Wirtschaft in der Verantwortung: Management und Kommunikation im Spannungsfeld zwischen Ethik und Ökonomik 4619760806, 9783767571501, 3767571501

Seit der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 wird das Verhältnis von Markt und Moral wieder heftig diskutiert. Wie weit ge

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Wirtschaft in der Verantwortung: Management und Kommunikation im Spannungsfeld zwischen Ethik und Ökonomik
 4619760806, 9783767571501, 3767571501

Table of contents :
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Title
Copyright
Inhaltsverzeichnis
Danksagung und Widmung
Vorwort
Einleitung
1. Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion Eine Verhältnisbestimmung vom Alten Testament bis in die G
2. Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik
3. Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis
4. Zusammenfassung: Wirtschaften zwischen Ethik und Ökonomik
5. Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln als Kommunikationsund Managementkonzept
6. Conclusio und Ausblick CSR als Kommunikationsund Managementkonzept verantwortlichen und nachhaltigen unternehmerischen Handel
7. Anhang

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Kontexte. Neue Beiträge zur historischen und systematischen Theologie Begründet von Johannes Wirsching Herausgegeben von Jörg Lauster und Bernd Oberdorfer

Band 42

Christopher G. Große Wirtschaft in der Verantwortung Management und Kommunikation im Spannungsfeld zwischen Ethik und Ökonomik

Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K.

Mit 1 Abbildung, 6 Grafiken und 73 Tabellen. Die Umschlagabbildung zeigt Hochhäuser in New York City © Christopher G. Große.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Eine eBook-Ausgabe ist erhältlich unter DOI 10.2364/4619760806. © Edition Ruprecht Inh. Dr. R. Ruprecht e.K., Postfach 17 16, 37007 Göttingen – 2011 www.edition-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG. Satz: Christopher G. Große Layout: mm interaktiv, Dortmund Umschlaggestaltung: klartext GmbH, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach ISBN: 978-3-7675-7150-1

Gewidmet meinen Eltern – und der Erinnerung an Joschi

Inhaltsverzeichnis Danksagung und Widmung...........................................................11 Vorwort........................................................................................13 Einleitung.....................................................................................15 1.

Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion Eine Verhältnisbestimmung vom Alten Testament bis in die Gegenwart....................................................................................20

1.1

Mammon und Moral: Das Verhältnis von christlicher Religion und Wirtschaft..............................................................................................................20

1.2

Suche und Bestimmung eines Verhältnisses.................................................22 Wirtschaften und Ethik in der christlichen Religionsgeschichte.............22

1.2.1

Altes Testament/Judentum...............................................................................23

1.2.2

Neues Testament.................................................................................................25

1.2.3

Wirtschaft und Wirtschaftsethik in der Geschichte der christlichen Kirchen..................................................................................................................27

1.3

Wirtschaftsethische Fragestellungen in katholischer Soziallehre und evangelischer Sozialethik........................57

1.3.1

Die katholische Soziallehre...............................................................................57

1.3.2

Wirtschaftsethische Stellungnahmen des Lehramts vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart...............................................................86

1.3.3

Ausblick: Wirtschaftsethische Positionen in der katholischen Soziallehre...........................................................................................................112

1.3.4

Ökumenische Stellungnahmen zur Wirtschaftsethik...............................115

1.3.5

Die Entwicklung wirtschaftsethischer Gedanken in der evangelischen Sozialethik................................................................................122

1.3.6

Wirtschaftsethische Stellungnahmen der Evangelischen Kirche in Deutschland...................................................................................................148

1.4

Wirtschaftsethik in der christlichen Religionsgeschichte: Ein Ausblick.......................................................................................................174

8

Inhaltsverzeichnis

2.

Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik....................................177

2.1

Auf der Suche nach Verantwortung: Wirtschaftskrise als Vertrauenskrise..................................................................................................177

2.1.1

Von der Finanz- zur globalen Wirtschaftskrise..........................................177

2.1.2

Die Wiederentdeckung der Moral.................................................................184

2.1.3

Die Krise als Vertrauenskrise.........................................................................189

2.1.4

Die Krise: Krise der Wirtschaftswissenschaften?......................................198

2.2

Entwicklung ethischer Gedanken innerhalb der Wirtschaftswissenschaften..............................................................................202

2.3

Ethik und Ökonomik: Unvereinbare Gegensätze?...................................207

2.4

Die geistesgeschichtliche Entwicklung der Ökonomik.............................210

2.5

Entwicklung des Zuordnungsverhältnisses von Ethik und Ökonomik...................................................................................................212

2.6

Unterschiedliche Wirtschaftsethikmodelle und das Selbstverständnis der Disziplin..............................................................214

2.7

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik ............................218 in der aktuellen wirtschaftsethischen Debatte............................................218

2.7.1

Ökonomik als Ausgangsparadigma..............................................................218

2.7.2

Ethik als Ausgangsparadigma.......................................................................233

2.8

Wirtschaftsethik als Brückendisziplin..........................................................260

2.9

Bedarf einer Wirtschafts- und Unternehmensethik..................................262

3.

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis................................................271

3.1

Unternehmerische Verantwortung als ethisches Konzept.......................271

3.1.1

Entwicklung unternehmerischer Verantwortung......................................271

3.1.2

Unternehmen als Akteure – das Problem der Verantwortung...............274

3.1.3

Ursachen für verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln..........................................................................294

3.2

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung...............................................................316

3.2.1

Corporate Social Responsibility als Management- und Kommunikationskonzept verantwortlichen und nachhaltigen unternehmerischen Handelns........................................................................316

Inhaltsverzeichnis

9

4.

Zusammenfassung: Wirtschaften zwischen Ethik und Ökonomik............................................................................351

5.

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln als Kommunikations- und Managementkonzept............371

5.1

Untersuchungsproblem, Forschungsgegenstand und Forschungsfrage........................................................................................371

5.2

Entdeckungszusammenhang: .......................................................................372 Nachhaltiges verantwortliches Handeln bei der Krones AG..................372

5.3

Untersuchungsdesign und Operationalisierung........................................379

5.3.1

Grundlagen qualitativer Forschung..............................................................381

5.3.2

Begründung und Durchführung leitfadengestützter Experteninterviews...........................................................................................382

5.3.3

Aufbau des Leitfadens.....................................................................................385

5.3.4

Vorstudie zum Interviewleitfaden (Pretest)................................................386

5.4

Organisation und Durchführung der leitfadengestützten Experteninterviews...........................................................................................389

5.4.1

Auswahl der Interviewpartner.......................................................................389

5.4.2

Organisation der leitfadengestützten Experteninterviews......................392

5.4.3

Durchführung der leitfadengestützten Experteninterviews...................393

5.5

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews........................396

5.5.1

Grad der Sensibilisierung für Corporate Social Responsibility............397

5.5.2

Grad der Etablierung von Corporate Social ResponsibilityMaßnahmen.......................................................................................................400

5.5.3

Bewertung und Erwartung.............................................................................412

5.6

Quantifizierung.................................................................................................424

5.6.1

Begründung und Durchführung der Befragung.......................................424

5.6.2

Auswahl der Stichprobe..................................................................................425

5.6.3

Operationalisierung.........................................................................................427

5.6.4

Pretest und Feldphase......................................................................................433

5.6.5

Auswertung der quantitativen Befragung...................................................435

5.7

Zusammenfassung: Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln als Kommunikations- und Managementkonzept bei der Krones AG.........521

10

Inhaltsverzeichnis

6.

Conclusio und Ausblick CSR als Kommunikations- und Managementkonzept verantwortlichen und nachhaltigen unternehmerischen Handelns und eine neue ethische Kommunikation......................524

7.

Anhang.......................................................................................529 Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen...............................................529 Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen...............................................533 Verzeichnis der verwendeten Literatur........................................................535 Register...............................................................................................................585

Danksagung und Widmung An dieser Stelle möchte ich all jenen meinen Dank aussprechen, die mich bei der Entstehung dieser Arbeit und der ihr in Teilen zugrunde liegenden empirischen Studien beraten, unterstützt und auf diesem Weg begleitet haben und es mir so ermöglichten, diese Herausforderung zu bewältigen. Großen Dank möchte ich meinem Betreuer und Erstgutachter Prof. Dr. Bernd Oberdorfer aussprechen für die Möglichkeit zu dieser Arbeit und die Aufnahme in seine Reihe, seine große Unterstützung und die wertvollen wie kenntnisreichen Hinweise, aber auch für das stets offene Ohr, seine Zeit, Zuversicht, die vielen aufmunternden Worte und den Glauben an dieses interdisziplinäre Projekt. Herzlich danken möchte ich überdies meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Erik E. Lehmann. Dank gilt ebenfalls meiner Drittgutachterin Prof. Dr. Marion Schmaus. In besonderer Weise möchte ich Herrn Prof. Dr. Thomas Schwartz für die engagierte, motivierende und vor allem fachkundige Beratung, die unzähligen nützlichen Anregungen sowie die klaren und in der Regel sehr klugen und hilfreichen Worte danken. Vor allem den vielen Freundinnen und Freunden möchte ich aufrichtig danken, die mich auf meinem Gang durch die unterschiedlichen fachlichen Methodiken kompetent und selbstlos beraten und unterstützt haben und die – noch wichtiger – während der vergangenen Jahre vielfach eine Menge Geduld mit mir hatten und mich beharrlich (wenn auch mitunter erfolglos) daran erinnerten, dass es ein Leben neben der Arbeit gibt. Stellvertretend für viele weitere, denen ich sehr verbunden bin, möchte ich an dieser Stelle Sebastian S., David, Khai, Marco, Hardy, Michael S. und Liisa, Sebastian D., Johannes, Felix, Philipp, Sebi und Vera, Jonny, Michael H. sowie meiner Cousine Bettina meinen Dank aussprechen. Dank gebührt ferner der Krones AG, die mein Forschungsvorhaben vom ersten Tag an mit allen Kräften unterstützte und so zu dessen Realisierung maßgeblich beitrug. Herzlich danken möchte ich Hermann Graf zu Castell-Rüdenhausen für die produktive Zusammenarbeit und die hervorragende Unterstützung. Danken möchte ich weiterhin dem Vorstandsvorsitzenden Volker Kronseder, dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Werner Schrödl sowie dem Leiter Personalmanagement und Soziales Wolfgang Preßler für ihr Entgegenkommen und die stets unbürokratische und reibungslose Zusammenarbeit sowie allen Interviewpartnern, Befragten und allen weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mich bei meiner Arbeit unterstützten, insbesondere den Abteilungen Corporate Communications und Informationsmanagement. Weiterhin danken möchte ich meinem Arbeitgeber, dem Berufsbildungszentrum Augsburg, insbesondere der Geschäftsführerin Maria Klingelstein sowie allen Kolleginnen und Kollegen, die mir während der Erstellung meiner Dissertationsschrift eine flexible Einteilung meiner Arbeitszeit ermöglichten, ohne die ich nicht ausreichend Muße für diese Arbeit gefunden hätte.

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Danksagung und Widmung

Mein herzlicher Dank gilt zudem der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für den in Aussicht gestellten Druckkostenzuschuss. Abschließend möchte ich den wichtigsten Menschen in meinem Leben meinen tief empfundenen Dank aussprechen: Meinen Eltern Christiane und Berthold, die viele hundert, in Teilen vermutlich sehr anstrengende Seiten kritisch Korrektur gelesen haben, mich aber vor allen Dingen in den zurückliegenden gut drei Jahrzehnten in herausragender und – dem Thema dieser Arbeit entsprechend – verantwortlicher wie nachhaltiger Weise unterstützt und gefördert haben und mich auf meinem Weg in ihrer Liebe und Großzügigkeit immer bestärkt haben. Ihnen – und der Erinnerung an Joschi, der während des Abfassens dieser Arbeit viel zu früh gegangen ist – sei meine Arbeit gewidmet.

Vorwort Mit dem Neuland ist das ja so eine Sache. Da gibt es die Einen, die immer nur davor zurückschrecken, sich mürrisch und stur an Altes und vorgeblich Bewährtes klammernd. Und da gibt es die Anderen, die viel Energie darauf verwenden, die Schnellsten, Höchsten, Weitesten zu sein und immer schon gewesen zu sein – oder es zumindest so aussehen zu lassen – die immer schon einen Schritt weiter zu sein meinen, noch bevor sie überhaupt losgegangen sind. Irgendwo zwischen Bewahrung und blindem Zukunftsglauben: so etwas wie der vermutete Königsweg. „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sagt Hermann Hesse. Die Suche danach: zumeist spannend. Und so ist diese Arbeit etwas Besonderes – eine Arbeit besonders vieler Spannungsfelder: zwischen wissenschaftlichen Disziplinen, wie es ein interdisziplinärer Ansatz notwendigerweise mit sich bringt, zwischen Ethik und Ökonomik, wie es Thema und Konzept dieser Arbeit notwendigerweise mit sich bringen, zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, wie es eine von zwei unterschiedlichen Institutionen mit ihren unterschiedlichen Interessen geprägte Arbeit notwendigerweise mit sich bringt, zwischen wissenschaftlichen Methoden, wie es die wechselseitige Berücksichtigung geistes-, sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Vorgehensweisen notwendigerweise mit sich bringt. Diese Gegensätze zu nutzen und zu einem größeren und sinnvollen Ganzen zu verbinden, ist eine Aufgabe, die in einer einzelnen Studie zweifelsohne nicht einmal in Ansätzen gelöst werden kann. Doch der ambitionierte Studiengang Ethik der Textkulturen, in dem dieses Promotionsvorhaben seinen Anfang nahm, hat das Vortasten auf Neuland zum Programm erhoben. Und so gelingt es vielleicht, zum Nach- und Weiterdenken anzuregen und so die ersten vorsichtigen Schritte in eine gute Richtung zu machen. Das wäre mit Sicherheit auch Hesse Recht gewesen.

“When I use a word,” Humpty Dumpty said, in rather a scornful tone, “it means just what I choose it to mean – neither more nor less.” “The question is,” said Alice, “whether you can make words mean so many different things.” “The question is,” said Humpty Dumpty, “which is to be master – that’s all.” (Lewis Carroll: Through the Looking Glass, and What Alice Found There)

Wollte man aber das Lustbringende und das sittlich Gute für ein Zwingendes ausgeben, insofern es nämlich außen ist und darum Zwang ausüben soll, dann wäre alles ohne Ausnahme zwingend. Denn um dieser Dinge willen tun alle alles. Auch sind die erzwungenen und unfreien Handlungen schmerzlich, während das um der Lust und des Guten willen Getane uns Freude macht. Es ist also lächerlich, die äußeren Güter anzuklagen und nicht sich selbst, der man so leicht von Derartigem gefangen wird, lächerlich, das Gute sich selbst zuzuschreiben, das Schimpfliche aber auf Rechnung des äußeren Reizes zu setzen. Erzwungen ist und bleibt doch wessen Prinzip außen ist, wo aber das den Zwang Erduldende nichts dazu tut. (Aristoteles: Nikomachische Ethik. Drittes Buch, Erstes Kapitel)

Einleitung Anlass und Thema dieser Arbeit Die Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs brachten der internationalen Gemeinschaft durch das Zusammenwachsen der nationalen Volkswirtschaften zu einem globalen Markt einen beeindruckenden Zuwachs an Wohlstand. Dies gilt zumindest für jene Länder und Bevölkerungsgruppen, die am Globalisierungsprozess Anteil hatten. Das enorme Wachstum der globalen Wirtschaftsleistung war aber nur möglich durch eine sich parallel dazu entwickelnde Veränderung des Finanzsystems. Diese brachte eine signifikante Erhöhung der Liquidität mit sich, die im Verbund mit weltweit relativ niedrigen Zinssätzen die Investitionsbereitschaft aller Marktteilnehmer erhöhte, die wiederum in der Folge das weltweite Wachstum befeuerten. Dabei war es für die global agierenden Unternehmen anfangs kein Hindernis, dass sich die politische Zusammenarbeit nicht analog zur wirtschaftlichen Verflechtung entwickelte. Gerade zu Beginn des Globalisierungsprozesses konnten dadurch für das Wachstum wichtige steuerliche und rechtliche Vorteile ausgenutzt werden. Das verschaffte nicht nur der Ökonomie nie gekannte Handlungs- und Gestaltungsfreiheit, die sie zur Steigerung ihrer Profite verwendete, sondern führte auch zu einem mit wachsendem Wohlstand verbundenen Anwachsen persönlicher Freiheit der Marktteilnehmer. Dass sich in einer solchen Situation eine global verstehende und ebenso weltweit agierende Wirtschaft nicht bereitwillig an neue Regeln gewöhnt, sondern darauf verweisen wird, dass das globale Wachstum und der Freiheitszuwachs der an diesem Prozess Beteiligten erst durch die Überwindung bislang geltender nationaler Regeln möglich waren, verwundert dabei nicht. Doch hat nicht erst der Beinahe-Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems im Gefolge der Subprime-Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten von Amerika die Dringlichkeit wirtschaftsethischen Fragens deutlich gemacht. Vielmehr hat schon die Globalisierung selbst Fragen nach der gerechten Gestaltung dieses Prozesses aufgeworfen. Dazu gehörte beispielsweise die Frage nach der Teilhabe an der Globalisierung: Wie gelingt es, die positiven Effekte weltweiter Kooperation auch den ärmsten und am wenigsten entwickelten Ländern zugute kommen zu lassen? Eine weitere Fragestellung ergab sich aus der mit der Globalisierung einhergehenden Notwendigkeit intensiver Kommunikation. Diese braucht Infrastruktur. Wer über keine Infrastruktur verfügt, ist von Information und den damit möglichen ethisch-zivilisatorischen Entwicklungspotentialen ausgeschlossen. Schließlich wirkt sich drittens globales Wirtschaften immer auch national und regional aus und wird zudem lokal erfahren. Das gilt nicht allein im Bereich der Medien (wo auch in den ärmsten Ländern der Welt in nahezu jeder Hütte ein

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Einleitung

Fernsehgerät steht). Das gilt vielmehr in besonderer Weise auch für den Bildungssektor, in dem es immer stärker auf ungehinderten Zugang zu Wissen ankommen wird. Denn nur durch Bildung wird zukünftiger Wohlstand möglich. Im Blick auf diese Herausforderungen tauchte bereits zu Beginn des Globalisierungsprozesses immer wieder das Faktum des Versagens nationaler Politik auf. Weder erreichte es die Politik vieler Länder gerade Afrikas, ihre Volkswirtschaften stärker als nur durch bloße Rohstofflieferungen an der Globalisierung zu beteiligen, noch gelang es ihr, die Armutsschere und den Bildungsnotstand in ihren Ländern wirksam zu bekämpfen. In dieser Situation offenkundigen Staatsversagens stehen die lokal präsenten aber global agierenden Unternehmen vor neuen, bisher nicht gekannten Herausforderungen. Sie sehen sich als Unternehmen in der Verantwortung gegenüber denjenigen Anspruchsgruppen, die von ihrem wirtschaftlichen Handeln direkt oder mittelbar betroffen sind. Zu diesen Anspruchsgruppen zählen aber nicht allein die gesellschaftlichen Akteure in o.g. Ländern. Eine in ihrer Bedeutung immer wichtigere Gruppe stellen vielmehr die Repräsentanten der sogenannten Non-Governmental Organizations (im Folgenden NGOs) dar. Ihre Existenz und ihr wachsender Einfluss können ohne Zweifel als Ausdruck der Tatsache verstanden werden, dass sich neben der Wirtschaft auch die Information und Kommunikation der Bürgergesellschaft stärker global vernetzen konnten, als es den politischen Akteuren möglich war. Deren Vermögen, in kürzester Zeit weltweite Aufmerksamkeit für ethisch fragwürdiges Verhalten zu erzeugen, ist gerade für global agierende Unternehmen zu einer nicht zu unterschätzenden Einflussgröße geworden. Die Fähigkeit der NGOs, im Rahmen ihres weltweiten Netzwerkes Informationen zu verbreiten, kann das Verhalten von Kunden und Investoren wesentlich beeinflussen und hat damit nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Reputation und den Börsenwert eines Unternehmens. Damit wird ethisch richtiges Verhalten zu einem wirtschaftlich fundierten Ziel der Unternehmen. Die von den NGOs eingeforderte Übernahme unternehmerischer Verantwortung entspricht damit in gewisser Weise spiegelbildlich den Frei- und Spielräumen und der gewachsenen Handlungsmächtigkeit der Unternehmen in einem globalen Markt. Beides ist ursächlich dafür, dass weltweit agierende Unternehmen heute ihre Verantwortung zunehmend wahr- und ernst nehmen. Die ethischen Forderungen an Unternehmen sind dabei nicht selten religiös fundiert, sind es doch gerade Vertreter religiöser, vor allem kirchlicher Gruppen, die besonders stark global vernetzt sind. Von daher ergibt sich die Notwendigkeit, die ethischen Positionen kennen zu lernen, die die beiden großen christlichen Kirchen zu wirtschaftlichen Themen einnehmen, aus denen besagte Gruppen ihre Motivation und konkreten Handlungspostulate ableiten. Diese Einbindung religiös-ethischer Positionen ist dabei nicht willkürlich. Fragen der gerechten Teilhabe am Wirtschaftsgeschehen in all seinen Ausprägungen stellen sich vielmehr von seinem Anfang an. Ge-

Einleitung

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rade die beiden großen christlichen Kirchen waren in der Religionsgeschichte stets Protagonisten dieser Auseinandersetzung und sind es bis heute. Die Übernahme von Verantwortung stellt für die betroffenen Unternehmen nicht nur eine ethische Herausforderung dar, sondern wirkt sich auf alle Kommunikations- und Managementprozesse aus: Einerseits muss verantwortliches Handeln allen betroffenen Anspruchsgruppen vermittelt werden; andererseits kann nur das glaubwürdig und transparent kommuniziert werden, was in der Unternehmensorganisation auch wirklich gelebt und umgesetzt wird. Diese Aufgabe versuchen Managementkonzepte zu bewältigen, die unter dem Label einer „Corporate Social Responsibility“ (CSR) firmieren. Sie versuchen, die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens nachhaltig unter den Aspekten von ökonomischer Vernunft, ökologischer Sensibilität und gesellschaftlicher Verantwortung zu gestalten. Diese Entwicklungen nachzuzeichnen, die konkrete Umsetzung im Rahmen eines unternehmerischen Prozesses darzustellen und die Wirkungen solcher Kommunikations- und Managementkonzepte auf bestimmte unternehmerische Anspruchsgruppen zu untersuchen, ist das leitende Anliegen dieser Studie.

Aufbau und Methode dieser Arbeit Vorliegende Untersuchung gliedert sich in vier Hauptteile. In einem ersten Teil möchte die Arbeit anhand einiger Schlaglichter aus der christlichen Theologiegeschichte die Ursprünge und die Entwicklung wirtschaftsethischer Positionen in den beiden großen christlichen Kirchen exemplarisch nachzeichnen. Auf diese Weise soll gezeigt werden, dass die menschliche Kultur seit der Zeit des Alten Testamentes bis hinein in unsere Gegenwart fortwährend von der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Wirtschaft und Ethik geprägt war, dass mit der Wirtschaft immer auch normative Fragen an wirtschaftliches Handeln einhergingen und dass mit der normativen Beurteilung des Wirtschaftens immer auch eine explizite oder zumindest implizite Zuordnung zwischen Ökonomie und Ethik vorgenommen wird. Dabei wird deutlich werden, dass Fragestellungen nach Rechtfertigung und Moral und die Herausbildung wirtschaftsethischer Gedanken seit jeher so eng mit dem wirtschaftlichen Handeln des Menschen verbunden sind, dass nachgerade von einer Zwangsläufigkeit ihrer Beziehung gesprochen werden kann. Es gibt kein wirtschaftliches Handeln ohne moralische Reflexion desselben und seiner Konsequenzen. Insbesondere die Religion setzte sich in ihrer Geschichte immer wieder mit wirtschaftlichem Handeln und daraus abgeleiteten wirtschaftsethischen Fragestellungen auseinander. Religion und Wirtschaft sind zwei Aspekte und Interaktionsweisen, die für das menschliche Zusammenleben immer schon von wesentlicher Bedeutung waren. So

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Einleitung

wie sich religiöse Deutungssysteme als Systeme der Lebensführung mit tiefgreifendem Anspruch bezüglich Ordnung und Gestaltung des menschlichen Zusammenlebens beschreiben lassen, beinhaltet jede religiöse Ethik auch Stellungnahmen zum wirtschaftlichen Handeln des Menschen, das sie so gestaltet und normiert. Im zweiten Teil der Arbeit werden zunächst die Auswirkungen der Wirtschaftsund Finanzkrise und deren Konsequenzen auf die wirtschafts- und unternehmensethische Debatte näher betrachtet. Dabei soll zum einen besonderes Augenmerk auf den Vertrauensverlust wichtiger unternehmerischer Anspruchsgruppen gelegt werden, der mit der Krise einher ging. Zum anderen soll anhand einer knappen Betrachtung des Richtungs- und Methodenstreits, der im Zuge der Krise hinsichtlich der Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften und deren gesellschaftlichem Einfluss geführt wurde, die schwierige Beziehung von Ethik und Ökonomik in der jüngeren wissenschaftlichen Diskussion in den Blick genommen werden. Im Anschluss an eine Beschreibung der Entwicklung ethischen Nachdenkens innerhalb der Wirtschaftswissenschaften soll anhand unterschiedlicher wirtschaftsethischer Modelle das Zuordnungsverhältnis der beiden Disziplinen und deren jeweiliges Selbstverständnis eingehender betrachtet werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die einflussreiche Ökonomiktheorie Karl Homanns und seiner Schüler auf der einen und das konträre, aber nicht weniger einflussreiche Konzept einer integrativen Wirtschaftsethik Peter Ulrichs auf der anderen Seite. Aus deren Einordnung, Vergleich und Würdigung soll eine Positionsbestimmung einer Wirtschaftsethik in der Gegenwart vorgenommen und der Bedarf einer zeitgemäßen Unternehmensethik begründet werden. Der dritte Teil der Arbeit ist der CSR als Grundlage nachhaltigen und verantwortlichen unternehmerischen Handelns gewidmet. Es soll gezeigt werden, wie sich unternehmerische Verantwortung entwickelte, worauf sie sich begründet und aufgrund welcher Beweggründe Unternehmen heute verantwortlich handeln. Im Anschluss sollen gegenwärtige Konzepte unternehmerischer Verantwortungsübernahme, ihre historische Entwicklung, ihre wesentlichen Elemente und Funktionen sowie ihre gesellschaftliche Anschlussfähigkeit dargestellt werden. Auf diese Weise soll ein Anforderungsprofil für nachhaltiges und verantwortliches unternehmerisches Handeln als Ausdruck unternehmerischer Ethik entwickelt werden. Der Teil schließt mit einer Reflexion über die Anforderungen an die moderne Disziplin einer Wirtschaftsethik und die aus ihr erwachsenen Möglichkeiten. Schließlich soll im vierten Teil der vorliegenden Arbeit mittels einer zweiteiligen empirischen Erhebung untersucht werden, welche Auswirkungen die Umsetzung eines den Kriterien von Verantwortung und Nachhaltigkeit verpflichteten Management- und Kommunikationskonzepts auf die Mitarbeiter eines Unternehmens als wichtige Anspruchsgruppe hat. So sollen anhand des Spezialanlagenbauunternehmens Krones AG die Voraussetzungen für verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln näher betrachtet und im Zuge dessen geklärt werden, ob und inwieweit sich durch nachhaltiges und verantwortliches unterneh-

Einleitung

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merisches Handeln bei unternehmerischen Anspruchsgruppen ein Bewusstsein für die Bedeutung von Unternehmensethik und ihrer praktischen Ausformung im Rahmen einer Corporate Social Responsibility schaffen lässt. So versucht diese Arbeit, das Bewusstsein für Verantwortlichkeit von Unternehmen, wie sie von den Kirchen theologisch und ethisch grundgelegt wird, im Rahmen der wirtschaftsethischen Debatte theoretisch zu unterbauen und von der Unternehmenspraxis her zu exemplifizieren. Damit soll ein Beitrag dazu geleistet werden, „Verantwortung in der Wirtschaft“ zu stärken.

1. Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion Eine Verhältnisbestimmung vom Alten Testament bis in die Gegenwart 1.1 Mammon und Moral: Das Verhältnis von christlicher Religion und Wirtschaft „Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“, heißt es im Matthäus-Evangelium (Mt 6,24).1 Bereits an diesem kurzen Bibelzitat kann man erkennen, dass zwar die oben aufgeworfenen aktuellen Fragestellungen neu sein mögen, die Frage nach dem Verhältnis von theologischer Ethik und wirtschaftlichem Handeln hingegen nicht. Die Auseinandersetzung mit der Ethik des Wirtschaftens beginnt nicht erst in der Moderne. Vielmehr sind Fragestellungen nach Rechtfertigung und Moral seit jeher so eng mit dem wirtschaftlichen Handeln des Menschen verbunden, dass nachgerade von einer Zwangsläufigkeit ihrer Beziehung gesprochen werden kann: Seit der Mensch in der Neolithischen Revolution sesshaft wurde und sich die Anfänge des Wirtschaftens ausbildeten, seit sich die Arbeitsteilung entwickelte und mit ihr die Entstehung sozialer Schichten einsetzte, gehen mit der Wirtschaftsweise des Menschen immer auch Fragen nach einer richtigen Verteilung der erwirtschafteten Güter, nach arm und reich, nach Hunger und Überfluss, nach Verantwortung und Solidarität, nach der Gerechtigkeit als Frage der göttlichen Ordnung einher.2 Es gibt kein wirtschaftliches Handeln ohne moralische Reflexion desselben und seiner Konsequenzen. Religion und Wirtschaft „bezeichnen Aspekte und Interaktionsweisen, die – zusammen mit ‚Politik‘ und ‚Wissenschaft‘“ – für das Zusammenleben von Menschen wesentlich sind. Das ergibt sich, wenn man (in der Tradition des Christen-

1

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Vgl. ebf. Lk 16,9: „Und ich sage euch auch: Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn ihr nun darbet, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“ Vgl. zudem Lk 16,13: „Kein Knecht kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott samt dem Mammon dienen.“ Vgl. auch Jak 4,4: „Ihr Ehebrecher und Ehebrecherinnen, wisset ihr nicht, daß der Welt Freundschaft Gottes Feindschaft ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.“ Vgl. überblicksartig zu den Entwicklungen während der Neolithischen Revolution Hans-Peter Uerpmann: Von Wildbeutern zu Ackerbauern – Die Neolithische Revolution der menschlichen Subsistenz. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Urgeschichte 16 (2007), S. 53–74.

Mammon und Moral: Das Verhältnis von christlicher Religion und Wirtschaft

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tums und prominenter – nicht aller – Strömungen westlicher Philosophie) das Menschsein als endliches, leibhaftes Personsein versteht und dieses wiederum als ursprüngliches Bestimmtsein zur interaktionellen Selbstbestimmung im Lichte von Selbstgewissheit und ihrer jeweils bildungsgeschichtlich erreichten Inhalte“.3 Die Beziehung zwischen Religion, Wirtschaft und der Anwendung ethischer Prinzipien auf das Wirtschaften ist also so alt wie das wirtschaftliche Handeln des Menschen selbst. Der Anspruch der Religionen, sich mit den elementaren moralischen Fragen menschlichen Zusammenlebens auseinanderzusetzen, ist in ihrem Wesen begründet. Religiöse Deutungssysteme lassen sich unter Betrachtung ihrer ordnungsstrukturierenden Leistungen als „Systeme der Lebensführung verstehen, die die Lebensvollzüge der in ihnen vergemeinschafteten Menschen (zumeist) tiefgreifend prägen“.4 Da sie sich auf das „‚Ganze‘ der Wirklichkeit“ beziehen, ist es jeder religiösen Ethik immanent, „einen Anspruch auf den ‚ganzen Menschen‘ zu erheben und alle Felder menschlichen Handelns normieren zu wollen“. 5 Jede religiöse Ethik beinhaltet so notwendigerweise „auch eine Stellungnahme zum wirtschaftlichen Handeln des Menschen“.6 Da alle religiös fundierten Ethiken Aussagen über das Weltverhältnis machen, tragen sie – auch ohne explizite oder spezifische Aussagen zu wirtschaftlichen Aktivitäten vorzunehmen – maßgeblich zur „Normierung und Gestaltung des ökonomischen Handelns der Gläubigen“ bei.7 Das Verhältnis von Religion und Wirtschaft lässt sich also überhaupt erst durch den Einbezug der Ethik beschreiben. Unter Wirtschaft oder Ökonomie versteht man „die Erzeugung“, den „Austausch und“ den „Konsum von Gütern“8 und damit gemeinhin dasjenige, „was der planvollen Deckung des materiellen Bedarfs einzelner oder von Gruppen dient“.9 Die Wirtschaftsethik fügt wirtschaftlichem Handeln die Dimension des Sittengesetzes hinzu.10 Beide Begriffe sind bezogen auf die Religion deshalb so eng miteinander verbunden, weil sich „eine bestimmte Wirtschaftsform überhaupt erst aus den Voraussetzungen einer religiös geprägten Kultur“ herausbildet.11 Treffen unterschiedliche Wirtschaftsformen aufeinander, so verändern sich entweder auch die Kulturen und mit ihnen ihre Religionen, oder aber die Wirtschaftsordnungen 3

Eilert Herms: Die Bedeutung der Religion für die Fortentwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. In: Handbuch der Wirtschaftsethik. Hg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft v. Wilhelm Korff u.a. Bd. 1: Verhältnisbestimmung von Wirtschaft und Ethik. Gütersloh 1999, S. 669–683, 669. 4 Friedrich Wilhelm Graf: Die geschichtliche Rolle von Religion im Modernisierungsprozess der Wirtschaft. In: Handbuch der Wirtschaftsethik I, S. 567–596, 567. 5 Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 568. 6 Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 568. 7 Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 568. 8 Ludwig Beutin: Einführung in die Wirtschaftsgeschichte. Köln u.a. 1958, S. 3. 9 Wassilios Klein: Wirtschaft/Wirtschaftsethik I. Religionsgeschichtlich. In: Theologische Realenzyklopädie [TRE]. Studienausgabe. Teil III. Bd. 36. Berlin u.a. 2006, S. 130–135, 130. 10 Vgl. Klein: Wirtschaftsethik. Religionsgeschichtlich, S. 130. 11 Klein: Wirtschaftsethik. Religionsgeschichtlich, S. 130.

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Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion

werden von den durch Kultur und Religion geprägten jeweiligen Wirtschaftsethiken umgeformt.12 Dieses Verhältnis hat aber Grenzen: So gibt es keine kulturübergreifende oder global gültige Wirtschaftsethik. In der Moderne beschäftigte sich vor allem der Nationalökonom Max Weber mit den Wechselwirkungen zwischen einer religiös geprägten Wirtschaftsethik und der Wirtschaftsform eines Kulturraums (vgl. ausführlicher dazu unten). Beispielhaft lässt sich die enge Korrelation von religiös geprägter Kultur und Wirtschaftsform am Zeitalter der Aufklärung erkennen, als in einem Kulturraum mit der fundamentalen Veränderung der Religiosität zugleich eine fundamentale Veränderung der Wirtschaftsform einherging. Es sei nicht verschwiegen, dass dieser Prozess auch dafür verantwortlich ist, dass heutzutage überhaupt im Wesentlichen frei von religiösen Grundparadigmen Wirtschaftsethik betrieben werden kann.

1.2 Suche und Bestimmung eines Verhältnisses Wirtschaften und Ethik in der christlichen Religionsgeschichte Die großen christlichen Kirchen weisen heute keine einheitliche Konzeption des Zusammenhangs zwischen religiösem Glauben, Ethik und ökonomischem Handeln auf, wobei vor allem die Bedeutung ethischer Theoriebildung von ihnen sehr unterschiedlich gewichtet wird.13 Individuum, Kirche und politische Gemeinschaft erfahren verschiedenartige Zuordnungen und dementsprechend differieren auch die Leitbilder tugendhaften, christlichen Handelns. So besteht weder ökumenischer Konsens hinsichtlich der theologischen Auslegung der kapitalistischen Ökonomie der Moderne noch in den ethischen Stellungnahmen zu dieser Wirtschaftsform und in der Beurteilung ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft. In einem knappen kursorischen Überblick soll im Folgenden die Entwicklung des Verhältnisses von christlicher Religion, Wirtschaft und Ethik beschrieben werden. Die deskriptive Darstellung folgt der kultur- und geistesgeschichtlichen Entwicklung einer christlichen Wirtschaftsethik von ihren biblischen Anfängen über ein aufgeklärtes, von einem rationalen Menschheitsethos geprägtes ethisches Fragen an Wirtschaft und wirtschaftliches Handeln, die Herausbildung einer eigenständigen katholischen Soziallehre und einer protestantischen Sozialethik bis zu den Stellungnahmen der beiden großen christlichen Kirchen in der Gegenwart. Auf diese Weise soll anhand einiger Schlaglichter aus der Religions- und Kirchengeschichte des Christentums exemplarisch verdeutlicht werden, in welcher Weise

12 Vgl. hierzu und zum Folgenden Klein: Wirtschaftsethik. Religionsgeschichtlich, S. 130. 13 Vgl. dazu und zum Folgenden Friedrich Wilhelm Graf: Der Stellenwert der Religion im Globalisierungsprozess moderner Wirtschaft. Christentum. In: Handbuch der Wirtschaftsethik I, S. 627–669, 628f.

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die Entwicklung unserer Kultur von alttestamentarischer Zeit bis in die Gegenwart auch stets von der Suche und Bestimmung des Verhältnisses Wirtschaft und Ethik bestimmt war. Die Darstellung muss dabei auf grobe Entwicklungslinien und wenige Beispiele beschränkt bleiben und kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Eine eingehende Diskussion oder Würdigung der dazugehörigen wissenschaftlichen Debatten ist im Rahmen dieser Studie nicht zu leisten. Bis auf eine knappe Darstellung der jüdischen Grundlagen einer alttestamentarischen Wirtschaftsethik müssen die übrigen Religionen dabei unberücksichtigt bleiben. 1.2.1 Altes Testament/Judentum Bereits jüdische Wirtschaft und Wirtschaftspraxis wurden von Beginn an stark von den Grundlagen der Religion bestimmt14, wie anhand einiger knapper Beispiele verdeutlicht werden soll.15 Das Hebräische kennt keinen Begriff für Wirtschaft und die damit einhergehenden Phänomene. Unter Wirtschaft wird nicht nur alle Beschäftigung verstanden, die dem Lebensunterhalt dient, sondern auch der Handel des Einzelnen oder der Gemeinschaft, der mit anderen getätigt wird.16 Eine starke Bindung an die Landwirtschaft, die aus der Bronzezeit übernommen wurde, ist für die israelische Geschichte von Beginn an und während der gesamten ersten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrtausends bestimmend, zu einer Handelstätigkeit kommt es erst mit dem Beginn der Überschussproduktion. Erst in hellenistischer Zeit spielt die Geldwirtschaft eine entscheidende Rolle und löst die Naturalwirtschaft vollständig ab. Das Königtum brachte neben entscheidenden Veränderungen in der Sozialstruktur vor allem eine Reihe wirtschaftlicher Impulse: Aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke verfügte das Königshaus zwar über eigenen Grundbesitz zur Selbstversorgung, doch musste die Wirtschaft des Landes den Unterhalt des Heeres und die Versorgung des Hofstaates tragen.17 Der große Aufwand, mit dem König Salomo Fernhandel und Bautätigkeit betrieb, belastete das Volk zusätzlich. Ein Teil der Wirtschaftseinkommen musste vom Volk an den König abgeliefert wer-

14 Vgl. Günter Stemberger: Wirtschaft/Wirtschaftsethik III. Judentum. In: TRE 36, S. 140–144, 140. 15 Auf eine ausführlichere Darstellung der Wirtschaft im antiken Judentum und die Entstehung und historische Entwicklung einer jüdischen Wirtschaftsethik muss im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden. Vgl. dazu grundlegend bspw. Arye Ben-David: Talmudische Ökonomie. Die Wirtschaft des jüdischen Palästina zur Zeit des Mischna und des Talmud. Hildesheim 1974. Vgl. zudem Georg Caro: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Juden im Mittelalter und der Neuzeit. 2 Bde. Leipzig 1908–1920. Vgl. ebf. Jack Pastor: Land and Economy in Ancient Palestine. London 1997. Vgl. auch Jacob Neusner: The Economics of the Mishnah. Chicago, Ill. 1989. Dort finden sich überdies weitere Belege. 16 Vgl. dazu und zum Nachfolgenden Volkmar Fritz: Wirtschaft/Wirtschaftsethik II. Altes Testament. In: TRE 36, S. 136–140, 136. 17 Vgl. Fritz: Wirtschaftsethik II. Altes Testament, S. 137.

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den.18 Indem die Belastungen auf die gesamte Bevölkerung verteilt wurden, beschleunigte das Königtum die soziale Differenzierung in eine schmale Elite aus Großgrundbesitzern, die ihren Besitz über Generationen sichern und vermehren konnte, und die zahlenmäßig starke und verhältnismäßig homogene Klasse von Bauern mit kleinem Familienbesitz.19 Die Grundlinien idealer Wirtschaft im antiken Judentum werden von der Tora vorgegeben: Israel wird das Land von Gott gegeben, der es als Basis einer egalitären Gesellschaft gleichmäßig an alle Stämme und Familien verteilen lässt.20 Entstehende Armut, Ungleichheit und Schuldknechtschaft von Israeliten sollten regelmäßig wieder durch Sabbat- und Jobeljahr (Lev 25,2–31) behoben werden – obgleich ungewiss ist, inwieweit dieses Ideal tatsächlich praktisch zur Umsetzung gelangte. Durch das Zinsverbot unter Israeliten sollte eine völlige Verarmung vermieden werden (Ex 22,24–26). Die Finanzierung von Tempel und Gemeinwesen sowie der Unterhalt der ursprünglich landlosen Priester erfolgte durch den ersten und zweiten Zehnt sowie Abgaben für die Priester (Hebe) als Abgaben vom Bodenertrag.21 Die Nachlese – was am Rande des Feldes wächst oder bei der Ernste vergessen wird – gehörte den Armen.22 Außerdem kam alles, was im Sabbatjahr von selbst wächst, allen gleichermaßen zu. Zwar wurde diese Idealordnung nur sehr beschränkt eingehalten, doch kam es immer wieder zu Bemühungen ihrer radikalen Anwendung.

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Vgl. Fritz: Wirtschaftsethik II. Altes Testament, S. 137f. Vgl. Fritz: Wirtschaftsethik II. Altes Testament, S. 139. Vgl. dazu und zum Folgenden Stemberger: Wirtschaftsethik III. Judentum, S. 140. Vgl. zum ersten und zweiten Zehnt Clemens Leonhardt: Zehnt II. Judentum. In: TRE 36, S. 490– 495, bes. 492ff. Im rabbinischen Judentum wird besonders aus den alttestamentarischen Quellen ein umfangreiches System des Umgangs mit den Produkten des Landes entwickelt, in welches auch die Gesetze des Zehnten eingefügt sind. (Vgl. dazu und zum Folgenden ebd., S. 492f.) Während der Zeit des Zweiten Tempels verpflichten die Gebote über die Abgaben der Produzenten. Nach der Zerstörung des Tempels entwickeln die rabbinischen Gelehrten das Abgabensystem neu und verlegen einen Teil der Verantwortung für die Entrichtung der Abgaben auf die Konsumenten. Als „Teil eines umfangreichen Systems des Umgangs mit den Früchten des Landes Israels“ ermöglicht der rabbinische Zehnt eine „Kontinuität der Präsenz des Heiligen in Land und Gesellschaft […], bzw. die Kommunikation zwischen Gott und seinem Volk durch das Land und seine Gaben“, wodurch die in ihrem vollen Umfang für eine ideale Zukunft konstruierten Gesetze der rabbinischen Literatur praktische Bedeutung erhielten. (Ebd., S. 493.) Leonhardt erläutert weiter, dass die Talmudim „beiläufig das Repertoire der Gesetze“ systematisierten: „In den ersten sechs Jahren des Sabbatjahreszyklus (weil im Sabbatjahr selbst kein Privatbesitz an Bodenerzeugnissen entsteht) ist der erste Zehnt an die Leviten zu entrichten und dazu im ersten, zweiten, vierten und fünften Jahr der zweite Zehnt zu deklarieren. Im dritten und sechsten Jahr tritt der Armenzehnt an die Stelle des zweiten Zehnten.“ (Ebd., S. 493.) Auf die unterschiedliche Auslegung und die Diskussion der alttestamentarischen Überlieferung kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Vgl. dazu ebd., S. 490–495 sowie Corinna Körting: Zehnt I. Altes und Neues Testament. In: TRE 36, S. 488–490, bes. 489. Dort finden sich ebenfalls zahlreiche weitere Belege. 22 Vgl. dazu und zum Folgenden Stemberger: Wirtschaftsethik III. Judentum, S. 140f. Dort finden sich auch entsprechende Belege.

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1.2.2 Neues Testament Zwar bietet das Neue Testament keine geschlossene Wirtschaftsethik, doch lassen sich einige grundlegende Charakteristika benennen: Als Geschöpf Gottes hat der Mensch ein Anrecht auf Befriedigung seiner materiellen und immateriellen Grundbedürfnisse.23 Von wesentlicher Bedeutung ist ferner eine soziale Mindestabsicherung in Form von Armenpflege durch die Gemeinschaft. Privateigentum und Vermögensverwaltung werden vorausgesetzt, unlauterer Erwerb hingegen bemängelt, Zinsnahme eingeschränkt und die dem Reichtum innewohnende Gefahr der Lebens- und Zukunftssicherung auf Kosten anderer im Lichte der Gottesfrage kritisiert. Die Gottesfrage stellt sich im Umgang mit Vermögen dahingehend, dass Geld zum Götzen und „Mammon“ werden kann (Mt 6,19–34). Von den Reichen ist eine besonders am Leben der Untergebenen ausgerichtete Vermögensverwaltung gefordert. In verantwortlicher Haushalterschaft und Kollekten drücken sich der wechselseitige Ausgleich und die Einheit der Kirche aus. Güter- und Konsumgemeinschaft bilden zwar das Ideal, nicht aber die Norm. Begriffsgeschichtlich geht Ökonomie zurück auf die Regeln, das Gesetz, die Lebensordnung (nómos) der Hausgemeinschaft (oikos) als Mittelpunkt des Lebens.24 Gottes Ökonomie (oikonomía) umfasst seinen Ratschluss, seinen Heilsplan (Eph 1,9; 3,9; I Tim 1,4), im übertragenen Sinn das Amt als Haushalter Gottes (I Kor 4,1ff.). Der Begriff oikonómos findet im Neuen Testament – teils in metaphorischer Übertragung – für den Verwalter (Lk 12,42; 16,1 und weitere), den Pfleger (Gal 4,2) sowie den Stadtkämmerer (Röm 16,23) Verwendung. Wirtschaftliches Handeln taucht dort nie abstrakt, sondern stets konkret als Teil von Subsistenz-, Waren-, Handels- und Geldwirtschaft auf.25 Formen der frühjüdischen Barmherzigkeit und Fürsorge für Arme findet sich vielfältig im Neuen Testament. Witwen, Waisen, Fremde und kleine Leute unterstehen dem besonderen Schutz Gottes und seiner Gemeinschaft, weshalb Sorge für den heutigen Tag (Mt 6,11) und Almosen-Gebet (Mt 6,1–4) Teil allgemeiner Verantwortung sind.26 Der Kreis der Jünger Jesu Christi rekrutierte sich aus einfachen Leuten, die auf Grundlage von Subsistenzwirtschaft in Familienverbänden, mit der Unterstützung

23 Vgl. dazu und zum Folgenden Jörg Baumgarten: Wirtschaftsethik IV. Neues Testament. In: TRE 36, S. 144–147, 146. Vgl. ferner grundlegend zur Geschichte der Alten Kirche, zur Entwicklung des christlichen Glaubens und zu den frühen Überlieferungen Heinrich Kraft: Einführung in die Patrologie. Darmstadt 1991 (= Die Theologie); Karl Suso Frank: Lehrbuch der Geschichte der Alten Kirche. 2., verbesserte Aufl. Paderborn u.a. 1997; Lexikon der antiken christlichen Literatur. Hg. v. Sigmar Göpp u. Wilhelm Geerlings. Freiburg i.Br. u.a. 1998; Berthold Altaner/Alfred Stuiber: Patrologie. Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter. 7., völlig neubearb. Aufl. Freiburg i.Br. 1966. 24 Vgl. dazu und zum Folgenden Baumgarten: Wirtschaftsethik IV. Neues Testament, S. 144f. 25 Vgl. Baumgarten: Wirtschaftsethik IV. Neues Testament, S. 145. 26 Vgl. Baumgarten: Wirtschaftsethik IV. Neues Testament, S. 145.

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durch örtliche Gastfreundschaft (Mk 6,10; Mt 10,5ff.; Lk 9,4) oder reichere Frauen (Lk 8,2–3) sowie durch eine gemeinsame Kasse (Joh 12,6; 13,29) in einer freiwilligen relativen Armut lebten, die aber eine Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse zuließ (Mt 25,31ff.).27 Symbolische Mitte der Bewegung war das geteilte Brot. Ihre Teilnahme am Wirtschaftsleben umfasste das Spenden von Almosen (Mt 6,1ff; Lk 11,41; 12;33), das Zahlen eines Mindestlohns für eine durchschnittliche Familie (Mt 20,1ff.), ehrlicher Handel auf dem Markt und das Entrichten von Zöllen sowie staatlichen bzw. kaiserlichen Abgaben und Tempelsteuern (Mk 12,13ff.; Mt 17,24ff.). Entsprechend scharf kritisiert Jesus den als ungerecht empfundenen Wirtschaftsbetrieb des Tempels (Mk 11,15). Privateigentum galt indes als selbstverständlich, ebenso wie der Umgang mit relativ wohlhabenden Menschen, und auch die Zinsnahme und -zahlung wird nicht pauschal kritisiert oder verurteilt (Mt 25,27). Soziales und wirtschaftliches Handeln der Jesusbewegung greifen die jüdische Tradition der „Option für die Armen“ auf, die diesen einen Rechtsanspruch auf die Absicherung ihrer Grundbedürfnisse gewährte und Armenpflege und den Erlass von Schulden als wesentliche Teile sozialer Verantwortung in der Solidargemeinschaft begriff. In der Nachfolge der Jesusbewegung lebten Apostel, Propheten und Lehrer auf der Grundlage traditioneller Subsistenz-, Handels- und Geldwirtschaft.28 Sie kauften oder erhielten Lebensmittel, nahmen Gastfreundschaft in Anspruch, waren erwerbstätig und hatten an ihren Wirkungsstätten Anspruch auf Unterkunft, Verpflegung oder eine Vergütung zur Überlebenssicherung (II Kor 11,7f.; Phil 4,14ff.). Privateigentum und Klein-Darlehen sowie Zinsgewährung wurden vorausgesetzt (Mt 25,27), aber zugleich auch eingeschränkt (Lk 6,34f.). Wirtschaften war dabei stets an den Grundbedürfnissen orientiert, was später zum Ideal bedarfsorientierter Güter-, Konsum- und Lebensgemeinschaft im Spannungsfeld zwischen Privatund Gemeineigentum (Apg. 2,42ff.; 4,32–37; 5,1f.) wurde. Deutliche Kritik erfährt besonders unlauteres Wirtschaften (überhöhte Zölle (Lk 19,1ff.), Hab- und Geldgier (Lk 12,13–15; Röm 1,29; I Thess 2,5; Eph 5,3.5; II Tim 3,2; Hebr 13,3) sowie Betrug (Apg. 5,1ff.; I Thess 4,6)), nicht indes Reichtum an sich (Lk 8,3; Röm 16,23), wohl aber das Verhalten von Reichen in einigen Fällen (Mt 19,16ff.; Lk 12,16–21).29 Die Gottesfrage wird immer dann aufgeworfen, wenn Zukunftssicherung auf Geld oder Vermögen statt auf Gott ausgerichtet wurde (Mt 6,19ff.), da in solchen Fällen der Glaube auf dem Spiel stand.30 Vermögensverwaltung galt als ungerecht, wenn die Überlebensfähigkeit des Schuldners nicht Beachtung fand. Dem teilweisen oder vollständigen Erlass von Schulden wurde eine wesentliche, gar lebensrettende Funktion zuerkannt, die Verelendung verhindern sollte (Lk 27 Vgl. dazu und zum Folgenden Baumgarten: Wirtschaftsethik IV. Neues Testament, S. 145. 28 Vgl. dazu und zum Folgenden Baumgarten: Wirtschaftsethik IV. Neues Testament, S. 145f. 29 Vgl. grundlegend Martin Hengel: Eigentum und Reichtum in der frühen Kirche. Aspekte einer frühchristlichen Sozialgeschichte. Stuttgart 1973. 30 Vgl. dazu und zum Folgenden Baumgarten: Wirtschaftsethik IV. Neues Testament, S. 146.

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7,41–43; Lk 16,1–8; Mt 18,21–35). Dabei findet sich eine Reihe versuchter Anknüpfungen von Grundstücks- und Geldwirtschaft an die Traditionen von Sabbatund Jobeljahr. Renditeorientierung waren Jesusbewegung und Urchristentum gänzlich fremd. Kollekten (I Kor 16,1; 16;3; Röm 15,26; Apg. 12,25ff.) waren teilendes Opfer aller, bei dem jeder nach dem Maß seiner Vermögenslage zu geben (Apg. 11,29; Hebr 13,16) hatte. Sie drückten kirchliche Haushalterschaft aus (I Petr 4,10), während die jüdische Tradition des Zehnten kaum Anwendung fand. Die Jerusalemer Kollekte (II Kor 8,9ff.) diente dem sozialen Ausgleich zwischen den wirtschaftlich unterschiedlich starken Gemeinden und war insofern Ausdruck ökumenischer Mitverantwortung und des eschatologischen Bewusstseins der frühen Christen.31 1.2.3 Wirtschaft und Wirtschaftsethik in der Geschichte der christlichen Kirchen 1.2.3.1

Alte Kirche

Christlicher Glaube und Kirche spielten in der Folge eine wichtige Rolle für die Erzeugung, den Austausch und den Konsum von Gütern, und nahmen so nicht nur Einfluss auf die Entwicklung von Theorien zum Verständnis des Wirtschaftsgeschehens, sondern auch auf die daraus gezogenen sittlich-moralischen Konsequenzen, was im Folgenden anhand einiger Beispiele und Entwicklungslinien grob skizziert werden soll. Betrachtet man das Verhältnis von Religion und Wirtschaft und die Herausbildung wirtschaftsethischer Gedanken in der Kirchengeschichte, stellt man fest, dass die Forschungslage insgesamt wenig befriedigend ausfällt: Viele Einführungen und Überblicksdarstellungen zur antiken bzw. spätantiken Wirtschaft widmen sich dem Christentum nur am Rande und nehmen mögliche Interdependenzen zwischen der Christianisierung des Reiches und der Entwicklung der Wirtschaft kaum in den Blick.32 Nur wenige Darstellungen der Geschichte der Alten Kirche setzen sich – wie beispielsweise die patristische Literatur mit dem Zinsverbot – überhaupt mit entsprechenden Fragestellungen auseinander. In vorkonstantinischer Zeit stellte sich angesichts des Vordringens des Christentums in nahezu alle Regionen des Römischen Reichs, über das Reich hinaus wie auch in weite Teile der Gesellschaft rasch die Frage nach der Teilnahme am wirtschaftlichen Leben.33 Dabei ließ sich im Zuge der zunehmenden Ausbreitung

31 Vgl. Baumgarten: Wirtschaftsethik IV. Neues Testament, S. 146. 32 Vgl. dazu wie zum Folgenden Wolfram Kinzig: Wirtschaft/Wirtschaftsethik V/1. Kirchengeschichtlich. Alte Kirche. In: TRE 36, S. 147–153, 147f. Dort finden sich auch zahlreiche Belege. 33 Vgl. dazu und zum Folgenden Kinzig: Wirtschaftsethik V/1. Kirchengeschichtlich. Alte Kirche, S. 148.

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Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion

des Christentums und der wachsenden Verknüpfung mit traditionellen paganen Strukturen die paulinische Forderung nach wirtschaftlicher Autarkie der christlichen Gemeinden (I Thess 4,11f.) nur noch bedingt aufrecht erhalten. Die frühchristlichen Gemeinden zeichneten sich durch eine hohe soziale Kohäsion aus und waren so organisiert, dass aus vorhandenen beruflichen Qualifikationen der Mitglieder möglichst großer Nutzen erzielt werden konnte. Konvertiten, die in ihren alten Berufen etwa aufgrund von Nähe zu traditionellen Kulten nicht weiter tätig sein konnten, mussten sich in anderer sinnvoller Weise einbringen, wobei man stets bemüht war, Gemeindemitglieder entsprechend ihrer Fähigkeiten einzusetzen, um die Belastungen für die Gemeindekasse, die die Armenfürsorge und den Unterhalt der Kleriker zu tragen hatte, gering zu halten.34 In dieser Hochschätzung der Arbeit unterschied sich die Alte Kirche wesentlich von ihrer nichtchristlichen Umwelt, in der körperliche Arbeit, Handel und Handwerk Zeichen niederer sozialer Herkunft waren. Von ihrer Umwelt wurden die Christen dabei durchaus als ökonomische Bedrohung wahrgenommen, besonders wenn ihr Handeln Wirtschaftszweige betraf, die in unmittelbarer Beziehung mit den traditionellen Kulten standen. Die wachsende gesellschaftliche Diversifizierung des vorkonstantinischen Christentums und die zunehmende theologische Legitimation von Geld und Besitz machten auch die Integration wohlhabender Christen möglich, die nun in christianisierter Form als Patrone fungieren konnten. Auf Handel und Geldgeschäfte des Klerus reagierte die Synode von Elvira schon im Jahr 306 mit einem Handelsverbot für Kleriker und dem Verbot von Zinsgeschäften für Kleriker und Laien. In Folge der Konstantinischen Wende breitete sich das Christentum mit großer Geschwindigkeit aus und kontrollierte rasch das Wirtschaftsleben im Römischen Reich – unter anderem den Geldhandel, an dem sich auch Kleriker trotz synodaler Verbote weiterhin beteiligten.35 Insgesamt passte sich die kirchliche Hierarchie den ökonomischen Rahmenbedingungen der spätantiken Gesellschaft an. Vorchristliche Sozialstrukturen wie das Klientelwesen hatten nicht nur weiter Bestand, auch gut betuchte Bischöfe übernahmen gegenüber mittellosen Bevölkerungsschichten die Funktionen paganer Patrone mit allen damit einhergehenden ökonomischen Konsequenzen. Vermehrt forderten Bischöfe nun auch, die der gesellschaftlichen Statussicherung dienende Wohltätigkeit nicht nur den traditionellen Gliedern der Stadtbevölkerung, sondern auch den bisher davon ausgeschlossenen Armen zugute kommen zu lassen.36 34 Vgl. dazu und zum Folgenden Kinzig: Wirtschaftsethik V/1. Kirchengeschichtlich. Alte Kirche, S. 148. 35 Vgl. dazu und zum Folgenden Kinzig: Wirtschaftsethik V/1. Kirchengeschichtlich. Alte Kirche, S. 149. 36 Vgl. Henry Chadwick: Humanität. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Bd. 16. Stuttgart 1994, Sp. 663–711, 692f. Vgl. ebf. Paul Veyne: Brot und Spiele. Gesellschaftliche Macht und politische Herrschaft in der Antike. Frankfurt a.M. 1988 (= Theorie und Gesellschaft 11), S. 40–64.

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Die Kirchen selbst mehrten ihr Eigentum vor allem seit Konstantin d. Gr. durch Schenkungen und Erbschaften sowie Unterstützung des Kaisers.37 Sie beteiligten sich ebenfalls signifikant am Handel und entwickelten sich zu Großgrundbesitzern. Eine selbstständige Wirtschaftstheorie wurde von den Theologen der Alten Kirche (ebenso wie von paganen Autoren) nicht ausgebildet.38 Insofern Wirtschaftsethik eine Theorie wirtschaftlicher Prozesse voraussetzt, kann für die Zeit der Alten Kirche von Wirtschaftsethik als selbstständigem Bereich systematischer theologischer Reflexion nicht gesprochen werden. Allerdings haben altkirchliche Autoren in vielfacher Weise zu bestimmten ethischen Aspekten und Konsequenzen ökonomischer Abläufe Stellung bezogen. Dabei stechen besonders Predigten mit stark paränetischem Gehalt hervor, die Fragen nach Geld und Besitz und den damit verbundenen menschlichen Einstellungen betreffen. Die Sozialkritik ist zwar weitestgehend traditionell, neu ist aber, dass sie von den altkirchlichen Schriftstellern durch die schöpfungstheologische Begründung und die Betonung karitativer Verpflichtungen in einen neuen, biblisch grundierten Bezugsrahmen gespannt wird. Besitz wird dabei in der Regel als reale und sittlich indifferente Gegebenheit akzeptiert, obschon einzelne Theologen wie Johannes Chrysostomus die Gütergemeinschaft der Urgemeinde als gesamtgesellschaftliches Ideal favorisieren.39 Basierend auf einer schöpfungstheologischen Reflexion wird Reichtum als Teil der geschaffenen Ordnung und somit als Lehen bzw. Geschenk Gottes betrachtet und ist als solcher nicht schlecht – die ethische Qualifizierung hängt von seinem Gebrauch ab. Unehrenhaft erworbener Reichtum ist Ausdruck der unter den Menschen regierenden Sünde und häufig lässt die Sorge um den Besitz den Menschen wichtigere Dinge vergessen, was sich nachteilig auf das religiöse und sittliche Leben auswirkt. Als Gabe Gottes resultiert aus Eigentum immer die Verpflichtung zum karitativen Dienst am mittellosen Nächsten. Seit dem 4. Jahrhundert wird die Habgier zu den acht bzw. sieben Haupt- oder Wurzelsünden gezählt, auch nehmen moralphilosophische Belehrungen gegen den Missbrauch des Reichtums in altkirchlichen Schriften viel Raum ein. Die Haltung zum Geld ist innerhalb der Kirche unterschiedlich: Teilweise wird es abgelehnt – so etwa von den Pelagianern und Manichäern, teils als dem Menschen anvertraute Gabe Gottes gesehen, die erst durch ihren Gebrauch ethisch qualifiziert wird. Guter Gebrauch 37 Vgl. Kinzig: Wirtschaftsethik V/1. Kirchengeschichtlich. Alte Kirche, S. 150; vgl. dazu auch Hans Wieling: Grundbesitz I (rechtsgeschichtlich). In: Reallexikon für Antike und Christentum. Bd. 12. Stuttgart 1983, Sp. 1172–1196, 1192–1195. 38 Vgl. dazu und zum Folgenden Kinzig: Wirtschaftsethik V/1. Kirchengeschichtlich. Alte Kirche, S. 150. 39 Vgl. dazu wie zum Folgenden Kinzig: Wirtschaftsethik V/1. Kirchengeschichtlich. Alte Kirche, S. 150f.; vgl. ebf. Klaus Thraede: Gleichheit. In: Reallexikon für Antike und Christentum 11 (1981), Sp. 122–164, 142–163; vgl. zudem Adolf Martin Ritter: Frühes Christentum – Das Beispiel der Eigentumsfrage. In: Stephan H. Pfürtner u.a. (Hg.): Ethik in der europäischen Geschichte. Bd. 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart u.a. 1988, S. 116–133, 122f.

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besteht in der Wohltätigkeit, während Wucher, Zinsnehmen und Geldgier, aber seit dem 4. Jahrhundert auch zunehmend der Luxus von Klerikern und später ebenfalls von Mönchen getadelt werden.40 Noch ist den christlichen Autoren der Zeit das Geld „als Mittel zur Steigerung der Produktivität, zur Hebung des Lebensstandards, zur Beseitigung der sozialen Mißstände, zur Förderung der Bildung, Kunst u[nd] Wissenschaft“ unbekannt.41 Der Handel und die aus ihm erwachsenen Chancen und Risiken werden nur selten thematisiert und noch seltener in Frage gestellt, lediglich bestimmte Geschäftspraktiken ernten Kritik.42 1.2.3.2

Mittelalter

Im Mittelalter trugen das Wiederaufleben des Handels im 11. Jahrhundert, die Wiederentdeckung antiker Wissenschaft in der Folgezeit, die Entstehung der Universitäten sowie das Aufkommen der Bettelorden mit ihrer städtischen Ausrichtung maßgeblich zum entschiedenen Bemühen der Kirche um ein schlüssiges Konzept einer Wirtschaftsethik – häufig als scholastische Wirtschaftsethik bezeichnet – bei.43 Deren Aufbau und Durchgestaltung setzten sich bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts fort, bis Kriegswirren, Hungersnöte und die Pest den zwischenzeitlichen Niedergang der westeuropäischen Wirtschaft wie wirtschaftstheoretischer Überlegungen bedeuteten. Die Zeit zwischen Untergang des Römischen Reichs und Ende des ersten Jahrtausends stellte den Scholastikern zwar keine geschlossene konzeptionelle Grundlage zur Verfügung, diente ihnen jedoch als wesentliche Vorbereitungszeit bei der Aufbereitung der Tradition in Textsammlungen, die grundlegend für die Anlage der Scholastik wurden. Die maßgeblichen scholastischen Autoren, die sich mit wirtschaftsethischen Fragestellungen auseinandersetzten, waren Theologen wie Thomas von Aquin, Johannes Duns Scotus, Heinrich von Gent, Petrus Cantor, die Dominikaner Ulrich von Straßburg, Johannes von Freiburg und Aegidius von Lessines, die Franziskaner Petrus Johannes Olivi, Astesanus von Asti und Richard von Mediavilla, die Augustiner Gregor von Rimini, Heinrich von Friemar und Gerhard von Siena, der Karmeliter Guido Terreni oder der Pariser Professor Johannes Buridan und sein Schüler Nikolaus von Oresme, die unter Einbezug des kanonischen Rechts schrieben.44 Dabei unterschieden die Kanonisten zwischen Regeln der inneren Gerichts40 Vgl. dazu Raymond Bogaert: Geld (Geldwirtschaft). In: Reallexikon für Antike und Christentum 9 (1976), Sp. 797–907, 901–903. 41 Bogaert: Geld (Geldwirtschaft), Sp. 901. 42 Vgl. Kinzig: Wirtschaftsethik V/1. Kirchengeschichtlich. Alte Kirche, S. 151. 43 Vgl. dazu und zum Folgenden Odd Langholm: Wirtschaft/Wirtschaftsethik V/2. Kirchengeschichtlich. Mittelalter. In: Theologische Realenzyklopädie. Studienausgabe. Teil III. Bd. 36. Berlin u.a. 2006, S. 153–159, 153. 44 Vgl. dazu und zum Folgenden Langholm: Wirtschaftsethik V/2. Kirchengeschichtlich. Mittelalter, S. 153f.; vgl. dazu auch ausführlich Ders.: Price and Value in the Aristotelian Tradition. Oslo 1979; wie auch ders.: The Legacy of Scholasticism in Economic Thought. Antecedents of Choice and

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barkeit, die relevant vor dem eigenen Gewissen bzw. im Beichtstuhl waren und als Niederschlag des göttlichen Gesetzes betrachtet wurden, sowie freien Einstellungen gegenüber dem Handel, welche von der kirchlichen, äußeren Gerichtsbarkeit als externe Instanz dem römischen Recht entnommen waren. Schließlich lieferten die Übersetzungen der Nikomachischen Ethik und der Politik des Aristoteles weitere Anregungen für Überlegungen zur Wirtschaftstätigkeit, so dass die scholastische Wirtschaftsethik eine Synthese aus diesen Elementen darstellt. Vor allem die tiefgreifende Veränderung des Handels im späten Mittelalter mit einer nie dagewesenen Mobilität und Ausbreitung trug entscheidend zur scholastischen Wirtschaftslehre bei, die sich zu einem wesentlichen Teil als moralischer Leitfaden für Kaufleute verstehen lässt.45 Die Handelstätigkeit ist dabei nach Thomas von Aquin nicht zu beanstanden und darf auch maßvollen Gewinn abwerfen, wenn ein Kaufmann nicht habgierig ist und sein Geschäft nur für den Unterhalt seines Hausstandes, zur Unterstützung der Armen sowie aus Gründen des Gemeinwohls betreibt.46 Mönchen und Geistlichen ist kein Handel erlaubt, doch dürfen sie einem Handwerk nachgehen, bei dem sie Rohstoffe erwerben und zu einem fertigen Produkt weiterverarbeiten. Zum sittlichen Maßstab der moralischen Beurteilung des Handels wird so der ehrbare Handwerker, der mit seiner Arbeit den eigenen Unterhalt sichert. Die Übersetzung der aristotelischen Ethik brachte einen Aufschwung für das scholastische Wirtschaftsdenken.47 Alle Formen partikularer Gerechtigkeit beruhen für Aristoteles auf einer Art von Gleichwertigkeit. So deuteten seine bedeutendsten lateinischen Kommentatoren, Albertus Magnus und dessen Schüler Thomas von Aquin, Gerechtigkeit beim Warenaustausch als eine gewisse Form wechselseitiger Gerechtigkeit: Zwischen den ausgetauschten Sachen sollte Gleichwertigkeit im Sinne von Vergleichbarkeit bestehen. Ein gleicher Wert beim Tausch kann dabei durchaus einen lokal unterschiedlichen Nutz- oder Gebrauchswert bedeuten, so dass beide Parteien vom Geschäft profitieren. Nach Aristoteles stellt wechselseitiger menschlicher Bedarf den Grund für den Austausch dar.48 Entsprechend verweisen Albertus Magnus und Thomas von Aquin auf den menschlichen Bedarf als Gleichgewicht erzeugendes Prinzip. Dabei

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Power. Cambridge 1998. Vgl. ebf. Barry Gordon: Economic Analysis before Adam Smith. London 1975. Vgl. dazu und zum Folgenden Langholm: Wirtschaftsethik V/2. Kirchengeschichtlich. Mittelalter, S. 154. Vgl. Thomas von Aquin: Summa Theologica II–II 77. Vgl. dazu grundlegend Peter Koslowski: Ethische Ökonomie und theologische Deutung der Gesamtwirklichkeit in der „Summa theologiae“ des Thomas von Aquin. In: Vademecum zu einem Klassiker der Wirtschaftsethik. Ökonomie, Politik und Ethik in Thomas von Aquins „Summa theologiae“. Düsseldorf 1991, S. 43–60. Vgl. dazu und zum Folgenden Langholm: Wirtschaftsethik V/2. Kirchengeschichtlich. Mittelalter, S. 156. Vgl. dazu und zum Folgenden Langholm: Wirtschaftsethik V/2. Kirchengeschichtlich. Mittelalter, S. 157.

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stellte sich das Problem, wie der Bedarf als gerechter Wertmaßstab fungieren konnte, wenn es zugleich sündhaft war, ihn auszunutzen. Diese Aporie wurde von der nachfolgenden Kommentatorengeneration aufgelöst, indem die aristotelische Feststellung im Sinne eines überindividuellen Bedarfs einer ganzen Gemeinschaft interpretiert wurde. Als schwerste wirtschaftliche Sünde galt bei den Theologen des Mittelalters unter Berufung auf Lk 6,35 („Leihet, ohne etwas zurückzuerwarten“) sowie auf Begründungen aus der natürlichen Vernunft der Wucher als ungerechtfertigter Gewinn aus dem Geldverleih oder dem Verkauf auf Kredit. Thomas von Aquin betont in enger Anlehnung an Aristoteles, dass das Zinsnehmen auf geborgtes Geld der Gerechtigkeit entgegensteht und darum eine Sünde ist. 49 Das Zinsnehmen erscheint dabei als Paradigma für jene menschlichen Handlungen, die auf Geldvermehrung abzielen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass es sich beim Besitz von Geld lediglich um künstlichen Reichtum handelt. Im Gegensatz zu den Sachgütern, deren Besitz die Grundlage für die menschliche Lebensgestaltung darstellt, dient das Geld nur der Erleichterung der Tauschgeschäfte und der Gewährleistung eines gemeinsamen Wertmaßstabs.50 So ist der Gebrauchswert einer bestimmten Geldsumme nach Thomas von Aquin mit der entsprechenden Kaufkraft streng identisch. Verlangt jemand Zinsen, bedeutet dies, er habe über die Kaufkraft noch etwas Weiteres im Gegenwert des Zinsbetrags verliehen, was es nicht geben könne.51 1.2.3.3

Neuzeit: Die Entwicklung des Frühkapitalismus von der Reformation bis zur Aufklärung

Die historische Phase vom 16. bis 18. Jahrhunderts, gemeinhin als Frühe Neuzeit oder Frühmoderne tituliert, zeichnet sich durch eine relative Kontinuität zum Mittelalter aus. Es kam nicht – wie von Werner Sombart postuliert – zu einem „gewaltige[m] Ruck“, der dem Kapitalismus zum Durchbruch verholfen hätte, vielmehr ist die Epoche des Frühkapitalismus geprägt durch eine Vielzahl unterschiedlicher Entwicklungen, die allmählich einsetzten und sich vielfach gegenseitig bedingten und beförderten.52 49 Vgl. Thomas von Aquin: Summa Theologica II–II 78,1c. Vgl. dazu und zum Folgenden Rochus Leonhardt: Zwischen Skylla und Charibdis? Theologische Wirtschaftsethik im Spiegel kirchlicher Verlautbarungen. In: Udo Kern (Hg.): Wirtschaft und Ethik in theologischer Perspektive. Münster u.a. 2002 (= Rostocker Theologische Studien 7), S. 199–239, 216. 50 Vgl. Thomas von Aquin: Summa Theologica II-II 2,1c. Vgl. dazu ausfürhrlich Rochus Leonhardt: Glück als Vollendung des Menschseins. Die beatitudo-Lehre des Thomas von Aquin im Horizont des Eudämonismus-Problems. Berlin u.a. 1998 (= Arbeiten zur Kirchengeschichte 68), S. 179f. 51 Vgl. Leonhardt: Theologische Wirtschaftsethik im Spiegel kirchlicher Verlautbarungen, S. 216.; vgl. ebf. die Ausführungen bei Thomas von Aquin: De malo 13,4c. 52 Werner Sombart: Der moderne Kapitalismus. Bd. 2: Das europäische Wirtschaftsleben im Zeitalter des Frühkapitalismus, vornehmlich im 16., 17. und 18. Jahrhundert. Halbbd. 1. Berlin u.a. 1928, S. 10.

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Der geistig-kulturelle Aufbruch der Renaissance und des Humanismus, die Entdeckungsfahrten der Portugiesen und Spanier seit Ende des 15. Jahrhunderts und die Reformation – und in ihrer Folge die Konfessionalisierung, die nicht nur das Ende der Einheit der römischen Kirche bedeutete, sondern auch weitreichende politische und gesellschaftliche Folgen nach sich zog – markieren in der europäischen Geschichtswissenschaft für gewöhnlich den Beginn der frühen Neuzeit. Zugleich setzten langfristig bedeutsame Veränderungen ein, die eine neue Epoche in der wirtschaftlichen Entwicklung Europas einleiteten. 53 So kam es zu einem langsamen, aber kontinuierlichen Wirtschaftswachstum, das durch eine Steigerung von Handel und Gewerbe bei gleichzeitiger Stagnation von Innovation und Produktivität gekennzeichnet war. Mit der Produktivitätsentwicklung in Gewerbe und Landwirtschaft gingen ein demographischer Wandel und stetiges Bevölkerungswachstum einher. Wirtschaftliche Veränderungen im Gewerbe und Innovationen gab es vor allem in Montan- und Textilindustrie, mit der Manufaktur und dem Verlagswesen entstanden neue vorindustrielle Organisationsformen.54 Der Frühkapitalismus erschien vor allem in den oberdeutschen Handelsstädten als Gesinnung, die sich auf die „allgemeine Durchdringung des Wirtschaftskreislaufs mit Ware-Geld-Beziehungen“ auswirkte.55 Langsam bildeten sich das Prinzip der Arbeitsteilung, der erhöhte Kapitalbedarf und die Trennung von Kapital und Arbeit heraus, was sich unmittelbar auf die Preisentwicklung sowie die Bedeutung und Wertschätzung des Geldes auswirkte.56 In Folge von Bevölkerungswachstum und gesteigerter Nachfrage kam es immer wieder zu Inflationsschüben, die sinkenden Realeinkommen gegenüber standen. Zudem weitete sich der Fern- und Überseehandel im Zuge der europäischen Expansion signifikant aus. Parallel zu einer ersten Frühindustrialisierung bildete sich aus dem feudalistischen Personenverbandsstaat der institutionelle Flächenstaat aus.57 Dabei entwickelte sich aus den mittelalterlichen Herrschaftsformen der Territorialstaat, dessen Herrschaft immer weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens umfasste. Der frühmoderne Staat war unter anderem durch Finanzhoheit und Gewaltmonopol gekennzeichnet. Ein politisch, persönlich und wirtschaftlich vom Herrscher abhängiges aufstrebendes Stadtbürgertum und gebildetes Beamtentum traten vielfach an die Stelle von Adel und Klerus und führten zur Tendenz einer rationalen Herrschaft. Neben der Gewährleistung des Friedens nach innen und außen im Rah53 Vgl. dazu und zum Folgenden Norbert Friedrich: Wirtschaft/Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit. In: TRE 36, S. 159–170, 159f. 54 Vgl. Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 161. 55 Winfried Schulze: Einführung in die neuere Geschichte. Stuttgart 1987 (= Uni-Taschenbücher 1422), S. 108. 56 Vgl. dazu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 160f. 57 Vgl. dazu wie zum Nachfolgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 161. Friedrich bezieht sich bei den Begrifflichkeiten auf den österreichischen Historiker Theodor Mayer sowie die von ihm geprägten Begrifflichkeiten zur mittelalterlichen Staatsauffassung.

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Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion

men seines Gewaltmonopols oblag dem Staat dabei auch die „Herstellung einer gerechten Ordnung“.58 In diesem Rahmen agierte der Staat zunehmend wirtschaftspolitisch, ergriff Maßnahmen zur Förderung der Infrastruktur und reglementierte verstärkt Wirtschaft, Handel und Gewerbe. Um seinen gewachsenen Aufgaben gerecht werden zu können, war der frühmoderne Staat auf steigende Einnahmen angewiesen, die über einen Staatsausbau zum Steuerstaat generiert wurden, der im Gegensatz zu zentralistisch organisierten europäischen Staaten besonders den Territorialherren nützte. Von wesentlicher Bedeutung ist die als „Kommunikationsrevolution“ (Sombart) bezeichnete Wandlung der sich herausbildenden medialen Landschaft durch die Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern und die Entstehung der Post mit dem Aufbau des Briefwesens durch Franz von Taxis ab dem Ende des 15. Jahrhunderts.59 Ein wichtiges Motiv für den Aufbau des Postwesens war die Förderung und Entwicklung des eigenen Territorialstaats.60 Bücher, Pamphlete, Flugblätter und Zeitungen führten zur Herausbildung eines neuen Informationssystems mit bislang ungekannten Diskursmöglichkeiten in den gelehrten Kreisen. 1.2.3.4

Reformation und Wirtschaftsethik

Im 16. Jahrhundert setzten darüber hinaus wesentliche geistesgeschichtliche Veränderungen im Zuge von Reformation und Gegenreformation ein.61 Mit der Konfessionalisierung als zentralem Institutionalisierungsvorgang des 16. Jahrhunderts, der Ausdifferenzierung der Christenheit in unterschiedliche Deutungsangebote kam es zu einer veränderten, rationalen Weltsicht, die sich auch auf die Ökonomie auswirkte.62 Renaissance, Humanismus und Reformation führten durch die „Entdeckung“ des Individuums und der Förderung des Gewinnstrebens zu Veränderungen in der Wirtschaft, obschon sie gleichermaßen auf die Schwierigkeiten ihrer Zeit als „schwierige(n) sozio-ökonomische(n) Übergangsphase“ (Prien) reagierten 58 Hans Boldt: Deutsche Verfassungsgeschichte. Politische Strukturen und ihr Wandel. Bd. 1. München 1984 (= dtv Wissenschaft 4424), S. 159. 59 Vgl. dazu Rudolf Dekker: Briefe von Seeleuten an Bord niederländischer Schiffe und ihrer Familien im 17. und 18. Jahrhundert. In: Kaspar von Greyerz (Hg.): Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit. Individualisierungsweisen in interdisziplinärer Perspektive. München 2007 (= Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien 68), S. 33–44, 42f. Vgl. dazu auch Wolfgang Behringer: Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit. Göttingen 2003 (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 189). Vgl. ebf. Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 160. 60 Vgl. Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 161. 61 Vgl. dazu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 162. 62 Vgl. wie auch umfassend zu den institutionellen Entwicklungen des 16. Jahrhunderts besonders Johannes Burkhardt: Das Reformationsjahrhundert. Deutsche Geschichte zwischen Medienrevolution und Institutionenbildung. Stuttgart 2002, hier S. 11f. Vgl. außerdem zur Konfessionalisierung Heinz Schilling: Aufbruch und Krise. Deutschland 1517–1648. Berlin 1988. Vgl. dazu ebf. Harm Klueting: Das konfessionelle Zeitalter: 1525–1648. Stuttgart 1989 (= Uni-Taschenbücher 1556).

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und „dabei gleichwohl auch Gemeinwohlvorstellungen“ (Friedrich) vertraten.63 Zwischen reformatorischer Gesinnung und einer Bejahung wirtschaftlicher Entwicklung bestand indes keine feste Verbindung, wie die Reformatoren selbst zeigen.64 Allgemein übten die Reformatoren vor allem biblisch begründete Kritik am Gewinnstreben wie schon zuvor die Scholastiker, wobei deren Kritik stärker naturrechtlich begründet war (vgl. oben). Trotz dieser Skepsis gegenüber den ökonomischen Prozessen der Zeit lässt sich bei Martin Luther ein gewisses Verständnis für die Kapitalbedürfnisse der aufstrebenden Wirtschaft feststellen.65 Luther lehnt es etwa ab, Wirtschaftsordnung und Geldwesen unmittelbar biblisch zu regulieren, betont aber auch, dass Handels- und Geldgeschäfte nicht am maximalen Profit, sondern am Prinzip von Recht und Billigkeit ausgerichtet zu sein hätten66: „Es sollt nicht so heyssen ‚Ich mag meyne wahr so theur geben, als ich kan odder wil‘, Sondern also ‚Ich mag meyne wahr so theur geben, als ich soll odder alss recht und billich ist‘“.67 Martin Luthers predigtähnliche Schriften, die seit 1518 rasante Verbreitung fanden und maßgeblich zu seiner Popularität beitrugen, richteten sich in deutscher Sprache an die Laien und informierten über die wichtigsten Fragen einer neuen Frömmigkeitspraxis.68 Im Werk Martin Luthers nehmen wirtschaftliche Fragen zwar keinen zentralen Platz ein, allerdings hat Luther mit großem Interesse an den wirtschaftlichen Entwicklungen seiner Zeit partizipiert und so erscheinen entsprechende Aussagen an unterschiedlichen Stellen seines Werkes.69 Immer wieder stehen Luthers Aussagen dabei im Zusammenhang mit theologischen Gerechtigkeits-

63 Hans-Jürgen Prien: Luthers Wirtschaftsethik. Göttingen 1992, S. 49. Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 162. 64 Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 162. 65 Vgl. dazu und zum Folgenden Martin Honecker: Grundriss der Sozialethik. Berlin u.a. 1995, S. 488–494; sowie ders.: Geld II. Historisch und ethisch. In: Theologische Realenzyklopädie. Bd. 12. Berlin u.a. 1984, S. 278–298, bes. 286ff. Vgl. dazu wie auch zum Folgenden ebf. Leonhardt: Theologische Wirtschaftsethik im Spiegel kirchlicher Verlautbarungen, S. 217. 66 Vgl. dazu und zum Folgenden Honecker: Grundriss der Sozialethik, S. 488–494. Vgl. ebf. ders.: Geld II. Historisch und ethisch, S. 278–298, bes. 286ff. Vgl. dazu wie auch zum Folgenden ebf. Leonhardt: Theologische Wirtschaftsethik im Spiegel kirchlicher Verlautbarungen, S. 217. 67 Martin Luther: Von Kaufshandlung und Wucher. 1524. In: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe [WA]. Bd. 15. Weimar 1883ff., S. 293–322, 295. 68 Vgl. dazu wie zum Folgenden Michael Beyer: Wirtschaftsethik bei Martin Luther. In: Udo Kern (Hg.): Wirtschaft und Ethik in theologischer Perspektive. Münster 2002 (= Rostocker Theologische Studien 7), S. 85–110, 94. 69 Vgl. Andreas Pawlas: Lutherische Wirtschaftsethik in ihrer geschichtlichen und aktuellen Bedeutung. In: Udo Kern (Hg.): Wirtschaft und Ethik in theologischer Perspektive. Münster 2002 (= Rostocker Theologische Studien 7), S. 111–138, 111f. Vgl. zu den wirtschaftsethischen Vorstellungen Luthers v.a. auch grundsätzlich Prien: Luthers Wirtschaftsethik sowie Max Josef Suda: Die Ethik Martin Luthers. Göttingen 2006 (= Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie 108), bes. S. 170–179.

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vorstellungen.70 Explizit Thema sind sie in Luthers der Wucherproblematik gewidmeten Schriften, in denen sich der Reformator scharf gegen den Wucher wendet, jedoch moderate Zinsen von 4-6 % erlaubt, so der Geldgeber darauf angewiesen ist. Seit 1519 schrieb Luther über den Wucher und die viele Menschen bewegenden Frage der Zinswirtschaft.71 Ende des Jahres erschien der Sermon von dem Wucher, der bereits 1520 als Großer Sermon von dem Wucher erneut erschien und auch in die Wucherschrift von 1524 Von Kaufshandlung und Wucher Eingang finden sollte. Im Sermon von dem Wucher liefert Luther eine grundsätzliche, der Bergpredigt entnommene Belehrung, bei der er drei Grade im christlichen Umgang mit den weltlichen Gütern unterscheidet. Der erste und höchste Grad besteht im Erleiden von Unrecht: „Szo yemant unß ettwas mit gewalt nimpt, solnn wirs nit allein faren lassen, sondern auch bereyt sein, ßo er er mehr nemen wolt, dasselb auch zulassen, Und spricht alßo ‚wer mit dir hadernn will am gericht, das er dir den rock nehme, ßo las yhm auch den mantel‘, das ist, solt nit widderstreben noch weeren, das er den mantell nit auch nehm. Und diß ist der hochst grad yn dißem werck.“ 72 Luther fordert also die Bereitschaft dazu ein, Unrecht zu erdulden – auch vor Gericht – und sich nicht nur auf äußeren Druck hin von materiellen Gütern zu trennen, sondern darüber hinaus sogar noch freiwillig mehr hinzugeben. Der zweite Grad behandelt die Freigiebigkeit gegenüber Bedürftigen, sobald sie darum bitten73: „Der ander [Grad] ist, das man geben soll yderman, der seyn darff und begeret, davon sagt er alßo ‚Wer von dir bittet, dem gib‘.“74 Der dritte Grad wird von Luther als „der geringste“, also leichteste, bezeichnet und widmet sich dem Thema Wucher. Diese klare Unterweisung an die Christen bezieht sich auf die Bereitschaft zum Verleihen mit der Aussicht, sein Gut zurück zu erhalten, wobei der Gläubiger aber keinen Zins verlangen dürfe: „Der dritt grad ist, das man williglich und gerne leyhe odder borge an allen auffsatz odder tzinße, davon sagt er ‚Und wer von dyr borgen odder entleyhen will, von dem kere dich nit‘, das ist, vorsags yhm nicht.“75 Daran schließt sich ein Diskurs über das Leihen ohne Zins an, in dem Luther auf die Goldene Regel verweist und anführt, dass sich jedermann gerne zinslos etwas ausleihe und das doch ebenso umgekehrt funktionieren könne.76 Darüber hinaus gibt es für Luther weitere Grade des „Austauschs“ weltlicher Güter über den „christlichen Umgang und Wohltun mit zeitlichem Gut“ hinaus, der durch die gestufte Trias „umsonst Geben, Verleihen ohne Bedingungen, mit Liebe hinter sich lassen“ beschrieben ist.77 Bei diesen niederen Graden handelt es sich um normale

70 71 72 73 74 75 76 77

Vgl. dazu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 162. Vgl. dazu wie zum Folgenden Beyer: Wirtschaftsethik bei Martin Luther, S. 94. Luther: WA 6, S. 3. Vgl. dazu und zum Folgenden Beyer: Wirtschaftsethik bei Martin Luther, S. 94f. Luther: WA 6, S. 3. Luther: WA 6, S. 3. Vgl. dazu und zum Folgenden Beyer: Wirtschaftsethik bei Martin Luther, S. 96f. Luther: WA 6, S. 6.

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Geschäftsabläufe, wirtschaftliches Handeln wie Kaufen, Verkaufen, Erben, Verträge schließen, das nach geistlichem wie weltlichem Recht geordnet abläuft und bei dem die Redlichkeit der Wirtschaftspartner grundsätzlich vorausgesetzt ist. All das reicht aber noch nicht an das in der Trias beschriebene christliche Verhalten heran: Rechtschaffenheit beschränkt sich für Luther niemals auf die bloße Einhaltung von Gesetzen. Christlich im eigentlichen Sinne und somit verbindlich für alle Christen ist vielmehr ein vollkommeneres Handeln, wie es von Jesus in der Bergpredigt gefordert wird. Luthers weitere Ausführungen sind dem Problem des „Zinskaufs“ gewidmet, aus dem Wucher werden kann aber nicht muss. Hierbei appelliert Luther an die Rechtschaffenheit der Geschäftspartner, obgleich diese freilich vom christlichen Wohltun unterschieden werden musste. Auch in seinen weiteren Schriften, der Neuauflage seines Wuchersermons in erweiterter Fassung und seiner ebenfalls 1520 veröffentlichten Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung, setzte sich Luther wiederholt mit dem Zinskauf auseinander, den er unter anderem auch als Ursache großen Wohlstands besonders auch kirchlicher Institutionen kritisierte.78 Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass Luther den Wucher – wie auch alle anderen unlauteren Geschäftsbeziehungen – zuerst im Bereich der Kirche bekämpfte und erst in einem zweiten Schritt als für alle Christen verurteilenswert qualifizierte. Der Wuchersermon ist schließlich auch in Luthers 1524 veröffentlichter größerer Schrift Von Kaufshandlung und Wucher enthalten, in der er sich intensiver mit Fragen des Handels beschäftigt, was vor allem auf die reichsweite Diskussion über die wirtschaftliche Konzentration in den großen Handelsgesellschaften wie etwa der Fugger und Welser in Augsburg und deren regionale Auswirkungen auf weite Teile des Landes zurückzuführen ist.79 1539 erschien schließlich als Reaktion auf Hungersnöte in Sachsen und den damit einhergehenden Wucher die Vermahnung an die Pfarrherrn, wider den Wucher zu predigen, in der Luther die Geistlichen aufforderte, die Obrigkeit – im Fallen deren Versagens – zu beraten. Die Einforderung eines Notrechts des kirchlichen Standes gegenüber der weltlichen Obrigkeit stellte bemerkenswerterweise die direkte Umkehrung seiner früheren Forderungen an die weltliche Obrigkeit dar, sich der Belange der Kirche anzunehmen, wenn diese ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkäme. Nach Prien nimmt Luther im Großen Sermon „den spezifischen Zinswucher aufs Korn“, während er in Von Kaufshandlung und Wucher zunächst einmal die Notwendigkeit des Handels anerkennt, um dann aber den Wucherbegriff auf das Handelskapital mit seinen zahlreichen Missbräuchen auszuweiten, die der Reduzierung der Konkurrenz dienen sollen und schließlich allesamt überhöhte Preisforderungen und Teuerungen zur Folge haben. 80 In der Vermahnung greift Luther in erster

78 Vgl. Beyer: Wirtschaftsethik bei Martin Luther, S. 98f. 79 Vgl. dazu und zum Folgenden Beyer: Wirtschaftsethik bei Martin Luther, S. 100f. 80 Vgl. dazu und zum Folgenden Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 213.

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Linie wieder den Zinswucher des Finanzkapitals an und lässt den Zinskauf beiseite, geht aber verstärkt auf den kausalen Zusammenhang von Wucher und Teuerung ein und lehnt den Wucher weiterhin als „rechtsgeschäftliche Aneignung offenbaren Mehrwertes“ grundsätzlich ab.81 Eine „wesentliche Schwäche“ in Luthers Argumentation erkennt Prien darin, dass Luther „nicht eindeutig zwischen karitativen und kaufmännisch-bankmäßigen Leihen bzw. Konsum- und Produktionskrediten unterscheidet“.82 Doch sei dies nicht zuletzt der sozio-ökonomischen Umbruchsituation im 16. Jahrhundert geschuldet.83 Luther erfasste die veränderten Rahmenbedingungen nur teilweise, die sich auf den Kreditsektor insofern auswirkten, dass nun Darlehensgeschäfte die Möglichkeiten boten, Kapitalien produktiv anzulegen, was den Charakter des Darlehenszinses wesentlich veränderte. 84 Trotzdem ist nach Prien vor allem Luthers Kritik an Zinsforderungen für karitative Darlehen plausibel und auch seine Kritik an überhöhten Zinssätzen für Kredite in Handel und Produktion mit schädlichen Folgen für die Gesamtwirtschaft wie dem Preisanstieg, unter dem vor allem die Armen zu leiden hatten, sowie an völlig überzogenen Zinssätzen für Konsumkredite stringent. Besonders letztere führen leicht zur Expropriierung der Darlehensnehmer, vermindern damit gesellschaftlichen Wohlstand und begünstigen zugleich soziales Elends- und Konfliktpotential. Luther befürchtet die Entstehung eines Teufelskreises: Die von den überhöhten Zinsen geförderte Geldakkumulation zieht eine Zentralisierung gesellschaftlichen Reichtums nach sich, welcher wiederum durch seine Monopolfunktion in Wirtschaftsunternehmungen eine preistreibende Wirkung entfacht.85 Luthers Kritik an den Handelspraktiken des Frühkapitalismus wirkt dabei eingedenk der Folgen der späteren Industrialisierung, auf die unten noch näher eingegangen werden soll, außerordentlich modern. Georg Simmel hat später in seiner Philosophie des Geldes den von Luther vorausgesehenen Akkumulationsprozess des Kapitals nachgezeichnet, dabei aber anders als beispielsweise Karl Marx denselben nicht negativen gedeutet, sondern aufzuweisen versucht, dass gerade mit dieser Zusammenballung von monetärem Kapital die Bedingung der Möglichkeit für einen, wie er es nennt, „substantiellen Fortschritt“ geschaffen werden konnte.86 Neben der ausgedehnten Kritik an Wucher und Monopolbildung spricht sich Luther auch eindeutig gegen eine Eigengesetzlichkeit des Wirtschaftssystems aus, wie sich etwa an seiner kompromisslosen Ablehnung der kaufmännischen Prinzipien des höchsten erzielbaren Zinses und des höchsten erzielbaren Preises zeigt 81 Vgl. die Definition nach Oswald von Nell-Breuning: Wucher. In: Staatslexikon. Bd. 5. Freiburg i.B. 5 1932, Sp. 1467–1478, 1468. 82 Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 216. 83 Vgl. dazu und zum Folgenden Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 215ff. Vgl. ebf. ebd., S. 49. 84 Vgl. dazu auch Irmgard von Schubert: Wirtschaftsethische Entscheidungen Luthers. (Kauf und Darlehn.) In: Archiv für Reformationsgeschichte. Internationale Zeitschrift zur Erforschung der Reformation und ihrer Weltwirkungen 21 (1924), S. 49–77, 76f. 85 Vgl. Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 217. 86 Vgl. Georg Simmel: Philosophie des Geldes. Leipzig 1900.

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(vgl. oben).87 Dem Prinzip der Gewinnmaximierung in der Geldwirtschaft und seiner sozialen Folgeerscheinungen Teuerung, Armut und Abhängigkeit setzt der Reformator die evangelischen Weisungen der Bergpredigt entgegen, die auch in wirtschaftlichen Fragen verbindlichen normativen Charakter für die Christen habe, „so viel es das gewissen betrifft“.88 Auf diese Ablehnung einer normativen Autonomie des Wirtschaftens greifen später sowohl Vertreter der christlichen Soziallehre zurück als auch neuere wirtschaftsethische Ansätze wie etwa die integrative Wirtschaftsethik Peter Ulrichs (vgl. dazu ausführlich im dritten Teil dieser Arbeit). Von wesentlicher Bedeutung für Luthers Ethik ist dabei sein Sündenbegriff, welcher eschatologisch geprägt ist. Das Umsichgreifen von Wucher und Geiz in seiner Umwelt versteht er als Zeichen der beginnenden Endzeit. Von diesem Denkansatz ist auch seine Kreuzestheologie bestimmt, wonach sich das menschliche Herz von den Gütern dieser Welt lösen soll. Kontraktformen wie der Zinskauf sollen Sünden wie Wucher und Geiz nur verschleiern, die zügellose Profitgier nach sich ziehen. Mit der theologischen Redeweise vom Dienst des Mammons meint Luther, dass der Mensch sich der Verfügungsgewalt seines Schöpfers zu entziehen versucht, indem er sich mit Hilfe des Geldes der wirklichen, materiellen Unverfügbarkeiten seiner Existenz enthebt. Entsprechend geißelt er mit der Zinskaufmentalität ein Sicherheitsstreben, das die menschliche Kreatürlichkeit verkennt und somit auf Gottesleugnung hinausläuft. So kann „groß Geld und Gut den Hunger nicht stillen, noch im rathen, sondern verursacht mehr die Theurung. Denn wo reiche Leute sind, ist es allzeit theuer. Zu dem macht das Geld niemand recht fröhlich, sonder macht einen viel mehr betrübt und voller Sorgen; denn es sind Dornen, so die Leute stechen, wie Christus den Reichthum nennet. Noch ist die Welt so thöricht, und will alle ihre Freude darinnen suchen“. 89 Bei seiner Geißelung des „Mammonismus“ denkt Luther an Geld, dessen Gebrauch er immer dann als unnatürlich, schädlich und unmoralisch verurteilt, wenn es sich eigenständig zu vermehren und somit in naturwidriges Kapital zu verwandeln beginnt.90 Wie Prien feststellt, erklärt sich die Verurteilung von Wucher und Geiz als Blasphemie und Verstoß gegen das 1. Gebot also aus der Antithese Gott oder Mammon, die Luthers wirtschaftsethisches Denken bestimmte.91 Die als Hauptsünde titulierte Habgier (Geiz und Wucher) und Hochmut hindern den Menschen sowohl am Dienst

87 88 89 90

Vgl. dazu wie zum Folgenden Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 220f. Luther: WA 15, S. 294. Vgl. Luther: WA Tischreden. Bd. 3, S. 192, 16–20. Vgl. Theodor Strohm: Luthers Wirtschafts- und Sozialethik. In: Leben und Werk Martin Luthers von 1526 bis 1546. Festgabe zu seinem 500. Geb. i. Auftr. des Theologischen Arbeitskreises für Reformationsgeschichtliche Forschung hrsg. v. Helmar Junghans. Bd. 1. Göttingen 1983, S. 205–223, 212. Wie nah er damit im Grunde der Position des Aristoteles und seiner Lehre von der Chrematistik ist, wie sie auch die Scholastik vertrat, wird ihm dabei wohl zweitrangig gewesen sein. 91 Vgl. dazu und zum Folgenden Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 221.

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an Gott als auch am Mitmenschen, weshalb Luther 1539 sogar die Anwendung der Kirchenzucht gegen Wucherer verlangte.92 Im Rahmen von Luthers „eschatologische[m] Denken(s) bilden die Mächte des Frühkapitalismus“ einen „Teil des satanischen Zerstörungspotentials“.93 Trotz seines aus der Bergpredigt gewonnenen Ideals einer kreditlosen Wirtschaft strebt Luther keine biblizistische Reglementierung der Wirtschaft an und weist wiederholt Wege auf, die aus christlicher Sicht noch verantwortet werden können.94 Mit seiner Bergpredigtauslegung wollte er sich sowohl gegen die katholische Tradition der mittelalterlich-scholastischen Auslegung mit ihrer Zwei-Stände-Ethik als auch gegen die revolutionäre Täuferbewegung absetzen, die eine sichtbare Gemeinde der wahrhaft Gläubigen aussondern und zur wörtlichen Befolgung der Bergpredigt verpflichten wollte.95 Seiner Meinung nach zielten beide in ihrem Verständnis auf ein Gesetzeschristentum, was er ablehnte: Luther wollte die Bergpredigt als Evangelium verteidigen und zugleich eine klare Trennung zwischen Gesetz und Evangelium verwirklichen.96 Originär an Luthers Interpretation ist, dass nicht eine kleine Anzahl Christen als Aussteiger aus dem weltlichen Reich die Bergpredigt wörtlich befolgt, sondern dass die gesamte Christenheit in der Welt lebt – „nicht exterritorial, sondern im weltlichen Reich“ – und die Weisungen der Bergpredigt befolgt.97 Luther verbindet so – wie oben dargestellt – die Forderung, gemäß Gottes Willen für Recht und Wahrheit einzutreten mit dem Gebot der Bergpredigt, Unrecht geduldig zu erleiden und auch den Feind zu lieben. Dadurch ermöglicht er es seinen Zeitgenossen, „innerweltliche Verantwortung zu übernehmen, ohne auf die Verbindlichkeit der Bergpredigt zu verzichten“.98 Da Luther voraussetzt, dass die Weisungen der Bergpredigt dem Naturrecht folgen und es verschärfen, stellen das Handeln in Amt oder Beruf und die Forderungen der Bergpredigt keinen Widerspruch dar.99 Trotz seiner Absicht, den Weisungen Jesu radikal Geltung

92 Vgl. Luther: WA 51, S. 422. Vgl. grundlegend zur Kirchenzucht, zu ihrer Anwendung und zu ihren Ausprägungen in der Frühen Neuzeit, worauf an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann, John H. Leith/Hans-Jürgen Goertz: Kirchenzucht. In: Theologische Realenzyklopädie. Bd. 19. Berlin u.a. 1990, S. 173–191; sowie den Sammelband von Heinz Schilling (Hg.): Kirchenzucht und Sozialdisziplinierung im frühneuzeitlichen Europa. Berlin 1994 (= Zeitschrift für historische Forschung: Beiheft 16). 93 Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 222. 94 Vgl. Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 222f. 95 Vgl. Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 180. 96 Vgl. dazu und zum Folgenden Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 181f. 97 Heinrich Leipold: Luthers Lehre von den beiden Reichen in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. In: Martin Luther – der Streit um sein Erbe. Ringvorlesung des Fachbereichs Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg im WS 1983/84. Hg. v. Hans-Martin Barth u. Heinrich Leipold. Kassel 1984 (= Monographia Hassiae 11), S. 70–82, 79. 98 Gerta Scharffenorth: Den Glauben ins Leben ziehen … Studien zu Luthers Theologie. München 1982, S. 246. 99 Vgl. Tor Aukrust: Bergpredigt II. In: Theologische Realenzyklopädie. Bd. 5. Berlin u.a. 1980, S. 621.

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zu verschaffen, kann Luther somit in der Praxis bestimmte Einschränkungen zulassen.100 Auf dieser Grundlage unterbreitet Luther etwa konkrete Vorschläge zur kaufmännischen Preisbildung nach dem Prinzip der Billigkeit: Einerseits sollen Schaden oder Nachteil für den Käufer, andererseits aber Unterschiede der Einkaufspreise, der Qualität, der Transportkosten, Schäden durch höhere Gewalt, das Geschäftsrisiko sowie die unternehmerische Tätigkeit entsprechend berücksichtigt werden, damit der Kaufmann kostendeckend arbeiten kann.101 Obwohl Luther Verzinsung grundsätzlich ablehnt, kommt angesichts der „not und art des wercks“ des Kaufmanns eine sog. „feyl im Handel“ zur Sprache. Diese Begrifflichkeit bezeichnet Rücklagen oder eine gewisse Verzinsung und stellt nach Auffassung Luthers eine unvermeidliche Sünde dar, die nicht durch Mutwillen oder Geiz bedingt ist und die man „mit dem vater unser fur Gott bringen und yhm befelhen“ solle. 102 Der Unternehmerlohn soll dabei aber stets „zymlich“ sein: Entsprechend hat der Unternehmer seine Produktpreise so zu gestalten, dass sie eine „zymliche narunge“ einbringen.103 Zugleich sollen aber auch stets die legitimen Interessen des Nächsten gewahrt bleiben, der beim Handel entsprechend der Goldenen Regel nicht übervorteilt werden darf.104 Neben der ausgiebigen Auseinandersetzung mit dem klassischen Thema des Wuchers setzt Luther aber auch ganz neue Akzente für wirtschaftsethisches Fragen. Darauf weist Pawlas hin, wenn er ausführt, Luther habe eine „ganz eigene Lehre vom Beruf und damit ein ganz eigenes wirtschaftsethisches Konzept entwickelt“.105 Seit 1522 findet sich bei ihm der unmittelbare Bezug auf das Wort „Beruf“.106 Die mittelalterliche arbeitsteilige Gesellschaftsordnung mit ihrer Trennung von vita contemplativa und vita activa, wonach ein Teil der Gesellschaft für das Heil betete, während der andere für die Betenden arbeitete, wurde abgelöst. An ihre Stelle tritt ein theologisches Konzept von Beruf und Arbeit. In Luthers Sicht hat nun jeder Christ im Sinne des allgemeinen Priestertums das Recht, aber auch die Pflicht, sich in Gebet und Tat sowohl für sich als auch für das Ganze zu engagieren. Entsprechend fordert Luther wiederholt die Christen zur Wahrnehmung ihres Berufs auf: Dabei solle man sich nicht dazu verführen lassen, „so wie die Gottlosen nach Gütern zu trachten“. Luther verlangt: „Vertraue du Gott, und bleibe in deinem Beruf. Denn es ist dem HERRN gar leicht, einen Armen reicht zu machen.“107 Die Kopplung von beruflich-weltlicher Aktivität und Frömmigkeit hatte 100 Vgl. Hans Walter Krumwiede: Glaubenszuversicht und Weltgestaltung bei Martin Luther. Göttingen 1983, S. 174. 101 Vgl. dazu und zum Folgenden Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 110f. Auch hier tritt wieder die Nähe zur aristotelischen Nikomachischen Ethik und ihrem Prinzip der Billigkeit zutage. 102 Luther: WA 15, S. 297. 103 Luther: WA 15, S. 297, 296. 104 Vgl. Prien: Luthers Wirtschaftsethik, S. 223. 105 Vgl. Pawlas: Lutherische Wirtschaftsethik, S. 119. 106 Vgl. dazu und zum Folgenden Pawlas: Lutherische Wirtschaftsethik, S. 120f. 107 Luther: WA DB [Deutsche Bibel] 12, S. 178.

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für evangelische Christen zur Folge, dass sie nun ihren Beruf als alltäglichen Ort verstehen konnten, an dem sie dem Ruf Christi antworten und zugleich ihre Tätigkeit verantwortlich leben konnten, um zur Ehre Gottes und zum Nutzen des Nächsten zu dienen. Der berufliche Alltag wird so als Auftrag Gottes verstanden, von dem jeder Christ gleich welchen Standes zu den unmittelbar vor den eigenen Händen liegenden Aufgaben berufen ist: „Item: bistu eyn furst, herr, geystlich odder weltlich, wer hatt mehr tzu thun denn du? das deyn unterthan recht thun, frid, sey, niemant unrecht geschehe. […] Sihe, wie nu niemand on befelh und beruff ist, ßo ist auch niemand on werck, ßo er recht thun will. Ist nu eynem iglichen drauff tzu mercken, das er ynn seynem stand bleybe, auff sich selb sehe, seynis befelhs warnhem unnd darynnen gott diene und seyn gepott hallte, ßo wirtt er tzu schaffen ßo viell ubirkommen, das yhm all tzeytt tzu kurtz, alle stett tzu enge, alle krefft tzu wenig seyn werdenn. […] Daher kompts, das eyn frum magt, ßo sie ynn yhrem befelh hynngeht unnd nach yhrem ampt den hoff keret oder mist außtregt, oder eyn knecht ynn gleycher meynung pflugt und fehret, stracks tzu gen hymel geht, auff der richtigen straß, dieweyll eyn ander, der tzu sanct Jacob odder tzur kirchen geht, seyn ampt und werck ligen lest, stracks tzu tzur hellen geht.“108

Entscheidend ist dabei der Glaubensgehorsam.109 Das Verhalten in den beruflichen Ordnungen wird nicht durch die Ordnungsmäßigkeit gerechtfertigt, sondern durch Glauben und Vergebung.110 Entsprechend hat jeder Christ also einen Lebensort bzw. seinen Beruf und Stand, zu dem er von Gott berufen ist, und dessen Sinn darin bestehe, dem Nächsten zu dienen.111 In gewisser Weise könnte man von einer Spiritualisierung der Arbeitswelt sprechen. In der Schweiz hatte die reformierte Tradition andere Nachwirkungen. Johannes Calvin brachte unter den Reformatoren das größte Verständnis für das neu entstehende Geldwesen auf und hatte im Gegensatz zu Luther keine grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber dem Zinsgeschäft oder Berufen wie Bankier oder Kaufmann.112 Doch gesteht auch er dem Gewinnstreben keineswegs Selbstzweckcharakter zu, sondern betont nachdrücklich, dass gemäß dem christlichen Verständnis von Liebe (entsprechend I Kor 13) „die Sorge um den eigenen Nutzen“ stets „jenem eifrigen Trachten“ nach „dem Wohlergehen des anderen“ unterzuord-

108 Luther: WA 10 I, S. 308ff. 109 Vgl. dazu und zum Folgenden Pawlas: Lutherische Wirtschaftsethik, S. 121f. 110 Vgl. dazu auch Helmut Thielicke: Theologische Ethik. Bd. 1: Dogmatische, philosophische und kontroverstheologische Grundlegung. Tübingen 1951, S. 11. 111 Vgl. Luther: WA 11, S. 179. So seien alle Berufszweige durcheinander geflochten, das einer dem anderen helfe: „Sic omnes artifices sind durch einander geflochten, das einer dem andern helff.“ Sowie Luther: WA 15, S. 625. Dort heißt es: „Alle Stände sind darauf gerichtet, dass sie einander dienen sollen. Wir kehren alles um.“ (Übersetzung nach Gustaf Wingren: Luthers Lehre vom Beruf. München 1952 (= Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus, Reihe 10,3), S. 18.) 112 Vgl. Honecker: Geld II, S. 287,46–50.

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nen sei.113 Dies resultiere aus der göttlichen Einsetzung des Menschen als Haushalter, die dazu verpflichte, „über die Verteilung“ der von Gott übertragenen Gaben, mit denen „wir dem Nächsten zu helfen vermögen“, „einst Rechenschaft abzulegen“.114 Entsprechend ergeben sich hinsichtlich des Zinsnehmens erhebliche Einschränkungen.115 Von Armen darf prinzipiell kein Zins verlangt werden und selbst unter Vermögenden ist das Zinsgeschäft nach Möglichkeit derart zu gestalten, dass der Schuldiger den größeren Vorteil hat, in jedem Fall soll aber eine Übervorteilung des Nächsten ausgeschlossen bleiben. 1.2.3.5

Der Zusammenhang zwischen Religion und Wirtschaftsethik in der Neuzeit

In gleicher Weise wie Luthers Lehre vom allgemeinen Priestertum förderte die reformatorische Theologie durch ihr erneuertes Verständnis von christlicher Freiheit die Ablösung der mittelalterlichen Gesellschafts- und Herrschaftsordnung. Insbesondere der Begriff der Arbeit erfuhr eine Neubewertung, indem die vita activa anstelle der vorher einseitig in den Vordergrund gestellten vita contemplativa stärker in den Mittelpunkt rückte. Arbeit wurde zum Gottesdienst, der weltliche Beruf zur christlichen Berufung. Während des Merkantilismus kam es dann zur Loslösung dieser Idee von ihren religiösen Ursprüngen und einer säkularen Vorstellung der Arbeitspflicht.116 Inwieweit im Zuge der Reformation neben den gesellschaftlichen Veränderungen auch das Verhältnis zwischen Ethik und Religion einerseits und wirtschaftlichem Handeln andererseits einen tiefgreifenden Wandel erfuhr, steht nicht erst seit 113 Johannes Calvin: Unterricht in der christlichen Religion. Institutio Christianae religionis. Nach der letzten Ausg. von 1559 übers. und bearb. von Otto Weber. Neukirchen-Vluyn 51988, S. 450. Vgl. ebf. Leonhardt: Theologische Wirtschaftsethik im Spiegel kirchlicher Verlautbarungen, S. 218. 114 Calvin: Unterricht in der christlichen Religion, S. 450. 115 Vgl. dazu und zum Folgenden Leonhardt: Theologische Wirtschaftsethik im Spiegel kirchlicher Verlautbarungen, S. 218. 116 Vgl. dazu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 162. Die Herausbildung des Merkantilismus im 17. und 18. Jahrhundert, einer auf die eigene Volkswirtschaft und deren größtmögliche Autarkie ausgerichteten Wirtschaftspolitik, wurde maßgeblich von der Herausbildung absolutistischer Staaten in Europa beeinflusst. (Vgl. Rolf Walter: Wirtschaftsgeschichte. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart. Köln u.a. 1995 (= Wirtschafts- und sozialhistorische Studien 4), S. 19. Vgl. dazu ebf. wie auch zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 163.) Merkantilistische Anschauungen waren in der Frühen Neuzeit die vorherrschende wirtschaftliche Ideologie in Europa. Zentren des Merkantilismus waren England und Frankreich, allerdings übernahmen die meisten Staaten diese Anschauungen bis zu einem gewissen Grad. Wesentliches Ziel war die Stärkung von nationaler Wirtschaft und Handel, was durch die Erhöhung des Geldumlaufs, des Strebens nach einer aktiven Handelsbilanz und eine Reihe strikter politischer Regelungen sowie Maßnahmen in Zoll-, Steuer- und Gewerbepolitik erreicht werden sollte. Entsprechend der Bedürfnisse und Bedingungen der Kleinstaaten entwickelte sich in Deutschland mit dem Kameralismus eine beinahe identische Variante dieser Wirtschaftspolitik, wobei ergänzend auch Verwaltung, Rechtsprechung und Finanzwesen betroffen waren.

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Max Webers These vom Einfluss der protestantischen Ethik auf den Geist des Kapitalismus im Zentrum einer intensiven Diskussion (vgl. dazu ausführlich unten).117 Bereits im ausgehenden 17. sowie im 18. Jahrhundert wurden Fragen nach denkbaren Zusammenhängen zwischen religiösem Glauben und wirtschaftlichem Handeln erörtert. Vor allem der größere Wohlstand protestantischer Territorien und die verschiedenartigen Entwicklungen der großen europäischen Nationalstaaten beförderten Untersuchungen über den Einfluss der Religion auf die Wirtschaftsordnung eines Landes und das ökonomische Verhalten seiner Bürger und weckte das Bewusstsein für die mentalen, ideellen und soziokulturellen Voraussetzungen ökonomischer Entwicklung.118 Auch wenn der Begriff „religiöse Wirtschaftsethik“ wohl erst im ausgehenden 19. Jahrhundert entstand, ist das Thema älter als seine Bezeichnung.119 Die theologischen Aufklärer des späten 17. und des 18. Jahrhunderts prägten den Begriff des Christentums programmatisch, „um eine höhere Vernünftigkeit dieser Weltreligion im Verhältnis zu den anderen großen monotheistischen Religionen geltend zu machen“.120 Sie entwarfen das Leitbild eines undogmatischen, tätigen Christentums, dessen Wesen sie abseits immer neuer Lehrstreitigkeiten zwischen den Konfessionskirchen im Medium der Ethik zu bestimmen suchten. 121 Den Einzelnen zu einer tugendhaften, normengeleiteten und moralischen Lebensführung nach dem Vorbild Jesu von Nazareth zu motivieren und eine ausgeprägte Selbstdisziplin zu fördern, erachteten sie als Inbegriff und maßgebliche Wirkung des christlichen Glaubens. Bereits im 18. Jahrhundert machten Gelehrte tiefgreifende Unterschiede zwischen den christlichen Konfessionskirchen aus – und zwar keineswegs nur in dogmatischen Fragen, sondern auch in Auslegung und Lösung ethischer Problemstellungen. Je stärker die Funktion des christlichen Glaubens für Lebensbedeutung und -gestaltung betont wurde, desto mehr Beachtung fanden dessen konfessionsspezifische Ausprägungen in ihren lebenspraktischen und -weltlichen Differenzen Beachtung. Ab dem frühen 19. Jahrhundert – und ab der Mitte des Jahrhunderts verstärkt durch die mit der Entstehung der neuen theologischen Disziplin der „Konfessionskunde“ verbundenen Kulturkämpfe – standen so die grundlegenden Unterschiede in den von Konfessionskirchen und Sekten vertretenen Konzepten idealer christlicher Lebensführung sowie die spezifischen religiös-sittlichen Bildungs- und Sozia-

117 Vgl. Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 163. 118 Vgl. Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 570f. 119 Vgl. Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 571. Vgl. dazu außerdem Johannes Burkhardt: Wirtschaft. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 7. Hg. v. Otto Brunner u.a. Stuttgart 1992, S. 511–594, 586f. 120 Graf: Stellenwert der Religion, S. 627. 121 Vgl. hierzu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 627.

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lisationsprozesse im Fokus von Theologie und Kulturwissenschaften.122 Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entsteht daneben parallel zum „Umbruchsprozeß von der vorindustriellen, traditionellen Wirtschaftsgesellschaft zur modernen Industriewirtschaft“ eine regelrechte Fülle theologischer Literatur zur Wirtschaftsethik einschließlich päpstlicher Enzykliken und protestantischer kichlicher Verlautbarungen.123 Industrielle Revolution und Reaktion auf die Soziale Frage Mit der Aufklärung und der Herausbildung der klassischen Nationalökonomie durch die Arbeiten Adam Smiths, David Ricardos, Jean-Baptiste Says, Thomas Malthus’ und John Stuart Mills setzte ein tiefgreifender gesellschaftlicher Wertewandel ein.124 Im Zuge der Herausbildung einer frühkapitalistischen Ethik gewannen Freihandel und Industrialisierung in der öffentlichen Wahrnehmung gegenüber der bloßen Nahrungssicherung stark an Relevanz. Eigennutz und Laissezfaire-Prinzip fungierten als neue Leitbilder: Eine „invisible hand“, so glaubte man, würde aus dem Eigennutz des Einzelnen das Allgemeinwohl formen. In der Folge kam es zur Beseitigung zahlreicher ökonomischer Barrieren, wie sie etwa durch das Zunftsystem bestanden hatten.125 Eine umfassende Industrialisierung setzte ein, die nicht nur eine rasch fortschreitende Urbanisierung, ein enormes Wachstum der Betriebe, sondern auch eine starke Ausweitung des Welthandels mit sich brachte. Gleichzeitig verelendeten große Teile der Bevölkerung.Trotz nationaler Unterschiede können die ökonomischen und gesellschaftlichen Wandlungsprozesse der Industrialisierung als gesamteuropäische Entwicklung beschrieben werden, die allerdings in Deutschland später einsetzte als in anderen europäischen Ländern.126 Die Reformen des wirtschaftsliberalen Preußen dienten vielen anderen deutschen Staaten als Vorbild. Mit dem deutschen Zollverein wurde 1834 ein einheitliches deutsches Wirtschaftsgebiet geschaffen, in dem eine sehr dynamische Wirtschaftsentwicklung einsetzte, die bis zum Beginn des Kaiserreichs anhielt. Die christlichen Kirche sahen sich angesichts der fundamentalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen mit der Herausforderung konfrontiert, 122 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 627f. 123 Hans-Werner Hahn: Die industrielle Revolution in Deutschland. München 1998 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 49), S. 1. Vgl. Udo Kern: Vertrauen als wirtschaftsethische Kategorie. In: Ders. (Hg.): Wirtschaft und Ethik in theologischer Perspektive. Münster u.a. 2002 (= Rostocker theologische Studien 7), S. 139–178, 139f. 124 Vgl. hierzu und zum Folgenden Erich Loitlsberger: Geschichte der ökonomischen Theorien in ihren ethischen Dimensionen. Einzelwirtschaftliche Theoriebildungen. In: Handbuch der Wirtschaftsethik. Hg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft v. Wilhelm Korff u.a. Bd. 1: Verhältnisbestimmung von Wirtschaft und Ethik. Gütersloh 1999, S. 524–566, 535. 125 Vgl. Wilhelm Treue: Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit im Zeitalter der Industriellen Revolution. 1700–1960. Stuttgart 1962 (= Kröners Taschenausgabe 208), S. 106ff., S. 226f. 126 Vgl. dazu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 165f.

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Gegenmodelle zur kapitalistischen Ethik zu entwickeln und ihr ein anderes Wertesystem entgegenzustellen.127 Die Entwicklungen und besonders die unerwünschten Folgen, die die Industrialisierung nach sich zog, beschäftigten im 19. Jahrhundert zahlreiche Theologen: Die Soziale Frage als eine der wesentlichen Konsequenzen der Industrialisierung wurde in den entstehenden Fabriken und ihren Arbeits- und Produktionsbedingungen zu einer moralisch-sittlichen, die zu einer ethischen Auseinandersetzung und Positionierung von Religion und Kirche regelrecht aufforderte.128 Allerdings war die Soziale Frage nicht einzig Folge der „Industriellen Revolution“. Not und Verelendung wuchsen auch deshalb in zahlreichen Regionen Deutschlands, weil eine gut entwickelte gewerbliche Wirtschaft fehlte. Fortschritte in Medizin und Hygiene minderten zugleich die Kindersterblichkeit und erhöhten die Lebenserwartung, was trotz gleichzeitiger beträchtlicher Auswanderung zum Anwachsen der Einwohnerzahl in Deutschland von 24 auf mehr als 56 Mio. Menschen zwischen 1800 und 1900 führte.129 Die Konsequenzen aus diesem rasanten Anstieg der Bevölkerungszahl wurden durch die Auflösung der ständisch geprägten Wirtschaftsform zugunsten einer durch freie Konkurrenz geprägten Ökonomie verschärft. Durch die Beseitigung der herrschaftlichen Fürsorge- und Schutzpflicht im Zuge der „Bauernbefreiung“ büßten weite Teile der Landbevölkerung ihre soziale Sicherung ein, die Einführung der Gewerbefreiheit und die Beseitigung des Zunftzwangs führten in vielen Handwerkszweigen zu Überbesetzungen und zogen auch hier eine Proletarisierung nach sich.130 Ursache dieser vorindustriellen sozialen Frage war nicht die Industrialisierung, sondern das Fehlen von Industrie.131 Wo sich Industrie entwickelte, zeigten sich rasch Probleme, die weniger aus der Industrialisierung als aus der Art und Weise ihrer alltäglichen Umsetzung resultierten.132 Durch die Unterordnung des Arbeiters sowohl unter seinen Fabrikherrn als auch unter die Maschine kam es zur von Karl Marx als „Selbstentfremdung“ bezeichneten „Fremdbestimmung der Arbeit“133, auf die Unternehmer und Staat mit Forderungen nach „Arbeitsaskese“, strenger „Zucht“ und „Arbeitserziehung als

127 Vgl. Loitlsberger: Geschichte der ökonomischen Theorien, S. 535. Vgl. grundlegend Wilhelm Abel: Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa. Versuch einer Synopsis. Hamburg u.a. 1974. 128 Vgl. Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 165. 129 Vgl. hierzu und zum Folgenden Franz Josef Stegmann: Ansätze und Entwicklungen der modernen wirtschaftsethischen Fragestellung in den christlichen Kirchen. Wirtschaftsethische Ansätze im Kontext der Sozialen Frage. Katholische Kirche. In: Handbuch der Wirtschaftsethik I, S. 683–712, 683f. 130 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 684. 131 Vgl. Gerhart von Schulze-Gävernitz: Die industrielle Revolution. In: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 60 (1931), S. 225–246, 240. 132 Vgl. wie auch zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 684. 133 Ernst Michel: Sozialgeschichte der industriellen Arbeitswelt, ihrer Krisenformen und Gestaltungsversuche. 3., neu bearb. u. erw. Aufl. Frankfurt a.M. 1953, S. 25.

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‚Zwang zum Guten‘“ reagierten.134 Insbesondere in der Frühzeit der Industrialisierung wurde die Leistungskraft der Arbeiter rücksichtslos ausgebeutet. Im Produktionsprozess erschien der Mensch lediglich als Kostenfaktor: Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, überlange Arbeitszeiten und Kinderarbeit waren die Regel. Als weiteres Problem trat die proletarische Lebenslage hinzu. Die Übertragung des Prinzips von Angebot und Nachfrage auf Arbeit und Arbeiter koppelte die Löhne an die jeweilige Marktlage. Der Arbeiter war durch das gewaltige Angebot an Arbeitskräften gezwungen, sich und seine Arbeitskraft unter allen Umständen zu verkaufen. Hatte früher die ständische Ordnung zumindest einen gewissen Schutz gewährt, war der Arbeiter nun im gnadenlosen Wettbewerb permanent in der schwächeren Position, aus der er sich schon deshalb nicht aus eigener Kraft befreien konnte, weil seine Entlohnung nie mehr als das Lebensnotwendigste abdeckte. In diesem Teufelskreis wurde das Proletarierschicksal eines permanenten wirtschaftlichen Existenzkampfes zur Lebensbestimmung des Arbeiters. Unterernährung, Krankheiten und ein „moralischer Verfall“ durch Alkoholismus, Promiskuität, Neid und Erbitterung, die „fortschreitende zivilisatorische Verkümmerung“ ganzer Bevölkerungsschichten waren die Folge.135 Hinzu traten Probleme im Zusammenhang mit der fortschreitenden Verstädterung.136 Die Bevölkerungsströme vom Land in die Stadt wie vom agrarischen Osten in die Industriegebiete des Westens, aber auch das Anwachsen von Landgemeinden zu Städten führten zu einem beispiellosen Wohnungselend. Die Gesellschaft differenzierte sich zusehends in Klassen von Eigentümern und Nichteigentümern von Produktionsmitteln, wobei sich auch im Proletariat ein entsprechendes Klassenbewusstsein ausbildete. Da sich die Interessen der beiden großen gesellschaftlichen Gruppen augenscheinlich unversöhnlich gegenüberstanden, mündete diese Entwicklung in eine Auseinandersetzung, die sich auch mehr und mehr gegen den Staat richtete, von welchem sich die Arbeiter im Stich gelassen fühlten. Diese „Haltung prinzipieller Opposition“ und Staatsverneinung sollte die sozialistische Arbeiterbewegung bis ins 20. Jahrhundert hinein beherrschen.137 1.2.3.6

Reaktion der christlichen Soziallehre auf Industrialisierung und Soziale Frage

Auf Industrialisierung und Soziale Frage fand die christliche Soziallehre unterschiedliche Antworten. Der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler setzte sich in Anbetracht der sozialen Frage für eine Verchristlichung und Reka134 Carl Jantke: Der vierte Stand. Die gestaltenden Kräfte der deutschen Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert. Freiburg i.Br. 1955, S. 2. 135 Werner Hofmann: Ideengeschichte der sozialen Bewegung des 19. und 20. Jahrhunderts. Berlin u.a. 4 1971 (= Sammlung Göschen 1205), S. 11. 136 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 685. 137 Jantke: Vierter Stand, S. 124.

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tholisierung sowie – ebenso wie der Priester und Publizist Adolph Kolping – für sozialpraktische Initiativen innerhalb des Katholizismus ein.138 Der soziale Katholizismus um den Schweizer Staatsrechtler und Nationalökonomen Karl Ludwig von Haller und den Philosophen und Staatstheoretiker Adam Heinrich Müller antwortete auf die ökonomischen Bedingungen der Zeit mit der Stärkung der Idee einer den Staat ordnenden Ständegesellschaft. Die weitere Beschleunigung der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verhalf schließlich einer „pragmatischen gegenwartsorientierten Sichtweise“ zur Durchsetzung.139 Hatten weite Teile des sozialen Katholizismus über eine längeren Zeitraum überkommene konservative Ideen verfolgt, was „zu einer gewissen Wirklichkeitsentfremdheit der Lösungsvorschläge für die soziale Frage geführt“ hatte, wuchs nun insbesondere bei sozialen Verantwortungsträgern die Einsicht, dass sie nicht utopische Ideale verfolgen konnten, sondern in der gegebenen Situation ihr Möglichstes tun mussten, um die Mängel und Auswüchse der kapitalistischen Produktionsweise zu überwinden.140 Mit den Auswirkungen der Verstädterung für die evangelische Kirche beschäftigten sich beispielsweise Johann Heinrich Wichern und die Innere Mission bereits früh.141 Sie unterschieden sich in ihrer Analyse der Gründe stark von den katholischen Stellungnahmen. Abgesehen von einer kleinen Anzahl liberaler Positionen im späteren Kaiserreich – so etwa des evangelischen Theologen Friedrich Naumann – herrschte bei den Autoren eine negative Sichtweise der Stadt vor, die als bedeutender Auslöser für die Säkularisierung erschien. Das vorherrschende soziale Elend wird dabei wiederum auf die Entchristlichung der Gesellschaft zurückgeführt, durch die moralische Maßstäbe außer Kraft gesetzt würden. Ähnlich ablehnend war auch die Haltung vieler Protestanten gegenüber dem technischen Fortschritt. War die aufkommende Technisierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch mit der Hoffnung verbunden, die neu gewonnenen Freiheitsspielräume des Menschen würden das religiöse Leben befördern, herrschte später bei Theologen und Amtskirche eine nahezu apokalyptische Sichtweise der Industrialisierung vor. Arbeits- und Wohnbedingungen, aber auch die durch Erfindungen und technischen Fortschritt bedingten Veränderungen der Erfahrungen von 138 Vgl. dazu wie zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 165. 139 Franz Josef Stegmann/Peter Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus. In: Walter Euchner u.a.: Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland.Sozialismus – Katholische Soziallehre – Protestantische Sozialethik. Ein Handbuch. Herausgegeben von Helga Grebing. Essen 2000 (= Veröffentlichungen des Instituts für soziale Bewegungen. Schriftenreihe A, Darstellungen 13), S. 599–866, 665. 140 Stegmann/Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus, S. 665. Von Ketteler etwa gelangte zu der Erkenntnis, dass „keine Macht der Welt die Fortentwicklung der modernen Volkswirtschaft, das Umsichgreifen der zentralisierten Massenproduktion zu hindern“ vermöge. (Vgl. Wilhelm Emmanuel v. Kettelers Schriften. Ausgewählt und hg. v. Johannes Mumbauer. 3 Bde. Bd. 3. Kempten 1911, S. 154.) 141 Vgl. dazu wie auch zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 165f.

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Raum und Zeit wurden problematisiert. Insgesamt verstand sich der soziale Protestantismus als Gegenbewegung zu den aufkommenden marxistischen und sozialistischen Vorstellungen.142 Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte ein von fortwährenden Krisen und Rückschlägen flankierter Aufschwung der Weltwirtschaft ein.143 Die Verknüpfung der einzelnen Staaten und Volkswirtschaften wurde dabei auf verschiedenen Ebenen insbesondere aufgrund der von Adam Smith und anderen propagierten Idee des Freihandels und eines komplexen Systems von Handelsverträgen immer enger. Die „Große Depression“ führte im letzten Drittel des Jahrhunderts zu einer ernsten Wirtschaftskrise, die jedoch in Deutschland lediglich eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums zur Folge hatte. In der Bismarck-Ära wandelten sich die politischen Rahmenbedingungen weg vom Liberalismus hin zu einem Protektionismus und zum modernen Interventionsstaat mit festen staatlichen Rahmenbedingungen und Regularien. Öffentliche Versorgung, Post und Eisenbahn lagen in der Hand von Kommunen bzw. Staat, der so bestimmte Wirtschaftszweige dem marktwirtschaftlichen Gewinnstreben entzog. Als Reaktion auf die Forderungen der Bewegung der bürgerlichen Sozialreform setzte im Kaiserreich eine staatliche Sozialpolitik ein, die sich neben der Schaffung eines Sozialversicherungssystems auch Fragen der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes widmete. Die im „Verein für Socialpolitik“ organisierten Reformer verlangten die Ausrichtung der Politik am Gemeinwohl aller, hielten entsprechend staatliche Interventionen und Regulierungen in der Wirtschaft für notwendig und möglich und sprachen dem Staat in der Tradition eines protestantischen Staatsdenkens eine höchste, unbedingte Autorität zu. Auch der politische und soziale Katholizismus, der sich grundsätzlich mit der kapitalistischen Wirtschaftsordnung des Kaiserreichs arrangiert hatte, unterstützte und förderte die staatliche Sozialpolitik.144 Zahlreiche katholische und konservativ-lutherische Autoren übten zu dieser Zeit „moralische Fundamentalkritik“ am „modernen Konkurrenzkapitalismus“, den sie vor allem in Anbetracht von dessen katastrophalen gesellschaftlichen Folgewirkungen insbesondere auf die schwächsten Glieder der Gesellschaft ablehnten.145 Seit den 1870er Jahren kam eine Diskussion über die Rolle der Juden bei der Entstehung des modernen Kapitalismus und der Entwicklung kapitalistischer Zweckrationalität auf – häufig mit antisemitischer Stoßrichtung.146 Seit den 1890er Jahren wurden auch mögliche protestantische Ursprünge des „Geistes des Kapitalismus“ diskutiert.147 In Deutschland als Land der „verspäteten, aber besonders 142 143 144 145 146 147

Vgl. zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 166. Vgl. hierzu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 166f. Vgl. Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 167. Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 571. Vgl. Werner Sombart: Die Juden und das Wirtschaftsleben. Leipzig 1911. Vgl. zur Geschichte des Begriffs Richard Passow: Kapitalismus. Eine begrifflich-terminologische Studie. Jena 21927. Vgl. auch Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 571.

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schnellen und krisenhaften kapitalistischen Modernisierung“ (Graf) setzten sich um die Jahrhundertwende beinahe alle namhaften Vertreter der historischen Kulturwissenschaften und der Theologie mit den religiösen Triebfedern der Entstehung einer kapitalismuskonformen ökonomischen Mentalität, dem „Geiste des Kapitalismus“ (Max Weber), auseinander.148 Besondere Wirkung entfalteten dabei die Arbeiten Werner Sombarts, Ernst Troeltschs, Adolf von Harnacks, Karl Holls und vor allem Max Webers. Webers 1904 und 1905 veröffentlichter Essay Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus rief eine bis heute andauernde, lebhafte und kontroverse Diskussion um die Voraussetzungen und kulturell-religiösen Grundlagen der Herausbildung ökonomischer Rationalität und des kapitalistischen Wirtschaftssystems hervor.149 1.2.3.7

Christliche Sozialethik im 20. Jahrhundert

Das 20. Jahrhundert war bestimmt durch zwei Weltkriege, die sowohl für die nationalen Volkswirtschaften als auch für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen gewaltige Störungen mit sich brachten. Weiterhin war die Zeit durch eine Beschleunigung der technologischen Wandlungsprozesse, eine große wirtschaftliche Expansion sowie nachhaltige demographische Veränderungen gekennzeichnet. Darüber hinaus kam es zu schwerwiegenden Veränderungen der Wirtschaftsordnungen und -verfassungen, wobei sich aber nicht etwa der liberale Wirtschaftsstaat, sondern der moderne Interventionsstaat fortentwickelte. Der Staat nahm vermehrt Einfluss auf die Wirtschaftsordnung – nicht nur in den sozialistischen Planwirtschaften, sondern auch in den westlich-kapitalistischen Marktwirtschaften, die als gemischte Wirtschaftsordnungen bezeichnet werden. Erhöhte Staatsquoten und eine Ausweitung der staatlichen Transferleistungen stehen sinnbildlich für ein verändertes Staatsverständnis, können aber ebenso als Reaktion auf die tiefgreifenden politischen Umbrüche verstanden werden, die das Jahrhundert prägten.150 In Folge des Ersten Weltkriegs, der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ (George F. Kennan) kam es zum Zusammenbruch des alten europäischen Systems. Der Krieg nie dagewesenen Ausmaßes und nicht gekannter Grausamkeit hinterließ globale Verwerfungen, welche die Welt nachhaltig verändern sollten. Mit den Reichen der Habsburger, der Osmanen und der Zaren wurden drei Weltreiche gestürzt, der europäische Kontinent verlor allmählich seine weltweite politische und wirtschaftliche Vormachtstellung. 148 Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 571. Vgl. ebf. Graf: Stellenwert der Religion, S. 628. Vgl. zur problematischen (und verspäteten) Entwicklung des deutschen Liberalismus auch Heinrich August Winkler: Liberalismus und Antiliberalismus. Göttingen 1979 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 38), S. 20–23. 149 Vgl. Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 571f. 150 Vgl. auch Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 167.

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In Deutschland hatte die Reichsverfassung der Weimarer Republik die Grundlagen für den Ausbau des Sozialstaats gelegt und erkannte zugleich eine freiheitliche Wirtschaftsordnung an.151 Doch konnte in ganz Europa aufgrund der Zerstörung aller gewachsenen Wirtschaftsbeziehungen und der übrigen Kriegsfolgen der Aufbau einer stabilen Wirtschaftsordnung von der brüchigen Nachkriegsordnung nicht gewährleistet werden. Krisenverschärfend wirkten sich die Ausbreitung von Nationalismus, wirtschaftlichem Protektionismus sowie das Aufkommen des durch hohe Zollschranken gekennzeichneten Neomerkantilismus aus. Zugleich bestand ein breiter gesellschaftlicher Konsens über eine vergrößerte Staatstätigkeit. Anstelle internationaler Verflechtung wurde eine verstärkte Nationalisierung der Wirtschaft eingefordert. Auch protestantische Theologen, soweit sie sich überhaupt mit ökonomischen Fragen beschäftigten, äußerten sich in dieser Weise. Entsprechend propagierten Vertreter eines Religiösen Sozialismus wie Eduard Heimann oder Georg Wünsch etatistische Konzepte einer sozialistischen Marktwirtschaft oder des Sozialismus. Der soziale Katholizismus war stark diversifiziert und vertrat keine einheitliche Linie in der Gesellschaftspolitik. Neben den Vertretern eines christlichen Sozialismus wie Theodor Steinbüchel oder eines konservativen Sozialpatriarchalismus, die Modelle einer Übernahme alter ständischer Führungsmodelle in das Industriezeitalter propagierten152, entwickelte sich eine vom Jesuiten Heinrich Pesch initiierte SolidarismusDebatte, in der berufsständische Ideen eine wichtige Rolle spielten.153 Nach einer kurzen Phase vermeintlicher Stabilisierung in den 1920er Jahren kam es 1929 – ausgehend von der mittlerweile führenden Wirtschaftsmacht USA – zu einer schweren Krise der Weltwirtschaft.154 Ein dramatischer Produktionsrückgang, extrem hohe Arbeitslosigkeit, verbreitete Not und Armut und eine zunehmende Vergiftung und Radikalisierung des politischen Klimas waren die Folgen,

151 Vgl. dazu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 167. Vgl. grundlegend zu den gesellschaftlichen und politischen Folgen des Ersten Weltkriegs, zur Weimarer Republik und zum Ausbau des Sozialstaats, worauf an dieser Stelle nicht ausführlicher eingegangen werden kann, bspw. Hagen Schulze: Weimar. Deutschland 1917–1933. Berlin 21983; vgl. zudem Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Bd. 1: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. München 2000, S. 378–551; sowie ders.: Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. München 1993; vgl. auch Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik. 6. überarb. u. erw. Aufl. München 2002 (=Oldenbourg Grundriß der Geschichte 16); vgl. ebenso Andreas Wirsching: Die Weimarer Republik in ihrer inneren Entwicklung. Politik und Gesellschaft. München 2000 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 58); vgl. auch Karl Dietrich Bracher u.a. (Hg.): Die Weimarer Republik. 1918 – 1933. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Bonn 21988 (= Bundeszentrale für Politische Bildung, Schriftenreihe: Studien zur Geschichte und Politik 251); sowie Horst Möller: Die Weimarer Republik. Eine unvollendete Demokratie. 7., erw. und aktualisierte Neuaufl. München 2004. 152 Vgl. zur Genese des Sozialpatriarchalismus Anton Burghardt: Kompendium der Sozialpolitik. Berlin 1979, S. 74–76. 153 Vgl. Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 167. 154 Vgl. dazu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 167f.

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die in Deutschland mit der Deflationspolitik Heinrich Brünings noch verschärft wurden. Im Zuge der Krise setzte sich zunehmend eine keynesianische Wirtschaftspolitik durch. Der britische Ökonom John Maynard Keynes hatte als Gegenmodell zu neoklassischen Theorien und Monetarismus eine staatliche Steuerung der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen gefordert. In zahlreichen Ländern kam es zu einer aktiveren staatlichen Wirtschaftspolitik durch unterschiedliche öffentliche Interventionsprogramme und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen – so etwa zur Politik des New Deal in den USA.155 Im Deutschen Reich fand unter der totalitären Diktatur des NS-Regimes zunächst die Wirtschaftspolitik der Vorgängerregierungen eine Fortsetzung. Die wirtschaftlich prekäre Lage vereinfachte die Pläne einer expansiveren Staatstätigkeit.156 Ab 1934 setzte eine massive kreditfinanzierte Aufrüstung ein, während es zugleich zu einschneidenden Veränderungen der gesamten Wirtschafts- und Sozialordnung im Zuge der nationalsozialistischen „Gleichschaltung“ kam, etwa durch Liquidation der Gewerkschaften und Gründung der Deutschen Arbeitsfront als nach dem „Führerprinzip“ gegliederter Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitgeber157, durch die Abschaffung der Rechte des Betriebsrates und durch die Abschaffung des Tarifvertragswesens.158 So entstand ein durchgängiges Geflecht ordnungspolitischer Maßnahmen, das sich zu einem „diktatorischen Staatsdirigismus“ (Barkai) mit vielfältigen Eingriffen in die Wirtschaft entwickelte.159 155 Vgl. Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 168. 156 Vgl. dazu wie auch zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 168. 157 Vgl. dazu sowie zur Sozialpolitik im Dritten Reich Andreas Kranig: Arbeitnehmer, Arbeitsbeziehungen und Sozialpolitik unter dem Nationalsozialismus. In: Karl Dietrich Bracher u.a. (Hg.): Deutschland 1933–1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft. Bonn 21993 (= Studien zur Geschichte und Politik. Schriftenreihe 314), S. 135–152, bes. S. 139–145. Vgl. zur Gleichschaltung von Gewerkschaften und Verbänden Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Bd. 2: Deutsche Geschichte vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung. München 2000, S. 28f. 158 Vgl. grundlegend zur nationalsozialistischen „Machtergreifung“ sowie zur nationalsozialistischen „Gleichschaltung“ Karl Dietrich Bracher: Die deutsche Diktatur. Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus. Berlin 71997, bes. S. 251–414; vlg. ders. u.a.: Die nationalsozialistische Machtergreifung. Studien zur Errichtung des totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/34. Köln u.a. 1960 (= Schriften des Instituts für Politische Wissenschaft 14); vgl. auch, insbes. zur Situation der Arbeiterbewegung, Michael Schneider: Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939. Bonn 1999 (= Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts 12); vgl. ebf. Richard J. Evans: The Third Reich in power. 1933 – 1939. London u.a. 2005; sowie ders.: Das Dritte Reich. Bd. 1: Aufstieg. München 2004; vgl. außerdem Klaus Hildebrand: Das Dritte Reich. München 32003 (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte 16), S. 1–28; vgl. zudem Hans-Ulrich Wehler: Der Nationalsozialismus. Bewegung, Führerherrschaft, Verbrechen. München 2009, v.a. S. 24–67; vgl. ebf. kontrovers und zu wesentlichen Streitpunkten in der historischen Diskussion Wolfgang Wippermann: Umstrittene Vergangenheit. Fakten und Kontroversen zum Nationalsozialismus. Berlin 1998, bes. S. 44–63. 159 Vgl. dazu Albrecht Ritschl: Wirtschaftspolitik im Dritten Reich – Ein Überblick. In: Karl Dietrich Bracher u.a. (Hg.): Deutschland 1933–1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft.

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Der Zweite Weltkrieg hinterließ die europäischen Volkswirtschaften entweder ganz zerstört oder zumindest nachhaltig geschwächt.160 Entsprechend groß waren Reformbedarf und -bereitschaft, wobei vor allem der Ruf nach dem Staat als fürsorglicher, ordnender Faktor in Wirtschaft und Gesellschaft verbreitet vernommen werden konnte. Forderungen nach Verstaatlichungen von Schlüsselindustrien wurden anfänglich sogar in bürgerlichen Kreisen vertreten. Zunehmenden und bald entscheidenden Einfluss auf Wirtschaftsordnungsdenken und konkrete Wirtschaftsentwicklung erlangten der Ost-West-Gegensatz und der Kalte Krieg. Während in der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten mit der Einführung der Zentralverwaltungswirtschaft die Trennung von Staat und Wirtschaft beseitigt und die Produktionsmittel in Allgemeineigentum überführt wurden, setzten sich im Westen marktwirtschaftliche Ordnungen unterschiedlicher Prägung durch, obschon die Alliierten öffentlicher Verwaltung und Verbänden bei der Gestaltung des Wirtschaftssystems relativ weitreichende Handlungsspielräume einräumten.161 Die Mittel des sog. „Marshallplans“ spielten eine große Rolle beim wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas.162 Ab den 1950er Jahren setzte in zahlreichen europäischen Staaten und in den USA mit dem „Wirtschaftswunder“ ein kraftvoller wirtschaftlicher Aufschwung ein. In Deutschland traten zwei weitere wichtige Faktoren hinzu: Die Währungsreform von 1948, die mit verschiedenen gesetzlichen Regelungen zur Steuer- und Finanzpolitik die „Wiedereinschaltung des Marktmechanismus“ sicherte, sowie die von der Freiburger Schule um den Ökonomen Walter Eucken entwickelte und von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard politisch repräsentierte und in die Wirtschaftsordnung der jungen Bundesrepublik implementierte Soziale Marktwirtschaft.163 Mit ihr wollte man eine freiheitliche Wettbewerbsordnung aufbauen und sichern, die zugleich einen sozialen Charakter haben sollte.164 Die Rahmenbedingungen dafür hatte der Staat zu gewährleisten, dem besonders die Aufgabe zukam, den Wettbewerb zu schützen – etwa durch das Kartellgesetz. Schon früh ist auf die protestantischen, aber auch katholischen Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft und auf den Einfluss von Religion und Kirche bei deren Ent-

160 161

162 163 164

Bonn 21993 (= Studien zur Geschichte und Politik. Schriftenreihe 314), S. 118–134, bes. 118, 129ff. Vgl. ebf. Avraham Barkai: Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Der historische und ideologische Hintergrund. 1933–1936. Köln 1977 (= Bibliothek Wissenschaft und Politik 18), S. 209. Vgl. hierzu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 168f. Vgl. Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 168. Vgl. ebenso Wilfried Feldenkirchen: Die deutsche Wirtschaft im 20. Jahrhundert. München 1998 (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 47), S. 78. Vgl. dazu auch grundlegend Ludolf Herbst u.a. (Hg.): Vom Marshallplan zur EWG. Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Welt. München 1990 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 30). Vgl. dazu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 168. Rolf Walter: Wirtschaftsgeschichte. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart. Köln u.a. 1995 (= Wirtschafts- und sozialhistorische Studien 4), S. 215. Vgl. dazu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 168f.

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wicklung hingewiesen worden.165 So lehnten sich insbesondere die im deutschen Widerstand entwickelten wirtschaftspolitischen Leitlinien eng der sozialethischen Tradition des Protestantismus an. Der Nationalökonom Alfred Müller-Armack strebte mit der Sozialen Marktwirtschaft einen praktischen Ausgleich der Ziele der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit an, was der Tradition der protestantischen Sozialethik wie der katholischen Soziallehre in gleicher Weise entsprach.166 Die Soziale Marktwirtschaft wurde von ihren Schöpfern wie Ludwig Erhard, Alfred Müller-Armack, Franz Böhm und Alexander Rüstow als Wirtschaftssystem verstanden, welches „das Prinzip der Freiheit auf dem Markt mit dem des sozialen Ausgleichs“ verbindet.167 Die Soziale Marktwirtschaft solle „nicht nur eine vom Markt her koordinierte Wirtschaftsordnung“ umfassen, vielmehr gebe das „Beiwort sozial […] daneben den Hinweis darauf, daß diese Ordnung gesellschaftspolitische Ziele verfolgt“.168 Kern des Wirtschaftssystem ist dabei der vom Staat durch eine „klare Rahmenordnung“ gesicherte Leistungswettbewerb.169 An seine Seite treten soziale Elemente, wie etwa die Ausrichtung der Wirtschaft an den Bedürfnissen der Verbraucher – und nicht an einer staatlichen Zentralinstanz – durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, eine leistungsorientierte und gerechte Einkommensverteilung, eine dem Wettbewerb geschuldete permanente Produktivitätssteigerung, der Ausgleich unerwünschter Folgen durch die staatliche Sozialpolitik sowie die Erleichterung wirtschaftlicher Strukturveränderungen durch die Festlegung des regulativen Prinzips für Interventionen sozialer oder anderer Art in der Marktwirtschaft als marktkonform.170 Zur einflussreichsten wirtschaftspolitischen Richtung avancierte in der Bundesrepublik der sogenannte Ordoliberalismus. Dessen Kennzeichen ist der von der Freiburger Schule entwickelte Ordo-Gedanke einer vom Staat zu gewährleistenden Wettbewerbsordnung.171

165 Vgl. grundlegend zu den protestantischen Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft den Sammelband von Günter Brakelmann/Traugott Jähnichen (Hg.): Die protestantischen Wurzeln der sozialen Marktwirtschaft. Ein Quellenband. Gütersloh 1994. 166 Vgl. auch Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 168. 167 Alfred Müller-Armack: Soziale Marktwirtschaft. In: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften. Hg. v. Erwin von Beckerath. Bd. 9. Stuttgart u.a. 1956, S. 390–392, 390. 168 Alfred Müller-Armack: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik. Studien und Konzepte zur Sozialen Marktwirtschaft und zur Europäischen Integration. Freiburg i.Br. 1966 (= Beiträge zur Wirtschaftspolitik 4), S. 301. 169 Müller-Armack: Soziale Marktwirtschaft, S. 390. 170 Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 700; Vgl. zu den Anpassungsinterventionen Alfred Müller-Armack: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik. Studien und Konzepte zur Sozialen Marktwirtschaft und zur Europäischen Integration. Freiburg i.Br. 1966 (= Beiträge zur Wirtschaftspolitik 4), S. 304f. Vgl. dazu ebf. Hans-Rudolf Peters: Wirtschaftspolitik. München u.a. 32000, S. 166. 171 Vgl. beispielsweise Walter Eucken: Die Wettbewerbsordnung und ihre Verwirklichung. In: Ordo 2 (1949), S. 1–99, 1ff.

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Ab der Mitte der 1960er Jahre kam es zu ökonomischen und ökologischen Krisen sowie zu einer Verschiebung der ökonomischen Kräfte in der Welt. 172 Die USA hatten sich zur stärksten Wirtschaftsmacht der Welt entwickelt, während der geeinigte europäische Kontinent Anstrengungen unternahm, in einem gemeinsamen Markt zu alter Stärke zurückzufinden. Zu den traditionellen Wirtschaftsmächten gesellten sich neue aufstrebende Länder und Regionen wie die Schwellenländer China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika, aber auch die asiatischen sog. Tigerstaaten. Forciert von ökumenischer Bewegung und Befreiuungstheologie rückte die „Dritte Welt“ verstärkt in den Blickpunkt christlicher Soziallehre, wobei insbesondere die überzogen starke Abhängigkeit der „Wirtschaftssysteme des Südens“ von „denen des Nordens“ kritisiert wurde.173 Zum Ende des Jahrhunderts wandelten sich die wirtschaftspolitischen Leitkonzepte erneut. In vielen Marktwirtschaften bildete sich in Verbindung mit neoliberalen Politikmodellen ein dereguliertes Wirtschaftssystem aus.174 Insbesondere der Prozess der Globalisierung zeitigte weltweit Folgen. Vor allem ließ er den Einfluss der Nationalstaaten auf Markt und Wirtschaftsgeschehen mehr und mehr schwinden. Politische Institutionen konnten mit der wirtschaftlichen Dynamik immer weniger Schritt halten; nationale Regeln und Rahmenordnungen wurden gegenüber den Frei- und Spielräumen transnational agierender Großunternehmen zunehmend wirkungslos. Im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise zu Beginn des neuen Jahrtausend erlebten Forderungen nach mehr Kontrolle der Wirtschaft sowie staatlicher Ordnungspolitik und Regulierung bis hin zu (Teil-) Verstaatlichungen ganzer Konzerne eine bemerkenswerte und kaum erwartete Renaissance. Ob diesem Revival allerdings nachhaltiger Einfluss auf den Fortgang der weltweiten wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Entwicklung beschieden sein wird oder ob der neuerliche Ruf nach dem Staat (und nach mehr Vernunft) bloße Episode bleibt, wird erst die Zukunft zeigen. Waren die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte bereits große Herausforderungen für die christlichen Kirchen und eine christlich fundierte Sozialethik, so sehen sich die auch kulturhistorisch die christlichen Kirchen am Ende des 20. Jahrhunderts mit einer Reihe neuer Herausforderungen konfrontiert: Mit der kulturalistischen Wende seit den 1980er Jahren und der Abkehr von der klassischen Rational Choice-Theorie wächst die Einsicht in die kulturelle Prägung und Bedingtheit individueller Handlungsweisen.175 Indem 172 Vgl. dazu wie zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 168. 173 So auf der Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) 1983 in Vancouver. Zit. nach Traugott Jähnichen/Norbert Friedrich: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Protestantismus. In: Helga Grebing (Hg.): Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland. Sozialismus – Katholische Soziallehre – Protestantische Sozialethik. Ein Handbuch. Essen 2000 (= Veröffentlichungen des Instituts für soziale Bewegungen: Schriftenreihe A, Darstellungen 13), S. 876–1103, 1088. 174 Vgl. hierzu und zum Folgenden Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 169. 175 Vgl. hierzu und zum folgenden Abschnitt Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 569.

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die Strukturen individueller Wahrnehmung als von „cognitive maps“ und „belief systems“ gesteuert betrachtet wurden und die Beurteilung einer Handlung als rational oder effizient als von subjektiven „images“ bzw. Bildern von Realität bestimmt betrachtet wurden, gewannen diese Alltagstheorien auch für die Prozesse sowie mentalen und kognitiven Voraussetzungen der Entscheidungsfindung wirtschaftlicher Akteure wesentliche Bedeutung.176 In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren betonten Ökonomen wie Viktor Vanberg, James F. Buchanan und Hansjörg Siegenthaler die wesentliche Bedeutung solcher Alltagstheorien für wirtschaftliche Entscheidungen und wiesen die Grenzen der Rational Choice-Modelle auf.177 Kein Mensch und keine Gruppe von Menschen handelt in einem allgemeinen Sinne ökonomisch rational: Die Interessenlage, die Einschätzung der Chancen auf Verwirklichung der Interessen und die Erwartungen an ökonomische Handlungen sowohl eines individuellen als auch eines kollektiven Handlungssubjekts werden geprägt durch kulturspezifische Vorverständnisse.178 Mit dem gewachsenen Bewusstsein für die kulturellen wie sprachlichen Grundlagen ökonomischer Prozesse wurde man auch der Selektoren (sowie ihrer Wirkung) gewahr, die – befördert durch den Wettbewerb auf Finanz- und Gütermärkten – vor allen Dingen weniger anpassungsfähige Marktteilnehmer bestrafen. Wer nicht oder nicht ausreichend in der Lage ist, seine subjektiven Realitätsbilder erfahrungsgemäß zu überprüfen und wenn nötig zu korrigieren, ist gegenüber lernfähigeren Akteuren, die zu exakten Deutungen des potentiellen Handelns der Wettbewerber fähig sind und so ihre eigenen Handlungsoptionen und -chancen revisionsfähig einschätzen können, im Nachteil und kann sich unter Wettbewerbsbedingungen schlechter durchsetzen. Lernfähigkeit und -bereitschaft hängen entscheidend von der Konstruktion der subjektiven cognitive maps, Alltagstheorien und Realitätsbilder ab. Religiöse Weltbilder lassen sich als cognitive maps rekonstruieren, indem sie die Wirklichkeitswahrnehmungen von Individuen steuern und über deren Repräsentation von Handlungschancen mitbestimmen. Gerade durch die Repräsentation symbolischer Identität und verlässlicher Ordnungsstrukturen, bieten religiöse Deutungssystem Individuen oder Gruppen Regelvertrauen und können den Aufbau neuer Alltagstheorien befördern.179 Sie sind so insbesondere im Hinblick auf die Frage ökonomisch relevant, „ob sie die für Erfolge auf Märkten unumgängliche Lernbereitschaft fördern oder blockieren“.180 176 Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 569. 177 Vgl. dazu und zum Nachfolgenden ebf. Friedrich Wilhelm Graf: Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur. München 2004, S. 179ff. 178 Vgl. dazu grundlegend Viktor Vanberg/James F. Buchanan: Interests and Theories in Constitutional Choice. In: Journal of Theoretical Politics 1 (1989), S. 49–62. 179 Vgl. zum Aufbau von Regelvertrauen und zu Krisenbewältigungsstrategien grundlegend Hansjörg Siegenthaler: Regelvertrauen, Prosperität und Krisen. Tübingen 1993. 180 Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 570. Vgl. grundlegend zu „cognitive maps“ und den entsprechenden Lerntheorien Edward Tolman: Cognitive maps in rats and men. In: Psychological Review 55 (1948), S. 189–208. Vgl. dazu außerdem Robert M. Kitchin: Cognitive Maps: What Are They and

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Die Prozesse sozialer Differenzierung und die interne Pluralisierung der Religionen führten laut Graf auch zu einer Veränderung des systematischen Ortes und der Funktionsweisen religiöser Ethik.181 In der gleichen Weise, wie sich die Teilsysteme gegeneinander verselbständigten und nur noch ihrer subsystemspezifischen Rationalität folgten, blieben ihnen religiöse Normierungen äußerlich: „Unter den Bedingungen funktionaler Differenzierung setzt sich die Eigengesetzlichkeit eines Subsystems oder die Sachlogik einer Institution selbst über den stärksten moralischen Akteur hinweg, der neben der funktional effizienten Zweckrationalität noch irgendwelche anderen, eben ethische Maßstäbe geltend zu machen versucht. Jede religiöse Ethik ist angesichts wachsender sozialer Differenzierung insoweit mit der Frage konfrontiert, wie ethische Normativität innerhalb der eigengesetzlich verfassten Subsysteme geltend gemacht werden soll.“182 Zudem stelle sich die Frage, inwieweit religiöse Ethiken überhaupt imstande seien, sozialer Differenzierung gerecht zu werden. Für die großen christlichen Kirchen und ihre Theologie erwachse daraus die besondere Herausforderung, am Markt als „durch harten Interessenkampf und elementare Antagonismen geprägtes Gebilde“183 ihre Positionen zu einer „theologischen Wirtschaftsethik“ im Sinne einer „systematischen Reflexion von als moralisch bestimmten wirtschaftlichen Interaktionen bzw. Handlungen […], die ihren Begründungszusammenhang in der Sprach- und Erfahrungswelt des christlichen Glaubens expliziert“, klarzustellen.184

1.3 Wirtschaftsethische Fragestellungen in katholischer Soziallehre und evangelischer Sozialethik 1.3.1 Die katholische Soziallehre Im langen Zeitraum vom Ende des Altertums bis zur Aufklärung war die christliche Ethik verbindlich für die Gestaltung des menschlichen Lebens und damit auch für die wirtschaftliche Tätigkeit der Betriebsführung.185 Soweit sich die Ethik auf Wirtschaft bezog, standen vor allem Themen wie Gerechtigkeit, Nahrungssicherung und Sinnerfüllung im Mittelpunkt. Vor allem der Nahrungssicherung kam dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Sie betrifft das Versorgungsziel der Wirtschaft, was bei Betriebsgründung und -prozess eine enge Bedarfs- und Bedürfnisorientierung nach sich zog und so die streng reglementierte Organisation der Why Study Them? In: Journal of Environmental Psychology 14 (1994), S. 1–19. Vgl. hierzu und zum Folgenden Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 576. Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 576. Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 576. Susanne Edel: Wirtschaftsethik im Dialog. Der Beitrag Arthur Richs zur Verständigung zwischen Theologie und Ökonomik. Stuttgart 1998 (= Arbeiten zur Theologie 88), S. 20. 185 Vgl. dazu und zum Folgenden Loitlsberger: Geschichte der ökonomischen Theorien, S. 534. 181 182 183 184

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Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion

Betriebe in rigiden Zünften mit beeinflusste. Arbeit erschien dabei gemeinhin als wichtiger Beitrag für die Sinnerfüllung des Lebens.186 Bis in die Gegenwart kommt ihr somit eine Funktion zu, die weit über ein bloßes Instrument zur Einkommenserzielung hinausreicht: Sie wird als notwendig für die Entfaltung der Persönlichkeit erachtet. Auch in den auf Gott als das höchste Gut bezogenen mittelalterlichen Tugendethiken, in denen durch die Sakramentalisierung des Heils und der Morallehre der Kirche in ihrer sakramentalen Gnadengestalt gesellschafts- und staatsumfassende Bedeutung zukam, nahmen Fragen des wirtschaftlichen Handelns des Menschen einen wichtigen Platz ein, obwohl freilich die ökonomische Dimension einer vita activa des Frommen hinter die Hochschätzung der vita contemplativa mit ihrem Ideal einer geistlich motivierten Abwendung von allem Weltlichen zurücktrat.187 Im Zentrum ethischer Betrachtungen stand hauptsächlich die Tabuisierung des Bankwesens und bestimmter Geschäftspraktiken im Rahmen des kanonischen Zinsverbotes sowie die Auseinandersetzung mit gerechten Preisen von Waren und Dienstleistungen.188 Ab dem Spätmittelalter entwickelten sich jedoch angesichts der wachsenden Bedeutung des Fernhandels spezielle Standesethiken für Kaufleute, in denen sich erste Prinzipien einer streng rationalen Ökonomik finden.189 1.3.1.1

Entstehung und Verortung der katholischen Soziallehre im Kontext der Sozialen Frage

Es waren dann aber erst die Auseinandersetzungen um die mit der Industrialisierung einhergehenden Probleme und die drängende Soziale Frage (vgl. oben), die das soziale Profil des Katholizismus entscheidend schärften und zu einer intensiven wirtschaftsethischen Debatte führten.190 Ab dem frühen 19. Jahrhundert reagierten katholische Intellektuelle auf die Auflösung des feudalen Gemeinwesens und die Herausbildung der modernen bürgerlichen Gesellschaft mit der Entwicklung einer umfassenden eigenständigen Soziallehre.191

186 Vgl. dazu und zum Folgenden Loitlsberger: Geschichte der ökonomischen Theorien, S. 535. 187 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 638. Vgl. hierzu ebf. Alexander Heck: Grundkurs Theologische Ethik. Ein Arbeits- und Studienbuch. Münster u.a. 2003 (= Theologische Arbeitsbücher 5), S. 35. 188 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 638f. 189 Auf diesen Umstand verweist Werner Sombart bereits 1902. Vgl. Werner Sombart: Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. 3 Bde. Erster Bd. Die Genesis des Kapitalismus. München 1987 [Erstveröffentlichung 1902], S. 378ff. 190 Vgl. hierzu und zum Folgenden Anton Rauscher: Katholische Soziallehre und Soziale Marktwirtschaft. In: Ders. (Hg.): Handbuch der Katholischen Soziallehre. Im Auftrag der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft und der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle. Berlin 2008, S. 539–548, 542. 191 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 640.

Wirtschaftsethische Fragestellungen

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In der Diskussion um gesellschaftliche Ordnungssysteme, Kapitalismus, Sozialreform und Sozialpolitik bildete sich eine katholisch-soziale Bewegung heraus, bei der sehr unterschiedliche wirtschaftsethische Ansätze wirksam wurden und die zu Auseinandersetzungen bis weit in die eigenen Reihen hinein führte.192 Zentral war dabei das Erfassen der sozialen Not als religiöses und wirtschaftlich-gesellschaftliches Problem, das Bemühen um eine partielle Sozialpolitik, also das Abrücken von Forderungen einer grundlegenden Sozial- und Gesellschaftsreform bei gleichzeitiger Zustimmung zur bestehenden Ordnung und Beseitigung ihrer negativen Folgen, die Selbsthilfe der Arbeitnehmer durch Zusammenschluss und organisierte Interessenvertretung und das Ziel der Sozialpartnerschaft, welche auf der gegenseitigen Zuordnung von Arbeit und Kapitel basiert und den Arbeitnehmern Möglichkeiten der Teilhabe durch Mitbestimmung und -verantwortung gewährt.193 Für die seit dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts aufkommende katholische Sozialbewegung erschien die Kirche, wie für die Mehrheit der Gläubigen auch, als zentrale gesellschaftliche Ordnungsmacht.194 Entsprechend wurde auch die Soziale Frage vornehmlich als religiös-karitatives Problem gesehen, dessen Lösung man primär vom pastoralen Wirken der Kirche erwartete. So schrieb die Tübinger Theologische Quartalsschrift etwa 1841, der „den socialen Verhältnissen drohende Sturm“ könne einzig durch „die beseligenden Einflüsse der christlichen Religion“ abgewendet werden.195 In ähnlicher Weise wurde immer wieder die religiös-moralische Seite der Sozialen Frage und die Bedeutung kirchlicher Armenpflege und der karitativen Tätigkeit der Orden betont. Der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler, der als einflussreichste Persönlichkeit des sozialen Katholizismus im 19. Jahrhundert gilt, wies bis zum Beginn der 1860er Jahre nachdrücklich auf diese religiöse Seite hin: 1848 betonte er in seinen Adventspredigten im Mainzer Dom, dass die gesellschaftliche Krankheit „eine notwendige Folge“ des „Abfalls von Christus“ darstelle, „nicht in der äußeren Not“ liege „unser soziales Elend, sondern in der inneren Gesinnung“ und allein „die Rückkehr zum Christentum“ verspreche Heilung: „Je ohnmächtiger die Lehre der Welt ist, um zu helfen, desto mächtiger ist die Lehre des Christentums.“196 Dabei ist von 192 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 683. 193 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 683. Vgl. kritisch dazu Werner Krämer: Richtungen im Sozialkatholizismus – seine gegenwärtige Krise. In: Richard Faber: Katholizismus in Geschichte und Gegenwart. Würzburg 2005, S. 211–226, bes. 212f. 194 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 685f. 195 Ed. Vogt: Socialistensystem. In: Theologische Quartalschrift 23 (1841), S. 551–574, 574. Das „Prinzip der christlichen Moral“ sei „Willensfreiheit“, heißt es dort weiter, „das der unchristlichen Willensknechtschaft“. (Ebd.) Von der „versöhnende[n] und Welt überwindende[n] Kraft“ der christlichen Religion ist Vogt überzeugt: „In dieser Hinsicht“ könne man „füglich den bekannten Vers anwenden“, zeigte sich Vogt ob, „Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, Vor dem freien Willen Manne erzittre nicht!“ (Ebd.) 196 Wilhelm Emmanuel von Ketteler: Die großen socialen Fragen der Gegenwart [1848]. In: Texte zur katholischen Soziallehre. Hg. v. Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung

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Ketteler den protestantischen Stellungnahmen durchaus nahe. Äußerst kritisch setzte sich von Ketteler in seinen Predigten auch mit der liberalen Wirtschaftsordnung auseinander.197 Noch bevor die Industrielle Revolution in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte, wandte sich Ketteler gegen das absolute Eigentumsrecht und damit einen der Grundpfeiler der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Angelehnt an Thomas von Aquin wies er darauf hin, dass nach katholischer Lehre der eigentliche Eigentümer aller Güter Gott sei und der menschliche Besitzer nur als „Verwalter“ fungiere, der zum „Fruchtgenuß“ berechtigt sei. „Nimmermehr“ könne die Kirche „dem Menschen das Recht zuerkennen, mit den Gütern der Welt nach Belieben zu schalten und zu walten“, und wenn sie vom „Eigentume des Menschen“ spreche und es beschütze, so werde sie „immer die drei, ihren Eigentumsbegriff wesentlich konstituierenden Momente vor Augen haben“, dass das „wahre und volle Eigentumsrecht nur Gott“ zustehe, dass dem Menschen lediglich „ein Nutzungsrecht eingeräumt worden“ sei und dass er deshalb dazu verpflichtet sei, „bei der Benutzung die von Gott gegebene Ordnung anzuerkennen“.198 Der „berüchtigte Ausspruch: das Eigentum ist Diebstahl“, enthalte, „neben einer großen Lüge, zugleich eine furchtbare Wahrheit“.199 Stegmann/ Langhorst weisen darauf hin, dass von Kettelers Vorstoß den „Beginn der kirchlichen Auseinandersetzung mit dem Wirtschaftsliberalismus“ markiert, der beinahe den gesamten deutschen Katholizismus über eine „lange Zeit“ geprägt habe.200 Neben von Ketteler wurden weitere Stimmen im Katholizismus lauter, die in der Sozialen Frage auch ein wirtschaftlich-gesellschaftliches Problem erkannten.201 Der Kulturtheoretiker Franz von Baader betrachtete besonders die Auflösung der ständischen Ordnung, die im Mittelalter festen Halt gegeben habe, als Hauptursache der als Pauperismus bezeichneten Massenarmut sowie des Klassenunterschieds zwischen Arm und Reich. Die niederen Volksschichten seien „durch die Auflösung ihres Hörigkeitsverbandes“ sogar „in den reichsten und industriösesten Staaten wirklich nur relativ ärmer und hilfs- und schutzbedürftiger geworden“. 202 Der katholische Politiker Franz Joseph Ritter von Buß hielt 1837 im Badischen Landtag die erste sozialpolitische Rede vor einem deutschen Parlament. Von Buß befürDeutschlands. Bd. 2: Dokumente zur Geschichte des Verhältnisses von Kirche und Arbeiterschaft am Beispiel der KAB. Bornheim u.a. 1976, S. 87–115, 107–109. 197 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann/Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus, S. 645. 198 von Ketteler: Die großen socialen Fragen der Gegenwart, S. 92. 199 von Ketteler: Die großen socialen Fragen der Gegenwart, S. 96. 200 Stegmann/Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus, S. 645. 201 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 686. 202 Franz von Baader: Ueber das dermalige Mißverhältnis der Vermögenslosen oder Proletairs zu den Vermögen besitzenden Klassen der Societät in Betreff ihres Auskommens, sowohl in materieller als intellektueller Hinsicht, aus dem Standpunkt des Rechts betrachtet [1835]. In: Texte zur katholischen Soziallehre. Hg. v. Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands. Bd. 2: Dokumente zur Geschichte des Verhältnisses von Kirche und Arbeiterschaft am Beispiel der KAB. Bornheim u.a. 1976, S. 43–53, 47.

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wortete grundsätzlich die Industrialisierung, sah aber deutlich deren nachteilige Folgen für die Arbeiter. In seiner berühmt gewordenen „Fabrikrede“ benannte er vier gesellschaftlich-wirtschaftliche Hauptursachen der Sozialen Frage: Die durch den raschen Wandel der neuen technischen Arbeitsweise und eine gewisse Labilität der gesamten Wirtschaft bedingte Existenzunsicherheit, unmenschliche Arbeitsbedingungen, aus denen schwere gesundheitliche Schäden resultierten, politische Entrechtung und weitgehende Abhängigkeit des Arbeiters vom Fabrikherrn sowie soziale Not und Massenarmut, die vom Arbeiter aus eigener Kraft nicht zu überwinden sei, da das Einkommen aus Lohnarbeit gerade das zum Leben Nötigste abdecke und der Aufbau von Ersparnissen so gut wie nicht möglich sei. 203 Als Konsequenz forderte von Buß staatliche Hilfsmaßnahmen und unterbreitete konkrete Vorschläge, die von Arbeitszeitbeschränkungen über Unfallschutz bis zu Bildungsmaßnahmen und staatliche Hilfe bei Existenzgründungen reichten. Dass allein mit Gesinnungsänderung, religiöser Erneuerung und karitativer Tätigkeit der Kirche der gesellschaftlichen Not und der sozialen Missstände nicht beizukommen war, erkannte später auch von Ketteler. Er identifizierte die proletarische Lebenslage der Arbeiter als Kern der Sozialen Frage und verwies – beeinflusst durch Ferdinand Lasalle – auf den Warencharakter der Arbeit. An von Ketteler zeigt sich beispielhaft, dass die Soziale Frage vom sozialen Katholizismus nun weitestgehend als wirtschaftliches und gesamtgesellschaftliches Problem betrachtet wurde, zu dessen Lösung es nicht nur einer Gesinnungsreform, sondern tiefgreifender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen der Zustände bedurfte. Die aufkommende katholisch-soziale Bewegung stand nun vor der Frage, ob die Lösung der sozialen Probleme durch eine völlige Neugestaltung des bestehenden kapitalistischen Wirtschaftssystems im Rahmen einer umfassenden Sozialreform nach ständisch-korporativem Vorbild oder lediglich durch partielle Sozialpolitik, die Beseitigung der Auswüchse auf sozialpolitischem Weg und im Rahmen der bestehenden Ordnung, geschehen sollte.204 Die unterschiedliche Beantwortung dieser Frage trennte während des letzten Drittels des Jahrhunderts die konservative von der liberalen Richtung innerhalb der katholisch-sozialen Bewegung. 205 Im Mittelpunkt der Kontroverse stand dabei die Beurteilung des Liberalismus im Allgemeinen und des Wirtschaftsliberalismus im Besonderen.206 Einer mehr oder weniger weitgehenden Akzeptanz der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschafts203 Franz Joseph von Buß: Ueber die mit dem fabrikmäßigen Gewerbsbetrieb verbundenen Nachtheile und die Mittel ihrer Verhütung [1837]. In: Franz Josef Stegmann (Hg.): Franz Joseph von Buß 1803–1878. Paderborn 1994 (= Quellentexte zur Geschichte des Katholizismus 13), S. 27–58, 43. 204 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 687. 205 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann/Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus, S. 644. 206 Vgl. ebf. Wilhelm Weber: Liberalismus. In: Anton Rauscher (Hg.): Der soziale und politische Katholizismus. Entwicklungslinien in Deutschland 1803–1963. Bd. 1. München u.a. 1981 (= Geschichte und Staat 247/249), S. 265–293.

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ordnung durch die liberalen Sozialpolitiker stand deren grundsätzliche Ablehnung durch die konservativen Sozialreformer gegenüber.207 Die Sozialkritiker der Romantik spielten als Vertreter einer ständischen Gesellschaftskonzeption eine prägende Rolle bei der Entstehung der katholisch-sozialen Bewegung. Im Verschwinden der alten ständischen Ordnung erkannten sie die wesentliche Ursache der Sozialen Frage und verlangten dementsprechend die Einfügung der neuen Schicht der Arbeiterschaft in eine erneuerte, ständisch strukturierte Gesellschaftsordnung.208 Bedeutendster Vertreter dieser Richtung war der Sozialphilosoph Franz von Baader, der proklamierte, dass „Freiheit des sozialen Lebens“ nur durch korporative „Gliederung“ möglich sei.209 Sozialphilosophen wie von Baader oder Adam Müller übten insbesondere Kritik an der auf Adam Smith zurückgehenden deutschen liberal-kapitalistischen Konkurrenzökonomie. Sie setzten der abstrakten Herrschaft des Marktes und der Vereinzelung des Individuums Modelle einer neuen Vergemeinschaftung des Menschen als geistige Einheit im Sinne der Universalität der Kirche entgegen.210 Dabei verknüpften sie ihre „antiliberale organische Gesellschaftslehre ständisch-konservativen Charakters“ mit einem bestimmten Verständnis der politisch-sozialen Funktion und inneren Ordnung der Kirche211: So war sie einerseits in ihrer hierarchischen Ordnung Vorbild für das Allgemeinwesen, zudem sollte ihr „aufgrund des ihr erschlossenen Wissens um den wahren ordo der geschaffenen Wirklichkeit eine Deutungs- und Weisungskompetenz für alle Gebiete der Kultur“ zukommen.212 Müller und andere katholische Frühkonservative beförderten mit ihrer engen Verbindung von Sozialtheorie und Ekklesiologie die Entwicklung einer spezifisch katholischen Theorie des Sozialen, die seit den 1870er Jahren explizit als „katholische Soziallehre“ bezeichnet wurde. Auf Bischof von Ketteler geht die innerkatholische Alternative zur ständischen Gesellschaftsreform zurück.213 Mit von Ketteler begann „eine Entwicklung im katholischen Sozialdenken weg vom fundamentalistischen Antikapitalismus hin zu 207 Vgl. auch Clemens Bauer: Der deutsche Katholizismus und die bürgerliche Gesellschaft. In: Ders.: Deutscher Katholizismus. Entwicklungslinien und Profile. Frankfurt a.M. 1964, S. 28–53, 44ff. 208 Vgl. dazu und zum Nachfolgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 687. 209 Baader: Ueber das dermalige Mißverhältnis der Vermögenslosen oder Proletairs, S. 48. Vgl. Franz Josef Stegmann: Von der Ständischen Sozialreform zur Staatlichen Sozialpolitik. Der Beitrag der Historisch-Politischen Blätter zur Lösung der sozialen Frage. München 1965 (= Politische Studien, Beih. 4), S. 127ff. Stegmann führt die verwandte Argumentation der „Historisch-politischen Blätter“ an, die von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Reichsgründung die bedeutendste Zeitschrift des sozialen Katholizismus war. 210 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 640f. 211 Albrecht Langner: Katholische und evangelische Sozialethik im 19. und 20. Jahrhundert. Beiträge zu ideengeschichtlichen Entwicklungen im Spannungsfeld von Konfession, Politik und Ökumene. Paderborn u.a. 1998, S. 50. 212 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 641. 213 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 687f.

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pragmatischen Reformkonzepten“.214 Ursprünglich ein entschiedener Gegner des Wirtschaftsliberalismus – noch 1864 hatte von Ketteler den „Sklavenmarkt unseres liberalen Europa“ angeprangert, in dem sich Arbeit zur „Ware“ entwickelt habe – bemühte sich von Ketteler zusehends um eine konstruktive Verbindung aus sozialen Zielen und liberaler Theorie.215 1869 erklärte er auf einer Rede vor katholischen Arbeitern, dass man die „unbedingte Freiheit auf allen Gebieten der Volkswirtschaft“ für „notwendig“ und „heilsam“ erachten könne.216 Von Ketteler verlangte nicht länger die Beseitigung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, sondern dessen Milderung, „für alle einzelnen schlimmen Folgen desselben die entsprechenden Heilmittel zu suchen“ und vor allem auch, die Arbeiter „an dem, was an dem System gut ist, an dessen Segnungen Anteil nehmen zu lassen“. 217 Auf diese Weise wies er dem sozialen Katholizismus eine neue Richtung weg von der umfassenden ständischen Reform der Gesellschaft, die bis zu diesem Zeitpunkt von der Mehrheit der katholisch-sozialen Bewegung vertreten worden war, hin zu einer partiellen Sozialpolitik, die in der bestehenden Wirtschaftsordnung deren Auswüchse zu beseitigen suchte. Der Philosoph und Zentrum-Politiker Georg Freiherr von Hertling lieferte hierfür die sozialpolitische Begründung: So gebe es „keine ein für allemal gültige Formel“ für das Verhältnis von Kapital und Arbeit und auch die Ständeordnung habe große Nachteile gehabt.218 Entsprechend gehe es nicht um eine „Neugestaltung der Gesellschaft“, sondern darum, „im Rahmen der bestehenden Gesellschaftsordnung die Schäden zu heilen“, welche „die moderne großindustrielle Produktion der arbeitenden Bevölkerung gebracht hat“.219 Diese grundsätzliche Anerkennung der bestehenden Wirtschaftsordnung im Sinne einer partiellen Sozialpolitik bedeutete zugleich die Absage des deutschen sozialen Katholizismus an eine umfassende ständische Gesellschaftsreform zur Lösung der Sozialen Frage. 1891 wies das Rundschreiben Rerum novarum Papst Leos XIII. in dieselbe sozialpolitische Richtung, als es sich entschieden gegen Klassenkampf und zugunsten in „Freiheit und Gerechtigkeit“ ausgehandelter Arbeitsverträge

214 Christoph Sachße: Subsidiarität: Zur Karriere eines sozialpolitischen Ordnungsbegriffs. Zur Karriere eines sozialpolitischen Ordnungsbegriffs. In: Zeitschrift für Sozialreform 40 (1994), S. 717– 738, 719. 215 Zit. nach Rauscher: Katholische Soziallehre, S. 542. 216 Wilhelm Emmanuel von Ketteler: Die Arbeiterbewegung und ihr Streben im Verhältnis zu Religion und Sittlichkeit [1869]. In: Texte zur katholischen Soziallehre. Hg. v. Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands. Bd. 2: Dokumente zur Geschichte des Verhältnisses von Kirche und Arbeiterschaft am Beispiel der KAB. Bornheim u.a. 1976, S. 241–262, 243. 217 Wilhelm Emmanuel von Ketteler: Sozialcaritative Fürsorge der Kirche für die Arbeiterschaft [1869]. In: Texte zur katholischen Soziallehre. Hg. v. Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands. Bd. 2: Dokumente zur Geschichte des Verhältnisses von Kirche und Arbeiterschaft am Beispiel der KAB. Bornheim u.a. 1976, S. 225–240, 231. 218 Georg Freiherr von Hertling: Aufsätze und Reden socialpolitischen Inhalts. Freiburg i.Br. 1884, S. 42. 219 Georg Freiherr von Hertling: Naturrecht und Sozialpolitik. Köln 1893, S. 42.

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aussprach.220 Auftrieb erhielten die von der Enzyklika geforderten sozialpolitischen Bemühungen durch den 1890 gegründeten „Volksverein für das katholische Deutschland“, der die bestehende Wirtschaftsordnung bejahte, aber deren Auswüchse zu beseitigen suchte.221 Der Verein wurde zur Massenorganisation, dessen Schulungsangebote viele wichtige Persönlichkeiten der katholisch-sozialen Bewegung in Anspruch nahmen. An der Spitze dieser Bewegung wurden Adelige, die „in der feudalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verwurzelt“ gewesen waren, zunehmend von Männern ersetzt, „die in der Industrie und ihrer freiheitlichen Verfassung ihren Standboden hatten“.222 Neben dem Spannungsfeld zwischen umfassender Gesellschaftsreform und partieller Sozialpolitik war für die katholische Soziallehre noch eine weitere Frage von wesentlicher Bedeutung: War die Lösung der sozialen Probleme eine Angelegenheit des Einzelnen und freier gesellschaftlicher Kräfte oder erforderte sie (auch) staatliche Intervention?223 Mit der eingeleiteten Entwicklung hin zu pragmatischen Reformkonzepten und zur Präferenz einer partiellen Sozialpolitik wurde auch die verbreitete Ablehnung gegenüber staatlichen Eingriffen mehr und mehr aufgegeben. Hatte der junge von Ketteler noch 1848 auf dem ersten Katholikentag in Mainz erklärt, es werde sich zeigen, dass „der katholischen Kirche die endliche Lösung der socialen Frage vorbehalten“ sei, da „der Staat, mag er Bestimmungen treffen, welche er will, […] dazu nicht die Kraft“ habe, hatten sich seine wirtschaftsethischen Positionen 20 Jahre später grundlegend gewandelt. 224 Dabei ist von Kettelers Sinneswandel paradigmatisch für eine Entwicklung, die er damit selbst maßgeblich mitbestimmte: Die Überwindung der sozialen Missstände betrachtete er nun vornehmlich als Aufgabe des Staates und forderte entsprechend staatliche Arbeiterschutzgesetze zum Schutz der Arbeiter, eine Regelung der allgemeinen Arbeitszeit, die Schließung gesundheitsschädlicher Arbeitsräume, staatliche Hilfe bei Arbeitsunfähigkeit, besonders aber „Staatskontrolle über die Ausführung der Arbeitergesetzgebung durch Ernennung offizieller Fabrikinspektoren“. 225 Einige Jahre später schließlich forderte er nicht nur den „gesetzlichen Schutz der Arbeit und des Arbeiterstands gegen Unterdrückung jeglicher Art“, sondern dar-

220 Leo XIII.: Rerum novarum. Rom 1891, Nr. 15. 221 Vgl. hierzu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 688f. 222 Emil Ritter: Die katholisch-soziale Bewegung Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert und der Volksverein. Köln 1954, S. 112. 223 Vgl. dazu wie zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 689f. 224 Generalversammlung der Katholischen Vereine Deutschlands (Hg.): Verhandlungen der Versammlung der Katholischen Vereine Deutschlands. Amtlicher Bericht. Bd. 1: Am 3.–6. Oktober 1848 zu Mainz. Mainz 1848, S. 52. 225 von Ketteler: Sozialcaritative Fürsorge der Kirche für die Arbeiterschaft, S. 236. Vgl. dazu auch Rauscher: Katholische Soziallehre, S. 542.

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über hinaus ebenfalls die „billige Unterstützung der Arbeiterverbindungen durch den Staat“.226 Doch war die Einsicht in die Notwendigkeit staatlicher Intervention noch kein Allgemeingut im deutschen Katholizismus. Insbesondere der einsetzende Kulturkampf in den 1870er Jahren verstärkte massiv die Abneigung zahlreicher Katholiken gegenüber Gewalt und Einfluss des Staates.227 So blieb es der Enzyklika Rerum novarum Papst Leos XIII. vorbehalten, der interventionistischen Richtung endgültig den Weg zu bahnen und auch explizit den Staat bei der Lösung der Sozialen Frage in die Pflicht zu nehmen. Die offizielle Befürwortung der staatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik durch das kirchliche Lehramt ging von der generellen Feststellung aus, der Staat habe „das Wohlergehen der Allgemeinheit und der einzelnen“ zu sichern.228 Ihm komme die besondere Aufgabe des „Schutz[es]“ und der „Förderung der arbeitenden Schicht“ zu.229 Sozialpolitische Einzelforderungen umfassten den Schutz der Sonntags- und Feiertagsruhe, die gesetzliche Begrenzung der Arbeitszeit, besondere Schutzbestimmungen für Frauen- und Kinderarbeit und die Sicherung eines „gerechten“ Lohns.230 Auch das Recht der Arbeitnehmer auf Zusammenschluss und organisierte Interessenvertretung war lange Zeit umstritten.231 Vertreter des sozialen Katholizismus wie von Baader und von Buß in seiner oben erwähnten Fabrikrede forderten bereits früh die Einrichtung genossenschaftlicher Selbsthilfeeinrichtungen, um die Situation der Arbeiter zu verbessern. Um die Jahrhundertmitte kam es zur Gründung erster katholischer Arbeitervereine, später auch „christlich-sozialer“ Vereine, denen aber aufgrund von Kulturkampf und „Sozialistengesetz“ vorerst kein langes Bestehen beschieden war. Lokale „christliche Gewerkvereine“ gründeten sich Anfang der 1890er Jahre nach Aufhebung des Sozialistenverbots, gleichzeitig wurden die Arbeiter in Rerum novarum zum Zusammenschluss ermutigt und das Koalitionsrecht somit von päpstlicher Seite verteidigt.232 Das Recht der Selbstorganisation und Interessenvertretung wird den Arbeitern dabei als „naturrechtlich“ verankert zuerkannt.233 226 Wilhelm Emmanuel von Ketteler: Christentum und Sozialdemokratie [1875]. In: Texte zur katholischen Soziallehre. Hg. v. Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands. Bd. 2: Dokumente zur Geschichte des Verhältnisses von Kirche und Arbeiterschaft am Beispiel der KAB. Bornheim u.a. 1976, S. 274–286, 276. 227 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 690f. 228 Rerum novarum, Nr. 26. 229 Rerum novarum, Nr. 27. 230 Rerum novarum, Nr. 32–35. 231 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 691ff. 232 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 692. 233 Rerum novarum, Nr. 38. Vgl. auch Hans-Joachim Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen in den Soziallehren der Kirchen. Katholische Kirche. In: Handbuch der Wirtschaftsethik I, S. 740–758, 742.

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Intensive Diskussionen erfuhr auch die Frage der Mitbestimmung der Arbeiter bei Entscheidung und Verantwortung und der Sozialpartnerschaft, die auf der wechselseitigen Abhängigkeit bzw. Zuordnung von Kapital und Arbeit fußt. 234 Besonders Bischof von Ketteler war um die Einrichtung von Produktivassoziationen bemüht, zuvor hatte Franz von Baader schon 1835 einen Rechtsanspruch der Arbeiter auf Vertretung in den Ständeversammlungen festgestellt. In der Programmatik der erstarkenden katholisch-sozialen Bewegung der 1880er Jahre spielten die rechtliche Besserstellung der Arbeiter, deren Interessenwahrnehmung gegenüber den Unternehmen durch selbst gewählte Vertreter sowie deren Mitwirkung bei der Regelung betrieblicher und überbetrieblicher Angelegenheiten eine zentrale Rolle. Das Problem der Mitwirkung wurde in der Enzyklika Rerum novarum zwar nicht thematisiert, allerdings wurde darin der Wunsch geäußert, dass der tatsächliche Einfluss der Vereinigungen der Arbeiter zunehmen und deren Interessenwahrnehmung wachsen sollten.235 Auf Initiative des Sozialpolitikers Franz Hitze schlug die Reichstagsfraktion der Zentrumspartei wiederholt die obligatorische Einführung von Arbeiterausschüssen vor, blieb damit aber bis zur Mitte des Ersten Weltkriegs erfolglos. 1916 erfolgte schließlich mit dem „Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst“ die „staatliche Anerkennung des Rechts der Arbeitnehmerschaft und ihrer Organisationen auf Gleichberechtigung und gleicher Ebene mit der bisher so gut wie autonomen Unternehmerschaft“, womit ein Hauptziel des sozialen Katholizismus Verwirklichung fand.236 1.3.1.2

Wirtschaftsethische Implikationen in der Katholischen Soziallehre im 20. Jahrhundert

Schon die Entstehung der katholischen Soziallehre war, wie dargestellt, eng mit dem Bemühen um die Bestimmung der Existenzbedingungen moderner Gesellschaften in Anbetracht des tiefgreifenden Wandels des 19. Jahrhunderts und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Herausforderungen verbunden237: Ihr Anspruch ist dabei fundamental ethischer Natur, stellt sie doch „vor dem Wert- und Sinnhorizont christlicher Glaubenspraxis […] die Frage nach der dem Menschen angemessenen Gestaltung seiner sozialen Lebenswelt“.238 Die Vertreter der katholischen Soziallehre sind so stets beteiligt an den (sozial)ethischen Ermittlungs-, Orientierungs- und Urteilsprozessen ihrer Zeit, wobei ihre normativen Zielvorstellungen auf die Errichtung einer gesellschaftlichen Ordnung ausgerichtet sind, die sich 234 Vgl. dazu wie zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 693f. 235 Rerum novarum, Nr. 36, 45. 236 Otto Neuloh: Die deutsche Betriebsverfassung und ihre Sozialformen bis zur Mitbestimmung. Tübingen 1956 (= Soziale Forschung und Praxis 13), S. 103. 237 Vgl. hierzu wie auch zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 740. 238 Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 740.

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gleichermaßen an Gemeinwohl, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit orientiert. Dabei geht es allerdings weniger um die Formierung eines festen systematischen Rahmens, als vielmehr um die Feststellung maßgeblicher sozialethischer Grundprinzipien, Kriterien und Verhaltensorientierungen, deren konkrete Umsetzung in der Praxis des Zusammenspiels mit sozialwissenschaftlichen Analysen und volksund betriebswirtschaftlicher Handlungskompetenz bedarf. Die Dokumente der katholischen Sozialverkündigung müssen folglich immer auch als zeitbedingte, geschichtlich-kontingente Stellungnahmen gelesen und begriffen werden, deren zentrale wirtschaftsethische Aussagen überdies eine kontinuierliche Fortschreibung, Differenzierung und Modifizierung erfahren. Obwohl also nicht von einem wirtschaftsethischen Lehrgebäude der katholischen Soziallehre gesprochen werden kann, existieren in den Texten lehramtlicher Sozialverkündigung eine Reihe konzeptioneller wirtschaftsethischer Leitbilder. Diese erschließen sich aus der bereits erwähnten Zeitgenossenschaft der katholischen Soziallehre, die sich daraus verstehen lässt, dass sich die Sozialverkündigung immer als Reflex auf gesellschaftliche Entwicklungen verstanden hat und nicht als systematische geschlossene Lehre von der in keiner Gesellschaft zu praktizierenden Gerechtigkeit. Das Bemühen um einen angemessenen Platz in der Wilhelminischen Gesellschaft hatte trotz einiger Divergenzen die Anstrengungen des deutschen Katholizismus in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg bestimmt.239 Der Kulturkampf prägte die Anfangsjahre des deutschen Kaiserreichs.240 Eine wesentliche Folge der von Reichskanzler Otto von Bismarck forcierten weltanschaulichen Auseinandersetzung war eine Fokussierung innerhalb des Katholizismus auf kirchlichpolitische Aufgaben, die den Zusammenhalts der Katholiken und die Loyalität der Laien gegenüber Kirche und Klerus stärkte.241 Zugleich förderte gerade diese Unterordnung sozialer Bestrebungen unter kirchliche und staatspolitische Ziele den Übergang vom überkommenen Ideal einer vollständigen Gesellschaftsreform zur Praxis der partiellen Sozialpolitik. Insbesondere im Rheinland wirkte sich überdies der Einfluss der liberalen Richtung des belgischen und französischen Sozialkatholizismus um Frédéric Le Play, Léon Harmel und besonders den belgischen Nationalökonomen Charles Périn aus. Von privaten Unternehmer- und Arbeiterzusammenschlüssen und der Ausübung christlicher Nächstenliebe durch die 239 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 694f. 240 Vgl. dazu wie zum Folgenden Stegmann/Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus, S. 655f. Vgl. grundlegend zum Kulturkampf, auf den an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingegangen werden kann, bspw. Rudolf Morsey: Der Kulturkampf. In: Rauscher (Hg.): Der soziale und politische Katholizismus I, S. 72–109. 241 Vgl. Winfried Becker: Der politische und soziale Katholizismus. In: Rauscher (Hg.): Handbuch der Katholischen Soziallehre, S. 175–192, 179f. Vgl. zu den politischen Auseinandersetzungen zwischen Zentrumspartei und Reichskanzler Bismarck sowie zu den politischen wie religiösen Einschränkungen des deutschen Katholizismus Karl Bachem: Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei. Bd. 3. Köln 1927, bes. S. 137f. Vgl. dazu ebf. Rudolf Morsey: Bismarck und die deutschen Katholiken. Friedrichsruh 2000, bes. S. 16.

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Arbeitgeber erwartete sich diese Richtung eine Verbesserung der bestehenden Zustände. Die Christlich-Sozialen Blätter, das Organ der christlich-sozialen Verbände Westdeutschlands, verneinte offen die Ideen des sozial-konservativen Katholizismus.242 Sie strebten eine Unterscheidung der klassischen Lehre des Wirtschaftsliberalismus, wie sie Adam Smith geprägt hatte, vom „Manchesterthum, d. h. die unchristliche Folgerung aus der Adam Smith’schen Doktrin“, an, kritisierten, „dass man auch von Seiten katholischer Publicisten in der socialen Misere die Schuld allein auf den Kapitalismus wälzte“, priesen die Konkurrenz als „einzige durchschlagende Triebfeder auf allen Gebieten des Erwerbes“, ohne die es „um die Ernährung unserer, gegenwärtig über 47 000 000 zählenden, deutschen Staatsbürger in der That schlecht bestellt“ wäre und bekannten sich zum Kapitalismus als „eine wirthschaftliche Nothwendigkeit, durch welche die Ausdehnung der Cultur selbst nothwendig bedingt“ sei.243 Der Philosoph und spätere Reichskanzler Georg Freiherr von Hertling avancierte zum Ideengeber eines ab den 1880er Jahren immer stärker werdenden „Liberal-Katholizismus“ (wie der konservative, liberalismuskritische Publizist Karl Freiherr von Vogelsang die Entwicklung nannte), indem der Wandel von der integralen Sozialreform zur partiellen Sozialpolitik immer deutlicher zu Tage trat. Von Hertling, Mitbegründer der „Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft“, war um eine grundlegend naturrechtliche Begründung der Ordnung des menschlichen Zusammenlebens bemüht. Im Naturrecht erkannte er jene höhere Norm, „welche aus der menschlichen Natur und der Einrichtung der sittlichen Ordnung entspringend, von der Vernunft erkannt und als bindend anerkannt wird“, nach der sich der „sittliche Wert oder Unwert einer Handlung, im Unterschied vom Nutzen und vom äußeren Erfolg, bestimmt“.244 Durch den Rückgriff auf naturrechtliche Argumentationen von Kettelers trug von Hertling dazu bei, das naturrechtliche Denken in der katholischen Soziallehre fest zu etablieren, was sie – so Stegmann/Langhorst – davor bewahrt hätte, „bestimmte, irgendwann einmal in der Geschichte entstandene Ordnungen festzulegen und diese absolut zu setzen“.245 242 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann/Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus, S. 657. 243 Christlich-Sociale Blätter 16 (1883), S. 467, 522, 527. Dabei erscheint vor allem die Verbindung eines christlichen Menschenbilds mit kapitalistischer Wirtschaftsweise als Lösung der sozialen Probleme, zugleich werden staatliche Eingriffe und staatssozialistische Ideen abgelehnt: „Nicht den Capitalismus als solchen greifen wir unsererseits an, sondern wir fordern die ausgedehnte Wiederbelebung christlicher Denkungs- und Handlungsweise in allen Kreisen der Bevölkerung; aus dieser wird sich naturgemäss die weise geregelte Association als Vereinigungspunkt für Capital ergeben, von welcher wir allein eine zeitgemässe Regeneration der Gesellschaft in ihrer heutigen Existenzform erwarten. Dagegen müssen wir es als einen beklagenswerthen Irrthum erkennen, an die Stelle der Manchestermänner den Staat zu setzen und durch seine Vermittelung die grossen Mittel für grosse Unternehmungen zusammen zu bringen. Der Staatssocialismus ist die Stagnation des gewerblichen Lebens.“ (Ebd., S. 527.) 244 Georg von Hertling: Naturrecht und Sozialpolitik. Köln 1893, S. 12. 245 Stegmann/Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus, S. 657f.

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Von Hertling setzte sich für die Bildung von Gewerkschaften nach englischem Vorbild ein, da diese „im Rahmen der bestehenden Gesellschaftsordnung die Schäden zu heilen“ versuchten, welche „die moderne großindustrielle Produktion der arbeitenden Bevölkerung gebracht“ habe.246 Dieses Bekenntnis zu einer praktischen Sozialpolitik bedeutete die grundsätzliche Anerkennung der bestehenden liberalen Sozial- und Wirtschaftsverfassung und eine endgültige Abkehr von den Ideen einer ständischen Ordnung, wie sie etwa Franz Hitze noch lange vertreten hatte.247 Trotz anfänglich fortbestehender Bedenken gegenüber der neuen Ordnung wandelte sich Hitze vom ideologisch-ständischen Reformer zum praktischen Sozialpolitiker, der schließlich die von Hertling entwickelte partielle Sozialpolitik in die Realität umsetzte und so bis zum Ersten Weltkrieg zur führenden Gestalt im sozialen Katholizismus wurde. Gemeinsam mit der historisch-ethischen Nationalökonomie und den Sozialethikern des lutherischen Sozialkonservativismus nahm dann die katholische Soziallehre im 20. Jahrhundert entscheidenden Einfluss auf die Begründung und Ausformung des modernen deutschen Sozialstaats als korporatistisch-konservatives Wohlfahrtsregime.248 Indem die katholische Soziallehre darüber hinaus zur Formulierung der großen päpstlichen Sozialenzykliken beitrug, schuf sie die Grundlagen für die Herausbildung eines katholischen Sonderwegs zwischen liberalem Individualismus und sozialistischem Kollektivismus. Dabei wurden nach dem Ersten Weltkrieg vom Universalismus beeinflusste revolutionär-konservative Ständeutopien wie beispielsweise die autoritären Vorstellungen Engelbert Dollfuß’ in Österreich letztlich ebenso verworfen wie die seit Beginn des Jahrhunderts entwickelten Modelle eines christlichen Sozialismus.249 Insbesondere während der Weimarer Republik gab der soziale Katholizismus kein einheitlich-gesellschaftliches Ordnungsbild ab, dennoch nahm der Einfluss katholisch-sozialer Ideen auf die Ausgestaltung der Sozial- aber auch der Kulturpolitik signifikant zu. Die Basis für den Ausbau des Sozialstaats wurde von der 1919 verabschiedeten Weimarer Reichsverfassung gelegt, in der eine freiheitliche Wirtschaftsordnung anerkannt wurde.250 Der gewachsene politische Einfluss des sozialen Katholizismus ist dabei vor allem 246 Hertling: Naturrecht und Sozialpolitik, S. 65. 247 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann/Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus, S. 659. Der junge Hitze hatte in seiner 1881 veröffentlichten Vortragssammlung Kapital und Arbeit und die Reorganisation der Gesellschaft ständische Ideen vorgetragen, was zu einer Kontroverse mit Hertling geführt hatte, der nicht dazu bereit war, die Notwendigkeit einer Umbildung einer gegebenen Ordnung anzuerkennen. Hertling wies dabei unter Berufung auf die Geschichte ausdrücklich auf die Nachteile einer ständischen Gesellschaftsordnung für die Menschen hin. (Vgl. Georg von Hertling: Aufsätze und Reden socialpolitischen Inhalts. Freiburg 1884, S. 36– 39, 42.) 248 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 643. Vgl. zur Unterscheidung vom liberalen britischen und sozialdemokratischen schwedischen Modell Gøsta Esping-Andersen: The three worlds of welfare capitalism. Cambridge 1990. 249 Vgl. dazu auch Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 694–697. 250 Vgl. Friedrich: Wirtschaftsethik V/3. Neuzeit, S. 167.

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auf die Sonderstellung zurückzuführen, die dem Zentrum als konfessioneller Volkspartei zugefallen war.251 Dies wirkte sich vor allem auf das Ziel der Gleichberechtigung der Arbeiterschaft aus, obgleich – wie Rauscher anmerkt – „die Forderung ‚Partnerschaft statt Klassenkampf‘ kaum in die Praxis umgesetzt werden konnte“.252 Für die Folgezeit von maßgeblicher Bedeutung war insbesondere die Herausbildung des Solidarismus, der angesichts der stark differierenden wirtschaftsethischen Positionen während der Weimarer Zeit den Anspruch einer „katholisch-soziale[n] Einheitslinie“ vertrat.253 Theoretiker wie der Sozialethiker und Nationalökonom Heinrich Pesch entwickelten so in Anknüpfung an naturrechtliche und schöpfungstheologische Modelle Gegenentwürfe zum bürgerlich-liberalistischem Individualismus mit seinen politischen und ökonomischen Freiheitskonzepten auf der einen und dessen sozialistischer bzw. sozialdemokratischen Kritik und den etatistischen Gesellschaftskonzepten der Arbeiterbewegung auf der anderen Seite.254 Der Jesuit Pesch entwarf dazu eine die Prinzipien der katholischen Sozialphilosophie einbeziehende und die Ansätze von Kettelers, von Hertlings und Hitzes weiterführende Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie.255 Dabei verfolgte er den Anspruch, dem sozialpolitischen Pragmatismus des deutschen Vorkriegskatholizismus eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Entwicklung folgen zu lassen, die den Ansprüchen von Individuum und Gemeinschaft gleichermaßen gerecht werden und zugleich die Fehler von Individualismus und Sozialismus vermeiden sollte. Pesch ging dabei von der „tatsächliche[n] wechselseitige[n] Abhängigkeit“256 des arbeitenden Menschen „inmitten der Gesellschaft“257 als „Gesetz der Gemeinsamkeit und Gegenseitigkeit“, das „sämtliche Lebenssphären“ durchzieht 258, aus. Um dem arbeitenden Menschen die ihm zustehende Stellung zu gewahren, verwarf er die „ungebundene Herrschaftsstellung des Kapitalbesitzes“ und „sein un251 Vgl. Rudolf Morsey: Der politische Katholizismus 1890–1933. In: Rauscher (Hg.): Der soziale und politische Katholizismus I, S. 110–164. Vgl. auch Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 695. 252 Rauscher: Katholische Soziallehre, S. 542. 253 So der programmatische Titel einer Monographie des österreichischen Sozialethikers Johannes Messner, der ebf. einer der Vordenker der Bewegung war. Johannes Messner: Um die katholisch-soziale Einheitslinie. Innsbruck u.a. 1930 (= „Neues Reich“ Bücherei 9). Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 695. 254 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 641f. Vgl. dazu ebf. Gerhard Besier: „Berufsständische Ordnung” und autoritäre Diktaturen. Zur politischen Umsetzung einer „klassenfreien“ katholischen Gesellschaftsordnung in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. In: Aufklärung und Kritik, Sonderheft 9 (2004), S. 255–271. 255 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 697. 256 Heinrich Pesch: Lehrbuch der Nationalökonomie. Bd. 1: Grundlegung. 3. u. 4., neu bearb. Aufl. Freiburg i.Br. 1924, S. 44. 257 Heinrich Pesch: Lehrbuch der Nationalökonomie. Bd. 2: Allgemeine Volkswirtschaftslehre I: Volkswirtschaftliche Systeme, Wesen und disponierende Ursachen des Volkswohlstandes. Freiburg i.Br. 5 1925, S. 214f. 258 Heinrich Pesch: Lehrbuch der Nationalökonomie. Bd. 4. Freiburg i.Br. 21922, S. 3.

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gezügeltes Erwerbsstreben“, das „maßvolle[s] Erwerbsstreben“ ersetze.259 „Die kritische Auseinandersetzung mit dem Liberalismus im allgemeinen und dem Wirtschaftsliberalismus im besonderen“ gehörte ganz wesentlich zu Peschs Konzeption und zwar in einer Weise, „die die katholische Soziallehre gewissermaßen in der Mitte zwischen den abzulehnenden Positionen eines individualistischen (Liberalismus) bzw. kollektivistischen (Sozialismus) Denkansatzes ansiedelt“.260 So sprach er sich sowohl gegen „sozialistische Diktaturgelüste“ als auch gegen den „alte[n] kapitalistische[n] Herrenstandpunkt“ aus.261 Dabei verwarf er indes nicht die privatwirtschaftliche Ordnung und den Wettbewerb als solche.262 Statt dessen verlangte er eine neue „solidaristische“ Ordnung und eine „mehr demokratisch-konstitutio-

259 Pesch: Lehrbuch der Nationalökonomie II, S. 227. 260 Vgl. Clemens Dölken: Katholische Sozialtheorie und liberale Ökonomik. Das Verhältnis von Katholischer Soziallehre und Neoliberalismus im Lichte der modernen Institutionenökonomik. Tübingen 1992 (= Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften 77), S. 14. Peschs Liberalismuskritik steht sinnbildlich für eine Entwicklung, die ihren Ursprung bereits in der Zeit nach der Französischen Revolution hat: So war das gesamte Zeitalter des Liberalismus geprägt durch eine permanente – gewollte oder ungewollte – Gegnerschaft von Liberalismus und katholischer Kirche bzw. Katholizismus, die sich im 19. Jahrhundert intensivierte. (Vgl. Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 15. Vgl. ebf. Rauscher: Katholische Soziallehre, S. 542.) Diese Grenzziehung war durchaus auch von Rom aus so gewollt, da modernistische und nationalkirchliche Ideen, die persönliche oder sogar institutionelle Überschneidungen mit dem politischen, wenigstens aber dem weltanschaulichen Liberalismus aufwiesen, als Gefährdung begriffen wurden. (Vgl. Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 16.) Die sich darin verdeutlichende Identifikation des Liberalen mit dem Antikirchlichen stammt aus den geistigen Konflikten, mit denen sich die Kirche am Ausgang des Zeitalters des Liberalismus auseinanderzusetzen hatte. (Vgl. Karl Heinz Grenner: Wirtschaftsliberalismus und katholisches Denken. Ihre Begegnung und Auseinandersetzung im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Köln 1967, S. 80–84). Die Kirche identifizierte zu dieser Zeit vor allem die scharfen und schmerzlichen Angriffe Kants und Leibniz’ mit dem geistesgeschichtlichen Zeitgeist – obwohl paradoxerweise sowohl Kant als auch Leibniz freilich weder als Theoretiker noch als politische Vertreter des Liberalismus gelten. (Vgl. hierzu Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 16.) Die scharfe Kritik des „liberalistischen Individualismus“ und die Absage an das Konkurrenzdenken der modernen Ökonomie und ihre freien Märkte dominierte die akademische Sozialethik dann auch noch im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. (Graf: Stellenwert der Religion, S. 643.) Die Weltwirtschaftskrise sorgte schließlich dafür, den Ruf der liberalen Wirtschaftsordnung in der katholischen Sozialethik (aber freilich nicht nur dort) weiter in Misskredit zu bringen. (Vgl. Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 21.) So blieb trotz der insgesamt großen Divergenz des Katholizismus die überwiegende Zahl katholischer Moraltheologen und Sozialethiker den normativen Leitannahmen des Liberalismus gegenüber bis lange ins 20. Jahrhundert hinein skeptisch bis ablehnend eingestellt. (Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 638.) Diese Auffassung fand so auch Einzug in die päpstliche Sozialverkündigung und findet seitens der Katholischen Soziallehre ebenfalls gegenüber dem Neoliberalismus Anwendung. (Vgl. Anton Rauscher: Katholische Soziallehre und liberale Wirtschaftsauffassung. In: Ders. (Hg.): Selbstinteresse und Gemeinwohl. Beiträge zur Ordnung der Wirtschaftsgesellschaft. Berlin 1985 (= Soziale Orientierung 5), S. 279–318, 285. Vgl. auch Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 14.) 261 Heinrich Pesch: Der richtige Weg zur Lösung der sozialen Frage. In: Hans Frhr. v. Berlepsch u.a. (Hg.): Soziale Arbeit im neuen Deutschland. Festschrift zum 70. Geburtstage v. Franz Hitze. Mönchengladbach 1921, S. 38–60, 56f. 262 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 697.

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nelle Verfassung“ von Betrieben und Wirtschaft.263 Dem lag ein Freiheitsverständnis zugrunde, das der elementaren Einbindung des Einzelnen in Gemeinschaften wie Familie, Kirche und Kommune entsprach.264 Die Orientierung am bonum commune, dem Wohl aller, und Sozialprinzipien wie Personalität, Solidarität und Subsidiarität sollten helfen, die sozialen Kosten der kapitalistischen Marktwirtschaft zu begrenzen. Junge Sozialwissenschaftler beschäftigten sich Ende der 1920er und zu Beginn der 1930er Jahre mit der Fortentwicklung und Vertiefung des von Pesch entwickelten Solidarismuskonzepts.265 Der einflussreiche österreichische Politiker und Theologe Johannes Messner betonte beispielsweise, dass notwendige Korrekturen „innerhalb des Rahmens des heutigen Wirtschaftsleben bleiben“ und „sich der heutigen Wirtschaftsordnung einpassen müssen“, um Bestand zu haben. 266 Auch der Jesuit Oswald von Nell-Breuning warb um Reformen „innerhalb der bestehenden kapitalistischen Wirtschaftsordnung“.267 Die „auf Kapitalvermehrung eingestellte Wirtschaftsordnung“ sei „an und für sich nicht schlecht und böse“, doch müsse das für das Funktionieren der Wirtschaft erforderliche Gewinnstreben „durch staatliche Einflussnahme“ gezügelt, nicht aber „durch Bürokratie“ ersetzt werden.268 Auch das kirchliche Lehramt schloss sich in der Enzyklika Quadragesimo anno von 1931 dieser Bewertung der Wirtschaftsform an, die „nicht in sich schlecht“ sei, und bei der es jeweils „andere“ seien, „die die Produktionsmittel“ zur Verfügung stellten und „die die Arbeit“ bereitstellten.269 Verworfen wurde zugleich aber die kapitalistische Klassengesellschaft, in der das „Kapital die Lohnarbeiterschaft in seinen Dienst nimmt, um die Unternehmungen und die Wirtschaft insgesamt einseitig nach seinem Gesetz und zu seinem Vorteil ablaufen zu lassen, ohne Rücksicht auf die Menschenwürde des Arbeiters, ohne Rücksicht auf den gesellschaftlichen Charakter der Wirtschaft, ohne Rücksicht auf Gemeinwohl und Gemeinwohlgerechtigkeit“.270

263 Pesch: Der richtige Weg zur Lösung der sozialen Frage, S. 56f. 264 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 641f. 265 Vgl. dazu wie auch zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 698f. 266 Johannes Messner: Sozialökonomik und Sozialethik. Studie zur Grundlegung einer systematischen Wirtschaftsethik. Paderborn 21929 (= Veröffentlichungen der Sektion für Sozial- und Wirtschaftswissenschaft der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland 1), S. 51. 267 Oswald von Nell-Breuning: Grundzüge der Börsenmoral. Freiburg i.Br. 1928 (= Studien zur katholischen Sozial- und Wirtschaftsethik 4), S. 4. 268 Oswald von Nell-Breuning: Kirche und Kapitalismus. Mönchengladbach 1929 (= Wirtschafts- und sozialpolitische Flugschriften 1), S. 7. 269 Pius XI.: Quadragesimo anno. Rom 1931, Nr. 100. 270 Quadragesimo anno, Nr. 101.

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Im Lehramt zeigt sich so die Tendenz einer moderaten Anerkennung und sozialinstitutionellen Begrenzung des Marktes.271 So wurden in der Enzyklika Privateigentum an Produktionsmitteln und eine unternehmerische Wettbewerbswirtschaft als Bedingungen wirtschaftlichen Fortschritts begriffen, die Selbstregulierung des freien Marktes jedoch abgelehnt: Die „rechte Ordnung der Wirtschaft“ dürfe nicht „dem freien Wettbewerb anheimgegeben werden“.272 Die ausführliche Kapitalismuskritik beinhaltete Forderungen nach Entprivatisierungen und Enteignungen; in der Beschreibung des geforderten Ordnungsrahmens blieb die Enzyklika jedoch wenig konkret. Das Lehramt forderte vom Einzelnen im Rahmen einer berufsständischen Ordnung die Verpflichtung gegenüber dem Wohl der Gemeinschaft. So solle die postkapitalistische Ordnung der Wirtschaft durch „soziale Gerechtigkeit und die soziale Liebe“ bestimmt sein.273 Zwar entsprachen die Begrenzung der Kräfte des Marktes und das Bekenntnis zu Solidarität, Schutz und Unterstützung der Schwachen den Anforderungen und Erwartungen der von Krieg und Wirtschaftskrise gebeutelten Weimarer Gesellschaft, doch erfolgte diese Fokussierung auf die Folgen der kapitalistischen Modernisierung auf Kosten einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit der ökonomischen Realität eines durch Trust- und Monopolbildungen geprägten, rasch um sich greifenden organisierten Kapitalismus und den damit einhergehenden Schwierigkeiten, den Entwicklungen an den Börsenund Kapitalmärkten sowie einer Beschäftigung mit der Ausgestaltung wirtschaftlicher Prozesse.274 Ein Schritt zur Beseitigung der Missstände war die Ausweitung der Mitbestimmungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerschaft sowie die Weiterführung der staatlichen Sozialpolitik, die maßgeblich von Vertretern der katholisch-sozialen Bewegung wie dem Sozialpolitiker und Priester Heinrich Brauns vorangetrieben wurden.275 Artikel 165 der Weimarer Verfassung sicherte die gleichberechtigte Mitwirkung der Arbeiter an der wirtschaftlichen Entwicklung und sah zudem die Einrichtung eines Rätesystems mit einem Reichswirtschaftsrat an der Spitze vor. Das Betriebsrätegesetz, das 1920 verabschiedet wurde, gewährte volle Mitbestimmung in personalen und sozialen Fragen sowie ansatzweise in wirtschaftlichen Fragen, da der Betriebsrat nun erstmals Mitglieder in den Aufsichtsrat eines Unternehmens entsenden durfte. Brauns, seit 1921 Reichsarbeitsminister, war besonders um die „Eingliederung der Arbeiterklasse in die Gesellschaft“ bemüht.276 Hierfür schlug er die Realisierung und Etablierung eines „Arbeitsrechts“ vor, „in dessen

271 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 643. 272 Quadragesimo anno, Nr. 88. Vgl. hierzu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 643f. 273 Quadragesimo anno, Nr. 88. 274 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 644. 275 Vgl. dazu wie zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 698f. 276 Hubert Mockenhaupt: Weg und Wirken des geistlichen Sozialpolitikers Heinrich Brauns. München u.a. 1977 (= Beiträge zur Katholizismusforschung, Reihe B, Abhandlungen), S. 176.

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Mittelpunkt die Persönlichkeit des Arbeitnehmers gestellt“ sein sollte.277 Darüber hinaus sollten Wirtschafts- und Sozialpolitik eine gleichwertige Rolle spielen. Dazu sah Brauns die Weiterführung der Sozialversicherung vor, die – eine lebensfähige Wirtschaft vorausgesetzt – ihrerseits Voraussetzung für wirtschaftlichen Fortschritt sei.278 Weitere Gesetze und Verordnungen wie das Gesetz über die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge, die Ablösung der unzureichenden Armepflege durch ein modernes Fürsorgerecht, die Arbeitszeitverordnung sowie das Gesetz zur Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gingen während seiner von 1920 bis 1928 dauernden Amtszeit ebenfalls auf Brauns zurück.279 Der Zentrumspolitiker und Reichsfinanzminister Matthias Erzberger machte 1921 den Vorschlag, Werksgenossenschaften durch die Belegschaften bilden zu lassen, die durch Gewinnbeteiligung und Miteigentum von bis zu 50 % erstmals paritätisch an der Unternehmensleitung beteiligt werden sollten. 280 Auch in der lehramtlichen Verkündigung fanden „Mitbesitz oder Mitverwaltung“ und somit den Vorschlägen Erzbergers vergleichbare Mitbestimmungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer Erwähnung.281 Wie bereits zuvor in der Enzyklika Rerum novarum hob auch Quadragesimo anno die sittliche Erlaubtheit des Lohnvertrags hervor, sprach sich aber zusätzlich für eine „Annäherung des Lohnarbeitsverhältnisses an ein Gesellschaftsverhältnis“ aus.282 Die große Wirtschaftskrise von 1929 setzte eine Spirale in Gang, die schließlich zum Ende der Weimarer Republik führte.283 Obschon in der katholisch-sozialen Bewegung auch weiter intensiv Fragen einer Reform der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung diskutiert wurden – unter anderem durch den von Nell-Breuning ausgearbeiteten Entwurf der Enzyklika Quadragesimo anno284 –, so wurde der politische Alltag doch zunehmend von anderen Fragen dominiert: Die katastrophale Situation der öffentlichen Finanzen, der Bankenkrach von 1931, der Kollaps von Weltkonjunktur und -handel, vor allem aber der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit trafen den Nerv der ersten deutschen Demokratie. Die Machtübernahme durch Adolf Hitler bedeutete dann auch die Rücknahme zahlreicher sozialer Errungenschaften wie Mitbestimmung, Selbstversammlung und Betriebsverfassung.

277 Heinrich Brauns: Zum Kampf um die Sozialpolitik. Essen 1930, S. 7. 278 Vgl. Mockenhaupt: Weg und Wirken, S. 182. 279 Vgl. grundlegend zur Sozialpolitik und den entsprechenden Konflikten während der Weimarer Republik Kolb: Die Weimarer Republik, S. 90–94. Vgl. dazu ferner Wirsching: Die Weimarer Republik in ihrer inneren Entwicklung, bes. S. 69–83. 280 Vgl. Matthias Erzberger: Christlicher Solidarismus als Weltprinzip. Mönchengladbach 1921, S. 26. 281 Quadragesimo anno, Nr. 65. 282 Quadragesimo anno, Nr. 65. 283 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 699f. 284 Vgl. Oswald von Nell-Breuning: Wie sozial ist die Kirche? Leistung und Versagen der katholischen Soziallehre. Düsseldorf 1972 (= Schriften der Katholischen Akademie in Bayern ), S. 99ff.

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Mag man Nell-Breuning rückblickend als Nestor der katholischen Soziallehre ansehen, so kann sein Lehrer Heinrich Pesch als deren „wissenschaftliche[r] Architekt“ betrachtet werden285: Ansätze eines strukturierten Lehrgebäudes mit erkennbarer Systematik innerhalb der katholischen Soziallehre werden überhaupt erst mit Peschs Solidarismus greifbar, gleiches gilt für deren Auseinandersetzung mit dem Wirtschaftsliberalismus.286 Die von Pesch und seinen geistigen Erben in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelte Vorstellung eines von der Kirche gewiesenen dritten Wegs zwischen liberaler Ökonomik und Sozialismus blieb in der katholischen Soziallehre über einen langen Zeitraum bestimmend.287 1.3.1.3

Neue Herausforderungen: Katholische Soziallehre und Sozialpolitik nach 1945

Der gewachsene Einfluss des deutschen Katholizismus auf die gesellschaftliche Entwicklung nach der Stunde Null erklärt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass die Kirchen nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur zu den wenigen intakt gebliebenen gesellschaftlichen Institutionen zählten.288 Der soziale Katholizismus konnte in der Zeit nach dem Krieg in bisher nicht da gewesener Weise Politik und Gesellschaft mitgestalten und dabei gerade auch seine wirtschaftsethischen Vorstellungen und Ziele einbringen. Schwerpunkte bildeten dabei die Problemfelder Soziale Marktwirtschaft, Eigentum und Eigentumsstreuung sowie wirtschaftliche Mitbestimmung. Den großen Einfluss der katholischen Soziallehre auf Politik, Gesellschaft und Wirtschaftsordnung der jungen Bundesrepublik erkennt man deutlich daran, dass eine Vielzahl der Ziele, die der soziale Katholizismus von seinen Anfängen bis 285 Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 13f. Vgl. dazu auch Lothar Roos: Kapitalismus, Sozialreform, Sozialpolitik. In: Anton Rauscher (Hg.): Der soziale und politische Katholizismus. Entwicklungslinien in Deutschland 1803–1963. Bd. 2. München u.a. 1982 (= Geschichte und Staat 250/252), S. 52–158, 91f. 286 Vgl. Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 15. Vgl. auch Karl Heinz Grenner: Wirtschaftsliberalismus und katholisches Denken. Ihre Begegnung und Auseinandersetzung im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Köln 1967. Entscheidend sei, so Dölken, der Einfluss Peschs für die Entwicklung der katholischen Soziallehre vor allem deshalb gewesen, weil es in ihr keine nennenswerte theoretische Rezeption früherer Autoren wie Franz von Baader, Adam Heinrich Müller, Emmanuel von Ketteler, Peter Franz Reichersperger oder Franz Hitze gegeben habe, obwohl letztgenannte sich intensiv mit dem Wirtschaftsliberalismus auseinandergesetzt hätten. Er führt in diesem Zusammenhang auch die Versicherung Oswald von Nell-Breunings an, er habe frühere Autoren wie Baader nie gelesen. (Oswald von Nell-Breuning: Worauf es mir ankommt. Zur sozialen Verantwortung. Freiburg i.B. u.a. 1983, S. 90.) So seien frühere Einflüsse auf die katholische Soziallehre weniger theoretischer als vielmehr wissenssoziologischer Art gewesen, wie beispielsweise antiliberale Reaktionen in Folge des Kulturkampfes in Deutschland und der protestantisch-kleindeutschen Lösung der Reichseinigung. (Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 15.) 287 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 640f. 288 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 700.

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zum Ende der Weimarer Zeit erarbeitete, ziemlich genau jenen Vorstellungen entsprachen, die in der Nachkriegszeit als Soziale Marktwirtschaft bezeichnet wurden (vgl. auch oben).289 Das beinhaltete die grundsätzliche Zustimmung zur privatwirtschaftlichen Ordnung und zum Leistungswettbewerb, jedoch mit sozialen Zielsetzungen und Auflagen. 1.3.1.3.1

Soziallehre und Soziale Marktwirtschaft

Die Hinwendung der deutschen Katholiken zu Neoliberalismus und Sozialer Marktwirtschaft manifestierte sich in den 1950er Jahren vornehmlich in der praktischen Wirtschafts- und Sozialpolitik der Unionsparteien. 290 Die Mehrheit des Katholizismus erblickte in den Unionsparteien ihre politische Vertretung, obgleich politische Partei und Katholizismus freilich nicht miteinander gleichgesetzt werden dürfen.291 Insbesondere durch die Sozialausschüsse erlangte der soziale Katholizismus großen Einfluss auf die sozialpolitische Debatte in den Unionsparteien und prägte so die Herausbildung der sozialen Marktwirtschaft als differenziertes und komplexes institutionelles System der Daseinsvorsorge und Umverteilung. Christlich-soziale Positionen, die im Zusammenhang mit der Enzyklika Quadragesimo anno entstanden waren, spielten eine große Rolle im Programm der CDU der Nachkriegszeit.292 Besonders das Ahlener Programm der CDU in der britischen Besatzungszone von 1947 stellte nach Meinung sozialpolitisch engagierter christlicher Gewerkschaftler und Politiker die „Erfüllung des katholisch-sozialen Bemühens um die Lösung der ‚sozialen Frage‘“ dar.293 Darin fand sich unter anderem die Forderung einer „gemeinwirtschaftlichen Ordnung“, in welcher „nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben“, sondern „die Bedarfsdeckung des Volkes“ als Ziel aller Wirtschaft erschien.294 Diese Forderung deckt sich – wie unten noch ausführlich dargestellt werden soll – mit neueren wirtschaftsethischen Ansätzen wie dem Peter Ulrichs: Wie der Sozialethiker und Theologe Arthur Rich sieht Ulrich nicht in der „Schaffung von Marktwerten […] das entscheidende Mass der Wirtschaft“, sondern begreift „allen Sachzwängen zum Trotz“ die „Lebensdienslichkeit“ als vordringliches Ziel des Wirtschaftens.295 Dem entspricht eine

289 Vgl. wie auch zum Nachfolgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 700. 290 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 700. 291 Vgl. hierzu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 644f. 292 Vgl. dazu und zum Folgenden Rauscher: Katholische Soziallehre, S. 543. 293 Rauscher: Katholische Soziallehre, S. 543. 294 Roos: Kapitalismus, Sozialreform, Sozialpolitik, S. 128ff. 295 Vgl. Peter Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie. Bern u.a. 32001, S. 203f. Vgl. ebf. ebd. S. 11f. Vgl. zudem Arthur Rich: Wirtschaftsethik. Bd. 2: Marktwirtschaft, Planwirtschaft, Weltwirtschaft aus sozialethischer Sicht. Gütersloh 1990, S. 23.

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Vorstellung der Wirtschaft nicht als „Selbstzweck, sondern als „Mittel für das gute Leben und das gerechte Zusammenleben freier und gleicher Bürger“.296 Die intensive Beteiligung des sozialen Katholizismus an der sozialpolitischen Debatte der Nachkriegsjahre darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade auf seiner vorpolitischen Ebene die Hinwendung zu neoliberaler Politik und Sozialer Marktwirtschaft weitaus geringer ausgeprägt war.297 Die Befürworter einer regen Mitgestaltung argumentierten, die Sicherung der Freiheit stelle „das Zentralanliegen eines echten Liberalismus und das Fundament der christlichen Sozialethik“ dar298; die katholische Soziallehre bzw. das aus ihr hervorgehende Prinzip der Subsidiarität fordere, „möglichst viel Tätigkeit, Verantwortung und Initiative bei den Einzelmenschen“ zu belassen.299 Die Soziale Marktwirtschaft stelle keinen Manchester-Kapitalismus mehr dar, vielmehr stehe dieses Ordnungsmodell im Dienst am Menschen und umschließe „das Bezugssystem des Sozialen“.300 Tatsächlich spielte aber wohl die überlegene Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft die entscheidende Rolle, wie Stegmann vermutet301, die „Erfahrung von der ungeheuren Produktivkraft eines entfalteten freien Wirtschaftssystems“, denn schließlich sei die „Explosion der produktiven Kräfte“ nur dort möglich, „wo kollektivistische Experimente unterblieben“.302 Demgegenüber wandten sich die Kritiker vor allem gegen die Überbetonung von Wettbewerb, (geradezu naturgesetzlicher) Marktautomatik und Wirtschaft insgesamt im Neoliberalismus, wodurch die „Möglichkeit sittlich zu verantwortender Willensentscheidungen und Handlungen gegen den Marktmechanismus“ ausgeschlossen würden.303 Außerdem kritisierten sie die Überbetonung einer „verabsolutierten, formalistisch interpretierten Frei296 Peter Ulrich: Wider die entgrenzte Marktwirtschaft. Integrative Wirtschaftsethik als Kritik der ökonomischen Vernunft. In: Helmut Neuhaus (Hg.): Ethische Grenzen einer globalisierten Wirtschaft. Atzelsberger Gespräche 2002. Erlangen 2003 (= Erlanger Forschungen, Reihe A, Geisteswissenschaften 103), S. 41–63, 41. 297 Vgl. hierzu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 701. 298 Berthold Kunze: Wirtschaftsethik und Wirtschaftsordnung. In: Patrick M. Boarman (Hg.): Der Christ und die soziale Marktwirtschaft. Stuttgart u.a. 1955, S. 35–52, 48. 299 Georg Bernhard Kripp: Wirtschaftsfreiheit und katholische Soziallehre. Zürich u.a. 1967 (= Veröffentlichungen der Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Volkwirtschaftlich-wirtschaftsgeographische Reihe 14), S. 111. 300 Goetz Briefs: Katholische Soziallehre, Laissez-faire-Liberalismus und soziale Marktwirtschaft. In: Was wichtiger ist als Wirtschaft. Vorträge auf der 15. Tagung der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft am 29. Juni 1960 in Bad Godesberg. Ludwigsburg 1960 (= Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft. Tagungsprotokoll 15), S. 33–44, 41. 301 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 701. 302 Briefs: Katholische Soziallehre, Laissez-faire-Liberalismus und soziale Marktwirtschaft, S. 40. 303 Egon Edgar Nawroth: Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus. Heidelberg 1961 (= Politeia 14), S. 380. Vgl. kritisch dazu Gerhard Engel: Die Überwindung von Normativität durch Theoriebildung. Anmerkungen zu Popper, Eucken, Hayek und Buchanan. In: Helmut Leipold/Ingo Pies (Hg.): Ordnungstheorie und Ordnungspolitik. Konzeptionen und Entwicklungsperspektiven. Stuttgart 2000 (= Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft 64), S. 277–302, 286–288.

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heit“, die man „als letztgültige Norm“ im „menschlich-sozialen“ sowie im „staatlich-gesellschaftlichen Bereich“ verstehe.304 So werde durch den Neoliberalismus lediglich der paläoliberale Harmonieglaube an eine gottgegebene „natürliche Ordnung“ durch die Erwartung einer neuen Harmonie aufgrund des vom Staat „veranstalteten“ Wettbewerbs ersetzt, was keinen „revolutionären Wandel“, sondern allenfalls eine „Säkularisierung und ordnungspolitische Modifikation des Laissez-faire-Optimismus“ bedeute.305 Eine ähnliche Skepsis findet sich auch noch bei von Nell-Breuning, der zu einem der einflussreichsten katholischen Sozialwissenschaftler avancierte. So nimmt er weitestgehend eine Übertragung der überkommenen Vorbehalte gegenüber dem Liberalismus auf den Neoliberalismus vor, die sich so in politischen Zeitschriften, aber auch in den Sozialausschüssen der CDU sowie der KAB wiederfinden.306 Nell-Breuning sieht es zwar als „große Errungenschaft“ an, dass der Neoliberalismus dem Laissez-faire eine Absage erteile und es für notwendig erachte, „eine Freiheitsordnung zu schaffen und durch geeignete gesellschaftliche Einrichtungen zu sichern“.307 Doch könne so der Anschein erweckt werden, „als sei es dem Neoliberalismus gelungen, der individualistischen Verfälschung des alten Individualismus sich zu entledigen und sich zu echtem Liberalismus zu läutern“.308 Eine solche Wandlung wird durch von Nell-Breuning entschieden negiert: „Vielleicht mag er in Zukunft einmal wirklich dahin gelangen; bis jetzt aber hat der Neoliberalismus trotz des großen Fortschritts, den er namentlich auf wirtschaftlichem Gebiet über den manchesterlichen Laissez-faire-Liberalismus gemacht hat, sich noch nicht vom Individualismus zu lösen vermocht.“309 Obschon auch die Enzyklika Quadragesimo anno dem „freien Wettbewerb“ als dem „regulativen Prinzip der Wirtschaft“ noch kritisch gegenüber gestanden hatte310, wird in der Gegenwart das grundsätzliche Ja zur Sozialen Marktwirtschaft kaum mehr in Zweifel gezogen.311 Der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Joseph Kardinal Höffner, etwa hat sich explizit für eine „sozial ausgerichtete marktwirtschaftliche Ordnung“ ausgesprochen312, und die Enzyklika 304 Nawroth: Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, S. 425. 305 Nawroth: Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, S. 21. 306 Vgl. Albrecht Langner: Wirtschaftliche Ordnungsvorstellungen im deutschen Katholizismus. 1945–1963. In: Ders. (Hg.): Katholizismus, Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik 1945–1963. Paderborn u.a. 1980 (= Beiträge zur Katholizismusforschung, Reihe B), S. 88ff. 307 Oswald von Nell-Breuning: Liberalismus. In: Ders./Hermann Sacher (Hg.): Wörterbuch der Politik. Heft V: Gesellschaftspolitische Ordnungssysteme. Freiburg i.Br. 1951, S. 218. 308 Nell-Breuning: Liberalismus, S. 218. 309 Nell-Breuning: Liberalismus, S. 218. 310 Quadragesimo anno, Nr. 88. 311 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 701. 312 Joseph Höffner: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsethik. Richtlinien der katholischen Soziallehre. Eröffnungsreferat des Kardinals Joseph Höffner bei der Herbstversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda, 23. September 1985. Bonn 1985 (= Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz 12), S. 41. Vgl. zu Höffner, der 1951 den Lehrstuhl für Christliche Soziallehre in

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Centesimus annus aus dem Jahr 1991 stellt ein „Bekenntnis zur Marktwirtschaft“ dar313, welche von ihr als „sicher positiv“ gewertet wird, sofern sie „in eine feste Rechtsordnung eingebunden ist“.314 Dass auch von Nell-Breuning 1948 forderte, „zunächst soviel wie irgend möglich die Marktwirtschaft in Gang zu bringen“, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass man Leistungskonkurrenz, Markt und Wettbewerb mehr als jedem anderen System die Fähigkeit zuerkannte, die knappen ökonomischen Ressourcen bestmöglich zu nutzen.315 Ineffizientes wirtschaftliches Handeln und Verschwendung von Ressourcen, wie sie sich in den sozialistischen Staaten zeigten, stellten einen Verstoß „gegen das Prinzip der mitmenschlichen Solidarität […], theologisch gesprochen – gegen das Verbot der Nächstenliebe“ dar.316 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass „für die katholische Soziallehre wirtschaftliches Geschehen Teil des umfassenden gesellschaftlichen Geschehens ist“ und sich dementsprechend die „Qualität der Wirtschaft […] danach bestimmt, ob und wie viel sie beiträgt zu einer humanen Gestaltung des Lebens aller Menschen“.317 So genügt es nicht, bloße Sicherungen für den Wettbewerb und das Funktionieren der Marktwirtschaft bereitzustellen und gegebenenfalls nachträglich nicht genügende Ergebnisse zu korrigieren.318 Eine im eigentlichen Wortsinn soziale und gegenüber dem Neoliberalismus eigenständige Marktwirtschaft muss gleichzeitig auch Sicherungen für einen „sozial befriedigenden Vollzug und ein sozial gerechtes Ergebnis der Wirtschaft“ bereitstellen.319

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Münster übernahm und als Leiter des Sozialreferats im Zentralkomitee der deutschen Katholiken die Koordination des sozialen Katholizismus gewährleisten sollte, Manfred Hermanns: Sozialethik im Wandel der Zeit. Persönlichkeiten – Forschungen – Wirkungen des Lehrstuhls für Christliche Gesellschaftslehre und des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster 1893–1997. Paderborn u.a. 2006 (= Abhandlungen zur Sozialethik 49), S. 237ff., S. 256ff. Peter Langhorst: „Centesimus annus“ und der Mensch. Zur Jahrhundertenzyklika Papst Johannes Paul II. In: Lebendiges Zeugnis 47 (1992), S. 178–189, 189. Johannes Paulus II.: Centesimus annus. Rom 1991, Nr. 42, 2. Oswald von Nell-Breuning: Aus der Aussprache aus der 1. Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats bei der Verwaltung für Wirtschaft am 23./24. Januar 1948 in Königstein im Taunus (stenographisches Protokoll). In: Ders.: Wirtschaft und Gesellschaft heute. Bd. 1. Freiburg i.Br. 1956, S. 156– 158, 158. Franz Josef Stegmann: Soziale Marktwirtschaft – Neoliberalismus – Christliche Gesellschaftslehre. Historische und grundsätzliche Anmerkungen zu einer aktuellen Problematik. In: Herbert Schambeck (Hg.): Der Mensch ist der Weg der Kirche. Festschrift für Johannes Schasching. Berlin 1992, S. 241–266, 259. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 701f. Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 702. Oswald von Nell-Breuning: Wie „sozial“ ist die „Soziale Marktwirtschaft“? In: Ders.: Den Kapitalismus umbiegen. Schriften zu Kirche, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Lesebuch. Düsseldorf 1990, S. 222–238, 236.

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1.3.1.3.2

Eigentum, Eigentumsordnung und wirtschaftliche Mitbestimmung

Der Begründung des Eigentumsrechts liegt in der katholischen Soziallehre die Auffassung zugrunde, dass die Erdengüter im Sinne einer grundlegenden Gemeinwidmung nicht bestimmten Menschen zugeordnet sind, sondern dass sie „allen Menschen zugute kommen“ und so jedem die „Teilhabe an der Nutzung der Güter“ ermöglicht werden soll.320 Dies gewährleistet die Privateigentumsordnung. Die „allen zustehende Nutzung der Güter“ ist dadurch sichergestellt, dass ihre Verwaltung und die Verfügung über sie „nicht schematisch von zentraler Stelle von oben herab“ erfolgt, sondern „tunlichst sachnah und menschennah von denen selbst ausgeübt“ wird, „die es unmittelbar angeht“.321 Das Recht auf Eigentum wird also nicht vom Staat gewährt, sondern ist ein Naturrecht. Allerdings hat der Staat für die Regelung von „Form und Ausgestaltung“ der Eigentumsordnung Sorge zu tragen und diese „mit dem Gemeinwohl in Einklang“ zu bringen.322 Wegen der auf Gott gründenden Gemeinwidmung der Erdengüter muss jedes konkrete Eigentum immer wieder darauf geprüft werden, „ob es diesen Anspruch ermöglicht“.323 Die ungleiche Verteilung des Eigentums und insbesondere die Anhäufung von Produktionsmitteln in den Händen einer Minderheit steht so dem primären Widmungszweck der Erdengüter entgegen. In Anbetracht der „überwältigende[n] Massenerscheinung des Proletariats gegenüber dem kleinen Kreis von Überreichen“ verlangte bereits Pius XI. in Quadragesimo anno, dass „wenigstens in Zukunft die neugeschaffene Güterfülle nur in einem billigen Verhältnis bei den besitzenden Klassen sich anhäufe, dagegen in breitem Strom der Lohnarbeiterschaft zufließe“.324 So stellte auch der aus der katholisch-sozialen Bewegung kommende Sozialwissenschaftler Paul Jostock die Frage, mit welchem Recht der wirtschaftliche Wertzuwachs, der aus einem Zusammenwirken von Kapital, Management und Arbeit beruhe, „in das Alleineigentum der Kapitalbesitzer“ übergehe, ohne die Arbeiter zu beteiligen.325 Auch der Bochumer Katholikentag übte 1949 scharfe Kritik an der einseitigen Kapitalkonzentration: Vielmehr müssten, so der zuständige Arbeitskreis, „auch die Gewinne der Unternehmungen gerechterweise zwischen Arbeitnehmern, Unternehmern und Kapitalgebern“ aufgeteilt werden.326 Von solchen Überlegungen beeinflusst forderte die CDU im selben Jahr in ihrem Programm 320 Franz Klüber: Katholische Eigentumslehre. Osnabrück 1968 (= Zeitnahes Christentum 54), S. 29f. Vgl. hierzu ebenso Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 702f. 321 Oswald von Nell-Breuning: Gerechtigkeit und Freiheit. Grundzüge katholischer Soziallehre. München 21985 (= Geschichte und Staat 273), S. 211. 322 Quadragesimo anno, Nr. 49. 323 Friedrich Beutter: Die theologische Begründung der katholischen Lehre vom Eigentum. In: Gesellschaft und Politik 12, H. 2 (1976), S. 34–41, 39. 324 Quadragesimo anno, Nr. 60f. 325 Paul Jostock: Grundzüge der Soziallehre und der Sozialreform. Freiburg i.Br. 1946, S. 164. 326 Gerechtigkeit schafft Frieden. Der 73. Deutsche Katholikentag vom 31. August bis 4. September 1949 in Bochum. Hg. v. Generalsekretariat des Zentralkomitees der Deutschen Katholikentage. Paderborn 1949, S. 247.

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vor der ersten Bundestagswahl, vorhandene Beteiligungsformen der Arbeitnehmer am Produktivvermögen „auf weitere Betriebe auszudehnen und neue Formen zu entwickeln“.327 Zahlreiche Vertreter der Soziallehre vertraten die Auffassung, dass die Einführung eines Investivlohns einen geeigneten Weg darstelle, die Arbeitnehmer am Zuwachs des Produktivvermögens teilhaben zu lassen.328 Investivlohn bildet einen Teil des Arbeitsentgelts, der nicht als Geld an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird, sondern in Form einer Unternehmensbeteiligung. Vorschläge zum Investivlohn wurden seit den 1950er Jahren wiederholt im sozialen Katholizismus und seit den 1980er Jahren auch vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken vorgelegt.329 Von Nell-Breuning betonte, dass besonders Erhöhungen des Arbeitnehmereinkommens der Investition zugeführt werden müssten und nicht in den Konsum gehen dürften, weil dies nur höhere Preise verursache, die letztlich wieder einseitig dem Unternehmer nützten.330 Entsprechend verlange das aus sozialethischen und gesellschaftspolitischen Gründen geforderte „Hineinwachsen der Arbeiterschaft in das Miteigentum an Produktionsmitteln“, einen „wachsenden Teil des Volkseinkommens den Lohneinkommensbeziehern zufließen zu lassen, damit er von ihnen der Investition zugeführt werde“.331 Die Forderungen führten unter anderem zur Einführung vermögenswirksamer Leistungen, konnten sich aber dennoch bis in die Gegenwart nicht allgemein durchsetzen.332 Katholische und evangelische Kirche plädierten in ihrem gemeinsamen Sozialwort „Für eine Zukunft in Freiheit und Gerechtigkeit“ von 1997 nochmals eindringlich für „eine verstärkte Beteiligung der Arbeiterinnen und Arbeiter am Produktivvermögen“, um eine sozial ausgewogenere und gerechtere Vermögensverteilung zu gewährleisten und so gleichzeitig „Investitionen zu erleichtern, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen und so auch die wirtschaftlichen Verhältnisse zu festigen.333 327 Christlich-Demokratische Union Deutschlands: Düsseldorfer Leitsätze vom 15. Juli 1949. In: Ossip K. Flechtheim (Hg.): Dokumente zur parteipolitischen Entwicklung in Deutschland seit 1945. Bd. 2: Programmatik der deutschen Parteien. 1. Teil. Berlin 1963, S. 58–76, 73. 328 Vgl. Franz Josef Stegmann: Die katholische Kirche in der Sozialgeschichte. Die Gegenwart. München u.a. 1983, S. 66ff. Vgl. ebf. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 703. 329 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 704. 330 Oswald von Nell-Breuning: Das Lohnproblem im Zusammenhang mit der Beteiligung des Arbeiters am Sozialprodukt, insbesondere an der volkswirtschaftlichen Vermögensbildung. Referat, gehalten vor dem Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft am 17. November 1951. In: Ders.: Wirtschaft und Gesellschaft heute I, S. 410–422, 411. 331 Oswald von Nell-Breuning: Einkommensgestaltung in der sozialen Marktwirtschaft. Referat, gehalten vor dem Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft am 23. September 1950. In: Ders.: Wirtschaft und Gesellschaft heute I, S. 403–410, 406. 332 Vgl. Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 704. 333 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland. Hg. v. Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Hannover u.a. 1997 (= Gemeinsame Texte/Sekretariat der Deut-

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Zu den meistdiskutierten wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Fragen der Nachkriegszeit gehörte das Thema der Mitbestimmung, das im sozialen Katholizismus seit jeher eine wichtige Rolle gespielt hatte.334 Sowohl die CDU der britischen Zone als auch die CSU sprachen sich in ihren Grundsatzprogrammen im Jahr 1946 für Mitbestimmung und Verantwortung der Arbeitnehmer aus.335 Auf dem Bochumer Katholikentag spielte die Frage nach betrieblicher Mitbestimmung eine wesentliche Rolle. Man einigte sich auf den Entschluss, dass „das Mitbestimmungsrecht aller Mitarbeitenden bei sozialen, personalen und wirtschaftlichen Fragen ein natürliches Recht in gottgewollter Ordnung ist, dem die Mitverantwortung entspricht“ und forderte eine entsprechende gesetzliche Festlegung. 336 In der Folge erregte die naturrechtliche Begründung jedoch einigen Anstoß. Kritiker, unter denen sich auch Papst Pius XII. befand, wiesen auf die Unvereinbarkeit zwischen dem von der Kirche gelehrten Recht auf Privateigentum und der Mitbestimmung hin und negierten, dass es sich bei letzterem um ein Naturrecht handle. 337 Befürworter betonten ihre „hohe natürliche Angemessenheit“338 und interpretierten sie als politische Forderung.339 Das bedeutete zwar die Rücknahme der naturrechtlichen Begründung, was hingegen nichts daran änderte, dass das Votum des Katholikentags die gesetzlichen Mitbestimmungsregelungen in der Folgezeit maßgeblich beeinflusste.340 Seit 1951 müssen in Kapitalgesellschaften in Bergbau sowie Eisen- und Stahlindustrie mit mehr als 1000 Mitarbeitern die Aufsichtsräte paritätisch sowie mit einem zusätzlichen neutralen Mitglied besetzt sein. Zudem muss sich im Vorstand ein Arbeitsdirektor befinden, welcher der Zustimmung der Arbeitnehmer bedarf. Mit dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 wurde die paritätischen Bischofskonferenz und Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland 9), Nr. 216, 218. 334 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 705. 335 Vgl. Christlich-Demokratische Union Deutschlands: Aufruf und Parteiprogramm von Neheim-Hüsten vom 1. März 1946. In: Ossip K. Flechtheim (Hg.): Dokumente zur parteipolitischen Entwicklung in Deutschland seit 1945. Bd. 2: Programmatik der deutschen Parteien. 1. Teil. Berlin 1963, S. 48–53, 51. Vgl. Christlich-Soziale Union Deutschlands: Grundsatzprogramm von 1946. In: Flechtheim (Hg.): Dokumente zur parteipolitischen Entwicklung in Deutschland seit 1945 II 1, S. 213–219, 216. 336 Gerechtigkeit schafft Frieden. Der 73. Deutsche Katholikentag vom 31. August bis 4. September 1949 in Bochum. Hg. v. Generalsekretariat des Zentralkomitees der Deutschen Katholikentage. Paderborn 1949, S. 114. 337 Vgl. Gustav Gundlach: Ordnung der menschlichen Gesellschaft. Rheinischer Merkur Nr. 41 v. 05.10.1951. In: Otto Kunze (Hg.): Wirtschaftliche Mitbestimmung im Meinungsstreit. Bd. 2. Köln 1964, S. 178. Vgl. ebf. Gustav Gundlach: Mitbestimmung und Sozialisierung. Rheinischer Merkur Nr. 3 v. 07.03.1952. In: Kunze (Hg.): Wirtschaftliche Mitbestimmung II, S. 179–182, 179. 338 Hans Hirschmann: Was sagte Bochum zum Mitbestimmungsrecht? Paderborn 1951, S. 14. 339 Vgl. ihre Verteidigung bei Oswald von Nell-Breuning: Das Sendschreiben nach Turin. Neues Licht auf die Mitbestimmung [1952]. In: Ders.: Wirtschaft und Gesellschaft heute. Bd. 2. Freiburg i.Br. 1957, S. 139–143, 141. 340 Vgl. dazu und zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 705f.

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sche Besetzung der Aufsichtsräte auch auf Unternehmen der übrigen Wirtschaft mit (gewöhnlich) mehr als 2000 Mitarbeitern ausgedehnt, obschon in einer Pattsituation der Vorsitzende entscheidet. Darüber hinaus sind nach dem Betriebsverfassungsgesetz seit 1952 (bzw. 1972) in Kapitalgesellschaften mit weniger als 2000 Arbeitnehmern ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder Arbeitnehmervertreter. Im Gegensatz zur ablehnenden Haltung Papst Pius’ XII. fand dies 1961 auch die Unterstützung Johannes XXIII. in seiner Sozialenzyklika Mater et magistra sowie besonders in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils.341 Dafür war die besondere Stellung verantwortlich, die der Arbeit zuerkannt wurde: Sie ist „unmittelbarer Ausfluß“ der menschlichen Natur und der Person342 und besitzt laut der 1965 verabschiedeten Pastoralkonstitution Gaudium et spes „Vorrang vor allen anderen Faktoren des wirtschaftlichen Lebens“.343 Zur Mitbestimmung hielt das Konzil fest: „In den wirtschaftlichen Unternehmen stehen Personen miteinander in Verbund, d.h. freie, selbstverantwortliche, nach Gottes Bild geschaffene Menschen.“344 Aus diesem Grund „sollte man unter Bedachtnahme auf die besonderen Funktionen der einzelnen, sei es der Eigentümer, der Arbeitgeber, der leitenden oder der ausführenden Kräfte, und unbeschadet der erforderlichen einheitlichen Werkleitung die aktive Teilnahme aller an der Unternehmensgestaltung voranbringen“, wobei „die geeignete Art und Weise der Verwirklichung“ noch „näher zu bestimmen“ wäre.345 In den katholischen Sozialwissenschaften wurden die Texte in der Folge kontrovers diskutiert. 346 Einige Theologen verstanden die Konzilsaussagen als „prinzipielle und generelle Entscheidung zugunsten der Mitbestimmung“, die auch die 1951 realisierte Form der kollektiven Mitbestimmung nicht ausschließe.347 Während sie dementsprechend auch „die so umstrittenene wirtschaftliche Mitbestimmung“ als „vollauf in die Gedanken des Papstes einbezogen“ betrachteten348, urteilten andere wie der Konzilstheologe Wilhelm Weber, „die deutsche Form der Mitbestimmung, wie wir sie im Montanbereich kennen, dürfte in den Augen des Konzils wohl kaum Gnade finden“ und von „einem Blankoscheck für die paritätische Mitbestimmung der Ar341 Vgl. hierzu wie auch zum Folgenden Anton Rauscher: Arbeit und Eigentum in der Problematik der paritätischen Mitbestimmung. In: Goetz Briefs (Hg.): Mitbestimmung? Beiträge zur Problematik der paritätischen Mitbestimmung in der Wirtschaft. Stuttgart 1967 (= Schriftenreihe des Vereins für wirtschaftliche und soziale Fragen e.V. Stuttgart 1), S. 56–97, 70. 342 Johannes XXIII.: Mater et magistra. Rom 1961, Nr. 107. 343 Concilium Vaticanum 2: Gaudium et spes. Rom 1965, Nr. 67. 344 Gaudium et spes, Nr. 68. 345 Gaudium et spes, Nr. 68. 346 Vgl. zur Diskussion Stegmann/Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus, S. 816–821. 347 Franz Klüber: Arbeit und Mitbestimmung als soziale Grundrechte. In: Katechetische Blätter 103 (1978), S. 278–283, 281. 348 Eberhard Welty: Johannes’ XXIII. Vermächtnis an die Arbeitnehmer. In: Hans Achinger u.a. (Hg.): Normen der Gesellschaft. Festgabe für Oswald v. Nell-Breuning SJ zu seinem 75. Geburtstag. Mannheim 1965, S. 113–149, 129.

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beitnehmer“ könne „wohl keine Rede sein“.349 Weber sah die Wahrung der unterschiedlichen Funktionen der Eigentümer, Unternehmensleiter und Arbeitnehmer gefährdet und warnte vor anonymen und kollektiven Einflussnahmen unternehmensfremder Machtgruppen.350 Und für den Augsburger Sozialethiker Anton Rauscher waren Mitbestimmung und Eigentumsrechte gänzlich unvereinbar.351 Diese Meinungsverschiedenheiten waren auch für den übrigen deutschen Katholizismus prägend.352 Die Katholische-Arbeitnehmer-Bewegung forderte die Ausweitung der paritätischen Mitbestimmung auf alle übrigen Großunternehmen353, der Bund Katholischer Unternehmer wandte sich entschieden dagegen, da so die „Entscheidungsfreiheit des Unternehmers“ aufgehoben, Eigentumsrechte verletzt und somit „unsere freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung“ hoch gefährdet seien.354 Trotz der Uneinigkeit über die richtige Deutung der lehramtlichen Aussagen erscheint jedoch unstrittig, dass das Unternehmen nicht bloß als Sachmittelapparat zur Gütererzeugung, sondern in erster Linie als Verbund von freien, selbstverantwortlichen Menschen verstanden wird.355 Eigentümer, Unternehmensmanagement und Mitarbeiter vollbringen eine gemeinsame Leistung und sollen entsprechend ihren Funktionen sowie unbeschadet der einheitlichen Leitung des Unternehmens an seiner Gestaltung beteiligt sein. In welcher Weise und in welchem Umfang diese Teilnahme umgesetzt werden soll, bleibt offen: „Die juristischtechnischen Lösungen […] entziehen sich nicht nur der Kenntnis, sondern auch dem Urteil des Konzils.“356 Die Enthaltung des Konzils ist zuerst dem Umstand geschuldet, dass es nicht die spezifisch deutsche Mitbestimmungsproblematik im Auge hatte. Bedeutsamer ist jedoch wohl eine die theologische Ethik betreffende Ursache, die über diese Problematik hinaus von grundsätzlicher Relevanz ist. Da die christliche Offenbarung lediglich „allgemeine Leitideen für eine humane Ge-

349 Wilhelm Weber: Konzil und Mitbestimmung. Ein Beitrag zur Entscheidung einer aktuellen Streitfrage. In: Rheinischer Merkur Nr. 11 v. 11.03.1966, S. 3. 350 Weber: Konzil und Mitbestimmung, S. 3 351 Anton Rauscher: Arbeit und Eigentum in der Problematik der paritätischen Mitbestimmung. In: Goetz Briefs (Hg.): Mitbestimmung? Beiträge zur Problematik der paritätischen Mitbestimmung in der Wirtschaft. Stuttgart 1967 (= Schriftenreihe des Vereins für wirtschaftliche und soziale Fragen e.V. Stuttgart 1), S. 56–97, 70. 352 Vgl. dazu wie zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 706f. 353 Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands: Gesellschaftspolitische Grundsatzerklärung der KAB vom 23. März: Antwort auf die Kritik an der Gesellschaftspolitischen Grundsatzerklärung. Köln 1964, S. 8. 354 Bund Katholischer Unternehmer: Leitsätze zur gesellschaftlich-wirtschaftlichen Ordnung. Vorgelegt vom Bund Katholischer Unternehmer zu Bad Neuenahr am 7. Oktober 1966. Köln 1966, S. 10. 355 Vgl. dazu wie auch zum Folgenden Stegmann: Wirtschaftsethische Ansätze. Katholische Kirche, S. 707. 356 Oswald von Nell-Breuning: Kommentar zum II. Kapitel. In: Heinrich Suso Brechter u.a. (Hg.): Das Zweite Vatikanische Konzil. Konstitution, Dekrete und Erklärungen, lateinisch und deutsch. Teil III. Freiburg i.Br. u.a. 1968 (= Lexikon für Theologie und Kirche [Erg. Bd.]), S. 487–515, 500.

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staltung menschlichen Zusammenlebens“ enthält, nicht aber politische oder wirtschaftliche Einzelanweisungen zur Lösung von konkreten Problemen bereitstellt, ist es weder Aufgabe noch Auftrag oder Zuständigkeit des kirchlichen Lehramts, praktische Wirtschaftspolitik zu betreiben.357 1.3.1.3.3

Rheinischer Kapitalismus und katholische Soziallehre

Im sog. „rheinischen Kapitalismus“358 entwickelte sich unter dem Einfluss der katholischen Soziallehre eine enge stark integrierend wirkende und den sozialen Frieden sichernde Verknüpfung aus Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, was allerdings auch zur Folge hatte, dass sich in Deutschland bürgerschaftliches Engagement, staatsunabhängige Organisationen und Institutionen des tertiären non-profit-Sektors nicht in gleicher Weise entwickeln konnten wie in anderen europäischen Gesellschaften.359 Friedrich Wilhelm Graf merkt kritisch an, dass das einsetzende Wirtschaftswunder die Illusion befördert habe, „die katholische Soziallehre könne dauerhaft den Weg in einen sozialstaatlich begrenzten Kapitalismus ohne Krisen weisen“.360 Er verweist darauf, dass die wirtschaftsethische Diskussion im Katholizismus „dabei insgesamt von einer problematischen Tendenz bestimmt“ gewesen sei: Im Interesse des sozialen Friedens und des solidarischen Teilens musste der Sozialstaat als maßgebliches „Subjekt jener Rahmenordnung bestimmt werden“, welche „die dynamischen Kräfte des Marktes kanalisieren und begrenzen sollte“.361 Wachsende gesellschaftliche Differenzierung und marktwirtschaftliche Dynamik hätten zur Folge gehabt, dass dem „sozialen Staat“ von der katholischen Sozialethik – unter anderem von Oswald von Nell-Breuning – eine Vielzahl neuer Funktionen zuerkannt worden seien, sie jedoch einer, so Graf, im Übrigen auch im Widerspruch zum stets betonten Subsidiaritätsprinzip stehenden, „spezifisch deutschen Tradition kommunitären und genossenschaftlichen Staatsdenkens“ verhaftet geblieben sei.362 So habe die sozialverträgliche Begrenzung der Marktprozesse bzw. die soziale Bindung der Freiheit als zentrale ethische Zielsetzung in erster Linie über den Staat in die Wirtschaftsprozesse mediatisiert werden sollen: „Die deut-

357 Franz Josef Stegmann: Glaube und Politik. Christliches Handeln im Spannungsfeld von kirchlichem Heilsauftrag und profaner Weltgestaltung. In: Alfred E. Hierold/Hans Jürgen Nagel (Hg.): Kirchlicher Auftrag und politische Friedensgestaltung. Festschrift für Ernst Niemann. Stuttgart u.a. 1995, S. 13–24, 16. 358 Vgl. grundlegend zum Begriff Michel Albert: Kapitalismus contra Kapitalismus. Frankfurt a.M. u.a. 1992. 359 Vgl. dazu grundlegend Helmut K. Anheier u.a. (Hg.): Der Dritte Sektor in Deutschland. Organisationen zwischen Staat und Markt im gesellschaftlichen Wandel. Berlin 1997. 360 Graf: Stellenwert der Religion, S. 645. 361 Graf: Stellenwert der Religion, S. 645. 362 Graf: Stellenwert der Religion, S. 646.

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schen katholischen Sozialtheoretiker dachten vom Staat sehr viel höher als die Liberalen.“363 Unabhängig davon, ob man Grafs Kritik teilen mag oder nicht, bleibt festzuhalten, dass der soziale Katholizismus und seine wirtschaftsethischen Positionen nicht nur wesentlichen Einfluss auf das wirtschafts- und gesellschaftspolitische Profil der Unionsparteien und damit auf die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft in der jungen Bundesrepublik hatten. Durch das ausgeprägte Misstrauen gegenüber (Neo-)Liberalismus und den am Markt wirksamen Kräften einerseits und das verhältnismäßig große Vertrauen gegenüber dem (Sozial-)Staat und seiner ordnungspolitischen Funktion andererseits kann die katholische Soziallehre als ein maßgeblicher Wegbereiter für ordnungsökonomische Konzeptionen in der Volkswirtschaftslehre betrachtet werden. Auch und gerade in den Wirtschaftswissenschaften erfuhr die Ordnungsökonomik eine deutlich stärkere Rezeption und Wertschätzung, als dies in den weit weniger „staatsgläubigen“ angloamerikanischen Ländern der Fall war. Welche Auswirkungen der daraus resultierende große Einfluss ordnungsökonomischer Konzepte auf die Diskussion des Zuordnungsverhältnisses von Ethik und Ökonomik in den Wirtschaftswissenschaften und nicht zuletzt auch auf die aktuelle wirtschaftsethische Debatte hatte und hat, wird unten noch zu zeigen sein. 1.3.2 Wirtschaftsethische Stellungnahmen des Lehramts vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart 1.3.2.1

Rerum novarum und Quadragesimo anno

Wie oben bereits ausgeführt, müssen die Dokumente der katholischen Sozialverkündigung immer auch als zeitbedingte, geschichtlich-kontingente Stellungnahmen gelesen und begriffen werden, deren zentrale wirtschaftsethische Aussagen eine kontinuierliche Fortschreibung, Differenzierung und Modifizierung erfahren. Obwohl ein wirtschaftsethisches Lehrgebäude der katholischen Soziallehre im eigentlichen Sinn nicht existiert, lassen sich in der lehramtlichen Sozialverkündigung doch eine Reihe konzeptioneller wirtschaftsethischer Leitbilder finden. Die erste Sozialenzyklika Rerum novarum Leos XIII. von 1891 stellte vor allem eine Reaktion auf die Konflikte zwischen Kapital und Arbeit sowie zwischen Sozialismus und Liberalismus und auf die desolate Lage des Industrieproletariats im Zuge der Industrialisierung dar.364 Dabei maß sie dem Eigentum als sozialer Institution eine wesentliche Bedeutung für das menschliche Zusammenleben zu und ließ keinerlei Zweifel an der Legitimität eines privaten Besitz- und Verfügungs363 Graf: Stellenwert der Religion, S. 646. 364 Vgl. dazu und zum Folgenden auch Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 741f.

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rechts am Kapital, was allerdings nicht nur für die Eigner, sondern auch für die Arbeiter gelte365: „So wenig das Kapital ohne die Arbeit, so wenig kann die Arbeit ohne Kapital bestehen.“366 Leos XIII. aussagekräftige Formel charakterisiert einerseits deskriptiv die kapitalistische Wirtschaftsweise, stellt aber andererseits auch eine Abwehr sozialistischer Klassenkampftheoreme dar. Verurteilt wird ein Arbeitgeberverhalten, „Menschen bloß zu eigenem Gewinn auszubeuten und sie nur so hoch zu veranschlagen, als ihre Arbeitskräfte reichen“.367 Die Ausführungen zum „gerechten Lohn“ enthalten deutliche Kritik an liberalistischen Positionen. Ein Lohn sei nicht nach der jeweiligen Marktlage aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage frei vereinbar, sondern erst dann „gerecht“, wenn davon ein Arbeiter und seine Familie wenigstens ihre Grundbedürfnisse bestreiten könnten.368 Dem Staat komme die Pflicht zu, durch Schutzregelungen in den Prozess der Wirtschaft gestaltend und begrenzend einzugreifen.369 Außerdem werden den Arbeitern die Rechte auf Zusammenschluss und Interessenvertretung als „naturrechtlich“ verankert zuerkannt.370 Die ebenfalls bereits mehrfach erwähnte Enzyklika Quadragesimo anno Papst Pius’ XI. lieferte eine Reihe von Klarstellungen zu kontrovers diskutierten Aussagen ihrer Vorgängerin insbesondere zur Eigentums- und Arbeitslehre.371 Sie wurde inmitten der Weltwirtschaftskrise veröffentlicht, deren ökonomische und soziale Folgeerscheinungen auch zu einem erheblichen Vertrauensverlust gegenüber liberalistischen Ökonomiekonzepten führte. Die wirtschaftsethischen Passagen der Enzyklika sind um eine Verhältnisbestimmung von Ethik und Ökonomie bemüht. Dabei wird eine stärkere Differenzierung angemahnt, wonach wirtschaftliche Überlegungen in eine von der ethischen Vernunft vorzunehmende Handlungsorientierung einzubringen sind.372 In der Eigentumslehre wird von der Enzyklika gegen individualistische oder kollektivistische Verkürzungen eine gleichrangig individuelle wie soziale Dimension hervorgehoben, wonach das Eigentum sowohl dem Einzel- wie auch dem Gemeinwohl zugeordnet wird.373 Bei der Diskussion des Verhältnisses von Arbeit und Kapital geht die Enzyklika im Vergleich zu ihrer Vorgängerin über die Arbeiterfrage hinaus und nimmt die gesamte gesellschaftliche Ordnung in den Blick. Dabei wendet sich Quadragesimo anno sowohl gegen eine Kapitalakkumulation nur beim Kapitalbesitzer als auch gegen Vorstellungen einer 365 Vgl. Rerum novarum, Nr. 4ff., 12, 19. 366 Rerum novarum, Nr. 15. 367 Rerum novarum, Nr. 16. 368 Vgl. Rerum novarum, Nr. 33ff. 369 Vgl. Rerum novarum, Nr. 26 ff. 370 Vgl. Rerum novarum, Nr. 38. 371 Vgl. wie auch zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 742f. 372 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 42. 373 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 45.

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vollständigen Kollektivierung der Erträge und strebt statt dessen eine bedarfsorientierte Bemessung der beiderseitigen Anteile an, die mit den „Forderungen des Gemeinwohls bzw. der Gemeinwohlgerechtigkeit in Einklang“ zu bringen seien.374 Eine vollkommene Sozialisierung von Produktionsmitteln wird ebenfalls nicht befürwortet, allerdings wird in Erwägung gezogen, „bestimmte Arten von Gütern der öffentlichen Hand vorzubehalten, weil die mit ihnen verknüpfte übergroße Macht ohne Gefährdung des öffentlichen Wohls Privathänden nicht überantwortet bleiben kann“.375 Um der – fraglos kapitalismuskritischen – Forderung nach „Entproletarisierung des Proletariats“ nachzukommen376, geht die Enzyklika auf Maßnahmen zur Vermögensbildung der Arbeiter377, zu Mitbesitz, Mitverwaltung oder zur Gewinnbeteiligung am Unternehmen sowie zur Lohngerechtigkeit ein.378 Bei der Bemessung der Löhne sollen die Lebensbedürfnisse des Arbeiters und seiner Familie, die Lebensfähigkeit des Unternehmens sowie die „allgemeine Wohlfahrt“, also der Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den einzelnen Zweigen der Wirtschaft, gleichermaßen Berücksichtigung finden.379 Erstmals wird dabei auch auf gesellschaftliche Ordnungsprinzipien direkt Bezug genommen. Sozialethischer Kern der Überlegungen zu einer neuen Gesellschaftsordnung ist das Subsidiaritätsprinzip, das die Eigeninitiative und ein Eigenrecht kleiner sozialer Einheiten gegenüber dem sozialen Ganzen schützt.380 Zurückgehend auf Aristoteles und weiterentwickelt von Thomas von Aquin markierte das Subsidiaritätsprinzip eine entscheidende Wende in der katholischen Staatstheorie.381 Nach diesem „höchst gewichtige[n] sozialphilosophische[n] Grundsatz“ dürfe einerseits „dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten“ könne, „ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden“, genauso verstoße es „gegen die Gerech-

374 Quadragesimo anno, Nr. 54f. 375 Quadragesimo anno, Nr. 114. 376 Quadragesimo anno, Nr. 59. 377 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 61. 378 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 65. 379 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 70–75. 380 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 79. 381 Das Modell einer Ordnung, bei der Zuständigkeiten jeweils von unten her verstanden werden und der Zugriff von oben nur als Unterstützungsmaßnahme zugelassen wird, findet sich bereits in den Schriften von Aristoteles und von Thomas von Aquin. Vgl. Christoph Butterwegge: Krise und Zukunft des Sozialstaates. Wiesbaden 32006, S. 33ff. Thomas von Aquin schreibt: „Daher steht fest, daß das Wohl der Teile um des Wohls aller besteht. Aus natürlichem Verlangen und auch aus Liebe liebt ein jedes einzelne Ding sein eigenes Wohl um des Gemeinwohls des ganzen Universums willen, und das ist Gott.“ (Thomas von Aquin: Summa theologica I-II 109,3.) Daraus geht hervor, dass der Mensch neben seiner vorrangigen Individualität auch wesentlich sozial ist und so erst durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft zu seiner Vervollkommnung gelangt. Vgl. auch grundlegend Arno Waschkuhn: Was ist Subsidiarität? Ein sozialphilosophisches Ordnungsprinzip. Von Thomas von Aquin bis zur „Civil Society“. Opladen 1995.

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tigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen“, da es „überaus nachteilig“ sei und „die ganze Gesellschaftsordnung“ verwirre.382 „Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.“383 Gegenüber früheren zentralistischen Sichtweisen wurde damit bzw. mit dem Subsidiaritätsprinzip ein Gesellschaftsansatz vertreten, der das Individuum im Rahmen seiner individuellen Leistungsfähigkeit zum Maßstab und zur Begrenzung überindividuellen Handelns machte. Mit der Hervorhebung und Stärkung der individuellen Verantwortung gegenüber dem Kollektiv sollte ein deutliches Zeichen gegen die in Faschismus und Kommunismus vertretenen und scharf kritisierten kollektivistischen Menschenbilder und deren Weltanschauung gesetzt werden und der katholischen Soziallehre ein Mittelweg zwischen Staatsdirigismus und radikalem Liberalismus gewiesen werden.384 Denn auch eine kapitalistische Klassengesellschaft ist mit dem Subsidiaritätsrinzip unvereinbar und in einer „klassenfreien“ Gesellschaft zu überwinden.385 Das uneingeschränkte Markt- bzw. Wettbewerbsprinzip wird abgelehnt, als Regulative sollen statt dessen „soziale Gerechtigkeit und die soziale Liebe“ fungieren.386 Die kapitalistische Wirtschaftsweise wird einer eingehenden Kritik unterzogen: Die Dienstbarmachung der Lohnarbeiterschaft durch das Kapital ohne Rücksicht auf die Menschenwürde des Arbeiters, auf den gesellschaftlichen Charakter der Wirtschaft sowie auf Gemeinwohl und Gemeinwohlgerechtigkeit werden dabei ethisch negativ qualifiziert.387 Die Kapitalakkumulation in den Händen einzelner wird ebenso kritisiert388 wie ein unbegrenzter Einfluss des Finanzkapitals als Kreditgeber389 und ein sozialdarwinistisches Verständnis von Konkurrenz als Selbstzweck.390 1.3.2.2

Mater et magistra

Die 1961 veröffentlichte Sozialenzyklika Mater et magistra erhält ihr Gepräge maßgeblich von der veränderten Weltlage nach dem Zweiten Weltkrieg.391 Die Auseinandersetzungen um die Dekolonisation der „Dritten Welt“, die ab dem Jahr 1960 382 Quadragesimo anno, Nr. 79. 383 Quadragesimo anno, Nr. 79. 384 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 111–113, 118–126. 385 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 83–87. 386 Quadragesimo anno, Nr. 88. 387 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 101. 388 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 105. 389 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 109. 390 Vgl. Quadragesimo anno, Nr. 108. 391 Vgl. hierzu und zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 744.

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und der Unabhängigkeit der meisten afrikanischen Staaten eine besondere Dynamik entwickelt hatte, die wachsende Internationalisierung der Sozialen Frage und die ungelösten Herausforderungen von Überbevölkerung und Unterentwicklung in vielen Teilen der Welt bildeten den zeitgeschichtlichen Hintergrund der Enzyklika. Im wirtschaftsethischen Teil des Schreibens werden die Aussagen von Rerum novarum und Quadragesimo anno zum Recht sowie zu den Grenzen des staatlichen Einflusses auf die Wirtschaft angesichts des Vorrangs privater Initiative, zum Arbeitsentgelt, zum Privateigentum sowie zur gerechten Beteiligung der Arbeiter bekräftigt, verdeutlicht und erweitert. Zudem bezieht sich die Enzyklika auf die Soziallehre Pius’ XII., von dem der Grundsatz übernommen wird, dass „das Recht jedes Menschen, materielle Güter zu seinem Lebensunterhalt zu nutzen, einen Vorrang hat vor jedem anderen Recht wirtschaftlichen Inhalts, also auch vor dem Privateigentum“.392 Diese Aussage enthält einige Sprengkraft: Privateigentum wird dabei gegenüber der existenziellen Bedarfsdeckung zu einem nachrangigen Gut. Es gehört zum sekundären Naturrecht, während Gemeinwohl dementsprechend primäres Naturrecht ist. Die mit der steigenden internationalen Verflechtung politisch-ökonomischer Prozesse und Strukturen einhergehende Vergesellschaftung menschlicher Existenz stellt als soziokulturelles Phänomen eine neue Herausforderung für Wirtschaft und Politik dar.393 Der Prozess ist politisch beeinflussbar und muss am Gemeinwohl als „Inbegriff jener gesellschaftlichen Voraussetzungen, die den Menschen die volle Entfaltung ihrer Werte ermöglichen oder erleichtern“, ausgerichtet sein.394 Ein wesentliches Gebot der sozialen Gerechtigkeit ist es, alle Bevölkerungskreise am wachsenden Reichtum der Nation zu beteiligen.395 Zum ersten Mal werden auch Elemente einer „Beteiligungsgerechtigkeit“ bezogen auf die Stellung von Arbeitnehmern in ihren Unternehmen formuliert.396 In der „koextensiven“ Sicherung des Friedens und der Sorge für die wirtschaftliche und soziale Situation der Völker werden neue Aspekte der Sozialen Frage erkannt: So kommt den reichen Ländern die Pflicht zu einer uneigennützigen wissenschaftlichen, technischen und finanziellen Entwicklungshilfe zu, bei der wirtschaftlicher und sozialer Aufstieg miteinander im Einklang stehen und Hilfsprogramme auf globaler Ebene implementiert werden sollen.397 Die Rolle der Solidarität als zweites Prinzip katholischer Sozialethik wird hier also auf die Bedingungen einer sich globalisierenden Gesellschaft angewandt. In der Enzyklika werden drängende aktuelle Probleme mit einzelnen Vorschlägen zur ökonomisch-politischen Entwicklung eines Gemeinwohls und mit grund392 Mater et magistra, Nr. 43. 393 Vgl. Mater et magistra, Nr. 59–67. 394 Mater et magistra, Nr. 65. 395 Vgl. Mater et magistra, Nr. 73. 396 Vgl. Mater et magistra, Nr. 82–103. 397 Vgl. Mater et magistra, Nr. 157–177, Nr. 200–211.

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sätzlichen Überlegungen zum anthropologischen Fundament des Sozialen und der katholischen Soziallehre verbunden.398 In Mater et magistra zeichnet sich ein verändertes sozialethisches Begründungsund Argumentationsmuster ab, das für die Folgezeit bestimmend werden sollte. Die ersten beiden Sozialenzykliken und die Verlautbarungen Pius’ XII. waren von einem ordnungsethischen Modell geprägt gewesen, das auf einer eher statischen Naturrechtsauffassung beruhte, bei dem das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft als durch überzeitliche, in der Schöpfungsordnung fundierte Normen geregelt betrachtet wurde.399 Traditionell gingen die alteuropäische und mit ihr auch die christliche Ethik von der Vorstellung einer hierarchisch gegliederten und ontologisch vorgegebenen Gesellschaftsordnung aus.400 Mit der neuzeitlich-modernen Wende zum Subjekt und den systemtheoretischen Analysen zur Differenzierung und funktionalen Spezialisierung, wie sie von Talcott Parsons und später Niklas Luhmann vorgelegt wurden, wurde dieser Ansatz radikal in Frage gestellt.401 Dagegen wird nun in Mater et magistra erstmals ein eher dialogischer Ansatz sichtbar, der stärker einem evolutiven Gesellschafts- und Geschichtsverständnis verpflichtet ist, von der Veränderbarkeit und Entwicklung bestehender Sozialordnungen ausgeht, die Menschenrechte als Maßstab für eine konstruktiv-kritische Analyse der Gesellschaft ansieht und dabei vom biblischen Ethos der Freiheit und Gerechtigkeit angespornt wird.402 1.3.2.3

Pacem in terris

Johannes’ XXIII. zweite Sozialenzyklika Pacem in terris wurde 1963 während des ersten Jahres des Zweiten Vatikanischen Konzils und damit auch in der Hochphase des Kalten Krieges abgefasst.403 Wie alle Enzykliken richtet sie sich an alle Men398 Vgl. Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 744f. 399 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 647. Vgl. Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 744. 400 Vgl. Thomas Hausmanninger: Christliche Sozialethik in der späten Moderne. Grundlinien einer modernitätsintegrativen und -korrektiven Strukturenethik. In: Ders. (Hg.): Christliche Sozialethik zwischen Moderne und Postmoderne. Paderborn 1993, S. 45–90. 401 Vgl. dazu Markus Vogt: Ethik in moderner Gesellschaft (Institutionenethik). In: Ders.: Sozialethik I: Methodische Grundlegung. Vorlesungsskript WS 2007/08 an der LMU München. [München 2007], S. 28–66, 33, URL: http://www.kaththeol.uni-muenchen.de/einrichtungen/lehrstuehle/ christl_sozialethik/personen/vogt/material/ws0708_grundlag/grundlagen-zsf05.pdf [aufgerufen am 16.09.2009]. Vgl. zu den gesellschaftlichen Differenzierungsprozessen und zur Reaktion der Kirche auch Bernhard Laux: Exzentrische Sozialethik. Zur Präsenz und Wirksamkeit christlichen Glaubens in der modernen Gesellschaft. Berlin u.a. 2007 (= Forum Religion & Sozialkultur, A 13), S. 96ff., 107f. Vgl. ebf. Karl Gabriel: Die neuzeitliche Gesellschaftsentwicklung und der Katholizismus als Sozialform der Christentumsgeschichte. In: Ders./Franz-Xaver Kaufmann (Hg.): Zur Soziologie des Katholizismus. Mainz 1980, S. 201–225, 204. 402 Vgl. Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 745. 403 Vgl. dazu und zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 745.

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schen guten Willens. Im Mittelpunkt steht die Sicherung der Menschenrechte. Neben dem Recht auf Ausbildung404 und freie Arbeit405 wird auch das Recht, „im Bewußtsein eigener Verantwortung wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben“, hervorgehoben.406 Das Prinzip des Gemeinwohls, an dem sich staatliche Gewalt auszurichten habe, wird dahingehend expliziert, dass es sich in seiner Menschendienlichkeit auf die „Erfordernisse des Leibes ebenso wie auf die des Geistes“, also auf die Vermittlung „materielle[r] Wohlfahrt“ wie auch „geistige[r] Güter“, erstreckt.407 Ebenso wird auf die wechselseitige Beziehung von wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt hingewiesen, wozu von der Volkswirtschaft entsprechende Dienstleistungen zur Verbesserung der jeweiligen Infrastruktur entwickelt werden sollen.408 Betont wird auch die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit mit dem Zweck „eines leichteren Austausches der Güter, der Kapitalien und der Menschen“409, wobei Armuts- und Arbeitsmigration verhindert werden sollen, indem, „soweit möglich, das Kapital die Arbeit suche“ und nicht umgekehrt.410 1.3.2.4

Gaudium et spes

Die Pastoralkonstitution Gaudium et spes des Zweiten Vatikanischen Konzils aus dem Jahr 1965 zeigt eine umfassende Neubestimmung des Ortes der Kirche in der Welt der Moderne, in der allerdings der technisch-ökonomische Fortschrittsoptimismus noch dominiert, obgleich erste Ambivalenzen und Verwerfungen der Moderne bereits aufscheinen.411 Neben einer theologisch-anthropologischen Grundreflexion über die Conditio humana verfügt die Enzyklika über ein eigenes Kapitel zum Wirtschaftsleben, in das wesentliche Denkfiguren des ersten Teils einfließen.412 Dazu zählt die theologisch-ethische Grundthese der Abhängigkeit von menschlicher Person und menschlicher Gemeinschaft: So geht die Pastoralkonstitution davon aus, dass „der Fortschritt der menschlichen Person und das Wachsen der Gesellschaft als solcher sich gegenseitig bedingen“. 413 Die Konstitution vollzieht dabei endgültig die Wende zum Subjekt, die in Mater et magistra bereits begonnen wurde414: So müsse die menschliche Person „Wurzelgrund, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen“ sein, allerdings bedürfe sie doch von ihrem 404 Vgl. Johannes XXIII.: Pacem in terris. Rom 1963, Nr. 13. 405 Vgl. Pacem in terris, Nr. 18. 406 Pacem in terris, Nr. 20. 407 Pacem in terris, Nr. 57. 408 Vgl. Pacem in terris, Nr. 64. 409 Pacem in terris, Nr. 101. 410 Pacem in terris, Nr. 102. 411 Vgl. dazu und zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 746. 412 Vgl. Gaudium et spes, Nr. 4–45. 413 Gaudium et spes, Nr. 25. 414 Vgl. dazu und zum Folgenden Vogt: Ethik in moderner Gesellschaft, S. 33.

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Wesen her des sozialen Lebens.415 Ihr normatives Maß haben Institutionen demnach in der Ausrichtung auf die Entfaltungsbedingungen der menschlichen Person. Der Schutz des Menschen als sittliches Subjekt wird damit zum zentralen Ausgangspunkt christlicher Ethik in der modernen Gesellschaft. „Die Legitimität von Normen, Institutionen und gesellschaftlichen Ordnungen erschließt sich durch ihre Zuordnung zum Menschen als Person in seiner individuellen, sozialen und naturalen Dimensionen.“416 Dieser veränderten Sichtweise entspricht auch ein partieller Wandel in der Terminologie: So weicht der Begriff der „Ordnung“ der Gesellschaft dem des „gesellschaftlichen Lebens“.417 Die Bedeutung des technisch-ökonomischen Fortschritts bemisst die Pastoralkonstitution so auch daran, inwieweit er einen Beitrag zur „Erreichung einer größeren Gerechtigkeit, einer umfassenderen Solidarität und einer humaneren Ordnung der gesellschaftlichen Verflechtungen“ leistet. 418 Dabei wird eine „Autonomie der irdischen Wirklichkeiten“ explizit anerkannt, die darin besteht, dass „die geschaffenen Dinge und auch die Gesellschaften ihre eigenen Gesetze haben, die der Mensch schrittweise erkennen und gestalten muß“.419 Das Bemühen der Enzyklika um eine adäquate und zeitgemäße Zuordnung von Theologie, Ethik und Wirtschaftswissenschaften ist deutlich erkennbar: Alle Einzelwirklichkeiten haben durch ihr Geschaffensein „ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Gutheit sowie ihre Eigengesetzlichkeit und ihre eigenen Ordnungen, die der Mensch unter Anerkennung der den einzelnen Wissenschaften und Techniken eigenen Methoden“ zu achten hat.420 „Insofern alle geschaffene Wirklichkeit teilhat an der Sinnstruktur der Schöpfung, kann für das Konzil die ethische Sollensordnung (‚Sittengesetz‘) keine heteronome Überformung der einzelnen sozialen Funktions- und ‚Kultursachbereiche‘ darstellen, sondern bezieht sich auf deren eigene Wertstruktur.“ 421 Auch die Wirtschaft erscheint so als eigener Kultursachbereich, dessen Aufgabe die Förderung der Würde der menschlichen Person und des Wohls der gesamten Gesellschaft ist.422 Der Zweck des Produktionsprozesses wird nicht in vermehrter Produktion, in Gewinnerzielung oder Machtausübung gesehen, sondern im Dienst an der ganzen menschlichen Person im Hinblick auf ihre materiellen und geistigen Bedürfnisse.423 Die Enzyklika betont folglich die entscheidende Bedeutung ökonomischen Wachstums für den sozialen Fortschritt, behält aber mit Blick auf die Personwürde dennoch die Vorstellung des Vorrangs der Arbeit vor dem Kapi-

415 Gaudium et spes, Nr. 25. 416 Vogt: Ethik in moderner Gesellschaft, S. 33. 417 Graf: Stellenwert der Religion, S. 647. 418 Gaudium et spes, Nr. 35. 419 Gaudium et spes, Nr. 36. 420 Gaudium et spes, Nr. 36. 421 Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 746. 422 Vgl. Gaudium et spes, Nr. 63. 423 Vgl. Gaudium et spes, Nr. 64.

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tal und „allen anderen Faktoren des wirtschaftlichen Lebens“ aufrecht.424 Während letztere „nur werkzeuglicher Art“ sind, gilt die Arbeit, unabhängig davon, ob sie selbstständig oder in einem Lohnarbeitsverhältnis ausgeübt wird, als „unmittelbarer Ausfluß der Person, die den stofflichen Dingen ihren Stempel aufprägt und sie ihrem Willen dienstbar macht“.425 Die Arbeit soll dem Menschen Gelegenheit „zur Entwicklung seiner Anlagen und Entfaltung seiner Personwerte“ bieten.426 Unternehmen werden der Bedeutung des Faktors Arbeit entsprechend nur als Verbund von Personen begriffen, in dem es darauf ankommt, „unter Bedachtnahme auf die besondere Funktion des einzelnen, sei es der Eigentümer, der Arbeitgeber, der leitenden oder ausführenden Kräfte, und unbeschadet der erforderlichen einheitlichen Werkleitung die aktive Beteiligung aller an der Unternehmensgestaltung“ voranzubringen.427 Streik erscheint demgemäß lediglich als ultima ratio zur Durchsetzung von Arbeiterinteressen.428 Darüber hinaus weist die Konzilskonstitution auf die grundsätzliche Begrenztheit eines auf Naturbeherrschung und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen basierenden Wirtschaftsprozesses hin und betont die Widmung der irdischen Güter an alle Menschen, denen sie gleichermaßen zugute kommen sollen.429 Bernhard Laux sieht in der Pastoralkonstitution zum ersten Mal die Bejahung und Aneignung des modernen Freiheitsverständnisses und des mit ihm verbundenen Pluralismus durch die Kirche.430 Friedrich Wilhelm Graf merkt demgegenüber jedoch kritisch an, dass sich die Kirche in der Wahrnehmung der Logik moderngesellschaftlicher Entwicklung noch immer schwer getan habe und die soziale Differenzierung, die zunehmende Autonomisierung des Einzelnen und die durch spezifische Rationalität bzw. Eigenlogik bestimmten Subsysteme in den Aussagen des Konzils weiterhin nur unzureichend erfasst habe.431 1.3.2.5

Populorum progressio

Die Enzyklika Pauls VI. Populorum progressio von 1967 erscheint zu einem Zeitpunkt, da in den Industrieländern das Wachstum weiter zunahm, in den Entwicklungsländern nun ebenfalls ein Prozess nachholender Industrialisierung einsetzte, zugleich aber auch die Schere zwischen Nord und Süd weiter auseinander klaffte.432 Zum ersten Mal widmete sich eine Sozialenzyklika ganz den Fragen der Ent-

424 Gaudium et spes, Nr. 67. Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 647. 425 Gaudium et spes, Nr. 67. 426 Gaudium et spes, Nr. 68. 427 Gaudium et spes, Nr. 68. Vgl. auch Graf: Stellenwert der Religion, S. 647f. 428 Gaudium et spes, Nr. 68. Vgl. dazu wie zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 747. 429 Vgl. Gaudium et spes, Nr. 69, 71. 430 Laux: Exzentrische Sozialethik, S. 108. 431 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 647.

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wicklung.433 Sofort nach ihrem Erscheinen löste die Enzyklika „eine breite und höchst kontroverse Diskussion“ aus.434 Ihrer positiven Bewertung in der „Dritten Welt“ stand eine teilweise scharf ablehnende Aufnahme in den Industrieländern gegenüber – einige Kritiker unterstellten ihr sogar eine marxistische Sichtweise.435 Für die katholische Soziallehre bedeutet die intensive Beschäftigung mit der internationalen Entwicklung eine Erweiterung ihres Themenspektrums. Populorum progressio liegt dabei ein umfassendes und differenziertes Verständnis von Entwicklung zugrunde, wonach sich Entwicklung nicht in wirtschaftlichem Wachstum erschöpfe: „Wahre Entwicklung“ müsse „umfassend“ sein und müsse „jeden Menschen und den ganzen Menschen im Auge haben“.436 Anzustreben sei ein „neue[r] Humanismus“, der die Entfaltung des Menschen und der gesamten Menschheit in ökonomischer, politischer, sozialer und kultureller Hinsicht gewährleiste.437 Aus diesem Entwicklungsbegriff werden sehr konkrete Entwicklungsziele abgeleitet, vom „Aufstieg aus dem Elend zum Besitz des Lebensnotwendigen“, der „Überwindung der sozialen Mißstände“, der „Erweiterung des Wissens“, dem „Erwerb von Wissen“ bis zum „deutlichere[n] Wissen um die Würde des Menschen“, dem „Ausrichten auf den Geist der Armut“, der „Zusammenarbeit zum Wohle aller“, dem „Wille[n] zum Frieden“ und damit der „Anerkennung letzter Werte von seiten des Menschen“ und der „Anerkennung Gottes, ihrer Quelle und ihres Zieles“. Erstmals geht eine Enzyklika ausführlich auf die Ambivalenz des wirtschaftlichen Fortschritts ein. Dabei geht sie zum einen den ökonomischen Ursachen für Armut, Unterentwicklung und Krieg nach, betont zum anderen aber auch die Unersetzbarkeit der Ökonomie für einen integralen Wirtschaftsprozess. Die Industrialisierung wird als Hauptantriebskraft für wirtschaftliches Wachstum und menschlichen Fortschritt zwar anerkannt, doch dürfe sie deshalb nicht „mystifiziert“ werden.438 Wirtschaftswachstum erscheint zwar als notwendige, nicht aber als hinreichende Bedingung für die Überwindung von Armut und Unterentwicklung.439 Weitreichende Konsequenzen hatte diese Entwicklungstheorie für Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik: Die Enzyklika verwirft die verbreitete Vorstellung, gesamtwirtschaftliches Wachstum komme über kurz oder lang immer auch

432 Vgl. hierzu und zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 747. 433 Vgl. dazu und zum Folgenden Johannes Müller/Johannes Wallacher: Vierzig Jahre Populorum Progressio. Ein Meilenstein auf dem Weg zu einer weltweiten Soziallehre. In: Stimmen der Zeit 132 (2007), S. 168–180, 168f. 434 Müller/Wallacher: Vierzig Jahre Populorum Progressio, S. 168. 435 Vgl. bspw. Hanno Helbling: Kritik an der Enzyklika. In: Anton Rauscher (Hg.): Ist die katholische Soziallehre antikapitalistisch? Köln 1968, S. 25–30. 436 Paulus VI.: Populorum progressio. Rom 1967, Nr. 14. 437 Populorum progressio, Nr. 20. 438 Vgl. Populorum progressio, Nr. 25, 27. 439 Vgl. dazu und zum Folgenden Müller/Wallacher: Vierzig Jahre Populorum Progressio, S. 169f.

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den Armen zugute. Vielmehr sei eine soziale Entwicklung, welche Ungleichheiten verringere, mindestens ebenso bedeutsam wie wirtschaftlicher Fortschritt.440 Aus der Leitthese „Entwicklung ist der neue Name für Frieden“441 leitet Paul VI. in seiner Enzyklika die Grundforderung nach weltweiter Solidarität ab, die manifest werde in der „Hilfe, die die reichen Völker den Entwicklungsländern leisten müssen“, sodann „in der Pflicht“ zur Schaffung „soziale[r] Gerechtigkeit“ zwischen den „mächtigen und schwachen Völkern“ sowie in der Pflicht zur „Schaffung einer menschlicheren Welt für alle, wo alle geben und empfangen können, ohne daß der Fortschritt der einen ein Hindernis für die Entwicklung der anderen ist“.442 Als konkrete Maßnahmen schlägt die Enzyklika die „Umwidmung“ von Rüstungsaufgaben für die Entwicklungshilfe443, die maßvolle Bemessung von Zinshöhe, Tilgungsrate und Laufzeit von Anleihen444 sowie den Ausbau eines gerechten Welthandelssystems vor.445 Gefordert wird mehr Chancengleichheit im internationalen Warenaustausch, da die Spielregeln des freien Handels und des freien Wettbewerbs eindeutig die Industrieländer begünstigten.446 Dazu seien auch nichtökonomische Barrieren wie Rassismus und Nationalismus zu überwinden und die Entwicklungsländer sollen die Möglichkeit nutzen, eigene „einheitliche Wirtschaftsräume“ mit koordinierten Investitionen, verteilter Produktion und organisiertem Güteraustausch aufzubauen.447 Zugleich wird aber auch die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer betont. Wirkliche Entwicklung könne immer nur durch die Menschen vor Ort erfolgen: „Weil die Völker die Baumeister ihres eigenen Fortschritts sind, müssen sie selbst auch an erster Stelle die Last und Verantwortung dafür tragen.“448 Diese Sichtweise ist maßgeblich durch den französischen Reformkatholizismus um den Entwicklungsökonomen Louis-Joseph Lebret geprägt, der bereits in den 1940er Jahren nicht nur die besondere Verantwortung einzelner Regierungen für einen erfolgreichen Entwicklungsprozess hervorhob, sondern auch die zentrale Rolle von Zivilgesellschaften vor Ort betonte.449 Ebenfalls auf Lebret geht der Begriff „autopropulsive Entwicklung“ zurück, wonach sich Volkswirtschaften entsprechend ihrer jeweils eigenen Dynamik entfalten müssten.450 Unter Bezugnahme auf Lebret verstand die Enzyklika Entwicklung wesentlich auch als kulturellen Prozess, unter440 Vgl. Populorum progressio, Nr. 34. 441 Populorum progressio, Nr. 76. 442 Populorum progressio, Nr. 44. 443 Vgl. Populorum progressio, Nr. 51. 444 Vgl. Populorum progressio, Nr. 54. 445 Vgl. Populorum progressio, Nr. 56–65. 446 Vgl. Populorum progressio, Nr. 61. 447 Populorum progressio, Nr. 64. 448 Populorum progressio, Nr. 77. 449 Vgl. Müller/Wallacher: Vierzig Jahre Populorum Progressio, S. 170. 450 Vgl. Nikolaus Klein: Dreißig Jahre Enzyklika Populorum progressio. In: Orientierung 61 (1997), S. 75–77.

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strich den Wert jeder Kultur und wandte sich gegen einen westlichen Ethnozentrismus.451 Während diese Passagen von der Weltöffentlichkeit überwiegend positiv aufgenommen wurden, sorgten andere Aussagen der Sozialenzyklika für einige Aufregung: So äußerte sich die Enzyklika zur Sozialgebundenheit des Eigentums und führte diesbezüglich das Recht zu Enteignungen an, um gemeinwohlwidrige Verhältnisse zu beseitigen.452 Weltwirtschaftliche Gerechtigkeit und die Überwindung der Spannung zwischen reichen und armen Ländern bildeten die wesentliche Grundlage für Frieden in der Welt. Diesem Ziel sei das Recht auf Privateigentum unterzuordnen: „Das Privateigentum ist also für niemand ein unbedingtes und unumschränktes Recht.“453 Niemand sei dazu „befugt, seinen Überfluß ausschließlich sich selbst vorzubehalten, wo anderen das Notwendigste“ fehle.454 Die Relativierung des Privateigentums geht in Populorum progressio einher mit harscher Kritik an einem in vielen Ländern der „Dritten Welt“ noch immer bestehenden ManchesterKapitalismus. Ein ungehemmter Wirtschaftsliberalismus, „wonach der Profit der eigentliche Motor des wirtschaftlichen Fortschritts, der Wettbewerb das oberste Gesetz der Wirtschaft, das Eigentum an Produktionsmitteln ein absolutes Recht“ darstelle, sei abzulehnen.455 Während Marxisten und Sozialisten die kritischen Worte der Enzyklika begrüßten – die Prawda veröffentlichte Auszüge und zustimmende Kommentare, wurden sie von anderer Seite scharf kritisiert. Die französische L’Humanité stellte den Papst unter Sozialismusverdacht, das Wall Street Journal erblickte in der Enzyklika „aufgewärmten Marxismus“ und das Time Magazine erkannte in Teilen der Enzyklika „den schrillen Tonfall einer marxistischen Polemik des frühen 20. Jahrhunderts“.456 Besonders kritisch bewerteten viele Kommentatoren, dass die Enzyklika unter besonderen, äußersten Umständen sogar einen gewaltsamen Umsturz

451 Vgl. Müller/Wallacher: Vierzig Jahre Populorum Progressio, S. 170. Vgl. dazu ebf. Populorum progressio, Nr. 14, 40f. 452 Vgl. Populorum progressio, Nr. 23f. “Das Gemeinwohl verlangt deshalb manchmal eine Enteignung von Grundbesitz, wenn dieser wegen seiner Größe, seiner geringen oder überhaupt nicht erfolgten Nutzung, wegen des Elends, das die Bevölkerung durch ihn erfährt, wegen eines beträchtlichen Schadens, den die Interessen des Landes erleiden, dem Gemeinwohl hemmend im Wege steht. Das Konzil hat das ganz klar gesagt. Und nicht weniger klar hat es erklärt, daß verfügbare Mittel nicht einfach dem willkürlichen Belieben der Menschen überlassen sind und daß egoistische Spekulationen keinen Platz haben dürfen.“ (Ebd., Nr. 24.) 453 Populorum progressio, Nr. 23. 454 Populorum progressio, Nr. 23. 455 Populorum progressio, Nr. 26. 456 Kurt Remele: Als das „Wall Street Journal“ schäumte. Relativierung des Privateigentums, Sozialpflichtigkeit des Kapitals: Vor 40 Jahren erschien die Enzyklika „Populorum progressio“ Pauls VI. Graz 2007, URL: http://www-theol.uni-graz.at/cms/dokumente/10003895/59794d02/ Populorum_ progressio_.pdf [aufgerufen am 29.12.2009]. Vgl. auch Martin Honecker: Einführung in die Theologische Ethik. Berlin u.a. 1990, S. 350.

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für gerechtfertigt erachtete: „Es ist die Frage der Revolution, wenn ungerechte Zustände zum Himmel schreien.“457 Zwanzig Jahre nach dem Erscheinen von Populorum progressio veröffentlichte Papst Johannes Paul II. die Sozialenzyklika Sollicitudo rei socialis, die erneut das Nord-Süd-Gefälle zum Thema hatte. Darin erinnerte er nicht nur an die Vorgängerschrift, sondern betonte auch deren „bleibende Aktualität“ und würdigte deren Bedeutung für die katholische Soziallehre.458 Der Grazer Sozialethiker Kurt Remele sieht in der Enzyklika Populorum progressio eine bedeutsame Aktualisierung und Konkretisierung der katholischen Soziallehre „im Blick auf die krassen Ungerechtigkeiten in den Nord-Süd-Beziehungen“ und Johannes Müller und Johannes Wallacher heben hervor, die Enzyklika sei „in den meisten Punkten ihrer Zeit voraus“ gewesen und habe „wegweisende Leitlinien für die friedliche Entwicklung“ der Welt enthalten.459 Vor allem betonen sie deren „Bedeutung für die weltweite Entwicklung“ und die „bleibende Aktualität zentraler Botschaften der Enzyklika“, die durch „die Entwicklungen der letzten vier Jahrzehnte, nicht zuletzt zahlreiche lokale wie weltweite Konflikte“, bestätigt worden seien.460 Obwohl man – wie etwa Martin Honecker – der Enzyklika vorwerfen kann, sie mache „keine präzisen oder gar radikalen Lösungsvorschläge“, dürfen besonders ihre Folgewirkungen keineswegs unterschätzt werden.461 Sie führte nicht bloß Entwicklung als Schlüsselbegriff für soziale Gerechtigkeit in die katholische Soziallehre ein, sondern gilt auch als wichtige – obgleich nicht freiwillige – Impulsgeberin für die Entwicklung der Befreiungstheologie in Lateinamerika.462 Auch mit ihrer teilweise scharfen Kapitalismuskritik verfolgt Populorum progressio ein wesentliches Ziel, das über Kritik erhaben sein dürfte: Entsprechend betonte die Wochenzeitung Die Zeit bereits 1967: „Nüchtern gesehen, ist die Enzyklika ‚Populorum Progressio‘ ein Dokument, das heute gilt. Sie zeigt ein Ziel: die Errichtung des Weltfriedens. Und sie nennt das Mittel, dieses Ziel zu erreichen: die universale Entwicklungshilfe.“463 Mit der Enzyklika erhalte „die Soziale Frage einen neuen Rang“.464

457 Populorum progressio, Nr. 30. Vgl. außerdem ebd., Nr. 31. 458 Johannes Paulus II.: Sollicitudo rei socialis. Rom 1987, Nr. 2. Vgl. dazu ebf. ebd., Nr. 5–10. 459 Müller/Wallacher: Vierzig Jahre Populorum Progressio, S. 168. 460 Müller/Wallacher: Vierzig Jahre Populorum Progressio, S. 168–172. 461 Honecker: Einführung in die Theologische Ethik, S. 351. 462 Vgl. bspw. Leopold Neuhold: Religion und katholische Soziallehre im Wandel vor allem der Werte. Erscheinungsbilder und Chancen. Münster 2000 (= Schriften des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 43), S. 231; wie auch José Comblin: Kurze Geschichte der Theologie der Befreiung. In: Hans-Jürgen Prien (Hg.): Lateinamerika: Gesellschaft – Kirche – Theologie. Bd. 2: Der Streit um die Theologie der Befreiung. Göttingen 1981, S. 13–38, 17. Vgl. ebf. Theologie der Befreiung. In: Der Spiegel Nr. 4 v. 22.01.1979, S. 176. 463 Vgl. Moderne Entwicklungshilfe. In: DIE ZEIT Nr. 22 v. 02.06.1967, URL: http://www.zeit.de/ 1967/22/Moderne-Entwicklungshilfe [aufgerufen am 29.12.2009]. 464 Vgl. Moderne Entwicklungshilfe.

Wirtschaftsethische Fragestellungen

1.3.2.6

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Octogesima adveniens

1971 richtete Paul VI. zum 80. Jahrestag von Rerum novarum einen offenen Brief Octogesima adveniens an den Vorsitzenden des päpstlichen Laienrats und der Kommission „Justitia et pax“.465 Inhaltlich einer Sozialenzyklika gleichkommend, wurden darin die bisherigen Aussagen zu Marxismus, Sozialismus und Liberalismus differenziert und neu fokussiert. Der Brief setzt sich mit den vielfältigen Problemen auseinander, die die Urbanisierung sozialer Lebenswelten und Arbeitsmigrationen mit sich bringen. Zudem wird schwerpunktmäßig auf Formen einer neuen Armut eingegangen, von der Behinderte, Alte und sozial Marginalisierte betroffen sind. Zum ersten Mal werden auch multinationale Konzerne und mit ihnen die Konsequenzen aus der allmählich beginnenden Globalisierung in den Blick genommen. Mahnend weist der Brief auf die Möglichkeiten „neue[r] Wirtschaftsmächte“ hin, „nämlich verschiedene Völker betreffende[r] Unternehmungen, die wegen der konzentrierten und zur Gesamtproduktion geeigneten Machtfülle Führungsstil annehmen können, die niemandem Rechenschaft schuldig, zum großen Teil von den politischen Mächten der Völker unbeeinträchtigt und so von jeder Kontrolle vom Gemeinwohl her frei sind“ und so „zu einer neuen, unzulässigen Form wirtschaftlicher Macht führen“ könnten, „und zwar auf dem sozialen Gebiet, in der geistigen Bildung und auch in der Politik“.466 Staatlicher Gewalt kommt also die Aufgabe zu, im Blick auf das Gemeinwohl wirtschaftliche Macht zu kontrollieren und gegebenenfalls zu regulieren. 1.3.2.7

De iustitia in mundo und „Option für die Armen“

Die Erklärung der Weltbischofssynode De iustitia in mundo aus demselben Jahr verschafft den Positionen der Kirchen aus der „Dritten Welt“ erstmals Gehör.467 In der Benennung der mit den Modernisierungsschüben in Wirtschaft und Politik einhergehenden Ungleichzeitigkeiten und Härten werden Grundlinien der Idee einer weltweiten Gerechtigkeit und die ihr entgegenstehenden soziostrukturellen Hindernisse näher bestimmt.468 Dabei betont das Dokument stärker als bisherige Verlautbarungen die Selbstverpflichtung der Kirche, sich für eine umfassende Befreiung des Menschen aus allen Formen politischer, wirtschaftlicher und sozialer Unterdrückung einzusetzen, und fordert die „Abgabe eines bestimmten prozentualen Anteils vom jährlichen Nationaleinkommen der reichen Länder an die Entwicklungsländer, gerechte Rohstoffpreise“ sowie „die Öffnung des Marktes bei den

465 Vgl. dazu und zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 748. 466 Paulus VI.: Octogesima adveniens. Rom 1971, Nr. 44. 467 Vgl. dazu und zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 748f. 468 Vgl. De iustitia in mundo. Welt-Bischofssynode in Rom. Rom 1971, Nr. 7–29.

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reichen Nationen um Vorzugsrechte für manche Artikel beim Export von Manufakturen aus den Entwicklungsländern“.469 In Bezugnahme auf die schrittweise Einführung einer globalen Wirtschafts- und Sozialordnung soll den Staaten der „Dritten Welt“ bei entwicklungspolitischen Entscheidungen mehr Eigenverantwortung zugestanden werden, um den derzeitigen „Machtmißbrauch, der in einer gerechten und verantwortlichen Weltordnung nicht hingenommen werden“ könne, zu überwinden.470 Eine weiter gewachsene Sensibilität für die Armutskrisen in zahlreichen Gesellschaften der „Dritten Welt“ und der – trotz Distanzierung des Lehramts – nicht zu übersehende Einfluss der Befreiuungstheologien auf die wirtschaftsethische Debatte in der Gesamtkirche, die Wahrnehmung der ökologischen Folgeprobleme der modernen Industrie, aber auch die teilweise Kooperation der katholischen Kirche mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen im „konziliaren Prozess“ für „peace, justice and integrity of creation“ wirkten sich seit den 1970er Jahren verstärkt auf die sozialethischen Veröffentlichungen des Lehramts aus.471 Angeführt sei hier nur knapp der Hirtenbrief der nordamerikanischen katholischen Bischofskonferenz Wirtschaftliche Gerechtigkeit für alle aus dem Jahr 1986, der vor allem dem Ideal der „Beteiligungsgerechtigkeit“ folgt.472 Veranlasst unter anderem durch die Zunahme gravierender Asymmetrien in der Verteilung von Arbeit und Einkommen, einer signifikanten Zunahme der Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten und eine tiefe Erschütterung des Glaubens an den „amerikanischen Traum“ gehört der Brief gemeinsam mit den Beschlüssen der lateinamerikanischen Bischofssynoden von Medellín und Puebla von 1968 bzw. 1979 in die Reihe von Veröffentlichungen, die in der „Option für die Armen“ ein wesentliches Anliegen der katholischen Soziallehre erkennen. Diese wies insgesamt verstärkt auf die zahlreichen Krisenphänome des globalen Kapitalismus hin, tat sich hingegen mit der Entwicklung eigener wirtschaftsethischer Lösungsstrategien schwer. Dies ist nach Graf vor allem darauf zurückzuführen, dass die Amtskirche auf die Hauptursachen der kritisierten Entwicklung – den wachsenden weltweiten Einfluss transnationaler Unternehmen, die Internationalisierung der Kapitalmärkte und die Veränderung von Kommunikation und medialer Öffentlichkeit – nicht mit genereller Ablehnung reagieren konnte, wenn sie nicht mit dem eigenen globalethischen Weisungsanspruch und der ethischen Wächterfunktion des römischen Lehramts in Konflikt geraten wollte.473 Friedrich Wilhelm Graf bemängelt in diesem Zusammenhang, dass ab den späten 1970er Jahren die liberalismuskritische Grundorientierung der katholi469 De iustitia in mundo, Nr. 64,3. 470 De iustitia in mundo, Nr. 64,4. 471 Graf: Stellenwert der Religion, S. 648. 472 Vgl. dazu und zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 750. 473 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 648.

Wirtschaftsethische Fragestellungen

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schen Soziallehre und ihre naturrechtliche Grundorientierung mit der zentralen Vorstellung des bonum commune angesichts fortschreitender Probleme des Sozialstaats zunehmend an ihre Grenzen gestoßen seien.474 Die starke Fokussierung auf Verteilungsgerechtigkeit, Gemeinsinn und Solidarität und die permanente religiösmoralische Verdächtigkeit ökonomischer Rationalität und Leistungskraft habe aus den Augen geraten lassen, dass der Wohlfahrtsstaat als autonomes Subjekt keinen gesellschaftlichen Reichtum produziere und dessen ausufernde Interventions- und Verteilungspolitik auch neue strukturelle Ungerechtigkeiten und ungewollte Folgewirkungen – wie etwa die moralische Delegetimierung des individuellen Eigennutzes, Subventions- und Versorgungsmentalität oder auch das Auseinanderklaffen der Schere zwischen dem Einsatz und den Ergebnissen und viele mehr – keimen ließ.475 Die Institutionalisierung ethischer Normen in einem der ökonomischen Rationalität korrespondierenden Institutionengefüge als zentrales Problem der Wirtschaftsethik sei von der katholischen Soziallehre nahezu vollständig ignoriert worden, die so die Entwicklung einer zeitgemäßen Rahmenordnung verpasst habe, die dem Anspruch des Gemeinwohls einerseits und dem modernen weltanschaulichen Pluralismus sowie dem Wettbewerb der Wirtschaftssubjekte andererseits gerecht würde.476 Die Kirche habe so den „etatistischen Glauben“ gestärkt, dass der Staat „viele ökonomische Probleme durch Intervention“ lösen könne.477 Vor allem Grafs letztgenanntes Argument von einer gewissen übergroßen Gläubigkeit in die Regelungskompetenz (und -potenz) des Staates lässt sich trotz der augenscheinlichen Schärfe nicht gänzlich in Abrede stellen, wie vor allem der Blick auf die jüngste Enzyklika Papst Benedikts XVI. noch zeigen wird. Allerdings muss Graf sich auch die Frage gefallen lassen, ob sich erstens eine zeitgemäße Wirtschaftsethik tatsächlich allein im Aufbau eines institutionellen Rahmens erfüllt und ob zweitens die Verortung der Moral in einem Regel- und Ordnungssystem überhaupt mit dem Anspruch der christlichen Soziallehre und dem Subsidiaritätsprinzip in Einklang zu bringen wäre. Auch kann man sich fragen, ob und inwieweit Graf nach den Erfahrungen aus der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise seine antiinterventionistischen Thesen möglicherweise revidierte. Einem „etatistischen Glauben“ ist jedenfalls in den vergangenen Jahren seit der Krise keineswegs der Todesstoß versetzt worden. Darüber hinaus versuchen besonders die lehramtlichen Verlautbarungen der zurückliegenden knapp 50 Jahre nach dem Zweiten Vaticanum eine Brücke zwischen einer grundlegend auf dem Eigentum basierenden und damit immer eigennutzorientierten Wirtschaft und dem Gemeinwohl zu schlagen. Dass diese Lösungen nicht zu einem vollständigen wirtschaftsethischen Konzept bzw. System führten, ist auch darauf zurückzuführen, dass kirchliche Sozialverkündigung zu 474 475 476 477

Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 646. Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 646f. Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 647. Graf: Stellenwert der Religion, S. 647.

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keiner Zeit ein solches Vorgehen beabsichtigte. Dies ist einerseits auf die Achtung der Autonomie der irdischen Wirklichkeiten zurückführen, andererseits aber auch auf das Bewusstsein der Kirche, dass sie ob der Vorläufigkeit aller irdischen Wirklichkeit letztlich kein politisches und/oder wirtschaftliches System vorschlagen kann, das gleichsam „gottgewollt“ wäre – und zudem die Existenz eines theonomen Systems irdischer Wirklichkeit voraussetzen würde. In Centesimus annus äußert sich etwa Papst Johannes Paul II.: „Die Kirche hat keine eigenen Modelle vorzulegen. Die konkreten und erfolgreichen Modelle können nur im Rahmen der jeweils verschiedenen historischen Situationen durch das Bemühen aller Verantwortlichen gefunden werden, die sich den konkreten Problemen in allen ihren eng miteinander verflochtenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Aspekten stellen.“478 1.3.2.8

Laborem exercens

Die erste Sozialenzyklika Laborem exercens Johannes Pauls II. von 1981 enthält grundsätzliche Reflexionen aus anthropologischer, theologischer und sozialethischer Sicht, die vornehmlich Stellung, Funktion und Wert der menschlichen Arbeit im Wirtschaftsprozess gewidmet sind.479 Die zunehmende Automatisierung der modernen Produktion und die fortschreitende globale Verflechtung und Arbeitsteilung der Ökonomie drohten die menschliche Arbeit zu einer abhängigen Variablen, einer „Art ‚Ware‘, die der Arbeitnehmer […] dem Arbeitgeber verkauft“480 und damit zu einem bloßen Instrument wirtschaftlicher Zwänge werden zu lassen. Gegen eine solche Behandlung der Arbeit als „eine anonyme“, le478 Centesimus annus, Nr. 43. 479 Vgl. dazu und zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 749. Grundsätzlich muss insbesondere bei der Bewertung der frühen Enzykliken Johannes Pauls II. berücksichtigt werden, dass der Papst in ihnen auch gegen das sozialistische Denken anschrieb. Den Sozialismus lehnte Johannes Paul II. grundsätzlich als atheistische Doktrin ab – so etwa explizit in Centesimus Annus. (Vgl. Centesimus annus, Nr. 24ff.) Der Grundirrtum des Sozialismus sei „anthropologischer Natur“: „Er betrachtet den einzelnen Menschen lediglich als ein Instrument und Molekül des gesellschaftlichen Organismus, so dass das Wohl des einzelnen dem Ablauf des wirtschaftlich-gesellschaftlichen Mechanismus völlig untergeordnet wird; gleichzeitig ist man der Meinung, dass eben dieses Wohl unabhängig von freier Entscheidung und ohne eine ganz persönliche und unübertragbare Verantwortung gegenüber dem Guten verwirklicht werden könne. Der Mensch wird auf diese Weise zu einem Bündel gesellschaftlicher Beziehungen verkürzt, es verschwindet der Begriff der Person als autonomes Subjekt moralischer Entscheidung, das gerade dadurch die gesellschaftliche Ordnung aufbaut. Aus dieser verfehlten Sicht der Person folgen die Verkehrung des Rechtes, das den Raum für die Ausübung der Freiheit bestimmt, und ebenso die Ablehnung des Privateigentums. Der Mensch, der gar nichts hat, was er ‚sein eigen‘ nennen kann, und jeder Möglichkeit entbehrt, sich durch eigene Initiative seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wird völlig abhängig von den gesellschaftlichen Mechanismen und von denen, die sie kontrollieren. Es wird dem Menschen äußerst schwer, seine Würde als Person zu erkennen. Damit aber wird der Weg zur Errichtung einer echten menschlichen Gemeinschaft verbaut.“ (Vgl. ebd., Nr. 13.) 480 Johannes Paulus II.: Laborem exercens. Rom 1981, Nr. 7,2.

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diglich „für die Produktion erforderliche ‚Kraft‘“481 macht die Enzyklika geltend, dass Würde und Wert der menschlichen Arbeit theologisch im Schöpfungsauftrag, „die Erde zu bebauen und zu bewahren“, begründet sind und anthropologisch ihr Wert daraus erwächst, dass der Mensch durch sie sein Personsein realisiert. 482 Wiederum wird das „Prinzip des Vorrangs der Arbeit vor dem Kapital“ angeführt, zumal im Produktionsprozess „die Arbeit immer den ersten Platz als Wirkursache einnimmt, während das Kapital, das ja in der Gesamtheit der sächlichen Produktionsmittel besteht“ lediglich „instrumentale Ursache ist“.483 Entsprechend muss eine sachgemäße und „moralisch zulässig[e] […] Ordnung des Arbeitslebens“ den „Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital schon in ihrer Grundlage“ überwinden und darauf angelegt sein, das „Prinzip zu verwirklichen, wonach der Arbeit ein wesentlicher und wirksamer Vorrang zukommt, weil die Arbeit von ihrem Subjekt her gesehen menschlich ist und demzufolge der arbeitende Mensch entscheidenden Anteil am gesamten Produktionsprozeß hat, unabhängig von der Art der von ihm erbrachten Leistung“.484 Inakzeptabel erscheint von diesem Grundsatz her der Standpunkt eines Kapitalismus, der das ausschließliche Recht des Privateigentums an den Produktionsmitteln „wie ein unantastbares Dogma des Wirtschaftslebens verteidigt“.485 Statt dessen seien Vorkehrungen für einen Mitbesitz der Arbeiter an den Produktionsmitteln zu treffen.486 Die Begründung für dieses Recht ist personalistisch: Die Arbeiter müssen Einfluss nehmen können, um ein Empfinden für Mitverantwortung und Beteiligung gewinnen zu können.487 Zugleich wird das Recht auf Beteiligung durch eine Arbeitswertlehre begründet: „Kapital ist ein Ergebnis der Arbeit von Generationen und wird durch Arbeit neu geschaffen.“ 488 Diese Standpunkte der Enzyklika, über deren Tragweite und Auslegung ein hitziger Streit entbrannte489, finden sich anschließend wiederholt in weiteren Ausfüh481 Laborem exercens, Nr. 7,3. 482 Laborem exercens, Nr. 4–6. 483 Laborem exercens, Nr. 12,1. 484 Laborem exercens, Nr. 13,1. 485 Laborem exercens, Nr. 14,4. Vgl. hierzu und zum Folgenden auch Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 750. 486 Vgl. Laborem exercens, Nr. 14,5. 487 Vgl. Göran Collste: Mitbestimmung. In: Theologische Realenzyklopädie. Bd. 23. Berlin u.a. 1994, S. 99–104, 104. 488 Collste: Mitbestimmung, S. 104. 489 Vgl. zu den einzelnen Streitpunkten und den Grundlinien der Auseinandersetzung um Arbeiterrechte Stegmann/Langhorst: Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus,S. 802– 821, bes. 819. Dort finden sich auch weitere Verweise. Im Rahmen der Kontroverse um die Enzyklika wurde auch diskutiert, inwieweit die Aussagen des Papstes überhaupt weltweit Gültigkeit beanspruchen könnten – oder ob sie sich nicht vielmehr weitestgehend auf die damaligen Zustände in der Volksrepublik Polen bezögen. Im Heimatland des Papstes war es bereits seit den späten 1960er Jahren zu Streiks und ernsthaften Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern und den kommunistischen Machthabern gekommen. Der sich anschließende Polnische Ausnahmezustand von 1981 bis 1983 gilt als gewalttätiger Höhepunkt der Unruhen. Die Konflikte, die um politische Forderungen und soziale Reformen entbrannten, gingen größtenteils von der freien Gewerkschaftsbe-

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rungen zur Beschäftigungspolitik, zur Bemessung von Löhnen sowie zur Bedeutung von Gewerkschaften.490 Nachdrücklich hebt die Enzyklika hervor, dass Wirtschaft mehr als nur ein Sachprozess ist und dass wirtschaftliche Notwendigkeiten stets in zwischenmenschliche, soziokulturelle und geistige Sinngehalte eingebunden werden müssen.491 1.3.2.9

Sollicitudo rei socialis

Zwanzig Jahre nach Populorum Progressio zieht Papst Johannes Paul II. 1987 in der Sozialenzyklika Sollicitudo rei socialis eine kritische Bilanz der Entwicklungshilfe.492 Insbesondere diese Enzyklika entspricht damit stark einer allgemein recht verbreiteten negativen Weltsicht gegen Ende der 1980er Jahre, als Krisensymptome wie Verschuldung, Arbeitslosigkeit, Rezession sowie die Verschärfung des Nord-SüdKonflikts verstärkt wahrgenommen wurden. Die Kritik richtet sich dabei besonders gegen eine ökonomisch verengte Auffassung von „Entwicklung“, bei der eine bloße Anhäufung von Gütern und Dienstleistungen im Mittelpunkt steht, die außer Acht lässt, dass die gesamte Menge der verfügbaren Mittel und Möglichkeiten ebenso von einer „sittlichen Grundeinstellung gelenkt und auf das wahre Wohl des Menschengeschlechtes hingeordnet wird“. 493 „Überentwicklung“, das Vorhandensein materieller Güter im Übermaß „zugunsten einiger sozialer Schichten“, erscheint dabei ebenso wenig annehmbar wie das Elend der Unterentwicklung. 494 Scharf als „Strukturen der Sünde“ werden die beiden großen, auf starre Ideologi-

wegung Solidarno und ihren Mitglieder aus. Als Beispiel für die verbreitete Kritik mag ein Kommentar des SWR-Journalisten Franz Alt aus dem Magazin Der Spiegel dienen: Dieser monierte, dass „für die derzeitigen Verhältnisse in Polen […] beinahe jeder Satz“ gelte, „den dieser Papst aus Polen in seine erste Sozial-Enzyklika“ geschrieben habe. (Franz Alt: Eine unzeitgemäße Botschaft. In: Der Spiegel Nr. 39 v. 21.09.1981, S. 30f., 30.) Dies sei zugleich „Stärke und die Schwäche dieses Dokuments“. (Ebd., S. 30.) Alt hebt die Kontinuität der Enzyklika zu vorangegangenen Verlautbarungen hervor und bemängelt ihren Duktus und Umfang: „Dieser Papst schreibt über Arbeit in einer Sprache, die kein Arbeiter versteht. […] Und: Wie viele Arbeiter lesen ein Papier von 109 Seiten?“ (Ebd., S. 30.) Außerdem kritisiert Alt die Nähe zu Gewerkschaftspositionen, die gleichzeitig andere wesentliche Probleme wie Umweltschutz oder Gleichberechtigung außer Acht lasse. (Vgl. ebd., S. 30f.) Zudem moniert er die eurozentrische Verengung des päpstlichen Arbeitsbegriffs, der weder zeitgemäß sei, noch sich auf die Situation in den Ländern der „Dritten Welt“ ausweiten lasse: „Sein Schlüsselwort heißt ‚Arbeit‘. Der Papst gebraucht dieses Wort so, wie es heute noch die meisten europäischen Gewerkschaftsführer gebrauchen: Arbeit als ein anderes Wort für Selbstverwirklichung. […] Der patriarchalische Arbeitsbegriff des Papstes koppelt die Arbeitskraft des Mannes ans Kapital und die der Frau ans Haus. […] Auch diese Enzyklika dokumentiert ein Stück katholischer Ungleichzeitigkeit – eine polnische Enzyklika.“ (Ebd., S. 30f.) 490 Vgl. Laborem exercens, Nr. 18–20. 491 Vgl. Laborem exercens, Nr. 24–27. 492 Vgl. dazu und zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 751. 493 Sollicitudo rei socialis, Nr. 28. 494 Sollicitudo rei socialis, Nr. 28.

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en gestützten Machtblöcke gebrandmarkt, die unterschiedliche Formen von Imperialismus, Profitgier und Macht statt Solidarität praktizieren.495 Die Kategorie der internationalen „Solidarität“, gegründet auf dem Prinzip, dass „die Güter der Schöpfung für alle bestimmt sind“, markiert den Weg „zum Frieden und zugleich zur Entwicklung“.496 Dabei will die Kirche zur Ausgestaltung dieses Postulats keinen politisch-ökonomischen Mittelweg „zwischen liberalistischem Kapitalismus und marxistischem Kollektivismus“ beschreiten497, sondern möchte ihre Orientierungsleistung durch die Erfüllung ihres Verkündigungsauftrags im sozialen Bereich erbringen. Dazu zählen die Offenlegung von Unterdrückung und Unrecht ebenso wie die Einlösung der „Option und vorrangigen Liebe für die Armen“ 498, woraus sich Konsequenzen für die sozialen Verpflichtungen und den Lebensstil der Christen und „für die entsprechenden Entscheidungen hinsichtlich des Eigentums und des Gebrauchs der Güter“ ergeben.499 Daraus folgert die Enzyklika Reformbedarf in der Gestaltung internationaler Wirtschaftsbeziehungen, da das Welthandelssystem arme Länder noch immer auf unterschiedlichen Ebenen diskriminiere, benachteilige, ihnen notwendige Technologien vorenthalte und ihre Zahlungsbilanz – etwa durch übergroße Fluktuationen der Wechselkurse und Zinssätze – sowie ihren Schuldendienst beeinträchtige.500 Allerdings werden auch die Entwicklungsländer zu mehr Eigeninitiative und Kooperationsbereitschaft in ihren jeweiligen Wirtschaftsräumen aufgefordert.501 1.3.2.10 Centesimus annus Die Entwicklung der globalen Ökonomie, insbesondere in Folge des Zusammenbruchs der sozialistischen Staatenwelt, führte zu einer verstärkten Beschäftigung der katholischen Soziallehre mit der eigenen Rationalität kapitalistischer Ökonomie.502 Hundert Jahre nach Rerum novarum erschien 1991 Johannes Pauls II. Enzyklika Centesimus annus, in der auch die Tradition der katholischen Soziallehre in einer Rückschau503 gewürdigt wird.504 Die 1991 verkündete Sozialenzyklika reagiert auf die wirtschaftspolitischen und wirtschaftsethischen Herausforderungen nach dem Ende der planwirtschaftlichen sozialistischen Zwangsstaaten und des OstWest-Konflikts.505 Neben der Betonung der Grenzen des Marktes und der War495 Vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 35–37. 496 Sollicitudo rei socialis, Nr. 39. 497 Sollicitudo rei socialis, Nr. 41. 498 Sollicitudo rei socialis, Nr. 42. 499 Sollicitudo rei socialis, Nr. 42. 500 Vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 43. 501 Vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 44–45. 502 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 647. 503 Vgl. Centesimus annus, Nr. 11–21. 504 Vgl. Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 752. 505 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 648f.

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nung vor einer Ökonomisierung aller Lebensbereiche enthält die Enzyklika eine scharfe Anklage des hedonistischen, konsumistischen und oberflächlichen Lebensstil der westlichen Gesellschaften. Wirtschaftsethisch bedeutend sind die Ausführungen zu einem erweiterten Arbeits- und Eigentumsbegriff, zur Marktwirtschaft, zur Bewertung unternehmerischen Handelns und von Unternehmensgewinnen, zur Entwicklungshilfe sowie zur ökologischen Dimension menschlicher Weltgestaltung.506 Nicht mehr allein die „natürliche Fruchtbarkeit der Erde“ 507 erscheint als die menschliche Arbeit erschließende Produktivkraft, sondern besonders auch der Besitz von Wissen und Technik, die Organisation des Produktionsprozesses und die Initiativkraft des Unternehmertums dienen als Grundlagen für den Reichtum der Industrienationen. Gewürdigt wird explizit die unternehmerische Fähigkeit, die „Bedürfnisse der anderen Menschen“ sowie „die Kombination der geeignetsten Produktionsfaktoren für ihre Befriedigung rechtzeitig zu erkennen“.508 Die bisherige Zurückhaltung der katholischen Soziallehre, ihre Stellung zu konkreten Wirtschaftsordnungen zu bestimmen, wird gelockert, indem die „freie Marktwirtschaft“ im Zusammenhang mit dem „Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, die sich von sozialer Gerechtigkeit leiten lässt“ erwähnt wird und zugleich auch auf die Grenzen des freien Marktes hingewiesen wird.509 So wird der freie Markt als bislang effektivstes Instrument zur „Anlage der Ressourcen“ und zur menschlichen Bedürfnisbefriedigung charakterisiert, doch gelte dies nur für bezahlbare Bedürfnisse, bzw. für solche, für die Kaufkraft vorhanden ist, sowie für „verkäufliche Ressourcen“, die einen angemessenen Preis erzielen können. Demgegenüber existieren jedoch „unzählige menschliche Bedürfnisse, die keinen Zugang zum Markt haben“, woraus die „strenge Pflicht der Gerechtigkeit und der Wahrheit“ resultiert510, „zu verhindern, daß die fundamentalen menschlichen Bedürfnisse unbefriedigt bleiben und daß die davon betroffenen Menschen zugrunde gehen“.511 So gibt es wichtige menschliche Erfordernisse und Güter, die sich der Marktlogik entziehen, weshalb der Markt von den in einer Gesellschaft wirksamen Kräften „und vom Staat in angemessener Weise kontrolliert werden“ müsse, um „die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Gesellschaft zu gewährleisten“512 und diejenigen Güter zu schützen, „die ihrer Natur nach weder bloße Waren sind noch sein können“.513 Darüber hinaus warnt die Enzyklika vor den Gefahren der Wohlstandsgesellschaft, die Entfremdung und Konsumismus birgt, von denen der Mensch in ein Netz falscher und oberflächlicher Bedürfnisbefriedigungen hineingezogen

506 Vgl. Centesimus annus, Nr. 30–43. 507 Centesimus annus, Nr. 31. 508 Centesimus annus, Nr. 32. 509 Centesimus annus, Nr. 19. 510 Centesimus annus, Nr. 40. 511 Centesimus annus, Nr. 34. 512 Centesimus annus, Nr. 35,2. 513 Centesimus annus, Nr. 40,2.

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wird514, doch machen auch ökologische Gründe Korrekturen im Lebensstil erforderlich.515 Die von der Enzyklika vorgeschlagenen wirtschaftspolitischen Rezepte sind keineswegs neu und sorgen für mehr Spielräume zur Interpretation als für Eindeutigkeit: So fordert die Enzyklika zur Schaffung gemeinwohlorientierter Rahmenbedingungen wie gesehen einerseits eine angemessene Kontrolle und Sanktionierung des Marktes durch Gesellschaft und Staat, gleichzeitig verlangt sie aber andererseits, die Steuerung der Wirtschaftsprozesse den Entscheidungen der Marktbeteiligten zu überlassen, ohne ständig interventionistisch einzugreifen oder als „Fürsorgestaat“ unter Verletzung des Subsidiaritätsprinzips die gesellschaftlichen Kräfte aus ihrer Selbstverantwortung zu entlassen.516 Überdies wird ein liberalistisches Gesellschafts- und Wirtschaftssystem weiterhin ebenso abgelehnt wie die Vorstellung, „die Niederlage des sogenannten ‚realen Sozialismus‘ lasse den Kapitalismus als einziges Modell wirtschaftlicher Organisation übrig“.517 Damit scheint jenseits des „realen Sozialismus“ und des Konkurrenzkapitalismus der neoliberalen Ökonomik (wiederum) die Möglichkeit eines dritten Weges als alternative, nicht allein kapitalistische Form des Wirtschaftens auf, die aber nicht weiter expliziert wird.518 Für den Welthandel wird zwar eine marktwirtschaftliche Ordnung favorisiert und protektionistischen Theorien eine klare Absage erteilt, aber auch für einen „gerechten Zugang“ der Entwicklungsländer „zum internationalen Markt“ plädiert.519 Die dafür unumgängliche Ordnungspolitik und die Konsequenzen eines globalökonomischen Ordnungsrahmens werden dabei jedoch weder thematisiert noch problematisiert.520 1.3.2.11 Caritas in veritate Die aktuellste und zugleich erste Sozialenzyklika Papst Benedikts XVI. Caritas in veritate aus dem Juli 2009 führt neben vielen Bezügen zur Entwicklungsenzyklika Papst Paul VI. Populorum progressio aus dem Jahr 1967 vor allem zentrale sozialethische Ansätze aus Benedikts erster Enzyklika Deus caritas est (2005) weiter aus.521 Dabei knüpft nicht nur der Name der neuen Enzyklika an Deus caritas est an, auch in der Einleitung wird klargestellt, dass die Liebe Gottes die innere Kraft und Befähigung für die Entwicklung eines ganzheitlichen Humanismus der ganzen 514 Vgl. Centesimus annus, Nr. 41. 515 Vgl. Centesimus annus, Nr. 37–38. 516 Vgl. Centesimus annus, Nr. 48. Vgl. wie auch zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 753. 517 Centesimus annus, Nr. 35,4. 518 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 649. 519 Centesimus annus, Nr. 33,4. 520 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 649. Vgl. zudem Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 753. 521 Vgl. Benedictus XVI.: Caritas in veritate. Rom 2009, Nr. 10–20.

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Menschheitsfamilie darstellt.522 Caritas in veritate liefert zuerst eine Erläuterung des zugrundeliegenden vernunftbetonten Prinzips der „Liebe in Wahrheit“, um das die „Soziallehre der Kirche kreist“ und das in „Orientierungsmaßstäben für das moralische Handeln wirksame Gestalt annimmt“.523 Dabei stellt Benedikt XVI. die besondere Bedeutung von „Gerechtigkeit“ und „Gemeinwohl“ für die „Entwicklung in einer Gesellschaft auf dem Weg zur Globalisierung“ heraus.524 In den nachfolgenden Teilen setzt sich die Enzyklika unter anderem breit mit der Globalisierung und den von ihr verursachten „Problemen“ auseinander, die „durch die Wirtschafts- und Finanzkrise noch weiter erschwert“ worden seien und in deren Lösung die wesentliche Aufgabe der Gegenwart gesehen wird. 525 In Anbetracht dieser Herausforderung gelte es nicht bloß „die traditionellen sozialethischen Prinzipien […] Transparenz, […] Ehrlichkeit und […] Verantwortung“ nicht zu vernachlässigen oder zu schwächen, sondern auch dem „Prinzip der Unentgeltlichkeit“ und der „Logik des Geschenks […] in den geschäftlichen Beziehungen“ des gewöhnlichen Wirtschaftsleben zu ihrem Platz zu verhelfen.526 Um diesen Prinzipien und dem Ziel der Gerechtigkeit zur Geltung zu verhelfen, benötige das „Wirtschaftsleben […] ohne Zweifel Verträge, um den Tausch von einander entsprechenden Werten zu regeln“.527 Dieser vertraglich vereinbarte Güteraustausch sei zwar in der globalisierten Wirtschaft vorherrschend, ebenso notwendig seien „jedoch gerechte Gesetze, von der Politik geleitete Mechanismen zur Umverteilung und darüber hinaus Werke, die vom Geist des Schenkens geprägt sind“.528 Unter Berufung auf die Enzyklika Centesimus annus Johannes Pauls II. betont Benedikt XVI. die Bedeutung der Zivilgesellschaft für das Wirtschaftssystem, die eine geeignete Basis „für eine Wirtschaft der Unentgeltlichkeit und der Brüderlichkeit“ biete.529 Wirtschaftstätigkeit könne „nicht auf die Unentgeltlichkeit verzichten, die die Solidarität und das Verantwortungsbewußtsein für die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl in seinen verschiedenen Subjekten und Akteuren verbreitet und nährt“.530 Solidarität sei nicht allein vom Staat zu gewährleisten, hier sei die gesamte Zivilgesellschaft gefordert.531 Ohne Unentgeltlichkeit könne und werde es keine Gerechtigkeit geben. Daher müsse weltweit eine Marktordnung geschaffen werden, auf der neben den „gewinnorientierten Privatunternehmen“ und „staatlichen Unternehmen“ auch die nach „sozialen Zielen strebenden Produktionsverbände“, die über die „Logik des Äquivalenzprinzips und des Gewinns als Selbst522 Vgl. Caritas in veritate, Nr. 1–9. 523 Caritas in veritate, Nr. 6. 524 Caritas in veritate, Nr. 6. 525 Caritas in veritate, Nr. 36. 526 Caritas in veritate, Nr. 36. 527 Caritas in veritate, Nr. 37. 528 Caritas in veritate, Nr. 37. 529 Caritas in veritate, Nr. 38. 530 Caritas in veritate, Nr. 38. 531 Vgl. Caritas in veritate, Nr. 38.

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zweck“ hinausgehen, einen Platz finden.532 Davon erhofft sich Benedikt XVI. eine globale „Zivilisierung der Wirtschaft“.533 Auch die global agierenden Wirtschaftskonzerne werden direkt adressiert und in die Pflicht genommen: „Die derzeitigen internationalen wirtschaftlichen Dynamiken mit ihren schwerwiegenden Verzerrungen und Mißständen erfordern, daß sich auch das Verständnis des Unternehmens tiefgreifend verändern muß.“534 Dabei werden neben den Folgen der Globalisierung vor allem die Tätigkeit von Investoren und die daraus resultierenden Entwicklungen kritisch betrachtet: „Eine der größten Gefahren ist sicher die, daß das Unternehmen fast ausschließlich gegenüber den Investoren verantwortlich ist und so letztendlich an Bedeutung für die Gesellschaft einbüßt.“535 Aufgrund ihrer wachsenden Größe und ihres zunehmenden Kapitalbedarfs hingen immer weniger Unternehmen „von einem gleichbleibenden Unternehmer ab, der sich langfristig – und nicht nur vorübergehend – für die Tätigkeit und die Ergebnisse seines Unternehmens verantwortlich“ fühle.536 Zudem hingen Unternehmen ebenfalls immer weniger „nur von einer Region“ ab. Außerdem könne die Auslagerung der Produktionstätigkeit zu einem geringeren „Verantwortungsbewußtsein des Unternehmers gegenüber Interessensträgern wie den Arbeitnehmern, den Zulieferern, den Konsumenten, der Umwelt und dem größeren gesellschaftlichen Umfeld“ führen. Kritisiert wird eine einseitige Orientierung am Shareholder Value, die der Verantwortung des Unternehmens entgegen stünde. So könnten Unternehmen geneigt sein, sich vermehrt an den Interessen von Aktionären zu orientieren, „die nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind und daher außerordentlich beweglich sind“.537 Die Enzyklika merkt kritisch die großen Handlungsspielräume an, die „der internationale Kapitalmarkt“ für Unternehmen biete.538 Zugleich wird aber auch konstatiert, dass in den Unternehmen das „Bewußtsein für die Notwendigkeit einer weiterreichenden ‚sozialen Verantwortung‘“ wachse: „Auch wenn nicht alle ethischen Konzepte, die heute die Debatte über die soziale Verantwortung des Unternehmens bestimmen, aus der Sicht der Soziallehre der Kirche annehmbar sind, so ist es doch eine Tatsache, daß sich eine Grundüberzeugung ausbreitet, nach der die Führung des Unternehmens nicht allein auf die Interessen der Eigentümer achten darf, sondern auch auf die von allen anderen Personenkategorien eingehen muß, die zum Leben des Unternehmens beitragen.“539 In diesem Zusammenhang wird mit den Arbeitnehmern, Kunden, Zulieferern und den entsprechen-

532 Caritas in veritate, Nr. 38. Vgl. dazu auch Caritas in veritate, Nr. 39f. 533 Caritas in veritate, Nr. 38. 534 Caritas in veritate, Nr. 40. 535 Caritas in veritate, Nr. 40. 536 Caritas in veritate, Nr. 40. 537 Caritas in veritate, Nr. 40. 538 Caritas in veritate, Nr. 40. 539 Caritas in veritate, Nr. 40.

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den Gemeinden auf verschiedene Stakeholdergruppierungen der Unternehmen verwiesen. Generell fällt die deutliche Präferierung eines Stakeholder orientierten Ansatzes gegenüber einem reinen Shareholder Value-Ansatz auf. Lobend werden Manager hervorgehoben, „die sich dank weitblickender Analysen immer mehr der tiefgreifenden Verbindungen bewußt werden, die ihr Unternehmen mit der Region oder den Regionen, in denen es arbeitet, hat“. 540 Scharfe Kritik übt Benedikt XVI. indes am Führungsverhalten einiger Manager und am wachsenden Einfluss von Private-Equity-Gesellschaften und Investmentfonds auf Unternehmensentscheidungen: „In den vergangenen Jahren war eine Zunahme einer kosmopolitischen Klasse von Managern zu beobachten, die sich oft nur nach den Anweisungen der Hauptaktionäre richten, bei denen es sich normalerweise um anonyme Fonds handelt, die de facto den Verdienst der Manager bestimmen.“541 Vor allem der veränderte Charakter von Investitionen geben für das Lehramt Anlass zur Sorge: Trotz der Liberalisierung der Kapitalmärkte dürften Investitionen nicht nur als rein „technische(r) Vorgang“ betrachtet werden, sondern müssten auch als „menschliche und ethische Handlung“ gesehen werden.542 Investitionen im Ausland könnten auch Gutes – so unter anderem für Bildung und Entwicklung der Bevölkerung – bewirken, wobei immer die „die aus Gerechtigkeit bestehenden Ansprüche gewährt“ sein müssten. So dürfe eine Auslagerung nicht nur erfolgen, um von „Begünstigungen zu profitieren“ oder gar „um andere auszubeuten“.543 In jedem Fall müsse vermieden werden, „daß die finanziellen Ressourcen zur Spekulation verwendet werden und man der Versuchung nachgibt, nur einen kurzfristigen Gewinn zu suchen und nicht auch den langfristigen Bestand des Unternehmens, den Nutzen der Investition für die Realwirtschaft und die Sorge für die angemessene und gelegene Förderung von wirtschaftlichen Initiativen in Entwicklungsländern“.544 Angesichts des nahenden Endes „alte[r] Formen der Unternehmertätigkeit“ fordert die Enzyklika in diesem Zusammenhang ein gänzlich neues Unternehmertum.545 Die unternehmerische Tätigkeit habe „noch vor ihrer beruflichen eine menschliche Bedeutung“, der sie verstärkt gerecht werden müsse.546 Doch auch der „politische[n] Autorität“ käme eine wichtige Rolle auf dem „Weg zur Verwirklichung einer neuen sozial verantwortlichen und nach dem Maß des Menschen ausgerichteten wirtschaftlich-produktiven Ordnung“ zu.547 „Die zusammengewachsene Wirtschaft unserer Zeit eliminiert die Rolle der Staaten nicht, sie verpflichtet

540 Caritas in veritate, Nr. 40. 541 Caritas in veritate, Nr. 40. 542 Caritas in veritate, Nr. 40. 543 Caritas in veritate, Nr. 40. 544 Caritas in veritate, Nr. 40. 545 Caritas in veritate, Nr. 40. 546 Caritas in veritate, Nr. 41. 547 Caritas in veritate, Nr. 41.

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die Regierungen vielmehr zu einer engeren Zusammenarbeit untereinander.“548 Zur Umsetzung dieser Programmatik fordert der Papst schließlich gar die Einrichtung einer „echten politischen Weltautorität“. Deren Aufgaben sollen dabei über die Steuerung der Weltwirtschaft, die Sanierung der von „von der Krise betroffenen Wirtschaften“ bis zur Vorbeugung vor „einer Verschlimmerung der Krise und sich daraus ergebenden Ungleichgewichten“ reichen.549 Ähnlich ambitioniert sind auch die mit ihrer Einrichtung verbundenen Ziele: So solle die Weltautorität nicht weniger als eine „geeignete vollständige Abrüstung […] verwirklichen, die Sicherheit und den Frieden […] nähren, den Umweltschutz […] gewährleisten und die Migrationsströme […] regulieren“.550 Eine solche dringend einzurichtende Autorität müsse „sich dem Recht unterordnen, sich auf konsequente Weise an die Prinzipien der Subsidiarität und Solidarität halten, auf die Verwirklichung des Gemeinwohls hingeordnet sein“ und sich „für die Verwirklichung einer echten ganzheitlichen menschlichen Entwicklung einsetzen, die sich von den Werten der Liebe in der Wahrheit inspirieren läßt“.551 Dazu sei sie mit umfassenden Kompetenzen auszustatten, müsse „von allen anerkannt“ werden und vor allem „über wirksame Macht verfügen, um für jeden Sicherheit, Wahrung der Gerechtigkeit und Achtung der Rechte zu gewährleisten“.552 Man mag die von der Kirche vorgeschlagene „große Lösung“ einer global agierenden Weltpolizei für Frieden, Gerechtigkeit und ökonomische Verantwortung als vermessen, unrealistisch oder auch als visionär bezeichnen. In jedem Fall bleibt festzuhalten, dass nicht nur ein weiteres Mal das Allgemeinwohl als höchstes zu erreichendes Gut erscheint, sondern auch in der Gegenwart das Vertrauen des kirchlichen Lehramts in den Einfluss zentraler Instanz und die Effizienz interventionistischer Regelungen ungebrochen scheint. Die Idee zur Einrichtung einer solchen Weltautorität ist indes keineswegs neu: Benedikt XVI. beruft sich selbst explizit auf Johannes XXIII.553, doch schon bei Immanuel Kant finden sich Konzepte, die eine erstaunliche Nähe zu den aktuellen sozialethischen Vorschlägen des Lehramts aufweisen. In Kants Altersschrift Zum Ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von 1795 wendet Kant die Grundsätze seiner Moralphilosophie in Form eines Friedensvertrages auf die Kernfrage der Politik nach dem Frieden zwischen den Staaten an.554 Für Kant ist der Frieden für die Menschen kein natürlicher Zustand 548 Caritas in veritate, Nr. 41. 549 Caritas in veritate, Nr. 40. 550 Caritas in veritate, Nr. 67. 551 Caritas in veritate, Nr. 67. 552 Caritas in veritate, Nr. 67. 553 Vgl. Caritas in veritate, Nr. 67. 554 Vgl. Rudolf Malter: Nachwort. In: Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. Hg. v. Rudolf Malter. Stuttgart 2008 (= Reclams Universal-Bibliothek 1501), S. 69–85. Vgl. dazu auch Mario A. Cattaneo: Menschenwürde bei Kant. In: Kurt Seelmann (Hg.): Menschenwürde als Rechtsbegriff. Stuttgart 2004 (= Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie : Beiheft [N.F.] 101), S. 24–32, bes. 30–32.

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und müsse deshalb gestiftet werden. Den Frieden zu gewährleisten sei Sache der Politik, welche sich der Idee eines allgemeingültigen Rechtssystems unterzuordnen habe. Im Anhang formuliert er: „Das Recht der Menschen muß heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten.“555 Man könne es „nicht halbieren und ein Mittelding eines pragmatischbedingten Rechts (zwischen Recht und Nutzen) aussinnen“, sondern „alle Politik“ müsse „ihre Knie vor dem ersten beugen“. 556 Durch eine solche Weltordnung, in der die wahre Politik der Moral und dem Recht der Menschen unterworfen ist, drückt sich Kants Hoffnung auf ein dauerhaftes friedliches und die Würde und Rechte aller Menschen achtendes globales Zusammenleben aus.557 Die jüngste Enzyklika Caritas in veritate Benedikts XVI. bietet damit eine Reihe ernst zu nehmender durchaus zeitgemäßer wirtschaftsethischer Reflexionen, denen eine breitere Diskussion in den Medien und eine aufmerksame Rezeption gerade auch von Seiten der Wirtschaftswissenschaften nur gewünscht werden kann. Umgekehrt wird die Kirche noch weitaus mehr ökonomischen Sachverstand unter Beweis stellen und sich so im eigentlichen Wortsinn beweisen müssen, will sie in Wirtschaftsfragen von den relevanten Akteuren als maßgebliche moralische Instanz wahr- und ernst genommen werden und so das Wirtschaftssystem tatsächlich verändern. So könnte sie beispielsweise konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung eines globalen Bankenwesens anbieten oder auch auf Fragen der Mitbestimmung und der Wahrung der Chancengleichheit in global agierenden Unternehmen eingehen. 1.3.3 Ausblick: Wirtschaftsethische Positionen in der katholischen Soziallehre Die lehramtlich dokumentierte Sozialverkündigung stellt eine Ausweitung der kirchlichen Moralverkündigung auf soziale Probleme dar, als deren Ursache der neuzeitliche Wandel in den Grundlagen und Strukturen politisch-ökonomischer Ordnungen und Prozesse angesehen wird.558 Inhaltlich nehmen die Sozialenzykliken zumeist eine kritische Sozialanalyse „im Lichte des Evangeliums“ vor, die in die Form einer Grundlagenreflexion über eine Vielzahl häufig auch recht heterogener Themen eingebunden ist.559 So entsteht ein vielfältiges Geflecht aus ethischen Postulaten und Paränesen, Denkanstößen und praktischen Handlungsvorschlägen bis hin zu weitreichenden Überlegungen zur Verfassung einer Weltgesellschaft.

555 Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. Hg. v. Rudolf Malter. Stuttgart 2008 (= Reclams Universal-Bibliothek 1501), S. 49. 556 Kant: Zum ewigen Frieden, S. 49. 557 Vgl. dazu auch Cattaneo: Menschenwürde bei Kant, S. 31f. 558 Vgl. Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 754. 559 Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 754.

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So heterogen sich die Themen und Schwerpunkte der katholische Soziallehre darstellen, so unterschiedlich sind auch die Kommentare und Einwände zur bzw. gegen die katholische Soziallehre: So wurde sie als „utopisch und reaktionär, soziales Alibi“ oder „politischer Irrläufer der Kirche“, als „restaurativ und umstürzlerisch“, gar als „Zulieferer einer Überbau-Ideologie und Sozialromantik“ oder als „klerikaler Übergriff in den Bereich der Sozialwissenschaften“ bezeichnet.560 HansJoachim Höhn räumt ein, dass es „zweifellos Anhaltspunkte für diese Kritik“ gebe, plädiert jedoch für eine differenziertere Sichtweise, da die Kirche „sowohl für die von ihr formulierten Prinzipien und Grundsätze“ als auch für „konkrete Einzelforderungen“, die zum einen „rational zustimmungsfähg [sic!]“ sein müssten und zum anderen die „motivierende Kraft des christlichen Glaubens“ erkennen lassen sollten, „keine andere Kompetenz und Verbindlichkeit in Anspruch“ nehmen könne und wolle, „als sie aus der Prägnanz der Analyse, der Überzeugungskraft der vorgetragenen Argumente und der Praktikabilität der vorgeschlagenen Maßnahmen“ hervorgehe.561 Allein daran seien Progressivität und Konservatismus, Widerständigkeit und Opportunität der kirchlichen Aussagen zu messen.562 Die wirtschaftsethischen Leitlinien der katholischen Soziallehre seien nicht als Blaupausen für den Aufbau eines idealen Gemeinwesens zu verstehen, vielmehr stellten die ethischen Prinzipien eine normative Grundlage zu dessen Konstituierung zur Verfügung, die sich allerdings stets auch an den (konkreten) Forderungen sozialer Relevanz und Effizienz messen lassen müssten.563 Ihre größte politische Wirksamkeit entfaltete die katholische Soziallehre – wie gesehen – fraglos während des wirtschaftlichen und sozialen Aufbaus der jungen Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg – so etwa vermittels der im Grundgesetz verankerten Sozialbindung des Eigentums, der Vermögensbildung auf Arbeitnehmerseite, aber auch des Familienlastenausgleichs und der dynamischen Altersrente. Nachdem die katholische Soziallehre in der Folgezeit zunehmend aus dem Fokus der öffentlichen Wahrnehmung verschwand, konnte sie mit einer neuen Sensibilität für sozialethische Fragen ab den 1970er Jahren – bzw. für globale wirtschaftsethische Problemstellungen nach dem Zusammenbruch des Ostblocks – wieder vermehrt Aufmerksamkeit gewinnen und Einfluss auf den öffentlichen Diskurs nehmen. Für die Zukunft stellt sich nicht nur Höhn die Frage, ob sich ein „solcher ‚Sozialkatholizismus‘ als ein profiliertes kirchlich-gesellschaftliches Segment erhalten bzw. erneuern kann“, auch da die „Skepsis“ darüber wachse, „ob die Dokumente der Weltkirche bei Beibehaltung ihres bisherigen Themen-, Sprach-, und Methodenformats der Komplexität wirtschaftsethischer Fragestellungen und den ungleichzeitigen Verhältnissen in den verschiedenen Ortskirchen und Weltregionen

560 Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 754. 561 Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 755. 562 Vgl. Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 755. 563 Vgl. Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 755.

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noch gerecht werden können“.564 Neben dem Legitimationsdruck in Richtung einer allgemein einsichtigen Begründung sozialethischer Vorgaben und Zielbestimmungen werde dabei noch stärker die „Frage nach der Anschlussfähigkeit an den wirtschaftswissenschaftlichen Diskurs der Gegenwart zu beachten sein“.565 So müsse die Kirche „substantielle Beiträge“ gerade zu den nicht-ökonomischen Voraussetzungen und Bedingungen ökonomischen Handelns leisten, die sich am Grundsatz der Menschendienlichkeit festmachen, vor allem aber müsse sie auch auf die gesellschaftliche Implementierung wirtschaftsethischer Normen drängen, um Wirtschaftsethik nicht zu einem sich in der „Nachkonstruktion“ erschöpfenden „Stück Technik“ werden zu lassen.566 Erschwert wird dieser vorgeschlagene Wandel durch das Fehlen einer klaren wirtschaftsethischen Systematik in der katholischen Soziallehre. Und so sehr Höhn mit seinen Forderungen Recht haben mag, so sehr fordert er jedoch auch in gewisser Weise etwas von der Sozialverkündigung der Kirche, was die Wirtschaft und die sie theoretisch betrachtenden Wirtschaftswissenschaften selbst zu leisten nicht imstande sind. Denn bis heute existiert keine die wirtschaftliche Realität systematisch beschreibende Wirtschaftstheorie, die konsensual wäre, bzw. über einen gewissen paradigmatischen Charakter verfügen würde. Im Rahmen der immer weiteren Differenzierung wirtschaftlicher Transaktionen in der Gegenwart ist es umso schwieriger, einen systematisch einheitlichen Entwurf einer Wirtschaftsethik zu entwickeln, der konkreter ist als das, was in der katholischen Soziallehre in allgemeiner Weise vorgestellt wird. Neuere Ansätze bemühen sich in den vergangenen Jahren verstärkt um eine Überbrückung der Gräben zwischen liberaler Ökonomik und katholischer Soziallehre und um eine Kongruenz beider Konzepte. 567 Dabei wird – etwa bei Clemens Dölken, aber auch bei Friedrich Wilhelm Graf – eine kritische, aber differenzierte Rezeption des methodologischen Individualismus der neueren liberalen Ökonomik als Chance für die katholische Soziallehre begriffen. Nach Meinung Grafs ist eine Transformation katholischer Sozialethik notwendig im Sinne des normativen Anspruchs der Institution Kirche, Einfluss auf die Globalisierungs- und Gerechtigkeitsdebatte zu nehmen und zugleich auf die Gestaltung eines transnationalen Regelrahmens zur Gewährleistung von Gerechtigkeit hinzuwirken.568 Graf plädiert dafür, die normativen Prinzipien Gerechtigkeit, Gemeinwohl, Subsidiarität und Personwürde zu aktualisieren und den Voraussetzungen und Bedingtheiten von heutiger Wirtschaft und den Prozessen des Marktes anzupassen. 569 Dölken argu564 Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 755. 565 Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 756. 566 Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt a.M. 1984 [1951] (= Bibliothek Suhrkamp 236), S. 333. 567 Vgl. Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 8. 568 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 653. 569 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 652f.

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mentiert, dass „liberale Ökonomik und katholische Soziallehre […] miteiander kompatibel“ seien, obgleich „sie von den Paradigmen her nicht vollständig übereinstimmen“.570 Viele der „in der Literatur diskutierten Schwierigkeiten“ zwischen Theologie und Ökonomik erwiesen sich heute „als Scheinprobleme“.571 Konzepte liberaler Ökonomik seien dabei insbesondere gut „zur Explizierung und Operationalisierung von Gerechtigkeitsvorstellungen“ geeignet.572 1.3.4 Ökumenische Stellungnahmen zur Wirtschaftsethik 1.3.4.1

Veränderungen, Umbrüche und Krisen

Im Rahmen der ökumenischen Zusammenarbeit fand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in erster Linie das Thema einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung zur Förderung der ärmeren Länder Beachtung.573 Auf der Weltkirchenkonferenz in Uppsala wurde 1968 das Konzept der Einen Welt formuliert. 1975 wurden auf der Weltkirchenkonferenz in Nairobi besonders die selbstverantwortlichen und ökonomischen Aspekte der Entwicklung mit dem Ziel einer gerechten, beteiligenden und nachhaltigen Gesellschaft hervorgehoben. In jüngerer Zeit kann ein zunehmendes ökumenisches Auftreten der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland beobachtet werden, wobei offensicht-

570 Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. IX. Vgl. auch ebd., S. 291. Dölken kritisiert vor allem die „unzulängliche Konzeptualisierung der Katholischen Soziallehre in der Sozialtheorie“, die sich unter anderem darin manifestiere, „daß die methodologisch individualistische Vorgehensweise, welche als holistischen Ansätzen gegenüber überlegen vorausgesetzt werden kann, nicht rezipiert wird“. (Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 290.) Er plädiert für eine „Implementierung des methodologischen Individualismus“, die es einer „moderenen [sic!] Katholischen Sozialtheorie“ einerseits ermöglichte, die „Konzeption der nichtindentierten Handlungswirkungen“ als harten Kern des Liberalismus aufzunehmen, andererseits „bedürften normative begriffliche Konzeptionen wie ‚Gemeinwohl‘ und ‚Soziale Gerechtigkeit‘“ dann „keiner mit eingeschlossenen Entitäten zur Erreichung der Gerechtigkeitsforderung“, sondern ließen sich „entsprechend der Vorgehensweise der modernen katholischen Moraltheorie auch methodologisch individualistisch unter dem normativen Postulat der allgemein [sic!] Sittlichkeitsforderung rekonstruieren“. (Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 290.) Dies geschehe konsistent in einer „teleologischen Ethik, die als Wertethik Probleme mißverständlicher Auffassungen von ‚Naturrecht‘ auszuräumen vermag und als normative Ethik in teleologischer Begründung jene Normen ableitet, die für die Sozialethik erforderlich erscheinen“ (Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 290f.) Durch den Einbezug der wissenschaftstheoretischen Einsichten unter „Anwendung eines ökonomischen Erklärungsschemas“ eröffneten sich für die Sozialethik auch Perspektiven auf dem Gebiet der Politik, von der Neuen Politischen Ökonomie bis hin zur „modernen Demokratietheorie“, die so Argumentationsraster für die interdisziplinäre Diskussion zwischen Ökonomie, Philosophie und Theologie böten. (Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 291.) 571 Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. IX. 572 Dölken: Katholische Sozialtheorie, S. 284. 573 Vgl. hierzu und zum Folgenden Günter Meckenstock: Wirtschaft/Wirtschaftsethik VI. Ethisch. In: Theologische Realenzyklopädie. Studienausgabe. Teil III. Bd. 36. Berlin u.a. 2006, S. 171–179, 177.

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lich die Absicht geteilt wird, angesichts des globalen Wandels und der kapitalistischen Rationalisierungsprozesse den sozialethischen Forderungen und Programmen der beiden Kirchen (größeres) Gehör zu verschaffen574: Die gesellschaftlichen Veränderungen und aufkommende Krisensymptome nach der deutschen Vereinigung zogen einen Konsultationsprozess nach sich, dessen Resultat ein gemeinsames Wort der evangelischen und katholischen Kirche darstellte.575 Die Kirchen führen in ihrem Gemeinsamen Sozialwort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ als Grund für ihr gemeinsames sozialethisches Auftreten an, es als ihre Aufgabe zu betrachten, „Mitverantwortung für eine menschengerechte und sachgerechte Ordnung der öffentlichen Angelegenheiten wahrzunehmen und dabei besonders für die Belange der Armen, der Schwachen und Benachteiligten einzutreten“.576 Aus diesem Grund hätten sich der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz „in der gegenwärtigen Umbruchsituation entschlossen, ein gemeinsames Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage vorzubereiten und dazu einen breiten Diskussionsprozeß über die Grundbedingungen des wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Miteinanders anzustoßen“ und erkennen darin „auch einen Dienst für die Gesellschaft“.577 Dieser Konsultationsprozess wurde im Spätherbst 1994 mit der Veröffentlichung einer Diskussionsgrundlage Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland eingeleitet, die den „Charakter eines Impulspapiers“ gehabt hätte, „das den Konsultationsprozeß in Gang setzen und inhaltlich umreißen sollte“.578 Damit habe sich „die Einladung zum Dialog […] sowohl innerhalb der Kirchen als auch mit Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und gesellschaftlichen Gruppen“ verbunden, um „im Austausch von Erfahrungen und Argumenten den gesellschaftlichen Grundkonsens zu verbreitern“.579 In der Diskussionsgrundlage Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland forderten die Kirchen eine Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland, durch die in Anbetracht der politisch-sozialen Veränderungen in Deutschland, Europa und der Welt die Grundwerte Freiheit und soziale Gerechtigkeit neu zur Geltung gebracht werden sollten.580 Die christliche Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft und des Gemeinwohls erscheint darin in dreifacher Konkretisierung: Es solle für die Benachteiligten, für den sozialen Frieden und für die soziale Haushalterschaft eingetreten werden, wobei insbesondere dem Schutz der Schwachen in Anknüpfung an Jes 58,7, Mt 11,28 sowie Jak 1,22 besondere Bedeu-

574 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 650. 575 Vgl. dazu und zum Nachfolgenden Günter Meckenstock: Wirtschaftsethik. Berlin u.a. 1997, S. 134f. 576 Vgl. Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 37. 577 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 37. 578 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 39. 579 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 38. 580 Vgl. hierzu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 135.

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tung beigemessen wird und unter Bezugnahme auf Phil 4,7 die fundamentale Wichtigkeit eines vernunftübersteigenden versöhnenden Friedens hervorgehoben wird.581 Als wichtiges ökumenisches Dokument in der aktuellen Diskussion um die Bewertung der Folgen der Globalisierung muss auch die 2006 vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) veröffentliche Stellungnahme Alternative Globalisierung im Dienst von Menschen und Erde – AGAPE zumindest Erwähnung finden.582 Der ÖRK stellt einen Zusammenschluss von 349 Kirchen aus aller Welt dar, wobei die römisch-katholische als einzige große christliche Kirche nicht Mitglied der Organisation ist. Die vom Exekutivausschuss des ÖRK im September 2005 beschlossene endgültige Fassung des AGAPE-Aufrufs stellt das Ergebnis einer länger andauernden „Arbeit zu Fragen der wirtschaftlichen Globalisierung“ innerhalb des ÖRK dar, die 1998 auf der Vollversammlung im simbabwischen Harare ihren Ursprung nahm und schließlich in die Veröffentlichung der gemeinsamen AGAPE-Erklärung auf der Vollversammlung im brasilianischen Porto Alegre mündete.583 Die in Form eines Gebetes verfasste Erklärung ruft die Mitgliedskirchen dazu auf, „gemeinsam für die Umgestaltung wirtschaftlicher Ungerechtigkeit“ im Sinne einer „alternativen Globalisierung“ einzutreten.584 1.3.4.2

Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit

1997 veröffentlichten der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz nach mehr als zweijährigen Konsultationen schließlich ihr gemeinsames Sozialwort „zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland“ Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit.585 Darin würdigten beide Kirchen den Konsultationsprozess, mit dem sie „Neuland betreten“ hätten, als „insgesamt gelungen[es] […] Experiment“586, das nicht nur „zahlreiche wichtige inhaltliche Beiträge und Einsichten gebracht“ habe, sondern auch habe erkennen lassen, „was den meisten in der gegenwärtigen Lage unter den Nägeln brennt und welche vorrangigen Handlungsziele und -möglichkeiten sie sehen“.587 Dabei handle es sich zum einen um die „Massenarbeitslosigkeit“, gegenüber der es „keine Resi581 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 135. 582 Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK): Alternative Globalisierung im Dienst von Menschen und Erde – AGAPE. Ein Aufruf zur Liebe und zum Handeln. Genf 2006, URL: http:// www.oikoumene.org/fileadmin/files/wccassembly/documents/german/pb6g-agapecall.pdf [aufgerufen am 06.03.2011]. 583 ÖRK: AGAPE, S. 1. 584 ÖRK: AGAPE, S. 3. 585 Vgl. den Untertitel des Sozialworts Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Vgl. dazu und zum Folgenden bes. auch Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 753. 586 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 40. 587 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 41.

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gnation geben“ dürfe.588 Ferner zählten dazu eine für die Gesellschaft konstitutive „allgemeine soziale Sicherung, die allen Bürgerinnen und Bürgern eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die gerechte Teilhabe an den gesellschaftlichen Gütern“ garantiere.589 Die Systeme der sozialen Sicherung in Deutschland böten die „Voraussetzung, einer veränderten Lage gerecht und ihr angepaßt zu werden, wie dies auch in der Vergangenheit in vergleichbarer Situation möglich“ gewesen sei.590 Zudem müssten „bei allen grundlegenden Entscheidungen […] die Folgen für die Lebenssituation der Armen, Schwachen und Benachteiligten bedacht werden“, die „ein Anrecht auf ein selbstbestimmtes Leben, auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und an den gesellschaftlichen Chancen sowie auf Lebensbedingungen, die ihre Würde achten und schützen“, hätten.591 Außerdem müsse „intensiver über die Lebenssituation der Familie, der Frauen, der Kinder, der Jugendlichen und über die Wahrung ihrer Belange nachgedacht werden“.592 Ein weiteres Ergebnis des Konsultationsprozesses sei die Erkenntnis gewesen, dass „die innere Einheit in Deutschland […] mehr“ sei „als einfach nur eine Angleichung der Lebensverhältnisse des Ostens an die des Westens“.593 So müssten sich beide Teile „im Prozeß des Zusammenwachsens deutlich umorientieren“.594 Indem im Gemeinsamen Wort angesichts hoher Arbeitslosenzahlen, eines extrem belasteten Sozialstaats, des fortschreitenden europäischen Integrationsprozesses aber auch der Folgen einer globalisierten Ökonomie die sozialethischen Voraussetzungen für eine solidarische und zukunftsgerechte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung auf die Agenda genommen werden, wollen die Kirchen zur Neuorientierung der Gesellschaft und zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft gleichermaßen einen Beitrag in der „aktuelle[n] Diskussion über Maßstäbe der Wirtschafts- und Sozialpolitik“ leisten.595 Mit „Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit“ werden für die katholische Soziallehre unter Betonung der engen Vernetzung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Problematik neue – und für die Konzeptualisierung des Sozialwortes zentrale – Leitkategorien etabliert. 596 Dabei korreliert der sozial und ökologisch geprägte Nachhaltigkeitsbegriff mit dem Solidaritätsprinzip, das nicht nur intragenerativ verstanden wird, sondern bewusst

588 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 41. 589 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 41. 590 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 41. 591 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 41. 592 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 41. 593 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 41. 594 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 41. 595 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 1. Vgl. dazu und zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 753. 596 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 1. So genüge es nicht, „das Handeln an den Bedürfnissen von heute oder einer einzigen Legislaturperiode auszurichten, auch nicht allein an den Bedürfnissen der gegenwärtigen Generation“. (Ebd.) Vgl. hierzu und zum Folgenden Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 753f.)

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auch Verantwortung für zukünftige Generationen mit einschließt, die ebenfalls das Recht auf eine intakte natürliche Umwelt und die Nutzung derer Ressourcen besitzen. Dazu ist die Eingebundenheit aller gesellschaftlichen Prozesse „in das – allem menschlichen Tun vorgegebene – umgreifende Netzwerk der Natur“ und die dauerhafte Ausrichtung der sozialen Evolution an der sich wandelnden Tragekapazität der ökologischen Systeme erforderlich.597 Besonders ausgiebig widmet sich die gemeinsame Veröffentlichung der Diskussion der Schwierigkeiten, mit dem das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft in Anbetracht neuer Globalisierungsschübe und des Aufkommens neoliberaler Tendenzen in der „gegenwärtigen Situation eines tiefgreifenden Umbruchs“ konfrontiert sei.598 Grundsätzlich stimmt das Gemeinsame Wort dem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem freilich zu und hebt dabei vor allem dessen Problemlösungskompetenz hervor.599 So seien „marktwirtschaftliche Ordnungsprinzipien […] ein unverzichtbares Element bürgerlicher Freiheit und die Bedingung innovativen unternehmerischen Handelns“.600 Moderne Gesellschaften hätten ihnen „eine effiziente Versorgung, ihren technischen Fortschritt und ihr Wirtschaftswachstum“ zu verdanken, ebenfalls aber „auch einen Teil ihrer Probleme“.601 Auch vermöge „kein anderes gesellschaftliches Ordnungsprinzip“ als ein funktionierender Wettbewerb „derzeit besser den ökonomischen Ressourceneinsatz und die Befriedigung der Konsumentenwünsche zu gewährleisten“602 und es sei „kein Wirtschaftssystem in Sicht, das die komplexe Aufgabe, die Menschen materiell zu versorgen und sie sozial abzusichern, ebenso effizient organisieren könnte wie die “.603 Doch sei eine „unvoreingenommene Auseinandersetzung mit den gegen sie vorgebrachten kritischen Einwendungen unerläßlich“, da die Voraussetzungen, die der Sozialen Marktwirtschaft im Westen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg zum Erfolg verholfen hätten, nicht mehr gegeben seien.604 Aufgrund der Veränderung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Parameter und der krisenhaften Züge der gegenwärtigen Lage in Deutschland stehe das Bündnis von Demokratie, Sozialstaat und Kapitalismus, welches die Grundlage für die Soziale Marktwirtschaft war, nun auf dem Prüfstand. So erschwere der „Prozeß der Globalisierung […] nationalstaatlich geprägte Marktwirtschaften, die auf eine starke Kooperation und Integration von Ökonomie, Sozialsystem und Kultur“ abhöben: „Je größer die 597 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 125. 598 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 91. 599 Vgl. Leonhardt: Theologische Wirtschaftsethik im Spiegel kirchlicher Verlautbarungen, S. 206. 600 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 142. 601 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 142. 602 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 142. 603 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 145. 604 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 145. Vgl. Höhn: Konzeptionelle wirtschaftsethische Implikationen. Katholische Kirche, S. 754. Vgl. dazu und zum Folgenden ebf. Meckenstock: Wirtschaftsethik VI. Ethisch, S. 177.

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Räume des freien Handels und je ungebundener die Handlungsmöglichkeiten der transnationalen Unternehmen werden, desto stärker wird das Ordnungsmodell Soziale Marktwirtschaft gefährdet. Die stabilisierenden Möglichkeiten des Staates nehmen dabei deutlich ab.“605 Jedoch ließen sich diese offenkundigen Probleme nicht durch eine „Herauslösung der Marktwirtschaft aus ihrer gesellschaftlichen Einbettung“ und ihrer sozialethischen Fundierung und einer bloßen Anpassung an internationale Wettbewerbsbedingungen lösen.606 So wird von den Kirchen ein mehrdimensionaler Ansatz bei der Erneuerung und Weiterentwicklung des Konzepts einer Sozialen Marktwirtschaft unterbreitet, zu dem etwa die Sicherung von Solidaritätspotentialen in einer erneuerten Sozialkultur607, aber auch die Erschließung neuer Zugänge zu Erwerbsarbeit und die Eröffnung neuer Beschäftigungspotentiale zählen.608 Dahinter steht die Absicht, mit dem Kirchenwort ethische Orientierung und Impulse für den gesellschaftlichen Grundkonsens zur Verfügung zu stellen.609 Durch aus dem christlichen Glauben gewonnene ethische Perspektiven möchten die Kirchen die kulturellen Grundlagen einer auf Gerechtigkeit, Solidarität, Subsidiarität und Nachhaltigkeit ausgerichteten Wirtschafts- und Sozialordnung stärken. Fundamentale Orientierung für die Soziale Marktwirtschaft könne dabei das christliche Menschenbild geben, das die christliche Weltgestaltung einerseits an persönliche Verantwortung und soziale Verpflichtung kopple610 und andererseits durch das „Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe (Mk 12, 28-31 par)“ 611 eine handlungsgebundene Zuwendung zu den Armen beinhalte.612 So sei die „Besinnung auf das [christliche] Menschenbild und die Grundwerte, auf denen die Soziale Marktwirtschaft gründet, […] die unerlässliche Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage“.613 Hier liege „der genuine Beitrag der Kirchen“, da das „Menschenbild des Christentums […] zu den grundlegenden geistigen Prägekräften der gemeinsamen europäischen Kultur und der aus ihr erwachsenen wirtschaftlichen und sozialen Ordnung“ gehöre.614 Als wesentliche Konsenselemente einer zukunftsfähigen Gesellschaft führt das Kirchenwort die Anerkennung der individuellen, politischen und sozialen Menschenrechte, die Befürwortung der freiheitlich-sozialen Demokratie, die Fortentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft im Sinne einer „Strukturreform zu einer

605 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 145. 606 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 146. 607 Vgl. Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 156–160. 608 Vgl. Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 167–176. 609 Vgl. hierzu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik VI. Ethisch, S. 177f. 610 Vgl. Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 91–102. 611 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 103. 612 Vgl. Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 103–125. 613 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 92. 614 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 92.

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ökologisch-sozialen Marktwirtschaft “615, die Ausbildung eines neuen Arbeitsverständnisses sowie einer solidarischen Sozialkultur und die Übernahme internationaler Verantwortung an.616 Bei ihrem Konzept wahren die Kirchen auch ihre traditionelle Skepsis gegenüber der liberalen Ökonomik und antworten darauf mit institutionalistischen Positionen: Gegen freie Märkte und deren Verselbstständigung gegenüber nationalstaatlicher Regulierung wird die staatsanaloge Handlungskompetenz transnationaler Institutionen angeführt.617 Angesichts der „ungehinderten Dominanz privatwirtschaftlicher Interessen auf Weltebene und der daraus resultierenden Beschränkung des politischen Handlungsspielraumes einzelner Staaten“ sei „eine verbindliche weltweite Rahmenordnung für wirtschaftliches und soziales Handeln dringlich“.618 Erste Ansätze dazu gebe es in der „Tätigkeit der Vereinten Nationen, der Weltbank, des Weltwährungsfonds und vor allem der Welthandelsorganisation (WTO)“ und weiterer Organisationen, die „vor allem durch Regeln für einen fairen wirtschaftlichen Wettbewerb und durch soziale Mindeststandards“ zu unabhängigen politischen Steuerungsinstrumenten ausgebaut werden müssten.619 Zur Durchsetzung dieser Regeln seien die „weltweit tätigen staatsähnlichen Institutionen mit ordnungspolitischer Kompetenz“ auszustatten.620 Die Kirchen gehen dabei davon aus, dass sich auf diese Weise die beschleunigende Dynamik ökonomischer Prozesse sozialverträglich begrenzen und kanalisieren ließe – die Ausgestaltung der sozialpolitischen Interventionskompetenzen und deren politische Legitimierung bleibt indes eine Leerstelle.621 Vermehrt wurde die Kritik geäußert, die Kirchen planten durch staatsanaloge globale Institutionen, das Primat der Politik über die Ökonomie zurückzugewinnen.622 In jedem Fall fällt die starke institutionalistische Fokussierung des Sozialworts auf einen ordnenden Regelrahmen auf. Dabei wird die Kategorie ethischer Eigenverantwortung genauso übergangen wie die wirtschaftsethische Gretchenfrage: Wie der „Transfer moralischer Zielsetzungen in eine ökonomisch funktionale Institutionenordnung“ überhaupt erfolgen soll, bleibt seltsam unklar.623

615 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 148. 616 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 126–165. 617 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 650f. 618 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 163. 619 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 163. 620 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Nr. 163. 621 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 651. 622 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 651. Vgl. zur Kritik Alfred Schüller: Die Kirchen und die Wertgrundlagen der Sozialen Marktwirtschaft. In: ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft 48 (1997), S. 727–755. 623 Graf: Stellenwert der Religion, S. 650.

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1.3.5 Die Entwicklung wirtschaftsethischer Gedanken in der evangelischen Sozialethik Auch wenn Religion – wie oben dargestellt – seit jeher einen engen Bezug zur Wirtschaft und zur Wirtschaftsweise des Menschen aufweist, erscheinen die heutigen wirtschaftsethischen Fragestellungen und Aufgaben als Folgen der Industrialisierung und der aus ihr erwachsenen sozialen Konsequenzen, der durch die Aufklärung bewirkten Emanzipation der Wirtschaft von staatlichen und kirchlichen Autoritäten und der Herausbildung des arbeitsteiligen, kapitalistischen Wirtschaftssystems.624 Konzeptionelle Erwägungen haben zur systematischen Formulierung einer Soziallehre geführt, die nach Honecker enge Verknüpfungen mit der Ekklesiologie – und damit mit Geschichte, Kultur und Gesellschaft – aufweist, weshalb auch die theologische Wirtschaftsethik ekklesiologische Grundannahmen und Implikationen enthält.625 Grundsätzlich nahmen in der deutschsprachigen evangelischen Sozialethik wirtschaftsethische Themen zu früheren Zeiten eher eine Randposition als unselbstständige Abschnitte innerhalb der Ethik oder Sozialethik ein und wurden dort zumeist unter der Auseinandersetzung mit den Themen Arbeit oder Beruf subsumiert.626 Vor der Industrialisierung wurden in der Theologie nicht die Strukturen des Wirtschaftens erörtert, sondern Themen wie Staat, Familie und Ehe, Arbeit und Beruf, die Tugenden und Pflichten des Einzelnen und dabei besonders die persönliche Haltung gegenüber Besitz, Vermögen und Reichtum sowie die Bewertung des Zinsnehmens, die Verteilung von Eigentum, Armenfürsorge und Almosengeben sowie kirchliche Diakonie gegenüber Hilfsbedürftigen und Notleidenden.627 In der evangelischen Soziallehre traten seit dem 19. Jahrhundert neben die klassischen Themen christlicher Ethik weitere hinzu: Die Mitbestimmung als Instrument der Kooperation im Unternehmen zur Überwindung des Gegensatzes von Kapital und Arbeit sowie die Beschränkung der Unternehmergewalt durch Arbeiterausschüsse, die rechtliche Verankerung der Mitbestimmung in der Bundesrepublik oder die sozialstaatliche Verpflichtung.628 Besonders aber die Wirtschaftsordnung als solche und deren ethische Anerkennung und Begründbarkeit wurde zu einem der Hauptgegenstände wirtschaftsethischer Reflexion. 624 Vgl. Martin Honecker: Ansätze und Entwicklungen der modernen wirtschaftsethischen Fragestellungen in den christlichen Kirchen. Evangelische Kirchen. In: Handbuch der Wirtschaftsethik I, S. 758–780, 758. 625 Vgl. Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 759f. 626 Vgl. hierzu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik VI. Ethisch, S. 174. 627 Vgl. hierzu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 116f. Vgl. dazu ebf. Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 763f. 628 Vgl. dazu und zum Folgenden Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 764.

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Seit ihren Anfängen im frühen 19. Jahrhundert war für die deutsche lutherische Sozialethik ein „sozialpaternalistischer Antikapitalismus“ (Graf) prägend, der sowohl in seinen moralischen Motiven als auch in seinen argumentativen Grundmustern zahlreiche strukturelle Affinitäten zur römisch-katholischen Soziallehre aufweist.629 Wesentlich unterscheiden sich beide Soziallehren jedoch darin, dass die evangelische Sozialethik, die zwar zumeist auf starke theologische, etwa naturrechtliche Fundamente und Begründungsfiguren verzichtet, in einem deutlich engeren Kontakt zu den positiven Kulturwissenschaften und der modernen Nationalökonomie entwickelt wurde. Bereits zu Zeiten des Kameralismus und des Merkantilismus zeichneten vor allem Protestanten für die ökonomische Theoriebildung verantwortlich, was es den protestantischen Theologen erleichterte, in einen wissenschaftlichen Dialog mit den führenden Ökonomen zu treten: „Es fallen die katholischen Gebiete in der gelehrten Begründung des neuen Wirtschaftsdenkens völlig aus“, hielt Müller-Armack bereits vor einem halben Jahrhundert fest.630 So hatte Friedrich D.E. Schleiermacher intensiv die klassische schottische Nationalökonomie und Adam Smith rezipiert und einflussreiche lutherische Sozialethiker wie Alexander von Oettingen, der 1868 den Begriff „Sozialethik“ prägte, Martin von Nathusius und Reinhold Seeberg standen bei der Entwicklung ihrer sozialkonservativen Ordnungskonzepte in engem Austausch mit lutherischen Ökonomen wie Wilhelm Roscher und Karl Knies, die wiederum aus dem Dialog mit den theologischen Ethikern die ethischen Denkformen für ihre historisch-ethische Begründung der Nationalökonomie zu gewinnen suchten. Entsprechend wurde der weltliche Beruf, die vita activa, immer höher gewertet als die vita contemplativa. Wenn auch für Katholizismus und Protestantismus gleichermaßen das Verhältnis des Menschen zu Gott entscheidend ist, wobei der Glaube an die Heils- und Erlösungszusage durch Jesus Christus dabei den obersten Wert darstellt, stellt das protestantische Wertsystem jedoch stärker als im Katholizismus auf Arbeit, Verantwortung und Pflichterfüllung des Menschen ab: Im Beruf dient der Mensch durch seine Arbeit dem Nächsten und Gott, wodurch wiederum Beruf und Arbeit ihren besonderen Wert erlangen.631 Dieses „protestantische“ Arbeitsethos hält dazu an, mit der Arbeit verbundene Mühsal auf sich zu nehmen, und lehnt zugleich Müßiggang ab. In der Moderne strebt die evangelische Sozialethik hinsichtlich Betriebsorganisation eine partizipative Menschenführung auf Basis gegenseitigen Vertrauens der Beteiligten im Betrieb an.632 Dabei werden autoritäre Führungsstile abgelehnt und statt dessen demokratische Entscheidungsmodelle anempfohlen, da 629 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 656. 630 Alfred Müller-Armack: Religion und Wirtschaft. Geistesgeschichtliche Hintergründe unserer europäischen Lebensform. Stuttgart 1959, S. 182f. 631 Vgl. dazu und zum Folgenden Loitlsberger: Geschichte der ökonomischen Theorien, S. 537f. 632 Vgl. dazu und zum Folgenden Andreas Pawlas: Christliche Menschenführung im Betrieb? In: Horst Albach u.a. (Schriftl.): Unternehmensethik. Konzepte, Grenzen, Perspektiven. Wiesbaden 1992 (= Zeitschrift für Betriebswirtschaft. Ergänzungsheft 1/92), S. 121–136, 127ff.

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diese der Gleichheit der Christenmenschen gerecht würden; aus dem hohen Stellenwert der Pflichterfüllung resultiert ein gegenüber dem katholischen Glauben verändertes Bild der Nächstenliebe. Sie wird vor allem als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden, was konkret die Schaffung von Arbeitsplätzen bedeutet, was wiederum Investitionen und deren Finanzierbarkeit voraussetzt, wodurch betriebliche Ebenen eine wichtige Bedeutung erlangen.633 Ein weiterer Unterschied zwischen evangelischer und katholischer Soziallehre bestand darin, dass die Lutheraner einen starken monarchischen Gemeinwohlstaat für die erhoffte Integration des Gemeinwesens und die Zügelung der Marktkräfte präferierten, der eng verknüpft mit der Volkskirche einen einheitlichen gesellschaftlichen Ethos gewährleisten sollte.634 Auf gesellschaftliche Entwicklungen wie Fragmentierung, Konkurrenzkampf, Vereinzelung und Auflösung ursprünglicher Gemeinschaftsbande reagierten sie mit Forderungen nach einem starken Kulturstaat als integrative Klammer. An der Entwicklung und Ausformung einer evangelischen Soziallehre – und entsprechender wirtschaftsethischer Positionen – war die evangelische Kirche erst zu einem relativ späten Zeitpunkt beteiligt. In besonderer Weise war sie vom Wandel der Kirchenverfassungen und den Veränderungen des partikularkirchlichen Rechts im 19. und 20. Jahrhundert bestimmt.635 Zuerst machte das bis 1918 bestehende landeskirchliche Kirchenregiment die Ausarbeitung einer spezifisch kirchlich-evangelischen Soziallehre unmöglich. In evangelischen Ländern war für Politik und Wirtschaft der Landesherr zuständig, der zugleich das Kirchenregiment innehatte. Während der Weimarer Republik kam es dann zu einer Neugestaltung der Kirchenverfassungen, die zu einem föderalen Zusammenschluss der Landeskirchen in einem Kirchenbund führte. Auch während der nationalsozialistischen Diktatur und dem innerkirchlichen Kampf konnten keine sozialethischen Konzepte entwickelt bzw. zumindest nicht öffentlich gemacht werden. Einen Öffentlichkeitsauftrag nahm die evangelische Kirche so erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Anspruch, und entsprechend kam es erst dann zu offiziellen kirchlichen Stellungnahmen zu wirtschaftsethischen Themen, in der Regel in Form von Denkschriften. Weit vor diesen offiziellen Stellungnahmen gab es jedoch sowohl eine Vielzahl unterschiedlicher wirtschaftsethischer Aussagen evangelischer Wissenschaftler, die sich um eine wirtschaftsethische Systematik bemühten, als auch eine von einem breiten innerkirchlichen Konsens getragene evangelische Soziallehre – was sich nicht zuletzt aus dem Umstand erklären lässt, dass „evangelisches Kirchenverständnis kein institutionelles kirchliches Lehramt kennt“.636 Entsprechend strittig 633 Vgl. Loitlsberger: Geschichte der ökonomischen Theorien, S. 538. 634 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 656. 635 Vgl. dazu und zum Folgenden Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 760f. Vgl. grundlegend zum partikularkirchlichen Recht Martin Honecker: Recht in der Kirche des Evangeliums. Tübingen 2008 (= Jus Ecclesiasticum 85), S. 192f. 636 Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 760.

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blieb die Kompetenz und Zuständigkeit der Kirche im Hinblick auf die Entwicklung einer Soziallehre und einer systematischen Wirtschaftsethik.637 1.3.5.1

Wilhelminisches Reich: Evangelische Soziallehre und Anfänge des Sozialstaats

Ab dem 19. Jahrhundert rückt mit dem Wandel von einer vorwiegend agrarwirtschaftlichen Stände- zu einer industriell-kapitalistischen Klassengesellschaft und der Sozialen Frage die Auseinandersetzung mit den wirtschaftlich-sozialen Umwälzungen und den daraus folgenden Missständen verstärkt in den Fokus der evangelischen Soziallehre.638 Seit den 1880er Jahren griffen Theologen in ihren ethischen Abhandlungen vermehrt die Soziale Frage auf, so etwa der Dorpater Lutheraner Alexander von Oettingen, der in seinem zweibändigen Werk Die Moralstatistik in ihrer Bedeutung für eine christliche Socialethik eine Bilanz der sozialen Zustände nach Familienbeschaffenheit, Kriminalität, Wohnungsnot und weiteren Kriterien vornimmt. Der Pfarrer Rudolf Todt, der 1876 den Central-Verein für Socialreform ins Leben rief und dessen Wochenschrift Der Staats-Socialist leitete, hielt die Soziale Frage durch einen konsitutionell-monarchischen Staat und die Kooperation von kathedersozialistischer, also eine staatliche Sozialpolitik bejahender Nationalökonomie, wissenschaftlichem Sozialismus und Neuem Testament für lösbar, was er 1877 programmatisch in seiner einflussreichen Schrift Der radikale deutsche Socialismus und die christliche Gesellschaft darlegte. Die Staatsbürokratie unter Reichskanzler Bismarck und Kaiser Wilhelm I. nahm gegen Ende des 19. Jahrhunderts das wachsende revolutionäre Potential wahr, das sich unter den Bedingungen eines ungehemmten und nicht regulierten kapitalistischen Marktgeschehens mit einer einseitigen Akkumulation des Kapitals herausgebildet hatte.639 Die 1881 zum Regierungsprogramm erhobene Sozialge637 Vgl. Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 760f. So betonte Adolf von Harnack bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts anlässlich der Gründung des Evangelisch-Sozialen Kongresses, dass dieser in erster Linie die Aufgabe habe, der Information zu dienen. (Vgl. dazu und zum Folgenden Adolf von Harnack: Der Evangelisch-Sociale Kongress zu Berlin. In: Ders.: Reden und Aufsätze. Bd. 2. Gießen 21906, S. 327–343, 329.) Die Kirche habe kein christliches sozialpolitisches Programm; vielmehr sei soziale Fürsorge – auch in Abgrenzung von der katholischen Soziallehre und vom päpstlichen Lehramt – Aufgabe des Staates, des freien Vereinswesens, der Inneren Mission und der Einzelgemeinde. Und Ernst Troeltsch vertrat die Auffassung, es gebe nur eine soziologische Einstellung zu den sozialen und ökonomischen Problemen. (Vgl. Ernst Troeltsch: Die Sozialphilosophie des Christentums. Zürich 1922, S. 33.) Sozialphilosophie und Wirtschaftstheorie seien rein weltlich. Die christliche Sozialphilosophie verstand er als historisch seit Augustinus durch das Naturrecht geprägte Sozialtheorie. (Vgl. Ernst Troeltsch: Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen. Tübingen 1912, S. 13f.) 638 Vgl. dazu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 116f. 639 Vgl. dazu und zum Folgenden Günter Brakelmann: Ansätze und Entwicklungen der modernen wirtschaftsethischen Fragestellungen in den christlichen Kirchen. Evangelische Kirchen. In: Handbuch der Wirtschaftsethik I, S. 712–740, 712f.

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setzgebung zugunsten der proletarisierten Industrie- und Landarbeiterschaft als Benachteiligte des kapitalistischen Wirtschaftssystems war unumgänglich, führten den Staat aber auch auf einen schmalen Grat zwischen den Forderungen der Vertreter eines liberalistischen Manchester-Kapitalismus auf der einen Seite, die jede sozialpolitische Intervention in die ehernen Gesetze des Marktes und die freie selbsttätige Bildung der bürgerlichen Wirtschaftsgesellschaft ablehnten, und die Vertreter zumeist radikaler sozialistischer Theorien auf der anderen Seite, welche die Zerschlagung des politisch-gesellschaftlichen wie des ökonomischen Systems als Voraussetzung für eine neue freie, gleiche und brüderliche Gesellschaft ansahen. Der von Bismarck entwickelte Staatssozialismus suchte durch die Setzung einer allgemein verpflichtenden Rahmenordnung und basierend auf dem kontinuierlichen Wachstum volkswirtschaftlichen Reichtums die Effektivität der liberalen Marktwirtschaft mit einer sozialstaatlichen Flankierung zugunsten der am Markt strukturell Schwächeren im Sinne einer gemeinwohlorientierten sozialen Gerechtigkeit zu verbinden.640 Vorbereitet und begleitet wurde die in den 1870er und 1880er Jahren vollzogene geistige und politische Wende zum Sozialstaat von einer breiten öffentlichen Diskussion, an der alle politisch und gesellschaftlich relevanten Gruppen beteiligt waren und Einfluss auf Reichstag und Reichsregierung zu gewinnen suchten.641 Die evangelische Kirche beteiligte sich nicht unmittelbar an der Debatte, da sie nicht über repräsentative Organe auf Reichsebene verfügte, sondern aus einzelnen Landeskirchen bestand, denen als oberste Rechtsorgane die jeweiligen Fürsten vorstanden. Der Oberste Evangelische Kirchenrat in Berlin als oberste Behörde der großen evangelischen Landeskirche Preußens äußerte sich in der zweiten Jahrhunderthälfte vermehrt zu sozialen Fragen, ist indes als königlich-preußische Staats- und Kirchenbehörde nicht repräsentativ für den Protestantismus in Deutschland. Von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung des deutschen Sozialstaats waren vielmehr freie Initiativen von protestantischen Kirchenmitgliedern, die gemäß ihres Verständnisses christlichen Glaubens, christlicher Ethik und weltlicher Verantwortung zu Problemen der Politik und Wirtschaft Stellung bezogen: So lässt sich zwar der „Prozess der konstruktiv-kritischen Begleitung der Entwicklung einer Wirtschaftsethik aus protestantischem Geist unter den Bedingungen des deutschen Sozialstaats nachzeichnen […], aber eine kirchliche Sozialethik oder Soziallehre nur schwer […] rekonstruieren“, da es einzelne Gläubige, Gruppen oder Verbände waren, „die durch ihre konzeptionelle Arbeit und durch ihr praktisches sozialpolitisches Engagement einen unverwechselbaren Beitrag zu wirtschaftsethischen Fragen und sozialstaatlicher Konturierung“ leisteten.642

640 Vgl. Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 713. 641 Vgl. dazu und zum Folgenden Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 714. 642 Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 714.

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Der Protestantismus im Wilhelminischen Deutschland war in eine liberale Kulturtheologie und eine konfessionelle Kirchentheologie gespalten, die allerdings in der Einforderung von Gesellschaftsreformen wie auch in der scharfen Abgrenzung vom römischen Katholizismus und dem materialistischen Sozialismus übereinstimmten.643 Die konfessionelle Kirchentheologie vertrat das Programm einer Rechristianisierung der sozialdemokratischen Arbeitnehmerschaft, das durch die auf Johann Heinrich Wichern zurückgehende Innere Mission organisatorisch und durch umfängliche sozialkaritative Aktivitäten realisiert werden sollte, um materielle Not und sittliche Missstände zu lindern und zu beseitigen.644 Die liberale Kulturtheologie maß der religiös-sittlichen Persönlichkeit zentrale Bedeutung zu und wollte in prononcierter Anknüpfung an die Reformation Kirchlichkeit und Religion getrennt wissen. Sie bejahte die relative Eigengesetzlichkeit unterschiedlicher Kulturbereiche und bemühte sich um eine Vermittlung zwischen den neuen industriell-kapitalistischen und den vorindustriell-agrarischen Lebensformen.645 Vom sozialreformerischen Kulturstaat erwartete man die Reintegration der sozialdemokratischen Arbeiterschaft und unterstützte teilweise aktiv den gewerkschaftlichen Kampf um Arbeiterrechte sowie Streikbewegungen. Gegenwartskritische Betrachtungen nahmen jedoch zu, als sich die Erwartung, dass der ökonomisch-technische Fortschritt zu einem harmonischen Zusammenleben autonomer Persönlichkeiten führen würde, als falsch herausstellte. Grundlegenden wirtschaftsethischen Fragen, die sich im Kontext der Sozialen Frage stellten, widmete sich als erstes protestantisches Forum dieser Art der von Rudolf Todt, Rudolf Meyer, Adolf Wagner und Adolf Stoecker 1877 gegründete Central-Verein für Socialreform, der zugleich den Staatssozialisten herausgab. Obwohl zahlreiche Gründer des 1872 ins Leben gerufenen Vereins für Socialpolitik im Zentralverein eine wichtige Rolle spielten, sprach der Zentralverein stärker kirchliche Kreise und insbesondere die Pfarrerschaft an.646 Ordnungspolitisch und wirtschaftsethisch setzte man sich vor allem mit dem Manchester-Kapitalismus und dem ihm zugrunde liegenden überspitzten liberalistischen Individualprinzip auseinander, das man als Auslöser eines moralischen Zerfalls der Gesellschaft betrachtete, da eine reine Orientierung am Eigeninteresse nicht die Grundlage für eine funktionierende arbeitsteilige Gesellschaft und Wirtschaft darstellen könne. Da der Mensch zugleich für sich selbst Verantwortung trage und in einen sozialen, solidarischen Gesamtzusammenhang eingebunden sei, sich also Personalität und Sozialität zwar unterscheiden, aber nicht isolieren ließen, schlägt der Verein die Ergänzung des Individualprinzips durch das solidarische Sozialprinzip zur Ganzheit menschlicher Existenz vor. Ebenso sei die Wirtschaft nicht die Summe von Einzelinteressen, sondern ein von Tradition, Kultur, vor allem auch religiösen 643 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 118. 644 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 118f. 645 Vgl. dazu und zum Nachfolgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 119. 646 Vgl. dazu wie zum Folgenden Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 715.

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Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion

Werten geprägter Prozess, der nicht von seinem gesellschaftlichen und staatlichen Bezugsrahmen losgelöst werden könne. Ziel der Wirtschaft sei die Befriedigung der materiellen und immateriellen menschlichen Bedürfnisse als gesamtkulturelle Aufgabe und somit die Erfüllung der ökonomischen Voraussetzungen für die außerhalb ihrer selbst liegenden Zwecke Humanität und kultureller Fortschritt. Da sie wie Staat und Politik der Gestaltungsaufgabe des politisch-moralischen Willens unterliege und die von ihm gesetzten Ziele verwirkliche, könne die Wirtschaft nie unter dem Verweis auf angebliche Naturgesetze frei von normativen Prinzipien sein, obgleich sie zur Realisierung ihrer Aufgaben freilich auf rationale Methoden angewiesen ist.647 Die von den „Staatssozialisten“ entwickelte Sozialethik auf dem Fundament einer christlichen Anthropologie trugen sowohl entscheidend zur Ablehnung eines liberal-individualistischen Weges innerhalb des deutschen Protestantismus als auch dazu bei, dass dort die Problematik der Wirtschaftsordnung als zentrale wirtschaftsethische Frage unter wechselnden Bedingungen immer wieder neu diskutiert wurde.648 Bereits Todt mit seiner Monographie Der radikale deutsche Socialismus und die christliche Gesellschaft sowie später Friedrich Naumann stehen beispielhaft für eine alle Evangelisch-Sozialen verbindende Tendenz, ihre wirtschaftsethischen und ordnungspolitischen Positionen stets im Prozess einer differenzierten, konstruktiv-kritischen Auseinandersetzung mit den vorherrschenden zeitgenössischen Ideologien sowie deren Untersuchung auf Übereinstimmungen bzw. Konflikte mit christlichen Positionen zu gewinnen: „Wer die soziale Frage verstehen und zu ihrer Lösung beitragen will, muß in der Rechten die Nationalökonomie, in der Linken die wissenschaftliche Literatur der Sozialisten und vor sich aufgeschlagen das Neue Testament haben. Fehlt einer dieser drei Faktoren, so fällt die Lösung schief aus.“649 Todt gelang damit der bemerkenswerte Versuch eines Gesprächs zwischen den Sozialwissenschaften und der Theologie. In diesem Zusammenhang verlangte er auch erstmals überhaupt die Errichtung sozialwissenschaftlicher Lehrstühle an den theologischen Fakultäten. Die beschriebenen Entwicklungen hatten eine Flut wirtschaftsethischer Aussagen protestantischer Provenienz zur Folge, sind aber zugleich dafür verantwortlich, dass sich in der evangelischen Sozialethik im Gegensatz zur katholischen Soziallehre keine den päpstlichen Enzykliken in ihrer Verbindlichkeit vergleichbaren Äußerungen finden lassen.650 Umgekehrt stärkte mit Sicherheit gerade das Fehlen eines verbindlichen kirchlichen Wortes mit dem Charakter einer Handlungsverpflichtung die Mitverantwortung der evangelischen Laien, die sich in weltlicher 647 Vgl. Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 715f. 648 Vgl. dazu wie auch zum Folgenden Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 716f. 649 Rudolf Todt: Der radikale deutsche Socialismus und die christliche Gesellschaft. Versuch einer Darstellung des socialen Gehaltes des Christenthums und der socialen Aufgaben der christlichen Gesellschaft auf Grund einer Untersuchung des neuen Testaments. Wittenberg 21878, S. 1. 650 Vgl. Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 717.

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Verantwortung formulierte. Dabei soll nicht unterschlagen werden, dass auf katholischer Seite die Mitverantwortung und der Einfluss der Laien durch eine starke Verbandsarbeit – etwa durch die gegründete Katholische Arbeiter-Bewegung oder die auf Adolph Kolping zurückgehenden katholischen Gesellenvereine (das spätere Kolpingwerk) – gesichert wurde. Sozialethische Debatte und sozialreformerische Maßnahmen wurden im deutschsprachigen Protestantismus vom 1890 von sozialkonservativen und kulturliberalen Gruppen gemeinsam gegründeten Evangelisch-Sozialen Kongreß weiter vorangetrieben, welcher der staatlichen Sozial- und Gesellschaftspolitik zahlreiche wichtige Impulse verleihen sollte.651 Auf jährlich stattfindenden Tagungen wurden auf hohem wissenschaftlichen Niveau sozialpolitische Diskussionen und Aktivitäten gebündelt und aktuelle sowie prinzipielle Fragen der Ökonomie vom Standpunkt der protestantischen Ethik aus erörtert. Die dem Bildungsbürgertum entstammenden Initiatoren des Kongresses wie etwa der Kirchenhistoriker Adolf von Harnack und der Theologe Martin Rade teilten die Überzeugung, dass das protestantische Christentum auf Basis seiner „gesamtkulturellen Führungsrolle“ wesentliche Beiträge zur Lösung der im Zuge der Industrialisierung und der Entstehung einer heterogenen Klassengesellschaft aufgekommenen Krisen und Konflikte und zum Ausgleich zwischen den gesellschaftlichen Gruppen leisten könne. 652 Nach wenigen Jahren schieden die Sozialkonservativen unter Martin von Nathusius wieder aus dem Kongress aus und riefen 1897 gemeinsam mit Vertretern der Inneren Mission die Freie kirchlich-soziale Konferenz ins Leben, die sich stärker konkreten Diakoniemaßnahmen und weniger sozialpolitischen Aufgaben zuwendete. Verstärkt wurden in der Folge innerhalb der Wissenschaft – gerade auch unter Einfluss des methodischen Historismus – die institutionellen und ökonomischen Bedingungen und Konsequenzen der Kirchen- und Theologiegeschichte in den Blick genommen. Neben von Harnack, der sich um einen Ausgleich von christlichem Glauben und bürgerlichen Kulturidealen bemühte, untersuchte vor allem der Theologe und Kulturphilosoph Ernst Troeltsch in seinen zahlreichen Schriften und besonders in seiner zunächst als Aufsatzfolge und schließlich 1912 als Monographie erschienenen Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen die Wechselbeziehungen zwischen christlich-frommen Gesellschaftsvorstellungen und den Entwicklungen der Wirtschaft.653

651 Vgl. dazu wie zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 119f. Vgl. ebf. Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 717. 652 Friedrich Wilhelm Graf: Protestantische Theologie in der Gesellschaft des Kaiserreichs. In: Ders. (Hg.): Profile des neuzeitlichen Protestantismus. Band 2: Kaiserreich. Teil 1. Gütersloh 1992, S. 12– 117, 19. Vgl. Adolf von Harnack/Martin Rade: Der Briefwechsel zwischen Adolf von Harnack und Martin Rade. Theologie auf dem öffentlichen Markt. Hrsg. und kommentiert von Johanna Jantsch. Berlin u.a. 1996, S. 7. 653 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 120.

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1.3.5.2

Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion

Der protestantische Geist des Kapitalismus

Zu den grundlegenden Themen der modernen Kulturwissenschaften zählt die Frage nach der Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung des okzidentalen Betriebskapitalismus.654 Insbesondere mit Max Weber und seiner berühmten Studie Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus setzt eine religionssoziologische Beschäftigung mit den Wechselwirkungen zwischen einer religiös geprägten Wirtschaftsethik und der Wirtschaftsform eines Kulturraums ein, deren Ergebnisse bis heute kontrovers diskutiert werden.655 Der kulturprotestantische Theologe Ernst Troeltsch begann seit 1906 mit breit angelegten Arbeiten über Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen.656 Beeinflusst von Georg Simmel und Max Weber widmete er sich neben den religiösen Vergemeinschaftungsidealen und politischen Ordnungskonzepten der drei Hauptkonfessionen des westlichen Christentums (Katholizismus, Luthertum und Calvinismus) auch deren besonderer Wirtschaftsethik. Seit 1912 baute Max Weber seine Forschungen zum Protestantismus zu vergleichenden universalhistorischen Untersuchungen der Wirtschaftsethiken aller großen Weltreligionen aus. Ab 1920 erschienen Webers – Fragment gebliebene – Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, in denen er die Entstehung und Ausformung des abendländischen Rationalismus und die Durchsetzung kapitalistischer Zweckrationalität zu erklären suchte. Weber liefert in seinen Studien zur Wirtschaftsethik der Weltreligionen sowie im religionssoziologischen Kapitel seines postum veröffentlichten Wirtschaft und Gesellschaft trotz einiger Kritik mit den „Idealtypen“ eine wirkmächtige Deutung zur Bestimmung der divergierenden Wirtschaftsethiken der großen Religionen und ihrer wirtschaftsethisch relevanten Weltbilddifferenzen.657 Troeltsch verwies 1913 darauf, dass religiöse Deutungssysteme nicht als solche, sondern lediglich in spezifischer Vermittlung bestimmte „Wirtschaftsideale“ und „Wirtschaftsstile“ prägen: Weder seien „Religionen Wirtschaftsideale“, noch „Wirtschaftsformen und -interessen religiöse Gesetze. Die Berührungen sind nur vermittelt“.658 Die vermittelnde Größe bestehe in den „großen soziologischen Formen des Daseins, die einerseits stets von der Religion geschaffen werden und, einmal derartig begründet, aufs tiefste einschneiden in alle wirtschaftliche Arbeit, die andererseits aus wirtschaftlichen – neben anderen – Gründen entstehen und nun ihrerseits in ihre Allmacht die religiöse Vorstellungswelt hineinziehen“.659 Das komplizierte Wesen der Wirtschaftsethik einer Religion wurde von Weber – teils anschließend, teils kritisierend – ebenfalls hervorgehoben. Konkrete Wirtschaftsethiken seien nie654 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 653. 655 Vgl. Klein: Wirtschaftsethik I. Religionsgeschichtlich, S. 131. 656 Vgl. hierzu und zum Folgenden Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 573. 657 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 573f. 658 Ernst Troeltsch: Religion und Wirtschaft [1913]. In: Deutsche Akademiereden. Hg. v. Fritz Strich. München 1924, S. 319–341, 322f. 659 Troeltsch: Religion und Wirtschaft, S. 322f.

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mals bloß durch religiöse Faktoren, sondern stets durch eine Vielzahl von Bedingtheiten bestimmt (worden).660 Religiöse Wirtschaftsethik war für ihn ein gelebtes Ethos, welches durch den spezifischen religiösen Gehalt einer Religion, den „Inhalt ihrer Verkündigung und Verheißung“661, also den materialen Gehalt ihrer Heilsgüter und die in den „psychologischen und pragmatischen Zusammenhängen der Religionen gegründeten praktischen Antriebe zum Handeln“662, wesentlich bestimmt wird. Entscheidende Prägekraft für die Wirtschaftsethik einer Religionsgemeinschaft hätten die Art der Definition der dem Frommen um seiner Erlösung bzw. um seines Seelenheils zukommenden Heilsgüter in der religiösen Tradition, die Heilsmittel sowie das Institutionengefüge der Religionsgemeinschaft.663 Doch sei das Religiöse niemals einziger Bestimmungsgrund eines ökonomischen Habitus – eine Wirtschaftsethik besitzt „selbstverständlich ein im höchsten Maß durch wirtschaftsgeographische und geschichtliche Gegebenheiten bestimmtes Maß von reiner Eigengesetzlichkeit gegenüber allen durch religiöse oder andere […] ‚innerliche‘ Momente bedingten Einstellungen des Menschen zur Welt“.664 Entsprechend der Prägung ökonomischer Mentalität durch die im Medium religiöser Symbolsprachen entwickelten Ordnungen des Lebens, wirkten umgekehrt auch wirtschaftliche Institutionen auf das Ethos einer religiösen Gemeinschaft zurück.665 Die Frage nach den mentalen Voraussetzungen und kulturellen Grundlagen ökonomischer Rationalität wurde auch von Nationalökonomen und Volkswirtschaftlern rezipiert. In der gegenwärtigen Globalisierungsdebatte findet sie eine Aktualisierung: In der von Samuel Huntington angestoßenen Diskussion um den „clash of civilizations“ geht es ebenso wie in der von Michel Albert geprägten Debatte um den „capitalisme contre capitalisme“ um die Unterscheidung konkurrierender Grundtypen des Kapitalismus, deren Unterschiede durch die jeweils unterschiedlichen Arrangements von (sozio)kultureller bzw. religiöser Mentalität und Tradition, Rahmenordnung und sozialer und politischer Institutionen als Begrenzer bzw. Förderer des freien Marktes sowie dem Markt und dessen Prozessen definiert sind.666 Besonders Webers 1904 und 1905 veröffentlichtes Essay Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus rief eine bis heute andauernde, lebhafte und kontro-

660 Vgl. Max Weber: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Vergleichende Religionssoziologische Versuche [1915]. In: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1. Tübingen 91988 (= UTB für Wissenschaft 1488), S. 237–573, 238f. Vgl. dazu wie zum Folgenden Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 574. 661 Weber: Wirtschaftsethik der Weltreligionen, S. 240. 662 Weber: Wirtschaftsethik der Weltreligionen, S. 238. 663 Vgl. Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 575. 664 Weber: Wirtschaftsethik der Weltreligionen, S. 238. 665 Vgl. Weber: Wirtschaftsethik der Weltreligionen, S. 238. Vgl. zudem Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 574. 666 Vgl. Graf: Die geschichtliche Rolle S. 572f.

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verse Diskussion über den Einfluss der Religion auf das kapitalistische Wirtschaftssystem hervor.667 Anschließend an die Studien Karl Bernhard Hundeshagens und Matthias Schneckenburgers aus der Mitte des 19. Jahrhunderts über die ethischen Unterschiede zwischen Luthertum und Calvinismus arbeitete Weber darin eine differenzierte Sicht der Wirtschaftsethiken der beiden protestantischen Konfessionen heraus.668 Nach Weber waren für die Herausbildung des Wirtschaftslebens als Element moderner Kultur vor allem lutherische und calvinistische Positionen von Bedeutung.669 In einer ausführlichen Analyse von Luthers Konzept des weltlichen Berufs des Christen erbrachte Weber den Nachweis, dass die Reformation im Verhältnis zur katholisch-mittelalterlichen Tradition eine äußerst folgenreiche theologische Neubewertung der menschlichen Arbeit vorgenommen habe.670 Entsprechend der Lehre vom Priestertum aller Gläubigen habe Luther die göttliche vocatio nunmehr auf alle Gläubigen bezogen und ihre weltliche Tätigkeit ungeachtet ihres Standes als ihren göttlichen Beruf und wahren Gottesdient gedeutet (vgl. oben). So wurde „anstelle frommer Weltflucht“ der Berufenen, die es in Priestertum und Kloster gezogen hatte, „die tätige Aneignung und Umgestaltung der Welt religiös prämiert“ und die religiösen Energien auf das Diesseits und den jeweiligen Stand ausgerichtet, in den sich der Fromme gestellt sah.671 Diese lutherische „Weltfrömmigkeit“ (Goethe) war zwar einer aktivistischen, leistungsorientierten Lebensführung förderlich, war aber nach Meinung Webers keineswegs der Ursprung der rigiden asketischen Selbstdisziplinierung, die er als entscheidende mentale Ursache eines der Entstehung des Kapitalismus zuträglichen Habitus erachtete.672 Vielmehr habe erst der von Calvin geprägte reformierte Protestantismus und insbesondere der Puritanismus konsequente innerweltliche Askese propagiert. Anhand der puritanischen Frömmigkeitsliteratur versucht Weber darzustellen, dass der psychisch starke Antrieb zu einem streng asketischen, triebkontrollierten und auf Kapitalakkumulation ausgerichteten Handeln in erster Linie aus der elementaren Unsicherheit des reformierten Frommen über seinen Gnadenstand resultiert, die aus der Lehre der doppelten Prädestination folgt. Die Tatsache, dass das erarbeitete Kapital wiederum für erneute, gesteigerte Kapitalakkumulation und nicht etwa für Luxus oder Vergnügungen eingesetzt wurde, erklärt sich nach Weber aus dem Umstand, dass ökonomischer Erfolg als äußeres Zeichen des Erwähltseins durch Gott betrachtet wurde. 667 Vgl. Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 571f. Vgl. dazu ebf. Friedrich Wilhelm Graf: Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur. München 2007 (= Beck`sche Reihe 1779), S. 183f. 668 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 653. 669 Vgl. Leonhardt: Theologische Wirtschaftsethik im Spiegel kirchlicher Verlautbarungen, S. 202f. 670 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 653f. 671 Graf: Stellenwert der Religion, S. 654. 672 Vgl. hierzu sowie zum Nachfolgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 654.

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Weber gelangt zu der Einschätzung, dass die Frömmigkeit des Calvinismus, vor allem die Prädestinationsgewissheit, den Anstoß zu extrem disziplinierter Berufsarbeit und in deren Folge zu innerweltlicher Askese gegeben habe, die wiederum dem Prozess der Kapitalbildung wesentliche Impulse verliehen habe.673 Im Calvinismus äußere sich die Nächstenliebe, „da sie ja nur Dienst am Ruhme Gottes, nicht: der Kreatur, sein darf – in erster Linie in Erfüllung der durch die lex naturae gegebenen Berufsaufgaben“ und sie nehme „dabei einen eigentümlich sachlichunpersönlichen Charakter an: den eines Dienstes an der rationalen Gestaltung des uns umgebenden gesellschaftlichen Kosmos“.674 Die „rastlose Berufsarbeit“ sei den Gläubigen „eingeschärft“ worden, da sie der Vergewisserung des persönlichen Erwähltseins diene.675 Diese „religiöse Wertung“ der „Berufsarbeit als schlechthin höchsten asketischen Mittels und zugleich sicherster und sichtbarster Bewährung des wiedergeborenen Menschen“ habe ja „der denkbar mächtigste Hebel der Expansion jener Lebensauffassung“ sein müssen, „die wir hier als ‚Geist des Kapitalismus‘ bezeichnet haben“.676 Gegenüber dem reformierten Protestantismus veranschlagt Weber der Einfluss des Luthertums auf die Entstehung der modernen Wirtschaft geringer.677 Sowohl Weber als auch Troeltsch betonen dabei nachdrücklich „die traditionalistische Haltung der Wirtschaftsethik“ im Luthertum: „Emporsteigen wollen, durch freie Initiative die gegebenen Ordnungen durchbrechen“, sei „gegen natürliches und göttliches Gesetz“.678 Dagegen sei das Ideal des Calvinismus gerade „nicht die Ergebung in ein fertiges, von der Vorsehung geleitetes System der Berufe, sondern die freie Verwendung der Berufe als Mittel für die heilige Gemeinde“.679 Weber stellt indes nicht das Postulat auf, das Wirtschaftssystem des Kapitalismus sei durch die Reformation geschaffen worden.680 Seine Untersuchung der historischen Kausalbeziehung zwischen protestantischer Ethik und dem Geist des Kapitalismus als „ethisch gefärbte Maxime der Lebensführung“ solle lediglich deskriptiv feststellen, „ob und inwieweit religiöse Einflüsse bei der qualitativen Prägung und quantitativen Expansion jenes ‚Geistes‘ über die Welt hin mitbeteiligt gewesen sind und welche konkreten Seiten der auf kapitalistischer Basis ruhenden Kultur auf sie zurückgehen“.681 Weber stellt also die Frage nach den Bedingungen 673 Vgl. Leonhardt: Theologische Wirtschaftsethik im Spiegel kirchlicher Verlautbarungen, S. 202f. 674 Max Weber: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus [1904/05]. In: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I, S. 17–205, 100f. (Hervorhebungen im Original gesperrt.) 675 Vgl. Weber: Geist des Kapitalismus, S. 105f. 676 Weber: Geist des Kapitalismus, S. 192. 677 Vgl. Leonhardt: Theologische Wirtschaftsethik im Spiegel kirchlicher Verlautbarungen, S. 202f. 678 Ernst Troeltsch: Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen. Tübingen 1912 (= Gesammelte Schriften 1), S. 573. Auch Weber charakterisiert den lutherischen Berufsbegriff als „traditionalistisch“. Vgl. Weber: Geist des Kapitalismus, S. 77. 679 Troeltsch: Soziallehren, S. 655. 680 Vgl. Gregor Fitzi: Max Weber. Frankfurt a.M. 2008, S. 110. 681 Weber: Geist des Kapitalismus, S. 33, 83.

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für die Entstehung einer spezifischen Wirtschaftsethik durch bestimmte religiöse Glaubensinhalte, die er anhand der Betrachtung der Zusammenhänge zwischen dem modernen Wirtschaftsethos und der rationalen Ethik des asketischen Protestantismus zu beantworten sucht.682 Für Weber ist der Charakter des Kapitalbesitzes und des Unternehmertums vorwiegend protestantisch, was sich an einer „stärkere[n] Beteiligung der Protestanten am Kapitalbesitz und den leitenden Stellungen innerhalb der modernen Wirtschaft“ zeige.683 Es sei „Tatsache“, dass die Protestanten seit jeher und in allen Kulturen „eine spezifische Neigung zum ökonomischen Rationalismus“ gezeigt hätten.684 Demgegenüber seien die Katholiken nicht bloß an den höheren Lehranstalten unterrepräsentiert, auch zeige sich eine auffallend „geringere Beteiligung der Katholiken am modernen Erwerbsleben in Deutschland“.685 Die Ursache dafür müsse in der „dauernden inneren Eigenart“ gesucht werden, da sie nicht von äußeren, etwa politischen oder historischen Faktoren abhinge.686 Webers These vom genetischen Zusammenhang zwischen innerweltlicher protestantischer Askese und dem „Geist des Protestantismus“, die auch Troeltsch teilte, wurde bereits in der zeitgenössischen Diskussion bestritten, nicht aber die zentralen Voraussetzungen von Webers Argumentation: So ist der okzidentale Betriebskapitalismus in seinen Ursprungsphasen an spezifische habituelle bzw. mentale Bedingungen geknüpft und setzt einen aktivistischen Menschentypus voraus, der sich durch bestimmte Eigenschaften wie Askese, Risikobereitschaft sowie die Fähigkeit zur Optimierung und rationalen Beurteilung ökonomischer Chancen, Triebunterdrückung sowie rastloses Leistungsstreben auszeichnet.687 Ebenso hatte die reformatorische Lehre vom weltlichen Beruf des Christen eine folgenreiche Neubewertung weltlicher Arbeit zur Folge und bot zudem die Gelegenheit, erarbeiteten Wohlstand ethisch positiv zu qualifizieren.688 Das Profane und Weltliche gewann zudem für Protestanten einen religiösen Verpflichtungsauftrag, weshalb sie ihre religiösen Energien vor allem auf die Gestaltung der Welt konzentrierten. Überdies führte die reformatorische libertas christiana in Kombination mit dem Berufsethos zu einer engen Verbindung überlieferter christlicher Normen mit den bürgerlichen Idealen der Moderne, wobei insbesondere bürgerliche Autonomie aus protestantischer Tradition legitimiert werden konnte und sich das Protestantische in zahlreichen spezifisch bürgerlichen Tugenden ausdrückte. Diese Faktoren bedingen die Existenz einer historischen Wahlverwandtschaft zwi-

682 Vgl. Weber: Geist des Kapitalismus, S. 21. 683 Weber: Geist des Kapitalismus, S. 21. 684 Weber: Geist des Kapitalismus, S. 23. 685 Weber: Geist des Kapitalismus, S. 22. 686 Vgl. Weber: Geist des Kapitalismus, S. 23. 687 Vgl. Graf: Stellenwert der Religion, S. 654. 688 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 654f.

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schen frühem okzidentalem Betriebskapitalismus und protestantischen Lebenswelten, sofern in diesen eine innerweltliche Askese vermittelt wird. Im Gegensatz zu Weber bediente sich zur selben Zeit der Soziologe Werner Sombart alter Argumentationsmuster und machte den „jüdischen Geist“ als entscheidende Quelle für die asketische Wirtschaftsgesinnung aus, welche die Grundlage für die Entstehung und die Durchsetzung des Kapitalismus gebildet habe, „denn: aus der Geldleihe ist der Kapitalismus geboren“.689 Sombart resümiert, dass „am Aufbau der modernen Volkswirtschaft der Anteil der Juden weit größer sei, als man bisher geahnt hatte“.690 Obwohl Sombart in seiner Studie wiederholt betont, sich – gerade auch in Anbetracht des nicht lange zurückliegenden Weberschen Werturteilsstreit (vgl. ausführlicher dazu unten 2.2 Entwicklung ethischer Gedanken innerhalb der Wirtschaftswissenschaften) – subjektiv gefärbter Werturteile enthalten zu wollen691, sind seine Ergebnisse doch paradigmatisch für eine ab der Industrialisierung gerade auch in Intellektuellenkreisen gängige Tendenz, die Geldverleihpraktiken der Juden so zu interpretieren, als wären großer Kapitalbesitz, Judentum und Kapitalismus ein und dasselbe, was wiederum dem modernen, extremen Antisemitismus das Feld bereitete.692 1.3.5.3

„Menschenrechte im Industrialismus“ – Die Formierung der evangelischen Soziallehre im späten Kaiserreich

In der evangelischen Soziallehre finden sich zum Ende der Kaiserzeit neben solch problematischen Positionen wie der Sombarts auch einige – im positiven Sinne – wegweisende Gedanken693: So entwarf Friedrich Naumann, der zu seiner Zeit wohl kreativste Sozialpolitiker im deutschen Protestantismus, mit dem Ziel der Demokratisierung der Betriebe das Modell einer liberalen und zugleich sozialen „Industrieverfassung“ im Sinne eines Industrieparlamentarismus. Seiner Studie Neudeutsche Wirtschaftspolitik von 1902 geht die Frage voraus, wie Industrieuntertanen zu Industriebürgern werden könnten. Damit verbindet Naumann Forderungen nach Betriebsausschüssen für Beamte und Arbeiter, einer Humanisierung der Arbeitsbedingungen sowie einer Verkürzung der Arbeitszeiten. Er schlussfolgert, dass man „bis jetzt die soziale Frage viel zu einseitig als bloße Frage materieller Versorgung angesehen“ habe, doch sei sie „im Großbetrieb einfach die Frage des Menschenrechtes“.694 Angesichts einer „Zukunft mit immer größeren Riesenbetrieben“

689 Vgl. Werner Sombart: Die Juden und das Wirtschaftsleben [1911]. München 1928, S. XI. 690 Sombart: Die Juden und das Wirtschaftsleben, S. V. 691 Vgl. Sombart: Die Juden und das Wirtschaftsleben, S. 222, 329. 692 Vgl. dazu Hubert Kiesewetter: Das einzigartige Europa. Wie ein Kontinent reich wurde. Stuttgart 2006, S. 110ff. Dort finden sich auch noch weitere Verweise. 693 Vgl. dazu wie zum Folgenden Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 719. 694 Friedrich Naumann: Neudeutsche Wirtschaftspolitik. In: Ders.: Werke. Bd. 3: Schriften zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Köln u.a. 1964, S. 71–534, 428.

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müsse man fragen, ob „diese Zukunft eine neue Sklaverei […], ein Ende aller aller liberalen Träume, eine Hörigkeit der Masse“ sein werde, oder ob es „eine Form der Mitwirkung der Beamten und Arbeiter an der Leitung“ geben werde, „die derartige moderne Versklavung unmöglich“ mache.695 Ob „Menschenrechte im Industrialismus“ ihre Gültigkeit behielten, sei „das tiefste Problem der Industrieverfassung“.696 Mit Mitwirkung, Mitbestimmung, Demokratisierung, Humanisierung und Basisdemokratie formulierte Naumann die großen Zukunftsthemen, die für die Um- und Neugestaltung der Industriegesellschaft von Bedeutung sein sollten.697 Für Naumann waren diese Ziele nur auf der Basis der Koalitionsfreiheit mit starken Gewerkschaften auf der einen und handlungsbereiten Unternehmerverbänden auf der anderen Seite zu realisieren. Eine Systematisierung der unterschiedlichen Positionen der evangelischen Theologie im Kaiserreich zu einer einheitlichen Soziallehre ist aufgrund ihrer Diversifizität kein einfaches Unterfangen. Unstrittig ist hingegen, dass gerade diese Generation sozial engagierter evangelischer Wissenschaftler aufgrund ihrer offenen Argumentationsstruktur nachhaltigen Einfluss auf die praktische Reformpolitik gewann, so dass ihre theoretische Grundsatzarbeit in und außerhalb der Vereine, Gesellschaften und Kongresse von ganz entscheidender Bedeutung zuerst für den Auf- und dann auch den weiteren Ausbau des Sozialstaats sein sollte.698 Auch einten den Verbandsprotestantismus trotz aller Verschiedenheiten einige wichtige Gemeinsamkeiten in der Denk- und Mentalitätsstruktur.699 So wendete man sich gegen Extremismus und Radikalismus und zwar sowohl praktisch als auch theoretisch und suchte nach einem Mittelweg, der einerseits den erreichten Fortschritt sicherte und sich andererseits den notwendigen Reformen für die Zukunft nicht verweigerte. Gegen kapitalistische wie sozialistisch-kollektivistische Systemtheorien plädierte man für eine marktwirtschaftliche Ordnung, die von einer staatlichen Rahmenordnung begrenzt wird und die abhängig Arbeitenden gegen die großen Arbeits- und Lebensrisiken absichert. Einigkeit besteht auch über den Wunsch nach einer gesetzlich verbrieften Tarifparteienschaft von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften sowie über die Rolle des Sozialstaats, dem die abschließende Verantwortung zum Aufbau eines Gemeinwohl fördernden Wirtschafts- und Sozialsystems im Dienste der nationalen Wohlfahrt zukommt.

695 Naumann: Neudeutsche Wirtschaftspolitik, S. 428. 696 Naumann: Neudeutsche Wirtschaftspolitik, S. 428. 697 Vgl. dazu und zum Folgenden Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 719f. 698 Vgl. Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 717. 699 Vgl. dazu und zum Folgenden Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 722.

Wirtschaftsethische Fragestellungen

1.3.5.4

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Wirtschaftsethische Positionen in der protestantischen Sozialethik während der Weimarer Republik

Das Ende des Staatskirchentums mit der Gründung der Weimarer Republik bedeutete für die sozialethische Orientierung der evangelischen Theologie einen tiefgreifenden Einschnitt.700 Der deutsche Protestantismus und mit ihm drei programmatische Gruppen, die von den Erfahrungen von Weltkrieg und Revolution besonders geprägt wurden, lehnten die bürgerlich-liberale Ausrichtung der Weimarer Republik überwiegend ab: Der Gedanke natürlicher Lebensgemeinschaften und des Volkes als Ort des natürlich-geschichtlichen Gottesdienstes dominierte das national orientierte Jungluthertum um Emanuel Hirsch, Werner Elert und Paul Althaus, während der religiöse Sozialismus um Paul Tillich eine Verbindung aus Religion und Sozialismus in einer theonomen Gesellschaft anstrebte. Die dialektische Theologie um Karl Barth, Emil Brunner, Rudolf Bultmann und Friedrich Gogarten wandte sich wiederum gegen eine Anthropologisierung und Ethisierung der Theologie.701 Lediglich die liberale Theologie um Adolf von Harnack, Ernst Troeltsch, Martin Rade und Otto Baumgarten befürwortete die neue staatliche, kirchliche und gesellschaftliche Ordnung. Das größte wissenschaftliche Buchereignis zur Wirtschaftsethik wurde die Evangelische Sozialethik des Sozialethikers Georg Wünsch.702 Wünsch setzte sich in seiner 1927 veröffentlichten Monographie mit den philosophischen und theologischen Grundlagen der Wirtschaft und einer Reihe wesentlicher sozialpolitischer Themenkomplexe wie Beruf, Lohn, Arbeit und Arbeitszeit, Arbeitskämpfe, Eigentum und den Aufgaben der Kirche auseinander und spricht sich darin für eine Neuordnung der protestantischen Sozialethik im Sinne eines christlichen Sozialismus aus. Wünsch möchte die gegensätzlichen Ansprüche von Wirtschaft und Religion auflösen, indem er die Wirtschaft einer zentralen ethischen Norm, die sich aus dem Evangelium ergebe und durch die Allmächtigkeit, Heiligkeit und Güte Gottes bestimmt sei, zuordnet.703 So garantiere die Güte Gottes gegen die Macht der Sünde, dass Ziel und Sinn der Welt von Gott her gesichert seien, dass „Gott seinen allmächtigen Willen zum Zweck der positiven Verwirklichung des in der Schöpfung als Ansatz vorhandenen“ einsetze.704 Ausgehend von diesem Grundgedanken entwickelt Wünsch in Anlehnung an die Werteethik Max Schelers eine theologisch-ethische Deutung allen Kulturschaffens.705 Wirtschaftliches Handeln habe entsprechend der Sicherung 700 Vgl. dazu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 120f. 701 Vgl. dazu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 121. 702 Vgl. dazu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik VI. Ethisch, S. 174. Vgl. dazu ebf. Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 724f. 703 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 174. 704 Georg Wünsch: Evangelische Wirtschaftsethik. Tübingen 1927, S. 202. 705 Vgl. Jähnichen/Friedrich: Geschichte der sozialen Ideen, S. 1011.

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der stofflich-materiellen Grundlage menschlichen Lebens zu dienen.706 Gegenüber der im Protestantismus verbreiteten religiösen Sanktionierung gängiger Ordnungen hob Wünsch die Wandel-, Veränder- und Ersetzbarkeit aller Ordnungen hervor, wenn sie den Forderungen der Güte Gottes widerstritten. Wünsch fordert eine effektive und am Bedarf der Menschen orientierte, nicht aber erwerbsorientierte Wirtschaftsordnung.707 Die grundsätzliche Bejahung der Autonomie der Wirtschaft ist bei ihm verknüpft mit einer strikten Ablehnung der Selbstzweckhaftigkeit der Wirtschaft. Die von der klassischen Nationalökonomie vertretene Behauptung einer Eigengesetzlichkeit der Wirtschaft im Sinne einer naturkausalen mechanischen Gesetzmäßigkeit erachtet er als überholt. Wirtschaftswerte sind für Wünsch stets nur dienende Werte, die den „elementare[n] und kulturelle[n] Bedürfnissen“ und Zielsetzungen untergeordnet werden müssten, um die Lage der schwächsten Glieder der Gesellschaft zu verbessern.708 Die notwendige Begrenzung der Selbstzweckhaftigkeit der Wirtschaft seien weder vom Privatkapitalismus noch vom Marxismus zu leisten, die beide die Ökonomie verabsolutierten.709 Von einer effizienten Bedarfswirtschaft verspricht er sich die Befreiung von der Massenarmut hin zu einem auf Gott ausgerichteten Leben, eine Minimierung der Arbeitszeit und eine Erhöhung der allgemeinen Kulturbedingungen. 710 Entsprechend seiner Auffassung der Wirtschaftspolitik als Folge christlichen Glaubens fordert er die Einbindung des strikt geplanten Wirtschaftslebens in ein christlich ausgerichtetes Gesellschaftsleben und die Sozialisierung der Produktionsmittel bei gleichzeitiger Privatisierung der Konsumtionsmittel. Wünschs Positionen stehen paradigmatisch für die während der Weimarer Republik zunehmend aufkommende Bewegung eines Religiösen Sozialismus. Die Selbstbezeichnung Religiöser Sozialismus wurde bereits 1906 von den Schweizer evangelischen Theologen Hermann Kutter und Leonhard Ragaz geprägt, die sich so von nichtreligiösen Sozialisten und antisozialistischen Christen abgrenzen wollten. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen unterschiedliche christliche deutsche Gruppen den Begriff für verschiedene Programmatiken. 1926 vereinten sie sich zum Bund der Religiösen Sozialisten Deutschlands, der als evangelische Kirchenpartei auftrat und gegen nationalistische, militaristische und antidemokratische Tendenzen der evangelischen Kirchen in der Weimarer Republik vorgehen wollte. Der erste geschäftsführende Vorsitzende des Bundes, Pfarrer Erwin Eckert, forderte programmatisch, die evangelische Kirche dürfe „den aus der kapitalisti-

706 Vgl. dazu und zum Folgenden Jähnichen/Friedrich: Geschichte der sozialen Ideen, S. 1009–1012. 707 Vgl. dazu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 123. 708 Georg Wünsch: Wirtschaftsethik. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. 2., völlig neubearb. Aufl . Bd. 5. Tübingen 1931, Sp. 1964–1971, 1967. Vgl. zudem Georg Wünsch: Religion und Wirtschaft. Tübingen 1925, S. 11. 709 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 123. Vgl. auch Daniel Dietzfelbinger: Praxisleitfaden Unternehmensethik. Kennzahlen, Instrumente, Handlungsempfehlungen. Wiesbaden 2008, S. 316. 710 Vgl. dazu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 124.

Wirtschaftsethische Fragestellungen

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schen Wirtschaftsform immer wieder genährten Egoismus und die kalte Gleichgültigkeit gegen das von der kapitalistischen Wirtschaftsform verursachte Elend nicht dulden“, sondern müsse „laut dafür eintreten, daß eine bessere, dem Brudersinn Jesu entsprechende Gestaltung unseres Wirtschaftslebens“ eintrete.711 Die verfassten Kirchentümer definierten in der Weimarer Republik ebenfalls verstärkt die soziale Verantwortung als kirchliche Aufgabe.712 Entsprechend wurden Sozialausschüsse auf allen synodalen Ebenen eingerichtet und in einer bisher ungekannten Breite alle wirtschaftlichen und sozialen Konfliktfelder der Weimarer Zeit diskutiert. Aus der Arbeit der „Konferenz der hauptamtlichen Sozialpfarrer“ des Evangelischen Kirchenbundes gingen 1925 die so genannten Eisenacher Richtlinien hervor. Dort heißt es, dass „die Verkündigung des Wortes vom Gesichtspunkte der sozialen Aufgabe aus […] tiefgreifende und klare Erkenntnis der sozialen Tatbestände und ihrer Zusammenhänge“ erfordere.713 „Zentrale Erfordernis“ sei daher „wissenschaftliche Arbeit an den hier erwachsenen Fragen zur Herausstellung einer evangelischen Soziallehre, also sozialwissenschaftliche und theologische Arbeit“, die nicht zwingend von einem Pfarrer geleistet werden müsse.714 Vorausgegangen war die vom Betheler Kirchentag des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes 1924 formulierte „Soziale Botschaft“ an Kirche und Öffentlichkeit, welche die erste ausführliche Auseinandersetzung der Kirchenöffentlichkeit mit sozialen und ökonomischen Fragen darstellte.715 Die Betheler Botschaft hat dabei ihren Schwerpunkt in empirisch-kritischer Analyse der Gegenwart, wobei sie in erster Linie personal- und berufsethisch argumentiert. Dabei wird unter Verweis auf die „Verschärfung der sozialen Gegensätze“ vor allem auf ein verändertes Bewusstsein der Christen abgestellt, von dem sich der Kirchenbund eine Verbesserung der sozialen Situation der Schwächeren sowie der Kommunikationsstruktur der Verantwortlichen verspricht.716 Das Wirtschaftsordnungsproblem bleibt dabei allerdings ebenso weitgehend außen vor wie die liberal-sozialen und religiös-sozialistischen Anregungen der sozialethischen Diskussion der Zeit. Lediglich auf die Kämpfe um die „Ausgestaltung und Fortentwicklung der wirtschaftlichen Ordnungen“ wird verwiesen, die zwar ihre Berechtigung hätten, wobei es aber besonders auf 711 Zit. nach: Johannes Kandel: Theorien der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik – Religiöser Sozialismus. In: Thomas Meyer u.a. (Hg.): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Lernund Arbeitsbuch. Darstellung, Chronologie, Dokumente. Bd. 2. Bonn 1984 (= Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe 207), S. 455–483, 458. 712 Vgl. wie auch zum Folgenden Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 727. 713 Leitsätze des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses für die soziale Aufgabe der Kirche (1925). In: Günter Brakelmann/Traugott Jähnichen (Hg.): Die protestantischen Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft. Ein Quellenband. Gütersloh 1994, S. 266–268, 266. 714 Leitsätze des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses für die soziale Aufgabe der Kirche (1925), S. 266. 715 Vgl. dazu und zum Folgenden Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 727f. 716 Soziale Botschaft und Entschließung des Deutschen Evangelischen Kirchentages von 1924 in Bethel. In: Brakelmann/Jähnichen (Hg.): Die protestantischen Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft, S. 268–273, 271.

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den Geist ankomme, „in dem diese Kämpfe geführt werden“.717 Die „Erfahrungen der letzten Jahre“ hätten gezeigt, dass „alle Versuche, das wirtschaftliche Leben allein auf äußeren sozialen Forderungen und Maßnahmen aufzubauen“, scheiterten und nicht zum Frieden führten.718 „Wahrhaft soziale Gesinnung“ entstamme indes aus dem christlichen Glauben, „mit dem die Ueberzeugung von dem unvergleichlichen Wert der Menschenseele, die Pflicht zur Brüderlichkeit und zum opferwilligen Dienen, das Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und als oberstes Ziel das Reich Gottes“ gegeben sei.719 Nur auf „christlichem Boden“ seien dementsprechend die sozialen Forderungen „vernünftig und […] ihre Verwirklichung möglich“.720 Diese Verwirklichung setze zwar „eine feste wirtschaftliche Ordnung voraus“, doch können diese Ordnung „nur dann soziale Gerechtigkeit bringen“, wenn sie beachte, „daß der Mensch unendlich wichtiger ist als alle Sachwerte“.721 „Mit ernster Sorge“ betrachtet die Botschaft die zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern entbrennenden „Kämpfe“, die das Potential hätten, „die Volksgemeinschaft, die gegenwärtig doppelt nottut, zu zerreißen und Deutschlands Gesundung und Aufstieg zu vereiteln“.722 Trotz Berufung zu gemeinsamer Arbeit und Angewiesenheit aufeinander stünden sich beide Gruppen „vielfach fremd oder gar feindlich gegenüber“ und „Ueberhebung und Machtbewußtsein, Neid und Mißgunst, hüben und drüben Verständnislosigkeit und Bitterkeit“ herrschten vor.723 Gespeist würde dieses „Unheil(s)“ durch den „materialistische[n] Geist, der das Leben nach Geldverdienen und Genuß“ einschätze, „die Einzel- und Klassenselbstsucht unheimlich groß“ werden ließe und „nicht selten sogar das Gewissen des einzelnen unter den Willen der Masse oder einer Vereinigung“ knechte. 724 Dieser materialistische Geist stünde dem Frieden entgegen, der nur aus „der christlichen Einschätzung des Lebens und wirklicher Brüderlichkeit“ erwachsen könne.725

717 Soziale Botschaft thel, S. 271. 718 Soziale Botschaft thel, S. 271. 719 Soziale Botschaft thel, S. 271. 720 Soziale Botschaft thel, S. 271. 721 Soziale Botschaft thel, S. 271. 722 Soziale Botschaft thel, S. 271. 723 Soziale Botschaft thel, S. 271f. 724 Soziale Botschaft thel, S. 272. 725 Soziale Botschaft thel, S. 272.

und Entschließung des Deutschen Evangelischen Kirchentages von 1924 in Beund Entschließung des Deutschen Evangelischen Kirchentages von 1924 in Beund Entschließung des Deutschen Evangelischen Kirchentages von 1924 in Beund Entschließung des Deutschen Evangelischen Kirchentages von 1924 in Beund Entschließung des Deutschen Evangelischen Kirchentages von 1924 in Beund Entschließung des Deutschen Evangelischen Kirchentages von 1924 in Beund Entschließung des Deutschen Evangelischen Kirchentages von 1924 in Beund Entschließung des Deutschen Evangelischen Kirchentages von 1924 in Beund Entschließung des Deutschen Evangelischen Kirchentages von 1924 in Be-

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Indem sie eine substantielle Auseinandersetzung mit der Ordnung des Systems umging und sich statt dessen auf eine klassische berufsethische Argumentation beschränkte, blieb die evangelische Kirche so trotz der inhaltlichen Bedeutung der Betheler Botschaft in gewisser Weise hinter dem zur damaligen Zeit bereits erreichten sozialethischen Diskussionsstand zurück.726 1.3.5.5

Grundlinien der evangelischen Wirtschaftsethik nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Teilung Deutschlands führte zu völlig unterschiedlichen Entwicklungen in den Besatzungszonen: Dem in der US-amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone etablierten marktwirtschaftlichen System stand die Zentralverwaltungswirtschaft in der russischen Besatzungszone antagonistisch gegenüber. Für die wirtschaftsethischen Überlegungen zur Neuordnung des Wirtschaftssystems nach dem Zweiten Weltkrieg waren vor allem die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur prägend.727 Während des Nationalsozialismus erlebte die Entwicklung wirtschaftsethischer Positionen auf Basis eines reformatorischen Welt- und Gesellschaftsbildes einen Höhepunkt.728 Vor allem die Denkschrift des Freiburger Bonhoeffer-Kreises vom Januar 1943 unter dem Titel Politische Gemeinschaftsordnung. Ein Versuch zur Selbstbesinnung des christlichen Gewissens in den politischen Nöten unserer Zeit war für die Zukunft von besonderer Bedeutung. Mitglieder des bürgerlich-christlichen Widerstands und der Bekennenden Kirche wie der Ökonom Franz Böhm, der Theologe Constantin von Dietze, die Ökonomen Walter Eucken und Adolf Lampe sowie der Politiker Carl Friedrich Goerdeler, der Unternehmer Walter Bauer, der Historiker Gerhard Ritter, der Jurist Erik Wolf und die theologischen Berater Helmut Thielicke und Otto Dibelius entwickelten das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft programmatisch und interdisziplinär aus ihrem Selbstverständnis als Christen, indem sie unter Einsatz ihres Lebens ihre Mitverantwortung für einen zukünftigen Rechts- und Sozialstaat auf Basis einer freiheitlichen und sozialen Wirtschafts- und Sozialordnung formulierten. Die Erfahrungen mit dem ungenügenden individualistisch strukturierten Wirtschaftsliberalismus des 19. Jahrhunderts, mit der ordnungspolitischen Konzeptlosigkeit und Handlungsschwäche des Weimarer Staates, die eine Dominanz großindustrieller und großagrarischer Interessen nach sich zog, auf der einen Seite und auf der anderen Seite mit den Folgen der kommunistischen Zentralwirtschaft als bolschewistische Alternative zum Industriekapitalismus sowie unter dem Eindruck der völligen systematischen Aufhebung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit und vollständiger Entwürdigung, Entmenschlichung und Instrumentalisierung des

726 Vgl. Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 728. 727 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 124. 728 Vgl. dazu und zum Folgenden Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 729.

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Individuums im totalitären NS-Staat führten zur Entwicklung einer Ordnungsalternative, die dem christlichen Menschenbild der Gruppe, den christlichen Grundsätzen von Ethik und Moral sowie den Prinzipien des europäischen Humanismus gleichermaßen entsprechen sollte.729 Es ging ihnen dabei nicht um einen akademischen Diskurs, sondern um die Entwicklung gangbarer Wege in eine neue humane Ordnung von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat.730 Neben der Restituierung eines handlungsfähigen Rechtsstaates strebten sie nach einer Neubestimmung der Person in der Ökonomie und komplementär der Rolle der staatlichen Wirtschaftsund Sozialpolitik. Die Denkschrift spricht beinahe alle wichtigen Komplexe, die im Zusammenhang mit Wirtschaftsordnungsfragen stehen, an. Immer wieder versucht sie dabei, einen Bezug zwischen den beiden wesentlichen Zielen Freiheit der Person und Gerechtigkeit in der Gesellschaft herzustellen: Es wird das Bestreben geäußert, „eben sowohl das Extrem des wirtschaftlichen Kollektivs mit seinen seelisch verwüstenden Wirkungen zu vermeiden wie die Wirtschaftsanarchie eines einseitig und falsch verstandenen Wirtschaftsliberalismus, der dem privaten Egoismus schlechthin alles überläßt und auf eine prästabilierte Harmonie aller Wirtschaftsegoismen vertraut“. Ziel ist die Anregung der „selbständige[n] Initiative und Freiheit der Wirtschaftenden“, die aber „zuchtvoll gebändigt“ und „in den Rahmen einer festen und streng überwachten Gesamtordnung“ eingefügt werden müsse, was dem „Grundgedanken unserer gesamten Ausarbeitung“ entspräche, „die den Personalcharakter des Menschen nur im Rahmen einer wahren Gemeinschaftsordnung gesichert sieht“.731 Dieser Intention der Denkschrift entspricht auch die wenig später von Alfred Müller-Armack aufgestellte Forderung: „Was wir verlangen, ist eine neu zu gestaltende Wirtschaftsordnung.“732 So eine Ordnung könne „nie aus dem Zweckdenken und überalterten politischen Ideen allein vorgehen“, sondern bedürfe „der tieferen Begründung durch sittliche Ideale, welche ihr erst die innere Berechtigung“ verliehen.733 „Zwei großen sittlichen Zielen fühlen wir uns verpflichtet, der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit.“734 Entsprechend müsse „die soziale Gerechtigkeit mit und neben der Freiheit zum integrierenden Bestandteil unserer künftigen Wirtschaftsordnung erhoben werden“.735

729 Vgl. Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 730. 730 Vgl. wie auch zum Folgenden Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 731. 731 Freiburger Bonhoeffer-Kreis: In der Stunde Null. Die Denkschrift des Freiburger „Bonhoeffer-Kreises“: Politische Gemeinschaftsordnung. Ein Versuch zur Selbstbestimmung des christlichen Gewissens in den politischen Nöten unserer Zeit. Eingel. von Helmut Thielicke. Mit einem Nachw. von Philipp von Bismarck. Tübingen 1979, S. 91. 732 Alfred Müller-Armack: Vorschläge zur Verwirklichung der Sozialen Marktwirtschaft [1948]. In: Ders.: Genealogie der Sozialen Marktwirtschaft. Frühschriften und weiterführende Konzepte. 2., erw. Aufl. Bern u.a. 1981 (= Beiträge zur Wirtschaftspolitik 34), S. 90–109, 90. 733 Müller-Armack: Vorschläge zur Verwirklichung der Sozialen Marktwirtschaft, S. 90. 734 Müller-Armack: Vorschläge zur Verwirklichung der Sozialen Marktwirtschaft, S. 90. 735 Müller-Armack: Vorschläge zur Verwirklichung der Sozialen Marktwirtschaft, S. 91.

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Aus diesen Vorstellungen ging das in der sog. Freiburger Schule vom Nationalökonomen und Religionssoziologen Alfred Müller-Armack später als „Soziale Marktwirtschaft“ bezeichnete, als eine mit „sozialer Gerechtigkeit […] in einem komplementären Verhältnis“ stehende Marktwirtschaft entwickelte und von Ludwig Erhard politisch umgesetzte Konzept hervor.736 1948 erläuterte der spätere Bundeswirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard, dass man „mit der wirtschaftspolitischen Wendung von der Zwangswirtschaft hin zur Marktwirtschaft […] mehr getan“ habe, „als nur eine engere wirtschaftliche Maßnahme in die Wege geleitet“.737 Vielmehr sei das „gesellschaftswirtschaftliche(s) und soziale(s) Leben auf eine neue Grundlage und vor einen neuen Anfang gestellt“ worden.738 Dazu habe man der „Intoleranz, die über die geistige Unfreiheit zur Tyrannei und zum Totalitarismus“ führt, abschwören und zu einer Ordnung gelangen müssen, die „durch freiwillige Einordnung, durch Verantwortungsbewußtsein in einer sinnvoll organischen Weise zum Ganzen“ entsprechend eines „organisch verantwortungsbewußten Staatsdenken[s]“ strebe.739 Die „geistige Grundlage“ für diesen Staat, auf der man „eine neue Wirtschaft, eine neue gesellschaftliche Ordnung aufbauen“ wolle, gründe sich auf die „Freiheit des Individuums, zusammenstrebend zu einem höheren Ganzen“.740 Die Idee der Sozialen Marktwirtschaft erscheint bei ihren Vätern als Alternative sowohl zur kommunistischen Planwirtschaft als auch zur nationalsozialistischen Kommandowirtschaft, besonders aber auch als Gegenmodell zu jeder Form eines Laissez-faireKapitalismus.741 Um ein freiheitliches Marktsystem und ein gerechteres Sozialsystem zu gewährleisten und einen Ausgleich zwischen beiden sicherzustellen, kommt dem Staat die sog. Ordo-Funktion zu: Das bedeutet, dass er in letzter Zuständigkeit die ordnungspolitische Aufgabe zu erfüllen hat, die Marktwirtschaft einerseits durch Rahmenbedingungen so zu begrenzen, dass ein anarchischer Wettbewerb und eine übermäßige Machtakkulumation zuungunsten der Schwächeren verhindert wird, und andererseits eine Wettbewerbsordnung zu realisieren, die der Dynamik des Marktes förderlich ist. Das bedeutet Wirtschaftspolitik zur Gestaltung der Wirtschaftsordnung, nicht aber staatliche Lenkung des Wirtschaftsprozesses. Staatliche Ordnungspolitik hebt den Markt folglich nicht auf, sondern kontrolliert als Sachwalter dessen Funktionsfähigkeit zur Erreichung des Gemeinwohls. Dass der politische Ordnungswille des Staates Priorität insbesondere auch gegenüber

736 Friedrun Quaas: Soziale Marktwirtschaft. Wirklichkeit und Verfremdung eines Konzepts. Bern 2000 (= Beiträge zur Wirtschaftspolitik 74), S. 55. 737 Ludwig Erhard: Die neuen Tatsachen. In: Wolfgang Stützel u.a. (Hg.): Grundtexte zur Sozialen Marktwirtschaft. Zeugnisse aus zweihundert Jahren ordnungspolitischer Diskussion. Stuttgart u.a. 1981, S. 47–48, 47. 738 Erhard: Tatsachen, S. 47. 739 Erhard: Tatsachen, S. 47. 740 Erhard: Tatsachen, S. 47. 741 Vgl. dazu und zum Folgenden auch Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 732.

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der Wirtschaft haben müsse, war bei den Vätern der Sozialen Marktwirtschaft unbestritten. Ein wesentliches anthropologisches Element der inneren Textur der Sozialen Marktwirtschaft stellt ein konsequent personales Verständnis des Menschen dar, das stets mit dem Gedanken der Sozialpflichtigkeit des Ökonomischen sowie der zwischenmenschlichen Solidarität eng verbunden erscheint.742 Der Mensch ist dabei gleichermaßen durch Eigeninteresse und Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl sowie sich selbst und seine Nächsten gekennzeichnet. Die Begründung und Entwicklung der Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft und des deutschen Sozialstaats entstand unter maßgeblichem Einfluss und wesentlicher Beteiligung der evangelischen Sozialethik und ihrer Protagonisten.743 Günter Brakelmann und Traugott Jähnichen beschreiben in ihrem Quellenband Die protestantischen Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft als „in wesentlichen Zügen von den sozialethischen Traditionen des Protestantismus mitbestimmt“.744 So ließe sich „für die unmittelbare Nachkriegszeit […] diese These sogar dahingehend zuspitzen, dass eine Verbindungslinie zwischen der sozialethischen Diskussion des Protestantismus und der Begründung des Konzepts ‚Soziale Marktwirtschaft‘“ bestehe.745 Im Gegensatz „zur sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Forderung nach einer gelenkten Wirtschaft und dem im sozialen Katholizismus mehrheitlich propagierten ‚christlichen Sozialismus‘ einerseits und im Unterschied zur von den liberalen Parteien geforderten freien Marktwirtschaft andererseits“ seien es besonders „in der Tradition des sozialen Protestantismus stehende Theoretiker, die eine neue Synthese sozialer Verantwor742 Vgl. dazu und zum Folgenden Brakelmann: Christliche Kirchen. Evangelisch, S. 734. 743 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 657. Vgl. dazu ebf. Gerhard Besier: Die Rolle der Kirchen im Gründungsprozeß der Bundesrepublik Deutschland. Lüneburg 2000 (= Lüneburger Universitätsreden 2); sowie ders.: Die politische Rolle des Protestantismus in der Nachkriegszeit. In: Beilage zu Das Parlament 50 (2000), S. 29–38.Vgl. grundlegend zur Etablierung der Sozialen Marktwirtschaft und Begründung des deutschen Sozialstaats sowie zu den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der Nachkriegszeit, auf die in diesem Rahmen nicht ausführlicher eingegangen werden kann, z.B. Christoph Kleßmann: Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945–1955. Bonn 51991 (= Bundeszentrale für Politische Bildung, Schriftenreihe: Studien zur Geschichte und Politik 298); vgl. ebf. Winkler: Der lange Weg nach Westen. Bd. 2, S. 116–205; sowie Gerold Ambrosius: Die Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft in Westdeutschland 1945–1949. Stuttgart 1977; vgl. ebf. Quaas: Soziale Marktwirtschaft. Wirklichkeit und Verfremdung eines Konzepts; vgl. überdies Uta Gerhardt: Soziologie der Stunde Null. Zur Gesellschaftskonzeption des amerikanischen Besatzungsregimes in Deutschland 1944–1945/6. Frankfurt a.M. 2005 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1768); vgl. darüber hinaus zur politischen Kultur in der Gründungs- und Anfangsphase der Bundesrepublik Sebastian Ullrich: Der WeimarKomplex. Das Scheitern der ersten deutschen Demokratie und die politische Kultur der frühen Bundesrepublik. Göttingen 2009. 744 Günter Brakelmann/Traugott Jähnichen: Einleitung. Protestantische Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft. In: Diesn. (Hg.): Die protestantischen Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft. Ein Quellenband. Gütersloh 1994, S. 13–17, 13. 745 Brakelmann/Jähnichen: Einleitung. Protestantische Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft, S. 13.

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tung und marktwirtschaftlicher Effizienz“ angestrebt hätten.746 Die Soziale Marktwirtschaft erscheint so als historisch bestimmtes Konstrukt, das in einer langen geistesgeschichtlichen Kontinuitätslinie „als Antwort auf spezifische Probleme einer bestimmten Zeit“ zu verstehen ist.747 Müller-Armack selbst verwies auf die Kontinuitätslinien in den wissenschaftlichen Ursprüngen der Systematik: So habe „lange geistige Vorbereitung […] zu dieser modernen Lösung einer freien und sozialen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung“ geführt.748 Während und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg gab unter anderem der Freiburger Nationalökonom Constantin von Dietze der evangelischen Sozialethik bedeutende Impulse.749 Zur Zeit des Nationalsozialismus hatte sich von Dietze in der Bekennenden Kirche und im Freiburger Kreis, einem Zusammenschluss von ordoliberalen Wirtschaftswissenschaftlern, Juristen und einer Reihe von evangelischen und katholischen Christen, die aus Anlass der Novemberpogrome im Jahr 1938 in einem oppositionellen Gesprächskreis zusammenkamen, engagiert und sich seitdem für eine von der christlichen Ethik bestimmte neue Wirtschaftsordnung eines demokratischen Deutschlands eingesetzt. Nachdrücklich unterstützte von Dietze das die Sozial- und Wirtschaftsordnung der jungen Bundesrepublik bestimmende Programm der Sozialen Marktwirtschaft, das die staatliche Ordnungspolitik so auszugestalten suchte, dass individuelle Freiheit und soziale Gerechtigkeit miteinander verknüpft und die wettbewerblichen Eigeninitiativen für den sozialen Fortschritt genutzt würden.750 In seinem 1941 in Alpirsbach vor der Gesellschaft für Nationalökonomie gehaltenen und 1947 veröffentlichten Vortrag Nationalökonomie und Theologie beschrieb von Dietze historisch und systematisch die Zusammenhänge zwischen Nationalökonomie und christlicher Theologie. Darin beklagt er die positivistische Ausrichtung der Nationalökonomie seit der Jahrhundertwende, die zu einem Unverhältnis zur Theologie geführt habe.751 Die Nationalökonomie begreift von Dietze als Ordnungswissenschaft, die darstelle, wie eine optimale Bedarfsdeckung mit einem möglichst geringen Mitteleinsatz erzielt werden könne.752 Da er die Gerechtigkeit – auch unter 746 Brakelmann/Jähnichen: Einleitung. Protestantische Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft, S. 13. 747 Knut Borchardt: Die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft in heutiger Sicht. In: Otmar Issing (Hg.): Zukunftsprobleme der sozialen Marktwirtschaft. Verhandlungen auf der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Nürnberg. Berlin 1981 (= Schriften des Vereins für Socialpolitik. N.F. 116), S. 33–53, 35. Vgl. dazu auch Ralf Ptak: Vom Ordoliberalismus zur Sozialen Marktwirtschaft. Stationen des Neoliberalismus in Deutschland. Opladen 2004, bes. S. 228f. 748 Alfred Müller-Armack: Die wissenschaftlichen Ursprünge der Sozialen Marktwirtschaft [1973]. In: Ders.: Genealogie der Sozialen Marktwirtschaft. Frühschriften und weiterführende Konzepte. 2., erw. Aufl. Bern u.a. 1981 (= Beiträge zur Wirtschaftspolitik 34), S. 176–184, 178. 749 Vgl. hierzu und zum Folgenden Meckenstock, S. 174. 750 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 124f. Vgl. ebf. Meckenstock: Wirtschaftsethik VI. Ethisch, S. 174. 751 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 124f. 752 Vgl. dazu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 125.

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den Erfahrungen des Nationalsozialismus – durch eine Selbstvergötzung weiter Teile der Sozialökonomie und des gesellschaftlichen Lebens bedroht sieht, erachtet er unter Bezugnahme auf Luther und den Gedanken der creatio continua die Erhaltungs- und Bewahrungsordnung auch für das Wirtschaften als maßgeblich. Nach Meinung von Dietzes könne die Theologie für die Nationalökonomie vor allem in anthropologischen Aussagen über das Verhalten und die Natur der Menschen sowie in sozialtheoretischen Aussagen bezüglich weltlicher Ordnungen und des Persönlichkeitswertes der Menschen einen wichtigen Beitrag leisten. Die Nationalökonomie wiederum liefere der Theologie Aussagen über die faktischen gesellschaftlichen Zustände der Gegenwart.753 Die Grundzüge einer christlich bestimmten Sozialwirtschaftsethik erläuterte von Dietze in seinem im Herbst 1947 vor der evangelischen Akademie in Bad Boll gehaltenen und 1947 erschienenen Vortrag Eigengesetzlichkeit und Verantwortlichkeit in der Wirtschaft.754 Darin lehnt er eine vollständige Autonomie der Wirtschaftsordnung ab. Jede Wirtschaftsordnung müsse an moralische Kategorien der Verantwortlichkeit gebunden bleiben, die sich aus Gottesfurcht, Nächstenliebe und den Zehn Geboten herleiten ließen. Von Dietze optiert für eine planmäßige, in sich nach Wettbewerbskriterien gegliederte Gesamtordnung der Wirtschaft, die auch die rechtliche und soziale Rahmenordnung umfasst. Durch Individualisierung, Dezentralisierung und Einzelentscheidung sieht er den besten Schutz vor totalitären Ansprüchen gewährleistet.755 Zudem vertrage sich die Wettbewerbswirtschaft am Besten mit politischer Dezentralisierung, die für eine echte Demokratie charakteristisch sei. Eine gerechte Preis- und Lohnbildung stelle ein geeignetes Mittel gegen Ausbeutung dar, mit der optimalen Güterversorgung bestehe zudem die Aussicht auf die Überwindung von Armut und Massenarbeitslosigkeit. Der Staat habe mit einer aktiven Wirtschaftspolitik zum einen das Funktionieren des Marktes zu sichern, müsse aber zum anderen Monopolisierungstendenzen durch eigenes wirtschaftliches Engagement unterbinden.756 In einer ebenfalls aktiven Sozialpolitik habe der Staat jedem Gruppenegoismus entgegenzuwirken und müsse sich am Wohnungsmarkt, für die betriebliche Mitbestimmung sowie den Gesundheitsschutz einsetzen.757 Von wesentlicher Bedeutung für die neuere wirtschaftsethische Debatte waren die Arbeiten des Schweizer Sozialethikers Arthur Rich, der in seiner 1984 und 1990 veröffentlichten zweibändigen Wirtschaftsethik die beiden divergierenden sozialethischen Grundkategorien des Menschengerechten und des Sachgemäßen unter dem Kriterium der Lebensdienlichkeit bündelt.758 Durch das Sachgemäße werde diejenige Wirtschaftsweise gefördert, die auch dem Menschengerechten zugute 753 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 125. 754 Vgl. hierzu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 125. 755 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik VI. Ethisch, S. 174f. 756 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik VI. Ethisch, S. 175. 757 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 126.

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komme.759 Das Menschengerechte verleihe dem Sachgemäßen den vernünftigen Rahmen und die angemessene Zielsetzung. Rich wendet sich dabei explizit gegen eine „in der Sozialwissenschaft seit Max Weber […] bis heute vorherrschende Tendenz, das Sachgemäße vom Menschengerechten abzulösen, um es möglichst ‚wertfrei‘ zu bestimmen“.760 Das Spannungsverhältnis zwischen Ethik und Ökonomie fasst Rich in der These zusammen: „Was nicht sachgemäß ist, kann auch nicht, im umfassenden Sinn des Wortes, menschendienlich sein.“761 Um eine echte Vermittlung zwischen Ethik und Ökonomie zu realisieren, müsse sich die Sozialethik bei der Vermittlung zwischen dem Absoluten und dem Relativen, dem Letzten und dem Vorletzten um das „Sachgemäße“ bemühen, da die Sozialethik „ohne hinreichende Sachkenntnis […] jegliche Legitimität“ verliere, „zur Sache zu reden“.762 Sie werde dann „bestenfalls zur Lieferantin utopischer Gesellschaftsentwürfe“ und liefere keinen „konstruktive[n] und mithin gangbare[n] Beitrag zum Aufweis realer Gestaltungsmöglichkeiten auf menschengerechtere Ordnungen hin“.763 Zur Lösung des Vermittlungsproblems verfolgt Rich einen „existenzial-eschatologischen“ theologischen Ansatz, der die präskriptiven „Kriterien des Menschengerechten“ freisetzt (für Rich handelt es sich bei den in vorempirischen Werthaltungen und fundamentalen Sinngewissheiten gründenden Kriterien um Geschöpflichkeit, kritische Weltwahrnehmung, relative Rezeption von Weltverbesserungsimpulsen, Relationalität der Werte, dialogische Mitmenschlichkeit, Mitgeschöpflichkeit, Partizipation an den Sozialstrukturen), anhand derer er in der Auseinandersetzung mit dem „Sachgemäßen“ zu operationalen sozialethischen „Maximen“ als praxisorientierte wirklichkeitsnahe Anweisungen und Handlungsnormen zur Veränderung der konkreten Wirtschaftspraxis gelangt.764 In den zurückliegenden Jahrzehnten kann eine vermehrte und intensivere Beschäftigung der evangelischen Sozialethik mit wirtschaftsethischen Themen beobachtet werden. Ende der 1980er Jahre wurde im Loccumer Arbeitskreis zur Wirtschaftsethik beispielhaft der Versuch unternommen, von Seiten der evangelischen Theologie wie der Wirtschaftswissenschaft einerseits Grundsatzfragen der Wirtschaftsethik andererseits aber auch konkrete Probleme wie die Schuldenkrise oder die zivile Nutzung der Kernkraft zu erörtern. Eilert Herms, Dietz Lange, Falk Wagner, Rolf Kramer und Alfred Jäger explizierten ihre jeweiligen wirtschaftsethischen Ansätze im Rahmen der Kolloquien und führten sie über die Tagungen hin-

758 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik VI. Ethisch, S. 175. Vgl. ebenfalls Siegfried Karg: Arthur Rich. In: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon. Bd. 8. Hamm (Westf.) 1994, Sp. 194–203. 759 Vgl. hierzu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 127. 760 Arthur Rich: Wirtschaftsethik. Bd. 1: Grundlagen in theologischer Perspektive. Gütersloh 41991, S. 73. 761 Rich: Wirtschaftsethik II, S. 344. 762 Rich: Wirtschaftsethik I, S. 72. 763 Rich: Wirtschaftsethik I, S. 72. 764 Vgl. Rich: Wirtschaftsethik I, S. 222–243. Vgl. auch Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 129f.

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aus weiter aus.765 Wie Rich suchten auch sie nach den Bedingungen der Möglichkeit einer systematisch-theologisch begründeten protestantischen Wirtschaftsethik und deren potentiellen Aufgaben. Für Eilert Herms ist eine theologische Wirtschaftsethik dadurch gekennzeichnet, dass sie „Aussagen über den aus der Sicht des christlichen Glaubens wünschenswerten […] Zustand des gesellschaftlichen Gesamtsystems […] und über die dazu gehörige Verfassung und Funktion des Wirtschaftssystems“ machen könne.766 1986 schlägt er in seinem Beitrag Aufgaben und Probleme einer theologisch begründeten Wirtschaftsethik ein interdisziplinäres und interfakultatives schulmäßiges Dialogverfahren vor, nachdem die Wirtschaftsethik zwar Orientierungswissen zur Verfügung stellen, jedoch auf konkrete Handlungsanweisungen verzichten solle.767 Die konkreten Handlungsentscheidungen lägen beim Handelnden, dem aber entsprechende Maximen zu vermitteln seien, damit dieser die Maßnahme im Rahmen seiner Wirkungsmöglichkeiten auswähle, die den erheblichsten Beitrag zur Verwirklichung einer wünschenswerten Gesamtordnung leiste.768 Herms Ziel ist die Vernetzung der theologischen Perspektive mit der wirtschaftswissenschaftlichen Theoriebildung. Die akademische Theologie sei institutionell und organisatorisch für die Wirtschaftsethik zu öffnen und müsse Reflexionshilfe zur Beantwortung von Fragen aus der Grundüberzeugung des christlichen Glaubens geben.769 In der Entwicklung des Menschen zu seiner schöpfungsmäßigen Bestimmung und der Entfaltung des Individuums gemäß der Schöpfungsordnung erkennt er den für die Wirtschaftsethik fundamentalen Bildungsauftrag. 1.3.6 Wirtschaftsethische Stellungnahmen der Evangelischen Kirche in Deutschland Die innerkirchliche Diskussion zur Wirtschaftsethik in Deutschland findet in der evangelischen Kirche unter gänzlich anderen Vorzeichen statt als im Katholizismus: Einerseits ist dies auf die territoriale und lokale Begrenzung ihrer Landeskirchen zurückzuführen und andererseits darauf, dass die evangelische Kirche kein institutionelles kirchliches Lehramt kennt, weshalb sie sich nicht wie die katholische Soziallehre auf mit formalem autoritärem Anspruch festgelegte Texte beziehen kann.770 Auch als Konsequenz der Organisation theologischer Lehre und Forschung in den deutschen Universitäten und der zumeist vorgenommenen 765 Vgl. hierzu und zum Folgenden Ute Hermann: Vielgestaltigkeit als Wettbewerbsvorteil. Ansätze Evangelischer Wirtschaftsethik von 1970–1995. Münster 2005 (= Entwürfe zur christlichen Gesellschaftswissenschaft 16), S. 14. 766 Eilert Herms: Aufgaben und Probleme einer theologisch begründeten Wirtschaftsethik. In: Ders./Hans May (Hg.): Theologische Aspekte der Wirtschaftsethik. Bd. 1. Loccum 1986, S. 2–49, 3. 767 Vgl. Herms: Aufgaben und Probleme einer theologisch begründeten Wirtschaftsethik, S. 2–49. Vgl. dazu und zum Folgenden auch Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 130f. 768 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 132. 769 Vgl. dazu und zum Folgenden Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 131.

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Zusammenfassung von Dogmatik und Ethik im Fach Systematische Theologie erhielt die Wirtschaftsethik im protestantischen Diskurs kein dem Katholizismus vergleichbares Gewicht. Vielfach spielten – wie oben dargestellt – Laien eine Rolle als wichtige Impulsgeber evangelischer Wirtschaftsethik. Hinzu trat nach dem Krieg in der innerkirchlichen Diskussion eine Dominanz von Themen der politischen Ethik gegenüber wirtschaftlichen Themen: Die bestimmenden Auseinandersetzungen zur Spaltung Deutschlands, zum Ost-West-Konflikt, zur Friedensfrage, zur Wieder- und Atombewaffnung und der Systemgegensatz zwischen Kapitalismus und Sozialismus bewirkten so „eine gewisse Wirtschaftsferne der Evangelischen Kirche“.771 Während in den östlichen Landeskirchen Kritik am sozialistischen Wirtschaftssystem kaum möglich war, nahm die EKD in der Bundesrepublik an der öffentlichen Diskussion ökonomischer Themen eher mit pragmatischen, situativ bezogenen Voten als mit grundsätzlichen Überlegungen teil.772 Das zeigen auch die Themen der Denkschriften: Die erste Denkschrift Eigentumsbildung in sozialer Verantwortung von 1962 war mit der in der jungen Bundesrepublik entstandenen Eigentumsverteilung befasst. Weitere Themen von Denkschriften und Studien in den folgenden Jahrzehnten waren die Landwirtschaft, die Mitbestimmung sowie der Sozialstaat. Die Denkschrift Sozialethische Überlegungen zur Frage des Leistungsprinzips und der Wettbewerbsgesellschaft von 1978 widmete sich der Gesellschaftskritik am Leistungsgedanken und am Wettbewerb als Mittel zur Leistungssteuerung und beschäftigte sich in diesem Zusammenhang auch mit wirtschaftlichen Aspekten. Die Schwerpunkte der Äußerungen lagen auf sozialpolitischen Empfehlungen und Forderungen, so etwa auch in den Studien Solidargemeinschaft von Arbeitenden und Arbeitslosen von 1982 sowie Arbeit, Leben und Gesundheit. Perspektiven, Forderungen und Empfehlungen zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz von 1990 und in der Denkschrift Verantwortung für ein soziales Europa aus dem Jahr 1991. Erst 1991 wird mit der Denkschrift Gemeinwohl und Eigennutz. Wirtschaftliches Handeln in Verantwortung für die Zukunft eine prinzipielle Reflexion wirtschaftsethischer Prinzipien vorgenommen. Von besonderer Bedeutung sind auch die gemeinsamen ökumenischen Beiträge mit der katholischen Kirche wie das Gemeinsame Sozialwort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ (vgl. oben) von 1997, die allerdings keine der katholischen Sozialverkündigung vergleichbare theoretische Begründung und begriffliche Klärung voraussetzen, sondern eher appellativen Charakter haben.

770 Vgl. dazu und zum Folgenden Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 764. 771 Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 764. 772 Vgl. dazu wie zum Folgenden Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 764f.

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1.3.6.1

Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion

Gemeinwohl und Eigennutz

Die 1991 vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland publizierte Denkschrift Gemeinwohl und Eigennutz widmet sich insbesondere der wirtschaftlich-sozialen Situation Deutschlands in Folge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten und reagiert damit auf die Diagnose eines sowohl internen als auch externen Bedarfs, als evangelische Soziallehre ethisches Orientierungswissen in Hinblick auf die Bewertung und Gestaltung des Wirtschaftssystems in Deutschland zur Verfügung stellen zu müssen.773 So mache es einerseits die innerkirchliche Gesprächslage seit langem erforderlich, dass evangelische Theologie und Kirche ihr Verhältnis zur Wirtschaftsordnung klärten, andererseits müsse die evangelische Kirche nach außen darstellen, welche Lösungen sie für die Herausforderungen und krisenhaften Entwicklungen wie Arbeitslosigkeit oder drängende Fragen zum Generationenvertrag und zur Ökologie zur Verfügung stelle und nach welchen Kriterien sie diese Lösungen beurteile.774 Diese Klärung des Verhältnisses zur Wirtschaftsordnung wurde allgemein als Bejahung und Annäherung an die Soziale Marktwirtschaft interpretiert und teilweise heftig kritisiert (vgl. dazu das folgende Unterkapitel 1.3.6.1.1).775 So wird in der Denkschrift die Soziale Marktwirtschaft erstmalig theoretisch und konzeptionell gewürdigt und als positive Möglichkeit für zukunftsfähiges wirtschaftliches Handeln eingeschätzt.776 Die ökonomische Bedeutung und die ethische Bewertung von Gewinnorientierung und Wettbewerb erscheinen dabei als „dem eigentlichen Ziel der Güterversorgung dienende Instrumente“ und Ausdruck einer „spezifische[n] Rationalität ökonomischen Handelns“, die darauf ausgerichtet seien, angesichts einer angenommenen Ressourcenknappheit keine Güter zu verschwenden.777 Schon zuvor hatte 1978 die EKD-Denkschrift Leistung und Wettbewerb den Wettbewerb als Mittel der Leistungssteuerung anerkannt und gewürdigt.778 Ein wichtiger Impuls dieser Denkschrift war die Forderung, das Leistungsprinzip und den Wettbewerb auf sinnvolle Ziele auszurichten und mit dem Prinzip der mitmensch-

773 Vgl. Hermann: Vielgestaltigkeit als Wettbewerbsvorteil, S. 164. Vgl. ebf. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 133. 774 Vgl. Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 134. 775 Vgl. Hermann: Vielgestaltigkeit als Wettbewerbsvorteil, S. 32. 776 Vgl. hierzu und zum Folgenden Leonhardt: Theologische Wirtschaftsethik im Spiegel kirchlicher Verlautbarungen, S. 200. 777 Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): Gemeinwohl und Eigennutz. Wirtschaftliches Handeln in Verantwortung für die Zukunft. Eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gütersloh 1991, Nr. 150. Vgl. auch Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 768. 778 Vgl. Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): Leistung und Wettbewerb. Sozialethische Überlegungen zur Frage des Leistungsprinzip und der Wettbewerbsgesellschaft. Eine Denkschrift der Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland für Soziale Ordnung. Gütersloh 1978, S. 89–108.

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lichen Solidarität in Einklang zu bringen.779 Weder Wettbewerb noch Solidarität könnten für sich genommen das Prinzip des wirtschaftlichen Handelns sein; vielmehr müssten sie wechselseitig zueinander in Beziehung gesetzt werden, wie es im System der Sozialen Marktwirtschaft erfolge. Entsprechend wird auch in Gemeinwohl und Eigennutz die Zustimmung zu einer Sozialen Marktwirtschaft vor allem damit begründet, dass diese Ordnung diejenigen wesentlichen Rahmenbedingungen sicherstelle, die im Interesse des Gemeinwohls und der Benachteiligten Solidarität gewährleisteten: „Christen können dem Weg der Sozialen Marktwirtschaft grundsätzlich zustimmen, weil er zu der von ihrem Glauben gewiesenen Richtung des Tuns nicht in Widerspruch tritt, vielmehr Chancen eröffnet, den Impulsen der Nächstenliebe und der Gerechtigkeit zu folgen.“780 Um die Bejahung der Sozialen Marktwirtschaft zu unterstreichen, konstruiert die Denkschrift Gemeinwohl und Eigennutz einen historischen Zusammenhang zwischen christlicher Tradition und „moderne[r], rationale[r] Wirtschaftsweise“, der zur Begründung einer „Art Verantwortungsgemeinschaft“ von Kirche und Wirtschaft herangezogen wird, die insbesondere im Zeitalter der Globalisierung und „im Blick auf die internationale Verflechtung wirtschaftlichen Handelns […] unübersehbar“ und für die „weltweiten Konsequenzen erfolgreichen und folgenreichen wirtschaftlichen Handelns“ von Bedeutung seien.781 So hingen die „Anfänge der modernen rationalen Lebensführung […] mit Überzeugungen und Lebenshaltungen zusammen, die ihre Wurzeln im Christentum“ hätten „und deren moderne Umformung durch die Reformation vorbereitet worden“ sei.782 Auf eine genauere Darstellung des geschichtlichen Zusammenhangs zwischen rationaler Wirtschaftsweise und Christentum verzichtet die Denkschrift, sie bezieht sich aber wohl zumindest implizit auf die These Max Webers, dass vor allem das protestantische Christentum den Nährboden für eine Auffassung wirtschaftlichen Handelns geboten hätte, die dem Erfolgsstreben theologisch sehr viel wohlgesonnener gegenüber stand als es etwa noch die Väter der Reformation taten.783 Die wesentliche Grundlage für die positive Beurteilung ökonomischen Erfolgsstrebens bildet die in der Denkschrift vorgeschlagene Verknüpfung von Eigeninteresse und Nächstenliebe.784 So habe man „statt der Entgegensetzung von Nächstenliebe und Selbsterhaltung […] nach Formen des ‚intelligenten Eigennutzes‘ als intelligenter Nächstenliebe“ zu suchen, „in denen sich Selbsterhaltung und Sorge für sich selbst mit Fürsorge für andere und Rücksicht auf das gemeinsame Leben 779 Vgl. dazu und zum Nachfolgenden Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 768. 780 Gemeinwohl und Eigennutz, Nr. 172. 781 Gemeinwohl und Eigennutz, Nr. 99. Vgl. Leonhardt: Verlautbarungen, S. 201f. 782 Gemeinwohl und Eigennutz, Nr. 99. 783 Vgl. Leonhardt: Verlautbarungen, S. 202f. 784 Vgl. Leonhardt: Verlautbarungen, S. 204.

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verbinden“.785 Eigennutz soll also Gemeinwohl schaffen. Diese Perspektive wird ergänzt durch den Verweis auf die „Macht der Sünde in der Übermacht des Ökonomischen“.786 Eigennutz und Gemeinwohl stünden nicht per se in einem ausgewogenen Verhältnis.787 Eine sich selbst überlassene ökonomische Vernunft kann auch zur Folge haben, dass „das wirtschaftliche Handeln und sein Erfolg selbst zum Inhalt des Handeln werden“.788 Da das Leben „mehr als Ökonomie“ sei, müsse „einer vollständigen Ökonomisierung des Lebens widerstanden werden“.789 Aus diesem Grund und angesichts einiger akuter sozialer und ökologischer Krisenerscheinungen fordert die Denkschrift die „Fortentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft“.790 Dieses Ziel stelle auch „Anforderungen an das politische System“791, wobei hier ökologische Forderungen klar in den Vordergrund rücken: Durch eine Integration ökologischer Elemente in die Ziele der Sozialen Marktwirtschaft erhofft sich die Denkschrift, dass „die Bewahrung der Schöpfung zu einem mitentscheidenden Element der Politik, der Verantwortung auf allen Ebenen wirtschaftlichen Handelns und der Rechtsprechung“ werden könne.792 Diese politische Umorientierung, so wird eingeräumt, müsse jedoch auch „mit dem Kriterium wirtschaftlicher Effizienz und den Verträglichkeitskriterien in einem öffentlichen und überprüfbaren Prozess der Meinungs-, Urteils- und Willensbildung“ in Einklang gebracht werden können. Trotz der einseitigen Fokussierung auf ökologische Ziele enthält die Denkschrift bereits wesentliche Elemente einer Nachhaltigkeitskonzeption und auch die Berücksichtigung von Stakeholderinteressen bzw. die Andeutung der Einflussmöglichkeiten der Stakeholder taucht hier zu einem auffallend frühen Zeitpunkt auf. Diese Ideen sollten in der jüngsten Denkschrift aus dem Jahr 2008 aufgenommen und weiter spezifiziert werden (vgl. unten). 1.3.6.1.1

Das schwierige Verhältnis der Evangelischen Kirche zu Kapitalismus und Sozialer Marktwirtschaft

Die prinzipielle Bejahung der Sozialen Marktwirtschaft in Gemeinwohl und Eigennutz stellte auch zu Beginn der 1990er Jahre noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit dar, worauf die teilweise scharfe Kritik an der Denkschrift hindeutet.793 Der Heidelberger Befreiungstheologe und Wissenschaftsethiker Ulrich Duchrow etwa warf dem Schreiben vor, die christlich unumgehbar geforderte „Entschei-

785 Gemeinwohl und Eigennutz, Nr. 147. 786 Gemeinwohl und Eigennutz, Nr. 159–164. 787 Vgl. hierzu und zum Folgenden Leonhardt: Verlautbarungen, S. 204f. 788 Gemeinwohl und Eigennutz, Nr. 180. 789 Gemeinwohl und Eigennutz, Nr. 180. 790 Gemeinwohl und Eigennutz, Nr. 172. 791 Gemeinwohl und Eigennutz, Nr. 183–185. 792 Gemeinwohl und Eigennutz, Nr. 190. 793 Vgl. Leonhardt: Verlautbarungen, S. 201.

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dung zwischen Jahwe und Baal, zwischen Gott und Mammon“ zu verweigern. 794 Noch in der gemeinsamen Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche und der Deutschen Bischofskonferenz Grundwerte und Gottes Gebot aus dem Jahr 1979 vertraten die Kirchen eine vergleichbare Haltung und kritisierten basierend auf einer Aktualisierung des siebten Dekaloggebots und im Namen der biblisch-christlichen Tradition eine an privatem Eigennutz orientierte Lebenseinstellung.795 Damit befand sich die Kirche in einer Tradition der evangelischen Soziallehre, deren Konzeptionen im 20. Jahrhundert „weithin antikapitalistisch oder kapitalismuskritisch angelegt“ waren.796 Bereits während der Weimarer Zeit hatten die Positionen des Religiösen Sozialismus starken Zuspruch erfahren (vgl. oben). 1947 formulierte der Berliner Bischof Otto Dibelius die Ablehnung des Kapitalismus als Wirtschaftsform, „die vor den Forderungen des Evangeliums bestehen könnte“, und plädierte statt dessen für einen „christlichen Sozialismus“, den er aber nicht als Staatssozialismus verstand.797 Andere Vertreter der evangelischen Sozialethik wie Helmut Gollwitzer unterstützten den marxistischen Sozialismus.798 Immer wieder betonten evangelische Sozialethiker auf der Basis eines substantiellen, kommunitären Freiheitsverständnisses deutliche Grenzen für die freie ökonomische Tätigkeit des Einzelnen.799 Nach Graf entspricht dies einer über das 19. und 20. Jahrhundert zu beobachtenden Tendenz in der evangelischen Sozialethik, wonach bürgerlich-liberale Kulturwerte stets sozialkonservativ relativiert wurden. Durch Sozialpflichten gegenüber Familie, Mitarbeitern und dem Gemeinwesen sollten 794 Ulrich Duchrow: Alternativen zur kapitalistischen Weltwirtschaft. Biblische Erinnerung und politische Ansätze zur Überwindung einer lebensbedrohenden Ökonomie. Gütersloh 1994, S. 224. Vgl. zur Kritik an Duchrows Monographie die Rezension von Harry M. de Lange: Alternativen zur kapitalistischen Weltwirtschaft. Biblische Erinnerung und politische Ansatze zur Uberwindung einer lebensbedrohenden Okonomie. In: The Ecumenical Review 47 (1995), S. 112–114. De Lange wirft Duchrow – aber auch der Mehrheit der Christen – vor allem vor, sich nicht konstruktiv an der Nachhaltigkeitsdiskussion zu beteiligen, sondern einseitig lediglich den Markt und seine Mechanismen anzugreifen. Vor allem würde das Gerechtigkeitsproblem und dessen Bedeutung für wirtschaftliches Handeln nicht erfasst: „Why do the great majority of Christians […] still not accept the message formulated clearly in 1967 by Harvey Lox in the words ‚on not leaving it to the snake‘, that it is essential to struggle for justice in economic relations between human beings, between nations, between continents? […] To be sustainable, development has to be economically, socially, culturally and institutionally sustainable …“ (Ebd., S. 113f.) Er plädiert im Gegensatz zu Duchrows verengter Position für eine pragmatische Sichtweise des Marktes: „The question is: can we use markets to achieve solutions to the problems?“ (Ebd., S. 114.) Vgl. dazu ebf. Franz Furger: Duchrow, Ulrich – Alternativen zur kapitalistischen Weltwirtschaft. Biblische Erinnerung und politische Ansätze zur Überwindung einer lebensbedrohenden Ökonomie. In: Theologische Revue 91 (1995), Sp. 061–063. 795 Vgl. Leonhardt: Verlautbarungen, S. 201. 796 Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 770. 797 Otto Dibelius: Volk, Staat und Wirtschaft aus christlichem Verantwortungsbewußtsein. Ein Wort der Kirche. Berlin-Dahlem 1947, S. 371. 798 Vgl. dazu und zum Folgenden Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 770. 799 Vgl. dazu und zum Folgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 657.

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etwa die Handlungsspielräume des kapitalistischen Unternehmers beschränkt werden. Während der kapitalistische Unternehmer niemals Leitbildcharakter erlangte, wurden kleine, genossenschaftlich organisierte Händler wertgeschätzt, was sich mit der bis lange ins 20. Jahrhundert hinein gepflegten Kritik an Börsen, Aktiengesellschaften und Spekulationen deckt. Antikapitalistische Kulturkritik findet sich auch noch in zahlreichen kirchlichen Stellungnahmen nach dem Krieg. Nach Graf blieben antikapitalistische Kulturkritik, eine „tiefe mentale Distanz gegenüber der modernen liberalen Ökonomik“ und eine „vage Gemeinwohlrhetorik“ in wirtschaftsethischen Fragen auch nach dem Krieg in sozialethischen Stellungnahmen lange vorherrschend, was sich sowohl an den zivilisationskritischen Debatten über die drohende „Amerikanisierung“ in den 1950er und 1960er Jahren als auch in der erneuten Suche nach gemeinwirtschaftlichen dritten Wegen und in der engen Verbindung mit dem Bund der evangelischen Kirchen der DDR gezeigt habe.800 Auf die Debatten um die negativen Folgewirkungen des Keynesianismus und die Renaissance liberaler Theorien sei in den kirchlichen Verlautbarungen immer nur mit neuen Rufen nach einer besseren staatlichen Rahmenordnung reagiert worden.801 Die evangelische Kirche habe so bis in die Gegenwart hinein eine argumentative Auseinandersetzung mit der neoliberalen Ökonomik verpasst und statt dessen „weithin nur die alte moralische Absage an Egoismus, Eigennutzdenken, harte Konkurrenz und Konsumismus reinszeniert.802 Durch die neuen weltweiten Verteilungskämpfe und die mit der Globalisierung verbundenen Strukturkrisen in den Gesellschaften der alten Industrienationen sei „bei vielen protestantischen Kirchenfunktionären die überkommene Distanz gegenüber der modernen Marktwirtschaft“ noch weiter verstärkt worden.803 Honecker führt für die Nähe zum Sozialismus auch theologische Gründe an: So ergäben sich von einer Höherbewertung der Gemeinschaft gegenüber dem Einzelnen Tendenzen zu einer kollektivistischen Gesellschaftstheorie. Demgegenüber werde die Distanz des christlichen Glaubens zu einem individualistischen Verständnis von Freiheit und zur Souveränität der Entscheidung der Konsumenten als Wirtschaftssubjekte betont.804 Auch die jüngste wirtschaftsethische Denkschrift der EKD wurde vor allem aufgrund ihrer Annäherung an das marktwirtschaftliche Wirtschaftssystem teilweise scharf kritisiert (vgl. unten).

800 Graf: Stellenwert der Religion, S. 658. 801 Vgl. hierzu wie zum Nachfolgenden Graf: Stellenwert der Religion, S. 658. 802 Graf: Stellenwert der Religion, S. 658. 803 Graf: Stellenwert der Religion, S. 659. 804 Vgl. Honecker: Moderne wirtschaftsethische Fragestellungen. Evangelische Kirchen, S. 770.

Wirtschaftsethische Fragestellungen

1.3.6.2

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Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive

Im Juni 2008 veröffentlichte die EKD ihre Denkschrift Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, in der sie sich ausführlich mit den Bedingungen, Herausforderungen und Möglichkeiten des Unternehmertums in einer globalen Welt befasst. Mit der Denkschrift will die Kirche „Analysen und Empfehlungen für verantwortliches wirtschaftliches Handeln in Deutschland“ vorlegen.805 Mit der Konzentration auf die „Frage des ‚unternehmerischen Handelns‘ als eines [sic!] der wichtigsten Triebkräfte marktwirtschaftlicher Ökonomie“ wolle man eine „Problematik in den Blick“ nehmen, „die für die Zukunft sozialer Gerechtigkeit und den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen unseres Planeten von großer Bedeutung“ sei.806 Dies sei gerade aufgrund der kritischen Wahrnehmung unternehmerischen Handelns im Zuge der Globalisierung und ihrer Folgen wie dem „Abbau“ und der „Verlagerung von Arbeitsplätzen“, aber auch angesichts der Diskussionen um Managergehälter, Mindestlöhne sowie Steuer- und Standortprobleme erforderlich.807 Grundlegend unterstreicht die Denkschrift die zentrale Bedeutung „beständige(r) Neuschaffung“ von gesellschaftlichem „Reichtum und seiner Nutzung als Wohlstand für möglichst viele“, da sich „hoher Wohlstand und die Beteiligung möglichst aller an der Gesellschaft nicht durch Verteilung des bereits vorhandenen Vermögens erreichen“ ließe.808 Die bereits in Gemeinwohl und Eigennutz vorgenommene Annäherung und grundsätzliche Bejahung der Sozialen Marktwirtschaft wird in der Denkschrift aufgegriffen und fungiert als Grundlegung und Voraussetzung für die Stellungnahme. Bei der Begründung ihrer Zielsetzung stellt die Denkschrift einen direkten Bezug zu ihrer Vorgängerin aus dem Jahr 1991 her. So sei das „Verhältnis von Protestantismus und Unternehmertum in Deutschland von Spannungen durchzogen“. Aufgrund von Befürchtungen, „dass die notwendige Gewinnorientierung der Unternehmen in Konflikt mit der Solidarität mit den Beschäftigten geraten“ könne, werde „immer wieder […] nach dem Verhältnis von Gemeinwohl und Eigennutz gefragt“.809 Dass es sich die Denkschrift zu einer ihrer wesentlichen Aufgaben gemacht hat, gerade diese Spannungen aufzulösen und „produktiv (zu) wende(n)“, wird gleich zu Beginn deutlich.810 Denn häufig beruhten „solche Spannungen auf Mißverständnissen“, die in „einem neuen Dialog zwischen evangelischer Kirche und Unternehmertum“ überwunden werden müssten, um „eine Verständigung 805 Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gütersloh 2008, Nr. 1. 806 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 1. 807 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 1. 808 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 4. 809 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Vorwort. 810 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 7.

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über ethische Maßstäbe unternehmerischen Handelns“ zu erwirken.811 Die Denkschrift wolle zeigen, „dass soziale Verantwortung und wirtschaftlicher Erfolg einander nicht ausschließen, sondern wechselseitig aufeinander bezogen“ seien.812 Vor allem aufgrund dieses – Anlage und Inhalt der gesamten Denkschrift prägenden – Versuchs einer Vermittlung zwischen christlich-evangelischen Positionen und kapitalistischem Wirtschaftssystem und seinen Protagonisten sah sich die Kirchenschrift ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung scharfer Kritik ausgesetzt, worauf unten noch einzugehen sein wird. Dass sich die Kirche möglicher Konflikte durchaus bewusst war, zeigen die vorangestellten Grundaussagen, dass „Menschen nie nur Mittel zum Zweck, sondern immer zugleich Zweck an sich selbst“ seien und als „Maßstab unternehmerischen Handelns“ stets „die soziale Verantwortung“ bestehe, die zu einem Ausgleich zwischen den Interessen einer „Behauptung […] am Markt“ und „gesellschaftliche[r] Verantwortung“ im Sinne einer „Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft“ verpflichte.813 In ihrer einleitenden Begründung der Zielsetzung und ihren ersten beiden Abschnitten liefert die Denkschrift einige grundlegende Aussagen zur Bedeutung und Beurteilung unternehmerischen Handelns aus „Perspektive des christlichen Glaubens“.814 Die Denkschrift wolle ausgehend vom Leitbild der gerechten Teilhabe aller an den gesellschaftlichen Möglichkeiten zu einer verantwortlichen, an grundlegenden ethischen Maßstäben orientierten Gestaltung der Wirtschaft ermutigen. Dazu wird vor allem die zentrale Bedeutung eines verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns für die wirtschaftliche Entwicklung einerseits und somit für Innovation, Wertschöpfung und gesamtgesellschaftlichen Wohlstand andererseits betont. Besonders zur Bewältigung der zunehmenden weltweiten sozialen und ökologischen Probleme komme einem ethisch verwurzeltem unternehmerischem Handeln eine weiter wachsende Bedeutung zu. Unternehmerisches Handeln sei „richtig verstanden – und durch einen klugen staatlichen Rahmen unterstützt – […] auf nachhaltige Wertschöpfung angewiesen“.815 Moderne Gesellschaften benötigten Menschen, die durch gelebtes Unternehmertum bereit wären, „globale gesellschaftliche Verantwortung“ zu übernehmen, „damit die Einhaltung von Menschenrechten sowie sozialen und ökologischen Standards unterstützt und gefördert und nicht durch eine rein ökonomisch dominierte Globalisierung behindert wird“.816

811 812 813 814

Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Vorwort. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Vorwort. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Vorwort. Vgl. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 1–41. Vgl. die Überschrift des zweiten Abschnitts „Unternehmerisches Handeln in der Perspektive christlichen Glaubens“. 815 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 15. Vgl. auch bes. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 19. 816 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 15.

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Zudem konstatiert die Denkschrift, dass „immer mehr Unternehmer“ erkannten, „dass die Orientierung an ethischen Maßstäben keineswegs zu wirtschaftlichen Nachteilen führen“ müsse, „sondern im Gegenteil auch betriebswirtschaftlich Vorteile bringen“ könne.817 Außerdem würde „in den Unternehmen selbst […] das zunehmende Misstrauen gegenüber unternehmerischem Handeln deutlich wahrgenommen“.818 Wenn die Denkschrift anfügt, dass „eine an ethischen Maßstäben orientierte gelebte Unternehmenskultur“ dazu beitrage, „unternehmerische Anpassungsprozesse konstruktiv und menschenfreundlich zu gestalten“, erweckt sie allerdings mehr den Eindruck, als wolle sie dem modernen Unternehmer die Ethik als Feigenblatt verkaufen, das in Form einer „Unternehmenskultur“ oder eines „Leitbild(es)“, das „auf ethischen Prinzipien“ beruhe, vor allem dem Zweck diene, eine zunehmend kritischere Öffentlichkeit ruhig zu stellen bzw. notwendige Härtefälle zu lindern.819 Dass die Kirche hier mit dem Stakeholder Value und möglichen Reputationsrisiken rein rationell-ökonomistische Begründungen präsentiert und auf ethisch-moralische Begründungsmuster gänzlich verzichtet, überrascht durchaus. Dieser Eindruck wird auch durch die anschließende Ermutigung, „tragfähige ethische Maßstäbe in die Kultur eines Unternehmens zu integrieren“, für welche die „ethischen Traditionen des christlichen Glaubens […] eine nach wie vor kraftvolle Grundlage“ böten, kaum relativiert.820 Merkwürdig schief erscheint so auch die nachfolgende Absichtserklärung, man wolle mit der Denkschrift „dazu beitragen, die in diesen Traditionen liegenden Orientierungsangebote für heutiges unternehmerisches Handeln fruchtbar zu machen“.821 Ebenso verwundert die Aussage, die evangelische Kirche müsse ihr Verhältnis zum unternehmerischen Handeln deshalb präzisieren, weil in „der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft […] die öffentliche Sensibilität für die ethische Verantwortung unternehmerischen Handelns“ wachse.822 Fast scheint es bei dieser Formulierung so, als habe die Kirche mit demselben Dilemma wie der moderne Unternehmer zu kämpfen: Lediglich aufgrund der aktuellen Erwartungen einer Fragen stellenden Öffentlichkeit sei nun die Auseinandersetzung mit Ethik und Moral in der Wirtschaft angezeigt. Umso mehr überrascht es dann aber, dass die Denkschrift im direkten Anschluss sowohl auf die Historizität der Verhältnisbestimmung zwischen Wirtschaftsethik und Religion sowie die grundlegende Bedeutung des christlichen Glaubens für unternehmerisches Handeln unter explizitem Einbezug der jüngeren Kirchengeschichte wie auch der biblischen Zeugnisse eingeht als auch die Wichtigkeit der Herausbildung von Vertrauen unterstreicht. Ohne „Vertrauen unter allen

817 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 22. 818 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 22. 819 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 22. 820 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 22. 821 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 22. 822 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 21.

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Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion

Beteiligten“ könne „wirtschaftliches Handeln nicht nachhaltig sein“. 823 Eine schlicht ökonomistisch-rationelle Begründung moralischen Verhaltens wird nun verworfen: „Ethische Maßstäbe“ seien „nur dann wirklich tragfähig, wenn sie nicht allein aus taktischen Gründen zur Imagepflege eingesetzt“ würden. 824 „So etwas wie Charakter und Persönlichkeit“ gewännen Unternehmen hingegen, wenn ethische Grundlagen „aus Überzeugung in die Unternehmenskultur“ eingingen „und das Handeln und Verhalten aller Beteiligten“ prägten.825 Die entsprechende Basis dafür böte der Glaube: Unter Rückgriff auf die Barmer Theologische Erklärung der Bekennenden Kirche von 1934 hält die Denkschrift fest, dass sich „christlicher Glaube […] auf alle Lebensbereiche“ beziehe, weshalb „wirtschaftliche Entscheidungen auch dann im Lichte des christlichen Glaubens betrachtet werden“ müssten, „wenn die grundlegenden ethischen Fragen zunächst hinter harten ökonomischen Fakten“ zurückblieben: Die „Achtsamkeit für die auch hinter den so genannten Sachzwängen verborgenen ethischen Grundentscheidungen“ stelle ein „Markenzeichen evangelischen Unternehmertums“ dar.826 Eine „evangelische Ethik unternehmerischen Handelns“ habe es zur „Aufgabe, zur Herausbildung moralischer Achtsamkeit bei denen beizutragen, die jeden Tag Entscheidungen in Unternehmen zu treffen haben“.827 Für solche ethisch fundierten Entscheidungen habe die Bibel einen „zentralen orientierenden Stellenwert“.828 Viele Bibeltexte griffen auf Erfahrungen der Arbeitswelt und der Ökonomie zurück und böten so hilfreiche Grundorientierungen für das unternehmerische Handeln. Auch wenn sie „keine unmittelbaren Handlungsanweisungen für wirtschaftliche Entscheidungen“ lieferten, prägten sie doch die „Grundperspektiven des Lebens und damit auch die Maßstäbe des Handelns“ und brächten „Einsichten zum Ausdruck“, die „für Christinnen und Christen […] besondere verpflichtende Bedeutung“ hätten.829 Entsprechend bedeute unternehmerische Freiheit in evangelischer Perspektive Freiheit in Verantwortung vor Gott und den Menschen.830 Martin Luther habe diese Beziehung 1520 in der Schrift Von der Freiheit des Christenmenschen „auf den Punkt gebracht: ‚Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan – Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.‘“831 Ein solches Freiheitsverständnis, das auch durch philosophische Traditionen gestützt werde, stehe „im Widerspruch zu einer bloßen 823 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 34. 824 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 34. 825 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 34. 826 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 24. 827 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 25. 828 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 25. 829 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 25. 830 Vgl. dazu und zum Folgenden Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 27– 30 sowie Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 31–41. 831 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 31.

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Orientierung an der Nutzenmaximierung“.832 „Evangelische Freiheit“ verbinde vielmehr „die Entscheidungsfreiheit und die schöpferische Kraft des Individuums, die allgemein als Markenzeichen unternehmerischen Handelns gelten, mit der Verantwortung für die Mitmenschen und der Orientierung an der gerechten Teilhabe aller“.833 Entsprechend sei die Würde aller in einem Unternehmen arbeitenden Menschen zu akzeptieren, die niemals bloßes Mittel zum Zweck sein könnten. 834 Grundlegende Maßstäbe für unternehmerische Entscheidungen stellten die Zehn Gebote, die Goldene Regel, das Gebot der Nächstenliebe sowie weitere Glaubensgrundlagen dar.835 Der christliche Glaube befreie so zum vernünftigen, sachgemäßen und verantwortlichen unternehmerischen Handeln sowie zur vertrauensvollen Kooperation mit anderen in wechselseitiger Achtung und gegenseitiger Anerkennung. Die Motivation zu unternehmerischem Handeln und zur Übernahme von Verantwortung für sich und andere erwachse aus Gottes Berufung. Seit der Reformation besitze die Vorstellung vom Beruf als „auftragsgemäße, tätige Entwicklung und Nutzung der von Gott gegebenen Fähigkeiten“ in der protestantischen Tradition einen besonderen Stellenwert.836 Dabei greift die Denkschrift auf die Vorstellungen Martin Luthers vom Beruf als „Gottesdienst im Alltag der Welt“ zurück.837 Im Beruf vereinten sich die „funktionalen Anforderungen der Gesellschaft und die Talente bzw. ‚Neigungen‘ des jeweiligen Unternehmers mit ethischen Prinzipien“.838 In ihrem dritten – und möglicherweise brisantesten (auf die Diskussionen, welche die Denkschrift nach sich zog, soll im Folgenden noch näher eingegangen werden) – Abschnitt liefert die Denkschrift unter der Überschrift „Unternehmertum und Soziale Marktwirtschaft“ ein unumwundenes Bekenntnis zur gesellschaftspolitischen Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft. Hierbei geht die Denkschrift deutlich weiter als ihrer Vorgängerschrift Gemeinwohl und Eigennutz aus dem Jahre 1991. Wurde dort die Bejahung des marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems vor allem damit begründet, dass diese Ordnung diejenigen wesentlichen Rahmenbedingungen sicherstelle, die im Interesse des Gemeinwohls und der Benachteiligten Solidarität gewährleisteten, wird die Soziale Marktwirtschaft nun als eine dem Christentum und der christlichen Ethik notwendigerweise entspringende Konsequenz begriffen. Die Soziale Marktwirtschaft als Gegenkonzept zu Planwirtschaft und reinem Wirtschaftsliberalismus stelle auf Basis des aus dem christlichen Glauben erwachsenen Geistes eine schlüssige Verknüpfung von hoher wirtschaftlicher Dynamik 832 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 32. 833 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 37. 834 Vgl. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 32f. 835 Vgl. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 37. 836 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 39. 837 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 39. 838 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 41.

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durch die staatliche Sicherung funktionierenden Wettbewerbs mit sozialer Gerechtigkeit als Voraussetzung für breiten Wohlstand sicher.839 Dementsprechend bestünde das Ziel der gesellschaftspolitischen Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft darin, einen „Ordnungsrahmen zu schaffen“, der „ethische[s] Handeln des Einzelnen in den vielschichtigen Zusammenhängen der Wirtschaft“ ermöglicht sowie „fairen Wettbewerb fördert und unfairen bestraft“.840 In einem solchen „Ordnungsrahmen, der sowohl scharfen Wettbewerb als auch sozialen Ausgleich“ gewährleiste, könne das „Streben nach persönlichem Wohlergehen zugleich zum Wohlstand aller führen“.841 Nach Meinung des Rates der EKD liege ein wesentlicher Vorzug dieses Systemansatzes darin, „auf die Triebkraft des Eigeninteresses und der Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen“ zu vertrauen und damit „den Menschen in gewisser Weise so“ zu nehmen, wie er sei und „wie er in der Bibel immer wieder realistisch beschrieben“ werde.842 Auffallend groß ist dabei das Vertrauen in die Potenziale des Wettbewerbs: Funktioniere dieser, würden „weder Konsumenten noch Arbeitnehmer ausgebeutet“, noch gebe es „Diskriminierung, da derjenige, der diskriminiert, einen Wettbewerbsnachteil“ erleide.843 In diesem Fall führten „die wettbewerbsgetriebenen Aktivitäten der Wirtschaftssubjekte nicht nur zu hoher Effizienz“, sondern begrenzten „auch die staatliche Regulierung auf das Notwendigste“ und sorgten „so für mehr Freiheit“.844 Die Kirche bekennt sich dabei ausdrücklich zum Ordoliberalismus der Freiburger Schule um Walter Eucken mit seinen tragenden Elementen der Machtbegrenzung und guten Güterversorgung, der hier ergänzt „um den Gedanken einer staatlichen Einflussnahme auf die Verteilungsergebnisse der Marktprozesse“ zur Gewährleistung von Solidarität und Gerechtigkeit sowie um die „Befähigung zur Übernahme unternehmerischer Verantwortung“ angesichts eines „verschärften Wettbewerb[s] der globalen Wirtschaft“ erscheint.845 Im Sinne einer stetigen Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft plädiert die Denkschrift für die Eta839 Vgl. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 42–49. Bei der Gestaltung der Sozialen Marktwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg habe es „insbesondere darum gehen“ müssen, „die sterile Gegenübersetzung von selbstloser Nächstenliebe und eigensüchtiger Wirtschaftsleistung zu überwinden, ohne doch die Ansprüche an den Schutz der Schwachen und das Interesse am sozialen Ausgleich abzuschwächen“. (Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 42.) Bis heute seien diese grundlegenden Akzentuierungen attraktiv. (Vgl. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 42.) Ein „harter Wettbewerb auf den Märkten“ bedürfe, „um zielgerichtet zu sein, seiner Einbettung in soziale und kulturelle Voraussetzungen“, wozu die „Idee der Gerechtigkeit“ ebenso zähle „wie die der vor Gott rechenschaftspflichtigen und in diesem Sinne selbstverantwortlichen Unternehmerpersönlichkeit“. (Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 42.) 840 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 42. 841 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 43. 842 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 44. 843 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 44. 844 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 44. 845 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 45.

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blierung einer „ökosoziale[n] Marktwirtschaft“, in der unternehmerisches Handeln beständig darauf geprüft werde, „inwieweit es nachhaltig ist und die Interessen kommender Generationen im Blick hat“.846 Auf kurzfristige Gewinnsteigerung zielenden Unternehmensstrategien wird eine klare Absage erteilt.847 Wie bereits in Gemeinwohl und Eigennutz greift die evangelische Kirche damit in ihrer wirtschaftsethischen Konzeption zeitgemäße Nachhaltigkeitskonzeptionen auf, die „alle Stakeholder – also alle Anspruchsgruppen, darunter insbesondere auch die Arbeitnehmer – in der Unternehmenspolitik systematisch berücksichtigt“, um „damit eine auf Langfristigkeit ausgerichtete Perspektive“ zu entwickeln.848 Bereits in der Zielsetzung zu Beginn der Denkschrift wird festgehalten, dass „das Leitbild der Nachhaltigkeit […] einem zentralen Grundzug biblischer Theologie mit der biblischen Verheißung ‚Die Erde ist des Herrn und was drinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen‘ (Ps 24,1)“ entspreche.849 Die dem Menschen zukommende besondere Verantwortung zur Kultivierung der Erde würde heute so verstanden, dass Gott „den Menschen als Sachwalter für die Welt in die Pflicht“ nehme, „ihr mit Ehrfurcht zu begegnen und schonend, haushälterisch und bewahrend mit ihr umzugehen“.850 Zur Gewährleistung dieses Anspruchs von Nachhaltigkeit und Langfristigkeit in den unternehmerischen Entscheidungen und in Anbetracht der Ablösung des „deutschen Korporatismus“, dessen System der sog. „Deutschland AG“ für die Nachkriegsjahrzehnte prägend war, durch die „verschärfte Konkurrenzsituation der globalisierten Wirtschaft“ sei eine „neue ordnungspolitische Klärung der Rolle von Unternehmen in der Sozialen Marktwirtschaft“ – und zwar explizit auch im Hinblick auf ihre Mitwirkung bei der Gestaltung des Ordnungsrahmens – vonnöten.851 Ebenso gewachsen sei die Verantwortung der Politik, „der Wirtschaft Rahmenbedingungen vorzugeben und ihre Einhaltung zu prüfen“. 852 Führt man sich den ständig schwindenden Einfluss nationaler Politik auf transnational agierende Weltkonzerne vor Augen, erscheint diese Forderung eher wie ein hehrer Wunsch. Auch die Denkschrift führt lediglich an, dass „die nationale Politik“ ihrer Verantwortung „insbesondere mit internationalen Vereinbarungen“ gerecht werden müsse. Wie aber praktisch der vorgeschlagene globale Export des „Konzept(s) der Sozialen Marktwirtschaft als Modell für die Stärkung der sozialen Dimension der Globalisierung“ als Leitbild für Werte wie „Fairness, Gerechtigkeit und Menschlichkeit“ gelingen soll, um gerade in Schwellenländern mit „enorme(m) Nachholbedarf im Bereich des Sozialen“ die dortigen „inneren Verwerfungen“ und Bedro846 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 46. 847 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 46. 848 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 47. 849 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 6. 850 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 6. 851 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 48. 852 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 49.

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hung des „gesellschaftlichen Zusammenhalt(s)“ zu bekämpfen, wird nicht weiter konkretisiert.853 Der vierte Abschnitt der Denkschrift „Unternehmer und Arbeiter“ betont nochmals die besondere Verantwortung, die dem einzelnen Unternehmer aus der ungleichgewichtigen Beziehung zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern und deren „unverrechenbare(r) Würde“ erwachse.854 Die Unternehmer seien gehalten, den Prozess der Dynamik und der Arbeitsplatzentwicklung in Unternehmen in fairer Partnerschaft mit allen Betroffenen zu gestalten. An dieser Stelle greift die Denkschrift einige traditionelle Positionen der protestantischen Sozialethik zur Mitbestimmung als Instrument der Kooperation im Unternehmen zur Überwindung des Gegensatzes von Kapital und Arbeit auf: In der Tradition der Sozialpartnerschaft seien Arbeitnehmer zur Mitbestimmung berechtigt, da sie am Wertschöpfungsprozess beteiligt seien. So könne nicht nur notwendiges Vertrauenskapital geschaffen werden, auch sei ihre Mitverantwortung für die Dynamik der Unternehmensexistenz erforderlich. In der Beteiligung der Mitarbeiter am Kapital und besonders am Ertrag, die jedoch auch Risiken berge, werden Chancen für eine gerechtere Vermögensverteilung erkannt. Der wenig spektakulär anmutende Hinweis, dass „die notwendigen Veränderungsprozesse in einem Unternehmen […] nicht gegen die Mitarbeitenden erfolgreich bewältigt werden“ könnten, verbirgt einen weitaus brisanteren Kern.855 Zwar ist die Feststellung, dass „unter ständig wechselnden Rahmenbedingungen […] einer flexibilitätsfördernden und zugleich stabilitätsstiftenden Unternehmenskultur eine wachsende Bedeutung“ zukomme, zweifellos richtig, doch werden in der Denkschrift aus diesem Umstand überraschende Schlussfolgerungen gezogen: Als zentrale Werte einer solchen Kultur werden „Veränderungsbereitschaft“ und „Lernfähigkeit“ identifiziert, die unter anderem dazu beitrügen, „Anpassungsprozesse zu unterstützen“.856 Werte stünden solchen Veränderungsprozessen nicht im Weg. Wenn „ein Unternehmer notwendige Veränderungen ehrlich“ kommuniziere und „die Mitarbeiter sich auf seine Unterstützung verlassen“ könnten und „ihre Bedürfnisse Eingang in die Unternehmenskultur“ fänden, so würden sie auch dazu bereit sein, „solche Prozesse konstruktiv zu unterstützen und damit im Ergebnis effizienter zu gestalten“.857 Nicht ganz deutlich wird, ob hier womöglich nur von Veränderungen im Rahmen eines Change Managements die Rede ist, was aber angesichts der einleitenden Hinweise auf die weitreichenden Veränderungen am Markt und in der Arbeitswelt858 und das wiederholte Pochen auf „Flexibilität im 853 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 49. 854 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 53. Vgl. dazu wie zum Folgenden Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 50–65. 855 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 52. 856 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 52. 857 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 52. 858 Vgl. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 52, 56.

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Berufsleben“ unwahrscheinlich erscheint.859 Und so muss trotz des freilich begrüßenswerten Plädoyers für eine aufrichtige und transparente Unternehmenskommunikation und einen Einbezug der Mitarbeiter die Frage erlaubt sein, ob eine echte Unternehmenskultur nicht deutlich mehr darstellen und beinhalten sollte, als lediglich die Bereitschaft der Mitarbeiter zu Veränderung und ständigem Lernen. Stünde ein solches Unternehmensleitbild auf einem festen ethischen Fundament, gäbe es mit Sicherheit als ökonomisch notwendig erachtete Veränderungsoder „Anpassungsprozesse“, die vor den Mitarbeitern weder durch „effizientere Ergebnisse“ zu rechtfertigen wären noch ihnen mit den warmen Worten einer ehrlichen Unternehmenskommunikation schmackhaft gemacht werden könnten. Im fünften Abschnitt „Unternehmerisches Handeln und Konsumenten“ hebt die Denkschrift den gestiegenen Einfluss bestimmter Anspruchsgruppen – besonders der Verbraucher – auf Unternehmen hervor und betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer guten Unternehmenskommunikation.860 Unternehmen nähmen Erwartungen der Verbraucher auf, formten sie aber auch. Immer mehr Verbraucher träfen bewusste Konsumentscheidungen (auf diese Entwicklung wird unten in Kapitel 3.1.3 Ursachen für verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln näher eingegangen), weshalb den „Konsumenten eine große Entscheidungs- und Marktmacht“ sowie eine gestiegene Verantwortung zuwachse, „an der sich Unternehmen“ auszurichten hätten.861 Daraus resultiere eine stärkere Ausrichtung der Märkte an ethischen und moralischen Orientierungen. So könnten „in dem Maße, in dem Konsumenten Güter und Dienstleistungen nachfragen, bei deren Produktion soziale und ökologische Kriterien erfüllt worden sind, die über gesetzliche Vorgaben hinausgehen, […] die Unternehmen zur Übernahme von mehr gesellschaftlicher Verantwortung veranlasst werden“.862 Ein entsprechendes „erhöhtes Verantwortungsbewusstsein der Konsumenten“ gelte es zu fördern „und durch eine offensive und öffentliche Standardisierungspraxis zu unterstützen“.863 Bei ihren Forderungen nach „höchstmöglicher Transparenz“ setzt die Denkschrift vor allem auf Freiwilligkeit und Einsicht der Unternehmen.864 Über die vorgeschlagene „Selbstregulierung der Wirtschaft“ hinaus, könne aber auch die Politik „Vorgaben machen“, um „den Schutz der Verbraucher vor eigennützigem Verhalten der Unternehmen“ zu verbessern.865 Hier weitgehend ausschließlich auf Transparenz und „aufgeklärte Verbraucher“ zu setzen, bedeutet einen weitreichenden Ver-

859 Vgl. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 52, 57. 860 Vgl. dazu und zum Folgenden Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 68–74. 861 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 68. Vgl. ebf. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 71. 862 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 72. 863 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 71. 864 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 74. 865 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 74.

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trauensvorschuss für die Unternehmen.866 Fraglich ist, ob ein solch tiefes Vertrauen in die Kräfte des Marktes – auch eingedenk der weitreichenden Folgen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise des Jahres 2008 – gerechtfertigt sein kann. Außerdem bleibt vollkommen offen, wie die angestrebte Transparenz und somit die Interessenwahrung gesellschaftlicher Anspruchsgruppen sichergestellt werden kann, sollte ein Unternehmen sich nicht oder nur bedingt einsichtig zeigen. Ein vollkommen transparenter Markt wird realistisch betrachtet zudem wohl immer ein Ideal bleiben. Der sechste Abschnitt der Denkschrift „Unternehmerisches Handeln und Kapitalmarkt“ ist den Veränderungen auf den weltweiten Kapitalmärkten gewidmet, die für Beunruhigung in der Öffentlichkeit sorgten.867 Die Globalisierung habe die „Finanzierung und Kontrolle von Unternehmen verändert“ und zu „einem immer stärker von den Kapitalmärkten beherrschten Finanzsystem geführt“.868 Gut regulierte Kapitalmärkte seien in der Lage, durch Transparenz, Effizienz und eine bessere Risikostreuung einen Beitrag zu erheblichen Wohlfahrtsgewinnen zu leisten. Eingehend widmet sich die Denkschrift dem stark gestiegenen Einfluss von Beteiligungsgesellschaften, der allerdings nur wenig kritisch beurteilt, sondern begrüßt wird, da die „durch den Einfluss der Kapitalmärkte steigende Transparenz“ den in der alten Bundesrepublik „oft beklagten ‚Klüngel‘“ begrenze: „In Einzelfällen“ könne die Geschäftspraxis der Private Equity-Gesellschaften zwar „dem Prinzip nachhaltigen unternehmerischen Handelns widersprechen und destruktive Konsequenzen“ nach sich ziehen, doch sei die Sorge, „dass sich die neuen Investoren generell so verhalten und damit Unternehmenswerte vernichten, […] überzogen“.869 Auch internationale Investoren wollten „ihr Kapital vermehren“, müssten folglich „langfristig den Unternehmenswert steigern“ und könnten „durchaus auch zur Lösung mittelständischer Finanzierungsprobleme beitragen“ und Nachfolgeprobleme lösen.870 Private Equity-Unternehmen engagierten sich „oft über mehrere Jahre in einem Unternehmen“, beteiligten sich „an Chancen und Risiken“ und seien „so als Unternehmer tätig“.871 Durch die Beteiligungsfinanzierung werde „dem Unternehmen Eigenkapital zugeführt, was wiederum die Erschließung weiterer Finanzierungsquellen“ erleichtere.872 Auch wenn die vom damaligen SPD-Bundesvorsitzenden Franz Müntefering im Jahr 2005 angestoßene öffentliche „Heuschreckendebatte“ über die negativen Folgen kurzfristiger Investments von Private Equity-Gesellschaften weitgehend unsachlich und undifferenziert geführt wurde,

866 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 74. 867 Vgl. dazu wie zum Folgenden Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 75–86. 868 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 75f. 869 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 77. 870 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 77, 78. 871 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 77. 872 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 78.

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erscheint doch fragwürdig, aus welchem Grund sich die Denkschrift der Darstellung dieses Geschäftsmodell in solcher Ausführlichkeit widmet. Sollte es auch in der Mehrheit der Fälle zutreffen, dass „selbst Beschäftigung abbauende Umstrukturierungen den langfristigen Unternehmenserfolg und damit die Möglichkeit, mittelfristig neue Stellen zu schaffen“ förderten, so irritiert die Werbung für ein Geschäftsmodell, das den Abbau und vorläufigen Verlust von Arbeitsplätzen als notwendiges Übel allein zum Zwecke zukünftigen Wachstums und einer erhofften Steigerung der Wirtschaftlichkeit und immer größerer Profite gleichsam systematisch verfolgt, in einer Kirchen-Denkschrift doch sehr. Schließlich ist bei Weitem nicht jede aus ökonomischen Aspekten sinnvolle Entscheidung auch ethisch gut oder moralisch vertretbar. Der Hinweis, „die Veränderungen des Wirtschaftsstils durch die Orientierung an den globalen Finanzmärkten – weg von einer Stakeholder- und hin zu einer Shareholderorientierung“ solle „nicht zulasten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gehen“, erscheint beinahe zynisch und mag auch nicht recht zu den Aussagen des vorangegangenen Kapitels passen, in dem gerade eine stärkere Stakeholderorientierung eingefordert wurde.873 Auffällig unterscheidet sich diese evangelische Sichtweise von der oben beschriebenen scharfen Kritik der katholischen Kirche, die in ihrer aktuellen Enzyklika mit dem wachsenden Einfluss von Private-Equity-Gesellschaften und Investmentfonds auf Unternehmensentscheidungen hart ins Gericht geht.874 In der katholischen Stellungnahme wird explizit darauf verwiesen, dass Investitionen nicht bloß als rein technische Vorgänge betrachtet werden dürften, sondern auch als menschliche und ethische Handlung gesehen werden müssten.875 Investitionen im Ausland dürften nicht aus rein ökonomisch-rationalem Kalkül oder kurzfristigem Streben nach Gewinnmaximierung erfolgen.876 Dem gestiegenen Wettbewerb auf den Finanzmärkten begegnet die evangelische Kirche vornehmlich mit der Forderung nach „Maßnahmen zur Stärkung der Transparenz“ sowie nach der Selbstverpflichtung der Marktteilnehmer in Form eines „selbst auferlegte[n] Verhaltenskodex“, um die „Risiken zu vermindern“.877 Möglichkeiten der Regulierung insbesondere der Hedgefonds, „die sich einen harten Wettbewerb um […] besonders viel Gewinn versprechende Geschäftspartner“ lieferten – etwa durch eine verbesserte „Aufsicht der Marktteilnehmer“ – werden ebenfalls erwähnt, ohne aber auf deren konkrete Ausgestaltung (abgesehen vom Vorschlag zur Einführung einer weltweit geltenden Regelung über die Eigenkapitalvorhaltung bei der Vergabe von Krediten) näher einzugehen.878

873 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 77. 874 Vgl. Caritas in veritate, Nr. 40. 875 Vgl. Caritas in veritate, Nr. 40. 876 Vgl. Caritas in veritate, Nr. 40. 877 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 82. 878 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 81f.

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Im Anschluss macht die Denkschrift – offensichtlich nicht unbeeinflusst von der öffentlichen Debatte – einige Aussagen zur angemessenen Vergütung von Managern.879 Unverhältnismäßig hohe Gehälter zerstörten das Vertrauen der Menschen in die Wirtschaft. Zudem müsse die Distanz zwischen den Gehältern innerhalb eines Unternehmens vor den Beziehern der geringsten Gehälter zu rechtfertigen sein. Der siebte Abschnitt „Wirtschaftliche und politische Verantwortung in Zeiten der Globalisierung“ liefert eine treffende Analyse der Prozesse der Globalisierung.880 In der Denkschrift wird diagnostiziert, die Globalisierung habe „zu einer Verschärfung des internationalen Wettbewerbs geführt“, die „einen ständigen Kampf um die eigene Wettbewerbsfähigkeit“ zur Folge habe und somit „alle Beteiligten unter Druck“ setze, „ständig besser, günstiger, schneller und innovativer zu sein als die Wettbewerber in aller Welt“.881 Aus dem daraus resultierenden „ständigen strukturellen Wandel“ folgten die „Verlagerung von Arbeitsplätzen und Investitionen ins Ausland“ zur Sicherung der in Deutschland vorhandenen Arbeitsplätze, obschon „gerade Deutschland von der Globalisierung gerade beschäftigungspolitisch“ profitiere.882 „In der Regel für Arbeitnehmer und Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar“ sei es, „wenn Unternehmen hohe Gewinne“ erwirtschafteten „und gleichzeitig Produktionsverlagerungen“ vornähmen.883 Da „bei der Verlagerung von Betrieben oder Betriebsteilen“ auch „die Politik vor Ort in die Defensive“ gerate und sich „am Ende nur doch damit konfrontiert“ sehe, „sich auf höhere Transferleistungen für schwer vermittelbare Arbeitslose einzustellen“, bestehe „eine unternehmerische Aufgabe“ darin, „betriebswirtschaftlich begründete Verlagerungen auch öffentlich nachvollziehbar zu vermitteln“.884 „Solche Entscheidungen“ müssten „dann aber umfassend innerhalb des Unternehmens und auch öffentlich begründet werden, damit nicht Ängste und Sorgen sogar in Unternehmen“ mit einer „gute(n) Markt- und Ertragsposition“ um sich griffen.885 Wiederum fällt auf, dass in erster Linie „Transparenz über die Gründe für derartige Unternehmensentscheidungen“ und eine aufrichtige interne und externe Unternehmenskommunikation eingefordert wird, eine ethisch-moralische Reflexion solcher Entscheidungsprozesse und ihrer Folgen hingegen weder von der Denkschrift vorgenommen noch eingefordert oder zumindest angeregt wird.886 Dass von der Denkschrift in seltsamer Zurückhaltung ethische Kriterien lediglich an die Unternehmenskommunikation 879 Vgl. dazu und zum Folgenden Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 87–95. 880 Vgl. dazu und zum Folgenden Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 96–106. 881 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 96. 882 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 96. 883 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 97. 884 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 97. 885 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 97. 886 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 97.

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angelegt werden, die dahinter liegenden strategischen Managementprozesse davon aber gänzlich unberührt bleiben, ist deutlich zu kurz gedacht. Äußerst fragwürdig erscheint es überdies, die Funktion von Unternehmenskommunikation lediglich auf die umfassende Begründung betriebswirtschaftlicher Entscheidungen vor Mitarbeiterschaft und Öffentlichkeit zu reduzieren, um so die – berechtigten – Sorgen der Menschen um ihren Arbeitsplatz, ihre Existenz, die Versorgung ihrer Familien zu lindern. Obgleich die Arbeit vieler Presse- und Kommunikationsabteilungen realiter in solchen, auch für die Pressearbeit nicht alltäglichen Situationen tatsächlich wie von der Denkschrift beschrieben aussehen mag, handelt es sich dabei – trotz aller aus der offenkundigen Verschärfung des internationalen Wettbewerbs und des strukturellen Wandels resultierenden zweifellos vorhandenen ökonomischen Bedingtheiten und ernst zu nehmenden Herausforderungen für die Unternehmen – dennoch nicht um ein unter moralischen Gesichtspunkten und Ansprüchen erstrebenswertes Ideal. Es mutet zudem unwahrscheinlich an, dass auf die vorgeschlagene Weise ein fairer Interessenausgleich zwischen „Arbeitnehmern und Öffentlichkeit“ und dem Unternehmen und dessen „nicht nachvollziehbaren“ Entscheidungen gelingen kann, wie aller Bemühungen fähiger Kommunikationsabteilungen zum Trotz die öffentlichen Reaktionen in Deutschland auf die betriebsbedingten Kündigungen oder Arbeitsplatzverlagerungen großer Konzerne der zurückliegenden Jahre zeigen. Erkennt die Denkschrift trotz der beschriebenen Herausforderungen in Deutschland einen Profiteur der Globalisierung, „auch was Beschäftigung und Wohlstand“ anbelangt, benennt sie aber auch besondere Probleme gerade für den „Niedriglohnsektor“, indem „die schützenden Lohnstrukturen in den nationalen Systemen“ aufgeweicht würden, wodurch die „Löhne der gering Qualifizierten unter Druck gerieten“ und sich „am Ende Arbeitslosigkeit oder das Abdrängen in den informellen Sektor“ ergeben könnten.887 Auch global seien „im Zuge der internationalen Verflechtungen von Unternehmen und des Niedergangs herkömmlicher Arbeitsbeziehungen […] die meisten Länder mit dem Problem des gesellschaftlichen Zusammenhalts konfrontiert“.888 Dabei stießen „nationalstaatliche und europäische Regelungen […] angesichts der globalen Vernetzung der Wirtschaft auf Grenzen“, was zu „heftigen Auseinandersetzungen über die gesellschaftliche und demokratische Kontrolle der Globalisierung“ geführt habe.889 Deshalb und angesichts der „zunehmend[en] Artikulationskraft“ von „‚Anti-Globalisierungs-Initiativen‘ in der weltweiten Zivilgesellschaft“ sei „eine öffentliche Debatte über die Chancen, Risiken und Regelungsmöglichkeiten der wirtschaftlichen Globalisierung […] dringend nötig“.890 Über die Forderung hinaus, dazu müssten „die Interessen der Verlierer der Globalisierung in den Mittelpunkt gerückt werden“, 887 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 98. 888 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 99. 889 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 99. 890 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 99.

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um „gemeinsam neue Wege der Teilhabegerechtigkeit“ zu erarbeiten, nennt die Kirche dabei allerdings weder konkrete Ziele oder Absichten, noch unterbreitet sie konkrete Vorschläge, wie diesen negativen und in den verschiedenen betroffenen Gesellschaften teils stark divergierenden Auswirkungen der Globalisierung in Zukunft wirkungsvoll begegnet werden könnte.891 Statt dessen werden in der Denkschrift die „große[n] Entwicklungschancen“ betont, die sich für die „kostengünstigere[n] Standorte Europas und anderer Kontingente“ durch die „Investitionen aus dem Ausland“ ergäben.892 Dazu zählten „steigendes Wachstum, wachsende[r] Wohlstand, einträgliche Arbeit, höhere Sozialstandards und nachhaltiges Wirtschaften, bessere Bildung und ein höheres Lebensniveau für die Menschen“.893 Die Risiken eines neoliberalen Turbokapitalismus, wie er sich derzeit in einigen Schwellenländern zu entwickeln droht, werden dabei weitgehend übergangen. Es wird lediglich festgehalten, dass „diese wirtschaftliche Entwicklung […] so gesteuert“ werden müsse, „dass sie mit Demokratie und Menschenrechten nicht nur vereinbar ist, sondern zu deren Verwirklichung“ beitrage.894 Die „europäischen Unternehmen“ trügen „bei ihrem internationalen Engagement“ deshalb und „weil die nationalen Regelungsmöglichkeiten und die internationalen Institutionen nur begrenzt die Rahmenbedingungen für die Globalisierung bestimmen“ könnten, einerseits „eine besondere Verantwortung“ dafür, „Freizügigkeit, Meinungsfreiheit und Minderheitenrechte“ ebenso wie „kulturelle(n) Unterschiede“ zu berücksichtigen und dürften andererseits auch „die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen nicht scheuen“.895 Neben dem Ergreifen wirtschaftlicher Chancen müssten die Unternehmen auch „ihre Verantwortung für soziale, ökologische und demokratische Entwicklungen“ wahrnehmen und zwar ausdrücklich auch „für die Lebenschancen der kommenden Generationen“, wobei wiederum der Nachhaltigkeitsgedanke aufgegriffen wird.896 Wie schon zuvor setzt die Denkschrift hier stark auf eine freiwillige ethische Selbstverpflichtung der Unternehmen, deren Verantwortung nicht „auf das unmittelbare unternehmerische Handeln beschränkt“ sei, sondern sich „auch auf die verantwortliche Mitwirkung an der Entwicklung wohlgeordneter Rahmenbedingungen“ mit dem Ziel der „Etablierung einer ethisch begründeten globalen Rahmenordnung und entsprechender internationaler Institutionen“ und einer „Globalisierung der Menschenrechte“ erstrecke.897 Von der Politik wird zwar eine Einflussnahme „auf die Gestaltung weltweiter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen“ verlangt, doch konkretisiert die Denkschrift in der Folge nur die mögliche Ausformung der Rahmenbedingungen, nicht aber die Rolle des Staates bzw. 891 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 99. 892 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 100. 893 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 100. 894 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 100. 895 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 100f. 896 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 101, 105. 897 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 106.

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der Staaten.898 Zur „sozialen Gestaltung der fortschreitenden Globalisierung“ bedürfe es „weltweit gültiger Spielregeln“, wobei „das Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft die globalisierten Entwicklungen auch international prägen“ sollte, um so „Kriterien der gerechten Teilhabe aller bzw. der sozialen Inklusion weltweit zu verankern“.899 Dies könne beispielsweise über die „Welthandelsorganisation (WTO), internationale Verabredungen zwischen den Industrienationen und die Internationale Arbeitsorganisation (IAO)“ geschehen.900 Konzerne seien zur Einhaltung „wesentliche(r) Standards zum Arbeits- und Gesundheitsschutz“ gehalten, soweit ein Staat etwa die Übereinkommen der IAO nicht ratifiziere und in geltendes nationales Recht umwandle.901 Wie solche grundlegenden Regeln für wirtschaftliches Handeln jedoch international umgesetzt oder transnationale „wirtschaftliche Rahmenbedingungen“ nach dem Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft gestaltet werden könnten, wie die Selbstverpflichtung global agierender Konzerne zur Einhaltung von Menschenrechten sowie Arbeits- und Gesundheitsschutzregelungen kontrolliert und deren Mitwirkung an der Etablierung einer ethisch begründeten globalen Rahmenordnung und entsprechender internationaler Institutionen tatsächlich erreicht werden könnte, wird in keiner Weise thematisiert, auch weil die Rolle der Politik in der Denkschrift gänzlich im Dunkeln bleibt. Es fällt auf, dass die Denkschrift im Globalisierungskapitel trotz einer treffenden Darstellung wesentlicher Entwicklungen vor allem auf einer deskriptiven Ebene verharrt, wobei vor allem die Chancen der Globalisierung gegenüber ihren Risiken und Schattenseiten stark in den Vordergrund treten. Bezüglich der Ausgestaltung wirtschaftlicher und politischer Verantwortung für globales Wirtschaften nach ethischen Maßgaben belässt es die Denkschrift bei gut gemeinten Appellen an die umfassende Verantwortlichkeit global agierender Konzerne, die sich mit einer vagen Hoffnung auf Vernunft und Einsicht in ethische Grundregeln verbindet. Ob ein solch umfassendes Vertrauen in die moralische Integrität des globalen Wirtschaftssystems und seiner Akteure gerechtfertigt ist, darf bezweifelt werden. In ihrem achten Abschnitt „Gesellschaftliche Verantwortung von Wirtschaftsunternehmen – Wirtschaftliches Handeln von Kirche und Diakonie“ weist die Denkschrift auf den angesichts eines weltweit weitgehend ungeregelten Wettbewerbs wachsenden Einfluss globaler Wirtschaftsunternehmen und deren steigende Verantwortung hin, der sie besonders durch die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards im Rahmen langfristiger Strategien gerecht werden müssten. 902 „Nachdem soziale Verantwortung in der Tradition der Sozialen Marktwirtschaft 898 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 101. 899 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 102. 900 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 102. 901 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 102. 902 Vgl. dazu und zum Folgenden Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 107– 114.

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gerade von mittelständischen deutschen Unternehmen schon immer praktiziert worden ist“, sei sie in den zurückliegenden Jahren nun auch „für international operierende Konzerne […] fast obligatorisch geworden“.903 In diesem Zusammenhang mache der Begriff der Corporate Social Responsibility (CSR) in der deutschen Wirtschaftswelt Karriere. Unterschiedliche gesellschaftliche Anspruchsgruppen erscheinen dabei als Hauptadressaten einer verantwortlichen Unternehmenspolitik, die sich durch den Einbezug der Trias aus sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten an den Kriterien der Nachhaltigkeit orientiert: Die inhaltlichen Schwerpunkte des unternehmerischen Engagements orientierten sich an „Mitarbeiter[n], Gesellschaft und Umwelt“.904 Diese gezielten Bemühungen seien häufig „Teil einer an den Anspruchsgruppen des Unternehmens ausgerichteten Gesamtstrategie“, die verdeutlichen sollten, „dass über die Gewinnerzielung hinaus ein nachhaltiges Interesse an […] der konkreten Unternehmensumwelt“ bestehe.905 CSR stehe „für die soziale und ethische Verantwortung von Unternehmen […] als eine Form des Dialogs, den jedes Unternehmen mit seinem gesellschaftlichen Umfeld führen“ müsse, „um dessen Bedürfnisse wahrnehmen und umsetzen zu können“.906 Die Kirche betont hierbei vor allem das kommunikative Element unternehmerischer Verantwortung. Eine konzertierte, unternehmensweite Managementstrategie verantwortlichen unternehmerischen Handelns wird so in eine direkte Beziehung zu einer entsprechenden umfassenden Kommunikationsstrategie gesetzt – ein interessanter und wichtiger Aspekt, auf den vor allem unten noch näher eingegangen werden soll (Vgl. unten Kapitel 2.2.1 Corporate Social Responsibility als Management- und Kommunikationskonzept verantwortlichen und nachhaltigen unternehmerischen Handelns.). Dass solcherart gesellschaftliches Engagement „trotz seiner das Image fördernden Funktion […] nicht auf strategische Erwägungen reduziert werden dürfe“, ist ein bedeutender Hinweis. Damit CSR ihre Wirkung entfalte, sei „die Glaubwürdigkeit der Aktivitäten das wichtigste Element“.907 Unternehmen sollten dazu in der Lage sein, „die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Umwelt, Gesellschaft und Mitarbeiter im Rahmen ihrer Managementverfahren zu berücksichtigen und über diese in einer sachgerechten und transparenten Form zu kommunizieren“, was ein „umfassendes, im Unternehmen verankertes CSR-Management“ voraussetze.908 Es überrascht aber, dass die Übernahme unternehmerischer Verantwortung vor allem unter wirtschaftlichen Aspekten als lohnend herausgestellt wird: So erkannten „immer mehr Unternehmen, dass aktives Handeln im Bereich CSR Chancen und damit Wettbewerbsvorteile“

903 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 109. 904 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 110. 905 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 110. 906 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 109. 907 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 112. 908 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 112.

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ermögliche.909 Zweifelsfrei erwachsen aus einer CSR-Strategie auch wirtschaftliche Vorteile und das Abstellen auf ökonomische Rationalität und ein offensichtliches Kosten-Nutzen-Kalkül mag insbesondere unter Shareholderaspekten eines der überzeugendsten Argumente für eine an Aspekten der CSR orientierte Management- und Kommunikationsstrategie darstellen. Dass dabei „ethische Leitlinien“ jedoch lediglich als „wertvolle Orientierung“ für Mitarbeiter und Management hervorgehoben werden, die „moralisches Handeln“ erleichterten, zielt zu kurz und wird den vielfältigen, deutlich weiter reichenden positiven Konsequenzen einer nachhaltigen Unternehmenspolitik gerade im Hinblick auf die Kriterien intra- und intergenerativer Gerechtigkeit und einen ehrlichen Dialog mit allen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen einer Unternehmung jedoch nicht gerecht.910 Zudem fällt auf, dass eine ethische Begründung – etwa unter Bezugnahme auf ein christliches Menschenbild oder wesentliche Glaubensgrundsätze – nicht vorgenommen wird. Im Schlusskapitel „Fazit und Empfehlungen“ fordert die Denkschrift von den Verantwortlichen in der Wirtschaft angesichts der weiteren Zunahme der Dynamik wirtschaftlicher Prozesse ein gesteigertes ethisches Bewusstsein und klare Orientierungen sowie eine spirituelle Beheimatung ein.911 „Freies unternehmerisches Handeln“ müsse sich „an ethische Grundsätze gebunden wissen, da es nur so seine Freiheit bewahren“ könne.912 Die Bibel sei dabei für Christen von zentraler orientierender Bedeutung, indem sie „die Grundperspektiven des Lebens“ präge und „Maßstäbe für den Beruf des Unternehmers“ setze.913 Wichtigster Faktor sei das „glaubwürdige Agieren der Verantwortlichen“, „ihre vorgelebte Bindung an christliche Werte und ihre Bereitschaft, auch vor Nachgeborenen Verantwortung zu übernehmen“, da ihnen nicht zuletzt eine wichtige moralische Vorbildfunktion zukäme.914 „In ihrem Kern“ bliebe „die moderne Wirtschaftswelt“ allerdings „angetrieben durch das Eigeninteresse und die Selbstverwertung des Kapitals“. 915 Wo aber die „Shareholdervalue-Orientierung eine solche Bedeutung“ gewinne, „dass die Interessen der Stakeholder wie Arbeitnehmer und Verbraucher in den Hintergrund“ rückten, drohe ein Verlust des Vertrauens, von dem wirtschaftliches Handeln getragen werde.916 Dieser Vertrauensverlust ihrer Anspruchsgruppen stellt – wie im folgenden Abschnitt noch zu zeigen sein wird – ein ernst zu nehmendes Risiko für Unternehmen dar.

909 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 112. 910 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 113. 911 Vgl. Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 125–138. 912 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 127. 913 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 127. 914 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 127. 915 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 128. 916 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 128.

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Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion

1.3.6.2.1

Kritik und Würdigung der Denkschrift

Kritik von Teilen der evangelischen Theologie erfuhr vor allem die in der Denkschrift vorgenommene Annäherung und grundsätzliche Bejahung der Sozialen Marktwirtschaft, die als unumschränkte Befürwortung des Kapitalismus gewertet wurde: Der von Ulrich Duchrow und Franz Segbers herausgebene Sammelband Frieden mit dem Kapital? Wider die Anpassung der evangelischen Kirche an die Macht der Wirtschaft enthält neben verschiedenen kritischen Beiträgen auch ein von Wissenschaftlern unterschiedlicher Profession unterzeichnetes, „an Christinnen und Christen, Gemeinden und Kirchen“ gerichtetes Memorandum, das dazu auffordert, „der Unternehmerdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland biblisch-theologisch und wirtschaftswissenschaftlich zu widersprechen“.917 Darin wird der Denkschrift neben wiederholter, ausgiebiger Kritik an ihrem Umgang mit der Bibel und der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Religion und Ökonomie918 vorgeworfen, die „soziookönomische Realität in grotesker Weise“ zu beschönigen und sich damit von der „Mehrheit der Erdbevölkerung und auch von den Verlierern und Verliererinnen in Deutschland“ abzutrennen, die „zunehmend unter den ausschließenden, verarmenden und ökologisch zerstörerischen Folgen des herrschenden Systems“ zu leiden hätten. 919 Die Evangelische Kirche nehme eine Legitimierung des „neoliberale[n] Kapitalismus“ vor, indem dieser in der Denkschrift zu unrecht als Soziale Marktwirtschaft bezeichnet würde.920 Die geäußerte Kritik ist in ihrer Schärfe überzogen und teilweise auch unsachlich. Unterstellt man der Denkschrift, sie wolle einen neoliberalen Kapitalismus und dessen Auswirkungen verharmlosen und als Soziale Marktwirtschaft verkaufen, wird man ihr nicht gerecht. Ökonomisches Handeln erscheint in der Denkschrift immer auch als ein Prozess, der eingebunden in ein marktwirtschaftliches Gesellschaftssystem Verantwortung für die Grundlagen sozialer Gerechtigkeit und den Schutz der natürlichen Umwelt zu tragen hat. Die Denkschrift stellt eine vielschichtige und differenzierte Auseinandersetzung mit unternehmerischem Handeln in der Gegenwart und den Folgen des Globalisierungsprozesses dar. Allerdings bedingt die von der Denkschrift angestrebte Konzentration auf die Frage des unternehmerischen Handelns als eine „der wichtigsten Triebkräfte marktwirt917 Vgl. Ulrich Duchrow u.a.: Memorandum. An Christinnen und Christen, Gemeinden und Kirchen, der Unternehmerdenkschrift der Evangelischen Kirche biblisch-theologisch und wirtschaftswissenschaftlich zu widersprechen. In: Ders./Franz Segbers (Hg.): Frieden mit dem Kapital? Wider die Anpassung der evangelischen Kirche an die Macht der Wirtschaft. Oberursel 2008, S. 9–27. 918 Auf diese Kritik soll hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. bes. Kuno Füssel: Das Ende der prophetischen Kritik. Zum Umgang mit der Bibel in der Denkschrift der EKD über unternehmerisches Handeln. In: Duchrow/Segbers (Hg.): Frieden mit dem Kapital?, S. 150–163. Vgl. zudem Ton Veerkamp: Was ist eigentlich noch evangelisch an der Evangelischen Kirche in Deutschland? In: Ebd., S. 127–137; sowie Frank Crüsemann: Wirtschaftliche Gerechtigkeit als Moment biblischer Theologie. In: Ebd., S. 138–149. 919 Duchrow u.a.: Memorandum, S. 9. 920 Duchrow u.a.: Memorandum, S. 9.

Wirtschaftsethische Fragestellungen

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schaftlicher Ökonomie“ eine starke Perspektivierung auf das System der Wirtschaft und die in ihm handelnden Akteure.921 Es ist unzweifelhaft, dass die Beschäftigung mit dieser „Problematik“, wie von der Denkschrift angegeben, aus deren großer Bedeutung „für die Zukunft sozialer Gerechtigkeit und den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen“ ihre Berechtigung bezieht.922 Doch ist zu bemängeln, dass die Denkschrift bei der Untersuchung der gegenwärtigen Entwicklungen des weltweiten Wirtschaftssystems weitgehend auf einer rein deskriptiven Ebene verharrt und eine Auseinandersetzung und vor allem eine ethische Bewertung der außerökonomischen Konsequenzen des fortschreitenden Globalisierungsprozesses scheut. Lediglich auf die „beständige Neuschaffung“ gesellschaftlichem Reichtums zu pochen, das Ideal eines „Wohlstands für möglichst viele“ hochzuhalten, Nachhaltigkeit und globale Gerechtigkeit einzufordern und an die Rückbesinnung auf wesentlichen Glaubensgrundsätze zu appellieren, ist unzureichend, wenn von den Wirtschaftsakteuren nichts weiter als die freiwillige Einhaltung von Regeln und die größtmögliche Offenheit und Transparenz in ihrem Handeln sowie in ihrer Kommunikation gegenüber den unterschiedlichen Anspruchsgruppen gefordert wird.923 Fragwürdig erscheinen in diesem Zusammenhang besonders das große Vertrauen in die Möglichkeiten der weltweiten Kapitalmärkte einerseits, die transparent und gut reguliert zu erheblichen Wohlfahrtsgewinnen führten, wobei die negativen Folgen ausschließlich positiv umgedeutet werden, und in die Potentiale eines funktionierenden Wettbewerbs als Regulativ andererseits, das im Rahmen eines – wie auch immer gestalteten – Ordnungsrahmens sozialen Ausgleich, Solidarität und Gerechtigkeit gewährleisten könne und zugleich staatliche Eingriffe auf das Nötigste zu reduzieren vermöge. Eine abschließende Würdigung der Denkschrift muss in erster Linie bemängeln, dass die evangelische Kirche darin ihren eigenen Forderungen nach einem ethischen Bewusstsein, klaren Orientierungen und spiritueller Beheimatung nicht gerecht wird. Sie lässt Probleme ungenannt, konkretisiert ihre Forderungen kaum und verharrt vielfach auf einer ausschließlich deskriptiven Ebene. Die Denkschrift weist auf die „kraftvolle Grundlage“ der ethischen Traditionen des christlichen Glaubens für wirtschaftsethische Frage- und Problemstellungen hin.924 Deren Aktualisierung oder zumindest einen fassbaren Bezug auf diese „kraftvolle Grundlage“ hätte man sich gewünscht. So bleibt vieles offen, bzw. in die Verantwortung des Einzelnen gestellt, dem von der Denkschrift zwar in der treffenden Beschreibung gegenwärtiger Entwicklungen und Herausforderungen eine solide Grundlage, aber zu wenig echte Orientierung zur wirtschaftsethischen Problemlösung und Entscheidungsfindung zur Verfügung gestellt wird. Die von der Denkschrift versuchte Versöhnung zwischen kirchlicher Soziallehre und globaler Ökonomik scheitert so vor allem an der fehlenden inhaltlichen Kompe921 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 1. 922 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 1. 923 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 4. 924 Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, Nr. 22.

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Wirtschaften und Ethik in der Geschichte der christlichen Religion

tenz der Kirche, sich neben und jenseits der deskriptiven Ebene intensiv mit konkreten Fragen auseinander zu setzen und Lösungsansätze anzubieten.

1.4 Wirtschaftsethik in der christlichen Religionsgeschichte: Ein Ausblick Anhand einiger beispielhafter Schlaglichter der Theologie- und Kirchengeschichte konnte gezeigt werden, wie die Entwicklung unserer Kultur von der Suche und der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Wirtschaft und Ethik mitbestimmt wurde und dass die beiden großen christlichen Kirchen maßgeblichen Einfluss nahmen auf die Ausgestaltung dieses Prozesses, auf die Herausbildung von Theorien zum Verständnis des Wirtschaftsgeschehens und die daraus abgeleiteten sittlich-moralischen Konsequenzen. Bis heute enthalten religiös fundierte Ethiken immer auch Stellungnahmen zum wirtschaftlichen Handeln des Menschen. Fraglos leistet die christliche Wirtschaftsethik dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Normierung und Gestaltung des ökonomischen Handelns der Gläubigen. Dennoch könnte man die Frage aufwerfen, welche Bedeutung aktuelle, allenfalls von Fachmedien rezipierte Enzykliken und Denkschriften für den wirtschafts- und unternehmensethischen Diskurs noch besitzen, wofür die Kirchen in einer globalisierten Wirtschaft, in der die Interessen unterschiedlicher Anspruchsgruppen von einer Vielzahl einflussreicher NGOs wirksam vertreten werden, als normative Instanz überhaupt noch gebraucht werden. Indem die theologische Wirtschaftsethik der Gegenwart eine „ethische Theorie der Moral ähnlich wie andere moderne moralphilosophische Ansätze mit universalistischen, gerechtigkeitstheoretischen oder konsenstheoretischen Methoden“ zu begründen sucht, ist sie wirtschaftsethischen Ansätzen anderer fachwissenschaftlicher Provenienz freilich keineswegs unähnlich.925 Elke Mack weist jedoch zurecht auf ein besonderes Spezifikum einer theologischen Wirtschaftsethik hin: In ihr werde der „‚moral point of view‘“ und die mit ihm „verbundene hermeneutische Reflexion über den Ausgangspunkt, die jeder Moralbegründung noch einmal vorausgeht […], mit einem wesentlichen Unterschied eingenommen und durchge-führt“.926 In der bewussten Einbeziehung transzendenter Bezüge gehe die theologische Ethik grundlegend anders an ihre Forschungsobjekte heran und reflektiere deshalb moralische Probleme so, „dass hermeneutische Zielgrößen nicht im immanenten Möglichkeitsraum stehen bleiben“.927 Auf diese Weise eröffne sie eschatologische Gestaltungsräume, die von langfristigerer Natur seien, als das derzeit Machbare. 928 Eine theologische Begründung von 925 Elke Mack: Theologische Wirtschaftsethik. In: Beschorner, Thomas/Schmidt, Matthias (Hg.): Integritäts- und Umweltmanagement in der Beratungspraxis. München u.a. 2004 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 8), S. 139–149, 139. 926 Mack: Theologische Wirtschaftsethik, S. 140. 927 Mack: Theologische Wirtschaftsethik, S. 140. 928 Vgl. Mack: Theologische Wirtschaftsethik, S. 140.

Wirtschaftsethik in der christlichen Religionsgeschichte: Ein Ausblick

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hermeneutischen Ausgangspunkten der Ethik geschehe in der christlich geprägten Wirtschaftsethik „aus der theologischen Überzeugung heraus, dass der christliche Glaube zutiefst etwas mit ethischer Verantwortung für andere und für die Gesellschaft als Ganze zu tun“ habe.929 Die Einforderung und Übernahme von Verantwortung für diejenigen Anspruchsgruppen, die über keine Lobby verfügen und die leicht überhört würden, kann als das eigentliche Alleinstellungsmerkmal der christlichen Kirchen im gegenwärtigen wirtschaftsethischen Diskurs betrachtet werden. Die Fähigkeit der christlichen Kirchen, aus ihrem historisch gewachsenen Selbstverständnis als unbequeme Mahner für Gerechtigkeit sowie in ihrem Eintreten für die Bewahrung der Schöpfung eine unabhängige Position jenseits von Moden, Trends und Tagespolitik einnehmen zu können, macht sie zum Sachwalter der Interessen jener, die ihre Ansprüche nicht oder noch nicht artikulieren können. Dabei profitieren sie einerseits von einem gewachsenen Vertrauen in ihre Verlässlichkeit und Wahrhaftigkeit, in ihre Un- und Überparteilichkeit über konfessionelle oder parteipolitische Grenzen hinweg sowie der Zeitlosigkeit ihrer Argumente andererseits, denen die Kirchen im Diskurs so eine anschlussfähige und langfristige – und somit eine im eigentlichen Sinne nachhaltige – Perspektive verleihen können. Ihr Glaubwürdigkeitsvorteil kommt ihnen dabei zupass. Zuweilen scheint es heute fast, als hätten sich die Kirchen damit abgefunden, mit ihren sozialethischen Stellungnahmen allenfalls ein interessiertes Fachpublikum zu erreichen, als seien sie sich ihres faktischen normativen Einflusses auf den gesellschaftlichen Diskurs weder recht gewiss noch gewahr. Versteht man, wie zu Beginn dieser Arbeit dargelegt, religiöse Deutungssysteme als „Systeme der Lebensführung“, die Anspruch darauf erheben, „die Lebensvollzüge der in ihnen vergemeinschafteten Menschen“ deshalb „tiefgreifend prägen“, weil sie sich auf das „‚Ganze‘ der Wirklichkeit“ zu beziehen, so sind die Kirchen in der Pflicht, den normativen Anspruch religiöser Ethik offensiv zu vertreten.930 Angesichts der alten und neuen Herausforderungen im Zuge des Globalisierungsprozesses, der latenten Gerechtigkeitsproblematik, des offenkundigen wiederholten Versagens nationaler Politik und der Unmöglichkeit einer verbindlichen transnationalen Rahmenordnung kommt den Kirchen die Rolle einer besonderen NGO zu: Im Sinne inter- und intragenerativer Gerechtigkeit können sie als Stimme der Sprachlosen fungieren. Die Kirchen können so gegenwärtig und in Zukunft eine wichtige Orientierungsleistung – auch, aber nicht nur, in ethischen Konfliktfällen – erbringen. Angesichts des grassierenden Vertrauensverlusts vieler Anspruchsgruppen gegenüber dem marktwirtschaftlichen System, der sich – wie im kommenden Kapitel noch zu zeigen sein wird – im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise weiter verschärft hat, darf die kulturelle und politische Bedeutung der beiden großen christlichen Kirchen für die wirtschaftsethische Debatte weder negiert noch unterschätzt werden.

929 Mack: Theologische Wirtschaftsethik, S. 141. 930 Graf: Die geschichtliche Rolle, S. 567f.

Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten. […] Zusammenfassend kann gesagt werden: die Nationalökonomie ist die Metaphysik des Pokerspielers. (Kurt Tucholsky: Kurzer Abriß der Nationalökonomie [1931])

Hier oben weht ein rauher Wind, keiner hört uns, wenn wir traurig sind, Gott, wenn du mich hörst, sag mir, ob es ein’ Himmel gibt für Bänker, hier oben weht ein rauher Wind, keiner hört uns, wenn wir traurig sind, ich verkauf’ noch dieses Wertpapier, mach’ den Computer aus und spring’ aus dem Fenster! (K.I.Z.: Rauher Wind [2009])

2. Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik 2.1 Auf der Suche nach Verantwortung: Wirtschaftskrise als Vertrauenskrise 2.1.1 Von der Finanz- zur globalen Wirtschaftskrise Der 15. September 2008 veränderte die Welt. An diesem Tag, der als „Schwarzer Montag“ als eines der unrühmlichsten Kapitel in die Wirtschaftsgeschichte eingehen wird, meldet die große US-amerikanische Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz an und geht mit 200 Milliarden US-Dollar Verbindlichkeiten in den Konkurs, ihr schwer angeschlagener Konkurrent Merrill Lynch wird von der Bank of America aufgekauft und der US-amerikanische Börsenindex Dow Jones erleidet den stärksten Tagesverlust seit den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001.1 Der Montag im September 2008 markierte den vorläufigen negativen Höhepunkt der Finanzmarktkrise und zugleich ihren symbolischen Wendepunkt: Spätestens jetzt war offensichtlich, dass sich aus der zuerst noch schwelenden und dann immer rascher um sich greifenden Krise des (US-amerikanischen) Immobilien- und Finanzmarkts eine Wirtschaftskrise globalen Ausmaßes entwickelt hatte – mit bis heute nicht in Gänze absehbaren und nicht kalkulierbaren Folgen.2 Kein Zweifel besteht indes daran, dass die Konsequenzen aus der Krise kein isoliertes 1

2

Vgl. zu den Schulden der insolventen Bank Gewaltiger Uranvorrat. Lehman Brothers und die Atombombe. In: FTD.de v. 14.04.2009, URL: http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/ :Gewaltiger-Uranvorrat-Lehman-Brothers-und-die-Atombombe/499823.html [aufgerufen am 26.05.2009]. Vgl. ausführlich zur Entstehung der Finanz- und Wirtschaftskrise, auf deren Ursachen an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll, bspw. Barry Eichengreen: Thirteen Questions about the Subprime Crisis. University of California, Berkeley. January 2008, URL: http://www.econ.berkeley.edu/~eichengr/13%20questions.pdf [aufgerufen am 12.11.2009]. Vgl. ebf. ders.: Origins and Responses to the Crisis. University of California, Berkeley. October 2008, URL: http://emlab. berkeley.edu/users/webfac/eichengreen/e183_sp07/origins_responses.pdf [aufgerufen am 12.11.2009]; sowie Roger D. Congleton: On the Political Economy of the Financial Crisis and Bailout of 2008– 2009. In: Public Choice 140 (2009), S. 287–317; Bodo Herzog: Die Finanzmarktkrise. Ursachen, Lehren und Lösungsansätze. In: Lehren aus der Finanzmarktkrise. Ein Comeback der Sozialen Marktwirtschaft. Hg. v. d. Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Bd. 1: Ordnungspolitische und sozialethische Perspektiven. St. Augustin u.a. 2008, S. 9–15, URL: http://www.kas.de/wf/doc/ kas_15172544-1-30.pdf [aufgerufen am 29.11.2009]; Carmen Reinhart/Kenneth Rogoff: This Time Is Different. Eight Centuries of Financial Folly. Princeton, NJ u.a. 2009; sowie F. Gerard Adams: The World Financial Crisis: New Economy, Globalization and Old-Fashioned Philosophy. In: World Economics 10 (2009), S. 45–58; W. Max Corden: The World Credit Crisis: Understanding it, and What to Do. In: The World Economy 32 (2009), S. 385–400; Torben M. Andersen: Fiscal Policy and the Global Financial Crisis. Aarhus 2009 (= Economics working paper 2009,7).

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Phänomen darstellten, das lediglich bestimmte Märkte oder einzelne Volkswirtschaften betroffen hätte. Wie Wirtschaft und Handel waren auch die Krise und ihre konjunkturellen Folgen globale Phänomene, deren Auswirkungen die ganze Welt zu spüren bekam: So litt die Exportnation Deutschland besonders unter der gesunkenen Nachfrage aus dem Ausland.3 Die deutsche Wirtschaft schrumpfte: Über das Jahr 2009 sank das Bruttoinlandsprodukt als umfassender Indikator für die gesamtwirtschaftliche Leistung preisbereinigt gegenüber dem Vorjahr um 5,0 %.4 Das war der mit Abstand größte Rückgang seit Bestehen der Bundesrepublik.5 Dementsprechend beklagte das Statistische Bundesamt den „stärkste[n] wirtschaftliche[n] Einbruch der Nachkriegszeit“.6 Zum ersten Mal seit der Gründung der Bundesrepublik sank auch das Bruttonationaleinkommen in Deutschland.7 Binnen Jahresfrist gingen die Exporte deutscher Waren um 14,7 % zurück. 8 Besonders von der Wirtschaftskrise betroffen war dabei das produzierende Gewerbe (ohne Baugewerbe), dessen Bruttowertschöpfung um 16,9 % gegenüber 2009 fiel.9 Auch Anfang des Jahres 2010 blickte das produzierende Gewerbe in Deutschland wenig optimistisch in die nahe Zukunft: Die stark exportorientierte deutsche Maschinenbaubranche, die zuvor über viele Jahre überdurchschnittliche Wachstumsraten hatte verzeichnen können und als wesentlicher Motor der Konjunktur in Deutschland gilt, erwartete ein weiteres Krisenjahr.10 Der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Manfred Wittenstein, erklärte in einem Schreiben an die rund 3000 Mitgliedsunternehmen, dass viele Betriebe die Krisenfolgen erst 2010 mit voller Härte zu spüren bekämen. Darin befürchtete er weitere Firmenpleiten und den Abbau von Arbeitsplätzen. Die Ma3

Vgl. dazu beispielhaft Außenhandel. Export-Nationen Deutschland und Japan stürzen ab. In: Welt.de v. 10.03.2009, URL: http://www.welt.de/wirtschaft/article3349884/Export-NationenDeutschland-und-Japan-stuerzen-ab.html [aufgerufen am 29.05.2009]. 4 Vgl. Statistisches Bundesamt: Bruttoinlands-Produkt 2009 für Deutschland. Wiesbaden 2010, S. 6f., URL: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2010/ BIP2009/Pressebroschuere__BIP2009,property=file.pdf [aufgerufen am 17.01.2010]. 5 Vgl. Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen. Wichtige Zusammenhänge im Überblick 2009. Wiesbaden 2010, S. 12, 15, URL: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/ Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Fachveroeffentlichungen/VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungen/Zusammenhaenge,property=file.pdf [aufgerufen am 17.01.2010]. 6 Statistisches Bundesamt: Bruttoinlands-Produkt 2009 für Deutschland, S. 26. 7 Die Angaben beziehen sich auf das Bruttonationaleinkommen in jeweiligen Preisen insgesamt. Vgl. Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, S. 15. 8 Vgl. Statistisches Bundesamt: Bruttoinlands-Produkt 2009 für Deutschland, S. 10. 9 Statistisches Bundesamt: Bruttoinlands-Produkt 2009 für Deutschland, S. 8. 10 Vgl. dazu und zum Folgenden Maschinenbauer erwarten weiteres Krisenjahr. In: Handelsblatt v. 29.12.2009, URL: http://www.handelsblatt.com/deutschland-maschinenbauer-erwarten-weiteres-krisenjahr;2505623 [aufgerufen am 12.01.2010]. Vgl. zur Bedeutung des Maschinen- und Anlagenbaus für die deutsche Wirtschaft bspw. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.): Magazin für Wirtschaft und Finanzen Nr. 46 03/2008. Schwerpunkt: Maschinen und Anlagenbau. Berlin 2008, URL: http://www.bundesregierung.de/nn_774/Content/DE/__Anlagen/2008/03/magazinfuer-wirtschaft-finanzen-56-pdf,property=publicationFile.pdf [aufgerufen am 17.01.2010].

Auf der Suche nach Verantwortung: Wirtschaftskrise als Vertrauenskrise

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schinenproduktion werde im Jahr 2010 stagnieren, nachdem sie 2009 um 20 Prozent eingebrochen sei. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den deutschen Arbeitsmarkt waren laut der Jahresstatistik der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2009 „deutlich“, wären „aber angesichts des massiven Produktionseinbruchs“ noch „vergleichsweise moderat“ ausgefallen.11 Eine deutliche Abnahme habe es aber bei der Vollzeitbeschäftigung gegeben.12 Für das Jahr 2010 wurde von Konjunkturforschern ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit erwartet: Die Konjunkturprognosen aus dem Oktober und November 2009 gingen für 2010 von Arbeitslosenzahlen zwischen 3,88 und 4,49 Millionen aus, was Erwerbslosenquoten zwischen 9,2 und 10,4 Prozent entspricht.13 Noch weit negativere Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt im Land konnten nur durch die Einrichtung von Kurzarbeit, von der bei ihrem Höchststand im Mai 2009 über 1,5 Mio. Menschen betroffen waren14, durch staatliche Milliardenhilfen für notleidende Unternehmen sowie die Verabschiedung von Konjunkturpaketen in Höhe von rund 80 Milliarden Euro abgewendet werden.15 Zur Verstaatlichung des Immobilien- und Staatsfinanzierers Hypo Real Estate Group AG beschloss die Bundesregierung eigens das Rettungsübernahmegesetz.16 Am 5. Oktober 2009 wurde schließlich bei der Hauptversammlung der Immobilienbank deren vollständige 11 Bundesagentur für Arbeit: Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland. Monatsbericht Dezember und Jahr 2009. Nürnberg 2010, S. 6, URL: http://www.pub.arbeitsagentur.de/hst/services/ statistik/000100/html/monat/200912.pdf [aufgerufen am 17.01.2010]. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote – auf Basis aller zivilen Erwerbspersonen – belief sich im Jahr 2009 auf 8,2 Prozent, was einer Zunahme von 0,4 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr entspricht. (Vgl. ebd., S. 33.) 12 Bundesagentur für Arbeit: Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland. Monatsbericht Dezember und Jahr 2009, S. 6. 13 Vgl. Thieß Petersen: Konjunkturaussichten für Deutschland im Spätherbst 2009. Gütersloh 2009, URL: http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_30338_30339_2.pdf [aufgerufen am 12.01.2010]. Die Studie bezieht sich auf einige wichtige Konjunkturprognosen unterschiedlicher seriöser Urheber. Dort findet sich ebf. ein Überblick über die wichtigsten Indikatoren der Wirtschaftsprognosen verschiedener Institute und Einrichtungen für Deutschland seit Januar 2009. 14 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (Hg.): Der Arbeitsmarkt in Deutschland. Kurzarbeit. Aktuelle Entwicklungen. Nürnberg 2009, S. 9, URL: http://www.pub.arbeitsagentur.de/hst/services/statistik/ 000100/html/sonder/kurzarbeit_in_deutschland_aktuelle_entwicklungen.pdf [aufgerufen am 17.01.2010]. 15 Vgl. zu den Hilfen der Politik für finanziell angeschlagene Unternehmen Christine Scheel: Wer zähmt die Monster? Die Rolle der Politik bei der Strukturierung der nationalen und internationalen Finanzmärkte. In: Gotlind Ulshöfer/Gesine Bonnet (Hg.): Corporate Social Responsibility auf dem Finanzmarkt. Nachhaltiges Investment – politische Strategien – ethische Grundlagen. Wiesbaden 2009, S. 114–125. 16 Vgl. Hypo Real Estate. Bundestag billigt Banken-Enteignungsgesetz. In: FAZ.net v. 20.03.2009, URL: http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~EDEF624961AC 143E0B4227C81FBF6CE76~ATpl~Ecommon~Scontent.html [aufgerufen am 29.05.2009].

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Verstaatlichung beschlossen.17 Die verbliebenen Kleinaktionäre erhielten im Rahmen eines sog. Squeeze-Outs eine Zwangsabfindung. Diese in der Geschichte der Bundesrepublik einmalige Form staatlicher Intervention (und die Schaffung ihrer rechtlichen Grundlage) wurde von Seiten der Politik für notwendig erachtet, um den Kollaps der Bank und einen damit einhergehenden Totalverlust abzuwenden. Während die US-amerikanische Regierung beim Zusammenbruch von Lehman Brothers nicht eingegriffen hatte, betonte die Bundesregierung immer wieder die „Systemrelevanz“ der Hypo Real Estate und unterstrich damit auch, dass von der Krise der Finanzmärkte weit über einzelne Wirtschaftsbereiche und sogar über die gesamte Wirtschaft hinausreichende Folgen herrühren (können), die Gesellschaft und Staat als Ganzes betreffen. Auch in anderen Industriestaaten schützten Konjunkturpakete, hohe staatliche Bürgschaften oder (Teil-)Verstaatlichungen die Wirtschaft vor noch verheerenderen Krisenfolgen, dennoch drohte – auch angesichts der nach Prognosen lediglich langsamen Erholung der Wirtschaft – eine dramatische Erhöhung der Arbeitslosenzahlen in ganz Europa. Im August 2009 hatte die Arbeitslosenquote mit 9,6 % im Euroraum und 9,1 % in der Europäischen Union Werte erreicht, welche die Niedrigstände aus dem Frühjahr 2008 um mehr als zwei Prozentpunkte überstiegen.18 Die EU-Kommission ging in ihrer ausführlichen Herbstprognose aus dem Jahr 2009 davon aus, dass die Arbeitslosigkeit innerhalb der EU bis 2011 voraussichtlich auf 10,25 % und auf 10,75 % im Euroraum steigen würde.19 Zudem nahm sie an, dass die Staatsverschuldung in der EU 7,5 % des BIP erreichen würde.20 OECD und EU-Kommission prognostizierten eine Abnahme des Bruttoinlandsproduktes 2009 im Euroraum um 4 % gegenüber dem Vorjahr. 21 Der OECD-Wirtschaftsausblick aus dem Frühjahr 2009 malte ein schwarzes Bild der weltweiten Wirtschaft. Darin wurde vorausgesagt, dass Ende des Jahres 2010 die Arbeitslosigkeit in vielen Ländern zum ersten Mal seit den frühen 1990er Jahren zweistellige Werte erreichen würde und dass ferner aufgrund der tiefsten und umfassendsten Rezession seit mehr als 50 Jahren der Welthandel im Jahr

17 Vgl. dazu und zum Folgenden HRE-Hauptversammlung. Hypo Real Estate verstaatlicht. In: Sueddeutsche.de v. 05.10.2009, URL: http://www.sueddeutsche.de/finanzen/653/490034/text/ [aufgerufen am 21.10.2009]. 18 Vgl. European Commission: European Economic Forecast – autumn 2009. Brüssel 2009 (= European Economy 10/2009), S. 23, URL: http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/publication16055_en.pdf [aufgerufen am 12.01.2010]. 19 Vgl. European Commission: European Economic Forecast – autumn 2009, S. 2. 20 Vgl. European Commission: European Economic Forecast – autumn 2009, S. 2. 21 Vgl. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Economic Outlook. Preliminary version. Nr. 86 – November 2009, URL: http://www.oecd.org/dataoecd/2/29/ 22545260.pdf [aufgerufen am 12.01.2010]; sowie European Commission: European Economic Forecast – autumn 2009, S. 1.

Auf der Suche nach Verantwortung: Wirtschaftskrise als Vertrauenskrise

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2009 um mehr als 13 % einbrechen und die weltweite Wirtschaftsleistung um 2,7 % zurückgehen würden.22 Eine Folge des weltweiten Globalisierungsprozesses ist, dass sich die gravierenden ökonomischen Probleme der wirtschaftlich starken Staaten nun direkt auf die schwächeren Staaten auswirken. Gerade für die sog. Least Developed Countries, die ärmsten Volkswirtschaften der Welt, war der Export auf den globalisierten Märkten in den zurückliegenden Jahrzehnten der entscheidende Motor für Wachstum, Entwicklung und steigenden Wohlstand.23 Die Armut sank – vor allem dort, wo Volkswirtschaften mit Erfolg am Weltmarkt partizipierten – und Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien sowie viele Staaten in Südostasien erkämpften sich einen Platz im Kreise der starken Wirtschaftsnationen. Die Kehrseite des Wachstums und der engen Verflechtung der Märkte zeigt sich nun, da die Krise die bottom billion, jene Milliarde ärmster Menschen, die in rund 60 besonders armen Staaten leben, in rasender Geschwindigkeit erreicht hat.24 Bereits wenige Wochen nach dem Einbruch der Börsen gingen in China die Bestellungen von Mobiltelefonen zurück und wenige Wochen später wurden im Kongo die ersten Minen geschlossen, in denen die für die Handyproduktion unabdinglichen Metalle gewonnen wurden, während in Bangladesch die ersten Textilarbeiter entlassen wurden, weil in US-amerikanischen Kaufhäusern Kleidung in Folge des eingebrochenen Konsums zum Ladenhüter wurde. Wanderarbeiter, für viele Länder ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, bleiben ohne Arbeit und können die Daheimgebliebenen weniger unterstützen. Kapitalanlagen werden aus den armen Ländern abgezogen. Der Einbruch der Währungskurse vieler Entwicklungsländer verteuert wichtige Nahrungsmittelimporte. Dazu sanken die Preise für Rohstoffe, die für viele Länder ihre wichtigste Einnahmequelle darstellen, am Weltmarkt deutlich, was nicht nur die Arbeitsplätze zahlreicher Menschen bedroht, sondern die Stabilität ganzer Staaten gefährdet.25 In armen Ländern hängen an den Stellen der Arbeiter, die durch ihre knochenharte Arbeit zumindest ein wenig am Aufschwung partizipieren konnten, aber weder über Kündigungsschutz verfügen noch Anspruch auf den 22 Vgl. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): OECD-Wirtschaftsausblick. Zwischenausgabe. März 2009 v. 30.03.2009, URL: http://www.oecd.org/dataoecd/ 50/49/42464775.pdf [aufgerufen am 29.05.2009]. 23 Der Anteil der Exporte am Sozialprodukt dieser Länder stieg von 17 Prozent im Jahr 1995 auf 45 Prozent im Jahr 2007. Vgl. dazu Thomas Fischermann: Turboverarmung. Die Weltwirtschaftskrise hat die Ärmsten der Welt schnell erreicht – und niemand schützt sie. In: Die Zeit Nr. 23 v. 28.05.2009, S. 25f., 25. 24 Vgl. ebf. wie auch zum Folgenden Fischermann: Turboverarmung, S. 25f. Vgl. grundlegend zur Situation der „untersten Milliarde“ und zu den Folgen der Globalisierung die Monographie des Direktors des „Centre for the Study of African Economics“ an der Universität Oxford Paul Collier: Die unterste Milliarde. Warum die ärmsten Länder scheitern und was man dagegen tun kann. München 2008. 25 Vgl. dazu Mark Schieritz: Was von den Schätzen bleibt. Jahrelang wuchs die afrikanische Wirtschaft dank hoher Rohstoffpreise. Jetzt warnt die UNO vor Aufständen. In: Die Zeit Nr. 23 v. 28.05.2009, S. 26.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Bezug von Arbeitslosengeld haben, in der Regel die Existenzen ganzer Familien. Das alles führte vielerorts zu einem rapiden Anstieg der Armut, so dass nach Schätzungen der Weltbank hunderttausende Kinderleben in Gefahr sind, weil sich – wie es die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam bezeichnet – eine neue „Hungerkrise“ anbahnt.26 Im Sommer 2009 gab die Welternährungsorganisation FAO bekannt, dass infolge der globalen Wirtschaftskrise die Zahl der Menschen, die weltweit unter Hunger litten, erstmals auf über eine Milliarde gestiegen sei – damit sei jeder sechste Mensch auf der Erde nicht ausreichend mit Lebensmitteln versorgt.27 Das bedeutet einen deutlichen Anstieg von elf Prozent gegenüber dem Vorjahr, von dem besonders die ärmsten Länder der Erde betroffen sind. FAO-Generaldirektor Jacques Diouf beklagt eine „gefährliche Mischung aus wirtschaftlichem Abschwung und anhaltend hohen Lebensmittelpreisen“, die „im Vergleich zum Vorjahr rund hundert Millionen Menschen zusätzlich in Armut und Hunger gestürzt“ hätten.28 In ihren negativen Folgen eint die Krise: Selbst in den USA, immerhin die größte Volkswirtschaft der Erde, müssten Millionen Menschen hungern, würde der Staat nicht eingreifen.29 Zu Jahresbeginn 2009 waren über 31,5 Millionen US-Bürger auf staatliche Lebensmittelhilfe angewiesen – ein Indiz vor allem auch dafür, dass die Wirtschaftskrise für das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ immer mehr zu einer Armutskrise wird. Die Zahl der Hilfsempfänger ist zuletzt stark angestiegen, größer war ihre Zahl in den zurückliegenden 50 Jahren seit Einführung der sogenannten food stamps nie. Mittlerweile existieren in den USA über 40.000 private Ausgabestellen für Lebensmittelspenden und Suppenküchen. Doch solche Hilfe können sich arme Staaten ebenso wenig leisten wie Rettungsprogramme für die notleidende Wirtschaft. Eine Studie des britischen Institute of Development Studies macht deutlich, dass die Menschen in fünf von der Krise besonders hart

26 Vgl. dazu u.a. Petra Sorge: Ernährungskrise. Entwicklungshelfer vermissen Milliardenpaket gegen Hunger. In: Spiegel Online v. 16.10.2008, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518, 584128,00.html [aufgerufen am 29.05.2009]. 27 Vgl. dazu und zum Folgenden Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO): 1.02 billion people hungry. One sixth of humanity undernourished – more than ever before. Pressemitteilung v. 19.06.2009, URL: http://www.fao.org/news/story/en/item/20568/icode/ [aufgerufen am 19.06.2009]; vgl. dazu ebf. Lebensmittelnot. Weltweit hungert jeder sechste Mensch. In: Spiegel Online v. 19.06.2009, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,631284,00.html [aufgerufen am 19.06.2009]. 28 Zit. nach FAO: 1.02 billion people hungry. Pressemitteilung v. 19.06.2009. „A dangerous mix of the global economic slowdown combined with stubbornly high food prices in many countries has pushed some 100 million more people than last year into chronic hunger and poverty,“ so Diouf. 29 Vgl. dazu und zum Nachfolgenden Reymer Klüver: Aufgewacht mit leerem Magen. In der Wirtschaftskrise verkehrt sich der amerikanische Traum ins Gegenteil: Mehr als 30 Millionen Menschen sind schon auf Lebensmittelhilfe angewiesen, und die Zahlen steigen weiter an. Barack Obama übernimmt ein Land der ungebremsten Abstürze. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 7 v. 10.01.2009, S. 3.

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getroffenen Ländern bereits am Nötigsten sparen: Sie essen weniger, nehmen mehr Kinder aus der Schule und nehmen risikoreichere Arbeit auf sich.30 Experten und Politiker aller Couleur warnen daher vor sozialen Unruhen in den armen Teilen der Erde.31 Der Chef der Welternährungsorganisation, Jacques Diouf, sieht in der „stillen Hungerkrise“ eine „ernste Gefahr für Frieden und Sicherheit auf der Welt“.32 So könnte die ökonomischen Krise eine soziale, humanitäre und sicherheitspolitische Katastrophe nach sich ziehen. Sogar in Deutschland wächst die Sorge vor sozialem Unfrieden. Die damalige Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan und der Vorsitzende des DGB, Michael Sommer, brachten im Frühjahr 2009 eine Debatte über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Wirtschaftskrise in Gang.33 Dabei wird ein Problem deutlich, das seine Ursachen nicht in der Krise hat, sondern in den seit längerer Zeit zu beobachtenden Entwicklungen, die mit dem fortschreitenden Globalisierungsprozess einhergehen: Es geht um Gerechtigkeit. Unternehmen genießen auf den globalen Märkten eine Bewegungsfreiheit, die den Nationalstaaten und den Konsumenten als Zivilgesellschaften gleichermaßen verwehrt bleibt. Die negativen Folgen dieser Freiheiten haben indes in erster Linie nicht die Unternehmen, sondern vor allem die Menschen zu tragen. Wenn Unternehmen versagen, so sind sie selbst häufig die Ersten, die nach dem Staat rufen, der Lösungen zur Eindämmung der sozialen Folgewirkungen verfehlter Unternehmenspolitik bereitstellen soll. Nach der zeitgenössischen politischen Philosophie liegt Gerechtigkeit dann vor, wenn die von einer Entscheidung am stärksten Benachteiligten ihre daraus folgende Position noch akzeptieren können.34 Dass die 30 Vgl. Institute of Development Studies: IDS Research Reveals the Impact of the Global Financial Crisis on the Developing World: What the G20 need to know. Brighton 2009, URL: http:// www.ids.ac.uk/go/news/ids-research-reveals-the-impact-of-the-global-financial-crisis-on-the-developing-world-what-the-g20-need-to-know [aufgerufen am 29.05.2009]. 31 So befürchtet Dominique Strauss-Kahn, Chef des Internationalen Währungsfonds, „zivile Unruhen, vielleicht sogar […] Krieg“. Zit. nach Fischermann: Turboverarmung, S. 25. 32 Zit. nach FAO: 1.02 billion people hungry. Pressemitteilung v. 19.06.2009. Der Generaldirektor der FAO, Jacques Diouf, sagt darin: „The silent hunger crisis – affecting one sixth of all of humanity – poses a serious risk for world peace and security. We urgently need to forge a broad consensus on the total and rapid eradication of hunger in the world and to take the necessary actions.“ (Ebd.) 33 Vgl. Debatte über soziale Unruhen. CDU-Vize Wulff verteidigt SPD-Kandidatin Schwan. In: Spiegel Online v. 27.04.2009, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,621234,00.html [aufgerufen am 26.05.2009]. 34 Vgl. dazu grundlegend Rawls’ 1971 unter dem Originaltitel A Theory of Justice veröffentlichte Monographie John Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt a.M. 1979 (= Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 271), bes. S. 31f. Auf Rawls Theorie kann hier nicht im Einzelnen eingegangen werden. Vgl. dazu, zur von ihm ausgelösten Debatte, zur Rezeption sowie zu den Auswirkungen auf die politische Philosophie bspw. Petra Dobner: Neue soziale Frage und Sozialpolitik. Wiesbaden 2007, S. 49–60; sowie Otfried Ho ffe: U ber John Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt a.M. 1977 (=Theorie: Theorie-Diskussion); vgl. ebf. Chandran Kukathas/Philip Pettit: Rawls: a theory of justice and its critics. Stanford 1990; sowie Norman Daniels (Hg.): Reading Rawls: critical studies on Rawls’ A theory of justice. Stanford 1989.

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weltweiten Entwicklungen dem kaum noch gerecht werden, hat die Krise in besonders schmerzhafter Weise verdeutlicht. Ohne die im Sinne John Rawls „gefühlte“ Gerechtigkeit geht sowohl in den nationalen Ökonomien als auch in der global kommunizierenden Welt- bzw. Zivilgesellschaft der Konsens über die privatwirtschaftlichen Grundlagen von Produktion und Handel verloren. Die Unternehmen sind in dieser Situation aufgefordert, sich selbst um verantwortliches Handeln zu kümmern. Andernfalls geriete mit der Systemfrage auch ihre eigene Existenzgrundlage in Gefahr. Gerade in Anbetracht dessen ist der allenthalben zu vernehmende Ruf nach gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen und Managern nachvollziehbar, obgleich manche der in der Debatte vorgebrachten Beiträge eher von Neid denn von Not zeugen. 2.1.2 Die Wiederentdeckung der Moral Die Finanzkrise hat „in aller Welt helle Empörung ausgelöst“, urteilt der Wirtschaftsethiker Karl Homann.35 Im Angesicht der Krise und ihrer Folgen erfuhr die keineswegs neue Frage nach Ethik und Moral in der Wirtschaft eine Aktualisierung: „Der Ruf nach Moral in der Wirtschaft erschallt heute allenthalben“36 – und folgt damit einem Trend: Schon während der zurückliegenden Jahre erlebte die Wirtschafts- und Unternehmensethik eine spürbare Konjunktur, die unter anderem in unzähligen Buchveröffentlichungen über verantwortungsbewusstes Management und einer Vielzahl gut frequentierter Vorträge über Werte in der Wirtschaft auf Konferenzen und Kongressen ihren Niederschlag fand. Losgelöst von den aktuellen Problemen war die verstärkte Hinwendung zu ethischen Fragen als Antwort auf die tiefgreifenden Veränderungen innerhalb der Wirtschaft zu verstehen, bei denen die Folgen einer immer weiter schreitenden Globalisierung aller Wirtschaftsbereiche und einer einseitig auf Steigerung von Gewinnen ausgerichteten Unternehmensführung verstärkt zu Tage traten. Dabei standen steigenden Unternehmensgewinnen der Abbau von Sozialleistungen, sinkende Realeinkommen, eine fortschreitende Belastung und Zerstörung der natürlichen Umwelt (hier sei nur auf die global geführte Debatte um den Klimawandel verwiesen) und die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich als Konsequenzen der vorherrschenden Wirtschaftspraxis gegenüber. Gleichwohl konzentrierte sich die Reaktion auf die Krise in der öffentlichen und politischen Debatte auf die Suche nach deren vordergründigen Ursachen. Rasch waren kurzfristige Renditeziele, fehlende Nachhaltigkeit und die Profitgier der handelnden Akteure in der Wirtschaft als Hauptprobleme ausgemacht. „Exzess“, „Gier“, „Rücksichts-“ und „Verantwortungslosigkeit“ wurden zu Lieblingsvo35 Karl Homann: Markt und Moral. Wettbewerb ist janusköpfig. In: Spiegel Online v. 07.03.2009, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,606901,00.html [aufgerufen am 04.06.2009]. 36 Thomas Schwartz: Wirtschaftsethik in Zeiten der Krise. In: Deutsche Richterzeitung 87 (2009), S. 170–171, 170.

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kabeln der Debatte. Am Pranger standen seitdem „gierige Manager, die ohne Rücksicht auf Verluste ihre eigenen Ziele verfolgten und sich um die Folgen für die Allgemeinheit nicht scherten.“37 In einem Interview mit einem Wirtschaftsmagazin fragte sich der damalige Bundespräsident Horst Köhler, „wem solche Exzesse, wie wir sie in den vergangenen Jahren erlebt haben, eigentlich dienen“ und ergänzte: „Ich selbst habe schon zu Beginn der 90er Jahre erlebt, wie die Frage nach Grenzen, Maß und Mitte der Finanzmärkte auf taube Ohren stieß.“38 Auch die damalige deutsche Justizministerin Brigitte Zypries geißelte die Kurzfristigkeit im Denken vieler handelnder Personen: „Die gegenwärtige Krise beruht auch darauf, dass viele Manager in der Vergangenheit ihre Entscheidungen in unverantwortlicher Weise auf das Erreichen kurzfristiger Ziele ausgerichtet haben.“39 Und im Frühjahr 2009 urteilte der damalige Vorsitzende der SPD, Franz Müntefering, der bereits 2005 für Aufsehen gesorgt hatte, als er internationale Finanzinvestoren als „Heuschrecken“ bezeichnet hatte40, in einem Interview über „die, die die Finanzkrise in den vergangenen Jahren verursacht“ hätten: „Einige Leute da oben – zu viele – hatten kein sittliches Ziel. Manager, die gerne mit diesem Feuer spielen, sind Pyromanen, und Leute, die rücksichtslos mit der Welt umgehen, sind Gangster.“41 37 Homann: Wettbewerb ist janusköpfig. Vgl. dazu differenzierter, mit dem Fokus auf Banken und Bankmanager Benedikt Fehr: Gewinnstreben ist gesund, Gier nicht. Schon Adam Smith warnte davor, lasterhafte Verhaltensweisen als Tugend zu verklären. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 11 v. 15.03.2009, S. 40. Fehr hält fest, dass die Finanzkrise „Banken und Bankmanager in die Kritik gebracht“ habe. (Ebd.) Es bestehe „weitgehend Einigkeit“ darüber, „dass die internen Anreizsysteme vieler Banken die Mitarbeiter auf die Erzielung kurzfristiger Gewinne orientiert haben – und dass dies bisweilen dazu verleitet hat, übermäßige Risiken einzugehen“. (Ebd.) Die Verantwortung wird hier nicht isoliert auf der individualethischen Mikroebene (beim einzelnen Manager) verortet, sondern auch auf der Mesoebene, der ethischen Einfluss- und Gestaltungsebene des Unternehmens. 38 Horst Köhler: „Ein wirksamer Ordnungsrahmen für das internationale Finanzsystem“. Interview von Bundespräsident Horst Köhler mit dem manager magazin v. 24.10.2008, URL: http:// bundespraesident.de/Reden-und-Interviews-,11057.650176/Ein-wirksamer-Ordnungsrahmen-f.htm? global.back=/-%2c11057%2c7/Reden-und-Interviews.htm%3flink%3dbpr_liste [aufgerufen am 04.06.2009]. 39 Vgl. Bundesministerium der Justiz: Zypries begrüßt Empfehlungen der EU-Kommission zu Managervergütungen. Pressemitteilung v. 29.04.2009, URL: http://bundesjustizministerium.info/enid/ 34e80a3a6c6dbdbfc208abcfa73fe920,195452706d635f6964092d0935383432093a0979656172092d 0932303039093a096d6f6e7468092d093034093a095f7472636964092d0935383432/Pressestelle/Pre ssemitteilungen_58.html [aufgerufen am 29.05.2009]. 40 Müntefering sagte in der Bild am Sonntag vom 17.04.2005 über die Manager von Investmentunternehmen: „Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten – sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter. Gegen diese Form von Kapitalismus kämpfen wir.“ (Zit. nach: SPD auf Linkskurs. Müntefering nimmt sich Ackermann vor. In: Spiegel Online v. 16.04.2005, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ 0,1518,351731,00.html [aufgerufen am 29.05.2009].). 41 „25 Prozent Gewinn sind eine moralische Verirrung“. SPD-Chef Franz Müntefering über Manager als Gangster, den Kampf für deutsche Fabriken und einen neuen, sozialen Kapitalismus. In: Frank-

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Entsprechend sahen sich nationale und internationale Politik zum Handeln gezwungen: Es kam zu internationalen Vereinbarungen über eine verstärkte Kontrolle von Ratingagenturen und Hedgefonds sowie zur Regulierung und Überwachung aller Marktteilnehmer, Produkte und Märkte, um eine zukünftige Wiederholung der Krise zu verhindern.42 Im April 2009 einigte sich die deutsche Regierung – wohl auch infolge der andauernden Diskussion über Managergehälter und Bonuszahlungen – auf eine umfassende Neuregelung von Managervergütungen.43 Nach dem Willen der Regierungsparteien sollen Unternehmenslenker nicht mehr nahtlos auf lukrative Aufsichtsratsposten wechseln dürfen, sondern müssen eine Karenzzeit von zwei Jahren einhalten und dürfen zukünftig maximal fünf Aufsichtsratsmandate bekleiden. Das Bonussystem soll strikt geregelt werden, so dass erfolgsabhängige Boni erst nach Ende der Vertragslaufzeit ausgezahlt werden dürfen. Zudem sollen Manager für nachweislich von ihnen verursachte Schäden persönlich Schadenersatz in Höhe von mindestens einem Jahresgehalt leisten. Auch sollen entsprechende Schäden nicht mehr komplett auf spezielle Versicherungen abgewälzt werden können. Zuvor hatte es Bundeskanzlerin Angela Merkel als „unverständlich“ empfunden, dass Banken, deren Pleite mit Milliarden Steuergeldern verhindert werden musste, trotzdem Bonuszahlungen in dreistelliger Millionenhöhe an ihre Mitarbeiter ausschütten wollten.44 Der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte angekündigt: „Das werden wir nicht länger hinnehmen.“45 In dieselbe Kerbe schlugen die Wirtschaftsexpertinnen der Bundestagsfraktion der Grünen, Christine Scheel und Kerstin Andreae, die in einem Antrag forderten, zukünftig „Exzesse bei Managervergütungen verhindern“, da „unverhältnismäßig hohe und nur auf den kurzfristigen Erfolg ausgerichtete Vergütungen für Manager gepaart mit nur einem sehr geringen persönlichen Haf-

furter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 18 v. 03.05.2009, S. 37. 42 Vgl. zur Einigung der G20 auf eine stärkere Regulierung des Finanzmarkt Lutz Haverkamp/Antje Sirleschtov: Masterplan zur Rettung der Welt. In: Der Tagesspiegel Nr. 93 v. 03.04.2009, S. 1. Vgl. weiterhin zur Einordnung der Ergebnisse der neuerlichen Verhandlungen der G20 zu Regulierungen am Finanzmarkt Oliver Ziegler: EU- und US-Pläne zur Finanzmarktreform. Europa hat die Nase vorn. Hg. v. der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Berlin 2009 (= SWP-aktuell A11/2009), S. 1–4, URL: http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?asset_id=5835 [aufgerufen am 04.06.2009]. Vgl. auch weiterhin die Entschließung des Europäischen Parlaments Europäisches Parlament: Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. September 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zu Hedge-Fonds und Private Equity. Brüssel 2008, URL: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&reference=P6-TA-2008-0425&language= DE#BKMD-16 [aufgerufen am 04.06.2009]. 43 Vgl. hierzu und zum Folgenden Regeln für Manager. Große Koalition beschließt Strafen für Bosse. In: Spiegel Online v. 23.04.2009, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ 0,1518,620826,00.html [aufgerufen am 26.05.2009]. 44 Zit. nach: Katharina Schuler: Managervergütung. Koalition knöpft sich die Banken vor. In: Zeit Online v. 19.02.2009, URL: http://www.zeit.de/online/2009/08/bonuszahlungen [aufgerufen am 29.05.2009]. 45 Zit. nach: Schuler: Managervergütung.

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tungsrisiko der Unternehmenslenker“ die Wirtschaftskrise befördert hätten.46 Manager seien in der Vergangenheit „nicht selten kurzfristige Risiken eingegangen, die in keinem Verhältnis mit den langfristigen Erfolgsaussichten standen“. 47 Bereits Ende 2007 hatte sich Bundeskanzlerin Merkel auf dem Parteitag der CDU in einer Grundsatzrede kritisch über hohe Gehälter und Abfindungen von Managern in Deutschland geäußert: „Warum soll jemand mit Geld überschüttet werden, der auf ganzer Linie versagt hat?“48 Wenn ein Managerabschied vergoldet werde, werde das Vertrauen in das soziale Gleichgewicht des Landes untergraben.49 Auch die Europäische Kommission schlug in ihrer Empfehlung vom 30. April 2009 vor, die Vergütungsstrukturen von Vorständen so auszugestalten, dass Anreize für eine nachhaltige und auf Langfristigkeit ausgerichtete Unternehmensentwicklung geschaffen würden und forderte die Mitgliedstaaten der EU auf, bis zum Ende des Jahres 2009 auf entsprechende Regelungen hinzuwirken.50 Gemäß ihrer Vorschläge sollte das in erster Linie durch eine stärkere Reglementierung von Bonus- und Abfindungszahlungen erfolgen. Zugleich forderte die EU-Kommission eine dreijährige Haltefrist bei Vergütungen in Form von Aktien und eine ebenso lange Frist für die Ausübung von Aktienoptionen. Schließlich sollten die Vergütungsstrukturen und die Gründe für die gewählte Struktur in verständlicher Weise 46 Vgl. Christine Scheel/Kerstin Andreae u.a.: Exzesse bei Managergehältern verhindern. Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, … und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen v. 06.03.2009, URL: http://kerstin-andreae.de/politik-konkret/wirtschaftspolitik/detail/nachricht/ exzesse-bei-managergehaeltern-verhindern-antrag-der-abgeordneten-christine-scheel-kerstin-andreae.html [aufgerufen am 29.05.2009]. 47 Scheel/Andreae u.a.: Exzesse bei Managergehältern. 48 Vgl. Merkel geißelt hohe Manager-Gehälter. In: Focus Online v. 03.12.2007, URL: http:// www.focus.de/politik/deutschland/hannover_aid_228139.html [aufgerufen am 29.05.2009]. 49 Vgl. Merkel geißelt hohe Manager-Gehälter. 50 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission zur Begleitung der Empfehlung der Kommission zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften und der Empfehlung der Kommission zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor v. 30.04.2009. Brüssel 2009, URL: http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/directors-remun/COM(2009)_211_DE.pdf [aufgerufen am 29.05.2009]; vgl. weiterhin Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Empfehlung der Kommission zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor. Brüssel 2009, URL: http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/directors-remun/financialsector_290409_de.pdf [aufgerufen am 29.05.2009]; Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Empfehlung der Kommission zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften. Brüssel 2009, URL: http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/directors-remun/directorspay_290409_de.pdf [aufgerufen am 29.05.2009]; sowie Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zur Begleitung der Empfehlung der Kommission zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften und der Empfehlung der Kommission zu Vergütungsstrategien im Finanzdienstleistungssektor. Zusammenfassung der Folgenabschätzung. Brüssel 2009, URL: http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/directors-remun/summary_ia_de.pdf [aufgerufen am 29.05.2009]

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offengelegt, die Rechte der Aktionäre bei Vergütungsfragen gestärkt sowie die Qualität der personellen Besetzung und Stellung etwaiger Vergütungsausschüsse verbessert werden. Im Januar 2010 schließlich kündigte der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und Friedensnobelpreisträger, Barack Obama, an, Großbanken schärfer regulieren zu wollen. Obama erklärte, die Größe der Banken sowie das Ausmaß ihrer risikoreichen Geschäfte künftig beschränken und die Geldhäuser gegebenenfalls zerschlagen zu wollen.51 Um eine Wiederholung der Finanzkrise zu verhindern, dürfte nicht mehr erlaubt werden, dass Banken „sich zu weit von ihrer zentralen Aufgabe entfernen, nämlich ihre Kunden zu bedienen“.52 Noch immer operierte das Finanzsystem der USA unter den Regeln, die beinahe zu ihrem Kollaps geführt hätten. In Folge der durch Fehlspekulationen ausgelösten Krise hatte die Regierung der Vereinigten Staaten die Banken mit einem 700Milliarden-Dollar-Programm stützen müssen. Nie mehr, forderte Obama, dürfe der US-amerikanische Steuerzahler zur „Geisel einer Bank“ werden, die durch ihren Kollaps die gesamte Wirtschaft mit sich reißen könne.53 Die deutsche Bundesregierung begrüßte den Vorstoß.54 Das Finanzministerium in Berlin kündigte daraufhin ein eigenes deutsches Modell zur Bankenregulierung an, das in die Beratungen der G20-Staaten eingehen und zu einer gemeinsamen Lösung führen solle.55 „Was Präsident Obama vorgeschlagen hat, kommt unseren Vorstellungen durchaus nahe. Auch wir wollen, dass der Finanzsektor angemessen an den Kosten der aktuellen Krise und auch künftigen Finanzkrisen beteiligt wird“, äußerte sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble.56 Bei der Ursachenfoschung und den aus ihren Ergebnissen abgeleiteten Forderungen, Vorschlägen und Beschlüssen fällt ins Auge, dass sie sich in erster Linie auf die Makroebene – also auf den nationalen bzw. internationalen Rahmen von gesetzlichen Regeln – beziehen. Der „gierige Manager“ hat auf der niedrigsten Ebene des Systems (auf der individuellen) falsch und verantwortungslos gehandelt. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler sah im „Fehlverhalten einiger weniger“ die Hauptursache für eine Problematik, die nun der „Steuerzahler“ ausbaden 51 Vgl. dazu und zum Folgenden exemplarisch Moritz Koch: Obama will Großbanken aufspalten. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 17 v. 22.01.2010, S. 1. 52 Zit. nach Lehren aus Finanzkrise: Obama will Banken verzwergen. In: Spiegel Online v. 21.01.2010, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,673293,00.html [aufgerufen am 22.01.2010]. 53 Zit. nach Lehren aus Finanzkrise: Obama will Banken verzwergen. 54 Vgl. dazu und zum Folgenden Pläne für schärfere Regulierung: Schwarz-Gelb applaudiert Obamas Bankenattacke. In: Spiegel Online v. 22.01.2010, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ 0,1518,673453,00.html [aufgerufen am 22.01.2010]. 55 Vgl. Jan Dams/Dorothea Siems: Schäuble will die Banken an die Kandare nehmen. In: Welt am Sonntag Nr. 4 v. 24.01.2010, S. 1; vgl. ebf. Schäuble will Banken an Krisenkosten beteiligen. In: Spiegel Online v. 23.01.2010, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,673677, 00.html [aufgerufen am 23.01.2010]. 56 Wolfgang Schäuble: „Der Finanzsektor muss angemessen an den Kosten der Krise beteiligt werden“. In: Welt am Sonntag Nr. 4 v. 24.01.2010, S. 2.

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müsse: „Das darf nie wieder passieren.“57 Die Politik reagierte auf ihre Diagnose mit einer Regulierung der höchsten Systemebene – mit einer Anpassung der Regeln der Rahmenordnung. Köhler, der von 2000 bis 2004 Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds war, verlangt: „Die grenzüberschreitend tätigen Finanzinstitute müssen eindeutig enger und wirksamer überwacht werden. Das fängt mit mehr Transparenz bei der Bilanzierung an, es sollte mehr Eigenkapitalunterlegung einschließen und auch hemmungsloser Gier einen Riegel vorschieben durch Überprüfung des Anreiz- und Vergütungssystems.“58 Da es sich bei der globalen Wirtschaftskrise um eine „systemische Krise“ handle, sei „mutiges und überlegtes Handeln des Staates“ erforderlich: „Wir müssen […] einen wirksameren Ordnungsrahmen für das nationale und vor allem für das internationale Finanzsystem schaffen. Dafür sehe ich gute Chancen.“59 Es verwundert, dass bei alledem und eingedenk des oben angeführten augenscheinlichen Gerechtigkeitsproblems ein Aspekt beinahe vollkommen ausgeklammert bleibt: Die Verantwortung, die die Unternehmen als global player und Handelnde auf den Märkten als auch die lenkenden Personen in den Unternehmen für ihr Verhalten übernehmen können und sollten. In der politischen Diskussion sind diesbezügliche Stellungnahmen ein Randthema: Der damalige Bundespräsident Köhler erkannte die Ursachen der Krise „schlicht“ im fehlenden „Verantwortungsbewusstsein“ und folgerte: „Das hat eine moralische Dimension, aus der sich die Finanzbranche nicht davonstehlen darf.“60 Und der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering ergänzte im o.g. Interview seine Managerschelte um eine wichtige Feststellung: „Es geht um Nachhaltigkeit, um Verantwortung auch für morgen.“61 Warum nun sollten die Unternehmen ein vitales Eigeninteresse haben, sich gerade in der Krise zu ihrer „Verantwortung auch für morgen“ – im Sinne also einer intra- und intergenerativen Gerechtigkeit – zu bekennen? Dazu muss der Bogen etwas weiter gespannt werden. 2.1.3 Die Krise als Vertrauenskrise Im Jahr 2000 veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Neufassung ihrer Leitsätze für multinationale Unternehmen. Die Leitsätze stellen eine gemeinsame Empfehlung der teilnehmenden Länder und Regierungen (neben den 30 OECD-Mitgliedsländern zur Zeit auch 57 Köhler: „Ein wirksamer Ordnungsrahmen für das internationale 24.10.2008. 58 Köhler: „Ein wirksamer Ordnungsrahmen für das internationale 24.10.2008. 59 Köhler: „Ein wirksamer Ordnungsrahmen für das internationale 24.10.2008. 60 Köhler: „Ein wirksamer Ordnungsrahmen für das internationale 24.10.2008. 61 „25 Prozent Gewinn sind eine moralische Verirrung“, S. 37.

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Argentinien, Brasilien, Chile, Estland, Israel, Lettland, Litauen, Rumänien und Slowenien) an die in ihren Ländern oder von ihren Ländern aus operierenden multinationalen Unternehmen für verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten dar. Damit soll nicht nicht nur „gewährleistet werden, dass die Aktivitäten multinationaler Unternehmen im Einklang mit den staatlichen Politiken stehen“, sondern es soll auch „das Klima für ausländische Investitionen verbessert und der Beitrag der multinationalen Unternehmen zur nachhaltigen Entwicklung gesteigert“ und vor allem auch die „Vertrauensbasis zwischen den Unternehmen und dem Gastland gestärkt“ werden.62 Vertrauen erscheint in den Leitsätzen also als elementare Grundlage verantwortungsvollen unternehmerischen Verhaltens. Noch etwas deutlicher formuliert das Peter Costello, der damalige australische Finanzminister und Vorsitzende der OECD-Ministerratstagung in seiner einleitenden Erklärung: „Die grundlegende Prämisse der Leitsätze lautet, dass international vereinbarte Grundsätze dazu beitragen können, Konflikten vorzubeugen und das Vertrauen zwischen den multinationalen Unternehmen und der Gesellschaft der jeweiligen Länder, in denen sie tätig sind, zu festigen.“63 Einer der Schlüssel unternehmerischer Verantwortung liegt im Vertrauen begründet. In der neoklassischen Wirtschaftstheorie, die gegen Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Ausgang nahm und bis weit ins 20. Jahrhundert bestimmend für das ökonomische Denken blieb, galt Vertrauen als „quantité négligeable“, auf die man in einem idealen Markt verzichten könne, weil sie sich weder einfach mit Kennziffern belegen noch berechenbar machen ließe.64 Dennoch ist Vertrauen „ein eminent wichtiger ethischer Begriff“.65 Gerade die globale Wirtschaftskrise ist vor allem auch eine Vertrauenskrise: Blicken wir dazu zuerst auf ihre Entstehung und die daraus folgenden Entwicklungen. Ihren Ursprung nahm die Wirtschaftskrise in der US-amerikanischen Finanzkrise, die wiederum ihre Ursache im Kollaps des amerikanischen Immobilienmarktes hatte.66 Bereits 2007 platzte in den Vereinigten Staaten die Immobilienblase. Einkommenssteigerungen, Steuersenkungen, niedrige Geldmarktzinsen und die Auslagerung des Kreditrisikos von Banken und großen Hypothekenfirmen an Dritte – etwa durch die sogenannten mortgage backed securities (MBS) – verursachten in Verbindung mit einem Mangel an funktionierenden Regulierungsmechanismen am Finanzmarkt bzw. durch ein dem Geist der bestehenden Regulierungen widersprechendes Verhalten der Finanzwirtschaft und der sie 62 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Neufassung 2000. S. 17, URL: http://www.oecd.org/dataoecd/ 56/40/1922480.pdf [aufgerufen am 19.06.2009]. 63 Peter Costello: Erklärung des Vorsitzenden der Ministerratstagung, Juni 2000. In: OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Neufassung 2000, S. 5–7,5, URL: http://www.oecd.org/dataoecd/ 56/40/ 1922480.pdf [aufgerufen am 19.06.2009]. 64 Vgl. dazu auch Schwartz: Wirtschaftsethik in Zeiten der Krise, S. 170. 65 Schwartz: Wirtschaftsethik in Zeiten der Krise, S. 170. 66 Vgl. Schwartz: Wirtschaftsethik in Zeiten der Krise, S. 171.

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zu kontrollierenden Institutionen die prekäre Lage, in der sich die weltweite Wirtschaft anschließend befand. Viele US-Amerikaner kauften ihre Häuser auf Pump, die Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer konnte zunehmend schlechter kontrolliert werden, Anleger (auch aus dem Ausland) spekulierten auf die hochriskanten Kreditanleihen. Dennoch schien das Vertrauen der Kreditnehmer, Kreditgeber, aber auch der Anleger in die Stabilität dieses auf tönernen Füßen lastenden Systems, „in das weitere Steigen der Immobilienpreise; […] in die Fähigkeit der Finanzmärkte, den globalen wirtschaftlichen Wachstumsprozess mit genügender Liquidität am Laufen zu halten; […] in die Bonitätsprüfung und die AAA-Benotung der Ratingagenturen; schließlich […], dass im Notfall irgendjemand es schon richten wird“, schier unerschöpflich.67 Der in New York lehrende Ökonom Willi Semmler führte bereits Anfang 2006 im Magazin Der Spiegel Indizien für einen nahenden Zusammenbruch des Marktes an und warnte vor dessen weiterreichenden Folgen: „Hinter der Immobilienblase steht eine Kreditblase.“68 Diese und ähnliche mahnende Worte namhafter Experten blieben ungehört, offensichtlich auch in den Chefetagen und Investmentabteilungen deutscher Bankhäuser, die ihre Spekulationen am US-Markt nicht nur fortsetzten, sondern teilweise noch ihren Kunden den Kauf von Risikozertifikaten als angeblich „sichere Anlage“ schmackhaft machten.69 Spätestens seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers und nachdem viele Anleger die schmerzhafte Erfahrung machten, was „Emittentenrisiko“ tatsächlich bedeutet, ist deutlich geworden: Dieses Vertrauen in die Stabilität von Anlagen, Märkten sowie Wirtschafts- und Finanzsystem wurde enttäuscht. Die „Folgen dieses falschen Vertrauens sind dramatisch“, wie der Augsburger Wirtschaftsethiker Thomas Schwartz konstatiert.70 Die Teil- und sogar Komplettverstaatlichungen von Banken belegen eindrucksvoll das verlorene Vertrauen der Politik und mit ihr das der gesamten Gesellschaft in die Funktionalität des Finanzsektors. Die oben angeführte Managerkritik – die ihre Ursachen neben der Krise freilich auch in den sich häufenden Meldungen über diverse Unternehmensskandale hat – belegt darüber hinaus einen generellen Vertrauensverlust zahlreicher gesellschaftlicher Anspruchsgruppen gegenüber den Lenkern in und 67 Schwartz: Wirtschaftsethik in Zeiten der Krise, S. 171. 68 Vgl. US-Immobilienblase. „Alle Ballons kommen runter“. In: Spiegel Online v. 14.03.2006, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,405785,00.html [aufgerufen am 04.06.2009]. 69 Vgl. beispielhaft Udo Ludwig: Anatomie einer Pleite. Wie deutsche Senioren in der Lehman-Falle landeten. In: Spiegel Online v. 09.03.2009, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,612195, 00.html [aufgerufen am 04.06.2009]. Dass einige Banken aus der Krise wenig gelernt haben und trotz eines massiven Vertrauensverlusts vieler Anleger ihren Kunden weiterhin Risikoanlagen anempfehlen, wird von Verbraucherschützern, Politikern und Anlageexperten auch noch im Sommer 2009 beklagt: So spricht Erich Paetz vom Bundesministerium für Verbraucherschutz von einem „eher kreativen Umgang der Branche mit Gesetzen“ und Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der gemeinnützigen GLS Bank, beklagt diesbezüglich eine „systemisch angelegte Verantwortungslosigkeit“. Vgl. dazu bzw. zit. nach Nadine Oberhuber: Immer noch beraten und verkauft. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 24 v. 14.06.2009, S. 37. 70 Schwartz: Wirtschaftsethik in Zeiten der Krise, S. 171.

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der Wirtschaft als Ganzem. Ein großes Problem stellt auch der Vertrauensverlust der Banken untereinander dar, der notwendige Zwischenfinanzierungen erschwert. Niemand kann sagen, was Risikoabsicherungsversprechen noch wert sind und welche Produkte anständig und unbelastet, kurz: vertrauenswürdig sind. Das verlorene Vertrauen in der Finanzbranche hat zur Folge, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, Kredite zu erhalten, was wiederum zu einer verminderten, wenigstens zu einer verteuerten Investitionstätigkeit führt. Am schwersten aber wiegt der Vertrauensverlust der Kunden und Verbraucher, der Allgemeinheit. Der Vertrauensverlust der Verbraucher zeigt sich besonders deutlich gegenüber Finanzunternehmen, nachdem sich der Marktwert der internationalen Finanzbranche in der zweiten Jahreshälfte 2008 halbiert hat und so die gesamten seit dem Jahr 2003 erzielten Gewinne vernichtet wurden. 71 Kunden fragen sich, wem ihr Kredit gehört. In einer im Oktober 2008 von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beauftragten repräsentativen Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach gaben nur noch 23 Prozent der Befragten an, großes oder sehr großes Vertrauen zu den deutschen Banken zu besitzen; 70 Prozent haben indes wenig oder kein Vertrauen zum Gebaren der Banken.72 Nach einer Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group, die Ende 2008 unter 6000 Verbrauchern in sechs Ländern durchgeführt wurde, ist durch die Krise bei etwa der Hälfte der Befragten in Deutschland das Vertrauen in Banken und Vermögensverwalter erschüttert, auch Versicherungsunternehmen schneiden kaum besser ab. Dabei sind für das geschwundene Vertrauen aber nicht die Verluste und Probleme, mit denen die Unternehmen zu kämpfen haben, ausschlaggebend. Ursächlich sind vielmehr Fehler und Defizite in der Unternehmenskommunikation: Viele Unternehmen igeln sich in der Krise ein und versäumen es, ihre Kommunikationsstrategie den neuen Herausforderungen anzupassen. Häufig geschieht dies nicht aus Kalkül, sondern aus Unsicherheit darüber, wie und was sie kommunizieren sollen, weil sie die Bedürfnisse ihrer verschiedenen Anspruchsgruppen und hier insbesondere ihrer Kunden nicht ausreichend gut kennen.73 Entsprechend beklagen die Verbraucher, dass sie sich von den Unternehmen nicht ausreichend informiert fühlten und bemängeln vor allem mangelnde Transparenz: Die oben angeführte Allensbach-Befragung ergab, dass 78 Prozent der Bevölkerung davon überzeugt sind, dass „das Finanzsystem so undurchsichtig geworden ist, dass es sich dem Verständnis der Bürger völlig entzieht“.74 Viele Anleger sind verunsichert

71 Vgl. hierzu und zum Folgenden Grit Beecken/Martin Hesse: Wert halbiert, Vertrauen weg. Alle Gewinne der Banken aus den vergangenen fünf Jahren sind vernichtet worden. Ihre Kunden beklagen mangelhafte Kommunikation. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 23 v. 29.01.2009, S. 22. 72 Vgl. Renate Köcher: Wasser auf die Mühlen der Linken. Die Finanzkrise erschüttert nicht nur das Vertrauen in die Finanzwelt, sondern ändert auch das Weltbild der Bürger. Frühere Vorstellungen feiern Urständ. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 247 v. 22.10.2008, S. 5. 73 Vgl. Beecken/Hesse: Vertrauen weg, S. 22. 74 Köcher: Wasser auf die Mühlen, S. 5.

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und wissen nicht, ob sie ihr investiertes Geld zurückbekommen. Und angesichts staatlicher Milliardenprogramme zur Rettung maroder Bankhäuser, bei denen letzten Endes der Steuerzahler jahrelange Misswirtschaft ausgleichen musste, stellen sich immer mehr Menschen die Frage nach der Legitimationsgrundlage vieler Finanzunternehmen und nach dem Beitrag des derzeitigen Banken- und Finanzsystems für das Wohlergehen von Staat und Gesellschaft. „Die augenblickliche Krise kann also mit gutem Recht als weltweite Vertrauenskrise bezeichnet werden. Sie betrifft alle Gruppen, die am Wirtschaftsgeschehen beteiligt sind.“75 Damit drohen die Fehler einzelner Unternehmen in Unternehmenspolitik und -kommunikation zu einem Vertrauensschock gegenüber der gesamten Branche, vielleicht sogar gegenüber dem Markt als Ganzem zu führen. Denn der Vertrauensverlust und die Verunsicherung der Verbraucher betreffen keineswegs nur den Banken- und Finanzsektor, sondern zeitigen auch für andere Wirtschaftsbereiche gravierende Folgen. Das zeigt sich in der breiten öffentlichen Zustimmung, die etwa Forderungen nach Verstaatlichung von Schlüsselindustrien oder nach der Einschränkung von Eigentumsrechten finden.76 Laut o.g. Allensbach-Erhebung stimmen 59 Prozent der Gesamtbevölkerung der – von Politikern der Linkspartei stammenden – Forderung zu: „Im Interesse der Beschäftigten, der Verbraucher und der Umwelt müssen Energiekonzerne in die öffentliche Hand überführt und demokratisch kontrolliert werden.“77 Und jeder zweite Befragte schließt sich sogar der These an, die großen Vermögen vieler Familienunternehmen seien grundgesetzwidrig angeeignet, da niemand in seinem Leben mehrere Milliarden Euro auf verfassungskonforme Weise erwerben könne. In einer neueren Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zu Beginn des Jahres 2011 äußerten lediglich 34 Prozent der Befragten, in Deutschland die Soziale Marktwirtschaft verwirklicht, 46 Prozent zweifelten (in Ostdeutschland sogar 61 Prozent), ob die deutsche Variante der Marktwirtschaft tatsächlich das Attribut „sozial“ verdiene.78 Eine solche Entwicklung beunruhigt aus zweierlei Gründen: Dass die enorme Verunsicherung der Verbraucher erstens leicht in stärkere Emotionen wie Angst – gemeinhin Nährboden für irrationale Handlungen bis hin zu Panik – umschlagen kann, zeigt ein weiteres Ergebnis der Allensbach-Befragung aus dem Herbst 2008: Die große Mehrheit der Befragten empfindet die Geschehnisse und Ereignisse am Markt „als beängstigend und fragt sich, was noch alles kommt“. 79 Der zweite Grund liegt im Wesen der Kunden und Verbraucher als bedeutsamer Anspruchsgruppe begründet, die nicht nur über einen signifikanten Einfluss verfügt, sondern sich ihrer Einflussmöglichkeiten auch bewusst ist. 75 76 77 78 79

Schwartz: Wirtschaftsethik in Zeiten der Krise, S. 171. Vgl. hierzu und zum Folgenden Köcher: Wasser auf die Mühlen, S. 5. Köcher: Wasser auf die Mühlen, S. 5. Vgl. Sozial oder nicht? In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 2 v. 16.01.2011, S. 29. Köcher: Wasser auf die Mühlen, S. 5.

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Dafür, dass die Lösung dieser Vertrauenskrise als vordringliches Ziel der Wirtschaft und der Unternehmen als handelnde Akteure betrachtet werden kann, ist maßgeblich die veränderte Rolle der Stakeholder verantwortlich, also jener Anspruchsgruppen, die „als organisierte oder nicht-organisierte Gruppen von Menschen, Organisationen und Institutionen […] von den unternehmerischen Wertschöpfungs- und manchmal auch Schadschöpfungsaktivitäten betroffen sind.“80 Der zunehmenden Macht der Stakeholder und ihrer wachsenden Bereitschaft, von ihrem daraus resultierenden Einfluss auf die Märkte Gebrauch zu machen, ist es geschuldet, dass die Frage, „ob die Unternehmung eine Verantwortung hat, die über die Erbringung wirtschaftlicher Leistungen im Rahmen einer vorgegebenen wirtschaftspolitischen Ordnung hinausgeht“81 als „Grundfrage der Unternehmungsphilosophie“ in den zurückliegenden Jahrzehnten „zunehmend an Raum

80 Johannes Rüegg-Stürm: Das neue St. Galler Management-Modell. In: Rolf Dubs u.a. (Hg.): Einführung in die Managementlehre. Bd. 1. Bern 2005, S. 65–141, 71. Dabei unterscheiden sich die Ansichten darüber, was als relevante Anspruchsgruppe betrachtet wird. Bei einem strategischen Anspruchsgruppenkonzept richtet sich die Auswahl der relevanten Anspruchsgruppen vor allem nach der Wirkmächtigkeit ihrer Ansprüche sowie der Interessen einer Anspruchsgruppe im Hinblick auf die Zukunftssicherung einer Unternehmung. (Vgl. dazu grundlegend R. Edward Freeman: Strategic Management. A Stakeholder Approach. Boston u.a. 1984.) Dabei wird die Frage gestellt, wer – aufgrund der Verfügungsmacht über knappe Ressourcen oder aufgrund von Sanktionsmacht – auf kurze oder lange Sicht in maßgeblicher Weise auf die Lebensfähigkeit einer Unternehmung Einfluss nehmen kann. Entsprechend erschöpft sich das strategische Management eines Unternehmens gegenüber diesen Anspruchsgruppen in der Regel in der Aufrechterhaltung der Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten und der Akzeptanzsicherung einflussreicher Betroffener. (Vgl. zu Freemans elementarem Konzept des Stakeholder Managements ausführlich Kap. 3.2.1.1 Die Entwicklung von Begriff und Konzept der CSR.) Demgegenüber werden bei einem normativ-kritischen Unternehmensmanagement gegenüber den Anspruchsgruppen, wie es etwa vom Wirtschaftsethiker Peter Ulrich vorgeschlagen wird, grundsätzlich alle Menschen und zwar unabhängig von ihren Einflussmöglichkeiten, ihrer Stellung und vor allem von der Wirkmächtigkeit ihrer Ansprüche, die entweder potentiell oder faktisch von positiven oder negativen Wirkungen der unternehmerischen Tätigkeit tangiert sind und denen kraft ihres Menschseins Menschenwürde und moralische Rechte zukommen und zustehen als relevante Anspruchsgruppen betrachtet. Entscheidend ist dabei die ethisch begründbare Legitimität ihrer Ansprüche. (Vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 438ff.) Dementsprechend strebt ein entsprechendes Stakeholdermanagement ein verständigungsorientiertes Austragen von Interessenkonflikten sowie eine sorgfältige ethische Abwägung und Legitimierung von Ansprüchen an. (Vgl. dazu auch Peter Ulrichs Konzept einer Integrativen Wirtschaftsethik in Kapitel 2.7.2 Ethik als Ausgangsparadigma wie auch 3.1.3.2 Der Einfluss der Stakeholder: Neue Pflicht zur Verantwortung.) Das wirtschaftliche Interesse des Unternehmens oder von Investoren (Wertsteigerung, Gewinnmaximierung) ist dabei nur ein Anspruch im Vergleich zu vielen anderen Interessen, die im Sinne eines fairen Ausgleichs zwischen ihrem jeweiligen Nutzen sowie ihren Lasten und Zumutungen für die jeweilige Anspruchsgruppe gegeneinander abgewogen werden müssen. Vgl. grundlegend zum StakeholderManagement das von Edward Freeman mitverfasste Kapitel Andrew C. Wicks u.a.: Ethics, Stakeholders, Corporate Strategy and Value Creation. In: Diesn.: Business Ethics. A Managerial Approach. Upper Saddle River, N.J. u.a. 2010, S. 68–91. 81 Thomas Dyllick: Management der Umweltbeziehungen. Öffentliche Auseinandersetzungen als Herausforderung. Wiesbaden 1989 (= Neue betriebswirtschaftliche Forschung 54), S. 374.

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und Bedeutung gewonnen“ hat.82 In einer umfassenden Studie stellt der Soziologe Nico Stehr die starke Veränderung des Marktverhaltens von Konsumenten und Produzenten in modernen Gesellschaften dar: Dabei führt er die Verhaltensänderungen insbesondere auf die stark verbesserte Handlungsfähigkeit der Verbraucher als Marktteilnehmer und als wichtige Stakeholdergruppierung zurück.83 Bereits vor über zwanzig Jahren stellte der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Dyllick fest, dass sich „Unternehmungen […] in zunehmendem Maße gesellschaftlichen Anliegen und Forderungen gegenübergestellt“ sähen, „die sich nicht auf die traditionellen Marktbeziehungen reduzieren lassen. Insbesondere in den Bereichen Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Konsumentenschutz, Sozialpolitik und Beziehungen zur Dritten Welt sähen sie sich unvermittelt in gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen verwickelt, die für ihre Zukunft von bedeutend größerer Bedeutung sein könnten, als das Bestehen im täglichen Kampf um Marktanteile. Neue Anspruchsgruppen wendeten sich immer mehr auch direkt an die Adresse von Unternehmungen und verlangen eine Berücksichtigung ihrer Forderungen“.84 Diese Diagnose trifft in besonderer Weise auf organisierte, nichtstaatliche Interessenvertretungen, die sog. NGOs (Non-Governmental Organizations) zu, auf deren Rolle unten noch näher eingegangen werden soll. Konnte der Ökonom Milton Friedman 1970 noch postulieren, dass Unternehmen für nichts anderes als ihre Profitabilität und Rentabilität Verantwortung trügen85, sehen sich Unternehmen heute mit den Erwartungen ihrer Stakeholder konfrontiert, nicht länger nur Wachstumsziele zu erreichen, sondern sich ihrer ökonomischen, ökologischen und sozialen Verantwortung zu stellen. Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung unter dem Begriff und Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) oder Corporate Responsibility (CR) hat sich zu einem zentralen Thema der Unternehmensleitung und -führung entwickelt. Hatten Ökonomen den Konsumenten über lange Zeit als fiktives „isoliertes, autonomes und rational handelndes Einzelwesen verstanden“, dessen Kaufentscheidung bzw. Kaufenthaltung das Ergebnis eng umschriebener rationaler, finanzieller Überlegungen und von den Eigenarten der Gesellschaft losgelöster Entscheidungen war86, muss heute konstatiert werden, dass die Wirtschaft zunehmend die Schlüs82 Knut Bleicher: Unternehmungsphilosophie: Visionen und Missionen eines normativen Managements. In: Handbuch der Wirtschaftsethik. Hg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft v. Wilhelm Korff u.a. Bd. 3: Ethik wirtschaftlichen Handelns. Gütersloh 1999, S. 163–188, 167. 83 Vgl. Nico Stehr: Die Moralisierung der Märkte. Eine Gesellschaftstheorie. Frankfurt a.M. 2007 (= Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1831), S. 10f. 84 Dyllick: Management der Umweltbeziehungen, S. 373f. 85 Friedman: The Social Responsibility of Business, S. 32f. Praktisch gleichlautend: „There is one and only one social responsibility of business – to use its resources and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of the game, which is to say, engages in open and free competition without deception or fraud.“ (Milton Friedman: Capitalism and Freedom. Chicago 1962, S. 32.) 86 Stehr: Moralisierung der Märkte, S. 13.

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selrolle konstatiert, die „kulturelle Werte, umfassenderes Wissen und weit gefächerte Interessen der Akteure“ in der „angeblich kulturfreien Welt und der von der Gesellschaft abgekoppelten Realität der modernen Wirtschaftssysteme“ spielen, weil diese Faktoren die selbstbewusst vorgetragenen und in Entscheidungen umgesetzten Meinungen und Ansichten der Marktteilnehmer verstärken.87 Entsprechend komme es, so Stehr, zu einer einer sich nachhaltig ausweitenden „Konsumentensouveränität“ in entwickelten Volkswirtschaften und zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse am Markt zugunsten unterschiedlicher Konsumentengruppen. Dieser Trend manifestiere sich in „am Markt beobachtbaren Handlungsabläufen und Urteilen der Marktteilnehmer“, beziehe sich aber genauso auf „Eigenschaften von Waren und Dienstleistungen wie z.B. die Herkunft der Ware, die Art der Produktionsprozesse oder die sozialen Merkmale der Teilnehmer an der Wertschöpfungskette eines Produktes oder einer Dienstleistung – einschließlich der Reputation anderer Akteure der gleichen Gruppe (Anbieter oder Konsumenten)“.88 Daher komme „Waren und Dienstleistungen […] nicht mehr nur ein ökonomische[r] Wert“ zu, „sondern ihnen wird auch […] ein moralischer Wert zugeschrieben oder […] abgesprochen“.89 Selbst diese Ablehnung ist bereits ein moralisches Urteil. Da sich so in ihnen gesellschaftliche Werte und Normen manifestieren, ist die Ökonomie nicht nur ein Austausch von Waren mit einem bestimmten Wert, sondern auch ein Austausch von Werten (Georg Simmel).90 „Normativ richtiges Handeln“ – oder anders gesprochen: die Übernahme von Verantwortung – wird so in der modernen Gesellschaft zu einer entscheidenden Komponente des Verhaltens aller Marktteilnehmer.91 Da nachhaltiger unternehmerischer Erfolg und der Wert eines Unternehmens wesentlich vom Vertrauen der Kunden und Verbraucher als gesellschaftliche Anspruchsgruppe (und nicht zuletzt auch vom Vertrauen der Investoren) abhängt, bedeutet der schwere Vertrauensverlust im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise für die Unternehmen auch ein ernstes wirtschaftliches Problem. Die Unternehmensberatung Ernst & Young schätzt, dass etwa zwei Drittel des Marktwertes einer bör87 Vgl. hierzu wie zum Folgenden Stehr: Moralisierung der Märkte, S. 11–22. Vor allem der wachsende Wissensstand der Marktteilnehmer verstärkt und steigert nach Stehr dabei ihre Ansprüche. (Vgl. ebd., S. 20. Vgl. dazu auch Albert O. Hirschman: Having opinions – one of the elements of well-being? In: The American Economic Review 79 (1989), S. 75–79. Untersuchungen zu Sparverhalten und Investitionsentscheidungen belegen, dass der Grad der Bildung bei entsprechenden Entscheidungen eine wichtige Rolle spielt. Vgl. dazu B. Douglas Bernheim u.a.: Education and saving. The long-term effects of high school financial curriculum mandates. In: Journal of Public Economics 80 (2001), S. 435–465. Die Vorstellung, dass das Wissen der Verbraucher einen entscheidenden Einfluss auf ihr Konsumverhalten hat, wurde bereits Ende der 1950er Jahre angestoßen vom US-amerikanischen Ökonom John Kenneth Galbraith: Vgl. John K. Galbraith: Die Gesellschaft im Überfluß. München 1963, S. 20.). 88 Stehr: Moralisierung der Märkte, S. 21. 89 Stehr: Moralisierung der Märkte, S. 12. 90 Vgl. Stehr: Moralisierung der Märkte, S. 12. 91 Stehr: Moralisierung der Märkte, S. 10.

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sennotierten Gesellschaft aus den „intangible assets“ Wissen, Image und Beziehungen bestehen.92 Dass diese „nicht greifbaren“, eher weichen Faktoren auch in der Krise eine wesentliche Rolle spielen, zeigen die Ergebnisse einer Ende 2008 durchgeführten Studie des Beratungsunternehmens BBDO Consulting. Dort zeigte sich, dass vom Vertrauensverlust nicht alle Banken in gleicher Weise betroffen sind. 93 Laut Studie vertrauen die Verbraucher etwa öffentlich-rechtlichen Instituten noch in gleicher Weise wie vor der Krise.94 Dass es bei der Verbrauchereinschätzung nicht allein um nackte ökonomische Zahlen und bloße Rationalität geht, verdeutlicht die Tatsache, dass sogar die Universalbanken Deutsche Bank und die zum damaligen Zeitpunkt noch existente Dresdner Bank sich immerhin noch im Vertrauensmittelfeld befinden, obwohl sie von der Finanzkrise stark betroffen sind. Nach den Befragungsergebnissen von BBDO Consulting profitierten beide Unternehmen davon, sich über viele Jahre eine stabile Marke aufgebaut zu haben und damit offensichtlich auch ein verlässliches, vertrauenswürdiges Image, das Gewähr für einen gewissen Vertrauensvorschuss bietet. Die einflussreichen US-amerikanischen Ökonomen George Akerlof, Träger des Wirtschaftsnobelpreises, und Robert Shiller belegen in einer aktuellen Monographie eindrucksvoll, dass der gesellschaftliche Vertrauensverlust nicht bloß diffuse, sondern sehr konkrete Folgen für die Unternehmen zeitigt. 95 Sie beschreiben den Einfluss sog. „animal spirits“ auf die Zusammenhänge in der modernen Ökonomie und erläutern die Bedeutung irrationaler Faktoren für wirtschaftliche Entscheidungen. Unter den animal spirits kommt dem Vertrauen deshalb eine zentrale Rolle zu, da die Rückkopplungsmechanismen zwischen Vertrauen und Ökonomie Störungen verstärken könnten: „The cornerstone of our theory is confidence and the feedback mechanisms between it and the economy that amplify disturbances.“96 Die gegenwärtige Krise sei Vertrauens-(„confidence“) und Kredit-(„credit“)Krise gleichermaßen: Vertrauen erscheint dabei nicht wie in der klassischen Ökonomie nach Adam Smith als ausschließlich rationales Element: „But there is more to the notion of confidence. The very meaning of trust is that we go beyond the rational. Indeed the truly trusting person often discards or discounts certain information. She may not even process the information that is available to her rationally; even if she has processed it rationally, she may still not act on it rationally. She acts according to what she trusts to be true.“97 92 Vgl. Jost Neuwald/Gerd Würzberg: Unternehmenskommunikation als Treiber des Wertmanagements. In: Günter Bentele u.a. (Hg.): Kommunikationsmanagement. Neuwied u.a. 2001ff. (Loseblattsammlung): 2.12 (September 2003), S. 15. 93 Vgl. dazu und zum Folgenden: Beecken/Hesse: Vertrauen weg, S. 22. 94 Wie dieses Urteil indes nach der Krise der deutschen Landesbanken, deren ganzes Ausmaß erst nach der Erstellung der Studie deutlich wurde, ausfallen wird, muss erst noch untersucht werden. 95 Vgl. hierzu und zum Folgenden George A. Akerlof/Robert J. Shiller: Animal Spirits: How Human Psychology Drives the Economy, and Why It Matters for Global Capitalism. Princeton u.a. 2009. 96 Akerlof/Shiller: Animal Spirits, S. 5. 97 Akerlof/Shiller: Animal Spirits, S. 12.

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Entsprechend reicht auch die gegenwärtige Vertrauenskrise tiefer: Das verloren gegangene Vertrauen lässt sich allein mit rationalen Argumenten nicht zurückzugewinnen. Hinzu kommt, dass Vertrauen nicht nur selbst wirkt, sondern auch andere Faktoren beeinflusst: Als Addendum zur Keynesianischen Theorie der Multiplikatoren führen Shiller und Akerlof einen Vertrauens-Multiplikator („Confidence Multiplier“) ein.98 Das hat zur Folge, dass staatliche Anreize kaum noch greifen und der Krise mit herkömmlicher Fiskalpolitik nicht beizukommen ist: Ist das Vertrauen gering, werden die Menschen den größten Teil staatlicher Anreize nicht wie intendiert zum Konsum nutzen, sondern sparen. In gleicher Weise werden beispielsweise auch niedrige Leitzinsen nicht weitergegeben. All das belegt, dass die Unternehmen einen ungleich höheren ökonomischen Schaden, als ihnen durch die eigentliche Krise entstanden ist, aufgrund der Tatsache befürchten müssen, dass das Vertrauensverhältnis zu wichtigen Anspruchsgruppen zerrüttet ist. Ein wesentlicher Schlüssel zur Überwindung der Wirtschaftskrise muss daher die sukzessive Rückgewinnung verloren gegangenen Vertrauens bei verschiedensten Anspruchsgruppen darstellen. Zutrauen und Zuversicht der Verbraucher müssen insbesondere durch transparente, glaubwürdige und ehrliche Kommunikation wieder geweckt und entwickelt werden. Es ist augenscheinlich, dass diese wesentlichen vertrauensbildenden Maßnahmen nicht allein von der Politik geleistet und erst recht nicht auf sie abgewälzt werden können. Die Schaffung eines vernünftigen Regelwerks, das künftig als verbindlicher Rahmen die schlimmsten Verirrungen und Verfehlungen an den Märkten verhindern soll, stellt dafür allenfalls eine notwendige Bedingung dar. Um dem System jedoch wieder nachhaltig Stabilität zu verleihen, um auf einer soliden Basis in Zukunft neues Wachstum zu erzielen, ist es erforderlich, dass sich die Wirtschaft – und damit in erster Linie die handelnden Akteure – selbst in die Pflicht nimmt. Hinreichende Bedingung zur Wiederherstellung des dringend notwendigen Vertrauens aller Stakeholder ist dabei unternehmerisches Handeln, das sich konsequent an den Kriterien Nachhaltigkeit und vor allem Verantwortung ausrichtet. 2.1.4 Die Krise: Krise der Wirtschaftswissenschaften? „The science of economics does not provide simple answers to complex social problems“, mahnte Paul A. Samuelson bereits 1956.99 Auf den Nationalökonomen Samuelson, 1970 erster US-amerikanischer Wirtschaftsnobelpreisträger und von Wirtschaftshistorikern wie Randall E. Parker als „Father of Modern Economics“ bezeichnet100, geht die Integration mathematischer und statistischer Methoden zur 98 Vgl. hierzu Akerlof/Shiller: Animal Spirits, S. 16. 99 Paul A. Samuelson: The New Look in Tax and Fiscal Policy. In: Ders.: The collected scientific papers of Paul A. Samuelson. Bd. 3. Cambridge, Mass. u.a. 1966, S. 1325–1330, 1325. 100 Randall E. Parker: Reflections on the Great Depression. Cheltenham 2002, S. 25.

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Beschreibung der marktwirtschaftlichen Gesetze in die Wirtschaftswissenschaften zurück. Die Mathematik diente Samuelson zur Beschreibung exakter Probleme, doch war sie bei ihm niemals Selbstzweck: „We must warn in the strongest terms against confusing the conditions of real life with those of the scores of analytical articles in the financial journals.“101 Der medienwirksame Aufruf von 83 Wirtschaftsprofessoren, die im Frühjahr 2009 die Entwicklung ihrer Disziplin scharf kritisierten, hat eine teilweise scharf geführte Diskussion über die Rolle der Wirtschaftswissenschaften in einer globalisierten Wirtschaftswelt losgetreten.102 Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise war dabei freilich nur der aktuelle Aufhänger für einen bereits seit Längerem schwelenden Konflikt: Die meisten Wirtschaftswissenschaftler haben die Entwicklungen, die zur Krise führten, nicht vorhergesehen – und viele Ökonomen tun sich ebenso schwer mit validen Prognosen über deren Folgen.103 Die sich zu einer Wirtschaftskrise ausweitende Finanzkrise spielte so die Rolle eines Katalysators, der zu einem handfesten Richtungs- und Methodenstreit über die Grundlagen der Disziplin und deren gesellschaftlichen Einfluss führte.104 Um „fehlende Realitätsnähe“ ging es da, um Internationalität, um die Modernität und Aktualität von „Wirtschaftspolitik“ und „Ordnungsökonomik“, um das Ansehen der Fachvertreter in der Öffentlichkeit. Dahinter verbirgt sich eine weitaus tiefer reichende Problematik: Sie hat mit dem Prinzip der Wertfreiheit in der Wissenschaft zu tun, das in den vergangenen Jahrzehnten in kaum einer Disziplin so überzeugt und bisweilen verbissen postuliert und verteidigt wurde wie in den Wirtschaftswissenschaften. Viele ernst zu nehmende Fachvertreter mieden Begriffe wie Ethik, Moral oder Werte wie der Teufel das Weihwasser. Vielleicht hatte das mehr mit Wahrhaftigkeit als mit Wahrheit zu tun: Nur davon, dass eine Aussage immer und immer wieder wiederholt wird, wird sie nicht wahrer. Dabei geht es um das Eingeständnis, dass wirtschaftspolitische Aussagen immer auch normative Analysen voraussetzen, die per se ethische Relevanz haben. Mittlerweile wächst das Unbehagen ge101 Paul A. Samuelson/Robert C. Merton: Generalized Mean-variance Tradeoffs for Best Perturbation Corrections to Approximate Portfolio Decisions. In: The Journal of Finance 29 (1974), S. 27–40, 38. 102 Vgl. dazu und zum Folgenden beispielhaft Werner Mussler: Die Lehren der Anderen. Viele tonangebende Ökonomen reagieren bissig auf Kritik. Sie sollten lieber daraus lernen. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 21 v. 24.05.2009, S. 32; sowie Lisa Nienhaus: Der Krach der Ökonomen. Erst ging es nur um ein paar Lehrstühle in Köln. Jetzt geht es ums Grundsätzliche: Was wird aus unserer Volkswirtschaft? In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 24 v. 14.06.2009, S. 34; und ebf. die kritische Stellungnahme des St. Galler Volkswirtschaftlers Gebhard Kirchgässner: Typisch deutsch! Die deutsche Nationalökonomie darf keinen nationalen Sonderweg gehen. Eine Außenansicht. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 24 v. 14.06.2009, S. 34. 103 Vgl. Gebhard Kirchgässner: Die Krise der Wirtschaft: Auch eine Krise der Wirtschaftswissenschaften. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik. Eine Zeitschrift des Vereins für Socialpolitik 10 (2009), S. 436–468, 439, 463. 104 Vgl. ausführlich zum Streit Kirchgässner: Krise der Wirtschaft, S. 436–468. Bei Kirchgässner finden sich auch zahlreiche weitere Belege zur gegenwärtigen Debatte.

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genüber einer rein quantitativ verstandenen Ökonomik und ihren mathematisierten Erklärungsmodellen spürbar. Über dem wissenschaftlichen Methodenkonflikt schwebt dieselbe Frage, die im Grunde genommen alle Stellungnahmen und Lösungsvorschläge zur Krise gleichsam überformt: Kann modernes Wirtschaften überhaupt mit Ethik oder gar mit Moral in Beziehung gesetzt werden?105 Die ablehnende Haltung zahlreicher Fachvertreter gegenüber dieser Fragestellung steht in einem merkwürdigen Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung, in der sich Fragen nach Ethik und Moral in der Wirtschaft bereits seit vielen Jahren einer hohen Konjunktur erfreuten und zu regelrechten Modethemen avancierten. Kaum eine politische oder wissenschaftliche Diskussion kam in den zurückliegenden Jahren ohne eine Stellungnahme oder entsprechendes „ethisches name dropping“ aus. Darüber hinaus gab es eine Vielzahl wirtschaftsethischer Fachveröffentlichungen, von Kongressen und auch einen florierenden Markt für spezielle Ethikmanagement-Trainings.106 Dieser Trend hält mittlerweile seit einem Vierteljahrhundert an: Ab Mitte der 1980er Jahre kam es zu einem sprunghaften Anstieg wissenschaftlicher Veröffentlichungen auf diesem Gebiet.107 Die Diskussion über Ethik und Moral in der Wirtschaft und die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen reicht dabei von Beiträgen zur Stärkung des gesellschaftlichen Bewusstseins im Verhalten des Unternehmens unter Anwendung von Prinzipien ethischer praktischer Vernunft bis zu konkreten praktischen Ausgestaltungsfragen der Kommunikation mit der Öffentlichkeit.108 Letzlich geht es bei „allen Bemühungen“ immer auch darum, wie der Wirtschaftswissenschaftler Knut Bleicher zurecht anmerkt, „eine Legitimationsbasis für die Sicherung der Autonomie im Handeln der Mitglieder einer Unternehmung zu erreichen“.109 Umso mehr mag es überraschen, dass ausgerechnet in jüngerer Zeit und eingedenk der Folgen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise die Legitimität wirtschafts- und unternehmensethischer Programme und der Nutzen der Disziplin als Ganzer wiederholt in Frage gestellt wird: „Trotzdem gilt Wirtschaftsethik gerade in Anbetracht der dramatischen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen sich viele Unternehmen befinden, als gelehrtes Glasperlenspiel, als philanthropisches Feigenblatt, das man sich nur in prosperierenden Zeiten leisten kann. In Krisenzeiten hingegen könne man darauf gern verzichten. ‚Erst kommt das Fressen, dann die Moral!‘ – Bert Brecht scheint mit seinem Zynismus Recht zu behalten, beschaut man die Sparorgien mancher Unternehmen im Blick auf ethisch fundier-

105 Vgl. Schwartz: Wirtschaftsethik in Zeiten der Krise, S. 170. 106 Vgl. dazu und zugleich als weiteren Beleg Andrea Bittelmeyer: Wie Manager zur Moral finden. Zwischen Ethik und Erfolgsdruck. In: managerSeminare 98 (2006), S. 78–84. 107 Vgl. dazu Eckart Müller/Hans Diefenbacher (Hg.): Wirtschaft und Ethik. Eine kommentierte Bibliographie. Heidelberg 1992. Nachtrag Heidelberg 1994. 108 Bleicher: Visionen und Missionen eines normativen Managements, S. 167. 109 Bleicher: Visionen und Missionen eines normativen Managements, S. 167.

Auf der Suche nach Verantwortung: Wirtschaftskrise als Vertrauenskrise

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te Projekte und Programme.“110 Diese Entwicklung ist deshalb umso bedenklicher, da eine solche „Sichtweise […] leider auch von Teilen der Wirtschaftswissenschaften unterstützt“ werde.111 Dabei droht ein Rückfall auf überkommene Antinomiethesen, die, auf der „Annahme“ beruhend, „dass verantwortliches Handeln am Allgemeinen zu höheren Kosten und somit zu einer Schmälerung des Gewinns führe“, davon ausgingen, dass sich das Gewinnziel und das Ziel der sozialen Verantwortung gegenseitig ausschlössen.112 Und bei einigen Wirtschaftslenkern finden entsprechende Ansichten prompt Zuspruch: Alexander Dibelius, Deutschlandchef des Finanzdienstleisters Goldman Sachs Group Inc., ehemals eine der weltweit ältesten Investmentbanken, erklärte Anfang des Jahres 2010 auf einer Veranstaltung der WHU – Otto Beisheim School of Management hinsichtlich der Funktion und Rolle privater Banken innerhalb der Gesellschaft, dass „Banken […] keine Verpflichtung“ hätten, „das Gemeinwohl zu fördern“.113 Vielmehr dienten die Geldinstitute der Gesellschaft am besten, wenn sie unüberlegte Transaktionen und überzogene Risiken vermieden und Geld verdienten.114 Vorstellungen dieser Art, die stark an die Auffassungen Milton Friedmans erinnern, erscheinen – selbst isoliert aus einer rein ökonomischen Sichtweise heraus – so wenig weitsichtig wie zeitgemäß: Schließlich vernachlässigt eine derartige „kurzfristige Sichtweise […] weitgehend die langfristigen Opportunitätskosten einer Nicht-Berücksichtigung von gesellschaftlichen Bezugsgruppen der Unternehmung“.115 In alledem zeigt sich, dass das Verhältnis von Ethik und Ökonomik keineswegs so eindeutig bestimmt ist, wie ein flüchtiger Blicks auf die öffentliche und wissenschaftliche Debatte der zurückliegenden Jahre vermuten ließe. Die wesentlichen Konflikte sind keineswegs gelöst, die Grabenkämpfe um unterschiedliche Theorien sind nicht abschließend ausgefochten und an wesentlichen Streitpunkten scheiden sich noch immer sprichwörtlich die Geister. Der Wirtschafts- und Finanzkrise, in der Manager vielfach als Schuldige ausgemacht wurden und in der zahlreiche Politiker offen die moralische Integrität der wirtschaftlichen Eliten in Frage stellten, in der verbreitet Forderungen nach mehr staatlicher Regulierung und entsprechenden Korrekturen der Wirtschaftsordnung laut wurden und sich eine lebhafte Diskussion über die Tugenden des „ehrbaren Kaufmanns“ bzw. die Werte des Unternehmertums entspannte, fügte dieser Diskussion einen neuen Aspekt hinzu: Hatte die schwierige Klärung des Verhältnisses beider Disziplinen in der Vergan110 111 112 113

Schwartz: Wirtschaftsethik in Zeiten der Krise, S. 170. Schwartz: Wirtschaftsethik in Zeiten der Krise, S. 170. Bleicher: Visionen und Missionen eines normativen Managements, S. 169. Zit. nach Dibelius lost in Translation. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 2 v. 17.01.2010, S. 24. 114 Vgl. etwa „Banken müssen nicht das Gemeinwohl fördern“. In: Handelsblatt Online v. 14.01.2010, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/goldman-deutschland-chefbanken-muessen-nicht-das-gemeinwohl-foerdern;2512975 [aufgerufen am 22.01.2010]. 115 Bleicher: Visionen und Missionen eines normativen Managements, S. 169.

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genheit innerhalb des fachwissenschaftlichen Diskurses – wie noch zu zeigen sein wird – bereits eine wesentliche Rolle gespielt, machten nun die Krise, ihre Folgen und die Debatte um die ethischen Grundlagen des Wirtschaftens nicht nur dessen Aktualität, sondern vor allem dessen erhebliche praktische Relevanz sichtbar. Es hängt weit mehr von der Verhältnisbestimmung zwischen Ethik und Ökonomik ab, als lediglich die Lösung einer gelehrten Diskussion im wissenschaftlichen Elfenbeinturm. Die offenkundig mangelhafte Implementierung wirtschaftsethischer Grundsätze und Leitlinien in der ökonomischen Praxis nimmt insbesondere die Wissenschaft in die Pflicht zu einer wesentlichen Klärung: Wie hast du’s mit dem Verhältnis von Ethik und Ökonomik?, könnte die Gretchenfrage lauten, der sich jeder Diskussionsbeitrag und jeder ambitionierte Ansatz zuallererst zu stellen hätte. Diese Auseinandersetzung nicht zu scheuen, könnte es auch den Wirtschaftswissenschaften erleichtern, die richtigen Antworten auf die komplexen sozialen Probleme der Gegenwart zu finden.

2.2 Entwicklung ethischer Gedanken innerhalb der Wirtschaftswissenschaften Der spektakuläre Shell-Boykott im Jahre 1995, der die Versenkung der Ölspeicherplattform Brent Spar in der atlantischen Tiefsee verhinderte, das demonstrative Victory-Zeichen von Deutsche Bank-Vorstandschef Josef Ackermann vor den Journalisten am Düsseldorfer Landgericht im Januar 2004, die Proteste gegen die Werksschließung des Bochumer Nokia-Werks im Frühjahr 2008, die nicht enden wollenden Negativschlagzeilen um die Korruptionsaffäre beim einstigen deutschen Vorzeigeunternehmen Siemens, unterschiedliche Fälle schweren Datenmissbrauchs und der systematischen Bespitzelung eigener Mitarbeiter (Deutsche Bahn, Deutsche Telekom, Lidl, Deutsche Bank) oder die diversen Skandale um Arbeitsbedingungen oder Kinderarbeit in Fabriken westlicher Konsumgüterproduzenten wie Nike oder Levi Strauss in Asien116: All das sind Ereignisse, die einem unweigerlich in den Sinn kommen, wenn man an das Verhältnis von Wirtschaft und

116 Vgl. dazu auch Manfred Schlund: Corporate Social Responsibility (CSR) – eine Sozialinnovation der Unternehmen für die Gesellschaft? In: Dieter Gramlich u.a. (Hg.): Herausforderungen einer zukunftsorientierten Unternehmenspolitik. Ökonomie, Umwelt, Technik und Gesellschaft als Determinanten. Wiesbaden 2007, S. 65–89, 70; vgl. ebf. Ulrich Steger/Oliver Salzmann: Die soziale Verantwortung von Unternehmen. In: Harvard Business Manager 28 (2006), Nr. 7, S. 6–10; vgl. zum Mannesmann-Fall und dessen (wirtschafts)ethischer Betrachtung auch bes. Cindy Friske u.a.: Einführung in die Unternehmensethik: Erste theoretische, normative und praktische Aspekte. Lehrbuch für Studium und Praxis. München u.a. 2005 (= Schriften zum internationalen Management 12), S. 127–141; vgl. zu den Fällen von Datenmissbrauch, Überwachung und Bespitzelung der Mitarbeiter von Großunternehmen Spitzelaffären ohne Ende. Bahn und andere Unternehmen. In: Handelsblatt v. 18.04.2009, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/ spitzelaffaeren-ohne-ende;2243400 [aufgerufen am 26.05.2009].

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Ethik in der Gegenwart denkt. Zugleich sind sie aber auch Beleg dafür, dass die Rolle und das Handeln der Privatwirtschaft in einer globalisierten Welt im öffentlichen und politischen Diskurs verstärkte Aufmerksamkeit genießen. In den zurückliegenden Jahren ist insbesondere das Bemühen der Wirtschaftsunternehmen um nachhaltiges und verantwortliches Verhalten verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit aber auch der Wissenschaft gerückt. Von ethischen Kodizes in Unternehmen bis hin zu grundlegenden Fragen der Wirtschaftsordnung erstrecken sich wirtschaftsethische Aktivitäten über die unterschiedlichsten Ebenen in Ökonomie und Gesellschaft und haben eine Debatte in Gang gesetzt, in der die Aufmerksamkeit für Grundlagenprobleme der Wirtschaftsethik gewachsen ist, wie die Herausgeber des einflussreichen Handbuchs der Wirtschaftsethik 1999 nicht ohne Stolz konstatieren.117 Damit konnte in den vergangenen zwanzig Jahren die Wirtschaftsethik „von einer Randfrage ökonomischer Theorie und Praxis zu einem zentralen Thema öffentlicher und wissenschaftlicher Auseinandersetzung“ avancieren.118 Über die grundsätzliche Relevanz ethischer Fragestellungen und Probleme für Wirtschaft und Gesellschaft besteht in Deutschland, so entsteht der Eindruck, mittlerweile keine Uneinigkeit mehr.119 Umso mehr überrascht es, dass trotz des allgemeinen Booms wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge an deutschen Hochschulen, ganz im Gegensatz zu den angloamerikanischen Ländern, eine eingehendere Beschäftigung mit Wirtschaftsoder Unternehmensethik bis heute nicht zu einem ordentlichen Bestandteil der Curricula geworden ist.120 Dieser Umstand wird verständlich angesichts der Ni117 Wilhelm Korff u.a.: Einführung in das Handbuch der Wirtschaftsethik. In: Handbuch der Wirtschaftsethik. Hg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft v. Wilhelm Korff u.a. Bd.1: Verhältnisbestimmung von Wirtschaft und Ethik. Gütersloh 1999, S. 21–26, 21. 118 Korff u.a.: Einführung, S. 21. 119 Vgl. exemplarisch Hans-Ulrich Küpper: Business Ethics in Germany. Problems, concepts, and Functions. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 8 (2007), Nr. 3, S. 250–269, 250; vgl. außerdem Peter Ulrich: Wirtschaftsethik. In: Handbuch Ethik. Hg. v. Marcus Düwell u.a. Stuttgart u.a. 22006. S. 297–302, bes. 297. Vgl. zudem die Begründung des Bedarfs der Marktwirtschaft an moralischer Verantwortung, moralisch motivierten Normen und Handlungsweisen aus soziologischer Perspektive in Michael Baurmann: Lokale und globale Verantwortung von Unternehmen: Drei Thesen zum Verhältnis von Markt und Moral. In: Ludger Heidbrink u.a. (Hg.): Verantwortung als marktwirtschaftliches Prinzip. Zum Verhältnis von Moral und Ökonomie. Frankfurt a.M. u.a. 2008, S. 117–143, bes. 117–122. 120 Die Anzahl der Betriebswirtschaftslehre-Studierenden an deutschen Hochschulen stieg in den zurückliegenden 30 Jahren von 30.000 auf 160.000. Vgl. Hans-Ulrich Küpper: Entwicklungstendenzen der betriebswirtschaftlichen Ausbildung an einer öffentlichen Hochschule. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 59 (2007), S. 508–524, 514ff. Die geringe Reputation der Wirtschaftsethik und die ungenügende Präsenz innerhalb der akademischen Lehre beklagt auch Karl Homann. (Vgl. Karl Homann: Wirtschaftsethik: Versuch einer Bilanz und Forschungsaufgaben. In: Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Wirtschafts- und Unternehmensethik. Rückblick, Ausblick, Perspektiven. München u.a. 2005 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 10), S. 197– 211, 197.) Vgl. zum im Vergleich mit angloamerikanischen Ländern geringeren Stellenwert der Ethik in wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen an deutschen Hochschulen ebf. Küpper: Business Ethics in Germany, S. 250.

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schenposition, die die Wirtschaftsethik über viele Jahrzehnte in der bundesdeutschen Wissenschaftslandschaft innehatte, in der sie lange um ihre Anerkennung und Reputation als wissenschaftliche Disziplin kämpfen musste. Erst im Sommer 1987 wurde an der Universität (damals: Hochschule) St. Gallen mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsethik der erste seiner Art an einer Wirtschaftsfakultät im deutschsprachigen Raum geschaffen. Wenn der Lehrstuhlinhaber Peter Ulrich seine Tätigkeit in den Anfangsjahren beschreibt, so spricht er rückblickend von „Aufbauarbeit“, die er habe leisten müssen.121 „Überblickt man die Wissenschaftsgeschichte der Betriebswirtschaftslehre in den letzten 100 Jahren, so gewinnt man den Eindruck, dass sie ihr Verhältnis zur Ethik und konkret zur Wirtschaftsethik nie hinreichend aufgearbeitet und geklärt hat“, resümiert Horst Steinmann.122 Zudem weist er darauf hin, dass in der Geschichte der Wirtschaftswissenschaft im vergangenen Jahrhundert einzelne Versuche, ethisch-normative Überlegungen in das Lehrgebäude zu integrieren, überwiegend als gescheitert beurteilt werden.123 Und Jürgen Mittelstraß bezeichnet die wirtschaftswissenschaftliche Theoriegeschichte gar als „Verlustgeschichte aus der Perspektive der Ethik“.124 Dafür, dass sich die Wirtschaftsethik im deutschsprachigen Raum über einen langen Zeitraum so schwer tat, ist sicherlich auch die Dominanz des Konflikts zwischen sozialistischen und marktwirtschaftlichen ökonomischen Konzepten in der politischen und akademischen Diskussion nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich – weiterreichende normative Fragen rückten ihr gegenüber häufig in den Hintergrund.125 Nach der Stunde Null beeinflusste überdies die Erfahrung der Verstrickung zahlreicher namhafter Ökonomen und deren normativer Konzepte in Wissenschaftsapparat und Propaganda der Nazidiktatur die Haltung vieler Wissenschaftler.126 Besonders die von Hochschullehrern in den 121 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 5. 122 Horst Steinmann u.a.: Unternehmensethik – 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre in Deutschland. In: The Bulletin of Nagaoka University 2 (2003), S. 21–57, S. 23, URL: http://lweb.nagaokauniv.ac.jp/ kiyo/vol02/02paper2.pdf [aufgerufen am 02.01.2010]. 123 Vgl. Horst Steinmann u.a.: Betriebswirtschaftslehre, S. 23; vgl. dazu grundlegend Dieter Schneider: Ethik als Auslöser einzelner Fehlentwicklungen in der Geschichte der Wirtschaftswissenschaft. In: Brij Nino Kumar u.a. (Hg.): Unternehmensethik und die Transformation des Wettbewerbs. Shareholder-Value, Globalisierung, Hyperwettbewerb. Festschrift für Professor Dr. Dr. h.c. Horst Steinmann zum 65. Geburtstag. Stuttgart 1999, S. 637–658. 124 Jürgen Mittelstraß: Wirtschaftsethik als wissenschaftliche Disziplin? In: Georges Enderle (Hg.): Ethik und Wirtschaftswissenschaften. Berlin 1985 (= Schriften des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaft, N.F. 147), S. 17–32, 17. 125 Vgl. hierzu und zum folgenden Abschnitt Küpper: Business Ethics, S. 250ff. 126 Vgl. Dieter Schneider: Betriebswirtschaftslehre. Vol. 4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft. München u.a. 2001, S. 230. Vgl. dazu Steinmann u.a.: Betriebswirtschaftslehre, S. 23. Im Zusammenhang der Verstrickung müssen neben Heinrich Nicklisch insbesondere Walter Le Coutre oder auch Curt Sandig erwähnt werden. Vgl. dazu eingehend Sönke Hundt: Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre. Köln 1977 (= Mitbestimmung – Arbeit – Wirtschaft 1), S. 89 ff. Nicklisch hielt bereits im Juli 1933 auf einer öffentlichen Kundgebung eines wirtschaftswissenschaftlichen Verbandes in der Aula der Handelshochschule Berlin sein Grundsatzreferat unter

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1920er und 1930er Jahren durchgeführten Unternehmungen hin zu einer Lehre von der “Betriebsgemeinschaft” als Teil einer übergeordneten Werte- und Lebensordnung entwickelten im Rahmen der nationalsozialistischen Herrschaftsordnung eine fatale Wirkungsgeschichte und wurden nach dem Krieg zum Anlass genommen, allen weiteren Versuchen einer ethischen Orientierung der Betriebswirtschaftslehre skeptisch bis diskreditierend gegenüber zu stehen.127 Das daraus resultierende und kaum hinterfragte Postulat eines Bemühens um größtmögliche wissenschaftliche Objektivität bedingte eine grundlegende Skepsis gegenüber jedweder normativer Position.128 Deshalb beschäftigen sich vor der Mitte der 1980er Jahre nur sehr wenige Wirtschaftswissenschaftler mit dezidiert ethischen Fragestellungen und Problemen.129 Zwar existieren sporadische Äußerungen bekannter Vertreter des Faches zu Fragen der Ethik in der Wirtschaft und zuweilen wurde gar der Brückenschlag zur Philosophie gewagt, doch blieben konzeptionell umfassend angelegte wirtschaftsethische Ansätze in der Betriebswirtschaftslehre sehr lange Außenseiterpositionen.130 Der auf den Prinzipien der katholischen Soziallehre (Personalität, Solidarität und Subsidiarität) basierende Ansatz von Wilhelm Kalveram aus den 1950er Jahren (vgl. ausführlicher dazu unten) konnte sich ebenso wenig wie der Entwurf ebenfalls katholischer Provenienz einer sozialontologischen Grundlegung der Betriebswirtschaftslehre Guido Fischers gegen die in der Nachkriegszeit dominant gewordene Schule einer als nahezu vollkommen wertfrei angenommenen Ökonomik Erich Gutenbergs durchsetzen. Wirtschaftsethische Entwürfe gerieten gegenüber Gutenbergs produktionstheoretischem Paradigma rasch in den Verdacht der Unwissenschaftlichkeit: “Die Verquickung ethischer und ökonomischer Gesichtspunkte bei wissenschaftlichen Untersuchungen ist für das fachliche Resultat in der Regel nicht von Vorteil; die philosophisch-ethischen Darstellungen tragen oft genug dilettantischen Charakter und vermögen deshalb die Lösung der eigentlichen ökonomischen Probleme kaum zu fördern.”131 Karl Hax’ sehr allgemeines und wertendes Grundsatzurteil über die Ethik in der Wirtschaftswissenschaft ist symptomatisch für die implizite Gleichsetzung von

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dem vielsagenden Titel „Die Betriebswirtschaftslehre im nationalsozialistischen Staat“. Dabei richtet er einen „Aufruf an die Betriebswirtschaftler, dem Führer des neuen Deutschland alle ihre Kräfte zur Verfügung zu stellen, die Ziele ihrer Forschung nach den Bedürfnissen der politischen Gestaltung zu setzen und in erster Linie die für diese Maßnahmen maßgebenden Zusammenhänge klären zu helfen“. (Heinrich Nicklisch: Die Betriebswirtschaftslehre im nationalsozialistischen Staat. In: Die Betriebswirtschaft 26 (1933), S. 172–177, 172; vgl. dazu Steinmann u.a.: Betriebswirtschaftlehre, S. 35.) Vgl. dazu Steinmann u.a.: Betriebswirtschaftslehre, S. 23; vgl. ebf. Hundt: Theoriegeschichte, S. 89 ff. Hans-Ulrich Küpper: Unternehmensethik. Ein Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung und Lehre? In: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis 44 (1992), S. 498–518, 500. Vgl. Küpper: Unternehmensethik, 500. Vgl. hierzu und zum Folgenden Steinmann u.a.: Betriebswirtschaftslehre, S. 23. Karl Hax: Das Methodenproblem in der Betriebswirtschaftslehre (Rezension). In: Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, N.F. 8 (1956), S. 498–502, 502.

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Ethik mit Ideologie in weiten Teilen der Betriebswirtschaftslehre, an der sich zum Teil bis in die Gegenwart wenig geändert hat.132 Ebenso symptomatisch scheint es, dass Hax in seiner moralinsauren Stellungnahme selbst normativ vorgeht, obwohl er doch die absolute Vermeidung von Normativität für seine Disziplin proklamiert. Dieser Konflikt resultiert aus dem Spagat der modernen Ökonomik, als Realwissenschaft empirische Zusammenhänge erklären zu wollen, zugleich aber normative Handlungsorientierung begründen zu wollen.133 Einerseits wird unter dem Mantel strikter Empirie eine absolute Wertfreiheit behauptet, andererseits werden dazu nicht selten normative, dezidiert wertende Begründungen herangezogen; ein augenscheinlich argumentativer Widerspruch, der sich in vergleichbaren Aussagen bis in die Gegenwart findet. So konnte auch die zwar existente, aber recht spärliche Diskussion über die normativen Grundlagen der Disziplin über Jahrzehnte nie einen signifikanten Einfluss auf die herrschende Meinung gewinnen, zu bestimmend war das wuchtige Diktum Max Webers von der wertfreien Wissenschaft134, der zwischen unterschiedlichen analytischen Ebenen in der wissenschaftlichen Praxis unterschied, die strikt voneinander zu trennen seien.135 Damit ließen sich auf einer Ebene Werte und Werturteile objektiv und ohne Vornahme einer Wertung wissenschaftlich analysieren. Wertungen fasst er als „‚praktische Bewertungen‘ einer durch unser Handeln beeinflußbaren Entscheidung“ auf, die „als verwerflich oder billigenswert verstanden werden“ sollen.136 Darüber hinaus existiert eine weitere Ebene der Auseinandersetzung über wissenschaftliche Methoden und Standards oder die Auswahl der Untersuchungsgegenstände einer Disziplin, die notwendigerweise auf Werturteilen basiert. Wissenschaftler müssen diese „‚bewertende[n]‘ Stellungnahme[n]“ zwingend von der wertfreien „Feststellung empirischer Tatsachen“ trennen.137

132 Vgl. Steinmann u.a.: Betriebswirtschaftslehre, S. 23. 133 Dies ist auch ein wesentlicher Bestandteil der Ökonomismus-Kritik Peter Ulrichs, auf die später noch ausführlicher eingegangen werden soll. Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 106ff. Vgl. hierzu auch grundlegend Hans Albert: Ökonomische Ideologie und politische Theorie. Das ökonomische Argument in der ordnungspolitischen Debatte [1954]. Göttingen 1972 (= Monographien zur Politik 4), S. 13. 134 So wird in den betriebswirtschaftlichen Standardwerken Adolf Moxters und Günter Wöhes aus den späten 1950er Jahren durchaus die wissenschaftliche Basis der Disziplin thematisiert und reflektiert. 135 Vgl. dazu und zum Folgenden Max Weber: Wissenschaft als Beruf. In: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Hg. v. Johannes Winckelmann. Tübingen 71988 (= UTB für Wissenschaft 1492), S. 582–613, 600ff. Vgl. außerdem Max Weber: Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis. In: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Hg. v. Johannes Winckelmann. Tübingen 71988 (= UTB für Wissenschaft 1492), S. 146–214, bes. 146ff.; sowie Max Weber: Der Sinn der ‚Wertfreiheit‘ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften. In: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Hg. v. Johannes Winckelmann. Tübingen 7 1988 (= UTB für Wissenschaft 1492), S. 489–540. 136 Weber: Der Sinn der ‚Wertfreiheit‘ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, S. 489ff. 137 Weber: Der Sinn der ‚Wertfreiheit‘ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, S. 500.

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Aber nicht nur das Webersche Prinzip der Werturteilsfreiheit und dessen Interpretation durch zahlreiche Ökonomen belasteten das Verhältnis von Ethik und wirtschaftswissenschaftlicher Forschung. Peter Ulrich weist darauf hin, dass auch der weitverbreitete ethische Relativismus als „angeblich ‚postmoderne‘ Reaktion auf die Erschütterung traditioneller ‚fester Werte‘ und autoritativer Morallehren“, der eine objektive Begründung moralischer Verbindlichkeiten für unmöglich halte, die Fundierung der modernen Wirtschaftsethik erschwere.138 Über einen langen Zeitraum des 20. Jahrhunderts erscheinen so Ethik und Ökonomik nicht nur im deutschsprachigen Raum als nahezu gänzlich unvereinbare Gegensätze.

2.3 Ethik und Ökonomik: Unvereinbare Gegensätze? Schon Karl Kraus soll zu einem seiner Studenten gesagt haben, nachdem dieser ihm mitteilte, Wirtschaftsethik studieren zu wollen, dass er sich gezwungenermaßen für das Eine oder Andere entscheiden müsse – beides ginge nicht.139 Mit seiner Bemerkung steht der Satiriker nicht alleine da. Versuche der Etablierung einer Wirtschaftsethik sahen sich stets der handfesten Kritik von neoliberaler und systemtheoretischer Seite ausgesetzt. Der Tenor dabei war eindeutig: Eine theoretische Verbindung aus Ethik und Ökonomik ist deshalb undenkbar, weil keine praktische Verbindung aus Ethik und Ökonomie existiere. So befanden die Einen, die Marktwirtschaft selbst sei Garant genug für eine verantwortliche Zukunft und bedürfe daher keiner moralischen Fixierung durch eine Metawissenschaft wie die Ethik, die Anderen hielten es für ein unmögliches Unterfangen, das System Wirtschaft in der Moderne nach ethischen Kriterien steuern zu wollen. 1970 veröffentlichte der US-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger von 1976, Milton Friedman, seinen einflussreichen Artikel „The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits“140, in dem er die ausschließliche Ausrichtung der Unternehmen an der Maximierung des Shareholder Value postulierte.141 Nach Auffassung Friedmans sind Unternehmer oder Unternehmen, die jenseits ihrer eigentlichen wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit noch andere Präferenzen verfolgen, im Wettbewerb benachteiligt und drohen von kompetitiveren Marktteilnehmern

138 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 21. 139 Vgl. Hans Lenk/Matthias Maring: Einführung: Wirtschaftsethik – ein Widerspruch in sich selbst? In: Diesn. (Hg.): Wirtschaft und Ethik. Stuttgart 1992, S. 7–30, 7. 140 Milton Friedman: The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits. In: New York Times Magazine v. 13.09.1970, S. 32–33, 122–126. 141 Vgl. Johanna Brinkmann: Corporate Citizenship und Public-Private Partnerships – Zum Potential der Kooperation zwischen Privatwirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit und Zivilgesellschaft. Hg. v. Forschungsinstitut des Wittenberg-Zentrums für Globale Ethik in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Sektion Wirtschaftswissenschaften der Stiftung Leucorea in der Lutherstadt Wittenberg. Lutherstadt Wittenberg 2004 (= WZGE-Studien 1/2004), S. 4.

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ausgeschaltet zu werden.142 Für nicht wenige Ökonomen stellt sich die Frage nach Ethik in der Wirtschaft bis heute nicht, solange nur davon ausgegangen werden kann, dass ein funktionsfähiger Markt die einzelnen wirtschaftlichen Akteure in die Pflicht nimmt. Für viele neoliberale Autoren ist die Marktwirtschaft per se ethisch, weshalb sich weiterreichende Ideen wie die einer Zukunftsverantwortung schlichtweg erübrigen.143 Ethik und speziell Wirtschaftsethik erscheinen dabei in starker Verengung als normative Disziplinen, die lediglich Empfehlungen zu Normen und Prinzipien geben, die mit den Grundlagen des Wirtschaftens und der Effizienz des freien Marktes nicht in Einklang zu bringen seien.144 Ökonomen wie Dieter Schneider, Herbert Hax oder – neuer – Horst Albach greifen dazu bereitwillig auf die Vorstellungen Friedrich von Hayeks und Milton Friedmans zurück und können sich zudem die normative Entscheidungstheorie und die breite Akzeptanz ihrer Konzepte zunutze machen.145 Auch angesichts eines solchen unumschränkten Glaubens an die Selbstorganisations- und Selbstregulierungskräfte des Marktes wäre es für viele Intellektuelle und die Ideologiekritik der vergangenen Jahrzehnten wohl undenkbar gewesen, dass Marktwirtschaft und Ethik überhaupt eine Bindung – egal in welcher Form – eingehen könnten.146 Erinnert sei an dieser Stelle nur an den plakativen Pauschalaufruf Carl Amerys zum „totale[n] Kampf gegen die heiligen Kühe der Wirtschaft: ‚Wachstum und Rentabilität‘“.147 Neben dem prominenten Vorwurf fehlender Verbindlichkeit des Versuchs, die Wirtschaft unter eine Verantwortungsethik stellen zu wollen, wurde jedoch auch von systemtheoretischer Seite Kritik am Konzept einer Wirtschaftsethik laut: Ethik wende sich immer an individuelles Verhalten, welches in der modernen Wirtschaft keine Rolle spiele, urteilte Niklas Luhmann. Die „zweitausendjährige Tradition, die unter Ethik die Lehre vom éthos 142 Vgl. dazu Clarence Cyril Walton: Soziale Verantwortung von Unternehmen. München 1999, S. 108f.; vgl. ebf. Thomas Schwartz: Ökonomisierung der Ethik oder „Ethisierung“ der Ökonomie? Überlegungen zur wissenschaftstheoretischen Relevanz von CSR-Konzepten. In: Dieter Gramlich/Manfred Träger (Hg.): Herausforderungen einer zukunftsorientierten Unternehmenspolitik. Ökonomie, Umwelt, Technik und Gesellschaft als Determinanten. Wiesbaden 2007, S. 91– 105, 93. 143 Vgl. Bernd Adam: Marktwirtschaft oder Geldwirtschaft. Die Relevanz ökonomischer Sichtweise für eine Ethik zukunftsverantwortlichen Wirtschaftens. In: Thomas Bausch u.a. (Hg.): Zukunftsverantwortung in der Marktwirtschaft. Münster 2000 (= Ethik und Wirtschaft im Dialog 3), S. 110–123, 110f. Vgl. dazu außerdem Küpper: Business Ethics, S. 253. 144 Vgl. dazu Küpper: Business Ethics, S. 253. 145 Küpper: Business Ethics, S. 253. Vgl. Horst Albach: Betriebswirtschaftslehre ohne Unternehmensethik! In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 75 (2005), S. 809–831, bes. 809. Eine wesentliche Grundlage für zahlreiche wirtschaftsliberale Positionen stellt bis heute das einflussreiche Werk „Studies in Philosophy, Politics, and Economics“ des österreichischen Nationalökonomen und Wirtschaftsnobelpreisträgers Friedrich August von Hayek dar: F.A. von Hayek: Studies in Philosophy, Politics, and Economics. Chicago 1967. 146 Vgl. Bernd Adam: Marktwirtschaft oder Geldwirtschaft, S. 110. 147 Carl Amery: Das Ende der Vorsehung. Die gnadenlosen Folgen des Christentums. Reinbek 1972, S. 247.

Ethik und Ökonomik: Unvereinbare Gegensätze?

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verstand und unter éthos die Perfektionsform des natürlichen Lebens“, musste aufgrund des strukturellen Übergangs zur modernen Gesellschaft als Konzeption unumkehrbar aufgegeben werden.148 Schon die Organisationstheorie habe, „selbst in ihrer wirtschaftswissenschaftlichen Variante“, die Vorstellung der individuellen Unternehmerentscheidung zugunsten von Entscheidungstheorien innerhalb organisierter Systeme fallen gelassen.149 Die im Zuge der sich rasch verdichtenden Internationalität auf Firmenebene auftretenden Strukturprobleme ließen sich nicht „auf die Art und Weise der Ethik“ lösen.150 Zwar sei diese Aufgabe bei den Wirtschaftswissenschaftlern nicht unbedingt in den besten Händen, trotzdem sei eine Orientierung der Wirtschaft an der Wirtschaft selbst und nicht an der Ethik der beste Weg aus der Orientierungskrise.151 Für Luhmann ist Wirtschaftsethik deshalb mit der „englische[n] Küche“ zu vergleichen und gehöre „zu der Sorte von Erscheinungen […], die in der Form eines Geheimnisses auftreten, weil sie geheimhalten müssen, daß sie gar nicht existieren“.152 Dem liegt die systemtheoretische Vorstellung zu Grunde, Funktionssysteme orientierten sich lediglich an symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien. Diese Funktion übernimmt im Funktionssystem Wirtschaft das Geld. Entsprechend handle es sich bei der Wirtschaft um ein mit Hilfe des Mediums Geld ausdifferenziertes System, das sich nach seinem eigenen Code steuere und das dementsprechend nicht empfänglich ist für andere Codes wie ethisch begründete moralische Normen. Wirtschaften sei nur durch diejenigen Operationen zu charakterisieren, die über Zahlungen abgewickelt würden.153 Viele Ansätze, die einen Einfluss der Ethik auf die Ökonomik vollkommen verneinen oder missbilligen, berufen sich bis heute auf die systemtheoretischen Konzepte Luhmanns. Nicht zuletzt darauf beruht die große Zersplitterung der verschiedenen Ansätze zur Wirtschaftsethik im deutschsprachigen Raum, auf die unten noch näher eingegangen werden soll.

148 Niklas Luhmann: Wirtschaftsethik – als Ethik? In: Josef Wieland (Hg.): Wirtschaftsethik und Theorie der Gesellschaft. Frankfurt a.M. 1993 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1053), S. 134–147, 135. 149 Luhmann: Wirtschaftsethik, S. 145. 150 Luhmann: Wirtschaftsethik, S. 145. 151 Vgl. Luhmann: Wirtschaftsethik, S. 142. 152 Luhmann: Wirtschaftsethik, S. 134. 153 Vgl. Niklas Luhmann: Ökologische Kommunikation. Opladen 1986, S. 101. Luhmann führt nüchtern die Probleme an, die aus der Ausdifferenzierung und der operativen Schließung des Wirtschaftssystems der modernen Gesellschaft mit Hilfe des Mediums Geld resultieren. So sei die Rationalität des wirtschaftlichen Optimierens im Verhältnis von Zweck und Mittel aufs Ganze gesehen gar nicht mehr rational. Das zeige sich vor allem in den Fällen, in denen Wirtschaft das Subsistenzniveau der Bevölkerung nicht mehr halten könne oder die Gesellschaft selbst auf Exklusion großer Teile der Bevölkerung aus nahezu allen Funktionssystemen beruhe. Vgl. dazu Luhmann: Wirtschaftsethik, S. 144f.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

2.4 Die geistesgeschichtliche Entwicklung der Ökonomik Die in der Wirtschaftswissenschaft verbreitete Skepsis gegenüber der Ethik liegt zu einem nicht unwesentlichen Teil in der jüngeren Entwicklung der Disziplin als Ökonomik selbst begründet: Betrachtet man man nämlich die geistesgeschichtliche Entwicklung der Wirtschaftsethik, stellt man fest, dass die Verbindung von Wirtschaft und Ethik alles andere als ein Modethema ist. Historisch gesehen war Wirtschaft nie eine wertfreie Angelegenheit. Die Ökonomie wurde als Wissenschaft von den Gesetzmäßigkeiten wirtschaftlichen Handelns auch in der Vergangenheit zum Reflexionsgegenstand der Ethik erhoben.154 Vom antiken Griechenland bis hin zu den Klassikern der modernen politischen Ökonomie ist Wirtschaften primär unter ethisch-praktischen Gesichtspunkten reflektiert worden, da es in den Ansätzen stets um die instrumentelle Rolle der Ökonomie für das gute Leben und das gerechte Zusammenleben der Menschen ging. 155 Die gedankliche Einbettung der Ökonomie in das übergeordnete Leitbild einer wohl geordneten Gesellschaft bezog von diesem ihre normative Orientierung. Dem entspricht auch die berühmte aristotelische Trias von Ethik, Politik und Ökonomik, in der der antike Philosoph von der Nikomachischen Ethik zur Politik überleitet, in welcher wiederum seine Wirtschaftslehre eingebettet ist. 156 Seit der Einheit von Ethik, Politik und Ökonomie bei Aristoteles wurde die Ökonomie als Teil der Politik und die Politische Ökonomie als Teil der Ethik begriffen. Die Normativität war dabei stets grundlegendes Element dieser Disziplin, ihrem Gegenstand „Wirtschaften“ als elementarer Dimension humaner Praxis entsprechend.157 Adam Smith und John Stuart Mill, die als Begründer der modernen Wirtschaftswissenschaften gelten, waren nicht nur Ökonomen, sondern betrieben politische Ökonomie in moralphilosophischer Absicht.158 Das Streben nach individuellem Nutzen und Gewinn war in den Augen Smith immer durch die individuelle Moral und die staatliche Rahmenordnung begrenzt. Der gesamten „politischen Ökonomie“ des klassischen Liberalismus um Smith, Mill und Thomas Robert Malthus lag die Vorstellung zu Grunde, dass Wirtschaft einer Einbettung in die normative Ordnung der Gesellschaft bedürfe. Erst mit der Ablösung der politischen Ökonomie durch die neoklassische Wirtschaftstheorie ab 1870 erfolgte dann der Schritt zu einer „reinen“ Ökonomik, in der moralische Gesichtspunkte bewusst ausgeklammert wurden. Die frühmoderne 154 Vgl. Ulrich H.J. Körtner: Evangelische Sozialethik. Grundlagen und Themenfelder. Göttingen 1999 (= Uni-Taschenbücher 2107), S. 285f. 155 Vgl. hierzu und zum folgenden Abschnitt Ulrich: Wirtschaftsethik. In: Handbuch Ethik, S. 297. 156 Vgl. Aristoteles: Politik. Übers. u. mit erklärenden Anm. versehen v. Eugen Rolfes. Hamburg 41981. 157 Vgl. hierzu und zum Folgenden Peter Ulrich: Politische Ökonomie, wirtschaftsethisch rekonfiguriert. Funktionale Systemökonomie im Kontext praktischer Sozialökonomie. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 7 (2006), Nr. 2, S. 164–182, bes. 164ff. 158 Vgl. zum Verständnis Adam Smith Arnold Meyer-Faye/Peter Ulrich (Hg.): Der andere Adam Smith. Beiträge zur Neubestimmung von Ökonomie als Politischer Ökonomie. Bern u.a. 1991.

Die geistesgeschichtliche Entwicklung der Ökonomik

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Moralphilosophie war im Wesentlichen noch eine „Magd der Theologie“, die sich vom scholastischen Philosophieverständnis (noch) nicht gelöst hatte.159 Im Rahmen der „Entzauberung der Welt“, wie es Max Weber nannte, und der Emanzipation der aufstrebenden Naturwissenschaften (mit ihren wertfreien, objektiveren und formalisierbareren Theorien) von schöpfungstheoretischen Traditionen bemühten sich auch zahlreiche Ökonomen um die Überwindung der als überkommen empfundenen metaphysischen Hintergrundannahmen.160 Ziel war die „Purifizierung“ der Politischen Ökonomie von allen ethisch-normativen und politischen Beimischungen zu einer „reinen“ und „angeblich autonomen Ökonomik“.161 So entwickelte sich aus der Political Economy der angelsächsischen Klassiker die moderne Ökonomik, die prägend war für das Selbstverständnis heutiger Mainstream Economics, in der nach Meinung der meisten Ökonomen eine ethischen Grundsätzen verpflichtete Politik und eine der ökonomischen Effizienz verpflichtete Wirtschaft strikt voneinander getrennt ablaufen.162 Daher rührt das vom Philosophen Hans-Martin Sass identifizierte „weitverbreitete und hartnäckige Mißverständnis“, dass „Ethik und Ökonomie nichts mitein159 Hans Albert: Traktat über kritische Vernunft. Tübingen 31975, S. 132. 160 Weber: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen, S. 564. Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Politische Ökonomie, S. 166. 161 Albert: Ökonomische Ideologie und politische Theorie, S. 3. Der Begriff der „Purifizierung“ findet sich bei Krüsselberg Hans-Günter Krüsselberg: Property Rights-Theorie und Wohlfahrtsökonomik. In: Alfred Schüller (Hg.): Property Rights und ökonomische Theorie. München 1983, S. 45– 77, 58. Schumpeter sprach wohl 1908 als erster von „reiner Ökonomie“ und prägte bis heute die damit verbundene volkswirtschaftliche Vorstellung einer autonomen Wissenschaft Joseph Alois Schumpeter: Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie. Berlin 21970 [1908], S. 23ff. 162 Vgl. Ulrich: Politische Ökonomie, S. 164f. Vgl. auch Küpper: Business Ethics, S. 253. Demgegenüber steht eine Hochkonjunktur der Wirtschaftsethik in der philosophischen und soziologischen Literatur in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.Verwiesen sei nur auf Georg Simmels Philosophie des Geldes (1900), Max Webers Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1905), Othmar Spanns Fundament der Volkswirtschaftslehre (1918), Max Webers Wirtschaft und Gesellschaft (1922), Paul Nartorps Vorlesungen über praktische Philosophie (1925) und Werner Sombarts Die drei Nationalökonomien (1930). Vgl. Kern: Vertrauen als wirtschaftsethische Kategorie, S. 139. Auf jahrzehntelange Vernachlässigung des Themas folgte in den 1990er Jahren die philosophische Wiederentdeckung der Wirtschaftsethik, dann wohl aber schon im Zusammenhang mit der stärkeren Präsenz des Themas in der wirtschaftswissenschaftlichen, aber auch theologischen Forschung. Vgl. Josef Meran: Wirtschaftsethik. Über den Stand der Wiederentdeckung einer philosophischen Disziplin. In: Hans Lenk/Matthias Maring (Hg.): Wirtschaft und Ethik. Stuttgart 1992, S. 45–81, 47. Meran sieht die Wiederentdeckung in erster Linie durch die Social Choice Theory (oder Sozialwahltheorie) und die „vom Utilitarismus beherrschte angewandte Ethik“ befördert, wobei die Social Choice Theory als „allgemeine Theorie rationalen Verhaltens, in der entscheidungs(spiel)theoretische Modelle mit psychologischen und soziologischen Beobachtungen menschlichen Verhaltens als auch mit ethischen Verfahren der Normenbegründung und der theoretischen Analyse von Wissenschaftsstandard eine Verbindung“ eingingen. (Ebd., S. 47f.) Allgemein beschäftigt sich der interdisziplinäre Ansatz der Sozialwahltheorie mit Gruppenentscheidungen durch Aggregation von individuellen Entscheidungen zu einer kollektiven Entscheidung und den dadurch entstehenden Paradoxien, bzw. deren Vermeidung und Auflösung.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

ander zu tun haben und daß moralische Tugenden und erfolgreiches Handeln eher einander widersprechen als sich ergänzen oder einander bedingen“.163 Tatsächlich aber wird die auf diese Weise entstandene „Zwei-Welten-Konzeption“ (Ulrich) aus wertfreier Wirtschaftstheorie und außerökonomischer Ethik in Theorie und Praxis zunehmend als Problem erkannt und die Suche nach ethisch verantwortbaren und zugleich ökonomisch erfolgreichen Wegen des Wirtschaftens tritt wieder stärker in den Vordergrund.164 Mit Ulrich stellt sich die berechtigte Frage, ob weiterhin von einer unpolitischen, ihre eigene Normativität negierenden Ökonomie und von einem akademischen Nebeneinander getrennter Disziplinen oder einem unproblematischen bloßen Ergänzungsverhältnis ausgegangen werden kann, wenn doch umgekehrt der Anspruch erhoben wird, aus ökonomischen Sachzusammenhängen ganz praktische wirtschafts- oder gesellschaftspolitische Konsequenzen abzuleiten. Dementsprechend verdient insbesondere das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik als Grundproblem der Wirtschaftsethik eine eingehendere Betrachtung.165

2.5 Entwicklung des Zuordnungsverhältnisses von Ethik und Ökonomik Seit den 1980er Jahren kam es im deutschsprachigen Raum zur Herausbildung verschiedener wirtschaftsethischer Schulen, die sich prägnant voneinander abhoben, sich praktisch gar nicht aufeinander zubewegten und noch weniger bereit waren, voneinander zu lernen.166 In den zurückliegenden beiden Jahrzehnten entwickelte sich eine lebhafte Debatte über die Beziehung von wirtschaftswissenschaftlichen Theorien und Ethik, die weitestgehend beherrschend für den gesamten wirtschafts- und unternehmensethischen Wissenschaftsdiskurs im deutschsprachigen Raum war.167 163 Hans-Martin Sass: Ethische Risiken im wirtschaftlichen Risiko. In: Hans Lenk/Matthias Maring (Hg.): Wirtschaft und Ethik. Stuttgart 1992, S. 214–234, 214. 164 Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Politische Ökonomie, S. 165. 165 Vgl. Jochen Gerlach: Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik als Grundproblem der Wirtschaftsethik. In: Handbuch der Wirtschaftsethik. Hg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft v. Wilhelm Korff u.a. Bd. 1: Verhältnisbestimmung von Wirtschaft und Ethik. Gütersloh 1999, S. 834–883, 834f. 166 Vgl. hierzu und zum Folgenden Kurt Röttgers: Wirtschaftsphilosophische Durchblicke. Korreferat zu den Beiträgen von Karl Homann, Andreas Georg Scherer, Peter Ulrich und Josef Wieland. In: Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Wirtschafts- und Unternehmensethik. Rückblick – Ausblick – Perspektiven. München u.a. 2005 (=Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 10), S. 291–305, 291. 167 Vgl. dazu ausführlich Hans-Ulrich Küpper: Unternehmensethik, S. 498–518, bes. 500; Vgl. ferner, u.a. zum Zusammenhang der Diskussion mit der langen Tradition der Ethik in Philosophie und Theologie in der europäischen Kulturgeschichte, Hans-Ulrich Küpper: Unternehmensethik – Hintergründe, Konzepte, Anwendungsbereiche. Stuttgart 2006, S. 4f.

Entwicklung des Zuordnungsverhältnisses von Ethik und Ökonomik

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Die Konfliktpositionen reichen dabei vom völligen Ausschluss der Ethik aus der Ökonomik, wie sie von der traditionellen Volkswirtschaftslehre vertreten wird, bis zu dem Vorschlag, die Ökonomik müsse von der Ethik kontrolliert werden.168 Die prominentesten wirtschaftsethischen Ansätze finden sich in diesem Spektrum zwar nicht an den beiden Polen wieder, divergieren aber dennoch stark voneinander. In der kritischen Abgrenzung der unterschiedlichen wirtschaftsethischen Positionen voneinander spielt das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik eine herausragende Rolle. An der wechselseitigen Zuordnung von Ethik und Ökonomik lässt sich die Grundschwierigkeit aller wirtschaftsethischen Theorien ablesen. Ursächlich für die weitreichenden Divergenzen ist in erster Linie der Umstand, dass jede Wirtschaftsethik eine explizite oder zumindest implizite Zuordnung der beiden Reflexionsformen vornimmt, die wesentlich vom jeweiligen Vorverständnis von Ethik einerseits sowie von Ökonomik andererseits abhängt, wobei das Verständnis von jeweils einer der beiden Reflexionsformen das Verständnis der jeweils anderen stark beeinflusst. Ethik und Ökonomik können als Bereichsdisziplinen für bestimmte Gegenstandsbereiche aufgefasst werden – Ethik also als Theorie des moralischen Verhaltens oder allgemeiner des Handelns und Ökonomik als Theorie des Wirtschaftens oder allgemeiner des rationalen Entscheidens unter Knappheitsbedingungen.169 Ethik und Ökonomik können jedoch ebenso als unterschiedliche Methodiken verstanden werden, die verschiedene Probleme lösen, obgleich beide sich auf die gleichen Gegenstände beziehen lassen.170

168 Küpper: Business Ethics, S. 253. 169 Vgl. hierzu Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 834. Die Ökonomik geht von der Annahme einer spezifischen Situation der Knappheit aus, wobei Wirtschaften als Handeln zwecks der Reduzierung von Knappheit sowie zur Überbrückung von Spannungen zwischen menschlichen Bedürfnissen und knappen Gütern verstanden wird. (Vgl. Ekaterina Svetlova: Sinnstiftung in der Ökonomik. Wirtschaftliches Handeln aus sozialphilosophischer Sicht. Bielefeld 2008, S. 9f.) Entsprechend macht sie Mittel und Wege zur Erreichung der Bedürfnisbefriedigung, „Produktion, Distribution, Konsumtion oder allgemeiner: Marktgeschehen“, zu ihrem Untersuchungsobjekt. (Bernd Biervert/Josef Wieland: Gegenstandsbereich und Rationalitätsform der Ökonomie und der Ökonomik. In: Bernd Biervert u.a. (Hg.): Sozialphilosophische Grundlagen ökonomischen Handelns. Frankfurt a.M. 1990 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 870), S. 7–32, 11.) In den 1970er und 1980er Jahren plädierten einige Ökonomen wie G.S. Becker (1982) sowie McKenzie/Tullock (1978) ausdrücklich dafür, die Ökonomik als Wissenschaft von ihrem approach aus, also ausgehend vom Rationalitätsprinzip als sogenanntem wirtschaftlichen Prinzip, zu bestimmen. Das Prinzip besagt, dass der ökonomische Akteur gezwungen ist zu wählen, will meinen: über die knappen Ressourcen und Güter zu disponieren, da er nicht alle seine Bedürfnisse gleichzeitig befriedigen kann. (Vgl. Svetlova: Sinnstiftung, S. 10. Vgl. zudem Gary Stanley Becker: Der ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens. Tübingen 1982 (= Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften 32); R.B. McKenzie/G. Tullock: The New World of Economics. Explorations into the Human Experience. Homewood 21978.) 170 Vgl. Karl Homann: Ökonomik und Ethik. In: Günter Baadte u.a. (Hg.): Wirtschaft und Ethik. Graz u.a. 1991 (= Kirche heute 5), S. 9–29, 13 ff.; Karl Homann/Andreas Suchanek: Methodologische Überlegungen zum ökonomischen Imperialismus. In: Analyse und Kritik 11 (1989), S. 70–93.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Ob dieser grundlegenden Divergenzen machen sich die unterschiedlichen Ansätze fortwährend wechselseitig den Vorwurf, entweder Ethik und Ökonomik unverbunden und unproduktiv nebeinander stehen zu lassen oder Moral und Ethik nur äußerlich und korrektiv auf die Ökonomik anzuwenden oder aber die Funktionsgesetze der Ökonomik entweder gar nicht oder im Übermaß zu berücksichtigen.171 Dementsprechend fürchten die Einen, Ethik könne als Feigenblatt instrumentalisiert werden, während die Anderen eine Moralisierung der Ökonomie beklagen.172 Obwohl allen Ansätzen ein Verständnis des Gegenstandsbezugs von Ethik und von Ökonomik und zugleich der Zuordnung beider gemein ist, unterscheiden sie sich wesentlich in ihren Ausgangsparadigmen: So wird versucht vom jeweils gewählten Ausgangsparadigma (Ethik bzw. Ökonomik) eine bestimmte Zuordnung herzustellen, entweder mit dem Ziel, das jeweils andere Paradigma zu berücksichtigen oder mit der Absicht, dieses sogar ganz zu integrieren. 173 Die Integration erfordert einen in einer beiden Reflexionsformen liegenden oder aus einer übergeordneten Theorie bezogenen Ansatzpunkt. Grundlegend kann unterschieden werden zwischen einer methodischen Zuordnung zweier auch weiterhin voneinander zu unterscheidender Methodiken und einer vollständigen Integration, bei der es zu einer faktischen Neuformulierung einer der beiden oder beider beteiligter Disziplinen kommt. Noch ist der Richtungsstreit und die Frage, ob sich eine einheitliche neue Theorie und Disziplin aus der Integration der beiden Reflexionsformen herausbilden kann, nicht entschieden.

171 Vgl. dazu Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 834f. Vgl. zur Diskussion ferner ausführlich Jochen Gerlach: Ansätze mit Ökonomik als Ausgangsparadigma. In: Handbuch der Wirtschaftsethik. Hg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft v. Wilhelm Korff u.a. Bd.1: Verhältnisbestimmung von Wirtschaft und Ethik. Gütersloh 1999, S. 836–855; bzw. imselben Band Jochen Gerlach: Ansätze mit Ethik als Ausgangsparadigma. In: Handbuch der Wirtschaftsethik. Hg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft v. Wilhelm Korff u.a. Bd.1: Verhältnisbestimmung von Wirtschaft und Ethik. Gütersloh 1999, S. 855–871. 172 Ethik soll hier verstanden werden als die wissenschaftliche Reflexionsform der Moral, während Ökonomik die wissenschaftliche Reflexionsform der Ökonomie darstellt. (Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 834.) Als Ökonomie wird dabei allgemein die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen bezeichnet, die dazu geeignet sind, der Befriedigung des menschlichen Bedarfs an Waren und Dienstleistungen zu dienen. 173 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 835.

Unterschiedliche Wirtschaftsethikmodelle und das Selbstverständnis der Disziplin

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2.6 Unterschiedliche Wirtschaftsethikmodelle und das Selbstverständnis der Disziplin Die beiden Pole innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion bezüglich der unterschiedlichen Wirtschaftsethikmodelle werden durch die ordnungsethischen Konzepte Josef Wielands und – besonders prominent – Karl Homanns und seiner Schüler mit ihrer Ökonomik als „Ethik mit anderen Mitteln“174 einerseits und die auf der Diskursethik basierenden Konzepte Peter Ulrichs, Horst Steinmanns oder Albert Löhrs auf der anderen Seite markiert.175 Die Vertreter erstgenannter Schule vertrauen dabei auf eine institutionelle Disziplinierung der Ökonomie, letztgenannte eher auf Verständigung und Dialog zur Lösung ökonomisch-ethischer Konflikte. Bis heute werden die – nicht immer fruchtbaren – Auseinandersetzungen der verschiedenen Lager mit zum Teil erheblicher Schärfe geführt. Die vorwurfsvolle Klage Karl Homanns, dass „die schlechte Reputation der Wirtschaftsethik in der Wissenschaft vor allem auf methodische Defizite in der wirtschaftsethischen Diskussion zurückzuführen“ sei, kann zugleich als markiger Fingerzeig in Richtung der Konkurrenz gedeutet werden.176 Die Zerstrittenheit zeigt sich bereits in der Uneinigkeit darüber, welches die geeignete Ausgangsfrage für die Disziplin sei. Röttgers unterscheidet hier zwischen einem begründungsorientiertem Ansatz mit tendenziell eher universalem Bezug und einem problem- oder anwendungsorientiertem Ansatz mit eher lokalem, konkretem Bezug.177 Bei der beiderseitigen Berufung auf Kant und der Betonung der außerordentlichen Bedeutung der Ausgangsfrage erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten: Während Ulrich seine Theorie auf der Linie einer „Kritik der ökonomischen Vernunft im Kant’schen Sinn der Reflexion auf die normativen ‚Bedingungen der Möglichkeit‘ ethisch vernünftigen Wirtschaftens“ sieht und daraus einen Anspruch auf „Entfaltung einer ethisch integrierten Idee vernünftigen Wirtschaftens“ ableitet, begreift Homann die Orientierung an einem konkreten Problem als den Anfang wirtschaftsethischen Fragens178: „Anfangsproblem war und ist das Pro174 Karl Homann: Ethik und Ökonomik. Zur Theoriestrategie der Wirtschaftsethik. In: Volker Arnold u.a. (Hg.): Wirtschaftsethische Perspektiven. Bd. 1. Theorie, Ordnungsfragen, internationale Institutionen. Berlin 1994 (= Schriften des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, N.F. 228,1), S. 9–30, 13. 175 Vgl. dazu sowie zum Folgenden Michael S. Aßländer: Philosophia Ancilla Oeconomiae? Wirtschaftsethik zwischen Hilfswissenschaft und Orientierungswissenschaft. In: Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Wirtschafts- und Unternehmensethik. Rückblick, Ausblick, Perspektiven. München u.a. 2005 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 10), S. 325–338, 331. Vgl. auch Küpper: Business Ethics, S. 253ff. 176 Homann: Wirtschaftsethik: Versuch einer Bilanz und Forschungsaufgaben, S. 197. 177 Vgl. Röttgers: Wirtschaftsphilosophische Durchblicke, S. 291. 178 Peter Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik. Versuch einer (Selbst-)Einschätzung des Entwicklungsund Diskussionsstands. In: Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Wirtschafts- und Unternehmensethik. Rückblick, Ausblick, Perspektiven. München u.a. 2005 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 10), S. 233–250, 238; vgl. Homann: Bilanz, bes. S. 199.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

blem Wettbewerb und Moral.“179 Beide Ansätze, ihre wesentlichen Merkmale und Unterschiede sollen im Anschluss an dieses Kapitel ausführlich dargestellt werden. Da die Diskussion ebenso wenig zu einem Abschluss gelangt ist wie die Ausformung der Disziplin, sollte – wie Aßländer völlig zurecht anmahnt – die bestimmende Frage, die angesichts der hitzigen Debatten zuweilen in den Hintergrund zu geraten drohte, indes jene „nach dem Selbstverständnis einer Wirtschaftsethik“ sein, die sich in besonderer Weise in der „Auseinandersetzung mit den praktischen Fragen der Ökonomie“ stelle.180 Will man die Wirtschaftsethik als Vermittlerin zwischen Ethik und Ökonomik begreifen, lassen sich zwei wesentliche Vermittlungsebenen unterscheiden: Einerseits die theoretische Ebene, auf der die Wirtschaftsethik das Verhältnis zwischen ökonomischer Wissenschaft und philosophischer Ethik untersucht; andererseits die Anwendungsebene, auf der sie vor die besondere Herausforderung der Vermittlung zwischen Theorie und Praxis gestellt ist, konkrete Ideen zu entwickeln, wie sich moralische Anforderungen im System Wirtschaft bzw. im einzelnen Unternehmen umsetzen lassen. Dabei muss die junge Disziplin sich und ihren Anspruch an die eigene Arbeit auch dahingehend hinterfragen, ob sie sich künftig als reines Marketinginstrument zur Dokumentation der Glaubwürdigkeit eines Unternehmens nach innen und nach außen verstehen möchte – als den Unternehmenserfolg beflügelnde Sozialtechnologie – oder ob sie die schwierige Zuordnungsdiskussion nicht weiterhin als ernst zu nehmenden „hermeneutischen Prozess wechselseitigen Verstehens“ begreifen will, bei dem die „gleichberechtigte Auseinandersetzung zweier Disziplinen“ mit ihren Methoden und wissenschaftlichen Grundlagen im Mittelpunkt steht.181 Provokativ könnte man weitergehend die Frage stellen, ob die Disziplin und ihre wesentlichen Protagonisten dazu bereit sind, den unzweifelhaften Nutzen des jungen Faches selbstbewusst zu artikulieren oder sich bevorzugt in akademischer Selbstzerfleischung ergehen zu wollen. Die Frage nach dem Selbstverständnis der Disziplin ist richtungsweisend: Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Ernsthaftigkeit der Wirtschaftsethik machen sich nicht zuletzt an ihrem Umgang mit der Herausforderung der Anwendungsorientierung fest, die maßgeblichen Einfluss auf den zukünftigen Stellenwert der Disziplin in der wissenschaftlichen Diskussion wie in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung haben dürfte. Eine allmähliche Verschiebung des Diskurses auf den Anwendungsbereich lässt sich seit dem Ende der 1990er Jahre beobachten, mittlerweile werden die entsprechenden Forderungen – auch von Seiten der Wirtschaft – lauter, wobei dem 179 Homann: Bilanz, S. 197. Die Problemstellung findet sich so schon ausführlich in Karl Homann: Wettbewerb und Moral. In: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften 31 (1990), S. 34–56. Röttgers plädiert angesichts der fortdauernden Konflikte im Sinne von Hegels „Logik“ für eine Überwindung des Anfangs als entscheidende Frage hin zu einem Übergang zu strategischen und performativen Fragestrukturen: Vgl. Röttgers: Durchblicke, S. 292f. 180 Vgl. hierzu und zum Folgenden Aßländer: Philosophia, S. 330f. 181 Aßländer: Philosophia, S. 330f.

Unterschiedliche Wirtschaftsethikmodelle und das Selbstverständnis der Disziplin

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deutschsprachigen Raum mit seiner theorielastigen Debatte auch international Nachholbedarf attestiert wird.182 Zugleich muss hinsichtlich zukünftiger theoretischer Auseinandersetzungen aber ebenfalls darüber Klarheit geschaffen werden, ob eine Wirtschaftsethik nur zusätzliche Argumente im Rahmen des ökonomischen Diskurses bereitstellen soll – im Zuge einer allenfalls terminologischen Auseinandersetzung mit der Ökonomik, bei welcher ihr nur noch die profane Aufgabe zufiele, schmückendem Beiwerk gleich ökonomisches Handeln zu legitimieren, bzw. mittels einer gekonnten Übersetzung sprachlich zweckgemäß zu verpacken –, oder ob sich eine Wirtschaftsethik in der Diskussion auch künftig der kritischen Auseinandersetzung mit den Grundlagen unseres ökonomischen Weltbildes verpflichtet fühlt.183 Eine solche Auseinandersetzung erfordert kritische Beschäftigung mit den Annahmen der ökonomischen Theorie, die auf ihre normative Gültigkeit und ihren Geltungsbereich hin befragt werden müssen. Zugleich hat sich die Disziplin ihrer eigenen Prinzipien und der Begründung ihrer Normen und Ansprüche zu vergewissern, wenn sie umgekehrt die Ökonomik an diesen messen möchte. Es bedarf zudem einer Grundlagenreflexion des Zuordnungsverhältnisses von Ethik und Wirtschaft, das bestimmend für die Auseinandersetzungen in der zurückliegenden Wirtschafts- und Unternehmensethikdebatte war. Damit ist die Frage nach dem „möglichen Nebeneinander oder Nacheinander beider Disziplinen“ bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme aktueller denn je. 184 Nicht geleugnet werden kann, dass auch aufgrund des wachsenden Interesses der Unternehmen an den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Wirtschafts- und Unternehmensethik zumindest ein komplizierter Spagat zwischen den divergierenden Interessen notwendig sein wird: Einerseits soll die Wirtschaftsethik Instrumentarien bereitstellen, die es Unternehmen ermöglichen, „flexibel auch auf die moralischen und sozialen Anforderungen der Gesellschaft zu reagieren“, läuft aber andererseits Gefahr, in ein schleichendes Begründungsdefizit zu geraten, da die systematische Reflexion der 182 Vgl. zur Verschiebung des Diskurses den Beitrag Aßländers Michael S. Aßländer: Vom Guten, vom Schönen und vom Baren – Business-Ethics und Ethic-Business in Deutschland. In: Die Sparkassen Zeitung Nr. 21 v. 25.05.2002, S. 15. Vgl. zur internationalen Wahrnehmung die Aufforderung des amerikanischen Wirtschaftsethikers Thomas Donaldsons, die deutschsprachige Wirtschaftsethik in stärkerem Maße mit realen Problemen zu verknüpfen Thomas Donaldson: Should Business be Moral? In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 8 (2007), Nr. 3, S. 270– 274, 270. Vgl. auch Küpper: Business Ethics, bes. S. 264f. Vgl. dazu ferner die Analyse Bettina Palazzos: Bettina Palazzo: The story so far – revisited: Die kulturellen Hintergründe der Business Ethics. In: Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Wirtschafts- und Unternehmensethik. Rückblick, Ausblick, Perspektiven. München u.a. 2005 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 10), S. 181–196; sowie die Folgerungen Sonja Grabner-Kräuters aus ihrer Betrachtung der Situation in der amerikanischen Forschung Sonja Grabner-Kräuter: US-Amerikanische Business Ethics-Forschung – the story so far. In: Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Wirtschafts- und Unternehmensethik. Rückblick, Ausblick, Perspektiven. München u.a. 2005 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 10), S. 141–180, 165f. 183 Vgl. hierzu und zum Folgenden Aßländer: Philosophia, S. 331. 184 Aßländer: Philosophia, S. 331.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

umgesetzten Normen so gar nicht den Bedürfnissen der praktischen Seite nach möglichst einfachen Lösungen zu entsprechen scheint. Angesichts derartiger Herausforderungen kann der Wirtschafts- und Unternehmensethik im eigenen Interesse der weiteren Etablierung der Disziplin mit Aßländer nur dazu geraten werden, sich und ihren Wurzeln treu zu bleiben und die theoretische Reflexion ihrer Normen und Grundlagen auch in Zukunft nicht zu vernachlässigen.185 Wie dargestellt ist das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik das wesentliche Problem in der wirtschaftsethischen Theoriedebatte. Dessen besondere Bedeutung leitet sich aus dem Umstand ab, dass sich aus dem wechselseitigen Verhältnis ihrer Zuordnung überhaupt erst begründen lässt, wie und in welcher Weise Wirtschaft und Ethik miteinander verbunden sind, bzw. warum das Postulat einer Unabdingbarkeit der Ethik für die Wirtschaft überhaupt Anspruch auf Gültigkeit erheben darf.186

2.7 Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik in der aktuellen wirtschaftsethischen Debatte Wie oben dargestellt markieren die ordnungsethischen Konzepte Karl Homanns und seiner Schüler und das auf der Diskursethik basierende Konzept Peter Ulrichs die beiden prominenten Pole der Wirtschaftsethikdebatte im deutschsprachigen Raum. Die wesentlichen Merkmale und Unterschiede dieser beiden divergierenden Ansätze sollen in diesem Kapitel ausführlich dargestellt werden, wobei besonderes Augenmerk auf das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik als wesentliche Konstituente der wissenschaftlichen Fundierung und Begründung einer Wirtschaftsethik gelegt werden soll. Zugleich sollen beide Ansätze auf ihre Fähigkeit zur praktischen Vermittlung zwischen Ethik und Ökonomik hin untersucht werden: Welches Potential offenbaren die beiden Ansätze, auf der Anwendungsebene die schwierige Herausforderung der Vermittlung zwischen Theorie und Praxis zu bewältigen, um so den Ansprüchen, Bedürfnissen und Wünschen der Praxis nach Umsetzung und Etablierung moralischer Anforderungen im Wirtschaftssystem genüge zu tun? 2.7.1 Ökonomik als Ausgangsparadigma Die Ansätze Karl Homanns und seiner Schüler haben ihre theoretischen Ursprünge in der traditionellen Volkswirtschaftslehre und können in gewisser Weise als deren wirtschaftsethische Erben angesehen werden. Als beispielhaft für die Stellung und Behandlung normativer Fragen in der traditionellen Volkswirtschaftslehre

185 Vgl. Aßländer: Philosophia, S. 332. 186 Vgl. dazu auch Adam: Marktwirtschaft oder Geldwirtschaft, S. 110ff.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

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kann Bruno Molitors Entwurf von 1989 zur Wirtschaftsethik angesehen werden. Charakteristisch ist dabei die Betrachtung der Wirtschaftsethik als positive Erfahrungswissenschaft – und damit als Teil der Wirtschaftswissenschaft und nicht als normative Wissenschaft.187 2.7.1.1

Grundlagen der Ökonomik: Die Stellung normativer Fragen in der traditionellen Volkswirtschaftslehre

Molitor geht es in der Tradition der Ordnungstheorie Walter Euckens (1940) vordergründig um die Unterscheidung zwischen Sachproblemen und moralischen Entscheidungen sowie die Vermeidung einer Moralisierung wirtschaftlicher Sachfragen.188 Die Normen des wirtschaftlichen Verhaltens werden nicht durch eigene ethische Argumentationen begründet, sondern können quasi von innen aus den „Tatbeständen einer Gesellschaftswirtschaft, ihren Zielsetzungen und Funktionserfordernissen“ abgeleitet werden.189 Diese funktionale Betrachtung der Moral fragt vor allem danach, welche Zwecke sich mit der Marktwirtschaftsordnung erreichen lassen, was diese an Wertorientierung voraussetzt und wie sie ihre Effizienz durch eine bestimmte Moral gewinnt oder verliert.190 Dem liegt ein Verständnis von Ethik als Lehre von der Moral der Handlungen und eine primär aus Normen und Regeln bestehende Vorstellung von Moral zugrunde. Gegenstand der Ökonomik ist für ihn einerseits rationales Handeln im Sinne vernunftgetragener freier Willensentscheidungen und andererseits allgemein die Wirtschaft als gesellschaftlicher Funktionsbereich.191 Die Ökonomik erscheint dabei als allgemeine Handlungstheorie, wobei Knappheit zu ihrem zentralen Ansatzpunkt wird, wohingegen alle übrigen Aspekte einer Handlung keine Berücksichtigung finden. Außerdem ignoriert Molitor den Umstand, dass ethische Urteile nicht nur einseitig unter Berücksichtigung des Funktionszusammenhangs Wirtschaft gefällt werden, sondern durchaus eine strukturell interdependente Abwägung mit jenen Erfordernissen erfolgen kann, die sich aus weiteren gesellschaftlichen Subsystemen ergeben.192 Sein Anspruch, aus der ökonomischen Deskription von Funktionszusammenhängen die Präskription moralischer Normen zu gewinnen, bringt die vollkommene Negation der Ethik als eigenständige Reflexionsform mit sich. Auf den Rekurs auch auf außerökonomische, moralische Vorstellungen kann er zwar nicht verzichten, doch ethische Ziele werden dabei gewissermaßen als gegeben vorausgesetzt, weshalb

187 Vgl. Bruno Molitor: Wirtschaftsethik. München 1989, S. 5. Vgl. zu diesem Abschnitt Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 839. 188 Vgl. Molitor: Wirtschaftsethik, S. 4f. Vgl. auch Walter Eucken: Die Grundlagen der Nationalökonomie. Jena 1940. 189 Molitor: Wirtschaftsethik, V, 1. 190 Vgl. Molitor: Wirtschaftsethik, S. 4. 191 Vgl. Molitor: Wirtschaftsethik, S. 7–12. 192 Vgl. zur Kritik an Molitors Ansatz ebf. Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 839f.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Molitor sich nicht mit der Begründung von Normen, also der Ethik, sondern allein mit der Moral in Form faktisch gegebener, allgemein anerkannter Normen auseinandersetzt. Eine genaue Analyse grundlegender ökonomischer Faktoren und Zusammenhänge, aus der sich gesellschaftliche Zielvorstellungen formulieren lassen, wird durch diese Theorie zwar gewährleistet, wie diese Konzepte jedoch ethisch zu begründen sind, bleibt im Dunkeln. 2.7.1.2

Ökonomik als „Ethik mit anderen Mitteln“: Die wirtschaftsethischen Konzepte Karl Homanns und seiner Schüler

Ein in den Ansätzen vergleichbares, aber deutlich weitreichenderes Konzept verfolgen Karl Homann und seine Schüler mit ihrer Theorie der Ökonomik als „Ethik mit anderen Mitteln“.193 Auch für sie ist nicht die Reflexion der Begründung von Normen maßgeblich, vielmehr machen sie deren Durchsetzbarkeit zum Maßstab ihrer Geltung: „Eine moralische Norm hat keine Gültigkeit, solange ihre Durchsetzbarkeit nicht sichergestellt ist.“194 Ziel und selbstdefinierter Anspruch dieser Ansätze ist die Entwicklung einer modernen Wirtschaftsethik, die zur Lösung der komplexen Probleme in modernen Gesellschaften beitragen kann.195 Da sein Modell Lösungen für die Konflikte der Moderne anbiete, fordert Homann nicht weniger, als dass „die ganze Wirtschaftsethik auf die strenge ökonomische Methode umformuliert“ werden müsse.196 Seine Vorstellungen setzen eine bestimmte Sicht moderner Gesellschaften voraus, in der sich Homann der Tradition der Ökonomik

193 Homann: Theoriestrategie, S. 9–30, 13. 194 Karl Homann: Wirtschaftsethik. Die Funktion der Moral in der modernen Wirtschaft. In: Josef Wieland (Hg.): Wirtschaftsethik und Theorie der Gesellschaft. Frankfurt a.M. 1993 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1053), S. 32–53, 37. 195 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 836–841. Gerlachs kenntnisreichem Handbuchkapitel verdanke ich auch zahlreiche Anregungen zu den Einzelaufsätzen Homanns. 196 Karl Homann: Sinn und Grenze der ökonomischen Methode in der Wirtschaftsethik. In: Detlef Aufderheide u.a. (Hg.): Wirtschaftsethik und Moralökonomik. Berlin 1997 (= Volkswirtschaftliche Schriften 478), S. 11–42, 27. Ethik wird von ihm formal als „wissenschaftliche Theorie der ‚Moral‘“ bestimmt, der es „um die theoretische Begründung, Systematisierung und um die theoriegeleitete Anwendung der ‚Moral‘“ gehe. (Karl Homann/Franz Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik. Göttingen 1992 (= Uni-Taschenbücher 1721), S. 16.) Den Anspruch dieses Konzepts verdeutlichen Pies/Sardison: Danach ist Wirtschaftsethik eine „Theorie für die Praxis“, befasst nicht nur mit „Problemen der Begründung von Moral“, sondern vornehmlich mit der Frage, auf welche Weise moralische Normen und Ideale unter den „Bedingungen einer international wettbewerblich gefassten Marktwirtschaft“ geltend gemacht werden können. Im Mittelpunkt stehen dabei die Frage nach der Sorge für „gesellschaftliche Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Konsum“, nach den Möglichkeiten sozialer Sicherheit wie nach den notwendigen Handlungen zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen, gleichermaßen aber auch Themen wie Armutsbekämpfung und gerechter Zugang zu freien Märkten sowie die Partizipation an ökonomischer Prosperität. (Ingo Pies/Martin Sardison: Wirtschaftsethik. In: Nikolaus Knoepffler u.a. (Hg.): Einführung in die Angewandte Ethik. Freiburg u.a. 2006 (= Angewandte Ethik 1), S. 267–298, 267.)

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

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seit Adam Smith verpflichtet fühlt.197 Die von Smith übernommenen Grundlagen seines Ökonomikkonzepts verbindet er mit der in der modernen Wirtschaftswissenschaft einflussreichen neueren Institutionentheorie, die eng an die Forschung der amerikanischen Ökomomen James Buchanan und Geoffrey Brennan angelehnt ist.198 So übernimmt die Ökonomik in der charakteristischen Ausgestaltung Homanns und seiner Schüler die Aufgaben und Intentionen von Ethik und Moral, wobei gerade die Umsetzung von Normen als das zentrale Problem der Ethik angesehen wird. Dabei wird Moral vor allem in den Rahmenbedingungen verortet und kann nur in ihnen verwirklicht werden. Homann unterscheidet dementsprechend scharf zwischen einer Rahmenordnung des Handelns und den Handlungen innerhalb dieser Rahmenordnung. Das moralische Verhalten des Einzelnen kann dauerhaft nur erhalten werden, wenn es sich für ihn als vorteilhaft erweist. Aus diesem Grund sind die Rahmenbedingungen entsprechend auszugestalten, dass das gewünschte Verhalten zugleich für den Handelnden vorteilhaft ist. Bei diesem Konzept handelt es sich um keine Individual-, sondern um eine Institutions- oder Ordnungsethik, die im Folgenden genauer untersucht werden soll. Das Charakteristikum von Homanns Ansatz ist die Anwendung ökonomischer Modelle und Methoden auf die Ethik.199 Danach hat die Wirtschaftsethik die Möglichkeit und die Aufgabe, „moralische Normen und Ideale als – nichtmonetäre – ‚Vorteile‘ zu rekonstruieren und sie […] als ökonomische Kalkulation ins Spiel zu bringen“.200 Homanns Ansatz wendet ökonomische Rationalität auch auf moralische Probleme an. Seine Theorie gründet auf dem Rational Choice-Prinzip, wonach handelnden Subekten ein rationales und aufgrund bestimmter Präferenzen nutzenmaximierendes Verhalten zugeschrieben wird.201 Nach Homanns Definition verhält sich „rational“, wer „in einem offenen, in die Zukunft gerichteten Prozess systematisch kontrolliert, welche Entscheidungen er aus welchen Gründen (Nutzen) und zu welchen Kosten (Nutzenentgang) trifft“.202 Ziel seiner Theorie ist die Entwicklung einer modernen Wirtschaftsethik, die zur Lösung der komplexen Probleme in modernen Gesellschaften beitragen

197 Vgl. Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 841. 198 Vgl. dazu grundlegend Geoffrey Brennan/James M. Buchanan: Die Begründung von Regeln. Konstitutionelle politische Ökonomie. Tübingen 1993 (= Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften 83); vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 844. 199 Vgl. Homann: Sinn und Grenze, S. 11–42; vgl. auch Karl Homann: Relevanz der Ökonomik für die Implementierung ethischer Zielsetzungen. In: Handbuch der Wirtschaftsethik. Hg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft v. Wilhelm Korff u.a. Bd.1: Verhältnisbestimmung von Wirtschaft und Ethik. Gütersloh 1999, S. 322–343; vgl. dazu Küpper: Business Ethics, S. 254f. 200 Homann: Relevanz, S. 334. 201 Vgl. dazu Matthias Karmasin/Michael Litschka: Wirtschaftsethik – Theorien, Strategien, Trends. Wien 2008 (= Einführungen Wirtschaft 8), S. 81ff. 202 Karl Homann: Die ökonomische Dimension von Rationalität. In: Martin Hollis/Wilhelm Vossenkuhl (Hg.): Moralische Entscheidungen und rationale Wahl. München 1992, S. 11–24, 12.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

kann.203 Im Anschluss an Niklas Luhmanns Systemtheorie sind traditionelle Ethiken nach Auffassung der Schule Homanns nicht dazu in der Lage, die systemische Verfasstheit moderner Gesellschaften und deren Ausdifferenzierung in leistungsfähige Subsysteme zu erfassen.204 Die traditionelle Ethik als „Lehre vom moralisch richtigen Handeln“ wird von Homanns Programm einer „Ökonomik als Ethik“ kritisch abgelehnt, da sie die moderne Problemlage aufgrund ihres individualethischen Ansatzes nicht adäquat zu beschreiben vermöge.205 Hinsichtlich der strukturellen Probleme moderner Gesellschaften habe die Ökonomik durch die systematische Unterscheidung zwischen präferenzgeleiteten Handlungen und den Restriktionen der Rahmenordnung, durch die diese Handlungen begrenzt werden, eine Erklärungsleistung vor allem für die systematisch auftretenden Dilemmasituationen in Großgruppen erbracht.206 Ein wesentliches Merkmal dieser Dilemmasituationen ist es, systematisch durch die Defektion, also den Regelverstoß einzelner, ausgebeutet werden zu können. Eine Überwindung der Dilemmata und eine bewusste Gestaltung der entsprechenden Situationen ist nur durch eine Änderung der Rahmenordnung möglich. Dem liegt die Annahme Homanns zugrunde, dass Verhaltensänderungen in modernen Großgesellschaften nicht durch die Motivierung zu veränderten Spielzügen, sondern lediglich durch veränderte Spielregeln erzielt werden können.207 Wie diese sich umsetzen lassen und wie die Ökonomik ihre behauptete Erklärungsleistung im konkreten Fall erbringen kann, erläutern Ingo Pies und Martin Sardison ausführlich in ihrem Grundlagenaufsatz zur Wirtschaftsethik. Die von ihnen vertretene Position kann als paradigmatisch für die Schule Homanns angesehen werden und veranschaulicht die systematische Verortung der Moral in der Rahmenordnung. Als grundlegende wirtschaftsethische Problemstellung gehen die Autoren von einem immer wieder situativ auftretenden Widerspruch zwischen Eigeninteresse 203 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 841. 204 Vgl. Homann: Funktion, 32ff.; Homann: Theoriestrategie, 22f.; Homann: Sinn und Grenze, 12ff.; vgl. hierzu außerdem grundlegend Homann: Wettbewerb und Moral, S. 34–56; Karl Homann/Ingo Pies: Wie ist Wirtschaftsethik als Wissenschaft möglich? Zur Theoriestrategie einer modernen Wirtschaftsethik. In: Ethik und Sozialwissenschaften 5 (2000), S. 94–108; sowie die beiden Aufsatzbände Karl Homann u.a. (Hg.): Vorteile und Anreize. Zur Grundlegung einer Ethik der Zukunft. Tübingen 2002; sowie Karl Homann u.a. (Hg.): Anreize und Moral. Gesellschaftstheorie – Ethik – Anwendungen. Münster 2003 (= Philosophie und Ökonomik 1); ferner Karl Homann/Andreas Suchanek: Ökonomik. Eine Einführung. 2., überarb. Aufl. Tübingen 2005 (= Neue ökonomische Grundrisse); Karl Homann/Christoph Lütge: Einführung in die Wirtschaftsethik. Münster 2004 (= Einführungen: Philosophie 3); zudem Andreas Suchanek: Ökonomische Ethik. Tübingen 2001 (= UTB für Wissenschaft 2195); sowie Ingo Pies/Franz Blome-Drees: Was leistet die Unternehmensethik? Zur Kontroverse um die Unternehmensethik als wissenschaftliche Disziplin. In: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 45 (1993), S. 748–768; sowie André Habisch: Corporate Citizenship. Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen in Deutschland. Berlin u.a. 2003 (= Unternehmen und Gesellschaft). 205 Homann: Sinn und Grenze, S. 12. 206 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 841. 207 Vgl. Homann: Theoriestrategie, S. 21–23.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

223

und Moral und einem daraus resultierenden Spannungsverhältnis zwischen unternehmerischer Gewinnorientierung und gesellschaftlichen Legitimitätsvorstellungen aus.208 Die übrigen wirtschaftsethischen Ansätze könnten deswegen ihr heuristisches Potential nicht ausschöpfen und eigneten sich somit nicht zur Auflösung des Konflikts, da sie permanent die Frage provozierten, wie viel Moral zulasten des Eigeninteresses sich wirtschaftliche Akteure leisten wollten.209 Als Lösung schlagen sie vor, das Eigeninteresse für die verfolgten moralischen Anliegen dienstbar zu machen. Unter Rückgriff auf die schottische Moralphilosophie Adam Smiths (1776) und Thomas Robert Malthus’ (1798) bedienen sie sich zu diesem Zweck der Gedankenfigur der nicht intendierten Wirkungen intentionalen Handelns.210 Mit Smith können soziale Erfolge eines marktlichen Verhaltenssystems mit der sogenannten „unsichtbaren Hand“ erklärt werden: Danach lassen gute Resultate nicht zwingend Rückschlüsse auf ebensolche gute Absichten der handelnden Akteure zu. Die Metapher „unsichtbare Hand“ meint dabei, dass die wirtschaftlichen Akteure der einen Marktseite, der Angebotsseite, aufgrund bestimmter Anreize durch die Verfolgung ihrer je individuellen Interessen und Vorteile dennoch einen Nutzen für die gegenüberliegende Marktseite, die Nachfrageseite, stiften.211 Die sozialen Misserfolge einer systemischen Verhaltenskoordination können nach Thomas Robert Malthus hingegen mit der Metapher der „unsichtbaren Faust“ erklärt werden: So besteht die Möglichkeit, dass schlechte Ergebnisse nicht unbedingt auf schlechte Absichten der handelnden Akteure zurückzuführen sind, sondern unbeabsichtigt sein können.212 Nach Meinung der Autoren lassen sich zahlreiche wirtschaftsethisch relevante soziale und ökologische Probleme der Ge208 Vgl. Pies/Sardison: Wirtschaftsethik, S. 268. 209 Vgl. hierzu und zum Folgenden Pies/Sardison: Wirtschaftsethik, S. 269–273. 210 Vgl. Adam Smith: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. Herausgegeben und übersetzt von Horst Claus Recktenwald. München 1983; vgl. Thomas Robert Malthus: Das Bevölkerungsgesetz. Herausgegeben und übersetzt von Christian M. Barth. München 1977. 211 Das klassische Beispiel dafür ist ein funktionierender Markt, bei dem die Konsumenten die Befriedigung ihrer Bedürfnisse – als das Grundprinzip des Wirtschaftens – nicht etwa dem „Wohlwollen“, sondern einem aus dem Konkurrenzdruck resultierenden Leistungswettbewerb der Produzenten verdanken, die dabei zu „ihrem Vorteil“ handeln und ihre „eigenen Interessen wahrnehmen“. (Smith: Wohlstand, S. 17.) Unter geeigneten Marktbedingungen können bei diesem Modell die wirtschaftlichen Akteure ihr eigenes Profitinteresse nur effektiv verfolgen, indem sie die Interessen anderer Marktteilnehmer berücksichtigen und deren Bedürfnisse bedienen. (Vgl. hierzu und zum Folgenden auch Pies/Sardison: Wirtschaftsethik, S. 273f.). Auf diese Weise gelangen breite Bevölkerungsschichten in den Genuss materieller und immaterieller Güter, mit denen große Emanzipationsleistungen verbunden sind: Zwar liegt es den Produzenten näher, geringere Leistung hinsichtlich der Qualität und Quantität ihrer Produkte zu erbringen und einen höheren Preis zu verlangen. Sie tragen als wirtschaftliche Akteure deshalb zu den zivilisatorischen Errungenschaften bei, da sie sich mit einem wettbewerblichen Sachzwang konfrontiert sehen, der zur Folge hat, dass sie sich an institutionellen Anreizen orientieren und die kollektiven Rückwirkungen ihres individuellen Verhaltens außer Acht lassen.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

genwart nach diesem Muster eines sogenannten „race to the bottom“ rekonstruieren.213 Dabei tragen die wirtschaftlichen Akteure selbst zur Entstehung dieser Probleme bei, weil sie sich einem wettbewerblichen Sachzwang ausgesetzt sehen, der zur Orientierung an institutionellen Fehlanreizen führt und deshalb die einzelnen Akteure die kollektiven Folgen ihres je individuellen Verhaltens übersehen lässt. Beide Erklärungsmodelle, das der „unsichtbaren Hand“ wie das der „unsichtbaren Faust“, dienen als Beispiele einer systemischen Verhaltenssteuerung über wettbewerbliche Anreize, bei der es zu einer strukturellen Entkopplung von Motiv und Ergebnis kommt, da sich die Resultate des sozialen Prozesses einer unmittelbaren Ergebniskontrolle durch die beteiligten Akteure entziehen. Pies/Sardison suchen daher nach einer Antwort auf die Frage, wie die strukturelle Entkopplung so gewendet werden kann, dass sich als nicht intendierte Folge intentionalen Verhaltens bessere Resultate für alle beteiligten Akteure einstellen. Sie gelangen zu der Schlussfolgerung, dass sich soziale Dilemmata als Situationen kollektiver Selbstschädigung gerade nicht durch individuell besseres Handeln, sondern ausschließlich durch institutionelle Anreize in Form besserer Regeln überwinden lassen.214 Die Dilemmata entstehen, wenn konfligierende Handlungsinteressen die beteiligten Akteure zu einer wechselseitigen Schlechterstellung veranlassen. Die Ökonomik konstituiert aus diesen konfligierenden Handlungsinteressen ein gemeinsames Regelinteresse: Das Grundmodell für individuelle Selbstbindungen wird dabei als einseitiges Gefangenendilemma bezeichnet, das Grundmodell für kollektive Selbstbindungen als zweiseitiges Gefangenendilemma.215 Konkur212 Das klassische Beispiel hierfür ist die sogenannte Rationalfalle des Bevölkerungswachstums aus Malthus’ 1798 veröffentlichtem Essay on the Principle of Population. Dabei wird der Nutzen aus der Geburt vieler Kinder privatisiert, während die damit einhergehenden Kosten übermäßig sozialisiert werden, was das langfristige Absinken der Löhne auf das Subsistenzniveau zur Folge hat. Im Gegensatz zu vielen seiner aufgeklärten, liberalen Zeitgenossen widersprach er damit der gängigen Vorstellung, dass großes Bevölkerungswachstum auch eine gute Entwicklung des Landes mit sich brächte. Vielmehr entstünde der Gesellschaft auf diese Weise eine erhebliche Belastung, die zu einem Zyklus aus Hungersnöten und Zeiten mit Geburtenüberschüssen führen müsse. (Vgl. dazu auch Pies/Sardison: Wirtschaftsethik, S. 272f.) 213 Vgl. hierzu und zum Folgenden Pies/Sardison: Wirtschaftsethik, S. 273f. 214 Vgl. hierzu wie auch zum Nachfolgenden Pies/Sardison: Wirtschaftsethik, S. 279f. 215 Vgl. dazu grundlegend David M. Kreps: Corporate Culture and Economic Theory. In: James E. Alt u.a. (Hg.): Perspectives on Positive Political Economy. Cambridge 1990, S. 90–143; sowie Karl Homann/Ingo Pies: Wirtschaftsethik und Gefangenendilemma. In: Wirtschaftswissenschaftliches Studium 20 (1991), S. 608–614. Die Auflösung des Dilemmas erfolgt mithilfe der Rationalitätsannahme, wobei Rationalität in diesem Fall eine Aussage über Anpassungsdruck von Situationsstrukturen bedeutet. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich bestimmte – bewusste oder unbewusste – Verhaltensweisen in Folge eines Anreizes rekonstruieren lassen, als folgten sie einem Kalkül: Das einseitige Gefangenendilemma modelliert dabei eine asymmetrische Ausbeutungssituation zwischen Spieler A und B, bei der Spieler A die Wahl hat, sich auf eine riskante Vorleistung einzulassen oder nicht. Entscheidet er sich für die Vorleistung, hat Spieler B die Wahl, Spieler A entweder auszubeuten oder nicht. Da es für Spieler B vorteilhaft ist, sich ausbeuterisch zu verhal-

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

225

renz lässt sich dabei als Instrument gesellschaftlicher Kooperation einsetzen: Durch die Kanalisierung der nicht intendierten Wirkungen intentionalen Handelns, indem wettbewerbliches Gegeneinander einem Miteinander und sogar einem Füreinander dienstbar gemacht wird, tritt der Wettbewerb in den Dienst sozialer Ordnung.216 Pies/Sardison weisen ergänzend darauf hin, dass bei der wirtschaftsethischen Verwendung ökonomischer Interaktionsmodelle nur die beteiligten Akteure ökonomisch modelliert würden.217 In ethischer Hinsicht sei jedoch auch deren Einfluss auf die von den Handlungen betroffenen Akteure zu berücksichtigen, was unter bestimmten Bedingungen die Etablierung und Aufrechterhaltung sozialer Dilemmata ebenfalls als wünschenswert erscheinen lässt – man denke hier nur an sozial unerwünschte Interaktionen wie Bestechung und Korruption oder auch Mengen- und Preisabsprachen. Zur Etablierung gesellschaftlicher erwünschter Dilemmata und Überwindung unerwünschter Dilemmata ist ein differenziertes Management individueller und kollektiver Selbstbindungen erforderlich, die im ersten Fall erschwert und im zweiten Fall erleichtert werden müssen, wenn moralischen Anliegen nicht gegen, sondern durch das System wettbewerblicher Anreize zur Kanalisierung eigeninteressierten Verhaltens wirksam zur Geltung verholfen werden soll. Die von den Autoren daraus gezogene Folgerung liest

ten, ist es für A – dies antizipierend – von Vorteil, nicht zu investieren. (Vgl. hierzu und zum Folgenden Pies/Sardison: Wirtschaftsethik, S. 275–278.) Das aber führt für beide Akteure zu einem unerwünschten Ergebnis, da beide eine bessere Position erzielen würden, wenn die Investition zustande käme und die Ausbeutung nicht stattfände. In diesem Fall wird von kollektiver Selbstschädigung gesprochen. Bloße Kommunikation, eine Willenserklärung von Spieler B zur Nichtausbeutung von Spieler A, genügt alleine nicht. Es ist erforderlich, dass Spieler B sich eine bindende Verpflichtung auferlegt, welche Ausbeutung unattraktiv macht. Dies kann über eine entsprechende Sanktionierung erreicht werden, in dem die Ausbeutungsoption verteuert wird und dadurch nicht mehr vorteilhaft ist. So entsteht ein Anreiz zum Nicht-Ausbeuten, woraufhin Spieler A seine Vorleistung durchführt. Die institutionell veränderten Anreize führen auf diese Weise zu einem verändertem Ergebnis: der Auflösung des sozialen Dilemmas mittels individueller Selbstbindung. Beim zweiseitigen Gefangenendilemma wird eine symmetrische Ausbeutungssituation simuliert. Die Lösung des Spiels erfolgt ebenfalls mithilfe der Rationalitätsannahme: Beide Akteure haben die Wahl, sich kooperativ oder unkooperativ zu verhalten. Die dominante Strategie ist es, sich unkooperativ zu verhalten, womit jedoch beide Spieler unter ihren Möglichkeiten zurück bleiben. Die individuelle Selbstbindung ist hierbei nicht geeignet, diese kollektive Selbstschädigung aufzulösen, vielmehr ist eine wechselseitige Besserstellung nur durch simultane, kollektive Selbstbindung zu erzielen, welche die Einhaltung eines Standards für alle Konkurrenten gleichermaßen verbindlich macht und so das moralische Anliegen ausbeutungsresistent und wettbewerbsneutral umsetzt. Eine sanktionsbewehrte Regel könnte dabei unkooperatives Verhalten unter Strafe stellen, um so Kooperation zur dominanten Strategie werden zu lassen. 216 Vgl. Ingo Pies: Ordnungspolitik in der Demokratie: Ein ökonomischer Ansatz diskursiver Politikberatung. Tübingen 2000 (= Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften 116), S. 61. Der Wettbewerb dient dabei nicht als Selbstzweck, sondern erscheint vielmehr als Anreizmechanismus, der hilft, unerwünschte Interaktionen zu destabilisieren, um so dazu beizutragen, dass erwünschte Interaktionen zwischen Tauschpartnern stabilisiert werden. (Vgl. dazu Pies/Sardison: Wirtschaftsethik, S. 284.) 217 Vgl. hierzu sowie zum Folgenden Pies/Sardison: Wirtschaftsethik, S. 284f.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

sich wie ein Programm der Ökonomik: „Damit avancieren die formalen und informalen Institutionen der Rahmenordnung zum systematischen Ort der Moral.“218 Aus diesem Grund fokussiert sich Homann nicht auf das normative Problem, moralische Normen zu begründen, sondern auf deren Implementierung unter den Bedingungen einer modernen Wirtschaft und Gesellschaft.219 Zentrale ökonomische und weitere bedeutende Normen einer Gesellschaft sind nach Auffassung Homanns in Gesetzen und anderen moralischen Normen implementiert. Die meisten Anreize zu ihrer Befolgung werden von diesem institutionellen Rahmen zur Verfügung gestellt, der so die ökonomischen, aber auch alle weiteren Handlungen der Menschen in hohem Maße beeinflusst. In den Augen Homanns besteht die größte Herausforderung darin, zu anerkannten moralischen Normen zu gelangen. Die einzige Möglichkeit zu ihrer Implementierung innerhalb der Gesellschaft sieht er in der Existenz fester Regeln zu deren Befolgung. So besteht das zentrale Problem der Ethik darin, wie ein regulatorischer Rahmen für die Wirtschaft so geschaffen und implementiert werden kann, dass Moralität hervorgerufen und freigesetzt wird. Dabei sei das System der freien Marktwirtschaft das beste bekannte System, um Solidarität unter allen Menschen zu erreichen.220 Fassen wir kurz die auffälligsten Merkmale dieser Wirtschaftsethik als ökonomische Theorie der Moral zusammen, die das Instrumentarium einer ökonomischen Anreizanalyse für die Bearbeitung wirtschaftsethischer Fragestellungen anzuwenden sucht: Der Ansatz widmet sich in erster Linie der Steuerbarkeit von Akteurshandlungen in komplexen Systemen. Die wesentliche Grundannahme ist dabei, dass Verhaltensänderungen nur über die kollektive Änderung der Spielregeln gelingen, durch die bestimmte Anreize gesetzt werden. Das Verhalten der Akteure lässt sich indes nicht durch eine direkte Beeinflussung der individuellen Motivation der Akteure, also durch die Motivierung zu anderen Spielzügen, verändern.221 Die fundamentale Bedeutung dieser Setzung zeigt sich in der Kritik der Vertreter der Schule Homanns an der traditionellen wie der ihr nachgebildeten modernen Ethik: Beide und insbesondere die Diskursethik berücksichtigten diese für moderne Gesellschaften fundamentale Differenz nicht.222 Die von Diskursethik und konstruktivistischer Ethik aus der Pflichtethik Immanuel Kants übernommene Begründung von Regeln und Prinzipien aus der Vernunft ist nach Auffassung Homanns ungeeignet, da die Regelsysteme in modernen Gesellschaften nach dem Ende der metaphysischen und naturrechtlichen Moralbegründung stets kontingent, also gegenüber alternativen Regel-

218 Pies/Sardison: Wirtschaftsethik, S. 285. 219 Vgl. dazu Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 14. 220 Vgl. dazu Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 49. 221 Vgl. hierzu Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 842f. 222 Vgl. Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 20ff., 44ff.; vgl. ebf. Homann: Theoriestrategie, S. 12ff.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

227

systemen nicht mehr begründbar seien.223 Während Homann also bezogen auf Regelsysteme einen gewissen ethischen Relativismus betreibt, bekennt er sich auf der Ebene der Moral durchaus zu einem universalen Kern. Ein zugleich auch moralischer Relativismus kann ihm folglich nicht unterstellt werden, wie Gerlach zurecht betont.224 2.7.1.3

Die Begründung der ökonomischen Interpretation der Moral und das Selbstverständnis der Ökonomik

Homann versteht Moral primär als Zusammenstellung normativer Regeln, die dem Menschen dienen und ihre Rechtfertigung in den Vorteilen haben, die sie den Menschen auf lange Sicht gewähren.225 Sowohl für die Ethik als auch für ein Bündel von Normen, das er zum Kernbestand der Moral zählt, formuliert er bestimmte Aufgaben: So entwickelten Moral und Ethik „Ideale und Utopien einer gerechten Gesellschaft und der Selbstverwirklichung des Menschen“226, auf welche die Ökonomik nicht verzichten könne, da sie auf „Visionen wie die Freiheit aller und Menschenwürde, allgemeinen Wohlstand, Demokratie, soziale Sicherung und Selbstentfaltung angewiesen“ sei.227 In der Formel „Solidarität aller Menschen“ besteht für Homann das Grundprinzip aller Moral, gewissermaßen als moderne Version der Goldenen Regel.228 Die Begründung der ökonomischen Interpretation der Moral nimmt er über den Vorteilsbegriff vor. Dabei erscheinen moralische Normen als pragmatische Kurzfassungen langer ökonomischer Kalkulationen, deren Befolgung die individuellen Transaktionskosten senken.229 Erinnert sei hier an Pies/Sardisons bemerkenswerte Zuspitzung ihres wirtschaftsethischen Ansatzes auf die grundlegende Frage, wie viel Moral zulasten des Eigeninteresses sich wirtschaftliche Akteure leisten wollten. Die Unterstellung eines permanenten Geleitetseins aller handelnden Akteure durch bloßes Eigeninteresse entspricht bei Homann der Vorstellung eines „unbändige[n] Vorteilsstreben[s]“ als Kern aller Moral. Wenig mag daher Homanns Schlussfolgerung überraschen, dass „alle Moral auf sozialer Kontrolle gegründet“ sein müsse.230 Basierend auf dieser Moralinterpretation lässt sich auch das Selbstverständnis der Ökonomik näher beschreiben.231 Homann begreift die Disziplin als Einzelwis223 Vgl. Homann: Sinn und Grenze, S. 14f. 224 Vgl. Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 843. 225 Vgl. Homann: Ökonomik und Ethik, S. 22. 226 Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 99; sowie Homann: Ethik und Ökonomik, S. 24. 227 Homann: Theoriestrategie, S. 19. 228 Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 15. 229 Vgl. Homann: Theoriestrategie, S. 18; vgl. ebenso Homann: Sinn und Grenze, S. 34. 230 Homann: Sinn und Grenze, S. 37; Homann: Theoriestrategie, S. 22, Anm. 14. 231 Vgl. zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 843f.

228

Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

senschaft, die sich nicht durch einen bestimmten Gegenstandsbereich, sondern durch eine spezifische Methode zur Problemlösung auszeichnet. Die Ökonomik hat die „Erklärung und Gestaltung von Resultaten von Interaktionen in Dilemmastrukturen“ zum Ziel232, wobei sich der erste Aspekt relativ zwingend aus dem zweiten erschließt: Es wird erklärt, um zu gestalten. Dies geschieht durch normative Vorgaben. Die Ökonomik setzt sich aber ebenso als Ziel, ihre Ergebnisse auch umzusetzen. In dieser grundsätzlichen Gestaltungsorientierung ist die normative Fundierung der Ökonomik begründet.233 Ökonomik verfügt zwar mit dem Modell des homo oeconomicus über eine Verhaltensannahme von Einzelakteuren, doch erklärt sie nicht einzelne Handlungen von Akteuren, sondern aggregierte Resultate von Interaktionen, die dabei als Reaktionen von Akteuren auf eine Veränderung der Anreizstruktur in Dilemmasituationen zu verstehen sind.234 Da Dilemmasituationen immer Interaktionssituationen von mehreren Akteuren sind, bezieht sich das Erklärungspotential der Ökonomik als Makrotheorie auf Interaktionen. 235 Homann rechtfertigt das Modell des stets den eigenen Nutzen maximierenden, absolut rational handelnden homo oeconomicus als „problemorientiertes Konstrukt zu Zwecken positiver Theoriebildung“, das sich insofern praktisch anwenden lasse, als Akteure in Dilemmasituationen zu vorteilsorientiertem Handeln angeregt würden, weshalb das ihm zugrundeliegende Menschenbild nicht von einer ethischen Position aus kritisiert werden könne.236 Der homo oeconomicus wird von Homann folglich als Produkt der universal anwendbaren Situationslogik von Dilemmastrukturen verstanden, die gemischt motivierte Menschen dazu zwingen, sich wie homines oeconomici zu verhalten.237 In Homanns Konzept kommt der Dilemmastruktur eine grundlegende, kategoriale Bedeutung zu, weisen doch ausnahmslos alle Interaktionen diese Struktur auf, da ja ein Verstoß gegen die von den anderen Akteuren eingehaltenen Regeln für den einzelnen zu einem spezifischen Vorteil führt.238 Die Überwindung der Dilemmastruktur, beziehungsweise deren bewusste Ausgestaltung im Sinne der Ökonomik ist nur unter dem aktiven Zutun aller Akteure möglich, indem die Regeln derart aufgestellt werden, dass die Kooperation für alle gewinnbringend ist.239

232 Homann: Sinn und Grenze, S. 22. 233 Vgl. Homann: Theoriestrategie, S. 23f. 234 Vgl. Homann: Sinn und Grenze, S. 20–23. Vgl. zum spezifischen Verhaltensmodell des Menschen in der Ökonomik („homo oeconomicus“) Bruno S. Frey: Ökonomie ist Sozialwissenschaft. Die Anwendung der Ökonomie auf neue Gebiete. München 1990, S. 6ff. 235 Vgl. Homann: Sinn und Grenze, S. 24. 236 Homann: Sinn und Grenze, S. 18. 237 Vgl. dazu auch Stephan Panther: Wirtschaftsethik und Ökonomik. In: Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Wirtschafts- und Unternehmensethik. Rückblick, Ausblick, Perspektiven. München u.a. 2005 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 10), S. 67–94, 76. 238 Vgl. Homann: Sinn und Grenze, 26. 239 Vgl. Homann: Sinn und Grenze, S. 19.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

2.7.1.4

229

Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik im Konzept Homanns und dessen Bewertung

Homanns Konzept von Wirtschaftsethik als ökonomischer Ordnungs- und Anreizethik nimmt moralische Intentionen auf und setzt diese in Vor- und Nachteilskalküle beziehungsweise Anreizstrukturen um.240 Hierdurch wird die Implementierung erwünschter Normen als Hauptziel der Wirtschaftsethik erreicht. Die Implementierung auf der Strukturebene der Rahmenordnung erfolgt entsprechend der ökonomischen Grunddifferenz von Präferenzen und Restriktionen. Die Strukturen müssen so geschaffen sein, dass Akteure bestimmte Handlungen aus Interesse und Vorteilskalkül und nicht primär aus moralischen Intentionen vollziehen. 241 Zentrale inhaltliche Aussagen dieser Wirtschaftsethik beziehen sich, wie Gerlach mit Recht anmerkt, auf die normative Rechtfertigung der Marktwirtschaft, in der die langfristige Gewinnmaximierung von Unternehmen als deren „sittliche Pflicht“ gilt.242 Der Wettbewerb stellt eine bewusst gestaltete Dilemmasituation dar, die den Nutzen für den Konsumenten maximiert. Moralische Intentionen werden nicht gegen, sondern gerade durch den Wettbewerb erreicht, da das durch ihn initiierte Gewinnstreben der Solidarität aller dient.243 Ethik und Ökonomik fasst Homann als „zwei Diskurse ein und derselben Problematik menschlicher Interaktion“ auf, die in einem Paralleldiskurs stehen.244 Beide verfügen über eine identische Wurzel, obgleich die „Gewinne der theoretischen Ausdifferenzierung“ beider Einzeldisziplinen nur dann realisiert werden können, wenn beide Forschungen methodisch getrennt voneinander ablaufen.245 In Abgrenzung gegenüber anderen betrachteten Zuordnungen in der wirtschaftsethischen Debatte, die er als Varianten eines zu vermeidenden Dualismus von Ethik und Ökonomik deutet, dürfe gerade keine methodische Durchmischung erfolgen, sondern lediglich die Übersetzung moralischer Ansprüche in Vorteilskalküle und umgekehrt.246 Den Identitätsgedanken beider Disziplinen begründet Homann historisch mit der oben beschriebenen Entwicklung der Ökonomik aus der Ethik und verortet ihn philosophisch in Hegels Identitätsphilosophie.247 Deren Grundgedanke bestehe darin, dass zwei Größen, die genuin nichts miteinander zu tun haben, sich nicht im Nachhinein miteinander vermitteln lassen oder sich durchdringen

240 Vgl. Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 35.; vgl. zudem Homann: Theoriestrategie, S. 23; vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 844. 241 Vgl. Homann: Sinn und Grenze, S. 27. 242 Homann: Theoriestrategie, S. 14f. 243 Vgl. Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 47ff. 244 Homann: Theoriestrategie, S. 16f. 245 Homann: Theoriestrategie, S. 16ff.; vgl. hierzu und zum Folgenden bes. Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 845. 246 Vgl. Homann: Theoriestrategie, 10f. 247 Vgl. Homann: Ethik und Ökonomik, S. 12–15; vgl. ebenso Homann/Blome-Drees: Wirtschaftsund Unternehmensethik, S. 20ff.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

können.248 Als Konsequenz daraus ergebe sich, so Homann, dass Konflikte zwischen Ethik und Ökonomik immer nur vermeintliche Differenzen seien, da es sich in Wirklichkeit um Konflikte innerhalb der Einzeldisziplinen handle. 249 Außerdem lasse sich daraus ableiten, warum eine wechselseitige Übersetzung von Begriffen im Paralleldiskurs von Ethik und Ökonomik möglich ist: Dies funktioniert, weil die Grundkategorien in seinem Konzept positiver Ökonomik durch ethische Vorstellungen geprägt sind und die Ökonomik als positive Wissenschaft über ein normatives Fundament verfügt, von dem aus sich Normativität positiv abarbeiten lässt.250 2.7.1.5

Würdigung des wirtschaftsethischen Modells Homanns

Eine Bewertung des ungeheuer einflussreichen Ansatzes von Homann muss dessen präzise Beschreibung der ökonomischen Methode und ihre große Leistungsfähigkeit für die Situationsanalyse betonen.251 Eine Stärke des Ansatzes ist in der deutlichen Unterscheidung von ethischen und ökonomischen Kategorien und den zugehörigen wissenschaftlichen Theorien zu sehen. Sein Verständnis von Ökonomik zielt auf eine klar beschreibbare Methodik. Der beanspruchte Realitätsgehalt der methodischen Annahmen hingegen, insbesondere die empirische Grundannahme, alle Akteure handelten einzig und allein nach Vorteilskalkül, erscheint zweifelhaft und nicht zwingend belegbar. Für Homann ist dieses Modell absoluter Rationalität ja gerade keine rein methodische Annahme, die lediglich als Heuristik zur Analyse institutioneller Arrangements beiträgt, sondern es erhebt den Anspruch, das tatsächliche Verhalten von Menschen in modernen Gesellschaften zu beschreiben. Die Konsequenz dieser direkten Identifizierung von methodischer und empirischer Annahme zeigt sich in der Auslegung des Gefangenendilemmas: Ein einziger potentieller Defektierer macht die Einhaltung nicht sanktionierbarer Regeln für alle anderen Akteure unmöglich. Zwar existieren Handlungsspielräume in Wettbewerbssituationen für individuelle Moral, doch dürfen diese nach dem Modell Homanns keinen systematischen Stellenwert in der Wirtschaftsethik besitzen, da sie den Ruin des moralischen Akteurs zur Folge haben. Dieser Annahme liegt ein statisches neoklassisches Marktmodell zugrunde, in dem alle Märkte auf Gleichgewichtssituationen mit nur geringen Gewinnen abzielen.252 Im Gegensatz 248 Vgl. Karl Homann: Marktwirtschaft und Unternehmensethik. In: Siegfried Blasche u.a. (Hg.): Markt und Moral. Die Diskussion um die Unternehmensethik. Hg. v. Forum für Philosophie, Bad Homburg. Bern u.a. 1994 (= St. Galler Beiträge zur Wirtschaftsethik 13), S. 109–130, 122. 249 Vgl. Homann: Theoriestrategie, S. 17f. 250 Vgl. Homann: Theoriestrategie, S. 25; sowie Homann: Sinn und Grenze, S. 33f. 251 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 846f. 252 In der sogenannten Standardökonomik, die in den „Economics“ Paul Samuelsons (1948) ihren Höhepunkt erreicht hat, gelangt jede Wirtschaft früher oder später in einen Gleichgewichtszustand. Hierbei wird unterstellt, dass die Akteure immer dazu imstande sind, eine vollständig durchschaubare und widerspruchsfreie Präferenzordnung zu bilden sowie die dazu passende beste Alternative

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

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dazu gehen dynamische Markttheorien von der Existenz von Handlungsspielräumen aus, die beispielsweise von first movern für moralische Vorreiterhandlungen genutzt werden können.253 Solche Vorsprungsgewinne stellten im Rahmen eines dynamischen Marktmodells keine Ausnahme dar, sondern wären systematisch zu erwarten. Dass sich durch die Konstituierung des systematischen moralischen Standpunkts im institutionellen und streng regelgeleiteten Rahmen der Wirtschaft Probleme bei der praktischen Anwendbarkeit seiner wirtschaftsethischen Theorie ergeben, ist von Homann nie bestritten worden.254 Doch verlagert er konkrete Anwendungsschwierigkeiten auf die Ebene der Unternehmensethik. So könnten durchaus Probleme aus der systematischen Mangelhaftigkeit der Rahmenordnung entstehen, die durch den kontinuierlichen Wandel der wirtschaftlichen Bedingungen und der Wertvorstellungen der Menschen in einer dynamischen Welt niemals perfekt sein könne. Im globalen Kontext existierten durchaus konkurrierende und konfligierende Regelsysteme, im internationalen Handelsverkehr herrsche teilweise eine Regelungslücke und zudem kranke das Regelsystem auch an den Fehlern, die sowohl Menschen als auch Maschinen unvermeidbar begingen. Im Gegensatz zu den Vertretern eines reinen Ökonomismus wie Horst Albach, Herbert Hax oder Dieter Schneider, mit denen sein Konzept unübersehbare Verwandtschaft aufweist, betont Homann die Notwendigkeit zu und den Bedarf an Unternehmensethik, um moralische Schwierigkeiten in Unternehmen analysieren und lösen zu können.255 Dass er aber die Probleme der Unternehmensethik auf die Unvollkommenheit des institutionellen Rahmens zurückführt, ist fragwürdig. Mithin kann also dieses Regelwerk nicht genügend Anreize für alle Menschen zur Verfügung stellen, sich moralisch zu verhalten. Das wirft zwei Fragen auf: Wäre es erstrebenswert, über ein perfektes Regularium moralischer Leitsätze zu verfügen? Resultiert das Fehlen von ausreichenden Anreizen aus der Unvollkommenheit des Systems der freien Marktwirtschaft oder ist nicht gerade das ein konstitutioneller zu wählen. (Vgl. hierzu und zum Folgenden Svetlova: Sinnstiftung, S. 12.) Eine genaue Kenntnis ihrer Präferenzen und Bedürfnisse wie der zur Befriedigung der Bedürfnisse erforderlichen Güter ist notwendig, damit die Akteure vorab abwägen können, welche Handlung den individuell größten Nutzen stiftet. Die Ökonomik betrachtet also nicht die tatsächlichen Abläufe und Vorgänge im Rahmen menschlichen Handelns, sondern unterstellt für einen bestimmten Typ von Individuum – den homo oeconomicus – „eine apriorische Theorie des menschlichen Handelns, gewissermaßen eine Logik des Handelns und der Tat“. (Hans Albert: Marktsoziologie und Entscheidungslogik. Zur Kritik der reinen Ökonomie. Tübingen 1998, S. 9.) Die tatsächliche individuelle Abwägung von Handlungsalternativen und subjektiven Nutzendefinitionen spielt dabei keine Rolle. Entscheidend ist lediglich, dass der Akteur seine Wahl nach einer bestimmten festgelegten Logik trifft. 253 Vgl. dazu grundlegend Friedrich A. von Hayek: Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren. In: Ders.: Freiburger Studien. Gesammelte Aufsätze. Tübingen 1969 (= Wirtschaftswissenschaftliche u. wirtschaftsrechtliche Untersuchungen 5), S. 249–265; sowie Ernst Heuss: Allgemeine Markttheorie. Tübingen 1965 (= St. Galler wirtschaftswissenschaftliche Forschungen 21). 254 Vgl. hierzu und zum Folgenden Küpper: Business Ethics, S. 254. 255 Vgl. hierzu und zum Folgenden auch Küpper: Business Ethics, S. 255.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Bestandteil dieses Systems? Die Freiheit in modernen Gesellschaften bedeutet auch, dass sich jeder Mensch an eigenen, selbst gesetzten Werten orientieren kann und darf. Hier geht es nicht um Relativismus, sondern um die Vielfalt von Meinungen und Entscheidungen. Daraus resultiert für Manager und Unternehmenslenker ein hohes Maß an Freiheit und Handlungsspielräumen, welche durch Innovationen ausgeweitet werden können. Die Entscheider können dabei bewusst ihre Ziele und das in Kauf genommene Risiko spezifizieren. Die Freiheit der Wettbewerber im Markt ist eines der fundamentalen Elemente der freien Marktwirtschaft.256 Ein perfektes Anreizsystem erscheint angesichts dessen in der Praxis genauso wenig wünschenswert wie ein perfekter moralischer Regelrahmen. So resultiert die Notwendigkeit einer Unternehmensethik nicht, wie Homann glaubt, aus der Unvollkommenheit des Regelsystems der freien Marktwirtschaft, sondern ist eine unabdingbare Konsequenz aus ihrer Beschaffenheit. Hier lässt sich eine auffällige Schwäche in der Zuordnung von Ethik und Ökonomik in der Theorie Homanns beobachten. Gerlach merkt an, dass auch sonst die Unterscheidung von ethischen und ökonomischen Kategorien bei Homann einseitig zu einer Abweisung der ethischen Argumentation führt. Die Ethik wird als Konzept gegenüber der Ökonomik kaum entfaltet, so dass die Wirtschaftsethik rein als ökonomische Theorie verstanden wird.257 Eine echte Zuordnung von Ethik und Ökonomik findet also überhaupt nicht statt, lediglich eine einseitige „Transformation ethischer Überlegungen in die Ökonomik“.258 Homann nimmt lediglich eine Zuordnung von Moral, beziehungsweise von Normativität und Ökonomik vor. Ökonomik ist für Homann „Ethik mit anderen Mitteln“ – den Anspruch dieses Programms als Ethiktheorie kann man zumindest hinterfragen. Mit Ulrich (darauf wird später noch zu kommen sein) ließe sich der Ansatz treffender als Moralökonomik bezeichnen. Da die Theorie eines sinnvollen zeitgemäßen Ethikkonzepts ermangelt, fällt der von Homann anderen Ansätzen gegenüber geäußerte Vorwurf einer Dominanz der Ökonomik über die Ethik letztlich auch auf sein eigenes Konzept zurück.259 Für den Fall einer konkreten Anwendung erscheint das in der Theorie postulierte Nebeneinander der beiden Einzelwissenschaften problematisch: Soll ein Entscheidungsprozess theoriegeleitet ablaufen, ist eine Metareflexion über ethisch orientiertes Handeln als die eigentliche Aufgabe der Ethik unabdingbar. Die Ethik muss es ermöglichen, die Ergebnisse der ökonomischen Analyse einzuordnen und den ökonomischen Beitrag kritisch aufzunehmen, und sie soll zudem Orientie256 Vgl. dazu Christian Watrin: Die marktwirtschaftliche Ordnung. In: Wilhelm Korff u.a. (Hg.): Handbuch der Wirtschaftsethik. Bd. 2. Gütersloh 1999, S. 216–261, 216ff.; sowie Otto Schlecht: Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft. In: Korff u.a. (Hg.): Handbuch der Wirtschaftsethik. Bd. 2. Gütersloh 1999, S. 289–303, 289ff. 257 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 846f. 258 Homann: Theoriestrategie, S. 23. 259 Vgl. Homann: Theoriestrategie, S. 11.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

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rungswissen anbieten für Situationen, in denen moralische Ansprüche gerade nicht in Vorteilskalküle transformiert werden können. Zwar erkennt Homann die Notwendigkeit eines solchen übergeordneten Rahmens durchaus an, doch verweigert er der Ethik (und im Übrigen auch jeder anderen Metatheorie) diese Funktion.260 Was Homann und seine Schüler vornehmen, ist also eine Zuordnung von Ökonomik und Moral, während die Ethik isoliert wird und als Gegenüber trotz des postulierten „Paralleldiskurses“ in Wirklichkeit gar nicht existiert. Im Konzept Homanns assimiliert die Ökonomik die Ethik in Gänze und übernimmt deren Aufgaben.261 2.7.2 Ethik als Ausgangsparadigma 2.7.2.1

Peter Ulrichs Konzept einer „Integrativen Wirtschaftsethik“

Der Schweizer Wirtschaftsethiker Peter Ulrich vertritt eine andere wirtschaftsethische Theorie und ist zugleich prominentester Kritiker der ordnungsethischen Konzeption Homanns und seiner Schüler. Ulrichs Konzept basiert ähnlich wie die ebenfalls einflussreichen Theorien Horst Steinmanns oder seines Schülers Albert Löhr auf dem Konzept der Diskursethik vornehmlich Jürgen Habermas’ und Karl-Otto Apels, das innerhalb der akademischen Diskussion der vergangenen Jahrzehnte eine wichtige Rolle spielte.262 Kennzeichnend für den wirtschaftsethischen Ansatz Peter Ulrichs ist die grundlegende gesellschaftskritische Diagnose, dass sich in der Moderne ein Rationalisierungsprozess herausgebildet habe, bei dem die „ökonomische Sachlogik“ in ihrer Ausprägung als „merkwürdig anonyme Sachzwanglogik“ in einen gravierenden Gegensatz zu den Anforderungen der ethischen Vernunft getreten sei.263 Diesem Auseinandertreten von ökonomischer Funktionslogik und ethisch verantwortbaren Folgen leiste die gegenwärtige „Mainstream Economics“ selbst Vorschub,

260 Vgl. Homann: Theoriestrategie, S. 19f. 261 Vgl. dazu auch Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 848. 262 Vgl. Küpper: Business Ethics, S. 255f. Vgl. zu den Grundlagen der Diskursethik Karl-Otto Apel: Grenzen der Diskursethik? Versuch einer Zwischenbilanz. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 40 (1986), S. 3–31; vgl. zudem Karl-Otto Apel: Is the Ethics of the Ideal Communication Community a Utopia? On the Relationship between Ethics, Utopia and Critique of Utopia. In: Seyla Benhabib/Fred Dallmayr (Hg.): The Communicative Ethics Controversy. Cambridge, Mass. 1990, S. 23–59; vgl. ebenso Jürgen Habermas: Discourse Ethics: Notes on a Program of Philosophical Justification. In: Ders.: Moral Consciousness and Communicative Action. Cambridge, Mass. 1990, S. 43–115; vgl. ferner Jürgen Habermas (Hg.): Justification and Application. Remarks on Discourse Ethics. Cambridge, Mass. 1993; vgl. darüber hinaus grundlegend Jürgen Habermas: Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt a.M. 92006 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 422). 263 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 11. Vgl. dazu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 863f.

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indem sie sich als wertfreie reine Ökonomik verstehe und die ethisch-praktischen Probleme der gesellschaftlichen Ökonomie in nichts als ökonomischer ‚Systemrationalität‘ aufzuheben“ suche.264 Dieses Selbstverständnis beschreibt der Volkswirtschaftler Christian von Weizsäcker einem Glauben gleich: „Der Ökonom glaubt daran, dass Effizienz erwünscht ist.“265 Durch die „paradigmatische Beschränkung auf Kategorien ökonomischer Rationalität“ herrsche in dieser „reinen Ökonomik“ ein eklatanter Mangel an „unentbehrlichen philosophisch-ethischen Kategorien“, so Ulrich.266 An diesem Zustand seien die Wirtschaftswissenschaften nicht unschuldig: Bar jeder Einsicht in die Mehrdimensionalität humaner Rationalitätsperspektiven finde sich in jedem betriebs- und volkswirtschaftlichen Lehrbuch bis heute die Vorstellung, dass die ökonomische Idee vernünftigen Wirtschaftens, also die aus dem Erfahrungshorizont produktiver Arbeit stammende Vorstellung eines effizienten Umgangs mit knappen Gütern und Ressourcen, den Inbegriff von Rationalität oder Vernunft überhaupt darstelle.267 Da seit Beginn der Industriegesellschaft die Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz und die damit verbundene Wohlstandsvermehrung als das entscheidende Prinzip menschlichen und gesellschaftlichen Fortschritts angesehen würden, seien die Ökonomen im Namen der ökonomischen Vernunft dazu bereit, „fast alle lebenspraktischen Folgen des entsprechend betriebenen ökonomischen Rationalisierungsprozesses“ in Kauf zu nehmen.268 Die verstärkte Einmischung der Philosophie als angewandte Ethik indes in die großen lebenspraktischen Diskussionen der Gegenwart begrüßt Ulrich ausdrücklich, doch reiche eine bloße Anwendung der Ethik auf die Sphäre des Wirtschaftens als das Andere oder als Korrektiv nicht aus.269 Dieser aus seiner Sicht verkürzten Ökonomik setzt Ulrich sein Konzept integrativer Wirtschaftsethik entgegen, mit dem „eine ethisch-vernünftige Orientierung im politisch-ökonomischen Denken“ erreicht werden könne. Das Konzept sei deshalb integrativ, weil die Ethik nicht von außen auf die Ökonomie angewandt werde, sondern weil die Normativität, die „in der ökonomischen ‚Sachlogik‘ immer schon drin“ sei, nur kritisch aufgedeckt werden müsse.270 Ein grundlegend verändertes Denken ist für Ulrich konstitutive Voraussetzung für eine ethisch-vernünftige Wirtschaftspraxis, in der die Wirtschaft wieder ihr Ziel, die Lebensdienlichkeit, erfüllt.271 Dem entspricht eine Vorstellung der Wirtschaft nicht als „Selbst-

264 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 12. 265 C. Christian von Weizsäcker: Logik der Globalisierung. Göttingen 1999 (= Kleine Reihe V & R 4010), S. 5. 266 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 13. 267 Vgl. Peter Ulrich: Zivilisierte Marktwirtschaft. Eine wissenschaftsethische Orientierung. Freiburg i.Br. u.a. 22005 (= Herder Spektrum 5579), S. 22. 268 Ulrich: Zivilisierte Marktwirtschaft, S. 23. 269 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 13. 270 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 13; vgl. beinahe gleichlautend in Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 45.

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235

zweck“, sondern als „Mittel für das gute Leben und das gerechte Zusammenleben freier und gleicher Bürger“.272 2.7.2.2

Vernunftethik des Wirtschaftens: Moralität und Moralprinzip im Ethikkonzept Peter Ulrichs

Damit sieht Ulrich das Wirtschaften in den Kontext der beiden klassischen ethischen Grundfragen gestellt. Aus dem Anspruch, „die Form des vernünftigen Denkens über wirtschaftsethische Grundfragen klären“ zu wollen, resultiert seine Absicht zur systematischen Erarbeitung und Vermittlung von wirtschaftsethischem Orientierungswissen.273 Die Sinnfrage entspricht nach Ulrich der aristotelischen Perspektive einer teleologischen Ethik, welche „unsere Wirtschaftsform auf die Wertorientierungen eines kulturellen Lebensentwurfs“ bezieht.274 Demgegenüber entspricht die Legitimationsfrage der kantischen Dimension deontologischer Ethik, die „unsere Wirtschaftsordnung ebenso wie die einzelnen Handlungsweisen unter das politisch-ethische Leitbild einer wohlgeordneten Gesellschaft“ aus freien und gleichen Bürgern stellt.275 Ein so verstandenes vernünftiges Wirtschaften bedürfe unabdingbar einer Wertorientierung und normativer Vorgaben.276 Dieses Postulat richte sich nicht gegen einen effizienten Umsatz mit knappen Ressourcen und Gütern, sondern kläre grundsätzlich, „wofür und für wen eine lebensdienliche (Markt-) Wirtschaft effizient funktionieren soll“ – obschon die Kategorie der Effizienz für ihn ein systematisch nachrangiges Kriterium darstellt.277 Wirtschaftsethik wird so von Ulrich als „die Interdisziplin“ verstanden, die „das ökonomische ‚Werteschaffen‘ hartnäckig hinsichtlich seiner Vernünftigkeit im Lebenszusammenhang der Menschen reflektiert“ im Gegensatz zur „Mainstream Economics“, die das Wirtschaften nurmehr aus der Perspektive der marktwirtschaftlichen Systemlogik betrachte.278 In dieser Lo271 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 11f., 203f. Mit Bezug auf den Theologen und Sozialethiker Arthur Rich sieht Ulrich nicht in der „Schaffung von Marktwerten […] das entscheidende Mass der Wirtschaft“, sondern „allen Sachzwängen zum Trotz“ die „Lebensdienslichkeit“ (vgl. oben). (Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 204.) Vgl. Rich: Wirtschaftsethik II, S. 23; im Anschluss an den theologischen Sozialethiker Emil Brunner: Emil Brunner: Das Gebot und die Ordnungen. Entwurf einer protestantisch-theologischen Ethik [1932]. Zürich 41978, S. 387. 272 Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 41; vgl. ähnlich auch Ulrich: Der entzauberte Markt, S. 9; sowie Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 204; vgl. dazu auch Dietrich Burger/Claudia Mayer: Ernst machen mit nachhaltiger Entwicklung. Die Rolle von Sozial- und Ökostandards. Eschborn 2003, S. 43f., URL: http://www.gtz.de/de/dokumente/de-ernstmachen-mit-nachhaltiger-entwicklung- neu-gesamt.pdf [aufgerufen am 27.12.2009]. 273 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 14. 274 Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 41. 275 Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 41f. 276 Vgl. Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 42. 277 Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 42f.; vgl. ähnlich Ulrich: Zivilisierte Marktwirtschaft, S. 23. 278 Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 43.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

gik zähle allein die rein ökonomische Effizienz, weshalb sie sich „immer mehr menschlichen Sinnorientierungen und normativen Legitimitätsvorgaben“ entziehe und sich die Lebensbedingungen der Menschen und die Realpolitik untertan mache.279 Diese Umkehrung des Primats der Ethik, auch der politischen Ethik, diesen Kotau vor der Logik des Marktes, hat der Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi bereits 1944 beschrieben: „Die Wirtschaft ist nicht mehr in die sozialen Beziehungen eingebettet, sondern die sozialen Beziehungen sind in das Wirtschaftssystem eingebettet.“280 Die Mainstream-Ökonomik betreibe die idealtypische Modellierung der „voranschreitenden Durchökonomisierung aller Lebensbereiche, der ganzen Welt und auch des Zeitgeistes“ ins Reine. 281 Nicht zuletzt deshalb mehrten sich die Zweifel an der lebenspraktischen Vernünftigkeit des ökonomischen Rationalisierungsprozesses282, wie sie schon Max Horkheimer in seiner „Kritik der instrumentellen Vernunft“ geäußert hat: „Wie sie in unserer Zivilisation verstanden und praktiziert wird, tendiert die fortschreitende Rationalisierung dazu, eben jene Substanz der Vernunft zu vernichten, in deren Namen für den Fortschritt eingetreten wird.“283 Dem setzt Ulrich seine „Vernunftethik des Wirtschaftens“ entgegen, als die sich sein Konzept einer integrativen Wirtschaftsethik versteht, das „immer auch vorbehaltlose und allseitige Ideologiekritik“ sein müsse.284 Seine „Kritik der ‚reinen‘ ökonomischen Vernunft“ versteht er als pointiertes Bekenntnis zur Tradition kantischer Vernunftethik, das zugleich die „Erneuerung des ethischen Fundaments einer zeitgemäßen Politischen Ökonomie“ anstrebe.285 Damit sieht er sich in die Tradition der ökonomischen Klassik eingereiht, die seiner Auffassung von den Aufgaben der Ökonomik näher komme als deren Ausgestaltung in der Gegenwart, die sich nicht mehr mit grundlegenden Wertfragen beschäftige.286 Dementsprechend kennzeichnet er seinen Ansatz unter Rekurs auf Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten von 1785 als „humanistische Vernunftethik“, die „als Teil einer aufgeklärten ‚Kultur der Vernunft‘“ die „Reflexion auf die allgemeinen, für alle Menschen ‚guten Willens‘ einsichtigen normativen Voraussetzungen des guten Lebens und gerechten Zusammenlebens freier und mündiger Personen“ betreibe.287 Kantisch mutet auch seine Formulierung seiner damit verknüpften Zielsetzung an: „In der Möglichkeit, die vorgefundenen Ver279 Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 43f. 280 Karl Polanyi: The great transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen. Frankfurt a.M. 1978 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 260). 281 Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 44. 282 Vgl. Ulrich: Zivilisierte Marktwirtschaft, S. 23. 283 Max Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft. Aus d. Vorträgen u. Aufzeichnungen seit Kriegsende. Hg. v. Alfred Schmidt. Frankfurt a.M. 1967, S. 14. 284 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 14. 285 Peter Ulrich: Der entzauberte Markt. Eine wirtschaftsethische Orientierung. Freiburg i. Br. u.a. 2002, S. 20ff. 286 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 17.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

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hältnisse nicht einfach kritiklos hinzunehmen, sondern sie auf ihre ethisch-vernünftige Begründbarkeit zu hinterfragen, kommt die vornehmste Aufgabe moderner Vernunftethik zum Ausdruck: die Freiheit des Menschen zur praktischen Selbstbestimmung zum Ausdruck zu bringen.“288 Seinen vernunftethischen Ansatz hat Ulrich im Wesentlichen in der Rezeption und Auseinandersetzung mit der von Apel und Habermas entwickelten Diskursethik gewonnen.289 Die Selbstkennzeichnung seines Ansatzes dient einerseits der Abgrenzung gegenüber einer sich auf metaphysische oder religiöse Annahmen berufenden Ethik, dient zum anderen zur Angabe seiner grundlegenden anthropologischen Annahme, der humanen Moralität. Moralität ist für Ulrich eine drei Aspekte umfassende Disposition des Menschen: den Selbstanspruch auf moralische Selbstbestimmung (Autonomie), die moralische Empfindsamkeit (affektives Moment) und das moralische Urteilsvermögen (kognitives Moment).290 Die Moralität umfasst ein affektives und ein kognitives Moment und kommt in einem moralischen Bewusstsein zum Ausdruck. Als Disposition ist sie nicht naturhaft gegeben, sondern muss durch einen gelingenden Sozialisationsprozess erworben und ausgeformt werden: Konkret wird diese mögliche Anlage im „guten Willen zur autonomen moralischen Selbstverpflichtung aus Einsicht in deren menschliche Bedeutung für uns selbst und für andere“.291 Moralität und guter Wille stellen für Ulrich keine idealen Postulate dar, weil ihre Ausbildung im Rahmen der Sozialisation in der Regel zu erwarten sind.292 Ulrich bezieht sich dabei auf Ernst Tugendhat, wonach die Sozialisation dazu führe, dass Menschen in ihrer Identität ein Interesse mitbringen, sich als Mitglieder einer Gemeinschaft zu verstehen und nach deren moralischen Grundsätzen handeln zu wollen.293 Moralität ist nach Ulrichs Verständnis eine kulturübergreifende Kategorie, während Moral und Ethos nur in kulturspezifischen Formen auftreten.294 Moral erscheint als die in einer Gemeinschaft überwiegend geltenden Regeln, die ein solidarisches Miteinander ermöglichen, während Ethos das subjektive moralische Selbstverständnis von Personen beschreibt, das eine bestimmte Grundhaltung (Tu-

287 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 21; 25; Peter Ulrich: Transformation der ökonomischen Vernunft. Fortschrittsperspektiven der modernen Industriegesellschaft. Bern u.a. 31993, S. 275; vgl. zum Rückgriff auf die Kantische Vernunftvorstellung Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten [1785]. In: Ders.: Werkausgabe. Kritik der praktischen Vernunft. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hg. v. Wilhelm Weischedel. Bd. 7. Frankfurt a.M. 41978, S. 7–102, 22. 288 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 14. 289 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 864f. 290 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 43, 23f. 291 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 25. 292 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 25. 293 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 25; vgl. dazu Ernst Tugendhat: Vorlesungen über Ethik. Frankfurt a.M. 31995 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1100), S. 96f. 294 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 30ff.; vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 864f.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

gend) und eine Idee des guten Lebens impliziert. 295 Ethos und Moral sind insofern wechselseitig miteinander verschränkt, als das Ethos den motivationalen Hintergrund für ethisches Handeln bildet, während die Moral die normativen Verbindlichkeiten begründet, die einzuhalten sind, innerhalb derer aber eine individuelle Selbstverwirklichung im Sinne des personalen Ethos freigestellt ist. Bezüglich ihrer Begründungsbedürftigkeit unterscheiden sie sich jedoch, da verschiedene Ethosformen durchaus nebeneinander bestehen können und nicht eigens intersubjektiv normativ begründet werden müssen noch können. Nur die aus Ethosformen abzuleitenden moralischen Regeln des Zusammenlebens müssen nach Ulrich durch eine kritische Ethik reflektiert werden, um ein gerechtes und solidarisches Zusammenleben zu ermöglichen. Den Maßstab dafür bildet ein kulturübergreifendes, durch allgemeinmenschliche Vernunft begründetes Moralprinzip, das sich aus der normativen Logik der Zwischenmenschlichkeit ableitet.296 Dieses ist ein Vernunftprinzip, das keiner extern vorgegebenen ethischen Norm bedarf, sondern lediglich die in einer moralischen Gemeinschaft geltenden Beziehungen in ihrem ethischen Gehalt transparent macht.297 Auf diese Weise begründet die Vernunft-ethik die „rational nicht abweisbaren normativen Verbindlichkeiten einer kulturübergreifenden humanistischen Minimalethik“ als „mögliche Ausgangsidee eines für alle Menschen als gültig und verbindlich einsehbaren, da vernünftig begründbaren Standpunkts der Moral“.298 Die Autonomie des Menschen ist bei diesem Moralprinzip nicht durch externe Normen eingeschränkt, setzt aber die von Ulrich postulierte, durch Sozialisation ausgebildete Moralität des Menschen voraus.299 Grundlegende Bedeutung für die Begründung seines Moralprinzips hat die Diskursethik. 2.7.2.3

Die Diskursethik als Grundlage prozessorientierter Wirtschaftsethik

Wie oben bereits knapp beschrieben bildet das auf Habermas und Apel zurückgehende Konzept der Diskursethik die Basis für die wirtschaftsethischen Ansätze Peter Ulrichs, Horst Steinmanns sowie dessen Schülern.300 Die Ansätze Ulrichs und Steinmanns gelten als formale wirtschaftsethische Ansätze, die sich mit der Entwicklung von Regeln für den Prozess der Normenfindung befassen. Dass die Betroffenen an der Bestimmung der Normen partizipieren, ist für beide Konzepte

295 Vgl. wie auch zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 30–36. 296 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 44. 297 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 49. 298 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 49. 299 Vgl. Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 865. 300 Vgl. dazu sowie zum Folgenden Aßländer: Philosophia, S. 331.Vgl. auch Küpper: Business Ethics, S. 253ff.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

239

charakteristisch, weshalb Kreikebaum die beiden prominenten Positionen als kommunikationsorientierte Ansätze bezeichnet.301 2.7.2.3.1

Der Ansatz Horst Steinmanns

Horst Steinmann und seine Schüler sehen im Anschluss an Habermas und Friedrich Kambartel in der Unvoreingenommenheit, der Nicht-Persuasivität, also dem Verzicht auf Appelle, der Zwanglosigkeit und der Sachverständigkeit die Kriterien eines idealen Dialogs.302 Ihr Konzept einer Dialogethik für Unternehmungen verstehen sie als „prozessuale Anleitung zur Entwicklung von Normen“.303 Die Wirtschafts- und Unternehmensethiktheorie Horst Steinmanns nimmt vor allem Bezug auf die konstruktivistischen Philosophen Paul Lorenzen und Oswald Schwemmer.304 Steinmann adaptiert deren Ideen eines transsubjektiven Diskurses, nach dem die Normen in einem Kommunikationsprozess durch Argumentation in einer Gruppe oder Gemeinschaft installiert und angewendet werden, auf seine Wirtschaftsethikkonzeption.305 Im Sinne einer dialogischen Ethik fordert er eine argumentative Verständigung im Dialog zwischen den Betroffenen. Horst Steinmann und Albert Löhr schlagen dementsprechend eine „herrschaftsfreie“ Verständigung über konfligierende Ansprüche als Lösung ökonomisch-sozialer Probleme im Rahmen von „ad-hoc“-Diskursen vor.306 Normatives Ziel des Ansatzes, der „nicht auf Autoritäten rekurriert, sondern nur auf die Vernunft vertraut“, ist es, „die pluralis-

301 Vgl. dazu auch Hans-Ulrich Küpper/Arnold Picot: Ethische Aspekte wirtschaftlichen Handelns im Rahmen von Unternehmungen. Gegenstand der Unternehmensethik. In: Wilhelm Korff u.a. (Hg.): Handbuch der Wirtschaftsethik. Bd. 3: Ethik wirtschaftlichen Handelns. Gütersloh 1999, S. 132–148, 139f.; vgl. Hartmut Kreikebaum: Grundlagen der Unternehmensethik. Stuttgart 1996 (= UTB für Wissenschaft/Große Reihe), 132ff. 302 Horst Steinmann/Albert Löhr: Grundlagen der Unternehmensethik. 2., überarb. und erw. Aufl. Stuttgart 1994 (= Sammlung Poeschel 131), S. 78ff.; vgl. dazu Küpper/Picot: Ethische Aspekte, 142. 303 Steinmann/Löhr: Grundlagen, S. 84. 304 Vgl. Paul Lorenzen: Philosophische Fundierungsprobleme einer Wirtschafts- und Unternehmensethik. In: Horst Steinmann/Albert Löhr (Hg.): Unternehmensethik. Stuttgart 21992, S. 35–67; sowie grundlegend Paul Lorenzen/Oswald Schwemmer: Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie. Mannheim u.a. 1973 (= B. I.-Hochschultaschenbücher 700); vgl. grundlegend zu Steinmanns Ethik-Ansatz Steinmann/Löhr: Grundlagen. 305 Vgl. Küpper: Business Ethics, S. 255; vgl. zur Abgrenzung zwischen Habermas und den Vertretern des Konstruktivismus und deren unterschiedlichem Erkenntnisinteresse Rüdiger Pieper: Diskursive Organisationsentwicklung. Ansätze einer sozialen Kontrolle von Wandel. Berlin u.a. 1988, S. 213–228. 306 Horst Steinmann/Albert Löhr: Einleitung: Grundfragen und Problembestände einer Unternehmensethik. In: Diesn. (Hg.): Unternehmensethik. Stuttgart 21991, S. 14; Steinmann/Löhr: Grundlagen, S. 102f; Horst Steinmann/Albert Löhr: Zehn Jahre Unternehmensethik – Eine Bestandsaufnahme der Kernprobleme. In: Karl Albrecht Schachtschneider (Hg.): Wirtschaft, Gesellschaft und Staat im Umbruch – Festschrift der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 75 Jahre nach der Errichtung der Handelshochschule Nürnberg. Berlin 1995, S. 225–241, 226f.; vgl. auch Aßländer: Philosophia, S. 328f.

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tischen Lebensformen in friedlicher Weise verträglich zu machen“.307 Danach ist im Rahmen der freien Marktwirtschaft auch das Ziel der Profitmaximierung ethisch legitim. So erkennt Steinmann an, dass Unternehmen Profit erwirtschaften müssen, solange diese Ziele nicht mit dem von ihm verfolgten Friedensprinzip in Konflikt geraten.308 Ulrich nimmt demgegenüber, wie zu zeigen sein wird, eine weiter reichendere und radikalere Position ein. 2.7.2.3.2

Diskursethische Grundlagen der integrativen Wirtschaftsethik

Die Begründung des oben dargestellten Moralprinzips Peter Ulrichs gelingt überhaupt erst aus der Diskursethik als moderner Theorie der Moral, deren Explikation des allgemeinen Moralprinzips nach Auffassung Ulrichs eine hinreichende Begründung enthält.309 In seinen Augen bietet die Diskursethik die „bisher elaborierteste Explikation des vernunftethischen Standpunkts als der normativen Logik der Zwischenmenschlichkeit“, die konsequent als universale argumentative Reziprozität sich wechselseitig als mündig anerkennender Bürger entfaltet werde, wodurch sie insbesondere auch weitreichende kritisch-normative Orientierungskraft auf der Ebene personaler Verantwortung gewänne.310 Ihr Spezifikum ist die Deutung der gegenseitigen Anrede als wesentliches Merkmal der Struktur des Zusammenlebens sowie die Offenlegung des impliziten ethischen Gehalts des rationalen Argumentierens. Dabei lautet Ulrichs Hauptargument unter Bezug auf Apel, die normative Bedingung des Argumentierens sei die „wechselseitige Anerkennung von Gesprächspartnern als mündige (münd-ige) Personen“.311 Genauso liegt dem aber das Diktum Adornos zugrunde, dass derjenige, der seinen Mund zu vernünftigem Reden gebrauche, indem er „für sich selbst spricht, weil er für sich selbst gedacht hat und nicht bloß nachredet“, eine mündige Person sei.312 Die Grundlage dafür hat Immanuel Kant gelegt, der die Unabhängigkeit des eigenen, an selbst gewählten Grundsätzen orientierten moralischen Urteils als Autonomie bezeichnet und als konstitutives Vermögen „vernünftiger Wesen“ bestimmt hat.313 Der Reflexionsweg zur Mündigkeit und zur autonomen Orientierung im Denken wird von 307 Steinmann/Löhr: Grundlagen, S. 84. 308 Vgl. hierzu und zum Folgenden Küpper: Business Ethics, S. 255f.; vgl. zur Begründung des Friedensprinzip exemplarisch Horst Steinmann: Unternehmensethik und Globalisierung – Globale Regeln und private Akteure. In: Ludger Heidbrink u.a. (Hg.): Verantwortung als marktwirtschaftliches Prinzip. Zum Verhältnis von Moral und Ökonomie. Frankfurt a.M. u.a. 2008, S. 145–174, 148f. 309 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 57, 78ff; vgl. ebf. Ulrich: Transformation, 15f., 269ff.; vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 265f. 310 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 94. 311 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 79; mit Bezug auf Karl-Otto Apel: Diskurs und Verantwortung. Das Problem des Übergangs zur postkonventionellen Moral. Frankfurt a.M. 1988, S. 101. 312 Theodor W. Adorno: Kritik. In: Ders.: Kleine Schriften zur Gesellschaft. Frankfurt a.M. 1971, S. 10–19, 10. 313 Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 89.

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Kant als „Aufklärung“ oder eben auch als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ bezeichnet.314 Dementsprechend ist bei Ulrich autonomes, aufgeklärtes Denken und mündiges Reden in dem Sinne kritisch, als es sich vorbehaltlos den Ansprüchen der argumentativen Begründung der eigenen Position stelle.315 Wer argumentiert, der erkennt auch an, dass Menschen als freie Subjekte ansprechbar sind. Da darin potentiell alle Menschen eingeschlossen sind, besteht die Idee einer idealen Argumentationssituation. Dieser Ansatz ist für Ulrich begründet, da er nicht bestreitbar sei, ohne in einen pragmatischen Selbstwiderspruch zu geraten.316 Das Moralprinzip, also die universale Reziprozität moralischer Ansprüche, lautet in diskursethischer Interpretation, dass in der „unbegrenzten Argumentationsgemeinschaft aller mündigen Personen guten Willens normative Geltungsansprüche gegenüber jedermann argumentativ begründbar und insofern konsensfähig sein sollen“.317 Entgegen einem landläufigen Missverständnis dürfe die Diskursethik nicht konkretistisch missverstanden werden als eine besondere materielle Ethik mit einem speziellen Moralprinzip in Form eines „Konsensprinzips“.318 Sie ist kein gesellschaftliches Koordinationsprinzip, sondern eine besondere Ausformung der Explikation des allgemeinen moral point of view in der Form des idealen Diskurses.

314 Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? [1784]. In: Ders.: Werkausgabe. Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik. Bd. 11. Frankfurt a.M. 4 1982, S. 51–66, 53. 315 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 14. 316 Ein solcher pragmatischer Selbstwiderspruch bestünde darin, dass man durch das Bestreiten rational argumentiert und das Gegenüber zu überzeugen versucht und damit durch die Anerkennung des anderen als Gesprächspartner und so auch als Person geradewegs das Hauptargument der Diskursethik bestätigt. Vgl. dazu Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 865f. 317 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 80f. In der Diskursethik gehe es – wie stets in der Ethik – allein um praktische Ansprüche. Diese erhöben eine normative Richtigkeitsbehauptung, deren ethische Gültigkeit zu rechtfertigen ist – im Gegensatz zu theoretischen Geltungsansprüchen, die sich auf eine Tatsachenbehauptung bezögen, deren Wahrheit zu prüfen ist. (Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 81.) 318 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 81. Das konkretistische Missverständnis der Diskursethik zeige sich etwa in der Rede von angeblichen „rigorosen diskursethischen Forderungen“ dahingehend, dass als gesellschaftliches Organisationsprinzip unmittelbar „eine vorwiegend diskursgestützte Koordination“ postuliert werde. (Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 81; die Zitate stammen aus Margit Osterloh: Vom Nirwana-Ansatz zum überlappenden Konsens. Konzepte der Unternehmensethik im Vergleich. In: Volker Arnold u.a. (Hg.): Wirtschaftsethische Perspektiven. Bd. 3: Unternehmensethik, Verteilungsprobleme, methodische Ansätze. Berlin 1996 (= Schriften des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, N.F. 228,3), S. 203–229, 214; sowie Margit Osterloh u.a.: Konzepte der Wirtschafts- und Unternehmensethik. Das Beispiel der Brent Spar. In: Die Unternehmung 49 (1995), S. 321–338, 332; dazu existiert eine kritische Replik Ulrichs Peter Ulrich: Brent Spar und der „moral point of view“. Reinterpretation eines unternehmerischen Realfalls. In: Die Unternehmung 50 (1996), S. 27–46.) An eine auf diese Weise fehlgedeutete Konsensethik könne man den Vorwurf des „Nirwana-Approach“, also der Arbeit mit zu starken Idealisierungen durchaus richten, doch verfehle dieser die Diskursethik. (Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 81.)

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Die Diskursethik expliziere den Vernunftstandpunkt der Moral nicht mehr wie bei Kant in der Kategorie der „reinen praktischen Vernunft“, sondern in der einer universalen transzendentalen Sprachpragmatik.319 Im Unterschied zu Kants Transzendentalphilosophie werde die metaphysische Idee einer absoluten Vernunft und eines objektiven moralischen Gesetzes nicht mehr vorausgesetzt.320 Die Diskursethik nimmt nach Ulrich den immer nur praktisch zu führenden Diskurs nicht theoretisch vorweg, sondern hält kritisch-regulativ fest, Menschen als von moralischen Fragen betroffene, argumentierende und ansprechbare Subjekte zu sehen.321 Die diskursethische Formulierung des Moralprinzips konkretisiert Ulrich durch vier „normative Leitideen“: „(1) die gebotene verständigungsorientierte Einstellung aller Beteiligten, (2) deren vorbehaltloses Interesse an legitimem Handeln, (3) ein differenziertes Konzept von Verantwortungsethik sowie last not least (4) eine politisch-ethische Leitidee vom ‚Ort‘ der Moral in einer modernen Gesellschaft“.322 Diese Leitideen verdeutlichen, dass Ulrich mit dem diskursethischen Ansatz gerade kein pragmatisches Konzept einer normativen Institutionentheorie verfolgt, sondern eine „regulative Idee ethisch-rationaler Politik: die regulative Idee der politischen Ordnung als zwangloser [sic!] Verständigungsordnung mündiger Staatsbür-

319 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 81. Ulrich bezieht sich hierbei auf Karl-Otto Apel: Transformation der Philosophie. Bd. 2: Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft. Frankfurt a.M. 1976 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 165), S. 409.), der damit an die Kantische Tradition der empirisch voraussetzungslosen „transzendentalen Reflexion“ anknüpft und den Anspruch der „Letztbegründung“ der Diskursethik erhebt. Habermas zieht im Gegensatz dazu den Begriff der Universal- oder Formalpragmatik vor und lehnt die Qualifikation als transzendentale Letztbegründung ab. Vgl. Jürgen Habermas: Was heißt Universalpragmatik? In: Ders.: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns. Frankfurt a.M. 1984, S. 353–440; sowie Jürgen Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns. Bd. 1: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung. Frankfurt a.M. 41981, S. 199, 440ff. 320 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 81f. 321 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 82; vgl. hierzu auch Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 866. 322 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 82. Die verständigungsorientierte Einstellung zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf rationale Argumentation setzt. Sie basiert auf der dreigliedrigen Differenz von instrumentellem, strategischem und kommunikativem Handeln. Das Interesse an legitimem Handeln schließt das Interesse am eigenen Erfolg nicht aus, sondern setzt es gerade als Gegenstand ethischer Verantwortung und kommunikativer Auseinandersetzung voraus, wenngleich das Primat der intersubjektiv ausgewiesenen Legitimität vor dem reinen Streben nach Erfolg gilt. Die dreistufige Verantwortungkonzeption unterscheidet zwischen verschiedenen Diskurssituationen: dem offenen Diskurs, dem stellvertretenden Diskurs oder Situationen, in denen aus pragmatischen Gründen keine Verständigungsgegenseitigkeit besteht, in denen jedoch trotzdem eine einseitige ethische Verantwortung getragen werden muss und eine politische Mitverantwortung zur Herstellung möglichst entschränkter Kommunikationsverhältnisse besteht. Der öffentliche Diskurs als „Ort“ der Moral in der modernen Gesellschaft ist zwar kein Ort des idealen Diskurses, ist jedoch systematisch notwendig, um die Ausgestaltung aller notwendigen Institutionen einer Gesellschaft zum Gegenstand kritischer Reflexion zu machen. Vgl. dazu Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 82ff.; sowie bes. Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 866f.

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ger“ ausdrückt und begründet.323 Diese Leitidee konkretisiert sich in den Persönlichkeits-, Freiheits- und Partizipationsrechten der modernen Demokratien: Dies geschieht dergestalt, dass „dem allgemeinen Vorrang konsensueller“, also auf dem gesellschaftlichen Basiskonsens (in Form der Verfassung) fußender „Legitimation vor dem privaten Erfolgsstreben“, der „institutionenethische Primat universaler Kommunikationsrechte und -chancen aller mündiger Bürger vor allen weiteren Verfügungsrechten einzelner Akteure“ entspricht.324 Die Diskursethik zielt daher auf die Umsetzung als Prozess- oder Verfahrensethik. 2.7.2.3.3

Peter Ulrich und die Modelle angewandter (Diskurs-)Ethik

Obwohl Ulrichs Theorie einer „integrativen Wirtschaftsethik“ mit Steinmann und seinen Schülern die diskursethischen Grundlagen teilt, unterscheiden sich doch einige seiner Ansichten signifikant von ihnen. In Teilen seiner Theorie grenzt er sich sogar ausdrücklich von den Konzepten Habermas’ und Apels ab. In besonderer Weise stört sich Ulrich an deren jüngeren Vorschlägen zur „Anwendung der Diskursethik“.325 Das von Apel und Habermas in ihren neueren Arbeiten ins Spiel gebrachte Anwendungsmodell der Diskursethik wirft nach Meinung Ulrichs erhebliche Probleme auf.326 Sowohl Habermas als auch Apel haben seit den späten 1980er Jahren – sicherlich auch unter dem Einfluss der Herausbildung verschiedener Bereichsethiken – verstärkt auf ein Anwendungsproblem ihrer Theorie hingewiesen. Habermas schlägt deshalb eine Unterscheidung zwischen Anwendungsdiskursen und Begründungsdiskursen vor.327 Dementgegen will Ulrich nicht systematisch zwischen Begründungs- und Anwendungsdiskurs unterschieden wissen, da es schließlich in jedem Diskurs „um die argumentative Verständigung über gute Gründe für alternative Handlungsvorschläge“ ginge.328 Legitimationsdiskurse seien „immer 323 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 94; vgl. überdies wie auch zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 866f. 324 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 94; vgl. dazu ähnlich auch Ulrich: Transformation, S. 305ff., 371ff. 325 Karl-Otto Apel u.a.: Vorwort. In: Diesn. (Hg.): Zur Anwendung der Diskursethik in Politik, Recht und Wissenschaft. Frankfurt a.M. 1992, S. 7. 326 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 98–105, hier 98. 327 Vgl. Jürgen Habermas: Erläuterungen zur Diskursethik. Frankfurt a.M. 1991 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 975), S. 85, 95ff., 137ff. Habermas vertritt darin die These, Anwendungsdiskurse erforderten „andere Informationen und andere Grundsätze als Begründungsdiskurse“ und zwar ein zusätzliches „Prinzip der Angemessenheit und der Erschöpfung aller relevanten Kontextmerkmale“. (So Habermas: Erläuterungen, S. 95f.) Apel macht ein spezifisches „geschichtsbezogenes Anwendungsproblem der Diskurstethik“ aus. (Vgl. Apel: Diskurs und Verantwortung, S. 110ff.) 328 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 99; vgl. dazu auch Ulrich Thielemann: Integrative Wirtschafts- und Unternehmensethik als Reflexion des spannungsreichen Verhältnisses von Einkommensstreben und Moral. Zum Verhältnis von Wirtschaftsethik und philosophischer

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schon ‚Anwendungsdiskurse‘“.329 Ulrich folgert, dass es die Vernunftethik „in konkreten Handlungssituationen immer nur mit der vorbehaltlosen Begründung situationsgerechter Handlungsorientierungen vom Standpunkt der Moral aus zu tun“ habe, nicht aber mit pragmatischen Problemen der Anwendung oder der Implementierung vorweg begründeter Handlungsorientierungen, weshalb es keine Verantwortungsprobleme geben könne, „die ausserhalb diskursiv zu lösender Begründungsprobleme definierbar wären“.330 Doch nicht nur das Anwendungsmodell der Diskursethik wird von Ulrich verworfen. In gleicher Weise kritisiert er das Modell einer Wirtschaftsethik als angewandte Ethik unter wirtschaftlichen Bedingungen. Das Verständnis von Wirtschaftsethik als angewandte Ethik beruhe auf der Annahme, dass der Praxisbereich Wirtschaft, die Ökonomie, ebenso wie die ihn modellierende Wirtschaftstheorie, die Ökonomik, durch eine von normativen Ansprüchen unberührte, wertfreie oder zumindest ethisch neutrale ökonomische Sachlogik konstituiert sei.331 Ein solches „Komplementaritätssystem“332, dem eine „Zwei-Welten-Konzeption von wertfreier Ökonomik und ausserökonomischer Wirtschaftsethik“ zugrunde liege, lasse sich jedoch nicht auf die Wirtschaftsethik übertragen.333 Die Wirtschaftsethik sieht er nicht – vergleichbar mit anderen Bereichsethiken – als klassische Bindestrich-Ethik im Sinne eines „praxisorientierte[n] Kompensationsphänomen[s]“, das nur zum Füllen der von den Fachdisziplinen bezüglich der ethischen Dimension praktischer Probleme hinterlassenen Lücken herangezogen (Diskurs-)Ethik. St. Gallen 1994 (= Beiträge und Berichte des Instituts für Wirtschaftsethik), S. 1ff.; sowie gleichlautend Peter Ulrich: Wie liberal ist die Diskurstethik? Der ethische Universalismus und die Freiheit der Andersdenkenden. Postskriptum. In: Günther Ortmann: Formen der Produktion. Organisation und Rekursivität. Opladen 1995, S. 241–249, 247. 329 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S.99. Eine Trennung von Begründung und Anwendung mache allenfalls in Bezug auf Normen Sinn. Habermas’ und Günthers systematischen Fehler erkennt er in dem Umstand, dass sie den Fall der Begründung allgemeiner Normen und ihrer Anwendung in konkreten Situationen als paradigmatisch für moralische Diskurse schlechthin betrachten. Dies sei dem grundlegenden Problem der diskursiven Klärung der moralischen Rechte von Personen und dementsprechender Fragen legitimen Handelns nicht angemessen. 330 Ulrich, S. 101; entgegen Apel: Diskurs und Verantwortung, S. 121. 331 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 102; unter Bezug auf den diskursethischen Ansatz des ApelSchülers Böhler. Vgl. Dietrich Böhler: Über Diskursethik und (Markt-) Wirtschaftstheorie. Bemerkungen zu Brune und zu Homann/Blome-Drees. In: Jens Peter Brune u.a. (Hg.): Moral und Sachzwang in der Marktwirtschaft. Setzen ökonomische „Sachzwänge“ der Anwendung moralischer Normen legitime Grenzen? Eine Abhandlung und kritische Beiträge mit dem Ziel, den wirtschaftsethischen Diskurs zu lernen. Münster u.a. 1995 (= Ethik und Wirtschaft im Dialog 8), S. 125–143, S. 129f. 332 In kritischer Absicht in Karl-Otto Apel: Die Konflikte unserer Zeit und das Erfordernis einer ethisch-politischen Grundorientierung. In: Ders. u.a. (Hg.): Funk-Kolleg Praktische Philosophie, Ethik/Reader. Frankfurt a.M. 1980, S. 267–292, S. 297f. 333 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 102; vgl. zudem Ulrich: Transformation der ökonomischen Vernunft, S. 343f; vgl. dazu eingehend Peter Ulrich: Die Weiterentwicklung der ökonomischen Rationalität – Zur Grundlegung der Ethik der Unternehmung. In: Bernd Biervert u.a. (Hg.): Ökonomische Theorie und Ethik. Frankfurt a.M. u.a. 1987, S. 122–149.

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werde.334 Denn in so einem Fall komme der Ethik nurmehr die Aufgabe zu, als gewissermaßen externe Ergänzung als „Hüterin der Moral“ im Anwendungszusammenhang einer außerethischen, wissenschaftlichen Sachlogik zu fungieren und die moralischen Grenzen der zulässigen Anwendung des jeweiligen Sachwissens zu reflektieren.335 Der Vorsitzende des Forums für Wirtschaftsethik und Wirtschaftskultur der Deutschen Gesellschaft für Philosophie, Peter Koslowski, etwa fasst Wirtschaftsethik im Sinne einer „Ethik als Korrektiv von Ökonomieversagen“ auf.336 Einer solchen Sichtweise widerspricht Ulrich entschieden: Die Notwendigkeit von Ethik 334 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 97. 335 Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 102. 336 Peter Koslowski: Prinzipien der ethischen Ökonomie. Grundlegung der Wirtschaftsethik und der auf die Ökonomie bezogenen Ethik. Tübingen 1988, S. 31ff; sowie Peter Koslowski: Grundlinien der Wirtschaftsethik. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 109 (1989), S. 345–383, 353ff; vgl. dazu ebf. wie zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 858–862. Gerlach weist jedoch darauf hin, dass Koslowski mit seinem Konzept keine schlichte „Verkürzung der Wirtschaftsethik auf eine (korrumpierbare) Anwendungsethik für Konfliktfälle“ vornehme, sondern den weltanschaulichen Horizont wie die ontologische Dimension der Ethik und der Ökonomik offen halte, obschon die Reichweite dieses Anspruchs zugleich auch Schwäche seines Konzepts sei. (Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 863.) Koslowski hat mit seiner Abhandlung „Ethik des Kapitalismus“ von 1982 die jüngere Diskussion um die Wirtschaftsethik im deutschsprachigen Raum wesentlich angestoßen. Er konzipiert Wirtschaftsethik dem klassischen Begriff der Politischen Ökonomie nachgestaltet als Ethische Ökonomie. In seiner Zielbestimmung der Ethik nimmt er eine Verbindung ihres individuellen und ihres institutionellen Aspekts vor. Sie diene nicht nur der Analyse von „Haltungen, Vorzugshandlungen und Regeln für die Koordination von Handlungen“ und mache präskriptive Aussagen über deren „Gesolltheit“, sie ziele auch ab auf die „Klärung und Verbesserung der Gewohnheiten der Individuen, ihrer Präferenzen und der Regeln, durch die sie ihre Handlungen mit denen anderer koordinieren“. (Peter Koslowski: Ethik der Banken und der Börse. Finanzinstitutionen, Finanzmärkte, Insider-Handel. Tübingen 1997 (= Beiträge zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik 154), S. 16.) Damit ordnet er sich in die klassische Ethiktradition mit ihrem Verständnis des Zusammenhangs von Tugend-, Pflichten- und Güterlehre ein. (Vgl. auch Koslowski: Prinzipien, S. 129ff.) In der Begründung der normativ-ethischen Aussagen vertritt er eine Art naturrechtliche Position: Eine Handlung oder Handlungsregel ist ethisch gut, wenn sie der sie betreffenden „Natur der Sache“ umfassend und bezüglich aller Aspekte „gerecht“ wird. (Koslowski: Prinzipien, S. 128, 136; Koslowski: Ethik der Banken, S. 18, 20.) Koslowskis Ökonomikverständnis leitet sich von der spezifischen Gegenstandsbestimmung ab, dass Wirtschaft neben Kunst und Wissenschaft der dritte große „Kultursachbereich“ der Gesellschaft sei, in dem Gebrauchsgüter produziert und ausgetauscht würden. (Peter Koslowski: Gesellschaftliche Koordination. Eine ontologische und kulturwissenschaftliche Theorie der Marktwirtschaft. Tübingen 1991, S. 83.) Die Hauptmethodik der Ökonomik, Koslowski selbst spricht durchgehend von „Ökonomie“, besteht für ihn in der mikroökonomischen Theorie der rationalen Handlung, mit der die Allokation knapper Mittel für gegebene Zwecke erklärt wird. (Koslowski: Gesellschaftliche Koordination, S. 63; Koslowski: Ethik der Banken, S. 22.) Doch kann die Methodik der „reinen Theorie“ nicht alleinige Anwendung finden, da wirtschaftliche Handlungen auch immer kulturgeprägt seien. (Koslowski: Gesellschaftliche Koordination, S. 81.) Die Volkswirtschaftslehre Gustav Schmollers betrachtet er als Vorbild für dieses umfassende Verständnis von Ökonomik, obschon Schmoller die Psychologie als deren Grundwissenschaft ansah, während Koslowski sie in ein von ihm entworfenes Gesamtkonzept von Wirtschaftsphilosophie, bestehend aus Wirtschaftsontologie und Ethischer Ökonomie mit ihren beiden Teilen der deskriptiven Kulturwissenschaft und der norma-

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dürfe nicht erst an die Bedingung des Marktversagens geknüpft werden. Es mag überraschen, dass sich eine der Koslowskis recht ähnliche Definition – trotz gänzlich verschiedener wissenschaftlicher Grundlegung – auch bei Horst Steinmann findet, der die Unternehmensethik als situationales Korrektiv des Gewinnprinzips beschreibt, wobei letzteres in der Tradition der sich als wertfrei verstehenden Betriebswirtschaftslehre als ethisch neutrales Formalziel begriffen wird.337 Ulrich kritisiert, dass der Wirtschaftsethik dabei immer die systematische Rolle eines Korrektivs gegen zuviel ökonomische Rationalität zukomme.338 Freilich stört er sich nicht daran, dem Geltungsanspruch und Wirkungsraum „einer entfesselten ökonomischen Sachlogik Grenzen zu setzen“.339 Sein systematischer Einwand gegen eine ausschließlich korrektive Wirtschaftsethik betrifft den „Reflexionsstopp vor den vorgefundenen ‚marktwirtschaftlichen Bedingungen‘ und dem ökonomischen Rationalitätsverständnis“, das nicht weiter hinterfragt würde.340 So komme der Verzicht auf kritische Reflexion einer „stillschweigenden Affirmation des Status quo“ gegebener marktwirtschaftlicher Systembedingungen gleich.341 Als Beispiel dafür führt er die „gängige Behauptung“ an, von der auch Apel auszugehen scheine342, tiven Wirtschaftsethik, einordnet. (Vgl. Peter Koslowski: Wirtschaftsphilosophie und Wirtschaftsethik. In: Ders. (Hg.): Orientierung durch Philosophie. Ein Lehrbuch nach Teilgebieten. Tübingen 1991 (= Uni-Taschenbücher 1608), S. 146–174, 149ff.; vgl. auch Peter Koslowski: Die Ordnung der Wirtschaft. Studien zur Praktischen Philosophie und Politischen Ökonomie. Tübingen 1994, 4ff.) Die Grundfrage der Wirtschaftsontologie zielt ab auf das Verständnis der wirtschaftlichen Akteure, die er mittels einer Auseinandersetzung mit dem Ökonomie-Prinzip klärt, das auf der Minimierung des Mitteleinsatzes, beziehungsweise der Maximierung der Zielerreichung besteht. (Vgl. Koslowski: Wirtschaftsphilosophie, S. 154; vgl. überdies Koslowski: Gesellschaftliche Koordination, S. 31f.) Dieses Prinzip deutet er personal: Zwar wird die Maximierung von den Individuen in ihren intentionalen Akten angestrebt, doch kann sie einerseits aufgrund von Irrtum verfehlt und andererseits nicht objektiv bestimmt werden. (Vgl. Koslowski: Wirtschaftsphilosophie, S. 154ff.; Koslowski: Gesellschaftliche Koordination, S. 41.) Wichtigste Konsequenz dieser ontologischen Grundbestimmung ist für ihn das Verständnis der wirtschaftlichen Koordination und damit des Marktprozesses. Terminologisch versteht er unter Wirtschaftsethik den normativen Teil der Ethischen Ökonomie, deren Aufgabe so die Entwicklung formaler und materialer Normen für den Kulturbereich Wirtschaft ist. Seinem naturrechtlichen Verständnis von Wirtschaft entsprechend lautet der wirtschaftsethische Imperativ „Handle wirtschaftsgemäß!“ oder eben „Handle nach der Sachgerechtigkeit der Wirtschaft!“ (Koslowski: Prinzipien, S. 225; vgl. zudem Koslowski: Ethik der Banken, S. 23.) 337 Vgl. Horst Steinmann u.a.: Brauchen wir eine Unternehmensethik? In: Die Betriebswirtschaft 45 (1985), S. 170–183; Horst Steinmann u.a.: Unternehmensethik – eine „realistische Idee“. In: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 40 (1988), S. 299–317; sowie Horst Steinmann/Albert Löhr: Einleitung: Grundfragen und Problembestände einer Unternehmensethik. In: Dies. (Hg.): Unternehmensethik. Stuttgart 21991, S. 3–32. 338 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 103. 339 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 103. 340 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 103. 341 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 103. 342 Vgl. Apel: Diskurs und Verantwortung, S. 134. So geht Apel vom Problem der „Realisierung der geschichtlich-gesellschaftlichen Bedingungen der Anwendung einer Diskursethik in einer Welt des primär strategischen Handelns der Selbstbehauptungssysteme“ aus. (Ebd.)

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dass sich Wirtschaftssubjekte unter marktwirtschaftlichen Bedingungen nur strikt erfolgsrational und strategisch verhalten könnten und eine Wirtschaftsethik dieser Bedingung Rechnung zu tragen habe.343 Darin sieht Ulrich einen massiven Widerspruch zur Theorie der Diskursethik: Schließlich sei kein Diskurs möglich, wenn den Subjekten von vornherein normativ zugebilligt würde, dass sie zu primär strategischem statt verständigungsorientiertem Handeln prädestiniert seien. In solch einem Modell gebe es gar keine Ethik mehr anzuwenden, da die normative Entscheidung bereits vorab gefallen sei. Ein weiterer, symptomatischer innerer Widerspruch ergebe sich infolge des Reflexionsstopps bei einem bloß korrektiven Ansatz von Wirtschaftsethik: Einerseits werde von einer Zwei-Welten-Konzeption ausgegangen und damit unterstellt, dass ein definierbarer Bereich der Gesellschaft existiere, in dem die Selbstkoordination von Wirtschaftssubjekten, die sich strikt ökonomisch rational verhalten, ethisch gänzlich unproblematisch funktioniere, so dass man sie getrost dem freien Markt überlassen könne. Die idealtypische Vorstellung eines solchen perfekt funktionierenden, durchrationalisierten Marktsystems, das frei von jeder externen Normativität bestehen kann, ist für sich genommen schon äußerst fragwürdig, denn sie lässt letztlich doch nur die Schlussfolgerung Koslowskis zu: „Ethik ist bei vollständiger Konkurrenz überflüssig.“344 Andererseits werde dem ökonomischen Rationalitätsprinzip implizit normative Kraft und in sich – als gesellschaftliches Koordinationsprinzip – ein ethisch-normativer Gehalt zugebilligt.345 Damit werde unterstellt, dass Marktlösungen überall dort vorzüglich seien, wo sich funktionierende Märkte etablieren ließen. Die korrektive Wirtschaftsethik verkenne folglich, dass Ordnungsentscheidungen für Marktlösungen ebenso einer wirtschaftsethischen Begründung bedürften wie Entscheidungen gegen sie. So zeige sich, dass der korrektive Ansatz als systematische Konsequenz angewandter Wirtschaftsethik den marktwirtschaftlichen Bedingungen wie der ökonomischen Rationalität eine normative Kraft zuspreche. Dabei gerate der Ansatz unter Ökonomismusverdacht: Zumindest teilweise nehme er zudem immer auch die „zweite ‚angewandte‘ Konzeption von Wirtschaftsethik“ in Anspruch: die „normative Ökonomik“.346

343 Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 104. 344 Peter Koslowski: Über die Notwendigkeit von ethischen und zugleich ökonomischen Urteilen. In: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 9 (1987), H. 33, S. 7–13, 7. Aufgrund der Fähigkeit des Marktes, Präferenzen über den Preismechanismus miteinander abzustimmen und zu koordinieren, erkennt Koslowski im Markt die bedeutendste Form gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse. (Vgl. Koslowski: Gesellschaftliche Koordination, S. 52.) Er geht in seinem Konzept einer gegenseitigen Durchdringung von Ethik und Ökonomik davon aus, dass die Ethik das ökonomische Effizienzkriterium enthält, vermag aber nicht zu verdeutlichen, inwieweit die ökonomische Theorie rationaler Entscheidung mit philosophischer und kulturwissenschaftlicher Wertlehre vermittelt oder ergänzt werden soll. (Vgl. dazu sowie zur kritischen Würdigung der Position Koslowskis Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 861ff.) 345 Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 105. 346 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 105.

248

2.7.2.4

Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Peter Ulrichs Kritik der Ökonomik

Ökonomik wird bei Peter Ulrich beinahe ausschließlich in negativer Konnotation als „reine Ökonomik“ der neoliberalen Mainstream Economics thematisiert.347 „Die heutige Mainstream Economics ist […] in gewisser Weise eher ein Teil des Problems als eine tragfähige Basis für seine Lösung.“348 Entsprechend unterzieht er die Ökonomik – basierend auf seinem diskursethischen Ansatz – einer ausführlichen Grundlagenkritik. Dabei deckt er die normative Logik der reinen Ökonomik auf, die für ihn in Konkurrenz zum Moralprinzip steht. Der „heute gelehrte[n] Mainstream Economics“ macht er zum Vorwurf, „das Wirtschaften nurmehr aus der Perspektive der marktwirtschaftlichen Systemlogik“ zu betrachten.349 Diese sei heute „die Logik des globalen Marktes, auf dem mit dem so genannten ‚Standortwettbewerb‘ zugleich auch die ganzen staatlichen Rahmenordnungen der nationalen Märkte miteinander im Wettbewerb stehen“.350 Rationalität sei, unerheblich wie sie begrifflich gefasst werde, eine Orientierungsidee dahingehend, „wie vernünftige Personen die Vorzüglichkeit einer Handlungsweise begründen können und wie sie daher vernünftigerweise handeln sollen“.351 Die Problematik vernünftigen Wirtschaftens in ihrer unverkürzten Form als ökonomische Rationalitätsproblematik umfasse grundsätzlich immer eine ethische und eine technische Rationalitätsdimension: Einerseits gehe es um die Bestimmung ethisch vernünftiger Zwecke und Grundsätze des Wirtschaftens angesichts alternativer Nutzungsmöglichkeiten knapper Ressourcen. Zum anderen habe man sich damit zu beschäftigen, wie die als knapp angenommenen Ressourcen zweckrational, also effizient unter Beachtung der Legitimitätsbedingungen, eingesetzt werden können. Aus diesem Grund habe sich die Politische Ökonomie als klassische Lehre vom Wirtschaften von Aristoteles über Adam Smith bis hin zu den Vätern moderner ökonomischer Theorie als Teil der Moralphilosophie begriffen. Erst dann setzte der – oben im geistesgeschichtlichen Teil angeschnittene – Entkopplungsprozess ein, der die Reflexion der Moral durch die Erklärung moralischen Verhaltens ersetzen möchte. So habe die „neoklassische“ reine Ökonomik (ab etwa 1870) diese „Einheitskonzeption von (Politischer) Ökonomie als Moralphilosophie“ nicht mehr für sich gelten lassen, sondern habe dem naturwissenschaftlichen Vorbild einer wertfreien, objektiven Wissenschaft nachgeeifert.352 Die Konsequenz daraus sei die angesprochene Zwei-Welten-Konzeption reiner Ökonomik einerseits und einer ihr sachfremd gegenüberstehenden Ethik andererseits. Das schlage notwendigerweise auf 347 Vgl. dazu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 867. 348 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 12. 349 Ulrich: Wider die entgrenzte Marktwirtschaft, S. 43. 350 Ulrich: Wider die entgrenzte Marktwirtschaft, S. 43. 351 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 106. Vgl. zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 106. 352 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 106.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

249

das neoklassische Verständnis ökonomischer Rationalität durch: Rationalität werde gleichgesetzt mit Effizienz, die ethische Vernunftdimension finde in ihr keinen Platz mehr.353 Daher erscheint es umso erstaunlicher, dass die moderne Ökonomik trotzdem bis heute an ihrer traditionellen normativen und explikativen Doppelbedeutung festhält.354 Einerseits möchte sie als Realwissenschaft empirische Zusammenhänge erklären und andererseits als Idealtheorie rationalen wirtschaftlichen Handelns gleichzeitig normative Handlungsorientierung begründen. Das ist aber nur dann noch möglich, wenn in der angeblich „reinen“ Ökonomik normative Momente zurückgeblieben sind und ihre angestrebte Purifizierung von allen ethischen Aspekten folglich nicht erfolgreich zum Abschluss gebracht wurde. Ulrich sieht den Ansatz Homanns in dieser Tradition stehend. Die von ihm begründete Moralökonomik als ökonomische Theorie der Moral ließe sich entsprechend der normativ-explikativen Doppelfunktion der Ökonomik in zwei Weisen ausdeuten: als funktionale Erklärung moralischen Verhaltens und als normative Ökonomik.355 In explikativer Absicht ziele eine ökonomische Theorie der Moral auf die funktionale Analyse von Moral unter der Kosten-Nutzen-Perspektive ökonomisch rationaler Wirtschaftssubjekte.356 Dabei gehe es nicht um eine interne Begründung moralisch motivierten Handelns, sondern um die Erklärung, Prognose und sozialtechnische Nutzung seiner externen Wirkungen. Moralische Handlungsmotive seien zur Erklärung empirisch beobachtbaren Verhaltens relevant. Ob und inwieweit erklärende Motive allerdings über eine moralische Qualität verfügen, könne von der moralökonomischen Analyse nicht erkannt werden. Eine solche funktionalistische Erklärung ohne Berücksichtigung der Handlungsbegründung im moral point of view könne schlichtweg nicht ausreichen.357 Doch existiere ein anderer praktischer Zweck einer ökonomischen Analyse oder „Erklärung“ der „Funktion der Moral in der modernen Wirtschaft“.358 Dafür 353 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 106. 354 Vgl. Albert: Ökonomische Ideologie, S. 14; vgl. auch Ulrich: Transformation, S. 197ff. 355 Vgl. grundlegend zum Modell der „ökonomischen Theorie der Moral“ Karl Homann/Ingo Pies: Wirtschaftsethik in der Moderne. Zur ökonomischen Theorie der Moral. In: Ethik und Sozialwissenschaften 5 (1994), S. 3–12. Die zwei Deutungsweisen werden nicht in allen Stellungnahmen Homanns und seiner Schüler durchweg sauber getrennt. Vgl. zur mitunter nicht ganz eindeutigen Unterscheidung der Perspektiven der „Erklärung des moralischen Verhaltens“, der „Nützlichkeit der Moral für die Gesellschaft“, der „Motivation menschlichen Handelns“ und der „Moralbegründung aus Interessen“ Karl Homann: Entstehung, Befolgung und Wandel moralischer Normen. Neuere Erklärungsansätze. In: Franz Urban Pappi (Hg.): Wirtschaftsethik. Gesellschaftswissenschaftliche Perspektiven. Kiel 1989, S. 47–64. 356 Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 107f. 357 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 108 358 So Homann: Wirtschaftsethik. Die Funktion der Moral in der modernen Wirtschaft, S. 32–53. Homann beschreibt eine krisenhafte Weltsituation, in der sich große Erwartungen an die Moral und die Ethik richteten. (Vgl. ebd., S. 32.) Wirtschaftsethik sei mit der Frage befasst, welche moralischen Normen und Ideale unter den Bedingungen der modernen Wirtschaft und Gesellschaft zur

250

Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

führt er zwei Varianten erklärender Moralökonomik an: Im ersten Fall gehe es um die Analyse objektiver Funktionszusammenhänge tradierter Moralkonventionen, die hinter dem subjektiven Moralbewusstsein der Akteure wirksam sind.359 Moral werde dabei als kulturell vermittelter, funktionaler Problemlösungsmechanismus zur Bewältigung sozioökonomischer Steuerungsprobleme in der Gesellschaft betrachtet. In einer an ökonomische Kosten-Nutzen-Argumente anschlussfähigen funktionalen Weise solle das „Erfordernis einer Mindestmoral in der Wirtschaft“ erklärt werden.360 Ulrich verweist darauf, dass gemäßigte Moralökonomen dabei durchaus einen deontologischen Eigenwert der Moral gelten ließen und hervorhöben, dass „moralische Werte […] nicht ohne Rest in Ökonomie aufgehen“.361 Demgegenüber werde der deontologische Eigenwert der Moral von Vertretern positiver Moralökonomik zum Teil gänzlich bestritten.362 In merkwürdiger Verengung wird dabei eine funktionale Moralerklärung mit Wirtschaftsethik gleichgesetzt: „‚Wirtschaftsethik‘ […] dreht sich um die Frage, ob für das Überleben unseres politischen und/oder wirtschaftlichen Systems die Internalisierung bestimmter Normen durch die (Mehrheit der) Individuen notwendig ist.“363 Es wirkt befremdlich, dass hier die biologistische Kategorie des Überlebens eines politisch-ökonomischen Systems zum normativ-analytisch maßgeblichen Gesichtspunkt erklärt wird.364 Bei der zweiten Variante erklärender Moralökonomik beziehe sich die Erklärungsaufgabe nicht auf die objektive kulturelle Funktion von Moral, sondern auf die Möglichkeit der gezielten subjektiven Nutzung von Moral für außermoralische Zwecke: „Moralisches Verhalten wird selbst zu einer Strategie im Kalkül rationaler Akteure.“365 Moralische Selbstbegrenzung wird von funktionalistischer Unternehmensethik zur Steigerung der Mitarbeiterleistungsmotivation genutzt oder zur Sicherung der Akzeptanz der potenziell kritischen Öffentlichkeit; sie wirkt so gleichGeltung gebracht werden könnten. (Vgl. ebd., S. 33.) „Das Programm“ bestehe daher in der positiven Abarbeitung von Normativität: „Für dieses Programm ist jede Re-Moralisierung von Handeln in ausdifferenzierten Teilsystemen nicht nur störend, sie führt sogar zu einer Erosion der Moral.“ (Ebd., S. 33. Homann beruft sich dabei insbesondere auf Hermann Krings: Norm und Praxis. Zum Problem der Vermittlung moralischer Gebote. In: Herder Korrespondenz 45 (1991), S. 228–233, 230; sowie Garrett Hardin: The Tragedy of the Commons. The population problem has no technical solution. It requires a fundamental extension in morality. In: Science 162 (1968), S. 1243–1248, 1246. 359 Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 108. 360 Josef Wieland: Die Ethik der Wirtschaft als Problem lokaler und konstitutioneller Gerechtigkeit. In: Ders. (Hg.): Wirtschaftsethik und Theorie der Gesellschaft. Frankfurt a.M. 1993 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1053), S. 7–31, 25. 361 Wieland: Ethik der Wirtschaft, S. 17. 362 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 108. 363 Gebhard Kirchgässner: Homo oeconomicus. Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Tübingen 1991 (= Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften 74), S. 44. 364 Vgl. dazu auch Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 109. 365 Homann: Entstehung, Befolgung und Wandel, S. 50.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

251

sam als Schmiermittel zur Steigerung der ökonomischen Rationalität der Geschäftspolitik.366 Dabei erweist sich Moral als „Kostensenkungsprogramm“367 oder wie es beinahe formelhaft von Vertretern der Moralökonomik formuliert wird: Ethik senkt Transaktionskosten.368 Ulrich weist zurecht darauf hin, dass dabei mit Ethik nur ein vorgebliches, scheinbares ethisches Handeln gemeint sein könne.369 Während eine ethische Begründung eine verständigungsorientierte Grundhaltung voraussetze, werde in der moralökonomischen Analyse den Akteuren als homines oeconomici modelltheoretisch eine strikte Erfolgsorientierung unterstellt. Es handle sich bei den Modellen nicht um eine Wirtschaftsethik, sondern „bestenfalls um eine Sozialtechnik für ‚gute Zwecke‘“, kritisiert Ulrich.370 Der normative Anspruch der „normativen Ökonomik“ reiche indes weiter. 2.7.2.5

Kritik der normativen Ökonomik Homanns

Ulrich weitet seine Ökonomismuskritik auf das „moralökonomisch ansetzende Forschungsprogramm“ Karl Homanns und dessen Schüler aus, das sich schließlich „ausdrücklich als ‚Wirtschaftsethik‘“ bezeichne und für sich „unmittelbare normative Kraft“ beanspruche.371 Homanns Ansatz postuliere „die Möglichkeit der restlosen Entlastung der Individuen von unmittelbaren Moralansprüchen und deren vollständiger Substitution durch ‚funktionale Äquivalente‘ auf dem […] Weg der Gestaltung institutioneller Anreize“.372 Diese sollen, wie dargestellt wurde, im Rahmen der normativen Institutionenökonomik ganz ohne ethische Kategorien der Normenbegründung hergeleitet werden im Sinne einer „Entwicklung der Moral aus einer allgemeinen Theorie von Rationalität“.373 Ulrich bemängelt, dass ein entsprechendes „Programm der Moralbegründung aus Interessen“374 einer „Reduktion von Moralität auf ökonomische Rationalität“

366 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 109. Ulrich verweist auf die Problematik der Instrumentalisierung moralischer Empfindungen anderer Personen durch einen selbst nicht moralisch, sondern strikt strategisch orientierten Akteur. Dies stelle einen „geradezu zynische[n] Umgang mit anderen Menschen“ dar. (Ebd.) Auf solchem zweckrationalen Umgang beruhten teilweise betriebswirtschaftliche Strategien eines „symbolischen“ Kulturmanagements. Vgl. zur Kritik Peter Ulrich: „Symbolisches Management“. Ethisch-kritische Anmerkungen zur gegenwärtigen Diskussion über Unternehmenskultur. In: Charles Lattmann (Hg.): Die Unternehmenskultur. Heidelberg 1990, S. 277–302. 367 Wieland: Ethik der Wirtschaft, S. 24. 368 In diesem Sinne Homann: Ethik und Ökonomik, S. 18. 369 Vgl. hierzu wie zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 110. 370 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 111. 371 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 111. 372 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 111; unter Bezug auf Homann: Die Funktion der Moral, S. 41. 373 Karl Homann: Philosophie und Ökonomik. Bemerkungen zur Interdisziplinarität. In: Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie. Bd. 7. Tübingen 1988, S. 99–127, 120. 374 Karl Homann: Entstehung, Befolgung und Wandel, S. 48.

252

Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

gleichkäme.375 Das Modell mute den Wirtschaftssubjekten keine anderen Rationalitätsansprüche zu als die Verfolgung ihrer privaten Eigeninteressen, die in keiner Weise ethisch-kritisch auf ihre Legitimität reflektiert würden.376 Eine solche Wirtschaftsethik ohne Moral verfalle immer einem methodologischen Dilemma: Einerseits wolle sie ohne ethisch-moralische Kategorien auskommen, andererseits bleibe sie „ohne ein deontologisch-ethisches Minimum“ normativ leer, womit dem von Homann postulierten „Programm der Moralbegründung aus Interessen“ sein eigentlicher Gegenstand abhanden komme.377 Aus diesem Grunde bemühten sich die Moralökonomen darum, die methodologische Vorentscheidung für eine prinzipiell unkritische Haltung gegenüber allen individuellen Präferenzen oder Ansprüchen, die gleichbedeutend mit der systematischen Ausgrenzung der ethischen Legitimitätsfrage sei, als ethisch neutral auszugeben und funktionalistisch zu redefinieren: „Der Ökonomik geht es um das Gemeinwohl, um die Solidarität aller Menschen, um die Entwicklung der individuellen Freiheit aller in Gemeinschaft mit anderen: Über das Ziel gibt es keinen Dissens. Unter den Bedingungen der modernen Wirtschaft und Gesellschaft bedarf die Implementation dieses Ziels jedoch besonderer Vorkehrungen …“378 Ulrich vermisst eine Aufschlüsselung von Stichworten wie Gemeinwohl oder Solidarität.379 Nirgends werde entfaltet, was sie in Bezug auf wirtschaftliches Handeln bedeuteten und auf welchem explizit begründeten deontologischen Mininum ihre normative Verbindlichkeit beruhe. Die Theorie verstehe sich als ein sich selbst genügendes Begründungskonzept.380 Die Frage nach den grundlegenden normativen Orientierungen der Theorie bleibe unbeantwortet. So stecke deren normativer Gehalt nirgendwo anders als in der Logik des idealen marktwirtschaftlichen Systems, wie auch Homann einräumt: „Markt und Wettbewerb erhalten die moralische Qualität ausschließlich deswegen zugesprochen, weil sie ‚effizient‘ sind.“381

375 376 377 378

Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 111. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 111f. Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 112. Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 96. Ulrich verweist auf die „merkwürdige Inkonsistenz zu ihrer ansonsten moralskeptischen, nonkognivistischen Position“ mit der sie sogar „im allgemeinen vom Grundprinzip aller Moral“ ausgingen, „das man heute als Solidarität aller Menschen formulieren kann“. (Ebd., S. 15; vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 112.) Vgl. zur Kritik ebf. Hans-Balz Peter: Auf der Suche nach Kriterien für die Wirtschaftsethik. In: Volker Arnold u.a. (Hg.): Gesellschaftsethische Perspektiven. Bd. 3: Unternehmensethik, Verteilungsprobleme, methodische Ansätze. Berlin 1996 (= Schriften des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, N.F. 228,3), S. 13–60, 22ff. 379 Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 112f. 380 Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 113; vgl. dazu auch Kerstings Vermutung Wolfgang Kersting: Moralphilosophie, angewandte Ethik und Ökonomismus. Bemerkungen zur wirtschaftsethischen Topologie. In: Zeitschrift für Politik 43 (1996), S. 183–194, 194. 381 Homann: Wettbewerb und Moral, S. 41.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

253

Dass sich für die Ökonomik das Normative immer schon im Funktionalen finde, ist einer der Hauptkritikpunkte Ulrichs an Homanns Theorie. Nur den Normen und Idealen, die ökonomisch zur Geltung gebracht werden können, wird auch ein normativer Geltungsanspruch zuerkannt.382 Fassen wir mit Ulrich die Kritik am Ökonomikmodell Homanns zusammen: Die normative Ökonomik kann sich als Ethik ohne Moral verstehen, soweit für sie die reine Ökonomik, basierend auf der Grundnorm eines strikten normativen Individualismus, selbst schon als normative Idealtheorie gilt.383 Indem die normative Ökonomik den faktisch gegebenen Präferenzen der Individuen selbst den Status der letzten, nicht weiter hinterfragbaren normativen Verbindlichkeit zuspricht, modelliert sie das Modell einer Gesellschaft, in der die Lösung aller Probleme der sozialen Handlungskoordination vollkommen der normativen Sachlogik des Marktes überantwortet wird. Die Moralität der Personen ist daher nicht mehr erforderlich, es genügt, wenn sie ihre ökonomische Rationalität in Form des strikt erfolgsorientierten, eigennutzenmaximierenden Handelns voll zur Geltung bringen. Das Marktprinzip selbst fungiert dabei als Gewährsinstanz für das ethisch-normativ richtige Handeln.384 Demgegenüber vertritt Ulrich ein grundlegend verschiedenes Modell der Ökonomik. Zwar reklamiert er den Begriff „Ökonomik“ nur selten für seine eigene Position, nach der die „Ökonomik […] im Kern selbst immer schon eine normative Idealtheorie vernünftigen Wirtschaftens“ sei.385 Dennoch entwickelt Ulrich ein erneuertes und normatives Verständnis der Ökonomie und des Wirtschaftens, also des Gegenstands seiner Idealtheorie Ökonomik.386 Dabei ist Wirtschaft bei ihm gerade kein moralfreier Raum, in dem die Akteure nur durch die Rahmenordnung beschränkt sind und ansonsten rein strategisch und eigeninteressiert handeln können. Wie oben dargestellt fordert er entsprechend der normativen Leitideen seines Ansatzes von den Akteuren stets das Einnehmen einer „verständigungsorientierte[n] Grundhaltung“.387 Diese ist die „normative Bedingung der Legitimation der Interessen“, die „sie in gerechtfertigter Weise verfolgen dürfen“. 388 Auf der Ebene der Individuen existiert durchaus ein legitimiertes Verfolgen von Eigenin-

382 Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 114. Dem entspricht die Definition Homann/Blome-Drees’, wonach Wirtschaftsethik befasst sei „mit der Frage, welche moralischen Normen und Ideale unter den Bedingungen der modernen Wirtschaft und Gesellschaft […] zur Geltung gebracht werden können“. (Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 14; sinnentsprechend Homann/Pies: Wirtschaftsethik in der Moderne, S. 4.) 383 Vgl. dazu sowie zum Folgenden Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 115. 384 Ulrichs Vorwurf lautet: „Das ‚Marktprinzip‘ wird zum obersten gesellschaftlichen Organisationsprinzip schlechthin verklärt – es geht nicht mehr um eine ethisch-politisch eingebundene Marktwirtschaft, sondern um die totale Marktgesellschaft.“ (Ulrich: Der entzauberte Markt 2002, S. 59.) 385 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 116. 386 Vgl. Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 867. 387 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 104. 388 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 104.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

teressen, dem auf der Ebene der Wirtschaftsordnung ebenso ein Raum für eine legitimierte, also bewusst gesetzte und begrenzte Marktsteuerung entspricht, die eine Lenkungs- und Anreizfunktion übernimmt.389 Arbeitsteiliges Wirtschaften stellt für Ulrich „eine gesellschaftliche Veranstaltung zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse der Lebenserhaltung und der Lebensqualität“ dar.390 Der vernünftige Vollzug der Wirtschaft sei – wie anfangs des Kapitels vorweggenommen – vornehmlich am Kriterium der Lebensdienlichkeit zu messen.391 Ulrich spricht sich dabei nicht grundsätzlich gegen einen effizienten Umgang mit knappen Ressourcen und Gütern aus, sondern will klären, „wofür und für wen eine lebensdienliche (Markt-)Wirtschaft effizient funktionieren soll: Der Markt kann von sich aus nicht ‚wissen‘, wofür er ‚effizient‘ sein soll“.392 Jeder denkbare Begriff eines guten, vernünftigen oder effizienten Wirtschaftens ist für ihn also per se mit bestimmten normativen Hintergrundannahmen verknüpft: „Wirtschaften heißt Werte schaffen – aber was für Werte sollen für wen konkret geschaffen werden?“393 Das gute Leben im Ganzen übersteige wesensgemäß alle materiellen Bewertungsmöglichkeiten – entgegen dem ökonomistischen Moment der Standardökonomik ließe es sich nicht auf bloße Tauschwerte verengen.394 „Im Reich der Zwecke hat alles entweder einen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes, als Äquivalent, gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde“, bringt Immanuel Kant diese Sichtweise auf den Punkt.395 Ulrich vertritt eine „instrumentelle Sicht der Wirtschaft“: Sie ist nur „Mittel im Dienst höherer, buchstäblich vitaler Zwecke“.396 Wirtschaften vollzieht sich im Rahmen bestimmter Institutionen, besonders der Wirtschafts- und Unternehmensordnung. 397 In ihnen sollen die Beteiligungsrechte der Betroffenen zwar so umfassend wie möglich berücksichtigt werden, da die Diskurse aber aus pragmatischen Erwägungen durch Verfahrensregeln bestimmt sind, müssen diese die Diskurse begrenzen. Die Ökonomie, der Prozess des Wirtschaftens, wird von Ulrich immer schon normativ bestimmt. Dabei unterscheidet er zwei Stufen, die eine Interpretation des Kriteriums der Lebensdienlichkeit darstellen: Die Ökonomie des Lebensnotwendigen, die die Bereitstellung und Sicherung elementarer Versorgungsgüter zum In-

389 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 334. 390 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 11. 391 Ebd.; mit Bezug auf Rich: Wirtschaftsethik, S.23. 392 Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 42. 393 Peter Ulrich: Was ist „gute“ sozioökonomische Entwicklung? Eine wirtschaftsethische Perspektive. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 5 (2004), Nr. 1, S. 8–22, 9. 394 Ulrich: Entwicklung, S. 10. 395 Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 68. 396 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 208. 397 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 867.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

255

halt hat, und die Ökonomie der Lebensfülle, in der die Bedürfnisse nicht nur hingenommen werden, sondern eine kritische Reflexion erfahren.398 2.7.2.6

Abgrenzung des wirtschaftsethischen Modells Peter Ulrichs

Ulrich vertritt eine integrative Wirtschaftsethik, die er als Vernunftethik des Wirtschaftens versteht.399 Er beansprucht, den von ihm explizierten ethischen Vernunftanspruch mit dem ökonomischen Rationalitätsanspruch zusammenzudenken.400 Wie dargestellt grenzt er sein Modell gegen zwei Alternativen ab: Zum einen gegen Konzepte angewandter Ethik wie jene Koslowskis oder Steinmann/Löhrs, bei denen die Ethik von außen an eine als moralfrei gedachte ökonomische Rationalität herangetragen wird.401 Er argumentiert, dass die Ethik hier einem Reflexionsstopp vor dem „Marktprinzip“ erliege und scheinbare Grundbedingungen der Wirtschaft und der „ökonomischen Rationalität“ akzeptiere, ohne sie zum Gegenstand ihrer Reflexion zu machen.402 Zum anderen grenzt Ulrich sein Konzept gegenüber einer normativen Ökonomik ab, in der die Moral ausschließlich mit ökonomischen Methoden erklärt werde. Einen solchen Ansatz sieht er besonders bei Homann und seinen Mitstreitern verwirklicht. Zwar reflektierten sie Moral und handlungsbeschränkende Institutionen, doch verträten sie dabei einen normativen Individualismus und begründeten keinen normativen Standpunkt mehr.403 2.7.2.7

Die Integration von Ethik und Ökonomik und ihre Zuordnung

Die Integration von Ethik und Ökonomik entfaltet Ulrich in drei Schritten.404 Den Sachgrund für die Integrierbarkeit erkennt er darin, dass die ökonomische Ratio-

398 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 209ff. 399 Peter Ulrich: Integrative Wirtschafts- und Unternehmensethik – ein Rahmenkonzept. In: Forum für Philosophie Bad Homburg (Hg.): Markt und Moral. Die Diskussion um die Unternehmensethik. Bern u.a. 1994, S. 75–107, 75ff.; Peter Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik als kritische Institutionenethik. Wider die normative Überhöhung der Sachzwänge des Wirtschaftssystems. St. Gallen 1994 (= Beiträge und Berichte des Instituts für Wirtschaftsethik an der Hochschule St. Gallen 62), 11ff.; Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, 95ff. 400 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 868. 401 Vgl. Koslowski: Grundlinien, 351; Peter Koslowski: Die postmoderne Kultur. Gesellschaftlich-kulturelle Konsequenzen der technischen Entwicklung. Perspektiven und Orientierungen. München 1987, S. 7–13, bes. 7, 11; vgl. zur weiteren Kritik an Koslowski Peter Ulrich: Wirtschaftsethik als Kritik der „reinen“ ökonomischen Vernunft. In: Christian Matthiessen (Hg.): Ökonomie und Ethik. Moral des Marktes oder Kritik der reinen ökonomischen Vernunft. Freiburg i.Br. 1990, S. 111–138, S. 119f. 402 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 102–105, hier 105. 403 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 106–116. 404 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 868.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

nalität selbst schon über einen normativen Gehalt verfüge.405 Zur Aufdeckung dieses Gehalts müssen ökonomischer Ansatz und ökonomische Theoriegeschichte einer Grundlagenkritik („Ökonomismuskritik“) unterzogen werden, was er konsequent vom moral point of view einer Vernunftethik des Wirtschaftens aus vollzieht.406 Mit dieser Aufgabe mischt sich die Wirtschaftsethik in das paradigmatische Selbstverständnis der heutigen Mainstream Economics ein und unternimmt den Versuch, es zu verändern.407 Als zweiten Schritt entfaltet er eine sozialökonomische Rationalitätsidee als erweiterte ökonomische Rationalitätsidee einer ökonomischen Vernunft, in der die für die Ökonomie notwendige Frage der Effizienz mit der Legitimität verbunden ist. Die Effizienzfrage nach dem rationalen Umgang mit der Knappheit von Ressourcen und Gütern wird ergänzt zur Frage: „Effizient für wen konkret?“, die unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit beantwortet werden muss.408 Auf diese Weise wird Ulrich seinem diskursethischen Anliegen gerecht, dass auch in wirtschaftlichen Handlungssituationen eine „argumentative Verständigung über die legitimen Ansprüche“ zu erfolgen hat. Demnach lautet die sozialökonomische Rationalitätsidee: „Als sozialökonomisch rational kann jede Handlung oder jede Institution gelten, die freie und mündige Bürger in der vernunftgeleiteten Verständigung unter allen Betroffenen als legitime Form der Wertschöpfung bestimmt haben (könnten).“409 Im Unterschied zum neoklassisch-ökonomischen Rationalitätsprinzip handelt es sich dabei um kein rein analytisch anwendbares Entscheidungskriterium, sondern um die grundlegende regulative Idee des wirtschaftsethischen Diskurses, den „moral point of view einer Vernunftethik des Wirtschaftens“.410 In einem letzten Schritt erörtert Ulrich mögliche Orte der Moral des Wirtschaftens in der Gesellschaft und zieht die institutionentheoretischen Konsequenzen, die sein Ansatz als Verfahrensethik notwendig macht.411 Sein Ziel ist die Verwirklichung möglichst offener Verständigungsmöglichkeiten und weit reichender Mitentscheidungsrechte. Dabei unterscheidet er drei Ebenen, auf denen die Orte der Moral auszumachen sind: Die Ebene der Wirtschaftsbürger, die als politische, 405 Ulrich: Integrative Wirtschaftstethik, S. 114f. 406 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 123. Als erste Aufgabe seines wirtschaftsethischen Programms begreift er es, „den Schein der Wertfreiheit oder ethischen Neutralität der ökonomischen Sachlogik im Sinne der reinen Ökonomik zu durchschauen, indem ihr ethisch-kritisch auf den normativen Grund geleuchtet wird“. (Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 117.) Die „neoliberale Sachzwang- und Gemeinwohl-Rhetorik“ behaupte eine „Wertfreiheit“, die die Sinn- und Legitimitätsfragen des Wirtschaftens ignoriere. Auch das Sachzwangargument müsse hinterfragt werden, da der Zwang zur Ausblendung anderer normativer Gesichtspunkte häufig erst aufgrund der Zielsetzung der Gewinnmaximierung entstehe. (Vgl. Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 41.) 407 Vgl. dazu wie zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 868. 408 Ulrich: Integrative Wirtschaftstethik, S. 123. 409 Ulrich: Integrative Wirtschaftstethik, S. 123. 410 Ulrich: Integrative Wirtschaftstethik, S. 123. 411 Vgl. dazu wie zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 869.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

257

wirtschaftliche und private Akteure moralisch orientiert handeln sollen. Dazu die Ebene der Rahmenordnung, die auf nationaler und internationaler Ebene den „Primat der Politik vor der Logik des Marktes“ durchsetzen soll. 412 Damit wird, wie erwähnt, eine begrenzte und kontrollierte Lenkungs- und Anreizfunktion der Marktsteuerung nicht ausgeschlossen, doch muss diese im Hinblick auf übergeordnete ethisch-politische Gesichtspunkte zweckdienlich und verantwortbar sein.413 Dritter Ort der Moral des Wirtschaftens in der Gesellschaft ist die Unternehmensordnung, nach der das Gewinnprinzip nicht fallweise, sondern prinzipiell der Forderung nach öffentlich verantworteter Legitimität der Unternehmenstätigkeit unterliegt. Entsprechend diesem Dreischritt lässt sich die Zuordnung von Ethik und Ökonomik bei Ulrich zusammenfassen: Zuerst bedeutet die Zuordnung für ihn die Veränderung und Fortentwicklung der Ökonomik und das Vereinbarmachen ihres Paradigmas mit den Grundannahmen der Diskursethik. Konkret bedeutet dies die Aufgabe des Modells des homo oeconomicus und die Überwindung des damit verbundenen Menschenbildes: „Die reine Ökonomik ist nichts anderes als die Explikation eines Menschenbilds – des ‚berechnenden‘ Eigennutzmaximierers von Hobbes, dessen Bedürfnisnatur seine Vernunft restlos instrumentalisiert und zur ‚rein‘ ökonomischen Rationalität schrumpfen lässt.“414 Die Zuordnung von Ethik und Ökonomik, die er in der Verhältnisbestimmung von Effizienz und Legitimität vornimmt, bedeutet für ihn zweitens einen „Primat der Ethik“ über die Ökonomik – allerdings nur im reduzierten Sinn, wenn unter Ökonomik die Kooperation von lediglich eigennutz- und effizienzorientierten Akteuren verstanden wird.415 Die Zuordnung von Ethik und Ökonomik, realisiert über ein vielschichtiges und von der Diskursethik maßgeblich beeinflusstes Konzept von Orten der Moral des Wirtschaftens, zeigt, dass deren Integration bei Ulrich letzten Endes über eine politische Ethik gedacht wird. Er strebt einen Primat der Politik an, um die Kommunikationsrechte der Bürger zu sichern.416

412 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 334; vgl. dazu sehr ähnlich ebf. Ulrich: Entwicklung, S. 10. 413 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 334. 414 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 187–191, hier 191; vgl. auch Ulrich: Transformation, S. 249f. Damit wendet sich Ulrich – zum wiederholten Male – grundsätzlich gegen die von Homann und dessen Mitarbeitern vertretene Position. Dieser postuliert, dass sich das Modell des stets den eigenen Nutzen maximierenden, rational handelnden homo oeconomicus als „problemorientiertes Konstrukt zu Zwecken positiver Theoriebildung“ sich insofern praktisch anwenden ließe, dass Akteure in Dilemmasituationen zu vorteilsorientiertem Handeln angeregt würden, weshalb das dem Modell inhärente Menschenbild nicht von einer ethischen Position aus kritisiert werden könne. (Homann: Sinn und Grenze, S. 18.) 415 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 121. 416 Vgl. Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 869.

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2.7.2.8

Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Kritik des Modells der integrativen Wirtschaftsethik

Ulrich nimmt mit der Annahme der Moralität des Menschen eine bewusste Wesensbestimmung der conditio humana vor. Auf diese Setzung kann er in seinem Ansatz von Wirtschaftsethik nicht verzichten, da sie der theoretischen Absicherung der für die Diskursethik benötigten Voraussetzung der Ansprechbarkeit dient.417 Zwar will sich Ulrich von einer ökonomischen Verkürzung der Wirtschaftsethik abgrenzen, doch bezieht er sich in der Begründung der Moralität auf den Interessenbegriff, nach dem sich durch die Sozialisation unter den Mitgliedern einer Gemeinschaft ein Interesse ausbildet, an der Gemeinschaft und ihren Regeln zu partizipieren.418 Es erscheint daher legitim, die Frage aufzuwerfen, ob Ulrichs Begründung des Moralprinzips keinen Zirkelschluss darstellt, da doch das Moralprinzip in der Annahme moralischer Gemeinschaften und des guten Willens seiner Mitglieder schon vorausgesetzt wird.419 Und auch die diskursethische Interpretation der Gemeinschaft als rationale Argumentationsgemeinschaft kann man kritisieren: Dass jemand argumentiert, bedeutet noch nicht, dass er die Rechte des Anderen auch tatsächlich in aller Konsequenz anerkennt.420 Hinsichtlich der praktischen Probleme der Ökonomie offenbart Ulrich eine auffallend optimistische Sichtweise. Bezüglich des Knappheitsproblems stellt er fest, dass „mit der fast grenzenlosen Produktivität der heute verfügbaren Produktionsmittel die frühere Knappheit der ‚Lebensmittel‘ im Prinzip für alle Menschen überwunden werden“ könne.421 So hat er keinen Zweifel daran, dass in der modernen Marktwirtschaft „mit Keynes die Wirtschaft zur Nebensache“ zu machen wäre.422 Womöglich beschäftigt sich Ulrich auch deshalb nicht umfassender mit Fragen der praktischen Systemorganisation von Wirtschaft und nimmt keine Problematisierung der Folgen seiner normativen Vorgaben vor. Dies und sein Optimismus führen zu einer Harmoniekonzeption des Verhältnisses von Effizienz und Gerechtigkeit. Wie auch der Ansatz Steinmanns ist das Konzept Ulrichs explizit normativ und macht sich für eine Begrenzung der Profitorientierung stark. Beide empfehlen den Eintritt in einen Dialog mit den Personen, die in die Prozesse innerhalb eines Unternehmens eingebunden sind. Ulrich weitet das Argument auf die Stakeholder des Unternehmens aus. Diese begründeten ihre Einstellungen eher auf Basis normativer Argumente denn auf empirischen Daten.423 Aus diesem Grunde erörterten sie die empirischen Folgen ihrer Vorschläge nicht, so beispielsweise die Konsequenzen aus einem offenen Dialog und Mitbestimmungsmöglichkeiten auf die Er417 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 869f. 418 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 26. 419 So Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 869. 420 Vgl. ebd., S. 870. 421 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 221. 422 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 224; vgl. zudem Ulrich: Transformation, S. 454. 423 Vgl. dazu und zum Folgenden Küpper: Business Ethics, S. 256f.

Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik

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gebnisse und Dauer der Entscheidungsprozesse in einem Unternehmen wie auch auf dessen Profit. Küppers bemängelt, dass Ulrich die Hypothese praktischer Zwänge in einem Unternehmen hinterfrage, aber nicht die empirischen Zwänge analysiere, die aus der Knappheit der Ressourcen oder den Herausforderungen globaler Märkte resultieren.424 Auch in dieser Hinsicht scheint Ulrichs diskursethisches Konzept sehr oder möglicherweise sogar zu optimistisch. Es ignoriert mitunter die realen Verhältnisse, unter denen es oft sehr schwierig und bisweilen sogar unmöglich ist, einen Konsens zu erzielen, da die Grundwerte und Einstellungen der verschiedenen Diskurspartner so stark differieren, dass ein anderer Weg zur Konfliktlösung gefunden werden muss. Ein Hauptproblem des Ansatzes kann mit Gerlach in der mangelnden Reichweite der diskursethisch explizierten Wirtschaftsethik zur Klärung wirtschaftsethischer Fragen gesehen werden: Ulrich betont immer wieder, dass sich praktische Diskurse nicht theoretisch vorwegnehmen und sich aus der Diskursethik keine konkreten Normen ableiten ließen.425 Der Schwerpunkt der Diskursethik liegt in der Begründung des moral point of view, in den aus ihm abgeleiteten normativen Leitideen sowie in ersten Vorschlägen für Verfahrensfragen. Doch bleibt die Frage offen, worauf sich die Argumentationsteilnehmer in einem Diskurs inhaltlich berufen sollen und wie sich die Legitimität der eigenen Interessen prüfen lässt. Zwar betont die Diskursethik die Notwendigkeit eines solidarischen Interessenausgleichs, allerdings mangelt es ihr an einem Konzept, wie inhaltlich begründete Normen in den Diskurs eingebracht werden können, die notwendig wären, damit Konflikte nicht als reine Sachdiskussionen geführt werden. Gerlach diagnostiziert die Ursache für das materiale Defizit der von Ulrich entfalteten Diskursethik in der Differenzierung zwischen subjektivem, unbegründbarem Ethos und rationaler und somit begründbarer Moral, deren Zusammenhang nicht ausreichend berücksichtigt werde.426 Das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik in Ulrichs integrativer Wirtschaftsethik lässt sich als Assimilationsmodell beschreiben: Dabei wird die Ökonomik nicht mit der, sondern in die Ethik integriert.427 Breitere Rezeption fand der verfahrensethische Ansatz Ulrichs in der Unternehmensethik, so beispielsweise bei Hartmut Kreikebaum.428 Trotz einiger Leerstellen in der Theorie Ulrichs, insbesondere was die praktische Anwendung seiner diskursethischen Grundsätze anbelangt, erweist sich der 424 Vgl. Küpper: Business Ethics, S. 257. 425 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 870f. 426 Vgl. Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 870. 427 Vgl. hierzu wie zum Folgenden Gerlach: Zuordnungsverhältnis, S. 871. 428 Vgl. Kreikebaum: Unternehmensethik, S. 213ff., 237ff. Kreikebaum expliziert die christliche Tradition als Hintergrund für die normativen Basisentscheidungen. Er nimmt maßgeblich Ulrichs Verfahrensethik auf, arbeitet jedoch die Notwendigkeit einer materialen Ethik heraus. Materialethische Fragen müssen besonders im Normenfindungsprozess innerhalb des Entscheidungsprozesses geklärt werden, bei dem die einzelnen Akteure ihre materialen Wertvorstellungen einbringen.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Ansatz als tauglich – und zwar in seinem eigentlichen Wortsinn: Ulrich möchte die „Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie“ darstellen.429 Dass diese weniger auf ihre Tauglichkeit in der alltäglichen Praxis geprüft werden, darf man dem Ansatz nicht vorwerfen, da er nie den Anspruch einer Handlungsanleitung erhebt. Eine ganz entscheidende Leistung des Konzeptes darf nicht übersehen werden: Ulrich weist mit seiner integrativen Wirtschaftsethik nicht zuletzt hinaus aus einer sich immer schneller drehenden Spirale stetig fortschreitender Rationalisierung, die den Menschen und den eigentlichen Zweck des Wirtschaftens, die Lebensdienlichkeit430, mehr und mehr aus dem Blick zu verlieren droht. Um schließlich dem eigentlichen (auch normativen!) Anspruch der Diskurs-ethik auf Umsetzung als Prozess- oder Verfahrensethik gerecht zu werden, müsste im konkreten Einzelfall ein taugliches Konzept zu ihrer Anwendung entwickelt werden. Dies soll ansatzweise am Ende der vorliegenden Arbeit in Bezug auf die kommunikative Vermittlung unternehmensethischer Maßnahmen im Sinne des von Ulrich explizierten „praktischen Diskurses“ versucht werden.

2.8 Wirtschaftsethik als Brückendisziplin Ökonomik lässt sich nicht ohne Ethik denken. So wie sich ihre wissenschaftlichen Reflexionsformen nicht voneinander trennen lassen, sind auch Ökonomie und Moral untrennbare Komplemente. Wirtschaften ist kein moralfreier Raum. Eine rein rechtliche Steuerung richtigen Verhaltens der wirtschaftlichen Akteure ist nicht ausreichend.431 Und unternehmerisches Profitstreben stellt zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes und legitimierendes Formalziel des Wirtschaftens dar. Wirtschaften ist kein Selbstzweck und bleibt in den Kontext der ethischen Grundfragen gestellt432, die damit die Unternehmen als Akteure betreffen. Es zeigt sich, dass eine auf rein ökonomischer Rationalität gründende Theorie gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen zu kurz greift433: „Ein zeitgemäßes Verständnis 429 So der Untertitel seines 2008 in vierter Auflage erschienenen Standardwerks Integrative Wirtschaftsethik. 430 Die Forderung der Lebensdienlichkeit findet sich in zahlreichen neueren Stellungnahmen, so auch im Schlussfazit bei Petersen, der hier stellvertretend angeführt sei: „Was ein Unternehmen produziert und für was es öffentlich einsteht, muss im letzten ein Beitrag zum guten Leben der Gesellschaft sein, in der es steht.“ (Thomas Petersen: Zur gesellschaftlichen Verantwortung eines korporativen Bürgers. Begriffe, Zusammenhänge und offene Fragen. In: Matthias Schmidt/Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship. München u.a. 2007 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 17), S. 37–50, 49.) 431 Vgl. hierzu und zum Folgenden Aßländer: Philosophia, S. 329. 432 Vgl. Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 41; vgl. dazu weiterhin Hans-Ulrich Küpper/Arnold Picot: Ethische Aspekte wirtschaftlichen Handelns im Rahmen von Unternehmungen. Gegenstand der Unternehmensethik. In: Wilhelm Korff u.a. (Hg.): Handbuch der Wirtschaftsethik. Bd. 3: Ethik wirtschaftlichen Handelns. Gütersloh 1999, S. 132–148, S. 133f. 433 Vgl. Schwartz: Ökonomisierung, S. 97.

Wirtschaftsethik als Brückendisziplin

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unternehmerischer Verantwortung muss weit über Gewinnsteigerung hinaus gehen, wenngleich die Gewinnerzielung ohne Frage eine grundlegende Notwendigkeit bleibt.“434 Gerade auch in Anbetracht einer wachsenden „Überformung lebensweltlicher Kategorien durch die Ökonomie“435, eines regelrechten „Trend[s] zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche“436 gehört es daher zu den wesentlichen Aufgaben einer Wirtschaftsethik, als Brückendisziplin zwischen der instrumentellen Rationalität der Ökonomie und den moralischen Anforderungen der Gesellschaft an die Ökonomie zu vermitteln und die unterschiedlichen Geltungsansprüche beider Handlungssphären in Einklang zu bringen.437 Die von Erfolg und Konkurrenz bestimmten Imperative wirtschaftlichen Handelns stehen in Wechselwirkung mit den Imperativen gesellschaftlichen Gemeinwohls und humaner Lebensverhältnisse.438 Die Wirtschaftsethik umfasst die Summe der Aufgaben und Ziele wirtschaftlichen Handelns sowie der Ordnungen und Regeln, kraft derer die Ökonomie mit den Aufgaben und Zielen einer menschenwürdigen politischen Kultur verkoppelt ist. Die Ethik hat es mit Konsens zu tun, ihr konkreter Stoff aber sind Konflikte, die aus der Neuartigkeit und Komplexität der Weltsituation aus der Perspektive der Wirtschaft resultieren. Anliegen einer Wirtschaftsethik muss es sein, die Diskrepanzen zwischen den beiden Wissenschaften, denen sie ihren Namen verdankt, zu überbrücken. Nur als Brückenwissenschaft hat sie die Chance, echtes Orientierungswissen zur Verfügung zu stellen und in den Dialog zwischen Ökonomik und Ethik einzubringen.439 Gegen eine praktische Verwertbarkeit wirtschaftsethischer Erkenntnisse ist nichts vorzubringen, die Wirtschaftsethik darf aber im Vollzug ihrer praktischen Anwendung nicht ihre originär ethische Orientierung aufgeben. Wenn sie zwischen Ökonomik und Ethik sowie zwischen Wissenschaft und Praxis erfolgreich vermitteln will und zudem ihre Eigenständigkeit als akademische Disziplin gegenüber der 434 Thomas Beschorner/Matthias Schmidt: Unternehmerische Verantwortung in Zeiten kulturellen Wandels – zur Einführung. In: Diesn. (Hg.): Unternehmerische Verantwortung in Zeiten kulturellen Wandels. München u.a. 2006 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 15), S. 5–13, 5. 435 Vgl. Aßländer: Philosophia, S. 324–327, hier 325. Nach Aßländer habe sich die Ökonomie in der Gegenwart zur neuen Leitwissenschaft entwickelt, zu deren zentralen Dogmen die mediale Steuerung auch lebensweltlicher Prozesse, die konsequente Ausrichtung des eigenen Ichs an den marktlichen Anforderungen und das ökonomische Kalkulieren aller individuellen Wahlhandlungen geworden seien. Seine These wird durch Alltagserfahrungen gestützt: Auch hier ist die Dominanz ökonomischer Forderungen mittlerweile prägend für unsere Sichtweise alltäglicher Zusammenhänge – man denke nur an die fortwährenden Effizienz- und Rationalitätsforderungen beispielsweise im Bildungs-, oder Gesundheitsweisen. 436 Schwartz: Ökonomisierung, S. 100. 437 Vgl. hierzu wie auch zum Nachfolgenden Aßländer: Philosophia, S. 329. 438 Vgl. hierzu und zum Folgenden Korff u.a.: Einführung in das Handbuch der Wirtschaftsethik. In: Handbuch der Wirtschaftsethik 1, S. 21. 439 Vgl. dazu und zum Folgenden Aßländer: Philosophia, S. 335f.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Dominanz der klassischen Wirtschaftswissenschaften behaupten möchte, muss es ihr gelingen, ihre eigenen normativen Geltungsansprüche zu begründen und eigenständige Ziele und Visionen zu entwickeln.440 Diese Essenz kann aus der eingehenderen Betrachtung des Zuordnungsverhältnisses von Ethik und Ökonomik und der theoretischen Grundlagendiskussion zur Disziplin gewonnen werden. In Zukunft sollte sich die Wirtschaftsethik auch um die weitere Reflexion des Verhältnisses von Ethik und Ökonomik als ein produktives und für beide Seiten fruchtbares Miteinander bemühen. Ebenfalls als fruchtbar dürfte sich erweisen, bei der Betrachtung praktischer und konkreter wirtschaftlicher Problemstellungen die ihnen inhärente Ethik nicht aus dem Blick zu verlieren, sondern diese vielmehr produktiv und gewinnbringend nutzbar zu machen. Dabei geht es nicht bloß um einen Erkenntnisgewinn, sondern auch um sehr handfeste ökonomische Vorteile. Gerade in der Orientierungsleistung, die eine solche Disziplin erbringen kann, ist ihr herausragender Nutzwert und ihr Alleinstellungsmerkmal für die Gesellschaft wie für die Wirtschaft zu sehen. Welche Rolle Wirtschaftsethik für das konkrete Handeln eines Unternehmens spielt, inwieweit dadurch das Bewusstsein und die Einstellungen der Menschen innerhalb, aber auch außerhalb des Unternehmens verändert werden, das soll Inhalt der weiteren Teile dieser Arbeit sein.

2.9 Bedarf einer Wirtschafts- und Unternehmensethik Wirtschaft stellt die „Gesamtheit aller Tätigkeiten“ dar, die den „materiellen Lebensunterhalt der Menschen sichern sollen“.441 Sie ist deshalb unbedingt notwendig, weil der Mensch von Natur aus ein Mängelwesen ist und seine Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wohnung und Kleidung sowie weitere nachgeordnete Bedürfnisse ständig neu befriedigt werden müssen. Die Befriedigung dieser materiellen Bedürfnisse ist also oberstes Ziel der Wirtschaft, wobei die dafür benötigten Güter relativ knapp sind.442 Die These von der völligen Eigengesetzlichkeit der 440 Vgl. zu diesen Forderungen bes. auch Aßländer: Philosophia, S. 336. 441 Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 5; vgl. dort ebf. zum Folgenden S. 4ff. Vgl. zudem Körtner: Evangelische Sozialethik, S. 284f. Mit Arthur Rich lassen sich zwei Ebenen wirtschaftsethischer Urteilsbildung unterscheiden. (Vgl. Rich: Wirtschaftsethik I; sowie ders.: Wirtschaftsethik II.) Die eine Ebene fragt nach der Produktion von Gütern, die Andere nach der Verteilung des Produzierten. (Vgl. Rich: Wirtschaftsethik II, S. 28, 132.) Als zentraler ethischer Begriff erscheint dabei auf beiden Seiten die Gerechtigkeit, wobei er den Begriff der gesellschaftlichen Gerechtigkeit zu den Kriterien des Menschengerechten, welches dasjenige des Umweltgerechten notwendigerweise einschließt (Vgl. ebd., S. 20.) und des Sachgemäßen in Beziehung setzt. (Vgl. Rich: Wirtschaftsethik I, S. 172ff.) 442 Je höher der Grad an Vergesellschaftung des Menschen ist, desto wichtiger wird das Wirtschaften als Form des gemeinschaftlichen Handelns. In komplexen Gesellschaften erfolgt die materielle Bedürfnisbefriedigung nicht nach dem Prinzip der Selbstversorgung, sondern durch gemeinschaftli-

Bedarf einer Wirtschafts- und Unternehmensethik

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Ökonomie ist unhaltbar, allerdings erscheint die Forderung, dass sich wirtschaftliche Entscheidungen unmittelbar an ethischen Normen zu orientieren haben, ebenfalls fragwürdig.443 Aufgabe einer Wirtschaftsethik ist daher die Verknüpfung einer deskriptiven Problemanalyse mit einer normativen Wertung im Sinne einer „Verbindung von Sachgerechtem mit Menschengerechtem“.444 Zwei Haupttendenzen prägen die Entwicklung der Wirtschaft in der modernen Gesellschaft: Zum Einen lässt sich ihre fortschreitende Expansion über lokale und nationalstaatliche Grenzen hinaus beobachten.445 Dabei erlangen wirtschaftliches Handeln und mit ihm die zunehmend arbeitsteilige Produktion sowie Waren- und Geldströme eine transnationale und immer häufiger sogar globale Dimension, womit auch eine relative Emanzipation der Wirtschaft von der Politik einhergeht. So bedingt die Tendenz zur Globalisierung eine Verschiebung ordnungspolitischer Aufgaben auf die supranationale Ebene, wo jedoch noch keine hinreichende Institutionalisierung auf der politischen Ebene existiert.446 „Das grundlegende Defizit der heutigen globalisierten Gesellschaften besteht nicht darin, dass der Einfluss der Unternehmungen (Corporations) zu groß ist; es ist vielmehr darin zu sehen, dass unsere Fähigkeit zur Steuerung oder Regierung (Governance) zu begrenzt ist. Wir sehen uns hier mit Lücken und Misserfolgen größten Ausmaßes konfrontiert“, beschreibt John Ruggie, seit 2005 UN-Sonderbeauftragter für Menschenrechts-, Wirtschafts- und Unternehmensfragen, die Schwierigkeiten, die aus dem Umstand erwachsen, dass sich Unternehmen als global player der rechtsstaatlichen Einbindung einzelner Staaten entziehen können.447 che Produktion und Gütertausch, wobei nicht nur Waren für den unmittelbaren Verbrauch getauscht werden, sondern auch Güter für nachfolgende Tauschgeschäfte. So wurde der Weg zur Erwerbs- und zur Geldwirtschaft eingeschlagen. Die Güterknappheit steigt, je mehr Selbständigkeit der Einzelne gegenüber der Gesellschaft erlangt und je mehr Rechte und Handlungsspielräume anderer eingeschränkt werden. Die menschliche Lebenswelt ist gesellschaftlich bearbeitet und kulturell überformt – genauso wie die Natur, deren Ressourcen zur Befriedigung materieller Bedürfnisse erschlossen und genutzt werden. Ohne eine räumliche Expansion und Erschließung neuer Ressourcen müssen die Tauschbeziehungen intensiviert werden, gleichzeitig kommt es zu einer Zunahme an Arbeitsteiligkeit und Kommerzialisierung. In einer vollständig arbeitsteiligen, also kommerzialisierten Gesellschaft sind alle Mitglieder Wirtschaftssubjekte, wobei die Mitglieder mehrere Rollen gleichzeitig einnehmen und sowohl Produzenten als auch Konsumenten, Dienstleister als auch Dienstleistungsnehmer sind. Vgl. Körtner: Evangelische Sozialethik, S. 285; vgl. auch Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 4ff. 443 Vgl. hierzu und zum Nachfolgenden Körtner: Evangelische Sozialethik, S. 286. 444 Martin Honecker: Grundriß der Sozialethik. Berlin u.a. 1995, S. 432. 445 Vgl. hierzu und zum Folgenden Körtner: Evangelische Sozialethik, S. 285. 446 Vgl. hierzu wie auch zum Folgenden Ulrich: Wirtschaftsethik, S. 301. 447 John G. Ruggie: Voluntary Initiatives and Global Economic Governance. Ansprache beim Internationalen Symposium Gütersloh anlässlich der Verleihung des Carl Bertelsmann Preises 2002, Deutschland 4 September 2002 (Manuskript). Zit. nach: Horst Steinmann: Unternehmensethik und Globalisierung – Globale Regeln und private Akteure. In: Heidbrink u.a. (Hg.): Verantwortung, S. 145–174, 145. Der Harvard-Professor Ruggie hatte maßgeblichen Einfluss auf Entstehung und Ausgestaltung des UN Global Compact. Die Unternehmen sind deshalb in der Lage, sich der staatlichen Überwachung der Normeneinhaltung zu entziehen, weil nach derzeitigem Staatsver-

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Auf der anderen Seite kommt es zur Ausdifferenzierung von relativ selbstständig funktionierenden Teil- und Subsystemen der Wirtschaft, die eine Eigendynamik ausbilden und sich schrittweise emanzipieren.448 Daher scheint mit Ulrich besonders auch in der Einflusssphäre der Unternehmen eine neue grundlegende Verhältnisbestimmung zwischen ökonomischer Sachlogik und ethischer Vernunft vonnöten.449 Nationale und internationale Firmenskandale haben seit Mitte der 1990er Jahre den Bedarf einer Unternehmensethik auch einer breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt.450 Die mit dem Globalisierungsprozess einhergehenden oben beschriebenen Entwicklungen, dazu die als Konsolidierung oder Rationalisierung umschriebenen Umstrukturierungen großer Konzerne und vielfach auch das als fragwürdig empfundene Handeln einzelner ökonomischer Akteure haben das oft zitierte Spannungsverhältnis zwischen Markt und Moral wieder in den Blick gerückt.451 Das Wirtschaftssystem und seine Protagonisten sehen sich verstärkt dem Vorwurf ausgesetzt, sich blind und bar jeder Moral am Shareholder Value zu orientieren. Unternehmen müssen sich die Anschuldigung gefallen lassen, den Menschen zugunsten ihres Aktienkurses außer Acht zu lassen und schlicht unsittlich und verantwortungslos zu handeln. Angesichts einer wachsenden „Verselbständigung der mittlerweile weltumspannend entfesselten Kräfte des freien Marktes“ steht die Wirtschafts- und Unternehmensethik im Brennpunkt einer „epochalen Herausforderung“.452 „Symptome einer moralischen Verunsicherung von Wirtschaftsunternehmen liegen offen zutage“, so der Stuttgarter Philosoph und Informationsethiker Rafael Capurro.453 Er verweist auf eine Negativbilanz, die „von skandalträchtigem bis zum Bankrott führenden Verhalten großer Unternehmen, über die zweifelhaften Praktiken von Managerabfindungen bis hin zu einer zur Medienschau getragenen Gewissheit, dass Gewinne das entscheidende Qualitätskriterium des Unterneh-

ständnis die Sanktionsmöglichkeit eines Staates an dessen Staatsgrenze endet. Ein Unternehmen kann sich also den Sanktionsmöglichkeiten eines Staates, der Normenverstöße streng bestraft, relativ einfach entziehen, in dem es sich in einem Staat niederlässt, der die Nichteinhaltung von Normen weniger hart oder gar nicht bestraft. (Vgl. dazu Loitlsberger: Geschichte der ökonomischen Theorien, 524f.) 448 Vgl. dazu Körtner: Evangelische Sozialethik, S. 285. 449 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 12. 450 Vgl. hierzu wie zum Folgenden Küpper: Business Ethics, S. 250f. 451 Einige Beispiele zu den mit der Globalisierung einhergehenden Veränderungen finden sich bei Andreas Suchanek/Nick Lin-Hi: Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen in der Marktwirtschaft. In: Ludger Heidbrink u.a. (Hg.): Verantwortung als marktwirtschaftliches Prinzip. Zum Verhältnis von Moral und Ökonomie. Frankfurt a.M. u.a. 2008, S. 69–96, 72. Vgl. dazu ebf. Steinmann: Unternehmensethik und Globalisierung, S. 145–174. 452 Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 12. 453 Petra Grimm/Rafael Capurro: Unternehmensethik in der Diskussion. In: Diesn. (Hg.): Wirtschaftsethik in der Informationsgesellschaft. Eine Frage des Vertrauens? Stuttgart 2007 (= Medienethik 6), S. 11–22, 11.

Bedarf einer Wirtschafts- und Unternehmensethik

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menshandelns darstellen“, reiche.454 Capurro vernimmt einen „Ruf nach Unternehmensethik“, den er als Krisenzeichen wertet und als Ausdruck des Wunsches nach einer „expliziten und kritischen Prüfung überlieferter (impliziter) moralischer Gewissheiten von individuellen Akteuren und Institutionen der Wirtschaft“. Dies deutet er nach dem französischen Philosophen Jean-François Lyotard als augenscheinlich postmodernes Symptom des „Ende[s] der großen Erzählungen“. 455 Aufgrund der „unübersehbaren negativen Auswirkungen ihres Handelns“ sei das „moralische Guthaben vieler Unternehmen aufgebraucht“.456 Zweifelsohne vertritt Capurro damit eine recht radikale Position. Mit vollem Recht kann aber die Frage gestellt werden, inwieweit die Unternehmen im Lichte der sozialen Verpflichtung zum Eigentum ihrer Verantwortlichkeit für die Gesellschaft nachkommen und damit zu deren Zukunftsfähigkeit beitragen.457 In nicht wenigen Darstellungen wird die Auffassung vertreten, dass der subjektiv empfundene Ausstieg der Unternehmen aus ihrer Verantwortlichkeit dazu beigetragen habe, dass besonders in den letzten Jahren das Vertrauen der Menschen in Gesellschaft, politische Institutionen und die Unternehmen spürbar gesunken sei.458 Wenn lebenspraktische Verhältnisse derart zum Reflexionsgegenstand über „Zusammenhänge des guten Lebens, gerechten Zusammenlebens und verantwortlichen Handelns“ werden und allgemein das Bedürfnis nach einer Bereichsethik 454 Grimm/Capurro: Unternehmensethik in der Diskussion, S. 11. 455 So die Kernthese des Namensgebers der Postmoderne in seinem 1979 erschienenen Hauptwerk Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen. Ein Bericht. Hg. v. Peter Engelmann. Wien 52005 (= Edition Passagen 7). Für ihn bedeutet das Ende der großen Erzählungen das Ende jener Projekte wie Liberalismus oder Sozialismus, die eine totale Emanzipation zum Ziel hatten. Lyotard zeichnet ein Bild des Postmodernismus, in der dieser als nichts weiter als der Ausdruck und die Bestätigung eines jeweiligen Zeitgeistes erscheint. Jeder geht seinen eigenen Weg und ist unkritisch mit dem Zeitgeist konform. In der Tat liest sich seine Beschreibung einer solchen Gesellschaftsordnung in ihrer pointierten Austauschbarkeit wie die Vorwegnahme der globalisierten Moderne: „Man hört Reggae, schaut Western an, ißt Mittag bei McDonald und kostet zu Abend die heimische Küche, trägt französisches Parfum in Tokyo, kleidet sich nostalgisch in Hong Kong, und als Erkenntnis tritt auf, wonach das Fernsehquiz fragt. […] Dieser Realismus passt sich allen Tendenzen an, wie das Kapital, das sich allen ‚Bedürfnissen‘ anpaßt, unter der alleinigen Voraussetzung, daß Tendenzen und Bedürfnisse über die nötige Kaufkraft verfügen.“ (Jean-François Lyotard: Postmoderne für Kinder. Briefe aus den Jahren 1982 – 1985. Hg. v. Peter Engelmann. Wien 1987 (= Edition Passagen 13), S. 20f.) Vgl. dazu auch Dick Boer: „ … etwas ausser und über der Menschheit …“ Schleiermachers Religionsbegriff in den „Reden“. Postmodernismus avant la lettre? In: Nico F.M. Schreurs (Hg.): „welche unendliche Fülle offenbart sich da …“ Die Wirkungsgeschichte von Schleiermachers „Reden über die Religion“. Papers read at the symposium of the Theological Faculty Tilburg, Tilburg, 15 April 1999. Assen 2003 (= Studies in Theology and Religion 7), S. 105–123, 105f.; vgl. auch Max Preglau: Postmoderne Soziologie. In: Julius Morel u.a.: Soziologische Theorie. Abriß der Ansätze ihrer Hauptvertreter. München u.a. 72001, S. 283–306, 285f.) 456 Grimm/Capurro: Unternehmensethik in der Diskussion, S. 11. 457 Vgl. Schlund: Corporate Social Responsibility (CSR) – eine Sozialinnovation der Unternehmen für die Gesellschaft? S. 67. Vgl. zur Verpflichtung durch Eigentum Art. 14 Abs. 2 Satz 1f. GG. 458 Vgl. dazu kritisch abwägend Schlund: Corporate Social Responsibility, S. 67. Dort finden sich auch entsprechende Belege und Literaturhinweise.

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

wächst, ist dies nach Ulrich zugleich immer auch ein Indiz für objektive Veränderungen oder eine gestiegene subjektive Problemwahrnehmung.459 Demgemäß hat die aufkeimende Unternehmensethikdebatte ihren Ursprung – und ihre Notwendigkeit – im verstärkten Aufkommen von Fragen nach dem lebenspraktischen Sinn, der Legitimität und dem Wert einer „zunehmend sachzwanghaft und eigensinnig wirkenden“ Wirtschaftsdynamik und deren sichtbarer Einflüsse auf die natürliche Umwelt, die soziale Lebenswelt sowie die kulturelle Innenwelt.460 Der Ökonom Erich Loitlsberger hat sich in seinen späten Arbeiten für die „Volleinbeziehungsthese“ stark gemacht und mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass „ohne Ethik Betriebe im Sinn der Betriebswirtschaftslehre nicht nur nicht existieren können, sondern auch nicht denkbar sind.“461 Festhalten lässt sich in jedem Fall, dass das viel zitierte Spannungsverhältnis zwischen Markt und Moral, zwischen dem Streben der Unternehmen nach einer Maximierung ihrer Gewinne einerseits und sittlichem Handeln andererseits, das die Verwirklichung ökonomischer, ökologischer wie sozialer Anliegen einschließt, in Öffentlichkeit, Politik, Wissenschaft aber auch in der Wirtschaft selbst verstärkt als Problem wahrgenommen wird, das es zu lösen gilt.462 Getreu der Forderung Max Webers, dass der Gesinnungsethik eine Verantwortungsethik zu folgen habe, ertönt der Ruf nach Ethik, nach Verantwortung und Nachhaltigkeit.463 Allenthalben kursieren Schlagwörter und Modelle wie Corporate Governance, Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility, und in Politik und Wirtschaft wurden diverse Gremien eingerichtet und unterschiedlichste Kodizes diskutiert und auch umgesetzt – eindeutige Belege für eine sich intensivierende Debatte über nachhaltiges und verantwortliches unternehmerisches Handeln.464 „Es gibt landauf, landab sehr viele Unternehmensführer, die auf vielfältige Art und Weise ein beredtes Zeugnis dafür ablegen, dass neben Profit auch noch etwas anderes vom Unternehmen ausgehen muss, wenn es sich weiterhin als Teil dieser Gesellschaft trotz vielfältiger Ausweichmöglichkeiten und -erfordernisse bzw. Sachzwänge einer globalisierten Weltwirtschaft (Stichwort: Standortverlagerung) versteht.“465

459 Ulrich: Wirtschaftsethik. In: Handbuch Ethik, S. 297. 460 Ebd., S. 297; vgl. ebf. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 98. 461 Loitlsberger: Geschichte der ökonomischen Theorien. In: Handbuch der Wirtschaftsethik 1, S. 563. Die Betriebswirtschaftslehre beschäftige sich nach ihrem Selbstverständnis mit Do-ut-des-Systemen mit mehrfach wechselseitiger Nutzenstiftung – eine einseitige Nutzenstiftung sei schlicht unmöglich. Deshalb sei Ethik für die Betriebswirtschaftslehre ein systemimmanenter Tatbestand. (Vgl. ebd.) 462 Vgl. dazu auch Pies/Sardison: Wirtschaftsethik, S. 268. 463 Vgl. hierzu grundlegend Max Weber: Politik als Beruf. Berlin 51968. 464 Capurro erkennt darin sogar schon einen sich anbahnenden „paradigmatischen Wandel“ in der Managementtheorie und in der Unternehmenspraxis. Vgl. Grimm/Capurro: Unternehmensethik in der Diskussion, S. 11. 465 Schlund: Corporate Social Responsibility, S. 69.

Bedarf einer Wirtschafts- und Unternehmensethik

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Der Spagat ist für die Unternehmen dabei nicht immer einfach zu bewerkstelligen: Müssen sich die Unternehmen doch der permanenten Herausforderung stellen, einerseits in einem sich ständig wandelnden, globalen Wettbewerb zu bestehen, gleichzeitig aber auch den zunehmenden Forderungen wie dem eigenen Anspruch nach größerer gesellschaftlicher Verantwortungsübernahme gerecht zu werden.466 Dabei wird deutlich, dass für den zukünftigen Erfolg andere Steuerungsmodelle der Unternehmenspolitik und -führung vonnöten sind. Fassen wir zusammen und blicken wir voraus: Die Entwicklung der Ökonomie in der Moderne, die Möglichkeiten globaler Märkte, aber auch die veränderten gesellschaftlichen Ansprüche machen die Entwicklung, Etablierung und konkrete Anwendung einer zeitgemäßen Wirtschafts- und Unternehmensethik, aber auch die Diskussion ihrer ethischen Begründung unabdingbar.467 Viele Unternehmen sind dazu bereit, ihre soziale Verantwortung zu thematisieren und ihr Handeln an Leitbildern wie Nachhaltigkeit und Verantwortung auszurichten – freilich auch als Reaktion auf konkrete Forderungen nach einer freiwilligen, autonomen Selbstbindung an Grundsätze der Geschäftsintegrität im Umgang mit allen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen und der ethischen Mitverantwortung für das Gemeinwohl.468 Auch ist ganz grundsätzlich das Bewusstsein dafür gewachsen, dass unternehmerisches Handeln ethische Folgen zeitigt. Die Forderung an die Unternehmen nach Ethik und Moral belegt die veränderte Erwartungshaltung und das veränderte Kommunikationsverhalten bestimmter Anspruchsgruppen, was wiederum ein verändertes Kommunikationsverhalten der Unternehmen nach sich zieht. Dieses Verständnis deckt sich im Übrigen auch mit den obigen Ergebnissen, wonach eine Wirtschaftsethik nur dann als sinnvolle Disziplin der Ethik erscheint, wenn ökonomische Prozesse nicht ausschließlich als quasi naturgesetzlich ablaufende Mechanismen verstanden werden, sondern als Resultat verantwortlicher 466 Vgl. Schlund: Corporate Social Responsibility, S. 68f. 467 Vgl. hierzu und zum Folgenden auch die Gedanken in Schwartz: Ökonomisierung, S. 93. 468 Vgl. Ulrich: Wirtschaftsethik. In: Handbuch Ethik, S. 301; vgl. zudem Loitlsberger: Geschichte der ökonomischen Theorien, S. 525; vgl. außerdem Brigitta Herrmann: Wirtschaftsethik – Stand der Forschung. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft – Ergänzungsheft 1 (1992), S. 1–33; vgl. grundlegend zu dieser Entwicklung im Zusammenhang mit der Globalisierung auch den Bericht des Club of Rome Alexander King u.a.: Die globale Revolution. Ein Bericht des Rates des Club of Rome. Bericht zur Lage der Welt. 20 Jahre nach ‚Die Grenzen des Wachstums‘. Hamburg 1991. An der Entwicklung umfassender unternehmerischer Ethikprogramme zur pragmatischen Umsetzung dieser unternehmensethischen Leitideen in Wissenschaft und Praxis wird zunehmend gearbeitet. (Vgl. dazu grundlegend Peter Ulrich/Josef Wieland (Hg.): Unternehmensethik in der Praxis. Impulse aus den USA, Deutschland und der Schweiz. Bern u.a. 21999.) Ein mögliches Ziel könnte eine intelligente rechtsstaatliche Einbindung sein, wie sie speziell die US-amerikanischen Federal Sentencing Guidelines darstellen. (Vgl. Horst Steinmann/Thomas Olbrich: Business Ethics in U.S.Corporations. Results from an Interview Series. In: Peter Ulrich/Josef Wieland (Hg.): Unternehmensethik in der Praxis. Impulse aus den USA, Deutschland und der Schweiz. Bern u.a. 21999, S. 63–89.) Ulrich weist darauf hin, dass durch entsprechende Verankerungen die unternehmenspolitische Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme enorm gefördert werden kann. (Vgl. Ulrich: Wirtschaftsethik. In: Handbuch Ethik, S. 302.)

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Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik

Entscheidungen und somit moralisch beurteilbarer Handlungen betrachtet werden.469 Eine solche Wirtschafts- und Unternehmensethik geht dabei von der Prämisse aus, dass Wirtschaft kein „vollständig determinierter Funktionszusammenhang“, sondern ein „höchst verschlungenes Interaktionsfeld mannigfaltiger Wirtschaftssubjekte“ ist, „die ihr wirksames Handeln verantwortlich gestalten müssen“.470 Mit Sicherheit ist der aktuelle Ruf nach Wirtschafts- und Unternehmensethik keine intellektuelle, idealistische Modeerscheinung, sondern Ausdruck der Existenz und Wahrnehmung ethisch-praktischer Probleme.471 Als regelrechtes „Allheilmittel gegen erodierendes Vertrauen und stagnierendes Wachstum“ wird dabei von der Fachliteratur die Corporate Social Responsibility gepriesen.472 Sie steht im Mittelpunkt der anschließenden Teile dieser Arbeit.

469 Vgl. Körtner: Evangelische Sozialethik, S. 286. 470 Meckenstock: Wirtschaftsethik, S. 4. 471 Vgl. Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik, S. 98. 472 Mario Schranz: Wirtschaft zwischen Profit und Moral. Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Rahmen der öffentlichen Kommunikation. Wiesbaden 2007, S. 13.

„Wer nur um des Geldes willen Gutes tut, wartet nur darauf, besser bezahlt zu werden, um Schlechteres zu tun.“ (Jean-Jacques Rousseau)

„Der Kaufmann hat in der ganzen Welt dieselbe Religion.“ (Heinrich Heine, Briefe aus Berlin, 16.3.1822)

3. Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis 3.1 Unternehmerische Verantwortung als ethisches Konzept 3.1.1 Entwicklung unternehmerischer Verantwortung Erinnern wir uns an Milton Friedmans Diktum aus dem Jahr 1970, „The Social Responsibility of Business is to increase its Profits“, wonach Unternehmen für nichts anderes als ihre Profitabilität und Rentabilität Verantwortung trügen.1 Friedman machte keinen Hehl daraus, was er von Unternehmern hält, die neben dem Profitstreben auch „wünschenswerte soziale Zwecke“ und ein „soziales Gewissen“ des Wirtschaftens anpreisen oder dessen Verantwortlichkeit für „das Anbieten von Beschäftigung, das Eliminieren von Diskriminierung, die Vermeidung von Umweltverschmutzung“ behaupten.2 Sie und alle, die sie ernst nähmen, propagierten puren und reinen Sozialismus.3 Im Engagement von Unternehmensführern für soziale Interessen sieht Friedman eine Gefährdung der gesamtgesellschaftlichen Freiheit.4 Die große Konkurrenz zwischen den beiden Wirtschaftssystemen ist deutlich zu spüren in einer Zeit, in welcher an die Wirtschaft immer mehr Gemeinwohlaufgaben delegiert wurden, die nach Auffassung zahlreicher Ökonomen im Verantwortungsbereich des Staates lagen.5 Danach ist es dessen Aufgabe, soziale Missstände zu identifizieren und zu beseitigen. Er verfügt über die notwendigen Informationen und das Steuersystem, mit dessen Hilfe er eine allokativ effiziente Distribution der Gelder erwirken kann. Manager, die solche Aufgaben übernehmen, bewegen sich auf dem Aufgabengebiet des Staates und laufen Gefahr, aufgrund begrenzter Informationen die Gelder ineffizient zu verwenden. Außerdem befürchtet Friedman, dass gewissermaßen als Staatsbeamte handelnde Manager 1

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Friedman: The Social Responsibility of Business, S. 32f. Praktisch gleichlautend: „There is one and only one social responsibility of business – to use its resources and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of the game, which is to say, engages in open and free competition without deception or fraud.“ (Milton Friedman: Capitalism and Freedom. Chicago 1962, S. 32.) Ebd., dem ist auch das nachfolgende Zitat entnommen. (Alle Zitate: eigene Übersetzung.) Das Originalzitat lautet: „The businessmen believe that they are defending free enterprise when they declaim that business is not concerned ‚merely‘ with profit but also with promoting desirable ‚social‘ ends; that business has a ‚social conscience‘ and takes seriously its responsibilities for providing employment, eliminating discrimination, avoiding pollution and whatever else may be the catchwords of the contemporary crop of reformers. In fact they are–or would be if they or anyone else took them seriously–preaching pure and unadulterated socialism.“ Vgl. hierzu und zum Folgenden Friedman: Freedom, S. 175f. Vgl. dazu wie zum Folgenden Schranz: Profit und Moral, S. 13.

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

den staatlichen Einfluss innerhalb der Unternehmen vergrößern könnten. Friedman und seine Mitstreiter wurden erhört, als nur wenige Jahre später während der Regierungszeiten Ronald Reagans in den USA und Margaret Thatchers in Großbritannien die staatliche Interventionspolitik zugunsten einer deutlich freiheitlicheren Gesellschaftsordnung aufgegeben wurde. Kritik an der ökonomisch liberalen Position, die das Unternehmen als unselbständiges, lediglich rechtliches Konstrukt innerhalb eines von außen vorgegebenen, institutionellen Rahmen betrachtete, mehrte sich schon früh.6 Paul A. Samuelson, ebenfalls Nobelpreisträger und wohl prominentester Opponent Friedmans, steht stellvertretend für eine Vielzahl von Positionen, die – bereits ab den frühen 1960er Jahren – die Zugehörigkeit des Unternehmens zur Gesellschaft und deren Abhängigkeit von ihrer Entwicklung betonten.7 Überhaupt erst durch die Gesellschaft, die überdies mit ihrem freiheitlichen System für ein günstiges Wettbewerbsumfeld sorge, werde unternehmerisches Handeln legitimiert. Vor allem mit der wachsenden Größe vieler Konzerne und ihrem damit steigenden gesellschaftlichen Einfluss ginge die Verpflichtung einher, Weiterentwicklungen und Veränderungen der gesellschaftlichen Anliegen anzunehmen und zu unterstützen. Auffallend deutlich wird hier das Pflichtenmodell einer „Corporate Social Responsibility“ formuliert.8 Bis sich eine solche Vorstellung erweiterter unternehmerischer Verantwortung allerdings durchsetzen konnte, dauerte es noch eine Weile. Lange blieb das traditionelle unternehmerische Selbstverständnis beherrschend, wonach Verantwortung in der Marktwirtschaft dadurch positiv ausgefüllt wird, dass die Unternehmen die ihnen in der liberalen Konzeption von Marktwirtschaft zugedachte Rolle möglichst gut ausfüllen: durch eine erfolgreiche Realisierung des eigenen Rentabilitätsstreben, um vornehmlich der Funktion marktwirtschaftlichen Wettbewerbs

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Vgl. hierzu und zum Folgenden auch Oliver Falck/Stephan Heblich: Corporate Social Responsibility: Einbettung des Unternehmens in das Wirtschaftssystem. Passau 2006 (= Passauer Diskussionspapiere, Volkswirtschaftliche Reihe 45), S. 5. So stellt Samuelson unmissverständlich klar: „A large corporation these days not only may engage in social responsibility, it had damn well better try to do so.“ (Paul A. Samuelson: Love that corporation. In: Mountain Bell Magazine 1971, S. 24; Zit. nach: Keith Davis: The Case for and against Business Assumption of Social Responsibilities. In: The Academy of Management Journal 16 (1973), Nr. 2, S. 312–322, 312.) Eine Extremposition nahmen Manne/Wallich ein. Sie forderten im Sinne eines moralischen Imperativs von Unternehmen ein gänzlich uneigennütziges Verhalten. (Vgl. Henry G. Manne/Henry C. Wallich: The modern corporation and social responsibility. Washington, DC 1972 (= Rational Debate Seminars, Series 6, 3), S. 8.) So unterstreichen Eells und Walton: „In its broadest sense, corporate social responsibility represents a concern with the needs and goals of society which goes beyond the merely economic. Insofar as the business systems as it exists today can only survive in an effective functioning free society, the corporate social responsibility movement represents a broad concern with business’s role in supporting and improving that social order.“ (Richard Eells/Clarence Walton: Conceptual foundations of business [1969]. Rev. ed. Homewood 31974, S. 247.)

Unternehmerische Verantwortung als ethisches Konzept

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Rechnung zu tragen.9 Dass diese klassisch neoliberale Ablehnung jeder Form von Verantwortung und der ehedem populäre Slogan „The Business of Business is Business“ heute – wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt – weder in Praxis noch in Theorie weiterhin Gültigkeit beanspruchen können, hängt wesentlich mit der veränderten öffentlichen Meinung zusammen. So wird heutzutage die Übernahme sozialer Verantwortung normativ-philosophisch als eine genuin unternehmensethische Verpflichtung angesehen.10 Diese zu ignorieren, würde von einer breiten Öffentlichkeit mittlerweile als Provokation empfunden werden.11 Die an die Unternehmen gerichtete Forderung nach Ethik und Moral sind Beleg für die veränderte Erwartung aber auch das veränderte Kommunikationsverhalten bestimmter Anspruchsgruppen. Dass von den Unternehmen nun in aller Deutlichkeit konkrete Problemlösungen eingefordert werden, ist dabei eine Reaktion auf die Wahrnehmung ethisch-praktischer Probleme: Staatliche Fürsorgeleistungen wurden in den meisten entwickelten Staaten in der näheren Vergangenheit tendenziell zurückgefahren. So sorgen der fortschreitende Rückzug des Staates aus der sozialen Verantwortung ebenso wie die Folgen einer ungehemmten, politisch auf einer translateralen Ebene noch nicht eingedämmten Globalisierung wie der Wertewandel in den Gesellschaften und damit einhergehend eine wachsende Anzahl wirtschaftlicher und wirtschaftskrimineller Skandale für eine gestiegene Erwartungshaltung der Bevölkerung an die Unternehmen12: „Wenn sich im Ruf nach Verantwortung ein Symptom für den Mangel an ihr zeigt, drückt sich damit ein wachsendes Orientierungsbedürfnis für ein zeitgemäßes verantwortliches Handeln aus.“13 Womöglich musste das Kind erst in den Brunnen fallen: So betonen auch Thomas Beschorner und Matthias Schmidt, dass „allen voran die großen Unternehmensskandale der vergangenen Jahre“ ursächlich dafür gewesen seien, dass die Unternehmen nicht mehr umhin kommen, sich verstärkt mit Fragen unternehme-

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Vgl. Reinhard Pfriem: Kulturelle Bildung als mögliche Herausforderung für Unternehmensstrategien. In: Ludger Heidbrink u.a. (Hg.): Verantwortung als marktwirtschaftliches Prinzip. Zum Verhältnis von Moral und Ökonomie. Frankfurt a.M. u.a. 2008, S. 457–477, 457. Vgl. dazu die Abwägung bei Thomas Schwartz: Corporate Social Responsibility: Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser! Stärken und Schwächen zeitgenössischer Management-Konzepte am Beispiel der CSR. In: BA Dialog 5 (2007), Nr. 7, S. 7–12, 7. Vgl. auch Schranz: Profit und Moral, S. 13. Vgl. Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 7; vgl. zu den einschlägigen Skandalen der zurückliegenden Jahre ebf. Carmen Wieser: „Corporate Social Responsibility“ – Ethik, Kosmetik oder Strategie? Über die Relevanz der sozialen Verantwortung in der strategischen Unternehmensführung. Wien 2005 (= Wirtschaftswissenschaften 11), S. 34f.; vgl. zu den gestiegenen Erwartungen der Bevölkerung bes. die aufschlussreichen empirischen Ergebnisse in der Studie des Instituts für Markt-Umwelt-Gesellschaft: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung/Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft (Hg.): Nachhaltigkeitsberichterstattung – die Praxis glaubwürdiger Kommunikation zukunftsfähiger Unternehmen. Berlin 2002, S. 14f. Wendelin Küpers: Perspektiven responsiver und integraler „Ver-Antwortung“ in Organisationen und der Wirtschaft. In: Ludger Heidbrink u.a. (Hg.): Verantwortung als marktwirtschaftliches Prinzip. Zum Verhältnis von Moral und Ökonomie. Frankfurt a.M. u.a. 2008, S. 307–337, 308.

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

rischer Verantwortung zu beschäftigen.14 Wer heute nachhaltiges und verantwortliches unternehmerisches Handeln erwartet und fordert, ist also kein einsamer Rufer im Walde mehr. Die Unternehmensethik, in Deutschland bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich eine Spielwiese für eine kleine Schar von Fachwissenschaftlern, wird populär.15 Während die Praxis von der möglicherweise als etwas sperrig und unbequem empfundenen Unternehmensethik lange Zeit nichts wissen wollte, erhalten jetzt die unter wohlklingenden Namen firmierenden Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizenship (CC) in zunehmendem Maße Einzug in die unternehmerische Praxis.16 Freilich müssen aber erst die Art und Weise ihrer tagtäglichen konkreten Umsetzung in den Unternehmen und aus ihr resultierende mess- und bewertbare Erfolge den Beweis erbringen, dass diese Begriffe mehr sind als eine bloße Management-Mode.17 Zumal sich die Frage aufdrängt, warum plötzlich in der unternehmerischen Praxis allerorts von der Unternehmensverantwortung gesprochen wird. Bevor allerdings dieser Frage nachgegangen werden soll, ist zuerst zu klären, ob und inwieweit Unternehmen überhaupt dazu in der Lage sind, als moralische Akteure Verantwortung zu übernehmen. 3.1.2 Unternehmen als Akteure – das Problem der Verantwortung Die Diskussion über die Verantwortung von Unternehmen hat in den zurückliegenden Jahren in Theorie und Praxis stark an Bedeutung gewonnen, wobei das Konzept von den analytischen Beiträgen der Wissenschaft, vom Input der Kommunikations- und Beratungsbranche, aber auch durch die aktive Bearbeitung der Begrifflichkeit durch die Unternehmen selbst vorangetrieben wurde.18 In der deutschen unternehmensethischen Literatur ist die Frage nach der moralischen Verantwortung von Unternehmen im Gegensatz zu den nordamerikanischen Business Ethics lange Zeit praktisch gar nicht diskutiert worden.19 So muss der zuvor an die Wirtschaft gerichtete Vorwurf auch ein Stück weit auf die Wissenschaft übertragen werden: Die Frage nach der ethischen Verantwortung von Unternehmen wurde 14 Thomas Beschorner/Matthias Schmidt: Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship – zur Einführung. In: Diesn (Hg.): Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship. München u.a. 22008 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 17), S. 9–15, 9. 15 Thomas Beschorner/Kristin Vorbohle: Neue Spielregeln für eine (verantwortliche) Unternehmensführung. In: Matthias Schmidt/Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship. München u.a. 22008 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 17), S. 105–112, 105. 16 Beschorner/Schmidt: Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship – zur Einführung, S. 9. 17 Vgl. dazu grundlegend Alfred Kieser: Moden und Mythen des Organisierens. In: Die Betriebswirtschaft 56 (1996), S. 21–39. 18 Vgl. Schranz: Profit und Moral, S. 19. 19 Vgl. dazu und zum Folgenden Georges Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik. Grundlagen und Anwendungen. Bern u.a. 1993 (= St. Galler Beiträge zur Wirtschaftsethik 8), S. 199.

Unternehmerische Verantwortung als ethisches Konzept

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erst thematisiert, als Umweltkatastrophen oder – aktueller – die sozialen Folgen der Globalisierung sie virulent machten. Bis heute wird bei der Konkretisierung von Unternehmensverantwortung indes oft genug mit einem wenig reflektierten Konzept von Verantwortung operiert.20 Und so erwachsen aus begrifflichen Diffusitäten häufig auch Schwierigkeiten bei der konkreten konzeptionellen Anwendung und Umsetzung.21 Würde man soweit gehen müssen, für diesen Umstand einen Schuldigen zu benennen, so wäre er sicher nicht allein in der Wirtschaftsund Unternehmensethik zu suchen. Nähern wir uns deshalb zunächst grundsätzlich dem ethischen Grundbegriff und dem Konzept der Verantwortung an.22 3.1.2.1

Die Entwicklung des Verantwortungsbegriffs

Fachvertreter sind der Auffassung, dass es gegenwärtig auf vielen Diskussionfeldern der praktischen Philosophie zu einer regelrechten „Inflationierung des Verantwortungsbegriffs“ kommt.23 Bereits vor gut zwanzig Jahren stellte Heinz Hülsmann fest, dass Verantwortung „en vogue“ sei, doch erweckte die wachsende Inflation des Begriffs bei ihm zugleich Misstrauen: „Dass die Lösung sozialer Konflikte und Antagonismen in einer Ethik der Verantwortung zu suchen sei, kann misstrauisch machen.“24 Als hauptverantwortlich für die bemerkenswerte Karriere von Verantwortungsbegriff und -konzept kann Hans Jonas’ Hauptwerk Das Prinzip Verantwortung von 1979 angesehen werden, in dem er eine „Ethik für die technologische Zivilisation“ zu entwickeln sucht.25 „Die Sorge um die Verantwortlichkeit 20 Vgl. zur Kritik Suchanek/Lin-Hi: Marktwirtschaft, S. 69–96, 69. 21 Vgl. dazu auch Chris Marsden: In Defence of Corporate Responsibility. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 6 (2005), Nr. 5, S. 359–373, 359. 22 Vgl. grundlegend zum Verantwortungsbegriff Kurt Bayertz: Eine kurze Geschichte der Herkunft der Verantwortung. In: Ders. (Hg.): Verantwortung. Prinzip oder Problem? Darmstadt 1995, S. 3– 71; Hans Lenk/Martin Maring: Verantwortung – Normatives Interpretationskonstrukt und empirische Beschreibung. In: Lutz H. Eckensberger u.a. (Hg.): Ethische Norm und empirische Hypothese. Frankfurt a.M. 1993 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1088), S. 222–243; Dieter Birnbacher: Grenzen der Verantwortung. In: Kurt Bayertz (Hg.): Verantwortung. Prinzip oder Problem? Darmstadt 1995, S. 143–183; Hans Lenk: Konkrete Humanität. Vorlesungen über Verantwortung und Menschlichkeit. Frankfurt a.M. 1998 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1250). 23 Walter Reese-Schäfer: Autonomiepostulat als Verantwortungszumutung: Jeder ein Unternehmer? In: Ludger Heidbrink u.a. (Hg.): Verantwortung als marktwirtschaftliches Prinzip. Zum Verhältnis von Moral und Ökonomie. Frankfurt a.M. u.a. 2008, S. 395–418, 395. 24 Heinz Hülsmann: Soziale Verantwortung von Technik und Wissenschaft heute. Oder: Was können und sollen Techniker/innen und Wissenschaftler/innen angesichts der neuen Technologien und ihrer Auswirkungen verantworten? In: Dialektik 14 (1987), S. 110–129, 112. 25 Vgl. Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Frankfurt a.M. 1979. Das einflussreiche ethische Hauptwerk des Philosophen beginnt mit einer Analyse des veränderten Wesens menschlichen Handelns unter den Bedingungen der modernen Technik. Dabei vertritt er die These, dass die klassischen und tradierten Ethiken den veränderten Bedingungen der gegenwärtigen Welt nicht mehr gerecht werden. Prinzip der bisherigen Ethik sei eine Konzentration auf den unmittelbaren Nahbereich menschlicher Verantwortung. Ihr mangele es an einer Verantwortung sowohl gegenüber vergangenen als auch gegenüber zukünftigen Gene-

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

steht im Zentrum der dekonstruktiven Erfahrung“, erklärte der französische Philosoph Derrida und vertritt damit eine durchaus neue Sicht der Dinge.26 Zwar lässt sich der deutsche Begriff „Verantwortung“ seit dem 15. Jahrhundert nachweisen, in der langen Geschichte der Philosophie aber ist die Karriere des Verantwortungsbegriffs nicht älter als 100 Jahre.27 In der Geschichte philosophischer Theorien spielte der erstaunlich junge Begriff nur sporadisch eine Rolle.28 Möglicherweise hängt das auch mit der bisherigen (Geistes-)Geschichte der Menschen zusammen: Die von oben oktroyierten Weltanschauungen bildeten sehr lange einen weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kontext, in dem Begriffe wie Schuld, Sollen und Pflicht einen eindeutigeren Nutzen darzustellen vermochten als der der Verantwortung.29 Der Begriff „Verantwortung“ in seiner heutigen Verwendung verweist unverkennbar auf die Praxis des „Für-etwas-Rede-und-Antwort-Stehens“.30 „Verantwortung“ wird so heute in der Regel als mehrstelliger kontextabhängiger Relationsbegriff verstanden.31 In seiner Kernbedeutung drückt er die Verpflichtungen eines Verantwortungssubjekts für etwas, den Verantwortungsgegenstand, vor oder gegenüber Personen, Gegenständen oder Zuständen (Verantwortungsinstanz) aufgrund bestimmter normativer Standards (Normhintergrund) aus.32 Da die Frage

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rationen oder fremden und entfernten Kulturen. Mit dem Wandel der Technik müsse die Ethik zur „Fernstenliebe“ erweitert werden. Vor diesem Hintergrund formuliert Jonas in Anknüpfung an Immanuel Kant einen neuen ethischen Imperativ, der als „ökologischer Imperativ“ bekannt ist und bei dem die gesamte gefährdete Natur zum Gegenstand menschlicher Verantwortung erhoben wird: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ (Jonas: Das Prinzip Verantwortung, S. 36; vgl. dazu Jan Rohls: Protestantische Theologie der Neuzeit. Bd. 2: Das 20. Jahrhundert. Tübingen 1997, S. 743; vgl. ferner Holger Rogall: Neue Umweltökonomie – Ökologische Ökonomie. Ökonomische und ethische Grundlagen der Nachhaltigkeit, Instrumente zu ihrer Durchsetzung. Opladen 2002, S. 131f.) Jonas wird gleichlautend in verschiedenen Stellungnahmen als Verursacher der Verantwortungs-Inflation genannt; vgl. Kurt Röttgers: Verantwortung nach der Moderne in sozialphilosophischer Perspektive. In: Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Unternehmensverantwortung aus kulturalistischer Sicht. Marburg 2007 (= Theorie der Unternehmung 37), S. 17–32, S. 17; vgl. auch Reinhard Schulz: Äquivokationen bei der Zuschreibung moralischer Verantwortung in Unternehmen. In: Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Unternehmensverantwortung aus kulturalistischer Sicht. Marburg 2007 (= Theorie der Unternehmung 37), S. 33–43, 33f. Jacques Derrida: Interview. In: Florian Rötzer: Französische Philosophen im Gespräch. München 1986, S. 67–87, 77f. Vgl. Röttgers: Verantwortung nach der Moderne, S. 17f. Dort finden sich auch entsprechende (z.T. historische) Belege. Vgl. dazu wie zum Folgenden überdies Micha H. Werner: Verantwortung. In: Handbuch Ethik. Hg. v. Marcus Düwell u.a. Stuttgart u.a. 22006, S. 541–548, 543. Vgl. Röttgers: Verantwortung nach der Moderne, S. 20. Vgl. Pfriem: Bildung als Herausforderung, S. 458. Die Entwicklung dieser Begriffe in der philosophischen Ethik können hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. Vgl. dazu Werner: Verantwortung, S. 543f. Vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich mit entsprechenden Belegen Werner: Verantwortung, S. 541f. Vgl. dazu und zum Folgenden Werner: Verantwortung, S. 542. Vgl. Küpers: Ver-Antwortung, S. 312f.

Unternehmerische Verantwortung als ethisches Konzept

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nach der Rechtfertigung von Handlungen und Handlungsnormen im Mittelpunkt der normativen Ethik steht, kommt in ihr dem Verantwortungsbegriff eine zentrale Stellung zu.33 Bei einer genaueren Betrachtung der Verwendungsweisen des Verantwortungsbegriffs stößt man zwar auf unterschiedliche Bedeutungen, die jedoch stets in einer Beziehung zur Kernbedeutung stehen. Grundlegend ist eine Gruppe von Bedeutungen, in denen der Verantwortungsbegriff als sogenannter Zuschreibungsbegriff fungiert.34 Dabei findet der Verantwortungsbegriff in zwei nicht unmittelbar aufeinander abbildbaren Weisen Verwendung: in prospektiver und retrospektiver Bedeutung.35 Retrospektive Bedeutung meint ein zur Verantwortung gezogen werden – man soll Antworten auf Fragen geben oder wird sogar dazu genötigt. Prospektive Bedeutung meint die Übernahme von Verantwortung: Dabei wird eine Frageinstanz fingiert, die über die Befragung durch die unmittelbar Betroffenen hinausgeht. Dieses Übernehmen bestimmter Verpflichtungen gegenüber Personen, Gegenständen oder Zuständen ist oft mit der Position eines Funktionsträgers verbunden gedacht. Häufig verfügt es auch über einen Vernetzungsaspekt im Sinne einer Verantwortungsübernahme für andere Positionen im Netz sozialer Funktionen. Dabei kann es sich um rechtliche, politische, berufliche oder in einer anderen Weise konventionelle Verpflichtungen handeln.36 Im Begriff und Konzept der Eigenverantwortung tritt dieser doppelte Verantwortungsbegriff kombiniert auf und entspricht einem Gezogenwerden durch einen eigenen, inneren Anderen.37 Ein solches Konzept, bei dem das sich als moralisch und autonom erklärende Subjekt aus eigener Verantwortung handelt, taucht in der Philosophie im 19. Jahrhundert auf.38 Durch Iterierung, Futurisierung und Moralisierung der Verantwortungsprozesse erlangt der Verantwortungsbegriff eine Universalität, die ihn im 20. Jahrhun33 Vgl. dazu wie zum Folgenden Werner: Verantwortung, S. 542. 34 Vgl. hierzu Konrad Ott: Ipso facto. Zur ethischen Begründung normativer Implikate wissenschaftlicher Praxis. Frankfurt a.M. 1997, S. 252. 35 Vgl. hierzu wie zum Folgenden Kurt Röttgers: Verantwortung für Innovationen. In: Ludger Heidbrink u.a. (Hg.): Verantwortung als marktwirtschaftliches Prinzip. Zum Verhältnis von Moral und Ökonomie. Frankfurt a.M. u.a. 2008, S. 433–455, 433; vgl. dazu grundlegend R. Antony Duff: Responsibility. In: Routledge Encyclopedia of Philosophy. Bd. 8. London u.a. 1998, S. 290–294; vgl. dazu ebf. Michael J. Zimmermann: Responsibility. In: Lawrence C. Becker u.a. (Hg.): Encyclopedia of Ethics. Bd. 2. New York u.a. 1992, S. 1089–1095. 36 Vgl. Werner: Verantwortung, S. 542. 37 Vgl. Röttgers: Verantwortung für Innovationen, S. 433f. 38 Vgl. hierzu Röttgers: Verantwortung für Innovationen, S. 434. Dabei wird der kommunikative Prozess zwischen Selbst und Anderem in einem einzigen und darin repräsentativem Subjekt simuliert, das sich selbst die Fragen stellt, auf die es dann aus Pflicht antwortet. Nimmt man die Verantwortungsübernahme für Funktionspositionen im Netz der Gesellschaft ernst, so heißt nach Röttgers „aus eigener Verantwortung“ zunächst einmal nichts anderes, als die zugeschriebene Position mitsamt der damit verbundenen Verantwortungszuschreibung aktiv und gestalterisch auszufüllen. Röttgers merkt an, dass erst, wenn man Eigenverantwortung von Funktions- und Positionszuschreibungen löse, um sie an ursprüngliche Autonomie des Menschen als Vernunftwesen zu knüpfen, der Begriff mitunter widersinnig werde.

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

dert geeignet machte, zum funktionalen Äquivalent für den bis ins erste Drittel des Jahrhunderts dominanten Pflichtbegriff zu werden und letzteren als Orientierungsbegriff abzulösen.39 Der Pflichtbegriff, wie er vor allem in der kantischen Ethik formuliert vorliegt, vereinigt die beiden Komponenten des späteren Verantwortungsbegriffs des Gezogenwerdens und des Übernehmens.40 Für die Theorie der moralischen Verantwortung kommt der Philosophie Immanuel Kants zentrale Bedeutung zu.41 Kant konzipiert die Autonomie als Fähigkeit zur vernünftigen Selbstbestimmung, womit Freiheit und moralische Verantwortlichkeit (im prospektiven Sinne) zu gleichursprünglichen Konzepten werden: Durch die Selbstbestimmung als autonomes Vernunftwesen erfolgt eine Selbstzuschreibung moralischer Verantwortung, nämlich die Verpflichtung, das eigene Handeln an allgemein akzeptablen Gesetzen zu orientieren.42 Damit ist in der kantischen Ethik nicht nur Freiheit Voraussetzung der Verantwortlichkeit, sondern umgekehrt Verantwortlichkeit auch Grund der Freiheit. Die Zuschreibung moralischer Verantwortung geschieht nicht nur von außen in einer sozialen Konstruktion, sondern gründet letzten Endes in der notwendigen Selbstzuschreibung freier, aber endlicher Vernunftwesen.43 Aus diesen Grundsätzen leitet sich auch der Schluss ab, dass „sowohl prospektive als auch retropesktive Verantwortung […] – im eigentlichen Sinne – nur handlungsfähigen Wesen (Personen) zugeschrieben werden“ kann.44 Entsprechend ist es umstritten, ob auch Korporationen wie beispielsweise Unternehmen moralische Verantwortung zugeschrieben werden kann. Gerade die Frage nach der moralischen Verantwortung von Unternehmen ist deshalb von derart herausragender Bedeutung, weil jede Konzeption einer Unternehmensethik doch immer auch implizit oder explizit ein gewisses Verständnis für den moralischen Status des Unternehmens voraussetzt, wie bereits Enderle zurecht anmerkt.45

39 Vgl. Röttgers: Verantwortung nach der Moderne, S. 20f. Gerade die Rigorosität des kantischen Handelns aus Pflicht hat den Pflichtbegriff aber im 20. Jahrhundert verdächtig werden lassen. Auch ließen sich bestimmte Probleme nicht befriedigend mit der Pflichtethik lösen, ohne nach ihr schuldig zu werden. Demgegenüber habe sich der Verantwortungsbegriff in der Moderne schlicht als flexibler erwiesen. (Vgl. Röttgers: Verantwortung für Innovationen, S. 436.) 40 Vgl. dazu wie zum Nachfolgenden Röttgers: Verantwortung für Innovationen, S. 434f. 41 Von grundlegender Bedeutung sind dabei Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und seine Kritik der praktischen Vernunft. Vgl. Immanuel Kant: Werkausgabe. Kritik der praktischen Vernunft. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hg. v. Wilhelm Weischedel. Bd. 7. Frankfurt a.M. 41978. 42 Vgl. hierzu und zum Folgenden Werner: Verantwortung, S. 543f. 43 Vgl. auch Ralf-Peter Koschut: Strukturen der Verantwortung. Eine kritische Auseinandersetzung mit Theorien über den Begriff der Verantwortung unter besonderer Berücksichtigung des Spannungsfeldes zwischen der ethisch-personalen und der kollektiv-sozialen Dimension menschlichen Handelns. Frankfurt a.M. 1989 (= Europäische Hochschulschriften: Reihe 23, 373), S. 36ff. 44 Werner: Verantwortung, S. 542. 45 Vgl. dazu und zum Folgenden Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 199.

Unternehmerische Verantwortung als ethisches Konzept

3.1.2.2

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Unternehmen als korporative Akteure

Es handelt sich um ein grundlegendes theoretisches Problem, in welchem Günter Ulrich Sinne Unternehmen als real existierende gesellschaftliche Akteure anzusehen sind, ob sie ebenso wie menschliche Akteure verantwortungsbewusst handeln können und moralfähig sind, ob sie also ihr Handeln nicht bloß an externen Sanktionen, sondern auch an internen moralischen Spielregeln auszurichten vermögen.46 Immer wieder werden Zweifel laut, ob die Verantwortung von Korporationen denselben Sinn haben kann wie die moralische Verantwortung von Personen, weil die Verantwortung von Korporationen stets an personale Verantwortung rückgebunden sein müsse, was umgekehrt nicht gelte.47 Nur in indirektem Sinn könnten Unternehmen, zum Beispiel als juristische Personen, Verantwortungsträger sein. Die Problematik dieser herkömmlichen Verantwortungslogik und ihrer moraltheoretischen wie -praktischen Verwendung kann mit Küpers in einer monologischen Zentrierung der Verantwortung auf den Logos einer Einheitsinstanz gesehen werden.48 Er merkt an, dass Ansprüche des Anderen dabei gemäß den Konventionen einer moralisch-rechtlichen Ordnung als berechtigt oder unberechtigt zugeordnet würden. Wenn auch die Ethik in der Beziehung zwischen Menschen, insbesondere im Verhältnis zum konkreten Anderen ansetze, so sei deren integrativer Verantwortungssinn doch immer auf eine Gemeinschaft und ein Kollektiv, mithin auf einen Systemzusammenhang bezogen. Das werfe die Frage nach einer möglichen Ergänzung individueller personaler Verantwortung in Form einer moralanalogen korporativen Verantwortlichkeit von ganzen Organisationen auf.49 Bereits 1902 plädiert der Jurist und Rechtshistoriker Otto von Gierke in der Debatte um das soziale Substrat der juristischen Person für eine holistisch-ganzheitliche Sichtweise: Korporative Akteure seien kein juristisches Konstrukt, sondern hätten als „leiblich-geistige Einheit“ der Verbandspersönlichkeit ihr Fundament in der gesellschaftlichen Wirklichkeit selbst.50 Steinmann/Löhr können mit ihrem Entwurf zur Unternehmensethik als die prominentesten (gegenwärtigen) 46 Vgl. hierzu und zum Folgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen sozial verantwortungsvoll handeln? In: Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Unternehmensverantwortung aus kulturalistischer Sicht. Marburg 2007 (= Theorie der Unternehmung 37), S. 69–97, 71; vgl. dazu grundlegend Josef Wieland: Die Tugend kollektiver Akteure. In: Ders.: Die moralische Verantwortung kollektiver Akteure. Heidelberg 2001, S. 22–40. Schon bei der Grundsatzfrage nach dem ontologischen Status von Kollektivgebilden – die hier freilich nicht diskutiert werden kann – bewegt man sich auf vermintem Terrain: Existieren Organisationen wie zum Beispiel Unternehmen überhaupt in derselben Weise wie menschliche Akteure? (Vgl. dazu Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 71.) 47 Vgl. hierzu und zum Folgenden Werner: Verantwortung, S. 545f. 48 Vgl. wie auch zum Folgenden Küpers: Ver-Antwortung, S. 313. Als Einsheitsinstanz können dabei ein allgemeines Vernunftssubjekt, eine intersubjektive Diskursgemeinschaft oder vorgegebene Ordnungsimperative fungieren. 49 Vgl. Küpers: Ver-Antwortung, S. 319f. 50 Vgl. Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 71.

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Fürsprecher der Möglichkeit einer unternehmerischen Verantwortungsübernahme gelten. Ihre Bestimmung des Unternehmens als korporativer Bürger, der dazu in der Lage ist, in der Gesellschaft eine verantwortungsvolle Rolle zu spielen, ist bis heute sehr einflussreich.51 Ein korporativer Akteur ist dabei wie ein natürlicher Akteur oder ein Individuum zu betrachten, dem ein einheitlicher Wille zugesprochen werden kann: „In dieser Perspektive handelt der Akteur dann diesem Willen gemäß, er hat Prinzipien, denen sein Handeln […] entsprechen oder widersprechen kann.“52 Eine Organisation kann dann als korporativer Akteur einem Individuum gleich „ein ganz bestimmtes Ziel“ verfolgen, „so dass jedes Mitglied dieser Organisation, insofern es Mitglied ist, so angesehen wird, als verfolge es zuerst dieses Organisationsziel“.53 Nach Georges Enderle ist „das Unternehmen nicht als bloße Summe individueller Akteure, aber auch nicht als hypostasierte, ‚moralische Person‘, sondern als ‚moralischer Akteur‘, als überindividueller Akteur ‚sui generis‘ zu begreifen“.54 Die Einwände gegen ein solches Modell sollen keineswegs verschwiegen werden: Schon Max Weber warnt vor einer begriffsrealistisch argumentierenden Soziologie, wenn diese soziale Gebilde zu Kollektivpersönlichkeiten stilisiere: „Für die verstehende Deutung des Handelns durch die Soziologie sind […] diese Gebilde lediglich Abläufe und Zusammenhänge spezifischen Handelns einzelner Menschen.“55 Entsprechend erachtet der methodologische Individualismus im Gefolge der Weberschen Soziologie überindividuelle Akteure lediglich als Fiktionen zum Zwecke der Komplexitätsreduktion.56 Ein solcher individualistischer Bias, bei dem der Mensch als geistig-organische und nicht weiter dekomponierbare Gesamtheit und nicht hinterfragbarer Fixpunkt eine Zentralstellung im Reich des Sozialen besitzt, prägt große Teile der modernen Sozialtheorie und Ethik.57 Diese ontologische Prämisse findet ihren Niederschlag schließlich auch in der Semantik des korporativen Akteurs, dem man nur dann soziale Realität zugestehen möchte, wenn ihm eine wie auch immer beschaffene Körperlichkeit und Zielgerichtetheit attestiert werden kann. Auch von systemtheoretischer Seite regt sich Widerspruch. So gehörten Unternehmen als marktwirtschaftliche Akteure in das soziale Teilsystem der Wirtschaft.58 Aus Sicht der Systemtheorie sind soziale Funktionssysteme – wie oben dargestellt – operativ geschlossene Einheiten, die sich nach eigenen Programmen 51 Vgl. grundlegend Steinmann/Löhr: Grundlagen. Die Vorstellung wurde so bspw. auch von Vertretern der Ökonomik übernommen, für die hier Andreas Suchanek stellvertretend angeführt sei: Vgl. Suchanek: Ökonomische Ethik, S. 97f. 52 Petersen: Zur gesellschaftlichen Verantwortung eines korporativen Bürgers, S. 39. 53 Petersen: Zur gesellschaftlichen Verantwortung eines korporativen Bürgers, S. 38. 54 Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 199. 55 Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 51980, S. 6. 56 Uwe Schimank: Handeln und Strukturen. Einführung in die akteurtheoretische Soziologie. Weinheim u.a. 2000, S. 307. 57 Vgl. hierzu wie zum Nachfolgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 72.

Unternehmerische Verantwortung als ethisches Konzept

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und spezifischen Codes selbst organisieren und reproduzieren. Entsprechend ist es aussichtslos, mit einem fremden Code in ein Funktionssystem wie die Wirtschaft einzudringen und es durch moralische Kommunikation zu Kursänderungen oder sogar zu einem Umschalten auf ethische Selbstbeobachtung zu bewegen. Aus Sicht der Systemtheorie ist es somit im Grunde genommen unmöglich, soziale Teilsysteme zur Verantwortung zu ziehen. Demensprechend hat Niklas Luhmann den Versuch, die Verantwortungskategorie auf funktionale gesellschaftliche Prozesse zu übertragen, als „Verzweiflungsgeste“ bezeichnet.59 Günter Ulrich plädiert daher für ein Weiterdenken des soziologischen Neoinstitutionalismus.60 Zum einen ist es erforderlich, anstelle einer einseitigen Determination der Organisation durch die Gesellschaft, die rekursiven Beziehungen zwischen Organisation und Gesellschaft herauszuarbeiten.61 Zum anderen muss eine genauere Analyse der Unterschiede zwischen individuellen und korporativen Akteuren vorgenommen werden. Die Differenzen zwischen menschlichen Akteuren und Organisationen sind evident62, da etwa die rechtlichen und moralischen Sanktionsmöglichkeiten einem Unternehmen gegenüber beschränkt sind, weil es weder über Körper noch Gewissen verfügt.63 Doch fällt es Unternehmen umgekehrt mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen leichter, sich im Sinne des soziolo58 Vgl. hierzu und zum Nachfolgenden Ludger Heidbrink: Systemverantwortung, Selbstbindung und Ethik der wirtschaftlichen Organisation. In: Thomas Beschorner u.a. (Hg.): Unternehmensverantwortung aus kulturalistischer Sicht. Marburg 2007 (= Theorie der Unternehmung 37), S. 45–66, 45. In ganz ähnlicher Weise wie Heidbrink argumentiert auch Reinhard Schulz: Schulz: Äquivokationen, bes. S. 33f. 59 Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt a.M. 1997, S. 133. 60 Vgl. hierzu wie zum Folgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 72f. Vgl. zur bes. auf John Meyer, Richard Scott und Walter Powell zurückgehenden Theorie des soziologischen Neoinstitutionalismus, die im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht dargestellt und diskutiert werden kann: Stefan Süß: Soziologischer Neoinstitutionalismus. Aussagen, Anwendungsbereiche, Kritik. In: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 37 (2008), S. 63–68; sowie grundlegend Walter W. Powell/Paul J. DiMaggio: Introduction. In: Diesn. (Hg.): The New Institutionalism in Organizational Analysis. Chicago u.a. 1991, S. 1–38; wie auch Diesn.: The Iron Cage Revisited. Institutional Isomorphism and collective Rationality. In: Diesn (Hg.): The New Institutionalism in Organizational Analysis. Chicago u.a. 1991, S. 63–82. 61 Vgl. Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 72f.; vgl. ebf. Thomas Beschorner u.a.: Unternehmenskultur II – Zur kulturellen Einbettung von Unternehmen. In: Forschungsgruppe Unternehmen und Gesellschaftliche Organisation (FUGO) (Hg.): Perspektiven einer kulturwissenschaftlichen Theorie der Unternehmung. Marburg 2004 (= Theorie der Unternehmung 23), S. 273–307; sowie grundlegend zu diesem Ansinnen den Sammelband Günther Ortmann u.a. (Hg.): Theorien der Organisation. Die Rückkehr der Gesellschaft. Opladen 1997. 62 Vgl. dazu auch Michael C. Jensen/William H. Meckling: Theory of the Firm. Managerial Behavior, Agency Cost and Ownership Structure. In: Journal of Financial Economics 3 (1976), Nr. 4, S. 305– 360, 311; Wiederabdr. in Michael C. Jensen: A Theory of the Firm. Governance, Residual Claims and Organizational Forms. Cambridge, Mass. u.a. 2000. Die Autoren halten bereits in den 1970er Jahren fest: „The firm is not an individual […] but we often make this error by thinking about organizations as if they were persons with motivations and intentions.“ (Ebd.) 63 Vgl. Klaus M. Leisinger: Whistleblowing und Corporate Reputation Marketing. München u.a. 2003 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 6), S. 129.

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gischen Neoinstitutionalismus als legitime Akteure zu profilieren: Dazu zählen das Verfolgen zweckrationaler Kalküle, Berechenbarkeit, Affektkontrolle sowie Offenheit gegenüber beratenden Instanzen.64 Daraus resultiert eine „erhöhte Fähigkeit zu selbstverantwortlichem, normgeleiteten Handeln“.65 Zugleich ist Unternehmen der Weg versperrt, sich „unter Verweis auf Willensschwäche, verminderte Zurechnungsfähigkeit oder Unwissenheit aus der Affäre zu ziehen“.66 Das zeigt zugleich, dass Unternehmen über emergente Eigenschaften verfügen, die sich von den Eigenschaften ihrer Konstituenten unterscheiden.67 Zuerst aber stellt sich die Frage, ob sie auch als handlungsfähige Einheiten angesehen werden können und welche Eigenschaften ihnen gegebenenfalls Handlungsfähigkeit ermöglichen.68 3.1.2.3

Handlungsfähigkeit korporativer Akteure

In der Semantik des deutschen Rechtssystems gehen Ethik und Recht getrennte Wege: „Haftung“ tritt terminologisch an die Stelle der Verantwortung.69 Die Haftung von Unternehmen als juristische Personen ergibt sich aus der gesetzlichen Rahmenordnung und ist unzweifelhaft. Sind Unternehmen aber deshalb auch notwendigerweise moralfähige Akteure, die für die Folgen ihres Tuns einzustehen haben? Diese Frage ist für die Begründung unternehmerischer Verantwortung von entscheidender Bedeutung. Besondere Aktualität besitzt sie aufgrund der Tatsache, dass Unternehmen sich in einer globalisierten (Wirtschafts-)Welt – wie oben bereits knapp skizziert – immer häufiger außerhalb gesetzlicher Rahmenordnungen bewegen und ihr Handeln so dem Einfluss und der Kontrolle der Politik zu entziehen vermögen. Doch ist die Frage der Moralfähigkeit unmittelbar mit dem Problem der Handlungsfähigkeit verknüpft: „Moralische Verantwortung läßt sich bestimmen als Eintreten(-Müssen) für moralisch relevante Folgen von Handlungen (z.B. Schädigungen anderer), als moralische Handlungsverantwortung also.“70 Beide Fähigkeiten bedingen sich gegenseitig und können nicht ohne die jeweils andere verstanden werden – unabhängig von der Spezifizierung des Handlungsträgers.71 Von wesentlichem Interesse für die Frage nach dem Unternehmen als 64 Vgl. John W. Meyer/Ronald Jepperson: Die „Akteure“ der modernen Gesellschaft: Die kulturelle Konstruktion sozialer Agentschaft. In: John W. Meyer (Hg.): Weltkultur. Wie die westlichen Prinzipien die Welt durchdringen. Hg. v. Georg Krücken. Aus d. Amerikan. v. Barbara Kuchler. Frankfurt a.M. 2005, S. 47–84. 65 Hans Geser: Organisationen als soziale Akteure. In: Zeitschrift für Soziologie 19 (1990), S. 401–417, 406. 66 Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 73. 67 Vgl. Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 73. 68 Vgl. Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 78. 69 Vgl. hierzu und zum Folgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 82. 70 Matthias Maring: Kollektive und korporative Verantwortung. Begriffs- und Fallstudien aus Wirtschaft, Technik und Alltag. Münster u.a. 2001 (= Forum Humanität und Ethik 2), S. 297. 71 Vgl. Matthias Maring: Modelle korporativer Verantwortung. In: Conceptus 23 (1989), S. 25–41, 38. Maring hält fest, dass „die Zuschreibung moralischer und anderer Verantwortung […] an das Krite-

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moralischer Akteur ist daher, inwieweit Unternehmen überhaupt Handlungsfähigkeit zugesprochen werden kann oder muss. Um diese Frage zu erhellen, muss zunächst geklärt werden, was unter einer Handlung zu verstehen ist. Handeln wird in der Philosophie als ein kausaler Prozess verstanden, der von mentalen Zuständen und Ereignissen zur Handlung führt und vier wesentliche Elemente umfasst: Subjekt des Handelns ist eine handelnde Person, die eine bestimmte autonome und rationale Intention bildet oder hat, die es durch ein bestimmtes Tun realisiert oder zu realisieren versucht.72 Das Tun oder Handeln wiederum führt dazu, dass eine Handlungswirkung eintritt. Dabei wird davon ausgegangen, dass sowohl die Bildung der Intention wie auch die Realisierung des Tuns und das Eintreten der Wirkung inneren und äußeren sogenannten Handlungsbedingungen unterliegen, die allerdings den Handlungsfreiraum des Handlungssubjekts nicht vollständig zu determinieren vermögen. Ein diskretionärer Handlungsspielraum wird also prinzipiell vorausgesetzt, allerdings kann dieser im Extremfall verschwinden – in so einem Fall kann jedoch nicht mehr von eigentlichem Handeln gesprochen werden.73 Durch Subjekthaftigkeit und Intentionalität ist der Handlungsbegriff im Übrigen wesentlich von dem des Verhaltens unterschieden.74 Die kausale Handlungstheorie beschränkt den Handlungsbegriff auf das körperliche, durch mentale Antezedenzien verursachte Tun natürlicher Personen.75 Die Theorie folgt damit einer langen abendländischen Tradition, die Handeln essentiell als Tätigkeit eines Individuums modelliert. Immanuel Kant definiert in seiner Metaphysik der Sitten auch die Person als „dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind“.76 Verantwortung ist dabei eng mit Freiheit als Freiheit der Entscheidung verknüpft: Wenn wir jemanden für sein Tun verantwortlich machen, gehen wir davon aus, „daß er aus Freiheit handelte in dem Sinn, daß er die Regeln kannte, die Wahl hatte und sich zu seiner Tat entschied“.77 Die Frage, ob auch Wirtschaftsunternehmen eine entsprechende Handlungsfreiheit besitzen, wird hier freilich nicht thematisiert.

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rium der Handlungsfähigkeit gekoppelt“ wird. Dieses Kriterium sei „schwächer als das Kriterium, eine (moralische) Person zu sein, aber dennoch ausreichend.“ Vgl. dazu und zum Folgenden Oswald Schwemmer: Handlung und Struktur. Zur Wissenschaftstheorie der Kulturwissenschaften. Frankfurt a.M. 1987 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 669), S. 194. Vgl. Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 218. Vgl. Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 218, FN 23. Geert Keil: Handeln und Verursachen. Frankfurt a.M. 2000 (= Philosophische Abhandlungen 79), S. 49, 13ff.; vgl. ebenso Donald Davidson: Handlung und Ereignis. Frankfurt a.M. 1990 (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 895), S. 81; vgl. hierzu wie zum Folgenden auch Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 80. Immanuel Kant: Werke in sechs Bänden. Hg. v. Wilhelm Weischedel. Bd. 4: Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie. Darmstadt 1983, S. 329. Peter Bieri: Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens. München u.a. 2001, S. 203; vgl. auch Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 84.

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Folgt man der von Max Weber geprägten und vom methodologischen Individualismus vertretenen Auffassung vom Handlungsbegriff, stellt eine Handlung ein zweckrationales und zielgerichtetes Tätigsein dar.78 Die Folgenorientierung gehört dabei selbstverständlich zu den Attributen des Handlungsakts. An dieses Prinzip knüpft auch die utilitaristische Ethik an: Entscheidungen gelten dann als normativ gerechtfertigt, wenn sie verglichen mit alternativen Handlungsoptionen eine Optimierung der Handlungsfolgen im Sinne der Beförderung des Nutzens aller erwarten lassen. Der in der neuen soziologischen Theorie sehr einflussreiche Begriff der „doppelten Kontingenz“ verdeutlicht indes, dass eine kalkulatorische Berechnung der Handlungsfolgen schon bei einfachen sozialen Interaktionen an ihre Grenzen stößt, weil – spieltheoretisch formuliert – die „Auszahlungen“ von den Strategien der Interaktionspartner abhängen.79 Aus diesem Grund erscheint es ratsam, die „Erwartungen und Erwartungserwartungen der Interaktionspartner in die Handlungsplanung“ einzubeziehen – so zum Beispiel bei der Implementierung verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns im Rahmen eines Dialogs des Unternehmens mit relevanten Anspruchsgruppen.80 Transintentionale Handlungseffekte ließen sich angesichts der wachsenden Komplexität der sozialen Systeme und Netzwerke in einer globalisierten Welt dennoch nicht vermeiden, was auch für Unternehmen gelte. Das wird damit begründet, dass Unternehmen schlicht nicht voraussehen könnten, welche Herausforderungen die Zukunft mit sich bringe.81 Entsprechend gehen Vertreter utilitaristischer Ethiktheorien davon aus, dass es weder einen Königsweg bei strategischen Unternehmensentscheidungen gebe, noch dass ein Unternehmen umfassende Verantwortung für die langfristigen Folgen des eigenen Tuns tragen könne.82 Wenig Einigkeit über die Handlungsfähigkeit von Unternehmen herrscht unter den Vertretern eines methodologischen Individualismus in Soziologie und Wirtschaftswissenschaften. So wird in einigen Stellungnahmen bezweifelt, dass Organisationen überhaupt aus sich heraus handeln oder über entsprechende dahingehen-

78 Vgl. wie auch zum Folgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 83. Max Weber führt den Begriff der moralischen Verantwortung in seiner Vorlesung über Politik und Beruf ein, in der er zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik unterscheidet. Verantwortung erscheint für ihn darin als ethisches Prinzip, das von jedem Einzelnen verlangt, die erwartbaren Folgen seines Tuns zu antizipieren und seinen Handlungsentscheidungen zugrunde zu legen. (Vgl. Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 82.) 79 Vgl. grundlegend Talcott Parsons/Edward A. Shils: Toward a General Theory of Action. Theoretical Foundations for the Social Sciences. New Brunswick u.a. 22005, S. 16; sowie Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a.M. 1984, S. 148ff. 80 Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 83; vgl. Leisinger: Whistleblowing, S. 233ff; vgl. ebf. Andrew Crane/Dirk Matten: Business Ethics. A European Perspective. Managing Corporate Citizenship and Sustainability in the Age of Globalization. Oxford u.a. 2004, S. 50ff. 81 Vgl. Constantinos C. Markides: In Search of Strategy. In: Sloan Management Review 40 (1999), Nr. 3, S. 6–7, 7.; vgl. auch Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 83. 82 Vgl. Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 84.

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de Intentionen verfügen können.83 Auf der anderen Seite wird Organisationen uneingeschränkt Handlungsfähigkeit zugebilligt. Coleman stellt Unternehmen beinahe auf dieselbe Stufe wie natürliche Personen und stellt fest: „Beide weisen die wesentlichen Eigenschaften von Akteuren auf: Kontrolle über Ressourcen und Ereignisse, Interesse an Ressourcen und Ereignissen und die Fähigkeit, Handlungen zu ergreifen, um diese Interessen durch eine solche Kontrolle wahrzunehmen“.84 Dennoch stellt sich auch Coleman die Frage, auf welche Weise Organisationen als „ungreifbare Gebilde“ Handlungsfähigkeit sicherstellen.85 Als Lösung dieses Dilemmas wird eine für Arbeitsorganisationen typische Zentralisierung der Entscheidungsproduktion vorgeschlagen, welche die Nutzungsrechte an den organisationalen Ressourcen auf Personen überträgt, die in ihrem Namen handeln können.86 Damit erscheint das organisationale Handeln im methodologischen Individualismus letztlich als „Zwei-Ebenen-Phänomen“.87 Organisationen nutzten die Handlungsfähigkeit von „Personen-in-Positionen“, um daraus eigene Handlungsfähigkeit zu generieren. Sie erscheinen so als „Akteure zweiter Ordnung“88, deren „sekundäre Handlungen […] von den primären Handlungen rationaler Erwachsener konstituiert werden“.89 Der soziologische Neoinstitutionalismus nimmt eine solche Unterscheidung zwischen Akteuren erster und zweiter Ordnung nicht vor.90 Aus dessen Perspektive einer „Konstitution von oben“ erscheint Handlung als „die Inszenierung übergreifender institutioneller Drehbücher“ und nicht als „das Pro-

83 Vgl. dazu Fritz W. Scharpf: Interaktionsformen. Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. Opladen 2000 (= UTB für Wissenschaft 2136), S. 97. 84 James Samuel Coleman: Grundlagen der Sozialtheorie. Bd. 2: Körperschaften und die moderne Gesellschaft. München 1992 (= Scientia nova), S. 285. Coleman setzt in seinem einflussreichen Ansatz, der gemeinhin der Rational-Choice-Theorie zugeordnet wird, bei der Erklärung gesellschaftlicher Makrophänomene auf der Individualebene an. Dazu erklärt er gesellschaftliche Phänomene über das Verhalten ihrer Akteure. Er unterscheidet dabei zwischen Individuen und korporativen Akteuren, bei denen es sich um Unternehmen, Gewerkschaften, aber auch Staaten und NGOs handeln kann. In seiner Theorie behandelt er beide Akteurstypen nahezu gleich, stellt jedoch zwischen ihnen eine Machtungleichheit zu Ungunsten der Individuen aufgrund der unterschiedlichen Verfügungsgewalt über Ressourcen fest. Letztlich resultieren daraus für die Individuen geringere Handlungsmöglichkeiten. 85 Coleman: Grundlagen der Sozialtheorie 2, S. 180. 86 Vgl. ebd.; vgl. gleichfalls und zum Folgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 80f. 87 Raymund Werle: Technik als Akteur? In: Ders./Uwe Schimank (Hg.): Gesellschaftliche Komplexität und kollektive Handlungsfähigkeit. Frankfurt a.M. u.a. 2000 (= Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln 39), S. 74–94, 77. 88 Jutta Allmendinger/Thomas Hinz: Perspektiven der Organisationssoziologie. In: Diesn. (Hg.): Organisationssoziologie. Wiesbaden 2002 (= Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderhefte 42), S. 9–28, 10. 89 Patricia Werhane: Rechte und Verantwortungen von Korporationen. In: Hans Lenk/Matthias Maring (Hg.): Technikethik und Wirtschaftsethik. Fragen der praktischen Philosophie. Opladen 1998, S. 329–336, 330. 90 Vgl. dazu und zum Nachfolgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 81.

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dukt intern erzeugter, autonomer Entscheidungen, Motive und Zwecke“.91 Alle Akteure, unabhängig, ob individuelle, korporative oder staatliche, müssen diesen standardisierten Skripts folgen und sich zweckrational, berechenbar und verantwortungsbewusst präsentieren, um als handlungsfähig angesehen zu werden. Dieser Aspekt einer Konstitution von Handlung durch Kommunikation in Form von Beschreibung und Zuschreibung wird im Übrigen auch von der Luhmannschen Systemtheorie hervorgehoben, obgleich – dem Modell der Autopoiesis folgend – bei ihr die mit den Mitteln des Sozialsystems vorgenommene Selbstbeschreibung im Zentrum steht.92 So werden Organisationen weniger durch externe Drehbücher zu Handlungssystemen, sondern durch interne, zum Zweck der Komplexitätsreduktion verfertigte Selbstbeschreibungen.93 Anstelle der Unterscheidung zwischen primären und sekundären Akteuren wird zwischen Kommunikations- und Handlungssystemen differenziert. Schon die wenigen angeführten Anregungen aus der Luhmannschen Organisationstheorie werfen weitergehende Fragen auf: Wie können Organisationen als operativ geschlossene Systeme überhaupt mit ihrer Umwelt kommunizieren? Dieser „neuralgische Punkt der Theorie“ (Drepper) kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht weiter verfolgt werden.94 3.1.2.4

Moralfähigkeit korporativer Akteure

Die Frage nach der Moralfähigkeit von Unternehmen als korporative Akteure lässt verschiedene, von den zugrunde liegenden Normierungskonzepten abhängende Antworten zu.95 Erinnern wir uns an den zweiten Teil der vorliegenden Arbeit, so erschienen Unternehmen in der von Homann entwickelten Wirtschaftsethik unter utilitaristischen Vorzeichen perspektivisch als zweckrational operierende Gebilde, welche sich konsequentialistisch an einem vorgegebenen Leitwert (beispielsweise kollektive und korporative Rentabilität) orientieren und daraus die Legitimität ihres Handelns ableiten: „Das systemkonforme Gewinnstreben wird der Idee nach […] durch die Rahmenordnung so kanalisiert, dass es als moralisch legitim angesehen werden kann.“96 Die Moralität unternehmerischen Handelns erwuchs aus der Einbettung in die von normativen Kriterien bestimmte Wirtschaftsordnung, was allerdings nach Meinung der Autoren eine darüber hinausgehende moralische Verantwortungsübernahme nicht ganz ausschließt. So denken Homann/Blome-Drees etwa an Initiativen zu entsprechenden gesetzlichen Regeln oder Bran91 John W. Meyer u.a.: Ontologie und Rationalisierung im Zurechnungssystem der westlichen Kultur. In: Ders. (Hg.): Weltkultur. Wie die westlichen Prinzipien die Welt durchdringen. Hg. v. Georg Krücken. Aus d. Amerikan. v. Barbara Kuchler. Frankfurt a.M. 2005, S. 17–46, 18. 92 Vgl. Luhmann: Soziale Systeme, S. 227f. 93 Vgl. hierzu und zum Folgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 81f. 94 Vgl. Thomas Drepper: Organisationen der Gesellschaft. Gesellschaft und Organisation in der Systemtheorie Niklas Luhmanns. Wiesbaden 2003, S. 249. 95 Vgl. hierzu und zum Folgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 84f. 96 Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 114.

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chenvereinbarungen – aber immer mit dem Ziel, dadurch eine entsprechende Rahmenordnung zu etablieren, die solche Initiativen überflüssig macht.97 Aus der Perspektive einer deontologischen Ethik hingegen erscheinen Unternehmen zumindest potentiell als moralische Gebilde, die jenseits des Rentabilitätsprinzips nach dem Sinn und der Legitimation des Wirtschaftens fragen und an der Verbindlichkeit von Werten festhalten, welche sich einer bloßen Bilanzierung und Güterabwägung entziehen.98 Hier knüpft das Konzept Peter Ulrichs an: „Insbesondere ist es die moralische Pflicht der Unternehmensleitung […], die legitimen Ansprüche und moralischen Rechte aller vom unternehmerischen Handeln Betroffenen […] zu wahren.“99 Dahinter steht ein umfassenderer Verantwortungsgedanke, bei dem sich Unternehmen als moralische Gebilde gegen die Alleinherrschaft des Rentabilitätsprinzips profilieren und auf diese Weise versuchen, wirtschafts- und unternehmensintern eine über das Sachzwangdenken hinausweisende ökonomische Vernunft zu verwirklichen. Die Frage, was Unternehmen als korporative Akteure zu verantwortlichem Handeln befähigt, stellt sich in jedem Fall unabhängig davon, wie das Verhältnis von Ethik und Ökonomik gedacht wird. Georges Enderle vertritt in seiner Unternehmensethiktheorie entschieden die Position, dass das Charakteristikum der Ganzheit des Unternehmens die Grundlage dafür bilde, dass das Unternehmen aus ethischer Sicht als moralischer Akteur zu betrachten ist.100 Entsprechend verwirft er die Ansätze des methodologischen Individualismus, da diese die organisationale Ganzheit des Unternehmens in Frage stellten. Enderle wendet ein, dass sich Unternehmen nicht als moralische Akteure verstehen ließen, wenn „in der einen oder anderen Weise die Einheit des Unternehmens als ökonomischer Organisation und dessen [sic!] Abgrenzbarkeit gegenüber ‚außen‘ […] bestritten“ werde.101 Enderle führt in seiner umfangreichen Monographie vier verschiedene Ansätze an, die seine Vorstellung vom Unternehmen als „zielorientierte und zugleich sich 97 98 99 100

Vgl. Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 116f. Vgl. dazu wie zum Folgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen 85. Ulrich: Zivilisierte Marktwirtschaft, S. 146. Vgl. Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 211f.; vgl. ferner grundlegend die einschlägigen Forschungen zur Organisationstheorie und -entwicklung – aus ethischer Perspektive bes. Maring: Modelle korporativer Verantwortung, S. 25–41. 101 Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 211. Die Infragestellung ist danach von zwei Seiten möglich. Enderle spricht damit die oben schon aufgeführten Theorien an. So käme es einerseits gleichsam zu einer Zersetzung und Auflösung der ökonomischen Einheit des Unternehmes durch die Vielzahl von Güter-, Arbeits-, Kapital- und anderen Märkten. Dabei würden Unternehmen nur noch als von den einzelnen Märkten, also von außen gesteuerte unterschiedliche Reaktionsmuster betrachtet. Andererseits würde eine Gleichsetzung des Unternehmens mit dem Unternehmer oder der Unternehmensleitung vogenommen und dessen Einheit als ökonomische Organisation auf ein bestimmtes Individuum oder eine Gruppe von Individuen zurückgeführt. Zwar gebe es dafür eine gewisse Berechtigung besonders bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. Dennoch käme das einer Reduzierung der „Unternehmensethik […] auf eine Unternehmerethik“ gleich. (Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 212.)

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selbst organisierende Einheit“ stützen sollen.102 Danach bildet das Unternehmen eine Einheit, in der „die Individuen zwar handeln“, deren „eigenes Handeln aber nicht mit dem Handeln der Individuen voll identisch ist“.103 Er fordert, die Moralfähigkeit des Unternehmens dürfe nicht nur an die in ihm handelnden Individuen geknüpft werden. Dies „käme einer Blindheit für die Relevanz moderner Organisationen in der heutigen Wirtschaft gleich“.104 Setzte man die Unternehmensethik und die Ethik des Managements oder der Manager gleich, stellte das „in den meisten Fällen“, in dem „das Unternehmen eine gewisse Größe erreicht hat […], eine eindeutige Überforderung beziehungsweise Selbstüberschätzung des Unternehmers und Managers“ dar.105 Wichtig ist sein Hinweis, dass unternehmensethische Überlegungen wesentlich das Unternehmen als Organisation betreffen. Daraus leitet er eine moralische Verantwortung ab: So dürfe etwa „ein schuldhaftes Versagen eines Unternehmens als ganzes nicht in einer Alibi-Übung nur einzelnen Angehörigen des Unternehmens […] angelastet werden“.106 Auch eine vollständige Determinierung des Unternehmens und seines Handelns durch die Rahmenordnung des Gesamtsystems hält Enderle für nicht vorstellbar: „Das Unternehmen kann die Verantwortung für sein Tun und Lassen im eigenen Handlungsspielraum nicht auf die Makroebene des Gesamtsystems abschieben.“107 Damit wird also auch die bloße Verortung der Moral im System, wie sie von Vertretern der modernen Ökonomik postuliert wird, abgelehnt. Indem das Modell der Ökonomik davon ausgeht, dass aufgrund der Marktgegebenheiten keine andere Möglichkeit besteht, als alle Unternehmensziele dem übergeordneten Ziel der Gewinnmaximierung unterzuordnen, negiert es jedwede Handlungsfreiheit. Wird die Handlungsfreiheit in solcher Weise geradezu aufgehoben, ist die Übernahme von Verantwortung durch einen einzelnen korporativen Akteur ausgeschlossen. Entsprechend kritisch äußert sich auch Günter Ulrich, wenn er dem „neoklassische[n] Modell“ vorwirft, „nur einen begrenzten Ausschnitt der organisationalen und ökonomischen Realität“ zu erfassen.108 Dass die ökonomische Realität durchaus „Abweichungen vom Pfad der unternehmerischen Selbsterhaltung“ vorsehe, werde als dysfunktional und sogar moralisch fragwürdig diskreditiert.109 Doch dürfe gerade die „proaktive Rolle strategischer Unternehmensentscheidungen“ nicht unterschlagen werden.110 Tatsächlich seien Unternehmen nicht hilflos einer objektiv fassbaren Marktrealität ausgeliefert, sondern schafften und gestalteten Märkte, die dann ihrerseits eine Dynamik entwickelten, die sich in einem neoklassi102 103 104 105 106 107 108 109 110

Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 211; vgl. ausführlich ebd., S. 213–221. Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 211. Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 201. Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 203. Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 203. Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 202. Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 88. Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 88. Vgl. hierzu und zum Folgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 89.

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schen Marktmodell nicht mehr einfangen ließe.111 Unter Bezugnahme auf Herbert Simon – den er jedoch nicht explizit anführt – macht er sich für die Anwendung eines Modells begrenzter Rationalität stark: Es sei „gerade die ‚bounded rationality‘ der Unternehmensentscheidung, die auf diesem Felde Handlungsfähigkeit“ generiere.112 Der methodologische Individualismus und die von der Ökonomik vorgebrachte Idee einer Rahmenordnung werden von Enderle auch deswegen in aller Deutlichkeit abgelehnt, da er in ihnen die Möglichkeit einer Unternehmensethik grundsätzlich in Frage gestellt sieht. Deren Grundlage knüpft er in seinem Modell in recht radikaler Weise direkt an den moralischen Status des Unternehmens beziehungsweise an dessen Moralfähigkeit als notwendige Bedingung: „Wenn es in der Wirtschafts- ethik nur um die Gestaltung der Rahmenordnung und das verantwortliche Handeln einzelner Individuen ginge, dann wäre wohl die Rede von Unternehmensethik mit Recht ‚bloßes Gesäusel‘“.113 Aus soziologischer Perspektive lässt sich Enderles Sichtweise von sechs Beobachtungen Hans Gesers stützen.114 Danach haben Unternehmen aufgrund ihrer inneren Strukturen und Technologien einerseits und ihrer äußeren Umweltsituationen und Ressourcenabhängigkeiten andererseits eigene Bedürfnisse, Interessen und Ziele, die nicht mit denjenigen von Individuen (Führungspersonen, Eigentümern, Eliten, Mitgliederbasis u.a.) koinzidieren müssen. Zudem sind Mitglieder aller Hierarchiestufen, die im Auftrag des Unternehmens handeln, durch ihre Handlungen (beispielsweise Prokura) dazu in der Lage, die Gesamtorganisation zu binden. Aus dem arbeitsteiligen Zusammenwirken der Mitglieder emergieren weiterhin komplexe Makrohandlungen (wie Güterproduktionen, Projektausführungen oder Vollzugsprogramme), die nur dem Unternehmen als Ganzem zugerechnet werden können. Weiterhin ist das Unternehmen als „juristische Person“ Träger selbstständiger, juristischer Handlungsrechte und -pflichten, und es verfügt über eine von ihren Mitgliedern (und deren privaten Verhältnissen) unabhängige Existenz. Gesers womöglich wichtigstes Argument ist die Beobachtung, dass Unternehmen von der Öffentlichkeit als selbstständige Akteure aufgefasst werden, die ähnlich wie Individuen über bestimmte Personeneigenschaften verfügten – zu denken wäre an Charakteristika wie Glaub- und Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit oder Fairness. Unternehmen werden als Adressaten normativer Zumutungen betrachtet, weil sie als Akteure für die von ihnen verursachten Ereignisse nicht nur im kausalen, sondern auch im ethischen Sinn Verantwortung tragen – eine Verantwortung, die wahrgenommen oder nicht wahrgenommen werden kann. Zuletzt 111 Vgl. dazu grundlegend Karl E. Weick: Sensemaking in Organizations. Thousand Oaks u.a. 1995. 112 Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 89; vgl. grundlegend Herbert A. Simon: Theories of decision making in economics and behavioural Science. In: American Economic Review 49 (1959), S. 253–283. 113 Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 220; vgl. ähnlich ebd., S. 225. 114 Vgl. hierzu und zum Folgenden Hans Geser: Organisationen als moralische Akteure. In: Schweizerische Arbeitsblätter für ethische Forschung (1989), Nr. 21, S. 28–37.

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weist Geser auf das vermehrte Auftreten interaktiver Situationen hin (zu denken wäre an Gerichtsprozesse, Vertragsabschlüsse oder öffentliche Diskussionen), in denen sich Individuen und Organisationen als Partner – oder Opponenten – gegenübertreten, wobei eine kategoriale Ungleichheit zwischen individuellen und überindividuellen Akteuren besteht. Die wesentliche Unterscheidung zu den Theorien des methodologischen Individualismus ist darin zu sehen, dass Unternehmen hier nicht nur die Handlungsfähigkeit von den „Personen-in-Positionen“ nutzen. Unternehmerisches Handeln erscheint nicht als bloße Addition individueller Handlungen. Deswegen bildet das Unternehmen „nicht nur eine rechtliche Einheit, sondern eine produktive und soziale Ganzheit. Als zielorientiertes und zugleich sich selbst organisierendes Gebilde weist es eine spezifische Eigenständigkeit auf“. 115 Aus diesem Grund könnte es mit Enderle zurecht als moralischer Akteur bezeichnet werden: „Mit der ‚Handlungsfähigkeit‘ ist auch eine entsprechende ‚Moralfähigkeit‘ gegeben.“116 Die Anwendung der philosophischen Handlungstheorie vermag dieses Postulat zu stützen. Das oben dargelegte strukturierte Handlungsverständnis lässt sich auch auf Unternehmen als Akteure anwenden. Das Unternehmen wird dann im Sinne eines „überindividuelle[n] Akteur[s] sui generis“ als ein „zu Handlungen fähiges System“ (Maring) verstanden, jedoch nicht als eine irgendwie geartete Person aufgefasst, da sich seine Ziele, sein Handeln und seine Handlungswirkung nicht vollkommen auf isoliert Handelnde im Unternehmen reduzieren lassen.117 Als Handlungsziel des Unternehmens lässt sich die Intentionalität beschreiben, durch die das Unternehmen formell und informell gekennzeichnet ist.118 Dazu zählen die faktisch vorhandene wie die normativ vorgegebene Zielsetzung des Unternehmens, Unternehmensphilosophie und -kultur sowie dessen Leitbild. Ohne diese Intentionalität kann es weder unternehmerische Strategien geben, noch ließe sich deren Effektivität beurteilen. Das Tun des Unternehmens umfasst die Gesamtheit der Entscheidungsprozesse, Interaktionen und der sie bestimmenden Unternehmensstrukturen, insofern sie über eine Form von Eigenständigkeit verfügen, die weder auf einzelne Individuen oder Gruppen innerhalb noch auf Handlungssysteme außerhalb des Unternehmens – wie etwa makroökonomische, gesetzliche oder andere Rahmenbedingungen – zurückgeführt werden können. Wie beim Handeln personaler Akteure gehört auch zum eigenständigen Agieren des Unternehmens konstitutiv eine – zumindest beschränkte – Steuerungsfähigkeit mit diskretionärem Handlungsspielraum. Dass dieser Handlungstheorie ebenfalls praktische Relevanz zugeschrieben werden kann, lässt sich durch einige Beispiele verdeutlichen: So können etwa Un115 Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 200. 116 Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 200. 117 Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 218 unter Berufung auf Maring: Modelle korporativer Verantwortung. 118 Vgl. dazu und zum Folgenden Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 219.

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ternehmenskultur und -philosophie, die von praktisch allen größeren Unternehmen nach innen und außen kommuniziert werden, keineswegs von heute auf morgen von einem einzelnen personalen Akteur umgeworfen werden. An den zumeist äußerst komplexen Prozessen in der Organisationsentwicklung von Unternehmungen lässt sich ebenfalls ablesen, dass sich maßgebliche Richtungsentscheidungen nicht ausschließlich auf das Handeln einzelner Individuen zurückführen lassen. Für die praktische Anschlussfähigkeit der Theorie liefert die Handlungswirkung den deutlichsten Beleg: Es kann nicht bezweifelt werden, dass Unternehmen entsprechend ihres wirtschaftlichen Potentials auf Gesellschaft, Menschen und natürliche Umwelt einwirken.119 Dieser Zusammenhang von Moralfähigkeit und Macht wird von zahlreichen Stellungnahmen ähnlich lautend betont: So schreibt Küpers, dass sich die Wirksamkeit von Korporationen als Akteure in ihrer (Entscheidungs-)Macht und in der Reichweite ihres Tuns verdeutliche, weshalb sie notwendigerweise über Verantwortung verfügen müssten120: „Als eine der gestaltenden Kräfte und machtvollen Wirkungssphären haben die (Markt-)Wirtschaft und ihre Institutionen eine spezifische Verantwortung in der Gesellschaft.“121 Wenn Verantwortung mit Hans Jonas eine Funktion von Macht und Wissen sei, so müssten die Mächtigkeiten und das Wissen ökonomischer Korporationen in besonderer Weise mit Verantwortung verbunden sein, urteilt Enderle.122 Eine entsprechende (Selbst-)Verpflichtung ergibt sich zwingend schon aus den gewachsenen Handlungsfreiräumen (vgl. dazu auch die weitere Darstellung unten), über die das Unternehmen analog zu natürlichen Personen verfügt: „Je größer sein Handlungsfreiraum, desto größer seine ethische Verantwortung.“123 Und Enderles Projektion unternehmerischer Verantwortung scheint beinahe schon gänzlich losgelöst von zeitlichen und institutionellen Grenzen, wenn er folgert, dass den „Unternehmen als Motoren der Wirtschaft“ eine „führende Bedeutung“ bei der Lösung gegenwärtiger und zukünftiger Herausforderungen und Probleme zukomme.124 Unternehmen müssten notwendigerweise als verantwortliche Akteure begriffen werden, da ihr moralisch reflektiertes Handeln von maßgeblicher Bedeutung für die Welt von morgen sei. Sie seien zu einer „aktiven, nicht bloß re-agierenden

119 Vgl. auch Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 219. 120 Vgl. hierzu wie zum Folgenden Küpers: Ver-Antwortung. In: Heidbrink u.a. (Hg.): Verantwortung, S. 320. 121 Küpers: Ver-Antwortung. In: Heidbrink u.a. (Hg.): Verantwortung, S. 307. 122 Jonas: Das Prinzip Verantwortung, S. 222. Enderle weist ergänzend zurecht daraufhin, dass die Problematik der Zuordnung der Verantwortung auf bestimmte Handlungsträger, die von Jonas nicht diskutiert wird, von großer Bedeutung ist. Ohne sie muss eine entsprechende Zuordnung der Rede von der Verantwortung notwendigerweise unvollständig erscheinen. (Vgl. Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 219f.) 123 Steinmann/Löhr: Grundlagen, S. 201. 124 Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 205; vgl. dazu ausführlich auch bereits Georges Enderle: Ethik als unternehmerische Herausforderung. In: Die Unternehmung 41 (1987), S. 433– 450.

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Unternehmenspolitik“ sowie zur beständigen Reflexion von „deren ethische[r] Dimension“ gezwungen: „Mit der Macht und dem Einfluß großer Organisationen und Unternehmen ist deren Verantwortung, auch im ethischen Sinn, unlösbar verbunden.“125 Ingo Pies – als Vertreter einer normativen Ökonomik – argumentiert, dass korporative Akteure in besonderer Weise dazu prädestiniert seien, Verantwortung zu übernehmen, weil sie über einen sehr langen Zeithorizont verfügten und ihren durch die Organisationsverfassung festgelegten Charakter wesentlich transparenter als Menschen programmieren oder umprogrammieren könnten.126 Der ergänzende Hinweis sei gestattet, dass dieses Argument zugleich bedeutet, dass sich Unternehmen durch Änderungen in der Programmstruktur dann aber auch ebenso schnell wieder aus moralischen Bindungen lösen können, wenn es ihnen opportun erscheint.127 Dennoch regt sich – insbesondere im deutschsprachigen Raum – immer wieder Widerspruch gegen ein solches Modell.128 Allein die Tatsache korporativen Handelns – deren Eingeständnis keine Selbstverständlichkeit ist – reiche nicht aus, so die Philosophen Walther Zimmerli und Guido Palazzo, um Unternehmen auch Moralfähigkeit zu bescheinigen: „Selbst wenn sich immer mehr Kollektive als eigentliche Handlungssubjekte erweisen, bleibt das Verantwortungssubjekt doch immer das Individuum. Nur im Sinne einer schlechten Metaphysik […] kann gesagt werden, Unternehmen […] hätten ein ‚Gewissen‘ oder seien ‚moralische Subjekte‘“.129 Ähnlich argumentiert Michael Aßländer. Unternehmen könnten nicht als vollwertige Verantwortungssubjekte betrachtet werden, da sie nicht in der Lage seien, sich für ihr Handeln verantwortlich zu fühlen.130 Dabei wird der Verantwortungsbegriff wieder strikt und im Einklang mit dem traditionellen ethischen Diskurs an das Individuum gebunden.131 Das hat zur Konsequenz, dass sich unternehmerische Verant125 Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, S. 205. 126 Vgl. Ingo Pies: Können Unternehmen Verantwortung tragen? – Ein ökonomisches Kooperationsgebot an die philosophische Ethik. In: Josef Wieland (Hg.): Die moralische Verantwortung kollektiver Akteure. Heidelberg 2001, S. 171–199, 187. 127 Vgl. auch Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 87 128 Vgl. dazu Walther Ch. Zimmerli/Michael S. Aßländer: Wirtschaftsethik. In: Julian Nida-Rümelin (Hg.): Angewandte Ethik. Die Bereichsethiken und ihre theoretische Fundierung. Ein Handbuch. Stuttgart 1996, S. 290–344, bes. 303–307. 129 Walther Ch. Zimmerli/Guido Palazzo: Interne und externe Technikverantwortung des Individuums und der Unternehmen. Zwischen Technik- und Wirtschaftsethik. In: Hans Lenk/Matthias Maring (Hg.): Technikethik und Wirtschaftsethik. Fragen der praktischen Philosophie. Opladen 1998, S. 185–204, 188. 130 Michael S. Aßländer: Unternehmerische Verantwortung und Kultur. In: Thomas Beschorner/Matthias Schmidt (Hg.): Unternehmerische Verantwortung in Zeiten kulturellen Wandels. München u.a. 2006 (= Schriftenreihe für Wirtschafts- und Unternehmensethik 15), S. 17–39, 25. 131 Autoren, die eine kollektive oder korporative Verantwortungszuschreibung für nicht zu rechtfertigen halten, befürworten oft eine Erweiterung der individuellen Erwartung. So exemplarisch Walther Ch. Zimmerli: Wandelt sich Verantwortung mit dem technischen Wandel? In: Hans Lenk/Günter Ropohl (Hg.): Technik und Ethik. Stuttgart 1987 (= Reclams Universal-Bibliothek 8395),

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wortungsübernahme auf Managementethik und die Ausformung organisatorischer Rahmenbedingungen reduziert. Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob die Moralfähigkeit korporativer Akteure tatsächlich von der Fähigkeit, Gefühle zu empfinden, abhängig gemacht werden kann. Von weit größerer Relevanz erscheint indes die Frage, ob Organisationen eine Identität ausbilden, die ihnen neben der Fähigkeit zu intentionalem und folgenorientiertem Handeln auch die moralische (Selbst-)Zurechnung dieses Handelns ermöglicht.132 Peter French verweist dazu auf die interne Entscheidungsstruktur von Korporationen, die die Handlungen und Absichten der Organisationsmitglieder zu einer korporativen Entscheidung synthetisiert, aufgrund derer sie als vollwertige moralische Personen angesehen werden könnten.133 Aus systemtheoretischer Sicht untermauert dies Josef Wieland: Die Moralfähigkeit der Unternehmung sei durch deren vertragliche Konstitution verbürgt.134 Individuen bildeten einen Zusammenschluss und schüfen durch die Einschränkung ihrer individuellen Handlungspräferenzen eine repräsentative Person, die eine Zuschreibung moralischer Verantwortung von Seiten der Gesellschaft erlaube. Die Manifestation der moralischen Identität erfolge dann in Form einer Selbstbeschreibung, als „Code of Ethics“ oder informell in Gestalt moralischer unternehmenskulturell verankerter Spielregeln. Halten wir fest: Die Frage nach der Verantwortung für Folgen ihres Handelns stellt sich Unternehmen unausweichlich und darf keineswegs negiert oder auf eine Makro-, sprich Systemebene, bzw. Mikroebene, will heißen auf die personale Verantwortungsebene einzelner Individuen abgeschoben werden. Die Frage individueller Verantwortung kann gegenüber der korporativen Verantwortungsübernahme sogar gänzlich in den Hintergrund treten.135 Freilich sind mit dem Konzept des Unternehmens als moralischer Akteur weitreichende Konsequenzen sowohl für die theoretische Situierung der Unternehmensethik innerhalb der Wirtschaftsethik als auch für deren Umsetzung in der unter-

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S. 92–111, bes. auch 103, 106. Vgl. zu den m.E. berechtigten Einwänden gegen eine solche Konzeption, die die Zuschreibung von individueller Verantwortung erheblich erweitert Weyma Lübbe: Verantwortung in komplexen kulturellen Prozessen. Freiburg u.a. 1998 (= Alber-Reihe praktische Philosophie 55), S. 31–34, 155; sowie auch Stefan Kyora: Grenzen individueller Verantwortung. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 1 (2000), Nr. 1, S. 34–44. Vgl. hierzu und zum Folgenden Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 86. Vgl. Peter A. French: Die Korporation als moralische Person. In: Hans Lenk/Matthias Maring (Hg.): Wirtschaft und Ethik. Stuttgart 1992, S. 317–328. Vgl. dazu wie zum Nachstehenden Josef Wieland: Tugend kollektiver Akteure, S. 32ff. Kurt Röttgers argumentiert in dieser Weise, obgleich er dem individuellen Akteur einen „kollektiven Akteur“ gegenüberstellt, der aber unserem „korporativen Akteur“ vergleichbare Eigenschaften verfügt. Er betont, dass angesichts der Verantwortung des kollektiven Akteurs die Frage individueller Verantwortung im Sinne einer pragmatischen Lösung aufgehoben werden könne. Dafür sorgten diejenigen Prozesse eines kollektiven Akteurs, die als der innere Andere eines kollektiven Akteurs bestimmt werden könnten. Individuen spielten dabei dann nur noch in repräsentativer Funktion für den kollektiven Akteur eine Rolle. (Vgl. Röttgers: Verantwortung nach der Moderne, S. 30.)

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nehmerischen Praxis verbunden.136 Hierin kann eine der entscheidenden Grundlegungen für die Berechtigung und Bedeutung der CSR, also der Verantwortungsübernahme von Unternehmen, gesehen werden. Umgekehrt lässt sich aber auch festhalten, dass die Moralfähigkeit des Unternehmens auch an das Vorhandensein ausreichender Handlungsspielräume geknüpft ist – andernfalls wäre Corporate Social Responsibility bloße Rhetorik.137 Die Moralfähigkeit global agierender Unternehmen ist weitaus weniger skeptisch zu betrachten, als es in der Vergangenheit vielfach geschehen ist: Wenn es mit Nietzsche richtig ist, dass der moralische Verantwortungsdiskurs überhaupt erst das moralische Subjekt konstituiert138, so wird man heute konstatieren können, dass dieser Diskurs inzwischen über Gemeinde- und Ländergrenzen hinausreicht und allmählich unter dem Druck der NGOs und der Verbraucher „herrschende Rationalitätsstandards infiziert und so auch global tätige Unternehmen zwingt, sich als Träger sozialer Verantwortung zu positionieren“.139 3.1.3 Ursachen für verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln Nachdem dargestellt wurde, inwieweit Unternehmen dazu in der Lage sind, als moralische Akteure Verantwortung zu übernehmen, sollen nun die Ursachen für den Aufschwung, den die Frage nach der Übernahme unternehmerischer Verantwortung in der wirtschaftlichen Praxis erfuhr, näher untersucht werden. Dazu greift der folgende Abschnitt die offenen Fragen der vorangegangenen Kapitel auf: Aus welchen Gründen sind viele Unternehmen mittlerweile dazu bereit, ihre soziale Verantwortung zu thematisieren und ihr Handeln an Leitbildern wie Nachhaltigkeit und Verantwortung auszurichten? Warum konnte sich in ihnen überhaupt das Bewusstsein dafür ausprägen, dass unternehmerisches Handeln ethische Folgen zeitigt? Und wieso fordert das Konzept des korporativen Akteurs von den Unternehmen eine sichtbare Reaktion auf die Herausforderungen unserer Zeit ein? 3.1.3.1

Veränderung der Rahmenbedingungen

Zu Beginn dieses Kapitels wurde Verantwortung als die Verpflichtung zu einem „Für-etwas-Rede-und-Antwort-Stehen“ definiert. Wenn sich Unternehmen heute mit Corporate Social Responsibility (oder kürzer: Corporate Responsibility) beschäftigen, so tun sie das, um als korporativer Akteur der Forderung nach Rechenschaft für das eigene Tun, aber auch dem selbst gesetzten Anspruch nach Vernunft, Transparenz und Zielorientierung des eigenen Handelns gerecht zu werden. 136 137 138 139

Vgl. dazu grundlegend auch Enderle: Handlungsorientierte Wirtschaftsethik, Kap. 1 und 4. Vgl. auch Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 87. Vgl. Judith Butler: Haß spricht. Zur Politik des Performativen. Berlin 1998, S. 67ff. Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 91.

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Dass unternehmerisches Handeln innerhalb von Rahmenbedingungen stattfindet, ist keine neue Einsicht. Gerade diese Rahmenbedingungen unterlagen jedoch in den vergangenen 20 Jahren einem großen Wandel.140 Besonders das Verhältnis von Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft und der öffentliche Diskurs darüber veränderten sich sehr.141 Die Komplexität der Systeme in Wirtschaft und Gesellschaft ist angewachsen und lässt sich mit den traditionellen Steuerungsmechanismen staatlicher Regulierung nicht mehr fassen.142 Damit einher geht der schwindende Einfluss der Nationalstaaten – wiewohl sich umgekehrt den global agierenden Wirtschaftsakteuren vollkommen neue Möglichkeiten eröffnen. In der Sphäre der Ökonomie kam es in den zurückliegenden Jahren zu zahlreichen Veränderungen, die einerseits die Einflussmöglichkeiten der Politik reduzierten, andererseits aber auch die Komplexität des wirtschaftlichen Systems enorm erhöhten: Anzuführen wären die vergrößerte Mobilität von Arbeit und Kapital, die enorme Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien, die Intensivierung der Verflechtungen zwischen den einzelnen Akteuren auf dem Markt, aber gerade auch die großen Veränderungen in den Eigentümerstrukturen von Aktiengesellschaften, die durch die Beteiligung von Investmentfonds und Private-Equity-Gesellschaften einem viel rascheren Wandel als früher unterliegen, um nur die wichtigsten Prozesse zu nennen. Speziell die teilweise dramatischen Veränderungen in den Eigentümerstrukturen von Unternehmen wirken sich auf das deutsche Wirtschaftssystem in besonderer Weise aus. 143 Fanden sich noch bis Ende der 1980er Jahre unter den Großaktionären deutscher Kapitalgesellschaften hauptsächlich Banken und Versicherungen, so handelt es sich bei den heutigen Anteilseignern vielfach um Investmentgesellschaften und Hedgefonds, die (zumeist) kurzfristige Renditeziele verfolgen. In der Regel, so sei unterstellt, überwiegt hier das Interesse an schnellen Spekulationsgewinnen die Wünsche nach langfristiger und nachhaltiger Entwicklung eines Unternehmens. Aufgrund der Konsolidierung ganzer Märkte nehmen außerdem Fusionen und Unternehmensaufkäufe zu, eine Internationalisierung ganzer Wertschöpfungsketten geht vonstatten.144

140 Vgl. hierzu und zum Folgenden Beschorner/Vorbohle: Neue Spielregeln für eine (verantwortliche) Unternehmensführung, S. 105. 141 Vgl. Ariane Berthoin Antal u.a.: Zur Zukunft der Wirtschaft in der Gesellschaft. Sozial verantwortliche Unternehmensführung als Experimentierfeld. In: Jürgen Kocka (Hg.): Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Sozialwissenschaftliche Essays. Bonn 2008 (= Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe 693), S. 251–273, 255. 142 Vgl. hierzu und zum Folgenden Beschorner/Vorbohle: Neue Spielregeln, S. 106. 143 Vgl. Thomas Schwartz: Der Ruf nach gesellschaftlicher Verantwortung – Herausforderung für Unternehmen, Staat und Gesellschaft. In: Argumentation Kompakt. Ein Service der Hanns-SeidelStiftung für politische Entscheidungsträger v. 15.05.2008, S. 1–5, 2f. 144 Vgl. dazu ausführlich Josef Wieland: Die Ethik der Governance. Marburg 1999 (= Institutionelle und evolutorische Ökonomik 9), S. 11ff.

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Darüber hinaus lässt sich auch ein fortschreitender Rückzug des Staates aus der sozialen Verantwortung konstatieren.145 Insbesondere Deutschland mit seinem Modell des „Rheinischen Kapitalismus“ (Michel Albert) kam über viele Jahre eine Vorbildfunktion hinsichtlich Beschäftigungsstandards, Arbeitsbedingungen, sozialer Sicherung, aber auch Umweltschutz zu.146 Diese Standards trugen wesentlich zur gesellschaftlichen Wohlfahrt und wirtschaftlichen Prosperität bei.147 Der verstärkte weltweite Wettbewerb führte im Zuge der Globalisierung neben einer Absenkung der Sozialstandards auch zu weiteren Problemen wie Arbeitslosigkeit und sinkender sozialer Sicherheit. Um diese Herausforderungen zu meistern, sind angesichts des schwindenden Einflusses nationaler Institutionen auf Unternehmen transnationale Lösungen erforderlich.148 Denn gerade multinational agierenden Unternehmen erwachsen heute angesichts der Vielzahl unterschiedlicher institutioneller Rahmenbedingungen weit reichende Möglichkeit, ein sogenanntes race to the bottom zu forcieren, sich also aus der Verantwortung zu stehlen und auf diese Weise aus den Freiräumen und politischen Leerstellen Profit zu ziehen.149 So sind internationale Konzerne heute dazu in der Lage, fast alle Elemente der Wertschöpfungskette dort zu platzieren, wo sie entweder die geringsten Kosten tragen müssen oder den höchsten Profit generieren können.150 Unternehmen verfügen an den globalen Märkten über eine Bewegungsfreiheit, die Staat und Zivilgesellschaft gleichermaßen verwehrt bleibt. Die Konsequenz daraus ist ein offenkundiges „Gerechtigkeitsproblem“ (Schwartz), das sich auf die gesamte Gesellschaft auswirkt. Angesichts der Unvollständigkeit der internationalen Rahmenordnung und der Unmöglichkeit der Politik, auf die sich beschleunigenden und immer komplexeren Prozesse in der Wirtschaft Einfluss zu nehmen, begründet sich also die Verantwortung korporativer Akteure normativ aus den steigenden Handlungsspielräumen und ihrer Einflussfähigkeit auf gesellschaftliche Entwicklungen. Da sich die historisch gewachsene Teilung von Aufgaben und Verantwortung zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren ständig verändert und staatliches Handeln allein sowohl aus Mittelknappheit als auch aus Mangel an Sachverstand den Erfordernissen nicht mehr genügend Rechnung tragen kann,

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Vgl. dazu und zum Folgenden Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 7. Vgl. Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, 251f. Vgl. hierzu und zum Folgenden Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 252. Vgl. Wolfgang H. Reinicke/Jan Martin Witte: Globalisierung, Souveränität und internationale Ordnungspolitik. In: Andreas Busch/Thomas Plümper (Hg.): Nationaler Staat und internationale Wirtschaft. Anmerkungen zum Thema Globalisierung. Baden-Baden 1999, S. 339–366. Mit den Verschiebungen der globalen Rahmenbedingungen ist auch eine Veränderung der zu bearbeitenden Probleme verbunden. Probleme, die im Zusammenhang mit Armut, Migration oder Klimawandel stehen, machen nicht vor Landesgrenzen halt. Um zu einer Lösung dieser schwierigen Sachverhalte zu gelangen, ist der Einbezug einer immer größeren Anzahl von Akteuren erforderlich. (Vgl. Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 252.) 149 Vgl. Falck/Heblich: Corporate Social Responsibility, S. 2. 150 Vgl. hierzu und zum Folgenden Schwartz: Ruf nach Verantwortung, S. 3.

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wird an die Unternehmen die Erwartung gerichtet, „dass sie über die Sicherung ihrer eigenen ökonomischen Interessen hinaus soziale Verantwortung übernehmen und sich an Problemlösungsprozessen beteiligen“.151 Ein profundes Beispiel dafür ist das bereits um die Jahrtausendwende veröffentlichte Grünbuch „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung von Unternehmen“ der Europäischen Kommission.152 In Ermangelung einer global governance, die einen supranationalen institutionellen Rahmen einzuführen und durchzusetzen vermochte, können die Unternehmen selbst einen Beitrag leisten, die Regulierungs- und die Gerechtigkeitslücke zu füllen. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass ihr Handeln nie reiner Selbstzweck sein kann, sondern sie als korporativer Akteur untrennbar in gesellschaftliche und politische Systeme integriert sind. 3.1.3.2

Der Einfluss der Stakeholder: Neue Pflicht zur Verantwortung

Im Zuge der Globalisierung haben sich jedoch nicht nur die Interaktionen von Wirtschaftsakteuren quantitativ und qualitativ verändert, auch ist die Öffentlichkeit besonders durch wirtschaftliche und wirtschaftskriminelle Skandale und deren mediale Präsenz – wie oben bereits knapp dargestellt – weitaus kritischer und sensibler für das Verhalten der Wirtschaftsakteure geworden153: „Beispiele von multinationalen Konzernen, die durch ihre betrügerischen Machenschaften in aller Munde sind, haben nicht nur den Shareholder-Value zutiefst verletzt und zerstört, sondern auch tausende entlassene Mitarbeiter zu Verlierern gemacht. Investoren, Aktionäre, Mitarbeiter, Konsumenten und Bürger fragen sich nun, wem sie noch trauen können. Es wird nach mehr Dialog und Transparenz verlangt, denn die Konsumenten sind sensibilisiert und in ihrem Verhalten kritischer geworden.“154 151 Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 252. 152 „Promoting a European Framework for Corporate Social Responsibility“ lautet der englischsprachige Titel des Grünbuchs. Die EU übersetzt CSR also als soziale Verantwortung von Unternehmen. Vgl. Europäische Kommission: Grünbuch. Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung von Unternehmen. Brüssel 2001, URL: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2001:0366:FIN:DE:PDF [aufgerufen am 20.01.2010]. 153 Der Vertrauensverlust großer Unternehmen unter den Bürgern ist enorm: So meinen nach einer Umfrage des „Wall Street Journals“ aus dem Jahr 2002 83 Prozent der europäischen Bürger/innen, dass Manager nur ihre eigenen Interessen verfolgten. (Vgl. Ulrich Thielemann: Nun reden Manager wieder von Ethik. Erst kommen die betrügerischen Gross-Pleiten à la Worldcom, dann folgt der neue, opportunistische Ethik-Boom. In: Zürcher Tagesanzeiger v. 08.07.2002, S. 42.) 154 Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 41. Eine Studie des britischen Meinungsforschungsinstituts Ipsos MORI belegt diese Diagnose: „Three-quarters of the public (73%) feel that industry and commerce does not pay enough attention to its responsibilities. There is also a rising trend in the influence of corporate responsibility on purchasing behaviour. Compared with five years ago, the proportion saying corporate responsibility is very important in their purchasing has almost doubled, from a quarter (24%) in 1997 to more than two in five (44%) this year.“ (So die Zusammenfassung der Studienergebnisse bei Ipsos MORI: Is Industry Socially Responsible? [London

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Professionelle Strukturen der Zivilgesellschaft, wie sie etwa die NGOs darstellen, ermöglichen es, Ansprüche der Allgemeinheit gegenüber Unternehmen zu formulieren und einen entsprechenden Legitimitätsdruck auf sie auszuüben.155 Besonders in angloamerikanischen Ländern haben NGOs – darunter werden nicht auf Gewinn gerichtete und von staatlichen Stellen weder organisierte noch abhängige oder finanzierte und zumeist gemeinnützige Verbände und Interessengruppierungen verstanden – bereits eine wesentliche Bedeutung als kritische Begleiter unternehmenspolitischer Maßnahmen erlangen können. So setzen sich NGOs beispielsweise gezielt für die Berücksichtigung von ökologischen Aspekten oder die Gleichberechtigung von Minderheiten ein. Dazu bedienen sie sich gezielter Boykottaufrufe oder Kaufempfehlungen, die werbewirksam – häufig auch unter Hinzuziehung prominenter Fürsprecher – verbreitet werden und zu sog. ShamingKampagnen ausgeweitet werden können. Für die Unternehmen stellen solche Aktionen ein nicht unerhebliches Reputationsrisiko dar.156 Der auf diese Weise aufgebaute ökonomische Druck kann korporative Akteure zu einem Umdenken bewegen. Der wachsende Einfluss der NGOs ist Ausdruck einer allgemeinen Entwicklung, bei der Wirtschaftsunternehmen mittlerweile von gesellschaftlichen Anspruchsgruppen, den sogenannten Stakeholdern, eine license to operate abverlangt wird, die ihr Handeln moralisch legitimieren soll.157 Die überkommene, ökonomis2002], URL: http://www.ipsos-mori.com/researchpublications/researcharchive/poll.aspx?oItemId= 1033 [aufgerufen am 22.01.2010].) Eine andere Studie desselben Instituts belegt, dass immerhin 20 Prozent der Europäer dazu bereit sind, mehr für ein Produkt zu bezahlen, das unter sozial und ökologisch verträglichen Bedingungen erzeugt wurde. (Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 41.) 155 Vgl. auch Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 42. 156 Vgl. Lance J. Ewing/Ryan B. Lee: Surviving the Age of Risk. A Call for Ethical Risk Management. In: Risk Management 51 (2004), S. 56–58; sowie Ronald Francis/Anona Armstrong: Ethics as a Risk Management Strategy. The Australian Experience. In: Journal of Business Ethics 45 (2003), S. 375–385. Vgl. zu den Konsequenzen negativer Publicity für eine Unternehmensmarke bes. auch Alokparna Basu Monga/Deborah Roedder John: When does negative brand publicity hurt? The moderating influence of analytic versus holistic thinking. In: Journal of Consumer Psychology 18 (2008), S. 320–332. Vgl. dazu ebf. den zwar sehr wirtschaftsnahen, aber dennoch aufschlussreichen Artikel von Wolfgang Schiller/Michael Quell: Brand Riskmanagement – Marke als Gegenstand des ganzheitlichen Risiko-Managements. In: Frank Romeike/Robert Finke (Hg.): Erfolgsfaktor Risikomanagement: Chance für Industrie und Handel. Wiesbaden 2003, S. 117–146. Vgl. dazu grundlegend ebf. Mark Eisenegger: Reputationskonstitution in der Mediengesellschaft. In: Kurt Imhof u.a. (Hg.): Mediengesellschaft. Strukturen, Merkmale, Entwicklungsdynamiken. Wiesbaden 2004 (= Mediensymposium Luzern 8), S. 262–292. 157 Vgl. Beschorner/Vorbohle: Neue Spielregeln, S. 105f. Als Stakeholder, also Anspruchsgruppen eines Unternehmens, gelten neben den klassischen Shareholdern (die Eigentümer, Aktionäre) die Mitarbeiter, die Kunden, die Lieferanten, aber auch die Kapitalmärkte sowie der Staat, die Natur und die Öffentlichkeit (repräsentiert durch Parteien, NGOs, Verbände, Kirchen, Medien etc.). Theorie und Praxis haben keine ganz einheitliche Vorstellung, wer alles als Stakeholder in Betracht zu ziehen ist. Staat, Natur und Öffentlichkeit sind sogenannte nichtmarktliche Anspruchsgruppen. Kapital-, Arbeits-, Beschaffungs- und Absatzmärkte bezeichnet der Stakeholder-Ansatz als

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tische Maxime „the business of business is business“ ist nicht nur unzureichend, sie ignoriert auch den Umstand, dass verantwortliches unternehmerisches Handeln inzwischen zu einer Grundbedingung erfolgreichen Managements geworden ist.158 So sind die Unternehmen in stärkerem Maße dazu angehalten, sich um die Entwicklung von Antworten auf die aus den Folgen des gesellschaftlichen Wertewandels einerseits und einer ungehemmten, politisch auf einer translateralen Ebene noch nicht eingedämmten Globalisierung andererseits resultierenden Fragen zu bemühen.159 Unter Verweis auf das Verursacherprinzip werden global agierende Unternehmen verstärkt in die Pflicht genommen.160 Da beispielsweise ein wesentlicher Anteil der weltweiten Klimaemissionen von großen Unternehmen verantwortet werden, müssen sich multinationale Konzerne in der aktuellen umweltpolitischen Debatte mehr denn je die Frage gefallen lassen, welchen Beitrag sie zur Reduzierung ihrer Emissionen und somit zum Klimaschutz leisten.161 Themen wie Umwelt-

158 159 160 161

marktliche Gruppen und Beziehungen (Leistung und Gegenleistung). Die Anspruchsgruppen können auch unterschieden werden in Gruppen aus dem engeren Umfeld des Unternehmens, also Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden, etc., die direkt von den Handlungen des Unternehmens betroffen sind, und Gruppen aus dem weiteren Umfeld, also etwa die Politik (z.B. Kommunen), Nichtstaatliche Organisationen (NGOs), einzelne Bürger usw., die indirekte Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit wahrnehmen. Im Gegensatz zum Shareholder-Value-Prinzip, das Bedürfnisse und Erwartungen der Anteilseigner eines Unternehmens in den Mittelpunkt des Interesses stellt, versucht das Prinzip der Stakeholder das Unternehmen in seinem gesamten sozialökonomischen Kontext zu erfassen und einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen zu erzielen. Das Stakeholder-Relationship-Management (SRM) stellt eine entsprechende Erweiterung des Customer-Relationship-Managements (CRM) dar: Es versucht die Beziehungen eines Unternehmens mit allen seinen, beziehungsweise den wichtigsten Anspruchsgruppen in Einklang zu bringen. Von überragender Bedeutung für die heutige Vorstellung war Freemans Monographie von 1984: R. Edward Freeman: Strategic Management. A Stakeholder Approach. Boston u.a. 1984. Mitchell u.a. liefern einen geschlossenen Ansatz zur Identifikation und Priorisierung der Anspruchsgruppen: Ronald K. Mitchell u.a.: Toward a Theory of Stakeholder Identification and Salience: Defining the Principle of Who and What Really Counts. In: The Academy of Management Review 22 (1997), S. 853–886. Rowley versucht den Ansatz um Erkenntnisse aus der Theorie sozialer Netzwerke zu erweitern: Timothy R. Rowley: Moving beyond dyadic ties. A network theory of stakeholder influences. In: The Academy of Management Review 22 (1997), S. 887–910; vgl. zudem grundlegend zur Stakeholder-Theorie, insbes. im Hinblick auf die unternehmerische Performance, Bradford Cornell/Alan C. Shapiro: Corporate Stakeholders and Corporate Finance. In: Financial Management 16 (1987), S. 5–14. Vgl. zum Stakeholderansatz außerdem den von Alexander Brink und Thomas Beschorner herausgegebenen Sammelband: Thomas Beschorner, Alexander Brink (Hrsg.): Stakeholdermanagement und Ethik. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 4 (2004), Nr. 3; sowie Monika Janisch: Das strategische Anspruchsgruppenmanagement – vom Shareholder Value zum Stakeholder Value. Bern u.a. 1993. Vgl. hierzu und zum Folgenden Beschorner/Vorbohle: Neue Spielregeln, S. 106. Vgl. Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 7. Vgl. Anna Glombitza: Corporate Social Responsibility in der Unternehmenskommunikation. Berlin u.a. 2005 (= J+K Wissen 2), S. 12. Vgl. Silke Riedel: CSR als Risikotreiber in Unternehmen? Oder was der Klimawandel mit der Börse zu tun hat! In: Glocalist Magazine 15 (2007), S. 25.

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schutz, Klimawandel, Endlichkeit von Ressourcen, steigende Energiepreise wie auch Produkt- und Arbeitssicherheit, Produktionsbedingungen, Sozialleistungen und allgemein der Umgang mit den eigenen Mitarbeitern ebenso wie der Einsatz für die Gesellschaft haben bereits heute einen erheblichen Einfluss auf die Umsätze, die Kostenstrukturen wie auch auf das Chancen-Risikoprofil des jeweiligen Unternehmens. Solche über die reine Ökonomie weit hinausreichenden Fragen, so sind institutionelle Investoren überzeugt, beeinflussen mittlerweile „neben Aspekten der sozialen Verantwortung eines Unternehmens […] den Unternehmenswert in einem nicht unbeträchtlichen Maße“ – und ihr Einfluss wird zukünftig noch weiter steigen.162 Unternehmen, die den gestiegenen gesellschaftlichen Anforderungen nicht genügen (wollen), können beispielsweise durch öffentliche Demonstrationen, Shareholder-Resolutionen oder Boykotte in gleicher Weise abgestraft werden wie bei Gesetzesverstößen oder ökonomischem Versagen im Wettbewerb, zuweilen sogar in massiverer Form, wie die großen Unternehmensskandale der Vergangenheit zeigen.163 Grundsätzlich lässt sich festellen, dass Unternehmen, die als unverantwortlich wahrgenommen werden, „vermehrt, schneller und vehementer“ von Stakeholdern „‚belästigt‘“ werden.164 An dieser Stelle seien nur einige eindrückliche Fallbeispiele aufgeführt, die vergegenwärtigen sollen, wie eine selbstbewusst auftretende Allgemeinheit ihre Erwartung an verantwortliches Wirtschaften gegenüber korporativen Akteuren nicht nur artikuliert, sondern auch durchsetzt. Ein prominentes Beispiel für die erfolgreiche Einflussnahme einer NGO auf einen Großkonzern war der Streit zwischen der Umweltschutzorganisation Rainforest Action Network (RAN) und der US-amerikanischen Citigroup Inc., dem weltweit größten Finanzdienstleister, im Jahre 2003.165 Ursache für die Auseinandersetzungen war die Kreditvergabepraxis der Großbank gegenüber Energieunternehmen. Als größter Kreditgeber der Energiebranche hatte die Citigroup zur damaligen Zeit in einem Zeitraum von zwei Jahren Kredite, Anleihen- und Aktienemissionen mit einem Volumen von 169 Mrd. US-Dollar arrangiert und so Kohle-, Öl-, Gas-, Pipeline- und Stromkonzerne finanziert. Die Umweltschützer warfen der Bank vor, dabei vollkommen unkritisch auch solche Projekte zu finanzieren, die im großen Maße die Umwelt zerstörten. Deshalb schaltete die Regenwaldschutzorganisation 162 Riedel: Risikotreiber, S. 25. Vgl. zum Einfluss unternehmerischer Verantwortung auf den Unternehmenswert Paul C. Godfrey u.a.: The Relationship Between Corporate Social Responsibility and Shareholder Value: An Empirical Test of the Risk Management Hypothesis. In: Strategic Management Journal 30 (2009), S. 425–445, 425–427. 163 Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 45f. 164 Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 45. 165 Vgl. hierzu und zum Folgenden Citigroup kapituliert im Öko-Streit. Größter Kreditgeber der Energiebranche will jetzt Umwelt-Aspekte beachten. In: Welt Online v. 17.04.2003, URL: http://www. welt.de/print-welt/article683001/Citigroup_kapituliert_im_Oeko-Streit.html [aufgerufen am 29.10.2009].

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Fernsehwerbespots, in denen Bilder von Umweltkatastrophen gezeigt wurden und die Kunden der Bank von bekannten Schauspielern dazu aufgefordert wurden, die Kreditkarten der Citigroup nicht länger zu verwenden und zu zerschneiden. Die US-amerikanische Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Susan Sarandon äußerte sich in einem der Beiträge: „Citi finanziert die Zerstörung des Regenwalds. Wenn Sie mit einer Kreditkarte von Citibank zahlen, finanzieren Sie diese Zerstörung mit.“ Die Großbank reagierte schließlich auf den öffentlichen Druck und einigte sich mit den mit den Umweltschützern darauf, neue Kriterien für die Kreditvergabe zu entwickeln. Auf der Jahreshauptversammlung räumte der damalige Vorstandsvorsitzende Sanford I. Weill ein: „Wir haben erkannt, dass es ernste Herausforderungen für die Umwelt gibt“ und gab an, man wolle zukünftig Umweltaspekten Beachtung schenken. Daraufhin wurden die Werbespots eingestellt. Als eines der eindrücklichsten Beispiele für die Macht und Einflussmöglichkeiten der Stakeholder gilt bis heute der Fall Brent Spar. Im Frühsommer 1995 gelang es der Naturschutzorganisation Greenpeace, den weltweit größten Ölkonzern Royal Dutch Shell so erfolgreich unter Druck zu setzen, dass dieser schließlich nachgab. Beim Streitobjekt handelte es sich um die Ölspeicherplattform Brent Spar: Shell wollte die Plattform mitsamt der in ihr verbliebenen Ölreste in der atlantischen Tiefsee versenken, woraufhin Greenpeace-Aktivisten die Plattform in der Nordsee besetzten. Weshalb die Besetzung bis heute Symbolcharakter im Kampf gegen Umweltverschmutzung besitzt, liegt jedoch daran, dass es den Umweltschützern gelang, mit ihrer medienwirksamen Aktion weltweit Aufsehen zu erregen und die Verbraucher zu mobilisieren. Zahlreiche Kunden boykottierten den Ölproduzenten, so dass dieser schließlich nachgab und die zwar teurere, wohl aber umweltfreundlichere Demontage der Brent Spar an Land veranlasste. Damals wurden in der öffentlichen Diskussion neben der Frage nach den Kosten und dem offensichtlichen Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie auch vielfach ethische Bedenken geäußert. Immer wieder wurde angesichts der fortdauernden Verschmutzung der Weltmeere (gemäß der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften fließen bis heute jährlich rund dreieinhalb Millionen Tonnen Öl aus verschiedensten Quellen in die Weltmeere) die Frage nach dem moralischen Recht des Menschen auf Verschmutzung seiner Umwelt aufgeworfen; zudem kam es auch zur verstärkten Diskussion über sozialethische Aspekte der Umweltschädigung: Wer muss in Fällen wie der Brent Spar-Demontage die Kosten für eine umweltgerechte Entsorgung übernehmen?166 Eine Frage von großer Aktualität, erinnert sie doch stark an gegenwärtige Forderungen, den Ausstoß des Klimagases Kohlenstoffdioxid mit einem bestimmten Preis zu belegen – wobei dabei keineswegs nur eine symbolische Absicht verfolgt wird. Es geht nicht nur darum, ein Bewusstsein für augenscheinliche Umweltschädigungen zu wecken, sondern gerade auch darum zu verdeutli166 Vgl. Fridolin Stähli/Fritz Gassmann: Umweltethik. Die Wissenschaft führt zurück zur Natur. Aarau u.a. 2000, S. 13.

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chen, dass eine Beeinträchtigung der Umwelt und deren Folgen für die Weltgemeinschaft nie kostenneutral sein können. Es gelang den Umweltschützern von Greenpeace zwar nicht, einen Standard zu setzen, auch trug diese Einzelaktion nur in sehr geringem Maße zum Umweltschutz bei – auch, weil die von der Brent Spar ausgehende Gefahr damals übertrieben dargestellt wurde –, eines aber verdeutlichte der Vorfall: Er zeigte die Möglichkeiten, die gesellschaftliche Interessengruppen auch in Deutschland haben können, ihre berechtigten Interessen gegenüber der Wirtschaft und ihren Akteuren durchzusetzen. In zwei jüngeren Fällen aus Deutschland zeigt sich ebenfalls, wie Verbraucher als Stakeholder gezielt auf die Politik eines Unternehmens Einfluss nehmen können: So verzeichnete der drittgrößte deutsche Energieversorger Vattenfall bis zum Jahresende 2007 einen dramatischen und ökonomisch äußerst schmerzvollen Kundenschwund, nachdem im Laufe des Jahres mehrere Pannen in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel an die Öffentlichkeit gedrungen waren.167 Und der weltweit führende Mobiltelefonhersteller Nokia verzeichnet im deutschen Markt Umsatzeinbußen, nachdem öffentlich Boykottaufrufe gegen das Unternehmen laut wurden, weil es die Schließung eines großen Werkes in Bochum ankündigte.168 Der Philosoph Rafael Capurro hebt hervor, dass Unternehmen die Forderungen gesellschaftlicher Anspruchsgruppen nicht übersehen könnten: „Ein Unternehmer, der über die sozialen und ökologischen Auswirkungen seines Handelns nicht reflektiert, leidet unter akuter ethischer Kurzsichtigkeit.“169 Schließlich müsse er diesen Mangel von der „massenmedial vermittelten Fremdbeobachtung“ täglich zu spüren bekommen.170 Indem viele Stakeholder von den Unternehmen „mittlerweile entsprechende Anstrengungen und Leistungen in den verschiedenen Bereichen der Unternehmerischen Nachhaltigkeit“ erwarten und „diese auch zur Meinungsbildung über das jeweilige Unternehmen“ heranziehen, schlagen sich die Leistungen verantwortlichen unternehmerischen Handelns „letztendlich in der Unternehmensreputation“ nieder.171 Auf die vermehrten Forderungen der Kunden, Investoren, aber auch der Handelspartner, Kommunen und Verbraucher nach detaillierten Informationen zu den sozialen und ökologischen unternehmerischen Anstrengungen und Leistungen antworten die Unternehmen mit einer stark angewachsenen Kommunikation über 167 Vgl. Sparprogramm. Vattenfall will 100 Millionen sparen – Arbeitsplätze bedroht. In: Spiegel Online v. 30.12.2007, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,525900,00.html [aufgerufen am 29.10.2009]. 168 Vgl. dazu sowie allgemein zum Stakeholdereinfluss Ulrich Thielemann: System Error: Warum der freie Markt zur Unfreiheit führt. Frankfurt am Main 2009, S. 80f. Vgl. zudem Boykott-Aufruf. Nokia verliert Marktanteile in Deutschland. In: Spiegel Online v. 28.08.2008, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,550060,00.html [aufgerufen am 29.10.2009]. 169 Grimm/Capurro: Unternehmensethik in der Diskussion, S. 11. 170 Vgl. Grimm/Capurro: Unternehmensethik in der Diskussion, S. 11. 171 Steffen P. Hermann: Corporate Sustainability Branding. In: Forum Wirtschaftsethik 17 (2009), Heft 3, S. 18–27, 18.

Unternehmerische Verantwortung als ethisches Konzept

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Maßnahmen verantwortlichen Handelns.172 Auffallend sind die gestiegene Menge und Vielfalt entsprechender Berichte und Audits, aber auch die fortschreitende Integration von Themen wie Verantwortung und Nachhaltigkeit in die übrigen, klassischen Kommunikationsmaßnahmen der Unternehmen. 3.1.3.3

3.1.3.3.1

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln als Vorteil im Wettbewerb Sozial verantwortliches Investieren: Paradigmenwechsel an den Finanzmärkten

Doch nicht nur vor NGOs oder einer sensibilisierten und vermehrt kritischen Öffentlichkeit müssen Unternehmen ihre Handlungen legitimieren und verantworten können. Auch an den Finanzmärkten wird verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln zunehmend als handfester Wettbewerbsvorteil verstanden – so etwa im Risikomanagement.173 Investoren, Anleger und Analysten begreifen die Übernahme unternehmerischer Verantwortung mittlerweile als wichtige Komponente der langfristigen Sicherung des ökonomischen Erfolgs und als wesentlichen Faktor für die Vertrauenswürdigkeit eines Unternehmens.174

172 Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 47; vgl. zu den Motiven für die zunehmende Menge an entsprechenden Kommunikationsmaßnahmen besonders auch in mittelständischen Unternehmen Institut für ökologische Wirtschaftsforschung/Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft (Hg.): Nachhaltigkeitsberichterstattung, S. 9ff. 173 Vgl. Godfrey u.a.: The Relationship Between Corporate Social Responsibility and Shareholder Value, S. 425–445. Die Wirtschaftswissenschaftler Godfrey, Craig B. Merrill und Jared M. Hansen kommen in ihrer Studie auf Basis empirischer Daten von 178 negativen rechtlichen, bzw. regulativen Maßnahmen gegen Firmen zwischen 1993 und 2003 zu dem Ergebnis, dass verantwortliches unternehmerisches Handeln gegenüber den externen Stakeholdern und der Gesellschaft als Ganzer die Funktion einer Versicherung gegen unternehmerische Risiken übernimmt. (Vgl. ebd.) In der Studie findet sich auch ein Verweis auf die Socially Responsible Investing Studies Website (http://www.sristudies.org), die über 225 Studien zur Beziehung zwischen der Übernahme unternehmerischer Verantwortung (CSR) und der Corporate Financial Performance (CFP), der finanziellen Performance eines Unternehmens, auflistet. (Vgl. ebd., S. 426.) Vgl. dazu ebf. Joshua D. Margolis/James P. Walsh: People and Profits: The Search for a Link Between a Company’s Social and Financial Performance. Mahwah, NJ 2001. Vgl. zur Debatte über den Zusammenhang zwischen CSR und CFP grundlegend Jennifer J. Griffin/John F. Mahon: The Corporate Social Performance and Corporate Financial Performance Debate. Twenty-Five Years of Incomparable Research. In: Business & Society 36 (1997), S. 5–31. 174 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission betreffend die soziale Verantwortung der Unternehmen: ein Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Brüssel 2002, S. 4–8, URL: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2006/february/tradoc_127376.pdf [aufgerufen am 10.01.2010]. Vgl. zum Einfluss der NGOs auf die Entstehung nachhaltiger Investments Antje Schneeweiß: Welche Strategien können zivilgesellschaftliche Akteure ergreifen, damit Geldanlagen eine nachhaltige Entwicklung befördern? In: Gotlind Ulshöfer/Gesine Bonnet (Hg.): Corporate Social Responsibility auf dem Finanzmarkt: nachhaltiges Investment; politische Strategien; ethische Grundlagen. Wiesbaden 2009, S. 126–132.

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

Mit dem Asset Management, der wertschöpfungsorientierten Vermögensverwaltung, zeigt ein sehr renditeorientiertes Marktsegment wachsendes Interesse an Kapitalanlagen, die an Kriterien der Nachhaltigkeit und Verantwortung orientiert sind.175 Wurden früher verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln von Seiten der Anleger und Analysten – und wohl auch oft genug von den Entscheidungsträgern im Unternehmen – als mögliches Kostenrisiko kritisch oder zumindest mit einigem Bauchgrimmen beäugt, setzt sich heute zunehmend die Einsicht durch, dass ethisch integeres unternehmerisches Handeln nicht mit Performanceverlusten bei der Kursentwicklung einhergehen muss, sondern dass sich eine verantwortliche Unternehmenspolitik vielmehr längerfristig positiv auf die Kapitalmarktperformance auswirkt.176 Grundsätzlich lässt sich dabei eine wachsende Bereitschaft der Kapitalmärkte konstatieren, „die Bewertung von Unternehmen auf zukunftsorientierte, wertbasierte Kennzahlen zu stützen“. 177 Die entscheidende Botschaft scheint viele Unternehmenslenker erreicht zu haben: Gelebte Unternehmensethik macht sich bezahlt, in jedem Fall ist sie kein Zuschussgeschäft.178 175 Vgl. bspw. Henry Schäfer: Verantwortliches investieren: Zur wachsenden ökonomischen Relevanz von Corporate Social Responsibility auf den internationalen Finanzmärkten. In: Gotlind Ulshöfer/Gesine Bonnet (Hg.): Corporate Social Responsibility auf dem Finanzmarkt: nachhaltiges Investment; politische Strategien; ethische Grundlagen. Wiesbaden 2009, S. 64–80. Weitere Belege vgl. unten. 176 Vgl. Gotlind Ulshöfer: Corporate Social Responsibility auf den Finanzmärkten: Ebenen der Verantwortung. In: Dies./Gesine Bonnet (Hg.): Corporate Social Responsibility auf dem Finanzmarkt: nachhaltiges Investment; politische Strategien; ethische Grundlagen. Wiesbaden 2009, S. 27–44, 30. Vgl. dazu wie zum Folgenden ebf. bes. Kirein Franck u.a.: Der Markt für nachhaltiges und ethisches Investment in Deutschland und Europa. In: Elisabeth Hehn (Hg.): Asset Management in Kapitalanlage- und Versicherungsgesellschaften. Wiesbaden 2002, S. 33–48, 34f.; vgl. z.B. auch Christian Armbruster: Entwicklung ökologieorientierter Fonds. Eine Untersuchung im deutschsprachigen Raum und in Großbritannien. Lohmar u.a. 2000, S. 144. 177 Adolf G. Coenenberg/Rainer Salfeld: Wertorientierte Unternehmensführung. Stuttgart 2003, S. 7. 178 Als maßgebliches Beispiel unter den zahlreichen jüngeren Studien mag dabei vor allem die Untersuchung Porters und Kramers dienen Michael E. Porter/Mark R. Kramer: Strategy & Society. The Link Between Competitive Advantage and Corporate Social Responsibility. In: Harvard Business Review 84 (2006), Nr. 12, S. 78–92. Aus unternehmerischer Perspektive beschreibt eine Studie des IT- und Beratungsunternehmens International Business Machines Corporation (IBM), dem weltweit zweitgrößten Softwareproduzenten, anschaulich den Zusammenhang zwischen Unternehmenswachstum und CSR IBM Institute for Business Value: Attaining Sustainable Growth Through Corporate Social Responsibility. Somers, NY 2008, URL: http://www-935.ibm.com/ services/de/gbs/pdf/2008/growth_through_csr.pdf [aufgerufen am 05.03.2011]. Einen weiteren aktuellen Beleg für die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen einer nachhaltigen Managementstrategie liefert eine im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellte Studie. Die Autoren gelangen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass die Integration von CSR in die Geschäftsstrategie sowie in die operativen Funktionen, die Implementierung einer offenen Informationsstrategie gegenüber allen Stakeholdern und schließlich die Förderung von Transparenz, um das Engagement bzw. die Bindung von Kunden und Schlüsselfiguren zu erhöhen, zu einer Verbesserung der Wettbewerbsposition eines Unternehmens führten Thomas Loew/Jens Clausen: Wettbewerbsvorteile durch CSR. Eine Metastudie zu den Wettbewerbsvorteilen von CSR und Empfehlun-

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Die wachsende Anzahl spezieller, auf ethischen Kriterien beruhender Börsenindizes zeigt die veränderten Präferenzen von Investoren und Analysten, die verantwortliches und nachhaltiges Handeln von Unternehmen nicht nur goutieren, sondern immer häufiger voraussetzen.179 Verantwortliche und nachhaltige Investments, sog. Socially Responsible Investments (SRI), gewinnen immer stärker an Bedeutung. 180 Bereits 2001 wurde mit dem European Social Investment Forum (Eurosif) ein paneuropäisches Stakeholder-Netzwerk als Dachorganisation für die Planung und Entwicklung nachhaltiger und verantwortungsvoller Investments gegründet. Eurosif definiert SRI als „generic term covering ethical investments, responsible investments, sustainable investments, and any other investment process that combines investors’ financial objectives with their concerns about environmental, social and governance (ESG) issues“.181 Der Markt für solche nachhaltigen Geldanlagen hat sich in den zurückliegenden Jahren rasant entwickelt.182 Vermehrt treten Anleger und Investoren auf, „die ihr Vermögen ganz bewusst in solche Unternehmen investieren, die ihre Verantwortung für die Umwelt und soziale Belange ebenso ernst nehmen wie ihre Gewinnorientierung“.183

gen zur Kommunikation an Unternehmen. Berlin u.a. 2010. 179 Vgl. dazu auch Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 60. 180 Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 46. Schon seit Beginn der 1990er Jahre wurden Indizes wie der Domini 400 Social Index (DSI) und die Dow Jones Sustainability Indizes (DJSI) eingeführt, die ihren Wert jeweils stärker steigern konnten als die entsprechenden Vergleichsindizes. Der DSI spiegelt die Performance von über 400 US-amerikanischen Unternehmen wider, auch die DJSI messen die Nachhaltigkeits-Perfomance. Entsprechende Belege finden sich bei Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 46f., 60f.; sowie ebd., Appendix C, S. IVff.; vgl. zur auch in Deutschland wachsenden Bedeutung der SRI Brigitte Hamm: Maßnahmen zur Stärkung von sozial verantwortlichem Investieren (SRI). Vorschläge für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Bonn 2006 (= Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Discussion Paper 6/2006), bes. S. 25ff., URL: http://www.die-gdi.de/CMS-Homepage/openwebcms3.nsf/%28ynDK_contentByKey%29/ADMR-7BRM2T/$FILE/6-2006.pdf [aufgerufen am 28.12.2009]. 181 Eurosif: European SRI Study 2008. Paris 2008, S. 6, URL: http://www.eurosif.org/media/files/ eurosif_sristudy_2008_global_01 [aufgerufen am 02.01.2010]. Vgl. grundlegend zu SRI, dem internationalen SRI-Markt, seiner Entwicklung sowie Anlagemotive ebf. die aufschlussreiche Zusammenfassung bei Ingeborg Schumacher-Hummel: Die Rolle von Pensionskassen im Bereich Socially Responsible Investments – Einflussfaktoren eines aktiven Aktionärstums. Diss. St. Gallen 2004, S. 76–158, URL: http://www.unisg.ch/www/edis.nsf/wwwDisplayIdentifier/2958/$FILE/dis2958.pdf [aufgerufen am 02.01.2010]. 182 Vgl. Rüdiger von Rosen: Nachhaltige Geldanlagen als Innovationstreiber. In: Gotlind Ulshöfer/Gesine Bonnet (Hg.): Corporate Social Responsibility auf dem Finanzmarkt: nachhaltiges Investment; politische Strategien; ethische Grundlagen. Wiesbaden 2009, S. 83–98, 85. Vgl. zur Entwicklung ethischer Investments ebf. Russell Sparkes: Ethical investment: whose ethics, which investment? In: Business Ethics: A European Review 10 (2002), S. 194–205; sowie ders.: Socially responsible investment: a global revolution. Chichester u.a. 2002 (= Society of Investment Professions 3). Russell liefert darin u.a. einen nützlichen (auch historischen) Überblick über die Entwicklung sozial verantwortlicher Investments in verschiedenen Ländern sowie über die unterschiedlichen Interessen der Investoren. Vgl. zur Performance nachhaltiger Fondsanlagen Petra Delbeck: Ethikbasierte Investmentfonds. Ein Performancevergleich mit traditionellen Investmentfonds. Hamburg 2008.

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Von 2005 bis zum Ende des Jahres 2007 wuchs der europäische SRI-Markt laut Eurosif von 1,033 Billionen Euro auf 2,665 Billionen Euro an, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 42 Prozent entspricht.184 Besonders schnell wuchs der Markt in Deutschland, Frankreich und der Schweiz. 185 Allerdings spielen die nachhaltigen Investments in Deutschland bei Weitem noch nicht so eine große Rolle wie in anderen Ländern, wo sie mittlerweile acht bis zehn Prozent der sog. Assets under Management ausmachen. 186 Über die größten SRI-Märkte verfügen Großbritannien und die Niederlande; den größten Anteil innerhalb des Asset Managements des jeweiligen Landes haben sozial verantwortliche Investments in Belgien und den Niederlanden. In der von der UN getragenen Initiative Principles for Responsible Investment (UN PRI) haben sich mittlerweile über 560 Fonds, Versicherungen und Banken mit einem verwalteten Anlagevermögen von insgesamt über 18 Billionen US-Dollar zusammengeschlossen.187 Die Mitglieder haben sich dazu verpflichtet, bei Investmententscheidungen sechs Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung zu berücksichtigen und für diese darüber hinaus in den Unternehmen, in welche sie investieren, zu werben. Laut ihres aktuellen Jahresberichts hat die PRI alleine im Zeitraum von Oktober 2008 bis Mai 2009 160 neue Unterstützer gewonnen. Der Vorstandsvorsitzende der Initiative, Donald MacDonaldson, unterstreicht die wachsende Bedeutung nachhaltiger Investments und weist darauf hin, dass insbesondere die Finanzkrise diese Entwicklung befördert hätte – entgegen der Aussagen einiger Experten, die für dieses Marktsegment in wirtschaftlich schweren Zeiten keine Zukunft gesehen hätten: „This crisis has catalysed additional investor interest in responsible investment. […] Responsible investment is now starting to be driven by asset owners, and when times get tough, investment managers get responsive to the needs of clients.“188 Verantwortliches Investment sei nun auch von zentraler Bedeutung, um die Folgen der Finanzkrise zu überwinden, so MacDo183 Gotlind Ulshöfer/Gesine Bonnet: Finanzmärkte und gesellschaftliche Verantwortung – eine Einführung. In: Diesn. (Hg.): Corporate Social Responsibility auf dem Finanzmarkt. Nachhaltiges Investment – politische Strategien – ethische Grundlagen. Wiesbaden 2009, S. 9–24, 13. 184 Vgl. dazu und zu den folgenden Angaben Eurosif: European SRI Study 2008, S. 10. Bei der Prozentangabe wurden nur die Länder berücksichtigt, für die über den entsprechenden Zeitraum valide Daten vorliegen. Das erklärt die Abweichung der angegebenen Prozentzahl von den vorliegenden Investitionssummen. 185 Eurosif erfasst dabei allerdings nicht alle europäischen Länder, sondern lediglich die größten Märkte. Zudem sind nur diejenigen Länder berücksichtigt, für die bereits Vergleichsdaten vorheriger Studien vorliegen. 186 Vgl. Schäfer: Zur wachsenden ökonomischen Relevanz von CSR. In: Ulshöfer/Bonnet: Corporate Social Responsibility auf dem Finanzmarkt, S. 78. 187 Vgl. dazu und zum Folgenden Principles for Responsible Investment (PRI): Annual Report of the PRI Initiative 2009. New York 2009, S. 1–6, URL: http://www.unpri.org/files/PRI%20Annual %20Report%2009.pdf [aufgerufen am 04.01.2010]. 188 Donald MacDonaldson: Responsible investment more relevant than ever. In: Principles for Responsible Investment (PRI): Annual Report of the PRI Initiative 2009, S. 1.

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naldson.189 Das UN-Umweltprogramm UNEP kommt in einer aktuellen Studie zu dem Schluss, dass für Großanleger künftig schon aus Haftungsgründen keine Alternative mehr zu einer Festlegung auf Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung bestünde.190 Bereits vor fünf Jahren konstatierten Russell Sparkes und Christopher Cowton nicht nur ein signifikantes Wachstum verantwortlicher Investments, sondern auch eine Reifung des Marktes: Von einer Randerscheinung habe sich SRI zu einer bedeutenden Investmentphilosophie entwickelt, die von großen Investoren wie Pensionskassen oder Versicherungsgesellschaften verstärkt übernommen werde: „SRI […] has become an investment philosophy adopted by a growing proportion of large investment institutions. This shift in SRI from margin to mainstream and the position in which institutional investors find themselves is leading to a new form of SRI shareholder pressure.“191 Dieser Veränderung könne eine entscheidende Rolle dabei zukommen, börsennotierte Unternehmen zur Auseinandersetzung mit verantwortlichem Handeln zu bewegen: „We argue, with support from other recent authors, that this shift in SRI from margin to mainstream could play a crucial role in obliging or influencing quoted companies to address CSR issues. For most corporate executives could ignore SRI issues when they were limited to a fringe minority, but this is no longer possible when they are raised by institutional investors …“192 Der New Yorker Managementprofessor S. Prakash Sethi wertet es als eindeutiges Indiz für die Alternativlosigkeit verantwortlicher Investments, dass auch die großen und einflussreichen US-amerikanischen Pensionsfonds mit einem Anlagevermögen von über einer Billion US-Dollar unternehmerische Langzeitrisiken wie Umweltschutz, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung und deren Einfluss auf die unternehmerische Performance in ihre Risikoprognosen einbezögen: „More recently, these funds have been expanding their investment strategy by considering a corporations long-term risks on issues such as environmental protection, sustainability, and good corporate citizenship, and how these factors impact a company’s long-term performance.“193 Diese Entwicklungen scheinen auf einen echten Paradigmenwechsel hinzudeuten: Neben den traditionellen Anlagezielen Rendite, Risiko und Liquidität wird 189 MacDonaldson: Responsible investment more relevant than ever, S. 1. 190 United Nations Environment Programme Finance Initiative (UNEP FI): Fiduciary responsibility. Legal and practical aspects of integrating environmental, social and governance issues into institutional investment. A report by the Asset Management Working Group of the United Nations Environment Programme Finance Initiative. July 2009. Genf 2009, URL: http://www.unepfi.org/ fileadmin/documents/fiduciaryII.pdf [aufgerufen am 04.01.2010]. 191 Russell Sparkes/Christopher J. Cowton: The Maturing Of Socially Responsible Investment: A Review Of The Developing Link With Corporate Social Responsibility. In: Journal of Business Ethics 52 (2004), S. 45–57, 45. 192 Sparkes/Cowton: The Maturing Of Socially Responsible Investment, S. 45. 193 S. Prakash Sethi: Investing in Socially Responsible Companies is a Must for Public Pension Funds – Because There is no Better Alternative. In: Journal of Business Ethics 56 (2005), S. 99–129, 99.

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

mittlerweile auch die ethische Komponente eines Investments als ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Vermögensmanagement berücksichtigt.194 Das sog. magische Dreieck der Kapitalanlage wird dabei um den Aspekt der Nachhaltigkeit zu einem „magischen Viereck“ ergänzt. Kreditinstitute und Investoren machen im Rahmen eines sogenannten ethical screening im wachsenden Maße Gebrauch von Prüflisten, die die Bewertung des unternehmerischen Engagements für soziale und ökologische Belange unterstützen.195 Auf diese Weise kann einerseits verantwortliches Handeln eines Unternehmens durch die Aufnahme in einen auf ethischen Kriterien basierenden Börsenindex honoriert werden196: Sozial verantwortliches Investieren stellt damit einen pragmatischen Ansatz dar, die finanziellen Ziele der Investoren mit der Wahrnehmung sozialer und ökologischer Verantwortung zu kombinieren.197 Andererseits wird Investoren durch entsprechende Aktienindizes die gezielte Auswahl von Aktienportfolios ermöglicht, die nur verantwortungsvoll handelnde Unternehmen einschließen, wodurch der Druck auf die übrigen Unternehmen erhöht wird, sich ebenfalls zu einer verantwortlichen Strategie zu bekennen.198 Drei unterschiedliche Strategien spielen in der Praxis nachhaltiger Kapitalanlagen aktuell eine herausragende Rolle199: Zum einen das Prinzip der Ausschlusskriterien (ethical exclusions), bei dem nicht in Unternehmen investiert wird, die in ethisch kontroversen Geschäftsfeldern (dazu zählen beispielsweise Atomenergie und Rüstungsgüter, Biozide, grüne Gentechnik oder chlororganische Massenprodukte) tätig sind oder bestimmten Mindeststandards an die Unternehmensführung nicht genügen (so zum Beispiel in ihrem Umgang mit ihren Mitarbeitern oder der Umwelt).200 Zum anderen das positive screening: Hierbei werden Aktien derjenigen Unternehmen ausgewählt, deren Performance – gemessen an einer festen Zusammenstellung von sozialen, ökologischen und Governancekriterien – am Besten ist. Dabei können sowohl sog. Best-in-Class- als auch sog. SRI-Themenfonds Teil dieser Strategie sein. Beim Best-in-Class-Ansatz werden speziell diejenigen Unternehmen allokiert, die innerhalb ihrer Branche zu Vorreitern bezüglich Verantwortungsbewusstsein und der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien zählen. SRI-The194 195 196 197 198 199

Vgl. ebf. Rosen: Nachhaltige Geldanlagen als Innovationstreiber, S. 83. Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 46f. Vgl. auch Europäische Kommission: Grünbuch, S. 9. Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 59f. Vgl. auch Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 60. Vgl. grundlegend zu nachhaltigen Geldanlagen und Ethikfonds neben den Beiträgen im von Ulshöfer/Bonnet herausgegebenen Sammelband Stefan Ruenzi: Stichwort: Ethikfonds. In: Die Betriebswirtschaft 65 (2005), S. 101–104; sowie Klaus Gabriel: Nachhaltigkeit am Finanzmarkt. Mit ökologisch und sozial verantwortlichen Geldanlagen die Wirtschaft gestalten. München 2007; wie auch den Sammelband Martin Faust/Stefan Scholz (Hg.): Nachhaltige Geldanlagen – Produkte, Strategien und Beratungskonzepte. Frankfurt a.M. 2008. 200 Vgl. dazu und zum Folgenden Eurosif: European SRI Study 2008, S. 7, 54.

Unternehmerische Verantwortung als ethisches Konzept

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menfonds können sowohl auf einzelne Sektoren wie Wasser oder Energie fokussiert sein als auch auf Themen wie „Wandel zu nachhaltiger Entwicklung“ oder „CO2-emissionsarmes Wirtschaften“. Um als „sozial verantwortliches Investment“ in Frage zu kommen, muss ein Themenfonds bereits während seiner Konstruktion speziellen, strengen Kriterien der Verantwortung und der Nachhaltigkeit genügen.201 Die dritte prominente Anlagestrategie kombiniert das Prinzip der Ausschlusskriterien mit dem positive screening. 3.1.3.3.2

Wettbewerbsvorteile und Wertschöpfung: Wirtschaftliche Aspekte verantwortlichen und nachhaltigen unternehmerischen Handelns

Das gestiegene Interesse der Finanzmärkte und ihrer Akteure an verantwortlichem und nachhaltigem unternehmerischen Handeln ist zweifelsohne vor allem Ausdruck einer Erwartung in die konkrete Wertschöpfung, die Unternehmen aus einer an den Kriterien der Verantwortung und Nachhaltigkeit orientierten Managementstrategie generieren können. Die Zusammenhänge zwischen der Übernahme unternehmerischer Verantwortung und der finanziellen Performance eines Unternehmens sind schon früh untersucht und bestätigt worden: „Results show that a firm’s prior performance, assessed by both stock-market returns and accounting-based measures, is more closely related to corporate social responsibility than is subsequent performance. Results also show that measures of risk are more closely associated with corporate social responsibility than previous studies have suggested.“202 Jüngst hat die Bank of Finland anhand eines der etabliertesten Nachhaltigkseitsindizes, des Domini 400 Social Index, eine empirische Untersuchung der Relevanz von verantwortlichem unternehmerischen Handeln für den Kapitalmarkt vorgenommen. In der Studie erscheint die Übernahme unternehmerischer Verantwortung als „core component of corporate strategy“ in der globalen Wirtschaftswelt der Gegenwart.203 Aufgrund von „financial scandals, losses, and the diminished reputation of the affected listed companies“ entwickle sich verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln zu einem „crucial instrument for mini201 Eurosif schreibt dazu: „To be considered SRI, a theme fund must show an explicit SRI motivation, taking into account ESG considerations in the fund construction process. This requires the existence of specific mechanisms, such as the involvement of SRI expertise in stock analysis selection, the application of an ESG screen, or the management of the product by the SRI team.“ (Eurosif: European SRI Study 2008, S. 7.) 202 Jean B. McGuire u.a.: Corporate Social Responsibility. Firm Financial Performance. In: Academy of Management Journal 31 (1988), S. 854–872, 854. Die Debatte kann hier nicht weiter nachverfolgt werden. Entsprechende Verweise finden sich ebd., S. 854f. 203 Leonardo Becchetti u.a.: Corporate social responsibility and shareholder’s value: an empirical analysis. Helsinki 2009 (= Bank of Finland Research Discussion Papers 1/2009), S. 3, URL: http://www.bof.fi/NR/rdonlyres/2D39D03F-9F57-4618-B1C2-F91A221B2438/0/0901netti.pdf [aufgerufen am 31.12.2009].

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

mizing conflicts with stakeholders“.204 Dieser Einsicht hätten sich auch die Unternehmensstrategien anzupassen, so das abschließende Ergebnis und die Empfehlung der Studie: „The findings establish that CSR leads corporations to refocus their strategic goals from the maximization of shareholder value, to the maximization of the goals of a broader set of stakeholders.“205 Dass Unternehmen aus einer an den Kriterien der Verantwortung und Nachhaltigkeit orientierten Managementstrategie konkrete wirtschaftliche Vorteile ziehen können, wird durch die Ergebnisse verschiedener Studien unterstrichen: So belegt die Gemeinschaftsstudie der Beratungsgesellschaft SustainAbility Ltd. und des United Nations Environment Programme mit dem klingenden Namen Buried Treasure – Uncovering the business case for corporate sustainability eine moderate bis starke positive Korrelation zwischen der Umweltperformance eines Unternehmens und dessen Shareholder Value sowie eine schwache bis moderate Korrelation zwischen Sozialperformance und Shareholder Value.206 Auch die Unternehmensberatungsgesellschaft Ernst & Young – laut eigener Aussage Marktführer in der Management- und Risikoberatung – hebt hervor, dass die Integration von Kriterien der Verantwortung und der Nachhaltigkeit in ihre Managementstrategie Unternehmen die Möglichkeit eröffne, sich konkrete „Wettbewerbsvorteile zu sichern und sich dadurch langfristig erfolgreich am Markt zu positionieren“. 207 Die „verbesserte finanzielle Leistungsfähigkeit“ stelle neben „verbesserter Stakeholderbeziehungen“ einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil dar, der sich durch „die Senkung operativer Kosten“ ergebe.208 Ein weiterer Vorteil sei ein „verbessertes Risiko- und Reputationsmanagement“.209 Der Zusammenhang zwischen verantwortlichem und nachhaltigem unternehmerischen Handeln, dem Aufbau von Reputation und der finanziellen Performance eines Unternehmens wird von zahlreichen Untersuchungen bestätigt.210 Direkte Folgen des Aufbaus positiver Reputation sind größere 204 Becchetti u.a.: Corporate social responsibility and shareholder’s value, S. 3. 205 Becchetti u.a.: Corporate social responsibility and shareholder’s value, S. 20. 206 Vgl. SustainAbility Ltd./United Nations Environment Programme: Buried Treasure – Uncovering the business case for corporate sustainability. London 2001. 207 Ernst & Young GmbH: Wertschöpfung durch Corporate Responsibility. In: Ernst & Young SAAS News (2009), Nr. 11, S. 5–7, 5. 208 Ernst & Young GmbH: Wertschöpfung durch Corporate Responsibility, S. 5. 209 Ernst & Young GmbH: Wertschöpfung durch Corporate Responsibility, S. 5. 210 Vgl. Michael V. Russo/Paul A. Fouts: A Resource-Based Perspective on Corporate Environmental Performance and Profitability. In: Academy of Management Journal 40 (1997), S. 534–559. Dort finden sich auch zahlreiche Verweise auf vorherige Studien und deren Ergebnisse. (Vgl. ebd., S. 534f.) Vgl. zudem Marc Orlitzky: Social responsibility and financial performance: Trade-off or virtuous circle? In: University of Auckland Business Review 29 (2005), S. 37–43, bes. S. 38; sowie ders. u.a.: Corporate social responsibility and financial performance: A meta-analysis. In: Organization Studies 24 (2003), S. 403–441; vgl. ebf. Margolis/Walsh: People and Profits: The Search for a Link Between a Company’s Social and Financial Performance; vgl. zu den Auswirkungen auf kleine und mittelständische Unternehmen bes. auch J. Alberto Aragón-Correa u.a.: Environmental strategy and performance in small firms: A resource-based perspective. In: Journal of Environmental Management 86 (2008), S. 88–103.

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Loyalität und höhere Zahlungsbereitschaft der Kunden eines Unternehmens.211 Nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln kann dabei einen direkten Beitrag zum Image eines Unternehmens leisten und so die Strategien von Unternehmensmarketing und -kommunikation unterstützen.212 Überdies lassen sich durch die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung Reputationsrisiken wie beispielsweise Boykottaufrufe oder Shamingkampagnen mindern bzw. vermeiden, was im Rahmen des Risikomanagements eine wesentliche Rolle spielt (vgl. oben).213 Glaubwürdigkeit und moralische Reputation stellen nach Josef Wieland sogar notwendige Bedingungen für den Erfolg eines Unternehmens bei seinen Kunden dar.214 Und die St. Galler Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann und Florian Wettstein betonen, dass die Stakeholder verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln belohnten und unterstützten.215 Sie berufen sich dabei auf die Theorie des Wettbewerbsvorteils, wonach ein Unternehmen durch sein Handeln Differenzierungsmerkmale gegenüber Wettbewerbern schaffen könne, die insbesondere in gesättigten Märkten von entscheidender Bedeutung sein könnten. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Argumente, die verantwortliches und nachhaltiges Handeln für Unternehmen vorteilhaft erscheinen lassen. Neben Kaufentscheidungen der Verbraucher hängen auch Kooperationen zwischen Geschäftspartnern immer stärker von Kriterien der Verantwortung und Nachhaltigkeit ab.216 Dabei spielt verantwortliches Handeln für zahlreiche Unternehmen in ihrer gesamten Lieferkette eine wesentliche Rolle: Die gewachsene Sensibilität der Stakeholder hat auch seitens der Unternehmen das Bewusstsein dafür wachsen lassen, nicht nur für das eigene Handeln Verantwortung zu tragen, sondern auch für das Ver211 Vgl. Markus Eberl/Manfred Schwaiger: Segmentspezifischer Aufbau von Unternehmensreputation durch Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung. In: Die Betriebswirtschaft 66 (2006), S. 418– 440, 419; sowie grundlegend Markus Eberl: Unternehmensreputation und Kaufverhalten – Methodische Aspekte komplexer Strukturmodelle. Wiesbaden 2006; vgl. dazu ebf. Robert Madrigal/David M. Boush: Social responsibility as a unique dimension of brand personality and consumers’ willingness to reward. In: Psychology and Marketing 25 (2008), S. 538–564. 212 Vgl. Heribert Meffert u.a.: Marketing. Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung. Konzepte, Instrumente, Praxisbeispiele. Wiesbaden 102008, S. 687. Dort wird das Image eines Unternehmens als ein „mehrdimensionales Konstrukt“ definiert, „das die subjektiven Assoziationen und Bewertungen eines Bezugsobjekts in ganzheitlicher Form zusammenfasst“. (Ebd., S. 703.) 213 Vgl. Ulrich Thielemann/Florian Wettstein: The case against the business case and the idea of „earned reputation“. St. Gallen 2008 (= Berichte des Instituts für Wirtschaftsethik 111), S. 23f., URL: http://www.iwe.unisg.ch/org/iwe/web.nsf/c0b319e335eb2f66c12569380039fdf6/ff13582fc6e2324bc12573f7005e00a1/$FILE/Bericht-111.pdf [aufgerufen am 04.01.2010]. Vgl. dazu ebf. Amihai Glazer u.a.: Firms’ Ethics, Consumer Boycotts, and Signalling. Bonn 2008 (= IZA Discussion Paper 3498). 214 Vgl. Josef Wieland: Wozu Wertemanagement? In: Ders. (Hg.): Handbuch Wertemanagement. Hamburg 2004, S. 13–52, 13. 215 Vgl. dazu und zum Folgenden Thielemann/Wettstein: The case against the business case and the idea of „earned reputation“, S. 38f. 216 Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 46. Wieser zitiert hier eine entsprechende Studie des Prince of Wales Business Leadership Forums.

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

halten ihrer Lieferanten, Partner oder Einzelhändler in die Pflicht genommen werden zu können.217 „Verantwortungsvolle Unternehmensführung zeichnet sich dadurch aus, dass Unternehmen auch Verantwortung für die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards in der Wertschöpfungskette übernehmen. Dazu verpflichten sie Lieferanten auf die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards und überprüfen deren Einhaltung“, so das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf seinem Portal Unternehmenswerte – Corporate Social Responsibility in Deutschland.218 Viele Unternehmen arbeiten mittlerweile entsprechende Verhaltensleitlinien, sog. Codes of Conduct, für ihre Lieferanten aus.219 Spezielle Auditings, in denen große Konzerne überprüfen, ob und wie ihre Lieferanten verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln praktisch umsetzen, sind ebenfalls keine Seltenheit mehr. Auch im Wettbewerb um potentielle neue Mitarbeiter sind Unternehmen darum bemüht, in ihrem Auftreten und ihren Aktivitäten als verantwortlich handelnde Akteure wahrgenommen zu werden. Unternehmen erhöhen auf diese Weise signifikant ihre Attraktivität für hochqualifizierte Arbeitskräfte.220 Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln wirkt aber auch auf das bestehende Personal zurück: Nach der Theorie der sozialen Identität lassen sich auf diese Weise Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiterschaft steigern.221

217 Vgl. Ulshöfer/Bonnet: Finanzmärkte und gesellschaftliche Verantwortung, S. 10f. Vgl. zur Implementierung sozialer und ökologischer Standards in der Lieferkette auch Burger/Mayer: Ernst machen mit nachhaltiger Entwicklung. Die Rolle von Sozial- und Ökostandards, S. 71–75, bes. S. 73. Vgl. ebf. Craig H. Wood/Allen Kaufman: The communication of corporate social responsibility (CSR) through the supply chain: an SME perspective. In: Gerald I. Susman (Hg.): Small and Medium-Sized Companies and the Global Economy. Cheltenham u.a. 2007, S. 140–153. Vgl. zur Kontroverse über die Rolle von verantwortlichem Handeln im Supply Chain auch Steve New: The Ethical Supply Chain. In: Ders./R. Westbrook (Hg.): Understanding Supply Chains: Concepts, Critics and Futures. New York 2004, S. 253–280. Vgl. zur Zurechnung von Verantwortung ebf. Stephanie Muche: Corporate Citizenship und Korruption. Ein systematisches Konzept von Unternehmensverantwortung. Wiesbaden 2008 (= Schriftenreihe der HHL-Leipzig Graduate School of Management), S. 214. 218 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Unternehmenswerte. Corporate Social Responsibility in Deutschland. Glossar: Lieferanten, URL: http://www.csr-in-deutschland.de/portal/generator/6160/begriffsseite__g-m.html#entry27 [aufgerufen am 05.01.2010]. 219 Vgl. dazu und auch zum Folgenden am Beispiel des Handelskonzern Otto AG Dietlind Freiberg/Achim Lohrie: Nachhaltigkeitsmanamgent in der strategischen Unternehmensentwicklung. In: Josef Wieland (Hg.): Handbuch Wertemanagement. Hamburg 2004, S. 82–101, 91–101; vgl. auch Sam Vaseghi/Markus Lehni: Sustainability. Transformation eines Leitbegriffs. In: Kaevan Gazdar u.a. (Hg.): Erfolgsfaktor Verantwortung. Corporate Social Responsibility professionell managen. Berlin u.a. 2006, S. 99–109, 105f. 220 Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 46f. Vgl. auch Daniel B. Turban/Daniel W. Greening: Corporate social performance and organizational attractiveness to prospective employees. In: Academy of Management Journal 40 (1997), S. 658–672; sowie diesn.: Corporate Social Performance As a Competitive Advantage in Attracting a Quality Workforce. In: Business & Society 39 (2000), S. 254–280.

Unternehmerische Verantwortung als ethisches Konzept

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Angesichts dieser Beobachtungen erstaunt es nicht, dass inzwischen unter deutschen Unternehmen ein integriertes Verständnis der eigenen Wirtschaftstätigkeit vorherrscht, das Kriterien der Nachhaltigkeit und Verantwortung umfasst: Laut einer Umfrage unter 1000 inhabergeführten Unternehmern sind 76 Prozent der Befragten der Auffassung, dass Unternehmer eine größere Verantwortung tragen als andere gesellschaftliche Gruppen.222 Und 83 Prozent haben den Eindruck, dass der Staat sich besonders auf kommunaler Ebene aus seiner Verantwortung zurückzieht und privaten Initiativen die Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben überlässt: Nach einer umfassenden Studie der Bertelsmann-Stiftung sehen sich über 60 Prozent der Unternehmen in einer aktiven Rolle, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen.223 Eine Mehrheit der befragten Unternehmen verschiedener Größe und aus unterschiedlichsten Branchen befürwortet demnach die Einbeziehung sozialer und ökologischer Belange in ihre Geschäftstätigkeit – wobei allerdings die Übernahme von Verantwortung tendenziell deutlich stärker von großen Unternehmen mit ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Verantwortung assoziiert wird.224 Die Unternehmen versprechen sich von einem solchen Verhalten nicht nur eine Steigerung ihrer Reputation (das gaben 65 Prozent der Befragten an, bei großen Unternehmen waren es sogar 73 Prozent), sondern auch sehr konkret die Erschließung neuer Kundenkreise.225 Für ein gewisses Umdenken in den weltweiten Führungsetagen sprechen auch die Ergebnisse des Global CEO Survey der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers. Ihrer gesellschaftlichen Verantwortung räumten die Entscheidungsträger einen hohen Stellenwert ein: 68 Prozent der Befragten gaben an, die Übernahme von Verantwortung sei wichtig für die Profitabilität ihres Unternehmens.226 Besonders die Risikoseite darf nicht übersehen werden: Bei fragwürdigem ethischen Verhalten drohen dem Unternehmen gesetzliche Auflagen, Imageverluste,

221 Vgl. dazu grundlegend Henri Tajfel/J.C. Turner: The social identity theory of intergroup behavior. In: Stephen Worchel/William G. Austin (Hg.): Psychology of Intergroup Relations. Chicago 1986, S. 7–24. Vgl. dazu ebf. Blake E. Ashforth/Fred Mael: Social Identity Theory and the Organization. In: The Academy of Management Review 14 (1989), S. 20–39. Auf die Theorie kann im Rahmen dieser Arbeit nicht ausführlicher eingegangen werden. 222 Das Meinungsforschungsinstitut forsa führte die Unternehmerbefragung im Zeitraum vom 19. April bis 20. Mai 2005 im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft durch. Vgl. dazu und zum Folgenden Falck/Heblich: Corporate Social Responsibility, S. 2. 223 Vgl. Bertelsmann Stiftung (Hg.): Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Dokumentation der Ergebnisse einer Unternehmensbefragung der Bertelsmann Stiftung. [Gütersloh] 2005, S. 26. Grund für diesen Bewusstseinswandel ist dabei in erster Linie eine deutliche, aber eng fokussierte Orientierung auf Mitarbeiter und Kunden. 224 Bertelsmann Stiftung: Verantwortung, S. 6. 225 Bertelsmann Stiftung: Verantwortung, S. 12. 226 Die globale Studie wurde bereits 2002 veröffentlicht. Insgesamt wurden dazu rund 1200 Topmanager in 33 Ländern befragt. Vgl. Kaevan Gazdar/Klaus R. Kirchhoff: Unternehmerische Wohltaten: Last oder Lust? Von Stakeholder Value, Corporate Citizenship und Sustainable Development bis Sponsoring. Neuwied u.a. 2004, S. 18.

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

Kartellstrafen oder – schlicht wie folgenschwer – veränderte Kundenansprüche, wie das Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft herausgefunden hat.227 Und auch institutionelle Investoren heben hervor, dass durch entsprechendes gesellschaftliches und ökologisches Risikomanagement der Marktwert eines Unternehmens nachhaltig gesteigert werden kann.228 Damit gewinnt verantwortliches Handeln verstärkt Einfluss auf die Kosten-Nutzen-Rechnungen von Unternehmen. Einen Beleg dafür liefert die vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Studie „Nachhaltig erfolgreich Wirtschaften“, bei dem die Nachhaltigkeitsleistung deutscher Unternehmen mithilfe des sogenannten Sustainable-Value-Ansatzes untersucht wird. Der Ansatz basiert auf einer der wesentlichsten Grundregeln der Finanzanalyse: Um einen Wert zu schaffen, muss ein Unternehmen Ressourcen effizienter einsetzen als der Wettbewerb.229 Der „Sustainable Value“ zeigt, wie effizient Unternehmen nicht nur ihre ökonomischen, sondern auch, wie verantwortungsvoll sie ihre sozialen und ökologischen Ressourcen im Vergleich zu anderen Unternehmen einsetzen.230 Der Ansatz bietet dabei den maßgeblichen Vorteil, dass er gegenüber dem Wettbewerb, zugleich aber auch gegenüber einer zunehmend kritischen und informierten Öffentlichkeit den konkreten Mehrwert verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns mess- und bilanzierbar macht. Für die Wirtschaft könnte dies einen entscheidenden Anreiz darstellen, zeigen doch solche Rankings, dass verantwortliches Handeln mit dem Streben nach Profitabilität vereinbart werden kann und gerade keine ökonomische Belastung darstellt, sondern aktiv zu einer guten Unternehmensbilanz beitragen kann. Bestenfalls könnte sich in Verbindung mit entsprechenden Berichten ein sog. „race to the top“ einstellen: Unternehmen, die keine Zahlen hinsichtlich ihrer öko227 Vgl. Riedel: Risikotreiber, S. 25. 228 Wieser: Relevanz sozialer Verantwortung, S. 60. Wieser beruft sich dabei auf eine Erhebung des SRI Compass. 229 Vgl. grundlegend zum Ansatz IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung u. Sustainable Development Research Center (SDRC) und Universität St. Andrews (Hg.): Nachhaltig erfolgreich Wirtschaften. Eine Untersuchung der Nachhaltigkeitsleistung deutscher Unternehmen mit dem Sustainable-Value-Ansatz. Berlin 2007, S. 13ff. Von grundlegender Bedeutung ist dabei die Annahme, dass der Einsatz einer Ressource grundsätzlich nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Kosten für ihren Einsatz gedeckt werden. Dem Gedanken der Nachhaltigkeit liegt dabei das Bewusstsein knapper Ressourcen und die daraus resultierende Notwendigkeit ihres verantwortungsbewussten und effizienten Einsatzes zugrunde. (Vgl. ebd., S. 13.) 230 IZT: Wirtschaften, S. 25. Die Studie macht mithilfe der Betrachtung verschiedener quantifizierbarer Nachhaltigkeitsaspekte die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen messbar. Wenn also ein Unternehmen beispielsweise weniger Klimagase ausstößt als ein anderes, um einen bestimmten Ertrag zu erzielen, so schafft es einen nachhaltigen Mehrwert. Der Ansatz wendet diese Logik auf alle von Unternehmen genutzten Ressourcen an. Dazu muss allerdings auch der Wert dieser Ressourcen bestimmt werden. Dabei wird gerade kein belastungsorientierter Ansatz gewählt, bei denen sich die Kosten einer Ressource auf Basis der aus ihrem Einsatz resultierenden Schäden und Belastungen berechnen. Statt dessen ist der Ansatz wertorientiert, d.h. die Kosten aus dem Ressourceneinsatz ergeben sich aus dem Ertrag, den ein alternativer Einsatz der Ressource erzielt hätte, den sogenannten Opportunitätskosten. (Vgl. dazu ebd., S. 14f.)

Unternehmerische Verantwortung als ethisches Konzept

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logischen oder sozialen Performance vorlegen, werden zu einem Umdenken gezwungen, da sie andernfalls in der Performanceevaluation zurückfielen und an Wert verlören. Überdies könnten ökologische und soziale Performanceaspekte fest in der Bewertungs- und Effizienzlogik der Unternehmen verankert werden und würden fortan neben ökonomischen Aspekten benötigt, um Erträge zu erwirtschaften.231 Wenn sich Unternehmen also mit den Auswirkungen ihres Tuns auf Gesellschaft, Mitarbeiter und die natürliche Umwelt beschäftigen und ihre negativen Einflüsse auf sie minimieren, so leisten sie sowohl einen Beitrag zur Steigerung ihres Unternehmenswertes als auch zu einer zukunftsfähigen Positionierung. Unternehmen, „denen es gelingt, die Unternehmensmarke […] glaubwürdig als nachhaltigkeitsorientiert zu positionieren“, sind in der Lage, „einen echten und schwer imitierbaren Wettbewerbsvorteil“ zu erlangen: „Durch positive Effekte auf das Ansehen, die Sympathie, das Vertrauen und letztendlich die Präferenzen bei den Stakeholdern kann das Unternehmen das Stakeholderverhalten in seinem Sinn beeinflussen und somit auch die Wettbewerbsfähigkeit steigern.“232 Neben einer in Folge der intensivierten Debatte um Wirtschafts- und Unternehmensethik verstärkten Ausprägung ethischer Einsichten innerhalb der Unternehmen, die hier keineswegs geleugnet werden soll, sind also mit Sicherheit auch recht pragmatische, wirtschaftliche Überlegungen dafür verantwortlich, dass sich die Unternehmen verstärkt mit ihrer Verantwortung als korporativer Akteur auseinandersetzen: „Unternehmen erkennen in zunehmender Weise – gleichgültig, ob aus ökonomischen oder aus normativen Gründen –, dass sie auf die sie herangetragenen Legitimationsanforderungen der Gesellschaft reagieren müssen.“233 Angesichts des beschriebenen schwindenden Einflusses der Politik auf die Unternehmen wird von nationalen Regierungen eine verantwortungsvolle Haltung der Wirtschaftsakteure ausdrücklich begrüßt. So sieht das Bundesumweltministerium in einer aktuellen Studie weit mehr die Unternehmen selbst als die Politik gefordert. Mit politischer Regulierung allein ließen sich die ökologischen und sozialen Herausforderungen nicht bewältigen, statt dessen bedürfe es der Innovationskraft von Unternehmen.234

231 Vgl. dazu auch IZT: Wirtschaften, S. 12. 232 Hermann: Corporate Sustainability Branding, S. 18. 233 Beschorner/Vorbohle: Neue Spielregeln, S. 106. 234 Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Nachhaltigkeitsberichterstattung: Empfehlungen für eine gute Unternehmenspraxis. Berlin 2007, S. 14.

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

3.2 Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 3.2.1 Corporate Social Responsibility als Management- und Kommunikationskonzept verantwortlichen und nachhaltigen unternehmerischen Handelns Eine Antwort auf diesen Ruf nach verantwortlichem und nachhaltigem unternehmerischen Handeln war in den zurückliegenden Jahren die Entwicklung unterschiedlicher Managementkonzepte, die sich insgesamt unter dem Begriff der Corporate Social Responsibility (CSR) subsumieren lassen.235 Die CSR hat in den zurückliegenden Jahren einen festen Platz im Vokabular von Unternehmen, Politik, Medien und NGOs erobert. Dennoch fallen Verständnis, Praxis und Verbindlichkeit der Konzepte unternehmerischer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft innerhalb und zwischen den unterschiedlichen Akteuren sehr verschieden aus. Doch weder existiert eine einheitliche Definition für die soziale Verantwortung von Unternehmen, noch sind die Erwartungen an die CSR bisher klar definiert.236 Bevor eine Annäherung an den Begriff und die damit verbundenen Theorien, ein Vergleich mit verwandten Konzepten und schließlich ein Definitionsversuch vorgenommen wird, soll zuerst die historische Entwicklung der CSR genauer betrachtet werden.

235 Vgl. Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 7. Dort finden sich auch einige weiterführende Literaturhinweise. Die Veröffentlichungen zum Thema haben in den letzten Jahren ein kaum noch überschaubares Ausmaß angenommen. Neben verschiedenen, in relativer Regelmäßigkeit erscheinenden Beiträgen zum Thema in der Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik und den neueren einschlägigen, in dieser Arbeit bereits zitierten Sammelbänden sei vor allem auf folgende Veröffentlichungen verwiesen: Heinz Peter Wallner u.a.: Erfolg mit der Business Agenda 21. Nachhaltiges Wirtschaften und Corporate Social Responsibility. München 2004; Birgit Riess (Hg.): Verantwortung für die Gesellschaft – verantwortlich für das Geschäft. Ein Management-Handbuch. Gütersloh 2006; Dies. u.a.: Mit Verantwortung handeln. Ein CSR-Handbuch für Unternehmer. Wiesbaden 2008; Beatrix Kuhlen: Corporate Social Responsibility (CSR). Die ethische Verantwortung von Unternehmen für Ökologie, Ökonomie und Soziales. Entwicklung, Initiativen, Berichterstattung, Bewertung. Baden-Baden 2005; Till Hendrik Jung: Unternehmerisches Handeln in sozialer Verantwortung. Chancen und Hindernisse einer integrierten Corporate Social Responsibility Strategie. Saarbrücken 2007; sowie Schranz: Profit und Moral; Joachim Schwalbach (Hg.): Corporate Social Responsibility. Wiesbaden 2008 (= Zeitschrift für Betriebswirtschaft/Special issue 2008,3); und der lesenswerte Aufsatz des Vorsitzenden von Amnesty International Großbritannien Chris Marsden: In Defence of Corporate Responsibility, S. 359–373. 236 Vgl. Kuhlen: Corporate Social Responsibility (CSR), S. 12; vgl. zudem Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 254f.; vgl. ebf. Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 7.

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 317

3.2.1.1

Die Entwicklung von Begriff und Konzept der CSR

Der Begriff und die moderne Ausprägung der CSR stammen ursprünglich aus den USA.237 Bereits Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts begannen einige Unternehmer wie Andrew Carnegie, Henry Ford oder George Cadbury etwa durch Gesundheitsprogramme oder das Bereitstellen von Wohnungen soziale Verantwortung für ihr unternehmerisches Umfeld zu übernehmen.238 Die wissenschaftliche Geschichte des CSR-Konzepts reicht bis in die 1930er Jahre zurück.239 Der Begriff wurde in der wissenschaftlichen Literatur erstmals während der 1950er Jahre von Howard Bowen formalisiert: „It refers to the obligations of businessmen to pursue those politics, to make those decisions, or to follow those lines of actions which are desirable in terms of the objectives and values of society.“240 Gemäß der Forderung Bowens, dass sich Geschäftsleute in Unternehmenspolitik und Managemententscheidungen an den gesellschaftlichen Erwartungen, Zielen und Wertvorstellungen auszurichten hätten, bemühten sich in den 1960er Jahren einige Autoren um eine Fortentwicklung des CSR-Begriffs.241 Dennoch blieb CSR eine relativ vage Vorstellung, nach der es auch eine gesellschaftliche Verantwortung gäbe, die über reine Profitmaximierung und das bloße Befolgen der Gesetze hinausginge.242 Im Mittelpunkt all jener Arbeiten standen stets die businessmen als Entscheidungsträger. Die entscheidende Erweiterung des Adressatenkreises um Institutionen und damit um Unternehmen nimmt Davis vor: „Social responsibility moves one large step further by emphasizing institutional actions and their effect on the whole social system. Social responsibility, therefore, broadens a person’s view to the total social system.“243 Dadurch, dass erstmals Unternehmen als eigene Rechtspersonen angesprochen werden, wird die Zurechnung von Verantwortung erschwert. Dieses Problem trug maßgeblich zur kategorischen 237 Vgl. hierzu und zum Folgenden Falck/Heblich: Corporate Social Responsibility, S. 3; vgl. ebf. Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 257. 238 Vgl. N. Craig Smith: Corporate Social Responsibility: Whether or How? In: California Management Review 45 (2003), S. 52–76, 52f.; vgl. Alexander Bassen u.a.: Corporate Social Responsibility. Eine Begriffserläuterung. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 6 (2005), Nr. 3, S. 231–236, 231; vgl. zudem William C. Frederick u.a.: Business and Society. Corporate Strategy, Public Policy, Ethics. New York u.a. 71992, S. 33. 239 Einen umfangreichen Überblick über Evolution des Konzepts und die Entwicklung des Begriffs liefert Archie B. Caroll: Corporate Social Responsibility. Evolution of a Definitional Construct. In: Business & Society 38 (1999), Nr. 3, S. 268–295, hier 268f. 240 Howard R. Bowen: Social responsibility of the businessman. New York 1953, S. 6. 241 Als wichtige Stellungnahmen gelten in diesem Zusammenhang Keith Davis: Can business afford to ignore social responsibilities? In: California Management Review 2 (1960), S. 70–76; William C. Frederick: The growing concern over business responsibility. In: California Management Review 2 (1960), S. 54–61; Joseph W. McGuire: Business and Society. New York 1963; sowie Clarence C. Walton: Corporate social responsibilities. Belmont, Ca. 1967. 242 Vgl. Jung: Unternehmerisches Handeln, S. 2. 243 Keith Davis: Understanding the social responsibility puzzle: What does the businessman owe to society? In: Business Horizons 10 (1967), S. 45–50.

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

Ablehnung sozialer Verantwortung von Unternehmen durch Milton Friedman in dessen prominenten, oben bereits zitierten Statements bei.244 In den 1970er Jahren erfolgte eine Ausdifferenzierung des begrifflichen Konzepts zur CSR und es kam zur Prägung neuer Begriffe: Eigene Literatur- und Forschungsrichtungen bildeten sich unter den Stichwörtern Corporate Social Perfomance, Corporate Social Responsiveness und Corporate Citizenship heraus, wobei die Begriffe von den Autoren entweder synonym zum Begriff der CSR verwendet wurden oder einen differenzierteren Inhalt erhielten.245 Edward Freeman entwickelte Mitte der 1980er Jahre das oben kurz angesprochene und für die weitere Ausformung der CSR elementare Konzept des Stakeholder Managements. Stakeholder werden grundsätzlich als „any group or individual who can affect, or is affected by, the achievement of a corporation’s purpose“ bestimmt.246 Auf dieses Konzept nehmen seither, wie auch unten noch zu zeigen sein wird, die meisten Definitionen Bezug. Begriff und Konzept des Stakeholder Managements weisen auch schon auf die Entstehungsbedingungen der in den USA lang anhaltenden CSR-Debatte hin.247 Meist werden dafür zwei entgegengesetzte Erklärungsfaktoren angeführt.248 Die eine Richtung sieht in der Konjunktur des CSR-Begriffs eine Konsequenz des vor allem durch Stakeholder und gesellschaftliche Erwartungshaltung gestiegenen gesellschaftlichen Drucks und betrachtet sie als Reaktion auf den Rückzug des Staates aus Aktionsfeldern, die fortan von unternehmerischer Initiative übernommen werden müssen.249 Die andere Richtung erkennt im CSR-Diskurs eine gezielte und strategische Aktion der Wirtschaft, um anstelle eines verstärkten Eingreifen des Staates selbstregulatorisches Engagement zu propagieren. Im Kern geht es jedoch immer darum, die Frage zu beantworten, welche Verpflichtungen die Unternehmen neben ihrer primären Funktion, der Erarbeitung ökonomischen Mehrwerts, noch haben. Den Ansätzen ist gemein, dass sie sich um die Definition der Funktions- und Verantwortungsrollen bemühen, die ein Unternehmen in der Gesellschaft einnehmen muss. 244 Vgl. auch Harvey S. James/Farhad Rassekh: Smith, Friedman, and Self-Interest in Ethical Society. In: Business Ethics Quarterly 10 (2000), S. 659–674, 669. 245 Vgl. hierzu und zum Nachfolgenden Jung: Unternehmerisches Handeln, S. 2. 246 Vgl. Freeman: Strategic Management, S. VI. 247 Vgl. dazu grundlegend Frank G.A. de Bakker u.a.: A Bibliometric Analysis of 30 Years of Research on Theory on Corporate Social Responsibility and Corporate Social Perfomance. In: Business & Society 44 (2005), S. 283–317; Caroll: Corporate Social Responsibility, S. 268–295; R. Edward Freeman/Jeanne Liedtka: Corporate Social Responsibility. A critical Approach. In: Business Horizons o.Jg. (1991), Nr. 4, S. 92–98, URL: http://findarticles.com/p/articles/mi_m1038/is_n4_v34/ ai_11015279 [aufgerufen am 03.09.2009]; sowie auch Thomas Loew u.a.: Bedeutung der internationalen CSR-Diskussion für Nachhaltigkeit und die sich daraus ergebenden Anforderungen an Unternehmen mit Fokus Berichterstattung. Endbericht. Münster 2004. 248 Vgl. dazu und auch zum Folgenden Schranz: Profit und Moral, S. 21. 249 Vgl. dazu auch Ruth V. Aguilera u.a.: Putting the S Back in Corporate Social Responsibility. A Multi-Level Theory of Social Change in Organizations. Champaign 2005 (= University of Illinois College of Business Working Paper 04-0107), S. 5f.

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 319

3.2.1.2

Unterschiedliche Wirtschaftsmodelle und wachsende Sensibilisierung

Sieht man von Großbritannien ab, so wurde dem Begriff CSR in Europa bis vor wenigen Jahren nur relativ wenig Bedeutung beigemessen. Die jüngere Diskussion um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ist stark von der US-amerikanischen Debatte geprägt, worauf schon die weite Verbreitung von Anglizismen hindeutet.250 Allerdings ist die Idee, dass Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung tragen auch in der bundesdeutschen Kultur seit langem verankert.251 Das Wirtschaftsmodell der sozialen Marktwirtschaft etwa betont seit jeher die Verantwortung von Unternehmen in der Gesellschaft. Das Modell weist einige wesentliche Unterschiede zu angloamerikanischen Ländern auf, die sich auch auf das Verständnis von CSR auswirken: Die sozialmarktwirtschaftliche Tradition fasst den Staat als zentralen Lenker und Stabilisator sozialer Ordnungen auf und stellte ihn über Jahrzehnte in den Mittelpunkt wissenschaftlicher (Funktions-)Analyse.252 Länder wie Großbritannien und die USA verfügen dementgegen über eine liberale ökonomische Tradition mit einem expliziten Sinn für die Selbstregulierungsfähigkeiten und -kräfte von Gesellschaften. Daher unterscheidet sich das urprüngliche Verständnis der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen in den deutschsprachigen Ländern vom importierten Modell der CSR: „Interessant ist, dass ‚soziale Verantwortung‘ bei uns eher die Assoziation an das System der sozialen Marktwirtschaft und damit an einen gegebenen Zustand auslöst. In den USA dagegen denkt man bei ‚Corporate Social Responsibility‘ […] an aktive Maßnahmen und praktische Programme zur Erleichterung verantwortlichen Handelns im Geschäftsalltag.“253 Auch der Begriff „sozial“ bezieht sich im angloamerikanischen Kontext vor allem auf die Verpflichtungen eines Unternehmens für die Gesellschaft, in der es agiert, während in Deutschland nach herkömmlichem Verständnis verantwortliche Unternehmensführung besonders eine Verpflichtung gegenüber den eigenen Mitarbeitern bedeutet. Dies ist auch auf die spezifische Tradition des Aushandelns von Arbeitsbedingungen, -zeiten und -löhnen zwischen den Sozialpartnern zurückzuführen. Die unterschiedlichen Wirtschaftssysteme wirken sich auch auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen aus: Während in den USA und Großbritannien zahlreiche Forderungen im Zusammenhang mit CSR freiwillig umgesetzt werden sollen, sind sie in Deutschland oftmals gesetzlich geregelt oder unterliegen der Mitbestimmung.254 Die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Auffassungen lassen sich 250 Vgl. Schranz: Profit und Moral, S. 20. 251 Vgl. dazu und zum Folgenden Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 257. Berthoin Antal führt an, dass das Verantwortungskonzept in rechtliche Beziehungen, gesellschaftliche Normen und sozialpartnerschaftliche Konfliktregulierung eingewoben sei. 252 Vgl. hierzu und zum Folgenden Schranz: Profit und Moral, S. 20f. 253 York Lunau: Corporate Social Responsibility – mehr als ein halbherziger US-Import. In: Schweizer Arbeitgeber 97 (2002), S. 66–67, 66. 254 Vgl. dazu und zum Folgenden Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 257.

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

historisch mühelos festmachen: Insbesondere während der Regierungszeit Margaret Thatchers orientierte sich die britische Wirtschaftspolitik am liberalisierten US-amerikanischen Markt und setzte auf Deregulierung, wohingegen die Regulierungsdichte in Kontinentaleuropa unverändert relativ hoch blieb.255 Das Konzept der CSR hielt in zwei Etappen Einzug in den hiesigen Diskurs. Während der 1970er Jahre wurde der Gedanke erstmals von deutschen Akademikern aus den USA exportiert und gemeinsam mit Unternehmen exploriert.256 Unternehmen und Medien zeigten jedoch nur geringes Interesse an einer Adaption und Fortentwicklung des Konzepts. Mit der Jahrtausendwende wurde CSR erneut zum vieldiskutierten Thema, wobei die Debatte – wie bereits mehrfach betont – durch Wirtschaftsskandale angeheizt wurde. Auch der UN Global Compact trug zu einer weiteren Sensibilisierung bei. Der 1999 vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan initiierte Global Compact ist als Entgegnung auf die mit der Globalisierung einhergehenden Herausforderungen zu sehen.257 In Ermangelung weltweit gültiger und anerkannter Standards oder gesetzlicher Rahmenbedingungen forderte der Compact multinationale Unternehmen zu einer entsprechenden ethischen Selbstverpflichtung auf. Der Prozess der Globalisierung sollte auf diese Weise gerechter, sozialer und auch umweltfreundlicher gestaltet werden. Der Zehn-Punkte-Plan des Paktes, dessen operative Phase im Jahr 2000 begann, sieht deshalb unter anderem ausdrücklich vor, dass global agierende Unternehmen in ihrem Einflussbereich einen vorsorgenden Ansatz im Umgang mit Umweltproblemen unterstützen, dass sie Schritte zur Förderung einer größeren Verantwortung gegenüber der Umwelt ergreifen und auf die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien hinwirken. Als unternehmensethischer Minimalkonsens gilt hierbei, dass Unternehmen als moralische Akteure unter anderem dort gefordert sind, wo entsprechende Gesetze oder Regelungen fehlen, beziehungsweise wenn sie aufgrund besserer Einsicht oder überlegener Ressourcen das gegenwärtig als referentiell erachtete Niveau unternehmerischer Handlungsqualität weiterentwickeln können. Die Mitglieder des UN Global Compact verpflichten sich so zum partnerschaftlichen Einsatz für Entwicklungsarbeit: „… to join with the United Nations in part255 Vgl. Falck/Heblich: Corporate Social Responsibility, S. 1f. Die Autoren stützen sich dabei vornehmlich auf den Regulierungsindex für OECD-Länder. Vgl. INSM-Regulierungsradar. OECD-Länder im Standortvergleich. Struktur, Vorgehen, Datenbasis, Ranking. Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) im Auftrag der Initiative neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Köln 2005, URL: http://www.insm.de/Downloads/PDF_-_Dateien/Schriftdokumente/Wissenschaftlicher_Hintergrundbericht_Regulierungsradar.pdf [aufgerufen am 01.06.2009]. 256 Vgl. dazu etwa die Arbeiten Dierkes’: Meinolf Dierkes: Die Sozialbilanz. Ein gesellschaftsbezogenes Informations- und Rechnungssystem. Frankfurt a.M 1974; und ders.: Gesellschaftsbezogene Berichterstattung: Was lehren uns die Experimente der letzten 10 Jahre? In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 54 (1984), S. 1210–1235. 257 Vgl. hierzu Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 51.

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 321

nership projects of benefit to developing countries, particularly the least developed, which the forces of globalisation have largely marginalised.“258 Der Compact in seinem Selbstverständnis als Netzwerk zur Induzierung unternehmerischen Wandels eröffnete der CSR eine neue Richtung, die weltweite Gerechtigkeit, die globale Schere zwischen Arm und Reich und auch medizinisch-hygienische Herausforderungen stärker in den Blick rücken ließ.259 Zwar erfuhr der UN Global Compact nennenswerte Unterstützung und zählte bis zum Ende des Jahres 2007 über 3.500 Unternehmen als Teilnehmer – davon einige Dutzend aus Deutschland260, doch sprechen Kritiker in diesem Zusammenhang auch immer wieder vom sogenannten „Bluewashing“: Die Unternehmen schmückten sich aus Imagegründen mit der UN-Fahne, ohne wirklich positive Veränderungen herbeizuführen.261 Das am 18. Juli 2001 veröffentliche Grünbuch der Europäischen Kommission zur sozialen Verantwortung von Unternehmen „Promoting a European Framework for Corporate Social Responsibility“ als Teil der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung wie auch das „European Multi-Stakeholder Forum on Corporate Social Responsibility“ im darauffolgenden Jahr sowie entsprechende Initiativen der OECD und der Vereinten Nationen sensibilisierten deutsche Unternehmen, Forschungseinrichtungen und andere Organisationen wie Gewerkschaften oder NGOs ebenfalls für das Thema und lösten einen breiten Diskussionsprozess aus.262 Das Grünbuch brachte die Debatte einerseits darüber in Gang, wie die Europäische Union die soziale Verantwortung der Unternehmen auf europäischer und internationaler Ebene fördern kann und andererseits darüber, wie sich die bisher gesammelten Erfahrungen nutzen, sich innovative Verfahren fördern und die Bewertung der verschiedenen Initiativen zur unternehmerischen Verantwortung zuverlässiger gestalten ließen.263 Das Grünbuch propagiert eine ganzheitliche Sicht sozialer Verantwortung und eine Vertiefung von Partnerschaften, in denen alle 258 John G. Ruggie: The Theory and Practice of Learning Networks: Corporate Social Responsibility and the Global Compact. In: Journal of Corporate Citizenship 5 (2002), S. 27–36, 31. 259 Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 52; vgl. auch Ruggie: Theory and Practice of Learning Networks, S. 28. 260 Vgl. Sabine Campe/Lothar Rieth: Wie können Corporate Citizens im Global Compact voneinander lernen? Bedingungen, Hemmnisse und Bewertungskriterien. Halle 2007 (= Diskussionspapier des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2007-14), S. 3, URL: http://wcms-neu1.urz.uni-halle.de/download.php?down=3969&elem=1253071 [aufgerufen am 01.06.2009]. Die Autoren betonen, dass insbesondere die Einbindung von Unternehmen im jeweiligen nationalen Global Compact-Netzwerk eine wesentliche Rolle spiele, da das CSR-Engagement der Unternehmen, unabhängig vom Grad ihrer Transnationalität, immer noch vorwiegend am Hauptsitz des Heimatlandes konzipiert werde. Zum 15.11.2007 zählte der UN Global Compact 4775 Teilnehmer weltweit, davon waren 3616 Unternehmen. (Vgl. ebd., S. 3.) 261 Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 52. 262 Vgl. Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 257; vgl. hierzu und zum Folgenden auch Steinert: Corporate Social Responsibility, S. 8; vgl. grundlegend Europäische Kommission: Grünbuch. 263 Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 61.

322

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

Stakeholder eine aktive Rolle einnehmen, um eine Debatte anzuregen und Unternehmen wie Stakeholder die Wichtigkeit des Themas zu verdeutlichen.264 Schon ein Jahr danach, am 2. Juli 2002, folgte eine ergänzende offizielle Mitteilung, die dem von der EU gestarteten Multi-Stakeholderforum im Oktober desselben Jahres als Diskussionsgrundlage diente. Die von der Kommission gehegte Hoffnung, der in den mehreren Hundert Stellungnahmen zum Grünbuch deutlich gewordene Konflikt ließe sich dadurch rasch lösen, erfüllte sich nicht. Unternehmen und Wirtschaftsverbände plädierten weiterhin dafür, CSR erfolge als freiwillige Leistung der Wirtschaft, während Vertreter der NGOs und Gewerkschaften auf der Forderung nach verbindlichen Regeln und Gesetzen insistierten.265 Am 22. März 2006 folgte die Veröffentlichung der zweiten Mitteilung durch die EU-Kommission, das sog. „Weißbuch“.266 Den Kern der Mitteilung, die CSR konsequent in die Strategie für Wachstum und Beschäftigung einbindet, bildet der Vorschlag eines europaweiten CSR-Bündnisses als Rahmen für neue und bestehende CSR-Initiativen von Unternehmen und ihrer Interessenvertreter.267 Allerdings verzichtet das Weißbuch auf die Nennung konkreter Maßnahmen oder die Vorgabe eines Zeitplans. Im Zuge der Verankerung der CSR im europäischen Grünbuch wächst auch ihre Bedeutung in Deutschland.268 Allerdings greift die Bundespolitik CSR erst sehr spät auf.269 Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales übernimmt am 15.6.2006 offiziell die Zuständigkeit.270 Die britische Regierung ernannte bereits im Jahr 2000 einen eigenen CSR-Minister. 264 Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 61f. 265 Die deutschen Wirtschaftsverbände BDI und BDA haben ihre Positionen abgestimmt und stellen diese öffentlich auf der Plattform CSR Germany dar, einige NGOs haben sich im Herbst 2006 zum CorA (Corporate Accountability) Netzwerk für Unternehmensverantwortung zusammengeschlossen. Während CorA in ihrer Gründungserklärung betont, dass „CSR-Initiativen […] keine Alternativen zu notwendigen Regulierungen seien“ (vgl. CorA Corporate Accountability. Netzwerk für Unternehmensverantwortung: Gründungserklärung des CorA–Netzwerkes. Netzwerk für Unternehmensverantwortung. Berlin 2006, S. 1, URL: http://www.cora-netz.de/wp-content/uploads/ grundungserklarung-cora-netzwerk.pdf [aufgerufen am 02.06.2009].), betonen BDI und BDA, dass Unternehmen die Gestalter der CSR seien und die geeigneten Strategien freiwillig entwickelten. (Vgl. CSR Germany: Mission Statement. Hg. v. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. und dem Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Berlin [2007], URL: http://www.csrgermany.de/www/csrcms.nsf/id/351ADE3E9E3ADC76C1256F4D005A4F0D [aufgerufen am 02.06.2009].) 266 Vgl. dazu und zum Folgenden Steinert: Corporate Social Responsibility, S. 8f. 267 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss. Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung: Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werden. Brüssel 2006, URL: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2006:0136:FIN:DE:PDF [aufgerufen am 02.06.2009]. 268 Vgl. Falck/Heblich: Corporate Social Responsibility, S. 2. 269 Vgl. auch Andreas Steinert/Axel Klein: Corporate Social Responsibility (CSR). Eine neue Herausforderung an die Unternehmenskommunikation. In: Günter Bentele u.a. (Hg.): Kommunikationsmanagement. Neuwied u.a. 2001ff. (Loseblattsammlung): 1.17 (Dezember 2002), S. 6. 270 Vgl. Steinert: Corporate Social Responsibility, S. 9.

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 323

Die CSR-Diskussion erhält seit einigen Jahren auch durch zahlreiche Entwicklungen außerhalb des politisch-institutionellen Sektors neue Impulse. Während auf politischer Ebene keine Einigung über verbindliche Standards erzielt werden konnten, wurden aus anderen Richtungen Standards für extrafinanzielle Berichterstattung geschaffen.271 Die Prinzipien und Indikatoren der Global Reporting Initiative (GRI), der Prozessstandard AA1000S oder der zweijährliche Bericht über CSR-Reporting der Strategieberatung SustainAbility sind weitere Beispiele dafür, dass Akteure aus Wirtschaft, NGOs und politischen Institutionen den Rahmen wie die Fundierung von CSR-Reporting und -Management signifikant weiterentwickelt haben.272 3.2.1.3

Ein deutscher „CSR-Sonderweg“?

Zwar findet CSR als strategischer Ansatz noch keine den angloamerikanischen Ländern vergleichbare Resonanz in Deutschland, doch lässt sich nach anfänglicher Ablehnung gegenüber den auf europäischer Ebene vorgetragenen Konzepten während der letzten Jahre eine breite Palette von Aktivitäten und Initiativen beobachten, die eine gestiegene Aufmerksamkeit für Fragen gesellschaftlicher (Mit-)Verantwortung signalisieren.273 Unternehmenslenker, wie der dortmalige Vorstandsvorsitzende der Porsche AG, Wendelin Wiedeking, stellten öffentlich den Sinn und Nutzen reiner Profitmaximierung in Frage: „Ohne Gewinn geht es natürlich nicht, wer weiß das besser als ich. Aber ein möglichst hoher Gewinn kann doch nicht das einzige Ziel eines Unternehmens sein.“274 Dafür, dass gerade in 271 Vgl. dazu und zum Folgenden Steinert: Corporate Social Responsibility, S. 11f.; sowie ausführlich zu den Impulsgebern der nicht-finanziellen Unternehmensberichterstattung ebd., S. 12–17. 272 Vgl. zur Global Reporting Initiative und zu den Prozessstandards ausführlich Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 53–59. 273 Vgl. zur anfänglichen Ablehnung der CSR von Seiten der deutschen Wirtschaft Steinert/Klein: CSR – Herausforderung an die Unternehmenskommunikation, S. 6f. 274 Dietmar Hawranek/Armin Mahler: „Auf welchem Stern leben wir?“ Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, 54, über die mangelnde Glaubwürdigkeit von Managern, die Milliardengewinne erwirtschaften und dennoch Arbeitsplätze abbauen oder verlagern, sowie über seine Pläne für den angeschlagenen VW-Konzern. In: Der Spiegel Nr. 39 v. 25.09.2006, S. 96. Definitionen aus der Praxis deutscher Unternehmer verdeutlichen, wie CSR, im Alltagshandeln unter den real gegebenen Rahmenbedingungen verstanden und praktiziert wird: Für Raimund Medrisch von der BMW Group ist CSR die „Summe aller Verantwortungen eines Unternehmens, sei es nun auf politischem, sozialem oder ökologischem Gebiet. Der Gedanke ist der des Gebens und des Nehmens. Die Gesellschaft schafft viele Voraussetzungen, damit Unternehmen wirtschaften können, dafür bekommt Sie etwas zurück“. (Vgl. echo – the communication research group (Hg.): Giving Back – Corporate Social Responsibility in Australien. o.O. 2001, S. 43. Zit. nach: COSORE [Siemens AG]: Requirement-Analysis. Die soziale Verantwortung (SVU) der Unternehmen in Deutschland. München 2002, URL: http://www.cosore.com/img/de/ra/ra.pdf [aufgerufen am 02.06.2009].) Stefan Lütgens von Kraft Foods Deutschland beschreibt demgegenüber stärker die Verpflichtung zu verantwortlichem Handeln den eigenen Mitarbeitern gegenüber: „CSR hat mit der Verantwortung von Unternehmen für gesellschaftliche und soziale Belange zu tun. Dabei ist es auch nach innen gerichtet,

324

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

jüngster Zeit das Bewusstsein für die Bedeutung unternehmerischer Verantwortung bei den Unternehmen weiter wachsen konnte, wurden im vorangegangenen Kapitel zahlreiche Ursachen aufgezeigt. Erste Grundlagen dafür lassen sich im Erstarken der Umweltbewegung der 1970er Jahren und in den vielfältigen Austauschprozessen zwischen zivilgesellschaftlichen Gruppen, Politik und Unternehmen ausmachen: So konnte seither „Deutschland […] zu Recht für sich in Anspruch nehmen, zu den Vorreitern im Umweltschutz sowie in der Entwicklung von Standards nachhaltigen Wirtschaftens und Konsums zu zählen“.275 Gleiches gilt auch für Ökobilanzen und die Umweltberichterstattung von Unternehmen. Steigende Massenarbeitslosigkeit und die Verknappung von Ausbildungsplätzen führten zu direkten Appellen der Politik an die Wirtschaft. Unterschiedliche sektorenübergreifende Partnerschaften wurden konstituiert, auf lokaler und regionaler Ebene wurde ebenfalls nach neuen integrierten Lösungsansätzen gesucht. Zunehmend engagieren sich auch Einzelunternehmen an ihren Standorten in Zusammenarbeit mit Kommunen oder sozialen Einrichtungen. Dort tätigen sie soziale Investitionen in Form von materiellen und personellen Ressourcen sowie Knowhow, um einerseits regionale Probleme lösen zu helfen, aber auch um die eigene Reputation zu steigern.276 Solches bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen hat jedoch zumeist voluntaristischen Charakter und ist meist nicht systematisch entwickelt. Obwohl es häufig Bestandteil des unternehmerischen Selbstverständnisses und der Unternehmenskultur ist, findet es häufig losgelöst von der eigentlichen Geschäftsstrategie statt und ist somit streng genommen kein dem Anspruch der Nachhaltigkeit genügendes verantwortliches Wirtschaften.277 Auch andere Studien attestieren deutschen Unternehmen im europaweiten Vergleich Nachholbedarf: Bemängelt werden dabei häufig die fehlende Einbeziehung sozialen Engagements in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse und die nicht ausreichend transparente Darstellung von Unternehmensprozessen und -daten.278 Noch im Jahr 2007 veröffentlichten nicht einmal 40 Prozent der 150 größten deutbetrifft also auch Regelungen wie Teilzeitarbeit etc. […] Es geht auch darum, als Unternehmen Werte für das eigene Verhalten zu definieren, da kommt dann der ethische Aspekt noch hinzu.“ (Ebd., S. 47) Dagegen hebt Elisabeth Alteköster von der Volkswagen AG in Brüssel stärker den ökonomischen Nutzen der Verantwortungsübernahme hervor: „CSR ist die Antwort auf die Frage, was der Unternehmenssektor zur Lösung gesellschaftlicher Probleme über die gesetzliche Verpflichtung hinaus beitragen kann. Aber nicht im Sinne von Altruismus oder sozialem Sponsoring, sondern in der Verknüpfung von wirtschaftlichem Eigeninteresse und sozialem Nutzen.“ (Ebd., S. 47) 275 Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 258. 276 Vgl. hierzu und zum Folgenden Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 258f. 277 Vgl. zur mangelnden Integration solchen Engagements in die eigentliche Geschäftsstrategie Maria Oppen: Local Governance und bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen. In: Helfried Bauer u.a. (Hg.): Public Governance. Öffentliche Aufgaben gemeinsam erfüllen und effektiv steuern. Wien u.a. 2005 (= Öffentliches Management und Finanzwirtschaft 2), S. 342–361. 278 Vgl. Michael O.R. Kröher: Good Company Ranking. Tue Gutes und profitiere davon. In: manager magazin (2005), Nr. 2, S. 80–96, 80.

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 325

schen Unternehmen eigenständige CSR-, Umwelt- oder Nachhaltigkeitsberichte, so eine Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und des Vereins future e.V.279 Zudem tun sich viele Unternehmen mit einem umfassenden Verantwortungskonzept sichtlich schwer: Betrachtet man die Ergebnisse dieses Berichtes und ähnlicher Studien genauer, stellt man fest, dass mit Produktsicherheit, Sozialleistungen und Umweltstandards vor allem über diejenigen Betätigungsfelder umfassend berichtet wird, in denen deutsche Unternehmen traditionell viel Verantwortung übernehmen. Neue Themen wie Steuern, Subventionen, Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern, Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung oder Einbindung der Stakeholder, die erst seit kurzer Zeit im Verständnis von Verantwortung deutscher Unternehmen verankert sind, werden indes kaum angesprochen.280 So lässt sich einerseits feststellen, dass unter den deutschen Unternehmen ein signifikantes Verständnis für CSR gewachsen ist, dass aber andererseits für viele Unternehmen nicht nur hinsichtlich ihrer Berichterstattung, sondern auch im Hinblick auf ihre Bemühungen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, noch Nachholbedarf besteht. Während der letzten Jahre stagniert die Entwicklung nahezu.281 Das CSR-Konzept ist ein USA-Import. Dennoch konnte sich in Deutschland zwar kein echter Sonderweg, aber wenigstens eine eigene Ausprägung des Konzepts entwickeln, da zwischen dem sozialmarktwirtschaftlichen Wirtschaftskonzept und dem auf Liberalität und Selbstregulierung basierenden angloamerikanischen System wesentliche Unterschiede bestehen. Im Folgenden soll nun der Frage nachgegangen werden, wie sich diese Konzepte zur CSR genauer fassen lassen.

279 Vgl. Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)/future e.V. (Hg.): Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland. Ergebnisse und Trends im Ranking 2007. Berlin u.a. 2007, S. 1, URL: http://www.ranking-nachhaltigkeitsberichte.de/pdf/2007/Ergebnisbericht_Ranking_2007_final.pdf [aufgerufen am 02.06.2009]. Und 39 dieser Unternehmen veröffentlichen sogar in gar keiner Weise Informationen zu ihren CSR-, Umwelt- oder Nachhaltigkeitsbemühungen: „Die Zahl der Nicht-Berichterstatter unter den 150 größten deutschen Unternehmen beträgt damit immerhin 39; gegenüber 42 im Jahr 2005 ist das nur eine geringe Verbesserung.“ (Ebd., S. 99.) 280 Vgl. Berthoin Antal: Zukunft der Wirtschaft, S. 259. „Die Betrachtung der Lieferkette, 2005 bereits als ausbaubedürftig identifiziert, weist weiterhin große Lücken auf. Dies gilt sowohl in sozialer Hinsicht auf Arbeitsbedingungen und Geschäftsbeziehungen als auch bezüglich der Umweltaspekte“, so die Ergebnisse der Nachhaltigkeitsreportstudie 2007. (Vgl. Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)/future e.V. (Hg.): Nachhaltigkeitsberichterstattung 2007, S. 2.) Und: „Die Verantwortung der Unternehmen für den Umweltschutz in der Lieferkette wird zwar besser als im sozialen Bereich, ist aber gegenüber 2005 unverändert. Auch die Darstellung der unternehmerischen Stakeholder-Aktivitäten und der Ziele und Programme für das Nachhaltigkeitsengagement der Unternehmen wurde nur marginal verbessert.“ (Ebd., S. 99.) 281 Dementprechend kritisiert die Studie zu den Nachhaltigkeitsberichten: „Das Ranking 2005 hatte den stärksten Entwicklungsbedarf in der Berichterstattung zu sozialen Anforderungen identifiziert; dies gilt weiterhin auch 2007.“ (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)/future e.V. (Hg.): Nachhaltigkeitsberichterstattung 2007, S. 1.)

326

3.2.1.4

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

Der Begriff und das Konzept der CSR

Im Zuge des wachsenden Bewusstseins für unternehmerische Verantwortung wird der Begriff der CSR seit mehreren Jahrzehnten in zahlreichen Teilöffentlichkeiten aus unterschiedlichen Interessenlagen und mit abweichenden Zielsetzungen diskutiert und umgesetzt und verbindet sich so mit den unterschiedlichsten Konzepten.282 Die gesellschaftliche Debatte um die moralische Verantwortung von Unternehmen speist sich aus Einflüssen unterschiedlicher Stakeholder als Treiber, die jeweils partikulare Interessen vertreten.283 Wie im vorigen Abschnitt anhand der unterschiedlichen Konzepte von Wirtschaftsverbänden und NGOs und deren divergierenden Vorstellungen zu ihrer normativen Umsetzung dargestellt, werden der CSR dabei unterschiedliche Elemente zugesprochen, die abhängig vom Interesse des jeweiligen Akteurs im Diskurs stärker oder schwächer akzentuiert werden. Sozial- und Umweltstandards bilden den inhaltlichen Kern der Debatte, in der wohl auch angesichts wiederholter Berichte über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen oder Umweltskandale zivilgesellschaftliche Interessenvertreter die Etablierung weit reichender CSR-Normen fordern. Von Menschenrechtsorganisationen wird proklamiert, CSR müsse vor allem Elemente wie die Unterbindung von Diskriminierung, Sklaverei und Folter und die Förderung von Religions- und Meinungsfreiheit umfassen284, während Umweltorganisationen stärker ökologische Aspekte im Zentrum der unternehmerischen Verantwortung sehen285 und Investoren die Bedeutung der Beachtung von Corporate Governance-Prinzipien und die Gewährleistung größtmöglicher Transparenz zur Risikoreduktion hervorheben. 286 Die Liste ließe sich problemlos um unzählige weitere Finessen einzelner Definiti-

282 Vgl. Bassen u.a.: Corporate Social Responsibility, S. 231; vgl. ähnlich auch Pfriem: Bildung als Herausforderung, S. 457; vgl. dazu ebf. World Business Council for Sustainable Development (WBCSD): Corporate Social Responsibility. Meeting Changing Expectations. Genf 1999, S. 5, URL: http://www.wbcsd.org/DocRoot/hbdf19Txhmk3kDxBQDWW/CSRmeeting.pdf [aufgerufen am 02.06.2009]; vgl. zudem Smith: Whether or How?, S. 52; vgl. hierzu und zum Folgenden Andreas Steinert: Corporate Social Responsibility (CSR). In: Günter Bentele u.a. (Hg.): Kommunikationsmanagement. Neuwied u.a. 2001ff. (Loseblattsammlung): 1.35 (Mai 2007), S. 3. 283 Vgl. hierzu und zum Folgenden Bassen u.a.: Corporate Social Responsibility, S. 232. 284 Vgl. Amnesty International: Submission from Amnesty International on The European Commission 2001 Green Paper: Promoting a European Framework for Corporate Social Responsibility. Brüssel 2001, URL: http://ec.europa.eu/employment_social/soc-dial/csr/amnesty_en011219.htm [aufgerufen am 02.06.2009]. 285 Vgl. dazu das Greenpaper des WWF Tony Long: Green Paper on Corporate Social Responsibility. What Implications and Follow-up? Comments on the European Commission Green Paper (COM 2001) 416 final. Brüssel 2001, URL: http://ec.europa.eu/employment_social/soc-dial/csr/ wwf_en011219.htm [aufgerufen am 02.06.2008]. 286 Vgl. dazu die Studie der Unternehmensberatung SustainAbility und des Asset Management-Unternehmens Friends Ivory & Sime aus dem Jahre 2001 SustainAbility Ltd./Friends Ivory & Sime plc: Governance, Risk and Corporate Social Responsibility. A snapshot of current practice. London 2001, URL: http://www.sustainability.com/downloads_public/insight_reports/gov_risk_CSR.pdf [aufgerufen am 02.06.2009].

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 327

onsversuche erweitern. CSR-Begriff und -Konzeption entziehen sich angesichts der Fülle verschiedener und häufig gegensätzlicher Konzepte einer simplen und allgemeinverbindlichen Bestimmung. Den Definitionsversuchen ist gemein, dass sie eine Antwort auf die Frage geben möchten, welche Funktionen einem Unternehmen in der Gesellschaft zukommen.287 Die Antworten darauf fallen jedoch sehr unterschiedlich aus und bilden den Kern einer sehr lebhaften Auseinandersetzung über den CSR-Begriff, der im Rahmen dieser Arbeit nicht im Einzelnen in seiner Mannigfaltigkeit nachgezeichnet werden kann.288 Eine Annäherung soll daher über die zentralen gemeinsamen Bausteine erfolgen, über die die Definitionen trotz aller Unterschiede verfügen und die im Folgenden einer genaueren Betrachtung unterzogen werden sollen. Historisch liegt der inhaltliche Schwerpunkt der Konzeption von Corporate Social Responsibility, wie der Begriff nahelegt, auf der sozialen Komponente unternehmerischer Verantwortung.289 Ursprünglich dominierte daher in den angelsächsischen Modellen die Gleichsetzung der CSR mit sozialer und ökologischer Verantwortung. Aktuelle Definitionen von CSR weisen allerdings einen sehr viel breiteren Verantwortungsbegriff auf.290 Verantwortung meint – wie dargestellt – „die Bereitschaft zur Übernahme von Aufgaben“.291 Entsprechend geht es auch bei der CSR um die Übernahme von Aufgaben durch Unternehmen, die „nicht zwingend mit ihrer eigentlichen Geschäftstätigkeit“ zu tun haben: „Meist bezeichnet der Begriff zunächst einmal das verantwortungsvolle Handeln eines Unternehmens, das über seine eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgeht.“292 Zur Verantwortung zählt aber ebenso die „Bereitschaft, sich die Folgen seiner Handlungen zurechnen zu lassen und die daraus resultierenden Konsequenzen zu tragen“. 293 In gleicher Weise erklären CSR-orientierte Unternehmen „ihre Bereitschaft, sich die Folgen ihres Handelns zurechnen zu lassen“.294 Diese Bereitschaft geht dabei ausdrücklich weit über das rein Ökonomische hinaus.

287 Vgl. Schranz: Profit und Moral, S. 22. 288 Vgl. dazu Thomas Bredgaard: Corporate Social Responsibility between Public Policy and Enterprise Policy. Aalborg 2003, S. 21; vgl. auch Schranz: Profit und Moral, S. 22f. 289 Vgl. Bassen u.a.: Corporate Social Responsibility, S. 232. 290 Vgl. Richard Welford: Corporate Social Responsibility in Europe and Asia. Critical Elements and Best Practice. In: The Journal of Corporate Citizenship 13 (2004), S. 31–47, 32; vgl. World Business Council for Sustainable Development (WBCSD): Corporate Social Responsibility. Making good business sense. Genf 2000, S. 4, URL: http://www.wbcsd.org/DocRoot/IunSPdIKvmYH5HjbN4XC/csr2000.pdf [aufgerufen am 02.06.2009]. 291 Schwartz: Ruf nach Verantwortung, S. 1. 292 Schwartz: Ruf nach Verantwortung, S. 2; Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 7. 293 Schwartz: Ruf nach Verantwortung, S. 2. 294 Schwartz: Ruf nach Verantwortung, S. 2.

328

3.2.1.5

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

CSR als Steuerungs- und Ordnungskonzept

Die Bereitschaft der Unternehmen, Verantwortung auch jenseits der eigentlichen Geschäftstätigkeit zu übernehmen, entspricht der gleichlautenden Diagnose zahlreicher wissenschaftlicher Stellungnahmen, dass insbesondere der CSR angesichts tiefgreifender globaler Veränderungen in Gesellschaft und Ökonomie eine notwendige Ordnungs- und Steuerungsfunktion erwachsen sei.295 Wie dargestellt erwachsen global agierenden Konzernen angesichts des Fehlens überstaatlicher Regelmechanismen und einem zunehmendem Rückzug der Politik auf den globalen Märkten neue Freiheiten und Möglichkeiten.296 Entsprechend kann das „Aufkommen von CSR als weltweites Phänomen“ als Teil des „derzeit stattfindenden Wandels im Verhältnis zwischen Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft und dem öffentlichen Diskurs darüber“ gesehen werden.297 Wesentlich geht es dabei um die Suche nach neuen institutionellen Arrangements als Antwort auf sich verschiebende Aufgaben- und Verantwortungsverteilungen innerhalb der Gesellschaft. Angesichts der tiefgreifenden globalen Veränderungen kommt der CSR die Funktion zu, politische Mängel in der Rahmenordnung zu kompensieren und einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme zu leisten. CSR erscheint dabei „als freiwilliges Engagement der Unternehmen, das dazu beiträgt, etwaige Lücken zwischen gesellschaftlichen Vorstellungen und institutionellen Vorgaben zu verkleinern, bzw. zu schließen“.298 Entsprechend forderte auch der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan die Wirtschaft 2001 vor der US-amerikanischen Handelskammer ausdrücklich dazu auf, mit schnellem und entschlossenem Handeln dort einzuspringen, wo der politische Einfluss ende: „Business is used to acting decisively and quickly. The same cannot always be said of the community of sovereign States. We need your help – right now.“299 Dabei fällt auf, dass in diversen Stellungnahmen nicht etwa ethische Argumente hervorgebracht werden, sondern ganz im Gegenteil besonders die ökonomischen Anreize eines solchen Einsatzes betont werden. So argumentiert etwa die EU-Kommission in ihrem Grünbuch, ein solches Ordnungsengagement von Unternehmen sei im Gegensatz zum häufig bemängelten wenig systematischen sozialen Sponsoring oder zum Mäzenatentum kein uneigennütziger Beitrag im Sinne einer Kantischen Pflichtenethik, sondern vielmehr eine „Zukunftsinvestition, die letzt-

295 Vgl. stellvertretend Steinert/Klein: CSR – Herausforderung an die Unternehmenskommunikation, S. 3f.; vgl. ebf. Schranz: Profit und Moral, S. 43f.; vgl. Falck/Heblich: Corporate Social Responsibility, S. 6. 296 Vgl. auch Schwartz: Ruf nach Verantwortung, S. 1. 297 Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 255; vgl. dazu auch Beschorner/Schmidt: Unternehmerische Verantwortung in Zeiten kulturellen Wandels, S. 5f. 298 Falck/Heblich: Corporate Social Responsibility, S. 1. 299 United Nations: Secretary-General urges United States Business Leaders to take concerted Action against ‚Unparalleled Nightmare‘ of Aids. Pressemitteilung vom 06.01.2001. Washington 2001, URL: http://www.un.org/News/Press/docs/2001/sgsm7827.doc.htm [aufgerufen am 02.01.2010].

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 329

lich auch dazu beitragen soll, ihre [der Unternehmen; C.G.] Ertragskraft zu steigern“.300 Wenn CSR als institutionelles Arrangement Antworten auf die sich verschiebenden Aufgaben und Verantwortungsverteilungen zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft geben und so helfen soll, politische Lücken in der Rahmenordnung zu schließen, so kann dies nur auf Basis eines normativen Fundaments geschehen. Weder darf CSR im Sinne der Ökonomik bloßer instrumenteller Teil einer Rahmenordnung sein301, noch sollte Profitorientierung die Moral überwiegen. Nur auf Basis eines ethischen Fundaments kann die CSR ihre Orientierungsfunktion erfüllen, und erst so kann sie als Ordnungs- und Steuerungskonstituente erfolgreich Antworten auf die globalen Herausforderungen geben. Doch soll CSR nicht nur Unternehmen einen Rahmen bieten, um politische Regelungslücken schließen zu helfen und zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen zu können. An CSR wird in gleicher Weise die Erwartung gerichtet, auch die Unternehmen zu steuern, zu kontrollieren und deren neue Freiheiten einzudämmen.302 Damit scheint mit den Freiheiten der Unternehmen nicht nur deren eigene Verantwortung zu wachsen, auch von der CSR als Managementkonzept wird nun erwartet, ihrer Steuerungsfunktion innerhalb der Organisation gerecht zu werden: „Für die Wirtschaft hat CSR Auswirkungen in zweifacher Hinsicht. Einerseits führt es zu einer Erweiterung ihres Handlungsspielraums in der Gesellschaft, da an Unternehmen appelliert wird, dass sie sich an der Lösung komplexer Probleme beteiligen, die der Staat allein nicht mehr lösen kann. Andererseits ist CSR auch der Versuch, die Wirtschaft in Schranken zu halten und ihre Aktivitäten vor die kritischen Augen der Öffentlichkeit zu bringen.“303 Für Max Weber stand schon in den frühen 1920er Jahren die technische Überlegenheit der bürokratischen Organisation außer Frage. Dadurch sah er sich einerseits zu dem pessimistischen Diktum veranlasst, dass dieser die Zukunft gehöre, und andererseits zu einer eindringlichen Warnung vor der durchorganisierten Gesellschaft, wodurch die Menschen als Objekte bürokratischen Handelns unausweichlich in ein „Gehäuse der Hörigkeit“ gerieten.304 Sein Misstrauen war berech300 Europäische Kommission: Grünbuch, S. 3. 301 Vgl. etwa Homann/Blome-Drees: Wirtschafts- und Unternehmensethik, S. 115. 302 Bereits 2002 diagnostizieren Steinert/Klein, dass die unter der CSR-Debatte verstandenen Inhalte zunehmend „auf Aspekte der Globalisierung ausgeweitet“ würden und über einen nationalen oder europäischen Bezugsrahmen hinausreichten. (Steinert/Klein: CSR – Herausforderung an die Unternehmenskommunikation, S. 3.) 303 Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 255. 304 Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 835. Der Begriff der Organisationsgesellschaft nimmt unter den soziologischen Gegenwartsdiagnosen, die wichtige gesamtgesellschaftliche Dynamiken und Strukturen theoretisch fassbar machen, einen herausragenden Platz ein. (Vgl. hierzu und zum Folgenden Ulrich: Können Unternehmen, S. 69.) Die Gesellschaft wird dabei als Netzwerk sozialer Beziehungen modelliert, das wesentlich durch Organisationen strukturiert und in Form gehalten wird. Die überwältigende Kraft organisationaler Vergesellschaftung ist in der soziologischen Tradition von der Analyse bürokratischer Herrschaft bei Max Weber bis zur Habermasschen These von

330

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

tigt: Die „Roaring 20’s“ endeten in einer beispiellosen Wirtschaftskrise. Seine düstere Prognose hat sich jedoch glücklicherweise nicht bestätigt. Wohl aber Webers scharfe Diagnose eines Machtungleichgewichts zwischen individuellen Akteuren und Organisationen. Immer häufiger wird in jüngeren Arbeiten auf den signifikanten „Zuwachs an gesellschaftlicher Steuerungs- und Regelsetzungskompetenz bei den Organisationen der Gesellschaft und der Wirtschaft“ verwiesen.305 Dementsprechend wird vermehrt die Frage aufgeworfen, wie Wirtschaftsunternehmen als konstitutive Elemente der modernen Gesellschaft in ihrer Organisationsmacht beschränkt und kontrolliert werden können.306 Eine Steuerung durch Gesetze ist nicht so effizient und rational möglich, wie es Max Weber zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts annahm und es Vertreter der Ökonomik bis heute vermuten.307 Die Gesetzgebung und damit die Möglichkeit einer Steuerung über die Rahmenordnung hinkt der rasanten technischen und wirtschaftlichen Entwicklung hinterher, ist überdies – auch aufgrund der gezielten Einflussnahme von Wirtschaftsunternehmen – bezüglich der Implementierung von Gesetzen unzureichend und kann zudem nicht wirksam kontrolliert werden.308 Der unübersehbare „Bedeutungsverlust der Nationalstaaten“ wird nicht durch international wirksame Regulierung unternehmerischen Handelns kompensiert.309 Wenn auch eine direkte Kontrolle global agierender Konzerne über nationale Gesetze und Regelungen schlicht nicht möglich ist, so kommt diese wichtige Rolle aufgrund deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit mehr und mehr den NGOs zu. Auf diese Weise werden den Unternehmen von Vertretern wie der Zivilgesellschaft Informationen über die Auswirkungen ihres Handelns abverlangt.310 Dadurch entsteht ein entsprechender Druck auf die Unternehmen, ihre Stakeholder zu informieren und diese in strategische Entscheidungen, die sich auf die Gesellschaft auswirken, einzubeziehen. Komplementär zeichnet sich in der Debatte um CSR eine dritte Möglichkeit zur Kontrolle organisatorischer Macht ab: Unternehmen reagieren nicht bloß auf die Anforderungen von Anspruchsgruppen oder organisierten Interessengruppen, um Sanktionen oder Shaming-Kampagnen zu vermeiden, sondern bauen über die Pflicht zur Rechtfertigung hinaus freiwillig die in sie gesetzten Erwartungen in ihre internen Strukturen, Prozesse und Strategien ein und kommunizieren ihre CSR-Maßnahmen in entsprechenden Veröffentlichungen.311

der Kolonialisierung der Lebenswelt immer schon als kritikwürdig angesehen worden. (Vgl. grundlegend Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns.) 305 Wieland: Ethik der Governance, S. 16. 306 Vgl. Ulrich: Können Unternehmen, S. 69f. 307 Vgl. Homann/Suchanek: Ökonomik – eine Einführung. 308 Vgl. hierzu wie zum Nachfolgenden Ulrich: Können Unternehmen, S. 70. 309 Ulf Schrader: Corporate Citizenship. Die Unternehmung als guter Bürger. Berlin 2003, S. 71f. 310 Vgl. dazu und zum Folgenden Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 255. 311 Vgl. auch Günter Ulrich: Können Unternehmen, S. 71.

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 331

3.2.1.6

CSR als Stakeholdermanagement

Nach der weit verbreiteten Auffassung der Europäischen Kommission handelt es sich bei CSR um „ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren“.312 Der auf Freeman zurückgehende Stakeholderbezug und der freiwillige Charakter fungieren auch in der Definition von CSR Germany, dem CSR-Portal der deutschen Wirtschaftsverbände BDA und BDI, als herausragende Bezugspunkte: „CSR-Initiativen entspringen dem Engagement des jeweiligen Unternehmens und beruhen auf Eigeninitiative und Eigenverantwortung. Wie ein Unternehmen seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt, ist abhängig von der Branche, der Größe und den Märkten, in denen das Unternehmen operiert. Die von einem Unternehmen gesetzten Schwerpunkte auf bestimmte ökologische und soziale Aktivitäten sind abhängig von den Bedürfnissen der jeweiligen Stakeholder.“313 Nach dieser Vorstellung von CSR übernehmen Unternehmen über ihre betriebswirtschaftlichen Ziele hinaus Verantwortung für die Konsequenzen ihrer Geschäftstätigkeit.314 Es darf indes nicht der Fehler begangen werden, das von vielen Definitionen hervorgehobene Stakeholder Management, die Verantwortung von Unternehmen gegenüber ihren Stakeholdern also, mit CSR gleichzusetzen.315 Genau das aber geschieht in zahlreichen Definitionen – und sogar Freeman selbst folgert in einer jüngeren Stellungnahme: „Since stakeholders are defined widely and their concerns are integrated into the business process, there is simply no need for a separate CSR approach.“316 Aus dieser Gleichsetzung von Stakeholder Management und CSR resultiert in der Praxis häufig eine politisch motivierte Verengung des Blickwinkels auf den Finanzmarkt und den Ressourcenmarkt (die Mitarbeiter), wie sich auch in den Ausführungen von CSR Germany zeigt: „Notwendige Voraussetzung für das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen und Hauptziel unternehmerischen Handelns ist wirtschaftlicher Erfolg. Nur international wettbewerbsfähige und wirtschaftlich gesunde Unternehmen sind überhaupt in der Lage, ihren Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme zu leisten. Unternehmen tragen vor allem Verantwortung, indem sie Arbeitsplätze sichern – ein prosperierendes

312 Europäische Kommission: Grünbuch, S. 7. 313 CSR Germany: Unternehmen tragen gesellschaftliche Verantwortung. Hg. v. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. und dem Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Berlin [2007], URL: http://www.csrgermany.de/www/csrcms.nsf/id/254CEAFOBA69F2A4C1256 F030033D061 [aufgerufen am 02.06.2009]. 314 Vgl. zum Stakeholdermanagement auch Müller, Martin/Hübscher, Marc: Stakeholdermanagement und Corporate Social Responsibility – strategisch oder normativ? In: Müller, Martin/Schaltegger, Stefan: Corporate Social Responsibility. Trend oder Modeerscheinung. München 2008, S. 143–157. 315 Vgl. dazu und zum Folgenden auch Steinert: Corporate Social Responsibility, S. 4. 316 R. Edward Freeman: The Stakeholder Approach Revisited. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 5 (2004), Nr. 3, S. 228–241, 231.

332

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

Unternehmen ist der beste Garant für den Erhalt von Arbeitsplätzen.“ 317 Auch das EU-Grünbuch betont in erster Linie die wirtschaftlichen Vorteile, die den Unternehmen aus verantwortlichem Handeln erwüchsen: „Sozial verantwortlich handeln heißt nicht nur, die gesetzlichen Bestimmungen einhalten, sondern über die bloße Gesetzeskonformität hinaus ‚mehr‘ investieren in Humankapital, in die Umwelt und in die Beziehungen zu anderen Stakeholdern. Die Erfahrung mit Investitionen in umweltverträgliche Technologien und Unternehmenspraktiken hat legt nahe [sic!], dass es der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zuträglich sein kann, wenn man über die bloße Gesetzeskonformität hinausgeht. […] Man eröffnet sich damit neue Wege der Bewältigung des Wandels und neue Möglichkeiten, soziale Errungenschaften mit der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Einklang zu bringen.“318 Zwar ist eine solche strategische Definition von CSR durchaus zutreffend, da CSR den Stakeholder-Ansatz impliziert319, doch ist ein solcher CSR-Begriff keinesfalls hinreichend, da die CSR über einen deutlich weiterreichenden, besonders auch regionale und zeitliche Bezüge umfassenden Anspruchshorizont verfügt, der notwendigerweise auch Phänomene wie das Nord-Süd-Gefälle und (Generationen-)Gerechtigkeit umfasst. Im Sinne echter Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit von CSR muss gewährleistet sein, dass von einer entsprechend umfassenden Konzeption auch diejenigen – möglicherweise auch erst in Zukunft auftretenden – Probleme erfasst werden, die nicht von einer Anspruchsgruppe gegenüber dem Unternehmen vertreten werden, unter Umständen aber vom Unternehmen selbst durchaus erkannt worden sind. Wenn CSR als bloßer Business Case verstanden wird, also nur Anwendung findet, um langfristig eine bessere und stabilere Wertschöpfung zu generieren, muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, eine wesentliche ethische Dimension auszuklammern.

3.2.1.7

Das Element der Freiwilligkeit

Sowohl von der EU-Kommission als auch von CSR Germany wird Freiwilligkeit als wesentliches Kennzeichen der CSR betont. Auf der Internetseite der Wirtschaftsverbände heißt es: „CSR beschreibt das gesellschaftliche Engagement der Unternehmen, welches über bestehende gesetzliche Regelungen hinausgeht. Tragendes Prinzip für alle CSR-Maßnahmen ist die Freiwilligkeit. Freiwilligkeit und der Verzicht auf die Vorgabe konkreter Handlungsoptionen durch den Gesetzgeber setzen innovative und kreative Kräfte in den Unternehmen frei.“ 320 Die sinn317 CSR Germany: Unternehmen tragen gesellschaftliche Verantwortung. 318 Europäische Kommission: Grünbuch, S. 8. 319 Vgl. dazu und zum Folgenden Steinert: Corporate Social Responsibility, S. 4. 320 CSR Germany: CSR ist freiwillig und geht über gesetzliche Regelungen hinaus. Hg. v. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. und dem Bundesverband der Deutschen Indus-

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 333

vollen Handlungsoptionen der einzelnen Unternehmen unterschieden sich stark – abhängig unter anderem von ihrer Beschäftigtenzahl, der europäischen oder globalen Verflechtung sowie der wirtschaftlichen Branche, der sie angehörten. Zwangsläufig müsse daher „eine Standardisierung oder Verpflichtung auf bestimmte CSR-Maßnahmen […] so allgemein gehalten sein, dass sich nicht mehr als eine Harmonisierung auf niedrigstem Niveau erreichen lassen könnte, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nachhaltig zu schädigen“.321 Dafür bildeten international vereinbarte Grundsätze wie der UN Global Compact, die Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik der ILO oder die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen eine gute und anerkannte Orientierung für individuelle, unternehmensspezifische und differenzierte CSR-Initiativen.322 Auch das Konzept der Freiwilligkeit ist zweifelsohne zutreffend, aber ebenfalls nicht hinreichend. Mit Sicherheit ist die gesellschaftliche Verantwortung zu komplex, um ihr im Detail mit einer gesetzlichen Rahmenordnung gerecht werden zu können.323 Deshalb sind eigenverantwortliche und freiwillige Handlungen von Unternehmen von großer Wichtigkeit. Die Aussagen von CSR Germany erwecken jedoch nicht den Eindruck einer an normativen Grundsätzen und den Kriterien der Nachhaltigkeit orientierten Übernahme von Verantwortung, sondern sind eher Ausdruck des Wunsches, die Politik möge angesichts der freiwilligen Leistungen der Unternehmen auf regulatorische Eingriffe verzichten. Mit der freiwilligen Verantwortung gegenüber den Stakeholdern muss auch die freiwillige Einhaltung ethischer Normen und Maximen abseits ökonomischer Rationalität einhergehen, die einem wirtschafts- und unternehmensethischen Anspruch im Sinne eines normativen Rahmens für die postulierte Freiheit und Eigenverantwortung gerecht wird. CSR ist nicht nur das Management der Ansprüche der wichtigsten Stakeholder zum eigenen ökonomischen Vorteil: Damit die Untertrie e.V. Berlin [2007], URL: http://www.csrgermany.de/www/csrcms.nsf/id/FEC5B6D7BF49786FC1256F4800658839 [aufgerufen am 02.06.2009]. 321 CSR Germany: CSR ist freiwillig. 322 Vgl. CSR Germany: CSR ist freiwillig. Die „Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik“ ist ein auf der 204. Tagung des Internationalen Arbeitsamts (IAA), einer Teilorganisation der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), im November 1977 in Genf verabschiedetes Abkommen. Die derzeit gültige Fassung wurde auf der 279. Tagung des IAA im November 2000 angenommen und behandelt alle Themen, die für die ILO „im Zusammenhang mit den sozialpolitischen Aspekten der Tätigkeit der multinationalen Unternehmen, einschließlich der Schaffung von Arbeitsplätzen in den Entwicklungsländern, von Belang sind“. (IAA: Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik. Genf 3 2001, S. 1.) Die Erklärung versteht sich als Richtlinie sowohl für multinationale Unternehmen als auch für Regierungen und Arbeitgeber- sowie Arbeitnehmerverbände und enthält insgesamt 59 Regeln zu den Themen Beschäftigung, Ausbildung, Arbeits- und Lebensbedingungen sowie Arbeitsbeziehungen. (Vgl. Oliver M. Herchen: Corporate Social Responsibility. Wie Unternehmen mit ihrer ethischen Verantwortung umgehen. Norderstedt 2007, S. 47 f.) 323 Vgl. dazu wie zum Folgenden Steinert: Corporate Social Responsibility, S. 6.

334

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

nehmen ihrer Rolle als moralfähige, korporative Verantwortungsträger in der Gesellschaft gerecht werden können, erfordert CSR vielmehr „einen unternehmerischen Wertehorizont, der ständig diskutiert, überprüft, erneuert und gelebt“ werden muss.324 Speziell für die Unternehmenskommunikation erwächst daraus die neue und große Herausforderung, die interne wie externe Diskussion um den unternehmerischen Verantwortungshorizont derart zu gestalten, dass sie dem Unternehmen nicht schadet, sondern als reputationsfördernder Beitrag zu einem ehrlichen Dialog mit allen – auch zukünftigen – potenziellen Anspruchsgruppen erscheint. 3.2.1.8

Verwandte Konzepte als Komponenten eines ganzheitlichen CSR-Begriffs

Häufig ist von einem „ganzheitlichen Verständnis des Corporate Social Responsibility-Begriffes“ die Rede, das die Berücksichtigung und Kenntnis verwandter Konzepte verlange.325 Ein solcher Umgang mit dem Begriff der gesellschaftlichen, bzw. sozialen Unternehmensverantwortung macht es einfach, weitere Termini mit ihm zu verbinden oder gar synonym zu verwenden. 326 Die in der wissenschaftlichen Debatte am häufigsten mit CSR im selben Zusammenhang und mitunter sogar synonym genannten Begriffe sind Corporate Citizenship und Nachhaltigkeit, zunehmend taucht in der Debatte auch der Begriff Corporate Governance auf.327 Im Folgenden sollen ihr Verhältnis zur CSR sowie die Überschneidungen und Unterschiede zwischen den verwandten Konzepten dargestellt werde. Außerdem soll der Frage nachgegangen werden, welchen Beitrag die unterschiedlichen Konzepte im Sinne eines ganzheitlichen Verständnisses des Corporate Social Responsibility-Begriffes zum unternehmerischen Wertehorizont und zu einem Management- und Kommunikationskonzept verantwortlichen und nachhaltigen unternehmerischen Handelns leisten. 3.2.1.8.1

Corporate Citizenship

Ein grundlegend „theoretisch fundiertes Konzept der Corporate Citizenship (CC) gibt es noch nicht, es lässt sich lediglich hinsichtlich seiner Motive beschreiben und auch unterscheiden“.328 Bei CC handelte es sich ursprünglich um einen „gehaltvolle[n], philosophische[n] Begriff der Wirtschaftsethik, welcher in Anlehnung

324 Steinert: Corporate Social Responsibility, S. 6. 325 Vgl. Bassen u.a.: Corporate Social Responsibility, S. 233; vgl. dazu ebf. Steinert/Klein: CSR – Herauforderung an die Unternehmenskommunikation, S. 5. 326 Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 8. 327 Vgl. Bassen u.a.: Corporate Social Responsibility, S. 233f. 328 Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 88; vgl. zudem Ralf Weiß: Unternehmensführung in der reflexiven Modernisierung. Global Corporate Citizenship, Gesellschaftsstrategie und Unternehmenskommunikation. Marburg 2002 (= Theorie der Unternehmung 16), S. 27f.

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 335

an die Rechte und Pflichten von Staatsbürgern die Rolle der Unternehmen in der Gesellschaft auf analoge Art und Weise zu begründen versuchte, um daraus spezifische Funktionen für das Unternehmen abzuleiten“.329 Corporate Citizenship wird im Deutschen vorwiegend mit „unternehmerische[m] Bürgerengagement“ übersetzt und erklärt Unternehmen zu öffentlichen Institutionen.330 Danach wird von den Unternehmen als Teilen der Gesellschaft der gleiche Beitrag erwartet wie von einem Bürger.331 Von der Europäischen Kommission wird CC dementsprechend als die „Gestaltung der Gesamtheit der Beziehungen zwischen einem Unternehmen und dessen lokalem, nationalem und globalem Umfeld“ beschrieben.332 Somit beinhaltet CC gesellschaftsbezogene Aktivitäten eines Unternehmens sowie deren strategische Ausrichtung auf Unternehmensziele – im Gegensatz dazu umfasst die CSR die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen in allen Bereichen der Unternehmenstätigkeit: „Daher ist CSR das wesentlich breitere Konzept.“333 Ähnlich argumentieren auch Loew et. al., die CC als Teil der CSR sehen, der sich mit der Beziehung des Unternehmens zu seinem lokalen Umfeld befasst.334 Econsense, das „Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft“, beschreibt Corporate Citizenship so als „wichtige[n] Teilbereich – man könnte sagen die lokale Ausprägung – von CSR“.335 International wird CC eher als der CSR gleichrangig oder sogar ihr übergeordnet interpretiert und steht allgemein für die gemeinnützigen Aktivitäten von Un329 Schranz: Profit und Moral, S. 25. 330 Lisa Whitehouse: Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship and the Global Compact. A New Approach to Regulating Corporate Social Power? In: Global Social Policy 3 (2003), S. 299–318, 303. 331 Vgl. Crane/Matten: Business Ethics, S. 67f; vgl. ebf. Habisch: Corporate Citizenship, S. 50ff.; vgl. dazu grundlegend ebf. Felix Dresewski: Soziale Verantwortung von Unternehmen bewerten. Ausgewählte Informationsquellen zu Richtlinien, Standards, Bewertungsinstrumenten, Berichterstattung und Ethischem Investment. In: Barbara Braun/Peter Kromminga (Hg.): Soziale Verantwortung und wirtschaftlicher Nutzen. Konzepte und Instrumente zur Kommunikation und Bewertung von Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility. Hamburg 2002, S. 61–81, bes. 61f.; vgl. außerdem grundlegend Holger Backhaus-Maul u.a. (Hg.): Corporate Citizenship in Deutschland. Bilanz und Perspektiven. Wiesbaden 2008 (= Bürgergesellschaft und Demokratie 27). 332 Europäische Kommission: Grünbuch, S. 28. 333 Bassen u.a.: Corporate Social Responsibility, S. 234. 334 Vgl. Loew u.a.: Bedeutung der internationalen CSR-Diskussion für Nachhaltigkeit, S. 10. Zur Kritik an Loews Konzept vgl. Brinkmann/Pies, die in ihrem Beitrag Corporate Citizenship als Übernahme von Ordnungsverantwortung entwickeln: Johanna Brinkmann/Ingo Pies: Corporate Citizenship: Raison d’être korporativer Akteure aus Sicht der ökonomischen Ethik. Hg. v. Forschungsinstitut des Wittenberg-Zentrums für Globale Ethik in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Sektion Wirtschaftswissenschaften der Stiftung Leucorea in der Lutherstadt Wittenberg. Lutherstadt Wittenberg 2004 (= Diskussionspapier 05-1), bes. S. 7, URL: http://www2.wiwi.uni-halle.de/ linebreak4//mod/netmedia_pdf/data/DP-05-1-Brinkmann-Pies-CC.pdf [aufgerufen am 02.06.2009]. 335 Econsense – Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft: Corporate Citizenship, URL: http://www.econsense.de/_CSR_INFO_POOL/_corp_citizenship/index.asp [aufgerufen am 02.06.2009].

336

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

ternehmen und Organisationen.336 Von einigen Autoren werden CC und CSR als synonyme Begriffe verwendet337, andere schlagen gar vor, das Konzept der CSR durch CC zu ersetzen.338 Im deutschsprachigen Diskurs dominiert indes das Verständnis von CSR als der CC übergeordnetem Konzept.339 Das deutsche Verständnis des Begriffes erhielt etwa seit dem Jahr 2000 eine eigene Bedeutung.340 In diesem Zusammenhang kam es zu einer zunehmenden Entfernung des Begriffsverständnisses von seiner amerikanischen Ursprungsbedeutung hin zu einer Beschränkung auf soziales Sponsoring.341 In den letzten Jahren lässt sich eine Veränderung von Begriff und Konzept der CC konstatieren342: Durch Aneignung und Bearbeitung vor allem durch die Management- und Betriebswirtschaftslehre wurde der Begriff von seiner normativen Konnotation befreit und in den Dienst der Unternehmensstrategie gestellt. Von Vertretern der CC wird stärker die Profitabilität, der Business Case des unternehmerischen Engagements hervorgehoben.343 CC ist hier keine gesellschaftliche Verpflichtung mehr, sondern wird dadurch verstärkt zu einer Businessstrategie, die auf Wohltätigkeitsleistungen ausgerichtet ist344: „Aus der normativen Verpflichtung des Unternehmens als ‚Bürger‘ wird ein Marketinginstrument zur Erarbeitung von Profit.“345 Entsprechend heißt es auch bei Econsense, dass hinter CC die Absicht stehe, „als Teil der unternehmerischen Wettbewerbsstrategie Eigennutz und Gemeinsinn [zu] verbinden“.346 Starke Kritik erfuhr dieses Konzept von Seiten der Wirtschaftsethik: Schließlich verlangt unternehmerische Verantwortung weit mehr als simple Spendentätigkeit oder Sponsoring, noch dazu, wenn diese letztlich nur um des eigenen ökonomischen Interesses willen wahrgenommen werden.347

336 Vgl. Bernhard Seitz: Corporate Citizenship. Rechte und Pflichten der Unternehmung im Zeitalter der Globalität. Wiesbaden 2002, S. 29. 337 Vgl. Jörg Andriof/Malcolm McIntosh: Introduction. In: Diesn. (Hg.): Perspectives on Corporate Citizenship. Sheffield 2001, S. 13–24; Archie B. Carroll: The Four Faces of Corporate Citizenship. In: Business and Society Review 100 (1998), S. 1–7. 338 Vgl. Donna J. Wood/Jeanne M. Logsdon: Theorising Business Citizenship. In: Jörg Andriof/Malcolm McIntosh (Hg.): Perspectives on Corporate Citizenship. Sheffield 2001, S. 83–103, 83. 339 Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 86. 340 Vgl. dazu Steinert/Klein: CSR – Neue Herausforderung an die Unternehmenskommunikation, S. 3. 341 Vgl. Steinert/Klein: CSR – Neue Herausforderung an die Unternehmenskommunikation, S. 6. 342 Vgl. hierzu und zum Folgenden Schranz: Profit und Moral, S. 25. 343 Vgl. Wieser: Relevanz der sozialen Verantwortung, S. 88. 344 Vgl. auch Michael E. Porter/M. R. Kramer: Wohltätigkeit als Wettbewerbsvorteil. In: Harvard Business Manager 25 (2003), S. 40–56. 345 Schranz: Profit und Moral, S. 25. 346 Econsense: Corporate Citizenship. 347 Vgl. Schranz: Profit und Moral, S. 26.

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 337

3.2.1.8.2

Corporate Governance

Auch das Konzept der Corporate Governance (CG) hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, obwohl der Begriff in seinem ursprünglichen Sinn erst einmal nichts mit den anderen Konzepten gemein hat.348 Der Begriff der Corporate Governance handelt von der Führung beziehungsweise der Kontrolle eines Unternehmens und ergibt sich aus dem Umstand, dass durch gewandelte Unternehmensstrukturen Eigentum und Verfügungsmacht voneinander getrennt wurden.349 So geht es im Kern um die Frage, wie die Eigentümer eines Unternehmens (Aktionäre, Investoren usw.) den Kurs und die Strategie ihres Unternehmens beeinflussen oder kontrollieren können. Als in den 1990er Jahren die Stakeholdertheorie in der CG-Debatte an Bedeutung gewann, wandelte sich auch die Frage der Unternehmensführung verstärkt zu einer Frage über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen.350 CSR und CG teilen mit dem Wunsch nach Risikoreduktion ein gemeinsames Ziel, unterscheiden sich jedoch in der Wahl ihrer Mittel351: „Corporate Governance betrifft vor allem die Funktionsweise der Leitungsorgane [der Unternehmen], ihre Zusammenarbeit und die Kontrolle ihres Verhaltens.“352 Grob gesprochen geht es also dabei um gute Unternehmensleitung und die Methoden ihrer Überwachung. Wie CSR ist auch CG für alle Stakeholder relevant, allerdings beschränkt sich CG im Gegensatz zur auch prozessorientierten CSR auf die Organe des Unternehmens und setzt sich mit Anreiz- und Kontrollstrukturen auseinander, die ein Fehlverhalten des Managements vermeiden sollen. Die Bundesregierung hat dazu im Mai 2000 eine Regierungskommission „Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts“ eingesetzt. Auf deren Empfehlung, einen „Code of Best Practice“ für deutsche Unternehmen zu entwickeln, hat das Bundesministerium der Justiz im September 2001 die „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ gebildet. Am 20. August 2002 wurde der „Deutsche Corporate Governance Kodex“ veröffentlicht und wird seither jährlich von der Regierungskommission angepasst.353 Der Kodex soll einen Beitrag dazu leisten, die in 348 Vgl. hierzu und zum Folgenden Schranz: Profit und Moral, S. 26f. 349 Vgl. auch Steven Letza/Xiuping Sun: Corporate Governance. Paradigms, dilemmas and beyond. In: The Poznan University of Economics Review 2 (2002), S. 43–65, URL: http://www.puereview.ae. poznan.pl/2002v2n1/03-letza.pdf [aufgerufen am 02.06.2009]. 350 Vgl. auch Martin Rhodes/Bastiaan von Apeldoorn: Capital unbound? The Transformation of European Corporate Governance. In: Journal of European Public Policy 5 (1998), S. 406–427. 351 Vgl. hierzu und zum Folgenden Bassen u.a.: Corporate Social Responsibility, S. 234f. 352 Theodor Baums (Hg.): Bericht der Regierungskommission Corporate Governance. Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts. Köln 2001, S. 20. 353 Vgl. die aktuelle Fassung Bundesministerium der Justiz: Bekanntmachung des „Deutschen Corporate Governance Kodex“ (in der Fassung vom 14. Juni 2007). In: Elektronischer Bundesanzeiger v. 20.07.2007, URL: https://www.ebundesanzeiger.de/ebanzwww/wexsservlet?page.navid=to_bookmark_ official&bookmark_id=KC7Tg3jYKmmZhqa0saY [aufgerufen am 02.06.2009].

338

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

Deutschland geltenden Regeln für Unternehmensleitung und -überwachung sowohl für nationale als auch für internationale Investoren „transparent und nachvollziehbar“ zu machen.354 Ziel ist es, auf diese Weise „das Vertrauen der internationalen und nationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften“ zu fördern, um damit mittelbar in den deutschen Kapitalmarkt zu stärken. 355 Der Kodex erhebt jedoch auch den Anspruch, den deutschen Unternehmen einen Rahmen von Normen und Werten für eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung vorzugeben. 3.2.1.8.3

Nachhaltigkeit

Wenn aktuell in den Medien oder in der Wissenschaft von unternehmerischer Verantwortung die Rede ist, taucht zumeist auch der Begriff der Nachhaltigkeit (englisch: Sustainability oder Sustainable Development) auf.356 Beinahe ritornellartig wird er auch in nahezu allen CSR-Berichten angeführt, viele dieser Veröffentlichungen nennen sich entsprechend sogar Nachhaltigkeitsberichte.357 Schon bei einem oberflächlichen Blick auf die öffentliche Debatte und die Kommunikationsmaßnahmen vieler Unternehmen stellt man fest, dass das Konzept „Nachhaltigkeit“ nicht nur in aller Munde ist, sondern zu einem der markantesten Schlagworte im gesamten Diskurs um unternehmerische Verantwortung geworden ist. Die Beliebtheit des Begriffs ist nicht auf Deutschland beschränkt. In Großbritannien sind in Folge der viele Jahre andauernden intensiv geführten öffentlichen Debatte über CSR die Begriffe CSR und Corporate Sustainability (nachhaltiges Wirtschaften) austauschbar geworden.358 Die Begriffe Nachhaltigkeit oder sustainable development können in den zurückliegenden Jahrzehnten auf eine bemerkenswerte Karriere verweisen. Zuerst wurde das Nachhaltigkeitskonzept im Rahmen der Umweltethik nutzbar gemacht. In diesem Zusammenhang bedeutet es, die „Natur so zu nutzen, dass sie erneuerungsfähig bleibt für spätere Generationen“.359 Begriffsgeschichtlich geht das Konzept auf 354 Bundesministerium der Justiz: Bekanntmachung des „Deutschen Corporate Governance Kodex“; vgl. dazu grundlegend Michael Littger: Deutscher Corporate Governance Kodex – Funktion und Verwendungschancen. Eine interdisziplinäre Untersuchung mit Begründung einer Methodik zur Auswahl geeigneter Regelungsinstrumente. Baden-Baden 2006 (= Studien zum Handels-, Arbeitsund Wirtschaftsrecht 108); vgl. zur juristischen Bedeutung des Kodex ebf. Tom Kirschbaum/Martin Wittmann: Selbstregulierung im Gesellschaftsrecht: Der Deutsche Corporate Governance Kodex. In: Juristische Schulung 45 (2005), S. 1062–1067. 355 Bundesministerium der Justiz: Bekanntmachung des „Deutschen Corporate Governance Kodex“. 356 Vgl. zur Genese und Entwicklung des Begriffs der Nachhaltigkeit Ulrich Grobers lehrreiche, obgleich eher populärwissenschaftliche kulturhistorische Überblicksdarstellung Ulrich Grober: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs. München 2010. 357 Vgl. Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 8. 358 Vgl. Steinert/Klein: CSR – Eine Herausforderung an die Unternehmenskommunikation, S. 3. 359 Stähli/Gassmann: Umweltethik, S. 24.

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 339

das deutsche Forstgesetz des frühen 19. Jahrhunderts zurück, in dem ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Holzschlag und Aufforstung angestrebt wird: Dort heißt es, dass im Rahmen einer nachhaltigen Forstwirtschaft nur so viel Holz im Jahr geschlagen werden darf, dass ein „gleichmäßiger Holzanfall für alle Zukunft gesichert ist“.360 Bereits 1713 hatte der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz in diesem Zusammenhang zum ersten Mal die Trias aus ökologischem Gleichgewicht, ökonomischer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit beschrieben. 1972 fand die richtungsweisende Stockholmer Umweltkonferenz der Vereinten Nationen zum „Human Environment“ statt. Zum ersten Mal wurde hier in der Entwicklungspolitik die Nachhaltigkeitsidee umschrieben als Befriedigung der Grundbedürfnisse aller auf der Erde lebenden Menschen. Zudem wurden auf dem globalen Kongress die Notwendigkeit zur Solidarität mit den folgenden Generationen sowie die Ressourcen- und Umweltschonung expliziert.361 In der Folge beauftragte die UNO 1983 eine sogenannte „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ mit der Ausarbeitung langfristiger Umweltstrategien. Diese Kommission veröffentlichte 1987 ihre Ergebnisse: Der sog. Brundtland-Report, benannt nach der Vorsitzenden der Kommission, der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, besitzt bis in die Gegenwart großen Einfluss und gilt als ursächlich für die Renaissance des Nachhaltigkeitsbegriffs. Der Report gelangt zu der Schlussfolgerung, dass qualitatives Wachstum nur durch Wirtschaftswachstum entstehen könne, das mit dem Einsatz von Technik und gleichzeitiger Umweltschonung einherginge. Zudem liefert der Bericht eine grundlegende Definition des Begriffs der „nachhaltigen Entwicklung“, der für die Folgezeit maßgeblich werden sollte: „Sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“362 Diese Definition der intergenerativen ökologischen Gerechtigkeit wurde zum Bestandteil aller danach vereinbarten internationalen Umweltabkommen. Seit der zweiten UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro gilt Nachhaltigkeit als weltweites politisches Paradigma. Im Rahmen der Verabschiedung der Agenda 21 wurden ein umfassendes Entwicklungs- und Umweltaktionsprogramm vorgestellt und zugleich Strategien für nachhaltige Entwicklung von den Regierungen eingefordert. Dabei wurden die Armutsbekämpfung, die Reduktion des Bevölkerungswachstums, der Schutz der Atmosphäre, die Erhaltung der Artenvielfalt, die Bekämpfung der Wüstenbildung sowie der Schutz der Meere und Gebirgslandschaften etc. als konkrete Ziele formuliert.363

360 Forstwissenschaftliches Conversations-Lexikon von 1836. Zit. nach: Mathias Ninck: Zauberwort Nachhaltigkeit. Zürich 1997, S. 43. 361 Stähli/Gassmann: Umweltethik, S. 24. 362 United Nations World Commission on Environment and Development: Our Common Future. Oxford 1987, S. 8. 363 Vgl. dazu Stähli/Gassmann: Umweltethik, S. 27.

340

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

In der Folge entstand auf der Grundlage der UNO-Empfehlungen eine Vielzahl weiterer Definitionen, die um Zukunfts-, Existenz-, Erneuerungsfähigkeit, Rücksichtnahme sowie Langfristig- und Tragbarkeit kreisen. 364 Ein Beispiel ist der Ansatz Mathias Nincks, der eine weitreichende, allgemeine Definition liefert: „Nachhaltigkeit bedeutet Einordnung in die Abläufe der Natur, derart, dass alle Menschen auf der Erde heute und in den nächsten 150 Jahren und darüber hinaus ihre Grundbedürfnisse – Essen, Dach über dem Kopf, Gesundheit und Bildung – befriedigen können und die Möglichkeit haben, sich in ihrer Persönlichkeit sinngebend zu entfalten.“365 Daran zeigt sich aber zugleich eines der größten Probleme der Begrifflichkeit: Es fehlt an einer allgemein akzeptierten Definition, viele Ansätze bleiben schwammig und ein verbindlicher Rahmen fehlt. Es mag daher verwundern, dass nachhaltige Entwicklung in breiten Bevölkerungskreisen mittlerweile als akzeptiertes Leitbild gilt, das für unterschiedlichste Absichten und Ziele als Orientierungshilfe herhalten kann. Denn trotz der Popularisierung des Begriffs gibt es keine allgemeine Verständigung darüber, wie die normative Leerformel des Begriffs gefüllt werden könnte.366 Entsprechend entwickelte sich eine bis heute andauernde äußerst kontroverse Diskussion über geeignete Maßnahmen der Nachhaltigkeit oder auch deren Evaluation, wobei unter den Akteuren einer nachhaltigen Entwicklung lediglich diejenige Prämisse unstrittig erscheint, dass die Konzepte einer nachhaltigen Entwicklung unbedingt gleichermaßen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte integrieren müssen. Dabei setzen die Theorien voraus, dass „neben ökologischen Belangen zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen“ in gleicher Weise der Mensch „mit seinen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Ansprüchen“ berücksichtigt und mit einbezogen wird.367 Ein bereits von der sog. „BrundtlandKommission“, der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, formulierter Grundsatz wird dabei bis heute immer wieder betont und spielt für die Ausdehnung des Nachhaltigkeitskonzepts eine wesentliche Rolle: Nach dem „Drei-SäulenModell“ (Triple Bottom Line) ist nachhaltige Entwicklung nur möglich, wenn dabei ökonomische, ökologische und soziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden.368 Die drei Säulen dürfen keinesfalls isoliert nebeneinander stehen, sondern müssen integrativ, also gleichwertig und aufeinander in vielfältiger Weise Bezug nehmend, verstanden werden. Als besondere Herausforderung und Aufgabe formuliert auch die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zu364 Vgl. dazu Ninck: Nachhaltigkeit, S. 51ff. 365 Ninck: Nachhaltigkeit, S. 57. 366 Vgl. dazu Karl-Heinz Erdmann: Leitbild Nachhaltigkeit. Neue Impulse für die Natur- und Umweltschutzpolitik. In: Ders./Christiane Schell: Natur zwischen Wandel und Veränderung. Ursache, Wirkungen, Konsequenzen. Berlin u.a. 2002, S. 159–192, 166f. 367 Erdmann: Leitbild, S. 165. 368 Vgl. Crane/Matten: Business Ethics, S. 24f.

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 341

kunftsverträglichen Entwicklung“ in ihrem Abschlussbericht, dass die drei Säulen der Nachhaltigkeit als „Entwicklung einer dreidimensionalen Perspektive“ und nicht als drei konkurrierende Zielsysteme betrachtet werden müssen.369 Durch ein solches Konzept ist sichergestellt, dass nachhaltige Entwicklung nicht nur die Erhaltung einer intakten Natur zum Ziel hat, sondern gleichermaßen eine ausreichende Versorgung mit und die gerechte Verteilung von Wirtschaftsgütern sowie übergreifend eine langfristige Steigerung der Lebensqualität gewährleistet.370 Will unternehmerische Verantwortung diesen Kriterien gerecht werden, muss sie nicht nur die Verantwortung des Unternehmens gegenüber seinen Anspruchsgruppen, sondern dessen Verantwortung gegenüber der gesamten Menschheit und auch zukünftigen Generationen berücksichtigen.371 Neuere wissenschaftliche Ansätze zur unternehmerischen Verantwortung sind in besonderer Weise darum bemüht, Nachhaltigkeitsaspekte gerade auch in Hinblick auf die Bedeutung eines gesicherten ökonomischen Fortbestands des Unternehmens in ihre Vorstellungen zum Bedeutungsfeld der CSR zu integrieren.372 Nur wenn unternehmerisch verantwortliches Handeln über den bloßen Business Case hinausgeht und die sogenannte Triple Bottom Line aus ökonomischem Erfolg, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verträglichkeit zu einem Zielsystem des CSR-Managements vereint wird, lässt sich daraus der normative Anspruch eines CSR-Konzepts ableiten.373 Entsprechend wird die Erweiterung der ursprünglichen Bestimmung der unternehmerischen Tätigkeiten um die Aufgabe, einen nachhaltigen Beitrag zum Wohlergehen der Gesellschaft zu leisten, auch durch die häufig zitierte Definition des World Business Council for Sustainable Development aus dem Jahre 2000 belegt: „Corporate social responsibility is the commitment of business to contribute to sustainable economic development, working with employees, their families, the local 369 Deutscher Bundestag (Hg.): Abschlußbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung. Konzept Nachhaltigkeit. Vom Leitbild zur Umsetzung. Bonn 1998 (= Drucksache 13/11200), S. 27ff., URL: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/13/112/1311200.pdf [aufgerufen am 27.12.2009]. 370 Vgl. Erdmann: Leitbild, S. 166. 371 Vgl. Bassen u.a.: Corporate Social Responsibility, S. 234. 372 Vgl. Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 7. 373 Vgl. Ursula Hansen u.a.: Stakeholder Theory between General and Contextual Approaches – A German View. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik 5 (2004), Nr. 3, S. 242–254, 251f.; vgl. ebf. Steinert: Corporate Social Responsibility, S. 5. Triple Bottom Line bedeutet eine Erweiterung des traditionellen Berichtswesen ökonomischer Aspekte um ökologische und soziale Bemühungen. Der Begriff wurde 1994 von John Elkington eingeführt (vgl. John Elkington: Towards the sustainable corporation: Win-win-win business strategies for sustainable development. In: California Management Review 36 (1994), S. 90–100.) und 1997 in seinem Buch Cannibals with Forks: the Triple Bottom Line of 21st Century Business ausführlicher dargelegt und ausgearbeitet. Das Konzept der Triple Bottom Line verlangt von den Unternehmen eine höhere Verantwortung gegenüber ihren Stakeholdern als gegenüber ihren Shareholdern. (Vgl. dazu grundlegend Darrell Brown u.a.: Triple Bottom Line: A business metaphor for a social construct. Bellaterra 2006 (= Document de Treball 06/2), URL: http://www.recercat.net/bitstream/2072/2223/1/UABDT06-2.pdf [aufgerufen am 02.06.2009].)

342

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

community and society at large to improve their quality of life.“374 Falck/Heblich erkennen im Bemühen der Unternehmen um verantwortungsvolles Verhalten, das über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehe, sogar ein kompetitives Element, da die Unternehmen sich „freiwillig einem Wettbewerb um gesellschaftliche best practice Beispiele [sic!] aussetzen und auf diese Weise die Standards in der Gesellschaft […] verbessern“.375 3.2.1.8.4

Gesellschaftliche Anschlussfähigkeit des Nachhaltigkeitskonzepts

Dass Unternehmen sich so bereitwillig in einen Nachhaltigkeitswettbewerb begeben, hat verschiedene Ursachen. Die gegenwärtige Beliebtheit und der fast schon inflationäre Gebrauch des Nachhaltigkeitsbegriffs besonders in den Kommunikationsmaßnahmen zahlreicher Unternehmen erklären sich möglicherweise aus seiner guten Anschlussfähigkeit, da er im Gegensatz zu den verwandten Konzepten unternehmerischer Verantwortung auch in der Öffentlichkeit über einen relativ hohen Bekanntheitsgrad verfügt. Nachhaltigkeit erscheint als ein besonders greifbares und gut vermittelbares Konzept, da es bei den Stakeholdern auf gute Kenntnis wie hohe Akzeptanz zu stoßen verspricht und zugleich eine unkomplizierte kommunikative Anknüpfung an den allgemeinen gesellschaftlichen Trend zur Nachhaltigkeit ermöglicht. Diese gesellschaftliche Entwicklung reicht inzwischen soweit, dass Nachhaltigkeit als Marketingbegriff sogar zur Charakterisierung einer bestimmten Käuferschicht dient. LOHAS, das Akronym für „Lifestyle of Health and Sustainability“, 374 World Business Council for Sustainable Development (WBCSD): Corporate Social Responsibility. Making good business sense, S. 10. Der im Januar 1995 gegründete World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) ging aus dem Zusammenschluss des Business Council for Sustainable Development (BCSD) in Genf und dem World Industry Council for the Environment (WICE) in Paris hervor. (Vgl. hierzu und zum Folgenden Lexikon der Nachhaltigkeit: WBCSD – World Business Council for Sustainable Development, URL: http://www.nachhaltigkeit.info/ artikel/wbcsd_world_business_council_894.htm [aufgerufen am 02.06.2009].) Mittlerweile sind mehr als 160 internationale Unternehmen Mitglied. Der Zusammenschluss verfügt über regionale Netzwerke in Afrika, Nord- und Südamerika, Asien, Europa und Ozeanien. Mit Unternehmen wie adidas-Salomon, Allianz, BASF, Bayer, Continental, Daimler, Degussa, Deutsche Bank, HeidelbergCement, Henkel und Volkswagen sind auch eine Reihe großer deutscher Aktiengesellschaften Mitglied. Der WBCSD versteht sich als Vorreiter und Katalysator auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung. Er will die Rolle von Ökoeffizienz, Innovation und gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung voranbringen und knüpft damit an die Ergebnisse der Konferenz von Rio und die Agenda 21 an. Die zukünftige Entwicklung muss danach so gestaltet werden, dass ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Zielsetzungen gleichrangig angestrebt werden. Zu diesem Zweck will der WBCSD die Zusammenarbeit von Wirtschaft, Regierung und NGOs verstärken. Der WBCSD formuliert vier Ziele seiner Arbeit: Marktführerschaft, Politikentwicklung, Beste Praktiken (Best Practice) und globaler Wirkungskreis. (Vgl. World Business Council for Sustainable Development: About WBCSD, URL: http://www.wbcsd.org/templates/TemplateWBCSD5/layout.asp?type=p&MenuId=NjA&doOpen=1&ClickMenu=LeftMenu [aufgerufen am 02.06.2009].) 375 Falck/Heblich: Corporate Social Responsibility, S. 3.

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 343

steht für einen Lebensstil oder Konsumententyp, der durch sein Konsumverhalten und entsprechend gezielte Produktauswahl Gesundheit und Nachhaltigkeit fördern will: „Das meint Individualisten, die bewusst nachhaltig leben und konsumieren, aber weder als Generation noch als soziales Milieu fassbar sind.“376 Die Werbe- und Marketingbranche versteht darunter Menschen, die einerseits auf den Konsum von „Marken, Mode und Lifestyle nicht verzichten wollen“, andererseits aber „viel Wert auf Qualität, Ethik und Nachhaltigkeit der Produkte“ legen.377 Der Trend stammt aus den USA, wo der Soziologe Paul H. Ray bereits im Jahr 2000 die „Cultural Creatives“ beschrieben hat.378 Mittlerweile lassen sich in allen soziodemographischen Gruppen und in etwa 30 Prozent der deutschen Haushalte sogenannte LOHAS finden.379 Die LOHAS verhelfen Bio-Supermärkten zum Erfolg, die Fastfood-Kette McDonald’s verleiht sich einen grünen Anstrich 380 und verkauft nachhaltig produzierten Kaffee und das von Öko-Institut, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und World Wildlife Fund (WWF) unterstützte Projekt Product Carbon Footprint, das unter dem Siegel der Nachhaltigkeit die CO2-Bilanz von Produkten sichtbar und vergleichbar machen soll, wird – wohl nicht ohne Hintergedanken – von den Unternehmen Deutsche Telekom, Tchibo, Tetra Pak, DM, Henkel und Frosta finanziert.381 In der Studie „Zielgruppe Lohas: Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert“ wird dieser Verbrauchertypus als gesellschaftliche Avantgarde und kaufkräftige Zielgruppe definiert.382 In einer Konsum-Ethik-Studie für den Otto-Versand gelangt das Hamburger Trendbüro zu einem bemerkenswerten Ergebnis. So habe sich das Nachhaltigkeitskonzept grundlegend gewandelt. Aus ideologischen Überzeugungen und dem Bewusstsein für gesellschaftspolitische Themen in der Vergangenheit (gemeint sind hier die 1980er Jahre) sei ein neues ethisches Bewusstsein gewachsen: „Heute ersetzt Ästhetik die Ideologien von früher. Ethik wird für Konsumenten mehr und mehr zum Wohlfühlfaktor.“383 376 Peter Unfried: Nachhaltiger Konsum. Wunderbare Welt der Lohas. In: die tageszeitung v. 22.09.2007, URL: http://www.taz.de/index.php?id=start&art=5024&id=alltag-artikel&src=AR &cHash= f537e6797f [aufgerufen am 12.01.2010]. 377 Judith Pfannenmüller: Die neue Macht der Moralisten. In: Werben & Verkaufen Nr. 16 v. 17.04.2008, S. 12–15, 12. 378 Vgl. Paul H. Ray/Sherry Ruth Anderson: The Cultural Creatives. How 50 Million People are changing the World. New York 2000. 379 A.C. Nielsen Company: Was die ökologische Avantgarde wirklich kauft. Pressemitteilung v. 29.05.2008, URL: http://de.nielsen.com/news/pr20080529.shtml [aufgerufen am 02.06.2009]. 380 Im November 2009 kündigte das US-amerikanische Unternehmen an, in Deutschland künftig ein grünes statt des hergebrachten roten Logos verwenden zu wollen. Das Unternehmen wertete dies auch „als Bekenntnis zur Umwelt“. (McDonald’s: Fastfood-Kette wird grün. In: Focus Online v. 23.11.2009, URL: http://www.focus.de/panorama/vermischtes/mcdonalds-fastfood-kette-wird-gruen_aid_456774.html [aufgerufen am 10.06.2011].) 381 Vgl. ebd., S. 14. 382 Vgl. Eike Wenzel u.a.: Zielgruppe Lohas: Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert. Hamburg 2007 [nur als pdf-Datei lieferbar]. 383 Trendbüro – Beratungsunternehmen für gesellschaftlichen Wandel JK.PW GmbH unter der Leitung von Prof. Peter Wippermann im Auftrag von OTTO: OTTO-Trendstudie Konsum-Ethik

344

Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

Das Nachhaltigkeitskonzept und mit ihm die soziale Verantwortung der Unternehmen bleiben hier aber einer seltsam oberflächlich-konsumistischen Ebene verhaftet: „Klima und Konsum, Ökologie und Ökonomie, Lust und Sinn“ schlössen sich nicht mehr aus, „Produkte mit Haltung“ seien „sexy“384. Zugleich verwirft die Studie den eigentlichen Begriff der Nachhaltigkeit. Zwar werde „verantwortungsbewusstes Handeln“ von den Konsumenten „zunehmend erwartet“385, da „Verantwortung […] an Unternehmen und Marken delegiert“ werde386, doch werde der Begriff der Nachhaltigkeit „nicht verstanden: Der Begriff ist ungeeignet für die Kommunikation, eindeutiger ist ethischer Konsum“, der „ökologische wie soziale Aspekte“ beinhalte.387 Bemerkenswert für unseren Kontext ist die wiederum zum Ausdruck kommende veränderte Erwartungshaltung der Verbraucher. Wo Ethik zum „Wohlfühlfaktor“ und somit zu einem ethischen Lifestyle degradiert wird, kann indes wohl nicht von einer ernsthaften Erwartung der Stakeholder an Nachhaltigkeit gesprochen werden. Eine solche Haltung ließe sich eher als egozentrische Kuschelethik bezeichnen. Unternehmerische Verantwortung sollte darüber hinausreichen, ein nur an den Konsum geknüpftes gutes Gewissen kommunikativ zu vermitteln. Zudem wird deutlich, dass die Kommunikation von Modewörtern, die zwar jeder kennt, aber niemand genau erklären kann, ebenso wenig wie wohlklingende Worthülsen, hinter denen sich weder ein durchdachtes Konzept noch ethisches Handeln verbergen, ausreichen, um unternehmerische Verantwortung auf lange Sicht erfolgreich gegenüber den Stakeholdern darzustellen. 3.2.1.8.5

Schwierigkeiten und Erweiterungen des Nachhaltigkeitskonzepts

Die Karriere des Drei-Säulen-Modells und des Nachhaltigkeitsbegriffs als politisches Konzept hat zweifelsohne eine enorme Integrationskraft entfaltet. Doch regt sich auch Kritik – insbesondere daran, dass in dem Modell mit dem Verweis auf wirtschaftliche Sachzwänge das Ökonomische zum normativen Zielsystem erklärt wird.388 2007. Langfassung. Hamburg 2007, S. 27. 384 Trendbüro – Beratungsunternehmen für gesellschaftlichen Wandel JK.PW GmbH unter der Leitung von Prof. Peter Wippermann im Auftrag von OTTO: OTTO-Trendstudie Konsum-Ethik 2007. Kurzfassung. Hamburg 2007, S. 35, URL: http://www.otto.com/fileadmin/uploads/media/ OTTO-Trendstudie_Konsum-Ethik_2007_KV.pdf [aufgerufen am 14.05.2009]. 385 OTTO-Trendstudie Konsum-Ethik 2007. Langfassung, S. 92. 386 OTTO-Trendstudie Konsum-Ethik 2007. Langfassung, S. 95. 387 OTTO-Trendstudie Konsum-Ethik 2007. Langfassung, S. 92. 388 So etwa in der Argumentation der Enquete Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages. Vgl. Deutscher Bundestag (Hg.): Abschlußbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt, S. 30. Vgl. zur Kritik den Einleitungsaufsatz von Esther Hoffmann, Bernd Siebenhüner, Thomas Beschorner und Marlen Arnold: Esther Hoffmann u.a.: Gesellschaftliches Lernen und Nachhaltigkeit. Zur Einführung. In: Dies u.a. (Hg.): Gesellschaftliches Lernen und Nachhaltigkeit. Marburg 2007 (= Ökologie und Wirtschaftsforschung 67),

Corporate Social Responsibility und die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung 345

Alternativ wird für ein weiterreichendes Nachhaltigkeitskonzept plädiert, das auf vier Eckpunkten basiert: Es sieht einerseits die Sicherung der ökologischen Systemfunktion als Grundvoraussetzung menschlichen Lebens auf der Erde vor.389 Hinzu tritt intergenerative Gerechtigkeit mit dem Ziel einer langfristigen, viele Generationen übergreifenden Anlage nachhaltiger Entwicklung.390 Ebenso bedeutend ist die intragenerative Gerechtigkeit, welche die Übertragbarkeit des Konzepts zwischen den heute lebenden Menschen gewährleistet. Das für die Beurteilung nachhaltigkeitsorientierter Entwicklungsschritte zur Anwendung gebrachte Übertragbarkeitskriterium, dem zufolge eine Gesellschaft dann nachhaltig ist, wenn ihr Lebensstil sowohl zeitlich als auch geografisch übertragbar ist, hilft, die häufig kritisierte Gerechtigkeitslücke zu schließen.391 Zuletzt ist auch die Berücksichtigung des Prozesscharakters wesentlich. Dazu zählt die Erkenntnis, dass nachhaltige Entwicklung nicht bis in jedes Detail gesellschaftlicher oder individueller Handlungen und Entscheidungen konkretisiert werden kann. Sie ist kein feststehendes, sondern ein prozesshaftes Konzept, das unter Rückgriff auf Kant als „regulative Idee“ bezeichnet worden ist, die sich nicht gegenständlich fassen lässt, aber Leitprinzipien vorgibt.392 3.2.1.8.6

Anforderungen an ein ganzheitliches Verständnis von CSR

Die Kritik macht das wesentliche Problem eines ganzheitlichen Verständnisses des Corporate Social Responsibility-Begriffes deutlich, der die dargestellten verwandten Konzepte berücksichtigt und integriert. Zwar ist es für die Unternehmen ein Leichtes, mit dem Begriff der unternehmerischen Verantwortung weitere Termini – auch neben der CSR – zu verbinden und im Rahmen der Unternehmenskommunikation einzusetzen, doch bei der Betrachtung der damit verbundenen Konzepte fällt auf, dass es bei all diesen Begriffen, beziehungsweise den unter ihnen subsumierten Managementkonzepten, nicht um Versuche geht, unternehmerisches Verhalten ethisch zu begründen und so wirtschaftliche Akteure moralischer zu machen, sondern vielmehr um die Professionalisierung und optimale Vermarktung gesellschaftlichen oder gesellschaftsrelevanten unternehmerischen Verhaltens.393 S. 11–32, 14f. 389 Vgl. Esther Hoffmann u.a.: Gesellschaftliches Lernen und Nachhaltigkeit, S. 15. 390 Vgl. dazu wie auch zum Folgenden Esther Hoffmann u.a.: Gesellschaftliches Lernen und Nachhaltigkeit, S. 16f. 391 Vgl. dazu Niko Paech/Reinhard Pfriem: Mit Nachhaltigkeitskonzepten zu neuen Ufern der Innovation. In: UmweltWirtschaftsForum 10 (2002), S. 12–17; sowie Niko Paech: Nachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum. Eine unternehmensbezogene Transformationstheorie. Marburg 2005 (= Theorie der Unternehmung 32). 392 Vgl. Esther Hoffmann u.a.: Gesellschaftliches Lernen und Nachhaltigkeit, S. 17f.; vgl. dazu grundlegend die von der Enquete Kommission des Deutschen Bundestages herausgegebene Studie Jürg Minsch u.a.: Institutionelle Reformen für eine Politik der Nachhaltigkeit. Berlin u.a. 1998. 393 Vgl. dazu und zum Folgenden Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 8.

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Nachhaltiges und verantwortliches Handeln in der unternehmerischen Praxis

Oft steht dabei in erster Linie die Entwicklung einer Gesamtstrategie des Managements im Mittelpunkt, die dem geschäftlichen Erfolg zuträglich ist und die Profitabilität steigert – nicht ohne Konsequenzen auch auf Stellungnahmen aus den Reihen der Wissenschaft: „Nicht der Wirtschaftsethiker, Managementberater oder ‚Nachhaltigkeitsexperte‘ legt fest, wie gesellschaftliches Engagement ausgestaltet sein sollte. […] Nicht externe Autoritäten sind hier gefragt, sondern allein sachlich begründete Überlegungen: die Rationalität, die sich aus der Logik der Managementaufgabe selbst heraus ergibt.“394 So greifen die meisten Konzepte zu kurz, da sie wesentliche Implikationen der genutzten Begriffe übersehen. Nachhaltigkeit etwa meint nicht nur die Verantwortung eines Unternehmens gegenüber seinen Stakeholdern, sondern ebenfalls die Wahrnehmung von Verantwortung gegenüber solchen Gruppen, die nicht in einem Stakeholderdialog mit dem Unternehmen stehen: Im Rahmen der intragenerativen Gerechtigkeit wird dabei die gesamte Menschheit umfasst – im Rahmen der intergenerativen Gerechtigkeit auch zukünftige Generationen.395 Wird das nicht berücksichtigt, läuft man Gefahr, einer rationalen Sachlogik zu unterliegen, die neben dem Business Case auch noch den Social Case als „Wertschöpfungsbeitrag für die Gesellschaft“ für sich nutzbar macht.396 Das ist leider allzu oft der Fall bei den Vertretern einer funktionalistischen Wirtschaftsethik, bei denen Ethik als „reine Verfahrenstechnik, mithin als eine Hilfe für korrektes ‚sachlogisches‘ ökonomisches Arbeiten“ begriffen wird.397 Indem ethisch fundiertes Handeln bloß unter dem Aspekt der Profitabilität betrachtet wird, wird ein Trend zur Ökonomisierung der Ethik deutlich – wenn soziale Verantwortung als Teil einer ökonomischen Sachlogik betrachtet wird, entspricht dies einem bedenklichen Trend zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche.398 Weder Stakeholder noch Unternehmen sollten es sich zu einfach machen: Der Social Case der Unternehmen darf weder eine Wohlfühlethik vom wohlfeilen Grabbeltisch der Marketer und Werber, noch eine smarte Modeerscheinung zum praktischen Gebrauch in Unternehmensmanagement und -kommunikation sein, die aus vordergründig ökonomischen Überlegungen in erster Linie den Stakeholdern gefallen möchte (möglicherweise ja auch muss), aber gleich wieder fallen ge-

394 André Habisch: Die Corporate-Citizenship-Herausforderung: Gesellschaftliches Engagement als Managementaufgabe. In: Kaevan Gazdar u.a. (Hg.): Erfolgsfaktor Verantwortung. Corporate Social Responsibility professionell managen. Berlin u.a. 2006, S. 35–49, 37. 395 Vgl. Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 8; vgl. ebf. Esther Hoffmann u.a.: Gesellschaftliches Lernen und Nachhaltigkeit, S. 14–18; vgl. zum Konzept auch Sam Vaseghi/Markus Lehni: Sustainability. Transformation eines Leitbegriffs. In: Kaevan Gazdar u.a. (Hg.): Erfolgsfaktor Verantwortung. Corporate Social Responsibility professionell managen. Berlin u.a. 2006, S. 99–109. 396 So bei Habisch: Gesellschaftliches Engagement als Managementaufgabe, S. 37. 397 Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 8. 398 Vgl. Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 10.

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lassen wird, sobald sich das Interesse von Öffentlichkeit oder Anlegern an Verantwortung und Nachhaltigkeit wieder legt.399 3.2.1.8.7

Die Herausforderung einer nachhaltigen CSR

Die Kritik am ganzheitlichen Verständnis einer CSR ist nicht zuletzt Symptom für die grundlegenden Vorbehalte, mit denen Konzepte zur Corporate Social Responsibility aus unterschiedlichen Richtungen konfrontiert werden. Ein Teil der Kritiker argumentiert aus der bekannten Marktperspektive unter Berufung auf das Friedmansche Diktum, wonach die einzige Verantwortung eines Unternehmens darin bestünde, Gewinn zu erwirtschaften, weshalb kein Manager das Recht besitze, den Shareholdern Erlöse vorzuenthalten.400 Andere hegen die Befürchtung, CSR führe zur Fehlleitung von Ressourcen: Weil diese nicht zur Steigerung des Unternehmenswertes, sondern zweckentfremdet eingesetzt würden, seien sie ungeeignet, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Angesichts der Erkenntnisse aus den vorherigen Teilen der Arbeit dürfen beide Argumente wohl zurecht als widerlegt betrachtet werden. Der positive wirtschaftliche Effekt von CSR und der positive Zusammenhang zwischen verantwortlichem Handeln und dem wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen wird von verschiedenen Forschungsarbeiten belegt. 401 Am eindrücklichsten hat sich der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Michael E. Porter darum bemüht, die Position Friedmans zu widerlegen: Gingen Unternehmen strategisch und zielgerichtet vor, so seien CSR-Maßnahmen als Wettbewerbsvorteil anzusehen: „Je enger eine soziale Verbesserung mit dem Geschäft einer Firma verbunden ist, desto förderlicher ist sie auch für ihren wirtschaftlichen Erfolg.“402 Soziale und wirtschaftliche Ziele seien untrennbar miteinander verbunden und bildeten einen sich verstärkenden Kreislauf.403 Langfristige Wettbewerbsfähigkeit basiere auf dem Einsatz qualitativ hochwertiger Arbeit. Kapital und natürliche Ressourcen würden benötigt, um erstklassige Waren und Dienstleistungen zu produzieren. Die Produktivität steige durch viele, gut ausgebildete Arbeitskräfte. Im Umweltschutz habe neben der Gesellschaft auch das Unternehmen einen Nutzen, da durch die Reduzierung der Verschmutzung der natürlichen Umwelt Ressourcen effizienter eingesetzt würden und umweltfreundlich produzierte Güter von Verbrauchern mehr geschätzt würden. Maßnahmen wie die Tätigkeit in Entwicklungsländern und die Verbesserung sozialer und wirtschaftli399 Vgl. dazu auch Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 8. 400 Vgl. hierzu und zum Folgenden Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 255f.; vgl. ebf. Kuhlen: Die ethische Verantwortung von Unternehmen, S. 44. 401 Vgl. beispielsweise Marc Orlitzky u.a.: Corporate Social Responsibility and Financial Performance. A Meta-Analysis. In: Organization Studies 24 (2003), S. 403–441; vgl. auch Joshua D. Margolis/James P. Walsh: Misery Loves Companies. Rethinking Social Initiatives by Business. In: Administrative Science Quarterly 48 (2003), S. 268–305. 402 Porter/Kramer: Wohltätigkeit als Wettbewerbsvorteil, S. 43. 403 Vgl. hierzu und zum Folgenden Porter/Kramer: Wohltätigkeit als Wettbewerbsvorteil, S. 43.

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cher Bedingungen durch das Unternehmen würden diesem wiederum zu produktiveren Standorten und neuen Märkten verhelfen. Der Zusammenschluss von wirtschaftlicher Tätigkeit und sozialem Engagement diene somit den Interessen des Unternehmens und der Stakeholder gleichermaßen.404 Andere Kritiker legen den Akzent auf die Zivilgesellschaft. Weniger leicht widerlegen lässt sich deren Vorbehalt, dass freiwillige Initiativen und Vereinbarungen, bei denen Unternehmen und Wirtschaftsverbände eine tragende Rolle spielen, tatsächlich lediglich Versuche darstellten, staatlichen oder anders durchsetzbaren Regelungen zuvorzukommen.405 Zwei verwandte Argumente werden angeführt, die diese Argumentation stützen sollen: CSR ließe sich rein instrumentell einsetzen, um gesellschaftlichen Druck aufzufangen, wobei letztlich realiter nur partielle, oberflächliche oder lediglich auf Außenwirkung gerichtete Veränderungen realisiert werden. Eine Kritik, der sich die Unternehmenskommunikation in besonderer Weise stellen muss. Denn noch muss CSR erst beweisen, dass sie mehr ist als geschickte und findige Rhetorik der Vermarktungsexperten aus den Kommunikationsabteilungen der Unternehmen: „Für den kritischen Beobachter gilt […] die Faustregel: Die größten Halunken haben die buntesten und dicksten Broschüren und die schönsten Werte“, brachte Guido Palazzo entsprechende Bedenken auf den Punkt.406 Das zweite Argument besagt, dass Unternehmen sich durch CSRInitiativen Legitimität für ihr Handeln verschaffen, gleichzeitig aber das Heft in der Hand behalten, indem sie erstens die Probleme definieren, zweitens die Akteure bestimmen, die nach Lösungen suchen sollen, und drittens auch selbst über die Messinstrumente sowie die Form der Berichterstattung über die Ergebnisse entscheiden. Darin äußert sich die Besorgnis, dass der CSR-Diskurs im Wesentlichen durch Wirtschaftsunternehmen geprägt wird, hinter deren Eigeninteressen dann das Wohl der Gemeinschaft doch wieder zurücktritt.407 Erstaunlicherweise setzen sich bislang nur relativ wenige Arbeiten mit diesem Komplex der Kritik und der Frage auseinander, wie sich verantwortliches Handeln tatsächlich auf die Problemlösungen, Stakeholder oder andere Personengruppen, die davon profitieren sollen, auswirkt.408 Ob klugen und schönen Worten und hochtrabenden Verpflichtungserklärungen tatsächlich entsprechende verantwortungsvolle Taten folgen, lässt sich wohl nur am Einzelfall überprüfen. Im anschließenden Teil sollen die praktischen Auswirkungen unternehmerischer Verantwortungspolitik untersucht werden: Welche Konsequenzen erwachsen dem Unternehmen aus einer nachhaltig verfolgten CSR-Strategie und Verantwortungspolitik? Dazu soll untersucht werden, in welcher Weise sich verantwortliches unternehmerisches Handeln auf einen bestimm404 Vgl. dazu auch Kuhlen: Die ethische Verantwortung von Unternehmen, S. 45. 405 Vgl. dazu und zum Folgenden Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 256. 406 Guido Palazzo: Speakers Corner: Was halten Sie eigentlich davon, dass … Unternehmensethik derzeit in aller Munde ist? In: managerSeminare 98 (2006), S. 16–17, 16. 407 Vgl. Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 256. 408 Vgl. Berthoin Antal u.a.: Zukunft der Wirtschaft, S. 256.

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ten Teil der Stakeholder und eine wichtige Adressatenschicht dieser Maßnahmen auswirkt: die Mitarbeiter eines Unternehmens. Möchte man die Kritik an der CSR entkräften, schließt sich beinahe zwangsläufig der Kreis zum ersten Teil dieser Arbeit. Denn wie lässt sich grundsätzlich dem Vorwurf begegnen, die CSR diene nur als Mittel zum unlauteren Zweck, als Instrument zu Image- oder Profitzwecken, um Regulierungen von politischer Seite vorzubeugen oder als bloße Beschwichtigung und kosmetische Reaktion auf die selbstbewusst hervorgebrachten Ansprüche und Erwartungen der Stakeholder? Bei der Beantwortung dieser Frage gelangt man zurück zu den Grundlagen der Wirtschafts- und Unternehmensethik. Erinnern wir uns an das Postulat Peter Ulrichs, wonach Wirtschaften notwendigerweise in den Kontext der beiden klassischen ethischen Grundfragen gestellt ist. Vernünftiges Wirtschaften bedarf unabdingbar einer Wertorientierung und normativer Vorgaben.409 „Wirtschaftliches Handeln als genuin menschliches Handeln [ist] stets ethisch relevant“410 – das gilt analog auch für das Handeln korporativer Akteure. Durch die Ausrichtung auf das Ziel des Allgemeinwohls haben die Wirtschaftsunternehmen der Gesellschaft gegenüber immer ein Rechtfertigungsbedürfnis für ihr Handeln.411 Sie verfügen über die Möglichkeit, aber auch die moralische Verpflichtung als korporativer Akteur Verantwortung zu übernehmen. Dieser Umstand muss nicht erst mit ökonomischer Sachlogik als profitabel begründet werden, sondern erschließt sich bereits aus der Teilhabe der Unternehmen an sozialen Systemen: „Die Unternehmung verpflichtet sich gegenüber der Gesellschaft, d.h. allen Mitmenschen, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um aktiv durch richtiges Handeln die Idee eines sinnvollen menschlichen Lebens zu fördern.“412 Die konkrete Ausgestaltung der unternehmerischen Verantwortung kann nur auf der Grundlage einer freien Selbstverpflichtung erfolgen, die in der hermeneutischen Frage nach dem eigenen Selbstverständnis des Unternehmens in der Gesellschaft gründet. Für eine CSR sind immer Weltanschauungsfragen maßgebend – diese zu klären kann als „eine der vornehmsten Managementaufgaben in jedem Unternehmen“413 bezeichnet werden und bildet zugleich auch eine der größten Herausforderungen an die Unternehmenskommunikation. Corporate Social Responsibility, verstanden als den Prinzipien der Nachhaltigkeit und einem ehrlichen Stakeholderdialog verpflichtetes Management- und Kommunikationskonzept zur Umsetzung verantwortlichen unternehmerischen Handelns, bedarf also notwendig einer (wirtschafts)ethischen Fundierung. CSR kann weder als bloßer Business Case verstanden werden noch als Social Case, der lediglich 409 Vgl. Ulrich: Entgrenzte Marktwirtschaft, S. 42. 410 Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 11. 411 Vgl. hierzu und zum Nachfolgenden Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 11. 412 Elisabeth Göbel: Das Management der sozialen Verantwortung. Berlin 1992 (= Betriebswirtschaftliche Forschungsergebnisse 100), S. 61. 413 Schwartz: Corporate Social Responsibility, S. 11.

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zur Anwendung kommt, um langfristig eine bessere und stabilere Wertschöpfung zu generieren. CSR darf nicht einer kennzifferorientierten marktökonomischen Sach- und Systemlogik folgen, sondern sollte neben der Bündelung ökonomischer, ökologischer und sozialer Verantwortung ebenso inter- und intragenerative Gerechtigkeit anstreben, um so auch die Interessen derjenigen Anspruchsgruppen in den Blick zu nehmen, die diese nicht gegenüber dem Unternehmen artikulieren können. So wird CSR dem Postulat der Lebensdienlichkeit gerecht und kann Antworten geben auf die sich verschiebenden Aufgaben und Verantwortungsverteilungen zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. CSR könnte so auch helfen, Gerechtigkeits- und Regulierungslücken gleichermaßen zu schließen. Und zwar nicht, indem sie im Sinne der Ökonomik zu einem Teil der Rahmenordnung wird. Das wäre schon deshalb weder praxistauglich noch zeitgemäß, weil multinationale, global agierende Konzerne heute in unterschiedlichsten Rahmenordnungen operieren, die völlig unterschiedliche Anforderungen an die Unternehmen stellen, ihnen aber mit verschiedensten Gesetzes- und Regulierungslücken auch verschiedenste Möglichkeiten bieten, diese zum Zwecke der Profitmaximierung auszunutzen. Ihr Handeln bedarf deshalb eines verbindlichen unternehmensethischen Fundaments und die CSR kann hier womöglich tatsächlich in deren praktischer Umsetzung die postulierte Brückenfunktion der Unternehmensethik übernehmen und auf diese Weise eine ethische Orientierungsleistung erbringen. Möglicherweise könnte so das 21. Jahrhundert nicht als Zeitalter hemmungsloser Globalisierung und Ökonomisierung aller Lebensbereiche in die Geschichtsbücher eingehen, sondern als eine Epoche, in der große wie kleine Unternehmen sich entschieden zu ihrer Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt bekannten und eine nachhaltige „Ethisierung der Ökonomie“ (Schwartz) möglich wurde.

4. Zusammenfassung: Wirtschaften zwischen Ethik und Ökonomik Dass sich die primären Ziele unternehmerischen Handelns, ökonomisches Wachstum und Profit, dauerhaft nur durch einen vernünftigen, verantwortungsvollen und weitsichtigen, sprich: nachhaltigen Umgang mit Mitarbeitern, Umwelt und Gesellschaft erzielen lassen, hat diese Arbeit zu zeigen versucht. Insbesondere global agierende Unternehmen müssen sich an Legitimitätskriterien messen lassen und ihr Handeln vor jetzigen wie zukünftigen Generationen verantworten können. Zu diesem Zwecke wurde in dieser Studie dargestellt, wie sich unternehmensethische Konzepte in der Praxis strategisch anwenden lassen – zum Zwecke größtmöglicher Wertschöpfung für die anderen heute und in Zukunft, für die natürliche Umwelt, aber genauso für den eigenen ökonomischen Erfolg einer Unternehmung. Zugleich habe ich mich mit den Ansprüchen beschäftigt, die sogenannte Stakeholder – also Anspruchs- oder Interessensgruppen, die von den Wertschöpfungs-, aber auch Schadschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens direkt oder mittelbar betroffen sind – an Unternehmen stellen, welche normativen Kriterien sie an unternehmerisches Handeln anlegen und woraus sich diese ethischen Forderungen begründen. Dazu habe ich in der vorliegenden Arbeit ein dreistufiges Vorgehen gewählt: Erstens wollte ich exemplarisch anhand normativer Aussagen der Religion aufzeigen, wie das Bewusstsein für unternehmerische Verantwortung von den großen christlichen Kirchen theologisch und ethisch grundgelegt wird. Die ethischen Forderungen von Anspruchsgruppen an Unternehmen speisen sich nicht unwesentlich aus normativen Ressourcen, die von den wirtschaftsethischen Positionen der großen christlichen Kirchen geprägt werden. Darum, und aufgrund der spätestens mit Max Weber einsetzenden Auseinandersetzung über den Einfluss der Religion auf die Konzeption des homo oeconomicus und auf das Wirtschaftsleben, habe ich mich im ersten Teil meiner Arbeit den Ursprüngen dieser normativen Ressourcen, einigen exemplarischen Entwicklungsschritten wirtschaftsethischer Stellungnahmen der beiden großen christlichen Kirchen sowie deren modernen Ausformungen in Denkschriften oder Enzykliken gewidmet. Im zweiten Teil habe ich den Versuch unternommen, dieses Bewusstsein im Rahmen der wirtschaftsethischen Debatte zu unterbauen, indem ich wirtschaftsethische Ansätze in den Wirtschaftswissenschaften untersucht habe. Und schließlich wollte ich im dritten Teil im Sinne einer Bündelung der wirtschaftsethischen Fragestellung auf den Bereich der Unternehmensethik das Bewusstsein für Verantwortlichkeit und nachhaltiges Handeln von der Unternehmenspraxis her exemplifizieren, indem ich beschrieben habe, warum Unternehmen in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen und wie sich Konzepte verantwortungsvollen und nachhaltigen unternehmerischen Handelns im Rahmen von ganzheitlichen Management- und Kommunikationsstrategien implementieren und umsetzen lassen. Dazu habe ich die Entwicklung

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unternehmerischer Verantwortung nachgezeichnet und eingehender untersucht, worauf sie sich begründet und welche konkreten Auslöser dazu führen, dass Unternehmen sich entscheiden, nachhaltig und verantwortungsvoll zu handeln. Ziel war es, mithilfe der Betrachtung aktueller Konzepte unternehmerischer Verantwortungsübernahme, einer Untersuchung von deren Entwicklung, ihrer Funktion und ihrer gesellschaftlichen Anschlussfähigkeit zu einem Anforderungsprofil für nachhaltiges und verantwortliches unternehmerisches Handeln als Ausdruck unternehmerischer Ethik zu gelangen. Die Auseinandersetzung mit der Ethik des Wirtschaftens beginnt nicht erst in der Moderne. Fragen nach gerechter Teilhabe, Rechtfertigung und Moral sind seit jeher eng mit dem wirtschaftlichen Handeln des Menschen verbunden. Es gibt kein wirtschaftliches Handeln ohne normative Reflexion desselben und seiner Konsequenzen. Für diese moralische Reflexion hat die Religion eine wesentliche Bedeutung. Religion wie Wirtschaft sind zwei Handlungsfelder und Interaktionsformen, die für das menschliche Zusammenleben von elementarer Bedeutung sind. Religiöse Deutungssysteme erheben als Systeme der Lebensführung einen tiefgreifenden Anspruch hinsichtlich der Ordnung und Ausgestaltung menschlichen Zusammenlebens. Jede religiöse Ethik muss so auch Stellungnahmen zum wirtschaftlichen Handeln des Menschen enthalten. Da alle religiös fundierten Ethiken Aussagen über das Weltverhältnis machen, tragen sie maßgeblich zur Normierung und Gestaltung des ökonomischen Handelns der Gläubigen bei, weshalb sich das Verhältnis von Religion und Wirtschaft überhaupt erst durch den Einbezug der Ethik beschreiben lässt. Die Begriffe Wirtschaft und Wirtschaftsethik sind bezogen auf die Religion deshalb so eng miteinander verknüpft, weil sich eine bestimmte Wirtschaftsform überhaupt erst aus den Voraussetzungen einer religiös geprägten Kultur herausbildet. Treffen unterschiedliche Wirtschaftsformen aufeinander, so verändern sich entweder auch die Kulturen und mit ihnen ihre Religionen, oder aber die Wirtschaftsordnungen werden von den durch Kultur und Religion geprägten jeweiligen Wirtschaftsethiken umgeformt. Allerdings existiert keine kulturübergreifende oder global gültige Wirtschaftsethik: Die großen christlichen Kirchen weisen heute weder eine einheitliche Konzeption des Zusammenhangs zwischen religiösem Glauben, Ethik und ökonomischem Handeln noch hinsichtlich der theologischen Auslegung und Beurteilung der kapitalistischen Ökonomie der Moderne und ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft auf, wobei vor allem die Bedeutung ethischer Theoriebildung von katholischer und evangelischer Kirche sehr unterschiedlich gewichtet wird. Anhand einiger Schlaglichter aus der Theologie- und Kirchengeschichte habe ich in meiner Arbeit verdeutlicht, in welcher Weise die Entwicklung unserer Kultur von ihren biblischen Anfängen über ein aufgeklärtes, von einem rationalen Menschheitsethos geprägtes ethisches Fragen an Wirtschaft und wirtschaftliches Handeln, die Herausbildung einer eigenständigen katholischen Soziallehre und ei-

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ner protestantischen Sozialethik bis hin zu den Stellungnahmen der beiden großen christlichen Kirchen in der Gegenwart stets auch von der Suche und der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Wirtschaft und Ethik bestimmt war und wie die christlichen Kirchen dieses Verhältnis mit prägten. Christlicher Glaube und Kirche spielten eine wichtige Rolle für die Erzeugung, den Austausch und den Konsum von Gütern und nahmen so nicht nur Einfluss auf die Entwicklung von Theorien zum Verständnis des Wirtschaftsgeschehens, sondern auch auf die daraus gezogenen sittlich-moralischen Konsequenzen. Bereits in alttestamentarischer Zeit wurden jüdische Wirtschaft und Wirtschaftspraxis stark von den Grundlagen der Religion bestimmt. Das Neue Testament bietet zwar keine geschlossene Wirtschaftsethik, doch lassen sich einige grundlegende Charakteristika benennen wie das Anrecht des Menschen auf Befriedigung der materiellen und immateriellen Grundbedürfnisse des Menschen, soziale Mindestabsicherung durch die Gemeinschaft, die Bemängelung unlauteren Erwerbs und die Einschränkung der Zinsnahme und die dem Reichtum innewohnenden Gefahren. In vorkonstantinischer Zeit ließ sich im Zuge der zunehmenden Ausbreitung des Christentums in Römischem Reich und Gesellschaft sowie der wachsenden Verknüpfung mit traditionellen paganen Strukturen die paulinische Forderung nach wirtschaftlicher Autarkie der christlichen Gemeinden nur noch bedingt aufrecht erhalten. Die frühchristlichen Gemeinden waren so organisiert, dass aus vorhandenen beruflichen Qualifikationen ihrer Mitglieder möglichst großer wirtschaftlicher Nutzen erzielt werden konnte. Die Alte Kirche unterschied sich vor allem in der Hochschätzung der Arbeit von ihrer nichtchristlichen Umwelt. Infolge der Konstantinischen Wende kontrollierte das Christentum rasch Wirtschaftsleben und Geldhandel im Römischen Reich, wobei sich die kirchliche Hierarchie den ökonomischen Rahmenbedingungen der spätantiken Gesellschaft unter Aufrechterhaltung vorchristlicher Sozialstrukturen anpasste. Zwar kann für die Zeit der Alten Kirche nicht von einer Wirtschaftsethik als selbstständigem Bereich systematischer theologischer Reflexion gesprochen werden, doch haben Autoren der Alten Kirche in vielfacher Weise zu bestimmten ethischen Aspekten und Konsequenzen ökonomischer Abläufe Stellung bezogen. Im Mittelalter bemühte sich die Kirche entschieden um ein schlüssiges Konzept einer Wirtschaftsethik, das häufig als scholastische Wirtschaftsethik bezeichnet wird. Vor allem die tiefgreifende Veränderung des Handels im späten Mittelalter trug entscheidend zur scholastischen Wirtschaftslehre bei, die sich zu einem wesentlichen Teil als moralischer Leitfaden für Kaufleute verstehen lässt. Die maßgeblichen Autoren unterschieden zwischen Regeln der inneren Gerichtsbarkeit, die relevant vor dem eigenen Gewissen bzw. im Beichtstuhl waren und als Niederschlag des göttlichen Gesetzes betrachtet wurden, sowie freien Einstellungen gegenüber dem Handel, welche von der kirchlichen, äußeren Gerichtsbarkeit als externe Instanz dem römischen Recht entnommen waren. Die Übersetzungen der

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Nikomachischen Ethik und der Politik des Aristoteles lieferten weitere Anregungen für Überlegungen zur Wirtschaftstätigkeit, so dass die scholastische Wirtschaftsethik eine Synthese aus diesen Elementen darstellt. Der geistig-kulturelle Aufbruch während Renaissance und Humanismus, die Entdeckungsfahrten der Portugiesen und Spanier, die Reformation und in ihrer Folge die Konfessionalisierung leiteten eine neue Epoche in der wirtschaftlichen Entwicklung Europas ein. Parallel zu einer ersten Frühindustrialisierung bildete sich aus dem mittelalterlich-feudalistischen Personenverbandsstaat der frühmoderne institutionelle Territorialstaat aus, dessen Herrschaft immer weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens umfasste. Im Rahmen seines Gewaltmonopols agierte der Staat zunehmend wirtschaftspolitisch, ergriff Maßnahmen zur Förderung der Infrastruktur und reglementierte verstärkt Wirtschaft, Handel und Gewerbe. Mit der Konfessionalisierung kam es zu einer veränderten, rationalen Weltsicht, die sich auch auf die Ökonomie auswirkte. Renaissance, Humanismus und Reformation führten durch die „Entdeckung“ des Individuums und der Förderung des Gewinnstrebens zu Veränderungen in der Wirtschaft. Allgemein übten die Reformatoren – wie schon zuvor die Scholastiker – vor allem biblisch begründete Kritik am Gewinnstreben. Trotz dieser Skepsis gegenüber den ökonomischen Prozessen der Zeit lässt sich bei Martin Luther aber ein gewisses Verständnis für die Kapitalbedürfnisse der aufstrebenden Wirtschaft feststellen. Luthers Aussagen stehen dabei immer wieder im Zusammenhang mit theologischen Gerechtigkeitsvorstellungen: Neben der ausgedehnten Kritik an Wucher und Monopolbildung spricht sich Luther auch eindeutig gegen eine Eigengesetzlichkeit des Wirtschaftssystems aus. Auf Luthers Ablehnung einer normativen Autonomie des Wirtschaftens greifen später sowohl Vertreter der christlichen Soziallehre als auch neuere wirtschaftsethische Ansätze, wie etwa die integrative Wirtschaftsethik Peter Ulrichs, zurück. In der Schweiz hatte die reformierte Tradition andere Nachwirkungen. Johannes Calvin brachte unter den Reformatoren das größte Verständnis für das neu entstehende Geldwesen auf, obschon auch Calvin die Selbstzweckhaftigkeit des Gewinnstrebens ablehnte. In gleicher Weise wie Luthers Lehre vom allgemeinen Priestertum förderte die reformatorische Theologie durch ihr verändertes Verständnis von christlicher Freiheit die Ablösung der mittelalterlichen Gesellschafts- und Herrschaftsordnung. Arbeit und Beruf erfahren in der reformatorischen Theologie in Form eines originären wirtschaftsethischen Konzeptes eine Neubewertung als christliche Berufung, indem die vita activa anstelle der vorher einseitig in den Vordergrund gestellten vita contemplativa stärker in den Mittelpunkt rückte. Bereits im ausgehenden 17. sowie im 18. Jahrhundert wurden auch Fragen nach denkbaren Zusammenhängen zwischen religiösem Glauben und wirtschaftlichem Handeln erörtert. Schon im 18. Jahrhundert machten Gelehrte in Auslegung und Lösung ethischer Problemstellungen tiefgreifende Unterschiede zwischen den

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christlichen Konfessionskirchen aus. Ab dem frühen 19. Jahrhundert standen die grundlegenden Unterschiede in den von Konfessionskirchen und Sekten vertretenen Konzepten idealer christlicher Lebensführung sowie die spezifischen religiössittlichen Bildungs- und Sozialisationsprozesse im Fokus von Theologie und Kulturwissenschaften. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstand parallel zum Umbruchsprozess von der vorindustriellen, traditionellen Wirtschaftsgesellschaft zur modernen Industriegesellschaft eine regelrechte Fülle theologischer Literatur zur Wirtschaftsethik einschließlich päpstlicher Enzykliken und protestantischer kirchlicher Verlautbarungen. Im Zuge der fundamentalen sozialen Wandlungsprozesse in Folge der Industrialisierung sahen sich die christlichen Kirchen mit der Herausforderung konfrontiert, Gegenmodelle zur frühkapitalistischen Ethik zu entwickeln und ihr ein anderes Wertesystem entgegenzustellen. Besonders die unerwünschten Folgen, die die Industrialisierung nach sich zog, beschäftigten im 19. Jahrhundert zahlreiche Theologen: Die Soziale Frage als eine der wesentlichen Konsequenzen der Industrialisierung wurde in den entstehenden Fabriken und ihren Arbeits- und Produktionsbedingungen zu einer moralisch-sittlichen Frage, die zu einer ethischen Auseinandersetzung und Positionierung von Religion und Kirche aufforderte. Die Auseinandersetzungen um die mit der Industrialisierung einhergehenden Probleme schärften das soziale Profil des Katholizismus entscheidend. Ab dem frühen 19. Jahrhundert reagierten katholische Intellektuelle auf die Auflösung des feudalen Gemeinwesens und die Herausbildung der modernen bürgerlichen Gesellschaft mit der Entwicklung einer umfassenden eigenständigen Soziallehre. Die Reaktionen reichten von Forderungen nach einer Rekatholisierung bis zur Idee einer umfassenden ständischen Gesellschaftsreform. Die weitere Beschleunigung der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verhalf der pragmatischen Sichtweise einer partiellen Sozialpolitik zur Durchsetzung, wonach in der bestehenden Wirtschaftsordnung das Möglichste getan werden müsste, um die Mängel und Auswüchse der kapitalistischen Produktionsweise zu überwinden. 1891 wies das Rundschreiben Rerum novarum Papst Leos XIII. in dieselbe sozialpolitische Richtung, als es sich entschieden gegen Klassenkampf und zugunsten in „Freiheit und Gerechtigkeit“ ausgehandelter Arbeitsverträge aussprach. Der Anspruch der katholischen Soziallehre ist fundamental ethischer Natur. Ihre Vertreter sind beteiligt an den (sozial)ethischen Ermittlungs-, Orientierungsund Urteilsprozessen ihrer Zeit, wobei ihre normativen Zielvorstellungen auf die Errichtung einer gesellschaftlichen Ordnung ausgerichtet sind, die sich gleichermaßen an Gemeinwohl, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit orientiert. Grundsätzlich müssen die Dokumente der katholischen Sozialverkündigung immer auch als zeitbedingte, geschichtlich-kontingente Stellungnahmen gelesen und begriffen werden, deren zentrale wirtschaftsethische Aussagen überdies eine kontinuierliche Fortschreibung, Differenzierung und Modifizierung erfahren. Obwohl also nicht von einem wirtschaftsethischen Lehrgebäude der katholischen Soziallehre gespro-

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chen werden kann, existiert in den Texten lehramtlicher Sozialverkündigung eine Reihe konzeptioneller wirtschaftsethischer Leitbilder. Sie erschließen sich aus der Zeitgenossenschaft der katholischen Soziallehre, die sich daraus erklären lässt, dass sich die Sozialverkündigung immer als Reflex auf gesellschaftliche Entwicklungen verstanden hat. Das 20. Jahrhundert brachte neben nie dagewesenen politischen Umwälzungen schwerwiegende Veränderungen der Wirtschaftsordnungen und -verfassungen und stellte katholische Soziallehre und evangelische Sozialethik gleichermaßen vor große programmatische Herausforderungen. Gemeinsam mit der historisch-ethischen Nationalökonomie und den Sozialethikern des lutherischen Sozialkonservativismus nahm die katholische Soziallehre entscheidenden Einfluss auf die Begründung und Ausformung des modernen deutschen Sozialstaats als korporatistisch-konservatives Wohlfahrtsregime. Indem die katholische Soziallehre darüber hinaus zur Formulierung der großen päpstlichen Sozialenzykliken beitrug, schuf sie die Grundlagen für die Herausbildung eines katholischen Sonderwegs zwischen liberalem Individualismus und sozialistischem Kollektivismus. Dabei wurden nach dem Ersten Weltkrieg vom Universalismus beeinflusste revolutionär-konservative Ständeutopien ebenso verworfen wie die seit Beginn des Jahrhunderts entwickelten Modelle eines christlichen Sozialismus. Im Lehramt zeigt sich in den Enzykliken der damaligen Zeit die Tendenz einer moderaten Anerkennung und sozial-institutionellen Begrenzung des Marktes (so etwa in der Enzyklika Quadragesimo anno Papst Pius’ XI. aus dem Jahr 1931). Die vom Jesuiten Heinrich Pesch im Rahmen seines Solidarismuskonzepts sowie von dessen geistigen Erben entwickelte Vorstellung eines von der Kirche gewiesenen dritten Wegs zwischen liberaler Ökonomik und Sozialismus blieb in der katholischen Soziallehre über einen langen Zeitraum bestimmend. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen sowohl Protestantismus als auch Katholizismus signifikanten Einfluss auf die neue Gesellschafts- und Wirtschaftsform der Sozialen Marktwirtschaft. Insbesondere die im deutschen Widerstand entwickelten wirtschaftspolitischen Leitlinien lehnten sich eng an die sozialethische Tradition des Protestantismus an. Der Nationalökonom Alfred Müller-Armack strebte mit der Sozialen Marktwirtschaft einen praktischen Ausgleich der Ziele der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit an, was der Tradition der protestantischen Sozialethik wie der katholischen Soziallehre in gleicher Weise entsprach. Zur einflussreichsten wirtschaftspolitischen Richtung avancierte in der Bundesrepublik der sogenannte Ordoliberalismus. Dessen Kennzeichen ist der von der Freiburger Schule entwickelte Ordo-Gedanke einer vom Staat zu gewährleistenden Wettbewerbsordnung. Die lehramtlich dokumentierte Sozialverkündigung stellt eine Ausweitung der kirchlichen Moralverkündigung auf soziale Probleme dar, als deren Ursache der neuzeitliche Wandel in den Grundlagen und Strukturen politisch-ökonomischer

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Ordnungen und Prozesse angesehen wird. Inhaltlich nehmen die Sozialenzykliken zumeist eine kritische Sozialanalyse „im Lichte des Evangeliums“ vor, die in die Form einer Grundlagenreflexion über eine Vielzahl häufig auch recht unterschiedlicher Themen eingebunden ist. So entsteht ein vielfältiges, bisweilen heterogenes Geflecht aus ethischen Postulaten und Paränesen, Denkanstößen und praktischen Handlungsvorschlägen bis hin zu weitreichenden Überlegungen zur Verfassung einer Weltgesellschaft. Besonders die lehramtlichen Verlautbarungen der zurückliegenden knapp 50 Jahre nach dem Zweiten Vaticanum versuchen eine Brücke zwischen einer grundlegend auf dem Eigentum basierenden und damit immer eigennutzorientierten Wirtschaft und dem Gemeinwohl zu schlagen. Dass diese Lösungen nicht zu einem vollständigen wirtschaftsethischen Konzept bzw. System führten, ist auch darauf zurückzuführen, dass kirchliche Sozialverkündigung zu keiner Zeit ein solches Vorgehen beabsichtigte. In jüngster Zeit führte die Entwicklung der globalen Ökonomie, insbesondere in Folge des Zusammenbruchs der sozialistischen Staatenwelt, zu einer verstärkten Beschäftigung der katholischen Soziallehre mit der eigenen Rationalität kapitalistischer Ökonomie. Hundert Jahre nach der Enzyklika Rerum novarum Leos XIII. erschien 1991 Johannes Pauls II. Enzyklika Centesimus annus als Reaktion auf die wirtschaftspolitischen und wirtschaftsethischen Herausforderungen nach dem Ende des Kalten Krieges. Neben der Betonung der Grenzen des Marktes und der Warnung vor einer Ökonomisierung aller Lebensbereiche enthält die Enzyklika eine scharfe Anklage des hedonistischen, konsumistischen und oberflächlichen Lebensstils der westlichen Gesellschaften. In der aktuellsten und zugleich ersten Sozialenzyklika Papst Benedikts XVI. Caritas in veritate aus dem Juli 2009 stellt dieser die besondere Bedeutung von „Gerechtigkeit“ und „Gemeinwohl“ für die „Entwicklung in einer Gesellschaft auf dem Weg zur Globalisierung“ heraus und setzt sich kritisch mit der Globalisierung, der Tätigkeit von Investoren und den daraus resultierenden Entwicklungen auseinander. Um die Regierungen zur als notwendig erachteten engeren Zusammenarbeit zu verpflichten, wird die Einrichtung einer „echten politischen Weltautorität“ gefordert. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellten insbesondere der Prozess der Globalisierung und das Thema einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung zur Förderung der ärmeren Länder die Kirchen und die christlich fundierte Sozialethik gleichermaßen vor neue Aufgaben. In jüngerer Zeit kann ein zunehmendes ökumenisches Auftreten der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland beobachtet werden, wobei offensichtlich die Absicht geteilt wird, angesichts des globalen Wandels und der kapitalistischen Rationalisierungsprozesse den sozialethischen Forderungen und Programmen der beiden Kirchen verstärkt Gehör zu verschaffen. Im 1997 veröffentlichten Gemeinsamen Sozialwort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ werden mit „Zu-

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kunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit“ für die katholische Soziallehre neue Leitkategorien etabliert. Der sozial und ökologisch geprägte Nachhaltigkeitsbegriff korreliert dabei mit dem Solidaritätsprinzip, das nicht nur intragenerativ verstanden wird, sondern bewusst auch Verantwortung für zukünftige Generationen mit einschließt. Trotz grundsätzlicher Zustimmung zum marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem wahren die Kirchen darin ihre traditionelle Skepsis gegenüber der liberalen Ökonomik. In der deutschsprachigen evangelischen Sozialethik nahmen wirtschaftsethische Themen zu früheren Zeiten eher eine Randposition als unselbstständige Abschnitte innerhalb der Ethik oder Sozialethik ein. An der Entwicklung und Ausformung einer evangelischen Soziallehre – und entsprechender wirtschaftsethischer Positionen – war die evangelische Kirche erst zu einem relativ späten Zeitpunkt beteiligt. Die evangelische Kirche nahm erst nach dem Zweiten Weltkrieg einen Öffentlichkeitsauftrag wahr. Entsprechend kam es erst dann zu offiziellen kirchlichen Stellungnahmen zu wirtschaftsethischen Themen, in der Regel in Form von Denkschriften. Weit vor diesen offiziellen Stellungnahmen gab es jedoch sowohl eine Vielzahl unterschiedlicher wirtschaftsethischer Aussagen evangelischer Wissenschaftler, die sich um eine wirtschaftsethische Systematik bemühten, als auch eine von einem breiten innerkirchlichen Konsens getragene evangelische Soziallehre. Von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung des deutschen Sozialstaats waren freie Initiativen von protestantischen Kirchenmitgliedern, die gemäß ihres Verständnisses christlichen Glaubens, christlicher Ethik und weltlicher Verantwortung zu Problemen der Politik und Wirtschaft Stellung bezogen. Seit dem 19. Jahrhundert traten in der evangelischen Soziallehre neben die klassischen Themen christlicher Ethik weitere Themen wie Mitbestimmung, die Beschränkung der Unternehmergewalt und sozialstaatliche Verpflichtung. Besonders aber die Wirtschaftsordnung als solche und deren ethische Anerkennung und Begründbarkeit wurden zu einem der Hauptgegenstände wirtschaftsethischer Reflexion. Besonders die Auseinandersetzung mit den wirtschaftlich-sozialen Umwälzungen und den daraus folgenden Missständen rückte verstärkt in den Fokus der evangelischen Soziallehre. Die evangelischen Stellungnahmen unterschieden sich in ihrer Analyse der Gründe für die Soziale Frage stark von den katholischen Positionen. Dabei herrschte vor allem eine negative Sichtweise des technischen Fortschritts sowie der (Groß-)Stadt vor. Das vorherrschende soziale Elend wurde auf die Entchristlichung der Gesellschaft zurückgeführt. Insgesamt verstand sich der soziale Protestantismus als Gegenbewegung zu den aufkommenden marxistischen und sozialistischen Vorstellungen. Im Gegensatz zur katholischen Soziallehre wurde die evangelische Sozialethik in deutlich engerem Kontakt zu den positiven Kulturwissenschaften und der modernen Nationalökonomie entwickelt und stellte stärker auf Arbeit, Verantwortung und Pflichterfüllung des Menschen ab. Außerdem wurde ein starker monarchischer Gemeinwohlstaat für die erhoffte Integration des Gemeinwesens und die Zü-

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gelung der Marktkräfte präferiert, der eng verknüpft mit der Volkskirche einen einheitlichen gesellschaftlichen Ethos gewährleisten sollte. Entsprechend verlangten evangelische Reformer während des Kaiserreichs die Ausrichtung der Politik am Gemeinwohl aller, hielten entsprechend staatliche Interventionen und Regulierungen in der Wirtschaft für notwendig und möglich und sprachen dem Staat in der Tradition eines protestantischen Staatsdenkens eine höchste, unbedingte Autorität zu. Die evangelische Theologie während des Kaiserreichs gewann nachhaltigen Einfluss auf die praktische Reformpolitik und war von entscheidender Bedeutung zuerst für den Auf- und dann auch den weiteren Ausbau des Sozialstaats. Der Protestantismus im Wilhelminischen Deutschland war in eine liberale Kulturtheologie und eine konfessionelle Kirchentheologie gespalten, die allerdings in der Einforderung von Gesellschaftsreformen wie auch in der scharfen Abgrenzung vom römischen Katholizismus und dem materialistischen Sozialismus übereinstimmten. Sozialethische Debatte und Maßnahmen der Sozialreform wurden im deutschsprachigen Protestantismus vom 1890 gegründeten Evangelisch-Sozialen Kongreß weiter vorangetrieben, welcher der staatlichen Sozial- und Gesellschaftspolitik zahlreiche wichtige Impulse verlieh. Zu den grundlegenden Themen der modernen Kulturwissenschaften zählt die Frage nach der Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung des okzidentalen Betriebskapitalismus. Insbesondere mit Max Weber und seiner berühmten Studie Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus sowie den Arbeiten von Ernst Troeltsch setzt eine religionssoziologische Beschäftigung mit den Wechselwirkungen zwischen einer kulturell-religiös geprägten Wirtschaftsethik und der Wirtschaftsform eines Kulturraums ein, deren Ergebnisse bis heute kontrovers diskutiert werden. Nach Weber waren für die Herausbildung des Wirtschaftslebens als Element moderner Kultur und für die Entstehung ökonomischer Rationalität vor allem lutherische und calvinistische Positionen von Bedeutung. In einer ausführlichen Analyse von Luthers Konzept des weltlichen Berufs des Christen erbrachte Weber den Nachweis, dass die Reformation im Verhältnis zur katholisch-mittelalterlichen Tradition eine äußerst folgenreiche theologische Neubewertung der menschlichen Arbeit vorgenommen habe. Weber gelangt zu der Einschätzung, dass die Frömmigkeit des Calvinismus, vor allem die Prädestinationsgewissheit, den Anstoß zu extrem disziplinierter Berufsarbeit und in deren Folge zu innerweltlicher Askese gegeben habe, die wiederum dem Prozess der Kapitalbildung wesentliche Impulse verliehen habe. Das Ende des Staatskirchentums mit der Gründung der Weimarer Republik bedeutete für die sozialethische Orientierung der evangelischen Theologie einen tiefgreifenden Einschnitt. Der deutsche Protestantismus lehnte die bürgerlich-liberale Ausrichtung der Weimarer Republik überwiegend ab. Lediglich die liberale Theologie um Adolf von Harnack, Ernst Troeltsch, Martin Rade und Otto Baumgarten befürwortete die neue staatliche, kirchliche und gesellschaftliche Ordnung.

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Die 1927 von Georg Wünsch veröffentlichte Evangelische Sozialethik steht paradigmatisch für die während der Weimarer Republik zunehmend aufkommende Bewegung eines Religiösen Sozialismus. Für die wirtschaftsethischen Überlegungen zur Neuordnung des bundesdeutschen Wirtschaftssystems nach dem Zweiten Weltkrieg waren vor allem die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur prägend. Mitglieder des bürgerlich-christlichen Widerstands und der Bekennenden Kirche entwickelten während des totalitären NS-Regimes programmatisch und interdisziplinär aus ihrem Selbstverständnis als Christen eine Ordnungsalternative, indem sie unter Einsatz ihres Lebens ihre Mitverantwortung für einen zukünftigen Rechts- und Sozialstaat auf Basis einer freiheitlichen und sozialen Wirtschafts- und Sozialordnung formulierten. Aus diesen Vorstellungen ging das in der sog. Freiburger Schule vom Nationalökonomen und Religionssoziologen Alfred Müller-Armack später als „Soziale Marktwirtschaft“ bezeichnete und von Ludwig Erhard politisch umgesetzte Konzept hervor, das als Alternative zur kommunistischen Planwirtschaft wie auch zur nationalsozialistischen Kommandowirtschaft, aber auch als Gegenmodell zu einem Laissez-faire-Kapitalismus verstanden wurde. Die Begründung und Entwicklung der Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft und des deutschen Sozialstaats entstand unter maßgeblichem Einfluss und wesentlicher Beteiligung der evangelischen Sozialethik und ihrer Protagonisten. In den zurückliegenden Jahrzehnten kann eine vermehrte und intensivere Beschäftigung der evangelischen Sozialethik mit wirtschaftsethischen Themen beobachtet werden. Die Schwerpunkte der Denkschriften der evangelischen Kirche lagen über einen langen Zeitraum auf sozialpolitischen Empfehlungen und Forderungen. 1991 wird mit der Denkschrift Gemeinwohl und Eigennutz. Wirtschaftliches Handeln in Verantwortung für die Zukunft eine prinzipielle Reflexion wirtschaftsethischer Prinzipien vorgenommen. Die Denkschrift widmet sich insbesondere der wirtschaftlich-sozialen Situation Deutschlands infolge der „Wiedervereinigung“. Darin wird eine Klärung des Verhältnisses zur Wirtschaftsordnung vorgenommen, die allgemein als Annäherung an die Soziale Marktwirtschaft interpretiert und teilweise heftig kritisiert wurde. Im Juni 2008 veröffentlichte die EKD ihre Denkschrift Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, in der sie sich ausführlich mit den Bedingungen, Herausforderungen und Möglichkeiten des Unternehmertums in einer globalen Welt befasst. Die bereits in Gemeinwohl und Eigennutz vorgenommene Annäherung und grundsätzliche Bejahung der Sozialen Marktwirtschaft wird in der Denkschrift aufgegriffen und fungiert als Grundlegung und Voraussetzung für die Stellungnahme, die sich als Versuch einer Vermittlung zwischen christlich-evangelischen Positionen und kapitalistischem Wirtschaftssystem sowie seinen Protagonisten versteht. Wie ihre Vorgängerin fordert die Denkschrift eine Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft zu einer „ökosozialen Marktwirtschaft“.

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(Teilweise überzogene) Kritik von Teilen der evangelischen Theologie erfuhr vor allem die in der Denkschrift vorgenommene grundsätzliche Bejahung der Sozialen Marktwirtschaft. Fragwürdig indes erscheint vielmehr das übergroße Vertrauen der Denkschrift in das Wohlfahrtspotential der weltweiten Kapitalmärkte sowie in die Möglichkeiten des Wettbewerbs als Regulativ, der innerhalb eines Ordnungsrahmens sozialen Ausgleich, Solidarität und Gerechtigkeit gewährleisten könne. Dieses Vertrauen wurde durch die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise schwer erschüttert. Als „Schwarzer Montag“ veränderte der 15. September 2008 die Welt. Mit der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers erreichte die Krise der Finanzmärkte ihren Höhepunkt und ihren symbolischen Wendepunkt zugleich: Eine Wirtschaftskrise globalen Ausmaßes hatte sich entwickelt, deren Auswirkungen Wirtschaft und Arbeitsmärkte weltweit hart traf. Offensichtlich wurde dabei auch eine weitere Folge des weltweiten Globalisierungsprozesses: Die gravierenden ökonomischen Probleme der wirtschaftlich starken Staaten wirkten sich direkt auf die schwächeren Staaten aus – mit zum Teil dramatischen Konsequenzen für die soziale, humanitäre und sicherheitspolitische Situation. Dabei geht es vor allem um ein Gerechtigkeitsproblem: Unternehmen genießen auf den globalen Märkten eine Bewegungsfreiheit, die den Nationalstaaten und den Konsumenten als Zivilgesellschaften gleichermaßen verwehrt bleibt. Die negativen Konsequenzen dieser Freiheiten haben hingegen nicht die Unternehmen, sondern vor allem die Menschen zu tragen. Im Falle verfehlter Unternehmenspolitik wird der Staat in die Pflicht genommen, Lösungen zur Eindämmung der sozialen Folgewirkungen bereitzustellen. Es ist offensichtlich, dass ohne die im Sinne John Rawls „gefühlte“ Gerechtigkeit sowohl in den nationalen Ökonomien als auch in der global kommunizierenden Welt- bzw. Zivilgesellschaft der Konsens über die privatwirtschaftlichen Grundlagen von Produktion und Handel verloren zu gehen droht. Die Unternehmen sind daher aufgefordert, von sich aus verantwortungsvoll und nachhaltig zu handeln, damit mit der Systemfrage nicht auch ihre eigene Existenzgrundlage in Gefahr gerät. Während der vergangenen Jahre erlebte die Wirtschafts- und Unternehmensethik eine spürbare Konjunktur. Die verstärkte Hinwendung zu ethischen Fragen war dabei als Antwort auf die tiefgreifenden Veränderungen innerhalb der Wirtschaft zu verstehen, bei denen die Folgen einer immer weiter schreitenden Globalisierung aller Wirtschaftsbereiche und einer einseitig auf Steigerung von Gewinnen ausgerichteten Unternehmensführung verstärkt zu Tage traten. Dabei standen steigenden Unternehmensgewinnen der Abbau von Sozialleistungen, sinkende Realeinkommen, eine fortschreitende Belastung und Zerstörung der natürlichen Umwelt und die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich als Konsequenzen der vorherrschenden Wirtschaftspraxis gegenüber. Im Angesicht der Folgen der weltweiten Finanzkrise erfuhr die Frage nach Ethik und Moral in

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der Wirtschaft eine Aktualisierung. Gleichwohl konzentrierte sich die Reaktion auf die Krise in der öffentlichen und politischen Debatte auf die Suche nach deren vordergründigen Ursachen. Kurzfristige Renditeziele, fehlende Nachhaltigkeit und die Profitgier der handelnden Akteure in der Wirtschaft wurden als Hauptprobleme ausgemacht. Nationale und internationale Politik reagierten darauf vor allem mit einer Anpassung der Regeln der Rahmenordnung in Form von Vereinbarungen über eine verstärkte Kontrolle von Ratingagenturen und Hedgefonds sowie zur Regulierung und Überwachung aller Marktteilnehmer, Produkte und Märkte, um eine zukünftige Wiederholung der Krise zu verhindern. Seltsamerweise bleibt trotz des augenscheinlichen Gerechtigkeitsproblems der Aspekt der Verantwortung, die Unternehmen als global player wie auch die lenkenden Personen in den Unternehmen für ihr Verhalten übernehmen können und sollten, jedoch nahezu vollständig ausgeklammert. Dabei sollten die Unternehmen ein vitales Eigeninteresse haben, sich gerade in der Krise zu ihrer Verantwortung im Sinne einer intra- und intergenerativen Gerechtigkeit zu bekennen. Ein Schlüssel unternehmerischer Verantwortung liegt im Vertrauen begründet, das als elementare Grundlage verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns erscheint. In der neoklassischen Wirtschaftstheorie, die gegen Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Ausgang nahm und bis weit ins 20. Jahrhundert bestimmend für das ökonomische Denken blieb, galt Vertrauen als an einem idealen Markt verzichtbare Größe, da sie sich weder einfach mit Kennziffern belegen noch berechenbar machen ließe. Die eminente Bedeutung von Vertrauen als ethischer Begriff hat gerade die globale Wirtschaftskrise verdeutlicht, die in ihren Ursachen, in ihrer Entwicklung und in ihren Folgen vor allem auch eine Vertrauenskrise ist. Neben dem Vertrauensverlust der Banken untereinander wurde besonders das Vertrauen zahlreicher gesellschaftlicher Anspruchsgruppen gegenüber der Stabilität von Anlagen und Märkten, aber auch gegenüber den Lenkern der Wirtschaft sowie dem Wirtschafts- und Finanzsystem als Ganzem tief enttäuscht. Die Lösung dieser Vertrauenskrise muss als vordringliches Ziel der Wirtschaft und der Unternehmen als handelnde Akteure betrachtet werden, wofür maßgeblich die gewandelte Rolle und das veränderte Verhalten gesellschaftlicher Anspruchsgruppen als Stakeholder verantwortlich ist. Ihrer gewachsenen Macht und der Bereitschaft, von ihrem Einfluss als Konsumenten auf die Märkte Gebrauch zu machen, ist es zu verdanken, dass sich die Frage nach der unternehmerischen Verantwortung in den zurückliegenden Jahrzehnten zu einer Grundfrage in Unternehmensmanagement und -philosophie entwickelte. Unternehmen sehen sich in zunehmendem Maße mit gesellschaftlichen Anliegen und Forderungen konfrontiert, die nicht auf die traditionellen Marktbeziehungen reduziert werden können. Stakeholder erwarten heute von Unternehmen, sich ihrer ökonomischen, ökologischen und sozialen Verantwortung zu stellen. Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung unter dem Begriff und Konzept der Corporate Social Responsibili-

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ty (CSR) hat sich zu einem zentralen Thema der Unternehmensleitung und -führung entwickelt. Da nachhaltiger unternehmerischer Erfolg und der Wert eines Unternehmens wesentlich vom Vertrauen der Kunden und Verbraucher als gesellschaftliche Anspruchsgruppe abhängt, stellt der Vertrauensverlust im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise für die Unternehmen ein ernstes wirtschaftliches Problem dar. Die Unternehmen haben einen ungleich höheren ökonomischen Schaden, als ihnen durch die eigentliche Krise entstanden ist, aufgrund der Tatsache zu befürchten, dass das Vertrauensverhältnis zu wichtigen Anspruchsgruppen zerrüttet ist. Die sukzessive Rückgewinnung verloren gegangenen Vertrauens bei verschiedensten Anspruchsgruppe – unter anderem durch transparente, glaubwürdige und ehrliche Kommunikation – ist daher einer der wichtigsten Schlüssel zur Überwindung der Krise. Ihre Folgen können nicht allein von der Politik gelöst werden. Die Schaffung eines vernünftigen Regelwerks, das künftig als verbindlicher Rahmen die schlimmsten Verirrungen und Verfehlungen an den Märkten verhindern soll, ist zwar notwendig, um aber dem System wieder nachhaltig Stabilität zu verleihen, ist es erforderlich, dass sich die Wirtschaft und damit in erster Linie die handelnden Akteure selbst in die Pflicht nehmen: Bedingung zur Wiederherstellung des dringend notwendigen Vertrauens aller Stakeholder ist dabei unternehmerisches Handeln, das sich konsequent an den Kriterien von Nachhaltigkeit und Verantwortung ausrichtet. Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise blieb auch für die wissenschaftliche Landschaft nicht folgenlos. Sie übernahm die Rolle eines Katalysators, der zu einem handfesten Richtungs- und Methodenstreit über die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften und deren gesellschaftlichen Einfluss führte. Dahinter verbirgt sich die tiefer gehende Problematik des Prinzips der Wertfreiheit in der Wissenschaft, das in kaum einer Disziplin so überzeugt postuliert und verteidigt wurde wie in den Wirtschaftswissenschaften. Viele Fachvertreter mieden das Eingeständnis, dass wirtschaftspolitische Aussagen immer auch normative Analysen voraussetzen, die per se ethische Relevanz haben. Diese Ablehnung stand dabei in einem merkwürdigen Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung, in der sich Fragen nach Ethik und Moral in der Wirtschaft bereits seit vielen Jahren hoher Konjunktur erfreuten. Doch wächst mittlerweile in den Wirtschaftswissenschaften das Unbehagen gegenüber einer rein quantitativ verstandenen Ökonomik und ihren mathematisierten Erklärungsmodellen. Darüber steht die grundlegende Frage, ob modernes Wirtschaften überhaupt mit Ethik oder gar mit Moral in Beziehung gesetzt werden kann. Hatte diese Frage über lange Zeit vornehmlich im fachwissenschaftlichen Diskurs eine wichtige Rolle gespielt, machten die Krise, ihre Folgen und die Debatte um die ethischen Grundlagen des Wirtschaftens nicht nur deren Aktualität, sondern vor allem deren erhebliche praktische Relevanz sichtbar. Es wurde deutlich, dass weit mehr von der Verhältnisbestimmung zwischen Ethik und Ökonomik abhängt als die Lösung einer gelehrten Diskussion. Die offenkundig mangelhafte Im-

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plementierung wirtschaftsethischer Grundsätze und Leitlinien in der ökonomischen Praxis nimmt insbesondere die Wissenschaft in die Pflicht zur Klärung des Zuordnungsverhältnisses von Ethik und Ökonomik. Diese Auseinandersetzung bietet gerade den Wirtschaftswissenschaften Chancen, Antworten auf die komplexen sozialen Probleme der Gegenwart zu finden und so ihre eigene gesellschaftliche Legitimität zu unterstreichen. Historisch war das Verhältnis zwischen Ethik und Ökonomik zumeist von Schwierigkeiten und Belastungen geprägt, immer wieder erschienen sie miteinander gänzlich unvereinbar: Neoliberale Wirtschaftswissenschaftler postulierten die ausschließliche Ausrichtung unternehmerischer Ziele an der Maximierung des Shareholder Value, dagegen ist für modernere Vertreter die Ökonomik per se ethisch, wobei Ethik verengt als normative Disziplin erscheint, die Regeln und Handlungsanweisungen liefert. Angesichts eines solch unumschränkten Glaubens an die Selbstorganisations- und -regulierungskräfte des Marktes erschien der ideologiekritischen Wissenschaft eine Verbindung von Wirtschaft und Ethik undenkbar. Und auch die Systemtheoretiker bezweifelten eine mögliche Verknüpfung beider Disziplinen. Dabei hatte noch der politischen Ökonomie des klassischen Liberalismus die Vorstellung zu Grunde gelegen, dass Wirtschaft einer unbedingten Einbettung in die normative Ordnung der Gesellschaft bedürfe. Erst mit der Ablösung der politischen Ökonomie durch die neoklassische Wirtschaftstheorie ab 1870 erfolgte der Schritt zu einer „reinen“ Ökonomik, in der moralische Gesichtspunkte bewusst ausgeklammert wurden. Da aus ökonomischen Sachzusammenhängen aber heute wieder praktische wirtschafts- und gesellschaftspolitische Konsequenzen abgeleitet werden sollen, erscheint eine unpolitische, ihre eigene Normativität negierende Ökonomie ebenso wenig zeitgemäß wie ein bloßes akademisches Nebeneinander oder Ergänzungsverhältnis zweier getrennter Disziplinen. Als Grundproblem einer Disziplin der Wirtschaftsethik spielt das Zuordnungsverhältnis von Ethik und Ökonomik für die Gegenpositionen im gegenwärtigen wirtschaftsethischen Diskurs eine entscheidende Rolle. Die besondere Bedeutung dieser Problemstellung leitet sich aus dem Umstand ab, dass sich aus dem wechselseitigen Verhältnis der Zuordnung beider Disziplinen überhaupt erst begründen lässt, wie und in welcher Weise Wirtschaft und Ethik miteinander verbunden sind, bzw. warum das Postulat einer Unabdingbarkeit der Ethik für die Wirtschaft Anspruch auf Gültigkeit erheben darf. Seit den 1980er Jahren bildeten sich im deutschsprachigen Raum verschiedene, stark divergierende Schulen heraus, wobei die unterschiedlichen Positionen vom völligen Ausschluss der Ethik aus der Ökonomik bis zu dem Vorschlag reichen, die Ökonomik müsse von der Ethik kontrolliert werden. Die beiden Pole innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion um die unterschiedlichen Wirtschaftsethikmodelle werden durch die ordnungsethischen Konzepte Josef Wielands und Karl Homanns sowie seiner Schüler einer Ökonomik als

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„Ethik mit anderen Mitteln“ auf der einen und die auf der Diskursethik basierenden Konzepte Peter Ulrichs, Horst Steinmanns oder Albert Löhrs auf der anderen Seite markiert. Während die Vertreter der Ökonomik auf eine institutionelle Disziplinierung der Ökonomie vertrauen, setzen letztgenannte stärker auf Verständigung und Dialog zur Lösung ökonomisch-ethischer Konflikte. In der vorliegenden Arbeit wurden beispielhaft die Konzepte Ulrichs und Homanns gegenübergestellt und auf das ihnen inhärente Zuordnungsverhältnis zwischen Ethik und Ökonomik hin untersucht. Für Homanns Theorie der Ökonomik als „Ethik mit anderen Mitteln“ ist nicht die Reflexion der Begründung von Normen maßgeblich, vielmehr machen sie deren Durchsetzbarkeit zum Maßstab ihrer Geltung. Ziel und Anspruch der ökonomischen Methode ist die Entwicklung einer modernen Wirtschaftsethik, die einen Beitrag zur Lösung der komplexen Probleme in modernen Gesellschaften leistet. Die Ökonomik übernimmt so die Aufgaben und Intentionen von Ethik und Moral und wendet ihre Methoden auf die Ethik an, wobei gerade die Umsetzung von Normen als das zentrale Problem der Ethik angesehen wird. Moral wird in erster Linie in den Rahmenbedingungen verortet und kann nur in ihnen verwirklicht werden. Das moralische Verhalten des Einzelnen kann dauerhaft nur erhalten werden, wenn es sich für ihn als vorteilhaft erweist. Daher sind die Rahmenbedingungen stets so auszugestalten, dass das (kollektiv) gewünschte Verhalten zugleich für den einzelnen Handelnden vorteilhaft ist und so der immer wieder situativ auftretende Widerspruch zwischen Eigeninteresse des stets den eigenen Nutzen maximierenden, absolut rational handelnden homo oeconomicus und Moral überwunden werden kann. Dabei kommt das Instrumentarium einer ökonomischen Anreizanalyse für die Bearbeitung wirtschaftsethischer Fragestellungen zur Anwendung. Verhaltensänderungen des einzelnen Akteurs in dem als komplex angenommenen System kommen nur über die kollektive Änderung der Spielregeln zustande, durch die bestimmte Anreize gesetzt werden. Das Verhalten der Akteure lässt sich indes nicht durch eine direkte Beeinflussung der individuellen Motivation der Akteure verändern. Entsprechend üben Homann und seine Schüler Kritik an der traditionellen wie der ihr nachgebildeten modernen Ethik: Beide und insbesondere die Diskursethik und konstruktivistische Ethik berücksichtigten diese für moderne Gesellschaften fundamentale Differenz nicht. Die aus der Pflichtethik Immanuel Kants übernommene Begründung von Regeln und Prinzipien aus der Vernunft ist nach Auffassung Homanns ungeeignet, da die Regelsysteme in modernen Gesellschaften nach dem Ende der metaphysischen und naturrechtlichen Moralbegründung stets kontingent, also gegenüber alternativen Regelsystemen nicht mehr begründbar seien. Zu kritisieren ist der – trotz des Bekenntnisses zu einem universalen moralischen Kern bezogen auf die Regelsysteme – betriebene ethische Relativismus. Ethik und Ökonomik fasst Homann als zwei Diskurse gleichen Ursprungs auf, die in einem methodisch getrennten Paralleldiskurs stehen, woraus sich die Gewin-

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ne der theoretischen Ausdifferenzierung beider Einzeldisziplinen realisieren lassen. Trotz der über die Hegelsche Identitätstheorie begründeten Identität beider Disziplinen dürfe es nicht zu einer methodischen Durchmischung kommen, sondern lediglich zur Übersetzung moralischer Ansprüche in Vorteilskalküle und umgekehrt. Eine Stärke des Ansatzes liegt in der deutlichen Unterscheidung von ethischen und ökonomischen Kategorien und den zugehörigen wissenschaftlichen Theorien. Wenig überzeugend wirkt die Vorstellung eines perfekten Anreizsystems, das in der Praxis – ebenso wie ein perfekter moralischer Regelrahmen – weder realisierbar noch wirklich wünschenswert erscheint. Die Notwendigkeit einer Unternehmensethik resultiert nicht etwa, wie Homann glaubt, aus der Unvollkommenheit des Regelsystems der freien Marktwirtschaft, sondern ist eine unabdingbare Konsequenz aus ihrer Beschaffenheit. Eine wesentliche Schwäche des Ansatzes ist weiterhin der Verzicht auf eine echte Zuordnung von Ethik und Ökonomik. Vielmehr nimmt Homann lediglich eine Transformation ethischer Überlegungen in die Ökonomik, also eine Zuordnung von Moral, beziehungsweise von Normativität und Ökonomik vor. Der Ethik wird eine Ordnungsfunktion vollständig abgesprochen, in dem sie in Gänze von der Ökonomik assimiliert wird, die ihre Aufgaben übernimmt. Prominentester Kritiker der ordnungsethischen Konzeption Homanns ist Peter Ulrich, dessen Konzept auf der Diskursethik vornehmlich Jürgen Habermas’ und Karl-Otto Apels basiert. Grundlegend für Ulrichs Ansatz ist die gesellschaftskritische Diagnose, in der Moderne habe sich ein Rationalisierungsprozess herausgebildet, bei dem die „ökonomische Sachlogik“ in einen gravierenden Gegensatz zu den Anforderungen der ethischen Vernunft getreten ist. Diesem Auseinandertreten von ökonomischer Funktionslogik und ethisch verantwortbaren Folgen leiste die gegenwärtige „Mainstream Economics“ Vorschub, indem sie sich als wertfreie reine Ökonomik verstehe und die ethisch-praktischen Probleme der gesellschaftlichen Ökonomie in „ökonomischer Systemrationalität“ aufzuheben suche und dem ökonomischen Rationalisierungsprozess und den aus ihm resultierenden Konsequenzen Vorschub leiste. Dieser verkürzten Ökonomik setzt Ulrich sein Konzept integrativer Wirtschaftsethik entgegen, mit dem eine „ethisch-vernünftige Orientierung“ im „politisch-ökonomischen Denken“ zu erreichen sei. Ein grundlegend verändertes Denken ist für Ulrich konstitutive Voraussetzung für eine ethisch-vernünftige Wirtschaftspraxis, in der die Wirtschaft wieder ihr eigentliches Ziel, die Lebensdienlichkeit, erfüllt. Dem entspricht eine Vorstellung der Wirtschaft nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel für das „gute Leben“ und das „gerechte Zusammenleben“ freier und gleicher Bürger. Wirtschaften sieht Ulrich in den Kontext der beiden klassischen ethischen Grundfragen gestellt. Sein Modell einer „Vernunftethik des Wirtschaftens“ beansprucht, den von ihm explizierten ethischen Vernunftanspruch mit dem ökonomischen Rationalitätsanspruch zusammenzudenken.

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Trotz der diskursethischen Fundierung seiner Theorie verwirft Ulrich das neuere Anwendungsmodell der Diskursethik und kritisiert Apel und Habermas. Ebenso spricht er sich gegen das Modell einer Wirtschaftsethik als angewandte Ethik unter wirtschaftlichen Bedingungen aus, da es auf der Annahme beruhe, dass Ökonomie und Ökonomik durch eine von normativen Ansprüchen unberührte, wertfreie oder zumindest ethisch neutrale ökonomische Sachlogik konstituiert seien. Dieses „Komplementaritätssystem“, dem eine Zwei-Welten-Konzeption von wertfreier Ökonomik und außerökonomischer Wirtschaftsethik zugrunde liege, lasse sich jedoch nicht auf die Wirtschaftsethik übertragen. Wirtschaftsethik will er nicht als Bindestrich-Ethik verstanden wissen, die lediglich im Anwendungszusammenhang einer außerethischen, wissenschaftlichen Sachlogik als externe „Hüterin der Moral“, die von den Fachdisziplinen bezüglich der ethischen Dimension praktischer Probleme hinterlassenen Lücken kompensiert und die moralischen Grenzen der zulässigen Anwendung des jeweiligen Sachwissens reflektiert. Die Zuordnung von Ethik und Ökonomik bedeutet für Ulrich die Veränderung und Fortentwicklung der Ökonomik und das Vereinbarmachen ihres Paradigmas mit den Grundannahmen der Diskursethik. Damit ist die Aufgabe des Modells des homo oeconomicus und des damit verknüpften Menschenbildes verbunden. Die Zuordnung bedeutet für ihn außerdem einen – leicht eingeschränkten – „Primat der Ethik“ über die Ökonomik, wobei die Integration letztlich über eine politische Ethik gedacht wird, indem er einen Primat der Politik anstrebt, um so die Kommunikationsrechte der Bürger zu sichern. Sowohl Ulrichs diskursethische Interpretation der Gemeinschaft als rationale Argumentationsgemeinschaft als auch die Grundannahme der Moralität des Menschen lassen sich kritisieren und auch hinsichtlich der praktischen Probleme der Ökonomie offenbart das Konzept eine wohl zu optimistische Sichtweise. Da seine diskursethisch explizierte Wirtschaftsethik ihren Schwerpunkt in der Begründung des moral point of view, der aus ihm abgeleiteten normativen Leitideen und ersten Vorschlägen für Verfahrensfragen hat, bietet sie zur Klärung anwendungsbezogener wirtschaftsethischer Fragen wenig an. Worauf sich die Argumentationsteilnehmer in einem Diskurs inhaltlich berufen sollen und wie sich die Legitimität der eigenen Interessen prüfen lässt, bleibt offen. Trotz einiger Schwachpunkte erweist sich der Ansatz als tauglich zur Darstellung der Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie. Ulrich weist mit seiner integrativen Wirtschaftsethik nicht zuletzt hinaus aus einer sich immer schneller drehenden Spirale stetig fortschreitender Rationalisierung, die den Menschen und den eigentlichen Zweck des Wirtschaftens, die Lebensdienlichkeit, mehr und mehr aus dem Blick zu verlieren droht. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass sich Ökonomik nicht ohne Ethik denken lässt. So wie sich ihre wissenschaftlichen Reflexionsformen nicht voneinander trennen lassen, sind auch Ökonomie und Moral untrennbare Komplemente. Wirt-

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schaften ist kein moralfreier Raum. Eine rein rechtliche Steuerung richtigen Verhaltens der wirtschaftlichen Akteure ist nicht ausreichend. Angesichts der wachsenden Überformung lebensweltlicher Kategorien durch die Ökonomie und der wachsenden Ökonomisierung aller Lebensbereiche gehört es zu den wesentlichen Aufgaben einer Wirtschaftsethik, als Brückendisziplin zwischen der instrumentellen Rationalität der Ökonomie und den moralischen Anforderungen der Gesellschaft an die Ökonomie zu vermitteln und die unterschiedlichen Geltungsansprüche beider Handlungssphären in Einklang zu bringen. Unternehmerisches Profitstreben stellt kein hinreichendes und legitimierendes Formalziel des Wirtschaftens dar. Wirtschaften ist kein Selbstzweck und ist in den Kontext der ethischen Grundfragen gestellt, die damit die Unternehmen als Akteure betreffen. Eine auf rein ökonomischer Rationalität gründende Theorie gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen greift notwendigerweise zu kurz. Die von Erfolg und Konkurrenz bestimmten Imperative wirtschaftlichen Handelns stehen immer zugleich in Wechselwirkung mit den Imperativen gesellschaftlichen Gemeinwohls und humaner Lebensverhältnisse. Die Wirtschaftsethik umfasst dabei die Summe der Aufgaben und Ziele wirtschaftlichen Handelns sowie der Ordnungen und Regeln, kraft deren die Ökonomie mit den Aufgaben einer menschenwürdigen politischen Kultur verbunden ist. Vordringliches Ziel einer Wirtschaftsethik muss es sein, die Diskrepanzen zwischen den beiden Einzelwissenschaften zu überbrücken, da sie nur als Brückenwissenschaft die Chance hat, echtes Orientierungswissen zur Verfügung zu stellen und in den Dialog zwischen Ökonomik und Ethik einzubringen. Wirtschaftsethische Erkenntnisse können durchaus praktisch verwertet werden, allerdings darf die Wirtschaftsethik im Vollzug ihrer praktischen Anwendung nicht ihre originär ethische Orientierung aufgeben. Eine erfolgreiche Vermittlung zwischen Ökonomik und Ethik sowie zwischen Wissenschaft und Praxis bei einer gleichzeitigen Behauptung ihrer Eigenständigkeit als akademische Disziplin gegenüber der Dominanz der klassischen Wirtschaftswissenschaften setzt die Begründung ihrer eigenen normativen Geltungsansprüche und ihrer eigenständigen Ziele und Visionen voraus. Die Entwicklung der Ökonomie in der Moderne, die Möglichkeiten globaler Märkte wie auch die veränderten gesellschaftlichen Ansprüche machen die Entwicklung, Etablierung und konkrete Anwendung einer zeitgemäßen Wirtschaftsund Unternehmensethik, ebenso aber die Diskussion ihrer ethischen Begründung unabdingbar. In Anbetracht einer fortschreitenden Expansion der Wirtschaft über lokale und nationalstaatliche Grenzen hinaus, der wachsenden Emanzipation der Wirtschaft von der Politik bei gleichzeitigem Fehlen eines transnationalen Regelrahmens und den vielfältigen sozialen Folgen der Globalisierung scheint auch in der Einflusssphäre der Unternehmen eine grundlegend neue Verhältnisbestimmung zwischen ökonomischer Sachlogik und ethischer Vernunft vonnöten. Wirtschaftsunternehmen sehen sich verstärkt dem Vorwurf ausgesetzt, sich allein an

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ökonomischer Sachlogik zu orientieren und den Menschen aus dem Blick zu verlieren. Zudem haben zahlreiche Firmenskandale die Öffentlichkeit sensibler und kritischer werden lassen. So wird das Spannungsverhältnis zwischen Markt und Moral, zwischen dem Streben der Unternehmen nach einer Maximierung ihrer Gewinne einerseits und sittlichem Handeln andererseits in Öffentlichkeit, Politik, Wissenschaft aber auch in der Wirtschaft selbst verstärkt als Problem wahrgenommen, das es zu lösen gilt. Seither ertönt allenthalben der Ruf nach Ethik, Verantwortung und Nachhaltigkeit, der sich in Schlagwörtern und Modellen wie Corporate Governance, Corporate Citizenship und CSR niederschlägt. Innerhalb der Unternehmen ist ein Bewusstsein entstanden, dass für den zukünftigen Erfolg neue Steuerungsmodelle der Unternehmenspolitik und -führung erforderlich sind, die die Erwartungen von Medien und Öffentlichkeit einbeziehen und die Bedürfnisse von Umwelt und Gesellschaft nicht außer Acht lassen. Unternehmen begreifen verstärkt ihre soziale Verantwortung als gesellschaftliche Akteure, thematisieren diese und richten ihr Handeln – teils als Reaktion auf eine gestiegene Erwartungshaltung unterschiedlicher unternehmerischer Anspruchsgruppen, teils aus einem gewachsenen Bewusstsein für die ethische Relevanz unternehmerischen Handelns – an Leitbildern wie Nachhaltigkeit und Verantwortung aus. Konsequenz daraus ist die zunehmende Etablierung von CSR in der unternehmerischen Praxis. CSR wird dabei verstanden als ein den Prinzipien der Nachhaltigkeit und einem ehrlichen Stakeholderdialog verpflichtetes Management- und Kommunikationskonzept zur Umsetzung verantwortlichen unternehmerischen Handelns, das notwendigerweise einer verbindlichen ethischen Fundierung bedarf. Dabei haben Unternehmen als korporative Akteure sowohl die Möglichkeit als auch aufgrund globaler ökonomischer, ökologischer und sozialer Herausforderungen sowie einer entsprechenden Erwartungshaltung unterschiedlicher gesellschaftlicher Anspruchsgruppen (darunter neben NGOs, Verbrauchern und Kunden im steigenden Maße auch institutionelle Anleger, Investoren und Analysten) die Verpflichtung zu verantwortungsvollem Handeln. CSR kann weder als bloßer Business Case noch als Social Case verstanden werden, der lediglich zur Anwendung kommt, um langfristig eine bessere und stabilere Wertschöpfung zu generieren. Auch darf CSR nicht einer kennzifferorientierten marktökonomischen Sach- und Systemlogik folgen, sondern sollte neben der Bündelung ökonomischer, ökologischer und sozialer Verantwortung ebenso inter- und intragenerative Gerechtigkeit anstreben, um so auch die Interessen derjenigen Anspruchsgruppen in den Blick zu nehmen, die nicht in einen Stakeholderdialog mit dem Unternehmen treten können. Auf diese Weise wird CSR dem Postulat der Lebensdienlichkeit gerecht und kann Antworten geben auf die sich verschiebenden Aufgaben und Verantwortungsverteilungen zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. CSR könnte so ebenfalls zum Verschluss von Gerechtigkeits- und Regulierungslücken beitragen, ohne im Sinne der Ökonomik zu einem Teil der Rahmenordnung zu werden, was weder praxistaug-

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lich noch zeitgemäß wäre. Das Handeln transnationaler Konzerne bedarf zur Orientierung eines verbindlichen unternehmensethischen Fundaments. In dessen praktischer Umsetzung kann ein auf ethischen Kriterien basierendes Corporate Social Responsibility-Konzept eine Brückenfunktion zwischen einer Unternehmensethik und den daraus abgeleiteten moralischen Anforderungen an die Wirtschaftsunternehmen und der instrumentellen Rationalität der Ökonomie einnehmen. So könnte eine hemmungslose Globalisierung und die vollständige Ökonomisierung aller Lebensbereiche verhindert und statt dessen eine nachhaltige Ethisierung der Ökonomie eingeleitet werden. Da bislang kaum untersucht worden ist, wie sich nachhaltiges verantwortliches Handeln von Unternehmen auf die Stakeholder und auf konkrete Problemlösungen auswirkt, soll im praktischen Teil dieser Arbeit der Frage nachgegangen werden, wie die konkrete Umsetzung einer ganzheitlichen CSR-Strategie erfolgen kann und wie sich entsprechende Kommunikations- und Managementkonzepte auf spezifische unternehmerische Anspruchsgruppen auswirken. Dabei soll sich zeigen, ob und inwieweit sich durch die gelebte Umsetzung von nachhaltigem und verantwortlichem unternehmerischen Handeln unter den Mitarbeitern ein entsprechendes Bewusstsein für die Bedeutung von Unternehmensethik zum einen und für deren Gestaltung und praktische Ausformung im Rahmen einer ganzheitlichen Management- und Kommunikationsstrategie zum anderen erzeugen lässt.

5. Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln als Kommunikations- und Managementkonzept 5.1 Untersuchungsproblem, Forschungsgegenstand und Forschungsfrage Im vorangegangenen theoretischen Teil der Arbeit wurde Corporate Social Responsibility dargestellt als ein den Prinzipien der Nachhaltigkeit und einem aufrichtigen Stakeholderdialog verpflichtetes Management- und Kommunikationskonzept zur Umsetzung verantwortlichen und nachhaltigen unternehmerischen Handelns. Dabei haben Unternehmen, wie gezeigt wurde, als korporative Akteure sowohl die Möglichkeit als auch aufgrund globaler ökonomischer, ökologischer und sozialer Herausforderungen und einer entsprechenden Erwartungshaltung unterschiedlicher gesellschaftlicher Anspruchsgruppen die Verpflichtung, verantwortungsvoll zu handeln. Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln bedarf eines verbindlichen unternehmensethischen Fundaments. So wurde die Hypothese formuliert, dass ein auf ethischen Kriterien basierendes Corporate Social Responsibility-Konzept eine Brückenfunktion zwischen einer Unternehmensethik und den daraus abgeleiteten moralischen Anforderungen an die Wirtschaftsunternehmen und der instrumentellen Rationalität der Ökonomie einnehmen könnte. Darüber hinaus wurde konstatiert, dass bislang kaum untersucht worden ist, welche Konsequenzen nachhaltiges verantwortliches Handeln von Unternehmen auf dessen Stakeholder, diejenigen Anspruchsgruppen, die davon profitieren sollen und auf konkrete Problemlösungen hat. Der folgende praktische Teil dieser Arbeit hat daher zur Aufgabe zu untersuchen, in welcher Weise sich verantwortliches unternehmerisches Handeln auf die Mitarbeiter eines Unternehmens als wichtige Anspruchsgruppe und Adressatenschicht von CSR-Maßnahmen auswirkt. Es soll der Frage nachgegangen werden, ob ein Unternehmen durch die Umsetzung eines den Kriterien von Verantwortung und Nachhaltigkeit verpflichteten Management- und Kommunikationskonzepts bei seinen Mitarbeitern ein Bewusstsein für die Bedeutung von Unternehmensethik und ihrer praktischen Ausformung im Rahmen von Corporate Social Responsibility schaffen kann. Die Ausführungen basieren auf den Ergebnissen einer zweiteiligen Studie (leitfadengestützte Expertenin-

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terviews sowie Quantifizierung), die im Frühjahr 2008 bei der Krones AG in Neutraubling durchgeführt wurde.1 Die Auswertung und Ergebnisse beider Studienteile werden im Folgenden in zusammengefasster Form wiedergegeben.

5.2 Entdeckungszusammenhang: Nachhaltiges verantwortliches Handeln bei der Krones AG Die Krones AG ist ein deutscher Spezialanlagenbauer und Weltmarktführer in der Produktion von Getränkeabfüll- und -verpackungsmaschinen.2 Die Aktiengesellschaft aus dem oberpfälzischen Neutraubling bei Regensburg ist mehrheitlich in Besitz der Familie des Firmengründers Hermann Kronseder, dessen Sohn Volker Kronseder seit 1996 Vorstandsvorsitzender des Unternehmens ist. So bezeichnet der Vorstandschef Krones als „inhabergeführtes Unternehmen mit solider Aktionärsstruktur“.3 Im Geschäftsjahr 2007 machte Krones einen Umsatz von 2,156 Mrd. Euro und beschäftigte zum Jahresende 9.588 Mitarbeiter, davon knapp 82 % an den sechs deutschen Standorten (inklusive der Tochtergesellschaft Maintec Service GmbH). 84 % seiner Umsätze machte Krones über den Export. Das MDAX-notierte Unternehmen betont, gegenüber seinen Wettbewerbern einen unternehmensstrategischen Sonderweg basierend auf einer „langfristige[n] Strategie“ zu beschreiten4: „Krones geht seit Jahren einen anderen Weg, [sic!] als vergleichbare Unternehmen aus der deutschen Maschinenbaubranche.“5 Dabei fällt besonders das Bekenntnis zum Standort Deutschland auf, an dem Krones seine komplette Produktion angesiedelt hat und zukünftig weiter ausbauen will: „Wir sind davon überzeugt, dass der Standort Deutschland auch im Zeitalter der Globalisierung die einzig richtige Wahl für die Produktion von technologisch und qualitativ hochwertigen Maschinen und Anlagen ist.“6 Besonders auffällig ist, dass die Geschäftsstrategie kein kompromissloses Bekenntnis zum Shareholder Value beinhaltet, wie man es von einem börsennotierten Unternehmen erwarten würde: „Bei 1

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Auf eine Aktualisierung der Geschäftskennzahlen und Angaben zum Unternehmen wurde bewusst verzichtet. Dies wäre nicht zielführend gewesen, da sich die Auswertung und die Ergebnisse der Studie auf den Status quo des Unternehmens beziehen, wie er im Jahr 2008 vorgefunden und beschrieben wurde. Vgl. zu den nachfolgenden Angaben den Geschäftsbericht des Unternehmens aus dem Jahr 2007 Krones AG: Konzernbericht 2007. Neutraubling 2008, URL: http://www.krones.com/downloads/ GB_2007_Konzern_d.pdf. [aufgerufen am 16.06.2009]. Volker Kronseder: Zukunft mit Wert. In: Krones AG: CSR 06/07. Nachhaltigkeitsbericht. Neutraubling 2007, S. 3, URL: http://www.krones.de/downloads/CSR_2007_d.pdf [aufgerufen am 16.06.2008]. Kronseder: Zukunft mit Wert, S. 3. Volker Kronseder: An unsere Aktionäre. In: Krones AG: Konzernbericht 2007. Neutraubling 2008, S. 4–5, 4. Kronseder: An unsere Aktionäre, S. 4.

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all unseren strategischen Überlegungen spielen selbstverständlich Gewinn- und Renditeziel eine wichtige Rolle, aber sie sind nicht das Einzige, woran sich Krones orientiert.“7 Es stünden „nicht kurzfristige Renditeziele“ im Fokus. Vielmehr orientiere sich die Unternehmensstrategie „daran, nachhaltig erfolgreich zu sein“. Im Rahmen einer „ausgewogene[n] Geschäftspolitik“ berücksichtige man nicht nur „die Interessen der Aktionäre, sondern auch die unserer Kunden und Mitarbeiter“.8 Nicht ohne Stolz registriert man, dass diese Entscheidung zugunsten einer stärkeren Stakeholderorientierung dem wirtschaftlichen Erfolg keineswegs abträglich sei: „Krones hat seine Wachstumsgeschichte um ein Kapitel erweitert und zum achten Mal in Folge bei Umsatz und Ergebnis zugelegt.“9 Corporate Social Responsibility ist bei der Krones AG seit 2007 organisatorisch verankert, unter anderem durch die Berufung einer CSR-Beauftragten und die Einsetzung eines CSR-Komitees.10 Konzernweit wird seither eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt und als systematisches Managementkonzept umgesetzt.11 Im gleichen Jahr erschien auch der erste CSR-Bericht des Unternehmens. Bereits am Jahresanfang 2005 sowie 2007 veröffentlichte das Unternehmen Umweltberichte, die allerdings – obwohl auch hier bereits der Nachhaltigkeitsgedanke betont wird – inhaltlich weitestgehend auf die unternehmerische Verantwortung für die Umwelt beschränkt blieben.12 Grundlage für das CSR-Managementkonzept ist das Bekenntnis des Unternehmens zu seiner Verantwortung als korporativer Akteur: „Unternehmen tragen Verantwortung – für ihren wirtschaftlichen Erfolg, die Umwelt und die Gesellschaft.“13 Im ersten CSR-Bericht des Unternehmens, der neben den Finanzberichten 7 8 9 10

Kronseder: An unsere Aktionäre, S. 5; vgl. auch Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 94. Kronseder: An unsere Aktionäre, S. 5. Kronseder: An unsere Aktionäre, S. 5. Vgl. auch Krones AG: CSR 06/07. Nachhaltigkeitsbericht. Neutraubling 2007, S. 6, URL: http://www.krones.de/downloads/CSR_2007_d.pdf [aufgerufen am 16.06.2008]. 11 Im CSR-Bericht des Unternehmens heißt es: „Deshalb ist unsere Nachhaltigkeitsstrategie durch konzernweite Vorgaben und eine Organisationsstruktur mit klar definierten Verantwortlichkeiten systematisch im Unternehmen verankert. Entscheidend ist dabei das Zusammenspiel aus weltweit einheitlichen Standards, konzernweiten Steuerungsinstrumenten und regionalen Aktionsprogrammen. So können die Fortschritte erfasst und dort, wo Verbesserungen erforderlich sind, geeignete Maßnahmen optimal auf die jeweiligen Herausforderungen und Prioritäten ausgerichtet werden. All diese Aufgaben werden vom CSR-Komitee wahrgenommen und umgesetzt.“ (Krones AG: CSR 06/07, S. 6.) 12 Vgl. Krones AG: Umweltbericht 2006. Neutraubling 2007; vgl. ebf. Krones AG: Umweltbericht 2004. Neutraubling 2005. Im Rahmen der im Umweltbericht 2006 formulierter „Leitlinien der Umweltpolitik“ der Krones AG heißt es: „Im Sinne einer langfristigen Existenzsicherung prüfen wir alle Aktivitäten auf ihre Nachhaltigkeit. Dabei berücksichtigen wir neben unserer sozialen und wirtschaftlichen Verantwortung insbesondere die ökologischen Rahmenbedingungen, die mit der Fertigung und Nutzung unserer Produkte verbunden sind.“ Und weiter: „Soweit wirtschaftlich vertretbar, nutzen wir alle Möglichkeiten, zur nachhaltigen Pflege und Fortentwicklung unserer Produktionsstandorte [sic!].“ (Krones AG: Umweltbericht 2006, S. 3.) 13 Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 94.

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„künftig ein fester Bestandteil in der Berichterstattung des Unternehmens“ werden soll, beschreibt das Unternehmen, wie es seinem Anspruch auf „weltweite, verantwortungsvolle Innovationsführerschaft“ gerecht werden möchte.14 So habe sich die Krones AG „in ihren Unternehmensleitlinien und -werten verpflichtet, nachhaltig und verantwortlich zu handeln, von der Forschung bis zum Kundenservice.“ 15 Nachhaltigkeit ist für Krones Ausdruck seiner „gesellschaftlichen Verantwortung als globales Unternehmen“.16 Dabei sieht sich das Unternehmen den Kriterien inter- und intragenerativer Gerechtigkeit und nachhaltiger Entwicklung verpflichtet, indem es sich „für eine lebenswerte Welt, heute und in Zukunft“ einsetzen will – ausdrücklich auch „jenseits der eigentlichen Geschäftstätigkeit“.17 Als korporativer Akteur bekennt sich die Krones AG explizit zu ihrer ökologischen und sozialen Verantwortung in Anbetracht wachsender globaler Herausforderungen, aber auch neuer Handlungsspielräume: „Die Weltbevölkerung wächst, die Ressourcen sind begrenzt. Deshalb muss es die Aufgabe jedes Unternehmens sein, für einen effizienten Einsatz von Energie und Rohstoffen zu sorgen. In einer globalisierten Wirtschaft steht für die Krones AG darüber hinaus die langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten sowie Aktionären im Mittelpunkt.“18 Auf diese Weise möchte das Unternehmen alle Stakeholder in seine CSRManagementstrategie integrieren. Dazu möchte das Unternehmen weltweit seine Wertschöpfungskette dergestalt steuern, dass es mit seinen „Maschinen und Technologien zu einer hohen Effizienz bei […] Kunden“ und zugleich zu „Lebensqualität für die Gesellschaft beitragen“ kann.19 Das Managementkonzept unternehmerischer Verantwortung drückt sich konkret in sieben Leitlinien zur CSR aus, an denen sich das unternehmerische Handeln der Krones AG orientiert20: Erstens übernehme man „Verantwortung für Kunden und Produkte“ und prüfe deshalb „zur langfristigen Existenzsicherung […] alle Aktivitäten auf ihre Nachhaltigkeit.“ Neben der „sozialen und wirtschaftlichen Verantwortung“ des Unternehmens will man dazu insbesondere auch die „ökologischen Rahmenbedingungen und Folgen, die mit der Fertigung und Nutzung unserer Produkte verbunden sind“, berücksichtigen. Das Unternehmen repräsentiere außerdem den Anspruch „exzellente[r] Qualität und technologische[r] Marktführerschaft“, der sich in allen „Maschi14 15 16 17 18 19 20

Krones AG: CSR 06/07, S. 8. Kronseder: Zukunft mit Wert, S. 3. Kronseder: Zukunft mit Wert, S. 3. Kronseder: Zukunft mit Wert, S. 3. Kronseder: Zukunft mit Wert, S. 3. Kronseder: Zukunft mit Wert, S. 3. Vgl. zum Folgenden Krones AG: CSR 06/07, S. 7. Dem sind alle Zitate entnommen. Die Leitlinien sind in gleicher Form ebenfalls im aktuellen Konzernbericht festgehalten: Vgl. Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 94.

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nen, Anlagen und Services“ widerspiegele. Drittens wolle man „Ressourcen bei höchster Qualität“ schonen. Dies werde durch „schlanke Produktionsprozesse, technische Innovationen, motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter“ gewährleistet. Auf diese Weise verbindet sich „umweltorientiertes Ressourcenmanagement“ mit einem hohen Qualitätsstandard und einer angestrebten „hohen Wertschöpfung für das Unternehmen und dessen Stakeholder“. Die vierte Leitlinie betont die Bedeutung einer gut ausgebildeten und motivierten Belegschaft für den Erfolg des Unternehmens: „Qualifizierte und leistungsbereite Mitarbeiter bilden das Rückgrat für den Unternehmenserfolg von Krones.“ Investitionen in die Mitarbeiterschaft werden als Zukunftssicherung verstanden. Die besondere Wertschätzung der Mitarbeiter drückt sich in verschiedenen Fort- und Weiterbildungsprogrammen, aber auch zahlreichen Einzelmaßnahmen, die den Mitarbeitern in unterschiedlichster Weise zugute kommen sollen, aus: „Wir fördern nicht nur die fachlichen und persönlichen Kompetenzen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern schaffen für alle Beschäftigten eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung. Denn wir wissen: Unsere Mitarbeiter sichern die Zukunft des Unternehmens.“ Die besondere Betonung der Bedeutung der Mitarbeiter als Stakeholder findet sich auch schon in früheren Veröffentlichungen des Unternehmens. Die Mitarbeiterbroschüre „Impulse“ aus dem Jahr 2001 etwa beginnt programmatisch mit der Feststellung: „Der entscheidende Erfolgsfaktor für Krones ist der Mensch.“21 Von der sechsten Leitlinie strategischer CSR profitieren die Mitarbeiter ebenfalls unmittelbar. Der Anspruch „sauber [zu] produzieren“ bedeutet die Schonung der natürlichen Umwelt und der endlichen Ressourcen, garantiert aber auch eine verträgliche Produktionsweise, die weder die Gesundheit der eigenen Mitarbeiter noch der an den Produktionsstandorten lebenden Menschen beeinträchtigt. „Soweit wirtschaftlich vertretbar“, wolle das Unternehmen deshalb „alle Möglichkeiten zur nachhaltigen Pflege und Fortentwicklung unserer Produktionsstandorte“ nutzen. Dabei fasst Krones sich als first mover22 auf und nutzt entsprechende Handlungsspielräume im Markt für moralische Vorreiterhandlungen: „Dabei halten wir die gesetzlichen Vorschriften nicht nur ein, sondern setzen alles daran, die geforderten Grenzwerte so weit wie möglich zu unterschreiten.“ Die in der letzten Leitlinie formulierte Strategie stellt einerseits einen Rekurs auf die sozialmarktwirtschaftliche Verantwortungstradition deutscher Unternehmen dar, denkt dieses Modell aber zugleich im Sinne der Nachhaltigkeit weiter – und klammert auch die damit korrelierende ökonomische Nutzenerwartung nicht aus: „Wir wahren die Tradition eines offenen Familienunternehmens.“ Dazu möchte das Unternehmen nicht nur „alle strategischen Entscheidungen auf ihre langfristige Erfolgswahrscheinlichkeit“ prüfen, auch erteilt man sowohl einer ausschließlichen Orientierung an den Interessen der Shareholder als auch lediglich den Markt- oder Börsen21 Krones AG: Impulse – Erfolg durch Wandel. Neutraubling 2001, S. 3. 22 Vgl. auch oben, FN 1172.

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gesetzen verpflichtetem Handeln eine kategorische Absage: „Kurzfristige Gewinnoder Cashflowoptimierung spielen bei uns keine Rolle.“ Das Unternehmen ist sich sicher, mit dieser Verantwortungsstrategie eine gute Reputation bei allen Stakeholdern zu erlangen: „Dadurch ist die Krones AG für alle ihre Stakeholder ein verlässlicher Partner, auch wegen der offenen Kommunikation ihnen gegenüber.“ Entsprechend betont das Unternehmen auch in seinem Geschäftsbericht die wirtschaftlichen Vorteile, die aus dieser Strategie erwachsen: „Nur wer die Interessen der Menschen und die Belange der Umwelt berücksichtigt, kann auf Dauer wirtschaftlich erfolgreich sein. Nachhaltigkeitsmanagement bedeutet für die Krones AG: Ressourcen effizient und schonend einsetzen, Risiken erkennen und beherrschen, gesellschaftlich verantwortlich handeln und damit Reputation aufbauen.“23 Damit wird zugleich deutlich, dass es sich bei der verfolgten CSR-Strategie nicht allein um ein Managementkonzept, sondern ebenfalls um ein strategisches Kommunikationskonzept handelt. Um diese Bemühungen in Zukunft besser kommunizieren zu können, möchte Krones in Zukunft mit dem Enviro-Programm unter einem eigenen Markennamen seine „CSR-Maßnahmen bündeln und zu einer Gesamtkonzeption weiterentwickeln“.24 Dieses „Kommunikationskonzept“ soll helfen, „alle Anstrengungen in ökonomischer, ökologischer und gesellschaftlicher Hinsicht global sichtbar und erfahrbar“ zu machen.25 Die Einzelmaßnahmen des Konzepts, die im CSR-Bericht der Krones AG genannt werden und hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden sollen, lassen sich grob in ökonomisches, ökologisches und soziales Engagement unterteilen.26 Allerdings lassen sich bestimmte Maßnahmen dabei nicht immer eindeutig den einzelnen Sphären zuordnen, auch, weil die unterschiedlichen Sektoren zahlreiche Überschneidungen aufweisen. Beispielsweise haben ökologische Maßnahmen wie etwa die Bemühungen um energiesparende Maschinen auch Einfluss auf die Ökonomie, da durch effizientere Maschinen Kosteneinsparungen möglich sind und das Unternehmen durch diese Innovation zugleich seine Wettbewerbsposition stärken kann. Die ökonomischen Bemühungen umfassen vor allem die Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit als Grundlage langfristigen Erfolgs: „Ohne Gewinne gibt es keinen Spielraum für Investitionen in neue Anlagen, Mitarbeiter oder Forschung und Entwicklung – die Grundlage für den langfristigen und nachhaltigen Erfolg des Unternehmens. Wirtschaftlicher Erfolg ist für die Krones AG daher oberstes Ziel und stabile Basis um Verantwortung zu übernehmen, gegenüber seinen Mitarbei-

23 24 25 26

Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 94. Krones AG: CSR 06/07, S. 8. Krones AG: CSR 06/07, S. 8. Vgl. zu den Einzelmaßnahmen Krones AG: CSR 06/07, S. 11–59; vgl. außerdem Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 96–103.

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tern, Geschäftspartnern, Anteilseignern sowie gegenüber Umwelt und Gesellschaft.“27 Um den ökologischen Erfordernissen einer Strategie nachhaltiger unternehmerischer Verantwortung gerecht zu werden, bemüht sich das Unternehmen um Energie- und Ressourcenschonung auf allen Konzernebenen, was bestehende Gebäude sowie deren Neubau, den Fuhrpark, das Wertstoffmanagement, Maschinenund Anlagenkonzepte wie auch die Produktion umfasst. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass „verantwortungsvoller Umgang mit Energie und Rohstoffen […] auch bei unseren Kunden einen hohen Stellenwert“ einnimmt.28 Besonders umfangreich sind die sozialen Aspekte der CSR-Strategie. Das Unternehmen bekennt sich zu einer umfassenden Verantwortung als gesellschaftlicher und auch politischer Akteur: „Politische, soziale und wirtschaftliche Stabilität basieren auf Vertrauen. Insofern ist es entscheidend, dass Unternehmen als Teil der Gesellschaft ihre gesellschaftspolitische Verantwortung wahrnehmen. Neben der Verantwortung für die Mitarbeiter besitzt soziales Engagement für die Krones AG einen hohen Stellenwert.“29 Im Mittelpunkt zahlreicher Maßnahmen gesellschaftlichen unternehmerischen Engagements der Krones AG stehen dabei deren eigene Mitarbeiter – nicht zuletzt deshalb ist es auch von besonderem Interesse, im nachfolgenden empirischen Teil die konkreten Auswirkungen und Ergebnisse der Maßnahmen auf diese wichtige Stakeholdergruppe näher zu untersuchen. „Als Arbeitgeber tragen wir Verantwortung für weltweit fast 9.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir fördern nicht nur die fachlichen, sondern auch die persönlichen Kompetenzen unserer Arbeitnehmer.“ Ziel sei eine „langjährige, faire und fruchtbare Partnerschaft“ mit den Mitarbeitern, die „das Rückgrat für den Unternehmenserfolg von Krones“ bildeten.30 Dazu bemüht sich das Unternehmen um deren „systematische Fortbildung“ zum Zwecke der Sicherung des „hohe[n] Qualifikations-niveau[s]“ aber genauso um den Erhalt von deren Gesundheit sowie größtmögliche Arbeitssicherheit an den Standorten.31 Die Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze gehört ebenso zum Verantwortungskonzept wie die intensive Zusammenarbeit mit Hochschulen und die Förderung von Forschungseinrichtungen.32 Darüber hinaus übernimmt das Unternehmen über seine „unternehmerischen Verpflichtungen hinaus […] engagiert Verantwortung“ auch für soziale und kulturelle Projekte: „Wir helfen gezielt – vorrangig bei Projekten in unserer Region, in Form von Spenden und Sponsoring, mit Wissen und Kontakten“, von denen Bil27 28 29 30 31 32

Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 96. Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 97. Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 99. Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 99. Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 100. Vgl. Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 99–102; vgl. auch Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 13.

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dungs- und Sozialeinrichtungen und Vereine profitieren.33 Auf internationaler Ebene soll das Engagement künftig deutlich verstärkt werden. Neben Spenden für Hilfsorganisationen will man dazu – einer mittel- und langfristigen Konzeption folgend – unterschiedliche eigeninitiierte Projekte ins Leben rufen.34 Im Mai 2008 leistete das Unternehmen eine Spende zur Unterstützung der Opfer des Erdbebens in der chinesischen Provinz Sichuan.35 Im Geschäftsverkehr möchte Krones „hohe ethische Standards“ einhalten und Compliance-Richtlinien befolgen.36 Dazu entwickle man „eine für alle Beschäftigten verbindliche Geschäftspolitik, nach der Bestechung und andere Formen der Korruption weder eingesetzt noch toleriert werden dürfen. Wir beabsichtigen darüber hinaus, ein Umsetzungsprogramm zur Schulung unserer Beschäftigten für eine aktive Korruptionsprävention zu entwickeln und in unserem Unternehmen einzuführen. Darin sehen wir einen integralen Bestandteil eines effizienten Informations- und Risikomanagements“.37 Krones sieht sich in seinem Management- und Kommunikationskonzept und in seinem Anspruch durch „nachhaltiges Wirtschaften […] Umsätze und Gewinne gesellschaftlich verantwortlich zu erzielen“ durch die oben bereits erwähnte Studie Nachhaltig erfolgreich Wirtschaften bestätigt: „Dass wir das mit Erfolg tun, zeigt die Nachhaltigkeitsstudie des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, in der die Krones AG unter den großen deutschen Unternehmen den vierten Rang belegte.“38 Die Erhebung untersucht die Nachhaltigkeitsleistung deutscher Unternehmen mithilfe des Sustainable-Value-Ansatz. Der Sustainable Value zeigt, wie effizient Unternehmen ihre ökonomischen und wie verantwortungsvoll sie ihre sozialen und ökologischen Ressourcen im Vergleich zu ihren Wettbewerbern einsetzen.39 Auf diese Weise wird der wirtschaftliche Mehrwert verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns gegenüber den Stakeholdern mess- und bilanzierbar gemacht. Im Wettbewerb der Maschinenbauunternehmen belegte Krones in der Erhebung den ersten Platz. „Gemäß der Studie erwirtschaftete Krones 2004 einen Sustainable Value von 430 Mio. €“ und hat somit „bei gleichem Ressourceneinsatz um 430 Mio. € mehr erwirtschaftet als dies der Durchschnitt der deutschen Firmen getan hätte“.40 Im Verhältnis zur Unternehmensgröße setzte Krones „seine Ressourcen 3,9 mal effizienter“ ein als der Durchschnitt deutscher Unternehmen

33 Krones AG: CSR 06/07, S. 53. 34 Krones AG: CSR 06/07, S. 54. 35 Vgl. Krones AG: Krones trauert um die Opfer des schweren Erdbebens in China. Pressemitteilung v. 15.05.2008, URL: http://www.krones.de/de/presse/68_7498.htm [aufgerufen am 16.06.2008]. 36 Krones AG: CSR 06/07, S. 55. 37 Krones AG: CSR 06/07, S. 55. 38 Volker Kronseder: Zukunft mit Wert. In: Krones AG: CSR 06/07, S. 3; vgl. IZT: Wirtschaften. 39 Vgl. dazu und zum Folgenden IZT: Wirtschaften, S. 25. 40 Krones AG: CSR 06/07, S. 8.

Entdeckungszusammenhang

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und machte in seiner Vergleichsgruppe seit dem Jahr 2000 die größten Fortschritte.41 Fassen wir zusammen: Nachhaltiges und verantwortliches unternehmerisches Handeln erscheint bei der Krones AG als Unternehmensstragie, die im Rahmen eines -Management- und Kommunikationskonzepts konzernweit zur Umsetzung gebracht werden soll. Krones betritt mit seinem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit und zu unternehmerischer Verantwortung kein Neuland. Auch wenn Corporate Social Responsibility in älteren Veröffentlichungen nicht expliziert wurde, so bekannte sich die Krones AG schon vor der Formulierung und Etablierung eines strategischen CSR-Konzepts zu ihrer Verantwortung als korporativer Akteur. Bereits der Geschäftsbericht 2004 widmet dem „nachhaltige[n] Wirtschaften bei Krones“ ein ganzes Kapitel.42 Darin wird unter anderem ausführlich auf „fundierte Ausbildung und intensive Weiterbildung“ eingegangen, aber auch auf zahlreiche weitere Maßnahmen, die insbesondere den Umweltschutz und die Mitarbeitergesundheit betreffen.43 Einzelmaßnahmen unternehmerischer Verantwortung finden sich auch bereits in früheren Veröffentlichungen.44 Besonders ein konsequenter Stakeholderbezug ist seit vielen Jahren kennzeichnend für strategische Unternehmensentscheidungen. Die überwiegende Zahl der nun im Rahmen der CSR-Strategie gebündelten Maßnahmen gelangte bereits seit längerer Zeit zur Umsetzung; die Innovation ist in der Integration dieser wie aller übrigen Maßnahmen in ein strategisches und langfristiges Management- und Kommunikationskonzept zu sehen. Insbesondere diejenigen sozial verantwortlichen Maßnahmen, die den eigenen Mitarbeitern zugute kommen und denen – wie dargestellt – auch im Rahmen des CSR-Managementkonzepts eine zentrale Rolle zukommt, bildeten aber auch schon in der Vergangenheit einen elementaren Bestandteil der Unternehmenspolitik. Aus diesem Grund sollen im anschließenden empirischen Teil die konkreten Auswirkungen der CSR-Maßnahmen auf die wichtige Stakeholdergruppe der Mitarbeiter ebenso wie daraus möglicherweise resultierende Konsequenzen für deren Einstellungen und Meinungen gegenüber verantwortlichem unternehmerischen Handeln untersucht werden.

5.3 Untersuchungsdesign und Operationalisierung Um zu untersuchen, in welcher Weise sich verantwortliches unternehmerisches Handeln der Krones AG auf deren Mitarbeiter auswirkt und ob durch die Umsetzung der CSR-Maßnahmen im Rahmen eines Management- und Kommunikationskonzepts bei den Mitgliedern dieser Anspruchsgruppe ein Bewusstsein für die 41 42 43 44

Krones AG: CSR 06/07, S. 8. Vgl. Krones AG und Konzern: Geschäftsbericht 2004. Neutraubling 2005, S. 68–81. Krones AG und Konzern: Geschäftsbericht 2004. Neutraubling 2005, S. 68–81. Vgl. dazu etwa Krones AG und Konzern: Geschäftsbericht 2003. Neutraubling 2004, S. 40, 42, 73f.

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Bedeutung von Unternehmensethik und ihrer praktischen Ausformung im Rahmen von Corporate Social Responsibility geschaffen werden kann, kommt ein zweistufiges empirisches Verfahren zur Anwendung. Dazu wird ein Methodenmix aus qualitativen und quantitativen Analysemethoden gewählt. Während der ersten Studienphase sollen leitfadengestützte Experteninterviews durchgeführt werden, um unterschiedliche Perspektiven, Sichtweisen und Einstellungen innerhalb des Unternehmens zu erfassen. Zugleich erfüllen die Interviews den Zweck, zu einem geeigneten Fragebogendesign für den zweiten Studienteil zu gelangen. Erst sollen mithilfe der Experten tiefere Einblicke in die Umsetzung des CSR-Konzepts und die dazu innerhalb der unterschiedlichen Unternehmensteile, Standorte, Abteilungen und Hierarchieebenen vorhandenen Einstellungen und Meinungen in der Firma gewonnen werden. Diese nicht-repräsentativen Ergebnisse sollen dann in einer zweiten Studienphase mithilfe einer Befragung mittels Fragebogen quantifiziert werden. Dabei wird versucht, wesentliche Schlüsse aus den leitfadengestützten Experteninterviews in den Fragestellungen des Fragebogens abzubilden und auf diese Weise zu quantifizieren. Nach Brosius u.a. ist die Befragung besonders gut dazu geeignet, „Einstellungen und Meinungen“ zu ermitteln.45 Die angewendete Triangulation der Methoden erscheint lohnend, weil sie den Untersuchenden „durch das Zusammenspiel unterschiedlicher […] Methoden […] in die Lage versetzt, ein verlässliches Gesamtbild eines sozialen Gegenstandes zu erstellen.“46 Die beiden zur Anwendung gebrachten Methoden ergänzen sich dabei in idealer Weise: Durch das qualitative Verfahren lassen sich komplexe Phänomene in ihren unterschiedlichen Facetten erfassen und darstellen.47 Durch die Quantifizierung können die gewonnenen Ergebnisse und Eindrücke auf die Untersuchung einer größeren Grundgesamtheit übertragen werden: „Quantitative Ansätze liefern die Breite, qualitative die Tiefe.“48 Um die Chronologie dieser Darstellung analog zum Untersuchungsdesign zu gestalten, wird im Folgenden zuerst auf die Planung und Durchführung der leitfadengestützten s eingegangen.

45 Hans-Bernd Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung. Eine Einführung. Wiesbaden 42008, S. 21. 46 Andreas Diekmann: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. 6. durchgesehene Aufl. Reinbek bei Hamburg 2000, S. 451. Ursprünglich als Verfahren zur Erhöhung der Validität konzipiert, wird die Triangulation heute als Alternative zur – konventionell verstandenen – Validierung betrachtet, insbesondere als Möglichkeit, um die Breite und Tiefe der Untersuchung zu steigern. (Vgl. Norman K. Denzin/Yvonna S. Lincoln: Introduction: Entering the Field of Qualitative Research. In: Diesn. (Hg.): Strategies of Qualitative Inquiry. Thousand Oaks 1998, S. 1–34, 4.) 47 Vgl. Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 20. 48 Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 20.

Untersuchungsdesign und Operationalisierung

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5.3.1 Grundlagen qualitativer Forschung Qualitative Forschung wird als Überbegriff für verschiedene theoretische, methodologische und methodische Zugänge zur sozialen Wirklichkeit verstanden.49 Dabei grenzt sie sich von der experimentellen, modelltheoretischen und quantitativen Sozialforschung ab, sieht sich aber zugleich als Ergänzung und besondere Akzentuierung quantitativer Ansätze.50 Während die quantitative Forschung Aussagen über Häufigkeiten, Lage-, Verteilungs- und Streuungsparameter tätigt und die Sicherheit und Stärke von Zusammenhängen untersucht, um mit Hilfe dieser Methoden theoretische Modelle zu überprüfen, versucht die qualitative Sozialforschung, Zusammenhänge und deren innere Struktur zu erklären.51 Die Sozialforschung prägte daher über Jahre ein Paradigmenstreit zwischen den Vertretern der verschiedenen Richtungen.52 Doch können sich beide Richtungen trotz signifikanter Unterschiede und vieler Gegensätze gerade auch durch ihre Verschiedenheit sehr gut ergänzen und so die Ganzheit sozialer Phänomene erfassen und sie aus möglichst vielen Perspektiven in den Blick nehmen. 53 Von besonderer Bedeutung ist daher die Wahl einer Methode, die dem Untersuchungsgegenstand angemessen gegenübertreten kann. Qualitative Forschungsansätze haben dabei „zum Ziel, sich der sozialen Realität in natürlichen, alltäglichen Situationen anzunähern und sie zu erfassen“.54 Auf diese Weise sollen auch eher sensible Daten in ihrem natürlichen Umfeld aufgenommen werden.55 Dabei wird davon ausgegangen, dass jedes Individuum seine eigene Wirklichkeit konstruiert, indem es Ereignissen und Gegenständen eine bestimmte Bedeutung beimisst. Diese müssen erfasst werden, um soziale Realitäten angemessen zu untersuchen.56 Um das zu gewährleisten, ist es notwendig, gewissen Forschungsprinzipien zu entsprechen. Vom Forscher wird einerseits Offenheit gegenüber Untersuchungspersonen, -situationen und -methoden verlangt, andererseits auch die Beachtung alltäglicher Regeln der Kommunikation im Forschungsprozess, da empirische Forschung immer auch Kommunikation ist.57 Empirische Forschung stellt stets einen Prozess dar

49 Vgl. Ernst von Kardorff: Qualitative Sozialforschung – Versuch einer Standortbestimmung. In: Uwe Flick (Hg.): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. München 1991, S. 3–10, 3. 50 Vgl. v. Kardorff: Qualitative Sozialforschung – Standortbestimmung, S. 3. 51 Vgl. Siegfried Lamnek: Qualitative Sozialforschung. Bd. 1: Methodologie. Weinheim 1995, S. 4. 52 Vgl. zur wechselseitigen Kritik und den Argumenten der Debatte Lamnek: Qualitative Sozialforschung I, S. 4–7. 53 Vgl. v. Kardorff: Qualitative Sozialforschung – Standortbestimmung, S. 4. 54 Brita Modrow-Thiel: Qualitative Interviews – Vorgehen und Probleme. In: Fred G. Becker/Albert Martin (Hg.): Empirische Personalforschung. Methoden und Beispiele. München u.a. 1993, S. 129– 146, 129. 55 Vgl. Modrow-Thiel: Qualitative Interviews – Vorgehen und Probleme, S. 142. 56 Vgl. Uwe Flick: Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg 2005 (= Rowohlts Enzyklopädie 55654), S. 56. 57 Vgl. Lamnek: Qualitative Sozialforschung I, S. 30.

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

und bleibt somit in ihrem Ablauf veränderbar.58 In Gegenstand, Analyseprozess und Sinnzuweisungen ist sie reflexiv und muss sich entsprechend im gesamten Forschungsprozess als flexibel erweisen.59 In der ersten Phase der vorliegenden Studie fiel die Wahl der Untersuchungsmethode auf leitfadengestützte Experteninterviews. 5.3.2 Begründung und Durchführung leitfadengestützter Experteninterviews Experteninterviews sind methodisch der qualitativen Sozialforschung zuzuordnen, da nicht die Repräsentativität der Ergebnisse angestrebt wird, sondern eine intensive Beschäftigung mit Einzelfällen.60 Es geht primär um die subjektiven Sichtweisen, Einschätzungen und Erfahrungen der Betroffenen. Die qualitative Sozialforschung widmet sich gerade den unterschiedlichen Perspektiven der Betroffenen und sieht sie (im Gegensatz zur quantitativen Sozialforschung) nicht als Störvariable. Dass weniger die Person des einzelnen Befragten im Vordergrund steht, sondern dessen Wissen als Experte, stellt das wesentliche Charakteristikum der Experteninterviews dar.61 Im Gegensatz zu anderen Formen des offenen Interviews bildet dabei nicht die Gesamtperson den Gegenstand der Analyse, vielmehr geht es um ihre Rolle als Funktionsträger in einem organisatorischen oder institutionellen Zusammenhang.62 Die Experten sind dabei „selbst Teil des Handlungsfeldes, das den Forschungsgegenstand ausmacht“.63 Entsprechend ist „Experte“ ein relationaler Status, abhängig vom Forschungsinteresse und bezogen auf eine spezifische Fragestellung. Deshalb scheint die Methode zur Untersuchung der Konsequenzen aus der Management- und Kommunikationsstrategie eines Unternehmens auf seine Mitarbeiter besonders geeignet. Auch eignen sich Experteninterviews in besonderer Weise zum Einsatz im Rahmen eines Methodenmix.64 Experteninterviews werden „in der Regel als leitfadengestützte Interviews durchgeführt“.65 Indem das aus der Untersuchungsfrage und den theoretischen Vorüberlegungen abgeleitete Informationsbedürfnis in Themen und Fragen des 58 59 60 61

62 63 64 65

Vgl. Lamnek: Qualitative Sozialforschung I, S. 30. Vgl. Lamnek: Qualitative Sozialforschung I, S. 31. Vgl. hierzu und zum Folgenden Flick: Qualitative Sozialforschung, 16ff. Vgl. Flick: Qualitative Sozialforschung, S. 139; vgl. dazu grundlegend Michael Meuser/Ulrike Nagel: ExpertInneninterviews – vielfach erprobt, wenig bedacht: Ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion. In: Detlef Garz/Klaus Kraimer (Hg.): Qualitativ-empirische Sozialforschung. Opladen 1991, S. 441–471, bes. 444. Vgl. hierzu und zum Folgenden Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 442ff. Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 443. Vgl. auch Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 441. Jochen Gläser/Grit Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen. Wiesbaden 22006, S. 107.

Untersuchungsdesign und Operationalisierung

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Leitfadens umgesetzt wird, wird das für die empirischen Wissenschaften konstitutive Prinzip des theoriegeleiteten Vorgehens realisiert.66 Das bedeutet, eine „vorbereitete Liste offener Fragen (den Leitfaden) zur Grundlage des Gesprächs“ zu machen.67 Diese Form des Interviews ist dann empfehlenswert, „wenn in einem Interview mehrere unterschiedliche Themen behandelt werden müssen, die durch das Ziel der Untersuchung und nicht durch die Antworten des Interviewpartners bestimmt werden“ und „wenn im Interview auch einzelne, genau bestimmbare Informationen erhoben“ werden müssen.68 Im Gespräch wird der Leitfaden nur selten so benutzt, wie er entwickelt wurde.69 Zur Vorbereitung des Interviews zählt es, möglichst viele Informationen über den Gegenstand des Interviews zu beschaffen. Der Leitfaden soll in erster Linie sicherstellen, dass in allen Interviews bestimmte Informationen erhoben werden und gewährleistet so in gewissen Grenzen eine Standardisierung der Inhalte der Interviews, nicht aber deren Form. Der Leitfaden dient zugleich als bedeutendes Instrument „zur Sicherung der thematischen Vergleichbarkeit der ExpertInnenaussagen [sic!]“.70 So wird nach Meuser/Nagel eine leitfadenorientierte Gesprächsführung dem Erkenntnisinteresse des Forschers und dem Expertenstatus des Gegenübers am besten gerecht.71 Außerdem schließt die „in die Entwicklung eines Leitfadens eingehende Arbeit […] aus, daß sich der Forscher als inkompetenter Gesprächspartner darstellt“.72 Die im Verlauf des Interviews angestrebte prinzipielle Offenheit des Gesprächs wird gerade durch den Leitfaden gewährleistet, da er den Forscher mit den angesprochenen Themen vertraut macht und so die Grundlage für eine lockere, unbürokratische Führung des Interviews bildet.73 „Erfüllungsbedingung“ ist dafür aber, dass, obwohl in die Konstruktion des Leitfadens Annahmen über den inhaltlichen Zusammenhang von Themen eingehen, dieser „nicht als zwingendes Ablaufmodell des Diskurses gehandhabt wird“.74 Hier wird eine entsprechende Anpassungsleistung vom Interviewer erwartet, der in seiner Gesprächsstrategie auch darüber hinaus „gut daran“ tue, „sich auf die Sprache des Experten einzulassen“ und nicht in einem vorher festgelegten Code zu verharren.75 Entsprechend muss der Interviewer während des Leitfadeninterviews eine permanente spontane Operationalisierung leisten, die im Wesentlichen seinem Ge66 67 68 69 70 71 72 73 74 75

Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 111. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 107. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 107. Vgl. hierzu und zum Folgenden Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 146. Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 451. Vgl. Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 448. Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 448. Vgl. Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 449. Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 449. Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 449.

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schick überlassen ist – auch spätere Veränderungen und Anpassungen des Leitfadens als Reaktion auf die Erfahrungen der ersten Gespräche sind durchaus möglich.76 Operationalisierung wird dabei verstanden als die „Aufgliederung und Übersetzung des wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses in den Kommunikationsraum des Interviewpartners“.77 Um auf den Gesprächspartner und dessen Antworten einzugehen, müssen während des Interviews immer wieder „situationsgebundene allgemeinere Forschungsfragen in konkret bezogene Interviewfragen umgesetzt werden“.78 Der Interviewer muss spontan entscheiden, „ob, an welcher Stelle und in welcher Form er Anknüpfungspunkte für ein Weiterfragen aufgreift“.79 Darüber hinaus soll der Interviewer eine „gesteuerte Spontaneität“ gewährleisten: „Die Interview-Situation soll ein spontanes Kommunikationsverhalten des Befragten begünstigen […] und sie soll dies zugleich auch nicht. Denn in dem Maße, in dem gezieltere Informationsinteressen des Forschers vorhanden sind, wird die Spontaneität durch das Informationsinteresse des Forschers gesteuert.“ 80 Ein leitfadengestütztes Experteninterview zu führen, bedeutet also, „einen Kommunikationsprozess zu planen und zu gestalten, der an den kulturellen Kontext des Befragten angepasst ist und alle Informationen erbringt, die für die Untersuchung benötigt werden“.81 Der Leitfaden soll folglich einen gewissen Rahmen bieten, um zu gewährleisten, dass die Forschungsfrage, die Dimensionen und die einzelnen Indikatoren abgefragt werden. Zugleich sollen die Gespräche so offen wie möglich gestaltet werden, um eine rege Diskussion mit den Experten zu ermöglichen. Daher ist es wichtig, nicht einer Leitfadenbürokratie, also einer starren Orientierung an den vorformulierten Fragen, zu verfallen, sondern auf den jeweiligen Gesprächspartner und seine Antworten einzugehen. Für die Umsetzung bedeutet das eine Beschränkung der Interviewfragen auf ein überschaubares Maß und die Möglichkeit, zu jedem Zeitpunkt dem Diskussionsverlauf zu folgen, ohne strikt an die erstellten Fragen gebunden zu sein. Durch die permanente Anpassung des Leitfadens an den jeweiligen Interviewpartner und die jeweilige Interviewsituation wird zugleich den wesentlichen methodologische Prinzipien sozialwissenschaftlicher Forschung Rechnung getragen – dem Prinzip der Offenheit und dem Prinzip des Verstehens.82 Die zentrale Forderung des Prinzips der Offenheit lautet, dass ein empirischer Forschungsprozess

76 Vgl. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 111, 145f.; vgl. hierzu und zum Folgenden Christel Hopf: Die Pseudo-Exploration. Überlegungen zur Technik qualitativer Interviews in der Sozialforschung. In: Zeitschrift für Soziologie 7 (1978), S. 97–115, 111. 77 Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 111. 78 Hopf: Die Pseudo-Exploration, S. 111. 79 Hopf: Die Pseudo-Exploration, S. 111. 80 Vgl. hierzu und zum Folgenden Hopf: Die Pseudo-Exploration, S. 107. 81 Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 110. 82 Vgl. Gläser/Laudel:Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 146.

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stets offen sein muss für unerwartete Informationen.83 Von besonderer Bedeutung sind dabei Informationen über wesentliche Aspekte des Gegenstandes, die durch das für die Untersuchung entwickelte Vorverständnis nicht erfasst werden oder ihm sogar widersprechen. Hier darf keine vorschnelle Subsumierung beobachteter Tatbestände unter bekannte Kategorien vorgenommen werden.84 Das Prinzip des Verstehens erscheint als „Basishandlung“ sozialwissenschaftlicher Forschung.85 Das beinhaltet die Forderung, das Verstehen als eine Leistung zu betrachten, „die im Forschungsprozess unverzichtbar zu erbringen und deren Realisierung auch methodisch abzusichern ist“.86 Daher muss der Versuch unternommen werden zu verstehen, warum die Untersuchten so handeln, wie sie handeln, wie sie die Handlung interpretieren und welchen Sinn sie ihren Handlungen geben – wobei dieses Verstehen freilich selbst eine Interpretation darstellt, in die unsere Deutungen und Sinngebungen eingehen.87 5.3.3 Aufbau des Leitfadens Wie Gläser/Laudel feststellen, ist der Interviewleitfaden „ein Blatt Papier, auf dem die Fragen stehen, die man dem Interviewpartner im Verlauf des Interviews stellen will“.88 Bei der vorliegenden Studie waren es vier Seiten, die das Gerüst an Fragen darstellten. Der Leitfaden ist das Ergebnis einer Operationalisierung, die darin besteht, die Leitfrage in Interviewfragen zu übersetzen, die an den Alltag des Interviewpartners anschließen.89 Zuerst wurde eine vorläufige Leit- oder Forschungsfrage formuliert, auf die die Gespräche Antworten geben sollten. Sie lautet: Lässt sich durch ethisches und verantwortungsvolles Handeln eines Unternehmens unter dessen Mitarbeitern ein Bewusstsein für die Bedeutung von Corporate Social Responsibility schaffen? Dazu wurden drei unterschiedliche Dimensionen erstellt, die wiederum in zahlreiche Indikatoren untergliedert wurden. Die Dimensionen bildeten den Kernbereich, der in den Gesprächen zur Beantwortung der Forschungsfrage erfasst werden sollte. So schien es sinnvoll, zuerst den Grad der Sensibilisierung für Corporate Social Responsibility abzufragen, um zu ermitteln, inwieweit bei den Befragten ein Bewusstsein für verantwortliches Handeln und seine Folgen vorhanden ist. Die zweite Dimension, der Grad der Etablierung von Corporate Social ResponsibilityMaßnahmen, sollte die Kenntnisse der Mitarbeiter über das CSR-Management83 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 27ff. 84 Vgl. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 28. 85 Vgl. Werner Meinefeld: Realität und Konstruktion. Erkenntnistheoretische Grundlagen einer Methodologie der empirischen Sozialforschung. Opladen 1995, S. 83–94. 86 Meinefeld: Realität und Konstruktion, S. 85. 87 Vgl. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 30. 88 Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 138. 89 Vgl. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 138.

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und Kommunikationskonzept der Krones AG analysieren. Dazu sollte auch festgestellt werden, ob das Konzept überhaupt dazu in der Lage ist, den einzelnen Mitarbeiter zu erreichen. Außerdem sollte bestimmt werden, wie stark die Mitarbeiter, ihre Geschäftsbereiche und Abteilungen in das Konzept involviert sind und welchen Einfluss die Unternehmensstrategie auf die tägliche Arbeit hat. Von wesentlicher Bedeutung war dabei auch die Frage, wie die Mitarbeiter die Auswirkungen der Nachhaltigkeitsstrategie beurteilen. Die dritte Dimension kann man als Transferdimension bezeichnen. Dabei sollte geklärt werden, wie die Mitarbeiter das CSR-Konzept der Krones AG und dessen Umsetzung bewerten, aber auch, welche Erwartungen sie selbst an zukünftige Nachhaltigkeitsstrategien haben. Auch sollte untersucht werden, ob die Mitarbeiter einen Zusammenhang zwischen Unternehmenserfolg und CSR wahrnehmen. Überdies hatte die Dimension zu klären, wie CSR-Maßnahmen und Managementkonzept innerhalb des Unternehmens kommunikativ vermittelt werden und welche Wünsche bzw. Erwartungen die Mitarbeiter an die Kommunikationspolitik des Unternehmens haben. Aus den verschiedenen Indikatoren wurden schließlich im Rahmen der Operationalisierung die einzelnen Interviewfragen ausgearbeitet (vgl. unten). Dabei begann jedes Gespräch mit einer knappen Vorstellung des Interviewers und des Forschungsvorhabens. Zudem wurden die Interviewpartner über die Ziele der Befragung aufgeklärt und darüber informiert, in welcher Weise die Interviewer mit Krones zusammenarbeiten und welchen Nutzen sich die Unternehmenskommunikation von den Ergebnissen der Studie verspricht. Im Anschluss wurde allen Gesprächspartnern absolute Anonymität und größte Sorgfalt bei der Auswertung ihrer Antworten zugesichert. Abschließend wurden die Interviewten um die Verwendung des digitalen Aufzeichnungsgeräts zum Zweck der Transkription ersucht, das nach Zuwilligung der Aufnahme gestartet wurde. Die Interviews begannen mit einigen kurzen Anwärmfragen, die einerseits die Atmosphäre auflockern sollten, zugleich aber auch interessante Informationen über die Interviewten und ihre Arbeit für die Krones AG lieferten. 5.3.4 Vorstudie zum Interviewleitfaden (Pretest) Im Anschluss an die Operationalisierung wurde der Leitfaden im Rahmen einer Vorstudie getestet, um dessen Funktion zu überprüfen und einen größtmöglichen Erfolg der Erhebungsmethode sicherzustellen. Bei dieser Vorstudie, dem sogenannten Pretest, handelt es sich um eine im Umfang begrenzte empirische Untersuchung, die notwendiges Wissen für die eigentliche Untersuchung beschaffen soll.90 Solche „Vorstudien fördern die Offenheit der Untersuchung und qualifizieren die Methodenanwendung“.91 Ein solcher Test scheint auch deswegen geboten, 90 Vgl. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 104. 91 Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 106.

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weil die „Übersetzung eines Erkenntnisinteresses in Interviewfragen kaum durch methodische Regeln unterstützt wird“ und entsprechend praktisch keine verbindlichen Vorgaben für die Leitfadenkonstruktion existieren, auf die man sich bei der Operationalisierung stützen könnte.92 Aufgabe des Interviewers ist es, „einen Kommunikationsprozess zu planen und zu gestalten, der an den kulturellen Kontext des Befragten angepasst ist und alle Informationen einbringt, die für die Untersuchung benötigt werden“.93 Entsprechende Anforderungen werden folglich auch an den Leitfaden gestellt. Versteht man, wie oben erwähnt, die Operationalisierung als Aufgliederung und Übersetzung des wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses in den Kommunikationsraum des Interviewpartners, so erscheint der Pretest schon deshalb sinnvoll, um eine Optimierung dieser Übersetzung und so ein optimales Verständnis der Fragestellungen und in Konsequenz daraus nützliche Antworten zu erzielen. Der Pretest wurde mit Mitarbeitern in Expertenfunktion aus anderen Industrieunternehmen (beispielsweise einem großen deutschen Pharmakonzern) durchgeführt, die ein der Krones AG vergleichbares Management- und Kommunikationskonzept zur Umsetzung von CSR-Maßnahmen verfolgen. Der für die Vorstudie ausgewählte Fall sollte dem der Hauptuntersuchung gleichen. Zugleich ist es aber nicht sinnvoll, die Vorstudie an einem Fall durchzuführen, der auch in die Hauptstudie einbezogen werden soll.94 Dabei stellte sich heraus, dass insbesondere die Einleitung in das Experteninterview verbesserungswürdig war. Die Befragten wurden teilweise verunsichert, was wohl vor allem darauf zurückzuführen war, dass Begriffe wie „Nachhaltigkeit“ oder „verantwortliches Wirtschaften“, die in den Leitfadenfragen ursprünglich häufig gebraucht wurden, nicht genau verstanden und demgemäß nicht richtig zugeordnet werden konnten.95 Um in der Feldphase Missverständnisse in den Interviews, Nachfragen oder andere ungewollte Reaktionen (Verunsicherung, Verärgerung usw.) der Befragten zu vermeiden, wurde die Terminologie entsprechend angepasst. Außerdem entstand während der Pretests der Eindruck, als ließe sich ein weit intuitiverer Einstieg in die Befragung und ein besseres Verständnis der verwendeten Begriffe und ihrer Bedeutung im Zusammenhang der Befragung bewerkstelli92 93 94 95

Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 111. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 110. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 105. In der getesteten Fassung bildete der Indikator „Wissen der Mitarbeiter um Corporate Social Responsibility“ den Einstieg in das Interview, der mit folgenden Fragen operationalisiert wurde: a) Was verbinden Sie mit den Begriffen Nachhaltigkeit oder nachhaltiges, verantwortliches Wirtschaften?, b) Auf welche Bereiche unternehmerischer Tätigkeit hat nachhaltiges, verantwortliches Wirtschaften Ihrer Meinung nach Einfluss? und c) Wie würden Sie selbst solche verantwortungsvolle Arbeit bezeichnen? Direkt daran schloss sich der zweite Indikator „Kenntnis von Maßnahmen im Rahmen der Corporate Social Responsibility“ an. Dort lautete die erste Frage, die die Verwirrung zumeist noch steigerte: a) Welche konkreten Maßnahmen nachhaltigen Wirtschaftens kennen Sie?

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gen, wenn im ersten Frageteil nicht – wie in der ursprünglichen Fassung des Leitfadens – von der unternehmerischen Ebene zuerst auf das berufliche Umfeld und anschließend auf das private Umfeld des Befragten abstrahiert werde, sondern genau andersherum vorgegangen würde. Aus diesem Grund wurden die Indikatoren der ersten Dimension neu angeordnet. Ebenso erwiesen sich einige Fragen im Leitfaden als redundant, da sie von den Interviewten im Pretest schon beantwortet wurden, bevor sie überhaupt gestellt wurden. Diese Fragen wurden deshalb entweder ersatzlos gestrichen oder entsprechend an eine als geeigneter erscheinende Position im Leitfaden verschoben. Andere Fragen erfüllten nicht die an sie gestellten Erwartungen und lieferten Antworten, die für den Indikator nur als bedingt nützlich oder sogar als gänzlich unbrauchbar erschienen. Diese Fragen wurden umformuliert oder ergänzt. An wenigen Stellen erschien es darüber hinaus sinnvoll, eine komplette Frage zu ergänzen, um dem Informationsinteresse gerecht zu werden. Bestimmte Fragen wurden dergestalt angepasst, dass fortan – entsprechend der Position des befragten Interviewpartners und seiner Funktion in dem zu rekonstruierenden Prozess – eine Unterteilung der Fragen zwischen den beiden Gruppen unternommen werden konnte. Nach der ergänzenden Erfahrung aus den ersten beiden Interviews wurde außerdem ein Farbleitsystem eingeführt, das die Fragen kategorisierte und unterschiedlich priorisierte.96 Nochmals sei darauf verwiesen, dass trotz des Pretests immer auch eine ständige spontane Operationalisierung geleistet werden muss. Weitere Anpassungen des Leitfadens im Laufe des Erhebungsprozesses sind notwendig, obgleich eine solche Anpassung immer auch mit dem Risiko verbunden ist, dass besonders zeitlich frühe Interviews ihre Aufgabe nicht ganz erfüllen und dem Sozialforscher deshalb Daten entgehen.97 Naturgemäß wird angestrebt, diesen Datenverlust so gering wie möglich zu halten, weshalb Interviewpartner, die aufgrund ihrer exponierten Stellung im untersuchten Prozess für die Studie von besonderer Bedeutung zu sein versprachen, erst zu einem relativ späten Zeitpunkt befragt wurden. Basierend auf den Erfahrungen aus den ersten Gesprächen erfuhr der verwendete Leitfaden einige kleinere Überarbeitungen und Anpassungen. Die Fragen bildeten für die Experteninterviews lediglich ein Gerüst und kamen je nach Interviewverlauf gemäß der Forderung, „gegebenenfalls […] auch spezifische Interviewleitfäden“ nach-

96 So schien es sinnvoll, einige Fragen unabhängig vom Verlauf des jeweiligen Gesprächs aus Gründen der Vergleichbarkeit wie aus spezifischem Erkenntnisinteresse wenn möglich in jedem Interview zu stellen – auch bei zeitlicher Knappheit. Diese Fragen wurden rot gedruckt. Andere Fragen, die unter Umständen – je nach Befragungsverlauf – geeignete Nachfragen darstellen könnten oder sich als vertiefende Fragen eigneten, aber je nach Verlauf des Interviews auch als verzichtbar oder gänzlich redundant erscheinen konnten, wurden in blauer Farbe gedruckt. Mögliche Nachfragen, deren Nutzen und Relevanz von der Antwort des Interviewten auf eine vorausgegangene Frage im Leitfaden abhing, wurden in runde Klammern gesetzt. 97 Vgl. auch Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 105.

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entwickeln zu müssen, teilweise in veränderter Reihenfolge oder Formulierung bzw. gar nicht zum Einsatz.98

5.4 Organisation und Durchführung der leitfadengestützten Experteninterviews 5.4.1 Auswahl der Interviewpartner Die richtige Auswahl geeigneter Interviewpartner ist von wesentlicher Bedeutung für das Gelingen der Experteninterviews. Um die gewünschten Informationen zu erhalten, ist es erforderlich, mehrere Experten zu befragen, die zudem „aufgrund ihrer spezifischen Stellung in dem zu rekonstruierenden Prozess jeweils über andere Informationen verfügen“.99 Eine „Auswahl der ExpertInnen“ sollte daher immer „unter dem Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit ihrer Positionen und der vermuteten Verwandtheit ihres Erfahrungswissens“ erfolgen.100 Die Auswahl der Interviewpartner ist entscheidend für die Qualität der Informationen, die der Interviewer erhält. Es ist davon auszugehen, dass kein Interviewpartner über alle relevanten Informationen verfügt. Deshalb soll die Auswahl der Interviewten möglichst so erfolgen, dass die Interviewpartner aufgrund ihrer spezifischen Stellung in dem zu rekonstruierenden sozialen Prozess jeweils andere Informationen beitragen können.101 Grundsätzlich muss bei der Auswahl berücksichtigt werden, wer von den potenziellen Interviewpartnern über die relevanten Informationen verfügt, wer am ehesten in der Lage ist, präzise Informationen zu geben, wer am ehesten dazu bereit ist, Informationen zu geben und wer von den Informanten verfügbar ist.102 Im Umfeld eines Unternehmens hängt die Verfügbarkeit und die Bereitschaft potenzieller Interviewpartner zum Gespräch nicht zuletzt von deren Arbeitsbelastung ab.103 Den für die vorliegende Studie ausgewählten potenziellen Gesprächspartnern kam aufgrund ihrer Funktion im Unternehmen Expertenstatus zu. In zwei etwa gleich großen Gruppen, unterschieden nach hierarchischem Status im Unternehmen, sollten Mitarbeiter aus verschiedenen Funktionsbereichen und unterschiedli-

98 99 100 101 102

Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 114. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 113. Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 451. Vgl. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 113. Vgl. Raymond L. Gorden: Interviewing. Strategies, techniques and tactics. Homewood, Ill. u.a. 1975, S. 196f.; vgl. Harry Hermanns: Interviewen als Tätigkeit. In: Uwe Flick u.a. (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg 2000 (= Rowohlts Enzyklopädie 55628), S. 360– 368. 103 Vgl. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 113.

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chen Hierarchieebenen des Unternehmens befragt werden, um auf diese Weise Informationen zu triangulieren und Informationsverluste zu vermeiden.104 In beiden Gruppen sollten alle sechs Vorstandsbereiche der Krones AG (Vorstandsbereich Human Resources, Vorstandsbereich R&D und Sparten105, Vorstandsbereich Commercial, Vorstandsbereich Sales, Vorstandsbereich Operations sowie Vorstandsbereich sonstige Zuordnung) repräsentiert sein. Die erste Gruppe (nachfolgend Gruppe 1 genannt) von Interviewpartnern, bestehend aus Mitarbeitern der höheren Hierarchieebene (Mitglieder des Vorstands, des Oberen und Mittleren Führungskreises sowie Funktionale Führungskräfte), umfasste schließlich elf Personen, die zweite Gruppe der Befragten (nachfolgend Gruppe 2 genannt), bestehend aus Mitarbeitern niedrigerer Hierarchieebenen (Unterer Führungskreis und Mitarbeiter, die keinem Führungskreis angehören), umfasste zwölf Personen. Es gelang, eine Verteilung der interviewten Experten über alle Vorstandsbereiche und hierarchischen Ebenen des Unternehmens zu gewährleisten – ihre genaue Position, Abteilung und Hierarchieebene sowie ihr Geschlecht werden im Folgenden nicht genannt, um die den Interviewten zugesicherte Anonymität zu wahren. Drei Gespräche fanden mit Mitarbeitern aus dem Vorstandsbereich Human Resources statt. Darunter fanden sich Experten für das Personalwesen, die Unternehmenskommunikation sowie den Werksschutz und die Betriebssicherheit. Befragt wurden ein Mitarbeiter, der der Gruppe 2 zugeordnet wurde, sowie zwei hohe Führungskräfte, die der Gruppe 1 zugeordnet wurden. Insgesamt wurden fünf Gespräche mit Mitarbeitern aus dem Vorstandsbereich R&D und Sparten geführt, wovon einer als hohe Führungskraft der Gruppe 1 zugeordnet wurde. Auch die Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Krones AG ist in diesem Vorstandsbereich organisiert, weshalb ein Interviewpartner Experte für Produktinnovationen sein sollte. Bei der Auswahl der Befragten wurde weiterhin besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass sie unterschiedlichen Unternehmenssegmenten und Produktsparten angehörten. Die Krones AG hat sich in den zurückliegenden Jahren vom Maschinenbauer zum kompletten Systemanbieter entwickelt. Entsprechend erhebt das Unternehmen den Anspruch, auch die vor- und nachgelagerten Abläufe beim Abfüllen und Verpacken von Getränken und Flüssigkeiten zu beherrschen. 106 Die Geschäftsaktivitäten des Krones Konzerns gliedern sich in drei Segmente auf: Das Segment „Maschinen und Anlagen zur Produktabfüllung und -ausstattung“ umfasst die Sparten Systemtechnik, Etikettiertechnik, Fülltechnik, Inspektionstechnik, Reinigungstechnik, Kunststofftechnik, Pack- und Palettiertechnik sowie Transporttechnik. Das Segment „Maschinen und Anlagen zur Getränkeprodukti-

104 Vgl. auch Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 113. 105 R&D ist die Abkürzung für Research & Development. 106 Vgl. hierzu und zum Folgenden Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 70.

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on/Prozesstechnik“ setzt sich zusammen aus dem Technologiebereich „Prozesstechnik“, der Pasteurisiertechnologie und der Intralogistik. Die Tochter Kosme bildet mit „Maschinen und Anlagen für den unteren Leistungsbereich“ das dritte Unternehmenssegment. Leider konnte nur ein Gespräch mit einem Mitarbeiter aus dem Vorstandsbereich Commercial geführt werden. Der Beschäftigte ist im Finanz- und Rechnungswesen tätig und wurde der Gruppe 2 zugeordnet. Ein zweites Gespräch mit einer Führungskraft, die der Gruppe 1 zugeordnet worden wäre, musste leider entfallen, da der Mitarbeiter terminlich verhindert war. Es fanden insgesamt vier Gespräche mit Mitarbeitern aus dem Vorstandsbereich Sales statt, deren Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche über eine möglichst hohe Diversifizität verfügen sollte. Unter den Befragten befanden sich zwei Führungskräfte, die der Gruppe 1 zugeordnet wurden, die übrigen gehörten dementsprechend der Gruppe 2 an. Einer der Befragten ist ein Experte für den „Lifecycle Service“, in dem das globale Wartungs- und Instandhaltungsgeschäft von Krones zusammengefasst ist und steht als solcher sowohl mit den Kunden als auch mit der Entwicklungsabteilung des Unternehmens in engem Kontakt.107 Insgesamt neun Experten aus dem Vorstandsbereich Operations der Krones AG nahmen an den Interviews teil. Darunter waren fünf Führungskräfte aus Materialwirtschaft, Montage und Fertigung sowie Anlagenmanagement und Logistik, die der Gruppe 1 zugeordnet wurden. Darüber hinaus wurden vier Interviewpartner ausgewählt, die sich der Gruppe 2 zuordnen ließen. Ihre Auswahl war an besondere Bedingungen geknüpft: Die Mitarbeiter sollten in der Fertigung, in der Montage sowie im Kundendienst/Außenmontage tätig sein und überdies möglichst unterschiedlichen Unternehmenssparten angehören. Auf diese Weise sollten einerseits Expertenmeinungen aus Produktions- und Herstellungsbetrieb des Unternehmens einbezogen werden, andererseits wurden Beschäftigte ausgewählt, die durch ihre Montagetätigkeit eng mit Kunden der Krones AG zusammenarbeiten und auf diese Weise umfassende Einblicke in deren Erwartungshaltung und Einstellung gegenüber den sie betreffenden CSR-Maßnahmen der Krones AG erhalten. Um mögliche Veränderungen des zu untersuchenden sozialen Prozesses abbilden zu können, wurde bei der Auswahl der Experten weiterhin angestrebt, dass sie sich in der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit und in ihrer Berufserfahrung signifikant voneinander unterscheiden. Zugleich musste dabei beachtet werden, dass die Befragten zumindest solange dem Unternehmen und ihrer Abteilung angehörten, dass sie über einen ausreichenden Einblick in betriebsinterne Prozesse verfügten und ihnen dementsprechend eine Expertenrolle in ihrem Funktionsbereich zukam. Außerdem sollte mindestens eine weibliche Beschäftigte befragt werden. Aus dem Vorstandsbereich sonstige Zuordnung wurde ein hochrangiges Betriebsratsmitglied interviewt, das der Gruppe 1 zugeordnet wurde. 107 Vgl. Krones AG: Konzernbericht 2007, S. 78.

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5.4.2 Organisation der leitfadengestützten Experteninterviews Nachdem in Absprache mit der Personalabteilung und der Unternehmenskommunikation eine Vorauswahl geeigneter Experten getroffen wurde, wurden die gewünschten Interviewpartner persönlich per E-Mail zur Teilnahme eingeladen. Dabei wurde ein persönliches, vom Abteilungsleiter und der CSR-Beauftragten unterschriebenes Einladungsschreiben der Abteilung Corporate Communications an eine kurze Mail angehängt, die knappe Informationen zur Studie und zu den Modalitäten ihrer Durchführung sowie organisatorische Hinweise zur Terminfindung enthielt. Ausnahmen bildeten dabei lediglich einige hochrangige Mitarbeiter, bei denen vorab ein einleitendes Telefongespräch mit deren Büro geführt wurde, um terminliche Details zu klären und so die zeitnahe Einrichtung eines Gesprächstermins zu erleichtern. Die Einladungsschreiben wurden überdies vor ihrem Versand gemeinsam mit einem Entwurf des Leitfadens dem Unternehmensvorstand, dem Betriebsrat und der Personalleitung zur Kenntnisnahme und Freigabe vorgelegt. Bei einigen wenigen gewünschten Gesprächsteilnehmern der Gruppe 2 wurden die Kontaktmail und das angehängte Einladungsschreiben nicht direkt an den gewünschten Interviewpartner, sondern an den jeweiligen Vorgesetzten gesendet.108 Alle Adressaten erhielten nahezu identische E-Mails und Einladungsschreiben. Bei einigen Empfängern wurde allerdings eine Kopie der Einladungsmail an den jeweiligen direkten Vorgesetzten ausgesendet, um möglicherweise auftretende Schwierigkeiten resultierend aus der notwendigen Freistellung von Mitarbeitern während der Arbeitszeit für die Dauer der Gespräche von vornherein zu umgehen. In den Einladungsschreiben wurden 30 bis 45 Minuten als ungefähre Gesprächsdauer angegeben. Der ursprüngliche Entwurf des standardisierten Anschreibens hatte noch eine doppelt so lange Zeitspanne enthalten. Auch die Pretests ergaben eine Gesprächsdauer von einer Stunde und länger. Allerdings erschien nach Rücksprache mit den betriebsseitigen Betreuern der Studie die Angabe einer so langen Gesprächsdauer in den Einladungsschreiben als schwer gegenüber den Personalvorgesetzten in den Abteilungen und der Unternehmensleitung vermittelbar. Aus Rücksicht auf die betrieblichen Abläufe, das Arbeitsumfeld, aber auch die Terminknappheit einiger gewünschter Gesprächsteil-

108 Dafür gab es mehrere Gründe: Erstens waren diese Vorgesetzten bereits in die Auswahl geeigneter Gesprächspartner aus ihren Abteilungen einbezogen gewesen. Dazu erhielten sie bestimmte Vorgaben, die sich an den zuvor entwickelten Maßgaben zur Aufteilung der beiden Teilnehmergruppen orientierten. Zweitens konnten die Vorgesetzten auf diese Weise als sog. gatekeeper eingesetzt werden: Dabei sollte der erste Kontakt zum gewünschten Interviewpartner über den direkten Vorgesetzten vorgenommen werden, um so die Bereitschaft des angefragten Mitarbeiters zur Teilnahme an der Studie zu erhöhen. Eine weitere, praktische Ursache dafür, den Erstkontakt über den Vorgesetzten erfolgen zu lassen, bestand darin, dass die angefragten Mitarbeiter schlichtweg über keine eigenen Firmen-E-Mailaccounts verfügten und sich eine direkte Zustellung der Einladungen daher schwierig gestaltet hätte.

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nehmer wurde eine kürzere Angabe gewählt. Bei der persönlichen Terminabsprache mit den gewünschten Interviewpartnern wurde jedoch versucht, eine längere Gesprächsdauer zu vereinbaren. Wenn dies terminlich möglich war, wurden die Gespräche daher in den meisten Fällen auf 60 bis 75 Minuten anberaumt. Der zur Verwendung kommende Leitfaden wurde diesen terminlichen Bedingtheiten angepasst: So wurden – wie oben beschrieben – Fragen mit höherer und niedrigerer Priorität definiert, um flexibler auf den in den einzelnen Gesprächen zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen reagieren zu können. Als forschungssethischer Grundsatz wurde das Prinzip der informierten Einwilligung im Umgang mit allen Gesprächspartnern konsequent befolgt.109 Danach werden Personen, die sich für die Teilnahme an einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung entscheiden, über die Ziele der Untersuchung, über die Art und Weise ihrer Mitwirkung und über mögliche Folgen dieser Mitwirkung von Beginn an informiert. Die Einhaltung wissenschaftsethischer Grundsätze ist zugleich ein probates Mittel, um Personen zur Teilnahme aus Überzeugung zu bewegen. Dabei gilt der Grundsatz: Je besser jemand das Ziel der Untersuchung versteht, desto eher ist er zur Kooperation bereit.110 In Folge des Einladungsversandes wurde deshalb ein persönliches Gespräch mit den Teilnehmern gesucht, um sie über Ziele und Möglichkeiten der Studie zu informieren. Dabei musste jedoch darauf geachtet werden, die Gesprächsteilnehmer nicht im Vorfeld über zu erwartenden Ergebnisse zu informieren oder sie in irgendeiner anderen Weise zu beeinflussen. Es sei betont: Alle Befragten sollten ihr Wissen als Experten im Sinne der gewählten Forschungsmethodik einbringen, sollten sich aber kein spezielles Wissen für die Befragung aneignen. Entsprechend wurde auch darum gebeten, dass sich die Mitarbeiter nicht gesondert auf die Interviewthematik vorbereiten sollen, um bei ihren Aussagen ein möglichst unverstelltes Bild zu erhalten. Der Leitfaden oder mögliche Interviewfragen wurden den Gesprächsteilnehmern daher ebenfalls nicht zugänglich gemacht. 5.4.3 Durchführung der leitfadengestützten Experteninterviews Mag das Experteninterview äußerlich einem „natürlichen Gespräch“ ähneln, so müssen dennoch wesentliche Merkmale des Interviews eingehalten werden.111 Kulturell festgelegte Kommunikationsregeln und Konventionen etwa behalten ihre Geltung: So darf der Befragte beispielsweise jederzeit die Antwort verweigern, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen. Zudem erkennen beide Seiten die feste Rollenverteilung zwischen Fragendem und Befragtem an, die während des Dialogs 109 Vgl. zur Anwendung wissenschaftsethischer Grundsätze im Rahmen von Experteninterviews sowie zum Folgenden Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 154. 110 Vgl. Gorden: Interviewing, S. 156. 111 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 108.

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besteht. Der Dialog wird dabei vom Fragenden geführt und gesteuert und ist auf ein bestimmtes Informationsziel gerichtet.112 Der Interviewpartner muss zur Kooperation motiviert werden: Da die Interviews auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basieren, versteht es sich von selbst, dass der Interviewer um ein vertrauensvolles Klima bemüht ist.113 Dazu tragen entsprechende „vertrauensbildende Maßnahmen“ vor, während und nach dem Interview, eine angenehme Gesprächsatmosphäre genauso wie entsprechende Anwärmfragen zu Beginn des Gesprächs bei.114 Beim Experteninterview handelt es sich immer um eine „soziale Situation, in der ein Befragter und Interviewer in unterschiedlichen Rollen aufeinandertreffen“.115 Das Gespräch ist eine „künstlich hergestellt[e]“ Situation zum Zweck der Datenerhebung, wobei sich der Befragte in der Regel „keineswegs darüber im klaren“ ist, dass „nicht er als Person, sondern nur als Merkmalsträger interessant ist“.116 Dabei schlüpfen „beide Beteiligte […] in eine Rolle, die zumindest für den Befragten unbekannt und deshalb verunsichernd ist“.117 Brosius/Koschel stellen fast, dass das „Interview als soziale Situation […] an sich ein Widerspruch“ sei, „der jedoch nicht auszumerzen, sondern nur möglichst gut zu kontrollieren“ sei.118 Deshalb können immer wieder negative oder unerwünschte Effekte auftreten, die die Antworten des Befragten verzerren können.119 Es liegt im Interesse des Interviewers, solche Auswirkungen zu vermeiden, um einerseits zu nützlichen Antworten zu gelangen, genauso aber auch, um eine gute Vergleichbarkeit der Gespräche untereinander zu erzielen. Entsprechend wurde versucht, in allen Gesprächen für bestmögliche Bedingungen zu sorgen: Dazu zählte ein ruhiges Umfeld für das Interview, eine angenehmene Atmosphäre aber auch – soweit es sich beeinflussen ließ – terminliche Entspannung. Unterschiede ließen sich dennoch nicht vollständig vermeiden: Alle Interviews wurden persönlich durchgeführt und zur späteren Transkription mit einem digitalen Aufnahmegerät aufgezeichnet. Die Rolle, die auch latente Faktoren wie etwa persönliche Sympathie in einem Interview spielen, darf nicht unterschätzt werden. Auch reagierten die Gesprächsteilnehmer unterschiedlich auf das Aufnahmegerät. Einige Befragte ließen sich davon in keiner Weise stören, bei anderen spürte man die Verunsicherung. Ein Teil der Gespräche konnte nicht in den Meetingräumen der Abteilung Corporate Communications stattfinden und musste daher teilweise unter deutlich unruhigeren Bedingungen geführt werden. Einige wurden gestört oder unterbrochen, andere fanden unter merklichem terminlichen Druck des Interview112 113 114 115 116 117 118 119

Vgl. Michael Haller: Das Interview. Ein Handbuch für Journalisten. München 1991, S. 105. Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 110f. Vgl. auch Gläser/Laudel: Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, S. 143f. Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 127. Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 129. Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 129f. Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 130. Vgl. zu diesen Phänomenen Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 129–133.

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ten statt. Diese Faktoren wirkten sich zweifelsohne ebenso auf das Gespräch aus wie die unterschiedlich stark ausgeprägte Bereitschaft zur Teilnahme an der Studie und Kooperation im Rahmen des Gesprächs, die sich bei den Experten wahrnehmen ließ. Es wurde versucht, die negativen Einwirkungen durch sogenannte Interviewereffekte, also durch unterschiedlichste Faktoren wie Kleidung, Sprachniveau, Vorerfahrungen verursachte unvermeidbare Einflüsse des Interviewers auf den Befragten, so gering wie möglich zu halten. Dazu passte sich der Interviewer so gut wie möglich an die Gesprächssituation an und hielt sich so weit wie möglich zurück. Insbesondere sollten weder verbal noch nonverbal die Äußerungen der Befragten kommentiert oder auf eine andere Weise Zustimmung oder Ablehnung signalisiert werden. Eine besondere Herausforderung stellte der zu erwartende sogenannte Sponsorship-Effekt dar, durch den das Antwortverhalten positiv verzerrt wird: „Sobald der Befragte merkt, welcher Auftraggeber wahrscheinlich hinter der Befragung steckt, wird er anders antworten.“120 Dass die Krones AG und damit der Arbeitgeber der Befragten als Auftraggeber hinter der Studie fungierte, war für alle Teilnehmer evident. Angesichts der engen Zusammenarbeit mit dem Unternehmen und dem Hinweis auf den erhofften praktischen Nutzen der Studie für die Arbeit der Unternehmenskommunikation bestand so die Gefahr, dass der Interviewer wie ein Kollege behandelt würde und so einerseits die notwendige wissenschaftliche Distanz zwischen Befrager und Befragtem aufgehoben würde und andererseits das Unternehmen und seine Politik besonders wohlwollend dargestellt würden. Um dies zu verhindern, wurde die wissenschaftliche Unabhängigkeit des Befragers hervorgehoben und das Forschungsziel erläutert. Freilich konnte gerade die Hervorhebung der Nicht-Zugehörigkeit zum Unternehmen dazu führen, dass der Interviewte seinen Arbeitgeber vor dem Außenstehenden in einem möglichst guten Licht darstellen wollte. Ebenso herrschte bei einigen Befragten offensichtlich die implizite Befürchtung vor, die Studie wolle nicht nur einen wissenschaftlichen Nutzen erfüllen, sondern könne vom Unternehmen zur Kontrolle von Erfolg und Akzeptanz der CSR-Maßnahmen in einzelnen Unternehmensteilen eingesetzt werden. Um den Befragten diese – zwar nie ausdrücklich geäußerte, aber unterschwellig zuweilen deutlich wahrnehmbare – Sorge zu nehmen, konnte nur versucht werden, ein vertrauensvolles Gesprächsklima zu etablieren und zugleich wiederholt die strikte Einhaltung wissenschaftsethischer Standards zugesichert werden. In Interviews muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass Experten nicht immer die ganze Wahrheit sagen oder bestimmte Tatbestände beschönigen.121 Die Frage, wie kontrolliert werden kann, ob die Befragten die Wahrheit sagten, stellt sich hartnäckig, da das in den Interviews erhobene Wissen explizit an sozialstrukturell bestimmte Handlungssysteme und an Insidererfahrungen spezifischer Sta120 Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 132. 121 Vgl. Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 466.

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tusgruppen gebunden ist.122 Meuser/Nagel schlagen dafür eine pragmatische Lösung vor: „Eine Gewähr dafür, daß die ExpertInnen sich nicht allzuweit vom Boden der Tatsachen entfernen, besteht […] darin, daß sie damit rechnen, daß auch KollegInnen interviewt werden.“123 Darin ist ein „immanente[r] Zwang zur Wahrheit“ zu erkennen, der zugleich der Äußerung subjektiver Einschätzungen keinen Abbruch tut.124 Eine Beurteilung, inwieweit negative oder unerwünschte Effekte möglicherweise Einfluss auf den Interviewverlauf oder die getätigten Aussagen genommen haben könnten, kann nur anhand des Einzelfalls geschehen. Deshalb wurden zu jedem Interview Angaben über Ort, Zeit, Rahmen und äußere Bedingungen sowie über besondere Vorfälle während der Gespräche erfasst.

5.5 Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews Wesentliche Absicht bei der Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Äußerungen der verschiedenen Experten festzustellen.125 Diese werden durch typische Aussagen dokumentiert, die mit einem knappen, zusammenfassenden Kommentar versehen werden. Es ist bedeutsam, die so gewonnenen Aussagen kontrollierbar zu halten. Eine wesentliche Voraussetzung dafür stellt die im vorangegangenen Unterkapitel vorgenommene Darstellung der Interaktions- und Kommunikationssituation jedes einzelnen Interviews dar. Zudem setzt die Auswertung die vollständige Transkription der durch digitale Tonbandaufnahme protokollierten Interviews voraus.126 Pausen, Stimmlagen und sonstige nonverbale und parasprachliche Elemente werden im Gegensatz zu anderen Methoden nicht zum Gegenstand der Interpretation gemacht: „Da es bei ExpertInneninterviews um gemeinsam geteiltes Wissen geht, halten wir aufwendige Notationssysteme, wie sie bei narrativen Interviews oder konversationsanalytischen Auswertungen unvermeidlich sind, für überflüssig.“127 Wesentliches Ziel der Auswertung ist es, das „Repräsentative im ExpertInnenwissen zu entdecken“, das dann im Rahmen der quantitativen Befragung noch genauer überprüft werden kann. Dabei geht es darum, „im Vergleich mit anderen ExpertInnentexten das Überindividuell-Gemeinsame herauszuarbeiten, Aussagen über Repräsentatives, über gemeinsam geteilte Wissensbestände, Relevanzstruktu-

122 Vgl. Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 466; vgl. dazu grundlegend John P. Dean/William F. Whyte: How Do You Know If the Informant Is Telling the Truth. In: John M. Bynner/Keith M. Stribley (Hg.): Social Research. Principles and Procedures. London u.a. 1979, S. 179–188. 123 Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 466. 124 Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 466. 125 Vgl. dazu und zum Folgenden Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 451f. 126 Vgl. Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 455. 127 Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 455.

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

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ren, Wirklichkeitskonstruktionen, Interpretationen und Deutungsmuster“ zu treffen.128 Dazu soll die Auswertungsmethode der freien Interpretation auf der Basis fester Kategorien angewandt werden. Das Kategorienschema ist dabei eng an die im Leitfaden verwendeten Indikatoren angelehnt. Zu jedem Indikator wird eine kurze Zusammenfassung der Kommentare und typischen Aussagen der Interviewten gegeben. Eine aufwändigere Auswertungsmethodik kann aufgrund des engen zeitlichen Rahmens zur Abfassung der Arbeit nicht zur Anwendung kommen, erscheint aber darüber hinaus auch aus einem anderen Grund nicht zwingend erforderlich: Der qualitative Studienteil soll schließlich den wesentlichen Zweck erfüllen, vermittels der Expertenaussagen zu einem geeigneten Fragebogendesign für den zweiten Studienteil zu gelangen. Die dazu durchgeführte Befragung mittels Fragebogen bietet dann auch die Möglichkeit, die vorläufigen und ohnehin nicht repräsentativen Forschungsergebnisse aus dem ersten Studienteil konzernweit zu quantifizieren, um so zu repräsentativen Aussagen zu gelangen. 5.5.1 Grad der Sensibilisierung für Corporate Social Responsibility Anhand der beiden ersten Indikatoren „privates und berufliches Engagement für verantwortliches Handeln“ sowie des dritten Indikators „Problembewusstsein für CSR-Maßnahmen“ sollte der Grad der Sensibilisierung der Experten für CSR ermittelt werden. Die ersten beiden Indikatoren sollten die Interviewten zum Thema hinführen und sie über den Verantwortungsbegriff und ihre eigene Bereitschaft zur Übernahme von Aufgaben, der Zurechnung von Handlungsfolgen und zur Begründung der Ziele und Motive des eigenen Handelns reflektieren lassen. Beim dritten Indikator mussten die Befragten einen Transfer von ihrer persönlichen Verantwortung zur Verantwortungsübernahme eines Unternehmens leisten. Dabei wurde ein Fokus auf die Kernbereiche unternehmerischen Engagements, Mitarbeiter, Ökologie und Gesellschaft gelegt. 5.5.1.1

Privates Nachhaltigkeitsengagement

Die Experten, so zeigen die Interviews, verfügen über ein differenziertes Verständnis von Verantwortung und die Bedeutung eines Bewusstseins für die Konsequenzen des eigenen Tuns. Die meisten Befragten beschrieben unterschiedliche Arten der Verantwortungsübernahme im privaten Bereich. Verantwortungsbewusstsein erschien dabei mitunter auch als entscheidende Triebfeder für das eigene Handeln.

128 Meuser/Nagel: ExpertInneninterviews, S. 452.

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

5.5.1.2

Berufliches Nachhaltigkeitsengagement

In ihrem beruflichen Umfeld übernehmen die Interviewpartner ebenfalls in unterschiedlicher Weise Verantwortung. So bezeichneten sie sich als Mitarbeiter als verantwortlich sowohl gegenüber ihrem Arbeitgeber, als auch gegenüber dessen Kunden. Sie trügen stellvertretend für das Unternehmen Verantwortung für Güte und Qualität der produzierten Produkte und ebenso für Stärkung und Erhalt des Produktionsstandorts. Zugleich fassen sie es als ihre Aufgabe auf, das Unternehmen vor wirtschaftlichen Schäden oder Reputationsrisiken zu bewahren.129 Vorgesetzte beschrieben eine besondere Verantwortung, die sie für ihre Mitarbeiter, deren Wohlergehen und Gesundheit trügen – insbesondere bei Tätigkeiten im Ausland. Zugleich sei es aber wichtig, der Verantwortung für das berufliche Fortkommen der Mitarbeiter und eine gute Arbeitsatmosphäre gerecht zu werden. Dazu sei es wichtig, die Mitarbeitern zu fördern und weiterzubilden und darüber hinaus ein offenes Ohr für ihre Wünsche und Bedürfnisse zu haben. 5.5.1.3 5.5.1.3.1

Problembewusstsein für Corporate Social Responsibility-Maßnahmen Warum ein Unternehmen Verantwortung für seine Mitarbeiter übernehmen sollte

Der Mitarbeiter ist Rückgrat und zugleich der wichtigste Wert des Unternehmens, weshalb es schon aus ökonomischen Erwägungen heraus geboten erscheint, in Hege und Pflege dieses Kapitals zu investieren und für dessen Fortkommen und Wohlergehen Sorge zu tragen, um so Leistungsbereitschaft und Motivation zu erhalten und zu fördern. Gerade angesichts der großen Bedeutung von Technologie und Innovation ist die Förderung von Leistungsstärke, Know-how und Engagement der Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung für die langfristige Sicherung des Unternehmenserfolgs. Durch wirtschaftlichen Erfolg kann ein Unternehmen seiner Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern gerecht werden, wenn es aufgrund dessen zu Investitionen in die Mitarbeiter, den Standort und die Region in die Lage versetzt wird. Als gesellschaftlicher Akteur trägt ein Unternehmen dar129 Es sei – auch für die weiteren Teile der Studie – daran erinnert, dass Reputationsrisiken im Kanon der Risiken für den Wert eines Unternehmens inzwischen eine Spitzenposition einnehmen. Das Bewusstsein von Unternehmen und Investoren für die Auswirkungen sozialer (social), ökologischer (environmental) und ethischer (ethical) Faktoren, sog. SEE-Faktoren, auf den Shareholder Value ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. (Vgl. dazu die oben zitierte Studie SustainAbility Ltd./Friends Ivory & Sime plc: Governance, Risk and Corporate Social Responsibility, S. 5f.) Unternehmenswerte wie Reputation bestimmen den Unternehmenswert mittlerweile zu einem überwiegenden Teil: „Intangible assets like reputation are becoming an ever more significant part of a company’s value. In the 1970s, typical companies’ intangible assets accounted for 30% of their value. In the 1990s the figure was 70% or more. Indeed, in the late 1990s, for many companies, intangibles were over 90% of the value of the business. At the same time, intangibles are becoming ever more vulnerable.“ (Ebd., S. 6.)

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

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über hinaus auch moralische Verantwortung für seine Mitarbeiter. Die Vorbildfunktion des Unternehmens ist nicht zu unterschätzen: Verantwortliches Handeln kann sich durch alle Unternehmensebenen und -bereiche ziehen und zu einer Kultur der Verantwortung beitragen, die letztlich auch wieder dem ökonomischen Fortkommen des Konzerns dienlich ist. Doch nicht nur durch geeignete Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen kann ein Unternehmen seine Technologieführerschaft behaupten. Eine entscheidende Funktion kommt dabei geeigneten und über das normale gesetzliche Maß hinausgehende Maßnahmen zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz zu. Produktivitätssteigerung ist nie auf Kosten der Mitarbeiter, sondern stets nur über qualifiziertes, zufriedenes Personal an gesunden und sicheren Arbeitsplätzen möglich. Bemüht sich ein Unternehmen in besonderer Weise um solche Bedingungen, dient das nicht nur der Verbesserung seines öffentlichen Ansehens. Die Reputationsgewinne sorgen ebenfalls dafür, dass das Unternehmen seine Position im Wettbewerb um hochqualifizierte Fachkräfte, sog. High Potentials, entscheidend verbessert. Angesichts der demographischen Entwicklung und dem wachsenden Mangel an Fachkräften kann dies zur wichtigsten Konstituente bei der Behauptung der Marktführerschaft werden. 5.5.1.3.2

Warum ein Unternehmen Verantwortung für die Umwelt übernehmen sollte

Unternehmen tragen, so die Experten, als gesellschaftliche Akteure ob ihrer Größe und ihres Einflusses eine besondere Verantwortung für den Erhalt und Schutz der natürlichen Umwelt und die Schonung von Ressourcen, Wasser und Energie. Im Sinne inter- und intragenerativer Gerechtigkeit kommt einem den Kriterien der Nachhaltigkeit verpflichteten Umgang mit der Umwelt besondere Bedeutung zu. Insbesondere das produzierende Gewerbe hat für die Umweltverträglichkeit seiner Herstellungsprozesse Sorge zu tragen und hat darüber hinaus die moralische Pflicht, den eigenen Standort zu schützen und zu erhalten und den dort beschäftigten Menschen umweltverträgliche Arbeitsbedingungen zu bieten, die Mitarbeiter an den Produktionsstandorten aber auch zu Umweltbewusstsein anzuhalten. Energie- und Ressourceneinsparung sowohl in der Produktion als auch als wesentliches Attribut der hergestellten Anlagen scheint aus ökonomischen Erwägungen heraus ebenfalls geboten. Die fortwährende Verteuerung von Energie und Rohstoffen, dazu die immer knapper werdenden Wasserressourcen in zahlreichen Ländern sorgen dafür, dass viele wichtige Kunden großen Wert auf Sparsamkeit, einen niedrigen Verbrauch, aber auch geringe Emissions- und Abwassermengen legen. Durch verantwortungsvolles ökologisches Verhalten kann die gesellschaftliche Betriebslizenz eines Unternehmens dauerhaft erhalten werden und der Ruf bei Kunden, Stakeholdern und potenziellen Bewerbern gleichermaßen optimiert werden, was wiederum die entscheidende Grundlage für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg darstellt.

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Auch regional kommt Unternehmen eine wichtige Vorbildfunktion zu. Eine umweltschonende Produktionsweise kommt überdies den Mitarbeitern, ihren Familien, aber auch allen anderen Menschen im lokalen Umfeld zugute. Ein Unternehmen steigert so die Attraktivität seines Standorts, erhält leichteren Zugang zu qualifiziertem Personal und erleichtert den Umgang mit Politik und Behörden. 5.5.1.3.3

Warum ein Unternehmen Verantwortung für die Gesellschaft und die Region übernehmen sollte

Als gesellschaftliche Akteure tragen die Unternehmen nach Auffassung der Interviewten Verantwortung für eine funktionierende Gesellschaft und gute Rahmenbedingungen, auf die Unternehmen selbst bei ihrer täglichen Arbeit, im Sinne ihrer Mitarbeiter, wie auch bei der Suche nach Mitarbeitern und so letztlich zur Sicherung ihres langfristigen Erfolgs angewiesen sind. Der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen und dem Erhalt und Ausbau des Standorts Deutschland kommen beim gesellschaftlichen Engagement eines Unternehmens eine zentrale Funktion zu. Zugleich sorgt das Unternehmen auf diese Weise für die Sicherung der Qualität seiner Produkte – ein entscheidender Faktor für den Erfolg beim Kunden. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens sind regional die Existenzen vieler Menschen, aber auch zahlreicher Zulieferer und anderer Unternehmen, die von der Belegschaft profitieren, verbunden. Sich in der Region für Bildung und Kultur einzusetzen, trägt einerseits zu einer positiven Wahrnehmung des Unternehmens bei, andererseits stärkt es den Bildungs- und Hochtechnologiestandort Deutschland, auf den das Unternehmen angewiesen ist. Der Einsatz eines Unternehmens für seine Region kann so als essentielle vertrauensbildende Maßnahme gegenüber Stakeholdern, Anlegern und Kunden betrachtet werden. Als Hersteller von Getränkeabfüllanlagen trägt Krones darüber hinaus eine besondere Verantwortung für die Güte der mit seinen Anlagen produzierten Produkte gegenüber dem Endverbraucher. 5.5.2 Grad der Etablierung von Corporate Social ResponsibilityMaßnahmen Innerhalb der zweiten Dimension wurde der Grad der Etablierung der von der Krones AG ergriffenen CSR-Maßnahmen abgefragt. Im Rahmen des ersten Indikators sollte das Verständnis der Befragten für die Notwendigkeit verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns eruiert werden. Dazu wurde nach den wesentlichen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen gefragt, denen sich die Krones AG als großer Anlagenbauer stellen müsse. Zugleich sollte in Erfahrung gebracht werden, welche Maßnahmen den Experten als Reaktionen auf diese Entwicklungen bekannt sind. Damit ließ sich direkt zu den konkreten Anwen-

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

401

dungsfeldern von CSR im Unternehmen überleiten. Hier sollten die Experten konkrete Belege für die Verantwortungspolitik des Unternehmens anführen und gegebenenfalls näher erläutern, inwieweit sie persönlich davon betroffen sind. Der Grad der Beteiligung an den CSR-Maßnahmen bildete zugleich den zweiten, knapper abgehandelten Indikator. Von größerer Bedeutung erschien der dritte Indikator, der das Verständnis für die ergriffenen CSR-Maßnahmen näher beleuchten sollte. So versprach insbesondere dieser Befragungsteil, Antworten auf die oben genannte Forschungsfrage zu liefern, inwieweit sich durch ethisches und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln unter den Mitarbeitern als wichtiger Stakeholdergruppe ein Bewusstsein für die Bedeutung von CSR-Maßnahmen im Rahmen eines entsprechenden Management- und Kommunikationskonzepts schaffen lässt. Zu diesem Zweck wurde der vermutete oder erfahrene Einfluss der in den vorangegangenen Indikatoren dargestellten CSR-Maßnahmen auf den Unternehmenserfolg erfragt. Zugleich sollte aber darüber hinaus auch die Wechselwirkung unternehmensethischen Verhaltens auf Kunden, Lieferanten, Shareholder sowie weitere gesellschaftliche Anspruchsgruppen wie NGOs, Verbände oder die Politik untersucht werden. Die Experten sollten schließlich zu einem Urteil darüber gelangen, welche Absichten das Unternehmen mit seiner Politik verfolgt, ob es seine Ziele erreicht und wer letztlich die durchgeführten Maßnahmen honorieren, bzw. von ihnen profitieren könnte. Auf diese Weise sollte eine umfassende Einschätzung der aus der CSR-Strategie des Unternehmens resultierenden Konsequenzen für unterschiedliche Stakeholdergruppen sowie deren Auswirkungen auf die drei Säulen nachhaltigen Wirtschaftens (Ökonomie, Ökologie und Soziales) vorgenommen werden. 5.5.2.1

Kenntnis von Handlungsfeldern der Corporate Social Responsibility

5.5.2.1.1

Welche Entwicklungen für Krones zu Herausforderungen werden können

Die Wettbewerbsfähigkeit und mit ihr die Arbeitsplätze am Produktionsstandort Deutschland langfristig zu erhalten, bedeutet nach Meinung der Experten eine große Herausforderung für Krones. Neben einer exzellenten Qualifikation der Mitarbeiter erfordert das vom Unternehmen höchste Produktivität, Innovationskraft und Qualität, zugleich aber auch Preis- und Glaubwürdigkeit. Aufgrund der demographischen Entwicklung und des wachsenden Mangels an Fachkräften wird es immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Daher muss sich das Unternehmen nicht nur um ein Image als „Great Company“ und verstärkt um Aus- und Fortbildung der jungen Arbeitnehmer bemühen, sondern sieht sich vor gänzlich neue Herausforderungen in der Personalentwicklung gestellt. Dabei stellt sich ebenso die Frage, wie Beruf und Familie besser miteinander vereinbart werden können.

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Klimawandel, der Mangel an Trinkwasser und die Endlichkeit natürlicher Ressourcen stellen Krones vor neue Herausforderungen. So ist die Entwicklung von immer sparsameren, energie- und ressourcenschonenderen Anlagen zu einer der wichtigsten Zukunftsaufgaben avanciert. Immer mehr gilt es, mit so wenig Vermögensgegenständen wie möglich, also dem geringstmöglichen Einsatz von Energie sowie physischen Ressourcen, die größtmögliche Leistung bei gleichzeitiger höchstmöglicher Schonung der Umwelt zu erzielen. Nicht nur Kunden werden diese Forderung verstärkt an Krones richten, auf die man mit konkreten Messwerten und Medienverbräuchen wird antworten müssen. Auch bei der eigenen Produktion wird man sich ähnliche Ziele setzen, während Kunden verstärkt die CSR-Bemühungen des Unternehmens auditieren werden. Angesichts des geschwundenen Vertrauens vieler Stakeholder in die Wirtschaft, wird ethisch einwandfreies, nachhaltiges Verhalten ebenso zu einer moralischen Herausforderung der Zukunft, wie die mit den Kunden geteilte Aufgabe der Sicherstellung einer weltweit lückenlosen Versorgung der Menschen mit lebenswichtigen Gütern. 5.5.2.1.2

Welche Reaktionen der Krones AG sich bereits heute auf diese Herausforderungen erkennen lassen

Schon seit geraumer Zeit bemüht sich laut der Experten das Unternehmen darum, den Energie- und Ressourcenbedarf der von ihm produzierten Anlagen signifikant zu senken, zu erfassen und transparent zu machen. Um Energie, Wasser und Ressourcen einzusparen, hat das Unternehmen unterschiedliche Maßnahmen ergriffen, unter denen neben zahlreichen Innovationen zur Reduzierung von Abwässern sowie des Bedarfs an Energie und Wasser die Anlagen zur Wiederverwendung recycelten Materials und der Einsatz solar erzeugter Prozesswärme sowie Methoden zur Wärmerückgewinnung herausragen. In der Personalentwicklung kommt ein Kompetenzmanagementsystem zur individuellen Förderung jedes einzelnen Mitarbeiters zum Einsatz. So können die Mitarbeiter während ihrer gesamten Karriere bis ins hohe Alter im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes fortgebildet werden. Überdies bildet das Unternehmen kontinuierlich qualifizierten Nachwuchs aus. Neben der großen Anzahl an Innovationen und dem Bemühen um ökonomisch langfristiges Handeln stellen der konkrete Verzicht auf Ausstellungen und die Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der Arbeitsplätze am Standort Deutschland Bemühungen zur Sicherung des Produktionsstandorts dar.

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

5.5.2.1.3

403

Welche Maßnahmen verantwortlichen unternehmerischen Handelns den Experten bekannt sind und welche konkreten Folgen daraus für den einzelnen Mitarbeitern, für die Abteilung oder für das Unternehmen erwachsen

Die Einsparung von Energie, Wasser und Ressourcen spielt nach Meinung der Experten in allen Konzernbereichen eine wichtige Rolle. Dafür wurde sogar eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung ins Leben gerufen. Erfolge des Engagements werden in der Entwicklung einer Anlage zur Wiederverwendung recycelten PETs sowie einer Solarbrauerei, die mit durch Sonnenenergie erzeugter Prozesswärme arbeitet, deutlich. Ein entsprechendes Bewusstsein kommt nicht nur in der Produktion zum Ausdruck, vielmehr ist Umweltbewusstsein und Ressourcenschonung auch ein maßgebliches Kriterium beim Neu- bzw. Umbau von Gebäuden. Dort findet moderne, umweltfreundliche Gebäude- und Prozesstechnik Verwendung. Zahlreiche Maßnahmen dienen der Verbesserung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der Mitarbeiter. Neben technischen Innovationen, verbesserten Sicherheitssystemen, entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen und optimierten Prozessen tragen dazu auch ergonomische und saubere Arbeitsplätze und der betriebsärztliche Dienst bei, der auch die Mitarbeiter im internationalen Außendienst vorsorgend berät und medizinisch unterstützt. Mitarbeitermotivation und Leistungsbereitschaft werden durch einen ganzen Katalog von Einzelmaßnahmen gefördert. So hat das Unternehmen etwa einen Kindergarten eingerichtet. Eine wichtige Rolle spielen neben der Einrichtung des Verbesserungsmanagements die umfassenden Maßnahmen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung, mit denen Mitarbeitern strategisch ihren Fähigkeiten entsprechend konsequent bis ins hohe Berufsalter gefördert werden sollen. Darüber hinaus engagiert sich das Unternehmen für die Region und unterstützt dabei unter anderem Bildungs- und Kultureinrichtungen und arbeitet mit Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen zusammen. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt bei allen Maßnahmen die Selbstwahrnehmung des Betriebs als Familienunternehmen, die es über reine Profitmaximierung und Shareholder Value-Orientierung hinaus langfristige Ziele verfolgen und die Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Region wahrnehmen lässt. 5.5.2.1.4

Wie sich das Verhalten des Unternehmens verändert hat und ob sich dafür bestimmte Ursachen anführen lassen

Das Verhalten der Krones AG hat sich laut der Experten stark verändert, obwohl Krones viele der beschriebenen Maßnahmen bereits seit langer Zeit verfolgt. Hinsichtlich sozialer Leistungen und Versorgungsmaßnahmen für die Mitarbeiter etwa verhielt sich Krones schon früher vorbildlich. Doch schon aufgrund des enormen Wachstums, des Generationenwechsels in der Unternehmensführung und der Umfirmierung zur Aktiengesellschaft waren tiefgreifende Veränderungen in Syste-

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

men und Prozessen unumgänglich. Dabei wurde darauf geachtet, die Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Langfristiges verantwortliches Handeln spielte bei Krones seit jeher eine wichtige Rolle. Auch heute fühlt man sich nicht alleine dem Shareholder Value verpflichtet. Entsprechend werden Entscheidungen in Hinblick auf ihren langfristigen Nutzen und im Abgleich mit der Verantwortungspolitik des Unternehmens getroffen. Die zahlreichen Nennungen lassen darauf schließen, dass das Bewusstsein für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz insgesamt deutlich gestiegen ist. Insbesondere für die Mitarbeiter in der Fertigung und Montage brachten Veränderungen zahlreiche Verbesserungen mit sich: So sind die Mitarbeiter weniger Schadstoffen ausgesetzt und die Arbeitsplätze wurden ergonomischer, sicherer und heller. Arbeitssicherheit hat heute einen deutlich höheren Stellenwert als früher. Entsprechend wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, durch die sowohl die Anzahl der Unfälle als auch Ausfälle durch Berufserkrankungen deutlich reduziert werden konnten. Das Bewusstsein für Umweltschutz ist auch aufgrund allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklungen sowohl auf Seiten des Unternehmens als auch auf Seiten der Belegschaft gestiegen. Das Unternehmen investierte daher in neue Anlagen. Recycling und Wertstoffmanagement, aber auch vernünftiger Umgang mit Energie und Ressourcen waren auch für die Mitarbeiter deutlich sichtbare Schritte zu einem verbesserten Schutz der Umwelt. Außerdem bemühte man sich um die Reduzierung von Schmutzwasser sowie dessen Aufbereitung. Das Unternehmen hat zudem die Entwicklung komplexer Verfahrenstechnik vorangetrieben, die große Einsparungen – etwa beim Abwasser oder dem Energieverbrauch von Waschmaschinen – möglich macht. Einige Experten äußerten die Ansicht, dass Krones bei den Bemühungen um energie- und ressourcenschonende Anlagen in erster Linie auf die Wünsche und Forderungen seiner Kunden reagiere. Die Meinungen gingen diesbezüglich allerdings auseinander. Im zweiten Studienteil sollte daher eine Quantifizierung dieser Einschätzung versucht werden. Von einigen Experten wurde überdies die Auffassung vertreten, die Forderung der Kunden nach Nachhaltigkeit und Ressourceneinsparungen entspringe weniger ökologischen Erwägungen, als vielmehr Kosten- und Imagegründen. Unabhängig von dieser Frage sind die Krones-Sparten und der Krones-Vertrieb intensiv darum bemüht, den offen artikulierten Wunsch der Kunden zu erfüllen, Energie und Geld einzusparen und Materialien minderer Qualität in den Krones-Anlagen verarbeiten zu können. Auch die hohe Lebensdauer der erworbenen Anlagen gewinnt für die Kunden immer mehr an Bedeutung. Krones reagiert darauf neben einer hohen Produktqualität mit dem Lifecycle Service (LCS) und Wartungsverträgen, die garantieren, dass die Produktivität der Anlagen über ihre gesamte Lebensdauer auf konstant hohem Niveau bleibt. Selbst bei älteren Modelle bemüht man sich mittlerweile noch um Fortentwicklungen, da sogar bei ihnen von Seiten der Kun-

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

405

den noch Nachrüstungen zur Energie- und Ressourceneinsparung eingefordert werden. Auch die Lieferanten des Unternehmens werden – auch auf Wunsch der Krones-Kunden – verstärkt unter Umwelt- und Sozialgesichtspunkten auditiert und auf die Befolgung bestimmter Lieferantenrichtlinien hin überprüft. Vereinzelt wurde auf die qualitative und quantitative Verbesserung der Mitarbeiterschulungsmaßnahmen verwiesen. Weiterbildung sei früher nicht planmäßig durchgeführt worden, heute folgten die Maßnahmen einer Strategie. 5.5.2.2

5.5.2.2.1

Grad der Beteiligung an Corporate Social Responsibility-Maßnahmen der Krones AG Inwieweit die verschiedenen CSR-Maßnahmen den Mitarbeiter, seine Abteilung oder seinen Arbeitsalltag beeinflussen

Die Experten führten hier sehr unterschiedliche Maßnahmen an. Auch deren Bewertung, bzw. die Beurteilung des Einflusses auf die tägliche Arbeit gingen weit auseinander. Bei einigen der Beispiele empfahl sich daher ein Einbezug in die quantitative Studie, um die Repräsentativität der Aussagen zu überprüfen. Keine Einigkeit bestand etwa über die Konsequenzen aus der Einführung der Gruppenarbeit in der Produktion, durch die Arbeitsabläufe verändert wurden. Andere Befragte hoben etwa den Know-how-Transfer mit Hochschulen oder die besseren Verkaufschancen ressourcenschonender Anlagen als Bereicherung ihrer Arbeit hervor. Insbesondere die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen wurden von den Befragten als sinnvoll und gewinnbringend beschrieben. Auch zeigte sich, dass die vom Unternehmen unternommenen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt sich auf das Verhalten der Mitarbeiter auswirkte, indem diese sich eigeninitiativ um Energie- und Ressourceneinsparungen bemühten. Dabei existiert bei den Mitarbeitern durchaus ein Bewusstsein dafür, dass sie in ihrem Verhalten das Unternehmen nach außen – unter anderem gegenüber den Kunden – repräsentieren. 5.5.2.3

5.5.2.3.1

Verständnis der Corporate Social Responsibility-Maßnahmen der Krones AG Einfluss der CSR-Maßnahmen auf den Unternehmenserfolg

In dieser wichtigen Frage herrschte bei den befragten Experten nahezu völlige Einigkeit. So erkannten sie der CSR-Strategie einen wesentlichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg zu. Die Anwendung des Managementkonzepts leiste Gewähr für nachhaltigen und langfristigen Unternehmenserfolg. Die ökonomischen Erfol-

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

ge der vergangenen Jahre und die Stärkung von Markt- und Innovationsführerschaft bewiesen nachdrücklich die positiven Folgen der Strategie. Eine Einschätzung, die sich im Übrigen gänzlich mit den Ergebnissen der oben angeführten Studie Nachhaltig erfolgreich Wirtschaften deckt. In der Studie wird die Nachhaltigkeitsleistung deutscher Unternehmen mithilfe des sogenannten Sustainable-Value-Ansatzes untersucht. Der „Sustainable Value“ zeigt, wie effizient Unternehmen nicht nur ihre ökonomischen, sondern auch, wie verantwortungsvoll sie ihre sozialen und ökologischen Ressourcen im Vergleich zu anderen Unternehmen einsetzen und macht auf diese Weise den konkreten Mehrwert der Umsetzung von CSR mess- und bilanzierbar.130 Die Untersuchung attestierte der Krones AG, dass sie gegenüber den anderen untersuchten Maschinenbauunternehmen ihre Ressourcen am besten einsetzte und so allein im Jahr 2004 gegenüber dem Benchmark aus ihrer Nachhaltigkeitspolitik einen absoluten Sustainable Value von über einer Viertelmilliarde Euro generierte.131 Die Studie erbrachte den Nachweis, dass die Nettowertschöpfung der Krones AG um den Faktor 3,9 über den Opportunitätskosten lag, was bedeutet, dass das Unternehmen im Untersuchungszeitraum die von der Studie untersuchten Ressourcen nahezu viermal so effektiv einsetzte wie der volkswirtschaftliche Durchschnitt.132 In der Studie erzielte Krones das viertbeste Ertrags-Kosten-Verhältnis aller untersuchten deutschen Unternehmen und erreichte mit einer Steigerung desselben von 37,6 % in den Jahren 2000 bis 2004 sogar den dritten Rang.133 Die Befragten wiesen darauf hin, dass insbesondere die Herstellung besonders ressourcensparender Anlagen, auch als Reaktion auf Kundenwünsche, einen manifesten Wettbewerbsvorteil darstelle. Krones gilt bei den Kunden als Vorreiter, was die Energie- und Ressourcenschonung, aber auch was die Haltbarkeit und Zuverlässigkeit der Anlagen betrifft. Angesichts der Forderungen und Auditierungen besonders der großen Kunden erscheint die konsequente Umsetzung der CSR-Strategie gänzlich alternativlos. Ebenso unverzichtbar ist die konsequente Kommunikation des Konzepts und seiner Erfolge – sowohl nach innen als auch nach außen. Einige Experten wiesen darauf hin, dass dies nicht konsequent genug geschehe. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen fördern die Mitarbeiterzufriedenheit und so deren Leistungsbereitschaft. Dass Krones sich stärker engagiert als andere Unternehmen, kommt der Arbeitsmoral und der Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen zugute. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind ferner die Reputationszuwächse, zu denen die Maßnahmen dem Unternehmen bei seinen Kunden und seinen Stakeholdern verhelfen. Die Strategie und ihre Umsetzung tragen maßgeblich zu 130 Vgl. IZT: Wirtschaften, S. 25. 131 Vgl. IZT: Wirtschaften, S. 52. 132 Vgl. grundlegend zur Ermittlung des Sustainable Value und der Bestimmung des Ertrags-KostenVerhältnisses IZT: Wirtschaften, S. 15–25. 133 Vgl. IZT: Wirtschaften, S. 57f.

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

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einem guten Image als attraktiver Arbeitgeber bei, das sich dazu nutzen lässt, High Potentials für das Unternehmen zu gewinnen und diese längerfristig zu binden. 5.5.2.3.2

Einfluss der CSR-Maßnahmen auf die Kunden

Auch in diesem Punkt waren sich nahezu alle befragten Experten einig und damit kann als wichtigste gemeinsame Folgerung festgehalten werden: Die von Krones ergriffenen Maßnahmen haben wesentlichen Einfluss auf die Kunden. Die Erwartungen von Medien und Gesellschaft übertragen sich auf die Kunden der Krones AG, die unter einem entsprechenden Reputationszwang stehen. Insbesondere die großen Kunden erwarten von Krones als Lieferanten zwingend eine den Kriterien von Verantwortung und Nachhaltigkeit verpflichtete Unternehmensstrategie und die konsequente Umsetzung von CSR. Da Krones von seinen Kunden zunehmend auditiert wird, wirkt sich die Umsetzung der Maßnahmen in jedem Fall positiv auf das Geschäftsverhältnis und die Verkäufe aus. Schon jetzt beobachten Krones-Kunden genau, wie Krones seine CSR-Maßnahmen umsetzt, ob bestehende Gesetze eingehalten werden und unter welchen Bedingungen Krones an seinen Standorten produziert. Die Anzahl der Kunden, die darauf Wert legen, wird zukünftig steigen. Krones wird bei Kunden mit einer vergleichbaren Philosophie auf Anerkennung stoßen, wenn konkrete Erfolge bei der Umsetzung seiner CSR-Strategie belegt werden können. Damit die Maßnahmen Einfluss auf die Kunden gewinnen und Krones Wettbewerbsvorteile erwachsen können, ist es jedoch unabdingbar, dass die Strategie und Erfolge den Kunden und der Öffentlichkeit gegenüber konsequent und stringent kommuniziert werden. Wiederum verdeutlicht sich daran, dass CSR nicht nur als Management-, sondern auch als Kommunikationskonzept verstanden und umgesetzt werden muss. Produziert der Kunde dank umweltfreundlicher Krones-Anlagen energie- und ressourcenschonender, ist er in der Lage, dies effektiv als Marketinginstrument einzusetzen. Zugleich dienen dem Kunden nachhaltiges Wirtschaften und Kosteneinsparungen zugleich als Argument gegenüber seinen Shareholdern. Nur über Appelle an das Umweltbewusstsein kann Krones keine teureren Anlagen verkaufen. Dem Kunden müssen die ihm erwachsenden Vorteile anhand stichhaltiger Return-on-Investment-Berechnungen aufgezeigt werden. Daraus erklärt sich auch die skeptische Stellungnahme eines Experten, der darauf hinwies, dass für die Kunden der Preis immer noch eine größere Rolle für die Kauf- und Investitionsentscheidung spiele als eine umweltschonende Produktionsweise oder vorbildliche Arbeitssicherheit. Dennoch sind sich viele Experten sicher, dass die Standortentscheidung zugunsten Deutschlands ein entscheidendes Verkaufsargument gegenüber den Kunden darstellt, weil sich in den Produktionsstätten die gesamte Wertschöpfung einer Anlage abbilden lasse. Mit der Standortentscheidung sind nicht nur materielle

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Sicherheiten für die Mitarbeiter und ihre Familien verbunden; die von Krones ergriffenen Maßnahmen sind zugleich ein Bekenntnis zugunsten gleichbleibend hoher Qualität aller Anlagenkomponenten, für die die Kunden durchaus zu zahlen bereit sind und die auch von internationalen Kunden honoriert wird. Das von überdurchschnittlichem Engagement sowie sehr guten Produktions- und Arbeitsbedingungen geprägte Erscheinungsbild am Standort kann sich ebenso positiv auf die Kaufentscheidungen von Kunden auswirken. Die Bedingungen beeinflussen direkt die Wahrnehmung der Qualität der Maschinen. Auf diese Weise zieht Krones aus seiner Verantwortungspolitik Image- und Reputationsgewinne beim Kunden. 5.5.2.3.3

Einfluss der CSR-Maßnahmen auf die Lieferanten

Nur relativ wenige der befragten Experten bezogen zu dieser Frage Stellung. Einigkeit bestand aber darin, dass Krones von seinen Lieferanten die Einhaltung derselben Kriterien verlangen kann und sollte, an denen man sich selbst messen lassen muss. Um verantwortliches Handeln auf Seiten der Lieferanten zu fördern, sollte Krones auf die Einhaltung seines Lieferantenkodex pochen. Die Lieferanten dahingehend zu auditieren, würde sich positiv auf das Image des Unternehmens auswirken und wäre sowohl gegenüber Stakeholdern im Allgemeinen als auch gegenüber den Kunden im Besonderen von Vorteil. 5.5.2.3.4

Einfluss der CSR-Maßnahmen auf die Aktionäre

Wiederum äußerten sich nur wenige Experten zur Fragestellung: Unstrittig dürfte sein, dass CSR-Strategie und das neu ins Leben gerufene Enviro-Programm zum Unternehmenserfolg beitragen und für eine nachhaltige und langfristige Wertsteigerung sorgen. Davon profitieren Börsenwert und Shareholder des Unternehmens. Auch dem Unternehmen aus seinem Managementkonzept erwachsende Reputationsgewinne wirken sich positiv auf die Aktionäre aus. Hervorhebenswert ist der Hinweis eines Befragten, Krones werde eher vom verantwortlichen Verhalten und der langfristigen Strategie seiner Mehrheitseigner beeinflusst als umgekehrt. Diese gewährleiste nachhaltigen Erfolg. 5.5.2.3.5

Einfluss der CSR-Maßnahmen auf andere Stakeholder (Verbände, Politik, NGOs, Verbraucher)

Hierbei zeigt sich deutlich, dass sich die CSR-Strategie der Krones AG auf regionale und überregionale Verbände auswirkt. Krones nutzt hier nach Meinung der Befragten seinen Einfluss zur Umsetzung gemeinsamer Projekte. Das Unternehmen selbst profitiert vom Know-how-Transfer und den Imagesteigerungen aus der

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

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Zusammenarbeit mit Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, die wiederum den Zugang zu hochqualifizierten Absolventen erleichtert. Zweifelsohne verbessert sich die öffentliche Wahrnehmung von Krones durch die Umsetzung der CSR-Strategie. Das verantwortungsvolle Verhalten gegenüber der Umwelt sowie die Schonung natürlicher Ressourcen wird von allen Stakeholdern begrüßt. Obwohl Krones keine Produkte für den Endverbraucher herstellt, bewegt sich das Unternehmen keineswegs in einem luftleeren Raum: Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass zwischen Krones, seinen Kunden und den Verbrauchern eine wechselseitige Beeinflussung stattfindet. Ein Befragter vertrat die doch recht kühne These, die Produktionsbedingungen für Konsumgüter und die Verantwortungspolitik des Anlagenbauers seien den Verbrauchern egal. Zu denken gibt seine Begründung, der Endverbraucher erführe davon in der Regel ohnehin nichts. Es ist davon auszugehen, wie im vorangegangenen Teil der Arbeit im Übrigen auch gezeigt wurde, dass sich das kritische Bewusstsein in der Öffentlichkeit soweit fortentwickelt hat, dass auch das Verhalten eines Anlagenherstellers sehr wohl in die Gesamtbeurteilung eines Produktes einfließt. Darüber hinaus zeigt die Beurteilung durch den Experten einmal mehr, wie wichtig eine konsequente und zielgruppenorientierte Kommunikation von CSR für deren Erfolg ist. 5.5.2.3.6

Einfluss der CSR-Maßnahmen auf Wettbewerber

Krones nimmt nach Auffassung der Experten als Marktführer grundsätzlich eine exponierte Stellung im Wettbewerb ein und steht damit unter besonderer Beobachtung seiner Konkurrenten. Die besondere Stellung kann und sollte man nutzen, um sich mit der Umsetzung der CSR-Strategie einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen und als Vorreiter verantwortlichen und nachhaltigen Wirtschaftens die Position des Branchenprimus zu stärken. Im Wettbewerb findet immer eine gegenseitige Beeinflussung statt, um den Vorsprung des Konkurrenten nicht zu weit anwachsen zu lassen. Damit die Wettbewerber konkurrenzfähig bleiben, müssen sie dem Beispiel von Krones folgen und gegebenenfalls Kompetenzen zukaufen. 5.5.2.3.7

Einfluss der CSR-Maßnahmen auf die Region

Dass die Maßnahmen einen wesentlichen Einfluss auf die Region haben, lässt sich bereits aus den anderen Antworten der Experten ablesen und ist offensichtlich. Von ökonomischer, ökologischer und sozialer Verantwortungsübernahme profitiert das lokale Umfeld meist unmittelbar und über die Mitarbeiter, deren Familien, Investitionen usw. in vielfacher Hinsicht mittelbar. Dass sich Krones deshalb eines guten Rufes erfreuen kann, überrascht wenig. Dem stark regional verwurzelten Unternehmen kommt das exzellente Image aber-

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

mals bei den Bemühungen um qualifiziertes Personal zugute. Einige der Experten erkennen im Unternehmen mit seinen vielen Tausend Beschäftigten gar einen Leuchtturm der Vorbildlichkeit mit enormer Strahlkraft für die gesamte Region. 5.5.2.3.8

Vom Unternehmen mit der Umsetzung der CSR-Maßnahmen verfolgte Absichten

Ähnlich wie der ersten Frage des Indikators nach dem Einfluss der CSR-Maßnahmen auf den Unternehmenserfolg kommt auch dieser Frage eine wesentliche Bedeutung zu. Die befragten Experten sollten hier einen Transfer vom Managementkonzept der CSR auf die grundsätzlichen Unternehmensziele leisten. An der Einschätzung der Experten lässt sich nicht zuletzt der Erfolg des Kommunikationskonzeptes ablesen, an den der Erfolg des Managementkonzeptes notwendigerweise gebunden ist. Die Experten sind sich darin einig, dass Krones die CSR-Strategie verfolgt, um seine Zukunftsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität zu gewährleisten. Bei allen Maßnahmen stehen die langfristigen ökonomischen Erfolgsabsichten klar im Vordergrund. Krones gelangte zu der Überzeugung, dass CSR ein wichtiger Bestandteil dieser Bestrebungen ist. So verbinden sich im Unternehmen die wirtschaftlichen Ziele mit sozialem Engagement und nachhaltigem Umgang mit der natürlichen Umwelt. Im Unternehmen besteht eine Einsicht in die Notwendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens: Langfristiger Erfolg kann nur gelingen, wenn sich das Unternehmen als gesellschaftlicher Akteur begreift und das Geben und Nehmen im Gleichgewicht zueinander stehen. Alle ergriffenen Maßnahmen sind aber auch dazu in der Lage, die Umsätze zu steigern, wie die guten Umsatz- und Gewinnzahlen der zurückliegenden Jahre belegen. Diese Maßnahmen zu ergreifen, ist auch deshalb erforderlich, um im Wettbewerb nicht den Anschluss zu verpassen und auf lange Sicht ökonomisch erfolgreich wirtschaften zu können. Einige Experten betonten, mit dem Managementkonzept werde auch das Ziel verfolgt, Arbeitsplätze zu schaffen und Wohlstand für die Mitarbeiter zu generieren – Erfolge, die mit Sicherheit in enger Beziehung zum ökonomischen Erfolg stehen. Überhaupt thematisierten zahlreiche Antworten die Mitarbeiterschaft: So sei die Fortentwicklung der Mitarbeiter eine wesentliche Absicht der Strategie. Darauf wiesen die zahlreichen Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung und der Einsatz des Unternehmens für die Mitarbeiterschaft hin. Schließlich dienten die CSRMaßnahmen der Motivation der Mitarbeiter und steigerten so deren Leistungsbereitschaft und die Identifikation mit dem Unternehmen. Ergänzend wies ein Experte darauf hin, dass hinter den CSR-Maßnahmen das Ziel stehe, qualifizierte Mitarbeiter und das Know-how im Unternehmen zu halten. Einige Befragte betonten, dass man mit der Strategie ein positives Image in den Medien anstrebe. Für Umwelt und Mitarbeiter Verantwortung zu übernehmen, verspreche überdies eine bessere Position im Wettbewerb und diene dazu, am Weltmarkt als seriöser Partner wahrgenommen zu werden. So verspreche sich das Unternehmen von der Re-

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

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putationssteigerung auch einen Zugewinn an Kundenvertrauen und daraus wiederum abgeleitet des ökonomischen Erfolgs. Einige Experten vermuten hinter dem Engagement des Unternehmens auch altruistische Motive der Gründer- und Mehrheitseignerfamilie. Deren Verbundenheit mit dem Unternehmen und dessen Mitarbeitern trage – neben zweifelsohne ebenfalls vorhandenen ökonomischen Erwägungen – maßgeblich zur Unternehmenspolitik bei und wirke sich insbesondere auf die Standortentscheidung aus. Fassen wir zusammen: Es bleibt festzuhalten, dass die Befragten in der CSRStrategie hauptsächlich einen Business Case erkennen. Das Managementkonzept verfolgt ökonomische Ziele. Dazu ist jedoch verantwortliches und nachhaltiges Handeln notwendig, das Ökonomie, Ökologie und Soziales gleichermaßen umfasst und eines ethischen Fundaments bedarf. Damit die Strategie dauerhaft erfolgreich sein kann, muss mit dem Managementkonzept ein Kommunikationskonzept unmittelbar verbunden sein. Nur so können aus den Erfolgen verantwortlichen Handelns Imageund Reputationsgewinne bei den Stakeholdern und Kunden realisiert werden und in Konsequenz daraus auf lange Sicht ökonomische Vorteile gezogen werden. 5.5.2.3.9

Erreicht Krones seine Ziele?

Die meisten Befragten erklärten schon bei der vorangegangenen bzw. der ersten Frage des Indikators, welchen Einfluss die Maßnahmen auf den Unternehmenserfolg haben. Deshalb wurde diese Nachfrage nur an einige Interviewpartner gestellt. Diese verwiesen darauf, dass die Erfolge am Standort die Strategie bestätigten und Krones sich auch sonst augenscheinlich auf dem richtigen Weg befinde. 5.5.2.3.10 Wer von diesen Maßnahmen profitieren könnte Die Frage, wer von den Maßnahmen profitieren könnte, schien die geeignete Nachfrage auf die Frage nach den Absichten des Unternehmens zu sein. Sie ergab, dass die Befragten die Mitarbeiterbeiterschaft, die Kunden, aber dank des ökonomischen Erfolgs auch die Shareholder als wesentliche Profiteure der Strategie auffassen. Einige Befragte wiesen ergänzend darauf hin, dass alle Stakeholder, die gesamte Region und besonders auch die Familien der Beschäftigten vom verantwortlichen Handeln der Krones AG profitierten – und dies im Sinne intergenerativer Gerechtigkeit auch nachhaltig. Durch die Maßnahmen würden die Zufriedenheit und die Motivation der Mitarbeiter gefördert, die sich überdies einer sicheren Arbeit und eines dauerhaften Auskommens gewiss sein könnten. Letzten Endes profitiert wiederum das Unternehmen selbst, indem es seine wirtschaftlichen Ziele erreicht.

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

5.5.2.3.11 Wer diese Maßnahmen honorieren könnte Die Frage nach den Honoratioren der Maßnahmen stellte eine interessante Frage dar, die einen neuerlichen Fokus auf die Bedeutung geeigneter Kommunikationsmaßnahmen für den Erfolg der Strategie richtet. Die meisten Antworten stimmten darin überein, dass Mitarbeiter, aber gerade auch Kunden und die Politik die Maßnahmen auf jeweils unterschiedliche Art honorieren könnten. Bei den Mitarbeitern resultiere daraus eine Leistungssteigerung, während die Kunden in ihren Kauf- und Investitionsentscheidungen positiv beeinflusst würden. Für die Kunden spielten die Maßnahmen mittlerweile eine wichtige Rolle, dass sie aufgrund der Erwartungen und Ansprüche der Endverbraucher ähnliche Strategien verfolgen müssen. Entsprechend verfügten einige Kunden inzwischen über ein Ratingsystem, mit dem sie die CSR ihrer Lieferanten überprüften. Immer mehr Unternehmen werden künftig ihre Lieferanten und Partner nach CSR-Gesichtspunkten auswählen. Sowohl die Krones-Kunden als auch Verbraucher und Öffentlichkeit werden deshalb die Verantwortungspolitik von Krones honorieren. Seitens der Politik profitiere das Unternehmen von einer stärkeren Deregulierung, andererseits werde durch das gewachsene Vertrauen auch der Umgang mit Behörden erleichtert, Verfahren werden beschleunigt und so Investitionen befördert. Wünschenswert wäre, dass die Politik das Engagement von Krones am und für den Standort Deutschland in stärkerem Maße honorierte. Krones hat sich aufgrund seiner Strategie einen guten Ruf in der Region erarbeitet, so dass zu erwarten steht, dass regionale Einrichtungen das Verhalten des Unternehmens honorieren werden. Das Unternehmen verfügt über hohe Akzeptanz, die Bürger stehen ihm wohlwollend gegenüber. Dass die Medien von sich aus das Verhalten der Krones AG honorieren würden, sei indes weniger zu erwarten. Allerdings könnten sie durch Kommunikationsmaßnahmen und Verbandsarbeit zu positiver Berichterstattung bewegt werden. Auch Shareholder und institutionelle Anleger würden die Politik des Unternehmens wertschätzen, sorgten die Maßnahmen doch für ein gutes Betriebsergebnis. Spezielle Fonds investierten zudem in Unternehmen mit vorbildlichem Umweltund Ressourcenmanagement. 5.5.3 Bewertung und Erwartung Um eine weitere Annäherung an die Forschungsfrage zu erzielen, widmet sich die abschließende Dimension der Bewertung des Management- und Kommunikationskonzepts verantwortlichen unternehmerischen Handelns durch die Experten und ihren Erwartungen an die CSR-Strategie. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Verständnis und die Bewertung der Unternehmenspolitik durch die Mitarbeiter maßgeblich von zwei Faktoren bestimmt wird: Einerseits spielt der konkrete und nachvollziehbare Nutzen der Strategie als Managementkonzept eine wichtige Rolle. Von ebenso wesentlicher Bedeutung ist aber andererseits deren kommunikative

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

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Vermittlung. Nicht alle Maßnahmen sind für den einzelnen Mitarbeiter konkret erfahrbar, wie die vorangegangene Dimension erwiesen hat. Sie wirken sich jedoch grundlegend auf die Struktur, die Geschäftsbeziehungen und den Erfolg des Unternehmens aus. Der Erfolg verantwortlichen unternehmerischen Handelns ist also nicht zuletzt mit der Frage verknüpft, ob er den Mitarbeitern als wichtige Anspruchsgruppe im Rahmen eines Kommunikationskonzepts vermittelt werden kann. In einem ersten Indikator sollten die Befragten dazu eine Bewertung des CSRKonzepts sowie seiner Umsetzung und Effizienz vornehmen. Dabei wurde konkret nachgefragt, wo und in welcher Weise nach Meinung der Experten noch Nachholbedarf bestehe. Die Ergebnisse können zum einen auf tatsächliche Mängel im bisherigen Managementkonzept hindeuten, können zum anderen aber ebenso Ausdruck mangelnder kommunikativer Vermittlung der Strategie oder einzelner Maßnahmen sein. Eine genauere Prüfung und Beurteilung kann letztlich nur von den zuständigen Stellen und am jeweiligen Einzelfall vorgenommen werden. Im Anschluss daran wurden die Befragten gebeten, eine Einschätzung vorzunehmen, wie sich die Bedeutung von CSR zukünftig verändern würde. Daraus lassen sich einerseits Rückschlüsse über den Stellenwert ablesen, der ihr in den Augen der Experten derzeit zukommt, andererseits können so wiederum Aussagen über den derzeitigen Grad der Durchdringung der Mitarbeiterschaft mit dem Kommunikations- und Managementkonzept getroffen werden. Daran schloss sich die Frage an, welche Ansprüche der Kunde der Zukunft an Krones richten würde. Eine Variable, die aus mindestens zweierlei Gründen sehr interessant erschien: Erstens lässt sich daran der Einfluss ablesen, den die CSR schon heute auf die Geschäftsentwicklung hat und darüber hinaus in Zukunft erlangen könnte. Zweitens zeigt sie dem Unternehmen aber auch die Aufgaben auf, die im Umgang mit den Kunden zukünftig zu großen Herausforderungen werden könnten, an denen sich nicht zuletzt auch der langfristige Erfolg und die tatsächliche Nachhaltigkeit der CSR-Strategie wird messen lassen müssen – genauso wie die tatsächliche Bereitschaft des Unternehmens, auf lange Sicht basierend auf einem klar definierten und kommunizierten Konzept den Kriterien der Nachhaltigkeit entsprechend ethisch und verantwortungsvoll zu handeln. Im Anschluss an diese Fragestellung sollten die Interviewten negative Auswirkungen und potenzielle Risiken anführen, die den Mitarbeitern oder dem Unternehmen aus dessen Verantwortungspolitik erwachsen könnten. Diese Nachfrage übernahm zugleich eine Kontrollfunktion gegenüber den im Rahmen der vorherigen sowie in dieser Dimension geäußerten Einschätzungen. Der zweite Indikator enthielt eine Prognose der Experten zur Zukunft der CSRStrategie sowie der aus ihr abgeleiteten Maßnahmen und verlangte von den Experten einen Transfer mit entsprechenden eigenen Vorschlägen. Etablierung und Bewertung der CSR-Maßnahmen konnten nochmals überprüft werden, zugleich ließen sich Erfolge des Konzeptes daran ablesen, inwieweit die Mitarbeiter die

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Strategie selbst fortzuführen bereit wären und dazu eigene Vorschläge unterbreiteten. Entsprechend wurde nach konkreten Wünschen gefragt, wie das Unternehmen seine Verantwortungspolitik zukünftig gestalten sollte und die Experten sollten Einzelmaßnahmen nennen und begründen, warum sie diese in der Zukunft für sinnvoll erachteten. Der abschließende Indikator verlangte den Interviewpartnern die gedankliche Transferleistung ab, welchen Einfluss das Ergreifen dieser Maßnahmen auf ökonomischen Erfolg, aber auch weitere Faktoren wie Mitarbeiterzufriedenheit, gesellschaftliche Reputation, Bewertung durch andere Anspruchsgruppen oder etwa die Möglichkeit, Fachkräfte für das Unternehmen zu gewinnen, haben könnte. Auf diese Weise sollten die Befragten ein Szenario erstellen, das die dem Unternehmen und seinen Stakeholdern aus ethischem und verantwortlichem unternehmerischen Handeln auf lange Sicht erwachsenden Folgen und Entwicklungen veranschaulicht. Der vorletzte Indikator richtete den Fokus auf die kommunikative Vermittlung der CSR-Strategie. In einem ersten Schritt wurde nach der Rolle gefragt, die dabei die etablierten Medien des Unternehmens spielen. In einem weiteren Schritt sollten die Experten eine Bewertung dieser Medien hinsichtlich der Vermittlung des Managementkonzeptes und seiner Einzelmaßnahmen vornehmen. Diese Beurteilung gibt entscheidende Hinweise auf den derzeitigen Vermittlungsstand des Kommunikationskonzeptes. Diesbezüglich ähnlich viele Aufschlüsse versprach die letzte Frage zu liefern, bei der die Experten mögliche Veränderungen bei der Kommunikation der Strategie vorschlagen und begründen sollten. Dabei konnten sie sich an den derzeitigen Kommunikationsmitteln orientieren, durften aber ebenso neue Maßnahmen und Konzepte entwickeln. Freilich kann im Rahmen der vorliegenden Studie – auch nicht im quantitativen Teil – keine Evaluation der jetzigen Firmenmedien, ihrer Zielgruppenrelevanz oder -durchdringung vorgenommen werden. Die Ergebnisse liefern allenfalls eine selektive Tendenz im Hinblick auf Art der Vermittlung und Erfolge der Kommunikation einer bestimmten Unternehmensstrategie. Wie mit den Hinweisen umzugehen ist, ob und falls ja, wie die Effizienz und Eignung der unterschiedlichen Maßnahmen zur Vermittlung des derzeitigen Kommunikationskonzepts zu bewerten sind, kann abschließend nur von den Fachleuten der zuständigen Abteilungen entschieden werden. Zu guter Letzt wurde den Befragten im abschließenden Indikator die Möglichkeit eingeräumt, Themen anzusprechen oder Anliegen zu artikulieren, die im vorangegangenen Gespräch nicht oder nicht ausreichend Würdigung gefunden hatten.

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

5.5.3.1 5.5.3.1.1

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Erwartungen und Kritik Bewertung der Umsetzung der CSR-Maßnahmen

Das Zeugnis, das die Experten ihrem Arbeitgeber gegen Ende des Interviews ausstellen sollten, viel durchweg positiv aus. Dabei bestand weitgehende Einigkeit darüber, dass Krones mit seiner Strategie bereits alle wichtigen Felder der CSR abdeckt und die bestehenden Maßnahmen befriedigend bis gut umsetzt. Das Unternehmen leistet dabei mehr als seine Wettbewerber und viele andere Unternehmen. Trotzdem hat Krones in vielen Handlungsfeldern noch Möglichkeiten zur weiteren Steigerung. Ob des raschen Wachstums gibt es in einigen Feldern Nachholbedarf, wobei die wesentlichen Herausforderungen weitestgehend erkannt sind und Lösungen forciert werden. Während das Engagement für die Mitarbeiter als durchweg gut beschrieben und wiederum häufig am Einsatz für Aus- und Weiterbildung festgemacht wird, sehen einige Befragte besonders hinsichtlich der ökologischen Verantwortung noch Nachholbedarf. Als leise Kritik darf der hin und wieder geäußerte Wunsch gesehen werden, man solle sich künftig nicht erst als Reaktion auf die Forderungen der Kunden um Innovationen bemühen. Offen für Entwicklungen bleiben, die sich zu zukünftigen Herausforderungen ausweiten könnten und diese nach Möglichkeit mit vorausschauender Forschungs- und Entwicklungsarbeit anzugehen, ist mit Sicherheit eine Aufgabe, der sich Krones in Zukunft noch intensiver wird widmen müssen. Wiederum wurde die Bedeutung eines umfassenden Kommunikationkonzeptes deutlich, da einige Befragte bemängelten, dass eine durchgängige CSR-Strategie, ein auch nach außen entsprechend kommuniziertes Konzept, nicht zu erkennen sei. Das Unternehmen verfolge zwar seit längerer Zeit Einzelmaßnahmen und verhalte sich verantwortungsvoll, kommunizieren das aber weder gegenüber Kunden noch Mitarbeitern in ausreichender Form. 5.5.3.1.2

Was bei der Umsetzung der Strategie nicht gut lief, wo Nachholbedarf herrscht – und was sich die Experten davon versprechen

Die Frage nach den Vorschlägen der Experten zu zukünftigen Verbesserungen schloss sich in den Interviews für gewöhnlich direkt an deren Bewertung an. Bemerkenswert war das Plädoyer, die jetzige CSR-Strategie auch in Zukunft zu verfolgen und vorausschauende Lösungen dahingehend zu entwickeln, wie das hohe Niveau sozialen und ökologischen Engagements auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten aufrecht erhalten werden könne. Ein Abrücken vom Managementkonzept gefährde den Unternehmenserfolg. Angesichts des wachsenden Drucks der Kunden wird die Angabe von Verbrauchsdaten zu einer der wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft, der

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

sich Krones bislang nicht ausreichend gestellt hat, wodurch das Unternehmen Nachteile im Wettbewerb riskiert. Vermehrt äußerten die Befragten die Forderung, Krones solle beim Schutz der Umwelt und natürlicher Ressourcen mehr leisten. Einsparpotenziale gebe es trotz zahlreicher patentierter Innovationen beispielsweise beim Energieverbrauch der Anlagen. Sei die Wärmeerzeugung auch fortschrittlich, so vergeude man an vielen Stellen noch unnötig Heizenergie. Auch Abwässer und Abwärme würden bislang noch nicht ausreichend genutzt. Die Nutzung von Erdwärme und Umstellung des Fahrzeugparks auf Gas wären weitere denkbare Maßnahmen für die Zukunft. Krones könnte zudem einen Umweltbeauftragten benennen, der für die Mitarbeiter, aber auch andere Stakeholder als Ansprechpartner zur Verfügung stünde und zugleich in die Entscheidungsfindung bei wichtigen Maßnahmen eingebunden wäre. Würde man die Übernahme von Verantwortung gegenüber der Umwelt weiter steigern und dieses Engagement entsprechend kommunizieren, könnte man angesichts weltweit steigender Sensibilität für das Thema mit Reputationsgewinnen rechnen. Kritik am Arbeits- und Gesundheitsschutz richtete sich nicht gegen Produktions- und Arbeitsbedingungen im Unternehmen, sondern gegen die Bedingungen, die Mitarbeiter im Außendienst vorfinden: Offensichtlich leidet insbesondere auf Baustellen der Arbeitsschutz, zumeist unter überlangen Arbeitszeiten. Daraus resultieren signifikante Gesundheitsrisiken für die Mitarbeiter. Grundsätzlich scheinen besonders die Prozesse bei Außenmontage und Inbetriebnahme verbesserungsfähig. Besser organisierte, reibungslosere Abläufe würden auch das Ansehen und die Reputation der Krones AG bei den Kunden weiter steigern, was sich positiv auf die Kundenbeziehungen und die Auftragslage auswirke. Eine ambivalente Bewertung erfuhren die Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung. Wurden sie bei der vorangegangenen Frage noch von vielen Befragten gelobt, mahnten nun einige der Interviewpartner gerade hier neue Maßnahmen und Konzepte an. Bisherige Angebote seien zu sehr auf Führungskräfte ausgerichtet, würden aber auch dort nicht konsequent angeboten. Gezielte und individualisierte Förder- und Entwicklungspläne für den einzelnen Mitarbeiter würden dessen Engagement und die Identifikation mit dem Unternehmen steigern. Noch schöpfe man weder in der Aus- noch in der Weiterbildung das Potenzial der Arbeitnehmer aus. Ein augenscheinlicher Mangel besteht an Halbtags-, Teilzeit- und Betreuungsangeboten, offenbar auch nach Einrichtung des Kroki-Kindergartens: Krones sollte nach Lösungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf suchen. Unbedingt verbesserungswürdig erscheinen ebenfalls Informations- und Kommunikationspolitik zum neuen Bürogebäude. Die im Gebäude realisierten Maßnahmen zur Energie- und Ressourcenschonung werden zwar für sinnvoll erachtet, doch bestehen Zweifel, ob sie sich möglicherweise negativ auf die Arbeitsbedingungen auswirken könnten. Insgesamt scheinen die Mitarbeiter über die aus den

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

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Neuerungen und Innovationen des Gebäudes für sie resultierenden Vorteile und Verbesserungen nicht ausreichend informiert. Auch fühlen sich Mitarbeiter bei Planungs- und Entscheidungsprozessen übergangen. Skepsis herrscht auch gegenüber der wachsenden Auslagerung des Kundenservices, der Effizienz und Langlebigkeit der Krones-Anlagen gewährleistet und bisher als Aushängeschild des Unternehmens galt. Mit den Ausgliederungen in eine Servicegesellschaft ist eine Abnahme von Expertise und Spezialisierung verbunden, unter der zuerst die Qualität und schließlich die Kundenbeziehungen und die Umsätze leiden könnten. Darüber hinaus droht über die im Unternehmen verbreitete Leiharbeit der Verlust wertvollen Know-hows an Fremdfirmen und im schlimmsten Fall an Wettbewerber. Einzelne Befragte wünschten sich überdies ein stärkeres lokales soziales Engagement durch Sponsoringaktivitäten, wodurch die Reputation des Unternehmens und damit die Position im Wettbewerb um Spitzenkräfte weiter gesteigert werden könnte, sowie die Verbesserung der Parkplatzsituation. 5.5.3.1.3

Bewertung des Einsatzes für die Region

Die Nachfrage ergab, wie schon die Antworten zur vorherigen Frage vermuten ließen, ein äußerst positives Bild. Sahen die Befragten keinen Nachholbedarf beim sozialen Engagement für die Region, so betonten sie nun das gute Image und die hohe Beliebtheit des Unternehmens, die sich aus dem vorbildlichen Einsatz der Krones AG begründen ließen. 5.5.3.1.4

Dem Unternehmen oder dem Befragten aus der Umsetzung der Maßnahmen erwachsende Risiken

Ob es überhaupt Vorbehalte gegen die Umsetzung des CSR-Konzepts und das Verfolgen der Nachhaltigkeitsstrategie gibt, sollte diese Frage klären. Die Befragten waren sich einig, dass die Strategie nicht nur richtig, sondern dass die Maßnahmen auch angemessen dosiert eingesetzt werden. Da ein Unternehmen zwangsläufig auch seine ökonomischen Ziele im Auge behalten muss, kann es nicht zu viele CSR-Maßnahmen ergreifen. Umgekehrt lassen die Herausforderungen, denen sich Krones stellen musste und muss gar keine andere Strategie zu. Die Strategie ist also kein Risiko, sondern eine Chance. Nur ein Rückschritt würde ein Risiko darstellen. Dass Krones mit seinem gesellschaftlichen und ökonomischen Engagement auf dem richtigen Weg ist, zeigen auch sein guter Ruf und die Beliebtheit des Unternehmens bei Berufseinsteigern. Ein gewisses unternehmerisches Risiko ist für ein Unternehmen notwendigerweise mit jeder strategischen Entscheidung verbunden. Aus einer vernünftigen Unternehmenspolitik resultieren jedoch niemals Nachteile. Vielmehr stellt sie einen Wettbewerbsvorteil dar und sichert die Innovationsführerschaft.

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Zu bedenken gab ein Befragter lediglich, dass Verantwortung und Engagement immer in einem gesunden Gleichgewicht – wohl zu den gleichzeitigen ökonomischen Zielen – zu stehen hätten. Ein anderer erkannte ein gewisses Risiko darin, dass bei einem öffentlichen oder politischen Stimmungsumschwung CSR wieder an Bedeutung verlieren könnte. Bemerkenswert ist aber seine Einschätzung, dass trotzdem keinerlei Alternative zur eingeschlagenen Strategie existiere. 5.5.3.2 5.5.3.2.1

Prognose und Transfer Wie die CSR von Krones in Zukunft aussehen und welche Maßnahmen das Unternehmen ergreifen sollte

Auf die Frage, wie sie sich die zukünftige CSR-Strategie des Unternehmens vorstellten und welche konkreten Maßnahmen das Unternehmen noch ergreifen sollte, plädierte ein Teil der Befragten für eine Beibehaltung der gegenwärtigen Strategie. Dabei sei es wichtig, das Managementkonzept flexibel zu halten, um neue Herausforderungen jederzeit integrieren zu können. Diese Forderung deckte sich mit der Einschätzung anderer Experten, die betonten, dass es wichtig sei, Konzept und Maßnahmen weiterzuentwickeln, um das positive Bild von Krones in der Gesellschaft und den Wettbewerbsvorteil zu erhalten. Die dafür notwendigen Investitionen würden sich wie bereits in der Vergangenheit durch höhere Umsätze auszahlen. Orientierung böten dabei Unternehmen aus der Automobil, Pharma- oder Chemiebranche, die in Bezug auf Arbeitssicherheit und Umweltschutz als vorbildlich gelten. Eine zentrale Forderung vieler Befragter lautete, Krones möge konkrete messund nachvollziehbare Ziele seiner Verantwortungspolitik benennen. Das beinhaltet etwa die Veröffentlichung von klaren Einsparzielen. Weiterhin solle Krones die Erfolge seiner Strategie durch die Veröffentlichung konkreter Zahlen und Werte belegen. Erfolge bei der Senkung von Energie- und Ressourcenverbrauch sollten deutlich publiziert werden und ließen sich so Stakeholdern und Kunden gegenüber transparent machen. Zugleich stellt ein solches Unterfangen aber auch ein gewisses Risiko dar. Klare Ziele zu kommunizieren, bedeutet auch, sich an ihnen messen zu lassen. Zugleich zeigt sich auch hieran, wie wichtig die Verbindung des Kommunikations- mit dem Managementkonzept der CSR ist. Wirksame CSR ist notwendigerweise mit ihrer wirksamen Kommunikation verbunden. Weitere Vorschläge der Experten betrafen unterschiedliche Maßnahmen: Es wurde etwa der Wunsch geäußert, dass durch die Schaffung entsprechender Strukturen und die konsequente Berücksichtigung des Umweltschutzgedankens bei Unternehmensentscheidungen das Bewusstsein für Umweltschutz noch weiter gefördert werden solle. Außerdem wurde vorgeschlagen, die Weiterbildungs- und Personalentwicklungsmaßnahmen insbesondere für ältere Mitarbeiter weiter auszubauen. Darüber

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

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hinaus solle durch verschiedene Maßnahmen wie Teilzeit oder Kinderbetreuung die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden. Auch die Planung von Baumaßnahmen auf dem Firmengelände könne in Zukunft verbessert werden – ein Ansinnen, das wohl hauptsächlich auf einen besseren Einbezug der Belegschaft in Planungsprozesse gerichtet ist. Ein Befragter empfahl, die „kommunizierende Arbeitszeit“ (das spezielle Arbeitszeitmodell der Krones AG) – trotz zu erwartender Widerstände – zu überarbeiten, um daraus mittel- bis langfristig Nutzen zu ziehen. Und ein anderer Befragter mahnte an, Krones solle angesichts zunehmender Audits seiner Kunden auch bei seinen eigenen Lieferanten auf die Einhaltung von CSR-Richtlinien achten und entsprechende Audits durchführen. 5.5.3.2.2

Wie sich die Bedeutung von CSR verändern wird und welchen Einfluss eine solche Strategie auf die Wettbewerbslage haben wird

Eine weitere Transferfrage, die aufschlussreiche Antworten versprach, war die nach der Veränderung der Bedeutung von CSR. Die meisten Befragten äußerten sich zuversichtlich, dass CSR weiter an Wichtigkeit gewinnen würde und Krones durch die gesteigerte Wahrnehmung seine Vorreiterrolle weiter würde ausbauen können – gesetzt den Fall, Krones nutze die Potenziale, die aus den derzeitigen Erfolgen seiner Strategie für Marketing und Kommunikation erwüchsen. Die Begründungen für den Bedeutungszuwachs unterschieden sich: Die Einen betonten, dass ein produzierendes Unternehmen wie Krones zukünftig stärker als bisher an seiner CSR gemessen werde, da seine Verantwortung für die Reputation und die Produkte seiner Kunden und damit gegenüber Verbrauchern und Allgemeinheit weiter wachsen würde. CSR würde im Wettbewerb eine noch wichtigere Rolle spielen, da einheitliche Lieferantenstandards und CSR-Audits zur Regel würden. Die Anderen hoben hervor, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Krones AG heute und in Zukunft maßgeblich von Qualifikation, Engagement und Leistungsbereitschaft seiner Mitarbeiter abhinge. Krones müsse seine Strategie unbedingt weiter verfolgen, da diese langfristig Gewähr für die Zukunftssicherheit des Unternehmens leiste. Einigkeit besteht darin, dass sich ein ganzheitlicher Ansatz verantwortlichen Wirtschaftens immer bezahlt machen wird, da nur auf diese Weise langfristig und nachhaltig erfolgreiches Wirtschaften möglich ist. 5.5.3.2.3

Wie sich die Kundenansprüche verändern werden

Vom Krones-Kunden der Zukunft herrscht ein differenziertes und auch differierendes Bild vor. Die abschließende Frage zum Bewertungs- und Transfer-Indikator lieferte einige sehr aufschlussreiche Stellungnahmen: Weitgehende Übereinstimmung bestand in der Einschätzung, der Kunde der Zukunft verlange vermehrt

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nach fabrikähnlichen Komplettlösungen, die ein Maximum an Qualität, Zuverlässigkeit, Flexibilität und Produktivität mit einem Minimum an Kosten sowie guter Bedienbarkeit und Sicherheit verbinden. Ein Höchstmaß an Wirtschaftlichkeit durch die Reduktion von TCO-Kosten134 lässt sich nur über größtmögliche Energie- und Ressourcenschonung realisieren. Auf diesen Trend hat Krones bereits mit einigem Erfolg reagiert, die Prozesstechnik aber erfordert eine noch weitergehende Dynamisierung. Außerdem wird von Krones verlangt, gute Beratung, guten Service und ständige Wartung, bzw. Nachrüstung aus einer Hand anbieten zu können, weshalb der Lifecycle Service stark an Bedeutung gewinnen wird. Ein Befragter vermutete, die Kunden würden im Rahmen der angestrebten Komplettlösungen zukünftig auch verstärkt Betreibermodelle nachfragen und dass auch die Finanzierung der Anlagen zu einem wichtigeren Thema für Krones werden würde. Es ist anzunehmen, dass Krones zukünftig drei unterschiedliche Anlagenkonzepte wird anbieten müssen: Erstens eine einfache, kostengünstige Standardlösung. Das gestiegene Preisbewusstsein vieler Kunden zeigt sich bereits heute: Von Krones wird der Umgang mit minderwertigerem Material und zugleich höhere Flexibilität, auch hinsichtlich Lieferterminen, Preisen und Finanzierung, verlangt. Zweitens eine teurere High-End-Anlage. Und drittens eine ressourcenschonende Anlage zu einem etwas höheren Einkaufspreis, die jedoch auf längere Sicht Kosten spart und den Kunden vor allem die Möglichkeit bietet, ihr Verantwortungsbewusstsein und nachhaltiges Wirtschaften gegenüber den Stakeholdern zu unterstreichen. Dieses Anlagenmodell wird dieser Tage schon von großen Kunden eingefordert, die von Krones konkrete Angaben zu Ressourcen- und Kosteneinsparungen erwarten. Ein Experte hob hervor, dass eine Öko-Maschine die Verkaufschancen signifikant erhöhen würde. Bei einem darauf abgestimmten Kommunikationskonzept könnten dann auch weitere Faktoren wie die umweltfreundliche Produktionsweise von Krones oder die Recycelbarkeit der Anlagen eine wichtige Rolle spielen. Auch könnte zukünftig der Wertschöpfungsprozess der Krones AG von den Kunden in gleicher Weise immer mehr hinterfragt werden, wie Produkte und Produktion der Kunden vermehrt von den Verbrauchern hinterfragt werden. Da die Kunden die gestiegenen Erwartungen der Verbraucher erfüllen müssen, muss der Kunde bei seinem Krones-Besuch den Eindruck gewinnen, dass Krones Prozesse etabliert hat, die automatisch Qualität erzeugen, zugleich ressourcenund umweltschonend ablaufen. Die Innovations- und Technologieführerschaft der Krones AG müssen sich also dem Kunden vor allem in schlanken und effektiven 134 Unter TCO-Kosten versteht man die Total Costs of Ownership: Dieses Abrechnungsverfahren soll Verbrauchern und Unternehmen helfen, alle anfallenden Kosten von Investitionsgütern abzuschätzen. Ziel ist es, eine Abrechnung zu erhalten, die nicht nur die Anschaffungskosten enthält, sondern alle Aspekte der späteren Nutzung (z.B. Energie-, Verbrauchs-, Reparatur- und Wartungskosten) der betreffenden Komponenten. Auf diese Weise sollen mögliche indirekte und versteckte Kosten bereits im Vorfeld einer Investitionsentscheidung identifiziert werden.

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

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ökonomischen wie ökologischen Prozessen darstellen – eine wichtige Aufgabe an die Kommunikation. Dass zudem die Auditierung der Krones AG weiter zunehmen wird, steht ebenfalls zu erwarten. Ein Befragter prognostizierte, dass die Kunden zukünftig auch Zertifizierungen nach ISO von seinen Lieferanten verlangen würden. 5.5.3.3 5.5.3.3.1

Medienwahrnehmung Wie die CSR-Strategie bislang innerhalb des Unternehmens kommuniziert wird

Diese und die kommende Frage bildeten eine enge Einheit. Die Antworten der Befragten auf beide Fragen legen nahe, dass CSR-Strategie und -Maßnahmen bislang nicht planmäßig kommuniziert werden, sondern die einzelnen Mitarbeiter eher zufällig erreichen. Die Informationen sind zwar über die Firmenmedien verfügbar, die Mitarbeiter müssen aber eigeninitiativ darauf zurückgreifen. Von einer zielgerichteten Durchdringung der Mitarbeiterschaft kann jedoch keine Rede sein. Verschiedene Experten wiesen darauf hin, dass sie Informationen zumeist über informelle Wege erhielten. Häufig fungieren Vorgesetzte als Multiplikatoren, außerdem dienen das Intranet, das Krones Intern, Abteilungsbesprechungen und das Internetportal als Informationsmedien. Letztgenanntem Medium kommt dabei eine besondere Stellung zu: Die Befragten trauen dem Intranet mit seinen weltweit verfügbaren ständig aktuellen und umfassenden Informationen zu unterschiedlichsten Themen am ehesten die konzernweite Vermittlung der Nachhaltigkeitsstrategie zu. Genauere Aufschlüsse über das Nutzungsverhalten der Belegschaft soll der zweite Teil der Studie liefern. Ob das Intranet tatsächlich das geeignete Medium ist, erscheint an dieser Stelle zumindest fragwürdig, da ein nicht unwesentlicher Teil der Mitarbeiter aufgrund der Charakteristik ihrer Arbeitsplätze – etwa die Beschäftigten in Montage und Fertigung, aber auch viele in Kundendienst und Außenmontage tätige Mitarbeiter – nur unregelmäßig, selten oder gar nicht auf das Netzmedium zugreifen dürfte.

5.5.3.3.2

Wie diesbezüglich die derzeitigen Firmenmedien bewertet werden

Bei der meist direkt im Anschluss gestellten Frage wurde nach einer differenzierten Bewertung der derzeitigen Firmenmedien und nach möglichen Informationsquellen gefragt: Dabei handelt es sich um das Krones Magazin, das Krones intern, das Intranet, die Mitarbeiterbroschüre Impulse – Erfolg durch Wandel aus dem Herbst 2001, die beiden Umweltberichte, den aktuellen CSR-Report und Nachhaltigkeitsbericht sowie die Geschäfts- und Quartalsberichte und Produktinformationen des Unternehmens.

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Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Grundsätzlich kann die Belegschaft inbesondere über Intranet, Internetportal, Krones Magazin sowie Intern, aber auch Managementmeetings und Betriebsversammlungen direkt angesprochen und erreicht werden. Es besteht wohl kein grundsätzlicher Zweifel daran, dass sich diese Medien bewährt haben. Auch der CSR-Report enthält umfassende Informationen zur Strategie und den Einzelmaßnahmen und macht sie gegenüber den Stakeholdern transparent. Viele der Experten brachten jedoch zum Ausdruck, dass Informationen über Strategie, Managementkonzept und dessen Maßnahmen die Mitarbeiter über die derzeitigen Medien nicht ausreichend erreichten. Einige Befragte bemängelten darüber hinaus ein generelles Defizit bei der Kommunikation von Unternehmensstrategien. Die Experten gaben an, eher zufällig auf Informationen zur CSR im Unternehmen zu stoßen und vermissten ein durchgängiges Kommunikationskonzept. Zwar findet das Thema im Krones Magazin immer wieder Würdigung, doch wird nach Auffassung der Experten die übergeordnete Strategie weder ausreichend erläutert noch klar genug kommuniziert. Aber gerade dadurch könnten die Beschäftigen ein größeres Verständnis für die Bedeutung der Maßnahmen entwickeln und für diese stärker sensibilisiert werden. Bietet der CSR-Report auch einen guten Einstieg zum Thema, so ist er jedoch nicht ausreichend verbreitet. Zahlreiche Experten unterstrichen die Meinung, dass sowohl CSR- als auch Umweltbericht wie auch ihre Inhalte beim Gros der Mitarbeiter kaum bekannt sein dürften. Angesichts der bereits zuvor mehrfach betonten Notwendigkeit einer engen Verknüpfung zwischen Management- und Kommunikationskonzept lässt sich hier ein Handlungsbedarf diagnostizieren, der im zweiten Studienteil auf seine Repräsentativität überprüft werden muss. So scheint es, dass die Maßnahmen aktuell besser gegenüber externen Stakeholdern kommuniziert werden, die auf CSR-Report, Krones Magazin, aber auch den Geschäftsbericht, der allerdings von keinem der Befragten genannt wurde, zurückgreifen können. Demgegenüber sind die meisten Befragten der Meinung, dass der Hauptteil der Belegschaft in den relevanten Medien eher schlecht über Managementkonzept und Strategie informiert wird. Dies scheint nicht an einem grundsätzlichen Mangel an verfügbaren Informationen zu liegen. Vielmehr vermissen viele Befragte ein durchgängiges Kommunikationskonzept zur strategischen Durchdringung der Zielgruppe. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich dabei um die subjektiven, nicht repräsentativen Meinungen der befragten Experten handelt. Diese Einschätzungen legen eine Quantifizierung im zweiten Teil nahe, aus der dann etwaige Handlungsempfehlungen abzuleiten wären.

Auswertung der leitfadengestützten Experteninterviews

5.5.3.3.3

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Welche Veränderungen bei der Kommunikation der CSR-Strategie und der einzelnen Maßnahmen unternehmerischer Verantwortung vorgeschlagen werden

Auf die Kritik folgten abschließend die Kommunikationsvorschläge der Experten. Wichtig sei es, innerhalb des Unternehmens Klarheit und Transparenz hinsichtlich der mit der CSR-Strategie verfolgten Ziele zu schaffen. Zwar existierten zahlreiche Informationen zum Thema, doch mangele es an strukturierten Kommunikationsstrategien. Teilweise würden ergriffene Maßnahmen gar nicht ausreichend kommuniziert. Die Mitarbeiter müssten regelmäßig und systematisch über die Strategie informiert und von dieser überzeugt werden. Nur so könne sie von ihnen auch in der täglichen Arbeit umgesetzt und gelebt werden. Insbesondere die Hintergründe der CSR-Strategie, die Ursachen und Ziele der einzelnen Maßnahmen sollten in stärkerem Maße und in höherer Frequenz in den Firmenmedien kommuniziert werden – sowohl für die Mitarbeiter wie auch als Vertriebsunterstützung zur Vorlage beim Kunden. Krones sollte sich darum bemühen, verstärkt die Ergebnisse und Erfolge seiner CSR-Strategie für den Verbraucher, seine Kunden aber auch die Mitarbeiter anhand klarer Kennziffern und gut nachvollziehbarer Vergleiche darzustellen. Besonders Vorgesetzte sind bei der Kommunikation als Multiplikatoren gefragt. Segmentgespräche und Informationstafeln, Aushänge oder Flyer könnten ebenfalls zu einer verbesserten Kommunikation der Strategie und Durchdringung der Mitarbeiterschaft genutzt werden. Im Intranet – als meistgenutztes Informationsmedium mit der größten Durchdringung der Mitarbeiterschaft – sollten Informationen zur CSR leicht auffindbar sein. Insbesondere neue Mitarbeiter sollten über die CSR-Maßnahmen des Unternehmens informiert werden und auch potentiellen Bewerbern sollten Informationen zum verantwortlichen und nachhaltigen Handeln der Krones AG zur Verfügung gestellt werden. Grundsätzlich sollte Krones seine CSR-Maßnahmen nach Meinung vieler der befragten Experten künftig deutlich stärker gegenüber Öffentlichkeit und Kunden kommunizieren, da das Bewusstsein für deren Bedeutung seitens der Stakeholder stark gewachsen ist und auch die Anfragen der Kunden auf ein gestiegenes Interesse hindeuten. Krones ist hier mit der Kommunikation seiner Erfolge insbesondere in Fachartikeln im Gegensatz zum teilweise weit aggressiveren Wettbewerb zu zurückhaltend. Verantwortliches Handeln und Nachhaltigkeitsstrategie böten die Gelegenheit, dem Kunden kommunikativ anhand einzelner Maßnahmen die Erfolge von Krones zu vermitteln. Dazu eignete sich auch die gezielte persönliche und personalisierte Kommunikation durch das Vertriebspersonal. Krones könnte seine CSR stärker als bisher als Marketinginstrument für seine hochwertigen Produkte einsetzen. Die positive Umweltleistung der Anlagen etwa ließe sich durch ein spezielles Signet verdeutlichen. Selbstredend ist bei all diesen Kommunikationsmaßnahmen von wesentlicher Bedeutung, dass das Kommunizierte auch tatsächlich zutrifft, um Image- und Reputationsverluste zu vermeiden.

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Vermehrt machten die Experten den Vorschlag, Krones könne ähnlich der Konkurrenz, bzw. angelehnt an die Impulse-Broschüre des Jahres 2001, ein spezielles Informationsheft zu seinen CSR-Maßnahmen herausgeben, mit dem sowohl Mitarbeitern als auch Kunden Strategie, Hintergründe, Ziele und Erfolge des Managementkonzepts nähergebracht werden könnten. Während man so die Mitarbeiterschaft für dieses bedeutende Handlungsfeld besser mobilisieren würde, könnte eine solche Broschüre den Kunden als wichtige Entscheidungshilfe gereichen. Auch hinsichtlich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens haben die Experten recht klare Vorstellungen: Krones sollte seine Bekanntheit in überregionalen Medien abseits von Fach- und Branchenpublikationen steigern und dabei besonders die Kommunikation von CSR-Strategie und CSR-Maßnahmen intensivieren. Dabei sollten karitatives Engagement, Erfolge bei Energie- und Ressourcenschonung sowie Innovationen und Neuentwicklungen in stärkerem Maße nach außen kommuniziert werden, um auch die Endverbraucher besser zu erreichen. Die Fülle der von den Befragten vorgebrachten Vorschläge und Ideen bestätigt, dass unter den Experten ein eindeutiges Bewusstsein dafür vorherrscht, dass die erfolgreiche Umsetzung einer CSR-Strategie notwendig an die konsequente Vermittlung des Managementkonzepts durch ein strategisches Kommunikationskonzept gebunden ist. 5.5.3.4

Abschluss

Zum Abschluss erhielten die Befragten noch die Gelegenheit, einige „letzte Worte“ anzubringen. Ein weiterer Erkenntnisgewinn wurde dabei nicht angestrebt.

5.6 Quantifizierung 5.6.1 Begründung und Durchführung der Befragung Im zweiten Teil der Studie sollten die vorläufigen Ergebnisse des ersten Studienteils quantifiziert werden. Dazu wurde eine Befragung mittels Fragebogen durchgeführt. Die Befragung sollte online über das Intranet des Unternehmens durchgeführt werden. Dazu sollten die Befragten personalisierte Einladungen per E-Mail an ihren Firmenaccount erhalten. In den E-Mails befand sich ein persönlicher Link zur Umfrageseite im Intranet. Die Teilnahme war nur über das Firmennetzwerk möglich, d.h., die Probanden mussten über ihren eigenen Account ins Netzwerk eingeloggt sein, um zu ihrer Umfrageseite zu gelangen. So sollte eine Verfremdung der Daten durch nicht eingeladene Teilnehmer verhindert werden.

Quantifizierung

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Die Vorteile der direkten Befragung des Probanden am Computer sind vor allem in der Unabhängigkeit von Zeit und Ort zu sehen. Innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums kann der Teilnehmer selbst entscheiden, wann er an der Befragung teilnehmen möchte und ist nicht von terminlichen Vorgaben des Forschers abhängig. Dem Probanden ist es so möglich, sich zur Beantwortung der Fragen in eine ihm genehme Situation zu begeben, die ihm bestmögliche Voraussetzungen für eine aktive Beschäftigung mit den Befragungsinhalten ermöglicht, obwohl er während seiner Dienstzeit und an seinem Arbeitsplatz an der Befragung teilnimmt. 5.6.2 Auswahl der Stichprobe Eine bestimmte Stichprobe der Grundgesamtheit der Beschäftigten sollte eine Einladung zur Teilnahme an der Befragung erhalten. Damit die gezogene Stichprobe tatsächlich die definierte Grundgesamtheit der Mitarbeiterschaft adäquat abbildet, sollten die Merkmalsträger aus der Grundgesamtheit mittels einer Zufallsstichprobe ausgewählt werden.135 Es ist mathematisch bewiesen, „dass bei einer genügend großen Zahl von Stichproben 95 Prozent der Mittelwerte dieser Stichproben in einem bestimmten definierten Abstand – dem Konfidenzintervall – zum wahren Wert der Grundgesamtheit liegen“.136 Der Beweis dieser Normalverteilung muss nicht jedes Mal aufs Neue angetreten werden, weshalb es in der Sozialforschung Konvention ist, davon auszugehen, dass auch bei nur einer Stichprobe 95 Prozent aller ermittelten Mittelwerte in einem akzeptablen Abstand zum wahren Mittelwert liegen und eine fünfprozentige Irrtumswahrscheinlichkeit in Kauf genommen wird.137 Allerdings konnte keine reine Zufallsauswahl durchgeführt werden: Eine bedingte Clusterung der Auswahl war aus Gründen der Organisation und der Praktikabilität unumgänglich.138 Da keine komplette Auflistung aller Krones-Mitarbeiter verfügbar war, aus der nach einem bestimmten Zufallsschlüssel Probanden für die Stichprobe hätten gezogen werden können, wurden aus dem Organigramm des Unternehmens zufällig bestimmte Abteilungen ausgewählt, aus denen dann mithilfe des Online-Organigramms des Unternehmens wiederum zufällig eine bestimmte Zahl von Probanden gezogen wurde. Dabei wurden abwechselnd Mitarbeiter aus den verschiedenen Führungskreisen sowie Mitarbeiter, die keinem Führungskreis angehören, gezogen. Es ist davon auszugehen, dass von diesem Vorgehen die Repräsentativität der Aussagen leicht beeinträchtigt wird, da durch diese Auswahlmethode die Führungskreise etwas überrepräsentiert sind.139 Aus Mangel an statistischem Material zur Zusammensetzung der Grundgesamtheit der 135 Vgl. Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 73–77. 136 Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 77. 137 Vgl. Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 77. Die eine Stichprobe muss freilich eine hinreichende Größe aufweisen. 138 Vgl. dazu Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 82f.

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Mitarbeiter konnte jedoch ebenso keine andere Methode – etwa eine Quotierung – angewendet werden. Die gewählte Vorgehensweise schien praktikabel, um bei der Auswertung auch nach Hierarchieebenen differenzierte Aussagen tätigen zu können. Ein wesentlich größeres Problem stellten hingegen zu erwartende Stichprobenausfälle dar.140 Es konnte davon ausgegangen werden, dass es zu einem systematischen Stichprobenausfall kommen würde, da ein wesentlicher Teil der Mitarbeiter über die gewählte Methode einer Online-Befragung nicht erreicht werden würde. Wie sich herausstellte, verfügten die meisten der in Fertigung und Montage beschäftigten Mitarbeiter nicht über einen eigenen Account im Firmennetzwerk. Diese wesentliche Mitarbeitergruppe konnten also weder per E-Mail eingeladen werden, noch hätten sie über das Firmenintranet an der Befragung teilnehmen können. Um derartige Stichprobenausfälle zu vermeiden, wurde der Entschluss gefasst, die Mitarbeiter aus Fertigung und Montage mittels eines Print-Fragebogens zu befragen. Dazu wurden zufällig jeweils sechs Abteilungen aus Fertigung und Montage ausgewählt. Anschließend erhielten die Meister der ausgewählten Abteilungen über die Hauspost eine bestimmte Anzahl von Umschlägen mit darin enthaltenen Fragebögen. Die Menge der verteilten Fragebögen richtete sich dabei proportional nach der Größe der ausgewählten Gruppe, um so die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Die Meister wurden gebeten, die Umschläge an zufällig ausgewählte Mitarbeiter ihrer Gruppe weiterzuleiten. In den Umschlägen befanden sich neben den neunseitigen Fragebögen, die mit dem Onlinefragebogen identisch waren, Einladungsschreiben an die Probanden mit der Bitte, die Fragebögen innerhalb von 14 Tagen auszufüllen und in einem verschlossenen, unbeschrifteten Umschlag ihren Meistern zurückzugeben. Diese schickten die gesammelten Umschläge mit den ausgefüllten Fragebögen der Probanden aus ihrer Gruppe dann per Hauspost zurück. Dieses Verfahren erschien als die einzig durchführbare Möglichkeit, eine möglichst repräsentative Auswahl an Mitarbeitern aus Fertigung und Montage in die Stichprobe einzubeziehen. Dabei mussten allerdings die Mitarbeiter anderer Krones-Standorte – im Gegensatz zur Online-Befragung – unberücksichtigt bleiben. Auch kann keine Aussage darüber getätigt werden, inwieweit die einzelnen Meister tatsächlich eine zufällige Auswahl getroffen haben. Insgesamt wurden 221 Probanden zur Teilnahme an der Befragung eingeladen: 153 Einladungen zur Onlinebefragung wurden per E-Mail verschickt, 68 Mitarbeiter wurden über ihre Meister auf dem klassischen Schriftweg eingeladen. Dabei wurde davon ausgegangen, dass eine Stichprobengröße von etwa n = 100 zu einer zufriedenstellenden und den wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Re-

139 Es kann angenommen werden, dass der Anteil der Mitarbeiter, die keine Führungsposition innehaben, innerhalb der Grundgesamtheit in Wirklichkeit größer ist als die Gruppe der Führungskräfte. 140 Vgl. dazu Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 90f.

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präsentation der Grundgesamtheit (N) der Krones-Mitarbeiter ausreichen würde. Der Rücklauf war insgesamt äußerst zufriedenstellend: 144 Probanden nahmen an der Befragung teil. 5.6.3 Operationalisierung Bei der Erstellung des Fragebogens wurden die vorläufigen Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus den Experteninterviews berücksichtigt. Darüber hinaus sollten die im CSR-Bericht der Krones AG aufgeführten Maßnahmen nachhaltigen und verantwortlichen unternehmerischen Handelns in jedem Fall komplett abgefragt werden. Bei der Operationalisierung wurde darauf geachtet, die Beantwortungsdauer so kurz wie möglich zu halten, um die durch die Durchführung der Befragung entstehenden Arbeitsausfälle der Mitarbeiter zu minimieren. Um eine rasche Beantwortung des Fragebogens zu ermöglichen, wurde etwa auf offene Fragen nahezu vollständig verzichtet. Bei der Operationalisierung kamen die Dimensionen und Indikatoren, die bereits für die Erstellung des Leitfadens zu den Experteninterviews entwickelt wurden, neuerlich zum Einsatz. Da im quantitativen Studienteil möglichst repräsentative Aussagen über Meinungen und Auffassungen der Mitarbeiterschaft gewonnen werden sollten, wurden jedoch andere Schwerpunktsetzungen als bei den Fragen der Experteninterviews vorgenommen. Die einzelnen Indikatoren erfuhren umfassende Anpassungen. 5.6.3.1

Aufbau des Fragebogens

Zu Beginn des Fragebogens wurden die Probanden darauf hingewiesen, dass alle im Rahmen der Befragung getätigten Aussagen absolut vertraulich behandelt würden und ausschließlich anonym von unternehmensexterner Seite ausgewertet würden. Darauf folgte der Hinweis, dass der Fragebogen unbedingt vollständig auszufüllen sei und die Teilnehmer andernfalls eine Fehlermeldung erhielten. Dies ließ sich technisch nicht anders umsetzen. Die Dimensionen und Indikatoren des ersten Studienteils wurden im Fragebogen weitgehend beibehalten. Dimensionen 1 Grad der Sensibilisierung für Corporate Social Responsibility 2 Grad der Etablierung von Corporate Social Responsibility-Maßnahmen 3 Bewertung und Erwartung

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Indikatoren 1 Grad der Sensibilisierung für Corporate Social Responsibility 1.1 Privates Nachhaltigkeitsengagement 1.2 Berufliches Nachhaltigkeitsengagement 2 Grad der Etablierung von Corporate Social Responsibility-Maßnahmen 2.1 Kenntnis von Handlungsfeldern der Corporate Social Responsibility 2.2 Grad der Beteiligung an Corporate Social Responsibility-Maßnahmen der Krones AG 2.3 Verständnis der Corporate Social Responsibility-Maßnahmen der Krones AG 3 Bewertung und Erwartung 3.1 Erwartungen und Kritik 3.2 Prognose und Transfer 3.3 Medienwahrnehmung 3.4 Abschluss Die erste Dimension wurde über zwei Fragekomplexe abgefragt. Mit der Frage zum privaten Nachhaltigkeitsengagement: „In welcher Weise engagieren Sie sich freiwillig im privaten Bereich?“, sollte den Befragten wie schon bei den Experteninterviews ein möglichst intuitiver Einstieg in den Fragebogen ermöglicht werden. Die Frage sollte die Funktion einer „Eisbrecherfrage“ übernehmen.141 Zugleich sollten sich die Probanden durch die Herstellung eines Bezugs zu ihrem privaten Umfeld mit der grundsätzlichen Bedeutung von Verantwortung auseinandersetzen. Bei der Frage wurden sechs Variablen vorgegeben, die Beantwortung sollte anhand einer dichotomen Skala mit „ja“ oder „nein“ erfolgen. Das berufliche Nachhaltigkeitsengagement der Mitarbeiter sollte mit Hilfe der zweiten Frage untersucht werden. Dazu wurden die Befragungsteilnehmer mit verschiedenen Aussagen zur Verantwortungsübernahme in ihrem beruflichen Umfeld konfrontiert, bei denen sie den Grad ihrer Zustimmung anhand einer vierstufigen Skala von „trifft genau zu“ bis „trifft gar nicht zu“ angeben sollten. Wie bei den meisten anderen Fragen dieser Art kam eine Skala mit gerader Stufenzahl zum Einsatz, um die Probanden in jedem Fall zur Reflexion und zur Entscheidung zugunsten einer positiven oder negativen Aussage zu bewegen und ihnen die Möglichkeit einer indifferenten Aussage durch die Wahl des Mittelpunkts zu nehmen.142 Bei dieser Frage wurde nicht die Verantwortung gegenüber Kollegen, bzw. Mitarbeitern oder Vorgesetzten abgefragt. Zugleich sollte eruiert werden, inwieweit die Mitarbeiter sich für die hergestellten Produkte, für die Einhaltung von Lieferterminen, das Erfüllen von gemeinsamen Zielen einerseits innerhalb der Abteilung sowie andererseits des gesamten Unternehmens verantwortlich fühlen. Die 141 Vgl. dazu auch Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 109f. 142 Vgl. zum Problem einer Skala mit oder ohne Mittelpunkt z.B. Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 98f.

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letzte Variable „Ich habe Verantwortung gegenüber meinem Arbeitgeber“ sollte dabei die Funktion einer Testfrage für die anderen Variablen übernehmen. Eine negative Antworttendenz würde hier vorherige positive Antworttendenzen eindeutig relativieren. Der dritte Indikator des Leitfadens (1.3 Problembewusstsein für Corporate Social Responsibility-Maßnahmen) wurde in der Befragung nicht abgefragt, weil die Methode dafür nicht geeignet erschien. Dazu haben jedoch die Experteninterviews einige interessante Aufschlüsse geliefert. Beim ersten Indikator (2.1 Kenntnis von Handlungsfeldern der Corporate Social Responsibility) der zweiten Dimension (2 Grad der Etablierung von Corporate Social Responsibility-Maßnahmen) sollten die Probanden auf einer achstufigen Skala (wobei 1 sehr gering und 8 sehr stark bedeutet) bewerten, in welchem Maße bestimmte Entwicklungen zu einer zukünftigen Herausforderung für Krones werden könnten. Dabei fanden die Entwicklungen und Szenarien Berücksichtigung, die im ersten Studienteil von den Befragten besonders häufig genannt wurden. Die erweiterte Skala sollte ein genaueres und differenzierteres Ergebnis liefern und überdies die Möglichkeit bieten, Mittelwerte für die einzelnen Herausforderungen zu errechnen, die dann für weitere Untersuchungen oder Aufgliederungen (etwa nach Hierarchieebene, Alter oder Geschlecht der Befragten) angewendet werden könnten. Um gemäß des Indikators 2.2 den Grad der Beteiligung an Corporate Social Responsibility-Maßnahmen der Krones AG der einzelnen Mitarbeiter zu erfragen, sollten alle 42 im CSR-Report des Unternehmens aufgeführten und im Rahmen der CSR-Strategie umgesetzten Maßnahmen anhand einer fünfstufigen Skala abgefragt werden. Dabei kamen vier Ausprägungen von „sehr wichtig“ bis „gar nicht wichtig“, ergänzt um die Ausprägung „kenne ich nicht“ zum Einsatz. Ergänzend wurde gefragt, wie die Mitarbeiter grundsätzlich ihre individuellen Möglichkeiten einschätzten, im Rahmen ihrer Arbeit etwas bewegen und verändern zu können. Dazu wurde eine Skala mit vier Ausprägungen (sehr groß, groß, gering, gar nicht) vorgegeben, und es schloss sich eine offene Frage nach dem „Warum“ an. Diese beiden Fragen schienen von besonderer Bedeutung, um andere Meinungs- und Einstellungsfragen in der Befragung auf etwaige Korrelationen genauer zu untersuchen. Der Indikator 2.3 (Verständnis der Corporate Social Responsibility-Maßnahmen der Krones AG) ließ sich nicht mit einer eigenen Frage untersuchen. Allerdings wurde das Verständnis der CSR-Maßnahmen im Rahmen der 13. Frage genauer betrachtet, auf die unten noch näher eingegangen werden soll. Die sechste Frage des Fragebogens gehörte bereits zur dritten Dimension „Bewertung und Erwartung”, die im quantitativen Studienteil einen breiteren Rahmen erhalten sollte. Wie oben beschrieben, ist diese Befragungsmethode besonders zur Ermittlung von Einstellungen und Meinungen geeignet. Im Rahmen des ersten Indikators (3.1 Erwartungen und Kritik) sollten die Probanden das Engage-

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ment der Krones AG für Umwelt, Mitarbeiter, Gesellschaft, Region und Kunden bewerten. Dazu stand eine Skala mit fünf Ausprägungen (tut sehr viel, tut viel, tut genug, tut nicht genug, tut gar nichts) zur Verfügung. Die sich anschließende siebte Frage erforderte eine Transferleistung der Befragten. Hier sollten sie sich gemäß des zweiten Indikators (Prognose und Transfer) dazu äußern, wie sich die Krones AG in den zuvor bewerteten Bereichen ihrer Meinung nach zukünftig engagieren sollte. Wiederum kam eine fünfstufige Skala (sollte viel mehr tun, sollte mehr tun, sollte soviel wie bisher tun, sollte weniger tun, sollte nichts mehr tun) zum Einsatz. Die Frage übernimmt die Funktion eines Bindeglieds zu den sich an sie anschließenden weiteren beiden Prognose- und Transferfragen. In Frage 8 sollten die Befragten wie schon in den Experteninterviews bewerten, welchen Einfluss die CSR-Maßnahmen und das verantwortliche Handeln der Krones AG auf verschiedene Anspruchsgruppen und den Unternehmenserfolg haben könnte. Dazu stand den Probanden eine Skala mit vier Ausprägungen von „sehr groß“ bis „gar nicht“ zur Verfügung. Bei der letzten Frage zum Indikator wurde nach der Meinung und den Erwartungen zum Krones-Kunden der Zukunft gefragt. In die 15 vorgegebenen Variablen flossen die vorläufigen Ergebnisse der Experteninterviews in starkem Maße ein, die auf diese Weise quantifiziert werden sollten. Dazu konnten die Befragten wiederum aus einer vierstufigen Skala Ausprägungen von „sehr groß“ bis „gar nicht“ wählen. Die folgenden drei Fragen 10–12 wie auch die Frage 14 gehören dem Indikator 3.3 (Medienwahrnehmung) an. Bei Frage 10 sollten die Probanden angeben, durch welche Medien sie über die CSR-Maßnahmen der Krones AG informiert werden. Neben den neun aufgelisteten formellen Kommunikationsmitteln des Unternehmens hatten die Befragten auch die Möglichkeit, Kollegen und Vorgesetzte als Informationsquelle zu nennen. Dazu diente eine zweistufige Skala mit den Ausprägungen „ja“ und „nein“. Im Anschluss folgte eine wichtige Filterfrage, ob die Befragten gerne mehr über diese Maßnahmen des Unternehmens informiert würden. Zur Beantwortung stand ihnen eine fünfstufige Skala von „viel mehr“ über „gerade richtig“ bis „gar nichts“ zur Verfügung. Insbesondere bei positiver Antwort auf diese Frage ist die darauffolgende Frage 12 nach den Medien, durch die die Probanden gerne mehr über die Maßnahmen verantwortlichen Handelns der Krones AG erfahren würden, von besonderem Interesse. Dort werden dieselben Medien und Informationsquellen wie bei Frage 10 angeführt, wiederum mit einer dichotomen „ja“/„nein“-Skala zur Auswahl, allerdings ergänzt um „regionale“ sowie „überregionale Presse“. Mit Frage 14 sollte anhand unterschiedlich stark differenzierter Skalen die Nutzung der wichtigsten Kommunikationsmedien des Unternehmens und potentiellen Informationsquellen für CSR-Strategie und -Einzelmaßnahmen untersucht werden.

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Die vorausgehende Frage 13 nimmt eine Sonderstellung innerhalb des Fragebogens ein. Sie lässt sich nicht eindeutig einem der Indikatoren zuordnen, sondern enthält 17 Aussagen, die sowohl die Funktion von Bilanz- und Meinungs- als auch von Testfragen übernehmen, mit deren Hilfe die Antworten auf andere Fragen überprüft, bzw. ergänzt werden können. Zu allen Aussagen sollen die Probanden den Grad ihrer Zustimmung entlang einer vierstufigen Skala von „stimme zu“ bis „stimme gar nicht zu“ äußern. Die Aussagen wurden dabei so angeordnet, dass die Befragten nach Möglichkeit keine Rückschlüsse auf zu untersuchende Korrelationen ziehen würden, damit ihre Antworten nicht durch soziale Erwünschtheit oder etwaige Sponsoringeffekte verfälscht würden. Gerade letztgenanntes Problem lässt sich bei einer innerhalb eines Unternehmens durchgeführten Umfrage, deren Ergebnisse unzweifelhaft auch dem Unternehmen dienen sollen, allerdings trotz wiederholter Hinweise auf Anonymität, Datenschutz und eine externe Auswertung nie ganz lösen. „Die Öffentlichkeit über die Maßnahmen verantwortlichen Handelns zu informieren, steigert das Ansehen der Krones AG.“ – Diese Frage untersucht das Verständnis der Befragten für die Bedeutung einer Verbindung aus Management- und Kommunikationskonzept. Zugleich soll beurteilt werden, ob CSR bei erfolgreicher Kommunikation an die Stakeholder eine image- und reputationsfördernde Wirkung entfalten kann. Ähnlich lautete eine spätere Aussage: „Wenn die Krones Mitarbeiter gut über die Maßnahmen verantwortlichen Handelns informiert sind, so wird dadurch ihre Motivation weiter gesteigert.“ Hier wurde ein möglicher Einfluss des CSR-Kommunikationskonzepts auf Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter untersucht. „Wenn Krones seinen Kunden über die Maßnahmen verantwortlichen Handelns berichtet, so hat das Einfluss auf die Auftragslage.“ – Mithilfe dieser Aussage soll der Zusammenhang zwischen dem Kommunikationskonzept der CSR und dem Unternehmenserfolg, speziell durch eine verbesserte Auftragslage, untersucht werden. Außerdem wird erfragt, ob CSR bei erfolgreicher Kommunikation eine image- und reputationsfördernde Wirkung auf die Kunden des Unternehmens entfalten kann. „Die Umstellung auf Gruppenarbeit fördert die Eigenverantwortung des einzelnen.“/“Die Qualität seiner Produkte zu sichern, hat für Krones stets höchste Priorität.“/“Krones bietet seinen Leiharbeitern ausreichend Möglichkeiten zur Übernahme in feste Beschäftigungsverhältnisse.“/“Krones sollte besonderen Wert auf einen guten Service legen, da dieser das Aushängeschild des Unternehmens ist.“ – Diese Aussagen sollten näher untersucht werden und quantifiziert werden, nachdem die aufgeführten Maßnahmen und Vorgänge von einigen der Experten im Rahmen der qualitativen Befragung erwähnt und bewertet wurden. Mit einigen Aussagen sollte die Bewertung einiger CSR-Maßnahmen, die bereits in Frage 4 genannt wurden, nochmals getestet werden:

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Arbeits- und Gesundheitsschutz: „Krones nimmt bei der Produktion Rücksicht auf den Schutz und die Gesundheit seiner Mitarbeiter.“ Standort- und Arbeitsplatzsicherheit sowie Investitionen in den Standort Deutschland: „Arbeitsplätze bei Krones sind sicher.“ Hierfür stellte die Frage „Für den Erfolg der Krones Produkte ist es unerheblich, wo diese hergestellt werden“ eine Kontrollfrage dar. Zugleich kann damit aber auch der Zusammenhang zwischen einer transparenten Wertschöpfungskette am Standort Deutschland und der Qualität der hergestellten Produkte und damit letztlich auch der Einfluss auf den Unternehmenserfolg untersucht werden. Investitionen in Forschung und Entwicklung: „Krones investiert ausreichend viel in Forschung und Entwicklung.“ Investitionen in Fort- und Weiterbildung: „Bei Krones wird Wert auf geeignete Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gelegt.“ Spezielle Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Arbeitnehmer: „Krones nutzt die Potenziale älterer Arbeitnehmer und hält diese für den Arbeitsmarkt fit.“ Umweltschutz und Ressourcenschonung bei der Produktion: „Krones nimmt bei der Produktion auch Rücksicht auf die Belange der Umwelt.“ „Krones ist im internationalen Wettbewerb gut aufgestellt“ fragte allgemein nach der Einschätzung der Wettbewerbslage durch die Probanden. Diese Bewertung ist deshalb von Interesse, weil dadurch die Antworten kontrolliert werden können, bei denen die Befragten sich zum Einfluss des CSR-Konzepts auf den Unternehmenserfolg äußern sollten. Mit den zu bewertenden Aussagen „Krones erkennt neue Trends, bevor der Kunde danach fragt“ und „Die Bedürfnisse und Forderungen der Kunden sind häufig der Anstoß für technologische Innovationen bei Krones“ sollte versucht werden zu klären, ob Innovationen bei Krones eher reaktiv oder aktiv entwickelt werden. Diese Frage hatte sich ebenfalls bei der Auswertung der Experteninterviews ergeben und schien eine Quantifizierung zu rechtfertigen. Den Abschluss des Fragebogens bildeten die soziodemographischen Fragen, die bewusst nicht an den Beginn der Befragung gestellt wurden, um die Befragten nicht zu verunsichern.143 Neben dem Alter und dem Geschlecht144 wurde auch danach gefragt, ob der Proband in der Region, in der er nun beschäftigt sei, geboren sei, bzw. wie viele Jahre seines Lebens er bereits in der Region verbracht hatte. Da Krones – wie dargestellt und wie ja auch bei der Auswertung der Experteninter-

143 Auch Brosius u.a. empfehlen eine Platzierung der soziodemographischen Fragen am Ende des Fragebogens. (Vgl. Brosius u.a.: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung, S. 130f.) Bei den Experteninterviews wurden die Gespräche gemeinhin damit eingeleitet. Hier bestand jedoch so gut wie kein Risiko, dass die Interviewten daraufhin die Befragung abbrechen könnten. Ein solches Geschehen galt es aber bei der Onlinebefragung so gut wie möglich zu vermeiden. 144 Im Onlinefragebogen war es nicht nötig, die Probanden nach Geschlecht, Abteilung und Hierarchieebene zu befragen, da diese Angaben automatisch vom System den Antworten der Befragten beigefügt wurden.

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views betont – einen starken regionalen Bezug aufweist und sich selbst als bodenständiges Familienunternehmen begreift, sollte mithilfe dieser Angaben untersucht werden, ob bestimmte Antworten mit der eigenen Verwurzelung in der Region korrelierten. Ebenso von Bedeutung schien die Frage nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit, bzw. nach der Anzahl der vorherigen Beschäftigungsverhältnisse. So erschien es untersuchenswert, ob diese Faktoren mit einem bestimmten Antwortverhalten in einem Zusammenhang stünden. Zu diesem statistischen Fragenblock zählten schließlich noch die Fragen nach der Abteilung, der Hierarchieebene und dem Berufsabschluss der Befragten, um gegebenenfalls eine differenzierte Auswertung nach entsprechenden Kriterien vornehmen zu können. 5.6.4 Pretest und Feldphase 5.6.4.1

Pretest

Der Feldphase ging ein Pretest voraus, der den Zweck erfüllen sollte, das Untersuchungsdesign auf seinen logischen Aufbau und die Fragen auf ihre Verständlichkeit zu überprüfen. Der Pretest wurde an insgesamt vier Personen durchgeführt. Dabei handelte es sich um Mitarbeiter der Krones AG, wobei jeder einzelne Tester wichtige Hinweise gab, die zur Verbesserung des Fragebogen beitrugen: So konnten aus dem Feedback der Tester einerseits sprachliche Änderungen zu einem besseren Verständnis, andererseits aber auch methodische Verbesserungen vorgenommen werden.145

145 Im Einzelnen wurden folgende Anpassungen durchgeführt: Bei der ersten Frage (In welcher Weise engagieren Sie sich freiwillig im privaten Bereich?) sorgte die ursprüngliche Variable „Familie, Freundeskreis“ bei einigen Testern für Verwirrung, weil sie Unklarheiten über den Begriff des Engagements aufwarf. Daher wurde die Variable ganz gestrichen. Sowohl bei der sechsten Frage (Wie bewerten Sie das Engagement der Krones AG in den folgenden Bereichen?) wie auch bei der folgenden siebten Frage (Was wünschen Sie sich, wie sollte sich die Krones AG in diesen Bereichen künftig engagieren?) wählte etwa ein Drittel der Befragten im Pretest mehrfach die Ausprägung „weiß nicht“. Dies ist wahrscheinlich auf die mangelnde Kenntnis konkreter Maßnahmen in den unterschiedlichen Bereichen (Umwelt, Region, Kunden usw.) zurückzuführen. Somit übernimmt die Frage zugleich eine gewisse Funktion als Testfrage für die vierte Frage, in der als Variablen eine Reihe konkreter CSR-Maßnahmen aufgeführt sind. Äußert der Befragte bei den Fragen 6 und 7 sein Unwissen, so ist davon auszugehen, dass ihm auch die jeweiligen Einzelmaßnahmen aus Frage 4 nicht oder nicht gut bekannt sind. Hieraus ließe sich das Bestehen eines Informationsbedarfs zum Thema ableiten, der sich mit den Angaben des Befragten zu den Fragen 11 und 12, in denen gezielt nach dem Informationswunsch des Probanden gefragt wird, vergleichen ließe. Sollte der Befragte in Frage 4 anders als bei den Fragen 6 und 7 geantwortet haben, kann in der Regel von sozial erwünschten Antworten bzw. dem Vorliegen eines gewissen Sponsoring-Effektes ausgegangen werden, bei dem der eigene Arbeitgeber nach außen positiver dargestellt wird, als er tatsächlich selbst eingeschätzt wird. Daher blieben die Fragen 6 und 7 im Anschluss an den Pretest unverändert. Bei Frage 9 gaben einige der Tester zu verstehen, sie könnten schwer beurteilen, wie sich die

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5.6.4.2

Feldphase

Nachdem der Fragebogen für die Umfrage durch die Ergebnisse der Pretests entscheidend verbessert werden konnte, begann die Durchführung der Befragung. Dazu wurden an alle ausgewählten Probanden Einladungsmails versendet, in denen sich ein persönlicher Link zur Umfrageseite im Firmenintranet befand. Für die Befragung wurde ein Zeitraum von zehn Tagen festgelegt, innerhalb dessen die Probanden an der Umfrage teilnehmen sollten. Auch in den via Hauspost versendeten Einladungen war ein Befragungszeitraum von zehn Tagen festgesetzt. Nach Ablauf der Frist hatten von den 153 zur Onlinebefragung eingeladenen Mitarbeitern 81 an der Befragung teilgenommen – ein guter Wert. Von den 68 Probanden, die über ihre Meister auf dem klassischen Schriftweg eingeladen wurKundenanforderungen verändern würden. Da hier aber dezidiert die persönlichen Einschätzungen und Einstellungen des Befragten – unabhängig davon, ob sie in ihrem beruflichen Umfeld über Kundenkontakt verfügten oder nicht – ermittelt werden sollten, wurde die ursprüngliche Fragestellung „In welchem Maße wird der Krones Kunde der Zukunft Wert auf folgende Faktoren legen?“ dahingehend ergänzt, dass nun gezielt nach der subjektiven Ansicht des Befragten gefragt wurde: „Was meinen Sie, in welchem Maße wird der Krones Kunde der Zukunft Wert auf folgende Faktoren legen?“ Die Variable „Ökologische Herausforderungen“ wurde von einigen Befragten als missverständlich moniert, weshalb die Fragestellung dahingehend ergänzt wurde, dass neben „Faktoren“ nun auch „Entwicklungen“ miteinbezogen wurden. Auch zur 13. Frage (Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zu?) ergab der Pretest einige Aufschlüsse. Die Tester fanden die Variable „Wenn Krones seinen Kunden über die Maßnahmen verantwortlichen Handelns berichtet, so hat das Einfluss auf die Auftragslage“ mehrheitlich schwer verständlich, weshalb die Aussage umformuliert wurde: „Krones sollte seine Kunden über seine Maßnahmen verantwortlichen Handelns informieren, weil das die Auftragslage positiv beeinflusst.“ Auch an der Aussage „Wenn die Krones Mitarbeiter gut über die Maßnahmen verantwortlichen Handelns informiert sind, so wird dadurch ihre Motivation weiter gesteigert“ übten die Tester Krtitik. Sie wurde dementsprechend geändert: „Wenn Krones seine Mitarbeiter gut über seine Maßnahmen verantwortlichen Handeln informiert, so wird dadurch deren Motivation weiter gesteigert.“ Wie oben beschrieben sollte die Variable „Krones erkennt neue Trends, bevor der Kunde danach fragt“ durch die Variable „Die Bedürfnisse und Forderungen der Kunden sind häufig der Anstoß für technologische Innovationen bei Krones.“ getestet werden. Bei Erstellung des Untersuchungsdesigns wurde davon ausgegangen, dass die beiden Aussagen in einem gewissen Widerspruch zueinander stünden. Allerdings äußerten die Befragten im Pretest überwiegend bei jeweils beiden Ausprägungen Zustimmung. Um ein falsches Verständnis von einer der beiden oder sogar beider Aussagen auszuschließen, wurden die Tester gefragt, wie sie die Aussagen verstanden hätten. Dabei stellte sich heraus, dass die Befragten entgegen der Annahmen bei der Erstellung des Fragebogens die beiden Aussagen keineswegs als Widerspruch empfanden. Vielmehr beantworteten sie die Nachfrage mit einem „sowohl als auch“, in dem Sinne, dass Krones einerseits zwar auf spezielle Wünsche seiner Kunden reagiere, indem es maßgeschneiderte Lösungen anbiete, andererseits sich aber im Rahmen seiner Forschung und Entwicklung ebenfalls um das frühzeitige Erkennen neuer Trends bemühe. Diese Erkenntnisse müssen bei der Auswertung der Befragung in jedem Fall berücksichtigt werden. Um die zweite Aussage dennoch ein wenig stärker zu pointieren, wurde der Satz umgestellt: „Häufig sind die Bedürfnisse und Forderungen der Kunden der Anstoß für technologische Innovationen bei Krones.“ Dabei musste jedoch vermieden werden, die Aussage so zu formulieren, dass sie vorwiegend sozial erwünschte Antworten hervorgerufen hätte. Dies wäre bei einer Formulierung wie „Krones erkennt Trends erst, wenn der Kunde danach fragt“ oder „Technologische Innovationen bei Krones sind in erster Linie eine Reaktion auf die Bedürfnisse des Kunden“ der Fall gewesen.

Quantifizierung

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den, nahmen sogar 63 an der Befragung teil – ein hervorragender Wert. Insgesamt beteiligten sich folglich 144 Mitarbeiter an der Umfrage. 5.6.4.3

Analyse der Daten

Die Daten der Online-Befragung wurden mittels des Statistikprogramms SPSS ausgewertet, mit dessen Hilfe die Berechnung von Häufigkeiten und die Untersuchung und Darstellung von Korrelationen vorgenommen werden sollte. 5.6.4.4

Repräsentativität der Daten

Die Befragung wird aufgrund des weitestgehend zufälligen Auswahlverfahrens der Probanden trotz der ausreichenden Größe der Stichprobe als im Wesentlichen nur bedingt repräsentativ für die Grundgesamtheit der Krones-Mitarbeiter eingestuft. Es konnte weder eine reine Zufallsauswahl noch eine exakte Quotierung der Teilnehmer durchgeführt werden. Aus diesen Gründen kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch die Beschränkung auf bestimmte Abteilungen – obgleich zufällig ausgewählt – und die gezielte Auswahl von Probanden unterschiedlicher Hierarchiestufen sowie durch die persönliche Weitergabe der Fragebögen durch die Meister in Fertigung und Montage einige Abteilungen oder Hierarchieebenen, ein Geschlecht oder andere Eigenschaften bei den Ergebnissen überrepräsentiert sind. Da kein statistisches Vergleichsmaterial vorliegt, kann keine genauere Klärung dieses Problems erfolgen. In jedem Fall ist also von einer erhöhten Irrtumswahrscheinlichkeit auszugehen. Alle in der Auswertung getätigten Aussagen müssen unter einem entsprechendem Vorbehalt betrachtet werden. Zuweilen blieben in den Fragebögen Fragen unbeantwortet. Da es sich dabei lediglich um Einzelfälle handelte, wurden die fehlenden Werte – wenn nicht anders vermerkt – in den Berechnungen nicht berücksichtigt. Die Prozentangaben beziehen sich somit auf gültige Prozente. 5.6.5 Auswertung der quantitativen Befragung 5.6.5.1 5.6.5.1.1

Soziodemographische Daten Dominanz der Männer

Insgesamt nahmen 144 Personen an der Befragung teil. 134 und damit 93,1 % der Befragten sind männlich. Ihnen stehen zehn Frauen gegenüber. Das Durchschnittsalter der Befragten beträgt 38,5 Jahre, die beiden jüngsten Befragten sind 19 Jahre alt, der älteste Befragte hat ein Alter von 56 Jahren, zwei Befragte äußerten sich nicht zu ihrem Alter. 8,5 % der Befragten sind 50 Jahre alt oder älter,

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17,6 % von ihnen sind jünger als 30 Jahre. 73 von ihnen sind zwischen 36 und 45 Jahre alt. Dieser größten Altersklasse in der Befragung gehören somit 51,4 % der Befragten im Sample an. 5.6.5.1.2

Regionale Verwurzelung

113 Personen und damit 78,5 % der Befragten sind in der Region um ihren Arbeitsplatz geboren. Von den übrigen 21,5 %, die nicht in der Region geboren sind, also in der Regel zum Arbeiten in die Region gezogen sind, leben 60 % bereits zehn Jahre oder länger in der Region, 50 % sogar länger als 15 Jahre und nur 13,3 % weniger als sieben Jahre. Durchschnittlich leben die zugezogenen Befragten seit 15,6 Jahren in der Region. Es ist daher davon auszugehen, dass auch diejenigen Mitarbeiter, die nicht in der Region geboren sind, über eine ausreichende Kenntnis regionaler und lokaler Gegebenheiten verfügen und damit den Einsatz des Unternehmens für die Region und die Auswirkungen dieses Engagements kompetent beurteilen konnten. 5.6.5.1.3

Schwerpunkte Montage und Fertigung

Die Befragten gehören unterschiedlichen Abteilungen und Konzernbereichen an. Drei Befragte machten keine Angabe. Von den 141 übrigen stammt der Mammutanteil aus den Abteilungen „Fertigung 1“ am Standort Neutraubling (28 Befragte, also 19,4 % des Samples) und „Montage“ (40 Befragte, also 27,8 % des Samples). 47,2 % und damit nahezu die Hälfte der Befragten stammt aus diesen Abteilungen, wodurch es möglich ist, die Aussagen dieser Teilgruppe gesondert zu betrachten, wo dies sinnvoll erscheint. Insgesamt 18 Befragte (12,5 % der Befragten) arbeiten in den Sparten am Standort Neutraubling. Fünf Teilnehmer (3,5 % der Befragten) haben ihren Arbeitsplatz im Werk Steinecker, sieben (4,9 % der Befragten) in Rosenheim und drei (2,1 % der Befragten) am Standort Flensburg. 5.6.5.1.4

Hierarchieebene, Zeit bei Krones und vorherige Jobs

Von den 143 Befragten, die in der Umfrage ihre Hierarchieebene angaben, zählen 61,1 % und damit eine deutliche Mehrheit nicht zu einem der Führungskreise. 18,1 % gehören zum Unteren Führungskreis, hinzu kommen 0,7 %, die den Status einer UFL innehaben.146 11,1 % sind Angehörige des Funktionalen Führungskreis, weitere 2,1 % zählen zur Gruppe der FFL. Sowohl die Mitarbeiter mit dem Status UFL als auch diejenigen mit dem Status FFL bleiben ob ihrer geringen Repräsentanz im Sample bei der Bestimmung und Auswertung von Korrelationen der Hier146 Mitarbeiter mit dem Status UFL, bzw. FFL gehören zu einer Führungsschicht, haben jedoch keine Personalverantwortung.

Quantifizierung

437

archieebene mit anderen Variablen unberücksichtigt. Zum Mittleren Führungskreis gehören die übrigen 6,3 %. Leider nahm keines der per E-Mail eingeladenen Mitglieder des Oberen Führungskreises an der Umfrage teil. Diese Gruppe machte einen relativ großen Anteil der während der Interviews befragten Experten aus. Deren Aussagen lassen sich daher nicht quantifizieren. Über die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit gaben ebenfalls 143 Befragte Auskunft. Mit 38,9 % ist die größte Gruppe von 56 Personen zwischen zehn und 20 Jahren im Unternehmen beschäftigt. 59,7 % sind seit über zehn Jahren bei Krones beschäftigt, 20,2 % sogar länger als 20 Jahre und noch 5,6 % länger als 30 Jahre. 28,5 % arbeiten fünf bis zehn Jahre im Unternehmen. 11,1 % der Befragten sind seit ein bis fünf Jahren Mitarbeiter der Krones AG und nur einer der Befragten ist kürzer als ein Jahr im Unternehmen. Für 36,8 % der Befragten ist Krones der erste und einzige Arbeitgeber. Bei 25,7 % ziert neben der Krones AG nur ein weiteres Unternehmen den Lebenslauf. Damit hatte eine große Mehrheit von 62,5 % der Befragten vor ihrer Tätigkeit bei Krones keinen oder lediglich einen anderen Job. Weitere 22,2 % waren zuvor bereits in zwei anderen Firmen beschäftigt, 13,2 % vor ihrer Krones-Zeit in drei bis fünf anderen Unternehmen und lediglich 2,1 % erweisen sich als echte Wandervögel mit über fünf vorherigen Beschäftigungsverhältnissen – ein Beleg für die ausgeprägte Arbeitgebertreue vieler Krones-Mitarbeiter. 5.6.5.1.5

Kaum Unqualifizierte

Mit lediglich 4,2 % bilden die Mitarbeiter ohne qualifizierte Berufsausbildung die kleinste Gruppe unter den 143 Befragten, die sich zu ihrem Berufsabschluss äußerten. Die größte Gruppe – und mit 50,7 % die absolute Mehrheit aller Befragten – stellen die Mitarbeiter mit qualifizierter Ausbildung. Bei 21,5 % handelt es sich um Fachkaufmänner, Techniker oder Meister. 12,5 % verfügen über einen Fachhochschulabschluss und 10,4 % über ein Universitätsdiplom. Damit sind ingesamt 22,9 % des Samples Akademiker. 5.6.5.2

Privates Engagement: Krones-Mitarbeiter übernehmen Verantwortung im Verein und für ihren Müll

Vereine (wie etwa Sport- oder Brauchtumsvereine aber auch die freiwillige Feuerwehr) und Mülltrennung sind die „Favoriten“ der Krones-Mitarbeiter. Über drei Viertel übernehmen dafür in ihrem privaten Umfeld Verantwortung. Dass viele der Krones-Mitarbeiter in ihrer Freizeit vor allem für Vereine, Brauchtum oder Feuerwehr Zeit aufbringen, zeigt, dass ehrenamtliches Engagement und die Übernahme von Verantwortung auch über das familiäre Umfeld hinaus für eine breite Mehrheit ein selbstverständlicher Bestandteil des eigenen Lebens ist. Am stärksten engagieren sich Mitarbeiter aus dem Unteren Führungskreis im Vereinswesen.

438

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Hier übernehmen 80,8 % im privaten Rahmen Verantwortung. Am geringsten ist der Wert mit 73,8 % bei den Mitarbeitern, die keinem Führungskreis angehören. Die Differenzen zwischen den verschiedenen Hierarchieebenen sind jedoch auffallend gering. Das starke Engagement für die Trennung von Müll zeigt das Vorhandensein eines vitalen Bewusstseins für Umwelt- und Ressourcenschonung im privaten Rahmen. Am wenigsten Müll trennen mittlere Führungskräfte mit lediglich 66,7 % Zustimmung, während 87,5 % der funktionalen Führungskräfte Verpackungen ein neues Leben schenken. In etwa umgekehrt verhält es sich beim privaten Engagement in der Kirche: Immerhin 27,8 % der Krones-Belegschaft leisten ehrenamtlich etwas für Glauben und Gemeinde. Hier bildet der Mittlere Führungskreis mit 44,4 % die Spitzengruppe, während die funktionalen Führungskräfte mit 25,0 % Zustimmung zwar nur knapp unterhalb des Schnitts liegen, aber dennoch den Schlussrang belegen. Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen und Parteien spielen zwar nur eine geringe Rolle im Privatleben der Mitarbeiter. Lediglich 6,9 % übernehmen Verantwortung in einer politischen Organisation, in NGOs sind es 9,0 % der Belegschaft. Allerdings liegen beide Werte deutlich über den Durchschnittswerten für die bundesdeutsche Gesamtbevölkerung und verdienen schon deshalb Beachtung. Während nur 3,9 % der Mitarbeiter außerhalb der Führungskreise sich politisch engagieren, ist es unter den funktionalen Führungskräften mit 18,8 % immerhin fast jeder Fünfte. Bei den NGOs unterscheiden sich die Werte kaum: Mittlerer Führungskreis mit 11,1 % Zustimmung, die Mitarbeiter außerhalb der Führungskreise mit 11,5 % und die funktionalen Führungskräfte mit 12,5 % Zustimmung liegen dicht beieinander. Lediglich die Unteren Führungskräfte scheinen mit der Übernahme von Verantwortung im Verein bereits ausreichend ausgelastet: Nur 3,8 % der Gruppe engagieren sich in NGOs. Unter denjenigen Mitarbeitern des UFK, die sich im Verein engagieren, ist der Anteil mit 4,8 % nur unwesentlich höher. In anderen als den vorgegebenen Bereichen engagieren sich 17,9 % aller Mitarbeiter. 5.6.5.3

Berufliches Engagement: Hohes Verantwortungsbewusstsein

83,2 % der Krones-Mitarbeiter stimmen der Aussage „Ich habe Verantwortung gegenüber meinem Arbeitgeber“ genau zu, auf weitere 14,7 % trifft sie eher mehr zu. 97,9 % der Belegschaft sind sich also der Verantwortung gegenüber ihrem Arbeitgeber bewusst. Zweifelsohne handelt es sich dabei auch um eine sozial erwünschte Antwort, ein gewisser Sponsoringeffekt der Krones AG auf die Antworten lässt sich nicht ausschließen. Andererseits zeigt sich bei den übrigen Variablen des Befragungskomplexes, dass die Mitarbeiter nicht davor zurückscheuen, auch negative Bewertungen abzugeben. Daher kann die Antwort als ehrliche Aussage gewertet werden, die die Professionalität der Belegschaft unterstreicht. Im Mittleren und

Quantifizierung

439

Funktionalen Führungskreis stimmen übrigens 100 % der Befragten voll zu, im Unteren Führungskreis 96,2 %. gegenüber Arbeitgeber % von Hierarchieebene

Hierarchieebene

Gesamt Abbildung 1:

Weiß nicht

Gesamt

Trifft genau zu

Trifft eher mehr zu

Trifft gar nicht zu

Kein Führungskreis

2,3

75,0

21,6

1,1

100

Unterer Führungskreis

0,0

96,2

3,8

0,0

100

Mittlerer Führungskreis

0,0

100,0

0,0

0,0

100

FFK

0,0

100,0

0,0

0,0

100

1,4

83,2

14,7

0,7

100

Übernahme von Verantwortung gegenüber dem Arbeitgeber nach Hierarchieebene (N = 143)

Auch bei den übrigen Faktoren beruflichen Engagements lassen sich hohe Zustimmungswerte feststellen. So geben 83,1 % an, dass sie Verantwortung für die vom Unternehmen hergestellten Produkte hätten. Die Zustimmungsquote bei den Mitarbeitern, die den Abteilungen Fertigung 1 und Montage angehören und somit für die Herstellung und Güte der Produkte direkt verantwortlich sind, liegt mit 86,5 % sogar leicht über dem Durchschnitt. Volle Zustimmung für die Güte der hergestellten Produkte äußern 77,8 % der Mittleren Führungskräfte, aber nur 49,4 % der Mitarbeiter außerhalb der Führungskreise. Auch wenn in allen Hierarchieebenen Verantwortungsbewusstsein gegenüber den hergestellten Produkten vorhanden ist, ist es bei den Führungskräften grundsätzlich höher. Die Bereitschaft, auf unterschiedlichen Ebenen Verantwortung zu tragen, gehört jedoch zweifelsfrei zu den maßgeblichen Qualifikationen einer Führungskraft. 85,3 % sehen sich verantwortlich für die Umsetzung von Unternehmenszielen. Jeweils 100 % Zustimmung äußern die Funktionalen sowie Mittleren Führungskräfte. Auch beim Unteren Führungskreis ist die Zustimmung mit 96,2 % enorm hoch. Aber auch die Mitarbeiter außerhalb der Führungskreise stimmen dieser Aussagen zu 77,0 % zu, wobei der Anteil derjenigen, die volle Zustimmung signalisieren, mit 42,5 % nur etwa halb so hoch ist wie bei den Mitarbeitern der Führungskreise. Auch die Mitarbeiter außerhalb der Führungskreise fühlen sich also verantwortlich dafür, dass das gesamte Unternehmen seine Ziele erreicht und er-

440

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

folgreich wirtschaftet. Dass Führungskräfte hier wiederum ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein zu Protokoll geben, überrascht nicht. gegenüber hergestellten Produkten % von Hierarchieebene

Hierarchieebene

Trifft genau zu

Trifft eher mehr zu

Trifft eher weniger zu

Trifft gar nicht zu

Kein Führungskreis

1,1

49,4

29,9

13,8

5,7

100

Unterer Führungskreis

0,0

65,4

23,1

3,8

7,7

100

Mittlerer Führungskreis

0,0

77,8

11,1

11,1

0,0

100

FFK

0,0

68,8

25,0

6,3

0,0

100

0,7

56,3

26,8

11,3

4,9

100

Gesamt Abbildung 2:

Weiß nicht

Gesamt

Übernahme von Verantwortung gegenüber hergestellten Produkten nach Hierarchieebene (N = 142)

für Umsetzung der Unternehmensziele % von Hierarchieebene

Hierarchieebene

Gesamt Abbildung 3:

Weiß nicht

Trifft genau zu

Trifft eher mehr zu

Trifft eher weniger zu

Gesamt

Trifft gar nicht zu

Kein Führungskreis

5,7

42,5

34,5

9,2

8,0

100

Unterer Führungskreis

0,0

80,8

15,4

3,8

0,0

100

Mittlerer Führungskreis

0,0

88,9

11,1

0,0

0,0

100

FFK

0,0

93,8

6,3

0,0

0,0

100

3,5

58,5

26,8

6,3

4,9

100

Übernahme von Verantwortung für Umsetzung der Unternehmensziele nach Hierarchieebene (N = 142)

Quantifizierung

441

89,5 % der Mitarbeiter äußern, dass sie Verantwortung dafür tragen, dass ihre Abteilung ihre Aufgaben termingerecht erfüllt. Zu 100 % stimmen Funktionaler und Mittlerer Führungskreis dieser Aussage zu, wobei beim Mittleren Führungskreis sogar 100 % voll zustimmen. Aber auch in Fertigung und Montage ist der Zustimmungsgrad enorm hoch. Das Terminbewusstsein der Mitarbeiter, die für die Produktion und pünktliche Fertigstellung der Anlagen verantwortlich sind, ist hoch: 88,2 % verstehen sich dafür als verantwortlich. Verantwortung gegenüber den Kollegen verspüren 81,8 % der Mitarbeiter. Über Verantwortung gegenüber Mitarbeitern oder Vorgesetzten verfügen 85,2 % der Mitarbeiter, wobei 100 % aller Führungskräfte (UFK, FFK und MFK) dieser Aussage zustimmen. Die Vorgesetzten geben damit ein vorbildliches, aber sicherlich auch sozial erwünschtes Bild ab. gegenüber Mitarbeitern/Vorgesetzten % von Hierarchieebene

Hierarchieebene

Gesamt Abbildung 4:

Weiß nicht

Trifft genau zu

Trifft eher mehr zu

Trifft eher weniger zu

Gesamt

Trifft gar nicht zu

Kein Führungskreis

3,4

54,0

21,8

13,8

6,9

100

Unterer Führungskreis

0,0

96,2

3,8

0,0

0,0

100

Mittlerer Führungskreis

0,0

88,9

11,1

0,0

0,0

100

FFK

0,0

100,0

0,0

0,0

0,0

100

2,1

69,0

16,2

8,5

4,2

100

Übernahme von Verantwortung gegenüber Mitarbeitern/Vorgesetzten nach Hierarchieebene (N = 142)

Gegenüber den Kunden tragen nach eigener Einschätzung 85,1 % der Mitarbeiter Verantwortung. Funktionale Führungskräfte stechen hier mit 100 % Zustimmung hervor. Unter den Führungskräften finden sich jeweils sehr hohe Werte (UFK: 92,3 %, FFK: 93,8 % und MFK: 88,9 %) mit voller Zustimmung zur Aussage. Verantwortung dafür, dass Aufgaben in der eigenen Abteilung umgesetzt werden, verspüren 83,9 % aller Mitarbeiter. Eine Zustimmungsquote von 100 % weisen wiederum die drei Führungsgruppen auf.

442

5.6.5.4

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Zahlreiche zukünftige Herausforderungen

Auf einer neunstufigen Skala sollten die Probanden bestimmte Entwicklungen dahingehend bewerten, inwieweit sie zu zukünftigen Herausforderungen für Krones werden könnten. Anhand der Skala lassen sich Mittelwerte bilden. In der Auswertung bedeutet 1 den Maximalwert (entgegen der umgekehrten Skala auf dem Fragebogen), das heißt eine sehr große Herausforderung. Ein Wert von 9 entspricht dem Minimalwert, also gar keiner Herausforderung. Werte zwischen 2 und 4 bedeuten folglich eine große Herausforderung, Werte zwischen 5 und 8 eine geringere Herausforderung. Bei der Auswertung der Ergebnisse zeigte sich eine große Homogenität der Beurteilungen in den unterschiedlichen Mitarbeitergruppen. Deshalb wurde eine Differenzierung hinsichtlich Führungskräften und Nicht-Führungskräften vorgenommen. Außerdem wurde eine Gruppe der „Arbeiter“ erstellt, die sich aus den Befragten der Abteilungen Fertigung 1 und Montage zusammensetzt, die nicht einem Führungskreis angehören. Zudem wurde eine weitere Gruppe der „Jüngeren“ erstellt, bestehend aus den Mitarbeitern im Sample, die weniger als 40 Jahre alt sind. Die Abweichungen bei den Ergebnissen dieser Gruppe weichen kaum von den Durchschnittswerten aller Mitarbeiter ab. Das lässt darauf schließen, dass das Alter, aber auch die (Berufs-)Erfahrung, so gut wie keinen Einfluss auf die Wahrnehmung gegenwärtiger Probleme haben, die zu zukünftigen Herausforderungen für das Unternehmen werden könnten. Die Werte bestätigen die vorläufigen Ergebnisse aus den Experteninterviews. Die von den Experten benannten Herausforderungen ließen sich quantifizieren und wurden auch vom Gros der Mitarbeiterschaft als zukünftige Aufgaben an das Unternehmen identifiziert. Zu den größten Herausforderungen, so sind sich die Mitarbeiter einig, werden Globalisierung, Energie- und Rohstoffknappheit, der Fachkräftemangel und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zählen. Die Globalisierung nimmt dabei mit einem Mittelwert von 2,09 den absoluten und unangefochtenen Spitzenplatz ein. Mit einem Mittel von 1,98 – dem höchsten Wert aller Variablen in der gesamten Auswertung – schätzen insbesondere die Führungskräfte den weltweiten Veränderungsprozess als größte Herausforderung für Krones ein. Auch in allen anderen Gruppen erscheint Globalisierung als die größte Herausforderung. Energie- und Rohstoffknappheit folgen als Herausforderungen der Zukunft mit Mittelwerten von 2,31, bzw. 2,43 auf den Plätzen zwei und drei – ein ausreichender Beleg, dass die Mitarbeiter sich auch der Bedeutung der umfangreichen Bemühungen des Unternehmens im Rahmen seiner CSR-Strategie zur Energie- und Ressourcenschonung bewusst sind. Während die Mittelwerte der verschiedenen Gruppen sich bei der Herausforderung Ressourcenschonung kaum voneinander unterscheiden, weist der Mittelwert bei der Energieschonung zumindest kleine Differenzen auf: Führungskräfte bewerten die Herausforderung durchschnittlich mit 2,02, während die übrigen Befragten mit einem Mittelwert von 2,49 das Problem zwar ebenfalls als sehr drängend, aber als nicht ganz so virulent betrachten. Wo-

Quantifizierung

443

möglich haben die Führungskräfte die Kostenseite bei der Energie oder aber auch die Kundenwünsche noch stärker vor Augen. Der Fachkräftemangel ist für die Belegschaft mit einem Mittel von 2,54 ebenfalls eine der größten zukünftigen Herausforderungen. Mit einer durchschnittlichen Bewertung von 2,36 machen sich die Führungskräfte weitaus mehr Sorgen um qualifizierten Nachwuchs als die Gruppe der Arbeiter mit einem Mittelwert von 2,89 und – überraschenderweise – die Jüngeren mit einem Durchschnittswert von 2,80. Trotzdem zeigen auch solche Werte noch die Wahrnehmung einer großen Herausforderung an. Mit einem Mittelwert von 2,69 machen sich die Krones-Mitarbeiter ebenfalls viele Gedanken darüber, wie das Unternehmen zukünftig berufliche Karriere und Familie miteinander in Einklang bringen kann. Dabei fällt der Wert mit 2,87 bei den Führungskräften etwas niedriger aus. Die weiblichen Befragten im Sample bewerten diese Entwicklung im Übrigen mit einem Mittelwert von 2,30 und damit wesentlich höher als der Durchschnitt. Das zeigt, dass insbesondere für Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein wichtiges Zukunftsthema darstellt. An sechster Position der zukünftigen Herausforderungen folgt die wirtschaftliche Rezession mit einem Mittelwert von 2,85. Ein recht hoher Wert, der sich in den unterschiedlichen Gruppen kaum unterscheidet, und die Sorge vor einer ökonomischen Krise aber auch ein waches Bewusstsein aller Mitarbeiter für wirtschaftliche Entwicklungen unterstreicht. Die Wasserknappheit erreicht unter den Zukunftsherausforderungen mit durchschnittlich 2,86 einen ähnlich hohen Wert. Allerdings zeigen sich hier große Unterschiede in der Bewertung in den verschiedenen Gruppen. Im Führungskreis zählt sie mit einem Wert von 2,25 zu einer der drei größten Herausforderungen und stellt eine absolut dringliche Aufgabe dar. Bei den übrigen Mitarbeitern erreicht die Wasserknappheit mit 3,18 zwar immer noch einen Wert, der auf ein relativ wichtiges Problem hindeutet, nimmt aber unter allen abgefragten Entwicklungen lediglich den drittletzten Platz ein. Mit 3,23 ist der Mittelwert bei den Arbeitern am niedrigsten. Über die Ursachen für diese Unterschiede kann nur spekuliert werden, es ist aber wahrscheinlich, dass vor allem der Kundenkontakt ein wichtiger Faktor für die Bewertung dieser Entwicklung ist. Wie aus den Experteninterviews hervorging, wird insbesondere für internationale Kunden oder Großkunden die Wasserknappheit zu einem immer größeren Problem. Die Mitarbeiter der Führungskreise dürften innerhalb des Samples diejenige Gruppe mit dem meisten Kundenkontakt sein und könnten auf diese Weise verstärkt auf die Herausforderung aufmerksam geworden sein. Der Klimawandel mit einem Mittelwert von 3,31 wird als Herausforderung gesehen, zählt aber nicht zu den wichtigsten Aufgaben auf der Krones-Zukunftsagenda. Auffälligerweise wird er lediglich von den Frauen im Sample mit einem Mittelwert von 2,50 als drängende Herausforderung bewertet.

444

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Führungskreis

Kein Führungskreis

„Arbeiter“ Fertigung u. Montage, kein Führungskreis

„Jüngere“ Mitarbeiter unter 40 Jahre

Gesamt

N

Mittelwert

N

Mittelwert

N

Mittelwert

N

Mittelwert

Klimawandel

55

3,00

87

3,48

57

3,56

70

3,17

143

3,31

Demographie

55

3,60

87

4,21

57

4,33

70

4,01

143

3,98

Wasserknappheit

55

2,25

87

3,18

57

3,23

70

3,06

143

2,86

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

55

2,87

88

2,60

58

2,64

70

2,59

144

2,69

Globalisierung

55

1,98

87

2,17

57

2,26

70

2,13

143

2,09

Energieknappheit

55

2,02

88

2,49

58

2,31

70

2,46

144

2,31

Rezession

55

2,87

87

2,83

57

2,93

70

2,87

143

2,85

Fachkräftemangel

55

2,36

86

2,66

56

2,89

70

2,80

142

2,54

Rohstoffknappheit

55

2,45

87

2,45

57

2,35

70

2,50

143

2,43

Schere zwischen Arm und Reich

55

4,22

87

3,08

57

2,79

70

3,59

143

3,53

Abbildung 5:

N

Mittelwert

Prognose zukünftiger Herausforderungen für Krones

Ebenfalls keine Kernherausforderung scheint die Schere zwischen Arm und Reich mit einem Mittelwert von 3,53 darzustellen. Bemerkenswerte Differenzen zeigen sich jedoch in der Einschätzung zwischen Mitarbeitern des Führungskreises und Mitarbeitern außerhalb des Führungskreises. Die Führungskräfte erkennen in

Quantifizierung

445

möglichen sozialen Verwerfungen mit einem Mittelwert von 4,22 kein wesentliches Zukunftsproblem für die Krones AG, während die übrigen Mitarbeiter mit einem Mittelwert von 3,08 und unter ihnen besonders die Arbeiter mit einem Mittelwert von 2,79 eher vermuten, dass die mit wachsender sozialer Ungleichheit einhergehenden Entwicklungen sich auch auf das Tagesgeschäft des Unternehmens auswirken könnten. Die demographische Entwicklung ist unter den vorgegebenen Entwicklungen mit einem Mittelwert von lediglich 3,98 das Schlusslicht. Dieser Wert bildet beinahe schon die Mitte der Skala, was bedeutet, dass der Durchschnitt der Mitarbeiter im demographischen Wandel keine wesentliche Herausforderung für Krones erkennt. Allerdings fällt der Wert bei den Frauen mit 3,44 und bei den Mitarbeitern in den Führungskreisen mit 3,60 höher aus als beim Rest, bei dem der Wert im Mittel nur 4,21 beträgt. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Führungskräfte ob ihrer Personalverantwortung die Überalterung der Bevölkerung als drängendere Aufgabe wahrnehmen. Über die Ursachen der Bewertung durch die Frauen lässt sich keine schlüssige Vermutung aufstellen. Allenfalls könnte darüber spekuliert werden, ob sie womöglich über ein größeres Problembewusstsein bezüglich des Geburtenrückgangs verfügen. 5.6.5.5

Ökonomische Verantwortung im Mittelpunkt – Die derzeitigen CSRMaßnahmen in der Bewertung

Im Rahmen einer umfangreichen Frage sollten die Mitarbeiter 42 Einzelmaßnahmen der derzeitigen CSR-Strategie nach ihrer Bedeutung für sie persönlich beurteilen. Das Wichtigste vorab: Die meisten Maßnahmen verantwortlichen Handelns spielen für die Mitarbeiter eine wichtige oder sogar sehr wichtige Rolle. Die wichtigsten Maßnahmen hängen überwiegend mit dem ökonomischen Nachhaltigkeitsengagement des Unternehmens zusammen. Die Sicherung des Standorts Deutschland ist die wichtigste derzeitige CSR-Maßnahme. 98,6 % der Mitarbeiter halten sie für sehr wichtig oder wichtig. Auf Platz 2 steht mit der Gesundheit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz und der Vermeidung von Berufserkrankungen eine Maßnahme, die sich zwar der Ergonomie zurechnen lässt, zugleich aber auch Auswirkungen auf das Wirtschaftliche und Soziale hat. Neben der nachhaltigen Sicherung des Unternehmenserfolg ist diese CSR-Maßnahme die einzige in der Befragung, die von allen Mitarbeitern als sehr wichtig oder wichtig beurteilt wird. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, wie bedeutend Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter in einem Industrieunternehmen ist, gibt aber – da ja nach derzeitigen Maßnahmen verantwortlichen Handelns gefragt wurde – ebenfalls Aufschluss darüber, wie viel Krones diesbezüglich schon erreicht hat. Die nach Meinung der Mitarbeiter nächstwichtigsten Maßnahmen sind ebenfalls Maßnahmen ökonomischer

446

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Verantwortung: die nachhaltige Sicherung des Unternehmenserfolgs und die Sicherheit des Arbeitsplatzes – ein klares Votum. Die drei Schlusslichter in der Mitarbeiterbewertung sind die Initiative „Mehr Frauen in die Technik“, Spenden und Sponsoringaktivitäten des Unternehmens, sowie die Betriebssportgemeinschaft. 46,2 % der Mitarbeiter finden die Initiative, die zur Sicherung qualifizierter Nachwuchsfachkräfte Frauen für technische Berufe begeistern soll, wichtig oder sehr wichtig. 51,8 % und damit die knappe Mehrheit aller Befragten beurteilen sie als weniger oder gar nicht wichtig. Spenden und Sponsoring halten 48,3 % der Mitarbeiter für wichtig oder sehr wichtig und 49,7 % für weniger oder gar nicht wichtig. Die Möglichkeit zum Betriebssport ist lediglich 4,2 % der Mitarbeiter sehr wichtig und weiteren 25,2 % wichtig. Den 29,4 %, die diese Maßnahme für wesentlich halten, stehen mit 66,3 % rund zwei Drittel der Belegschaft gegenüber, die diese Einrichtung für weniger oder gar nicht wichtig erachten. Dazu muss angemerkt werden, dass letztgenannte Maßnahme im Panel die einzige darstellt, die von einer signifikanten Mehrheit der Mitarbeiter für weniger oder gar nicht wichtig erachtet wird. Alle übrigen Einzelmaßnahmen der CSR-Strategie werden von einem wesentlichen und in der Regel deutlich überwiegenden Teil der Mitarbeiter als wichtig oder sehr wichtig erachtet. Ansonsten fallen wenige Ausreißer ins Auge. So ist die überwiegend positiv bewertete Hermann-Kronseder-Unterstützungskasse die einzige Maßnahme, die mit 5,6 % von mehr als fünf Prozent der Mitarbeiter nicht gekannt wird. Im Umkehrschluss ist aber selbst diese Maßnahme 94,4 % der Belegschaft bekannt. Generell lässt sich festhalten, dass die Befragungsergebnisse darauf hindeuten, dass tatsächlich alle abgefragten CSR-Maßnahmen unter den Mitarbeitern sehr gut bekannt sind – ein Zeichen für deren gute Implementierung innerhalb des Unternehmens. Ökonomische Verantwortung Die Standortsicherung in Deutschland nimmt unter allen bewerteten Maßnahmen den Spitzenplatz ein. 90,2 % der Mitarbeiter bewerten diese Maßnahme als sehr wichtig, weitere 8,4 % mit wichtig und lediglich 1,4 % mit weniger wichtig. Dass insbesondere ökonomisch nachhaltiges Handeln für die Mitarbeiter wesentliche Bedeutung hat, zeigen weitere Ergebnisse: So halten 100 % die nachhaltige Sicherung des Unternehmenserfolgs für wichtig (16,7 %) oder sehr wichtig (83,3 %). Die Sicherheit des Arbeitsplatzes ist 80,4 % der Befragten sehr wichtig, weiteren 18,2 % wichtig und lediglich 1,4 % weniger wichtig. Die beiden Mitarbeiter, die die letzte Ausprägung wählten, sind an den Standorten Steinecker und Flensburg beschäftigt – eine eher kuriose Feststellung, natürlich ohne repräsentativen Wert.

Quantifizierung

447

Verantwortung für Gesundheitsschutz und Sicherheit 100 % der Mitarbeiter beurteilen den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz und die Vermeidung von Berufserkrankungen als wichtig oder sehr wichtig. Mit 85,3 % ist der Anteil derjenigen, die ihn für sehr wichtig erachten, enorm hoch. Den Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheit an den Krones-Standorten halten 97,9 % für bedeutend, 68,8 % der Belegschaft sind der Meinung, dass es sich dabei um eine sehr wichtige Maßnahme handle. Auf den Krones-Baustellen halten 90,9 % der Mitarbeiter die Bemühungen um Arbeitsschutz und -sicherheit für bedeutend. Verantwortung für Energie- und Ressourcenschonung Großen Wert legen die Mitarbeiter auf die Maßnahmen zur Energieeinsparung und Schonung bzw. Wiederverwertung der natürlichen Ressourcen. 86,1 % halten die Reduzierung des Wasserverbrauchs in der Produktion für wichtig oder sehr wichtig, sogar 92,4 % sagen dasselbe über die Reduzierung des Energieverbrauchs während der Herstellung der Anlagen. Und 87,5 % meinen, es sei wichtig oder sehr wichtig, dass Krones sich um die Reduzierung des Rohstoffverbrauchs in der Produktion bemühe. 91,4 % finden die Wiederverwertung von Rohstoffen wichtig oder sehr wichtig und 88,8 % halten es für bedeutend, dass Krones das Abfallaufkommen reduziert. Dem entsprechen 83,0 % der Mitarbeiter, die die Mülltrennung in der Produktion für wichtig oder sehr wichtig halten gegenüber lediglich 0,7 %, die darauf verzichten würden. 75,3 % erachten moderne Gebäudetechnik zur Reduzierung des Energiebedarfs für wichtig oder sehr wichtig. Ein deutliches Votum zugunsten der Investitionen für moderne Gebäude mit umweltfreundlicher Technologie. Ressourcenschonende und qualitativ hochwertige Anlagen stärken die Wettbewerbsfähigkeit Noch größere Bedeutung haben diese Aspekte nach Auffassung der Mitarbeiter aber für die Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg beim Kunden: 97,2 % der Mitarbeiter halten es für sehr wichtig oder wichtig, dass Krones ressourcenschonende Anlagen produziert. 79,7 % und damit nahezu vier Fünftel der Mitarbeiter halten es für bedeutend, dass die Anlagen über eine hohe Lebensdauer verfügen – einerseits ein klares Plädoyer für gleichbleibend hohe Qualitätsstandards, andererseits aber auch ein eindeutiges Zeichen für die dem Lifecycle Service von Seiten der Belegschaft zugemessene Bedeutung. Verantwortung gegenüber den Kunden Das Bewusstsein innerhalb der Belegschaft für Maßnahmen, die einerseits die Verantwortung der Krones AG zeigen, andererseits aber auch für Wettbewerbsvorteile

448

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

bei den Kunden sorgen, ist sehr hoch. Qualität, Verlässlichkeit, aber auch die Pflege von beständigen Partnerschaften spielen dabei eine wichtige Rolle. Insbesondere auf Liefertreue legen die Mitarbeiter dabei besonderen Wert. 95,8 % von ihnen betonen deren Bedeutung, für 63,6 % der Belegschaft handelt es sich dabei sogar um eine sehr wichtige Maßnahme im Rahmen des CSR-Konzepts des Unternehmens. Die Bewertungen unterscheiden sich übrigens in den unterschiedlichen Unternehmensbereichen kaum und liegen überall auf vergleichbar hohem Niveau: Auch in den Abteilungen Fertigung 1 und Montage halten 65,7 % diese Maßnahme für sehr wichtig. Dass die produzierten Anlagen über eine hohe Effizienz verfügen, halten 94,4 % der Belegschaft für wichtig oder sehr wichtig. Verantwortung für den Schutz der natürlichen Umwelt 93,0% halten es für sehr wichtig oder wichtig, dass Krones sich für die Einhaltung der gesetzlichen Umweltschutzrichtlinien engagiert. 87,5 % finden darüber hinaus die Reduzierung der Schadstoffemissionen in der Produktion und sogar 95,1 % die Senkung der Schadstoffbelastung im Abwasser wichtig oder sehr wichtig. 79,2 % halten einen sicheren Versand der Krones Anlagen und die regelmäßige Überprüfung von Gefahrstoffen für bedeutend. Einen umweltfreundlichen Fuhrpark – gewährleistet durch intelligentes Fuhrparkmanagement und die Umrüstung der Fahrzeuge – halten 72,5 % der Mitarbeiter für wichtig oder sehr wichtig. Krones setzt beim Fuhrparkmanagement auf emissions- und verbrauchsarme Autos und hat in jüngster Zeit seine Fahrzeugflotte um Fahrzeuge mit besonders niedrigem CO2-Ausstoß erweitert und beteiligt sich darüber hinaus an einem Pilotprojekt der BMW AG, bei dem wasserstoffbetriebene Fahrzeuge zum Einsatz kommen.147 Verantwortung für Bildung, Forschung und Entwicklung Die herausragende Stellung von Forschung und Entwicklung für die Innovationsund so auch die Marktführerschaft der Krones AG belegt die Bewertung dieser Maßnahme durch die Mitarbeiter: 99,3 % der Mitarbeiter halten die Investitionen in Forschung und Entwicklung für wichtig oder sehr wichtig. Letzteres gaben 70,6 % aller Befragten an. Ein Ergebnis, das nicht nur auf die gute Arbeit der Strategen im Unternehmen hindeutet, sondern auch die Innovationen der Forscher und Entwickler in den unterschiedlichen Konzernebenen unterstreicht.

147 Vgl. Krones AG: Fahrzeugflotte wird mit verbrauchs- und emissionsarmen Autos ausgestattet. Krones testet 7er BMW mit Wasserstoffantrieb. Pressemitteilung v. 21.07.2008, URL: http:// www.krones.de/de/presse/68_7688.htm [aufgerufen am 21.07.2008].

Quantifizierung

449

Die Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen wird von 87,5 % als wichtig oder sehr wichtig beurteilt. Für sehr wichtig erachten diese Maßnahmen 44,1 % aller Mitarbeiter. Unter den Akademikern, also den Mitarbeitern im Sample mit Hochschulabschluss, ist dieser Anteil mit 51,5 % höher als der Durchschnitt. Die Initiative „Mehr Frauen in die Technik“ halten, wie oben erwähnt, nur 46,2 % der Mitarbeiter für wichtig oder sehr wichtig. Mit 42,4 % ist der Anteil unter den Akademikern im Unternehmen sogar noch niedriger als im Durchschnitt und auch unter den Führungskräften sind mit 45,5 % weniger Befürworter der Maßnahme zu finden als im Unternehmensschnitt. Während allerdings nur 7,0 % aller Beschäftigten diese Maßnahme für sehr wichtig halten, sind es unter den Führungskräften 9,1 % und unter den Akademikern mit 18,2 % sogar doppelt so viele. Eine Gruppe der Mitarbeiter ist von der Wichtigkeit der Maßnahme hingegen vollständig überzeugt: 100 % der weiblichen Beschäftigten im Sample halten die Initiative für sehr wichtig oder wichtig – ein eindeutiges und selbstbewusstes Statement. Verantwortung für Aus-, Fort- und Weiterbildung Die große Bedeutung von Aus-, Fort- und Weiterbildung hatten bereits die Experten im Rahmen der qualitativen Befragung betont – eine Einschätzung, die offensichtlich repräsentativ für das ganze Unternehmen steht: 95,8 % der Mitarbeiter halten die Qualifizierungsmaßnahmen der Personalabteilung zur Fort- und Weiterbildung für sehr wichtig oder wichtig. Mit 53,8 % ist der Anteil derjenigen, die dieses Engagement für sehr wichtig erachten, sehr hoch. Das unterstreicht zum einen die hohe Wertschätzung der Maßnahmen, zum anderen aber auch deren große Bedeutung für die gesamte Belegschaft. Eine überragende Stellung nimmt in der Wahrnehmung der Mitarbeiter die betriebliche Ausbildung ein: Mit 76,2 % bewerten über drei Viertel aller Mitarbeiter diese Maßnahme als sehr wichtig, insgesamt erachten sie sogar 97,9 % aller Mitarbeiter als bedeutend. Verantwortung gegenüber den Mitarbeiten Der Gleichbehandlungsgrundsatz ERA-KES spielt für die Mitarbeiter eine wichtige Rolle. Insgesamt halten ihn 73,5 % der Mitarbeiter für bedeutend. Der Wert fällt in den Abteilungen Montage und Fertigung 1 mit 79,1 % höher aus. Insbesondere für diese Abteilungen brachte die Maßnahme offenbar spürbare Verbesserungen mit sich. Das erklärt auch den deutlich höheren Wert derjenigen, die ERA-KES für sehr wichtig halten: In der Produktion sind das 44,8 %, während der Schnitt aller Mitarbeiter bei 35,7 % liegt.

450

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Unter den Mitgliedern der Führungskreise halten den Gleichbehandlungsgrundsatz nur 25,5 % für sehr wichtig. Mit 65,5 % hält aber auch in dieser Gruppe die Mehrheit der Befragten diese Maßnahme für wichtig oder sehr wichtig. Das Prämiensystem stellt in den Augen von 68,1 % der Beschäftigten eine wichtige oder sehr wichtige Maßnahme dar. Immerhin 29,1 % der Mitarbeiter beurteilen es aber als weniger wichtig und 1,8 % als verzichtbar.

(alle Angaben in gültigen %)

Montage und Fertigung (N = 67)

Führungskreis (N = 55)

Gesamt (N = 143)

Sehr wichtig

44,8

25,5

35,7

Wichtig

34,3

40,0

37,8

Weniger wichtig

13,4

34,5

20,3

Gar nicht wichtig

7,5

0,0

4,9

Weiß nicht

0,0

0,0

0,7

Kenne ich nicht

0,0

0,0

0,7

Gesamt

100

100

100

Abbildung 6:

Bewertung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ERA-KES in unterschiedlichen Gruppen

(alle Angaben in gültigen %)

Weibliche Beschäftigte (N = 10)

Gesamt (N = 144)

Sehr wichtig

30,0

18,8

Wichtig

40,0

31,9

Weniger wichtig

20,0

30,6

Gar nicht wichtig

10,0

11,1

Weiß nicht

0,0

5,6

Kenne ich nicht

0,0

2,1

Gesamt

100

100

Abbildung 7:

Bewertung der Betriebskindertagesstätte Kroki

Die neu eingerichtete Betriebskindertagesstätte KROKI hält eine knappe Mehrheit der Beschäftigen von 50,7 % für bedeutend, allerdings nur ein erstaunlich geringer Anteil von 18,8 % aller Mitarbeiter für sehr wichtig. Den weiblichen Beschäftigten erschließt sich die Bedeutung dieser Maßnahme, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten soll, offensichtlich eher: Hier

Quantifizierung

451

legen 70,0 % gesteigerten Wert auf den Kindergarten, 30,0 % halten ihn für sehr wichtig. Es muss bei der Krones-Kita ergänzend darauf hingewiesen werden, dass es sich bei ihr um eine der jüngsten Maßnahmen im Rahmen der CSR-Strategie des Unternehmens handelt. Ihr hoher Bekanntheitsgrad überrascht daher durchaus. Auch ist davon auszugehen, dass sich die Bewertung durch die Belegschaft nach einer gewissen Betriebsdauer verändern wird. Verantwortung im Außenverkehr Ein starkes Bewusstsein ist hinsichtlich Bedeutung verantwortlichen Handelns im Außenverkehr des Unternehmens vorhanden: 82,4 % der Befragten finden die Einhaltung von Compliance-Standards und die Richtlinien des Unternehmens zur Korruptionsvermeidung bedeutend, wobei mit 46,5 % beinahe die Hälfte der Belegschaft diese Maßnahme sogar für sehr wichtig erachtet. Die von Krones aufgestellte Einkaufsrichtlinie für seine Lieferanten halten 75,5 % der Belegschaft für wichtig oder sehr wichtig. Mit 83,6 % ist der Anteil derjenigen, die es für sinnvoll erachten, die Einhaltung der eigenen Standards auch von den Lieferanten zu fordern, unter den Führungskräften und damit bei der Gruppe, die in der Regel für die Vergabe von Aufträgen zuständig ist, überdurchschnittlich hoch. Verantwortung gegenüber dem Verbraucher Ein ausgeprägtes Bewusstsein herrscht auch für die Verantwortung, die Krones als Anlagenbauer gegenüber den Endverbrauchern trägt: 82,5 % der Belegschaft sind davon überzeugt, dass die Übernahme von Verantwortung gegenüber den Verbrauchern durch die in die von Krones hergestellten Anlagen integrierte Inspektionstechnik eine wichtige Maßnahme darstellt. Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern Die Sozialberatung halten 73,5 % für wichtig oder sehr wichtig, die Betriebskrankenkasse (BKK) ist für 71,4 % der Mitarbeiter eine wichtige oder sehr wichtige Einrichtung. Lediglich 3,5 % der Belegschaft halten sie für gar nicht wichtig. Auffallend ist, dass nur 56,3 % der Führungskreise die Einrichtung der Krankenkasse für wichtig oder sehr wichtig halten.148 Die BKK ist also eine Maßnahme, die bei den Mitarbeitern außerhalb der Führungskreise deutlich beliebter ist.

148 Man kann vermuten, dass unter den Mitgliedern der Führungskreise der Anteil der privat Krankenversicherten höher als bei den übrigen Beschäftigten ist und die geringere Affinität der Führungskreise zur Betriebskrankenkasse schlicht aus einer geringeren Betroffenheit resultiert.

Kenne ich nicht

Gar nicht wichtig

Reduzierung des Wasserverbrauchs in der Produktion

36,1

50,0

9,0

1,4

2,8

0,7

Reduzierung des Energieverbrauchs in der Produktion

42,4

50,0

7,6

0,0

0,0

0,0

Senkung der Schadstoffbelastung im Abwasser

55,6

39,6

4,2

0,7

0,0

0,0

Reduzierung des Rohstoffverbrauchs in der Produktion (Metalle, Kunststoffe etc.)

32,6

54,9

9,7

0,0

0,0

2,8

Gesundheit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz/Vermeidung von Berufserkrankungen

85,3

14,7

0,0

0,0

0,0

0,0

Prämiensystem

27,1

41,0

20,8

8,3

1,4

1,4

Gleichbehandlungsgrundsatz (ERA-KES)

35,7

37,8

20,3

4,9

0,0

0,7

Betriebskindertagesstätte „KROKI“

18,8

31,9

30,6

11,1

2,1

5,6

Reduzierung der Schadstoffemissionen in der Produktion

41,0

46,5

11,1

1,4

0,0

0,0

Mülltrennung in der Produktion

31,9

52,1

13,9

0,7

0,0

1,4

Nachhaltige Sicherung des Unternehmenserfolgs

83,3

16,7

0,0

0,0

0,0

0,0

Arbeitsschutz und -sicherheit an den Krones Standorten

68,8

29,2

2,1

0,0

0,0

0,0

Initiative „Mehr Frauen in die Technik“

7,0

39,2

44,8

7,0

0,7

1,4

Investitionen in Forschung und Entwicklung

70,6

28,7

0,7

0,0

0,0

0,0

Sicherer Versand der Krones Anlagen und regelmäßige Überprüfung von Gefahrstoffen

32,4

46,8

18,0

0,0

1,4

1,4

(alle Angaben in gültigen %)

Weiß nicht

Wichtig

Weniger Wichtig

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Sehr wichtig

452

Quantifizierung

453

Fuhrparkmanagement (sparsame Fahrzeuge, Rußpartikelfilter, Fahrgemeinschaften etc.)

21,8

50,7

26,1

0,7

0,0

0,7

Reduzierung des Abfallaufkommens

29,4

59,4

11,2

0,0

0,0

0,0

Korruptionsvermeidung (Einhaltung hoher ethischer Standards im Geschäftsverkehr)

46,5

35,9

12,0

1,4

1,4

2,8

Sozialberatung

24,5

49,0

22,4

0,0

3,5

0,7

Betriebskrankenkasse

31,5

39,9

23,1

3,5

1,4

0,0

Spenden und Sponsoring (Bildung, Kultur, Sport, karitative Zwecke etc.)

13,3

35,0

44,8

4,9

0,0

2,1

Moderne Gebäudetechnik zur Reduzierung des Energiebedarfs

28,0

57,3

14,0

0,0

0,0

0,7

Arbeitsschutz und -sicherheit auf den Krones Baustellen

46,2

45,5

5,6

0,0

0,7

2,1

Liefertreue

63,6

32,2

2,8

0,7

0,0

0,7

Arbeitsplatzsicherheit

80,4

18,2

1,4

0,0

0,0

0,0

Investitionen in die Infrastruktur (z.B. Etikettiertechnikum etc.)

41,3

48,3

8,4

0,0

1,4

0,7

Lieferantenpolitik (Einkaufsrichtlinie)

20,3

55,2

15,4

1,4

2,8

4,9

Hermann-Kronseder-Unterstützungskasse

34,3

43,4

12,6

0,7

5,6

3,5

Kantine

28,7

42,0

23,8

4,2

0,7

0,7

Hohe Effizienz der produzierten Anlagen

60,1

34,3

3,5

0,0

0,7

1,4

Betriebsfest

19,6

29,4

34,3

16,1

0,7

0,0

Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungsinstituten

44,1

43,4

10,5

0,0

1,4

0,7

Wiederverwertung von Rohstoffen

45,5

46,9

7,7

0,0

0,0

0,0

Qualifizierungsmaßnahmen der Personalabteilung (Fort- und Weiterbildung)

53,8

42,0

2,8

0,0

1,4

0,0

454

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Krones als Ausbildungsbetrieb

76,2

21,7

0,7

0,7

0,7

0,0

Standortsicherung in Deutschland

90,2

8,4

1,4

0,0

0,0

0,0

4,2

25,2

46,9

19,6

2,8

1,4

Lange Lebensdauer der produzierten Anlagen

23,1

56,6

18,9

0,7

0,0

0,7

Krones exklusive Rabatte bei Einzelhändlern

15,4

38,5

30,8

8,4

2,1

4,9

Einhaltung von gesetzlichen Umweltschutzrichtlinien

42,7

50,3

5,6

0,0

0,7

0,7

Einsatz für den Verbraucherschutz durch Inspektionstechnik

32,2

50,3

7,7

0,0

3,5

6,3

Herstellung ressourcenschonender Maschinen (Energie, Wasser, Chemikalien etc.)

55,9

41,3

2,8

0,0

0,0

0,0

Betriebssportgemeinschaft

Abbildung 8:

Bewertung der derzeitigen CSR-Maßnahmen im Sample

Die oben bereits erwähnte Hermann-Kronseder-Unterstützungskasse halten 77,7 % der Mitarbeiter für sehr wichtig oder wichtig und lediglich 0,7 % aller Beschäftigten für verzichtbar. Mit 70,9 % sind die Anhänger der Unterstützungskasse innerhalb der Führungskreise etwas rarer gesät. Die Kantine ist nach Meinung von 70,7 % der Belegschaft wichtig oder sehr wichtig. Mit 28,0 % findet aber immerhin über ein Viertel der Mitarbeiterschaft die Einrichtung des Betriebsrestaurants weniger oder gar nicht wichtig. Immerhin 53,9 % erachten die Krones-exklusiven Rabatte bei Einzelhändlern als wichtig oder sehr wichtig, 30,8 % weniger wichtig und 8,4 % könnten darauf verzichten. Deutlich mehr sind es beim Betriebsfest: Diese Maßnahme wird von 34,3 % für weniger wichtig und von weiteren 16,1 % sogar für verzichtbar gehalten. Nur eine Minderheit von 49,0 % findet das gemeinsame Beisammensein wichtig oder sehr wichtig. Es fällt auf, dass einige der Maßnahmen, die ausdrücklich den Mitarbeitern zugute kommen sollen, für diese nicht allerhöchste Bedeutung haben – dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass diese Maßnahmen sich hier einem Vergleich mit Maßnahmen wie dem Erhalt von Arbeitsplätzen oder dem Schutz der Mitarbeitergesundheit stellen mussten. Verantwortung gegenüber der Region Die Investitionen in die regionale Infrastruktur treffen den Nerv der Befragten: Dass dieses lokale Engagement von Krones sehr wichtig oder wichtig ist, meinen

Quantifizierung

455

89,0 % der Befragten. Den regionalen Einsatz in Form von Spenden oder Sponsoringaktivitäten bewerten 48,3 % der Mitarbeiter als wichtig, allerdings nur 13,3 % als sehr wichtig. Mit 4,9 % ist der Anteil derjenigen, die ganz darauf verzichten würden, allerdings nicht hoch. Mit 9,1 % beinahe doppelt so hoch wie der Durchschnitt ist dieser Anteil unter den Führungskräften. Hier genießt diese Form des sozialen Engagements ein im Vergleich geringeres Ansehen: Lediglich 39,0 % finden diesen Einsatz wichtig oder sehr wichtig. 5.6.5.6

Möglichkeiten, im Rahmen der Arbeit etwas zu bewegen und zu verändern

5.6.5.6.1

Nur geringe Möglichkeiten für Nicht-Führungskräfte, etwas zu verändern

Um Meinungs- und Einstellungsfragen besser beurteilen zu können, sollten die Befragten angeben, wie groß sie ihre Möglichkeiten einschätzten, im Rahmen ihrer Tätigkeit bei Krones etwas bewegen und verändern zu können. Die Ergebnisse sind interessant: Zwischen Mitarbeitern der Führungskreise und Mitarbeitern außerhalb der Führungskreise zeigt sich ein beinahe gegenteiliges Bild. Während 60,0 % der Führungskräfte ihre Möglichkeiten als groß und weitere 20,0 % ihre Möglichkeiten als sehr groß einschätzen, halten die Nicht-Führungskräfte ihre Möglichkeiten zu 60,5 % für gering und selbst 20,0 % der Führungskräfte tätigen diese Aussage. Ein überraschend hoher Wert: Immerhin bedeutet das, dass ein Fünftel der Führungskräfte meint, es hätte auf die Geschicke und Entwicklungen des Unternehmens nur geringen Einfluss.

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Arbeiter (N = 58)

Montage (N = 31)

Kein Führungskreis (N = 86)

Gesamt (N = 142)

Sehr groß

20,0

5,4

0,0

3,5

9,9

Groß

60,0

19,6

16,1

25,6

38,7

Gering

20,0

62,5

74,2

60,5

45,1

Gar nicht

0,0

5,4

6,5

4,7

2,8

Weiß nicht

0,0

7,1

3,2

5,8

3,5

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 9:

Möglichkeiten, im Rahmen der Arbeit etwas bewegen und verändern zu können in unterschiedlichen Gruppen

Lediglich 25,6 % der Nicht-Führungskräfte meinen, sie hätten große Möglichkeiten, etwas zu verändern, bloß 3,5 % schätzen ihre Möglichkeiten als sehr groß ein.

456

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Noch drastischer ist das Bild bei einer isolierten Betrachtung der Gruppe der Arbeiter im Sample, also derjenigen Mitarbeiter, die den Abteilungen Fertigung 1 und Montage angehören und zudem keine Führungskräfte sind. Bei den Arbeitern sind 62,5 % der Auffassung, nur geringen Einfluss zu haben. Die geringsten Mitsprachemöglichkeiten räumen sich die Arbeiter aus der Montage ein: Hier liegt der Wert derjenigen, die im Rahmen ihrer Arbeit nur geringen oder gar keinen Einfluss ausüben zu können glauben, bei 80,7 %. Dieser Wert ist also noch höher als der gegenteilige bei den Führungskräften, bei denen 80,0 % ihren Einfluss für groß oder sehr groß hielten. Mehr als vier Fünftel der Arbeiter aus der Montage und mit 65,2 % nahezu zwei Drittel aller Nicht-Führungskräfte sind der Meinung, sie hätten innerhalb des Unternehmens nur wenig oder gar nichts zu sagen – ein dramatisches Ergebnis, das zu denken geben muss. 5.6.5.6.2

Einflussmöglichkeiten abhängig von hierarchischer Position

Die offene Frage im Anschluss gab den Befragten die Möglichkeit, über die Ursachen ihrer Einschätzung Auskunft zu geben.

Ursachen für Möglichkeit zur Veränderung Verbesserungsmanagement, Gruppengespräche jeder einzelne Mitarbeiter kann/muss seinen Beitrag leisten

Gültige Prozente 6,0 16,0

Gruppensprecherstatus

2,0

Gruppenleiterstatus

6,0

kann aufgrund meiner beruflichen Position/Hierarchieebene viel verändern

32,0

Krones bietet Freiraeume für Ideen, diese werden gehört

6,0

jeder hat die Aufgabe, sich vorbildlich zu verhalten

4,0

jeder kann/sollte Beitrag zur Energie- und Ressourcenschonung leisten

4,0

bin beruflich mit F & E und/oder der Entwicklung neuer Produkte oder der Umsetzung von CSR befasst

18,0

kann durch eine gute Umsetzung meiner täglichen Arbeit einen Beitrag leisten

4,0

sonstiges

2,0

Gesamt

100

Abbildung 10:

Gründe für große/sehr große Möglichkeit, etwas bewegen und verändern zu können (N = 50)

Quantifizierung

457

Von den Mitarbeitern, die ihre Möglichkeiten, etwas zu verändern, als groß oder sehr groß einschätzen – die „Gestalter“ –, begründet dies mit 32,0 % ein knappes Drittel damit, dass man aufgrund der beruflichen Position oder Hierarchieebene dazu befähigt sei. Diese Einschätzung deckt sich mit der Beobachtung, dass vor allem Führungskräfte ihre Einflussmöglichkeiten als groß einschätzten. 18 % der „Gestalter“ sagen aus, sie seien beruflich mit Forschung und Entwicklung, bzw. der Entwicklung neuer Produkte oder der Umsetzung von CSR-Maßnahmen befasst. Dieser Befund zeigt, dass Mitarbeiter, die berufsbedingt in Gestaltungsprozesse des Unternehmens einbezogen sind, auch den Eindruck haben, gehört zu werden und auf die Geschicke der Firma einwirken zu können. Weitere 16 % der „Gestalter“ begründen ihre Einflussmöglichkeiten eher aus eigener Motivation und dem Antrieb, ihren Beitrag zum Gelingen der Unternehmensziele und somit zum Unternehmenserfolg leisten zu wollen. Ein gegenteiliges Bild ergibt sich bei der Gruppe der Mitarbeiter, die ihre Möglichkeiten, etwas zu verändern, als gering oder gar nicht vorhanden einschätzten – die „Einflussarmen“. Mit 53,8 % vertritt über die Hälfte dieser Gruppe die Meinung, dass sie aufgrund ihrer beruflichen Position, bzw. ihrer Hierarchieebene wenig oder gar nichts verändern kann. Unter den Arbeitern in der Gruppe sind mit 68,4 % sogar über zwei Drittel dieser Meinung. Dass dieser Eindruck in erster Linie mit der Hierarchieebene zusammenhängt, zeigt eine isolierte Betrachtung der Mitarbeiter außerhalb der Führungskreise innerhalb der Gruppe der Einflussarmen: 61,3 % begründen mangelnde oder fehlende Gestaltungsmöglichkeiten über ihre hierarchische Position im Unternehmen. Bei den über vier Fünfteln der Mitarbeiter aus der Abteilung Montage, die ihre Einflussmöglichkeiten für gering oder nicht vorhanden hielten, spielt die hierarchische Position als Ursache für die Einflusslosigkeit mit 53,3 % zwar auch die Hauptrolle, allerdings sagten mit 46,7 % alle übrigen Einflussarmen aus der Abteilung Montage aus, ihre Vorschläge würden nicht gehört, bzw. zählten nichts. Unter allen Einflussarmen gaben mit 28,2 % immerhin ein gutes Viertel diese Begründung ab. Diese Gruppe, die immerhin beinahe die Hälfte aller Einflussarmen in der Montage umfasst, ist offenbar gewillt, Prozesse aktiv mitzugestalten und sich in stärkerem Maße einzubringen und zeigt diese Absicht auch deutlich über die geäußerten Vorschläge. Bedenklich ist, dass sich ein so hoher Anteil nicht gehört fühlt. Noch höher ist allerdings der Anteil derjenigen, die ihre Position oder Hierarchieebene verantwortlich für ihren geringen Einfluss machen. Dabei handelt es sich zweifelsohne um eine persönliche Einschätzung, die sich empirisch nicht belegen lässt und für die auch keine Vergleichswerte existieren. Wenn aber über 65 % aller Mitarbeiter außerhalb der Führungskreise aussagen, nur geringen oder keinen Einfluss innerhalb des Unternehmens zu besitzen, so ließen sich daraus auch Handlungsempfehlungen für die CSR-Strategie eines Unternehmens ableiten.

458

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 8)

Arbeiter (N = 19)

Montage (N = 15)

Kein Führungskreis (N = 31)

Gesamt (N = 39)

Keine Zeit wg. täglicher Arbeit

25,0

0,0

0,0

3,2

7,7

jeder einzelne Mitarbeiter kann/muss seinen Beitrag leisten

12,5

0,0

0,0

0,0

2,6

kann aufgrund meiner beruflichen Position/ Hierarchieebene wenig/nichts verändern

25,0

68,4

53,3

61,3

53,8

kann aufgrund meiner beruflichen Position/ Hierarchieebene viel verändern

0,0

0,0

0,0

3,2

2,6

Vorschläge zählen nichts mehr/werden nicht gehört

25,0

31,6

46,7

29,0

28,2

keine Einflussmöglichkeit auf Entwicklungsprozesse

12,5

0,0

0,0

3,2

5,1

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 11:

Gründe für geringe/gar keine Möglichkeit, etwas bewegen und verändern zu können

Die Begründung, aufgrund der persönlichen hohen Arbeitsbelastung im Unternehmensalltag über keine Zeit zur aktiven Mitgestaltung zu verfügen, war unter den Führungskräften, die aussagten, keinen oder nur geringen Einfluss zu haben, mit 25 % stark überrepräsentiert. Die Einflussarmen unter den Führungskräften argumentierten mit jeweils 25 % ebenfalls, dass ihre Vorschläge nicht gehört würden oder nichts zählten, bzw. ihre berufliche Position oder Hierarchieebene verantwortlich für diesen Umstand seien. Auch wenn wie erwähnt nur 20,0 % aller Führungskräfte zur Gruppe der Einflussarmen zählen, ist dieser Befund zumindest ein Indiz, dass die für die anderen Gruppen diagnostizierten Ursachen sich zumindest zu einem geringen Teil auch auf die Führungskreise auswirken.

Quantifizierung

5.6.5.7

459

Bewertung des CSR-Engagements der Krones AG und Wünsche für die Zukunft

Für die Befragten bot sich bei den beiden darauffolgenden Fragen die Gelegenheit, Lob und Kritik an der Umsetzung der CSR-Maßnahmen zu äußern, indem sie Bewertungen der unterschiedlichen CSR-Anwendungsfelder vornehmen sollten und zugleich ihre Wünsche bezüglich des zukünftigen CSR-Engagements des Unternehmens zu äußern. Keiner der Befragten attestierte übrigens Krones in einem der abgefragten Anwendungsfelder, dass das Unternehmen „gar nichts“ tue. Das deutet darauf hin, dass keiner der Befragten mit der Strategie extrem unzufrieden ist und außerdem niemand dem Unternehmen durch die Befragung einen Denkzettel erteilen wollte, spricht zugleich aber auch für die Verlässlichkeit der Ergebnisse. Umwelt: Vorbildliches Verhalten und dennoch weiterer Handlungsbedarf Mit dem Umweltengagement der Krones AG sind die Mitarbeiter mehrheitlich zufrieden. 59,7 % der Befragten sagen, das Unternehme leiste hier viel oder sehr viel – obgleich lediglich 8,3 % aller Befragten Krones hier eine sehr gute Leistung attestieren. Umgekehrt sind nur 9,3 % der Befragten der Meinung, Krones setze sich derzeit nicht ausreichend für ökologische Belange ein. Betrachtet man einige unterschiedliche Gruppen im Unternehmen, so zeigt sich, dass die Bewertung der Umweltleistung recht homogen ausfällt. So beurteilt etwa die Gruppe der Einflussarmen, also diejenigen, die in der letzten Frage sagten, sie hätten nur geringen oder keinen Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens, das Umweltengagement nahezu genauso positiv wie der Durchschnitt. Allerdings ist hier der Anteil derjenigen, die aussagen, Krones tue nicht genug, mit 16,2 % signifikant höher. Die Bewertungen der Mitarbeiter außerhalb der Führungskreise sowie der Gruppe der Arbeiter weichen nur unwesentlich von den Durchschnittswerten des Samples ab. Auffällig sind hingegen die Ergebnisse einer weiteren Gruppe, die bei der Bewertung der CSR-Maßnahmen separat betrachtet werden soll. Dies sind die Mitarbeiter im Sample, die bereits länger als 20 Jahre dem Unternehmen angehören. Diese Gruppe der „Erfahrenen“ bewertet die Umsetzung der CSR-Maßnahmen zugunsten der Umwelt deutlich besser als der Durchschnitt: 75,8 % von ihnen bewerten die unternommenen Anstrengungen als gut oder sehr gut. Eine mögliche Ursache für dieses Ergebnis könnte sein, dass sich Mitarbeiter, die dem Unternehmen bereits seit langer Zeit angehören, naturgemäß stärker mit dem Unternehmen identifizieren und auch zufriedener mit ihrem Arbeitgeber sind – einfach deshalb, weil Mitarbeiter, auf die beides nicht zutrifft, versucht sein werden, das Unternehmen zu verlassen und deshalb statistisch seltener in einer Gruppe von Mitarbeitern mit mehr als 20 Jahren Unternehmenszugehörigkeit auftauchen dürften.

460

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Doch kommt als Ursache ebenfalls in Frage, dass besonders die altgedienten Mitarbeiter Unternehmenspolitik, bestimmte Entwicklungen, Prozesse, aber auch deren Veränderungen tatsächlich über einen langen Zeitraum beurteilen können und so auch die CSR-Strategie des Unternehmens, ihre Erfolge und Grad sowie Effektivität des Engagements mit früheren Maßnahmen und Strategien vergleichen können. Für dieses Argument spricht die Tatsache, dass die Erfahrenen – wie sich noch zeigen wird – keineswegs alle abgefragten Tätigkeitsfelder positiver als der Durchschnitt der Mitarbeiter bewerten. Es kann also keinesfalls davon die Rede sein, dass die Mitglieder dieser Gruppe Schönfärberei betrieben, weil sie sich als „alte Hasen“ ihrem langjährigen Arbeitgeber besonders verbunden fühlten. Den Beurteilungen dieser Mitarbeiter, die sich recht gleichmäßig über Abteilungen und Hierarchieebenen verteilen, kann mit voller Legitimität ein besonderes Gewicht beigemessen werden.

(alle Angaben in gültigen %)

Kein Führungskreis (N = 88)

Einflussarme (N = 68)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Gesamt (N = 144)

Tut sehr viel

11,4

5,9

12,1

3,4

8,3

Tut viel

46,6

48,5

50,0

72,4

51,4

Tut genug

20,5

16,2

15,5

13,8

20,8

Tut nicht genug

10,2

16,2

10,3

6,9

9,0

Weiß nicht

11,4

13,2

12,1

3,4

10,4

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 12:

Bewertung des Engagements der Krones AG für die Umwelt

Obwohl die CSR-Maßnahmen zugunsten der Umwelt und die Erfolge dieser Maßnahmen von einer breiten Mehrheit der Mitarbeiter als gut bewertet werden, wünscht sich dennoch eine Mehrheit von 52,0 % der Belegschaft, dass Krones diesbezüglich in Zukunft noch mehr unternehmen sollte. 41,0 % der Mitarbeiter wünschen sich, dass das Unternehmen seine bisherigen Anstrengungen beibehält. Keiner der Befragten möchte eine Reduzierung der Maßnahmen zugunsten der Ökologie. Unter der Gruppe der Mitarbeiter außerhalb des Führungskreises wünschen sich 49,9 % eine Intensivierung der Umweltleistungen, bei den Arbeitern sind es nur 41,4 %. 50,0 % von ihnen meinen, dass auch in Zukunft eine Beibehaltung der jetzigen Bemühungen genüge. Außerordentlich erstaunlich sind hingegen zwei weitere Ergebnisse: Mit 65,5 % der Erfahrenen plädieren ausgerechnet nahezu zwei Drittel derjenigen Gruppe für einen weiteren Ausbau des Umweltengagements, die die bisherigen Umweltleistun-

Quantifizierung

461

gen der Krones AG unter allen verglichenen Gruppen am positivsten bewertet hat. Dieses Ergebnis deckt sich mit einem anderen: In der Gruppe der „Zufriedenen“, das sind nur diejenigen Mitarbeiter, die die Umweltleistung des Unternehmens als gut oder sehr gut bewertet haben, sprechen sich mit 54,5 % ebenfalls erstens mehr als die Hälfte der Mitarbeiter und zweitens mehr als durchschnittlich viele Befragte dafür aus, dass Krones noch mehr CSR-Maßnahmen zugunsten der Umwelt unternehmen sollte. Kein Führungskreis (N = 88)

Einflussarme (N = 68)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Zufriedene (N = 86)

Gesamt (N = 144)

9,1

7,4

5,2

10,3

8,1

7,6

Sollte mehr tun

39,8

44,1

36,2

55,2

46,5

44,4

Sollte soviel wie bisher tun

44,3

39,7

50,0

34,5

45,3

41,0

Sollte weniger tun

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Sollte gar nichts tun

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Weiß nicht

6,8

8,8

8,6

0,0

0,0

6,9

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %) Sollte viel mehr tun

Abbildung 13:

Gewünschtes Engagement der Krones AG für die Umwelt

Daraus kann gefolgert werden, dass die Mitarbeiterschaft mehrheitlich die CSRMaßnahmen zugunsten der Umwelt als gut bewertet, dass Krones aber bezüglich der Ökologie nach Meinung der Belegschaft gar nicht genug unternehmen kann. Die Mitarbeiter äußern den Wunsch, dass die CSR-Strategie weiter konsequent verfolgt werden möge, dass das Unternehmen zugleich die Umsetzung der Maßnahmen weiter forciere und sein Konzept auch in Zukunft stetig weiterentwickle und ausbaue. Mitarbeiter: Überwiegend gutes Zeugnis und die Forderung nach Mehr 59,1 % aller Mitarbeiter sind der Auffassung, Krones leiste aktuell viel oder sehr viel für seine Mitarbeiter und stellen damit ihrem Arbeitgeber ein gutes Zeugnis aus. 18,3 % der Mitarbeiter sind sogar der Meinung, Krones tue sehr viel, während mit 19,7 % nur ein knappes Fünftel der Belegschaft aussagt, die vom Unternehmen zugunsten der Mitarbeiter unternommenen CSR-Maßnahmen reichten nicht aus. Der Anteil der Zufriedenen und Unzufriedenen unterscheidet sich in den verschie-

462

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

denen beobachteten Gruppen jedoch deutlich: Während vor allem die erfahrenen Mitarbeiter – was wenig überrascht – die den Mitarbeitern zugute kommenden Maßnahmen der CSR-Strategie zu 62,1 % als gut oder sehr gut bewerten, sind dies in der Gruppe der Nicht-Führungskräfte mit 53,5 % zwar noch mehr als die Hälfte, aber schon bei den Arbeitern liegt der Wert nur noch bei 48,2 % und bei den Einflussarmen lediglich bei 44,8 %. In dieser Gruppe ist mit 32,3 % beinahe jeder Dritte der Auffassung, das Unternehmen leiste für seine Mitarbeiter nicht genug. Dem stehen freilich 67,8 % in derselben Gruppe gegenüber, die aussagen, das Unternehmen leiste ausreichend viel, viel oder sehr viel. Kein Führungskreis (N = 88)

Einflussarme (N = 68)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

9,3

9,0

10,7

20,7

29,4

18,3

Tut viel

44,2

35,8

37,5

41,4

45,6

40,8

Tut genug

22,1

22,4

26,8

24,1

17,6

20,4

Tut nicht genug

23,3

32,8

23,2

13,8

7,4

19,7

Weiß nicht

1,2

0,0

1,8

0,0

0,0

0,7

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %) Tut sehr viel

Abbildung 14:

Gestalter (N = 68)

Gesamt (N = 142)

Bewertung des Engagements der Krones AG für die Mitarbeiter

Bezieht man die „Gestalter“ in die Betrachtung mit ein – also diejenigen Mitarbeiter, die der Meinung sind, aktiv an der Gestaltung von Strategien, Konzepten, Unternehmensentscheidungen und CSR-Maßnahmen teilzuhaben –, so stellt man fest, dass offensichtlich eine Korrelation zwischen der Beurteilung der CSR-Maßnahmen zugunsten der Mitarbeiter und der Einschätzung der eigenen Gestaltungsmöglichkeiten besteht. Unter den „Gestaltern“ beurteilen nur 7,4 % das Mitarbeiter-Engagement von Krones als nicht ausreichend, demgegenüber beurteilen es drei Viertel, also 75,0 % als gut oder sehr gut. Das lässt zwei Schlüsse zu: Entweder führt der Eindruck, im Rahmen der eigenen Arbeit wenig oder nichts verändern oder gestalten zu können und keinen oder nur geringen Einfluss auf Entscheidungen zu haben, zu einer negativeren Bewertung der CSR-Maßnahmen, oder einige der auf die Mitarbeiter gerichteten CSR-Maßnahmen haben tatsächlich sichtbare Schwächen bezüglich der Einbeziehung bestimmter hierarchischer Gruppen oder Abteilungen und werden deshalb von diesen Gruppen in stärkerem Maße negativ bewertet. Die Identitäten von Ursache und Wirkung lassen sich hier nicht eindeutig klären. In jedem Fall muss die Verbindung von mangelhaft emp-

Quantifizierung

463

Gesamt (N = 144)

Zufriedene (N = 84)

Erfahrene, zugleich kein Führungskreis (N = 68)

Erfahrene (N = 29)

Arbeiter (N = 58)

Einflussarme (N = 68)

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

(alle Angaben in gültigen %)

fundenen eigenen Gestaltungspotentialen und Zufriedenheit mit bestimmten CSRMaßnahmen zu denken geben. Trotz des positiven Urteils über das Mitarbeiterengagement des Unternehmens, sind 65,2 % der Belegschaft, und damit nahezu zwei Drittel, der Auffassung, das Unternehmen solle diesbezüglich zukünftig mehr oder sogar viel mehr leisten. Dabei ist der Anteil unter den Erfahrenen mit 72,4 % sogar noch höher. Unter den Nicht-Führungskräften und den Arbeitern im Unternehmen vertreten mit 73,9 % bzw. 74,2 % sogar nahezu drei Viertel diese Ansicht. Unter den Einflussarmen sind es 76,5 % – damit ist der Anteil nicht signifikant höher als bei den anderen Gruppen.

Sollte viel mehr tun

27,3

10,9

29,4

27,6

20,7

38,5

10,7

20,8

Sollte mehr tun

46,6

40,0

47,1

46,6

51,7

53,8

45,2

44,4

Sollte soviel wie bisher tun

25,0

47,3

23,5

24,1

27,6

7,7

42,9

33,3

Sollte weniger tun

0,0

1,8

0,0

0,0

0,0

0,0

1,2

0,7

Sollte gar nichts tun

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Weiß nicht

1,1

0,0

0,0

1,7

0,0

0,0

0,0

0,7

Gesamt

100

100

100

100

100

100

100

100

Abbildung 15:

Gewünschtes Engagement der Krones AG für die Mitarbeiter

Eine eindeutige Relation besteht also zwischen dem Wunsch, Krones möge mehr für seine Mitarbeiter unternehmen und der Dauer der Betriebszugehörigkeit einerseits und der Hierarchie andererseits. Besonders Nicht-Führungskräfte mit viel Erfahrung und langer Unternehmenszugehörigkeit wünschen sich weitere Verbesserungen, obwohl sie mit den derzeitigen CSR-Maßnahmen zugunsten der Mitarbeiter zufrieden sind. Unter den Erfahrenen, die zugleich keine Führungs-

464

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

kräfte sind, ist der Anteil derjenigen, die der Meinung sind, Krones möge zukünftig mehr oder viel mehr unternehmen als heute, mit 92,3 % so auch am höchsten. Allerdings findet sich selbst unter den Führungskräften im Unternehmen mit 50,9 % eine Mehrheit, die sich in Zukunft eine Steigerung der CSR-Maßnahmen zugunsten der Mitarbeiter erhofft – gegenüber 47,3 %, die den Status quo erhalten sehen wollen und 1,8 %, die sich ein geringeres Engagement zugunsten der Mitarbeiter wünschen. Ähnlich wie bei den Umweltmaßnahmen findet sich auch unter den Zufriedenen, also den Mitarbeitern, welche die CSR-Maßnahmen zugunsten der Mitarbeiter und deren Umsetzung als gut oder sehr gut bewertet haben, eine Mehrheit von 55,9 %, die der Meinung sind, Krones sollte mehr oder viel mehr tun. Wie ebenfalls bei den Maßnahmen zur Ökologie beobachtet, wünschen sich die Krones-Mitarbeiter, obwohl sie mit der CSR schon recht zufrieden sind, für die Zukunft einen weiteren Ausbau der Verantwortlichkeitsmaßnahmen und die konsequente Weiterverfolgung der Nachhaltigkeitspolitik. Gesellschaft: Krones tut genug – und sollte das auch zukünftig machen Bei der Beurteilung des verantwortlichen Handelns der Krones AG gegenüber der Gesellschaft tun sich die Mitarbeiter schwer. Darauf deutet hin, dass 20,8 % sich nicht zu einer Entscheidung bewegen lassen, wie sie dieses Engagement bewerten sollen. 36,9 % der Mitarbeiter sind der Meinung, dass Krones viel (31,3 %) oder sehr viel (5,6 %) für die Gesellschaft leistet. 38,2 % finden, dass der Einsatz ausreiche, und lediglich 4,2 % meinen, Krones engagiere sich nur ungenügend. In der Gruppe der Einflussarmen fällt die Bewertung negativer aus: Nur 23,4 % beurteilen den gesellschaftlichen Einsatz von Krones als gut oder sehr gut, allerdings erachten ihn auch nur 4,4 % als ungenügend. Unter den Erfahrenen beurteilen mit 34,4 % der Mitarbeiter etwas weniger als das Mittel die CSR-Maßnahmen für die Gesellschaft als gut oder sehr gut, dafür sind mit 51,7 % dieser Gruppe überdurchschnittlich viele Befragte der Ansicht, dass die ergriffenen Maßnahmen ausreichten. Die Ergebnisse der übrigen Gruppen weisen keine weiteren Auffälligkeiten auf. Hinsichtlich des zukünftigen Engagements der Krones AG für die Gesellschaft wünscht sich eine breite Mehrheit von 59,7 % der Belegschaft, das Unternehmen möge die bisherige Strategie und die derzeitigen CSR-Maßnahmen beibehalten und in Zukunft genauso viel tun wie bisher. 22,9 % meinen, Krones solle zukünftig mehr unternehmen, 1,4 % sagen, das Unternehmen solle weniger tun. Bei den Zufriedenen, also den Mitarbeitern, die angaben, Krones leiste viel oder sehr viel, ist der Anteil derjenigen, die sich zukünftig mehr Einsatz wünschen, mit 28,3 % etwas höher als der Durchschnitt. In der Gruppe der Arbeiter sprechen sich nur 13,8 % für eine Verstärkung des gesellschaftlichen Engagements aus.

Quantifizierung

465

Krones scheint also mit seinen derzeitigen CSR-Maßnahmen zugunsten der Gesellschaft sowie deren Umfang und Erfolgen den Wünschen und Erwartungen der Mitarbeiter zu entsprechen. Für die Zukunft wünschen sie sich eine Beibehaltung des derzeitigen Engagements.

(alle Angaben in gültigen %) Sollte viel mehr tun

Zufriedene (N = 53)

Arbeiter (N = 58)

Gesamt (N = 144)

0,0

0,0

2,8

Sollte mehr tun

28,3

13,8

20,1

Sollte soviel wie bisher tun

69,8

58,6

59,7

Sollte weniger tun

1,9

3,4

1,4

Sollte gar nichts tun

0,0

0,0

0,0

Weiß nicht

0,0

24,1

16,0

Gesamt

100

100

100

Abbildung 16:

Gewünschtes Engagement der Krones AG für die Gesellschaft

Region: Krones leistet viel – und möge auch in Zukunft nicht weniger unternehmen Ein sehr gutes Zeugnis geben die Mitarbeiter den CSR-Maßnahmen des Unternehmens zugunsten der Region. 52,8 % der Belegschaft sind der Ansicht, Krones tue viel (36,1 %) oder sehr viel (16,7 %). Mit 24,3 % ist ein weiteres knappes Viertel der Meinung, Krones leiste ausreichend viel, nur 4,9 % bewerten den derzeitigen Einsatz als ungenügend. Mit 18,1 % ist sich allerdings ein relativ hoher Anteil der Mitarbeiter nicht sicher, wie das lokale Engagement des Arbeitgebers zu bewerten sei. Grundsätzlich lassen sich in den verschiedenen Gruppen kaum Unterschiede feststellen – die Bewertung der CSR-Strategie fällt also innerhalb des Unternehmens sehr homogen aus. Lediglich die Erfahrenen bewerten das lokale Engagement nicht ganz so positiv: Hier meinen 44,8 %, Krones leiste viel oder sehr viel. Doch auch in dieser Gruppe bewerten lediglich 6,9 % den Einsatz als negativ. Mit 8,8 % ist dieser Wert in der Gruppe der Einflussarmen am höchsten. 22,3 % der Mitarbeiter wünschen sich, dass Krones zukünftig mehr, bzw. viel mehr, für die Region tut. 59,0 % sind mit der Beibehaltung des gegenwärtigen Maßnahmenumfangs einverstanden, 1,4 % meinen, Krones solle weniger unternehmen. Unter den mit dem bisherigen Engagement Zufriedenen ist der Anteil derjenigen, die sich mehr Einsatz wünschen, mit 26,4 % wiederum etwas höher als der Durchschnitt. Das entspricht auch der folgenden Beobachtung, dass bei den Erfahrenen der Anteil noch höher ist: Unter den langjährigen Mitarbeitern sind trotz deren guter Note für das bisherige Engagement mit 34,5 % über ein Drittel der Auf-

466

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

fassung, Krones müsse mehr für die Region leisten – ein sanfter Fingerzeig derjenigen Mitarbeiter also, die bereits lange am Standort leben und arbeiten.

(alle Angaben in gültigen %) Sollte viel mehr tun

Zufriedene (N = 76)

Erfahrene (N = 29)

Gesamt (N = 144)

5,3

6,9

4,2

Sollte mehr tun

21,1

27,6

18,1

Sollte soviel wie bisher tun

72,4

48,3

59,0

Sollte weniger tun

1,3

3,4

1,4

Sollte gar nichts tun

0,0

0,0

0,0

Weiß nicht

0,0

13,8

17,4

Gesamt

100

100

100

Abbildung 17:

Gewünschtes Engagement der Krones AG für die Region

Die Mehrheit ist indes mit dem bisherigen Engagement zufrieden und wünscht sich, dass Krones auch zukünftig genauso viel für die Region unternimmt wie bisher. Kunden: Enormer Einsatz des Unternehmens und der Erfolg von CSR Abschließend sollten die Mitarbeiter ein Urteil über die CSR-Maßnahmen fällen, die die Krones-Kunden betreffen: Zu denken wäre dabei etwa an energie- und ressourcenschonende sowie abwasserarme Anlagen mit hoher Wertigkeit, Lebensdauer und Effizienz, aber auch an Liefertreue, Qualität in Produktion und Service, die Verlässlichkeit als Geschäftspartner oder die konsequente Überwachung von Gefahrstoffen und Einhaltung gesetzlicher Richtlinien. Die Bewertung fällt eindeutig aus: 34,7 % meinen, Krones leiste sehr viel, weitere 37,5 % sind der Auffassung, ihr Arbeitgeber unternehme viel für seine Kunden. So stehen 72,2 %, die das Engagement als gut oder sehr gut beurteilen, lediglich 11,1 % der Belegschaft gegenüber, die es ausreichend finden, und weitere lediglich 4,2 %, denen die jetzigen Maßnahmen nicht genügen. Dabei bewerten die Einflussarmen das verantwortliche Handeln zugunsten der Kunden nicht ganz so positiv: Hier sind nur 58,8 % der Meinung, Krones leiste viel oder sehr viel. Auch unter den Arbeitern ist der Wert mit 63,8 % zwar hoch, aber etwas niedriger als der Durchschnittswert aller Mitarbeiter (72,2 %). Allerdings vertritt in der Gruppe der Arbeiter niemand die Auffassung, Krones leiste zu wenig. Ein exzellentes Zeugnis wird den CSR-Maßnahmen zugunsten der Kunden von den Erfahrenen ausgestellt: 79,3 % und damit nahezu vier Fünftel sind der Meinung, Krones leiste hier viel oder sehr viel. Noch höher ist dieser Anteil bei den Führungskräften: 81,8 %

Quantifizierung

467

dieser Mitarbeitergruppe sind der Ansicht, Krones verdiene sich ein besonders gutes Zeugnis. (alle Angaben in gültigen %)

Arbeiter (N = 58)

Einflussarme (N = 68)

Erfahrene (N = 29)

Gesamt (N = 144)

Tut sehr viel

31,0

25,0

34,5

34,7

Tut viel

32,8

33,8

44,8

37,5

Tut genug

12,1

16,2

10,3

11,1

0,0

7,4

6,9

4,2

Weiß nicht

24,1

17,6

3,4

12,5

Total

100

100

100

100

Tut nicht genug

Abbildung 18:

Bewertung des Engagements der Krones AG für die Kunden

Bei den Zukunftswünschen fällt ins Auge, dass niemand unter den Befragten aussagt, Krones solle weniger oder gar nichts mehr tun – ein deutliches Statement zur Bedeutung insbesondere dieser CSR-Maßnahmen für den Unternehmenserfolg, aber auch ein Beleg für die Ernsthaftigkeit, mit der die Belegschaft dem jetzigen CSR-Managementkonzept begegnet. Führungskräfte (N = 55)

Arbeiter (N = 58)

Zufriedene (N = 104)

Gesamt (N = 144)

Sollte viel mehr tun

10,9

5,2

8,7

9,7

Sollte mehr tun

36,4

25,9

37,5

32,6

Sollte soviel wie bisher tun

49,1

44,8

51,0

45,1

Sollte weniger tun

0,0

0,0

0,0

0,0

Sollte gar nichts tun

0,0

0,0

0,0

0,0

Weiß nicht

3,6

24,1

2,9

12,5

Gesamt

100

100

100

100

Abbildung 19:

Gewünschtes Engagement der Krones AG für die Kunden

Hinsichtlich des weiteren Ausbaus der Maßnahmen zugunsten der Kunden ergibt sich ein recht dichotomes Bild – wohl auch deshalb, weil Krones hier ja nach Meinung einer deutlichen Mehrheit der Mitarbeiter schon viel oder sehr viel leistet: Dass Krones dennoch mehr oder viel mehr unternehmen sollte, meinen 42,3 % al-

468

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

ler Mitarbeiter, während 45,1 % der Meinung sind, Krones sollte soviel tun wie bisher. Unter den Arbeitern meinen nur 31,1 %, Krones sollte zukünftig mehr unternehmen. Bei den Zufriedenen, also der breiten Mehrheit, die das bisherige Engagement gut oder sehr gut bewertet hat, sind mit 46,2 % etwas mehr als der Durchschnitt der Auffassung, Krones solle zukünftig (noch) mehr oder viel mehr für seine Kunden leisten. Bei den Führungskräften, der Gruppe mit tendenziell höherem Kundenkontakt, ist der Anteil derjenigen, die sich noch größeres Engagement wünschen, mit 47,3 % im Übrigen auch nur unwesentlich höher. Fassen wir die Ergebnisse zusammen, so darf Krones bei seinem CSR-Engagement für die Kunden – trotz des erreichten hohen Niveaus – keinesfalls nachlassen, sondern sollte es eventuell sogar noch weiter ausbauen. In jedem Fall muss die bisherige Strategie konsequent weiterverfolgt werden und das bisherige Managementkonzept weiterentwickelt werden. Deutlich wird dabei auch, dass CSR in den Augen der Mitarbeiter der entscheidende Faktor für den Erfolg der Krones AG bei ihren Kunden ist und somit nach Meinung der Mitarbeiter eine zentrale Rolle für die langfristige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und des Unternehmenserfolgs darstellt. In Bezug auf die Forschungsfrage lässt sich als Zwischenfazit ein ausgeprägtes Bewusstsein unter den Mitarbeitern für CSR-Maßnahmen und -Strategie sowie Bedeutung, Zusammenhänge und Einfluss des Managementkonzeptes auf den Unternehmenserfolg konstatieren.

Abbildung 20:

Bewertung des Engagements der Krones AG für die Gesellschaft ohne Kenntnis des CSR-Reports (links, N = 121) und mit Kenntnis des CSR-Reports (rechts, N = 23) im Vergleich

Und ein weiteres Fazit lässt sich ziehen, nimmt man einige weitere Ergebnisse in den Blick: An späterer Stelle im Fragebogen wird danach gefragt, ob die Mitarbeiter den CSR-Report der Krones AG kennen. Zwar antworten darauf nur 16,0 % der

Quantifizierung

469

Belegschaft mit „ja“, doch bewertet diese Gruppe alle fünf abgefragten Bereiche positiver und zum Teil deutlich positiver als der Durchschnitt der Mitarbeiter. Etwa 52,2 % der CSR-Berichtskenner sind der Meinung, Krones leiste viel oder sehr viel für die Gesellschaft – gegenüber nur 33,9 % bei den Mitarbeitern, die den CSR-Report nicht kennen. Beim Einsatz für die Region sind es 65,2 % gegenüber 50,4 % bei denjenigen, die angaben, den Bericht nicht zu kennen. Hier fällt besonders auf, dass mit 34,8 % über ein Drittel der CSR-Berichtskenner sogar die Meinung vertritt, Krones leiste sehr viel. 87,0 % der Berichtskenner attestieren Krones ein gutes oder sehr gutes verantwortliches Handeln gegenüber seinen Kunden (gegenüber 69,4 % bei den Nichtkennern), 78,2 % sagen, Krones leiste viel oder sehr viel für die Mitarbeiter (gegenüber 55,5 % bei den Nichtkennern) und 65,2 % dieser Gruppe meinen dasselbe bezüglich der Umweltleistung des Unternehmens (gegenüber 58,7% bei den Nichtkennern).

Abbildung 21:

Bewertung des Engagements der Krones AG für die Mitarbeiter ohne Kenntnis des CSR-Reports (links, N = 121) und mit Kenntnis des CSR-Reports (rechts, N = 23) im Vergleich

Es besteht also eine Korrelation zwischen positiver Bewertung des CSR-Engagements des Unternehmens und der Kenntnis des CSR-Berichts. Das zeigt eindeutig, dass vor allem eine genauere Kenntnis der Einzelmaßnahmen und der Hintergründe der Strategie zu einem positiveren Urteil der Mitarbeiter führt. Damit bestätigt sich bereits an dieser Stelle, wie wichtig die Verbindung eines effektiven und umfassenden Kommunikationskonzepts mit dem Managementkonzept einer CSR ist. CSR funktioniert nur dann, kann nur dann erfolgreich sein und ihre positive und reputationsfördernde Wirkung entfalten, wenn sie entsprechend kommuniziert wird. Das bekannte Diktum „Tue Gutes und sprich darüber“ ist folglich – wie empirisch belegt wurde – von entscheidender Bedeutung für die Wahrnehmung und den langfristigen Erfolg des Managementkonzepts und der dahinter stehenden Strategie.

470

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

5.6.5.8

Transfer: Auswirkungen der CSR-Strategie

Das soeben formulierte Zwischenfazit kann bereits durch die Ergebnisse des nachfolgenden Befragungsteils weiter spezifiziert werden. So wurde den Mitarbeitern ein starkes Bewusstsein für die Bedeutung des CSR-Strategie und die aus dem Managementkonzept und seiner Umsetzung resultierenden Folgen attestiert. Nun sollten die Mitarbeiter sich zum Einfluss äußern, den die CSR-Maßnahmen ihrer Meinung nach auf Faktoren wie Auftragslage, Nachwuchssicherung, Kundenbindung, Sicherung des Standorts Deutschland, Attraktivität der KronesStandorte und vor allem den Unternehmenserfolg und Anspruchsgruppen wie Lieferanten, Politik, Aktionäre, Verbände, NGOs, Verbraucher, Medien und Wettbewerber habe. Auf diese Weise sollten auch die Ergebnisse des qualitativen Studienteils quantifiziert werden. Bewusst wurde hier nach der persönlichen Meinung und Einstellung der Teilnehmer gefragt – d.h. nach dem Bild, das sie sich selbst gemacht haben. Es wurde versucht, etwaige Verzerrungen, verursacht durch eine mögliche soziale Erwünschtheit, auszuklammern. Bei nahezu allen Variablen fällt die große Homogenität der Ergebnisse zwischen den verschiedenen Mitarbeitergruppen auf. Dass die Auswirkungen des CSRManagementkonzepts von den unterschiedlichen Gruppen ähnlich beurteilt werden, unterstreicht das Vorhandensein eines relativ einheitlichen Bewusstseins und Verständnisses der Bedeutung von CSR-Strategie und deren Umsetzung innerhalb der Mitarbeiterschaft. 5.6.5.8.1

CSR trägt wesentlich zur Image- und Reputationssteigerung bei

Die Mitarbeiter sind davon überzeugt, dass das Engagement und die von Krones ergriffenen CSR-Maßnahmen einen wesentlichen Einfluss auf die Möglichkeit der Krones AG haben, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. 92,4 % der Belegschaft sind davon überzeugt, dass die Strategie großen oder sehr großen Einfluss im Wettbewerb um talentierte Nachwuchskräfte hat. Bei den Befragten aus den Führungskreisen vertreten diese Ansicht sogar 96,4 %. Nahezu alle Führungskräfte und mehr als neun Zehntel aller Mitarbeiter sind der Meinung, dass das Ergreifen und die Umsetzung der CSR-Strategie maßgeblich die Reputation des Unternehmens steigert und Krones so im Wettbewerb um zukünftige Spitzenkräfte einen Vorteil erlangt. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen einer anderen Variablen: „Einfluss der CSR auf die Attraktivität der Krones-Standorte“. 89,6 % der Mitarbeiter sind der Auffassung, die Maßnahmen hätten großen oder sehr großen Einfluss auf eine entsprechend positive Wahrnehmung. Dass ein solcher Effekt nicht existiere, glaubt übrigens keiner der Befragten. Auch hier zeigt sich, dass die Mitarbeiter davon überzeugt sind, dass mit der CSR-Politik der Krones AG eine signifikante Image- und Reputationssteigerung verbunden ist, die nicht nur die Mitarbeitermotivation und den Unternehmenswert steigert und damit die Position des Unterneh-

Quantifizierung

471

mens im Wettbewerb um Spitzenkräfte verbessert, sondern auch bei anderen Anspruchsgruppen für einen guten Ruf sorgt und bei Verbrauchern wie auch bei Krones-Kunden das dem Unternehmen entgegengebrachte Vertrauen weiter steigert. Dass sich all diese Umstände auch auf die Wettbewerbssituation und letztlich den Unternehmenserfolg niederschlagen, darf als evident gelten.

Abbildung 22:

Bewertung des Einflusses der CSR auf die Möglichkeit des Unternehmens, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen (links) bzw. auf die Attraktivität der Krones-Standorte (rechts) (N = 144)

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Erfahrene (N = 29)

Arbeiter (N = 58)

Gesamt (N = 144)

Sehr groß

30,9

37,9

25,9

28,5

Groß

65,5

55,2

63,8

63,9

Gering

3,6

6,9

3,4

4,9

Gar nicht

0,0

0,0

1,7

0,7

Weiß nicht

0,0

0,0

5,2

2,1

Gesamt

100

100

100

100

Abbildung 23:

Bewertung des Einflusses der CSR auf die Möglichkeit des Unternehmens, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen in unterschiedlichen Gruppen

472

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

5.6.5.8.2

Auswirkungen auf andere Anspruchsgruppen

Die Mitarbeiter sind vom Einfluss der CSR auf verschiedenste Stakeholder, auch auf die Partner und Wettbewerber des Unternehmens, überzeugt. Genauso aber differenzieren sie in der Wirkung auf die unterschiedlichen Anspruchsgruppen relativ stark. So schätzen 67,2 % – und damit über zwei Drittel – der Mitarbeiter den Einfluss des Konzepts auf die Krones-Aktionäre als groß ein. Das zeigt, dass in den Augen der Mitarbeiter die Maßnahmen, die dem Unternehmen und unterschiedlichen Stakeholdergruppierungen von Nutzen sind, sich auch positiv auf die Shareholder auswirken. Umgekehrt sind nur 39,9 % davon überzeugt, dass sich die Strategie des Unternehmens auf die Verbraucher stark oder sehr stark auswirke. 41,3 % sehen den Einfluss als gering, 7,0 % als gar nicht vorhanden an. Mit Sicherheit ist dies auch darauf zurückzuführen, dass Krones mit seinen Produkten nicht direkt an den Endverbraucher liefert. Da aber zugleich 82,5 % äußerten, ihnen sei der Einsatz von Krones für den Verbraucherschutz wichtig oder sehr wichtig, kann davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter Krones durchaus zutrauen, mit seinem CSR-Konzept einen Einfluss auf die Verbraucher ausüben zu können. Dass der tatsächliche Einfluss tendenziell als eher gering eingestuft wird, zeigt, dass hier in der kommunikativen Vermittlung des Konzepts nach außen noch mehr geleistet werden könnte. Ein Vorgriff auf Frage 12 des Fragebogens stützt diese These: Dort wird danach gefragt, auf welche Weise die Mitarbeiter gerne mehr über die CSR des Unternehmens erfahren würden. 59,7 % der Mitarbeiter geben dabei die überregionale Presse an, 67,1 % die regionale Presse. Das zeigt, dass die Mitarbeiter durchaus eine größere Präsenz des Themas in der Öffentlichkeit wünschen – und davon überzeugt sind, dass es sich auf diese Weise auch stärker in die Wahrnehmung bestimmter Stakeholdergruppen rücken ließe. Auf eine solche Deutung weist auch die Beurteilung des Einflusses auf die Medien durch die Mitarbeiter hin. So sind mit 69,3 % deutlich über zwei Drittel der Meinung, dass das verantwortliche Handeln der Krones AG großen oder sehr großen Einfluss auf die Medien ausüben könnte. Das zeigt, dass die Mitarbeiter durchaus davon überzeugt sind, dass die Unternehmenspolitik auf öffentliche Wahrnehmung stoßen kann und somit auch für eine breitere Öffentlichkeit von Relevanz ist. Mit 67,2 % vertreten ebenfalls über zwei Drittel die Ansicht, der Einfluss der CSR-Maßnahmen auf Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen sei groß oder sehr groß, was wiederum die Annahme bestätigt, die Mitarbeiter hielten die CSR-Strategie für öffentlich relevant. Außerdem macht es deutlich, dass die Mitarbeiter davon überzeugt sind, dass das CSR-Konzept die NGOs – und damit eine sehr einflussreiche Anspruchsgruppe – erreiche. Wenn Krones durch seine Politik tatsächlich eine solche Einflussnahme gelänge, wäre damit ein gewisser Schutz vor Reputationsverlusten und Imageschädigungen verbunden, was sich wiederum posi-

Quantifizierung

473

tiv auf die Unternehmensentwicklung auswirke. Dass sich die CSR-Maßnahmen indes stark auf Verbände auswirken, können sich nur 31,4 % der Belegschaft vorstellen. Die Experten hatten in den Einzelinterviews erkennen lassen, dass ein solcher Einfluss aus ihrer Sicht durchaus vorhanden sei. 42,7 % schätzen die Auswirkungen als eher gering ein, weitere 4,9 % verneinen ihn ganz. Auch die Führungskräfte sind nur unwesentlich überzeugter von einem großen oder sehr großen Einfluss auf Verbände. In dieser Gruppe trauen das 32,8 % dem Unternehmen und seiner Politik zu, wohingegen 7,3 % der Meinung sind, die CSR wirke sich gar nicht auf Verbände aus.

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Sehr groß

Gesamt (N = 144) 5,5

3,5

Groß

27,3

25,9

Gering

43,6

42,7

Gar nicht

7,3

4,9

Weiß nicht

16,4

23,1

Gesamt

100

100

Abbildung 24: Bewertung des Einflusses der CSR auf Verbände

Dass Krones mit Maßnahmen, wie etwa seinem Lieferantenkodex (aber auch als Vorreiter und Vorbild), großen oder sehr großen Einfluss auf seine Lieferanten ausüben könnte, meinen 55,5 % der Mitarbeiterschaft. Der Führungskreis beurteilt die Wirkung von Krones als vorbildlichem Kunden übrigens skeptischer: Dort sind nur 47,2 % von einem großen oder sehr großen Einfluss auf die Lieferanten überzeugt, während 47,3 % den Einfluss für gering halten und 3,6 % ihn ganz verneinen. Das zeigt, dass hier durchaus noch Handlungspotenzial besteht. Eine Forcierung der externen Kommunikationsmaßnahmen böte für Krones die Möglichkeit, die Strategie und ihre Bedeutung seinen Lieferanten noch zielgenauer zu vermitteln. Was den Einfluss der CSR auf Politik und Lokalpolitik anbelangt, bestätigen sich die Einschätzungen der befragten Experten. Sie hatten sich eher verhalten geäußert und vermutet, der Einfluss auf die Politik sei vermutlich geringer, als man es sich wünsche. 42,7 % der Mitarbeiter trauen Krones dennoch zu, mit seinem CSRKonzept großen oder sehr großen Einfluss auf regionale und überregionale Entscheidungsträger auszuüben. 35,0 % meinen, der Einfluss sei gering, 7,0 % halten ihn für nicht vorhanden. Die befragten Experten waren sich einig, dass die Politik das verantwortliche Handeln von Krones stärker honorieren solle – für ein stärkeres Verständnis der Unternehmensstrategien und so wichtiger Entscheidungen wie

474

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

jener zur Standortfrage bei der Politik zu werben, stellt wiederum eine wichtige Aufgabe der Außenkommunikation dar und zeigt erneut die Bedeutung eines integrierten Management- und Kommunikationskonzepts zur CSR. 5.6.5.8.3

Kunden und Wettbewerber werden von der CSR der Krones AG stark beeinflusst

Die Mitarbeiter trauen der CSR eine Menge zu. Vor allem aber sprechen sie der Strategie des Unternehmens die Eigenschaft zu, die Kunden an Krones zu binden. Eine große Mehrheit von 82,6 % meint, die Maßnahmen wirkten sich stark oder sehr stark auf die Kundenbindung aus. Lediglich 0,7 % der Mitarbeiter können sich keine solchen Auswirkungen vorstellen. Das zeigt vor allem, dass die Mitarbeiter im Management- und Kommunikationskonzept eines verantwortlichen und nachhaltigen Handelns ein Mittel zur langfristigen Sicherung guter Geschäftskontakte und so des dauerhaften ökonomischen Erfolgs sehen. Die Befragten sind auch davon überzeugt, dass aus der Strategie ein signifikanter Wettbewerbsvorteil resultiert. Entsprechend sehen sie den Markt- und Technologieführer Krones auch hinsichtlich verantwortlichen Wirtschaftens im Rahmen einer CSR-Strategie in einer klaren Vorreiterrolle: 70 % meinen, das Konzept wirke sich stark oder sehr stark auf die Wettbewerber aus. Dabei ist der Anteil derjenigen, die einen sehr großen Einfluss von Krones annehmen, mit 29,4 % hoch. Damit bestätigt die quantitative Analyse die vorläufigen Ergebnisse der Experteninterviews. Da Krones mit seiner Strategie erfolgreich wirtschaftet, muss auch der Wettbewerb reagieren. Nur 18,2 % glauben, dass der Einfluss auf die Konkurrenz gering sei, lediglich 2,1 % halten ihn für nicht vorhanden. 5.6.5.8.4

Enorme Auswirkungen der CSR auf Auftragslage und Unternehmenserfolg

Beinahe folgerichtig scheint es angesichts der beschriebenen Ergebnisse, dass die Mitarbeiter der CSR mehrheitlich einen großen und sehr großen Einfluss auf die Auftragslage des Unternehmens einräumen. Hier machen sich neben zahlreichen anderen Effekten vor allem die Image- und Reputationsgewinne, ebenso wie die Kundenbindungspotenziale und die Stärkung der Wettbewerbsposition, durch die CSR bezahlt. 77 % trauen der CSR einen großen oder sehr großen Einfluss auf die Auftragslage des Unternehmens zu. Dabei unterscheidet sich der Wert in den unterschiedlichen Gruppen des Unternehmes nur unwesentlich. Sowohl unter den Arbeitern, als auch unter den Erfahrenen wie unter den Führungs- und Nicht-Führungskräften vertreten über drei Viertel diese Ansicht.

Quantifizierung

(alle Angaben in gültigen %)

Arbeiter (N = 58)

Führungskräfte (N = 55)

Erfahrene (N = 29)

475

Gesamt (N = 144)

Sehr groß

22,4

24,1

21,8

20,1

Groß

55,2

55,2

54,5

56,9

Gering

15,5

20,7

23,6

18,1

Gar nicht

0,0

0,0

0,0

0,7

Weiß nicht

6,9

0,0

0,0

4,2

Gesamt

100

100

100

100

Abbildung 25:

Bewertung des Einflusses der CSR auf die Auftragslage in unterschiedlichen Gruppen

Das deutlichste Statement geben die Mitarbeiter bei der Frage nach den Auswirkungen der CSR-Maßnahmen auf den Unternehmenserfolg ab: 93,1 % der Belegschaft sind der Meinung, die Strategie habe großen oder sehr großen Einfluss auf den Erfolg der Krones AG. Dass dies nicht der Fall sei, meint kein einziger Befragter. Sowohl bei Führungskräften, als auch bei Nicht-Führungskräften, Arbeitern und Erfahrenen liegt der Wert über 90,0 %. Eine überragende Mehrheit aller Kreise und Gruppen des Unternehmens ist von der Bedeutung der CSR für die Sicherung des ökonomischen Erfolgs der Krones AG überzeugt. Unter den Kennern des CSR-Berichts sind es übrigens 100 % – womöglich nur eine Randnotiz, aber ein weiteres kleines Indiz für die Bedeutung der Kommunikationsmaßnahmen.

(alle Angaben in gültigen %)

Kein Führungskreis (N = 88)

CSR-Berichtskenner (N = 23)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Führungskreis (N = 55)

Gesamt (N = 144)

Sehr groß

43,2

34,8

43,1

55,2

43,6

43,1

Groß

50,0

65,2

48,3

41,4

49,1

50,0

Gering

2,3

0,0

3,4

3,4

7,3

4,2

Gar nicht

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Weiß nicht

4,5

0,0

5,2

0,0

0,0

2,8

Gesamt

100

100

100

100

100

100

Abbildung 26:

Bewertung des Einflusses der CSR auf den Unternehmenserfolg in unterschiedlichen Gruppen

476

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

5.6.5.8.5

CSR bedeutet Stärkung des Standorts Deutschland

So wie die Mitarbeiter schon zuvor die Sicherung des Standorts Deutschland als wichtigste Aufgabe des Unternehmens bezeichnet haben, kommt ihr bei dieser Frage wiederum eine besondere Rolle zu. 91,7 % der Mitarbeiter zeigen sich überzeugt, dass die von Krones ergriffenen CSR-Maßnahmen einen großen oder sehr großen Einfluss auf die Stärkung des Standorts Deutschland ausüben. Damit sagt eine große Mehrheit der Mitarbeiter aus, dass die derzeitige Unternehmensstrategie zum Erreichen dieses in den Augen der Belegschaft wichtigsten Zieles in hohem Maße beiträgt. Dass CSR somit den Standort Deutschland aktiv stärkt, was wiederum mit Image- und Reputationsgewinnen und – wie die Interviews zeigten – auch mit klaren Qualitätsvorteilen verbunden ist, meinen sowohl in der Gruppe der Führungskräfte mit 93,5 % als auch unter den Erfahrenen mit 93,1 % sogar noch ein wenig mehr Mitarbeiter als der Durchschnitt. Diese Meinung wird von allen relevanten Gruppen getragen. (alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Erfahrene (N = 29)

Arbeiter (N = 58)

Gesamt (N = 143)

Sehr groß

52,7

58,6

42,1

46,9

Groß

41,8

34,5

45,6

44,8

Gering

5,5

6,9

3,5

4,9

Gar nicht

0,0

0,0

1,8

0,7

Weiß nicht

0,0

0,0

7,0

2,8

Gesamt

100

100

100

100

Abbildung 27:

Bewertung des Einflusses der CSR auf die Stärkung des Standorts Deutschland in unterschiedlichen Gruppen

Das Zwischenfazit aus dem vorangegangenen Unterkapitel kann nun dahingehend ergänzt und konkretisiert werden, dass unter den Mitarbeitern nicht nur ein ausgeprägtes Bewusstsein für die CSR und die aus der Umsetzung von Strategie und Maßnahmen resultierenden Konsequenzen und Auswirkungen vorhanden ist, sondern dass eine deutliche Mehrheit der Belegschaft von einem großen Einfluss dieser Politik auf bestimmte Anspruchsgruppen, ganz besonders aber auf die Kunden der Krones AG, und die langfristige Sicherung des Unternehmenserfolges überzeugt ist. Außerdem erwiesen sich ein weiteres Mal Management- und Kommunikationskonzept als eng miteinander verknüpft, da nur durch ihr Ineinandergreifen im Rahmen eines integrierten Konzepts eine Durchdringung aller relevanten Anspruchsgruppen und die Sicherung des Erfolgs der Strategie für möglich gehalten wird.

Quantifizierung

(alle Angaben in gültigen %)

Sehr groß

Groß

Gering

Gar nicht

477

Weiß nicht

… die Auftragslage?

20,1

56,9

18,1

0,7

4,2

… die Möglichkeit, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen?

28,5

63,9

4,9

0,7

2,1

… die Kundenbindung?

32,6

50,0

13,2

0,7

3,5

8,3

47,2

35,4

2,1

6,9

… die Politik oder Lokalpolitik?

11,2

31,5

35,0

7,0

15,4

… die Aktionäre?

18,2

49,0

16,1

2,8

14,0

… die Stärkung des Standorts Deutschland?

46,9

44,8

4,9

0,7

2,8

3,5

25,9

42,7

4,9

23,1

… die Verbraucher?

10,5

29,4

41,3

7,0

11,9

… die Attraktivität der Krones-Standorte?

35,4

54,2

6,9

0,0

3,5

… den Unternehmenserfolg?

43,1

50,0

4,2

0,0

2,8

… die Medien?

19,6

49,7

21,0

2,1

7,7

… Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen (NGOs)?

18,9

48,3

23,1

1,4

8,4

… die Wettbewerber?

29,4

40,6

18,2

2,1

9,8

… die Lieferanten?

… Verbände?

Abbildung 28:

5.6.5.9

Übersicht: Einfluss der CSR auf bestimmte Faktoren und Anspruchsgruppen

Der Kunde der Zukunft

Im Rahmen einer weiteren Transferfrage sollte eine Quantifizierung der vorläufigen Ergebnisse aus den Experteninterviews zur Frage nach den vermuteten zukünftigen Erwartungen der Krones-Kunden vorgenommen werden. Dabei sollten die Befragten ihre Meinungen und Einstellungen dahingehend äußern, inwieweit bestimmte von den Experten angeführte Faktoren und Entwicklungen eine Rolle spielen werden. Bei der Bewertung bestätigten sich die vorläufigen Ergebnisse des ersten Studienteils und die Diagnosen der Experten weitgehend. Außerdem erwiesen sich die Antworten der verschiedenen Gruppen erneut als sehr homogen.

478

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Energie- und Ressourcenschonung: entscheidende Verkaufsargumente der Zukunft 97,9 % der Mitarbeiter sind davon überzeugt, dass der Kunde der Zukunft auf energie- und ressourcenschonende Anlagen großen oder sehr großen Wert legen wird. Dabei sind 71,5 % der Meinung, dass die Sparsamkeit und Umweltverträglichkeit zukünftig von sehr großer Bedeutung sein wird. Dieser Befund deckt sich mit dem Ergebnis zur obigen Frage nach der Wichtigkeit einzelner CSR-Maßnahmen: 97,2 % der Mitarbeiter maßen dort der Herstellung energie- und ressourcenschonender Anlagen große oder sehr große Bedeutung bei. Die Mitarbeiter verfügen folglich über ein ausgeprägtes Bewusstsein hinsichtlich der Bedeutung insbesondere dieser CSR-Maßnahme für die Kundenbindung und die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Diese Einschätzung deckt sich mit dem Ergebnis des vorigen Teils, wonach sich nach Meinung einer breiten Mehrheit CSR im starken Maße gerade auch auf die Kundenbindung auswirke. Qualität und Kostenbewusstsein entscheidend Die übrigen Antworten spezifizieren weiter, warum nach Auffassung der Mitarbeiter die Umsetzung der CSR-Maßnahmen für den zukünftigen Erfolg beim Kunden von entscheidender Bedeutung sein wird. 77,7 % der Mitarbeiter sehen die Kunden getrieben durch ökologische Herausforderungen wie Klimawandel oder Wasserknappheit. Die Erwartungen an die Sparsamkeit einer Maschine verbinden sich mit dem Kundenwunsch nach Qualität, Beständigkeit und Wertigkeit. 99,3 % der Belegschaft sind der Meinung, dass hohe Leistung und Effizienz für den Kunden eine große oder sehr große Bedeutung erlangen werden. Ebenso 99,3 % sind davon überzeugt, dass die Zuverlässigkeit der Maschinen ein wesentliches Verkaufsargument darstellen wird. Daraus resultieren nicht zuletzt geringe Betriebskosten: Wiederum 99,3 % vertreten die Auffassung, dass die Kunden auf überschaubare Kosten während des Betriebs der Anlage sehr großen oder großen Wert legen werden. Und ebenfalls 99,3 % sind sich sicher, dass Bedien- und Wartungssicherheit der Anlagen auch in Zukunft eine entscheidende Rolle für die Kunden spielen werden. Doch wird Krones nach Meinung der Mitarbeiter noch mehr leisten müssen: 94,4 % sind sich sicher, dass Krones sich als Komplettanbieter positionieren muss. Dass die Kunden zugleich einen günstigen Preis wünschen werden, glauben 83,3 % der Belegschaft. Unter den Führungskräften ist dieser Anteil mit 85,5 % sogar noch etwas höher. 86,9 % der Belegschaft sind der Auffassung, dass die technologische Führerschaft der Krones AG für die Kunden der Zukunft große oder sehr große Bedeutung haben wird. Die letzte Variable fragte nach der Bedeutung von Krones als zuverlässiger Geschäftspartner. Verlässlichkeit spielt nach Meinung von 98,6 % der Befragten auch in Zukunft eine wesentliche Rolle für die Kunden. Zugleich übernimmt diese Va-

Quantifizierung

479

riable eine gewisse Testfunktion für die übrigen Variablen, die alle zum Gesamteindruck eines verlässlichen Partners beitragen dürften. Die nahezu vollständige Zustimmung aller Mitarbeiter zu den unterschiedlichen Faktoren unterstreicht zum einen die vorläufigen Ergebnisse aus den Experteninterviews, zeigt aber zum anderen auch die deutliche Identität der Mitarbeitermeinung mit den Unternehmenszielen. Die Mitarbeiter verfügen über ein differenziertes Bild möglicher Kundenerwartungen und ein großes Bewusstsein für die Bedeutung unterschiedlicher Faktoren in Bezug auf die langfristige Sicherung des Unternehmenserfolgs. Konsequente Umsetzung verantwortlichen unternehmerischen Handelns Von besonderem Interesse ist die Beurteilung derjenigen Faktoren, die als Teil der CSR-Strategie des Unternehmens nicht direkt mit den Eigenschaften der hergestellten Produkte, bzw. dem Geschäftskontakt mit dem Kunden, im Zusammenhang stehen. 87,5 % der Mitarbeiter sind der Meinung, dass es sehr großen oder großen Einfluss auf den Kunden hat, wenn Krones sich – wie es das Unternehmen selbst als Anspruch in seinem Geschäftsbericht formuliert – als verlässlicher Partner der Gesellschaft und seiner Mitarbeiter erweist. Die Mitarbeiter unterstreichen damit ein weiteres Mal, wie wichtig ihrer Meinung nach die konsequente Umsetzung einer umfassenden CSR-Strategie gerade auch für den Erfolg beim Kunden ist. Wenn Krones sich nach innen und der Gesellschaft gegenüber als verlässlicher Partner erweist und so sein Image verbessert, sorgt das auch für Vertrauen beim Kunden. Verantwortliches unternehmerisches Handeln spielt dabei nach Meinung der Belegschaft auch in der Produktion eine wichtige Rolle. Mit 67,9 % der Befragten sind über zwei Drittel der Ansicht, dass eine energie- und ressourcenschonende Produktionsweise bei Krones auch für die Kunden eine große oder sehr große Rolle spielen wird. Lediglich 1,4 % können sich einen solchen Effekt nicht vorstellen. Eine knappe Mehrheit von 50,4 % der Belegschaft meint, dass auch die Arbeitssicherheit an den Krones-Standorten für den Kunden der Zukunft eine wichtige Bedeutung haben wird. Es überrascht, dass immerhin 40,6 % den zukünftigen Einfluss der Produktionsbedingungen bei Krones auf den Kunden als eher gering einstufen und 7,0 % ihn ganz verneinen, hatten doch 97,9 % der Mitarbeiter geäußert, ihnen selbst sei diese CSR-Maßnahme wichtig oder sehr wichtig. Das zeigt einerseits, dass die Mitarbeiter sehr gut zwischen ihren eigenen Wünschen und Erwartungen und den potenziellen Anforderungen der Kunden zu unterscheiden vermögen. Andererseits zeigt die etwas größere Skepsis bezüglich des Nutzens einer – für die Mitarbeiter so wichtigen – CSR-Maßnahme wie der Arbeitsschutz in der Produktion, dass gerade solche Maßnahmen in besonderer Weise einer kommunikativen Vermittlung nach außen bedürfen, um deren Potenziale zur Image-

480

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

und Reputationssteigerung gerade auch beim Kunden wirksam werden zu lassen und so ökonomisch für das Unternehmen noch besser nutzbar zu machen. (alle Angaben in gültigen %)

Arbeiter (N = 57)

Gesamt (N = 143)

Sehr groß

22,8

18,2

Groß

42,1

32,2

Gering

29,8

40,6

Gar nicht

3,5

7,0

Weiß nicht

1,8

2,1

Gesamt

100

100

Abbildung 29:

Bewertung der Bedeutung der Arbeitssicherheit an den Krones Standorten für den Krones-Kunden der Zukunft

Unter den Arbeitern ist die Zustimmung zu diesem Faktor übrigens deutlich größer: Hier können sich 64,9 % der Befragten vorstellen, der Kunde der Zukunft werde großen oder sehr großen Wert auf die Arbeitssicherheit bei Krones legen. Diese Mitarbeiter wären davon zweifelsohne auch am direktesten betroffen. Hier muss aber nicht zwingend der Wunsch Vater des Gedanken sein. Die Arbeiter haben, wie die Experteninterviews gezeigt haben, in den vergangenen Jahren die Auswirkungen der umfangreichen Verbesserungen in Sicherheit- und Arbeitsschutzmaßnahmen erfahren und können so möglicherweise die Konsequenzen dieser Entwicklungen auf die eigene Arbeit und so mittelbar auch auf die Kunden besonders gut beurteilen. Die Experten waren sich nicht einig, ob der Charakter der Krones AG als bodenständige Familien-AG und die Entscheidung zugunsten des Standorts Deutschland tatsächlich Auswirkungen auf die Kunden haben könnten. Das Votum der Mehrheit der Befragten im quantitativen Studienteil ist bezüglich dieser wichtigen Maßnahmen im Rahmen der CSR-Strategie des Unternehmens eindeutig. 72,8 % erkennen im klaren Bekenntnis zugunsten des Produktionsstandorts Deutschland einen wesentlichen Einflussfaktor auf den Kunden der Zukunft. Damit bestätigt die Mehrheit die Aussagen einiger Experten, wonach das Bekenntnis zum Standort Deutschland auch ein klares Bekenntnis zu Wertigkeit und Qualität bedeute, von der schließlich auch der Kunde und im Umkehrschluss wieder das Unternehmen profitiere. Nur 20,3 % der Befragten meinen, diese CSR-Maßnahme würde lediglich geringen Einfluss auf zukünftige Kunden ausüben, 5,6 % schließlich halten einen solchen Effekt für ausgeschlossen.

Quantifizierung

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Arbeiter (N = 57)

Erfahrene (N = 29)

481

Gesamt (N = 143)

Sehr groß

25,5

50,9

48,3

37,1

Groß

40,0

35,1

34,5

35,7

Gering

27,3

12,3

17,2

20,3

Gar nicht

7,3

0,0

0,0

5,6

Weiß nicht

0,0

1,8

0,0

1,4

Gesamt

100

100

100

100

Abbildung 30:

Bewertung der Bedeutung des Bekenntnisses der Krones AG zum Standort Deutschland für den Krones-Kunden der Zukunft in unterschiedlichen Gruppen

Dass die Verbundenheit mit Mitarbeitern und Region sich zukünftig auszahlen wird, meinen übrigens 86,0 % der Arbeiter, aber mit 65,5 % nur unterdurchschnittlich viele Mitarbeiter der Führungskreise. Auch wenn der Anteil selbst unter den Führungskräften also nahezu zwei Drittel beträgt, ist die Skepsis hier offensichtlich deutlicher: Das kann aus einer besseren Kenntnis der Wünsche der Kunden herrühren, umgekehrt kann das Votum der Arbeiter auch durch die stärkere Sorge um einen möglichen Verlust des Arbeitsplatzes beeinflusst worden sein.

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Arbeiter (N = 57)

Erfahrene (N = 29)

Gesamt (N = 144)

Sehr groß

21,8

38,6

31,0

26,6

Groß

38,2

29,8

34,5

32,2

Gering

32,7

26,3

27,6

32,2

Gar nicht

5,5

1,8

3,4

4,9

Weiß nicht

1,8

3,5

3,4

4,2

Gesamt

100

100

100

100

Abbildung 31:

Bewertung der Bedeutung von Krones als bodenständiger Familien-AG für den KronesKunden der Zukunft in unterschiedlichen Gruppen

Die möglichen Hintergründe für die unterschiedlichen Bewertungen in beiden Gruppen lassen sich mit den vorliegenden Daten der Studie nicht genauer klären, denn bei der Frage nach der Bedeutung der Arbeitsplatzsicherheit haben oben 98,6 % der Arbeiter und 96,4 % der Führungskräfte geantwortet, diese Maßnahme

482

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

sei ihnen sehr wichtig oder wichtig. Die Gruppe der Erfahrenen beurteilt den zukünftigen Einfluss des Standortbekenntnisses beinahe genauso wie die Arbeiter. Sehr groß

Groß

Gar nicht

Weiß nicht

Energie- und ressourcenschonende Anlagen

71,5

26,4

1,4

0,0

0,7

Krones als verlässlicher Partner seiner Mitarbeiter und der Gesellschaft

50,7

36,8

10,4

1,4

0,7

Bedien- und Wartungssicherheit der Krones Anlagen

67,4

31,9

0,0

0,0

0,7

Krones als Komplettanbieter

67,6

26,8

4,9

0,0

0,7

Zuverlässigkeit der Maschinen

82,6

16,7

0,7

0,0

0,0

Energie- und ressourcenschonende Produktion bei Krones

32,9

35,0

30,8

1,4

0,0

Hohe Leistung und Effizienz der Maschinen

76,2

23,1

0,7

0,0

0,0

Geringe Betriebskosten während der gesamten Lebensdauer einer Maschine

77,6

21,7

0,0

0,0

0,7

Günstiger Preis

35,0

48,3

15,4

1,4

0,0

Technologische Führerschaft der Krones AG

39,9

46,9

9,1

0,0

4,2

Krones als bodenständige Familien-AG

26,6

32,2

32,2

4,9

4,2

Arbeitssicherheit an den Krones Standorten

18,2

32,2

40,6

7,0

2,1

Ökologische Herausforderungen (Klimawandel, Wasserknappheit etc.)

30,8

46,9

18,2

1,4

2,8

Bekenntnis der Krones AG zum Standort Deutschland

37,1

35,7

20,3

5,6

1,4

Krones als zuverlässiger Geschäftspartner

76,9

21,7

1,4

0,0

0,0

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 32:

Gering

Bewertung der Bedeutung bestimmter Faktoren und Entwicklungen für den KronesKunden der Zukunft

Dass der Kunde der Zukunft honorieren könnte, dass Krones trotz Rechtsform und Börsennotierung ein bodenständiges Familienunternehmen bleibt, halten 58,8 % der Mitarbeiter für wahrscheinlich. 32,2 % der Mitarbeiter meinen, der Einfluss dieser unternehmensphilosophischen Grundsatzentscheidung auf die Kunden werde zukünftig eher gering sein, 4,9 % halten ihn für nicht vorhanden. Dabei ist der Anteil derjenigen, die in der Bodenständigkeit einen wichtigen Zukunftsfaktor sehen, unter den Führungskräften mit 60,0 % sogar noch etwas höher als der

Quantifizierung

483

Durchschnittswert. Bei den Arbeitern ist der Anteil mit 68,4 % am höchsten, aber auch die Erfahrenen beurteilen zu 65,5 % den Einfluss als groß oder sehr groß. Mit Sicherheit übt ein solches unternehmerisches Selbstverständnis nicht nur Einfluss auf die Kunden, sondern vor allem auf die Nachhaltigkeitspolitik des Unternehmens aus. Dass sich das Unternehmen als verantwortungsbewusster Akteur versteht, steigert die Reputation und das Vertrauen der Kunden. So könnte auch in Zukunft der Zirkelschluss gelingen: Durch die konsequente Umsetzung der CSRStrategie demonstriert man Verlässlichkeit, die man zugleich vorlebt und so perpetuiert. Der daraus resultierende unternehmerische Erfolg ermöglicht es dem Unternehmen wiederum, seine langfristige Strategie weiterzuverfolgen. Zwei wesentliche Folgerungen lassen sich aus diesem Abschnitt ziehen: Die Mitarbeiter verfügen über ein differenziertes Bild möglicher Wünsche und Erwartungen des Krones-Kunden der Zukunft. Wesentliche Elemente der CSR-Strategie des Unternehmens – wie etwa die Standortsicherung in Deutschland oder auch das klare Bekenntnis zu Qualität, Ergonomie und Zuverlässigkeit wie auch die Bemühungen um Energie- und Ressourcenschonung – spielen dabei in ihren Augen eine entscheidende Rolle für den weiteren Erfolg des Unternehmens, eine erfolgreiche langfristige Bindung der Kunden an Krones als verlässlichen Partner und die Stärkung der Wettbewerbsposition. 5.6.5.10 Mediennutzung und kommunikative Vermittlung von CSR CSR als Management- und Kommunikationskonzept erfordert die Effektivität und Zielgruppenrelevanz der zur Anwendung gebrachten Medien. Wie die derzeitigen Firmenmedien von den Mitarbeitern wahrgenommen werden und welche Bedeutung sie bei der Vermittlung von CSR haben, sollte daher genauer überprüft werden. So wurde gezielt nach der Nutzung der gängigen Kommunikationsmedien des Unternehmens gefragt und ebenfalls, auf welche Weise die Mitarbeiter von den derzeitigen Maßnahmen verantwortlichen und nachhaltigen Handelns der Krones AG erfahren. 5.6.5.10.1 Intranet: Starke Durchdringung der Zielgruppe Bereits die Experteninterviews offenbarten die große Verbreitung und Wirksamkeit des Firmenintranets. Zahlreiche der befragten Experten halten dieses Medium für das am besten geeignete Kommunikationsmittel zur Durchdringung der Zielgruppe mit relevanten Informationen. 91,6 % der Befragten geben an, durch das Intranet über die CSR-Maßnahmen von Krones informiert zu werden. Dabei fällt auf, dass die Verbreitung dieses Mediums in den unterschiedlichen Gruppen nahezu gleich hoch ist. 92,7 % der Befragten aus dem Führungskreis und selbst 91,2 % der Arbeiter geben an, über das Intranet von der CSR der Krones AG zu erfahren.

484

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Dieser Befund wird von den Untersuchungen zum Nutzungsgrad des Intranets bei verschiedenen Mitarbeitergruppen bestätigt. 99,3 % der Mitarbeiter erklären, das Intranet mindestens einmal pro Woche aufzurufen, 72,9 % besuchen es täglich, 34,0 % sogar mehrmals am Tag. Dabei ist diese Gruppe der Heavy User keineswegs auf Büromitarbeiter beschränkt. Zwar ist mit 40,0 % der Anteil derjenigen, die das Intranet mehrmals täglich nutzen, unter den Führungskräften – die freilich in der Mehrheit alles andere als Bürokräfte sind – mit 40,0 % am höchsten. Trotzdem sagen ausgerechnet unter den Arbeitern, die in der Regel nicht über einen eigenen Computerarbeitsplatz verfügen, 75,9 % aus – und damit nicht nur mehr als der Durchschnitt, sondern vor allem auch mehr als der Durchschnitt unter den Nicht-Führungskräften –, sie frequentierten das Intranet täglich. Keinerlei Skepsis gegenüber dem Medium lässt sich bei den „älteren“ Mitarbeitern feststellen. (Zu dieser Gruppe gehören alle befragten Mitarbeiter, die das 45. Lebensjahr beendet haben.) Die Benennung „älter“ ist hier keineswegs despektierlich gemeint, sondern ist allein relativ zu verstehen: Das Durchschnittsalter der Befragungsteilnehmer liegt bei 38,5 Jahren. Zur Gruppe der Älteren zählen 24,3 % des Samples. Zur Erinnerung: In der Gruppe der Erfahrenen sind – unabhängig von ihrem Lebensalter – diejenigen Mitarbeiter zusammengefasst, die bereits länger als 20 Jahre bei Krones arbeiten. Unter den Älteren sagen 74,3 %, sie besuchten das Intranet mindestens einmal am Tag.

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Mehrmals täglich

40,0

30,7

25,9

37,9

25,7

34,0

Täglich

38,2

39,8

50,0

44,8

48,6

38,9

Mehrmals pro Woche

14,5

15,9

10,3

6,9

11,4

16,0

Mind. einmal pro Woche

5,5

13,6

13,8

10,3

14,3

10,4

Seltener

1,8

0,0

0,0

0,0

0,0

0,7

Nie

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Kenne ich nicht

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 33:

Nutzungsgrad des Krones Intranets in unterschiedlichen Gruppen

Quantifizierung

485

Mit 100 % Bekanntheitsgrad erweist sich das Intranet (bei entsprechender Nutzung) als derzeit effektivstes Medium zur Vermittlung von Informationen an die Mitarbeiterschaft. Ein großer Teil der Zielgruppe kann tagesaktuell informiert werden. Bereits heute werden CSR-Maßnahmen über dieses Medium an sehr viele Mitarbeiter kommuniziert. 5.6.5.10.2 Krones Intern: Viele regelmäßige Leser aus allen Mitarbeitergruppen, besonders große Beliebtheit bei älteren Führungskräften Auch über das Krones Intern erfährt mit 91,0 % ein großer Anteil der Mitarbeiterschaft von den CSR-Maßnahmen des Unternehmens. Die Führungskräfte werden dabei noch etwas besser erreicht: 96,4 % der Mitglieder der Führungskreise erfahren aus dem Intern vom verantwortlichen Handeln ihres Arbeitgebers. 97,9 % aller Mitarbeiter kennen die Mitarbeiterzeitung. Das Periodikum wird von 63,2 % der Mitarbeiter immer gelesen. Insgesamt 88,9 % nehmen es relativ regelmäßig zur Hand. Seine Fans hat das Intern unter den Mitgliedern der Führungskreise, unter denen 78,2 % keine Ausgabe verpassen, sowie bei den Älteren und Erfahrenen, die zu 80,0 % bzw. 79,3 % zu den treuen Lesern zählen. Ob Treue bei dem Nutzungsverhalten dieser Gruppe tatsächlich eine Rolle spielt, kann zwar nicht geklärt werden – es bleibt aber festzuhalten, dass das Medium offensichtlich ältere und erfahrene Mitarbeiter besser erreicht. (alle Angaben in gültigen %) Ja

Führungskreis (N = 55)

Arbeiter (N = 58)

Gesamt (N = 144)

96,4

89,7

91,0

Nein

1,8

6,9

5,6

Weiß nicht

1,8

3,4

3,5

Gesamt

100

100

100

Abbildung 34:

Derzeitige mediale Vermittlung von CSR über das Krones Intern

Zum Vergleich: In der Gruppe der jüngeren Mitarbeiter (Mitarbeiter unter 40 Jahren) außerhalb der Führungskreise lesen mit 48,5 % nur knapp die Hälfte jede Ausgabe. Allerdings beträgt auch in dieser Gruppe der Anteil der relativ regelmäßigen Leser 82,3 %. Der niedrigste Wert von Lesern jeder Ausgabe findet sich mit 43,6 % in einer eigens erstellten Gruppe von denjenigen Mitarbeitern außerhalb der Führungskreise mit maximal zehn Jahren Betriebszugehörigkeit. Doch ist auch in dieser Gruppe der Anteil relativ regelmäßiger Leser mit 84,6 % vergleichsweise noch. In dieser Gruppe ist der Anteil der Nicht-Leser – besonders aufgrund der Nicht-Kenntnis des Mediums – mit 7,7 % am höchsten. Nichts an diesen Zahlen deutet darauf hin, dass das Intern Schwierigkeiten hätte, bestimmte Mitarbei-

486

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Kein Führungskreis (N = 88)

Kein Führungskreis, Jüngere (N = 68)

Kein Führungskreis, bis 10 J. Betriebszugehörigkeit (N = 39)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Lese jede Ausgabe

78,2

53,4

48,5

43,6

63,8

79,3

80,0

63,2

Lese es hin und wieder

16,4

31,8

33,8

41,0

20,7

17,2

20,0

25,7

Lese es selten

3,6

10,2

13,2

7,7

12,1

3,4

0,0

7,6

Lese es nie

0,0

2,3

1,5

2,6

1,7

0,0

0,0

1,4

Kenne ich nicht

1,8

2,3

2,9

5,1

1,7

0,0

0,0

2,1

Gesamt

100

100

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

tergruppen zu erreichen, dennoch kann man feststellen, dass Intern unter den Älteren und Erfahrenen sowie den Mitgliedern der Führungskreise häufiger gelesen wird: 88,2 % der Führungskräfte, die 45 Jahre oder älter sind, lesen jede Ausgabe.

Abbildung 35:

Nutzungsgrad des Krones Intern in unterschiedlichen Gruppen

Nur 1,4 % aller Krones-Mitarbeiter lesen die zu ihrer Information produzierte Zeitung nie. Der Anteil derjenigen, die die Zeitung selten oder nie (auch aus Unkenntnis) zur Hand nehmen, ist mit 14,8 % unter den Mitarbeitern außerhalb der Führungskreise (15,4 % unter denjenigen unter ihnen mit zehn oder weniger Jahren Betriebszugehörigkeit, bzw. 17,6 % unter den Jüngeren dieser Gruppe) und mit 15,5 % unter den Arbeitern am höchsten. 5.6.5.10.3 Krones Magazin: In allen Mitarbeitergruppen hohe Nutzung Mit 91,6 % erfährt auch ein großer Anteil der Mitarbeiterschaft durch das in erster Linie an die Zielgruppe der Kunden gerichtete Krones Magazin über die CSR des Unternehmens. Dabei gibt es in den verschiedenen Gruppen kaum Unterschiede.

Quantifizierung

(alle Angaben in gültigen %)

NichtFührungskreis (N = 87)

Führungskreis (N = 55)

Ja

Arbeiter (N = 57)

487

Gesamt (N = 143)

92,7

90,8

93,0

91,6

Nein

7,3

5,7

3,5

6,3

Weiß nicht

0,0

3,4

3,5

2,1

Gesamt

100

100

100

100

Abbildung 36:

Derzeitige mediale Vermittlung von CSR über das Krones Magazin

Die Mitglieder des Führungskreises erhalten etwas häufiger durch das Magazin Informationen über die CSR der Krones AG als die Nicht-Führungskräfte. Am besten erreicht man mit CSR-Kommunikationsmaßnahmen über das Magazin aber offensichtlich die Arbeiter: 93,0 % von ihnen geben an, durch das Krones Magazin über die Verantwortlichkeitspolitik ihres Arbeitgebers zu erfahren.

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Lese jede Ausgabe

63,6

51,1

55,2

55,2

54,3

56,3

Lese es hin und wieder

32,7

30,7

27,6

34,5

37,1

31,3

Lese es selten

3,6

2,5

12,1

10,3

5,7

9,0

Lese es nie

0,0

4,5

5,2

0,0

2,9

2,8

Kenne ich nicht

0,0

1,1

0,0

0,0

0,0

0,7

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 37:

Nutzungsgrad des Krones Magazins in unterschiedlichen Gruppen

Der Nutzungsgrad des Magazins unterscheidet sich in den einzelnen Mitarbeitergruppen ebenfalls kaum. Am regelmäßigsten wird das Magazin von den Mitgliedern der Führungskreise gelesen: Hier geben 63,6 % an, jede Ausgabe zu lesen. Insgesamt lesen mit 56,3 % deutlich über die Hälfte aller Beschäftigen jedes Heft. Die Aussagen einiger befragter Experten bestätigen sich: Das Magazin erreicht tatsächlich eine breite Schicht aller Mitarbeiter – 87,6 % von ihnen lesen das Heft re-

488

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

lativ regelmäßig. Mit 96,3 % ist dieser Anteil unter den Führungskräften wiederum am höchsten. 5.6.5.10.4 Produktbroschüren: Wenig CSR-Informationen Die Krones-Produktbroschüren dienen bislang nur einem guten Viertel (25,9 %) der Mitarbeiter als Informationsquelle über die CSR des Unternehmens. 53,8 % der Mitarbeiter geben an, keine Informationen zur CSR über die Produktbroschüren zu beziehen. Mit 20,3 % erklärt über ein Fünftel, nicht zu wissen, ob es Informationen daraus beziehe. Dieser hohe Wert, der sich ähnlich auch bei anderen Medien findet, zeigt eine gewisse Verunsicherung gegenüber dem Medium. Offenbar ist das Medium zwar grundsätzlich bekannt, doch herrscht Unkenntnis über genaue Inhalte, weshalb die Mitarbeiter keine Aussage darüber zu treffen vermögen, was sie aus diesem Medium erfahren haben könnten. So drückt die Ausprägung „weiß nicht“ vermutlich eine gewisse soziale Erwünschtheit aus: Zahlreiche Mitarbeiter wissen wenig über das Medium und dessen Inhalte, wollen aber offensichtlich dennoch nicht mit „Nein“ antworten, da sie davon ausgehen, dass sie das Medium besser kennen sollten. Wiederum sind die Angaben in Bezug auf die Gruppen sehr homogen, keine Mitarbeitergruppe sticht mit deutlich höheren Werten hervor: 27,3 % der Führungskräfte werden durch die Produktbroschüren über CSR informiert, bei den Arbeitern sind es 26,3 % – bei jeweils einer absoluten Mehrheit in beiden Gruppen, die das verneint. 5.6.5.10.5 Geschäftsbericht: Hoher Nutzungsgrad bei den Führungskräften Durch den Geschäftsbericht bzw. die Quartalsberichte der Krones AG werden 46,2 % der Mitarbeiter über CSR-Maßnahmen des Unternehmens informiert. Dabei ist der Anteil unter den Führungskräften deutlich höher (56,4 %) als bei den Arbeitern (40,4 %). Insgesamt sagen 60,4 % der Mitarbeiter aus, den Geschäftsbericht bzw. die Quartalsberichte zu kennen. Die Nutzer der Berichte sagen zu 67,4 % aus, vom Geschäftsbericht über CSR-Maßnahmen des Unternehmens informiert zu werden. Auch wenn der Bericht nicht über eine sehr hohe Verbreitung in allen Gruppen des Unternehmens verfügt, lässt sich zumindest feststellen, dass er innerhalb seiner Leserschaft durchaus zur Kommunikation von CSR beiträgt. Unter den Führungskräften ist der Nutzungsgrad des Geschäftsberichts und der Quartalsberichte am höchsten: 76,4 % und damit über drei Viertel dieser Gruppe geben an, die Berichte zu kennen. Unter Arbeitern ist der Bekanntheitsgrad des Mediums mit 43,1 % am niedrigsten.

Quantifizierung

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

489

Gesamt (N = 144)

Kenne ich

76,4

50,0

43,1

48,3

54,3

60,4

Kenne ich nicht

23,6

50,0

56,9

51,7

45,7

39,6

Gesamt

100

100

100

100

100

100

Abbildung 38:

Nutzungsgrad des Krones Geschäftsberichts/Quartalsberichts in unterschiedlichen Gruppen

5.6.5.10.6 CSR-Bericht: kaum bekannt Wie oben bereits erwähnt, kennen nur 16,0 % der Befragten den CSR-Bericht. So wundert es nicht, dass auch nur 14,0 % der Mitarbeiter aussagen, sie würden über den CSR-Bericht Informationen zum Nachhaltigkeitsengagement der Krones AG erhalten. Zu den 49,0 %, die angeben, sie würden nicht durch den Bericht über CSR informiert, kommen weitere 37,1 %, die die Ausprägung „weiß nicht“ wählen. Hier findet sich erneut das Phänomen einer gewissen Verunsicherung: Die Befragten sind offenbar um eine ehrliche Antwort bemüht. Diejenigen, die Unsicherheit äußern, sind wahrscheinlich davon überzeugt, den Bericht kennen zu müssen, kennen ihn aber nachweislich nicht, wie das Ergebnis zum Nutzungsgrad bestätigt. Unter den Arbeitern geben nur 5,2 % an, den Bericht zu kennen, unter den Mitarbeitern außerhalb der Führungskreise sind es aber insgesamt auch nur 6,8 %. Einen überraschend hohen Bekanntheitsgrad hat der Bericht unter den Älteren (22,9 %). Unter den Führungskräften sagen immerhin 30,9 % aus, den Bericht zu kennen.

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 87)

CSRBerichtskenner (N = 23)

Arbeiter (N = 57)

Gesamt (N = 143)

Ja

23,6

8,0

5,3

52,2

14,0

Nein

43,6

52,9

49,1

34,8

49,0

Weiß nicht

32,7

39,1

45,6

13,0

37,1

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 39:

Derzeitige mediale Vermittlung von CSR über den CSR-Bericht

490

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Auch ein weiteres Ergebnis erstaunt: Blickt man nur auf die Ergebnisse derjenigen, die aussagen, den Bericht zu kennen, so sagt selbst unter diese Gruppe lediglich eine knappe Mehrheit von 52,2 % aus, durch den Bericht über das Engagement der Krones AG informiert zu werden.

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Kenne ich

30,9

6,8

5,2

10,3

22,9

16,0

Kenne ich nicht

69,1

93,2

94,8

89,7

77,1

84,0

Gesamt

100

100

100

100

100

100

Abbildung 40:

Nutzungsgrad des Krones CSR-Berichts in unterschiedlichen Gruppen

Das lässt mehrere Schlüsse zu: Erstens ein Missverständnis. So wurde in der Fragestellung bewusst auf den Begriff CSR verzichtet, auch um unerwünschte Effekte zu vermeiden. Im gesamten Fragebogen wird konsequent vom Engagement der Krones AG und den von ihr (zugunsten der Mitarbeiter, der Umwelt, der Gesellschaft, der Region …) ergriffenen Maßnahmen zu verantwortlichem und nachhaltigem Handeln gesprochen. Es sollte vermieden werden, dass die Mitarbeiter Vorbehalte gegenüber einem für viele möglicherweise noch abstrakten Begriff entwickeln könnten. Vielmehr sollte in derselben Weise auf das Managementkonzept und die Maßnahmen verwiesen werden, wie sie auch in den Medien des Unternehmens kommuniziert werden, wo ebenfalls in der Regel nicht von CSR die Rede ist, sondern von Verantwortungs- und Nachhaltigkeitsstrategien. Da diese Kategorien den Mitarbeitern bekannt sind, sollten auch diese Begriffe Verwendung finden. Umgekehrt ist der Fragebogen so konzipiert, dass der Mitarbeiter über die Beantwortung der einzelnen Fragen Strategie, Charakter und Umfang dieses Handelns nachvollziehen kann. Der relativ niedrige Wert unter den Kennern des CSR-Berichts kann also damit zusammenhängen, dass einige der Befragten mit dem Begriff der CSR nicht im richtigen Maße verantwortliches und nachhaltiges Handeln assoziieren. Zweitens ist es ebenfalls möglich, dass ein Teil der Mitarbeiter aus Gründen sozialer Erwünschtheit oder aufgrund des Sponsoringeffekts zwar angegeben hat, den Bericht zu kennen, ihn aber tatsächlich nicht kennt und deshalb angibt, nicht durch ihn über die CSR-Maßnahmen des Unternehmens informiert zu werden. Insbesondere unter den Führungskräften könnte ein solches Phänomen vermutet werden. Ebenfalls möglich und durchaus zu favorisieren ist eine dritte Variante: Vorher wurden einige Medien abgefragt, die mit deut-

Quantifizierung

491

lich höherer Frequenz erscheinen als der (bisher nur einmal herausgegebene) CSRBericht. Die Ergebnisse bei Intranet und Intern bewiesen, dass ein Großteil der Mitarbeiter sich über diese Medien regelmäßig informiert und wie sich ebenfalls zeigte: auch über CSR. So könnte der relativ niedrige positive Wert darauf zurückzuführen sein, dass ein wesentlicher Teil der Kenner des CSR-Berichts deshalb die eigentlich paradox erscheinende Aussage tätigt, vom Bericht nicht über CSR informiert zu werden, weil der CSR-Bericht keine Aktualität in den Informationen bieten kann. Die drei Erklärungsversuche sind aber Spekulationen, auch ein Zusammenwirken aller drei Szenarien ist denkbar. 5.6.5.10.7 Umweltbericht: ebenso wenig bekannt Die beiden vom Unternehmen veröffentlichten Umweltberichte sind ebenfalls kaum bekannt. (alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Arbeiter (N = 56)

Gesamt (N = 142)

Ja

25,5

10,7

16,9

Nein

52,7

50,0

54,2

Weiß nicht

21,8

39,3

28,9

Gesamt

100

100

100

Abbildung 41:

Derzeitige mediale Vermittlung von CSR über den Krones-Umweltbericht

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Kenne ich

21,8

12,5

8,6

10,3

17,1

16,0

Kenne ich nicht

78,2

87,5

91,4

89,7

82,9

84,0

Gesamt

100

100

100

100

100

100

Abbildung 42:

Nutzungsgrad des Krones-Umweltberichts in unterschiedlichen Gruppen

Nur 16,0 % der Mitarbeiter geben an, die Veröffentlichung zu kennen. Unter den Führungskräften ist auch hier der Anteil mit 21,8 % höher, aber diesmal nicht wesentlich. Dass umgekehrt 25,5 % dieser Gruppe aussagen, sie würden durch den Umweltbericht über CSR informiert, zeigt die große Verunsicherung gegenüber

492

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

diesem Medium. Wenn mehr Mitarbeiter durch den Bericht informiert werden, als ihn kennen, so kann das nur auf Sponsoringeffekte oder soziale Erwünschtheit zurückgeführt werden. Unter den Arbeitern beträgt der Anteil der Mitarbeiter, die durch den Bericht über Verantwortungs- und Nachhaltigkeitspolitik des Unternehmens informiert werden, 10,7 %. 5.6.5.10.8 Vorgesetzte und Kollegen als CSR-Mittler Die Vorgesetzten spielen als Multiplikatoren bei der Kommunikation von CSR-Strategie und Maßnahmen – wie schon die Experteninterviews vermuten ließen – eine große Rolle. (alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Arbeiter (N = 57)

Gesamt (N = 143)

Ja

72,7

57,9

60,8

Nein

25,5

36,8

34,3

Weiß nicht

1,8

5,3

4,9

Gesamt

100

100

100

Abbildung 43:

Derzeitige Vermittlung von CSR über Vorgesetzte

60,8 % der Mitarbeiter sagen, sie würden durch ihre Vorgesetzte über CSR informiert. Der Anteil ist unter den Führungskräften sogar noch höher: Hier erfahren 72,7 % von Chef oder Chefin etwas über das Engagement ihres Unternehmens. Eine ebenso wichtige Rolle spielen aber auch die Kollegen. Mit 66,7 % recht genau zwei Drittel der Mitarbeiter geben an, vom Kollegen über CSR informiert zu werden. 27,8 % sagen, dies sei nicht der Fall. Unter den Führungskräften ist der Anteil etwas geringer: 63,6 % von ihnen erhalten Informationen von ihren Kollegen. Bei den Arbeitern ist der Anteil mit 69,0 % etwas höher als der Durchschnitt. 5.6.5.10.9 Krones Homepage: Von Mehrheit nicht häufig genutzt Obwohl 60,8 % der Mitarbeiter angeben, über die Firmenhomepage im Internet etwas über die CSR des Unternehmens zu erfahren, wird die Internetseite von den meisten Befragten nur selten besucht. Lediglich 2,1 % schauen täglich auf der Homepage vorbei, weitere 16,0 % wenigstens einmal pro Woche. Dabei ist der Anteil derjenigen, die mindestens einmal pro Woche die Homepage besuchen, unter den Mitgliedern des Führungskreises (28,2 %) und den Älteren (31,4 %) deutlich höher als der Durchschnitt (18,1 %). Warum gerade die Älteren sich als regelmäßige Nutzer entpuppen, ist unklar. Die große Mehrheit aller Mitarbeiter (61,9 %) gibt an, einmal pro Monat oder seltener die Internetseite zu frequentieren. 16,7 % sa-

Quantifizierung

493

gen, sie würden die Homepage nie besuchen, weitere 3,5 % kennen die Homepage nicht. Der Anteil derjenigen, die (auch aus Unkenntnis) nie die Homepage besuchen, ist mit 43,1 % unter den Arbeitern am höchsten, beträgt aber auch unter allen Mitarbeitern außerhalb der Führungskreise immerhin 31,8 %. Unter den Mitgliedern der Führungskreise befindet sich dagegen niemand, der die Firmenrepräsentanz im Netz niemals besucht. (alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Arbeiter (N = 57)

Gesamt (N = 142)

Ja

74,5

45,6

60,8

Nein

23,6

38,6

31,5

Weiß nicht

1,8

15,8

7,7

Gesamt

100

100

100

Abbildung 44:

Derzeitige mediale Vermittlung von CSR über die Krones Homepage

Damit lässt sich festhalten, dass die Homepage als Medium zur Vermittlung von CSR durchaus eine Rolle spielt, sich aber ob des gegenwärtigen Nutzungsverhaltens der Mitarbeiter weder für aktuelle Informationen noch zur Penetration der gesamten Zielgruppe eignet.

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

3,6

1,1

1,7

3,4

5,7

2,1

Mindestens einmal pro Woche

23,6

11,4

8,6

6,9

25,7

16,0

Mindestens einmal pro Monat

41,8

23,9

19,0

24,1

22,9

30,6

Seltener

30,9

31,8

27,6

37,9

22,9

31,3

Nie

0,0

26,1

34,5

17,2

20,0

16,7

Kenne ich nicht

0,0

5,7

8,6

10,3

2,9

3,5

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %) Täglich

Abbildung 45:

Nutzungsgrad der Krones Homepage in unterschiedlichen Gruppen

494

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

5.6.5.10.10 Andere Medien: Schwarzes Brett etabliert Das Schwarze Brett stellt einen effizienten Weg dar, die Mitarbeiter zu erreichen. 65,3 % aller Mitarbeiter und sogar 70,7 % der Arbeiter antworten, dass sie über dieses Medium etwas über die CSR-Aktivitäten des Unternehmens erfahren würden. Die Möglichkeiten dieses Mediums sind zwar begrenzt, doch darf es in der direkten Ansprache der Zielgruppe und seiner Reichweite nicht unterschätzt werden. Weiteren Kanäle, über die die Mitarbeiter etwas über die CSR bei Krones erfahren könnten, existieren so gut wie gar nicht: 4,9 % geben an, sie würden etwas über Presse und Medien in Erfahrung bringen, und jeweils 1,4 % nennen Treffen/ Meetings bzw. Bekannte als Vermittlungsinstanzen. 5.6.5.11 Häufiger und mehr: CSR-Kommunikation intensivieren Ein erstaunliches Bild ergibt sich auf die direkte Nachfrage, ob die Mitarbeiter gerne mehr über die CSR-Strategie und die vom Unternehmen ergriffenen Maßnahmen verantwortlichen Handelns erfahren würden. Angesichts der vorherigen Ergebnisse könnte man erwarten, dass die Mitarbeiter mit dem derzeitigen Umfang an Informationsvermittlung zufrieden sind, gaben sie doch an, etwa über Intranet, Intern und Magazin über die CSR des Unternehmens informiert zu werden. Statt dessen erklären in dieser wichtigen Filterfrage 74,3 % der Mitarbeiter, sie würden gerne mehr über CSR-Strategie und -Maßnahmen informiert werden. (alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

CSRBerichtskenner (N = 23)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Gesamt (N = 144)

Viel mehr

23,6

13,0

22,4

37,9

23,6

Etwas mehr

47,3

65,2

53,4

41,4

50,7

Gerade richtig

29,1

21,7

24,1

20,7

24,3

Weniger

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Gar nichts

0,0

0,0

0,0

0,0

0,7

Weiß nicht

0,0

0,0

0,0

0,0

0,7

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 46:

Wunsch nach Menge von CSR-Informationen in unterschiedlichen Gruppen

Eine breite Mehrheit der Mitarbeiter wünscht also den Ausbau und eine Verstärkung der Kommunikationsmaßnahmen zum verantwortlichen und nachhaltigen

Quantifizierung

495

unternehmerischen Handeln der Krones AG. 23,6 % sagen sogar, dass sie viel mehr Informationen über das Engagement ihres Arbeitgebers wünschen. Demgegenüber sind 24,3 % der Belegschaft der Meinung, die derzeitige Menge an Kommunikationsmaßnahmen reiche aus und nur 0,7 % wünschen, gar keine Informationen mehr zu erhalten. Wirft man einen Blick auf die unterschiedlichen Mitarbeitergruppen, ergibt sich ein differenzierteres Bild der Bedürfnisse: Bei den Erfahrenen ist mit 37,9 % der Prozentsatz derjenigen am höchsten, die sich viel mehr Kommunikation über CSR wünschen. Insgesamt wünschen 79,3 % der Erfahrenen, zukünftig mehr Informationen vermittelt zu bekommen. Diese Gruppe erwies sich als überdurchschnittlich Intranet- bzw. Krones Intern-affin, während sie nur zu jeweils 10,3 % Umweltund CSR-Bericht kennen. Am niedrigsten ist der Prozentsatz derjenigen, die gerne viel mehr über CSR informiert würden, in der Gruppe der Nicht-Führungskräfte. Allerdings wünschen sich innerhalb dieses Personenkreises mit 78,2 % auch überdurchschnittlich viele Mitarbeiter mehr Informationen. Selbst unter den Führungskräften und damit in der Gruppe mit dem niedrigsten Zustimmungsgrad, die sich im vorigen Abschnitt als besonders gut durch die unterschiedlichsten Medien informiert erwies, wünschen sich mit 70,9 % deutlich über zwei Drittel mehr Informationen. Nur 29,1 % der Mitglieder der Führungskreise sind der Ansicht, die derzeitigen Kommunikationsmaßnahmen reichten aus. Um aus diesem Befund Ansatzpunkte zu einer Intensivierung der CSR-Kommunikation gewinnen zu können, ist eine weitere Spezifizierung der Ergebnisse sowie eine detaillierte Betrachtung der einzelnen Firmenmedien notwendig. Dazu wurde zu jeder Variablen eine Gruppe der „Informierten“ gebildet: Darin wurden diejenigen Mitarbeiter zusammengefasst, die angaben, dass sie bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus dem jeweiligen Medium über CSR informiert würden. So schien es durchaus von Interesse, zu untersuchen, ob und in welchem Maße gerade diejenigen Mitarbeiter, die bereits Informationen über CSR durch das jeweilige Medium erhielten, sich dennoch eine Steigerung der CSR-Kommunikation gerade in diesem Medium wünschten. Auf diese Weise kann gezeigt werden, bei welchen Medien, trotz einer guten Durchdringung der Zielgruppe, Potenziale zum weiteren quantitativen und qualitativen Ausbau der Kommunikation von CSR-Strategie und -Maßnahmen bestehen. Außerdem wurde eine zweite Gruppe der „Informationshungrigen“ gebildet, die aus denjenigen Befragten zusammengesetzt wurde, die bei der vorangegangenen Frage angegeben hatten, dass sie gerne etwas mehr oder viel mehr informiert würden, um so genauer zu untersuchen, über welche Medien eine stärkere Kommunikation der CSR erfolgen sollte.

496

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

5.6.5.11.1 Intranet: Unternehmensweiter Wunsch nach mehr CSR Schon bei der Untersuchung des Mediums Intranet bietet sich ein überraschendes Bild: In dem zentralen Informationsmedium, zu dem 92,3 % aller Mitarbeiter bekannt hatten, dass es sie über die CSR des Unternehmens informiere, wünschen sich insgesamt 84,0 % der Belegschaft eine Steigerung der Kommunikation von CSR. Nur 12,5 % aller Mitarbeiter meinen, dass die derzeitige Kommunikation nachhaltigen verantwortlichen Handelns der Krones AG im Intranet ausreiche. Besonders auffällig ist, dass sich gerade auch die Gruppe der Informierten, also derjenigen Mitarbeiter, die ausgesagt haben, bereits heute durch das Intranet über die CSR des Unternehmens informiert zu werden, einen Ausbau der Kommunikation darüber im Intranet wünschen. In der Gruppe der Informationshungrigen, jenen Mitarbeitern also, die in der vorangegangenen Filterfrage aussagten, sie wünschten sich eine Steigerung der Kommunikationsmaßnahmen, wünschen sich sogar 87,9 % eine Intensivierung der Berichterstattung über das Engagement der Krones AG im Intranet. Der größte Bedarf nach mehr Informationen scheint jedoch bei den Arbeitern zu bestehen, die zu 91,2 % angaben, über das Intranet bereits zur CSR informiert zu werden. 94,8 % dieser Mitarbeitergruppe wünschen sich eine Verstärkung der CSR-Kommunikation über das Firmennetzwerk. Im Führungskreis fällt der Anteil mit 76,2 % zwar deutlich niedriger aus, aber auch in dieser Gruppe wünschen sich immerhin über drei Viertel eine stärkere Präsenz des Themas. Erstaunlich ist, dass selbst unter denjenigen Befragten, die bei der vorherigen Filterfrage angaben, sich grundsätzlich „gerade richtig“ über die CSR des Unternehmens informiert zu fühlen (die „ausreichend Informierten“), mit 77,1 % über drei Viertel der Meinung sind, dass sie gerne mittels des Intranets mehr über CSR erfahren würden. Streng genommen hält bei einer genaueren Betrachtung ihrer Aussagen die Selbstzuschreibung „gerade richtig informiert“ einer kritischen Würdigung nicht stand. So äußert sich dieser Teil der Befragten (ein knappes Viertel der Belegschaft) zwar dahingehend, quantitativ keinen größeren Informationsbedarf zu verspüren als bisher, tatsächlich trifft anschließend bei der Abfrage der Einzelmedien ein Gutteil eben dieser Gruppe völlig andere Aussagen. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Grundsätzlich gar nicht. Aber hier soll – da die Ergebnisse generell auf einen starken Wunsch nach einem Ausbau der Kommunikation hindeuten – davon ausgegangen werden, dass die Aussagen zu den konkreten Einzelmedien (wie etwa zum Intranet) die gegenteilige Aussage bei der übergeordneten Filterfrage zumindest partiell revidieren. Es ist gut vorstellbar, dass ein Befragter zuerst den Eindruck äußert, grundsätzlich ausreichend über die Thematik informiert zu sein, dann bei der anschließenden Abfrage und dem Wiederaufruf der einzelnen Kommunikationsmedien seine Meinung dahingehend revidiert, dass er sich ein auf das jeweilige Medium begrenztes Mehr an Informationen und Hintergründen doch wünscht.

Quantifizierung

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Informierte (N = 131)

Arbeiter (N = 58)

Informationshungrige (N = 107)

497

Gesamt (N = 144)

Ja

76,4

94,8

85,5

87,9

84,0

Nein

20,0

5,2

10,7

11,2

12,5

Weiß nicht

3,6

0,0

3,8

0,9

3,5

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 47:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über das Intranet

Es bleibt festzuhalten, dass im Intranet, obwohl es bereits einem Großteil der Mitarbeiter als Informationsmedium zur CSR dient, die Kommunikation über Strategie und Maßnahmen nachhaltigen und verantwortlichen Handelns nach Wunsch einer großen Mehrheit der Belegschaft weiter ausgebaut werden sollte. Das Intranet bietet hier aufgrund seiner sehr guten Durchdringung der Zielgruppe und seiner hohen Relevanz und Akzeptanz ideale Möglichkeiten, insbesondere auch zu tagesaktuellen Informationen, wie das Nutzungsverhalten der Mitarbeiter erwies. 5.6.5.11.2 Intern: Intensivierung der CSR-Kommunikation von einer breiten Mehrheit gewünscht Auch durch die Mitarbeiterzeitschrift Krones Intern würden mit 76,0 % über drei Viertel der Mitarbeiter gerne noch mehr über CSR erfahren – und das, obwohl 94,4 % aller Befragten angaben, durch dieses Medium bereits über die CSR-Politik der Krones AG informiert zu werden. Auch hier liegt der Anteil bei den Arbeitern mit 82,5 % etwas über dem Durchschnitt. Aber auch unter den Führungskräften äußert eine breite Mehrheit (70,9 %) diesen Wunsch. Lediglich 16,1 % der Krones-Beschäftigten gaben an, nicht ausführlicher im Intern über die CSR lesen zu wollen. (alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Informierte (N = 130)

Arbeiter (N = 57)

Informationshungrige (N = 106)

Gesamt (N = 143)

Ja

70,9

82,5

77,7

86,8

76,2

Nein

21,8

10,5

15,4

9,4

16,1

Weiß nicht

7,3

7,0

6,9

3,8

7,7

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 48:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über das Krones Intern

498

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Das Intern scheint also grundsätzlich das Medium zu sein, das sich nach Meinung der Mitarbeiter am besten zu einer Intensivierung der CSR-Kommunikation eignet. Darauf deutet der Wert bei den Informationshungrigen hin: 86,8 % derjenigen Mitarbeiter, die gerne mehr über CSR erfahren würden, wünschen sich eine Forcierung der Kommunikation im Krones Intern. Aber auch diejenigen, die bereits heute durch das Intern über die CSR-Maßnahmen des Unternehmens unterrichtet sind, wünschen sich zu 77,7 % eine Steigerung der Kommunikation. Selbst innerhalb der Gruppe der ausreichend Informierten würde mit 48,6 % knapp die Hälfte gerne noch mehr zur CSR über das Krones Intern erfahren. Aufgrund der hohen Relevanz für die Zielgruppe legen diese Ergebnisse eine Steigerung der CSR-Kommunikationsmaßnahmen im Krones Intern nah. Allerdings sollte gleichzeitig versucht werden, die Durchdringung der Zielgruppe noch weiter zu forcieren: Derzeit liest mit 63,2 % zwar eine deutliche Mehrheit jede Ausgabe des Heftes, doch sollte die Penetration aller Mitarbeitergruppen weiter gesteigert werden, um einer CSR-Kommunikationsstrategie eine möglichst breite Basis zu verschaffen. Gerade für Hintergrunddarstellungen oder umfassendere Erläuterungen von Strategien oder Maßnahmenpaketen scheint das Medium prädestiniert. 5.6.5.11.3 Krones Magazin: Weitere Intensivierung nahegelegt Die Ergebnisse zum Krones Magazin ähneln denen zum Intern, auch wenn der Zuspruch insgesamt etwas geringer ist, obwohl sich immer noch über zwei Drittel aller Mitarbeiter (68,5 %) mehr CSR-Kommunikation im Heft wünschen. Wiederum stechen die Arbeiter mit 77,2 % hervor. Aber auch für eine breite Mehrheit unter den Informierten (71,0 %) bzw. den Informationshungrigen (73,8 %) scheint das periodisch veröffentlichte Magazin das geeignete Medium für die Darstellung von CSR-Themen zu sein. Insbesondere der Wert bei letztgenannter Gruppe macht die nach Meinung der Mitarbeiter hohe Eignung des Mediums für entsprechende kommunikative Maßnahmen deutlich. Unterstrichen wird dieser Befund davon, dass auch unter den ausreichend Informierten 57,1 % die Auffassung vertreten, gerne mehr vermittels des Krones Magazins über CSR zu erfahren. Auch in diesem Firmenmedium steckt also noch reichlich Potenzial. Allerdings sei auch hier darauf verwiesen, dass mit 56,2 % eine erkleckliche Zahl aller Mitarbeiter und vor allem eine große Anzahl unter den Mitgliedern der Führungskreise über das Medium immer erreicht wird. Doch auch dieser Wert bedarf einer weiteren Steigerung, wenn man über das Medium tatsächlich dauerhaft strategische Kommunikationsmaßnahmen zur CSR umsetzen möchte. In jedem Fall eignet sich das Medium schon heute dazu, eine breite Kundenschicht und einen Großteil der Mitarbeiter mit Hintergrundberichten und ausführlichen, hochwertig aufbereiteten Informationen zum Nachhaltigkeits- und Verantwortlichkeitsengagement des Unternehmens anzusprechen.

Quantifizierung

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Informierte (N = 131)

Arbeiter (N = 57)

Informationshungrige (N = 106)

499

Gesamt (N = 143)

Ja

61,8

77,2

71,0

73,6

68,5

Nein

29,1

17,5

21,4

21,7

23,1

Weiß nicht

9,1

5,3

7,6

4,7

8,4

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 49:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über das Krones Magazin

5.6.5.11.4 Überregionale und regionale Presse: Stärkere Präsenz der Themen gewünscht Sowohl durch die überregionale als auch durch die regionale Presse würde eine deutliche Mehrheit aller Mitarbeiter gerne mehr über die CSR der Krones AG erfahren. Wenn es nach dem Wunsch der Mitarbeiter ginge, stünde die Pressearbeit der Krones AG vor großen Herausforderungen. Mit 67,1 % wünschen sich über zwei Drittel eine stärkere Präsenz der Krones-CSR-Themen in den regionalen Medien. (alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Informationshungrige (N = 107)

Arbeiter (N = 58)

Gesamt (N = 144)

Ja

56,4

60,3

64,5

59,7

Nein

38,2

27,6

25,2

29,9

Weiß nicht

5,5

12,1

10,3

10,4

Gesamt

100

100

100

100

Abbildung 50:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über die überregionale Presse

Vor allem bei den Informationshungrigen zeigt sich hier ein deutlicher, überdurchschnittlicher Bedarf: 64,5 % dieser Gruppe läsen gerne häufiger etwas über das Engagement der Krones AG in den überregionalen Medien, noch mehr, nämlich 71,7 %, erwarten mehr Informationen über die regionale Presse. Aber gerade auch die Arbeiter würden zu 77,2 % gerne stärker über lokale Medien darüber informiert, was Krones für Mitarbeiter, Umwelt, Gesellschaft und die eigene nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung leistet. Die tiefe Verankerung dieses Wunsches zeigt sich darin, dass selbst unter den ausreichend Informierten noch eine Mehrheit von 57,1 % gerne mehr durch die regionale Presse über das verantwortliche Handeln der Krones AG erfahren würde.

500

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Informationshungrige (N = 106)

Arbeiter (N = 57)

Gesamt (N = 143)

Ja

60,0

77,2

71,7

67,1

Nein

34,5

22,8

22,6

25,9

Weiß nicht

5,5

0,0

5,7

7,0

Gesamt

100

100

100

100

Abbildung 51:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über die regionale Presse

Der Wunsch nach einer stärkeren Darstellung der CSR-Maßnahmen in den Medien zieht sich durch alle Mitarbeitergruppen innerhalb des Unternehmens. Freilich könnte diesem so anspruchsvollen Ziel nur über eine Intensivierung und entsprechende Fokussierung der Öffentlichkeitsarbeit und eine langfristige, speziell auf die Kommunikation der CSR ausgerichtete PR-Strategie nähergekommen werden. Wenn es auf diese Weise gelänge, dem Wunsch der Mitarbeiter nach einer stärkeren Präsenz der Themen nachzukommen, wäre damit nicht nur ihrem Informationsbedürfnis genüge getan, auch verschaffte sich das Unternehmen Image- und Reputationsgewinne, die sich auf den Unternehmenserfolg niederschlügen. Dass die Mitarbeiter um diesen Zusammenhang wissen, haben die Ergebnisse dieser Studie gezeigt. 5.6.5.11.5 Produktbroschüren: Ein Sonderfall Die Produktbroschüren stellen einen Sonderfall dar: Auf den ersten Blick scheint der Wunsch nicht übermäßig verbreitet, durch diese Veröffentlichungen mehr über die CSR-Maßnahmen der Krones AG zu erfahren. Nur 32,2 % der Mitarbeiter wünschen sich eine Intensivierung der CSR-Kommunikation in ihnen. Allerdings haben oben nur 25,9 % der Mitarbeiter angegeben, sie würden durch die Produktbroschüren Informationen zur CSR erhalten. Wenn man nun auf diese Gruppe der Informierten schaut, zeigt sich ein gänzlich anderes Bild. 64,9 % dieser Gruppe und damit fast zwei Drittel wünschen sich, über die Produktbroschüren umfangreicher über die CSR der Krones AG informiert zu werden. Dieser relativ hohe Zustimmungsgrad bei den Informierten zeigt, dass das Medium durchaus zur CSR-Kommunikation geeignet ist. Die Mitarbeiter, die es als CSR-Informationsmedium kennen, wünschen sich schließlich einen Ausbau dieser Maßnahmen. Die Daten zeigen aber ebenfalls, dass die Produktbroschüren bislang die CSR-Strategie und womöglich insbesondere die Erfolge der Krones AG bislang nicht ausreichend berücksichtigen. Ob sich das Medium zur gezielten Information eignet, erscheint zweifelhaft. Trotz des gegenwärtigen eher schleppenden Interesses sollte – angesichts der Ergebnisse bei den Informier-

Quantifizierung

501

ten – eine Intensivierung der Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Potentiellen Kunden gegenüber würde dies dem Unternehmen mit Sicherheit nicht zum Nachteil gereichen.

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Arbeiter (N = 57)

Informationshungrige (N = 106)

Informierte (N = 37)

Gesamt (N = 143)

Ja

34,5

28,1

64,9

35,8

32,2

Nein

43,6

49,1

18,9

41,5

44,8

Weiß nicht

21,8

22,8

16,2

22,6

23,1

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 52:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über Produktbroschüren

5.6.5.11.6 Geschäfts-/Quartalsbericht: Kein ausgeprägter Wunsch Zumindest die Mitarbeiter hegen keine ausgeprägten Wünsche nach breiterer Information zur CSR über die Geschäfts-, bzw. Quartalsberichte. Immerhin äußerten ja 46,2 % der Befragten, sie erführen über dieses Medium etwas über die CSR des Unternehmens. Unter denjenigen, die das sagten, wünscht sich eine knappe absolute Mehrheit von 51,5 % auch tatsächlich eine Intensivierung in diesem Medium.

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Arbeiter (N = 57)

Informationshungrige (N = 106)

Informierte (N = 66)

Gesamt (N = 143)

Ja

36,4

43,9

51,5

41,5

37,1

Nein

45,5

43,9

37,9

40,6

43,4

Weiß nicht

18,2

12,3

10,6

17,9

19,6

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 53:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über den Krones Geschäftsbericht/Quartalsbericht

Im Rahmen einer allgemeinen CSR-Kommunikationsstrategie sollten Geschäftsund Quartalsbericht keinesfalls vernachlässigt werden, insbesondere aufgrund ihrer hohen Relevanz für Anleger, Analysten aber auch Kunden. Für die Mitarbeiter

502

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

haben diese Medien aber im Vergleich zu den übrigen Kommunikationsmitteln eine weniger große Relevanz. 5.6.5.11.7 CSR-Bericht und Umweltbericht: Die großen Unbekannten Es wünschen sich nur 27,3 % bzw. 38,5 % aller Beschäftigten, mehr über das Engagement der Krones AG durch den CSR- bzw. den Umweltbericht zu erfahren. Dies ist aber nicht auf den Umstand zurückzuführen, dass die Berichte per se schon über diese Maßnahmen informieren, sondern resultiert schlicht aus ihrem niedrigen Bekanntheitsgrad. Genau wie auch den Umweltbericht kennen 84,0 % der Befragten den CSR-Bericht nicht. Aus diesem Grund muss auf das Ergebnis bei der Gruppe der Informierten besonderes Augenmerk gerichtet werden: In dieser Gruppe sprechen sich 60,0 % für mehr Informationen zur CSR im CSR-Bericht bzw. 75,0 % für einen Ausbau der Kommunikation im Umweltbericht aus. Da der Umweltbericht in den CSR-Bericht integriert wurde, lässt sich daraus zumindest der Wunsch dieser Gruppe danach ablesen, der Ökologie künftig einen größeren Stellenwert im CSR-Bericht einzuräumen.

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Arbeiter (N = 57)

Informationshungrige (N = 106)

Informierte (N = 20)

Gesamt (N = 143)

Ja

34,5

22,8

60,0

33,0

27,3

Nein

32,7

45,6

30,0

34,0

38,5

Weiß nicht

32,7

31,6

10,0

33,0

34,3

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 54:

(alle Angaben in gültigen %)

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über den CSR-Bericht

Führungskreis (N = 55)

Arbeiter (N = 57)

Informationshungrige (N = 106)

Informierte (N = 24)

Gesamt (N = 143)

Ja

45,5

36,8

75,0

42,5

38,5

Nein

34,5

36,8

20,8

31,1

35,0

Weiß nicht

20,0

26,3

4,2

26,4

26,6

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 55:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über den Umweltbericht

Quantifizierung

503

Die Ergebnisse zeigen, dass diejenigen, die die Berichte kennen, sich also durchaus eine verstärkte CSR-Kommunikation in ihnen wünschen. Welche Informationen sie sich genau wünschen, lässt sich aus dieser Frage nicht ablesen, doch können die obigen Ergebnisse darauf zumindest einige Hinweise geben. 5.6.5.11.8 Vorgesetzte und Kollegen als wichtige Multiplikatoren Wie dargestellt fungieren Vorgesetzte und Kollegen bereits heute als wichtige Multiplikatoren im Rahmen des CSR-Kommunikationskonzepts. Eine breite Mehrheit von 67,8 % der Beschäftigten wünscht sich in Zukunft noch mehr zur CSR der Krones AG durch die Vorgesetzten zu erfahren. Dabei ist der Wert bei den Informationshungrigen wiederum recht hoch. Insbesondere die Mitarbeiter, die sich insgesamt eine Verstärkung der CSR-Kommunikationsaktivitäten wünschen, begrüßen eine Forcierung. Eine künftige Kommunikationsstrategie sollte also in Erwägung ziehen, die Führungskräfte des Unternehmens planmäßig in ihrer Funktion als wichtige Multiplikatoren zu integrieren. Offensichtlich würden das insbesondere die Arbeiter begrüßen, die bisher auch nur zu 57,9 % durch ihre Vorgesetzten informiert werden. Umgekehrt ist der Bedarf nach mehr Informationen in der Gruppe der Führungskräfte mit 60,0 % nicht ganz so hoch. Dabei handelt es sich um die Gruppe, in der der Anteil derjenigen am höchsten ist, die bereits heute von den eigenen Vorgesetzten zur CSR informiert werden. Übrigens wünscht sich selbst unter den ausreichend Informierten eine Mehrheit von 51,4 % eine Verstärkung der Kommunikation über die Vorgesetzten. Ein klares Signal der Mitarbeiterschaft an ihr Unternehmen also, diesen effektiven Kommunikationsweg in Zukunft stärker zu nutzen.

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Informierte (N = 87)

Arbeiter (N = 57)

Informationshungrige (N = 106)

Gesamt (N = 143)

Ja

60,0

82,5

69,0

74,5

67,8

Nein

30,9

15,8

26,4

22,6

26,6

Weiß nicht

9,1

1,8

4,6

2,8

5,6

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 56:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über Vorgesetzte

Anders verhält es sich mit den Kollegen als Multiplikatoren. Hier würde die planmäßige Integration in ein strategisches Kommunikationskonzept auch deutlich schwerer fallen.

504

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Informierte (N = 94)

Arbeiter (N = 56)

Informationshungrige (N = 105)

Gesamt (N = 142)

Ja

25,5

37,5

41,5

31,4

30,3

Nein

63,6

48,2

50,0

57,1

57,7

Weiß nicht

10,9

14,3

8,5

11,4

12,0

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 57:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über Kollegen

Lediglich 30,3 % aller Mitarbeiter wünschen sich, mehr von ihren Kollegen über CSR zu erfahren, 57,7 % halten das demgegenüber für nicht notwendig. Ein weiteres Mal ist der Anteil unter den Informierten mit 41,5 % überdurchschnittlich hoch, was zumindest auf eine relativ gute Akzeptanz dieser Informationsquelle hindeutet. 5.6.5.11.9 Krones Homepage: Es darf ein bisschen mehr sein Obwohl die Krones Homepage von einer Mehrheit der Mitarbeiter eher selten besucht wird, dient sie einer großen Mehrheit (60,4 %) als Informationsquelle zur CSR. Von denjenigen Mitarbeitern, auf die das heute zutrifft, wünschen sich 75,6 %, in Zukunft noch mehr durch dieses Medium über die Vorhaben, Maßnahmen und Erfolge verantwortlichen Handelns der Krones AG informiert zu werden. Auch unter allen Mitarbeitern würden dies 63,4 % begrüßen. Auffällig hoch ist der Anteil sowohl bei den Informationshungrigen (68,9 %), als auch bei den Mitgliedern der Führungskreise (69,1 %).

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Informierte (N = 86)

Arbeiter (N = 56)

Informationshungrige (N = 106)

Gesamt (N = 142)

Ja

69,1

57,1

75,6

68,9

63,4

Nein

25,5

33,9

16,3

23,6

26,1

Weiß nicht

5,5

8,9

8,1

7,5

10,6

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 58:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über die Krones Homepage

Quantifizierung

505

Diese Ergebnisse unterstreichen zwar die Bedeutung der Firmenhomepage als internes Kommunikationsmittel, doch bietet sie sich aufgrund der relativ unregelmäßigen Nutzung kaum zur Vermittlung tagesaktueller Informationen an. Da sie aber für Kunden und auch andere Stakeholder sowie die Shareholder von hoher Relevanz sein dürfte, sollte in Erwägung gezogen werden, dem Wunsch der Mehrheit der Mitarbeiter nach einem Ausbau der CSR-Informationen im Internet zu entsprechen. 5.6.5.11.10 Schwarzes Brett und andere Medien Auch am Schwarzen Brett wünschen sich die Mitarbeiter mehrheitlich zukünftig mehr über die CSR von Krones zu erfahren. Unter den Arbeitern ist der Anteil mit 73,2 % am höchsten. Das erstaunt, da bereits heute diese Gruppe innerhalb der Mitarbeiterschaft das Medium am stärksten zur Information über CSR nutzt, unterstreicht aber umgekehrt die herausragende Bedeutung, die es als Kommunikationsmittel insbesondere für die Gruppe der Arbeiter besitzt. Im Rahmen eines umfassenden Kommunikationskonzepts sollte die konsequente Einbeziehung dieses Mediums erwogen werden. Jeweils 0,7 % der Mitarbeiter wünschen sich über die angesprochenen Maßnahmen hinaus durch Publikumswerbemaßnahmen und EMail-Rundschreiben über die CSR-Aktivitäten der Krones AG informiert zu werden.

(alle Angaben in gültigen %)

Führungskreis (N = 55)

Informierte (N = 92)

Arbeiter (N = 56)

Informationshungrige (N = 105)

Gesamt (N = 142)

Ja

41,8

73,2

69,6

61,0

56,3

Nein

49,1

25,0

26,1

34,3

36,6

Weiß nicht

9,1

1,8

4,3

4,8

7,0

Gesamt

100

100

100

100

100

Abbildung 59:

Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über Aushänge am Schwarzen Brett

5.6.5.12 Das wahre Gesicht: Filter- und Testfragen zu Einstellungen und Meinungen Wie erwähnt nimmt die 13. Frage eine Sonderstellung innerhalb des Fragebogens ein, da ihre 17 Variablen die Funktion von Bilanz- und Meinungs- wie auch von Testfragen übernehmen, anhand derer die bisherigen Aussagen überprüft und/ oder spezifiziert werden sollen.

506

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

„Die Öffentlichkeit über die Maßnahmen verantwortlichen Handelns zu informieren, steigert das Ansehen der Krones AG.“

Mit dieser Aussage sollte das Verständnis der Befragten für die Bedeutung einer Verbindung aus Management- und Kommunikationskonzept kontrolliert werden. Die Ergebnisse bestätigen die vorherigen Befunde: 96,6 % der Mitarbeiter stimmen dieser Aussage zu oder eher zu. Unter den Führungskräften beträgt die Zustimmung 100 %. Den höchsten Grad voller Zustimmung weist die Gruppe der Erfahrenen mit 79,3 % auf. Die Belegschaft ist zum überwiegenden Teil der Überzeugung, dass Krones notwendigerweise seine CSR-Maßnahmen an die Stakeholder kommunizieren muss, um somit Strategie und Managementkonzept zu seiner Wirksamkeit zu verhelfen. Die Mitarbeiter unterstreichen damit außerdem, dass sie der CSR eine signifikante image- und reputationsfördernde Wirkung gegenüber den Stakeholdern des Unternehmens zuerkennen, die sich – wie oben dargelegt – wiederum positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt.

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

63,6

70,5

74,1

79,3

71,4

68,1

Stimme eher zu

36,4

23,9

19,0

17,2

25,7

28,5

Stimme eher nicht zu

0,0

4,5

5,2

3,4

2,9

2,8

Stimme gar nicht zu

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Weiß nicht

0,0

1,1

1,7

0,0

0,0

0,7

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 60:

Haltung zur Aussage: Die Öffentlichkeit über die Maßnahmen verantwortlichen Handelns zu informieren, steigert das Ansehen der Krones AG

Wie sich die Kommunikation von CSR auf die Mitarbeiter auswirkt, sollten die Befragten in einer weiteren Aussage bewerten: „Wenn die Krones Mitarbeiter gut über die Maßnahmen verantwortlichen Handelns informiert sind, so wird dadurch ihre Motivation weiter gesteigert.“

Wiederum bestätigt sich eine vorherige Diagnose: Die Mitarbeiter erkennen einen signifikanten Einfluss des CSR-Kommunikationskonzepts auf Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter. 88,2 % aller Mitarbeiter stimmen zu oder eher zu. Wiederum weisen die Führungskräfte mit 92,8 % den höchsten Zustimmungsgrad auf.

Quantifizierung

507

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

56,4

51,1

55,2

55,2

65,7

53,5

Stimme eher zu

36,4

34,1

32,8

34,5

31,4

34,7

Stimme eher nicht zu

1,8

4,5

3,4

0,0

0,0

3,5

Stimme gar nicht zu

1,8

2,3

0,0

0,0

0,0

2,1

Weiß nicht

3,6

8,0

8,6

10,3

2,9

6,3

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 61:

Haltung zur Aussage: Wenn Krones seine Mitarbeiter gut über seine Maßnahmen verantwortlichen Handelns informiert, so wird dadurch deren Motivation weiter gesteigert

Erneut wird also die positive Wirkung des CSR-Managementkonzepts auf die Mitarbeiter (als wichtige Stakeholdergruppe) von den Befragten an die Kommunikation des Konzepts geknüpft. Der Einfluss der Kommunikation von CSR sollte durch eine weitere Aussage kontrolliert werden: „Wenn Krones seinen Kunden über die Maßnahmen verantwortlichen Handelns berichtet, so hat das Einfluss auf die Auftragslage.“

86,9 % aller Mitarbeiter äußern Zustimmung zu dieser Aussage. Mit 89,1 % ist die Zustimmung innerhalb der Mitglieder des Führungskreises noch etwas höher. Am höchsten ist sie mit 96,6 % in der Gruppe der Erfahrenen bzw. mit 97,1 % in der Gruppe der Älteren. Ob diese Gruppen tatsächlich aus Erfahrung sprechen, sei dahingestellt. In jedem Fall lässt sich festhalten, dass die Mitarbeiter einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Kommunikationskonzept der CSR und dem Unternehmenserfolg erkennen, speziell durch eine verbesserte Auftragslage. Wiederum bestätigt sich zudem das Ergebnis, dass CSR in den Augen der Mitarbeiter bei erfolgreicher Kommunikation eine image- und reputationsfördernde Wirkung auf die Kunden des Unternehmens entfalten kann.

508

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

38,2

46,6

48,3

41,4

51,4

43,1

Stimme eher zu

50,9

38,6

41,4

55,2

45,7

43,8

Stimme eher nicht zu

9,1

6,8

3,4

0,0

0,0

7,6

Stimme gar nicht zu

1,8

1,1

0,0

0,0

0,0

1,4

Weiß nicht

0,0

6,8

6,9

3,4

2,9

4,2

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 62:

Haltung zur Aussage: Krones sollte seine Kunden über seine Maßnahmen verantwortlichen Handelns informieren, weil das die Auftragslage positiv beeinflusst

Gruppenarbeit fördert die Eigenverantwortung Mit den Konsequenzen aus der neu etablierten Gruppenarbeit, der Priorität der Produktqualität wie auch mit der Situation der Leiharbeiter und den Umstellungen im Service sollten einige Themen untersucht werden, die von den Experten in den Interviews angesprochen wurden. Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

36,4

31,8

31,0

37,9

42,9

33,3

Stimme eher zu

41,8

29,5

31,0

27,6

31,4

34,0

Stimme eher nicht zu

16,4

23,9

25,9

24,1

22,9

21,5

Stimme gar nicht zu

1,8

11,4

10,3

6,8

2,9

7,6

Weiß nicht

3,6

3,4

1,7

3,4

0,0

3,5

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 63:

Haltung zur Aussage: Die Umstellung auf Gruppenarbeit fördert die Eigenverantwortung des Einzelnen

Dabei ergaben die Quantifizierungen folgendes Bild: Davon, dass die Umstellung auf Gruppenarbeit die Eigenverantwortung des einzelnen Mitarbeiters tatsächlich

Quantifizierung

509

fördert und so ihre Wirkung als Verantwortlichkeitsmaßnahme des Unternehmens nicht verfehlt, gehen über zwei Drittel der Belegschaft (67,3 %) aus. Mit 78,2 % ist die Zustimmung unter den Mitgliedern der Führungskreise am höchsten. Die Arbeiter – und damit eine in ihrer täglichen Arbeit von den Umstellungen stark persönlich betroffene Gruppe – bewerten die Maßnahme ebenfalls mehrheitlich positiv: 62,0 % sehen die personale Verantwortung der Mitarbeiter durch die Neuerungen befördert. Qualitätssicherung spielt bei Krones eine übergeordnete Rolle Eine weitere Aussage fragte danach, ob die Sicherung der Produktqualität für Krones stets höchste Priorität besitze. Sowohl die Experteninterviews als auch die Prognosen der Mitarbeiter zu den Wünschen des Kunden der Zukunft unterstrichen die zentrale Bedeutung der Produktqualität für Wettbewerbsfähigkeit, Innovationsführerschaft, langfristige vertrauensvolle Partnerschaften und so letztlich den Unternehmenserfolg. Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

65,5

76,1

82,8

58,6

77,1

72,2

Stimme eher zu

27,3

17,0

10,3

37,9

20,0

20,8

Stimme eher nicht zu

7,3

3,4

5,2

3,4

0.0

4,9

Stimme gar nicht zu

0,0

3,4

1,7

0,0

2,9

2,1

Weiß nicht

0,0

0,0

0,0

0,0

0.0

0,0

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 64:

Haltung zur Aussage: Die Qualität seiner Produkte zu sichern, hat für Krones stets höchste Priorität

Bei der Kontrolle ergab sich ein ganz ähnliches Bild: 93,0 % der Mitarbeiter äußern sich zustimmend, dass die Qualitätssicherung bei Krones stets im Mittelpunkt steht. Auch bei den Mitarbeitern in der Produktion, den Arbeitern, die direkt mit Bau und Montage der Anlagen beschäftigt sind, liegt der Wert mit 93,1 % praktisch auf demselben Niveau. Die absolute Zustimmung ist in dieser Gruppe mit 82,8 % sogar unter allen verglichenen Gruppen am höchsten. Bei den Erfahrenen und Älteren ist der Zustimmungsgrad mit 96,5 % bzw. 97,1 % noch höher als der Durchschnitt. Geht man davon aus, dass diese Gruppen einen besonders großen zeitlichen Rahmen und so auch längere Entwicklungsprozesse überblicken,

510

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

so schmeichelt das Ergebnis dem Unternehmen sehr. Die nahezu identischen, hohen Zustimmungswerte in allen Gruppen veranschaulichen das hohe Bewusstsein der Krones-Mitarbeiter für die Bedeutung der Qualitätssicherung und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Markt- und Technologieführerschaft des Unternehmens, aber auch auf die langfristige Sicherung von dessen Standorten, die den Mitarbeitern so wichtig ist. Leiharbeiter: ambivalente Aussagen Nicht alle befragten Experten waren mit der Situation der Leiharbeiter im Unternehmen einverstanden. Vor allem befürchteten sie Know-how-Verluste (schlimmstenfalls an die Konkurrenz) und eine zu große Abhängigkeit von Zeitarbeitsunternehmen. Die Aussage “Krones bietet seinen Leiharbeitern ausreichend Möglichkeiten zur Übernahme in feste Beschäftigungsverhältnisse“ sollte daher getestet werden. Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

21,8

23,9

32,8

31,0

22,9

22,9

Stimme eher zu

29,1

26,1

27,6

17,2

25,7

27,8

Stimme eher nicht zu

21,8

13,6

15,5

27,6

28,6

16,7

Stimme gar nicht zu

9,1

9,1

10,3

6,9

5,7

9,0

Weiß nicht

18,2

27,3

13,8

17,2

17,1

23,6

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 65:

Haltung zur Aussage: Krones bietet seinen Leiharbeitern ausreichend Möglichkeiten zur Übernahme in feste Beschäftigungsverhältnisse

Das Ergebnis ist ambivalent: Zwar stimmt der Aussage mit 50,7 % eine knappe absolute Mehrheit zu, doch findet sich in allen Gruppen auch ein signifikanter Anteil, der der Aussage nicht zustimmt. Unter den Führungskräften sind 30,9 % und damit deutlich mehr als der Durchschnitt von 25,7 % anderer Meinung, unter den Erfahrenen und Älteren sind es sogar 34,5 % bzw. 34,3 %. Auffallend hoch ist zudem der Anteil derjenigen, die mit „weiß nicht“ antworten – unternehmensweit sind es 23,6 %. Dieses Phänomen teilt sich augenscheinlich in zwei Gruppen auf: Setzt man voraus, dass insbesondere die Gruppe der Arbeiter diese Aussage eigentlich gut beurteilen können müsste, da diese Mitarbeiter jeden Tag während ihrer Arbeit mit Leiharbeitern in Kontakt stehen, so erklärt sich, dass diese Gruppe

Quantifizierung

511

zu lediglich 13,8 % mit „weiß nicht“ antwortet. Andererseits ist selbst dieser Anteil noch relativ hoch, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass hier auch soziale Erwünschtheit bzw. der Sponsoringeffekt eine Rolle spielt. Die hohe Anzahl der Unentschlossenen lässt sich also wahrscheinlich durch zwei Faktoren erklären: Einerseits über die tatsächliche Unkenntnis der Situation der Leiharbeiter im Unternehmen, andererseits aber auch durch den Wunsch, den eigenen Arbeitgeber nicht negativ zu beurteilen. Service ist das unbestrittene Aushängeschild des Unternehmens Die überragende Bedeutung des Services für Image und Reputation der Krones AG insbesondere bei ihren Kunden unterstreichen die Mitarbeiter eindrucksvoll: 97,9 % stimmen der Aussage “Krones sollte besonderen Wert auf einen guten Service legen, da dieser das Aushängeschild des Unternehmens ist“ zu oder eher zu, wobei der Anteil derjenigen, die volle Zustimmung signalisieren, unter den Älteren mit 97,1 % am höchsten ist. Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

87,3

84,1

86,2

89,7

97,1

85,4

Stimme eher zu

9,1

14,8

12,1

6,9

2,9

12,5

Stimme eher nicht zu

1,8

1,1

1,7

3,4

0,0

1,4

Stimme gar nicht zu

1,8

0,0

0,0

0,0

0,0

0,7

Weiß nicht

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %) Stimme zu

Abbildung 66:

Haltung zur Aussage: Krones sollte besonderen Wert auf einen guten Service legen, da dieser das Aushängeschild des Unternehmens ist

Doch in allen betrachteten Gruppen liegt der Zustimmungsgrad bei über 95 %. Die Mitarbeiter demonstrieren damit einerseits ihr Bewusstsein für den großen Einfluss, den die Servicequalität auf den Unternehmenserfolg hat. Außerdem verdeutlichen diese Aussagen, dass nach Meinung der Mitarbeiterschaft Krones alles unternehmen sollte, die Servicequalität weiter auf dem sehr hohen Niveau zu halten, das für Krones guten Ruf ausschlaggebend war. Ein solches Handeln sollte aber ohnehin im Sinne des Unternehmens sein. Übrigens stimmen der Aussage 100 % der Mitarbeiter zu oder eher zu, die oben das Engagement und die CSR-Maßnahmen der Krones AG zugunsten der Kunden als nicht ausreichend bewertet hatten.

512

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Arbeits- und Gesundheitsschutz: leise Kritik Der Aussage „Krones nimmt bei der Produktion Rücksicht auf den Schutz und die Gesundheit seiner Mitarbeiter“ stimmen 87,5 % der Mitarbeiter zu oder eher zu – kein optimaler Wert: Oben hatten noch 97,9 % der Mitarbeiter geäußert, ihnen sei diese CSR-Maßnahme sehr wichtig oder wichtig. Immerhin 11,4 % der Mitarbeiter stimmen dieser Aussage eher nicht oder gar nicht zu und bestätigen damit zumindest die leise Kritik, die einige Experten etwa an den Arbeitsbedingungen auf den Krones-Baustellen äußerten. Bemerkenswert ist, dass zwar 92,8 % der Führungskräfte der Aussage zustimmen oder eher zustimmen, während dieser Wert in der Gruppe der Arbeiter mit 81,0 % weitaus niedriger ist.

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

47,3

45,5

43,1

44,8

51,4

45,8

Stimme eher zu

45,5

29,8

37,9

41,4

31,4

41,7

Stimme eher nicht zu

5,5

13,6

19,0

13,8

17,1

10,7

Stimme gar nicht zu

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,7

Weiß nicht

1,8

1,1

0,0

0,0

0,0

1,4

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 67:

Haltung zur Aussage: Krones nimmt bei der Produktion Rücksicht auf den Schutz und die Gesundheit seiner Mitarbeiter

Auch wenn der überwiegende Teil der Mitarbeiter mit den Produktionsbedingungen zufrieden und sogar sehr zufrieden ist, sollte es dennoch zu denken geben, wenn 19,0 % der Arbeiter und 17,1 % der Älteren ihrem Unternehmen Rücksichtnahme auf den Schutz und die Gesundheit seiner Mitarbeiter eher absprechen. Zweifelsohne ist der Anspruch der Mitarbeiter recht hoch, darauf deuten sowohl die Ergebnisse der Experteninterviews als auch die obigen Daten hin, allerdings sind insbesondere Arbeits- und Gesundheitsschutz in einem Industrieunternehmen für die Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung. Nimmt man nur diejenigen Mitarbeiter in den Blick, die oben das Engagement der Krones AG für ihre Mitarbeiter mit nicht ausreichend bewertet hatten, erzielt man mit 21,4 % zwar einen überdurchschnittlichen Wert, der aber kaum über dem Durchschnittswert der Arbeiter liegt. Das zeigt, dass eine Nichtzustimmung zur Aussage nicht notwendig zu einer negativen Gesamtbewertung des CSR-Engagements gegenüber den Mitarbeitern führt. Daraus kann man jedoch auch ableiten, dass diese Kritik

Quantifizierung

513

besonders ernst zu nehmen ist, stammt sie doch hauptsächlich (zu 75,0 %) von Mitarbeitern, die das Engagement von Krones für seine Mitarbeiter grundsätzlich als gut oder sehr gut bewerten. Standort- und Arbeitsplatzsicherheit: CSR erfolgreich Die Sicherheit des Arbeitsplatzes und die Stärkung des Standorts Deutschland waren jeweils 98,6 % der Belegschaft wichtig oder sehr wichtig. Werden also die genannten beiden CSR-Maßnahmen in den Augen der Mitarbeiter erfolgreich umgesetzt, wenn Krones diese Bedürfnisse erfüllt? Mit 94,5 % ist eine sehr große Mehrheit der Mitarbeiter dieser Meinung. Lediglich 1,4 % der Belegschaft stimmen dieser Aussage eher nicht zu. Dieses Ergebnis zeigt nicht nur, dass die Forderungen und Erwartungen der Mitarbeiter diesbezüglich erfüllt werden, es zeigt auch den Erfolg des verantwortlichen und nachhaltigen Handelns der Krones AG und die Effektivität der Kommunikation über den Erfolg dieser CSR-Maßnahmen.

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 34)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

56,4

51,1

55,2

72,4

60,0

53,5

Stimme eher zu

41,8

40,9

36,2

20,7

34,3

41,0

Stimme eher nicht zu

0,0

2,3

1,7

3,4

2,9

1,4

Stimme gar nicht zu

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Weiß nicht

1,8

5,7

6,9

3,5

2,9

4,2

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 68:

Haltung zur Aussage: Arbeitsplätze bei Krones sind sicher.

Auf die Kontrollfrage für diese Variable, „Für den Erfolg der Krones Produkte ist es unerheblich, wo diese hergestellt werden“, äußerten 82,5 % keine Zustimmung. Immerhin sind 15,4 % der Meinung, Krones könne auch woanders mit gleichem Erfolg produzieren. Bei den Arbeitern ist der Anteil mit 19,3 % am höchsten, bei den Führungskräften mit 9,1 % am niedrigsten. Über die Ursachen für diese Ergebnisse kann nur spekuliert werden.

514

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 87)

Arbeiter (N = 57)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 34)

Gesamt (N = 143)

Stimme zu

3,6

10,3

12,3

3,4

5,9

7,7

Stimme eher zu

5,5

9,2

7,0

3,4

8,8

7,7

Stimme eher nicht zu

34,5

16,1

10,5

34,5

32,4

23,1

Stimme gar nicht zu

56,4

60,9

66,7

58,6

52,9

59,4

Weiß nicht

0,0

3,4

3,5

0,0

0,0

2,1

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 69:

Haltung zur Aussage: Für den Erfolg der Krones-Produkte ist es unerheblich, wo diese hergestellt werden

In jedem Fall bestätigen die Ergebnisse aber das Bewusstsein der überwiegenden Mehrzahl der Mitarbeiter für den Einfluss einer transparenten Wertschöpfungskette am Standort Deutschland auf die Qualität der hergestellten Produkte und damit letztlich auch auf den Unternehmenserfolg. Investitionen in Forschung und Entwicklung reichen aus 99,3 % der Mitarbeiter bekannten, ihnen seien Investitionen in Forschung und Entwicklung als CSR-Maßnahme wichtig oder sehr wichtig. Mit der Aussage „Krones investiert ausreichend viel in Forschung und Entwicklung“ sollte kontrolliert werden, ob Krones diese Erwartung einlöst. Weitestgehend ist das der Fall: 84,0 % stimmen dieser Aussage zu oder eher zu. Lediglich 7,0 % stimmen ihr eher nicht oder gar nicht zu. Es fällt trotz geringer Differenzen in den Ergebnissen der verschiedenen Mitarbeitergruppen auf, dass der Anteil derjenigen, die voll zustimmen, bei den Arbeitern, Erfahrenen und Älteren jeweils um 60 % liegt (62,1 %, 58,6 % und 60,0 %), während er bei den Führungskräften mit 40,0 % deutlich niedriger ist. Auch wenn die derzeitigen Maßnahmen offensichtlich nach Meinung der Mitarbeiter ausreichen, so lässt das Ergebnis ein gewisses Steigerungspotenzial für die Zukunft erahnen. Da diese Maßnahmen stark image- und reputationsfördernd auf die Stakeholder wirken und zudem ein manifester Vorteil im Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte ist, sollten sie in das ergriffene CSR-Kommunikationskonzept immer fest eingebunden sein.

Quantifizierung

515

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

40,0

53,4

62,1

58,6

60,0

47,9

Stimme eher zu

47,3

29,5

20,7

31,0

31,4

36,1

Stimme eher nicht zu

9,1

4,5

5,2

6,9

8,6

6,3

Stimme gar nicht zu

0,0

1,1

1,7

0,0

0,0

0,7

Weiß nicht

3,6

11,4

10,3

3,4

0,0

9,0

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 70:

Haltung zur Aussage: Krones investiert ausreichend viel in Forschung und Entwicklung

Krones hält ältere Arbeitnehmer fit – dennoch besteht Nachholbedarf Ob die speziellen Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Arbeitnehmer den Mitarbeitern bekannt sind und wie sie von der Belegschaft bewertet werden, sollte die Aussage „Krones nutzt die Potenziale älterer Arbeitnehmer und hält diese für den Arbeitsmarkt fit“ überprüfen. Dieser Aussage stimmen 53,9 % aller Mitarbeiter zu oder eher zu, wobei der Anteil derjenigen, die voll zustimmen, mit 17,5 % nicht besonders hoch ist. Darauf, dass dies noch nicht gleichbedeutend mit Kritik an diesen Maßnahmen ist, weist ein anderer Wert hin: 19,6 % aller Befragten geben an, nicht zu wissen, was sie auf die Frage antworten sollen. Dieser Wert ist deutlich höher als die entsprechenden Anteile bei den Erfahrenen und den Älteren, wo nur 3,4 % bzw. 5,7 % die Ausprägung „weiß nicht“ wählen. Offensichtlich kann ein wesentlicher Teil der Mitarbeiter nicht beantworten, ob Krones ältere Arbeitnehmer durch gezielte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen fit für den Arbeitsmarkt hält, weil sie davon selbst (noch) nicht betroffen sind. Dieser Befund weist jedoch auch darauf hin, dass diese CSR-Maßnahme offensichtlich noch nicht in allen Mitarbeitergruppen ausreichend kommuniziert ist. Bei den Erfahrenen und den Älteren stimmen den Aussagen 62,1 % bzw. 57,1 % zu oder eher zu. Aber unter den Älteren, der Kernzielgruppe der Maßnahme, stimmen auch 37,2 % eher nicht oder gar nicht zu. Es besteht also offensichtlich tatsächlich noch Nachholbedarf, entweder tatsächlich bei den Förderungsmaßnahmen oder bei der Kommunikation der CSRMaßnahmen.

516

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 87)

Arbeiter (N = 57)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 143)

Stimme zu

12,7

20,7

24,6

27,6

25,7

17,5

Stimme eher zu

45,5

31,0

36,8

34,5

31,4

36,4

Stimme eher nicht zu

20,0

26,4

26,3

27,6

34,3

24,5

Stimme gar nicht zu

1,8

2,3

1,8

6,9

2,9

2,1

Weiß nicht

20,0

19,5

10,5

3,4

5,7

19,6

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 71:

Haltung zur Aussage: Krones nutzt die Potenziale älterer Arbeitnehmer und hält diese für den Arbeitsmarkt fit

Das insgesamt positive Ergebnis zeigt jedoch das grundsätzliche Bewusstsein der Mitarbeiter für die Wichtigkeit von Fort- und Weiterbildung bis ins hohe Alter, die dem Unternehmen und dem Mitarbeiter gleichermaßen zugute kommen. Auf Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen wird viel Wert gelegt – außer für Führungskräfte Die vorigen Ergebnisse erwiesen deutlich die Wichtigkeit von Aus- und Weiterbildung für die Wettbewerbsfähigkeit und den Erhalt der Innovationsführerschaft des Unternehmens, zeigten aber ebenso das große Bewusstsein der Mitarbeiter für diese Feststellungen. Der Aussage „Bei Krones wird Wert auf geeignete Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gelegt“ stimmen durchschnittlich 82,0 % der Mitarbeiter zu oder eher zu. 14,6 % stimmen eher nicht oder gar nicht zu. Doch während in allen übrigen Mitarbeitergruppen die Zustimmung bei deutlich über 80 % und bei den Älteren sogar bei 91,4 % liegt, beträgt die Zustimmung bei den Führungskräften mit 49,1 % weniger als die Hälfte. Zudem sagen mit 47,3 % beinahe genauso viele Mitarbeiter der Führungskreise, sie stimmten eher nicht oder gar nicht zu. So liefert die Kontrollfrage zur Personalentwicklung und Weiterbildung ein klares Ergebnis: Breite Mitarbeiterschichten stimmen darin überein, dass Krones sich um geeignete Fort- und Weiterbildung bemüht, nicht jedoch die Führungskräfte. Bei ihnen lässt sich ein eindeutiger Nachholbedarf diagnostizieren: Schließlich stimmen doppelt so viele Führungskräfte mit der Aussage gar nicht überein wie ihr uneingeschränkt zustimmen. In den Experteninterviews klang diese Kritik allenfalls am Rande an, wurde in dieser Deutlichkeit jedoch nicht wahrgenommen. Eine denkbare Interpretation des Ergebnisses, dass die Führungskräfte nicht mit den eigenen, sondern mit den Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für ihre Mitarbeiter unzufrieden sein könnten, erscheint aufgrund der deutlich positiveren Be-

Quantifizierung

517

wertung der Mitarbeiter außerhalb der Führungskreise unwahrscheinlich. Dass 89,7 % der Arbeiter der Aussage voll oder eher zustimmen, zeigt, dass Krones besonders für diese Mitarbeitergruppe viel an Fort- und Weiterbildung leistet. Die guten Ergebnisse bei den Älteren bestätigen die positiven Bewertungen derselben Gruppe bei der vorherigen Variablen.

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

5,5

38,6

41,4

44,8

54,3

40,3

Stimme eher zu

43,6

44,3

48,3

44,8

37,1

41,7

Stimme eher nicht zu

36,4

10,2

6,9

10,3

8,6

10,4

Stimme gar nicht zu

10,9

4,5

0,0

0,0

0,0

4,2

Weiß nicht

3,6

2,3

3,4

0,0

0,0

3,5

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %) Stimme zu

Abbildung 72:

Haltung zur Aussage: Bei Krones wird Wert auf geeignete Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gelegt

Krones produziert umwelt- und ressourcenschonend Eine große Mehrheit der Mitarbeiter benannte Wasser-, Energie- und Rohstoffknappheit als wichtige zukünftige Herausforderungen und rechnete die Reduzierung von Wasser- und Energieverbräuchen zu den wichtigsten derzeitigen CSRMaßnahmen des Unternehmens. Eine wichtige Kontrollfrage bildete somit die Aussage „Krones nimmt bei der Produktion auch Rücksicht auf die Belange der Umwelt.“ Die Ergebnisse bestätigen die Befunde und die Expertenaussagen aus dem qualitativen Studienteil. 83,3 % der Mitarbeiter stimmen eher zu oder zu, dass Krones sich bei der Produktion um die Belange der Umwelt sorgt. Lediglich 2,8 % stimmen eher nicht zu, niemand stimmt gar nicht zu. Allerdings wählen 13,9 % der Befragten die Ausprägung „weiß nicht“, ein relativ hoher Wert, der sich durch alle Gruppen – ausgenommen der Älteren – zieht. So ist in letztgenannter Gruppe auch die Zustimmung insgesamt mit 94,3 % sowie der Anteil derjenigen, die voll zustimmen, mit 51,4 % am höchsten. Erklärungen dafür lassen sich nicht finden. Unter denjenigen, die das Engagement der Krones AG als ungenügend bewertet haben, stimmen 84,6 % der Aussage „Krones nimmt in der Anlagenherstellung Rücksicht auf Be-

518

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

lange der Umwelt“ eher zu. So ist die Kritik dieser Gruppe eindeutig als ein Wunsch nach mehr Engagement zu interpretieren – nicht aber als Kritik an den derzeitigen (ggf. unterlassenen) Maßnahmen.

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

30,9

38,6

43,1

48,3

51,4

35,4

Stimme eher zu

56,4

43,2

41,4

37,9

42,9

47,9

Stimme eher nicht zu

1,8

3,4

1,7

3,4

2,9

2,8

Stimme gar nicht zu

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Weiß nicht

10,9

14,8

13,8

10,3

2,9

13,9

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 73:

Haltung zur Aussage: Krones nimmt bei der Produktion auch Rücksicht auf die Belange der Umwelt

Angesichts der zahlreichen großen Herausforderungen (genauso wie aufgrund der Erwartungshaltung von Kunden und anderen Stakeholdern) sollte Krones sich um einen weiteren Ausbau seiner ökologischen CSR-Maßnahmen und deren Kommunikation bemühen, auch wenn die Kontrollfrage nur bestätigen konnte, dass die derzeitigen Bemühungen in Augen der kritischen wie informierten Mitarbeiter lobenswert sind. Exzellente Wettbewerbsfähigkeit sorgt für Zutrauen in die Leistungsstärke des Unternehmens 93,1 % der Mitarbeiter billigten der CSR einen großen oder sehr großen Einfluss auf den Unternehmenserfolg zu. Die Aussage „Krones ist im internationalen Wettbewerb gut aufgestellt“ fungiert als wiederholte Kontrolle des Verständnisses der Mitarbeiter für den Einfluss der CSR auf Wettbewerbsposition und nachhaltigen Unternehmenserfolg.

Quantifizierung

519

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

52,7

86,2

75,9

65,5

65,7

61,8

Stimme eher zu

45,5

29,5

24,1

31,0

31,4

35,4

Stimme eher nicht zu

1,8

0,0

0,0

3,4

0,0

0,7

Stimme gar nicht zu

0,0

1,1

0,0

0,0

2,9

0,7

Weiß nicht

0,0

1,1

0,0

0,0

0,0

1,4

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 74:

Haltung zur Aussage: Krones ist im internationalen Wettbewerb gut aufgestellt.

Die Bestätigung aller bisherigen Befunde – auch aus den Interviews – ist eindeutig: Insgesamt beträgt der Zustimmungsgrad 97,2 %. Bei den Führungskräften sind es sogar 98,2 % und bei den Arbeitern 100 %. Das Selbstvertrauen der Mitarbeiter, das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Krones AG und ihre exzellente Wettbewerbsposition ist jeweils groß. CSR wird als entscheidender Faktor für die Spitzenposition und den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens begriffen. Krones: aktiv und reaktiv zugleich Mit den zu bewertenden Aussagen „Krones erkennt neue Trends, bevor der Kunde danach fragt“ und „Die Bedürfnisse und Forderungen der Kunden sind häufig der Anstoß für technologische Innovationen bei Krones“ sollte der Versuch einer Klärung unternommen werden, ob technologische Innovationen bei Krones eher reaktiv auf Wunsch der Kunden oder aktiv aus der eigenen erfolgreichen Forschungsund Entwicklungsarbeit heraus entwickelt werden. Diese Frage hatte sich ebenfalls bei der Auswertung der Experteninterviews ergeben und schien eine Quantifizierung zu rechtfertigen. Mit 78,8 % der Befragten stimmt ein Großteil der Mitarbeiter der Aussage, „Krones erkennt aktiv neue Trends“, zu oder eher zu, nur 13,9 % sagen das Gegenteil. Mit 17,4 % ist der Anteil derjenigen, die „weiß nicht“ sagen, relativ hoch. Diese Mitarbeiter scheinen – wohl aufgrund nicht ausreichenden Kundenkontakts – die Aussage nicht beurteilen zu können. Dafür spricht, dass der Anteil der Unentschlossenen in den Gruppen der Nicht-Führungskräfte (21,6 %) und der Arbeiter (19,0 %) besonders hoch ist. Aber auch der ursprünglich als Testfrage konzipierten Aussage, Krones reagiere häufig reaktiv auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden, stimmt mit 75,6 % eine große Mehrheit der Mitarbeiter im Sample zu. Wiederum ist vor allem

520

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

unter den Nicht-Führungskräften (24,1 %) und unter den Arbeitern (26,3 %) der Anteil der Unentschlossenen besonders hoch, was die zuvor aufgestellte These zu bestätigen scheint, dass eine Beurteilung dieser Sachverhalte den Mitarbeitern mit mutmaßlich wenig oder weniger Kundenkontakt schwer fällt.

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 88)

Arbeiter (N = 58)

Erfahrene (N = 29)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 144)

Stimme zu

20,0

31,8

41,4

27,6

42,9

27,1

Stimme eher zu

50,9

36,4

32,8

48,3

42,9

41,7

Stimme eher nicht zu

18,2

9,1

6,9

13,8

8,6

12,5

Stimme gar nicht zu

1,8

1,1

0,0

0,0

0,0

1,4

Weiß nicht

9,1

21,6

19,0

10,3

5,7

17,4

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 75: Haltung zur Aussage: Krones erkennt neue Trends, bevor der Kunde danach fragt

Führungskreis (N = 55)

Kein Führungskreis (N = 87)

Arbeiter (N = 57)

Erfahrene (N = 28)

Ältere (N = 35)

Gesamt (N = 143)

Stimme zu

43,6

34,5

38,6

50,0

51,4

37,8

Stimme eher zu

38,2

36,8

28,1

35,7

34,3

37,8

Stimme eher nicht zu

12,7

4,6

7,0

7,1

5,7

7,7

Stimme gar nicht zu

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

Weiß nicht

5,5

24,1

26,3

7,1

8,6

16,8

Gesamt

100

100

100

100

100

100

(alle Angaben in gültigen %)

Abbildung 76:

Haltung zur Aussage: Häufig sind die Bedürfnisse und Forderungen der Kunden der Anstoß für technologische Innovation bei Krones

Die Ergebnisse aus beiden Fragen lassen sich nur so deuten, dass die zweite Frage die erste nicht wie beabsichtigt testet, sondern, wie sich bereits im Pretest beobachten ließ, ein „sowohl als auch“ vorliegt. Die Mehrheit der Mitarbeiter sieht Krones als innovatives Unternehmen, das durch erfolgreiche Forschung und Entwicklung

Quantifizierung

521

sowie ein aufmerksames Management und wirkungsvollen Vertrieb selbst Trends erkennt und setzt, zugleich aber ebenso als Unternehmen, das sich stets um die technische Umsetzung der Wünsche und Bedürfnisse seiner Kunden bemüht. Damit ließe sich Krones mit etwas Wohlwollen als innovativer Dienstleister seiner Kunden beschreiben.

5.7 Zusammenfassung: Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln als Kommunikations- und Managementkonzept bei der Krones AG Im theoretischen Teil der Arbeit wurde Corporate Social Responsibility dargestellt als ein den Prinzipien der Nachhaltigkeit und einem ehrlichen Stakeholderdialog verpflichtetes Management- und Kommunikationskonzept zur Umsetzung verantwortlichen unternehmerischen Handelns. Unternehmen als korporative Akteure erwachsen sowohl die Möglichkeit als auch aufgrund globaler Herausforderungen und der Erwartungshaltung unterschiedlicher gesellschaftlicher Anspruchsgruppen die Verpflichtung zu nachhaltigem und verantwortlichem Handeln. Grundlegend dafür ist ein verbindliches unternehmensethisches Fundament. Ein auf ethischen Kriterien basierendes Corporate Social Responsibility-Konzept kann eine Brückenfunktion zwischen einer Unternehmensethik und den daraus abgeleiteten moralischen Anforderungen an die Wirtschaftsunternehmen und der instrumentellen Rationalität der Ökonomie einnehmen. Da bislang kaum untersucht worden ist, welche Konsequenzen nachhaltiges verantwortliches Handeln von Unternehmen auf seine Stakeholder und auf konkrete Problemlösungen hat, sollte der praktische Teil dieser Arbeit am Beispiel der Krones AG untersuchen, in welcher Weise sich verantwortliches unternehmerisches Handeln auf die Mitarbeiter eines Unternehmens als wichtige Anspruchsgruppe und Adressatenschicht von CSR-Maßnahmen auswirkt. Dabei wurde mittels zweier empirischer Studien der Frage nachgegangen, ob ein Unternehmen durch die Umsetzung eines den Kriterien von Verantwortung und Nachhaltigkeit verpflichteten Management- und Kommunikationskonzepts bei seinen Mitarbeitern ein Bewusstsein für die Bedeutung von Unternehmensethik und ihrer praktischen Ausformung im Rahmen von Corporate Social Responsibility schaffen kann. Nachhaltiges und verantwortliches unternehmerisches Handeln erscheint bei der Krones AG als Unternehmensstrategie, die im Rahmen eines CSR-Management- und Kommunikationskonzepts konzernweit zur Umsetzung gebracht werden soll. Krones bekennt sich in seinen neueren Veröffentlichungen explizit zu seiner unternehmerischen Verantwortung. Doch schon bevor man die Kommunikation unter das Signet der Nachhaltigkeit stellte und ein strategisches Konzept einer Corporate Social Responsibility formulierte und umsetzte, bekannte sich das Unternehmen

522

Verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln

als korporativer Akteur zu seiner unternehmerischen Verantwortung. Dabei ist insbesondere ein konsequenter Stakeholderbezug seit vielen Jahren kennzeichnend für strategische Unternehmensentscheidungen. Die überwiegende Zahl der im Rahmen der CSR-Strategie gebündelten Maßnahmen gelangte bereits seit längerer Zeit zur Umsetzung. Die Innovation ist in der Integration dieser und aller übrigen Maßnahmen in ein strategisches und langfristiges Management- und Kommunikationskonzept zu sehen. Die gegenwärtige Situation lässt sich wie folgt beschreiben: Die im Rahmen der CSR-Strategie ergriffenen Maßnahmen werden von einer breiten Mehrheit der Mitarbeiter nicht nur wahrgenommen, sondern differenziert bewertet. Dabei existiert innerhalb der Belegschaft ein ausgeprägtes Bewusstsein für die CSR und die aus der Umsetzung von Strategie und Maßnahmen resultierenden Konsequenzen und Auswirkungen, wobei besonders hinsichtlich der ökonomischen Folgen ein sehr einheitliches Bild vorherrscht: Die Mitarbeiter verstehen die konsequente Umsetzung von CSR als essentiell für die Behauptung der Wettbewerbsfähigkeit sowie der Technologie- und Marktführerschaft. Eine deutliche Mehrheit der Belegschaft ist von einem großen Einfluss dieses Engagements auf bestimmte Anspruchsgruppen, ganz besonders aber auf die Kunden der Krones AG und auf die langfristige Sicherung des Unternehmenserfolgs überzeugt. Allerdings ließ sich ebenfalls konstatieren, dass das gewachsene Bewusstsein unter den Mitarbeitern zur Etablierung einer gewissen Erwartungshaltung beiträgt. So werden Vorzüge und Erfolge der Strategie honoriert, aber die eigenen Wünsche auch selbstbewusst formuliert und mögliche Schwachstellen identifiziert. Dieser Befund ließe sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf andere Stakeholder übertragen. Ursache und Wirkung lassen sich dabei freilich nicht immer klar voneinander trennen: So wie der generelle Anspruch der Stakeholder an die Unternehmen und die Forderung nach der Übernahme von Verantwortung wächst, bemühen sich die Unternehmen sowohl um den Ausbau ihrer Maßnahmen als auch um eine immer wirkungsvollere Kommunikation. Umgekehrt wird dadurch offenbar der Anspruch der Stakeholder gesteigert. So könnte ein race to the top entstehen, das aber – folgt man der Meinung der Mitarbeiter – von unterschiedlichsten Stellen honoriert würde und so keineswegs dem unternehmerischen Erfolg abträglich sei, sondern vielmehr zur Zukunftssicherung des Unternehmens beitrüge. Die Ergebnisse der Studie unterstrichen die wesentliche Bedeutung, die eine enge Verbindung zwischen Management- und Kommunikationskonzept einer CSR für ihren Erfolg hat. Nach Meinung der Mitarbeiter kann eine Durchdringung aller relevanten Anspruchsgruppen und die Sicherung des Erfolgs der Strategie nur durch eine enge Verknüpfung und ein effektives Ineinandergreifen beider Komponenten im Rahmen eines integrierten Konzepts gewährleistet werden. Die Kommunikation der CSR-Maßnahmen wird von den Mitarbeitern begrüßt und zugleich immer wieder eingefordert – und als wichtiges Instrument in der Au-

Zusammenfassung

523

ßendarstellung des Unternehmens wahrgenommen. Dabei sind sich die Mitarbeiter ihres reputations- und imagesteigernden Potenzials gegenüber allen Stakeholdern sehr wohl bewusst. Die Studie zeigte, dass eine genauere Kenntnis der Einzelmaßnahmen und der Hintergründe der Strategie unter den Mitarbeitern zu einer positiveren Bewertung des CSR-Engagements führt. CSR funktioniert nur dann, kann nur dann erfolgreich sein und ihre positive und reputationsfördernde Wirkung entfalten, wenn ihr durch ein effektives und umfassendes Kommunikationskonzept zur Gültigkeit verholfen wird. Das bekannte Diktum „Tue Gutes und sprich darüber“ ist von entscheidender Bedeutung für die Wahrnehmung und den langfristigen Erfolg des Managementkonzepts und der dahinter stehenden Strategie – sowohl unter den Mitarbeitern als auch, folgt man ihrer Auffassung, unter den übrigen Stakeholdern. Auf Basis der obigen Ergebnisse wurde die Empfehlung an das Unternehmen formuliert, trotz des gegenwärtig bereits relativ umfassenden Konzepts und des hohen Bewusstseins unter den Mitarbeitern keinesfalls bei dessen konsequenter Umsetzung und Weiterentwicklung nachzulassen, um so einerseits die Spitzenposition im Wettbewerb behaupten zu können, andererseits aber auch, um den weiter steigenden Ansprüchen der Stakeholder – darunter besonders auch den Kunden – aktiv zu begegnen. Sowohl das bisherige Managementkonzept als auch das Kommunikationskonzept weisen noch einige Schwächen auf, die zukünftig behoben werden sollten. Die Frage, ob ein Unternehmen durch die Umsetzung eines den Kriterien von Verantwortung und Nachhaltigkeit verpflichteten Management- und Kommunikationskonzepts bei seinen Mitarbeitern als wichtige Stakeholdergruppe ein Bewusstsein für die Bedeutung von Unternehmensethik und ihrer praktischen Ausformung im Rahmen von Corporate Social Responsibility schaffen kann, ist für den beobachteten Fall der Krones AG in jedem Fall zu bejahen.

6. Conclusio und Ausblick CSR als Kommunikations- und Managementkonzept verantwortlichen und nachhaltigen unternehmerischen Handelns und eine neue ethische Kommunikation Die Forderung, Corporate Social Responsibility als Kommunikations- und Managementkonzept verantwortlichen und nachhaltigen unternehmerischen Handelns bedürfe eines verbindlichen unternehmensethischen Fundaments, kann auch auf den kommunikativen Prozess über dieses Konzept übertragen werden. Durch die immer intensivere Beschäftigung der Unternehmen mit sogenannten weichen Wertschöpfungsfaktoren und eine zunehmende Stakeholderorientierung hat die Unternehmenskommunikation nicht nur an Bedeutung und Wertschätzung gewonnen, ihr wächst auch eine neue Verantwortung zu. Verglichen mit quantitativen Wachstumszielen war die konsequente Auseinandersetzung mit Kommunikation als Wertschöpfungsfaktor über viele Jahre für zahlreiche Unternehmensvorstände ein Luxusthema.1 Das gestiegene Bewusstsein für unternehmerische Verantwortung aber auch das Wissen darum, dass – wie die Unternehmensberatung Ernst & Young schätzt – etwa zwei Drittel des Marktwertes einer börsennotierten Gesellschaft aus den „intangible assets“ Wissen, Image und Beziehungen bestehen, haben dazu geführt, dass Öffentlichkeits- und Kommunikationsarbeit vermehrt als strategisches ganzheitliches Kommunikationsmanagement verstanden werden.2 Die Kommunikation trägt dabei mittlerweile – wie auch in dieser Arbeit mehrfach gezeigt wurde – entscheidend zur Umsetzung von Managementkonzepten bei: „Kommunikation hält […] das Ganze zusammen, ist also nicht in erster Linie Instrument (z.B. des Marketing), sondern sichert die Überlebensfähigkeit und Anschlussfähigkeit“ der ganzen Unternehmung.3 Die „Kommunikation – als eine Kette von Handlungen, Beziehungen und Entscheidungen – generiert also gewissermaßen erst das soziale System ‚Unternehmen‘“ und ist nicht länger ein Anhängsel der eigentlichen Geschäftstätigkeit, sondern ein „Kerngeschäftsprozess, indem es Beziehungen innerhalb des Systems und nach außen gestaltet, Resonanz erzeugt und in diesem Sinne für Nachhaltigkeit sorgt“ und so den Erfolg eines CSR-Konzepts überhaupt erst ermöglicht.4 Indem die „Berichterstattung zu Indikatoren indirekt auf dahinter liegende Managementsysteme und -prozesse verweist“, wird die Managementsubstanz eines Unternehmens erst durch die Berichterstattung über sie sichtbar 1 2 3 4

Vgl. Neuwald/Würzberg: Treiber des Wertmanagements, S. 1. Vgl. Neuwald/Würzberg: Treiber des Wertmanagements, S. 15. Neuwald/Würzberg: Treiber des Wertmanagements, S. 12ff. Neuwald/Würzberg: Treiber des Wertmanagements, S. 12ff.

Conclusio und Ausblick

525

und zu einem maßgeblichen Wert auskommuniziert: Erfolgreiches Management entsteht durch erfolgreiches Reporting.5 Diese Entwicklung wird maßgeblich von den gestiegenen Erwartungen von Medien und Öffentlichkeit, aber auch Kunden und Anlegern beeinflusst, wirkt aber – wie dargestellt – zugleich auf diese Anspruchsgruppen zurück, indem ein neuer Anspruch der Stakeholder gegenüber dem Unternehmen begründet wird. Für die Unternehmen ist die Qualität ihrer Stakeholderbeziehungen zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor geworden, den sie wiederum unmittelbar über ihre Kommunikationsmaßnahmen beeinflussen können. Daraus begründet sich der herausragende Stellenwert, den die Berichterstattung über CSR inzwischen für nahezu jedes Unternehmen erlangt hat. „Wenn Unternehmen über CSR berichten, sind sie zugleich auf dem Weg, relevante Stakeholderansprüche in umfassendem, steuer- und kontrollierbarem Sinn zu managen.“6 Für das Unternehmen zahlt sich der Einsatz aus: Erfolge – auch an den Finanzmärkten – werden für verantwortlich und nachhaltig wirtschaftende Unternehmen immer mehr spür- und bilanzierbar, „vorausgesetzt, sie tun nicht nur Gutes, sondern reden auch darüber“.7 Zwischen der Dialogfähigkeit eines Unternehmens, der Art und Weise, wie sie ihre Stakeholderansprüche managen, und der Reputation besteht ein enger Zusammenhang: Ein Reputationsgewinn als das Ergebnis eines längerfristigen öffentlichen und gesellschaftlichen Prozesses erfordert zwingend eine „transparente und vor allem aktive öffentliche Kommunikation“.8 Entscheidend ist dabei, dass das Unternehmen sich auch in seinen Kommunikationsmaßnahmen an den Kriterien der Verantwortung und Nachhaltigkeit messen lässt. Die Chance und die Verpflichtung, durch das klare Bekenntnis zu verantwortungsvollem und nachhaltigem Handeln der Erwartung der unterschiedlichen Anspruchsgruppen zu entsprechen und die globalen Herausforderungen anzunehmen, stellt neue Herausforderungen an eine ethische Kommunikation. Dabei kommt es wesentlich auf die Verbindung aus einer eindeutigen Stakeholderorientierung und einem darüber hinausreichenden klaren Ethik- und Wertebezug an.9 „Die Frage ist doch, ob du den Worten einfach so viele verschiedene Bedeutungen geben kannst“, sagt Alice im Motto ganz zu Beginn dieser Arbeit. „Die Frage ist, wer die Macht hat – und das ist alles“, lässt Lewis Carroll Humpty Dumpty, den Goggelmoggel, in ihrer Diskussion über Semantik erwidern.

5 6 7

8 9

Steinert: CSR, S. 13. Steinert: CSR, S. 13. Vgl. Gregor Schönborn: Sustainability Communications – Kommunikation für nachhaltige Unternehmensstrategien. In: Günter Bentele u.a. (Hg.): Kommunikationsmanagement. Neuwied u.a. 2001ff. (Loseblattsammlung): 1.10 (November 2001), S. 6. Steinert: CSR, S. 25. Vgl. auch Steinert: CSR, S. 13.

526

Conclusio und Ausblick

Abbildung 77: Alice und Humpty Dumpty, Illustration: John Tenniel (1871)

Kommunikation an sich ist immer schon ethisch – spätestens aus dem normativen Aspekt der Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit aber resultiert eine Verantwortung für das eigene kommunikative Verhalten gegenüber allen Stakeholdern. Dass bei der Kommunikation der Forderung nach Sachlichkeit und Informativität sowie Deckungsgleichheit zwischen tatsächlichem Engagement und der dazu vorgenommenen entsprechenden Kommunikation stets nachzukommen ist, sollte eine Selbstverständlichkeit darstellen.10 Schließlich provoziert eine nicht sorgfältige oder nicht wahrheitsgemäße CSR-Kommunikation öffentliche Kritik und hat unabwägbare Image- und Reputationsverluste zur Folge.11 Unternehmenskommunikation muss mehr leisten: Der Anspruch namhafter Medienwissenschaftler, die Public Relations bildeten das ethische Gewissen eines Unternehmens, sah sich immer wieder der harschen Kritik der Organisationstheoretiker ausgesetzt.12 Begreift man sie aber als vom Unternehmen als korporativer Akteur und allen seinen Entscheidungsträgern im Rahmen eines strategischen Kommunikationskonzepts getragene Strategie zur Gewährleistung eines Stakehol10 Vgl. hierzu wie auch zum Folgenden Glombitza: Corporate Social Responsibility in der Unternehmenskommunikation, S. 131. 11 Vgl. auch Steinert/Klein: CSR – Herausforderung an die Unternehmenskommunikation, S. 17. 12 Vgl. Horst Avenarius: Public Relations: die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation. Darmstadt 1995, S. 398.

Conclusio und Ausblick

527

derdialogs, hat sie sich einem ethischen Anspruch zu stellen: „Public relations is the function that introduces the values and problems of stakeholders into strategic decisions, and that introduces a moral element to these decisions.“13 Aus Sicht der Finanzmärkte erweist sich gesellschaftliche Verantwortung darin, „wie ein Unternehmen relevante ökonomische, ökologische und soziale Herausforderungen (‚issues‘) identifiziert und managt, um so den Unternehmenswert nachhaltig zu entwickeln“.14 Wenn erfolgreiche CSR daran gemessen wird, inwieweit es ihr gelingt, Herausforderungen in die Wettbewerbsstrategie und damit in die Unternehmenszielsysteme zu integrieren, um daraus Marktchancen für die Zukunft zu entwickeln15, muss Kommunikation über CSR daran gemessen werden, inwieweit es ihr gelingt, ihr notwendiges ethisches Fundament in einen erfolgreichen Stakeholderdialog zu integrieren. Durch die Kommunikation unternehmensethischer Maßnahmen und die Umsetzung in einer konkreten Strategie wird ein Bewusstsein für die Bedeutung von CSR etabliert. Zugleich werden dadurch unter den Stakeholdern ethische Ansprüche geweckt und begründbar gemacht. Das Unternehmen sensibilisiert sich durch die Entwicklung und Umsetzung des Managementkonzepts der CSR gewissermaßen selbst für die Relevanz der unternehmensethischen Fundierung seiner Handlungen, während bei den Stakeholdern als Adressaten durch das Kommunikationskonzept der CSR ein Bewusstsein für die Wichtigkeit einer auf unternehmensethischen Kriterien fußenden Handlungsweise geweckt wird. Daraus wiederum resultiert ein ethischer Anspruch der Stakeholder, der sich nicht nur an den kommunikativen Prozess richtet, sondern auf einer metakommunikativen Ebene auch wieder an das Unternehmen als Kommunikator und korporativen Akteur adressiert ist. Diesem Anspruch an eine ständige Weiterentwicklung des Management- und Kommunikationskonzepts gerecht zu werden, ist eine wesentliche unternehmerische Herausforderung. Dass sich gute Gründe dafür anführen lassen, die Ansprüche seiner Stakeholder ernst zu nehmen, hat die Arbeit gezeigt. Für die Kommunikation bietet diese Anspruchsspirale eine große Chance: als Steigbügelhalter die wichtige Brückenfunktion, die der Unternehmensethik zukommen kann, zu befördern und damit nicht zuletzt auch die eigene Werthaltigkeit zu unterstreichen.

13 James E. Grunig/Todd T. Hunt: Managing Public Relations. New York 21995, S. 28. 14 Steinert: CSR, S. 18f. 15 Vgl. Steinert: CSR, S. 19f.

7. Anhang Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen Abbildung 1: Übernahme von Verantwortung gegenüber dem Arbeitgeber nach Hierarchieebene

439

Abbildung 2: Übernahme von Verantwortung gegenüber hergestellten Produkten nach Hierarchieebene

440

Abbildung 3: Übernahme von Verantwortung für Umsetzung der Unternehmensziele nach Hierarchieebene

440

Abbildung 4: Übernahme von Verantwortung gegenüber Mitarbeitern/Vorgesetzten nach Hierarchieebene

441

Abbildung 5: Prognose zukünftiger Herausforderungen für Krones

444

Abbildung 6: Bewertung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ERA-KES in unterschiedlichen Gruppen

450

Abbildung 7: Bewertung der Betriebskindertagesstätte Kroki

450

Abbildung 8: Bewertung der derzeitigen CSR-Maßnahmen im Sample

452

Abbildung 9: Möglichkeiten, im Rahmen der Arbeit etwas bewegen und verändern zu können in unterschiedlichen Gruppen

455

Abbildung 10: Gründe für große/sehr große Möglichkeit, etwas bewegen und verändern zu können

456

Abbildung 11: Gründe für geringe/gar keine Möglichkeit, etwas bewegen und verändern zu können

458

Abbildung 12: Bewertung des Engagements der Krones AG für die Umwelt

460

Abbildung 13: Gewünschtes Engagement der Krones AG für die Umwelt

461

Abbildung 14: Bewertung des Engagements der Krones AG für die Mitarbeiter

462

Abbildung 15: Gewünschtes Engagement der Krones AG für die Mitarbeiter

463

Abbildung 16: Gewünschtes Engagement der Krones AG für die Gesellschaft

465

Abbildung 17: Gewünschtes Engagement der Krones AG für die Region

466

Abbildung 18: Bewertung des Engagements der Krones AG für die Kunden

467

Abbildung 19: Gewünschtes Engagement der Krones AG für die Kunden

467

Abbildung 20: Bewertung des Engagements der Krones AG für die Gesellschaft ohne Kenntnis des CSR-Reports und mit Kenntnis des CSR-Reports im Vergleich

468

Abbildung 21: Bewertung des Engagements der Krones AG für die Mitarbeiter ohne Kenntnis des CSR-Reports und mit Kenntnis des CSR-Reports im Vergleich

469

Abbildung 22: Bewertung des Einflusses der CSR auf die Möglichkeit des Unternehmens, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen bzw. auf die Attraktivität der Krones-Standorte

471

530

Anhang

Abbildung 23: Bewertung des Einflusses der CSR auf die Möglichkeit des Unternehmens, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen in unterschiedlichen Gruppen

471

Abbildung 24: Bewertung des Einflusses der CSR auf Verbände

473

Abbildung 25: Bewertung des Einflusses der CSR auf die Auftragslage in unterschiedlichen Gruppen

475

Abbildung 26: Bewertung des Einflusses der CSR auf den Unternehmenserfolg in unterschiedlichen Gruppen

475

Abbildung 27: Bewertung des Einflusses der CSR auf die Stärkung des Standorts Deutschland in unterschiedlichen Gruppen

476

Abbildung 28: Übersicht: Einfluss der CSR auf bestimmte Faktoren und Anspruchsgruppen

477

Abbildung 29: Bewertung der Bedeutung der Arbeitssicherheit an den Krones Standorten für den Krones-Kunden der Zukunft

480

Abbildung 30: Bewertung der Bedeutung des Bekenntnisses der Krones AG zum Standort Deutschland für den Krones-Kunden der Zukunft in unterschiedlichen Gruppen

481

Abbildung 31: Bewertung der Bedeutung von Krones als bodenständiger FamilienAG für den Krones-Kunden der Zukunft in unterschiedlichen Gruppen

481

Abbildung 32: Bewertung der Bedeutung bestimmter Faktoren und Entwicklungen für den Krones-Kunden der Zukunft

482

Abbildung 33: Nutzungsgrad des Krones Intranets in unterschiedlichen Gruppen

484

Abbildung 34: Derzeitige mediale Vermittlung von CSR über das Krones Intern

485

Abbildung 35: Nutzungsgrad des Krones Intern in unterschiedlichen Gruppen

486

Abbildung 36: Derzeitige mediale Vermittlung von CSR über das Krones Magazin

487

Abbildung 37: Nutzungsgrad des Krones Magazins in unterschiedlichen Gruppen

487

Abbildung 38: Nutzungsgrad des Krones Geschäftsberichts/Quartalsberichts in unterschiedlichen Gruppen

489

Abbildung 39: Derzeitige mediale Vermittlung von CSR über den CSR-Bericht

489

Abbildung 40: Nutzungsgrad des Krones CSR-Berichts in unterschiedlichen Gruppen Gruppen 490 Abbildung 41: Derzeitige mediale Vermittlung von CSR über den Krones-Umweltbericht

491

Abbildung 42: Nutzungsgrad des Krones-Umweltberichts in unterschiedlichen Gruppen

491

Abbildung 43: Derzeitige Vermittlung von CSR über Vorgesetzte

492

Abbildung 44: Derzeitige mediale Vermittlung von CSR über die Krones Homepage

493

Abbildung 45: Nutzungsgrad der Krones Homepage in unterschiedlichen Gruppen

493

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

531

Abbildung 46: Wunsch nach Menge von CSR-Informationen in unterschiedlichen Gruppen

494

Abbildung 47: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über das Intranet

497

Abbildung 48: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über das Krones Intern

497

Abbildung 49: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über das Krones Magazin

499

Abbildung 50: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über die überregionale Presse

499

Abbildung 51: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über die regionale Presse

500

Abbildung 52: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über Produktbroschüren

501

Abbildung 53: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über den Krones Geschäftsbericht/Quartalsbericht

501

Abbildung 54: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über den CSR-Bericht

502

Abbildung 55: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über den Umweltbericht

502

Abbildung 56: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über Vorgesetzte

503

Abbildung 57: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über Kollegen

504

Abbildung 58: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über die Krones Homepage

504

Abbildung 59: Wunsch nach stärkerer medialer Vermittlung von CSR über Aushänge am Schwarzen Brett

505

Abbildung 60: Haltung zur Aussage: Die Öffentlichkeit über die Maßnahmen verantwortlichen Handelns zu informieren, steigert das Ansehen der Krones AG

506

Abbildung 61: Haltung zur Aussage: Wenn Krones seine Mitarbeiter gut über seine Maßnahmen verantwortlichen Handelns informiert, so wird dadurch deren Motivation weiter gesteigert

507

Abbildung 62: Haltung zur Aussage: Krones sollte seine Kunden über seine Maßnahmen verantwortlichen Handelns informieren, weil das die Auftragslage positiv beeinflusst

508

Abbildung 63: Haltung zur Aussage: Die Umstellung auf Gruppenarbeit fördert die Eigenverantwortung des Einzelnen

508

Abbildung 64: Haltung zur Aussage: Die Qualität seiner Produkte zu sichern, hat für Krones stets höchste Priorität

509

532

Anhang

Abbildung 65: Haltung zur Aussage: Krones bietet seinen Leiharbeitern ausreichend Möglichkeiten zur Übernahme in feste Beschäftigungsverhältnisse

510

Abbildung 66: Haltung zur Aussage: Krones sollte besonderen Wert auf einen guten Service legen, da dieser das Aushängeschild des Unternehmens ist

511

Abbildung 67: Haltung zur Aussage: Krones nimmt bei der Produktion Rücksicht auf den Schutz und die Gesundheit seiner Mitarbeiter

512

Abbildung 68: Haltung zur Aussage: Arbeitsplätze bei Krones sind sicher.

513

Abbildung 69: Haltung zur Aussage: Für den Erfolg der Krones-Produkte ist es unerheblich, wo diese hergestellt werden

514

Abbildung 70: Haltung zur Aussage: Krones investiert ausreichend viel in Forschung und Entwicklung

515

Abbildung 71: Haltung zur Aussage: Krones nutzt die Potenziale älterer Arbeitnehmer und hält diese für den Arbeitsmarkt fit

516

Abbildung 72: Haltung zur Aussage: Bei Krones wird Wert auf geeignete Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gelegt

517

Abbildung 73: Haltung zur Aussage: Krones nimmt bei der Produktion auch Rücksicht auf die Belange der Umwelt

518

Abbildung 74: Haltung zur Aussage: Krones ist im internationalen Wettbewerb gut aufgestellt.

519

Abbildung 75: Haltung zur Aussage: Krones erkennt neue Trends, bevor der Kunde danach fragt

520

Abbildung 76: Haltung zur Aussage: Häufig sind die Bedürfnisse und Forderungen der Kunden der Anstoß für technologische Innovation bei Krones

520

Abbildung 77: Alice und Humpty Dumpty, Illustration: John Tenniel (1871)

526

Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen

533

Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen AA1000S Account Ability Accounting and Reporting Standard BCSD Business Council for Sustainable Development BDA Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände BDI Bundesverband der Deutschen Industrie BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit CC Corporate Citizenship CG Corporate Governance CorA (Corporate Accountability) Netzwerk für Unternehmensverantwortung CSR Corporate Social Responsibility DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex DGB Deutscher Gewerkschaftsbund DJSI Dow Jones Sustainability Indizes DSI Domini 400 Social Index EKD Evangelische Kirche in Deutschland FAO Food and Agriculture Organization of the United Nations (Welternährungsorganisation) GRI Global Reporting Initiative HRE Hypo Real Estate Group AG IAA Internationales Arbeitsamt ILO Internationale Arbeitsorganisation INSM Initiative neue Soziale Marktwirtschaft IÖW Institut für ökologische Wirtschaftsforschung IW Institut der deutschen Wirtschaft Köln IZT Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung MBS mortgage backed securities MDAX Mid-Cap-DAX (deutscher Aktienindex) NGO Non-Governmental Organization (Nichtregierungsorganisation) OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung SDRC Sustainable Development Research Center SRI Social Responsible Investment UN Vereinte Nationen UNGC UN Global Compact USA Vereinigte Staaten von Amerika WBCSD World Business Council for Sustainable Development WICE World Industry Council for the Environment WWF World Wildlife Fund for Nature

534

Anhang

Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit findet in der Arbeit in der Regel die männliche Variante eines Wortes zur Beschreibung von Personengruppen beiderlei Geschlechts Verwendung (beispielsweise „Mitarbeiter“ statt „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“).

Verzeichnis der verwendeten Literatur

535

Verzeichnis der verwendeten Literatur Forschungsliteratur Abel, Wilhelm: Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa. Versuch einer Synopsis. Hamburg u.a. 1974. Adam, Bernd: Marktwirtschaft oder Geldwirtschaft. Die Relevanz ökonomischer Sichtweise für eine Ethik zukunftsverantwortlichen Wirtschaftens. In: Bausch, Thomas u.a. (Hg.): Zukunftsverantwortung in der Marktwirtschaft. Münster 2000 (= Ethik und Wirtschaft im Dialog 3), S. 110–123. Adams, F. Gerard: The World Financial Crisis: New Economy, Globalization and Old-Fashioned Philosophy. In: World Economics 10 (2009), S. 45–58. Adorno, Theodor W.: Kritik. In: Ders.: Kleine Schriften zur Gesellschaft. Frankfurt a.M. 1971, S. 10–19. Adorno, Theodor W.: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt a.M. 1984 [1951] (= Bibliothek Suhrkamp 236). Aguilera, Ruth V. u.a.: Putting the S Back in Corporate Social Responsibility. A Multi-Level Theory of Social Change in Organizations. Champaign 2005 (= University of Illinois College of Business Working Paper 04-0107). Akerlof, George A./Shiller, Robert J.: Animal Spirits: How Human Psychology Drives the Economy, and Why It Matters for Global Capitalism. Princeton u.a. 2009. Albach, Horst: Betriebswirtschaftslehre ohne Unternehmensethik! In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 75 (2005), S. 809–831. Albert, Hans: Marktsoziologie und Entscheidungslogik. Zur Kritik der reinen Ökonomie. Tübingen 1998. Albert, Hans: Ökonomische Ideologie und politische Theorie. Das ökonomische Argument in der ordnungspolitischen Debatte [1954]. Göttingen 1972 (= Monographien zur Politik 4). Albert, Hans: Traktat über kritische Vernunft. Tübingen 31975. Albert, Michel: Kapitalismus contra Kapitalismus. Frankfurt a.M. u.a. 1992. Allmendinger, Jutta/Hinz, Thomas: Perspektiven der Organisationssoziologie. In: Diesn. (Hg.): Organisationssoziologie. Wiesbaden 2002 (= Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderhefte 42), S. 9–28. Alt, Franz: Eine unzeitgemäße Botschaft. In: Der Spiegel Nr. 39 v. 21.09.1981, S. 30f. Altaner, Berthold/Stuiber, Alfred: Patrologie. Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter. 7., völlig neubearb. Aufl. Freiburg i.Br. 1966. Altrichter, Herbert/Posch, Peter: Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht. Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsevaluation durch Aktionsforschung. Bad Heilbrunn 42007. Ambrosius, Gerold: Die Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft in Westdeutschland 1945–1949. Stuttgart 1977. Amery, Carl: Das Ende der Vorsehung. Die gnadenlosen Folgen des Christentums. Reinbek 1972. Andersen, Torben M.: Fiscal Policy and the Global Financial Crisis. Aarhus 2009 (= Economics working paper 2009,7). Andriof, Jörg/McIntosh, Malcolm: Introduction. In: Diesn. (Hg.): Perspectives on Corporate Citizenship. Sheffield 2001, S. 13–24. Anheier, Helmut K. u.a. (Hg.): Der Dritte Sektor in Deutschland. Organisationen zwischen Staat und Markt im gesellschaftlichen Wandel. Berlin 1997.

536

Anhang

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Verzeichnis der verwendeten Literatur

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Verzeichnis der verwendeten Literatur

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560

Anhang

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Verzeichnis der verwendeten Literatur

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Klüver, Reymer: Aufgewacht mit leerem Magen. In der Wirtschaftskrise verkehrt sich der amerikanische Traum ins Gegenteil: Mehr als 30 Millionen Menschen sind schon auf Lebensmittelhilfe angewiesen, und die Zahlen steigen weiter an. Barack Obama übernimmt ein Land der ungebremsten Abstürze. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 7 v. 10.01.2009, S. 3. Köcher, Renate: Wasser auf die Mühlen der Linken. Die Finanzkrise erschüttert nicht nur das Vertrauen in die Finanzwelt, sondern ändert auch das Weltbild der Bürger. Frühere Vorstellungen feiern Urständ. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 247 v. 22.10.2008, S. 5. Kröher, Michael O.R.: Good Company Ranking. Tue Gutes und profitiere davon. In: manager magazin (2005), Nr. 2, S. 80–96. Lebensmittelnot. Weltweit hungert jeder sechste Mensch. In: Spiegel Online v. 19.06.2009, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,631284,00.html [aufgerufen am 19.06.2009]. Lehren aus Finanzkrise: Obama will Banken verzwergen. In: Spiegel Online v. 21.01.2010, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,673293,00.html [aufgerufen am 22.01.2010]. Ludwig, Udo: Anatomie einer Pleite. Wie deutsche Senioren in der Lehman-Falle landeten. In: Spiegel Online v. 09.03.2009, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,612195, 00.html [aufgerufen am 04.06.2009]. Maschinenbauer erwarten weiteres Krisenjahr. In: Handelsblatt v. 29.12.2009, URL: http://www.handelsblatt.com/deutschland-maschinenbauer-erwarten-weitereskrisenjahr;25056 23 [aufgerufen am 12.01.2010]. McDonald’s: Fastfood-Kette wird grün. In: Focus Online v. 23.11.2009, URL: http://www.focus.de/panorama/vermischtes/mcdonalds-fastfood-kette-wird-gruen_aid_456774.html [aufgerufen am 10.06.2011]. Merkel geißelt hohe Manager-Gehälter. In: Focus Online v. 03.12.2007, URL: http://www.focus.de/politik/deutschland/hannover_aid_228139.html [aufgerufen am 29.05.2009]. Moderne Entwicklungshilfe. In: DIE ZEIT Nr. 22 v. 02.06.1967, URL: http://www.zeit.de/ 1967/22/Moderne-Entwicklungshilfe [aufgerufen am 29.12.2009]. Mussler, Werner: Die Lehren der Anderen. Viele tonangebende Ökonomen reagieren bissig auf Kritik. Sie sollten lieber daraus lernen. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 21 v. 24.05.2009, S. 32. Nienhaus, Lisa: Der Krach der Ökonomen. Erst ging es nur um ein paar Lehrstühle in Köln. Jetzt geht es ums Grundsätzliche: Was wird aus unserer Volkswirtschaft? In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 24 v. 14.06.2009, S. 34. Oberhuber, Nadine: Immer noch beraten und verkauft. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 24 v. 14.06.2009, S. 37. Pfannenmüller, Judith: Die neue Macht der Moralisten. In: Werben & Verkaufen Nr. 16 v. 17.04.2008, S. 12–15. Pläne für schärfere Regulierung: Schwarz-Gelb applaudiert Obamas Bankenattacke. In: Spiegel Online v. 22.01.2010, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518, 673453,00.html [aufgerufen am 22.01.2010]. Regeln für Manager. Große Koalition beschließt Strafen für Bosse. In: Spiegel Online v. 23.04.2009, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,620826,00.html [aufgerufen am 26.05.2009]. Riedel, Silke: CSR als Risikotreiber in Unternehmen? Oder was der Klimawandel mit der Börse zu tun hat! In: Glocalist Magazine 15 (2007), S. 25.

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Anhang

Schäuble will Banken an Krisenkosten beteiligen. In: Spiegel Online v. 23.01.2010, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,673677,00.html [aufgerufen am 23.01.2010]. Schäuble, Wolfgang: „Der Finanzsektor muss angemessen an den Kosten der Krise beteiligt werden“. In: Welt am Sonntag Nr. 4 v. 24.01.2010, S. 2. Schieritz, Mark: Was von den Schätzen bleibt. Jahrelang wuchs die afrikanische Wirtschaft dank hoher Rohstoffpreise. Jetzt warnt die UNO vor Aufständen. In: Die Zeit Nr. 23 v. 28.05.2009, S. 26. Schuler, Katharina: Managervergütung. Koalition knöpft sich die Banken vor. In: Zeit Online v. 19.02.2009, URL: http://www.zeit.de/online/2009/08/bonuszahlungen [aufgerufen am 29.05.2009]. Sorge, Petra: Ernährungskrise. Entwicklungshelfer vermissen Milliardenpaket gegen Hunger. In: Spiegel Online v. 16.10.2008, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518, 584128,00.html [aufgerufen am 29.05.2009]. Sozial oder nicht? In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 2 v. 16.01.2011, S. 29. Sparprogramm. Vattenfall will 100 Millionen sparen – Arbeitsplätze bedroht. In: Spiegel Online v. 30.12.2007, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,525900,00.html [aufgerufen am 29.10.2009]. SPD auf Linkskurs. Müntefering nimmt sich Ackermann vor. In: Spiegel Online v. 16.04.2005, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,351731,00.html [aufgerufen am 29.05.2009]. Spitzelaffären ohne Ende. Bahn und andere Unternehmen. In: Handelsblatt v. 18.04.2009, URL: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/spitzelaffaeren-ohneende;2243400 [aufgerufen am 26.05.2009]. Theologie der Befreiung. In: Der Spiegel Nr. 4 v. 22.01.1979, S. 176. Thielemann, Ulrich: Nun reden Manager wieder von Ethik. Erst kommen die betrügerischen Gross-Pleiten à la Worldcom, dann folgt der neue, opportunistische Ethik-Boom. In: Zürcher Tages-Anzeiger v. 08.07.2002, S. 42. Unfried, Peter: Nachhaltiger Konsum. Wunderbare Welt der Lohas. In: die tageszeitung v. 22.09.2007, URL: http://www.taz.de/index.php?id=start&art=5024&id=alltag-artikel&src =AR&cHash=f537e6797f [aufgerufen am 12.10.2010]. US-Immobilienblase. „Alle Ballons kommen runter“. In: Spiegel Online v. 14.03.2006, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,405785,00.html [aufgerufen am 04.06.2009].

Register

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Register Personenregister Adorno, Theodor W. 240 Akerlof, George A. 197, 198 Albach, Horst 208, 231 Albertus Magnus 31 Althaus, Paul 137 Annan, Kofi 320, 328 Apel, Karl-Otto 233, 237, 238, 240, 243, 246, 366, 367 Aristoteles 14, 31, 32, 88, 210, 248, 354 Aßländer, Michael S. 216, 218, 292 Barth, Karl 137 Baumgarten, Otto 137, 359 Benedikt XVI. 108–111 Beschorner, Thomas 273 Bismarck, Otto v. 49, 67, 125, 126 Böhm, Franz 54, 141 Bowen, Howard 317 Brundtland, Gro Harlem 339, 340 Brunner, Emil 137 Buchanan, James F. 56, 221 Bultmann, Rudolf 137 Calvin, Johannes 42, 132, 354 Capurro, Rafael 264, 265, 302 Dibelius, Otto 141, 153 Dietze, Constantin v. 141, 145, 146 Diouf, Jacques 182, 183 Duchrow, Ulrich 152, 172 Dyllick, Thomas 195 Elert, Werner 137 Enderle, Georges 278, 280, 287–291 Erhard, Ludwig 53, 54, 143, 360 Eucken, Walter 53, 141, 160, 219 Freeman, R. Edward 318, 331 Friedman, Milton 195, 201, 207, 208, 271, 272, 318, 347 Geser, Hans 289, 290 Gierke, Otto v. 279 Gogarten, Friedrich 137 Gutenberg, Erich 205 Habermas, Jürgen 233, 237–239, 243, 366, 367 Harnack, Adolf v. 50, 129, 137, 359 Hayek, Friedrich A. 208

Herms, Eilert 147, 148 Hirsch, Emanuel 137 Homann, Karl 18, 184, 215, 218, 220–222, 226–233, 249, 251–253, 255, 286, 364– 366 Honecker, Martin 98, 122, 154 Horkheimer, Max 236 Jesus 26, 27, 37, 123 Johannes Paul II. 98, 102, 104 Johannes XXIII. 83, 111 Jonas, Hans 275, 291 Kalveram, Wilhelm 205 Kambartel, Friedrich 239 Kant, Immanuel 111, 112, 215, 226, 235, 236, 240–242, 254, 278, 283, 328, 345, 365, 453 Ketteler, Wilhelm Emmanuel v. 47, 59–64, 66, 68, 70 Keynes, John Maynard 52, 154, 198, 258 Köhler, Horst 185, 188, 189 Kolping, Adolph 48, 129 Koslowski, Peter 245–247, 255 Kutter, Hermann 138 Leo XIII. 63, 65, 86, 87, 355, 357 Löhr, Albert 215, 233, 239, 255, 279, 365 Loitlsberger, Erich 266 Lorenzen, Paul 239 Luhmann, Niklas 91, 208, 209, 222, 281, 286 Luther, Martin 35–43, 124, 125, 130, 132, 133, 146, 158, 159, 354, 359 Lyotard, Jean-François 265 Malthus, Thomas 45, 210, 223 Marx, Karl 38, 46 Merkel, Angela 186, 187 Mill, John Stuart 45, 210 Müller-Armack, Alfred 54, 123, 142, 143, 145, 356, 360 Müntefering, Franz 164, 185, 189 Naumann, Friedrich 48, 128, 135, 136 Nell-Breuning, Oswald v. 72, 74, 75, 78, 79, 81, 85 Obama, Barack 188

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Anhang

Palazzo, Guido 292, 348 Paul VI. 96, 99, 107 Pesch, Heinrich 51, 70–72, 75, 356 Pies, Ingo 222, 224, 225, 227, 292 Pius XI. 80, 87, 356 Pius XII. 82, 83, 90, 91 Polanyi, Karl 236 Porter, Michael E. 347 Rade, Martin 129, 137, 359 Ragaz, Leonhard 138 Rawls, John 184, 361 Reagan, Ronald 272 Rich, Arthur 76, 146–148 Ruggie, John G. 263 Samuelson, Paul A. 198, 199, 272 Schleiermacher, Friedrich D.E. 123 Simmel, Georg 38, 130, 196 Smith, Adam 45, 49, 62, 68, 123, 197, 210, 221, 223, 248 Sombart, Werner 32, 34, 50, 135 Stehr, Nico 195, 196

Steinmann, Horst 204, 215, 233, 238–240, 243, 246, 255, 258, 279, 365 Thatcher, Margaret 272, 320 Thielemann, Ulrich 311 Thomas von Aquin 30–32, 60, 88 Tillich, Paul 137 Troeltsch, Ernst 50, 129, 130, 133, 134, 137, 359 Tugendhat, Ernst 237 Ulrich, Peter 18, 30, 39, 76, 152, 172, 204, 207, 212, 215, 218, 232–238, 240–260, 264, 266, 279, 281, 287, 311, 349, 354, 365–367 Weber, Max 22, 44, 50, 83, 84, 130–135, 147, 151, 206, 207, 211, 266, 280, 284, 329, 330, 351, 359 Weizsäcker, C. Christian v. 234 Wichern, Johann Heinrich 48, 127 Wieland, Josef 215, 293, 311, 364 Wünsch, Georg 51, 137, 138, 360

Sachregister Alte Kirche 27, 28, 353 Altes Testament 17, 20, 23 Anspruchsgruppen 16–19, 161, 163, 164, 170, 171, 173–175, 191, 192, 194, 195, 198, 267, 273, 284, 298, 302, 330, 334, 341, 350, 351, 362, 363, 369–371, 401, 414, 430, 470–472, 476, 477, 521, 522, 525 Brent Spar 202, 301, 302 Business Case 332, 336, 341, 346, 349, 369, 411 Business Ethics 274 Calvinismus 130, 132, 133, 359 CDU 76, 78, 80, 82, 187 christliche Kirche 16, 17, 22, 27, 46, 55, 57, 115, 117, 122, 125, 129, 130, 133, 174, 175, 351–353, 355, 357, 539, 550, 565, 575 Code of Conduct 312 cognitive maps 56 Corporate Citizenship 266, 274, 307, 318, 334, 335, 369 Corporate Governance 266, 326, 334, 337, 369

CSR 17–19, 170, 171, 179, 195, 202, 260, 265–268, 272–274, 294, 296, 297, 299, 300, 303–307, 309, 310, 312, 313, 316– 323, 325–338, 341, 342, 345–350, 362, 363, 369–371, 373–377, 379, 380, 385– 387, 391, 392, 395, 397, 398, 400–402, 405–415, 417–419, 421–424, 427–432, 442, 445, 446, 448, 451, 454, 456, 457, 459–480, 483, 485–507, 511–515, 517– 519, 521–527 Denkschrift 124, 141, 142, 149–152, 154– 169, 171–174, 351, 358, 360, 361 dialektische Theologie 137 Diskursethik 215, 218, 226, 233, 237, 238, 240–244, 247, 248, 256–259, 365–367 Dow Jones 177 Drei-Säulen-Modell 340, 344 Eigennutz 45, 101, 149–155, 159, 161, 253, 257, 336, 357, 360 Eigentum 25, 26, 29, 53, 60, 73–75, 80–82, 84, 86, 87, 90, 97, 101, 103, 105, 106, 113, 122, 137, 149, 193, 265, 337, 357

Register

EKD 48, 81, 116, 117, 122, 124–126, 138, 141, 148–151, 153–155, 157, 160, 161, 165, 172, 173, 358, 360 Enzyklika 45, 64–66, 69, 72–74, 76, 78, 83, 86–99, 101–110, 112, 128, 165, 174, 351, 355–357 Europäische Kommission 187 evangelische Sozialethik 57, 122, 123, 128, 137, 144, 145, 147, 153, 356, 358, 360 Experteninterview 371, 380, 382, 384, 387– 389, 392–394, 396, 427–430, 432, 442, 443, 474, 480, 483, 492, 509, 512, 516, 519 Finanzkrise 18, 101, 108, 175, 179, 184, 185, 188, 190, 197, 199–201, 306, 361, 363 Freiwilligkeit 26, 36, 98, 143, 163, 168, 173, 267, 319, 322, 328, 330–333, 342, 348, 394, 428, 433, 437 Frühkapitalismus 32, 33, 38, 40 Gefangenendilemma 157, 222, 224, 225, 228–230, 252, 257, 285 Geld 23, 25–30, 32, 33, 35, 36, 38, 39, 42, 81, 135, 140, 182, 186–188, 190, 193, 201, 209, 263, 270, 271, 305, 353, 354, 404 Gemeinwohl 31, 35, 49, 67, 72, 80, 87–90, 92, 99, 101, 108, 111, 114, 116, 124, 136, 143, 144, 149–152, 154, 155, 159, 161, 201, 252, 261, 267, 271, 355, 357–360, 368 Gerechtigkeit 20, 31, 32, 35, 54, 57, 63, 67, 72, 73, 81, 88–91, 93, 96–101, 106, 108, 110, 111, 114–117, 120, 126, 140, 142, 143, 145, 149, 151, 155, 160, 161, 168, 171–175, 183, 184, 189, 256, 258, 296, 297, 321, 332, 339, 341, 345, 346, 350, 354–357, 361, 362, 369, 374, 399, 411 Gesellschaft 22, 24, 27, 28, 41, 43, 47–49, 51, 53, 58, 59, 61–64, 66–70, 73–75, 84– 86, 88–93, 100, 106–110, 115, 116, 118– 120, 122, 125–130, 136–138, 141, 142, 145, 147, 149, 154–156, 159, 164, 165, 168–170, 172, 175, 180, 190, 191, 193, 195–197, 201, 203, 209, 210, 217, 219– 222, 226, 227, 230, 232, 235, 242, 245, 247, 250, 252, 253, 256, 257, 261–263,

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265, 266, 272, 273, 280, 281, 291, 293, 295, 296, 300, 314–316, 318, 319, 327– 330, 334, 335, 338, 341, 342, 345–347, 349, 351–359, 364, 365, 368, 369, 373, 374, 377, 397, 400, 407, 418, 430, 464, 465, 468, 469, 479, 482, 490, 499, 524 Gewerkschaft 52, 69, 76, 104, 116, 127, 136, 144, 321, 322 Global Compact 320, 321, 333 Globalisierung 15, 16, 55, 77, 99, 108, 109, 114, 117–119, 131, 151, 154–156, 161, 164, 166–169, 172–175, 181, 183, 184, 199, 203, 263–266, 273, 275, 282, 284, 296, 297, 299, 320, 350, 357, 361, 368, 370, 372, 374, 442, 444 GRI 323 Grünbuch 297, 321, 322, 328, 332 Handlung 14–16, 32, 53, 55–57, 67, 68, 77, 87, 109, 110, 112, 117, 120, 121, 128, 147, 148, 154, 158, 165, 195, 196, 206, 219, 221, 222, 224–226, 228–232, 235, 243, 244, 248, 249, 253, 256, 260, 261, 268, 277, 282–286, 288–294, 296, 303, 320, 327, 329, 332, 333, 345, 352, 357, 364, 368, 374, 375, 382, 385, 395, 397, 401, 415, 422, 424, 428, 429, 457, 459, 473, 524, 527 Hedgefonds 165, 186, 295, 362 homo oeconomicus 228, 251, 257, 351, 365, 367 Humanismus 33, 34, 95, 107, 142, 354 Hypo Real Estate 179, 180 Industrialisierung 33, 38, 45–48, 58, 61, 86, 94, 95, 122, 129, 135, 354, 355 Innovation 33, 156, 232, 315, 374–376, 379, 398, 401–403, 406, 415–417, 420, 424, 432, 448, 509, 516, 519, 520, 522 Institutionenökonomik 251 Juden 23, 24, 49, 135 Jungluthertum 137 katholische Soziallehre 22, 54, 57–60, 62– 69, 71, 74, 75, 77–80, 85, 86, 89, 91, 95, 98, 100, 101, 105, 106, 112–115, 118, 123–125, 128, 148, 205, 352, 355–358 Kirchengeschichte 22, 27, 157, 174, 352 Knappheit 18, 22, 23, 79, 100, 150, 194, 213, 219, 234, 235, 245, 248, 254, 256,

588

Anhang

258, 259, 262, 263, 296, 314, 324, 372, 388, 392, 399, 442–444, 478, 482, 517 Know-how 324, 398, 405, 408, 410, 417, 510 Kommunikation 15–18, 34, 100, 139, 163, 166, 167, 170, 171, 173, 192, 193, 198, 200, 209, 239, 243, 257, 267, 273, 274, 281, 286, 295, 302, 303, 311, 316, 334, 338, 342, 344–346, 348, 349, 351, 363, 367, 369–371, 376, 378, 379, 381, 382, 384, 386, 387, 390, 392, 393, 395, 396, 401, 407, 409–416, 418–424, 430, 431, 469, 473–476, 483, 487, 488, 492, 494– 498, 500–503, 505–507, 513–515, 518, 521–527 Konfessionalisierung 33, 34, 354 Konsument 109, 119, 154, 160, 163, 183, 195, 196, 229, 297, 343, 344, 361, 362 Konzil 83, 84, 91–94, 100 korporativer Akteur 61, 62, 260, 279–282, 285–288, 290, 292–294, 296–298, 300, 315, 334, 335, 349, 369, 371, 373, 374, 379, 521, 522, 526, 527 Laissez-faire-Kapitalismus 45, 77, 78, 143, 360 Lebensdienlichkeit 146, 234, 254, 260, 350, 366, 367, 369 Lehman Brothers 177, 180, 191, 361 liberale Theologie 137, 359 Liberalismus 49, 61, 71, 77, 78, 86, 89, 99, 210, 364 LOHAS 342, 343 Mainstream Economics 211, 233, 235, 248, 256, 366 Managementkonzept 17, 316, 329, 345, 370, 371, 373, 374, 376, 379, 386, 405, 408, 410–415, 418, 422, 424, 467–470, 490, 506, 507, 521, 523, 524, 527 Manager 110, 155, 166, 184–189, 191, 201, 232, 264, 271, 288, 306, 347 Marktwirtschaft 49–51, 53–55, 72, 75–79, 85, 106, 107, 116, 118–121, 126, 136, 141, 143–145, 150–152, 154–156, 159–161, 169, 172, 175, 193, 199, 204, 207, 208, 219, 226, 229, 231, 232, 235, 240, 246– 248, 252, 258, 272, 280, 319, 325, 356, 358, 360, 361, 366, 375 Merkantilismus 43, 51, 123

Mitarbeiter 18, 82–84, 153, 162, 163, 167, 170, 171, 186, 202, 250, 297, 300, 308, 312, 315, 319, 331, 338, 349, 351, 370– 377, 379, 382, 385–387, 389–393, 397– 406, 408–419, 421–439, 441–452, 454– 501, 503–523 Moral 17, 20, 101, 112, 142, 157, 174, 184, 199, 200, 210, 214, 216, 219–223, 226, 227, 230, 232, 233, 237, 238, 240–242, 244, 245, 248–253, 255–257, 259, 260, 264, 266, 267, 273, 288, 329, 352, 361, 363, 365–367, 369, 527 moral point of view 174, 241, 249, 256, 259, 367 Moralfähigkeit 279, 282, 286, 288–294, 334 Moralökonomik 232, 249–251 Nachhaltigkeit 18, 118, 120, 152, 161, 168, 170, 173, 184, 189, 198, 266, 267, 294, 302–304, 307–311, 313–315, 324, 325, 332–334, 338–347, 349, 358, 362, 363, 369, 371, 373–376, 378, 379, 386, 387, 397–399, 404, 406, 407, 413, 417, 421, 423, 428, 445, 464, 483, 489, 490, 492, 498, 521, 523–525 Nationalökonomie 45, 69, 123, 125, 128, 138, 145, 146, 176, 356, 358 Nationalsozialismus 52, 141, 142, 145, 146, 204, 360 Neoliberalismus 55, 71, 76–79, 107, 119, 145, 154, 168, 172, 207, 208, 248, 256, 273, 364 Neues Testament 25 Neuzeit 32, 33, 43, 91, 112, 356 NGO 16, 174, 175, 195, 294, 298, 300, 303, 316, 321–323, 326, 330, 369, 401, 408, 438, 470, 472, 477 Nikomachische Ethik 14 OECD 180, 189, 190, 321, 333 Ökonomie 15, 17, 21, 22, 25, 34, 46, 87, 95, 102, 105, 118, 119, 121, 129, 138, 142, 147, 152, 155, 158, 172, 173, 184, 196, 197, 203, 207, 210–212, 214–216, 234, 236, 244, 245, 248, 250, 253–256, 258, 260, 261, 263, 267, 295, 300, 301, 328, 344, 350, 352, 354, 357, 361, 364–368, 370, 371, 376, 401, 411, 521

Register

Ökonomik 13, 18, 58, 75, 86, 107, 114, 115, 121, 154, 173, 177, 200–202, 205–207, 209–222, 224, 226–230, 232–234, 236, 244, 247–249, 251–253, 255, 257, 259– 262, 287–289, 292, 329, 330, 350, 351, 356, 358, 363–369 Ökonomisierung 106, 152, 236, 261, 346, 350, 357, 368, 370 Ökumene 22, 27, 35, 55, 100, 115, 117, 149, 357 Ordnungsrahmen 73, 107, 160, 161, 173, 189, 361 Ordo 54, 143, 160, 356 partielle Sozialpolitik 63, 64, 67, 68, 355 Personalität 72, 127, 205 Profit 15, 35, 39, 97, 105, 165, 167, 184, 195, 207, 240, 258–260, 266, 271, 296, 313, 314, 317, 323, 329, 336, 346, 349– 351, 362, 368, 403, 410, 411 Protestantismus 49, 54, 123, 126–130, 132– 138, 144, 155, 356, 358, 359 Public Relations 526, 527 race to the top 314, 522 Rational Choice 55, 56, 221 Rationalität 50, 57, 94, 101, 105, 131, 150, 171, 197, 221, 230, 234, 246–249, 251, 253, 255, 257, 260, 261, 289, 333, 346, 357, 359, 368, 370, 371, 521 Reformation 32–34, 43, 127, 132, 133, 151, 159, 354, 359 Religion 17, 20–23, 27, 43, 44, 46, 53, 59, 122, 127, 130–132, 137, 157, 172, 270, 351–353, 355 Renaissance 33, 34, 55, 154, 339, 354 Reputation 16, 157, 196, 204, 215, 298, 310, 311, 313, 324, 376, 398, 399, 406–408, 410, 411, 414, 416, 417, 419, 423, 470, 472, 474, 476, 480, 483, 500, 511, 525, 526 Rheinischer Kapitalismus 85 Risikomanagement 298, 300, 303, 311, 314, 378 Scholastik 30, 31, 35, 40, 211, 353, 354 Shaming 298, 311, 330 Shareholder Value 109, 110, 207, 264, 310, 364, 372, 403, 404

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Social Case 346, 349, 369 Socially Responsible Investment 305 Solidarismus 51, 70, 72, 75, 356 Solidarität 20, 67, 72, 73, 79, 90, 93, 96, 101, 105, 108, 111, 116–118, 120, 144, 149, 151, 155, 159, 160, 173, 205, 226, 227, 229, 252, 339, 355, 357, 358, 361 Soziale Frage 45–48, 58, 59, 61, 98, 125, 128, 135, 355, 358 Soziale Marktwirtschaft 53, 54, 75–78, 81, 116, 118–121, 139, 141–145, 150–152, 155, 156, 159–161, 169, 172, 177, 193, 232, 319, 356, 360, 361 Sozialismus 51, 69–71, 75, 86, 97, 99, 107, 125, 127, 137, 138, 144, 149, 153, 154, 271, 356, 359, 360 Sozialstaat 51, 69, 85, 101, 118, 119, 122, 125, 126, 136, 141, 144, 149, 356, 358– 360 Stakeholder 110, 152, 157, 161, 165, 171, 194, 195, 198, 258, 297, 298, 300–302, 305, 310, 311, 315, 318, 321, 322, 325, 326, 330–333, 337, 342, 344, 346, 348, 349, 351, 362, 363, 369–371, 373–379, 399–402, 406, 408, 409, 411, 414, 416, 418, 420, 422, 423, 431, 472, 505–507, 514, 518, 521–527 Subsidiarität 72, 77, 85, 88, 89, 101, 107, 111, 114, 120, 205 Systemtheorie 91, 136, 207–209, 222, 280, 281, 286, 293 Umwelt 28, 39, 109, 111, 119, 169, 170, 172, 184, 193, 195, 266, 271, 275, 286, 289, 291, 296, 299–302, 305, 307, 308, 310, 312, 314, 315, 320, 324–326, 331, 332, 338–340, 347, 350, 351, 353, 361, 369, 373, 375–377, 379, 399, 400, 402–405, 407, 409, 410, 412, 416, 418, 420–423, 430, 432, 438, 447, 448, 454, 459–461, 464, 469, 472, 477, 478, 490, 491, 495, 499, 502, 517, 518 Universalismus 69, 356 Unternehmensethik 18, 19, 174, 184, 200, 203, 212, 217, 218, 231, 232, 239, 246, 250, 259, 260, 262, 264–268, 273–275, 278, 279, 287–289, 293, 304, 315, 320,

590

Anhang

333, 349–351, 361, 366, 368, 370, 371, 380, 401, 521, 523, 524, 527 USA 51–53, 55, 182, 188, 272, 317–320, 325, 343 Utilitarismus 284, 286 Verantwortung 16–20, 25, 26, 40, 59, 66, 77, 82, 89, 92, 96, 108, 109, 111, 116, 119–121, 123, 126, 127, 129, 136, 139, 140, 144, 149, 152, 156–163, 166, 168– 173, 175, 177, 184, 189, 190, 194–196, 198, 200, 201, 240, 260, 261, 266, 267, 271–279, 281–284, 288, 289, 291–294, 296, 297, 300, 303–305, 307–313, 315– 321, 323–329, 331, 333, 335–338, 341, 342, 344–347, 349–352, 358, 360, 362, 363, 368, 369, 371, 373, 374, 376, 377, 379, 397–400, 403, 407, 410, 415, 416, 418, 419, 423, 428, 429, 437–441, 445– 449, 451, 454, 509, 521–527 Verantwortungsethik 208, 242, 266 Verbraucher 54, 163, 171, 192, 193, 195– 198, 294, 301, 302, 311, 343, 344, 347, 363, 369, 400, 408, 409, 412, 419, 420, 423, 424, 438, 451, 454, 470–472, 477 Vernunft 17, 32, 55, 68, 87, 108, 117, 152, 169, 200, 215, 219, 226, 233–239, 242, 244, 249, 255–257, 264, 278, 287, 294, 365, 366, 368 Vernunftethik 235–237, 240, 244, 255, 256, 366 Vertrauen 18, 56, 86, 87, 111, 123, 157, 159, 160, 162–164, 166, 169, 171, 173, 175, 177, 187, 189–194, 196–198, 215, 265,

268, 289, 303, 315, 338, 361–363, 365, 374, 377, 394, 395, 400, 402, 411, 412, 471, 479, 483, 509, 519 Weimarer Republik 51, 69, 74, 124, 137– 139, 359, 360 Weltkrieg 50, 53, 66, 67, 69, 89, 113, 119, 124, 137, 138, 141, 145, 204, 356, 358, 360 Wettbewerb 47, 53, 54, 56, 71, 73, 76–79, 89, 96, 97, 101, 119–121, 143, 145, 146, 149–151, 160, 165–167, 169, 170, 173, 207, 216, 224, 225, 229, 230, 232, 248, 252, 267, 272, 296, 300, 303, 309–312, 314, 315, 331–333, 336, 342, 347, 356, 361, 372, 376, 378, 399, 401, 406, 407, 409, 410, 415–419, 423, 432, 447, 468, 470–472, 474, 478, 483, 509, 514, 516, 518, 519, 522, 523, 527 Wirtschaftsethik 15, 17–19, 21–23, 25, 27, 29–31, 34, 35, 38, 39, 41, 43–47, 54, 57– 62, 64–67, 69–82, 84–87, 89–95, 99– 107, 112–115, 117, 118, 121, 122, 124– 128, 130–134, 137, 141, 146–151, 153, 154, 157, 161, 173–175, 184, 191, 200, 202–205, 207–223, 225–227, 229–236, 238–241, 243–247, 250–252, 254–256, 258–263, 267, 286, 293, 311, 334, 336, 346, 351–360, 364–368 Wirtschaftskriminalität 273, 297 Wirtschaftskrise 49, 55, 73, 74, 87, 164, 177–179, 182, 183, 187, 189, 190, 196, 198, 199, 330, 361–363