Wirtschaftssanktionen: Die VN, EG und Bundesrepublik Deutschland als konkurrierende Normgeber beim Erlaß paralleler Wirtschaftssanktionen [1 ed.] 9783428492916, 9783428092918

Recht wird bedeutungslos, wenn es an Instrumenten zu seiner Durchsetzung mangelt. Schließt man mit dem völkerrechtlichen

131 89 26MB

German Pages 288 Year 1999

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Wirtschaftssanktionen: Die VN, EG und Bundesrepublik Deutschland als konkurrierende Normgeber beim Erlaß paralleler Wirtschaftssanktionen [1 ed.]
 9783428492916, 9783428092918

Citation preview

HENNING C. SCHNEIDER

Wirtschafts sanktionen

Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Thomas Bruha, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen t, Rainer Lagoni, Gert Nicolaysen

Band 16

Wirtschafts sanktionen Die VN, EG und Bundesrepublik Deutschland als konkurrierende Normgeber beim Erlaß paralleler Wirtschaftssanktionen

Von

Henning C. Schneider

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Schneider, Henning C.: Wirtschaftssanktionen : die VN, EG und Bundesrepublik Deutschland als konkurrierende Normgeber beim Erlaß paralleler Wirtschaftssanktionen I von Henning C. Schneider. - Duncker und Humblot, 1999 (Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht; Bd. 16) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09291-0

Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Gennany ISSN 0945-2435 ISBN 3-428-09291-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8

Für Sophie Antonia

"War? No, not war but something that will interest them and engage them much more than war, something more tremendous than war (...). A nation that is boycotted is a nation that is in sight of surrender. Apply this economic, peaceful, silent, deadly remedy and there will be no need for force. It is a terrible remedy. It does not cost a life outside of the nation boycotted, but it brings apressure upon that nation wh ich, in my judgment, no modern nation could resist. " Woodrow Wilson, The League ofNations

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Hamburg im Sommersemester 1997 als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurden Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis Januar 1998 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Meinhard Hilf, für die viel faltige und verständnisvolle Förderung, die ich durch ihn, insbesondere während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der von ihm geleiteten Abteilung für Europäisches Gemeinschaftsrecht der Universität Hamburg, erfahren durfte. Danken möchte ich auch dem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Gert Nicolaysen, der mich von Anfang an bei dieser Arbeit durch wertvolle Hinweise unterstützt hat. Bei der Europäischen Kommission bin ich insbesondere Herrn Generaldirektor a.D. Dr. Horst G. Krenzier, Frau Viola Groebner, Herrn Anthonius de Vries und Herrn Dr. Pieter Jan Kuyper, beim Europäischen Parlament Frau Katrin S. Gärtner zu Dank verpflichtet. Für die Erstellung des Manuskripts danke ich meinem Bruder Carsten Schneider. Meiner Frau Stefanie danke ich nicht nur fiir die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts, sondern insbesondere auch dafiir, daß sie mir trotz der vielen gemeinsamen Stunden, die uns durch diese Arbeit verloren gingt:n, stets verständnisvoll zur Seite stand. Hamburg, im März 1998

Henning C. Schneider

Inhaltsübersicht

§ I Einftihrung.................................. .......................... ............ ................................. 23 Erster Teil Begriffsbestimmung und Staaten praxis

§ 2 Begriff, Erscheinungsformen und Abgrenzung .................................................. 27 § 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis ................................................................... 51 Zweiter Teil Völker-, europa- und nationalrechtliche Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen

§ 4 Völkerrecht: Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen ........................................ 94 § 5 Europarecht: Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen durch die EG gegen Drittstaaten ...................... ....... ............. ..... ...... .............. ......... ............... .............. 122 § 6 Europarecht: Zu lässigkeit einer "parallelen", wiederholenden mitgliedstaatlichen Sanktionsgesetzgebung ............................................................................ 176 § 7 Europarecht: Zu lässigkeit von "autonomen" Wirtschaftssanktionen der Mitgliedstaaten ........................................................................................................ 208 § 8 Nationales Recht: Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen ............................... 219 Dritter Teil Völker-, europa- und nationalrechtliche Verpflichtung zur Durchf"ührung von Wirtschaftssanktionen

§ 9 Völkerrecht: Verpflichtung zur Durchftihrung von Wirtschaftssanktionen nach SR-Beschluß ....................................................................................................... 228 § 10 Europarecht: Verpflichtung zur Durchftihrung von Wirtschaftssanktionen ....... 238 § II Nationales Recht: Verpflichtung zur Durchftihrung von Wirtschaftssanktionen 241 Vierter Teil Exkurs

§ 12 Entschädigung der von Wirtschaftssanktionen betroffenen Wirtschaftsunternehmen ............................................................................................................... 243

12

Inhaltsübersicht Fii,!(ter Teil Ausblick und Zusammenfassung

§ 13 Ausblick ............................................................................................................. 249 § 14 Zusammenfassung der Untersuchung in Thesen ................................................ 250

Entscheidungsverzeichnis ........................................................................................... 253 Literaturverzeichnis .................................................................................................... 257

Inhaltsverzeichnis § I Einführung. ............... ........................... ............................................................ ... 23 Erster Teil Begriffsbestimmung und Staatenpraxis § 2 Begriff. Erscheinungsfonnen und Abgrenzung .................................................. I. Merkmale der Wirtschaftssanktion .................. ................................. ........... I. Maßnahme im Bereich der Außenwirtschaftsbeziehungen .......... .......... 2. Hoheitliche Maßnahme .......................................................................... 3. Von einzelnen Staaten oder internationalen Organisationen .................

4. In Friedens- und Kriegszeiten ................................................................ 5. Reaktion auf nachteiliges Verhalten ...................................................... 6. Ungleichbehandlung . ............................................................................. 7. Schädigungsabsicht ................................................................................ 8. Zweck der Verhaltensänderung ............................................................. 9. Außenpolitische Ziele ............................................................................ 10. Zusammenfassung ................................................................................. 11. Erscheinungsfonnen und Maßnahmen der Wirtschaftssanktion .................. I. Embargo ................................................................................................ a) Das Schiffs- und Handelsembargo .................................................... b) Sachlicher Anwendungsbereich ................. ............. ..... .... ................. c) Umfang und Intensität ...................................................................... d) Das moralische Embargo .................................................................. 2. Blockade ................................................................................................ 3. Wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen ...................................................... 4. Wirtschaftskrieg ..................................................................................... III. Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten ..................................................... I. Boykott .................................................................................................. 2. Handelspolitische Schutzmaßnahmen ................................................... 3. "Positive" Maßnahmen .......................................................................... IV. Nonnierung .................................................................................................. I. Völkerrecht ................................................................................... ......... 2. Europarecht ............................................................................................ 3. Deutsches Recht .....................................................................................

27 27 28 28 29 30 31 32 33 33 34 34 35 35 35 36 37 37 38 39 41 42 42 44

45 46 46 49 49

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis ................................................................... 51 I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen ... 51 I. Wirtschaftssanktionen vor 1945 ............................................................ 52

14

Inhaltsverzeichnis 2. Wirtschaftssanktionen von 1945 bis 1964 ............................................. a) Arabische Liga v. Israel (seit 1946: Palästina-Frage) ....................... b) VN v. Albanien und Bulgarien (1949), China und Nord-Korea (1951), Südafrika (1962) und Portugal (1962) .................................. c) OAS v. Dominikanische Republik (1960) und Kuba (1962) ............ 3. Wirtschaftssanktionen von 1965 bis 1978 ............................................. a) VN v. Südrhodesien (1965) .............................................................. b) VN v. Südafrika I (1977-1985) ......................................................... 4. VN v. Iran (1979) .................................................................................. 5. VN/EG v. UdSSR (Afghanistan, 1980) ................................................. 6. EG v. Türkei (1981) und Israel (1982) .................................................. 7. VN/EG v. UdSSR (Polen, 1982) ............................................................ 8. VN/EG v. Argentinien (Falkland-Inseln, 1982) ..................................... 9. VN/EG v. Südafrika 11 (seit 1986) ......................................................... 10. VN/EG v. Irak I (1990-1111996) ........................................................... a) VN .................................................................................................... b) EG ..................................................................................................... c) Bundesrepublik ................................................................................. 11. VN/EG v. Ehemaliges Jugoslawien I (1991- 1011 993) .......................... a) VN .................................................................................................... b) EG ..................................................................................................... c) Bundesrepublik ................................................................................. 12. VN/EG v. Somalia, Liberia, Angola, Myanmar (seit 1991) .................. 13. VN/EG v. Haiti I (1991-10/1993) .......................................................... 14. VN/EG v. Libyen I (1992) ..................................................................... a) VN .................................................................................................... b) EG ..................................................................................................... c) Bundesrepublik ................................................................................. 11. Koordinierte Wirtschaftssanktionen außerhalb internationaler Organisationen ............................................................................................. III. Einzelstaatliche Wirtschaftssanktionen .................................................... .... IV. Ergebnis .......................................................................................................

55 55 56 58 59 60 61 62 64 66 66 67 69 71 71 73 74 76 76 77 80 81 82 84 84 85 86 87 90 91

Zweiter Teil Völker-, europa- und national rechtliche Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen

§ 4 Völkerrecht: Zu lässigkeit von Wirtschaftssanktionen ........................................ I. Die Verletzung des Völkerrechts ................................................................. I. Sanktionsfahige Völkerrechtssubjekte ................................................... 2. Die einzelnen Grundpflichten und Grundrechte .................................... a) Gewaltverbot .................................................................................... b) Interventionsverbot .. ......................................................................... c) Diskriminierungsverbot .................................................................... d) lus commercii ................................................................................... e) Gebot der friedlichen Streitbeilegung .................................................

94 94 94 96 96 97 98 98 99

Inhaltsverzeichnis

15

o

Vertrauensschutz: Das Estoppel-Prinzip ............................................. 99 g) Individualrechte .................................................................................. 99 aal Außenhandelsfreiheit .................................................................. 100 bb) Eigentumsschutz ........ ................................................................. 101 cc) Sonstige Individualrechte ........................................................... 101 dd) Enge völkerrechtliche Grenzen aus humanitären Gründen ......... 102 h) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit .................................................. 102 i) Neutralitätsrechte und -pflichten von Drittstaaten ............................ 103 j) Sonstiges Vertragsvölkerrecht .......................................................... 104 aal Bilaterale Handelsverträge ......................................................... 104 bb) GATT 1947, GATT 1994 und WTO .......................................... 105 cc) OAS-Charta ................................................................................ 107 dd) OECD ......................................................................................... 108 ee) IWF-Übereinkommen ................................................................. 108 II. Rechtfertigungsgründe ................................................................................. 108 I. Sanktionsberechtigte Akteure .............................. .......... ............ ..... ....... 109 a) Staaten .............................................................................................. 109 b) Internationale Organisationen .................... ............ ........................... 109 c) Europäische Gemeinschaft und Europäische Union ......................... 110 2. Die einzelnen Rechtfertigungsgründe .................................................... 110 a) Repressalie .. .................................... ......................................... ......... 111 aal Einzelstaatliche Wirtschaftssanktionen ...................................... 111 bb) Kollektive Wirtschaftssanktionen ............................................... 111 cc) Wirtschaftssanktionen internationaler Organisationen ............... 111 (I) Unmittelbare Rechtsverletzung bei Organisation ................. 111 (2) Unmittelbare Rechtsverletzung bei Mitgliedstaat - These von der Durchgriffswirkung der Rechtsverletzung .............. 112 (3) Unmittelbare Rechtsverletzung bei Drittstaat ....................... 113 b) Selbstverteidigung ............................................................................ 114 c) Sanktionsbeschluß des VN-Sicherheitsrates ..................................... 115 aal Allgemein ................................................................................... 115 bb) Sperrwirkung eines SR-Beschlusses über Wirtschaftssanktionen gegenüber parallelen, autonomen Maßnahmen von Staaten und anderen internationalen Organisationen ...... ............ ..... .............. 116 (I) Sperrwirkung des SR-Sanktionsbeschlusses für Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 SVN ...... .................. ..... ........... 116 (2) Sperrwirkung des SR-Sanktionsbeschlusses für allgemeines Repressalienrecht ...... ............................ ..... .......................... 118 (3) Zwischenergebnis ................................................................. 120 d) Leistungsverweigerung ..................................................................... 121

§ 5 Europarecht: Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen durch die EG gegen Drittstaaten ......................................................................................................... I. Kompetenz der EG ............................................ ............ ............................... I. Art. 113 EGV als Rechtsgrundlage: Die Rechtslage vor dem Maastrichter Vertrag .............................................................................. a) Der Begriff der "Gemeinsamen Handelspolitik" ..............................

122 122 122 123

16

Inhaltsverzeichnis aal "Finalistische Theorie" ............................................................... bb) "Instrumentale Theorie" ............................................................. cc) "Vermittelnde Theorie" .............................................................. b) Weitere Ansätze rur eine Gemeinschaftskompetenz ......................... aal Die Rechtsprechung des EuGH .................................................. bb) Kein zuständigkeitsbegTÜndendes Gewohnheitsrecht ................ cc) Kein zuständigkeitsbegTÜndender Rückgriff auf Völkerrecht .... c) Zwischenergebnis ............................................................................ 2. Art. 228a EGV ....................................................................................... a) Allgemeines ...................................................................................... b) Der Anwendungsbereich ................................................................... aal Aussetzung der "Wirtschaftsbeziehungen" ................................. bb) "Zu einem oder mehreren dritten Ländern" ................................ cc) "Erforderliche Sofortmaßnahmen" ............................................. (I) "Sofortmaßnahmen" ............................................................. (2) "erforderlich" ........................................................................ c) Das Verfahren zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen ............. aa) Die vorgeschaltete GASP-Entscheidung: "in gemeinsamen Standpunkten oder gemeinsamen Aktionen" .............................. bb) Das Vorschlagsrecht der Kommission: "auf Vorschlag der Kommission" .............................................................................. (I) Die grundsätzlich geschwächte Stellung der Kommission .. (2) Vorschlagsrecht nur nach GASP-Entscheidung .................. (3) Keine Vorschlagspflicht ....................................................... cc) Die Entscheidung des Rates: "so trifft der Rat" .......................... (I) Doppelfunktionale Stellung der Rates .................................. (2) Zuständige Arbeitsgruppe des Rates .................................... (3) Beschlußfassung im Rat: "mit qualifizierter Mehrheit" ....... dd) Keine Beteiligung des Europäischen Parlaments ....................... ee) Die Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof ................... d) Verhältnis zu anderen Vertragsnormen ............................................. aa) Art. J.2 und J.3 EUV .................................................................. bb) Art. 73g EGV ............................................................................. cc) Art. 113 EGV ............................................................................. dd) Art. 223 EGV ............................................................................. ee) Art. 224 EGV ............................................................................. fl) Art. 235 EGV ............................................................................. e) Anwendungsfälle des Art. 228a EGV ............................................... aa) VNIEU v. Libyen 11 (seit 1993) .................................................. (1) VN ........................................................................................ (2) EU ........................................................................................ (3) Bundesrepublik/Mitgliedstaaten ........................................... bb) VNIEU v. Haiti 11 (seit 11/1993) ................................................ cc) VN/EU v. Ehemaliges Jugoslawien 11 (seit 11/1993) ................. dd) VNIEU v. Irak 11 (seit 12/(996) .................................................. ee) VNIEU v. Ruanda, Sudan, Nigeria .............................................

123 124 125 126 126 128 129 130 130 130 132 132 134 135 135 136 137 137 140 140 141 143 144 144 145 145 147 147 148 148 149 152 153 155 156 156 156 156 157 159 160 161 163 164

Inhaltsverzeichnis

17

f) Bewertung und Perspektiven ............................................................ 3. Zwischenergebnis .................................................................................. 11. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht ......................................................... I. Sechster Erwägungsgrund der EGV-Präambe1 ...................................... 2. Art. 30 und 34 EGV ............................................................................... 3. Art. 85 und 86 EGV ............................................................................... 4. Art. 110 EGV ......................................................................................... 5. Begriindungspflicht, Art. 190 EGV ....................................................... 6. Diskriminierungsverbot ......................................................................... 7. Grundrechte.................................. ........................................ ........ ......... a) Außenhandelsfreiheit und Berufsfreiheit .......................................... b) Eigentumsschutz ............................................................................... aal Eigentumsverletzung .................................................................. bb) Fehlende Entschädigungsregelung, Art. 215 EGV ..................... c) Vertrauensschutz .............................................................................. d) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit .................................................. 8. Gemeinschaftliches Sekundärrecht ........................................................ 9. Zwischenergebnis ..................................................................................

165 166 167 167 167 168 168 169 170 171 171 I 72 172 173 173 174 175 175

§ 6 Europarecht:Zulässigkeit einer "parallelen", wiederholenden mitgliedstaatlichen Sanktionsgesetzgebung ............................................................................ I. Ausschließliche gemeinschaftliche Sanktionskompetenz ............................ 1. Rechtslage vor dem Maastrichter Vertrag .......... ................................... a) Ausschließliche handelspolitische Kompetenz, Art. 113 EGV ......... b) Ausschließliche Sanktionskompetenz, Art. 113 EGV ...................... 2. Ausschließliche Sanktionskompetenz, Art. 228a EGV .......................... a) Wortlaut der Vorschrift ..................................................................... b) Gesetzessystematik .... .................................... ........................ ........... c) Gesetzeszweck .. ................ ................................................................ aal Externe Kohärenz ....................................................................... bb) Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Marktes .......................... cc) Gebot der rechtlichen Gleichbehandlung der Marktbürger ........ dd) "Effet utile" ................................................................................. d) Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit ........................................ e) Die Verordnungspraxis ........ ...... ........................................ ............... f) Ergebnis .......................................................................................... 11. Das Transformationsverbot .......................................................................... 1. Rechtsdogmatische Begründung ............................................................ a) Unmittelbare Geltung und Vorrang des Gemeinschaftsrechts, Art. 189 Abs. 2 EGV ........................................................................ b) Grundsatz der Rechtssicherheit ...... .................... ...... ........................ c) Gebot der rechtlichen Gleichbehandlung; ne bis in idem ................. d) "Effet utile" ....................................................................................... e) Grundsatz der Gemeinschaftstreue ................................................... f) Die Rechtsquellensystematik des EGV und das Auslegungsmonopol des EuGH .................................................................................... g) Die bisherige EuGH-Rechtsprechung ............................................... 2 Schneider

176 177 177 177 177 178 178 179 179 179 180 180 181 181 182 182 183 183 183 184 185 185 185 186 186

18

Inhaltsverzeichnis h) Ergebnis: Das Kriterium der Erforderlichkeit (Art. 3b Abs. 3 EGV) 188 2. Rechtfertigende Einschränkungen? ....................................................... 188 a) Die Rechtsfigur der "hinkenden Verordnung" .................................. 189 b) Erforderlichkeit einer legislativen Wiederholung? ........................... 189 aa) Argument der fehlenden Strafgewalt der Gemeinschaft ............. 189 ( I) Die bisher geltende Rechtsauffassung .................................. 189 (2) Die Verweistechnik ............................................................... 190 (a) Nationaler Verweis aufSanktionsverordnung ................. 190 (b) Die strafrechtliche Blankettgesetzgebung ....................... 191 (c) Milderer Eingriff in Gemeinschaftsgrundsätze ............... 192 (3) Beispiele aus anderen Rechtsgebieten .................................. 194 (a) Weingesetz ...................................................................... 194 (b) Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz ................. 195 (c) Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen ................................................................. 195 (d) Abgabenordnung ............................................................. 195 (e) Bruteier-Kennzeichnungsverordnung .............................. 196 (f) Andere Bereiche der Außenwirtschaftsverordnung ......... 196 (4) Die Einfügung des § 34 Abs. 4 AWG ................................... 196 bb) Argument der Ergänzung des gemeinschaftlichen Verwaltungsunterbaus ............................................. ....................................... 197 cc) Argument der deklaratorischen Rechtswirkung .......................... 198 c) Theorie der fehlenden dinglichen Kompetenzübertragung ............... 198 d) Das Subsidiaritätsprinzip .................................................................. 199 e) Ergebnis ............................................. ....................... ......... ............. 199 III. Keine Kompetenzgewinnung in bestimmten Ausnahmefällen .................... 200 1. Keine Kompetenzgewinnung durch Art. 224 EGV ............................... 200 a) Rechtsverständnis der Vorschrift ...................................................... 201 aa) Wortlaut ...................................................................................... 201 bb) Gesetzessystematik ..................................................................... 201 cc) Gesetzeszweck: "Umgekehrtes Subsidiaritätsprinzip" ............... 201 b) Die Tatbestände ................................................................................ 203 aa) Innere Sicherheit ......................................................................... 203 bb) Äußere Sicherheit ....................................................................... 203 cc) Internationale Sicherheit ............................................................. 204 2. Keine Kompetenzgewinnung durch Art. 223 EGV ............................... 205 3. Keine Kompetenzgewinnung durch Art. 5 EGV ................................... 205 4. Keine Kompetenzgewinnung durch Art. 36 EGV ................................. 206 IV. Zwischenergebnis ........................................................................................ 207

§ 7 Europarecht: Zu lässigkeit von "autonomen" Wirtschaftssanktionen der Mitgliedstaaten ........................................................................................................ 208 I. Ausscheren aus gemeinschaftlicher Sanktionstätigkeit ................................ 208 1. Keine originäre Sanktionskompetenz .................................................... 208 a) Einzelstaatlicher Souveränitätsvorbehalt .......................................... 209 b) Art. J.3 Ziff. 7 EUV .......................................................................... 209 c) Kein "Opting out" aus Verfahren des Art. 228a EGV ...................... 210

Inhaltsverzeichnis d) Spezielle Ennächtigung durch Gemeinschaft ................................... 2. Art. 224 EGV ......................................................................................... a) Funktionieren des gemeinsamen Marktes ......................................... b) Vorliegen der Tatbestände ................................................................ aal UdSSR (Polen): Ausscheren Dänemarks .................................... bb) Argentinien (Falkland-Inseln): Ausscheren Italiens, Irlands und Dänemarks .................................................................................. 3. Gemeinschaftliche Schranken ................................................................ a) Kohärenzgebot, Art. J.l Abs. 4 EUV ................................................ b) Bindungswirkung gemeinsamer Standpunkte und Aktionen, Art. J.2 und J.3 EUV ......................................................................... aal Völkerrechtliche Bindungswirkung ............................................ bb) Europarechtliche Bindungswirkung ........................................... c) Gemeinschaftstreue, Art. 5 Abs. 2 EGV ........................................... 4. Ergebnis ................................................................................................. 11. Keine gemeinschaftliche Sanktionstätigkeit ................................................ I. Nichtgebrauch der Gemeinschaftskompetenz ........................................ 2. Keine gemeinschaftsrechtlichen Schranken ........................................... 3. Ergebnis .................................................................................................

19 210 211 211 212 212 213 213 213 214 214 214 215 216 216 216 217 218

§ 8 Nationales Recht: Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen ............................... 219 I. Außenwirtschaftsgesetz, Außenwirtschaftsverordnung ............................... 219 I. Generelle Genehmigungspflicht für Importe, § 10 AWG ...................... 219 2. Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs zur Erftillung zwischenstaatlicher Vereinbarungen, § 5 A WG .................................... 219 3. Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs zum Schutz der Sicherheit und der auswärtigen Interessen, § 7 AWG ........................... 221 a) Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ..................................... 222 b) Wahrung des Völkerfriedens ............................................................ 222 c) Auswärtige Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland ............. 223 4. "Cooling offperiod", § 6 AWG ............................................................. 223 5. Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs durch Rechtsverordnungen ................................................................................................... 224 6. Straf- und Bußgeldbewehrung im Außenwirtschaftsrecht, §§ 33, 34 AWG ...................................................................................... 224 11. Kriegswaffenkontrollgesetz ......................................................................... 225 In. Verfassungsrecht .......................................................................................... 226 Dritter Teil Völker-, europa- und nationalrechtliche Verpflichtung zur Durchführung von Wirtschaftssanktionen

§ 9 Völkerrecht: Verpflichtung zur Durchftihrung von Wirtschaftssanktionen nach nach SR-Beschluß .............................................................................................. I. Verpflichtung ftir Staaten ............................................................................. 11. Verpflichtung fiir internationale Organisationen ......................................... I. Allgemein ..............................................................................................

228 228 229 229

20

Inhaltsverzeichnis 2. Europäische Gemeinschaft/Europäische Union ..................................... a) Europäische Gemeinschaft ............................................................... aal Genäherte Staatlichkeit der gemeinschaftlichen Völkerrechtssubjektivität ................................................................................ bb) "GATT analog": Rechtsnachfolge der Gemeinschaft in mitgliedstaatliche PflichtensteIlung bei den VN .............................. ce) Völkergewohnheitsrechtliche Einbindung .................................. b) Europäische Union ............................................................................ c) Mitgliedstaaten - Beschränkung der Verpflichtung? ........................ 111. Verpflichtung flir natürliche und juristische Personen ................................. IV. Ergebnis .....................................................................................................

§ 10 Europarecht: Verpflichtung zur Durchflihrung von Wirtschaftssanktionen ....... I. Verpflichtung flir die Europäische Gemeinschaft nach SR-Beschluß .......... 11. Verpflichtung flir EG-Mitgliedstaaten sowie für natürliche und juristische Personen ....................................................................................................... 111. Ergebnis .......................................................................................................

230 231 232 233 235 236 236 237 237 238 238 239 240

§ I I Nationales Recht: Verpflichtung zur Durchführung von Wirtschaftssanktionen 241 Vierter Teil Exkurs

§ 12 Entschädigung der von Wirtschaftssanktionen betroffenen Wirtschaftsunternehmen ............................................................................................................... 243 I. Entschädigung nach nationalem Recht ........................................................ 243 11. Entschädigung nach Europarecht ................................................................. 245 III. Entschädigung nach Völkerrecht ................................................................. 246 IV. Bedürfnis und sonstige Möglichkeiten flir finanzielle Absicherung der betroffenen Wirtschaftsunternehmen ........................................................... 248 Fünfter Teil Ausblick und Zusammenfassung

§ 13 Ausblick ............................................................................................................. 249 § 14 Zusammenfassung der Untersuchung in Thesen ................................................ 250 Entscheidungsverzeichnis ........................................................................................... 253 Literaturverzeichnis .................................................................................................... 257

Abkürzungsverzeichnis ABI AdG AEMR AFDI AO AVR AWD AWG AWV BerDGesVR BGBI BGHZ BR BWNotZ CanYIL CDE Drs DuR DZWir EA ECLYB EEA EELR EGKS EWS GBI GYIL ICJ ICLQ IGH IKRK ILC ILC-Entwurf ILM INT.TLR IPBPR IPRax JCMS

Amtsblatt Archiv der Gegenwart Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Annuaire Fran~ais de Droit International Abgabenordnung Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Außenwirtschaftsgesetz Verordnung zur Durchführung des AWG Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesrat Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg The Canadian Yearbook of International Law Cahiers de Droit Europeen Drucksache Demokratie und Recht Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europa-Archiv European Current Law Year Book Einheitliche Europäische Akte European Environmental Law Review Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäisches Wirtschafts & Steuerrecht Gesetzblatt der DDR German Yearbook of International Law International Court of Justice The International and Comparative Law Quarterly Internationaler Gerichtshof Internationales Komitee vom Roten Kreuz International Law Commission Draft Artic1es on State Responsibility ofthe ILC International Legal Materials International Trade Law and Regulation Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Menschenrechte Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Journal of Common Market Studies

22 JWTL KWKG NJW NStZ NYIL NZWehrR OAS OAU ÖJZ ÖZöR ÖZöRV RBDI RGBI RGDPI RdDE Rev.crit.dr.i.p RTD SC Spiegelst UNYB UNTS VBS VJIL Vol Wistra WTO WUR WVK YBILC ZfZ ZVglRWiss ZRP ZVR

Abkürzungsverzeichnis Journal ofWorld Trade Law Kriegswaffenkontrollgesetz Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Strafrecht Netherlands Yearbook oflnternational Law Neue Zeitschrift für Wehrrecht Organisation der Amerikanischen Staaten Organisation für Afrikanische Einheit Österreich ische Juristenzeitung Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht (ab 1977: ÖZöRV) Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht Revue beige de droit international Reichsgesetzblatt Revue generale de droit international public Rivista di Diritto Europeo Revue critique de droit international prive Revue trimestrielle de droit europeen Security Council SpiegeIstrich Yearbook of the United Nations United Nations Treaty Series Völkerbundsatzung Virginia Journal ofInternational Law Volume Zeitschrift für Wirtschaft - Steuer - Strafrecht World Trade Organization Wirtschaftsverwaltung und Urnweltrecht Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Yearbook of the International Law Commission Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuer Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Völkerrecht

Wegen der übrigen Abkürzungen siehe Rildebert Kirchner, AbkÜIZUngsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Auflage, BerlinlNew York 1993.

§ 1 Einführung Recht, ob Völker-, Europa- oder nationales Recht, wird bedeutungslos, wenn es an Instrumenten zu seiner Durchsetzung mangelt. Schon unter Bezugnahme auf Platons Politeia betonte Hugo Grotius, "daß das Recht sein äußeres Ziel ohne Hilfe der Macht verfehle"'. Doch soll damit nicht allen Mitteln der Machtausübung gleichsam ein Freibrief ausgestellt werden. Hier gilt, was Augustinus in seinem Buch über den Gottesstaat feststellte: "Weltherrschaft, durch Kriege erlangt, ist kein Glück"'. Will man diese Erkenntnis, die letztlich ihre Ausprägung in dem völkerrechtlichen Gewaltverbot gefunden hat, respektieren und grenzt daher militärische Instrumente zur Durchsetzung des Rechts aus, so ist die zentrale Bedeutung der Wirtschafts sanktionen bereits beschrieben: Sie eröffnen die Möglichkeit, grobe Verletzungen des Rechts friedlich zu beenden oder gar zu verhindern und werden daher zunehmend zU einem wichtigen Instrument der internationalen Beziehungen. Die Geschichte zeigt, daß Wirtschaftssanktionen seit jeher ein oft und in unterschiedlicher Form genutztes Gestaltungsmittel des internationalen Rechts waren3 • In den letzten Jahren ist jedoch eine zunehmende Bedeutung der Wirtschaftssanktion zu beobachten·. Dies ist zurückzuführen auf die Stärkung des bereits erwähnten völkerrechtlichen Gewaltverbotes sowie auf die zunehmende Ausweitung und Politisierung des Welthandels'. Das vorerst letzte Stadium dieses Prozesses eröffneten die umfassenden Maßnahmen des Sicherheitsrates

'Grotius, De jure belli ac pacis libri tres, Prolegomena, 19: "intelligamus sine suo externo carere ius nisi vires ministras habeat"; Übersetzung von Schätzei, Vorrede, 19, S. 35. In der Übersetzung von Maguire, Prolegomena, 19, S. 16 heißt es gar: "we may understand that law fails of its outward effect unless it has a sanction behind it" (Hervorhebung durch Verf.). 2 Augustinus, Vom Gottesstaat, IV. Buch, 3. Kapitel, S. 171. 3 Umfassend hierzu Lindemeyer, S. 241 ff. • Diese Bedeutung der Wirtschaftssanktion wird auch in der internationalen Politik erkannt; vgl. etwa den ehemaligen Bundesaußenminister Genscher in seiner Rede vor den Vereinten Nationen am 25.9.1991, Bulletin der Bundesregierung Nr. 104, S. 825 (827) vom 26.9.1991; ferner auch Friedrich, NJW 1980, S. 2620. S Vgl. hierzu die statistischen Nachweise zum Welthandel bei Neumann/Welge, in: Röttinger/Weyringer, S. 640 f., sowie Besters, S. 146 ff. und Demaret, S. 106; Müller, Außenpolitik 1984, S. 67, spricht von einer "Renaissance" der Wirtschaftssanktionen.

24

§ I Einführung

der Vereinten Nationen, der Europäischen Gemeinschaft6 bzw. der Europäischen Union sowie der Bundesrepublik Deutschland gegen den Irak und das Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens zur Einschränkung des Handelsverkehrs. Dieser Entwicklung haben auch die internationalen Organisationen Rechnung getragen, indem sie, gestützt auf die Überlegung, daß eine kollektive Durchsetzung von Rechten und Pflichten wirkungsvoller erscheint als einzeIstaatliche Maßnahmen, zunehmend Aktivitäten in diesem Bereich tätigen'. Von einer neuen Phase der Wirtschaftssanktionen kann daher insbesondere im Bereich der internationalen Organisationen gesprochen werden. Dies gibt Anlaß zu einer Neubewertung des Rechtsinstituts der Wirtschaftssanktion: - Im Bereich der VN erlangte der Sicherheitsrat, der lange durch die Vetopraxis seiner ständigen Mitglieder blockiert gewesen war, aufgrund der Veränderung der sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen (Aufhebung des OstWest-Konflikts) seine ursprünglich gewollte Handlungsfähigkeit wieder8 • - Im Bereich der EGIEU erfolgt eine Schwächung mitgliedstaatlicher Befugnisse und Aktivitäten zugunsten einer stärkeren Rolle von Gemeinschaft und Union im Bereich der Außenwirtschaftsbeziehungen, wobei dieser Verdrängungsprozeß mit der Vollendung des Binnenmarktes und dem damit verbundenen Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen sowie mit dem Ausbau der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) beschleunigt wird·. Betrachtet man nun die bereits erwähnten Maßnahmen gegen den Irak, so wird deutlich, was hier, in dieser Form ein Novum, zukünftig wohl den Nor-

6 Mit dem Sammelbegriff "Europäische Gemeinschaft" (EG) ließen sich bereits in der Vergangenheit und in Übereinstimmung mit der Empfehlung des Europäischen Parlaments (Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments vom 16.2.1978, ABI. C 63/36 vom 13.3.1978) alle drei Europäischen Gemeinschaften bezeichnen. Trotz der rechtlichen Autonomie der Gemeinschaften (vgl. Art. 232 EWGV) traten diese im Bereich der Außenhandelspolitik häufig einheitlich auf; vgl. Petersmann, in: Groebenl Thiesing/Ehlermann, Art. 232 Rdnr. 8; Oppermann, Rdnr. 141. In dem durch Art. G Buchst. A Ziff. I des Vertrages über die Europäische Union geänderten Art. 1 EGV wird nun von der "Europäischen Gemeinschaft" gesprochen. 7 Hailbronner, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 5 ff. • Hierzu Weil, EA 1992, S. 703 ff. und Beyerlin, Sanktionen, Handbuch VN, Ziff. 98 Rdnr.18. • So der Bundesminister der Wirtschaft zu den Auswirkungen des Binnenmarktes ab 1. Januar 1993 auf die Außenwirtschaftsverordnung, Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 38/92 vom 11.12.1992, Bundesanzeiger Nr. 239 vom 19.12.1992, S. 9505; erläuternd hierzu die Bekanntmachung des Bundesausfuhramtes über die Exportkontrollverfahren im EG-Binnenmarkt ab 1993 vom 24.12.1992, Bundesanzeiger Nr. 242 vom 24.12. 1992, S. 9622; vgl. ferner Hilf, Drittstaatsbeziehungen, S. 9; HailbronneriBierwagen, NJW 1989, S. 1387; Vaucher, RTD 1993, S. 39.

§ 1 Einführung

25

malfall darstellen wird''': Nach den Wirtschaftssanktionen auf völkerrechtlicher Ebene erfolgten (fast) inhaltsgleiche Maßnahmen auf europarechtlicher sowie auf nationalrechtlicher Ebene. Mithin konkurrieren bei der Ausführung von Beschlüssen des Sicherheitsrates Akte von drei unterschiedlichen Normgebern. Aus diesem Nebeneinander ergeben sich vielfaltige Fragen: Wer ist für die Ausführung von Beschlüssen des Sicherheitsrates eigentlich zuständig, wenn man bedenkt, daß grundsätzlich nur die Mitgliedstaaten, nicht aber die EG durch diese Beschlüsse gebunden sind, jedoch die Mitgliedstaaten ihre Außenhandeiskompetenzen überwiegend an EG/EU verloren haben"? Von wem kann ein deutsches Unternehmen Schadensersatz verlangen, wenn die verhängten Ausfuhrverbote rechtswidrig waren: Von den VN, da diese als erste tätig geworden sind? Von der EG, da deren Verordnungen unmittelbar gelten? Oder von der Bundesrepublik, da diese den letzten Akt gesetzt hat? Mit der vorliegenden Arbeit soll der Versuch unternommen werden, die komplizierte Verzahnung des Völker-, Europa- und des nationalen Rechts auf dem Gebiet der Wirtschafts sanktionen darzustellen und einen für alle drei Rechtsebenen befriedigenden Lösungsansatz zu erarbeiten. Gesucht werden soll eine klare Kompetenzverteilung zwischen der völkerrechtlichen, europarechtlichen und nationalstaatlichen Ebene. Nicht näher betrachtet werden dabei interorganisatorische Maßnahmen, also "Sanktionen" einer internationalen Organisation gegenüber den eigenen Mitgliedstaaten, da diese Maßnahmen durch ihre einzigartige, im Rahmen dieser Untersuchung nicht interessierende Problematik gekennzeichnet sind'2. Zwar sind jeweils im Völkerrecht'\ im Europarecht'· als auch im nationalen Recht'5 Untersuchungen zur Problematik der Wirtschaftssanktionen erschienen, diese konnten jedoch zum größten Teil die neuen Entwicklungen auf diesem Gebiet noch nicht berücksichtigen und beschränken sich zudem überwiegend auf die isolierte Betrachtung eines der drei Rechtsgebiete'6.

'0 So nun etwa die Sanktionen gegen Serbien und Montenegro sowie gegen Libyen. " Diese Frage wird bei Hummer, in: GrabitzlHilf, Art. 224 Rdnr. 3, ohne weitere Stellungnahme aufgeworfen. "Grundlegend Jakob, S. 24 ff.; vgl. ferner Bleckmann, RIW 1978, S. 91 ff.; Klein, RIW 1985, S. 291 ff. 1.1 Lindemeyer, Schiffsembargo und Handelsembargo (1975). ,. Kißler, Die Zu lässigkeit von Wirtschaftssanktionen der Europäischen Gemeinschaft gegenüber Drittstaaten (1984). " Stenger, Das Handelsembargo im Außenwirtschaftsrecht (1988). " Eine Ausnahme bildet insofern die Arbeit von Neuss, Handelsembargos zwischen Völkerrecht und IPR (1989), in weIcher die Überschneidungen des Völkerrechts mit dem hier nicht interessierenden internationalen Privatrecht untersucht werden.

26

§ 1 Einführung

Nach dem Versuch einer Begriffsbestimmung erfolgt im Ersten Teil eine ausführliche Darstellung der bisherigen Praxis der Wirtschaftssanktionen, um die unterschiedlichen Vorgehensweisen und die damit verbundenen Problembereiche zu verdeutlichen. Im Hinblick auf die umfassende ThemensteIlung wird hier der Schwerpunkt zu setzen sein auf die neueren Sanktionen von VN und EG sowie die parallel hierzu vorgenommenen Maßnahmen im deutschen Recht. Der Zweite Teil behandelt, getrennt nach den drei Normgebern, die Frage nach der Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen. Im Bereich des Völkerrechts ist insbesondere die Sanktionstätigkeit der internationalen Organisationen zu untersuchen. Im Bereich des Europarechts ist aufgrund der zunehmenden Bedeutung von EG und EU in der Außenhandelspolitik das Spannungsverhältnis von gemeinschaftlichen und mitgliedstaatlichen Kompetenzen zu klären. Hierbei ist zu fragen, ob ein ausschließliches Vorgehen von EGIEU, welches mit dem Wegfall der innergemeinschaftlichen Grenzkontrollen sowie aufgrund der neuen außenpolitischen Anforderungen (Irak/ehemaliges Jugoslawien) dringend erforderlich erscheint, nicht bereits europarechtlich zulässig und geboten ist. Schließlich ist die Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen nach deutschem Recht, insbesondere aufgrund des Außenwirtschaftsgesetzes, zu untersuchen. Nach der Klärung der Kompetenzen wird dann im Dritten Teil erörtert, wer zur Vornahme von Wirtschaftssanktionen verpflichtet ist. Hier soll insbesondere gefragt werden, ob eine völkerrechtliche Bindung von EGIEU anstelle der Mitgliedstaaten besteht, wenn man bedenkt, daß eine Rechtsnachfolge der EG in Kompetenzen der Mitgliedstaaten im Bereich der Außenhandelspolitik erfolgt ist. Unter Einbeziehung der gefundenen Ergebnisse wird dann im Vierten Teil die Frage nach den EntschädigungsanspTÜchen der von Wirtschaftssanktionen betroffenen Unternehmen beleuchtet. Anband dieses exemplarisch gewählten Problembereiches wird deutlich, von welcher praktischen Relevanz die Probleme sind, die durch die Konkurrenz von parallelen völker-, europa- und nationalrechtlichen Wirtschafts sanktionen entstehen.

Erster Teil

Begriffsbestimmung und Staaten praxis § 2 Begriff, Erscheinungsformen und Abgrenzung Der Begriff der Wirtschaftssanktion (eng!.: economic sanction, franz.: sanction economique) ist im Völker- und Europarecht nicht eindeutig geklärt und wird zur Kennzeichnung unterschiedlicher Sachverhalte verwendet'. Terminologische Unsicherheiten bestehen bei der Abgrenzung zu anderen Begriffen, wie etwa Embargo, Boykott oder Blockade'. Eine genaue Begriffsbestimmung ist daher erforderlich).

I. Merkmale der Wirtschaftssanktion Es sollen zunächst die einzelnen Merkmale der Wirtschaftssanktion herausgearbeitet werden, um abschließend den Versuch einer Definition zu ermöglichen. I So für das Völkerrecht: Wengier, Bd. I, S. 526; Klein, Sanktion, in: Strupp/ Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts III, S. 159; Beverlin, Sanktionen, Handbuch VN, Ziff. 98 Rdnr. I; Combacau, Sanctions, EPIL, Vol. 9: S. 337. Einen Überblick über den derzeitigen Stand der Diskussion gibt Delbriick, A VR 30 (1992), S. 88 ff.; für das Europarecht: Dewost, AFDI 28 (1982), S. 216; Verhoeven, RBDI 18 (1984-1985 I), S. 79; Swrma, RMC 1993, S. 251; für das deutsche Recht: Stenger, S. 3. , Dewost, AFDI 28 (1982), S. 216; Miele, S. 29 f.; Stenger, S. 3; Leben, AFDI (28) 1982, S. 13. Die Maßnahmen gegen Südrhodesien werden von Fischer, in: Ipsen, § 58 Rdnr. 16, als "Sanktionen" und zugleich als "Embargo-Maßnahmen" und von Verdross/Simma, § 232 als "Embargo" und zugleich als "Boykott" bezeichnet. Erler, Boykott, wirtschaftlicher, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts I, S. 240, spricht von "Boykottsanktion" und "Sanktionsboykott"; Losman, S. 1 verwendet "economic sanction", "boycott" und "embargo" in den ersten beiden Absätzen seiner Einleitung als inhaltsgleiche Begriffe. Ungenau auch Schröder, in: Vitzthum, S. 579. ) Vgl. allgemein zum Begriff der Wirtschaftssanktion: Leben, AFDI 28 (1982), S. 13 ff.; Panebianco, RdDE 1983, S. 313 und 323; Dewost, AFDI 28 (1982), S. 216; Wel/ner, S. 24 ff.; Klein, RIW 1985, S. 292; Stenger, S. 11 ff.; Petersmann, ZVgIRWiss 80 (1981), S. 10; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 789 f.; Oppermann, Rdnr. 1770 ff.; GiisdorJIKllijper, in: GroebenlThiesingiEhlermann, Art. 224 Rdnr. 21 ff.; Kißler, S. 32 ff.; Daoudi/Dajani, S. 8; Carter, S. 4 ff.; Losmann, S. I ff.

28

§ 2 Begriff, Erscheinungsfonnen und Abgrenzung 1. Maßnahme im Bereich der Außenwirtschaftsbeziehungen

Der Begriff der Wirtschaftssanktion erfaßt nur Maßnahmen im Bereich der Außenwirtschaftsbeziehungen·. Potentielles Sanktionsobjekt ist jeder Gegenstand, an dessen Austausch ein primär wirtschaftliches Interesse bestehe. Hierzu gehören der Warenverkehr (Ein- und Ausfuhrbeschränkungen), der Dienstleistungsverkehr, der Zahlungs- und Kapitalverkehr (Finanzkontrollen, Pfändungen und Beschlagnahmungen des Eigentums fremder Staatsbürger, Enteignungen), Transportmittel für Waren und Personen (Kontrolle von Flug- und Schiffahrtsverbindungen, Reiseverbote) sowie der Bereich der internationalen Handelsverträge (Kündigung, Nichtverlängerung) und der einseitig gewährten Ein- und Ausfuhrkontingente·. Nicht berührt werden dagegen Maßnahmen im Bereich der diplomatischen, kulturellen, wissenschaftlichen und sportlichen Beziehungen7 • 2. Hoheitliche Maßnahme Die Wirtschaftssanktion ist eine Maßnahme, deren Initiative und Durchführung ein hoheitlicher Charakter zukommt8 • Dieses Begriffsmerkmal steht im Einklang mit der Etymologie des Wortes. Der lateinische Terminus "sanctio" bedeutete zunächst "Weihe" und später auch "geschärfte Verordnung" und , Petersmann, ZVglRWiss 80 (1981), S. 10; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 789 f.; Neuss, S. 18 f.; Kißler, S. 32 ff.; Klein, RIW 1985, S. 292. , Pertek, RMC 1983, S. 205; Kißler, S. 33; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 790; vgl. auch Fox, Economic Sanctions, Dictionary International Law, S. 124. • Für die Anwendung von Wirtschaftssanktionen im Bereich des Warenverkehrs sie· he die Darstellung bei Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 790; Klein, RIW 1985, S. 292; Petersmann, ZVglRWiss 80 (1981), S. 10, Losman, S. I. Für den Dienstleistungsverkehr siehe Dewost, AFDI 28 (1982), S. 216; Klein, RIW 1985, S. 292; Petersmann, ZV glRWiss 80 (1981), S. 10. Übereinstimmend hierzu im Rahmen der europarechtlichen Diskussion die überwiegend vertretene Meinung, wonach der Begriff "Handel" im Sinne des Art. 113 auch Dienstleistungen erfaßt; so Nellmann/Welge, in: RöttingerlWeyringer, S. 645 sowie Gilsdorf, in: Rill/Griller, S. 30. Zur Anwendung im Kapitalverkehr vgl. die Ausftihrungen von Leben, AFDI 28 (1982), S. 13; Dewost, AFDI 28 (1982), S. 216; Klein, RIW 1985, S. 292; Jacobsen, S. 116; Daolldi, S. 113. Transportmittelbeschränkungen als Anwendungsfall der Wirtschaftssanktion erwähnen Pertek, RMC 1983, S. 205; Dewost, AFDI 28 (1982), S. 216; Kißler, S. 33; Losman, S. I. Auch Handelsverträge können den Gegenstand von Wirtschaftssanktionen bilden, ausftihrlich hierzu Doehring, ZaöRV 47 (1987) S. 47 ff.; vgl. ferner Vaucher, RTD 1993, S. 52; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 790. Hinsichtlich der Ein- und Ausfuhrkontingente vgl. nur Amold, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, K.I. Rdnr. 107. 7 Vgl. Kewenig, BerDGesVR 22 (1982), S. 9 sowie Gomig, JZ 1990, S. 115. , Ehlermann, RBDI 18 (1984-1985 I), S. 98; Verhoeven, RBDI 18 (1984-1985 I), S. 79 f.; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 789 f.; Klein, RIW 1985, S. 292; von Schenck, ZaöRV 29 (1969), S. 259.

I. Merkmale der Wirtschaftssanktion

29

bezeichnete den Artikel eines Gesetzes, der eine Strafandrohung bei Übertretung enthielt". In der byzantinischen und der spätmittelalterlichen Rechtssprache wurden mit der "sanctio pragmatica" ausschließlich Erlasse des Monarchen bezeichnet'''. Die deutsche Staatslehre zu Beginn dieses Jahrhunderts verstand unter der "Sanktion" ausschließlich die Gesetzgebung im staatsrechtlichen Sinne". 3. Von einzelnen Staaten oder internationalen Organisationen Bei der Frage, von welchen Völkerrechtssubjekten Wirtschaftssanktionen verhängt werden können, sind zwei Auffassungen zu unterscheiden. Teilweise wird der Begriff der "Sanktion" reserviert für kollektive Maßnahmen, die aufgrund einer Entscheidung durch eine internationale Organisation erfolgen '2. Aufgrund dieser Erwägungen ersetzte daher die International Law Commission in ihrem Entwurf über die Staatenverantwortlichkeit lJ den ursprünglich in Art. 30 vorgesehenen Begriff "sanctions" durch den der "countermeasures,,'4. Es ist jedoch festzustellen, daß sich dieser eingrenzende Sprachgebrauch bisher nicht durchgesetzt hat; auch isolierte einzelstaatliche Maßnahmen werden weiterhin als Wirtschaftssanktionen bezeichnet's. Obwohl der Schwerpunkt

• Georges, sanctio, in: Handwörterbuch, S. 2527 f.; Klein, Sanktion,. in: Strupp/ Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts III, S. 158 f.; Kluge, Sanktionieren, in: Wörterbuch der deutschen Sprache, S. 617. IIJ Klein, Sanktion, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts III, S. 159. " Laband, Bd. IV, S. 4 ff.; hierzu auch Sfenger, S. 12 und Klein, Sanktion, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts III, S. 159. " DaoudilDajani, S. 8; Carfer, S. 4; wohl auch Simma, AVR 24 (1986), S. 383. IJ Draft Articles on State Responsibility, Part I, of the International Law Commission, in: ILC-Yearbook 1980 Vol. 11 Part 2, S. 30 ff. (im folgenden: ILC-Entwurf). 14 So der Kommentar der ILC, ILC-Yearbook 1979 Vol. 11 Part 2, S. 121; vgl. hierzu auch Leben, AFDI 228 (1982), S. 17 und Dewosf, AFDI 28 (1982), S. 216. Widersprüchlich Delbrück, AVR 30 (1992), S. 90, der den Begriff "economic counter-measures" scheinbar vorzieht, während er zuvor als Titel seiner Darstellung den Begriff "International Economic Sanctions" verwendet und die Einwände gegen den Begriff der Sanktion als nicht mehr bestehend bezeichnet. Daß der Begriff der "countermeasures" nicht neu ist, zeigt die Tatsache, daß er bereits (als "counter-measures") in Art. 44 Abs. 3 b des International Coffee Agreement vom 28.3.1968 (UNTS Bd. 647, S. 3 ff., 54) verwendet wurde. " Vgl. die einzelnen Nachweise bei HujbauerlSchottlElliott, Supplemential Case Histories, S. I ff. sowie Combacau, Sanctions, EPIL, Vol. 9, S. 338. Mit dem Begriff der Wirtschaftssanktionen wurden ursprünglich nur staatliche Maßnahmen bezeichnet, vgl. hierzu Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 790 sowie die Nachweise in der folgenden Fn.; Dupuy, RGDIP 87 (1983), S. 542 nennt als Akteure nur die Staaten.

30

§ 2 Begriff, Erscheinungsfonnen und Abgrenzung

dieser Arbeit bei den "kollektiven" Wirtschafts sanktionen liegt, sollen daher, in Übereinstimmung mit der überwiegend in der Literatur verbreiteten Meinung'·, im folgenden auch isolierte einzelstaatliche Maßnahmen vom Begriff der Wirtschaftssanktion erfaßt werden. 4. In Friedens- und Kriegszeiten Überwiegend wird vertreten, die Wirtschaftssanktion sei begrifflich auszuschließen, wenn zwischen den Sanktionsgegnern ein Kriegszustand herrsche". Diese Trennung erscheint jedoch bedenklich". Der Begriff des "Kriegszustandes" gilt als überholt und wurde weitgehend durch den Begriff des "bewaffneten Konflikts" ersetzt'·. Jedoch bildet auch die Unterteilung des Völkerrechts in Friedensrecht und Recht des bewaffneten Konflikts, aufgrund der zahlreichen Verbindungen der bei den Bereiche, eine überholte Kategorisierung10 • Ferner werden für Maßnahmen in Friedens- sowie in Kriegszeiten die gleichen Rechtsgrundlagen genannt, unabhängig davon, ob ein Kriegszustand bzw. ein bewaffneter Konflikt vorliege'. So ist anerkannt, daß die wirtschaftlichen Sanktionen des Art. 41 SVN neben den kriegerischen Handlungen des Art. 42 SVN durchgeführt werden können". Folgerichtig wurde von der Staatengemeinschaft der Begriff der "Wirtschaftssanktion" in der Kuwait-Krise auch nach Beginn der Kampfhandlungen verwendee 3 • Es wird daher in der vorliegenden Ar,. So Sturma, RMC 1993, S. 251; Elagab, S. 4; Carter, S. 4; Losman, S. 1; Leben, AFDI 28 (1982), S. 17 f.; Panebianco, RdDE 1983, S. 313; Pertek, RMC 1983, S. 205; Beyer/in, Sanktionen, Handbuch VN, Ziff. 98 Rdnr. 1; von Schenck, ZaöRV 29 (1969), S. 260; Petersmann, ZVgIRWiss 80 (1981) S. 10; Wengier, Bd. 1, S. 526; Meng, ZaöRV 42 (1982) S. 790; KI/)per, International Sanctions, S. 2 ff. 17 So Kißler, S. 36, Brown-John, S. 17; Doxey, S. 9; DaoudilDajani, S. 7 f.; Petersmann, ZVgIRWiss 80 (1981), S. 10 (dort Fn. 31); vgl. auch Lindemeyer, S. 194 tT. sowie Gornig, JZ 1990, S. 115. " Angesichts der vergleichbaren Intensität der verwendeten Mittel und der Gleichheit der zugrunde liegenden Motivation kommt dieser Unterteilung allenfalls eine rechtstheoretische, jedoch keine praktische Relevanz zu; so auch Hasse, Embargo, S. 122; Nel/ss, S. 22. ,. Vgl. nur Ipsen, in: Ipsen, § 63 Rdnr. 6 f.; auf die in diesem Bereich bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten verweisen Zoller, S. 54 und Hasse, Embargo, S. 122. ," So auch Ipsen, in: Festschrift Pictet, S. 349. " Vgl. Hasse, Embargo, S. 122; Neuss, S. 22. 2l Vgl. hierzu VerdrosslSimma, § 235 tT.; Fischer, in: Ipsen, § 58 Rdnr. 11 tT; Frowein, in: Simma, Charta der VN, Art. 38 Rdnr. 31. '3 So die Sprecherin des amerikanischen Außenministeriums TI/twiler, in: FAZ vom 12.12.1991 (Nr. 288), S. 7 sowie der VN-Sonderbeauftragte Ekel/s, in: FAZ vom 13.3. 1992 (Nr. 62), S. 7; fiir die insofern vergleichbare Falkland-Krise vgl. Hl/jbaueriSchottl EI/iot(, Supplemential Case Histories, S. 537 ff., Panebianco, RdDE 1983, S. 313. Die schwer vorzunehmende Trennung wird auch deutlich bei der Blockade - siehe hierzu

I. Merkmale der Wirtschaftssanktion

31

beit der weite Begriff der Wirtschaftssanktion vertreten, der sowohl Maßnahmen in Friedens- als auch in Kriegszeiten einschließe·. 5. Reaktion auf nachteiliges Verhalten

Die Wirtschaftssanktion ist eine Reaktion auf ein vorheriges Verhalten eines anderen Völkerrechtssubjekts 2s • Anknüpfend an den Begriff der Sanktion, sind bei den Anforderungen an dieses Vorverhalten zwei Ansätze zu unterscheiden. Die Vertreter eines engen Sanktionsbegriffes erfassen unter Sanktionen nur Maßnahmen, die als Reaktion auf ein völkerrechtswidriges Verhalten des anderen Völkerrechtssubjekts ergehen 26 • Diese Auffassung wird zwar der allgemeinen Wortbedeutung gereche', führt jedoch durch das Kriterium der vorausgegangenen Unrechtsverletzung letztlich zu einer weitgehenden Gleichsetzung mit dem Institut der Repressalie'". Eine solche Eingrenzung des Sanktionsbegriffes widerspricht auch dem Sanktionsbegriff des Kapitels VII der SVN. Hiernach können Sanktionen verhängt werden, wenn die Voraussetzungen des Art. 39 SVN vorliegen. Es ist jedoch auch möglich, daß eine Friedensbedrounten Erster Teil, § 2 11. 2. (S. 38) - die einerseits bei den militärischen Maßnahmen des Art. 42 SVN aufgeführt wird, andererseits vom Sicherheitsrat bereits in zwei Fällen im Rahmen der gewaltlosen wirtschaftlichen Maßnahmen ergriffen wurde; hierzu, mit Erläuterung der beiden Fälle, Lapidoth, AVR 30 (1992), S. 118. ,. So auch Petersmann, ZVgIRWiss 80 (1981), S. 10; Hasse, Embargo, S. 119 ff.; Losman, S. 2; Carter, S. 4; Miele, S. 29; wohl auch Klein, Sanktion, in: Strupp/ Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts I1I, S. 161 und Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 790. " Von einigen Autoren wird der Begriff Sanktion reserviert für die Rechtsdurchsetzung eines Staates gegenüber den eigenen natürlichen oder juristischen Personen; vgl. hierzu die Übersicht bei Combaeau, Sanctions, EPIL, Vol. 9, S. 338. Eine solcher hierarchischer Charakter steht jedoch im Widerspruch zu der Natur des Völkerrechts als zwischen gleichgestellten Rechtssubjekten koordinierende Rechtsordnung, so zutreffend auch Klein, AVR 30 (1992), S. 88 f. " Klein, AVR 30 (1992), S. 104; Ehlermann, RBDI 18 (1984-1985 I), S. 98; Verhoeven, RBDI 18 (1984-1985 I), S. 79; Leben, AFDI 28 (1982), S. 17; Stenger, S. 13; Dewost, AFDI 28 (1982), S. 216; DIIPUY, RGDIP 87 (1983), S. 542; Kelsen, Law of the UN, S. 706; Kunz, AJIL 54 (1960), S. 324; Daoudi/Dajani, S. 8. n Vgl. etwa Wahrig, Sanktion, in: Deutsches Wörterbuch, S. 1097: "Strafgesetz"; Dllden, Sanktion, in: Duden, Fremdwörterbuch, S. 685: "Reaktion auf Normabweichung"; Longman/Webster, Sanction, in: Dictionary, S. 1315: "penalty attached to an offence as a means of enforcing the law"; Petit Robert, Sanction, in: Dictionnaire, S. 1759: "Peine pour assurer I'execution d'une loi". " Repressalie und Sanktion würden sich demnach nur darin unterscheiden, daß bei der ersten ein Rechtseingriff durch den Reagierenden "per se", bei der zweiten ein Rechtseingriff "potentiell" vorliegt. Zum Verhältnis von Wirtschaftssanktionen und Repressalie Sehenck, ZaöRV 29 (1969), S. 260; Leben, AFDI 28 (1982), S. 20 ff.; Ehlermann, RBDI 18 (1984-1985 I), S. 98. Zur Repressalie allgemein vgl. nur Verdross/ Simma, § 907 (m.w.N.).

32

§ 2 Begriff, Erscheinungsfonnen und Abgrenzung

hung bejaht wird, ohne daß es schon zu einer Verletzung des Völkerrechts gekommen ise". Es soll daher dem weiten Sanktionsbegriff gefolgt werden, der bereits jedes "unerwünschte", lediglich nachteilige Verhalten als Anlaß fUr Wirtschaftssanktionen genügen läßeo.

6. Ungleichbehandlung Die Wirtschafts sanktion erfaßt nur den Außenwirtschaftsverkehr mit bestimmten Staaten oder internationalen Organisationen, während der Handel mit den übrigen Staaten unberührt bleibt. Es wird ein begrenzter Adressatenkreis differenziert behandelt. Diese Ungleichbehandlung J1 ist daher eine wesentliche Eigenschaft der WirtschaftssanktionJ1 • Nicht erforderlich ist dagegen, daß diese Ungleichbehandlung zu einer tatsächlichen Benachteiligung des Sanktionsadressaten fUhrt JJ , denn das Vorliegen eines Schadens berührt lediglich die Frage nach dem "Erfolg" der Wirtschaftssanktion. Die Begriffsbestimmung wäre somit abhängig von der erst später zu beurteilenden Wirksamkeit der verhängten Maßnahme. Es erscheint zudem auch sinnvoll, solche Maßnahmen begrifflich zu erfassen, bei denen sich kein oder gar ein gegenteiliger Erfolg einstelle'. 19 VerdrosslSimma, § 234, mit Hinweis auf die Sanktionen gegen Rhodesien; Frowein, in: Simma, Charta der VN, Art. 39 Rdnr. 21, verweist darauf, daß der Begriff der Friedensbedrohung "außerordentlich weit" verstanden werden kann. _11' Stein, A VR 30 (1992), S. 42 f.; JenningslWatts, Oppenheim's International Law, Vol. I, S. 434; Beverlin, Sanktionen, Handbuch VN, Ziff. 98 Rdnr. I f.; Petersmann, ZVglRWiss 80 (1981), S. 10; Kißler, S. 90; Carter, S. 4; nun auch Combacall, Sanctions, EPIL, Vol. 9, S. 338; (a.A. noch Combacall, Le Pouvoir de Sanction, S.9 ff.); Fox, Economic Sanctions, Dictionary of International Law, S. 124; den weiten Sanktionsbegriffvertritt wohl auch Delbriick in: DahmiDelbrück/Wolfrum, S. 90, indem er als Sanktionsinstrument auch die Retorsion nennt, die auch als Reaktion auf ein lediglich unfreundliches, völkerrechtskonfonnes Verhalten erfolgen könne (S. 91); vgl. Gilsdorf! Kllijper, in: GroebenlThiesingiEhlennann Art. 224 Rdnr. 20 (dort Fn. 32). Anders jedoch Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 790, der Wirtschaftssanktionen nicht als Reaktion auf bestimmte Verhaltensweisen anderer Staaten versteht, sondern lediglich als Ergebnis einer "politischen Großwetterlage". JI Es wird bewußt auf den nicht eindeutigen Begriff der "Diskriminierung" verzichtet, da hier teilweise auch ein durch die Ungleichbehandlung herbeigeführter Nachteil als Wesensmerkmal gefordert wird; vgl. hierzu Kewenig, Bd. 1, S. 29. 32 Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 790; Petersmann, ZVglRWiss 80 (1981), S. 10; Kißler, S. 36; Bockslaff, S. 21; Hasse, Wirtschaftliche Sanktionen, S. 21; Gloria, in: Ipsen, § 39 Rdnr. 8. n So aber Stllrma, RMC 1993, S. 251; Petersmann, ZVglRWiss 80 (1981), S. 10; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 790; Klein, RIW 1985, S. 292. -" Im Ergebnis wie hier auch Kißler, S. 37; Nellss, S. 22.

I. Merkmale der Wirtschaftssanktion

33

7. Schädigungsabsicht Als erstes subjektives Kriterium beinhaltet die Wirtschaftssanktion eine Schädigungsabsicht. Die Sanktion wird vorgenommen, um dem betroffenen Völkerrechtssubjekt Nachteile zuzufügen';. Insofern kommt der Wirtschaftssanktion auch ein strafendes Element zu'''.

8. Zweck der Verhaltensänderung Die Wirtschaftssanktion wird getroffen, um das sanktionierte Völkerrechtssubjekt zu bestimmten Handlungen oder Unterlassungen zu veranlassen; oft wird eine Wiederherstellung des status quo ante beabsichtige7 • Unschädlich ist es, wenn der Sanktionsgeber daneben noch andere Zwecke, wie etwa die Einhaltung eigener internationaler Verpflichtungen, verfolge". Auch in den Fällen, in denen zunächst nur eine Mißbilligung der Politik des Sanktionsadressaten zum Ausdruck gebracht wird, soll - zumindest für die Zukunft - dieser auch zu einer Abkehr von seiner bisherigen Politik veranlaßt werden.w. 1; Hilpold, Integration 18 (1995), S. 5; Hasse, Wirtschaftliche Sanktionen, S. 21; Petersmann, ZVgIRWiss 80 (1981), S. 10; Diirr, Economy-Fachmagazin 1993, S. 199; Kißler, S. 35, 37; vgl. auch Lindemeyer, S. 205, sowie Engels, S. I; anders Bohr, S. 130, der ohne jegliche Begründung bereits eine Wirtschaftssanktion annimmt, wenn entweder eine "Schädigungsabsicht" oder (!) eine "Reaktion auf ein völkerrechtswidriges Verhalten" vorliegt. Unklar auch Stenger, S. 7, der einerseits den Zweck als "wesensimmanent" und "zwangsläufigen Bestandteil" anerkennt, um ihn dann jedoch als konstituierende Voraussetzung abzulehnen. Der von Lindemeyer, S. 206 f., vorgebrachte Einwand, daß bei von neutralen Staaten verhängten Waffenexportverboten in Krisengebiete eine Schädigungsabsicht fehle, vermag nicht zu überzeugen, denn es entsteht für die sanktionierten Staaten ein bezweckter, direkter Nachteil, indem der Einkauf von Waffen erschwert bzw. verteuert wird. Der Umstand, daß hinter dieser schädigenden Absicht das Fernziel einer Befriedung der Kämpfe und somit letztlich auch zugunsten des Sanktionierten gehandelt wird, unterstreicht lediglich die Bedeutung der Wirtschaftssanktion als Garant für die Wahrung des Völkerrechts im Interesse aller Staaten. J. Vgl. Stein, AVR 30 (1992), S. 42 f.; Kllyper, European Economic Community, S. 58; Beyerlin, Handbuch VN, Stichwort "Sanktionen", Ziff. 98 Rdnr. I; Daolldi/Dajani, S. 8. Nicht überzeugend, da nur am Wortlaut des Art. 39 SVN orientiert, die Auffassung von Lapidath, AVR 30 (1992), S. 114, wonach das Sanktionssystem des Kapitels VII der SVN ausschließlich korrigierender, nicht aber vergeltender Natur sei. J7 Fischer, AFDI 1I (1965), S. 67 (m.w.N.). " Ausschuß für Außenwirtschaftsbeziehungen, EP-Sitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4.1982, S. 9; Beyerlin, Sanktionen, Handbuch VN, Ziff. 98 Rdnr. 3; Petersmann, ZVgIRWiss 80 (1981), S. 10; von Schenck, ZaöRV 29 (1969), S. 260; Carter, S. 4; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 789 f.; vgl. auch Friedrich, NJW 1980, S. 2620, und Wengier, Bd. I, S. 527, sowie Gloria, in: Ipsen, § 39 Rdnr. 8; a. A. Lindemeyer, S. 207 sowie ders., RIW 1981, S. II f. J. Ein solcher "peaceful change" kann auch im Rahmen einer sehr langfristigen Strategie angewendet werden, wie die Wirtschaftssanktionen in den Ost-West-Beziehungen

3 Schneider

34

§ 2 Begriff, Erscheinungsfonnen und Abgrenzung

9. Außenpolitische Ziele

Schließlich müssen primär außenpolitische Ziele verfolgt werden·". Bei der problematischen Bestimmung, ob außenhandelspolitische Motive vorliegen·', ist zu fragen, ob vorwiegend nicht-wirtschaftliche Erwägungen verfolgt werden. Eine Wirtschaftssanktion liegt daher insbesondere dann vor, wenn der Sanktionsgeber sie nicht zugunsten der eigenen Wirtschaft vornimmt; meist wird sogar mit der Maßnahme bewußt eine Selbstschädigung der eigenen Wirtschaft in Kauf genommen·2 • Als Zielsetzungen kommen in Betracht: Verhinderung, Verkürzung und Erschwerung von Kriegen (Argentinien; Irak; Serbien), Protest gegen Menschenrechtsverletzungen (Südafrika; Haiti; Ruanda) und besondere, vom Einzelfall bestimmte außenpolitische Ziele (Iran: Rushdie; Libyen: Lockerbie). 10. Zusammenfassung Die Wirtschaftssanktion läßt sich somit definieren als "eine durch hoheitliche Maßnahme im Bereich der Außenwirtschaftsbeziehungen zu Friedensoder Kriegszeiten bewirkte Ungleichbehandlung, die als außenpolitisch motivierte Reaktion eines oder mehrerer Völkerrechtssubjekte auf ein nachteiliges Verhalten eines anderen Völkerrechtssubjekts erfolgt, um dieses durch Zufügung eines Nachteils zu einer Verhaltensänderung zu veranlassen".

der 80er Jahre zeigen, vgl. hierzu Royen, S. 212. Der Ansicht von Carter, S. 4, und DllpIIY, RGDIP 87 ( 1983), S. 542, die auf das Motiv der Verhaltensänderung verzichten, kann daher nicht gefolgt werden . •" Reuter, Rdnr. 157; Stllrma, RMC 1993, S. 251; Kewenig, BerDGesVR 22 (1982), S. 10 f.; Gilsdorf, RMC 1989, S. 206; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 790; Pertek, RMC 1983, S. 205; Carter, S. 5; vgl. auch Nicolaysen, in: Festschrift Schlochauer, S. 869; Vedder, in: GrabitzlHilf, Art. 113 Rdnr. 51.; vgl. ferner die Denkschrift der Bundesregierung zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europäische Union, BR Drs. 500/92, S. 109: "Art. 228a. Diese Vorschrift betrifft Maßnahmen, die im Rahmen der GASP aus politischen Gründen gegenüber Drittstaaten beschlossen werden". Zu den einzelnen aussenpolitischen Zielen seitens der EG und den USA vgl. die Ausführungen von Müller, Außenpolitik 1984, S. 68 ff. •, Hierzu Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 790 f. und Carter, S. 5. Aufschlußreich auch BVerfGE I, S. 372 (380 ff.), zur Frage, wann ein Vertrag im Sinne des Art. 59 Abs. 2 GG ein "politischer" Vertrag ist. .2 So auch Lindemeyer, RIW 1981, S. 11; vgl. hierzu auch Hasse, Wirtschaftliche Sanktionen, S. 21, sowie Oppermann, Rdnr. 1770.

11. Erscheinungsfonnen und Maßnahmen der Wirtschaftssanktion

35

11. Erscheinungsformen und Maßnahmen der Wirtschaftssanktion Der hier vertretene weite Begriff der Wirtschaftssanktion bildet den Oberbegriff für vielfältige Erscheinungsformen. 1. Embargo

Die wichtigste Form der Wirtschaftssanktion ist das Embargo·'. a) Das SchifJs- lind Handelsembargo

Hierbei muß zunächst zwischen dem Schiffs- und dem Handelsembargo unterschieden werden. Mit dem Wort "Embargo", welches sich ableitet aus dem spanischen Verb "embargar" und soviel bedeutet wie "anhalten" oder "beschlagnahmen"...., wurden bis zu Beginn dieses Jahrhunderts nur Maßnahmen des heutigen Schiffsembargos erfaßt. Hierunter versteht man die Zurückhaltung und Beschlagnahme von fremden Handelsschiffen zum Zwecke der Druckausübung auf den Flaggenstaae'. Das heute bedeutsamere Handelsembargo, teilweise auch nur Embargo genanne6 , bezeichnet dagegen jedes von einem oder mehreren Völkerrechtssubjekten an die eigenen Gebietsansässigen gerichtete teilweise oder vollständige Verbot, mit den Gebietsansässigen des sanktionierten Völkerrechtssubjekts Wirtschaftsbeziehungen zu unterhalten47 • • J Überwiegend wird wie hier die Wirtschaftssanktion als Oberbegriff und somit das Embargo als eine Erscheinungsfonn der Wirtschaftssanktion verstanden; so der Ausschuß für Außenwirtschaftsbeziehungen, EP-Sitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4.1982, S. 9; Dewost, AFDI 28 (1982), S. 216; Schröder, GYIL 23 (1980), S. 111 ff.; Gloria, in: Ipsen, § 39 Rdnr. 9; Miele, S. 29 f.; Pappas, S. 241; Panebianco, RdDE 1983, S. 313 (vgl. dort Fn. 11). Unklar dagegen die Begründung von Stenger, S. 13, der das Embargo als Oberbegriff und somit die Wirtschaftssanktion als besondere Erscheinungsfonn des Embargos versteht. .. Becher, Stichwort: "embargar" und "embargo", S. 482; Eichborn/Flientes, Stichwort: "embargar", S. 326 . •, Black, Law Dictionary, Embargo, S. 468; Kausch, Embargo, EPIL, Vol. 2 (1995), S. 58; Lindemeyer, S. 29; ders., RIW 1981, S. 10 f.; Dicke, S. 204; Berber, Völkerrecht 1II, S. 98; Gornig, JZ 1990, S. 115; Thomas, Embargo, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts I, S. 425; Miele, S. 29 . .... So ungenau Oppermann, Rdnr. 1770; Fischer, in: Ipsen, § 58 Rdnr. 16. • 7 Gloria, in: Ipsen, § 39 Rdnr. 8; GiisdorjlKlIijper, in: GroebeniThiesing/Ehlennann, Art. 224 Rdnr. 20 (dort Fn. 32); Vedder, in: GrabitziHilf, Art. 113 Rdnr. 51; Kampf, RIW 1989, S. 793; Neuss, S. 23; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 789; a. A. Fox, Embargo, Dictionary International Law, S. 128, der unter Embargo weiterhin nur die Maßnahmen erfaßt, die heute als Schiffsembargo bezeichnet werden.

36

§ 2 Begriff, Erscheinungsfonnen und Abgrenzung

b) Sachlicher Anwendungsbereich

Schon Hugo Grotius legte großen Wert auf die Unterscheidung der Gegenstände, die dem Feinde nicht geliefert werden durften·'. Je nachdem, welcher Bereich der Wirtschaftsbeziehungen betroffen wird, kann in diesem Zusammenhang unterschieden werden zwischen dem Ex- und Importembargo··, welches ein teilweises oder vollständiges Aus- oder Einfuhrverbot für Waren begründet, dem Dienstleistungsembargo5C1 , welches den Austausch jeder Art von Dienstleistungen unterbindet, dem Finanz- oder Kapitalembargo 51 , das regelmäßig die Kapitalausfuhr zu dem sanktionierten Völkerrechtssubjekt einschränkt, und dem Transportmittelembargo'1, mit dem jegliche Waren- oder Personen beförderung durch eigene Verkehrsmittel von oder nach dem sanktionierten Völkerrechtssubjekt untersagt wird. Die einzelnen Formen können auch miteinander verbunden werden. Eine in letzter Zeit besonders häufig ergriffene Form des Handelsembargos ist das Waffenembargo. Um eine Einschränkung oder gar Beendigung von bewaffneten Konflikten zu erreichen, wird die Ausfuhr von Waffen in bestimmte Spannungsgebiete einer umfassenden Exportkontrolle unterworfen'l. " Grotius, Vom Recht des Krieges und des Friedens, Drittes Buch, 1. Kap., S. 421 f. •• Eine Beschränkung auf Ausfuhrverbote wird heute überwiegend nicht mehr vorgenommen, vgl. Gloria, in: Ipsen, § 39 Rdnr. 8; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 789; Hasse, Wirtschaftliche Sanktionen; Stenger, S. 5 und 50 ff.; Lindemeyer, S. 237 f.; a. A. Dewost, AFDI 28 (1982), S. 216; Dlibois, AFDI 13 (1967), S. 100; Daolldi/Dajani, S. 8; Jacobsen, S. 116. '0 Berger, RMC 1990, S. 617 f.; Pappas, S. 241; Häde, BayVBI. 1991, S. 485; Vaucher, RTD 1993, S. 56 verweist insofern zu Recht auf die Wirtschaftssanktionen gegen den Irak, Libyen und das ehemalige "Jugoslawien". II Berger, RMC 1990, S. 616; Stenger, S. 5; Lindemeyer, S. 238; Ausschuß für Aussenwirtschaftsbeziehungen, EP-Sitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4. 1982, S. 10; a. A. wohl Kuyper, Community Sanctions, S. 164. Dem Finanz- bzw. Kapitalernbargo, das bisher von der Gemeinschaft eher zurückhaltend verwendet wurde, dürfte zukünftig, auch aufgrund der umfangreichen Finanzsanktionen der USA (z.B. Kuba), in der Praxis der Gemeinschaft eine bedeutendere Funktion zukommen, vgl. hierzu auch European Commission, Note for the Monetary Committee (Dok. 11/444/94EN) vom 1.7.1994, S. 3. '2 Stenger, S. 5; Dewost, AFDI 28 (1982), S. 216; Lindemeyer, S. 239 f.; Zehetner, Wirtschaftskrieg, Lexikon des Völkerrechts, S. 408; a. A. wohl Kllyper, Community Sanctions, S. 164. ,.1 Vgl. hierzu Mueller, Anns Control Today 1993, S. 10 ff.; Weitbrecht, S. 89 ff.; WIIIf, EA 1992, S. 313 ff. Zur Eindämmung des internationalen Waffenhandels siehe die schriftliche Anfrage Nr. 1652/91 von J. Vandemeulebrollcke an die Kommission der EG vom 25.7.1991, ABI. C 317/4 vom 3.12.1992. Das Europäische Parlament forderte am 17.9.1992 eine gemeinschaftliche Waffenexportkontrollpolitik, EP-Dok. A3-260/92. Allgemein zum Exportkontrollverfahren infonniert die Bekanntmachung des Bundesausfuhramtes (auch über die Besonderheiten des Exportkontrollverfahrens im EG-Binnenmarkt ab 1993) vom 24.12.1992, Bundesanzeiger Nr. 242 vom 24.12.1992, S. 9622.

11. Erscheinungsfonnen und Maßnahmen der Wirtschaftssanktion

37

c) Un?fang lind Intensität

Je nach Umfang und Intensität des Embargos kann unterschieden werden: Bei einem Partialembargo sind nur ausgewählte Wirtschaftsbereiche betroffen;'. Sehr ähnlich hierzu ist das Teilernbargo, auch zuweilen als Selektivembargo bezeichnet, welches nur bestimmte Waren erfaßt und insbesondere bei der Verfolgung von speziellen außenpolitischen Zielen (LibyeniLockerbie: Waren rur Flugzeugbau) verhängt wird". Mit dem Quotenembargo wird nur eine bestimmte Warenmenge gegenüber dem sanktionierten Staat freigegeben;·, während mit dem Vollembargo die Handelsbeziehungen vollständig ausgesetzt werden'7. d) Das moralische Embargo

Bei dem moralischen Embargo (eng\.: moral embargo, franz.: embargo moral) verhängt ein Völkerrechtssubjekt dagegen kein ausdrückliches Verbot, sondern regt lediglich seine Gebietsansässigen an, freiwillig eine Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen zu einem anderen Völkerrechtssubjekt vor-

Für eine restriktivere Waffenexportkontrolle spricht sich der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aerospace AG, J.E. Schrempp, aus, VWD vom 31.1 0.1991 (Nr. 210), S. 3. In dem Memorandum des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. vom November 1993 im Hinblick auf die deutsche Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 1994 heißt es (S. 7): "Der Binnenmarkt erfordert und die europäische Wirtschaft braucht ein einheitliches Kontrollrecht und insoweit Chancengleichheit der Exportwirtschaft in der EU. Nationale Kontrollregelungen sind in einem EG-Binnenmarkt nicht länger zu rechtfertigen." Zur Problematik der neuen EU-Exportkontrolle vom 19.12.1994, ABI. L 367/1 vom 8.3.1995, insbesondere zu deren verspäteten Veröffentlichung vgl. Bierwagen, FAZ vom 18.3.1995 (Nr. 66), S. 8. ,. Vgl. Ausschuß für Außenwirtschaftsbeziehungen, EP-Sitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4.1982, S. 10 sowie Pappas, S. 242. Sehr widersprüchlich hierzu Bohr, S. 130 f., der zunächst die teilweise Einschränkung der Ein- und Ausfuhr unter dem Embargobegriff erfaßt (S. 130), wenig später sich jedoch zu seiner eigenen Aussage in Widerspruch setzt und Maßnahmen, die die Warenausfuhr nur erschweren und nicht unterbinden, nicht als Embargo qualifizieren möchte (S. 131, Fn. 111): "Die EWG beteiligte sich am amerikanischen Getreideembargo gegenüber der UdSSR ( ... ). Überhaupt sind die Maßnahmen nicht (!) als Embargo zu qualifizieren, weil dadurch die Getreideausfuhr nicht vollständig unterbunden, sondern nur erschwert wurde." " Vgl. Berwald, in: Hocke/BerwaldiMaurer, § 7 Anm. I (S. 2); Pappas, S. 242; Dubois, AFDI 13 (1967), S. 103. ,. Vgl. Ausschuß für Außenwirtschaftsbeziehungen, EP-Sitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4.1982, S. 10. 57 Vgl. Berwald, in: Hocke/BerwaldiMaurer, § 7 Anm. I (S. 2). Gebräuchlich ist auch der Begriff "Totalembargo"; vgl. Wimmer, BB 1990, S. 1986; Lö.rfeler, Wistra 1991, S. 124; Ein "totales Handelsembargo" liegt dagegen vor, wo nur die gesamte Wareneinfuhr und -ausfuhr unterbrochen wird; vgl. Neuss, S. 25.

38

§ 2 Begriff, Erscheinungsfonnen und Abgrenzung

zunehmen'". Als Instrumente, denen lediglich der Charakter einer Empfehlung zukommt und die somit für die betroffen Unternehmen keine unmittelbaren Rechtspflichten begründen, sind die Verhaltenskodizes oder -richtlinien zu nennen;". Abzulehnen ist die überwiegend vorgenommene Zurechnung des moralischen Embargos zum Boykott"", was zur Folge hätte, daß das moralische Embargo keine Form des Embargos und somit nicht als Wirtschaftssanktion zu qualifizieren wäre. Zur Begründung dieser Einteilung wird angeführt, daß das moralische Embargo nicht direkt durch einen hoheitlichen Eingriff veranlaßt werde"'. Dieser Argumentation ist jedoch zu entgegnen, daß nach geltendem Völkerrecht Handlungen, die von Privatpersonen begangen werden, einem Völkerrechtssubjekt zugerechnet werden, wenn das Völkerrechtssubjekt diese Handlungen billigt, fördert oder sogar veranlaßt"2. Es besteht somit kein bedeutsamer Unterschied zwischen staatlich veranlaßten und eigenen staatlichen Handlungen. Das staatlich initiierte moralische Embargo begründet daher regelmäßig einen Tatbestand des Völkerrechts, so daß der allgemein vorgenommenen Zuordnung zu dem nur privatrechtlich relevanten Boykott nicht gefolgt werden kann"3. 2. Blockade

Während das Handelsembargo durch ein ausschließlich an die eigenen Wirtschaftssubjekte gerichtetes Verbot nur den bilateralen Handel mit dem Sankti'" Neuss, S. 20; Stenger, S. 11; Lindemeyer, S. 186 f.; Gornig, JZ 1990, S. 115. ,. Sog. "codes of conduct". Hierüber Hai/bronner, Verhaltenskodizes, in: Festschrift Schlochauer, S. 329 ff.; ders., Wirtschaftsvölkerrecht, S. 14 f.; Bryde, Internationale Verhaltensregeln, S. I ff.; Petersmann, Codes ofConduct, EPIL (1992), Vol. I, S. 627 ff.; VerdrosslSimma § 546. Im Zuge der Wirtschaftssanktionen gegenüber Südafrika wurde der "Verhaltenskodex für Unternehmen mit Zweigniederlassung in Südafrika" vom 20.9.1977 erlassen, in: Bull. EG 9/1977, S. 51 ff.; vgl. auch den Bericht im Namen des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit, EP Doc. 668/78 vom 9.3.1979; hierzu von Biilow, RIW 1979, S. 600 ff. sowie Hai/bronner, RIW 1982, S. 111 ff. Für die Tätigkeit der UN siehe die Res.lGAl35/63 vom 5.12.1980, UN Doc. TDIRBPI 10/Rev.1. Auch die OECD hat bereits 1976 einen Verhaltenskodex verabschiedet, siehe OECD Doc. C (76), 117; vgl. ILM 15 (1976), S. 977 ff. 6n Siehe hierzu unten Erster Teil, § 2 III. I. (S. 42) . .. Neuss, S. 20; Hasse, Embargo, S. 113; Stenger, S. 11; Lindemeyer, S. 188; Gornig, JZ 1990, S. 115. "Vgl. IGH, 24.5.1980, United States Diplomatic and Consular Staffin Teheran, in: ICJ Rep. 1980, S. 35: "The approval given to these facts by ( ... ) organs of the Iranian State ( ... ) translated continuing occupation ( ... ) into acts ofthat State". Regelungen hierfür enthalten die Art. 8 und I1 des ILC-Draft. Für die Literatur siehe VerdrosslSimma, § 1282; Seidl-HohenveidernlLoibl, Rdnr. 1671. 63 So auch, jedoch ohne nähere Begründung, Dllbois, AFDI 13 (1967), S. 102; vgl. auch Dicke, S. 205.

11. Erscheinungsfonnen und Maßnahmen der Wirtschaftssanktion

39

onsgegner einschränkt, dient die Blockade (eng\.: blockade, franz.: blocus) der vollständigen Isolation des Sanktionsgegners"'. Ursprünglich ein Instrument des Seekriegsrechts·', erfolgt die Blockade (anders als das Handelsembargo) außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes vorwiegend auf hoher See und bezeichnet heute jede durch Flugzeuge oder Schiffe des sanktionierenden Völkerrechtssubjektes bewirkte Absperrung der Küsten des betroffenen Staates"". Daher wird auch der Handel mit neutralen Drittstaaten grundsätzlich erfaßt·7 • Lediglich bei einer "friedlichen" Blockade (eng\.: pacific blockade, franz.: blocus pacifique) dürfen die Schiffe dritter Staaten nicht behindert werden·'. Auch bei der Blockade ist der Sprachgebrauch nicht einheitlich. So wurden die von den USA während der Kubakrise 1962 gegen den Inselstaat verhängten Absperrmaßnahmen aus politischen Erwägungen als "Quarantäne" bezeichnet". Oft wird weitergehend mit dem Begriff der Wirtschaftsblockade (eng\.: economic blockade, franz.: blocus economique) jede physische Absperrung eines Landes") und zuweilen sogar die generelle Einschränkung oder Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen des betroffenen Staates" bezeichnet. Um jedoch eine klare Abgrenzung zu den anderen Erscheinungsformen und insbesondere zum Oberbegriff der Wirtschaftssanktion zu ermöglichen, wird im folgenden nur der zunächst beschriebene engere Begriff der Blockade verwendet.

3. Wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen Der Begriff der wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen (eng\.: economic coercion; franz.: mesure coercitive economique) wird ebenfalls mit unterschied-

... Zur Abgrenzung von Embargo und Blockade Miete, S. 28-31. ., Vgl. Berber, Völkerrecht III, S. 98; Lindemeyer, S. 54, 228 f.; ausführlich zur geschichtlichen Entwicklung der Blockade Doxey, S. 10-15 . .. So auch der Ausschuß für Außenwirtschaftsbeziehungen, EP-Sitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4.1982, S. 11; Lindemeyer, S. 54 f., 228 f.; Kißter, S. 40; ähnlich auch die Res./GA/3314 (XXIX) vom 14.12.1974 (Definition of Aggression), Text in: AJIL 69 (1975), S. 480 ff. in Art. 3 c): "The blockade ofthe ports or coasts of a State by the anned forces of another State" . • 7 Miete, S. 30 . .. Weber, Blockade, Pacific, EPIL (1992), Vol. I, S. 412; Berber, Völkerrecht III, S. 98. 09 Diese Maßnahmen stellten jedoch eine Blockade dar, die aus politischen Gründen nicht mit diesem Begriff belegt werden sollte; vgl. hierzu Ipsen, in: Ipsen, § 64 Rdnr. 13, sowie Berber, Völkerrecht III, S. 99 f. 111 Die in der Praxis des Völkerbundes vorgenommenen Wirtschaftssanktionen wurden als Blockaden bezeichnet; hierzu Kotzseh, Blockade, kriegerische, in: Strupp/ Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts I, S. 217. 11 Daoudi/Dajani, S. 56; Dubois, AFDI 13 (1967), S. 102.

40

§ 2 Begriff, Erscheinungsfonnen und Abgrenzung

lichen Bedeutungen belege'. Teilweise wird er als Synonym für den Begriff der Wirtschaftssanktion verwendee-'. Vorzuziehen ist jedoch der Versuch einer Abgrenzung. Meist eingeschränkt auf den Bereich der Intervention, werden als wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen überwiegend solche wirtschaftlichen Mittel bezeichnet, bei denen in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen ein erlaubter Druck in völkerrechtswidrigen Zwang umgeschlagen ist'·. Der wirtschaftliche Zwang ist daher eine Form der völkerrechtswidrigen Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln. Somit sind Wirtschaftssanktionen immer dann wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen, wenn sie vom Interventionsverbot erfaßt werden. Jedoch werden in der Literatur unterschiedliche Kriterien zur Abgrenzung der erlaubten wirtschaftlichen Einflußnahme vom verbotenen wirtschaftlichen Zwang diskutiert. Genannt werden etwa die Mittel-Zweck-Relation, die Intensität oder der realisierte Erfolg der Maßnahme oder die Qualität des Ziels. Keines dieser Abgrenzungskriterien hat sich bisher durchgesetzt'5. Der Begriff der Wirtschaftssanktion begegnet diesen Schwierigkeiten, indem er sowohl wirtschaftlichen Druck als auch wirtschaftlichen Zwang umfaßt. Ferner ist nicht ersichtlich, warum dieses Rechtsinstitut im Falle seiner Völkerrechtswidrigkeit mit einem anderen Terminus versehen werden soll. Wirtschaftssanktionen sind immer eine Reaktion auf ein vorangegangenes Verhalten, so daß sich bei der Unterscheidung von Völkerrechtswidrigkeit und -konformität die anerkannten Begriffe der Repressalie und Retorsion anbieten'6. Aus diesen Gründen wird daher in der vorliegenden Arbeit auf den Begriff der wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen verzichtet und der Oberbegriff der

" Dicke, Economic Coercion, EPIL, Vol. 8, S. 147, beginnt seine Begriffsbestimmung mit den Worten: "It would be difficult to name a tenn ofpublic internationallaw, whose notion is vaguer than that of economic coercion". ,-' So Fleischhauer, VN 1991, S. 41; Klein, AVR 29 (1991), S. 424 ff.; wohl auch Petersmann, ZVglRWiss 80 (1981), S. I. Der Begriff "medidas coercitivas" wurde von der OAS verwendet zur Bezeichnung der Wirtschaftssanktionen seitens der EG und der USA gegen Argentinien im Falkland-Konflikt, siehe Res. 11, Serious Situation in the South Atlantic, vom 29.5.1982, OENSer.FIII.20, Dok. 80/82, Rev. 2, Para. 5/3; auf die Problematik der Tenninologie in diesem Fall verweist ausführlich Acevedo, AJIL 78 (1984), S. 338. Der Begriff "Zwangsmaßnahme" wird in Art. 53 SVN verwendet und bezeichnet hiennit sowohl militärische als auch wirtschaftliche Maßnahmen; hierzu Ress, in: Simma, Charta der VN, Art. 53 Rdnr. 14. ,. So Kewenig, BerDGesVR 22 (1982), S. 9 f.; Dicke, S. 147; ders., Economic Coercion, EPIL, Vol. 8, S. 147; Bockslaff, S. 84; Beyerlin, Nichteinmischung, Lexikon des Völkerrechts, S. 227; Fischer, in: Ipsen, § 57 Rdnr. 61-63. " So Kewenig, BerDGesVR 22 (1982), S.16; Fischer, in: Ipsen, § 57 Rdnr. 63; Bocksla.ff, S. 85 ff.; Beyerlin, Nichteinmischung, Lexikon des Völkerrechts, S. 227. 7. Zu den Begriffen vgl. nur Verdross/Simma, §§ 1335, 1342 (m.w.N.).

H. Erscheinungsfonnen und Maßnahmen der Wirtschaftssanktion

41

Wirtschaftssanktionen verwendet", wobei dann zwischen völkerrechtskonformen und völkerrechtswidrigen Wirtschaftssanktionen unterschieden werden kann. 4. Wirtschaftskrieg

Bei dem in der Literatur in vielfältiger Weise gebrauchten Begriff des Wirtschaftskrieges (eng!.: economic warfare, franz.: guerre economique) sind zwei Begriffsbestimmungen zu unterscheiden: Der Wirtschaftskrieg im engeren Sinne erfaßt nur die Wirtschaftssanktionen, die gegen die feindliche Zivilbevölkerung in Konflikten getroffen werden, in denen zwischen den Kontrahenten ein Kriegszustand bzw. ein bewaffneter Konflikt besteht". Wird auf das fragwürdige Erfordernis des Kriegszustandes bzw. des bewaffneten Konflikts verzichtet'", so wird unter dem Begriff des Wirtschaftskrieges im weiteren Sinne jede feindliche Handlung wirtschaftlicher Art verstanden, die mit der Absicht vorgenommen wird, ein anderes Völkerrechtssubjekt zu schädigen"n. Dieser Begriff des Wirtschaftskrieges ist jedoch weitgehend identisch mit dem der Wirtschaftssanktion. Ein Festhalten an diesem Begriff erscheint nicht sinnvoll"'.

77 Ähnlich Kißler, S. 42 f., obwohl dieser unklar die wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen aufgrund ihrer "negativen Wertung" gegenüber den Wirtschaftssanktionen abgrenzt. 78 Vgl. Held, Wirtschaftskrieg, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts III, S. 857 ff.; Steinicke, S. 73 ff. 7' Siehe hierzu oben Erster Teil, § 2 I. 4. (S. 30). '0 Zemanek, Economic Warfare, EPIL, Vol. 3, S. 158; Berber, Völkerrecht H, S. 197; Zehetner, Wirtschaftskrieg, Lexikon des Rechts, S. 407. Werden dagegen keine außenpolitischen Ziele, sondern lediglich wirtschaftliche Vorteile verfolgt, so spricht man von einem "Handelskrieg"; vgl. Held, Wirtschaftskrieg, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts III, S. 858 . .. Der von Zehetner, Wirtschaftskrieg, Lexikon des Rechts, S. 408, verwendete Begriff des "Wirtschaftskrieges in Friedenszeiten" ist in sich widersprüchlich und verdeutlicht die Fragwürdigkeit des Festhaltens an dem Begriff des Wirtschaftskrieges; weitergehend schon Ipsen, in: Ipsen, § 69 Rdnr. 17, der wegen der Verdrängung des Kriegsbegriffes vorschlägt, den Begriff des Wirtschaftskrieges gegen den der "wirtschaftlichen Schädigungshandlungen" auszutauschen. Franke, S. 57 f. schlägt rur den Begriff des Wirtschaftskrieges den des "Wirtschaftskampfes" vor.

42

§ 2 Begriff, Erscheinungsfonnen lind Abgrenzung

111. Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten Gegenüber diesen Erscheinungsformen sind diejenigen Maßnahmen abzugrenzen, die keine Wirtschaftssanktionen darstellen, sondern eigenständige Rechtsinstitute bezeichnen. 1. Boykott

Beschließen private natürliche oder juristische Personen, die Wirtschaftsbeziehungen zu einem Staat einzuschränken oder zu unterbrechen, handelt es sich um einen wirtschaftlichen Boykott (eng\.: economic boycott, franz.: boycottage)·~. Gegenüber der Wirtschaftssanktion, die einen hoheitlichen Eingriff voraussetzt, erfolgt der Boykott aufgrund privater InitiativeS3 wie beispielsweise der Boykottaufruf von Tierschutzorganisationen gegen norwegische Waren wegen des Walfanges. Der Boykott ist daher ein Tatbestand des nationalen und internationalen Privatrechts, nicht des Außenhandels von Völkerrechtssubjekten"'. Die Herkunft des Wortes läßt sich eindeutig zurückführen auf den von der irischen Landliga im Jahre 1880 gegen den berüchtigten Gutsverwalter Charles C. Boycott ausgesprochenen Bann, mit dem Inhalt, daß niemand für ihn arbeiten und mit ihm wirtschaftlich oder gesellschaftlich verkehren sollteRs • Der teilweise verwendete und nicht einheitliche Sprachgebrauch, der diese ursprüngliche Form des Boykotts als "privaten Boykott" bezeichnet und daneben unter der Bezeichnung "staatlicher Boykott" diese Handlungsform auch für hoheitliche Maßnahmen eröffnetR\ ist abzulehnen. Eine solche Begriffserwei-

" Dicke, S. 206; Bockslaff, S. 20; Hasse, Embargo, S. 109 ff.; Kewenig, BerDGesVR 22 (1982), S. 9 f. " So auch BockslajJ, S. 20 sowie Lindemeyer, RIW 1981, S. 11. '" Kewenig, BerDGesVR 22 (1982), S. 10. Im deutschen Recht wird der Boykott ausdrücklich erwähnt in dem Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vom 29.6.1956 (BGBI. I 1956, S. 562 ff./BGBI. III 2 Nr.251I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.12.1986 (BGBI. I 1986, S. 2326 ff.), dessen § 56 Abs. I einen Anspruch auf Entschädigung begründet, wenn der Verfolgte durch "Boykott" in seinem "Vennögen geschädigt worden ist". Nach dem Recht der DDR konnte eine Verurteilung wegen "Boykotthetze" gemäß Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 (GBI. I Nr. I 1949, S. 5 ff.) erfolgen. Solche Entscheidungen können heute aufgehoben werden gern. § I Abs. I Nr. I Buchst. t) des Gesetzes über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet vom 29.10.1992, BGBI. I 1992, S. 1814. Zur Zulässigkeit des Boykotts nach deutschem Recht vgl. nun Möllers, NJW 1996, S. 1374 ff. ., Hierzu Kausch, Boycott, EPIL (1992), Vol. 1, S. 485 . •• So Erler, Boykott, wirtschaftlicher, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts I, S. 239 f.; Kausch, Boycott, EPIL(l992), Vol. I, S. 485 f. ("official boycotts

III. Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten

43

terung steht im Widerspruch zu der etymologischen Entwicklung des Wortes und führt zu unüberwindbaren Abgrenzungsproblemen gegenüber anderen wirtschaftlichen Maßnahmen~7. Der sogenannte "mehrstufige Boykott"~' ist daher kein Boykott in dem hier verstandenen Sinne, sondern eine Wirtschaftssanktion in der Form des Handelsembargos: In der ersten Phase wird als primärer Boykott das hoheitliche Verbot eines Völkerrechtssubjektes bezeichnet, wonach die eigenen Gebietsansässigen weder direkt noch indirekt Handel mit einem anderen Völkerrechtssubjekt treiben dürfen. Der sekundäre Boykott veranlaßt Gebietsansässige in Drittländern, den Handel mit dem sanktionierten Völkerrechtssubjekt einzuschränken. Personen, die diese Aufforderung mißachten, werden in "schwarzen Listen" geführt. Der tertiäre Boykott richtet sich gegen natürliche oderjuristische Personen, die mit Personen, die in diesen Listen geführten werden, Geschäftsbeziehungen unterhalten'·. Zuweilen werden als Voraussetzung für einen Vertragsabschluß BoykottErklärungen gefordert, bei denen Firmen sich gegenüber einem ausländischen Staat verpflichten müssen, keine Geschäftsbeziehungen zu einem bestimmten Drittstaat zu unterhalten oder aufzunehmen"". Die Abgabe solcher Boykott-Erklärungen ist in Deutschland nach der 24. Verordnung zur Änderung der Aussenwirtschaftsverordnung vom 23. Juli 1992" verboten. by states", "coJlective boycotts by international organizations"); Dewost, AFDI 28 (1982), S. 216. ., So auch Combacau, Le Pouvoir de sanction, S. 272 (dort Fn. 17), sowie Leben, AFDI 28 (1982), S. 14; vg!. auch Dllbois, AFDI 13 (1967), S. 101; so wohl auch der Bundesminister für Wirtschaft, Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 31/92 vom 4.9.1992, Bundesanzeiger Nr. 177 vom 19.9.1992, S. 7849 f., durch die dort vorgenommene Trennung von Embargos (I.) und Boykott-Maßnahmen (2.). " Hierzu Engels, S. 16 f. ,. Vg!. hierzu auch Ausschuß für Außenwirtschaftsbeziehungen, EP-Sitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4.1982, S. 10 sowie Daolldi/Dajani, S. 102; KalIseh, Boycott, EPIL (1992), Vo!. I, S. 485. 90 Vg!. hierzu Krumholz, NJW 1993, S. 113 ff. sowie Bericht des Ausschusses für Außenwirtschaftsbeziehungen, EP-Sitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4. 1982, S. 10. Für den Begriff der Boykott-Erklärung gibt im deutschen Recht der § 4a der Außenwirtschaftsverordnung vom 18.12.1986 in der Fassung späterer Änderungsverordnungen (FundsteJle siehe nächste Fn.) eine Legaldefinition: Eine "Erklärung im Außenwirtschaftsverkehr, durch die sich ein Gebietsansässiger an einem Boykott gegen einen anderen Staat beteiligt (Boykott-Erklärung)". 9' 24. Verordnung zur Änderung der AWV vom 23.7.1992 mit Wirkung zum 1.5. 1993, in: BundesanzeigerNr. 139 vom 29.7.1992, S. 6141 und Nr. 192 vom 13.10.1992, S. 8201. Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (Außenwirtschaftsverordnung) vom 18.12.1986, BGB!. I 1986, S. 2671; in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.11.1993, BGB!. I 1993, S. 1934, berichtigt S. 2493; im folgenden: AWV. Es handelt nun nach § 70 Abs. I der geänderten AWV "ordnungswidrig im Sinne des § 33 Abs. I und 6 des AWG ( ... ), wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen §

44

§ 2 Begriff, Erscheinungsfonnen und Abgrenzung

2. Handelspolitische Schutzmaßnahmen Von den Wirtschaftssanktionen unterscheiden sich handelspolitische Schutzmaßnahmen (eng\.: economic safeguard measures, franz.: mesures de defense commerciale) durch die fehlende außenpolitische Zielsetzung. Unter letzteren versteht man hoheitliche Vorkehrungen und Vorschriften, die vorrangig zum Schutz der eigenen Wirtschaft ergriffen werden, um diese vor akuten oder drohenden Schädigungen durch unfaire Handelspraktiken seitens anderer Völkerrechtssubjekte zu schützen"2. Wie bei der Wirtschaftssanktion soll mittels einer nachteiligen Ungleichbehandlung das betroffene Völkerrechtssubjekt zu einer Verhaltensänderung veranlaßt werden. Während jedoch bei der Wirtschaftssanktion angesichts der primär außenpolitischen Zielsetzung oft bewußt eigene wirtschaftliche Nachteile in Kauf genommen werden, zeichnen sich handelspolitische Schutzmaßnahmen durch ihre Defensivfunktion aus, mit der gerade Schädigungen der eigenen Wirtschaft abgewehrt werden sollen"). Es werden primär wirtschaftliche Motive verfolgt"4. Die gewiß problematische Abgrenzung zwischen wirtschaftlich und politisch motivierten Maßnahmen läßt sich nur nach dem jeweiligen Einzelfall vornehmen, wobei jeweils zu fragen ist, welche der Zielsetzungen überwiegt95 • Als Beispiele tur schädliche Einflüsse aus anderen Wirtschafts gebieten kommen insbesondere Dumping und Subventionen in Betracht. Instrumente 4a eine Boykott-Erklärung abgibt". Vgl. hierzu Bundesminister für Wirtschaft, Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 31/92 vom 4.9.1992, Bundesanzeiger Nr. 177 vom 19.9.1992, S. 7849 ff.; Langen/eid, ZaöRV 54 (1994), S. 948 sowie bereits FAZ vom 4.12.1991 (Nr. 281), S. 15. Dagegen besteht ein entsprechend umfassendes Verbot hinsichtlich Boykott-Erklärungen nicht im Europarecht, wird dort aber, insbesondere vom Ausland hinsichtlich des arabischen Boykotts gegen Israel, gefordert; vgl. hierzu den Brief von 20 Abgeordneten des amerikanischen Kongresses an den amtierenden Vorsitzenden des EG-Rates, Poul Schlüter, in: Europe vom 31.12.1992 (Nr. 5889), S. 3. •~ Vgl. hierzu Hilf/Rolf, RIW 1985, S. 297 f.; Nicolaysen, in: Festschrift Schlochauer, S. 866 ff.; NeumannlWelge, S. 652 ff.; Miiller-Huschke, S. 20-23; Sturma, RMC 1993, S. 251; Oppermann, Rdnr. 1770; Gloria, in: Ipsen, § 39 Rdnr. 8; Vedder, in: GrabitziHilf, Art. 113 Rdnr. 50 f.; Hailbronner, in: Hailbronner, Art. 113 Rdnr. 38; a. A. Carter, S. 5, der unter dem Begriff "economic sanctions" auch Maßnahmen für "economic purposes" versteht, jedoch dann ohne weitere Begründung diese Maßnahmen aus seiner Untersuchung über "international economic sanctions" ausgrenzt. •.\ Vgl. NeumannlWelge, in: Röttinger/Weyringer, S. 656; Nellss, S. 21; Hasse, Embargo, S. 116; mißverständlich Kißler, der die "aggressive" Außenwirtschaftspolitik aus dem Bereich der Wirtschaftssanktionen ausschließt. •• Vgl. Nicolaysen, in: Festschrift Schlochauer, S. 873; Müller-Hllschke, S. 20; Oppermann, Rdnr. 1770; Gloria, in: Ipsen, § 39 Rdnr. 8; Vedder, in: GrabitziHilf, Art. 1 I3 Rdnr. 50 f. '5 Siehe hierzu oben Erster Teil, § 2 I. 9. (S. 34) und die dort in der ersten Fn. angeführten Nachweise.

III. Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten

45

zur Abwehr dieser Schädigungen sind beispielsweise"" Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen, Abwehrzölle, Ein- und Ausfuhrkontingente sowie auf europarechtlicher Ebene das Neue Handelspolitische Instrument·'. Nach deutschem Recht können insbesondere aufgrund des Art. 6 Abs. I des Außenwirtschaftsgesetzes·· Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs vorgenommen werden, "um schädlichen Folgen für die Wirtschaft oder einzelne Wirtschaftszweige im Wirtschaftsgebiet vorzubeugen oder entgegenzuwirken" ....

3. "Positive" Maßnahmen Gelegentlich werden dem Begriff der Wirtschaftssanktion auch "positive" Maßnahmen (engl.: positive measures; franz.: mesures positives) zugerechnet ltMl• Durch wirtschaftliche Anreize wie etwa Gewährung der Meistbegünstigung, Zollpräferenzen, Wirtschaftshilfe oder Kreditvergünstigungen soll ein anderes Völkerrechtssubjekt zu einem bestimmten Verhalten veranlaßt wer-

.. Ausführlich hierzu Nico/aysen, in: Festschrift Schlochauer, S. 866 ff.; Bocks/aff, S. 18; HailbronnerlBierwagen, NJW 1989, S. 1388 ff; Hailbronner, in: Hailbronner, Art. 113 Rdnr. 38. Zu den Änderungsvorschlägen im Bereich der handelspolitischen Schutzmaßnahmen der EG siehe den Beschluß des Rates 87/873/EWG vom 13.7.1987, ABI. L 197/33 vom 18.7.1987, den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung zur Harmonisierung und Rationalisierung der Entscheidungsprozesse für handelspolitische Schutzmaßnahmen, Dok. SEK (92) 1097 endg., abgedruckt in: BR Drs. 542/92, S. 4, dem Rat vorgelegt am 23.6.1992 (vgl. auch Ratsdokument 7730/92), sowie die Erörterung des Bundesrates vom 25.9.1992, BR Drs. 542/92, S. I ff. •, Einen ausführlichen Überblick über das Neue Handelspolitische Instrument geben Hilf/Rolf, RIW 1985, S. 297 ff. •• Außenwirtschaftsgesetz vom 28.4.1961, BGBI. I 1961, S. 481 ff., 495, 1555, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.12.1996, BGBI. I 1996, S. 1850; im folgenden: AWG . ... Vgl. hierzu SieglFahninglKölling, Art. 6 Anm. 1 ff.; Hornung, S. 118 ff.; Vol/brecht, S. 80 ff. "" So Jacobsen, S. 120 und Kiß/er, S. 34. Vgl. auch Lllcron, RMC 1992, S. 14; Rallx, RMC 1989, S. 41; Vaucher, RTD 1993, S. 41. Ausführlich zu positiven Sanktionen siehe Baldwin, World Politics 24 (1971), S. 19 ff.; kritisch hierzu KlIyper, Legal Aspects, S. 145. Zur Frage der Wirtschaftshilfe als Druckmittel vgl. die Ausführungen von Dicke, S. 225.

46

§ 2 Begriff, Erscheinungsformen und Abgrenzung

den 101. Die positiven Maßnahmen, welche die erwünschte Verhaltensänderung immer durch eine Begünstigung des betreffenden Völkerrechtssubjekts herbeiführen wollen, sind daher von dem hier zugrundegelegten Begriff der Wirtschaftssanktion abzugrenzen, da bei letzterem, aufgrund des konstitutiven Merkmals der Schädigungsabsicht, nicht eine Begünstigung, sondern immer eine Benachteiligung des betreffenden Völkerrechtssubjekts bezweckt wird.

IV. Normierung Nach dieser Begriffsbestimmung soll nun ein kurzer Überblick über die Normen im Völker-, Europa- und deutschen Recht gegeben werden, die die Wirtschaftssanktion und deren Erscheinungsformen ausdrücklich erwähnen oder voraussetzen. WeIche Normen tatsächlich als Rechtsgrundlage verwendet und insbesondere weIche Verfahren zur Verhängung der Wirtschaftssanktionen gewählt wurden soll dann im Rahmen der genauer zu betrachtenden Staatenpraxis anhand des jeweiligen Einzelfalles untersucht werden, da die hier zu beobachtenden Unterschiede in der Normierung und Handhabung eine generalisierende Darstellung nicht erlauben. 1. Völkerrecht

Für das Völkerrecht ist zunächst das Sanktionssystem des Völkerbundes zu nennen, weIches geprägt war von der Erfahrung der erfolgreichen wirtschaftlichen Maßnahmen der Alliierten gegen Deutschland im Ersten Weltkrieg l • 2 • Voraussetzung für die Verhängung von Wirtschaftssanktionen nach Art. 16

1111 Vgl. die Beispiele bei Vallcher, RTD 1993, S. 57 f. sowie für den Bereich des Umweltrechts KlImmer, EELR 1994, S. 256 ff. Ausführlich zu tatsächlich ergriffenen positiven Maßnahmen LlIcron, RMC 1992, S. 14 ff. (am Beispiel Jugoslawien) und Raux, RMC 1989, S. 41 (am Beispiel Südafrika). Keine positiven Maßnahmen stellen dagegen die von der EG gegenüber den Republiken Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Montenegro eingeräumten Handelszugeständnisse dar. Hiermit wurde nicht eine Verhaltensänderung dieser Republiken bezweckt. Diesen sollten lediglich die Vorteile aus dem früheren Kooperationsabkommen mit der ehemaligen Republik Jugoslawien erhalten bleiben; vgl. die Erwägungen der betreffenden Verordnungen: VO (EWG) Nr. 3125/92 vom 26.10.1992, ABI. L 313/3 vom 30.10.1992; VO (EWG) Nr. 3660/92 vom 18.12.1992, ABI. L 370/1 vom 19.12.1992 sowie VO (EWG) Nr. 3953/92 vom 21.12.1992, ABI. L 406/ I vom 31.12.1992. I'" SO Berber, Völkerrecht III, S. 105; Lindemeyer, S. 299; zu den einzelnen Maßnahmen der Alliierten, insbesondere zur britischen Blockade gegenüber Deutschland siehe Hllfballer, Supplemental, Case 14-1, S. I ff. sowie Doxey, S. 11.

IV. Nonnienmg

47

Abs. I der Völkerbundsatzung"l' war die Kriegseröffnung eines Völkerbundmitgliedes unter Verletzung seiner Pflichten aus der Satzung. Hiernach wurde nicht nur eine Kompetenz, sondern die Verpflichtung rur die Bundesmitglieder begründet, alle wirtschaftlichen Beziehungen zu dem Vertragsverletzer abzubrechen"". Ein Beschluß durch ein Organ des Völkerbundes war nicht erforderlich, so daß diese Wirtschafts sanktionen nicht als kollektive, sondern als selbständige einzelstaatliche Maßnahmen zu qualifizieren warenlll~. Den gleichen Mechanismus zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen eröffnete Art. 17 VBS rur den Fall eines Angriffs durch ein Nichtmitglied. Dagegen sieht die Satzung der Vereinten Nationen in Abweichung von Art. 16 VBS keine automatische Verhängung von Wirtschaftssanktionen vor. Der bereits erwähnte Art. 41 SVN bestimmt, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 39 SVN nur der Sicherheitsrat eine Entscheidung über die Ergreifung von Wirtschaftssanktionen treffen kann 'll". Diese Entscheidung, die ohne

1113 Völkerbundsatzung vom 28.4.1919, in: RGBI. 1919, S. 717 ff; im folgenden: VBS. "" Art. 16 Abs. I VBS lautete: "Schreitet ein Bundesmitglied entgegen den in den Artikeln 12, 13 und 15 übernommenen Verpflichtungen zum Kriege, so wird es ohne weiteres so angesehen, als hätte es eine Kriegshandlung gegen alle anderen Bundesmitglieder begangen. Diese verpflichten sich, unverzüglich alle Handels- und Finanzbeziehungen zu ihm abzubrechen, ihren Staatsangehörigen jeden Verkehr mit den Staatsangehörigen des vertragsbrüchigen Staates zu untersagen und alle finanziellen, HandeIsund persönlichen Verbindungen zwischen den Staatsangehörigen dieses Staates und jedes anderen Staates, gleichviel ob Bundesmitglied oder nicht, abzuschneiden". Zu den Wirtschaftssanktionen des Völkerbundes nach Art. 16 VBS siehe Hasse, Embargo, S. 57 ff; Schiicking/Wehberg, Art. 16 Anm. J. III. (S. 623 ff); Lilldemeyer, S. 299 ff.; Berber, Völkerrecht III, S. 105 f; Beverlin, Handbuch VN, Stichwort "Sanktionen", Ziff. 98 Rdnr. 4; Losmann, S. 3; Engels: S. 22 ff.; einen guten historischen Überblick über die Vorarbeiten von Art. 16 VBS vennitteln Daolldi/Dajani, S. 56 ff. Ausdrücklich wurden die Wirtschaftssanktion und ihre Erscheinungsfonnen in den unterschiedlichen Artikeln der einzelnen Vorentwürfe zu Art. 16 genannt; beispielhaft sei verwiesen auf die Nachweise bei Miller, Vol. 2, S. 10 ("Art. 18"), S. 79 ("Art. 6") und S. 80 ("Comment Art. 3") sowie bei Schiicking/Wehberg, Art. 16 Anm. A. III und IV (S. 604). Als Ennächtigungsgrundlage für Wirtschaftssanktionen wurde auch Art. 11 Abs. 1 VBS erörtert, der bestimmte, daß der Bund im Falle eines Angriffes "die zum wirksamen Schutz des Völkerfriedens geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat"; vgl. hierzu Schiicking/Wehberg, Art. 11 Anm. D. (S. 469); Frowein, in: Simma, Charta der VN, Art. 39 Rdnr. I. "" Vgl. Schiicking/Wehberg, Art. 16 Anm. J. III. (S. 623 f.); Frowein, in: Simma, Charta der VN, Art. 39 Rdnr. I; Beverlin, Handbuch VN, Stichwort "Sanktionen", Ziff. 98 Rdnr. 4; Lindemeyer, RIW 1981~ S. 14. "'" Vgl. allgemein zu den Wirtschaftssanktionen und sonstigen nichtmilitärischen Maßnahmen nach Art. 41 SVN: Frowein, in: Simma, Charta der VN, Art. 41 Rdnr. 5 ff; Pechstein, Jura 1991, S. 462; Beyerlin, Handbuch VN, Stichwort "Sanktionen", Ziff. 98 Rdnr. 7 ff.; Combacall, S. 84 ff.; Daolldi/Dajani, S. 73 ff. Obwohl Art. 41 SVN nur von "Maßnahmen" spricht, sind hier vorwiegend Wirtschaftssanktionen aufgezählt; vgl. hierzu nur Daolldi/Dajani, S. 57.

48

§ 2 Begriff, Erscheinungsfonnen lind Abgrenzung

Veto eines der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates zustande gekommen sein muß, hat nach Art. 25 SVN rechtsverbindliche Wirkung für alle Mitgliedstaaten. Diesen obliegt die Durchführung der beschlossenen Maßnahmen gern. Art. 48 SVN. Es besteht ein Anwendungsvorrang der in Art. 41 SVN exemplarisch genannten Formen der Wirtschaftssanktion gegenüber den militärischen Maßnahmen nach Art. 42 SVN. Letztere können erst beschlossen werden, wenn die Wirtschaftssanktionen oder die sonstigen nichtmilitärischen Maßnahmen des Art. 41 SVN nicht erfolgversprechend erscheinen oder bereits erfolglos geblieben sind"". Eine vergleichbare Regelung enthält die Satzung der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS)""'. Nach deren Art. 28 können in Verbindung mit Art. 6 und 8 des Interamerikanischen Beistandsabkommensi'" von der OAS gegen einen Friedensstörer Wirtschaftssanktionen verhängt werden "", wobei diesen Beschlüssen nach Art. 20 des Beistandsabkommens eine für die Mitglieder verbindliche Wirkung zukommt. Diese Regeln stellen eine Ausnahme gegenüber dem grundsätzlichen Verbot des Art. 19 OAS-Charta dar, wonach Wirtschaftssanktionen generell verboten sind 111. Auch der Gründungsvertrag der Arabischen Liga" 2 begründet mit seinem Art. 6 für den Rat die Möglichkeit, im Falle einer Aggression die "notwendigen

"" Vgl. den Wortlaut von Art. 42 SVN sowie Beyerlin, Handbuch VN, Stichwort "Sanktionen", Ziff. 98 Rdnr. 10. 111. Neue Satzung der OAS in der durch die Protokolle von Buenos Aires vom 27.2. 1967 (Text in: UNTS, Bd. 721 (1970), S. 324 ff.; deutsche Übersetzung: EA 1968, Dokumente, S. 8 ff.) und von Cartagena de Indias vom 5.12.1985 (Text in: ILM 1986, S. 527 tT.) abgeänderten Fassung; im folgenden: OAS-Charta. Der Art. 28 dieser Fassung der OAS-Charta stimmt wörtlich überein mit dem Art. 25 der alten Satzung der OAS vom 30.4.1948, Text in: UNTS, Bd. 119 (1952), S. 48 ff.; deutsche Übersetzung: EA 1956, Dokumente, S. 8696 ff.; hierzu Dolzer, ZaöRV 47 (1987), S. 125 ff. 'IW Das Interamerikanische Beistandsabkommen (sog. "Rio-Vertrag") vom 2.9.1947 (Text in: UNTS Bd. 21, S. 77 ff., geändert durch Protokoll vom 26.7.1975, Text in: ILM 1975, S. 1117 ff. Art. 8) sieht u.a. vor: "la interrupci6n parcial 0 total de las relaciones econ6micas, 0 de las comunicaciones ferroviarias, maritimas, aereas, postales, telegräficas, telef6nicas, radiotelef6nicas 0 radiotelegräficas". 1111 Hierzu Acevedo, AJIL 78 (1984), S. 329 ff.; Dolzer, ZaöRV 47 (1987), S. 126.; Honegger, S. 26 f.; Lindemeyer, S. 345; ders., RIW 1981, S. 15; Epping, in: Ipsen, § 30 Rdnr. 8 ff. (m.w.N). Zum Verhältnis gegenüber den Maßnahmen nach Art. 41 SVN siehe Fischer, in: Ipsen, § 58 Rdnr. 34. 111 Art. 19 (ursprünglich Art. 16) lautet: "No state may use or encourage the use of coercive measures of an economic or political character in order to force the sovereign will of an other state and obtain from it advantages of any kind". Hierzu Gornig, JZ 1990, S. 123; Acevedo, AJIL 78 (1984), S. 334; Bockslaff, S. 44. '" Gründungsvertrag vom 22. März 1945, Text in: UNTS Bd. 70 (1950), S. 237 ff; deutsche Übersetzung: EA 1957, Dokumente, S. 9790.

IV. Normierung

49

Maßnahmen" zu ergreifen; allerdings werden die dabei in Frage kommenden Maßnahmen nicht näher präzisiert"'. 2. Europarecht Das Europarecht"· nannte bisher weder in den einschlägigen Normen der Handelspolitik"; noch bei den in Betracht kommenden Normen ftir einzeIstaatliche Maßnahmen"· die Wirtschaftssanktion ,oder eine ihrer Erscheinungsformen. Dagegen werden Wirtschaftssanktionen neuerdings von Art. 228a des EG-Vertrages in der Fassung vom 7. Februar 1992 konkludent genannt"7, wonach der Rat die erforderlichen Maßnahmen treffen kann, wenn "ein Tätigwerden der Gemeinschaft vorgesehen (ist), um die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren Ländern auszusetzen, einzuschränken oder vollständig einzustellen""'.

3. Deutsches Recht Im deutschen Recht eröffnet das Außenwirtschaftsgesetz mit den §§ 5 und 7 A WG die Möglichkeit, daß aufgrund außenpolitischer Motive "Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr ( ... ) beschränkt werden" können"·. Ferner kann nach § 10 AWG die Einfuhr von Waren nach Maßgabe der Einfuhrliste geregelt werden, ohne daß dabei jedoch das Institut der Wirtschaftssanktion ausdrücklich erwähnt wird. Die ftir den Waffenexport erforderliche Genehmigung kann nach § 6 Abs. 2 Ziff. 1 und Abs. 3 Ziff. 1 und 2 des Kriegswaffenkontrollgesetzes'20 versagt werden, wenn ansonsten friedensstö11) Kritisch zu diesem normativen Defizit Shihab, Arab States, League of, EPIL (1992), Vol. I, S. 203 f. sowie Honegger, S. 85. '" Gemeint ist hier das primäre Gemeinschaftsrecht. Das sekundäre Gemeinschaftsrecht, insbesondere die einschlägigen Verordnungen, wird regelmäßig aufgrund bestimmter Sanktionsflille erlassen, so daß dessen Erörterung erst im Rahmen der Staatenpraxis erfolgen soll. '" Art. 110 ff. EGV; Art. 71 ff. EGKS. ". Art. 223 und 224 EGV. "7 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957, BGBI. II 1957, S. 766 ff., in der Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 7.2.1992, BGBI. II 1992, S. 1253 ff., 1256 ff.; im folgenden: EGV. 'IH Zur Bedeutung des Art. 228a EGV siehe unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. (S. 130-166). '19 Hierzu Berwald, in: Hocke/BerwaldiMaurer, § 7 Anm. I; Sieg/Fahning/Kölling, § 7 Anm. 3 und 9; Val/brecht, S. 79 ff.; Hornung, S. 115 ff., 126 ff. "" AusfUhrungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 GG (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen) vom 20.4.1961, BGBI. I 1961, S. 444 ff., in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.11.1990, BGBI. I 1990, S. 2506 ff.; im folgenden: KWKG.

4 Schneider

50

§ 2 Begriff, Erscheinungsfonnen und Abgrenzung

rende Handlungen oder die Verletzung internationaler Interessen oder völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik zu beftirchten sind"'. Ausdrücklich erwähnt werden dagegen die Wirtschaftssanktionen in einigen zivilrechtlichen Normen. Nach § 861 Abs. 1 Ziff. 2 des Handelsgesetzbuches '11 ist der Versicherte befugt, die Zahlung der Versicherungssumme zu verlangen, "wenn der Gegenstand der Versicherung dadurch bedroht ist, daß das Schiff oder die Güter unter Embargo gelegt" sind l1J • Ein Kündigungsrecht räumt § 66 Abs. 1 des Seemannsgesetzes '1 • dem Reeder gegenüber den Besatzungsmitgliedern ein, wenn die Seereise wegen "Embargo oder Blockade nicht angetreten oder fortgesetzt" werden kann. Für den Fall, daß das Schiff "mit Embargo belegt" oder "der Abladungs- oder Bestimmungshafen blockiert" ist, ermöglicht § 629 Abs. 1 Ziff. 1 HGB einen Rücktritt bei der Parteien vom Frachtvertrag.

'" Zur Anwendung des KWKG bei Wirtschaftssanktionen vg\. Pottmeyer, § 6 Rdnr. 46 und Rdnr. 70 ff. 111 Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897, RGB\. 1897, S. 219 ff., BGB\. II14100-1; im folgenden: HGB. 113 Ist jedoch vereinbart, daß der Versicherer die Kriegsgefahr nicht übernimmt, so endet die Gefahr rur den Versicherer, "wenn der Antritt oder die Fortsetzung der Reise durch Kriegsschiffe, Kaper oder Blockade behindert" wird, § 848 Abs. 1 HGB; vg\. auch § 849 Abs. 1 HGB. 11. Seemannsgesetz vom 26.7.1957, BGB\. 11 1957, S. 713 ff.

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis Eine Untersuchung, weIche die Probleme der Wirtschaftssanktion aufzeigen und Lösungsansätze erarbeiten möchte, erfordert eine detaillierte Darstellung der Sanktionspraxis. Ohne bereits die spätere Klärung der heutigen Kompetenzlage vorwegzunehmen', sollen im folgenden, getrennt nach den jeweiligen Normgebern, die im Einzelfall herangezogenen Rechtsgrundlagen sowie die parallel angewandten Verfahren zum Erlaß der Wirtschaftssanktionen herausgearbeitet werden. Dennoch können nicht alle bisherigen Fälle von Wirtschaftssanktionen aufgezeigt werden. Inhaltlich muß daher, im Hinblick auf die ThemensteIlung, das Schwergewicht der Untersuchung bei den Wirtschaftssanktionen liegen, die im Rahmen der Tätigkeit von internationalen Organisationen vorgenommen wurden (1.). Kollektive Wirtschaftssanktionen außerhalb internationaler Organisationen (11.) und einzelstaatliche Wirtschaftssanktionen (III.) werden daher nur verkürzt dargestellt.

J. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen Zeitlich lassen sich die Anwendungsfälle der Wirtschaftssanktion in vier Phasen unterteilen. Nach den Wirtschaftssanktionen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges (I.) und den Maßnahmen von 1945 - 1964 (2.) wird die dritte Phase von 1965 - 1978 gekennzeichnet durch das erstmalige Tätigwerden des Sicherheitsrats nach Kapitel VII der SVN (3.). Die vierte Phase, die 1979 beginnt und durch die verstärkte Beteiligung der EG geprägt wird, verdient besondere Beachtung: Diese Phase beginnt mit den Wirtschaftssanktionen gegen den Iran (4.), die ehemalige UdSSR (5., 7.) und gegen Argentinien (8.), stellt jedoch keine homogene Praxis dar, sondern ist, wie im Einzelfall zu zeigen sein wird, äußerst uneinheitlich. Die letzte Entwicklung der vierten Phase wurde eröffnet durch die Maßnahmen gegen den Irak (10.) und Jugoslawien (11.) und fortgesetzt durch die Wirtschafts sanktionen gegen Haiti (13.) und Libyen (14.).

, Siehe hierzu unten Zweiter Teil, §§ 4 bis 8 (S. 94 ff.).

52

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

1. Wirtschaftssanktionen vor 1945 Die Praxis der kollektiven Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen wurde bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bestimmt durch die Tätigkeit des Völkerbundes. In den meisten Konflikten konnte der Völkerbund sich nicht zu einer Verhängung von Wirtschaftssanktionen entschliessen2; dennoch erzielte er teilweise bemerkenswerte Erfolge, wie insbesondere die bei den Fälle der lediglich angedrohten Wirtschaftssanktionen gegen Jugoslawien (1921 f und Griechenland (1925t verdeutlichen. Dagegen stellt der sog. Chaco-Konflikt im Jahr 1932 eines der beiden einzigen Beispiele dar, in denen Wirtschaftssanktionen nach Art. 16 VBS tatsächlich verhängt wurdens. In dem Krieg zwischen Bolivien und Paraguay um das Gran-Chaco-Gebiet (seit 1928) wurden, da der Angreifer zunächst angeblich nicht ermittelt werden konnte, zunächst keine Maßnahmen ergriffen. Die erst im Mai 1934 erfolgte Empfehlung des Völkerbundes an seine Mitglieder, nach Art. 16 VBS ein allgemeines Waffenembargo gegen beide Staaten zu verhängen, wurde bis zum August 1934 von fast allen Mitgliedern durch einzeIstaatliche Maßnahmen befolgt6 • Im November 1934 wurde von der Versammlung

2 Im Jahr 1933 wurde die Türkei unter Androhung von Wirtschaftssanktionen seitens des Völkerbundes gezwungen, den Export von Rauschgiften zu unterbinden; hierzu und zu dem vergleichbaren Fall der Rauschgiftproduktion in Bulgarien vgl. Daoudil Dajani, S. 59 (dort. Fn. 15 m.w.N.). Dagegen wurden vom Völkerbund (aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die rechtliche Lage) keine Wirtschaftssanktionen angedroht bei dem Einmarsch polnischer Truppen in das Wilna-Gebiet (1920), bei der Bombardierung Korfus durch Italien (1923) sowie nach der japanischen Besetzung der Mandschurei (1931); hierzu Hasse, Embargo, S. 60 (m.w.N.); Lindemeyer, S. 301; ders., RIW 1981, S. 14; DaoudilDajani, S. 59; Doxey, S. 44; PaechlStuby, S. 156 f. 3 Nachdem am 2.11.1921 jugoslawische Verbände die Grenze zu Albanien überquert hatten, verlangte England, daß der Völkerbund Wirtschaftssanktionen nach Art. 16 VBS beschließen solle; hierzu League of Nations, Official Journal 1921, S. 521; HufbauerlSchottlElliott, Vol. 2, S. 17; DaoudilDajani, S. 59; Carter, S. 9 (dort Fn. 8). Vor einer entsprechenden Entscheidung erklärte jedoch Jugoslawien offiziell am 14.11.1921, daß es sich angesichts der drohenden Wirtschaftssanktionen zum Einlenken gezwungen sähe ("in order to avoid the dangerous consequences of nonacceptance"; zitiert nach Toynbee, S. 346) und beendete die Besetzung. • Die Besetzung Bulgariens durch griechische Truppen am 23.10.1925 ist mit dem jugoslawisch-albanischen Konflikt vergleichbar. Nach einem Hinweis des Völkerbundes auf die Möglichkeit von Wirtschaftssanktionen gern. Art. 16 VBS entschloß sich Griechenland zum Abzug der Truppen; hierzu Barros, S. 81 ff.; Carter, S. 9 (dort Fn. 8); HujbauerlSchottlElliott, Vol. 2, S. 20. S Irrtümlich insofern Doxey, S. 44, die als einzigen praktischen Anwendungsfall der Wirtschaftssanktionen im Rahmen des Völkerbundes den Abessinien-Konflikt nennt. 6 Bis auf Japan haben sich alle Großmächte, einschließlich der USA als Nichtmitglied, beteiligt; vgl. Hasse, Embargo, S. 60 sowie Lindemeyer, RIW 1981, S. 14. Allgemein zu den Wirtschaftssanktionen im Chaco-Konflikt siehe ferner Walters, Vol. 2, S.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

53

des Völkerbundes einstimmig ein Bericht des Rates zur friedlichen Beendigung des Konfliktes angenommen. Da dieser nur von Bolivien akzeptiert wurde, empfahl die Versammlung, die Maßnahmen gegenüber Paraguay aufrecht zu erhalten'. Es darf angenommen werden, daß das Waffenembargo die Bereitschaft beider Staaten gefördert hatS. den Konflikt im Juli 1935 erfolgreich durch Vertrag beilegen zu können. Weniger erfolgreich war der Völkerbund im zweiten Fall der Verhängung von Wirtschaftssanktionen, anläßlich der Besetzung Abessiniens durch Italien am 3. Oktober 19359 • Bereits am 7. Oktober 1935 stellte der Völkerbund-Rat fest, daß Art. 12 VBS verletzt und daher die Möglichkeit zur Verhängung von Wirtschafts sanktionen nach Art. 16 Abs. I VBS gegeben sei'·. Der sofort auf Vorschlag der Völkerbund-Versammlung gegründete Koordinationsausschuß empfahl bereits am 11. Oktober zunächst ein Waffenembargo und wenige Tage später ein Kapitalembargo, ein Importembargo für italienische Waren sowie ein (nur partielles) Exportembargo für die Ausfuhr nach Italien". Diese Vorschläge, die von den meisten Völkerbundmitgliedern gebilligt wurden, jedoch

526 ff.; HufbauerlSchottlElliott, Vol. 2, S. 24 f.; Lindemeyer, S. 301 f.; Erler, Boykott, wirtschaftlicher, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts I, S. 239. , Nach Art. 15 Abs. 6 VBS durften keine weiteren Maßnahmen gegen einen Mitgliedstaat verhängt werden, wenn dieser den Vorschlag des Rates befolgte. 8 Ähnlich in der Beurteilung der Effektivität HujbauerlSchottlElliott, Vol. 2, S. 27; Engels, S. 23 (dort Fn. 4); Lindemeyer, S. 302; Gornig, JZ 1990, S. 114. Offen bei der Einschätzung der Kausalität bleibt Hasse, S. 60. Erler, Boykott, wirtschaftlicher, in: StrupplSchlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts I, S. 239, bezeichnet dagegen ohne nähere Begründung die Wirtschaftssanktionen als durchweg erfolglos. • Vgl. hierzu ausführlich Candeloro, S. 381 ff.; Rousseau, RGDIP 43 (1936), S. 546 ff., RGDIP 44 (1937), S. 5 ff., 162 ff., 291 ff., 681 ff., RGDIP 45 (1938), S. 53 ff.; Walters, Vol. 2, S. 623. Die Vorgeschichte des Abessinien-Krieges erläutert Doxey, S. 45 ff. Irrtümlich nennen HufbauerlSchottlElliott, Vol. 2, S. 33 den 5.10.1935 als Beginn der Besetzung. Zur genauen zeitlichen Abfolge ist hilfreich die Rekonstruktion der Ereignisse im Bericht des Sechser-Ausschusses vom 7.10.1935; abgedruckt in: Völkerbund und Völkerrecht, 1935/1936 (2. Jahrgang), S. 503. '0 So der vom Völkerbund-Rat am 7.10.1935 angenommene Bericht des SechserAusschusses (siehe vorherige Fn.). " Das Waffenembargo wurde vorgeschlagen durch "Proposal No. I" vom 11.10. 1935 und das Kapitalembargo durch "Proposal No. 2" vom 14.10.1935. Das Importembargo nennt "Proposal No. 3" vom 19.10.1935; dieser Vorschlag ließ jedoch den Goldund Silberverkehr unberührt. Das weniger umfangreiche Exportembargo wird schließlich initiiert durch "Proposal No. 4" vom 19.10.1935, betreffend gewerbliche Waren, bei denen eine Verwendung für militärische Zwecke nicht ausgeschlossen werden konnte (z. B. Eisen, Zinn, Gummi, Pferde). Die Vorschlage sind abgedruckt in: AJIL 30 (1936), Supplement, S. 42 ff.; deutsche Übersetzung in: Völkerbund und Völkerrecht, 1935/ 1936 (2. Jahrgang), S. 506 ff. Zu den einzelnen Maßnahmen vgl. die Darstellung bei Wright, AJIL 30 (1936), S. 47, der bereits damals die Maßnahmen als Embargos bezeichnete.

54

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

erst am 18. November 1935 in Kraft trateni', wurden daraufhin mit Verzögerungen im Rahmen einzelstaatlicher Maßnahmen vollzogen 13. Nicht gebilligt und realisiert wurde dagegen der Vorschlag für ein umfassendes Exportembargo, welches die Ausfuhr von wichtigen Rohstoffen nach Italien verhindert hätte 14 • Obwohl die verhängten Wirtschaftssanktionen eine empfindliche Reduzierung des italienischen Außenhandels bewirkten '5 , war die Eroberung Abessiniens bereits im Mai 1936 abgeschlossen. Gerade zwei Monate später wurden die verhängten Wirtschaftssanktionen wieder aufgehoben I •• Als Gründe für diesen eindeutigen Mißerfolg sind zum einen deren Unvollständigkeit und später Vollzug durch die Mitgliedstaaten zu nennen. Entscheidend war zum anderen aber auch die fehlende Beteiligung der USA, der Sowjetunion und Deutschlands 17 an den Maßnahmen sowie die vorsichtige Haltung Frankreichs und Englands, die angesichts der Wiederaufrüstung Deutschlands an einer Normalisierung der Beziehungen zu Italien interessiert waren '8 • In der Folgezeit hatten die Wirtschafts sanktionen des Völkerbundes keinen Einfluß mehr auf die Weltpolitik. Vielmehr erklärten einige Staaten, daß sie sich nicht mehr an die automatische Verpflichtung des Art. 16 VBS gebunden fühlten. Weder im Spanischen Bürgerkrieg noch im japanisch-chinesischen

12 So die wichtigen Import- und Exportembargos; das Waffenembargo trat bereits am 11.1 0.1935 und das Kapitalembargo bereits am 31.1 0.1935 in Kraft. 13 Um die Maßnahmen des Völkerbundes zu vollziehen, erließen 17 Staaten spezielle Gesetze, während sich 29 Staaten auf bestehende einfachgesetzliche und verfassungsrechtliche Bestimmungen stützen konnten; vgl. Highley, S. 66 ff. I. Proposal No. 4A vom 6.11.1935, vgl. AJIL 30 (1936), Supplement, S. 56. Erfaßt wurden insbesondere Erdöl, Kohle, Eisen und Stahl; zur Bedeutung des nicht vollzogenen erweiterten Exportembargos Hasse, S. 70 und Hujbauer/Schott/Elliott, Vol. 2, S. 34. Die erwogene wichtige Sperrung des Suez-Kanals durch England wurde ebenfalls vorgenommen; vgl. Lindemeyer, S. 305. " Das Exportvolumen Italiens mit den wichtigsten Partnern wurde um knapp 35% von 161.414.000 $ (November 1934 - Juni 1935) während der Wirtschaftssanktionen auf 105.335.000 $ (November 1935 - Juni 1936) verringert, das Importvolumen um gut 30% von 236.218.000 $ (November 1934 - Juni 1935) auf 163.995.000 $ (November 1935 - Juni 1936); diese Werte errechnen sich aus den Nachweisen bei Renwiek, S. 98. Höhere Werte (35% für Export und 50% für Import) nennt Frowein, in: Simma, Charta der VN, Art. 41 Rdnr. 3. Ausführlich zu den Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen auf die italienische Wirtschaft Doxey, S. 50 ff. I. Beschluß der Völkerbund-Versammlung vom 4.7.1936 und Resolution des Koordinationsausschusses vom 6.7.1936, Text in: ZVR 1936 (Bd. 10), S. 350 ff. Offiziell wurde die Begründung genannt, daß Art. 16 VBS nicht einen Angreifer bestrafen, sondern nur einen Krieg verhindern oder einschränken solle. "Deutschland war bereits am 19.10.1933 aus dem Völkerbund ausgetreten. 18 Der britische Prime Minister Stanley Baldwin erklärte, daß die Fortsetzung der Wirtschaftssanktionen keine Auswirkungen auf Mussolini zeigen würde, "except to make matters worse"; zitiert nach Renwiek, S. 17.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

55

Konflikt wurden vorn Völkerbund Wirtschaftssanktionen verhängt; lediglich bei der Besetzung Finnlands durch die Sowjetunion hatte der Völkerbund-Rat erfolglos die Mitglieder aufgefordert, nach Art. 16 VBS Wirtschaftssanktionen zu verhängenI'. 2. Wirtschaftssanktionen von 1945 bis 1964 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden kollektive Wirtschaftssanktionen von den Vereinten Nationen, der Arabischen Liga und der Organisation Amerikanischer Staaten verhängeo. a) Arabische Liga v. Israel (seit 1946: Palästina-Frage)

Eines der erklärten Ziele der Arabischen Liga war es, durch eine Schwächung der israelischen Wirtschaft die Entwicklung des jüdischen Staates zu erschweren21 • Erstmalig 1946 erklärte die Liga Waren von palästinensischen Juden für unerwünscht und forderte die Mitgliedstaaten auf, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen22 • Die daraufhin von den Mitgliedstaaten bis heute verI' Die Entscheidung ist wiedergegeben in: RGDIP 1940, S. 196 ff.

Von geringer Bedeutung ist dagegen die Tätigkeit der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU). Da nach deren Charta vom 25.5.1963 (Text in: UNTS Bd. 479, S. 39 ff.; deutsche Übersetzung in: EA 1963, Dokumente, S. 314) den Resolutionen der einzelnen Organe keine Rechtsverbindlichkeit, sondern nur ein empfehlender Charakter zukommt, handelt es sich hier nicht um Wirtschaftssanktionen "innerhalb internationaler Organisationen", sondern nur um koordinierte einzelstaatliche Maßnahmen; so im Ergebnis auch Honegger, S.129; Bello, Organization of African Unity, EPIL Vol. 6, S.271; Kunig, A VR 20 (1982), S. 45; einschränkend, da eine bindende Wirkung der Resolutionen bejahend, dagegen Ofosu-Amaah, ZaöRV 47 (1987), S. 82. Unter den geforderten Maßnahmen der OAU sei beispielhaft die Resolution Nr. 21 vom 21.11.1973 (OAU Dok., ECMlRes. 21 (VIII), 20) genannt, in der der Ministerrat die Mitglieder aufruft "to impose a total economic embargo, particulary on the suppley of oil, against Israel, Portugal, South Africa and the racist minority regime of Southern Rhodesia"; der Text der Resolution ist abgedruckt mit weiteren Erläuterungen bei Shihata, AJIL 68 (1974), S. 621. 21 Aufschlußreich ist das Protokoll von Alexandria vom 7.10.1944 (Text abgedruckt bei: MacDonald, S. 315 ff.), wo das Vorgehen gegen einen israelischen Staat bereits als eines der zentralen Motive erkennbar wird für den ca. vier Monate später errichteten Gründungsvertrag der Liga; hierzu Losman, S. 47. Für eine Übersicht vgl. die allgemeinen Darstellungen bei Hassouna, S. 269 ff.; Chili, S. 2 ff. (für eine stark pro-israelische Haltung); Doxey, S. 20 ff.; Daoudi/Dajani, S. 102. Für die europarechtlichen Fragen vgl. die Darstellung im Bericht des Ausschusses für Außenwirtschaftsbeziehungen, EPSitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4.1982, S. 15. 22 Die Resolution Nr. 16 der Liga vom 2.2.1946 bestimmte: "Products of Palestinian Jews are to be considered undesirable in Arab countries. They should be prohibited and refused"; abgedruckt bei: Boutros-Ghali, International Conciliation 1954 (Nr. 498), S. 408. 20

56

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

hängten Wirtschaftssanktionen schränken auf primärer, sekundärer und tertiärer Ebene die Einfuhr und den Verkauf von jüdischen Produkten ein und stellen somit ein mehrstufiges Importembargo dar. Seit 1951 werden die Maßnahmen von einem zentralen Boykottbüro koordiniert. Eine besondere Qualität erfuhr die Beteiligung der Arabischen Liga 1954, als der Rat der Liga ein Gesetz über die Verhängung von umfassenden Wirtschaftssanktionen verabschiedete. Dessen Bestimmungen wurden dann unverzüglich und überwiegend im Wortlaut gleichbleibend in die einzelstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten transformiert'3. Trotz des Umfangs und der bis heute anhaltenden Aktivität sind die verhängten Wirtschaftssanktionen als weniger effektiv einzustufen, da weder die Existenz des Staates Israel in Frage gestellt, noch dieser zu bedeutenden Zugeständnissen gezwungen werden konnte". Vielmehr besteht eine nicht zu unterschätzende Gefahr der Schädigung der arabischen Wirtschaften. So erwägen beispielsweise die USA ihrerseits Wirtschaftssanktionen gegen arabische Länder zu verhängen, falls eine im November 1993 von den USA bei der International Trade Commission in Auftrag gegebene Studie zu dem Ergebnis kommt, daß durch das arabische Embargo amerikanische Firmen geschädigt werden'l. Auch auf europäischer Ebene wird, nicht zuletzt im Hinblick auf die Förderung des Friedensprozesses im Nahen Osten, die Aufrechterhaltung dieser Zwangsmaßnahmen zunehmend kritisiert'·.

b) VNv. Albanien und Bulgarien (1949), China und Nord-Korea (1951), Südafrika (1962) und Portugal (1962) Die anfängliche Praxis der Wirtschaftssanktionen im Rahmen der VN war gekennzeichnet von der Ausübung des Vetorechts nach Art. 27 Abs. 3 SVN durch eines der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates. Bis 1964 wurden so verbindliche Beschlüsse des Sicherheitsrates zur Durchführung von Wirtschaftssanktionen (nach Art. 41 LV.m. Art. 25 SVN) verhindert. Im Vordergrund stand daher die Befugnis der Generalversammlung, bei einem Schei23 Unified Law on the Boycott ofIsrael, Res. des Rates der Arabischen Liga Nr. 849, vom 11.12.1954; abgedruckt bei Hujbauer/Schott/Elliott, Vol. 2, S. 72; hierzu Hassouna, S. 270. 24 So auch Losmann, S. 47; Engels, S. 7. " Herald Tribune vom 10.11.1993 (Nr. 34/431), S. 3. Andererseits empfahl im März 1997 die Arabische Liga, wegen der israelischen Siedlungspolitik die Maßnahmen gegen Israel wieder zu verstärken bzw. wieder aufzunehmen, FAZ vom 1.4.1997 (Nr. 75), S. I f. sowie Handelsblatt vom 1.4.1997 (Nr. 62), S. I. 2. Vgl. beispielsweise den ausführlichen Entwurf eines Berichtes über die politischen Aspekte des Wirtschaftsboykottes der arabischen Staaten gegen Israel, Berichterstatter Wilhelm Ernst Piecyk, vom 30.9.1993 (DocIDE/PR/235824, PE 205.561/B), vom 5.10.1993 (DocIDE/PR/235127, PE 205.56I/Alrev.) vom 21.10.1993 (DocIDE/AMI 237347, PE 205.561/Alrev./Änd).

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

57

tern der Einigungsversuche im Sicherheitsrat rechtlich unverbindliche Empfehlungen nach Art. 14 SVN zu erlassenl7 • Auf dieses Recht berief sich die Generalversammlung in mehreren Fällen. So empfahl sie 1949 ein Waffenembargo gegen Albanien und Bulgarien wegen deren Unterstützung von Aufständischen in Griechenlandl • und 1951 ein Embargo für strategische und militärische Güter gegen die Volksrepublik China und Nord-Korea wegen deren Verhaltens im Korea-Krieg 29 • Umfangreiche Wirtschaftssanktionen wurden von der Generalversammlung seit 1962 gegen Südafrika wegen dessen Apartheidpolitik und der Namibia-Frage 30 sowie gegen Portugal wegen dessen Kolonialpolitik in den portugiesisch verwalteten Gebieten 31 befürwortet. Mit Ausnahme des Waffenembargos gegen Albanien und Bulgarien hat der Sicherheitsrat in jedem der Fälle vor oder parallel zur Tätigkeit der Generalversammlung selbst unverbindliche Empfehlungen verab-

27 Trotz der generellen Zuständigkeit der Generalversammlung nach Art. 10 SVN, die grundsätzlich auch für Fragen der internationalen Sicherheit zuständig ist (Art. 11 SVN), ist insoweit ihre Kompetenz gegenüber derjenigen des Sicherheitsrates nachrangig (Art. 11 Abs. 2, 12 Abs. 1 SVN); vgl. hierzu die Übersicht bei Beyerlin, Handbuch VN, Stichwort "Sanktionen", Ziff. 98 Rdnr. 7. 2. Nachdem ein bereits im Oktober 1947 eingesetzter Ausschuß im September 1949 seinen Bericht an die Generalversammlung übergeben hatte, in dem festgestellt wurde, daß Albanien und Bulgarien direkt die griechischen Aufständischen unterstützten, wurde am 18.11.1949 die Res./GA/288 (IV) A, Text in: UNYB 1948/49, S. 255 f., verabschiedet, in der alle Staaten aufgefordert wurden, keine Waffen mehr an Albanien oder Bulgarien zu liefern; vgl. ferner: UNYB 1946/47, S. 360 ff.; UNYB 1947/48, S. 337 ff.; UNYB 1948/49, S. 245 f.; Hasse, S. 207. 29 Res./GA/500 (V) vom 18.5.1951 (Text in: UNYB 1951, S. 228); diese Resolution enthielt keine Seeblockade und wurde bis heute nicht offiziell aufgehoben. Nach einer anfanglichen Tätigkeit des Sicherheitsrates, die möglich war angesichts der vorübergehenden Abwesenheit der Sowjetunion, war der Res./GA/500 (V) vorausgegangen die Res./GA/377 (V) vom 3.11.1950 ("uniting for peace", Text in: UNYB 1950, S. 193 ff.), deren rechtliche QualifIzierung äußerst umstritten ist; vgl. hierzu nur Fischer, in: Ipsen, § 58 Rdnr. 22 (m.w.N.). Allgemein zu den Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea vgl. Doxey, S. 58 f. Die vor allem von den USA gegen Nord-Korea verhängten Wirtschaftssanktionen wurden im Jahr 1995 von Präsident Clinton erstmals gelockert; hierzu FAl vom 23.1.1995 (Nr. 19), S. 14. 30 Res./GA/1761 (XVII) vom 6.11.1962 (Text in: UNYB 1962, S. 99 f); Res./GA/1899 (XVIII) vom 13.11.1963 (Text in: UNYB 1963, S. 466 f.); Res./GA/2054 A (XX) vom 15.11.1965 (Text in: UNYB 1965, S. 111). Für eine chronologische Übersicht über den Beginn siehe Hujbauer/Schott/Elliott, Vol. 2, S. 226; für die Fortsetzung der Wirtschaftssanktionen durch den Sicherheitsrat ab 1986 siehe unten Erster Teil, § 3 I. 9. (S. 69-71). 31 Res./GA/1807 (XVII) vom 14.12.1962 (Text in: UNYB 1962, S. 416 f.) und Res./GA/2107 (XX) vom 21.12.1965 (Text in: UNYB 1965, S. 614 ff.); hierzu Doxey, S. 59 f.

58

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

schiedet'2. Gerade die fehlende Verbindlichkeit führte jedoch dazu, daß die vorgeschlagenen Maßnahmen nur unvollständig einzelstaatlich befolgt wurden". c) DAS v. Dominikanische Republik (1960) und Kuba (1962)

Von der Möglichkeit, Wirtschaftssanktionen zu verhängen, hat die OAS seit ihrer Gründung im Jahre 1947 bis 1964 in zwei Fällen Gebrauch gemacht. Erstmalig verhängte die OAS gegen die Dominikanische Republik, beginnend im August 1960 und ausgeweitet im Januar 1961, umfassende Wirtschafts sanktionen gemäß Art. 28 der OAS-Charta i.V.m. Art. 6 und 8 des Interamerikanischen Beistandsabkommens·... Nach der Beendigung der TrujilloDiktatur konnten die erfolgreichen Maßnahmen am 4. Januar 1962 von der OAS aufgehoben werden 35 • Trotz des größeren Umfangs zeigten die Aktivitäten der OAS im zweiten Fall, den Wirtschaftssanktionen gegen Kuba, weniger Wirkung. Mit der Begründung, daß die kommunistische Machtübernahme nicht mit den Grundsätzen der OAS vereinbar sei, wurde zunächst am 31. Januar 1962 ein Waffenembargo beschlossen3., welches am 25. Juli 1964 zu einem totalen Handelsembargo 37 erweitert wurde. Dieses wurde gut drei Jahre später durch ein Trans-

32 Zur Tätigkeit des Sicherheitsrates und dessen nach Art. 40 S. 2 SVN unverbindlichen Empfehlungen vgl. etwa Fink, AVR 29 (1991), S. 466 f. (für die Koreakrise ) und Lindemeyer, S. 307 (für die Maßnahmen gegen Südafrika und Portugal). JJ So wurde z. B. das Embargo gegen China und Nordkorea nur von 15 Staaten durchgeführt, so etwa Er/er, Boykott, wirtschaftlicher, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts I, S. 240. Eine Ausnahme bilden insofern wieder die Maßnahmen gegen Albanien und Bulgarien, die praktisch von allen Staaten außerhalb des Ostblocks befolgt wurden; hierzu ausführlich Lindemeyer, S. 332. "Text der Resolution vom 20.8.1960 in: Documents on American Foreign Relations, 1960, S. 490 tT. (492); deutsche Übersetzung in AdG vom 1.9.1960, S. 8601. Erfaßt war zunächst nur ein Waffenembargo. Mit der Resolution vom 4.1.1961, Text in: AdG vom 4.1.1961, S. 8847, wurde der Umfang der Wirtschaftssanktionen auf Ölprodukte und Lastkraftwagen erweitert; ausführlich hierzu Doxey, S. 33 sowie Brown-John, S. 203 tT. 3S Hujbauer/Schott/Elliott, Vol. 2, S. 186 bezeichnet diesen Fall als bestes Beispiel für erfolgreiche Wirtschaftssanktionen, wobei hierfür, wie Doxey, S. 34 zu Recht hervorhebt, insbesondere die schwache wirtschaftliche Position des sanktionierten Staates entscheidend war. J. Res. VIII vom 31.1.1962 (OAS Dok. OEAlSer.F/I1.8; Text in: AJIL 56 (1962), S. 612 f. Das Kapitalembargo sowie ein allgemeines Reiseverbot wurden am 3.7.1963 beschlossen; vgl. AdG vom 8.7.1963, S. 10680. J7 Vgl. AdG vom 26.7.1964, S. 11342 f.: Abbruch aller direkten und indirekten Handelsbeziehungen zu Kuba.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

59

portrnittelernbargo ergänzt'8. Die bis heute anhaltenden Zwangsmaßnahmen, an denen sich alle Mitglieder der OAS und insbesondere die USA'9 beteiligten, müssen dennoch als weitgehend wirkungslos bezeichnet werden, da trotz aller Schwierigkeiten das Ziel der Maßnahmen, die Beseitigung der kommunistischen Regierung, bisher nicht erreicht wurde. Dies ist insbesondere auf die fehlende Beteiligung der europäischen Staaten und auf den verstärken Handel Kubas mit dem Warschauer Pakt zurückzuführen. Die VN-Generalversammlung sprach sich mehrmals für eine Autbebung der Wirtschaftssanktionen aus40 • Sie verurteilte in letzter Zeit insbesondere das vom amerikanischen Kongreß 1992 verabschiedete "Toricelli"-Gesetz, das Strafmaßnahmen gegen amerikanische Firmen vorsieht, die vom Ausland aus Handel mit Kuba treiben41 • Auch der von den USA am 27. August 1996 erlassene Helms-Burton Act", der wirtschaftlich nachteilige Maßnahmen für sich in Kuba betätigende Unternehmen außerhalb den USA vorsieht, hat erhebliche Proteste insbesondere seitens der EU ausgelöst'.

3. Wirtschaftssanktionen von 1965 bis 1978 Bei der dritten Entwicklungsstufe der Wirtschaftssanktionen sind von besonderer Bedeutung die Maßnahmen der VN gegenüber Südrhodesien und Südafrika, da bis zum Irak-Konflikt dies die beiden einzigen Fälle blieben, in denen der Sicherheitsrat verbindliche Wirtschaftssanktionen verhängte4ol •

J8 Vom 24.9.1967; vgl. AdG vom 6.10.1967, S. 13453. Eine Übersicht über die Wirtschaftssanktionen der OAS gegen Kuba geben Losmann, S. 20 ff. und Akehurst, BYIL 42 (1967), S. 190 ff. 3. Hierzu Hujbauer/Schott/Elliott, Supplemential Case Histories, S. 194 ff. .. Vgl. etwa Res./GAJ50/10 vom 2.11.1995, Text in: VN 1996, S. 164. 41 Vgl. Europe vom 5.11.1993 (Nr. 6101), S. 6 sowie FAZ vom 5.11.1993 (Nr. 258), S. 7 und vom 18.3.1995 (Nr. 66), S.12. 42 Helms-Burton Act of 27.8.1996, abgedruckt in: OAS Document OEAJSer.G, CP/doc. 2803/96 vom 27.8.1996; hierzu SnyderiAgostini, Journal ofWorld Trade 1996, S. 37 ff.; Clagett, AJIL 90 (1996), S. 419 ff.; Rosen/Maberry, INT.TLR 3 (1996), S. 107 f.; Pullen INT.TLR 5 (1996), S. 159 ff. 43 Vgl. Bekanntmachung 96/C 307/04 betr. Helms-Burton-Act, ABI. C 307/4 vom 16.10.1996; ferner European Report vom 19.10.1996 (Nr. 2167), Abteilung V, S. 5 und European Report vom 26.10.1996 (Nr. 2169), Abteilung V, S. 2; Pullen INT.TLR 5 (1996), S. 162 f. 401 Auf EWG-Ebene wurden nach der Machtergreifung der Militärs in Griechenland im Jahr 1967 zwar Wirtschaftssanktionen diskutiert, jedoch nicht verhängt; vgl. hierzu Verhoeven, CDE 1984, S. 264. Zu den Wirtschaftssanktionen im Rahmen der Arabischen Liga siehe Hujbauer, Supplement, S. 340 (gegen die USA und Niederlande 1973), S. 492 (gegen Ägypten) und S. 514 (gegen Kanada).

60

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

a) VN v. Südrhodesien (J 965)

Anläßlich der versuchten Entmachtung der Regierung lan Smith, die im November 1965 die Unabhängigkeit Südrhodesiens gegenüber Großbritannien erklärt hatte, wurde eine neue Phase der Wirtschaftssanktionen eröffnet. Nachdem der Sicherheitsrat noch im November 1965 nur unverbindlich alle Staaten zu einem freiwilligen Öl- und Waffenembargo aufgefordert hatte·S, beschloß er mit Resolution vom 16. Dezember 1966, erstmalig seit seinem Bestehen und gestützt auf Art. 39 und 41 SVN, verbindliche selektive Wirtschaftssanktionen46 • Die Mitgliedstaaten wurden unter Berufung auf Art. 25 SVN verpflichtet, die Einfuhr bestimmter Produkte aus Südrhodesien und die Ausfuhr von Waffen nach Südrhodesien zu unterbinden. Dieses partielle Im- und Exportembargo wurde durch die ebenso verbindliche Resolution des Sicherheitsrates im Mai 1968 zu einem Vollembargo ausgedehnt47 • Obwohl der Sicherheitsrat mehrfach ausdrücklich auf die Verpflichtung der Staaten zur Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen hinwies und eine Anpassung der nationalen Rechtsvorschriften forderte·', wurden die Resolutionen nur unvollständig befolgt. Dies begründete eine der Hauptursachen für das Scheitern der Wirtschaftssanktionen49 • Auf der Ebene der EG kam es lediglich zu Konsultationen zwischen den Regierungen der damals sechs Mitgliedstaaten im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ), nicht jedoch zu einem gemeinschaftlichen Rechtsakeo. Die EG handelte sogar im Widerspruch zu den Resolutionen des

., Res./SC/216 (1965) vom 12.11.1965 und Res./SC/217 (1965) vom 20.11.1965; Text beider Resolutionen in: UNYB 1965, S. 132 f.; deutsche Übersetzung in: EA 1966, Dokumente, S. 77 ff.; vgl. insbesondere zur Frage der fehlenden Verbindlichkeit Frowein, in: Simma, Charta der VN, Art. 41 Rdnr. 10. .. Res./SC/232 (1966) vom 16.12.1966; Text in: UNYB 1966, S. 116 f.; deutsche Übersetzung in: EA 1967, Dokumente, S. 68 . ., Von allen Resolutionen, für die ohne Ausnahme Art. 39 und 41 SVN die Rechtsgrundlage bilden, ist die Res./SC/253 (1968) vom 29.5.1968 die bedeutsamste, Text in: UNYB 1968, S. 152; deutsche Übersetzung in: AdG vom 20. Juni 1968, S. 13989. Vgl. ferner die Res./SC/277 (1970) vom 18.3.1970; Res./SC/388 (1976) vom 6.4.1976; Res./SC/409 (1977) vom 27.5.1977. Zum ganzen Hasse, Wirtschaftliche Sanktionen, S. 26 ff. und Ipsen, Rhodesien, S. 17 ff. '8 Neben den bereits genannten Resolutionen erfolgte der Hinweis auf Art. 25 SVN insbesondere in Res./SC/333 vom 22.5.1973 . •• See/er, EA 1982, S. 614 verweist auf den Umstand, daß Südrhodesien, abgesehen von der Versorgung mit Erdöl, nur in einem sehr geringen Maß vom Außenhandel abhängig war. so Ausführlich zu der Haltung der Gemeinschaft Kuyper, International Sanctions, S. 187 ff., sowie ders., CMLR 12 (1975), S. 231 ff.; ferner Stein, ZaöRV 43 (1983), S. 65, und Dewost, AFD! 28 (1982), 217 f.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

61

Sicherheitsrates, indem sie durch Verordnung eine Ein- und Ausfuhrfreiheit festlegte, die auch den Warenverkehr mit Südrhodesien umfaßte". Die Bundesrepublik'2 erfiillte zwar die meisten Forderungen des Sicherheitsrates, indem sie Verordnungen erließ, die eine Änderung der Ein- und Ausfuhrliste oder der Außenwirtschaftsverordnung zur Folge hatten;). Dennoch wurden die Verpflichtungen nur unvollständig erfiillt. Statt des verlangten Vollembargos wurde, gestützt auf die Ermächtigung des § 7 Abs. I Ziff. 2 und 3 A WG, nur eine allgemeine Genehmigungspfliche' fiir Ein- und Ausfuhren nach Südrhodesien eingefiihrt; dagegen durften Lieferungen aus Altverträgen entgegen der Resolutionen - erfiillt werden". Auf Ersuchen des Sicherheitsrates im Jahre 1979 wurden die Wirtschaftssanktionen von den meisten Staaten aufgehoben'·. Der mit der Verhängung der Wirtschaftssanktionen verfolgte wirtschaftliche und politische Zweck war nicht erreicht worden". b) VNv. Südafrika I (l977-1985/ K

Der zweite Anwendungsfall von Wirtschaftssanktionen auf der Grundlage des Kapitels VII der SVN erfolgte am 4. November 1977, als der Sicherheitsrat der VN angesichts der Ereignisse von Soweto ein verbindliches Waffenembargo gegenüber Südafrika verhängte'9. Über die Einhaltung des Waffenembargos, " VO 2041168 vom 10.12.1968, in: ABI. L 303/1 vom 18.12.1968, und VO 2603/69 vom 20.12.1969, in: ABI. L 324/25 vom 27.12.1969; vgl. hierzu auch Kampf, RIW 1989, S. 793. 51 Zwar war die Bundesrepublik erst seit 1973 Vollmitglied der VN, jedoch wurden auch Nichtmitglieder zur Befolgung der Resolutionen aufgefordert. Zur Umsetzung in anderen (europäischen) Staaten siehe Ausschuß ftir Außenwirtschaftsbeziehungen, EPSitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4.1982, S. 17 sowie die ausftihrliche Darstellung am Beispiel der Niederlande bei KI/yper, International Sanctions, S. 72 ff.; zur Rolle der neutralen Schweiz Thürer, AVR 30 (1992), S. 65 f.; zur Überwachung der Maßnahmen vgl. LaI/mann, ZfZ 1975, S.8 ff. " Als Rechtsgrundlage wurden § 27 AWG i.V.m. §§ 5 und 7 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AWG genannt; vgl. Bundesanzeiger Nr. 238 vom 18.12.1965; Bundesanzeiger Nr. 61 vom 29.3.1966; Bundesanzeiger Nr. 130 vom 16.7.1966; Bundesanzeiger Nr. 35 vom 18.2.1967. Sol Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AWG. " Hierzu Hasse, Wirtschaftliche Sanktionen, S. 175 und Stenger, S. 27. 5. Res.lSC/460 (1979) vom 21.12.1979. 5' Seeler, EA 1982, S. 614; Fischer, in: Ipsen, § 58 Rdnr. 16; Petersmann, ZVglRWiss 1981, S. 27. " Zu den Wirtschaftssanktionen gegenüber Südafrika seit 1986 siehe unten Erster Teil, § 3 I. 9. (S. 69-71). " Res.lSC/418 (1977) vom 4.11.1977, Text in: UNYB 1977, S. 161 f.; deutsche Übersetzung in: VN 1977, S. 198. Beschlossen wurde zunächst nur ein Exportembargo

62

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

dem eine langjährige Gültigkeit zukam, wachte ein Ende 1977 geschaffenes Kontrollkomitee60. Die EG-Mitgliedstaaten verabschiedeten am 20. September 1977 im Rahmen der EPZ einen Verhaltenskodex für Unternehmen mit Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder Vertretungen in Südafrika61 • Trotz der rechtlichen Unverbindlichkeit forderte das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten zur strikten und einheitlichen Anwendung des Kodex auf2 • Für die meisten von der VN-Resolution erfaßten Waren hatte die Bundesrepublik bereits 1961 ein allgemeines Genehmigungserfordernis nach § 5 AWV eingeführt. Die Bundesregierung konnte daher hinsichtlich des VN-Embargos weitgehend auf die geltende Rechtslage verweisen6'. Die Genehmigungspflicht mußte nur für einige noch nicht erfaßte Waffen geringfügig erweitert werden64 • Das Bundesausfuhramt in Eschborn lehnte daher alle Anträge für ausfuhrgenehmigungspflichtige Waren ab, die nach Südafrika exportiert werden sollten6'. 4. VN v. Iran (1979) Der anläßlich der Erstürmung der amerikanischen Botschaft in Teheran am 4. November 1979 unternommene Versuch des Sicherheitsrates, gegen den

für Waffen und militärische Güter nach Südafrika. Ein Importembargo für Waffen und militärische Güter aus Südafrika wurde mit der Res./SC/558 (1984) vom 13.12.1984 begründet (Text in: UNYB 38 (1984), S. 143 f. Der Res./SC/418 (1977) waren zahlreiche Resolutionen vorausgegangen, die ein Waffenembargo lediglich unverbindlich empfahlen: Res./SC/5386 (1963), Text in: UNYB 1963, S. 20; Res./SC/5471 (1963), Text in: UNYB 1963, S. 22 f.; Res./SC/191 (1964), Text in: UNYB 1964, S.119 ff.; Res./SC/282 (1970), Text in: UNYB 1970, S. 146. Daneben forderte die Generalversammlung in einer Reihe von ebenfalls unverbindlichen Resolutionen ihre Mitglieder zu Wirtschaftssanktionen auf, vgl. die Nachweise bei Gornig, JZ 1990, S. 114 (dort Fn. 24). Allgemein zu den Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika: Erasmus, AVR 30 (1992), S. 134 ff. 60 Vgl. Res./SC/421 (1977) vom 9.12.1977; Text: UNYB 1977, S. 162. 61 Bull. EG 9-1977, Ziff. 2.2.4, S. 51; siehe hierzu den Bericht im Namen des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit, Europäisches Parlament, Doc. 668178, S. 3 ff. vom 9.3.1979; ferner Bull. EG 4-1979, Ziff. 2.3.27, S. 95 ff. 62 ParI. Doc 668178, S. 33. Allgemein zum Südafrika-Kodex Hailbronner, RIW 1982, S. 111 ff.; von Bülow, RIW 1979, S.600 ff. 63 BT Drs. 8/1778, S. 3. 04 Gemäß §§ 27 Abs. 1,2 Abs. 1,5,7 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AWG. 6' Handbuch der deutschen Exportkontrolle, Kap. IV.3.2.1, Genehmigungsverfahren, S.2.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

63

Iran verbindliche Wirtschaftssanktionen nach Kapitel VII der SVN zu verhängen, scheiterte an dem Veto der UdSSRM • Nach einer intensiven Diskussion über die gemeinschaftliche Verhängung von Wirtschaftssanktionen beschränkten sich die Organe der EG, wie bei den Maßnahmen gegen Südrhodesien, auf unverbindliche Erklärungen·'. Beschluß und Durchführung der Wirtschaftssanktionen erfolgten wieder einzelstaatlich, indem die Außenminister der neun Mitgliedstaaten unter Bezugnahme auf Art. 224 EWGV ihr Vorgehen im Rahmen der EPZ abstimmten68 • In ihren Erklärungen vom 22. April und 17./18. Mai 1980 beschlossen sie, "darauf hinzuwirken, daß erforderlichenfalls in ihren Parlamenten unverzüglich Gesetze erlassen werden", mit denen umfassende Wirtschaftssanktionen durchgesetzt werden. In weitgehender Übereinstimmung mit dem gescheiterten Vorschlag des Sicherheitsrates waren ein Exportembargo für Waren in den Iran sowie ein Dienstleistungs-, Kapital- und Transportmittelembargo vorgesehen69 • Trotz der geplanten Koordinierung waren die mitgliedstaatlichen Maßnahmen "sehr unterschiedlicher Art,,'0. Die Bundesrepublik realisierte diese Forderung durch die Einführung einer generellen Genehmigungspflicht. Auf der Rechtsgrundlage von § 27 Abs. I S.I und 3 i.V.m. §§ 2 Abs. I, 7 Abs. I Ziff. 2 AWG erfolgte der Erlaß der 46. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und der 43. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste'l .

66 Text des Entwurfes der Resolution vom 3.1.1980 in: ILM 1980, S. 256. Es wurde lediglich eine Verletzung des Völkerrechts festgestellt, verbunden mit der Aufforderung, die Geiseln freizulassen; vgl. Res./SC/457 (1979), Res./SC/461 (1979), Text in: UNYB 1979, S. 311 ff. Allgemein zu den Wirtschaftssanktionen gegen den Iran vgl. Nicolaysen, Festschrift Schlochauer, S. 869 ff.; Schröder, GYIL 23 (1980), S. 111 ff.; Friedrich, NJW 1980, S. 2620 ff.; zu den Wirtschaftssanktionen auf dem Gebiet des Kapitalverkehrs vgl. Enderlein, RIW 1980, S. 453 ff.; zu den Wirtschaftssanktionen der USA vgl. Hakenberg, S. 9 ff. • 7 Bull. EG 5-1980, Ziff. 1.5.1, S. 28 ff. Einen ausführlichen Überblick über die Tätigkeit der EG geben Nicolaysen, Festschrift Schlochauer, S. 870 ff. und Dewost, AFDI 28 (1982), 217 ff. 68 Bohr, S. 80, erörtert die Frage, ob im Falle der Iran-Sanktionen bei einem gescheiterten "unvollkommenen Sicherheitsratsbeschluß" der Anwendungsbereich des Art. 224 EWGV überhaupt einschlägig ist. .9 Vgl. Bull. EG 4-1980, Ziff. 1.2.7-1.2.9, S. 26 ff.; Bull. EG 5-1980, Ziff. 1.5.2, S. 28 ff., wo ein Überblick über die nationale Umsetzung der Sanktionsmaßnahmen gegeben wird. 10 So die Kommission in Bull. EG 5-1980, Ziff. 1.5.4, S. 30. 71 46. VO zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 23.4.1980, BGBI. I 1980, S. 445, sowie 43. VO zur Änderung der Ausfuhrliste vom 23.4.1980, BGBI. I 1980, S. 447. Ausgenommen wurden Arznei- und Lebensmittel. Vgl. zu den Maßnahmen der Bundesrepublik den Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 19/80 vom 22.5.1980, in:

64

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

Neben der politischen Geste der europäischen Solidarität gegenüber den USA zeigten die verhängten Wirtschaftssanktionen nicht die erhoffte Wirkung. Die Freilassung der Geiseln Anfang 1981 muß überwiegend auf die veränderte innenpolitische Lage im Iran und auf dessen Konflikt mit dem Irak zurückgeführt werden. Als Gründe für die geringe Wirkung der verhängten Wirtschaftssanktionen sind insbesondere zu nennen die uneinheitliche einzelstaatliche Durchführung, der Umgehungshandel über andere arabische Länder sowie der Umstand, daß vor dem 4. November 1979 abgeschlossene Altverträge weiter abgewickelt werden durften72 • 5. VNIEG v. UdSSR (Afghanistan, 1980) Nach der Invasion Afghanistans durch die UdSSR konnten sich die VN nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen entschließen71 ; nur die Generalversammlung forderte den Abzug der sowjetischen Truppen, ohne jedoch Wirtschaftssanktionen zu beschließen74 • Beginnend am 4. Januar 1980 verhängten zunächst nur die USA umfassende Maßnahmen 7S • Bei der Tätigkeit der EG deutete sich ein entscheidender Wandel in der Praxis der Wirtschaftssanktionen an 76 • Zunächst wurde im Rahmen der EPZ nur eine Verurteilung der UdSSR ausgesprochen. Dann jedoch erließ die EG erstmals im Rahmen von Wirtschaftssanktionen selbst verbindliche Rechtsakte: Um die ausgesetzten US-Getreideexporte nicht durch eigene höhere Exporte zu ersetzen, verabschiedete die EG Ende Januar 1980 mehrere Verordnungen, mit

Bundesanzeiger Nr. 96 vom 24.5.1980, S. 5. Bemerkenswert ist, daß § 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG nicht als Rechtsgrundlage genannt wurde. 72 Ausschuß für Außenwirtschaftsbeziehungen, EP-Sitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4.1982, S. 20 f. Zu neueren Erwägungen seitens der USA im Jahre 1995, insbesondere wegen zunehmender atomarer Ambitionen des Iran, wieder Wirtschaftssanktionen gegen den Iran zu verhängen, vgl. FAZ vom 2.5.1995 (Nr. 101), S. 1; die EU-Staaten haben sich auf eine abwartende Haltung verständigt, vgl. FAZ vom 3.5.1995 (Nr. 102), S. 7. 73 V gl. UNYB 1980, S. 306 f. 7. Res./ES-6/2 vom 14.1.1980; vgl. UNYB 1980, S. 307. " Insbesondere ein Exportembargo für Agrarprodukte; hierzu ausführlich Daoudi/Dajani, S. 132 ff.; Doxey, Yearbook of World Affairs 1983, S. 63 ff.; Vogel, EA 1981, S. 615 ff. 76 AlIgemein hierzu Peles-Bodson, RBDI 18 (1984-1985 I), S.202 ff.; Pertek, RMC 1983, S. 207 f.; Ehlermann, Scope, S.157 f.; Verhoeven, CDE 1984, S. 262 f.; Ausschuß für Außenwirtschaftsbeziehungen, EP-Sitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4.1982, S. 21 ff.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

65

denen die Getreideexporte in die UdSSR aus dem Erstattungsverfahren genommen wurden77 • Die überwiegende Auffassung in der Literatur bewertet diese Vorgehensweise nicht als eine eigenständige Verhängung von Wirtschaftssanktionen durch die EG 7'. Den Verordnungen fehle in ihren Erwägungsgründen jeglicher Bezug zu dem US-Getreideembargo, so daß eine außenpolitische Motivation nicht zu erkennen se(9. Dieser Einwand übergeht jedoch die erklärte Absicht der Kommission, den Erfolg des US-Embargos sicherzustellen. Mit den Verordnungen sollte, wie die Kommission am 15. Januar 1980 ausdrücklich betonte, verhindert werden, daß "Gemeinschaftslieferungen mittel- oder unmittelbar an die Stelle der gestrichenen amerikanischen Exporte treten"'o. Eine außenpolitische Motivation kann der EG daher nicht abgesprochen werden. Der Annahme von gemeinschaftlichen Wirtschaftssanktionen steht auch nicht entgegen, daß keine direkte Unterbrechung der Handelsströme erfolgte. Ohne nähere Begründung wird vorgebracht, daß nur der Abbruch, nicht aber die Beeinträchtigung von Wirtschaftsbeziehungen eine Wirtschaftssanktion darstellen könne'l. Ein Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen ist nach dem ob~m entwickelten und hier vertretenen Begriff der Wirtschaftssanktion nicht erforderlich; es genügt bereits eine mit Schädigungsabsicht vorgenommene Ungleichbehandlung'2. Gerade eine solche Ungleichbehandlung ist gegeben, indem alleine die UdSSR von dem Erstattungsverfahren ausgenommen wurde. Schließlich kann eine Schädigung auch mit der Versagung einer Begünstigung erreicht werden. Die gemeinschaftlichen Maßnahmen anläßlich der Besetzung Afghanistans können daher als erste, wenn auch noch unbedeutende Wirtschafts sanktionen der EG betrachtet werden'3. 77 EG VO (EWG) Nr. 69/80 vom 15.1.1980, ABI. L 1l/8 vom 16.1.1980; EG VO (EWG) Nr. 107/80 vom 18.1.1980, ABI. L 14/24 vom 19.1.1980; EG VO (EWG) Nr. 108/80 vom 18.1.1980, ABI. L 14/27 vom 19.1.1980; Bull. EG 1-1980, Ziff. 2.1.36, S. 31 f. Ferner setzte der Rat das Hilfsprogramm für Nahrungsmittel aus; vgl. Bull. EG 11980, Ziff. l.l.5, S. 8. " So Pappas, S. 246 f.; Vaucher, RTD 1993, S. 56; Stenger, S. 38; Sturma, RMC 1993, S. 252; Dewost, AFDI 28 (1982), S. 217 und neuerdings auch Bohr, S. 82. 7. Pappas, S. 246 f., jedoch inkonsequent, da auch in den Erwägungsgründen im Falle der Wirtschaftssanktionen anläßlich des Kriegsrechts in Polen ein Hinweis auf eine außenpolitische Motivation fehlt und dennoch dieser Fall von ihm als erste gemeinschaftliche Verhängung von Wirtschaftssanktionen gewertet wird (S. 252). 80 Bull. EG 1-1980, Ziff. l.l.7, S. 9. '1 So bisher Sturma, RMC 1993, S. 252; Vaucher, RTD 1993, S. 56; Stenger, S. 38; Bohr, S. 82, übernimmt in seiner Arbeit über Schutznormen ohne nähere Prüfung diese Argumentation. 82 Siehe hierzu oben Erster Teil, § 21. 6. und 7. (S. 32 und 33). 83 Soweit ersichtlich wird diese Auffassung, jedoch ohne nähere Begründung, sonst nur von Ehlermann, Scope, S. 157 vertreten (nit was a Community reaction n). Vedder, in: GrabitzlHilf, Art. 113 Rdnr. 58 spricht von einer "Beteiligung der EG am amerikani-

5 Schneider

66

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

Die Bundesrepublik verhängte keine einzelstaatlichen Maßnahmen gegenüber der UdSSR84 • Den geringen Umfang der gemeinschaftlichen Maßnahmen nutzten viele Mitgliedstaaten, um Aufträge zu übernehmen, die US-Firmen nicht mehr erfüllen konnten. Im Ergebnis wurden daher die USA selbst durch die Wirtschaftssanktionen am meisten geschädigt 8s • 6. EG v. Türkei (1981) und Israel (1982) Weniger Bedeutung kommt den 1981 von der EG zur Wiederherstellung der Demokratie in der Türkei vorgenommenen Wirtschaftssanktionen zu. Es wurden lediglich angekündigte Hilfszahlungen durch die Kommission auf Anweisung des Rates verzögert86 • Gleiches gilt für die Maßnahmen der Gemeinschaft an1äßIich der Invasion im Libanon durch Israel im Jahre 1982. Hier wurden die Unterzeichnung des zweiten Finanzprotokolls zwischen der EG und Israel sowie einige Projekte im Agrarbereich ausgesetzt87 • 7. VNIEG v. UdSSR (Polen, 1982) Bedeutsamer sind dagegen die Aktivitäten der Gemeinschaft angesichts der Verhängung des Kriegsrechts in Polen Ende 1981. Während die VN weitgehend untätig blieb, wurde auf Gemeinschaftsebene der bereits im Falle Afghanistans beschrittene Weg deutlich ausgebaut. Nach vorheriger Beratung im Rahmen der EPZ erließ am 15. März 1982 der Rat auf Vorschlag der Kommission eine Verordnung, mit der die Einfuhrgenehmigungen für 58 Warenpositionen aus der UdSSR um 25-50% reduziert wurden 88 • Die Präambel der Verordnung nennt als Rechtsgrundlage für dieses

sehen Getreideembargo". Ähnlich Stein, ZaöRV 43 (1983), S. 66 ("the Community became directly involved"). Unklar Dewost, AFDI 28 (1982), S. 217, der für die EG nur das Vorliegen von Wirtschaftssanktionen im eigentlichen Sinne ablehnt: "la Communaute n'a pas exerce ( ... ) 'sanctions' a proprement parler" . .. Vgl. hierzu die Regierungserklärung des damaligen Bundeskanzlers Schmidt vom 28.2.1980, BT Prot. 203. Sitzung 8./16169 f.; es wurde lediglich die Verschärfung der CoCom-Regeln in Aussicht gestellt. " Hierzu Jacobsen, S. 124 f . .. Vgl. nur HufbauerlSchottlElliott, Vol. 2, S. 532 ff. 8' Bull. EG 6-1982, Ziff. 2.2.58, S. 84 . .. Gegenüber den Volumen der Einfuhren von 1980; VO (EWG) Nr. 596/82 vom 15.3.1982, ABI. L 72/15 vom 16.3.1982. Zu dieser Verordnung ausführlich Friedrich, RlW 1982, S. 333 ff. Zur Vorgeschichte siehe nur Pertek, RMC 1983, S. 208.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

67

Importembargo den Art. 113 EWGV, während die außenpolitische Motivation nicht im Verordnungstext erwähnt wird. Zur Begründung heißt es lediglich: "Die Interessen der Gemeinschaft erfordern eine Verringerung der Einfuhren aus der UdSSR." Eine einheitliche Durchführung seitens der Mitgliedstaaten konnte dennoch aus zwei Gründen nicht erfolgen. Zum einen wurde Griechenland mit einer Verordnung vom selben Tag von der Verpflichtung zur Durchführung der Wirtschaftssanktionen befreitS9 • Zum anderen beendete Dänemark, das von Anfang an die Rechtsgrundlage des Art. 113 EWGV ablehnte 90 , schon im März 1983 eigenmächtig die Sanktionen. Die EG hob dagegen die Maßnahmen erst neun Monate später auf". Bemerkenswert ist die Reaktion der Bundesrepublik. Diese eröffnete ein paralleles innerstaatliches Verordnungsverfahren und erließ im April 1982 eine der EG-Verordnung inhaltlich ähnliche nationale Verordnung9'. Für die entsprechende Änderung der deutschen Einfuhrliste wurden, ohne auf das Verhalten der UdSSR Bezug zu nehmen, als Rechtsgrundlage die §§ 27, 5 und 10 AWG genannt. Aufgrund des geringen Umfangs der Wirtschaftssanktionen, die nur 1,33% des Volumens der EG-Importe aus der UdSSR erfaßten9\ war die Effektivität der Maßnahmen gering94 • 8. VNIEG v. Argentinien (Falkland-Inseln, 1982) Nach der Besetzung der Falkland-Inseln9s durch Argentinien am 2. April 1982 stellte der Sicherheitsrat bereits einen Tag später in der Resolution 502

"Art. I der VO (EWG) Nr. 597/82 vom 15.3.1982, ABI. L 72/19 vom 16.3.1982; vgl. hierzu Kuyper, Community Sanctions, S. 147; Verhoeven, RBDI 18 (1984-1985 I), S.94. 90 Das dänische Parlament hatte bereits am 14.4.1982 eine Entschließung verabschiedet, die der dänischen Regierung für die Zukunft verbot, Art. 113 EWGV als Rechtsgrundlage für Wirtschaftssanktionen zu interpretieren . •, ABI. L 365/82 vom 24.12.1982: Verlängerung bis zum 31.12.1983; vgl. Kampf, RIW 1989, S. 793. Dänemark hatte schon bei Abfassung der Warenlisten einige Zugeständnisse erreicht. 92 81. Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste vom 31.3.1982, Bundesanzeiger Nr. 68 vom 8.4.1982; vgl. die Begründung in BT Drs. 9/1577, S. 3. • 3 Gemessen am Importvolumen des Jahres 1980; vgl. Handelsblatt vom 17.3.1982 (Nr. 53), S. I. 94 Vgl. Friedrich, RIW 1982, S. 337; Stenger, S. 42; Seeler, EA 1982, S. 615 . •s Zur Vorgeschichte und der damit verbundenen unterschiedlichen Bezeichnung der Inselgruppe als "Falkland-Inseln" bzw. "Malvinas" vgl. Gloria, in: Ipsen, § 23 Rdnr. 30; Verhoeven, CDE 1984, S. 260 tT.

68

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

gemäß Art. 39 SVN einen Bruch des Friedens fest und forderte Argentinien vergeblich auf, seine Streitkräfte abzuziehen"·. Ohne verbindliche Wirtschafts sanktionen des Sicherheitsrates abzuwarten, entwickelte die EG umfassende Aktivitäten"'. Als Ergebnis der Konsultationen im Rahmen der EPZ wurde zunächst von den Regierungen der zehn Mitgliedstaaten ein totales Exportembargo für Waffen nach Argentinien beschlossen"'. Hierbei handelte es sich lediglich um koordinierte nationale Wirtschaftssanktionen". Unter Berufung auf die VN-Resolution 502 erließ der Rat dann am 16. April 1982 auf der ausdrücklichen Grundlage von Art. 113 EWGV die Verordnung Nr. 877/82 zur Aussetzung der Einfuhr "aller Erzeugnisse mit Ursprung in Argentinien" (Art. I )"MI. Bemerkenswert ist, daß hier in dem Ratstext - zum ersten und bisher einzigen Mal - eine ausdrückliche Bezugnahme auf Art. 224 EWGV erfolgte. Ein entsprechendes Importembargo für unter den EGKSV fallende Waren erging am gleichen Tag durch einen "uneigentlichen" Beschluß der im Rat vereinigten Regierungsvertreter'41'. Diese gemeinschaftlichen Wirtschafts sanktionen wurden dennoch nicht in allen Mitgliedstaaten einheitlich gehandhabt. Italien und Irland beendeten vor-

.. Res./SC/502 (1982) vom 3.4.1982, Text in: UNYB 1982, S. 1347; zur Frage der Effektivität der Wirtschaftssanktionen vergleiche die abwägende Bewertung von Edwards, JCMS 22 (1984), S. 295 ff. .7 Hierzu Edwards, JCMS 22 (1984), S. 295 ff.; Böhm, S. 381 ff.; Schröder, GYIL 27 (1984), S. 334 ff.; Kuyper, Community Sanctions, S. 141 fT.; Dupuy, RGDPI 87 (1983), S. 520 f.; Stein, European Identity, S. 76; Verhoeven, CDE 1984, S.259 ff.; Bruha, DVBI. 1982, S. 674 ff.; Bleckmann, Argentinien, S. 3 ff; Hummer, Gravitationsfaktor, S. 76. Zu den parallelen Maßnahmen der USA siehe die Darstellung bei Acevedo, AJIL 78 ( 1984), S. 323 ff. .. Vgl. Bull. EG 4-1982, Ziff. 1.1.1-1.1.3, S. 7. YY So auch Klein, DÖV 1984, S. lOB unter Hinweis auf Art. 223 Abs. I Buchst. b EWGV. "MI VO (EWG) Nr. 877/82 vom 16.4.1982, ABI. L 102/1 vom 16.4.1982; verlängert durch VO (EWG) Nr. 1176/82 vom 18.5.1982, ABI. L 136/1 vom 18.5.1982; verlängert durch VO (EWG) Nr. 1254/82 vom 24.5.1982, ABI. L 146/1 vom 25.5.1982; aufgehoben durch VO (EWG) Nr. 1577/82 vom 21.6.1982, ABI. L 177/1 vom 22.6.1982. Vgl. hierzu Herald Tribune vom 12.4.1982, S. I; The Times vom 15.4.1982, S. 7. Für die unter den EGKSV fallenden Erzeugnisse siehe den Beschluß des Rates vom 16.4.1982, ABI. L 102/3 vom 16.4.1982; verlängert durch Beschluß des Rates vom 18.5.1982, ABI. L 136/2 vom 18.5.1982. "" Beschluß 82/221/EGKS vom 16.4.1982, ABI. L 102/3 vom 16.4.1982; verlängert durch Beschluß 82/320/EGKS vom 18.5.1982, ABI. L 136/2 vom 18.5.1982; verlängert durch Beschluß 82/324/EGKS vom 24.5.1982, ABI. L 146/2 vom 25.5.1982; letzterer aufgehoben durch Beschluß 82/413/EGKS vom 21.6.1982, ABI. L 177/2 vom 22.6.1982.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

69

zeitig ihre Beteiligung aufgrund politischer Erwägungen"'2, wobei Italien sich auf Art. 224 EWGV berief. Dänemark, das eine entsprechende Kompetenz der EG ablehnte, sprach sich gegen die Anwendung der EG-Verordnung aus und erließ statt dessen eigenständige nationale Gesetze 'll3 • Gegen dieses parallele nationale Vorgehen Dänemarks wurde von der Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gern. Art. 169 EWGV eingeleitet, später jedoch eingestellt".... Andererseits sah die EG-Verordnung für Großbritannien eine Ausnahmeregelung vor, die über das Gemeinschaftsniveau hinausgehende Wirtschaftssanktionen zuließ ,05 • Trotz der uneinheitlichen Anwendung übten die Maßnahmen einen erheblichen Druck auf die argentinische Wirtschaft aus und verdeutlichten so, daß eine gemeinschaftliche Vorgehensweise schneller und effektiver erfolgen kann als lediglich abgestimmte einzelstaatliche Maßnahmen""'. In der Bundesrepublik wurde, wie schon bei den Maßnahmen gegen die UdSSR im gleichen Jahr, ein paralleles Verordnungsverfahren eingeleitet. Zunächst wurde die EG-Verordnung vom Bundesminister für Wirtschaft am 16. April 1982 per Runderlaß verkündet"l7. Danach erging zusätzlich eine nationale Verordnung, die - weitgehend inhaltsgleich mit der EG-Verordnung - eine Änderung der Einfuhrliste herbeiführte ,oß • Als Rechtsgrundlage wurden § 27 Abs. 1 i. V.m. § 2 Abs. 1, § 5 und § 10 Abs. 2 bis Abs. 4 A WG genannt. 9. VN/EG v. Südafrika 11 (seit 1986)"" Die zwischen 1977-1985 von der Staatengemeinschaft und insbesondere von den VN vorgenommenen Empfehlungen für wirtschaftliche Maßnahmen ""

"" Europe vom 19.5.1982 (Nr. 3374), S. 5; hierzu Edwards, JCMS 22 (1984), S. 310 ff.; Verhoeven, RBDI 18 (1984-1985 I), S. 94. 111) Hierzu Edwards, JCMS 22 (1984), S. 304 ff.; Kllyper, Community Sanctions, S. 150; Bn/ha, DVBI. 1982, S. 675; vgl. ferner The Times vom 15.4.1982, S. 7. '''' GiisdorJIKlliiper, in: GroebenfThiesing/Ehlermann, Art. 224 Rdnr. 25 (dort Fn. 40). 111' Art. 2 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 877/82 vom 16.4.1982, ABI. L 102/1 vom 16.4.1982. 111" Vgl. Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 789; Daolldi/Dajani, S. 117. "" BundesanzeigerNr. 72 vom 17.4.1982, S. I. 1110 82. Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste vom 17.5.1982, Bundesanzeiger Nr. 85 vom 7.5.1982, S. I; hierzu Stenger, S. 47. "" Für die Maßnahmen gegen Südafrika bis 1977 siehe oben Erster Teil, § 3 I. 3. b) (S.61-62). 1111 Insbesondere ein unverbindliches Waffen- und Ölernbargo; vgl. den Überblick bei Erasmus, AVR 30 (1992), S. 139 ff. unter Hinweis auf die Res.lSC/566 (1985) und Res.lSC/569 (1985) vom 19.6.1985 und 26.7.1985, Text in: UNYB 1985, S.158; ferner Venter, S. 13 ff.; United Nations; Sanctions against South Africa, S. 2 ff.

70

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

führten auf Gemeinschaftsebene im Oktober 1986 zu einer weiteren Verhängung von Wirtschaftssanktionen "' . Die maßgebliche Initiative erfolgte im Rahmen der EPZ. Mit einstimmigem Beschluß setzten die Vertreter der Mitgliedstaaten im September 1986 ein Importembargo für die Einfuhr von Goldmünzen aus Südafrika fest. Daraufhin erließ der Rat, der hier nur als ausführendes Organ tätig wurde, am 27. Oktober 1986 eine entsprechende Verordnung 112. Daneben vereinbarten die Mitgliedstaaten ein Importembargo für bestimmte Eisen- und Stahlerzeugnisse ll3 sowie ein Investitionsverbot" 4 • Bei letzteren Maßnahmen gingen die Mitgliedstaaten über einen gemeinsamen Beschluß jedoch nicht hinaus, so daß deren Durchführung ausschließlich nach innerstaatlichem Recht erfolgte. Mit der Begründung, daß die durch EG-Verordnung beschlossenen Wirtschaftssanktionen einer Umsetzung in innerstaatliches Recht bedürften I 15, erließ die Bundesregierung, unter Hinweis auf § 27 Abs. I i.V.m. §§ 2, 5 und 10 Abs. 2 bis Abs. 4 AWG, wiederum eine parallele nationale Verordnung" 6 • Wie in den vorangegangenen Fällen stimmen die deutsche und die gemeinschaftliche Verordnung inhaltlich weitgehend überein. Das Importembargo für Goldmünzen muß daher als gemischter Akt, mithin als "einzelstaatlich-gemeinschaft-

111 Von den Außenministern der Mitgliedstaaten wurden zunächst am 10.9.1985 positive Wirtschaftssanktionen beschlossen, mit denen gewaltlose Organisationen zur Bekämpfung der Apartheid finanziell unterstützt werden sollten; es wurde ferner ein Waffen- und Ölembargo beschlossen; hierzu Raux, RMC 1989, S. 33 ff.; Vaucher, RTD 1993, S. 41 und 57. III Hinsichtlich der späteren Maßnahmen gegen Südafrika blieb es bei dieser einen Verordnung; VO (EWG) Nr. 3302/86 vom 27.10.1986, ABI. L 305/11 vom 31.10.1986. VgI. ferner den Bericht im Namen des Ausschusses für Außenwirtschaftsbeziehungen über die Inkraftsetzung der wirtschaftsbeschränkenden Maßnahmen gegen die Republik Südafrika durch die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, Berichterstatterin: Frau Barbara Simons, vom 2.10.1987, PE Dok. A 2-151/87 (PE 113 358/endg.), S. 11 ff. einschI. Berichtigung vom 20.10.1987, Dok. A 2-151/87/Korrigendum 1. Ferner Berger, RMC 1990, S. 617; Sturma, RMC 1993, S. 252 f.; Vaucher, RTD 1993, S. 54. Eine Bezugnahme auf die Rechtsgrundlage fehlt hier wohl absichtlich; dies könnte zurückzuführen sein auf die Tatsache, daß der Goldverkehr allgemein nicht der gemeinsamen Handelspolitik zugerechnet wird; vgI. hierzu nur von Bogdandy, Außenhandel, S. 142. 113 Beschluß 86/459/EGKS vom 16.9.1986, ABI. L 268/1 vom 19.9.1986; hierzu Dewost, in: Megret, Art. 224 Anm. 13 (dort Fn. 19). 114 Beschluß 86/517/EWG vom 27.10.1986, ABI. L 305/45 vom 31.10.1986; aufgehoben durch Beschluß 91/114/EWG vom 25.2.1991, ABI. L 59/18 vom 6.3.1991. VgI. auch Dewost, in: Megret, Art. 224 Anm. 13 f. (dort Fn. 19) sowie Kuyper, European Economic Comrnunity, S. 63 f. "' Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 19/86 vom 23.11.1986, Bundesanzeiger Nr. 216 vom 21.11.1986, S. 15810. 116 99. Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste vom 13.11.1986, Bundesanzeiger Nr. 216 vom 21.11.1986, S. 15810.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

71

liehe" Wirtschaftssanktion bezeichnet werden, da es zwar zunächst von den Mitgliedstaaten beschlossen, dann jedoch von der EG und dann wiederum von den Mitgliedstaaten durchgeführt wurde. Nachdem die EG-Verordnung hinsichtlich des Einfuhrverbotes für Goldmünzen bereits am 27. Februar 1992 aufgehoben wurde''', sprachen sich in letzter Zeit angesichts der Reformen in Südafrika viele Staaten für eine Aufhebung der verbliebenen Wirtschaftssanktionen aus"". Seitens der VN/EU wurde, nach der Rede von Nelson Mandela vor der VNGeneralversammlung am 24. September 1993, in der er für eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen warb, seit dem Oktober 1993 die Rücknahme der verhängten Maßnahmen eingeleitet"".

10. VN/EG v. Irak I (1990-11/1996) a) VN

Als Reaktion auf die irakisehe Invasion Kuwaits am 2. August 1990'20 verhängte der Sicherheitsrat am 6. August 1990 mit seiner Resolution 661 (1990) umfassende Wirtschaftssanktionen gegen den Irak und Kuwait'2'. Unter Hinweis auf Art. 51 SVN wurde der Sicherheitsrat erstmals seit 1977 wieder nach Kapitel VII der SVN tätig. Er verpflichtete die Staaten, ein vollkommenes Imund Exportembargo für alle Erzeugnisse aus bzw. nach Irak und Kuwait durch'17 Durch VO (EWG) Nr. 219/92 vom 27.l.l992, ABI. L 24/6 vom 1.2.1992; vgl. Europe vom 29.1.1992 (Nr. 5656), S. 6. '" Vgl. FAZ vom 2.3.1992 (Nr. 52), S. 7; FAZ vom 19.3.1992 (Nr. 67), S. I; FAZ vom 20.3.1992 (Nr. 68), S. 15; Europe vom 20.3.1992 (Nr. 5693), S. 3; FAZ vom 27.3. 1992 (Nr. 74), S. 7; Europe vom 3.4.1992 (Nr. 5703), S. 3; SZ vom 3./4.7.1993 (Nr. 150), S. 9; zum Beschluß der Autbebung des Erdölembargos durch die zwölf Außenminister der EG-Mitgliedstaaten vgl. Bull. EG 4-1992, S. 83; Europe vom 8.4.1992 (Nr. 5706), S. 3. 11. Europe vom 9.10.1993 (Nr. 6082), S. 4; FAZ vom 9.10.1993 (Nr. 235), S. 3. Das verhängte Waffenembargo wurde am 26.5.1994 vom VN-Sicherheitsrat aufgehoben; hierzu Herald Tribune vom 27.5.1994 (Nr. 34/599), S. 1. 120 Einen Überblick über die Entwicklungen vor dem 2.8.1990 gibt Heinfze, AVR 29 (1991), S. 436 ff. 12' Res./SC/661 (1990) vom 6.8.1990, Text in: AdG vom 25.8.1990, S. 34842 f.; zur Verlängerung der Wirtschaftssanktionen vgl. SZ vom 26.5.1993 (Nr. 119), S. 7. Allgemein zu den Wirtschaftssanktionen vgl. Smeefs, JWTL 24 (1990), S.105 ff.; Mesfmäcker/Engel, S. 10 ff.; Fleischhauer, VN 1991, S. 41 ff.; Häde, BayVBI. 1991, S. 485 ff.; Dominice, EJIL 1991, S. 95 ff.; Greenwood, NZWehrr 1991, S. 50 ff.; Fink, AVR 29 (1991), S. 453 ff.; Parfsch, EuGRZ 1991, S. 469 ff.; Klein, AVR 29 (1991), S. 424 ff. Als Reaktion auf die weitreichenden Wirtschaftssanktionen verkündete der Irak das Gesetz zum Schutz des irakischen Vermögens vom 16.9.1990; hierzu Kriiger, RIW 1990, S. 934 f.

72

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

zufiihren ll2 • Es mußten ferner alle damit zusammenhängenden Dienstleistungen, Transporte und Finanzoperationen unterlassen werden 12J • Zudem wurde ein Kapitalembargo beschlossenl 24 und zur Überwachung der Einhaltung der Wirtschafts sanktionen ein Sanktionsausschuß eingerichtet l2 '. Mit einigen nach-

folgenden Resolutionen wurden diese Maßnahmen weiter ergänzt, insbesondere durch die Resolutionen 665 (1990), 670 (1990) und 687 (1991), welche vor allem eine See- bzw. Luftblockade verfügten 126. Mit den Resolutionen 706 (1991) und 712 (1991) wurde dem Irak erlaubt, Erdöl in einer bestimmten Menge zu exportieren 127. Die Sanktionen wurden auch noch fiinf Jahre nach ihrer Verhängung turnusgemäß von den VN jeweils um 60 Tage verlängert 128 • Auch die Erlaubnis zum Verkauf von Erdöl wurde regelmäßig (so noch im August 1996) erneuert, wobei jedoch regelmäßig seitens der VN und den USA betont wurde, daß diese Erlaubnis nicht mit der Aufhebung der umfassenden Wirtschaftssanktionen gleichzusetzen sei l29 .

122 Nr. 3 a und c der Resolution; nach Nr. 5 der Resolution sollte ausdrücklich auch in laufende Verträge eingegriffen werden. J23 Nr. 3 b der Resolution. 124 Nr. 4 der Resolution. 12' Nr. 6 der Res./SC/661 (1990) vom 6.8.1990, Text in: AdG vom 25.8.1990, S. 34842 f. Hierzu Fleischhauer, VN 1991, S. 42 sowie die "Note for the information of new members of the Security Council" vom Dezember 1992, Dok. S/AC.25/1992/ CRP/1. Allgemein zu den Sanktionsausschüssen der VN siehe Rydelski, RlW 1995, S. 805. 126 Res./SC/665 (1990) vom 25.8.1990, Text in: AdG 1990, S. 34842 (Seetransporte). Res./SC/670 (1990) vom 25.8.1990, Text in: AdG 1990, S. 34959 (Lufttransporte). Res./SC/687 (1991) vom 3.4.1991, Text in: VN 1991, S. 74 (Ausnahmen für Lebensmittel, medizinische Erzeugnisse und Güter für grundlegende humanitäre Bedürfuisse); zu der letzteren Resolution vgl. Eitel, Sitzungsbericht Q, S. 18. Vgl. ausführlich auch die Ausführungen der Herren Aziz und Ekeus, in: Dok.: SIPV.3139 (Resumption I), S. 81 ff., 107 ff. sowie den Brief des damaligen Generalsekretärs Perez de Cuellar an den Präsidenten des Sicherheitsrates vom 20.3.1991, Dok.: S/22366. Eine kurze Übersicht zu den aufgrund von SR-Beschlüssen verhängten Wirtschaftssanktionen der VN gegen den Irak gibt Hafner, Economy-Fachmagazin 1990, S. 2 ff. 127 Res./SCI706 (1991) vom 15.8.1991, Text in: VN 1991, S. 214; Res./SCI712 (1991) vom 19.9.1991, Text in: VN 1991, S.217. Zur weiteren Entwicklung vgl. The New York Times International vom 6.7.1993, S. 2 ff. 120 Hierzu Ulfkotte, in: FAZ vom 17.1.1996 (Nr. 14), S. 10. Während sich vor allem die USA, England und Kuwait für eine Beibehaltung der Maßnahmen aussprechen, drängen zunehmend Rußland, Frankreich und bestimmte arabische Staaten (Vereinigte Arabische Emirate und Katar) auf deren Beendigung. 12. Financal Times vom 8.8.1996 (Nr. 33056), S. I; FAZ vom 9.8.1996 (Nr. 184), S. I.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

73

b)EG Die Ereignisse fiihrten zunächst im Rahmen der EPZ am 4. August 1990 zu dem Beschluß "der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten", koordinierte einzelstaatliche Wirtschaftsrnaßnahmen gegenüber dem Irak zu ergreifen '30 • Am 8. August 1990, zwei Tage nach der VN-Resolution, erließ der Rat auf Vorschlag der Kommission die Verordnung Nr. 2340/90 '3' . Sie nimmt Bezug auf den Beschluß der EPZ und wird gestützt auf Art. 113 EWGV IJ2 • Nach Hinweis auf die Resolution 661 (1990) wird hervorgehoben, daß die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten übereingekommen seien, "im Wege eines Gemeinschaftsrechtsakts eine in der Gemeinschaft einheitliche Durchfiihrung der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen Maßnahmen betreffend den Handelsverke~ mit Irak und Kuwait sicherzustellen"m. Art. I der Verordnung verbietet das Verbringen aller Erzeugnisse aus dem Irak oder Kuwait in das Gemeinschaftsgebiet sowie die Ausfuhr aller Erzeugnisse mit Ursprung oder Herkunft aus der Gemeinschaft in diese Länder. Nach Art. 2 Ziff. 2 wird der Verkauf oder die Lieferung jeglichen Erzeugnisses gleich welchen Ursprungs oder Herkunft an jegliche natürliche oder juristische Person in Irak oder Kuwait verboten. Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs erfolgten nicht. Mit mehreren Verordnungen, die auf die weiteren Resolutionen des Sicherheitsrates Bezug nehmen, wurde die VO 2340/90 entsprechend geändert; insbesondere wurde das Embargo durch VO 3155/90 auf Dienstleistungen erweitert und durch die VO 3541/92, die ein umfassendes Erfiillungsverbot fiir irakisehe Ansprüche normierte, verstärkt '34 •

130 European Political Cooperation, Press Release, 4.8.1990; deutscher Text: EA 1990, Dokumente, S. 41 f.; zu den Wirtschaftssanktionen der EG gegen den Irak vgl. auch Berger, RMC 1990, S. 615 ff. 131 VO (EWG) Nr. 2340/90 vom 8.8.1990, ABI. L 213/1 vom 9.8.1990. Für die unter den EGKSV fallenden Waren gilt der Beschluß Nr. 90/4141EGKS vom 8.8.1990, ABI. L 213/3 vom 9.8.1990. Vorgehensweise und Inhalt sind weitgehend mit der VO 2340/90 vergleichbar. Vgl. zu beiden Verordnungen VWD-Europa vom 9.8.1990 (Nr. 159), S. 2. m 1. und 6. Erwägungsgrund der Präambel. IJJ 2., 3. und 4. Erwägungsgrund der Präambel. 134 VO (EWG) Nr. 3155/90 vom 29.10.1990, ABI. L 304/1 vom 1.11.1990 (Dienstleistungen, See- und Lufttransport), geändert durch VO (EWG) Nr. 1194/91 vom 7.5.1991, ABI. L 115/1 vom 8.5.1991; zur Erweiterung der Beschränkungen auf Dienstleistungen vgl. Berger, RMC 1990, S. 617. VO (EWG) Nr. 3557/90 vom 4.12.1990, ABI. L 347/1 vom 12.12.1990 (Finanzhilfe für unmittelbar von der Golfkrise betroffene Länder). VO (EWG) Nr. 1194/91 vom 7.5.1991, ABI. L 115/37 vom 8.5.1991 (Ausnahmen vom Embargo). VO (EWG) Nr. 91/2651EGKS vom 21.5.1991, ABI. L 127/27 vom 23.5.1991 (Ausnahmen vom Embargo). VO (EWG) Nr. 3541/92 vom 7.12.1992, ABI. L 361/1 vom 10.12.1992 (Verbot der Erfüllung irakischer Anspruche). Beschluß

74

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

c) Bundesrepublik

Ein bedenkliches und ungewöhnliches Vorgehen erfolgte in der Bundesrepublik. Dem gemeinschaftlichen Gesetzgebungsakt vorgreifend wurden am 7. August 1990, also einen Tag vor Erlaß der EG-Verordnung, mit der Neunten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und mit der 69. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste bereits einige Bestimmungen der Resolution 661 in deutsches Recht umgesetzt l3 '. Obwohl die EG-Verordnungen in der Bundesrepublik unmittelbar geltendes Recht darstellen, wurden diese dann zwei Tage später wiederum in entsprechende deutsche Verordnungen umgesetzt. Nach der EG-Verordnung vom 8. August 1990 erließ die Bundesregierung einen Tag später die Zehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung l36 • Diese Verordnung wurde gestützt auf § 27 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1, § 5 sowie § 7 Abs. 1 und Abs. 3 AWG und ergänzte die AWV um das Kapitel VIIa für "Beschränkungen gegen Irak und Kuwait"lJ7. Hiernach waren die Ein- und Ausfuhr aller Waren aus oder nach Irak und Kuwait, Dienstleistungen Deutscher in Irak oder Kuwait sowie der Zahlungsverkehr mit beiden Staaten verboten lJ8 • Insbesondere der neue § 69a AWV wiederholt im wesentlichen wörtlich die Art. 1 und 2 der EG-Verordnung 2340/90. So heißt es etwa in Art. 1 der EG-

des Rates 911265IEGKS vom 21.5.1991, ABI. L 127/27 vom 23.5.1991 (Beschränkung des Handelsverkehrs für Erzeugnisse, die unter den EGKSV fallen). 13' Neunte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung und 69. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste, beide vom 7.8.1990 in Bundesanzeiger vom 8.8.1990 (Nr. 146), S. 4013; vgI. hierzu Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 17/90 und 18/90 vom 7.8.1990, Bundesanzeiger vom 11.8.1990 (Nr. 149), S. 4067. 136 Zehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 9.8.1990, Bundesanzeiger vom 11.8.1990 (Nr. 149), S. 4065; zu den Auswirkungen dieser Verordnung auf die AWV vgI. von Westphalen, EWS 1990, 206 tT. Die Maßnahmen gegen den Irak wurden gelockert durch die Sechzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 18.7.1991, Bundesanzeiger vom 20.7.1991 (Nr. 133), S.4741. Hiernach dürfen bestimmte Erzeugnisse mit nationaler (!) Genehmigung in den Irak eingeführt werden. Eine Zusammenstellung aller Maßnahmen der Bundesrepublik gibt Bethlehem, S. 141-156. Die strafrechtlichen Aspekte der Wirtschaftssanktionen gegen den Irak erörtert Löffeler, Wistra, S. 121 tT.; die möglichen Entschädigungsansprüche behandelt Wimmer, BB 1990, S. 1986 tT. Die Wirtschaftssanktionen gegen den Irak sind bereits Gegenstand einiger Urteile deutscher Gerichte: BGHZ 125, S. 27 tT.; OLG Köln, 15.3.1991, RIW 1992, S. 145 f.; LG Bonn, 26.2.1992, EuZW 1992, S. 455 f.; LG Karlsruhe, 29.4.1992, NJW-RR 1993, 311 tT. Zur Umsetzung der VN-Sanktionen gegen Irak in Großbritannien vgI. Fox/Wickremasinghe, ICLQ 41 (1992), S. 920 tT. und in Österreich vgI. Hafner, Economy-Fachmagazin 1990, S. 4 f. lJ7 §§ 69a bis 69f. 138 Hierzu Häde, BayVBI. 1991,485; Berwald, in: HockelBerwaldlMaurer, § 7 Anm. 1; zur Beschränkung des Zahlungsverkehrs siehe Jahn, Bank 1990, S. 526 tT.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

75

Verordnung: "( ... ) sind verboten: 1. das Verbringen in das Gemeinschaftsgebiet aller Erzeugnisse mit Ursprung in oder Herkunft aus Irak und Kuwait; 2. die Ausfuhr in diese Länder aller Erzeugnisse mit Ursprung in oder Herkunft aus der Gemeinschaft". Fast übereinstimmend mit dieser Formulierung bestimmt der § 69a Abs. 1 A WV: "( ... ) sind verboten: 1. die Einfuhr aller Erzeugnisse mit Ursprung in oder Herkunft aus Irak oder Kuwait, 2. die Ausfuhr in diese Länder aller Erzeugnisse mit Ursprung oder Herkunft aus der Gemeinschaft". Zur Begründung der Umsetzung bestimmt § 69a Abs. 1 A WV: "Zur Gewährleistung der Straf- und Bußgeldbewehrung entsprechender Verbote der Europäischen Gemeinschaften sind verboten ( ... )". Diese Formulierung legt den Schluß nahe, daß neben dem gemeinschaftlichen Verbot der EG-Verordnung mit der nationale Norm konstitutiv ein eigenständiges, innerstaatliches Verbot begründet werden sollte. Widersprüchlich zu dieser Vorgehensweise ist die Erläuterung der zehnten Verordnung durch den Runderlaß Nr. 19/90, wo lediglich ausführt wird 139 : "In § 69a wird Bezug genommen auf die am 8. August 1990 vom Rat der Europäischen Gemeinschaften beschlossene Verordnung über ein Handelsembargo gegen Irak und Kuwait". Gerade eine Bezugnahme aufEG-Recht ist jedoch durch die Transformation in innerstaatliches Recht nicht erfolgt. An anderer Stelle des Runderlasses heißt es dann auch einschränkend: "Die Bundesregierung setzt daher die Beschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen mit vorliegender Verordnung um. Soweit dies bereits durch EG-Verordnung geschehen ist, hat dies im Hinblick auf den Verbotstatbestand nur deklaratorische Bedeutung ( ... ). Die EG-Verordnung wird durch die Zehnte Verordnung mit Sanktionen bewehrt". Ergänzend hierzu und unter Berufung auf den im Februar 1992 eingefügten'40 § 34 Abs. 4 A WG wird teilweise daneben der gemeinschaftliche Gesetzgebungsakt im Bundesanzeiger bekanntgemacht'41, wobei, gleichsam um die Normenkonfusion zu komplettieren, dabei dennoch nicht auf dessen umfassende Wiederholung in der AWV verzichtet wird'42. Trotz der schnellen und umfassenden Verhängung von Wirtschaftssanktionen auf allen drei Normebenen konnte eine militärische Auseinandersetzung

139 Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 19/90 vom 13.8.1990, Bundesanzeiger vom 21.8.1990 (Nr. 155), S. 4261. Zu diesem Widerspruch auch FAZ vom 8.8.1990 (Nr. 182), S. 9 und VWD-Europa vom 8.8.1990 (Nr. 151), S. 3, beide mit Hinweis auf eine entsprechende Mitteilung des Wirtschaftsministeriums. '40 Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 28.2.1992, BGBI. I 1992, S. 372 ff. 141 So etwa die VO 354l/92, Bundesanzeiger vom 12.3.1993 (Nr. 49), S. 2. 142 Vgl. etwa § 69a AWV.

76

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

am Persischen Golf nicht verhindert werden'''). Nach der Befreiung Kuwaits hoben der Sicherheitsrat' ..... die Gemeinschaft'''; und die Bundesrepublik'''' einige der Wirtschaftssanktionen gegen Kuwait mit Wirkung zum 2. März 1991 wieder auf"'. Eine endgültige Aufhebung aller Wirtschaftssanktionen. deren Kontrolle durch den VN-Sanktionsausschuß bisher nicht vollständig gewährleistet wird''''. soll erst erfolgen. wenn der Irak alle in den Resolutionen aufgeführten Forderungen, insbesondere die nach Reparationszahlungen, erfüllt hat' ..•. 11. VNIEG v. Ehemaliges Jugoslawien I (1991-10/1993)

a) VN Zur Beendigung der Kampfhandlungen beschloß am 25. September 1991 der Sicherheitsrat mit der Resolution 713 (1991) nach Kapitel VII der SVN ein Exportembargo für die Lieferung von Waffen in das Gebiet des ehemaligen Ju-

,.., Zur Diskussion über die Wirksamkeit im Rahmen der EG vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments zur Außen- und Sicherheitspolitik vom 10.6.1991, ABI. C 183/19 vom 15.7.1991 (Buchstabe J.): "Beweis der Handlungsunflihigkeit, den die Gemeinschaft anläßIich der Golfkrise geliefert hat"; vgl. ferner die schriftliche Anfrage von Carlos Rohles Piquer vom 11.3.1991, ABI. C 162/2 vom 29.6.1992; Hummer. Gravitationsfaktor, S. 75; Dowty, EA 1994, S. 315 ff. Die Wirtschaftssanktionen wurden von privaten Geschäftsleuten durch Importe über die Türkei und Jordanien umgangen, vgl. FAZ vom 12.12.1991 (Nr. 288), S. 7. Fraglich ist, ob mit Beginn der militärischen Auseinandersetzung bereits alle Möglichkeiten der Wirtschaftssanktionen genutzt worden waren, vgl. Conforti, EJIL 1991, S. 112. ,.... Res./SC/686 (1991), Text in: VN 1991, S. 73. ,.., VO (EWG) Nr. 542/91 vom 4.3.1991, ABI. L 60/5 vom 7.3.1991. Sowie Beschluß Nr. 91/125/EGKS vom 4.3.1991. ABI. L 60/15 vom 7.3.1991. ,.. Die Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsordnung vom 20.3.1991, Bundesanzeiger vom 22.3.1991 (Nr. 57), S. 2069 fügte § 69f in die AWV ein. Dagegen beteiligt sich die Bundesrepublik weiterhin an den Wirtschaftssanktionen gegen den Irak; vgl. Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 31/92 vom 4.9.1992, Bundesanzeiger vom 19.9.1992 (Nr. 177), S. 7849. ,.., Der Handel der Gemeinschaft mit dem Irak nahm folglich 1992 gegenüber 1991 bedeutend zu: Der Import wurde um 42,73% und der Export um 178,74% gesteigert; Quelle: Eurostat 27.1.1993. ,.. So etwa die kritische Äußerungen von Palll Conlohn, der lange Zeit im VN-Sanktionsausschuß für die Überprüfung von Einfuhranträgen in den Irak zuständig war. vgl. FAZ vom 17.1.1996 (Nr. 14), S. 10, und von Rolf Ekel/s. Sonderbeauftragter der UN zur Überwachung der Vernichtung von irakischen Massenvernichtungswaffen, vgl. FAZ vom 13.10.1993 (Nr. 238), S. 6. In diesem Sinne bereits auch Uljkotte. FAZ vom 15.8.1995 (Nr. 188). S. 4. ,•• Vgl. Uljkotte, in: FAZ vom 17.1.1996 (Nr. 14), S. 10; ferner Herald Tribune, 6.3.1992, S. 1 sowie Der Spiegel, 1994 (Nr. 47), S. 150 ff. und 1995 (Nr. 41). S. 154 ff.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

77

goslawiensl 50 . Im Anschluß an dieses Waffenembargo wurde eine umfassende Diskussion über die Frage geführt, ob gegen einzelne Republiken das Waffenembargo wieder aufgehoben werden sollte; so verlangte Bosnien unter Berufung auf sein Selbsverteidungsrecht eine Beendigung des Waffen embargos und reichte zu diesem Zweck eine entsprechende Klage vor dem IGH gegen Serbien ein l51 . Gegen Serbien und Montenegro wurden weitergehende Wirtschaftssanktionen verhängt durch die ebenfalls auf der Grundlage von Kapitel VII der SVN verabschiedete und nach Art. 25 SVN verbindliche Resolution 757 (1992) vom 30. Mai 1992 152 . Beschlossen wurden ein Handelsembargo, die Unterbindung des zivilen Luftverkehrs und das Einfrieren der finanziellen Auslandsvermögen. Diese Zwangsmaßnahmen wurden vor allem durch die Resolutionen 760 (1992)153, 787 (1992)154 und 820 (1993)155 ergänzt und verschärft.

b)EG Zunächst konnten die Mitgliedstaaten sich in der EPZ nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen entschließeni". Auf erste Maßnahmen einigten sich die ISO Res.!SC/713 (1990) vom 25.9.1991, Text: VN 1991, S. 175 f.; hierzu auch Res.! SC/724 (1991) vom 15.12.1991 und Res.!SC/749 (1992) vom 7.2.1992. Das Waffenembargo wurde gegen alle Parteien des Konflikts verhängt. 131 Vgl. SZ vom 2.4.1992 (Nr. 77), S. 9 und SZ vom 23.6.1993 (Nr. 141), S. 1. Auch die KSZE-Mitgliedstaaten forderten in einem Abschlußkommunique den Sicherheitsrat zu einer Aufhebung des Waffenembargos gegenüber Bosnien auf; vgl. FAZ vom 16.12. 1992 (Nr. 292), S. 6. Zu einem entsprechenden Antrag von Abgeordneten der CDUI CSU-Bundestagsfraktion vgl. FAZ vom 23.3.1993 (Nr. 69), S.4. 152 Res.!SC/757 (1992) vom 30.5.1992, Text in: VN 1992, S. 110 ff.; die Resolution ermöglicht unter bestimmten Bedingungen die Ausfuhr von Eneugnissen für die notwendigsten humanitären Bedürfuisse. 153 Res.!SC/760 (1992) vom 18.6.1992, Text in: VN 1992, S. 213 ff.; die Resolution erweiterte die in der Res.!SC/757 (1992) genannten Ausnahmen aus humanitären Gründen. '54 Res.!SC/787 (1992) vom 16.11.1992, Text in: VN 1992, S. 220 f., verbietet die Durchfuhr von Rohstoffen und Eneugnissen durch Serbien und Montenegro wie etwa Rohöl, Kohle, Eisen, Stahl. Auf der Grundlage der Res.!SC/757 und 787 wurden vom VN-Sanktionskomittee am 4.2.1992 die internen Richtlinien zur Überwachung der Wirtschaftssanktionen angenommen. "5 Res/SC/820 (1993) vom 17.4.1993, Text in: VN 1993, S. 75, wonach der Transit sämtlicher Waren aus oder nach Serbien und Montenegro untersagt wird. Eine umfassende Übersicht über alle Resolutionen des Sicherheitsrates betreffend Jugoslawien bis Ende 1992 ist abgedruckt in: VN 1992, S. 183. 156 Mehrmals wurden von den Mitgliedstaaten und der EG Wirtschaftssanktionen nur angedroht; vgl. VWD-Europa vom 9.10.1991 (Nr. 194), S. 3; VWD-Europa vom 26.9.1991 (Nr. 186), S. 4; FAZ vom 7.10.1991 (Nr. 232), S. 1. Diese zögernde Haltung der EG wurde von serbischen Medien als "Sieg" gefeiert; vgl. FAZ vom 30.10.1991 (Nr.

78

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

Außenminister der EG-Mitgliedstaaten erst am 8. November 1991 157 • Diesem Beschluß entsprechend erließ der Rat wenige Tage später die erforderlichen Rechtsakte. Hierbei handelte es sich um Verordnungen über die Aussetzung der EG-Handelskonzessionenlss, der Wiedereinführung der Importkontingente für Textilien ls9 sowie der Streichung Jugoslawiens aus der Liste der von den Allgemeinen Präferenzen begünstigten Länder l60 . Ferner erfolgte ein Beschluß des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten zur Aussetzung des Kooperationsabkommens mit Jugoslawien 161. Hinsichtlich des vollständigen Embargos kam es zu bedenklichen Überschneidungen mit der Tätigkeit des Sicherheitsrates. Zunächst verständigten sich am 28. Mai 1992 die Vertreter der EG-Mitgliedstaaten auf ein partielles Handels- und Finanzembargo gegenüber Serbien und Montenegro und forderten den Sicherheitsrat auf, sich den Maßnahmen anzuschließen l62 . Über diese Wirtschafts sanktionen ging zwei Tage später der Sicherheitsrat mit der bereits erwähnten Resolution 757 (1992) hinaus, indem das Handelsembargo auch auf Öllieferungen erstreckt wurde und ein Transportembargo für den Luftverkehr

252), S. 10. Mit Erklärung vom 5.7.1991, Text in: EG Bull. 7/8-1991, Zifr. 1.4.3., S. 111, beschlossen die Mitgliedstaaten im Rahmen der EPZ, das zweite und dritte Finanzprotokoll mit Jugoslawien zeitweilig außer Kraft zu setzen. Einen Überblick über die Maßnahmen in der EPZ und der Gemeinschaft geben Sturma, RMC 1993, S. 255; Vaueher, RTD 1993, S. 45 ff.; Lueron, RMC 1992, S. 7 ff. Zur Umsetzung der VN-Sanktionen durch die USA vgI. KoehinkelLötzseh, RlW 1993,491 ff. m Bull. EG 11-1991, Ziff. 1.4.4., S. 95 f. ". VO (EWG) Nr. 3300/91 vom 11.11.1991, ABI. L 315/1 vom 15.11.1991. Mit der VO (EWG) Nr. 3567/91 vom 2.12.1991, ABI. L 342/1 vom 12.12.1991 werden den Republiken Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien und Slowenien wieder die HandeIszugeständnisse gewährt, die den von der EG zuvor allgemein ausgesetzten HandeIskonzessionen im wesentlichen gleichwertig sind; zur Ergänzung dieser positiven Wirtschaftssanktionen vgI. Dokument Kom (92) 26 endg., 1/745/91-DE vom 9.1.1992. "9 VO (EWG) Nr. 3301191 vom 11.11.1991, ABI. L 315/3 vom 15.11.1991. 160 VO (EWG) Nr. 3303/91 vom 11.11.1991, ABI. L 315/46 vom 15.11.1991. Für den EGKS-Bereich ergingen entsprechende Beschlüsse: 9115871EGKS, 9115881EGKS, 911589IEGKS vom 11.11.1991, ABI. 315/48 ff. vom 15.11.1991. 161 9115861EGKS, EWG vom 11.11.1991, ABI. L 315/47 vom 15.11.1991. Dieser Beschluß erfolgte im Vorgriff auf die spätere Kündigung des Kooperationsabkommens durch 911602IEWG vom 25.11.1991, ABI. L 325/23 vom 27.11.1991. Das Europäische Parlament gab seine Zustimmung zur Kündigung am 20.11.1991; vgI. Europe vom 22.11.1991 (Nr. 5614), S. 4. Die serbische Zentralregierung sah in diesen Wirtschaftssanktionen einen Verstoß gegen das GATT; vgI. Europe vom 21.11.1991 (Nr. 5613), S. 4. Der slowenische Präsident Kucan erklärte, daß mit diesen Wirtschaftssanktionen, die Serbien gelten sollten, insbesondere das exportintensive Slowenien getroffen wurde; vgI. FAZ vom 28.11.1991 (Nr. 276), S. 6. VgI. schließlich für "Ursprungserzeugnisse" die VO (EWG) Nr. 343/92 vom 22.1.1992, ABI. L 38/1 vom 14.2.1992 und die VO (EWG) Nr. 545/92 vom 3.2.1992, ABI. L 63/1 vom 7.3.1992. 162 VgI. FAZ vom 29.5.1992 (Nr. 116), S. 1.

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

79

verhängt wurde. Bereits einen Tag später stimmte formell die EG diesen weitergehenden Maßnahmen zu und erließ, gestützt auf Art. 113 EWGV und unter ausdrücklichen Hinweis auf den vorangegangenen EPZ-Beschluß und die Resolution 757 (1992), entsprechende Verordnungen'6). Hervorzuheben ist herbei, daß nunmehr auch nach Art. 1 Buchst. d) der VO 1432/92 der Dienstleistungsbereich und sogar der Luftverkehrsbereich - jedoch in abgeschwächter Form durch eine beigefügte Erklärung - in die auf Art. 113 EWGV gestützte Verordnung einbezogen wurden'64. Um eine effektive Anwendung zu gewährleisten, wurde bestimmt, daß für die Ausfuhr aller Waren nach Kroatien, Bosnien-Herzegowina und der ehemaligen Republik Mazedonien eine vorherige Genehmigung erforderlich sei, die von den Behörden der Mitgliedstaaten auszustellen ist'6s. Die vom Sicherheitsrat beschlossenen Erweiterungen der Maßnahmen wurden von der EG jeweils einige Tage später durch Verordnung nachvollzogen'66. '63 VO (EWG) Nr. 1432/92 vom 1.6.1992, ABI. L 15114 vom 3.6.1992; VO (EWG) Nr. 1433/92 vom 1.6.1992, ABI. L 151/7 vom 3.6.1992; Beschluß 92/2851EGKS vom 1.6.1992, ABI. L 151120 vom 3.6.1992, geändert durch Beschluß 92/5551EGKS vom 7.12.1992, ABI. L 358/1 vom 10.12.1992; vgl. hierzu Voucher, RTD 1993, S. 48. Gemäß der Res./SC/713 (1991) wurde jedoch das Waffenembargo auf ganz Jugoslawien erstreckt. Das Europäische Parlament hat die verhängten Wirtschaftssanktionen begrüßt; vgl. Europäische Zeitung Juli/August 1992 (Nr. 7/8), S. 7. Die Verordnung VO (EWG) 1432/92 ist nun Gegenstand von EuGH, Urteil vom 14.1.1997, The Queen, ex parte: Centro-Com SrllHM Treasury u. Bank of England, Rs. C-124/95, EuZW 1997, S. 148 (noch nicht in amtlicher Sammlung). '64 Art. 1 der VO 1432/92 lautet: "Ab 31. Mai 1992 sind verboten: ( ... ) d) Dienstleistungen - ausgenommen Finanzdienstleistungen -, die eine unmittelbare oder mittelbare Förderung der Wirtschaft der Republiken Serbien und Montenegro bewirken ( ... )". Die Erklärung ist abgedruckt im Anhang der VO (ABI. L 151/4 vom 3.6.1992). '6' VO (EWG) Nr. 2656/92 vom 8.9.1992, ABI. L 266/27 vom 12.9.1992; Beschluß 92/4701EGKS vom 8.9.1992, ABI. L 266/29 vom 12.9.1992; geändert durch VO (EWG) NT. 40/93 vom 8.1.1993, ABI. L 7/1 vom 13.1.1993; ergänzend hierzu VO (EWG) Nr. 2725/92 vom 18.9.1992, ABI. L 276/18 vom 19.9.1992 und VO (EWG) Nr. 3031192 vom 21.10.1992, ABI. L 306/39 vom 22.10.1992 für die einheitlichen Festlegung der zu verwendenden Dokumente. V gl. hierzu auch den Entwurf eines Berichtes des Ausschusses für Wirtschaftsbeziehungen, Berichterstatter Giorgio Rossetti, vom 23.11.1993 (Doc-DEIPR/233862, PE 206.325, sowie den Entwurf einer Stellungnahme des Europäischen Parlaments, Berichterstatter Guy Guermeur, vom 6.10.1993 (Doc-DEIPAl233799, PE 206.306). '66 Mit der VO (EWG) Nr. 2015/92 vorn 20.7.1992, ABI. L 205/2 vom 22.7.1992 wird unter Bezug auf die Resolution 760 (1992) die Ausfuhr für bestimmte Erzeugnisse aus humanitären Gründen erlaubt. Mit der va (EWG) Nr. 3534/92 vom 7.12.1992, ABI. L 353/16 vom 8.12.1992 wird unter Bezug auf die Resolution 787 (1992) die Durchfuhr bestimmter Erzeugnisse durch Serbien und Montenegro verboten. Der Politische Ausschuß fordert in seinem umfangreichen Bericht vom Januar 1993 eine weitere Verschärfung der Wirtschaftssanktionen; vgl. Europe vom 30.1.1993 (Nr. 5909), S. 3. Diese Verstärkung wurde angesichts der Resolution 820 (1993) dann mit der VO (EWG) Nr. 990/93 vom 26.4.1993, ABI. L 102/14 vom 28.4.1993 vorgenommen. Mit dem sachli-

80

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

c) Bundesrepublik

Die Bundesrepublik hatte bereits Anfang Dezember 1991 im Alleingang ein Transportembargo gegen Serben und Montenegro verhängt. Hierzu wurde das bilaterale Verkehrsabkommen mit Jugoslawien außer Kraft gesetzt mit der Folge, daß Luft-, Straßengüter- und Binnenschiffahrtsverkehr von Serben und Montenegro nach Deutschland ausgesetzt wurden l67 . Nach der Resolution 757 (1992) und den entsprechenden EG-Verordnungen erfolgte dagegen wieder das zweifelhafte, parallele innerstaatliche Rechtsetzungsverfahren. Vergleichbar mit dem Vorgehen im Fall der Irak-Sanktionen, wurden Verbotsnormen in die AWV eingefiigt, die den Inhalt der entsprechende EG-Verordnungen teilweise wörtlich, zumindest aber sinngemäß wiederholten 168. So entspricht beispielsweise der § 69h Abs. 1 A WV weitgehend dem Art. 1 Buchst. d) der VO 1432/92'69. Als Begründung wurde wieder angefiihrt, daß diese Transformation "zur Gewährleistung der Strafbewehrung entspre-

chen und räumlichen Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr. 990/93 befaßt sich nun ausführlich EuGH, Urteil vom 27.2.1997, Ebony Maritime SA u. Loten Navigation Co. LtdlPrefetto della Provincia di Brindisi, Rs. C-I77/95, EuZW 1997, S. 344 ff.. (noch nicht in amtlicher Sammlung). Für die dem EGKSV unterliegenden Erzeugnisse vgl. den Beschluß des Rates 93/235/93 vom 26.4.1993, ABI. L 102/17 vom 28.4.1993. Speziell zu Zweck, Inhalt und Auslegung der Resolution 820 (1993) und der Verordnung (EWG) Nr. 990/93 vgl. nun EuGH, Urteil vom 30.7.1996, Bosphorus Hava Yollaril Minister for Transport, Energy and Communications, Rs. C-84/95 sowie die Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs vom 30.4.1996 - Bosphorus HavaYollarilMinister for Transport, Energy and Communications, Rs. C-84/95, (noch nicht in amtlicher Sammlung). 167 FAZ vom 5.12.1991 (Nr. 282), S. 1. Die Maßnahme richtete sich gegen die Einreise in die Bundesrepublik. Der jugoslawischen Fluggesellschaft JAT wurden in der Bundesrepublik Deutschland die Landerechte entzogen. Dagegen wurde der Pkw- und Eisenbahnverkehr nicht berührt; hierzu Europe vom 6.12.1991 (Nr. 5624), S. 5. Siehe auch Noller, DZWiR 1993, S. 304 sowie zur nationalen Umsetzung der VN-Sanktionen durch die USA Kochinke/Lötzsch, RIW 1993, S. 491 ff. 168 Es wurde das Kapitel VIIc mit den §§ 69h bis 69k eingefügt durch die 23. Änderungsverordnung vom 11.6.1992 und die 25. Änderungsverordnung vom 31.7.1992, Text in: Bundesanzeiger vom 13. 6. 1992 (Nr. 109), S. 4705 ff. und Bundesanzeiger vom 4.8.1992 (Nr. 143), S. 6381. § 69h und 69i AWV wurden neugefaßt durch die 28. Änderungsverordnung vom 9.6.1993, Text in: Bundesanzeiger vom 15.6.1993 (Nr. 107), S. 5333 f.; § 691 AWV wurde eingefügt mit der 26. Änderungsverordnung vom 8.10.1992, Text in: Bundesanzeiger vom 15.10.1992 (Nr. 194), S. 8237. 16. Nach Art. 1 Buchst. d) der VO 1432/92 sind verboten: "Dienstleistungen - ausgenommen Finanzdienstleistungen -, die eine unmittelbare oder mittelbare Förderung der Republiken Serbien und Montenegro bezwecken oder bewirken, d.h., die erbracht werden". Dementsprechend verbietet § 69h Abs. I Ziff. 5 A WV "die Erbringung nichtfinanzieller Dienstleistungen an natürliche oder juristische Personen für die Z}Vecke von Geschäftsvorgängen in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro)".

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

81

chender Verbote der Europäischen Gemeinschaften" erfolge 170. Diese nationale Normen sind jeweils im Hinblick auf die neuesten Resolutionen des Sicherheitsrates und Verordnungen der EG angepaßt worden 171. Als Rechtsgrundlage wurden die § 27 Abs. I Satz 1 und 2 i.V.m. § 2 Abs. 1,3 und 4 sowie die §§ 5 und 7 Abs. 1 und 3 AWG angeführt. Der Erfolg der verhängten Maßnahmen wird durch mehrere Verstöße in Frage gestellt; die Staatengemeinschaft - EG und VN - hat dadurch an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Als Grund für die bisherige Ineffektivität ist zunächst die Mißachtung der Embargo-Verbote seitens der nationalen Unternehmen zu nennen 172 • Ferner wird vermutet, daß das Embargo von einigen Nachbarländern Serbiens und Montenegros mit staatlicher Billigung umgangen wird 173 • 12. VNIEG v. Somalia, Liberia, Angola, Myanmar (seit 1991) Verstärkt seit 1991 wurden gegen eine Reihe von Ländern Waffenembargos verhängt, um innerstaatliche Konflikte und Unruhen zu befrieden '74 • Entsprechende Resolutionen des Sicherheitsrates ergingen zu Somalia t7S , Liberia '76 und Angola t77 • Auf Gemeinschaftsebene wurde im Rahmen der EPZ durch Erklä"0 Vgl. § 69h Abs. I AWV; vgl. auch Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 34/92 vom 31.7.1992, in: Bundesanzeiger vom 4.8.1992 (Nr. 143), S. 6381. Hierzu nun auch BGH, 28.9.1995, RIW 1996, S. 240. 171 Weitere Informationen zu den nationalen Maßnahmen betreffend die Wirtschaftssanktionen gegenüber SerbienIMontenegro sind abgedruckt in: Bundesanzeiger vom 18.6.1993 (Nr. 110), S. I ff. 172 Bis zum 31.12.1992 waren alleine in der Bundesrepublik 46 Strafverfahren wegen des Verdachts eines verbotenen Waren- oder Dienstleistungsverkehrs eingeleitet worden; vgl. FAZ vom 16.1.1993 (Nr. 13), S. 11. Hinsichtlich der eingeschränkten Wirkung des Waffenembargos verweist Wulf, EA 1992, S. 316 auf die bedeutende jugoslawische Rüstungsindustrie. t73 So äußerte der Bundesnachrichtendienst den Verdacht, daß insbesondere Griechenland das von der UN verhängte Embargo nicht durchsetzte, vgl. FAZ vom 22.7.1992 (Nr. 168), S. 2. "4 Zum Beschluß der EG-Außenminister vom 10.11.1986 über ein Waffenembargo gegen Syrien, in dem eine Nichtgenehmigungspraxis von Waffenverkäufen vereinbart wurde, vgl. nur Bohr, S. 86 f. Diese Entscheidung wurde am 29.11.1994 aufgehoben; hierzu Europe vom 30.11.1994 (Nr. 6367), S. 7; zur israelischen Position gegen die Aufhebung äußerte sich bereits der israelische Außenminister Peres am 28.11.1994, Europe vom 28./29.11.1994 (Nr. 6366), S. 2 A. 17' Res./SC/733 (1992) vom 23.1.1992, Text: VN 1993, S. 61 f.; allgemein zu den Wirtschaftssanktionen gegen Somalia vgl. Hujbauer/Schott/Elliott, Vol. 2, S. 619 ff. 176 Res./SC/788 (1992) vom 19.11.1992, Text: VN 1993, S. 117; vgl. hierzu UNOWoche vom 2.12.1992 (Nr. 48/49), S. 5. 177 Res./SC/864 (1993) vom 15.9.1993, Text in: VN 1993, S. 39; Res./SC/890 (1993) vom 15.12.1993; vgl. hierzu Rydelski, RIW 1995, S. 805. 6 Schneider

82

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

rungen dazu aufgerufen, von Waffenverkäufen an diese Länder'" sowie an Myanmar (Birma)"· abzusehen. Im Falle Angolas erging zugleich eine gemeinschaftliche Verordnung, da das Embargo auch Erdöl und bestimmte Erdölprodukte erfaßte'"o. Die Waffenembargos wurden dann auf der Grundlage von Art. 223 EWGV durchgehend einzel staatlich durchgeftihrt. Die in der Bundesrepublik bei Waffenausfuhren allgemein erforderlichen Genehmigungen werden ftir die entsprechenden Länder vom Bundesausfuhramt verweigert'"'. 13. VNIEG v. Haiti I (1991-10/1993) Als Reaktion auf den Militärputsch vom 30. September 1991 auf Haiti, mit dem der damalige Präsident Aristide gestürzt wurde, erließen die DAS-Staaten umfassende Wirtschaftssanktionen. Deren Außenminister riefen in einer Erklärung vom 3. Oktober 1991 alle Mitgliedstaaten der DAS auf, die wirtschaftlichen Beziehungen zu Haiti auszusetzen"~. AufVN-Ebene empfahl zunächst die Generalversammlung den VN-Mitgliedstaaten, vergleichbare Maßnahmen vorzunehmen'"". Erst am 16. Juni 1993 jedoch konnte dann der Sicherheitsrat die

"" Somalia: Entschl. 733/1992, Liberia: Entschl. 788/1992; Angola: Entschl. 864/ 1994. Vgl. zu Angola nun auch den Gemeinsamen Standpunkt 95/413/GASP vom 2.10.1995, ABI. L 245/1 vom 12.10.1995. 17. Die birmanische Regierung weigerte sich, die in den Wahlen vom 27.5.1990 gewählte Regierung anzuerkennen. Zu den Maßnahmen im Rahmen der EPZ vgl. die Erklärung vom 29.7.1991, Bull. EG 7/8-1991, Ziff. 1.4.10, S. 114. Allgemein zu den Wirtschaftssanktionen gegen Myanmar vgl. HI!fbauer/Schoff/ElIioft, Vol. 2, S.61O ff. Schließlich wurde am 28.10.1996 ein Gemeinsamer Standpunkt (96/635/GASP) betreffend ein Embargo ftir Waffen, Munition und militärische Ausrüstung festgelegt, ABI. L 287/1 vom 8.11.1996. "11 VO (EG) Nr. 2967/93 vom 25.10.1993, ABI. L 268/1 vom 29.10.1993. '>I Vgl. hierzu das Handbuch der deutschen Exportkontrolle, Kapitel IV.3.2., S. 3 ff. Die im Februar 1992 vorgenommene Ankündigung Bonns, jede Lieferung von Waffenund Rüstungsmaterial in die Türkei aufgrund der Bedrohung der Kurden durch deutsche Waffen einzustellen, wurde nicht realisiert. Zum einen sprachen sich die EG-Außenminister gegen ein gemeinsames Waffenembargo aus, zum anderen drohte die Handelskammer in Istanbul im Gegenzug mit Boykottmaßnahmen gegen Deutschland; vgl. FAZ vom 28.2.1992 (Nr. 50), S. I und FAZ vom 3.4.1992 (Nr. 81), S. 2. ,,, Res. 46/7 vom 3.10.1991 (Text in: Riv. 1992, S. 213 f.); vgl. hierzu EA 1991, Zeittafel, S. 237. Diese umfassenden OAS-Wirtschaftssanktionen wurden jedoch von einer Reihe von europäischen, südamerikanischen und afrikanischen Staaten ignoriert; vgl. FAZ vom 1.6.1992 (Nr. 118), S. 1. Die Resolution vom 14.10.1991 ist (ohne genauere Angabe) abgedruckt in: RGDIP 1991, S. 990 ff; die Überschrift auf S. 991 ("Resolution 699") ist falsch. Zu den Wirtschaftssanktionen der USA gegen Haiti vgl. Hlljbauer/Schoft/Ellioft, Vol. 2, S. 598 ff. IM)

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb internationaler Organisationen

83

Resolution 841 (1993) verabschieden, die ein Teilembargo vorsah'84. Nach der Unterzeichnung des VN-Planes zur Rückkehr von Präsident Aristide durch Vertreter des Militärregimes am 4. Juli 1993 wurden die VN-Wirtschaftssanktionen am 27. August 1993 zunächst ausgesetzt"5. Als Reaktion auf bewaffnete Demonstranten, die amerikanische und kanadische Friedenstruppen an der Landung auf Haiti hinderten, wurde jedoch die Aussetzung der Wirtschaftssanktionen mit der Resolution 873 (1993) vom Sicherheitsrat am 13. Oktober 1993 wieder zurückgenommen"6. Auf der Ebene der EG erfolgte nicht der gewohnte Gleichklang zwischen den Organen der Gemeinschaft und der Abstimmung im Rahmen der EPZ. Zunächst zeigte die Kommission eine bemerkenswerte Eigenständigkeit. Sie suspendierte mit Beschluß vom 2. Oktober 1991 die im Abkommen von Lome IV vorgesehene WirtschaftshiIfe für Haiti"'. Diese Entscheidung wurde zwei Tage später durch die zwölf Mitgliedstaaten im Rahmen der EPZ bestätigt, wobei gleichzeitig die nationalen Hilfen ausgesetzt wurden"'. Am 2. Dezember 1991 übernahmen die Außenminister der Mitgliedstaaten im Rahmen der EPZ die Initiative, indem sie sich für ein umfassendes Handelsembargo aussprachen. Nun verzichtete der Rat der EG auf die Vornahme eines entsprechenden Gemeinschaftsrechtsaktes"9. Als Begründung wurde vorgebracht, daß Wirtschaftssanktionen aufgrund eines fehlenden Sicherheitsratsbeschlusses nach Kapitel VII gegen das Abkommen von Lome und gegen das GATT verstoßen

'84 Res./SC/841 (1993) vom 16.6.1993, Text in: VN 1993, S. 213; hierzu Beyerlin, Sanctions, Rdnr. 27. Zu den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen in Haiti: The Economist, 1993 (Vol. 329, Nr. 7834), S.53. '85 Res./SC/861 (1993) vom 27.8.1993, Text in: VN 1994, S. 33; vgl. SZ vom 5.7.1993 (Nr. 151), S. 7. ,.. Res./SC/873 (1993) vom 13.10.1993, Text in: VN 1994, S. 35 sowie Res./SC/875 (1993) vom 16.10.1993, Text in: VN 1994, S. 35; vgl. FAZ vom 13.10.1993 (Nr. 238), S. 7, SZ vom 27.6.1994 (Nr. 145), S. 8 sowie Fastenrath, in: FAZ vom 20.10.1993 (Nr. 244), S. 2. Zu den immer wieder geplanten Verschärfungen vgl. FAZ vom 24.5.1994 (Nr. 118), S. 7 sowie SZ vom 3.8.1994 (Nr. 177), S. 9. 187 Beschluß vom 2.10.1991, Bull. EG 10-1991, ZifT. 1.3.28, S. 77. Vgl. hierzu auch die Entschließungen des Parlaments vom 10.10.1991, ABI. C 280/91 vom 28.10.1991, S. 128 f.; vom 13.2.1992, ABI. C 67/92 vom 16.3.1992, S. 140 f.; vom 9.4.1992, ABI. C 125/92 vom 18.5.1992, S. 222 f. ,•• Agence Europe vom 4.10.1991 (Nr. 5581), S. 4. 189 Agence Europe vom 18.12.1991 (Nr. 5632), S. 7. Vorausgegangen war ein Vorschlag der Kommission, der ebenfalls ein Handelsembargo vorsah; Dok. Kom. (91) 546 endg. und Dok. Kom. (91) 545 endg. vom 12.12.1991. Hierzu Vaucher, RTD 1993, S. 48 f.

84

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

würden l90 • Selbst die infolgedessen in Aussicht genommene Kündigung des Abkommens von Lome IV gegenüber Haiti wurde nicht vorgenommen l91 • Erst aufgrund der Feststellung in der Resolution 841 (1993), daß die Wirtschaftssanktionen unbeschadetjeglicher vor dem 23. Juni 1993 abgeschlossenen Verträge durchzufiihren seien, erließ die Gemeinschaft auf Grundlage des Art. 113 EGV am 24. Juni 1993 die Verordnung Nr. 1608/93 192 , die ausdrücklich in ihrer Begründung betonte, daß daher das Abkommen von Lome IV den gemeinschaftlichen Wirtschaftssanktionen nicht entgegenstehe. Dem Sicherheitsrat nachfolgend wurden dann auch auf gemeinschaftlicher Ebene die Wirtschaftssanktionen zunächst kurzfristig ausgesetzt l93 • Als letzte Maßnahme im Bereich der Wirtschaftssanktionen vor Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages, mithin noch "gestützt auf Art. 113 EGV", wurde dann am 28. Oktober 1993 die Ausserkraftsetzung der entsprechenden Verordnung wieder zurückgenommen l94 • In der Bundesrepublik erfolgte die vollständige legislative Umsetzung mit bedenklicher Verspätung, da erst am 30. März 1994 die entsprechende 32. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 25. März 1994 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, welche die Beschränkung "auf Grund der Resolutionen 841 (1993) und 873 (1993)" nun in Form des § 690 AWV in die AWV einfiigte l9s • 14. VNIEG v. Libyen I (1992) a) VN

Wegen des Bombenattentats auf ein amerikanisches Flugzeug über Lockerbie verhängte der Sicherheitsrat auf der Grundlage von Kapitel VII der SVN mit der Resolution 748 (1992) vom 31. März 1992 gegen Libyen ein Luftver190 Antwort vom 9.9.1992 auf die Schriftliche Anfrage Nr. 593/92 von Herm Gijs de Vries an die EPZ vom 19.3.1992, ABI. C 274/41 vom 22.10.1992; vgl. auch Monar, Das duale System, S. 77. 19' Siehe hierzu unten Zweiter Teil, § 5 I. 2. c) bb) (3) (S. 143); vgl. ferner Monar, Das duale System, S. 77. '92 VO (EG) Nr. 1608/93 vom 24.6.1993, ABI. L 155/2 vom 26.6.1993. '93 VO (EG) Nr. 2520/93 vom 13.9.1993, ABI. L 232/3 vom 15.9.1993. '94 VO (EG) Nr. 3028/93 vom 28.10.1993, ABI. L 270173 vom 30.10.1993. '9S 32. Änderungsverordnung vom 25.3.1994; Text in: Bundesanzeiger vom 30.3.1994 (Nr. 62), S. 3593; vgl. aber bereits auch die 31. Änderungsverordnung vom 14.12.1993, Text in: Bundesanzeiger vom 21.12.1993 (Nr. 239), S. 10937, mit der § 69n AWV eingefügt wurde, sowie die Anordnung zu Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs vom 19.10.1993, Text in: Bundesanzeiger vom 29.10.1993 (Nr. 205), S. 9777. Zur Umsetzung der Resolutionen durch andere Staaten außerhalb der Gemeinschaft vgl. beispielsweise die Sanktionsgesetzgebung der Schweiz vom 30.6.1993, aufgeführt in: European Current Law, 1994, S. 115 (Ziff. 259).

I. Kollektive Wirtschaftssanktionen innerhalb intemationaler Organisationen

85

kehrsembargo sowie ein selektives Exportembargo flir Waffen, Luftfahrzeuge und Luftfahrzeugbauteile'%. Ferner wurden entsprechende technische Dienstleistungen verboten. Bereits am 30. April 1992 verabschiedete der gern. Ziff. 9 der Resolution eingesetzte Ausschuß zur Überwachung der Wirtschaftssanktionen umfassende interne Verfahrensregeln'"'. Libyen hatte zuvor, um diese Wirtschaftssanktionen zu verhindern, eine einstweilige Verfligung gegen die USA und Großbritannien beim Internationalen Gerichtshof beantragt'"". Nach Abweisung des Antrages und Erlaß der Resolution erklärte der libysche Revolutionsflihrer Gaddhafi die Resolution 748 (1992) flir nichtig, da das Kapitel VII der SVN mangels Bedrohung des Weltfriedens nicht einschlägig sei'"". b)EG

Im Rahmen der EPZ forderten zunächst die Außenminister der EG-Mitgliedstaaten Libyen zur Einhaltung der VN-Resolution auf"'. Am 14. April 1992 erließ der Rat der EG die VO Nr. 945/92~"'. Diese wird gestützt auf Art. 113 EWGV und nimmt ausdrücklich auf die Resolution 748 (1992) Bezug; es fehlt dagegen die sonst gebräuchliche Erwähnung des vorangegangenen EPZBeschlusses. Trotz Kürzung des Wortlautes stellt die EG-Verordnung inhaltlich

,% Res./SC/748 (1992) vom 31.3.1992, Text in: VN 1992, S. 68 f.; angenommen mit zehn Stimmen und fUnfEnthaitungen (China, Kap Verde, Indien, Marokko, Simbabwe). Diese Wirtschaftssanktionen waren vorbereitet worden durch die Res./SC/731 (1992) vom 21.1.1992, Text in: VN 1992, S. 67 f. Eine zögemde Haltung nahm die Arabische Liga ein, die teilweise Libyen mit der Aufforderung zum Aufschub der Maßnahmen unterstützte; vgl. FAZ vom 23.3.1992 (Nr. 70), S. 8 und SZ vom 16.8.1993 (Nr. 187), S. 5 (zur geplanten Verlängerung und Erweiterung der Wirtschaftssanktionen auf Ausrüstungsgegenstände der Ölindustrie und das Sperren libyscher Guthaben im Ausland). Zu den Maßnahmen gegen Libyen vgl. Beveridge, ICLQ 41 (1992), S. 907 ff. ,., AusfUhrlich hierzu die Notiz fUr die neuen Mitglieder des Ausschusses vom 5.1. 1993, Dok. S/AC.28/1993/COMM 1. '9M Dies ist der erste Fall, in dem ein Land, wenn auch erfolglos, versuchte, VN-Wirtschaftssanktionen durch das Gericht in Den Haag abzuwehren; vgl. FAZ vom 28.3.1992 (Nr. 75), S. 6. sowie zur Verhandlung FAZ vom 30.3.1992 (Nr. 76), S. 5. Libyen vertrat die Auffassung, daß der Streit über die Auslieferung der mutmaßlichen Attentäter auf der Grundlage der Konvention von Montreal über die Eingriffe in den Flugverkehr abschließend zu beurteilen sei. Der Antrag Libyens wurde am 14.4.1992 mit elf gegen fUnfStimmen vom IGH abgewiesen; vgl. FAZ vom 15.4.1992 (Nr. 90), S. 1. '99 FAZ vom 6.4.1992 (Nr. 82), S. 6. "" Erklärung vom 6.4.1992, (inoffizielle) Übersetzung in: Europe vom 8.4.1992 (Nr. 5706), S. 4. '''' VO (EWG) Nr. 945/92 vom 14.4.1992, ABI. L 101/53 vom 15.4.1992.

86

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

eine Wiederholung der VN-Resolution dar1111 • Nur das Waffenembargo wird in dem Gemeinschaftsakt nicht erwähnt; es wird im Rahmen der EPZ aufgrund entsprechender Vereinbarungen alleinig durch nationale Rechtsakte der zwölf Mitgliedstaaten durchgeflihrt. c) BlIndesrepublik

Die beschlossenen Maßnahmen setzte die Bundesregierung mit der 21. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 15. Juli 1992 um~"'. In dem neu geschaffenen § 69g AWV spiegeln sich weitgehend dekkungsgleich die mit der VN-Resolution 748 (1992) beschlossenen Verbote wider. Über die ansonsten inhaltsgleiche EG-Verordnung geht § 69g A WV jedoch hinaus, indem er auch ein Verbot flir Waffenexporte begründet. Als Rechtsgrundlage werden die § 27 Abs. I S. I und 2 i.V.m. § 2 Abs. I sowie die §§ 5 und 7 Abs. I und 3 AWG genannt. Da es sich nicht um ein totales Exportembargo handelt, ist das übliche Genehmigungsverfahren nicht erforderlich. Der Ausflihrer hat lediglich in der Ausfuhrerklärung die Versicherung abzugeben, daß die Lieferung nicht einem Verbot nach § 69g AWV unterliegt. Sollte in Ausnahmefällen die Zollstelle einen weitergehenden Nachweis verlangen, kann der Ausflihrer beim Bundesausfuhramt eine Bestätigung darüber erlangen, daß die Ausfuhr nicht von dem Verbot des § 69g A WV erfaßt wird 111",.

'''' Eine über die VN-Resolution hinausgehende Einführung eines Lizenzsystems für alle Exporte nach Libyen, wie noch im Vorschlag für die Verordnung vorgesehen, wurde nicht beschlossen; vgl. Dok. KOM (92) 142 endg. vom 7.4.1992, dort Art. 3. "'"' 21. Änderungsverordnung vom 15.4.1992; Text in: Bundesanzeiger vom 16.4. 1992 (Nr. 75), S. 3277 f. Gewisse Ungenauigkeiten sind bei den erfaßten Gütern festzustellen, wenn es in der Verordnung "Rüstungsmatierial" heißt, obwohl in der UN-Resolution von "arms" die Rede ist. Eine Übersetzung mit "Waffen" wäre mithin geboten gewesen. Zu Rechtsunsicherheiten führte diese terminologische Ungenauigkeit etwa in dem Verfahren des LG Stuttgart, ZfZ 1997, S. 135 ( 137). ,... Vgl. hierzu Handbuch der deutschen Exportkontrolle, Kapitel IV.3.2.4, S. 3 ff. (mit Merkblatt des Bundesausfuhramtes für Ausfuhren nach Libyen).

11. Koordinierte Wirtschaftssanktionen außerhalb internation. Organisationen

87

11. Koordinierte Wirtschaftssanktionen außerhalb internationaler Organisationen Bei dieser Gruppe von Wirtschaftssanktionen koordinieren ohne die Mitwirkung internationaler Organisationen mehrere Staaten lediglich ihre einzelstaatlichen Wirtschaftssanktionen. Die übliche Bezeichnung als "kollektive" Wirtschaftssanktionen ist daher mißverständlich~";. Die Abstimmung erfolgt durch unverbindliche Absprachen, gemeinsame Beschlüsse oder durch bi- oder multilaterale Verträge. Probleme, die bei der Verzahnung von unterschiedlichen Normgebern bestehen, können hier nicht auftreten, da qualitativ gleichrangige Normgeber tätig werden. Diese Gruppe der Wirtschaftssanktionen verliert zugunsten der innerhalb internationaler Organisationen verhängten Wirtschaftssanktionen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. In der bisherigen Staatenpraxis sind nur wenige koordinierte Wirtschaftssanktionen durchgeruhrt worden~''''. Zur Beendigung des Bürgerkrieges in China verboten die USA, Rußland, Japan, Brasilien und die meisten europäischen Staaten den Export von Kriegsmateriafll7. Ebenfalls auf Waffen- und Kriegsgeräte beschränkt war das Exportembargo, das im Spanischen Bürgerkrieg gegen die Bürgerkriegsparteien aufgrund des Nichteinmischungsabkommens vom August 1936 von fast allen europäischen Staaten verhängt wurde~"M. Jugoslawien wurde von 1948 bis 1955 von den Mitgliedstaaten des Warschauer Pakts mit einem umfassenden Handelsembargo belege'J9. Mit dem Röhrenembargo von 1962 bis 1966 unterbrachen die NATO-Mitgliedstaaten gegenüber der UdSSR die Lieferung von Stahlröhren"". Die Gruppe der erdölausruhrenden Länder verhängte in den Jahren 1967 und 1973 ein Exportembargo rur Erdöl gegen die USA, Japan und die westeuropäischen Staaten, um diese zur Ände-

"" So aber Gornig, JZ 1990, S. 114; Lindemeyer, S. 241. ,,'" Einen ausruhrlichen Überblick rur den Bereich des Handelsembargos gibt Lindemeyer, S. 251 ff. "" Dieses Exportembargo war von 1919-1929 in Kraft. Es erfolgte aufgrund eines entsprechenden Vertrages der sanktionierenden Staaten; ausruhrlich hierzu Lindemeyer, S. 251 ff. '0' Vgl. Lindemeyer, RIW 1981, S. 13. "19 Vgl. Doxey, S. 29 ff.; Lindemeyer, S. 282 f.; Gornig, JZ 1990, S. 114. 21" Zwar war diesem Exportembargo ein Beschluß des Nordatlantikrates vorausgegangen; jedoch ergibt sich aus der Unverbindlichkeit des Beschlusses, der unterschiedlichen Ausruhrung und den entsprechenden Äußerungen der Staaten, daß hier der Nordatlantikrat lediglich als Diskussionsforum rur die Koordination einzelstaatlicher Wirtschaftssanktionen diente. Es kann daher wohl noch nicht von kollektiven Wirtschaftssanktionen innerhalb einer internationalen Organisation gesprochen werden; vgl. Spothelfer, S. 68 ff.; Jacobsen, S. 122; Ausschuß rur Außenwirtschaftsbeziehungen, EP-Sitzungsdokument 1982-83, Dok. 1-83/82 vom 8.4.1982, S. 14.

88

§ 3 Wirtschaftssanktionen in der Praxis

rung ihrer Politik gegenüber Israel zu zwingen211 • Dieses Embargo wurde von den meisten Mitgliedstaaten der Organisation der arabischen erdölexportierenden Länder (OAPEC) und nicht von der Organisation selbst verhängt; die OAPEC hatte hier, vergleichbar mit der Rolle des Nordatlantikrates im Röhrenembargo, nur die Funktion einer Koordinierungsstelle für die einzel staatlichen Maßnahmen 212 • Mit einem (Re-) Exportembargo für Ausrüstungsgüter der Erdgas industrie versuchten einige Staaten auf Initiative der USA im Jahre 1982 das europäisch-sowjetische Erdgasröhrengeschäft zu Fall zu bringen2lJ • Insbesondere der Protest der EG und ihrer Mitgliedstaaten führte jedoch dazu, daß die insgesamt erfolglosen Zwangsmaßnahmen nach kurzer Zeit wieder aufgehoben wurden214 • Im Iran-Irak Konflikt beschlossen schließlich die Mitgliedstaaten der EG in der EPZ ein Exportverbot für chemikalische Produkte2lS • Einen Sonderfall stellt das von den USA und ihren Verbündeten seit 1947 durchgeführte strategische Ost-Embargo (CoCom-Regime) dar216 • Insbesondere hochtechnologische Erzeugnisse werden in der von der Consultive Group in Paris zusammengestellten Liste erfaßt und so einem teilweisen Exportembargo für Ausfuhren insbesondere in osteuropäische Länder unterworfen. Die CoCom-Vereinbarungen sind lediglich politische Übereinkünfte, denen keine völkerrechtliche Verbindlichkeit zukommt. Sie erhalten ihre rechtliche Ausgestaltung erst durch die einzelstaatliche Normierung. Die Bundesrepublik hat die CoCom-Liste durch Verordnungen auf der Grundlage von § 7 Abs. 1 AWG übernommen217 • Diese nationalen strategischen Exportkontrollen sind insbesondere im Hinblick auf das europäische Gemeinschaftsrecht problematisch218 • Die 211 Vgl. von Heynitz, in: Müller, Wirtschaftssanktionen, S. 145 fT.; Paust/Blaustein, AJIL 68 (1974), S. 410 fT.; Shihata, AJIL 68 (1974), S. 591 fT. 212 Initiative, Festsetzung des Umfanges und die Verantwortung für die Ausführung lagen alleinig bei den Staaten; wie hier auch Verhoeven, CDE 1984, S. 280; Kißler, S. 150. 213 Es sind mehrere Abhandlungen zu diesem zweiten Röhrenembargo erschienen: Neuss, S. 1 tT., 74 tT., 202 fT.; Yakemtchouk, Studia Diplomatica 37 (1984), S.461 fT.; Spothelfer, S. 61 fT.; Däubler, ZRP 1982,285 ff.; Erger, RBDI 18 (1984-1985 I), S. 166 fT.; Picciotto, DuR 1983, 262 ff.; Boer/Kotting, IPRax 1984, S. 108 ff.; Audit, Rev.crit.dr.i.p. 72 (1983), S. 399 f1; Erge