . Hierbei widerfuhr ihm das Unglück, dass er sich in der Leine vergriff, den Fallschirm verfehlte und aus einer Höhe von etwa 30 Metern zur Erde herabstürzte. Der Bedauernswerthe wurde sofort nach dem städtischen Krankenhause am Friedrichshain überführt, wo schwere innere Verletzungen und bedenkliche Kontusionen am Rückgrat festgestellt wurden . („Tägl. Rundsch. " vom 17. Juli.) Herr Maximilian Wolff hat in Köln am 6. Juli d . J. eine Ballonfahrt unternommen, die sehr unglücklich geendet hat . Rheinische Blätter berichteten darüber : „ Am Sonntag , den 6. d . Mts ., unternahmen zwei Kölner Herren unter Leitung des Luftschiffers Wolff mit dem Ballon Stollwerck “ von der Kriegskunstausstellung aus eine Auffahrt, welche sich zur gefährlichsten von den vielen Fahrten gestaltete, die Herr Wolff seit langen Jahren gemacht hat. Das Wetter war bereits stürmisch und zu Regen geneigt beim Aufstieg, als in der Höhe von etwa 1800 m der Kapitain es für gerathen hielt, dicht beim Orte Bensberg eine Landung vorzunehmen. Diese ging anscheinend glücklich von statten, der Ballon neigte sich zur Erde , Herr Wolff und die Begleitung entstieg dem Korbe , und eben wollte man den Ballon an einem Baume festlegen, als ein starker Wind den Ballon erfasste und mit rasender Geschwindigkeit in die Höhe trieb, zwei auswärts an der Gondel hängende Personen und den an einem Seile befindlichen Kapitain mit sich fortschleppend . Einer der an der Gondel befindlichen Personen, einem Bauersmann , welcher beim Landen behilflich gewesen, verliess die Kraft, und der Aermste stürzte aus einer Höhe von 50 m in die Tiefe , anscheinend leblos liegen bleibend . Die beiden übrigen versuchten später eine zweite Landung, wobei sich indess nur der eine durch einen Sprung in einen Baum retten konnte , während der Ballon mit dem Kapitain auf's neue in den Lüften ver schwand Bei Overath kam endlich der Luftschiffer zur Erde, während der auf's neue ausgerissene Ballon bei Olpe in Westfalen aufgefangen wurde." Herr Wolff hat über diese Fahrt später im Köln. Tagebl. " eine ausführliche Schilderung veröffentlicht, der wir folgende Stellen entnehmen : „ Mit einem Male , (der Ballon war schon fast an der Erde) , bricht ein Wirbelwind los ; wir werden heftig hin und her geworfen, aber durch Anspannung aller Kräfte zwingen wir den Ballon zur Erde. Schnell fasse ich eine Noth leine und binde die Gondel an einen Baum fest, aber ein heftiger Ruck, ich fliege auf den

198

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

Rücken in meiner Gondel, und als ich aufspringe, da schweben wir hoch empor und ich sehe zwei Menschen aussen am Gondelrand hängen. Den einen, einen Landbewohner aus der Umgegend, will ich schnell hereinziehen, aber zu spät, die Kräfte hatten den Armen verlassen ich sehe den Mann stürzen und höre mit schrecklicher Deutlichkeit das dumpfe Aufprallen seines Körpers auf der Erde . Mir schien der Herzschlag zu stocken ; indess die Geistesgegenwart war mir nöthiger als je ; hing doch der treue Genosse meiner Fahrt, Hr. Schmitz , noch aussen an der Gondel. Schon sanken die Wolken unter uns hinab und immer höher stiegen wir ; nach meiner Schätzung mussten wir über 3000 m hoch sein . Ich suche meinem Freunde zu helfen , ihn in die Gondel hineinzuziehen ; aber es geht nicht , ich kann ihn nur bis zum Ellbogengelenk über den Gondelrand bringen, und er selbst hat die Kraft nicht mehr, sich emporzuarbeiten . Unserer bemächtigt sich die Verzweiflung ; alle Fibern sind auf's äusserste gespannt . Da fasse ich den in der grössten Gefahr Schwebenden mit meinen Zähnen am Rock, ergreife eine Sturmleine , lehne mich so weit als eben möglich hinaus und suche den Freund festzubinden. Zwischen Hoffnung und Todesangst vergehen einige fürchterliche Minuten, endlich kann ich den Strick zwischen den Armen des an die Gondel Geklammerten durchbringen ; fest ziehe ich an und es glückt ; ich kann Schmitz festbinden . Immer heftiger pendelt die Gondel, ich liege fast auf dem Bauch, ganz horizontal ; heftiges Ohrensausen tritt ein , aber ich darf nicht den Kopf verlieren ; „ Peter “ , rufe ich, „halt aus , halt aus ! " Ich konnte den armen Freund nicht sehen ! er hing nur noch mit den Fingerspitzen am Korb, durch das starke Schaukeln hatte sich der Strik gereckt, und mein Freund war nach unten gerutscht. Da packe ich sein rechtes Handgelenk mit der linken Hand , ziehe mit der rechten Hand noch mehr das Ventil, aber ich muss die Zähne zu Hilfe nehmen. Da keucht mein Freund : „ Ich kann nicht mehr, ich rutsche hinab. “ „ Nimm alle Kräfte zusammen “ , schreie ich, „ noch eine Minute, dann haben wir den Boden erreicht. " Aber je näher wir dem Boden kommen , je heftiger wird das Schaukeln der Gondel. Ich rufe noch hinab, dass mein Freund nur ja nicht loslassen soll , wenn er den Boden berührt, denn sonst seien wir beide verloren, dann gehen wir über ein Haus und eine Scheune, ein Krach, ein Ruck, wieder ein Ruck , wir werden geschleift : in Schnellzuggeschwindigkeit fahren wir dahin. Da kann nur das äusserste Wagniss Rettung bringen. „ Lass los , Peter !" rufe ich hinab, ,,lass los, spring zur Seite, dass dich der Anker nicht packt". Zur rechten Zeit folgt er der Weisung. Der Ballon, abermals um 195 Pfund leichter , saust mit mir wieder bis zu den Wolken ; mit allen Kräften reisse ich am Ventil und lasse nicht eher los, bis der Anker einen Baum packt. Doch der Anker reisst den Riesenbaum um, die Gondel schlägt mit grosser Gewalt bis zum Ballon hinauf, so dass ich eine Weile mit dem Kopf nach unten hing. Da packt der Anker wieder - momentane Ruhe, die Gondel fährt zwischen den Riesenbäumen bei Overath , ein Ruck , ein Krach, wieder ein Baum umgerissen , ich werde wie ein Ball geworfen, da, beim fünften Male, als die Gondel wenige Meter von einem Baume entfernt ist , springe ich , mit dem Kopf voran, in die Aeste des Baumes und schlage von Ast zu Ast bis zur Erde. Der Anker rasselt in un mittelbarer Nähe über mich weg ; der Ballon hatte sich abermals frei gemacht, ein starker Baum hatte nachgegeben, und der Ballon schwebte nach Nordost weiter und ging später, wie eine Depesche meldet, bei Olpe in Westfalen nieder. "

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. Protokoll der am 17. März 1890 im Saale der Königl. Kriegs akademie abgehaltenen (117. ) Sitzung . Vorsitzender : Dr. Assmann ; Schriftführer : Dr. Kremser. Tagesordnung : 1. Geschäftliche Mittheilungen . 2. Dr. Kremser: Ueber Höhenbestimmungen vom Ballon aus .

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

199

Die geschäftlichen Mittheilungen , welche der Vorsitzende zu Beginn der Sitzung machte, waren folgende : Die Herren Boës und Mewes sind aus der Liste der Mitglieder gestrichen worden ; zur Benutzung in den Sitzungen und zur Unterbringung der für die Sitzungen nöthigen Schreib- und Zeichenutensilien u. dergl. sind zwei Tische mit Schubladen durch den Vorstand angeschafft worden . Es liegt eine Einladung zur Betheiligung an der Ausstellung für Kriegskunst und Armeebedarf zu Cöln vor. Für die Auffahrten des Fesselballons, welcher nahezu fertig ist, stellt Geh. Rath v. Siemens sein Terrain unmittelbar neben der Charlottenburger Gasanstalt zur Verfügung . Zur Beschaffung der Instrumente für denselben, über welche Herr v. Sigsfeld nichts verlauten lässt , müssten event. die Mittel des Vereins in Anspruch genommen werden. An die hierauf folgende Verlesung des Protokolls der vorigen Sitzung schloss sich eine Diskussion über den in der letzteren gehaltenen Vortrag des Herrn Dr. Knorre, betreffend den Einfluss der Anziehung der Erde in Verbindung mit dem Luftwiderstande auf das Fliegen der Vögel. Dr. Angerstein sprach über seine eigenen diesbezüglichen Versuche mit selbst gefertigten Modellen und bestätigte im Wesentlichen die Resultate von Dr. Knorre . Dr. Less theilte mit, dass bereits von Linss ähnliche Fallversuche mit Papiermodellen bei verschiedenen Geschwindigkeiten zu meteorologischen Zwecken gemacht worden seien. Nach einigen Bemerkungen Dr. Knorres hielt Dr. Kremser den angekündigten Vortrag. Die gewöhnliche Methode der Luftschiffer, die mit der Luftdruckskala parallel laufende Höhenskala der Aneroide zur Höhenbestimmung zu benutzen , ist selbst bei geprüften Instrumenten wenig zuverlässig und erzeugt Fehler, die mehr als 10 % der gemessenen Höhe betragen können. Aber selbst, wenn genauere barometrische Höhen formeln verwendet werden, erhält man doch immer nur die Erhebung über dem Aus gangspunkte der Fahrt, während es häufig und besonders bei gebirgigem Terrain von Wichtigkeit ist, die Höhe über der zu Füssen liegenden Gegend zu bestimmen ; wie sehr man sich überdies bei Annäherung an die Erdoberfläche in Bezug auf die Entfernung von derselben nach dem Augenmasse täuschen kann, ist dem Luftschiffer sehr bekannt . Man kann sich in diesem Falle durch Schallbeobachtungen helfen, indem man die Zeit genau zu bestimmen versucht , welche ein kurzer und genügend kräftiger, nach der Erde gerichteter Ton braucht, um als Echo wieder in der Gondel gehört zu werden - eine rohe, aber bei Nebelwetter allein brauchbare Methode ! Denn die hier zu besprechenden Arten der Höhenbestimmung verlangen durchsichtige Luft. Zur genaueren Ermittelung der Richtung und Geschwindigkeit des Ballons in den verschiedenen Schichten und zur Prüfung der barometrischen Höhenformel hat man bereits mehrfach den Ballon von zwei oder drei Standorten an der Erdoberfläche mit Messinstrumenten verfolgt und die be treffenden Punkte der Fahrtlinie trigonometrisch ermittelt ; da aber gewöhnlich das Luft schiff durch die grosse Geschwindigkeit in der Höhe sich bald den Blicken der Beobachter entzieht, so ist es gut, wenn der Luftschiffer selbst in der Lage ist, durch trigono metrische Beobachtungen nach Belieben die Höhen entweder schnell und bequem, wenn auch nur ungefähr, oder aber durch sorgfältigere Einstellung und Berechnung genau zu bestimmen . Der Vortragende bespricht nun die hierzu geeigneten Methoden mit Rücksicht auf die beiden zuletzt genannten Zwecke ; sie kommen alle darauf hinaus, durch Messung z. B. des Winkels , unter welchem eine bekannte Dimension auf der Erdoberfläche nach der mitgeführten Generalstabskarte erscheint , und bezw. auch des Positions winkels die Höhe trigonometrisch zu berechnen . Kleine vorher zurecht gelegte Täfelchen können die Ermittelung zu einer äusserst bequemen machen . Desgleichen werden auch die geeignetsten Messinstrumente besprochen und demonstrirt : ein von Professor von Bezold angegebener, leicht einstellbarer Höhenkreis und das neue Wellmann'sche Mikro meter. Eventuell kann auch die Photographie gute Dienste leisten und ist dieselbe

200

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

bereits mit Erfolg angewandt worden ; da jedoch Entwickelung , Fixirung und Aus messung des Bildes längere Zeit erfordert, ist sie zur unmittelbaren Höhenbestimmung im Ballon selbst nicht gut zu verwenden. Zum Schluss zeigte der Redner, dass das trigonometrische Verfahren besonders bequem und schnell zum Ziele führt , wenn die Sonne scheint und man den Schatten des Ballons, dessen Dimensionen man ja kennt, bezw . den Winkel, unter dem derselbe erscheint, einstellen kann . Auch die Höhe der Wolken kann man alsdann durch Messung des Azimuths und der Winkelhöhe derselben und ihrer Schatten leicht berechnen. An der sich anschliessenden Diskussion, die besonders über die anzuwendenden Instrumente handelte , betheiligten sich die Herren von Bezold . Buchholtz und Wurstemberger. Bezüglich der Beschickung der oben erwähnten Ausstellung in Köln, die in ihrem aeronautischen Theile unter der Leitung des dem Verein wenig zusagenden Herrn Maximilian Wolff zu stehen scheint, wurde vereinbart, dem Vorstand die nöthigen An fragen in Cöln und das Weitere zu überlassen. Zum Schluss wurde ein Antrag des Vorsitzenden angenommen , zur Anfertigung der Registririnstrumente für den Fessel ballon dem Vorstande zunächst 500 Mark zur Verfügung zu stellen , wofern nicht begründete Aussicht vorhanden ist, dass Herr v . Sigsfeld dieselben innerhalb der nächsten zwei Monate liefert. Kremser.

Protokoll der am 21. April 1890 im Saale der Königl. Kriegsakademie abgehaltenen ( 118.) Sitzung. Vorsitzender : Oberstlt. Buchholtz i. V.; Schriftführer : Lt. Gross i. V. Tagesordnung : 1. Geschäftliche Mittheilungen . 2. Herr Oberstlt. Buchholtz : Ueber den Werth von Ozonmessungen bei Ballonfahrten. 3. Herr Prof. Dr. Albrecht : Der Eiffelthurm und seine Bedeutung für die Meteorologie. Zur Mitgliedschaft sind angemeldet : Herr Hauptmann von Förster, Berlin, Yorkstrasse 39 , Herr Premierlieutenant Köls, Berlin, Katzbachstrasse 19. Nachdem Herr Lieutenant Gross dem Vereine die Mittheilung gemacht hatte, dass der Fesselballon des Vereins nunmehr fertiggestellt sich bereits in seinem Elemente, der Luft, befinde, hält Herr Oberstlt. Buchholtz den angekündigten Vortrag „ Ueber den Werth von Ozonmessungen bei Ballonfahrten " , welcher in unserer Zeitschrift zum Druck gelangt. An der sehr lebhaften Diskussion betheiligen sich Herr Dr. Sprung , Professor Wettin, Lieut. Gross, Herr Priess und Herr Baschin. Herr Dr. Sprung empfiehlt Luft proben mitzubringen ; Herr Lt. Gross erbietet sich solche Versuche bei seinen Ballon fahrten zu machen und ersucht den Verein diese Sache in die Hand nehmen zu wollen. Herr Priess stellt Flaschen für diesen Zweck zur Verfügung. Hierauf hält Herr Professor Dr. Albrecht den auf der Tagesordnung stehenden Vortrag : „ Der Eiffelthurm und seine Bedeutung für die Meteorologie " . Nach einer sehr interessanten Beschreibung des imposanten Bauwerks selbst, geht der Vortragende näher auf die meteorologische Station auf dem höchsten Theile des Thurmes ein und giebt die bisher gewonnenen Resultate der Wind- , Temperatur- und anderen Witterungsbeob achtungen, welche durch ihre auffallende Abweichung von den Beobachtungen der Erde bemerkenswerth sind . Mit einem Vergleiche des wissenschaftlichen Werthes des Thurmes mit dem vom Verein erbauten Fesselballon schliesst der Vortragende den interessanten Vortrag, welcher durch zahlreiche Illustrationen erläutert wird . An der Diskussion betheiligen sich Herr Dr. Sprung, Lieut. Gross und Dr. Vettin. Gross.

Druck von Beyer & Münch, Berlin SW., Kochstr. 55.

Zeitschrift für Luftschiffahrt .

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein In Berlin , S.W. , Gneisenaustrasse 28, Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W., Jägerstrasse 73.

IX . Jahrgang .

1890.

Heft IX .

Neues Ballongeschoss . Von Hildenbrand, Lieutenant im Infanterie-Regiment No. 88. Im Sommer 1887

erhielt ich Kenntniss

welche gegen Fesselballons

Schiessversuchen ,

von den

angestellt worden waren.

Hierbei hatte man

wegen der schlechten Beobachtungsfähigkeit des Granatschusses auf diesen verzichtet und dafür Schrapnellfeuer angewendet. Bei einer Entfernung von 4500 m soll das Ergebniss darin bestanden haben, dass man den Ballon mit dem 18. bis 24. Schuss zu Fall brachte. *) Ich schloss daraus, dass man einen gewissen Werth darauf lege, für den Kriegsfall dem Feinde die Beobachtung von Ballons aus unmöglich zu machen. Bei der Belagerungsübung in Mainz im Jahre 1887 , gewann ich die Ueberzeugung ,

dass

ein Ballon grade im Festungskriege infolge der

weiteren Entfernungen von hoher Bedeutung werden kann . Bei einem Aufsteigen bis zu etwa 400 m Höhe konnte man in Mainz nicht nur die Wasserstrassen des Rheins und des Mains , sondern auch sämmtliche Eisenbahnen bis auf etwa 212 Meilen im Umkreis genau beobachten . Daraus folgt, dass man im Stande ist, durch Erkundung der Aufstellung des Ingenieur- und Artillerie-Belagerungstrains die Angriffsfront frühzeitig feststellen zu können .

Bei der grossen Wichtigkeit,

rechtzeitigen Erkennen des Angriffs das Interesse

beigelegt

werden muss ,

welche dem erheischt es

des

Angreifers solche Erkundungen zu vereiteln. Hierzu dürfte aber bei den vorhandenen grossen Entfernungen des Festungskriegs

der Schrapnellschuss nicht mehr ausreichen .

Für den Granatschuss dagegen

kommt es in Betracht, dass das Geschoss beim Durchdringen der dünnen Ballonhülle nicht zum Springen gebracht wird .

Seine Wirkung ist daher

*) Vgl. Neue Militärische Blätter von G. v . Glasenapp , XIV . J. , Heft 3.

Neues Ballongeschoss .

202

im günstigsten Falle nur die,

des Oeffnens des Ballon - Ventils,

d. h. der

Ballon sinkt langsam zur Erde, um nach stattgefundener Ausbesserung in einigen Minuten anderwärts wieder zu erscheinen .

Ein abermaliges Treffen

des Ballons dürfte jetzt durch stete Veränderung seiner Lage in horizontaler wie vertikaler Beziehung zum mindesten erschwert werden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände habe ich geglaubt, dass es nicht unwichtig sei, ein Geschoss zu konstruiren, welches zum Schiessen auf Ballons die guten Eigenschaften der Granate und des Schrapnells in sich vereinige, ohne deren Nachtheile zu besitzen. In dem nachstehend beschriebenen Geschoss diese Bedingungen zu erfüllen .

ist versucht worden.

Dasselbe soll durch grosse Belastung des

Querschnitts und Annäherung des Schwerpunktes an den Angriffspunkt der Luftwiderstands - Resultante

einen

präzisen

Schuss

und

eine

gestreckte

Flugbahn erhalten und durch seine inneren Einrichtungen das Füllgas der Ballons

zur Entzündung bringen .

Der Ballon

soll

also

nicht nur zeitig

ausser Gefecht gesetzt werden , sondern das jeder Beziehung kostbare Personal und Material desselben von Grund auf vernichtet werden.

Beschreibung des Geschosses . Das Geschoss besteht aus drei Haupttheilen (Fig. 1 ) : 1 ) Dem Geschossmantel mit der aufzuschraubenden Spitze. 2) Dem Einsatzzylinder mit Chromelement. 3 ) Der Induktionsspirale mit Unterbrechungsrad und Kondensator. Der

Geschossmantel

unteren Rande trägt .

ist

derjenige

ein Muttergewinde

einer

Feldgranate ,

für die Schraube

welche

am

des Einsatzzylinders

An ihrem oberen Ende befindet sich ein zweites Muttergewinde für

den Schraubenring zur Befestigung der Geschossspitze. Die Geschossspitze, ca. 3 cm lang, ist von ogivaler Form und hat in ihrem vordersten Theile eine Einsenkung , enden.

in welche

zwei Kanäle

zur Aufnahme von Drahtspitzen

Der Einsatzzylinder (Querschnitt C), aus Eisen gefertigt, hat in seiner Längsaxe, welche

mit ihm aus

einem Stück gearbeitet,

eine Führungssäule,

um •

sich nach Art der Zeichnung ein Zink- und ein Kohlen-Zylinder,

sowie ein mit Chromsäure gefüllter Gelatinering herumlegen .

Seinen Ab

schluss nach oben hin , findet der Einsatzzylinder durch eine Hartgummi scheibe (Fig. 1). Auch ist das ganze Element durch diese Masse von den Eisentheilen isolirt. Die Induktionsspirale (Querschnitt A), welche in dem vordersten Theile der Granate eingesetzt ist,

besteht aus einer mit dünnen Eisenstäben aus

gefüllten Hülse, um welche zwei Drähte, nach der für solche Apparate vorgeschriebenen Form, herumgewunden sind. Das Unterbrechungsrad mit seiner Axe in der Längsaxe des Geschosses gelegen.

läuft,

um durch den

werden,

ohne Spielraum,

Stoss der Pulvergase nicht

deformirt zu

aber leicht drehbar in zwei Lagern .

Aus dem

Neues Ballongeschoss.

203

A Q P

P

Geschossmantel, Einsatzzylinder, Kohlenzylinder, Zinkzylinder, Gelatine- Ring mit Chrom, f Isolirung, g Unterbrechungs rad, h Kondensator, Bi Hülse für den Kon densator, k Eisenstäbchen, 7 InduzirenderDrath, m Induzirter Drath, n Geschossspitze, o Funkengeber, p Schraubenring . --C a b c d Ae

In

m

B

11

CL C C Fig. 1. Kondensator

6 Eisen

Messing

Kupfer

Chrom säure CL

do .

Holz

Zink

Kohle

gleichen Grunde hat man dem Rade selbst die Gestalt eines Kegels gegeben .

stumpfen

Das hintere Lager befindet sich in einer isolirten Vertiefung

der Führungssäule dünne Metallscheibe Kondensators .

des Einsatzzylinders.

Das vordere Lager ist auf eine

aufgesetzt und bildet mit dieser das eine Ende des

Der Kondensator (Querschnitt B), besteht aus einer Holzhülse, welche

Neues Ballongeschoss .

204

auf ihrem Boden eine dünne Metallplatte trägt

Zwischen dieser und der

Platte, welche das hintere Lager des Rädchens bildet, befinden sich mehr fache Lagen Staniol , welche durch Papierstreifen von einander getrennt sind . Die Verbindung der einzelnen Theile untereinander geschieht durch gut isolirte Drähte ; deren Anordnung aus

der Zeichnung ersichtlich

ist

(Fig. 1 ) . Das Zusammenwirken der Theile. Durch den Stoss der Pulvergase brechen die Brecherarme des Zink zylinders , welche diesen tragen ab und dieser treibt die in dem Gelatine ring befindliche Säure in den freien Raum zwischen Zink und Eisensäule, wie zwischen Zink und Kohle.

Hierdurch tritt das Element in Thätigkeit

und entsendet einen elektrischen Strom, der von dem positiven Pol durch den Kondensator nach dem Hauptdraht der Spirale geht und von diesem durch das andere Ende des Kondensators , das Unterbrechungsrad , nach dem negativen Pol zurückkehrt.

Da das leicht drehbare Unterbrechungsrad

aus Gründen des Beharrungsvermögens und durch Verlegung seines Schwer punktes

ausser seiner Axe die Drehung des Geschosses nicht in gleichem

Maasse mitmacht, so streifen die Zähne des Rades zeitweise den Leitungs draht, wodurch der Strom abwechselnd unterbrochen und geschlossen wird . In den Augenblicken, Spitze des

wo der Strom unterbrochen wird,

Geschosses Funken über,

oder Wasserstoffgas zu entzünden. Menge Elektrizität

während

sprühen an der

welche die Kraft besitzen ,

Leucht

Gleichzeitig sammelt sich eine gewisse

dieser

Unterbrechung

in

dem Kondensator ,

welche in dem Momente der Schliessung des Stromes diesen verstärkend ausströmt und gleichzeitig den schädlichen Extrastrom beseitigt. Anfertigung und Preis. Das Geschoss ist im Vergleich z . B. zu den neuesten Zündern sehr einfach und billig .

Es

vermag,

wie es bei dem Modell geschehen , von

ungeübten Arbeitern angefertigt zu werden. Alle Theile sind haltbar und leiden nicht durch Aufbewahrung. Da der Preis der hier beschriebenen Granate ,

ohne Mantel

ca.

18 Mark ,

hinter

dem

der

meisten

anderen

Geschosse zurücksteht und auch wohl nur eine verhältnissmässig geringe Anzahl in Festungen und an der Tête des Belagerungs- Munitions - Trains nöthig wäre , so dürfte dieses Geschoss nach dieser Seite hin genügen . Ich möchte es nicht unerwähnt lassen, dass einfache Apparate dieser Art auch zur Zündung von Dynamit- Granaten und von Pulverladungen aus dem Mittelpunkte können.

eines

kugelförmigen

Pulverraumes

verwendet

werden

Anmerkung. Man kann gegen diese Konstruktion einwenden, dass sie besonders auf die grossen Entfernungen, auf welche dessen Verwendung abgesehen ist, nicht beobachtungsfähig sein wird. Das krepirende Schrapnell ist infolge seiner Raucherschei nung bezüglich seiner Lage mit dem Ballon in Beziehung zu bringen, bei vorliegender Granate fehlt jeglicher Anhalt ; sie könnte nur auf das Gerathewohl aus Ballonkanonen Die Redaktion. verfeuert werden, die den Freiballons nachjagen .

Bericht über die Fahrt des Ballons „ Strepet " am 5. Oktober 1889.

205

Bericht über die Fahrt des Ballons ,,Strepet" am 5. Oktober 1889. Von Orlof, Oberst im kaiserlich russischen Generalstabe, nach dem Russischen übersetzt von Gurlitt, Sekonde - Lieutenant der Luftschiffer - Abtheilung. (Hierzu eine lithographirte Tafel.) (Schluss . ) Gegen 8 Uhr 30 Min. überflogen wir in einer Höhe von 1150 m die Eisenbahn nach Nikolajewsk bei der Station Obychowo. Alle Gegenstände auf der Erde waren sichtbar z . B. das Grabdenkmal von König ; ein besonders seltsames Aussehen hatten die vielen Eisenbahnlinien , welche sich bei der Station Sartirobok vereinigen. Als wir über die Station Obychowsk hinüberflogen,

pfiffen wir auf

einer Signalpfeife ; zu uns herauf drang jedoch nur der Pfiff einer sich langsam in Bewegung setzenden Lokomotive. Die Fahrtgeschwindigkeit war sehr gering : nur 12 Werst (12,8 km) in der Stunde . Wir fuhren nach Osten, unten aber zog der Rauch aus den Fabrik schornsteinen nach Südwesten. Diese Beobachtung machten wir uns später zu Nutze . Allmählich ging unsere Fahrrichtung nach Nordosten . Wir überschritten die Neva in einer Höhe von 1500 m und bei einer Temperatur von 61 2 0 Celsius.

Beim Ueberschreiten der Neva fiel der Ballon bis auf

1400 m, aber die Temperatur nahm nicht zu (nur 6 ° Celsius ) .

Wahrschein

lich war diese Temperaturabnahme der Grund unseres Fallens , denn, als bald darauf die Temperatur auf 7 ° stieg, hob sich auch der Ballon bis auf 1750 m ohne Ballastauswurf. Diesmal war der Gasgeruch beim Steigen nicht bemerkbar. Der Nebel unter uns zog sich zu Wolken zusammen, so dass auch bald Petersburg dem Auge entschwand.

Ueber uns strahlte hell

die Sonne. Diesem Umstand war es auch hauptsächlich zuzuschreiben, dass der Ballon zu einer so beträchtlichen Höhe stieg, da wir nur zwei Schaufeln Ballast ausgeworfen hatten, was nur geringe Wirkung haben konnte . Durch die Abnahme des Luftdrucks dehnte sich das Gas aus , die strahlende Sonnenwärme erhitzte es, füllte dadurch den Ballon vollständig und dieser musste in die Höhe steigen. Als wir die Newa überflogen, war die Luft sehr durchsichtig : man konnte klar das Wasser der Newa sehen und in den Wäldern einzelne Bäume unterscheiden .

Obgleich der Anblick der Erde vom Ballon aus

herrlich ist, machte die Newa hingegen einen nicht so mächtigen Eindruck. Ihre Abmessungen schrumpften zu sehr zusammen im Vergleich zu den übrigen grossartigen Konturen . Die Arbeiten hatten wir unter

einander folgendermassen vertheilt :

der Premierlieutenant Bjelajef warf, wenn nöthig, den Ballast aus , lugte mit dem Fernglase aus und überwachte den ganzen Ballon, ich (Oberst Orlof) beobachtete die Zeit, Temperatur, Barometerstand und die Fluglinie des Ballons, welche letztere ich gleichzeitig in die Karte eintrug und führte

206

Bericht über die Fahrt des Ballons

ausserdem das Tagebuch .

Strepet “ am 5. Oktober 1889.

Es war recht viel

zu thun,

man musste die

ganze Zeit stehen und konnte sich nur selten durch Sitzen auf einem der Sandsäcke der Ruhe hingeben. Aus diesem Grunde ist es thunlicher, die Uhr, das Aneroid - Barometer , den Barographen niedriger zu befestigen , so Zum Eintragen in das Tagebuch und dass man im Sitzen ablesen kann. zum Einzeichnen in die Karte ist ein Tischchen oder eine Planchette von Nutzen. Unterdessen trat in unserer Lage ein grosser Wechsel ein . Die Sonne bedeckte sich allmählich mit Wolken und unter uns verdeckten Wolken gebilde das Gelände, nur der schmale Streifen der Newa, Schlüsselburg und der Ladoga- See, soweit sichtbar, war frei. Der Ballon fing an. langsam zu fallen , da die Sonne sich bedeckte, und wir fielen bis auf 1625 m. Wir warfen etwas Ballast aus , doch der Ballon fiel weiter , obgleich die Tem peratur auf 71

° C. stieg .

Von der Erde herauf zu uns drang das eigen

thümliche Geklingel der weidenden Kühe . Wir befanden uns über einem dichten Wolkenmeer, konnten nichts von der Erde sehen und uns also auch nicht orientiren .

Nur nach dem schmalen Streifen der Newa und nach der

Mündung eines kleinen Baches, der von Süden her in die Newa fällt, konnten wir den Ort , wo wir uns befanden , annähernd feststellen . burg waren es noch ungefähr 18 Werst ( 19,2 km) . die Newa.

Bis Schlüssel

Zuletzt verschwand auch

Wir suchten den Punkt auf den Wolken festzuhalten, wo sich

Schlüsselburg befindet.

Da wir aber mit den anderen Beobachtungen zu

thun hatten , konnten wir nicht beständig nach dem bestimmten Punkt hin sehen, und er ging uns deshalb bald verloren . Wenn der Luftschiffer die Erde aus dem Auge verliert , so fehlt ihm jedes Mittel seine Fahrgeschwindigkeit zu beurtheilen . Dieselbe kann sich aber bis 60, ja 100 Werst in der Stunde steigern , so dass man in kürzester Zeit weite Strecken unter Umständen zurücklegt . Ausserdem wussten wir von vornherein genau, dass es uns unmöglich war, den Ladoga- See noch zu überfliegen.

Ueber derartige Fälle urtheilt der Premier- Lieutenaut

der

deutschen Luftschiffer-Abtheilung, Hermann Moedebeck, folgendermassen : „Es kann vorkommen ,

dass das Luftschiff höher als die untere Wolken

schicht steigt , so dass man demgemäss seine Fahrtrichtung auf der Erde nicht verfolgen kann . Solche Fahrten sind im höchsten Grade gefährlich. und die Statistik der Unglücksfälle der Luftfahrten weist viele solche auf, wo der Luftschiffer die Erde aus dem Auge verlor und dann plötzlich das Meer unter sich sah. " Der Dampfer „ Oserni konnte uns nicht zu Hülfe kommen,

oder doch höchstens zufällig .

Denn da man unsere Fahrt der

Wolken halber nicht verfolgen konnte, konnte man nicht wissen, wohin man auf dem so weiten Ladoga- See fahren sollte , zumal unser Herabstieg von den Wolken bis zum Wasser kaum länger als 10 Minuten dauern konnte. Angenommen selbst , dass wir uns vermittels unserer Schwimmgürtel und der schwimmenden Theile des Ballons selbst über dem Wasser erhalten

Bericht über die Fahrt des Ballons

Strepet" am 5. Oktober 1889.

207

könnten, so müssten wir doch, ehe man uns herausziehen könnte, vor Kälte umkommen. Die Oertlichkeit im Westen des Ladoga- Sees ist zudem nicht sehr einladend. Man findet auf der Karte dort nur Sümpfe angegeben. Eine halbe Stunde war Unterdessen setzten wir unsere Fahrt fort. verflossen, seitdem wir die Erde gänzlich aus dem Auge verloren hatten . Mit Spannung und Unruhe warteten wir darauf, dass die Wolken sich theilen möchten , um erkennen zu können , wo wir uns befanden. fiel immer noch langsam.

Der „ Strepet “

Wir verhinderten dies nicht durch Ballast -Aus

wurf, theils um den kostbaren Sand zu sparen , theils um unter die Wolken zu gelangen. Endlich, um 10 Uhr früh , in einer Höhe von 1500 m, er blickten wir durch eine Wolkenlücke hindurch unter uns einen unbekannten Wald und einen Bach.

Wir hörten das dumpfe Getöse eines Dampfers ,

aber vor uns lagen dichte Wolkenmassen , dicht und undurchsichtig wie Watte. Temperatur 7 ° C. Wiederum verschwand die Erde gänzlich . So flogen wir eine Viertelstunde ; das Barometer zeigte 1150 m. Wir be schlossen die Fallgeschwindigkeit etwas zu vermindern und demgemäss warf der Premier- Lieutenant Bjelajef etwas Ballast aus.

Die Temperatur steigt

allmählich, der „ Strepet " fällt aber weiter ; die Oeffnungen in den Wolken treten immer häufiger auf, wir fliegen gerade über dem schwarzen Bach, der sich von Norden her in die Newa ergiesst. Wir hören Hundegebell ; die Leute rufen uns an ; wir rufen und pfeifen. Schall zurück.

Das Echo giebt langsam den

In einer Höhe von 750 m erkennen wir deutlich den schwarzen Bach . Es waren jetzt keine Wolken mehr unter uns . Wir erblicken auf der Erde einige

Leute,

welche uns laut zuriefen, doch herunter zu kommen.

Wir

führten mit Mühe ein Gespräch und erfuhren, dass es nicht mehr weit nach . Schlüsselburg war. Man sagte uns, wenn wir noch weiter führen, so würden wir in den Ladoga - See fallen .

In Folge der dünneren Luft klang unsere

Stimme dumpf. Wir überflogen den schwarzen Bach. Da wir jetzt wussten, wo wir uns befanden , so beschlossen wir noch weiter zu fahren, da aber der "" Strepet" zu schnell fiel, so mussten wir etwas Ballast werfen, um nicht vollständig zu landen. Trotzdem wir aber zwei Schaufeln auswarfen, fiel der Ballon weiter; wir warfen noch drei Schaufeln voll und schütteten zuletzt den ganzen Sack aus.

Jetzt erst begann der Ballon wieder zu steigen .

Die

Luft wurde feucht und um 10 Uhr 48 Minuten früh tauchten wir wieder in einer Höhe von 650 m in die Wolken ein. (5,36,4 km) entfernt.

Schlüsselburg war 5-6 Werst

Demnach hatten wir während einer Fahrt von drei

Stunden nur einen Sack Ballast ausgeworfen und zwar in der letzten Viertel stunde, um unter die Wolken zu kommen . In den ersten 23 , Stunden hatten. wir nur 2

Schaufel Sand verbracht .

Durch Wolken - Lücken hindurch beobachteten wir, dass unsere Fahrt nach Süd - Osten ging , in dem Dreieck zwischen dem schwarzen Bach und dem rechten Ufer der Newa . Es begann zu regnen. Aber der Ballon diente

208

Bericht über die Fahrt des Ballons „ Strepet " am 5. Oktober 1889.

uns als Regenschirm und wir wurden nicht nass ; nur hörten wir, wie die Regentropfen beständig wie auf ein Dach auf dem Ballon aufschlugen, und bald fing der nassgewordene Ballon an zu fallen .

In der That zeigte das

Barometer bald eine Höhe von 575 m an, und wir mussten zwei Schaufeln auswerfen.

Trotzdem fiel der „ Strepet “ weiter.

Der Regen dauerte acht Minuten .

Als wir bemerkten , das der Wind

weiter unten nach Süd -Westen ging, lag es uns daran, noch weiter zu fallen, um weiter von dem Ladoga- See wegzufliegen .

Wir warfen demgemäss nur

ganz langsam eine Schaufel voll nach der anderen aus, um die Fallgeschwin digkeit nicht zu gross werden zu lassen . Auf diese Weise wurde der zweite Sack ausgeworfen .

Wir bedauerten diesen Verlust nicht allzusehr, da die

Natur uns anderen Ballast spendete in Form von dem Regen , der im Netz und dem Tauwerk hängen blieb und später durch Verdampfen den Ballon erleichtern musste . Als der „ Strepet " unter beständigem Ballast - Auswurf bis auf 300 m gefallen war, flog derselbe nach Süd-Westen, 3-4 Werst von dem rechten Ufer der Newa. Auf der Erde erblickten wir Männer mit Ziegen und Heidelbeeren suchende Frauen .

Wiederholt knüpften wir mit

ihnen Gespräche an. Das Wasser tröpfelte theils vom Ballon herunter, theils verdampfte es ,

und infolgedessen begann der Ballon zu steigen .

11 Uhr 42 Minuten früh, wir flogen bereits vier Stunden.

Es war

Das Barometer

zeigte eine Höhe von 650 m, die Fahrt ging jetzt in südwestlicher Richtung, gespannte Aufmerksamkeit war überflüssig geworden wir konnten also mit Behagen an's Frühstücken gehen. Westlich des Landhauses „ Ostrowki “ überflogen wir die Newa .

Das

selbe macht sich sehr gut von oben her, sowohl die Insel in der Newa, als das Landhaus selbst auf dem rechten Ufer. Die Fahrtgeschwindigkeit des „ Strepet " war jetzt bedeutend grösser. Leider konnten wir dieselbe nicht feststellen , da Wolken die Erde ver deckten. Es sah gerade so aus , als ob wir auf einem uferlosen Meer von Hier Watte, von sonderbarsten und wunderlichsten Formen schwämmen . hatten die Wellen das Aussehen von schön abgewölbten Kuppeln ,

dort

thürmten sie sich zu ganzen Bergen mit Steilabfällen auf, die uns den Weg zu verlegen schienen .

Wir aber konnten diese Felsen nicht einholen , da

wir in gleicher Höhe und demgemäss mit gleicher Geschwindigkeit uns be wegten. Durch Wolkenlücken hindurch sahen wir dann und wann kleine Theile der Erde, so dass es uns im höchsten Grade erschwert wurde, uns zu orientiren . Durch Ballast - Auswurf (es war bereits der vierte Sack) er hielten wir uns in einer Höhe von 600 --700 m. Dann und wann drang der Schrei eines Hahnes, der Pfiff einer Loko motive (wir befanden uns offenbar über einer Eisenbahn), das Gerassel eines Wagens zu uns herauf und dann folgte wieder tiefe Stille. Unter uns zogen undurchsichtige Massenwolken (cumulus) und über uns befand sich eine

Bericht über die Fahrt des Ballons „ Strepet" am 5. Oktober 1889.

209

doppelte Schicht langgezogener Wolken (cirrus) . Die Sonne war verdeckt. Es herrscht eine traurige , winterliche Dämmerung. Wenn unter dem Ballon sich Wolkengebilde befinden und die Sonne scheint, so wirft der erstere auf die Wolken einen Schatten, der von einem Regenbogen umgeben ist. Dieser Anblick ist sehr schön und hat den tech nischen Ausdruck Aureoll. Wir konnten dies Phänomen nicht beobachten, weil die Wolken

die Sonne

verdeckten.

Der Ballon begann zu fallen .

Durch Ballastauswurf verminderten wir nur die Fallgeschwindigkeit , hoben dieselbe aber nicht ganz auf. Wir wollten unter die Wolken gehen , um Umschau zu halten.

Der Ballon tauchte in durchsichtigen Nebel ein , kalte

Feuchtigkeit durchdrang uns , · man hatte das Gefühl , als ob man in einen überall weissliche Keller hinabstiege . Rechts - links. oben unten, Nebelmassen. In 375 m Höhe tauchten wir aus dem Nebel heraus und wir sahen unter uns Wald , Sumpf und eine Eisenbahn, wahrscheinlich einen Zweig der Baltischen Eisenbahnen. Hier warfen wir eine Flasche mit einem Zettel aus, durch welchen wir den Finder baten , Nachricht nach Petersburg zu schicken. Die Luftschiffer pflegen häufig solche Zettel auszuwerfen , aber noch niemals wurde ein solcher eingeschickt. * ) Um 2 Uhr 40 Minuten liessen wir uns sehr tief herunter. Unter uns war ein uns unbekannter Sumpf, und wir liessen uns in ein Gespräch mit zwei Leuten ein, welche uns erklärten, dass weit und breit kein Dorf sei . Das herausgelassene Schlepptau berührte die Erde, und demnach waren wir weniger als 15 Saschen (32 m) hoch. Da wir aber hier nicht landen wollten , so warfen wir den vierten und einen Theil des fünften Ballastsackes , sowie eine Flasche mit einem Zettel aus. Der Ballon stieg auf 540 m. Das Schlepptau war einige Saschen weit feucht , d. h. der Sumpf unter uns war sehr dünnflüssig ge wesen, und so entrannen wir glücklich der nicht beabsichtigten Landung. Wir flogen über einen endlosen Wald mit bedeutender Geschwindigkeit hin, bald tauchten wir auch wieder in die Wolken ein . Nach dem Kompass stellten wir eine südwestliche Fahrtrichtung fest. Es war schon 3 Uhr Nachmittags und es wurde allmählich dämmerig ; die Oertlichkeit (Wald und Sumpf) erforderte eine sehr vorsichtige Landung. Für eine weitere Fahrt waren die Bedingungen nicht vorhanden ( es waren nur noch 1/2 Sack Ballast übrig) . Die erste beste günstige Gelegenheit zum Landen musste daher be nutzt werden. Wir liessen den Ballon unter beständigem Ballast- Auswurf fallen und sahen bald unter uns einen weit ausgedehnten Wald und den Sjuda- Bach, welcher hohe, trockene Ufer besitzt . Rechts von uns bemerken wir die grossen Dörfer Kokschobo und Wirkina , zur Linken das Dorf

*) Von den Postkarten, welche die deutsche Luftschiffer - Abtheilung zeitweise aus wirft, kommen 33-50 von 100 zurück, sie werden aber auch mit 4 m langen bunten Papier D. Red. schwänzen versehen . IX. 14

210

Bericht über die Fahrt des Ballons „ Strepet “ am 5. Oktober 1889 .

Krassniza, vor uns ca. 10 Werst Wald. Der Platz eignete sich ausgezeichnet fü die Landung. Premier- Lieutenant Bjelajef zog um 3 Uhr 10 Minuten das Ventil .

Hörbar entwich das Gas durch das Ventil und der untere Theil

des Ballons hing schlaff herunter. Der Ballon fiel jetzt schnell . Um den Aufprall zu vermindern und um noch einen Theil des Waldes bis zu einer Waldblösse zu überfliegen , entleerte der Premier- Lieutenant Bjelajef den fünften Ballastsack. Aber da der „ Strepet" allzu schnell fiel , warfen wir den sechsten und letzten Ballastsack aus. Die Fallgeschwindigkeit ver minderte sich etwas, die Waldblösse war unter uns, Bjelajef zog am Ventil und liess Gas aus. Das Schlepptau schleifte auf den Baumgipfeln und wir warfen den Anker aus , welcher sofort gut in den Wurzeln eines Baumes fasste. Man hörte das Krachen der unter der Schwere des Korbes brechenden Fichtenzweige. Als der Premier- Lieutenant Bjelajef sich darüber beklagt, dass die Ventilleine ihm in die Hand schneide, helfe ich ziehen . Das Gas entweicht jetzt noch schneller aus

dem weitgeöffneten Ventil , der Ballon

kann den Korb nicht mehr tragen, die Zweige , welche ihn in der Schwebe halten, brechen. Bald setzt der Korb auf der Erde auf. Gemäss § 105 der Vorschriften für den Feld - Luftschiffer - Dienst , verharren wir noch einige Zeit im Korb und verlassen denselben erst um 3 Uhr 20 Minuten Nach mittags. Mit Hülfe Ballon ,

der herbeigeeilten Landbevölkerung

entleerten wir den

verpacken ihn in den Korb vermittelst eines Packtuches und be

festigen das Ganze durch das Ankertau.

Den Anker lassen wir von dem

übrigen Material getrennt. Die Instrumente nehmen wir zum weiteren Trans port an uns. Zwei Fuhrleute lassen wir das Holz abladen . Auf den einen Wagen packen wir den Ballon und den Anker , auf dem anderen nahmen wir selbst Platz und gegen 5 Uhr Nachmittags machen wir uns auf den Weg. Wir hatten bis Gatschina noch 18 Werst in der Dunkelheit zurück zulegen. Mit dem um 10 Uhr Abends aus Gatschina abgehenden Zuge kamen wir wohlbehalten in Petersburg an. Der Ballon nebst Zubehör war in guter Ordnung.

Nur an einer Stelle war ein Zweig in die Ballonhülle

eingedrungen, doch dieser Schaden lässt sich leicht repariren. Die Fahrt vom 5. Oktober ist besonders der langen Dauer wegen be merkenswerth, im Ganzen 7

Stunde .

Soviel mir bekannt, wurde eine so

lange Fahrt seit dem Jahre 1886 nicht ausgeführt.

Damals überflog ich bei

Gelegenheit der grossen Manöver vor Brest mit dem Ballon „ Russki “ in 5

Stunde den Bjelowjeschski'schen Wald . Moedebeck sagt : „ Jeder richtige Luftschiffer sucht seine Ehre darin,

sich möglichst lange in der Luft zu erhalten . Eine lange Fahrt zeugt von der Geschicklichkeit des Luftschiffers und der Güte des Materials . " Nicht minder interessant ist die Ausnutzung der Luftströmungen in ver schiedenen Höhen.

Der erste Theil der Fahrt (bis Schlüsselburg) fand in

einer Höhe von ca. 12 Werst statt und die allgemeine Richtung war nach

Bericht über die Fahrt des Ballons „ Strepet" am 5. Oktober 1889.

ONO.

Der zweite Theil

211

aber , in einer Höhe von 1/2 Werst ausgeführt,

hatte eine beinahe gerade entgegengesetzte Richtung , nach SW. Wir be gegneten während der Fahrt den verschiedensten Luftströmungen . Wenn ein grösserer Ballast - Vorrath vorhanden und es länger hell gewesen wäre , so hätte die Fahrt noch lehrreicher sein können.

Es wäre nicht ausgeschlossen

gewesen, sich unter geschickter Benutzung der Luftströmungen nach dem Alsdann hätte man grössere Wolfsfelde (Wolkowo) zurück zu manövriren . und fruchtbringendere Erfahrungen gesammelt, in dem Auskundschaften der verschiedenen Luftströmungen für den Zweck , den Ballon auf einen ge wünschten Punkt zurück zu leiten.

Die Lösung dieser Frage ist sehr wichtig,

da vorläufig , bis zur zufriedenstellenden Lösung der Frage des lenkbaren Luftschiffes , dem Luftschiffer als einziges Mittel die Benutzung der Luft strömungen bleibt. Im Ganzen wurden mehr als 120 Werst (138 km) zurückgelegt , eine an sich zwar recht beträchtliche Entfernung, klein aber, wenn man die lange Dauer der Fahrt berücksichtigt.

Der Grund hierfür war das ruhige Wetter

und der Umstand, dass der Ballon häufig aus dem Bereich einer Luftströmung in den einer anderen überging. Für fernere Fahrten bemerken wir , dass es unumgänglich nöthig ist, einen grossen Kompass mit einer Gradeintheilung mitzunehmen. Der Kompass Bei klarem muss an den Korbrand horizontalstehend angebracht werden. Wetter und bei einer Fahrt über trockenes Land ist der Kompass zwar ent behrlich. Bei dem Ueberfliegen von Wolken und grossen Wasserflächen wird er aber unentbehrlich, um die Fahrtrichtung festzustellen. Ein fruchtbringendes Resultat zur Erlernung des Manövrirens mit einem freien Ballon (unter gleichzeitiger Vornahme der zahlreichen wissenschaft lichen Beobachtungen, für welche man vorher ein Programm aufstellen muss), kann man nur durch eine lange Fahrt erreichen . in folgender Weise zu bewerkstelligen.

Wir beabsichtigen dieselbe

Wir wollen einen neuen seidenen

Ballon zu 1000 kbm Inhalt bauen und zwar ganz und gar in Russland , weil nach den Erfahrungen der letzten Jahre unser eigenes Fabrikat uns bessere Dienste geleistet hat , als fremdes.

Ein solcher Ballon kann 50-60 Sack

Ballast mitnehmen , sichert demnach eine lange Fahrt und schliesst jede Gefahr aus. Bei nordöstlicher Fahrtrichtung kann man beide Seen und die Sümpfe überfliegen, bei Ostwinden kann man den finnischen und bottnischen Meerbusen überschreiten und in Schweden landen. Da das Gewicht des Ballastes ein recht bedeutendes ist, so muss man einen besonderen Korb konstruiren und eine besondere Art der Befestigung der Ballastsäcke erfinden. Die Fahrt soll im Juni nächsten Jahres ausgeführt werden, wenn die Tage am längsten sind : Wir wollen am Abend aufsteigen , da es bei einer solchen Auftriebkraft gefahrlos ist, eine Nacht hindurchzufahren. Das Gas 14*

212

Ueber leichte galvanische Becher.

wird sich Nachts abkühlen , am Tage sich aber durch Sonnenstrahlung er wärmen und so den Verlust der Auftriebkraft ersetzen . In den Sommernächten ist die Beobachtung des Barographen möglich. steigen , dass die Sonne überhaupt nicht das Tagebuch für das Barogramm mit man kann untergeht (? !) . Jedenfalls Leuchtfarbe bedecken und so auch den Kompass erhellen. Vielleicht können wir so hoch

Anmerkung. Die Fahrt am 5. Oktober ist zur Zeit eines barometri schen Maximums unternommen worden . Bei solchen Witterungslagen pflegen gewöhnlich mehrere Luftströmungen zu herrschen, es ist daher nicht schwer bei besonderen Versuchen sich ein derartiges Wetter auszusuchen.

Ueber leichte galvanische Becher. Als Sonderabhandlung der revue de l'aéronautique hat der Komman dant Renard vor kurzem eine Untersuchung über leichte galvanische Becher veröffentlicht , welche ein ausführlicheres Eingehen verdient. Er erinnert zunächst in der Einleitung daran, dass der Ballon La France der erste gewesen ist, der sich wirklich lenken liess und mit dem man einen in sich geschlossenen Weg unter Einfluss der Schraube und des Steuers allein hat zurücklegen können . Das erste Resultat hat man nur erreichen können durch Einführung einiger Besonderheiten bei der Konstruktion , durch welche die longitudinale und die seitliche Schwankung beseitigt wur den; in erster Reihe aber verdankt man es einer im Vergleich zum Haupt querschnitt sehr grossen Triebkraft. Wenn man die Zahl ihrer Pferdekräfte mit dem Querschnitt des Ballons vergleicht, so ist die France gekennzeichnet durch die Zahl 16. der Tissandier'sche Ballon aber durch die Zahl 2. Daher musste jener wegen seiner im Vergleich zur Querschnittseinheit 8 mal so grossen Triebkraft eine doppelt so grosse Geschwindigkeit erreichen, wie es der Versuch auch wirklich bestätigt hat. Wie konnte man sich eine allem früher Erreichten so bedeutend überlegene Triebkraft verschaffen? Indem man zunächst den sogenannten Motor bis auf 12 kg pro Pferdekraft verminderte, besonders aber indem man eine galvanische Kette aufsuchte, welche unvergleichlich viel leichter ist. als alle bisher bekannten. Und deren Gewichtsverminderung ist weit ein flussreicher als die des Motors , wie man aus dem Vergleich mit Tissandier's Ballon ohne weiteres sieht. T.'s Motor wog 30 kg pro Pferdekraft ; R.'s 12 kg . Sein Motor von 9 Pferdekräfte wog etwa 110 kg. während ein solcher nach T. 270 kg gewogen haben würde. Am Motor sind also 160 kg gespart worden . Auf der anderen Seite belief sich das Gewicht der von T. verwandten galvanischen Kette auf etwa 170 kg pro Pferdekraft, der von R. auf 44 kg. seine Batterie von 9 Pferdekräfte also nur auf 400 kg , während eine Die Ersparnis gleich starke von T. 1530 kg gewogen haben würde. hieran belief sich also auf 1130 kg, gegenüber jenen 170 kg am Motor. Man kann daher sagen, dass der Ballon La France seine hohe Geschwindig keit und die Ausführung geschlossener Fahrten fast ausschliesslich seiner leichten galvanischen Batterie verdankt.

Ueber leichte galvanische Becher.

213

Renard glaubt mit ihrer näheren Beschreibung den Wünschen der Leser zu entsprechen und erklärt zugleich, dass jener Ballon niemals einen anderen Zweck gehabt hat, als den, einen ersten Nachweis zu liefern, dass man mit einem langgestreckten Ballon im Luftmeere genau mit denselben Mitteln sich bewegen kann, welche man bei Seeschiffen verwendet. „ Bei dem gegenwärtigen Stand der elektrischen Industrie kann man unmöglich hoffen, aus dem elektrischen Ballon ein wirkliches Kriegswerk zeug zu machen . " Die Versuche damit beanspruchen also den Charakter wissenschaft licher Versuche , und der französische Kriegsminister hat daher keinen Anstand genommen , die genaue Beschreibung der Leichtbatterie zu ge statten. Dieselbe ist eine Tauchbatterie, ihre Becher enthalten freie Chrom säure und Salzsäure mit einem gewissen Zusatz von Schwefelsäure . Sie haben äusserlich die Gestalt ziemlich dünner Glasbecher , als positive Elektrode platinirtes Silberblech von /10 16 mm Dicke, als negative Elektrode einen nicht amalgamierten Zinkstift von 6 mm Dicke, während die Weite des Gefässes das Sechsfache beträgt. Die Flüssigkeit wird durch Zusammen A ist eine Lösung von mischen dreier solcher , A, B, C. hergestellt. krystallisirter Chromsäure, oder auch käuflicher Chromsäure, 0,53 Liter Chromsäure auf 0,55 Liter Wasser. B ist Salzsäure durch geringen Wasser zusatz auf 18° Baumé gebracht . C ist Schwefelsäure von 29 ° Baumé. Man mischt zuerst B und C im Verhältniss 4 : 1 und dann gleiche Theile dieses Gemisches und der Lösung A. Je mehr Salzsäure man durch Schwefelsäure ersetzt, desto langsamer wird das Element verzehrt, während die Gesammtmenge der von ihm gelieferten Energie dieselbe ist . Man darf übrigens diese Flüssigkeit mit so hohem Salzsäuregehalt nicht längere Zeit voraus zusammenmischen, da sie sonst Chlor entwickelt. Die die Flüssigkeit und die Elektroden enthaltenden Zylinder haben unten eine Oeffnung und stehen zu mehreren, etwa 6, in einem bauchigen, oben geschlossenen Bleigefässe , in dem sich die Flüssigkeit zunächst befindet. Durch Einpumpen von Luft wird die Flüssigkeit von hier in die Glaszylinder gepresst und der Strom geschlossen . Das Silber empfahl sich gegenüber der Kohle durch seinen geringen Leitungswiderstand, etwas, was grade hier bei dem geringen äusseren Leitungswiderstand sehr stark ins Gewicht fiel. Die Amalgamation des Zinkes ist unterdrückt worden, 1 ) weil Renard festgestellt hatte , dass es von der so stark Chromsäure haltigen Flüssigkeit nicht stärker angegriffen wurde, als bei jenem Schutz mittel, während das allerdings bei weniger Chromsäure enthaltenden Lösun gen in hohem Maasse der Fall ist, 2 ) weil das Zink durch das Quecksilber brüchig wird , eine bei den hier verwendeten dünnen Stäben gefährliche Sache, 3 ) weil etwaige Quecksilbertropfen das Bleigefäss durchfressen und den Becher ausser Thätigkeit setzen würden. Die Verwendung von dünnen Zinkstäben empfiehlt sich überdies , um durch die Verdichtung des elek trischen Stromes an der kleinen Zinkoberfläche den Nebenverbrauch durch rein chemischen Angriff, der der Elektrizitätserzeugung nicht zu Gute kommt, da er der Oberfläche proportional ist, auf ein geringes Maass zurück zuführen. Die elektromotorische Kraft der Säule ist nicht konstant. Zer legt man sie in zwei Summanden, deren eine die Stromstärke multiplizirt mit dem inneren Widerstande, deren anderer die Stromstärke multiplizirt mit dem äusseren Widerstande ist, und trägt letzteren als Ordinate , die

214

Litterarische Besprechungen.

Stromstärke als Abscisse auf, so erhält man eine Kurve, die Charakteristik, welche nur bei Elementen mit konstanter elektromotorischer Kraft eine grade Linie, in der Regel aber, wie auch hier, ein flacher Bogen ist ; in dem Theile der Kurve, der hier in Betracht kommt, ist der Becher anzu sehen als ein solcher, dessen elektromotorische Kraft 1.67 Volt und dessen innerer Widerstand 0,047 cbm beträgt . Interessant ist die Beobachtung. dass der Strom nach Schliessung der Kette erst abnimmt , was bei inkonstanten Ketten bekannt, dann aber nach wenigen Minuten wieder auf die ursprüngliche Stärke ansteigt. Renard kommt zum Schluss auf den in der Einleitung ausgesprochenen Gedanken zurück : 99 Was nun die Luftschiffahrt betrifft , so haben wir seit jenem ersten Versuche an gesagt, eben beschriebenen Form nicht führen kann.

dass die Elektrizität selbst unter der zur vollständigen Lösung der Frage

Wir haben in der That gesehen, dass das Gewicht der Materialien, so sehr herabgemindert es in unserer Batterie auch ist, sich immer noch auf 25 kg pro Pferdekraft und Stunde beläuft. Da der Arbeitsaufwand für einen Ballon wie la France sich auf 40 Pferdekraft belaufen würde, um eine Geschwindigkeit von 10 m, die wir als Mindestanforderung betrachten, zu erreichen, so sieht man, dass für eine einstündige Fahrt eine Batterie von 1000 kg erforderlich wäre . Das liesse sich allenfalls noch machen, wenn man gewisse Konstruktionstheile erleichterte. Aber was will eine Fahrtdauer von einer Stunde für die Praxis bedeuten?! Fast nichts . So lange ein lenkbares Luftschiff die Atmosphäre nicht 10 Stunden lang ohne Athem zu schöpfen durchfurchen kann, so lange wird es ohne Nutzen bleiben. Man sieht daher, dass wir trotz unserer Anstrengung weit vom Ziel geblieben sind und dass man in ganz anderer Richtung die end Gl. giltige Lösung suchen muss . "

Litterarische Besprechungen. Physik und Chemie. Eine gemeinverständliche Darstellung der physika lischen und chemischen Erscheinungen in ihren Beziehungen zum prakti schen Leben. Von Dr. Alfred Ritter von Urbanitzky und Dr. S. Zeisel . Wien, A. Hartleben's Verlag. Die genannte Verlagshandlung wird dies Werk in etwa 35 Lieferungen zum Preise von je 50 Pfennig erscheinen lassen. Dasselbe soll alle phy sikalischen und chemischen Erscheinungen von Bedeutung in grossen Zügen schildern, jedoch ohne auf Einzelheiten oder Nebensächliches mehr einzu gehen, als der gebildete Laie im Allgemeinen dafür Interesse haben kann. Die Schilderungen sollen so gehalten sein, dass sie, ohne der wissenschaft lichen Strenge und Genauigkeit Abbruch zu thun , doch auch demjenigen verständlich sind , der dieselben ohne fachmännische Vorkenntniss liest . Es wird also zum Verständniss nur die Neigung , sich mit der Sache zu be schäftigen, vorausgesetzt. Diese Neigung sollte wohl bei jedem Gebildeten oder nach Bildung Strebenden vorhanden sein , denn überall in unserem Kulturleben treten uns Vorgänge entgegen, die ohne Kenntniss der Physik und der Chemie wie Wunder erscheinen Die Verbindung der entferntesten Erdtheile durch einfache Drähte , welche mit fast absoluter Sicherheit und

Mittheilungen aus Zeitschriften.

215

mit der Geschwindigkeit des Blitzes Nachrichten vermitteln ; die Durch bohrungen grosser Gebirgszüge , durch welche Eisenbahnzüge dahinsausen ; die Vollendung berghoher eiserner Thürme , von denen der viel bewunderte Pariser Eiffelthurm der erste ist , aber jedenfalls bald nicht mehr der höchste sein wird ; der Bau einer Eisenbahn durch Steppen und Sandwüsten Mittelasiens ; die Erforschung der Sonnenoberfläche und der in unendlicher Ferne befindlichen Weltkörper mittelst der Spektralanalyse u. s . f.. - das Alles sind solche Wunder , von denen wir umgeben sind , die uns fast alltäglich erscheinen und die wir uns doch . ohne die Gesetze der Physik und der Chemie zu kennen , nicht erklären können. Ein gemeinverständlich geschriebenes Werk über diese Wissenschaften dürfte daher Manchem will kommen sein. Um das Studium desselben zu erleichtern , sollen zahlreiche, sorgfältig ausgewählte und ausgeführte Abbildungen den Text begleiten und überall da eingefügt werden, wo sie die Deutlichkeit zu erhöhen vermögen. Bis jetzt liegen uns zwei Lieferungen vor, je drei Druckbogen stark, von denen die eine den Anfang des physikalischen, die andere den des chemi schen Theiles enthält. Ein endgiltiges Urtheil lässt sich darnach natürlich nicht über das Ganze fällen , allein soweit eine Meinungsäusserung nach diesen Anfängen zulässig erscheint, glauben wir sagen zu dürfen, dass das Werk voraussichtlich vollkommen das werden wird, was man sich nach der --n. Ankündigung der Verlagshandlung davon versprechen kann . Bibliotheca Polytechnica . Wissenschaftlich in Schlagwörtern geordnetes Repertorium der gesammten deutschen, französischen und englischen Litte ratur einschliesslich ihrer Beziehungen zu Gesetzgebung , Hygiene und täglichem Leben. Jahrgang I. Unter diesem Titel giebt der auf dem Gebiete praktischer Bibliographie bekannte Verlagsbuchhändler Fritz v . Szczepanski demnächst ein wissen schaftlich in Schlagwörtern geordnetes Repertorium der gesammten deutschen, französischen und englischen technischen Litteratur heraus einschliesslich ihrer Beziehungen zu Gesetzgebung , Hygiene und täglichem Leben. erste Jahrgang umfasst die Litteratur des Jahres 1889 und bringt auch ein vollständiges Verzeichniss der technischen Zeitschriften und Periodica Deutschlands und Oesterreichs , Frankreichs und Belgiens , Englands und Für den Praktiker dürfte diese universelle Fachbibliographie Amerikas . ein sofort Auskunft gebendes Jahrbuch werden , den Bibliotheken wird dieselbe unentbehrlich sein. Wir kommen auf das nützliche Werk später empfehlend zurück und machen unseren Leserkreis jetzt nur darauf auf merksam , dass der Subscriptionspreis von 1,50 M nach Erscheinen auf 2 M. erhöht wird.

Mittheilungen aus Zeitschriften . Militär-Wochenblatt.

Berlin, Jahrgang 1890 .

In No. 68 dieses Blattes wird aus der österreichisch - ungarischen Armee über den in Wien abgehaltenen militär-aëronautischen Kurs folgen des berichtet : „ Der am 15. April d . J. im Wiener Prater etablirte militär aëronautische Kurs wurde Ende Juli beendet, und die Frequentanten, sechs Oberlieutenants und Lieutenants der Genie- und der Pioniertruppe, sind wieder zu ihren Regimentern eingerückt. Während der ersten 3 Wochen wurde die Theorie der Luftschiffahrt behandelt. Vom 10. Mai an wurde

216

Mittheilungen aus Zeitschriften.

täglich eine Auffahrt unternommen, theils mit dem Schulballon „ Budapest " , theils mit dem grösseren Ballon „ Vater Radetzky" . Mit letzterem wurden auch mehrere Nachtfahrten unternommen , und überdies ist derselbe häufig als Fesselballon verwendet worden . Der nächste aëronautische Kurs tritt wieder Mitte April kommenden Jahres zusammen. “ No. 71 des 99 Milit . -Wochenbl. " bringt aus Russland folgende Mit theilung: „ Obwohl bereits seit mehreren Jahren ein Personal von Militär Luftschiffern mit den nöthigen Apparaten zu Versuchszwecken bestanden hat, so entbehrte doch diese Einrichtung bisher einer festeren Organisation, die ihr nunmehr durch Befehl vom 14./26 . Mai gegeben worden ist . Es wird danach bestehen : a ) Ein Luftschiffer- Schulpark mit einem ständigen und einem nur aus Offizieren bestehenden, wechselnden Personal, b) mehreren bereits zur Friedenszeit je nach Bedürfniss zu formirenden Festungs - Luft schiffer- Abtheilungen , und c) Feld-Luftschiffer- Abtheilungen , formirt zur Kriegszeit, wobei der Luftschiffer- Schulpark die Kadres stellt. Die Luft schiffer- Institution gehört zum Gemeinwesen und ist direkt dem Inspekteur des galvanischen Theils des Ingenieurkorps unterstellt. Alljährlich werden zu dem mit Mannschaften und Material wie Lehrkräften und Mitteln reich ausgestatteten Park 8 Oberoffiziere, 4 vom Ingenieurkorps und 4 von den Die ständigen Festungs - Besatzungstruppen, zur Ausbildung kommandirt. selben haben später bei Mobilmachungen als Offiziere der Feld- und Festungs Luftschiffer-Detachements zu fungiren. " Allgemeine Sport-Zeitung. Wochenschrift für alle Sportzweige. Heraus gegeben und redigirt von Viktor Silberer. XI. Jahrgang , Wien, 1890. Die Allg . Sport- Ztg. " bringt in ihrer No. 54 vom 27. Juli d . J. folgende Notiz : Am 25. Juli d. J. fand in Wien unter Theilnahme der Oberlieut. Watzek und Sojka nebst Lieut. Hinterstoisser in Gegenwart des Corps-Commandanten Sr. Ex . F.-M.-L. Freiherrn v . Schönfeld die 26. freie Luftfahrt des militärisch-aëronautischen Kurses statt . Nach vier einhalbstündiger Fahrt erfolgte die Landung bei Acs nächst der Festung Komorn in Ungarn. In Russland hat man seit dem letzten Jahrzehnt dem Luftschiffer dienste im Heere eine immer grössere Aufmerksamkeit zugewandt. In Petersburg wurde eine Luftschifferabtheilung gebildet und mit grossen Summen ausgestattet. Da der Russe für derartige technische Arbeiten ein grosses Geschick besitzt, so nahm dieser Dienstzweig bald einen bedeuten den Aufschwung. Durch eine neuere kaiserliche Verfügung hat nun die Militär- Luftschifferabtheilung wichtige Neuerungen und Verbesserungen er fahren. Sie ist jetzt in den Rahmen des russischen Heeres fest eingefügt und ein Luftschifferpark gebildet worden , ferner sollen nach Bedürfniss schon in Friedenszeiten in den wichtigsten Festungen Luftschifferabtheilungen formirt und endlich für die Mobilmachung die Bildung von Feld- Luft schifferabtheilungen vorgesehen werden, deren jedes Armeekorps eine er halten soll . Das gesammte Luftschifferwesen wurde dem Leiter der galva nischen Abtheilung im Ingenieurkorps unterstellt. Der Luftschifferpark steht unter Befehl eines Obersten mit den Rechten eines selbstständigen Bataillons-Kommandeurs . Er hat sein beständiges Offizierkorps und eine Mannschaftstärke von ungefähr 600 Mann, ausserdem werden alljährlich acht Offiziere in den Luftschifferpark abkommandirt. vier dem Ingenieur korps und die anderen vier den Festungs - Artillerie- Bataillonen angehörig.

Mittheilungen aus Zeitschriften.

217

um mit diesem bei einer Belagerung so wichtigen Dienstzweige bekannt gemacht zu werden. Die Mannschaften ergänzen sich aus hierzu besonders fähigen Rekruten der Ingenieurtruppen. Die Festungs-Luftschifferabtheilun gen gehören zur ständigen Besatzung der Festungen , bilden je drei Bataillons kommandos und werden von einem Oberstlieutenant befehligt . Zu den praktischen Uebungen dieser Truppe werden in den Festungen dienende Generalstabsoffiziere , sonstige Offiziere und Mannschaften der Festungs truppen zu zweimonatlicher Dienstleistung herangezogen . Unter diesen Um ständen lässt sich diesem wichtigen Dienstzweige ein bedeutender Auf schwung für die Zukunft vorhersagen . Ferner meldet No. 57 der "9 Allg . Sport- Ztg. " vom 3. August d . J. aus Wien : Mit dem 31. Juli d . J. wurde der erste k. u. k. militärisch- aëronau tische Kurs geschlossen . Abgehalten in der Anstalt des Herausgebers dieses Blattes hatte derselbe 3 Monate umfasst, während welcher mehr denn 30 Vorträge und 28 freie Ballonfahrten stattfanden. Der Schluss der prak tischen Uebungen erfolgte am 26. Juli d. J. in einem Doppelaufstieg der Ballons 99 Budapest " mit Lieut . Eckert und 99 Vater Radetzky " mit fünf Offizieren. Die Landung beider Ballons erfolgte nach 13/4 Stunden schöner Fahrt bei Wampersdorf, resp . Wimpassing nächst Pottendorf. Im Anschlusse an vorstehende Mittheilung veröffentlicht No. 58 der ,, Allg. Sport- Ztg. " unter dem 10. August d. J. einen Bericht der "" Militär Zeitung" , des ältesten und vornehmsten militärischen Fachblattes der österreichisch-ungarischen Monarchie, welcher besagt, dass der am 31. Juli d . J. geschlossene Kurs für militärische Aëronautik trotz seines kurzen, kaum mehr als dreimonatlichen Bestehens, so überaus günstige Erfolge erzielt habe, dass er die auf diese Institution gesetzten Erwartungen und Hoffnungen weit übertroffen habe. Die erste Bedingung für die Organisation des aëro nautischen Dienstes im k . u. k. Heere sei die Heranbildung eines „ prakti schen Luftschiffer- Stammes " unter der Leitung eines Lehrers , der selbst praktischer Luftschiffer ist und Erfahrungen darin gesammelt habe . Da eine andere Gelegenheit zur Ausübung praktischer Aeronautik nicht handen gewesen, so sei es ebenso nahe liegend , als selbstverständlich gewesen, dass die Leitung und der Unterricht im militärisch- aëronautischen Kurse dem Eigenthümer der Wiener aëronautischen Anstalt, Herrn Viktor Silberer, übertragen wurde, einem Manne, der seit beinahe einem Dezennium praktische Aëronautik mit Verständniss , Energie, Muth und Erfolg getrieben und 129 Fahrten als Ballonführer gemacht habe. Seine Aufgabe habe Herr Silberer in überraschendster Weise gelöst . Mit einigen speziellen Daten und Angaben , welche aus früheren Mittheilungen bereits bekannt sind, schliesst der Bericht. Revue de l'aéronautique théorique et appliquée. Paris . 3. année, 1890, 1. u . 2. Liefg.

Directeur Henri Hervé.

Mit diesem Jahrgang beginnend trifft die Redaktion die empfehlens werthe Neuerung, längere Abhandlungen als Heft für sich mit besonderem Titel, aber im gleichen Format mit der Zeitschrift in zwanglosen Heften erscheinen zu lassen . Nebenher gehen die regelmässigen vierteljährlichen Veröffentlichungen . Sie beschränken sich dann naturgemäss auf die Neuig keiten der letzverflossenen Zeit. M. G. Espitallier berichtet über die Anwendung des kom primirten Gases bei der Luftschiffahrt und der Erzeugung Drum

218

Mittheilungen aus Zeitschriften.

mondschen Lichtes. -- Obgleich die Herstellungsweise der Zylinder mit verdichtetem Wasserstoff. welche die Engländer im Sudan angewendet haben. im militärischen Interesse streng geheim gehalten wird , so hat sich doch bei Gelegenheit des Prozesses des Major Templer herausgestellt, dass das Haus Taunton, Delmard, Lane et Cie. in Birmingham die fragliche Waare ganz öffentlich genau in derselben Weise und für jedermann käuflich produzirt. Man bedient sich bei der Kompression in bekannter Weise gleich zeitig des Drucks und der Kälte . Der Apparat liefert 4 cbm auf 120 At mosphären verdichtet in 15 Minuten, daher täglich ( 10 Stunden ) 160 cbm . Die als Gasbehälter dienenden Stahlröhren haben eine Wandstärke von 4,76 mm; 140 mm Durchmesser und 2400 mm Länge und enden halbkugelig. Besonders zweckmässig ist der Hahn, um das Gas herauszulassen ange bracht, nämlich so , dass er beim Transport durch Druck und Stösse in keiner Weise beschädigt werden kann. Das Gewicht des Ganzen beträgt 30-35 kg, so dass der Kubikmeter Wasserstoffgas gewöhnlicher Dichte ein Transportgewicht von 8-9 kg repräsentirt, etwas mehr als in Frankreich. Nach Renards Behauptung ist das Gewicht des Metalls, welches zur Auf speicherung eines Kubikmeters Wasserstoff nöthig ist , nahezu dasselbe, welches auch der Durchmesser des Behäters und der Druck des Gases sein möge. Der Preis des Kubikmeters stellt sich in England auf etwa 31 Fres . , in Frankreich auf nur 22 Fres . Man hofft, mit der Zeit diesem kompri mirten Wasserstoff und dem als Nebenprodukt abfallenden Sauerstoff Ein gang in der Industrie zu verschaffen , z . B. zur Erzeugung intensiver Be leuchtung. Alsdann würden sich die Bezugspreise ganz ausserordentlich Gl. vermindern.

La Françe Aérienne.

Paris, 1890 . Das Blatt bringt in seiner Nummer vom 14. August eine Beschreibung des Todes des Luftschiffers Ollivier. Hiernach ist Ollivier , ein junger Mann von 22 Jahren, der „ Lieutenant de la Société des Aérostiers de Françe " genannt wird , überhaupt zum ersten Male an jenem Tage aufgestiegen und zwar mit einem mit Wasserstoffgas gefüllten kleinen Ballon, der jedoch derartig unrationell und leichtfertig gebaut war, dass man neben dem Bedauern um den Unglücklichen nur mit Verwunderung über die aëronautische Unerfahrenheit Olliviers , namentlich aber der soge nannten Société des Aérostiers de Françe erfüllt sein kann . Der Füll ansatz dieses Ballons nämlich, Lazare- Carnot " genannt, reichte, wie La Françe Aérienne berichtet, bis in den Korb hinab, so dass der Unglückliche , der noch dazu durch sehr ungeschicktes Manöveriren mit seinem Ballast sehr rapide und sehr hoch stieg, wahrscheinlich gleich nach der Abfahrt durch das ausströmende Gas betäubt werden musste. Die Sorte Wasser stoffgas, welche die Franzosen zur Füllung von Ballons besitzen, aus Eisen und Schwefelsäure hergestellt , enthält stets mehr oder weniger starke Beimischungen von Arsen-Wasserstoffgas, eines der giftigsten Gase. von welchem geringe Spuren eingeathmet tödtlich wirken müssen. Wie ist es aber möglich, dass eine Luftschiffer- Gesellschaft, die sich rühmt der französischen Armee Ersatz auszubilden, und vor allen Dingen ein sogenannter „ Lieutenant" dieser Gesellschaft solche einfache Dinge nicht weiss ? Wenn ferner ein junger Mann von 22 Jahren, noch ehe er überhaupt seine erste Fahrt absolvirt hat, schon Lieutenant dieser Gesell schaft sein kann, wie mag es da erst mit der kürzlich im „ L'Aéronaute de

Kleinere Mittheilungen.

219

Berlin " , von Herrn de Fonvielle so gerühmten aeronautischen Geschicklich keit und Kenntniss der französischen Luftschiffer dieser Vereine stehen ? Der Luftschiffer Gourier , welcher gleichzeitig in einem zweiten Ballon aufstieg und während der Fahrt den Ballon Olliviers nicht aus den Augen verlor, sucht durch eine recht übertriebene Darstellung der Landung die Todesursache Olliviers durch den rapiden Fall des Ballons zu erklären, welcher durch das Oeffnen des Ventiles hervorgerufen sein soll . Der Ballon sei wie ein Pfeil zur Erde gestürzt und wäre dort angekommen zerrissen , während der Korb auf einem Baume hangen geblieben sei . Derartige Darstellungen von Ballonlandungen, welche an die Beschrei bung der Landung von Maximilian Wolf, welche kürzlich durch die Presse lief, erinnern, sind nur geeignet, im Publikum eine falsche Vorstellung von der Gefahr einer Ballonfahrt zu erwecken und die Sache zu diskreditiren . Durch das Oeffnen des Ventiles kann ein Ballon nie wie ein Pfeil zur Erde schiessen , es müsste denn grade das Ventil sich nicht wieder nach dem Ziehen schliessen lassen , eine Bedingung die selbst das primitivste Ventil erfüllen muss und kann . Leuten, welche nicht im Stande sind , den zu schnellen Fall eines Ballons durch Ballastauswurf zu pariren und die überhaupt nicht einmal die allereinfachsten aëronautischen Manipulationen kennen, müsste man freilich polizeilich das Ballonfahren untersagen. Zu der geschickten und gefahrlosen Führung eines Ballons gehört ausser Muth und Kaltblütigkeit, den z. B. ein Akrobat stets besitzen wird, wenigstens doch eine geringe Kenntniss der Theorie der Bewegung eines Ballons in seinem Elemente und eine sich hierauf stützende praktische Erfahrung. Wenn ferner die Berufs - Luftschiffer auch bei der Anfertigung ihres Ballons ein klein wenig die Gesetze der Technik befolgen wollten, so bin ich fest überzeugt, dass beim Ballonfahren viel weniger Unglücks fälle zu verzeichnen sein werden, als z. B. bei dem Fahren mit der Eisen Gross . bahn oder auf Seeschiffen .

Kleinere Mittheilungen. Berichtigung der Tabelle auf der Seite 142 des Jahrg. 1889. Wie man aus der Vergleichung der nachstehenden Tabelle mit der früheren leicht ersehen kann , sind in dieser die Zerstreuungskoeffizienten nicht auf Luft bei 760 mm Barometerdruck, wie be absichtigt war, als Einheit bezogen worden, sondern die den verschiedenen Drucken ent sprechenden Zerstreuungskoeffizienten der Luft als Einheiten benutzt worden . Darum konnte auch die Uebereinstimmung zwischen den Ergebnissen der Theorie und der Be obachtung nicht so deutlich hervortreten, wie sich dieselbe in der folgenden Tabelle zeigt . Namen der Gase Luft •

H.

CO

Baro meter druck

760 380 70 760 380 760 380 80

Zerstreuungs koeffizienten

1761 3441 2426 /3721 770 1 1626 2613

1 0,65 0,3 0,476 0,3 1,507 0,72 0,4

Brechende Kraft

1 0,5 0,1 0,47 0,26 1,526 0,763 0,16 Rudolf Mewes.

220

Kleinere Mittheilungen.

Elf Stunden im Ballon von Wien nach Posen. Im Luftballon sind am 11. Juli d J. von Wien nach Posen zwei österreichische Offiziere gefahren, wobei sie allerdings gegen ihren Willen eine so grosse Strecke zurückgelegt haben. Montag , den 14. Juli Abend sind dieselben, Oberlieutenant Hörnes und Lieutenant Eckert, wieder in Wien ange kommen. Die Hauptsache , so schreibt das „ W. Fremdenbl. ", bleibt die Dauer der Luft fahrt ; diese betrug im vorliegenden Falle elf Stunden . Durch welch' merkwürdige und glücklich ausgenützte Witterungsverhältnisse es möglich war, eine so lange Fahrt zu - berichtet erzielen, das erhellt aus dem Berichte der beiden Luftschiffer. „ Wir fuhren “ — Oberlieutenant Hörnes - „Freitag , den 11. Juli , Abend um 9 Uhr vom Prater aus ab. Anfangs spürten wir nur geringen Auftrieb, dann wurde er allerdings bedeutend stärker. Als wir ins Loisergebirge kamen, geriethen wir in einen Gewitterkessel vor uns, im Rücken und zu unserer Rechten zuckten, allerdings in ziemlicher Entfernung Blitze und Wetterleuchten , und wir hörten den Donner unheimlich rollen. Wir wurden aus dem Bereiche des Gewitters nach Osten abgetrieben . Es vergingen einige Minuten (wir befanden uns in einer Höhe von unter tausend Meter), da begann es fürchterlich zu regnen. Fünfviertel Stunden währte der Regenguss , vom Sturme hin und her gepeitscht. Unser Ballon, der „ Vater Radetzky “ , befand sich dabei auch nicht gut , denn das Gas kühlte sich in Folge der Nässe ab, das Luftschiff sank deshalb rapid, und wir mussten, um die Wirkung des Regens wettzumachen, vier Säcke Ballast auswerfen . Der Sturm wurde immer ärger, so dass wir mit rasender Schnelligkeit dahinfuhren. Trotzdem sank der Ballon immer, und zwischen 12 und 1 Uhr befanden wir uns in der Höhe von 800 Metern, so dass wir plötzlich zu einer uns begegnenden Bergeshöhe hinaufschauen mussten . Nun warfen wir sofort wieder Ballast aus und stiegen sodann bis zu 1500 Meter. Die Fahrgeschwindigkeit erreichte hier in Folge des Sturmes - wir glauben wenigstens mindestens 30 Meter in der Sekunde. Wir hörten nichts wie ein fast betäubendes Rauschen . Endlich hörte der Regen auf. Der Ballon , je mehr trocken , desto rapider steigend, erreichte langsam, immer durch leichte Wolken segelnd , die Höhe von 2000 Metern. Um 2 Uhr Morgens sahen wir die Mondessichel, es dämmerte und wir konnten zum ersten Male das Aneroid ohne Glühlicht ablesen. Bis 4 Uhr 20 Minuten Morgens befanden wir uns in der Höhe von ungefähr 1700 Metern. Die ewige Wolkendecke, die sich unter uns ausdehnte, lichtete sich endlich um diese Zeit ein wenig und wir sahen wieder einmal auf Land herab, und zwar auf eine hochzivilisirte, gut bebaute, klein parzellirte Gegend es dürfte Schlesien gewesen sein . Um 5 Uhr Morgens waren wir in der Höhe von 2400 Meter, nach 6 Uhr waren wir um 1000 Meter höher, auf 3400 Meter. Wir sahen auf die Uhr : Unsere Fahrt hatte erst neun Stunden gedauert und wir hatten ja noch nicht, der Abmachung gemäss, Ballast und Gas verbraucht ! Es wurde beschlossen, die Fahrt fortzusetzen, umsomehr, als wir wieder Lokomotivsignale von unten zu vernehmen glaubten . Doch die Fahrt sollte uns noch eine Ueberraschung zwischen 6 und halb 8 Uhr Morgens bringen. Wir verfolgten alsbald die Fahrt so besorgt, dass wir während dieser Zeit nur wenige Worte mit einander sprachen . Bloss das Aneroid wurde studirt - sonst gab's nichts für uns auf der Welt. Denn wir stiegen wieder in unheimlicher Weise, wir fühlten dies beim Athmen und beim Sprechen, wir hörten unsere Worte kaum, obgleich wir nebeneinander standen, unsere Stimmen klangen heiser, die Luft schien nicht gut den Schall zu vermitteln. Wir waren ( um 7 Uhr 34 Min. ) auf 4000 Meter Höhe gestiegen. Das war der Höhepunkt unserer Fahrt . Von hier aus gewahrten wir auch, nach Norden blickend, längliche Streifen, die sich in der Tiefe ausdehnten, und immer breiter zu werden schienen. Bald überzeugten wir uns zu unserem Schrecken, dass sich das Meer vor uns ausdehne, die vermeintliche Waldung war die Ostsee. Wir sahen Bornholm, ferner die Südküste von Schweden, die von der Sonne beschienen wurde, und die Insel Rügen. Dieses „Terrain “ sahen wir jedoch nur in der weiten Ferne, direkt unter uns blickten wir nur auf Wolken . Es war 128 Uhr

Kleinere Mittheilungen .

221

Morgens, als wir das Ventil anzogen. Fünf Sekunden bloss war dasselbe geöffnet. Der Ballon sank jedoch schon rapid in die Tiefe. Wir fielen in 15 Minuten von 4000 Meter auf 1700 Meter hinab, jedoch immer in Wolken, denn die untere Wolkenschicht war 2000 Meter dick. Das Fallen des Ballons geschah jedoch zu schnell ; denn als wir in der von 1700 Metern anlangten, hatten wir Athembeschwerden ; wir verspürten eine starke Heiserkeit und ein betäubendes Ohrensausen. Während des Sinkens des Ballons hatten wir Ballast ausgeworfen und gemerkt, dass der Sand in der Tiefe in eine Wind richtung getrieben wurde, die der unsrigen, welche wir in der Höhe verspürten, ganz entgegengesetzt war. In der unteren Luftschicht herrschte also eine entgegengesetzte, das heisst, südliche Luftströmung, und zwar eine sehr starke. Als wir nun auf 1700 Meter herabgekommen waren, benutzten wir diese Tiefströmung und fuhren nun wieder zurück. Diese Rückfahrt ging sehr schnell und währte 25 Minuten . Die endliche Landung erfolgte um 19 Uhr in Bruczkow, Bezirk Posen. Wir waren hocherfreut, als man uns zurief, dass wir in Preussen seien . Bald kamen einige Herren zu uns geritten, die uns so freundlich und warm aufnahmen , dass wir glaubten, uns in unserem Heimathslande zu befinden. Der königlich preussische Gutsverwalter von Lowecice, Herr Eugen Kaerger, ein echter Deutscher, bot uns Unterstand. Unsere erste dienstliche Handlung war, dass wir den Ballon verpackten und auf die nächste Eisenbahnstation brachten, und dann ein Telegramm an die österreichisch-ungarische Botschaft nach Berlin und ein weiteres an unser Kriegsministerium nach Wien absendeten , in welchem wir unsere Landung an zeigten. In Breslau meldeten wir uns der dortigen Kommandantur. “ Schiessversuche in Russland . Im Sappeur- Lager von Ust-Ishora in Russland wurden am 13. (25. ) Juli interessante Schiessübungen ausgeführt. Es handelte sich, wie der „ Russ . Invalide " mittheilt , darum , einen Ballon captif mit Kanonen herunterzu schiessen. Die Uebung wurde mit vier Geschützen der dritten Batterie der 23. Artillerie Brigade an dem Ballon „ Jastreb" des aeronautischen Militär- Kommandos ausgeführt. Derselbe war in einer Höhe von 100 Faden emporgelassen und am Boden befestigt worden; in der Gondel war ein Mannequin placirt. Die Artillerie schoss aus einer Ent fernung von drei Werst mit Shrapnell. Dank dem stillen Wetter bot der Ballon am Horizont ein sehr sicheres, fast unbewegliches Ziel . Trotzdem bewies die Probe, dass es recht schwer sei , den Ballon zu treffen. Nach zehn Probeschüssen wurden aus den vier Geschützen fünf Salven mit Shrapnells gegen den Ballon abgefeuert und erst nach der fünften Salve begann der Ballon langsam zu sinken . Er hatte, wie es sich erwies, fünf grosse fusslange Risse von den Splittern und 24 Löcher von den Kugeln der Shrapnells , erhalten. Der Mannequin war nur von einer einzigen Kugel getroffen. Alle Beschädi gungen, die der Ballon erhalten hatte, waren zudem so unbedeutend, dass sie in einer halben Stunde von drei Schneidern ausgebessert werden konnten. Im Ganzen kam man zur Ueberzeugung, dass einem freischwebenden, beweglichen Ballon nur sehr schwer mit Shrapnells beizukommen sein würde. - Ein verunglückter Luftschiffer. Aus Bukarest wird der „Frkf. Ztg. " geschrieben : Bereits vor mehreren Wochen hatte der Luftschiffer Curletti dem Publikum von Braila und Umgebung durch die Zeitungen und durch Maueranschläge bekannt gegeben, dass er in einem , nach seinen Angaben in Rumänien selbst hergestellten Luftballon einen Aufstieg unternehmen werde. Doch hat sich die Fertigstellung des aus sogenanntem Segeltuch zusammengenähten, angeblich 2400 Kubikmeter Rauminhalt besitzenden Ballons in einer Weise verzögert, dass der Aufstieg erst für Sonntag, den 24. August , anberaumt werden konnte. Zum grossen Verdrusse des zahlreich erschienenen Publikums ging jedoch die Heizung des Ballons, welcher nach Art der alten Montgolfieren durch er wärmte Luft zum Steigen gebracht werden sollte, so langsam vor sich, dass inzwischen die Dunkelheit hereinbrach und die Vornahme des aëronautischen Experiments neuer dings , und zwar auf den 27. August verschoben werden musste. Hätte die Sicherheits

222

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

behörde von Braila ihre Pflicht gethan, so hätte sie schon auf Grund der am Sonntag gesammelten Erfahrungen den Aufstieg des Ballons verbieten müssen. Da jedoch der Luftschiffer Curletti einen Theil der Einnahmen für die Stadt Braila bestimmt hatte, so liess ihn die Behörde ruhig gewähren, und hat dieselbe hierdurch einen Theil der Mit verantwortung für das schreckliche Unglück auf sich geladen . Am genannten Tage, Abends 6 Uhr, wurde nämlich der Ballon mittelst eines in einem einfachen Blechofen angeschürten Strohfeuers geheizt und sodann, nachdem Curletti mit Händen und Füssen an den unteren Saum des Montgolfiers festgebunden worden war, losgelassen. In dem selben Momente , in welchem der Ballon mit rasender Geschwindigkeit in die Höhe schoss, fing dessen Leinwand wahrscheinlich durch einen während der Heizung in den Ballon gerathenen Funken Feuer, worauf der Ballon von einem nordöstlichen Luftzuge erfasst, in einer Höhe von 400 Metern über die Donau trieb. Eben hatte der Ballon die bulgarische Uferseite passirt, als die Stricke, mit welchen Curletti an denselben fest gebunden war, durchbrannten und der Unglückliche kopfüber auf die Erde stürzte, wo sein bis zur Unkenntlichkeit zermalmter Leichnam eine halbe Stunde später aufgefunden und in die Leichenhalle überführt wurde. Ueber die Flugschnelligkeit einer Rauchschwalbe machte kürzlich J. Viau in der „Zoologischen Gesellschaft" in Paris interessante Mittheilungen : Zwei Rauchschwalben (hirundo rustica) hatten seit mehreren Jahren ihr Nest in einer Orangerie des Schlosses von Nielles - les -Ardres (Pas -de - Calais) . Am 24. August 1887 , 9 Uhr Abends fingen die Diener des Schlossherrn , welche zur Weltausstellung fahren wollten, eine der beiden Schwalben und brachten sie in einem Säckchen nach Paris, wo sie mit dem Nachtzuge ankamen. Am 25., um 1/210 Uhr des Morgens, liessen sie die Schwalbe am Fusse des Eiffelthurmes fliegen . Sie stieg senkrecht empor bis zur ersten Galerie des Thurmes ; darauf flog sie in wagerechter Richtung nach Norden über die Seine, ohne dass sie irgend zu zögern schien . Um 11 Uhr 46 Minuten langte die Schwalbe wieder in Nielles an, wo sie von dem sie erwartenden Wächter an dem rothen Bändchen, das man ihr an gelegt hatte, erkannt wurde. Calais ist 296 Kilometer von Paris entfernt, und Nielles liegt noch 16 Kilometer weiter ab . In der Luft hat die Schwalbe etwa 240 Kilometer zurückzulegen , und sie hat dazu nur 2 Stunden 16 Minuten gebraucht. Und doch musste ihr der Weg unbekannt sein, denn ohne Zweifel ist sie auf ihrem Wege von Afrika nach Calais nicht über Paris geflogen. Uebrigens sind ähnliche Versuche schon früher an gestellt worden. Man hat auch Schwalben zu gleicher Zeit mit Brieftauben fliegen lassen und beobachtet, dass sie beträchtlich früher ankamen als diese. Nach den Ergebnissen der bisherigen Versuche hat die Rauchschwalbe eine Geschwindigkeit von 125 Kilo metern, die Mauerschwalbe eine solche von 130 Kilometern und die Taube eine von 72 Kilometern in der Stunde.

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. Am Mittwoh, den 4. Juni , fand die Schluss - Versammlung des Deutschen Vereines zur Förderung der Luftschiffahrt vor den Sommerferien in einer von der sonst üblichen, abweichenden Form statt, indem dieselbe auf einem Herrn Geh. Rath Dr. von Siemens gehörigen Terrain in Charlottenburg abgehalten wurde, um die Taufe und erste Probeauffahrt des vom Vereine erbauten Fesselballons vorzunehmen. Ein gewähltes , ungewöhnlich zahlreiches Publikum , unter diesen die berufensten Ge lehrten und Vorsteher wissenschaftlicher Institute, hatten sich zu diesem Zwecke ein gefunden. Der Ballon, dessen Füllung Dank der günstigen Verhältnisse der Charlotten burger Gasanstalt kaum 25 Minuten in Anspruch genommen hatte, zerrte, durchsichtig fast wie Glas , ungeduldig an dem prächtigen kaum 3 mm starken Kabel aus Wolfram stahldraht, als der Vorsitzende des Vereines Dr. Assmann das Wort ergriff, um einen

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

223

kurzen Abriss der Geschichte und Zwecke des schönen Ballons zu geben . Bei der Ueber nahme des Vorsitzes, so führte derselbe aus , sei ihm die Nothwendigkeit klar geworden, den Verein aus seinen bisherigen, mehr theoretischen und anregenden Arbeiten in ein Gebiet praktischer Thätigkeit überzuleiten, welches greifbare Erfolge zu erreichen gestatte. Die beschränkten Mittel des Vereines hätten zum Bau wie zur Ausrüstung eines grossen Ballons und zur Inangriffnahme wissenschaftlicher Luftreisen nicht ausgereicht, deshalb wolle man zunächst das Erreichbare erreichen und später darauf fussend, an grössere Ziele heranzukommen suchen. Die Erforschung der physikalischen Verhältnisse der Atmosphäre verspreche aber auch in den niederen Schichten eine lohnende Ausbeute, sowie man nur die rechten Methoden anwende. Mit der Konstruktion des Aspirations thermometers sei aber die allen übrigen analogen Experimenten bisher fehlende Gewähr einwurfsfreier Messungen der Lufttemperatur auch unter stärkster Sonnenbestrahlung gegeben, so dass man ohne Zweifel diese für die Dynamik der Atmosphäre hochwichtigen Untersuchungen mit Hülfe eines kleineren Fesselballons , welcher weder Gondel noch Person tragen, sondern allein entsprechende selbstregistrirende Apparate in die Höhe führen sollte, vornehmen zu können hoffen durfte. So sei denn der prächtige kleine Ballon entstanden , allerdings nicht ohne die kasse opferbereite Mithülfe hochherziger Freunde der Wissenschaft! Was die Vereins und die private Beisteuer der Mitglieder habe leisten können, sei geleistet worden . Aber damit wäre höchstens ein schwerer Ballon aus Baumwollenstoff, an einem Seile gefesselt , zu beschaffen gewesen, desseu Flug wohl niemals über die untersten 400 m würde heraus gereicht haben. Im Interesse der guten Sache habe aber der Vorsitzende, unbekümmert um etwaige Missdeutungen , den Weg der Bitte betreten, und mit welchem Erfolge, das lehre der Augenschein ! Herrlichste Seide im Werthe von weit über 1000 M. sei von Herrn Rudolph Hertzog gespendet , ein 800 m langes Kabel von unvergleichlicher Schön heit, Leichtigkeit und Festigkeit ―― aus Wolframstahl-Draht mit eingeschlossenem iso von Herrn Geh. Rath v. Siemens zur Verfügung gestellt worden, lirtem Kupferdrahte zugleich sei von letzterem Herrn die Erlaubniss zur ferneren Benutzung des herrlichen Platzes ertheilt worden; auf welchem sich die Gesellschaft befinde. *) So sei denn der ursprüngliche Plan bisher in einer ungeahnt vollkommenen Weise zur Ausführung gelangt, zumal die Konstruktion und Anfertigung des Ballons und seiner Nebentheile unter der unermüdeten sachkundigen Leitung des Herrn Lieutenant Gross, unterstützt durch Herrn Opitz, in einer tadellosen , jeden Kenner mit Anerkennung erfüllenden Weise von Statten gegangen sei. Alles sei bereit, um den schönen Ballon seinem Zwecke zu überantworten, allein das Instrumentarium für die Registrirung der Werthe von Lufttemperatur, Luft druck und Luftfeuchtigkeit , dessen Anfertigung und Lieferung Herr von Sigsfeld sich nicht habe nehmen lassen, stehe noch aus, doch sei nach den wiederholten Zusagen dieses eifrigen Mitgliedes an deren Indienststellung binnen kürzester Frist nicht zu zweifeln . Der Meteorologie zunächst zu dienen bestimmt, möge „ Meteor “ der bezeichnende Name des Ballons sein ; dem Wohlwollan des berufenen Vertreters der preussischen Meteorologie, des Herrn Prof. von Bezold, sei hiermit der Ballon "" Meteor“ und das, was mit seiner Hülfe erreicht werden dürfte, empfohlen . Prof. von Bezold nahm darauf das Wort, um in einer Entgegnung warm seinem und der ganzen meteorologischen Wissenschaft lebhaftestem Interesse an den bevorstehen den Untersuchungen Ausdruck zu geben . Zugleich betonte er, dass die Inangriffnahme rein wissenschaftlicher Luftballonfahrten , wie sie von Sigsfeld, einer Anregung des Ver einsvorsitzenden mit gewohntem Eifer folgend, mit seinem Ballon Herder" begonnen habe, dem deutschen Forscherfleisse zum Ruhme diene, da nach den berühmten Fahrten *) Herr v . Siemens hat neuerdings auf diesem Platze eine zweckentsprende Ballon halle auf seine Kosten errichten lassen, welche die Aufbewahrung des gefüllten Ballons ermöglicht.

224

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt .

James Glaister's noch nirgends analoge methodische Untersuchungen vorgenommen seien . Wesentlich neu , auch gegenüber den Fahrten Glaister's sei die Auswahl bestimmter meteorologischer Situationen ,, deren Verhältnisse in den höheren Schichten der Atmosphäre der Untersuchung unterworfen werden solle. Der äusserst interessanten und wichtige Ergebnisse liefernden ersten Auffahrt v. Sigsfeld's in Gemeinschaft mit Dr. Kremser vom Juni vorigen Jahres , welche die Erforschung der Bedingungen eines barometrischen Maximums zum Zwecke gedient hätte , seien schon eine Reihe ähnlicher Luftreisen v. Sigsfeld's, jetzt im Herzen Zentral - Europas, in Süddeutschland, gefolgt und würden . sicherlich noch weitere folgen . Unser Fesselballon aber werde eine an den Ort gebundene meteorologische Hochstation von ausserordentlichem Werthe sein , besonders lehrreich in Verbindung mit freifliegenden Ballons in höheren Luftschichten. Hiernach ertheilte der Vorsitzende das Signal zum Aufstieg des Ballons, welcher bei der herrlichen Witterung und fast vollkommener Ruhe , es war aus Vorsicht ein „ kritischer Falbtag" gewählt worden, kerzengerade bis zur vollen Kabellänge von 800 m erfolgte, eine Höhe, welche wohl noch kein gefesselter mit Leuchtgas gefüllter Ballon bisher erreicht haben dürfte . Der 130 cbm haltende Ballon machte in dieser Höhe den Eindruck eines der bekannten glashellen Kinder-Gummiballons . Aus dem auch jetzt noch vorhandenen kräftigen Auftriebe desselben war zu schliessen , dass derselbe bei ruhigem Wetter noch mehrere hundert Meter des ausgezeichneten Kabels zu tragen vermögen würde. Am 2. August wurde eine zweite Auffahrt des Vereinsballons „ Meteor “ zu dem Zwecke veranstaltet, um zu versuchen, ob mittels der gewöhnlichen, von Richard Frères in Paris und Ney in Berlin konstruirten Registrirapparate für Temperatur, Feuchtigkeit und Druck der Luft, im gefesselten Ballon bei unruhiger Witterung brauchbare Auf zeichnungen erhalten werden können. Die zu diesem Zwecke durch Vermittelung des Kgl. Meteorologischen Instituts in dankenswerther Weise zur Verfügung gestellten Apparate, ein Thermograph und ein Hygrograph von Ney, ein Barograph von Richard, wurden zu diesem Zwecke sicher unterhalb des Ballons befestigt und, nachdem ein kurzes Gewitter vorübergegangen war, unter Leitung von Lieutenant Gross mit dem Ballon in die Höhe gelassen . Hierbei kam die neue, für den Verein von Herrn O. Lilienthal kon struirte Ballonwinde zur ersten Verwendung und sie bekam vollauf Gelegenheit , ihre Leistungsfähigkeit unter schwierigen Umständen zu beweisen. Der bis dahin leichte Westwind frischte, nachdem der Ballon bis 800 m gestiegen war, bis zur Geschwindigkeit von 12-14 m p. sec. auf, wodurch der Ballon soweit herabgedrückt wurde , dass sein Kabel mit dem Dache der Technischen Reichsanstalt in Berührung kam. Nun ging noch der Wind schnell nach NW um und bewirkte dadurch , dass das Kabel an dem nordöstlichen Eckpfeiler des Gebäudes gefangen wurde. Nur mit grosser Mühe gelang es, dasselbe, da der Pfeiler kaum zugänglich war, wieder flott zu machen, worauf der Ballon mit Hülfe von 4 Mann gegen den fast stürmischen Wind aufgeholt und ohne Schaden sicher in der Ballonhalle geborgen wurde. Die Registrirungen der Apparate aber erwiesen sich als vollkommen unbrauchbar, da die Schreibhebel derselben durch die Schwankungen des Ballons in Eigenschwankungen versetzt worden waren und so statt glatter Kurven nur unentwirrbare Zacken und Flecke aufgezeichnet hatten . Der Versuch hat daher die Unverwendbarkeit solcher Apparate erwiesen und gezeigt, dass ohne die von Herrn v. Sigsfeld zugesicherten, auf photographischer Re gistrirung beruhenden Apparate eine erfolgreiche Inangriffnahme unserer Projekte nicht ausführbar ist. Uebrigens schreitet die Konstruktion der Apparate von Sigsfeld's, wie wir zu unserer Freude versichern können , rüstig fort. Interessant ist noch die Beobachtung, dass sowohl aus dem Kabel, wie aus der Winde kleine elektrische Schläge bei der Berührung erfolgten, obwohl z . Z. ein Gewitter am Orte selbst nicht herrschte. Druck von Beyer & Münch, Berlin SW., Kochstr. 55.

Kroki der Fahrt des Ballon "1 Strepet, " ausgeführt durch den Generalstabs - Oberst Orlof

Sc h

Finmischer PETERSBURG

Sumpfe

La do ga Se

e

u.den Prem - Lieutenant Bjelajef.

Bach

Meerb

Schlüsselburg

L F a w

e N

Abfahrtsort

N. Pablorosk

ch Ba na je

Mo

Gatschin

Eisenb W.varschahn au

Reval

au

.n.

S.

B a jud

Landungs - Platz

nb

Meierei Wirkina

sk

se

Mo

Ei

Kokskoroo

------------------Linie derFahrt desBallons.

Diagramm derFahrt des Oberst Orlofu.des Premier Lieut . Bjelajef am 5.October 1889 nach d.Barografen.

1500m 1000

500m 70.50M ZaitsdrfLuftsduff. 1890 Heft X

3U.20M.

Lith Anst vEKünstler

1

1 1 "

Zeitschrift für Luftschiffahrt

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W., Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl , Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W. , Jägerstrasse 73.

IX. Jahrgang.

1890.

Heft X.

Zum Drachenflug. Von Theodor Kadarz, k. k. Oberst i. R. Im V. Heft d. J. legt Herr Bürgerschullehrer Franz Prohaska den Fachmännern die Lösung zweier Integralgleichungen vor, nun versucht ,

die erste dieser Gleichungen Seite 106 , I..

und ich habe es weil nur diese

für die praktische Anschauung der Sache einigen Wert besitzt, rechnen.

durchzu

Zunächst möchte ich einen Integrationsfehler konstatiren. Der aus der Gleichung du

dt

g cos a sin a

af u2 m sin a

ermittelte Werth von u ist :

2 gm cos a e

gafcos 2 m

u = sin a

V

af woraus

sich

C₁ = o, C₂

wohl

weitere

21 C₂

gaf COS a m

'g afcos a gaf 2 Vg a cos a Vg e 2t m е m +- Ca Konsequenzen

ergeben

würden ,

wenn nicht

1 wäre .

Mit diesen Werthen jedoch wird Gleichung 10, wenn darin statt B sein Werth gesetzt wird, e 2.11 mg v sin a cos a e 21 +1) g1 ]. 62 [ a f cos a e 24t 1 Da der Ausdruck unter der Wurzel konstant ist, der Faktor 21-1 sich e mit dem Wachsen von t der Einheit nähert, so muss v , mit der Länge der Zeit negativ werden d . i. seinen Sinn umkehren. Die Hebekraft II Gleichung 20 ist kleiner als das Drachengewicht P. 15 IX.

Zum Drachenflug.

226

denn es sind cos a² und

e 2 At 1\2 echte Brüche, deren Produkt wieder 2 At e +1

nur einen echten Bruch giebt , daher 2At -e 2 At 1\2 cos a² a² cos P sonach 1, 2 1)² LP. (6217 ( At +1 e 241 + 1 Die Bewegung würde sonach nach rückwärts und abwärts gehen , was gewiss nicht beabsichtigt wird. Sonst will es mir scheinen, dass ein so umfangreicher Rechnungsauf wand zur Klarstellung dieses Falles nicht nöthig ist . Die Geschwindigkeit des Drachens in der Richtung Mu Fig. 1 (S. 105) wurde (konstant) v angenommen, daher ist die konstante Geschwindigkeit in der Richtung Mx: vx = v cos 3 . . . 1 ) und die Absisse des Ortes , wo sich der Drache nach t Sekunden befindet : X

tv cos ẞ ... 2)

Ist WxFv2 sin (a - 3)

( , Widerstands-Koeffizient für . . . 3 )

die Projektion von Fin der Bewegungsrichtung) der Widerstand des -Drachens in der Bewegungsrichtung, und wird diese Kraft in zwei Seitenkräfte zerlegt , wovon die eine parallel (sonach wirkungslos) , die andere Drachenfläche steht, so erhalten wir für letztere MRFv2 sin (a - 3)2 ... 4) Ꭱ

senkrecht zur

und durch Zerlegung dieser nach den Richtungen der Koordinaten , die Auf triebs - Komponente : Py = Fv² sin (a -- ẞ) ² cos a 5) welche konstant ist. Dieser Auftriebskraft wirkt jedoch sowohl der Auftriebswiderstand : 2 Wy 21 Fvy² cos a . . 6) (3¹ Widerstandskoeffizient für die Projekt. des Drachens in der Richtung des Aufstiegs) als auch das Gewicht des Drachens G entgegen. Wenn sonach ein Auftrieb erfolgt, so wird derselbe, da die Auftriebs kraft konstant ist , von o an so lange mit zunehmender Geschwindigkeit stattfinden , bis der Beharrungszustand , d . i. der Uebergang zur gleichförmigen Geschwindigkeit vy Vy konst . eintritt. — Für die beschleunigte Bewegung ist, wenn M die Masse des Drachens bedeutet : d vy MPGWFv2 sin (a - 3)2 cos a Ꮐ 21 Fuy cos a 7) dt Beim Beharrungszustand d. i .

der grössten (und gleichförmigen) Ge

schwindigkeit, welche das Bewegliche in der Richtung der y annehmen kann . d vy = 0 und wird die Beschleunigung dt Fv² sin (a --- ẞ) ² cos a ――― G vy2konst. 8) ¿¹F cos a

227

Zum Drachenflug. Diese Gleichung enthält die Bedingungen für die Bewegung . o und die Bedingung:

Für die

Bewegung horizontal ist v konst.

G v2

CF sin (a

3) cos a

für die aufsteigende Bewegung muss y konst. real und positiv sein daher, wenn die anderen Grössen als fest bestimmt angenommen werden G v² 7 9) F sin (a ――― 3)² cos a Ist dagegen : G v2L F sin (a 3)2 cos a so geht die Bewegung nach abwärts und wir können die Bewegungsgesetze

für eine solche genau in der Art herleiten wie für die Aufwärtsbewegung , nur müssen die positiven y nach abwärts verstanden und ein neuer Wider standskoeffizient " für die Unterfläche des Drachens eingeführt werden . G

(g Be

Dividirt man beide Theile der Gleichung 7 durch M

g

schleunigung der Schwere ) und setzt man zur Vereinfachung der Rechnung : Fv² sin (a 1 3)2 cos a - G 1 F cos a G und daher a b2 a2 V 21F cos a G G d. i. b

so verwandelt sich diese Gleichung in: V Fv sin (a 3) cos a dc G 2 162 0.02 vy 1 a2 d va vy = 10) = 9 • g = dt a2 a2 b2 [ 0-9 ]

und es ist :

a² b² d vy gdt = a2

b2 v y 2

11 )

und weiter :

d vy gt

ab

a² b2

1.

b2 vy 2

2

a + b vz b vy a

12)

4. S Die Konstante ist Null , weil für to auch v

ist.

Durch weitere Auflösung finden wir :

2gt e ab

a + boy woraus sich v b vy a

oder auch für die Rechnung bequemer : gt -} a e b e it b vy -gt b ,t eu b +e ub

2 ,! a С ab 1 b 241 e u b +1

13)

ergiebt. Um die Ordinate y des Beweglichen nach der Zeit t zu finden, wissen wir dass : 15*

Zum Drachenflug.

228

dy

= Vs

dt ist und wenn wir diese Gleichung mit jener 11 multipliziren , erhalten wir : a² b² v yu d vม • 14) gdy = 2 -- b2 vy 2 a und es ist sonach :

9y = a2b2

a2 S

v Vy d y b2 v У 2

a2 C

le (a² -- b² v, 2). l. 2 a2

Für vy

o wird auch y

o und wir erhalten : C

1 , a² sonach : 2

a2 = 2g le y= — b² vy² a² a² Setzt man darin anstatt v , seinen Werth aus 13 so bekommt man schliesslich : gt -gt a2 ab + e a b = Ն. 15) y g 2 Es ist immer gut, wenn man die Ergebnisse einer Theorie an einem Beispiele prüft und so wollen auch wir ein solches Beispiel wählen . www 0,03,1 Es sei F 25 m², G 75 kg, 0,06. Die Freunde des Drachenfluges sind geneigt, die Winkel a und recht 5º und finden aus 9 klein anzunehmen . Nehmen wir also a = 10º , dass v

103,04 m per Sekunde sein müsste, also eine ordentliche Raketen

Geschwindigkeit, wie ich mir im Aufsatze Heft IV Jahrgang V anzuführen erlaubt habe . Um also nicht in ein Extrem zu gerathen , wollen wir a 20°, B $ = 10° nehmen, mit welchen Werthen wir noch immer 59,407 m finden. = Es sei sonach v 60 m. m, so können wir schliessen , dass die Flug bahn nur sehr wenig von der Horizontalen abweichen wird und wir finden : Gleichung 1 v koust.v cos ẞ59.0885 , a = 7,2944, b = 7,0593, ab = 51,4933 , a a² 9,81 , welche Daten uns ohne Mühe in den b = 1,0333 , g = 5,4236 ; g Stand setzen die folgende Tabelle zu berechnen :

Nach vx Sekunden konstant t =:

Vy

123

59.0885 0.1945

Steigewinkel der Bahn

X -= t vx

y

0° 11' 19"

59,0885

0.0978

0° 21′ 52"

118,1770

0,3846

0° 31' 3"

177.2655

0.8415

0° 38′ 39"

236,3540

1.4426

295.4425

2,1594

3545.3100

58,2397

do .

0,3750

3

do.

0,5337

4

do .

0.6637

5

do.

0.7657

0° 44′ 33 ″

60

do.

1.0333 konst.

1º 0' 7 " konst.

229

Ueber die beiden Theorien des Segelfluges .

Bei 60 " sehen wir, dass auch für v, bereits der Beharrungszustand eingetreten ist, das Bewegliche daher in gerader Linie unter dem Winkel von 1 ° 0' 7 " aufsteigt. Schwieriger, jedoch nicht unmöglich, ist die Lösung dieser Aufgabe , wenn man anstatt eine Geschwindigkeit vorauszusetzen , eine Triebkraft an dem Drachenkörper anbringen wollte . Vielleicht ist diese kleine Abhandlung geeignet, die Ansichten der An hänger des Drachenfluges einigermassen zu berichtigen .

Ueber die beiden Theorien des Segelfluges . Von A. R. v. Miller-Hauenfels. Bekanntlich scheiden sich diejenigen, welche den Vogelflug zum Gegen stand ihres Studiums gemacht haben, in zwei Lager, in deren einem man behauptet, dass der Segelflug ohne Aufwand von Schwebearbeit stattfindet. während in dem anderen die gegentheilige Ansicht vertreten wird . Ich habe mich in meiner kürzlich bei Spielhagen & Schurich in Wien erschienenen Schrift :

„ Der mühelose Segelflug der Vögel u . s . w . “ als ein

Anhänger der ersteren Ansicht entpuppt, und dieselbe hat sehr verschiedene Beurtheilung gefunden. Während ein hervorragender Gelehrter Herr Dr. H. Klein in No. 32 der Gartenlaube derselben vielleicht unverdient grosses Lob spendet, bricht Herr Secondelieutenant v. Parseval unbedingt den Stab über dieselbe. Die Wahrheit dürfte wohl in der Mitte liegen, d . h. die Schrift dürfte in untergeordneten Dingen manche Mängel,

in der Haupt

sache aber das Richtige getroffen haben. Der beste Weg, Herrn v. Parseval zum nochmaligen Nachdenken über die Sache zu bewegen, dürfte wohl sein, ihm aus seiner eigenen 1889 in Wiesbaden

erschienenen Schrift

„ Die Mechanik des Vogelfluges "

mathe

matisch nachzuweisen , dass er selbst den Segelflug ohne Schwebearbeit für zulässig findet. S. 29 der genannten Schrift giebt er für die einheitliche Schwebearbeit A, die Formel :

G S = V F.C

III)

A,

worin s die Schlaggeschwindigkeit der Flügel , G die Totallast, F die Flugfläche und eine Konstante bedeutet. Wie sich aber Jedermann durch den Augenschein überzeugen kann, findet beim Segelflug,

soweit der Segler nicht den verlorenen Stirnwider

stand hereinzubringen strebt, gar kein Schlagen mit den Flügeln, sondern nur ein Richten derselben statt ; es ist somit für denselben so und daher auch A, = 0. S. 120 der genannten Schrift giebt

aber Herr v. Parseval für den

Arbeitsaufwand beim Gleiten in wellenförmiger Bahn, also beim Segelfluge die Formel :

Ueber die beiden Theorien des Segelfluges.

230

A8 (t + t2) , wobei t

und t die zum Nieder- und Auffluge gehörigen Zeiten vorstellen . Da nun aber nach dem Obigen für den Segelflug A, = 0 wird, so

muss auch die Schwebearbeit bei demselben gleich Null sein , und das ist genau dasjenige , was ich ebenfalls behaupte . Wie aus Herrn v . Parsevals Formeln hervorgeht, ist er eigentlich ganz meiner Ansicht, nur ist er sich dessen noch nicht klar bewusst. Es fragt sich nun aber noch , wie nach v. Parseval der Segelvogel in diesem Falle gebaut sein müsse? Aus der einheitlichen Arbeit in III) ergiebt sich die Gesammtarbeit durch nochmalige Multiplikation mit G; sie ist also G3 · Es müsste also nach Herrn v. Parseval der Segelvogel, der ja sichtlich die Schwingen

kaum rührt,

ein äusserst kleines Gewicht und dabei sehr

grosse Schwingen besitzen , während die Erfahrung lehrt, dass das Flächen mass der letzteren ziemlich beschränkt, und das Gewicht des Vogels ziemlich ansehnlich sei, ja zur geologischen Sekundärzeit wahre Ungeheuer die Luft durchflogen haben. Aehnliche Resultate sind überall zu gewärtigen, wo man in die ersten Rechnungsansätze vorgefasste Meinungen statt der wahren Ursachen hinein bringt. Jedem aufmerksamen Beobachter ist bekannt, dass sowohl bei der Schwebe- als bei der Segelflugarbeit die Stellung der Flügel und der Steuer federn eine grosse Rolle spiele ;

folglich hätte

sie auch bei Formulirung

Im Gegenfalle hat beider entsprechende Berücksichtigung finden sollen . festgestellt zu Wirkung man Schlussergebnisse zu erwarten , welche die haben beanspruchen , ohne die Ursachen gehörig beachtet zu haben. Ich anerkenne gewiss , vielem Eifer und Fleiss theilungen enthalte ;

dass Herrn v. Parsevals berührte Schrift mit

abgefasst

sei

und manche

schätzenswerthe Mit

allein was seine Rechnungen betrifft,

von denen ich

eben eine kleine Stichprobe gab , so sind sie nicht darnach angethan, dass er aus ihnen die Berechtigung ableiten könnte, mit einem Anprall in den Sand zu strecken .

einen so alten Analytiker und ihm zuletzt durch den

Anwurf, er habe sich gegen das Grundgesetz von der Erhaltung der Kraft versündigt, gleichsam den Gnadenstoss geben zu wollen. Niemand stellt ja in Abrede, widerstand

ein

dass beim Segelfluge durch den Stirn

entsprechender Arbeitsverlust

eintrete ,

und die von den

Flügeln vorübergehend verdichtete Luft kehrt später vermöge ihrer Elastizität durch Rückverrichtung der empfangenen Arbeit in ihren früheren Zustand zurück .

Endlich wurde ja von mir nachgewiesen, dass sowohl beim Nieder

wie beim Auffluge innerhalb der Segelwelle ein beständiges Einsinken der Flügel in die unterhalb zu verdichtende Luft stattfinde, folglich die Wirkung der Schwere zur vollen Geltung komme .

Es ist mir daher unerfindlich, in

Ueber die beiden Theorien des Segelfluges .

231

welcher Beziehung hier ein Verstoss gegen das genannte Gesetz platzgreifen könne . Am bestechendsten erscheint der Einwurf,

dass die Elastizität der

durch die Flügel verdichteten Luft den Vogel nicht emporzutragen vermöge, weil derselbe beim Fluge stets auf frische unverdichtete Luftmassen treffe. Von der Krümmung der Flügel,

welche den Abfluss der verdichteten Luft

verhindert. ganz absehend, will ich hierauf nur erwidern, dass beim Nieder flug innerhalb der Welle die vertikale Geschwindigkeit des Vogels

stets

zunehme, und hiervon, nicht aber von dem Umstande, ob die Luft alt oder neu sei, der Grad ihrer Verdichtung abhänge, beim Auffluge aber das Um gekehrte stattfinde. Mit dem 99 energischen Widerspruche " , zu welchem Herr v. Parseval schliesslich auffordert, ist es eben nicht abgethan; man muss sich bequemen in der Welt auch andere Meinungen, als die eigene, gelten zu lassen , und die Würde der Wissenschaft verlangt, dass man, wie ich im Vorstehenden bemüht war, „ kühl bis ans Herz hinan " auch die gegnerischen Ansichten bis in ihren Kern hinein prüfe. Als Militär

muss

ihm

endlich

auch die wunderbare Wirkung von

Ricochetschüssen über ausgedehnten Wasserflächen bekannt sein .

Welcher

Kraftquelle hätten dieselben die staunenswerthe Vergrösserung ihrer Trag weite zu danken, wenn ihnen aus der absätzig verdichteten Luft nicht ein ähnlicher Vortheil zugute käme, wie den segelnden Vögeln ?

Nach Herrn

v. Parsevals Theorie müssten aber die Kugeln schon nach Beschreibung des ersten Wurfbogens in's Wasser fallen. In einer Beziehung hat aber derselbe ganz recht;

ich hätte besser

gethan, die Gundlagen meiner Theorie vor deren Veröffentlichung experi mentell zu prüfen, hätten mir nicht schon so manche - und davon macht auch er selbst keine Ausnahme vor der Drucklegung einen Einzelnen ,

durch Unterlassung von Experimenten

ein übles Beispiel gegeben !

zumal wenn er anderweitig

Es ist überhaupt für

viel beschäftigt ist ,

sehr

schwer, solche Versuche in's Werk zu setzen ; hierzu wären zunächst jene Vereine berufen, welche sich die Förderung der Luftschiffahrt zur Aufgabe gestellt haben.

Bis zur Austragung des Streites sollte man aber jede An

schauung, deren wissenschaftliche Begründung versucht wurde, respektiren und statt jener ätzenden Schärfe im Ausdrucke, welche manchmal zu persön lichen Ausfällen sich steigert, sich im Ideenaustausche jener olympischen Ruhe befleissen , welche die grösste Zierde wissenschaftlicher Verhand lungen bildet .

Ueber den Luftschiffer- Kompass .

232

Ueber den Luftschiffer- Kompass des

Kais . Russischen Ingenieur- Oberst Alexandrowitsch Kosloff zur

Bestimmung von Fahrtrichtung, Geschwindigkeit und Drehungen des Ballons . Von Hermann W. L. Moedebeck, Premier-Lieutenant im Fuss -Artillerie- Regiment No. 11 . Das Bedürfniss . die Fahrtrichtung mittelst besonderer Instrumente zu bestimmen, tritt mit dem Augenblick beim Luftschiffer ein . wo die Erde ihm längere Zeit durch Wolken verhüllt wird .

Begrüsst ihn in dieser Lage die

Sonne mit ihren stechenden Strahlen, so vermag er wohl mit ihrer Hülfe seine Stellung über der Erdoberfläche festzustellen vorausgesetzt , dass er ein künstliches Niveau. einen Sextanten , einen Chronometer und die nöthige astronomische Tabelle bei sich führt.

Sind aber alle Gestirne durch noch

höhere Wolkenschichten, die er nicht zu überfliegen vermag, verdeckt, so geräth er wohl in eine Verlegenheit, aus welcher ihn die vollendetste Sammlung der heutigen Ballon- Instrumente nicht zu retten vermochte . Eine derartige Fahrt zwischen zwei Wolkenschichten erlebte ich zum ersten Male am 10. Oktober 1889. Ich rede aus Erfahrung, wenn ich sage, dass es ein unheimliches, höchst langweiliges Fahren war, abgesehen natür lich von der Kurzweil, welche die niemals versiegende gute Laune preussi scher Offiziere unter allen Verhältnissen ihr Eigen nennt. Für solche Fahrt ist es rathsam sich reichlich mit Sekt zu versehen . Hundegebell , Geblöke des Viehs , Schnattern von Enten und Gänsen , Krähen von Hähnen, Wagen gerassel , Rollen der Eisenbahnen und Arbeiten in Schmiede und Scheuern, das sind bis in die höchsten Höhen hinauf diejenigen Laute, welche bei solcher Fahrt die höchste Sicherheit bekunden. Anders freilich wird die Sache, wenn man zuerst ganz leise, dann stärker und stärker werdend ein Rauschen vernimmt.

Die Täuschung, ob Wasser oder Wald der Tonerreger

ist, kann wenn sie nicht gleich beseitigt wird , verhängnissvoll werden .

War

die Richtung eine nördliche , so kann man wohl, da jeder Anhalt auch für die Fahrgeschwindigkeit fehlt, auf den Gedanken kommen , die Meeresufer unter sich zu haben . Durch den von Oberst Kosloff erfundenen Luftschiffer-Kompass lässt sich solche unsichere Lage wenigstens insofern beschränken , als man den Kurs des Ballons einigermassen genau damit feststellen kann. In Ver bindung mit guten Karten und unter Benutzung des Gehörs wird dadurch die Fahrsicherheit eine erhöhte . Der Apparat besteht aus einem Kompass, der sich unter Einwirkung eines Magneten befindet und einem von diesen entfernten freien Kompass . Beide befinden sich auf einem Stabe, der am Korbrande anzubringen ist . Ein Prisma mit Lupe gestattet den Unterschied beider Magnetnadeln beim

Ueber den Luftschiffer- Kompass.

233

freien Kompass abzulesen . Für die 32 Hauptrichtungen der Windrose hat Oberst Kosloff den Stellungsunterschieder Bussolen , empirisch ermittelt, in einer Tabelle zusammengestellt, die ebenso wie ein Plan auf dem Stabe befestigt ist. Plan und Bussolen sind orientirt. Ausserdem besitzt der Apparat eine photographische Kamera mit Objektiv zur Berechnung der Fahrtgeschwindigkeit. Nennt man I die vom Barometer abgelesene Höhe , h die Fokuslänge, a den durchflogenen Weg auf der in Quadratmillimeter eingetheilten

Mattscheibe,

so

des zurückgelegten Weges , (H

ergiebt sich für eine Zeiteinheit die Länge bezw. die

Geschwindigkeit aus der Formel :

h) a

x= h

Nach Angabe des Erfinders können bei Bestimmung der

Richtung drei Fälle unterschieden werden : 1.

Wenn der Ballon den Kurs behält und keine Drehungen macht,

verändern sich weder Richtung noch die Unterschiede der Ablesungen beider Bussolen. 2. Wenn der Ballon den Kurs behält und sich dreht, ändern sich die Ablesungen der leitenden Bussole , Unterschiede beider Kompasse. 3.

ebenso periodisch die Ablesungen der

Wenn der Ballon den Kurs ändert und sich nicht dreht, verändert

sich die Ablesung des leitenden Kompasses bei konstantem Gradunterschiede beider Bussolen . Die Prüfung inwieweit sich vorbeschriebener Apparat zur Bestimmung des Kurses in Nothlagen, wie die oben angeführte, bewähren wird , bleibt der Praxis vorbehalten . Die Drehungen des Ballons können der praktischen Ausnutzung des dem Apparate zu Grunde liegenden Gedankens möglicher Andererseits aber haben die mit dem weise recht hinderlich werden. registrirenden Kompass von Berg angestellten Versuche, welche in dieser Zeitschrift Jahrgang VII, Heft 7 , veröffentlicht sind , ergeben , dass jene Drehungen keinesfalls so häufige und regelmässige sind, als man im allge meinen sich vorzustellen pflegt . Letztere auf der Fahrt mit dem Apparate Kosloff festzustellen, erscheint mir bei dem geringen Werth der Sache viel zu umständlich. Die Drehungen des Ballons, welche sich infolge ungleicher sowie aus Uebergängen von einer Windrichtung in dürften nur insoweit der Beobachtung für werth er achtet werden, als sie die endliche Feststellung des Kurses beeinträchtigen . Ebenso erscheint die Messung der Geschwindigkeit mittelst Kamera Mit einem guten Plane und einer Uhr kann man viel zu umständlich. Form und Belastung,

die andere ergeben ,

unter Benutzung einfachster Visirinstrumente die Geschwindigkeit viel genauer messen, weil hier die Höhenangaben des Barometers fortfallen, welche in jene Kosloff'sche Rechnung eingeführt werden müssen und niemals wichtige sind. Um schliesslich den praktischen Werth der Erfindung zu beurtheilen, muss man in Erwägung ziehen , dass unsere heutige Luftschiffahrt immer Die Be noch mit den einfachsten und bescheidensten Mitteln arbeitet.

Fortschritte im Militärbrieftaubenwesen .

234

schaffenheit des Himmels sieht man vor der Abfahrt, man könnte sich nach den Umständen für den Bedarfsfall mit dem Luftschiffer-Kompass versehen . Dieser Fall tritt verhältnissmässig selten ein . Immer aber dürfte die Kamera zur Bestimmung der Fahrgeschwindigkeit zu entbehren sein . Wie gesagt schliesst der Apparat des Oberst Kosloff bei alledem insofern einen weiteren Fortschritt in sich , als er bei unsichtbarer Erdoberfläche Firmament den Kurs festzulegen gestattet.

und

Fortschritte im Militärbrieftaubenwesen . Das Militärbrieftaubenwesen hat gerade in den letzten Jahren ganz ausserordentliche Fortschritte gemacht, so dass es bereits einen wichtigen Theil der Heeresverwaltung darstellt. Eine ausführlichere Mittheilung darüber in den Jahresberichten von Löbell ". Ueber die Aenderungen und Fortschritte im Militärwesen " erscheint uns auch für die Leser unserer Zeitschrift so wichtig,

dass wir den Inhalt derselben hier folgen lassen.

Bekanntlich sind im preussischen Militäretat für Militärbrieftaubenwesen jährlich 62,000 M. ausgeworfen ; ausserdem ist brieftaubenwesens zu Köln angestellt . Nach den

ein Direktor des Militär

erwähnten Jahresberichten hat in den letzten Jahren die

grössten Verdienste um die Entwickelung des Militärbrieftaubenwesens ein italienischer Kapitän Malagoli

sich erworben .

Seine Versuche und Er

fahrungen haben auf das ganze Militärbrieftaubenwesen in Europa geradezu umgestaltend gewirkt.

Nähere Mittheilungen

darüber werden nicht bloss

für Militärpersonen und Taubenliebhaber, sondern auch für das grössere Publikum von Interesse sein. Insbesondere hat sich bei den Versuchen von Malagoli ergeben ,

dass die Brieftaube im regelmässigen Depeschen

dienst zwischen zwei Orten sich verwenden lässt, und dass dieselbe Taube ebenso für den Rückflug dressirt werden kann . Bis jetzt glaubte man die Taube nur fähig, die Dressur für ein und dieselbe Richtung, etwa Hannover-Köln , aufzunehmen . Man musste also für diese Flugrichtung so viel dressirte Tauben in Köln bereit halten, dass sie, kurz vor einer Belagerung von Köln nach Hannover geschafft, für die ganze

muthmassliche

Dauer

der Belagerung den

Nachrichtendienst

Hannover in das belagerte Köln hinein versehen konnten .

von

Da man sicher

heitshalber immer für eine Depeschensendung mehrere Tauben verwenden muss, damit, wenn ein Paar Tauben sich verfliegen, erschossen werden oder Raubvögeln zur Beute fallen , doch immer noch wenigstens ein Exemplar der Depesche in die Festung gelangt,

so lässt sich leicht ermessen, dass

auch die reichliche Dotirung mit Tauben,

die man für jede Flugrichtung

gewöhnlich auf 200-250 Thiere bemisst, sich im Laufe einer langen Be lagerung erschöpfen kann, und dass man dann zu dem Hülfsmittel greifen muss, die Tauben per Luftballon wieder hinauszuschaffen, ein gefährliches

Fortschritte im Militärbrieftaubenwesen.

und in seinem Erfolge unsicheres Unternehmen !

235

Ausserdem erhellt, dass

bedeutende Festungen mit vielleicht vier Flugrichtungen im Frieden dauernd einen Taubenschlag von 1000 Köpfen unterhalten und bezüglich der Dressur auf dem Laufenden halten müssen, was weder billig, noch leicht sein dürfte, aber dennoch bis jetzt allgemein als Regel gilt. Wie ganz anders, wenn man Tauben darauf dressiren kann , zwischen zwei Orten hin- und herzufliegen.

Man braucht dann jede Flugrichtung nur

mit wenig Tauben zu besetzen und hat regelmässigen täglichen Briefdienst, wie in Friedenszeiten durch die Post, nur dass die Taube sehr viel schneller ihre Briefe abliefert, da sie bekanntlich etwa 100 Kilometer in der Stunde zurücklegt . Malagoli wählte zu seinen Versuchen die Strecke Rom - Civitavecchia, in der Luftlinie Civitavecchia,

65 Kilometer,

und brachte

zunächst

eine Anzahl wenige Tage alter Tauben,

in den Schlag in die er mit

etwa

12 Monaten in der gewöhnlichen Weise durch Einschieben von Etappen allmählich für den Flug Rom- Civitavecchia abrichtete. Nach etwa einem Monat war dieser Flug den Tauben ganz geläufig und wurden sie nunmehr nach dem Schlag in Rom übergeführt, woselbst sie sich paarten und bis nach erfolgtem zweiten Eierlegen unbehelligt gelassen wurden, weil sie erst lernen sollten, in der neuen Heimath sich wohl zu fühlen.

Alsdann begann

die Dressur in umgekehrter Richtung mit abermaliger Einschiebung der Etappen, um dann mit den Männchen allein den letzten Theil des Versuches zu wagen.

entscheidenden

Die Männchen nämlich mussten nunmehr fasten, wurden dann nach Civitavecchia geschafft.

dort gefüttert und darauf fliegen gelassen.

Dies

wurde eine Zeit lang wiederholt, bis die Tauben schliesslich begriffen hatten , dass es in Rom für sie nichts zu fressen gäbe .

Sie flogen dann von selbst

erst täglich, dann alle zwei Tage , sobald der Hunger ihnen sehr fühlbar wurde , nach Civitavecchia , liessen sich dort füttern und kehrten alsbald zurück. Da die Tauben die 65 Kilometer in weniger als einer Stunde durch flogen, konnte man in Rom bereits in etwa drei Stunden Antwort auf eine nach Civitavecchia gesandte Depesche Boten

und zwar durch denselben geflügelten

erhalten, so dass sich mittels des Hin- und Rückfluges der Tauben

ein vollständiger regelmässiger Depeschendienst einrichten liess . Weitere Versuche Malagolis zeigten , dass derselbe glückliche Erfolg erzielt werden konnte mit Tauben , die nicht erst in Civitavecchia gewesen, sowie nicht vorher auf den Flug Rom- Civitavecchia dressirt worden waren. Diese Entdeckung vereinfacht die Dressur wesentlich. Malagoli hat auch den Beweis geführt, hohe Berge zu passiren.

dass Brieftauben fähig sind ,

Zunächst dressirt nämlich Allessandria alljährlich die vorgeschriebene Anzahl von Brieftauben für den Flug von Salbertrand, Mont Cenis, Bardo

Fortschritte im Militärbrieftaubenwesen.

236 necchia

und

den

verschiedenen

anderen

Sperrforts

dieser Alpengegend, Es hat sich dabei

welche noch Taubenschläge besitzen, nach Alessandria .

dass die Tauben mit grosser Sicherheit sich über die dazwischen liegenden hohen Berge hinwegfinden. Werden sie aufgelassen, so erheben sie sich aus den Alpenthälern alsbald so hoch, dass sie den

immer gezeigt ,

menschlichen Augen entschwinden, Alessandria ein.

und schlagen

Auch in der umgekehrten Flugrichtung , den betreffenden Forts,

dann die Richtung nach

also von Alessandria nach

haben sich die Tauben bewährt ;

endlich auch bei

Flügen von einem Alpenthal ins andere, wo sie also hohe Joche zu passieren hatten ; so z . B. hat man Tauben aus dem Thal der Dora Riparia in das des Chisone oder das der Stura fliegen lassen und umgekehrt. Es zeigte sich übrigens, dass der Trieb , nach dem heimathlichen Schlag zu gelangen, die Tauben so mächtig beherrschte, dass sie sogar bis zu einem gewissen Punkte den starken Stürmen, die zuweilen in den Alpen wehten, trotzten. Dass natürlich hohe Berge der Taube den Flug erschweren und dass die eine Taube diese Schwierigkeit leichter überwindet wie die andere, ist ebenso unbestreitbar wie die Thatsache, dass nicht ein englisches Rennpferd dasselbe leistet wie das andere ; die Fähigkeit, selbst die Alpen zu über fliegen, um ihrer Heimath zuzueilen, wohnt aber der Brieftaube inne, diese Thatsache ist einfach nicht wegzuleugnen . Ferner hat Malagoli den Beweis Meeresstrecken ungehindert überschreiten . ins

Auge gefasst :

Insel

geführt ,

dass

die Tauben grosse

Es wurden hierbei zwei Strecken

Maddalena - Rom (270 Kilom.

240 Kilom. Meeresstrecke) und Neapel - Cagliari

Luftlinie,

davon

(nur 450 Kilom. , da die

Tauben 20 Kilom. von Neapel auf dem Meere aufgelassen wurden) . Abrichtung geschah in derselben Weise wie auf dem Lande,

Die

indem man

nämlich die Tauben per Schiff immer weiter vom heimathlichen Schlag weg transportirte und sie dementsprechend in immer grösseren Etappen aufliess. Der Flug von Maddalena nach Rom erforderte 5 bis 6 Stunden ,

der von

Neapel nach Cagliari etwa 9 Stunden. Man hat preussischerseits schon seit 1876 Versuche an der Nordsee küste angestellt, um eine Verbindung der an besonders gefährlichen Stellen in der Nähe der Küste lagernden Leuchtschiffe mit dem Festlande und den Lotsenstationen herzustellen, und hat man dabei nicht nur den Nutzen der Leuchtschiffe

als besonders

auch den gefährdeter fremder Schiffe ,

denen

durch die Tauben rasch Hülfe vom Festland geschafft werden sollte, im Auge gehabt. Beide Zwecke wurden erreicht . Einmal wenn wir nicht brach die Stationskette des 36 Seemeilen ausser irren im Oktober 1883 halb Tönning liegenden Feuerschiffes infolge eines Orkans und wurde das selbe abgetrieben . In vierfacher Ausfertigung wurde eine Depesche um Hülfe abgesendet ; alle vier Tauben langten trotz des Sturmes in Tönning an, wobei die längste Flugzeit 58 Minuten betrug.

Das Leuchtschiff wurde

Fortschritte im Militärbrieftaubenwesen.

237

durch einen daraufhin rasch entsandten Dampfer gerettet. Ein anderes Mal brachte eine Taubendepesche die Nachricht von der Strandung des Dampfers 99 Konkurrent “ . dessen Besatzung sodann mittelst eines zur Hülfe entsandten Botes in Sicherheit gebracht werden konnte. Malagoli hat auch festgestellt, dass die Tauben in ihrer Orientirungs fähigkeit durch

Schnee ,

Eis und grosse

Kälte

nicht behindert

werden .

1878 bereits hatten Flugversuche mit Tauben des Bologneser Taubenschlages bei schneebedecktem Boden und 5 Grad Kälte von Polesella nach Bologna (62 Kilom. ) stattgefunden , bei denen sämmtliche 15 Tauben mit Ausnahme einer einzigen am Ziel anlangten und ein Unterbrechen nur darum eintrat, weil die Kälte in Thauwetter umschlug. Dafür lieferte das folgende Jahr vorzügliche Unterlagen , gegenstehenden Behauptung entgegenzutreten .

um jeder

Das Jahr brachte Kälte und

Schnee, und so wurden die Taubenschläge zu Bologna , Verona und Alessandria zu entsprechenden Versuchen angewiesen. Die Bedeutung, welche das Brieftaubenwesen nach den Erfahrungen Malagolis gewonnen hat, hat in Russland den Gedanken angeregt, nunmehr auch von militärischer Seite Raubvögel ( Falken ) zu dressiren , um der Brieftauben der Feinde habhaft zu werden. Schon seit Jahren findet man in den Blättern Nachrichten über Versuche, die in Petersburg unter dem

Schutze des

Herzogs Alexander von Oldenburg ,

des Befehls

habers der russischen Gardetruppen, mit Jagdfalken vorgenommen worden sein sollen.

Diese Thiere sollen von Entfernungen über 2 Kilom. sich auf

die Brieftauben gestürzt und dieselben zerfleischt , einzelne sollen die Tauben sogar ihrem Herrn überbracht haben,

was wegen der hierdurch erlangten

Depeschen grossen Werth hatte. Bedenkt man nun aber die grosse, nach vielen Meilen zählende Aus dehnung der Stellung,

welche der Belagerer einer modernen Fortsfestung

einnehmen muss und die dementsprechend grosse Anzahl von erforderlichen Falken sowie weiterhin der Umstand, dass doch ein Staat seine Mittel auf die gleichzeitige Belagerung mehrerer Festungen zuschneiden muss , wodurch sich also die Zahl der Falken ganz kolossal erhöht, so erscheint es von vornherein sehr zweifelhaft, ob diese Zahl durch Fang von wilden Falken wird beschafft werden können. so

lange

misstrauisch

Denn einer Züchtung der Falken muss man

gegenüberstehen ,

als nicht

der

Gegenbeweis der

Darwin'schen Behauptung erbracht ist , die wir der Güte des in Fachkreisen sehr geschätzten Taubenliebhabers Herrn Rob. Eder in Böhmisch -Friedland verdanken, und welche dahin geht, dass sich Raubvögel in der Gefangen schaft gar nicht oder nur selten paaren .

Weiterhin würde nach Eders An

sicht den in der Gefangenschaft gezüchteten Falken die nöthige Kourage fehlen ; denn nachweislich zog man zur Zeit der Falkenbeize die bereits in der ersten Mauser liegenden Falken den Romarij , d . h. den den Alten noch von Zweig zu Zweig folgenden Falken vor, während diese immer noch

Fortschritte im Militärbrieftaubenwesen .

238

höher als die Nidasij , die Nestlinge, geschätzt wurden, da, wenn die Falken gut werden sollten, sie bereits beim Fang einen gewissen Grad der Wildheit erreicht haben mussten . Da man übrigens die Depeschen in drei- , vier- und mehrfacher Aus fertigung expedirt, ist es auch schliesslich nicht allzu schlimm, wenn ein Falke ein oder zwei der Tauben herunterholt, vorausgesetzt natürlich, dass militärisch wichtige Depeschen in Chiffreschrift abgefasst sind, so dass sie von Seiten des Feindes nicht enträthselt werden können . Natürlich hat man auch bereits auf Schutzmittel gegen die Raubvögel gesonnen ;

dass man die Tauben vor dem stark riechenden Substanz bestreicht, welche die Falken

eines derselben

besteht darin,

Abflug mit einer vom Angriff abhalten soll, ein zweites darin, dass man an den Steuerfedern kleine Bambuspfeifchen befestigt, welche beim Fliegen ein starkes Pfeifen erzeugen, dass noch bei 150 Meter hoch fliegenden Tauben nach Malagolis Aussage den Strassenpassanten hörbar war und die Raubvögel abschrecken Dasselbe will man durch den Ton kleiner Glöckchen erreichen. soll . Nach

den

italienischen

Erfahrungen

beträgt

die

Durchschnitts

geschwindigkeit der Brieftauben in der Stunde 55 Kilom . ,

sie variirt

aber wesentlich nach den lokalen , individuellen und Witterungsverhältnissen. Es sind Geschwindigkeiten bis zu 95 Kilom. beobachtet worden . Für das Gewicht der den Tauben anvertrauten Sendungen ist man bei einer Be lastung von 0,5 Gramm stehen geblieben.

Man hat weiterhin in Italien

auch Versuche mit photomikroskopischen Depeschen nach Art der bei der Belagerung von Paris in Anwendung gekommenen angestellt ,

indem man

photographisch in verschiedenem Massstabe Depeschen reproduzierte . Der Verkleinerungsmassstab war bei einer nicht zu langen Depesche 1/8, wobei man dann die verkleinerte Reproduktion noch mit blossem Auge lesen konnte ; bei langen Depeschen wählte man jedoch das Verhältniss 1:16 , und sah sich dann behufs Entzifferung genöthigt, zur Lupe zu greifen. Man weiss nunmehr, dass man nicht mehr darauf beschränkt ist, die Tauben nur zum Nachrichtendienst zwischen Festungen , Städten oder dergl. auf dem Festlande zu verwenden , sondern man ist durch diese Thiere in den Stand gesetzt, Aufklärungsabtheilungen in stete Verbindung nach rück wärts zu bringen , man weiss weiter, dass es durchaus aussichtsvoll ist, Schiffe , Inseln oder Aëronauten mit dem Festlande durch Tauben in Ver bindung zu bringen, dass ferner die Sperrforts in den Thälern der Alpen mit den Festungen in der Ebene durch geflügelté Boten sich verständigen können, kurz , die Verwendung der Tauben ist eine ausgedehnte und viel seitige geworden und die kommenden Jahre werden zeigen müssen, ob man bereits das Maximum der Verwerthbarkeit der Tauben erreicht hat , oder ob deren Intelligenz noch eine weitergehende Dressur zulässt . Anschliessend an diese interessanten Mittheilungen wollen wir noch den Geschäftsbericht des Verbandes deutscher Brieftaubenliebhaber-Vereine

Aus den deutschen Vereinen für Luftschiffahrt.

239

über die Erfahrungen bei den Herbstmanövern des Jahres 1889 hin sichtlich der Leistungen der Brieftauben folgen lassen .

Es heisst dort :

„Zu Manöverzwecken wurde auf Allerhöchsten Befehl im Jagdschlosse Saupark bei Springe ein Taubenschlag eingerichtet, welcher freudigst von den Liebhabern des Verbandes mit den besten Brieftauben bevölkert worden. ist.

Bei dem diesjährigen Herbstmanöver fand ferner zum ersten Male und

zwar wiederum auf Allerhöchsten Befehl von Springe aus eine Verwendung von Tauben der Verbandsvereine statt. Die Vereine in Braunschweig , Gütersloh, Hildesheim und Osnabrück, ferner der Schlag auf der Komman dantur in Hannover stellten hierzu je 20 bis 30 Tauben, zusammen 170 Stück, Es standen also , unter Hinzurechnen der in Springe eingewöhnten , nach Hannover gesandten 43 Tauben, 213 Stück im Manöverdienste, Hiervon hatten 95 Tauben

etwa 30 Depeschen

zu befördern ,

welche

sämmtlich

präzise ihr Ziel erreichten, trotzdem die Tauben zum Theil des Abends so spät aufgelassen wurden, dass dieselben vor Eintritt der Nacht ihre Heimath . nicht erreichen konnten, auch gegen herbstlichen Nordwestwind zu kämpfen hatten.

Die Verwendung unserer Brieftauben zu militärischen Zwecken ist

also praktisch mit vollem Erfolg durchgeführt. Se . Majestät haben durch ein Schreiben des Generalstabschefs Exzellenz Grafen von Waldersee , die tüchtigen Leistungen der Tauben beim Manöver anerkennen lassen und somit Allerhöchst als Preisrichter unsere Liebhaberei hoch geehrt. " Der 1884 gegründete Verband deutscher Brieftaubenliebhaber- Vereine umfasste nach dem letzten Geschäftsbericht im Oktober 1889 152 Vereine bezw. Klubs mit insgesammt 2201 Mitgliedern und 58 245 Tauben. Als einzelner Verein stellt die Aachener Brieftaubengesellschaft die meisten , nämlich 1722 Tauben (31 Mitglieder), ihr folgen „ der Verein für Geflügel zucht Kolumbia " mit 1649 Tauben (30 Mitglieder) und die Barmer Brief tauben- Gesellschaft Courier mit 1158 Tauben und 39 Mitgliedern .

Aus den

deutschen Vereinen für Luftschiffahrt. *)

Seit den unleugbaren Erfolgen der Franzosen mit der praktischen Ver wendung des Luftballons im Kriege von 1870-1871 hat sich auch in Deutschland das allgemeine Interesse der Vervollkommnung dieses Trans portmittels mehr und mehr zugewendet. Nicht nur, dass unsere Militär verwaltung, überall bestrebt, vom Feinde zu lernen, mit der Errichtung eigener Luftschifferabtheilungen energisch vorging, haben sich auch Vereine in mehreren grossen Städten gebildet, welche diejenigen Seiten der An gelegenheit in Angriff zu nehmen begannen, welche von den Militärluft schiffern aus natürlichen Gründen unbeachtet gelassen werden mussten . Das *) Wir entnehmen di Artikel dem unter dem Titel , Blätter für Handel , Gewerbe und sociales Leben “ erscheinenden Beiblatt zur „ Magdeburgischen Zeitung“ (No. 37 vom 15. September d. J. ) . Der Inhalt des Artikels enthebt uns der Nothwendigkeit , über eine neuerdings von Köln aus angekündigte Zeitschrift „ Das Luftschiff“ unsrerseits noch ein Wort zu verlieren. D. Red.

240

Aus den deutschen Vereinen für Luftschiffahrt .

lenkbare Luftschiff " , dieses moderne perpetuum mobile " , beherrschte jahre lang die Verhandlungen aller Luftschifferkreise, die mit grosser Emphase in die Welt trompeteten, in Wirklichkeit minimalen Erfolge der Franzosen auf diesem Gebiete verdrehten auch bei uns so manchem für Besseres geschaffenen Menschen den Kopf, bis sich endlich die Ueberzeugung von der Aussichts losigkeit der diesbezüglichen Bemühungen in den klareren Köpfen Bahn brach . Das Studium des Vogelfluges , in systematischer und konsequenter Weise von eifrigen Forschern in Angriff genommen, führte unter der Mithülfe der Momentphotographie zu wesentlich neuen Ergebnissen, welche die Möglich keit für den Menschen, sich willkürlich ohne Anwendung des Gasballons in die Luft zu erheben , in eine erreichbare Nähe rückten, so dass anzu nehmen ist, das 19. Jahrhundert werde nicht zur Rüste gehen, ohne dass dieser uralte Traum vom „ ikarischen Fluge " bis zu einer gewissen Grenze in Erfüllung gegangen sein wird . Ganz besonders aber wird in neuester Zeit die Thätigkeit der Luft schiffervereine Deutschlands durch das Streben nach wissenschaftlicher Er forschung des Luftmeeres in Anspruch genommen, und zwar in der zwie fachen Absicht , theils wichtige Räthsel der Meteorologie mit Hülfe des Luftballons zu lösen , theils der Luftschiffahrt durch das Studium der atmosphärischen Vorgänge die Wege mehr und mehr zu ebnen . Der älteste Verein für Luftschiffahrt in Deutschland ist der 1881 in Berlin begründete ** Deutsche Verein zur Förderung der Luftschiffahrt “ , welchem so ziemlich alle für diese Angelegenheit interessirten Kreise aus dem Militär- und Gelehrtenstande Berlins, ferner aber auch viele auswärtige Mitglieder angehören . Derselbe giebt unter der Redaktion des Dr. phil . W. Angerstein seit 1882 eine eigene Zeitschrift für Luftschiffahrt " heraus, welche eine reiche Fundgrube für alle einschlägigen Arbeiten darstellt. In den ersten Jahren seines Bestehens war die Arbeit des Vereins , wie natür lich, auf die Konstruktion des „ lenkbaren Luftschiffes " vornehmlich gerichtet, ohne jedoch einseitig in diesen Projekten aufzugehen, in der neuesten Zeit hat derselbe unter dem Vorsitze des Meteorologen Dr. Assmann , unseren Lesern als der frühere Leiter der „Wetterwarte der Magdeburgischen Zeitung“ bekannt, seine Hauptaufgabe in der wissenschaftlichen Erforschung der Vor gänge in der freien Atmosphäre gesucht und ist zur Zeit mit der Lösung praktischer Aufgaben auf diesem Gebiete , unterstützt von namhaften Ge lehrten, eifrig beschäftigt. In einer Art Kartell steht mit dem genannten Verein der seit einigen Jahren in Wien bestehende Flugtechnische Verein ", welcher vornehmlich die Lösung des Problems des dynamischen Fluges auf seine Fahne geschrieben hat. Die 99 Zeitschrift für Luftschiffahrt" dient auch diesem Vereine als Organ und verdankt dessen Mitgliedern manchen werthvollen Aufsatz . Der Wiener " Flugtechnische Verein " kann natürlich nicht als ein Deutscher" Verein bezeichnet werden, gehört aber in seinem unmittelbaren Anschlusse an die deutschen Vereine in das Arbeitsprogramm der letzteren hinein . Vor einem Jahre wurde in München ein Münchener Verein für Luft schiffahrt unter äusserst zahlreicher Betheiligung hochgestellter und ange sehener Persönlichkeiten aus den militärischen und Gelehrtenkreisen gegründet, welcher in Folge seiner reichen Mittel sein Augenmerk auf die praktische Ausübung der Luftschiffahrt richtete, lebhaft unterstützt von der königlich bayerischen Militär- Luftschifferabtheilung . Auch dieser Verein hat die oben

Aus den deutschen Vereinen für Luftschiffahrt.

241

genannte „ Zeitschrift für Luftschiffahrt" zum Vereinsorgan erwählt, um gemeinsam mit den Schwestervereinen in Wien und Berlin an der Erreichung der grossen Ziele zu arbeiten . In Köln ist vor einigen Jahren ein 99 Verein zur Förderung der Luft schiffahrt" entstanden , welcher als seine Hauptaufgabe die Ausbildung prakti scher Luftschiffer für den Kriegsfall bezeichnete . So löblich nun auch ohne Zweifel ein solcher Zweck sein mag, so scheint derselbe doch bis zu einem gewissen Grade über das Ziel hinauszuschiessen, da es einem Vereine nicht möglich sein dürfte, das zu erreichen, was in stiller, aber ungleich ener gischerer, mit viel grösseren Mitteln wirkender Arbeit der verschiedenen Militär- Luftschifferabtheilungen geschieht. Leider hat aber der Kölner Verein in letzter Zeit , nachdem er mit verschiedentlichen Ausstellungsversuchen entschieden Unglück gehabt hatte, einen Weg betreten, welcher von Allen, denen die Entwicklung der deutschen Luftschiffahrt, so wie deren gutes Renommé am Herzen liegt, rückhaltlos verdammt werden muss . Ganz abgesehen von der allenfalls in reinen Sportkreisen zulässigen , für einen Verein mit ernsteren Zielen aber geradezu unbegreiflichen Spielerei, "" für hervorragende Leistungen auf dem Gebiete der Luftschiffahrt Ehren zeichen zu verleihen " , wie es in § 12 der Statuten dieses Vereins heisst, dürfte die so eben erschienene erste Nummer des Vereinsorganes , „ das Luft schiff" , wahrlich nicht im Stande sein, das Ansehen der deutschen Luft schiffahrt zu fördern . Die von E. Kietz jun. in Düsseldorf herausgegebene und verlegte Zeitschrift enthält in ihrer ersten Nummer, abgesehen von der völligen Ignorirung aller bisherigen Leistuugen auf dem Gebiete der Luft schiffahrt, eine solche Blüthenlese von pyramidalem Unsinn und Aeusserungen unglaublicher Selbstüberhebung, dass es uns als Pflicht erscheint, aller Höflichkeit zum Trotz offen zu erklären, dass keiner der vorhergenannten Vereine in einer anderen , als ablehnenden Beziehung zu diesen unglaublichen litterarischen Leistungen steht ! Man lese nur den einleitenden „ Appell an das deutsche Volk" , in welchem versprochen wird, dass jede Ehrengabe öffentliche Anerkennung in dieser Zeitschrift bringen und vom Vereine durch Orden und Diplome belohnt werden wird " . Man lese ferner die 39 Preisausschreibungen" auf Seite 2 und 3, für welche vier Medaillen ausgesetzt sind! No. 5 heisst wörtlich: „ Warum hört das Barometer plötzlich bei 985 m Höhe im Ballon mit dem gleichmässigen Steigen auf? Welche Erklärung hierfür ist wohl die richtige ?" Die Medaille ist leicht zu verdienen, denn die Antwort kann nur lauten : Das Barometer fällt beim Aufstieg und steigt beim Abstieg des Ballons -- der Frage nach scheint es nur steigen" zu sollen der Höhe entsprechend vollkommen gleichmässig ; die der Frage zu Grunde liegende Behauptung ist einfach unwahr! No. 7 verlangt ein Mittel zur Verständigung zwischen zwei Freiballons während der Nachtzeit, welche ca. 5 Meilen von einander entfernt sind . Eventuelle Verbindung durch Telegraphenkabel darf nicht vorgeschlagen werden " ! Ein grösserer Ballon von etwa 1500 cbm Inhalt hat einen Durchmesser von gegen 14 m. Eine einfache Rechnung lehrt, dass derselbe in einer Ent fernung von 5 Meilen - 37 km unter einem Sehwinkel von 82 Sekunden , also etwa von der scheinbaren Grüsse des Planeten Mars erscheinen würde . 16 IX.

242

Aus den deutschen Vereinen für Luftschiffahrt.

Das von einem mittelst Glühlampen, oder selbst mittelst einer Bogenlampe erleuchteten oder beleuchteten Ballon ausgehende Licht ist aber so schwach. dass dasselbe in der genannten Entfernung nur mit Hülfe eines starken Fernrohres überhaupt würde gesehen werden können , falls der Beobachtungs ort fest, das Objekt unverrückt und in seiner Lage genau bekannt ist ; andernfalls wird es unmöglich sein, dasselbe aufzufinden . Nun denke man sich aber zwei fortwährend ihren Ort wechselnde, dabei sich um ihre Axen drehende frei fliegende Ballons in 37 km Entfernung und man wird einsehen. dass der in Aussicht gestellte 93 Orden " überhaupt nicht erworben werden kann ! Oder will der geistreiche Fragesteller etwa mit Heliotropen arbeiten. bei welchen das während der Nacht fehlende Sonnenlicht durch elektrisches Bogenlicht ersetzt wird? Er müsste dann schon , da die Ballons frei fliegende sein sollen, eine Dynamomaschine bei sich haben, welche ein Bogenlicht von 20,000 Kerzen Stärke erzeugt ! Als das Verständigste an der Frage erscheint aber die Warnung, beide Ballons durch ein Telegraphenkabel verbinden zu wollen ! Nehmen wir an, ein Kabel, gradlinige Ausspannung zwischen den Ballons als möglich voraus gesetzt, von 37 km Länge und 5 mm Durchmesser sollte hierzu dienen , so zeigt die Rechnung, dass dasselbe das geringe Gewicht von 5900 kg = 118 Zentner haben würde ! Um dieses zu tragen, müsste jeder der Ballons, Leuchtgasfüllung vorausgesetzt , den respektablen Inhalt von 7000 cbm besitzen. Da nicht gut anzunehmen ist , dass derartige Riesenballons zu dem Zwecke in Aussicht genommen sind , ist es von Herrn „Kapitän “ Maximilian Wolff - denn kein Anderer kann diese Frage gestellt haben recht anerkennenswerth , dass er den Preisbewerbern diesen freundlichen Wink ertheilt! Zu wahrem Danke aber wird die Luftschiffahrt dem Fragesteller ver pflichtet sein, wenn es ihm gelingen sollte, auf Preisfrage No. 11 eine Ant wort zu erhalten . Dieselbe lautet : "" Wie könnte man billig ein unbrenn bares Gas herstellen, welches unexplosibel wäre und sich für Ballonfüllungen Leider sind alle bisher bekannten unbrennbaren Gase schwer, eignet? alle leichten brennbar, wie Herr „ Kapitän “ Maximilian Wolff erst neuerdings bei der Explosion seines „ Ausstellungsballons " zu seinem Leidwesen erfahren musste . Das wäre also eine Aufgabe für Chemiker, welche gewiss nun ihre äusserste Kraft daransetzen werden, um sich den „ Orden " des „ Vereines zur Förderung der Luftschiffahrt in Köln a. R. " zu verdienen !

Zunächst wird es die Leser interessiren zu erfahren, dass der ganzen Luftschiffahrtsfrage der erste Impuls von Herrn Kapitän Maximilian Wolff in Köln, früher in Berlin in einem anderen ehrenwerthen Gewerbe thätig, ertheilt worden ist. Für die Geschichte der Luftschiffahrt darf diese That sache bei Leibe nicht übersehen werden ' Interessanter aber noch als diese Preisaufgaben ist die „ Studie " von Maximilian Wolff, betitelt Flugmaschine oder Luftschiff" ! In einem Stile, welcher dem bekannten „ ewigen Quartaner" alle Ehre machen würde, werden nach " logischen Schlüssen , welche sich auf Praxis und Theorie stützen “ , von demjenigen, welcher „ der ganzen Luftschiffahrtsfrage den ersten Impuls gegeben hat " , die vielen Anfragen über obiges Thema beantwortet. Man braucht wirklich nicht Fachmann zu sein, um den Werth dieser „ Studie" zu erkennen, welche 99 durch ein paar einfache Rechnungen die Behauptungen der grossen Propheten, welche noch nicht einmal einen Drachen haben steigen lassen, geschweige denn eine Flugmaschine gebaut haben,

Aus den deutschen Vereinen für Luftschiffahrt.

243

widerlegen will, damit nicht noch mehr Unheil in die Welt geschleudert werde " . Die einfachen Rechnungsstudien des Herrn Wolff werden aber wohl ihren Zweck verfehlen, wenn man liest, dass " die Tragfähigkeit eines Ballons mit der fünffachen Potenz wächst, sobald man den Durchmesser desselben verdoppelt. Man hat stets nur die doppelte Oberfläche (Widerstand), aber die fünffache Tragfähigkeit " . Jeder gewöhnliche Sterbliche , welcher 12 ein fache Rechnungen " ausführt , findet aber, dass, wenn ein Ballon von 5 m Durchmesser mit 78,5 qm Oberfläche 65,4 cbm Inhalt hat, ein solcher von X 2X 2X5-10 m Durchmesser eine Oberfläche von 2 × × 78.5 314 qm und 20 m einen Inhalt von 2 X2 X2 X 65,4 523 cbm, ein Ballon von 2X 10 Durchmesser eine Oberfläche von 2 X2 X314 - 1257 qm und einen Inhalt von 2 X2 X 2 X 523 = 4188 cbm besitzt. Gemeinhin nennt man diese Zu nahme der Oberfläche eine quadratische, die des Inhalts eine kubische, ent sprechend der dritten, nicht der fünften Potenz ! Die Studie " scheint also nicht auf den nothwendigen „ Vorstudien des Herrn 93 Kapitäns " aufgebaut zu sein! Trotzdem Herr Wolff sich viel in der Luft bewegt das vorliegende sind seine mete Heft erzählt ja mehrere interessante Fahrten desselben orologischen Anschauungen wirklich recht wenig gefestigt. Auf Seite 8 lesen wir, dass der Winddruck fast ausschliesslich von den Wolken zur Erde stattfindet und im Mittel 1/10 Atmosphäre beträgt " . Man nehme nur einen Regenschirm bei Wind zur Hand und man wird bald gewahr werden, dass es mit einer Flugmaschine vorbei ist, dieselbe wird einfach zur Erde gedrückt, an ein Aufsteigen ist nicht zu denken. Das Umgekehrte findet statt, wenn der Wind von der Erde zur Wolke geht, gegen solchen Druck hört jede Direktion auf. “ ,,Ist Wind, gleichviel , ob stark oder schwach, so ist die Luft gepresst, mithin dichter ! " „Ferner hat man es in der Gewalt, über alle Sturmregionen hinaus zu steigen, woselbst absolute Ruhe der Atmosphäre herrscht . Dies habe ich noch stets bei meinen Luftreisen bestätigt gefunden ! " Wenn wir die Cirruswolken in Höhen von 9-14.000 m mit einer Geschwindigkeit ziehen sehen , welche einer Fortbewegung von 30-50 m pro Sekunde entspricht, so will Herr Wolff stets absolute Ruhe der Atmosphäre" gefunden haben ! Wie hoch müsste er da wohl steigen? Zum Schluss ruft Herr Wolff allen Erfindern zu : Bedenkt, dass die Tragfähigkeit der Luft gleich ihrem Eigengewicht ist, also 1 Kilo pro Quadratmeter und 1 Kubik meter, dass mithin jeder grosse Ballon die grösseren Vortheile haben muss als die Schwebefläche bei gleicher Lasthebung ! " Sollte sich nicht jeder Erfinder diese trivialen Wahrheiten schon selbst gesagt haben , oder ist Herr Wolff der Meinung, dass er auch hierin "" den ersten Impuls ge geben hat"? Herr Wolff paradirt ferner mit einem „ transportabeln Wassergaserzeuger für Militär-Ballontrains " . Es würde zu weit führen , auch auf dieses Kind der Phantasie des Herrn ,, Kapitäns " einzugehen ; wir glauben nicht, dass die Militärverwaltung auf den Apparat reflektiren wird. Aber, so könnte man fragen, aus welchem Grunde wird von einem Machwerke , welches den Stempel des Unsinns so deutlich an der Stirn trägt, so viel geredet? Ist nicht ohne Weiteres anzunehmen , dass die vor liegende No. 1 der Zeitschrift "" das Luftschiff" mit ihrem Inhalt sich selbst ihr Grab gegraben hat? 16*

244

Mittheilungen aus Zeitschriften.

Die letzten Gründe für unsere ausführlichere Besprechung liegen in Folgendem . Erstens erscheint es uns im Interesse des Kölner Vereins für Luft schiffahrt im höchsten Grade bedauerlich , dass er sich selbst durch Ver quickung seines Namens mit diesem Machwerke bei allen Verständigen , Fachleuten oder nicht, diskreditirt. Wir können nur annehmen, dass die No. 1 ohne vorherige Prüfung des genannten Vereins in die Oeffentlichkeit gekommen ist! Wäre unsere Vermuthung falsch, dann wäre eine öffentliche Verwahrung gegen jede Gemeinschaft mit jenem Verein seitens aller Der jenigen unvermeidlich , welche auf dem Boden der ernsten und strengen Arbeit und Forschung im Gebiete der Luftschiffahrt stehen . Zweitens aber halten wir es für eine nationale Pflicht, hiermit öffent lich jedem Versuch, den Inhalt der No. 1 das Luftschiff den deutschen Luftschiffahrtsvereinen an die Rockschösse zu hängen, von vornherein die Spitze abzubrechen . Denn wir haben zur Genüge aus einem neuerdings in der 234. Lieferung des 49. Bandes des in Paris erscheinenden Le spectateur militaire " (1. Mai 1890) veröffentlichten Artikel des Herrn de Fonvielle , betitelt „ L'Aéronaute de Berlin" , sehen müssen, in welcher echt französischen Weise man jenseits der Vogesen die deutsche Luftschiffahrt betrachtet. Franzosen, auch solche von der Bedeutung des Herrn de Fonvielle, lesen in neuerer Zeit eifrig deutsche Fachzeitschriften, um zu sehen , ob man sie in Deutschland auch nicht überflügele. Das, was ihnen in den Kram passt, wird , wie Kraut und Rüben unter einander gewürfelt, dann mit einem geistreichen, aber möglichst gehässigen und geringschätzenden Artikel deponirt mit dem steten Refrain : On le voit, les prussiens sont bien loin d'être des rivaux à craindre ! Der genannte Artikel des Herrn de Fonvielle, auszugsweise in No. 7 der Zeitschrift für Luftschiffahrt wiedergegeben, leistet denn auch das Unmög liche in der Verdrehung und Verwechslung von Personen und Thatsachen und erregt deshalb auf jeder Seite unsere Lachmuskeln in erfreulicher Weise. Wir können uns ja nur darüber freuen, wenn uns unsere Herren Nachbarn zu leicht taxiren ! Wenn aber Herr de Fonvielle die No. 1 der Zeitschrift ...das Luftschiff in die Hand bekommt, und er wird dies sicherlich nicht versäumen, so wird er mit Recht wiederholen zu können glauben, ་་ dass die deutsche Nation nur Kürassiere und Gardegrenadiere, niemals aber Luft schiffer zu erzeugen im Stande sei ! “ Deshalb vor allen Dingen ist es eine Ehrensache der deutschen Luft schiffahrt und der ernsthaft an ihrer Vervollkommnung arbeitenden Vereine, vorweg jede Gemeinschaft mit den unklaren und sinnlosen Erörterungen und Projekten des Herrn Maximilian Wolff und seiner Nachbeter im „ Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Köln a. R. " abzulehnen . Wenn sich Herr de Fonvielle über diese Personen lustig machen will , wir können es nicht verhindern, bedauern nur, dass es Deutsche sind!

Mittheilungen aus Zeitschriften . L'Aéronaute. Bulletin mensuel illustré de la navigation aérienne, fondé et dirigé par le Dr. Abel Hureau de Villeneuve. 23. année. No. 1 bis 6. Januar bis einschliesslich Juni 1890 . Die Berichte über die Sitzungen des internationalen Kongresses für Luftschiffahrt gelangen mit diesen Heften zum Abschluss . Von den Fragen

Mittheilungen aus Zeitschriften.

245

allgemeiner Bedeutung, deren Annahme die Versammlung beschloss , müssen wir erwähnen : 1. Soll man die verschiedenen Regierungen veranlassen, Luftschiffer patente einzuführen? Ja, in der Erwartung, dass nach Gründung staatlicher Luftschifferschulen die Patente von Kommissionen der Regierung ausgestellt werden. 2. Es wird beschlossen, die Ballonwettfahrten nach vorausbestimmten Zielen zu ermuthigen, und 3. einen Entwurf, vom Ballon aus anzustellender Versuche und Be obachtungen vorzulegen . 4. Man setzt die folgenden Bezeichnungen fest : aérostat für einen nicht lenkbaren, aéronat für einen lenkbaren Luftballon, aéronef für einen Flugapparat, sustention für Kunstflug. 5. Es wird die Einsetzung einer dauernden Kommission beschlossen . welche ihre Aufmerksamkeit auf alle die Luftschiffahrt betreffenden Fragen richten soll. Unter ihren 22 Mitgliedern begegnen wir Namen wie Berthelot, Frémy, Déprez , Janssen . Marey, Mascart und andere. Die gesammte Sitzung schliesst mit einem Festmahle im Saale des Schlosses Meudon, jenem Saale, in dem Contelte mit dem von Conté erfundenen Firniss die ersten Kriegs ballons dichtete und sie gefesselt erprobte. Nach den üblichen Toasten hat der Kongress sein Ende erreicht, mit dessen Berichten der Aeronaut nicht weniger als 10 Nummern gefüllt hat. Den grössten Theil der Hefte bilden die ausführlichen Sitzungsberichte der société française de la navigation aérienne. Zu dem Versuche , Schwalben an Stelle der Brieftauben zu benutzen macht Sibillot die richtige Bemerkung : werden sie nicht im Herbst, wenn der Wandertrieb erwacht , ihre letzten Kräfte einsetzen, um den Süden zu erreichen, statt zu ihrem Neste zurückzukehren ?! Das Heft 4 und 5 bringen den Schluss eines im vorigen Jahre be gonnenen Aufsatzes von Bretonnière : Etude sur le vol plané , Studie über den Segelflug, und zwar behandelt der Verfasser hierin das Segeln im Zickzack und im Kreise oder der Spirale . Leider bestätigt sich hier die früher ausgesprochene gute Meinung über die Anschauungen des Verfassers nicht mehr. Obgleich er ausdrücklich von horizontaler Luftströmung mit gleichförmiger Geschwindigkeit spricht, so lässt er doch den Storch von ihr bald von hinten, bald von vorn Anstösse bekommen, ohne zu bedenken, dass es für den Vogel , sobald er überhaupt erst einige Zeit im Fluge begriffen ist, vollkommen belanglos ist, ob die Luftmasse, in der er sich befindet, in Bezug auf die Erde ruht, oder nicht. Sobald sie gleichförmig in ganzer Masse strömt, ist sie für sein Schweben immer als ruhend zu betrachten, nur Verschiedenheiten in der Geschwindigkeit der Strömung, zeitliche oder örtliche, können für das Schweben benutzt werden. Heft 6 hat folgenden Inhalt : Dr. P. C. Amans , Ueber einen Apparat , um die Triebkraft verschiedener Schaufeln zu messen. Verfasser ist der Meinung, dass die hin- und hergehende Bewegung, die man bei allen natürlichen Fort bewegungsvorgängen antrifft, der rotirenden unserer künstlichen Bewegungs maschinen, Rad, Schraube , weit überlegen sei . Was theoretisch richtig , sei nicht immer praktisch das Beste, wofür er einige treffende Beispiele anführt. Mittelst eines von ihm konstruirten Apparates, der eine Propellerschraube mit elastischen Schaufeln vorzustellen scheint, kommt er durch Versuche

Kleinere Mittheilungen .

246

zu den folgenden Resultaten : 1. Windschiefe Dreiecke sind solchen Recht ecken überlegen, 2. Thierische Dreiecksflächen (Flügel, Flossen) sind Drei ecken, welche Theile einer Schraubenfiäche sind, überlegen, 3. Jede Schaufel muss ihre grösste Dicke dem vorderen Rande näher haben als dem hinteren . Die Versuche sollen fortgesetzt werden. Die bisherigen Ergebnisse harmo niren ja mit einzelnen Angaben Lilienthals in seinem Buch „ der Vogel flug etc. " Wilfrid de Fonvielle , Ueber den Heiligenschein der Luft schiffer. Unter gewissen atmosphärischen Verhältnissen sieht der Luft schiffer seinen Schatten, den er auf den Erdboden oder eine Nebelmasse wirft, von einer Reihe farbiger Kreise umgeben . Jener bleibt von gleicher wahrer Grösse, welche Entfernung auch der Wolkenschirm habe, erscheint daher in der Ferne sehr klein. Diese behalten dagegen nahezu dieselbe Winkelgrösse und reichen daher bis zum Schatten des Ringes , des Appendix, der Ballonmitte oder nmschliessen den Schatten des ganzen Ballons , je nach der geringeren oder grösseren Entfernung der Wolke. Eine Erklärung dieser seltenen Beugungserscheinung hat Bravais gegeben in den cahiers de l'école polytechnique und in dem annuaire météorologique de France . Leider zitiert Fonvielle nicht genauer. Derval , Bemerkung über die Fortbewegung gleitender Züge mittelst der Luftschraube. Lucy, Auffahrt der Aurora. Es folgt der Bericht über die Sitzung der société française de navigation aérienne vom 8. Mai 1890 . Gl.

Kleinere Mittheilungen . ➖➖

Godard'sche Luftfahrten in Rom . Ueber den am 6. Juni in Rom stattgehabten Aufstieg des französischen Luftschiffers Godard in Rom entnehmen wir „ Il Diritto “ vom 7. Juni folgende Angaben : „ Vor einem äusserst zahlreichen Publikum fand gestern um 6 Uhr mit etwas über eine Stunde Verspätung der Aufstieg des Luftballons „ Roma “ des französischen Luftschiffers Godard statt. Zur Ausführung der vielfältigen Vorbereitungen waren Herrn Godard mehrere Mannschaften der Kavallerie und des Genie zur Verfügung gestellt worden. Mehrere Herren sollten an dem Aufstiege Theil nehmen, im letzten Augenblick ward aber nur Herr Cavallini, Dank seiner Magerkeit, ausgewählt, weil der Ballon zu wenig Aufsteigekraft hatte , um noch das Gewicht der anderen Herren zu bewältigen. Das Loslassen des Ballons erzeugte im Publikum eine äusserst lebhafte Erregung, aber nicht nur deswegen, weil die Szene an und für sich stets aufregend ist, sondern wegen eines Zufalls, der sich mit einem Arbeiter ereignete. Dieser war in ein Seil verwickelt, als der Ballon aufstieg, und ward in eine beträchtliche Höhe mitgeführt, und schrie furchtbar um Hilfe. Godard öffnete das Ventil seines Ballons ; dieser senkte sich langsam zur Erde und legte dort den Aermsten mehr todt als lebendig nieder. In der Höhe von etwa einem Kilometer ward der Fallschirm losgelassen, in dessen Gondel sich Herr Taupier, ein Verwandter Godard's , befand. Der um den Fallschirm erleichterte Ballon stieg bis 2940 Meter Höhe und landete um 7 Uhr 50 Min. bei der Villa Casati vor dem Thore S. Sebastiano . Der Fallschirm senkte sich majestätisch ohne irgend welchen Unfall bei der Villa Narducci bei il Portanaccu nieder, wo Taupier von dem Besitzer derselben und hinzugeeilten Freunden auf das Herzlichste begrüsst ward. Herr Cavallini erzählt mit Entzücken von seiner Fahrt und ist sofort wieder zu einer solchen bereit ; in fast 3000 Meter Höhe trank er mit Godard das Wohl Frankreichs und Italiens in gutem Cognack. " Am folgenden Tage unternahm Godard eine zweite Auffahrt in

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

247

Rom, über welche „ Il Popolo Romano “ vom 28. Juni d . J. nachstehendes berichtet : „ Am 27. Juni Morgens führte der Kapitän Godard im Verein mit der Prinzessin Pallavicini und der Baronesse De Renzis, dem Kapitän Pecori und dem Lieutenant Inciso in Rom einen freien Ballonaufstieg aus. Der Ballon ging gegen 10 Uhr Morgens auf und richtete seinen Flug auf Tivoli. Bei Fort Tiburtino hielt er einige Minuten an und setzte dann seine Reise fort, um etwa 3 Kilometer von Tivoli zu landen. Um 10 Uhr Abends kehrte man nach Rom zurück. Godard zog sich beim Verlassen der Gondel eine leichte Ver letzung des rechten Fussgelenkes zu, welche jedoch bei 4--5 tägiger Ruhe wieder gehoben sein dürfte." Berghaus. Von den Truppenübungen in Frankreich. Bei den Manövern des französischen II. gegen das I. Armeekorps, welche nahe der belgischen Grenze nordwestlich Cambrai stattfanden , nahm auch ein Luftschifferpark theil. Derselbe stand unter Befehl der Hauptleute Aaron vom 3. Genie - Regiment und Georget und hatte sich bei Solesmes, einem Dorf, welches 19 km von Cambrai ist, ein Depot eingerichtet. Das mitgeführte Material wich von dem früherer Uebungen wesentlich ab. Die Mitführung von acht grossen Vorrathswagen mit Stahlbehältern voll komprimirten Gases scheint für ein Anf geben der früheren Gaserzeuger , bei denen Wasserstoff aus Eisen und Schwefelsäure hergestellt wurde, zu sprechen . Wenn trotzdem noch ein Wagen dieser Konstruktion mitgeführt wird, dürfte solches wohl nur als Nothbehelf für alle Fälle geschaffen sein . Ausser diesen Fahrzeugen bestand der Train aus einem Ballonwagen, einem Geräthe Moedebeck. wagen und einer Dampfwinde . (La France militaire . ) Der Ballon ,,Figaro", welcher am 26. Juni d. J. Abends 9 Uhr mit den Luft schiffern Jovis und Mallet , sowie den Herren Giraud , Philippe Verne und Obertiam aufstieg und wie bekannt über Epernay, Reims, Chalons bis nach Meisenberg in der Pfalz fuhr, hatte ein elektrisches Glühlicht bei sich mit bunten Scheiben. Ein gewisser Herr Koch hat vom Eiffelthurm aus den Ballon elektrisch beleuchtet und war mit den Insassen desselben dahin übereingekommen , dass sie ihrerseits die Glühlampe scheinen liessen, sobald er den Ballon aus dem Lichtbündel des Scheinwerfers verloren hatte. Diese Beleuchtung dauerte bis gegen 10 Uhr. Das Licht im Ballon war schwach, aus der Schluss gezogen , dass es aber immerhin deutlich zu erkennen. Es wird möglich sei, für einen an der Festung vorbeifliegenden Ballon , Nachts Zeichen abzugeben . Man will hierdurch zu weiteren Versuchen anregen. Wenn man die sicheren Brieftauben für das Benachrichtigungswesen in Betracht zieht , so muss man doch wohl zugeben , dass obige Experimente nichts weiter als einen kleinen Humbug, eine Reklame, bedeuten. Moedebeck.

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. Weitere Versuche mit dem Vereinsballon ,, Meteor". Mit dem vom Vereine erbauten Fesselballon „ Meteor" wurden während der Monate August und September wiederholt Experimente angestellt , welche sich auf die Frage richteten, ob mittels mechanisch registrirender Instrumente überhaupt , besonders aber bei windigem Wetter brauchbare Registrirungen gewonnen werden könnten . Bei früheren Besprechungen ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die bei einem gefesselten Ballon unvermeidlichen Schwankungen und Erschütterungen die Anwendung mechanischer Registrirungen nicht gestatten würden , da die hierbei ein tretenden Oscillationen der schreibenden Vorrichtungen das Zustandekommen brauchbarer reiner Kurven ausschliessen müssten. Allein aus diesem Grunde war von Herrn von Sigsfeld die Registrirung auf photographischem Wege für die Apparate in Aussicht genommen worden .

248

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiff hrt.

Nachdem indess durch fortgesetzse Verhandlungen kein Zweifel mehr darüber bestehen konnte, dass der Fertigstellung solcher Apparate unüberwindliche Schwierigkeiten verschiedenster Art gegenüberständen, waren Versuche geboten, welche uns experimentelle Beweise für oder wider die Ausführbarkeit mechanischer Registrirungen bringen sollten. Der erste schon beschriebene Versuch mit seiner Anhängung der Instrumente missglückte vollständig . Am 28. August wurde ein zu dem Zwecke verfügbarer Ney'scher Thermograph starr in dem Ringe des Ballons befestigt und letzterer dann bei wind stillem Wetter in den Abendstunden bis 800 m in die Höhe gelassen. Abgesehen von den Störungen, welche durch die Erschütterungen beim Ab- und Aufwinden des Kabels bemerkt wurden, wurde eine leidliche Kurve erzielt, welche das interessante Resultat ergab, dass die Lufttemperatur um 6 Uhr Abends bis zur Höhe von 400 m, um 7 Ubr aber bis zu 700 m eine höhere war, als am Erdboden, wo fort gesetzte Ablesungen des Assmann'schen Aspirations - Psychrometers angestellt wurden. Wir hatten hiermit also die Erscheinung der sogenannten „ Temperatur-Umkehr vor uns, welche bewirkte, dass in 800 m Höhe die Lufttemperatur um nur 1,50 niedriger war, als am Erdboden, während dieselbe nach den Gesetzen der Temperaturabnahme mit der Höhe um wenigstens 4º hätte niedriger sein müssen. Herr Lieutenant Gross, unter dessen Leitung der Versuch, wie alle früheren, statt fand, konstruirte nun auf Grund der an diesem Tage gewonnenen Erfahrungen eine federnde kandanische Aufhängung im Ballonringe, mit welcher am 6., 8. und 9. September weitere Experimente angestellt wurden. Am 6. September war das Wetter ziemlich windig ; der Ballon wurde, um die Oscillationen des Apparates besser beobachten zu können, nur bis 70 m Höhe aufgelassen , wobei er stark hin und her schwankte und rollte. Trotzdem wurde eine reine Kurve gewonnen, welche nur dann gestört erschien, wenn die Kabelwinde in Thätigkeit trat, oder wenn der Apparat bei starken Schwankungen mit den seitlichen Ringleinen in Be rührung gerieth. Am 8. September wurde der Ballon nachgefüllt und stieg gegen 5 Uhr bei windigem Wetter bis 400 m auf. Das Resultat war ein ziemlich befriedigendes, die Kurve war nahezu frei von störenden Oscillationen. Am 9. September wurde der Ballon ohne Nachfüllung bei frischem Winde von 93 Vormittags bis 1 Uhr Nachmittags in mässiger Höhe ( 100-200 m) gehalten, wobei er eine recht brauchbare und reine Kurve lieferte, trotzdem er nicht unbeträchtlich schwankte und rollte. Allein bei Höhenänderungen durch Auflassen und Einholen des Kabels traten seitliche Ausläufer der Kurve auf. Aus den hier mitgetheilten Versuchen , besonders aus den letzten, geht mit Deut lichkeit hervor, dass es gelingen muss , mittels eines sorgfältig aufgehängten mechanisch registrirenden Apparates durchaus brauchbare Aufzeichnungen zu erhalten, so dass kein Grund vorliegt, die definitive Indienststellung des Ballons vor der Fertigstellung der zwar viel eleganteren, aber auch in der Handhabung so viel umständlicheren photo graphischen Apparate abhängig zu machen. Aus diesen und manchen anderen Gründen wurden demnach unter Verzicht auf die photographisch registrirenden Apparate die nothwendigen Schritte gethan , um zu einer allen Anforderungen genügenden mechanischen Registrirung zu gelangen , über deren Erfolg ich in der nächsten Zeit berichten zu können hoffe. ,.Meteor" aber , welcher sich bei den bisherigen Versuchen vorzüglich bewährt hatte, erhält inzwischen einen vierten Firniss und einige Einrichtungen zur leichteren Assmann. Füllung.

Druck von Beyer & Münch, Berlin SW., Kochstr. 55.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W. , Jägerstrasse 73.

IX. Jahrgang.

Heft XI.

1890.

Flugmaschine oder lenkbares Luftschiff? Von F. H. Buchholtz, Oberstlieutenant a. D. Das vorige Heft enthält einen Aufsatz : für Luftschiffahrt " ,

„ Aus den deutschen Vereinen

in welchem der ungenannte Verfasser die schwierige,

heute wohl kaum mit einiger Sicherheit zu beantwortende Frage, ob Flug maschinen oder lenkbare Luftschiffe mehr Aussicht für die Zukunft haben, in nachstehender Weise zu erledigen sucht : „ Das „ lenkbare Luftschiff" , dieses moderne „ perpetuum mobile " , be herrschte jahrelang die Verhandlungen aller Luftschifferkreise ; die mit grosser Emphase in die Welt trompeteten , in Wirklichkeit minimalen Erfolge der Franzosen

auf diesem Gebiete verdrehten auch bei uns

manchem für Besseres geschaffenen Menschen den Kopf, bis sich endlich die Ueberzeugung von der Aussichtslosigkeit der diesbezüglichen Bemühungen in den klaren Köpfen Bahn brach. „ Das Studium

des Vogelfluges

in

systematischer und

konsequenter

Weise von eifrigen Forschern in Angriff genommen, führte unter der Mit hülfe der Momentphotographie zu wesentlich neuen Ergebnissen, welche die Möglichkeit für den Menschen, sich willkürlich ohne Anwendung des Gas ballons in die Luft zu erheben in eine erreichbare Nähe rückten, so dass anzunehmen ist,

das 19. Jahrhundert werde nicht zur Rüste gehen,

dass dieser uralte Traum vom „ ikarischen Fluge "

ohne

bis zu einer gewissen

Grenze in Erfüllung gegangen sein wird. " Die redaktionelle Bemerkung zu dem Aufsatz könnte nun vielleicht die Meinung hervorrufen , als wenn mit dem Angeführten die Ansicht des Vereins ausgesprochen sei,

während dies durchaus nicht der Fall ist und

mir augenblicklich noch keine genügende Berechtigung vorzuliegen scheint,

250

Flugmaschine oder lenkbares Luftschiff.

in so emphatischer Weise von der nahe uralten Traumes zu sprechen. Beide Methoden,

bevorstehenden Erfüllung des

das Problem zu lösen,

haben stets eine mehr oder

minder grosse Zahl von Vertretern gehabt und habe ich auf beiden Seiten klare und unklare Köpfe gefunden , da sich theoretisch für beide Flugarten die Möglichkeit nachweisen lässt. Die Schwierigkeit liegt eben, wie schon Prof. v. Helmholtz *) nachgewiesen hat, in der praktischen Ausführung, in der Ueberwindung der technischen Schwierigkeiten . In ersterer Hinsicht kommt er zu folgendem Schluss : „ Es erscheint deshalb wahrscheinlich ,

dass im Modell der grossen

Geier die Natur schon die Grenze erreicht hat, welche mit Muskeln , als arbeitsleistenden Organen und bei möglichst günstigen Bedingungen der Er nährung für die Grösse eines Geschöpfes erreicht werden kann,

welches

sich durch Flügel selbst heben und längere Zeit in der Höhe erhalten soll . Unter diesen Umständen ist es kaum als wahrscheinlich zu betrachten, dass der Mensch auch durch den allergeschicktesten, flügelähnlichen Mecha nismus, den er durch seine eigene Menschenkraft zu bewegen hätte, in den Stand gesetzt werden würde, sein eigenes Gewicht in die Höhe zu heben und dort zu erhalten . " Es würde dies nicht ausschliessen , dass leichte und sehr kräftige Motoren diese Arbeit dennoch würden leisten können ; es wäre deshalb theoretisch die Möglichkeit derartige Flugmaschinen zu bauen nicht ausge schlossen, doch dürfte es wohl berechtigt sein, aus anderen Gründen, die hier darzulegen der Raum nicht gestattet,

so lange an einem praktischen

Erfolg zu zweifeln, bis Thatsachen das Gegentheil beweisen. keit ist in dieser Richtung noch kein Versuch der Annahme berechtigen könnte, Bestimmtheit ausgesprochen ist.

die

In Wirklich

ausgeführt worden,

der zu

in jenem Artikel mit so schroffer

Selbst der Spielzeug- Industrie ist es noch

nicht gelungen, einen der sogenannten Flieger als Vogel herzustellen , derartigen Spielzeuge werden mittels Schraubenflügel gehoben . In Erwägung der Möglichkeit, Luftschiffe lenkbar zu machen,

alle ·

d. h.

ihnen eine bestimmte Eigenbewegung zu verleihen, bespricht Helmholtz den zu damaliger Zeit bedeutendsten derartigen Versuch von Dupuy de Lôme und sagt in Bezug darauf:

„ Gehen wir von unserem idealen Ballon auf einen von dem Gewichte des Herrn Dupuy zurück, so ergiebt sich eine

Reduktion der Geschwindigkeit im Verhältniss von 1,36 : 1 ; dies gäbe eine Geschwindigkeit von 14,15 Fuss für die Sekunde, oder 16,5 Kilom . für die Stunde. . . . . Die Verhältnisse zwischen Arbeit und Belastung haben in Herrn Dupuy's Versuch den eben vorausgesetzten nahehin entsprochen . “ Die Arbeit schliesst dann mit der Bemerkung : „Man kann also sparsam nur arbeiten mit verhältnissmässig langsam

*) IV. Jahrg . v. 1885 Heft VIII.

Flugmaschine oder lenkbares Luftschiff.

bewegten grossflächigen Motoren (Schrauben) .

251

Und diese in den nöthigen

Dimensionen ohne zu grosse Belastung des Ballons herzustellen , wird eine der grössten praktischen Schwierigkeiten sein . “ Damit hat Helmholtz die Möglichkeit, lenkbare Luftschiffe zu konstruiren ebensowenig ausgeschlossen , wie vorher die der Flugmaschinen .

Während

nun aber auf diesem Felde seit jener Zeit keine praktischen Erfolge erzielt worden sind, hat man in der Lenkbarmachung von Luftschiffen immerhin erhebliche Fortschritte (im Hinblick auf den Versuch von Dupuy) gemacht, wie dies sowohl in der Zeitschrift, wie auch in dem Werk des Lieutenant Moedebeck dargelegt worden ist. Wenn Verfasser des Artikels die französischen Erfolge in so gering schätziger Weise erwähnt, thut er unsern Nachbarn Unrecht und müssen wir uns doch wohl hüten in denselben Fehler zu verfallen , den wir ihnen so oft zum Vorwurf machen . Wer die bei diesen Versuchen gewonnenen Resultate aufmerksam studirt, wird vielmehr die Bestätigung der von Helmholtz ausgeführten Berechnungen und Voraussagungen finden . Wenn es Renard mit seinem Ballon bis zu einer Geschwindigkeit von etwa 6 m in der Sekunde gebracht hat, so verdankt er dies unzweifelhaft zum grossen Theil der von Helmholtz empfohlenen grossflächigen Flügel Wenn man nun in schraube mit nur 46 Umdrehungen in der Minute. Anbetracht der vorherrschenden durchschnittlichen Windstärken diese Ge schwindigkeit für viel zu gering hält, so vergisst man, dass sowohl unsere Lokomotiven, wie auch Dampfschiffe auch langsam angefangen und erst mit der Zeit die heutige Geschwindigkeit erreicht haben . Noch im Jahre 1867 gab mir ein Marine-Ingenieur die Versicherung. dass

18 Knoten die grösste Geschwindigkeit sei,

Schiff würde erreichen können , 27 Knoten laufen!

heute

welche man bei einem

haben wir Torpedoboote ,

welche

Ebenso wie die Brüder Mannesmann in ihrem Schwungrad eine grosse überwunden haben , wird die Technik auch im Stande sein, ähnliche Aufgaben mit Geschick zu lösen und erscheint es mir

technische Schwierigkeit

deshalb jedenfalls unvorsichtig die Lenkbarkeit von Luftschiffen mit dem „perpetuum mobile" zu vergleichen. Lieutenant Moedebeck trifft wohl das Richtige,

wenn

er nach Be

sprechung der bisher mit lenkbaren Luftschiffen gemachten Versuche sagt : „ Dass mit der Zeit Fortschritte gemacht sind, wird sicherlich jedermann einleuchten ; um aber das Ideal menschlicher Wünsche zu erreichen, dazu bedarf es noch tiefer Ueberlegung, Ausdauer! "

reger Thätigkeit und unbezwinglicher

Wenn man seit jener Zeit von weiteren Fortschritten auch nichts gehört hat ,

ist man deshalb wohl noch nicht berechtigt sie überhaupt zu

bezweifeln, da in der Entwickelung derartiger Maschinen sehr häufig grössere

252

Zur Theorie der Bewegungen, insbesondere des dynamischen Fluges .

Pausen eintreten , wunden werden .

ehe einzelne besondere technische Schwierigkeiten über Jedenfalls sind auf diesem Wege bisher immer noch

bessere Erfolge erzielt, als mit Flugmaschinen, von denen sich noch keine auch nur einen Meter hoch zu heben vermocht hat. Hoffen wir, dass die augenblicklich bei uns in Deutschland von sach kundiger Seite ausgeführten Versuche betreffs Konstruktion einer Flug maschine uns eines Besseren belehren werden!

Zur Theorie der Bewegungen , insbesondere des dynamischen Fluges. Von Rechnungsrath Keiper in Hofgeismar. I. Obgleich wir täglich die gefiederten Bewohner der Lüfte mit ausser ordentlicher Leichtigkeit dahin

fliegen sehen,

ist es bis jetzt trotz vieler

Bemühungen doch nicht gelungen, eine mechanische Erklärung für diesen Bewegungsvorgang zu finden. in

der

Diese Misserfolge dürften wohl vorzugsweise

zu oberflächlichen Erörterung der vornehmsten Grundbedingungen

für den dynamischen Flug zu suchen sein .

Denn sonst würden schwerlich

vorgefasste Meinungen, die geeignet sind den Gang der Betrachtungen auf unrichtige Bahnen zu leiten , so fest sich eingebürgt haben . Das Fliegen ist, ebenso wie das Gehen und Schwimmen , eine durch innere Kraft hervorgerufene Bewegung eines Körpers . Erste Grundbedin gung für die Bewegung ist das Gewicht desselben, das er nur im Verein mit einem grösseren Körper durch gegenseitige Anziehung erlangen kann , einem Körper, auf den er sich stützt und in dessen Bereich er seine Bewegungen ausführt. Eine

weitere

Bedingung

ist das richtige

Festigkeit und Form des Körpers Letztere muss Verschiebung

Verhältniss

zu der ihm

der Schwere,

inne wohnenden Kraft.

in dem Körper entweder eine Formveränderung oder eine seiner einzelnen Theile hervorrufen,

Gleichgewicht stören ,

dadurch momentan das

und dasselbe in neu geschaffener Lage wieder her

stellen, um die Bewegung des Körpers fortzuführen , oder ihn in den Ruhe stand zu versetzen . Ausser dem Gewicht,

der Form und der Kraft des Körpers haben

wir jedoch noch mit anderen sehr wichtigen Faktoren zu rechnen, und das sind Ort und Art der Bewegung, die wie jene gleichfalls in inniger Beziehung zu einander stehen.

Als Orte der Bewegung kennen wir drei Medien : den

festen Boden, das Wasser und die Luft. stets

von

den

hinteren

Extemitäten

Die Art der Bewegung, welche

ausgeht

und

meistens nach vorne

gerichtet ist,

ist abhängig von der Lage der Stützpunkte, d . h . von der Gleichgewichtslage . -Wir unterscheiden nur drei Arten des Gleichgewichts,

nämlich das indifferente, das labile und das . stabile Gleichgewicht.

Zur Theorie der Bewegungen, insbesondere des dynamischen Fluges.

253

Beim Schwimmen auf und in dem Wasser befindet sich der Körper im indifferenten Gleichgewicht. Der Vorgang der Bewegung wird vermittelt durch Rückstoss und Rudern . Wenden wir hierbei Maschinen an , so können dies nur Schiffsschrauben , Schaufelruder oder einfache Handruder sein. Der Widerstandskoeffizient ist nicht konstant, Quadrate der relativen Geschwindigkeit grosser Geschwindigkeit sehr bedeutend .

sondern wächst mit dem

des Fahrzeuges, und wird bei Es wächst aber auch noch bei

stärkerer Belastung des Fahrzeugs in Folge dessen grösseren Tiefganges und der grösseren Schwere die aufzuwendende Arbeit. Will man ein Luft fahrzeug wie ein Schiff behandeln (was in der That die meisten Erfinder auf diesem Gebiete als selbstredend annehmen zu müssen glauben) , dann muss freilich der angestrebte Flug der überhitzten Phantasie zum Fluche werden. Denn alles Mühen wird vergeblich sein, da bei dem indifferenten Gleichgewicht die zum Fliegen nothwendige Energie der Bewegung nicht vorhanden ist. Beim Gehen auf fester Unterlage ist der Körper im labilen Gleich gewicht. Er wird durch Muskelkraft bei horizontaler Fortbewegung um nahezu 10 % der Schrittlänge gehoben, kommt dadurch aus seinem Gleichgewicht, und fällt durch seine Schwere vorwärts . Abwechselnd stützen ihn die Beine, verhindernd .

abwechselnd pendeln sie nach,

seinen Fall damit

Dabei nehmen die Arme gleichfalls eine pendelnde Bewegung

an, dem Körper als natürliche Balanzirstangen zur Erhaltung des Gleich gewichts dienend,

und ihm

zur Förderung der Bewegung einen gewissen

Schwung gebend. Wenden wir Maschinen an, so bedienen wir uns als Ersatz für die Beine der Räder. Für die Bewegung der Wagen auf Eisenbahnen ist der Reibungskoeffizient nur 0,003 bis 0,005, und der Luftwiderstand in Ansehung der bedeutenden Energie der fortbewegten Masse kaum in Rechnung zu stellen. Es können desshalb auf diese Weise auch bedeutende Lasten mit sehr grosser Geschwindigkeit und verhältnissmässig geringer Kraft fort geschafft werden. Der erste Erfinder des Rades hat wol schwerlich eine. Ahnung von heute

der Tragweite

der schlichte,

seiner Idee gehabt,

ebenso

wenig wie noch

wenig gebildete Mensch ohne Belehrung die Theorie

des Fuhrwerks auf den menschlichen Gang zurückzuführen im Stande sein Und wie würden wir, wenn unser Dasein auf einer anderen dürfte. organischen Grundlage beruhte, uns wohl den menschlichen Gang erklären, wenn die Beweise verdeckt wären ,

wie bei den Vögeln ,

und nur das

Schlenkern der Arme als vorherrschende Bewegung sich zeigte? Beim Fliegen in der Luft befindet sich der Körper unzweifelhaft im stabilen Gleichgewicht . Der stets nach vorne gerichtete Pendeldruck des Körpers wirkt beschleunigend auf die ihm als Stütze dienenden Flugflächen, die sich auf einer schiefen Ebene fortbewegen , Jeder Flügelschlag bedeutet einen Flugschritt. Das Auf- und Niederdrücken der Flügel ist lediglich

Zur Theorie der Bewegungen , insbesondere des dynamischen Fluges .

254

eine Folge der stossweisen Hebung des Körpers , welche beim Horizontal fluge die während eines Flugschrittes verlorene Höhe ersetzt . Dieser Höhenverlust ist nach der von Gerlach zur Ermittelung der Fallschirm geschwindigkeit

und der durch Vorwärtsbewegung entstehenden

Sinkver

minderung gegebenen Anleitung für jeden Flugschritt leicht zu ermitteln. Nach der Theorie der schiefen Ebene bedeutet das Verhältniss des Höhen verlustes zur Länge des Flugschritts das zur Hebung des Körpers aufzu wendende Kraftmass, das im Gegensatz zu dem im indifferenten Gleichgewicht sich befindenden Schiffe mit dem Quadrate der relativen Geschwindigkeit, statt, wie dort sich zu vergrössern, sich hier vermindert. es dem Vogel möglich,

Nur dadurch wird

in schnellem Fluge mit erhöhtem Kraftaufwande

die grössten Höhen zu erreichen . Unter anderen Verhältnissen sollte ihm wohl hierzu nur zu bald die Kraft versagen. Die zur Hebung des

Körpers

aufzuwendende Kraft liegt übrigens

vorzugsweise in den hinteren Extremitäten, den Schenkeln, Druck den Aufschwung des Körpers

ermöglichen .

welche durch

Man

sieht dies auch

sowohl beim Aufsteigen wie beim Niedergang der Vögel .

Selbst bei den

grössten und gewandtesten Seglern, der Schwalbe, dem Adler u . s. w. haben die Schenkel gewiss nicht durch den Gang, sondern lediglich nur durch den Flug sich so kräftig entwickeln können, wie es der Fall ist . Demgemäss unterscheidet sich auch der sogenannte Ruderflug von dem Segelflug nur durch den stossweise bzw. dauernd angespannten Muskeldruck der Schenkel , in welchem letzteren Falle der Flügelschlag überflüssig wird. Da die Vorwärtsbewegung stets auf einer relativ schiefen Ebene vor sich geht, und der Pendeldruck des Körpers eine beschleunigende Wirkung hat, so ist wenigstens theoretisch kein weiterer Aufwand von Muskel kraft hierzu richtung

wird

erforderlich . bei

Auch der Luftwiderstand in der Bewegungs

angemessener Form

der Flugflächen

durch die

dem

Pendeldruck inne wohnende Energie bis zu einer gewissen Grenze ebenso leicht überwunden , wie bei den im labilen Gleichgewicht fortbewegten schweren Massen.

Wir befinden uns hier auf einem Gebiete , das unseren Anschauungen noch ziemlich fern liegt. Insbesondere wird die Sache schwieriger, wenn wir die Leistungen des Vogels durch Maschinen ersetzen wollen. Wir können uns weder wie beim Schiffe der Schrauben und der Ruder, noch wie beim Wagen der Räder bedienen, da wir es weder mit dem indifferenten noch mit dem labilen ,

sondern mit dem stabilen Gleichgewicht zu thun

haben, und also folgerecht nur den Pendel zur Anwendung bringen können . Eine vollständig neue Art von Maschine tritt da in unseren Gesichtskreis , die , wenn sie leistungsfähig sein soll, kontinuirlich sich bewegen muss . Das Resultat einer mehrjährigen Forschung ist eine Art 99 Radpendel " wie wir es nennen wollen . ― Im Prinzip richtig , ist es in der Konstruktion jedenfalls

noch

sehr

primitiv

und

verbesserungsbedürftig.

Zur Theorie der Bewegungen, insbesondere des dynamischen Fluges . Auch

sind

verschiedene

255

Anordnungen und Zusammenstellungen möglich,

deren Zweckmässigkeit und Vervollkommung erst durch das Experiment festgestellt werden kann , und die sich erst in der Praxis zu entwickeln vermögen . In erster Linie soll dieser Mechanismus auch nur dem Zwecke dienen , die vorgeführte Idee zur Anschauung zu bringen und die Ausführbarkeit nachzuweisen. Es

wird

vorbehalten

in

einer

weiteren

Abhandlung

verschiedene

Formen dieser Flugmaschine durch Zeichnung,

Beschreibung und Erläute

rung vorzuführen , Falls dies gewünscht wird.

Wenn, wie jede andere

neue Erfindung, auch diese vorerst noch als unfertig sich erweist, so regt doch eine Aussprache nicht selten zu neuen Ideen an, und würde es dem Verfasser freuen , wenn auch andere hierzu befähigte Männer an dem von ihm begonnenen Werk thätigen Antheil nehmen wollten. II. Im

ersten Theil dieser Abhandlung wurde auf den sehr wichtigen

Umstand hingewiesen , dass bei der Pendelflugmethode der Flügelschlag im direkten Zusammenhange mit der Hebung des Körpers stehe, diese Hebung den Höhenverlust ersetze , und das Verhältniss dieses Höhenverlustes zur Länge des Flugschritts

oder,

was

dasselbe ist,

das Verhältniss

der

durch Gleitgeschwindigkeit veränderten Fallschirmgeschwindigkeit zur Flug geschwindigkeit - das zur Hebung des Körpers aufzuwendende Kraftmass bedeute, und dies mit der Quadrate der relativen Fluggeschwindigkeit sich verringere. der

in

Es ist nämlich für die Berechnung einerlei, ob der Vogel bei

einer

Sekunde

erzielten

Fluggeschwindigkeit

den

Höhenverlust

während dieser einen Sekunde mit einem Male durch einen Flügeldruck, oder durch öfteren Flügeldruck in Raten ersetzt .

Der Prozentsatz der auf

zuwendenden Kraft gegenüber der Last bleibt derselbe. Bezeichnen wir den Prozentsatz mit , die aufzuwendende Kraft mit P,

incl. Last mit G,

und den Elevations

winkel mit a, so erhalten wir Pp . G + sin a G.

das Gewicht

der Segelfläche

Der Koeffizient pist

aus dem Verhältniss der Segelfläche zur Last und aus der Fluggeschwin- . digkeit leicht zu berechnen , wenn man die durch Gleitgeschwindigkeit ver minderte Fallschirmgeschwindigkeit kennt.

Letztere hat Herr Oberlehrer

Gerlach im V. Jahrgang der Vereinszeitschrift bereits klargestellt, und wird hier darauf Bezug genommen . In der nachstehenden tabellarischen Uebersicht stellt Rubrik 1

das

Verhältniss der Segelfläche in Quadratmeter zum Gewicht in Kilogramm dar, die übrigen Rubriken bezeichnen den Koeffizienten für die im Kopf näher bezeichneten Fluggeschwindigkeiten . Aus der nachstehenden tabellarischen Uebersicht erhellt, dass ein Vogel , dessen Gewicht in Kilogramm zur Segelfläche in Quadratmeter sich wie 2 : 1

256

Zur Theorie der Bewegungen, insbesondere des dynamischen Fluges.

Verhältniss der Segel fläche zum Gewicht

Koeffizient u zur Ermittelung der aufzuwendenden Kraft bei einer Flug geschwindigkeit pro Sekunde in Meter

qm : kg

3

4

5

6

8

10

15

20 20

25

30

1: 1 1:2 1:3 1:4 1: 5 1: 6 1:7 1:8 1: 9 1:10

0,50 1,00

0,281 0,562 0,843

0,18 0,36 0,54 0,72 0.90

0,125 0,250 0,375 0,500 0,625 0,750 0,875 1,000

0,070 0,141 0,211 0,281 0,351 0,421 0,492 0,562 0,632 0,703

0,045 0,090 0,135 0,180 0,225 0,270 0,315 0,360 0,405 0,450

0,020 0,040 0,060 0,080 0,100 0,120 0,140 0,160 0,180 0,200

0,011 0,022 0,033 0,044 0,056 0,068 0,079 0,090 0,101 0,112

0,007 0,014 0,021 0,028 0,035 0,042 0.050 0,058 0,065 0,072

0,005 0,010 0.015 0,020 0,025 0,030 0.035 0,040 0,045 0,050

verhält,

schon bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 3 Meter sein volles

Gewicht zu heben hat, also seinen Flug nur durch einen Sprung einleiten kann. Der Storch bedarf hierzu schon eine Anfangsgeschwindigkeit von 4-5 Meter, der Adler 5-6 . der Albatros 6--8 Meter Anfangsgeschwindigkeit. Es ist daher sehr erklärlich , dass dieselben ihren Flug entweder von hoch gelegenen Punkten aus, oder gegen den Wind beginnen .

Sobald der Vogel

aber eine grössere Geschwindigkeit erlangt hat , erfolgt der Flug mit grosser Leichtigkeit,

und erfordert

erst einen grösseren Kraftaufwand,

wenn der

Vogel sich höher schwingt, und der durch erhöhte Geschwindigkeit erlangte Kraftüberschuss hierzu nicht ausreicht. Unter Hinzufügung von sin a als weiteren Koeffizienten lässt sich die tabellarische Uebersicht noch erweitern , und kann dann ermessen werden, welcher Geschwindigkeit der Vogel bei mehr oder weniger aufsteigendem Fluge bedarf, und in wieweit dieser Mehrbedarf durch den bei grösserer Geschwindigkeit erlangten Kraftüberfluss gedeckt erscheint. Man sieht daraus zur Genüge, dass die Kraft des Vogels zur Erlangung der Anfangs geschwindigkeit nur schwach ausreicht, und dass es ihm geradezu unmöglich wäre ,

nach der von vielen Flugtechnikern bisher aufgestellten (für die

Luftschwimmkunst berechneten)

Schablone

zu fliegen,

und so nebenbei

auch noch den mit dem Quadrate der relativen Geschwindigkeit sich ver grössernden Luftdruck durch seine Muskelkraft zu überwinden. Wir wollen Maschinen stellt.

nun sehen ,

wie

sich die

Sache bei

Anwendung von

Nehmen wir die Segelfläche zu 100 qm mit einem Gewicht

von 100 kg an, das rotirende Pendel mit Zubehör zu 100 kg, eine Maschine zu 2 Pferdekräften incl . Brennmaterial zu 250 kg, endlich 2 Personen zur Bedienung zu 150 kg, macht zusammen rund 600 kg.

Rechnet man bei der

Maschine 60 % Nutzeffekt, so ergiebt dies 90 mkg . Dividirt, man mit 600 = 0,15, und somit nach Ausweis der in 90 , so würde der Koeffizient

Zur Theorie der Bewegungen, insbesondere des dynamischen Fluges.

257

tabellarischen Uebersicht die Anfangsgeschwindigkeit ca. 15 Meter pro erste Sekunde betragen müssen. aufwande,

Bei derselben Segelfläche und demselben Kraft

aber bis auf 800 bezw . 1000 kg erhöhtem Gewicht

würde die

Anfangsgeschwindigkeit bis auf 20 bezw. 25 Meter pro erste Sekunde ge steigert werden

müssen .

Es ist dies nur möglich durch Fall von einer

hohen Lage , durch Herabrollen auf einer künstliche Einleitung der Bewegung.

schiefen Ebene

oder sonstige

In Betreff des Luftwiderstandes muss bemerkt werden, dass sowohl die schiefe Ebene, als auch das Pendel den Fallgesetzen unterliegen . Es würde daher auch hier die Formel für die Fallschirmgeschwindigkeit u = Vp : kf zur Anwendung kommen können . Ist also beispielsweise p = 600 bis 1000 kg, kg, f (der

durch zugespitzte Form reduzirte Quer

schnitt der Flugmaschine) = 4 qm,

so würde u mit ca. 35 bis 45 m pro

Sekunde diejenige Grenzgeschwindigkeit bezeichnen , bis zu welcher der Luft widerstand überwunden wird .

Da die Anfangsgeschwindigkeit,

wie oben

nachgewiesen, nur 15-25 Meter betrug, so würde der erhebliche Kraft überschuss zum Auftriebe wenn auch zeitweilig auf Kosten der Ge schwindigkeit

leicht zu verwenden sein .

In wie weit nun auch grössere Lasten durch ein besonderes Verfahren transportirt werden können,

was durchaus nicht ausgeschlossen

erscheint,

darüber wird eine spätere Betrachtung vorbehalten , und zwar um der ersten Kritik nicht eine zu weite Ausdehnung zu lassen, und damit das Urtheil zu erschweren . Und so soll denn zunächst erst das rotirende Pendel ange führt werden . Nachschrift. In Bezug auf die in der obigen tabellarischen Uebersicht dargestellten Werthe dürfte folgende kleine Auseinandersetzung nicht ohne Interesse sein . Bezeichnet man den Fallraum der ersten Sekunde im Mittel mit s, das Ge wicht in Kilogramm mit G, die Segelfläche in Quadratmeter mit F, und die Fluggeschwindigkeit mit v, so erhält man in der Formel für die durch. S.G Gleitgeschwindigkeit veränderte Fallschirmgeschwindigkeit := F.v' auf diesem sehr einfachen Wege annähernd überall dieselben Resultate, die Herr Ober lehrer Gerlach in Band V, S. 81 der Vereinszeitschrift zur Darstellung gebracht hat, deren Richtigkeit wohl nicht anzuzweifeln ist. legung der obigen Formel würde dann der Koeffizient p

Arbeit des Horizontalfluges (p . G) =

Unter Zugrunde S.G und die F.v2

s.G2 sich ergeben , während die Arbeit. F.v2

für den horizontalen Schwebeflug nach den bisherigen Annahmen (welche 8 G2 ― sein von der Schwimmarbeit hergeleitet ist) im günstigsten Falle F.v IX.

17

Die Luftschiffahrt in der Marine .

258 soll .

Man ersieht daraus von Neuem, dass man in der Luft nicht rudern,

nicht segeln, überhaupt nicht schwimmen kann, sondern fliegen muss in des Wortes buchstäblichster Bedeutung.

Die Luftschiffahrt in der Marine. In Wilhelmshaven hat eine Luftschifferabtheilung an Bord des Artillerie schulschiffes 99 Mars " einige Versuche mit einem Fesselballon gemacht, die in

dieser ungünstigen Jahreszeit kein

haben.

Es

befriedigendes

ist aber wenigstens erfreulich,

Ergebniss

geliefert

dass auch in Deutschland der

Anfang zu Uebungen gemacht ist, wie der Fesselballon im Seekriege von der Marine mit Vortheil benutzt werden kann. Frankreich hat in diesen Uebungen einen Vorsprung gemacht, den es einzuholen gilt.

Besonders

in diesem Jahre haben die Uebungen zu be

merkenswerthen Ergebnissen geführt , gehender berichtet haben .

über welche Touloner Blätter ein

Wir geben aus der Zusammenstellung des „ Journ .

de la Marine " Folgendes wieder : Am 30. August fand eine Inspizirung des Luftschifferparkes der Marine von Lagoubran in der Nähe von Toulon statt . Der Park ist mit einer Luftschifferschule verbunden, welche unter der Leitung des Lieutenants z. S. Serpette steht.

Nachdem der Inspekteur, Admiral Rieunier,

sich von

den

Fortschritten der Eleven überzeugt, wünschte er selbst eine Auffahrt zu machen; er nahm neben dem Luftschiffer in der Gondel Platz und komman dirte : Steigen, halten, fallen . mit

Da das Drahtseil, welches den Ballon hielt,

einem Telephon verbunden war,

so wurden

die Befehle

sofort

nach

ihrer Ertheilung zur Ausführung gebracht. Nachdem der Admiral den Ballon verlassen und derselbe wieder etwas gestiegen war, wurde der Ballon auf ein Torpedoboot gebracht, welches, während der Ballon im schwebenden Zustande blieb, mehrere Evolutionen ausführte .

Dann wurde der Ballon , fortwährend durch das Kabel gehalten,

von Bord des Torpedobootes wieder auf's Land gebracht und auf einen Karren gesetzt , der von acht Mann gezogen wurde, die sich sofort in Be wegung setzten. Der Karren wurde von 30 Matrosen begleitet. Auf diesem Wege könnte man alle Hindernisse beseitigen, welche dem Luftschiffer ent gegenstanden, ohne dass dieser gezwungen wäre , niederzugehen. Damit war der Beweis geführt, dass einer Landungstruppe ein Fesselballon bei Land gängen mitgegeben werden kann , und dass er bei solchen Gelegenheiten ebenfalls sehr nützliche Dienste leisten kann . Eine andere sehr kühne Uebung wurde am 7. September auf offenem Meere unter folgenden Umständen versucht : Der Ballon von dem Torpedo boot 99 L'Audacieux " bugsirt, verliess Toulon und erreichte die Rhede von Hyères um 9 Uhr. Nachdem das Torpedoboot sich längsseit des "9 Saint Louis " , Tenders der „ Couronne " , gelegt, liess Lieutenant Serpette das Kabel

Die Luftschiffahrt in der Marine. des Fesselballons

auf dieses Fahrzeug bringen,

259

welches im Begriff war, Während dieser

eben so wie die „ Couronne " nach Toulon zurückzukehren.

Fahrt wurden mehrere Aufsteigungen gemacht. Jedesmal nahm ein Offizier der ,, Couronne " oder des „ Saint-Louis " in der Gondel Platz und der Ballon hob sich bis zu 250 und 300 Metern. Auf diesen Höhen erforschte der Offizier mit Hülfe eines Fernrohrs den Horizont, übermittelte mit Hülfe des telephonischen Fadens , der um das Kabel gerollt, seine Beobachtungen an Bord, regelte durch Befehl Steigen und Fallen und räumte dann einem anderen Offizier seinen Platz ein . Auch der Fregattenkapitän Fraysseix , Kommandant des „ Saint-Louis " , nahm in der Gondel Platz und beorderte den Ballon auf eine Höhe von 250 m, die sofort mit bemerkenswerther Genauigkeit genommen wurde.

Die Aufsteigungen während der Fahrt hatten

den Zweck zu beweisen , dass ein Ballon auf einem Segelschiffe nicht hinderlich ist und dass er an Bord aller Schiffe gefüllt und gehandhabt werden kann . Zwischen Hyères und Toulon ,

gegen

121

Uhr ,

wollte Lieutenant

Serpette zeigen, dass ein ferneres Aufsteigen eine sehr leichte und aus führbare Sache auf der See ist, und in einer Höhe von 200 m liess er das Kabel fahren. Der Ballon erhob sich alsbald in eine Höhe von 1800 m. Der unerschrockene

Direktor

des

aërostatischen Parkes

bewerkstelligte ,

nachdem er einige Zeit in dieser Höhe verweilt und Beobachtungen gemacht, das Fallen des Ballons auf offenes Meer und wurde von "" L'Audacieux " aufgenommen, ohne dass die Gondel das Wasser berührt hatte. Der Luft schiffer kehrte wieder an Bord des

Saint-Louis " zurück,

zusammengefaltet und in seine Gondel verpackt wurde.

wo der Ballon Die Semaphoren,

welche die Ursache der Hochsteigung des Ballons nicht kannten , hatten den Bruch des Kabels signalisirt . Das Problem der vorwärts

treibenden Kraft und der Leitung des

Ballons ist auf dem Lande bereits studirt , Frage viel delikater.

aber in der Marine war die

Während man auf dem Lande eine feste und solide

Grundlage als Stützpunkt des Kabels des Fesselballons hat, ist diese Grund lage auf Schiffen stets bewegt, und diese Bewegung verursacht Stösse auf die Gondel, welche nicht ohne Gefahr für den Luftschiffer sind . Um ferner dem Ziehen

eines laufenden Schiffes

zu

widerstehen ,

hat man die Auf

steigungskraft des Ballons wesentlich verstärken müssen. Der Lieutenant z. S. Serpette ist zu diesem Ergebniss nur dadurch gelangt, dass er den Umfang des Ballons verkleinerte, um sein Gewicht zu vermindern und dass er das Hydrogengas reinigte, welches zum Füllen des Ballons gebraucht wird. Der Ballon, welcher bei den Versuchen zu Lagoubran gebraucht wird, enthält 300 kbm Gas .

Er

kann vier Mann

mit

ihren Beobachtungs- und

Photographieapparaten, sowie 1200 m eines Kabels aus Stahldraht aufnehmen, welcher sehr leicht und widerstandskräftig, insbesondere für die Marine, her gestellt ist.

Durch eine glückliche Anwendung des Prinzips, nach welchem 17*

260

Ueber Zyklone und Tornadocs in Nordamerika.

man Torpedos vermittelst komprimirter Luft fortschleudert, beabsichtigt man, auf den Panzerschiffen Reserven von Hydrogen aufzuspeichern, welches in Röhren von dünnem Messing enthalten ist.

Jeder Panzer kann so seinen

zusammengefalteten Ballon bei sich führen und ihn in füllen.

einigen Sekunden

Die Luftschifferübungen der französischen Flotte sind in diesem Jahre am 10. September geschlossen . Ein Stamm von alten Luftschiffern bleibt aber ständig im Park zu Lagoubean, um das Manövermaterial an Ballons zu unterhalten und in jedem Jahre giebt es eine Instruktionsperiode für die Hafen- und Geschwaderschiffe. Selbstverständlich ist man in Frankreich erst nach jahrelangen Uebungen zu solchen Ergebnissen gekommen . Diese ermuthigen jedenfalls zu anhalten (Voss. Ztg.) den und methodischen Versuchen in der deutschen Marine .

Ueber Zyklone und Tornadoes in Nordamerika. Von befreundeter Seite wird uns eine unter dem Titel „ Telephon “ in Milwaukee erscheinende deutsche Zeitung mit dem besonderen Hinweis auf einen darin enthaltenen Artikel amerika" eingesandt.

99 Ueber Zyklone und Tornadoes in Nord

Der Verfasser des Artikels, der die Aufmerksamkeit

der wissenschaftlichen Kreise in den Vereinigten Staaten in hervorragender Weise auf sich gelenkt zu haben scheint, ist der Herausgeber des in Med ford im Staate Massachusetts erscheinenden 99 Waldbote " , Josef Brucker. Derselbe schreibt: „ Es ist eine bekannte Thatsache , dass zyklonale Luftbewegungen in den verschiedenen Theilen der Erde verschiedenen Richtungen folgen . In dieser Abhandlung habe ich nur solche zyklonale Bewegungen im Auge, welche in den Vereinigten Staaten , östlich von den Rocky Mountains vorkommen und welche herbeigeführt werden :

durch

die folgenden hauptsächlichsten Ursachen

1. Durch die Strahlung der Sonne. 2. Durch die Passatwinde des atlantischen Ozeans, welche durch die von Nord nach Süd sich erstreckenden Gebirgsketten von Mittelamerika nach Nordwesten und Norden abgelenkt werden . 3. Durch die aufsteigenden , warmen und feuchten zentrifugal wirkenden Luftströme . 4. Durch die fallenden , kalten und trockenen, zentripetal wirkenden Luftströme . 5. Durch den Impetus, den die zusammenprallenden kontrastirenden Luftbewegungen sich gegenseitig geben. Es

kommen

allerdings

noch

welche die zyklonalen Bewegungen ,

viele

andere

Umstände

in

Betracht,

die Stürme und das Klima der Ver

einigten Staaten mitbestimmen, von denen ich z. B. noch erwähnen will ,

Ueber Zyklone und Tornadoes in Nordamerika.

261

dass die Passate, der Nordostpassat sowohl wie der Südostpassat, in den verschiedenen Jahreszeiten ihre Lage zum Aequator ändern ; dass die Kalmenzone zwischen der südlichen Grenze des Nordostpassats und der nördlichen Energie,

Grenze

mit

des

Südostpassats

keine

stabile

Lage hat ;

dass

die

welcher die westwärts strömenden Passate gegen das Beu

gungshinderniss stossen und nordwärts abfliessen, mit den Jahreszeiten und der Sonnenstrahlung sich ändert ; dass der westliche Fokus der Bewegungs ellipse der Passate je nach dem Stande der Sonne und anderen Umständen nach allen Direktionen der Windrose hin sich ändert, so dass die Beugungs kurve des Passats über die westindischen Inseln, oder über Yukatan, oder auch längs der atlantischen Abhänge des mexikanischen Hochlands , laufen kann ; dass die meteorologischen Zustände des mexikanischen Golfs, karaibischen Meeres und deren Grenzländer im Süden und Westen ,

des der

Antillen im Osten von höchster Wichtigkeit sind und dass besonders auch das von den Golfstaaten zu den Felsengebirgen und über die Nordstaaten hinaus stetig aufsteigende Terrain die Bewegung der steigenden warmen Luftströme, besonders aber der fallenden kalten auf's Aeusserste begünstigt. Das Territorium westlich von den Felsengebirgen gehört einem ganz anderen Windsystem an. Was die Küsten und ihre submarinen Abhänge für die Meeresströmungen, das sind Kettengebirge für die Luftströmungen . Im Vorstehenden

habe ich in Kürze die Grundzüge meiner Theorie

festgestellt und ich kann nun hinzufügen ,

dass ich die athmosphärischen

Bewegungen für analog mit jenen in Flüssigkeiten halte, dass die grossen zyklonalen Bewegungen der Luft mit den Meeresströmungen, die kleineren Luftwirbel,

zu denen die Tornadoes gehören,

mit den Wasserwirbeln in

den tiefen Becken von Wasserfällen verglichen werden können . Diese Wirbel entstehen überall im ruhigen Theil der Luft oder des Wassers, an den Flanken und im Rücken der äussersten Bewegungskurven . Um dies nachzuweisen , brauche ich nicht die umständlichen Experi mente Weyer's*) zu Rathe zu ziehen . Ein einfacher Waschkübel mit Wasser gefüllt, in welches etwas Sand, Russ oder dgl . Material , das leicht aufgerührt werden kann, geworfen wird , und ein schmales Brettchen genü gen , um die Analogie gewisser athmosphärischer Bewegungen mit dem rotierenden und wirbenden Wasser nachzuweisen . Der Waschkübel, den ich benutzte, war von gewöhnlicher Grösse , 24 Zoll Randdurchmesser, 20 Zoll Bodendurchmesser und 12 Zoll Höhe. Er war mit Regenwasser gefüllt, das vom Dache meines Hauses kommend, etwas feinen Sand , Russ und Taubenmist enthielt. Um das Wasser in Bewegung zu setzen, 6 Zoll Breite . Fuhr ich mit

benützte ich

eine gewöhnliche

der halbeingetauchten Schindel

Schindel von

durch die Mitte des

* ) Journal de Physique, Dez. 1889 und Am. Met. Journal, Mai 1890 .

Ueber Zyklone und Tornadoes in Nordamerika.

262

Kübels, so erschienen an den Rändern und auf der Rückseite die bekannten Wirbel, die man auch beim Rudern bemerken kann. Ich habe oft Gelegenheit gehabt dieselben Bewegungen an den Schleu sen des Black River's zu beobachten, hauptsächlich unmittelbar unterhalb derselben.

Auch dort bildeten sich am Rande des Hauptstromes und der

Kompensationsströmung kleine Wirbel mit rascher Eigenbewegung. Wenn ich die eingetauchte Schindel dem Rande des Kübels entlang, etwa zur Hälfte

des Umfanges bewege,

spiralförmige Bewegung,

so

welcher die Sand-

bildet sich im Wasser eine und Schmutztheilchen folgen.

Auf diesem ihrem Wege zum Mittelpunkte hin werden sie in gewissen Abständen von eigenartigen, scharf begrenzten Wirbeln erfasst und mit grosser Schnelligkeit herum und in die Höhe gewirbelt,

so dass einzelne

davon fast bis zur Oberfläche empordringen . Hat sich die zentripetale Kraft dieser energischen Wirbel erschöpft, so fallen die Schmutztheilchen zu Boden , laufen eine kurze Strecke längs der Hauptspirallinie des be wegten Wassers weiter, bis sie wieder von einem der oben beschriebenen Wirbel erfasst werden und denselben Tanz wiederholen. Wenn das Wasser zur Ruhe gekommen ist, liegen alle vorher über verstreuten Schmutztheilchen, im Zentrum aufgehäuft.

den ganzen Boden

Zu bemerken ist noch, dass die einzelnen Wirbel ihre Wirkung sogar auf weiter entfernt liegende werden.

Theilchen ausüben ,

welche rasch

herbeigezogen

Sehr interessant ist auch die Wirbelbildung, wenn man die Schindel quer zum Kübelrande und an diesem anstehend, rasch in das bereits rotie rende Wasser einsetzt. rechts ,

also

wie

Angenommen, das Wasser zirkulirt von links nach

ein Uhrzeiger,

dann

wird an

der äusseren Kante der

Schindel ein tiefer Wirbel entstehen, dessen Eigenbewegung aber von rechts nach links geht, also der Uhrzeigerbewegung entgegengesetzt ist. Der Wirbel selbst aber läuft auf der Bahn der ursprünglichen Spirale weiter. So führen mich also meine Beobachtungen zu dem Resultate : 1. Jede Bewegung in Flüssigkeiten oder Gasen verursacht an ihren Flanken Wirbel. 2. Tornadoes können entstehen, wo die fallenden, kalten und trockenen Luftströme mit den feuchten , warmen und aufsteigenden zusammentreffen . 3. Die

schwüle Atmosphäre,

in

welcher Tornadoes

entstehen,

liegt

mehrere hundert Meilen südostwärts von der Depression in dem Winkel , wo die kontrastirenden Luftströme zusammenstossen.*) 4. Die Tornado- Regionen verschieben sich nordwärts, während unseres Frühlings und Sommers , südwärts während des Herbstes und Winters . *) In Finley's Bericht über den Charakter von 600 Tornadoes, wird die dem Tornado vorhergehende Temperatur stets als „ sehr schwül “ , „ schwül“, „sehr warm “ , ,,drückend heiss " u. dgl., jene nach dem Tornado aber ohne Ausnahme als „ kalt “ und „fröstelnd" angegeben.

Ueber Zyklone und Tornadoes in Nordamerika .

5. Während des Sommers

263

zieht sich die Hauptkurve westlich vom

Mississippi längs des östlichen Abhanges der Felsengebirge nordwärts , biegt dann um und zieht sich abwechselnd durch die Staaten Kansas , Nebraska, Missouri, Illinois, Indiana und Ohio nordostwärts . Während der . Hundstage dringt sie am weitesten nördlich vor und Tornadoes ereignen sich dann in Minnesota und Wiskonsin . Nachdem die Sonne über den Aequator zurückgegangen ist, die Mittel und Nordstaaten unter einer Eis- und Schneedecke begraben liegen und in Folge der Ausstrahlung extreme Kältegrade eintreten , so dass sogar Texas , das in der Breite von Aegypten liegt, unter den eisigen „ Northers leidet, hat

auch der Nordostpassat

Alliirter,

der Südostpassat,

eine

mehr südwestliche

Richtung und sein

hat sich südwärts zurückgezogen ;

die Passat

windkurve gleicht jetzt mehr einer sehr langgestreckten Ellipse , deren grosse Axe von Süd- Südwest zu Nord -Nordost hängt. Dann brechen auch die Hurricanes über die Antillen herein, und die Tornadoes suchen unsere Südstaaten, besonders Alabama, Georgia und Südcarolina heim und bringen Tod und Verderben über die Menschen und ihre Wohnstätten . Mit John P. Finley bin ich der Ansicht,

dass

wir,

soweit unser

jetziges Wissen reicht, zwar nicht bestimmen können , wann und über welchen Ort ein Tornado hereinbrechen wird, was überhaupt wegen der schmalen Bahn nie möglich sein wird, gar wohl aber im Stande sind, den Landstrich zu bestimmen, in welchem sich Tornadoes ereignen mögen, und die Bewohner solcher Landstriche beizeiten zu warnen . Allerdings sollte uns auch hierfür ein reicheres Beobachtungsmaterial, besonders meteorolo gische Berichte von der Nordküste Südamerikas, den Antillen, der zentral amerikanischen Ostküste mit Yukatan zur Verfügung stehen . Besonders auf der letztgenannten Halbinsel , welche eine so dominirende Stellung zwischen dem Golf von Mexiko und dem karaibischen Meere einnimmt, sollte mindestens eine gute Beobachtungsstation eingerichtet werden. Da auch die Energie der Sonnenstrahlung während der Periode der Sonnenflecken- Maxima und -Minima zu- und abnimmt, so sollte auch darüber und über den Einfluss dieses Wechsels auf die Luft- und Meeres strömungen Beobachtungsmaterial gesammelt werden, damit nach und nach der Wunsch McAdies in Erfüllung gehe, wenn er sagt :

"" Geradeso wie Adams von den Störungen des Planeten Uranus auf das Vorhandensein des Planeten Neptun schloss und Leverrier die Berliner Astronomen anwies , wo sie suchen müssten, ihn zu finden , so glauben wir, dass ein gewissenhaftes und eingehendes Studium der sekundären Wirbel in der Atmosphäre die scheinbaren Unregelmässigkeiten und Ungewissheiten der primären Wirbel offenbaren werde und dass wir dann nicht nur Stürme von so ausgeprägtem Charakter wie Tornadoes, Gewitter u. s . w., sondern auch die allgemeinen Witterungsverhältnisse mit Erfolg werden vorhersagen können . "

264

Litterarische Besprechungen.

Litterarische Besprechungen . Tissandier, Gaston, Histoire des Ballons et des aéronautes célèbres . 1801-1890 . Paris, 1890. Launette et Cie. Nahezu drei Jahre nach Erscheinen des ersten Theils liegt nunmehr der Abschluss des aëronautischen Prachtwerkes von G. Tissandier in einem dem ersten an Pracht nichts nachgebenden zweiten Bande vor uns . Ein getheilt in eine Einleitung und 12 Kapitel erfahren wir daraus, in dem gefällig zu lesenden Stil des Autors , die Entwickelungsgeschichte der Luft schiffahrt im heutigen Jahrhundert. Vieles ist uns allgemein bekannt, ver schiedene Einzelheiten dürften indess Manchem neu sein und so trägt dieses Buch nicht wenig dazu bei, vielerlei Aufklärung über den nexus rerum zu geben. Dass es fast ausschliesslich die französische Luftschiffahrt behandelt, liegt in der Natur der Verhältnisse. In der Einleitung giebt uns Tissandier eine Aufklärung über den gegenwärtigen Stand der französischen Luft schiffahrt, soweit solches sich aus Vereinswesen und industriellen Etablisse ments erkennen lässt . Es ist das erste Mal, dass wir von dem berühmten Autor auch diesem Gegenstande einige Aufmerksamkeit gewidmet finden . Er lässt die mit Hochdruck zur Zeit betriebene aëronautische Propaganda fast ganz ausser Betracht, ein Zeichen, dass er sie entweder nicht kennt oder nichts von ihr hält. Für ihn existirt nur die Société de navigation aérienne, die L'Académie d'Aérostation météorologique und allenfalls noch die l'École normale d'Aérostation . Von den übrigen nennt er uns noch zwei mit dem Bemerken, dass sie wenige Mitglieder haben . In der folgenden Geschichte wird uns erzählt, wie das Ballonfahren zunächst zum öffentlichen Vergnügen herabsank, mehr glaubte man nicht aus Montgolfiers Erfindung machen zu können , nachdem die Lösung des Problems so lange Jahre hindurch vergeblich angestrebt war. Erst durch Robertson's und Gay- Lussac's wissenschaftliche Fahrten änderte sich diese Anschauung etwas. Durch Robertson's Behauptung, die magnetische Inten sität nähme in der Höhe merklich ab , fühlte der letztere sich zu seiner Fahrt veranlasst, die allerdings keine Stütze für Robertson's Ansicht ergab. Von Robertson wird aber allen Ernstes als von einem Menschen mit guter Vorbildung gesprochen, während wir im Allgemeinen uns niemals des Ein drucks eines reklamesüchtigen Ignoranten von ihm erwehren konnten . Im zweiten Kapitel werden die fêtes officielles behandelt, bei denen Luftschiffe mit wunderbarstem Reklamebeiwerk nicht fehlen durften . Un erklärlich erscheint es uns, wie der Verfasser bei einer Fahrt Madame Blanchard's (am 15. Aug. 1811 ) von Mailand nach Genua diese Entfernung als 60 Kilom. angeben und betreffende Windgeschwindigkeit einen heftigen Sturm "9 bourosque violente " nennen kann. In Wahrheit beträgt die Ent fernung etwa 120 Kilom., so dass bei zweistündiger Fahrt etwa 16 m Ge schwindigkeit auf die Sekunde kämen . Weiterhin werden die Ausländer Sadler, Crosbie und der Herzog Karl von Braunschweig mit ihren Luftfahrten besprochen. Dabei findet auch der Aufstieg von Dr. Jungius 1806 in Berlin Erwähnung, der erst stattfand , nachdem „ der Franzose Bourquet " ebendaselbst aufgefahren war. Wir übergehen die grosse Zahl der Etappen , welche bis zum Kapitel III die zeitgemäss folgenden Luftschiffer mit ihren verschiedenen Ansichten und Bestrebungen bilden. Dann folgt das lehrreichere Thema der Erforschung der Luft durch Barral und Bixio, Tissandier, Glaisher und Flammarion ;

Litterarische Besprechungen.

265

eine Reihe interessanter Einzelbeobachtungen betreffender Forscher in zwang loser Aneinanderreihung. Aus dem reichen Inhalt alle Einzelheiten hervor zuheben, ist nicht möglich. Im Ganzen aber bietet das Werk die jedem in Es die Luftschiffahrt Eingeweihten bekannten geschichtlichen Ereignisse . Unglücks , IX Paris folgen in Kapitel VIII die Ballons der Belagerung von fälle , X Henri Giffard's Schaffen und Wirken, XI die Militärballons , ein Wir möchten der etwas dürftiges Kapitel , XII die lenkbaren Ballons. Hoffnung Raum geben, dass der gelehrte Verfasser mit diesem würdigen Denkmal für die Geschichte der Luftschiffahrt seine erspiessliche Thätigkeit Moedebeck. für deren Litteratur noch lange nicht beschliessen möge.

Das Luftmeer. Die Grundzüge der Meteorologie und Klimatologie, nach den neuesten Forschungen gemeinfasslich dargestellt von Prof. Dr. Friedr. Umlauft. Mit 130 Abbildungen , 30 Karten im Texte und 15 Separat karten. A. Hartleben's Verlag in Wien. Dies Werk wird von der bekannten, sehr rührigen Verlagshandlung in fünfzehn Lieferungen zum Preise von je 50 Pfennig veröffentlicht. Die fünf ersten Lieferungen liegen uns vor. jede in der Stärke von zwei Druckbogen grossoktav mit zahlreichen, gut ausgeführten Holzschnitten im Text, mehreren Karten in Farbendruck und einigen, zur Illustration beigegebenen Kunst beilagen im Format des Textes . Die äussere Ausstattung ist in jeder Be ziehung recht gut. Was nun den Inhalt anlangt, so ist darüber allerdings noch kein abgeschlossenes Urtheil zu fällen , indessen bürgt wohl der Name des Verfassers dafür, dass die Aufgabe, die sich derselbe gestellt hat, eine befriedigende Lösung finden wird. Der Plan des Werkes ist sehr viel um fassend , es soll darin nämlich ein vollkommener Ueberblick über das gesammte Gebiet der Meteorologie und Klimatologie gegeben werden , soweit ein solcher für alle nicht spezifisch fachmännischen Kreise über haupt von Interesse ist. Das Letztere ist nun allerdings sehr weitgehend, da mit den Witterungsverhältnissen unser Wohlbefinden, unser gesammtes Leben und Treiben , ja die Hoffnungen auf das Gedeihen der menschlichen Thätigkeit im engsten Zusammenhange stehen . Es ist für keinen Menschen gleichgültig, ob ein nebelschwerer Himmel die Erde bedeckt oder ob heller Sonnenschein leuchtet. Die Veränderungen der Atmosphäre sind vom ersten Athemzuge an bis zum letzten ersterbenden Hauche für unsere Gesundheit Deswegen muss ein Werk , wie das vor von der grössten Wichtigkeit . liegende, das nicht den gelehrten Fachmännern dienen soll , im wahren Sinne des Wortes gemeinverständlich geschrieben sein. Nun ist es leider ein naheliegender Fehler, in den die Verfasser populär- wissenschaftlicher Werke häufig verfallen, dass ihren Arbeiten die Wissenschaftlichkeit über haupt verloren geht und dass der Mann der Wissenschaft deswegen nur mit Achselzucken darauf hinblicken kann . Gute populär- wissenschaftliche Werke sollen, unbeschadet ihrer Gemeinverständlichkeit , doch den Charakter der Wissenschaftlichkeit nicht verlieren, so dass auch der Fachgelehrte ihren Dieses Vorzugs erfreut sich die Umlauft sche Werth anerkennen muss . Arbeit, so weit dieselbe bisher vorliegt. Die Eintheilung des Inhalts ist folgende. Nach einer allgemeinen Ein leitung folgt zunächst der erste Hauptabschnitt, der die Meteorologie behandelt und in zehn Kapitel (Atmosphäre, Wärme, Wasserdämpfe der Luft, Luft druck, Bewegung der Luft und des Meeres, Stürme, Niederschläge, elektrische Daran Erscheinungen, optische Erscheinungen und Wetter) getheilt ist.

266

Litterarische Besprechungen.

schliesst sich als zweiter Hauptabschnitt die Klimatologie, in fünf Kapitel (allgemeine Klimatologie , Tropenzone, nördliche gemässigte, südliche ge mässigte Zone, Polarzone) getheilt. Endlich folgt ein Anhang mit einer Reihe von Kapiteln über Klimaveränderungen in historischer Zeit, Klima schwankungen, Verwitterung und Danudation der Erdoberfläche, Einfluss des Klimas auf den Menschen, Einfluss des Wetters auf die Fruchtbarkeit, ab norme Hitze und Kälte, meteorologische Beobachtungsstationen und Luft R. fahrten zu meteorologischen Zwecken. Bibliotheka Polytechnica. Wissenschaftlich in Schlagwörtern geordnetes Repertorium der gesammten deutschen, französischen und englischen tech nischen Litteratur einschliesslich ihrer Beziehungen zur Gesetzgebung, Hygiene und bürgerlichem Leben. Herausgegeben von Fritz von Szczepanski , Petersburg und Leipzig. Preis gebunden 2 Mark. Der auf dem Gebiete praktischer Bibliographie rühmlichst bekannte Verfasser giebt unter diesem Titel ein mit wahrem Bienenfleiss zusammen getragenes, wissenschaftlich nach Schlagwörtern geordnetes Repertorium der gesammten technischen Litteratur Deutschlands, Englands und Frank reichs heraus, welches als Vademecum auch unsern Lesern ein trefflicher Rathgeber sein wird . Dem Praktiker bietet es ein sofort Auskunft gebendes Jahrbuch über die neusten Fortschritte der Technik , dem Theoretiker ein genaues Quellenmaterial über die gesammte einschlägige Litteratur des In- und Auslandes mit genauer Angabe über Preis, Titel, Verleger und Seitenzahl der angezogenen Schrift und wird sich bald, auch mit Rücksicht auf den billigen Preis, als eine wirklich internationale polytechnische Jahresbibliographie herausstellen , deren fünf Ausgaben (eine amerikanische , englische, deutsche, französische und russische) von 10 000 Exemplaren bald vergriffen sein dürften . Das Werkchen entspricht völlig den Erwartungen , welche wir in unserer Vorankündigung im IX. Hefte L. dieser Zeitschrift ausgesprochen hatten . Karl Friedrich's Taschenatlas der Eisenbahnen Europas in zehn Ab theilungen, umfassend : I. Deutschland, II. Oesterreich-Ungarn , III. Italien , IV. Frankreich mit Algier, V. Niederlande mit Luxemburg, Belgien und Schweiz , VI. Spanien und Portugal , VII. Grossbritannien und Irland, VIII. Dänemark, Schweden und Norwegen , IX. Russland , X. Balkan Halb-Insel mit Klein-Asien und Aegypten . Verlag von Friedrich Pfau in Leipzig, Rossplatz 10. Ausgabe nur gebunden. Mit diesem Werke, von welchem uns ein Probeblatt vorliegt, wird nicht nur die Zahl der Kartenwerke um ein interessantes und werthvolles vermehrt, sondern auch die Eisenbahn-Litteratur in hervorragender Weise bereichert. Die Karten der Abtheilungen I - IV und VIII erscheinen im Massstab 1 : 100,000 , diejenigen der Abtheilungen V und VII werden in einem grösseren , diejenigen der übrigen Abtheilungen in einem kleineren Massstabe als 1 : 100,000 gezeichnet. Das Format des Taschen-Atlas ist 21 Cm. hoch und 13 Cm. breit, in Wirklichkeit also „ Taschen-Format “ . Jeder Abtheilung wird eine Uebersichtskarte mit genauer Blatt-Eintheilung beigegeben. Der Subskriptionspreis der gebundenen Abtheilungen schwankt je nach dem Umfang zwischen 3 M. (Abth. I, II), 2,50 M. (Abth. IV, IX und X) , 2 M. (Abth. VI), und 1,25 M. (Abth. III, V und VIII), derselbe erlischt nach Erscheinen der ersten Abtheilung.

Mittheilungen aus Zeitschriften.

267

Karl Friedrichs Taschen- Atlas ist seiner ganzen Anlage und Gestaltung nach geeignet, dem Mangel eines zuverlässigen Eisenbahn- Atlas abzuhelfen und durch planmässige, nach genau bestimmten Grundsätzen erfolgte Durch führung ein Werk zu schaffen, welches alle vorhandenen Werke dieser Art nicht nur weit überragt, sondern in seiner Vollständigkeit und Genauigkeit bis jetzt einzig dasteht. Nach dem Grundsatze, alles Unwichtige wegzu lassen, findet man auf den Karten ausser den Eisenbahnlinien mit den Stationsnamen nur noch die Reichs-, Landes- , Provinz- und Regierungs bezirks - Grenzen eingetragen , während der Name der Provinz oder des Regierungsbezirks nur durch einen oder zwei Buchstaben angedeutet ist. Im Uebrigen aber ist Alles, was auf Eisenbahnverkehr Bezug hat, ver zeichnet und berücksichtigt. Um das Werk vor dem Veralten zu schützen und stets auf der Höhe der Zeit zu erhalten , wird von 3 zu 3 Monat eine die erste 3 Monate nach Erscheinen der Nachtragskarte erscheinen I. Abtheilung. Fügen wir nun noch hinzu, dass die äussere Ausstattung des Werkes eine dem Inhalte würdige sein wird, so bedarf es wohl keiner weiteren Empfehlung, um demselben die Sympathie der gebildeten Welt He. und der Fachkreise zu erwerben.

Mittheilungen aus Zeitschriften . Allgemeine Sport- Zeitung. Wochenschrift für alle Sportzweige . Heraus gegeben und redigirt von Viktor Silberer. XI . Jahrgang. Wien, 1890 . Die Allg. Sport-Ztg. " bringt in ihrer No. 85 vom 19. Oktober 1890 einen Aufsatz : „ Der Ballon captif im Dienste der Marine " , welchem wir Folgendes entnehmen : Die Heeresverwaltung des deutschen Reiches geniesst den verdienten Ruf, in der Verwerthung neuer Erfindungen für die Zwecke der Kriegs führung, entweder den übrigen europäischen Nationen voran zu sein oder sich doch von Niemandem leicht zuvorkommen zu lassen. Kaum hatte Frankreich den Luftballou zu militärischen Zwecken versucht, so hatte auch Deutschland schon innerhalb seiner Wehrkraft sein eigenes aëronautisches Versuchskorps und jetzt bestrebt, es sich in der Verwendung der Luft schiffahrt im Dienste der Marine Frankreich nicht nur gleichzukommen, sondern dasselbe auch zu überflügeln . Eine Reihe sehr wichtiger Versuche, die Luftschiffahrt für Marine zwecke dienstbar zu machen, fand im September auf dem deutschen Schul schiffe 99 Mars " in der Nähe von Wilhelmshafen statt. Es handelte sich um Verwendung des Ballon [ captif zu Rekognoszirungszwecken. Zu diesem Zweck war von Berlin aus ein Detachement der Luftschifferabtheilung nach Wilhelmshafen abgegangen und auf dem Artillerieschulschiffe „ Mars " ein geschifft worden. Die Abtheilung führte einen Ballon, zwei fahrbare Gas erzeugungsapparate, einen Materialwagen und eine Lokomobile, letztere mit dem Ab- und Aufwickelungsapparat des Drahtseiles, an welchem der Ballon befestigt war, mit sich. Die Lokomobile mit Windetrommel war mittschiff's auf dem Oberdeck der 99 Mars " aufgestellt, während die Gaserzeuger, Ballon und Transportwagen auf einem grossen umfriedeten Platze am Lande, un mittelbar vor dem 99 Mars " am Hafen gelegen, untergebracht waren. Das zur Füllung verwandte Gas war das spezifisch leichtste, nämlich Wasser stoffgas, und wurde in retortenartigen Kesseln, die aus einer Anzahl Röhren bestehen und in kurzen Zylinderröhrenkesseln hergestellt. In diese Rohre,

268

Kleinere Mittheilungen .

welche von einem starken Holzfeuer umgeben wurden, steckte man zylinder artige Körper mit Blechhülle , welche die gaserzeugenden Substanzen enthielten und gehörig ausgeglüht wurden . Das so erzeugte Wasser stoffgas wurde durch einen Schlauch in den Ballon geleitet. Der Ballon selbst bestand aus luft- und wasserdichtem Seidenstoff mit einem weit maschigen Netz überzogen und trug etwa drei Meter unter dem Anlass ventil einen leichten Korb aus Rohrgeflecht. Die Füllung, welche mehrere Stunden in Anspruch nimmt, ist sehr kostspielig, hält aber auch acht Tage lang an. Der so gefüllte Ballon wurde von Mannschaften der Luftschiffer abtheilung sodann gefesselt nach dem „ Mars " gebracht und dort befestigt. Indessen hatten sich Prinz Heinrich, als Chef der Marinestation der Nord see, Vice -Admiral Paschen , der Ober-Werftdirektor Contre- Admiral v . Pavelsz und zahlreiche andere hohe Offiziere an Bord des Schiffes eingefunden und verfolgten mit Interesse die mit militärischer Präzision ausgeführten Arbeiten. Das Wetter war nicht gerade das günstigste, eine leichte Regenböe aus Südwest warf den schwankenden Riesen hin und her, ohne die Arbeiten indessen sonderlich zu stören. Punkt 10 Uhr bestieg der Chef der Luft schiffer-Abtheilung selbst den Korb und auf sein eigenes Kommando setzte sich die Lokomobile in Bewegung, das Seil mit 1 Meter pro Sekunde ab rollend. In etwas schräg aufsteigender Richtung erreichte der Ballon eine Höhe von 400 Meter mit einer Abweichung von ungefähr 60-70 Meter von der Vertikalen. Während der Fahrt regulirte der Insasse die Steig höhe durch Auswerfen von Sandballast und kam nach etwa 10 Minuten währender Fahrt wohlbehalten auf Deck wieder an. Trotz der relativ ungünstigen Witterung waren diese ersten Versuche mit dem Fesselballon im Dienste unserer Marine vollständig gelungen und berechtigten zu der Annahme, dass derselbe auch fernerhin mit vielleicht einigen Modifikationen für die Marine und ihre Operationen von Werth und Bedeutung bleiben werde . Inzwischen sind ähnliche Versuche, wie im Hafen, auch auf offener See ausgeführt worden und sollen die besten Erfolge gehabt haben . Die Verbindung zwischen den Insassen des Korbes und der Besatzung des Schiffes wird auf elektro- telegraphischem Wege hergestellt.

Kleinere Mittheilungen. Militärische Luftschiffahrt in Belgien. Vor einiger Zeit wurden in Antwerpen Versuche mit einem Luftballon angestellt, den man mit warmer Luft gefüllt hatte ; die selben wurden durch den Geniekapitän Waffelaert, unterstützt von dem Luftschiffer Godard, dem Urheber des Vorschlages , die Montgolfieren im Kriege zu verwenden, ausgeführt . Der Hauptzweck der Versuche war, festzustellen, mit welcher Schnelligkeit eine Mont golfiere mit warmer Luft gefüllt, bis zu einer gewissen Höhe getrieben , wieder herab gelassen und zusammengefaltet werden könne. Nach Godard's Ansicht ist der Vortheil , dass nicht ein besonderes Gas zur Füllung erforderlich, so erheblich, dass alle Nach theile, welche die Montgolfieren gegen die Ballons mit Wasserstoffgas (grössere Gefahr, grösseres Volumen etc. ) bieten, dagegen verschwinden. Die Montgolfiere, die zu den Versuchen verwendet wurde , hatte 1400 cbm Fassungsvermögen. Das in die Höhe getriebene Ballonmaterial wog 139 Kilo . Mit der Verbrennung von 23 Kilo Stroh erhält in gegen 20 Minuten der Ballon eine Aufsteigekraft von 210 Kilo. Dagegen bemerkte man, dass diese Kraft schwach abnehme. Berghaus. Brieftaubenwesen in Frankreich . Im Einverständniss mit dem Kriegsminister hat der Minister des Innern den Präfekten ein Rundschreiben zugehen lassen, in welchem die

Kleinere Mittheilungen.

269

Instruktionen von 1887 bezüglich der über die Taubenanstalten und die Abflüge der Brieftauben in Frankreich zu übende Kontrolle ergänzt werden . Bekanntlich haben nach den Bestimmungen einer Verordnung vom Jahre 1885 die Besitzer von Taubenanstalten und die kolombophilen Vereine der Präfektur ihres betreffenden Departements eine Er klärung einzureichen, welche die Bezeichnung der Lage des Taubenschlages, die Anzahl der unterhaltenen Brieftauben und die Richtung, in welche dieselben abgerichtet werden , enthält. Ueber diese eingereichte Erklärung wird von der Präfekturverwaltung eine Empfangsbescheinigung ertheilt. Das neue Rundschreiben hat nun den Zweck, anzu ordnen, dass jede Beförderung von Brieftauben mit der Eisenbahn behufs Bewirkung des Abfluges an einem bestimmten Punkte , von einer von der Präfektur ausgestellten Empfangsbescheinigung begleitet sein muss . Ist eine solche nicht vorhanden, so dürfen die Bahnhnofsvorsteher und die Eisenbahnbeamte auch die Tauben nicht an dem bestimmten Punkte fliegen lassen. Diese Massregel hat den Zweck, die Verwaltung in den Stand zu setzen, diejenigen Abflüge feststellen zu können , die von Ausländern versucht werden sollten, Berghaus . - Luftschiffer in Gefahr lautet die Ueberschrift des folgenden kleinen Artikels in Il Diritto" vom 10. Juni : „ Gestern Abend 6 Uhr stieg vom Gasometer in der Via Flaminia (Rom) ein Luftballon des Militärgenie auf, in dessen Gondel sich der Genie kapitän der Luftschifferabtheilung Pecori, der Herr Martinori, der Lieutenant Bonde und der Herr Folti befanden . Der Ballon stieg durch das Auswerfen eines grossen Theiles seines Ballastes bis zu sehr bedeutender Höhe und flog in der Richtung auf San Paolo zu. Dort fiel er auf etwa 400 Meter vom Boden, und stand nun bereits mit den Ankern zum Landen bereit, als ein plötzlicher Windstoss ihn wieder in die Höhe trieb . Bis jetzt fehlen von ihm jegliche Nachrichten . Es scheint dass der Wind den Ballon gegen das Meer getrieben hat, andere Nachrichten besagen, dass der Ballon über Terracina gesehen worden ist und die Richtung nach Sicilien verfolgte. Die Quästur hat nach allen Richtungen hin telegraphirt . Man ist sehr besorgt, doch giebt man die Hoffnung auf Rettung der kühnen Männer nicht auf. Sie hatten Mundvorräthe auf zwei Tage mit 66 sich . Diesem Artikel folgt eine Notiz in der Nummer vom 11. Juni, dass der Ballon noch in derselben Nacht wohlbehalten in Castelporziano gelandet ist, und dass sämmt liche Reisende gesund und wohlbehalten sind. Berghaus. Eine Ballonfahrt in Russland. Am 23. September unternahmen mehrere Mitglieder der militärischen Luftschifferabtheilung von Petersburg aus einen Aufstieg mit dem Ballon „ Orel “. Der Ballon stieg um elf Uhr Morgens mit dem Obersten Pomorzew und dem Lieutenant Kowanko langsam empor, erreichte eine Höhe von 1500 Metern und flog in nordöstlich zum Ladogasee fort. In 50 Minuten war der See erreicht, der Ballon flog über den südöstlichen Theil desselben hinweg und trieb rasch weiter. Die Fahrt dauerte 412 Stunden und der Ballon hatte 210 Werst zurückgelegt, als man den Beschluss fasste, sich herabzulassen . Die Klappe wurde geöffnet und der Ballon begann allmählich zu fallen. Unten war ein dunkler Wald sichtbar und in der Nähe desselben ein Dorf. In dem Walde suchten gerade einige Bäuerinnen Pilze. Kaum erblickten sie das langsam fallende Ungethüm, als sie auch schon mit entsetzlichem Geschrei davon liefen und ins Dorf flüchteten . Die Luftschiffer hatten unterdessen den Boden erreicht, stiegen aus der Gondel und liessen das Nebelhorn erschallen, um Hülfe zum Einpacken des Ballons heranzurufen . Es verging jedoch eine Viertelstunde und noch zeigte sich keine menschliche Seele in dem wie ausgestorbenen Walde. Endlich zeigten sich sechs bis sieben Bauern, die, mit Knüppeln und Beilen bewaffnet, sich langsam, jeden Baum und Strauch als Bedeckung benutzend, heranschlichen. Oberst Pomorzew rief ihnen zu, sie sollten rascher herankommen, allein die Bauern blieben entsetzt stehen und rührten sich nicht mehr vom Platze. Nun gingen die Offiziere rasch auf die Bauern zu, redeten sie in der finnischen Muttersprache an und erklärten ihnen, wer sie seien und wie sie in

270

Kleinere Mittheilungen .

den Wald gekommen wären. Das Entsetzen der Bauern machte nun der grössten Ver wunderung Platz und die Leute strengten sich aus Leibeskräften an, beim Einpacken des wunderlichen Schlauches und Korbes behülflich zu sein . Sie luden sich schliesslich die auseinandergenommenen Ballontheile auf und schleppten sie in das Dorf (Mustoja, im Gouv. Olonez). Hier hatten die Einwohner den Ballon fallen gesehen und die Luft schiffer für den „ Antichristen " erklärt. Mit unglaublicher Schnelle verbreitete sich über das ganze Dorf die schreckliche Nachricht, dass der Welt Ende herangekommen sei. Um diese Zeit kamen aus dem Walde die entsetzten Pilzsucherinnen herbeigelaufen und erklärten unter Geheul und Jammern, dass „vom Himmel ein Haus herabgefallen sei und 66 in ihm ein unzähliges Heer der „ Litwa " ( Litthauer) . . . . Ein Schreck jagte den anderen. Die Einwohnerschaft flüchtete unter dem Jammergeschrei der Weiber und Kinder in die Hütten und das Dorf war in wenigen Minuten wie ausgestorben. Nun ertönten aus dem Walde die unheimlichen, nie gehörten Töne des Signalhorns , um die Furcht noch zu vergrössern . Nur in einer Hütte des Dorfes soll sich ein Knabe gefunden haben, der seinen erwachsenen Familiengenossen erzählte, dass er in einem Buch davon gelesen habe, wie man in der Luft fliegen kann, und dass wahrscheinlich solch eine Flugmaschine in den Wald gekommen sei. Als der erste Schreck vergangen war, fanden sich schliesslich im Dorf ein Paar Wagehälse , die , mit Knütteln und Beilen versehen, in den Wald schlichen. Als sie nun mit den Ballontheilen in das Dorf zurückkamen, dauerte es erst noch lange Zeit, bis die Dorfbewohner aus den Häusern herauskamen und nun in hellen Haufen zu der Hütte liefen, wo die fremden, vom Himmel gefallenen Offiziere eingekehrt waren. Die Luftschiffer übernachteten im Dorf und dachten am nächsten Morgen an die Rückkehr in die Residenz . Allein dieselbe war nicht so leicht ; in 412 Stunden waren sie bis zum Dorf gekommen in 4 Tagen erst kehrten sie in die Residenz zurück. Es stellte sich heraus, dass das Dorf Mustoja gegen 7 Werst vom Flüsschen Ojatja liegt, auf dem man gegen 100 Werst zurücklegen musste, um bis zum Ladogasee zu gelangen . Im ganzen Dorf fand sich nun kein einziger Wagen , man musste den Ballon auf einen Bauernschlitten packen, und nun begaben sich die Offiziere, begleitet fast von der gesammten Einwohnerschaft des Dorfes, zum Fluss . Unterwegs wurde ihnen im Dorfe Podborje ein unerwarteter Empfang bereitet. Die Einwohner desselben hatten den Ballon ebenfalls herabfallen gesehen, hatten jedoch die Luftschiffer als Heilige erkannt, die vom Himmel herabstiegen . In sämmtlichen Hütten wurden nun vor den Heiligenbildern die kleinen Lampen angezündet und die Bauern begannen zu beten, dass die heiligen Männer auch in ihr Dorf kämen . Als sie daher die Luftschiffer, umgeben von einer Schaar Bauern, herankommen sahen, gingen sie ihnen in Prozession entgegen und die Enttäuschung war nicht gering, als sich die vermeintlichen Heiligen in gewöhnliche Offiziere verwandelten. Société Civile de Fondation ,La Gare des Ballons". Von diesem Projekte haben wir bereits gesprochen . Nunmehr soll zur Unterhaltung dieses Unternehmens eine Aktiengesellschaft gegründet werden mit einem Anlagekapital von 200 000 Frcs . , die in 250 Antheilscheine à 800 Frcs. zur Ausgabe gelangen sollen. Das Gelingen dieser französisch-nationalen , industriellen , wissenschaftlichen und theoretischen Gründung soll durch folgende 3 Hauptpunkte gewährleistet sein : 1. die privilegirte Darstellung reinen Wasserstoffes während der Dauer des Patentes (welches ?) und von Elektricität zu einem ausnahmslos niedrigem Preise, 2. das Material an Ballons , elektrischer Beleuchtung an Bäumen , Sträuchern und Pflanzen , die zur Erzielung dauernder Einnahmen und zu Theater-Aufführungen dienen sollen, 3. die Protektion aëronautischer Autoritäten, das technische Verständniss der Direktion und die Sympathie des Publikums für die Fort schritte und Versuche in der Luftschiffahrt. Die Einnahmen sollen erzielt werden : 1. durch Fesselfahrten in 500 Cbm. grossen Ballons zu dem niederen Preise von 3-5 Frcs. pro Person , 4-6 solcher Ballons sollen stets verwendungsbereit dastehen ; 2. durch

Kleinere Mittheilungen.

271

Freifahrten, für welche 200 Frcs . pro Person zu zahlen sind ; 3. durch das Eintrittsgeld in den Garten, der Abends brillant erleuchtet werden soll , und Alles nur mögliche ent halten soll, was zur Kurzweil seiner Besucher beitragen kann. Bei Annahme von 180 guten Tagen im Jahr wird folgender verlockender Ueberschlag herausgerechnet : 324,000 Frcs. Fesselfahrten, 3 Fres . pro Person Freifahrten 90,000 39 180,000 99 Eintrittsgeld in den Garten Normale Einnahmen 594,000 Frcs. ab 75 % als allgemeine Unkosten 445,000 bleibt Antheile der Begründer

148,500 Fres. 29,700 99

Reingewinn 118,800 Frcs . d. h.: 142 %. Nun kommt ausserdem noch die Einnahme vom Theater hinzu, welches nach Be lieben oben verdeckt oder geöffnet werden kann . Hier sollen Ballonfahrten in Kostümen, besondere Kunststücke , Taubenfliegen , Buffalo Bill's und andere Sachen vorgestellt werden, aus denen ein Reingewinn von 360,000 Frcs. errechnet wird . Der Gare des Ballons soll ein Zentrum der Luftschiffer- und Brieftaubengesellschaften werden . Das sind zwar recht verlockende Aussichten, um so mehr aber erscheint Vorsicht geboten. Wir werden den weiteren Verlauf dieser originellen Unternehmung weiter verfolgen und Moedebeck. gelegentlich wieder darüber berichten. Eine Erfinderin .

Endlich

rufen wir,

endlich wäre es möglich, Darwin's

Prinzip der Rassenveredlung auch bei den professionsmässigen Erfindern lenkbarer Luft schiffe zur Durchführung zu bringen ! In einem kleinen Städtchen von Texas, in Van Alstyne, wohnt sie, die reizende mit technischem Genie bedachte Miss Marby P. Appling , die erste Erfinderin eines Lenkbaren, von der „ The Worlds Progress " mit Begeisterung wörtlich ausruft : „ Es gereicht uns zur besonderen Genugthuung, dass dieses so wichtige Problem durch eine Lady gelöst werden sollte, straft es doch die Aeusserung Lügen, wonach Frauen keinen Sinn für die Mechanik haben sollen. " Es ist ein Wunderwerk, wie man es selten sieht, diese Erfindung der lieblichen Amerikanerin . Es ist unbeschreib lich ; ein Blick genügt und man erhebt sich, um mit den Riesenflügeln in Gedanken zu M. ihr zu eilen und sie flehentlichst zu bitten : Stopfen Sie lieber Strümpfe ! Ballonfahrten beim wissenschaftlichen Kongress zu Limoges. Von den Auffahrten , welche gelegentlich des vom 7. bis 17. August zu Limoges tagenden Kongresses zur Förderung der Wissenschaften stattfanden, bringt „ La France militaire " vom 20. August einen eingehenden Bericht aus der Feder Ch. Sibillot's über die Fahrt des „Jourdan “. Dieser Ballon (750 cbm), besetzt durch den Berichterstatter und Herrn Malfroy, Professor am Lyceum von Vanoes, hat den weitesten Weg zurückgelegt und die besten Auf zeichnungen gebracht. Die anderen Ballons, der „ Gay- Lussac ", besetzt durch Vernanchet und Mouillaud, die 99 Ville de Limoges" mit Herrn Chéreau und Lieutenant Moineville scheinen mehr Lustfahrten gemacht zu haben, wenigstens wird ihrer nicht weiter gedacht. Im Verein mit einem gewissen Godefroy Raynaud, Begründer der Ecole normale d'aé rostation de Limoges hatte Sibillot ein Programm für obige Fahrten ausgearbeitet, dem folgende Gedanken zu Grunde gelegt waren : 1. Die Ballons werden aus einer belagerten Stadt mit dem Auftrag aufgelassen an einem bestimmten Punkt des okkupirten Gebietes (?) zu landen ; 2. die Ballons fahren von Limoges auf, um sich in einem befestigten Platze niederzulassen . -- Sibillot ist der Ansicht, dass in Verlängerung des im Viskaji schen Meerbusen endenden Ausläufers vom Golfstrom eine west- östliche Luftströmung über Frankreich sich befindet. Bei einer früheren Ballonfahrt will er diese Strömung schon beobachtet haben. Der Wind auf der Erde blies am Tage der Auffahrt von SW nach

272

Kleinere Mittheilungen .

NO. Telegraphisch wurde von Fonvielle dieselbe Windrichtung auf dem Eiffelthurm nach Limoges berichtet. Sibillot wollte trotzdem in gerader Linie auf Lyon zu fliegen und sagte voraus bei Clermont (Puy de Dôme ) landen zu wollen . Am 11. August um 2 Uhr 33 Min. fuhr der „Jourdon " auf. Gegen 3 Uhr 5 Min. hatte er 2020 m Höhe erreicht, Thermometer 18º. Darauf fiel er bis auf 700 m . Die Fortsetzung der Fahrt bildete ein langsameres Aufsteigen auf 3000 m. Von 4 Uhr 15 Min. ab begann das Fallen, welches mit der Landung bei Saint-Etienne-des- Champs um 4 Uhr 48 Min. endete. Die Fahrt lag hiernach in der Richtung auf Clermont, die Landung musste jedoch wegen Mangel an Ballast 26 Kilometer von diesem Orte entfernt, westlich des Puy de Dôme, stattfinden. Nach den Aufzeichnungen Sibillots soll sie im Grundriss von der Linie Limoges - Lyon etwas nördlich abgewichen sein, weil es nicht gelungen war, den Ballon in der grösseren Höhe im Gleichgewicht zu halten. Es waren 115 Kilom. Luftweg - Ergänzend hierzu bemerkt „ La France zurückgelegt. Also etwa 52 Kilom. pro Stunde. aérienne vom 15. September, dass Sibillot an den ministre de l'instruction publique , Herrn Bourgeois , über obige Fahrt Bericht erstattet habe. In letzterem, der theilweise wörtlich abgedruckt ist, erklärt der Luftschiffer, dass er bei der nächsten Fahrt inner halb der Befestigungen Lyon's niedergehen wolle . Die Behauptung der west- östlichen Strömung beruht wie Sibillot zugesteht vorläufig nur auf seiner Beobachtung bei zwei Ballonfahrten. Er möchte um die Breite derselben festzustellen, gern das gleichzeitige Auffahren von einigen 20 Ballons auf der Linie Toulouse-Rouen sehen . Bei weiterem Studium dieser Strömungen verspricht er sich vielen Erfolg für ein Erreichen von Festungen wie Lyon , Besançon, Belfort u . a . mitteist gewöhnlicher Freiballons. Moedebeck. ――― Ein Luftballon im Rhein. Die „Rhein- und Ruhr-Ztg. " berichtete aus Kaisers werth unter dem 20. August d. J.: „Gestern Abend um sechs Uhr ging oberhalb der hiesigen Rheinfähre ein Luftballon in den Rhein nieder und nur dem schnellen Eingreifen einiger, in dem Nachbarorte Lohausen einquartierten Husaren, die zufällig in der Nähe badeten, ist es zu verdanken, dass ein grosses Unglück ungeschehen blieb. Der Ballon war in Gladbach aufgestiegen ; in demselben befanden sich ein Offizier und zwei Passagiere. Die Absicht des Ersteren war, auf der linken Rheinseite niederzugehen. In Folge ver zögerten Auswerfens der Ballastsäcke jedoch flog der Ballon weiter und ging im Rhein nieder. Zweimal schon hatte die Gondel die Wellen gestreift ; beim dritten Male war der Ballon dem Lande so nahe gekommen, dass ein Rettungsseil ausgeworfen werden konnte, welches die auf die Hülferufe herbeigeeilten Husaren auffingen. Es war aber auch die höchste Zeit, denn schon war es den Bedrängten nicht mehr möglich, zu rufen, da unterdess die Gondel in den Rhein gesunken war und sie sich bereits bis über dem Kopf im Wasser befanden . Glücklich wurden alle drei Insassen gerettet und der Ballon an's Land gezogen. " Ein zweiter ähnlicher Fall ist nach vorliegenden Berichten im September d . J. passirt. Ein Ballon, ebenfalls mit drei Insassen, fiel oberhalb Coblenz in den Rhein. Beide Male scheint der Führer des Ballons ein oft genannter, seit einigen Jahren in der Rheinprovinz lebender Luftschiffer gewesen zu sein . Fremde Brieftauben in der Schweiz. Das schweizerische Militärdepartement hat mit Rücksicht auf die Neutralität der Schweiz die Kantonsregierungen im Auftrage des Bundesraths aufgefordert, durch ihre Polizeiorgane das Auffliegenlassen von Brieftauben durch ausländische Vertreter oder Gesellschaften voin Schweizer Boden aus untersagen und etwaige Versuche , diesem Verbote entgegenzuhandeln , vereiteln zu lassen . Die Eisenbahnverwaltungen sind ersucht worden , die Ausführung der bezüglichen Anordnungen der Kantonregierungen nach Kräften zu unterstützen.

Druck von Beyer & Münch, Berlin SW., Kochstr. 55.

Zeitschrift für Luftschiffahrt.

Herausgegeben von dem Deutschen Vereine zur Förderung der Luftschiffahrt in Berlin und dem

Flugtechnischen Vereine in Wien. Zugleich Organ des Münchener Vereines für Luftschiffahrt. Redakteur: Dr. phil. Wilh. Angerstein in Berlin, S.W. , Gneisenaustrasse 28. Verlag von W. H. Kühl, Buchhandlung und Antiquariat in Berlin, W., Jägerstrasse 73.

IX. Jahrgang.

Heft XII.

1890.

Eine Luftballonfahrt. Von A. Malachofski, aus dem Russischen übersetzt von Gurlitt, Sec. - Lieut . der Luftschiffer Abtheilung. Die „ Wsemirnaje Illustrazie " enthält in einer ihrer letzten Nummern (vom 13. Oktober 1890 a . st . ) die Beschreibung einer von Petersburg aus unternommenen Luftballonfahrt, die nicht ganz ohne Interesse ist . Einer der Theilnehmer

der

Fahrt ,

ein

Herr

Malachofski

schreibt

darüber

folgendes : Am Vorabend meiner letzten Luftfahrt, welche auf den 18. September festgesetzt war, traf ich mich mit meinem Reisegefährten, dem Ingenieur Obersten N. A. Koslof, um mich mit demselben über die von uns beab sichtigten Versuche und Beobachtungen zu besprechen.

Es wurde beschlossen,

den von N. A. Koslof neu erfundenen Luftschifferkompass mitzunehmen. Derselbe besteht aus 2 Bussolen, von denen die eine frei ist, die andere sich unter dem beständigen Einfluss eines Magneten befindet.

Vermittelst

dieses Kompasses soll dann die örtliche Lage und die veränderte Fahrt richtung bestimmt werden, wenn Wolkenschichten sich unterhalb des Ballons befinden und die Erdoberfläche sich dem Auge entzieht.

Ausserdem wollten.

wir einen anderen ebenfalls von Koslof erfundenen Apparat ausprobiren, welcher dazu dient,

genau die ausgeworfene Ballastmasse zu bestimmen.

Zur Bestimmung der Temperaturdifferenzen nahmen wir ein Maximum- und ein Minimum - Thermometer mit, zur Höhenbestimmung ein Barograph von Richard ,

ein

Aneroid- Barometer von Node,

endlich

zur Bestimmung der

Fahrtgeschwindigkeit einen gleichfalls von Koslof erfundenen Apparat.

Der

Stabs - Rittmeister Malüsch- Petrof versprach uns für die Fahrt eine seiner Brieftauben zur Verfügung zu stellen. Um 9 Uhr früh begann man auf dem Hofe der neuen Gasanstalt mit der Ballonfüllung. IX.

Als ich zu der festgesetzten Zeit mich einstellte , fand 18

Eine Luftballonfahrt.

274 ich daselbst bereits

meinen Reisegefährten vor,

und wir kamen überein

uns in folgender Weise in die nöthigen Arbeiten zu theilen : Koslof über nahm

die Füllung des Ballons und die Führung desselben während der

Fahrt,

während

ich die Versuche und Beobachtungen der Apparate,

die

Führung des Tagebuches, sowie die Berechnungen zu besorgen hatte. Um etwa 10 Uhr stellten sich die Offiziere der Luftschiffer- Abtheilung Die Leute der Luftschiffer-Abtheilung und einige unserer Bekannten ein. waren unter Leitung ihres erfahrenen Premier- Lieutenants Semkobski mit der Füllung des Ballons und den Vorbereitungen für die Fahrt beschäftigt . Unter den Zuschauern machte sich eine gewisse Unruhe bemerklich . wie dies immer bei aussergewöhnlichen Schaustellungen der Fall zu sein pflegt, zumal wenn bei denselben Freunde und nahe Bekannte betheiligt sind. Dieses Gefühl der Unruhe bei unseren Freunden wurde wohl noch verstärkt durch eine kürzlich in einer französischen

Zeitung erschienene

schauerliche Illustration, wo ein Ballon in der Luft platzt und die Un glücklichen aus einer Höhe, wo die Erde nicht mehr sichtbar ist, herunter stürzen.

Auf die Zuschauer hatte dieses Bild einen tiefen Eindruck gemacht,

uns aber, d . h. Koslof und mich, konnte dasselbe nicht in Aufregung ver setzen. Denn erstens war uns die Geschichte der Ballonkatastrophe genau bekannt

der Ballon flog in eine Akazie, zerriss und das Gas entwich als

dann ; und aus der Höhe konnte schon deshalb Keiner herabstürzen, weil überhaupt noch Niemand im Korbe war ; zweitens aber sind wir beide nicht mehr Neulinge in der Luftschiffahrt und das Erscheinen jenes schrecklichen Bildes , etwa eine halbe Stunde vor der Abfahrt, konnte uns nur ein Lächeln über die Leichtgläubigkeit der Zeitungsleser entlocken . Endlich erschallte das Kommando "" Schar gatof"

(Ballon zur Abfahrt

fertig), noch ein letzter Händedruck und Glückwünsche für eine gute Fahrt der Freunde, worauf ich mit Scherzworten antwortete, und ich geselle mich zu Koslof, der sich bereits im Korbe befindet. Premier- Lieutenant Semkobski wiegt den Ballon ab indem er Ballastsätze von je 1 Pud Gewicht bald in den Korb hineinstellt, bald wieder herausnimmt. Ich nehme mein Notiz buch nebst Bleistift zur Hand , obachtungen aufzuschreiben.

um möglichst genau die gemachten Be

Pusti ! (Los) erschallt das Kommando des Lieutenants Semkobski und von 30-40 kräftigen Händen plötzlich befreit, steigt der Ballon majestätisch in die Lüfte.

„ Brosaitje ballast !

Daitje ballast !

(Ballast werfen , Ballast

hinaus) ruft uns Lieutenant Semkobski zu, der glaubt, dass wir nicht genug Auftrieb haben. Wir griffen bereits nach den Ballastsäcken und befolgten das Kommando , da wir in der That nur in geringer Höhe über der Menschengruppe, von der wir uns soeben getrennt hatten, schwebten.

Fast immer befindet sich

bei solchen Gelegenheiten unter den Zuschauern Einer, der, man möchte fast sagen, eine gewisse Geschicklichkeit darin entwickelt, über alles seine

Eine Luftballonfahrt.

275

mehr oder minder überflüssige Meinung abzugeben .

So

auch hier .

Ein

unter den Anwesenden befindlicher junger Offizier gerieth ganz ausser sich und rief uns zu : Wie ungeschickt ! Wie war dies möglich!? Jetzt gehen sie gleich auf 2000 Meter ! Wir stiegen zwar schnell, aber doch nicht mit übermässiger Geschwin digkeit und unter freudigem Lachen konnten wir durch Zeichen auf das Taschentuchwinken und Hüteschwenken unserer guten Freunde antworten, Plötzlich nahm eine Erscheinung auf den Wolken, mit denen wir uns jetzt in gleicher Höhe befanden, merksamkeit in Anspruch .

für einen Augenblick meine ganze Auf

Auf einer Wolke

erschien in vollkommener

Deutlichkeit das Bild unseres Ballons mit Gondel und Insassen, umgeben von einem natürlichen Rahmen in Form einer Elipse und in allen Regen bogenfarben erglänzend .

Die Freude dauerte nicht lange, die Wolken zer

stieben, das Nebelbild zerrann, und vor unserem erstaunten Auge breitete sich Petersburg aus mit seinen Kuppeln , seinen Kirchen , seinen Denk mälern, das Gesammtbild der wie auf einem grossen Plan ausgebreiteten Stadt. Der Wind treibt uns in der Richtung auf das Warschauer Thor los und wir sehen zu unseren Füssen, durch die prächtige Newa in zwei Theile getheilt unsere putzsüchtige Hauptstadt . Zur Rechten von der Stadt breitet sich der finnische Meerbusen aus, sich in der Ferne am Horizonte verlierend und mit dem Himmelgewölbe vereinigend. Von dort her dringen klar und deutlich Gewehrsalven zu uns herauf, aber soviel wir auch aus lugen, es ist uns unmöglich Truppen und Geschütze zu entdecken. Und doch sind wir erst 600 Meter hoch,

aber am Barometer sehen wir, dass

wir immer noch steigen und siehe da, wir gerathen wieder in eine Wolke. Die Luft ist scharf, das Thermometer zeigt 4 ° R.

Das Gesammtbild hat

sich vollkommen geändert, ist aber nicht weniger interessant. schicht durchbrechend,

Die Wolken

sind wir von der Erde vollkommen getrennt, und

unter unserer Gondel hat sich gleichsam ein neuer Boden gebildet, der in Folge der auf ihn fallenden Sonnenstrahlen wie Perlmutter in allen Farben erglänzt .

Man

mag die

Augen keinen

Augenblick von der herrlichen,

geradezu märchenhaften Erscheinung abwenden . Das durchsichtige Himmels blau ruht in tiefer Stille ; über uns schweben einzelne Federwolken. Keine Schwenkungen , wir fühlen selbst nicht, dass wir uns vorwärts bewegen, und wohin uns der Wind führt, weiss Gott allein , da die Erdoberfläche unseren Augen entzogen ist. Aber wenn wir auch nichts von der Erde sehen, so dringen doch einzelne Laute mit erstaunlicher Stärke von ihr zu uns herauf. Das Hundegebell ist so deutlich vernehmbar, dass man un willkürlich glaubt, unseren Füssen.

der Haushund befindet

sich in der Wolkenschicht zu

Unterdessen sehe ich am Barometer, dass wir immer noch steigen und endlich eine Höhe von 1000 Meter erreichen .

Ueber uns und vor uns

sind jetzt alle Wolken verschwunden und unverschleiert sendet die Sonne 18*

Eine Luftballonfahrt.

276

ihre heissen Strahlen herunter. welches Füssen .

Jenes nebelartige Wolkengebilde,

durch

wir noch eben erst gekommen sind, lassen wir tief zu unseren Es nimmt die absonderlichsten Formen an , bald sich zu einer

dichten Masse

zusammenballend , bald

sich in einzelnen

Wölkchen auf

lösend, dass es den Anschein hat, als ob die Wolken Haschen spielten. Durch die sich bildenden Wolkenritzen hindurch konnten wir wieder die Erde sehen.

Auf der vor uns ausgebreiteten Karte stellen wir den Luft

schifferkompass , um unsere Flugrichtung festzulegen und vermittelst mathe matischer Berechnungen bestimmen wir genau die Fahrgeschwindigkeit. Wir fahren in der Richtung der Warschauer Eisenbahn. In der Ferne, links von uns erscheint Zarskoje, Selo und Pawlofsk ; wir nähern uns Gitschina. Ich bekomme Ohrensausen und fühle einen Druck auf meiner Brust , welches der Luftverdünnung zuzuschreiben ist. Noch stand uns die seltene und grossartige Naturerscheinung bevor, welche in der Kunst unter dem Namen "" Orcola aeronautica" ? bekannt ist. Aber schnell verschwand sie, wie eine Theaterdekoration, als die Wolken Die Wolken lösten sich allmälig auf und nichts hemmte sich entfernt. dann den herrlichen Blick auf das malerische Panorama von Gitschina . Hell hob sich die Peter-Pauls-Kirche mit ihren in der Sonne strahlenden himmelanstrebenden Kuppeln ab .

Ebenmässig und geometrisch abgezirkelt

bietet sich die Winter- Residenz seiner Majestät des Kaisers dem Auge dar. Der mässige Palast, umgeben von dichten Laubmassen macht das Bifd nur noch farbenprächtiger. Das bewaffnete Auge vermag auf den Strassen und Plätzen sich bewegende Punkte, die Bewohner der Stadt, zu erkennen. bahn.

Und weiter geht es immer in der Richtung der Warschauer Eisen Wir sind über einem See, welcher wie ein kleiner Tümpel aus

sieht.

Dann gerathen wir wieder in eine Wolke und die Erde entschwindet

unseren Augen .

Aber wir werden entschädigt :

denn nochmals erscheint in

seltener Klarheit der orcola aeronautica, und da wir in gleicher Richtung mit den Wolken treiben, ist uns Gelegenheit gegeben, das Naturschauspiel längere Zeit zu beobachten .

Der Schatten des Ballons zeichnet sich auf

der Wolke in der grössten Genauigkeit ab, so dass jede Handbewegung durch das Schattenbild wiederholt wird und das Ganze ist von einem eliptischen Oval umgeben , dessen grössere Achse im Ballons anfängt und am Boden der Gondel endigt.

Scheitelpunkt des

Nachdenklich bewunderte ich die farbenprächtige Erscheinung, als ich plötzlich etwas sah, was mich grausen machte und ich fühlte wie mir im wahren Sinne des Wortes die Haare zu Berge standen . In dem Schattenbild verschwand plötzlich der Ballon, so dass nur die Gondel und der obere Theil der Ballonhülle sichtbar blieb, dass wir beide , Koslof und ich, glaubten der Ballon sei geplatzt und der obere Theil des selben habe sich im Netz zu einer Art Fallschirm zusammengeballt .

Zum

Glück war es aber nur eine optische Täuschung, hervorgerufen durch eine

Eine Luftballonfahrt.

277

Aenderung in der Wolkenbildung, welche plötzlich unter der Gondel weg zogen. Doch der entstehende Zwischenraum wurde bald wieder durch neue Wolkengebilde ausgefüllt, und das interessante Schauspiel wiederholte sich. Da wir unsere Ruhe wiedererlangt hatten, konnten wir es in aller Gemäch lichkeit geniessen . Während der Fahrt widmeten wir die übrige Zeit der Prüfung der mitgenommenen Apparate, die ich oben aufgezählt habe. eine kleine Enttäuschung .

Hier erlebten wir

Während der Kompass von Koslof, sein Fahr

geschwindigkeitsmesser, sowie der Apparat zum Messen des ausgeworfenen Ballastes sich als zweckmässig und zweckentsprechend erwiesen, vermittels welcher wir ein genaues Diagramm unserer Fahrt herstellen konnten , mussten wir zu unserem grössten Leidwesen erkennen, dass wir in der Gasfabrik den Korb mit Lebensmitteln und den Stärkungstrank vergessen hatten . Es zeigte sich, dass diese nebensächlichen Sachen mit einigen anderen Gegen ständen, welche wir noch im letzten Augenblick vor der Abfahrt zu Hause zu lassen beschlossen hatten, zurückgeblieben waren. Es blieb uns nichts anderes übrig, als uns philosophisch in das Unvermeidliche zu fügen und unsere Beobachtungen fortzusetzen . Es war gegen 21

Uhr. als wir alles für die Landung herrichteten .

Vor uns lag die Haltestelle Strogonofski . Wir überflogen einige Dörfer, deren Bewohner wir anzurufen versuchten ; aber wir erhielten keine Ant wort . Alles schrie nur : Schar letit , Schar letit ! (Da fliegt ein Luftballon .) Uns tiefer hinabzulassen wagten wir nicht, da vor uns ein grosser Sumpf lag , den wir noch überfliegen wollten, trotzdem wir nur langsam vorwärts kamen . Jenseits des Sumpfes, zur linken von uns, lag das Dorf Lampofka mit weitausgedehnten Wiesen. Wir flogen über einen Wald , und hatten nur noch zwei Sack Ballast .

In der Erwägung, dass wir bei der geringen

Windgeschwindigkeit mit diesem Ballast, den sich in einer Länge von ca. zehn Werst hinziehenden Wald nicht mehr überfliegen konnten,

dass bei

einer Landung in den Wald die Ballonhülle leicht zerreissen könnte und es ausserdem schwierig sein würde, aus dem dichten Wald herauszukommen, beschlossen wir eine zum Landen günstige Waldblösse auszusuchen . Zu uns dringt das Rauschen der Blätter herauf; der Wald lichtet sich und wir sehen vor uns eine mit Büschen und kleinen Bäumen bestandene Wiese. Dort beschliessen wir zu landen. Koslof ergreift die Ventilleine und öffnet das Ventil , ich nehme einen Ballastsack zur Hand . Der Ballon fällt schnell .

Ich sehe über den Gondelrand und beobachte den Fall.

Das ca.

100 m lange Schlepptau legt sich auf die Baumgipfel . Der Anker ist zum Wurf klar. Um unsere Fallgeschwindigkeit zu vermindern, werfe ich Ballast aus ,

welcher hoch in die Lüfte zeigt

ein Zeichen,

dass wir

schneller wie der Sand fallen.

Ich fühle wie der Sand sich uns auf Ge

sicht, Hände und Kleider legt .

Der Ballon um den ausgeworfenen Ballast

und um das Schlepptau erleichtert fällt langsamer .

Koslof schickt sich an,

Noch einmal der Segelflug.

278

Aber ein Bäuerlein kommt gelaufen und versucht

den Anker zu werfen.

das Schlepptau festzuhalten.

Wir rufen ihm zu, dasselbe nicht anzufassen,

und sich weiter zu entfernen , damit ihn der ausgeworfene Anker nicht und wir müssen erschlägt. Der Anker wird geworfen. Ein Augenblick den Erdboden erreichen .

Ich rufe Koslof zu, einen Klimmzug zu machen,

um den Aufprall zu pariren. Mit lautem Gekrach fallen wir gerade auf ein Gebüsch nieder.

Bei

dem ersten Aufprall werde ich ganz aus der Gondel herausgeschleudert, und ich hänge an den Händen ausserhalb derselben. Noch ein Aufprall . Der Anker hält und bald liegt der halbentleerte Ballon wie ein an die Ufer des Meeres durch die Wellen geschleudertes unförmiges Medusenhaupt da. Aus den Dörfern eilen Landleute herbei, um Hülfe zu leisten und um das seltene

Schauspiel

anzusehen.

Bald ist

der Ballon

entleert,

auf einem

Wagen und wir auf dem Weg zur nahen Eisenbahn . Im Winter beabsichtige ich mit Koslof eine Nachtfahrt

zu machen,

um neue Beobachtungen und Versuche für Kriegszwecke zu machen.

Noch einmal der Segelflug . Von A. v. Parseval. Die Erwiderung des Herrn A. R. v. Miller-Hauenfels auf meine Kritik seiner Schrift ,, der mühelose Segelflug der Vögel" giebt mir erwünschte Veranlassung auf die Sache zurückzukommen . Zunächst

sucht Herr von Miller aus meinen

eigenen

Deduktionen

(Mechanik des Vogelfluges, Wiesbaden etc. ) die Möglichkeit des Segelfluges ohne Schwebearbeit nachzuweisen .

Er argumentirt folgendermassen : Meiner

Formel zufolge braucht der Vogel eine gewisse Schwebearbeit zum Fliegen ; hierzu sind Flügelschläge erforderlich .

Der schwebende Vogel macht aber

keine Flügelschläge, braucht also keine Schwebearbeit. Nun ist erstens die Anwendung der von Herrn von Miller citirten Formel auf den Schwebeflug unzulässig ; denn sie gilt nur für den Fall eines senkrechten Aufstossens der Luft.

Ist der Vogel in horizontaler Be

wegung begriffen, so hat man aber immer schräge Luftstosswinkel, und der Flügelschlag, bezw . die Sinkgeschwindigkeit beim Gleiten wird mehr oder minder verlangsamt.

Dass übrigens die ältere Theorie für die Erklärung

der Flugerscheinungen unzureichend ist, habe ich selbst genügend betont. Gewisse Prinzipien sind aber unbedingt sicher. Dass bei einem jeden Flug Schwebearbeit geleistet werden muss, folgt einfach daraus, dass die Luft ein nachgiebiges Medium ist, das dem Druck der Flügel ausweicht. In Folge dessen muss der Flügel der nachgebenden Luft in der Richtung des Druckes folgen , und dies bedingt Arbeitsleistung. Wenn trotzdem ein arbeitsloser Segelflug beobachtet wird, so muss der Vogel dabei entweder fortwährend sinken dann leistet die Schwer

Noch einmal der Segelflug. kraft die Flugarbeit

279

oder es wird dem Vogel die erforderliche Energie

menge von aussen zugeführt ,

d . h . er nützt

aufsteigende Luftströmungen

oder Geschwindigkeitsdifferenzen des Windes aus. Ein drittes giebt es nicht. Herr von Miller giebt aber die Unvermeidlichkeit der Schwebearbeit selber zu , wenn er sagt, der Vogel müsse in die unterhalb der Flugflächen sich verdichtende Luft einsinken. Würde der Körper auf einer festen unnachgiebigen Bahn reibungslos in Wellenlinien geführt, so könnte er sein altes Niveau nach jeder Welle wieder zurückgewinnen und sich dauernd in einer Horizontalen vorwärts bewegen. Wenn er aber nun im nach giebigen Medium fortwährend Höhe verlieren.

einsinkt ,

so muss

er doch nothwendig an

Was aber die Behauptung Herrn von Miller's betrifft, dass die unter dem

Flügel

verdichtete

Luft

beim

zurückfliessen

die

geleistete

Arbeit

restituire , so möchte ich folgendes Zahlenbeispiel zur Erwägung geben. Eine Krähe von 0,9 m Spannbreite hat ein Gewicht von 0.575 kg und eine Fläche von 0,13 Quadratmeter. meter beträgt demnach 4.4 kg . 4.4 mm Wasser,

Die Belastung der Fläche pro Quadrat

und dies

entspricht einer Spannung von

d. i . einem Ueberdruck von 0.00044 Atmosphären .

Um

einen Kubikmeter Luft auf solche Spannung zu bringen, sind erforderlich . 0,00098 kgm Arbeit oder rund ein Metergramm .

Auf wie viel Kubik

meter Luft müsste sich demnach die Spannung vertheilen , um die Arbeits grösse nur eines Flügelschlages, etwa 0.16 kgm. aufnehmen zu können? In welcher Weise und an welchem Ort

sollte denn überhaupt die

Arbeitsrestitution vor sich gehen ? So lange der Flügel auf die Luft drückt, bleibt sie komprimirt, erst wenn der Flügel weitergleitet, findet eine rück strömende Bewegung statt. Wie kann aber die Luft dabei einen Einfluss auf den Flügel üben, wenn sie nicht mehr unter demselben sich befindet? Aus dem Vorstehenden folgt aber : Die vom Flügel auf die Kompression der Luft verwendete Arbeit ist. nur ein verschwindender für die Praxis unbedingt zu vernachlässigender Bruchtheil , noch nicht 1 % der Flugarbeit. Der weitaus grösste Theil der letzteren wird von vornherein dazu verwendet, die Luft auf die Seite zu schieben, also ihr eine bestimmte Geschwindigkeit zu ertheilen, genau wie bei einer Luftbremse .

Der Flugapparat ist thatsächlich nichts anderes als

eine Luftbremse mit dem Unterschied, dass er mit grossen Luftmassen und kleinen Luftgeschwindigkeiten arbeitet . während die Bremse mit kleinen. Luftmengen und sehr grossen Ausflussgeschwindigkeiten geht. Es sei mir aber gestattet, zur vollen Widerlegung der falschen Segel

theorie die richtige in aller Kürze hierher zu setzen, da meine Darlegung in der Kritik der von Miller'schen Schrift dadurch etwas Gezwungenes erhielt, dass ich genöthigt war, anzuschliessen.

mich der Darstellungsweise der Schrift

Noch einmal der Segelflug .

280

THI

Bewegt sich ein Körper in wellen förmiger Bahn ABCDE und zwar so, dass der Bogen ABC, der Wellenberg,

H2

W2

R

nach abwärts , der Bogen CDE, das E Wellenthal , nach aufwärts gekrümmt dann haben im Wellenberg die ist

ih' R2 niederziehenden,

im

D

Wellenthal die hebenden Kräfte

das

Uebergewicht ;

denn im ersten Fall zeigt die Bahn eine konstante Ablenkung nach unten . im zweiten nach oben. Der hebende Luftwiderstand ist also auf der Strecke ABC kleiner als das Gewicht des Vogels, auf der Strecke CDE aber grösser.

Nimmt

man mit Herrn von Miller an, dass diese Kräfte während der Dauer ihrer Wirkung, also innerhalb Wellenberg und Wellenthal konstant bleiben, sind die Kurven Parabeln .

so

Um die Arbeiten zu finden, welche zur Aufrechthaltung der Bewegung erforderlich sind, muss man beachten, dass die Fläche mit ihrer Bahn einen bestimmten Winkel

einschliesst ,

wesshalb

sich der Widerstand in zwei

Komponenten parallel und senkrecht zur Bahn zerlegt. Die Komponenten senkrecht zur Bahn haben auf den Arbeitsverbrauch keinen Einfluss , weil ihre Wirkung theils durch die Schwere, theils dadurch, dass sie abwechselnd nach vor- und rückwärts wirken,

aufgehoben wird;

sie erzeugen aber vertikale und horizontale Oscellationen des Flugkörpers um einen gleichmässig und geradlinig fortschreitenden Punkt. Die mit R₁ und R, bezeichneten rückwärts gerichteten Komponenten parallel zur Bahn sind aber Bewegungswiderstände, welche auf dem ganzen Wege des Flugkörpers überwunden werden müssen. Bezeichnen W und a, den Widerstand und den Neigungswinkel der Fläche auf dem Wege ABC, ferner W₂2 und a die analogen, etwas grössern Werthe auf dem Wege CDE, so sind die Widerstände längs der Bahn :

W₁ . sin a = W. sin a . R₂

R₁

Dies sind die durch die Funktion des Flugapparates hervorgerufenen Bewegungswiderstände, welche die Schwebearbeit veranlassen . Ich nenne sie

Rücktrieb " zum Unterschied von dem auf die Vorderkante der Flügel

und den Flugkörper selbst wirkenden

Stirnwiderstand ".

Nimmt man den Rücktrieb als konstant an innerhalb Wellenberg und Wellenthal, so hat man nur die Bahnlänge mit dem Rücktrieb zu multi plizieren, um den Arbeitsbedarf zu finden .

Als Flugarbeit auf der Strecke

AB hat man demnach AB . R₁ wozu man noch die in der Hebungshöhe h₁ enthaltene Arbeitsgrösse G. h₁ addiren muss .

Für die späteren Phasen

der Bewegung verfährt man analog und erhält dann folgende Uebersicht über den Arbeitsverbrauch während einer Flugwelle :

Noch einmal der Segelflug.

281

Arbeit auf AB ... R. AB h, G₁ 99 "" BC ... R₁ . BC h₁ G₁ • R₂2 . CD -- h₂ G₂ ". CD . DE . R2 . DE + h₂ G₂ folglich Totalarbeit

ABC . R₁ + - CDE . R.

Zur Aufrechterhaltung der Bewegung bedarf es somit der dauernden Ueberwindung des durch die Flugflächen hervorgerufenen Rücktriebes . Unter der Voraussetzung, dass diese Bedingung erfüllt sei , lässt sich das Spiel der Kräfte nun leicht übersehen . Bei A tritt der Körper die Bewegung an, verliert, bis er bei B an kommt ,

seine

Schwere .

Steiggeschwindigkeit wegen

der überwiegenden Kraft der

Bei C hat er in Folge des Niedersinkens seine Anfangsgeschwin

digkeit wieder gewonnen.

Hier setzt die grössere Hebekraft ein , vernichtet

zunächst auf dem Wege CD die abwärts gerichtete Geschwindigkeit des Körpers und ertheilt ihm auf dem Wage DE aufs Neue gerichtete Geschwindigkeit gleich der Anfangsgeschwindigkeit, das Spiel wiederholen kann .

eine aufwärts worauf sich

Das Maximum der Geschwindigkeit hat demnach der Körper bei A, C und E, und nicht im Wellenthale , wie Herr von Miller ( übrigens auch Marey in seinem Werk 99 le vol des oiseaux " ) annimmt. Das Minimum findet sich an den Gipfelpunkten bei B und D. Ist aber die Bedingung nicht erfüllt, dass der Rücktrieb auf der ganzen Bahnlänge überwunden ist, so kann die Leitlinie der Bahn, die Gerade AE, nicht horizontal bleiben . Soll dabei das Fortschreiten des Vogels im Raum ungeändert bleiben, so muss die Leitlinie zum Horizont nach vorwärts in einem solchen Winkel fallen, dass die um den gleichen Betrag vornüber geneigten Flugflächen nunmehr im Ganzen und Grossen horizontal liegen , somit eine Behinderung der horizontalen Verrückung des Vogels nicht ein tritt . Dieser Fallwinkel der Bahn zum Horizont müsste also, wenn man die Verhältnisse unserer Figur zu Grunde legt , einen Mittelwerth zwischen 71 und

2 haben.

Nun übersieht man auch, in welcher Weise aufsteigende Luftströmungen dem Vogel zu Gute kommen .

Erhält der Vogel Wind von unten und vorne,

so kann er den Winkel, den seine Flugflächen mit dem Horizont bilden, verkleinern derselbe kann unter Umständen Null, sogar negativ werden . ohne dass die erforderliche Tragfähigkeit des Flügels verloren geht , und letzteren Falles übt der Flügel sogar einen vorwärtstreibenden Einfluss auf den Vogel . Hierbei ist aber unter allen Verhältnissen das Minimum der Arbeit bezw . des Höheverlustes dann zu erwarten , wenn die Flugbahn eine Gerade ist.

Denn dann ist nicht nur der zurückgelegte Weg am kürzesten , sondern

auch das Einsinken

der Flügel in dem nachgiebigen Medium,

d . h . die

Fisch oder Vogel ?

282

Schwebearbeit wird ein Minimum , weil die Beanspruchung der Flugflächen eine

gleichmässige ist und das Kraftmaximum im Wellenthale wegfällt, wie in meiner "" Mechanik des Vogelflugs etc. " gezeigt ist. Als Resumee folgt schliesslich : Der Aufwand an Schwebearbeit ist

dadurch bedingt, dass eine Flugfläche immer mit einer Komponente ihres Widerstandes der Bewegungsrichtung entgegenwirkt ,

dass sie einen Rück

trieb besitzen muss , wenn sie überhaupt einen Widerstand geben soll.

Das

folgt aus dem hydrostatischen Grundgesetz, dass der Flüssigkeitsdruck (von der durch die Bewegung erzeugten geringfügigen Reibung abgesehen) stets senkrecht auf den Gefässwänden steht. Die Lösung des Problems , ohne Schwebearbeit zu fliegen, beruht also auf der Konstruktion einer Flugfläche ohne Rücktrieb . Das ist aber eben unmöglich, so unmöglich wie das perpetuum mobile . Inhalt meiner Kritik des

Ich muss also den

mühelosen Segelfluges " voll aufrecht erhalten.

Die ganze , meines Wissens eigentlich von Herrn A. Platte in Wien zuerst emittirte Pseudotheorie ist aber sehr geeignet, Projektenmacherei zu verleiten

unklare Köpfe zur

wie wir das erlebt haben

nungen zu erwecken, die sich unmöglich erfüllen können .

und Hoff

Deshalb glaubte

ich auch, im öffentlichen Interesse zu handeln . wenn ich energisch dagegen auftrat.

Fisch oder Vogel ? „Der kritische Punkt in der Luftschiffahrt ist der Muth." Die Dynamiker und Aviatiker können noch immer nicht auf Thaten hinweisen .

Wäre auch nur eine einzige Horizontalfahrt von zwei Minuten

Dauer, und ohne einen Aufflug durch eigene Kraft und nur in fünfzig Fuss so stolz scheinen sie Höhe jemals ausgeführt worden, so würden sie mir

auf die Gleichgewichtsfahrer herabsehen, wie Künstler auf Statisten . Zwar ist eine wissenschaftliche Sache ernster Natur und kleidet sich

gern in vollwichtige Roben; aber gelegentlich einmal ist auch ein leichtes Gewand statthaft und dienlich, zumal für fliegende Gedanken. und wenn es an Handlung fehlt. Den schnellsten Fisch kann der Vogel gemächlich ohne Flügelschlag umkreisen , nach einer kurzen Zeit der Arbeit eine weit längere Zeit hindurch der Erholung geniessen. Wäre der Vogel so schwer wie der Fisch, so würde seine Kraft nicht ausreichen zur beschwerlichen Arbeit des Auffluges .

Aber er ist dreimal

leichter, seine Kraft genügt zum Auffluge : und ist dieser erst überstanden so bedarf es einer vielemal geringeren Kraft, eine schnelle horizontale Bewegung zu versetzen . mässig schnellen

Bewegung begnügen ,

um sein Körpergewicht in Wollte er sich mit einer

und gerade so wenig Kraft auf

wenden, als dazu erforderlich. so dürfte er, gleich der Fledermaus, seine Arbeit nicht unterbrechen .

Fisch oder Vogel?

283

Bisweilen fliegt er auch so, wie die Fledermaus .

Aber da er um des

Auffluges willen nun doch einmal im Besitze vielemal grösserer Kraft ist, als für einen mittelschnellen Horizontalflug genügt, so benutzt er diese oft, um sein Körpergewicht in die möglichst schnelle Bewegung zu setzen .

Von

dem Augenblick an, in welchem er alsdann seine Arbeit einstellt, gleicht er einem Geschosse, das mittelst der in demselben aufgespeicherten Kraft sich noch lange Zeit fortbewegt, nachdem es von der Pulverexplosion im Geschützrohre nicht mehr geschoben wird. Das Geschoss ist zwanzigmal schwerer,

als der Vogel und beginnt den Flug überdies mit zwanzigmal

grösserer Anfangsgeschwindigkeit, als der Vogel seinem Körper zu ertheilen vermag. Jedoch die Flugflächen des Geschosses sind noch kleiner, als die des Vogelrumpfes ; hätte das Geschoss flügelartige Flugflächen, so würde es eine ungefähr horizontale oder sanft schräg aufwärts führende Richtung bei behalten und noch viel weiter fliegen, als ohne dergleichen besondere Flug flächen . Manchmal,

für kurze Entfernungen ,

mit Wiederholungen nach sehr

kurzen Zeitabschnitten , ertheilt der Vogel sich seine grösste Geschwindigkeit mit nur zwei bis drei Flügelschlägen und legt dann die Flügel glatt und eng an den Körper, dann gleicht sein Flug noch mehr dem des Geschosses, als wenn er nach den Flügelschlägen die Flügel ruhig ausbreitet. Mit angelegten Flügeln würde der Vogel sehr bald sinken und muss deshalb bei dieser Art zu fliegen,

sehr viel häufiger durch neue Flügel

schläge die verbrauchte Kraft ersetzen . meistens nur , um ein bestimmtes nic

Deshalb fliegt er auf solche Weise zu fernes Ziel zu erreichen . Will

er aber einen weiten Flug machen, oder kreisen, um längere Zeit in der Nähe einer Landstrecke zu verweilen , ohne zur Erde niederzukommen, dann versetzt er sich mit voller Kraft in ungefähr horizontale Bewegung und breitet hierauf die Flügel aus, obgleich dadurch die Schnelligkeit ein wenig vermindert wird. Die in seinem 250mal luftschwerem Gewichte durch Flügelschläge aufgespeicherte Kraft genügt für eine fünfzigmal oder hundert mal längere Zeit, als für die Arbeit nöthig war, je nachdem ob er den Flug etwas schräg aufwärts, horizontal oder ein wenig schräg abwärts lenkt. Die Variationen übergehe ich. Diese prächtigen Fähigkeiten, welche der Vogel seinem sehr grossen Uebergewichte und seinen grossen Flugflächen verdankt , auch seiner so vortheilhaften Gestalt und Bekleidung, laden fast unwiderstehlich zur Nach ahmung in Luftschiffen

ein .

Indessen

würde

es rathsam sein,

eine

Maschine abwechselnd je einige Sekunden mit voller Kraft arbeiten und hundert Sekunden still stehen zu lassen? Wäre es nicht vortheilhafter die Maschine nur für den Aufflug mit voller Kraft ( für stillstehendes Schweben mit halber Kraft) und für den Horizontalflug mit nicht mehr Kraft als bei ununterbrochener Arbeit gerade genügt, arbeiten zu lassen?

Vielleicht!

Fisch oder Vogel?

284

Indessen, wenn ununterbrochene Arbeit wünchenswerther ist, zumal die, die ausgebreiteten Flügel vertretenden Flugflächen verhältnissmässig klein sein würden, und wenn die Arbeit so gering gestellt wird, dass sie nur gerade genügt ,

um nicht zu sinken , so wird ja keine nennenswerthe Kraft auf

gespeichert, und das Schiff sinkt sobald die Maschine aufhört zu arbeiten. Sie dürfte also niemals aufhören zu arbeiten, und müsste kreisen, um die grössere Kraft zu sparen ,

welche beim Stillhalten

erforderlich wäre, um

das Sinken zu verhindern .

Und alsdann würde sich ein Zurücksehnen nach

dem Gleichgewichte einstellen, eine Sehnsucht nach dieser Eigenschaft der einzigen Vorbilder, welche in der Luftschiffahrt erprobt wurden ; und welche den Fischen gleichen . Freilich, zwischen den Gewichten im Verhältnisse zu den Elementen Wasser und Luft, des Fisches mit 100 Prozenten , des Vogels mit 25000 Pro zenten und des dynamischen Luftschiffes zum Beispiele mit 500000 Prozenten giebt es eine sehr beliebige Auswahl von Zwischenmassen. Ohne eine einzige Erfahrung über irgend eines dieser Gewichtsmasse, scheint es , verursacht die Auswahl eine nicht-enden-wollende Qual , so dass keiner den Muth der Klarheit zu einer praktischen That findet. Meine fliegenden Gedanken haben nun ihr Ziel bereits erreicht.

Aber,

um dem Vorwurfe zu begegnen , dieselben beliessen die Auswahl der Ueber gewichts -Prozente ebenso unbestimmt, wie die der unschlüssigen Dynamiker und Aviatoren, will ich zum Schlusse noch meine Anhaltspunkte, wie ich zu einer Bestimmung der Prozente gelangen wollte, hinzufügen. (Ich muss vorbemerken, dass ich nicht zu dynamischen Versuchen geneigt bin, dass ich mich mit Gleichgewicht abfinden würde , und nur so nebenbei , weil ich gerade diese Angelegenheit behandle, mit 101 Pro zent fahren möchte, eingeholt würden , seine Fahrt Fisch. )

wovon 2 Prozent nachdem das

beginnt.

Meine Auswahl

am Boden ruhen blieben und erst

Schiff 300 Fuss hoch gestiegen ist und

Lediglich

eine

Sache

der

der Uebergewichtsprozente

Bequemlichkeit , würde

ungefähr

sonst so

zu

Stande kommen. Ich würde vom Segelfluge in einer Reihe von Pausen in der Thätig keit der Maschine absehen. Ich würde nicht warten, bis etwa die Technik goldene Eier legt , oder auch nicht legt. wählen ,

da

dieselbe

viele

Ich würde eine elektrische Maschine

Bequemlichkeiten in der Handhabung bietet,

namentlich durch Umschaltungen für volle, halbe und kleinere Bruchtheile der Kraft. Die volle Kraft würde ich als das Mass betrachten für das im Auffluge zu hebende Gewicht; genügen.

ein Fuss

in der Sekunde würde

Gas ist entbehrlich dabei, aber vielleicht nützlich .

mir

Wenn ein Dyna

miker oder Aviatiker, gleichviel ob gemäss meinen gegebenen Anhaltepunkten . oder wie immer sonst, nicht den Muth findet zu fahren, auch nicht von

285

Litterarische Besprechungen .

empfehle ich einem Heissluftballon aus einen horizontalen Flug , dann fe en . hif ehr tsc ch m zu bek ihm , lieber sich ganz und gar zu Fis -Luf und andere giebt Die Gleichgewichtsschiffe in Wasser und Luft berechtigen die Fische , uns Menschen als ht . Die fliegenden Vögel behalten noch immer das tsächl nichen thazu es ja en nspruc beaich Kolleg stolzere Vorrecht , auf die hüpfenden Vögel und auf die Fische und Menschen , und ganz besonders auf thatenlose Aviatiker, achselzuckend herabzublicken . A. v. Brandis .

Litterarische Besprechungen . Die Thatsache der lenkbaren Luftschiffahrt und ihre Verwendung für Militärzwecke von A- Z. Leipzig , F. W. v. Biedermann . 1890 . Die Thatsache der lenkbaren Luftschiffahrt und Unter dem Titel : ihre Verwendung für Militärzwecke von A- Z" ist eine kleine Brochüre erschienen , welche in ihrem Inhalte keineswegs auch nur annähernd das

bringt , was der so kategorisch ausgesprochene Titel verspricht . Nach einer schwungvollen Einleitung , zu welcher der arme Icarus und Dädalus wieder einmal ausgegraben werden , behauptet der Verfasser , welcher gleich das ganze Alphabeth zur Verheimlichung seines wahren Namens in Anspruch nimmt , dass bisher sämmtliche Versuche den Ballon lenkbar zu machen, gänzlich fehigeschlagen seien ; es existire bis jetzt noch keine Er findung, welche Anspruch selbst auf nur theilweise Lenkbarkeit machen könne . Die Versuche Renards mit dem Ballon La France " scheint der Verfasser mithin nicht zu kennen , er würde sonst wohl kaum die naive Unverfrorenheit besitzen zu behaupten, dass zu starke Einbildungskraft ver bunden mit sehr wenig technischer Berechnung der Hauptfehler aller bisher gemachten Versuche gewesen seien . Die zu überwindende Kraft des Luft widerstandes sei stets zu klein berechnet worden und die Konstruktion des Fahrzeuges stets eine durchaus unrationelle gewesen und zwar insofern , als man versucht hätte mit der lose unterhalb des umfangreichen Kolosses in einem winzigen Theile vertikal hängenden Maschine das Ganze in hori Der zontaler Richtung gegen seine breiteste Aussenfläche fortzubewegen . Verfasser kann sich, wie diese Kritik zeigt , unmöglich mit der Technik der bisher gebauten lenkbaren Luftschiffe auch nur oberflächlich beschäftigt haben . Solche Kapitalfehler macht kein Giffard , Renard und Haenlein , welche sicher weniger Einbildungskraft , aber dafür desto mehr technisches Verständniss besessen haben dürften , als der Verfasser von A- Z. Hiermit sind die lenkbaren Luftschiffe begraben . Der Verfasser braucht zur Lenkbarmachung Eigengewicht , wir werden aber später sehen , dass er es nicht so ernst hiermit meint , da er sich schliesslich doch wieder den Gasbehälter zum Tragen seines Fahrzeuges zu Hülfe holt . Geradezu köst lich ist der Schluss dieses ersten Theiles der Abhandlung , womit der Ver fasser das lenkbare Luftschiff bisheriger Konstruktion niederschmettert . Er meint , selbst angenommen, dass die treibende Kraft in der Gondel so stark sei, den Luftwiderstand zu überwinden , so müsste sich die Gondel um den Gasbehälter, der wegen des grösseren Luftwiderstandes gegen seine grössere Fläche nicht so schnell der Bewegung folgen könne , permanent drehen , wodurch sämmtliche Gegenstände aus der Gondel fallen würden !

286

Litterarische Besprechungen.

Der einzig richtige Weg für die Lenkbarmachung des Luftschiffes sei die Nachahmung des Vogels. Es folgt nun die längst bekannte viel ein gehender und sachgemässer bereits vorhandene Darstellung des Fluges der Vögel nebst oberflächlichen Berechnungen , deren Richtigkeit nicht einmal geprüft werden kann , da dieselben nur aus nach individuellen Schätzungs werthen zusammengestellten Zahlen zusammengestellt sind . Originell hierbei ist jedoch die Anschauung über das Zustandekommen der Vorwärtsbewegung des Vogels beim Fliegen. Der Verfasser behauptet, der Vogel drehe seine einzelnen Federn bei jedem Flügelschlago, so dass bei der Aufwärtsbewegung des Flügels die Luft zwischen den Federn hindurchstreiche. Hierdurch werde ein Druck nach rückwärts hervorgerufen, welcher den Vogel nach vorwärts treibt . Wie der Verfasser auf diese komplizirte Erklärung kommt. ist völlig unklar, er scheint auch hier über die bisherigen Arbeiten auf diesem Gebiete (Lilienthal, Marey, Parseval) wenig oder garnicht orientirt zu sein. Aber abgesehen von all' diesen Irrthümern und gewagten Annahmen hätte die Abhandlung doch immerhin eine Berechtigung und einen Werth, wenn nun auf Grund dieser Beobachtungen die Thatsache der lenkbaren Luftschiffahrt praktisch gefolgert oder irgend ein Projekt zur Lösung dieser Frage geboten würde. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Nachdem die erschütternde Thatsache festgestellt ist, dass ein Luftschiff naturgemäss nur bis zu einer gewissen Luftstärke werde fahren können , ist wieder das Endresultat alles vorher Gesagten, dass das Luftschiff Eigengewicht besitzen und durch die Kraft seiner Maschinen gehoben und vorwärts bewegt werden müsse . „ Da jedoch " , so sagt der Verfasser wörtlich , das Heben des Schiffes von Anfang an nicht allein durch Maschinenkraft ausgeführt werden kann, so muss , um das Schiff bis zu einer gewissen Höhe zu heben, hierzu Gas angewendet werden . " Somit wären wir ja glücklich wieder zu dem im Anfange begrabenen Luftschiffe zurückgekehrt und könnten eigentlich wieder von vorn anfangen. Den Schluss dieses Werkes bildet ein Satz , dessen Nothwendigkeit der Verfasser wohl noch schnell in Anbetracht des Titels empfunden haben mag und zwar : Es war übrigens nach Feststellung der angeführten Thatsachen nicht schwierig, ein brauchbares Fahrzeug zu konstruiren. " Der Verfasser sagt nicht etwa, es wäre oder es wird nicht schwierig sein, nein es war nicht schwierig , dieses Fahrzeug zu konstruiren . Leider verräth er nicht gleichzeitig, wo sich augenblicklich das hiernach gebaute Fahrzeug befindet, er würde wohl auch in die grösste Verlegenheit gerathen, wenn man ihn hiernach fragen würde . Die Verwendung dieses Fahrzeuges für Militärzwecke steht Gott sei Dank nur auf dem schönen gelben Um schlage, im Text ist nichts davon zu finden, es müsste denn gerade der gute Rath, dass diese Fahrzeuge aus naheliegenden Gründen allerdings nur bei Nachtzeiten fahren dürften, ein militärischer sein sollen. G .... Technologisches Wörterbuch, Englisch-Deutsch-Französisch. Gewerbe, Zivil- und Militair-Baukunst , Artillerie , Maschinenbau, Eisenbahnwesen, Strassen-, Brücken- und Wasserbau, Schiffbau und Schiffahrt, Berg- und Hüttenwesen, Mathematik, Physik, Elektrotechnik, Chemie, Mineralogie u. a . m. umfassend . Herausgegeben von Dr. Ernst Röhrig in Hannover mit einem Vorworte von weil . Karl Karmarsch. Vierte verbesserte und bedeutend vermehrte Auflage . Preis 12 Mark.

Wiesbaden , Verlag von J. F. Bergmann .

287

Litterarische Besprechungen .

Das vorliegende Werk ist bereits in früheren Jahrgängen , und zwar Vierte verbesserte und ver il "(Heft IV/V, Seite 117 ) und der The -Franz der Deutsch - Englisch ng e 18 rgasch 89, Jahösi im Dritte verbesserte und vermehrte lage mehrte Aufch che ilt" IV . Seite 99) unserer Zeitschrift be tsc nzö - DeuJa - Eng ,,Fra nglis esis im 90 The hrhga (Hef 18 Auflag Der uns heute vorliegende Band ist der 99 Deutsch che sis ch nzö lis dieses bedeutenden Werkes . Wir haben in Theil Engochen-Fra worden . spr unserer ersten Besprechung hervorgehoben , ein wie dringendes Bedürfniss technologische Wörterbücher bei den ausserordentlichen Fortschritten , welche die Technik in unserer Zeit macht , geworden sind , und in der darauf folgenden auf die Namen der Mitarbeiter dieses Werkes , welche sämmtlich an hervorragender Stelle der Wissenschaft stehen, als eine Bürgschaft für Wenn die Vorzüglichkeit und Gediegenheit des Letzteren hingewiesen . hiermit auch gewissermassen schon der Beweis für den Werth und die praktische Bedeutung dieses technologischen Wörterbuches erbracht ist, so nehmen wir gleichwohl gerne Veranlassung anlässlich des jetzt vorliegenden ,,Englisch- Deutsch - Französischen " Bandes an unsere früheren Besprechungen en . s der vielen , in sämmtlichen lebenden und bekannten Sprachen esscht hliesi anzuscAng sich bewegenden Wörterbücher und Konversations -Lexika , deren einzelne ebenfalls von anerkannt hervorragender Bedeutung sind , könnte auf den ersten Blick der praktische Werth und Nutzen, d . h . das Erforderniss eines technologischen Spezial - Werkes " dieser Art zweifelhaft erscheinen ; berück sichtigt man aber , dass die heut die Welt beherrschende Technik sich in ihren terminis technicis " gewissermassen eine eigene Wissenschaft gebildet. hat, welcher auch der gebildetste Laie , wie einem Buche mit sieben Siegeln 99 gegenübersteht , ferner wie selbst der Fachmann fremdsprachlicher Techno ie log gegenüber nicht selten in Verlegenheit geräth , so wird man die Noth wendigkeit eines solchen , auf die drei Hauptweltsprachen: „ Deutsch, Englisch und Französisch " ausgedehnten technologischen Wörterbuches nicht weiter bezweifeln können . Diese Aufgabe hat sich das vorliegende Werk gestellt und in hervorragender Weise gelöst , denn es ist nicht nur inhaltlich gediegen und bedeutend dafür bürgen schon die Namen der betheiligten Mit arbeiter, welche――――wir in der vorhergehenden Besprechung (Jahrgang 1890 , sondern es zeichnet sich auch vor Heft IV, Seite 100 ) genannt haben, ähnlichen Werken durch eine bewunderungswerthe Vollständigkeit aus, so weit dies eben bei der Unbegrenztheit des behandelten Gebietes möglich und menschlicher Geisteskraft erreichbar ist. Dieser Mangel , welcher also nicht absolut zu vermeiden ist, wird im vorliegenden Falle dadurch nach Möglichkeit zu beseitigen gesucht , dass an dem Werke , wie schon erwähnt , eine grössere Anzahl tüchtiger Fachmänner als Vertreter der einzelnen wissenschaftlichen Gebiete arbeitet , und dass die neuen Auflagen des Werkes in verhältnissmässig geringen Zwischenräumen erscheinen . Bis heute hat das technologische Wörterbuch schon mehrere ver mehrte und verbesserte Auflagen erfahren und wir können es mit voller Ueberzeugung Jedermann , mag er es nun als gebildeter Laie oder als Fachmann in Gebrauch mehmen , empfehlen und wünschen wir auch diesem Bande einen gleich schnellen Absatz , wie er bisher gewesen ist.

288

Mittheilungen aus Zeitschriften. Mittheilungen aus Zeitschriften .

Le spectateur militaire.

Paris , 1890.

Im September-Heft des „ Spectateur militaire " erwidert Herr de Fon vielle auf unsere Besprechung seines „ L'aéronaute de Berlin " betitelten Aufsatzes . Der Sarkasmus des gelehrten Schriftstellers macht in veegen der Erörterung der beiderseitigen Verhältnisse einer ruhigeren rwägung Platz . Durch mehrere Fragen an uns sucht er seine früheren Behauptungen zu rechtfertigen. So fordert er auf, doch die Namen derjenigen Deutschen zu nennen, die in der Luftschiffahrt etwas geleistet hätten . Er möchte ferner wissen, warum Rezensent nicht zum internationalen Kongress erschienen ist und wie eben derselbe sich zu der Frage stellt, ob im Kriege gefangene Luftschiffer als Spione zu behandeln seien . Weiterhin hebt er die Lässig keit des französischen Kriegsministers Freycinet in der Behandlung des Luftschifferwesens hervor und stellt dem gegenüber die grossen Erwartungen, welche in dieser Beziehung von Kaiser Wilhelm II gehegt würden , dessen Eingreifen de Fonvielle mit Freuden begrüssen würde, um so mehr, als unser Kaiser damit die Schwierigkeit zu überwinden habe, gegen die An sicht Friedrich's des Grossen aufzutreten, der ein ausgemachter Feind der Ballons gewesen sei . Letzteres wird durch einen Briefwechsel des grossen Königs mit dem Baron Grimm in Paris bekräftigt. Danach hielt der König die Ballons für ein Amüsement, so lange man sie nicht lenken könne und sie zugleich leicht aber viel solider, weniger gasdurchlässig und mit Ein schluss des gesammten Verfahrens der Füllung billiger herstellen könne. Schliesslich wird der Präsident der Republik, Carnot daran erinnert, wie sehr sein Grossvater die ersten Versuche mit Ballons während der Zeit der Revolutionskriege protegirt habe . Mit einem Hinweis darauf, dass die häufigsten Winde nach Russland gehen und man mit den jetzigen Ballons öfter, als es in Berlin angenehm wäre, durch die Luft dorthin gelangen könne, wird Sadi Carnot gewissermassen höflich eingeladen, ebenso wie sein Ahne sich für die Luftschiffahrt zu begeistern . Was die an uns gerichteten Fragen anlangt, so hofft Rezensent deren Beantwortung an anderer Stelle mit sachgemässer Gründlichkeit gelegentlich zum Ausdruck bringen zu können . Moedebeck.

Kleinere Mittheilungen . L'école d'aérostation de Lagoubran. Admiral Reiunier hat sich nach dem Luft schifferpark von Lagoubran begeben und ist daselbst vom Direktor der Luftschiffer schule, Marinelieutenant Serpette, empfangen worden . Nach Prüfung mehrerer Schüler äusserte der Admiral den Wunsch, mit dem Fesselballon aufzusteigen. Er stieg in den Korb und leitete das Auf- und Absteigen durch telephonisch nach unten gegebene Kommandos selbst . Nachdem er in ziemlicher Höhe einige Zeit verweilt hatte, befahl er, das Einholen, was in sehr zufriedenstellender Weise von statten ging. Der Admiral beglückwünschte Lieutenant Serpette , nachdem dieser ihm noch einige wohlgelungene Versuche vorgeführt hatte. Der Ballon wurde zuerst auf ein Torpedoboot gebracht, welches mit ihm verschiedene Evolutionen ausführte. Darauf wurde er, immer an einem Kabel gehalten, wieder auf Land gebracht, an einem Wagen angebunden, der durch acht Mann gezogen wurde und dem 36 Mann nachfolgten. Der Admiral verfolgte den Marsch mit Interesse. Ohne Unfall wurden alle Hindernisse auf dem Marsche genommen. Damit ist der Beweis für die Verwendbarkeit des Fesselballons bei Landungen von Moedebeck Marinetruppen erbracht . ( La France aérienne . )

Kleinere Mittheilungen .

289

Schiessversuche gegen einen Fesselballon. Im Lager von Ust-Ljora in Russland haben Schiessversuche gegen einen Fesselballon stattgefunden . Der Ballon wurde von drei Kabel, deren jedes 600 Fuss lang war, gehalten ; im Korbe befanden sich die Luft schiffer vorstellenden Puppen. Es feuerten dagegen 4 leichte Geschütze auf 4500 Schritt Entfernung. Das Feuer wurde durch einen einen Kilometer vorwärts und links der Batterieindlichen und mit ihr telephonisch verbundenen Beobachter korrigirt . Die Kabel wurde . ' durch 3 genügend seitwärts aufgestellte Leute gehalten . Höhe und Auf stellung des Ballons konnte durch letztere geändert werden . Die Luft war sehr ruhig. Das Einschiessen war nach dem zehnten Schuss erfolgt, von da ab wurde Salvenfeuer abgegeben. Nach der fünften Salve begann der Ballon langsam zu fallen, die sechste Salve erreichte ihn nicht mehr. Im Ganzen waren 34 Schuss abgegeben worden. Der Ballon hatte fünf etwa 1 Fuss grosse Löcher und 24 durch Shrapnelkugeln entstandene kleine, die meist in der oberen Kalotte lagen . Man stellte dabei fest, dass die Repa raturen nicht mehr als eine halbe Stunde Zeit in Anspruch nehmen würden. (La France M. aérienne. ) Für die Manöver mit dem Fesselballon sind in der französischen Armee folgende Zeichen eingeführt worden : An zwei diagonal gegenüber liegenden Ecken des Korbes sind zwei rothe Flaggen mittelst einer Schnur befestigt. Das Herauslassen einer einzelnen bedeutet : „ Höherlassen", das Heraushängen der zweiten : „Einziehen “ , das Einziehen beider : „ Stopfen " . Wird auf der Erde nahe der Winde ein rothes Tuch ausgebreitet, so wird dem Luftschiffer von unten her damit die Absicht bekannt gegeben, dass man M. mit ihm durch das Telephon sprechen will . (La France aérienne . ) ―― Versuche und Fahrten in Russland . Der russische Oberst Orloff berichtet der ,,France aérienne " über verschiedene in Russland erfolgte Versuche und Fahrten. Am 6./18. Juni wurde bei Valkano Halé die von Godard gekaufte eiförmige Montgolfiere von 3100 cbm in 3/4 Stunden gefüllt . Man brauchte hierzu 5 Bund Stroh. Es erfolgte darauf eine Fesselfahrt mit 2 Menschen im Korbe, die Montgolfiere hielt sich indess nicht lange in der Luft und musste vor jeder Auffahrt wieder erwärmt werden. Am 8. 20. Juni wurden an der Gasfabrik die beiden Militärballons „ Orël“ ( 1100 cbm) und „ Berkut “ (1300 cbm) gefüllt . Der „ Orel " stieg um 10,20 Uhr mit drei Offizieren ; er erreichte bald die Höhe von 1500 m und fuhr südlich. Seine Reise dauerte 5 Stunden 55 Minuten und endete bei Luga . Der „ Berkut " fuhr um 11,5 Uhr ebenfalls mit drei Offizieren auf und kam um 3,20 Uhr in einem Walde an der Bahn Petersburg-Warschau nieder. Die L Am 13./25 . Juni stieg der Insassen mussten am Ankertau zur Erde herabklettern . „Orël“ von Neuem mit drei anderen Offizieren bei Nordwind. Ein Regen beendete diese Fahrt frühzeitig, der Ballon fiel nicht weit von Petersburg in ein dichtes Gehölz . Bei der Auffahrt hatte man mit Erfolg Ortsbestimmungen des Ballons mittelst Theodolithen gemacht, wobei der bekannte Durchmesser desselben ( 10 m) zu Grunde gelegt wurde. Oberst Orloff glaubt damit die Entfernung von Ballons im Kriege ermitteln zu können . Am 15./27. Juni machte der „ Orel " wieder eine Fahrt nach derselben (südlichen) Richtung bei recht klarem Wetter . Bei dieser konnten während 40 Minuten 58 Orts bestimmungen des Ballonfluges mit dem Theodolithen aufgenommen werden . (La France M. aérienne .) Englische Luftballons . Herr Espitallier bringt in der „ Revue de l'Aéronautique “ interessante Angaben über die englischen Militärballon's. Das Volumen derselben geht im Allgemeinen über 300 Kubikmeter nicht hinaus. Die Hülle wird von acht Lagen „ Baudruche" gebildet und erfordert zu ihrer Verfertigang nicht weniger als 34 bis 35,000 übereinander gelegte und in einer Weise aneinander genähte Stücke, dass die Nähte nicht auf einander zu liegen kommen. Der Gasverlust durch diese Hulle ist unbedeutend und beträgt in 24 Stunden nicht über 0,2 %. Die Widerstandsfähigkeit der acht Zeuglagen beträgt 1200 Kilo pro Quadratmeter. Die gesammte Hülle wiegt etwa 45.5 Kilo , was 19 IX.

290

Kleinere Mittheilungen.

etwa 213 Gramm pro Meter Oberfläche entspricht. Das Netz zeigt eine wechselnde und von dem oberen Ventil gegen das Hängewerk zunehmende Widerstandsfähigkeit . Das Hängesystem bietet nichts Besonderes . Das Haltekabel wird aus einem Drahttau von etwa 5 mm Stärke gebildet ; ein Meter desselben wiegt etwa 80 Gramm, oder 3.9 Kilo bei einer Länge von 500 Metern . Der Verfasser führt dann noch folgende Einzelheiten über einen in Birmingham hergestellten Ballon an : Ballon aus ächt Baudruche - Lagen Durchmesser : 8,22 Meter, Volumen : 290 Kubikmeter, Gewicht der Hülle 45,26 Kilo , 3.17 Oberes Ventil Netz . 19,05 4.54 Hängetaue 5,90 Zwei hölzerne Hängereifen Gondel .. 11,34 Anker und Kabel . 9,52 " Unteres Ventil . 0.90 Sa.

99,68 Kilo.

Die Aufsteigekraft dieses Ballons ist unter der Annahme der Entrollung des ganzen Haltekabels, genügend um zwei Personen zu heben. Eine grosse Unzuträglichkeit bei den Baudruche Ballons bildet der Preis . Der erwähnte Ballon kostet 13,500 Fres.. so dass der Quadratmeter der Hülle auf 46 bis 47 Fres. zu stehen kommt. Berghaus. Unglück bei einem Fallschirmversuche. Der am Dienstag Nachmittag im Schloss Weissensee bei Berlin aufsteigende Luftschiffer L. war bereits vor einer zahlreichen Volksmenge haushoch emporgestiegen, und es handelte sich nun darum, nach Oeffnung des Ventils mittels des Fallschirmes wieder zur Erde zu gelangen. Hierbei widerfuhr ihm das Unglück, dass er sich in der Leine vergriff , den Fallschirm verfehlte und aus einer Höhe von etwa 30 Metern zur Erde herabstürzte. Der Bedauernswerthe wurde sofort nach dem städtischen Krankenhause am Friedrichshain überführt , wo schwere innere Verletzungen und bedenkliche Kontusionen am Rückgrat festgestellt wurden. („Tägl. Rundsch. “ vom 17. Juli) . ― Von München nach Würtemberg. Der „ Schwäbische Merkur" berichtet unter dem 12. Dezember d . J. aus Ochsenhausen in Würtemberg . „ Der scharfe Bayerwind brachte heute eine gar seltsame Bescherung mit sich einen Luftballon mit drei Insassen, die glücklich hier landeten . Während die am Erdboden klebenden Sterblichen nur einen langweiligen bleiernen Winterhimmel über sich erblickten, erfreuten sich jene kühnen Luftsegler des angenehmsten Sonnenscheins . Um 11 Uhr 15 Min. waren die drei Herren (ein Herr aus Augsburg, ein Offizier der bayerischen Luftschifferabtheilung, der dritte ein durchs Loos auserkorenes Mitglied des Münchener Luftschiffahrtsvereins ) in München aufgestiegen mit einem Ballon von ungefähr 12 Meter Durchmesser, mit 1000 Cubik meter Gas gefüllt. Nach ungefähr 3 Minuten verloren sie bereits die Stadt aus den Augen , da sie inzwischen mit dem schräg aufsteigenden Ballon die Wolkenschicht erreicht hatten . Bald waren sie auch durch diese hindurchgedrungen, und nun bot sich ihnen ein wunderbarer Anblick, dichtgedrängte Wolkenmassen in hellstem Lichte er strahlend, auffallend gleichmässig wie eine Ebene . So trieben sie dahin, bis zu 1500 Meter aufsteigend, ohne irgend zu wissen, wo sie sich befinden . Nur einmal öffnete sich der Wolkenvorhang und sie sahen einen Zug unter sich dahinbrausen . In der Ferne erhoben sich die Häupter der Alpen über die Wolkenschicht und besonders die Zugspitze erschien sehr deutlich und klar. Das Thermometer zeigte + 4º, die Sonne brannte förmlich . Da es auf drei Uhr ging, schien es gerathen, zu landen : das Ventil wurde gezogen, in

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt.

291

der Wolkenschicht herrschte plötzlich eine Kälte von ―― 89. Die Landung erfolgte 3 Uhr 10 Minuten. Sie hatten somit die ganze Strecke ( etwa 100 Kilometer ) in vier Stunden zurückgelegt. "

Deutscher Verein zur Förderung

der Luftschiffahrt.

Protokoll der am 6. Oktober 1890 im Saale der Königl . Kriegs akademie abgehaltenen ( 120. ) Sitzung. Vorsitzender : Dr. Assmann , Schriftführer : Dr. Kremser. Tagesordnung : 1) Geschäftliches ; 2) Bericht des Vorsitzenden über die während des Sommers vorgenommenen Experimente und Arbeiten. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit einer Begrüssung der Mitglieder nach der Sommerpause und meldet die Herren Dr. v. Gernet , Killisch v. Horn und Coningham zur Mitgliedschaft an. Alsdann ertheilt er dem Bücherwart das Wort über die neuen Eingänge und Neuanschaffungen für die Bibliothek. Im Anschluss an die Mittheilung von der Anschaffung der Zeitschrift das Luftschiff" , Organ des Kölner Vereins für Luftschiffahrt, sieht sich der Vorsitzende genöthigt, nicht nur den unsinnigen Inhalt der ersten Nummer jener Zeitschrift in das rechte Licht zu setzen, sondern auch an die Entwickelung dieses Vereins zu erinnern und Verwahrung gegen jede Verbindung mit demselben gerade wegen seines fast gleichlautenden Namens einzulegen. Dagegen ist der Vorsitzende in der Lage eine erfreulichere Mittheilung zu machen . Herr Killisch von Horn lässt nämlich mit Unterstützung durch Vereinsmitglieder einen etwa drei Personen tragenden Ballon bauen, den er gesonnen ist, dem Verein jederzeit zur Ver fügung zu stellen, wenn nur über dessen Benutzung Mittheilung gemacht würde . Es wird wohl nöthig sein, über die Verwendung des Ballons eine Art Regulativ aus zuarbeiten. Hierauf berichtet Lieutenant Gross über seinen Besuch der Maschinenfabrik von Riedinger in Augsburg. Angeregt durch Herrn v. Sigsfeld war Herr Riedinger in Ver bindung mit letzterem der praktischen Lösung der Lenkbarmachung des Luftschiffes näher getreten . Durch die zur Erforschung der einschlägigen Verhältnisse angestellten Versuche mit einem Fessel- und Freiballon war man jedoch hiervon gänzlich abge kommen. Nunmehr wurde in Verbindung mit Herrn v. Parseval zu praktischen Ver suchen zur Lösung des Flugproblems geschritten. Lieutenant Gross wohnte einem dieser Versuche bei und rühmt die Akuratesse der Ausführung des sinnreichen Modelles einer Art Flugmaschine. Ob freilich das erstrebte Resultat erreicht wird , erscheine noch fraglich, immerhin verdienen diese Bestrebungen grössere Beachtung. In der darauffolgenden regen Diskussion spricht Oberstlieutenant Buchholtz im Hinblick auf alle früheren Unternehmungen sein Bedauern über alle nach dieser Richtung verbrauchten Geldmittel und den Geistesaufwand aus. Desgleichen weist Professor von Bezold auf die unverhältnissmässigen Schwierigkeiten hin, welche bei der nöthig werden den Vergrösserung der Flügelflächen entstehen und erinnert an die einschlägigen Arbeiten Helmholtz's. Oberlehrer Gerlach hält dagegen Flugmaschinen für sehr wohl möglich, indem nach seiner Meinung diese Helmholtz'schen Untersuchungen nicht so ganz stich haltig seien . Nach mehreren Widerreden trat eine kleine Pause ein . Nach derselben berichtet Dr. Assmann über die auf den Fesselballon bezüglichen Arbeiten und die bisherigen Beobachtungen mit demselben . Der Ballon ist auf dem Herrn v. Siemens gehörigen Terrain in Charlottenburg untergebracht und zwar in einer eigens von demselben gebauten und zur Verfügung gestellten Halle. Da auch von Herrn 19*

292

Inhaltsverzeichniss des neunten Jahrgangs .

Lilienthal in uneigennütziger Weise eine Handwinde zu einem erheblich unter den Selbst kosten stehenden Preise geliefert ist, darf nunmehr der äussere Apparat als vollständig vorhanden gelten . Es fehlen nur noch die Registririnstrumente, deren Bau Herr von Sigsfeld versprochen hatte. Die zuerst geplante photographische Registrirung zeigte für die Ausführung immer grössere Schwierigkeiten. Man musste sich daher klar werden , ob die Grundlagen zu diesem Gedanken zwingend sind, und ob man nicht auf mechani schem Wege womöglich schneller zum Ziele kommen könne . Es wurden daher vom Vor tragenden mechanisch registrirende Apparate bekannter Konstruktion zuerst starr mit dem Ringe verbunden, dann in kordanischer Aufhängung mit dem Ballon aufgelassen. Das Resultat dieser Versuche war, dass man sehr wohl auf diesem Wege brauchbare Kurven zur Darstellung der meteorologischen Elemente erhält, da sie nur beim Einziehen des Kabels Störungen zeigten. Da Herr v. Sigsfeld bezüglich der Apparatenfrage zurück trat, erachtete es der Vortragende als seine Aufgabe im Hinblick auf die Möglichkeit der mechanischen Ausführung die Konstruktion der nöthigen Instrumente in seine Hand zu nehmen. Als Ergebniss seiner Ueberlegungen und Arbeiten führte er nun ein Modell des Registrirapparates vor, dessen Ausführung bereits dem Mechaniker übergeben ist , da keine nennenswerthen Schwierigkeiten mehr vorhanden sind . Der Apparat, der vor Allem den Vortheil dauernder Aspiration hat, giebt zusammen Luftdruck, Temperatur und Feuchtigkeit . Ueberdies ist er leicht zu reguliren, so dass er auch den strengsten wissenschaftlichen Anforderungen entspricht. Es wird sodann ein dem meteorologischen Institut gehöriges Aspirations- Psychrometer vorgeführt , das besonders für Freifahrten im Ballon geeignet ist, da drei Thermometer aspirirt werden können und so ein alterniren des Befeuchten , wie es zu dauernden Feuchtigkeitsbeobachtungen nothwendig ist, gestatten. Desgleichen wurde eine Apparatenhülle gezeigt , die durch Federung bei Landungen u. s. w. vor Zertrümmern schützen wird. Kremser. Die Sitzung endete mit der Proklamirung der neuen Mitglieder.

Berichtigungen. Es wird gebeten, folgende Fehler im X. Hefte dieses Jahrganges zu berichtigen : Seite 233 Zeile 4 von unten steht 39 wichtige" statt „ richtige“ . 19 247 in der Mittheilung „ Von den Truppenübungen in Frankreich “ Zeile 5 steht 99 von Cambrai ist" statt „von Cambrai entfernt ist“ . "3 247 in derselben Mittheilung Zeile 10 steht „ Fälle geschaffen sein“ statt „Fälle geschehen sein “ .

Inhaltsverzeichniss des neunten Jahrgangs . Seite.

Abhandlungen, Vorträge, Polemisches.

Von

Das Aspirations - Psychrometer und seine Verwendung im Luftballon. 1. 30 Dr. R. Assmann. (Mit Abbildungen) 9 Eine Fahrt auf weite Entfernung .. 11 Ueber den Vogelflug. ( Bemerkungen eines praktischen Jägers ) Der Fesselballon des deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt, seine 25. 54 Berechnung, Konstruktion und Kostenanschlag. Von Gross . 38. 62. 89 Betrachtungen über Gummilösungsmittel Einige Mittheilungen über Forschungen auf dem Gebiete der Aviation . Von Jul. Griese .. 50. 84 Meteorologische Ergebnisse der Fahrt des Ballons „ Harder" vom 23. Juni 1888. Von Dr. V. Kremser 73.

115

Inhaltsverzeichniss des neunten Jahrgangs .

293

Seite 92 Die Windgeschwindigkeit auf der Spitze des Eiffelthurms 95 Freier Aufstieg des Fesselballons „ Godard" am 18. November 1889 in Paris Integration zweier Differential- Gleichungen , die sich auf die Bewegung des Drachen 105 beziehen. Von Franz Prohaska . (Mit Figuren) 125 Noch einmal die „ aëronautischen Streitfragen" 129 Beiträge zur Theorie des rein dynamischen Luftschiffs . Von Hansen. (Mit Figuren) 153 Ueber den Werth der Ozonmessungen bei Ballonfahrten . Von Buchholtz 162 „L'Aéronaute de Berlin " . Von Moedebeck 177 Berechnung der Wirkungsweise der Flügelschraube. Von Hansen. (Mit Figuren ) Bericht über die Fahrt des Ballons „ Strapet" am 5. Oktober 1889. (Mit einer 181. 205 lithographirten Tafel) . 186 Die neue Gaswage Modell CE von Friedrich Lux. (Mit Abbildung ) Neues Ballongeschoss . Von Hildenbrand, Lieutenant im Infanterie- Regiment No. 88. 201 (Mit Zeichnungen ) .. 212 Ueber leichte galvanische Becher 225 Zum Drachenflug. Von Th. Kadarz 229 Ueber die beiden Theorien des Segelfluges . Von A. R. v. Miller-Hauenfels Ueber den Luftschiffer-Kompass des Kais. Russischen Ingenieur-Oberst Alexandro witsch Kosloff zur Bestimmung von Fahrtrichtung, Geschwindigkeit und 232 Drehungen des Ballons. Von H. Moedebeck Fortschritte im Militairbrieftaubenwesen 234 239 Aus den deutschen Vereinen für Luftschiffahrt 249 Flugmaschine oder lenkbares Luftschiff? Von F. H. Buchholtz . Zur Theorie der Bewegungen, insbesondere des dynamischen Fluges . Von Rech 252 nungsrath Keiper 258 Die Luftschiffahrt in der Marine 260 Ueber Zyklone und Tornadoas in Nordamerika 273 Eine Luftballonfahrt. Von A. Malachofski 278 Noch einmal der Segelflug . Von A. von Parseval 282 Fisch oder Vogel. Von A. v. Brandis Litterarische Besprechungen. 99.

286 165 191 214 215. 266 264 265 266 285

Röhrig, Technologisches Wörterbuch . Vidière, La guerre et le sport colombophile v. Miller- Hauenfels, Der mühelose Segelflug der Vögel Physik und Chemie Bibliotheca Polytechnica Tissandier, Histoire des Ballons Umlauft, Das Luftmeer Friedrichs, Taschenatlas der Eisenbahnen Europas Die Thatsache der lenkbaren Luftschiffahrt

Mittheilungen aus Zeitschriften. Meteorologische Zeitschrift Le spectateur militaire . La Nature 166.

42. 192 . 8

Allgemeine Sport -Zeitung Prometheus . L'Aéronaute . Der Stein der Weisen

67.

144.

13 14. 288 101. 172 216. 267 100 174. 244 146

294

Inhaltsverzeichniss des neunten Jahrgangs .

167. Revue de l'aéronautique L'Année Scientifique et Industrielle Militair-Wochenblatt La France aérienne .

Kleinere Mittheilungen . ,,La France aérienne" Mit dem Fallschirm im Meere verunglückt . Kriegsschwalben Neuer Verein in Frankreich Zur Konservirung der Ballonnetze Permanente aeronautische Ausstellung Die „École normale d'aérostation " Ersatz des Seeankers Wollte das Fliegen probiren de Fonvielle und die Offiziere in Meudon Der Luftschiffer Pompéien Piraud . Der Verein „ Sport Aéronautique de Seine-et- Oise" Spelterini Notizen von einer Fesselfahrt zu Schöneberg- Berlin am 17. Januar 1890 . École Normale d'aérostation Allerlei Spielzeug . Ballonfahrt von Gibraltar aus Luftschiffer- Arena Die Académie d'aérostation Météorologique de France Anfertigung von Ballonstoffen in Frankreich Ausstellung in Köln . Ressortverhältnisse in Frankreich

Explosion eines Luftballons Brieftauben- Versuche in Russland Luftschiffahrt und Marine in Frankreich Bewaffnung der Militair-Luftschiffer in Frankreich Militair-Luftschiffahrt in Russland Durchgegangener Fesselballon Ein losgelassener Fesselballon Ein französischer Luftballon in Hessen Der Luftballon im Dienst der Marine Verunglückt mit einem Fallschirm Signalpistole Neues Werk von Marey Herr Maximilian Wolff . Berichtigung der Tabelle auf Seite 142 des Jahrg. 1889 Elf Stunden im Ballon von Wien nach Posen Schiessversuche in Russland Ein verunglückter Luftschiffer Ueber die Flugschnelligkeit einer Rauchschwalbe Godard's Luftfahrten in Rom Von den Truppenübungen in Frankreich Der Ballon „Figaro " Militairische Luftschiffahrt in Belgien Brieftaubenwesen in Frankreich

195.

Seite 217 175 215 218

16 16 16 16 16 17 17 17 17 17 45 45 45 45 45 68 68 69 69 69 102 103 127 128 128 128 147 147 147 176 176 176 197 197 197 219 220 221 221 222 246 247 247 268 268

Ein Abschiedswort.

295

Luftschiffer in Gefahr Eine Ballonfahrt in Russland Société Civile de Fondation „La Gare des Ballons" Eine Erfinderin Ballonfahrten beim wissenschaftlichen Kongress zu Limozes Ein Luftballon im Rhein . Fremde Brieftauben in der Schweiz L'école d'aérostation de Lagoubran Schiessversuche gegen einen Fesselballon Für die Manöver mit dem Fesselballon Versuche und Fahrten in Russland Englische Luftballons Unglück bei einem Fallschirmversuche Von München nach Würtemberg

Seite 269 269 270 271 271 272 272 288 289 289 289 289 290 290

Deutscher Verein zur Förderung der Luftschiffahrt. Mitglieder-Verzeichniss vom 20. Januar 1890 . Protokoll der Sitzung vom 16. Dezember 1889 ** " 39 20. Januar 1890 24. Februar " 99 15 17. März " 21. April Schluss - Versammlung vor den Sommerferien Weitere Versuche mit dem Vereinsballon „ Meteor“ Protokoll der Sitzung vom 6. Oktober 1890

1 18 70 71 103 198 200 222 247 291

Flugtechnischer Verein in Wien. Plenar-Sitzung vom 7. Januar 1890 " 99 22.

21 148

Münchener Verein für Luftschiffahrt. Konstituirende Versammlung Erste Mitglieder- Versammlung am 7. Januar 1890 Sitzung vom 20. Mai 1890

23 46 150

Ein Abschiedswort

295

Ein Abschiedswort. Seit der Begründung dieser Zeitschrift im Anfange des Jahres 1882 , also

volle neun Jahre hindurch, hat der Unterzeichnete die Ehre gehabt,

an der Spitze der Leitung derselben zu stehen .

Wenn er jetzt in Folge

starker Inanspruchnahme durch Berufsarbeiten sowie angegriffener Gesund heit genöthigt ist, von dieser Stellung zurückzutreten, so dürfte es ihm wohl gestattet sein, hier ein Wort des Abschiedes zu veröffentlichen. Die neun verflossenen Jahre haben der Luftschiffahrt in Deutschland eine andere Würdigung verschafft, als sie vorher gefunden . Frühere Ver suche, in unserm Vaterlande Vereine für Luftschiffahrt zu gründen , waren gescheitert ; die Sache fand in der öffentlichen Meinung nicht die ihr gebüh

Ein Abschiedswort.

296

rende Werthschätzung und nur in ganz beschränkten Kreisen hatte man ihre Bedeutung in vollem Umfange erkannt. Es ist unter solchen Umständen kein Wunder, dass der im Jahre 1881 in Berlin gebildete „ Deutsche Verein zur Förderung der Luftschiffahrt " anfangs vor allen Dingen um seine Selbst erhaltung zu kämpfen hatte . Als ein Mittel, seine Absichten weiter bekannt zu machen und der litterarischen Diskussion näher zu bringen, selbst

durch die Letztere zu läutern ,

sowie sie

schuf der Verein dann diese Zeit

schrift, deren Fortführung seitdem den wichtigsten Theil seiner Thätigkeit gebildet hat. Im Laufe der Zeit ist aber nicht allein die öffentliche Meinung bezüg lich der Bedeutung der Luftschiffahrt anders geworden, sondern auch die jenigen, die sich mit der Pflege derselben beschäftigten, mussten erkernen, dass sie sich manchen Hoffnungen hingegeben hatten , an deren Erfüllung sie wenigstens vorläufig vergeblich gearbeitet .

Eingehendere Beschäftigung

mit den ungelösten aëronautischen Fragen führten mehr und mehr zu der Ueberzeugung,

dass man der Lösung um so näher kommen

werde, je

eifriger man dem Studium derjenigen Wissenschaften obliege , deren Kenntniss die Vorbedingung zur wirklichen Förderung der Luftschiffahrt bildet. Auf solche Weise waren die Aufgaben und Ziele , Verein für seine dermalige Thätigkeit geworden.

stellen musste ,

welche sich der

allmählich

andere

Es ist da ein Wechsel vor sich gegangen, der bei der Durch

sicht der verschiedenen Jahrgänge

dieser Zeitschrift leicht erkennbar ist.

Zugleich wurden aber auch zu anderen , später gebildeten, ähnlichen Bestre bungen huldigenden Vereinen dem flugtechnischen Verein in Wien und dem Münchener Verein für Luftschiffahrt

Beziehungen angeknüpft, die

gleichfalls dazu beitrugen, von den früheren Bahnen abzulenken . So liegen denn auch der Leitung dieser Zeitschrift heute andere Auf gaben ob, als vor Jahren , und das ist ein Grund , der dem Unterzeichneten den Rücktritt von der so lange gepflegten Thätigkeit erleichtert ; eine andere, mehr in den bezeichneten Wissenschaften stehende Kraft wird an derselben Stelle jetzt unbedingt

erspriesslicher wirken können .

Und

eine

solche

Kraft ist in der Person des Herrn Dr. Kremser bereits gefunden. Wer nun Jahre lang mit Liebe an einer Sache gearbeitet hat, kann nicht

ohne

ein gewisses

Gefühl der Wehmuth von derselben

Abschied

nehmen, zumal wenn seine Thätigkeit eine so ausserordentliche, ja liebe volle Anerkennung gefunden , wie solche namentlich seitens des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt dem Unterzeichneten geworden.

Mögen

Alle ,

die

zu

Theil

demselben rathend und helfend zur Seite

gestanden, seines herzlichsten Dankes versichert sein und möge die Luft schiffahrt in unserm Vaterlande immer glänzendere Fortschritte zu ver zeichnen haben! Dr. Wilhelm Angerstein. Druck von Beyer & Münch, Berlin SW., Kochstr. 55.