Werke mit deutscher Übersetzung: Band 3 Die Homilien zum Buch Levitikus 9783110760484, 9783110760347

In his homilies on Leviticus, Origen interprets this book from a Christian point of view. He searches for a way to under

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Werke mit deutscher Übersetzung: Band 3 Die Homilien zum Buch Levitikus
 9783110760484, 9783110760347

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes
II. Entstehung und Überlieferung der Levitikushomilien
Die Homilien des Origenes zum Buch Levitikus in der Übersetzung des Rufinus
Homilie 1
Homilie 2
Homilie 3
Homilie 4
Homilie 5
Homilie 6
Homilie 7
Homilie 8
Homilie 9
Homilie 10
Homilie 11
Homilie 12
Homilie 13
Homilie 14
Homilie 15
Homilie 16
Bibliographie
Register

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Origenes Werke mit deutscher Übersetzung 3

Origenes Werke mit deutscher Übersetzung Im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Forschungsstelle Origenes der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster herausgegeben von Alfons Fürst und Christoph Markschies

Band 3

De Gruyter

Origenes Die Homilien zum Buch Levitikus Eingeleitet und übersetzt von Agnethe Siquans

De Gruyter

ISBN 978-3-11-076034-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-076048-4 Library of Congress Control Number: 2021948854 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Einbandgestaltung: Martin Zech, Bremen Satz: Markus Schmitz, Büro für typographische Dienstleistungen, Altenberge © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt Einleitung I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eine christlich-spirituelle Lektüre des Buches Levitikus: Das Schriftverständnis des Origenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Das Gesetz ist geistig“ (Röm. 7,14): Paulus als Schlüssel für die Schrifthermeneutik des Origenes . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Methoden der Schriftauslegung in den Levitikushomilien . . 4. Bibeltext und Zitate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Themen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlegung: Anthropologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Opferkult . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Priester und Hohepriester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sünde, Buße, Reinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Heiligkeit und Reinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zeitsymbolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zahlensymbolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Origenes und die jüdische Auslegung des Buches Levitikus . . . . II. Entstehung und Überlieferung der Levitikushomilien . . . . . . . . . . 1. Die griechischen Predigten: Ort, Umstände, Datierung . . . . . . . 2. Die griechisch erhaltenen Fragmente aus der Philokalie und bei Prokop von Gaza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Fragment aus Homilie 5 in der Philokalie . . . . . . . . . . . . b) Die Fragmente aus Homilie 8 bei Prokop von Gaza . . . . . . . 3. Die lateinische Übersetzung des Rufinus von Aquileja . . . . . . . 4. Überlieferung, Ausgaben, Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anmerkungen zur Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Übersicht über die Inhalte der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 3 9 14 18 19 19 22 25 28 32 34 35 37 44 44 46 46 49 50 53 55 55

VI

Inhalt

Die Homilien des Origenes zum Buch Levitikus in der Übersetzung des Rufinus Homilie 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 5. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 6. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 7. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 9. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 10. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 11. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 12. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 13. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 14. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 15. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 16. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60 78 100 130 158 204 226 264 306 344 354 370 392 412 428 436

Bibliographie Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 Register Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Origenesstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 Namen und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

Einleitung

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes 1. Eine christlich-spirituelle Lektüre des Buches Levitikus: Das Schriftverständnis des Origenes „Wenn diesen Anfängern also eine solche Lesung aus den göttlichen Büchern vorgelesen wird, in der nichts dunkel erscheint, nehmen sie sie gerne an, wie es zum Beispiel das Büchlein Ester oder Judit oder auch Tobit ist oder die Gebote der Weisheit; wenn ihm hingegen das Buch Levitikus vorgelesen wird, stößt der Geist unablässig an und flieht diese Nahrung, als wäre es nicht die seine. Denn der gekommen ist, um zu lernen, Gott zu verehren, die Gebote seiner Gerechtigkeit und Frömmigkeit anzunehmen, hört, dass Gebote über Opfer gegeben und Opferriten gelehrt werden, wie sollte er da nicht unablässig das Gehör abwenden und die Speise als gleichsam nicht für ihn passend zurückweisen?“1 Das sagt Origenes in seiner 27. Homilie zum Buch Numeri über die Christen, die erst beginnen, sich mit der Heiligen Schrift zu beschäftigen. Das Buch Levitikus mit seinen detaillierten rituellen Anweisungen und seiner Konzentration auf den Tempelkult und seine Opfer ist zweifellos, wie aus den Worten des Origenes hervorgeht, ein biblisches Buch, dessen Relevanz für ihr eigenes christliches Leben seinen Adressaten nicht unmittelbar einsichtig war. Dennoch wurde das Buch im Gottesdienst gelesen und von Origenes in 16 Homilien ausgelegt. Er ist damit einer der wenigen Autoren in der patristischen Zeit, von denen eine umfassende und kontinuierliche Auslegung dieses Buches überliefert ist.2 1

2

Origenes, in Num. hom. 27,1 (GCS Orig. 7, 265): His ergo cum recitatur talis aliqua diuinorum uoluminum lectio, in qua non uideatur aliquid obscurum, libenter accipiunt, uerbi causa, ut est libellus Hester aut Iudith uel etiam Tobiae aut mandata Sapientiae; si uero legatur ei liber Leuitici, offenditur continuo animus et quasi non suum refugit cibum. Qui enim uenit, ut disceret Deum colere, iustitiae ac pietatis eius praecepta suscipere, audit mandata de sacrificiis dari et immolationum ritus doceri, quomodo non continuo auertit auditum et tamquam non sibi aptum cibum recusat? Cyrill von Alexandria behandelte das Buch Levitikus in seinem Werk De ­adoratione spiritu et veritate (PG 68) und in den Glaphyra (PG 69). Augustinus beantwortete Fragen dazu in seinen Quaestiones et Locutiones in Heptateuchum (CChr.SL 33, 1–377). Theodoret von Cyrus verfasste „Fragen und Antworten“ zu Levitikus im Rahmen seiner Quaestiones in Octateuchum (PG 80, 297–350; Hill, Theodoret of Cyrus. Ques-



Einleitung

Für Origenes war die Schrift, Altes wie Neues Testament, göttliche Lehre, die zu Christus hinführen soll.3 Dieser Grundgedanke bestimmt seine Auslegung der Schrift besonders auch in seinen Homilien, die ja schon von ihrer Gattung her einen pädagogisch-didaktischen Charakter haben. Ein theologisch-ethischer Zugang bietet daher, so Eberhard Schockenhoff, die Möglichkeit, die „Einheit von Glauben, Denken und Handeln“4 in den Schriften des Origenes angemessen zu würdigen. Auch Ronald Heine weist auf die enge Verbindung zwischen Ethik und Pädagogik und der spirituellen Schriftauslegung hin.5 Gerade in der Interpretation des schwierigen und sperrigen Buches Levitikus zeigt sich Origenes’ Schwerpunktsetzung auf der christlichen Ethik und spirituellen Praxis. Sein Ziel ist die „Auferbauung der Gemeinde zur christlichen Frömmigkeit, ja zu einer Christusfrömmigkeit“6 – und das gilt auch für die Auslegung von Levitikus, wie Origenes selbst in der 1. Homilie sagt: Er will „das vorbringen, was zur Erbauung der Kirche beiträgt, sodass wir den Zuhörern eher Gelegenheiten zum Verstehen bieten als ausführliche Auslegungen durchgehen“.7 Christoph Markschies nennt als weitere Ziele, die Origenes mit seinen Homilien verfolgt, u. a. die Nachvollziehbarkeit seines Gedankengangs für die Zuhörer, seine Konzen­ tration auf den biblischen Text, den er möglichst genau auslegen will, immer im Hinblick auf den „Bildungsstand“ und die „Rezeptionsfähigkeiten seiner Gemeinde“.8 Die Homilien des Origenes weisen eine „dialogische Grundstruktur“9 auf, er baut auch hypothetische Fragen und Einwände von potentiellen Gegnern ein und lässt den Adressaten eine gewisse Freiheit durch die Offenheit vieler Formulierungen, die sein exegetisches Suchen abbilden,10 so z. B. in der 2. Homilie zum Opfer eines Kalbes (Lev. 4,3): „Sieh also, ob tions 2, 2–85). Hesychius von Jerusalem verfasste ebenfalls einen Kommentar zu Levitikus (PG 93, 787–1180). Zu einem Überblick über die Levitikusauslegung von der Antike bis zum 20. Jahrhundert siehe Elliot, Engaging Leviticus. 3 Siehe dazu Torjesen, Hermeneutical Procedure 47: „It is Origen’s doctrine of Scripture and theory of exegesis which determine his exegetical practice. He believes that Scripture contains the teachings of Christ.“ 4 Schockenhoff, Zum Fest der Freiheit 16. 5 Heine, Reading the Bible 142: „[A] part of the formation of the ‚mind of Christ‘ in a person depends on learning to recognize the spiritual meaning in the Scriptural texts. The spiritual reading of the Bible is, in effect, Origen thinks, a kind of imitatio Christi in relation to Christ’s understanding of the Law.“ 6 Markschies, Predigten des Origenes 60. 7 Origenes, in Lev. hom. 1,1 (GCS Orig. 6, 281f.). Vgl. auch ebd. 5,12 (6, 356): Die Opfervorschriften müssen typologisch verstanden werden. „Andernfalls wäre es nicht notwendig, dass das in der Kirche gelesen wird, wenn nicht daraus eine Erbauung für die Hörenden geboten würde.“ 8 Markschies, Predigten des Origenes 52. 9 Ebd. 51. 10 Vgl. ebd. 51–60.

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes



nicht vielleicht Jesus … selbst das Kalb ist …“11 Er argumentiert mit einem neutestamentlichen Zitat und beruft sich auf Paulus. Dennoch überlässt er es den Zuhörern, die Auslegung mitzuvollziehen oder nicht. Selbstverständlich geht Origenes von der Annahme aus, dass die Schrift inspiriert und göttliches Wort ist. Die Schrift ist Selbstmitteilung Gottes. In ihr sind göttliche Mysterien verborgen, die die Interpreten erschließen müssen, um ihre Adressaten zur Erkenntnis zu führen. Die Homilien nehmen die Zuhörer in eine Bewegung mit, die zunächst die Abkehr und Reinigung von der Sünde anzielt und dann zur Nachahmung der göttlichen Tugend führt, eine Reise der Seele zur Vervollkommnung, zur Heiligung.12 „Als Schrifttheologe entwickelt Origenes diese höhere Erkenntnis im engsten Anschluss an Bibelverse, die nach bestimmten hermeneutischen Regeln allegorisch ausgelegt werden.“13 Als Schlüssel für die angemessene Auslegung, die Origenes im 4. Buch von De principiis konzipiert, dient ihm Spr. 22,20f. LXX: „Dreifach also muss man sich die ‚Sinne‘ der heiligen Schriften in die Seele schreiben: Der Einfältige soll von dem ‚Fleisch‘ der Schrift erbaut werden – so nennen wir die auf der Hand liegende Auffassung –, der ein Stück weit Fortgeschrittene von ihrer ‚Seele‘, und der Vollkommene – der denen gleicht, von denen der Apostel sagt (1 Kor. 2,6f.): ‚Weisheit aber reden wir unter den Vollkommenen, aber nicht die Weisheit dieser Weltzeit und nicht die der vergänglichen Herrscher dieser Weltzeit, sondern wir reden Gottes Weisheit im Geheimnis, die verborgene, die Gott vor den Weltzeiten zu unserer Herrlichkeit vorherbestimmt hat‘ – erbaut sich aus ‚dem geistlichen Gesetz‘, ‚das den Schatten der zukünftigen Güter enthält‘ (vgl. Röm. 7,14 und Hebr. 10,1) Wie nämlich der Mensch aus Leib, Seele und Geist besteht, ebenso auch die Schrift, die Gott nach seinem Plan zur Rettung der Menschen gegeben hat.“14 Hier sind drei Adressatengruppen angesprochen, die entsprechend ihrem spirituellen Fortschritt und ihrer Aufnahmefähigkeit einer unterschiedlichen Erklärung der Schrift bedürfen: die Einfachen, die weiter Fortgeschrittenen und die Vollkommenen.15 In der 4. Homilie spricht Origenes über Paulus als Lehrer, der ebenfalls auf die Fortschritte seiner Zuhörer Rücksicht nehmen

11 Origenes, in Lev. hom. 2,3 (GCS Orig. 6, 294). 12 Vgl. Torjesen, Hermeneutical Procedure 47: „This movement from the correction

of sin to the imitation of the virtues of God is the journey of the soul.“ 13 Völker, Vollkommenheitsideal des Origenes 97. Ähnlich auch Tripolitis, Origen

35: „Although Origen in the development of his ideas employs several concepts and the terminology of the contemporary philosophical thought of his time, his views are primarily the result of Biblical scholarship.“ 14 Origenes, princ. IV 2,4 (GCS Orig. 5, 312f.); Übersetzung: p. 710f. Görgemanns/ Karpp. 15 Siehe dazu Torjesen, Hermeneutical Procedure 39–43.



Einleitung

muss: Die noch wenig erfassen können, brauchen Milch (mit Verweis auf 1 Kor. 3,2), den Schwachen wird Gemüse (vgl. Röm. 14,2) angeboten, die Geübten erhalten feste Speise (vgl. Hebr. 5,14).16 Wie Paulus müssen auch die späteren christlichen Lehrer ihre Schrifterklärung an die Fassungskraft ihrer Adressaten anpassen. Voraussetzung dafür ist, dass die Zuhörer sich auf diesen Weg auch einlassen. Zweifellos liegt in den Homilien der Fokus auf der moralischen Verbesserung. Dennoch geht es letztlich um eine höhere spirituelle Erkenntnis. Deutlich drückt Origenes diesen Gedanken in der 5. Homilie aus, wo er, wie im oben zitierten Abschnitt aus De principiis, die Schrift mit dem Menschen vergleicht, der aus Körper, Seele und Geist besteht. Der Körper ist demnach der Buchstabe der Schrift, die Seele der innere Sinn und der Geist das, was sich auf das Himmlische bezieht. Origenes setzt diese Verständnisweisen zu drei Zeiträumen in Verbindung: „Weil sich das also so verhält, wollen wir, indem wir Gott anrufen, der Seele, Körper und Geist der Schrift gemacht hat, den Körper freilich für die, die vor uns waren, die Seele hingegen für uns, den Geist aber für die, die in Zukunft das Erbe des ewigen Lebens erlangen werden (vgl. Lk. 18,30.18), durch das sie zur himmlischen Herrschaft gelangen, nun das prüfen, was wir die Seele des Gesetzes genannt haben, soweit es sich einstweilen auf die Gegenwart bezieht. Ich weiß aber nicht, ob wir auch bei dem zu seinem Geist hinaufsteigen können, was uns über die Opfer vorgelesen wurde.“17 Das körperliche, wörtliche Verständnis gehört der Vergangenheit an, die für Origenes dem Judentum zugeordnet ist. Das seelische Verständnis der Schrift ist Sache der Gegenwart und dieses möchte Origenes in den Predigten seinen Zuhörern nahebringen. Das geistige Schriftverständnis liegt im Blick auf die Zukunft, das künftige himmlische Leben. Dieses ist in seinen Augen nicht so leicht erreichbar. Dennoch versucht er auch dieses zu vermitteln. Die drei Sinnebenen der Schrift sind entsprechend dem jeweiligen spirituellen Fortschritt der Adressaten zugänglich.18 Dieser Dreiteilung in Wortsinn, moralischen Sinn und geistigen Sinn liegt jedoch eine grundlegende Zweiteilung zwischen buchstäblichem und spirituellem Sinn zugrunde. „[D]ie Schrift enthält grundlegend nur zwei Bedeutungen: die buchstäbliche und die geistliche, und auch diese beiden bilden eine Kontinuität und keinen Gegensatz. Der Geist ist im Buchstaben wie der Honig in der Wabe. Der Christ erhält Buchstabe und Geist wie ein doppeltes Gewand. Nur kann der eine oder andere Aspekt des geistlichen Sinnes stärker hervorgehoben 16 Origenes, in Lev. hom. 4,6 (GCS Orig. 6, 325). 17 Ebd.  5,1 (6, 334). 18 Zur Unterscheidung von drei Schriftsinnen vgl. z. B. Crouzel, Origène 112–117;

Schockenhoff, Zum Fest der Freiheit 53–62, mit Schwerpunkt auf der moralischen Auslegung.

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes



werden.“19 Obwohl der geistige oder spirituelle Sinn stets im Wortsinn verankert ist, betrachtet Origenes letzteren oftmals als unzureichend, wenn er für ihn keinen Sinn ergibt. „So werden die dunklen Textstellen zu bevorzugten Instru­menten der Offenbarung.“20 Auf der anderen Seite ist es auch schwierig, die geistigen Mysterien mit menschlichen Worten adäquat auszudrücken.21 Stellen, deren Wortsinn keinen Sinn ergibt, verlangen geradezu nach einer spirituellen Interpretation. So fragt Origenes etwa in der 16. Homilie zu Jes. 30,6: „Kann das auf irgendeine Weise von körperlichen wilden Tieren gesagt erscheinen, sogar denen, die so sehr Freunde des Buchstabens sind? Denn wie können ein Löwe und ein Junges eines Löwen oder fliegende Nattern ihre Reichtümer auf Kamelen und Eseln tragen?“22 Da ihm das sinnlos erscheint, bietet Origenes eine geistige Erklärung. Oft erscheinen als die Vertreter des buchstäblichen Verständnisses, gerade was die rituellen Vorschriften im Buch Levitikus angeht, die Juden, denen er damit ein sinnloses und der Vergangenheit verhaftetes Schriftverständnis vorwirft.23 Im Übrigen sind wörtliche Missverständnisse nicht auf das Alte Testament beschränkt: In der 7. Homilie führt Origenes aus, dass auch ein buchstäbliches Verstehen des Neuen Testaments „töten“ kann.24 Immer wieder aber kann er auch dem wörtlichen Verständnis Sinn abgewinnen und legt diesen insbesondere für die dar, denen der geistige Sinn (noch) nicht zugänglich ist.25 Die Wertschätzung hat aber noch einen tieferen Grund: Das Wort der Schrift ist göttliches Wort, inspiriert durch den Geist. „Der Buchstabe selbst ist schon ein Werk des Geistes und kann als dessen Werk eine adäquate Hülle des Geistig-Göttlichen sein.“26 In diesem Wort kann Begegnung mit dem Logos stattfinden und durch dieses Wort ist Erkenntnis der geistigen Wirklichkeit möglich. Christus, der Logos, ist in der historia, der Geschichte, im Buchstaben der biblischen Erzählung, der an die menschlichen Verhältnisse von Zeit und Raum gebunden ist, erkennbar.27 „Just as the Logos is reflected in the sense and meaningfulness of created things, so he is also the sense and 19 20 21 22 23 24 25

De Lubac, Geist aus der Geschichte 215. Vogt, BGrL 18, 17f. Vgl. ebd. 14. Origenes, in Lev. hom. 16,6 (GCS Orig. 6, 503). Siehe Näheres unten S. 37–43. Origenes, in Lev. hom. 7,5 (GCS Orig. 6, 387). Z. B. ebd. 4,2 (6, 317): „Diejenigen, die schwach und nicht in der Lage sind, das tiefere Mysterium zu erfassen, sollen aus dem Buchstaben erbaut werden und wissen, dass, wenn jemand ‚die Vorschriften des Herrn übertritt und gegenüber dem Nächsten über ein anvertrautes Gut oder eine Verbindung oder einen Raub lügt‘ (Lev. 6,2[5,21]), er einer gewaltigen Sünde schuldig wird.“ Vgl. auch ebd. 3,2 (6, 301); 9,1 (6, 418). 26 Lies, Schriftauslegung 370. 27 Siehe Torjesen, Hermeneutical Procedure 112.



Einleitung

the rationality of Scripture. Both the material element of Scripture and its rationality are the work of the Logos, but the material element, the literal sense, holds the image of the Logos veiled and the rationality of Scripture, its spiritual sense, presents the image of the Logos unveiled.“28 In diesem Sinn präsentiert Origenes gleich zu Beginn des Predigtzyklus die Hermeneutik seiner Levitikusauslegung: „Daher müssen wir den Herrn selbst, den Heiligen Geist selbst anflehen, allen Nebel und alle Dunkelheit, die sich durch den Schmutz der Sünden gebildet hat und die Sicht unseres Herzens verdunkelt, gnädig zu entfernen, damit wir das geistige und wunderbare Verständnis seines Gesetzes schauen können.“29 Das Ziel ist die Rückkehr des Individuums zu seinem ursprünglichen Zustand als Bild Gottes: „Freilich glaube ich, dass unter dem Menschen (homo) jener verstanden werden muss, der, ‚nach dem Bild und der Ähnlichkeit‘ (Gen. 1,26) Gottes geschaffen, vernunftgemäß lebt (rationabiliter uiuit).“30 Wer vernunftgemäß, also nach dem göttlichen Logos lebt, der ist wirklich Mensch. Im Zuge der herausfordernden Auslegung des Buches Levitikus integriert Origenes immer wieder Reflexionen über seine Interpretationsprinzipien in die Homilien. Die einzelnen Sinnebenen werden mit verschiedenen Begriffen benannt. Der Wortsinn wird meist als littera, also „Buchstabe“, angesprochen. Mehrfach gebraucht Origenes aber auch die Bezeichnung historia. Damit ist das gemeint, was der biblische Text erzählt, die Geschichte im Sinne dessen, was auf Ebene des Wortsinns mitgeteilt wird. Der Wortsinn ist aber nicht unbedingt ein „historischer“ Sinn im modernen Verständnis, sondern kann durchaus auch eine (ethische) Lehre für die Hörerschaft des Origenes enthalten, ist also in einem weiteren Sinn zu verstehen. Der spirituelle Sinn ist der spezifisch christliche Sinn, der nur Glaubenden, die nach geistiger Erkenntnis und spirituellem Fortschritt streben, zugänglich ist. Die Bezeichnungen allegoria und allegoricus für diese Sinnebene kommen allerdings nur jeweils einmal vor.31 Vielmehr spricht Origenes von spiritalis sensus, spiritalis intelligentia o.  ä. bzw. mysterium oder mysticus. Dieser geistige Sinn ist in der Schrift, im Buchstaben verborgen – daher auch die Rede vom „Mysterium“, vom „Geheimnis“, das die Gläubigen unter der Hülle des Buchstabens suchen müssen bzw. das der Ausleger ihnen in dieser Weise darlegt. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass in den Schriften des Alten Testaments Christus und die himmlische Wirklichkeit in Form von Vorausbildern präsent sind. In diesem Zusammenhang finden sich die Begriffe typus, figura, imago und umbra, die Origenes von Paulus bezieht und für seine Hermeneutik fruchtbar macht. Der ethische Sinn wird einige Male eigens angesprochen und als 28 Ebd. 110. 29 Origenes, in Lev. hom. 1,1 (GCS Orig. 6, 281). 30 Ebd.  2,2 (6, 290). 31 Vgl. ebd. 1,1 (6, 281); 10,1 (6, 440).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes



moralis locus bezeichnet. Er kann auf verschiedenen Ebenen gefunden werden. In manchen Homilien ist er ganz klar als geistiger Sinn zu verstehen.32 In der 13. Homilie hingegen wird der ethische Sinn, der allgemein zugänglich ist, dem Mysterium gegenübergestellt, das nur durch Erkenntnis zu erlangen ist.33 In der 5. Homilie werden die drei Sinnebenen der Schrift mit den Teilen des Menschen korreliert: Der Körper (corpus) ist die historia der Schrift, die Seele (anima) ist der moralis locus und der menschliche Geist (spiritus) entspricht dem mystischen Verständnis der Schrift (mysticus).34 Wesentlich ist für Origenes, gerade auch für die Levitikusauslegung, die Unterscheidung eines wörtlichen und eines spirituellen Verständnisses.

2. „Das Gesetz ist geistig“ (Röm. 7,14): Paulus als Schlüssel für die Schrifthermeneutik des Origenes Die Hermeneutik und Methodik des Origenes sowie die konkrete Ausformung seiner Auslegung haben verschiedene Quellen, wie Rolf Gögler treffend zusammenfasst: „Die große Leistung des Origenes war es, die Elemente und Prinzipien, die Klemens als Miscellen und Anregungen da und dort aufblitzen ließ …, durchgedacht, vertieft, entwickelt und in ein großartiges konsequentes System eingebaut zu haben. Er hat eine biblische Theologie geschaffen, die aufruht auf dem Fundament einer Theologie des Wortes. In sie hat Origenes die jüdische und christliche Tradition eingearbeitet und hat nach dem Vorbilde Philons und seines Lehrers Klemens sich des philologischen und philosophischen Rüstzeugs seiner hellenistischen Umwelt bedient.“35 Ganz entscheidend ist seine Interpretation des Alten Testaments jedoch vom Neuen Testament und besonders von Paulus geprägt.36 Zunächst ist Christus der Schlüssel für das Verständnis des Alten Testaments. Er ist in dessen Worten präsent, er ist aber auch der Lehrer, der den geistigen Sinn erschließt. Immer wieder spricht Origenes von Christus als Lehrer.37 Ebenso sagt er, dass die Schrift lehrt, auch das Buch Levitikus, ebenso Mose, die Propheten, Salomo, die Apostel, insbesondere Paulus. Auch die Kirche und ihre Priester sind Lehrer. Sie vermitteln die himmlische, göttliche Lehre. Ihr Gegenbild sind die Lehren der Juden, der Pharisäer sowie der Häretiker, die 32 33 34 35 36 37

Vgl. ebd. 1,5 (6, 287); 2,4 (6, 294f.); 9,6 (6, 429). Vgl. ebd. 13,3 (6, 472). Vgl. ebd. 5,5 (6, 344). Gögler, Theologie des biblischen Wortes 119. Siehe dazu ausführlich de Lubac, Geist aus der Geschichte 182–214. Vgl. Origenes, in Lev. hom. 2,4 (GCS Orig. 6, 296); 3,7 (6, 312); 7,5 (6, 386); 8,1 (6, 393); 8,9 (6, 407); 13,2 (6, 469).



Einleitung

menschliche Lehre vermitteln. Es gilt also, auf Christus zu hören und auf die, die seine Lehre wahrhaft vermitteln. Geradezu ein Prinzip der Levitikusauslegung findet Origenes in Röm. 7,14: „Das Gesetz ist geistig“ (ὁ νόμος πνευματικός ἐστιν, lex spiritalis est). Diesen Auslegungsgrundsatz formuliert Origenes auch in De principiis: „Sodann, dass die (heiligen) Schriften durch den Geist Gottes verfasst sind und nicht allein den Sinn haben, der offen zutage liegt, sondern auch einen anderen, der den meisten verborgen ist. Denn was aufgeschrieben ist, sind die äußeren Gestalten von gewissen Geheimnissen und Abbilder von göttlichen Dingen. Darin ist die gesamte Kirche einer Meinung: dass das ganze Gesetz geistlich ist (vgl. Röm. 7,14), dass jedoch der geistliche Gehalt des Gesetzes nicht allen bekannt ist, sondern nur jenen, denen die Gnade des Heiligen Geistes im Wort der Weisheit und Erkenntnis geschenkt wird (vgl. 1 Kor. 12,8).“38 Auch in den Levitikushomilien rekurriert Origenes mehrfach auf diesen Grundsatz und beruft sich damit für seine spirituelle Interpretation auf die Autorität des Paulus.39 In 1 Kor. 10 bietet Paulus selbst eine allegorische Auslegung, nämlich des Durchzugs durchs Meer nach der Befreiung aus Ägypten und der Wüstenwanderung. In V. 6 und 11 bezeichnet er diese Deutung mit dem Begriff τύποι/τυπικῶς (figura/in figura). Die Annahme, dass Christus und das christliche Leben (hier die Taufe) in alttestamentlichen Ereignissen im Voraus abgebildet sind, ist auch eine wichtige Basis für die geistige Auslegung des Origenes und wird mehrfach zitiert. In den Levitikushomilien betrifft das besonders die Opfer, wie in der 9. Homilie: „Als Erstes von allem wollen wir jedoch zeigen, wie der Apostel das, was über die Opfer aufgeschrieben ist, Bilder und Sinnbilder nennt (vgl. 1 Kor. 10,6), deren Wahrheit sich in etwas anderem zeigt, damit nicht vielleicht die Zuhörer meinen, dass wir voreingenommen sind und das Gesetz Gottes gewaltsam auf einen anderen Sinn, als es geschrieben steht, hinbiegen, zumal wenn uns in dem, was wir behaupten, keine apostolische Autorität vorausgeht.“40 Origenes beruft sich hier dezidiert auf das Vorbild des Paulus, um seine allegorische Auslegung der Riten des Versöhnungstages zu rechtfertigen. In den darauffolgenden Zeilen zitiert er auch mehrmals den Hebräerbrief, der bereits den israelitischen Kult geistig auf Christus deutet. Origenes geht auf den Vorwurf ein, er würde die Worte des biblischen Textes durch die allegorische Deutung verbiegen. Dagegen wehrt er sich mit Berufung auf Paulus. Neben den offensichtlich anwesenden Kritikern sind aber auch alle ande38 Princ. I praef. 8 (GCS Orig. 5, 14); Übersetzung: p. 95 Görgemanns/Karpp. 39 Er zitiert den Vers in Lev. hom. 4,10 (GCS Orig. 6, 330); 8,10 (6, 407); 13,2 (6, 468)

und 16,1 (6, 492). Immer geht es darum, die geistige Deutung einzuführen bzw. zu rechtfertigen. 40 Ebd.  9,2 (6, 419).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes

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ren Gegner im weiteren Umfeld des Origenes Verfechter einer Auslegung der Schrift nach dem Wortsinn, seien sie paganer, jüdischer oder gnostischer Herkunft.41 Gerade die Weise der Levitikusauslegung, die in den Homilien dominant und für Origenes charakteristisch ist, muss er an allen Fronten gegen Kritik verteidigen. Dabei ist der Hebräerbrief mit seiner typologischen Deutung des israelitischen Kultes auf Christus besonders wichtig. In der 10. Homilie verbindet Origenes wiederum Texte aus dem Hebräerbrief mit 1 Kor. 10,6 und verknüpft damit auch noch den Gedanken des Modells, das im endgültigen Werk verwirklicht wird: „Es ist daher das Gesetz und alles, was im Gesetz ist, gemäß der Meinung des Apostels ‚bis zur Zeit der Besserung‘ (Hebr. 9,10) auferlegt, und so wie die, deren Kunst es ist, Bildnisse aus Erz zu machen und Statuen zu gießen, bevor sie das wahre Werk aus Erz oder Silber oder Gold hervorbringen, zuerst ein Modell aus Lehm zur Ähnlichkeit des zukünftigen Bildes formen – dieses Modell ist zwar notwendig, jedoch bis das wesentliche Werk vollendet wird; wenn aber jenes Werk hergestellt ist, dessentwegen das Modell aus Lehm geformt worden war, ist dessen Nutzen nicht länger gefragt –, verstehe so etwas auch in dem, was im Typus und im Bild des Zukünftigen im Gesetz und den Propheten geschrieben beziehungsweise getan wird (vgl. 1 Kor. 10,6.11). Denn der Künstler und Urheber von allem ist selbst gekommen und hat das Gesetz, das ‚den Schatten der künftigen Güter‘ enthielt, in ‚das Bild der Dinge selbst‘ (Hebr. 10,1) übertragen.“42 Das Modell ist vorläufig und wird durch das verwirklichte Werk nutzlos, so wie der „Schatten“ oder der Typus (vgl. Hebr. 8,5). In der 13. Homilie zitiert Origenes Hebr. 8,5, das vom Typus des Heiligtums spricht, der Mose nach Ex. 25 gezeigt wurde, nämlich das Modell des Heiligtums, mit dessen Errichtung er beauftragt wurde.43 Hebr. 8,5 wird von Origenes mehrfach herangezogen, um zu argumentieren, dass die Gesetze – und dazu gehören die Anweisungen im Buch Levitikus – nur „Abbild und Schatten der himmlischen Dinge“ (ὑποδείγματι καὶ σκιᾷ … τῶν ἐπουρανίων, exemplari et umbrae … caelestium) sind und daher auf eine andere, geistige Wirklichkeit verweisen, so z. B. in der 10. Homilie: „Für uns, das heißt, die wir nicht ‚einem Schatten und einem Abbild dienen‘ (Hebr. 8,5), sondern der Wahrheit, ist 41 Vgl. Harl, SC 302, 47: „Tous les adversaires d’Origène dans le domaine de l’exégèse

biblique sont, d’une façon ou d’une autre, des littéralistes.“ 42 In Lev. hom. 10,1 (GCS Orig. 6, 441). 43 Ebd.  13,1 (6, 467): „Im Wissen um dieses Mysterium sagte der Apostel über die Juden:

‚Dem Schatten und Vorbild der himmlischen Dinge dienen sie‘ (Hebr. 8,5). Denn es wird beschrieben, dass Mose die himmlischen Dinge selbst gesehen hat, dem Volk aber die Typen und Bilder dessen, was er gesehen hatte, überlieferte; denn so sagt zu ihm die göttliche Rede: ‚Siehe‘, heißt es, ‚du sollst alles nach der Gestalt machen, die dir auf dem Berg gezeigt worden ist‘ (Hebr. 8,5; vgl. Ex. 25,40).“

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daher der Tag der Versöhnung der, an dem uns die Vergebung der Sünden gegeben wurde, als ‚unser Pascha geopfert wurde, Christus‘ (1 Kor. 5,7).“44 Die vom Gesetz angezielte Wirklichkeit ist also Christus. Eine ähnliche Basis für seine spirituelle Auslegung findet Origenes in Hebr.  10,1, das er noch häufiger zitiert: Das Gesetz enthält den „Schatten künftiger Güter“ (σκιὰν γὰρ ἔχων ὁ νόμος τῶν μελλόντων ἀγαθῶν, umbram enim habens lex bonorum futurorum).45 Die Aussage in Dtn. 25,4, dass man dem Ochsen beim Dreschen keinen Maulkorb anlegen soll, ergibt für Origenes nach dem wörtlichen Verständnis keinen Sinn. Er greift daher auf Paulus zurück, der in 1 Kor. 9,9 diesen Vers bereits in übertragenem Sinn gedeutet hat: Das Gesetz enthält „‚den Schatten der künftigen Güter, nicht das Abbild der Dinge selbst‘ (Hebr. 10,1); und gemäß dem, was er verkündet, dass nämlich das, was über die Rinder im Gesetz geschrieben zu sein scheint, nicht über ‚die Rinder, um die sich Gott nicht sorgt‘ (1 Kor. 9,9), sondern über die Apostel zu verstehen ist.“46 Immer wieder rechtfertigt Origenes mit solchen Beispielen und Rückgriffen auf Paulus seine spirituelle Interpretation der einzelnen Vorschriften im Buch Levitikus. In der 8. Homilie verbindet er damit auch ein Zitat von 2 Kor. 3,14–16, ein weiterer wichtiger Paulustext für den Umgang mit dem Alten Testament. 2 Kor. 3,14–17 spricht von der „Hülle“, die auf dem „Alten Bund“ liegt und die das Lesen, das heißt das Verstehen, behindert.47 Der Text bezieht sich auf Ex. 34,33f. und ist schwierig zu verstehen.48 In Ex. 34 wird erzählt, dass Moses Gesicht nach der Begegnung mit Gott auf dem Sinai strahlt. Um die Israeliten vor diesem Glanz zu schützen, bedeckt Mose sein Gesicht mit einem Schleier, den er wieder abnimmt, wenn er in das Begegnungszelt vor Gott tritt. Origenes interpretiert den Text in dem Sinn, dass das jüdische Verständnis des mosaischen Gesetzes durch die Hülle das Buchstabens verschleiert ist: „Denn wenn nicht das Evangelium den Schleier vom Antlitz des Mose entfernt hat (vgl. 2 Kor. 3,14), kann weder sein Gesicht gesehen noch sein Sinn 44 Ebd.  10,2 (6, 443). 45 Ein weiterer Vers, der dieses Prinzip formuliert und zweimal in den Levitikushomi-

lien zitiert wird, ist Kol. 2,17, wo vom „Schatten des Künftigen“ gesprochen wird: ebd. 6,3 (6, 364); 12,1 (6, 455). 46 Ebd.  8,5 (6, 401). 47 EÜ 2016: „Doch ihr Denken wurde verhärtet. Denn bis zum heutigen Tag liegt die gleiche Hülle auf dem Alten Bund, wenn daraus vorgelesen wird; sie wird nicht aufgedeckt, weil sie in Christus beseitigt wird. Bis heute liegt die Hülle auf ihrem Herzen, wenn Mose vorgelesen wird. Sobald er aber zum Herrn zurückkehrt, wird die Hülle entfernt. Der Herr aber ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ 48 Der Text wurde traditionell herangezogen, um die jüdische Leseweise der Schriften des christlichen Alten Testaments als inadäquat darzustellen. Siehe zur Auslegung z. B. Schmeller, Der zweite Brief an die Korinther 211–232.

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes

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verstanden werden. Sieh also, wie in der Kirche die Schüler der Apostel dem beistehen, was Mose geschrieben hat, und das verteidigen, was erfüllt werden kann und was auf vernünftige Weise geschrieben steht; die Lehrer der Juden hingegen machen sie, indem sie dem Buchstaben folgen, unmöglich und unvernünftig.“49 Für den, der sich zu Christus bekehrt, wird die Hülle entfernt und das geistige Verstehen ermöglicht. In der 1. Homilie entwirft Origenes sein Interpretationsprogramm für das Buch Levitikus, das die beiden Sinnebenen, den wörtlichen und den geistigen Sinn, anspricht. Wie die Gottheit Christi nur durch spirituelle Erkenntnis zugänglich ist, so auch der geistige Sinn der Schrift, deren Hülle damit entfernt wird: „In den jüngsten Tagen (vgl. z. B. Apg. 2,17) kam das Wort Gottes in Fleisch gekleidet aus Maria in diese Welt, und das eine war das, was man sah, das andere das, was man unter ihm verstand, denn der Anblick des Fleisches war allen offen zugänglich, die Erkenntnis der Gottheit in ihm aber wurde wenigen Auserwählten gegeben. Ebenso wird das Wort Gottes auch, wenn es durch die Propheten beziehungsweise den Gesetzgeber (sc. Mose; vgl. z. B. Mt. 22,14) zu den Menschen gebracht wird, nicht ohne entsprechende Einkleidung gebracht. Denn wie es dort von der Hülle des Fleisches bedeckt wird, so hier von der Hülle des Buchstabens (vgl. 2 Kor. 3,14), sodass der Buchstabe zwar wie das Fleisch sichtbar ist, der verborgene, innere, geistige Sinn hingegen wie die Gottheit wahrgenommen wird.“ Die „Würdigen“, so fährt Origenes fort, verstehen die „Riten der Opfer, die Vielfalt der Opfergaben und die Dienste der Priester“ in einem geistigen Sinn. Sie lesen sie ohne die Hülle des Buchstabens.50 Ein weiterer Paulustext, auf den Origenes mehrfach Bezug nimmt, ist 2 Kor. 3,6, wo Paulus feststellt, dass der Buchstabe tötet, der Geist allerdings lebendig macht. Die Gegenüberstellung und entsprechende Bewertung von γράμμα/littera und πνεῦμα/spiritus macht Origenes wiederum für seine Hermeneutik des Buches Levitikus fruchtbar. In der 7. Homilie insistiert er, dass die ganze Heilige Schrift, auch das Neue Testament, spirituell ausgelegt werden muss.51 Alle diese Zitate aus den Paulusbriefen und aus dem Hebräer­ brief, der nach Überzeugung des Origenes ebenfalls auf Paulus zurückgeht, 49 In Lev. hom. 4,7 (GCS Orig. 6, 326f.). 50 Ebd.  1,1 (6, 280). 51 Ebd.  7,5 (6, 387): „Erkennt an, dass es Bilder sind, die in den göttlichen Büchern ge-

schrieben stehen, und untersucht daher wie Geistige und nicht wie Fleischliche und versteht, was gesagt wird. Denn wenn ihr diese gleichsam als Fleischliche aufnehmt, schädigen sie euch und nähren nicht. Es gibt nämlich auch in den Evangelien den Buchstaben, der tötet (vgl. 2 Kor. 3,6). Nicht nur im Alten Testament ist der tötende Buchstabe zu entdecken; es gibt auch im Neuen Testament den Buchstaben, der den tötet, der nicht geistig, was gesagt wird, wahrnimmt. Denn wenn du gemäß dem Buchstaben dem folgst, was gesagt ist: Wenn ihr nicht mein Fleisch esst und mein Blut trinkt (vgl. Joh. 6,53), tötet dieser Buchstabe.“

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Einleitung

bilden die Basis und Legitimation für Origenes’ Auslegung des Buches Levitikus entsprechend den beiden Sinnebenen: der buchstäblichen und der spirituellen. Immer wieder macht er deutlich, dass das wörtliche Verständnis unzureichend ist, und fordert seine Zuhörer auf, nach geistiger Erkenntnis zu streben.52

3. Die Methoden der Schriftauslegung in den Levitikushomilien Obwohl Origenes weithin als allegorischer Ausleger berühmt ist, verwendet er eine Vielzahl an Methoden. Die wichtigste davon ist die Auslegung eines Bibeltextes durch das Heranziehen weiterer biblischer Texte, das James Carleton Paget treffend als „vergleichende Exegese“ bezeichnet.53 Robert Wilken beschreibt dieses Vorgehen folgendermaßen: „The link to other parts of the Scriptures is made … chiefly on the basis of word associations or by compar­ ing one biblical passage with another. Of course behind this lies the principle, learned from the Greeks, that ‚Homer interprets Homer‘, where the Scriptures (Septuagint and New Testament) are taken as a whole. The associations are made ‚rhetorically‘, to use Origen’s term, not necessarily by reference to subject matter, context or idea … Origen uses an exegetical technique he learned from Paul (as well as from Philo and the rabbis). Examples from Paul are his interpretation of the rock at Horeb (Ex. 17.6) in 1 Cor. 10.1–5 or ‚seed‘ (Gen. 12.7) in Gal. 3.16 or ‚word‘ (Deut 30.14) in Rom. 10.1–5.“54

52 Vgl. ebd. 5,1 (6, 332f.) zu Lev. 6: „Wenn wir alle diese Worte nicht in einem anderen

Sinn auffassen, als der Text buchstäblich lautet, werden sie, wie wir schon oft gesagt haben, wenn sie in der Kirche vorgetragen werden, der christlichen Religion mehr ein Hindernis und einen Umsturz als eine Ermahnung und Erbauung einbringen. Wenn hingegen untersucht und gefunden wird, in welchem Sinn dies gesagt ist und als Gottes würdig wahrgenommen wird, von dem geschrieben steht, dass er es sagt, wird der, der es hört, ein Jude, doch nicht einer, ‚der offensichtlich‘, sondern ‚der im Verborgenen Jude ist‘, gemäß jener Unterscheidung des Juden, die der Apostel trifft, indem er sagt: ‚Denn nicht, wer offensichtlich ein Jude ist, und nicht die Beschneidung, die am Fleisch offensichtlich ist, sondern wer im Verborgenen durch die Beschneidung des Herzens ein Jude ist, wer es durch den Geist, nicht durch den Buchstaben ist, dessen Lob kommt nicht von Menschen, sondern von Gott‘ (Röm. 2,28f.).“ 53 Vgl. Carleton Paget, Christian Exegesis 531: „[T]he principal method of exegesis Origen employs for the interpretation of the OT could be termed comparative exegesis.“ 54 Wilken, Origen’s Homilies 87.

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes

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Die Schrift mithilfe anderer Schriftstellen auszulegen ist eine gängige Interpretationsmethode sowohl in der hellenistischen Homerauslegung als auch im rabbinischen Midrasch.55 Besonders die Auslegung alttestamentlicher Texte durch die Brille des Neuen Testaments kennzeichnet die Vorgehensweise des Origenes und ist natürlich in der oben skizzierten Hermeneutik begründet. Aber auch andere alttestamentliche Texte, vorzugsweise aus Prophetenbüchern und Psalmen, nutzt Origenes als Quelle seiner exegetischen Argumentation. Seine hervorragende Schriftkenntnis ist das Fundament dieser Form der Auslegung. Auch wenn mitunter einzelne Zitate aus mehreren Schriftstellen zusammengesetzt sind oder so, wie Origenes sie verwendet, nicht verifizierbar sind, ist seine Souveränität im Umgang mit der Schrift als einem umfassenden Interpretationsraum des göttlichen Wortes beeindruckend und prägt wesentlich die Levitikushomilien. Die enge Verbindung von alttestamentlichen mit anderen alttestamentlichen und insbesondere mit neutestamentlichen Schriftstellen ist der Kern von Origenes’ Levitikusauslegung. Aber auch andere philologische Methoden beherrschte Origenes aufgrund seiner Ausbildung in Grammatik und Philosophie in Alexandria. Bernhard Neuschäfer hat gezeigt, dass textkritische, grammatische und philologische Fragen eine wichtige Rolle in der Bibelauslegung des Origenes spielen. Sie sind Instrumente, um den Wortlaut des Textes zu klären und damit den Text für die Zuhörer verständlich zu machen. Sie bilden damit die Voraussetzung für die weitere Interpretation, die der eigentlichen Intention der Homilien, der Erbauung, dient. „Here then is the reason Origen wanted Leviticus to be read in the churches: it speaks about the transforming power of God’s presence (through the tent of meeting) in the community of believers.“56 Diese Auslegung zielt die spirituelle Ebene an, sucht das Textverständnis über die Wortbedeutung hinaus und enthüllt den inneren Sinn der inspirierten Schrift. Das heißt, dass den philologischen Methoden zwar Bedeutung für das Verstehen des Textes zukommt, das eigentliche Auslegungsziel aber durch andere Methoden erreicht wird. Das Verständnis der Worte der Schrift muss „Gottes würdig“ (digne Deo) sein,57 weil die Schrift die „vom Heiligen Geist inspirierte Ausdrucksgestalt des göttliches Logos“ ist, „in dem die ewige Wahrheit Gottes, des Vaters, offenbar ist“.58 Was gesagt wird, kann keinen anstößigen Sinn haben, und alles enthält Sinn, sonst wäre es in der Schrift nicht enthalten. In der 1. Homilie stellt Origenes genau diese Frage an den Bibeltext: „‚Wenn ein Mensch von euch eine Gabe darbringt‘ (Lev. 1,2), als ob irgendjemand anders darbringen könnte als ein Mensch. Und gewiss hätte es genügt, zu sagen: wenn einer 55 Siehe Neuschäfer, Origenes als Philologe 276–285; Stemberger, Einleitung 29f. 56 Wilken, Origen’s Homilies 91. 57 Origenes, in Lev. hom. 5,1 (GCS Orig. 6, 332). 58 Bruns, Trinität und Kosmos 30.

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von euch eine Gabe darbringt, doch jetzt heißt es: ‚Wenn ein Mensch von euch eine Gabe darbringt‘.“59 Origenes nimmt, wie auch die jüdischen Ausleger seiner Zeit, an, dass kein Wort der Schrift überflüssig gesagt ist.60 Jedes Detail ist vom göttlichen Urheber inspiriert und hat seine Bedeutung, die in der Regel durch allegorische Deutung erschlossen wird. Die Gottes würdige Auslegung „ist geistlich, trifft den göttlichen Sinn Christi, ist vom Heiligen Geist geführt, zudem kirchlich und verborgen-eschatologisch“.61 Zugleich ist auch von den Auslegern eine intelligentia spiritalis bzw. scientia spiritalis gefordert,62 wie Origenes am Ende der 6. Homilie sagt: „Und deshalb wollen wir … den Herrn bitten, dass er uns für würdig befinde, uns selbst die Erkenntnis dessen, was wir gelesen haben, zu offenbaren und zu zeigen.“63 Zum Beispiel wird in der 9. Homilie das Heiligtum spirituell gedeutet. Das äußere Heiligtum ist die Kirche. Dort bringen die Gläubigen als Ganzopfer sich selbst dar, im Martyrium und im Kampf für Liebe, Gerechtigkeit und Wahrheit. Heiligtum und Opfer werden also auf die gegenwärtige Situation der Kirche hin ausgelegt. Das Allerheiligste hingegen, das nur der Hohepriester einmal im Jahr betreten darf, ist der Sitz Gottes im Himmel. Der irdische Tempel wird mit Hebr. 9,24 als Abbild des wahren Heiligtums verstanden.64 Hier liegt genau genommen eine typologische Interpretation vor: Ein Ereignis oder eine Figur aus dem Alten Testament wird als Typus,Vorausbild einer christlichen Wirklichkeit gedeutet, entweder christologisch, ekklesiologisch oder anagogisch-eschatologisch. Ein anderes Beispiel ist die allegorische Interpretation einzelner Gegenstände des Tempelkults in der 13. Homilie. Einführend nimmt Origenes auf Hebr. 10,1; 8,5 und 2 Kor. 3,16 Bezug,Texte, auf die er sich immer wieder als Autorität für seine geistige Auslegung beruft. Die Öllampen bedeuten das Wort des Gesetzes und das prophetische Wort. Das Öl wird als Barmherzigkeit und gute Werke interpretiert. Auch die ausgelegten Brote sind als das Wort Gottes zu verstehen, wobei es hier Unterschiede gibt. Wer nur den buchstäblichen Sinn versteht, der hat nur gewöhnliches Brot, wer aber zur Erkenntnis der Mysterien gelangt ist, hat Brote aus Feinmehl, von denen Lev. 24,5 spricht.65 In der Konkretisierung der geistigen Auslegung zieht Origenes auch hier zahlreiche Verse aus Altem und Neuem Testament heran, um seine Deutung durch die Schrift selbst zu untermauern. 59 Origenes, in Lev. hom. 1,2 (GCS Orig. 6, 282). 60 Vgl. auch ebd. 7,4 (6, 383) und 8,2 (6, 394). Zum Verständnis dieses Prinzips bei Ori-

genes und in der rabbinischen Literatur siehe Visotzky, Jots and Tittles. 61 Lies, Schriftauslegung 366. Lies weist aber auch richtig darauf hin, dass bereits der 62 63 64 65

Buchstabe „ein Werk des Geistes“ ist (ebd. 370). Vgl. ebd. 365. Origenes, in Lev. hom. 6,6 (6, 370). Vgl. ebd. 9,9 (6, 436f.). Vgl. ebd. 13,1–3 (6, 467–472).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes

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Die typologische Auslegung des Kultes, wie er im Buch Levitikus beschrieben und vorgeschrieben wird, ist Origenes wesentlich durch den Hebräerbrief vorgegeben. Die Begriffe typus, figura, umbra und imago bezeichnen den auf eine andere Wirklichkeit verweisenden Charakter der biblischen Texte. Zentral ist die Deutung der Opfer und des Hohepriesters auf Christus,66 so etwa in der 4. Homilie: „Daher ist als das eine und vollkommene Opfer, für das alle diese Opfer im Typus (typus) und im Bild (figura) vorausgegangen waren, Christus geopfert worden.“67 Origenes’ Weise der Auslegung des Buches Levitikus war zu seiner Zeit nicht unumstritten. In seiner Einleitung zur 1. Homilie präsentiert er sein Interpretationsprogramm, ohne zu verschweigen, dass er dafür angefeindet wird: „‚Bedrängt bin ich von allen Seiten‘. Wenn ich euch nämlich darin zustimme, dem Buchstaben des Gesetzes zu folgen, wird es ‚für mich der Tod‘ sein; wenn ich aber nicht zustimme, ‚werde ich euren Händen nicht entkommen. Doch es ist besser, in eure Hände zu fallen, ohne etwas getan zu haben, als in den Augen des Herrn zu sündigen‘ (Sus. 22f. LXX; Dan. 13,22f.).“68 Konkret wird der Rechtfertigungsbedarf auch an einigen Stellen in den Homilien deutlich, wo er sich auf die Autorität des Paulus beruft, um seine spirituelle Auslegung zu legitimieren, oder auch direkt die Kritik anspricht, indem er Einwände seiner Gegner in die Argumentation einbaut, so etwa in der 16. Homilie: „Vielleicht sagt ein Zuhörer: Was treibt dieser Wortklauber schon wieder? Was sucht er von woher auch immer Wörter, damit er der Erklärung der Lesung entgeht? Wie wird er lehren, dass in uns Hölzer und Bäume sind?“69 Auch in der 7. Homilie geht er bei der Interpretation der reinen und unreinen Speisen und Tiere auf den Vorwurf ein, er tue den Worten durch seine Allegorese Gewalt an: „Denn vielleicht möchte jemand von den Zuhörern sagen: Warum tust du der Schrift Gewalt an? Tiere werden genannt, Tiere sollen verstanden werden. Damit also nicht irgendwer glaubt, dass dies von einem menschlichen Geist verdorben wird, muss in dieser Sache die apostolische Autorität angerufen werden. Höre also zuallererst, wie Paulus darüber spricht.“70 Die allegorische Auslegung des Durchzugs durch das Rote Meer durch Paulus in 1 Kor. 10 stellt Origenes’ Vorbild und Rechtfertigung für seine eigene christliche allegorische Deutung dar.

66 Näheres dazu siehe unten S. 22–28. 67 In Lev. hom. 4,8 (6, 327). 68 Ebd.  1,1 (6, 281). 69 Ebd.  16,4 (6, 497f.). 70 Ebd.  7,4 (6, 382). Vgl. auch ebd. 16,2 (6, 495): „Sei aufmerksam, lieber Zuhörer, damit

du nicht glaubst, dass wir der göttlichen Schrift Gewalt antun, wenn wir die Kirche lehren und sagen, dass die Wasser, die Regengüsse und anderes, was körperlich gesagt zu sein scheint, geistig zu verstehen ist.“

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Origenes ist überzeugt davon, dass die Heilige Schrift göttlich inspiriert ist. Sie verweist in Bildern und Schatten auf Christus, die Kirche und das spirituelle Leben der Christen voraus. Daher sieht er es als seine Verpflichtung an, seine Zuhörer auf diesen geistigen Weg mitzunehmen und ihnen den wahren Sinn der Schrift zu erschließen. Dem genauen und vor allem dem spirituellen Verständnis und letztlich der Vervollkommnung der christlichen Gläubigen auf dem Weg ihrer Seele dienen die verschiedenen Methoden, mit denen Origenes an den Text herangeht.

4. Bibeltext und Zitate Origenes legt das Buch Levitikus nach dem Text der griechischen Septuaginta aus. Das ist auch in der lateinischen Übersetzung noch gut erkennbar, besonders dort, wo sich die Septuaginta von der Vulgata unterscheidet. Ein Beispiel dafür ist Lev. 20,9, das in der Septuaginta mit den Worten ἄνθρωπος ἄνθρωπος („ein Mensch, ein Mensch“) beginnt, was wörtlich dem Hebräischen entspricht. Hieronymus übersetzt in der Vulgata sinngemäß mit einem einfachen qui, „der“, die modernen deutschen Übersetzungen mit „jeder, der“ oder „wer“. In den ersten beiden Zitaten dieses Verses findet sich die Version der Septuaginta,71 beim dritten Zitat wird einfaches qui verwendet.72 Möglicherweise geht diese Abweichung auf die Übersetzung des Rufinus zurück, was aber nicht überprüfbar ist. In diesem Fall wird die besondere Form in der Auslegung nicht aufgegriffen. Anders ist es etwa in der 15. Homilie, wo Origenes Gen. 25,27 zitiert, um seine allegorische Deutung von Lev. 25,32 zu untermauern, in der es um den Rückkauf von Häusern geht. Nach der Septuaginta wohnt Jakob in einem Haus, nach dem hebräischen Text und der Vulgata aber in Zelten.73 In der 12. Homilie weist Origenes selbst auf einen Unterschied zwischen der Septuaginta und dem hebräischen Text, dem auch die Vulgata folgt, hin: Die Worte „aus seinem Geschlecht“ (ἐκ τοῦ γένος αὐτοῦ), die die geeignete Ehefrau des Priesters näher bestimmen, finden sich ausschließlich in der Septuaginta. Origenes nutzt diese Differenz, um in seiner Auslegung aus dem Fehlen der Worte auf einen spirituellen Mangel der Juden zu schließen: „Jene haben also nicht in ihrer Schrift, dass sie vom Geschlecht Christi sind, wie sie es auch nicht zu sein verdienten.“74 Pierre Nautin geht davon aus, dass Origenes zumindest das biblische Buch, das er gerade auslegte, vor sich liegen hatte, entweder in Form der

71 Vgl. ebd. 11,2 (6, 449). 72 Vgl. ebd. 11,3 (6, 452). 73 Vgl. ebd. 15,2 (6, 488). 74 Ebd.  12,5 (6, 464).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes

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Septuaginta oder der Hexapla.75 Origenes bedient sich bei der Interpretation häufig der Methode der „lecture glosée“,76 das heißt er wiederholt Bibelverse aus dem vorgelesenen Abschnitt und fügt Erklärungen ein. Ebenso interpretiert er „die Bibel aus der Bibel“,77 er legt also den Text mit Hilfe anderer Bibeltexte aus, wobei er häufig auf Wortassoziationen zurückgreift.78 Diese Bibeltexte zitiert Origenes aus dem Gedächtnis. Daher finden sich zahlreiche Variationen in den Zitaten. Mitunter finden sich dieselben Varianten bei anderen Autoren, wie Clemens von Alexandria.79 Aber auch die Zitate aus Levitikus sind fast nie wörtlich und variieren, wenn Origenes sie mehrmals im Laufe der Auslegung wiederholt. Er lässt bei Schriftzitaten häufig Wörter oder Versteile aus, fügt Ergänzungen ein oder passt die grammatikalischen Formen an den Kontext an, wechselt z. B. in die zweite Person, wenn er seine Zuhörer direkt anspricht. Er greift einzelne Worte oder Satzteile auf und baut sie in einen interpretierenden Satz ein. So wiederholt er immer wieder den auszulegenden Vers oder Teile davon, um sie seinen Zuhörern besser einzuprägen und sie in mehreren Schritten auszulegen. Seine eigene Sprache ist von biblischen Formulierungen durchtränkt. Mitunter klingt ein Text wie ein Bibelzitat, allerdings lässt sich eine konkrete Stelle dazu nicht finden. Es finden sich Anspielungen und Motive, die er aus seiner profunden Bibelkenntnis einbringt. Die Levitikushomilien mit ihren vielen Schriftzitaten sind ein durch und durch biblisch geprägter Text.

5. Themen a) Grundlegung: Anthropologie In der 5. Homilie korreliert Origenes die Unterscheidung von drei Sinnebenen in der Auslegung der Heiligen Schrift mit einer Dreiteilung des

75 Nautin, SC 232, 113. 116. 76 Ebd. 114. Nautin schreibt die Herkunft dieses Prinzips bei Origenes „dem Hebräer“

zu (ebd. 147). Die Auslegungsmethode findet sich aber auch in der griechischen Textauslegung; siehe Neuschäfer, Origenes als Philologe 276–285. 77 Vgl. Nautin, ebd. 119. Sehr häufig zieht er Texte aus der Tora, den Propheten, den Evangelien, besonders Matthäus, sowie den Paulusbriefen heran (ebd. 119f.). Vgl. auch Neuschäfer, ebd. 289: „[V]on aller paganen Grammatik trennt ihn der Umstand, dass er sich einem bis ins einzelne Wort ‚heiligen Text‘ gegenübersieht (Gottes οἰκονομία) – ein Umstand, der die philologische Unbefangenheit der alten Alexan­ driner von vornherein verunmöglicht.“ 78 Siehe dazu oben S. 14–18. 79 Vgl. Nautin, SC 232, 120f.

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Einleitung

Menschen in Körper, Seele und Geist.80 Für den Geist gebraucht Origenes auch den biblischen Ausdruck Herz.81 Die Dreiteilung geht auf Platon zurück und ist auch bei Paulus (1 Thess.  5,23) zu finden. Diese Vorstellung vom Menschen ist in den Levitikushomilien vorausgesetzt und wird nicht weiter thematisiert, auch wenn über diese drei Aspekte in konkreten Auslegungen immer wieder gesprochen wird. Mit der Unterscheidung ist auch eine Hierarchie verbunden. Während der Körper auf der untersten Stufe steht und dem Irdischen und Materiellen zugehörig ist, das vorläufig und vergänglich ist, repräsentiert der Geist die höchste Stufe. Die spirituelle Schriftauslegung als höchste Erkenntnis über das Wort Gottes entspricht dieser Hochschätzung des Geistes. Aber Körper und Geist gehören zusammen. So fordert Origenes etwa in der 1. Homilie Reinheit für Körper und Geist.82 So wie Paulus (vgl. Gal. 5,17) kennt er aber auch den Kampf des Fleisches gegen den Geist und empfiehlt mit Kol. 3,5, die irdischen Glieder abzutöten, die der Ort der Sünde sind.83 Der Geist ist es auch, der im Glauben Frucht bringt.84 Doch kann der Geist auch durch negative Kräfte beeinflusst sein, und so kann „der Geist des Zorns, des Neids, des Stolzes, der Unzucht zu deiner Seele“ gelangen.85 Der Geist muss sich also auf Gott hin ausrichten. In den meisten Fällen, wo Origenes vom Geist spricht, ist er jedoch der Gegenpol zum Fleisch und der höhere, Gott zugewandte Teil des Menschen. In einer anderen Position ist die Seele. Sie steht zwischen Geist und Körper und kann unterschiedlich ausgerichtet sein.86 In der 2. Homilie zeigt sich das sehr deutlich. Hier wird ausgehend vom Levitikustext zwischen Mensch und Seele unterschieden. Der Mensch ist das Abbild Gottes. Die Seele ist demgegenüber geringer. Sie wird mit Paulus (1 Kor. 2,14) als „tierischer Mensch“ qualifiziert. Wenig später erläutert Origenes zu Lev. 4,1f.: „Zu Recht wird ‚Seele‘ der genannt, wer als einer beschrieben wird, der sündigt; denn man hätte den nicht ‚Geist‘ nennen können, von dem es heißt, dass er im Begriff ist zu sündigen, noch könnte freilich dieser, in dem das Bild Gottes (vgl. Gen. 1,26), wenn die Sünde dazwischenkommt, keineswegs stabil ist, ‚Mensch‘ genannt werden. Also ist es nicht der Geist, der sündigt; denn ‚die Frucht des Geistes ist‘ – wie der Apostel beschreibt – ‚Liebe, Freude, Friede, Geduld‘ (Gal. 5,22), und anderes dergleichen, die auch ‚Früchte des Lebens‘ genannt werden. Schließlich sagt er auch anderswo: ‚Wer im Fleisch sät, wird 80 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 5,1 (GCS Orig. 6, 333). Siehe dazu Crouzel, Origène

123–130. 81 Vgl. Origenes, ebd. 13,4 (6, 475); Crouzel, ebd. 124. 82 Vgl. Origenes, ebd. 1,5 (6, 288). Vgl. auch ebd. 6,5 (6, 367). 83 Vgl. z. B. ebd. 3,4 (6, 307); 7,2 (6, 376); 9,7 (6, 431f.); 14,4 (6, 486). 84 Vgl. z. B. ebd. 5,8 (6, 349). 85 Ebd.  12,7 (6, 466). Vgl. auch ebd. 14,2 (6, 480); 16,6 (6, 502). 86 Siehe u. a. Tripolitis, Origen 27.

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes

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vom Fleisch Verderben ernten; und wer im Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten‘ (Gal. 6,8). Weil es also einer ist, der sät, und ein anderer, in dem gesät wird – gesät wird aber entweder im Fleisch, wenn man sündigt, sodass man Verderben erntet, oder im Geist, wenn man Gott gemäß lebt, sodass man ewiges Leben erntet –, steht fest, dass es eine ‚Seele‘ ist, die entweder im Fleisch oder im Geist sät, und dass sie es ist, die entweder in Sünde stürzen oder von der Sünde umkehren kann. Denn der Körper folgt ihr zu allem, was sie wählt; und der Geist ist ihr Anführer zur Tugend, wenn sie ihm folgen will.“87 Hier zeigt sich klar die Mittelstellung der Seele, die den Körper zur Sünde verführen kann, wenn sie nicht vom Geist zur Tugend gelenkt wird.88 Die Seele ist die Braut Christi89 und muss entsprechend rein und tugendhaft sein: „Die Braut Christi aber kann weder ausgestoßen noch beschmutzt sein, sondern eine unbefleckte Jungfrau, unverdorben, rein.“90 Die Seele ist nicht an sich unsterblich, sondern Origenes bringt das Leben bzw. den Tod der Seele ebenfalls mit der Sünde in Verbindung. Eine Seele, die in Sünde ist, wird sterben, so argumentiert er mit Ezechiel (vgl. Ez. 18,4). Allerdings korrigiert sich Origenes, indem er den Tod ausschließlich auf die Entfremdung von Gott und nicht auf ihr Wesen bezieht (mortem eius non ad interitum substantiae).91 Die 12. Homilie spricht von der Distanz der toten Seele von Christus. Er tritt nicht in diese Seele ein: „Wenn eine Seele aber lebt, das heißt, wenn sie keine tödliche Sünde in sich hat, dann kommt Christus, der das Leben ist (vgl. Joh. 11,25), zur lebenden Seele; denn so wie das Licht nicht mit der Finsternis sein kann und die Gerechtigkeit nicht mit dem Unrecht (vgl. 2 Kor. 6,14), so kann das Leben nicht mit dem Tod sein.“92 Origenes bringt den Menschen aber nicht nur in Verbindung mit der Schrift und ihren Sinnebenen, sondern er nimmt auch eine Entsprechung zwischen dem Menschen als Mikrokosmos und dem Makrokosmos an. Dieser Gedanke war in der Antike weit verbreitet und findet sich auch in den Schriften des Origenes.93 Theologisches Fundament dafür ist die Erschaffung 87 Origenes, in Lev. hom. 2,2 (GCS Orig. 6, 292f.). 88 Vgl. auch ebd. 2,5 (6, 298f.); 12,5–7 (6, 463–467); 13,5 (6, 476f.). 89 Vgl. ebd. 12,5 (6, 464). 90 Ebd.  12,6 (6, 465). 91 Vgl. ebd. 9,11 (6, 439f.): „Daher meine ich auch, dass aus sich heraus die menschliche

Seele weder sterblich noch unsterblich genannt werden kann. Wenn sie jedoch das Leben erlangt hat, wird sie aus der Teilhabe am Leben unsterblich werden (denn ins Leben gelangt der Tod nicht); wenn sie sich hingegen vom Leben abwendet und sich die Teilhabe am Tod zuzieht, macht sie sich selbst sterblich. Und deshalb sagt der Prophet: ‚Die Seele, die sündigt, wird selbst sterben‘ (Ez. 18,4), obgleich wir meinen, dass ihr Tod nicht zum Untergang ihrer Substanz führt, sondern eben dies, dass sie fremd und entfernt von Gott ist, der das wahre Leben ist, als ihr Tod anzusehen ist.“ 92 Ebd.  12,3 (6, 460). 93 Vgl. z. B. in Gen. hom. 1,11 (GCS Orig. 6, 21); Aristoteles, phys. VIII 2, 252b (p. 154 Zekl); Philon, plant. 28 (II p. 139 Cohn/Wendland).

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Einleitung

der Welt und aller Lebewesen durch den einen Gott. Mit dieser Entsprechung argumentiert Origenes für sein spirituelles Verständnis der Opfer. Er verlegt das Opfergeschehen mit sehr bildhafter Sprache in das Innere der Menschen. Dass Rinder, Schafe, Ziegen und Vögel, aber auch die Gestirne im spirituellen Sinn zu verstehen sind und innerliche geistige Wirklichkeiten bezeichnen, untermauert Origenes mit einer langen Reihe von Schriftstellen aus Altem und Neuem Testament: „Verstehe, dass du eine andere Welt im Kleinen bist und dass in dir die Sonne ist, der Mond ist, auch die Sterne sind. Denn wenn dem nicht so wäre, hätte der Herr niemals zu Abraham gesagt: ‚Blick zum Himmel und sieh die Sterne, ob sie in ihrer Menge gezählt werden können, so wird dein Samen sein‘ (Gen. 15,5). … Höre auch, was dir Christus sagt: ‚Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt‘ (Mt. 28,20). Und über den Heiligen Geist wird gesagt: ‚Und ich werde von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch, und sie werden prophetisch reden‘ (Joël 2,28[3,1]). Da du also siehst, dass du alles hast, was die Welt hat, darfst du nicht zweifeln, dass du auch die Tiere, die in den Opfern dargebracht werden, in dir hast und du von ihnen geistig Opfer darbringen sollst.“94 Äußeres und Inneres, Großes und Kleines entsprechen einander. Was nach dem buchstäblichen Verständnis über Materielles gesagt wird, kann auf Spirituelles bezogen werden, auch wenn es auf den ersten Blick für die Zuhörer des Origenes offensichtlich weit hergeholt ist. Die hier kurz skizzierten anthropologischen Vorstellungen dienen Origenes als Fundament seiner Auslegung, vor allem seiner ethischen Ermahnung und seinem Anliegen, die Zuhörerinnen und Zuhörer in ihrem spirituellen Fortschritt zu fördern. b) Der Opferkult Der Opferkult ist ein zentraler Inhalt des Buches Levitikus. Die Anweisungen für Opfer und andere rituelle Begehungen werden im Rahmen der Erzählung vom Aufenthalt der Israeliten am Sinai und der Gabe der Tora durch Mose an Israel und insbesondere an Aaron und seine Söhne, die Priester, vermittelt. Das Buch spricht zunächst über die Einsetzung der Priester und des Kultes im Zeltheiligtum in der Wüste, gibt aber gleichzeitig Anweisungen für spätere Zeiten, also den Kult am Tempel in Jerusalem.95 Zur Zeit des Origenes war aber der Tempel bereits seit längerer Zeit zerstört und eine reale Umsetzung der Kultvorschriften nicht mehr möglich. Dennoch war und ist das 94 Origenes, in Lev. hom. 5,2 (GCS Orig. 6, 336f.). 95 Das biblische Buch Levitikus entwirft ein Idealbild, das nicht als Beschreibung des

historischen Tempelkults in Jerusalem verstanden werden darf. Siehe dazu Hieke, Levitikus 73.

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes



Buch Levitikus Teil der jüdischen und christlichen Heiligen Schrift.96 Um die bleibende Relevanz dieses Textes für die gegenwärtigen Gläubigen zu verdeutlichen, greift Origenes auf eine allegorische und typologische Deutung der konkreten Anweisungen zurück.97 Sein Grundgedanke ist, dass der Kult und die im Buch Levitikus vorgeschriebenen und beschriebenen Opfer als Typus Christi und seines Opfers zu verstehen sind. Er kann für dieses Interpretationsmuster an den Hebräerbrief anknüpfen, der die Opfer, den Hohepriester und den Versöhnungstag des Kultes Israels typologisch deutet und in Christus verwirklicht sieht. Der Hebräerbrief betrachtet den jüdischen Tempelkult „nur“ als Vorausbild und Schatten der künftigen Wirklichkeit in Christus und in der himmlischen Vollendung (vgl. Hebr. 8,5; 10,1). Die Levitikushomilien enthalten über siebzig Zitate bzw. Anspielungen aus dem Hebräerbrief. Programmatisch formuliert Origenes in der 3. Homilie, wo das Deutungsmuster aus dem Hebräerbrief deutlich zutage tritt: „Beinahe jedes Opfer, das dargebracht wird, hat etwas von der Gestalt und dem Bild Christi an sich. In ihm wird nämlich jedes Opfer zusammengefasst, insofern als, nachdem er sich selbst dargebracht hat (vgl. Hebr. 9,14), alle Opfer aufgehört haben, die ihm im Typus und im Schatten vorausgegangen waren (vgl. Hebr. 10,1).“98 Origenes wendet diese Interpretation auf konkrete Opfer, die im Buch Levitikus genannt werden, an, so in der 1. Homilie, wo Lev. 1,1–9 ausgelegt wird. Das Kalb, das geopfert werden soll, ist demnach „das Fleisch des Wortes Gottes“.99 Christus als das „eine und vollkommene Opfer, für das alle diese Opfer im Typus und im Bild vorausgegangen waren“,100 wurde geopfert und beendete damit den Typus, das Vorbild, d. h. alle fleischlichen Opfer im Tempel. Hier greift Origenes wiederum einen Gedanken des Hebräerbriefs auf (vgl. Hebr. 7,27; 9,12; 10,10), dass sich nämlich Christus „ein für allemal“ selbst als Opfer dargebracht hat.101 Mit Kol. 1,20 und Eph. 1,10 ist Origenes der Überzeugung, dass Christus sich als Opfer für Irdische und Himmlische dargebracht hat.102 Das Geschehen im irdischen Jerusalem hat sein Gegen-

96 Zur jüdischen Auslegung siehe unten S. 37–43. 97 Zum Opferverständnis des Origenes (im Vergleich mit den frühen Rabbinen) siehe

Tzvetkova-Glaser, Pentateuchauslegung 339–358. 98 Origenes, in Lev. hom. 3,5 (GCS Orig. 6, 309). 99 Ebd.  1,4 (6, 285). 100 Ebd. 4,8 (6, 327). 101 Ebd. 3,5 (6, 309). Der Gedanke war Origenes sicher geläufig. Von den genannten

Stellen zitiert er nur einmal Hebr. 7,27 in diesem Sinne. 102 Vgl. ebd. 1,3 (6, 285); 2,3 (6, 294); 4,4 (6, 319f.); 9,5 (6, 426). Origenes betrachtete den

heute als deuteropaulinisch eingestuften Brief an die Kolosser selbstverständlich als paulinisch. Vgl. auch in Luc. hom. 10,3 (GCS Orig. 92, 60f.).

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Einleitung

stück in einem himmlischen Geschehen, wie er in der 1. Homilie ausführt.103 Christus ist aber nicht nur Opfer, sondern auch Priester.104 Als solcher bringt er sich selbst als endgültiges Opfer dar, auch das eine Vorstellung, die bereits in Hebr. 5,1–3; 9,11–14 ausgedrückt ist. Zu beachten ist, dass dieses Opfer durchaus ein körperliches, fleischliches Opfer war. Parallel zur christologischen Interpretation der Opfer fordert Origenes aber auch seine Zuhörer auf, Opfer zu bringen und insbesondere sich selbst als Opfer Gott darzubringen. Die Opfer sind keine äußerlichen, materiellen Darbringungen, sondern im Inneren verortet, „im Herzen“ sowie „im Geist“.105 In der 5. Homilie formuliert er das sehr bildhaft: „Suche diese Opfer in dir selbst und du wirst sie in deiner Seele finden. Verstehe, dass du in dir selbst Rinderherden hast, diejenigen, die in Abraham gesegnet werden. Verstehe, dass du sowohl die Schafherden als auch die Ziegenherden hast, in denen die Patriarchen gesegnet und vermehrt wurden. Verstehe, dass in dir auch die Vögel des Himmels sind.“106 Die im Buch Levitikus geforderten Opfertiere sind also innerliche, geistige Wirklichkeiten. Diese müssen sich allerdings im konkreten menschlichen Sozialleben auswirken. Es geht also durchaus auch um Werke: „Verkündet etwa der Gesetzgeber nicht klar, dass es nicht der Mensch ist, der das Opfer darbringt, sondern seine Hände, das heißt seine Werke? Die Werke sind es nämlich, die das Opfer Gott empfehlen.“107 Im Anschluss an Paulus werden mit Gal. 5,22 Liebe, Freude, Friede und Geduld als Frucht der Gerechtigkeit, der Barmherzigkeit und des Geistes aufgezählt. In der 5. Homilie fasst Origenes das geforderte Opfer – in diesem Fall das Lobopfer – noch weiter: „Der also brachte ein Lobopfer dar, durch dessen Taten, durch dessen Lehre, durch dessen Wort, Verhalten und Zucht Gott gelobt und gepriesen wird.“108 Das ganze christliche Leben wird damit in spiritueller Weise als ein Opfer gedeutet, das Gläubige Gott darbringen sollen. Es geht natürlich nicht um „fleischliche“ Opfer, aber die geistigen Opfer umfassen durchaus nicht nur die innere Haltung, sondern auch Worte und Werke. Die Extremform des Opfers, das Martyrium, hat auch eine sehr reale körperliche Dimension. Alles soll auf Gott ausgerichtet und ihm zugeeignet sein.

103 Vgl. in Lev. hom. 1,3 (GCS Orig. 6, 284f.). Exegetisch schließt Origenes das aus der

Tatsache, dass der Eingang des Bundeszeltes in Lev. 1,3.5 zweimal genannt wird. 104 Vgl. ebd. 3,1 (6, 300); 5,3 (6, 338). Zum Priester und Hohepriester siehe unten S. 25–

28. 105 Ebd. 5,1 (6, 334). 106 Ebd. 5,2 (6, 336). 107 Ebd. 5,12 (6, 355). 108 Ebd. 5,7 (6, 346).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes

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Im Rahmen dieser doppelten Deutung der Opfer als das eine Opfer Christi und die beständigen Opfer der Christen109 finden sich immer wieder allegorische Auslegungen einzelner Elemente der Opfervorschriften, wie etwa in der 1. Homilie. Hier interpretiert Origenes etwa das Zerteilen des Opfertieres als das Auslegen der Schrift durch den Priester, das Holz, das für das Brandopfer benötigt wird, als die Passion Christi oder das Waschen der Eingeweide des Opfertieres als die Taufe.110 Neben den großen Grundlinien, die Origenes’ Opferdeutung leiten, zeigt sich hier, dass er als Exeget sehr genau auf den Wortlaut sieht und kein Detail als unnötig erachtet. c) Priester und Hohepriester Auch in der Deutung der Priester und des Hohepriesters lassen sich mehrere parallele Deutungslinien erkennen.111 Anders als der Opferkult besteht die Institution des Priestertums in der Kirche weiterhin, natürlich in anderer Form. Dennoch legt Origenes Texte aus dem Buch Levitikus, die sich mit Aufgaben und Tätigkeiten der Priester befassen, auf die kirchlichen Amtsträger hin aus. Daneben schreibt er mit 1 Petr. 2,9 priesterliche Aufgaben und Privilegien allen christlichen Gläubigen zu. Der Hohepriester, im Buch Levitikus zunächst Aaron, wird als Typus Christi gedeutet, wofür wiederum der Hebräerbrief Origenes als Beispiel und Anknüpfungspunkt dient. Zur sichtbaren Hierarchie der Kirchen gehörten Bischöfe, Presbyter und Diakone. Dem Priestertum, dem ordo sacerdotalis, sind Bischöfe und Presbyter zuzuordnen. Die Diakone gehören zum ordo leviticus.112 Origenes stellt hohe Ansprüche an die Priester: „Die Vollkommenheit im Verständnis und im Werk, im Glauben und in den Handlungen sind beim Priester und Levit also anzunehmen.“113 Die Priester werden mehrfach zur Vollkommenheit aufgefordert, „in der Lehre, in den Tugenden, in den Sitten“.114 In seiner Tugendhaftigkeit und Enthaltsamkeit soll er ein Vorbild für alle Gläubigen sein.115 Origenes weiß allerdings, dass nicht alle, die dieses Amt ausüben, diesen hohen Anforderungen gerecht werden: „Und deshalb muss sich jeder 109 Auch der Sündenbock (Lev. 16) wird einerseits spirituell auf die Gläubigen gedeutet

(9. Homilie), andererseits typologisch auf Christus bezogen (10. Homilie). 110 Vgl. in Lev. hom. 1,4 (GCS Orig. 6, 285–287). 111 Zum Verständnis des Priestertums bei Origenes siehe Schäfer, Priester-Bild;

­Tzvetkova-Glaser, Pentateuchauslegung 316–338. 112 Vgl. Schäfer, ebd. 56. 113 Origenes, in Lev. hom. 15,3 (GCS Orig. 6, 490). 114 Ebd. 5,7 (6, 347). 115 Vgl. ebd. 6,3 (6, 365) über die Gürtel des Hohepriesters (Lev. 8,7): „Er sei gebunden

im Wort, gebunden im Werk, bereit zu allem, er habe nichts Nachlässiges, nichts Lasterhaftes. Umgürtet sei er mit den Tugenden des Geistes, gebunden sei er vor den

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Einleitung

Priester in dem, was das göttliche Gesetz beschreibt, wie in einem Spiegel betrachten und von dort den Grad seines Verdienstes ablesen, ob er sich in all dem priesterlichen Schmuck, den wir vorher erklärt haben, hingestellt sieht; wenn er sich bewusst ist, dass er entweder in der Erkenntnis oder in den Handlungen oder in der Lehre so groß und solcherart ist, soll er wissen, dass er das höchste Priestertum nicht nur dem Namen nach, sondern auch nach den Verdiensten innehat. Andernfalls soll er erkennen, dass ihm ein niedrigerer Rang gegeben ist, auch wenn er den Namen des ersten angenommen hat.“116 Es kommt also keineswegs allein auf das Amt an, das jemand innehat, sondern darauf, wie es erfüllt wird. Realistisch ist auch das Zugeständnis (im Anschluss an Lev. 4,2f.), dass Priester sündigen können, allerdings nicht unwissentlich, da sie in der Erkenntnis weiter fortgeschritten sind und andere lehren.117 Der hohe Anspruch bleibt und ist auch bestimmt durch die Aufgabe der Priester, die vor allem in der Lehre und in der Bekehrung von Sündern besteht: „Wenn also ein Priester der Kirche durch Worte und Lehre und seine viele Sorge und die Mühe durchwachter Nächte einen Sünder bekehren und ihn lehren kann, dass er einem besseren Weg folgt, zur Furcht Gottes zurückkehrt, die zukünftige Hoffnung bedenkt, von schlechten Taten ablässt und sich zu guten bekehrt; wenn, sage ich, er ein solches Werk tut, ist es folgerichtig, dass der, der durch seine Mühe erlöst wird, Gott Dank sagt und ein Heilsopfer dafür darbringt, dass er das Heil erlangte.“118 Als Vorbild stellt Origenes den Priestern Mose vor Augen: „Dies sind die beiden Tätigkeiten des Priesters, dass er entweder von Gott lernt, indem er die göttlichen Schriften liest und häufiger über sie nachsinnt, oder das Volk lehrt. … Es gibt auch eine andere Tätigkeit, die Mose ausübt. … Er betet, und solange er betet, siegt sein Volk (vgl. Ex. 17,11).“119 So sollen auch die Priester unablässig dafür beten, dass die Christen den Kampf gegen die Dämonen bestehen. Ihnen kommt eine besondere Verantwortung zu, die aus ihrer fortgeschrittenen spirituellen Erkenntnis erwächst, die sie dazu befähigt, die Gläubigen zu lehren und zu bekehren.

körperlichen Lastern, er fürchte nicht den Fall der Seele, nicht den des Körpers, er verwende immer beide Gürtel, damit er im Körper und im Geist keusch sei.“ 116 Ebd. 6,6 (6, 368). 117 Vgl. ebd. 2,1 (6, 289). 118 Ebd. 5,12 (6, 356). Vgl. auch ebd. 5,4 (6, 342), wo der Priester direkt für die Sühne der Sünde verantwortlich gemacht wird: „Wenn du einen Sünder angenommen und ihn durch Ermahnen, Ermuntern, Lehren, Unterrichten zur Buße geführt hast, vom Irrtum berichtigt, von den Lastern gebessert und ihn zu einem solchen gemacht hast, dass Gott dem Umgekehrten geneigt wird, wird gesagt, dass du für die Verfehlung Sünde erwirkt hast.“ 119 Ebd. 6,6 (6, 369f.).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes

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An mehreren Stellen spricht Origenes vom Priestertum aller Gläubigen, wobei er 1 Petr. 2,9 zitiert.120 Dieses Priestertum hat für ihn hohe Bedeutung und wird durch die Taufe begründet.121 Es beinhaltet die Aufgabe, Opfer darzubringen – und letztlich sich selbst: „Du hast also das Priestertum, weil du ein priesterlicher Stamm bist, und deshalb musst du ‚Gott ein Opfer des Lobes‘ (Hebr. 13,15) darbringen, ein Opfer von Gebeten, ein Opfer der Barmherzigkeit, ein Opfer der Keuschheit, ein Opfer der Gerechtigkeit, ein Opfer der Heiligkeit.“122 Wichtige Voraussetzung dafür, diese Aufgabe zu erfüllen, ist das innere Feuer des Glaubens: „Wenn du also das Priestertum deiner Seele ausüben willst, soll niemals das Feuer von deinem Altar weichen. Das ist es, was auch der Herr in den Evangelien vorschreibt, dass ‚eure Lenden gegürtet und eure Lampen brennend seien‘ (Lk. 12,35).“123 Konkrete Werke, die den Gläubigen empfohlen werden, um ihr Priestertum zu leben, sind nach Theo Schäfer der Verzicht auf Besitz, Werke der Nächstenliebe, Martyrium, Einsatz des Lebens für die Mitchristen, Verteidigung von Wahrheit und Gerechtigkeit sowie der Sieg über die fleischlichen Begierden.124 Auch wenn Origenes den Klerikern einen höheren Rang einräumt, stehen die Erwartungen an die christlichen Gläubigen in ihrer priesterlichen Würde denen an die amtlichen Priester wenig nach. Der Anspruch auf vollkommenen Dienst für Gott wird an alle Christen gestellt. Den Hohepriester versteht Origenes als Typus Christi. Das Buch Levitikus spricht in Lev. 21,10 vom „großen Priester unter seinen Brüdern“, was Hieronymus in der Vulgata mit dem „Hohepriester“ (pontifex) gleichsetzt. Im Buch Levitikus sind die Aufgaben des Hohepriesters stets konkret Aaron (und für die Zukunft seinem jeweiligen Nachfolger) zugeschrieben. Hebr. 5,1–5 spricht von Aaron als Hohepriester und deutet ihn als Typus Christi (vgl. auch Hebr. 8,1.3; 10,21). Mit Christus als Hohepriester befasst sich eingehend die 12. Homilie. Er wird darin mit Lev. 21,10 als magnus sacerdos bezeichnet.125 Die Bezeichnung „groß“ für Christus spielt in der Auslegung eine wichtige Rolle, in dem Sinn, dass er alle anderen Männer, die die Bibel groß nennt, übertrifft. Dementsprechend gibt es zwar einen menschlichen Hohepriester, der auch sündigen kann,126 Christus allerdings unterscheidet sich von diesem und steht über allen (Hohe-)Priestern. Die Bezeichnung als Priester „nach der Ordnung Melchisedeks“ (Ps. 109[110],4; Hebr. 5,6) wird nur auf Christus bezogen und charakterisiert die Besonderheit seines Priestertums, so etwa 120 Siehe dazu Schäfer, Priester-Bild 45–53. 121 Vgl. in Lev. hom. 9,9 (GCS Orig. 6, 436). 122 Ebd. 9,1 (6, 418f.). 123 Ebd. 4,6 (6, 323f.). 124 Siehe Schäfer, Priester-Bild 46. 125 Vgl. in Lev. hom. 12,1f. (GCS Orig. 6, 454–458). 126 Vgl. ebd. 2,3 (6, 293).

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Einleitung

im Johanneskommentar: „Von diesem übernehmen auch wir es und sagen, dass Menschen nach der Ordnung Aarons Hohepriester sein können, nach der Ordnung Melchisedeks aber ‚nur‘ der Christus Gottes.“127 Christus ist der „wahre Hohepriester“, der die Opfergaben der Gläubigen annimmt.128 Dieser wahre Hohepriester löst den menschlichen Hohepriester ab, der Tiere als Opfer darbrachte: „Seitdem jedoch der wahre Hohepriester gekommen ist, der mit seinem Blut die Glaubenden heiligte, gibt es jenen früheren Hohepriester nirgends mehr noch ist ihm irgendein Ort verblieben. Früher gab es einen Altar und wurden Opfer gefeiert; als jedoch das wahre Lamm kam, das ‚sich selbst als Opfer Gott darbrachte‘ (vgl. Eph. 5,2), endete alles, was gleichsam auf Zeit eingesetzt war.“129 Mit dem Kommen Christi ist der Typus, der „Schatten“ des wahren Hohepriesters und auch des Opferkultes abgelöst durch die Wahrheit. Durch die Zerstörung des Tempels und das damit verbundene Ende des Kultes in Jerusalem sieht sich Origenes in dieser Überzeugung bestätigt. Aber selbst den Hohepriester kann Origenes auch im Hinblick auf die christlichen Gläubigen deuten. Die Interpretation geht von Lev. 16,15 aus, wo gesagt wird, dass der Hohepriester „kein Mensch“ mehr ist, sobald er ins Allerheiligste eintritt: „Ich fasse das so auf, dass der, der Christus folgen und mit ihm ins Innere des Zeltes gelangen und zur Höhe des Himmels aufsteigen kann, kein Mensch mehr sein wird, sondern nach seinem Wort ‚so wie ein Engel Gottes‘ (Mt. 22,30) sein wird. Oder vielleicht wird in ihm auch jenes Wort erfüllt werden, das der Herr selbst sagte: ‚Ich habe gesagt, ihr alle seid Götter und Söhne des Höchsten‘ (Ps. 81[82],6). Wenn er also, geistig geworden, mit dem Herrn ein Geist wird, oder wenn er durch die Herrlichkeit der Auferstehung in die Ordnung der Engel übergeht, wird er zu Recht nicht mehr Mensch sein.“130 Ausgangspunkt für diese Deutung ist wiederum ein Detail des Textes, das Origenes damit in spirituellem Sinn zu erklären sucht. Auch wenn Origenes mit bestimmten hermeneutischen Grundentscheidungen an die Schrift herangeht, nimmt er doch den Text und seinen konkreten Wortlaut im Einzelnen sehr ernst. d) Sünde, Buße, Reinigung Sünde, Buße und Umkehr sind wichtige Themen, schon im Buch Levitikus, aber besonders in der Auslegung des Origenes, dessen Homilien die Zuhörer zur Heiligung und zu spirituellem Fortschritt führen wollen. Ein wichtiger 127 In Ioh. comm. I 2,11 (GCS Orig. 4, 5); Übersetzung: p. 29 Thümmel. 128 In Lev. hom. 9,9 (GCS Orig. 6, 437). 129 Ebd. 10,1 (6, 441). 130 Ebd. 9,11 (6, 439).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes

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Aspekt davon ist der beständige Kampf gegen die Sünde und das Böse. In der Interpretation der Segensverheißungen von Lev. 26 in der 16. Homilie vergleicht Origenes den Segen mit dem Siegespreis in einem Wettkampf. Dieser Wettkampf ist ein spiritueller Kampf, der aber, besonders im Martyrium, auch eine konkrete leibliche Form annehmen kann. Die Kampfmetaphorik findet sich auch in seiner Schrift Exhortatio ad martyrium.131 Es geht in diesem Kampf um Tugend und Treue zum Glauben. Der Ort dieses Kampfes um Tugend und Glaube gegen Begierde und Laster ist die Seele.132 In der Interaktion zwischen Körper und Seele fällt die Entscheidung zum Guten oder zum Bösen. Auch wenn in diesem Zusammenhang sehr viel von Sünde gesprochen wird, ist dieser Kampf doch wesentlich auf das Gute und die Bewahrung der durch Christus gewonnenen Erlösung und Freiheit hin ausgerichtet.133 Im Zusammenhang mit dem Buch Levitikus wird der erstrebenswerte Zustand als Reinheit und Heiligkeit verstanden, was dort zunächst eine kultische Kategorie ist, aber auch Ansätze zu einem ethischen Verständnis beeinhaltet. Die zahlreichen Reinheitsvorschriften und Reinigungsriten bezieht Origenes auf die Abkehr und Reinigung von den Sünden. Ursache für die Sünde ist die Begierde, sie macht unrein.134 Ein bedeutendes Mittel im Kampf gegen die Sünde ist daher die Askese, die Origenes mit Kol. 3,15 und 1 Kor. 9,27 als Quälen des Körpers und Abtöten der irdischen Glieder auffasst.135 Unreinheit entsteht durch Sünde, ebenso durch Kontakt mit Sündern.136 Notwendig ist eine körperliche und seelische Reinigung,137 die in den Homilien in unterschiedlicher Weise detailliert entfaltet wird.

131 Vgl. z. B. exhort. mart. 5 (GCS Orig. 1, 6); 18 (1, 16–18); 48 (1, 43f.); 51 (1, 47). Die

griechischen Termini, die Origenes für diesen Kampf verwendet, sind ἀγών bzw. ἀγωνίζομαι. 132 Vgl. Crouzel, Origène 130: „L’âme est disputée entre l’esprit et l’attirance au corps terrestre, la chair: elle est le champ-clos et l’enjeu de leur lutte et c’est elle, avec son libre arbitre, qui doit décider pour l’un ou pour l’autre. Et elle a en elle-même dans les deux éléments ou tendances qui la partagent une complicité avec chaque parti.“ 133 Vgl. Schockenhoff, Zum Fest der Freiheit 261: „Dass alles Leben Kampf bedeutet – eine Aussage, deren Verständnis uns für sich genommen weitgehend abhanden gekommen ist –, das ist für Origenes nur die Konsequenz eines fundamentalen anthropologischen Satzes, den nachzusprechen wir uns leichter tun: das gute Sein und Handeln des Menschen ist ihm nicht als ruhender Besitz, sondern als offener und stets gefährdeter Entwurf seiner Freiheit gegeben, den er gegen Widerstände durchsetzen muss. Zur Unterscheidungsgabe, die den Menschen das Wirken eines guten oder bösen Geistes erkennen lehrt, gehört deshalb neben dem Blick auf das größere Ziel, zu dem der gute Geist uns treibt, auch die Bewahrung der eigenen Freiheit.“ 134 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 3,3 (GCS Orig. 6, 303). 135 Vgl. ebd. 1,5 (6, 287). 136 Vgl. ebd. 3,3 (6, 304); 5,10 (6, 352f.). 137 Vgl. ebd. 1,5 (6, 287).



Einleitung

Origenes geht davon aus, dass niemand ohne Sünde ist, niemand wird rein geboren138 und sogar der Hohepriester kann sündigen.139 In der 2. Homilie wird die Taufe als einzige Möglichkeit der Sündenvergebung vor Augen gestellt, eine in der frühen Kirche mehrfach belegte Position:140 „Bei uns gibt es nur eine Vergebung der Sünden, die durch die Gnade des Taufbades am Anfang gegeben wird; danach wird einem, der sündigt, keinerlei Barmherzigkeit noch Vergebung zugestanden.“141 Origenes weist zunächst darauf hin, dass von Christen eine strengere Moral gefordert ist als von anderen Menschen. Er erörtert im Anschluss aber sieben weitere Arten der Sündenvergebung, die auch Christen offenstehen: Neben der Taufe das Martyrium, Almosen, geschwisterliche Vergebung, Bekehrung von Sündern, Liebe und Buße. Dabei ist auch zu beachten, dass zwischen verschiedenen Arten von Sünde zu unterscheiden ist, grundlegend zwischen einer Sünde, die zum Tod führt (vgl. 1 Joh. 5,16) und anderen leichteren Sünden.142 In der 8. Homilie bringt Origenes die sechs in Lev. 13 genannten Arten von Aussatz mit verschiedenen Arten von Sünde in Verbindung.143 In der 15. Homilie unterscheidet er ebenfalls eine Todsünde, namentlich ein „tödliches Verbrechen“ oder eine „Lästerung des Glaubens“, von einem „Fehler in Worten oder Sitten“, also geringfügigeren Sünden. Demnach besteht für letztere immer die Möglichkeit der Vergebung: „Denn für schwerwiegendere Verbrechen wird der Buße nur einmal Raum gewährt; diese gewöhnlichen Verfehlungen hingegen, in die wir häufig geraten, erhalten immer eine Buße und werden ohne Unterbrechung losgekauft.“144 Die Vergebung der Sünde ist ein Prozess in mehreren Schritten.145 Erste Voraussetzung dafür ist das Erkennen der Sünde, wie die 2. Homilie am Beispiel des sündigenden Hohepriesters festhält.146 Eine zweite Voraussetzung ist das Bekennen der Sünde.147 Dieses findet in der Öffentlichkeit der Kirche statt. Origenes betont hier, dass die Sünder sich mit ihrem Bekenntnis beeilen und damit der Anklage durch den Teufel zuvorkommen sollen. Ein Aufschieben birgt die Gefahr in sich, durch andere angeklagt zu werden bzw. die Möglichkeit der Vergebung im irdischen Leben zu versäumen. Erlangt jemand in der Gemeinde Kenntnis von der Sünde eines Mitchristen, ist es

138 Vgl. ebd. 8,3 (6, 398). 139 Vgl. ebd. 2,3 (6, 293). 140 Siehe dazu Rahner, Bußlehre des Origenes 85–104. 141 Origenes, in Lev. hom. 2,4 (GCS Orig. 6, 295). 142 Vgl. ebd. 4,5 (6, 322). 143 Vgl. ebd. 8,5–10 (6, 400–408). 144 Ebd. 15,2 (6, 489). Es geht hier um den Rückkauf von Häusern nach Lev. 25,29–32. 145 Siehe dazu Rahner, Bußlehre des Origenes. 146 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 2,3 (GCS Orig. 6, 293). 147 Vgl. ebd. 3,4 (6, 308).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes



allerdings nicht sofort notwendig, an die Öffentlichkeit zu gehen, sondern Origenes schließt sich den Empfehlungen von Mt. 18,15–17 an, durch ein mehrstufiges Verfahren der Ermahnung zunächst unter vier Augen, dann in einem weiteren Kreis und dann erst in der Öffentlichkeit eine Besserung zu erreichen.148 Ein letzter Schritt ist der Ausschluss aus der Gemeinde.149 Notwendig ist sodann ein Reinigungsprozess, der zur Reintegration in die kirchliche Gemeinschaft führt. Ein solcher wird in der 8. Homilie in Form einer allegorischen Deutung der einzelnen Elemente des Reinigungsritus von Lev. 14 ausführlich dargestellt.150 Als zentrales Heilmittel und Fundament gilt Origenes das Opfer und Blut Christi. Christus wird auch mehrfach als Arzt dargestellt, der durch seine Lehre Körper und Seelen heilt.151 Die Reinigung und Wiedereingliederung des Sünders kann nicht er selbst bewirken, sondern er bedarf der Vermittlung des Priesters. Im Folgenden muss aber natürlich auch der zu Bekehrende selbst zu seiner Wiederherstellung beitragen. Vom Waschen des Körpers und der Kleider sowie vom Rasieren aller Körperhaare ist im Buch Levitikus die Rede. Das deutet Origenes als das Entfernen der Sünde und des Lasters in Werken, Worten und Gedanken.152 Sodann ist die Bekehrung zu Gott und die Zuwendung zur Tugend notwendig. Zuletzt müssen sich auch Früchte in Form von frommen Werken zeigen. Die 15. Homilie nennt die „Tränen der Buße“ und die „Mühen des guten Werkes“ als Weg zur Vergebung.153 Vollendet wird der Vergebungsprozess durch die Gabe des Geistes: „Das Geschenk der Gnade des Geistes aber wird durch das Bild des Öles bezeichnet, sodass der, der sich von der Sünde bekehrt, nicht nur die Reinigung erlangen, sondern auch vom Heiligen Geist erfüllt werden kann.“154 Der Priester (bzw. der Bischof) spielt eine wichtige Rolle im Prozess der Vergebung der Sünden. Entscheidend ist seine Lehre und Ermahnung, das Verkünden und Auslegen des Wortes Gottes, das die Gläubigen zur Umkehr von den Sünden bewegen soll.155 Er begleitet auch den Umkehrprozess und die Wiedereingliederung.

148 Vgl. ebd. 8,10 (6, 408), wonach das öffentliche Bekenntnis dazu dient, Besserung

durch die Vermittlung der Gemeindemitglieder zu erlangen. 149 Vgl. ebd. 150 Vgl. ebd. 8,10f. (6, 408–417). 151 Vgl. ebd. 7,1 (6, 372); 7,2 (6, 375); 8,1 (6, 393). Dementsprechend wird auch die Schrift

als Heilmittel für die Seele angesehen. Siehe dazu Torjesen, Hermeneutical Procedure 44. 152 Vgl. auch ebd. 6,2 (6, 360), wo nach dem Waschen eine Bekleidung erfolgt, die mit Röm. 13,14 als Anziehen Christi gedeutet wird. 153 Ebd. 15,2 (6, 488). Ebd. 5,12 (6, 355) fordert Origenes ebenfalls gute Werke. 154 Ebd. 8,11 (6, 417). 155 Vgl. ebd. 5,3 (6, 339f.).



Einleitung

Der Weg der Buße und Vergebung ist also kein leichter und kurzer. Der Ausschluss aus der Gemeinde ist eine schwerwiegende Konsequenz, aber auch andere Formen der Buße, vom öffentlichen Bekenntnis angefangen über die Askese, verlangen den Sündern einiges ab. Dennoch ist dieser Weg der ewigen Bestrafung im Jenseits vorzuziehen: „Das ist also, was uns diese Stelle der Schrift mit wenigen Worten zusammengefasst lehrte, damit wir erkennen, dass es viel schwerwiegender ist, eine Sünde auf sich zu laden und zu haben und mit sich in die Unterwelt zu tragen, als in der Gegenwart für ein Vergehen Strafe zu leisten. … Wenn sich daher auch jetzt vielleicht jemand von uns das Bewusstsein irgendeiner Sünde in sich selbst in Erinnerung ruft, wenn jemand weiß, dass er einer Verfehlung schuldig ist, soll er zur Buße Zuflucht nehmen und die freiwillige Vernichtung des Fleisches auf sich nehmen, damit, im gegenwärtigen Leben gereinigt, unser Geist sauber und rein aufbricht zu Christus, unserem Herrn.“156 Origenes möchte in seinen Homilien die Gläubigen ermahnen, zur Umkehr und zum beständigen Kampf gegen die Sünde motivieren. Er bietet ihnen dazu auch konkrete Möglichkeiten an, ihr Leben auf die Tugend auszurichten. Auch wenn seine Worte mitunter sehr stark auf die negative Seite dieses Weges der Seele konzentriert sind, verliert er das Ziel, die Reinheit und Heiligkeit, doch nicht aus den Augen. e) Heiligkeit und Reinheit Wie Thomas Hieke feststellt, ist das Buch Levitikus „ein Programm, eine priesterlich konzipierte Utopie über die Abläufe am Heiligtum und das zwischenmenschliche Zusammenleben, das die angestrebte Heiligkeit als imitatio Dei und Repräsentanz Gottes in der Welt widerspiegeln soll“.157 Die Heiligkeit ist auch für Origenes in seinen Homilien ein wichtiges Thema, das eng mit der ethischen Ermahnung und mit dem Thema der Reinheit verbunden ist.158 Die Bezeichnung „heilig“159 wird sehr häufig für den Heiligen Geist gebraucht, aber auch für Orte, Tiere und Gegenstände, die mit dem Hei-

156 Ebd. 14,4 (6, 486f.). Sogar die Todesstrafe ist in den Augen des Origenes eine mildere

Bestrafung als die ewige Strafe im Jenseits, da sie die Sünde beseitigt: vgl. ebd. 11,2 (6, 451); 14,4 (6, 484). 157 Hieke, Levitikus 73. 158 Siehe auch Wilken, Origen’s Homilies 90. 159 Faessler, Hagiosbegriff bei Origenes 219, kommt zu dem Ergebnis, dass Origenes das Adjektiv „heilig“ im Anschluss an die jüdisch-christliche Tradition gebraucht. Was die Bezeichnung von Menschen als „heilig“ angeht, so sieht er den „Heiligen“ bei Origenes als Erben des antiken „Weisen“, des σοφός, wenngleich es Unterschiede gibt (ebd. 216).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes



ligtum und dem Kult in Verbindung stehen, wie der Altar, das Feuer, der Schekel oder das Salböl. Worte, besonders die Schrift, und Werke können heilig sein. Die Seele und das Blut Christi sowie die Taufe werden heilig genannt, nicht aber Gott selbst. Auch Menschen werden als heilig bezeichnet: neben den Propheten, Vätern und Aposteln auch die Gläubigen, Gerechten und Vollkommenen. Im Zusammenhang mit dem menschlichen Geist und dessen Tätigkeiten ist „heilig“ der „Ausdruck der Verehrung und Hochschätzung für all das, was mit dem Geist und der Erkenntnis in Beziehung und Zusammenhang steht“.160 In den Levitikushomilien ist das sehr eng mit dem Lebenswandel und dem Verhalten verbunden. Heilig zu sein ist das, wozu die christlichen Gläubigen, die Origenes’ Adressaten sind, berufen sind und wozu er sie ermahnt. Heiligkeit ist nicht wenigen vorbehalten, sondern alle, die an Christus glauben, sind Auserwählte und Heilige, wie Origenes mit 1 Petr. 2,9 betont.161 Heilig zu sein bedeutet, nur für den Dienst an Gott da zu sein: „Sie sollen daher von der Kirche Gottes lernen, dass, wer heilig ist, Gott allein gehört und ihm mit niemandem gemein ist.“162 Heiligkeit findet sich im Herzen und in der Seele der Menschen: „Den heiligen Ort aber suche ich nicht auf der Erde, sondern im Herzen. Denn ein heiliger Ort wird die vernünftige Seele genannt.“163 Das bedeutet, wie Origenes besonders in der 11. Homilie ausführt, dass sich Heilige von weltlichen Beschäftigungen, Verhaltensweisen und Haltungen trennen müssen: „Ein unversehrter Glaube also und ein heiliger Lebenswandel sind ein heiliger Ort.“164 Ebenso ist die Distanz von anderen Menschen, die nicht spirituell leben, gefordert. Natürlich bedeutet es auch, sich von jeder Art von Sünde und Schlechtigkeit fernzuhalten.165 Dazu gehören ebenso Enthaltsamkeit und Askese:166 „Trenne dich von irdischen Handlungen, trenne dich von der Begierde der Welt: ‚Denn alles, was in der Welt ist, ist‘ gemäß dem Apostel ‚Begierde des Fleisches und Begierde der Augen‘ (1 Joh. 2,16), die nicht von Gott ist. … Trenne dich und entferne dich von jeder Verunreinigung der Sünde und sei entfernt und abgesondert innerhalb des Tempels Gottes wie die heiligen Gewänder des Hohepriesters. Denn im Tempel Gottes ist der abgesondert und getrennt, ‚der über das Gesetz Gottes

160 Ebd. 219. 161 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 9,1 (GCS Orig. 6, 418f.). 162 Ebd. 5,12 (6, 358). Dasselbe gilt für heilige Gefäße, Tiere, Gewänder und Orte, die

nicht für den gewöhnlichen Gebrauch verwendet werden dürfen, sondern nur für Gott bestimmt sind: vgl. ebd. 11,1 (6, 446f.). 163 Ebd. 13,5 (6, 476). 164 Ebd. 5,3 (6, 339). 165 Vgl. ebd. 5,10 (6, 353). 166 Vgl. ebd. 9,1 (6, 418).



Einleitung

nachsinnt Tag und Nacht‘ (Ps. 1,2) und der ‚seinen Anordnungen sehr zugetan ist‘ (Ps. 111[112],1).“167 Zuletzt ermahnt Origenes hier, sich beständig mit den Weisungen Gottes in der Schrift zu beschäftigen, die zu einem heiligen Lebenswandel führen.168 Für Christen ist auch der Kontakt zu Christus ein entscheidender Weg zur Heiligkeit. Wer Christus berührt, wird geheiligt und geheilt.169 Christus selbst ist heilig und stets im Heiligtum. Ihm sollen die Gläubigen nachfolgen: „Doch auch du, der du Christus folgst und sein Nachahmer bist, wenn du im Wort Gottes bleibst, wenn du ‚über das Gesetz nachsinnst bei Tag und Nacht‘ (Ps. 1,2), wenn du dich in seinen Anordnungen übst, bist du immer im Heiligtum und gehst niemals von dort weg. Denn nicht an einem Ort ist das Heilige zu suchen, sondern in Handlungen und im Leben und im Verhalten.“170 „Gebete aus einem reinen Herzen und einem guten Gewissen“ steigen als „reiner Weihrauch“ zu Gott auf.171 Reinheit und Heiligkeit sind der Christen angemessene Lebenswandel und gleichsam die Kehrseite und das Ziel des Kampfes gegen die Sünde und Unreinheit. Gerade das Buch Levitikus bietet reichlich Anhaltspunkte zur Reflexion über die christliche Berufung zur Heiligkeit. f) Zeitsymbolik Bestimmte Zeiten haben für Origenes symbolische Bedeutung und die entsprechenden Erwähnungen im Buch Levitikus werden damit spirituell gedeutet. Die Bedeutungen, die Origenes Tag und Nacht, Abend und Morgen zuweist, legen sich sachlich durchaus nahe.172 In der 4. Homilie legt er die Vorschrift von Lev. 6,14 aus, dass eine Hälfte des Opfers am Morgen, die andere am Abend dargebracht werden soll. Er bezieht die Aussage auf die Heilige Schrift und ihr Verständnis, konkret das Verständnis des Gesetzes, und sieht Morgen und Abend als zeitliche Abfolge in der Heilsgeschichte: „Und die eine Hälfte, die der Buchstabe ist, befiehlt er am Morgen darzubringen, nämlich in der ersten Zeit des Gesetzes, die für die, denen es damals nach dem Buchstaben gegeben wurde, ein neues Licht und einen neuen Tag hervorbrachte.“ Am Abend kommt Christus in die Welt und nun muss das Gesetz, wie Röm. 7,14 sagt, spirituell verstanden werden.173 167 Ebd. 11,1 (6, 447f.). 168 Vgl. ebd. 4,10 (6, 331): „Das Heilige des Gesetzes“ bietet geistige und reine Speise. 169 Vgl. ebd. 4,8 (6, 327). 170 Ebd. 12,4 (6, 462). 171 Ebd. 13,5 (6, 476). 172 Zu weiteren Beispielen siehe Borret, SC 286, 370; SC 287, 303f. 173 Origenes, in Lev. hom. 4,10 (GCS Orig. 6, 330).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes



In der 13. Homilie wird das Bild geradezu umgekehrt: Mit Christus bricht ein neuer Morgen an, er geht als die „Sonne der Gerechtigkeit“ auf: „Vor der Ankunft meines Herrn Jesus Christus ging die Sonne für das Volk Israel nicht auf, sondern verwendeten sie das Licht von Öllampen. Denn das Wort des Gesetzes und das prophetische Wort waren bei ihnen eine Öllampe, die innerhalb von engen Wänden eingeschlossen war und ihr Licht nicht auf dem Erdkreis ausgießen konnte. … Sobald hingegen die ‚Sonne der Gerechtigkeit‘ (Mal. 4,2[3,20]), unser Herr und Erlöser, aufging …, wurde das Licht der Erkenntnis Gottes über die gesamte Welt ausgegossen.“174 Der Morgen, der das Licht bringt, wird in beiden Fällen mit Erleuchtung und neuer Erkenntnis in Verbindung gebracht. Ungewöhnlich mutet an, dass im ersten Beispiel Christus am Abend kommt. Aber hier stellt Origenes die zeitliche Abfolge in den Vordergrund. Der Morgen und der Tag werden jedoch immer mit Licht in Verbindung gebracht. In der 5. Homilie interpretiert Origenes die Nacht als „diese Zeit des Lebens“.175 Das irdische Leben wird damit also auch für Christen noch als dunkel qualifiziert, obwohl das christliche Leben durch Christus erleuchtet ist. In der 4. Homilie werden Licht und Finsternis einander gegenübergestellt: Die Christen haben das Licht und sollen sich von der Finsternis der Sünde fernhalten.176 Die Christen sind das Licht der Welt.177 Sie werden ermahnt, im Licht der Erkenntnis, der Liebe und des Friedens zu bleiben.178 In der 8. Homilie deutet Origenes, ausgehend von der biblischen Schöpfungserzählung, die Woche auf die „Zeit des gegenwärtigen Lebens“. Der achte Tag (in Lev. 12,3 der Tag der Beschneidung eines neugeborenen Knaben) ist demgegenüber „die Zeit der künftigen Welt“, die Zeit der vollkommenen Klarheit und Reinheit.179 Die symbolische Deutung der Zeitangaben folgt also einerseits einem chronologischen Schema, das mit der Heilsgeschichte verbunden wird, andererseits der Symbolik von Licht und Finsternis. g) Zahlensymbolik In den Levitikushomilien interpretiert Origenes immer wieder Zahlen in symbolischer Weise. Häufig bezieht er diese Deutungen aus anderen biblischen Texten. Allerdings finden sich diese Interpretationen nicht an jeder Stelle, an der die jeweilige Zahl vorkommt. Die Zahl zwei (bezogen auf zwei 174 Ebd. 13,2 (6, 468f.). 175 Ebd. 5,5 (6, 344). 176 Vgl. ebd. 4,4 (6, 319). Vgl. auch ebd. 5,12 (6, 357). 177 Vgl. ebd. 5,2 (6, 337). 178 Vgl. ebd. 9,10 (6, 438). 179 Ebd. 8,4 (6, 399).



Einleitung

Tage, an denen das Opferfleisch gegessen werden darf) wird auf die zwei Testamente gedeutet.180 Eine dritte Schrift ist nicht gestattet.181 Von großer Bedeutung ist die Zahl drei. Dreimal bezieht Origenes sie auf die göttliche Trinität.182 In der 5. Homilie spricht er von den drei Teilen des Menschen: Körper, Seele und Geist, denen die drei Sinnebenen der Schrift entsprechen. Dieses Geheimnis sieht Origenes etwa durch die drei Geräte für die Opfer, Ofen, Rost und Pfanne (vgl. Lev. 7,9), und die drei Brote (Lev. 8,26) bezeichnet.183 In derselben Homilie sind es drei Formen der Nahrung, Milch, Gemüse und feste Speise (1 Kor. 3,2; Röm. 14,2; Hebr. 5,14), die den Fortschritten der Gläubigen im Verständnis der Schrift entsprechen.184 Die Zahl vier wird nur einmal besonders gedeutet: Die vier Hörner des Altars meinen die vier Evangelien.185 Die Bedeutung der Zahl fünf ist nicht aus der Schrift abgeleitet, sondern allgemein verbreitet: Sie bedeutet die körperlichen Sinne.186 An anderer Stelle geht er bei der Interpretation der Zahl fünf ganz von der Schrift aus und deutet sie, ausgehend von den Jungfrauen in Mt. 25,2, auf weise wie auch unverständige Menschen. Gleiches nimmt er für die hundert in Lev. 26,8 genannten Menschen an (mit Verweis auf Gen. 21,5; Jes. 65,20).187 In der 13. Homilie geht es um zweimal sechs Brote, die im Heiligtum ausgelegt werden. Zunächst bezieht Origenes die Zahl sechs auf die Welt, die in sechs Tagen erschaffen wurde. Die zwei Lagen zu je sechs Broten bedeuten zwei weltliche Ordnungen, die zwei Völker, die in der Kirche vereint sind.188 Sieben wird auf die siebenfache Gnade des Heiligen Geistes bezogen.189 Die Anweisung, siebenmal etwas vom Öl zu versprengen (Lev. 14,16), wird mit den sieben Dämonen nach Lk. 8,2 in Verbindung gebracht, die ausgetrieben werden sollen.190 Die Zahl acht bezeichnet in der 8. Homilie in Form des achten Tages die künftige Welt (nach dieser Welt, die in sieben Tagen erschaffen wurde).191 In Lev. 24,5 wird die Menge von zwei Zehntel Feinmehl angegeben, aus denen ein Brot gebacken werden soll. Diesen Vers legt Origenes 180 Vgl. ebd. 5,9 (6, 350). 181 Ebd. 6,2 (6, 360f.) allerdings werden Gesetz, Propheten und Evangelien genannt.

182 183 184 185 186 187 188 189 190 191

Kontext ist die Verklärung Jesu, bei der auch Mose (das Gesetz) und Elija (die Prophetie) erscheinen. Origenes betont, dass die drei zusammengehören als „ein Zelt der Kirche“. Vgl. ebd. 5,3 (6, 340); 7,4 (6, 384f.); 8,11 (6, 415). Vgl. ebd. 5,5 (6, 344). Vgl. ebd. 5,7 (6, 346). Vgl. ebd. 3,5 (6, 309). Vgl. ebd. 3,7 (6, 312). Vgl. ebd. 16,7 (6, 504). Vgl. ebd. 13,5 (6, 475). Vgl. ebd. 3,5 (6, 309); 8,11 (6, 417). Vgl. ebd. 8,11 (6, 417). Vgl. ebd. 8,4 (6, 99).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes



in der 13. Homilie aus. Zunächst meint zehn die Zahl der Vollkommenheit. Die zwei Zehntel deuten auf die christliche Gotteslehre hin: Gott Vater und Christus sind eins.192 Bei der Zahl zwölf legt sich der Bezug auf die zwölf Stämme Israels nahe, für die im Heiligtum zwölf Brote ausgelegt werden. Die Zahl repräsentiert aber auch die zwölf Ordnungen der vernünftigen Schöpfung.193 Die Zahl hundert wird in der 16. Homilie wie die Zehn als Zahl der Vollkommenheit angesprochen.194 Die Zahlensymbolik ist Teil der geistigen Auslegung des Origenes, die auch diese Details an passenden Stellen auf spirituelle Wirklichkeiten bezieht und sich dabei weitgehend im biblischen Vorstellungsraum bewegt.

6. Origenes und die jüdische Auslegung des Buches Levitikus Das Verhältnis des Origenes zum Judentum und zur jüdischen Schriftauslegung ist differenziert zu betrachten.195 Ein Blick in seine Erwähnungen von Juden in den Levitikushomilien bringt wesentliche Aspekte dieses Verhältnisses ans Licht. Der wichtigste Zusammenhang, in dem Juden (Iudaei) genannt werden, ist das wörtliche, „einfache“, „körperliche“ Verständnis des Gesetzes – im Gegensatz zum geistigen christlichen Verständnis (vgl. Röm. 7,14) – und die wörtliche Beachtung der Gebote.196 Ein gutes Beispiel dafür ist die Auslegung von Lev. 26,12 („Ich werde unter euch umhergehen“) in der 16. Homilie: „Mir scheint nicht, dass Gott verheißt, dass er im Land der Juden umhergehen wird, sondern wenn jemand es verdient, so reinen Herzens zu sein, dass er fähig ist, Gott zu empfangen, sagt Gott, dass er in ihm umhergeht.“197 Das wörtliche Verständnis des Schrifttextes wird mit den Juden in Verbindung gebracht.198

192 Vgl. ebd. 13,4 (6, 473f.). 193 Vgl. ebd. 13,3.4 (6, 471. 474). 194 Vgl. ebd. 16,7 (6, 504). 195 Siehe dazu u. a. de Lange, Origen and the Jews; McGuckin, Origen on the Jews;

O’Leary, Recuperation; Tzvetkova-Glaser, Pentateuchauslegung; Visotzky, Anti-Christian Polemic; Wilken, Origen’s Homilies. 196 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 3,3 (GCS Orig. 6, 303); 4,7 (6, 326f.); 5,1 (6, 332f.): an letzteren beiden Stellen mit Zitat von Röm. 2,28; 7,5 (6, 388); 7,6 (6, 391); 16,1 (6, 492): „fleischliches“ Verständnis des Gesetzes; 16,2 (6, 494); 16,7 (6, 506): geistiges vs. körperliches Verständnis. 197 Ebd. 16,7 (6, 506f.). 198 Vgl. auch ebd. 5,12 (6, 358), wo von Israel die Rede ist. Ebd. 6,1 (6, 359) stellt Origenes fest, dass die Kleidung der Priester nicht einmal vom „fleischlichen Israel“ wörtlich verstanden wird. Dass das jüdische Verständnis grundsätzlich fleischlich ist, ist dabei vorausgesetzt.



Einleitung

Aber Origenes sieht auch Mitchristen, die seiner spirituellen Auslegung nicht folgen, in der Nähe des Judentums, so etwa in der 10. Homilie: „Wer hingegen in ihm nicht einen solchen (sc. spirituellen) Sinn annimmt, sei er einer von den Juden oder auch einer von uns, der kann ihn auch nicht als Propheten lehren; denn wie wird er den als Propheten erweisen, von dessen Schriften er versichert, sie seien gewöhnlich, ohne irgendein Wissen um die Zukunft und ohne irgendein verborgenes Mysterium zu enthalten?“199 Ein wenig später wird auf die konkrete Beachtung der Gesetze durch Juden Bezug genommen: Das Fasten der Juden definiert Origenes als Kontrast zum „Fasten Christi“.200 Weil Origenes den Juden jegliches spirituelles Verständnis der Schrift abspricht, stellt er fest, dass sie Fragen zur Auslegung einer Schriftstelle nicht angemessen beantworten könnten, was er als Ausgangspunkt für seine eigene geistige Auslegung nimmt.201 „The Jews are defined by circumcision, the letter, shadows, carnal observation, while the Gentiles have inherited the true religion of faith, the spirit, truth, spiritual observance.“202 Allerdings unterstellt er in der 3. Homilie den Pharisäern und Schriftgelehrten, dass sie die Wahrheit über die Ankunft Christi aus der Schrift kannten, aber bewusst dem Volk verschwiegen.203 In einigen Homilien wird Tit. 1,14 zitiert, wo von „jüdischen Fabeln“ gesprochen wird;204 einmal fügt Origenes auch noch das Adjektiv „unnütz“ (inutiles) hinzu.205 Er bringt damit ebenfalls die Abwertung eines wörtlichen Verständnisses zum Ausdruck.206 In der 12. Homilie ist vom „jüdischen Aberglauben“ die Rede, zusammen mit den „Sophismen der Philosophen“, die in Christus ein Ende nehmen.207 Auch hier geht es im Umfeld um die geistige Auslegung des Gesetzes. Der Aberglaube wird auch in der 10. Homilie genannt, diesmal im Zusammenhang mit den Pharisäern, die Jesus vorwerfen,

199 Ebd. 10,1 (6, 440f.). Ähnlich ebd. 16,1 (6, 492): „Wenn jedoch das Gesetz, wie es die

Juden wollen und die, die glauben, dass die Schriften in deren Sinn zu verstehen sind, nicht geistig, sondern fleischlich ist, besteht kein Zweifel, dass das fleischlich Beachtete denen, die es beachten, auch fleischliche Segnungen zuteilt. Wenn hingegen, wie es dem Apostel Paulus scheint, ‚das Gesetz geistig ist‘ (Röm. 7,14), ist es ohne Zweifel auch geistig zu beachten und ist die daraus zu erhoffende Belohnung durch die Segnungen geistig.“ 200 Ebd. 10,2 (6, 442). 201 Vgl. ebd. 12,4 (6, 461). 202 O’Leary, Recuperation 374. Ebd. 373: „In accusing the Jews of failing to become real Jews he claims the right to redefine their identity.“ 203 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 3,2 (GCS Orig. 6, 303). 204 Vgl. ebd. 3,3 (6, 306); 6,3 (6, 364); 12,4 (6, 461). 205 Ebd. 3,3 (6, 306). 206 Siehe dazu Hirshman, Origen’s View. 207 Origenes, in Lev. hom. 12,5 (GCS Orig. 6, 463).

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes



die Gesetze nicht zu halten208 – also auch hier das Thema der wörtlichen Gesetzesbeachtung. Die wörtliche Beachtung der Gebote des Buches Levitikus gehört für Origenes der Vergangenheit an und ist durch das Kommen Christi überholt. Wenn sich die Juden weiterhin daran halten, sind sie für Origenes daher „von gestern“: „Denn wenn du das, was du von den Juden gestern gelernt hast, heute in der Kirche vorbringst, bedeutet das, Opferfleisch von gestern zu essen.“209 Die jüdische Kultpraxis wird mit Hebr. 8,5 als „Schatten und Vorausbild“ der wahren christlichen Praxis verstanden.210 Sie ist damit durch die „Wahrheit“ abgelöst: „Das Gesetz befiehlt, wenn ihr euch gut erinnert, dass dies am Pfingsttag geschieht. Darin wurde jenen der Schatten (vgl. Hebr. 10,1) gegeben, uns aber ist die Wahrheit vorbehalten.“211 Damit wird eine grundsätzliche Gegenüberstellung von Juden und Christen, jüdischem und christlichem Schriftverständnis sowie jüdischer und christlicher kultischer Praxis konstruiert.212 Juden stehen aber auch in der Nähe von Häretikern,213 weil sie Christus nicht annehmen. Jesus hat sie widerlegt, sein Kreuz ist ihr Untergang und ihre Verdammnis.214 Wie sich schon in der Bezeichnung von Christen, die die Schrift nicht gemäß dem geistigem Verständnis des Origenes auslegen oder die jüdische Praktiken wie das Fasten befolgen,215 als jüdisch oder judaisierend zeigt, sind die Grenzen allerdings nicht so leicht zu ziehen, wie es in manchen dieser Aussagen scheinen mag. Auch jüdische Ausleger der hellenistischen Zeit, insbesondere in der Auslegungstradition Alexandrias, der auch Philon angehörte, bedienten sich der allegorischen Methode für die Interpretation von Bibeltexten. Obwohl Philons Einfluss auf Origenes umstritten ist,216 verdankt sich seine allegorische

208 Vgl. ebd. 10,2 (6, 445). 209 Ebd. 5,8 (6, 349). Vgl. auch ebd. 12,1 (6, 455). 210 Vgl. ebd. 13,1 (6, 467). 211 Ebd. 2,2 (6, 291). 212 Vgl. auch ebd. 12,1 (6, 455): „Daher haben auch die Juden dadurch, dass sie die

Nächsten zum Glauben hätten sein müssen, weil bei ihnen ein gewisser Umriss und ein Bild der Wahrheit im Voraus leuchtete, während sie die Typen für die Wahrheit halten, die Wahrheit selbst wie eine Lüge zurückgewiesen. Wir aber …“; ebd. 12,2 (6, 455): Die Juden bewahren das Gesetz nur in Form eines Abbildes. 213 Vgl. ebd. 13,4 (6, 473): „Häretiker und Juden“. 214 Vgl. ebd. 3,1 (6, 301). Ebd. 7,3 (6, 381f.) und 10,1 (6, 441) werden „die Juden“ als Adressaten von neutestamentlich bezeugten Worten Jesu genannt. 215 Siehe Tzvetkova-Glaser, Polemics. Auch Johannes Chrysostomus polemisierte gegen Christen, die jüdischen Praktiken folgten, z. B. adv. Iud. 1,1 (PG 48, 844f.). 216 Siehe dazu exemplarisch de Lange, Origen and the Jews, der nachzuweisen versucht, dass Origenes stärker von der zeitgenössischen rabbinischen Auslegung beeinflusst



Einleitung

Schriftauslegung zweifellos in vielem diesem jüdischen Exegeten.217 Bereits Philon hat die griechische Philosophie und Methoden der Textauslegung für die Bibel übernommen und angepasst. Daran kann Origenes anschließen. Inhaltlich ist aber seine Interpretation grundlegend christlich, wobei er ganz wesentlich an Paulus anknüpft, wie auch an den zahlreichen einschlägigen Zitaten in den Levitikushomilien gut zu erkennen ist. Die frühchristlichen Ausleger bauten auf der Vorarbeit jüdischer Exegeten auf, die bereits vor ihnen die Schriften der Septuaginta mit zeitgenössischen Auslegungsmethoden bearbeitet hatten. Origenes gibt auch immer wieder Hinweise auf die jüdische Herkunft von Auslegungen. Nicholas de Lange stellt fest: „He was at pains to discover as much as he could about Jewish biblical exegesis, and he incorporated in his work numerous Jewish traditions about the interpretation of particular passages and also extra-biblical Jewish legends, aggadoth, for some of which he is our only authority.“218 Diese Bezugnahme steht jedoch auch in Spannung mit Origenes’ Abwertung des Judentums in anderen Kontexten: „It was Origen’s dilemma that as a theologian he must condemn the Jews while as a scholar and exegete he depended on them.“219 Neben der allegorischen Auslegung gebraucht Origenes auch andere Methoden, die ebenfalls in jüdischer Auslegung, insbesondere in der rabbinischen Literatur, zu finden sind.220 Nicholas de Lange hat das Verhältnis des Origenes zum Judentum und auch seine jüdischen exegetischen Quellen eingehend dargestellt. Er ist der Ansicht, dass Origenes die Mischna, die Mekhilta und tannaitische Literatur wie Sifre (zu den Büchern Deuteronomium und Numeri) und Sifra, einen Midrasch zum Buch Levitikus, gekannt hat.221 Jedoch sind die haggadischen Auslegungen, die Origenes überliefert, auch aus früheren griechischen

ist, und Runia, Philo in Early Christian Literature 180–183, der die entgegengesetzte Position vertritt. 217 Siehe Stemberger, Exegetical Contacts 577: „Hellenistic-Jewish traditions, mainly Philo, still dominate, as may be seen clearly when comparing the commentary of Didymus the Blind on Zechariah with that of Jerome who used it so extensively, or even in the writings of Cyril of Alexandria.“ Stemberger weist auch auf die Bedeutung der gemeinsamen griechischen Sprache und des gemeinsamen Textes, namentlich der Septuaginta, hin (ebd. 572). 218 De Lange, Origen and the Jews 13. 219 Ebd. 31. Zur den jüdischen Quellen der Schriftauslegung des Origenes siehe u. a. ebd. 103–121; Runia, Philo in Early Christian Literature 157–183; Visotzky, Jots and Tittles. 220 Für die diesbezüglichen Ausführungen bei Neuschäfer siehe oben S. 15. 221 Siehe de Lange, Origen and the Jews 8. Er überlegt, ob Origenes vielleicht mehr Quellen kannte, als heute erhalten sind. Kritisch äußert sich dazu Stemberger, Exegetical Contacts 580.

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes



Quellen bekannt.222 Eine Kenntnis dieser Quellen durch Origenes ist daher nicht nachweisbar. Möglich ist auch, dass Origenes rabbinische Traditionen in mündlicher Form kennenlernte.223 In der Beurteilung empfiehlt sich der vorsichtige Schluss John McGuckins, „that the significance of the points of convergence there are between Origen and the rabbinic interpreters are ­really provided, by his day, more from the shared Hellenistic hermeneutical method and the partially shared sacred text than from any real ecumenical connection“.224 Rabbinische Gelehrte interpretierten das Buch Levitikus durchaus auch allegorisch. Origenes’ Vorwurf eines rein wörtlichen Verständnisses trifft so also nicht zu. Natürlich setzt die rabbinische Halacha die Gebote des Buches Levitikus, etwa die Speisegebote (kaschrut) in Form von religiöser Praxis um. Allerdings wird das Buch daneben im Midrasch in übertragenem Sinn ausgelegt. Im Midrasch Sifra225 treffen wir auf eine halachische Auslegung des Buches Levitikus.226 Der biblische Text wird Vers für Vers, oft auch Wort für Wort ausgelegt. Die Auslegungsabschnitte wurden später dem babylonischen Lesezyklus angepasst. Verschiedene Formen der Interpretation entsprechen nach Günter Stemberger auch mehreren Etappen der Entstehung. So finden sich Texte mit einfachen Kommentaren, die den Bibeltext erklären, andere mit ausführlicheren dialektischen Erörterungen, die die logischen Deutungsmöglichkeiten des Textes ausloten, wieder andere, die in Dialog mit Texten aus der Mischna und der Tosefta treten. Der Text versucht, die Einheit von schriftlicher und mündlicher Tora, also Bibeltext und Mischna, aufzuweisen. Der Midrasch Levitikus Rabba, ca. 450–500 entstanden, bietet eine haggadische Auslegung des biblischen Buches.227 Er geht nicht Vers für Vers, sondern eher systematisch vor und bewegt sich in vielen Auslegungen weit vom Bibeltext weg. Die zentrale Botschaft dieses Midrasch bezieht sich auf die Gesellschaft Israels, sein nationales Schicksal und seine moralische Situation. Die Rettung am Ende der Geschichte hängt von der Heiligung im Hier und Jetzt ab.228 Die biblischen Ereignisse werden als zeitlos betrachtet: Was in der Schrift festgehalten wird, passiert alltäglich. „In the topic of the cult and the 222 Siehe dazu de Lange, ebd. 123–132. 223 Siehe dazu meine Ausführungen zur Interpretation von Exodus 1–2 bei Origenes,

Ephräm dem Syrer und in rabbinischen Texten: Siquans, Der gerettete Retter. 224 McGuckin, Origen on the Jews 10. 225 Der Grundbestand des Textes entstand in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts. Es folgten

umfassende Bearbeitungen und Erweiterungen. Siehe dazu Stemberger, Leviticus in Sifra. 226 Die rabbinischen Texte sind gewachsene Traditionsliteratur, keine Autorenliteratur, wie es die patristischen Kommentare und Homilien sind. 227 Siehe dazu Neusner, Leviticus in Leviticus Rabbah. 228 So ebd. 411: „[S]alvation at the end of history depends upon sanctification in the here and now.“



Einleitung

priesthood they uncover the national and social issues of the moral life and redemptive hope of Israel.“229 In dieser Interpretation wird der Text des Buches Levitikus in übertragenem Sinn verstanden.230 Letztlich aber geht es um die Einhaltung der Tora vom Sinai, in der jeweils gegenwärtigen Situation. Die Auslegung der kultischen Vorschriften des Buches Levitikus bereitete den jüdischen Interpreten nach der Zerstörung des Tempels 70 n.Chr. erhebliche Schwierigkeiten. „Den jüdischen Exegeten blieben zwei Möglichkeiten: die lebendige Bewahrung der religiösen Praxis durch Nacherzählungen des biblischen Textes, oder eine immer weitergehende Spiritualisierung des Opferkultes, bei der die bereits unmöglich gewordenen materiellen Opferungen im Tempel durch Fasten, Gebete, Reue und insgesamt tugendhaftes Verhalten ersetzt wurden.“231 Ersteres war der Weg von Mischna,Talmud und auch den halachischen Midraschim wie Sifra. Den zweiten Weg schlug der Midrasch Levitikus Rabba ein. Anhand der Auslegung der Speisegebote (Lev. 11) zeigt sich, dass sowohl Origenes als auch Levitikus Rabba die Gebote allegorisch auslegen, wenn auch in ganz unterschiedlicher Weise. Nicholas de Lange sieht Origenes hier im Gefolge der hellenistisch-jüdischen Interpreten Aristobulus, Pseudo-­Aristeas, Philon, aber auch Paulus.232 Die Intentionen sind allerdings grundverschieden: „There was a fundamental difference between the Christian and the rabbinic attitude to the law; the Rabbis were concerned to make the laws practicable, and relevant to the times in which they lived, while Origen had no time at all for the Mosaic law as law, und uncompromisingly rejected the halakhic refinements of the Rabbis.“233 Als Beispiel kann die allegorische Interpretation der unreinen Tiere herangezogen werden, die in Levitikus Rabba auf die feindlichen Völker gedeutet werden. Hier soll zur Illustration ein kurzer Ausschnitt aus der längeren und mehrschichtigen Interpretation zu Lev. 11 wiedergegeben werden: „Auch Mose hat die Reiche in ihrer Thätigkeit (ihrem Wirken) gesehen. ‚Das Kamel‘ d. i. Babylon, wie es heisst Ps. 137,8: ‚Wohl dem, der dir vergilt, was du uns zugefügt‘; ‚die Bergmaus‘ d. i. Medien. Die Rabbinen und R. Jehuda bar R. Simon. Die Rabbinen sagen: Wie die Bergmaus Zeichen von Reinheit und Zeichen von Unreinheit an sich hat, so hat auch das medische Reich einen Gerechten (Mardachai) und einen Frevler (Haman) gestellt. R. Jehuda bar R. Simon denkt an Darius den Andern, der ein Sohn der ­Esther war und 229 Ebd. 412. 230 Ebd. 413: „The principal mode of thought required one thing to be read in terms

of another, one verse in light of a different verse (or topic, theme, symbol, idea), one situation in light of another.“ 231 Tzvetkova-Glaser, Pentateuchauslegung 340. 232 Siehe de Lange, Origen and the Jews 95f. 233 Ebd. 96.

I. Die Auslegung des Buches Levitikus in den Homilien des Origenes



somit rein von seiner Mutter und unrein vom Vater her war. … Warum wird aber Edom [d. h. Rom]234 mit einem Schwein verglichen? Um dir zu sagen: Wie das Schwein, wenn es sich lagert, seine Klauen ausstreckt (und zeigt), als wollte es sagen: Seht dass ich rein bin, so brüstet sich auch das Reich Edom, erpresst und raubt und scheint dann so fromm, als wenn es die Tribüne (worauf man das Gesetz legt) mit einer Decke überziehe.“235 Die Auslegung einzelner Tiere auf bestimmte politische Reiche, die in Vergangenheit und Gegenwart Israel unterdrückten, vergleicht bestimmte Züge dieser Tiere mit Eigenschaften der jeweiligen Reiche. Origenes sagt zu Lev. 11,3–11, wo u. a. Kamel, Hase und Schwein genannt werden, Folgendes: „Er bestimmt also, dass solche Tiere nicht gegessen werden sollen, die zum Teil rein und zum Teil unrein erscheinen; so wie das Kamel, weil es wiederkäut, rein erscheint, weil es aber keine geteilten Hufe hat, unrein genannt wird. Danach nennt er noch den Hasen und den Klippdachs, sagt jedoch auch von diesen, dass sie zwar wiederkäuen, jedoch nicht geteilte Hufe haben. Eine andere Ordnung hingegen macht er aus denen, die im Gegensatz dazu zwar geteilte Hufe haben, jedoch nicht wiederkäuen. Zuerst wollen wir also sehen, wer die sind, die wiederkäuen und geteilte Hufe haben, die er als rein bezeichnet. Ich glaube, dass von dem gesagt wird, dass er wiederkäut, der sich mit Erkenntnis beschäftigt und ‚über das Gesetz des Herrn nachsinnt bei Tag und Nacht‘ (Ps. 1,2). Höre jedoch, wie gesagt wird: ‚Der geteilte Hufe hat‘, heißt es, ‚und nochmals wiederkäut‘ (Lev. 11,3). Der also käut nochmals wieder, der das, was er nach dem Buchstaben liest, zum geistigen Sinn zurückbringt und der sich vom Untersten und Sichtbaren zum Unsichtbaren und Höheren aufschwingt. Wenn du jedoch über das göttliche Gesetz nachsinnst und das, was du liest, zum genauen und zum geistigen Verständnis zurückrufst, dein Leben aber und deine Taten nicht solche sind, dass sie einen Unterschied zwischen dem gegenwärtigen und dem zukünftigen Leben aufweisen, zwischen dieser Welt und der kommenden Welt (vgl. Eph.  2,7), wenn du nicht mit entsprechender Vernunft unterscheidest und teilst, bist du ein verrenktes Kamel, der du, nachdem du aus dem Nachsinnen über das göttliche Gesetz das Verständnis angenommen hast, nicht teilst und nicht das Gegenwärtige und das Zukünftige sonderst und nicht den engen Weg von der breiten Straße scheidest (vgl. Mt. 7,13f.; Mt. 19,24).“236 Origenes vergleicht die Tierarten mit menschlichen Individuen und ihrem Verständnis der Schrift. Während die rabbinische Auslegung das Schicksal des jüdischen Volkes im Blick hat, geht es Origenes um die individuelle Spiritualität. Beide bedienen sich aber vergleichbaren Methoden in der Auslegung und vor allem Aktualisierung der Schrift. 234 Mit Edom ist in rabbinischen Schriften Rom gemeint, auch das christliche Rom. 235 Levitikus Rabba XIII. Übersetzung: p. 89f. Wünsche. 236 Origenes, in Lev. hom. 7,6 (GCS Orig. 6, 388f.).

II. Entstehung und Überlieferung der Levitikushomilien 1. Die griechischen Predigten: Ort, Umstände, Datierung Origenes verließ Alexandria aufgrund eines Konfliktes mit Bischof Demetrius auf Dauer und lebte und wirkte ab etwa 234 in Caesarea in Palästina.237 Einer der Gründe für den Konflikt war die Einladung des Origenes, eines Laien, der nicht zu seiner Diözese gehörte, zum Predigen durch den Bischof von Caesarea und seine Ordination zum Presbyter. Seine Predigttätigkeit setzte Origenes in seiner Zeit in Caesarea weiter fort. Dort entstanden auch die Homilien zu den alttestamentlichen Büchern. Origenes predigte nach Pierre Nautin täglich über die alttestamentlichen Lesungen.238 Zunächst wurden die Abschnitte aus den biblischen Büchern vorgelesen, wobei die Länge der Abschnitte durchaus unterschiedlich war, wie aus den Homilien hervorgeht. Während die längsten Homilien 5 und 8 jeweils mehrere Kapitel aus dem Buch Levitikus in den Blick nehmen (Lev. 6,25[18]–7,28[38] bzw. Lev. 12–14), behandeln die letzten vier Homilien 12–16 nur relativ kurze Abschnitte aus den jeweiligen Kapiteln (Lev. 21,10–15; 24,1–9; 24,10–16; 25,29–32; 26,3–11); Homilie 15 ist gar auf vier Verse beschränkt. Die Homilien beginnen meist mit einem einleitenden Abschnitt, also einem Prolog. Der Hauptteil der Predigt legt den Bibeltext aus, und den Abschluss bildet stets eine Doxologie, die 1 Petr. 4,11 aufgreift.239 In der Auslegung schreitet Origenes Vers für Vers oder Abschnitt für Abschnitt voran, wobei auch Textteile ausgelassen werden. So legt etwa Homilie 7 folgende Verse aus Lev. 10 und 11 aus: Lev. 10,9f.14f.; 11,3–7.9f.13.17–19. Alle anderen werden übergangen. Der Bibeltext, zumindest das Buch, das gerade ausgelegt wurde, lag Origenes in Form der Septuaginta oder der Hexapla vor. Origenes schrieb seine Homilien nicht selbst nieder. Sein Mentor Ambrosius bezahlte Tachygraphen, Schnellschreiber, die den mündlichen Vortrag festhielten, wie Pamphilus und Eusebius in ihrer Apologie überliefern: „… die Predigten, die er fast täglich 237 Siehe Nautin, Origène 371f. 431. 238 Zur Predigttätigkeit des Origenes in Caesarea siehe Nautin, ebd. 391–401; SC 232,

100–191. 239 Nautin, SC 232, 131: „Origène connaît les règles classiques de composition d’un

discours et … prend avec elles beaucoup de liberté.“

II. Entstehung und Überlieferung der Levitikushomilien



aus dem Stegreif in der Kirche hielt und die Stenographen durch ihre Mitschrift der Nachwelt als Denkmal überliefert haben.“240 Der Vortragsstil ist daher an vielen Stellen immer noch erkennbar – selbst in der lateinischen Übersetzung –, etwa da, wo Origenes seine Zuhörer direkt anspricht oder ihnen (rhetorische) Fragen stellt.: „Doch sieh die Barmherzigkeit Gottes und erkenne diese vollständiger durch die Lehre des Paulus.“241 „So will er, dass auch du durch den ‚Schild des Glaubens‘ (Eph. 6,16) geschützt bist, durch den du alle feurigen Pfeile des Bösen auslöschst.“242 „Willst du, dass ich dir zeige, aus welchen Schätzen dieser Reichtum herkommt?“243 Für die Datierung finden sich einige Hinweise in Texten des Origenes selbst auf frühere Homilien.244 In der 13. Levitikushomilie erinnert Origenes an seine Auslegung von Ps. 118(119),105: Der Ausdruck dudum, der wahrscheinlich das griechische πρώην wiedergibt, deutet auf einen kurz zurückliegenden Zeitpunkt hin.245 In der 9. Homilie verweist Origenes allgemein auf eine frühere Auslegung über Jeremia und Johannes den Täufer, die den in Lev. 16,4 genannten Gürtel deutet.246 Eine entsprechende Auslegung ist allerdings nicht erhalten. Der Hinweis belegt nur, dass Origenes zuvor schon Jeremia interpretiert hat. In der 1. Jesajahomilie weist Origenes auf eine Lesung einer entsprechenden Anweisung im Buch Levitikus in der nächsten Versammlung hin.247 Diese Angabe ist recht allgemein gehalten und deutet nicht unbedingt konkret auf die (geplanten) Levitikushomilien hin.248 Für eine Datierung ist der Hinweis nicht auswertbar. Während Pierre Nautin von einem dreijährigen Zyklus für die Lesung der alttestamentlichen Texte ausgeht und darauf seine Datierungshypothese aufbaut,249 argumentiert Antonio Grappone überzeugend, dass der liturgische Zyklus in Caesarea nicht unbedingt mit der Reihenfolge der Septuaginta übereinstimmen muss, sondern flexibel war und den aktuellen Bedürfnissen angepasst wurde. Die historischen Bücher, zu denen auch Levitikus zu zählen ist, wurden wohl, um den Zusammenhang der dargestellten Ereignisse zu wahren, fortlaufend ausgelegt, was bei den Psalmen und den Propheten­ büchern nicht notwendigerweise der Fall sein musste. Hier wurden mög-

240 Pamphilus, apol. Orig. 9 (SC 464, 44); Übersetzung: Röwekamp, FC 80, 233–235. Vgl.

Eusebius, hist. eccl. VI,36,1 (GCS Eus. 2, 590). 241 Origenes, in Lev. hom. 2,3 (GCS Orig. 6, 293). 242 Ebd. 9,8 (6, 433). 243 Ebd. 3,8 (6, 313). 244 Siehe dazu Grappone, Annotazioni sulla cronologia 47–49. 245 Origenes, in Lev. hom. 13,2 (GCS Orig. 6, 469). Siehe Grappone, ebd. 50. 246 Vgl. Origenes, ebd. 9,2 (6, 420f.). 247 Vgl. in Is. hom. 1,1 (GCS Orig. 8, 244). 248 Siehe Grappone, Annotazioni sulla cronologia 49. 249 Siehe Nautin, Origène 389–412; SC 232, 15–21.

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Einleitung

licherweise größere Abschnitte oder nur eine einzelne Perikope bzw. ein Psalm ausgelegt, abwechselnd mit den historischen Büchern.250 Einen wichtigen Hinweis bietet Eusebius in seiner Kirchengeschichte: „Während damals, wie natürlich, der Glaube sich immer mehr ausbreitete und unsere Lehre überall freimütig verkündet wurde, soll der bereits über sechzig Jahre alte Origenes, der sich durch lange Übung nun größte Fertigkeit erworben hatte, Schnellschreibern gestattet haben, seine vor dem Volke gehaltenen Vorträge aufzuzeichnen, wozu er früher nie die Erlaubnis gegeben hatte.“251 Origenes hätte demnach das Mitschreiben seiner Homilien erst erlaubt, als er ausreichend Erfahrung im Predigen gewonnen hatte. Diese Notiz deutet nach Grappone für die Homilien zum Alten Testament auf eine Zeit zwischen 245 und 250.252 Die Levitikushomilien stammen also aus den späteren Lebensjahren des Origenes, der in Caesarea zu einem erfahrenen Prediger geworden war.

2. Die griechisch erhaltenen Fragmente aus der Philokalie und bei Prokop von Gaza a) Das Fragment aus Homilie 5 in der Philokalie Im ersten Teil der Philokalie wird ein Stück aus dem Anfang der 5. Homilie zitiert.253 Die Philokalie, eine Anthologie aus Origenestexten, entstand zwischen 360 und 380 und wird traditionell Basilius von Caesarea und Gregor von Nazianz als Autoren zugeschrieben, was allerdings umstritten ist. Der erste Teil der Philokalie ist der Hermeneutik des Origenes gewidmet und versammelt großteils Ausschnitte aus De principiis und Contra Celsum sowie einige Stücke aus seinen Kommentaren und Homilien.254 Der Ausschnitt aus der 5. Homilie zu Levitikus beschäftigt sich mit einer grundsätzlichen Frage des Verständnisses von Schrifttexten, insbesondere solchen, die nach dem Wortsinn für Christen schwer verständlich und auch irrelevant erscheinen. Konkret geht es in der 5. Homilie laut der Überschrift 250 Siehe Grappone, Annotazioni sulla cronologia 51. 251 Eusebius, hist. eccl. VI 36,1 (GCS Eus. 2, 590); Übersetzung: Haeuser, BKV² I 9, 300. 252 Siehe Grappone, Annotazioni sulla cronologia 52. Borret, SC 286, 52, schließt sich

an die Datierung der Genesishomilien durch Doutreleau, SC 72, 13, und die Ausführungen von Nautin, Origène 389–412, an, der die alttestamentlichen Homilien auf die Jahre 239–242 datiert. Barkley, FaCh 83, 20, rezipiert ebenfalls die Datierung Nautins. 253 Philoc. 1,30 (GCS Orig. 6, 332–334; SC 302, 230–232). 254 Siehe zu diesen Fragen die Einleitung in Harl, SC 302, 19–41.

II. Entstehung und Überlieferung der Levitikushomilien

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um die Sündopfer (Lev. 6,18 bzw. 6,25 LXX). Gleich zu Beginn der Homilie wird Lev. 6,17–23 (bzw. 6,24–30 LXX) zitiert und dann Schritt für Schritt ausgelegt.255 Die Auslegung dieser längsten Homilie zu Levitikus befasst sich anschließend auch noch mit Lev. 7,1–34 (bzw. 6,31–40 und 7,1–24 in der LXX-Zählung), wo weitere Opferarten dargelegt werden („für die Verfehlung“, Heilsopfer). Hier stellt sich natürlich die Frage, welche Bedeutung die in diesen Kapiteln, aber auch in anderen Abschnitten des Buches Levitikus gegebenen Gebote und detaillierten Anweisungen für unterschiedliche Arten der Opfer für Christen haben können. Der Tempelkult ist nach dessen Zerstörung nicht mehr durchführbar – für manche Kirchenväter ein Argument für die Verwerfung der Juden durch Gott. Nach dem Zitat von Lev. 6,17–23 (6,24–30 LXX) konstatiert Origenes, dass dieser Text nicht nach dem Buchstaben verstanden werden dürfe, sondern in einer Weise, die „Gottes würdig“ ist.256 Er rekurriert auf Röm. 2,28f.: „Denn nicht, wer offensichtlich ein Jude ist, und nicht die Beschneidung, die am Fleisch offensichtlich ist, sondern wer im Verborgenen durch die Beschneidung des Herzens ein Jude ist, wer es durch den Geist, nicht durch den Buchstaben ist, dessen Lob kommt nicht von Menschen, sondern von Gott.“257 Damit spielt er auf die buchstäbliche Deutung der Gebote im Buch Levitikus durch das Judentum an und lehnt es gleichzeitig als „fleischlich“ ab. Mit den „Juden im Verborgenen“, die die Schrift „durch den Geist“ verstehen, sind die Christen gemeint, die wie Origenes die biblischen Texte spirituell verstehen.258 Nach diesem Zitat setzt das griechische Fragment aus der Philokalie ein. Der Text richtet sich gegen Gnostiker, die in dualistischer Perspektive das Materielle vom Geistigen trennen und ersteres für irrelevant erklären.259 Origenes betont demgegenüber die Zusammengehörigkeit des „Sichtbaren“ und des „Unsichtbaren“ – die Überlegung schließt an das Römerbriefzitat an. Gott ist Schöpfer des Himmels und der Erde, des Sichtbaren wie des Unsichtbaren. Gott ist auch der eine Urheber des Alten und des Neuen Testaments (Gesetz und Propheten sowie Evangelium). Das Unsichtbare, das Spirituelle ist für die Menschen durch die Werke der Schöpfung erkennbar. Diesen Gedanken bezieht er auch auf die Schrift. Auch der unsichtbare geistige Sinn von Gesetz und Propheten ist erkennbar. Die Schrift besteht, wie der Mensch, aus Körper, Seele und Geist. Origenes geht hier vom zweiteiligen Schema sichtbar – unsichtbar zu einem dreiteiligen Schema Körper – Seele – Geist über. Der Körper ist das im Buchstaben Sichtbare der Schrift. 255 256 257 258

Vgl. Origenes, in Lev. hom. 5,1 (GCS Orig. 6, 332). Siehe dazu oben S. 14–18. Origenes, in Lev. hom. 5,1 (GCS Orig. 6, 333). Zu Origenes’ Vorwurf einer „jüdischen“ bzw. „judaisierenden“ Leseweise der Schrift an Christen, die seine spirituelle Auslegung ablehnten, siehe oben S. 37–43. 259 Siehe dazu die Anmerkungen in Harl, SC 302, 234–238.

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Einleitung

Die Seele ist, was in diesem Körper wahrgenommen und verstanden werden kann. Der Geist ist das, was daraus über die himmlischen und die letzten Dinge erfasst werden kann. Hier zitiert Origenes Hebr. 8,5 („Vorausbild und Schatten des Himmlischen“), einen Vers, den er in den Levitikushomilien drei Mal heranzieht, um auf das geistige Verständnis der Schrift hinzuweisen.260 Körperliches, seelisches und geistiges Verständnis bezieht er auf unterschiedliche Zeiten der Heilsgeschichte: Der körperliche, buchstäbliche Zugang ist der Vergangenheit und damit auch dem Judentum zugeordnet. Das seelische Verständnis ist das, was er gegenwärtig den Christen ans Herz legt. Der geistige Zugang ist dem zukünftigen ewigen Leben zugeordnet, kann aber von denen, die in ihrer spirituellen Entwicklung entsprechend fortgeschritten sind, auch erreicht werden. Origenes formuliert am Ende dieses Fragments die Hoffnung, dass „wir“, er und die Adressaten seiner Predigt, dieses geistige Verständnis in Bezug auf die im Buch Levitikus beschriebenen Opfergesetze erreichen können. In der lateinischen Übersetzung ist danach noch ein erläuternder Satz angefügt, mit dem Kapitel 1 schließt. Danach beginnt die konkrete Auslegung der Details der Opferbestimmungen. Die lateinische Übersetzung des Rufinus entspricht in diesem Abschnitt ziemlich genau dem griechischen Text, weist aber einige Abweichungen auf. Die Entfernung der Häretiker vom Judentum, die der griechische Text anspricht, kommt bei Rufinus nicht vor, sondern nur die Entfernung von der Schrift und ihrem Urheber, dem Schöpfergott. Dort, wo der griechische Text von der Verwandtschaft des Sichtbaren und des Unsichtbaren in Gesetz und Propheten spricht, hat Rufinus einen ausführlicheren Text, der eine allgemeine Aussage macht, während sich der griechische Text konkret auf das Alte Testament bezieht. Der Abschnitt lautet bei Rufinus: „So wie also Sichtbares und Unsichtbares, Erde und Himmel, Seele und Fleisch, Körper und Geist ihre Verwandtschaft zueinander aufweisen und aus ihren Verbindungen diese Welt besteht, so muss man auch glauben, dass die Heilige Schrift …“261 Auch beim letzten Satz ist er skeptischer: Während Origenes im griechischen Text die Möglichkeit offenlässt, das geistige Verständnis zu erlangen („Wenn wir imstande sind …“), fügt Rufinus hier ein nescio autem ein, „ich weiß aber nicht, ob …“. Das Fragment zeigt, dass die Übersetzung des Rufinus die Gedanken des Origenes im Wesentlichen wiedergibt, allerdings auch modifiziert und verdeutlicht.

260 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 5,1 (GCS Orig. 6, 334); 10,1 (6, 443); 13,1 (6, 467). 261 Ebd. 5,1 (6, 333). Harl, SC 302, 236f., vermutet, dass im griechischen Text etwas ver-

loren gegangen ist. Angesichts der Tatsache, dass der griechische Text hier aber einen Verweis auf Gesetz und Propheten enthält, der sich in der lateinischen Übersetzung nicht findet, ist das fraglich.

II. Entstehung und Überlieferung der Levitikushomilien



b) Die Fragmente aus Homilie 8 bei Prokop von Gaza Aus der 8. Homilie zu Levitikus sind von Prokop einige Zeilen aus Kapitel 2 und ein relativ langer Text aus den Kapiteln 5–11 überliefert. Wilhelm Baeh­rens druckt die Fragmente nach dem Codex Monacensis graecus 358 ab.262 Die Fragmente finden sich auch in der Prokop-Ausgabe von Jacques-Paul Migne, allerdings weitgehend in lateinischer Übersetzung, nur wenige Ausschnitte auch auf Griechisch.263 Prokop gibt die Auslegungen des Origenes nicht wörtlich wieder, sondern in Form von Zusammenfassungen und Paraphrasen. Fragment Prokop, Levitikuskommentar 2 PG 87/1, 729–730 3 PG 87/1, 733–734 4 PG 87/1, 735–736 5 PG 87/1, 736–737 6 PG 87/1, 739–742

Origenes, Levitikushomilien in Lev. hom. 8,2 in Lev. hom. 8,5–6 in Lev. hom. 8,7–8 in Lev. hom. 8,9 in Lev. hom. 8,10–11

Zu Homilie 8,2 verzeichnet Baehrens auch ein Katenenfragment aus Migne,264 ein kurzer griechisch erhaltener Text zu Lev. 12,2 („Eine Frau, die Samen empfängt und ein männliches Kind gebiert …“). Origenes stellt die Frage, ob die Rede vom Empfangen des Samens nicht überflüssig sei, weil das eine Voraussetzung für das Gebären ist. Er verneint diese Frage im Blick auf Maria, die ohne Samen ein Kind geboren hat und daher nicht unrein wurde. Die lateinische Übersetzung stellt dieselbe Frage, formuliert aber die Antwort etwas anders, wenngleich auch in dem Sinn, dass Maria geboren hat, ohne vorher Samen empfangen zu haben, und dass sie deshalb nicht unrein genannt werden kann. Beide Texte bezeichnen Maria als „Jungfrau“. Das erste Fragment von Prokop (Fragment 2)265 schließt direkt daran an. Es behandelt die Frage, warum dann Maria in der Schrift „Frau“ genannt wird. „Frau“ bezeichnet demnach eine weibliche Person im Erwachsenenalter, unabhängig von ihrer sexuellen Aktivität. Die Fragmente 3–6 aus Prokop266 sind den Kapiteln 5–11 der 8. Homilie zuzuordnen und befassen sich mit den verschiedenen Arten des Aussatzes und ihrer spirituellen Auslegung. Durchgehendes Thema ist die Reinigung von Aussatz, der als Sünde gedeutet wird, in verschiedenen Schritten, die ebenfalls allegorisch auf die Reinigung von den Sünden interpretiert wer262 263 264 265 266

Baehrens, GCS Orig. 6, xxvii–xxviii. Siehe auch ders., Überlieferung 234f. Prokop von Gaza, Commentarii in Leviticum (PG 87/1, 689–794). GCS Orig. 6, 394; PG 12, 493B, übersetzt unten S. 266 Anm. 302. GCS Orig. 6, 395; vgl. PG 87/1, 729–730. GCS Orig. 6, 402–416; vgl. PG 87/1, 733–742.



Einleitung

den. Der Text Prokops fasst zusammen und kürzt, manchmal in einer Weise, die die Argumentation schwer nachvollziehbar macht. Die Auslegung in den erhaltenen Fragmenten entspricht im Wesentlichen der im lateinischen Text, die ausführlicher ist und oftmals auch weitere Schriftzitate enthält. Drei interessante Abweichungen sollen eigens erwähnt werden. In Fragment 3 (zu Homilie 8,5) erwähnt das Prokopfragment eine von der Septuaginta abweichende Übersetzung von Jer. 37,17 LXX (30,17 MT) bei Aquila und Symmachus, deren Inhalt anschließend durch Zitation von Jer. 40,6f. LXX (33,6f. MT) bestätigt wird. In der Übersetzung des Rufinus ist der Verweis auf die beiden Übersetzer ausgelassen.267 Im selben Fragment zu Homilie 8,6 tritt im griechisch erhaltenen Text neben die Vernunft (λόγος; bei Rufinus ratio) die Sinneswahrnehmung (αἴσθησις). Dieser Ausdruck fehlt bei Rufinus. In seiner Übersetzung ist es allein die ratio, die die Verantwortung für die Sünde bzw. deren Abwehr trägt. Das entspricht der in anderen Texten der Origenes bezeugten Ansicht, dass die Wahrnehmung durch die (körperlichen) Sinne der Vernunft untergeordnet ist.268 Es entspricht auch dem von Rufinus selbst in seinem Vorwort zur Übersetzung von De principiis deklarierten Vorgehen, den Text anhand anderer Texte des Origenes zu verbessern.269 In Fragment 5 (zu Homilie 8,9) nimmt Origenes auf andere Lehren Bezug, die von der wahren Lehre Christi abweichen. Rufinus nennt an dieser Stelle ganz konkret Epikur als Beispiel. Im Großen und Ganzen zeigen die erhaltenen griechischen Fragmente, dass Rufinus den Text im Sinne der Interpretation des Origenes übersetzt hat.

3. Die lateinische Übersetzung des Rufinus von Aquileja Rufinus war ein Kenner und Verteidiger des Origenes und seiner Schriften. Er stellte sich im Streit um Origenes auf dessen Seite und überwarf sich aus diesem Grund mit seinem langjährigen Freund Hieronymus, der sich ebenfalls intensiv mit den Schriften des Origenes beschäftigt und einen Teil davon ins Lateinische übersetzt hatte. Im Zuge der Verteidigung des Origenes übersetzte Rufinus im Jahr 398 auch dessen Grundlagenwerk De principiis ins Lateinische. Darauf folgten zahlreiche weitere Übersetzungen von Schriften des Origenes. Die Levitikushomilien übersetzte Rufinus zusammen mit den Homilien zu Genesis und Exodus in den Jahren 403–405 für Heraclius.270 267 Zu einem anderen Beispiel für die Weglassung der Verweise auf andere Versionen

siehe Markschies, Predigten des Origenes 55. 268 Vgl. etwa Origenes, princ. I 1,7f. (GCS Orig. 5, 23–26). 269 Vgl. Rufinus, princ. Orig. praef. 3 (GCS Orig. 5, 5). 270 So Heine, Origen 29. Borret, SC 286, 52, datiert die Übersetzung ein wenig früher,

in die Jahre 400–404.

II. Entstehung und Überlieferung der Levitikushomilien



Auch die lateinische Übersetzung durch Rufinus behielt den Charakter der mündlichen Homilie bei, obwohl Rufinus seinen eigenen Angaben zufolge gerade die Levitikushomilien stärker als alle anderen Homilien, die er übersetzte, anpasste. Er äußert sich dazu in seinem Nachwort zur Übersetzung von Origenes’ Römerbriefkommentar: „Ich habe ja versucht, das, was Origenes nicht so sehr mit der Absicht zu erklären als zu erbauen aus dem Stegreif im Raum der Kirche erörtert hat, zu ergänzen. Bei seinen Predigten habe ich das so gemacht und auch bei den kurzen Ausführungen zur Genesis und zu Exodus, besonders auch bei dem, was er im erörternden Stil zum Buch Levitikus gesagt hat. Ich habe es in Form einer Erklärung übersetzt. Die Mühe zu ergänzen, was fehlte, habe ich deshalb auf mich genommen, damit es dem lateinischen Leser keinen Verdruss bereitet, wenn aufgeworfene Fragen unbeantwortet gelassen werden, wie es Origenes bei seiner Art zu predigen oft zu tun pflegt.“271 Das erklärt wohl auch, dass die Levitikushomilien, trotz ihrer unterschiedlichen Länge (und der unterschiedlichen Länge des jeweils behandelten Abschnitts des Bibeltextes), durchschnittlich länger sind als die anderen alttestamentlichen Homilien. Rufinus formulierte die oftmals kurzen und schwer verständlichen Auslegungen des Origenes aus, um sie damit zu erläutern. Obwohl er hier deutlich in den Formulierungen von seiner griechischen Vorlage abweicht und eher von einer Adaption als von einer Übersetzung zu sprechen ist, kommt Ronald Heine zu dem Schluss, dass seine lateinische Übersetzung dem Gedankengang des Origenes treu bleibt: „He gives us the essence of Origen’s thought, but certainly not Origen’s words …“272 Der Predigtcharakter und das pädagogische Anliegen des Origenes sind auch in der Übersetzung noch deutlich erkennbar, wie etwa direkte Anreden an seine Zuhörer, Fragen oder Ermahnungen zeigen.273 So betont auch Heine zu Recht: „In short, they retain the feel of sermons, delivered, to be sure, by a man with a scholarly mind, but with a pastor’s heart, no less, for his ­audience.“274 Obwohl aus der lateinischen Übersetzung nicht unmittelbar auf den griechischen Wortlaut zurückgeschlossen werden kann, gibt Rufinus die Gedanken des Origenes im Wesentlichen wieder.275 Ausnahmen sind insbesondere 271 Rufinus, in Rom. comm. Orig. epil. 1 (CChr.SL 20, 276); Übersetzung nach ­Heither,

FC 2/5, 287. 272 Heine, Origen 40. Heine vermutet, dass Rufinus inhaltliche Modifikationen ins-

besondere bzgl. Aussagen über die Trinität und die Auferstehung vornahm. Origenes’ Position zu diesen Themen war zu Rufinus’ Zeit höchst umstritten. Zu den Auseinandersetzungen um Origenes und den Origenismus siehe Williams, Art. Origenes/ Origenismus 416f. 273 Beispiele dazu siehe oben S. 44f. über die griechischen Homilien. 274 Heine, Origen 37. 275 Vgl. ebd. 38. Siehe dazu auch oben S. 46–50 zu den griechisch erhaltenen Fragmenten im Vergleich mit dem lateinischen Text.

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Einleitung

die Aussagen über die Trinität, die Christologie und die leibliche Auferstehung. Hier wurde die kirchliche Lehre seit Origenes präzisiert und einige seiner Texte wurden demgemäß beanstandet. In diesem Streit versuchte Rufinus, insbesondere mithilfe seiner Übersetzung, Origenes gegen solche Vorwürfe zu verteidigen. Er nahm an, dass Häretiker dort, wo Texte des Origenes nicht dem gegenwärtigen dogmatischen Diskussionsstand entsprachen, den Text verfälscht hätten.276 Daher passt er an solchen Stellen seine Übersetzung der kirchlichen Lehre an: „Of particular concern to Rufinus was Origen’s teachings on the Trinity and the bodily resurrection. In the Homilies on Leviticus, when either of these subjects come up, Rufinus appears to have made them more orthodox than they might have been.“277 Gary Barkley nennt für die Levitikushomilien drei kritische Stellen. In der 7. Homilie wird die Trinität erwähnt, allerdings folgen keine weiteren Ausführungen, die Probleme verursachen könnten.278 In der 12. Homilie geht es um die Christologie. Während Barkley die Aussage, dass das Salböl den Sohn „zu Christus machte“, Origenes selbst zuschreibt, betrachtet er die Erklärung kurz davor, dass das Öl über sein Haupt ausgegossen wird, sodass er „Christus wird“, als Ergänzung durch Rufinus.279 In der 9. Homilie spricht er über die Seele. Zunächst wird festgestellt, dass die Seele aus sich weder sterblich noch unsterblich sei. Sie kann das Leben erlangen, aber sie kann auch sterben, wenn sie sich vom wahren Leben abwendet. Um das zu untermauern, zitiert Origenes Ez.  18,4: „Die Seele, die sündigt, wird selbst sterben.“ Der Text fügt aber sofort an, dass dieser Tod nicht das Wesen der Seele betrifft, sondern sich auf ihre Gottesferne bezieht.280 Barkley sieht auch hier eine Adaption durch Rufinus, die auch der Verurteilung derer, die die Auferstehung leugnen, in der 5. Homilie entspricht.281 Belegbar sind diese möglichen Anpassungen ohne den griechischen Text allerdings nicht. Die Textstellen belegen das Ringen um die exakten Vorstellungen und Formulierungen durch Origenes und seine Tradenten.

276 Siehe ebd. 30–39. Heine fasst die Übersetzungsprinzipien des Rufinus wie folgt zu-

sammen: Er unterdrückt widersprüchliche Elemente in den Schriften des Origenes, v. a. hinsichtlich der Trinität; er versucht, die authentischen Gedanken des Origenes aufgrund anderer Origenestexte wiederherzustellen; er verdeutlicht, wo Origenes unklar erscheint, kürzt den Text und übersetzt – wie Hieronymus – nach dem Sinn, nicht nach den Worten (ebd. 34f.). 277 Barkley, FaCh 83, 21f. (Barkley führt fälschlicherweise hom. 6,3 anstelle von 7,3 an). Barkley nimmt für die Levitikushomilien auch Textkürzungen durch Rufinus an (ebd. 22f.). 278 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 7,3 (GCS Orig. 6, 381). 279 Ebd. 12,3 (6, 458). 280 Vgl. ebd. 9,11 (6, 439f.). 281 Vgl. ebd. 5,10 (6, 351f.).

II. Entstehung und Überlieferung der Levitikushomilien



4. Überlieferung, Ausgaben, Übersetzungen Wilhelm Adolf Baehrens publizierte 1920 die erste kritische Edition der Levitikushomilien im Rahmen der Homilien zum Hexateuch, die in der Reihe „Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte“ als Band 6 der Werke des Origenes erschienen ist und deren Text auch der vorliegenden Übersetzung zugrunde liegt. Im Zuge seiner Arbeit am Text stellte Baehrens auch die Geschichte des Textes und seiner Überlieferung dar.282 Er identifiziert für die Hexateuchhomilien,283 zu denen die Levitikushomilien gehören, drei Archetypen von Handschriften. Diese lassen sich zurückführen auf die drei Gruppen, in denen Rufinus die Homilien übersetzte: zuerst die Homilien zu Genesis, Exodus und Levitikus, dann die zu Josua und Richter und später die Numerihomilien, wie er selbst im Nachwort zur Übersetzung des Römerbriefkommentars vermerkt.284 Die drei Handschriftenarchetypen, die diese drei Gruppen von Homilien enthalten, stammen aus Kampanien, also aus Süditalien, genauer aus Castellum Lucullanum bei Neapel aus der Bibliothek des Eugippius. Ihre Vorlagen waren möglicherweise die Exemplare, die Rufinus an Paulinus von Nola geschickt hatte. Von dort brachte Cassiodor die drei Codices in das von ihm gegründete Kloster Vivarium in Kalabrien. Dazu kamen die Homilien zum Hohelied vermutlich aus Rom. Cassiodor selbst sowie ein Mönch in Vivarium korrigierten die Handschriften. Von dort gelangten diese nach Cassiodors Tod bereits Ende des 6. oder Anfang des 7. Jahrhunderts nach Frankreich (und an weitere Orte). Die überlieferten Handschriften zu den Levitikushomilien wurden von Baehrens zusammengestellt, eingehend beschrieben und in Klassen eingeteilt.285 Hier ein kurzer Überblick: • Klasse A: Lugdunensis 443: das älteste Manuskript aus Lyon stammt aus dem 6. oder 7. Jahrhundert und enthält die Homilien zu Genesis, Exodus und Levitikus. • Klasse B: Diese Gruppe enthält auch die Homilien zu Numeri, Josua und Richter. Die Handschriften stammen aus dem 10.–12. Jahrhundert. • Klasse C: Die Handschriften stammen überwiegend aus dem 9. und 12. Jahrhundert. Sie gehen auf einen Archetypus in Frankreich zurück und enthalten wiederum beide Gruppen von Homilien.286 282 Siehe Baehrens, Überlieferung 186–199. 283 Baehrens, ebd. 186, spricht von den Homilien zum Oktateuch. Rufinus hat al-

lerdings die Deuteronomiumhomilien des Origenes nicht übersetzt, ebensowenig Homilien zu Rut. 284 Vgl. Rufinus, in Rom. comm. Orig. epil. (CChr.SL 20, 276f.). 285 Siehe Baehrens, Überlieferung 10–74. 286 Klasse D enthält die Homilien zu Genesis und Exodus, nicht die Levitikushomilien.



Einleitung

• Klasse E: Diese Gruppe entstand in Monte Cassino und enthält weitgehend Handschriften aus dem 11.–12. Jahrhundert, die die Homilien zu Genesis, Exodus und Levitikus enthalten. • Klasse F: Die Levitikushomilien sind in dieser Klasse in Ms. Sangallensis 87 aus dem 9. Jahrhundert enthalten. Diese Handschrift ist der Archetypus mehrerer Handschriften der Levitikushomilien. Baehrens beschreibt sodann weitere fünf Handschriftenklassen aus dem 6.– 12. Jahrhundert, die ausschließlich die Levitikushomilien (ohne Genesis und Exodus) enthalten.287 Die editio princeps, die erste Edition der Heptateuchhomilien und damit auch der Levitikushomilien, stammt von Aldus Manutius und wurde 1503 in Venedig gedruckt. Er benutzte u. a. ein Manuskript aus Padua aus dem 12. Jahrhundert (Padovensis Bibl. del Seminario 526). Auf dieser Ausgabe basierten die folgenden Editionen von Jacques Merlin (Paris 1512) und ihm folgend wiederum Erasmus von Rotterdam (Basel 1536) und wiederum diesem folgend Gilbert Génébrard (Paris 1574).288 Erst Charles Delarue (Paris 1733) arbeitete am Text weiter und berücksichtigte weitere Handschriften, wobei er manche Fehler allerdings weiter überlieferte. Delarues Edition wurde mehrfach abgedruckt, u. a. von Jacques-Paul Migne in der Patrologia Graeca 11–17. Die festgestellten Mängel beseitigte die kritische Edition von Baehrens 1920. Die neueste Edition liegt in der Reihe „Soucres Chrétiennes“ in zwei Bänden vor: Band 286 enthält die Homilien 1–7 und Band 287 die Homilien 8–16. Sie druckt den Text von Baehrens mit nur vier Änderungen ab, die in der Übersetzung in den Fußnoten vermerkt sind.289 Diese Ausgabe von Marcel Borret enthält auch eine französische Übersetzung. Weitere Übersetzungen in moderne Sprachen liegen von Maria Ignazia Danieli ins Italienische (1985) und von Gary Wayne Barkley ins Englische (1990) sowie jüngst von Carla Noce erneut in das Italienische (1. Teilband 2020) vor.290 F. J. Winter übersetzte im 19. Jahrhundert die 2. Levitikushomilie des Origenes ins Deutsche (1893).291 Die vorliegende Übersetzung ist die erste vollständige Übersetzung der Levitikushomilien in die deutsche Sprache und wird, so ist zu hoffen, den Zugang zum Text und das Verständnis von Origenes’ Auslegung dieses biblischen Buches erleichtern. 287 Siehe Baehrens, Überlieferung 59–65. Eine kurze Übersicht bietet Borret, SC 286,

55f. 288 Siehe dazu Baehrens, ebd. 239. 289 Siehe auch Borret, SC 286, 55. 290 Die englische Übersetzung ist in der Reihe „The Fathers of the Church“ erschienen.

Die italienische Übersetzung von Danieli war mir leider nicht zugänglich, diejenige von Noce erschien 2020 (1. Teilband mit den Homilien 1–7), als ich meine eigene Übersetzung bereits abgeschlossen hatte. 291 Winter, Origenes 41–52. Auch diese Übersetzung war mir nicht zugänglich.

II. Entstehung und Überlieferung der Levitikushomilien



5. Anmerkungen zur Übersetzung Die vorliegende Übersetzung versucht, den lateinischen (und griechischen) Text möglichst getreu und textnah wiederzugeben und zugleich in ein gut verständliches Deutsch zu bringen. Daher wurde versucht, soweit es möglich war, dieselben lateinischen Ausdrücke auch mit denselben deutschen Wörtern zu übersetzen. Origenes/Rufinus verwendet auch viele Komposita von Verben und wechselt mitunter auch beim selben Bibelzitat zwischen diesen ab. Ebenso gebraucht er häufig stammverwandte, sehr ähnliche Substantive. Wo möglich, wurde das auch in der deutschen Übersetzung berücksichtigt, um die Zusammenhänge zu verdeutlichen und zugleich die Lebendigkeit und die Varianten in der Sprache der Homilien wiederzugeben. Die Fußnoten entstanden unter Mitarbeit von Alfons Fürst. Den geistigen Sinn oder geistige Wirklichkeiten bezeichnet Origenes oft mit dem Wort μυστήριον. Rufinus verwendet dafür im Lateinischen mysterium, sacramentum, aber auch secreta oder seltener arcana. In der Übersetzung wurde mysterium mit „Mysterium“ bzw. das entsprechende Adjektiv mit „mystisch“, die anderen Ausdrücke mit „Geheimnis“ bzw. „geheimnisvoll“ wiedergegeben. Die biblischen Namen weichen im Lateinischen, aber auch im Griechischen oft deutlich von den hebräischen Formen ab. Sie werden hier nach der Einheitsübersetzung 2016 wiedergegeben, wie sie im Deutschen inzwischen geläufig sind.

6. Übersicht über die Inhalte der Auslegung Vor allem die ersten beiden Homilien sind eng miteinander verknüpft und nehmen Aspekte aus den ersten vier Kapiteln in den Blick. Die erste Homilie bildet eine Einleitung in die Auslegung von Levitikus. Der Abschnitt Lev. 1,1–9 wird ausgelegt und zugleich auf einzelne Verse aus Lev. 2, 3 und 4 vorverwiesen. Der Beginn von Homilie 2 knüpft resümierend an Homilie 1 an, thematisiert aber auch Opferarten aus Lev. 1–3 und Lev. 5. Homilie 3,1 greift wiederum die vorhergehende Homilie auf. In Homilie 4,5 erinnert Origenes an die Auslegung in Homilie 3,6 und 3,8, in Homilie 5,12 verweist er wiederum auf Homilie 3,5. In Homilie 10,2 erinnert er an Homilie 9 zurück, was naheliegend ist, da diese Homilie die Auslegung zum Versöhnungstag mit einem anderen Fokus fortsetzt. Die späteren Homilien, insbesondere ab Homilie 11, beziehen sich auf abgegrenzte kürzere Abschnitte aus Levitikus, die meist auf ein Thema konzentriert sind. Zu Beginn der 7. Homilie beklagt Origenes, dass er aufgrund der eingeschränkten Zeit in der vorhergehenden Predigt nicht alles, was vorgelesen

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Einleitung

wurde, erklären konnte.292 Immer wieder fehlen in manchen Abschnitten einzelne Verse, die meist Details zu den Opfern enthalten oder bereits Gesagtes zusammenfassen oder wiederholen, die Origenes nicht eigens erläutert, wie z. B. die Anweisungen für die Priester im Umgang mit Aussatz in Lev. 13. Eine in der 5. Homilie angekündigte Auslegung zu dem Gebot, vom Opfer nichts für den dritten Tag aufzubewahren (vgl. Lev. 19,6),293 folgt später nicht. Diese Anweisung wird aber in der 5. Homilie im Zusammenhang mit Lev. 7,6(16), wo das Gebot ebenso zu finden ist, erörtert. Große Textteile von Levitikus werden von Origenes gar nicht ausgelegt: Lev. 1–3 kommen punktuell in den ersten Homilien vor, werden aber, abgesehen von Lev. 1,1–9, nicht fortlaufend interpretiert. Abgesehen von kleineren Auslassungen fehlen einige Kapitel bzw.Teile davon völlig: Lev. 8,11–36 und Lev. 9, das die Einsetzung der Priester und die Darbringung der ersten Opfer schildert, also keine Vorschriften, sondern Historie enthält; Lev. 10,1– 8.16–20, wo es um unrechtmäßige Opfer geht; Lev. 11,20–47 über die reinen und unreinen Tiere, die Origenes nur anhand einzelner Verse aus dem ersten Teil des Kapitels behandelt; in Lev. 13 die Anweisungen für die Priester sowie Lev. 13,47–59 über den „Aussatz“ auf Kleidung; Lev. 14,21–57 (weitere Bestimmungen zur Reinigung sowie zum „Aussatz“ an Gebäuden); Lev. 15 (über körperliche Ausflüsse); Lev. 17 (weitere Opfervorschriften, Verbot von Blutgenuss); Lev. 18 (Ehe- und Sexualbestimmungen); Lev. 19 (verschiedene soziale und kultische Bestimmungen); Lev. 20 (Opfer für Moloch; Sexualbestimmungen); Lev. 21,1–9.16–24 (Bestimmungen über Priester); Lev. 22 (Opfergaben); Lev. 23 (Festzeiten); Lev. 24,17–23 (Strafen: „Auge um Auge“); Lev. 25,1–28.33–55 (Sabbatjahr, Jubeljahr); Lev. 26,12–46 (v. a. Flüche); Lev. 27 (Bestimmungen über Gelübde). Origenes endet in der 16. Homilie mit der spirituellen Deutung des Segens in Lev. 26,3–11.

292 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 7,1 (GCS Orig. 6, 370). 293 Vgl. ebd. 5,8 (6, 349).

II. Entstehung und Überlieferung der Levitikushomilien

Homilie Inhalt nach der Überschrift 1

– – –

2

Über den Opferritus, das heißt über die Gaben und Heilsopfer und die Opfer für die Sünden; und wie „der Priester für seine Sünde darbringt“ und für die Sünde der Versammlung oder „für eine Seele, die aus dem Volk der Erde unwillentlich sündigt“. Über die Schriftstelle: „Wenn aber eine Seele sündigt, indem sie eine Schwurformel hört und Zeuge ist oder sieht oder Mitwisser wird, lädt sie, wenn sie es nicht anzeigt, auch selbst eine Sünde auf sich. Und wenn eine Seele irgendeine unreine Sache berührt oder einen Kadaver oder ein von einem wilden Tier Gerissenes“ usw. Über die Schriftstelle: „Wenn eine Seele sündigt und die Vorschriften des Herrn übertritt, und gegenüber dem Nächsten über ein anvertrautes Gut oder eine Verbindung lügt“ usw. Über die Schriftstelle: „Das ist das Gesetz für das Sündopfer; an dem Ort, an dem die Ganzopfer geschlachtet werden, sollen sie auch das töten, was ein Sündopfer ist“ usw. Über die Kleider des Hohepriesters und der Priester. Über die Anordnung an Aaron und seine Söhne, dass sie „Wein und berauschendes Getränk nicht trinken sollen, wenn sie ins Bundeszelt eintreten oder wenn sie zum Altar hinzutreten“, über „die Brust der Hinzufügung und den Arm der Abtrennung“ und über die reinen und unreinen Tiere und Speisen. Über die Schriftstelle: „Eine Frau, die Samen empfängt und ein männliches Kind gebiert, soll sieben Tage unrein sein“, und über die verschiedenen Arten des Aussatzes und die Reinigung des Aussätzigen.

3

4

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Ausgelegte Verse aus Lev. 1,1–9 mit kurzen Verweisen auf 2; 3; 4 4,1–3.6–14.22–28 im Kontext von 1–3 und 5 (mit einzelnen Zitaten)

5,1–7.11.14–16 mit Verweisen auf 1,5; 2,5; 3,3.4; 4,3.6.7

6,1–23 (5,20–6,16)

6,24–33 (6,17–7,3); 6,37–7,24 (7,7–34)

7,25–28 (7,35–38); 8,1–10 10,9–10.14–15; 11,3–7.9– 10.13.17–19

12,1–8; 13,2.12–14.18– 20.24–25.29–30.40–42.45– 46; 14,2–11.13–20

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Homilie Inhalt nach der Überschrift 9

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Über die Sühnopfer und über die zwei Böcke, von denen einer das Los des Herrn ist und einer das des Weggeschickten, der in die Wüste geschickt wird, und über den Eintritt des Hohe­priesters in das Allerheiligste. Über das Fasten, das am Versöhnungstag geschieht, und über den Bock, der in die Wüste geschickt wird. Über die Schriftstelle: „Seid heilig, weil auch ich heilig bin, sagt der Herr.“ Über den großen Priester. Über die Festtage, die Öllampe, den Leuchter, das Öl für das Licht und über den Tisch und die Brote der Auslegung. Über den Sohn einer israelitischen Frau und eines ägyptischen Vaters, der „lästerte, indem er den Namen nannte“, und über das Urteil Gottes, das gegen ihn gefällt wurde. Über den Verkauf und den Rückkauf von Häusern. Über die Segnungen im Buch Levitikus.

Ausgelegte Verse aus Lev. 16,1–6.8–10.12–15.17.20– 22.26.29.34

16,10.21f.24.29.31

20,7–9.22 21,10–15 24,1–9

24,10–16

25,29–32 26,3–11

Die Homilien des Origenes zum Buch Levitikus in der Übersetzung des Rufinus

ORIGENIS IN LEVITICUM HOMILIA I. GCS Orig. 6, 280

281

1. Sicut in nouissimis diebusa uerbum Dei ex Maria carne uestitum processit in hunc mundum et aliud quidem erat, quod uidebatur in eo, aliud, quod intelligebatur – carnis namque adspectus in eo patebat omnibus, paucis uero et electis dabatur diuinitatis agnitio –, ita et cum per prophetas uel legislatorem b uerbum Dei profertur ad homines, non absque competentibus profertur indumentis. Nam sicut ibi carnis, ita hic litterae uelamine tegitur,c ut littera quidem adspiciatur tamquam caro, latens uero intrinsecus spiritalis sensus tamquam diuinitas sentiatur. Tale ergo est quod et nunc inuenimus librum Leuitici reuoluentes, in quo sacrificiorum ritus et hostiarum diuersitas ac sacerdotum ministeria describuntur. Sed haec secundum litteram, quae tamquam caro uerbi Dei est et indumentum diuinitatis eius, digni fortassis uel adspiciant, uel audiant et indigni. Sed beati sunt illi oculi,d qui uelamine litterae obtectum intrinsecus diuinum Spiritum uident; et beati sunt, qui ad haec audienda mundas aures interioris hominis deferunt. Alioquin aperte in his sermonibus occidentem litteram e sentient. Si enim se|cundum quosdam etiam nostrorum intellectum simplicem sequar et absque ulla – ut ipsi ridere nos solent – stropha uerbi et allegoriae nubilo uocem legislatoris excipiam, ego ecclesiasticus sub fide Christi uiuens et in medio ecclesiae positus ad a

Vgl. z.  B. Apg. 2,17 Vgl. 2 Kor. 3,6

e

1

2

3

b

Vgl. z.  B. Mt. 22,14

c

Vgl. 2 Kor. 3,14

d

Vgl. Lk. 10,23

Vgl. Origenes, in Matth. comm. ser. 27 (GCS Orig. 11, 45): „Ich meine, so wie Christus verborgen im Körper gekommen ist, sodass er von den Fleischlichen freilich, die das Äußere seines Körpers anschauten und nicht die Tugenden betrachteten, als Mensch gesehen wurde, von den Geistigen aber, die nicht das Äußere des Körpers anschauen, sondern die Werke seiner Tugend betrachten, als Gott verstanden wurde – so ist auch die ganze göttliche Schrift in einem Körper (incorporata), am meisten aber das Alte Testament.“ Zu Beginn der Homilie erläutert Origenes die zwei Ebenen des Sinnes der biblischen Texte für seine Leser. Er betont besonders das geistige Verständnis, das für die Auslegung von Levitikus besonders wichtig ist, um seine Relevanz für Christen aufzuzeigen. Siehe dazu oben S. 3–9. Zum „inneren Menschen“ bei Origenes vgl. in Ios. hom. 9,9 (GCS Orig. 7, 354), wo ebenfalls von den „Ohren des inneren Menschen“ die Rede ist; ferner in Regn. hom. lat. 9 (GCS Orig. 8, 16f.); in Cant. comm. prol. 2,4–8 (OWD 9/1, 64–66); I 4,16f. (9/1,

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ORIGENES ZUM BUCH LEVITIKUS HOMILIE 1

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1. In den jüngsten Tagen a kam das Wort Gottes in Fleisch gekleidet aus Maria in diese Welt, und das eine war das, was man sah, das andere das, was man unter ihm verstand, denn der Anblick des Fleisches war allen offen zugänglich, die Erkenntnis der Gottheit in ihm aber wurde wenigen Auserwählten gegeben. Ebenso wird das Wort Gottes auch, wenn es durch die Propheten beziehungsweise den Gesetzgeber (sc. Mose) b zu den Menschen gebracht wird, nicht ohne entsprechende Einkleidung gebracht. Denn wie es dort von der Hülle des Fleisches bedeckt wird,1 so hier von der Hülle des Buchstabens,c sodass der Buchstabe zwar wie das Fleisch sichtbar ist, der verborgene, innere, geistige Sinn hingegen wie die Gottheit wahrgenommen wird.2 Von solcher Art ist also das, was wir auch jetzt antreffen, wenn wir das Buch Levitikus durchgehen, in dem die Riten der Opfer, die Vielfalt der Opfergaben und die Dienste der Priester beschrieben werden. Doch gemäß dem Buchstaben, der gleichsam das Fleisch des Wortes Gottes und die Einkleidung seiner Gottheit ist, betrachten diese Dinge vielleicht wohl einerseits die Würdigen und hören sie andererseits auch die Unwürdigen. Doch glücklich sind jene Augen,d die den von der Hülle des Buchstabens im Inneren verborgenen göttlichen Geist sehen, und glücklich sind die, die für das Hören dieser Dinge die reinen Ohren des inneren Menschen3 benutzen. Andernfalls werden sie offen in diesen Worten den tötenden Buchstaben e vernehmen. Wenn ich nämlich wie manche auch von unseren Leuten dem einfachen Verständnis folgen und ohne jede Verdrehung des Textes – so pflegen sie uns lächerlich zu machen – und ohne die Wolke der Allegorie4 die Stimme des Gesetzgebers auffassen würde, würde ich mich, der ich als Mann der Kirche unter dem

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158); in Hiez. hom. 13,2 (GCS Orig. 8, 447); in Matth. comm. XIII 26 (GCS Orig. 10, 251); in Ioh. frg. 18 (GCS Orig. 4, 497); in Eph. frg. II 34 (OO 14/4, 290), schließlich unten gegen Ende der Predigtreihe in Lev. hom. 16,7 (GCS Orig. 6, 506). Siehe Markschies, Platonische Metapher; ders., Art. Innerer Mensch; Kobusch, Christliche Philosophie 64–71. Der Ausdruck „Allegorie“ findet sich nur hier in den Levitikushomilien, das entsprechende Adjektiv „allegorisch“ in Lev. hom. 10,1 (GCS Orig. 6, 440). Dennoch legt Origenes das Buch Levitikus weitgehend nach dem allegorischen Sinn aus, der aber meist als „spiritueller/geistiger Sinn“ bezeichnet wird. Dieser geht für Origenes immer über den Literalsinn hinaus, wobei letzterer aber auch seinen Wert behält.

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Homilia I

sacrificandum uitulos et agnos et ad offerendam similam cum ture et oleo diuini praecepti auctoritate compellor. Hoc enim agunt, qui deseruire nos historiae et seruare legis litteram cogunt. Sed tempus est nos aduersum improbos presbyteros uti sanctae Susannae uocibus, quas illi quidem repudiantes historiam Susannae de catalogo diuinorum uoluminum desecarunt, nos autem et suscipimus et opportune contra ipsos proferimus dicentes: „Angustiae mihi undique.“ Si enim consensero uobis, ut legis litteram sequar, „mors mihi“ erit; si autem non consensero, „non effugiam manus uestras. Sed melius est me nullo gestu incidere in manus uestras quam peccare in conspectu Domini.“a Incidamus ergo et nos, si ita necesse est, in obtrectationes uestras, tantum ut ueritatem uerbi Dei sub litterae tegmine coopertam ad Christum iam Dominum conuersa cognoscat ecclesia; sic enim dixit et apostolus quia: Si „conuersus“ quis „fuerit ad Dominum, auferetur uelamen; ubi enim spiritus Domini, ibi libertas.“ b Ipse igitur nobis Dominus, ipse sanctus Spiritus deprecandus est, ut omnem nebulam omnemque caliginem, quae peccatorum sordibus concreta uisum nostri cordis obscurat, auferre dignetur, ut possimus legis eius intelligentiam spiritalem et mirabilem contueri, secundum eum, qui dixit: „Reuela oculos meos, et considerabo mirabilia de lege tua.“ c Igitur quam possumus breuiter pauca perstringamus ex multis, non tam singulorum uerborum explanationi studentes – hoc enim facere per otium scribentis est –, sed quae ad aedificationem ecclesiae pertinent, proferentes; ut occasiones potius intelligentiae auditoribus a

Sus. 22f. (Dan. 13,22f.)

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b

2 Kor. 3,16f.

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Ps. 118(119),18

Als „Mann der Kirche“ im Gegensatz zu einem Häretiker bezeichnet sich Origenes öfter, bes. in seinem berühmten Bekenntnis in Luc. hom. 16,6 (GCS Orig. 92, 97f.): „Ich möchte ein Mann der Kirche sein und nicht nach dem Gründer irgendeiner Häresie genannt werden, sondern nach Christi Namen, der gepriesen ist auf Erden, und ich möchte diesen Namen tragen; ja, ich will in Tat und Denken Christ sein und heißen.“ Übersetzung: Sieben, FC 4/1, 189–191. Siehe de Lubac, Geist aus der Geschichte 63–87. Die Bemerkung, er sei „mitten in die Kirche gestellt“, zielt vielleicht auch darauf, dass Origenes Presbyter in der Gemeinde von Caesarea ist und als solcher im Gottesdienst predigt. Origenes, in Matth. comm. XV 3 (GCS Orig. 10, 356), sagt von Markion, er habe „die allegorische Auslegung der Schrift verboten“. Im Judentum ist die Susannaerzählung nicht Teil der heiligen Schriften. Origenes könnte hier auf diese Tatsache anspielen, da er von denen spricht, die „den Buchstaben des Gesetzes beachten“. Wörtliche Auslegung der Schrift und wörtliche Beachtung des Gesetzes anstelle seines geistigen Verständnisses wirft Origenes vielfach „den Juden“ vor. Er spricht damit aber auch die Christen an, die eine allegorische und damit geistige Schriftauslegung ablehnen. Ob die Susannaerzählung zu den heiligen Schriften gezählt werden darf, ist auch Thema eines Briefwechsels zwischen Origenes und Julius Africanus (SC 302, 514–572). Origenes bemüht sich, die einzelnen Argumente des Julius Africanus gegen die Zugehörigkeit zu den Schriften zu widerlegen.

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Glauben an Christus lebe und mitten in die Kirche gestellt bin,5 von der Autorität der göttlichen Vorschrift gezwungen sehen, Kälber und Lämmer zu opfern und Feinmehl mit Weihrauch und Öl darzubringen. Denn das tun die, die uns drängen, der Geschichte eifrig zu dienen und den Buchstaben des Gesetzes zu beachten.6 Doch es ist Zeit, dass wir gegen die ruchlosen alten Männer die Worte der heiligen Susanna gebrauchen, die zwar jene, weil sie die Geschichte von Susanna ablehnen, aus der Liste der göttlichen Bücher ausscheiden,7 die wir aber sowohl aufnehmen als auch passenderweise gegen sie vorbringen, indem wir sagen: „Bedrängt bin ich von allen Seiten.“ Wenn ich euch nämlich darin zustimme, dem Buchstaben des Gesetzes zu folgen, wird es „für mich der Tod“ sein; wenn ich aber nicht zustimme, „werde ich euren Händen nicht entkommen. Doch es ist besser, in eure Hände zu fallen, ohne etwas getan zu haben, als in den Augen des Herrn zu sündigen.“a Also wollen auch wir, wenn es notwendig ist, in eure Missgunst fallen, solange nur die Kirche, die sich schon Christus, dem Herrn zugewendet hat, die unter der Hülle des Buchstabens verborgene Wahrheit des Wortes Gottes erkennt; denn so sagte auch der Apostel: Wenn sich jemand „dem Herrn zuwendet, wird die Hülle entfernt werden; denn wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ b 8 Daher müssen wir den Herrn selbst, den Heiligen Geist selbst anflehen, allen Nebel und alle Dunkelheit, die sich durch den Schmutz der Sünden gebildet hat und die Sicht unseres Herzens verdunkelt, gnädig zu entfernen, damit wir das geistige und wunderbare Verständnis seines Gesetzes schauen können, gemäß dem, der sagte: „Enthülle meine Augen, und ich werde die Wunder aus deinem Gesetz betrachten.“ c Daher wollen wir so kurz wie möglich nur wenige Punkte von vielen ansprechen und dabei nicht so sehr nach der Erklärung einzelner Wörter streben – denn das ist Sache des in Muße Schreibenden9 –, sondern das vorbringen, was zur Erbauung der Kirche beiträgt,10 sodass wir Dafür führt er verschiedene andere Beispiele aus der hebräischen Bibel an. Origenes argumentiert, dass die Erzählung aus der hebräischen Bibel entfernt wurde, weil sie Älteste, Anführer und Richter kritisiert, damit diese Vorkommnisse dem Volk nicht bekannt würden. Für eine Analyse dieses Briefes siehe Nautin, Origène 176–182. 8 In diesem Zitat sind die Worte „der Herr aber ist der Geist“ in 1 Kor. 3,17 ausgelassen. Am Beginn von Homilie 4 werden gerade diese Worte zitiert, zusammen mit anderen Stellen, um theologisch für eine spirituelle Interpretation zu argumentieren: in Lev. hom. 4,1 (GCS Orig. 6, 316). 9 Die ausführliche Erklärung der Details des biblischen Textes weist Origenes also dem schriftlichen Kommentar zu. In einer (mündlich vorgetragenen) Homilie, der eine begrenzte Zeit zur Verfügung steht und die auch einen primär didaktischen Zweck verfolgt, hat so eine Erklärung keinen Platz. 10 Die „Erbauung“ der Kirche bzw. der Gläubigen nennt Origenes regelmäßig als Ziel seiner Predigten: in Ex. hom. 1,1 (GCS Orig. 6, 146); in Ios. hom. 8,2 (GCS Orig. 7, 337); 8,6 (7, 342); 9,1 (7, 346); 20,1 (7, 415); in Iud. hom. 8,3 (GCS Orig. 7, 510);

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Homilia I

demus quam expositionum latitudinem | persequamur, secundum illud, quod scriptum est: „Da occasionem sapienti, et sapientior erit.“a 2. Principium ergo Leuitici dicit quia „uocauit Dominus Moysen et locu­ tus est illi de tabernaculo testimonii“,b ut promulgaret filiis Istrahel sacrificiorum leges et munerum, et ait: „Si homo munus offeret Deo, offeret ex bobus uel pecudibus“,c id est, agnis uel hoedis; „si uero ex auibus, turtures uel pullos columbarum“.d Si uero non homo, sed „anima“ offerat munus Deo, ex simila inquit offerat panes azymos „coctos in clibano“, uel certe „similam ex sartagine in oleo conspersam“ aut „ex craticula“ in oleo nihilominus subactam.e Tum deinde edocemur quia „fermentatum“ nihil omnino oportet offerri ad altare Dei neque „mel“ f usquam sacrificiis admisceri, sed „sale“ g saliri omne sacrificium uel munus. Secundo in loco de primitiarum praecepit sacrificiis, quae recentia, tosta,h bene purgata offerri Domino iubet. Post haec sub eadem legis continentia de „sacrificiis salutaribus“ i iungitur, primo ex bobus, secundo „ex ouibus“,j in quibus tamen liceat siue „in agnis“,k siue in hoedis uel „feminas“ offerre uel „mares“,l et nihil praeter haec animalia decernit in sacrificiis salutaribus offerendum. Sed repetamus paululum et uideamus primo omnium quid est quod dicit: „homo ex uobis si offerat munus“,m quasi uero possit alius aliquis offerre quam homo. Et utique suffecisset dicere: si qui ex uobis offerat munus, sed nunc dicit: „homo ex uobis si offerat munus“; in consequentibus uero dicit: „si autem anima offerat munus“.n In posterioribus porro, cum secundo iam loquitur Dominus ad Moysen et mandat de sacrificiis pro peccato offerendis, ita dicit: „Si pontifex peccauerit, offeret“ illud et illud.oVel si omnis synagoga peccauerit uel si princeps peccauerit uel si anima una pecca|uerit,p mandatur singulis quibusque, quid offerant. Quid ergo? Inanem putamus esse istam personarum distinctionem, ut aliud quidem offerendum sub „hominis“ appellatione, aliud sub „animae“, aliud sub „pontificis“, aliud uero sub „synagogae“, aliud etiam sub „principis“ uel „unius animae“ cognominatione a

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Spr. 9,9 bLev. 1,1 cLev. 1,2 dLev. 1,14 eLev. 2,1.4.5.7 Vgl. Lev. 2,14 i Lev. 3,1 j Lev. 3,6 kLev. 3,7 l Lev. 3,6 o Lev. 4,3 pVgl. Lev. 4,13.22.27

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Lev. 2,11 gLev. 2,13 Lev. 1,2 nLev. 2,1

in Hiez. hom. 3,6 (GCS Orig. 8, 353). Siehe Schütz, Gottesdienst 82–93; Monaci Castagno, Origene predicatore 65–71; Markschies, Predigten des Origenes 41–43. 53–55. 60–62; Heine, Origen 184–187. 11 Das Wort „Gelegenheit“, das Origenes in Spr. 9,9 wichtig ist, steht nur in der Septuaginta (ἀφορμή), aber nicht im masoretischen Text; denselben Vers in derselben Variante zitiert er in Is. hom. 7,1 (GCS Orig. 8, 279). 12 Das Verbot der Beimischung von Sauerteig und Honig wird nicht begründet. Manche Exegeten nehmen an, dass es dazu dient, Fermentation zu verhindern (siehe Hieke, Levitikus 209). Salz hingegen dient der Haltbarmachung und ist unverzichtbar zum Würzen von Speisen. Es symbolisiert Dauerhaftigkeit, Reinheit und Heiligkeit

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den Zuhörern eher Gelegenheiten zum Verstehen bieten als ausführliche Auslegungen durchgehen gemäß dem, was geschrieben steht: „Gib dem Weisen Gelegenheit, und er wird weiser werden.“a 11 2. Am Anfang des Buches Levitikus also heißt es: „Der Herr rief Mose und sprach zu ihm aus dem Bundeszelt“,b dass er den Kindern Israels die Gesetze über die Opfer und die Gaben bekannt mache; es heißt: „Wenn ein Mensch Gott eine Gabe darbringt, soll er sie von den Rindern oder von den Kleintieren darbringen“,c das heißt von den Lämmern oder Böcken; „wenn aber von den Vögeln, dann Turteltauben oder Junge von Tauben“.d Wenn hingegen nicht ein Mensch, sondern „eine Seele“ Gott eine Gabe darbringt, soll sie, heißt es, „im Ofen“ aus Feinmehl „gebackene“ ungesäuerte Brote darbringen oder zumindest „mit Öl vermengtes Feinmehl aus einer Pfanne“ oder „von einem Rost“, das genauso in Öl zubereitet ist.e Hierauf werden wir belehrt, dass „Gesäuertes“ überhaupt nicht zum Altar Gottes gebracht noch „Honig“ f jemals den Opfern beigemischt werden darf,12 sondern jedes Opfer und jede Gabe „mit Salz“ g gesalzen werden muss. An zweiter Stelle gibt er Vorschriften über die Erstlingsopfer, die er frisch, geröstet h und gut gereinigt dem Herrn darzubringen befiehlt. Danach wird unter demselben Inhalt des Gesetzes die Vorschrift über die „Heilsopfer“ i hinzugefügt, zuerst von den Rindern, dann „von den Schafen“,j bei denen jedoch sowohl bei den „Lämmern“ k als auch bei den Böcken „weibliche“ wie „männliche“ l darzubringen erlaubt ist; und es wird bestimmt, dass nichts außer diesen Tieren bei den Heilsopfern dargebracht werden darf. Doch wir wollen ein wenig zurückgehen und zuallererst sehen, was die Aussage bedeutet: „wenn ein Mensch von euch eine Gabe darbringt“,m als ob irgendjemand anders darbringen könnte als ein Mensch. Und gewiss hätte es genügt zu sagen: wenn einer von euch eine Gabe darbringt, doch jetzt heißt es: „wenn ein Mensch von euch eine Gabe darbringt“; im Folgenden hingegen heißt es: „wenn aber eine Seele eine Gabe darbringt“.n Und noch weiter unten, als der Herr schon zum zweiten Mal zu Mose spricht und die für eine Sünde darzubringenden Opfer anordnet, sagt er so: „Wenn der Priester gesündigt hat, soll er“ dieses und jenes „darbringen.“ o Oder wenn die ganze Versammlung gesündigt hat oder wenn das Oberhaupt gesündigt hat oder wenn eine einzelne Seele gesündigt hat,p wird ihnen jeweils angeordnet, was sie opfern sollen. Was also? Glauben wir, dass diese Unterscheidung der Personen grundlos ist, dass eine Darbringung unter der Bezeichnung „Mensch“, eine andere unter „Seele“, eine andere unter „Priester“, eine weitere aber unter „Versammlung“, eine weitere auch unter der Benennung „Oberhaupt“ (vgl. Ex. 30,35). Zudem stiftet Essen Gemeinschaft. Daher ist verständlich, dass Num. 18,19 und 2 Chr. 13,5 vom „Salzbund“ sprechen. Nach Lev. 2,13 muss jedes Opfer mit Salz dargebracht werden. Salz ist Symbol des Bundes (vgl. auch Esra 4,14), der Voraussetzung der Opfer ist.

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Homilia I

mandetur? Ego interim pro exiguitate sensus mei hoc in loco „hominem“, quem appellauit et primum in omnibus posuit ad offerendum munus Deo, intelligendum esse omne humanum arbitror genus et ipsum dici „hominem“, qui holocaustum offerat uitulum ex bobus sine macula.a Iste autem uitulus sine macula uide, si non ille saginatus est uitulus, quem pater pro regresso ac restituto sibi illo, qui perierat, filio, quique omnem eius substantiam dilapidauerat, iugulauit et fecit conuiuium magnum et laetitiam habuit, ita ut laetarentur angeli in coelo super uno peccatore poenitentiam agente. Homo ergo iste, qui perierat et inuentus est, quoniam nihil habuit propriae substantiae, quod offerret – cuncta namque dilapidauerat uiuens luxuriose –,b inuenit istum uitulum coelitus quidem missum, sed ex patriarcharum ordine et connexis ex Abraham generationum successionibus uenientem,c et idcirco non dixit uitulum et siluit, ut uideatur uitulus quicumque mandatus, sed uitulum ex bubus, id est ex patriarcharum generatione uenientem. Est autem „masculus sine macula“.d Masculus uere est, qui peccatum, quod est femineae fragilitatis, ignorat. Solus ergo ille masculus, solus sine macula est, qui peccatum non fecit, „nec dolus“ inuentus est „in ore eius“,e et qui acceptus contra Dominum offertur „ad ostium tabernaculi“.f „Ad ostium tabernaculi“ non est intra ostium, sed extra ostium. Extra ostium etenim fuit Iesus, quia in sua „propria uenit, et sui eum non receperunt“.g Non est ergo ingressus tabernaculum illud, ad quod uenerat, sed ad ostium eius oblatus est holo|caustum, quia „extra castra“ h passus est. Nam et illi mali coloni uenientem filium patrisfamilias eiecerunt „foras extra uineam et occiderunt“.i Hoc est ergo quod offertur „ad ostium tabernaculi“ acceptum contra Dominum,j et quid tam acceptum quam hostia Christi, „qui se ipsum obtulit Deo“? k a

Vgl. Lev. 1,3–5 bVgl. Lk. 15 cVgl. Mt. 1,1–16 dLev. 1,3 eJes. 53,9 Joh. 1,11 hLev. 4,12 i Mt. 21,39 j Lev. 1,3 kHebr. 9,14

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Lev. 1,3

13 Die Frage nach der Bedeutung von „Mensch“ und „Seele“ wird auch im Midrasch

gestellt und unterschiedlich beantwortet. Nach Sifra Wajiqra 2,3 beinhaltet die Bezeichnung „Mensch“ auch die Proselyten. LevR 3,5 würdigt das geringe Opfer einer armen Frau, insofern sie darin ihre „Seele“ gegeben hat. Siehe Murmelstein, Aggadische Methode 115f. 14 Von hier ab hat Hrabanus Maurus die Predigt bis an ihr Ende abgeschrieben (es fehlt nur der letzte Satz): in Lev. expos. I 1 (PL 108, 249D–255A). 15 Häufig findet sich bei Origenes eine allegorische Deutung der Geschlechter. Er geht von der Überlegenheit des Männlichen und der Minderwertigkeit des Weiblichen aus. Er gesteht immerhin zu, dass diese Zuordnung so nicht in der Schrift zu finden ist. Vielfach wird die weibliche Schwäche, wenn sie erwähnt wird, moralisch gedeutet, so etwa in Ios. hom. 9,9 (GCS Orig. 7, 355): „Wenn hingegen zugleich alle von der Kirche angenommen werden, versteht man unter ‚Männern‘ freilich die, die in allem vollkommen zu bestehen wissen, bewaffnet gegen die Verschlagenheit des Teufels (vgl. Eph. 6,11); die Frauen hingegen sind die, die nicht aus sich selbst tun, was nützlich ist, sondern indem sie die Männer nachahmen und ihrem Beispiel nach-

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oder „Einzelseele“ angeordnet wird?13 Ich mit meinem geringen Verständnis meine einstweilen, dass14 an dieser Stelle der „Mensch“, der genannt und als Erster von allen aufgezählt worden ist, um Gott eine Gabe darzubringen, als das ganze Menschengeschlecht zu verstehen ist und dass eben derjenige „Mensch“ genannt wird, der als Ganzopfer ein Kalb von den Rindern ohne Makel darbringt.a Sieh aber, ob dieses Kalb ohne Makel nicht jenes gemästete Kalb ist, das der Vater für jenen zurückgekehrten und ihm wiedergegebenen Sohn, der verloren war und der sein ganzes Vermögen verschwendet hatte, schlachtete. Er veranstaltete ein großes Gastmahl und hatte Freude, so wie sich die Engel im Himmel über einen einzigen Sünder, der Buße tut, freuen. Weil dieser Mensch also, der verloren gegangen war und gefunden wurde, kein eigenes Vermögen hatte, das er darbringen konnte – denn er hatte alles durch sein ausschweifendes Leben verschwendet –,b fand er dieses Kalb, das zwar vom Himmel geschickt wurde, doch aus der Ordnung der Patriarchen und den aus Abraham folgenden Generationen c kam. Und darum sagte er nicht Kalb und sonst nichts, sodass das vorgeschriebene Kalb als irgendeines erscheinen könnte, sondern Kalb von den Rindern, das heißt eines, das aus der Generation der Patriarchen kam. Es ist aber „männlich ohne Makel“.dWahrlich männlich ist, wer die Sünde, die aus der weiblichen Schwäche kommt, nicht kennt.15 Allein der ist also männlich, allein der ist ohne Makel, der keine Sünde beging, und „in seinem Mund“ fand sich „kein Trug“,e und das wird als wohlgefällig vor dem Herrn „beim Eingang des Zeltes“ f dargebracht. „Beim Eingang des Zeltes“ ist nicht innerhalb des Eingangs, sondern außerhalb des Eingangs. Jesus befand sich nämlich außerhalb des Eingangs, weil er in sein „Eigentum kam und die Seinen ihn nicht aufnahmen“.g Er trat also nicht in jenes Zelt ein, zu dem er gekommen war, sondern bei seinem Eingang wurde er als Ganzopfer dargebracht, weil er „außerhalb des Lagers“ h litt. Denn auch jene bösen Pächter warfen den Sohn des Familienvaters, als er kam, „aus dem Weinberg hinaus und töteten ihn“.i Das ist es also, was „beim Eingang des Zeltes“ dargebracht wird, wohlgefällig vor dem Herrn.j Und was ist so wohlgefällig wie das Opfer Christi, „der sich selbst Gott darbrachte“? k jagen.“ An anderen Stellen deutet Origenes die Geschlechterdifferenz allegorisch, wie hier, aber auch in Lev. hom. 4,8 (GCS Orig. 6, 328); ausführlich in Ex. hom. 2,1 (GCS Orig. 6, 156): Die „schwache“ Frau wird mit Sünde und Laster in Verbindung gebracht, der Mann mit Tugend und Vollkommenheit. Der Mann repräsentiert die Vernunft, die Frau das Fleisch: in Gen. hom. 4,4 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 81). Die männlichen Kinder, die die guten Werke darstellen, werden den weiblichen als den fleischlichen Werken gegenübergestellt: sel. in Ex. 23,17 (PG 12, 296D). Die Heiligen sind üblicherweise die Söhne: orat. 21,2 (GCS Orig. 2, 346). So wird in Num. hom. 11,7 (GCS Orig. 7, 89) erklärt, dass hier nur die Söhne gemeint sind, und die Töchter werden ausgeschlossen: „Das ist dennoch nach dem geistigen Verständnis nicht auf die Unterscheidung des Geschlechts, sondern auf die der Seelen zu beziehen.“ Siehe ferner die Hinweise bei Döhler/Fürst, OWD 5, 119 Anm. 52.

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Homilia I

3. Et tamen: „Imponet manum suam“ inquit „super caput hostiae, et iugulabunt uitulum contra Dominum, et offerent filii Aaron sacerdotis sangui­ nem, et effundent sanguinem ad altare in circuitu, quod est ad ostium tabernaculi testimonii.“a Potest quidem uideri ob hoc dictum, quod de filiis Aaron erant Annas et Caiphas et ceteri omnes, qui consilium agentes aduersum Iesum pronuntiauerunt eum reum mortis b et effuderunt sanguinem eius circa basim altaris tabernaculi testimonii.c Ibi etenim effunditur sanguis, ubi erat altare et basis eius, sicut et ipse Dominus dixit: „quia non capit perire prophetam extra Hierusalem“.d „Posuit“ ergo et „manum suam super caput uituli“,e hoc est peccata generis humani imposuit super corpus suum; ipse est enim caput corporis ecclesiae suae.f Sed et hoc fortasse non sine causa fit quod, cum superius dixisset: „Applicabit eum ad ostium tabernaculi testimonii“,g in posterioribus repetit et iterum dicit: „ad altare, quod est ad ostium tabernaculi testimonii“,h quasi non eundem locum sub eadem narratione semel designasse suffecerit. Nisi quia forte hoc intelligi uoluit quod sanguis Iesu non solum in Hierusalem effusus est, ubi erat altare et basis eius et tabernaculum testimonii, sed et quod supernum altare, quod est in coelis, ubi et „ecclesia primitiuorum“ est,i idem ipse sanguis adsperserit, sicut et apostolus dicit quia: „Pacificauit per sanguinem crucis suae siue quae in terra sunt, siue quae in coelis.“ j Recte ergo secundo nominat altare, quod est ad ostium tabernaculi testimonii,k | quia non solum pro terrestribus, sed etiam pro coelestibus oblatus est hostia Iesus, et hic quidem pro hominibus ipsam corporalem materiam sanguinis sui fudit, in coelestibus uero, ministrantibus – si qui illi inibi sunt – sacerdotibus, uitalem corporis sui uirtutem uelut spiritale quoddam sacrificium immolauit.Vis autem scire quia duplex hostia in eo fuit, conueniens terrestribus et apta coelestibus? Apostolus ad Hebraeos scribens dicit: „per uelamen, id est carnem suam“.l Et iterum interius uelamen interpretatur coelum, quod penetrauerit Iesus, et adsistat nunc uultui Dei pro nobis,m „semper“ inquit „uiuens ad interpellandum pro his“.n Si ergo duo intelliguntur uelamina, quae uelut pontifex ingressus est Iesus, consequenter et sacrificium duplex intelligendum est, per quod et terrestria saluauerit et coelestia. Denique et ea, quae sequuntur, plus coelesti sacrificio quam terreno uidentur aptanda. a

Lev. 1,4f. bVgl. Mt. 27,1; Joh. 18,13ff. cVgl. Lev. 4,7; 1,5 dLk. 13,33 eLev. 1,4 Vgl. Eph. 1,22 gLev. 1,3 hLev. 1,5 i Hebr. 12,23 j Kol. 1,20 kVgl. Lev. 1,5 l Hebr. 10,20 mVgl. Hebr. 9,24 nHebr. 7,25 f

16 In diesem Sinn auch in Luc. hom. 10,3 (GCS Orig. 92, 60f.): „Die Gegenwart des

Herrn Jesus und sein Heilswerk sind nicht nur der Erde, sondern auch dem Himmel von Nutzen.“ Übersetzung: Sieben, FC 4/1, 133. 17 Vgl. orat. 10,2 (GCS Orig. 2, 320): „Denn der Sohn Gottes ist der Hohepriester unserer Opfergaben (vgl. Hebr. 2,17; 3,1; 4,14f.; 5,10; 6,20; 7,26; 8,1; 9,11; 10,10) und Beistand beim Vater (vgl. Joh. 14,16.26; 15,26; 16,7), der für die Betenden betet und mit den

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3. Und dennoch: „Er soll seine Hand auflegen“, heißt es, „auf den Kopf des Opfers, und sie sollen das Kalb vor dem Herrn schlachten, und die Söhne des Priesters Aaron sollen das Blut darbringen, und sie sollen das Blut beim Altar rundum ausgießen, das heißt beim Eingang des Bundeszeltes.“a Aufgrund dieser Aussage kann man gewiss sehen, dass Hannas und Kajaphas und alle übrigen, die den Beschluss gegen Jesus fassten und verkündeten, dass er des Todes angeklagt sei,b und die sein Blut um den Sockel des Altars des Bundeszeltes c ausgossen, von den Söhnen Aarons waren. Dort wird nämlich das Blut vergossen, wo der Altar und sein Sockel waren, so wie auch der Herr selbst sagte: „denn ein Prophet kann nicht außerhalb von Jerusalem zu Tode kommen“.d „Er legte“ also auch „seine Hand auf den Kopf des Kalbes“,e das heißt, er legte die Sünden der Menschheit auf seinen Leib; er selbst ist nämlich das Haupt des Leibes seiner Kirche.f Doch vielleicht geschah auch dies nicht ohne Grund, dass er, nachdem er vorher gesagt hatte: „Er brachte es zum Eingang des Bundeszeltes“,g es im Folgenden wiederholt und erneut sagt: „zum Altar, das heißt zum Eingang des Bundeszeltes“,h als ob es nicht genügt hätte, denselben Ort innerhalb derselben Erzählung einmal bezeichnet zu haben. Es sei denn, er wollte vielleicht zu verstehen geben, dass das Blut Jesu nicht nur in Jerusalem vergossen wurde, wo der Altar und sein Sockel und das Bundeszelt waren, sondern dass auch der obere Altar, der im Himmel ist, wo auch „die Kirche der Erstgeborenen“ i ist, mit eben demselben Blut besprengt wurde, wie auch der Apostel sagt: „Er befriedete durch das Blut seines Kreuzes, was auf der Erde ist und was im Himmel ist.“ j Richtig also nennt er zum zweiten Mal den Altar, der beim Eingang des Bundeszeltes ist,k weil Jesus nicht nur für die Irdischen, sondern auch für die Himmlischen als Opfer dargebracht wurde;16 und hier vergoss er für die Menschen die körperliche Materie seines Blutes, im Himmel hingegen, durch den Dienst der Priester – wenn es dort welche gibt –, opferte er die Leben spendende Kraft seines Leibes wie eine Art geistiges Opfer. Willst du aber wissen, dass in ihm ein doppeltes Opfer war, angemessen für die Irdischen und passend für die Himmlischen? Der Apostel sagt im Schreiben an die Hebräer: „durch eine Hülle, das heißt durch sein Fleisch“.l Und desgleichen wird die innere Hülle als Himmel gedeutet, den Jesus durchdrang, und jetzt tritt er für uns vor das Angesicht Gottes,m „immer“, heißt es, „lebend, um für diese einzutreten“.n 17 Wenn man also zwei Hüllen versteht, in die Jesus wie der Hohepriester eingetreten ist, muss folglich auch das Opfer doppelt verstanden werden, durch das er sowohl das Irdische als auch das Himmlische erlöst hat. Schließlich scheint auch das, was folgt, mehr zu einem himmlischen Opfer als zu einem irdischen zu passen. Anrufenden anruft. Er würde aber nicht wie für Freunde für die beten, die nicht stets durch ihn beten, und nicht wie für die, die schon sein Eigentum sind, Fürsprecher bei Gott sein, wenn sie nicht seinen Lehren gehorsam wären, ‚dass man jederzeit beten und nicht nachlassen soll‘ (Lk. 18,1).“ Übersetzung: von Stritzky, OWD 21, 137.

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Homilia I

4. „Et decoriantes“ inquit „holocaustum diuident illud membratim, et imponent filii Aaron sacerdotis ignem super altare, et constipabunt ligna in ignem; et imponent filii Aaron sacerdotis diuisa membra et caput et adipes et ligna, quae sunt super altare. Interanea uero et pedes lauabunt aqua, et imponet sacerdos omnia super altare; hostia est et sacrificium odor suauitatis Domino.“a Quomodo decorietur caro uerbi Dei, quod hic uitulus nominatur,b et quomodo membratim diuidatur a sacerdotibus, operae pretium est aduertere. Ego puto quod ille sacerdos detrahit corium uituli oblati in holocaustum et deducit pellem, qua membra eius conteguntur, qui de uerbo Dei abstrahit uelamen litterae c et interna eius, quae sunt spiritalis intelligentiae membra, denudat et haec membra uerbi interioris scientiae non in humili aliquo loco ponit, sed in alto et sancto, id est super altare collocat, cum non indignis hominibus et humilem uitam ac terrenam ducentibus pandit diuina mysteria, sed illis, qui altare Dei sunt, in quibus semper ardet diuinus ignis et semper consumitur caro. Super hos ergo tales mem|bratim diuisus iste holocausti uitulus collocatur. Diuidit namque membratim uitulum, qui explanare per ordinem potest et competenti distinctione disserere, qui sit profectus, Christi fimbriam contigisse,d qui uero pedes eius lauisse lacrimis et capillis capitis extersisse,e quanto autem his potius sit caput eius unxisse myrro;f sed et in pectore eius recubuisse quid habeat eminentiae.g Horum ergo singulorum causas disserere et alia quidem incipientibus, alia uero his, qui iam proficiunt in fide Christi, alia autem illis, qui iam perfecti sunt in scientia et caritate eius, aptare, hoc est membratim uitulum diuisisse. Sed et qui nouit ostendere, quae fuerint legis principia, qui etiam in prophetis profectus accesserit, quae a

Lev. 1,6–9 bVgl. Lev. 1,5 cVgl. 2 Kor. 3,14 Vgl. Lk. 7,46 gVgl. Joh. 21,20

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Vgl. Mt. 9,20

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Vgl. Lk. 7,44

18 Zum göttlichen Feuer vgl. in Lev. hom. 5,3 (GCS Orig. 6, 338f.), wo Dtn. 4,24 ausge-

legt wird („Gott ist verzehrendes Feuer“), sowie unten S. 168 Anm. 164.

19 Nach Num. 15,38 sollten die Israeliten „Fransen“ (griech. κράσπεδα; hebr. zizit) an

ihren Kleidern tragen. Die Zizit gehören bis heute zur traditionellen jüdischen Kleidung. 20 Vgl. in Ioh. comm. I 4,23 (GCS Orig. 4, 8): „Man muss nun zu sagen wagen, dass das Erstlingsopfer aller Schriften die Evangelien sind, das Erstlingsopfer der Evangelien aber das nach Johannes ist, dessen Sinn niemand erfassen kann, außer wer an der Brust Jesu ruht (vgl. Joh. 13,25; 21,20) und von Jesus Maria empfängt, die auch seine Mutter wird (vgl. Joh. 19,26).“ Übersetzung: p. 33 Thümmel. Vgl. auch ebd. XXXII 20,264 (4, 461). 21 Origenes spricht unter seinen Zuhörern drei Gruppen an: Anfänger, Fortgeschrittene und Vollkommene. Vgl. princ. IV 2,4 (GCS Orig. 5, 312f.). Siehe dazu oben S. 3–9. In Cels. IV 16 und 64 (GCS Orig. 1, 285f. und 335) erläutert Origenes die Stufen des Fortschritts und die Anpassung des Logos an die einzelnen Gruppen, „je nachdem, ob er sich im Zustand des Anfängers oder des nur wenig oder weiter Fortgeschrittenen befindet oder ob er der Vollkommenheit schon nahekommt oder sogar bereits in der

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4. „Und sie sollen“, heißt es, „das Ganzopfer enthäuten und es in seine Glieder zerteilen, und die Söhne des Priesters Aaron sollen Feuer auf den Altar legen und Holz auf das Feuer aufhäufen; und die Söhne des Priesters Aaron sollen die zerteilten Glieder, den Kopf, das Fett und das Holz, das auf dem Altar ist, darauflegen. Die Eingeweide hingegen und die Füße sollen sie mit Wasser waschen, und der Priester soll alles auf den Altar legen; es ist ein Schlachtopfer und ein Opfer als Wohlgeruch für den Herrn.“a Auf welche Weise das Fleisch des Wortes Gottes, das hier Kalb genannt wird,b enthäutet und auf welche Weise es von den Priestern in seine Glieder zerteilt wird, lohnt sich näher zu betrachten. Ich glaube, dass jener Priester das Fell des zum Ganzopfer dargebrachten Kalbes und die Haut, von der seine Glieder bedeckt werden, abzieht, der vom Wort Gottes die Hülle des Buchstabens c wegzieht und sein Inneres, das die Glieder des geistigen Verständnisses sind, entblößt. Er legt diese Glieder der Erkenntnis des inneren Wortes nicht an irgendeinen niedrigen Ort, sondern an einen hohen und heiligen, das heißt, er legt sie auf den Altar, indem er die göttlichen Mysterien nicht unwürdigen Menschen, die ein niedriges und irdisches Leben führen, kundtut, sondern jenen, die der Altar Gottes sind, in denen immer das göttliche Feuer18 brennt und immer das Fleisch verzehrt wird. Auf solche Menschen also wird dieses in seine Glieder zerteilte Kalb des Ganzopfers gelegt. Es teilt nämlich das Kalb in seine Glieder, wer nach der Ordnung erklären und mit einer entsprechenden Unterscheidung erörtern kann, welchen Fortschritt es bedeutet, die Franse Christi berührt zu haben,d  19 aber auch seine Füße mit Tränen gewaschen und mit den Haaren des Hauptes abgewischt zu haben,e wie viel mehr es aber bedeutet, sein Haupt mit Myrrhe gesalbt zu haben,f doch auch wie herausragend es ist, an seiner Brust geruht zu haben.g  20 Die Gründe dafür also im Einzelnen zu erörtern, und zwar das eine passend für die Anfänger, das andere hingegen für die, die im Glauben an Christus schon Fortschritte machen, anderes aber für jene, die in seiner Erkenntnis und Liebe schon vollkommen sind, das heißt es, das Kalb in seine Glieder zerteilt zu haben.21 Doch auch wer zu zeigen weiß, was die Anfänge des Gesetzes waren, welcher Vollkommenheit lebt.“ „Wie nämlich auch die Natur eines bestimmten Menschen ein und dieselbe ist, doch sein Geist, seine Vernunft und seine Handlungen nicht immer dieselbe Qualität aufzeigen, da er einmal keine Vernunft anwendet, ein andermal mit der Vernunft zusammen auch Bosheit, die bald ein geringeres, bald ein größeres Ausmaß annimmt, und sich manchmal der Tugend zuwendet und in ihr geringere oder größere Fortschritte macht und manchmal sogar nach kürzerer oder längerer geistiger Betrachtung ihren Höhepunkt erreicht …“ Übersetzung: Barthold, FC 50, 689. 797. Häufig findet sich bei Origenes auch eine Zweiteilung, z.  B. in die Menge und die Jünger in den Evangelien, die Einfachen und die Vollkommenen in der Kirche: in Lev. hom. 4,6 (GCS Orig. 6, 325); 13,6 (6, 477). Während die einen den höheren geistigen Sinn der Schrift erfassen können, ist für die weniger Fortgeschrittenen eine einfache Erklärung notwendig. Vgl. auch ebd. 5,7 (6, 346f.).

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Homilia I

uero in euangeliis plenitudo perfectionis habeatur; uel qui docere potest, quo uerbi lacte alendi sint paruuli in Christoa et quo uerbi olere refouendi sint, qui infirmantur in fide,b quis etiam sit cibus solidus et fortis,cquo impinguandi sint athletae Christi; qui haec singula nouit spiritali ratione diuidere, potest huiusmodi doctor ille sacerdos uideri, qui imponit super altare holocaustum per membra diuisum.d Addit et ligna altari, quo ignis animetur et ardeat, is, a quo non solum de corporalibus uirtutibus Christi, sed etiam de diuinitate eius sermo miscetur. Desursum enim est diuinitas Christi, quo ignis iste festinat. Conuenienter ergo omnia haec, quae in corpore a Saluatore gesta sunt, coelestis ignis absumpsit et ad diuinitatis eius naturam cuncta restituit. Lignis tamen adhibitis ignis iste succenditur; usque ad lignum enim in carne passio fuit Christi. Vbi autem suspensus in ligno est, dispensatio carnis finita est; resurgens enim a mortuis adscendit ad coelum, quo iter eius natura ignis ostendit. Vnde et apostolus dicebat quia: „Et si cognouimus Christum | secundum carnem, sed nunc iam non nouimus.“ e Holocaustum namque carnis eius per lignum crucis oblatum terrena coelestibus et diuinis humana sociauit. „Interanea“ sane „cum pedibus aqua dilui“ f iubet sermo praecepti sacramentum baptismi sub figurali praedicatione denuntians. Nam interanea diluit, qui conscientiam purgat; pedes abluit, qui consummationem suscipit sacramenti et scit quia qui mundus est, non indiget nisi ut pedes lauet g et quia partem quis habere non potest cum Iesu, nisi lauerit pedes eius.h 5. Verum si haec etiam ad moralem locum inclinare uelis, habes et tu uitulum, quem offerre debeas. Vitulus est et quidem ualde superbus caro tua; quam si uis munus Domino offerre, ut eam castam pudicamque custodias, adduc eam ad ostium tabernaculi, id est ubi diuinorum librorum suscipere a

Vgl. Hebr. 5,12 bVgl. Röm. 14,1f. cVgl. Hebr. 5,12 Lev. 1,9 gVgl. Joh. 13,10 hVgl. Joh. 13,8

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Vgl. Lev. 1,8

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2 Kor. 5,16

22 Die von Paulus inspirierte Symbolik der Lebensalter findet sich häufig bei Origenes,

vgl. auch unten in Lev. hom. 5,7 (GCS Orig. 6, 346f.) in Verbindung mit der Symbolik von Milch und fester Speise (vgl. 1 Kor. 3,1–3; Hebr. 5,12–14). 23 Vgl. Cels. III 41 (GCS Orig. 1, 237): „Derjenige, von dem wir voller Überzeugung glauben, dass er von Anfang an Gott und Gottes Sohn ist (vgl. Joh. 1,1), ist der Logos in Person, die Weisheit in Person und die Wahrheit in Person. Sein sterblicher Leib aber, so sagen wir, und die ihm innewohnende menschliche Seele haben nicht nur durch die Gemeinschaft, sondern die Vereinigung und Vermischung mit ihm das Höchste erlangt und sind durch die Teilhabe an seiner Gottheit in Gott verwandelt worden.“ Übersetzung: Barthold, FC 50, 585. Daher ist es Jesus in seiner Ganzheit, als Gott und Mensch, „unser Hohepriester, der die Himmel durchschritten hat“ (vgl. Hebr. 4,14): in Lev. hom. 9,5 (GCS Orig. 6, 427); 12,1 (6, 454f.). 24 Die typologische Erklärung gehört zur Deutung nach dem übertragenen Sinn. Meist wird ein „Typus“, ein Vorbild oder Vorausbild aus dem Alten Testament, auf einen

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

Fortschritt auch in den Propheten hinzukam, welche Fülle der Vollkommenheit hingegen in den Evangelien enthalten ist, oder wer lehren kann, mit welcher Milch des Wortes die Kleinen in Christus zu nährena und mit welchem Gemüse des Wortes die zu stärken sind, die schwach im Glauben sind,b zudem, was die feste und starke Speise ist,c mit der die Athleten Christi zu kräftigen sind22 – wer dies im Einzelnen mit einer geistigen Erklärung zu unterscheiden weiß, ein solcher Lehrer kann als jener Priester angesehen werden, der das in seine Glieder zerteilte Ganzopfer auf den Altar legt.d Er fügt dem Altar auch Holz hinzu, mit dem das Feuer entfacht wird und brennt – er, der nicht nur über die körperlichen Tugenden Christi, sondern auch über seine Göttlichkeit spricht. Von oben herab kommt nämlich die Göttlichkeit Christi, von der dieses Feuer angefacht wird. Entsprechend also verzehrt das himmlische Feuer alles das, was vom Erlöser im Körper verrichtet wurde, und führt alles zu seiner göttlichen Natur zurück.23 Durch das herbeigeschaffte Holz jedoch wird dieses Feuer entzündet, denn bis zum Holz reichte die Passion Christi im Fleisch. Sobald er aber am Holz aufgehängt wurde, endete die Heilsvermittlung im Fleisch, denn in der Auferstehung von den Toten stieg er zum Himmel auf; auf seinen Weg dahin verweist die Natur des Feuers. Daher sagte auch der Apostel: „Auch wenn wir Christus dem Fleische nach kannten, kennen wir ihn jetzt aber nicht mehr so.“ e Denn das durch das Holz des Kreuzes dargebrachte Ganzopfer seines Fleisches verband das Irdische mit dem Himmlischen und das Menschliche mit dem Göttlichen. Dass „die Eingeweide“ allerdings „mit den Füßen in Wasser gewaschen werden“,f befiehlt das Wort der Vorschrift, wobei es das Geheimnis der Taufe in einer typologischen Ankündigung voraussagt.24 Denn die Eingeweide wäscht, wer das Gewissen reinigt; die Füße wäscht, wer das Geheimnis vollkommen annimmt25 und weiß, dass, wer rein ist, nur mehr nötig hat, die Füße zu waschen,g und dass niemand Anteil an Jesus haben kann, wenn er nicht seine Füße gewaschen hat.h 5. Wenn du das aber auch in ethischem Sinne auswerten willst, hast auch du ein Kalb, das du darbringen musst. Ein Kalb, und zwar ein sehr hochmütiges, ist dein Fleisch; wenn du dieses dem Herrn als Gabe darbringen willst, damit du es rein und keusch bewahrst, bring es zum Eingang des Zeltes, das heißt, wo es das, was es aus den göttlichen Büchern hört, aufnehmen kann. „Antitypus“ aus dem Neuen Testament gedeutet. Ansatzpunkt der Typologie sind stets strukturelle Parallelen, die eine Verbindung zweier Personen oder Ereignisse nahelegen. Während der Typus eine Aussage in verhüllter, „schattenhafter“ oder rätselhafter Form tätigt, wird im Antitypus dessen wahre Realität enthüllt. Die Erwähnung von Wasser wird vielfach als Typus der Taufe gedeutet, so etwa auch in 1 Kor. 10, wo Paulus den Durchzug durch das Schilfmeer als Taufe auf Mose interpretiert. 25 Damit spielt Origenes auf die Taufe an, durch die die Gläubigen in eine geistige Verbindung mit Christus treten.

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Homilia I

possit auditum. Masculinum sit munus tuum, feminam nesciat, concupiscentiam respuat, fragilitatem refugiat, nihil dissolutum requirat aut molle. Impone etiam manum tuam super hostiam tuam, ut sit accepta Domino, et iugula illam contra Dominum, hoc est impone ei continentiae frenum et manum disciplinae ne auferas ab ea, sicut imposuit manum carni suae ille, qui dicebat: „Macero corpus meum et seruituti subicio, ne forte, cum aliis praedicauero, ipse reprobus efficiar.“a Et iugula eam contra Dominum, „mortificans“ sine dubio „membra tua, quae sunt super terram“.b Sed et filii Aaron sacerdotis offerant sanguinem eius. Sacerdos in te est et filii eius mens quae in te est et sensus eius, qui merito sacerdos uel filii sacerdotis appellantur; soli enim sunt, qui intelligant Deum et capaces sint scientiae Dei.Vult ergo sermo diuinus, ut rationabili sensu carnem tuam in castitate offeras Deo, secundum quod apo­stolus dicit: „Hostiam uiuam, sanctam, placentem Deo, rationabile obsequium uestrum.“ c Et hoc est per sacerdotem uel filios sacerdotis offerre sanguinem ad altare, cum et corpore et spiritu quis castus efficitur. Sunt enim et alii, qui offerunt quidem holocaustum carnem suam, sed non | per ministerium sacerdotis. Non enim scienter nec secundum legem quae in ore sacerdotis est, offerunt, sed sunt quidem casti corpore, animo autem inueniuntur incesti. Aut enim gloriae humanae concupiscentia maculantur aut cupiditate auaritiae polluuntur aut inuidiae ac liuoris infelicitate sordescunt uel furentis odii et irae immanitate uexantur. Quicumque ergo tales sunt, licet corpore casti sint, tamen non offerunt holocausta sua per manus et ministerium sacerdotis. Non est enim in iis consilium et prudentia, quae sacerdotio fungitur apud Deum, sed sunt ex illis quinque uirginibus stultis, quae uirgines quidem fuerunt et castitatem corporis seruauerunt, oleum autem caritatis et pacis et reliquarum uirtutum in uasis suis condere nescierunt et idcirco exclusae sunt a thalamo sponsi,d quoniam sola carnis continentia ad altare dominicum non potest peruenire, si reliquis uirtutibus et sacerdotalibus ministeriis deseratur. Et ideo qui haec legimus uel audimus, in utramque partem operam demus casti esse corpore, recti mente, mundi corde, moribus emendati, proficere in operibus, uigilare in scientia, fide et actibus, gestis et intellectibus esse perfecti, a

1 Kor. 9,27

b

Kol. 3,5

c

Röm. 12,1

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Vgl. Mt. 25,1–12

26 Die Frau und das Weibliche repräsentieren für Origenes das Irdische und Schwache:

siehe oben S. 66 Anm. 15. 27 Vernünftig (λογικῶς) bedeutet: dem Logos, Christus entsprechend; er ist der „Ur-

grund aller Vernunftwirklichkeit“: Bruns, Trinität und Kosmos 72. Vernünftiges Leben bedeutet in der Praxis tugendhaftes Leben. 28 Vgl. in Gen. hom. 10,4 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 154f.): „Denn es ist gut möglich, dass jemand seinen Leib jungfräulich bewahrt und doch, wenn er diesen Erzbösewicht, den Teufel, erkennt und die Pfeile der Fleischeslust ihn ins Herz treffen, die Keuschheit der Seele verliert.“ Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 205.

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Männlich sei deine Gabe, die Frau kenne sie nicht,26 die Begierde verschmähe sie, die Schwäche fliehe sie, nichts Lasterhaftes oder Weiches verlange sie. Lege auch deine Hand auf dein Opfer, damit es dem Herrn wohlgefällig ist, und schlachte es vor dem Herrn, das heißt, lege ihm den Zügel der Enthaltsamkeit an, und die Hand der Zucht entferne nicht von ihm, so wie jener Hand an sein Fleisch legte, der sagte: „Ich quäle meinen Körper und unterwerfe ihn der Knechtschaft, damit ich nicht etwa, während ich anderen predige, selbst zu tadeln bin.“a Und schlachte es vor dem Herrn, indem du ohne Zweifel deine „Glieder abtötest, die irdisch sind“.b Doch auch die Söhne des Priesters Aaron sollen ihr Blut darbringen. Der Priester ist in dir, und seine Söhne sind der Geist, der in dir ist, und seine Sinne, die mit Recht Priester beziehungsweise Söhne des Priesters genannt werden; denn sie allein sind es, die Gott erkennen und der Gotteserkenntnis fähig sind. Das göttliche Wort will also, dass du mit vernünftigem Sinn27 dein Fleisch in Keuschheit Gott darbringst gemäß dem, was der Apostel sagt: „Ein lebendiges Opfer, ein heiliges, das Gott gefällt, das ist eure vernünftige Hingabe.“ c Und das bedeutet es, durch den Priester beziehungsweise die Söhne des Priesters das Blut beim Altar darzubringen, wenn jemand sowohl im Körper als auch im Geist rein wird. Es gibt nämlich auch andere, die zwar ihr Fleisch als Ganzopfer darbringen, aber nicht durch den Dienst des Priesters. Denn nicht mit der rechten Einsicht noch nach dem Gesetz, das im Mund des Priesters ist, bringen sie dar; vielmehr sind sie zwar rein am Körper, im Geist aber werden sie für unrein befunden.28 Denn entweder werden sie von der Begierde nach menschlichem Ruhm befleckt oder von der Gier der Habsucht unrein oder vom Elend der Missgunst und des Neides beschmutzt oder von der Wildheit des rasenden Hasses und Zornes gequält. Auch wenn solche Menschen also am Körper rein sind, bringen sie dennoch ihre Ganzopfer nicht durch die Hände und den Dienst des Priesters dar. Denn in ihnen ist nicht Rat und Klugheit, mit denen das Priestertum bei Gott ausgeübt wird, sondern sie gehören zu jenen fünf törichten Jungfrauen, die zwar Jungfrauen waren und die Keuschheit des Körpers bewahrten, aber nicht das Öl der Liebe und des Friedens und der übrigen Tugenden in ihren Gefäßen zu bewahren wussten. Darum wurden sie vom Hochzeitsgemach des Bräutigams ausgeschlossen,d weil die Enthaltsamkeit des Fleisches allein nicht zum Altar des Herrn gelangen kann, wenn ihr die übrigen Tugenden und die priesterlichen Dienste abgehen. Und deswegen wollen wir, die wir dies lesen beziehungsweise hören, uns nach beiden Seiten Mühe geben, rein zu sein am Körper, aufrecht im Geist, rein im Herzen, verbessert im Verhalten, voranzuschreiten in den Werken, wachsam zu sein in der Erkenntnis, im Glauben und in den Taten, vollkommen zu sein in Werken und Gedanken, damit wir verdienen, zur Ähnlichkeit

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Homilia I

ut ad similitudinem hostiae Christi conformari mereamur per ipsum Dominum nostrum Iesum Christum, per quem Deo patri omnipotenti cum Spiritu sancto est „gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“a a

1 Petr. 4,11

Homilie 1,5

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mit dem Opfer Christi gestaltet zu werden durch unseren Herrn Jesus Christus selbst. Durch ihn gebührt Gott, dem allmächtigen Vater, mit dem Heiligen Geist „Herrlichkeit und Macht in alle Ewigkeit. Amen!“a

HOMILIA II. De sacrificiorum ritu, hoc est de muneribus et sacrificiis salutaribus et pro peccatis; et quomodo offert „pontifex pro peccato suo“ a et pro peccato synagogae b uel „pro anima, quae ex populo terrae peccauerit non uoluntate“.c 289

1. Superior quidem de principiis Leuitici disputatio edocuit nos legem sacrificiorum, quae munera appellantur, ut, „si homo munus | offerret“ d ex animalibus „id offerret“, id est „ex bobus uel ouibus, uel etiam capris“;e „si uero ex auibus, turturum par aut duos pullos columbinos adhiberet“.f „Si uero anima offeret munus, similam offeret ex clibano, id est panes ex simila azymos aut similam oleo conspersam ex sartagine uel etiam a craticula.“ g „Si autem sacrificium offerat primitiarum, [de primis frugibus,] ut simila sit recens, id est noua [igni quoque eam torreri uult, medio fractam esse, ne multum minutum sit, quia primitiae sunt]“ h et bene purgata sit. „Oleum“ quoque „et tus ut imponatur“ super eam,i et sic offeratur. At uero si quis offerat sacrificium salutare, ex bobus iubetur offerre, uel etiam ex ouibus siue capris jet exceptis his nullum aliud sacrificii genus substituitur in salutaribus hostiis. Nam pro peccatis non uoluntariis generaliter quidem „anima“ k iubetur offerre, sed post haec per diuersas itur uariasque personas; et iubetur, si quidem pontifex sit, qui deliquit et offert sacrificium pro peccato, ut uitulum holocaustum offerat,l sed non eo ritu quo illum pro munere obtulit. De hoc enim tantum „adipes et duos renes cum adipidibus suis et adipem, qui tegit interiora, imponet super altare holocaustorum“.m „De sanguine“ quoque „eius intingens digitum suum respergit septiens contra Dominum, et linit ex eo cornua altaris incensi.“ n Ceteras autem „carnes“ cum corio et „interaneis et stercore extra castra igni cremari“ iubet „in loco mundo“.o a

Lev. 4,3 bVgl. Lev. 4,13 cLev. 4,27 dLev. 1,2 eLev. 1,2.10 f Lev. 1,14; 5,7 Lev. 2,1.4.5.7 hLev. 2,14 i Lev. 2,15 jVgl. Lev. 3,1.6.12 kLev. 4,2 lVgl. Lev. 4,3 m Lev. 4,8–10 nLev. 4,6f. oLev. 4,11f.

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29 Dass zwei Tauben dargebracht werden sollen, wird erstmals in Lev. 5,7 gesagt. Orige-

nes fügt die Anzahl bereits hier ein. 30 Der eingeklammerte Text steht in nahezu sämtlichen Handschriften, doch will Baehrens , GCS

Orig. 6, 289 app. crit., ihn aus dem Text ausscheiden, weil er Hinzufügungen zum Text von Lev. 2,14 enthält, die teilweise aus der Vulgata stammen, also nicht auf Origenes zurückgehen können.

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Über den Opferritus, das heißt über die Gaben und Heilsopfer und die Opfer für die Sünden; und wie „der Priester für seine Sünde darbringt“a und für die Sünde der Versammlung b oder „für eine Seele, die aus dem Volk der Erde unwillentlich sündigt“.c 1. Die vorhergehende Abhandlung über den Anfang des Buches Levitikus lehrte uns das Gesetz über die Opfer, die Gaben genannt werden: „Wenn ein Mensch eine Gabe darbringt“,d „soll er sie“ von den Tieren „darbringen“, das heißt „von Rindern oder Schafen oder auch Ziegen“;e „wenn hingegen von den Vögeln, dann soll er ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben darbringen“.f  29 „Wenn hingegen eine Seele eine Gabe darbringt, soll sie Feinmehl aus dem Ofen darbringen, das heißt ungesäuerte Brote aus Feinmehl oder mit Öl vermengtes Feinmehl aus einer Pfanne oder auch von einem Rost.“ g „Wenn sie aber ein Erstlingsopfer darbringt, [von den ersten Früchten,] soll das Feinmehl frisch sein, das heißt, es soll neu sein [es soll auch im Feuer geröstet und in der Mitte gebrochen werden, damit es nicht stark zerkleinert ist, weil es Erstlingsfrüchte sind]“ h  30 und gut gereinigt. Auch „Öl und Weihrauch sollen“ darauf „gegeben werden“,i und so soll es dargebracht werden.Wenn jedoch jemand ein Heilsopfer darbringt, wird befohlen, es von den Rindern beziehungsweise auch von den Schafen oder Ziegen j darzubringen. Abgesehen von diesen wurde keine andere Art des Opfers für die Heilsopfer eingesetzt. Denn für die unwillentlichen Sünden wird allgemein befohlen, dass „eine Seele“ k ein Opfer darbringe, doch danach werden unterschiedliche Personen behandelt; und es wird befohlen, dass, wenn es der Priester ist, der sich verfehlt und der ein Opfer für die Sünde darbringt, er ein Kalb als Ganzopfer darbringe,l doch nicht nach dem Ritus, in dem jenes als Gabe dargebracht wurde. Von diesem nämlich soll er nur „das Fett und die beiden Nieren mit ihrem Fett und das Fett, das die Eingeweide bedeckt, auf den Altar für die Ganzopfer legen“.m „Er taucht“ auch „seinen Finger in dessen Blut, versprengt es siebenmal vor dem Herrn und bestreicht mit ihm die Hörner des Räucheraltars.“ n Die übrigen „Fleischstücke“ aber befiehlt er mit dem Fell, „den Eingeweiden und dem Mist außerhalb des Lagers an einem reinen Ort im Feuer zu verbrennen“.o

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Homilia II

Obseruandum sane est quod in peccato pontificis non addidit legislator quia per ignorantiam aut non uoluntate peccauerit. Neque enim cadere ignorantia poterat in eum, qui, ut ceteros doceret, prouectus est. Si autem „totius synagogae“ peccatum fuerit,a „uitulum“ b nihilominus holocaustum synagoga iubetur offerre. Sed in peccato synagogae dicitur: „si ignorauerit“ et | latuerit uerbum ab oculis synagogae, „et fecerit unum ab omnibus mandatis Domini, quod non fiet“;c unde apparet etiam omnem synagogam posse delinquere per ignorantiam. Quod et Dominus confirmat in euangeliis, cum dicit: „Pater, remitte illis; non enim sciunt, quid faciunt.“ d Quod „si princeps fuerit“, qui offert hostiam pro peccato, „hircum“ ex capris iubetur offerre, non holocaustum, sed tantum ut de sanguine eius imponat sacerdos super altare et „omnem adipem eius offerat in altari“, reliquum autem sacerdotibus remaneat ad edendum, sanguine tantum ad basin altaris effuso.e „Si uero anima fuerit“ inquit una, quae offert pro peccato, „capram feminam offerat“;f ritu scilicet eodem, quo hircum superius diximus immolatum. „Quod si non ualuerit“ inquit „manus eius“ ad capram uel „ad agnam, par turturum offeret aut duos pullos columbarum.“ g „Quod si nec hoc inueniet, decimam partem ephi similaginis sine oleo et sine ture“ mandatur „offerre.“ h Haec quidem nobis singula priori lectione recitata sunt, uerum explanatio eorum, quoniam tempore excludebamur, omissa est; de qua nunc paucis commonere studiosos quosque et eos, qui etiam praeteritarum meminerint lectionum, absurdum non puto, quamquam ad ea, quae nuper recitata sunt, urgeamur. 2. Et primo uelim uidere, quae sit ista differentia, quod alia quidem hominem dicit offerre, alia animam, alia pontificem, alia synagogam, alia unam animam ex populo terrae.i Et puto quidem hominem illum debere intelligi, a

Lev. 4,13 Lev. 5,7

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Lev. 4,14 cLev. 4,13 dLk. 23,34 eVgl. Lev. 4,22–26 Lev. 5,11 iVgl. Lev. 1,2; 2,1; 4,3.13.22.27

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Lev. 4,27f.

31 Zur Verwendung des Wortes synagoga für die „Versammlung“ der christlichen Ge-

meinde vgl. in Ps. 76 hom. 2,5 (GCS Orig. 13, 322); in Ps. 77 hom. 3,3 (13, 387); in Ps. 81 hom. 1 (13, 510); in Hier. hom. 4,3 (GCS Orig. 32, 25); 18,5 (32, 157); in Matth. comm. XVI 21 (GCS Orig. 10, 548); in Luc. hom. 32,2 (GCS Orig. 92, 182), ferner unten in Lev. hom. 2,3 (GCS Orig. 6, 294); 2,4 (6, 295). 32 Die Fettstücke waren als die wertvollsten und nahrhaftesten Teile des Opfertieres für Gott bestimmt und wurden verbrannt. 33 Die ersten fünf Kapitel des Buches Levitikus wurden demnach bereits in der vorausgehenden „Versammlung“ vorgelesen, doch predigt Origenes jetzt nochmals darüber, weil er in der vorigen Predigt aus Zeitgründen nicht mehr dazu gekommen ist. Über Zeitmangel, der ihn daran hindert, so ausführlich über die Lesungstexte zu predigen, wie er das eigentlich für angebracht hält, klagt Origenes oft: in Ex. hom. 13,3 (GCS Orig. 6, 272); in Num. hom. 6,1 (GCS Orig. 7, 31); 10,1 (7, 70); 14,1 (7, 120); 21,2 (7, 199); in Ios. hom. 20,3 (GCS Orig. 7, 420); in Iud. hom. 6,1 (GCS Orig. 7, 498); in

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Es ist allerdings zu beachten, dass der Gesetzgeber bei der Sünde des Priesters nicht hinzufügte, dass er unwissentlich oder unwillentlich gesündigt hat. Denn auf den, der so weit vorangeschritten ist, dass er die übrigen lehrt, konnte keine Unwissenheit fallen. Wenn es aber eine Sünde „der ganzen Versammlung“ ist,a wird genauso befohlen, dass die Versammlung „ein Kalb“ b als Ganzopfer darbringe. Doch bei der Sünde der Versammlung31 wird gesagt: „Wenn sie unwissend war“ und das Wort vor den Augen der Versammlung verborgen war „und sie eine von allen Anordnungen des Herrn tat, die nicht getan werden soll“;c von daher zeigt sich, dass sich sogar die ganze Versammlung aus Unwissenheit verfehlen kann. Das bekräftigt auch der Herr in den Evangelien, wenn er sagt: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun.“ d „Wenn es aber das Oberhaupt“ ist, das ein Opfer für eine Sünde darbringt, wird befohlen, „einen Ziegenbock“ darzubringen, nicht ein Ganz­ opfer, sondern nur von seinem Blut soll der Priester etwas auf den Altar geben und „sein ganzes Fett soll er auf dem Altar darbringen“,32 der Rest aber soll den Priestern zum Essen verbleiben, nachdem nur das Blut an den Sockel des Altars ausgegossen wurde.e „Wenn es aber eine Seele ist“, heißt es, eine einzelne, die für eine Sünde ein Opfer darbringt, „soll sie eine weibliche Ziege darbringen“;f offenbar mit demselben Ritus, von dem wir vorher beim Opfern des Bockes sprachen. „Wenn aber seine Mittel“, heißt es, für eine Ziege oder „für ein Lamm nicht reichen, soll er ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben darbringen.“ g „Wenn er aber auch das nicht aufbringen kann“, wird angeordnet, „ein Zehntel Efa Feinmehl ohne Öl und ohne Weihrauch darzubringen.“ h Die Einzelheiten wurden uns freilich in der vorigen Lesung vorgelesen, doch ihre Erklärung wurde unterlassen, weil wir durch die Zeit davon abgehalten wurden; ich glaube aber, dass es nicht abwegig ist, darüber nun mit wenigen Worten die Interessierten und die, die sich noch an die vergangenen Lesungen erinnern, zu ermahnen, obwohl wir zu dem, was soeben vorgelesen wurde, gedrängt werden.33 2. Und zuerst will ich sehen, was es mit dem Unterschied auf sich hat, dass es heißt, dass ein Mensch etwas darbringen soll, etwas anderes eine Seele,34 etwas anderes ein Priester, etwas anderes die Gemeinde, etwas anderes eine einzelne Seele aus dem Volk der Erde.i Freilich glaube ich, dass unter dem Menschen jener verstanden werden muss, der, „nach dem Bild und der Regn. hom. graec. 1 (GCS Orig. 32, 283); in Hier. hom. 15,6 (GCS Orig. 32, 130); in Hiez. hom. 13,4 (GCS Orig. 8, 449), ferner unten in Lev. hom. 7,1 (GCS Orig. 6, 370); 7,4 (6, 383). 34 Der Bibeltext verwendet in Lev. 1,2 den Ausdruck homo (hebr. ʼadam; griech. ἄνθρωπος), also „Mensch“, und in Lev. 2,1 anima (hebr. nefesch; griech. ψυχή), also „Seele“. Beide Ausdrücke sind synonym und stehen für einen Menschen, eine Person. Origenes allerdings sieht hier einen Unterschied in den Subjekten, die die jeweiligen Opfer darbringen.

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qui ad „imaginem et similitudinem“ Deia factus rationabiliter uiuit. Hic ergo munus offert Deo uitulum, cum carnis superbiam uicerit; ouem, cum irrationabiles motus insipientesque correxerit; hoedum, cum lasciuiam superauerit. Offert etiam par turturum, cum non fuerit solus, sed mentem suam uerbo Dei uelut uero coniugi sociauerit, sicut hoc genus auium unum dicitur et castum | seruare coniugium. Offert etiam duos pullos columbarum, cum et ipse intellexerit mysterium, quo „oculi sponsae sicut columbae“ dicuntur „ad plenitudines aquarum“ b „et collum eius sicut turturis“.c Haec ergo sunt hominis, secundum quod supra exposuimus, munera. Animae autem munera longe inferiora describit. Anima haec neque uitulum habet neque ouem neque hoedum, quem offerat Deo; sed ne par quidem turturum aut duos pullos inuenit columbarum. Similam tantum habet, ex ipsa „panes azymos offert a clibano“,d ex ipsa „in sartagine“ e opus factum uel in craticula oleo permixtum.f Vnde uidetur mihi hic anima quae appellata est, homo ille, quem Paulus „animalem hominem“ g nominat, intelligendus; qui etiam si peccatis non urgeatur nec sit praeceps ad uitia, non tamen habet aliquid in se spiritale et quod figuraliter carnes uerbi Dei reputentur. Sic enim ipse de eo Paulus apostolus dicit quia: „Animalis homo non percipit, quae sunt spiritus Dei. Stultitia enim est illi, et non potest intelligere quia spiritaliter diiudicatur. Spiritalis autem examinat omnia.“ h Iste ergo, qui anima nominatur, non potest offerre omnia, quia examinare non potest omnia; sed offert solam similam et panes azymos, id est communem hanc uitam, uerbi gratia, in agricultura aut nauigando aut in aliquibus communis uitae usibus positam; offert tamen etiam ipse munus Deo, licet solam similam dicatur offerre oleo tantum conspersam. Omnis enim anima eget oleo diuinae misericordiae nec a

Gen. 1,26 bHld. 5,12 1 Kor. 2,14f.

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Hld. 1,10

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Lev. 2,4

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Lev. 2,5

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Vgl. Lev. 2,7

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1 Kor. 2,14

35 Damit ist der spirituell fortgeschrittene Mensch gemeint. Siehe oben S. 3–9. 36 Vgl. Philon, sacr. 45 (I p. 220 Cohn/Wendland), über den Geist: „Nun wird er auch

ein Hirt der Schafe, der unvernünftigen Seelenkräfte Leiter und Lenker.“ Übersetzung: Leisegang, Philo Werke III, 233. 37 Vgl. Origenes, in Cant. comm. II 7,8f. (OWD 9/1, 256–258): „Man sagt, die Natur der Turteltauben sei von der Art, dass weder ein Männchen sich einem anderen Weibchen nähert außer einem einzigen noch ein Weibchen mehr als einen einzigen Partner duldet, so dass, wenn der eine stirbt und der andere übrigbleibt, ihm zugleich mit dem Partner der Trieb zur Begattung erlischt. Der Vergleich mit der Turteltaube passt daher trefflich auf die Kirche, entweder weil sie nach Christus keine Vereinigung mit einem anderen Mann kennt oder weil die Menge an Enthaltsamkeit und Schamhaftigkeit in ihr gleich einem Schwarm Turteltauben umherfliegt.“ Übersetzung: Fürst/Strutwolf, OWD 9/1, 257–259. 38 Im später geschriebenen Römerbriefkommentar verweist Origenes auf die Erklärungen zu den verschiedenen Opfergaben, die er in der vorliegenden Homilie gibt, zu-

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Ähnlichkeit“ Gottesa geschaffen, vernunftgemäß lebt.35 Dieser also bringt Gott ein Kalb als Gabe dar, wenn er den Hochmut des Fleisches besiegt hat; ein Schaf, wenn er die unvernünftigen und einsichtslosen Regungen verbessert hat;36 einen Bock, wenn er die Ausschweifung überwunden hat. Er bringt auch ein Paar Turteltauben dar, wenn er nicht allein blieb, sondern seinen Geist dem Wort Gottes wie einem wahren Gatten verbunden hat, so wie man sagt, dass diese Art von Vögeln eine einzige und reine Ehe bewahrt.37 Er bringt auch zwei junge Tauben dar, wenn auch er selbst das Mysterium verstanden hat, in dem gesagt wird, „die Augen des Bräutigams sind wie Tauben an den Wasserfluten“ b „und sein Hals ist wie der einer Turteltaube“.c Dies also sind, wie wir vorher dargelegt haben, die Gaben des Menschen.38 Die Gaben der Seele aber beschreibt er bei weitem geringer. Diese Seele hat weder ein Kalb noch ein Schaf noch einen Bock, den sie Gott darbringen könnte; doch auch ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben kann sie nicht aufbringen. Sie hat nur Feinmehl, aus dem sie „ungesäuerte Brote aus dem Ofen darbringt“,d aus dem „in der Pfanne“ e oder auf dem Rost ein mit Öl vermischtes f Brot gemacht wird. Daher scheint mir, dass die hier genannte Seele als jener Mensch verstanden werden muss, den Paulus den „tierischen Menschen“ g nennt. Dieser hat, auch wenn er nicht durch Sünden bedrückt wird und nicht zu Lastern hin geneigt ist, dennoch in sich nichts Geistiges und etwas, das typologisch als das Fleisch des Wortes Gottes angesehen werden könnte. So sagt nämlich der Apostel Paulus selbst über ihn: „Der tierische Mensch erfasst nicht, was vom Geist Gottes ist. Denn er hält es für Dummheit und kann es nicht verstehen, weil es geistig beurteilt wird. Der geistige Mensch aber prüft alles.“ h Der also, der Seele genannt wird, kann nicht alles darbringen, weil er nicht alles prüfen kann; sondern er bringt nur Feinmehl und ungesäuerte Brote dar, das heißt das gewöhnliche Leben hier, das zum Beispiel mit Landwirtschaft, mit Seefahrt oder mit irgendwelchen Betätigungen des gewöhnlichen Lebens beschäftigt ist. Dennoch bringt auch er Gott eine Gabe dar, wenn auch gesagt wird, dass er einzig nur mit Öl vermengtes Feinmehl darbringt.39 Denn jede Seele braucht das Öl der göttlichen rück; in Rom. comm. IX 1,2 (SC 555, 66): „Das haben wir schon im Einzelnen nach Kräften zu erklären versucht, als wir etwas zum Buch Levitikus sagten. Wir haben erklärt, was jeder in seinem sinngemäßen Dienst der Gottesverehrung tut: Er bringt ein Kalb dar, wenn er den Stolz in seinem Leben besiegt; er opfert einen Widder, wenn er seinen Zorn überwindet; wenn er über seine Begierde herrscht, bringt er als Brandopfer einen Bock dar; wenn er die umherschweifenden schlüpfrigen Gedanken in ihrem Flug beschneidet, opfert er Tauben und Turteltauben. Doch wenn jemand meint, dies sei wissenswert, wird er dort, wie ich sagte, weitere Ausführungen finden.“ Übersetzung nach Heither, FC 2/5, 25–27. Vgl. ferner unten in Lev. hom. 2,4 (GCS Orig. 6, 297). 39 Der spirituelle, geistige und der „tierische“, „seelische“ (psychische), also weniger fortgeschrittene Mensch unterscheiden sich auch in ihren Beschäftigungen. Der spi-

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praesentem uitam euadere quispiam potest, nisi ei oleum coelestis miserationis adfuerit. Secundo in loco primitiarum,a id est de initiis frugum b mandatur oblatio. Quod, si bene meministis, in die Pentecostes fieri lex iubet. In quo illis plane umbra c data est, nobis autem ueritas reseruata est. In die enim Pentecostes oblato orationum sacrificio primitias aduenientis sancti Spiritus apostolorum | suscepit ecclesia.d Et uere haec fuerunt recentia, quia erat nouum; unde et „musto repleti“ e dicebantur. „Igni tosta.“ f Igneae namque linguae supra singulos consederunt. Et medio fracta.g Frangebantur enim media, cum littera separabatur ab spiritu. Et bene purgata. Purgat namque omnes sordes praesentia sancti Spiritus remissionem tribuens peccatorum. Oleum quoque misericordiae huic sacrificio infunditur et tus suauitatis, per quod „Christi bonus odor“ h efficimur. Post haec de sacrificiis salutaribus dicit,i quae ex animalibus, id est bobus uel capris atque ouibus, offeruntur, et nihil his ultra substituitur ad immolandum, sed ne aues quidem, quae superius in offerendis muneribus fuerant substitutae. Iste enim, qui salutares hostias offert, sine dubio iam suae salutis est conscius; et ideo qui ad salutem peruenit, necesse est, ut quae magna et perfecta sunt offerat. Sic enim et apostolus dicit: „Perfectorum autem est cibus solidus.“ j Dehinc ad offerendas pro peccatis uictimas sacrificiorum ordo dirigitur, in quo et secundo dicitur: „Locutus est Dominus ad Moysen dicens: anima quaecumque peccauerit coram Domino non uoluntate.“ k Recte a

Vgl. Lev. 2,14 bVgl. Ex. 23,16; Dtn. 16,9f. cVgl. Hebr. 10,1 dVgl. Apg. 2,4 Apg. 2,13 f Lev. 2,14 gVgl. Lev. 2,14 h2 Kor. 2,15 iVgl. Lev. 3,1ff. j Hebr. 5,14 k Lev. 4,1f. e

rituelle Mensch befasst sich mit Gott und seinen Geheimnissen, mit der wahren Philosophie. Im Gegensatz dazu werden „weltliche“ Tätigkeiten abgewertet (vgl. etwa Gregor Thaumaturgos, pan. Orig. 75–80 [SC 148, 124–126]). Neben der intellektuellen Beschäftigung und der Befriedigung der körperlichen Bedürfnisse spielen auch die Leistungen für die Allgemeinheit eine Rolle; vgl. princ. II 11,1 (GCS Orig. 5, 183): „Falls er seiner selbst nicht bewusst ist und nicht weiß, was ihm ziemt, so kreist sein ganzes Streben um die körperlichen Funktionen, und mit all seinen Bewegungen ist er auf die Genüsse und Lüste des Körpers bezogen. Wenn er aber von der Art ist, dass er etwas für die Allgemeinheit leisten will, so betätigt er sich in Verantwortung für den Staat, in Gehorsam gegen die Behörden oder was sonst der Allgemeinheit nützlich sein mag. Wenn schließlich einer von der Art ist, dass er etwas Besseres kennt als das Körperlich-Sichtbare und sich um Weisheit und Erkenntnis müht, so wird er gewiss seine ganze Aktivität auf Bestrebungen dieser Art richten, um so die Wahrheit zu erforschen und die Gründe und Zusammenhänge der Dinge zu erkennen.“ Übersetzung: p. 439–441 Görgemanns/Karpp. Auch die in Cels. IV 76 (GCS Orig. 1, 346) erwähnten einfachen Arbeiten haben ihren Platz. Von denjenigen, die sich nicht mit der Philosophie und den göttlichen Geheimnissen beschäftigen, da sie sich um die Bedürfnisse des Lebens und der Gesellschaft kümmern müssen, wird der

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Barmherzigkeit, und keiner kann dem gegenwärtigen Leben entrinnen, wenn er nicht das Öl des himmlischen Erbarmens hat. An zweiter Stelle wird eine Darbringung von den Erstlingsfrüchten,a das heißt der Früchte vom Anfang,b angeordnet. Das Gesetz befiehlt, wenn ihr euch gut erinnert, dass dies am Pfingsttag geschieht. Darin wurde jenen der Schatten c gegeben, uns aber ist die Wahrheit vorbehalten.40 Denn am Pfingsttag empfing die Kirche der Apostel nach der Darbringung des Opfers der Gebete die Erstlingsfrüchte der Ankunft des Heiligen Geistes.d Und diese waren wahrlich frische Opfer, weil es etwas Neues war; daher wurden die Apostel auch „angefüllt mit jungem Wein“ e genannt. „Im Feuer geröstet“:f Feuerzungen setzten sich nämlich auf jeden Einzelnen. Und in der Mitte gebrochen:g Denn sie wurden in der Mitte gebrochen, indem der Buchstabe vom Geist getrennt wurde. Und gut gereinigt:41 Die Gegenwart des Heiligen Geistes reinigt nämlich jeglichen Schmutz, indem sie die Vergebung der Sünden gewährt. Auch das Öl der Barmherzigkeit42 und der süße Weihrauch, durch den wir „der Wohlgeruch Christi“ h werden, werden auf dieses Opfer gegossen. Danach spricht er über die Heilsopfer,i die von den Tieren, das heißt von den Rindern oder von den Ziegen und Schafen, dargebracht werden; und nichts darüber hinaus wird an deren Stelle gesetzt, um es zu opfern, auch keine Vögel, die vorher Ersatz für die darzubringenden Gaben gewesen waren. Wer nämlich Heilsopfer darbringt, ist sich ohne Zweifel schon seines Heiles bewusst; und wer also zum Heil gelangt, bringt notwendigerweise dar, was groß und vollkommen ist. So nämlich sagt auch der Apostel: „Für die Vollkommenen aber ist die feste Speise.“ j Hierauf wird die Opferordnung für die Opfer, die für die Sünden darzubringen sind, festgelegt, wo zum zweiten Mal gesagt wird: „Der Herr sprach zu Mose: jede Seele, die unwillentlich vor dem Herrn sündigt.“ k Zu Recht wird „Seele“ genannt, wer als einer beVerstand, der allen Menschen gegeben ist, für Landwirtschaft, Handwerk, Baukunst und Schifffahrt verwendet, und sie setzen so den Plan Gottes um. 40 Die Christen im Gegensatz zu den Juden sind gemeint. Diese besitzen nach dem heilsgeschichtlich-typologischen Denken des Origenes und anderer Kirchenväter nur den „Schatten“ (umbra) der Wahrheit (ueritas), die mit Christus offenbar geworden ist. Die Schriften des Alten Testaments enthalten nach diesem Denken „Typen“, Vor(aus)bilder, die verhüllt und schattenhaft auf die kommende Wirklichkeit Christi verweisen. 41 Origenes zitiert diese Worte als Teil von Lev. 2,14 – auch oben in Lev. hom. 1,2 (GCS Orig. 6, 282) –, wo sich diese aber in keiner der überlieferten Versionen finden. 42 Zur Verbindung von Öl und Barmherzigkeit vgl. ebd. 4,9 (6, 328f.) und 4,10 (6, 330). In Matth. comm. ser. 77 (GCS Orig. 11, 185) schreibt Origenes, man könne „mit voller Gewissheit erkennen, dass das Öl überall in den Schriften entweder als Werk der Barmherzigkeit (opus misericordiae) verstanden wird … oder als Lehre …“. Übersetzung: Vogt, BGrL 38, 240.

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„animam“ dicit, quam peccare describit; non enim „spiritum“ uocasset, quem diceret peccaturum; sed ne „hominem“ quidem hunc diceret, in quo nequaquam imago Deia peccato interueniente constaret. Non est ergo spiritus ille, qui peccat; „fructus enim spiritus“ – ut describit apostolus – „caritas est, gaudium, pax, patientia“,b et cetera his similia, qui etiam fructus uitae appellantur. Denique et alibi dicit: „Qui seminat in carne, de carne metet corruptionem; et qui seminat in spiritu, de spiritu metet uitam aeternam.“ c Quoniam ergo alius est, qui seminat, et alius est, in quo seminatur, seminatur autem uel in carne, cum peccatur, ut metatur corruptio, uel in spiritu, cum secundum Deum uiuitur, ut metatur uita aeterna, | constat „animam“ esse, quae uel in carne uel in spiritu seminat, et illam esse, quae uel in peccatum ruere possit uel conuerti a peccato. Nam corpus sequela eius est ad quodcumque delegerit; et spiritus dux eius est ad uirtutem, si eum sequi uelit. 3. Sed haec generaliter dicta sunt; nunc uero per species diuiduntur. „Si pontifex“ inquit, „qui unctus est, peccauerit, ut populum faceret peccare, offeret pro peccato suo uitulum de bobus sine macula Domino.“ d Terror simul et misericordia in diuinis legibus ostentatur. Itane tandem nihil tutum est, ne pontifex quidem? Et qui pontifex? Ipse, qui unctus est, ipse, qui sacris ignibus diuina succendit altaria, qui Deo munera et salutares hostias immolat; qui inter Deum et homines medius quidam repropitiator interuenit, ne iste, inquam, ipse immunis manet a contagione peccati. Sed uide misericordiam Dei et plenius eam Paulo docente cognosce. Ipse enim ad Hebraeos scribens dicit: „Omnis namque pontifex ab hominibus adsumptus pro hominibus constituitur“ ad offerendas hostias Deo,e et paulo post: „Lex“ inquit „homines constituit sacerdotes infirmitatem habentes“,f ut possint sicut pro sua, ita etiam pro populi infirmitate offerre.Vides ergo dispensationem diuinae sapientiae. Sacerdotes statuit, non eos, qui omni modo peccare non possent – alioquin non essent homines –, sed eos, qui imitari quidem debeant illum, „qui peccatum non fecit“,g „offerre autem hostias primo pro suis, post etiam pro populi delictis“.h Sed quid praecipue in huiusmodi sacerdote mirandum est? Non, ut non peccet – quod fieri non potest –, sed ut agnoscat et intelligat peccatum suum. Numquam enim emendat, qui peccasse se non putat. Simul quia et facilius potest indulgere peccantibus is, qui alicuius infirmitatis suae conscientia re|mordetur. a

Vgl. Gen. 1,26 bGal. 5,22 1 Petr. 2,22 hHebr. 7,27

g

c

Gal. 6,8

d

Lev. 4,3

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Hebr. 5,1

f

Hebr. 7,28

43 Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 712A–B), greift offenbar den folgenden Gedanken-

gang des Origenes auf, allerdings in einer vom lateinischen Text Rufins abweichenden griechischen Fassung. 44 Vgl. Origenes, in Num. hom. 20,4 (GCS Orig. 7, 196): „Nicht nur für ihre eigenen Vergehen werden sie angeklagt, sondern auch für die Sünden des Volkes müssen sie Rechenschaft ablegen.“

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schrieben wird, der sündigt; denn man hätte den nicht „Geist“ nennen können, von dem es heißt, dass er im Begriff ist zu sündigen, noch könnte freilich dieser, in dem das Bild Gottes,a wenn die Sünde dazwischenkommt, keineswegs stabil ist, „Mensch“ genannt werden. Also ist es nicht der Geist, der sündigt;43 denn „die Frucht des Geistes ist“ – wie der Apostel beschreibt – „Liebe, Freude, Friede, Geduld“ b und anderes dergleichen, die auch „Früchte des Lebens“ genannt werden. Schließlich sagt er auch anderswo: „Wer im Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten; und wer im Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten.“ c Weil es also einer ist, der sät, und ein anderer, in dem gesät wird – gesät wird aber entweder im Fleisch, wenn man sündigt, sodass man Verderben erntet, oder im Geist, wenn man Gott gemäß lebt, sodass man ewiges Leben erntet –, steht fest, dass es eine „Seele“ ist, die entweder im Fleisch oder im Geist sät, und dass sie es ist, die entweder in Sünde stürzen oder von der Sünde umkehren kann. Denn der Körper folgt ihr zu allem, was sie wählt; und der Geist ist ihr Anführer zur Tugend, wenn sie ihm folgen will. 3. Doch das wurde allgemein gesagt; nun hingegen werden die Opfer nach Arten unterteilt. „Wenn der Hohepriester“, heißt es, „der gesalbt ist, sündigt, sodass er das Volk zu sündigen veranlasst, soll er für seine Sünde dem Herrn ein makelloses Kalb von den Rindern darbringen.“ d Schrecken und Barmherzigkeit zugleich zeigen sich in den göttlichen Gesetzen. Ist so nicht letztlich nichts sicher, nicht einmal der Hohepriester? Und welcher Hohepriester? Der, der gesalbt ist, der, der mit heiligen Feuern die göttlichen Altäre entzündet, der Gott Gaben und Heilsopfer opfert, der als versöhnender Vermittler zwischen Gott und die Menschen tritt, nicht einmal dieser, sage ich, bleibt unberührt von der Ansteckung mit der Sünde. Doch sieh die Barmherzigkeit Gottes und erkenne diese vollständiger durch die Lehre des Paulus. Denn er sagt im Schreiben an die Hebräer: „Jeder Hohepriester nämlich ist aus den Menschen ausgewählt und wird für die Menschen eingesetzt“, um Gott Opfer darzubringen,e und wenig später: „Das Gesetz“, sagt er, „setzte Menschen als Priester ein, die mit Schwachheit behaftet sind“,f damit sie so wie für ihre eigene auch für die Schwachheit des Volkes Opfer darbringen können.44 Du siehst also die Heilsvermittlung der göttlichen Weisheit. Er setzte als Priester nicht die ein, die auf keine Weise sündigen können – sonst wären sie keine Menschen –, sondern die, die den nachahmen müssen, „der keine Sünde beging“,g „aber Opfer darbringen zuerst für die eigenen Verfehlungen, dann auch für die des Volkes“.h Doch was ist besonders an einem solchen Priester zu bewundern? Nicht, das er nicht sündigen würde – das kann nicht sein –, sondern dass er seine Sünde erkennt und versteht. Denn niemals verbessert sich, wer nicht glaubt, gesündigt zu haben. Zugleich kann ja auch der, der vom Bewusstsein irgendeiner eigenen Schwäche gequält wird, leichter mit denen, die sündigen, nachsichtig sein.

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Quae est autem oblatio sacerdotis pro peccato? „Vitulus“ inquit „ad holocaustum.“a Secundo inuenimus offerri a pontifice uitulum in holocaustum, semel pro munere, semel pro peccato. Sed ille, qui offertur in munere, super „holocausti altare“ b consumitur. Qui uero pro peccato, „extra castra cum corio et interaneis ac stercore in loco mundo“ c iubetur exuri adipibus solis in altari oblatis et renibus. Quae singula diuidere ac discernere quamuis et supra nostras uires sit et supra auditum uestrum, tamen aliquas uobis ad intelligendum occasiones conquirere atque in medium proferre temptabimus.Vide ergo ne forte Iesus, quem Paulus dicit pacificasse per sanguinem suum non solum „quae in terris“, sed et „quae in coelis“ sunt,d idem ipse sit uitulus, qui in coelis quidem non pro peccato, sed pro munere oblatus est, in terris autem, ubi „ab Adam usque ad Moysen regnauit“ peccatum,e oblatus sit pro peccato. Et hoc est passum esse „extra castra“,f extra illa, opinor, castra, quae uiderat Iacob, angelorum Dei castra coelestia, de quibus scriptum est in Genesi: „Et suspiciens Iacob uidit castra Dei in apparatu, et occurrerunt illi angeli Dei, et dixit Iacob, cum uideret eos: Castra Dei sunt haec.“ g Extra illa ergo castra coelestia est omnis, in quo habitamus nos, locus iste terrenus, in quo in carne passus est Christus. Quod uero dicit quia „cum stercore“ exuritur et „interaneis“,h uide, ne forte ad comparationem coelestium corporum corpus istud humanae naturae stercus figuraliter appelletur. Terra enim est et de terra sumptum.i Sed et cophinus ille stercoris, qui ad radices succidendae ficulneae mittitur,j quid aliud quam mysterium susceptae in corpore dispensationis ostendit? Nec tamen ei interanea deesse dicuntur. Quamuis enim uilem „serui“ gesserit „formam“,k „plenitudo tamen in eo diuinitatis habitabat“.l Haec quamuis audacter discussa sint, tamen fidelium quorumque nutriri semper ad maiora debet auditus. Eadem quoque etiam de synagogae uitulo accipienda sunt. 4. In morali autem loco potest pontifex iste sensus pietatis et religionis uideri, qui in nobis per orationes et obsecrationes, quas Deo | fundimus, uelut quodam sacerdotio fungitur. Hic si in aliquo deliquerit, „omnem“ continuo, qui intra nos est, bonorum actuum „peccare populum facit“.m Neque enim recti operis aliquid gerimus, cum in prauum declinauerit dux bonorum operum sensus, et ideo ad huius emendationem non qualiscumque hostia, sed ipsius saginati uituli requiritur sacrificium.n Similiter et synagogae culpa, hoc a

Lev. 4,3.7 bLev. 4,7 cLev. 4,11f. dEph. 1,10 eRöm. 5,14 f Lev. 4,12; vgl. Hebr. 13,12 Gen. 32,1f. hLev. 4,11 iVgl. Gen. 3,19 jVgl. Lk. 13,7f. kPhil. 2,7 l Kol. 2,9 mLev. 4,3 nVgl. Lk. 15,23

g

45 Vgl. oben in Lev. hom. 1,3 (GCS Orig. 6, 284). 46 Der Mist wird im Lukasevangelium als Dünger für den Feigenbaum verwendet. 47 Zur göttlichen Heilsvermittlung (dispensatio/οἰκονομία) siehe Crouzel, Origène

245f.: Damit drückt Origenes die Aktivität der Trinität nach außen hin aus, in der Schöpfung und in der Inkarnation und Erlösung.

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Was ist aber die Darbringung des Priesters für die Sünde? „Ein Kalb“, heißt es, „als Ganzopfer.“a Zum zweiten Mal finden wir, dass vom Hohepriester ein Kalb als Ganzopfer dargebracht wird, einmal als Gabe, einmal für die Sünde. Doch das Kalb, das als Gabe dargebracht wird, wird auf dem „Altar des Ganzopfers“ b verzehrt. Hingegen wird befohlen, dass das Kalb für die Sünde „außerhalb des Lagers mit dem Fell, den Eingeweiden und dem Mist an einem reinen Ort“ c verbrannt wird, wobei nur das Fett und die Nieren auf dem Altar dargebracht werden. Obwohl es sowohl über unsere Kräfte als auch über euer Hörvermögen geht, die einzelnen Dinge zu unterteilen und zu unterscheiden, werden wir dennoch versuchen, einige Gelegenheiten zum Verstehen für euch zu suchen und vorzubringen. Sieh also, ob nicht vielleicht Jesus, von dem Paulus sagt, dass er durch sein Blut nicht nur, „was auf Erden“, sondern auch, „was im Himmel“ ist,d befriedet hat,45 selbst das Kalb ist, das im Himmel freilich nicht für die Sünde, sondern als Gabe dargebracht wurde, auf Erden aber, wo die Sünde „von Adam bis zu Mose herrschte“,e für die Sünde dargebracht wurde. Und das bedeutet, dass er „außerhalb des Lagers“ f gelitten hat, außerhalb jenes Lagers, meine ich, das Jakob gesehen hatte, das himmlische Lager der Engel Gottes, über das im Buch Genesis geschrieben steht: „Und als Jakob aufblickte, sah er das Lager Gottes in Pracht; und Engel Gottes eilten ihm entgegen, und Jakob sagte, als er diese sah: Dies ist das Lager Gottes.“ g Außerhalb dieses himmlischen Lagers ist also alles, worin wir wohnen, dieser irdische Ort, an dem Christus im Fleisch gelitten hat. Das hingegen, von dem gesagt wird, dass es „mit Mist und Eingeweiden“ verbrannt wird,h sieh, ob nicht vielleicht im Vergleich mit den himmlischen Körpern dieser Körper der menschlichen Natur typologisch Mist genannt wird. Denn er ist Erde und von der Erde genommen.i Doch auch jener Korb voll Mist, der zu den Wurzeln des Feigenbaumes, der abgehauen werden soll, geworfen wird,j 46 was zeigt er anderes als das Mysterium der im Körper angenommenen Heilsvermittlung?47 Dennoch wird nicht gesagt, dass ihm die Eingeweide fehlen. Denn obwohl er die geringe „Gestalt eines Sklaven“ trug,k „wohnte dennoch die Fülle der Gottheit in ihm“.l Obwohl das verwegen erörtert ist, muss dennoch das Hörvermögen jedes einzelnen Gläubigen immer zu Größerem hin genährt werden. Dasselbe ist sogar auch vom Kalb der Versammlung anzunehmen. 4. In ethischem Sinn aber kann dieser Hohepriester als die Gesinnung der Frömmigkeit und Religion angesehen werden, die in uns durch die Gebete und das Flehen, das wir an Gott richten, gleichsam eine Art Priestertum ausübt.Wenn dieser sich in irgendetwas verfehlt hat, „veranlasst er“ unverzüglich „das ganze Volk“ der guten Taten, das in uns ist, „zu sündigen“.m Denn wir tun kein rechtes Werk, wenn der Anführer der guten Werke, die Gesinnung, zum Verkehrten abirrt. Daher wird zu ihrer Besserung nicht irgendein Opfer, sondern das Opfer des Mastkalbs selbst verlangt.a Ebenso wird auch die

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Homilia II

est omnium, quae intra nos sunt, uirtutum emendatio non aliter quam ex Christi mortificatione reparatur. „Si uero princeps“ inquit „peccauerit, hircum offeret ex capris.“a Princeps iste potest uideri uis rationis, quae intra nos est. Quae si peccet in nobis et stultum aliquid agamus, pertimescenda nobis est illa sententia Saluatoris, quae dicit: „Vos estis sal terrae. Si autem sal infatuatum fuerit, ad nihilum ualet, nisi ut proiciatur foras et conculcetur ab hominibus.“ b Habet ergo et iste hostiam suam. Sed et „anima“ inquit „una, si peccauerit, capram feminam“ similiter „offeret“,c secundum illam substitutio­ nem hostiarum, quam superius memorauimus. Sed fortasse dicant auditores ecclesiae: Melius fere agebatur cum antiquis quam nobiscum, ubi oblatis diuerso ritu sacrificiis peccantibus uenia praestabatur. Apud nos una tantummodo est uenia peccatorum, quae per lauacri gratiam in initiis datur; nulla post haec peccanti misericordia nec uenia ulla conceditur. Decet quidem districtioris esse disciplinae Christianum, „pro quo Christus mortuus est“.d Pro illis oues, hirci, boues iugulabantur et aues et simila conspergebatur; pro te Dei filius iugulatus est et iterum te peccare delectat? Et tamen, ne tibi haec non tam erigant animos pro uirtute quam pro desperatione deiciant, audisti, quanta sint in lege sacrificia pro peccatis; audi nunc, quantae sint remissiones peccatorum in euangeliis. Est ista prima, qua | baptizamur „in remissionem peccatorum“.e Secunda remissio est in ­passione a

Lev. 4,22f.

b

Mt. 5,13

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Lev. 4,27f.

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Röm. 14,15

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Mk. 1,4

48 Der Ausdruck infatuatum, der hier verwendet wird, heißt vor allem „betört, töricht“ –

daher bringt Origenes dieses Bibelzitat hier in Verbindung mit törichtem Handeln. 49 Siehe oben in Lev. hom. 2,1 (GCS Orig. 6, 289). Für unterschiedliche Opferarten

werden im Buch Levitikus verschiedene Opfertiere vorgeschrieben. Meist sollen männliche Tiere geopfert werden (vgl. Lev. 1,3.10; 22,19). Für das Heilsopfer wird festgelegt, dass es ein männliches oder weibliches Tier sein kann (vgl. Lev. 3,1.6). In Lev. 4,27f. ist für das Sündopfer eine weibliche Ziege vorgeschrieben (vgl. auch Lev. 5,6). In Lev. 5,7 wird zugestanden, dass Personen, die sich eine Ziege oder ein Schaf nicht leisten können, Turteltauben oder Tauben als Ersatz darbringen können. Ein höherwertiges Opfertier kann also durch ein kleineres, geringerwertiges ersetzt werden. Auf diese Praxis scheint Origenes hier anzuspielen: Er nennt in hierarchischer Reihenfolge Mastkalb, Ziegenbock und Ziege, der er den geringsten Wert zuschreibt. 50 Von hier ab hat Hrabanus Maurus den Abschnitt 2,4 bis zum Ende abgeschrieben: in Lev. expos. I 3 (PL 108, 261B–262D). 51 Vgl. Hirt des Hermas, vis. II 2,4 (SUC 3, 156); Clemens von Alexandria, paed. I 30,1 (GCS Clem. Al. 1, 198), wo ebenfalls nur eine Vergebung der Sünden durch die Taufe vorausgesetzt ist. Tertullian, paen. 7,10 (CChr.SL 1, 333f.), gesteht eine zweite Bußmöglichkeit zu: „Diese Nachstellungen (sc. des Teufels) hat Gott vorhergewusst und, nachdem die Tür des gänzlichen Vergessens geschlossen, der Riegel der Taufe vorgeschoben ist, etwas wenigstens doch noch offen gelassen. Er hat in der Vorhalle die zweite Buße aufgestellt, um den Anklopfenden die Tür zu öffnen, aber – nur noch einmal, weil es schon das zweite Mal ist; aber – nun nicht mehr, weil das nächste

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Schuld der Versammlung, das heißt die Besserung aller Tugenden, die in uns sind, nicht anders als durch das Todesleiden Christi beglichen. „Wenn aber das Oberhaupt sündigt“, heißt es, „soll es einen Ziegenbock darbringen.“a Dieses Oberhaupt kann als die Kraft der Vernunft, die in uns ist, angesehen werden.Wenn diese in uns sündigt und wir etwas Törichtes tun, muss uns die folgende Aussage des Erlösers in Schrecken versetzen: „Ihr seid das Salz der Erde. Wenn aber das Salz unbrauchbar48 geworden ist, ist es zu nichts nutze, außer dass es hinausgeworfen und von den Menschen zertreten wird.“ b Also hat auch dieser sein Opfer. Doch auch „eine einzelne Seele“, heißt es, „soll, wenn sie sündigt, eine weibliche Ziege“ ebenso „darbringen“,c gemäß jenem Ersatz für ein Opfer, an den wir vorher erinnert haben.49 Doch50 vielleicht könnten die Zuhörer in der Kirche sagen: Mit den Alten wird beinahe besser verfahren als mit uns, wenn denen, die sündigen, durch die nach unterschiedlichem Ritus dargebrachten Opfer Vergebung gewährt wurde. Bei uns gibt es nur eine Vergebung der Sünden, die durch die Gnade des Taufbades am Anfang gegeben wird; danach wird einem, der sündigt, keinerlei Barmherzigkeit noch Vergebung zugestanden.51 Es gehört sich freilich, dass der Christ, „für den Christus gestorben ist“,d eine strengere Zucht besitzt. Für jene wurden Schafe, Böcke, Rinder geschlachtet und Vögel und Feinmehl versprengt;52 für dich ist der Sohn Gottes geschlachtet worden – und du freust dich daran, wieder zu sündigen? Und dennoch, damit dich das eher zur Tugend ermutigt als zur Verzweiflung niederwirft, hast du gehört, wie viele Opfer es im Gesetz für die Sünden gibt; höre nun, wie viele Vergebungen der Sünden es in den Evangelien gibt.53 Die erste ist die, durch die wir getauft werden „zur Vergebung der Sünden“.e Die zweite Vergebung

Mal schon vergebens“ (Übersetzung: Kellner, BKV1 7, 239); Ambrosius, paen. II 95 (CSEL 73, 200f.): „Denn wie es nur eine Taufe gibt, so gibt es auch nur eine Buße, sofern sie öffentlich geübt wird. Die täglichen Fehler freilich muss man immer wieder sühnen; solche Buße gilt aber den leichteren, jene öffentliche den schwereren Sünden“ (Übersetzung: Schulte, BKV1 13, 313). Wie Rahner, Bußlehre des Origenes 85f., darlegt, ist in der einmaligen Vergebung der Sünden in der Taufe eher ein Ideal formuliert als die Realität erfasst, in der auch Getaufte Sünden begehen. Eine kirchliche Bußmöglichkeit nach der Taufe war jedenfalls möglich (ebd. 170). 52 Das Blut von Vögeln wurde, zusammen mit Zedernholz, Ysop und Karmesin, in Riten zur Reinigung eines von „Aussatz“ befallenen Menschen (Lev. 14,1–8) oder Hauses (Lev. 14,49–53) versprengt. Feinmehl wird nicht versprengt, sondern mit Öl und Weihrauch verbrannt (vgl. Lev. 2,1f. u.  a.). 53 Origenes listet im Folgenden sieben Arten der Sündenvergebung auf, die er fast alle mit Schriftzitaten belegt: Taufe, Martyrium, Almosen, geschwisterliche Vergebung, Bekehrung von Sündern, Liebe und Buße; eine achte Form der Sündenvergebung, nämlich durch die Eucharistie, die Origenes, in Matth. comm. ser. 86 (GCS Orig. 11, 199), erläutert, erwähnt er hier nicht. Jonas von Orléans, inst. laic. I 5 (PL 106, 130D– 131B), hat den vorliegenden Katalog abgeschrieben (bis S. 92 Z. 19 mei).

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Homilia II

martyrii.Tertia est, quae per eleemosynam datur; dicit enim Saluator: „Verum tamen date“ quae habetis „et ecce, omnia munda sunt uobis.“a Quarta nobis fit remissio peccatorum per hoc, quod et nos remittimus peccata fratribus nostris; sic enim dicit ipse Dominus et Saluator quia: „Si remiseritis fratribus uestris ex corde peccata ipsorum, et uobis remittet pater uester peccata uestra. Quod si non remiseritis“ fratribus uestris ex corde, „nec uobis remittet pater uester“,b et sicut in oratione nos dicere docuit: „Remitte nobis debita nostra, sicut et nos remittimus debitoribus nostris.“ c Quinta peccatorum remissio est, cum „conuerterit quis peccatorem ab errore uiae suae“. Ita enim dicit scriptura diuina quia „qui conuerti fecerit peccatorem ab errore uiae suae, saluat animam a morte et cooperit multitudinem peccatorum“.d Sexta quoque fit remissio per abundantiam caritatis, sicut et ipse Dominus dicit: Amen, „dico tibi, remittuntur ei peccata sua multa, quoniam dilexit multum“,e et apostolus dicit: „quoniam caritas cooperit multitudinem peccatorum.“ f Est adhuc et septima, licet dura et laboriosa, per poenitentiam remissio peccatorum, cum lauat peccator „in lacrimis stratum suum“ g et fiunt ei „lacrimae suae panes die ac nocte“,h cum non erubescit sacerdoti Domini indicare peccatum et quaerere medicinam, secundum eum, qui ait: „Dixi: Pronuntiabo aduersum me iniustitiam meam Domino, et tu remisisti impietatem cordis mei.“ i In quo impletur et illud, quod Iacobus apostolus dicit: „Si qui autem infirmatur, | uocet presbyteros ecclesiae“, et imponant ei manus „ungentes eum oleo in nomine Domini. Et oratio fidei saluabit infirmum, et si in peccatis fuerit, remittentur ei.“ j Et tu ergo cum uenis ad gratiam baptismi, uitulum obtulisti, quia in mortem Christi baptizaris.k Cum uero ad martyrium duceris, hircum obtulisti, quia auctorem peccati diabolum iugulasti. Cum autem eleemosynam feceris et erga indigentes affectum misericordiae sollicita pietate dependeris, altare sacrum hoedis pinguibus onerasti. Nam si ex corde remiseris peccatum fratri tuo l et iracundiae tumore deposito mitem intra te et simplicem recola

Lk. 11,41 bMt. 6,14f. cMt. 6,12 dJak. 5,20 eLk. 7,47 f 1 Petr. 4,8 gPs. 6,7 Ps. 41(42),4 i Ps. 31(32),5 j Jak. 5,14f. kVgl. Röm. 6,3 lVgl. Mt. 18,35

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54 Vgl. Origenes, exhort. mart. 30 (GCS Orig. 1, 26): „Wir wollen uns aber auch an

die begangenen Sünden erinnern und daran denken, dass man die Vergebung der Sünden ohne Taufe nicht erlangen kann und dass es nach den Gesetzen des Evangeliums nicht möglich ist, sich mit Wasser und Geist ein zweites Mal zur Vergebung der Sünden taufen zu lassen. Uns aber ist die Taufe des Martyriums gegeben“ (Übersetzung: von Stritzky, OWD 22, 73); sel. in Ps. 115,8 (PG 12, 1572D): „Die Ketten der Sünden werden nicht nur durch die göttliche Taufe zerrissen, sondern auch durch das Martyrium für Christus und durch Tränen der Umkehr.“ 55 Diese Form der Sündenvergebung erklärt Cyprian, op. et eleem. 2 (CChr.SL 3A, 55), ausführlich. 56 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 8,10 (GCS Orig. 6, 408): „Das göttliche Gesetz will also, … wenn etwas gegen Gott begangen wurde, wenn es eine Sünde im Glauben

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gibt es im Leiden des Martyriums.54 Die dritte ist die, die durch Almosen gegeben wird; denn der Erlöser sagt: „Gebt doch“, was ihr habt, „und siehe, alles ist für euch rein.“a  55 Die vierte Vergebung der Sünden geschieht uns dadurch, dass auch wir unseren Brüdern die Sünden vergeben; denn so sagt der Herr und Erlöser selbst: „Wenn ihr euren Brüdern ihre Sünden von Herzen vergebt, dann wird auch euer Vater euch eure Sünden vergeben. Wenn ihr aber“ euren Brüdern nicht von Herzen „vergebt, wird euch auch euer Vater nicht vergeben“,b und wie er uns im Gebet zu sagen lehrte: „Vergib uns unsere Schulden, so wie auch wir unseren Schuldnern vergeben.“ c Die fünfte Vergebung der Sünden gibt es, wenn „jemand einen Sünder von seinem irrigen Weg bekehrt“. Denn so sagt die göttliche Schrift: „Wer veranlasst, dass ein Sünder sich von seinem irrigen Weg bekehrt, erlöst eine Seele vom Tod und deckt eine Menge Sünden zu.“ dAuch die sechste Vergebung der Sünden geschieht durch die Überfülle an Liebe, so wie auch der Herr selbst sagt: Amen, „ich sage dir, ihr werden ihre vielen Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat“,e und der Apostel sagt: „weil die Liebe eine Menge Sünden zudeckt“.f Es gibt auch noch eine siebte, auch wenn sie hart und mühsam ist, die Vergebung durch Buße für die Sünden, wenn ein Sünder „sein Lager mit Tränen“ wäscht g und ihm seine „Tränen Brot sind Tag und Nacht“,h wenn er sich nicht schämt, dem Priester des Herrn die Sünde bekannt zu machen und ein Heilmittel zu erbitten56 gemäß dem, der sagt: „Ich habe gesagt: Ich werde gegen mich mein Unrecht dem Herrn bekennen, und du hast die Gottlosigkeit meines Herzens vergeben.“ i Darin erfüllt sich auch, was der Apostel Jakobus sagt: „Wenn jemand aber krank ist, soll er die Ältesten der Gemeinde rufen“, und sie sollen ihm die Hände auflegen „und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken erlösen, und wenn er in Sünden war, werden sie ihm vergeben werden.“ j 57 Auch du also bringst, wenn du zur Gnade der Taufe kommst, ein Kalb dar, weil du auf den Tod Christi getauft worden bist.k Wenn du hingegen zum Martyrium geführt wirst, bringst du einen Bock dar, weil du den Teufel, den Urheber der Sünde, schlachtest. Wenn du aber Almosen gibst und den Bedürftigen barmherzige Zuneigung in sorgender Frömmigkeit schenkst, belädst du den heiligen Altar mit fetten Böcken. Denn wenn du deinem Bruder von Herzen die Sünde vergibst l und, nachdem du den aufbrausenden Zorn ist, dass diese freilich nicht bedeckt gehalten, sondern allen öffentlich gezeigt werde, damit er durch die Vermittlung und den Tadel aller gebessert wird und Gnade verdient.“ Vgl. auch in Num. hom. 10,1 (GCS Orig. 7, 68). 57 Das Jakobuszitat bekräftigt die Erklärungen zur Buße. In dem Zitat wird die Formulierung des Jakobusbriefes „sie sollen über ihm beten“ ersetzt durch „sie sollen ihm die Hände auflegen“. Rahner, Bußlehre des Origenes 159–161, sieht hier eine Anspielung auf einen Versöhnungsritus, insbesondere in Form der Handauflegung, die Origenes in das Zitat einträgt. Zudem dürfte damit eine Salbung verbunden gewesen sein.

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legeris animum, immolasse te arietem uel agnum in sacrificium obtulisse confide. Porro autem si diuinis lectionibus instructus meditando „sicut columba“a et „in lege“ Domini uigilando „die ac nocte“ b ab errore suo conuerteris peccatorem et abiecta nequitia ad simplicitatem eum columbae reuocaueris atque adhaerendo sanctis feceris eum societatem turturis imitari, „par turturum aut duos pullos columbarum“ Domino obtulisti.c Quod si illa, quae spe et fide maior est, caritas d abundauerit in corde tuo, ita ut „diligas proximum tuum“ non solum „sicut te ipsum“,e sed sicut ostendit ille, qui dicebat: „Maiorem hac caritatem nemo habet quam ut animam suam ponat pro amicis suis“,f panes similacios in caritatis oleo subactos g sine ullo „fermento malitiae et nequitiae in azymis sinceritatis et ueritatis“ h te obtulisse cognosce. Si autem in amaritudine fletus tui fueris luctu, lacrimis et lamentatione confectus, si carnem tuam maceraueris et ieiuniis ac multa abstinentia aridam feceris et dixeris quia sicut frixorium „confrixa sunt ossa mea“,i tunc „sacrificium similam a sartagine“ j uel „a craticula“ k obtuleris; et hoc modo inuenieris tu uerius et perfectius secundum euangelium offerre sacrificia, quae secundum legem iam offerre non potest Istrahel. 5. Sed uideamus, quid etiam de his, quae nuper recitata sunt, sentiendum sit: „Si autem“ inquit „anima una peccauerit nolens ex populo terrae faciendo unum ab omnibus mandatis Domini, quod non fiet, et deliquerit, et a

Jes. 38,14 bPs. 1,2 cLev. 5,7 dVgl. 1 Kor. 13,13 eMt. 19,19 f Joh. 15,13 Vgl. Lev. 2,4 h1 Kor. 5,8 i Ps. 101(102),4 j Lev. 2,4 kLev. 2,7

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58 Vgl. die allegorische Auslegung in Ios. hom. 15,3 (GCS Orig. 6, 385) zu Jos. 11,9

(„er lähmte ihre Pferde …“): „Das Pferd wird nämlich gelähmt, wenn der Körper durch Fasten und Nachtwachen und jegliche Form der Enthaltsamkeit kasteit wird“ (Übersetzung: Döhler/Fürst, OWD 5, 275); in Ex. hom. 6,1 (GCS Orig. 6, 192) zu Ex. 15,20: „Besser aber und würdiger wirst du das sagen, wenn du eine Handtrommel in der Hand hast, das heißt, wenn ‚du dein Fleisch mitsamt seinen Lastern und Begierden gekreuzigt hast‘ (Gal. 5,24), wenn du ‚deine Glieder getötet hast, die auf der Erde sind‘ (Kol. 3,5)“ (Übersetzung: p. 109 Heither). Während häufig das Schlagen der Trommel als das Abtöten der Glieder, konkret der körperlichen Begierden, gedeutet wird, verbindet Gregor von Nyssa, virg. 19 (GNO 8/1, 322f.), die Pauke über den Gedanken der Trockenheit mit der Enthaltsamkeit bzw. hier der Jungfräulichkeit Mirjams, die nach Ex. 15,20 die Trommel schlägt: „Vielleicht deutet das Wort durch die Pauke, wie es scheint, die Jungfräulichkeit an, die Mirjam als erste erfolgreich praktiziert hat, durch die, meine ich, auch die Gottesgebärerin Maria im Voraus abgebildet ist. Denn so wie die Pauke ein widerhallendes Geräusch von sich gibt, fern von jeglicher Feuchtigkeit und extrem trocken, so wird auch die Jungfräulichkeit leuchtend und berühmt, weil sie von der zum Leben gehörigen Feuchtigkeit dieses (irdischen) Lebens nichts in sich aufnimmt.“ Übersetzung: Siquans, Prophetinnen 95f. 59 Die im Buch Levitikus vorgeschriebenen Opfer am Tempel waren zur Zeit des Origenes bereits Vergangenheit. Für ihn gibt es aber keinen Grund das zu bedauern, sondern die Sündenvergebung, die sie vermittelten, ist für die Christen in vielfältiger anderer Weise zugänglich. In den vorangehenden Ausführungen will Origenes darle-

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abgelegt hast, die sanfte und schlichte Gesinnung in dir wieder annimmst, vertraue, dass du einen Widder opferst oder ein Lamm zum Opfer darbringst. Wenn du aber ferner, durch die göttlichen Lesungen belehrt, in der Gesinnung „wie eine Taube“a und „Tag und Nacht im Gesetz“ b des Herrn wachend den Sünder von seinem Irrtum bekehrst und ihn, nach Ablegen seiner Nichtsnutzigkeit, zur Einfachheit der Taube zurückrufst und ihn veranlasst, die Verbindung der Turteltaube nachzuahmen, indem er den Heiligen anhängt, bringst du dem Herrn „ein Paar Turteltauben und zwei junge Tauben“ dar.c Wenn aber jene Liebe, die größer als Hoffnung und Glaube ist,d in deinem Herzen im Überfluss vorhanden ist, sodass „du deinen Nächsten liebst“, nicht nur „wie dich selbst“,e sondern so wie jener zeigt, der sagte: „Eine größere Liebe hat niemand als die, dass er sein Leben hingibt für seine Freunde“,f wisse, dass du Feinmehlbrote, im Öl der Liebe bereitet,g ohne irgendeinen „Sauerteig der Bösartigkeit und der Nichtsnutzigkeit im ungesäuerten Teig der Aufrichtigkeit und der Wahrheit“ h darbringst. Wenn du aber in der Bitterkeit deines Weinens trauerst, verzehrt von Tränen und Klage, wenn du dein Fleisch quälst und durch Fasten und viel Enthaltsamkeit trocken machst58 und sagst, dass „meine Knochen“ wie in einer Röstpfanne „geröstet sind“,i dann bringst du „als Opfer Feinmehl aus einer Pfanne“ j oder „von einem Rost“ k dar; und auf diese Weise findet man, dass du wahrhaftiger und vollkommener gemäß dem Evangelium Opfer darbringst, die Israel gemäß dem Gesetz nicht mehr darbringen kann.59 5. Doch wir wollen sehen, was man auch über das, was soeben vorgelesen wurde, denken soll: „Wenn aber“, heißt es, „eine Seele aus dem Volk der Erde60 unwillentlich sündigt, indem sie eine von allen Anordnungen des Herrn, die nicht getan werden soll, tut und sich verfehlt, und wenn ihr die gen, dass und wie die Formen der Sündenvergebung den in Levitikus genannten Opferriten entsprechen und sie erfüllen. Ähnlich geht Origenes in Rom. comm. IX 1,2 (SC 555, 66) vor (siehe das Zitat oben S. 82 Anm. 38). Auch an anderen Stellen finden sich solche Entsprechungen, wobei sie nicht immer so genau sind und variieren können, etwa oben in Lev. hom. 1,5 (GCS Orig. 6, 287f.) und 2,2 (6, 292f.), wo das Opfer des Kalbes bzw. Stieres als Sieg über das Fleisch gedeutet wird. Das Vorgehen ist dem Philons vergleichbar, der die irrationalen Anteile der Seele mit Tieren vergleicht: agr. 30 (II p. 101 Cohn/Wendland); sacr. 45 (I p. 220 Cohn/Wendland): „Nun wird er auch ein Hirt der Schafe, der unvernünftigen Seelenkräfte Leiter und Lenker, der sie nicht ohne Ordnung aufsichts- und führerlos in der Irre schweifen lässt, damit die haltlosen Charaktere nicht gleichsam in schutz- und vormundschaftsloser Verwaisung aus Mangel an Hütern dabei zugrundegehen“; Übersetzung: Leisegang, Philo Werke III, 233 (siehe oben S. 82 Anm. 36). So ein Vorgehen ist aber allgemein verbreitet: vgl. Origenes, in Lev. hom. 5,1f. (GCS Orig. 6, 332–337). 60 Terra kann als „Land“ oder „Erde“ verstanden werden, was sich Origenes im Folgenden für die Auslegung zunutze macht. Zunächst geht es um das Land, in dem das Volk Israel wohnt, dann aber um die Erde im Gegensatz zum Himmel.

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Homilia II

notum factum fuerit illi peccatum quod peccauit, et adducet donum suum: capram de hoedis feminam sine macula adducet pro peccato, quo peccauit.“a Et omnem post haec sacrificii ritum, secundum quod supra exposuimus, enarrauit. De anima, quam sub peccato factam dicit offerre, qualiter sentiendum sit, in superioribus, prout potuimus, explanauimus; quod uero in hoc loco addidit, „anima“ dicens „si peccauerit ex populo terrae“,b non mihi uidetur otiosum. Quis enim dubitaret quod ea, quae dicit lex, ad animas uel ad populum, qui sunt in terra, dicerentur? Quid ergo necessarium fuit, ut ad hoc, quod dixit: „anima una si peccauerit“ adderet: „ex populo terrae“? c Sed uidendum est, ne forte ad distinctionem alterius populi, qui non est de terra, haec anima, quae peccauerit, de populo terrae esse dicatur. Neque enim conuenire dictum hoc potest illi, qui dicebat: „Nostra autem conuersatio in coelis est, unde et Saluatorem exspectamus Dominum Iesum.“ d Quomodo ergo istam animam merito dixerim „de populo terrae“, quae nihil habet commune cum terra, sed tota in coelis est et ibi conuersatur, „ubi Christus est in dextera Dei sedens“,e quo et redire desiderat et „esse cum Christo: multo enim melius; sed permanere in carne necessarium ducit propter“ nos? f Haec ergo anima, quae peccat, „de populo terrae est faciens unum ab omnibus mandatis Domini, quod non fiet“.g Diu me in hoc sermone quidam stupor attonitum tenuit; non enim consequenter dictum uideo quod pecca­ uerit „anima et fecerit unum ex mandatis Domini, quod non fiet“. Si enim mandatum Domini est, quomodo fieri non debuit, cum utique ad hoc dentur mandata Domini, ut fiant? Et quomodo hic dicitur peccasse anima, quae „fecit unum de mandatis Domini, quod non fiet“? Et fortassis aliquibus uidebitur error elocutionis per interpretes factus; sed mihi curiosius inquirenti compertum est omnes interpretes similiter protulisse, | et ideo non elocutionis error, sed profundioris intelligentiae requirendus est sensus. In quantum ergo nobis occurrere potest, haec mihi uidetur absolutio. Mandata Domini quaedam data sunt, ut fiant, quaedam, ut non fiant. Sed ea, quae fieri debent, necessitas poposcit humana, ut inserta illis proferrentur, quae fieri non deberent. Verbi gratia – ut de his ipsis, quae nunc habemus in manibus, sacrificiis proferamus exemplum – agnus immolari iubetur in pascha,h non quo uere agni hostiam per singulos annos requireret Deus, sed quod designaret immoa

Lev. 4,27f. bLev. 4,27 Vgl. Ex. 12,3

h

c

Lev. 4,27

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Phil. 3,20

e

Kol. 3,1

f

Phil. 1,24f.

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Lev. 4,27

61 Vgl. oben in Lev. hom. 2,2 (GCS Orig. 6, 291). 62 Origenes recherchierte in der von ihm erstellten Synopse der griechischen Über-

setzungen des Alten Testaments, der Hexapla, wie die anderen Übersetzer neben den Siebzig (der Septuaginta) Lev. 4,27 übersetzten. Solche Textvergleiche stellte er auch in den Predigten nicht oft, aber doch gelegentlich an: vgl. z.  B. in Ps. 77 hom. 1,1 (GCS Orig. 13, 351f.); in Hier. hom. 8,1 (GCS Orig. 32, 55); 14,3 (32, 107); 15,5 (32, 129); 16,5f. (32, 137f.); 16,10 (32, 141); 20(19),5 (32, 184); in Hier. frg. 59 (GCS Orig. 32, 227).

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Sünde, die sie beging, bekannt geworden ist und sie ihre Gabe herbeibringt, soll sie eine weibliche Ziege ohne Makel von den Herden für die Sünde, die sie begangen hat, herbeibringen.“a Und danach wird der ganze Ritus des Opfers dargestellt, wie wir vorher darlegten. Wie das über die Seele, von der gesagt wird, dass sie unter der Last der Sünde ein Opfer darbringt, zu verstehen ist, haben wir im Vorhergehenden erklärt, so gut wir konnten.61 Was hingegen an dieser Stelle hinzugefügt wird, indem es heißt, „wenn eine Seele aus dem Volk der Erde sündigt“,b erscheint mir nicht unnötig. Denn wer wollte bezweifeln, dass das, was das Gesetz sagt, zu den Seelen oder zum Volk, die auf der Erde sind, gesagt wurde? Warum war es also notwendig, dass zu den Worten: „wenn eine Seele sündigt“ hinzugefügt wurde: „aus dem Volk der Erde“? c Man muss aber sehen, ob nicht vielleicht zur Unterscheidung von einem anderen Volk, das nicht von der Erde ist, von dieser Seele, die sündigt, gesagt wird, dass sie vom Volk der Erde sei. Denn das Gesagte kann nicht mit dem übereinstimmen, wo es heißt: „Unser Aufenthalt aber ist im Himmel, woher wir auch den Erlöser, den Herrn Jesus, erwarten.“ dWie also sollte ich diese Seele mit Recht „vom Volk der Erde“ nennen, die nichts mit der Erde gemeinsam hat? Sie ist doch ganz im Himmel und hält sich dort auf, „wo Christus zur Rechten Gottes sitzt“,e wohin sie auch zurückzukehren wünscht und „mit Christus zu sein, denn es wäre um vieles besser; doch es ist wegen“ uns „notwendig, im Fleisch zu bleiben“.f Diese Seele „vom Volk der Erde“ also, die sündigt, „tut eine von allen Anordnungen des Herrn, die nicht getan werden soll“.g Lange hielt mich eine Art betäubtes Staunen bei diesem Wort fest; denn ich sehe nicht, dass die Aussage, dass „die Seele“ sündigt „und eine von den Anordnungen des Herrn tut, die nicht getan werden soll“, logisch wäre. Denn wenn es eine Anordnung des Herrn ist, wieso soll sie nicht getan werden, wenn doch gewiss die Anordnungen des Herrn dazu gegeben werden, dass man sie tut? Und wieso wird hier gesagt, dass die Seele gesündigt hätte, die „eine von den Anordnungen des Herrn getan hat, die nicht getan werden soll“? Und vielleicht wird es einigen als von den Übersetzern produzierter Irrtum im Ausdruck erscheinen; doch mir, der ich neugieriger nachforschte, erwies sich, dass alle Übersetzer es ähnlich übertragen haben,62 und daher nicht ein Irrtum im Ausdruck, sondern der Sinn eines tieferen Verständnisses zu suchen ist. Soweit es sich uns also erschließen kann, scheint mir dies die Lösung zu sein. Manche Anordnungen des Herrn wurden gegeben, um getan zu werden, manche, um nicht getan zu werden. Doch das menschliche Bedürfnis machte es erforderlich, dass die, die getan werden sollen, eingefügt in jene vorgelegt wurden, die nicht getan werden sollen. Zum Beispiel – damit wir von dem, was wir nun in Händen haben, den Opfern, ein Beispiel bringen – wird befohlen, ein Lamm zum Pascha zu schlachten.h Gott verlangt nicht wirklich das Opfer eines Lammes in jedem Jahr, sondern bestimmt, dass jenes Lamm, „das die

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Homilia II

lari debere illum agnum, „qui tollit peccatum mundi“.a Hoc ergo fieri uoluit, illud noluit. Sic enim per Esaiam dicit: „Quo mihi multitudinem sacrificiorum uestrorum? dicit Dominus. Plenus sum, holocausta arietum et adipem agnorum et sanguinem taurorum et hircorum nolo.“ bAudisti, quomodo non uult hostiam arietum nec adipes agnorum? Dedit tamen mandatum, quomodo uel taurorum uel agnorum hostia deberet offerri. Sed qui legem spiritaliter intelligit, spiritaliter haec quaerit offerre. Si uero qui secundum speciem mandati carnalis obtulerit, haec est „anima una ex populo terrae, quae peccauit nolens faciendo unum ab omnibus mandatis Domini, quod non fiet, et deliquit“,c et ideo adiungit in subsequentibus: „Et cum notum factum fuerit illi peccatum, quod peccauit, adducet“ munus suum ante Dominum.d Debet enim munus offerre anima, cum ei innotuerit quia Deus non quaerit carnale sacrificium, quia „sacrificium Deo est spiritus contribulatus“.e Notum fit ergo ei peccatum suum, cum didicerit a Domino dicente: „Misericordiam malo quam sacrificium“,f et cum agnouerit immolare „sacrificium laudis“ in ecclesia et reddere „altissimo uota sua“,g per Christum Dominum nostrum, cui laus et „gloria in saecula saeculorum. Amen!“ h a

Joh. 1,29 bJes. 1,11 cLev. 4,27 Ps. 49(50),14 hRöm. 16,27 i

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Lev. 4,28

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Ps. 50(51),19

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Hos. 6,6

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Sünde der Welt hinwegnimmt“,a geschlachtet werden soll. Dieses also wollte er, dass es getan wird, jenes wollte er nicht.63 Denn so sagt er durch Jesaja: „Wozu dient mir die Menge eurer Opfer?, spricht der Herr. Ich bin satt, ein Ganzopfer von Widdern und das Fett der Lämmer und das Blut von Stieren und Böcken will ich nicht.“ b Hast du gehört, dass er das Opfer von Widdern und die Fettstücke der Lämmer nicht will? Dennoch gab er eine Anordnung, wie die Opfer von Stieren oder Lämmern dargebracht werden sollen. Doch wer das Gesetz geistig versteht, sucht diese geistig darzubringen.Wenn hingegen jemand nach dem Anschein der fleischlichen Anordnung darbringt, ist das „eine Seele aus dem Volk der Erde, die unwillentlich sündigt, indem sie eine von allen Anordnungen des Herrn tut, die nicht getan werden soll, und sich verfehlt“,c und daher wird im Folgenden angefügt: „Und wenn ihr die Sünde, die sie begangen hat, bekannt geworden ist, soll sie“ ihre Gabe vor den Herrn „bringen“.d Denn die Seele muss eine Gabe darbringen, wenn ihr bekannt geworden ist, dass Gott nicht ein fleischliches Opfer verlangt, denn „ein Opfer für Gott ist ein zerknirschter Geist“.e Ihr wird also ihre Sünde bekannt, wenn sie vom Herrn gelernt hat, der sagt: „Ich will lieber Barmherzigkeit als Opfer“,f und wenn sie anerkennt, in der Kirche „ein Opfer des Lobes“ zu opfern und „dem Höchsten seine Gelübde“ einzulösen,g durch Christus, unseren Herrn. „Ihm sei Lob und Ehre in alle Ewigkeit. Amen!“ h 64

63 Vgl. in Num. hom. 11,1 (GCS Orig. 7, 76): „Es steht nicht geschrieben: Das ist die

Anordnung für das Pascha, sondern ‚das ist das Gesetz für das Pascha‘ (Ex. 12,43). Und weil ‚das Gesetz der Schatten der künftigen Güter ist‘ (Hebr. 10,1), ist das Gesetz für das Pascha zweifellos ein Schatten der künftigen Güter. Wenn ich zu der Stelle komme, die über das Pascha geschrieben ist, muss ich in diesem körperlichen Schaf den Schatten des künftigen Gutes verstehen und wahrnehmen, dass ‚Christus, unser Pascha, geschlachtet ist‘ (1 Kor. 5,7).“ 64 Abweichend von der üblichen Schlussformel aus 1 Petr. 4,11 verwendet Origenes gelegentlich andere Doxologien für den Abschluss seiner Predigten, so hier Röm. 16,27.

HOMILIA III.

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De eo quod scriptum est: „Si autem anima peccauerit et audierit uocem iuramenti, et hic testis sit aut uiderit aut conscius fuerit, si non indicauerit, et ipsa accipiet peccatum eius. Et anima quaecumque tetigerit omnem rem immundam aut morticinum aut a fera captum“ et cetera.a

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1. De sacrificiis, quae offeruntur ab his, qui per ignorantiam uel qui non uoluntate peccauerint, sermo est. Vnde et in superioribus, cum de pontificis sacrificio diceremus, obseruauimus non esse scriptum de eo quia ignorauerit. Sed si quis bene meminit eorum, quae dicta sunt, potest nobis dicere quia sacrificium, quod pontificem pro peccato diximus obtulisse,b figuram Christi tenere posuimus. Et conueniens non uidebitur, ut Christus, „qui peccatum nescit“,c pro peccato dicatur obtulisse sacrificium, licet per mysterium res agatur et idem ipse pontifex, idem ponatur et hostia. Vide ergo, si et ad hoc possumus hoc modo occurrere, quia Christus „peccatum quidem non fecit“,d „peccatum“ tamen „pro nobis factus est“;e dum, qui erat in forma Dei, in forma serui esse dignatur;f dum, qui immortalis est, moritur et impassibilis patitur et inuisibilis uidetur, et, quia nobis omnibus uel mors uel reliqua omnis fragilitas in carne ex peccati conditione superducta est, etiam ipse, qui „in similitudinem hominum factus est et habitu repertus ut homo est“,g sine dubio pro peccato, quod ex nobis susceperat, quia „peccata nostra portauit“ h „uitulum immaculatum“,i hoc est carnem incontaminatam obtulit hostiam Deo. Sed quid facimus de eo, quod in sequentibus iungitur? Vbi enim dicit: „Si quidem pontifex, qui unctus est, peccauerit“, ibi additur: „ut populum faceret peccare, offeret pro | peccato suo.“ j Quomodo ergo conueniet quia per carnem, quam suscepit ex nobis Iesus, ipse peccatum factus „peccare fecerit populum“? Ausculta et de hoc, si forte cum aliqua consequentia possumus a

Lev. 5,1f. Phil. 2,7

g

b

Vgl. Lev. 4,3 c2 Kor. 5,21 d1 Petr. 2,22 1 Petr. 2,24 i Lev. 4,3 j Lev. 4,3

h

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2 Kor. 5,21

f

Vgl. Phil. 2,7

65 Vgl. in Lev. hom. 2,1 (GCS Orig. 6, 289). 66 Vgl. ebd. 2,3 (6, 294). 67 Vgl. in Gen. hom. 8,6 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 126): „Opfer und Priester“; in Ios. hom.

8,6 (GCS Orig. 7, 342): „Priester, Opfer und Altar“.

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HOMILIE 3

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Über die Schriftstelle: „Wenn aber eine Seele sündigt, indem sie eine Schwurformel hört und Zeuge ist oder sieht oder Mitwisser wird, lädt sie, wenn sie es nicht anzeigt, auch selbst eine Sünde auf sich. Und wenn eine Seele irgendeine unreine Sache berührt oder einen Kadaver oder ein von einem wilden Tier Gerissenes“ usw.a 1. Dieses Wort handelt von den Opfern, die von denen dargebracht werden, die aus Unwissenheit oder unwillentlich gesündigt haben. Daher haben wir auch im Vorhergehenden, als wir über das Opfer des Hohepriesters sprachen, beobachtet, dass über ihn nicht geschrieben steht, dass er unwissend ist.65 Doch wenn jemand sich gut an das erinnert, was gesagt wurde, kann er uns sagen, dass wir dargelegt haben, dass das Opfer, von dem gesagt wird, dass der Hohepriester es für die Sünde dargebracht hat,b das Bild Christi ist.66 Und es wird nicht angemessen erscheinen, dass von Christus, „der keine Sünde kannte“,c gesagt wird, dass er ein Opfer für die Sünde dargebracht habe, auch wenn es sich um ein Mysterium handelt und derselbe sowohl Priester ist als auch als Opfer dargestellt wird.67 Sieh also, ob wir dem auch auf diese Weise entgegnen können, dass Christus zwar „keine Sünde beging“,d aber dennoch „für uns zur Sünde wurde“.e Indem der, der in der Gestalt Gottes war, geruhte, in der Gestalt eines Sklaven zu sein,f indem der, der unsterblich ist, stirbt und der, der nicht leiden kann, leidet und der Unsichtbare gesehen wird, und weil über uns alle aus dem Zustand der Sünde der Tod oder alle übrige Schwäche im Fleisch gebracht wurde, brachte auch er, der „den Menschen gleich geworden und im Aussehen wie ein Mensch gefunden wurde“,g ohne Zweifel für die Sünde, die er von uns auf sich nahm, weil er „unsere Sünden trug“,h das „unbefleckte Kalb“,i das heißt das unbefleckte Fleisch, als Opfer Gott dar. Doch was machen wir mit dem, was im Folgenden damit verbunden wird? Wo es nämlich heißt: „Wenn freilich der Hohepriester, der gesalbt ist, sündigt“, dort wird angefügt: „sodass er das Volk zu sündigen veranlasst, soll er für seine Sünde darbringen.“ j Wie passt es daher zusammen, dass durch das Fleisch, das Jesus von uns angenommen hat, er selbst, zur Sünde geworden, „das Volk zu sündigen veranlasst“? Höre auch darüber, ob wir vielleicht mit

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Homilia III

respondere. Passio Christi credentibus quidem uitam, mortem uero non credentibus confert. Quamuis enim salus gentibus sit per crucem eius et iustificatio, Iudaeis tamen interitus est et condemnatio. Sic enim et scriptum est in euangeliis: „Ecce, hic natus est ad ruinam et resurrectionem multorum.“a Et hoc modo per peccatum suum, hoc est per carnem in crucem actam, in qua nostra peccata susceperat, nos quidem credentes liberauit a peccato, „populum“ uero „non credentem“ b peccare fecit, quibus ad incredulitatis malum etiam sacrilegii accessit impietas. Et hoc modo pontifex iste per suum peccatum peccare populum fecit, dum in carne positus et teneri potuit et occidi. Nam ponamus, uerbi gratia, si Dominus maiestatis c non uenisset in carne, non arguisset Iudaeos, non iis fuisset grauis etiam ad uidendum, non utique teneri potuisset nec ad mortem tradi; numquam sine dubio uenisset „sanguis eius super“ ipsos „et filios“ eorum.d Sed quia uenit in carne et „pro nobis peccatum factus est“ e et haec pati potuit, idcirco ipse dicitur peccare populum fecisse, qui fecit eum in se posse peccare. 2. Sed uideamus iam quid agit et ista anima, quae „audit uocem iuramenti et testis est“,f uel quae uidet aliquid et conscia est et non indicat, ex quo accepit etiam ipsa peccatum eius sine dubio, qui inique aut egit aliquid aut iurauit. Hoc etiam secundum historiam nos aedificat et docet, ne umquam in peccatis alterius polluamus conscientias nostras, ne consensum male agentibus praebeamus. Consensum autem dico non solum pariter agendo, sed etiam, quae illicite gesta | sunt, reticendo.Vis autem scire quia consentiant haec etiam euangelicis praeceptis? Ipse Dominus dicit: Si uideris fratrem tuum peccare, „argue eum inter te et ipsum solum. Si te audierit, lucratus es fratrem tuum. Quod si te non audierit, adhibe tecum“ alios duos uel tres. „Quod si nec ipsos audierit, dic ecclesiae. Si uero nec ecclesiam audierit, sit tibi sicut ethnicus et publicanus.“ g Sed euangelicum praeceptum in eo perfectius datum est, quod indicandi peccati modum disciplinamque constituit. Non uult enim te, si forte a

Lk. 2,34 bRöm. 10,21 Mt. 18,15–17

g

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Vgl. Ps. 28(29),3

d

Mt. 27,25

e

2 Kor. 5,21

f

Lev. 5,1

68 Zu Lk. 2,34 vgl. in Luc. hom. 16,3–5 (GCS Orig. 92, 96f.); mit anderem Akzent ebd.

17,2–5 (92, 101–105). 69 Den Eingangspassus dieses Abschnitts (Z. 16–27 publicanus) sowie einen Satz gegen

dessen Ende (S. 104 Z. 16 Cum ergo – Z. 21 conscium) hat Jonas von Orléans, inst. laic. I 18 (PL 106, 156C–157A), abgeschrieben. 70 Iuramentum bedeutet „Eid“, „Schwur“. Durch das Verb iurare, „schwören“, wird am Ende des Abschnitts 2 eine Verbindung zu Ps. 109(110),4 hergestellt, der im Neuen Testament häufig zitiert und christologisch interpretiert wird. Dort unterstellt Origenes, dass die jüdischen Gelehrten den Bezug dieses Psalms auf Christus verstanden, aber bewusst verschwiegen hätten, um nicht Zeugen des Kommens Christi zu werden.

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einer gewissen Logik antworten können. Das Leiden Christi verschafft zwar den Glaubenden Leben, den Tod aber denen, die nicht glauben. Wenngleich nämlich die Völker durch sein Kreuz Heil und Rechtfertigung haben, ist es für die Juden dennoch Untergang und Verdammnis. So steht es nämlich auch in den Evangelien geschrieben: „Siehe, dieser ist geboren zum Sturz und zur Auferstehung vieler.“a  68 Und auf diese Weise befreite er durch seine Sünde, das heißt durch das Fleisch, das ans Kreuz gebracht wurde und in dem er unsere Sünden auf sich nahm, uns Glaubende von der Sünde, „das nicht glaubende Volk“ b hingegen veranlasste er zu sündigen, bei denen zum Übel des Unglaubens auch noch die Gottlosigkeit der Lästerung hinzutrat. Und auf diese Weise veranlasste dieser Hohepriester durch seine Sünde das Volk zu sündigen, indem er, im Fleisch befindlich, ergriffen und getötet werden konnte. Denn nehmen wir, zum Beispiel, an, wenn der Herr der Herrlichkeit c nicht im Fleisch gekommen wäre, hätte er die Juden nicht widerlegt, wäre es ihnen auch nicht schwergefallen zu sehen, hätte er gewiss nicht ergriffen und nicht dem Tod übergeben werden können; ohne Zweifel wäre niemals „sein Blut über“ sie „und“ ihre „Kinder“ gekommen.d Doch weil er im Fleisch kam und „für uns zur Sünde wurde“ e und das ertragen konnte, deshalb wird gesagt, dass er das Volk zu sündigen veranlasste, er, der veranlasste, dass es gegen ihn sündigen konnte. 2. Doch wir wollen nun sehen,69 was diese Seele macht, die „eine Schwurformel70 hört und Zeuge ist“ f oder etwas sieht und mitwissend ist und es nicht anzeigt, wodurch auch sie ohne Zweifel die Sünde dessen annimmt, der etwas zu Unrecht tut oder schwört. Sogar nach dem Wortsinn71 erbaut und lehrt uns das, dass wir niemals unsere Gewissen mit den Sünden eines anderen verunreinigen sollen, damit wir nicht Zustimmung zu denen, die schlecht handeln, demonstrieren. Zustimmung aber, sage ich, nicht nur dadurch, dass wir gleich handeln, sondern auch durch das Verschweigen unzulässiger Taten. Willst du aber wissen, dass das auch mit den Vorschriften des Evangeliums übereinstimmt? Der Herr selbst sagt:Wenn du deinen Bruder sündigen siehst, „tadle ihn nur unter vier Augen. Wenn er auf dich hört, hast du deinen Bruder gewonnen. Wenn er aber nicht auf dich hört, ziehe mit dir“ zwei oder drei andere heran. „Wenn er aber auch auf diese nicht hört, sag es der Gemeinde.Wenn er hingegen auch auf die Gemeinde nicht hört, soll er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner sein.“ g Doch die Vorschrift des Evangeliums wurde darin vollkommener gegeben, dass es die Weise und die Ordnung des 71 Secundum historiam, also nach dem Wortsinn der Erzählung, der Geschichte. Historia

hat bei Origenes meist den Sinn von „Geschichte“ im Sinne einer „Erzählung“ (story), wie an der vorliegenden Stelle, und nur selten den Sinn von „Geschichte“ im Sinne von historischen Ereignissen (history). Vgl. z.  B. in Ios. hom. 3,1 (GCS Orig. 7, 299): historiae textus, d.  h. „der Text der Geschichte = der Erzählung“; ferner ebd. 22,1 (7, 432) mit in Ios. frg. 21 bei Prokop, comm. in Ios. (PG 87/1, 1033C; OWD 5, 360f.). Siehe Studer, Begriff der Geschichte 150–158.

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Homilia III

peccatum uideris fratris tui, continuo euolare ad publicum et proclamare passim ac diuulgare aliena peccata; quod esset utique non corrigentis, sed potius infamantis. „Solus“ inquit „inter te et ipsum corripe eum.“aVbi enim seruari sibi mysterium uiderit ille, qui peccat, seruabit et ipse emendationis pudorem; si uero diffamari se uideat, ilico ad denegandi impudentiam con­uertetur; et non solum non emendaueris peccatum, sed et duplicaueris. Disce ergo ex euangeliis ordinem. Primo, inquit, „solus inter te et ipsum“.b Secundo „adhibe tecum“ alios duos uel tres. Quare duos uel tres? „In ore enim“ inquit „duorum uel trium testium stabit omne uerbum.“ c Quoniam quidem tertio correptionem mandabat ad ecclesiam deferendam, in secundo uult duos uel tres testes adhiberi. Quibus praesentibus correptus si emendare se non uult, cum ad ecclesiam delatum fuerit eius peccatum, possit dudum adhibitis testibus confutari; frequenter enim accidit, ut uolens quis euangelicum implere mandatum calumniator uideatur, si crimen deferat ad ecclesiam et deficiat testibus. Ne ergo hoc accidat, idcirco duos uel tres testes in secunda conuentione iussit adhiberi. Cum ergo et euangelii tale mandatum sit et lex praecipiat quia, si tacuerit, accipiet peccatum eius, sciendum est quod, si quis ea, quae uidet in delicto proximi sui, uel non indicat secundum regulam superius datam uel in testimonium uocatus non, quae uera sunt, dixerit, peccatum, quod commisit ille, quem celat, ipse suscipiet et poena commissi reuoluetur ad conscium. Sufficienter ergo in hoc | capite ipse nos aedificauit textus historiae. Puto tamen quod et illa anima, quae legit scriptum in lege Dei quia: „Iurauit Dominus nec eum poenitebit; tu es sacerdos in aeternum secundum ordinem Melchisedec“,d „audit uocem iuramenti“,e ut faciunt scribae et Pharisaei semper haec meditantes, sed tacent et enuntiare ad populum nolunt, ne Christi testentur aduentum. Propterea ergo ipsi accipient peccatum, in quo non enuntiantes ad populum, quae uera sunt, peccare faciunt Istrahel. 3. Post haec alia lex promulgatur. „Anima“ inquit „quaecumque tetigerit omnem rem immundam aut morticinum iumentorum immundorum, et a

Mt. 18,15

b

Mt. 18,15

c

Dtn. 19,15; Mt. 18,16

d

Ps. 109(110),4

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Lev. 5,1

72 An diese Evangelienstelle schließt Origenes Ausführungen zur kirchlichen Bußpraxis

an. Vgl. die Zusammenfassung der einzelnen Schritte entsprechend der Anweisung im Matthäusevangelium in Ios. hom. 7,6 (GCS Orig. 7, 333): „Wenn man jemand sündigen sieht, kommt man zuerst im Geheimen zusammen, dann auch mit zwei oder drei Zeugen; wenn er das verachtet und sich nach der Zurechtweisung durch die Kirche nicht bessert, soll er aus der Kirche ausgestoßen werden und man soll ihn für einen Heiden oder einen Zöllner halten.“ 73 Mt. 18,16 spricht von „ein oder zwei Zeugen“, die herangezogen werden sollen. Das ergibt mit dem ersten Tadelnden zusammen zwei oder drei, wie in Dtn. 19,15 gefordert. 74 Wiederum verwendet Origenes den Begriff historia, der den wörtlichen Sinn eines Textes meint: siehe oben S. 103 Anm. 71.

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Homilie 3,2–3

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Anzeigens der Sünde festsetzte.72 Denn er will nicht, dass du, wenn du vielleicht eine Sünde deines Bruders siehst, sofort an die Öffentlichkeit eilst und umherschreist und die fremden Sünden verbreitest; das wäre gewiss nicht korrigieren, sondern vielmehr diffamieren. „Nur unter vier Augen tadle ihn“,a heißt es. Denn sobald jener, der sündigt, sieht, dass sein Geheimnis bewahrt wird, wird auch er selbst die Scham der Besserung bewahren; wenn er hingegen sieht, dass er diffamiert wird, wird er sich sofort der Schamlosigkeit des Leugnens zuwenden; und du verbesserst nicht nur seine Sünde nicht, sondern verdoppelst sie auch noch. Lerne also die Reihenfolge aus den Evangelien. Zuerst, heißt es, „nur unter vier Augen“.b Als zweites „ziehe mit dir“ zwei oder drei andere heran.73 Warum zwei oder drei? „Denn durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen“, heißt es, „wird jede Behauptung feststehen.“ c Weil er freilich als drittes anordnete, den Tadel der Gemeinde zu übertragen, will er als zweites, dass zwei oder drei Zeugen herangezogen werden. Wenn er sich, nachdem er in deren Anwesenheit getadelt wurde, nicht bessern will, kann er, wenn seine Sünde an die Gemeinde berichtet wird, durch die beiden schon zuvor herangezogenen Zeugen widerlegt werden; denn häufig geschieht es, dass jemand, der die Anordnung des Evangeliums erfüllen will, als Verleumder erscheint, wenn er das Verbrechen an die Gemeinde berichtet und keine Zeugen hat. Damit das also nicht geschieht, deshalb hat er befohlen, bei der zweiten Zusammenkunft zwei oder drei Zeugen heranzuziehen. Weil also sowohl das Evangelium eine solche Anordnung enthält als auch das Gesetz vorschreibt, dass er dessen Sünde annehmen wird, wenn er schweigt, soll man wissen: Wenn jemand das, was er im Vergehen seines Nächsten sieht, entweder nicht gemäß der vorher gegebenen Regel anzeigt oder, wenn er zum Zeugnis gerufen wird, nicht die Wahrheit sagt, wird er selbst die Sünde, die jener, den er deckt, begangen hat, auf sich nehmen und wird die Strafe für das Vergehen auf den Mitwisser zurückfallen. Zur Genüge also hat uns in diesem Kapitel der Text der Erzählung selbst erbaut.74 Ich glaube dennoch, dass auch jene Seele, die im Gesetz Gottes geschrieben liest: „Der Herr hat geschworen und es wird ihn nicht reuen; du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“,d „eine Schwurformel hört“,e wie es die Schriftgelehrten und Pharisäer machen, die immer hierüber nachdenken, jedoch schweigen und es dem Volk nicht kundtun wollen, um nicht die Ankunft Christi zu bezeugen.75 Deswegen nehmen diese also eine Sünde auf sich, durch die sie, weil sie dem Volk nicht die Wahrheit kundtun, Israel zu sündigen veranlassen. 3. Danach wird ein anderes Gesetz bekannt gemacht. „Welche Seele76 auch immer“, heißt es, „eine unreine Sache oder den Kadaver von unreinen 75 Siehe dazu oben S. 102 Anm. 70. 76 Von hier ab ist das Folgende bis S. 106 Z. 33 dicendum est ausgeschrieben bei Aeneas

von Paris, adv. Graec. 157 (PL 121, 734D–735D).

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Homilia III

latuerit eum“, et inquinatus est, „aut si tetigerit ab immunditia hominis, ab omni immunditia, ex qua inquinetur“, et cetera.a Haec quidem apud Iudaeos indecenter satis et inutiliter obseruantur. Vt quid enim immundus habeatur, qui contigerit, uerbi causa, animal mortuum aut corpus hominis defuncti? Quid si prophetae corpus sit? Quid si patriarchae uel etiam ipsius Abrahae corpus? Quid si et ossa contigerit, immundus erit? Quid si Helisaei ossa contingat, quae mortuum suscitant? b Immundus erit ille, qui contingit, et immundum faciunt ossa prophetae etiam illum ipsum, quem a mortuis suscitant? Vide quam inconueniens sit Iudaica intelligentia. Sed nos uideamus primo, quid sit tangere et quid sit tactus, qui faciat immundum, qui uero sit tactus, qui faciat mundum. Apostolus dicit: „Bonum est homini mulierem non tangere.“ c Hic tactus immundus est; hoc est enim illud, quod Dominus in euangelio dixit: Si „quis uiderit mulierem ad concupiscendum, iam moechatus est eam in corde suo.“ d Tetigit enim cor eius concupiscentiae uitium et immunda facta est anima eius. Si qui ergo hoc modo tangit aliquam rem, id est uel per mulieris concupiscentiam uel per pecuniae cupiditatem uel alio quolibet peccati desiderio, immundum tetigit et inquinatus est. Oportet ergo te, si quid tale contigeris, scire, quomodo offeras sacrificium, secundum ea, quae in superioribus memorauimus, ut mundus effici possis. Vis tibi ostendam, quae est anima, quae | tetigit immundum e et immunda facta est, et rursum tetigit mundum et facta est munda? Illa, quae profluuium sanguinis passa est et erogauit omnem substantiam suam in medicos nec aliquid proficere potuit,f per immunditiam peccati in hoc deuoluta est.Tetigerat enim peccatum et idcirco flagellum carnis acceperat. Sed posteaquam fide plena „tetigit fimbriam“ Iesu, „stetit fluxus sanguinis eius“ g et repente facta est munda, quae ante per tantum tempus uixit immunda. Et quemadmodum, cum tetigisset Dominum et Saluatorem, dixit ipse: „Quis me tetigit?“ h Ego enim „sensi uirtutem exisse de me“ i – illam sine dubio uirtutem, quae mulierem sanauerat et fecerat eam mundam –, sic intelligendum est quia, si qui contigerit peccatum, exeat ex ipso peccato uirtus quaedam maligna, quae eum, qui se contigit, faciat immundum; et hoc est uere contigisse immundum. Simili ratione etiam de morticino hominis uel de morticino pecoris mundi aut immundi j dicendum est. Morticinum namque hominis contingit is, qui in peccatis suis mortuum quempiam uel sequitur uel imitatur. Sed si singulorum differentiae requirendae sunt, singula recenseamus. Hominis a

Lev. 5,2f. bVgl. 2 Kön. 13,21 c1 Kor. 7,1 dMt. 5,28 eVgl. Lev. 5,2 Vgl. Mk. 5,25f.; Lk. 8,43 gLk. 8,44 hLk. 8,45 i Lk. 8,46 jVgl. Lev. 5,1

f

77 Origenes wechselt hier vom femininen Subjekt „Seele“ (anima) zu maskulinen Pro-

nomen, die sich auf den damit bezeichneten Menschen beziehen. 78 Siehe oben S. 70 Anm. 19. 79 Vgl. dazu Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 714).

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Tieren berührt, und es ist ihm77 verborgen“, und er wird befleckt, „oder wenn er etwas Unreines von einem Menschen berührt, von jeglicher Unreinheit, mit der er befleckt wird“, usw.a Das wird freilich bei den Juden reichlich ungebührlich und unnütz beachtet. Denn wieso wird jemand für unrein gehalten, der zum Beispiel ein totes Tier oder den Körper eines verstorbenen Menschen berührt hat? Was ist, wenn es der Körper eines Propheten ist? Was, wenn der Körper eines Patriarchen oder gar Abrahams selbst? Wenn er aber sogar die Knochen berührt hat – wird er unrein? Was, wenn er die Knochen Elischas berührt, die einen Toten aufwecken? bWird der unrein, der sie berührt, und machen die Knochen des Propheten auch denjenigen unrein, den sie von den Toten aufwecken? Sieh, wie unpassend das jüdische Verständnis ist. Doch wir wollen zuerst sehen, was berühren bedeutet und was die Berührung ist, die unrein macht, welche Berührung es hingegen ist, die rein macht. Der Apostel sagt: „Es ist gut für den Menschen, keine Frau zu berühren.“ c Diese Berührung ist unrein; denn das ist es, was der Herr im Evangelium sagte: Wenn „jemand eine Frau begehrlich ansieht, hat er in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ d Denn sein Herz berührte das Laster des Begehrens und seine Seele wurde unrein.Wenn jemand also auf diese Weise irgendetwas berührt, das heißt durch das Begehren nach der Frau oder durch die Gier nach Geld oder ein beliebiges anderes Verlangen nach einer Sünde, hat er Unreines berührt und sich beschmutzt. Du musst also, wenn du so etwas berührt hast, wissen, wie du ein Opfer darbringst, gemäß dem, was wir im Vorhergehenden in Erinnerung gerufen haben, damit du rein werden kannst. Willst du, dass ich dir zeige, welche die Seele ist, die Unreines berührt hat e und unrein geworden ist, und andererseits die, die Reines berührt hat und rein geworden ist? Jene, die unter Blutfluss litt und ihr ganzes Vermögen für Ärzte ausgab und doch nichts ausrichten konnte,f wurde durch die Unreinheit der Sünde in diesen Zustand gestürzt. Denn sie hatte die Sünde berührt und deswegen die Geißel des Fleisches empfangen. Doch nachdem sie voll Glauben „die Franse“78 Jesu „berührte, kam ihr Blutfluss zum Stillstand“ g und sofort wurde sie, die vorher so lange Zeit unrein lebte, rein.79 Und wie der Herr und Erlöser, nachdem sie ihn berührt hatte, selbst sagte: „Wer hat mich berührt?“,h denn ich „spürte eine Kraft von mir ausgehen“ i – ohne Zweifel jene Kraft, die die Frau geheilt und die sie rein gemacht hatte –, so ist zu verstehen, dass, wenn jemand eine Sünde berührt hat, von der Sünde selbst eine bösartige Kraft ausgeht, die den, der sie berührt, unrein macht; und das heißt, dass er wahrlich Unreines berührt hat. Mit der gleichen Erklärung ist auch über die Leiche eines Menschen oder über den Kadaver eines reinen oder unreinen Tieres j zu sprechen. Die Leiche eines Menschen nämlich berührt der, der einem Toten in seinen Sünden folgt beziehungsweise ihn nachahmt. Doch wenn die Unterschiede der einzelnen Fälle geprüft werden sollen, wollen wir die einzelnen Fälle erwägen. Die

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Homilia III

morticinum, sicut supra diximus, illud possumus dicere, quod apostolus ad Corinthios dicit: „Scripsi“ inquit „uobis in epistola, ut non commisceamini fornicariis; non utique fornicariis huius mundi aut auaris aut rapacibus aut idolis seruientibus; alioquin debueratis de hoc mundo exisse. Nunc autem scripsi uobis, ut non commisceamini, si quis frater nominatur fornicator aut auarus aut idolis seruiens aut maledicus aut ebriosus aut rapax, cum huiusmodi nec cibum sumere.“a Istud est ergo hominis morticinum contingere, qui ei se socium saltem in cibo praebuerit, qui in Christo homo effectus rursum in peccatis est mortuus. Nam et illa uidua, de qua dicit apostolus, „quae in deliciis agens, uiuens mortua est“,b morticinum hominis dici potest. Sed et animalia morti|cina nihilominus quae sint in ecclesia, requirenda sunt. Si simpliciores quique ad hoc, quod nihil prudentiae egerunt, etiam in peccatorum sordibus uolutentur, hos si qui sequatur uel tangat eo tactu, quo supra exposuimus, morticinum animalium tetigit. Quod autem ecclesia habeat et animalia, audi quomodo dicit in Psalmis: „Homines et iumenta saluos facies, Domine.“ c Hi ergo, qui uerbi Dei et rationabilis instituti studium gerunt, homines appellantur; qui uero absque huiusmodi studiis uiuunt et scientiae exercitia non requirunt, fideles tamen sunt, animalia quidem, sed munda dicuntur. Sicut enim sunt quidam homines Dei, ita sunt quidam et oues Dei. Scriptum est enim quia Moyses non erat ouis Dei, sed „homo Dei“.d Et Helias non erat ouis Dei, sed „homo Dei“; sic enim ipse dicit: „Si homo Dei sum ego, descendat ignis de coelo et consumat te et quinquaginta tuos.“ eVis autem audire de ouibus Dei? Dicitur per prophetam: „Oues meae, oues sanctae sunt, dicit Dominus.“ f Et iterum Saluator dicit in euangelio: „Oues meae uocem meam audiunt.“ g Et non puto quia dixisset de hominibus quia „uocem meam audiunt“ homines. Sed haec, „qui habet aures audia

1 Kor. 5,9–11 Joh. 10,27

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1 Tim. 5,6

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Ps. 35(36),7

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Dtn. 33,1

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2 Kön. 1,10

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Vgl. Ez. 34,31

80 Es geht um Gläubige, die durch die Taufe in Christus wahre Menschen geworden

sind, danach aber wiederum sündigten und deshalb als tot bezeichnet werden. Vgl. dazu Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 711). 81 Vgl. in Gen. hom. 2,3 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 44f.): „Dieses Volk, das in der Kirche gerettet wird, wird also mit all jenen verglichen, Menschen wie Tieren, die in der Arche gerettet wurden. Doch weil es nicht für alle einen Verdienst und einen Fortschritt im Glauben gibt, deshalb stellt jene Arche auch nicht allen eine Wohnung zur Verfügung, sondern das Unterdeck ist zweistöckig und das Oberdeck dreistöckig, und Nischen werden in ihr unterteilt, um zu zeigen, dass ebenso in der Kirche, auch wenn alle von dem einen Glauben umfangen und von der einen Taufe abgewaschen werden, trotzdem nicht alle ein und denselben Fortschritt im Glauben machen, ‚sondern ein jeder an seinem Platz‘ (1 Kor. 15,23) … der wahre Noah, Christus Jesus, hat nur wenige Vertraute, wenige Söhne und Verwandte, die an seinem Wort teilhaben und sich seiner Weisheit gewachsen zeigen. Sie sind auf die höchste Stufe gestellt und ganz oben in der Arche untergebracht. Die Menge der unvernüftigen Tiere oder auch

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Leiche eines Menschen, wie wir vorher sagten, können wir das nennen, was der Apostel an die Korinther schreibt: „Ich habe euch in einem Brief geschrieben“, sagt er, „dass ihr euch nicht mit den Unzüchtigen vermischen sollt; gewiss nicht mit den Unzüchtigen dieser Welt, den Geizigen, den Räubern oder den Götzendienern; sonst hättet ihr diese Welt verlassen müssen. Nun aber habe ich euch geschrieben, dass ihr euch nicht vermischen sollt, wenn einer, der sich Bruder nennt, unzüchtig, geizig, Götzendiener, verleumderisch, trunksüchtig oder räuberisch ist, mit einem solchen Menschen nicht einmal zu essen.“a Das bedeutet es also, die Leiche eines Menschen zu berühren, sich gar dem als Tischgenosse anzubieten, der, in Christus Mensch geworden, wiederum in Sünden tot ist.80 Denn auch jene Witwe, über die der Apostel sagt, „die in Lüsten lebt, ist lebendig tot“,b kann als Leiche eines Menschen bezeichnet werden. Doch auch die tierischen Kadaver, die es in der Kirche gibt,81 sind genauso zu prüfen. Wenn sich die Einfacheren überdies, weil sie keine Klugheit an den Tag gelegt haben, sogar im Schmutz der Sünden wälzen, wenn jemand diesen folgt beziehungsweise mit der Berührung berührt, die wir vorher dargelegt haben, hat er einen Kadaver von Tieren berührt. Dass aber die Kirche auch Tiere enthält, höre, wie es in den Psalmen heißt: „Mensch und Vieh wirst du erlösen, Herr.“ c Die also, die sich dem Studium des Wortes Gottes und der vernünftigen Lehre82 widmen, werden Menschen genannt; die hingegen, die ohne Studien solcher Art leben und nicht nach Übungen in der Erkenntnis verlangen, sind dennoch gläubig, werden freilich Tiere, jedoch reine Tiere genannt. Denn so, wie manche Menschen Gottes sind, so sind manche auch Schafe Gottes.83 Denn es steht geschrieben, dass Mose nicht ein Schaf Gottes war, sondern „ein Mann Gottes“.d Auch Elija war nicht ein Schaf Gottes, sondern „ein Mann Gottes“; denn so sagt er selbst: „Wenn ich ein Mann Gottes bin, komme Feuer vom Himmel herab und verzehre dich und deine fünfzig.“ e Willst du aber etwas über die Schafe Gottes hören? Beim Propheten heißt es: „Meine Schafe, sie sind heilige Schafe, spricht der Herr.“ f Und der Erlöser sagt wiederum im Evangelium: „Meine Schafe hören meine Stimme.“ g  84 Und ich glaube nicht, dass er über Menschen gesagt hätte, dass die Menschen „meine Stimme hören“. Doch „wer Ohren hat zu Raubtiere hingegen wird unter Deck gehalten, vornehmlich die, deren wilde Natur nicht einmal die Süße des Glaubens besänftigt hat. Ein weniges über ihnen aber sind die untergebracht, die sich, auch wenn es ihnen an Vernunft gebricht, gleichwohl in höchstem Maße Einfalt und Unschuld bewahren.“ Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 75. Vgl. auch Tertullian, idol. 24,4 (CChr.SL 2, 1124): Rabe, Falke, Wolf, Hund, Schlange; Hippolyt, haer. IX 12,23 (GCS 26, 250): Hunde, Wölfe, Raben. 82 Siehe oben S. 74 Anm. 27. 83 Schafe gehören nach Lev. 11,3 zu den reinen Tieren, da sie Paarhufer und Wiederkäuer sind. 84 Vgl. dazu in Ioh. comm. XX 44,413 (GCS Orig. 4, 387).

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Homilia III

endi“, audiat,a quomodo uocem audiunt oues, homines autem uerbum eius audiunt. Ista ergo sunt animalia munda quidem propter Christum, morticina autem propter peccatum. Quae si qui tetigerit, hoc est si secutus fuerit quis in peccato, immundus erit. Et si qui huiusmodi hominis morticinum contigerit, id est eius, qui secundum rationem uiuens primo et in uerbo Dei semet ipsum exercens postmodum decidit in peccatum, si quis eum sequatur aut imitetur, hominis contingit morticinum et erit immundus. Sed et a fera captum si contigeris,b immundus eris. Quae est fera? Leo est an lupus, quae rapit homines uel iumenta? Illa, credo, fera est, de qua dicit Petrus apostolus quia „aduersarius uester diabolus sicut leo rugiens circuit quaerens quem | transuoret. Cui resistite fortes in fide.“ c Et rursum de quibus dicit apostolus Paulus: „Intrabunt enim post discessum meum lupi rapaces non parcentes gregi.“ d Ab istis ergo feris captum si uideris, noli eum sequi, noli contingere, ne et tu efficiaris immundus. Sunt praeterea et alia immunda animalia quorum morticinum uetat contingi. Immunda animalia sunt homines, qui extra Christum sunt, in quibus neque ratio neque religio ulla est. Horum ergo omnium morticina, id est peccata si uideas, dicit tibi legislator, ne contigeris, ne adtaminaueris, ne adtrectaueris. Et istae sunt immunditiae, quae merito fugiendae sunt. Hominis autem tactum refugere uel mortui corporis, cui magis sepultura religiosa deferenda est, Iudaicae haec sunt et inutiles fabulae,e „speciem quidem pietatis habentes, uirtutem uero ipsius denegantes“.f Prima ergo lex de immunditiis data est, si qui iuramenti alicuius uel delicti testis fuit et non indicauit et per hoc immundus quodammodo effectus est etiam ipse societate peccati.g Secunda lex, qua contingere immundum aliquid ac morticinum uetatur.h 4. Tertia nunc lex promulgatur huiusmodi: „Et anima“ inquit „quae iura­ ue­rit pronuntians labiis suis malefacere aut benefacere secundum omnia, quaecumque dixerit homini cum iuramento, et latuerit eum, et hic cognouerit, et peccauerit unum aliquid de istis, pronuntiet peccatum quod peccauit, et afferet pro his, quae deliquit, Domino pro peccato, quo peccauit, feminam de ouibus“ et cetera.i Quomodo quidem, si pronuntiauero labiis meis uel iura­ a

Mt. 11,15 bVgl. Lev. 5,2 c1 Petr. 5,8f. dApg. 20,29 Vgl. Lev. 5,1 hVgl. Lev. 5,2 i Lev. 5,4–6

g

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Vgl. Tit. 1,14

f

2 Tim. 3,5

85 D.  h., dass die weniger Fortgeschrittenen, die Schafe, zwar die Stimme Christi hören,

aber das Wort nicht verstehen, während die, die Origenes „Menschen“ nennt, auch den Inhalt des Gesagten wahrnehmen. 86 Vgl. dazu Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 711). 87 In Tit. 1,14 werden „jüdische Fabeln“ zusammen mit „Geboten von Menschen“ als undifferenzierte Polemik gegen Vertreter anderer Positionen genannt. In den Levitikushomilien des Origenes bezeichnet dieser Ausdruck den überholten wörtlichen Sinn, dem die Juden nach wie vor verhaftet seien: vgl. in Lev. hom. 6,3 (GCS Orig. 6, 364) und 12,4 (6, 461) sowie oben S. 37–43.

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hören“, höre dies,a wie die Schafe die Stimme hören, die Menschen aber sein Wort hören.85 Diese Tiere sind also rein wegen Christus, Kadaver aber wegen der Sünde. Wenn jemand sie berührt, das heißt, wenn er ihnen in der Sünde gefolgt ist, wird er unrein. Und wenn jemand die Leiche eines solchen Menschen berührt, das heißt von einem, der zuerst gemäß der Vernunft lebt und sich im Wort Gottes übt und danach in Sünde fällt, wenn jemand diesem folgt oder ihn nachahmt, berührt er die Leiche eines Menschen und wird unrein. Doch auch wenn du etwas von einem wilden Tier Gerissenes berührst,b wirst du unrein.Welches wilde Tier ist das? Ist es ein Löwe oder ein Wolf, der Mensch und Vieh reißt? Ich glaube, es ist jenes wilde Tier, über das der Apostel Petrus sagt: „Euer Feind, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann. Ihm widersteht, stark im Glauben!“ c  86 Und andererseits die, über die der Apostel Paulus sagt: „Denn nach meinem Weggang werden reißende Wölfe eindringen, die die Herde nicht verschonen.“ d Wenn du also ein von diesen wilden Tieren Gerissenes siehst, folge ihm nicht, berühre es nicht, damit du nicht auch unrein wirst! Es gibt außerdem auch andere unreine Tiere, deren Kadaver er zu berühren verbietet. Unreine Tiere sind die Menschen, die außerhalb von Christus sind, in denen weder irgendeine Vernunft noch irgendeine Frömmigkeit ist. Wenn du also die Leichen, das heißt die Sünden all derer siehst, sagt dir der Gesetzgeber, dass du sie nicht berühren, dass du sie nicht anrühren, dass du dich nicht mit ihnen befassen sollst. Und das sind die Unreinheiten, die mit Recht zu fliehen sind. Die Berührung eines Menschen aber zu meiden, beziehungsweise eines toten Körpers, dem vielmehr ein frommes Begräbnis zu gewähren ist, das sind jüdische und unnütze Fabeln,e  87 „die zwar den Anschein von Frömmigkeit haben, deren Kraft hingegen negieren“.f Das ist also das erste über die Unreinheiten gegebene Gesetz, wenn jemand Zeuge eines Eides beziehungsweise eines Vergehens war und es nicht anzeigte und dadurch auch selbst durch die Verbindung mit der Sünde gewissermaßen unrein geworden ist.g Das zweite ist das Gesetz, durch das verboten wird, etwas Unreines oder eine Leiche zu berühren.h 4. Das dritte Gesetz wird nun folgendermaßen bekannt gemacht: „Und eine Seele“, heißt es, „die schwört und dabei mit ihren Lippen verspricht, Böses oder Gutes zu tun, gemäß allem, was sie einem Menschen mit einem Eid gesagt hat, und es ist ihm88 verborgen, und dann erkennt er es, und er hat in irgendeinem davon gesündigt, soll er die Sünde bekennen, die er begangen hat, und er soll für das, worin er sich verfehlt hat, dem Herrn für die Sünde, durch die er gesündigt hat, ein weibliches Schaf darbringen“ usw.i Wie ich freilich, wenn ich mit meinen Lippen versprochen oder geschworen habe, 88 Origenes wechselt wiederum vom femininen Subjekt „Seele“ zu maskulinen Pro-

nomen, die sich auf den damit bezeichneten Menschen beziehen.

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Homilia III

uero benefacere et non faciam, peccati reus sim, difficultas non est ostendere; quomodo autem si iurem uel pronuntiem malefacere et non fecero, peccauerim, uerbo adsignare difficile est. Absurdum enim uidetur, uerbi gratia, ut si per iracundiam dixero me hominem occisurum et non fecero, ne perierare aut fallere uidear, cogi ad explendum opus, quod temere et illicite promisi. Quaeramus ergo, quae sit res, in qua, si promittimus nos malefacere et non fecerimus, peccamus; si uero fecerimus, excusemur a peccato,| ut rationabiliter stare praecepti ueritas possit. Quantum in hoc loco intelligendum uidetur, malefacere aduersari alicui est et non indulgere ei, ut faciat quod uult. Et nos ergo cum uenimus ad Deum et uouemus nos ei in castitate seruire, pronuntiamus labiis nostris et iuramus nos castigare carnem nostram uel male ei facere atque in seruitutem eam redigere,a ut spiritum saluum facere possimus. Sic enim et ille iurasse se dixit, qui ait: „Iuraui, et statui seruare omnia praecepta tua.“ b Quia ergo carnis uox est, quae dicit: „Non enim quod uolo ago, sed, quod odi, illud facio“,c afflicta sine dubio ab spiritu et coartata est; resistit enim et repug­ nat aduersum spiritum,d et, nisi male ei fiat, ut affligatur et infirmetur, non potest dicere spiritus: „Cum infirmor, tunc potens sum.“ e Huic ergo carni resistenti et repugnanti aduersum spiritum f si quis iurauerit et pronuntiauerit malefacere et affligere ac macerare eam et non fecerit, peccati reus est, in quo iurauit cruciare se carnem suam et seruituti subicere et non fecit. Eodem autem iuramento et spiritui decernit benefacere. In quo enim carni malefacit, spiritui benefacit. Si qui ergo hoc iurauerit et non fecerit, peccati efficitur reus.Vis autem scire quia nec potest uni horum benefieri, nisi alii malefeceris? Audi etiam Dominum ipsum dicentem: „Ego occidam et uiuere faciam.“ g Quid occidit Deus? Carnem utique. Et quid uiuere facit? Spiritum sine dubio. Et rursum in sequentibus dicit: „Percutiam, et ego sanabo.“ h Quid percutit? Carnem. Quid sanat? Spiritum. Quorsum ista proficiant? Vt faciat te mortificatum carne, uiuificatum spiritu;i ne forte et tu „mente“ seruias „legi Dei, carne autem“, si mortificata non fuerit, „legi peccati“.j Si ergo istum ordinem promiseris et seruare non quiueris, audi quid legis ordo praecipiat: „Si peccauerit“ inquit „unum aliquid de istis, pronuntiet a

Vgl. 1 Kor. 9,27 bPs. 118(119),106 cRöm. 7,15 dVgl. Gal. 5,17 e2 Kor. 12,10 Vgl. Gal. 5,17 gDtn. 32,39 hDtn. 32,39 iVgl. 1 Petr. 3,18 j Röm. 7,25

f

89 Vgl. in Hier. hom. 1,16 (GCS Orig. 32, 14f.): „Und wir haben beobachtet, dass in

der Schrift das traurig Erscheinende – um es so zu nennen – immer zuerst genannt und dann das, was heiter zu sein scheint, als zweites erwähnt wird: ‚Ich werde töten und ich werde lebendig machen‘ (Dtn 32,39) … Wen werde ich töten? Paulus, den Verräter, Paulus, den Verfolger. Und ich werde ihn lebendig machen, damit er Paulus, Apostel Jesu Christi, wird.“ Übersetzung: Fürst/Lona, OWD 11, 139. Vgl. dazu ausführlich ebd. 16,6 (32, 138f.). 90 Von hier ab ist das Folgende bis S. 114 Z. 16 hic requiesce ausgeschrieben bei Jonas von Orléans, inst. laic. I 16 (PL 106, 153D–154B).

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Gutes zu tun, und es nicht tue, der Sünde schuldig werde, ist keine Schwierigkeit zu zeigen; wie ich aber gesündigt habe, wenn ich schwöre oder verspreche, Böses zu tun, und es nicht getan habe, ist schwierig im wörtlichen Sinn zu erklären. Denn es scheint widersinnig, zum Beispiel, wenn ich im Zorn sagen würde, dass ich einen Menschen töten will, und es nicht tue, dass ich zur Ausführung der Tat gezwungen werde, die ich unüberlegt und unzulässig versprochen habe, nur damit ich nicht falsch zu schwören oder zu betrügen scheine. Wir wollen also fragen, welche Sache es gibt, in der wir, wenn wir versprechen, dass wir Böses tun, und es nicht tun, sündigen; wenn wir es hingegen tun, werden wir von der Sünde freigesprochen, damit die Wahrheit der Vorschrift vernünftig Bestand haben kann. Es scheint an dieser Stelle so zu verstehen zu sein, dass Böses zu tun bedeutet, jemandem entgegenzutreten und ihm nicht zu gestatten, dass er tut, was er will. Und wenn wir also zu Gott kommen und geloben, ihm in Keuschheit zu dienen, versprechen wir mit unseren Lippen und schwören, dass wir unser Fleisch züchtigen beziehungsweise an ihm böse handeln und es in Knechtschaft bringen,a damit wir den Geist erlösen können. Denn so sagte auch jener, dass er geschworen hatte, als er sagte: „Ich habe geschworen und bestimmt, alle deine Vorschriften zu bewahren.“ b Weil es also die Stimme des Fleisches ist, die sagt: „Denn ich tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das mache ich“,c ist es ohne Zweifel vom Geist bedrängt und eingeengt; denn es leistet Widerstand und kämpft gegen den Geist,d und wenn man an ihm nicht böse handelt, damit es bedrängt und geschwächt wird, kann der Geist nicht sagen: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ e Wenn jemand also schwört und verspricht, diesem Fleisch, das Widerstand leistet und gegen den Geist kämpft,f Böses zu tun und es zu bedrängen und zu quälen, und es nicht tut, wird er der Sünde schuldig, insofern er geschworen hat, sein Fleisch zu kreuzigen und der Knechtschaft zu unterwerfen, und es nicht getan hat. Mit demselben Eid aber hat er auch dem Geist Gutes zu tun beschlossen. Denn insofern er dem Fleisch Böses tut, tut er dem Geist Gutes. Wenn also jemand das geschworen und nicht getan hat, wird er der Sünde schuldig.Willst du aber wissen, dass keinem von diesen Gutes widerfahren kann, wenn du nicht dem anderen Böses tust? Höre auch den Herrn selbst sagen: „Ich töte und ich mache lebendig.“ gWas tötet Gott? Gewiss das Fleisch. Und was macht er lebendig? Ohne Zweifel den Geist. Und andererseits sagt er anschließend: „Ich werde verwunden und ich werde heilen.“ h Was verwundet er? Das Fleisch. Was heilt er? Den Geist.89 Wozu nützt das? Auf dass er dich im Fleisch tot, im Geist lebendig macht,i damit nicht vielleicht auch du „im Geist dem Gesetz Gottes, im Fleisch aber“, wenn es nicht abgetötet wurde, „dem Gesetz der Sünde“ j dienst. Wenn du also diese Ordnung versprochen hast und nicht halten konntest, höre, was die Ordnung des Gesetzes vorschreibt: „Wenn90 er91 in irgendeinem 91 Zum Subjekt des Satzes siehe oben S. 111 Anm. 88.

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Homilia III

peccatum, quod peccauit.“a| Est aliquid in hoc mirabile secretum, quod iubet pronuntiare peccatum. Etenim omni genere pronuntianda sunt et in publicum proferenda cuncta quae gerimus. Si quid „in occulto gerimus“,b si quid in sermone solo uel etiam intra cogitationum secreta commisimus, cuncta necesse est publicari, cuncta proferri; proferri autem ab illo, qui et accusator peccati est et incentor. Ipse enim nunc nos ut peccemus, instigat, ipse etiam, cum peccauerimus, accusat. Si ergo in hac uita praeueniamus eum et ipsi nostri accusatores simus, nequitiam diaboli inimici nostri et accusatoris effugimus. Sic enim et alibi propheta dicit: „Dic tu“ inquit „iniquitates tuas prior, ut iustificeris.“ c Nonne euidenter mysterium, de quo tractamus, ostendit, cum dicit: „Dic tu prior“, ut ostendat tibi quia praeuenire illum debeas, qui paratus est ad accusandum? „Tu“ ergo, inquit, „dic prior“, ne te ille praeueniat; quia, si prior dixeris et sacrificium poenitentiae obtuleris secundum ea, quae in superioribus diximus offerenda, et tradideris carnem tuam in interitum, „ut spiritus saluus fiat in die Domini“,d dicetur et tibi quia percepisti tu in uita tua mala tua, nunc uero hic requiesce.e Sed et Dauid eodem spiritu loquitur in Psalmis et dicit: „Iniquitatem meam notam feci, et peccatum meum non cooperui. Dixi: Pronuntiabo aduersum me iniustitiam meam, et tu remisisti impietatem“ cordis „mei.“ f Vides ergo quia pronuntiare peccatum remissionem peccati meretur. Praeuentus enim diabolus in accusatione ultra nos accusare non poterit, et, si ipsi nostri accusatores simus,g proficit nobis ad salutem; si uero exspectemus, ut a diabolo accusemur, accusatio illa cedit nobis ad poenam; habebit enim socios in gehenna, quos conuicerit criminum socios. 5. Multum erit nunc hostiarum diuersitates et sacrificiorum ritus ac uarie­tates exsequi et longe alterius operis quam eius uerbi, quod in communi auditorio uulgus excipiat. Verum ut aliqua in transcursu perstringere uideamur, omnis quidem paene hostia, quae offertur, habet aliquid formae et a

Lev. 5,4f. bJoh. 7,4 Vgl. Spr. 18,17

g

c

Jes. 43,26

d

1 Kor. 5,5

e

Vgl. Lk. 16,25

f

Ps. 31(32),5

92 Dieses „wunderbare Geheimnis“ beschreibt Origenes, in Hier. hom. 20(19),8 (GCS

Orig. 32, 189), ausgehend von Jer. 20,9: „Verstehe ferner, was für einsichtsvolle Menschen die Propheten sind, da sie einerseits ihre eigenen Sünden nicht verbergen wie wir und andererseits nicht nur zu den Menschen damals sprechen, sondern zu allen Generationen, wenn sie gesündigt haben. Auch ich zögere, meine Sünden vor den wenigen Leuten hier zu bekennen, weil die Zuhörer mich verurteilen werden. Wenn aber Jeremia etwas Sündiges verspürte, schämte er sich nicht, sondern schrieb seine Sünde auf.“ Übersetzung: Fürst/Lona, OWD 11, 515–517. 93 Zum Folgenden vgl. Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 710). 94 Vgl. in Ps. 37 hom. 2,2 (SC 411, 306): „Denn ich nenne schon gerecht, wenn jemand zuerst Ankläger seiner selbst wird, so wie das Wort der Schrift es anzeigt (vgl. Spr. 18,17). Denn die Schrift nennt jenen weise, der, wenn er bezichtigt wird, nicht den hasst, der ihn bezichtigt, sondern ihn überdies sogar liebt. So wird auch der gerecht genannt, der nach einem Vergehen nicht in den Vergehen verbleibt noch darauf

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davon gesündigt hat“, heißt es, „soll er die Sünde bekennen, die er begangen hat.“a Es liegt ein wunderbares Geheimnis darin, dass er befiehlt, die Sünde zu bekennen.92 Denn auf jede Weise ist alles, was wir tun, zu bekennen und in die Öffentlichkeit zu bringen. Wenn93 wir etwas „im Verborgenen tun“,b wenn wir etwas nur im Wort oder auch nur im Geheimen der Gedanken begangen haben, ist es notwendig, alles öffentlich zu machen, alles vorzubringen; vorzubringen ist es aber von dem, der sowohl der Ankläger als auch der Anstifter der Sünde ist. Denn derselbe stachelt uns jetzt an zu sündigen, derselbe klagt auch an, wenn wir gesündigt haben. Wenn wir ihm also in diesem Leben zuvorkommen und selbst unsere Ankläger sind, entkommen wir der Nichtsnutzigkeit des Teufels, unseres Feindes und Anklägers. Denn so sagt der Prophet auch an anderer Stelle: „Sag du“, heißt es, „deine Ungerechtigkeiten vorher, damit du gerechtfertigt wirst.“ c Zeigt es nicht offensichtlich das Geheimnis, das wir behandeln, wenn es heißt: „Sag du vorher“, um dir zu zeigen, dass du jenem zuvorkommen musst, der bereit ist anzuklagen? „Du“ also, heißt es, „sag vorher“, damit nicht jener dir zuvorkommt; denn wenn du vorher geredet und ein Schuldopfer dargebracht hast gemäß dem, was darzubringen wir im Vorhergehenden gesagt haben, und wenn du dein Fleisch der Vernichtung übergeben hast, „damit der Geist am Tag des Herrn erlöst wird“,d wird auch dir gesagt: Du hast in deinem Leben dein Böses empfangen, nun hingegen komm hier zur Ruhe! e Doch auch David spricht in demselben Geist in den Psalmen und sagt: „Ich habe meine Ungerechtigkeit bekannt gemacht, und meine Sünde habe ich nicht bedeckt. Ich habe gesagt: Ich werde meine Ungerechtigkeit gegen mich bekennen, und du hast die Gottlosigkeit meines“ Herzens „vergeben.“ f Du siehst also, dass die Sünde zu bekennen die Vergebung der Sünde verdient.94 Denn wenn wir dem Teufel bei der Anklage zuvorgekommen sind, wird er uns nicht länger anklagen können, und wenn wir die Ankläger unserer selbst sind,g nützt es uns zur Erlösung; wenn wir hingegen warten, dass wir vom Teufel angeklagt werden, wendet sich für uns diese Anklage zur Strafe; denn er wird die als Gefährten in der Hölle haben, die er als Gefährten seiner Verbrechen überführt hat. 5. Es würde zu viel sein, nun der Unterschiedlichkeit der Opfergaben und den verschiedenen Riten der Opfer nachzugehen, und Sache eines ganz anderen Werkes als dieser Darlegung, die die Menge in einer gewöhnlichen Predigt aufnimmt.95 Damit wir jedoch einiges in einem kurzen Durchgang zu streifen scheinen: Beinahe jedes Opfer, das dargebracht wird, hat etwas von der Gestalt und dem Bild Christi an sich. In ihm wird nämlich jedes Opfer wartet, dass der Teufel sein Ankläger wird noch dass jener seine Sünden in die Öffentlichkeit trägt, sondern sich selbst bezichtigt, sich selbst überführt und durch sein Bekenntnis vom Tod befreit wird.“ Das öffentliche Bekenntnis ist Teil der kirchlichen Buße: siehe Rahner, Bußlehre des Origenes 138f. 142f. 95 Die ausführliche Erklärung wäre Sache eines (schriftlichen) gelehrten Kommentars. Zur Klage über Zeitmangel beim Predigen siehe oben S. 80 Anm. 33.

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Homilia III

imaginis Christi. In ipsum namque omnis hostia recapitulatur, in tantum ut, postquam ipse oblatus est,a omnes hostiae cessauerint, quae eum in typo et umbra praecesserant;b de quibus, prout potuimus, in superioribus, quomodo uitulus a pontifice oblatus siue in munere siue pro peccato, formam eius haberet, ostendimus. „Adipes“ uero, qui offeruntur in munere, „operientes interiora et renibus cohaerentes“ c potest sancta illa eius anima intelligi, quae interiora quidem, id est diuinitatis eius secreta, uelabat, renibus autem, hoc est corporali materiae, quae ex nobis caste sumpta fuerat, cohaerebat; et media inter carnem Deumque posita sanctificandam sacris altaribus et diuinis ignibus illustrandam, conseruandam secum ad coelos naturam carnis imponit. Renunculi autem ignibus traditi quis dubitet quod nullos in Christo fuisse indicent genitalium partium motus? Quod uero „de sanguine“ hostiae „septiens ante Dominum“ sacerdos „respergere“ d memoratur, euidenter sancti Spiritus uirtus septemplicis gratiae sub mysterio designatur.e Quattuor cornua altaris, quae sanguine liniuntur,f Christi passionem referri quattuor euangeliis indicant. Penna iecoris quod offertur, in iecore ira iugulatur, in penna uelox et concita uis furoris ostenditur. Reliquus autem sanguis, qui ad basim altaris effunditur,g puto quod illius gratiae formam designet, qua in nouissimis diebus, posteaquam „plenitudo gentium subintroierit“, „omnis“ qui reliquus fuerit „Istrahel“,h ad ultimum uelut ad basim altaris positus effusionem Christi sanguinis etiam ipse suscipiet. De agnis uero et hoedis, turturibus et | columbis, sed et simila conspersa in oleo i aut in panibus azymis cocta,j quantum res pati potuit, supra dictum est. 6. Videamus nunc, quae lex proponitur in offerendis hostiis pro peccato.k „Et locutus est“ inquit „Dominus ad Moysen dicens: Anima si qua latuerit et peccauerit non uolens a sanctis Domini, offeret pro delicto suo Domino arietem immaculatum de ouibus, pretio argenti siclo sancto in eo, quod deliquit. Et quod peccauit a sanctis, reddet, et quintas adiciet ad illud, et dabit illud a

Vgl. Hebr. 9,14 bVgl. Hebr. 10,1 cLev. 3,3f. dLev. 4,6 eVgl. Jes. 11,2f. fVgl. Lev. 4,7 Vgl. Lev. 4,7 hRöm. 11,25f. iVgl. Lev. 2,5 jVgl. Lev. 2,4 kVgl. Lev. 5,6

g

96 Vgl. oben in Lev. hom. 2,3 (GCS Orig. 6, 294). 97 In Ps. 81 hom. 1 (GCS Orig. 13, 512f.) hebt Origenes es als „verwunderlicher als alles

andere“ hervor, „dass er (sc. der Logos oder der Heilige Geist) auch den Leib zu Gott machte, auf dass er nicht mehr Fleisch und Blut (vgl. 1 Kor. 15,50) ist, sondern ‚dem Leib der Herrlichkeit‘ Christi Jesu ‚gleichgestaltet‘ wurde (Phil. 3,21) und, zu Gott gemacht, in Herrlichkeit in den Himmel aufgenommen wurde …“ Die Aussagen gehören zur positiven Bewertung des Fleisches und generell der Materie bei Origenes; siehe Fürst, Matter and Body 573–575. 98 Zu den Nieren (bzw. die Lenden) als Bild für die Zeugung vgl. in Hiez. hom. 1,3 (GCS Orig. 8, 323): „Die Niere (Lende) ist ja ein Symbol für Geschlechtsverkehr“; in Hiez. frg. 2 (OO 8, 433): ὀσφὺς γὰρ γεννήσεως σύμβολον.

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zusammengefasst, insofern als, nachdem er sich selbst dargebracht hat,a alle Opfer aufgehört haben, die ihm im Typus und im Schatten vorausgegangen waren;b von diesen haben wir im Vorhergehenden, so gut wir konnten, gezeigt,96 wie das Kalb, das vom Priester entweder als Gabe oder für eine Sünde dargebracht wird, seine Gestalt an sich hat. „Das Fett“ hingegen, das als Gabe dargebracht wird, „das die Innereien bedeckt und mit den Nieren verbunden ist“,c kann als seine heilige Seele verstanden werden, die zwar die Innereien, das heißt seine verborgene Gottheit, verhüllte, aber mit den Nieren, das heißt mit der körperlichen Materie, die er von uns rein angenommen hatte, verbunden war; und, in der Mitte zwischen dem Fleisch und Gott befindlich, legt sie die Natur des Fleisches auf die heiligen Altäre, um sie zu heiligen und durch göttliches Feuer zu erleuchten, um sie mit ihr für den Himmel zu bewahren.97 Die Nierchen aber, die dem Feuer übergeben wurden, wer möchte bezweifeln, dass sie darauf hinweisen, dass es in Christus keinerlei Regungen der Geschlechtsteile gab?98 Dass hingegen erwähnt wird, dass der Priester „vom Blut“ des Opfers „siebenmal vor dem Herrn aussprengt“,d bezeichnet offensichtlich in der Weise des Mysteriums die Kraft der siebenfachen Gnade des Heiligen Geistes.e  99 Die vier Hörner des Altars, die mit dem Blut bestrichen werden,f verweisen darauf, dass das Leiden Christi von den vier Evangelien berichtet wird. Indem der Flügel der Leber dargebracht wird, wird in der Leber der Zorn geschlachtet, wird im Flügel auf die schnelle und erregte Kraft der Raserei verwiesen. Das übrige Blut aber, das an den Sockel des Altars ausgegossen wird,g bezeichnet, glaube ich, die Gestalt jener Gnade, durch die sich in den letzten Tagen, nachdem „die Fülle der Heidenvölker eingetreten ist“, „ganz Israel“,h das übrig sein wird, zuletzt gleichsam beim Sockel des Altars befinden und auch selbst die Ausgießung des Blutes Christi empfangen wird. Von den Lämmern hingegen und den Böcken, den Turteltauben und den Tauben, aber auch vom Feinmehl, das mit Öl vermengt i oder in ungesäuerten Broten gebacken wurde,j wurde, soweit es die Sache zuließ, vorher gesprochen.100 6. Wir wollen nun sehen, welches Gesetz über die Opfer, die für die Sünde darzubringen sind,k vorgelegt wird. „Und der Herr sagte“, heißt es, „zu Mose:Wenn es einer Seele verborgen blieb und sie unwillentlich an den dem Herrn heiligen Gütern sündigte, soll sie für ihre Verfehlung dem Herrn einen makellosen Widder von den Schafen darbringen, vom Preis des heiligen Silberschekels gleich dem, worin sie sich verfehlte. Und was sie an den heiligen Gütern gesündigt hat, soll sie zurückgeben und ein Fünftel zu diesem hinzufügen und es dem Priester geben, und der Priester soll für ihn mit dem Wid99 Zur Begründung dafür, dass hier nicht auf Offb. 1,4 zu verweisen ist, wie das Baehrens , GCS

Orig. 6, 309, und Borret, SC 286, 144, tun, sondern auf Jes. 11,2f., siehe die Erläuterungen bei Fürst/Hengstermann, OWD 10, 44 Anm. 195. 100 Vgl. oben in Lev. hom. 2,2 (GCS Orig. 6, 290f.).

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sacerdoti, et sacerdos exorabit pro eo in ariete delicti, et remittetur ei.“a In superioribus legibus, quae de immunditiae sacrificiis referebantur, sicubi dixit offerendum, uerbi causa, ouem aut hoedum, addidit: „Quod si non sufficiet manus eius ad hoedum aut agnum, offerat par turturum aut duos pullos columbinos“,b et iterum: „Quod si nec ad hoc sufficiet, offeret similaginem.“ c In hac uero lege, ubi de peccato, quod in sanctis committitur, disserit, nullam substitutionem inferioris hostiae secundae uel tertiae subrogauit, sed statuit solum arietem offerendum; nec aliter ostendit solui posse peccatum, quod in sancta committitur, nisi arietem iugulauerit; et non simpliciter arietem, sed arietem pretio emptum et certo pretio: „siclo“ inquit „sancto“.d Quid igitur? Si quis pauper fuerit et non habuerit siclum sanctum, unde mercari possit arietem, peccatum eius non soluetur? Quaerendae sunt ergo unicuique et diuitiae, ut peccatum eius possit absolui. Verum si dignetur Dominus uel nobis oculos ad uidendum uel uobis ad audiendum aures cordis aperire, quid sibi uelit legislatoris sensus opertus mysteriis, requiremus. Et primo quidem uideamus hoc ipsum, quod recitatum est, secundum litteram quale sit.Videtur de his dicere, in quorum manibus sancta commissa sunt, id est quae in Domini donis oblata sunt; uerbi gratia, uota et munera, quae in ecclesiis Dei ad usum sanctorum et ministerium sacerdotum uel quae ob necessitatem pauperum a deuotis et religiosis mentibus offeruntur. De his si qui qualibet praesumptione subtraxerit, | decernit lex, ut, si rememoratus fuerit peccasse se et sponte compunctionem cordis acceperit – de eo enim, qui non sponte compungitur, sed alio arguente conuincitur, difficilius remedium est – hic ergo, qui sponte recordatus fuerit peccatum suum, „reddet“, inquit, illud ipsum, quod subtraxerat, „et addet ad illud quintas et offeret arietem pro peccato“ e emptum „pretio siclo sancto“.f Quod dicit: „Addet ad illud quintas“, simpliciores quique aestimant ita dictum, ut, uerbi causa, si quinque nummi subtracti sunt, unus addatur, ut pro quinque sex reddere uideatur. Sed qui in disciplina numerorum peritiam gerunt, longe aliter istius uocabuli numerum supputant. Nam et in Graeco non habet πέμπτον, quod simpliciter quintas facit, sed habet ἐπίπεμπτον, quod nos quidem possumus dicere ‚super quintas‘, nisi diceretur istud specialis cuiusdam numeri apud illos esse uocabulum, quo indicetur pro quinque alios quinque dandos et a

Lev. 5,14–16

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Lev. 5,7

c

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der der Verfehlung bitten, und ihm wird vergeben werden.“a In den vorhergehenden Gesetzen, die die Reinigungsopfer betrafen, wo er zum Beispiel sagte, dass ein Schaf oder ein Bock darzubringen sei, fügte er hinzu: „Wenn seine Mittel aber nicht für einen Bock oder ein Lamm ausreichen, soll er ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben darbringen“,b und erneut: „Wenn es aber auch dazu nicht reicht, soll er Feinmehl darbringen.“ c In diesem Gesetz hingegen, wo er die Sünde, die gegen die heiligen Güter begangen wird, erörtert, schlug er keinen Ersatz durch ein minderwertigeres zweites oder drittes Opfer vor, sondern setzte fest, dass nur ein Widder darzubringen ist; er zeigt, dass die Sünde, die gegen die heiligen Güter begangen wird, nicht anders gelöst werden kann, als dass man einen Widder schlachtet; und nicht einfach einen Widder, sondern einen um einen Preis gekauften Widder, und zwar um einen bestimmten Preis: „um den heiligen Schekel“, heißt es.dWas also? Wenn jemand arm ist und keinen heiligen Schekel hat, womit er einen Widder kaufen kann, wird seine Sünde nicht gelöst werden? Es muss also ein jeder auch Reichtum erwerben, damit seine Sünde gelöst werden kann.Wenn aber der Herr geruht, dass uns die Augen zum Sehen oder euch die Ohren des Herzens zum Hören geöffnet werden, wollen wir prüfen, was der Sinn des Gesetzgebers, der in den Mysterien verborgen ist, beabsichtigt. Und zuerst wollen wir sehen, was es mit eben dem, was vorgelesen wurde, dem Buchstaben nach auf sich hat. Der Text scheint über die zu reden, in deren Hände die heiligen Güter, das heißt, was als Opfergaben für den Herrn dargebracht wurde, übergeben wurden; zum Beispiel Votivgaben und Gaben, die in den Gemeinden Gottes zum Gebrauch der Heiligen und zum Dienst der Priester beziehungsweise für die Bedürfnisse der Armen von ergebenen und frommen Seelen dargebracht werden. Wenn jemand von diesen, unter welchem Vorwand auch immer, etwas entwendet, entscheidet das Gesetz, wenn er sich erinnert, dass er gesündigt hat und von sich aus von Herzen bereut – denn für den, der nicht von sich aus bereut, sondern überführt wird, indem er von einem anderen bezichtigt wird, ist ein Heilmittel schwieriger –; der also, der sich von sich aus an seine Sünde erinnert, „soll zurückgeben“, heißt es, was er entwendet hat, „und soll zu diesem ein Fünftel hinzufügen und einen Widder für die Sünde darbringen“,e den er „um den Preis eines heiligen Schekels“ f gekauft hat. Wenn es heißt, „er soll zu diesem ein Fünftel hinzufügen“, meinen die einfacheren Leute, es sei so gemeint, dass zum Beispiel, wenn fünf Münzen entwendet wurden, eine hinzugefügt werden soll, sodass offenbar anstatt fünf sechs zurückgegeben werden. Die jedoch in der Wissenschaft von den Zahlen kundig sind, berechnen die Zahl dieses Wortes ganz anders. Denn auch im Griechischen steht nicht pempton, was einfach ein Fünftel macht, sondern epipempton, wofür wir ‚ein Fünftel darüber hinaus‘ sagen können, wenn nicht gesagt würde, dass das bei jenen die Bezeichnung einer besonderen Zahl ist, durch die angezeigt wird, dass für fünf weitere fünf und eine darüber hinaus zu geben sind; zum Beispiel soll verstanden werden,

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unum super; ut uerbi gratia intelligatur, qui furatus sit quinque nummos, ipsos quidem quinque restituere et alios quinque uno superaddito. Nec tamen haec continuo pro furtis aut fraudibus intelligenda sunt, sed quod etiam si qui pro usibus necessariis sibi de sanctis pecuniam sumpsit et moras attulit in restituendo, huiusmodi lege constringitur. Quae lex etiam secundum litteram aedificare debet audientes.Valde enim utilis et necessaria est obseruatio, his praecipue, qui ecclesiasticis dispensationibus praesunt, ut sciant sibi ab his, quae in usum sanctorum oblata sunt, cautius et diligentius obseruandum. 7. Sed et nos, quibus ista forte non accidunt, uideamus, qua ex parte sermo legis aedificet. Et ego hodie, licet peccator sim, tamen quia dispensatio mihi uerbi dominici credita est, sancta Dei uideor habere commissa. Neque nunc primum, sed saepe iam et olim dispen|satione hac erga uos utimur. Si qui ergo ex uobis suscepit a me dominicam pecuniam et, ut fieri solet, egressus ecclesiam et diuersis occupationibus saeculi raptus obliuioni, quae audierat, dedit nec opus aliquod ex uerbo, quo suscepit, impleuit, iste est, qui pecuniam de sanctis susceptam non reddidit.Vnde uel his auditis in memoriam reuocet quod ea, quae dudum sibi fuerant in uerbo Dei commissa, neglexit. Reddat ergo et hoc, quod accepit, et addat ad id quintas eo modo, quo ante iam diximus, id est, ut bis quina sint et unus superaddatur. Videamus ergo, quomodo quinque isti reddantur. Quinque numerus frequenter, immo paene semper pro quinque sensibus accipitur. Scire ergo debemus hoc modo istos quinque sanctis posse restitui, ut, si forte praesumpsimus abuti iis in saecularibus actibus et impendimus usum eorum in his, quae non secundum Deum gessimus, restituamus nunc et ipsos quinque sanctis actibus religiosisque ministeriis et alios eis quinque addamus, qui sunt inte­

101 Zur Erbauung als Ziel der Predigten des Origenes siehe oben S. 63 Anm. 10. 102 Für eine positive Beurteilung einer wörtlichen Beachtung des Gesetzes vgl. z.  B. in

Num. hom. 11,1 (GCS Orig. 7, 75): „Es gibt nämlich etliche Anordnungen des Gesetzes, die sogar die Jünger des Neuen Testaments für notwendig zu beachten halten.“ Anders äußert sich Origenes, in Lev. hom. 4,2 (GCS Orig. 6, 317): Das Gesetz ist für die Ungerechten gegeben, nicht für die Heiligen und Gläubigen. Letztere sollen den Buchstaben des Gesetzes denen überlassen, die es nicht besser verstehen, und sich selbst vom geistigen Sinn erbauen lassen. Vgl. ferner Cels. VIII 17–23 (GCS Orig. 2, 234–240): Auf den Vorwurf, dass Christen keine Altäre, Gottesbilder und Tempel errichten, erwidert Origenes, dass die christlichen Altäre, Bilder und Tempel das Leben nach den Tugenden sind. Für die im Glauben Vollkommenen ist damit jeder Tag – in christlicher Tugend gelebt – ein Festtag, sodass Feste wie Pascha u.  a. nicht mehr gefeiert werden: Während „der vollkommene Christ, der sich immer mit den Worten, Werken und Gedanken des Logos Gottes beschäftigt, der seiner Natur nach Herr ist, immer in seinen Tagen lebt und immer die Herrentage begeht“, haben die nicht so weit Fortgeschrittenen es nötig, die sichtbaren Feste zu feiern: ebd. VIII 22f. (2, 239f.); Übersetzung: Barthold, FC 50, 1365. 103 Vgl. in Ex. hom. 13,1 (GCS Orig. 6, 270); in Matth. comm. ser. 68 (GCS Orig. 11, 161).

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wer fünf Münzen gestohlen hat, muss fünf erstatten und weitere fünf, mit einer darüber hinaus. Dennoch ist das nicht ohne weiteres für Diebstähle und Betrugsfälle zu verstehen, sondern sogar, wenn jemand sich für notwendigen Gebrauch Geld von den heiligen Gütern genommen hat und die Rückgabe verzögert, wird er von einem Gesetz dieser Art verpflichtet. Dieses Gesetz soll die Hörenden sogar nach dem Buchstaben erbauen.101 Denn sehr nützlich und notwendig ist seine Beachtung,102 besonders für die, die den kirchlichen Verwaltungen vorstehen, damit sie wissen, dass das, was zum Gebrauch der Heiligen dargebracht wurde, mit größerer Vorsicht und Sorgfalt zu verwahren ist. 7. Doch auch wir, die das wohl nicht betrifft, wollen sehen, von welcher Seite das Wort des Gesetzes erbaut. Auch ich scheine heute, auch wenn ich ein Sünder bin, dennoch, weil mir die Vermittlung des Wortes des Herrn anvertraut ist, die heiligen Güter Gottes zu haben, die mir übergeben sind. Und nicht jetzt das erste Mal, sondern oft schon und seit langem bin ich gewohnt, diese an euch zu verteilen.103 Wenn jemand von euch also von mir Geld des Herrn empfangen hat und, wie es üblicherweise geschieht, die Kirche verlässt und, von den verschiedenen Beschäftigungen der Welt ergriffen, dem Vergessen anheimgibt, was er gehört hat, und nicht ein Werk aus dem Wort, das er empfangen hat, erfüllt, ist er der, der Geld, das er von den heiligen Gütern empfangen hat, nicht zurückgibt. Daher soll er sich wenigstens, nachdem er dies gehört hat, ins Gedächtnis zurückrufen, dass er das, was ihm jüngst im Wort des Herrn übergeben worden war, vernachlässigt hat.104 Er soll also sowohl das zurückgeben, was er erhalten hat, als auch dazu ein Fünftel hinzufügen in der Weise, wie wir schon vorher sagten, das heißt, dass es zweimal fünf sind und eines darüber hinaus hinzugefügt wird. Wir wollen also sehen, wie diese fünf zurückgegeben werden. Die Zahl fünf wird oft, ja vielmehr fast immer, für die fünf Sinne genommen.105 Wir müssen also wissen, dass diese fünf den heiligen Gütern auf diese Weise zurückerstattet werden können, dass, wenn wir uns vielleicht herausnahmen, sie in weltlichen Handlungen zu missbrauchen, und sie für etwas verwendeten, was wir nicht Gott gemäß taten, wir nun sowohl diese fünf Sinne den heiligen Handlungen und den religiösen Diensten zurückerstatten als auch ihnen weitere fünf hinzufügen, die die Sinne des inneren Menschen sind;106 durch 104 Vor Nachlässigkeit als Hauptursache für die Sünde warnt Origenes seine Gemeinde

häufig, z.  B. in Ios. hom. 1,6 (GCS Orig. 7, 294); 5,1 (7, 314f.); 21,2 (7, 431); 22,4 (7, 436); ferner z.  B. in Lev. hom. 5,2 (GCS Orig. 6, 337); 16,2 (6, 495f.). 105 Vgl. in Gen. hom. 16,6 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 226): Die Zahl fünf bezeichnet die fünf „körperlichen Sinne“ (sensus corporei). 106 Hier folgt eine geistige Interpretation der fünf Sinne. Mit Hilfe von Schriftzitaten fordert Origenes seine Zuhörer auf, Seh-, Hör-, Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn auf Gott auszurichten und für den spirituellen Fortschritt des inneren Menschen (zu diesem siehe oben S. 60 Anm. 3) einzusetzen. Zur Theorie der fünf geistigen Sinne

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rioris hominis sensus; per quos uel „mundi corde“a effecti Deum uidemus uel „aures“ habemus „ad audienda“ b ea, quae docet Iesus, uel odorem capimus illum, quem dicit apostolus: „quia Christi bonus odor sumus“,c uel etiam gustum sumimus illum, de quo dicit propheta: „Gustate et uidete, quoniam suauis est Dominus“,d uel tactum illum, quem dicit Iohannes, quia „oculis nostris inspeximus et manus nostrae palpauerunt de uerbo uitae“.e His autem omnibus unum superaddimus, ut ad unum Deum haec cuncta referamus. Et haec quidem de restituendis his, quae qualibet culpa ex sanctis ablata fuerant, dicta sint. 8. Quid uero dicemus de sacrificio arietis pretio empti et „pretio sicli sancti“,f qui pro peccati expiatione iubetur offerri? Diues futurus est, qui pretio arietis possit delicta purgare. Quae sunt istae diuitiae, | requiramus. Docet nos sapientissimus Solomon dicens: „Redemptio animae uiri propriae diuitiae eius.“ g Audis uerba sapientiae, quomodo necessariis cum proprietatibus uim uniuscuiusque sermonis enuntiat? Diuitias dicit aptas ad animae redemptionem et diuitias non alienas neque communes, sed diuitias proprias. Per quod ostendit esse quasdam diuitias proprias, quasdam uero non proprias. Sed hoc euidentius Dominus in euangeliis declarauit, cum dicit: „Quod si in alieno fideles non fuistis, quod uestrum est, quis dabit uobis?“,h ostendens praesentis saeculi diuitias non esse nostras proprias, sed alienas. Transeunt enim et „sicut umbra praetereunt“.i Propriae uero sunt illae diuitiae, de quibus propheta dicit: „Et ad te congregabo diuitias gentium.“ j Ex his fortasse diuitiis et „Abraham diues factus est ualde in auro et argento et pecoribus“ k atque omni supellectili.Vis tibi ostendam, ex quibus thesauris descendant istae diuitiae? Audi apostolum Paulum dicentem de Domino Iesu Christo: „In quo sunt“ inquit „omnes thesauri sapientiae et scientiae absconditi.“ l Sed et in euangeliis Dominus dicit quia: „Scriba diues profert de thesauris suis noua et uetera.“ m De his et apostolus Paulus dicit quia: „In omnibus diuites facti estis a

Mt. 5,8 bMt. 11,15 c2 Kor. 2,15 dPs. 33(34),9 e1 Joh. 1,1 f Lev. 5,15 gSpr. 13,8 Lk. 16,12 i Ps. 143(144),4 j Sach. 14,14 kGen. 13,2 l Kol. 2,3 mMt. 13,52

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des Menschen, für die Origenes ständig die hier genannten Bibelstellen heranzieht, siehe Rahner, Doctrine des cinq sens spirituels; Dillon, Aisthêsis noêtê; McInroy, Origen of Alexandria; Fürst, Θεία αἴσθησις (mit allen relevanten Belegstellen ebd. 75). 107 Zum geistigen Verständnis des Reichtums im Sinne der Weisheit bringt Origenes im Folgenden mehrere Beispiele aus der Schrift. Philon, sobr. 56 (II p. 226 Cohn/ Wendland), greift hierzu stoische Vorstellungen auf: „Wer dieses Los (sc. weise zu sein) besitzt, ist weit über die Grenzen menschlicher Glückseligkeit hinausgeschritten; er allein ist nämlich edel geboren …; er ist nicht bloß reich, sondern überreich …; nicht nur in gutem Ruf (ist er), sondern hochberühmt …; er allein ist König …; er allein ist frei …“ Übersetzung: Adler, Philo Werke V, 94f. Ähnlich formuliert auch Origenes an anderer Stelle, in Hiez. frg. 181 (OO 8, 551): „Reich ist, wer reich

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diese sehen wir, „im Herzen rein“a geworden, Gott oder haben wir „Ohren zu hören“,b was Jesus lehrt, oder erfassen jenen Geruch, von dem der Apostel sagt: „denn wir sind Christi Wohlgeruch“,c oder nehmen auch jenen Geschmack auf, über den der Prophet sagt: „Kostet und seht, denn süß ist der Herr“,d oder jene Berührung, von der Johannes sagt, dass „wir mit unseren Augen das Wort des Lebens gesehen und unsere Hände es betastet haben“.e Zu allen diesen aber fügen wir noch eines darüber hinaus hinzu, um dies alles auf den einen Gott zu beziehen. Und dies wurde über die Rückerstattung dessen gesagt, was durch irgendeine Schuld von den heiligen Gütern weggenommen worden war. 8. Was sollen wir aber über das Opfer des Widders, der um einen Preis gekauft wird, und zwar „um den Preis eines heiligen Schekels“,f sagen, von dem befohlen wird, ihn für die Sühne der Sünde darzubringen? Reich wird sein, wer um den Preis des Widders die Verfehlungen reinigen kann. Was dieser Reichtum ist, wollen wir prüfen.107 Der sehr weise Salomo lehrt uns: „Das Lösegeld der Seele eines Mannes ist sein eigener Reichtum.“ g Hörst du die Worte der Weisheit, wie sie die Kraft jedes Wortes mit den notwendigen Eigenheiten verkündet? Sie sagt, dass der Reichtum passend als Lösegeld der Seele ist, aber nicht der fremde oder gemeinsame Reichtum, sondern der eigene. Dadurch zeigt sie, dass mancher Reichtum eigener Reichtum ist, mancher hingegen nicht eigener. Doch das erklärte der Herr in den Evangelien offensichtlich, wenn er sagt: „Denn wenn ihr mit fremdem Gut nicht treu gewesen seid, wer wird euch geben, was euch gehört?“,h wodurch er zeigt, dass der Reichtum der gegenwärtigen Welt nicht unser eigener Reichtum ist, sondern ein fremder.108 Denn er vergeht, „so wie ein Schatten vorüber­geht“.i Der eigene Reichtum hingegen ist jener, über den der Prophet sagt: „Und ich werde den Reichtum der Völker bei dir ansammeln.“ j Aus diesem Reichtum wurde wohl auch „Abraham sehr reich an Gold und Silber und Vieh“ k und an allem Hausrat.Willst du, dass ich dir zeige, aus welchen Schätzen dieser Reichtum herkommt? Höre, wie der Apostel Paulus über den Herrn Jesus Christus sagt: „In ihm sind“, sagt er, „alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen.“ l Doch auch in den Evangelien sagt der Herr: „Der reiche Schriftgelehrte bringt aus seinen Schätzen Neues und Altes hervor.“ m Darüber sagt auch der Apostel Paulus: „In allem seid ihr reich in guten Werken, im Wort Gottes und in jeglicher Erkenntnis ist.“ Im Kommentar zu 1 Kor. 3,21–23 zitiert Origenes ein griechisches Sprichwort, in I Cor. frg. 17 (OO 14/4, 90): „Alles gehört dem Weisen und nichts dem Schlechten.“ 108 Vgl. in Rom. comm. VI 5,7 (SC 543, 124): „Und vielleicht möchte jemand noch tiefer verstehen, dass die Früchte des Fleisches nicht uns gehören, sondern fremde Früchte sind. Der Herr sagt auch im Evangelium: ‚Wenn ihr im Umgang mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann euer Eigentum geben?‘ (Lk. 16,12).“ Übersetzung: Heither, FC 2/3, 223.

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in illo, in omni uerbo et in omni scientia.“a Ex his ergo diuitiis, quae de thesauris sapientiae et scientiae b proferuntur, mercandus nobis est aries iste, qui offerri debeat pro peccatis,c illis scilicet, quae in sancta commissa sunt, et sicli sancti adnumeratione mercandus. Iam superius diximus quod omnis hostia typum ferat et imaginem Christi, multo magis aries, qui et pro Isaac quondam a Deo substitutus est immolandus.d Siclo igitur sancto comparandus est nobis Christus, qui peccata nostra dissoluat. Siclus sanctus fidei nostrae formam tenet. Si enim fidem obtuleris tamquam pretium, a Christo uelut ariete immaculato in hostiam dato remissionem accipies peccatorum. Sentio quod in explanando uires | nostras mysteriorum superat magnitudo. Sed quamuis non ualeamus cuncta disserere, tamen sentimus cuncta repleta esse mysteriis. Et ideo studiosis quibusque indicia posuisse sufficiat, quibus excitati ad altiora horum et profundiora perueniant et intelligant, ex quibus iis gregibus uitulus e quaeratur ad hostiam, ex quibus ouibus aries f prouidendus sit. „Habeo enim“ inquit Iesus „et alias oues, quae non sunt de hoc ouili; et illas oportet me adducere, ut fiat unus grex et unus pastor.“ g Sciant etiam, ubi turtures, ubi columbae requirendae sunt. „Oculi“ inquit „tui sicut columbae super plenitudines aquarum“ h (ad aquarum ergo plenitudines properandum est, in his enim sponsae describitur pulchritudo), „et collum“ inquit „tuum sicut turturis.“ i In columbis oculi praedicantur. Quod enim dixit: „columbae super plenitudines aquarum“,j ferunt hoc genus auis, cum ad aquas uenerit, quia ibi solet accipitris insidias pati, uenientem desuper inimicum uolitantis umbra in aquis inspecta deprehendere et oculorum per­spicacia fraudem periculi imminentis euadere. Quod et si tu ita prospicere potueris insidias diaboli et cauere, sacrificium Deo columbas obtuleris. Sed et quibus talia curae sunt, etiam illud requirant, ex quibus iis agris simila k debet offerri. Ego arbitror quod ex illius terrae segetibus, quae facit „alium centesimum, alium sexagesimum, alium tricesimum fructum“.l Requirant etiam, nisi plus quam debet curiosum uidetur, quibus molentibus simila ista ad sacrificia praeparetur. Nec eos lateat „duas“ esse, „quae molunt, quarum una adsumetur et alia relinquetur“.m Ex illius ergo mola, quae adsumenda est, similam oportebit offerre.n a

1 Kor. 1,5 bVgl. Kol. 2,3 cVgl. Lev. 5,15 dVgl. Gen. 22,13 eVgl. Lev. 1,5 Vgl. Lev. 5,15 gJoh. 10,16 hHld. 5,12 i Hld. 1,10 j Hld. 5,12 kVgl. Lev. 2,5 l Mt. 13,23 mMt. 24,41 nVgl. Lev. 2,5 f

109 Vgl. oben in Lev. hom. 3,5 (GCS Orig. 6, 309). 110 Vgl. ebd. 1,2 (6, 283). 111 Dieses Mysterium erwähnte Origenes schon kurz ebd. 2,2 (6, 291).

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gemacht worden in ihm, in jedem Wort und aller Erkenntnis.“a Aus diesem Reichtum also, der aus den Schätzen der Weisheit und der Erkenntnis b hervorgebracht wird, müssen wir uns diesen Widder kaufen, der für die Sünden dargebracht werden muss,c jene wohlgemerkt, die gegen die heiligen Güter begangen wurden, und wir müssen ihn um den Betrag eines heiligen Schekels kaufen. Schon vorher haben wir gesagt, dass jedes Opfer auch den Typus und das Bild Christi an sich trägt,109 und viel mehr noch der Widder, der einst sogar anstelle von Isaak von Gott ersetzt wurde, um ihn zu opfern.d  110 Der heilige Schekel ist uns daher mit Christus vergleichbar, der unsere Sünden löst. Der heilige Schekel enthält die Gestalt unseres Glaubens. Denn wenn du den Glauben wie einen Preis darbringst, wirst du von Christus, der so wie der makellose Widder als Opfer gegeben wurde, die Vergebung der Sünden empfangen. Ich merke beim Erklären, dass die Größe der Mysterien unsere Kräfte übersteigt. Doch obwohl wir nicht alles zu erörtern vermögen, merken wir dennoch, dass alles von Mysterien erfüllt ist. Und daher möge es genügen, allen Eifrigen Hinweise gegeben zu haben, durch die sie angeregt werden, zu deren höheren und tieferen Inhalten zu gelangen und zu verstehen, aus welchen Herden diesen das Kalb e für das Opfer ausgesucht werden soll, aus welchen Schafen der Widder f bereitzustellen ist. „Ich habe nämlich,“ sagt Jesus, „noch andere Schafe, die nicht aus diesem Schafstall sind; auch sie muss ich heranführen, damit es eine einzige Herde und einen einzigen Hirten gibt.“ g Sie sollen auch wissen, wo die Turteltauben, wo die Tauben zu suchen sind. „Deine Augen“, heißt es, „sind wie Tauben über den Wasserfluten“ h (zur Fülle der Wasser muss man also eilen, durch die nämlich die Schönheit der Braut beschrieben wird), „und dein Hals“, heißt es, „ist wie der einer Turteltaube.“ i 111 Durch die Tauben werden die Augen gerühmt. Denn dass er sagte: „Tauben über den Wasserfluten“,j bedeutet, dass diese Vogelart, wenn sie zum Wasser kommt, weil ihr dort der Habicht aufzulauern pflegt, den von oben kommenden Feind erfasst, indem sie den Schatten des Fliegenden im Wasser erblickt, und durch den Scharfblick der Augen der Tücke der drohenden Gefahr entkommt. Wenn auch du die Nachstellungen des Teufels so vorhersehen und dich davor hüten kannst, wirst du Gott Tauben als Opfer darbringen. Doch diejenigen, die sich um solche Dinge bemühen, sollen auch prüfen, aus welchen Feldern das Feinmehl k dargebracht werden muss. Ich meine, dass es von der Saat jenes Landes ist, das „einem hundertfache, einem anderen sechzigfache, einem anderen dreißigfache Frucht“ bringt.l Sie sollen sogar prüfen, wenn es nicht über Gebühr neugierig zu sein scheint, durch welche Müllerinnen dieses Feinmehl für die Opfer vorbereitet werden soll. Es soll ihnen auch nicht verborgen sein, dass es „zwei“ sind, „die mahlen, von denen die eine mitgenommen und die andere zurückgelassen werden wird“.m Von dem Mehl jener also, die mitzunehmen ist, wird man das Feinmehl darbringen müssen.n

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Homilia III

Sed et siclus sanctus,a qui ad arietis pretium necessarius dicitur, uide unde et quomodo perquirendus sit. Siclus pecuniae dominicae nomen est, et in multis scripturarum locis diuersis appellationum nominibus pecunia dominica memoratur. Sed quaedam „proba“, quaedam uero „reproba“ dicitur.b Proba erat illa pecunia, quam paterfamilias „peregre profecturus uocatis seruis | suis dedit unicuique secundum uirtutem suam“.c Proba erat et illa pecunia, quae „denarius“ nominatur, qui cum mercenariis placitus est et „a nouissimis“ datus est „usque ad primos“.d Scire ergo te oportet quia est et alia pecunia reproba. Audi prophetam dicentem: „argentum uestrum reprobum“.e Quia ergo est quaedam proba, quaedam uero reproba, propterea apostolus uelut ad probabiles trapezitas dicit: „probantes“ inquit „omnia, quod bonum est obtinentes“.f Solus enim est Dominus noster Iesus Christus, qui te huiusmodi artem possit edocere, per quam scias discernere, quae sit pecunia, quae ueri regis imaginem tenet, quae uero sit adulterina et, ut uulgo dicitur, extra monetam formata, quae nomen quidem habeat regis, ueritatem autem regiae figurae non teneat. Multi namque sunt, qui nomen Christi habent, sed ueritatem non habent Christi. Et propter hoc dicit apostolus: „Oportet enim et haereses esse, ut probati manifesti fiant inter uos.“ g Idcirco igitur et in praesenti lectione legislator totus ad mysticum et spiri­ talem respiciens sensum addidit, ut aries iste, qui ob hoc comparatur, ut peccatum possit absoluere, non qualicumque siclo, hoc est non qualicumque pecunia, sed siclo sancto comparetur.h Quod si non respiciebat ad mysterium, quid rationis esse uidebatur, ut aries emptus offerretur ad hostiam et certo pretio? et non sufficit nomen pecuniae siclo nominasse, sed addidit et „sancto siclo“? i Quid, si haberet aliquis in gregibus suis arietes optimos et diuinis sacrificiis dignos? Aut quid, si aliquis ita pauper esset, ut siclum sanctum habere non posset? Haec est legislatoris moderatio, ut, nisi quis habeat certum pecuniae modum, peccatum eius non possit absolui? Quod aperte secundum litteram quidem uidetur absurdum, secundum spiritalem uero intelligentiam certum est quod remissionem peccatorum nullus accipiat, nisi detulerit integram, probam et sanctam fidem, per quam mercari possit arietem; cuius natura haec est, ut peccata credentis abstergat. Et hic est siclus | sanctus, probata, ut diximus, et sincera fides, id est ubi nullus perfidiae dolus, nulla a

b

f

g

Vgl. Lev. 5,15 1 Thess. 5,21

Vgl. Ps. 11(12),7; Jer. 6,30 cMt. 25,14f. dMt. 20,8f. 1 Kor. 11,19 hVgl. Lev. 5,15 iVgl. Lev. 5,15

e

Jer. 6,30

112 Auf die „geprüften“ oder „bewährten Geldwechsler“ kommt Origenes öfter zu spre-

chen, z.  B. in Hier. hom. 12,7 (GCS Orig. 32, 94); 20(19),9 (32, 193); frg. 19(94) (32, 207); vor ihm vgl. Clemens von Alexandria, strom. I 177,2 (GCS Clem. Al. 24, 109). Weitere Belege für dieses Logion bei Resch, Agrapha 116–127; Ropes, Sprüche Jesu 141–143; Harnack, Ertrag II, 40; Schockenhoff, Zum Fest der Freiheit 156f.

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Homilie 3,8

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Doch auch, was den heiligen Schekela betrifft, von dem gesagt wird, dass er als Preis für den Widder notwendig ist, sieh, woher und wie er genau zu erforschen ist. Schekel ist eine Bezeichnung für das Geld des Herrn, und an vielen Stellen der Schriften wird das Geld des Herrn mit verschiedenen Benennungen erwähnt. Doch wird manches Geld „geprüft“, manches hingegen „ungeprüft“ genannt.b Geprüft war jenes Geld, das der Familienvater, „als er sich anschickte, in die Fremde aufzubrechen, nachdem er seine Sklaven gerufen hatte, jedem nach seiner Fähigkeit gab“.c Geprüft war auch jenes Geld, das „Denar“ genannt wird, der mit den Tagelöhnern vereinbart wurde und „von den letzten bis zu den ersten“ d gegeben wurde. Du musst also wissen, dass es auch anderes, ungeprüftes Geld gibt. Höre den Propheten sagen: „euer ungeprüftes Silber“.eWeil also manches Geld geprüft, manches hingegen ungeprüft ist, deswegen sagt der Apostel wie zu geprüften Geldwechslern:112 „Prüft alles“, sagt er, „was gut ist, behaltet.“ f Denn es ist allein unser Herr Jesus Christus, der dich diese Art Kunst lehren kann, durch die du zu unterscheiden weißt, welches Geld es ist, das das Bild des wahren Königs trägt, welches hingegen gefälscht und, wie man gewöhnlich sagt, außerhalb der Münzstätte geprägt worden ist, das zwar den Namen des Königs hat, aber nicht das wahre königliche Bild trägt. Denn viele sind es, die den Namen Christi haben, die Wahrheit Christi jedoch nicht haben. Und deswegen sagt der Apostel: „Denn es muss auch Spaltungen geben, damit die Geprüften unter euch offenbar werden.“ g Deshalb also fügte der Gesetzgeber auch in der vorliegenden Lesung, ganz auf den mystischen und geistigen Sinn blickend, hinzu, dass dieser Widder, der deswegen erworben wird, damit die Sünde gelöst werden kann, nicht mit irgendeinem Schekel, das heißt nicht mit irgendwelchem Geld, sondern mit dem heiligen Schekel erworben wird.hWenn er aber nicht auf das Mysterium blickte, welche Erklärung könnte man dafür geben, dass ein gekaufter Widder als Opfer dargebracht wird, und zwar ein um einen bestimmten Preis gekaufter? Und dass es nicht genug ist, dass der Name des Geldes mit Schekel bezeichnet wurde, sondern er auch „mit einem heiligen Schekel“ i hinzufügte? Was, wenn jemand in seinen Herden die besten und für die göttlichen Opfer würdigen Widder hätte? Oder was, wenn jemand so arm wäre, dass er keinen heiligen Schekel haben könnte? Ist das das Maß des Gesetzgebers, dass, wenn jemand nicht eine bestimmte Art von Geld hat, dessen Sünde nicht gelöst werden kann? Nach dem wörtlichen Verständnis erscheint dies offensichtlich als abwegig, nach dem geistigen Verständnis hingegen ist sicher, weil niemand die Vergebung der Sünden erhält, wenn er nicht einen unversehrten, geprüften und heiligen Glauben darbringt, durch den er einen Widder kaufen kann; dessen Natur ist es, dass er die Sünden des Gläubigen beseitigt. Und dies ist der heilige Schekel, der geprüfte, wie wir sagten, und aufrichtige Glaube, das heißt, wo keine treulose List, keine Verkehrtheit häretischer Verschlagenheit beigemischt ist, sodass wir den aufrichtigen Glauben



Homilia III

haereticae calliditatis peruersitas admiscetur, ut sinceram fidem offerentes „pretioso Christi sanguine, tamquam immaculatae“ hostiae,a diluamur; per quem est Deo patri omnipotenti cum Spiritu sancto „gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ b a

1 Petr. 1,19

b

1 Petr. 4,11

Homilie 3,8



darbringen und „durch das kostbare Blut Christi wie durch das eines makellosen“ Opfersa reingewaschen werden. Durch ihn gebührt Gott dem allmächtigen Vater mit dem Heiligen Geist „Herrlichkeit und Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ b

HOMILIA IV. De eo, quod scriptum est: „Si peccauerit anima et praeteriens praeterierit praecepta Domini, et mentietur proximo super deposito aut societate“ et cetera.a

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1. Si secundum diuinae legis fidem haec, quae leguntur nobis, Dominus locutus est ad Moysen, puto quod tamquam Dei uerba non debeant secundum incapacitatem audientium, sed secundum maiestatem loquentis intelligi. „Dominus“ inquit „locutus est.“ b Quid est Dominus? Apostolus tibi respondeat et ab ipso disce quia „Dominus spiritus est“.c Quod si tibi apostoli sermo non sufficit, audi ipsum Dominum in euangeliis dicentem quia „Deus spiritus est“.d Si ergo et Dominus et Deus spiritus est, quae spiritus loquitur, spiritaliter debemus audire. Ego adhuc et amplius aliquid dico, quia, quae Dominus loquitur, non spiritalia tantum, sed et spiritus esse credenda sunt. Non meo sensu haec, sed de euangeliis approbabo; audi Dominum et Saluatorem ­nostrum ad discipulos suos dicentem: „Verba quae locutus sum uobis, spiritus et uita est.“ e Si ergo ipsius Saluatoris uoce didicimus quia uerba, quae locutus est apostolis, „spiritus et uita est“, nequaquam dubitare debemus quod etiam quae per Moysen locutus est, „spiritus et uita“ credenda sint. 2. Sed uideamus quae sunt, de quibus nunc, prout possumus, aliqua dicere debeamus. „Et locutus est“ inquit „Dominus ad Moysen dicens: | anima quaecumque peccauerit et praeteriens praeterierit praecepta Domini, et mentietur proximo super deposito aut societate aut rapina, aut nocuit aliquid proximo, aut inuenit perditionem et mentietur de ea, et iurauerit inique de a

Lev. 6,2(5,21)

b

Lev. 6,1(5,20)

c

2 Kor. 3,17

d

Joh. 4,24

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Joh. 6,63

113 Den Grundgedanken, dass die Worte Gottes so verstanden werden müssen, dass sie

seiner würdig sind, findet sich immer wieder in den Schriften des Origenes: in Num. hom. 26,3 (GCS Orig. 7, 247); in Ios. hom. 8,1 (GCS Orig. 7, 336); 8,6 (7, 342): „Wenn wir also das, was geschrieben ist, so verstehen, erscheint vielleicht die Lesung dem Stil des Heiligen Geistes würdig“; in Ioh. comm. X 27,164 (GCS Orig. 4, 200): „der Heilsordnung des Sohnes Gottes würdig“; XX 36,323 (4, 375): „seines heiligen Mundes würdig“; in Lev. hom. 5,5 (GCS Orig. 6, 343): „vom Herrn der Hoheit“; ebd. 5,1 (6, 332) betont Origenes, dass die Worte der Schrift als „Gottes würdig“ (digne Deo) ausgelegt werden müssen; ebd. 7,5 (6, 388) bezeichnet er die Gesetzgebung als „der

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HOMILIE 4 Über die Schriftstelle: „Wenn eine Seele sündigt und die Vorschriften des Herrn übertritt und gegenüber dem Nächsten über ein anvertrautes Gut oder eine Verbindung lügt“ usw.a 5

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1. Wenn gemäß der Glaubwürdigkeit des göttlichen Gesetzes das, was uns vorgelesen wird, der Herr zu Mose gesagt hat, glaube ich, dass es als Gottes Worte nicht gemäß der Unfähigkeit der Zuhörer, sondern gemäß der Hoheit des Sprechers verstanden werden muss.113 „Der Herr“, heißt es, „sagte.“ bWas ist der Herr? Der Apostel soll dir antworten und von ihm lerne, dass „der Herr Geist ist“.cWenn dir aber das Wort des Apostels nicht genügt, höre den Herrn selbst in den Evangelien sagen, dass „Gott Geist ist“.d   114 Wenn also sowohl der Herr als auch Gott Geist sind, müssen wir das, was der Geist sagt, geistig hören. Ich sage auch noch etwas Weiteres: Es muss geglaubt werden, dass das, was der Herr sagt, nicht nur geistig, sondern auch Geist ist. Ich werde das nicht durch mein Verständnis, sondern aus den Evangelien beweisen; höre unseren Herrn und Erlöser zu seinen Jüngern sagen: „Die Worte, die ich euch gesagt habe, sind Geist und Leben.“ eWenn wir also von der Stimme des Erlösers selbst gelernt haben, dass die Worte, die er zu den Aposteln sagte, „Geist und Leben sind“, dürfen wir keineswegs bezweifeln, dass auch die Worte, die er durch Mose gesagt hat, als „Geist und Leben“ zu glauben sind. 2. Wir wollen jedoch sehen, was es ist, worüber wir nun, so gut wir können, etwas sagen müssen. „Und der Herr sagte“, heißt es, „zu Mose: Wenn eine Seele sündigt und die Vorschriften des Herrn übertritt und gegenüber dem Nächsten über ein anvertrautes Gut, eine Verbindung oder einen Raub lügt oder dem Nächsten irgendeinen Schaden zufügt oder wenn sie einen Verlust findet und darüber lügt und unrichtig schwört über eines von alldem, göttlichen Hoheit würdig“.Vgl. zu diesem Gedanken auch Justin, dial. 30,1 (PTS 47, 117); Clemens von Alexandria, strom. VI 124,3 (GCS Clem. Al. 24, 494). Siehe dazu oben S. 15f. 114 Derselbe Schriftvers wird auch in Cels. VI 70 (GCS Orig. 2, 140) zitiert. Samaritaner wie Juden erfüllen die Gebote nur „leiblich“ und „im Bild“ (also vorläufig und nicht in der unverhüllten Wahrheit). Dem stellt Origenes die christliche „vernünftige“ Anbetung „im Geist“ gegenüber. Zur Gegenüberstellung von jüdischer und christlicher in Verbindung mit leiblicher und geistiger Auslegung der Schrift siehe oben S. 37–43.



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Homilia IV

uno ab omnibus, quaecumque fecerit homo, uti peccet in his; et erit cum peccauerit et deliquerit, et reddet rapinam, quam rapuit, aut iniuriam, quam nocuit, aut depositum, quod commendatum est ei, aut perditionem, quam inuenit, ab omni re, pro qua iurauit iniuste, et restituet ipsum caput, et quintas insuper augebit; et cuius est, ei reddet, qua die conuictus fuerit.“a Hucusque interim peccati species exponuntur, postea uero purgatio eius per hostias imperatur.b Si qui infirmi sunt et incapaces profundioris mysterii, aedificentur ex littera, et sciant quia, si quis „praeteriens praeterierit praecepta Domini et mentitus fuerit proximo super deposito aut societate aut rapina“,c peccati ingentis statuitur reus. Sed absit hoc ab ecclesia Dei, ut ego credam esse aliquem in coetu isto sanctorum, qui se tam infeliciter agat, ut depositum proximi sui neget aut societatem fraude contaminet aut uel ipse aliena diripiat aut ab aliis rapta suscipiat et pro his, si ab eo requirantur, contra conscientiam iuret. Absit, inquam, ut haec ego de aliquo fidelium sentiam. Confidenter enim dico de uobis quia „uos non ita didicistis Christum“, neque ita „edocti estis“.d Sed neque lex ipsa haec sanctis et fidelibus praecipit.Vis scire quia non ad sanctos et iustos ista dicantur? Audi apostolum distinguentem: „Iusto“ inquit „lex non est posita, sed iniustis et non subditis, scelestis et contaminatis, patricidis, matricidis“ e et horum similibus. Quia ergo huiusmodi hominibus apostolus legem dicit impositam, ecclesia Dei, quam absit in huiusmodi facinoribus maculari, relicta aliis littera sanctius aedificetur ab spiritu. 3. Videamus itaque nunc, quod est depositum,f quod fidelium unusquisque suscepit. Ego puto quod et ipsam animam nostram et corpus depositum accepimus a Deo. Et uis uidere maius aliud depositum, quod accepisti a a

Lev. 6,1–5(5,20–24) bLev. 6,6(5,25) Vgl. Lev. 6,2.4(5,21.23)

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Lev. 6,2(5,21)

d

Eph. 4,20.21

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1 Tim. 1,9f.

115 Eigentlich ist anima das (feminine) Subjekt der ganzen Passage, doch wechselt der

Text mit dem maskulinen Partizip conuictus zum damit gemeinten Menschen. 116 Zur Kirche als „Versammlung der Heiligen“ (coetus sanctorum) vgl. in Cant. comm. I

1,5 (OWD 9/1, 128). Siehe Vogt, Kirchenverständnis 210–225. 117 Hier und an anderen Stellen bringt Origenes Beispiele für Gebote, die nach dem

Buchstaben erfüllt werden müssen: vgl. in Lev. hom. 3,6 (GCS Orig. 6, 311); 4,5 (GCS Orig. 6, 320f.); siehe oben S. 120 Anm. 102. Er betont, dass er niemanden in der Kirche eines der genannten Vergehen für schuldig halte. Weiter unten, am Beginn von ebd. 4,4 (6, 319), spricht er weniger zurückhaltend, desgleichen in Matth. comm. XVI 22 (GCS Orig. 10, 549), wo er die Verkäufer, die aus dem Tempel vertrieben werden, mit Diakonen vergleicht, „welche das Geld der Kirche nicht gut verwalten, … um so sich zu bereichern durch das, was für die Armen gespendet wurde“, sowie mit Bischöfen und Presbytern, „denen der Vorsitz im Volke anvertraut ist, und die gewissermaßen ganze Kirchen solchen Leuten übergeben, denen man sie nicht übergeben dürfte, und Fürsten aufstellen, die man nicht aufstellen sollte …“ Übersetzung: Vogt, BGrL 30, 203. Siehe Harnack, Ertrag II, 114.

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Homilie 4,2–3

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

was auch immer ein Mensch getan hat, sodass sie in diesen Dingen sündigt: Wenn sie gesündigt und sich verfehlt hat, soll sie das Raubgut zurückgeben, das sie geraubt hat, das Unrecht, das sie zugefügt hat, das anvertraute Gut, das ihr anvertraut worden ist, oder den Verlust, den sie gefunden hat, von jeder Sache, für die sie unrichtig geschworen hat: Sie soll es als ganzes wiederbringen und um ein Fünftel darüber hinaus vermehren; und dem es gehört, dem soll sie es an dem Tag zurückgeben, an dem er115 überführt worden ist.“a Bis hierher werden einstweilen die Arten der Sünde dargelegt, danach hingegen wird ihre Reinigung durch Opfer befohlen.b Diejenigen, die schwach und nicht in der Lage sind, das tiefere Mysterium zu erfassen, sollen aus dem Buchstaben erbaut werden und wissen, dass, wenn jemand „die Vorschriften des Herrn übertritt und gegenüber dem Nächsten über ein anvertrautes Gut oder eine Verbindung oder einen Raub lügt“,c er einer gewaltigen Sünde schuldig wird. Doch es möge der Kirche Gottes fern sein, dass ich glaube, es gebe jemand in dieser Versammlung der Heiligen,116 der so unglücklich handelt, dass er ein anvertrautes Gut seines Nächsten ableugnet oder eine Verbindung durch Betrug befleckt oder entweder selbst Fremdes raubt oder von anderen Geraubtes annimmt und dafür, wenn es von ihm zurückgefordert wird, gegen das Gewissen schwört. Es sei fern, sage ich, dass ich das von irgendeinem Gläubigen denke.117 Denn ich sage zuversichtlich über euch, dass „ihr Christus nicht so kennengelernt habt“, noch dass „ihr so gelehrt worden seid“.d Doch auch das Gesetz selbst schreibt das nicht für die Heiligen und Gläubigen vor. Willst du wissen, dass das nicht zu den Heiligen und Gerechten gesagt wird? Höre den Apostel unterscheiden: „Für den Gerechten“, sagt er, „ist das Gesetz nicht gegeben, sondern für die Ungerechten und die, die sich nicht unterordnen, die Ruchlosen und Befleckten, die Vatermörder, die Muttermörder“ e und ihresgleichen.Weil also der Apostel sagt, dass das Gesetz für solche Menschen gegeben ist, soll die Kirche Gottes, der es fern sei, sich mit solchen Verbrechen zu besudeln, den Buchstaben anderen überlassen und heiliger vom Geist erbaut werden. 3. Wir wollen daher nun sehen, was das anvertraute Gut f ist, das jeder von den Gläubigen empfangen hat. Ich118 glaube, dass wir sowohl unsere Seele selbst als auch den Körper von Gott als anvertrautes Gut erhalten haben.119 Und willst du ein anderes, größeres anvertrautes Gut sehen, das du von Gott 118 Von hier ab hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos. I 11 (PL 108, 290D–291B), das ganze

Kapitel abgeschrieben. 119 Vgl. Philon, rer. div. her. 105f. (III p. 24 Cohn/Wendland): „Du aber, mein Lieber,

versuche mit aller Kraft, was du empfangen hast, nicht nur unversehrt und unverfälscht aufzubewahren, sondern auch jeglicher Sorgfalt zu würdigen, damit der, der es dir anvertraut hat, keinerlei Ursache habe, sich wegen der Aufbewahrung bei dir zu beklagen. Anvertraut aber hat dir der Bildner alles Lebenden die Seele, die Sprache, die Sinne.“ Übersetzung: Cohn, Philo Werke V, 246f.



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Homilia IV

Deo? Ipsi animae tuae Deus imaginem suam et similitudinem commendauit.a Istud ergo depositum tam integrum tibi restituendum est quam a te constat esse susceptum. Si enim sis misericors, „sicut pater“ tuus in coelis „misericors est“,b imago Dei in te est et integrum depositum seruas.c Si perfectus es, „sicut et pater“ tuus in coelis „perfectus est“,d imaginis Dei in te depositum manet. Similiter et cetera omnia, si pius, si iustus es, si sanctus, si mundus corde,e et omnia quae in Deo praesto sunt per naturam si tibi per imitationem subsistant, depositum apud te diuinae imaginis saluum est. Si uero e contrario agas et pro misericorde crudelis, pro pio impius, pro benigno uiolentus, pro quieto turbulentus, pro liberali raptor exsistas, abiecta imagine Dei diaboli in te imaginem suscepisti et bonum depositum commendatum tibi diuinitus abnegasti. Aut non hoc erat, quod sub mysterio apostolus electo discipulo mandabat Timotheo, dicens: „O Timothee, bonum depositum custodi“? f Ego etiam illud addo quod et Christum Dominum depositum suscepimus et sanctum Spiritum depositum habemus. Videndum ergo nobis est ne hoc sancto deposito non sancte utamur et, cum nos in consensum sui peccata sollicitant, iuremus nos non suscepisse depositum. Quod utique si habeamus in nobis, peccato consentire non possumus. Sed et ipse sensus rationabilis, qui in me est, commendatus mihi est, ut eo utar ad intelligentiam diuinorum: ingenium, memoria, iudicium, ratio et omnes, qui intra me sunt motus, commendati mihi uidentur a Deo, ut iis utar in his, quae praecepit lex diuina. Si uero ad malas artes sollers et perspicax uertatur | ingenium et rebus Dei abutamur in his, quae non uult Deus, hoc est abiurare depositum et beneficia uertere in perfidiam. 4. Videamus nunc, quid etiam societas g intelligenda sit. Putas, est aliquis, qui secundum litteram commoneri debeat, ne forte in ratione pecuniae uel qualibet alia specie societatis socium fraude decipiat? Vltimae miseriae est illa anima, in quam cadere adhuc fraudis hoc genus potest.Verum tamen quoniam multa est in homine fragilitas, etiam de his commoneamus, quia nec apostolum piguit ista mandare. Dicit enim: „Ne qui circumscribat in negotio fra­trem suum, quoniam uindex est de his omnibus Deus.“ h a

Vgl. Gen. 1,26f. bLk. 6,36 cVgl. 2 Tim. 1,14 dMt. 5,48 1 Tim. 6,20 gVgl. Lev. 6,2(5,21) h1 Thess. 4,6

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Vgl. Mt. 5,8

120 Zur aus Gen. 1,26f. entwickelten Anthropologie des Origenes vgl. in Gen. hom. 1,13

(GCS Orig. 62 N.  F. 17, 23–29). Anders als an der vorliegenden Stelle betont er in Rom. comm. IV 5,11 (SC 539, 248), dass der Mensch „zwar nach dem Bild Gottes erschaffen, die Ähnlichkeit mit Gott ihm jedoch nicht sogleich gewährt wurde. Er sollte zuerst auf Gott vertrauen und so ihm ähnlich werden. Der Mensch sollte hören, dass jeder Gott ähnlich wird, der auf ihn vertraut.“ Übersetzung: Heither, FC 2/2, 219 (leicht modifiziert). Ebenso: princ. III 6,1 (GCS Orig. 5, 280f.). Zu diesem dynamischen Konzept der Gottesebenbildlichkeit siehe Crouzel, Théologie de l’image 147–179. 217–245; ders., Origène 130–137; Kobusch, Bild und Gleichnis Gottes.

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

erhalten hast? Eben deiner Seele übergab Gott sein Bild und seine Ähnlichkeit.a  120 Dieses anvertraute Gut musst du daher so unversehrt zurückgeben, wie es – das steht fest – von dir empfangen worden ist. Wenn du nämlich barmherzig bist, „wie“ dein „Vater“ im Himmel „barmherzig ist“,b ist das Bild Gottes in dir und bewahrst du das anvertraute Gut unversehrt.cWenn du vollkommen bist, „wie auch“ dein „Vater“ im Himmel „vollkommen ist“,d bleibt das anvertraute Gut des Bildes Gottes in dir. Ähnlich auch alles Übrige, wenn du fromm, wenn du gerecht bist, wenn du heilig, wenn du rein im Herzen e bist und wenn dir alles, was in Gott von Natur aus anwesend ist, durch Nachahmung verbleibt, ist bei dir das anvertraute Gut des göttlichen Bildes bewahrt. Wenn du hingegen entgegengesetzt handelst und anstatt barmherzig grausam, anstatt fromm gottlos, anstatt gütig gewalttätig, anstatt ruhig Unruhe stiftend, anstatt freigebig räuberisch bist, hast du das Bild Gottes weggeworfen und das Bild des Teufels in dir angenommen und das anvertraute Gute, das dir von Gott übergeben wurde, verleugnet. Oder war es nicht das, was der Apostel dem auserwählten Schüler Timotheus in einem Mysterium auftrug: „O Timotheus, bewahre das anvertraute Gute“? f Ich füge auch noch dies hinzu, dass wir auch Christus den Herrn als anvertrautes Gut empfangen und den Heiligen Geist als anvertrautes Gut haben. Wir müssen also zusehen, dass wir nicht dieses heilige anvertraute Gut in unheiliger Weise gebrauchen und, wenn die Sünden uns zur Übereinstimmung mit ihnen verlocken, nicht schwören, dass wir das anvertraute Gut nicht empfangen haben. Wenn wir dieses aber gewiss in uns haben wollen, können wir nicht der Sünde zustimmen. Doch auch der vernünftige Sinn selbst, der in mir ist, ist mir übergeben worden, damit ich ihn zum Verstehen der göttlichen Dinge gebrauche:Verstand, Gedächtnis, Urteilskraft,Vernunft und alle Bewegungen, die in mir sind, scheinen mir von Gott übergeben worden zu sein, damit ich sie für das gebrauche, was das göttliche Gesetz vorschreibt. Wenn hingegen der tüchtige und klare Verstand zu üblen Künsten verwendet wird und wir die Dinge Gottes für das missbrauchen, was Gott nicht will, das bedeutet, das anvertraute Gut abzuleugnen und die Wohltaten zu Treulosigkeit zu wenden. 4. Wir wollen nun sehen, wie auch die Verbindung g zu verstehen ist. Glaubst du, es gibt jemanden, der nach dem Buchstaben ermahnt werden muss, dass er nicht etwa durch Betrug einen Verbündeten in einer finanziellen Angelegenheit oder irgendeiner anderen Art der Verbindung täuscht? In äußerstem Elend befindet sich jene Seele, in die noch immer diese Art des Betrugs eindringen kann. Weil es aber dennoch im Menschen viel Schwäche gibt, wollen wir auch dazu ermahnen, weil es ja auch den Apostel nicht verdross, dazu Anweisungen zu geben. Er sagt nämlich: „Niemand soll in einem Handel seinen Bruder übervorteilen, weil Gott der Vergelter für dies alles ist.“ h



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Homilia IV

Nunc uero requiramus, quae sit etiam societas spiritus. Audi de his ipsis uerbis apostolum dicentem: „Si quod solatium caritatis, si qua societas spiritus, si qua uiscera miserationis, implete gaudium meum.“a Vides societatis legem quomodo intellexit apostolus Paulus. Audi et Iohannem, quomodo uno eodemque spiritu proloquatur. „Et societatem“ inquit „habemus cum patre et cum filio eius Iesu Christo.“ b Et item Petrus dicit: „Consortes“ inquit „facti estis diuinae naturae“,c quod est socii. Et iterum dicit apostolus Paulus: „Quae enim societas luci ad tenebras?“ d Quod si luci ad tenebras societas nulla est, potest ergo societatem lux habere cum luce. Igitur si nobis cum Patre et Filio et cum Spiritu sancto societas data est, uidendum nobis est, ne sanctam istam diuinamque societatem peccando abnegemus; si enim agamus „opera tenebrarum“,e certum est quia societatem negauimus lucis. Sed et sanctorum socios f nos dicit apostolus, nec mirum; si enim cum Patre et Filio dicitur nobis esse societas, quomodo non et cum sanctis, non solum qui in terra sunt, sed et qui in coelis? Quia et Christus „per sanguinem suum pacificauit | terrestria et coelestia“,g ut coelestibus terrena sociaret. Quod euidenter indicat, ubi dicit gaudium esse in coelis „super uno peccatore poenitentiam agente“,h et rursum cum dicit eos, qui resurgunt a mortuis, futuros esse „sicut angelos Dei in coelo“,i et cum ex integro hominibus „coelorum regna“ j promittit. Hanc ergo societatem disrumpit et abnegat, quicumque malis actibus suis malisque sensibus ab horum coniunctione separatur. Post haec de rapina dicitur;k raptores sunt mali, sunt et boni; et boni quidem illi, de quibus dicit Saluator quia „regnum coelorum diripiunt“.l Sunt autem et mali raptores, de quibus dicit propheta: „Et rapina pauperum in domibus uestris est.“ m Apostolus uero abrupte pronuntiat dicens: „Nolite errare, quia neque adulteri neque molles neque masculorum concubitores neque fures neque rapaces regnum Dei possidebunt.“ n Est tamen aliquid et secundum spiritalem intelligentiam culpabiliter rapere, sicut illi laudabiliter rapiunt regna coelorum.oVt uerbi causa dicamus: Si homo nondum purgatus a uitiis, nondum segregatus a profanis et sordidis actibus uelit se coetui sanca

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g

Phil. 2,1f. b1 Joh. 1,3 c2 Petr. 1,4 d2 Kor. 6,14 Kol. 1,20 hLk. 15,10 i Mt. 22,30 j Mt. 5,3 u.  a. m Jes. 3,14 n1 Kor. 6,9f. oVgl. Mt. 11,12

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Röm. 13,12 fVgl. Kol. 1,12 Vgl. Lev. 6,2(5,21) l Mt. 11,12

121 Vgl. unten in Lev. hom. 9,8 (GCS Orig. 6, 434): Die Engel „forschen nach und verfol-

gen wissbegierig, was sie in jedem von uns finden, das sie Gott darbringen können“. Vgl. auch Cyprian, epist. 75,2 (CChr.SL 3B, 582): „Vereinigung nämlich und Friede und Eintracht bereitet nicht nur den gläubigen Menschen, die die Wahrheit erkennen, sondern auch den himmlischen Engeln das größte Vergnügen, die, wie das göttliche Wort sagt, ihre Freude haben an einem einzigen Sünder, der Buße tut und zum Bande der Einheit zurückkehrt. Das wäre von den Engeln, die im Himmel wandeln, sicher nicht gesagt, wenn nicht auch sie, die sich unserer Vereinigung freuen, mit uns vereinigt wären.“ Übersetzung: Baer, BKV1 60, 372.

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Nun hingegen wollen wir prüfen, was auch die Verbindung des Geistes ist. Höre über eben diese Worte den Apostel sagen: „Wenn es irgendeinen Trost der Liebe, wenn es irgendeine Verbindung des Geistes, wenn es irgendein Gefühl des Erbarmens gibt, erfüllt mich mit Freude!“a Du siehst, wie der Apostel Paulus das Gesetz über die Verbindung verstand. Höre auch Johannes, wie er sich in ein und demselben Geist äußert. „Und Verbindung“, sagt er, „haben wir mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.“ b Und ebenso sagt Petrus: „Zu Gefährten“, sagt er, „der göttlichen Natur wurdet ihr gemacht“,c das heißt zu Verbündeten. Und wiederum sagt der Apostel Paulus: „Denn welche Verbindung gibt es zwischen Licht und Finsternis?“ dWenn es aber keine Verbindung des Lichtes mit der Finsternis gibt, kann also das Licht Verbindung mit dem Licht haben. Wenn uns daher die Verbindung mit dem Vater und dem Sohn und mit dem Heiligen Geist gegeben ist, müssen wir zusehen, dass wir nicht diese heilige und göttliche Verbindung durch das Sündigen verleugnen; denn wenn wir „die Werke der Finsternis“ e tun, ist es sicher, dass wir die Verbindung mit dem Licht geleugnet haben. Doch der Apostel nennt uns auch Verbündete der Heiligen,f und das ist nicht erstaunlich; denn wenn gesagt wird, dass wir eine Verbindung mit dem Vater und dem Sohn haben, wieso nicht auch mit den Heiligen, nicht nur mit denen, die auf der Erde sind, sondern auch mit denen im Himmel? Denn auch Christus schafft „durch sein Blut Frieden zwischen dem Irdischen und dem Himmlischen“,g sodass sich das Irdische mit dem Himmlischen verbindet. Darauf verweist er offensichtlich, wo er sagt, dass im Himmel Freude herrscht „über einen einzigen Sünder, der Buße tut“,h und erneut, wenn er sagt, dass die, die von den Toten auferstehen, „wie Engel Gottes im Himmel“ i sein werden, und wenn er den Menschen von neuem „das Himmelreich“ j verspricht.121 Diese Verbindung also zerreißt und verleugnet jeder, der sich durch seine bösen Taten und bösen Gedanken von der Verknüpfung mit ihnen trennt. Danach122 wird über den Raub gesprochen;k Räuber sind böse, es gibt aber auch gute; und die guten sind jene, über die der Erlöser sagt, dass sie „das Himmelreich an sich reißen“.l Es gibt aber auch böse Räuber, über die der Prophet sagt: „Und der Raub von den Armen befindet sich in euren Häusern.“ m Der Apostel hingegen verkündet schroff: „Irrt euch nicht, denn weder werden Ehebrecher noch Lustknaben noch die, die mit Männern Beischlaf haben, noch Diebe noch Räuber das Reich Gottes besitzen.“ n  123 Dennoch gibt es auch die Möglichkeit, nach dem geistigen Verständnis etwas schuldhaft zu rauben, so wie jene lobenswert das Himmelreich rauben.o Wir können zum Beispiel sagen: Wenn ein Mensch, der noch nicht von seinen 122 Von hier ab bis S. 138 Z. 25f. inuenit zitiert Hrabanus Maurus, in Lev. expos. I 11 (PL

108, 290C–D. 291B–292A), den Text. 123 Origenes lässt einige Elemente in der Aufzählung des Verses aus.

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torum et perfectorum latenter ingerere et sermonem, quo perfecta et mystica tractantur, audire: huiusmodi homo secretorum et perfectorum scientiam non bene rapuit. Meminisse enim oportet praecepti Saluatoris, quo dicit quia: Nemo mittit „uinum nouum in utres ueteres; alioquin et utres rumpentur et uinum peribit“,a ostendens quod animae nondum renouatae, sed in uetustate malitiae perduranti non oporteat nouorum mysteriorum, quae per Christum mundus agnouit, secreta committi. 5. Addit dehinc legislator: „aut si quid nocuit proximo, uel si inuenit perditionem.“ b Lex litterae hoc uidetur mandare, ut, si quis inuenit quod alius perdidit et requisitum fuerit, reddat nec perieret | pro eo.c Est et haec utilis audientibus aedificatio. Multi enim sine peccato putant esse, si alienum, quod inuenerint, teneant, et dicunt: Deus mihi dedit, cui habeo reddere? Discant ergo peccatum hoc esse simile rapinae, si quis inuenta non reddat. Verum tamen si hoc tantum, quod secundum litteram putatur, legislator uoluisset intelligi, potuerat dicere: si inuenit, quod perierat, uel quod aliquis perdiderat. Nunc autem cum dicit: „Inuenit perditionem“,d amplius nos aliquid intelligere uoluit. Qui nimis peccant, in scripturis perditio appellantur, sicut in Ezechiel propheta legimus dictum: „Perditio“ inquit „factus es, et non sub­sistes in aeternum tempus.“ e Est ergo, qui multum quaerendo inuenit perditionem, ut, uerbi gratia, dicamus: Haeretici ad construenda et defendenda dogmata sua multum perquirunt et discutiunt in scripturis diuinis, ut inueniant perditionem. Cum enim multum quaesierint testimonia, quibus adstruant quae praue sentiunt, perditionem sibi inuenisse dicendi sunt. Sed si forte aliquis horum audiens in ecclesia uerbum Dei catholice tractari, resipiscat et intelligat quia, quod inuenerat, perditio est, reddet, inquit, quod inuenit.f Et iste, qui perditionem inuenit, et ille, qui rapinam, sed et ille, qui depositum abnegauit, et omnis, quicumque aliqua ex parte animae nocuit proximi a

Mt. 9,17 bLev. 6,2f.(5,21f.) Vgl. Lev. 6,4(5,23)

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c

Vgl. Lev. 6,3(5,22)

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Lev. 6,2(5,21)

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Ez. 27,36

124 Die Erneuerung geschieht durch die Taufe. Wer noch nicht die Sündenvergebung

durch die Taufe erfahren hat, ist noch nicht berechtigt und fähig, die Geheimnisse Christi vollständig zu hören. 125 Zur Erbauung als Ziel der Predigt siehe oben S. 63 Anm. 10. 126 Zum „Raub“ bzw. zur „Unterschlagung von Fundgut“, wogegen sich Origenes hier wendet, vgl. Herodas 6,30 (εὕρημα ἁρπάζειν). 127 Vgl. Tertullian, praescr. haer. 8,1f. (CChr.SL 1, 193): „Ich komme deshalb zu jenem Satz, den auch unsere Leute vorschützen, um sich auf die Wissbegierde einzulassen, und den die Häretiker einschärfen, um Grübeleien aufzudrängen. ‚Es steht geschrieben‘, so sagen sie: ‚Suchet, und ihr werdet finden.‘“ Übersetzung: Schleyer, FC 42, 247. 128 Mit der Bezeichnung „katholisch“ qualifiziert Origenes die rechtgläubige Position innerhalb der (Groß-)Kirche und grenzt sie gegen nicht-orthodoxe Lehren ab. Insbesondere die Anerkennung des Alten Testaments gilt ihm als „Zeichen des Katho-

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Lastern gereinigt wurde, der noch nicht von den weltlichen und schmutzigen Handlungen abgesondert ist, sich in die Versammlung der Heiligen und Vollkommenen heimlich hineindrängen und der Predigt, in der die vollkommenen und geheimen Dinge behandelt werden, zuhören will: ein solcher Mensch raubte die Erkenntnis der geheimen und vollkommenen Dinge auf ungute Weise. Denn man muss sich an die Vorschrift des Erlösers erinnern, in der er sagt: Niemand füllt „neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißen die Schläuche und der Wein geht verloren“,a womit er zeigt, dass der Seele, die noch nicht erneuert ist, sondern in der alten Schlechtigkeit verharrt, die Geheimnisse der neuen Mysterien, die die Welt durch Christus erkannt hat, nicht anvertraut werden dürfen.124 5. Der Gesetzgeber fügt hierauf hinzu: „oder wenn er dem Nächsten irgendeinen Schaden zufügt oder wenn er einen Verlust findet.“ b Das Gesetz scheint nach dem Buchstaben anzuordnen, dass jemand, wenn er findet, was ein anderer verloren hat, und es zurückverlangt wurde, es zurückgibt und nicht falsch darüber schwört.c Das ist auch nützlich zur Erbauung der Zuhörer.125 Denn viele glauben, sie seien ohne Sünde, wenn sie fremdes Gut, das sie gefunden haben, behalten, und sagen: Gott hat es mir gegeben, wem habe ich es zurückzugeben? Sie sollen also lernen, dass das eine Sünde gleich der des Raubes ist, wenn jemand Gefundenes nicht zurückgibt.126 Wenn der Gesetzgeber jedoch gewollt hätte, dass darunter nur das, was nach dem Buchstaben gemeint ist, zu verstehen ist, hätte er sagen können: wenn er etwas findet, was verloren gegangen war beziehungsweise was jemand verloren hatte.Wenn er nun aber sagt: „Er findet einen Verlust“,d wollte er, dass wir etwas darüber hinaus verstehen. Diejenigen, die übermäßig sündigen, werden in den Schriften Verlust genannt, so wie wir beim Propheten Ezechiel die Aussage lesen: „Verlust“, sagt er, „wurdest du, und du wirst nicht auf ewige Zeit Bestand haben.“ e Es kommt also vor, dass der, der viel sucht, einen Verlust findet, wie wir zum Beispiel sagen können: Die Häretiker forschen viel, um ihre Lehren zu konstruieren und zu verteidigen, und untersuchen die heiligen Schriften, damit sie einen Verlust finden.127 Wenn sie nämlich viel nach Zeugnissen gesucht haben, mit denen sie stützen wollen, was sie verkehrt denken, muss man von ihnen sagen, dass sie für sich einen Verlust gefunden haben. Wenn jedoch vielleicht jemand von ihnen, der dabei zuhört, wie in der Kirche das Wort Gottes katholisch128 behandelt wird, wieder zu Verstand kommt und versteht, dass das, was er gefunden hatte, ein Verlust ist, wird er zurückgeben, heißt es, was er gefunden hat.f Sowohl der, der einen Verlust, als auch jener, der einen Raub findet, doch auch jener, der ein anvertrautes Gut verleugnet, und jeder, der in irgendeiner Hinsicht der Seele seines Nächsten Schaden lizismus“: Harnack, Ertrag II, 10. Vgl. in Ios. hom. 9,8 (GCS Orig. 7, 353); 10,2 (7, 359); 14,2 (7, 380); in Cant. comm. III 16(IV 2),27 (OWD 9/1, 414); III 17(IV 3),9 (9/1, 420).

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et iurauit iniuste, „restituet“ inquit „ipsum caput et quintas superaugebit, et ei, cuius est, reddet“,a secundum eam dumtaxat expositionem, quam de quintis addendis ante iam diximus. „Et offeret“ inquit „Domino arietem de ouibus sine macula, pretio in id, quod deliquit; et orabit pro eo sacerdos contra Dominum, et remittetur ei pro uno ab omnibus, quae fecit et deliquit in eo.“ b Diximus in superioribus, quid est offerre arietem, et hunc „pretio sicli sancti“ c emptum. Nunc superest, ut differentiam illam dicamus, quod ibi pretium posuit sicli sancti, hic tantummodo | pretium dicit nec quantitatem pretii nec nomen pecuniae designauit. In superioribus enim, ubi pro peccato, quod in sancta commissum fuerat, lex dabatur, siclum sanctum diximus nominatum et siclum nomen esse pecuniae, ut alibi obolus, alibi drachma, alibi mna uel talentum uel minutum aes uel denarius dicitur. Hic ergo nihil horum nominatur, sed tantum pretio offerendus aries dicitur. Interest enim peccare in sanctis et peccare extra sancta.Vis et alibi uidere hanc ipsam distinctionem? Audi, quomodo in Regnorum libris dicit Heli sacerdos ad filios suos: „Si enim peccauerit quis in hominem, et exorabit pro eo sacerdos; si autem in Deum peccauerit, quis exorabit pro eo?“ d Similiter et Iohannes apostolus dicit: „Est peccatum ad mortem; non pro illo dico, ut oretur.“ e Quia ergo diuersitas peccatorum est, discere ex spiritali lege debemus, in quibus peccatis tantummodo emendus sit aries, in quibus uero „siclo sancto“ f mercandus; qui etiam sint isti, qui uendant arietes, requiramus. Ego arbitror ipsos esse istos, qui arietes ad sacrificium distrahunt, qui sunt et illi, qui oleum ad lampadas uirginum uendunt, de quibus dicebant illae prudentes stultis uirginibus: „Ite ad uendentes et emite uobis.“ g Vendunt ergo uel oleum luminibus uel arietes sacrificiis qui alii, nisi prophetae sancti et apostoli, qui mihi, cum peccauero, ostendunt et consilium dant, quomodo debeam corrigere errores meos et emendare peccata? Vendit mihi Esaias arietem ad sacrificandum pro peccato, cum mihi dicit tamquam ex Dei persona: „Holocausta arietum et adipem agnorum et sanguinem taurorum et hircorum nolo.“ h Et paulo post subiungit: „Auferte nequitias ab animis u ­ estris a conspectu oculorum uestrorum; discite bonum facere, eripite iniuriam accia

Lev. 6,5(5,24) bLev. 6,6f.(5,25f.) Mt. 25,9 hJes. 1,11

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1 Sam. 2,25

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1 Joh. 5,16

f

Lev. 5,15

Vgl. oben in Lev. hom. 3,6 (GCS Orig. 6, 311). Vgl. ebd. 3,8 (6, 313. 314). Vgl. ebd. (6, 314). Für „Todsünden“ vgl. ebd. 15,2 (6, 489), ferner in Ioh. comm. XIX 13,80 (GCS Orig. 4, 312); orat. 28,9f. (GCS Orig. 2, 380f.), wo mit Verweis auf dieselben beiden Stellen 1 Sam. 2,25 und 1 Joh. 5,16 konkret Götzendienst, Ehebruch, Hurerei und Mord aufgeführt werden.

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zufügte und unrichtig schwor, „soll es“, heißt es, „als ganzes ersetzen und um ein Fünftel darüber hinaus vermehren und es dem zurückgeben, dem es gehört“,a natürlich gemäß der Erklärung, die wir über das Fünftel, das hinzugefügt werden soll, schon vorher gegeben haben.129 „Und er soll“, heißt es, „dem Herrn einen Widder von den Schafen ohne Makel darbringen, um den Preis für das, worin er sich verfehlt hat; und der Priester soll für ihn vor dem Herrn beten, und es wird ihm für eines von allem vergeben werden, was er getan und worin er sich verfehlt hat.“ b Wir sagten im Vorhergehenden,130 was es heißt, einen Widder darzubringen, und zwar einen um den „Preis eines heiligen Schekels“ c gekauften. Nun bleibt noch übrig, dass wir den Unterschied angeben, dass er dort den Preis eines heiligen Schekels festsetzte, hier nur von einem Preis spricht und weder die Höhe des Preises noch die Benennung des Geldes bezeichnete. Denn im Vorhergehenden,131 wo für eine Sünde, die gegen die heiligen Güter begangen worden war, ein Gesetz gegeben wurde, sagten wir, dass der heilige Schekel erwähnt wird und dass Schekel ein Name für das Geld ist, wie es anderswo Obolus, anderswo Drachme, anderswo Mina oder Talent oder kleines Kupfergeld oder Denar genannt wird. Hier also wird nichts von diesen erwähnt, sondern nur der um einen Preis darzubringende Widder genannt. Denn es ist ein Unterschied zwischen dem Sündigen im Heiligen und dem Sündigen außerhalb des Heiligen.Willst du auch anderswo eben diese Unterscheidung sehen? Höre, wie in den Königsbüchern der Priester Eli zu seinen Söhnen sagt: „Denn wenn jemand gegen einen Menschen sündigt, wird der Priester für ihn bitten; wenn er aber gegen Gott sündigt, wer wird für ihn bitten?“ d Ebenso sagt auch der Apostel Johannes: „Es gibt eine Sünde zum Tod; für diese sage ich nicht, dass gebetet werden soll.“ e  132 Da es also eine Verschiedenheit von Sünden gibt, müssen wir aus dem geistigen Gesetz lernen, für welche Sünden nur ein Widder zu kaufen, für welche hingegen er „um einen heiligen Schekel“ f zu erwerben ist; wir wollen auch prüfen, wer die sind, die Widder verkaufen. Ich meine, dass es die sind, die Widder für das Opfer verkaufen, die auch diejenigen sind, die Öl für die Lampen der Jungfrauen verkaufen, über welche jene klugen zu den törichten Jungfrauen sagten: „Geht zu den Verkäufern und kauft euch welches!“ gWer anders verkauft also entweder Öl für die Lampen oder Widder für die Opfer als die heiligen Propheten und Apostel, die mir zeigen, wenn ich gesündigt habe, und Rat geben, wie ich meine Irrtümer korrigieren und die Sünden verbessern muss? Jesaja verkauft mir einen Widder für ein Sündopfer, wenn er mir gleichsam in der Person Gottes sagt: „Ganzopfer von Widdern und Fett von Schafen und Blut von Stieren und Böcken will ich nicht.“ h Und wenig später fügt er hinzu: „Schafft die Nichtsnutzigkeit von euren Seelen vom Anblick eurer Augen weg; lernt Gutes zu tun, reißt die heraus, denen Unrecht widerfährt, sprecht Recht für die Waise

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pientem, iudicate pupillo et iustificate uiduam; et uenite disputemus, dicit Dominus. Et si fuerint peccata uestra ut | phoenicium, ut niuem dealbabo; si autem ut coccinum, ut lanam candidam efficiam.“a Vendit mihi arietem et Daniel, cum dicit quia: „Non est locus ad sacrificandum in conspectu tuo, ut possimus inuenire misericordiam. Sed in anima contribulata et spiritu humilitatis suscipiamur, uelut in multitudine agnorum pinguium; sic fiat sacrificium nostrum in conspectu tuo hodie.“ b Vendit nobis et Dauid arietem sacrificii, cum dicit: „Sacrificium Deo spiritus contribulatus, cor contritum et humiliatum Deus non spernit.“ c Cum ergo singuli prophetarum uel etiam apostolorum consilium his, qui delinquunt, dederint, quo possint corrigere uel emendare peccatum, merito his uendidisse arietes ad sacrificium uidebuntur. Quid autem pretii a comparantibus sumant? Illud opinor, legendi studium, uigilias audiendi uerba Dei, et super omnia dignissimum pretium oboedientiam puto, de qua dicit Dominus: „Obedientiam malo quam sacrificium, et dicto audientiam magis quam holocausta.“ d 6. Post haec subsequitur: „Et locutus est“ inquit „Dominus ad Moysen dicens: Praecipe Aaron et filiis eius dicens: Haec est lex holocausti. Hoc holocaustum in concrematione sua erit super altare tota nocte usque in mane, et ignis altaris ardebit super illud nec exstinguetur. Et induet se sacerdos tunicam lineam, et campestre lineum induet circa corpus suum et auferet hostiam, quam consumpserit ignis, holocaustum de altari, et ponet illud secus altare. Et despoliabit se stola sua et induetur stola alia, et eiciet hostiam, quae cremata est, extra castra in locum mundum. Et ignis super altare ardebit nec exstinguetur; et comburet super illud sacerdos ligna mane, et constipabit in illud holocaustum, et imponet super illud adipem salutaris; et ignis semper ardebit super altare nec exstinguetur.“ e Audi semper debere esse ignem super altare et tu, si uis esse sacerdos Dei, sicut scriptum est: „Omnes enim uos sacerdotes Domini eritis“;f et ad te enim dicitur: „gens electa, regale sacerdotium, populus in acquisitionem“.g Si ergo uis sacerdotium | agere animae tuae, numquam recedat ignis de altari tuo. Hoc est, quod et Dominus in euangeliis praecepit, ut „sint lumbi uestri praecincti, et lucernae uestrae ardentes“.h Semper ergo tibi ignis fidei et lucerna scientiae accensa sit. Sed et quod dixit: „lumbi uestri praecincti“ Dominus in euangelio, hoc idem est, quod et nunc legislator praecepit, ut campestri lineo praecingatur sacerdos et ita ueteri cinere deposito innouet sacros ignes. Oportet enim a e

Jes. 1,16–18 bDan. 3,38–40 Lev. 6,8–13(1–6) f Jes. 61,6

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Ps. 50(51),19 dVgl. 1 Sam. 15,22 1 Petr. 2,9 hLk. 12,35

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und verschafft der Witwe Recht; und kommt, lasst es uns erörtern, spricht der Herr. Und wenn eure Sünden wie Purpur sind, werde ich sie weiß wie Schnee machen; wenn sie aber wie Scharlach sind, werde ich sie weiß wie Wolle machen.“a Auch Daniel verkauft mir einen Widder, wenn er sagt: „Es gibt keinen Ort, um vor deinem Angesicht Opfer darzubringen, sodass wir Barmherzigkeit finden könnten. Doch mit zerknirschter Seele und im Geist der Demut mögen wir angenommen werden, so wie in der Menge fetter Schafe; so soll heute unser Opfer vor deinem Angesicht erfolgen.“ b Auch David verkauft uns einen Widder für das Opfer, wenn er sagt: „Das Opfer für Gott ist ein zerknirschter Geist, ein aufgeriebenes und demütiges Herz verschmäht Gott nicht.“ c Wenn also die einzelnen Propheten oder auch die Apostel denen, die sich verfehlen, einen Rat geben, wie sie eine Sünde korrigieren oder verbessern können, werden sie ihnen offenbar mit Recht Widder für das Opfer verkauft haben. Welchen Preis aber nehmen sie von den Käufern? Er besteht, meine ich, in Eifer zum Lesen, Nachtwachen zum Hören der Worte Gottes, und vor allem glaube ich, dass der würdigste Preis der Gehorsam ist, über den der Herr sagt: „Gehorsam will ich lieber als Opfer, und Hören auf das Wort mehr als Ganzopfer.“ d 6. Danach folgt: „Und der Herr“, heißt es, „sagte zu Mose: Schreibe Aaron und seinen Söhnen vor: Dies ist das Gesetz für das Ganzopfer. Das Ganzopfer soll bei seiner Verbrennung die ganze Nacht bis zum Morgen auf dem Altar sein, und das Altarfeuer soll darauf brennen und nicht ausgelöscht werden. Und der Priester soll sich das Leinengewand anziehen, und er soll den leinenen Lendenschurz um seinen Körper anziehen und das Opfer, das das Feuer verzehrt hat, entfernen, das Ganzopfer vom Altar, und er soll es neben den Altar legen. Und er soll sein Obergewand ausziehen und ein anderes Obergewand anziehen, und er soll das Opfer, das verbrannt wurde, außerhalb des Lagers an einen reinen Ort werfen. Und das Feuer auf dem Altar soll brennen und nicht ausgelöscht werden; und der Priester soll darauf am Morgen Holz verbrennen und auf diesem das Ganzopfer aufhäufen, und er soll darauf das Fett des Heilsopfers legen; und das Feuer soll immer auf dem Altar brennen und nicht ausgelöscht werden.“ e Höre auch du, dass immer Feuer auf dem Altar sein muss, wenn du Priester Gottes sein willst, so wie geschrieben ist: „Denn ihr alle werdet Priester des Herrn sein“;f auch zu dir wird nämlich gesagt: „auserwähltes Geschlecht, königliches Priestertum,Volk zur Erwerbung“.gWenn du also das Priestertum deiner Seele ausüben willst, soll niemals das Feuer von deinem Altar weichen. Das ist es, was auch der Herr in den Evangelien vorschreibt, dass „eure Lenden gegürtet und eure Lampen brennend seien“.h Immer also sollen dir das Feuer des Glaubens und die Lampe der Erkenntnis angezündet sein. Doch auch was der Herr im Evangelium sagte: „eure Lenden gegürtet“, das ist dasselbe, was auch nun der Gesetzgeber vorgeschrieben hat, dass der Priester sich mit einem leinenen Lendenschurz gürten und so, nachdem die alte Asche beseitigt wurde, die heiligen Feuer erneuern soll. Denn auch wir

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etiam nos dicere: „Ecce, uetera transierunt, et facta sunt omnia noua.“a Campestri enim lineo cingitur uel, sicut alibi dicitur, femoralibus utitur, qui luxuriam fluxae libidinis cingulo restrinxerit castitatis. Ante omnia enim sacerdos, qui diuinis assistit altaribus, castitate debet accingi, nec aliter purgare uetera et instaurare poterit noua, nisi lineis induatur. De lineis saepe iam dictum est, et tunc maxime, cum de indumentis sacerdotalibus dicebamus quod species ista formam teneat castitatis, quia origo lini ita de terra editur, ut ex nulla admixtione concepta sit. Obseruandum tamen est quod aliis indumentis sacerdos utitur, dum est in sacrificiorum ministerio, et aliis, cum procedit ad populum. Hoc faciebat et Paulus scientissimus pontificum et peritissimus sacerdotum. Qui cum esset in coetu perfectorum, tamquam intra sancta sanctorum b positus et stola perfectionis indutus dicebat: „Sapientiam loquimur inter perfectos, sapientiam autem non huius mundi neque principum huius mundi, qui destruuntur; sed loquimur Dei sapientiam in mysterio absconditam, quam nemo principum huius saeculi cognouit. Si enim cogno­ uissent, numquam Dominum maiestatis crucifixissent.“ c Sed post haec tamquam ad populum exiens d mutat stolam et alia induitur longe inferiore quam illa. Et quid dicit? „Nihil aliud“ inquit „iudicaui me scire inter uos | nisi Iesum Christum, et hunc crucifixum.“ eVides ergo istum doctissimum sacerdotem, quomodo, intus cum est inter perfectos, uelut in sanctis sanctorum, alia utitur stola doctrinae; cum uero exit ad eos, qui incapaces sunt, mutat stolam uerbi et inferiora docet et alios lacte potat ut paruulos,f alios oleribus nutrit ut infirmos,g aliis uero fortes praeparat cibos, his scilicet, qui „pro pos­ sibilitate sumendi exercitatos habent sensus ad discretionem boni uel a e

2 Kor. 5,17 bVgl. Ex. 30,29; Lev. 6,17(10) c1 Kor. 2,6–8 1 Kor. 2,2 fVgl. 1 Kor. 3,1f. gVgl. Röm. 14,2

d

Vgl. Num. 11,24

133 Leinen hat für Origenes seinen Ursprung von der Erde, ebenso wie der menschliche

Körper, der nach Gen. 2,7 aus Erde erschaffen wurde. Vgl. in Hier. hom. 11,6 (GCS Orig. 32, 84): „Weshalb aber ist er (sc. der Gürtel) aus Leinen? Weil Leinen aus Erde entsteht.“ Übersetzung: Fürst/Lona, OWD 11, 293. Plutarch, Is. 4, 352d–e, erläutert, warum Priester leinene Kleider tragen: „Aber der wahre Grund von all diesen Dingen ist ein einziger: ‚Ein Reines zu berühren‘, wie Platon (Phaid. 67b) sagt, ‚ist einem nicht Reinen untersagt.‘ … Was den Lein betrifft, so wächst er aus der unsterblichen Erde und erzeugt essbare Frucht; und er liefert eine schlichte und reinliche Kleidung, die bedeckt, ohne zu beschweren, und für jede Jahreszeit passend ist.“ Übersetzung: p. 141. 143 Görgemanns. Philon, ebr. 86 (II p. 186 Cohn/Wendland), sagt über den Weisen: „Und wenn er sich von allen menschlichen Bestrebungen zurückgezogen hat und das allein Seiende verehrt, muss er das schmucklose Gewand der Wahrheit anziehen, an das * nichts Sterbliches rühren soll – ist es ja doch aus Linnenstoff, der nicht aus dem Tode geweihten Wesen erzeugt wird.“ Übersetzung: Adler, Philo Werke V, 36. Zu den leinenen Beinkleidern (femoralia) vgl. unten in Lev. hom. 6,6 (GCS Orig. 6, 368f.); 9,2 (6, 420).

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müssen sagen: „Siehe, das Alte ist vergangen und alles ist neu geworden.“a Denn mit einem leinenen Lendenschurz gürtet sich beziehungsweise, wie anderswo gesagt wird, Beinkleider benutzt, wer die Genusssucht der schlüpfrigen Begierde mit dem Gürtel der Keuschheit fesselt. Denn vor allem muss der Priester, der an den heiligen Altären steht, mit Keuschheit gegürtet sein, und er wird nicht anders das Alte reinigen und das Neue einführen können, als wenn er mit Leinen bekleidet ist. Über das Leinen wurde schon oft gesprochen133 und am meisten damals, als wir über die priesterlichen Gewänder sagten, dass dieses Erscheinungsbild die Gestalt der Keuschheit an sich trägt, weil der Ursprung des Leinens so von der Erde hervorgebracht wird, dass er aus keiner Beimischung empfangen wird. Zu beachten ist jedoch, dass der Priester die einen Kleider benutzt, während er mit dem Dienst am Opfer beschäftigt ist, und andere, wenn er zum Volk heraustritt. Das tat auch Paulus, der kundigste der Hohepriester und der erfahrenste der Priester. Als er in der Versammlung der Vollkommenen war, sich gleichsam innerhalb des Allerheiligsten b befand und mit dem Obergewand der Vollkommenheit bekleidet war, sagte er: „Wir reden von der Weisheit unter den Vollkommenen, aber nicht von der Weisheit dieser Welt noch der Herrscher dieser Welt, die vernichtet werden; sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Mysterium verborgen ist, die niemand von den Herrschern dieser Welt erkannte. Denn wenn sie sie erkannt hätten, hätten sie niemals den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt.“ c Doch danach, gleichsam zum Volk hinaustretend,d  134 wechselt er das Obergewand und zieht ein anderes, bei weitem niedrigeres an als jenes. Und was sagt er? „Nichts anderes“, heißt es, „habe ich entschieden bei euch zu wissen als Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten.“ e Du siehst also, wie dieser gelehrteste Priester, wenn er sich drinnen unter Vollkommenen befindet, gleichsam im Allerheiligsten, ein anderes Obergewand der Lehre verwendet; wenn er hingegen zu denen hinausgeht, die nicht aufnahmefähig sind, wechselt er das Obergewand des Wortes und lehrt Niedrigeres und tränkt die einen mit Milch wie die Kinder,f die anderen nährt er mit Gemüse wie Kranke,g anderen hingegen bereitet er feste Speisen, offensichtlich denen, die „entsprechend ihrer Aufnahmefähigkeit135 geübte Sinne 134 In Num. 11,24 ist Mose gemeint, der zum Volk hinausgeht und zu ihm spricht. In

Num. hom. 6,1 (GCS Orig. 7, 31) interpretiert Origenes: „Solange Mose die Worte Gottes hört und von ihm belehrt wird, ist er drinnen und bleibt im Inneren und hält sich im Abgeschiedenen auf; sobald er hingegen zur Menge spricht und dem Volk dient, das nicht drinnen stehen kann, wird gesagt, dass er hinausgeht.“ Ebd. 21,2 (7, 202) deutet er die Unterscheidung zwischen innen und außen auf das Leben des Gerechten: „Bedenke, wie der Gerechte drinnen ist und immer im Inneren bleibt …“ 135 Die Wiedergabe von διὰ τὴν ἕξιν in Hebr. 5,14 mit pro possibilitate sumendi ist ein Charakteristikum der Origenesübersetzungen des Rufinus, an denen man – falls dies nicht anderweitig deutlich wird – seine Autorschaft erkennt, wie das für in Regn. hom. lat. 8 (GCS Orig. 8, 13) der Fall ist: siehe Fürst, OWD 7, 110.

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mali“.a Sic sciebat Paulus mutare stolas et alia uti ad populum, alia in ministerio sanctorum. Ipse autem pontificum pontifex et sacerdotum sacerdos Dominus et Saluator noster, de quo dicit apostolus quia „pontifex sit futurorum bonorum“,b audi, quomodo primus haec fecerit et ita discipulis suis haec imitanda reliquerit. Euangelium refert de eo et dicit quia: „In parabolis loquebatur ad turbas, et sine parabolis non loquebatur iis, seorsum autem soluebat ea discipulis suis.“ c Vides quomodo ipse docuit aliis indumentis uti debere pontificem, cum procedit ad turbas, aliis, cum eruditis et perfectis ministrat in sanctis.Vnde optandum nobis est et agendum, ne tales nos inueniat Iesus, ita imparatos et ita saeculi sollicitudinibus alligatos, ut cum turbis loquatur nobis in parabolis, ut „uidentes non uideamus et audientes non audiamus“;d sed potius inter eos inueniri mereamur, ad quos dicit: „Vobis datum est nosse mysteria regni Dei.“ e 7. Post hoc: „Haec est“ inquit „lex sacrificii, quod offerent filii Aaron sacerdotis ante altare contra Dominum. Auferet ab eo plenam manum de similagine sacrificii cum oleo eius et cum omni ture eius, quae sunt ad sacrificium, et imponet super altare hostiam odorem suauitatis, memoriale eius Domino. Quod autem superfuerit ex ea, manducabit Aaron et filii eius. Azyma edetur in loco sancto, in atrio tabernaculi testimonii manducabunt eam. Non coquetur fermentata, partem illis hanc dedi ab hostiis Domini; sancta sanctorum sunt, sicut est pro peccato et pro delicto. Omnes masculi sacerdotum edent eam; legitimum | aeternum in progenies uestras ab hostiis Domini. Omnis qui tetigerit ea, sanctificabitur.“ f In his, quae proposita sunt, mos quidem sacrificandi sacerdotibus datur et obseruantiae, quibus coli Deus uel purificari populus uideretur uel etiam in necessariis uictus causa consuleretur sacerdotibus et ministris. Offerendae enim similae in sacrificio mensura posita est, quae „decima pars ephi“ g appellatur, huic oleum superfunditur et tus superponitur. Sed cum ad altare peruenerit, sacerdos, inquit, plenam manum ex ea sumet, ita ut intra plenitudinem manus concludat et oleum, quod infusum est, et tus, quod superpositum est, ut sit hoc libamen et sacrificium Deo in odorem suauitatis. Cetera, inquit, maneant sacerdotibus ad edendum, sed a f

Hebr. 5,14 bHebr. 9,11 cMt. 13,34; Mk. 4,34 Lev. 6,14–18(7–11) gLev. 6,20(13)

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136 Die Metaphorik von Milch als Nahrung für Anfänger und fester Speise für im Glau-

ben Fortgeschrittene ist ein verbreitetes Motiv antiker Paränese und Protreptik (siehe dazu die Hinweise bei Fürst/Hengstermann, OWD 10, 282 Anm. 139), das Origenes mit Hilfe der auch hier herangezogenen Bibelstellen oft verwendet. Vgl. z.  B. in Gen. hom. 7,1 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 109); in Ex. hom. 7,8 (GCS Orig. 6, 215f.); in Hiez. hom. 7,10 (GCS Orig. 8, 399). 137 Hier ist vom Opfer als einem individuellem „Denkmal“ oder „Gedächtnisanteil“ die Rede; so auch unten in Lev. hom. 4,9 (GCS Orig. 6, 329). Ebd. 13,3 (6, 471) dienen die zwölf dargebrachten Brote hingegen als „Denkmal“ der Erinnerung an die zwölf

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zur Unterscheidung des Guten und des Bösen haben“.a 136 So wusste Paulus die Obergewänder zu wechseln und die einen für das Volk zu benutzen, die anderen beim Dienst am Heiligen. Aber der Hohepriester der Hohepriester und der Priester der Priester selbst, unser Herr und Erlöser, über den der Apostel sagt, dass er „Hohepriester der künftigen Güter“ b ist, höre, wie er dies als erster tat und es so seinen Jüngern zur Nachahmung hinterließ. Das Evangelium berichtet darüber und sagt: „In Gleichnissen redete er zur Menge, und ohne Gleichnisse redete er nicht zu ihnen, abseits aber löste er sie seinen Jüngern auf.“ c Du siehst, wie er selbst lehrte, dass der Hohepriester die einen Kleider benutzen muss, wenn er zur Menge heraustritt, andere, wenn er den Gebildeten und Vollkommenen im Heiligtum dient. Daher müssen wir wünschen und darauf hinarbeiten, dass uns Jesus nicht als solche findet, so unvorbereitet und so gebunden an die Sorgen der Welt, dass wir, wenn er mit der Menge zu uns in Gleichnissen redet, „sehend nicht sehen und hörend nicht hören“;d sondern vielmehr sollen wir es verdienen, unter denen gefunden zu werden, zu denen er sagt: „Euch wurde es gegeben, die Mysterien des Reiches Gottes zu kennen.“ e 7. Danach heißt es: „Das ist das Gesetz des Opfers, das die Söhne des Priesters Aaron vor dem Altar vor dem Herrn darbringen sollen. Er soll davon eine volle Hand vom Feinmehl des Opfers mit seinem Öl und mit seinem ganzen Weihrauch, die auf dem Opfer sind, wegnehmen und das Opfer auf den Altar legen als Wohlgeruch, als sein Denkmal für den Herrn.137 Was aber davon übrig bleibt, sollen Aaron und seine Söhne verzehren. Ungesäuert soll es an einem heiligen Ort gegessen werden, im Vorhof des Bundeszeltes sollen sie es essen. Es soll nicht gesäuert gebacken werden, als Anteil habe ich es ihnen von den Opfern des Herrn gegeben; das ist das Allerheiligste, so wie es das Opfer für die Sünde und für die Verfehlung ist. Alle Männer unter den Priestern sollen es essen; es ist eine ewige Regel für eure Nachkommen von den Opfern des Herrn. Jeder, der sie berührt, wird geheiligt werden.“ f In diesen Vorgaben wird den Priestern der Brauch des Opferns und der zu beachtenden Riten übergeben, durch welche offenbar Gott verehrt beziehungsweise das Volk gereinigt wird beziehungsweise auch um des notwendigen Unterhalts willen für die Priester und Diener gesorgt wird. Denn die Menge des beim Opfer darzubringenden Feinmehls wird festgelegt, die „ein Zehntel Efa“ g genannt wird, auf welches Öl gegossen und Weihrauch gelegt wird. Wenn der Priester jedoch zum Altar kommt, heißt es, soll er eine volle Hand davon nehmen, soviel die Hand umschließt, und Öl, das darauf gegossen wurde, und Weihrauch, der darauf gelegt wurde, sodass dies eine Opfergabe und ein Opfer für Gott zum Wohlgeruch ist. Das Übrige, heißt es, soll für die Priester zum Essen bleiben, doch übergab das Gesetz es zum Verzehr Stämme. Der „Gedächtnisanteil“ repräsentiert das Opfer als ganzes, das Gott dargebracht wird: siehe Hieke, Levitikus 110f.

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edenda ea tradidit lex in loco sancto, in atrio tabernaculi, ita ut nihil fermentetur ex iis. Hanc enim inquit, dedi partem sacerdotibus et haec sunt sancta sanctorum. Sed et illud obseruari uoluit, ut soli masculi edant ex eo, femina nulla contingat. Addit et hoc, quod, qui tetigerit ea, sanctificetur.a Sed si uelimus nunc ab his, qui „in manifesto Iudaei“ b sunt, requirere de singulis, qua ratione illud hoc modo dictum sit aut illud alio modo, absoluta nobis responsione satisfacient dicentes: Ita uisum est legem danti; nemo discutit Dominum suum. Et ideo cedentes iis in ceteris de hoc nouissimo sermone requiramus, ut dicant, quomodo omnis, qui tetigerit ex sacrificio sanctorum, sanctificetur. Si homicida tetigerit, si profanus, si adulter, si incestus, sanctificatus erit? Non enim excepit aliquem, sed dixit: „Omnis qui tetigerit ea, sanctificabitur.“ c Ponamus enim quia etiam nunc integer sit status illius templi, offerantur hostiae, sacrificia consummentur; ingressus est aliquis tem­plum scelestus, iniquus, impurus, inuenit carnes ex sacrificiis propositas, tetigit eas: sanctificatus continuo pronuntiabitur? Enimuero nullo modo uel rei natura uel ueritas religionis hoc recipit; et ideo redeundum nobis est ad expositiones euangelicas atque apostolicas, ut lex possit intelligi. Nisi enim uelamen abstulerit euangelium de facie Moysi,d non potest uideri uultus eius nec sensus eius intelligi. Vide ergo, quomodo in ecclesia apostolorum discipuli adsunt his, quae Moyses scripsit, et defendunt ea, quod et | impleri queant et rationabiliter scripta sint; Iudaeorum uero doctores et impossibilia haec et irrationabilia sequentes litteram faciant. 8. Igitur sacrificium, pro quo haec omnia sacrificia in typo et figura praecesserant, unum et perfectum, immolatus est Christus.e Huius sacrificii carnem si quis tetigerit, continuo sanctificatur, si immundus est, sanatur, si in plaga f est. Sic denique intellexit illa, de qua paulo ante memoraui, quae profluuium sanguinis patiebatur,g quia ipse esset caro sacrificii et caro sancta sanctorum;h et quia uere intellexit, quae esset caro sancta sanctorum, idcirco accessit. Et ipsam quidem carnem sanctam contingere non audet – nondum enim mundata fuerat nec, quae perfecta sunt, apprehenderat –, sed „fimbriam tetigit uestimenti“,i quo sancta caro tegebatur, et fideli tactu uirtutem elicuit ex carne, quae se et ab immunditia sanctificaret et a plaga, quam patiebatur, sanaret. Non tibi uidentur isto magis ordine stare posse dicta Moysi, quibus a

Vgl. Lev. 6,14–18(7–11) bRöm. 2,28 cLev. 6,18(11) dVgl. 2 Kor. 3,14 Vgl. 1 Kor. 5,7 fVgl. Mk. 5,29 gVgl. Mk. 5,25; Mt. 9,20 hVgl. Lev. 6,17(10) i Mt. 9,20; Lk. 8,44 e

138 Vgl. oben in Lev. hom. 3,3 (GCS Orig. 6, 304).

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an einem heiligen Ort, im Vorhof des Zeltes, sodass nichts davon gesäuert wird. Dies, heißt es nämlich, habe ich als Anteil den Priestern gegeben, und das ist das Allerheiligste. Doch er wollte, dass auch beachtet wird, dass nur die Männer davon essen und keine Frau es berührt. Er fügt auch hinzu, dass der, der es berührt, geheiligt werden wird.a Doch wenn wir nun von denen, die „offensichtlich Juden“ b sind, im Einzelnen erfragen wollen, aus welchem Grund jenes auf diese Weise gesagt ist oder jenes auf andere Weise, wollen sie uns mit einer absoluten Antwort zufriedenstellen, indem sie sagen: So gefiel es dem Geber des Gesetzes; niemand diskutiert mit seinem Herrn. Und deswegen wollen wir, indem wir ihnen in den übrigen Dingen nachgeben, bezüglich dieses letzten Wortes einfordern, dass sie sagen, auf welche Weise jeder, der etwas vom Opfer des Heiligen berührt, geheiligt wird. Wenn ein Mörder es berührt, wenn ein Unheiliger, wenn ein Ehebrecher, wenn einer, der Inzest begangen hat, wird er geheiligt werden? Denn er nahm keinen aus, sondern sagte: „Jeder, der es berührt, wird geheiligt werden.“ c Angenommen nämlich, noch jetzt sei der Zustand jenes Tempels unversehrt, es würden Opfer dargebracht, es würden Opfer vollzogen; in den Tempel ist irgendein Frevler, ein Ruchloser, ein Unreiner eingetreten, er findet Fleisch von den Opfern hingelegt, er hat es berührt: Wird er sofort als geheiligt verkündet? Das ist ja weder der Natur der Sache noch der Wahrheit der Religion nach auf irgendeine Weise anzunehmen; und deswegen müssen wir zurückkommen auf die Darlegungen der Evangelien und Apostel, damit das Gesetz verstanden werden kann. Denn wenn nicht das Evangelium den Schleier vom Antlitz des Mose entfernt hat,d kann weder sein Gesicht gesehen noch sein Sinn verstanden werden. Sieh also, wie in der Kirche die Schüler der Apostel dem beistehen, was Mose geschrieben hat, und das verteidigen, was erfüllt werden kann und was auf vernünftige Weise geschrieben steht; die Lehrer der Juden hingegen machen sie, indem sie dem Buchstaben folgen, unmöglich und unvernünftig. 8. Daher ist als das eine und vollkommene Opfer, für das alle diese Opfer im Typus und im Bild vorausgegangen waren, Christus, geopfert worden.e Wer das Fleisch dieses Opfers berührt, wird sogleich geheiligt, wenn er unrein ist, wird geheilt, wenn er in einem Leiden f ist. So verstand schließlich jene, an die ich kurz zuvor erinnert habe,138 die an Blutfluss litt,g dass er selbst das Fleisch des Opfers und das Fleisch des Allerheiligsten h ist; und weil sie wahrlich verstand, was das Fleisch des Allerheiligsten war, deshalb trat sie hinzu. Und sie wagte zwar nicht, das heilige Fleisch selbst zu berühren – denn sie war noch nicht gereinigt und hatte nicht erfasst, was vollkommen ist –, doch „berührte sie die Franse des Gewandes“,i durch das das heilige Fleisch bedeckt wurde, und durch die glaubende Berührung lockte sie eine Kraft aus dem Fleisch heraus, die sie sowohl von der Unreinheit heiligte als auch von dem Leiden, an dem sie litt, heilte. Glaubst du nicht, dass die Worte des Mose, mit denen er sagt: „Jeder, der etwas vom heiligen Fleisch berührt, wird gehei-

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dicit: „Omnis qui tetigerit ex carnibus sanctis, sanctificabitur“?a Has enim carnes, quas nos exposuimus, tetigerunt omnes, qui ex gentibus crediderunt.b Has tetigit et ille, qui dicebat: „Fuimus enim et nos aliquando stulti, et increduli, errantes, seruientes desideriis et uoluptatibus uariis, in malitia et inuidia agentes, odibiles, odientes inuicem. Sed cum benignitas et humanitas illuxit Saluatoris nostri Dei, saluos nos fecit per lauacrum regenerationis et renouationis Spiritus sancti.“ c Et alibi dicit: „Et haec“ inquit „quidem fuistis, sed sanctificati estis, sed iustificati estis in nomine Domini nostri Iesu Christi et in spiritu Dei nostri.“ d Si enim, ut diximus, tangat quis carnem Iesu eo modo, quo supra exposuimus, tota fide, omni oboedientia accedat ad Iesum, tamquam ad uerbum carnem factum,e iste tetigit carnem sacrificii et sanctificatus est. Tangit autem carnes uerbi et ille, de quo dicit apostolus: „Perfectorum autem est cibus solidus, eorum, qui pro possibilitate sumendi | exercitatos habent sensus ad discretionem boni ac mali.“ f Tangit ergo et ille carnem uerbi Dei, qui interiora eius discutit et occulta potest explanare mysteria. Et nos si haberemus talem intellectum, ut possemus singula, quae scribuntur in lege, spiritali interpretatione discernere et obtectum uniuscuiusque sermonis sacramentum in lucem scientiae subtilioris educere; si ita docere possemus ecclesiam, ut nihil ex his, quae lecta sunt, remaneret ambiguum, nihil relinqueretur obscurum, fortassis et de nobis dici poterat quia tetigimus carnes sanctas uerbi Dei et sanctificati sumus. Sic autem accipio et illud, quod dictum est, quia „omnes masculi ex sacerdotibus edent eam“.g Nulla enim femina nec remissa et dissoluta anima poterit edere carnes sanctas uerbi Dei. Masculus quaeritur, qui eas edat. Masculi denique sunt, qui perducuntur ad numerum;h nusquam femina, nusquam paruuli numerantur; unde et apostolus dicebat: „Cum autem factus sum uir, deposui quae erant paruuli.“ i Talis ergo iste masculus et talis uir quaeritur, qui carnes sanctas possit comedere et comedere non in quocumque loco, sed „in loco sancto intra atrium tabernaculi“.j Audiant haec qui scindunt ecclesias et peregrinas ac prauas inducentes doctrinas putant se sacras carnes extra tem­plum Dei et extra aulam dominicam posse comedere. Profana sunt eorum sacrificia, quae contra mandati legem geruntur. „In loco sancto“ edi iubentur, a

Lev. 6,18(11) Lev. 6,18(11)

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Apg. 15,19 cTit. 3,3–5 d1 Kor. 6,11 eVgl. Joh. 1,14 Vgl. Num. 1,2 i 1 Kor. 13,11 j Lev. 6,16(9)

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Hebr. 5,14

139 Siehe dazu oben S. 145f. Anm. 135 und 136. 140 Zur Geschlechtermetaphorik bei Origenes siehe oben S. 66 Anm. 15. 141 Vgl. in Num. hom. 1,1 (GCS Orig. 7, 3): „Dort wird berichtet, dass nach der Vor-

schrift Gottes weder die Frauen zur Zählung hinzugezogen werden, zweifellos wegen des Hindernisses der weiblichen Schwäche, noch einer von den Sklaven …, sondern es werden nur die Israeliten gezählt und diese nicht alle, sondern ab zwanzig Jahren und darüber.“

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ligt werden“,a in diesem Sinn eher Bestand haben können? Denn dieses Fleisch, wie wir es dargelegt haben, berührten alle, die aus den Heidenvölkern zum Glauben gekommen sind.b Dieses berührte auch jener, der sagte: „Denn auch wir waren einst töricht und ungläubig, irrend, dienten verschiedenen Begierden und Vergnügungen, handelten in Bosheit und Neid, waren verhasst und hassten uns gegenseitig. Als jedoch die Milde und Menschlichkeit Gottes, unseres Erlösers, aufleuchtete, machte er uns heil durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung durch den Heiligen Geist.“ c Und anderswo sagt er: „Und das“, heißt es, „seid ihr gewesen, ihr seid jedoch geheiligt worden, ihr seid jedoch gerechtfertigt worden im Namen unseres Herrn Jesus Christus und im Geist unseres Gottes.“ dWenn nämlich, wie wir sagten, jemand das Fleisch Jesu auf die Weise berührt, wie wir es vorher dargelegt haben, mit ganzem Glauben, mit allem Gehorsam zu Jesus hinzutritt, gleichsam zum Wort, das Fleisch geworden ist,e hat dieser das Fleisch des Opfers berührt und ist geheiligt worden. Aber auch jener berührt das Fleisch des Wortes, über den der Apostel sagt: „Für die Vollkommenen aber ist die feste Speise, für die, die entsprechend ihrer Aufnahmefähigkeit geübte Sinne zur Unterscheidung des Guten und des Bösen haben.“ f  139 Also berührt auch der das Fleisch des Wortes Gottes, der dessen Inneres untersucht und die verborgenen Mysterien erklären kann. Und wenn auch wir ein solches Verständnis hätten, dass wir die Einzelheiten, die im Gesetz aufgeschrieben sind, durch eine geistige Deutung unterscheiden und das versteckte Geheimnis jedes einzelnen Wortes in das Licht einer genaueren Erkenntnis führen könnten; wenn wir so die Kirche lehren könnten, dass nichts von dem, was gelesen wurde, zweideutig bliebe, nichts unklar zurückgelassen würde, könnte vielleicht auch über uns gesagt werden, dass wir das heilige Fleisch des Wortes Gottes berührt haben und geheiligt worden sind. So nehme ich aber auch die Aussage auf, dass „alle Männer unter den Priestern es essen sollen“.g Denn keine Frau noch eine nachlässige und lasterhafte Seele wird das heilige Fleisch des Wortes Gottes essen können.140 Ein Mann wird gefordert, der es essen soll. Männer schließlich sind es, die zur Zählung gebracht werden;h nirgends werden eine Frau, nirgends werden Kinder gezählt;141 daher sagte auch der Apostel: „Als ich aber ein Mann geworden bin, legte ich ab, was vom Kind war.“ i Ein solcher also ist männlich und ein solcher Mann wird gefordert, der das heilige Fleisch essen kann, und zwar nicht an irgendeinem Ort essen, sondern „an einem heiligen Ort innerhalb des Vorhofes des Zeltes“.j Das sollen die hören, die die Gemeinden spalten und, womit sie fremde und verkehrte Lehren einführen, glauben, dass sie das heilige Fleisch außerhalb des Tempels Gottes und außerhalb des Hofes des Herrn essen können. Unheilig sind ihre Opfer, die gegen das Gesetz der Anordnung durchgeführt werden. „An einem heiligen Ort“ wird es zu essen befohlen, „innerhalb der Vorhöfe des Bundeszeltes“. „Die Vorhöfe des Bun-

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„intra atria tabernaculi testimonii“. „Atria tabernaculi testimonii“ sunt, quae fidei murus ambit, spei columnae suspendunt, caritatis amplitudo dilatat.Vbi haec non sunt, carnes sanctae nec haberi possunt nec comedi. 9. Bene autem quod et ea, quae ex sacrificio similaginis offeruntur, „plena manu cum oleo“ offeruntur „et ture, in odorem suauitatis Domino“.a Istum locum breuiter explanauit apostolus Paulus ad Philippenses dicens: „Repletus sum, accipiens ab Epaphrodito ea, quae a uobis missa sunt, odorem suauitatis, hostiam acceptam, placentem Deo.“ b In quo ostendit quod misericordia quidem erga pauperes oleum infundit in | sacrificio Dei, ministerium uero, quod sanctis defertur, suauitatem turis imponit. Sed hoc „plena manu“ c fieri debere praecipitur. Sic enim idem apostolus dicit, quia „qui parce seminat, parce et metet; qui autem seminat in benedictione, de benedictione et metet“.d Est tamen aliquid in ipso sacrificio, quod „memoriale“ e appellatur, quod offerri Domino dicitur. Ego si possem „die ac nocte in lege Domini“ meditari f et omnes scripturas memoria retinere, memoriale sacrificii mei Domino obtulissem. Certe si non omnia possumus, saltem ea, quae nunc docentur in ecclesia, quae recitantur, memoriae commendemus, ut exeuntes de ecclesia et agentes opera misericordiae et implentes diuina praecepta sacrificium cum ture et oleo offeramus in memoriam Domino. Ex his ergo edocemini, ut, quae auditis in ecclesia, tamquam munda animalia, ueluti ruminantes ea reuocetis ad memoriam, et cum corde uestro, quae dicta sunt, conferatis. Quod si aliqua memoriae superfuerint et intellectum uestrum superauerint, facite quod praesentis mandati auctoritas praecipit, dicens: „Quod autem superfuerit ex eis, manducabunt Aaron et filii eius.“ g Si quid superauerit et excesserit intellectum tuum uel memoriam tuam, serua Aaron, hoc est reserua sacerdoti, reserua doctori, ut ipse haec manducet, ipse discutiat, ipse exponat; sicut et alibi idem Moyses dicit: „Interroga patres tuos et adnuntiabunt tibi, presbyteros tuos et dicent tibi.“ h Ipsi enim sciunt, quomodo haec azyma debeat manducari et „in azymis sinceritatis et ueritatis“ i exponi. 10. Additur in sequentibus: „Et locutus est Dominus ad Moysen dicens: Hoc munus Aaron et filiorum eius, quod offerent Domino in die, qua unxeris eum, decimam partem ephi similaginis in sacrificio semper, dimidium eius mane, et dimidium eius post meridiem. In sartagine ex oleo fiet, conspersam offeret eam teneram, sacrificium de frag|mentis, sacrificium in odorem suaui­ tatis Domino. Sacerdos, qui unctus fuerit pro eo ex filiis eius, faciat ea; lex a

Lev. 6,15(8) Lev. 6,16(9)

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Phil. 4,18 Dtn. 32,7

Lev. 6,15(8) 1 Kor. 5,8

142 Siehe dazu oben S. 85 Anm. 42.

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deszeltes“ sind das, was die Mauer des Glaubens umgibt, die Säulen der Hoffnung stützen, die Weite der Liebe ausbreitet. Wo diese nicht sind, kann das heilige Fleisch weder besessen noch gegessen werden. 9. Gut ist es aber, dass auch das, was vom Opfer des Feinmehls dargebracht wird, „mit einer vollen Hand, mit Öl und Weihrauch, zum Wohlgeruch für den Herrn“a dargebracht wird. Diese Stelle erklärte kurz der Apostel Paulus im Brief an die Philipper: „Ich bin erfüllt, wenn ich von Epaphroditus das annehme, was von euch geschickt wurde, einen Wohlgeruch, ein wohlgefälliges Opfer, das Gott gefällt.“ b Damit zeigt er, dass die Barmherzigkeit gegen die Armen Öl auf das Opfer Gottes gießt,142 der Dienst hingegen, der den Heiligen dargebracht wird, fügt den Wohlgeruch des Weihrauchs hinzu. Doch es wird vorgeschrieben, dass das „mit einer vollen Hand“ c geschehen muss. Denn so sagt derselbe Apostel: „Wer spärlich sät, wird auch spärlich ernten; wer aber im Segen sät, wird auch im Segen ernten.“ d Es gibt jedoch etwas in demselben Opfer, das „Denkmal“ e genannt wird, von dem gesagt wird, dass es dem Herrn dargebracht wird. Wenn ich „Tag und Nacht über das Gesetz des Herrn“ nachsinnen f und alle Schriften im Gedächtnis behalten könnte, hätte ich das Denkmal meines Opfers dem Herrn dargebracht. Auch wenn wir sicherlich nicht alles können, wollen wir wenigstens das, was nun in der Kirche gelehrt wird, was vorgetragen wird, dem Gedächtnis übergeben, sodass wir, wenn wir aus der Kirche hinausgehen und Werke der Barmherzigkeit tun und die göttlichen Vorschriften erfüllen, ein Opfer mit Weihrauch und Öl zum Gedächtnis für den Herrn darbringen. Daraus werdet ihr also belehrt, dass ihr das, was ihr in der Kirche hört, so wie reine Tiere gleichsam wiederkäuend ins Gedächtnis zurückruft und in eurem Herzen das, was gesagt wurde, erwägt. Wenn aber etwas über das Gedächtnis hinausgeht und euer Verständnis übersteigt, tut, was die Autorität der vorliegenden Anordnung vorschreibt: „Was aber von diesem übrig ist, sollen Aaron und seine Söhne essen.“ gWenn etwas dein Verständnis oder dein Gedächtnis übersteigt und darüber hinausgeht, bewahre es auf für Aaron, das heißt, bewahre es für den Priester auf, bewahre es für den Lehrer auf, damit dieser es esse, dieser es untersuche, dieser es auslege; so wie auch derselbe Mose anderswo sagt: „Frage deine Väter und sie werden es dir kundtun, deine Ältesten und sie werden es dir sagen.“ h Denn diese wissen, wie man diese ungesäuerten Speisen essen muss und „im Ungesäuerten der Aufrichtigkeit und Wahrheit“ i auslegen muss. 10. Im Folgenden wird hinzugefügt: „Und der Herr sprach zu Mose: Das ist die Gabe Aarons und seiner Söhne, die sie dem Herrn darbringen sollen an dem Tag, an dem du ihn salbst, ein Zehntel Efa Feinmehl als immerwährendes Opfer, eine Hälfte davon morgens und eine Hälfte davon nachmittags. In einer Pfanne mit Öl soll es zubereitet werden, vermengt, zart soll er es darbringen, als Opfer von Stücken, als Opfer zum Wohlgeruch für den Herrn. Der Priester, der an seiner Stelle aus seinen Söhnen gesalbt worden ist, soll es

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aeterna; omnia consummabuntur. Et omne sacrificium sacerdotis holocau­ stum erit, et non edetur.“a In ceteris quidem praeceptis pontifex in offerendis sacrificiis populo praebet officium; in hoc uero mandato quae propria sunt curat et quod ad se spectat, exsequitur. Iubetur enim ex die, qua unctus fuerit, semper et in perpetuum offerre similaginem oleo conspersam, teneram ex sartagine. Idque cognominat „sacrificium ex fragmentis“, „in odorem suauitatis“, et hoc lege aeterna permanere et transmitti ad posteros iubet. Addit sane obseruandum ne ullum sacrificium sacerdotis, hoc est quod pro se ipso offert, edatur a quoquam, sed holocaustum fiat, quod est igni absumi. Praeceptum quidem secundum litteram clarum est, uelim tamen uidere, qui in hoc typus et quae figura formetur. Dimidium sacrificii huius mane uult offerri et dimidium uespere, certa mensura similae oleo conspersae tenerae a sartagine.bVide, si non, ut ego suspicor, sacrificium sacerdotis haec ipsa sit lex, quae per Moysen promulgatur, cuius dimidium mane iubetur offerri, dimidium uero ad uesperam. Quam legem in duas partes diuidi praecepit, in litteram uidelicet et spiritum. Et dimidiam quidem partem, quae est littera, offerri iubet mane, primo scilicet legis tempore, quod illis, quibus tunc secundum litteram data est, nouam lucem et nouum protulit diem. Dimidium uero eius offerri iussit in uesperam; in uespera enim nobis datus est Saluatoris aduentus, in quo pars illa dimidia, hoc est sensus uel spiritus legis, secundum quod „lex spiritalis est“,c offeratur oleo conspersa tenera. Oleum ad misericordiam reuocatur, quae debet in sacerdotibus abundare. „Tenera“ ad subtilem et puram intelligentiam pertinet. Quod autem „a sartagine“ dicitur, puto quod districtum et multa continentia aridum et torridum uelit esse sacerdotem, in quo nihil remissum haberi ad luxuriam, nihil fluitans ad libi|dinem possit. Quod autem „sacrificium“ ipsum „ex fragmentis“ nominauit „in odorem suauitatis“,d puto quod fragmenta sacerdotum uelit intelligi, cum legis per eos littera frangitur et cibus ex ea latens intrinsecus spiritalis elicitur; ut audientes turbae reficiantur, sicut et Dominus fecisse refertur in euangeliis, ubi benedixit panes et dedit discipulis et discipuli confringentes apposuerunt turbis; et a

Lev. 6,19–23(12–16)

b

Lev. 6,20f.(13f.)

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Röm. 7,14

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Lev. 6,21(14)

143 Die Metaphorik des Tages ist ein wichtiges Thema bei Origenes: siehe oben S. 34f.

Vgl. in Gen. hom. 8,4 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 124): „…, dass die Schrift ‚morgens‘ hinzufügte, sollte vielleicht zeigen, dass in seinem (sc. Abrahams) Herzen aufdämmernd ein Licht erstrahlte“ (Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 169); 10,3 (62  N.  F. 17, 153): „… deshalb hat der Herr am Abend der Welt gelitten, dass du immer vom Fleische des Wortes isst; denn immer weilst du im Abend – bis der Morgen anbricht. … Am Morgen nämlich wirst du dich freuen, das heißt in der künftigen Zeit …“ (Übersetzung: ebd. 203). 144 Zur Verbindung von Öl und Barmherzigkeit siehe erneut oben S. 85 Anm. 42. 145 Zur Charakterisierung der Enthaltsamkeit als „trocken“ siehe oben S. 94 Anm. 58.

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

zubereiten – ein ewiges Gesetz; alles soll dargebracht werden. Und jedes Opfer eines Priesters soll ein Ganzopfer sein und nicht gegessen werden.“a In den übrigen Vorschriften erbringt der Priester beim Darbringen der Opfer einen Dienst für das Volk; in dieser Anordnung hingegen sorgt er für das Eigene und führt aus, was sich auf ihn bezieht. Denn ihm wird befohlen, von dem Tag an, an dem er geweiht worden ist, immer und fortdauernd Feinmehl mit Öl vermengt darzubringen, zart aus einer Pfanne. Und das nennt er zusätzlich „ein Opfer aus Stücken“, „zum Wohlgeruch“, und befiehlt, dass dies als ewiges Gesetz bleibt und an die Nachkommen überliefert wird. Er fügt noch hinzu zu beachten, dass kein Opfer des Priesters, das heißt eines, das er für sich selbst darbringt, von irgendjemand gegessen wird, sondern ein Ganz­ opfer wird, das heißt, vom Feuer verzehrt wird. Die Vorschrift ist zwar nach dem Buchstaben klar, doch ich möchte sehen, was für ein Typus und was für Bild darin dargestellt wird. Eine Hälfte dieses Opfers will er morgens dargebracht haben und eine Hälfte abends, ein bestimmtes Maß an Feinmehl, mit Öl vermengt, zart aus einer Pfanne.b Sieh, ob nicht, wie ich vermute, das Opfer des Priesters das Gesetz selbst ist, das durch Mose verlautbart wird, dessen eine Hälfte am Morgen darzubringen befohlen wird, eine Hälfte hingegen gegen Abend. Er schreibt vor, dass dieses Gesetz in zwei Teile geteilt wird, offensichtlich in den Buchstaben und den Geist. Und die eine Hälfte, die der Buchstabe ist, befiehlt er am Morgen darzubringen, nämlich in der ersten Zeit des Gesetzes, die für die, denen es damals nach dem Buchstaben gegeben wurde, ein neues Licht und einen neuen Tag hervorbrachte.143 Seine andere Hälfte hingegen befahl er gegen Abend darzubringen; denn am Abend wurde uns die Ankunft des Erlösers geschenkt, in dem jene Hälfte, das heißt der Sinn beziehungsweise der Geist des Gesetzes, gemäß dem Wort, dass „das Gesetz geistig ist“,c mit Öl vermengt, zart, dargebracht wird. Das Öl weist auf die Barmherzigkeit hin,144 die in den Priestern im Überfluss vorhanden sein muss. „Zart“ bezieht sich auf das genaue und reine Verständnis. Mit der Aussage „aus einer Pfanne“ aber, glaube ich, will er, dass ein Priester, in dem nichts zur Genusssucht geneigt, nichts zur Begierde hinfließend sein kann, strikt und durch viel Enthaltsamkeit trocken und dürr ist.145 Mit der Bezeichnung des „Opfers“ selbst aber „aus Stücken zum Wohlgeruch“,d glaube ich, will er, dass es als Stücke der Priester verstanden wird, wenn durch diese der Buchstabe des Gesetzes zerbrochen wird und die geistige Speise, die im Innern verborgen ist, daraus hervorgelockt wird, damit die zuhörende Menge gestärkt wird, so wie in den Evangelien berichtet wird, dass es auch der Herr gemacht hat, als er die Brote segnete und sie den Jüngern gab und die Jünger sie zerbrachen und der Menge vorsetzten;146 und als 146 Vgl. in Gen. hom. 12,5 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 176f.): „Denn siehe, auch der Herr

bricht in den Evangelien wenige Brote – und wieviel Tausend aus den Völkern er-



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Homilia IV

cum satiati fuissent omnes, „superfuerunt“ inquit „fragmentorum cophini duodecim“.a Istud est ergo „sacrificium ex fragmentis“,b cum minutatim, quae sunt legis sancta, discutimus, ut spiritalem ex his cibum purumque capiamus. Et haec, inquit, est „lex aeterna“.c Iohannes quidem apostolus in Apocalypsi dicit esse „euangelium aeternum“.d Inuenimus et hic scriptum esse legem aeternam, sed isti, qui legem secundum litteram sequi uolunt, uelim mihi nunc dicerent, quomodo lex huius sacrificii esse possit aeterna, cum utique destructo templo, subuerso altari et omnibus, quae dicebantur sancta, profanatis ritus iste sacrificiorum non potuerit permanere. Quomodo ergo aeternum dicent, quod olim cessasse et finitum esse iam constat? Restat ut secundum eam partem lex haec aeterna dicatur, qua nos dicimus legem esse spiritalem e et per eam spiritalia offerri posse sacrificia, quae neque irrumpi umquam neque cessare possunt. Non enim in loco sunt, qui subuertitur, aut in tempore, quod mutatur, sed in fide credentis et in corde sacrificantis. Sane quod ait: „Non edetur de sacrificio sacerdotis, sed holocaustum erit“,f certum est ad Domini et Saluatoris nostri personam referri; de illius enim sacrificio „non edetur, sed holocaustum erit“. Hoc in loco sacrificium uerbum ipsum accipiendum est et doctrina, de qua nullus edet, hoc est nullus disputat, nullus retractat, sed holocaustum est. Quidquid enim dixit, quidquid statuit, aeterna consecratione perdurat, nec aliquis ita insanus inuenitur aut profanus, qui retractare de eius sermonibus possit; quos tamquam holocau­ stum, sacrificium Deo oblatum in omni cultu et ueneratione habere debemus; quia „coelum et terra transibit, uerba | autem eius non transibunt“,g sed semper manent, sicut et ipse semper manet. Per ipsum Deo Patri cum Spiritu sancto „est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ h a f

Mt. 14,20 bLev. 6,21(14) Lev. 6,23(16) gMt. 24,35

c

Lev. 6,22(15) dOffb. 14,6 1 Petr. 4,11; Offb. 1,6

h

e

Vgl. Röm. 7,14

quickt er, und wieviel Körbe mit Resten bleiben übrig! Solange die Brote ganz sind, wird niemand gesättigt, niemand erquickt, und es scheint nicht, als würden die Brote vermehrt. So überlege denn, wie wir wenige Brote brechen: Einige wenige Worte aus den Schriften wählen wir aus – und wieviel Tausende von Menschen werden satt! Doch werden diese Brote nicht gebrochen, werden sie von den Jüngern nicht Stück für Stück aufgeteilt, das heißt, wird der Buchstabe nicht säuberlich zerkleinert und gebrochen, kann sein Sinn nicht zu allen gelangen.“ Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 233.

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alle gesättigt waren, heißt es, „waren zwölf Körbe von Stücken übrig“.a Das ist also das „Opfer aus Stücken“,b wenn wir nach und nach untersuchen, was das Heilige des Gesetzes ist, damit wir daraus geistige und reine Speise zu uns nehmen. Und das, heißt es, ist ein „ewiges Gesetz“.c Der Apostel Johannes sagt in der Apokalypse, es gebe ein „ewiges Evangelium“.d Wir finden, dass auch hier ein ewiges Gesetz geschrieben steht, doch möchte ich, dass jene, die das Gesetz nach dem Buchstaben befolgen wollen, mir nun sagen, wie das Gesetz dieses Opfers ein ewiges sein kann, weil gewiss, nachdem der Tempel zerstört, der Altar umgestürzt und alles, was als heilig galt, entheiligt worden war, dieser Opferritus nicht bestehen bleiben konnte. Wie also werden sie ewig nennen, von dem bereits feststeht, dass es einst aufhörte und beendet wurde?147 Es bleibt nur, dass dieses Gesetz gemäß dem Teil ewig genannt wird, von dem wir sagen, dass das Gesetz geistig ist e und dass durch dieses geistige Opfer dargebracht werden können, die niemals vernichtet werden und aufhören können. Sie befinden sich nämlich nicht an einem Ort, der zerstört wird, oder in einer Zeit, die sich ändert, sondern im Glauben des Glaubenden und im Herzen des Opfernden. Dass er freilich sagt, „vom Opfer des Priesters soll nicht gegessen werden, sondern es soll ein Ganzopfer sein“,f ist sicher auf die Person unseres Herrn und Erlösers zu beziehen; denn von seinem Opfer „soll nicht gegessen werden, sondern es soll ein Ganzopfer sein“. An dieser Stelle ist anzunehmen, dass das Opfer das Wort selbst und die Lehre ist, von der niemand essen soll, das heißt, niemand bestreitet sie, niemand arbeitet sie um, sondern sie ist ein Ganzopfer. Denn was immer er sagte, was immer er festsetzte, hat durch ewige Weihe Bestand, und es gibt niemand, der so wahnsinnig oder unheilig wäre, dass er seine Worte umarbeiten könnte; diese müssen wir wie ein Ganz­ opfer, ein Gott dargebrachtes Opfer in aller Ehrfurcht und Verehrung halten; denn „Himmel und Erde werden vergehen, seine Worte aber werden nicht vergehen“,g sondern immer bleiben, so wie auch er selbst immer bleibt. Durch ihn gebührt Gott dem Vater mit dem Heiligen Geist „Herrlichkeit und Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ h

147 Zum Ende des Opferkults nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels siehe oben

S. 94 Anm. 59.

HOMILIA V. De eo quod scriptum est: „Haec lex peccati; in loco, quo iugulantur holocausta, occident et id, quod peccati est“ et cetera.a

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1. „Et locutus est Dominus ad Moysen, dicens: Loquere ad Aaron et ad filios eius dicens: Haec est lex peccati; in loco, quo iugulantur holocausta, occident et id, quod peccati est contra Dominum; sancta sanctorum sunt. Sacerdos qui offeret illud, edet illud, in loco sancto edetur, in atrio tabernaculi testimonii. Omnis qui tangit de carnibus eius, sanctificabitur; et cuicumque adspersum fuerit ex sanguine eius super uestimentum, quodcumque respersum fuerit, et ipsum lauabitur in loco sancto. Et uas fictile, in quocumque coctum fuerit, confringetur; si autem in uase aereo coctum fuerit, defricabit illud et diluet aqua. Omnis masculus ex sacerdotibus edet ea; sancta sanctorum sunt Domino. Et omnia quae pro peccato sunt, ex quibus illatum fuerit a sanguine eorum in tabernaculo testimonii deprecari in loco sancto, non edentur, sed igni comburentur.“ b Haec omnia nisi alio sensu accipiamus quam litterae textus ostendit, sicut saepe iam diximus, cum in ecclesia recitantur, obstaculum magis et subuersionem Christianae religioni quam hortationem aedificationemque praestabunt. Si uero discutiatur et inueniatur, quo sensu haec dicta sunt et digne Deo, qui haec dicere scribitur, aduertantur, fiet quidem Iudaeus, qui haec audit, sed | non ille, „qui in manifesto“, sed „qui in occulto Iudaeus est“; secundum illam differentiam Iudaei, quam distinguit apostolus, dicens: „Non enim, qui in manifesto Iudaeus est, neque quae manifeste in carne est circumcisio, sed qui in occulto Iudaeus est circumcisione cordis, qui spiritu, non littera; cuius laus non ab hominibus, sed ex Deo est.“ c Quam differentiam Iudaei uisibilis et Iudaei inuisibilis non intelligentes impii 22 Fragmentum I (Philocalia 1,30: SC 302, 230–232): Ἀπὸ τῆς εἰς τὸ Λευϊτικὸν ὁμιλίας ε´ εὐθὺς μετὰ τὴν ἀρχήν. Μὴ νοήσαντες δὲ διαφορὰν ἰουδαϊσμοῦ ὁρατοῦ καὶ ἰουδαϊσμοῦ νοητοῦ, τουτέστιν „ἰουδαϊσμοῦ φανεροῦ“ καὶ „ἰουδαϊσμοῦ τοῦ ἐν τῷ κρυπτῷ“,c οἱ ἀπὸ a

Lev. 6,25(18)

b

Lev. 6,24–30(17–23)

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Röm. 2,28f.

148 Zur Erbauung als Ziel der Auslegung siehe oben S. 63 Anm. 10. 149 Siehe dazu oben S. 130 Anm. 113.

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HOMILIE 5 Über die Schriftstelle: „Das ist das Gesetz für das Sündopfer; an dem Ort, an dem die Ganzopfer geschlachtet werden, sollen sie auch das töten, was ein Sündopfer ist“ usw.a 5

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1. „Und der Herr sprach zu Mose: Sprich zu Aaron und zu seinen Söhnen: Das ist das Gesetz für das Sündopfer; an dem Ort, an dem die Ganzopfer geschlachtet werden, sollen sie auch das töten, was ein Sündopfer vor dem Herrn ist; es ist das Allerheiligste. Der Priester, der es opfert, soll es essen, an einem heiligen Ort soll es gegessen werden, im Vorhof des Bundeszeltes. Jeder, der sein Fleisch berührt, wird geheiligt werden; und wem etwas von seinem Blut auf das Gewand gesprengt wird, was auch immer besprengt wird, auch das soll an einem heiligen Ort gewaschen werden. Und das Tongefäß, in dem es gekocht wurde, soll zerbrochen werden; wenn es aber in einem Bronzegefäß gekocht wurde, soll man es abreiben und mit Wasser spülen. Jeder Mann unter den Priestern soll es essen; das Allerheiligste ist es dem Herrn. Und alle Sündopfer, von deren Blut etwas in das Bundeszelt gebracht wird, um am heiligen Ort Sühne zu erbitten, sollen nicht gegessen, sondern im Feuer verbrannt werden.“ bWenn wir alle diese Worte nicht in einem anderen Sinn auffassen, als der Text buchstäblich lautet, werden sie, wie wir schon oft gesagt haben, wenn sie in der Kirche vorgetragen werden, der christlichen Religion mehr ein Hindernis und einen Umsturz als eine Ermahnung und Erbauung einbringen.148 Wenn hingegen untersucht und gefunden wird, in welchem Sinn dies gesagt ist und als Gottes würdig149 wahrgenommen wird, von dem geschrieben steht, dass er es sagt, wird der, der dies hört, ein Jude, doch nicht einer, „der offensichtlich“, sondern „der im Verborgenen ein Jude ist“, gemäß jener Unterscheidung des Juden, die der Apostel trifft, indem er sagt: „Denn nicht, wer offensichtlich ein Jude ist, und nicht die Beschneidung, die am Fleisch offensichtlich ist, sondern wer im Verborgenen durch die Beschneidung des Herzens ein Jude ist, wer es durch den Geist, nicht durch den Buchstaben ist, dessen Lob kommt nicht von Menschen, sondern von Gott.“ c Weil sie diese Unterscheidung des sichtbaren Juden und des un27 Fragment 1 (in Lev. hom. 5,1): Aus der 5. Homilie zum Buch Levitikus, gleich nach dem Anfang: Weil sie aber den Unterschied zwischen dem sichtbaren Judentum und dem geistig wahrnehmbaren Judentum, das heißt zwischen „dem offensichtlichen Judentum“ und „dem Judentum im Verborgenen“,c nicht erkannten, trennten sich die Anhänger der gott-

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Homilia V

haeretici non solum ab his scripturis refugerunt, sed ab ipso Deo, qui legem hanc et scripturas diuinas hominibus dedit, atque alium sibi Deum praeter illum, qui coelum ac terram condidit,a confinxerunt, cum utique fidei ueritas unum eundemque Deum legis et euangeliorum teneat, uisibilium et inuisibilium b creatorem; quia et cognationem plurimam uisibilia cum inuisibilibus seruant, ita ut apostolus dicat quia „inuisibilia Dei a creatura mundi per ea, quae facta sunt, intellecta conspiciuntur“.c Sicut ergo cognationem sui ad inuicem gerunt uisibilia et inuisibilia, terra et coelum, anima et caro, corpus et spiritus, et ex horum coniunctionibus constat hic mundus, ita etiam sanctam scripturam credendum est ex uisibilibus constare et inuisibilibus, ueluti ex corpore quo|dam, litterae scilicet, quae uidetur, et anima sensus, qui intra ipsam deprehenditur, et spiritu secundum id, quod etiam quaedam in se coelestia teneat, ut apostolus dixit quia: „Exemplari et umbrae deseruiunt coelestium.“ d Quia ergo haec ita se habent, inuocantes Deum, qui fecit scripturae animam et corpus et spiritum, corpus quidem his, qui ante nos fuerunt, animam uero nobis, spiritum autem his, qui in futuro haereditatem uitae aeternae consequentur,e per quam perueniant ad regna coelestia, eam nunc, τῶν ἀθέων καὶ ἀσεβεστάτων αἱρέσεων εὐθέως διέστησαν ἀπὸ τοῦ ἰουδαϊσμοῦ καὶ τοῦ Θεοῦ τοῦ δόντος ταύτας τὰς γραφὰς καὶ ὅλον τὸν νόμον, καὶ ἀνέπλασαν ἕτερον θεὸν παρὰ τὸν δεδωκότα Θεὸν τὸν νόμον καὶ τοὺς προφήτας, παρὰ τὸν ποιήσαντα οὐρανὸν καὶ γῆν.a Τὸ δ᾽ οὐχ οὕτως ἔχει, ἀλλ᾽ ὁ δεδωκὼς τὸν νόμον δέδωκε καὶ τὸ εὐαγγέλιον, ὁ ποιήσας τὰ βλεπόμενα κατεσκεύασε καὶ τὰ μὴ βλεπόμενα.b Καὶ συγγένειαν ἔχει τὰ βλεπόμενα καὶ τὰ μὴ βλεπόμενα· οὕτω δὲ ἔχει συγγένειαν, ὥστε „τὰ ἀόρατα τοῦ Θεοῦ ἀπὸ κτίσεως κόσμου τοῖς ποιήμασι νοούμενα καθορᾶσθαι“.c Συγγένειαν ἔχει καὶ τὰ βλεπόμενα τοῦ νόμου καὶ τῶν προφητῶν πρὸς τὰ μὴ βλεπόμενα ἀλλὰ νοούμενα τοῦ νόμου καὶ τῶν προφητῶν. Ἐπεὶ οὖν συνέστηκεν ἡ γραφὴ καὶ αὐτὴ οἱονεὶ ἐκ σώματος μὲν τοῦ βλεπομένου, ψυχῆς δὲ τῆς ἐν αὐτῷ νοουμένης καὶ καταλαμβανομένης καὶ πνεύματος τοῦ κατὰ „τὰ ὑποδείγματα καὶ σκιὰν τῶν ἐπουρανίων“,d φέρε, ἐπικαλεσάμενοι τὸν ποιήσαντα τῇ γραφῇ σῶμα καὶ ψυχὴν καὶ πνεῦμα, σῶμα μὲν τοῖς πρὸ ἡμῶν, ψυχὴν δὲ ἡμῖν, πνεῦμα δὲ τοῖς ἐν τῷ μέλλοντι αἰῶνι κληρονομήσουσι ζωὴν αἰώνιον e καὶ μέλλουσιν ἥκειν ἐπὶ τὰ ἐπουράνια καὶ ἀληθινὰ τοῦ νόμου, ἐρευνήσωμεν οὐ τὸ γράμμα ἀλλὰ τὴν ψυχὴν ἐπὶ τοῦ παρόντος· εἰ δὲ οἷοί τέ ἐσμεν, ἀναβησόμεθα καὶ ἐπὶ τὸ πνεῦμα κατὰ τὸν λόγον τὸν περὶ τῶν ἀναγνωσθεισῶν θυσιῶν. aVgl. Gen. 1,1

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Vgl. 2 Kor. 4,18

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Röm. 1,20

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Hebr. 8,5

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Vgl. Lk. 18,30.18

150 Mit den „Häretikern“ sind Markion,Valentinus und Basilides (vor allem ersterer) ge-

meint, die Origenes andernorts oft stereotyp nebeneinander nennt (siehe die Stellen bei Döhler/Fürst, OWD 5, 180 Anm. 140) und von denen er in Ios. hom. 12,3 (GCS Orig. 7, 370) sagt, sie hätten „sich zusammen mit den übrigen Häretikern, weil sie das (nämlich die grausamen Befehle Gottes in Jos. 10,24.26) nicht so auffassen wollen, wie es des Heiligen Geistes würdig ist, vom Glauben abgewendet und in zahllose Blasphemien verheddert, da sie einen anderen Gott als Gott des Gesetzes und als Schöpfer der Welt und Richter einführen …“; Übersetzung: Döhler/Fürst, OWD 5, 245. Siehe dazu Harnack, Ertrag I, 30–39; II, 54–81. 151 Vgl. Philon, vit. cont. 78 (VI p. 67 Cohn/Wendland): „Denn die gesamten Gesetzesbücher gleichen nach Ansicht dieser Männer einem Lebewesen, das als Körper die

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sichtbaren Juden nicht verstanden, entfernten sich die gottlosen Häretiker nicht nur von diesen Schriften, sondern von Gott selbst, der dieses Gesetz und die göttlichen Schriften den Menschen gab, und erdichteten sich einen anderen Gott neben dem, der Himmel und Erde gegründet hat,a  150 obwohl gewiss die Wahrheit des Glaubens am ein und denselben Gott des Gesetzes und der Evangelien festhält, am Schöpfer des Sichtbaren und des Unsichtbaren;b denn das Sichtbare bewahrt auch eine sehr große Verwandtschaft mit dem Unsichtbaren, so wie der Apostel sagt, dass „das Unsichtbare an Gott seit der Erschaffung der Welt durch das, was gemacht wurde, verstanden und geschaut wird“.c So wie also Sichtbares und Unsichtbares, Erde und Himmel, Seele und Fleisch, Körper und Geist ihre Verwandtschaft zueinander aufweisen und aus ihren Verbindungen diese Welt besteht, so muss man auch glauben, dass die Heilige Schrift aus Sichtbarem und Unsichtbarem besteht, gleichsam aus einem Körper, nämlich dem des Buchstabens, den man sieht, und aus der Seele als dem Sinn, der im Innern des Buchstabens erfasst wird, und aus dem Geist gemäß dem, dass sie auch manch Himmlisches in sich enthält, wie der Apostel sagte: „Sie dienen einem Vorbild und Schatten des Himmlischen.“ d   151 Da sich dies also so verhält, wollen wir, indem wir Gott anrufen,152 der Seele, Körper und Geist der Schrift gemacht hat, den Körper freilich für die, die vor uns waren, die Seele hingegen für uns, den Geist aber für die, die in Zukunft das Erbe des ewigen Lebens erlangen werden,e durch losen und äußerst frevelhaften Häresien sogleich vom Judentum und von Gott, der diese Schriften und das ganze Gesetz gegeben hat, und erdichteten einen anderen Gott neben dem Gott, der das Gesetz und die Propheten gegeben hat, neben dem, der Himmel und Erde gemacht hat.a Das verhält sich aber nicht so, sondern der das Gesetz gegeben hat, hat auch das Evangelium gegeben, der das Sichtbare gemacht hat, hat auch das nicht Sichtbare eingerichtet.b Und das Sichtbare weist eine Verwandtschaft mit dem nicht Sichtbaren auf; eine Verwandtschaft hat es aber so, dass „das nicht Sichtbare an Gott seit der Erschaffung der Welt durch das Geschaffene erkannt und geschaut wird.“ c Eine Verwandtschaft weist auch das Sichtbare am Gesetz und den Propheten mit dem auf, was im Gesetz und den Propheten nicht gesehen, aber erkannt wird. Weil also die Schrift auch selbst gewissermaßen aus dem Körper des Sichtbaren, aus der Seele des in ihm Erkannten und Erfassten und aus dem Geist dessen, das „dem Vorbild und Schatten des Himmlischen“ d entspricht, besteht, wohlan, indem wir den anrufen, der der Schrift Körper, Seele und Geist gemacht hat, den Körper für die vor uns, die Seele für uns, den Geist aber für die, die in der kommenden Zeit ewiges Leben erben werden e und die im Begriff sind, zum Himmlischen und Wahren des Gesetzes zu gelangen, wollen wir für jetzt nicht den Buchstaben, sondern die Seele erforschen. Wenn wir aber imstande sind, werden wir auch zum Geist hinaufsteigen gemäß auf den Sinn dessen, was wir über die Opfer gelesen haben. wörtlichen Anordnungen hat, als Seele aber die in den Worten verborgene unsichtbare Bedeutung besitzt. Hierin besonders beginnt die vernunftbegabte Seele das ihr Verwandte zu schauen.“ Übersetzung: Bormann, Philo Werke VII, 67f. Origenes erweitert die Zweiteilung in Körper (wörtliche Bedeutung) und Seele (verborgene Bedeutung) zu einer Dreiteilung, indem er den Geist ergänzt, der dem Sichtbaren

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Homilia V

quam diximus legis animam, requiramus, quantum ad praesens interim spectat. Nescio autem, si possumus etiam ad spiritum eius adscendere in his, quae nobis de sacrificiis lecta sunt. Debemus enim eum, quem diximus „in occulto Iudaeum“,a sicut ostendimus quia non carne, sed corde circumciditur, ita ostendere quia et sacrificat non carne, sed corde, et quia edit de sacrificiis non carne, sed spiritu. 2. Sed uideamus iam, quae sunt ipsa, quae referuntur in lege. „Et locutus est“ inquit „Dominus ad Moysen dicens: Loquere ad Aaron et filios eius dicens: Haec lex peccati“ b et cetera quae in praesenti recitata | sunt. Et ante iam dixisse nos memini quia lex non semper iisdem datur, sed alia quidem dicitur filiis Istrahel, alia autem filiis Aaron, alia etiam, sicut iam pridem obser­ uauimus, Moysi et Aaron. Est et alia lex, quae soli Moysi datur, ita ut nec Aaron legis illius particeps fiat. Quarum per singula distinctiones et diuersitates quis ita scientiae dono illuminatus a Deo est, ut possit integre aperteque disserere? Inuenimus enim in consequentibus praeceptum Domini ad solum Moysen dari et iuberi, ut pectusculum arietis perfectionis Moysi detur, „sicut praecepit“ inquit „Dominus Moysi“.c In qua portione neque Aaron neque filii eius participes fiunt. Et inuenitur lex, quae pertinet ad arietem perfectionis, non posse peruenire usque ad Aaron neque ad filios eius, multo magis nec ad reliquos filios Istrahel, sed ad solum Moysen, qui erat amicus Dei.dVerum quid opus est, quae postmodum recitanda sunt, praeuenire? Nunc interim lex recitata est, quae ad Aaron et filios eius promulgatur, lex peccati, hoc est hostiae, quae offertur pro peccato: „In loco“ inquit „in quo iugulantur holocausta, ibi occident et id, quod pro peccato est, in conspectu Domini; sancta sanctorum sunt.“ e Multa quidem iam Deo iuuante de sacrificiorum ritu secundum spiritalem intelligentiam in superioribus dicta sunt, sed et nunc, si a

Vgl. Röm. 2,29

b

Lev. 6,24f. (17f.)

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Lev. 8,29

d

Vgl. Weish. 7,27

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Lev. 6,25(18)

und Unsichtbaren das Himmlische hinzufügt. Im Folgenden bezieht er die Dreiteilung aber nicht auf drei Sinnebenen, sondern auf drei Epochen, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Die Gegenwart, also die „Seele des Gesetzes“, ist das, was sich auf die Zuhörer des Origenes bezieht und was er daher in der Auslegung ergründen will. Der Aufstieg zum geistigen Sinn erscheint demgegenüber schwieriger, wird aber von Origenes ebenfalls in Aussicht gestellt. 152 Solche Anrufungen Gottes um Hilfe bei der Auslegung gibt es häufiger: vgl. in Num. hom. 16,9 (GCS Orig. 7, 153); in Ios. hom. 20,4 (GCS Orig. 7, 422); 26,1 (7, 458); 26,3 (7, 462); in Hier. hom. 19,1(18,11) (GCS Orig. 32, 165. 167); 19,4(18,14) (32, 170); in Matth. comm. ser. 38 (GCS Orig. 11, 72); in Ioh. comm. VI 2 (GCS Orig. 4, 108). Siehe de L ubac , Geist aus der Geschichte 371f.; M artens , Origen and Scripture 182f. 153 Origenes leitet seine Predigten gelegentlich mit Vorworten ein, die recht lang sein können: vgl. in Regn. hom. lat. 1 (GCS Orig. 8, 1–3); in Hier. hom. 1,1 (GCS Orig. 32, 1f.); in Hiez. hom. 1,1f. (GCS Orig. 8, 319–323). Wie das vorliegende Vorwort ist

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Homilie 5,1–2

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

das sie zur himmlischen Herrschaft gelangen, nun das prüfen, was wir die Seele des Gesetzes genannt haben, soweit es sich einstweilen auf die Gegenwart bezieht. Ich weiß aber nicht, ob wir auch bei dem zu seinem Geist hinaufsteigen können, was uns über die Opfer vorgelesen wurde. Denn so wie wir von dem, den wir „Jude im Verborgenen“a genannt haben, gezeigt haben, dass er nicht im Fleisch, sondern im Herzen beschnitten wird, so müssen wir zeigen, dass er auch nicht im Fleisch, sondern im Herzen opfert, und dass er von den Opfern nicht im Fleisch, sondern im Geist isst.153 2. Wir wollen nun jedoch sehen, was das ist, das im Gesetz berichtet wird. „Und der Herr sprach“, heißt es, „zu Mose: Sprich zu Aaron und seinen Söhnen: Das ist das Gesetz für das Sündopfer“ b und das übrige, das gerade vorgetragen wurde. Und ich erinnere mich, dass wir schon vorher gesagt haben, dass das Gesetz nicht immer denselben gegeben wird, sondern es wird gesagt, dass das eine für die Söhne Israels ist, ein anderes aber für die Söhne Aarons, wieder ein anderes auch, wie wir es schon früher beobachtet haben, für Mose und Aaron.154 Es gibt noch ein anderes Gesetz, das nur Mose gegeben wird, sodass auch nicht Aaron Teilhaber jenes Gesetzes wird. Wer wäre durch die Gabe der Erkenntnis von Gott so erleuchtet, dass er deren Unterscheidungen und Verschiedenheiten im Einzelnen vollständig und klar erörtern könnte? Wir finden nämlich im Folgenden, dass eine Vorschrift des Herrn nur dem Mose gegeben und befohlen wird, dass Mose die Brust eines vollkommenen Widders gegeben wird, „so wie“, heißt es, „der Herr dem Mose vorgeschrieben hat“.c An diesem Anteil haben weder Aaron noch seine Söhne teil. Und man findet, dass das Gesetz, das sich auf den perfekten Widder bezieht, weder bis zu Aaron noch zu seinen Söhnen gelangen kann, um wie viel mehr auch nicht zu den übrigen Söhnen Israels, sondern nur zu Mose, der ein Freund Gottes d war. Doch wozu sollte es nötig sein vorzuziehen, was demnächst vorzutragen ist? Nun wurde erst einmal das Gesetz vorgetragen, das Aaron und seinen Söhnen bekanntgemacht wird, das Gesetz für das Sündopfer, das heißt für das Opfer, das für die Sünde dargebracht wird: „An dem Ort“, heißt es, „an dem die Ganzopfer geschlachtet werden, dort sollen sie auch das töten, was für die Sünde ist, vor dem Angesicht des Herrn; es ist das Allerheiligste.“ eVieles wurde schon mit Gottes Hilfe im Vorhergehenden über den Ritus der Opfer nach dem geistigen Verständnis gesagt, nun jedoch, wenn die Gnade des Herrn uns zu besuchen geruht und ihr es mit dasjenige in Ios. hom. 20,1f. (GCS Orig. 7, 415–420) wegen seiner programmatischen Ausführungen in die Philokalie aufgenommen worden: philoc. 12 (SC 302, 388–392). 154 Vgl. in Rom. comm. II 9,15 (SC 532, 386–388): „In den ersten Kapiteln des Buches Levitikus wird nur für die Israeliten folgendes Gesetz gegeben: Der Herr sprach: ‚Rede zu den Israeliten‘ … Anderes aber gilt nicht für sie, sondern nur für Aaron und seine Söhne … und dann noch zu Aaron … Anderes wird weder Aaron noch den Israeliten geboten, sondern den Ältesten Israels.“ Übersetzung: Heither, FC 2/1, 269.

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Homilia V

gratia Domini nos uisitare dignetur et uos orationibus adnitamini, addemus quae dederit Dominus. Hostiarum quaedam quidem sunt Dei solius, ita ut nullus hominum participet ex ipsis.a Quaedam sunt Aaron sacerdotis et filiorum eius;b quaedam ipsius et filiorum et filiarum eius, ita ut etiam uxorem sacerdotis edere liceat ex his.c Quaedam sunt sacerdotum et filiorum ac filiarum eorum, sed de quibus edere liceat etiam filios Istrahel.d Et in illis quidem hostiis, de quibus licet edere filios Istrahel, sine dubio habent participium etiam sacerdotes et filii sacerdotum; non tamen ex omni hostia, quam edet sacerdos, etiam filios Istrahel edere ex ea li|cebit. Igitur cum istae sint hostiarum differentiae, illam, quam diximus solius Dei esse, ex qua neque Moysen neque Aaron neque filios eius participare fas est, aliquando quidem holocaustomata nominari inuenimus,e aliquando uero non holocaustomata, sed holocarpoma,f ueluti si dicamus quod totum fructus sit, ille scilicet, qui Deo offertur. Est ergo prima legislatio de sacrificiis, si tamen uel obseruastis uel retinetis diligenter, quae lecta sunt ac disserta et non transcurrunt aures uestras in uanum uel quae a nobis dicuntur uel quae ex diuinis uoluminibus recitantur. Prima ergo est hostia holocaustomata; neque enim oportebat aliam primo hostiam nominari, nisi eam, quae omnipotenti Deo offerebatur. Secunda hostia est, quae ad edendum sacerdotibus mancipatur. Tertia, de qua etiam filios Istrahel contingere uel edere, ipsos scilicet, qui offerunt, fas est. Sed filios Istrahel non omnes, nisi illos tantum, qui mundi sunt; soli enim, qui mundi sunt, de sacrificiis edere iubentur.g Verum istas omnes hostias tu, qui „in occulto Iudaeus“ h es, nolo in animalibus requiras uisibilibus nec in mutis pecoribus inueniri putes, quod offerri debeat Deo. Istas hostias intra te ipsum require et inuenies eas intra animam tuam. Intellige te habere intra temet ipsum greges boum, illos, qui benedicun­ tur in Abraham. Intellige habere te et greges ouium et greges caprarum, in quibus benedicti et multiplicati sunt patriarchae. Intellige esse intra te etiam aues coeli. Nec mireris quod haec intra te esse dicimus; intellige te alium a

Vgl. z.  B. Lev. 1 bVgl. z.  B. Lev. 2,3 cVgl. z.  B. Lev. 10,14 dVgl. Lev. 7,9(19) Vgl. z.  B. Lev. 1,3 fVgl. Lev. 5,10 (in einer Handschrift); 16,24 gVgl. Lev. 7,9(19) h Röm. 2,29 e

155 Für solche unterstützenden Gebete, um die Origenes seine Gemeinde öfter bittet,

vgl. in Ex. hom. 1,1 (GCS Orig. 6, 146); in Ios. hom. 8,2 (GCS Orig. 7, 337); 8,3 (7, 338); 20,1 (7, 415); 20,4 (7, 422); in Ps. 77 hom. 1,5 (GCS Orig. 13, 359); in Ps. 80 hom. 2,5 (13, 503). 156 Von hier an hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos. II 3 (PL 108, 304A–306C), die Auslegung bis an das Ende von Kapitel 3 (S. 172 Z. 25) vollständig abgeschrieben. 157 In Gen. hom. 1,8 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 15f.) erklärt Origenes diese inneren Vögel als die guten Gedanken.

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Gebeten unterstützt,155 wollen wir auch hinzufügen, was der Herr gegeben hat. Manche Opfer156 gehören Gott allein, sodass kein Mensch an ihnen teilhat.a Manche gehören dem Priester Aaron und seinen Söhnen,b manche ihm und seinen Söhnen und Töchtern, sodass auch die Ehefrau des Priesters davon essen darf.c Manche gehören den Priestern und ihren Söhnen und Töchtern, doch dürfen auch die Söhne Israels davon essen.d Und an jenen Opfern, von denen die Söhne Israels essen dürfen, haben ohne Zweifel auch die Priester und die Söhne der Priester Anteil; dennoch werden auch die Söhne Israels nicht von jedem Opfer essen dürfen, das der Priester essen wird. Da es daher diese Unterschiede zwischen den Opfern gibt, finden wir, dass jenes, von dem wir gesagt haben, dass es nur Gott gehört, an dem weder Mose noch Aaron noch seine Söhne einen berechtigten Anteil haben, manchmal holocaustomata (Ganzopfer) e genannt wird, manchmal hingegen nicht Ganzopfer, sondern holocarpoma (Ganzfrucht),f als ob wir sagen würden, dass es die ganze Frucht ist, jene nämlich, die Gott dargebracht wird. Das ist also die erste Gesetzgebung über die Opfer, wenn ihr nur entweder beobachtet habt oder sorgfältig behaltet, was gelesen und erörtert wurde, und das, was von uns gesagt oder was aus den göttlichen Büchern vorgetragen wird, nicht an euren Ohren vorbei ins Leere läuft. Das erste Opfer ist also das Ganzopfer; denn kein anderes Opfer durfte zuerst genannt werden, wenn nicht das, das dem allmächtigen Gott dargebracht wurde. Das zweite Opfer ist das, das den Priestern zum Essen in die Hand gegeben wird. Das dritte, von dem auch den Söhnen Israels erlaubt ist, es zu berühren beziehungsweise davon essen, denen nämlich, die es darbringen – doch nicht allen Söhnen Israels, sondern nur denen, die rein sind; denn nur denen, die rein sind, wird befohlen, von den Opfern zu essen.g Aber ich will nicht, dass du, der du „im Verborgenen Jude“ h bist, alle diese Opfer in sichtbaren Tieren suchst und im stummen Vieh zu finden glaubst, was Gott dargebracht werden soll. Suche diese Opfer in dir selbst und du wirst sie in deiner Seele finden.Verstehe, dass du in dir selbst die Rinderherden hast, diejenigen, die in Abraham gesegnet werden. Verstehe, dass du sowohl die Schafherden als auch die Ziegenherden hast, in denen die Patriarchen gesegnet und vermehrt wurden.Verstehe, dass in dir auch die Vögel des Himmels sind.157 Und wundere dich nicht, dass wir sagen, dass diese Dinge in dir sind; verstehe, dass du eine andere Welt im Kleinen bist158 und dass in dir 158 Zum Menschen als Mikrokosmos vgl. Aristoteles, phys. VIII 2, 252 b 26; Philon, plant.

28 (II p. 139 Cohn/Wendland): „Nachdem wir also die wichtigsten Pflanzen im Kosmos betrachtet haben, wollen wir sehen, wie auch im Menschen, der Welt im Kleinen, der allweise Gott die Gewächse schuf.“ Übersetzung: Cohn, Philo Werke IV 158; Origenes, in Gen. hom. 1,11 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 20f.) Siehe dazu oben S. 21f.

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Homilia V

mundum esse in paruo et esse intra te solem, esse lunam, esse etiam stellas. Hoc enim si ita non esset, numquam dixisset Dominus ad Abraham: „Adspice ad coelum et uide stellas, si dinumerari possunt a multitudine, sic erit semen tuum.“a Nec mireris, inquam, si dicitur ad Abraham quia: „Sic erit semen tuum, sicut stellae sunt coeli“;b de illis scilicet, | qui ex fide eius geniti rationabiliter uiuant ac diuinas leges et praecepta custodiant. Audi amplius aliquid Saluatorem ad discipulos dicentem: „Vos estis lux mundi.“ c Dubitasne esse intra te solem et lunam, ad quem dicitur quia lux sis mundi? Vis adhuc amplius aliquid de te ipso audire, ne forte parua de te et humilia cogitans tamquam uilem negligas uitam tuam? Habet hic mundus gubernatorem suum, habet qui eum regat et habitet in ipso, omnipotentem Deum, sicut ipse per prophetam dicit: „Nonne coelum et terram ego repleo, dicit Dominus?“ dAudi ergo, ipse omnipotens Deus quid etiam de te, hoc est quid de hominibus dicat. „Habitabo“ inquit „in iis et inter ipsos ambulabo.“ e Plus aliquid adhuc addit erga personam tuam. „Et ero“ inquit „iis in patrem, et ipsi erunt mihi in filios et filias, dicit Dominus.“ f Habet hic mundus filium Dei, habet Spiritum sanctum, secundum quod dicit propheta: „Verbo Domini coeli firmati sunt, et spiritu oris eius omnis uirtus eorum“;g et item alibi: „Spiritus enim Domini repleuit orbem terrarum.“ h Audi et tibi quid dicit Christus: „Et ecce, ego uobiscum sum omnibus diebus usque ad consummationem saeculi.“ i Et de Spiritu sancto dicitur: „Et effundam de spiritu meo super omnem carnem, et prophetabunt.“ j Cum ergo uideas habere te omnia, quae mundus habet, dubitare non debes quod etiam animalia, quae offeruntur in hostiis, habeas intra te et ex ipsis spiritaliter offerre debeas hostias. 3. Sed de his, prout potuimus, in superioribus explanauimus; nunc uero illud addimus, quod dicit quia: „in loco, in quo iugulantur holocausta, ibi etiam hostiae pro peccato.“ k Vide quam multa misericordia et benignitas Dei est, ut, ubi holocaustum iugulatur illud, quod soli Deo offertur, ibi etiam hostia, quae pro peccato est, immolari iubeatur; quo scilicet intelligat se, qui peccauit et poenitet conuersus ad Deum l et „contribulati spiritus“ m hostiam iugulat, in loco iam sancto stare et sociari his, quae pertinent ad Deum. Ibi ergo immolatur hostia | pro peccato, ubi et holocaustum: „in conspectu“ inquit „Domini“.n Est fortassis in conspectu Domini offerre sacrificium et offerre non in conspectu Domini. Quis ergo est, qui offert in conspectu Domini? Ille, opinor, qui non „exiit a conspectu Domini“,o sicut Cain, et a

Vgl. Gen. 15,5 bVgl. Gen. 15,5 cMt. 5,14 dJer. 23,24 e2 Kor. 6,16 (Lev. 26,12) 2 Kor. 6,18 gPs. 32(33),6 hWeish. 1,7 i Mt. 28,20 j Joël 2,28(3,1) kLev. 6,25(18) l Vgl. 1 Thess. 1,9 mPs. 50(51),19 nLev. 6,25(18) oGen. 4,16

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159 Vgl. ebd. 1,7 (62 N.  F. 17, 13). 160 Siehe dazu oben S. 74 Anm. 27.

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die Sonne ist, der Mond ist, auch die Sterne sind.159 Denn wenn dem nicht so wäre, hätte der Herr niemals zu Abraham gesagt: „Blick zum Himmel und sieh die Sterne, ob sie in ihrer Menge gezählt werden können, so wird dein Same sein.“a Und wundere dich nicht, sage ich, wenn zu Abraham gesagt wird: „So wird dein Same sein, so wie die Sterne des Himmels sind“;b das wird nämlich von denen gesagt, die, aus seinem Glauben geboren, vernünftig leben160 und die göttlichen Gesetze und Vorschriften bewahren. Höre weiter etwas, das der Erlöser zu den Jüngern sagt: „Ihr seid das Licht der Welt.“ c Zweifelst du, dass Sonne und Mond in dir sind, zu dem gesagt wird, dass du Licht der Welt bist? Willst du noch weiter etwas über dich selbst hören, damit du nicht vielleicht, indem du Kleines und Geringes über dich denkst, dein Leben gleichsam als wertlos vernachlässigst? Diese Welt hat ihren Lenker, sie hat einen, der sie regiert und in ihr wohnt, den allmächtigen Gott, so wie er selbst durch den Propheten sagt: „Erfülle ich nicht Himmel und Erde, spricht der Herr?“ d Höre also, was der allmächtige Gott selbst auch über dich, das heißt, was er über die Menschen sagt: „Ich werde bei ihnen wohnen“, sagt er, „und unter ihnen wandeln.“ e Noch etwas Weiteres fügt er für deine Person hinzu. „Und ich werde“, sagt er, „ihnen Vater sein, und sie werden mir Söhne und Töchter sein, spricht der Herr.“ f Diese Welt hat den Sohn Gottes, sie hat den Heiligen Geist, gemäß dem, was der Prophet sagt: „Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel befestigt, und durch den Geist seines Mundes all ihre Kraft“;g und ebenso an einer anderen Stelle: „Denn der Geist des Herrn erfüllte den Erdkreis.“ h Höre auch, was dir Christus sagt: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt.“ i Und über den Heiligen Geist wird gesagt: „Und ich werde von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch, und sie werden prophetisch reden.“ j Da du also siehst, dass du alles hast, was die Welt hat, darfst du nicht zweifeln, dass du auch die Tiere, die in den Opfern dargebracht werden, in dir hast und du von ihnen geistig Opfer darbringen sollst. 3. Doch dies haben wir, so gut wir konnten, im Vorhergehenden erklärt; nun hingegen fügen wir das hinzu, was er sagt: „an dem Ort, an dem die Ganzopfer geschlachtet werden, dort auch die Sündopfer.“ k Sieh, wie groß die Barmherzigkeit und Güte Gottes ist, dass befohlen wird, dass dort, wo jenes Ganzopfer geschlachtet wird, das nur für Gott dargebracht wird, auch das Opfer, das für die Sünde ist, geopfert wird; dadurch will er nämlich verstehen, dass der, der gesündigt hat und, nachdem er zu Gott umgekehrt ist,l Buße tut und das Opfer eines „zerknirschten Geistes“ m schlachtet, schon am heiligen Ort steht und sich mit dem verbindet, was sich auf Gott bezieht. Dort also wird das Sündopfer geschlachtet, wo auch das Ganzopfer geschlachtet wird: „vor dem Angesicht des Herrn“,n heißt es. Es gibt wohl ein Darbringen eines Opfers vor dem Angesicht des Herrn und ein Darbringen nicht vor dem Angesicht des Herrn.Wer ist es also, der vor dem Angesicht des Herrn darbringt? Der, meine ich, der nicht „wegging vom Angesicht des Herrn“,o wie Kain,

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Homilia V

effectus est timens et tremens. Si qui ergo est, qui habet fiduciam adstare in conspectu Domini et non fugit a facie eius nec adspectum eius peccati conscientia declinat,a iste in conspectu Domini offert sacrificium. Hanc ergo hostiam, quae offertur pro peccatis, dicit esse sancta sanctorum.b Maius aliquid audere uult sermo, si tamen et uester sequatur auditus. Quae est hostia, quae pro peccatis offertur et est sancta sanctorum, nisi unigenitus filius Dei,c Dominus meus Iesus Christus? Ipse solus est hostia pro peccatis et ipse est hostia sancta sanctorum. Sed quod addidit: „Sacerdos“ inquit „qui offert illud, edet illud“,d uidetur difficile esse ad intellectum. Illud enim, quod edendum dicit, ad peccatum referri uidetur; sicut et alibi dicit de sacerdotibus propheta quia: „Peccata populi mei manducabunt.“ e Vnde et hic ostendit sacerdotem peccatum offerentis comedere debere. Saepe ostendimus ex diuinis scripturis Christum esse et hostiam, quae pro peccato mundi offertur, et sacerdotem, qui offerat hostiam; quod uno uerbo apostolus explicat, cum dicit: „qui se ipsum obtulit Deo“.f Hic ergo est sacerdos, qui peccata populi comedit et consumit, de quo dictum est: „Tu es sacerdos in aeternum, secundum ordinem Melchisedech.“ g Saluator ergo et Dominus meus peccata populi edit. Quomodo edit peccata populi? Audi quid scriptum est: „Deus“ inquit „noster ignis consumens est.“ h Quid consumit Deus ignis? Numquid tam inepti erimus, ut putemus quod Deus ignis ligna consumat aut stipulam aut foenum? i Sed consumit Deus ignis humana peccata, illa absumit, illa deuorat, illa purgat, secundum quod et alibi dicit: „Et purgabo te igni ad purum.“ j | Hoc est manducare peccatum eius, qui offert sacrificium pro a

Vgl. Gen. 4,13f. bVgl. Lev. 6,25(18) cVgl. Joh. 3,18 dLev. 6,26(19) eHos. 4,8 Hebr. 9,14 gPs. 109(110),4 hDtn. 4,24; Hebr. 12,29 iVgl. 1 Kor. 3,12 j Jes. 1,25

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161 Vgl. in Ex. hom. 11, 5 (GCS Orig. 6, 258): „Alles also, was die Heiligen tun, tun sie

vor dem Angesicht Gottes; der Sünder dagegen flieht vor dem Angesicht Gottes.“ Übersetzung: p. 223f. Heither. Als Beispiele werden Adam nach der Sünde und Kain nach dem Brudermord genannt. 162 Die Bezeichnung „mein Herr“ ist charakteristisch für die enge persönliche Beziehung des Origenes zu Jesus Christus; vgl. unten in Lev. hom. 5,5 (GCS Orig. 6, 343); 7,3 (6, 380. 381); 9,9 (6, 437); 12,4 (6, 460); 13,2 (6, 468). Weitere Belege dafür bei Döhler/Fürst, OWD 5, 96 Anm. 17. 163 Vgl. in Gen. hom. 8,6 (GCS Orig. 6, 126): „das Opfer und der Priester“; in Ios. hom. 8,6 (GCS Orig. 7, 342): „der Priester, das Opfer und der Altar“. 164 Gott ist „verzehrendes Feuer“, insofern er „die bösen Gedanken des Geistes, die schimpflichen Handlungen, das Verlangen nach der Sünde“ vernichtet; er dringt dabei in das Herz der Gläubigen ein, sodass sie fähig werden, „sein Wort und seine Weisheit zu fassen“: princ. I 1,2 (GCS Orig. 5, 17); Übersetzung: p. 103 Görgemanns /K arpp ). Vgl. ebd. II 10,4 (5, 177f.); in Lev. hom. 14,3 (GCS Orig. 6, 482); 15,3 (6, 491); in Ex. hom. 4,8 (GCS Orig. 6, 180): „Feuer der Reue“; ebd. 13,4 (6, 275f.) wird neben der reinigenden auch die erleuchtende und positiv entzündende Kraft des Feuers angesprochen: „Feuer hat nämlich eine doppelte Kraft, eine zum Erleuch-

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und sich daher fürchtet und zittert. Wenn es also einen gibt, der die Zuversicht hat, vor dem Angesicht des Herrn zu stehen, und nicht vor seinem Antlitz flieht noch seinem Blick im Bewusstsein einer Sünde ausweicht,a  161 der bringt ein Opfer vor dem Angesicht des Herrn dar. Dieses Opfer also, das für die Sünden dargebracht wird, nennt er Allerheiligstes.b Das Wort will noch etwas Größeres wagen, wenn ihr denn auch weiter zuhören wollt.Was ist das Opfer, das für die Sünden dargebracht wird und das Allerheiligste ist, wenn nicht der einziggeborene Sohn Gottes,c mein Herr162 Jesus Christus? Er allein ist das Opfer für die Sünden und er ist das allerheiligste Opfer. Doch was hinzugefügt ist: „Der Priester“, heißt es, „der es darbringt, soll es essen“,d scheint schwer verständlich. Denn jenes, wovon es heißt, dass es gegessen werden soll, scheint sich auf die Sünde zu beziehen; so wie auch an anderer Stelle der Prophet über die Priester sagt: „Sie werden die Sünden meines Volkes verzehren.“ e Daher zeigt sich auch hier, dass der Priester die Sünde des Darbringenden essen soll. Oft haben wir aus den göttlichen Schriften gezeigt, dass Christus sowohl das Opfer ist, das für die Sünde der Welt dargebracht wird, als auch der Priester, der das Opfer darbringt;163 das erklärt der Apostel mit einem Wort, wenn er sagt: „der sich selbst Gott darbrachte“.f Dieser ist also der Priester, der die Sünden des Volkes isst und verzehrt, über den gesagt ist: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.“ g Mein Erlöser und Herr also isst die Sünden des Volkes. Wie isst er die Sünden des Volkes? Höre, was geschrieben steht: „Unser Gott“, heißt es, „ist verzehrendes Feuer.“ h  164 Was verzehrt Gott, der Feuer ist? Werden wir etwa so töricht sein zu glauben, dass Gott, der Feuer ist, Holz verzehrt und Stroh und Heu? i Gott, der Feuer ist, verzehrt jedoch menschliche Sünden, diese vernichtet er, diese verschlingt er, diese reinigt er, gemäß dem, was er auch an anderer Stelle sagt: „Und ich werde dich mit Feuer reinigen, bis du rein bist.“ j Das bedeutet, die Sünde dessen zu verzehren, der ein Opfer ten und eine zum Entzünden. Das ist der buchstäblich erkennbare Aspekt; kommen wir auch zum geistigen Verständnis. Auch so kann man das Feuer doppelt erkennen: Es gibt ein Feuer in dieser Welt, es gibt auch eines in der zukünftigen. Der Herr Jesus sagt: ‚Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen‘ (Lk. 12,49); dieses Feuer erleuchtet. Derselbe Herr sagt auch in Zukunft den Übeltätern: ‚Geht in das ewige Feuer, das mein Vater dem Teufel und seinen Engeln bereitet hat‘ (Mt. 25,41); dieses Feuer brennt. Allerdings gilt auch: Das Feuer, das Jesus auf die Erde werfen wollte, erleuchtet zwar jeden Menschen, der in diese Welt kommt, es hat aber trotzdem etwas, das brennt, wie die beiden bekennen, die sagten: ‚Brannte nicht unser Herz in uns, als er uns die Schrift erschloss?‘ (Lk. 24,32). Christus entzündete also und erleuchtete zugleich durch das Erschließen der Schrift. Vielleicht hat auch das Feuer der zukünftigen Welt, das entzündet, etwas, das zugleich erleuchtet.“ Übersetzung: p. 259 Heither. Zur Erfahrung Gottes als verzehrendes Feuer, die die Abkehr des Menschen von der Sünde bewirkt, siehe Rahner, Bußlehre des Origenes 110–116. Dieses Feuer muss sich auch im Äußeren auswirken und in der Buße den ganzen Menschen erfassen: ebd. 116f.

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Homilia V

peccato. Ipse enim „peccata nostra suscepit“a et in semet ipso ea tamquam ignis comedit et absumit. Sic denique e contrario eos, qui permanent in peccatis, mors dicitur deglutisse, sicut scriptum est: „Deglutiet mors praeualens.“ b Hoc puto esse quod in euangelio Saluator dicebat: „Ignem ueni mittere in terram, et quam uolo ut accendatur.“ c Atque utinam et mea terra accendatur igni diuino, ut ultra non adferat „spinas et tribulos“.d Sic intelligere debes et illud, quod scriptum est: „Ignis accensus est ab ira mea, comedet terram et generationes eius.“ e Dicit ergo lex: „Sacerdos qui obtulerit, edet illud in loco sancto, in atrio tabernaculi testimonii.“ f Consequens enim est, ut secundum imaginem eius, qui sacerdotium ecclesiae dedit, etiam ministri et sacerdotes ecclesiae peccata populi accipiant et ipsi imitantes magistrum remissionem peccatorum populo tribuant. Debent ergo et ipsi ecclesiae sacerdotes ita perfecti esse et in officiis sacerdotalibus eruditi, ut peccata populi „in loco sancto, in atriis tabernaculi testimonii“ ipsi non peccando consumant. Quid autem est in loco sancto manducare peccatum? g Locus erat sanctus, in quem peruenerat Moyses, secundum quod dictum est ad eum: „Locus enim, in quo tu stas, terra sancta est.“ h Similiter ergo et in ecclesia Dei locus sanctus est „fides perfecta et caritas de corde puro et conscientia bona“.i Qui in his stat in ecclesia, in loco sancto se stare cognoscat. Neque enim in terra quaerendus est locus sanctus, in quam semel data sententia est a Deo dicente: „Maledicta terra in operibus tuis.“ j Fides ergo integra et sancta conuersatio locus est sanctus. In hoc itaque loco positus sacerdos ecclesiae populi peccata | consumat, ut hostiam iugulans uerbi Dei et „doctrinae sanae“ k uictimas offerens purget a peccatis conscientias auditorum. Edet ergo sacerdos carnes sacrificii „in atrio tabernaculi testimonii“,l cum intelligere potuerit, quae sit ratio in his, quaeue mysteria, quae a

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Mt. 8,17 (Jes. 53,4) bVgl. Ps. 48(49),15 Lev. 6,26(19) gVgl. Hos. 4,8 hEx. 3,5 l Lev. 6,26(19)

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Lk. 12,49 dGen. 3,18 u.  ö. Vgl. 1 Tim. 1,5 j Gen. 3,17

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Dtn. 32,22 1 Tim. 1,10

k

165 Von hier ab bis Z. 25 auditorum zitiert den Text Aeneas von Paris, adv. Graec. 158 (PL

121, 735D–736A). 166 Vgl. in Num. hom. 10,1 (GCS Orig. 7, 68): „Die besser sind, nehmen immer die

Schulden und Sünden der Geringeren auf sich“; 10,2 (7, 71): „Unser Hohepriester … er selbst mit seinen Söhnen, also den Aposteln und Märtyrern, nimmt die Sünden der Heiligen an.“ 167 In Cels. II 51 (GCS Orig. 1, 174) sagt Origenes über die von Mose vollbrachten Wunder: „Auf solche Weise werden wir erkennen, wer mit Hilfe böser Geister durch Beschwörungen und Zaubersprüche solche Werke tut, und wer ‚im reinen und heiligen Lande‘ (Ex. 3,5) der Seele und dem Geiste und, wie ich glaube, auch dem Leibe nach mit Gott verbunden und mit göttlichem Geist erfüllt, solche Dinge verrichtet zum Heile der Menschen und in der Absicht, sie zum Glauben an den wahren Gott zu bewegen.“ Übersetzung: Koetschau, BKV² I 52, 168. Dieselbe Interpretation findet sich unten in Lev. hom. 13,5 (GCS Orig. 6, 476f.): Der heilige Ort ist „im Herzen“ und er ist „die vernünftige Seele“. Vgl. auch sel. in Ps. 67,4 (PG 12, 1505D): „Der Ort

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für die Sünde darbringt. Denn er „hat unsere Sünden auf sich genommen“a und in sich selbst isst und vernichtet er sie wie ein Feuer. So wird schließlich im Gegensatz dazu von denen, die in den Sünden bleiben, gesagt, dass der Tod sie verschlungen habe, wie geschrieben steht: „Der Tod wird sie verschlingen, weil er stärker ist.“ b Das, glaube ich, ist es, was der Erlöser im Evangelium sagte: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen, und wie sehr will ich, dass es entzündet wird!“ c Und würde doch auch meine Erde von göttlichem Feuer entzündet werden, damit sie nicht länger „Dornen und Disteln“ d hervorbringt! So musst du auch das verstehen, was geschrieben steht: „Feuer wurde entzündet von meinem Zorn, es wird das Land und seine Erzeugnisse fressen.“ e Das Gesetz sagt also: „Der Priester, der es darbrachte, soll es an einem heiligen Ort, im Vorhof des Bundeszeltes essen.“ f Denn165 es ist folgerichtig, dass gemäß dem Bild dessen, der der Kirche das Priestertum gab, auch die Diener und Priester der Kirche die Sünden des Volkes annehmen und, indem sie ihrerseits den Lehrer nachahmen, dem Volk die Vergebung der Sünden zuteilwerden lassen.166 Also müssen auch die Priester der Kirche ihrerseits so vollkommen und in den priesterlichen Diensten unterrichtet sein, dass sie die Sünden des Volkes „an einem heiligen Ort, in den Vorhöfen des Bundeszeltes“ verzehren, ohne selbst zu sündigen. Was aber heißt, an einem heiligen Ort die Sünde zu verzehren? g Der Ort war heilig, an den Mose gelangte, gemäß dem, was zu ihm gesagt wurde: „Denn der Ort, an dem du stehst, ist heilige Erde.“ h Ebenso also ist auch in der Kirche Gottes „der vollkommene Glaube und die Liebe aus reinem Herzen und ein gutes Gewissen“ i ein heiliger Ort. Wer in der Kirche in diesen steht, soll wissen, dass er an einem heiligen Ort steht. Denn nicht auf der Erde ist der heilige Ort zu suchen, gegen die einmal von Gott ein Urteil gefällt worden ist, als er sagte: „Verflucht sei die Erde in deinen Werken!“ j Ein unversehrter Glaube also und ein heiliger Lebenswandel sind ein heiliger Ort.167 An diesem Ort befindlich, verzehrt daher der Priester der Kirche die Sünden des Volkes,168 sodass er, indem er das Opfer des Wortes Gottes schlachtet und die Opfer „der gesunden Lehre“ k darbringt, die Gewissen der Zuhörer von Sünden reinigt. Der Priester soll also das Opferfleisch „im Vorhof des Bundeszeltes“ essen,l nachdem er zu verstehen vermochte, welcher Sinn darin liegt, oder welche MysGottes ist die reine Seele.“ In Matth. comm. ser. 42 (GCS Orig. 11, 83) deutet Origenes den heiligen Ort auf die Schrift: „Der vernünftige heilige Ort ist daher jedes Wort der Heiligen Schrift, das die heiligen Propheten sprachen …, Mose und nach ihm die übrigen; aber nicht nur das, sondern auch das Wort der Evangelisten und Apostel Jesu Christi, an diesem heiligen Ort also aller göttlichen Schriften des Alten ebenso wie des Neuen Testaments …“ Vernünftig (λογικῶς) bedeutet dem Logos, Christus, entsprechend: siehe oben S. 74 Anm. 27. 168 Hier wird die Rolle der Bischöfe bei der Sündenvergebung angesprochen. Siehe Rahner, Bußlehre des Origenes 154f.

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Homilia V

describuntur de atriis tabernaculi testimonii. Ad haec enim atria secreta et recondita nullus accedit, nulli haec nisi sacerdotibus patent; si tamen pateant, si scientia sua et intellectu mystico potuerint eorum secreta penetrare. Scio autem esse et alia quaedam in ecclesia dogmata secretiora, quae adire nec ipsis sacerdotibus liceat. Illa dico, ubi arca reconditur, ubi urna mannae et tabulae testamenti.a Illic nec ipsis quidem sacerdotibus datur accessus, sed uni tantum pontifici, et huic semel in anno b certis quibusque et mysticis purificationibus conceditur istud intrare secretum. Sunt et alia ecclesiae dogmata, ad quae possunt peruenire etiam Leuitae, sed inferiora sunt ab his, quae sacerdotibus adire concessum est. Scio et alia esse, ad quae possunt accedere etiam filii Istrahel, hoc est laici; non tamen alienigenae, nisi si adscripti iam fuerint in ecclesia Domini: „Aegyptius“ enim „tertia generatione intrabit in ecclesiam Dei.“ c Credo fidem Patris et Filii et Spiritus sancti, in quam credit omnis, qui sociatur ecclesiae Dei, tertiam generationem mystice dictam. Verum tamen sciendum est quod ex hostiis, quae offeruntur, licet concedatur sacerdotibus ad edendum, non tamen omnia conceduntur; sed pars ex ipsis aliqua Deo offertur et altaris ignibus traditur, ut sciamus etiam nos quod, etsi conceditur nobis aliqua ex diuinis scripturis apprehendere et agnoscere, sunt tamen aliqua, quae Deo reseruanda sunt; quae cum intelligentiam nostram superent, sensusque eorum supra nos sit, ne forte aliter a nobis quam se habet ueritas, proferantur, melius igni ista seruamus. Et ideo etiam in hoc loco, quae quidem concessa sunt hominibus ad edendum, prout potuimus, intra tabernaculum Domini | consumpsimus; si qua uero supersunt et uel uos in audiendo uel nos superant in dicendo, seruemus igni altaris tamquam eam partem, quae pro peccato super altare Domini iubetur offerri. 4. „Et haec est“ inquit „lex arietis, qui pro delicto est; sancta sanctorum. In loco, in quo iugulant holocaustomata, iugulabunt et arietem, qui pro delicto est, contra Dominum“ et cetera.d Videtur quidem in scripturis diuinis frequenter peccatum pro delicto et delictum pro peccato indifferenter et absque aliqua distinctione nominari; in hoc tamen loco inuenitur esse discretum. Nam cum superius in hostia pro peccato ritum sacrificii atque ordinem tradidisset,e nunc separatim mandat sacrificium pro delicto,f et quamuis eodem ordine atque eadem obseruantia cuncta mandentur et addat in nouisa

Vgl. Hebr. 9,4 bVgl. Hebr. 9,7; Lev. 16,34 Vgl. Lev. 6,24f.(17f.) fVgl. Lev. 6,31(7,1)

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Lev. 6,31f.(7,1f.)

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terien, die über die Vorhöfe des Bundeszeltes beschrieben werden. Denn zu diesen geheimen und verborgenen Vorhöfen tritt niemand hinzu, sie stehen niemandem offen außer den Priestern – falls sie ihnen denn offen stehen, wenn sie durch ihre Erkenntnis und mystisches Verständnis deren Geheimnisse zu durchdringen vermochten. Ich weiß aber, dass es in der Kirche auch manche andere, geheimere Lehren gibt, zu denen zu kommen selbst den Priestern nicht erlaubt ist. Jene meine ich, wo die Lade verborgen wird, wo das Gefäß mit Manna und die Bundestafeln sind.a Dazu wird nicht einmal den Priestern selbst Zugang gewährt, sondern nur dem einen Hohepriester, und diesem ist es gestattet, einmal im Jahr b mit gewissen geheimnisvollen Reinigungsriten in diesen geheimen Ort einzutreten. Es gibt auch andere Lehren der Kirche, zu denen auch die Leviten gelangen können, doch sind sie geringer als die, zu denen den Priestern der Zugang erlaubt ist. Ich weiß, dass es auch welche gibt, zu denen auch die Söhne Israels hinzutreten können, das heißt die Laien; allerdings nicht Fremde, außer wenn sie schon in der Kirche des Herrn eingeschrieben sind: Denn „ein Ägypter wird in der dritten Generation in die Kirche Gottes eintreten.“ c Ich glaube, dass der Glaube an den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist, in dem jeder glaubt, der sich der Kirche Gottes anschließt, auf geheimnisvolle Weise als dritte Generation bezeichnet wird. Man muss aber dennoch wissen, dass von den Opfern, die dargebracht werden, zwar den Priestern zu essen erlaubt wird, doch nicht alles erlaubt wird; sondern ein bestimmter Teil davon wird Gott dargebracht und dem Altarfeuer übergeben, damit auch wir wissen, dass, wenngleich uns erlaubt wird, etwas von den göttlichen Schriften zu erfassen und zu erkennen, es dennoch etwas gibt, das Gott vorzubehalten ist; weil dies unser Verständnis übersteigt und sein Sinn zu hoch für uns ist, sollen wir dies, damit nicht etwa von uns die Wahrheit anders, als sie sich verhält, vorgebracht wird, besser für das Feuer aufheben. Und daher haben wir auch an dieser Stelle das, was den Menschen zu essen erlaubt ist, so gut wir konnten, innerhalb des Zeltes des Herrn verzehrt; wenn hingegen noch etwas übrig ist, was entweder euch beim Zuhören oder uns beim Reden übersteigt, sollen wir es für das Altarfeuer aufheben gleichsam als den Teil, von dem befohlen wird, dass er für die Sünde auf dem Altar des Herrn dargebracht wird. 4. „Und dies ist“, heißt es, „das Gesetz für den Widder, der für die Verfehlung ist; es ist das Allerheiligste. An dem Ort, an dem die Ganzopfer geschlachtet werden, sollen sie auch den Widder schlachten, der für die Verfehlung ist, vor dem Herrn“ und so weiter.d Es scheint zwar in den göttlichen Schriften oft undifferenziert und ohne irgendeine Unterscheidung Sünde anstelle von Verfehlung und Verfehlung anstelle von Sünde genannt zu werden; an dieser Stelle jedoch findet man, dass ein Unterschied gemacht ist. Denn nachdem er vorher Ritus und Ordnung des Opfers für das Sündopfer überliefert hatte,e ordnet er nun gesondert das Opfer für die Verfehlung an,f und obgleich alles durch dieselbe Ordnung und dieselbe Beachtung des Ge-

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Homilia V

simis: „sicut id, quod pro peccato est, ita et id, quod pro delicto est; lex una erit eorum“,a tamen uoluit ostendere esse aliquid differentiae in his, quibus sacrificia diuisa mandauit. In quo ego puto delictum quidem commissum esse leuius aliquanto quam peccatum. Nam inuenimus de peccato dici quod sit „peccatum ad mortem“,b de delicto non legimus quod esse dicatur ad mortem. Scio tamen et illam differentiam, quae nonnullis sapientium uisa est, quod delictum quidem sit, cum non facimus ea, quae facere debemus; peccatum uero sit, cum committimus ea, quae committere non debemus. Sed haec quoniam non semper in scripturis diuinis sub ista distinctione inuenimus, idcirco generaliter affirmare non possumus. Igitur eodem modo atque eadem traditione de sacrificio, quod pro delicto offertur, accipiendum est, quo et supra exposuimus de eo, quod pro peccato est. Similiter enim iubentur „adipes“ arietis hi, „qui circa renes sunt, et hi, qui interiora operiunt“,c imponi super altare; ut et tu, qui haec audis, scias, omne quod est intra te crassius et operit interiora tua, debere te offerre igni altaris, ut purgentur omnia in|teriora tua et dicas et tu, sicut et Dauid dicebat: „Benedic anima mea Dominum, et omnia interiora mea nomen sanctum eius.“ d Nisi enim ablata fuerit crassitudo illa, quae tegit interiora tua, non possunt subtilem et spiritalem capere sensum nec possunt intellectum capere sapientiae et ideo Dominum laudare non possunt. Quod si ablatum fuerit omne quod pingue est de renibus et de omnibus interioribus uiscerum, tunc uere purgatus omni uitio libidinis iugulasti hostiam pro delicto et obtulisti sacrificium „Deo in odorem suauitatis“.e „Sacerdotis“ inquit „qui offert illud et repropitiabit pro delicto, ipsius erit.“ f Discant sacerdotes Domini, qui ecclesiis praesunt, quia pars iis data est cum his, quorum delicta repropitiauerint. Quid autem est repropitiare delictum? Si assumpseris peccatorem et monendo, hortando, docendo, instruendo adduxeris eum ad poenitentiam, ab errore correxeris, a uitiis emendaueris et effeceris eum talem, ut ei conuerso propitius fiat Deus, pro delicto repropitiasse diceris. Si ergo talis fueris sacerdos et talis fuerit doctrina tua et sermo tuus, pars tibi datur eorum, quos correxeris; ut illorum meritum tua merces a f

Lev. 6,37(7,7) b1 Joh. 5,16 Lev. 6,37.38.35(7,7.8.5)

c

Lev. 6,33(7,3)

d

Ps. 102(103),1

e

Eph. 5,2

169 Vgl. Cassiodor, in Ps. 24,6 (CChr.SL 97, 223): „Manche wollen, dass ein Vergehen

leichter ist als eine Sünde.“ 170 Zu den Todsünden und ihrer Vergebung siehe Rahner, Bußlehre des Origenes

91–110. 171 Von hier bis S. 176 Z. 6 peccatores hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos. II 4 (PL 108,

307A. 308A–D), die folgenden Erörterungen abgeschrieben. 172 Vgl. Augustinus, quaest. in Hept. III 20 (CChr.SL 33, 185): „Vielleicht ist also eine

Sünde ein Vollbringen des Schlechten, ein Vergehen aber eine Vernachlässigung des Guten“; Gregor der Große, in Hiez. II 9,3 (CChr.SL 142, 358).

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setzes angeordnet wird und er beim letzten hinzufügt, „so wie das, was für die Sünde ist, so auch das, was für die Verfehlung ist; ein Gesetz soll es für beide geben“,a wollte er dennoch zeigen, dass ein Unterschied zwischen denen besteht, für die er getrennte Opfer anordnete. Ich meine, dass darin eine begangene Verfehlung bedeutend leichter ist als eine Sünde.169 Denn über die Sünde finden wir gesagt, dass es „eine Sünde zum Tod“ b gebe, über die Verfehlung lesen wir nicht, dass es eine gebe, die zum Tod genannt wird.170 Ich kenne171 jedoch auch jenen Unterschied, den einige Weise angenommen haben, dass es eine Verfehlung sei, wenn wir nicht das tun, was wir tun müssen; eine Sünde hingegen sei es, wenn wir das begehen, was wir nicht begehen dürfen.172 Doch weil wir dies in den göttlichen Schriften nicht immer unter dieser Unterscheidung finden, deshalb können wir es nicht allgemein bestätigen. Daher ist das, was für die Verfehlung dargebracht wird, auf dieselbe Weise und in derselben Überlieferung über das Opfer anzunehmen, die wir auch vorher über das dargelegt haben, was für die Sünde ist. Denn ebenso wird befohlen, „die Fettstücke“ des Widders, „die um die Nieren sind, und die, die das Innere bedecken,“ c auf den Altar zu legen, damit auch du, der du das hörst, weißt, dass du alles, was in dir zu fett ist und dein Inneres bedeckt, dem Altarfeuer darbringen musst, damit dein ganzes Inneres gereinigt wird und auch du sagst, wie auch David sagte: „Meine Seele preise den Herrn und mein ganzes Inneres seinen heiligen Namen.“ d Denn wenn jenes Fett nicht entfernt wird, das dein Inneres bedeckt, kann es nicht den genauen und geistigen Sinn erfassen und kann es nicht das Verständnis der Weisheit erfassen und kann es deswegen den Herrn nicht loben. Wenn aber alles entfernt wird, was dick über den Nieren und über allen inneren Eingeweiden liegt, dann hast du, wahrlich gereinigt von jedem Laster der Begierde, das Opfer für die Verfehlung geschlachtet und hast „Gott“ ein Opfer „zum Wohlgeruch“ dargebracht.e „Dem Priester,“ heißt es, „der es darbringt und Sühne für die Verfehlung erwirkt, dem soll es gehören.“ f Die Priester173 des Herrn, die den Kirchen vorstehen, sollen lernen, dass ihnen ein Teil mit denen gegeben wird, für deren Verfehlungen sie Sühne erwirken.174 Was aber heißt Sühne für eine Verfehlung erwirken? Wenn du einen Sünder angenommen und ihn durch Ermahnen, Ermuntern, Lehren, Unterrichten zur Buße geführt hast, vom Irrtum berichtigt, von den Lastern gebessert und ihn zu einem solchen gemacht hast, dass Gott dem Umgekehrten geneigt wird, wird gesagt, dass du für die Verfehlung Sühne erwirkt hast. Wenn du also ein solcher Priester bist und deine Lehre und dein Wort von solcher Art sind, wird dir ein Teil von denen gegeben, die du berichtigt hast, sodass deren Verdienst dein Lohn ist 173 Von hier bis gegen Ende des Kapitels S. 176 Z. 8f. holocaustomata hat Aeneas von Paris,

adv. Graec. 159 (PL 121, 736B–C), ein paar Zeilen abgeschrieben. 174 Was im Folgenden beschrieben wird, sind die Aufgaben der Bischöfe im Prozess der

Buße.

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Homilia V

sit et illorum salus tua gloria. Aut non et apostolus haec ostendit, ubi dicit quia: „Quod superaedificauerit quis, mercedem accipiet“?a Intelligant igitur sacerdotes Domini, ubi est eis data portio, et in hoc uacent atque his operam dent. Non se inanibus et superfluis actibus implicent, sed sciant se in nullo alio partem habituros apud Deum, nisi in eo quod offerunt pro peccatis, id est quod a uia peccati conuerterint peccatores. Notandum etiam illud est quod, quae offeruntur in holocaustum, interiora sunt; quod uero exterius est, Domino non offertur. Pellis Domino non offertur nec cedit in holocaustomata. Talis fuit et ille filius Iuda, qui dicebatur Her, quod | interpretatur pellis. Propterea „et pessimus erat et occidit eum Deus“,b quia isti tales Domino non offeruntur. 5. „Et omne sacrificium, quod fiet in clibano, et omne quod fiet in craticula uel in sartagine, sacerdotis, qui offert illud, ipsius erit.“ c Quid dicimus? Putamusne quod omnipotens Deus, qui responsa Moysi coelitus dabat, de clibano et craticula et sartagine praeceperit, ut disceret populus per Moysen quia per haec Deus iis propitius fiet, si quaedam in sartagine frixerint, quaedam in clibano coxerint, quaedam in craticula assauerint? Sed non ita ecclesiae pueri Christum didicerunt nec ita in eum per apostolos eruditi sunt,d ut de Domino maiestatis e aliquid tam humile et tam uile suscipiant. Quin potius secundum spiritalem sensum, quem spiritus donat ecclesiae, uideamus, quod sit istud sacrificium, quod coquatur in clibano, uel quis iste clibanus intelligi debeat. Sed ubi inueniam modo ad subitum scripturam diuinam, quae me doceat, quid sit clibanus? Dominum meum Iesum inuocare me oportet, ut quaerentem me faciat inuenire et pulsanti aperiat,f ut inueniam in scripturis clibanum, ubi possim coquere sacrificium meum, ut suscipiat illud Deus. Et quidem inuenisse me puto in Osee propheta, ubi dicit: „Omnes moechantes, sicut clibanus succensus ad comburendum“,g et iterum: „Incaluerunt“ inquit „sicut clibanus corda eorum.“ h Cor ergo est hominis clibanus. Istud autem a

1 Kor. 3,14 bGen. 38,7 Vgl. Lk. 11,10 gHos. 7,4

f

c

Lev. 6,39(7,9) Hos. 7,6

h

d

Vgl. Eph. 4,20f.

e

Vgl. Ps. 28(29),3

175 Zur Haut bzw. zum Fell als Zeichen für Sterblichkeit vgl. in Lev. hom. 6,2 (GCS Orig.

6, 362) und dazu unten S. 210 Anm. 228 und 229. 176 Vgl. Philon, post. Cain. 180 (II p. 39 Cohn/Wendland): „der hautartige Er“; leg.

all. III 69 (I p. 127 Cohn/Wendland). Der hebräische Name ʻer wird dort von ʻo¯r („Haut“) abgeleitet. Siehe Wutz, Onomastica sacra 475. 177 Origenes lehnt damit eine wörtliche Auslegung ab, die er als Gottes unwürdig charakterisiert. Das bedeutet nicht, dass er leugnet, dass diese Bestimmungen tatsächlich wörtlich umgesetzt wurden, sondern dass der Sinn nicht in den Äußerlichkeiten liegen kann. Für ihn muss nach dem spirituellen Sinn gesucht werden, der auch die Absicht des Gesetzgebers war. Vgl. Cels. I 18 (GCS Orig. 1, 70): „Mose dagegen ist in seinen fünf Büchern ähnlich verfahren wie ein trefflicher Redner, der die Form der Darstellung erwägt und überall den Doppelsinn des Ausdrucks mit Bedacht an-

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und deren Heil dein Ruhm. Oder zeigt dies nicht auch der Apostel, wo er sagt: „Wer das darauf gebaut hat, wird Lohn erhalten“?a Die Priester des Herrn sollen daher verstehen, wo ihnen ein Anteil gegeben wird, und diesem sollen sie sich widmen und dafür sollen sie Mühe aufwenden. Sie sollen sich nicht in nichtige und überflüssige Taten verwickeln, sondern wissen, dass sie in nichts anderem bei Gott einen Anteil haben werden als in dem, was sie für die Sünden darbringen, das heißt, dass sie die Sünder vom Weg der Sünde bekehren. Bemerkenswert ist auch, dass das, was als Ganzopfer dargebracht wird, das Innere ist; was hingegen äußerlich ist, wird dem Herrn nicht dargebracht. Die Haut wird dem Herrn nicht dargebracht noch geht sie in die Ganzopfer ein.175 Ein solcher war auch der Sohn Judas, der Er hieß, was übersetzt Haut bedeutet.176 Deshalb „war er auch sehr böse und tötete ihn Gott“,b weil solche Menschen dem Herrn nicht dargebracht werden. 5. „Und jedes Opfer, das im Ofen zubereitet wird, und jedes, das auf dem Rost oder in der Pfanne zubereitet wird, soll dem Priester, der es darbringt, gehören.“ c Was sagen wir? Glauben wir etwa, dass der allmächtige Gott, der Mose Antworten vom Himmel her gab, über einen Ofen und einen Rost und eine Pfanne Vorschriften gemacht hat, damit das Volk durch Mose lernte, dass Gott ihnen dadurch geneigt werden wird, wenn sie etwas in der Pfanne rösten, anderes im Ofen backen, anderes auf dem Rost braten? Nicht so jedoch haben die Kinder der Kirche Christus kennengelernt und nicht so sind sie durch die Apostel über ihn unterrichtet worden,d dass sie vom Herrn der Hoheit e etwas so Niedriges und so Wertloses annehmen.177 Vielmehr wollen wir gemäß dem geistigen Sinn, den der Geist der Kirche schenkt, sehen, was dieses Opfer ist, das im Ofen gebacken wird, oder als wer dieser Ofen verstanden werden muss. Doch wo soll ich eben auf der Stelle einen Abschnitt der göttlichen Schrift finden, der mich lehrt, was der Ofen bedeutet? Ich muss meinen Herrn178 Jesus anrufen, dass er mich, wenn ich suche, finden lässt, und mir, wenn ich anklopfe, öffnet,f damit ich in den Schriften einen Ofen finde, wo ich mein Opfer backen kann, sodass Gott es annimmt. Und ich glaube, ihn beim Propheten Hosea gefunden zu haben, wo er sagt: „Alle Ehebrecher sind so wie ein Ofen, der angezündet wurde zum Verbrennen“,g und wiederum: „Erglüht wie ein Ofen“, heißt es, „sind ihre Herzen.“ h

wendet; er hat weder der großen Mehrheit der Juden, welche die Gesetze erhielten, Veranlassung zu einer Schädigung im Bereiche der Sittlichkeit gegeben, noch eine Schrift ohne einen des Nachdenkens würdigen Inhalt der gebildeten Minderzahl der Leser, welche den Sinn derselben zu erforschen vermag, in die Hand gelegt.“ Übersetzung: Koetschau, BKV² I 52, 26. Origenes ist der Ansicht, dass dem Hohepriester dieser geistige Sinn bekannt war: vgl. in Lev. hom. 6,3 (GCS Orig. 6, 364). Für die Christen ist allein dieser geistige Sinn relevant. 178 Siehe dazu oben S. 168 Anm. 162.

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Homilia V

cor si uitia succenderint uel diabolus inflammauerit, non coquet, sed exuret. Si uero ille id succenderit, qui dixit: „Ignem ueni mittere in terram“,a panes scripturarum diuinarum et sermonum Dei, quos in corde suscipio, non exuro ad perditionem, sed coquo ad sacrificium. Et fortassis illa coqui dicuntur in clibano, quae interiora sunt et recondita nec proferri facile ad uulgus possunt; sunt enim multa in scripturis diuinis huiusmodi, sicut apud Ezechielem, cum uel de Cherubin uel de Deo et de illa magnifica uisione describitur.b Haec si in clibano non coquantur, comedi ita, ut sunt cruda, non possunt. Neque enim credendum est quod sit animal quoddam in forma leonis positum, quo uehatur Deus | uel aliud in forma uituli aut aquilae.c Haec ergo et si qua huiusmodi sunt, non sunt cruda proferenda, sed in cordis clibano sunt coquenda. Tria itaque sunt haec, in quibus dicit sacrificia debere praeparari, in clibano, in sartagine, in craticula,d et puto quod clibanus secundum sui formam profundiora et ea, quae sunt inenarrabilia, significet in scripturis diuinis; sartago uero ea, quae si frequenter ac saepe uersentur, intelligi et explicari possunt; craticula autem ea, quae palam sunt et absque aliqua obtectione cernuntur.Triplicem namque in scripturis diuinis intelligentiae inueniri saepe diximus modum: historicum, moralem, mysticum; unde et corpus inesse ei et animam ac spiritum intelleximus. Cuius intelligentiae triplicem formam sacrificiorum triplex hic apparatus ostendit. Sed et alibi inuenimus, id est in his ipsis, quae de sacrificiis memorantur, dici canistrum sanctum perfectionis, in quo tres panes haberi mandantur.e Vides consonare sibi sacramentorum omnium formas? Canistrum perfectionis, in quo tres panes poni iubentur, quid aliud debemus accipere nisi scripturas diuinas cibos auditoribus tripliciter apponentes? Vis tibi et de euangeliis similis mysterii proferamus exempla? Recolamus Domini uoces, ubi dicit quia medio noctis uenit quidam ad amicum suum pulsans ostium eius et ait: „Amice, commoda mihi tres panes, quoniam amicus mihi superuenit de uia, et non habeo quod adponam ei.“ f In quibus, ut breuiter perstringamus, nox g est tempus hoc uitae, et tres panes a f

Lk. 12,49 Lk. 11,5f.

b

Vgl. Ez. 1 und 10 Vgl. Röm. 13,12

g

c

Vgl. Ez. 1,10

d

Vgl. Lev. 6,39(7,9)

e

Vgl. Lev. 8,26

179 Von hier bis in den Anfang des folgenden Kapitels hinein S. 180 Z. 5 oleo hat Hraba-

nus Maurus, in Lev. expos. II 4 (PL 108, 310B–311A), den Text abgeschrieben. 180 Vgl. Philon, rer. div. her. 311 (III p. 70 Cohn/Wendland): „Hier vergleicht er aber

die Seele des Wissbegierigen und auf Vollkommenheit Hoffenden mit einem Ofen.“ Übersetzung: Cohn, Philo Werke V, 293. 181 Auch in rabbinischen Schriften gibt es Vorbehalte hinsichtlich des öffentlichen Vortrags und der Übersetzung der Vision von Ez. 1: vgl. Mischna Chag. 2,1; Meg. 4,10. In Cant. comm. prol. 1,7 (GCS Orig. 8, 62) verweist Origenes auf den jüdischen Brauch, u.  a. „die ersten Kapitel des Propheten Ezechiel, in denen über die Cherubim berichtet wird“ (Ez. 1 und 10), erst am Schluss des Unterrichts zu behandeln; Übersetzung: Fürst/Strutwolf, OWD 9/1, 61. 182 Zu den drei Sinnen der Schrift siehe oben S. 3–9.

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Also179 ist das Herz des Menschen ein Ofen.180 Wenn aber Laster dieses Herz entzünden oder der Teufel es in Flammen setzt, wird es nicht backen, sondern brennen. Wenn hingegen der es entzündet, der sagte: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen“,a verbrenne ich die Brote der göttlichen Schriften und der Worte Gottes, die ich im Herzen annehme, nicht zur Vernichtung, sondern backe sie zum Opfer. Und vielleicht wird gesagt, dass das im Ofen gebacken wird, was das Innere und das Verborgene ist und nicht leicht der Menge vorgetragen werden kann; denn es gibt vieles dieser Art in den göttlichen Schriften, so wie bei Ezechiel, wenn die Cherubim oder Gott und jene großartige Vision beschrieben werden.b  181 Wenn das nicht im Ofen gebacken wird, kann es roh, wie es ist, nicht gegessen werden. Denn man darf nicht glauben, dass es ein Tier in Gestalt eines Löwen ist, durch das Gott transportiert wird, oder ein anderes in Gestalt eines Kalbes oder eines Adlers.c Wenn es also das und etwas von dieser Art ist, darf es nicht roh hergebracht werden, sondern es muss im Ofen des Herzens gebacken werden. Drei Dinge sind es daher, in denen es heißt, dass die Opfer vorbereitet werden sollen, im Ofen, in der Pfanne und auf dem Rost,d und ich glaube, dass der Ofen in den göttlichen Schriften entsprechend seiner Gestalt Tieferes und das, was unaussprechbar ist, bezeichnet, die Pfanne hingegen das, was, wenn es häufig und oft hin- und hergewendet wird, verstanden und erklärt werden kann, der Rost aber das, was offenkundig ist und ohne irgendeine Verhüllung wahrgenommen wird. Wir haben nämlich oft gesagt, dass in den göttlichen Schriften eine dreifache Weise des Verständnisses gefunden werden kann: die historische, die ethische und die mystische; von daher haben wir verstanden, dass in der Schrift Körper, Seele und Geist sind.182 Die dreifache Gestalt dieses Verständnisses zeigt hier das dreifache Gerät für die Opfer. Doch finden wir auch anderswo, das heißt in demselben Buch, das die Opfer erwähnt, dass ein heiliger Korb der Vollkommenheit genannt wird, von dem angeordnet wird, dass er drei Brote enthält.e Siehst du, dass die Gestalten aller Geheimnisse miteinander übereinstimmen? Als was anderes müssen wird den Korb der Vollkommenheit, in den drei Brote zu legen befohlen werden, auffassen als die göttlichen Schriften, die den Zuhörern auf dreifache Weise Speisen vorsetzen? Willst du, dass wir dir auch aus den Evangelien Beispiele für das gleiche Mysterium vorbringen? Rufen wir uns die Worte des Herrn in Erinnerung, wo er sagt, dass mitten in der Nacht jemand zu seinem Freund kommt, an seine Tür klopft und sagt: „Mein Freund, leihe mir drei Brote, denn ein Freund hat mich von einer Reise überrascht, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen könnte.“ f Darin, um es kurz zu streifen, ist die Nacht g diese Zeit des Lebens183 und die drei Brote sind eines, das im 183 Zur symbolischen Bedeutung der Nacht vgl. in Lev. hom. 4,10 (GCS Orig. 6, 330),

wo Morgen und Abend metaphorisch gedeutet werden, sowie ebd. 13,2 (6, 470). Siehe dazu oben S. 34f.

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sunt unus, qui in clibano, alius, qui in sartagine, tertius, qui in craticula coquitur. 6. Post haec: „Et omne“ inquit „sacrificium factum in oleo siue non factum omnibus filiis Aaron erit, singulis aequaliter.“a Quod sacrificium est factum in oleo uel quod est non factum in oleo? Sacrificium salutaris in oleo fieri iubetur, sicut supra iam diximus. Sacrificium uero pro peccato non fit in oleo; dicit enim: „Non superponet | ei oleum, quoniam pro peccato est.“ b Quod ergo pro peccato est, nec „oleum laetitiae“ c ei nec tus suauitatis imponitur; de peccantibus enim dicit apostolus: „Et lugeam eos, qui ante peccauerunt et non egerunt poenitentiam.“ d Nec odor in eo suauitatis e est, quia ex persona peccatoris dicitur: „Computruerunt et corruptae sunt cicatrices meae.“ f Haec interim a nobis obseruata sunt de superiori capitulo, ubi lex sacrificii scribitur pro delicto.g Non autem dubito multa esse, quae nos lateant et sensum nostrum superent. Non enim sumus illius meriti, ut et nos dicere possimus: „Nos autem sensum Christi habemus.“ h Ipse enim solus est sensus, cui pateant uniuersa, quae in legibus sacrificiorum intra litterae continentur arcanum. Si enim mererer, ut daretur mihi sensus Christi, etiam ego in his dicerem: „ut sciamus, quae a Deo donata sunt nobis; quae et loquimur“.i Sed nunc contenti paruitate sensus nostri, secundi capitis uideamus exordium. 7. „Haec est“ inquit „lex sacrificii salutaris, quod offerent Domino. Si quidem pro laudatione offeret illud, et adferet ad sacrificium panes laudationis ex simila factos in oleo, et lagana azyma uncta oleo, et similaginem conspersam in oleo. Super panes fermentatos offeret munera sua, quia sacrificium laudationis salutaris eius est. Et offeret ab eo unum de omnibus muneribus suis separationem Domino; sacerdoti, qui effundit sanguinem salutaris et carnes sacrificii laudationis salutaris, ipsi erunt; et in qua die donum offertur, manducabunt, et non derelinquent ex eo in mane.“ j Sacrificium hoc, quod salutare appellatur, in duas diuidit partes, et unam quidem „laudationis“ k nominat, alteram „uoti“,l utrumque tamen sacrificium salutare nominatur. Verum quoniam non est nobis nunc secundum litteram instaurare sacrificia, a

Lev. 6,40(7,10) bLev. 5,11 cPs. 44(45),8 d2 Kor. 12,21 eVgl. Lev. 2,9 f Ps. 37(38),6 Vgl. Lev. 6,31(7,1) h1 Kor. 2,16 i 1 Kor. 2,12f. j Lev. 7,1–5(11–15) kLev. 7,2(12) l Lev. 7,6(16)

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184 Von Öl war im Zusammenhang mit dem Heilsopfer oben in Lev. hom. 2,2 (GCS

Orig. 6, 292) nicht die Rede. Baehrens, GCS Orig. 6, 344 ad loc., und Borret, SC 286, 232 Anm. 1, mutmaßen daher zurecht, ob Origenes vielleicht schon an das erst im nächsten Kapitel behandelte Heilsopfer in Lev. 7,1(11) denkt. Auf die Bedeutung des Öls im Zusammenhang der Opfer kommt Origenes mehrfach zu sprechen, u.  a. ebd. 10,2 (6, 444); 12,3 (6, 458); 12,4 (6, 462); 13,2 (6, 469). 185 Die Prosopopoiie ist ein literarisches Stilmittel, mittels dessen ein Autor eine Aussage dadurch vermittelt, dass er als eine andere Person spricht. Das macht sich auch die

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Ofen, ein anderes, das in der Pfanne, ein drittes, das auf dem Rost gebacken wird. 6. Danach heißt es: „Und jedes Opfer, das in Öl zubereitet ist oder nicht zubereitet ist, soll allen Söhnen Aarons gehören, jedem in gleicher Weise.“a Welches Opfer ist in Öl zubereitet beziehungsweise welches ist nicht in Öl zubereitet? Das Heilsopfer wird in Öl zuzubereiten befohlen, so wie wir vorher schon sagten.184 Das Sündopfer hingegen wird nicht in Öl zubereitet; denn es heißt: „Er soll darauf kein Öl geben, denn es ist für die Sünde.“ bWas also für die Sünde ist, darauf wird weder „Öl der Freude“ c noch süßer Weihrauch gegeben; denn über die, die sündigen, sagt der Apostel: „Und ich werde die betrauern, die vorher sündigten und nicht Buße getan haben.“ d Und auch kein Wohlgeruch e ist an ihm, weil aus der Person des Sünders185 gesagt wird: „Es vermoderten und verfaulten meine Wunden.“ f Dies wurde einstweilen von uns über das vorige Kapitel beobachtet, wo das Gesetz für das Opfer für die Verfehlung geschrieben steht.g Aber ich zweifle nicht, dass es vieles gibt, das uns verborgen ist und unseren Sinn übersteigt. Denn wir sind nicht würdig, dass auch wir sagen können: „Wir aber haben den Sinn Christi.“ h Denn allein dieser ist der Sinn, dem alles offensteht, was in den Opfergesetzen im Geheimnis des Buchstabens enthalten ist. Denn wenn ich würdig wäre, dass mir der Sinn Christi gegeben würde, würde auch ich darüber sagen: „damit wir wissen, was uns von Gott geschenkt worden ist; und davon reden wir.“ i Nun jedoch wollen wir, zufrieden mit der Kleinheit unseres Sinnes, den Anfang des zweiten Kapitels anschauen. 7. „Dies ist“, heißt es, „das Gesetz für das Heilsopfer, das sie dem Herrn darbringen sollen.Wenn er es für das Lob darbringt, soll er zum Opfer sowohl Brote des Lobes, aus Feinmehl in Öl zubereitet, als auch ungesäuerte, mit Öl gesalbte Kuchen als auch Feinmehl, mit Öl vermengt, herbeibringen. Auf gesäuerten Broten soll er seine Gaben darbringen, weil es sein Heilsopfer des Lobes ist. Und er soll eine von allen seinen Gaben als Anteil für den Herrn darbringen; dem Priester, der das Blut des Heilsopfers und das Fleisch des Heils­ opfers des Lobes ausgießt, sollen sie gehören; und an dem Tag, an dem die Gabe dargebracht wird, sollen sie sie essen, und nichts davon sollen sie am Morgen übrig lassen.“ j Dieses186 Opfer, das Heilsopfer genannt wird, teilt er in zwei Teile, und einen nennt er „des Lobes“,k den anderen „des Gelübdes“,l beide jedoch werden als Heilsopfer bezeichnet.Weil es nun aber nicht unsere Absicht ist, erneut nach dem Buchstaben die Opfer einzurichten, wollen wir bei uns Schriftauslegung zunutze: Origenes liest diesen Vers als eine Aussage nicht Davids, der als Autor der Psalmen gilt, sondern des Sünders. Siehe Villani, Origenes als Schriftsteller. 186 Hrabanus Maurus, in Lev. expos. II 5 (PL 108, 311B–C. 312C–313B), zitiert einige Abschnitte des 7. Kapitels, und zwar nach diesem Satz (Z. 28–30) S. 182 Z. 5–8 und S. 182 Z. 17 – S. 184 Z. 15.

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Homilia V

requiramus | in nobis, quisnam est tantus ac talis, qui sacrificium salutare et sacrificium laudisa offerat Deo. Ego illum esse arbitror, qui in omnibus actibus suis facit laudari Deum et impletur per eum illud, quod Dominus et Saluator noster dicit: „ut uideant homines opera uestra bona et magnificent patrem uestrum, qui in coelis est“.b Ille ergo obtulit sacrificium laudis, pro cuius actibus, pro cuius doctrina, pro cuius uerbo et moribus et disciplina laudatur et benedicitur Deus, sicut e contrario sunt illi, de quibus dicitur quia: „Per uos nomen meum blasphematur inter gentes.“ c Obserua tamen et hic, quomodo panes ex simila facti in oleo et lagana azyma uncta oleo et simila conspersa in oleo d ponitur et triplici iterum sacramento hostia salutaris offertur et ad ultimum: „Sacerdoti“ inquit, „qui effundit sanguinem salutaris, ipsi erit.“ e Superius dixit: „Sacerdoti, qui repropitiabit, ipsi erit“;f hic: „Sacerdoti, qui effundit sanguinem sacrificii salutaris, ipsi erit.“ g Digno ordine utitur; prius enim repropitiatio quaerenda est et post haec offerendum sacrificium salutaris. Neque enim salus esse cuiquam potest, nisi prius sibi propitium faciat Dominum. „Sed et carnes“ inquit „sacrificii laudationis salutaris ipsi erunt.“ h Saepe iam diximus quod carnes in scripturis solidum indicant cibum perfectamque doctrinam. Secundum scripturas enim scio esse animae cibum quendam lactis et alium cibum animae olerum et alium carnis, sicut ipse apostolus de quibusdam dicit quia: „Lacte uos potaui, non esca. Nondum enim poteratis, sed nec adhuc potestis. Adhuc enim estis carnales“;i et iterum alibi dicit: „Alius quidem credit manducare omnia; qui autem infirmus est, olera manducet“;j et rursum alibi: „Perfectorum autem est cibus solidus“ k et cetera. Hic ergo carnes sacrificii salutaris, quod offertur pro laudatione, ipsius iubentur esse sacerdotis. Ex simila uero tripliciter oblata, ut | supra diximus, unum tantum, quod placuerit, sacerdoti deputatur; cetera offerentis sunt laici, ita tamen ut sub die comedantur nec remaneat ex his aliquid in mane.l Carnes ergo, in quibus solidus cibus est et perfecta scientia, sacerdotibus deputantur, quia debent in omnibus esse perfecti, in doctrina, in uirtutibus, in moribus. Si enim hoc in se non habuerint, de sacrificiorum carnibus non edent. Vnum uero illud, quod separatur tamquam praecipuum ex tribus, quae ex simila praecepta sunt, in hoc illam partem scientiae arbitror designari, de qua superius diximus, quae a

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Vgl. Ps. 49(50),23 bMt. 5,16 Lev. 6,37(7,7) gLev. 7,4(14) l Vgl. Lev. 7,5(15)

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Röm. 2,24; vgl. Jes. 52,5 dLev. 7,3(13) Lev. 7,5(15) i 1 Kor. 3,2f. j Röm. 14,2

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Lev. 7,4(14) Hebr. 5,14

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187 Vgl. sel. in Ps. 49,23 (PG 12, 1454A): „Das Heilsopfer aber wird unseren Gott rühmen,

denn die, die unsere guten Taten sehen, werden unseren Vater im Himmel rühmen.“ 188 Vgl. in Num. hom. 23,6 (GCS Orig. 7, 218): „Wenn wir vollkommen, fest und stark

sprechen, setzen wir euch das Fleisch des Wortes Gottes zum Essen vor.“ 189 Die drei Arten von Speisen (zu diesen siehe oben S. 146 Anm. 136) entsprechen drei

Gruppen von Glaubenden und damit drei Stufen des Fortschritts in der Vollkommenheit: siehe oben S. 70 Anm. 21.

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suchen, wer so groß und von solcher Art ist, dass er das Heilsopfer und das Lobopfera Gott darbringen kann. Ich meine, dass es der ist, der in allen seinen Taten zum Lob Gottes beiträgt und durch den jenes erfüllt wird, was unser Herr und Erlöser sagt: „damit die Menschen eure guten Werke sehen und euren Vater rühmen, der im Himmel ist“.b Der also brachte ein Lobopfer dar, durch dessen Taten, durch dessen Lehre, durch dessen Wort, Verhalten und Zucht Gott gelobt und gepriesen wird,187 so wie im Gegensatz dazu jene stehen, über die gesagt wird: „Durch euch wird mein Name bei den Völkern gelästert.“ c Beachte jedoch auch hier, wie die aus Feinmehl in Öl zubereiteten Brote und die ungesäuerten, mit Öl gesalbten Kuchen und das Feinmehl, das mit Öl vermengt ist,d im Text stehen und das Heilsopfer wiederum durch ein dreifaches Geheimnis dargebracht wird; und zuletzt heißt es: „Dem Priester, der das Blut des Heilsopfers ausgießt, soll es gehören.“ eVorher sagte er: „Dem Priester, der die Sühne erwirkt, soll es gehören“;f hier: „Dem Priester, der das Blut des Heilsopfers ausgießt, soll es gehören“.g Er gebraucht eine würdige Reihenfolge; denn vorher ist die Sühne zu suchen und danach ist das Heilsopfer darzubringen. Denn niemand kann Heil erlangen, wenn er sich nicht vorher den Herrn geneigt macht. „Doch auch das Fleisch“, heißt es, „des Heilsopfers des Lobes soll ihm gehören.“ h Schon oft haben wir gesagt, dass das Fleisch in den Schriften die feste Speise und die vollkommene Lehre anzeigt.188 Denn ich weiß, dass gemäß den Schriften eine Speise der Seele Milch, eine andere Speise der Seele Gemüse und eine andere Fleisch ist, so wie der Apostel selbst über manche Menschen sagt: „Ich gab euch Milch zu trinken, nicht Speise. Denn ihr vertrugt sie noch nicht, doch auch jetzt vertragt ihr sie noch nicht. Denn bis jetzt seid ihr fleischlich“;i und desgleichen sagt er anderswo: „Einer meint, alles zu essen; wer aber schwach ist, soll Gemüse essen“;j und wiederum anderswo: „Für die Vollkommenen aber ist die feste Speise“ k und so weiter.189 Hier wird also befohlen, dass das Fleisch des Heilsopfers, das für das Lob dargebracht wird, dem Priester selbst gehört. Von dem auf dreifache Weise dargebrachten Feinmehl hingegen wird, wie wir vorher sagten,190 nur ein Teil, der Gefallen findet, dem Priester zugeteilt; die übrigen gehören dem darbringenden Laien, doch so, dass sie während des Tages gegessen werden sollen und nichts davon am Morgen übrig bleiben soll.l Das Fleisch also, in dem feste Speise und vollkommene Erkenntnis dargestellt sind, wird den Priestern zugeteilt, weil sie in allem vollkommen sein müssen, in der Lehre, in den Tugenden, in den Sitten. Denn wenn sie das nicht in sich haben, sollen sie nicht vom Fleisch der Opfer essen. Jener eine Teil hingegen, der gleichsam als besonderer aus den dreien abgesondert wird, die für das Opfer aus dem Feinmehl vorgeschrieben sind, darin meine ich, dass jener Teil der Erkenntnis bezeichnet wird, über den wir vorher gesprochen haben, der die vollkommene und tiefgründige Lehre anzeigt. Doch du 190 Siehe in Lev. hom. 5,5 (GCS Orig. 6, 344).

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Homilia V

perfectam indicat profundamque doctrinam. Sed requiras fortasse, cum superius fermentum penitus abiecerit de sacrificiis, quomodo nunc super „panes fermentatos“a sacrificium mandat imponi? Verum diligentius intuere quia non ad sacrificium, sed ad ministerium sacrificii fermentatus panis assumitur. Quid ergo hoc sit, age, uideamus. Dominus in euangeliis humanam doctrinam Pharisaeorum, qui tradebant traditiones, praecepta hominum,b fermentum appellat, cum dicit discipulis: „Obseruate a fermento Pharisaeorum.“ c Similiter ergo humana doctrina est, uerbi causa, grammatica ars uel rhetorica uel etiam dialectica. Ex qua doctrina ad sacrificium quidem, hoc est in his, quae de Deo sentienda sunt, nihil suscipiendum est; sermo uero lucidus et eloquentiae splendor ac disputandi ratio ad ministerium uerbi Dei decenter iubetur admitti. Aut non super hoc fermentum habebat uerbi Dei sacrificium positum ille, qui dicebat: „Corrumpunt mores bonos colloquia mala“ d et: „Cretenses semper mendaces, malae bestiae, uentres pigri“ e et alia his similia ex fermento sumpta Graecorum? 8. Quod autem dicit: „Sub die comedetur, nec derelinquetur ab eo usque in mane“,f conferamus cum ceteris sacrificiis et uideamus, quae | sit ratio, quod in hoc quidem sacrificio salutari eadem die, quae offeruntur, praecepit comedenda, in alio uero sacrificio etiam in secundam diem seruari indulget et usque in tertiam, tertia uero iam die igni tradi, quae superfuerint, ne polluant offerentem.g Quid ergo habeat ista differentia, uideamus. Sed uere indigemus auxilio Dei, qui omnes adipes contegentes interiora h nostra dignetur abscidere et omne crassioris sensus uelamen auferre, ut haec secundum id, quod a Deo mandari dicitur, possimus aduertere. Conferamus igitur ipsam sibi scripturam diuinam et quam aperuerit nobis absolutionis semitam subsequamur. Inuenimus enim in sacrificio paschae, quod in uesperam immolari iubetur,i dari mandatum similiter, ut „nihil remaneat“ ex carnibus „usque in mane“.j Non est hoc otiosum quod hesternas carnes uesci non uult nos sermo diuinus, sed recentes semper et nouas, eos maxime, qui sacrificium paschae uel sacrificium laudis k immolant Deo; nouas eos carnes et recentes ipsius diei edere iubet, hesternas prohibet. Recordatus sum simile aliquid et a

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Lev. 7,3(13) bVgl. Mk. 7,3.7 cMt. 16,6 d1 Kor. 15,33 eTit. 1,12 Vgl. Lev. 7,6f.(16f.); 19,6 hVgl. Lev. 4,8 iVgl. Ex. 12,6 j Ex. 12,10

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Lev. 7,5(15) Vgl. Ps. 49(50),23

191 Während sich Origenes ansonsten oft kritisch von der antiken Rhetorik distanziert

(siehe die Belege bei Neuschäfer, Origenes als Philologe 255–257; Fürst, Art. Origenes 494–499), gesteht er ihr hier doch einen gewissen Nutzen für den „Dienst am Wort Gottes“ zu. 192 Das erste Zitat wurde bereits von einigen antiken Autoren dem Dichter Menander zugeschrieben: Thais frg. 75 Mein. Das zweite stammt aus Kallimachos, hymn. 1,1, und ist in Form eines Sprichworts überliefert, das Epimenides von Knossos zugeschrieben wird (6. Jh. v.  Chr.). Vgl. in Luc. hom. 31,3 (GCS Orig. 92, 176); Cels. III 43 (GCS Orig. 1, 239).

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möchtest vielleicht fragen, wie er, obwohl er vorher den Sauerteig völlig von den Opfern ausschloss, nun das Opfer auf „gesäuerte Brote“a zu legen anordnet? Aber sieh genauer hin, dass das gesäuerte Brot nicht zum Opfer, sondern zum Dienst des Opfers hergenommen wird. Was das also ist, auf, das wollen wir uns ansehen! Der Herr nennt in den Evangelien die menschliche Lehre der Pharisäer, die Überlieferungen überliefern, Vorschriften von Menschen,b Sauerteig, wenn er den Jüngern sagt: „Nehmt euch in Acht vor dem Sauerteig der Pharisäer!“ c Genauso also ist eine menschliche Lehre zum Beispiel die Grammatik oder die Rhetorik oder auch die Dialektik. Aus dieser Lehre ist zwar für das Opfer, das heißt für das, was über Gott zu denken ist, nichts anzunehmen; eine klare Sprache hingegen, den Glanz der Beredsamkeit und die Kunst des Erörterns auf angemessene Weise zum Dienst am Wort Gottes zuzulassen, das wird befohlen.191 Oder hatte nicht der das Opfer des Wortes Gottes auf diesen Sauerteig gelegt, der sagte: „Schlechter Umgang verdirbt die guten Sitten“ d und: „Die Kreter sind immer Lügner, böse Bestien, faule Bäuche“ e und anderes dergleichen, das aus dem Sauerteig der Griechen genommen ist?192 8. Die Aussage aber: „Während des Tages soll es gegessen werden, und nichts davon soll übrig bleiben bis zum Morgen“,f wollen wir mit den übrigen Opfern vergleichen und sehen, was der Grund dafür ist, dass er bei diesem Heilsopfer vorschreibt, am selben Tag zu essen, was dargebracht wird, bei einem anderen Opfer hingegen gestattet, es auch für den zweiten Tag und bis zum dritten aufzubewahren, am dritten Tag schon hingegen dem Feuer zu übergeben, was übrig ist, damit es den Darbringenden nicht verunreinigt.g Was also dieser Unterschied bedeutet, wollen wir sehen. Doch bedürfen wir wahrlich der Hilfe Gottes, dass er uns würdigt, alle Fettstücke, die unser Inneres bedecken,h wegzuschneiden und den ganzen Schleier des zu fetten Sinnes zu entfernen, damit wir dies gemäß dem, von dem gesagt wird, dass es von Gott angeordnet wird, wahrnehmen können.Vergleichen wir daher die göttliche Schrift mit sich selbst und folgen wir dem Weg der Lösung, den sie uns eröffnet.193 Denn wir finden beim Paschaopfer, von dem befohlen wird, es am Abend zu schlachten,i dass ebenso eine Anordnung gegeben wird, dass „nichts“ vom Fleisch „bis zum Morgen übrig bleibt“.j Es ist nicht müßig, dass das göttliche Wort nicht will, dass wir das Fleisch von gestern essen, sondern immer frisches und neues, am meisten die, die das Paschaopfer oder das Lobopfer k für Gott schlachten; das neue und frische Fleisch desselben Tages befiehlt er ihnen zu essen, das von gestern verbietet er. Ich erinnere mich, dass

193 Die Erklärung einer Schriftstelle durch eine andere ist eine häufige Interpretations-

methode, um schwierige Stellen zu erklären. Sie findet sich ebenso in der hellenistischen (siehe Neuschäfer, Origenes als Philologe 276–285) wie in der rabbinischen Textauslegung (siehe Stemberger, Einleitung 29f.).

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Homilia V

prophetam Ezechielem dicere, cum ei Dominus praecepisset, ut coqueret sibi panes in stercore humano.a Respondit enim Domino et dixit: „O Domine, numquam contaminata est anima mea, et morticinum aut immundum non introiuit in os meum. Sed neque caro hesterna introiuit in os meum.“ b De quo saepe apud memet ipsum requirebam, quaenam esset ista prophetae exsultatio, qua uelut magnum aliquid ante Deum proferret et diceret quia: „Numquam carnem hesternam manducaui.“ Sed ut uideo, hinc edoctus et ex istis imbutus mysteriis haec propheta loquebatur ad Dominum quia: Non ita abiectus et degener sum sacerdos, ut hesternis, id est ueteribus carnibus uescar. Audite haec omnes Domini sacerdotes et attentius intelligite, quae dicuntur. Caro, quae ex sacrificiis sacerdotibus deputatur, uerbum Dei est, quod in ecclesia docent. Pro hoc ergo figuris | mysticis commonentur, ut, cum proferre ad populum sermonem coeperint, non hesterna proferant, non uetera, quae sunt secundum litteram, proloquantur, sed per gratiam Dei noua semper proferant et spiritalia semper inueniant. Si enim ea, quae didiceris a Iudaeis hesterno, haec hodie in ecclesia proferas, hoc est hesternam carnem sacrificii edere. Si meministis, etiam in oblatione primitiarum eodem sermone usus est legislator, ut sint, inquit, noua recentia.cVides ubique ea, quae ad laudes Dei pertinent – hoc enim est sacrificium laudis d –, noua et recentia esse debere, ne forte, cum uetera profers in ecclesia, labia tua loquantur et mens tua sine fructu sit. Sed audi quid dicit apostolus: „Si“ inquit „loquar linguis, spiritus meus orat, sed mens mea sine fructu est. Quid igitur est? Orabo“ inquit „spiritu, orabo et mente, psalmum dicam spiritu, psalmum dicam et mente.“ e Ita ergo et tu si non ex eruditione spiritali, ex doctrina gratiae Dei praesentem et recentem protuleris sermonem in laudibus Dei, os quidem tuum offert sacrificium laudis,f sed mens tua pro sterilitate hesternae carnis arguitur. Nam et Dominus panem, quem discipulis dabat dicens iis: „Accipite et manducate“,g non distulit nec reseruari iussit in crastinum. Hoc fortasse mysterii continetur etiam in eo, quod panem portari non iubet in uia,h ut semper recentes, quos intra te geris, uerbi Dei proferas panes. Denique Gabaonitae illi propterea condemnantur et „ligni caesores uel aquae gestatores“ fiunt,i quia panes ueteres ad Istrahelitas detulerunt,j quibus lex spiritalis iubebat semper uti recentibus et nouis. Alia sane sacramentorum figura est, quae iubet etiam a

Vgl. Ez. 4,12 bEz. 4,14 cVgl. Lev. 2,14 dVgl. Ps. 49(50),23 Vgl. Ps. 49(50),23 gMt. 26,26 hVgl. Lk. 9,3 i Jos. 9,23.27

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1 Kor. 14,14f. Vgl. Jos. 9,5.12

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194 Das jüdische Verständnis wird neuerlich als veraltet, überholt und christlicher Gläu-

biger nicht würdig abgewertet. Origenes lehnt damit aber nicht das gesamte Gesetz und das Alte Testament als veraltet ab, sondern nur eine bestimmte, buchstäbliche Interpretation desselben. Siehe dazu oben S. 37–43. 195 Vgl. in Ios. hom. 10,1 (GCS Orig. 7, 358): „In deren Bild (sc. der Gibeoniter) scheint mir auf Folgendes hingewiesen zu werden: Es gibt manche Leute in der Kirche, die

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auch der Prophet Ezechiel etwas Ähnliches sagt, als der Herr ihm vorgeschrieben hatte, dass er sich Brot auf Menschenkot backe.a Denn er antwortete dem Herrn und sagte: „O Herr, niemals wurde meine Seele verunreinigt, und nicht ging etwas Totes oder Unreines in meinen Mund hinein. Aber auch Fleisch von gestern ging nicht in meinen Mund hinein.“ b Diesbezüglich habe ich mich oft gefragt, was es mit diesem Jubel des Propheten auf sich hat, mit dem er gleichsam etwas Großes vor Gott vorbrachte und sagte: „Niemals habe ich Fleisch von gestern gegessen.“ Doch wie ich sehe, sagte der Prophet, hierauf belehrt und in diese Geheimnisse eingeführt, dies zum Herrn: Ich bin nicht ein so verworfener und unwürdiger Priester, dass ich vom gestrigen, das heißt vom alten Fleisch esse. Hört dies, alle Priester des Herrn, und versteht aufmerksamer, was gesagt wird. Das Fleisch, das von den Opfern den Priestern zugeteilt wird, ist das Wort Gottes, das sie in der Kirche lehren. Dazu also werden sie durch geheimnisvolle Bilder ermahnt, dass sie, wenn sie eine Rede an das Volk vorzubringen beginnen, nicht Gestriges vorbringen noch Altes, das nach dem Buchstaben ist, vortragen, sondern durch die Gnade Gottes immer Neues vorbringen und immer Geistiges finden. Denn wenn du das, was du von den Juden gestern gelernt hast, heute in der Kirche vorbringst, bedeutet das, Opferfleisch von gestern zu essen.194 Wenn ihr euch erinnert: Auch bei der Darbringung der Erstlingsgaben gebraucht der Gesetzgeber dasselbe Wort, dass sie, heißt es, neu und frisch seien.c Du siehst, dass überall das, was zum Lob Gottes gereicht – denn das ist das Lobopfer d –, neu und frisch sein muss, damit nicht etwa, wenn du Altes in der Kirche vorbringst, deine Lippen sprechen und dein Verstand ohne Frucht ist. Doch höre, was der Apostel sagt: „Wenn ich“, heißt es, „in Zungen rede, betet mein Geist, doch mein Verstand ist ohne Frucht. Was ist daher zu tun? Ich will beten“, heißt es, „im Geist, ich will auch mit dem Verstand beten, ich will einen Psalm im Geist sprechen, ich will einen Psalm auch mit dem Verstand sprechen.“ e So also auch du: Wenn du nicht aus der geistigen Bildung, aus der Lehre der Gnade Gottes ein gegenwärtiges und frisches Wort zum Lob Gottes vorbringst, bringt zwar dein Mund ein Lobopfer f dar, doch dein Verstand wird für die Unfruchtbarkeit des Fleisches von gestern getadelt. Denn auch das Brot, das der Herr seinen Jüngern gab, indem er zu ihnen sagte: „Nehmt und esst“,g schob er nicht auf und befahl nicht, es für den nächsten Tag aufzubewahren. Dieses Mysterium ist vielleicht auch darin enthalten, dass er befahl, kein Brot auf dem Weg mitzutragen,h damit du immer frische Brote des Wortes Gottes, die du in dir trägst, vorbringst. Schließlich werden die Gibeoniter deswegen verurteilt und werden „Holzfäller beziehungsweise Wasserträger“,i weil sie alte Brote zu den Israeliten brachten,j denen das geistige Gesetz befahl, immer frische und neue zu verwenden.195 Ein anderes Bild für die Geheimnisse allerdings ist der Befehl, dass auch am nächsten Tag, was übrig geblieben ist, gegessen, nichts

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in altera die, quod superfuerit, edi, nihil uero in tertiam reseruari;a de qua suis locis uidebimus. Sed ne illud quidem nos lateat esse quoddam tempus, in quo benedictio | sit ueteribus uesci. Nam de anno septimo, qui remissionis annus b uel sabbaticus nominatur, ita dicitur: „Manducabis“ inquit „uetera et uetera ueterum.“ cTunc sub septimi anni mysterio, ut diximus, benedictio est uetera manducare, nunc uero prohibetur. Sed multum est excessus habere per haec singula et ex occasione testimoniorum longius euagari, cum explanatio nunc sacrificiorum habeatur in manibus. 9. Dicitur ergo in sequentibus: „Quod si uotum fuerit aut si uoluntarium sacrificauerit munus suum, quacumque die obtulerit sacrificium suum, edetur, et altera die. Et quod superfuerit de carnibus sacrificii usque in diem tertium, igne cremabitur. Si autem manducans manducauerit ex carnibus die tertio, non erit acceptum ei, qui offert illud, non reputabitur ei, coinquinatio est. Anima autem si qua manducauerit ex eo, peccatum accipiet.“ d Hoc est nimirum quod et Dauid dicit in Psalmis: „Fiat oratio eius in peccatum“,e quando non solum nihil meriti, sed etiam culpae multum ex sacrificiis quaeritur. Audis enim legislatorem decernere quia, si quis manducauerit ex eo, quod superfuerit in tertiam diem, peccatum accipiet. Vnde cognoscendum est, quanta humanae conditioni peccatorum labes immineat, cum oriatur etiam inde peccatum, ubi hostia propitiationis offertur. Haec, credo, considerans beatus Dauid dicebat in Psalmis: „Peccata quis intelligit?“ f Voti igitur uel uoluntatis sacrificium est, quod et secunda quidem die uesci fas est, penitus uero abiuratur in tertiam. Sed dat remedium negligentibus: Si, inquit, inualidus fueris et non potueris omnes carnes sacrificii secunda die finire, nihil de his in die tertia comedas, sed igni trade quod superest. Si enim uolueris post duos dies manducare de sacrificio, peccatum accipies.g Ego, prout sensus mei capacitas habet, in hoc biduo puto duo testamenta posse intelligi, in quibus liceat omne uerbum, quod ad Deum pertinet – hoc enim est sacrificium – requiri et discuti atque ex ipsis omnem rerum scientiam capi; si quid autem superfuerit, quod non diuina scriptura decernat, a

Vgl. Lev. 7,6f.(16f.); 19,6 bVgl. Lev. 25,13; Dtn. 15,1f. Ps. 108(109),7 f Ps. 18(19),13 gVgl. Lev. 7,7f.(17f.)

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Lev. 26,10

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Lev. 7,6–8(16–18)

zwar gläubig sind und Vertrauen auf Gott haben und allen göttlichen Geboten zustimmen, die sich auch den Dienern Gottes gegenüber ehrfürchtig verhalten und ihnen zu dienen wünschen, aber auch zur Ausschmückung der Kirche beziehungsweise zum Dienst an ihr hinreichend willig und bereit sind, in ihren Taten jedoch und in ihrem persönlichen Lebenswandel ziemlich unanständig und in Laster verstrickt sind und den alten Menschen mit seinen Taten ganz und gar nicht ablegen (vgl. Kol. 3,9), sondern verstrickt in ihre alten Laster und Unanständigkeiten, ebenso wie diese mit Lumpen und alten Schuhen (vgl. Jos. 9,5.13) bekleidet, abgesehen davon, dass sie an Gott glauben und den Dienern Gottes beziehungsweise dem Kult der Kirche gegenüber unterwürfig fromm erscheinen, nichts an Verbesserung oder Erneuerung in ihren Verhaltensweisen erkennen lassen.“ Übersetzung: Döhler/Fürst, OWD 5, 223.

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hingegen für den dritten aufbewahrt wird;a das werden wir uns an Ort und Stelle ansehen.196 Doch auch dies sollte uns nicht verborgen bleiben, dass es eine Zeit gibt, in der es ein Segen ist, sich von Altem zu ernähren. Denn über das siebte Jahr, das Erlassjahr b oder Sabbatjahr genannt wird, wird so gesagt: „Du wirst“, heißt es, „das Alte und das Alte vom Alten essen.“ c Dann ist es unter dem Mysterium des siebten Jahres, wie wir sagten, ein Segen, das Alte zu essen, nun hingegen wird es verboten. Es wäre jedoch zu viel, dies im Einzelnen exkursartig durchzugehen und anlässlich der Belegstellen länger abzuschweifen, da nun die Erklärung der Opfer unsere Aufgabe ist. 9. Es wird also im Folgenden gesagt: „Wenn es aber ein Gelübde ist oder wenn seine freiwillige Gabe geopfert wird, soll sein Opfer an dem Tag, an dem er es darbrachte, gegessen werden, und am nächsten Tag. Und was vom Fleisch des Opfers bis zum dritten Tag übrig bleibt, soll im Feuer verbrannt werden. Wenn er aber vom Fleisch am dritten Tag isst, wird es ihm, der es darbringt, nicht angenommen werden, es wird ihm nicht angerechnet werden, es ist eine Befleckung. Wenn eine Seele aber davon isst, wird sie eine Sünde auf sich laden.“ d Das ist gewiss das, was auch David in den Psalmen sagt: „Sein Gebet werde zur Sünde“,e da aus den Opfern nicht nur kein Verdienst, sondern sogar viel Schuld erworben wird. Du hörst nämlich, dass der Gesetzgeber festlegt, dass einer, wenn er von dem isst, was am dritten Tag übrig ist, eine Sünde auf sich laden wird. Daraus ist zu erkennen, welch große Sündenverderbnis der Menschheit in ihrer Situation droht, wenn eine Sünde sogar von daher entsteht, wo ein Sühnopfer dargebracht wird. Dies, glaube ich, bedenkend sagte der selige David in den Psalmen: „Die Sünden, wer versteht sie?“ f Ein gelobtes oder freiwilliges Opfer ist es daher, das zwar auch am zweiten Tag verzehrt werden darf, hingegen für den dritten gänzlich verboten wird. Doch gibt er ein Heilmittel für die, die das vernachlässigen: Wenn du, heißt es, krank bist und nicht alles Opferfleisch am zweiten Tag fertigessen kannst, sollst du nichts davon am dritten Tag essen, sondern übergib dem Feuer, was übrig ist. Denn wenn du nach zwei Tagen von dem Opfer essen willst, wirst du eine Sünde auf dich laden.g Ich, so wie es das Fassungsvermögen meines Sinnes vermag, glaube,197 dass unter diesen beiden Tagen die beiden Testamente verstanden werden können, in denen es erlaubt ist, jedes Wort, das sich auf Gott bezieht – denn das ist das Opfer – zu prüfen und zu untersuchen und aus ihnen die ganze Erkenntnis der Dinge zu erfassen; wenn aber etwas übrig bleibt, was die göttliche Schrift nicht festlegt, dürfen wir keine andere

196 Siehe das folgende Kapitel. 197 Von hier (Z. 27 in) bis S. 190 Z. 9 affirmant zitiert Hrabanus Maurus, in Lev. expos. II

6 (PL 108, 314D–315A), den Text.

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Homilia V

nullam aliam tertiam scripturam debere ad auctoritatem scientiae suscipi, quia haec dies | tertia nominatur, sed igni tradamus, quod superest, id est Deo reseruemus. Neque enim in praesenti uita Deus scire nos omnia uoluit, maxime cum id et apostolus dicat, quia: „Ex parte scimus et ex parte prophetamus; cum uenerit autem quod perfectum est, destruentur illa, quae ex parte sunt.“a Iste est ergo ignis, cui, quae in tertium diem superfuerint, seruare debemus, et non temeritate praesumpta assumamus nobis cunctorum scientiam, ut merito nobis dicatur ab eodem apostolo: „nescientes neque quae loquuntur neque de quibus affirmant“.b Ne forte ergo non fiat acceptum sacrificium nostrum et hoc ipsum, quod ex diuinis scripturis cupimus scientiam capere, uertatur nobis in peccatum, seruemus eas mensuras, quas nobis per legislatorem lex spiritalis enuntiat. 10. „Et carnes quaecumque tactae fuerint ab omni immundo, non manducabuntur, igni cremabuntur. Omnis mundus manducabit carnes; et anima quaecumque manducauerit carnes sacrificii salutaris, quod est Domino, et immunditia eius in eo fuerit, peribit anima illa de populo suo. Et anima quaecumque tetigerit omnem rem immundam uel ab immunditia hominis uel quadrupedum immundorum uel ab omni abominamento immundo, et manducauerit ex carnibus sacrificii salutaris, quod est Domini, peribit anima illa de populo suo.“ c Triplices immunditiae causas hic legislator exposuit. Vnam, ne carnes sacrificiorum aliqua immunditia contingantur. Aliam, ne is, qui edit carnes sacrificii, immundus sit et immunditia eius in ipso sit. Tertiam, quod, etsi carnes mundae sint et ipse, qui edit, mundus sit, tamen ne contigerit aliquid immundum uel a pecoribus uel ab auibus uel ex omnibus, quae immunda pronuntiata sunt. Et haec quidem uoluntas est legis de ritu sacrificiorum corporalium sancientis. Secundum nostrae uero expositionis ordinem, ubi carnes sanctae uerba intelliguntur esse diuina, huiusmodi habenda est obseruatio, quia saepe accidit mundas carnes contingi ab aliquo immundo, ut uerbi causa dixerim, si quis de Deo | patre ac de unigenito eius et Spiritu sancto digno deitatis mysterio purum faciat sincerumque sermonem, similiter et de omnibus creaturis rationabilibus tamquam a Deo factis ad hoc, ut caperent et intelligerent eum, non autem consequenti mysterio adserat etiam a

1 Kor. 13,9f.

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1 Tim. 1,7

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Lev. 7,9–11(19–21)

198 Wie etwa in Lev. hom. 4,8 (GCS Orig. 6, 328) deutlich macht, ist das Ziel des Ori-

genes eine vollkommene Erkenntnis des Wortes Gottes und seiner Geheimnisse. Vgl. auch in Cant. comm. III 6,9 (GCS Orig. 8, 186): „Die Einsicht in die Mysterien und die Offenbarung der Geheimnisse wird nämlich durch die Weisheit Gottes nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Engel und die himmlischen Mächte beständig erneuert.“ Übersetzung: Fürst/Strutwolf, OWD 9/1, 319. An der vorliegenden Stelle gesteht er zu, dass in diesem irdischen Leben eine solche nicht möglich ist. 199 Origenes schärft bei allem Wissensdrang auch immer die Begrenztheit der menschlichen Erkenntnisfähigkeit ein, programmatisch in princ. IV 3,14 (GCS Orig. 5, 345f.).

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dritte Schrift zur Beglaubigung der Erkenntnis heranziehen, weil dies der dritte Tag genannt wird, sondern wir sollen dem Feuer übergeben, was übrig ist, das heißt Gott vorbehalten. Denn Gott wollte nicht, dass wir im gegenwärtigen Leben alles erkennen,198 ganz besonders da das auch der Apostel sagt: „Teilweise erkennen wir und teilweise prophezeien wir; wenn aber kommt, was vollkommen ist, wird zerstört werden, was teilweise ist.“a Das ist also das Feuer, dem wir das, was am dritten Tag übrig ist, vorbehalten müssen, und wir sollen nicht in angemaßter Unbesonnenheit für uns die Erkenntnis von allem beanspruchen, wie uns mit Recht von demselben Apostel gesagt wird: „weder wissend, was sie reden, noch, was sie behaupten“.b Damit es also nicht etwa dazu kommt, dass unser Opfer nicht angenommen wird und gerade die Tatsache, dass wir aus den göttlichen Schriften Erkenntnis zu fassen wünschen, sich uns zur Sünde wendet, wollen wir das Maß bewahren, das uns das geistige Gesetz durch den Gesetzgeber verkündet.199 10. „Und Fleisch, das von irgendetwas Unreinem berührt wurde, soll nicht gegessen werden, im Feuer soll es verbrannt werden. Jeder Reine soll Fleisch essen; und eine Seele, die das Fleisch des Heilsopfers, das dem Herrn gehört, isst und seine Unreinheit in sich hat, jene Seele soll aus ihrem Volk ausgemerzt werden. Und eine Seele, die irgendeine unreine Sache oder etwas Unreines von einem Menschen oder von unreinen Tieren oder von irgendeinem abscheulichen Unreinen berührt und vom Fleisch des Heilsopfers, das dem Herrn gehört, isst, jene Seele soll aus ihrem Volk ausgemerzt werden.“ c Dreifache200 Gründe für Unreinheit legte der Gesetzgeber hier dar. Den einen, dass nicht das Opferfleisch von irgendeiner Unreinheit berührt wird. Einen anderen, dass nicht der, der Opferfleisch isst, unrein ist und seine Unreinheit in ihm ist. Den dritten, dass, auch wenn das Fleisch rein ist und der, der isst, rein ist, er dennoch nicht etwas Unreines entweder vom Vieh oder von den Vögeln oder von allem, was als unrein verkündet worden ist, berührt. Und das ist der Wille des Gesetzes, das Bestimmungen über den Ritus der körperlichen Opfer gibt. Entsprechend der Regel unserer Darlegung hingegen, wonach das heilige Fleisch als die göttlichen Worte verstanden wird,201 ist eine Beobachtung dieser Art zu machen, dass es nämlich oft geschieht, dass reines Fleisch von etwas Unreinem berührt wird, wie ich zum Beispiel sagen würde, wenn jemand von Gott, dem Vater, und seinem Einziggeborenen und vom Heiligen Geist, dem Mysterium, das der Gottheit würdig ist, eine reine und aufrichtige Predigt hält, ebenso auch über alle vernünftigen Geschöpfe, die gleichsam von Gott dazu gemacht sind, ihn zu begreifen und zu verstehen, aber nicht im Folgenden dem Mysterium auch die Auferstehung des

200 Von hier ab hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos. II 7 (PL 108, 315A–316A), das Kapitel

fast ganz abgeschrieben, bis S. 192 Z. 32 est. 201 Vgl. in Lev. hom. 5,7 (GCS Orig. 6, 346).

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Homilia V

carnis resurrectionem, primus quidem eius sermo, quoniam perfecte et sancte disseruit, solidus cibus est,a carnes sanctae sunt, hoc uero, quod his addit resurrectionem carnis negando, quia alienum a fide est, superioribus iunctum perfectis et fidelibus uerbis sanctas carnes contaminauit et polluit. Ideo ergo praecepit legislator, ne manducentur huiusmodi carnes, quibus immunditia infidelitatis alicuius adiungitur. Propterea et apostolus dicit: „Etenim diem festum celebremus non in fermento ueteri neque in fermento malitiae et nequitiae, sed in azymis sinceritatis et ueritatis.“ b Secundum immunditiae genus est, ne ipse, qui carnes edit, immundus sit, „et immunditia eius in ipso sit“,c quod hoc modo intelligi potest, uerbi gratia, si sit aliquis naturae florentis et ardentis ingenii, non continuo aptus uidebitur ad suscipienda Verbi Dei mysteria, sed quaeritur etiam hoc, ut prius a profanis actibus et immundis operibus separetur et ita demum eruditionis capax fiat, si prius capax fuerit sanctitatis. Simile his in Numeris legimus scriptum, ubi Dominus carnes coelitus dedit filiis Istrahel et dicit: „Sanctificamini in crastinum, ut manducetis carnes“,d hoc ostendens quod, nisi sanctificati essent prius et mundi effecti, carnes iis non daret Deus. Bene autem clementiam Domini legislator ostendit, ut non diceret quia: Non manducet carnes, in quo fuit immunditia, sed ait: „in quo immunditia eius in ipso est“.e Nemo etenim fere inuenitur, in quo non fuit immunditia. Inueniri autem potest, in quo fuerit quidem, sed audita lege Dei ultra iam non sit. Quod si permanet in eo immunditia sua et his auditis conuerti non uult et emendari, „peribit“ inquit „anima illa de populo suo“.f Tertia est immunditiae species, qua is, qui mundus est, aliquid con|tingit immundum et non tam suo peccato quam aliena contagione polluitur;g ut puta, si quis societur amicitiis et consortio hominis liuidi uel iracundi uel adulteri, et ipse quidem propriis actibus non inseratur sceleribus eius, uideat tamen eum et intelligat, quomodo fratrem suum odit et homicida est,h uel quomodo insidiatur alienae mulieri et adulter est, uel quomodo in ceteris quibusque sacrilegus est, nec deprehensis his discedat ab eius consortio: iste est, qui contingit immundum uel animal uel auem uel morticinum i et aliena immunditia ipse pollutus est. De diuersitatibus autem immundorum, prout occurrere potuit, in superioribus diximus. Aut non et apostolus secundum hanc eandem praecepit formam, cum dicit: „Nunc autem scribo uobis in a

Vgl. Hebr. 5,12.14 b1 Kor. 5,8 cLev. 7,10(20) dNum. 11,18 eLev. 7,10(20) Lev. 7,10(20) gVgl. Lev. 7,11(21) hVgl. 1 Joh. 3,15 iVgl. Lev. 5,2

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202 Im Hintergrund steht die Vorstellung der Samaritaner, die „die Auferstehung der

Toten leugnen und nicht den Glauben an das künftige Leben annehmen“: in Num. hom. 25,1 (GCS Orig. 7, 233). Vgl. in Ioh. comm. XX 35,311 (GCS Orig. 4, 373). 203 Vgl. noch deutlicher in Lev. hom. 12,4 (GCS Orig. 6, 460): „Von jedem, der in diese Welt kommt, wird gesagt, dass er mit einer gewissen Befleckung entsteht.“ 204 Vgl. oben in Lev. hom. 3,3 (GCS Orig. 6, 303).

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Fleisches hinzufügt,202 ist zwar seine erste Predigt, weil die Erörterung vollkommen und heilig war, feste Speise,a heiliges Fleisch, das hingegen, was er dem hinzufügt, indem er die Auferstehung des Fleisches leugnet, verunreinigte und beschmutzte, da es mit den vorhergehenden vollkommenen und gläubigen Worten verbunden wurde, das heilige Fleisch, weil es dem Glauben fremd ist. Daher schrieb also der Gesetzgeber vor, dass solches Fleisch nicht gegessen werden soll, dem die Unreinheit irgendeines Unglaubens hinzugefügt wird. Deshalb sagt auch der Apostel: „Denn wir wollen den Festtag nicht im alten Sauerteig und nicht im Sauerteig der Bosheit und Nichtsnutzigkeit feiern, sondern im Ungesäuerten der Aufrichtigkeit und Wahrheit.“ b Die zweite Art der Unreinheit ist, dass nicht der, der das Fleisch isst, unrein ist „und seine Unreinheit in ihm ist“,c was man auf diese Weise verstehen kann: Wenn zum Beispiel jemand von blühender Natur und brennendem Geist ist, wird er nicht sofort geeignet erscheinen, die Mysterien des Wortes Gottes aufzunehmen, sondern es wird auch verlangt, dass er sich vorher von den weltlichen Handlungen und den unreinen Werken trennt und so schließlich der Bildung fähig wird, wenn er vorher der Heiligkeit fähig wurde. Gleiches lesen wir im Buch Numeri geschrieben, wo der Herr den Söhnen Israels Fleisch vom Himmel gab und sagt: „Heiligt euch für morgen, damit ihr Fleisch essen könnt“,d wodurch er zeigt, dass Gott ihnen, wenn sie sich nicht vorher geheiligt haben und rein geworden sind, kein Fleisch geben würde. Aber der Gesetzgeber zeigt gut die Milde des Herrn, sodass er nicht sagte: Der soll kein Fleisch essen, in dem Unreinheit war, sondern sagt: „in dem seine Unreinheit ist“.e Denn fast niemand ist zu finden, in dem nicht Unreinheit war.203 Es kann aber jemand gefunden werden, in dem sie zwar war, doch, nachdem er das Gesetz Gottes gehört hat, nicht mehr länger ist. Wenn aber seine Unreinheit in ihm bleibt und er, nachdem er das gehört hat, nicht umkehren und sich bessern will, „soll“, heißt es, „jene Seele aus ihrem Volk ausgemerzt werden“.f Die dritte Art der Unreinheit ist die, bei der jemand, der rein ist, etwas Unreines berührt und nicht so sehr durch seine eigene Sünde als durch fremde Berührung beschmutzt wird;g zum Beispiel, wenn jemand sich in Freundschaften verbindet und Gemeinschaft mit einem neidischen, zornigen oder ehebrecherischen Menschen hat und er selbst sich zwar durch seine eigenen Handlungen nicht an dessen Verbrechen beteiligt, ihn aber dennoch sieht und versteht, wie er den Bruder hasst und ein Mörder ist,h oder wie er einer fremden Frau nachstellt und ein Ehebrecher ist, oder wie er in allen anderen Dingen gottlos ist, und sich, obwohl er das begriffen hat, nicht aus dessen Gemeinschaft entfernt: der ist es, der entweder ein unreines Tier oder einen Vogel oder einen Kadaver berührt i und durch fremde Unreinheit selbst beschmutzt ist. Aber über die verschiedenartigen Unreinheiten, wie sie vorkommen konnten, haben wir im Vorhergehenden gesprochen.204 Oder hat nicht auch der Apostel in derselben Form eine Vorschrift gemacht, wenn er

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Homilia V

epistola, ut non commisceamini, si qui frater nominatur fornicator aut auarus aut idolis seruiens aut ebriosus aut rapax, cum huiusmodi nec cibum sumere“?a In quibus omnibus quid est aliud, quod praecepit, nisi ne alienis peccatis et immunditiis polluamur? 11. „Et locutus est“ inquit „Dominus ad Moysen dicens: Loquere ad filios Istrahel dicens: Omnem adipem boum et ouium et caprarum non edetis. Et adeps morticinorum, et a fera captum non erit ad omne opus, et in esca non edetur. Omnis qui edet adipem ex pecoribus, ex quibus offertis ab iis hostiam Domino, peribit anima illa de populo suo. Et omnem sanguinem non edetis in omni habitatione uestra a pecoribus et a uolatilibus. Omnis anima quaecumque manducauerit sanguinem, peribit anima illa de populo suo.“ bAdipes quidem eorum animalium, quae in sacrificiis offeruntur et aliorum nonnul­ lorum edi uel in usu haberi abnegat legislator, sanguinem uero omnis carnis comedi uetat. In superioribus locum mysticum pertractantes, ubi uitulus in holocaustum dabatur pro peccato et adipes imponebantur altari, sanguinem quidem, quo ex parte aliqua cornua liniebantur, reliquus uero ad basim effundebatur altaris,c in eorum accepimus figuram, qui „residuus“ dicitur „Istrahel“,d et postquam „plenitudo gentium subintroierit“,e | salutem in nouissimis sperat. Adipes uero animam diximus Christi, quae est ecclesia amicorum eius, pro quibus animam suam ponit.f Potest ergo fieri et in hoc loco, ut, quod mandatur, ne qui adipes edat ex his, quae Domino offeruntur, hoc sit quod et Dominus dicit: „ne qui scandalizet unum ex his minimis, qui credunt in me“.g Quod autem sanguis nullius animalis edi iubetur, illud fortasse sit, quod de Istrahelitis dicit apostolus: „Dicis ergo: Si fracti sunt rami, ut ego insererer. Bene, propter incredulitatem fracti sunt.Tu autem fide stas. Noli altum sapere, sed time“;h et iterum: „Noli gloriari aduersus ramos“,i quo scilicet casui eorum nullus insultet; ne forte, sicut idem apostolus dicit, „et tu excidaris et illi, si non permanserint in incredulitate, inserantur“.j Sanguis autem puto quod populus ille competenter intelligatur. Non enim ex fide neque ex spiritu Abraham, sed tantum ex sanguine eius descendunt. 12. Post haec: „Et locutus est Dominus ad Moysen dicens: Et filiis Istrahel loquere dicens: Qui offert sacrificium salutaris sui Domino, offeret munus a

1 Kor. 5,11 bLev. 7,12–17(22–27) cVgl. Lev. 4,3–8 dJes. 10,20 eRöm. 11,25 Vgl. Joh. 15,13 gMt. 18,6 hRöm. 11,19f. i Röm. 11,18 j Röm. 11,22f.

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205 Vgl. ebd. 3,5 (6, 309). 206 Für eine andere allegorische Erklärung der Fettstücke vgl. Philon, post. Cain. 122 (II

p. 27 Cohn/Wendland): „… die aber durch die Weisheit, welche die tugendliebenden Seelen nährt, fett geworden sind, erhalten feste und unerschütterliche Kraft, deren Sinnbild das von jedem Schlachtopfer ganz dargebrachte Fett ist.“ Übersetzung: Leisegang, Philo Werke IV, 35. 207 Ab hier bis zum Ende des Kapitels abgeschrieben bei Hrabanus Maurus, in Lev. expos. II 8 (PL 108, 317D–318A).

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sagt: „Nun aber schreibe ich euch in einem Brief, dass ihr euch nicht vermischt, wenn jemand, der sich Bruder nennt, ein Unzüchtiger, Geiziger, Götzendiener, Trunkenbold oder Räuber ist, mit so einem nicht einmal zu essen“?a Was anderes ist das, was er in all dem vorschreibt, wenn nicht, dass wir uns nicht durch fremde Sünden und Unreinheiten beschmutzen sollen? 11. „Und der Herr sprach“, heißt es, „zu Mose: Sprich zu den Söhnen Israels: Kein Fettstück von Rindern, Schafen und Ziegen sollt ihr essen. Und das Fett von Kadavern und von einem von einem wilden Tier Gerissenen soll zu keiner Tätigkeit verwendet und nicht als Speise gegessen werden. Jeder, der ein Fettstück von dem Vieh isst, von dem ihr dem Herrn ein Opfer darbringt, jene Seele soll aus ihrem Volk ausgemerzt werden. Und kein Blut sollt ihr essen in allen euren Wohnstätten vom Vieh und vom Geflügel. Jede Seele, die Blut isst, jene Seele soll aus ihrem Volk ausgemerzt werden.“ b Der Gesetzgeber verweigert, dass Fettstücke von den Tieren, die als Opfer dargebracht werden, und von einigen anderen Tieren gegessen oder zum Gebrauch verwendet werden, das Blut jeglichen Fleisches hingegen verbietet er zu verzehren. Im Vorhergehenden205 haben wir die geheimnisvolle Stelle behandelt, in der das Kalb zum Ganzopfer für die Sünde gegeben wurde und die Fettstücke auf den Altar gelegt wurden; das Blut, mit dem zu einem Teil die Hörner bestrichen wurden, das übrige hingegen an den Sockel des Altares ausgegossen wurde,c haben wir als Bild für die aufgefasst, die „das restliche Israel“ d genannt werden und, nachdem „die Fülle der Völker eingetreten ist“,e das Heil in den letzten Tagen erhoffen. Die Fettstücke hingegen haben wir die Seele Christi genannt, die die Kirche seiner Freunde ist, für die er seine Seele hingibt.f 206 Es kann207 also sein, dass auch an dieser Stelle das, was angeordnet wird, dass niemand die Fettstücke von dem isst, was dem Herrn dargebracht wird, das bedeutet, was auch der Herr sagt: „damit nicht jemand einen von diesen Kleinsten, die an mich glauben, zum Bösen verführt“.g Dass aber das Blut keines Tieres zu essen befohlen wird, bedeutet vielleicht das, was der Apostel über die Israeliten sagt: „Du sagst also: Wenn die Zweige abgebrochen wurden, damit ich eingefügt werde. Gut, sie wurden wegen des Unglaubens abgebrochen. Du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hochmütig, sondern fürchte dich!“ h Und wiederum: „Rühme dich nicht gegen die Zweige“,i dass nämlich niemand ihren Fall verspotten soll; damit nicht etwa, wie derselbe Apostel sagt, „auch du herausgeschnitten wirst und jene, wenn sie nicht in Unglauben bleiben, eingefügt werden“.j Das Blut aber, glaube ich, wird angemessen als jenes Volk208 verstanden. Denn nicht aus dem Glauben noch aus dem Geist Abrahams, sondern nur aus seinem Blut stammen sie ab. 12. Danach: „Und der Herr sprach zu Mose: Und sprich zu den Söhnen Israels: Wer dem Herrn sein Heilsopfer darbringt, soll seine Gabe dem Herrn 208 Damit ist das Volk Israel gemeint.

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Homilia V

suum Domino in sacrificio salutaris sui. Manus eius offerent hostiam Domino, adipem, qui super pectusculum est, et pinnam iecoris, offeret ea ita, ut ponantur donum contra Dominum. Et imponet sacerdos adipem, qui est super pectusculum, super altare, et erit pectusculum Aaron et filiis eius. Et bracchium dextrum dabitis separationem sacerdoti a sacrificiis salutaribus uestris. Qui offert sanguinem salutaris et adipem ex filiis Aaron, ipsi erit bracchium dextrum in parte. Pectusculum enim impositionis et bracchium demptionis accepi a filiis Istrahel a sacrificiis salutaribus uestris, et dedi ea Aaron sacerdoti et filiis eius, | legitimum aeternum a filiis Istrahel.“a Est sacrificium, quod dicitur salutare. Quod sacrificium nemo offert Domino, nisi qui sanus est et salutis suae conscius gratias Domino refert. Nemo ergo, qui aeger est animo et languidus in operibus, offerre potest sacrificium salutare. Vis uidere quia nemo aeger et languidus potest istud offerre sacrificium? Leprosus ille, quem in euangelio Dominus curasse describitur, non poterat offerre hostiam, donec leprae aegritudine tenebatur; cum autem accessit ad Iesum et mundatus est, tunc iubetur a Domino offerre munera ad altare: „quod praecepit“ inquit „Moyses in testimonium illis“.b Audisti qui sit, qui offerre debeat hostiam salutaris; audi nunc, quomodo debeat offerre. „Manus“ inquit „eius offerent hostiam Domino.“ c Numquid non euidenter clamat legislator quia non homo est, qui offert hostiam, sed manus eius, id est, opera eius? Opera namque sunt, quae commendant hostiam Deo. Si enim attracta sit manus tua ad dandum et expansa ad accipiendum, intra te est adhuc lepra tua et offerre non potes hostiam salutaris. Manus ergo eius offerent sacrificium salutaris et manus eius offerent ea, quae Domino offerenda sunt, id est „adipem, qui super pectusculum est, et pinnam iecoris“.d In hoc loco, ubi nos habemus: „Manus eius offerent hostiam Domino“, in Graecis habetur pro hostia: ὁλοκαρπώματα, quod intelligitur omnem fructum; per quod ostendit non posse Domino offerre omnem fructum eum, qui infructuosus est, qui non affert fructum iustitiae,e fructum misericordiae uel etiam fructus spiritus, quos enumerat apostolus, caritatem, gaudium, pacem, patientiam, unanimitatem f et cetera his a

Lev. 7,18–24(28–34) Vgl. Gal. 5,22

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b

Mt. 8,2–4

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Lev. 7,20(30)

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Lev. 7,20(30)

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Vgl. Jak. 3,18

209 Vgl. auch in Lev. hom. 6,3 (GCS Orig. 6, 364), wo Origenes die Schultern als Bild für

Arbeit und Mühe deutet. Ferner Philon, leg. all. III 135 (I p. 142 Cohn/Wendland): „Ferner ist aber der Arm auch das Symbol der Mühe und des Duldens.“ Übersetzung: Heinemann, Philo Werke III, 128. Zur Doppeldeutigkeit von bracchium als „Schulter“ und „Arm“ siehe unten S. 198 Anm. 215. 210 Von hier ab hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos. II 9 (PL 108, 319B–320C), das Kapitel fast komplett abgeschrieben, bis S. 200 Z. 21 Domini. 211 Vgl. Philon, virt. 183 (V p. 323 Cohn/Wendland), der den „Mund“ als „Sinnbild der Rede“, „das Herz“ als „Sinnbild der Entschlüsse“ und „die Hände“ als „Sinnbild der Handlungen“ deutet. Übersetzung: Cohn, Philo Werke II, 366.

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als sein Heilsopfer darbringen. Seine Hände sollen das Opfer dem Herrn darbringen, das Fett, das auf der Brust ist, und den Leberlappen, sie soll er so darbringen, dass sie als Gabe vor den Herrn gelegt werden. Und der Priester soll das Fett, das auf der Brust ist, auf den Altar legen, und die Brust soll Aaron und seinen Söhnen gehören. Und die rechte Schulter209 sollt ihr dem Priester als Abgabe von euren Heilsopfern geben. Wer von den Söhnen Aarons das Blut des Heilsopfers und das Fett darbringt, dem soll die rechte Schulter als Anteil gehören. Denn die Brust der Hinzufügung und die Schulter der Abtrennung habe ich von den Söhnen Israels von euren Heilsopfern angenommen und sie dem Priester Aaron und seinen Söhnen gegeben, als ewige gesetzliche Ordnung bei den Söhnen Israels.“a Das ist das Opfer,210 das Heilsopfer genannt wird. Dieses Opfer bringt niemand dem Herrn dar, außer wer heil ist und im Bewusstsein seines Heils dem Herrn Dank erweist. Niemand also, der im Geist krank und in Werken träge ist, kann ein Heilsopfer darbringen.Willst du sehen, dass niemand krank und träge dieses Opfer darbringen kann? Jener Aussätzige, von dem im Evangelium beschrieben wird, dass der Herr ihn geheilt hat, hatte kein Opfer darbringen können, solange er von der Krankheit des Aussatzes besetzt war; nachdem er aber zu Jesus hintrat und rein wurde, da wird ihm vom Herrn befohlen, Gaben zum Altar zu bringen, „was Mose“, heißt es, „ihnen zum Zeugnis vorschrieb“.b Du hast gehört, wer ein Heilsopfer darbringen soll; höre nun, wie er es darbringen soll. „Seine Hände“, heißt es, „sollen das Opfer dem Herrn darbringen.“ cVerkündet etwa der Gesetzgeber nicht klar, dass es nicht der Mensch ist, der das Opfer darbringt, sondern seine Hände, das heißt seine Werke?211 Die Werke sind es nämlich, die das Opfer Gott empfehlen. Denn wenn deine Hand zum Geben herangezogen und zum Annehmen ausgestreckt ist, ist noch immer dein Aussatz in dir und kannst du kein Heilsopfer darbringen. Seine Hände sollen also das Heilsopfer darbringen und seine Hände sollen das darbringen, was dem Herrn dargebracht werden soll, das heißt „das Fett, das auf der Brust ist, und den Leberlappen“.dAn der Stelle, wo wir haben: „Seine Hände sollen das Opfer dem Herrn darbringen“, hat man im Griechischen für das Opfer holocarpomata (Ganzfrucht),212 was als ganze Frucht zu verstehen ist; dadurch zeigt er, dass dem Herrn nicht eine ganze Frucht darbringen kann, wer unfruchtbar ist, wer nicht die Frucht der Gerechtigkeit e herbeibringt, die Frucht der Barmherzigkeit oder auch die Früchte des Geistes, die der Apostel aufzählt: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Einmütigkeit f und anderes dergleichen. Daher sagt der Pro-

212 Die Septuaginta verwendet hier das Wort καρπώματα (I p. 168 Rahlfs). Das von

Rufinus (bzw. Origenes) benutzte Wort ὁλοκαρπώματα stammt aus Lev. 16,24 (I p. 188 Rahlfs), ist in einer Handschrift aber auch zu Lev. 5,10 bezeugt. Vgl. dazu oben in Lev. hom. 5,2 (GCS Orig. 6, 336).

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Homilia V

similia. Vnde et in alio loco propheta dicit: „Et holocaustum tuum pingue fiat.“a Offert ergo „adipes, qui super pectusculum sunt, et pinnam iecoris“,b quae superponantur altari. De adipibus saepe iam diximus. Quod autem dicit: adipes, qui super pectusculum sunt, pectusculum | tuum intellige esse cor tuum, de quo tibi auferendae sunt omnes „malae cogitationes“ c – inde enim procedunt – et altaris igni tradendae sunt, ut possit cor tuum mundum effectum Deum uidere.d Sed et pinnam iecoris praecepit offerendam. Diximus et ante iecoris partem loca iracundiae uel cupiditatis exponi; offert ergo pinnam iecoris, qui ex se omne uitium irae et furoris excidit. Adipes igitur, qui sunt super pectusculum, imponuntur altari, ipsum uero pectusculum Aaron et filiis eius.e Sed et bracchium dextrum separari praecepit et esse iis muneris loco ex sacrificio salutari.f Vide quibus muneribus honoratur sacerdos. Pectusculum accipit et bracchium, sed bracchium dextrum. Putamus non esse aliquid rationis quod ex omnibus membris animalium, quae iugulantur in sacrificiis, haec potissimum membra delecta sint? Ego puto quod, si qui dicit se esse sacerdotem Dei, nisi habeat pectus ex omnibus membris electum, non est sacerdos; et nisi habeat bracchium dextrum, non potest adscendere ad altare Domini nec sacerdos nominari. Quod ergo est sacerdotis pectus aut quale? Ego tale puto esse, quod plenum sit sapientia, plenum scientia, plenum omni diuina intelligentia. Et quid dico plenum intelligentia? Immo quod plenum sit Deo; quale est et bracchium sacerdotis, quod ei offerunt filii Istrahel pro salute sua, qua saluantur. Formae sunt singula ista, quae scribuntur in lege, eorum, quae in ecclesia geri debeant. Alioquin nec fuisset necessarium legi haec in ecclesia, nisi ex his aedificatio aliqua audientibus praeberetur. Si ergo sacerdos ecclesiae per uerba et doctrinam et multam sollicitudinem suam et laborem uigiliarum conuertere potuerit peccatorem et docere eum, ut meliorem uiam sequatur, ad timorem Dei redeat, cogitet spem futuram, a malis actibus desinat et conuertatur ad bonos; si, inquam, tale opus fecerit, consequens est eum, qui ipsius labore saluatur, Deo gratias agere et offerre hostiam salutaris pro eo quod salutem consecutus sit. In qua hostia pars efficitur sacerdotis pectusculum et bracchium dextrum, ut sit indicium, quod pectus eius et cor, quod ante mala a

Ps. 19(20),4 bLev. 7,20(30) Vgl. Lev. 7,22(32)

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Mk. 7,21

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Vgl. Mt. 5,8

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Vgl. Lev. 7,21(31)

213 Vgl. ebd. 5,11 (6, 354). 214 Vgl. ebd. 3,5 (6, 309). 215 Das lateinische Wort bracchium lässt sich sowohl auf die Gliedmaßen eines Opfertie-

res als auch auf den menschlichen Arm beziehen. Die Übersetzung „Schulter“ passt zwar für das Tier, aber in der Auslegung, die Origenes gibt, nicht so richtig auf den Menschen, weshalb hier die Übersetzung mit „Arm“ zu bevorzugen ist. Origenes macht die Beziehung zwischen der Darbringung der „Schulter“ des Tieres und dem menschlichen „Arm“, der für die Werke des Menschen steht, deutlich.

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phet auch an einer anderen Stelle: „Und dein Ganzopfer soll fett sein.“a Er bringt also „die Fettstücke, die auf der Brust sind, und den Leberlappen“ dar,b die auf den Altar gelegt werden. Über die Fettstücke haben wir schon oft gesprochen.213 Was er aber mit den Fettstücken meint, die auf der Brust sind, verstehe, dass deine Brust dein Herz ist, von dem du alle „schlechten Gedanken“ c entfernen – denn daraus kommen sie hervor – und dem Feuer des Altars übergeben musst, damit dein Herz, rein gemacht, Gott sehen kann.d Doch auch den Leberlappen schreibt er vor darzubringen. Wir haben auch vorher gesagt,214 dass ein Teil der Leber als Ort des Zornes und der Begierde erklärt wird; den Leberlappen bringt also dar, wer aus sich das ganze Laster des Zornes und der Wut herausschneidet. Die Fettstücke also, die auf der Brust sind, werden auf den Altar hingelegt, die Brust selbst hingegen gehört Aaron und seinen Söhnen.e Doch auch die rechte Schulter schreibt er vor abzusondern und soll ihnen anstelle einer Gabe von den Heilsopfern dienen.f Sieh, mit welchen Gaben der Priester geehrt wird. Er erhält die Brust und die Schulter, jedoch die rechte Schulter. Glauben wir nicht, dass es irgendeinen Grund hat, dass aus allen Gliedern der Tiere, die bei den Opfern geschlachtet werden, gerade diese Glieder ausgewählt wurden? Ich glaube, dass, wenn jemand sagt, dass er ein Priester Gottes sei, er kein Priester ist, wenn er nicht die Brust aus allen Gliedern erwählt hat; und wenn er nicht den rechten Arm215 hat, kann er nicht zum Altar des Herrn hinaufsteigen und nicht Priester genannt werden. Was also ist die Brust des Priesters oder von welcher Art ist sie? Ich glaube, dass sie etwas ist, das voll von Weisheit ist, voll von Erkenntnis, voll von allem göttlichem Verständnis. Und was sage ich voll von Verständnis? Vielmehr, was voll von Gott ist.Von solcher Art ist auch der Arm des Priesters, den ihm die Söhne Israels für ihr Heil darbringen, durch das sie erlöst werden. Diese einzelnen Dinge, von denen im Gesetz geschrieben wird, sind Sinnbilder für das, was in der Kirche ausgeführt werden soll.216 Andernfalls wäre es nicht notwendig, dass das in der Kirche gelesen wird, wenn daraus den Zuhörern nicht irgendeine Erbauung geboten würde.217 Wenn also ein Priester der Kirche durch Worte und Lehre und seine viele Sorge und die Mühe durchwachter Nächte einen Sünder bekehren und ihn lehren kann, dass er einem besseren Weg folgt, zur Furcht Gottes zurückkehrt, die zukünftige Hoffnung bedenkt, von schlechten Taten ablässt und sich zu guten bekehrt; wenn, sage ich, er ein solches Werk tut, ist es folgerichtig, dass der, der durch seine Mühe erlöst wird, Gott Dank sagt und ein Heilsopfer dafür darbringt, dass er das Heil erlangte. In diesem Opfer werden die Brust und der rechte Arm der Anteil des Priesters, damit es ein Hinweis darauf sei, dass seine 216 Origenes verweist also auf ein typologisches Verständnis des Gesetzes, das Vorausbild

der christlichen religiösen Praxis ist. 217 Zur „Erbauung“ als von Origenes ständig hervorgehobenem Ziel der Auslegung

siehe oben S. 63 Anm. 10.

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Homilia V

cogitabat,a sacerdotis labore conuersum recepit | cogitationes bonas et ita mundatum est, ut etiam Deum possit uidere.b Similiter et in bracchio illud indicium est quod mala eius opera et sinistra, quae sunt utique praua et non bona, conuertit in dextra, ut essent secundum Deum; et hoc est dextrum bracchium, in quo pars esse dicitur sacerdotis. Sed et uos deprecamur, qui haec auditis, detis pectuscula, offeratis pectora uestra sacerdotibus Dei, ut auferant ex his omne quod crassum est, ut sacerdotalem eam faciant portionem. Date nobis etiam bracchia, sed dextra a uobis poscimus bracchia; sini­ strum nihil uolumus, dextra a uobis opera requirimus. Sed et hoc, quod addidit, pectusculum dici appositionis et bracchium demptionis,c non mihi sine causa dictum uidetur. Et ideo uelim requirere, quid est quod apponendum est pectusculo, ut fiat pectusculum appositionis. Posteaquam ablatum fuerit a corde tuo omne, quod crassum est, et emundatum fuerit ab omni operimento, quod igni tradendum est, restat, ut apponatur ei gratia Spiritus sancti, et tunc fiet pectusculum appositionis, sed et bracchium separationis siue demptionis. Quomodo erit et bracchium separationis? Si scias et intelligas discernere, quae sint opera lucis et quae sint opera tenebrarum,d et separes actus tuos de tenebris, ut sint opera tua in lumine, bracchium tuum efficitur bracchium separationis, uel cum separaueris te ab omni fratre inquiete ambulante,e uel certe cum secundum prophetam separant se et exeunt de medio peccatorum, qui portant uasa Domini.f Denique uernacula quadam consuetudine scripturae „commune“ esse dicitur, quod immundum est; sicut et ad Petrum uox de coelo dicit: „Quod Deus mundauit, tu commune ne dixeris.“ g Consequenter ergo si id, quod immundum est, „commune“ appellatur, quod sanctum est, nominabitur „separatum“. Sed et illud addimus. Si quis Dei solius seruus est, communis non potest | dici. Si qui autem communis est, dubium non est quod multorum sit et ideo communis dicatur. Grande est in hoc sermone mysterium, quod Istrahel secundum carnem in usu quidem habet, sed intellectum non habet. Communem dicunt et illi hominem immundum, sed cur communis dicatur, ignorant. Discant ergo ab ecclesia Dei quia, qui sanctus est, solius Dei est et cum nullo ei communis est. Qui autem peccator est et immundus, multorum est. Multi enim daemones possident eum et ideo communis appellatur. Denique ille, qui in euangeliis a Domino curatus est, cum interrogatus esset: „Quod tibi a

b

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Vgl. Mk. 7,21 Vgl. Jes. 52,11

Vgl. Mt. 5,8 Apg. 10,15

c

Vgl. Lev. 7,24(34)

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Vgl. Röm. 13,12

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Vgl. 2 Thess. 3,11

218 Damit drückt Origenes hier aus, dass das Reine und Heilige nicht das Gewöhnli-

che und allen Gemeinsame, sondern das Abgesonderte und Besondere ist. „Gemein“ (commune) ist sowohl als „gewöhnlich“ als auch als „gemeinsam“ zu verstehen. 219 Vgl. in Lev. hom. 11,1 (GCS Orig. 6, 447f.). 220 Hier ist das Wort commune im Sinn von „gemeinsam“ verwendet. Vgl. eine etwas andere Perspektive in Regn. hom. lat. 4 (GCS Orig. 8, 5) über die Gläubigen, die noch Sünder sind: „Jeder von uns ist nicht einer, sondern viele.“

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Brust und sein Herz, das vorher Schlechtes dachte,a durch die Mühe des Priesters bekehrt, gute Gedanken aufnahm und so gereinigt wurde, sodass er sogar Gott sehen kann.b Ebenso ist auch im Arm das Zeichen dafür, dass er seine schlechten und linken Werke, die gewiss unrecht sind und nicht gut, in rechte umkehrt, sodass sie gottgemäß sind; und das ist der rechte Arm, von welchem gesagt wird, dass er ein Anteil des Priesters ist. Wir wollen jedoch auch euch bitten, die ihr das hört, ihr mögt die Brust geben, eure Brust den Priestern Gottes darbringen, damit sie aus ihr alles entfernen, was fett ist, sodass sie diesen Teil priesterlich machen. Gebt uns auch die Arme, wir fordern jedoch von euch die rechten Arme; wir wollen nichts Linkes, die rechten Werke verlangen wir von euch. Doch auch das, was er hinzufügte, dass nämlich von der Brust der Hinzufügung und der Schulter der Abtrennung gesprochen wird,c scheint mir nicht ohne Grund gesagt. Und daher möchte ich prüfen, was es ist, was der Brust hinzugefügt werden muss, damit sie eine Brust der Hinzufügung wird. Nachdem von deinem Herzen alles entfernt wurde, was fett ist, und es von allem, was es bedeckte und was dem Feuer zu übergeben war, gereinigt wurde, bleibt, dass ihm die Gnade des Heiligen Geistes hinzugefügt wird, und dann wird es eine Brust der Hinzufügung werden, doch auch ein Arm der Absonderung oder der Abtrennung. Wie wird es auch ein Arm der Absonderung sein? Wenn du weißt und zu unterscheiden verstehst, was die Werke des Lichtes und was die Werke der Finsternis sind,d und deine Werke von der Finsternis absonderst, damit deine Werke im Licht sind, wird dein Arm ein Arm der Absonderung; oder wenn du dich von jedem Bruder, der unruhig umherstreift,e absonderst, oder sicherlich wenn sich gemäß dem Propheten diejenigen absondern und aus der Mitte der Sünder hinausgehen, die die Gefäße des Herrn tragen.f Schließlich wird nach der üblichen Gewohnheit der Schrift „gemein“218 genannt, was unrein ist; so wie auch zu Petrus eine Stimme vom Himmel sagt: „Was Gott rein gemacht hat, nenne du nicht gemein.“ g Es ist also folgerichtig, wenn man das, was unrein ist, „gemein“ nennt, man das, was heilig ist, „abgesondert“ nennt.219 Wir fügen jedoch noch dies hinzu: Wenn jemand ein Diener Gottes allein ist, kann er nicht gemein genannt werden.Wenn jemand aber gemein ist, ist es nicht zweifelhaft, dass er vielen gehört und daher gemein genannt wird. Groß ist das Mysterium in diesem Wort, das Israel zwar gemäß dem Fleisch in Verwendung hat, doch nicht sein Verständnis besitzt. Gemein nennen auch jene einen unreinen Menschen, doch warum er gemein genannt wird, wissen sie nicht. Sie sollen daher von der Kirche Gottes lernen, dass, wer heilig ist, Gott allein gehört und ihm mit niemandem gemein ist. Wer aber ein Sünder und unrein ist, gehört vielen. Denn viele Dämonen besitzen ihn und deswegen wird er gemein genannt.220 Schließlich sagte jener, der in den Evangelien vom Herrn geheilt wurde, als er gefragt wurde: „Was ist dein Name?“: „Legion, denn wir

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nomen est?“ dixit: „Legio, multi enim sumus.“a Haec licet in excessu quodam, necessario tamen addita uidentur, ut mysterium pectusculi impositionis et bracchii separationis b quare scriptum sit, disceremus; quae est aeterna portio sacerdotibus data, in qua dignos nos facere dignetur, ut pro cordis puritate et operum probitate in diuino sacrificio habere participium mereamur, per aeternum pontificem Dominum et Saluatorem nostrum Iesum Christum, per quem est Deo patri cum Spiritu sancto „gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ c a

Mk. 5,9; Lk. 8,30

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Vgl. Lev. 7,24(34)

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1 Petr. 4,11

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sind viele.“a  221 Wenn das auch eine gewisse Abschweifung war, scheint es dennoch notwendigerweise hinzugefügt zu sein, damit wir lernen, warum das Mysterium der Brust der Hinzufügung und des Armes der Absonderung b geschrieben steht; das ist der ewige den Priestern gegebene Anteil, in dem er uns würdig zu machen würdigt, damit wir verdienen, durch die Reinheit des Herzens und die Rechtschaffenheit der Werke am göttlichen Opfer teilzuhaben, durch den ewigen Priester, unseren Herrn und Erlöser Jesus Christus. Durch ihn gebührt Gott, dem Vater, mit dem Heiligen Geist „Herrlichkeit und Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ c

221 Vgl. in Rom. comm. IX 42,1f. (SC 555, 242): „Aber die Juden kennen die Bedeutung

dieses Wortes nicht und wissen nicht, warum ein Mensch gemein genannt wurde, den sie gemein nannten. Sie hielten einfach am Wortgebrauch fest, ohne seine Bedeutung zu verstehen. … Der Geist des Menschen, der für Gott allein ausgesondert ist, wird mit Recht als rein bezeichnet. Wenn aber ein Geist Gott fremd ist, weil er nicht nur von einem unreinen Geist, sondern von vielen in Besitz gneommen wird, dann wird ein solcher Mensch als gemein bezeichnet, weil er der Sklave vieler Laster oder Dämonen ist, wie wir bei demjenigen hören, der auf die Frage: ‚Was ist dein Name?, antwortet: Legion, wir sind nämlich viele‘ (Mk. 5,9; Lk. 8,30).“ Übersetzung: Heither, FC 2/5, 149. Vgl. auch in Matth. comm. XI 8 (GCS Orig. 10, 47).

HOMILIA VI. De indumentis pontificis et sacerdotum.

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1. Causam, qua haec, quae nobis recitantur, intelligi possint aut non intelligi, breuiter ostendit apostolus dicens ab eius oculis posse ueteris testamenti uelamen auferri, qui conuersus ad Dominum fuerit;a | ex quo sciri uoluit quod quanto minus haec nobis plana sunt, tanto minor est ad Deum nostra conuersio. Et ideo omni uirtute nitendum est, ut ab occupationibus saeculi et a mundanis actibus liberi et ipsas etiam, si fieri potest, superfluas sodalium fabulas relinquentes uerbo Dei operam demus et in lege eius meditemur die ac nocte,b ut toto corde conuersi reuelatam et apertam Moysi faciem possimus adspicere c et maxime in his, quae nunc recitata sunt uel de sacerdotalibus indumentis uel de consecratione pontificis, in quibus talia quaedam dicuntur, ut etiam illum ipsum carnalem Istrahel ab historica intelligentia penitus excludant; et ideo nobis ad haec exponenda non humani ingenii uiribus nitendum est, sed orationibus et precibus ad Deum fusis. In quo etiam uestri adiutorio indigemus, ut Deus, pater Verbi, det nobis uerbum in apertionem oris nostri,d ut possimus considerare mirabilia de lege eius. 2. Est ergo initium eorum, quae hodie recitata sunt, in his uerbis: „Haec unctio Aaron et unctio filiorum eius ab hostiis Domini, qua die applicuit eos sacrificare Domino, sicut praecepit Dominus dare illis, qua die unxit eos a filiis Istrahel, legitimum aeternum in progenies eorum. Haec lex holocaustorum et pro peccato et pro delicto, et consummationis et sacrificii salutaris, sicut mandauit Dominus Moysi in monte Sina, qua die praecepit filiis Istrahel offerre munera sua coram Domino in deserto Sina.“ e Cum proposuerit dicere legislator: „Haec unctio Aaron et unctio filiorum eius“,f non subiunxit, quae esset unctio, nec, qualiter unxisset, exposuit, sed hoc quidem in sequena

Vgl. 2 Kor. 3,14.16 Lev. 7,25(35)

f

b

Vgl. Ps. 1,2

c

Vgl. 2 Kor. 3,7

d

Vgl. Eph. 6,19

e

Lev. 7,25–28(35–38)

222 Zu dieser Bitte an die Gemeinde um ein unterstützendes Gebet siehe oben S. 164

Anm. 155. 223 Dieser Ausdruck findet sich öfter bei Origenes, außer unten in Lev. hom. 12,4 (GCS

Orig. 6, 460) z.  B. in Cels. VI 60 (GCS Orig. 2, 130); VII 41 (2, 192); in Gen. hom. 12,1 (GCS Orig. 6, 169); 13,1 (6, 180): Patrem uerbi uiuentis. Er geht auf Platon, symp. 177d, zurück: πατὴρ τοῦ λόγου. Bei Origenes ist damit Gott als Vater Christi, des Wortes, gemeint.

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HOMILIE 6 Über die Kleider des Hohepriesters und der Priester.

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1. Den Grund, aus dem das, was uns vorgetragen wird, verstanden oder nicht verstanden werden kann, zeigt kurz der Apostel, wenn er sagt, dass von dessen Augen der Schleier des Alten Testaments entfernt werden kann, der sich zum Herrn bekehrt hat;a dadurch wollte er, dass man weiß, dass uns dies um so viel weniger deutlich ist, um wie viel geringer unsere Bekehrung zu Gott ist. Und daher muss man sich mit aller Kraft anstrengen, dass wir von den Beschäftigungen der Welt und von den profanen Handlungen frei sind und sogar, wenn es möglich ist, die überflüssigen Geschichten der Gefährten verlassen und uns dem Wort Gottes widmen und über sein Gesetz nachsinnen Tag und Nacht,b damit wir von ganzem Herzen bekehrt das offenbarte und sichtbare Antlitz des Mose anblicken können,c und das besonders in dem, was nun über die priesterlichen Kleider beziehungsweise über die Weihe des Hohepriesters vorgetragen wurde, worin solche Dinge gesagt werden, dass es sogar jenes fleischliche Israel selbst vom historischen Verständnis völlig ausschließt; und daher müssen wir uns anstrengen, dies nicht mit den Kräften der menschlichen Begabung auszulegen, sondern durch an Gott gerichtete Gebete und Bitten. Dafür brauchen wir auch eure Hilfe,222 damit Gott, der Vater des Wortes,223 uns das Wort zur Öffnung unseres Mundes gebe,d damit wir die Wunder aus seinem Gesetz erwägen können. 2. Es besteht also der Beginn dessen, was heute vorgetragen wurde, in diesen Worten: „Das ist die Salbung Aarons und die Salbung seiner Söhne von den Opfern des Herrn an dem Tag, an dem er diese heranbrachte, um dem Herrn zu opfern, so wie der Herr es ihnen zu geben vorschrieb an dem Tag, an dem er sie von den Söhnen Israels salbte, als ewiges Gesetz für ihre Nachkommen. Das ist das Gesetz für die Ganzopfer und für die Sündopfer und für die Opfer für die Verfehlung und für das Vollendungsopfer und das Heilsopfer, so wie der Herr dem Mose auf dem Berg Sinai anordnete an dem Tag, an dem er den Söhnen Israels vorschrieb, ihre Gaben vor dem Herrn in der Wüste Sinai darzubringen.“ e Als der Gesetzgeber ansagte: „Das ist die Salbung Aarons und die Salbung seiner Söhne“,f fügte er nicht hinzu, was diese Salbung sein sollte, noch legte er dar, in welcher Weise gesalbt werden sollte, sondern er tut dies im Folgenden, jetzt hingegen, nachdem er sagte: „Das ist die Salbung Aarons und seiner Söhne“, fügte er nichts über die Salbung hinzu – sicherlich um zu zeigen, dass eben das, was er vorher gesagt

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Homilia VI

tibus facit, nunc uero posteaquam dixit: „Haec unctio Aaron et filiorum eius“, nihil de unctione subiunxit. Profecto ut ostenderet quia haec, quae supra dixerat, id est „pectusculum impositionis et bracchium separationis“,a ipsa essent unctio Aaron et filiorum eius, ne putaremus illa pro carnibus dicta, sed ut doceret etiam ipsa sub sacramento unctionis inserta. Denique in sequentibus repetit ea, quae superius exposuerat, et dicit: „Haec lex holocaustorum et sacrificii et pro peccato.“ b Haec, id est | quae supra exposita est, et uidetur esse ἀνακεφαλαίωσις, id est recapitulatio, sacramentorum, quae in superioribus latius fuerant enarrata. Post haec uero subiungit: „Et locutus est“ inquit „Dominus ad Moysen dicens: sume Aaron et filios eius et stolas et oleum unctionis et uitulum qui est pro peccato, et duos arietes et canistrum azymorum; et omnem synagogam conuoca ad ianuam tabernaculi testimonii. Et fecit Moyses, sicut praecepit ei Dominus, et conuocauit synagogam ad ianuam tabernaculi testimonii. Et dixit Moyses ad synagogam: Ηoc est uerbum, quod mandauit Dominus facere. Et applicuit Moyses Aaron fratrem suum et filios eius, et lauit eos aqua et uestiuit eum tunicam et praecinxit eum zonam; et uestiuit eum tunicam interiorem et imposuit ei humeralem, et cinxit eum secundum facturam humeralis et constrinxit eum in ipso; et imposuit super eum logium, et imposuit super logium manifestationem et ueritatem; et imposuit mitram super caput eius, et posuit super mitram ante faciem eius laminam auream sanctificatam sanctam, sicut praeceperat Dominus Moysi.“ c Intentis auribus et uigilanti corde consecrationem pontificis uel sacerdotis audite, quia et uos secundum promissa Dei sacerdotes Domini estis: „Gens enim sancta et sacerdotium estis.“ dAccepit, inquit, Moyses secundum praeceptum Domini Aaron et filios eius et primo quidem lauat, postea uero induit eos. Considerate diligentius ordinem dictorum: Primo lauat; postea induit. Non enim potes indui, nisi ante lotus fueris. „Lauamini“ ergo „et mundi estote, et auferte nequitias ­uestras ab animis uestris.“ e Nisi enim hoc modo lotus fueris, non poteris induere Dominum Iesum Christum, secundum quod dicit apostolus: „Induite Dominum Iesum Christum, et carnis curam ne feceritis in concupiscentiis.“ f Lauet te igitur Moyses, ipse te lauet et ipse te induat. Quomodo te lauare potest Moyses, frequenter audisti. Saepe enim diximus quod Moyses in scripturis sanctis pro lege | ponatur, sicut in euangelio dictum est: „Habent Moysen et prophetas; audiant illos.“ g Lex ergo Dei est, quae te lauat, ipsa sordes tuas diluit, ipsa, si audias eam, peccatorum tuorum maculas abstergit; a

Lev. 7,24(34) Lk. 16,29

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Lev. 7,27(37)

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Lev. 8,1–9

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1 Petr. 2,9

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Jes. 1,16

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224 Von hier bis Kapitel 5 hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos. II 10 (PL 108, 325A–

327A), größere Teile des Textes abgeschrieben: S. 206 Z. 32 – S. 208 Z. 2 sacerdotem; S. 208 Z. 30 si – S. 210 Z. 20 sacerdotium; S. 212 Z. 1 – S. 214 Z. 26 habet; S. 216 Z. 23 – S. 218 Z. 7 capiti.

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hatte, das heißt „die Brust der Hinzufügung und die Schulter der Abtrennung“,a die Salbung Aarons und seiner Söhne ist, damit wir nicht glauben, dies sei in Bezug auf das Fleisch gesagt, sondern um zu lehren, dass auch dies im Geheimnis der Salbung inbegriffen ist. Schließlich wiederholt er im Folgenden, was er vorher dargelegt hatte, und sagt: „Das ist das Gesetz für die Ganzopfer, für das Opfer und für das Sündopfer.“ b Dies, das heißt, was vorher ausgelegt wurde, scheint auch eine anakephalaiosis, das heißt eine Zusammenfassung der Geheimnisse zu sein, die im Vorhergehenden breiter dargelegt worden waren. Danach hingegen fügt er an: „Und der Herr sprach“, heißt es, „zu Mose: Nimm Aaron und seine Söhne und die Obergewänder, das Salböl, das Kalb, das für die Sünde ist, zwei Widder und den Korb mit ungesäuerten Broten; und rufe die ganze Versammlung zusammen zum Eingang des Bundeszeltes. Und Mose tat, wie ihm der Herr vorschrieb, und rief die Versammlung zum Eingang des Bundeszeltes zusammen. Und Mose sagte zur Versammlung: Das ist das Wort, das der Herr zu tun angeordnet hat. Und Mose brachte seinen Bruder Aaron und dessen Söhne heran und wusch sie mit Wasser und bekleidete ihn mit dem Gewand und umgürtete ihn mit einem Riemen; und er bekleidete ihn mit dem inneren Gewand, legte ihm das Schulterteil auf, umgürtete ihn entsprechend der Formung des Schulterteils und band ihn an diesem fest; und er legte ihm das Logium auf, und legte auf das Logium die Offenbarung und die Wahrheit; und er setzte den Turban auf sein Haupt und legte auf den Turban vor sein Gesicht die geheiligte und heilige goldene Platte, so wie der Herr Mose vorgeschrieben hatte.“ c Mit angespannten Ohren und wachendem Herzen hört die Weihe des Hohepriesters beziehungsweise des Priesters, weil auch ihr gemäß den Verheißungen Gottes Priester des Herrn seid: „Denn ein heiliges Volk und eine Priesterschaft seid ihr.“ d Mose nahm, heißt es, gemäß der Vorschrift des Herrn Aaron und seine Söhne und wäscht sie zuerst, danach hingegen bekleidet er sie. Bedenkt sorgfältiger die Ordnung des Gesagten: Zuerst wäscht er, danach bekleidet er. Denn du kannst nicht bekleidet werden, wenn du nicht vorher gewaschen wurdest. „Wascht euch“ also „und werdet rein, und entfernt eure Nichtsnutzigkeiten von euren Seelen.“ e Denn wenn du nicht auf diese Weise gewaschen wurdest, wirst du den Herrn Jesus Christus nicht anziehen können gemäß dem, was der Apostel sagt: „Zieht den Herrn Jesus Christus an, und sorgt nicht für das Fleisch in Begierden.“ f Mose224 wäscht dich daher, er selbst wäscht dich und er selbst bekleidet dich.Wie Mose dich waschen kann, hast du oft gehört. Denn oft haben wir gesagt,225 dass Mose in den heiligen Schriften für das Gesetz steht, so wie im Evangelium gesagt wird: „Sie haben Mose und die Propheten; auf sie sollen sie hören.“ g Das Gesetz Gottes ist es also, das dich wäscht, es selbst beseitigt deinen Schmutz, es selbst wischt, wenn du es hörst, 225 Vgl. in Ex. hom. 2,4 (GCS Orig. 6, 160); in Ios. hom. 1,3 (GCS Orig. 7, 290).

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Homilia VI

ipse est Moyses, hoc est lex, quae sacerdotes consecrat, nec potest sacerdos esse, quem non lex constituerit sacerdotem. Multi enim sunt sacerdotes, sed quos non lauit lex neque puros reddidit uerbum Dei neque abluit a peccatorum sordibus sermo diuinus. Sed et uos, qui sacrum baptisma desideratis accipere et gratiam spiritus promereri, prius debetis ex lege purgari, prius debetis audito uerbo Dei uitia genuina resecare et mores barbaros ferosque componere, ut mansuetudine et humilitate suscepta possitis etiam gratiam sancti Spiritus capere. Sic enim dicit Dominus per prophetam: „Super quem requiescam, nisi super humilem et quietum et trementem sermones meos?“a Si humilis non fueris et quietus, non potest habitare in te gratia Spiritus sancti, si non cum tremore susceperis uerba diuina. Superbam namque et contumacem animam et fictam refugit Spiritus sanctus. Debes ergo prius meditari legem Dei, ut, si forte actus tui intemperati sunt et mores inconditi, lex Dei te emendet et corrigat.Vis uidere quia Moyses semper cum Iesu est, hoc est lex cum euangeliis? Doceat te euangelium quia, cum transformatus esset in gloriam Iesus, etiam Moyses et Elias simul cum ipso apparuerunt in gloria,b ut scias quia lex et prophetae et euangelia in unum semper ueniunt et in una gloria permanent. Denique et Petrus, cum uellet iis tria facere tabernacula,c imperitiae notatur, tamquam qui nesciret quid diceret. Legi enim et prophetis et euangelio non tria, sed unum est tabernaculum, quae est ecclesia Dei. Lauat ergo primo Moyses sacerdotem Domini et, cum eum lauerit et purgatum reddiderit a sordibus uitiorum, post haec induit eum. Sed consideremus, quae sunt ista indumenta, quibus induit Moyses fratrem | suum Aaron pontificem primum; si forte possibile sit etiam tibi indui iisdem indumentis et esse pontificem. Est quidem unus pontifex magnus Dominus noster Iesus Christus; sed ille non sacerdotum est pontifex, sed pontificum pontifex, nec sacerdotum princeps, sed princeps principum sacerdotum, sicut et rex non dicitur plebis, sed „regum rex“, et Dominus non seruorum, sed „Dominus Dominorum“.d Potest ergo fieri, si et tu lotus fueris per Moysen et fueris ita mundus, quasi quem Moyses lauerit tantus ille ac talis, possis etiam per­ue­ a

Jes. 66,2

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Vgl. Mk. 9,1.3; Mt. 17,2f.

c

Vgl. Mk. 9,4; Mt. 17,4

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1 Tim. 6,15

226 An dieser Stelle wird deutlich, dass unter den Zuhörern des Origenes auch Kate-

chumenen sind. Die ernsthafte Anstrengung im Bereich des ethischen Verhaltens ist Voraussetzung für den Empfang des Heiligen Geistes in der Taufe. In Lev. hom. 8,11 (GCS Orig. 6, 417) werden die Reinigung und der Empfang des Geistes als Früchte der Bekehrung von der Sünde in Aussicht gestellt. In Cels. III 51 (GCS Orig. 1, 247) bezeichnet Origenes die Taufe als „Zeichen der Reinigung“ und verlangt einen entsprechenden Lebenswandel von den Katechumenen, der vorher geprüft wird. 227 Vgl. in Rom. comm. I 12,4 (SC 532, 208): „Mose und Elija wurden offenbar in Herrlichkeit, als sie mit Jesus auf dem Berg redeten (vgl. Mt. 17,3). Auf diese Weise wird klar, daß Gesetz und Propheten mit dem Evangelium übereinstimmen und in dersel-

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die Makel deiner Sünden ab; Mose selbst, das heißt das Gesetz, ist es, das die Priester weiht, und es kann keinen Priester geben, den nicht das Gesetz zum Priester eingesetzt hat. Denn es gibt viele Priester, die jedoch das Gesetz nicht wäscht noch das Wort Gottes rein macht noch das göttliche Wort vom Schmutz der Sünden reinigt. Doch auch ihr, die ihr die heilige Taufe zu empfangen und die Gnade des Geistes zu verdienen wünscht, müsst vorher durch das Gesetz gereinigt werden, müsst vorher, nachdem ihr das Wort Gottes gehört habt, die angeborenen Laster wegschneiden und die barbarischen und wilden Sitten in Ordnung bringen, sodass ihr, nachdem ihr Sanftmut und Demut angenommen habt, auch die Gnade des Heiligen Geistes fassen könnt.226 Denn so sagt der Herr durch den Propheten: „Auf wem soll ich ruhen, wenn nicht auf dem Demütigen und Ruhigen und dem, der vor meinen Worten zittert?“a Wenn du nicht demütig und ruhig bist, kann die Gnade des Heiligen Geistes nicht in dir wohnen, wenn du nicht mit Zittern die göttlichen Worte annimmst. Eine stolze, störrische und heuchlerische Seele nämlich flieht der Heilige Geist. Du musst also vorher über das Gesetz Gottes nachsinnen, damit, wenn vielleicht deine Handlungen unmäßig und deine Sitten ungeordnet sind, das Gesetz Gottes dich verbessert und berichtigt. Willst du sehen, dass Mose immer mit Jesus ist, das heißt das Gesetz mit den Evangelien? Das Evangelium soll dich lehren, dass, als Jesus in Herrlichkeit verwandelt wurde, auch Mose und Elija zugleich mit ihm in Herrlichkeit erschienen,b damit du weißt, dass das Gesetz und die Propheten und die Evangelien immer übereinkommen und in einer Herrlichkeit verbleiben.227 Schließlich wird auch Petrus, als er ihnen drei Zelte machen wollte,c der Unwissenheit gerügt, als ob er nicht wüsste, was er sagte. Denn für das Gesetz und die Propheten und das Evangelium gibt es nicht drei, sondern ein Zelt, das die Kirche Gottes ist. Also wäscht Mose zuerst den Priester des Herrn und danach, nachdem er ihn gewaschen und vom Schmutz der Laster gereinigt hat, bekleidet er ihn. Wir wollen jedoch bedenken, was diese Kleider sind, mit denen Mose seinen Bruder Aaron, den ersten Hohepriester, bekleidet; ob es vielleicht auch für dich möglich ist, mit denselben Kleidern bekleidet zu werden und Hohepriester zu sein. Es gibt freilich einen großen Hohepriester, unseren Herrn Jesus Christus, doch ist er nicht Hohepriester der Priester, sondern Hohepriester der Hohepriester, nicht der Anführer der Priester, sondern der Anführer der Anführer der Priester, so wie er auch nicht König des Volkes, sondern „König der Könige“ genannt wird, und nicht Herr der Sklaven, sondern „Herr der Herren“.d Es kann also geschehen, wenn auch du durch Mose gewaschen und so rein geworden bist, gleichsam als einer, den jener so große und bedeutende Mose gewaschen hat, kannst du auch zu diesen Kleiben Herrlichkeit aufleuchten, wenn man sie geistig sieht und versteht.“ Übersetzung: Heither, FC 2/1, 119.

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Homilia VI

nire ad haec indumenta, quae profert Moyses, et stolas istas, quibus induit Aaron fratrem suum et filios eius. Sed non solum indumentis opus est ad sacerdotales infulas, uerum et cingulis. Sed priusquam de specie ipsa indumentorum dicere incipiamus, uelim conferre illa infelicia indumenta, quibus primus homo, cum peccasset, indutus est, cum his sanctis et fidelibus indumentis. Et quidem illa dicitur Deus fecisse: „Fecit enim“ inquit „Deus tunicas pellicias, et induit Adam et mulierem eius.“a Illae ergo tunicae de pellibus erant ex animalibus sumptae. Talibus enim oportebat indui peccatorem, pelliciis, inquit, tunicis, quae essent mortalitatis, quam pro peccato acceperat, et fragilitatis eius, quae ex carnis corruptione ueniebat, indicium. Si uero iam lotus ab his fueris et purificatus per legem Dei, induet te Moyses indumento incorruptionis, ita ut nusquam appareat „turpitudo tua“ b et „ut absorbeatur mortale hoc a uita“.c 3. Videamus ergo, quali ordine pontifex constituitur. „Conuocauit“ inquit „Moyses synagogam, et dicit ad eos: Hoc est uerbum, quod praecepit Dominus.“ d Licet ergo Dominus de constituendo pontifice praecepisset et Dominus elegisset, tamen conuocatur et synagoga. Requi|ritur enim in ordinando sacerdote et praesentia populi, ut sciant omnes et certi sint quia qui praestantior est ex omni populo, qui doctior, qui sanctior, qui in omni uirtute eminentior, ille eligitur ad sacerdotium et hoc adstante populo, ne qua postmodum retractatio cuiquam, ne quis scrupulus resideret. Hoc est autem quod et apo­stolus praecepit in ordinatione sacerdotis dicens: „Oportet autem et testimonium habere bonum ab his, qui foris sunt.“ e Ego tamen et amplius aliquid uideo in eo, quod dicit: quia „conuocauit Moyses“ omnem „synagogam“ f et puto quod conuocare synagogam hoc sit colligere omnes animi et in unum congregare uirtutes, ut, cum sermo de sacerdotalibus sacramentis habetur, uigilent omnes animi uirtutes et intentae sint, nihil in his sapientiae, nihil scientiae, nihil desit industriae, sed adsit omnis multitudo sensuum, adsit omnis congregatio sanctarum cogitationum, ut quid sit pontifex, quid unctio, quid indumenta eius, conferens intra sacrarium cordis sui possit aduertere. a

Gen. 3,21

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Ex. 20,26

c

2 Kor. 5,4

d

Lev. 8,4f.

e

1 Tim. 3,7

f

Lev. 8,4f.

228 Origenes verweist auf die Fellbekleidung, die Gott für den Mann und die Frau in

Gen. 3,21 macht, als Gewänder des Unglücks, die Sterblichkeit und Schwäche bezeichnen. Diesen stehen die priesterlichen Gewänder gegenüber, die auf Heiligkeit und Glauben verweisen. Vgl. zur Terminologie des Bekleidens im Hinblick auf Sterblichkeit bzw. Unsterblichkeit 1 Kor. 15,53f.; Eph. 4,24; Kol. 3,10. 229 Damit stellt sich Origenes implizit gegen die Ansicht, dass die Fellgewänder die Körper sind bzw. die Sterblichkeit bezeichnen: vgl. in Gen. frg. D 22 Metzler (OWD 1/1, 190–192) mit den diversen Nebenüberlieferungen (OWD 1/1, 192–196); Cels. IV 40 (GCS Orig. 1, 313f.). So auch schon Clemens von Alexandria, strom. III 95,2 (GCS Clem. Al. 24, 239f.). 230 Von hier bis zum Ende des Absatzes hat Aeneas von Paris, adv. Graec. 160 (PL 121, 736C–737A), den Text abgeschrieben.

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dern gelangen, die Mose herbeibringt, und zu diesen Obergewändern, mit denen er seinen Bruder Aaron und dessen Söhne bekleidet. Man benötigt jedoch nicht nur Kleider für die priesterliche Bekleidung, sondern auch Gürtel. Bevor wir jedoch beginnen, über die Art der Kleider zu sprechen, möchte ich jene unseligen Kleider, mit denen der erste Mensch, nachdem er gesündigt hatte, bekleidet wurde, mit diesen heiligen und gläubigen Kleidern vergleichen.228 Es wird nämlich gesagt, dass Gott sie machte: „Denn Gott machte“, heißt es, „Gewänder aus Fell, und bekleidete Adam und seine Frau.“a Jene Gewänder aus Fell waren also von Tieren genommen. Denn mit solchen musste der Sünder bekleidet werden, mit Gewändern, heißt es, aus Fell, die ein Hinweis auf seine Sterblichkeit waren, die er für die Sünde angenommen hatte, und auf seine Schwachheit, die aus der Verderbnis des Fleisches kam.229 Wenn du hingegen bereits von diesen gewaschen und durch das Gesetz Gottes gereinigt bist, wird dich Mose mit dem Kleid der Unverderblichkeit bekleiden, sodass nirgends „deine Schändlichkeit“ sichtbar wird b und „dieses Sterbliche vom Leben verschlungen wird“.c 3. Wir wollen also sehen, in welcher Ordnung der Hohepriester eingesetzt wird. „Mose rief“, heißt es, „die Versammlung zusammen und sagt zu ihnen: Das ist das Wort, das der Herr vorgeschrieben hat.“ d Obgleich also der Herr Vorschriften über die Einsetzung des Hohepriesters gegeben und der Herr ihn ausgewählt hatte, wird dennoch auch die Versammlung zusammengerufen. Denn230 es ist bei der Einsetzung des Priesters auch die Gegenwart des Volkes gefordert, damit alle wissen und sicher sind, dass der, der vortrefflicher ist aus dem ganzen Volk, der gelehrter, der heiliger, der ausgezeichneter in jeder Tugend ist, zum Priestertum erwählt wird und das in Anwesenheit des Volkes, damit nicht danach für irgendjemanden eine Ablehnung, damit nicht irgendein Zweifel zurückbleibe. Das ist aber das, was auch der Apostel vorschrieb, wenn er über die Einsetzung des Priesters sagt: „Er muss aber auch ein gutes Zeugnis von denen haben, die draußen sind.“ e Ich sehe jedoch noch etwas Weiteres in dem, was er sagt: „Mose rief die“ ganze „Versammlung zusammen“,f und ich glaube, dass die Versammlung zusammenzurufen bedeutet, alle Tugenden231 des Geistes zu sammeln und in eins zusammenzubringen, damit, wenn ein Vortrag über die priesterlichen Geheimnisse gehalten wird, alle Tugenden des Geistes wachen und aufmerksam sind, in ihnen nichts an Weisheit, nichts an Erkenntnis, nichts an Eifer fehlt, sondern die ganze Menge der Sinne anwesend ist, die ganze Vereinigung der heiligen Gedanken anwesend ist, damit er, wenn er sie im Heiligtum seines Herzens zusammenbringt, wahrnehmen kann, was der Hohepriester ist, was die Salbung, was seine Kleider.

231 Auch oben in Lev. hom. 2,4 (GCS Orig. 6, 295) hat Origenes die „Versammlung“

(synagoga) mit „allen Tugenden“ assoziiert.

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Homilia VI

Lauit ergo eum et induit. Quali indumento? „Tunica“ inquit „et praecinxit eum zona et iterum uestiuit eum tunicam talarem“ uel, ut alibi legimus, „interiorem.“a Duabus, ut uideo, tunicis per Moysen induitur pontifex. Sed quid facimus, quod Iesus sacerdotes suos, apostolos nostros, prohibuit uti duabus tunicis? Et dixeramus quod Moyses et Iesus, id est lex et euangelia, sibi inuicem consonarent. Posset fortasse dicere aliquis quia, quod praecepit Iesus duas tunicas non habendas,b non est contrarium legi, sed perfectius lege, sicut et cum lex homicidium uetat, Iesus autem etiam iracundiam resecat,c et cum lex prohibet adulterium, Iesus etiam concupiscentiam cordis abscidit.d Sic ergo uidebitur et duabus ibi tunicis pontificem, hic una apostolos induisse. Sit quidem etiam iste sensus probabilis, si uidetur; ego tamen | non intra huius intelligentiae angustiam pontificalia sacramenta concludo. Amplius mihi aliquid ex ista forma uidetur ostendi; pontifex est, qui scientiam legis tenet et uniuscuiusque mysterii intelligit rationes et, ut breuiter explicem, qui legem et secundum spiritum et secundum litteram nouit. Sciebat ergo pontifex ille, quem tunc ordinabat Moyses, quia esset circumcisio spiritalis, seruabat tamen et circumcisionem carnis, quia incircumcisus pontifex esse non poterat. Habebat ergo iste duas tunicas: unam ministerii carnalis et aliam intelligentiae spiritalis. Sciebat quia et sacrificia spiritalia offerri debent Deo, offerebat tamen nihilominus et carnalia. Non enim poterat esse pontifex eorum, qui tunc erant, nisi hostias immolaret. Ita ergo conuenienter ille pontifex duabus indutus tunicis dicitur. Apostoli uero, qui dicturi erant quia: „Si circumcidamini, Christus uobis nihil proderit“,e et qui dicturi erant quia: „Nemo uos iudicet in cibo aut in potu, aut in parte diei festi aut neomenia aut sabbato; quae sunt umbra futurorum“,f isti ergo ut huiusmodi secundum litteram legis obseruantias penitus repudiarent nec occuparent discipulos „Iudaicis fabulis“ g et „imponerent his iugum, quod neque ipsi neque patres eorum portare potuerunt“,h merito duas tunicas habere prohibentur, sed sufficit iis una et haec interior. Nam istam, quae foris est et quae desuper apparet, legis tunicam nolunt; unam namque iis Iesus et ipsam interiorem habere permittit. Imponit tamen Moyses pontifici et humeralem,i qui est humerorum quidam ex circumductione uestis ornatus. Humeri autem operum tenent ac laboris india

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g

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Lev. 8,7 Tit. 1,14

Vgl. Lk. 3,11 cVgl. Mt. 5,21f. Apg. 15,10 iVgl. Lev. 8,7

d

Vgl. Mt. 5,27f.

e

Gal. 5,2

f

Kol. 2,16f.

232 Dieses alibi bezieht sich auf die Lesart einer der anderen Übersetzungen in der Hexa­

pla. 233 Vgl. Philon, mut. nom. 43f. (III p. 164 Cohn/Wendland): Mose „teilte den Hohe-

priestern zwei Gewänder zu, das linnene für innen, das bunte mit der Schleppe für außen (Ex. 28,4; Lev. 6,10). Alles derartige ist Sinnbild für die Seele, die nach innen Gott gegenüber rein ist, nach außen der sinnlichen Welt und dem sinnlichen Leben gegenüber makellos.“ Übersetzung: Theiler, Philo Werke VI, 117f. 234 Siehe dazu oben S. 110 Anm. 87.

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Er wäscht ihn also und bekleidet ihn. Mit welchem Kleid? „Mit dem Gewand“, heißt es, „und er umgürtete ihn mit einem Riemen und er bekleidete ihn wiederum mit dem knöchellangen Gewand“ oder, wie wir anderswo232 lesen, „dem inneren Gewand.“a Mit zwei Gewändern, wie ich sehe, wird der Hohepriester durch Mose bekleidet. Was machen wir jedoch damit, dass Jesus seinen Priestern, unseren Aposteln, verbot, zwei Gewänder zu verwenden? Und wir hatten gesagt, dass Mose und Jesus, das heißt das Gesetz und die Evangelien, miteinander übereinstimmen. Es könnte vielleicht jemand sagen, dass die Tatsache, dass Jesus vorschrieb, nicht zwei Gewänder zu haben,b nicht gegen das Gesetz ist, sondern vollkommener als das Gesetz, so wie auch, wenn das Gesetz den Mord verbietet, Jesus aber sogar den Zorn beseitigt,c und wenn das Gesetz den Ehebruch verbietet, Jesus sogar die Begierde des Herzens ablehnt.d So also wird es auch scheinen, dass er dort den Hohepriester mit zwei Gewändern, hier die Apostel mit einem bekleidet hat. Auch diese Bedeutung mag akzeptabel sein, wenn man will; ich jedoch schließe die priesterlichen Geheimnisse nicht in dieses enge Verständnis ein. Mir scheint, dass aus diesem Sinnbild etwas Weiteres gezeigt werden kann: Der Hohepriester ist der, der die Erkenntnis des Gesetzes besitzt und die Gründe jedes einzelnen Mysteriums versteht und, wie ich kurz erklären will, der das Gesetz sowohl gemäß dem Geist als auch gemäß dem Buchstaben kennt. Also wusste jener Hohepriester, den Mose damals einsetzte, dass die Beschneidung geistig ist, er bewahrte jedoch auch die Beschneidung des Fleisches, weil der Hohepriester nicht hätte unbeschnitten sein können. Er hatte also zwei Gewänder: das eine des fleischlichen Dienstes und das andere des geistigen Verständnisses.233 Er wusste, dass Gott auch geistige Opfer dargebracht werden müssen, brachte jedoch nichtsdestoweniger auch fleischliche dar. Denn er hätte nicht Hohepriester von denen sein können, die damals lebten, wenn er nicht Opfer dargebracht hätte. So also wird passend gesagt, dass jener Hohepriester mit zwei Gewändern bekleidet war. Den Aposteln hingegen, die sagen werden: „Wenn ihr euch beschneiden lasst, wird Christus euch nichts nützen“,e und die sagen werden: „Niemand soll euch verurteilen wegen Speise und wegen Trank, oder in Bezug auf Festtage, Neumond oder Sabbat, die die Schatten des Zukünftigen sind,“ f diesen also, um die Beachtung des Gesetzes auf diese Weise gemäß dem Buchstaben völlig zurückzuweisen und nicht die Schüler mit „jüdischen Fabeln“ g   234 zu beschäftigen und „ihnen ein Joch aufzulegen, das weder sie noch ihre Väter tragen konnten“,h wird mit Recht verboten, zwei Gewänder zu haben, sondern ihnen genügt eines, und zwar das innere. Denn sie wollen nicht das Gewand, das außerhalb ist und das oben erscheint, das Gewand des Gesetzes; das eine nämlich, und zwar das innere, erlaubt ihnen Jesus zu besitzen. Mose legt jedoch dem Hohe­ priester auch das Schulterteil auf,i das eine Art geschmücktes Gewand ist, das die Schultern umgibt. Die Schultern aber verweisen auf die Werke und die

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Homilia VI

cia. Vult ergo pontificem esse etiam in operibus ornatum nec sufficit sola scientia, quia „qui fecerit et docuerit, hic magnus uocabitur in regno coelorum.“a 4. „Et cinxit“ inquit „eum secundum facturam humeralis.“ b Iam | et superius dixerat quia „cinxit eum zonam“ c super tunicam, et modo iterum cingitur „secundum facturam humeralis“. Quod est istud duplex cingulum, quo constrictum uult esse ex omni parte pontificem? Constrictus sit in uerbo, constrictus in opere, expeditus ad omnia, nihil remissum, nihil habeat dissolutum. Accinctus sit animi uirtutibus, constrictus sit a corporalibus uitiis, nullum animae lapsum, nullum corporis timeat, utroque cingulo semper utatur, ut sit castus corpore et spiritu.d Bene autem quod et „secundum facturam humeralis“ e cingitur. Secundum facta enim sua et secundum opera sua cingulo uirtutis utetur. Et post haec inquit „imposuit super eum logium“ – quod est rationale – „et imposuit super logium manifestationem et ueritatem; et imposuit mitram super caput eius.“ f Sed uideamus, quid logium, quod est rationale, significet. Posteaquam nuditas tecta est et indumentis turpitudo uelata, posteaquam munitus operibus et cingulo utroque firmatus est, logium ei, id est rationale, tunc traditur. Logium sapientiae indicium est, quia sapientia in ratione consi­ stit. Sed quae sit sapientiae huius et rationis uirtus, ostendit. „Imponit“ enim „super rationale manifestationem et ueritatem“.g Non enim sufficit pontifici habere sapientiam et scire omnium rationem, nisi possit etiam populo manifestare quae nouit. Ideo ergo imponitur rationali et manifestatio, ut possit respondere omni poscenti se rationem de fide et ueritate.h Ponitur autem super illud et ueritas, ut non illa adstruat, quae proprio excogitare quiuit ingenio, sed quae ueritas habet, nec umquam a ueritate discedat, ut in omni sermone eius semper ueritas maneat. Hoc est ergo superposuisse rationali manifestationem et ueritatem. Infelices illos, qui haec legentes omnem intelligentiam suam erga sensum uestimenti corporalis effundunt; dicant nobis, a

Mt. 5,19 bLev. 8,7 Vgl. 1 Petr. 3,15

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Lev. 8,7

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Vgl. 1 Kor. 7,34

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Lev. 8,7

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Lev. 8,8f.

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Lev. 8,8

235 Vgl. Philon, det. pot. insid. 9 (I p. 260 Cohn/Wendland): „Es (sc. Sichem) wird aber

als Schulter erklärt, als Sinnbild geduldiger Anstrengung.“ Übersetzung: Leisegang, Philo Werke III, 27. Vgl. auch leg. all. III 25 (I p. 118 Cohn/Wendland), ferner oben S. 196 Anm. 209. 236 Vgl. Philon, quaest. in Ex. I 19 zu Ex. 12,11 (OPA 34C, 94): „… weil der Gürtel die Beschränkung anzeigt und das Zusammenlegen der Begierden und der anderen Gemütszustände.“ 237 Nach dem hebräischen Text heißt es hier: „Er übergab ihm das Brustschild, in das er die Urim und Tummim steckte.“ Für „Brustschild“ (hebr. ‫חשן‬, ·hošen) verwendet die Septuaginta das griechische Wort λογεῖον (vgl. Philon, vit. Mos. II 112f. [IV p. 226f. Cohn/Wendland] u.  ö.), das hier im Lateinischen mit logium bzw. rationale wiedergegeben wird. Logion bedeutet „Ausspruch“ bzw. „Orakel“: Karrer/Kraus/Kreu-

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Mühe.235 Er will also, dass der Hohepriester auch mit Werken geschmückt ist und dass nicht Wissen allein genügt, denn „wer handelte und lehrte, der wird im Himmelreich groß genannt werden“.a 4. „Und er umgürtete ihn“, heißt es, „gemäß der Formung des Schulterteils.“ b Er hatte auch schon vorher gesagt, dass er „ihn mit einem Riemen umgürtete“ c über dem Gewand, und nun wird er wiederum „gemäß der Formung des Schulterteils“ gegürtet. Was ist dieser doppelte Gürtel, mit dem er den Hohepriester in jeder Hinsicht gebunden haben will? Er sei gebunden im Wort, gebunden im Werk, bereit zu allem, er habe nichts Nachlässiges, nichts Lasterhaftes. Umgürtet sei er mit den Tugenden des Geistes, gebunden sei er vor den körperlichen Lastern, er fürchte nicht den Fall der Seele, nicht den des Körpers, er verwende immer beide Gürtel, damit er im Körper und im Geist keusch sei.d   236 Es ist aber gut, dass er „gemäß der Formung des Schulterteils“ e gegürtet wird. Gemäß seinen Taten nämlich und gemäß seinen Werken soll er den Gürtel der Tugend verwenden. Und danach heißt es, „er legte ihm das Logium auf“ – das heißt das Vernünftige – „und legte auf das Logium die Offenbarung und die Wahrheit; und er setzte den Turban auf sein Haupt.“ f Wir wollen jedoch sehen, was das Logium, das das Vernünftige ist, bedeutet.237 Nachdem die Nacktheit bedeckt und die Schändlichkeit mit Kleidern verhüllt ist, nachdem er mit Werken befestigt und mit beiden Gürteln gestärkt ist, wird ihm dann das Logium, das heißt das Vernünftige, übergeben. Das Logium ist ein Zeichen der Weisheit, weil die Weisheit in Vernunft besteht. Was jedoch die Kraft dieser Weisheit und Vernunft ist, zeigt er. „Er legt“ nämlich „auf die Vernunft die Offenbarung und die Wahrheit.“ g Denn es ist für den Hohepriester nicht genug, Weisheit zu haben und eine vernünftige Erklärung für alles zu wissen, wenn er nicht auch dem Volk offenbar machen kann, was er weiß. Daher also wird dem Vernünftigen auch die Offenbarung aufgelegt, damit er jedem antworten kann, der ihn nach einer vernünftigen Erklärung über den Glauben und die Wahrheit fragt.h Es wird aber darauf auch Wahrheit gelegt, damit er nicht das aufhäuft, was er sich in seinem eigenen Verstand auszudenken vermochte, sondern was die Wahrheit enthält,238 und er niemals von der Wahrheit abweicht, damit in allen seinen Worten immer die Wahrheit bleibt. Das bedeutet es also, dem Vernünftigen die Offenbarung und die Wahrheit aufgelegt zu haben. Unglücklich jene, die, wenn sie das lesen, ihr ganzes Verständnis für den Sinn des körperlichen Gewandes vergeuden! Sie sollen uns sagen, wie zer , Septuaginta

Deutsch: Erläuterungen 361. Urim und Tummim werden häufig als Orakelinstrumente wie etwa Lossteine interpretiert. Die hebräischen Ausdrücke leiten sich jedoch von den Verben „leuchten“ und „vollkommen sein“ ab und dürften daher Gottes Weisung oder die Weisung der Priester repräsentieren: Hieke, Levitikus 345f. Diese nennt die Septuaginta δήλωσις und ἀλήθεια (vgl. Philon, ebd. 113, u.  ö.), was im Lateinischen mit manifestatio und ueritas übersetzt wird. 238 Vgl. in Hiez. hom. 2,2 (GCS Orig. 8, 342).

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quale est uestimentum manifestationis, aut indumentum quale est ueritatis. Si qui umquam uidit, si quis audiuit manifestationem et ueritatem uestimenta nominari, dicant nobis quae sint mulieres, quae ista texuerint, in quo haec umquam sint confecta textrino. | Sed si uerum uultis audire, sapientia est, quae huiusmodi conficit indumenta. Illa occultorum manifestationem, illa texit rerum omnium ueritatem. Hanc ergo oremus a Domino ut accipere mereamur, et ipsa nos talibus circumdabit indumentis. Sed et ipse ordo rerum quam sanctus sit et quam mirabilis, intuere. Non ante logium et postea humerale, quia non ante sapientia quam opera, sed prius opera haberi debent et postea quaerenda sapientia est. Tum deinde non ante manifestatio quam rationale, quia non ante alios docere quam nos in­structi et rationabiles esse debemus. Super haec autem additur ueritas, quia ueritas est summa sapientia. Denique et propheta hunc eundem ordinem seruat, cum dicit: „Seminate uobis ad iustitiam, et metite fructum uitae, illuminate uobis lumen scientiae.“aVides quomodo non dicit primo: „Illuminate uobis lumen scientiae“, sed primo: „Seminate uobis ad iustitiam“, et non sufficit seminare, sed „metite“ inquit „fructum uitae“, ut post haec possitis implere quod sequitur: „Illuminate uobis lumen scientiae.“ Sic ergo etiam hic imponitur humeralis ornatus et non sufficit, sed et zona constringitur. Sed ne hoc quidem satis est; secundo adhuc cingitur, ut ita demum rationale possit imponi, ut post haec manifestatio subsequatur et ueritas. His indumentis pontifex utitur; tali ornatu debet indui, qui sacerdotium gerit. 5. Sed nondum finiuit et alius adhuc addendus ornatus est; necesse est, ut accipiat etiam coronam. Propterea accipit primo cidarim, quod est uel operimentum quoddam capitis uel ornamentum. Et post haec superponitur ei mitra. „Ante faciem“, id est a fronte pontificis, „lamina aurea sanctificata“,b in a

Hos. 10,12

b

Lev. 8,9

239 Siehe oben S. 74 Anm. 27. 240 Aus dieser Stelle geht deutlich hervor, dass dem Aufruf zur Erkenntnis, für den Ori-

genes gern Hos. 10,12 zitiert, die praktische Tugend vorangeht: vgl. cat. Pal. in Ps. 118,1f. (SC 189, 186); in Matth. comm. XVI 7 (GCS Orig. 10, 488). Das entspricht dem generellen Duktus seines Denkens, in dem die Theorie in der Praxis gründet. 241 Im Hebräischen steht in Lev. 8,9 nur ein Wort und dieses bedeutet Turban. In der Septuaginta steht an dieser Stelle μίτρα. An anderen Stellen werden allerdings für die Kopfbedeckung der Priester zwei unterschiedliche Wörter verwendet: μίτρα, in der Septuaginta Deutsch als „Stirnband“ übersetzt (Ex. 28,37 2x; 29,6; 39,28.31 = 36,35.38 LXX; Lev. 8,9 2x; Jes. 61,10; Ez. 26,16), und κίδαρις, in der Septuaginta Deutsch als „Kopfbedeckung“ übersetzt (Ex. 28,4.39.40; 29,9 2x; 39,28.31; Lev. 8,13; 16,4; Ez. 21,31 = 21,26 LXX; 44,18; Sach. 3,5 2x). Nach Hieke, Levitikus 346f., sind die beiden Bezeichnungen synonym zu verstehen. Nach Philon, vit. Mos. II 116 (IV p. 227 Cohn/Wendland), sind es eindeutig zwei Formen der Kopfbedeckung: „Unter dem Stirnblech befand sich der Kopfbund (μίτρα), damit es den Kopf nicht berühre. Außerdem aber wurde noch eine spitze Mütze (κίδαρις) angefertigt; eine

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beschaffen das Gewand der Offenbarung oder wie beschaffen das Gewand der Wahrheit ist. Wenn jemand jemals gesehen hat, wenn jemand gehört hat, dass Gewänder Offenbarung und Wahrheit genannt werden, sollen sie uns sagen, wer die Frauen sind, die diese gewebt haben, in welcher Weberei diese jemals angefertigt worden sind.Wenn ihr jedoch die Wahrheit hören wollt, es ist die Weisheit, die Kleider dieser Art anfertigt. Sie webt die Offenbarung des Verborgenen, sie webt die Wahrheit aller Dinge. Wir wollen also vom Herrn erbitten, dass wir gewürdigt werden, diese zu empfangen, und sie wird uns mit solchen Kleidern umgeben. Betrachte jedoch auch, wie heilig und wie wunderbar selbst die Reihenfolge der Dinge ist. Nicht ist das Logium früher und danach das Schulterteil, weil die Weisheit nicht früher als die Werke ist, sondern zuerst muss man Werke haben und danach muss man die Weisheit suchen. Dann ist ferner nicht die Offenbarung früher als das Vernünftige, weil wir nicht früher andere lehren dürfen, als wir unterwiesen und vernünftig sind.239 Darüber hinaus aber wird die Wahrheit hinzugefügt, weil die Wahrheit die höchste Weisheit ist. Schließlich bewahrt auch der Prophet dieselbe Reihenfolge, wenn er sagt: „Sät für euch zur Gerechtigkeit, und erntet die Frucht des Lebens, zündet euch das Licht der Erkenntnis an!“a Du siehst, wie er nicht zuerst sagt: „Zündet euch das Licht der Erkenntnis an“, sondern zuerst: „Sät für euch zur Gerechtigkeit“. Und es genügt nicht, zu säen, sondern „erntet“, heißt es, „die Frucht des Lebens“, damit ihr danach erfüllen könnt, was folgt: „Zündet euch das Licht der Erkenntnis an!“240 So wird also auch hier der Schmuck des Schulterteils aufgelegt, doch es genügt nicht, sondern er wird auch mit dem Riemen gebunden. Doch nicht einmal das ist genug; er wird noch ein zweites Mal gegürtet, damit so endlich das Vernünftige aufgelegt werden kann, damit danach die Offenbarung folgt und die Wahrheit. Diese Kleider verwendet der Hohepriester; mit einem solchen Schmuck muss bekleidet werden, wer das Priesteramt ausübt. 5. Er ist jedoch noch nicht fertig und noch ein anderer Schmuck ist hinzuzufügen; es ist notwendig, dass er auch einen Kranz erhält. Deswegen erhält er zuerst ein Diadem, was entweder eine Art Bedeckung des Hauptes oder ein Schmuck ist. Und danach wird ihm ein Turban aufgesetzt.241 „Vor das Gesicht“, das heißt vor der Stirn des Hohepriesters, „eine geheiligte goldene Platte“,b auf der, so wird gesagt, der Name Gottes eingraviert ist. Dieser solche Mütze pflegen nämlich die orientalischen Könige statt eines Diadems zu tragen.“ Übersetzung: Badt, Philo Werke I, 324. Nach Lev. 8,9 erhält der Turban noch eine „Rosette“ (hebr. ‫ )ציץ‬bzw. ein „Blatt“ oder eine „Platte“ (LXX πέταλον; Vulg. lammina). Im Hebräischen wird dieses als ‫ נזר הקדש‬bezeichnet, was die Septuaginta mit τὸ καθηγιασμένον wiedergibt. Dieses Ausstattungsteil könnte Philon mit „Diadem“ meinen, das er mit der orientalischen Mütze in Verbindung bringt. Origenes hat hier offensichtlich zwei übereinander liegende Kopfbedeckungen im Blick und integriert beide Ausdrücke in seine Beschreibung.

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Homilia VI

qua sculptum dicitur uocabulum Dei. Verum iste capitis ornatus, ubi nomen Dei impositum dicitur, post illa omnia, quibus inferiora corporis membra fuerant exornata, superponitur. In quo mihi indicari uidetur, quod super omnia, quae uel de mundo uel de ceteris creaturis sentiri aut intelligi possunt, eminentior tamquam aucto|ris omnium scientia Dei sit. Et quia ipse caput est omnium,a ideo et ornatus iste super omnia capiti superponitur; nihil enim post haec adicitur pontificis capiti. Et ideo miseri sunt illi, de quibus dicit apostolus quia „non tenent caput, ex quo omnis iunctura conexa et compaginata crescit in incrementum Dei“ in spiritu.b Sed nos si bene intelleximus, qui sit sacerdotis ornatus, quiue super omnia honor capitis eius, mysteriorum diuinorum profunda mirantes non scire tantum haec et audire, sed et implere desideremus et facere, quia „non auditores legis iustificabuntur apud Deum, sed factores“.c Potes enim et tu, ut saepe iam diximus, si studiis et uigiliis tuis huiuscemodi tibi praeparaueris indumenta, si te abluerit et mundum fecerit sermo legis et unctio chrismatis et gratia in te baptismi incontaminata dura­ uerit, si indutus fueris indumentis duplicibus, litterae ac spiritus, si etiam dupliciter accingaris, ut carne et animo castus sis, si humerali operum et sapientiae rationali orneris, si etiam mitra tibi et lamina aurea, plenitudo scientiae Dei, caput coronet, scito te, etiamsi apud homines lateas et ignoreris, apud Deum tamen agere pontificatum intra animae tuae templum. „Vos“ enim „estis templum Dei uiui“,d si „spiritus Dei habitat in uobis.“ e Post haec quae de consecratione eius dicuntur et de unctione, sparsim a nobis et saepe disserta sunt. 6. Quod autem dicit: „Et applicuit Moyses filios Aaron, et induit eos tunicas et praecinxit eos zonas et imposuit iis cidaras, sicut praecepit Dominus Moysi“,f attendendum est, quae sit differentia minorum sacerdotum ad maiora sacerdotia. Istis neque bina indumenta traduntur neque humeralis neque rationalis,g neque capitis ornatus, nisi tantum cidaris et zonae, quae tunicam stringant. Et isti ergo accipiunt sacerdotii gratiam, et isti funguntur officio, sed non ut ille, qui et humerali et rationali ornatus est, qui manifestatione et ueritate resplendet, qui aureae laminae ornamento decoratur. Vnde arbitror aliud esse in sacerdotibus officio fungi, aliud instructum esse in omnia

Vgl. 1 Kor. 11,3 Vgl. Lev. 8,8

g

b

Kol. 2,19

c

Röm. 2,13

d

2 Kor. 6,16

e

1 Kor. 3,16

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Lev. 8,13

242 Die Konstruktion des Satzes ist inkonzinn, weil nach dem einleitenden Hauptsatz

(potes …, si) nach den vielen si-Sätzen erneut ein Hauptsatz folgt (si …, scito …). Das ist ein Zeichen für den mündlichen Vortrag, der vom Stenographen so mitgeschrieben wurde, wie Origenes ihn gehalten hat; und Rufinus hat entsprechend übersetzt.

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Schmuck des Hauptes aber, wo gesagt wird, dass der Name Gottes eingeschrieben ist, wird nach allen jenen Dingen, mit denen die unteren Glieder des Körpers ausgeschmückt worden sind, draufgesetzt. Darin scheint mir angezeigt zu werden, dass über allem, was entweder über die Welt oder über die übrigen Geschöpfen gedacht und verstanden werden kann, die Erkenntnis Gottes als des Urhebers von allem herausragender ist. Und weil dieser das Haupt von allem ist,a deshalb wird auch dieser Schmuck über allem auf das Haupt draufgesetzt; denn nichts wird danach dem Haupt des Hohepriesters hinzugefügt. Und deshalb sind jene elend, über die der Apostel sagt, dass „sie sich nicht an das Haupt halten, von dem jedes Gelenk, verknüpft und verbunden, zum Wachstum Gottes“ im Geist „wächst“.bWenn wir jedoch gut verstanden haben, was der Schmuck des Priesters ist oder was über allem die Ehre seines Hauptes ist, wollen wir, indem wir die Tiefe der göttlichen Mysterien bewundern, nicht nur begehren, dies zu wissen und zu hören, sondern auch es zu erfüllen und zu tun, weil „bei Gott nicht die gerechtfertigt werden, die das Gesetz hören, sondern die es tun“.c Denn das wirst auch du können, wie wir schon oft sagten, wenn du dir durch deinen Eifer und deine Nachtwachen Kleider dieser Art bereitest, wenn das Wort des Gesetzes dich wäscht und rein macht und die Salbung mit dem Salböl und die Gnade der Taufe in dir unbefleckt andauert, wenn du mit zweifachen Kleidern bekleidet bist, dem des Buchstabens und dem des Geistes, wenn du auch zweifach gegürtet wirst, damit du im Fleisch und im Geist keusch bist, wenn du geschmückt wirst mit dem Schulterteil der Werke und dem Vernünftigen der Weisheit, wenn dir auch ein Turban und eine goldene Platte, die Fülle der Erkenntnis Gottes, das Haupt bekränzt, sollst du wissen,242 auch wenn du bei den Menschen verborgen bist und nicht erkannt wirst, dass du bei Gott dennoch als Priester agieren kannst im Tempel deiner Seele. Denn „ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes“,d wenn „der Geist Gottes in euch wohnt.“ e Was danach über seine Weihe und über die Salbung gesagt wird, wurde von uns oft hier und da erörtert. 6. Bezüglich dessen aber, was er sagt: „Und Mose brachte die Söhne Aarons heran und bekleidete sie mit Gewändern und umgürtete sie mit Riemen und legte ihnen Diademe auf, so wie der Herr es Mose vorgeschrieben hatte“,f ist zu beachten, was der Unterschied zwischen den geringeren Priestern und den höheren Priesterämtern ist. Diesen wird weder ein zweifaches Kleid noch ein Schulterteil noch ein Vernünftiges g noch ein Schmuck für das Haupt übergeben, sondern nur ein Diadem und Riemen, die das Gewand binden. Auch diese erhalten also die Gnade des Priestertums, auch diese üben das Amt aus, doch nicht wie jener, der sowohl mit dem Schulterteil als auch mit dem Vernünftigen geschmückt ist, der durch Offenbarung und Wahrheit strahlt, der mit dem Schmuck der goldenen Platte geziert wird. Daher meine ich, dass es eine Sache für die Priester ist, das Amt auszuüben, eine andere, in allem unterwiesen und geschmückt zu sein. Denn jeder beliebige kann den

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bus et | ornatum. Quiuis enim potest sollemni ministerio fungi ad populum; pauci autem sunt [qui] ornati moribus, instructi doctrina, sapientia eruditi, ad manifestandam ueritatem rerum peridonei et qui scientiam fidei non sine ornamento sensuum et adsertionum fulgore depromant, quod aureae laminae capiti impositus designat ornatus.Vnum igitur est sacerdotii nomen, sed non una uel pro uitae merito uel pro animi uirtutibus dignitas. Et ideo in his, quae lex diuina describit, ueluti in speculo inspicere se debet unusquisque sacerdotum et gradus meriti sui inde colligere, si se uideat in his omnibus, quae supra exposuimus, positum pontificalibus ornamentis; si conscius sibi sit, quod uel in scientia uel in actibus uel in doctrina tantus ac talis sit, sciat se summum sacerdotium non solum nomine, sed et meritis obtinere. Alioquin inferiorem sibi gradum positum nouerit, etiamsi primi nomen acceperit. Non nos sane debet praeterire etiam hoc, quod potest ab studioso lectore proferri, in quo et ego saepe mecum ipse haesitaui. In Exodo enim legens, ubi de sacerdotalibus mandatur indumentis, inuenio octo esse species, quae pontifici praeparantur;a hic uero septem tantummodo numerantur. Requiro ergo quid sit, quod omissum est. Octaua species ibi ponitur campestre, siue, ut alibi legimus, femoralia linea, de quo hic inter cetera siluit indumenta. Quid ergo dicemus? Obliuionem dabimus in uerbis Spiritus sancti, ut, cum cetera omnia secundo enarrauerit, una eum species superius dicta latuerit? Non audeo haec de sacris sentire sermonibus. Sed uideamus, ne forte, quoniam in superioribus diximus hoc genus indumenti indicium castitatis uideri, quo uel femora operiri uel constringi renes uidentur ac lumbi, ne forte, inquam, non semper in illis, qui tunc erant sacerdotes, has partes dicat esse constrictas; aliquando enim et de posteritate generis et successu subolis indulgetur. Sed ego in sacerdotibus ecclesiae huiusmodi intelligentiam non introduxerim; aliam namque rem uideo occurrere sacramento. Possunt enim et in ecclesia sacerdotes et doctores | filios generare, sicut et ille, qui dicebat: „Filioli mei, quos iterum parturio, donec formetur Christus in uobis.“ b Et iterum alibi dicit: „Tametsi a

Vgl. Ex. 28,2–43

b

Gal. 4,19

243 Idealerweise entspricht die äußere Ordnung auch der inneren. Das ist aber nicht

immer der Fall, wie im Folgenden deutlich wird. Daher muss sich der Priester entsprechend prüfen. 244 Von hier bis S. 222 Z. 13 uos hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos. II 10 (PL 108, 328A– 329A), den Text abgeschrieben. 245 Ab hier übernahm Aeneas von Paris, adv. Graec. 161 (PL 121, 737A–D), den Text bis zur selben Stelle wie Hrabanus Maurus. 246 Campestre und femoralia sind für Origenes Synonyme: in Lev. hom. 4,6 (GCS Orig. 6, 324). In der Vulgata findet sich das Wort femoralia in Sir. 45,10. Es ist gleichbedeutend mit dem Ausdruck feminalia, der in Ex. 28,42; 39,27 und Ez. 39,28 für die Beinkleider verwendet wird. Es handelt sich nach Sueton,  Aug. 82 (p. 278 Martinet), um Bänder, die um die Oberschenkel gewickelt wurden.

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feierlichen Dienst dem Volk gegenüber ausüben; wenige aber sind geschmückt mit Sitten, unterwiesen in der Lehre, gebildet in der Weisheit, sehr geeignet, um die Wahrheit der Dinge zu offenbaren, so dass sie die Erkenntnis des Glaubens nicht ohne den Schmuck der Gedanken und den Glanz der Erklärungen hervorholen, was der auf das Haupt gelegte Schmuck der goldenen Platte bezeichnet. Ein einziger ist daher der Name des Priestertums, nicht eine einzige ist jedoch die Würde nach dem Verdienst des Lebens oder nach den Tugenden des Geistes.243 Und244 deshalb muss sich jeder Priester in dem, was das göttliche Gesetz beschreibt, wie in einem Spiegel betrachten und von dort den Grad seines Verdienstes ablesen, ob er sich in all dem priesterlichen Schmuck, den wir vorher erklärt haben, hingestellt sieht; wenn er sich bewusst ist, dass er entweder in der Erkenntnis oder in den Handlungen oder in der Lehre so groß und solcherart ist, soll er wissen, dass er das höchste Priestertum nicht nur dem Namen nach, sondern auch nach den Verdiensten innehat. Andernfalls soll er erkennen, dass ihm ein niedrigerer Rang gegeben ist, auch wenn er den Namen des ersten angenommen hat. Wir dürfen allerdings auch das nicht übergehen, was von einem eifrigen Leser vorgetragen werden könnte, worin auch ich selbst oft gezögert habe. Denn wenn ich im Buch Exodus lese, wo die Anordnungen über die priesterlichen Gewänder gegeben werden, finde ich, dass es acht Arten von Kleidungsstücken gibt, die für den Priester vorbereitet werden;a hier hingegen werden nur sieben aufgezählt. Ich frage also, was das ist, das weggelassen wurde. Als achte245 Art wird dort der Lendenschurz angegeben, oder, wie wir anderswo lesen, das leinene Beinkleid,246 worüber er hier unter den übrigen Gewändern schwieg. Was sollen wir also sagen? Sollen wir ein Vergessen in den Worten des Heiligen Geistes zugestehen, sodass ihm, obwohl er alles Übrige ein zweites Mal erzählte, diese eine Art, die vorher genannt wurde, entgangen ist? Ich wage nicht, dies über die heiligen Worte zu denken. Wir wollen jedoch sehen, ob nicht vielleicht, weil wir im Vorhergehenden gesagt haben,247 dass die Art des Gewandes als Zeichen der Keuschheit angesehen wird, wodurch entweder die Oberschenkel bedeckt oder die Nieren und die Lenden gebunden zu werden scheinen, ob er nicht vielleicht, sage ich, nicht immer von denen, die damals Priester waren, sagt, dass diese Teile gebunden waren; denn zuweilen wird sowohl für die Nachkommenschaft des eigenen Geschlechts als auch für die weitere Folge der Nachkommen Nachsicht gewährt. Ich möchte jedoch ein derartiges Verständnis für die Priester der Kirche nicht einführen; denn ich sehe eine andere Sache sich in dem Geheimnis darbieten. Denn auch in der Kirche können Priester und Gelehrte Söhne hervorbringen, wie auch jener, der sagt: „Meine Söhne, die ich wiederum gebäre, bis Christus in euch Gestalt annimmt.“ b Und wiederum anderswo sagt er: „Auch wenn ihr viele tausend Erzieher in Christus hättet, hättet ihr 247 Vgl. in Lev. hom. 4,6 (GCS Orig. 6, 324).

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multa milia paedagogorum habeatis in Christo, sed non multos patres. Nam in Christo Iesu per euangelium ego uos genui.“a Isti ergo doctores ecclesiae in huiusmodi generationibus procreandis aliquando constrictis femoralibus utuntur et abstinent a generando, cum tales inuenerint auditores, in quibus sciant se fructum habere non posse. Denique et in Actibus Apostolorum refertur de quibusdam quod „non potuimus“ inquit „in Asia uerbum Dei loqui“,b hoc est imposita habuisse femoralia et continuisse se, ne filios generarent, quia scilicet tales erant auditores, in quibus et semen periret et non posset haberi successio. Sic ergo ecclesiae sacerdotes, cum incapaces aures uiderint aut cum simulatos inspexerint et hypocritas auditores, imponant campestre, utantur femoralibus,c non pereat semen uerbi Dei, quia et Dominus eadem mandat et dicit: „Nolite mittere sanctum canibus neque margaritas uestras ante porcos, ne forte conculcent eas pedibus et conuersi dirumpant uos.“ d Propterea ergo si qui uult pontifex non tam uocabulo esse quam merito, imitetur Moysen, imitetur Aaron. Quid enim dicitur de iis? Quia non disce­ dunt de tabernaculo Domini.e Erat ergo Moyses indesinenter in tabernaculo Domini. Quod autem opus eius erat? Vt aut a Deo aliquit disceret aut ipse populum doceret. Haec duo sunt pontificis opera, ut aut a Deo discat legendo scripturas diuinas et saepius meditando aut populum doceat. Sed illa doceat, quae ipse a Deo didicerit, non „ex proprio corde“,f uel ex humano sensu, sed quae Spiritus docet. Est et aliud opus, quod facit Moyses. Ad bella non uadit, non pugnat contra inimicos. Sed quid facit? Orat et, donec ille erat, uincit popu|lus eius.g Si relaxauerit et dimiserit manus, populus eius uincitur et fugatur. Oret ergo et sacerdos ecclesiae indesinenter, ut uincat populus, qui sub ipso est, hostes inuisibiles Amalechitas, qui sunt daemones, impugnantes eos, „qui uolunt pie uiuere in Christo“.h Et ideo nos in his meditantes et haec „die ac nocte“ i ad memoriam reuocantes et orationi instantes ac uigilantes in ea deprecemur Dominum, ut nobis ipse horum, quae legimus, scientiam reuelare dignetur et ostendere, quomodo spiritalem legem non solum in a

c

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1 Kor. 4,15 bVgl. Apg. 16,6 Vgl. Ex. 17, 11 h2 Tim. 3,12

i

Vgl. Ex. 28,42 Ps. 1,2

d

Mt. 7,6

e

Vgl. Lev. 10,7

f

Ez. 13,2

248 In Num. hom. 10,3 (GCS Orig. 7, 73) wendet sich Origenes mit folgenden Worten

an die Bischöfe: „Sorgfältig zu beachten und das anzuwenden, was geschrieben steht, kommt vornehmlich denen zu, die sich des priesterlichen Standes rühmen, damit sie wissen, was das ist, was ihnen im göttlichen Gesetz zu beachten vorgeschrieben ist … Es ist aber nicht nur aufgetragen zu beachten, was äußerlich ist, sondern dies, heißt es, ‚dass die Priester vornehmlich Sorge tragen für das, was innerhalb des Vorhangs ist‘ (Num. 18,7), wie wenn er sagen wollte: Die Priester sollen Sorge tragen, sowohl die offensichtlichen und deutlichen Anordnungen des göttlichen Gesetzes zu erfüllen als auch seine verborgenen und verschleierten Geheimnisse mit aller Einsicht zu betrachten.“ 249 Vgl. in Hiez. hom. 2,2 (GCS Orig. 8, 341f.): „Es gab freilich auch andere Propheten Israels, eher dem Namen nach als der Wahrheit. Es gibt aber auch heute im wahren

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doch nicht viele Väter. Denn in Christus Jesus habe ich euch durch das Evangelium gezeugt.“a Diese Lehrer der Kirche gebrauchen also, wenn sie auf diese Weise Zeugungen hervorbringen, zuweilen gebundene Beinkleider und enthalten sich vom Zeugen, wenn sie solche Zuhörer finden, bei welchen sie erkennen, dass sie keine Frucht haben können. Schließlich wird auch in der Apostelgeschichte von einigen berichtet, dass „wir in Asien“, heißt es, „das Wort Gottes nicht verkünden konnten“,b das heißt, dass sie Beinkleider angetan hatten und sich enthielten, Söhne zu zeugen, weil die Zuhörer offenbar solche waren, in denen der Samen sowohl verloren ging als auch keine Nachfolge haben konnte. So also legen die Priester der Kirchen, wenn sie unempfängliche Ohren sehen oder wenn sie sich verstellende und heuchlerische Zuhörer vor sich sehen, einen Lendenschurz um, sie gebrauchen Beinkleider,c damit der Samen des Wortes Gottes nicht verloren geht, weil auch der Herr dasselbe anordnet und sagt: „Werft nicht das Heilige den Hunden hin und nicht eure Perlen vor die Schweine, damit sie sie nicht etwa mit den Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen.“ d Deswegen also, wenn jemand Priester nicht so sehr dem Namen nach als dem Verdienst nach sein will, soll er Mose nachahmen, soll er Aaron nachahmen. Denn was wird über sie gesagt? Dass sie nicht vom Zelt des Herrn wichen.e Mose war also unablässig im Zelt des Herrn.248 Was war aber seine Tätigkeit? Dass er entweder von Gott etwas lernte oder selbst das Volk lehrte. Die sind die beiden Tätigkeiten des Priesters, dass er entweder von Gott lernt, indem er die göttlichen Schriften liest und häufiger über sie nachsinnt, oder das Volk lehrt. Er soll jedoch das lehren, was er selbst von Gott gelernt hat, nicht „aus eigenem Herzen“ f oder aus menschlichem Denken, sondern was der Geist lehrt.249 Es gibt noch eine andere Tätigkeit, die Mose ausübt. Er zieht nicht zum Krieg aus, er kämpft nicht gegen Feinde. Was jedoch macht er? Er betet, und solange er betet, siegt sein Volk.gWenn er nachlässt und die Hände sinken lässt, wird sein Volk besiegt und in die Flucht geschlagen. Also soll auch der Priester der Kirche unablässig beten, damit das Volk, das ihm untersteht, die unsichtbaren Feinde, die Amalekiter, die die Dämonen sind, die gegen die kämpfen, „die fromm in Christus leben wollen“,h besiegt. Und deshalb wollen wir, während wir darüber nachsinnen und dies „Tag und Nacht“ i in Erinnerung rufen, nicht vom Gebet ablassen und wach sind, den Herrn bitten, dass er uns für würdig befinde, uns selbst die Erkenntnis dessen, was wir gelesen haben, zu offenbaren und zu zeigen, wie wir das geistige Gesetz nicht nur im Verständnis, sondern auch in den Handlungen beachten,

Israel, das heißt in der Kirche, falsche Propheten und falsche Lehrer … Denn wenn jemand das, was der Herr Jesus Christus gesagt und verstanden hat, in demselben Sinn sagt, in dem der, der lehrte, es selbst gesagt hat, spricht er nicht aus seinem eigenen Herzen, sondern aus dem Heiligen Geist die Worte Jesu, des Sohnes Gottes.“

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intelligentia, sed et in actibus obseruemus, ut et spiritalem gratiam consequi mereamur illuminati per legem Spiritus sancti, in Christo Iesu Domino nostro, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“a a

1 Petr. 4,11

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damit wir, erleuchtet durch das Gesetz des Heiligen Geistes, würdig werden, auch die geistige Gnade zu erlangen in Christus Jesus, unserem Herrn. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“a

HOMILIA VII. De eo, quod mandatum est Aaron et filiis eius, ut „uinum et siceram non bibant, cum ingrediuntur tabernaculum testimonii uel cum accedunt ad altare“,a et „de pectusculo appositionis et bracchio separationis“ b et de mundis et immundis animalibus uel cibis.c

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1. Plura quidem superiori lectione fuerant recitata, ex quibus temporis breuitate constricti pauca admodum diximus. Non enim nunc exponendi scripturas, sed aedificandi ecclesiam ministerium gerimus, quamuis et ex his, quae a nobis ante tractata sunt, prudens quisque auditor euidentes ad intelligendum possit semitas inuenire. Et ideo ex his quoque, quae nunc lecta sunt, quoniam cuncta non possumus, aliqua tamen, quae aedificent auditores, uelut „agri pleni, quem benedixit Dominus“,d flosculos colligemus. Quid ergo sit, quod nunc nobis lectum est, uideamus. „Et locutus est Dominus ad Aaron dicens: Vinum et siceram non bibetis tu et filii tui tecum, cum intrabitis in taberna|culum testimonii, aut cum acceditis ad altare, et non moriemini. Legitimum aeternum in progenies uestras, discernere inter medium sanctorum et contaminatorum et inter medium immundorum et inter medium mundorum et instruere filios Istrahel omnia legitima, quae locutus est Dominus ad eos per manum Moysi.“ e Lex euidens datur et sacerdotibus et principi sacerdotum, ut, cum accedunt ad altare, uino abstineant, et omni potu, quod inebriare potest, quod scripturae diuinae appellatione uernacula „sicera“ moris est nominare.Vult ergo sermo diuinus sobrios in omnibus esse Domini sacerdotes, utpote qui accedentes ad altare Dei orare pro populo f debeant et pro alienis interuenire delictis, qui portionem in terra non habeant, sed ipse Dominus portio eorum sit. Sic enim dicit de eis scriptura: „Filiis“ inquit „Leui non dabitis partem in medio fratrum a

Lev. 10,9

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Lev. 10,14

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Vgl. Lev. 11

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Gen. 27,27

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Lev. 10,8–11

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Vgl. Lev. 9,7

250 Über Zeitmangel bei den Predigten siehe oben S. 80 Anm. 33. 251 Zur Erbauung als Ziel der Predigten des Origenes siehe oben S. 63 Anm. 10. 252 Die Predigt beginnt mit einem kurzen Vorwort; siehe dazu oben S. 162 Anm. 153. 253 Vgl. Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 721C): „… da auch als σίκερα jedes berau-

schende Getränk übersetzt wird, auch wenn es nicht vom Weinstock stammt“.

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Über die Anordnung an Aaron und seine Söhne, dass sie „Wein und berauschendes Getränk nicht trinken sollen, wenn sie ins Bundeszelt eintreten oder wenn sie zum Altar hinzutreten“,a über „die Brust der Hinzufügung und den Arm der Abtrennung“ b und über die reinen und unreinen Tiere und Speisen.c 1. Mehrere Dinge waren in der vorhergehenden Lesung vorgetragen worden, von denen wir, von der Kürze der Zeit eingeengt,250 nur über wenige gesprochen haben. Denn nun üben wir nicht den Dienst der Schriftauslegung, sondern den der Erbauung der Kirche aus,251 obwohl auch aus dem, was vorher von uns behandelt wurde, jeder kluge Zuhörer klare Pfade zum Verständnis finden kann. Und deshalb werden wir auch aus dem, was nun gelesen wurde, weil wir nicht alles erklären können, dennoch manches, das die Zuhörer erbaut, so wie „von einem vollen Feld, das der Herr gesegnet hat“,d als Blümlein sammeln.Wir wollen also sehen, was das ist, was uns nun vorgelesen wurde.252 „Und der Herr sprach zu Aaron: Wein und berauschendes Getränk sollt ihr nicht trinken, du und deine Söhne mit dir, wenn ihr in das Bundeszelt eintretet, oder wenn ihr zum Altar hinzutretet, und ihr werdet nicht sterben. Ein ewiges Gesetz für eure Nachkommen ist es, zu unterscheiden zwischen dem Heiligen und dem Befleckten und zwischen dem Unreinen und dem Reinen und die Söhne Israels in allen Gesetzen zu unterweisen, die der Herr zu ihnen durch die Vermittlung des Mose gesprochen hat.“ e Ein klares Gesetz wird den Priestern und dem Oberhaupt der Priester gegeben, dass sie sich, wenn sie zum Altar hinzutreten, vom Wein enthalten und von jedem Getränk, das betrunken machen kann, was die göttlichen Schriften gewöhnlich mit der üblichen Bezeichnung „berauschendes Getränk“ benennen.253 Das göttliche Wort will also, dass die Priester des Herrn in allem nüchtern sind,254 da sie ja zum Altar Gottes hinzutretend für das Volk beten f und für fremde Verfehlungen eintreten müssen, die keinen Anteil im Land haben, sondern deren Anteil der Herr selbst ist. Denn so sagt die Schrift über sie: „Den Söhnen Levis“, heißt es, „sollt ihr keinen Teil in der Mitte ihrer Brüder 254 Vgl. Philon, ebr. 128 (II p. 195 Cohn/Wendland), über den Priester Aaron: „In sol-

cher Verfassung wird er Wein und allem Gift des Unverstandes freiwillig niemals bei sich Eingang gewähren.“ Übersetzung: Adler, Philo Werke V, 50.

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suorum, quia ego portio eorum Dominus Deus ipsorum.“a Vult ergo istos, quibus ipse Dominus portio est, sobrios esse, ieiunos, uigilantes in omni tempore, maxime autem cum ad exorandum Dominum et sacrificandum in conspectu eius altaribus praesto sunt. Quae mandata in tantum uim sui seruant et omni obseruantia custodienda sunt, ut et apostolus haec eadem noui testamenti legibus firmet. In quo similiter etiam ipse sacerdotibus uel principibus sacerdotum uitae regulas ponens dicit eos non debere esse uino multo seruientes, sed sobrios esse.b Sobrietas uero omnium uirtutum mater est, sicut e contrario ebrietas omnium uitiorum. Aperte etenim pronuntiauit apostolus dicens: „vinum, in quo est luxuria“,c ut ostenderet ex ebrietate ueluti primogenitam filiam generari luxuriam. Tum praeterea et Saluator Domini et regis auctoritate sacerdotibus simul et populis leges ac iura constituens: „Attendite“ inquit „ne forte gra­uentur corda uestra in ebrietate et crapula et in sollicitudinibus saeculi, et ueniat super uos subitaneus interitus.“ d Audistis | edictum regis aeterni et lamentabilem finem ebrietatis uel crapulae didicistis. Si quis uobis peritus et sapiens medicus his ipsis uerbis praeciperet et diceret: Attendite uobis, ne qui, uerbi gratia, de illius uel illius herbae suco auidius sumat; quod si fecerit, subitus ei ueniet interitus: non dubito quod unusquisque propriae salutis intuitu praemonentis medici praecepta seruaret. Nunc uero animarum et corporum medicus simulque Dominus iubet ebrietatis herbam et crapulae uitandam, similiter et sollicitudinum saecularium uelut mortiferos sucos cauendos. Et nescio si quis nostrum non in his consumitur, uti ne dixerim sauciatur. Est ergo ebrietas uini perniciosa in omnibus; sola namque est, quae simul cum corpore et animam debilem reddat. In ceteris etenim potest fieri, ut secundum apostolum, cum infirmatur corpus, tunc magis potens sit spiritus,e et ubi „is, qui deforis est, homo corrumpitur, ille, qui intus est, renouetur“.f In ebrie­tatis uero aegritudine corpus simul et anima corrumpitur, spiritus pariter cum carne uitiatur. Omnia membra debilia, pedes manus, lingua resoluta; oculos tenebrae, mentem uelat obliuio, ita ut hominem se nesciat esse nec a f

Num. 18,20 2 Kor. 4,16

b

Vgl. Tit. 1,7f.; 2,2f.

c

Eph. 5,18

d

Lk. 21,34

e

Vgl. 2 Kor. 12,10

255 Vgl. Philon, sobr. 2 (II p. 215 Cohn/Wendland): „… so viel Übel die Trunkenheit

hervorbringt, so viel Güter hingegen die Nüchternheit.“ Übersetzung: ebd. 79. 256 Zur Verbindung von Medizin und Weisheit bzw. Philosophie vgl. Cicero, Tusc. III 1.

3 (p. 172. 174 Gigon); Origenes, Cels. III 75 (GCS Orig. 1, 266–268). 257 Zu dieser Bezeichnung vgl. in Lev. hom. 7,2 (GCS Orig. 6, 375); 8,1 (6, 393f.); princ.

II 10,6 (GCS Orig. 5, 179): „Arzt unserer Seelen“; in Hier. hom. lat. 2(2),6 (GCS Orig. 8, 295f.): Gott heilt von den Wunden der Sünden. 258 Vgl. Philon, ebr. 130 (II p. 195 Cohn/Wendland): „Wie sollte es denn nicht von der Ehrfurcht geboten sein, nüchtern und bei voller Selbstbeherrschung, und umgekehrt, nicht lächerlich sein, vom Wein an beidem, an Körper und Seele, entkräftet, an Gebete und Opfer zu gehen?“ Übersetzung: Adler, Philo Werke V, 51.

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geben, weil ich, der Herr, ihr Gott, ihr Anteil bin.“a Er will also, dass die, für die der Herr selbst Anteil ist, nüchtern sind, fastend, wachsam zu jeder Zeit, am meisten aber, wenn sie bei den Altären zugegen sind, um zum Herrn zu beten und in seiner Gegenwart zu opfern. Diese Anordnungen bewahren ihre Geltung so sehr und sind mit aller Aufmerksamkeit zu bewahren, dass auch der Apostel dieselben in den Gesetzen des Neuen Testaments bekräftigt. In diesem gibt er gleichermaßen auch selbst den Priestern und den Oberhäuptern der Priester Lebensregeln und sagt, dass sie nicht vielem Wein verfallen, sondern nüchtern sein sollen.b Die Nüchternheit aber ist die Mutter aller Tugenden, so wie im Gegenteil die Trunkenheit die Mutter aller Laster ist.255 Offen nämlich verkündete der Apostel: „Wein, in dem Genusssucht ist“,c um zu zeigen, dass aus der Trunkenheit wie als erstgeborene Tochter die Genusssucht geboren wird. Dann legt ferner auch der Erlöser mit der Autorität eines Herrn und Königs für die Priester und zugleich für das Volk Gesetze und Rechte fest: „Gebt acht“, sagt er, „dass nicht etwa eure Herzen in Trunkenheit und Rausch und in den Sorgen der Welt schwer werden und ein plötzlicher Untergang über euch kommt.“ d Ihr habt die Verfügung des ewigen Königs gehört und das beklagenswerte Ende der Trunkenheit beziehungsweise des Rausches gelernt. Wenn ein erfahrener und weiser Arzt256 euch mit eben diesen Worten vorschreiben würde: Nehmt euch in Acht, dass nicht jemand, zum Beispiel, vom Saft dieses oder jenes Krautes zu gierig nimmt; wenn er es aber macht, ereilt ihn sofort der Untergang: Ich zweifle nicht, dass jeder in Erwägung des eigenen Heils die Vorschriften des mahnenden Arztes bewahren würde. Nun hingegen befiehlt der Arzt der Seelen und der Körper257 und zugleich der Herr, das Kraut der Trunkenheit und des Rausches zu meiden und ebenso auch sich vor den weltlichen Sorgen wie vor todbringenden Säften zu hüten. Und ich weiß nicht, ob einer von uns nicht von diesen verzehrt, um nicht zu sagen, verwundet wird. Die Trunkenheit vom Wein ist also in allem verderblich; denn sie ist das einzige, was zugleich mit dem Körper auch die Seele schwach macht.258 Denn bei den übrigen Dingen kann es geschehen, gemäß dem Apostel, wenn der Körper geschwächt wird, dass dann der Geist mächtiger wird,e und sobald „der Mensch, der außen ist, zugrunde geht, der, der innen ist, erneuert wird“.f In der Krankheit der Trunkenheit hingegen gehen zugleich der Körper und die Seele zugrunde, der Geist wird in gleicher Weise mit dem Fleisch geschädigt. Alle Glieder sind schwach, die Füße, die Hände, die Zunge wird gelöst;259 Dunkelheit verschleiert die Augen, Vergessen den Verstand, sodass er weder weiß noch wahrnimmt, dass er ein Mensch ist. 259 Vgl. Philon, ebd. 131 (II p. 195); plant. 160 (II p. 165 Cohn/Wendland): „… denn

die Heutigen trinken bis zu körperlicher und seelischer Erschlaffung“; Übersetzung: Cohn, Philo Werke IV, 183; Clemens von Alexandria, paid. II 24,1 (GCS Clem. Al. 13, 170).

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sentiat. Habet ergo istud primo dedecoris corporalis ebrietas. Iam uero si discutiamus, quot modis mens inebriatur humana, inueniemus ebrios etiam eos, qui sibi sobrii uidentur. Iracundia inebriat animam, furor uero eam plus quam ebriam facit, si quid tamen esse ebrietate amplius potest. Cupiditas et auaritia non solum ebrium, sed et rabidum hominem reddunt. Et obscoenae concupiscentiae inebriant animam, sicut e contrario et sanctae concupiscentiae inebriant eam, sed ebrietate sancta illa, de qua dicebat quidam sanctorum: „Et poculum tuum inebrians quam praeclarum est!“a Sed postmodum de ebrietatis diuersitate uidebimus; nunc interim uide quanta sunt, quae inebriant animam: Et formido inebriat eam et uana | suspicio; inuidia autem et liuor supra omnem ebrietatem macerant eam. Sed enumerari non possunt, quanta sunt, quae infelicem animam uitio ebrietatis afficiant. Nunc interim de sacerdotibus uideamus, quos accedentes ad altare uino lex praecipit abstinere.b Et quidem quantum ad historicum pertinet praeceptum, sufficiant ista quae dicta sunt. Quantum autem ad intelligentiam mysticam spectat, in superioribus nostra tenetur professio quod secundum auctoritatem Pauli apostoli Dominus et Saluator noster „futurorum bonorum pontifex“ c dicitur. Ipse est ergo Aaron, filii uero eius apostoli eius sunt, ad quos ipse dicebat: „Filioli, adhuc modicum uobiscum sum.“ d Quid ergo praecepit lex Aaron et filiis eius? Vt uinum et siceram non bibant cum acce­ dunt ad altare.eVideamus, quomodo id uero pontifici Iesu Christo Domino nostro et sacerdotibus eius ac filiis, nostris uero apostolis, possimus aptare. Et perspiciendum primo est, quomodo prius quidem quam accedat ad altare uerus hic pontifex cum sacerdotibus suis bibit uinum; cum uero incipit accedere ad altare et ingredi in tabernaculum testimonii, abstinet uino. Putas possumus inuenire tale aliquid ab eo gestum? Putas possumus ueteris instrumenti formas noui testamenti gestis et sermonibus coaptare? Possumus, si nos ipsum Dei Verbum et iuuare et inspirare dignetur. Quaerimus ergo, quomodo Dominus et Saluator noster, qui est uerus pontifex, cum discipulis suis, qui sunt ueri sacerdotes, antequam accedat ad altare Dei, bibat uinum, cum uero accedere coeperit, non bibat.Venerat in hunc mundum Saluator, ut pro peccaa

Ps. 22(23),5

b

Vgl. Lev. 10,9

c

Hebr. 9,11

d

Joh. 13,33

e

Vgl. Lev. 10,9

260 Zur „heiligen Trunkenheit“ vgl. z.  B. Philon, ebr. 145f. (II p. 198 Cohn/Wendland):

Hanna in 1 Sam. 1,14f.; fug. 166 (III p. 146 Cohn/Wendland); leg. all. I 84 (I p. 83 Cohn/Wendland); vit. Mos. I 187 (IV p. 165 Cohn/Wendland); Origenes, in Ioh. comm. I 30,205f. (GCS Orig. 4, 37). Siehe dazu Crouzel, Connaissance mystique 184–191. 261 Origenes bezieht diese Vorschrift auch auf die christlichen Bischöfe und erweitert sie über den Wein hinaus; vgl. sel. in Lev. 10,9 (PG 12, 400C): „Denn die Bischöfe, die für das Volk beten, müssen sich von der Trunkenheit abkehren, nicht nur der vom Wein stammenden, sondern auch der von den menschlichen Angelegenheiten und Überlegungen.“

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Die Trunkenheit beinhaltet also zuerst die körperliche Schande. Wenn wir hingegen nun untersuchen, auf wie viele Weisen der menschliche Verstand betrunken gemacht wird, werden wir auch diejenigen betrunken vorfinden, die sich für nüchtern ansehen. Zorn macht die Seele trunken, Wut hingegen macht sie noch mehr als betrunken, wenn es denn etwas geben kann, das mehr als Trunkenheit ist. Begehren und Habgier machen einen Menschen nicht nur betrunken, sondern auch rasend. Und unsittliche Begierden machen die Seele trunken, so wie im Gegensatz dazu auch heilige Begierden sie trunken machen, doch mit jener heiligen Trunkenheit, über die einer von den Heiligen sagte: „Und dein Becher, der trunken macht, wie vorzüglich ist er!“a  260 Wir werden jedoch bald etwas von der Unterschiedlichkeit der Trunkenheit sehen; nun einstweilen sieh, wie viele Dinge es sind, die die Seele trunken machen: Schrecken und leerer Verdacht machen sie trunken; Missgunst aber und Neid zermürben sie über alle Trunkenheit hinaus. Doch man kann nicht aufzählen, wie viel es ist, was die unglückliche Seele durch das Laster der Trunkenheit befällt. Nun wollen wir einstweilen die Sache über die Priester ansehen, denen das Gesetz vorschreibt, sich, wenn sie zum Altar hintreten, vom Wein zu enthalten.b 261 Und soweit es sich auf die historische Vorschrift bezieht, möge das genügen, was gesagt wurde. Soweit es aber auf das mystische Verständnis zielt, findet sich im Vorhergehenden unsere Äußerung, dass gemäß der Autorität des Apostels Paulus unser Herr und Erlöser „Hohepriester der künftigen Güter“ c genannt wird. Er selbst ist also Aaron, seine Söhne hingegen sind seine Apostel, zu denen er sagte: „Meine Söhne, noch ein wenig bin ich mit euch.“ d Was also schrieb das Gesetz Aaron und seinen Söhnen vor?262 Dass sie Wein und berauschendes Getränk nicht trinken sollen, wenn sie zum Altar hintreten.e Wir wollen sehen, wie wir das hingegen auf den Hohepriester Jesus Christus, unseren Herrn, und seine Priester und Söhne, unsere Apostel aber, anpassen können. Und als erstes ist zu erkennen, wie dieser wahre Hohepriester, bevor er zum Altar hintritt, mit seinen Priestern Wein trinkt; wenn er hingegen beginnt, zum Altar hinzutreten und in das Bundeszelt einzutreten, enthält er sich vom Wein. Glaubst du, wir können eine solche Handlung von ihm finden? Glaubst du, wir können die Sinnbilder des Alten Testaments den Handlungen und Worten des Neuen Testaments anpassen? Wir können es, wenn das Wort Gottes selbst uns würdigt, uns zu helfen und zu inspirieren. Wir fragen also, wie unser Herr und Erlöser, der der wahre Hohepriester ist, mit seinen Jüngern, die wahre Priester sind, bevor er zum Altar hintritt, Wein trinkt, wenn er hingegen hinzutreten beginnt, nicht trinkt. Der Erlöser war in diese Welt gekommen, damit er für unsere Sünden sein Fleisch als Opfer 262 Borret, SC 286, 304, ändert hier den Text von quid in quod und übersetzt dement-

sprechend als Feststellung und nicht als Frage. Baehrens, GCS Orig. 6, 373, vermerkt diese Variante im kritischen Apparat.

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tis nostris carnem suam offerret hostiam Deo.a Hanc priusquam offerret, inter dispensationum moras uinum bibebat. Denique dicebatur „homo uorax et uini potator, amicus publicanorum et peccatorum“.b Vbi uero tempus aduenit crucis suae et accessurus erat ad altare, ubi immolaret hostiam carnis suae: „Accipiens“ inquit „calicem benedixit et dedit discipulis suis dicens: Accipite, et bibite ex hoc.“ cVos, inquit, bibite, qui modo accessuri non estis ad altare. Ipse autem tamquam accessurus ad altare dicit de se: | „Amen dico uobis quia non bibam de generatione uitis huius, usquequo bibam illud uobiscum nouum in regno patris mei.“ d Si quis uestrum auribus ad audiendum purificatis accedit, ineffabilis mysterii intueatur arcanum. Quid est quod dicit „quia non bibam ex generatione uitis huius, usquequo bibam illud uobiscum nouum in regno patris mei“? Dicebamus in superioribus promissionem sanctis bonae huius ebrietatis datam, cum dicunt: „Et poculum tuum inebrians, quam praeclarum est!“ e Sed et in aliis multis scripturae locis similia legimus, ut ibi: „Inebriabuntur ab ubertate domus tuae, et torrentem uoluptatis tuae potum dabis illis.“ f In Ieremia quoque dicit Dominus: „Et inebriabo populum meum.“ g Et Esaias dicit: „Ecce, qui seruiunt mihi bibent, uos autem sitietis.“ h Et multa de huiuscemodi ebrietate in scripturis diuinis inuenies memorari. Quae ebrietas sine dubio pro gaudio animae et laetitia mentis accipitur, sicut et alibi distinxisse nos memini aliud esse nocte inebriari et aliud die inebriari. 2. Si ergo intelleximus, sanctorum quae sit ebrietas, et quomodo haec pro laetitia sanctis in promissionibus datur, uideamus nunc, quomodo Saluator noster non bibit uinum, usquequo bibat illud cum sanctis nouum in regno Dei.i Saluator meus luget etiam nunc peccata mea. Saluator meus laetari non potest, donec ego in iniquitate permaneo. Quare non potest? Quia ipse est aduocatus pro peccatis nostris apud patrem, sicut Iohannes symmista eius pronuntiat dicens quia „et si quis peccauerit, aduocatum habemus apud patrem Iesum Christum iustum; et ipse est repropitiatio pro peccatis no­stris“.j Quomodo ergo potest ille, qui aduocatus est pro peccatis meis, bibere uinum laetitiae, quem ego peccando contristo? Quomodo potest iste, qui accedit a

Vgl. Eph. 5,2; Gal. 1,4 bMt. 11,19 cMt. 26,27 dMt. 26,29 Ps. 35(36),9 gVgl. Jer. 38(31),14 hJes. 65,13 iVgl. Mt. 26,29

f

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Ps. 22(23),5 1 Joh. 2,1f.

j

263 Vgl. Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 723): „Es gibt nämlich auch einen lobenswer-

ten Trank, der sozusagen auf beste Weise trunken macht, und im Buch Jeremia heißt es: ‚Trunken machte ich jede dürstende Seele‘ (vgl. Jer. 38[31],14).“ 264 In den erhaltenen Schriften des Origenes ist die Stelle, auf die er hier verweist, nicht zu finden. 265 Hier wird die Einheit der Gläubigen als Glieder des Leibes Christi mit Christus betont. Christus als Haupt des Leibes kann sich nicht freuen, solange eines der Glieder seines Leibes in Sünde ist. Vgl. Crouzel, Connaissance mystique 190: „Origène parle, comme souvent, de façon symbolique et hyperbolique: il souligne un aspect

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Gott darbringt.a Bevor er dieses darbrachte, trank er in dem Zeitraum der Heilsvermittlung Wein. Schließlich wurde er „ein gefräßiger Mensch und Weintrinker, ein Freund der Zöllner und Sünder“ b genannt. Sobald hingegen die Zeit seines Kreuzes kam und er dabei war, zum Altar hinzutreten, wo er sein Fleisch als Opfer darbrachte, „nahm er“, heißt es, „den Kelch, segnete ihn und gab ihn seinen Jüngern und sagte: Nehmt und trinkt daraus!“ c Ihr, heißt es, trinkt, die ihr gerade nicht dabei seid, zum Altar hinzutreten. Er aber, der gleichsam dabei war, zum Altar hinzutreten, sagt über sich: „Amen, ich sage euch, dass ich nicht vom Erzeugnis dieses Weinstocks trinken werde, bis ich es mit euch von Neuem im Reich meines Vaters trinken werde.“ dWenn einer von euch mit Ohren, die zum Hören gereinigt sind, hinzutritt, soll er das Geheimnis des unaussprechlichen Mysteriums schauen. Was bedeutet es, dass er sagt, „dass ich nicht vom Erzeugnis dieses Weinstocks trinken werde, bis ich es mit euch von Neuem im Reich meines Vaters trinken werde“? Wir haben im Vorhergehenden die den Heiligen gegebene Verheißung dieser guten Trunkenheit erwähnt, wenn es heißt: „Und dein Becher, der trunken macht, wie vorzüglich ist er!“ e Doch auch an vielen anderen Stellen der Schriften lesen wir das Gleiche, wie dort: „Sie werden trunken werden von der Fülle deines Hauses, und den Bach deiner Freude wirst du ihnen als Trank geben.“ f Auch bei Jeremia sagt der Herr: „Und ich werde mein Volk trunken machen.“ g Und Jesaja sagt: „Siehe, die mir dienen, werden trinken, ihr aber werdet durstig sein.“ h 263 Und du wirst vieles über die Trunkenheit dieser Art in den göttlichen Schriften erwähnt finden. Diese Trunkenheit wird ohne Zweifel als Freude der Seele und Fröhlichkeit des Geistes aufgefasst, so wie ich mich erinnere, dass wir auch anderswo unterschieden haben zwischen der Trunkenheit in der Nacht und der Trunkenheit am Tag.264 2. Wenn wir also verstanden haben, was die Trunkenheit der Heiligen ist und wie diese für die Fröhlichkeit den Heiligen in den Verheißungen gegeben wird, wollen wir nun sehen, wie unser Erlöser keinen Wein trinkt, bis er ihn mit den Heiligen von Neuem im Reich Gottes trinken wird.i Mein Erlöser betrauert auch jetzt meine Sünden.265 Mein Erlöser kann sich nicht freuen, solange ich im Unrecht verbleibe.Warum kann er nicht? Weil er selbst der Beistand für unsere Sünden beim Vater ist, wie sein Miteingeweihter266 Johannes verkündet: „Und wenn jemand sündigt, haben wir beim Vater als Beistand den gerechten Jesus Christus; und er selbst ist die Sühne für unsere Sünden.“ j Wie also kann der, der Beistand für meine Sünden ist, den ich durch das Sündigen betrübe, den Wein der Fröhlichkeit trinken? Wie kann profond de la réalité, l’unité du Corps du Christ, sans d’équilibrer par les affirmations complémentaires.“ 266 Der Begriff symmista (συμμύστης) ist eines der seltenen Beispiele für Mysterienterminologie bei Origenes. Es meint den in die Mysterien „Miteingeweihten“, der wie der Evangelist Johannes Zugang zu den Mysterien Gottes hat.

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| ad altare, ut repropitiet me peccatorem, esse in laetitia, ad quem peccatorum meorum maeror semper adscendit? „Vobiscum“ inquit „illud bibam in regno patris mei.“a Quamdiu nos non ita agimus, ut adscendamus ad regnum, non potest ille uinum bibere solus, quod nobiscum se bibere promisit. Est ergo tamdiu in maerore, quamdiu nos persistimus in errore. Si enim apostolus ipsius „luget quosdam, qui ante peccauerunt et non egerunt poenitentiam in his, quae gesserunt“,b quid dicam de ipso, qui „filius“ dicitur „caritatis“,c qui „semet ipsum exinaniuit“ d propter caritatem, quam habebat erga nos et „non quaesiuit quae sua sunt“,e cum „esset aequalis Deo“,f sed quaesiuit, quae nostra sunt, et propter hoc euacuauit se? Cum ergo ita, quae nostra sunt, quaesierit, nunc iam nos non quaerit nec quae nostra sunt cogitat nec de erroribus nostris maeret nec perditiones nostras et contritiones deflet, qui fleuit super Ierusalem et dixit ad eam: „Quotiens uolui congregare filios tuos, sicut gallina congregat pullos suos, et noluisti?“ g Qui ergo uulnera nostra suscepit et propter nos doluit tamquam animarum et corporum medicus, modo uulnerum nostrorum putredines negligit? „Computruerunt“ enim, ut ait propheta, „et corruptae sunt cicatrices nostrae a facie insipientiae ­nostrae.“ h Pro his ergo omnibus adsistit „nunc uultui Dei“ i „interpellans pro nobis“,j adsistit altari, ut repropitiationem pro nobis offerat Deo; et ideo dicebat tamquam accessurus ad istud altare: „Quia iam non bibam de generatione uitis huius, donec bibam illud uobiscum nouum.“ k Exspectat ergo, ut conuer­ tamur, ut ipsius imitemur exemplum, ut sequamur uestigia eius et laetetur nobiscum et bibat uinum nobiscum in regno patris sui. Nunc enim quia „misericors est et miserator Dominus“,l maiore affectu ipse quam apostolus suus flet „cum flentibus“ et cupit „gaudere cum gaudentibus“.m Et multo magis ipse luget eos, „qui ante peccauerunt et non egerunt poenitentiam“.n Neque enim putandum est quod Paulus quidem lugeat pro peccatoribus et fleat pro delinquentibus, Dominus autem meus | Iesus abstineat fletu, cum accedit ad patrem, cum adsistit altari et repropitiationem pro nobis offert; et hoc est accedentem ad altare non bibere uinum laetitiae, quia adhuc peccatorum nostrorum amaritudines patitur. Non uult ergo solus in regno Dei bibere uinum; nos exspectat; sic enim dixit: „donec bibam illud uobiscum“.o Nos sumus igitur, qui uitam nostram negligentes laetitiam illius demoramur. Exspectat nos, ut bibat de generatione uitis huius. Cuius uitis? Illius, cuius ipse erat figura: „Ego sum uitis, uos palmites.“ pVnde et dicit quia: „Sanguis a

Mt. 26,29 b2 Kor. 12,21 cKol. 1,13 dPhil. 2,7 e1 Kor. 13,5 f Phil. 2,6 Mt. 23,37 hPs. 37(38),6 i Hebr. 9,24 j Hebr. 7,25 kMt. 26,29 l Ps. 102(103),8 m Röm. 12,15 n2 Kor. 12,21 oMt. 26,29 pJoh. 15,5 g

267 Vgl. oben in Lev. hom. 7,1 (GCS Orig. 6, 372) und dazu S. 228 Anm. 257. 268 Zu dieser Anrede siehe oben S. 168 Anm. 162.

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der, der zum Altar hintritt, damit er mich als Sünder versühnt, in Fröhlichkeit sein, zu dem immer die Betrübnis über meine Sünden hinaufsteigt? „Mit euch“, sagt er, „werde ich ihn im Reich meines Vaters trinken.“a Solange wir nicht so handeln, dass wir zum Reich hinaufsteigen, kann er den Wein nicht allein trinken, den mit uns zu trinken er verheißen hat. Er ist also so lange in Betrübnis, solange wir im Irrtum verharren. Denn wenn sein Apostel „über manche trauert, die vorher sündigten und nicht Buße für das taten, was sie getan haben“,b was soll ich über ihn selbst sagen, der „Sohn der Liebe“ c genannt wird, der „sich selbst entäußerte“ d wegen der Liebe, die er gegenüber uns hatte und die „nicht suchte, was das Ihre ist“,e obwohl „er Gott gleich war“,f sondern suchte, was das Unsere ist, und sich deswegen entäußerte? Wenn er also so, was das Unsere ist, suchte, sucht er uns jetzt nicht mehr und denkt nicht, was das Unsere ist, und ist nicht betrübt über unsere Irrtümer und weint nicht über unser Verderben und unsere Zerknirschung, der über Jerusalem weinte und zu ihr sagte: „Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, wie ein Henne ihre Küken sammelt, und du wolltest nicht?“ g Der also unsere Wunden auf sich nahm und wegen uns Schmerzen empfand wie als Arzt der Seelen und der Körper,267 der sollte nun die Fäulnis unserer Wunden vernachlässigen? „Es faulten“ nämlich, wie der Prophet sagt, „und sind verdorben unsere Verwundungen angesichts unserer Torheit.“ h Für alle diese also stellt er sich „nun vor das Angesicht Gottes hin“ i und „tritt für uns ein“,j er stellt sich zum Altar hin, um Gott für uns Sühne darzubringen; und deshalb sagte er, als er gleichsam dabei war, zu diesem Altar hinzutreten, „dass ich nicht mehr vom Erzeugnis dieses Weinstocks trinken werde, bis ich es mit euch von Neuem trinken werde.“ k Er erwartet also, dass wir uns bekehren, dass wir sein Beispiel nachahmen, dass wir seinen Spuren folgen und er mit uns fröhlich sein und Wein mit uns trinken wird im Reich seines Vaters.Weil nämlich „der Herr barmherzig und ein Erbarmer ist“,l weint er selbst nun mit größerer Zuneigung als sein Apostel „mit den Weinenden“ und wünscht, sich „zu freuen mit den sich Freuenden“.m Und viel mehr trauert er selbst über die, „die vorher sündigten und nicht Buße taten“.n Denn man darf nicht glauben, dass Paulus zwar für die Sünder trauert und für die Schuldigen weint, sich mein Herr Jesus268 aber vom Weinen enthält, wenn er zum Vater hintritt, wenn er sich zum Altar hinstellt und Sühne für uns darbringt; und das heißt, wenn er zum Altar hintritt, trinkt er nicht den Wein der Fröhlichkeit, weil er bis jetzt an den Bitterkeiten unserer Sünden leidet. Er will also nicht allein im Reich Gottes Wein trinken; er erwartet uns; denn so sagte er: „bis ich ihn mit euch trinken werde.“ o Daher sind wir es, die, weil wir unser Leben vernachlässigen, seine Fröhlichkeit verzögern. Er erwartet uns, um „das Erzeugnis dieses Weinstocks“ zu trinken. Welches Weinstocks? Jenes, von dem er selbst das Bild war: „Ich bin der Weinstock, ihr die Reben.“ p Daher sagt er auch: „Mein Blut ist wahrlich ein Trank,

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meus uere potus est, et caro mea uere cibus est.“a Vere enim „in sanguine uuae lauit stolam suam“.b Quid ergo est? Exspectat laetitiam. Quando exspectat? Cum consummauero, inquit, opus tuum.c Quando consummat hoc opus? Quando me, qui sum ultimus et nequior omnium peccatorum, consummatum fecerit et perfectum, tunc consummat opus eius; nunc enim adhuc imperfectum est opus eius, donec ego maneo imperfectus. Denique donec ego non sum subditus patri, nec ipse dicitur patri esse subiectus.d Non quo ipse subiectione indigeat apud patrem, sed pro me, in quo opus suum nondum consummauit, ipse dicitur non esse subiectus; sic enim legimus, quoniam „corpus sumus Christi et membra ex parte“.e Quid autem est, quod dixit ex parte, uideamus. Ego nunc, uerbi gratia, subiectus sum Deo secundum spiritum, hoc est proposito et uoluntate; sed quamdiu in me „caro concupiscit aduersus spiritum et spiritus aduersus carnem“ f et nondum potui subicere carnem spiritui, subiectus quidem sum Deo, uerum non ex integro, sed ex parte. Si autem potuero etiam carnem meam et omnia membra mea in consonantiam spiritus trahere, tunc perfecte uidebor esse subiectus. Si intellexisti, quid sit ex parte et quid sit ex integro esse subiectum, redi nunc et ad id, quod de subiectione Domini proposuimus, et uide quia, cum omnes corpus ipsius et membra esse dicamur, donec sunt aliqui in nobis, qui nondum per|fecta subiectione subiecti sunt, ipse dicitur non esse subiectus. Cum uero consummauerit opus suum et uniuersam creaturam suam ad summam perfectionis adduxerit, tunc ipse dicitur subiectus in his, quos subdidit patri, et in quibus opus, quod ei pater dederat, consummauit,g „ut sit Deus omnia in omnibus“.h Verum haec quorsum spectant? Vt intelligeremus id, quod supra tractauimus, quomodo non bibit uinum uel quomodo bibit; bibit, antequam intraret in tabernaculum, antequam accederet ad altare; non bibit autem nunc, quia adsistit altari et luget peccata mea; et rursum bibet post haec, cum subiecta ei fuerint omnia et saluatis omnibus ac destructa morte peccati ultra iam necessarium non erit offerre hostias pro peccato.Tunc enim erit gaudium et laetitia a

Joh. 6,55 bGen. 49,11 cVgl. Joh. 17,4 Vgl. Joh. 17,4 h1 Kor. 15,28

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Vgl. 1 Kor. 15,28

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1 Kor. 12,27

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Gal. 5,17

269 Vgl. princ. III 5,6f. (GCS Orig. 5, 277f.): „Und da er nicht nur gekommen war, die

Ordnung des Lenkens und Herrschens wiederherzustellen, sondern, wie gesagt, auch die des Gehorchens, hat er zunächst in sich selbst erfüllt, was er von anderen erfüllt sehen wollte, und ist deshalb dem Vater ‚gehorsam geworden bis zum Tod am Kreuze‘ (vgl. Phil. 2,8); ja noch mehr: bei der Vollendung der Welt umfasst er in sich alle die, die er ‚dem Vater unterwirft‘ (vgl. 1 Kor. 15,28) und die durch ihn zum Heil kommen, und heißt darum selber mit ihnen und in ihnen ‚dem Vater unterworfen‘ (vgl. 1 Kor. 15,28). Denn ‚in ihm besteht alles, und er ist das Haupt‘ von allem, und ‚in ihm‘ ist ‚die Fülle‘ derer, die das Heil erlangen (vgl. Kol. 1,17–19; Eph. 1,22f.). … Sie (sc. gewisse Irrgläubige) verstehen nicht, dass die Unterwerfung Christi unter den Vater die Seligkeit unserer Vollendung darstellt und den Erfolg des von ihm unternommenen Werkes, bei dem er nicht nur alles Lenken und Herrschen in der gesamten Schöpfung

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und mein Fleisch ist wahrlich eine Speise.“a Wahrlich nämlich „wäscht er sein Obergewand im Blut der Traube“.b Was heißt das also? Er erwartet die Fröhlichkeit. Wann erwartet er sie? Wenn ich, heißt es, dein Werk vollendet haben werde.c Wann vollendet er dieses Werk? Wenn er mich, der ich der niedrigste und nichtswürdiger als alle Sünder bin, vollendet und vollkommen gemacht hat, dann vollendet er sein Werk; denn jetzt ist sein Werk noch unvollkommen, solange ich unvollkommen bleibe. Solange ich schließlich nicht dem Vater unterworfen bin, wird auch von ihm selbst nicht gesagt, dass er dem Vater unterworfen ist.d Nicht weil er selbst dieser Unterwerfung beim Vater bedürfte, sondern für mich, in dem er sein Werk noch nicht vollendet hat, wird von ihm gesagt, dass er nicht unterworfen ist;269 denn so lesen wir, dass „wir der Leib Christi und teilweise Glieder sind“.eWas es aber bedeutet, dass er „teilweise“ gesagt hat, wollen wir sehen. Ich zum Beispiel bin nun Gott gemäß dem Geist unterworfen, das heißt durch Vorsatz und Willen; solange jedoch in mir „das Fleisch gegen den Geist begehrt und der Geist gegen das Fleisch“ f und ich noch nicht das Fleisch dem Geist unterwerfen konnte, bin ich zwar Gott unterworfen, aber nicht gänzlich, sondern teilweise. Wenn ich aber mein Fleisch und alle meine Glieder in Übereinstimmung mit dem Geist habe bringen können, dann werde ich als vollkommen unterworfen erscheinen. Wenn du verstanden hast, was teilweise und was gänzlich unterworfen zu sein bedeutet, kehr nun auch zu dem zurück, was wir über die Unterwerfung des Herrn dargelegt haben, und sieh: Weil wir alle sein Körper und seine Glieder sind, wie es heißt, wird von ihm selbst, solange einige unter uns sind, die noch nicht in vollkommener Unterwerfung unterworfen sind, gesagt, dass er nicht unterworfen ist. Wenn er hingegen sein Werk vollendet hat und seine gesamte Schöpfung zur höchsten Vollkommenheit geführt hat, dann wird auch er selbst unterworfen genannt in denen, die er dem Vater unterworfen hat und in denen er das Werk, das der Vater ihm gegeben hatte, vollendet hat,g „damit Gott alles in allem ist“.h 270 Worauf aber zielt das ab? Damit wir das verstehen, was wir vorher behandelt haben, wie er nicht Wein trinkt und wie er trinkt; er trinkt, bevor er in das Zelt eintritt, bevor er zum Altar hinzutritt; er trinkt aber nun nicht, weil er vor dem Altar haltmacht und meine Sünde betrauert; und er wird danach wieder trinken, wenn ihm alles unterworfen ist und, nachdem alle erlöst wurden und der Tod der Sünde vernichtet ist, es nicht mehr länger notwendig sein wird, Opfer für die Sünde darzubringen. Denn dann wird Freude und Fröhlichkeit wiederhergestellt hat, sondern auch die Verhältnisse von Gehorsam und Unterwerfung im Menschengeschlecht erneuert hat und dann (beides) dem Vater darbringt.“ Übersetzung: p. 637–639 Görgemanns/Karpp. 270 Zu dieser universalen Erlösung, die erst dann vollendet sein wird, wenn alle Menschen und sogar die gesamte Schöpfung, also im umfassenden Sinne „alles“ wieder zu Gott zurückgekehrt ist, siehe Schendel, Herrschaft und Unterwerfung Christi 80–110; Fürst, Art. Origenes 549–554.

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et tunc „exsultabunt ossa humiliata“a et implebitur illud, quod scriptum est: „Aufugit dolor et tristitia et gemitus.“ b Sed et illud non omittamus, quod non solum de Aaron dicitur, ut non bibat uinum, sed et de filiis eius, cum ingrediuntur ad sancta.c Nondum enim receperunt laetitiam suam ne apostoli quidem, sed et ipsi exspectant, ut et ego laetitiae eorum particeps fiam. Neque enim discedentes hinc sancti continuo integra meritorum suorum praemia consequuntur; sed exspectant etiam nos, licet morantes, licet desides. Non enim est illis perfecta laetitia, donec pro erroribus nostris dolent et lugent nostra peccata.d Hoc fortasse mihi dicenti non credas; quis enim ego sum, qui confirmare sententiam tanti dogmatis audeam? Sed adhibeo horum testem, de quo non potes dubitare: „Magister“ enim „gentium“ est „in fide et ueritate“ e apostolus Paulus. Ipse igitur ad Hebraeos scribens, cum enumerasset omnes sanctos patres, qui per fidem iustificati sunt, addit post omnia etiam hoc: „Sed isti“ inquit „omnes testimonium habentes per fidem | nondum adsecuti sunt repromissionem, Deo pro nobis melius aliquid prouidente, uti ne sine nobis perfectionem consequerentur.“ f Vides ergo quia exspectat adhuc Abraham, ut, quae perfecta sunt, consequatur. Exspectat et Isaac et Iacob et omnes prophetae exspectant nos, ut nobiscum perfectam beatitudinem capiant. Propter hoc ergo etiam mysterium illud in ultimam diem dilati iudicii custoditur.Vnum enim corpus est, quod iustificari exspectatur; unum corpus est, quod resurgere dicitur in iudicio.g „Licet enim sint multa membra, sed unum corpus; non potest dicere oculus manui: Non es mihi necessaria.“ h Etiam si sanus sit oculus et non sit turbatus, quantum pertinet ad uidendum, si desint ei reliqua membra, quae erit oculo laetitia? Aut quae uidebitur esse perfectio, si manus non habeat, si pedes desint aut reliqua membra non adsint? Quia et si est praecellens aliqua oculi gloria, in eo maxime est, ut uel ipse dux sit corporis uel ceterorum membrorum non deseratur officiis. Hoc autem nos et per illam Ezechiel prophetae uisionem doceri puto, cum dicit congregandum esse os ad os, et iuncturam ad iuncturam et neruos a f

Ps. 50(51),10 Hebr. 11,39f.

b

Jes. 35,10 cVgl. Lev. 10,9 dVgl. 2 Kor. 12,21 Vgl. Röm. 12,5 h1 Kor. 12,20f.

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1 Tim. 2,7

271 Mit diesem Jesajavers formuliert Origenes auch in princ. I 8,3 (GCS Orig. 5, 101) die

Zielperspektive seiner Soteriologie: „Denn die Güte Gottes ermuntert, wie es seinem Wesen entspricht, und lockt alles hin zu dem seligen Ende, wo dahinfällt und ‚flieht Schmerz und Trauer und Seufzen‘ (Jes. 35,10).“ Übersetzung: p. 259 Görgemanns/ Karpp. 272 In Ios. hom. 7,6 (GCS Orig. 7, 333) ermahnt Origenes die Priester zu Sorge für die Mitglieder der Gemeinde und zu Festigkeit: „Und sie sollen nicht glauben, dass sie zu Recht sagen: Wenn ein anderer schlecht handelt, was betrifft das mich? Das ist, wie wenn der Kopf zu den Füßen sagt: Was betrifft es mich, wenn meine Füße schmerzen, wenn es ihnen schlecht geht? … So etwas ist es also, was die machen, die den Kirchen vorstehen und nicht bedenken, dass wir alle, die glauben, ein Leib sind, einen

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sein und dann „werden die erniedrigten Knochen jubeln“a und es wird erfüllt werden, was geschrieben steht: „Schmerz und Traurigkeit und Seufzen entfliehen.“ b 271 Wir wollen jedoch auch nicht übergehen, dass nicht nur über Aaron gesagt wird, dass er keinen Wein trinken soll, sondern auch über seine Söhne, wenn sie in das Heiligtum eintreten.c Denn auch die Apostel haben ihre Fröhlichkeit noch nicht empfangen, sondern auch sie erwarten, dass auch ich Teilhaber an ihrer Fröhlichkeit werde. Denn auch die Heiligen erlangen nicht sofort, wenn sie von hier scheiden, die ungeschmälerten Belohnungen ihrer Verdienste, sondern sie erwarten uns auch, auch wenn wir zögern, auch wenn wir träge sind. Denn es gibt für sie keine vollkommene Fröhlichkeit, solange sie für unsere Irrtümer Schmerz empfinden und unsere Sünden betrauern.d Das glaubst du vielleicht mir, wenn ich es sage, nicht; denn wer bin ich, dass ich es wage, die Äußerung einer so wichtigen Lehre zu bestätigen? Ich ziehe jedoch einen Zeugen von denen heran, an dem du nicht zweifeln kannst: Denn „der Lehrer der Völker“ ist „in Glauben und Wahrheit“ e der Apostel Paulus. Dieser also fügt im Brief an die Hebräer, nachdem er alle heiligen Väter aufgezählt hatte, die durch den Glauben gerechtfertigt sind, nach allem auch das hinzu: „Diese alle jedoch“, sagt er, „die durch den Glauben das Zeugnis haben, haben noch nicht die Verheißung erlangt, weil Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat, dass sie nämlich nicht ohne uns die Vollendung erlangen.“ f Du siehst also, dass Abraham bis jetzt erwartet, dass er das, was vollkommen ist, erlangt. Es erwartet auch Isaak und Jakob und alle Propheten erwarten uns, dass sie mit uns die vollkommene Seligkeit ergreifen. Deshalb also wird auch jenes Mysterium des auf den letzten Tag verschobenen Gerichts bewahrt. Denn ein Leib ist es, von dem erwartet wird, dass er gerechtfertigt wird; ein Leib ist es, von dem gesagt wird, dass er im Gericht aufersteht.g „Denn obgleich es viele Glieder gibt, gibt es doch nur einen Leib; das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich habe dich nicht nötig.“ h Auch wenn das Auge gesund und nicht gestört ist, soweit es sich auf das Sehen bezieht, wenn ihm die übrigen Glieder fehlen, welche Fröhlichkeit wird das Auge haben? Oder welche Vollkommenheit wird sich zeigen, wenn es die Hand nicht hat, wenn die Füße fehlen oder die übrigen Glieder nicht da sind? Denn auch wenn es eine gewisse hervorragende Herrlichkeit des Auges gibt, liegt sie am meisten darin, dass es entweder selbst Anführer des Körpers ist oder von den Diensten der übrigen Glieder nicht im Stich gelassen wird.272 Ich glaube aber, dass wir das auch durch jene Vision des Propheten Ezechiel gelehrt werden, wenn er sagt: Verbinden sollen sich Knochen an Knochen, und Gelenk an Gelenk und Nerven,Venen und Haut und die einzelnen Gott haben, … Christus, an dessen Körper du, der du der Kirche vorstehst, das Auge bist, weshalb du auf alles umherschauen, alles ringsum beleuchten, sogar das Künftige vorhersehen sollst.“

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et uenas et pellem ac singula locis suis esse reparanda.a Denique uide, quid addit propheta: „Ossa“ inquit „ista“ (non dixit: omnes homines sunt, sed dixit: „ossa ista“) „domus Istrahel sunt.“ b Habebis ergo laetitiam de hac uita discedens, si fueris sanctus. Sed tunc erit plena laetitia, cum nullum tibi membrum corporis deest. Exspectabis enim et tu alios, sicut et ipse exspectatus es. Quod si tibi, qui membrum es, non uidetur esse perfecta laetitia, si desit aliud membrum, quanto magis Dominus et Saluator noster, qui caput et auctor est totius corporis,c non sibi perfectam ducit esse | laetitiam, donec aliquid ex membris deesse corpori suo uidet! Et propterea forte orationem fundebat ad patrem dicens: „Pater sancte, glorifica me illa gloria, quam habui apud te, priusquam mundus esset.“ d Non uult ergo sine te recipere perfectam gloriam suam, hoc est sine populo suo, qui est corpus eius et qui sunt membra eius. Vult enim in isto corpore ecclesiae suae et in istis membris populi sui ipse uelut anima habitare, ut omnes motus atque omnia opera secundum ipsius habeat uoluntatem; ut uere compleatur in nobis illud prophetae dictum: „Habitabo in iis et inambulabo.“ e Nunc autem, donec perfecti non sumus omnes, sed adhuc sumus in peccatis,f ex parte in nobis est et ideo „ex parte scimus et ex parte prophetamus“,g donec quis peruenire mereatur ad illam mensuram, quam dicit apostolus: „Viuo autem iam non ego, uiuit uero Christus in me.“ h Ex parte ergo, ut dicit apostolus, nunc membra eius sumus et ex parte ossa eius sumus.i Cum autem coniuncta fuerint ossa ad ossa et iuncturae ad iuncturas,j secundum hoc quod supra diximus, tunc etiam ipse dicet de nobis illud propheticum: „Omnia ossa mea dicent: Domine, quis similis tibi?“ k Omnia namque ossa ista loquuntur et hymnum dicunt et gratias agunt Deo. Meminerunt enim beneficii eius et ideo „omnia ossa mea dicent: Domine, quis similis tibi? Eripiens pauperem de manu fortioris eius.“ l De istis ossibus, cum adhuc essent dispersa, antequam ueniret, qui ea colligeret et congregaret in unum,m dictum est et illud propheticum: „Dispersa sunt ossa nostra secus infernum.“ n Quia ergo dispersa erant, propterea dicit per alium prophetam: „Congregetur os ad os et iunctura ad iuncturam et nerui et uenae et pelles.“ o Cum enim hoc factum fuerit, tunc omnia ista dicent: „Domine, quis similis tibi? Eripiens inopem de manu fortioris eius.“ p Vnumquodque enim os ex istis ossibus inops erat et atterebatur fortioris manu. Non enim a

Vgl. Ez. 37,7f. bEz. 37,11 cVgl. 1 Kor. 11,3 dJoh. 17,5 eLev. 26,12 fVgl. Röm. 5,8 1 Kor. 13,9 hGal. 2,20 iVgl. Eph. 5,30 jVgl. Ez. 37,7 kPs. 34(35),10 l Ps. 34(35),10 mVgl. Joh. 11,52 nPs. 140(141),7 oEz. 37,7f. pPs. 34(35),10 g

273 Vgl. in Ioh. comm. X 36,235.237 (GCS Orig. 4, 210. 211): „Zu welchen Knochen sagt

er: ‚Hört das Wort des Herrn‘, als ob sie das Wort des Herrn wahrnehmen könnten … alle Glieder des Leibes, die viele sind, werden ein Leib.“ 274 Vgl. Tertullian, paen. 10,5f. (CChr.SL 1, 337): „Ein Leib kann ja nicht froh sein bei dem Leiden eines seiner Glieder, er muss dann notwendig in seiner Ganzheit Schmerz empfinden und zur Genesung mitarbeiten. In dem einen wie in dem andern lebt ja die Kirche; die Kirche aber ist Christus.“ Übersetzung: Kellner, BKV1 7, 243.

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Glieder sollen an ihren Orten wiederhergestellt werden.a Sieh schließlich, was der Prophet hinzufügt: „Diese Knochen“, heißt es (er sagte nicht: alle Menschen sind es, sondern er sagte: „diese Knochen“), „sind das Haus Israel.“ b 273 Du wirst also Fröhlichkeit haben, wenn du aus diesem Leben scheidest, wenn du heilig bist. Dann jedoch wird volle Fröhlichkeit sein, wenn dir kein Glied des Körpers fehlt. Denn auch du wirst die anderen erwarten, so wie auch du selbst erwartet wurdest. Wenn es aber dir, der du ein Glied bist, nicht als vollkommene Fröhlichkeit erscheint, wenn ein anderes Glied fehlt, um wie viel mehr hält unser Herr und Erlöser, der das Haupt und der Urheber des ganzen Körpers ist,c die Fröhlichkeit für sich nicht für vollkommen, solange er sieht, dass eines von den Gliedern seinem Körper fehlt!274 Und vielleicht deswegen richtete er ein Gebet an den Vater, indem er sagte: „Heiliger Vater, verherrliche mich mit jener Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war!“ d Er will also nicht ohne dich seine vollkommene Herrlichkeit zurückerhalten, das heißt ohne sein Volk, das sein Körper ist und das seine Glieder sind. Denn er will in diesem Körper seiner Kirche und in diesen Gliedern seines Volkes selbst wie die Seele wohnen, damit sich alle Bewegungen und alle Werke nach seinem Willen richten, so dass sich in uns wahrlich das Wort des Propheten erfüllt: „Ich werde in ihnen wohnen und umhergehen.“ e Nun aber, solange wir nicht alle vollkommen sind, sondern bis jetzt in Sünden sind,f ist er teilweise in uns, und deshalb „erkennen wir teilweise und prophezeien wir teilweise“,g solange bis jemand zu dem Maß zu gelangen verdient, das der Apostel nennt: „Aber nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ h Teilweise also, wie der Apostel sagt, sind wir nun seine Glieder und teilweise sind wir seine Knochen.i Wenn aber Knochen mit Knochen und Gelenke mit Gelenken verbunden sind j gemäß dem, was wir vorher sagten, dann wird er auch selbst jenes prophetische Wort über uns sagen: „Alle meine Knochen werden sagen: Herr, wer ist dir gleich?“ k Alle Knochen nämlich sagen das und sprechen einen Hymnus und danken Gott. Denn sie erinnern sich seiner Wohltat und deshalb „werden alle meine Knochen sagen: Herr, wer ist dir gleich? Du entreißt den Armen aus der Hand dessen, der stärker ist als er.“ l Über diese Knochen, als sie noch verstreut waren, bevor der kam, der sie sammelte und in eins verband,m ist auch jenes prophetische Wort gesagt: „Verstreut sind unsere Knochen am Rand der Unterwelt.“ nWeil sie also verstreut waren, deswegen sagt er durch einen anderen Propheten: „Es wird Knochen an Knochen vereinigt und Gelenk an Gelenk, Nerven,Venen und Haut.“ o Denn wenn das geschehen ist, dann „werden alle diese sagen: Herr, wer ist dir gleich? Du entreißt den Ohnmächtigen aus der Hand dessen, der stärker ist als er.“ p Denn jeder Knochen von diesen Knochen war ohnmächtig und wurde aufgerieben von der Hand des Stärkeren. Denn er hatte nicht das Gelenk der Liebe, nicht die Nerven der Geduld,

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habebat iuncturam caritatis, non neruos patientiae, non | uenas uitalis animi et fidei uigorem.Vbi uero uenit, qui dispersa colligereta et qui dissipata con­ iungeret consocians os ad os et iuncturam ad iuncturam, aedificare coepit sanctum corpus ecclesiae. Haec inciderunt quidem extrinsecus huic disputationi, sed necessario explanata sunt, ut manifestior fieret pontificis mei ingressus in sancta non bibentis uinum, usquequo sacerdotio fungitur. Post haec tamen bibet uinum, sed „uinum nouum“;b et uinum nouum „in coelo nouo et in noua terra“ c et „in nouo homine“ d cum hominibus nouis et cum his, qui „cantant“ ei „canticum nouum“.eVides ergo quia impossibile est de noua uite nouum poculum bibi ab eo, qui adhuc indutus est „ueterem hominem cum actibus suis“.f „Nemo“ enim inquit „mittit uinum nouum in utres ueteres.“ g Si uis ergo et tu bibere de hoc nouo uino, innouare et dic quia: „Et si exterior homo noster corrumpitur, sed qui intus est, renouatur de die in diem.“ h Et quidem de his sufficienter dictum. 3. Multa sunt et alia, quae recitata sunt. Sed quoniam cuncta non possumus, eligendum est, de quibus dicere debeamus. Et quoniam quid esset bibere et non bibere uinum, pro uiribus diximus, nunc quid sit etiam comedere „pectusculum separationis et bracchium ablationis“,i uideamus. Et post haec de mundis et immundis uel cibis uel animalibus, in quantum Dominus dederit et temporis spatium fuerit, disseremus. Dicit ergo scriptura: „Pectusculum segregationis et bracchium ablationis manducabis in loco sancto, tu et filii tui et domus tua tecum; legitimum enim tibi et legitimum filiis tuis datum est de sacrificiis salutaribus filiorum Istrahel, bracchium ablationis et pectusculum segregationis.“ j Non omne pectusculum segregationis est pectusculum nec omne bracchium ablationis uel separationis est bracchium. Sed quoniam ad Dominum meum Iesum personam pontificis reuocauimus et ad filios eius sanctos apostolos, uideamus, quomodo ipse quidem pectusculum segregationis manducat et filii eius, alii autem non omnes possunt segregationis pectusculum manducare. Quid igitur est, quod | a rebus omnibus segregatur nec est commune cum reliquis, nisi sola substantia Trinitatis? Si ergo intelligam quidem rationem mundi, non possim autem etiam de Deo intelligere, sicut a

Vgl. Joh. 11,52 bMt. 9,17 c2 Petr. 3,13 dEph. 2,15 ePs. 32(33),3; Offb. 5,9 Kol. 3,9 gMt. 9,17 h2 Kor. 4,16 i Lev. 10,14 j Lev. 10,14f.

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275 Die Einheitsübersetzung 2016 gibt die Worte nach dem hebräischen Text folgender-

maßen wieder: „die Brust des Erhebungsopfers und die Schenkelkeule“. Die Septuaginta übersetzt die Opfertermini mit etwas anderem Akzent, den Origenes für seine Auslegung aufgreift. Einige Handschriften haben oblatio („Darbringung“) anstelle von ablatio („Wegnahme“). 276 Für Zeitmangel beim Predigen siehe oben S. 80 Anm. 33. Nachdem sich die langen Ausführungen über das Trinken bzw. Nicht-Trinken von Wein zu einer eigentlich

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nicht die Venen der lebendigen Seele und die Kraft des Glaubens. Sobald hingegen der kam, der das Verstreute sammeltea und der das Versprengte verband, indem er Knochen mit Knochen und Gelenk mit Gelenk vereinigte, begann er den heiligen Körper der Kirche aufzubauen. Das fiel zwar außerhalb dieser Abhandlung, ist jedoch notwendigerweise erklärt worden, damit das Hineingehen meines Hohepriesters in das Heilige, ohne Wein zu trinken, solange er das Priesteramt ausübt, klarer wurde. Danach jedoch wird er Wein trinken, doch „neuen Wein“;b und neuen Wein in einem „neuen Himmel und einer neuen Erde“ c und in einem „neuen Menschen“ d mit den neuen Menschen und mit denen, die ihm „ein neues Lied singen“.e Du siehst also, dass es unmöglich ist, dass der neue Becher von dem neuen Weinstock von dem getrunken wird, der bisher noch „den alten Menschen mit seinen Taten“ f angezogen hat. Denn „niemand“, heißt es, „gibt neuen Wein in alte Schläuche.“ gWenn also auch du von diesem neuen Wein trinken willst, erneuere dich und sage: „Auch wenn unser äußerer Mensch zugrunde geht, wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.“ h Und darüber ist freilich genug gesagt. 3. Es gibt noch vieles andere, was vorgelesen wurde.Weil wir jedoch nicht alles besprechen können, muss ausgewählt werden, worüber wir reden müssen. Und weil wir nach Kräften gesagt haben, was Wein trinken und nicht trinken bedeutet, wollen wir nun sehen, was auch „die Brust der Abtrennung und die Schulter der Wegnahme“ i 275 zu essen bedeutet. Und danach wollen wir die reinen und unreinen Speisen und Tiere erörtern, insoweit der Herr es gibt und Zeit bleibt.276 Die Schrift sagt also: „Die Brust der Absonderung und die Schulter der Wegnahme sollst du an einem heiligen Ort277 essen, du und deine Söhne und dein Haus mit dir; denn rechtmäßig ist dir und rechtmäßig deinen Söhnen vom Heilsopfer der Söhne Israels die Schulter der Wegnahme und die Brust der Absonderung gegeben.“ j Nicht jede Brust ist eine Brust der Absonderung und nicht jede Schulter ist eine Schulter der Wegnahme oder der Abtrennung. Weil wir jedoch die Person des Hohepriesters auf meinen Herrn Jesus278 beziehen und auf seine Söhne die heiligen Apostel, wollen wir sehen, wie zwar er selbst und seine Söhne die Brust der Absonderung essen, alle anderen aber die Brust der Absonderung nicht essen können. Was ist es also, das von allen Dingen abgesondert wird und nicht mit den übrigen gemeinsam ist, wenn nicht allein das Wesen der Trinität? Wenn ich also zwar die Erklärung der Welt verstehe, aber nicht auch die über Gott verstehen schon kompletten Predigt ausgedehnt haben, setzt Origenes für die Erklärung des weiteren Textes mit einem (Binnen-)Proömium gleichsam neu an. 277 Der „heilige Ort“ wird auch in Lev. 24,9 erwähnt: vgl. in Lev. hom. 13,5 (GCS Orig. 6, 476f.). Davon zu unterscheiden ist der „reine Ort“ außerhalb des Lagers in Lev. 4,12: vgl. ebd. 2,1 (6, 289); 2,3 (6, 294); 4,6 (6, 323). 278 Zu dieser Anrede siehe oben S. 168 Anm. 162.

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dignum est, neque reuelata mihi fuerit scientia Dei, manduco quidem pectusculum, sed non pectusculum segregationis. Etiam si potuero dicere: „Ipse enim mihi dedit omnium, quae sunt, scientiam ueram, ut sciam rationem mundi et uirtutem elementorum, initium et finem et medietatem temporum, permutationum uicissitudines et conuersiones temporum, anni circulos et stellarum positiones“;a horum omnium scientia quia rationabilis est, pectusculi cibus est, sed non pectusculi segregationis. Si autem potuero de Deo sentire quae magna, quae sancta, quae uera sunt et secreta, tunc manducabo pectusculum segregationis, cum id, quod ab omni creatura eminet et segregatur, agnouero. Primus ergo pectusculum istud uerus pontifex meus comedit. Quomodo comedit? „Nemo“, inquit, „nouit patrem, nisi filius.“ b Secundo in loco manducant et filii eius.c „Nemo enim“ inquit „nouit patrem, nisi filius, et cui uoluerit filius reuelare.“ d Quibus autem aliis nisi apostolis suis reuelat? Sed et bracchium separationis uel ablationis, sicut et superius diximus, actus sunt et opera eminentioria ceteris, quae utique primus ipse Saluator et Dominus meus impleuit. Quomodo impleuit? „Meus“ inquit, „cibus est, ut faciam uoluntatem eius, qui me misit, et perficiam opus eius.“ e Cum ergo facit uoluntatem eius, qui misit eum, in hoc non pectusculum, sed bracchium separationis comedit. Similiter autem et apostoli eius, cum faciunt opus euangelistae et efficiuntur operarii inconfusibiles, recte tractantes sermonem ueritatis f separationis – uel ablationis – bracchium comedunt. Vis adhuc planius uidere, quomodo Saluator separationis bracchium comedat? Audi quid dicit ad | Iudaeos: „Si feci“ inquit „in uobis opera, quae nullus alius fecit, pro quo horum uultis me occidere?“ gVides, quomodo ipse uere manducat bracchium separationis, qui opera tam segregata et tam sublimia fecit quam nullus alius fecit. 4. Sed iam uideamus aliqua etiam ex his, quae de mundis atque immundis uel cibis uel animalibus lecta sunt; et sicut in explanatione poculi de umbra adscendimus ad ueritatem spiritalis poculi, ita etiam de cibis, qui per umbram dicuntur, adscendamus ad eos, qui per spiritum ueri sunt cibi. Sed ad haec inuestiganda scripturae diuinae testimoniis indigemus, ne qui putet – amant enim homines „exacuere linguas suas ut gladium“ h – ne qui, inquam, putet quod ego uim faciam scripturis diuinis et ea, quae de animalibus, quadrupedibus uel etiam auibus aut piscibus mundis siue immundis in lege referuntur, a

Weish. 7,17–19 bMt. 11,27 Joh. 10,32 hPs. 63(64),4

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Vgl. Lev. 10,14

d

Mt. 11,27

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Joh. 4,34

f

Vgl. 2 Tim. 2,15

279 Vgl. Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 725). 280 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 5,12 (GCS Orig. 6, 357). 281 Zur Doppeldeutigkeit des Wortes bracchium als „Schulter“ (bei Tieren), die verzehrt

wird, und „Arm“ (bei Menschen), der tätig ist, weshalb Origenes die „Schulter“ auf „Taten und Werke“ bezieht, siehe oben S. 196 Anm. 209 und S. 198 Anm. 215.

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kann, so wie es würdig ist, und mir nicht die Erkenntnis Gottes offenbart wird, esse ich zwar die Brust, aber nicht die Brust der Absonderung. Auch wenn ich sagen könnte: „Denn er gab mir wahre Erkenntnis von allem, was ist, sodass ich die Erklärung der Welt und die Kraft der Elemente, den Anfang und das Ende und die Mitte der Zeiten, die Veränderung der Sonnenwenden und den Wechsel der Jahreszeiten, die Jahreskreise und die Stellungen der Sterne kenne“,a ist die Erkenntnis all dessen, weil sie vernünftig ist, Speise von der Brust, aber nicht von der Brust der Absonderung.Wenn ich aber von Gott denken kann, was groß, was heilig, was wahr und geheim ist, dann werde ich die Brust der Absonderung essen, weil ich das, was über jedes Geschöpf hinausgeht und abgesondert wird, erkenne.279 Als Erster also verzehrt mein wahrer Hohepriester diese Brust. Wie verzehrt er es? „Niemand“, heißt es, „kennt den Vater, außer der Sohn.“ b An zweiter Stelle essen auch seine Söhne.c „Denn niemand“, heißt es, „kennt den Vater, außer der Sohn, und wem es der Sohn offenbaren will.“ d Aber wem sonst offenbart er es, wenn nicht seinen Aposteln? Doch auch die Schulter der Abtrennung oder der Wegnahme sind, so wie wir auch vorher sagten,280 die Taten und Werke, die hervorragender als die übrigen sind, die jedenfalls als Erster mein Erlöser und Herr erfüllte. Wie erfüllte er sie? „Meine Speise“, heißt es, „ist es, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollende.“ e Wenn er also den Willen dessen tut, der ihn gesandt hat, verzehrt er darin nicht die Brust, sondern die Schulter der Abtrennung.281 Ebenso aber auch essen seine Apostel, wenn sie das Werk des Evangelisten tun und als nicht zu verwirrende Arbeiter wirken, indem sie in rechter Weise das Wort der Wahrheit erörtern,f die Schulter der Abtrennung oder der Wegnahme. Willst du noch deutlicher sehen, wie der Erlöser die Schulter der Abtrennung isst? Höre, was er zu den Juden sagt: „Wenn ich“, sagt er, „bei euch Werke getan habe, die kein anderer getan hat, für welches von diesen wollt ihr mich töten?“ g Du siehst, wie er selbst wahrlich die Schulter der Abtrennung isst, der so abgesonderte und so erhabene Werke getan hat, wie sie kein anderer getan hat. 4. Wir wollen jetzt jedoch auch noch etwas aus dem ansehen, was von den reinen und unreinen Speisen und Tieren vorgelesen wurde; und so wie wir bei der Erklärung des Trankes aus dem Schatten zur Wahrheit des geistigen Trankes aufgestiegen sind, so wollen wir auch bei den Speisen, die durch den Schatten benannt sind, zu denen aufsteigen, die durch den Geist wahre Speisen sind. Um dies jedoch zu erkunden, brauchen wir die Zeugnisse der göttlichen Schrift, damit nicht jemand glaubt – denn die Menschen lieben es, „ihre Zungen wie ein Schwert zu schärfen“ h –, damit nicht jemand, sage ich, glaubt, dass ich den göttlichen Schriften Gewalt antue und das, was über die reinen und unreinen Tiere, die Vierbeiner oder auch die Vögel oder die Fische im Gesetz berichtet wird, auf die Menschen beziehe und erdichte, dass

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Homilia VII

ad homines traham et de hominibus haec dicta esse confingam. Fortassis enim dicat quis auditorum: Cur uim facis scripturae? Animalia dicuntur, animalia intelligantur. Ne ergo aliquis haec deprauari humano credat ingenio, apostolica in iis auctoritas euocanda est. Audi ergo primo omnium Paulus de his qualiter dicat. „Omnes enim“ inquit „per mare transierunt, et omnes in Moysen baptizati sunt in nube et in mari, et omnes eandem escam spiritalem manducauerunt, et omnes eundem potum spiritalem biberunt. Bibebant enim de spiritali sequenti petra; petra autem erat Christus.“a Paulus haec dicit „Hebraeus ex Hebraeis, secundum legem Pharisaeus“,b „edoctus secus pedes Gamalielis“,c qui utique numquam auderet „spiritalem escam“ et „spiritalem potum“ d appellare, nisi hunc esse sensum legislatoris per traditam sibi uerissimae doctrinae scientiam didicisset.Vnde et illud addit, tamquam confidens et certus de ciborum ratione mundorum uel immundorum quod non secundum litteram, sed spiritaliter obseruanda sint, et dicit: „Ne qui ergo uos iudicet in cibo aut in potu aut in parte diei festi aut neomeniae aut sabbatorum, quae sunt umbra futurorum.“ eVides ergo, quomodo haec | omnia, quae de cibis uel potu loquitur Moyses, Paulus, qui melius ista didicerat quam hi, qui nunc iactant se esse doctores, omnia haec umbram dicit esse futurorum. Et ideo, sicut diximus, ab hac umbra ad ueritatem debemus adscendere. Christiani [et] ad Christianos sermo est, quibus apostolicorum dictorum cara esse debet auctoritas; si qui uero arrogantia tumidus apostolica dicta contemnit aut spernit, ipse uiderit. „Mihi“ autem, sicut „Deo“ et Domino nostro Iesu Christo, ita et apostolis eius „adhaerere bonum est“ f et ex diuinis scripturis secundum ipsorum traditionem intelligentiam capere. Erit autem opportunum fortasse tempus, si tamen Dei uoluntas in hoc fuerit et rerum tranquillitas siuerit – nescimus enim, „quid pariat superuentura dies“ g – ut etiam ex ueteri testamento adsignemus secundum ea, quae apostolis uisum est, ciborum mundorum uel immundorum, sed et animalium uel auium uel piscium, de quibus in lege scribitur, intelligentiam ad homines referendam. Sed nunc quoniam latiore uti explanatione non est temporis, duobus luminibus apostolorum, Paulo et Petro, testibus contenti simus. Et quidem Paulus quae senserit, iam protulimus. Petrus uero apostolus, cum esset in Ioppe, et orare uellet, „adscendit in superiora“.h Ego statim et hoc ipsum, quod noluit in inferioribus orare, sed adscendit ad superiora, non frustra dici accipio. Neque enim tanti apostoli consilium ex superfluo superiora delegit ad orandum, sed quantum ego arbitror, ut ostenderetur quod Petrus, quia mortuus erat cum Christo,i „quae sursum sunt“ quaerebat, „ubi Christus est a

1 Kor. 10,1–4 bPhil. 3,5 cApg. 22,3 Spr. 27,1 hApg. 10,9 iVgl. Röm. 6,8

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1 Kor. 10,3.4

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Kol. 2,16f.

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Ps. 72(73),28

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dies über die Menschen gesagt sei. Denn vielleicht möchte jemand von den Zuhörern sagen:Warum tust du der Schrift Gewalt an? Tiere werden genannt, Tiere sollen verstanden werden. Damit also nicht irgendwer glaubt, dass dies von einem menschlichen Geist verdorben wird, muss in dieser Sache die apostolische Autorität angerufen werden. Höre also zuallererst, wie Paulus darüber spricht. „Denn alle“, sagt er, „durchquerten das Meer und alle wurden auf Mose in der Wolke und im Meer getauft, und alle aßen dieselbe geistige Speise und alle tranken denselben geistigen Trank. Denn sie tranken aus dem geistigen Felsen, der sie begleitete; der Fels aber war Christus.“a Paulus sagt dies als „Hebräer von Hebräern, als Pharisäer nach dem Gesetz“,b „gelehrt zu Füßen Gamaliels“,c der überhaupt niemals wagen würde, es „geistige Speise“ und „geistigen Trank“ d zu nennen, wenn er nicht durch ihm überlieferte Erkenntnis der wahrhaftesten Lehre gelernt hätte, dass das der Sinn des Gesetzgebers ist. Daher fügt er auch an, so wie er zuversichtlich und sicher bezüglich der Erklärung der reinen und unreinen Speisen ist, dass sie nicht gemäß dem Buchstaben, sondern geistig zu beachten sind, und sagt: „Damit also nicht jemand euch verurteile für Speise oder Trank oder wegen eines Festtages oder des Neumondes oder des Sabbats, die Schatten des Zukünftigen sind.“ e Du siehst also, wie alles das, was Mose über Speisen oder Trank sagt, Paulus, der dies besser gelernt hatte als die, die nun prahlen, dass sie Lehrer seien, alles das Schatten des Zukünftigen nennt. Und deshalb müssen wir, wie wir gesagt haben, von diesem Schatten zur Wahrheit aufsteigen. Das ist die Rede eines Christen [und] zu Christen, denen die Autorität der apostolischen Worte teuer sein muss; wenn jemand hingegen von Anmaßung aufgeblasen die apostolischen Worte verachtet oder verspottet, der soll selbst sehen. „Für mich aber ist es gut, mich“, so wie „an Gott“ und an unseren Herrn Jesus Christus, so auch an seine Apostel „anzuhängen“ f und aus den göttlichen Schriften gemäß ihrer Überlieferung das Verständnis zu erfassen. Es wird aber vielleicht eine geeignete Zeit geben, wenn es denn der Wille Gottes ist und die Ruhe der Dinge es zulässt – denn wir wissen nicht, „was der kommende Tag bereitet“ g –, dass wir sogar aus dem Alten Testament gemäß dem, was von den Aposteln gesehen wurde, zeigen, dass das Verständnis der reinen und unreinen Speisen, doch auch der Tiere,Vögel oder Fische, von denen im Gesetz geschrieben wird, auf die Menschen zu beziehen ist. Weil nun jedoch keine Zeit für eine ausführlichere Erklärung ist, wollen wir mit den zwei Leuchten der Apostel, Paulus und Petrus, als Zeugen zufrieden sein. Und was Paulus dachte, haben wir schon vorgetragen. Der Apostel Petrus hingegen, als er in Joppe war und beten wollte, „stieg nach oben hinauf“.h Ich nehme sogleich an, dass auch die Tatsache, dass er nicht nach unten wollte, um zu beten, sondern nach oben hinaufstieg, nicht grundlos gesagt wird. Denn einem so bedeutenden Apostel wird nicht überflüssigerweise der Entschluss, oben zu beten, zugeschrieben, sondern ich meine vielmehr, dass gezeigt werden soll, dass Petrus, weil er mit Christus gestorben war,i suchte, „was in der

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in dextera Dei sedens“, et „non quae super terram“.a Illuc adscendebat, ad illa tecta, ad illa fastigia, de quibus dicit et Dominus: „Qui in tecto est, non descendat tollere aliquid de domo.“ b Denique ut scias quia non haec suspi­ ciose de Petro dicimus quia ad superiora conscenderit, ex con|sequentibus approbabis. „Adscendit“ inquit „ad superiora, ut oraret, et uidit coelum apertum.“ c Nondum tibi uidetur Petrus ad superiora non solum corpore, sed et mente ac spiritu conscendisse? „Vidit“ inquit „coelum apertum et uas quoddam deponi sicut linteum in terra, in quo erant omnia quadrupedia, reptilia et uolatilia coeli. Et audiuit uocem dicentem sibi: Surge, Petre, occide et manduca“,d de his sine dubio imperans manducandis quadrupedibus et serpentibus et uolatilibus, quae superposita linteo ad eum coelitus sunt delata. At ille: „Domine“ inquit „tu scis quia numquam commune aut immundum introiuit in eos meum. Et uox“ inquit „ad eum secundo: Quod Deus mundauit, tu commune ne dixeris. Et hoc factum est per ter. Et post haec“ inquit „receptum est linteum in coelis.“ e De mundis hic et immundis animalibus ratio est; de quibus rerum scientiam coelitus docetur apostolus, quoniam quidem eminentiorem se et maiorem non habebat in terris, et docetur non una uoce nec una uisione, sed trina. Ego nec hoc ipsum, quod tertio haec dicuntur,f otiose dictum suscipio.Tertio ei dicitur et per illum omnibus nobis: „Quod Deus mundauit, tu commune ne dixeris.“ g Quae enim mundantur, non sub una appellatione mundantur neque sub secunda, sed nisi et tertia appellatio nominetur, nemo mundatur. Nisi enim in patre et filio et Spiritu | sancto fueris mundatus, mundus esse non poteris. Propterea ergo quae pro emundatione ostendebantur, non semel neque iterum, sed tertio ostenduntur et tertio praecipiuntur. Erant ergo omnia in illo linteo quadrupedia et reptilia et uolucres coeli.h Et post haec cogitabat inquit „intra semet ipsum“ Petrus, „quid hoc esset“.i Et adhuc eo cogitante „superuenerunt“ inquit „hi, qui a Cornelio centurione missi fuerant“ ex hac ciuitate,j id est a Caesarea in Ioppen. Ibi namque erat Petrus et „hospitabatur apud Simonem quendam coriarium“.k Bene autem quod Petrus apud coriarium manet, illum fortasse, de quo dicit Iob quia „pellem me et carnem induisti“.l Sed haec in excessu dicta sint. Interim „superueniunt, qui missi fuerant a Cornelio“ m ad Petrum; a

Kol. 3,1f. bMt. 24,17 cApg. 10,9.11 dApg. 10,11–13 eApg. 10,14–16 Vgl. Apg. 10,16 gApg. 10,15 hVgl. Apg. 10,12 i Apg. 10,17 j Apg. 10,17 l Ijob 10,11 mApg. 10,17 f

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Apg. 10,6

282 „Gemein“ (commune) ist hier im Sinne von gewöhnlich gemeint: siehe oben S. 200

Anm. 218. 283 Vgl. auch die Auslegungen in orat. 27,12 (GCS Orig. 2, 371) und in Rom. comm. V

1,41 (SC 539, 400), ferner bei Theodoret von Cyrus, in Lev. quaest. 11 (p. 28 Hill), und Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 725).

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Höhe ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt“, und „nicht, was auf der Erde ist“.a Dorthin stieg er hinauf, auf jenes Dach, auf jenen Giebel, worüber auch der Herr sagt: „Wer auf dem Dach ist, soll nicht hinabsteigen, um etwas aus dem Haus zu holen.“ b Damit du schließlich erkennst, dass wir das nicht misstrauisch über Petrus sagen, dass er nach oben hinaufstieg, sollst du es aus dem Folgenden zugeben. „Er stieg hinauf“, heißt es, „nach oben, um zu beten, und er sah den Himmel offen.“ c Wird dir noch nicht ersichtlich, dass Petrus nicht nur mit dem Körper, sondern auch mit dem Verstand und dem Geist nach oben hinaufsteigt? „Er sah“, heißt es, „den Himmel offen, und ein Gefäß wurde wie ein Leinentuch auf die Erde niedergelegt, in dem alle Vierfüßler, Kriechtiere und Vögel des Himmels waren. Und er hörte eine Stimme, die zu ihm sagte: Erhebe dich, Petrus, schlachte und iss.“ d Die Stimme befahl ohne Zweifel, von diesen Vierfüßlern und Schlangen und Vögeln, die auf dem Leinentuch lagen und zu ihm vom Himmel herabgekommen waren, zu essen. Aber er sagt: „Herr, du weißt, dass niemals etwas Gemeines und Unreines in meinen Mund hineingekommen ist. Und die Stimme“, heißt es, „sagte zu ihm zum zweiten Mal: Was Gott rein gemacht hat, erkläre du nicht für gemein.282 Und das geschah drei Mal. Und danach“, heißt es, „wurde das Leinentuch wieder in den Himmel zurückgenommen.“ e 283 Hier geht es um die Erklärung der reinen und unreinen Tiere; dazu bekommt der Apostel eine Erkenntnis der Dinge vom Himmel her gelehrt, da er auf Erden keine erhabenere und größere hatte, und er wird nicht von nur einer Stimme noch nur einer Vision gelehrt, sondern von einer dreifachen. Ich nehme an, auch dass es zum dritten Mal gesagt wurde,f ist nicht unnötig gesagt. Zum dritten Mal wird zu ihm gesagt und durch ihn zu uns allen: „Was Gott rein gemacht hat, erkläre du nicht für gemein.“ g Denn was rein gemacht wird, wird nicht unter nur einer Anrufung rein gemacht und nicht unter zwei, sondern wenn nicht noch eine dritte Anrufung gesprochen wird, wird niemand rein gemacht. Denn wenn du nicht im Vater und im Sohn und im Heiligen Geist rein gemacht wirst, wirst du nicht rein sein können.284 Deswegen wird also, was für die Reinigung gezeigt wurde, nicht einmal und nicht noch einmal, sondern ein drittes Mal gezeigt und ein drittes Mal vorgeschrieben. In jenem Leinentuch waren also alle Vierfüßler, Kriechtiere und Vögel des Himmels.h Und danach überlegte Petrus, heißt es, „bei sich, was das bedeute“.i Und während er noch nachdachte, „kamen“, heißt es, „Leute, die vom Centurio Cornelius“ aus dieser Stadt „geschickt worden waren“,j das heißt von Caesarea nach Joppe. Dort nämlich war Petrus und „war Gast bei einem gewissen Simon, dem Gerber“.k Passend aber ist, dass Petrus bei einem Gerber blieb, jenem vielleicht, über den Ijob sagt, dass „du mir Haut und Fleisch angezogen hast“.l Das sei jedoch als Nebenbemerkung gesagt. Inzwischen „kommen diejenigen, die von Cornelius geschickt wurden,“ m zu Petrus; er empfängt sie und 284 Vgl. in Lev. hom. 8,11 (GCS Orig. 6, 415).

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quos ille suscipiens audit ab iis, quae sibi Cornelius mandat. Et descendens de superioribus uenit huc ad Cornelium. „Descendit“:a Adhuc enim deorsum erat Cornelius et in inferioribus manebat. Venit ergo Caesaream, „inuenit multos“ hic apud Cornelium „congregatos“ b „et ait ad eos“ post multa: „Et mihi“ inquit „ostendit Deus neminem communem aut immundum dicere hominem.“ cVideturne tibi Petrus apostolus quadrupedia illa omnia et reptilia et uolatilia dilucide ad hominem transtulisse et homines intellexisse ea, quae sibi in linteo coelitus lapso fuerant demonstrata? 5. Sed fortasse dicat aliquis: De quadrupedibus quidem et reptilibus et auibus reddidisti rationem quod homines intelligi debeant; da etiam de „his, quae in aquis sunt“.d Quoniam quidem lex etiam de ipsis munda esse quaedam et alia designat immunda, nihil in his, ut meis uerbis credatur, exposco, nisi testes idoneos dedero. Ipsum uobis Dominum et Saluatorem nostrum Iesum Christum testem horum et auctorem dabo, quomodo pisces homines esse dicantur. „Simile est“ inquit | „regnum coelorum retiae missae in mare, quae ex omni genere piscium colligit; et cum repleta fuerit, sedentes supra litus condunt eos, qui boni sunt, in uasis; qui autem mali, foras mittuntur.“ e Euidenter edocuit eos, qui retibus colligi dicuntur pisces, uel bonos homines esse uel malos. Isti ergo sunt, qui secundum Moysen pisces uel mundi uel immundi nominantur. His igitur ex auctoritate apostolica atque euangelica comprobatis uideamus, quomodo unusquisque hominum uel mundus uel immundus possit ostendi. Omnis homo habet aliquem in se cibum, quem accedenti ad se proximo praebeat. Non enim potest fieri, ut, cum accesserimus ad inuicem nos homines et conseruerimus sermonem, non aliquem uel ex responsione uel ex interrogatione uel ex aliquo gestu aut capiamus inter nos gustum aut praebeamus. Et si quidem mundus homo est et bonae mentis is, de quo gustum capimus, mundum sumimus cibum; si uero immundus sit, quem contingimus, immundum cibum secundum ea, quae supra dicta sunt, sumimus. Et propterea, puto, apostolus Paulus de talibus uelut immundis animalibus dicit: „cum huiusmodi nec cibum sumere“.f Verum ut euidentius tibi patescant ad intellectum, quae dicimus, de maioribus sumamus exemplum, ut inde paulatim descendentes usque ad inferiora ueniamus. Dominus et Saluaa

Apg. 10,21

b

Apg. 10,27

c

Apg. 10,28

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Lev. 11,9

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Mt. 13,47f.

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1 Kor. 5,11

285 Vgl. Theodoret von Cyrus, in Lev. quaest. 11 (p. 28 Hill), und Prokop, comm. in Lev.

(PG 87/1, 727). 286 Nach Origenes bezeichnen also die reinen und unreinen Speisen, im übertragenen

Sinn verstanden, gute bzw. schlechte Einflüsse auf die Menschen, ebenso wie die reinen und unreinen Tiere für die Menschen stehen. Jesus Christus als der vollkommen Reine wird von den Aposteln und Jüngern gefolgt, die durch ihre Reinheit und ihre Verdienste positiven Einfluss auf ihre Nächsten ausüben. Die Zitate aus dem Johannesevangelium werden hier spirituell ausgelegt, als die Speise des göttlichen Wortes,

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hört von ihnen, was Cornelius ihm anordnet. Und von oben herabsteigend kommt er hierher zu Cornelius. „Er stieg herab“:a Denn noch war Cornelius unten und blieb unten. Er kam also nach Caesarea, „fand viele“ hier bei Cornelius „versammelt“ b „und sagte zu ihnen“ nach vielem: „Auch mir“, heißt es, „hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen gemein oder unrein nennen darf.“ c Scheint dir nicht der Apostel Petrus alle jene Vierfüßler, Kriechtiere und Vögel deutlich auf den Menschen übertragen und das, was ihm im Leinentuch, das vom Himmel geglitten war, gezeigt worden war, als Menschen verstanden zu haben? 5. Doch vielleicht möchte jemand sagen: Über die Vierfüßler, die Kriechtiere und die Vögel hast du die Erklärung vorgetragen, dass sie als Menschen verstanden werden müssen; gib sie auch über „die, die im Wasser sind“.dWeil das Gesetz auch von diesen manche als rein und andere als unrein bezeichnet, verlange ich in dieser Sache nicht, dass man meinen Worten glaubt, wenn ich nicht geeignete Zeugen angegeben habe. Unseren Herrn und Erlöser Jesus Christus selbst will ich euch als Zeugen und Urheber dafür angeben, wie die Menschen Fische genannt werden.285 „Gleich ist“, heißt es, „das Himmelreich einem ins Meer geworfenen Netz, das Fische von jeder Art sammelt; und wenn es voll ist, verwahren die, die am Ufer sitzen, die guten in Gefäßen; die schlechten aber werfen sie hinaus.“ e Offensichtlich lehrte er, dass die Fische, von denen gesagt wird, dass sie in Netzen gesammelt werden, entweder gute oder schlechte Menschen sind. Diese also sind es, die nach Mose entweder reine oder unreine Fische genannt werden. Nachdem dies also durch die Autorität der Apostel und der Evangelien bewiesen ist, wollen wir sehen, wie jeder einzelne Mensch entweder als rein oder als unrein erwiesen werden kann. Jeder Mensch hat in sich eine Speise, die er dem Nächsten, der sich ihm nähert, darbietet.286 Denn es kann nicht geschehen, wenn wir Menschen uns einander nähern und ein Gespräch anknüpfen, dass wir nicht entweder aus einer Antwort oder aus einer Frage oder aus irgendeiner Geste einen Geschmack zwischen uns erfassen oder darbieten. Und wenn der Mensch rein ist und von gutem Geist ist, von dem wir einen Geschmack erfassen, nehmen wir eine reine Speise auf; wenn der, den wir berühren, hingegen unrein ist, nehmen wir gemäß dem, was vorher gesagt wurde, eine unreine Speise auf. Und deswegen, glaube ich, sagt der Apos­ tel Paulus über solche wie über unreine Tiere, „mit einem solchen auch keine Speise einzunehmen“.f Damit sich dir aber deutlicher zum Verstehen eröffnet, was wir sagen, wollen wir ein Beispiel von Größerem nehmen, damit wir von hier nach und nach absteigend bis zum Geringeren kommen. und nicht auf die Sakramente bezogen: vgl. in Num. hom. 23,6 (GCS Orig. 7, 218). An anderen Stellen geht Origenes auch auf die sakramentale Bedeutung dieser Verse ein: vgl. in Lev. hom. 13,3 (GCS Orig. 6, 471f.); 13,5 (6, 477). Zur Nahrung vgl. auch orat. 27,12 (GCS Orig. 2, 371).

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tor noster dicit: „Nisi manducaueritis carnem meam et biberitis sanguinem meum, non habebitis uitam in uobis ipsis. Caro enim mea uere cibus est, et sanguis meus uere potus est.“a Iesus ergo quia totus ex toto mundus est, tota eius caro cibus est et totus sanguis eius potus est, quia omne opus eius sanctum est et omnis sermo eius uerus est. Propterea ergo et caro eius uerus est cibus et sanguis eius uerus est potus. Carnibus enim | et sanguine uerbi sui tamquam mundo cibo ac potu potat et reficit omne hominum genus. Secundo in loco post illius carnem mundus cibus est Petrus et Paulus omnesque apostoli; tertio loco discipuli eorum. Et sic unusquisque pro quantitate meritorum uel sensuum puritate proximo suo mundus efficitur cibus. Haec qui audire nescit, detorqueat fortassis et auertat auditum secundum illos, qui dicebant: „Quomodo dabit nobis hic carnem suam manducare? Quis potest audire eum?“ b Et discesserunt ab eo.c Sed uos si filii estis ecclesiae, si euangelicis imbuti mysteriis, si uerbum caro factum habitat in uobis,d agno­ scite quae dicimus quia Domini sunt, ne forte „qui ignorat, ignoretur“.e Agnoscite quia figurae sunt, quae in diuinis uoluminibus scripta sunt, et ideo tamquam spiritales et non tamquam carnales examinate et intelligite quae dicuntur. Si enim quasi carnales ista suscipitis, laedunt uos et non alunt. Est enim et in euangeliis littera, quae occidit.f Non solum in ueteri testamento occidens littera deprehenditur; est et in nouo testamento littera, quae occidat eum, qui non spiritaliter, quae dicuntur, aduerterit. Si enim secundum litteram sequaris hoc ipsum quod dictum est: nisi manducaueritis carnem meam et biberitis sanguinem meum,g occidit haec littera.Vis tibi et aliam de euangelio proferam litteram, quae occidit? „Qui non habet“ inquit „gladium, uendat tunicam et emat gladium.“ h Ecce et haec littera euangelii est, sed occidit. Si uero spiritaliter eam suscipias, non occidit, sed est in ea spiritus uiuificans.i Et ideo siue in lege siue in euangeliis quae dicuntur, spiritaliter suscipe, quia „spiritalis diiudicat omnia, ipse uero a nemine diiudicatur“.j Vt ergo diximus, omnis homo habet aliquem in se cibum, ex quo qui sumpserit, si quidem bonus est et „de bono thesauro cordis sui profert bona“,k mundum cibum praebet proximo suo. Si uero malus et „profert mala“,l immundum cibum praebet pro|ximo suo. Potest enim quis innocens et rectus corde mundum animal ouis uideri et praebere audienti se cibum mundum tamquam ouis, quae est animal mundum. Similiter et in ceteris. Et ideo omnis homo, ut diximus, cum loquitur proximo suo et siue prodest ei ex sermonibus a

Joh. 6,53.55 bJoh. 6,52.60 cVgl. Joh. 6,66 Vgl. 2 Kor. 3,6 gVgl. Joh. 6,53 hLk. 22,36 l Lk. 6,45 f

d

Vgl. Joh. 1,14 Vgl. 2 Kor. 3,6

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1 Kor. 14,38 1 Kor. 2,15

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Lk. 6,45

287 Siehe zu diesen beiden Beispielen Crouzel, Connaissance mystique 336–339.

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Unser Herr und Erlöser sagt: „Wenn ihr nicht mein Fleisch esst und mein Blut trinkt, werdet ihr nicht das Leben in euch haben. Denn mein Fleisch ist wahrlich eine Speise und mein Blut ist wahrlich ein Trank.“a Weil Jesus also ganz und gar rein ist, ist sein ganzes Fleisch eine Speise und sein ganzes Blut ein Trank, weil sein ganzes Werk heilig ist und seine ganze Rede wahr ist. Deswegen also ist sowohl sein Fleisch eine wahre Speise als auch sein Blut ein wahrer Trank. Denn durch das Fleisch und das Blut seines Wortes tränkt und erquickt er wie durch reine Speise und Trank das ganze Menschengeschlecht. An zweiter Stelle nach seinem Fleisch sind Petrus und Paulus und alle Apostel eine reine Speise; an dritter Stelle seine Jünger. Und so wird jeder durch die Menge der Verdienste oder die Reinheit der Sinne seinem Nächsten zur reinen Speise. Wer dies nicht zu hören weiß, dürfte sich vielleicht wegdrehen und sein Gehör abwenden wie jene, die sagten: „Wie wird der uns sein Fleisch zu essen geben? Wer kann ihn hören?“ b Und sie gingen von ihm weg.c Wenn ihr jedoch Söhne der Kirche seid, wenn ihr in die Mysterien der Evangelien eingeweiht seid, wenn das Fleisch gewordene Wort in euch wohnt,d erkennt an, was wir sagen, weil es vom Herrn ist, damit nicht vielleicht, „wer es nicht erkennt, nicht erkannt wird“.e Erkennt an, dass es Bilder sind, die in den göttlichen Büchern geschrieben stehen, und untersucht und versteht deshalb wie Geistige und nicht wie Fleischliche, was gesagt wird. Denn wenn ihr diese gleichsam als Fleischliche aufnehmt, schädigen sie euch und nähren nicht. Es gibt nämlich auch in den Evangelien den Buchstaben, der tötet.f Nicht nur im Alten Testament ist der tötende Buchstabe zu entdecken; es gibt auch im Neuen Testament den Buchstaben, der den tötet, der nicht geistig, was gesagt wird, wahrnimmt. Denn wenn du gemäß dem Buchstaben dem folgst, was gesagt ist: wenn ihr nicht mein Fleisch esst und mein Blut trinkt,g tötet dieser Buchstabe. Willst du, dass ich dir noch einen anderen Buchstaben aus dem Evangelium vorbringe, der tötet? „Wer nicht“, heißt es, „ein Schwert hat, der verkaufe das Gewand und kaufe ein Schwert.“ h Siehe, auch dies ist ein Buchstabe des Evangeliums, doch er tötet.287 Wenn du ihn hingegen geistig aufnimmst, tötet er nicht, sondern ist in dir lebendig machender Geist.i Und deshalb nimm das, was im Gesetz oder im Evangelium gesagt wird, geistig auf, weil „der geistige Mensch alles beurteilt, selbst hingegen von niemandem beurteilt wird“.j Wie wir also sagten, hat jeder Mensch in sich eine Speise, von der jemand nimmt; wenn er gut ist und „aus dem guten Schatz seines Herzens Gutes hervorbringt“,k bietet er seinem Nächsten reine Speise. Wenn er hingegen schlecht ist und „Schlechtes hervorbringt“,l bietet er seinem Nächsten unreine Speise. Denn es kann ein unschuldiger und im Herzen rechtschaffener Mensch als Schaf, ein reines Tier, gesehen werden und dem, der ihm zuhört, reine Speise bieten wie ein Schaf, das ein reines Tier ist. Ebenso auch bei den übrigen. Und deshalb wird jeder Mensch, wie wir sagten, wenn er mit seinem

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suis siue nocet, mundum ei aut immundum efficitur animal, ex quibus uel mundis utendum uel immundis praecipitur abstinendum. Si secundum hanc intelligentiam dicamus Deum summum leges hominibus promulgasse, puto quod digna uidebitur diuina maiestate legislatio. Si uero adsideamus litterae et secundum hoc, uel quod Iudaeis uel uulgo uidetur, accipiamus quae in lege scripta sunt, erubesco dicere et confiteri quia tales leges dederit Deus. Videbuntur enim magis elegantes et rationabiles hominum leges, uerbi gratia, uel Romanorum uel Atheniensium uel Lacedaemoniorum. Si uero secundum hanc intelligentiam, quam docet ecclesia, accipiatur Dei lex, tunc plane omnes humanas supereminet leges et uere Dei lex esse credetur. Itaque his ita praemissis spiritali, ut commonuimus, intelligentia de mundis et immundis animalibus aliqua perstringamus. 6. „Omne“ inquit „pecus, quod ungulam diuidit, et ungulas habet, et reducit ruminationem in pecoribus, haec manducabitis. Praeterea ab his non manducabitis, quae reducunt ruminationem, et non diuidunt ungulas, et habent ungulas. Camelus, quoniam reducit ruminationem, et ungulam non diuidit, immundum hoc uobis. Et lepus, quoniam reducit ruminationem, et ungulam non diuidit, immundum hoc uobis; et erinacius, quia reducit ruminationem hic, et ungulam non diuidit, immundum hoc uobis; et sues“ et cetera.a Decernit ergo, ne manducentur huiusmodi animalia, quae ex parte uidentur esse munda et ex parte immunda; sicut camelus ex eo quod ruminat, mundus uidetur, ex eo autem quod ungulas diuisas non habet, immundus dicitur. Post haec iam nominat et leporem et erinacium, sed et ipsos dicit ruminare quidem, sed ungulas non diuidere. Alium uero ordinem facit eorum, qui e contrario ungulam quidem diuidunt, sed non ruminant. Primo ergo uideamus, qui sunt isti, qui ruminent et ungulam di|uidunt, quos mundos appellat. Ego arbitror illum dici ruminare, qui operam dat scientiae et „in lege Domini meditatur die ac nocte“.b Sed audi, quomodo dictum est: „qui diuidit“ inquit „ungulam, et reuocat ruminationem“.c Reuocat ergo ruminationem, qui ea, quae secundum litteram legit, reuocat ad sensum spiritalem et ab infimis et uisibilibus ad inuisibilia et altiora conscendit. Sed si mediteris legem diuinam et ea, quae legis, ad subtilem et ad spiritalem intelligentiam reuoces, uita autem tua et actus tui non sint tales, ut habeant discretionem uitae a

Lev. 11,3–7

b

Ps. 1,2

c

Lev. 11,3

288 Zum Gottes würdigen Sinn der Schrift siehe oben S. 130 Anm. 113. 289 Die ausführlich dargestellten biblischen Beispiele dienten Origenes dazu, die spiri-

tuelle Deutung der reinen und unreinen Tiere zu untermauern. Im folgenden Abschnitt kommt er wieder zum Levitikustext selbst zurück. 290 Vgl. Philon, agr. 132 (II p. 121 Cohn/Wendland): „Wie der Wiederkäuer die vorläufig hinabgeschlungene Nahrung wieder heraufwürgt und nochmals zerkaut, so übergibt die Seele des Lernbegierigen die einmal durch das Ohr empfangenen Lehrsätze nicht der Vergessenheit, sondern (bemüht sich), mit sich selbst allein, jedes

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Nächsten spricht und ihm mit seinen Worten nützt oder schadet, für ihn ein reines oder ein unreines Tier, von denen vorgeschrieben wird, die reinen zu nutzen oder sich der unreinen zu enthalten. Wenn wir gemäß diesem Verständnis sagen, dass der höchste Gott für die Menschen Gesetze erlassen hat, glaube ich, dass die Gesetzgebung der göttlichen Hoheit würdig erscheinen wird.288 Wenn wir hingegen auf dem Buchstaben sitzen und gemäß dem, was entweder den Juden oder der Masse richtig zu sein scheint, annehmen, was im Gesetz geschrieben steht, erröte ich zu sagen und zu bekennen, dass Gott solche Gesetze gegeben hat. Denn die Gesetze der Menschen, zum Beispiel der Römer, der Athener oder der Lacedämonier, werden geschmackvoller und vernünftiger erscheinen. Wenn hingegen das Gesetz Gottes gemäß diesem Verständnis, das die Kirche lehrt, aufgefasst wird, dann überragt es gänzlich alle menschlichen Gesetze und es wird wahrlich geglaubt, dass es Gesetz Gottes ist. Daher wollen wir, nachdem das so vorausgeschickt wurde, mit dem geistigen Verständnis, wie wir gemahnt haben, etwas über die reinen und unreinen Tiere streifen.289 6. „Jedes Vieh“, heißt es, „das geteilte Hufe hat und Hufe hat und wiederkäut beim Vieh, das sollt ihr essen. Abgesehen von diesen sollt ihr die nicht essen, die wiederkäuen und keine geteilten Hufe, aber doch Hufe haben. Das Kamel, weil es wiederkäut und keine geteilten Hufe hat, sei für euch unrein. Und der Hase, weil er wiederkäut und keine geteilten Hufe hat, sei für euch unrein; und der Klippdachs, weil dieser wiederkäut und keine geteilten Hufe hat, sei für euch unrein; und das Schwein“ usw.a Er bestimmt also, dass solche Tiere nicht gegessen werden sollen, die zum Teil rein und zum Teil unrein erscheinen; so wie das Kamel, weil es wiederkäut, rein erscheint, weil es aber keine geteilten Hufe hat, unrein genannt wird. Danach nennt er noch den Hasen und den Klippdachs, doch auch von diesen sagt er, dass sie zwar wiederkäuen, jedoch nicht geteilte Hufe haben. Eine andere Ordnung hingegen macht er bei denen, die im Gegensatz dazu zwar geteilte Hufe haben, jedoch nicht wiederkäuen. Zuerst wollen wir also sehen, wer die sind, die wiederkäuen und geteilte Hufe haben, die er als rein bezeichnet. Ich glaube, dass von dem gesagt wird, dass er wiederkäut, der sich um Erkenntnis bemüht und „über das Gesetz des Herrn nachsinnt bei Tag und bei Nacht“.b Höre jedoch, wie gesagt ist: „wer geteilte Hufe hat“, heißt es, „und wiederkäut.“ c Es käut also wieder, wer das, was er nach dem Buchstaben liest, zum geistigen Sinn zurückruft und vom Untersten und Sichtbaren zum Unsichtbaren und Höheren hinaufsteigt.290 Wenn du jedoch über das göttliche Gesetz nachsinnst und das, was du liest, zum genauen und zum geistigen Verständnis zurückrufst, dein Leben aber und deine Taten nicht solche sind, dass sie einen Unterschied zwischen dem gegenwärtigen und dem zukünftigen Leben aufeinzelne mit aller Ruhe ‚wiederzukäuen‘ und alles dem Gedächtnis einzuprägen.“ Übersetzung: Cohn, Philo Werke IV, 137.

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Homilia VII

praesentis et futurae, huius saeculi et saeculi superuenturi,a si non ista competenti ratione discernas et diuidas, camelus es tortuosus; qui cum intellectum acceperis ex meditatione legis diuinae, non diuidis neque segregas praesentia et futura nec angustam uiam a uia spatiosa secernis.b Sed adhuc manifestius, quod dicitur, explanemus. Sunt qui adsumunt testamentum Dei per os suum et, cum legem Dei in ore habeant, uita et actus sui longe a uerbis eorum et sermonibus discrepant; „dicunt enim et non faciunt.“ c De quibus et propheta dicit: „Peccatori autem dixit Deus: Quare tu enarras iustitias meas, et adsumis testamentum meum per os tuum?“ dVides ergo, quomodo iste ruminat, qui testamentum Dei habet in ore suo. Sed quid in sequentibus ad eum dicitur? „Tu autem odisti disciplinam, et abiecisti sermones meos post te.“ e In quo euidenter ostendit istum ruminantem quidem, sed ungulam non diuidentem, et ideo immundus est quicumque est talis. Et iterum est alius uel ex his, qui extra religionem nostram sunt, uel ex his, qui nobiscum sunt, qui diuidunt quidem ungulam et ita incedunt in uiis suis, ut actus suos ad futurum | saeculum praeparent. Multi enim ita et ex philosophis sapiunt et futurum esse iudicium credunt. Immortalem namque animam sentiunt et remunerationem bonis quibusque positam confitentur. Hoc et haereticorum nonnulli faciunt et quantum exspectant, timorem futuri iudicii gerunt et actus suos tamquam in diuino examine requirendos cautius temperant. Sed horum uterque non ruminat nec reuocat ruminationem. Non enim ea, quae in lege Dei scripta sunt, audiens meditatur ac reuocat ad subtilem et spiritalem intelligentiam; sed statim ut audierit aliquid, aut contemnit aut despicit nec requirit, qui in uilioribus uerbis pretiosus lateat sensus. Et abeunt isti diuidentes quidem ungulam, sed ruminationem non reuocantes. Tu autem, qui uis esse mundus, conuenientem habeto et consonam uitam scientiae et actus intellectui, ut sis in utroque mundus, ut et reuoces ruminationem et ungulam diuidas, sed et ungulas ut producas siue abicias. a

Vgl. Eph. 2,7

b

Vgl. Mt. 7,13f.; 19,24

c

Mt. 23,3

d

Ps. 49(50),16

e

Ps. 49(50),17

291 Vgl. Cels. VI 16 (GCS Orig. 2, 87), wo das unreine Kamel erwähnt wird, „das zwar

eine gute Eigenschaft hat, da es Wiederkäuer ist, aber auch eine tadelnswerte, da es ungespaltene Hufe besitzt“ (Übersetzung: Koetschau, BKV² I 53, 548); sel. in Lev. 11,3 (PG 12, 401B): „Der gespaltene Huf bedeutet, dass der Gottesfürchtige in dieser Welt lebt und nach der kommenden Welt strebt …“; Novatian, cib. Iud. III 14 (CChr.SL 4, 95): „Denn was will das Gesetz, wenn es sagt: ‚Das Kamel sollst du nicht essen?‘, wenn nicht, weil es am Beispiel des Tieres das ungestalte und von Verbrechen verdrehte Leben verurteilt?“ Von Theodoret, in Lev. quaest. 11 (p. 28 Hill), wird das Wiederkäuen als das dauernde Wiederholen und Meditieren der göttlichen Nahrung, also der Worte Gottes, gedeutet: „Ich meine, ‚mit geteilten Hufen‘ meint … nicht nur im gegenwärtigen Leben zu leben, sondern auch im zukünftigen …, das ‚Wiederkäuen‘ aber bezeichnet die Sorge um die göttlichen Worte.“ Vgl. ferner Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 726).

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weisen, zwischen dieser Welt und der kommenden Welt,a wenn du nicht mit entsprechender Vernunft unterscheidest und teilst, bist du ein verrenktes Kamel,291 der du, obwohl du aus dem Nachsinnen über das göttliche Gesetz Verständnis gewonnen hast, nicht teilst und nicht das Gegenwärtige und das Zukünftige sonderst und nicht den engen Weg vom breiten Weg scheidest.b Aber wir wollen noch deutlicher erklären, was gesagt wird. Es gibt solche, die das Testament Gottes durch ihren Mund annehmen, und obwohl sie das Gesetz Gottes im Mund haben, weichen ihr Leben und ihre Taten weit von ihren Worten und Reden ab; „denn sie reden, tun es aber nicht.“ c Über diese sagt auch der Prophet: „Zum Sünder aber sagte Gott: Warum erzählst du meine gerechten Taten und nimmst mein Testament durch deinen Mund an?“ d Du siehst also, wie der wiederkäut, der das Testament Gottes in seinem Mund hat. Was jedoch wird im Folgenden zu ihm gesagt? „Du aber hasst die Zucht und wirfst meine Reden hinter dich.“ e Damit zeigt er klar, dass dieser zwar wiederkäut, jedoch keinen geteilten Huf hat, und deshalb ist jeder unrein, der ein solcher ist. Und wiederum gibt es einen anderen, entweder von denen, die außerhalb unserer Religion sind, oder von denen, die mit uns sind, die einen geteilten Huf haben und so auf ihren Wegen gehen, dass sie ihre Taten für die zukünftige Welt vorbereiten. Denn so verständig sind auch viele von den Philosophen und glauben, dass es ein Gericht geben wird.292 Sie denken nämlich die Seele als unsterblich und bekennen, dass eine Belohnung für alle Guten bereitliegt. Das tun auch einige von den Häretikern, und soweit sie es erwarten, fürchten sie das zukünftige Gericht und mäßigen vorsichtiger ihre Taten, da diese sozusagen im göttlichen Gericht zu prüfen sind.293 Keiner von ihnen jedoch käut noch käut er wieder. Denn wenn er das, was im Gesetz Gottes geschrieben steht, hört, sinnt er nicht nach und ruft es zum genauen und geistigen Verständnis zurück; sondern sofort, wie er etwas hört, verachtet er es oder verschmäht es und prüft nicht, welcher wertvolle Sinn in wertloseren Worten verborgen ist. Und diese gehen weg, indem sie zwar einen geteilten Huf haben, jedoch nicht wiederkäuen. Du aber, der du rein sein willst, sollst ein Leben haben, das mit der Erkenntnis, und Taten, die mit dem Verstand übereinstimmen und zueinander passen, damit du in beidem rein bist, damit du sowohl wiederkäust als auch einen geteilten Huf hast, jedoch auch Hufe hervorbringst oder wegwirfst.

292 Vgl. Origenes, Cels. VII 5 (GCS Orig. 2, 156): „Aber wenn wirklich nicht allein bei

Christen und Juden, sondern auch bei vielen Griechen und Nichtgriechen der Glaube herrscht, dass die menschliche Seele nach ihrer Trennung von dem Körper lebt und fortbesteht …“; Übersetzung: Koetschau, BKV² I 53, 644. 293 Vgl. in Gen. hom. 7,4 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 115): „… doch einige … hangen Gott aus Liebe an, andere aus Angst und Furcht vor dem kommenden Gericht“ (Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 157); in Ios. hom. 9,7 (GCS Orig. 7, 351f.).

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Homilia VII

Requiramus et huius rei testimonium, quomodo ungulas producimus, uel, ut alibi legitur, abicimus. Scriptum est in Deuteronomio: „Si“ inquit „exieris ad bellum aduersum inimicos tuos, et uideris ibi mulierem decora specie, et concupieris eam, adsumes eam, et rades omnem pilum capitis eius et ungulas eius, et indues eam uestimentis lugubribus; et sedebit in domo lugens patrem suum et matrem suam et domum paternam suam; et post triginta dies erit tibi uxor.“a Sed nunc non est propositum, ut haec, quae in testimonium uocata sunt, explanentur; sed propterea diximus, quia et hic de ungulis mentio facta est.Verum tamen et ego frequenter exiui ad bellum contra inimicos meos et uidi | ibi in praedam mulierem decora specie. Quaecumque enim bene et rationabiliter dicta inuenimus apud inimicos nostros, si quid apud illos sapienter et scienter dictum legimus, oportet nos mundare id et ab scientia, quae apud illos est, auferre et resecare omne quod emortuum et inane est – hoc enim sunt omnes capilli capitis et ungulae mulieris ex inimicorum spoliis adsumptae – et ita demum facere eam nobis uxorem, cum iam nihil ex illis, quae per infidelitatem mortua dicuntur, habuerit, nihil in capite habeat mortuum, nihil in manibus, ut neque sensibus neque actibus immundum aliquid aut mortuum gerat. Nihil enim mundum habent mulieres hostium nostrorum, quia nulla est apud illos sapientia, cui immunditia aliqua non sit admixta.Velim tamen dicerent mihi Iudaei, quomodo apud eos ista seruentur. Quid causae, quid rationis est decaluari mulierem et ungulas eius demi? Verbi causa, si ponamus quod ita inuenerit eam is, qui dicitur inuenisse, ut neque capillos neque ungulas habeat: Quid habuit quod secundum legem demere uideretur? Nos uero, quibus militia spiritalis est et „arma non carnalia, sed potentia Deo ad destruenda consilia“,b decora mulier si repperta fuerit apud hostes et rationabilis aliqua disciplina, hoc modo purificabimus eam, quo superius diximus. Oportet ergo eum, qui mundus est, non solum diuidere ungulam et non solum praesentis et futuri saeculi actus et opera discernere, sed et ungulas producere uel, ut alibi legimus, abicere, ut purificantes nos „ab operibus mortuis“ c permaneamus in uita. 7. Haec quidem generaliter dicta sint de animalibus; illa uero, quae in aquis sunt, quia dicuntur, siquidem habeant pinnas et squamas, munda esse, si a

Dtn. 21,10–13

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2 Kor. 10,4

c

Hebr. 9,14

294 „Hervorbringen“ (producere) gibt nicht den Sinn des hebräischen (und griechischen)

Textes wieder. Dort ist vom Schneiden der Nägel die Rede. Diese zweite Lesart kennt Origenes ebenfalls („wegwerfen“). 295 Im Lateinischen steht für die Nägel dasselbe Wort wie für die Hufe (ungula). 296 Dazu, dass Haare „tot“ sind, vgl. in Ex. hom. 13,5 (GCS Orig. 6, 276). 297 Vgl. in Gen. hom. 11,2 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 162) zur Ehe Abrahams mit Ketura: „Je erschöpfter man nämlich im Fleisch ist, umso stärker wird man sich im geistigen Vermögen zeigen und umso reifer für die Umarmungen der Weisheit“ (Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 215); in Ex. hom. 11,6 (GCS Orig. 6, 260). Zur breiten

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Wir wollen auch ein Zeugnis für diese Sache suchen, wie wir Hufe hervorbringen294 oder, wie anderswo zu lesen ist, wegwerfen. Im Deuteronomium steht geschrieben: „Wenn“, heißt es, „du zum Krieg gegen deine Feinde ausziehst und du dort eine Frau siehst, schön von Gestalt, und du sie begehrst, nimm sie und schere das ganze Haar ihres Hauptes und ihre Nägel295 und bekleide sie mit Trauergewändern; und sie soll im Haus sitzen und ihren Vater, ihre Mutter und ihr Vaterhaus betrauern; und nach dreißig Tagen soll sie deine Frau sein.“a Das Vorhaben ist jetzt jedoch nicht, dass das, was zum Zeugnis aufgerufen wurde, erklärt wird; deswegen jedoch haben wir es gesagt, weil auch hier die Hufe erwähnt werden. Aber gleichwohl bin auch ich oft zum Krieg gegen meine Feinde ausgezogen und habe dort als Beute eine Frau, schön von Gestalt, gesehen. Denn was auch immer wir bei unseren Feinden gut und vernünftig gesagt finden, wenn wir etwas bei jenen weise und verständig gesagt lesen, müssen wir es rein machen und von der Erkenntnis, die bei jenen ist, wegnehmen und alles, was abgestorben und nichtig ist, abschneiden – denn das sind alle Haare des Hauptes296 und die Nägel der Frau, die aus den Beutestücken von den Feinden genommen wurde – und so zuletzt diese uns zur Frau machen, nachdem sie nichts mehr von dem, was aufgrund von Unglauben tot genannt wird, hat, nichts Totes auf dem Haupt hat, nichts an den Händen, sodass sie weder durch die Gedanken noch durch die Taten etwas Unreines oder Totes an sich trägt. Denn nichts Reines haben die Frauen unserer Feinde, weil keine Weisheit bei ihnen ist, der nicht irgendeine Unreinheit beigemischt ist.297 Ich wünschte jedoch, die Juden würden mir sagen, wie das bei ihnen beachtet wird. Welchen Grund, welche Erklärung gibt es dafür, dass die Frau kahlgeschoren wird und ihre Nägel entfernt werden? Zum Beispiel gesetzt den Fall, dass dieser, von dem gesagt wird, dass er sie gefunden hat, sie so gefunden hat, dass sie weder Haare noch Nägel hat:Was hatte sie, das nach dem Gesetz offensichtlich entfernt wurde? Wir hingegen, die wir einen geistigen Kampf führen und „nicht Waffen“ haben, „die fleischlich sind, sondern mächtig für Gott, um Ratschlüsse zu zerstören“,b wenn eine schöne Frau bei den Feinden gefunden wurde und irgendeine vernünftige Einrichtung, werden sie auf die Weise reinigen, wie wir vorher gesagt haben. Wer rein ist, muss also nicht nur einen geteilten Huf haben und nicht nur Taten und Werke der gegenwärtigen und zukünftigen Welt unterscheiden, sondern auch Hufe hervorbringen oder, wie wir anderswo lesen, wegwerfen, damit wir, indem wir uns „von den toten Werken“ c reinigen, am Leben bleiben. 7. Das wurde freilich allgemein über die Tiere gesagt. Jene hingegen, die im Wasser sind, mit der Aussage, dass sie, sofern sie Flossen und Schuppen haben, rein seien, wenn sie hingegen keine haben, unrein und nicht gegessen Nachwirkung dieser Metapher von der schönen Frau für die weltliche Weisheit, deren ‚Unreinheiten‘ man, wenn man sie christlich rezipiert, beseitigen muss, siehe de L ubac , Exégèse médiévale I/1, 290–304.

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Homilia VII

uero non habeant, immunda nec edi debere:a illud in his ostenditur, ut, si quis est in aquis istis et in mari uitae huius atque in fluctibus saeculi positus, tamen debeat satis agere, ut non in profundis iaceat aquarum, sicut sunt isti pisces, qui dicuntur non habere | pinnas neque squamas. Haec namque eorum natura perhibetur, ut in imo semper et circa ipsum coenum demorentur; sicut sunt anguillae et huic similia, quae non possunt adscendere ad aquae summitatem neque ad eius superiora peruenire. Illi uero pisces, qui pinnulis iuuantur ac squamis muniuntur, adscendunt magis ad superiora et aeri huic uiciniores fiunt, uelut qui libertatem spiritus quaerant.Talis est ergo sanctus quisque, qui intra retia fidei conclusus bonus piscis a Saluatore nominatur et mittitur in uas,b ueluti pinnas habens et squamas. Nisi enim habuisset pinnas, non resurrexisset de coeno incredulitatis nec ad rete fidei peruenisset. Quid autem est quod et squamas habere dicitur, tamquam qui paratus sit uetera indumenta deponere? Hi enim, qui squamas non habent, uelut ex integro carnei sunt et toti carnales, qui deponere nihil possint. Si qui ergo habet pinnas, quibus ad superiora nitatur, mundus est; qui uero non habet pinnas sed in inferioribus permanet et in coeno semper uersatur, immundus est. Similiter autem de auibus. „Non manducabis“ inquit „haec, quia immunda sunt: aquilam et uulturem“ c et cetera his similia. His etenim auibus semper mortuorum corporum cibus est et ex mortuis cadaueribus uiuunt. Omnes ergo, qui huiusmodi uitam gerunt, immundi habendi sunt. Ego puto et illos in his numerari, qui alienas incubant mortes et arte uel fraude testamenta subiciunt. Huiusmodi enim homines uultures et aquilae merito appellabuntur, uelut mortuorum cadaueribus inhiantes. Scio et alia uolatilia, quae raptu uiuunt. Hae sunt animae, quae secundum hoc quidem, quod rationabiles sunt et imbutae liberalibus institutis uel rationabilibus disciplinis, uolatilia uidentur – legunt enim et requirunt uel de ratione coeli uel quomodo mundus Dei prouidentia gubernetur; secundum haec ergo uolatilia nominantur; | si uero huiusmodi homines inique agant, contra legem faciant, diripiant proximos et, cum in uerbis esse uideatur eruditio coelestis, in actibus carnalia et mortua opera gerant, recte uultures uel aquilae dicendi sunt, quae de excelsis ad carnes mortuas ac foetidas delabuntur. Ad hoc referenda est et accipitris rapacitas et ceterorum omnium; ex quibus quaedam quidem sunt uolatilia rapacia

Vgl. Lev. 11,9f.

b

Vgl. Mt. 13,47f.

c

Lev. 11,13

298 Vgl. Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 727): „Ebenso bezeichnet das Meer die bittere

Salzigkeit beziehungsweise die Bitterkeit und Unbeständigkeit unseres Lebens … Die Fische, die nur mit Schuppen bekleidet sind, schwimmen, von der Wärme angezogen, zur Oberfläche des Meeres und entkommen meist den Netzen der Fischer. Aber die Fische, die keine Schuppen haben und nicht von Flossen emporgehalten werden, verstecken sich in den schlammigen Tiefen und halten sich an den Meeresalgen fest, die in den unteren Tiefen fruchtbar wachsen. Diese Fische sind ganz und gar schwach und werden sehr leicht gefangen.“

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werden dürfen:a darin wird gezeigt, dass sich jemand, wenn er sich in diesem Wasser und im Meer dieses Lebens und in den Fluten der Welt befindet, dennoch genug anstrengen muss, dass er nicht im tiefen Wasser liegt, so wie diese Fische, von denen gesagt wird, dass sie weder Flossen noch Schuppen haben. Denn ihre Natur gibt vor, dass sie immer ganz unten und in der Nähe des Schlamms verweilen; so gibt es Aale und ähnliche Fische, die nicht zur Oberfläche des Wassers aufsteigen und nicht zu dessen höheren Schichten gelangen können. Jene Fische hingegen, die durch Flossen unterstützt und durch Schuppen geschützt werden, steigen mehr zum Höheren auf und kommen der Luft näher, gleichsam die, die die Freiheit des Geistes suchen. Ein solcher ist also jeder Heilige, der, in den Netzen des Glaubens eingeschlossen, vom Erlöser ein guter Fisch genannt und ins Gefäß geworfen wird,b der gleichsam Flossen und Schuppen hat. Denn wenn er keine Flossen hätte, wäre er nicht aus dem Schlamm der Ungläubigkeit aufgestanden und wäre nicht zum Netz des Glaubens gelangt. Was aber bedeutet es, dass gesagt wird, dass er auch Schuppen hat, wenn nicht, dass er bereit ist, die alten Kleider abzulegen? Denn die, die keine Schuppen haben, sind gleichsam vollständig aus Fleisch und so ganz fleischlich, dass sie nichts ablegen können. Wenn jemand also Flossen hat, mit denen er zum Höheren streben kann, ist er rein; wer hingegen keine Flossen hat, sondern im Niedrigeren bleibt und sich immer im Schlamm bewegt, ist unrein.298 Ebenso ist es aber auch bei den Vögeln. „Du sollst das nicht essen“, heißt es, „was unrein ist: den Adler und den Geier“ c und anderes dergleichen. Denn die Speise für diese Vögel sind immer tote Körper und sie leben von toten Kadavern. Alle also, die ein derartiges Leben führen, sind für unrein zu halten. Ich glaube, dass auch jene zu diesen gezählt werden, die auf den Tod von anderen lauern und mit List und Betrug Testamente unterschieben. Denn auf diese Weise werden Menschen mit Recht Geier und Adler genannt werden, da sie gleichsam nach den Kadavern von Toten schnappen. Ich kenne noch andere Vögel, die von Raub leben. Diese sind die Seelen, die zwar demgemäß, dass sie vernünftig sind und eingeweiht in die freien Unterweisungen beziehungsweise in die vernünftigen Lehren, als Vögel erscheinen – denn sie lesen und fragen nach der Erklärung des Himmels oder wie die Welt durch Gottes Vorsehung gelenkt wird; demgemäß werden sie also Vögel genannt; wenn hingegen derartige Menschen ungerecht agieren, gegen das Gesetz handeln, die Nächsten berauben und, obwohl in den Worten himmlische Bildung zu sein scheint, in den Taten fleischliche und tote Werke ausführen, sind sie richtigerweise Geier oder Adler zu nennen, die von den Höhen zum toten und stinkenden Fleisch herabsinken. Dazu ist auch die Raubgier der Falken und aller übrigen zu rechnen; unter diesen gibt es freilich manche Vögel, die auf Raubgier bedacht sind, manche hingegen sind nicht so sehr

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tati studentia, quaedam uero non tam rapacia quam obscuritatem et tenebras amantia. „Omnis enim qui male agit, odit lucem et non uenit ad lucem“,a ut sunt noctuae et uespertiliones et cetera, quae lex pronuntiauit immunda.b A quibus omnibus spiritali nos obseruantia custodientes et cibum ex mundis animalibus appetentes etiam ipsi puri efficiemur et mundi, per Christum Dominum nostrum, per quem est Deo patri cum Spiritu sancto „gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ c a

Joh. 3,20

b

Vgl. Lev. 11,17–19

c

1 Petr. 4,11

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Homilie 7,7

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räuberisch als vielmehr die Dunkelheit und Finsternis liebend. „Denn jeder, der schlecht handelt, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht“,a wie es die Nachteulen und Fledermäuse und die übrigen sind, die das Gesetz für unrein erklärt hat.b 299 Wenn wir uns vor diesen allen durch geistige Beachtung des Gesetzes bewahren und Speise von den reinen Tieren anstreben, werden auch wir selbst unbefleckt und rein werden durch Christus, unseren Herrn, durch den Gott, dem Vater, mit dem Heiligen Geist „Herrlichkeit und Macht ist in alle Ewigkeit. Amen!“ c

299 Vgl. ebd.: „Verworfen werden an dieser Stelle sowohl die Diebe als auch die Räuber,

die uns der Milan und andere Raubvögel im Schatten anzeigen. Die Hinterhältigen und im Geist Verblendeten werden durch den Raben angezeigt.“

HOMILIA VIII. De eo, quod scriptum est: „Mulier quaecumque conceperit semen et pepererit masculum, immunda erit septem diebus“ a et de diuersitatibus leprae ac purificationibus leprosi.b

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1. Medicum dici in scripturis diuinis Dominum nostrum Iesum Christum etiam ipsius Domini sententia perdocemur, sicut dicit in euangeliis: „Non indigent sani medico, sed qui male habent. Non enim ueni iustos uocare, sed peccatores in poenitentiam.“ c Omnis autem medicus ex herbarum sucis uel arborum uel etiam metallorum uenis aut animantium naturis profutura corporibus medicamenta componit. Sed herbas istas si qui forte, antequam pro ratione artis componantur, adspiciat, si quidem in agris aut montibus, uelut foenum uile conculcat et praeterit. Si uero eas intra medici scholam dispositas per ordinem | uiderit, licet odorem tristem forte et austerum reddant, tamen suspicabitur eas curae uel remedii aliquid continere, etiamsi nondum, quae uel qualis in eis sit sanitatis ac remedii uirtus, agnouerit. Haec de communibus medicis diximus.Veni nunc ad Iesum coelestem medicum, intra ad hanc stationem medicinae eius ecclesiam, uide ibi languentium iacere multitudinem.Venit mulier, quae ex partu immunda effecta est,d uenit leprosus, qui extra castra separatus est pro immunditia leprae,e quaerunt a medico remedium, quomodo sanentur, quomodo mundentur; et quia Iesus hic, qui medicus est, ipse est et Verbum Dei, aegris suis non herbarum sucis, sed uerborum sacramentis medicamenta conquirit. Quae uerborum medicamenta si qui incultius per libros tamquam per agros uideat esse dispersa, ignoa

Lev. 12,2

b

Vgl. Lev. 13f.

c

Lk. 5,31f.

d

Vgl. Mt. 9,20; Lev. 12,2

e

Vgl. Mt. 8,2; Lev. 13,46

300 Vgl. Mt. 9,12f.; Mk. 2,17; Lk. 5,31f. Hier zitiert Origenes nach Lukas. Vgl. Cels. III 62

(GCS Orig. 1, 256): „‚Gesandt wurde‘ nun Gott, das Wort, insofern er Arzt war, für die Sünder, insofern er aber Lehrer göttlicher Geheimnisse war, für die, welche bereits rein sind und nicht mehr sündigen“ (Übersetzung: Koetschau, BKV² I 52, 275); II 67 (1, 189): „Auch kam der Herr als Heiland zu uns, mehr als ein guter Arzt zu den mit Sünden Beladenen als zu den Gerechten“ (Übersetzung: ebd. 188); I 9 (1, 61f.); III 61 (1, 255). Jesus heilt die körperlichen Gebrechen: ebd. VIII 45 (2, 260); er ist aber auch Arzt der Seelen: ebd. I 48 (1, 98f.): körperliche und seelische Heilung des Aus-

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Über die Schriftstelle: „Eine Frau, die Samen empfängt und ein männliches Kind gebiert, soll sieben Tage unrein sein“,a und über die verschiedenen Arten des Aussatzes und die Reinigung des Aussätzigen.b 1. Dass unser Herr Jesus Christus in den göttlichen Schriften Arzt genannt wird, werden wir sogar von einem Ausspruch des Herrn selbst gelehrt, so wie er in den Evangelien sagt: „Nicht die Gesunden benötigen den Arzt, sondern die, denen es schlecht geht. Denn ich bin nicht gekommen, die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder zur Buße.“ c 300 Jeder Arzt aber mengt den Körpern nützliche Heilmittel aus Säften von Kräutern oder Bäumen oder sogar aus Metalladern oder tierischen Organen. Wenn jedoch jemand diese Kräuter vielleicht, bevor sie nach den Regeln der Kunst vermengt werden, erblickt, etwa auf den Feldern oder den Bergen, tritt er sie nieder wie nutzloses Heu und geht vorüber. Wenn er diese hingegen in einer Schule der Medizin der Ordnung nach aufgereiht sieht, mögen sie auch einen vielleicht bitteren und herben Geruch von sich geben, wird er dennoch vermuten, dass sie etwas von einem Pflege- oder Heilmittel enthalten, auch wenn er noch nicht weiß, was oder von welcher Art die Kraft der Gesundheit und Heilung darin ist. Das haben wir über die gewöhnlichen Ärzte gesagt. Komm nun zu Jesus, dem himmlischen Arzt, tritt ein in seine medizinische Station, die Kirche, sieh dort die Menge der Kranken liegen! Es kommt eine Frau, die durch eine Geburt unrein wurde,d es kommt ein Aussätziger, der außerhalb des Lagers wegen der Unreinheit des Aussatzes abgesondert wurde,e sie erbitten vom Arzt ein Heilmittel, wie sie gesund werden, wie sie rein werden; und weil dieser Jesus, der der Arzt ist, auch das Wort Gottes ist, sucht er für seine Kranken Heilmittel nicht aus Säften von Kräutern, sondern aus den Geheimnissen der Wörter zusammen. Wenn jemand diese Heilmittel der Wörter ungepflegt über die Bücher wie über die Felder verstreut sieht, wird er, wenn sätzigen; ebd. VIII 54 (2, 270): eine vom Satan gekrümmte Frau (vgl. Lk. 13,11–17). Dabei ist auch der spirituelle Aspekt von Bedeutung: princ. II 10,6 (GCS Orig. 5, 179); in Hier. hom. 12,5 (GCS Orig. 32, 91f.); in Lev. hom. 7,1 (GCS Orig. 6, 372). Vgl. ferner Ignatius von Antiochia, Eph. 7,2 (SUC 1, 146); Clemens von Alexandria, protr. 1,8 (GCS Clem. Al. 13, 8); paid. I 1,1 (GCS Clem. Al. 13, 90).

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Homilia VIII

rans singulorum dictorum uirtutem ut uilia haec et nullum sermonis cultum habentia praeteribit. Qui uero parte ex aliqua didicerit animarum apud Christum esse medicinam, intelliget profecto ex his libris, qui in ecclesia recitantur, tamquam ex agris et montibus salutares herbas adsumere unumquamque debere, sermonum dumtaxat uim; ut, si qui ille est in anima languor, non tam exterioris frondis et corticis, quam suci interioris hausta uirtute sanetur.Videamus ergo aduersum immunditiam partus et contagionem leprae praesens haec lectio quam diuersa et quam uaria purificationum medicamenta conficiat. 2. „Et locutus est“ inquit „Dominus ad Moysen dicens: Loquere filiis Istrahel et dices ad eos: Mulier quaecumque conceperit semen et pepererit masculum, immunda erit septem diebus.“a Primo consideremus secundum historiam, si non uidetur quasi ex superfluo additum: „mulier quae conceperit semen et pepererit masculum“,b quasi possit aliter masculum parere nisi semine concepto. Sed non ex superfluo | additur. Ad discretionem namque illius, quae sine semine concepit et peperit, istum sermonem pro ceteris mulieribus legislator adiecit, ut non omnem mulierem, quae peperisset, designaret immundam, sed eam, quae concepto semine peperisset. Addi quoque ad hoc etiam illud potest, quod lex ista, quae de immunditia scribitur, ad mulieres pertinet; de Maria autem dicitur quia uirgo concepit et peperit.c Ferant ergo legis onera mulieres, uirgines uero ab his habeantur immunes. Sed si nobis aliquis occurrat argutus et dicat quia et Maria mulier in scripturis nominatur – sic enim dicit apostolus: „Vbi autem uenit plenitudo temporum, misit Deus filium suum, factum ex muliere, factum sub lege, ut eos, qui sub lege erant, redimeret“ d –, respondebimus ei quia in hoc apostolus mulierem non pro corruptela, sed pro sexus indicio nominauit; ut, quia dicebat filium Deum missum, simul et illud, quod communi omnium ingressu in hunc 22 Fragmentum II (Prokop, comm. in Lev.: PG 87/1, 729f.): Ἡλικίας γὰρ ἡ κλῆσις (sc. γυναικός) τῆς οὐκέτι παιδίου ὡς καὶ ἡ τοῦ ἀνδρός, κἂν τὴν ἐν τῷ σπείρειν μὴ ἔχῃ πρᾶξιν· Διὸ καὶ Παῦλός φησιν· „Ἐξαπέστειλεν ὁ Θεὸς τὸν υἱὸν αὑτοῦ γενόμενον ἐκ γυναικός.“ d Καὶ Ἀβραὰμ τῷ πεμφθέντι παιδὶ πρὸς τὸν Βαθουὴλ οὐκ εἶπε· „Λήψῃ“ παρθένον, ἀλλά· „γυναῖκα τῷ υἱῷ μου.“ e a

Lev. 12,1f.

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Lev. 12,2

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Vgl. Mt. 1,23

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Gal. 4,4f.

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Gen. 24,4f.

301 Zur Bedeutung von historia bei Origenes siehe oben S. 103 Anm. 71. 302 Zur folgenden Überlegung vgl. das bei Baehrens, GCS Orig. 6, 394 app. test., abge-

druckte Fragment aus den Katenen (PG 12, 493B): „Überflüssig scheinen die Worte ‚wenn sie Samen empfangen hat‘ zu sein, die den Worten ‚und ein männliches Kind gebiert‘ vorangestellt sind. Aber ich stelle zur Diskussion, ob nicht das alles prophetisch gesagt ist, dass Maria, die ohne Samen empfangen zu haben, ein männliches Kind geboren hat, nicht gesetzlich für unrein gehalten wurde, als sie den Erlöser geboren hatte. Man kann aber auch aus der Tatsache, dass sie nicht das Opfer dargebracht hat, das darzubringen ist, ‚wenn sie Samen empfangen hat‘, erkennen, das

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er nicht die Kraft der einzelnen Aussagen kennt, vorübergehen, als wären sie nutzlos und hätten keine gepflegte Sprache. Wer hingegen einigermaßen gelernt hat, dass bei Christus das Heilmittel der Seelen ist, wird sicherlich aus diesen Büchern, die in der Kirche vorgetragen werden, verstehen, dass jeder einzelne wie von Feldern und Bergen Heilkräuter sammeln muss, nämlich die Kraft der Wörter, damit er, wenn er in der Seele kraftlos ist, nicht so sehr durch die Kraft, die von äußeren Blättern und Baumrinden, als vielmehr vom inneren Saft geschöpft ist, gesund wird. Wir wollen also sehen, wie verschiedene und wie unterschiedliche Heilmittel der Reinigung gegen die Unreinheit der Geburt und die Ansteckung mit Aussatz diese gegenwärtige Lesung herstellt. 2. „Und der Herr sprach“, heißt es, „zu Mose: Sprich zu den Söhnen Israels und sage zu ihnen: Eine Frau, die Samen empfängt und ein männliches Kind gebiert, soll sieben Tage unrein sein.“a Zuerst wollen wir gemäß der Geschichte301 überlegen,302 ob nicht gleichsam überflüssigerweise hinzugefügt zu sein scheint: „eine Frau, die Samen empfängt und ein männliches Kind gebiert“,b als ob sie auf andere Weise ein männliches Kind gebären könnte als nach dem Empfang von Samen. Es wird jedoch nicht überflüssigerweise hinzugefügt. Zur Unterscheidung nämlich von jener, die ohne Samen empfing und gebar, fügte der Gesetzgeber für die anderen Frauen dieses Wort hinzu, damit nicht jede Frau, die geboren hat, als unrein bezeichnet wird, sondern die, die nach dem Empfang von Samen geboren hat. Es kann dazu auch noch dies hinzugefügt werden, dass sich dieses Gesetz, das über die Unreinheit geschrieben wird, auf die Frauen bezieht; über Maria aber wird gesagt, dass sie als Jungfrau empfing und gebar.c Die Frauen sollen also die Lasten des Gesetzes tragen, die Jungfrauen hingegen sollen davon frei gehalten werden.Wenn uns jedoch jemand scharfsinnig entgegentritt und sagt, dass auch Maria in den Schriften Frau genannt wird – denn so sagt der Apostel: „Sobald aber die Fülle der Zeiten kam, sandte Gott seinen Sohn, geboren aus einer Frau, geboren unter dem Gesetz, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste“ d –, werden wir ihm antworten, dass der Apostel darin „Frau“ nicht als Hinweis auf die Verderbnis, sondern auf das Geschlecht nannte, damit er, weil er sagte, dass Gott den Sohn gesandt hat, zugleich auch darlegte, dass er durch den allen gemeinsamen Eingang in diese Welt gekommen ist. 27 Fragment 2 (in Lev. hom. 8,2): Denn aufgrund des Alters, das nicht mehr das eines Kindes ist, erfolgt die Benennung (sc. der Frau), wie auch die des Mannes, auch wenn er sich nicht im Zeugen betätigt. Deshalb sagt auch Paulus: „Gott sandte seinen Sohn, geboren aus einer Frau.“ d Auch Abraham sagte zu dem Knecht, den er zu Betuël sandte, nicht: „Hole“ eine Jungfrau, sondern „eine Frau für meinen Sohn“.e Maria nicht unrein war. Denn sie war nicht einfach Frau, sondern Jungfrau.“ – Nach Lk. 2,24 bringt Maria, wie in Lev. 12,8 vorgeschrieben, zwei Tauben oder Turteltauben dar. Die Argumentation stimmt also nicht mit der Bibel überein.

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Homilia VIII

mundum uenisset, exponeret. Est porro et aetatis istud uocabulum, eius scilicet, qua feminino sexui de annis pubertatis exceditur et ad id temporis, quo habilis uiro uideatur esse, transitur. Sicut et econtra uir appellatur is, qui adolescentiae tempus excesserit, etiamsi uxorem nondum habeat, cuius uir esse dicatur; quo nomine appellari solent etiam hi, quos femineae admixtionis macula nulla perstrinxit. Si ergo recte dicitur uir pro sola uirili aetate etiam is, qui nullius admixtionem feminae nouerit, quomodo non eadem consequentia etiam uirgo, quae intemerata permansit, pro sola aetatis maturitate mulier nominetur? Denique et Abraham cum puerum mitteret Mesopotamiam in domum Bathuelis, ut „inde acciperet Isaac filio suo uxorem“a et puer curiosius percontaretur, ait ad eum: „Quod si noluerit mulier sequi me, reducam filium tuum illuc?“ b| et non dixit: quod si noluerit uirgo sequi me. Haec ergo dicta sint nobis de eo, quod obseruauimus scriptum quia non superfluo addidit legislator: „mulier si conceperit semen et pepererit filium“,c sed esse exceptionem mysticam, quae solam Mariam a reliquis mulieribus segregaret, cuius partus non ex conceptione seminis, sed ex praesentia sancti Spiritus et uirtute altissimi d fuerit. 3. Nunc ergo requiramus etiam illud, quid causae sit, quod mulier, quae in hoc mundo nascentibus ministerium praebet, non solum, cum semen suscepit, immunda fieri dicitur, sed et cum peperit.e  Vnde et pro purificatione sua iubetur offerre „pullos columbinos aut turtures pro peccato ad ostium tabernaculi testimonii“,f ut repropitiet pro ipsa sacerdos, quasi quae repropitiationem debeat et purificationem peccati pro eo, quod nascenti in hoc mundo homini ministerium praebuit. Sic enim scriptum est: „Et repropitiabit pro ipsa sacerdos, et mundabitur.“ g Ego in talibus nihil audeo dicere, sentio tamen occulta in his quaedam mysteria contineri et esse aliquid latentis arcani, pro quo et mulier, quae conceperit ex semine et pepererit, immunda dicatur et tamquam peccati rea offerre iubeatur hostiam pro peccato et ita purificari. Sed et ille ipse, qui nascitur, siue uirilis siue feminei sexus sit, pronuntiat de eo scriptura quia non sit „mundus a sorde, etiamsi unius diei sit uita eius“.h Et ut scias esse in hoc grande nescio quid et tale quod nulli sanctorum ex sententia uenerit, nemo ex omnibus sanctis inuenitur diem festum uel conuiuium magnum egisse in die natalis sui, nemo inuenitur habuisse laetitiam in die natalis filii uel filiae suae; soli peccatores super huiusmodi natiuitate laetantur. a

Gen. 24,4 bGen. 24,5 cLev. 12,2 Vgl. Lev. 12,7 hIjob 14,4f.

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Vgl. Lk. 1,35

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Vgl. Lev. 12,2

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Lev. 12,6

303 Maria wird demnach aus zwei allgemein einsichtigen Gründen als „Frau“ bezeichnet:

aufgrund ihres weiblichen Geschlechts und aufgrund ihres Alters. Origenes betont gegen doketische Lehren, dass Jesus wirklich von einer Frau im Fleisch geboren ist: vgl. in Lev. hom. 1,1 (GCS Orig. 6, 280). Zur Mariologie des Origenes siehe die Einleitung in die Lukashomilien von Crouzel, SC 87, 12–64 (zur vorliegenden Levitikushomilie bes. ebd. 32–34. 40–42). 304 In Gen. 24,16 hingegen wird Rebekka explizit als „Jungfrau“ bezeichnet.

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Diese Benennung ist ferner auch eine des Alters, nämlich desjenigen, in dem das weibliche Geschlecht die Jahre der Pubertät überschreitet und in die Zeit, in der es für einen Mann geeignet erscheint, übergeht. So wie auch andererseits derjenige als Mann bezeichnet wird, der die Zeit der Adoleszenz überschritten hat, auch wenn er noch keine Frau hat, als deren Mann er bezeichnet wird; mit diesem Namen werden üblicherweise auch die bezeichnet, die kein Makel der Vereinigung mit einer Frau gestreift hat. Wenn also auch der, der keine Vereinigung mit einer Frau kennt, zu Recht allein für das männliche Alter Mann genannt wird, wie sollte nicht mit derselben Folgerichtigkeit auch eine Jungfrau, die unbefleckt geblieben ist, nur für die Reife des Alters als Frau bezeichnet werden?303 Als schließlich auch Abraham einen Knecht nach Mesopotamien in das Haus Betuëls schickte, damit er „von dort eine Ehefrau für seinen Sohn Isaak holte“,a und der Knecht sich besorgt erkundigte, sagt er zu ihm: „Wenn die Frau mir nicht folgen will, soll ich deinen Sohn dorthin geleiten?“ b und er sagte nicht: wenn die Jungfrau mir nicht folgen will.304 Das möge uns also darüber gesagt sein, was wir in der Schrift beobach­ tet haben, dass nämlich der Gesetzgeber nicht überflüssigerweise hinzufügte: „wenn eine Frau Samen empfängt und einen Sohn gebiert“,c sondern dass es eine geheimnisvolle Ausnahme ist, die allein Maria von den übrigen Frauen absonderte, deren Gebären nicht aus dem Empfang von Samen, sondern aus der Gegenwart des Heiligen Geistes und der Kraft des Höchsten d erfolgte. 3. Nun also wollen wir auch prüfen, was der Grund dafür ist, dass eine Frau, die in dieser Welt einen Dienst für die leistet, die geboren werden, nicht nur, wenn sie Samen aufgenommen hat, unrein genannt wird, sondern auch wenn sie geboren hat.e Daher wird ihr auch befohlen, für ihre Reinigung „junge Tauben oder Turteltauben für die Sünde beim Eingang des Bundeszeltes“ f darzubringen, damit der Priester für sie Versöhnung erwirkt, als ob sie der Versöhnung bedürfte und der Reinigung von der Sünde dafür, dass sie dem in dieser Welt geborenen Menschen einen Dienst geleistet hat. Denn so steht es geschrieben: „Und der Priester soll für sie Versöhnung erwirken und sie wird gereinigt werden.“ g Ich wage in solchen Dingen nichts zu sagen, doch denke ich, dass darin gewisse versteckte Mysterien enthalten sind und dass es etwas von einem verborgenen Geheimnis gibt, wofür auch die Frau, die vom Samen empfängt und gebiert, unrein genannt wird und ihr gleich wie einer der Sünde Schuldigen befohlen wird, ein Opfer für die Sünde darzubringen und so gereinigt zu werden. Doch auch jener, der geboren wird, selbst, sei er männlichen, sei er weiblichen Geschlechts: Über ihn verkündet die Schrift, dass er nicht „rein von Schmutz ist, auch wenn sein Leben nur einen Tag währt“.h Und damit du weißt, dass darin ich weiß nicht was Großes ist und etwas, das keinem von den Heiligen in den Sinn gekommen ist: Keiner von allen Heiligen findet sich, der einen Festtag oder ein großes Gastmahl an seinem Geburtstag veranstaltet hat, keiner findet sich, der Freude am Tag der Geburt seines Sohnes oder seiner Tochter hatte; nur die Sünder freu-

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Homilia VIII

Inuenimus etenim in ueteri quidem testamento Pharaonem, regem Aegypti, diem natalis sui cum festiuitate celebrantem,a in nouo uero testamento Herodem.b Vterque tamen eorum ipsam festiuitatem natalis sui profusione humani | sanguinis cruentauit. Ille enim praepositum pistorum,c hic sanctum prophetam Iohannem obtruncauit in carcere.d Sancti uero non solum non agunt festiuitatem in die natalis sui, sed et Spiritu sancto repleti exsecrantur hunc diem. Neque enim tantus ac talis propheta – Ieremiam dico, qui in utero matris sanctificatus est et propheta in gentibus consecratus e – libris in aeternum mansuris aliquid inaniter condidisset, nisi secretum quid contineret et ingentibus mysteriis plenum, ubi dicit: „Maledictus dies, in quo natus sum, et nox, in qua dixerunt: Ecce masculus. Maledictus, qui adnuntiauit patri meo dicens: Natus est tibi masculus. Laetetur homo ille sicut ciuitates, quas Dominus destruxit in furore, et non poenituit.“ f Videturne tibi haec tam grauia et tam onerosa imprecari propheta potuisse, nisi sciret esse aliquid in ista natiuitate corporea, quod et huiusmodi dignum maledictionibus uideretur et pro quo legislator tot immunditias accusaret, quibus congruas purificationes consequenter imponeret? Longum est autem et alterius temporis, ut testimonia, quae de propheta adsumpsimus, explanemus; quia nunc non Ieremiae, sed Leuitici nobis propositum est disserere lectionem. Sed et Iob non sine Spiritu sancto loquens maledicebat diem natiuitatis suae dicens:g „Maledicta dies, in qua natus sum, et nox, in qua dixerunt: Ecce, masculus. Nox illa sit tenebrae, et non requirat eam Dominus denuo, neque ueniat in dies anni, nec numeretur inter dies mensuum.“ h Quod si non tibi uidetur haec Iob diuino et prophetico Spiritu loqui, ex his considera, quae sequuntur; addit enim: „Sed maledicat eam, qui maledixit illum diem, in quo magnum cetum interempturus est.“ i Vides ergo, quomodo in Spiritu sancto praedixit de | magno ceto, quem interfecturus esset Dominus, cuius typus erat cetus ille Ionae.Vnde et Dominus, qui interfecturus erat cetum istum diabolum, dicit: „Sicut enim Ionas tres dies et tres noctes fuit in uentre ceti, ita oportet et filium hominis esse tribus diebus et tribus noctibus in corde terrae.“ j Quod si placet audire, quid etiam alii sancti de ista natiuitate sense­ a

Vgl. Gen. 40,20 bVgl. Mt. 14,6; Mk. 6,21 cVgl. Gen. 40,22 dVgl. Mt. 14,10; Mk. 6,27 Vgl. Jer. 1,5 f Jer. 20,14–16; Ijob 3,3 gIjob 3,1.2 hIjob 3,3.4.6 i Ijob 3,8 j Mt. 12,40

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305 Vgl. Philon, ebr. 208f. (II p. 210f. Cohn/Wendland): „Denn es heißt: ‚Es war der Tag

der Geburt des Pharao‘ (Gen. 40,20), als er den Erzmundschenk aus dem Gefängnisse zur Versöhnung holen ließ. Denn es ist eine Eigentümlichkeit des Freundes der Sinnlichkeit, das Gewordene und Vergängliche deshalb für glänzend zu halten, weil er in Nacht und tiefer Finsternis gegenüber dem Wissen um die unvergänglichen Dinge befangen ist. Deswegen bewillkommt er sogleich die Trunkenheit, die Anführerin der Lust, und deren Diener mit offenen Armen“ (Übersetzung: Adler, Philo Werke V, 71f.); Origenes, in Gen. frg. E 106 Metzler (OWD 1/1, 274); in Matth. comm. X 22 (GCS Orig. 10, 30).

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en sich über diese Art von Geburt. Wir finden nämlich im Alten Testament den Pharao,305 den König von Ägypten, der seinen Geburtstag mit einer Festlichkeit feiert,a im Neuen Testament hingegen Herodes.b Beide machten jedoch ihr Geburtstagsfest blutig durch das Vergießen menschlichen Blutes. Denn jener ließ den Vorgesetzten der Bäcker,c dieser den heiligen Propheten Johannes im Kerker enthaupten.d Die Heiligen hingegen veranstalten nicht nur keine Festlichkeit an ihrem Geburtstag, sondern, erfüllt vom Heiligen Geist, verwünschen diesen Tag sogar. Denn ein so großer und so bedeutender Prophet – ich rede von Jeremia, der im Mutterleib geheiligt und zum Propheten für die Völker geweiht wurde e – hätte in den Büchern, die für immer Bestand haben werden, nicht irgendetwas Nichtiges bewahrt, wenn es nicht ein Geheimnis enthielte und voll von ungeheuren Mysterien wäre, wo er sagt: „Verflucht der Tag, an dem ich geboren wurde, und die Nacht, in der man sagte: Siehe, ein männliches Kind! Verflucht, der meinem Vater verkündete: Ein männliches Kind ist dir geboren! Jener Mann freut sich wie die Städte, die der Herr im Zorn zerstörte, und es reute ihn nicht.“ f Scheint es dir, dass der Prophet so etwas Schwerwiegendes oder Belastendes hätte wünschen können, wenn er nicht gewusst hätte, dass etwas dieser körperlichen Geburt anhaftet, was derartigen Verfluchungen würdig erschien und wofür der Gesetzgeber so viele Unreinheiten vorwarf, für die er folgerichtig angemessene Reinigungen auferlegte? Aber es würde zu weit führen und wäre zu einer anderen Zeit dran, dass wir die Zeugnisse, die wir dem Propheten entnommen haben, erklären; denn jetzt liegt uns nicht eine Lesung aus Jeremia, sondern aus Levitikus zur Erörterung vor. Doch auch Ijob sprach nicht ohne den Heiligen Geist, als er den Tag seiner Geburt verfluchte:g „Verflucht der Tag, an dem ich geboren wurde, und die Nacht, in der man sagte: Siehe, ein männliches Kind! Jene Nacht soll Finsternis sein, und nicht soll der Herr ihn nochmals suchen, weder komme er zu den Tagen des Jahres noch werde er zu den Tagen der Monate gezählt!“ h Wenn dir aber Ijob das nicht im göttlichen und prophetischen Geist zu sprechen scheint, betrachte es von dem her, was folgt; denn er fügt hinzu: „Er jedoch soll ihn verfluchen, der jenen Tag verfluchte, an dem das große Meerungeheuer vernichtet wurde.“ i Du siehst also, wie er im Heiligen Geist über das große Meerungeheurer voraussagte, das der Herr töten würde, dessen Typus jenes Meerungeheuer des Jona war. Daher sagt auch der Herr, der das Meerungeheuer, den Teufel, töten würde: „Denn so wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Meerungeheuers war, so muss auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein.“ j306 Wenn 306 Origenes identifiziert das Meerungeheuer, von dem Ijob spricht, mit dem, das Jona

verschluckt. Vgl. orat. 13,4 (GCS Orig. 2, 329): „Wer außerdem von der Bedeutung des Untiers, das Jona verschlungen hat, überzeugt ist und verstanden hat, dass dieses Untier das bedeutet, wovon Ijob sagt: ‚Wer jenen Tag (den Geburtstag Ijobs) ver-

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Homilia VIII

rint, audi Dauid dicentem: „In iniquitatibus“ inquit „conceptus sum, et in peccatis peperit me mater mea“,a ostendens quod quaecumque anima in carne nascitur, iniquitatis et peccati sorde polluitur; et propterea dictum esse illud, quod iam superius memorauimus quia: „Nemo mundus a sorde, nec si unius diei sit uita eius.“ bAddi his etiam illud potest, ut requiratur, quid causae sit, cum baptisma ecclesiae pro remissione peccatorum detur, secundum ecclesiae obseruantiam etiam paruulis baptismum dari; cum utique, si nihil esset in paruulis, quod ad remissionem deberet et indulgentiam pertinere, gratia baptismi superflua uideretur. „Mulier“ ergo „quaecumque conceperit semen et pepererit masculum, immunda erit septem diebus“,c sicut et illa, quae secundum dies purgationis suae septem diebus segregatur ab omni mundo.d Quia in sanguine immundo facit septem dies, in sanguine autem mundo triginta et tres dies.e Sed hoc in masculi natiuitate; duplos autem dies facit in natiuitate feminae.f Incipit ergo esse in sanguine mundo ab octaua die et est in sanguine mundo diebus triginta tribus, hoc est tribus decadis et tribus monadis. Et cum coeperit esse in san­guine mundo illa, quae peperit, tunc circumcidit infantem: „Octaua enim die circumcides“ inquit „carnem praeputii eius.“ g Haec est lex litterae, sed require tu, quam circumcisionem apostolus praedicet, quam nos et suscipere et habere iubet. „Nos enim“ inquit „sumus circumcisio, qui spiritu Deo serui­mus.“ h | Sed et quod ait in Psalmo: „Alienati sunt peccatores a uulua“,i considera, si non de illis hoc dicit, qui illam circumcisionem suscipiunt, qua nos circumcidi apostolus uetat, et tunc est quando alienantur peccatores a uulua, cum non spiritu, sed carne circumciduntur. Quia qui in lege circumciduntur, a gratia exciderunt.j Igitur immunda fieri mulier dicitur, „quae concepto semine peperit masculum“;k quae autem „feminam pepererit“, non solum immunda erit, sed dupliciter immunda. „Bis“ enim „septenis diebus in immunditia“ scribitur permanere.l a

Ps. 50(51),7 bIjob 14,4f. cLev. 12,2 dVgl. Num. 12,15 eVgl. Lev. 12,4 Vgl. Lev. 12,2.5 gLev. 12,3 hPhil. 3,3 i Ps. 57(58),4 jVgl. Gal. 5,2.4 kLev. 12,2 l Lev. 12,5 f

flucht, soll auch die Nacht (seiner Empfängnis) verfluchen‘, wer dabei ist, das große Untier zu überwältigen, der sollte sich, falls er einmal durch Ungehorsam ‚in den Bauch des Untiers‘ gelangt, bekehren und beten, dann wird er von dort herauskommen“ (Übersetzung: von Stritzky, OWD 21, 151); in Rom. comm. V 10,7 (SC 539, 512), wo wie in Mt. 12,39–41 par. eine typologische Parallele zwischen Jona und Christus hergestellt wird. 307 Vgl. Cels. VII 50 (GCS Orig. 2, 200). 308 Vgl. in Luc. hom. 14,5 (GCS Orig. 92, 85f.); in Rom. comm. V 9,12 (SC 539, 498), wo ebenfalls mit derselben Begründung und demselben Psalmzitat für die Taufe von Kindern argumentiert wird. 309 Woher Origenes den Ausdruck „reines Blut“ hat, ist unklar. Die Septuaginta spricht von „unreinem Blut“, wobei auch die Variante „heiliges Blut“ belegt ist, die Vulgata

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man aber hören will, was auch andere Heilige über diese Geburt denken, höre David sagen: „In Ungerechtigkeiten“, heißt es, „wurde ich empfangen und in Sünden gebar mich meine Mutter“,a wodurch er zeigt, dass jede Seele, die im Fleisch geboren wird, vom Schmutz der Ungerechtigkeit und der Sünde befleckt wird;307 und deswegen wurde das gesagt, was wir schon vorher in Erinnerung gerufen haben: „Niemand ist rein von Schmutz, auch wenn sein Leben nur einen Tag währt.“ b Diesem kann auch das hinzugefügt werden, dass geprüft wird, was der Grund dafür ist, wenn die Taufe der Kirche für die Vergebung der Sünden gegeben wird, dass gemäß dem Brauch der Kirche die Taufe auch kleinen Kindern gegeben wird; denn wenn in den kleinen Kindern nichts wäre, worauf sich die Vergebung und Nachsicht beziehen müsste, erschiene die Gnade der Taufe gewiss überflüssig.308 „Eine Frau“ also, „die Samen empfängt und ein männliches Kind gebiert, soll sieben Tage unrein sein“,c so wie auch jene, die gemäß den Tagen ihrer Reinigung sieben Tage von allem Reinen abgesondert wird.d Denn im unreinen Blut verbringt sie sieben Tage, im reinen Blut aber 33 Tage.e 309 Das gilt jedoch bei der Geburt eines männlichen Kindes; bei der Geburt eines weiblichen aber sind es doppelt so viele Tage.f Sie beginnt also, vom achten Tag an im reinen Blut zu sein und ist 33 Tage im reinen Blut, das heißt drei Zehner und drei Einer. Und wenn jene, die geboren hat, begonnen hat, im reinen Blut zu sein, dann beschneidet man das Kind: „Denn am achten Tag sollst du“, heißt es, „das Fleisch seiner Vorhaut beschneiden.“ g Das ist das Gesetz des Buchstabens, du jedoch prüfe, welche Beschneidung der Apostel verkündet, die er uns anzunehmen und zu haben befiehlt. „Denn wir“, heißt es, „sind die Beschneidung, die wir Gott im Geist dienen.“ h Dass er jedoch auch im Psalm sagt: „Verfeindet sind die Sünder vom Mutterleib an“,i bedenke, ob er das nicht über jene sagt, die jene Beschneidung annehmen, mit der beschnitten zu werden uns der Apostel verbietet, und ob es nicht dann ist, dass die Sünder vom Mutterleib an verfeindet sind, wenn sie nicht im Geist, sondern im Fleisch beschnitten werden.310 Denn die, die im Gesetz beschnitten werden, sind aus der Gnade herausgefallen.j Daher wird gesagt, dass die Frau unrein wird, „die nach dem Empfang von Samen ein männliches Kind geboren hat“;k die aber „ein weibliches Kind geboren hat“, soll nicht nur unrein sein, sondern doppelt unrein. Denn es steht geschrieben, dass sie „zweimal sieben Tage in Unreinheit“ verbleibt.l vom „Blut der Reinigung“, was dem hebräischen Text entspricht. Möglicherweise gibt Origenes den Bibeltext mit diesen Worten sinngemäß wieder, möglicherweise kennt er eine Tradition, die den Vers in dieser Form liest. In der rabbinischen Auslegung ist der Gedanke „reiner/weißer Tage“ in späteren Schriften fassbar (vgl. bSchab 13a; Seder Eliyahu Rabbah 76: sieben Tage). Die Zahl 33 für die „Tage der Reinheit/ Reinigung“ wird in Sifra Tazria 1,1 diskutiert (als 30 + 3). 310 Vgl. Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 731A).

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Homilia VIII

4. Sed interim „quae peperit masculum“,a octaua die et qui natus est circumciditur et illa fit munda. Satis operosa res est in hac breuitate temporis ista contingere, tamen ut in transcursu aliqua dicamus, septimana haec praesentis uitae tempus uideri potest; in septimana namque dierum consummatus est mundus. In quo donec sumus in carne positi, ad liquidum puri esse non possumus, nisi octaua uenerit dies, id est nisi futuri saeculi tempus affuerit. In quo tamen die qui masculus est et uiriliter egerit, statim in ipso aduentu futuri saeculi purgatur et statim munda efficitur mater, quae genuit eum; purgatam namque uitiis carnem ex resurrectione recipiet. Si uero nihil in se habuit uirile aduersum peccatum, sed remissus et effeminatus fuit in actibus suis, cuius peccatum tale est, quod „non remittatur neque in praesenti saeculo neque in futuro“:b iste transit et unam et alteram septimanam in immunditia sua et tertia demum incipiente oboriri septimana purgatur ab immunditia, quam feminam pariendo contraxit. Hostiae uero, quae pro huiusmodi immunditia iubentur adhiberi, dupliciter distinguuntur. | Primo iubetur agnus offerri „anniculus sine macula in holocaustum et pullus columbinus aut turtur pro peccato“.c Secunda uero mandatur hostia: „Si“ inquit „non inuenerit manus eius quod sufficiat ad agnum, accipiet duas turtures aut duos pullos columbarum, unum ad holocaustum et alium pro peccato.“ d  Vnde et mirum uidetur quod oblatio Mariae non habuerit hostiam primam, id est agnum anniculum, sed secundam, tamquam cuius manus non suffecerit ad primam. Sic enim scriptum est de ea: Venerunt, inquit, parentes eius, ut „offerrent“ pro eo „hostiam, secundum quod scriptum est in lege Domini, par turturum aut duos pullos columbarum“.e Sed et in hoc ostenditur uerum esse illud, quod scriptum est quia Christus Iesus „cum diues esset, pauper factus est“.f Ideo ergo et matrem, de qua nasceretur, elegit pauperem et patriam pauperem, de qua dicitur: „Et tu, Bethleem, minima es in milibus Iuda“ g et reliqua.Verum haec breuiter transcurrere cogimur nec singula, quae sunt scripta, discutere, quoniam quidem festinamus aliquid etiam de legibus leprae, quae recitatae sunt, pertractare. 5. Inuenimus ergo sex species propositas esse de hominum lepra, quae sex species hoc modo describuntur. Aut enim „in cute corporis fit cicatrix et a

Lev. 12,2

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Mt. 12,32

c

Lev. 12,6

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Lev. 12,8

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Lk. 2,24

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2 Kor. 8,9

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Mi. 5,2(1)

311 Für Klagen über Zeitmangel siehe oben S. 80 Anm. 33. 312 Zur Zeitsymbolik siehe oben S. 34f. 313 Vgl. princ. II 10,1 (GCS Orig. 5, 174): „… so ist es klar, dass gemeint ist, sie stünden

befreit von Verweslichkeit und Sterblichkeit … von den Toten auf“ (Übersetzung: p. 421 Görgemanns/Karpp); in Luc. hom. 14,6 (GCS Orig. 92, 87). 314 Zur allegorischen Deutung der Geschlechter siehe oben S. 66 Anm. 15. 315 Die Armut signalisiert Demut und Bescheidenheit, auch in Origenes’ Auslegungen des Lukas- und des Johannesevangeliums: siehe Crouzel, SC 87, 51–53.

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4. Doch einstweilen geht es um die, „die ein männliches Kind geboren hat“.a Am achten Tag wird das Kind beschnitten und jene wird rein. Es ist eine reichlich mühsame Sache, sich damit in dieser kurzen Zeit zu befassen,311 doch damit wir in einem kurzen Durchgang etwas sagen, kann die Siebentagewoche als die Zeit des gegenwärtigen Lebens gesehen werden; denn in einer Woche von sieben Tagen wurde die Welt vollendet.312 In dieser können wir, solange wir uns im Fleisch befinden, nicht bis zur Klarheit rein sein, wenn nicht der achte Tag kommt, das heißt, wenn nicht die Zeit der künftigen Welt anbricht. An diesem Tag wird jedoch der, der männlich ist und mannhaft gehandelt hat, sofort beim Anbruch der künftigen Welt gereinigt und sofort wird die Mutter rein, die ihn geboren hat; denn er wird ein von Lastern gereinigtes Fleisch aus der Auferstehung erhalten.313 Wenn er hingegen nichts Mannhaftes gegen die Sünde in sich hatte, sondern in seinen Handlungen nachlässig und verweiblicht war,314 dessen Sünde eine solche ist, dass sie „nicht nachgelassen wird, weder in der gegenwärtigen Welt noch in der zukünftigen“:b der durchschreitet eine und noch eine Siebentagewoche in seiner Unreinheit und erst dann, wenn die dritte Woche anzubrechen beginnt, wird er von der Unreinheit gereinigt, die er sich durch die Geburt des weiblichen Kindes zugezogen hat. Die Opfer hingegen, die ihm für diese Art der Unreinheit zu verwenden befohlen werden, werden in zwei unterschieden. Zuerst wird befohlen, dass „ein einjähriges Lamm ohne Makel als Ganzopfer und eine junge Taube oder eine Turteltaube als Sündopfer“ c dargebracht werden. Als zweites Opfer hingegen wird angeordnet: „Wenn“, heißt es, „ihre Mittel nicht für ein Lamm ausreichen, soll sie zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben nehmen, eine für das Ganzopfer und die andere für das Sündopfer.“ d Daher scheint es auch verwunderlich, dass die Darbringung Marias nicht das erste Opfer enthielt, das heißt ein einjähriges Lamm, sondern das zweite, als ob ihre Mittel für das erste nicht ausreichten. Denn so steht über sie geschrieben: Seine Eltern kamen, heißt es, um für ihn „ein Opfer darzubringen, gemäß dem, was im Gesetz des Herrn geschrieben steht, ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben“.e Doch auch darin zeigt sich, dass wahr ist, was geschrieben steht, dass Christus Jesus, „obwohl er reich war, arm wurde“.f Deswegen also wählte er sowohl eine arme Mutter,315 von der er geboren werde, als auch eine arme Heimat, über die gesagt wird: „Und du, Betlehem, bist die geringste unter den Tausendschaften Judas“ g und so weiter.Wir sind hingegen genötigt, dies kurz durchzugehen und nicht die Einzelheiten, die geschrieben stehen, zu erörtern, weil wir uns beeilen, auch etwas über die Gesetze für den Aussatz, die vorgetragen wurden, zu behandeln. 5. Wir finden also, dass sechs Arten von Aussatz bei Menschen vorgestellt werden, welche sechs Arten auf folgende Weise beschrieben werden.316 Ent316 Vgl. Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 732B).

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Homilia VIII

signum exalbidum fit in cute corporis eius contagio leprae“.a Aut „efflorens efflorebit lepra et conteget omnem cutem contagio a capite usque ad pedes eius“.bVel tertia species: „In carnis cute fit ulcus et sanatur; et fit in loco ipso ulceris cicatrix alba.“ c Aut „in carnis cute fit adustio ignis, et“ post haec „sanata adustio erit lucida alba aut cum rubore candida“.d Quinta species, „cum uiro aut mulieri fit in capite aut in barba contagio leprae“.eVltima uero scribitur species, | „cum fit in caluitie uel in recaluatione contagio leprae rubicundae“, quae est lepra efflorens „in caluitio uel in recaluatione“.f Haec, ut compendio expositionis utamur (quoniamquidem nunc propositum nobis est breuiter auditores ex his, quae recitata sunt, admonere nec est temporis ad liquidum singula quaeque discutere), referenda mihi uidentur ad unamquamque speciem peccatorum et in his animae maculae, quae ex peccatis ei accidunt, intuendae. Dicendum igitur primo est designari per haec peccata, quae in hac uita positi committimus; ex quibus aliqua curari nunc possunt, aliqua uero non possunt. Secundo uero et de illis ipsis, quae post hanc uitam nobiscum transeunt, significari intelligendum est, esse et in ipsis quaedam ita animabus infixa, ut nequeant aboleri; alia uero esse, quae purgationem possint recipere secundum inspectionem et iudicium pontificis illius, quem occulta latere non possunt, quique dispensabit animas singulorum secundum hoc, quod in iis maculas leprae aut expiabiles aut inexpiabiles uiderit. Cuius rei differentias de praesenti lectione colligere et per singula, secundum scripturae huius indicium, quae possunt nos mouere, rimari extemporaneus, ut iam superius dixi, iste sermo non patitur.Vix enim haec multis possent uoluminibus digesta componi ab his, quibus Dominus de lectione ueteris testamenti uelamen abstraxit.g Nos ergo pro uiribus nostris, quantum proferri in medium conuenit, exsequemur, apostolo nobis Paulo pandente intelligentiae uiam, qua dicit legem „umbram habere futurorum bonorum, non ipsam imaginem rerum“;h et secundum id, quod ea, quae de bobus in lege uidentur scripta, non „de bobus, quorum Deo cura non sit“,i sed de apostolis aduertenda pronuntiat. In quo consequenti utique ratione edocemur quod et ea, quae de lepra scribuntur, umbra sit in aliis habens imaginem ueritatis. Igitur adhibeaa

Lev. 13,2 bLev. 13,12 cLev. 13,18f. dLev. 13,24 Vgl. 2 Kor. 3,14–16 hHebr. 10,1 i 1 Kor. 9,9

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Lev. 13,29

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Lev. 13,42

317 Erneut erwähnt Origenes die Kürze der für die Predigt zur Verfügung stehenden

Zeit: siehe oben S. 80 Anm. 33. 318 Vgl. Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 734A). 319 Dass Origenes seine Predigten aus dem Stegreif gehalten hat, bezeugen später auch

Pamphilus, apol. Orig. 9 (SC 464, 44), und Rufinus, in Ios. hom. Orig. prol. (CChr.SL 20, 271); in Rom. comm. Orig. epil. (CChr.SL 20, 276). Siehe dazu die Hinweise bei Fürst, OWD 7, 204 Anm. 3. 320 Ebenso unten in Lev. hom. 9,8 (GCS Orig. 6, 433). 321 Der Gedanke, dass die alttestamentlichen Schriften „Schatten“ und Typen, Vorausbilder, der Wahrheit enthalten, findet sich häufig bei Origenes. Was später durch

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weder nämlich „entsteht auf der Haut des Körpers eine Narbe und die Ansteckung mit dem Aussatz macht ein helles Mal auf der Haut seines Körpers“.a Oder „der Aussatz wird aufblühen und die Ansteckung wird die ganze Haut vom Haupt bis zu seinen Füßen bedecken“.b Oder die dritte Art: „Auf der Haut des Fleisches entsteht ein Geschwür und verheilt. Und an derselben Stelle des Geschwürs entsteht eine weiße Narbe.“ c Oder „auf der Haut des Fleisches entsteht eine Verbrennung von Feuer und“ danach „wird die geheilte Verbrennung glänzend weiß oder weiß mit einer Rötung sein“.d Die fünfte Art, „wenn einem Mann oder einer Frau auf dem Haupt oder im Bart eine Ansteckung mit Aussatz entsteht“.e Als letzte hingegen wird die Art beschrieben, „wenn auf der Glatze oder auf der Stirnglatze eine Ansteckung mit rotem Aussatz entsteht“, das heißt aufblühender „Aussatz auf der Glatze oder Stirnglatze“.f Um einen kurzen Weg der Erklärung zu benutzen (weil es nun unsere Absicht ist, die Zuhörer kurz aus dem, was vorgetragen wurde, zu ermahnen, und weil nicht Zeit ist, jede Einzelheit bis zur Klarheit zu erörtern):317 Dies, scheint mir, muss auf jede einzelne Art der Sünden bezogen und darin müssen die Makel der Seele, die ihr aus den Sünden zukommen, betrachtet werden. Daher ist zuerst zu sagen, dass dadurch die Sünden bezeichnet werden, die wir begehen, wenn wir uns in diesem Leben befinden; von diesen können manche jetzt geheilt werden, manche hingegen können es nicht.318 Zweitens aber ist zu verstehen, dass auch über die Sünden, die nach diesem Leben mit uns hinübergehen, darauf verwiesen wird, dass es auch darin Dinge gibt, die den Seelen so eingeprägt sind, dass sie nicht ausgetilgt werden können; andere hingegen gibt es, die eine Reinigung gemäß der Besichtigung und dem Urteil jenes Hohepriesters erhalten können, dem das Geheime nicht verborgen bleiben kann und der den Seelen der Einzelnen gemäß dem vergilt, was er in ihnen an Makeln des Aussatzes, der entweder gesühnt oder nicht gesühnt werden kann, sieht. Die Unterschiede dieser Sache aus der gegenwärtigen Lesung zu sammeln und im Einzelnen, gemäß dem Hinweis dieser Schriftstelle, zu durchforschen, was uns bewegen kann, lässt diese, wie ich schon vorher sagte, aus dem Stegreif gehaltene Predigt319 nicht zu. Denn diese können kaum geordnet in vielen Büchern von denen, denen der Herr den Schleier von der Lesung des Alten Testaments weggezogen hat,g zusammengestellt werden.Wir führen also nach unseren Kräften aus, wieviel vorzubringen angemessen ist, wobei uns der Apostel Paulus den Weg zum Verstehen eröffnet, indem er sagt, dass das Gesetz „den Schatten der künftigen Güter enthält, nicht das Abbild der Dinge selbst“,h und gemäß dem, was er verkündet, dass nämlich das, was über die Ochsen im Gesetz geschrieben zu sein scheint, nicht über „die Ochsen, um die sich Gott nicht sorgt“,i sondern über die Apostel zu verstehen ist.320 Damit werden wir gewiss folgerichtig belehrt, dass auch das, was über den Aussatz geschrieben wird, ein Schatten ist, der das Bild der Wahrheit in anderen Dingen enthält.321 Daher wollen wir

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Homilia VIII

mus primo, si uidetur, ipsam scrip|turae umbram et tunc de eius ueritate requiramus. In uulneribus corporum, posteaquam curata fuerint, remanet interdum ipsius uulneris signum, quod cicatrix appellatur.Vix enim est, qui ita curetur, ut nullum suscepti uulneris residere uideatur indicium. Transi nunc ab ista legis umbra ad ueritatem eius et intuere, quomodo anima, quae peccati uulnus acceperit, etiamsi curetur, tamen habet cicatricem in loco uulnerisa residentem. Quae cicatrix non solum a Deo uidetur, sed et ab his, qui acceperunt ab eo gratiam, qua peruidere possint animae languores et discernere, quae sit anima ita curata, ut omni genere uestigium illati uulneris abiecerit, et quae curata sit quidem, sed ferat adhuc ueteris morbi in ipso uestigio cicatricis indicia. Quod autem sint quaedam animae uulnera, Esaias docet dicens: „A pedibus usque ad caput non est uulnus neque liuor neque plaga cum feruore“,b de delictis haec procul dubio populi loquens, quia sint aliqui, quibus possit adhuc medicamentum malagmae imponi. Alii uero quod sint in tantum peccatores, ut iis nec cura possit adhiberi, hoc modo idem propheta designat: „Non est“ inquit „malagma imponere neque oleum neque alligaturas.“ c Quod autem contritio et plaga doloris per correptionem curae causa imponatur animae, Hieremias docet dicens: „Sic dixit Dominus: Suscitaui contritionem, plaga tua cum dolore, non est qui iudicet | iudicium tuum, cum dolore curata es, utilitas non est in te. Omnes amici tui obliti sunt tui, nec iam interrogabunt de te; quia plaga inimici percussi te, correptione ualida, pro 3 Fragmentum III (Prokop, comm. in Lev.: PG 87/1, 733f.): 5. Ὡς γὰρ ἐπὶ τῶν τοῦ σώματος τραυμάτων μετὰ τὴν θεραπείαν ἡ οὐλὴ τοῦ παθόντος μέρους ἴχνος ἐστίν, οὕτως ἐπὶ ψυχῆς ἁμαρτούσης, κἂν θεραπευθῇ, λείπεταί τις οἷον οὐλὴ ὑπὸ Θεοῦ θεωρουμένη καὶ τῶν ταῦτα βλέπειν λαβόντων ἀπὸ Θεοῦ. Ὅθεν φιλοτιμητέον πᾶν ἴχνος ἀφανίσαι τοῦ τραύματος τελείαν αὐτῷ τὴν θεραπείαν προσάγοντας, περὶ ὧν τραυμάτων Ἡσαίας φησίν· „Ἀπὸ ποδῶν ἕως κεφαλῆς οὔτε τραῦμα οὔτε μώλωψ οὔτε πληγὴ φλεγμαίνουσα.“ b Ὅτι δὲ καὶ προσάγεται τισὶν οἱονεὶ μαλάγματα, οὐ φθάνοντα ἐπὶ τοὺς ἄγαν ἁμαρτωλούς, παρίστησι διὰ τοῦ· „Οὐκ ἔστι μάλαγμα ἐπιθεῖναι οὔτε ἔλαιον οὔτε καταδέσμους.“ c Περὶ δὲ συντριβῆς καὶ ἀλγηρᾶς πληγῆς ψυχῆς καὶ μετὰ πόνου θεραπευομένης ἐν παιδείᾳ στερεᾷ, ἕως παντελῶς ἰαθῇ καὶ συνουλώσῃ τὰ τραύματα, φησὶν Ἱερεμίας· „Οὕτως εἶπε Κύριος· Ἀνέστησα σύντριμμα, ἀλγηρὰ ἡ πληγή σου· οὐκ ἔστι κρίνων κρίσιν σου, εἰς ἀλγηρὸν a

Vgl. Lev. 13,19

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Jes. 1,6

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Jes. 1,6

Christus offenbar wird, findet sich bereits schattenhaft angedeutet in den Ereignissen und Worten des Alten Testaments. Siehe dazu oben S. 3–9. 322 Die Narben, die die verschiedenen Formen des Aussatzes hinterlassen, werden von Origenes als die Spuren gedeutet, die die Sünden in der Seele hinterlassen. D.  h., hier sind gläubige Christen angesprochen, die sündigen. 323 Origenes zitiert einen Ausschnitt aus dem Vers Jes. 1,6, der ihm erlaubt, den Sinn des Bibeltextes umzukehren, der davon spricht, dass es gerade keine Heilung gibt: „Von

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zuerst, wenn es gut erscheint, eben diesen Schatten der Schrift behandeln und dann seine Wahrheit prüfen. In den Wunden von Körpern bleibt, nachdem sie geheilt worden sind, bisweilen ein Mal eben der Wunde, das Narbe genannt wird.322 Denn es gibt kaum eine Wunde, die so geheilt wird, dass kein Hinweis auf die empfangene Wunde zu verbleiben scheint. Geh nun von diesem Schatten des Gesetzes zu seiner Wahrheit über und schau, wie die Seele, die die Wunde einer Sünde empfing, auch wenn sie geheilt wird, dennoch eine verbleibende Narbe an der Stelle der Wundea hat. Diese Narbe wird nicht nur von Gott gesehen, sondern auch von denen, die von ihm die Gnade empfangen haben, durch die sie die Trägheiten der Seele durchschauen und unterscheiden können, welche Seele so geheilt ist, dass sie eine Spur jeglicher Art von der zugefügten Wunde abgeschüttelt hat, und welche zwar geheilt ist, jedoch noch die Hinweise auf die alte Krankheit in der Spur der Wunde trägt. Dass es aber manche Wunden der Seele gibt, lehrt Jesaja, wenn er sagt: „Von den Füßen bis zum Haupt ist nicht eine Wunde noch ein blauer Fleck noch eine glühende Verletzung“,b 323 wobei er das zweifellos über die Verfehlungen des Volkes sagt, weil es manche gibt, denen noch das Heilmittel eines Umschlags aufgelegt werden kann. Dass andere hingegen so sehr Sünder sind, dass für sie keine Heilung angewendet werden kann, bezeichnet derselbe Prophet auf diese Weise: „Es gibt“, sagt er, „weder einen Umschlag aufzulegen noch Öl noch Verbände.“ c Dass aber Zerknirschung und schmerzende Verletzung durch Tadel um der Heilung willen der Seele aufgelegt werden, lehrt Jeremia, wenn er sagt: „So sprach der Herr: Ich habe Zerknirschung verursacht, deine Verletzung mit Schmerz, es gibt keinen, der dein Urteil entscheidet, mit Schmerz wurdest du geheilt, nichts Nützliches ist in dir. Alle deine Freunde haben dich vergessen und sie werden nicht mehr nach dir fragen; denn mit 3 Fragment 3 (in Lev. hom. 8,5f.): 5. Denn wie bei Wunden des Körpers nach der Heilung die Narbe eine Spur am leidenden Teil ist, so bleibt bei der Seele, die gesündigt hat, auch wenn sie geheilt wurde, doch eine Art Narbe, die von Gott gesehen wird und von denen, die das zu sehen von Gott geschenkt erhalten. Daher ist Ehrgeiz an den Tag zu legen, dass die, die zur vollkommenen Heilung voranschreiten, jede Spur der Wunde unsichtbar machen, über welche Wunden Jesaja sagt: „Von den Füßen bis zum Kopf ist nicht eine Wunde noch eine Strieme noch eine glühende Verletzung.“ b Dass er aber auch manchen gewissermaßen Umschläge auflegt, die er nicht erreicht, weil sie zu sehr Sünder sind, legt er so dar: „Es gibt keinen Umschlag zum Auflegen noch Öl noch Verbände.“ c Über die Zerknirschung aber und das schmerzvolle Schlagen der Seele und mit der Mühe dessen, der mit harter Erziehung geheilt wird, bis er völlig geheilt wird und die Wunden vernarbt sind, sagt Jeremia: „So sprach der Herr: Ich habe Zerbrechen aufgerichtet, schmerzvoll ist deine Wunde: und es gibt keinen, der dein Urteil entscheidet, zum Schmerz wirst du geden Füßen bis zum Kopf – sei es Verletzung oder Strieme oder entzündete Schlagwunde – gibt es kein Linderungsmittel zum Auflegen, weder Öl noch Verbände“ (Übersetzung: p. 1231 Septuaginta Deutsch).

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omni iniquitate tua, quoniam multiplicata sunt peccata tua. Quid uociferaris super contritione tua? Violentus est dolor tuus, propter multitudinem iniquitatum tuarum praeualuerunt peccata tua et fecerunt tibi haec. Propterea omnes, qui deuorant te, deuorabuntur, et omnes inimici tui carnes suas deuorabunt; et erunt qui te afflixerunt in afflictione, et omnes, qui deuasta­ uerunt te, dabo in depraedationem; quoniam reuocabo sanitatem tuam, et a uulneris tui dolore reuocabo te, dixit Dominus.“a Memento diligentius quae audieris a propheta de uulneribus et de cicatricibus et de tumoribus dici. Haec enim nobis necessaria erunt ad expositionem cicatricum uel uulnerum uel aliorum huiuscemodi, quae in leprae inspectionibus memorantur. Addemus tamen adhuc quae et in alio loco idem Hieremias ad animae uulnera et curas, in quibus tamen uestigia uulnerum resederint post obductam cicatricem, his sermonibus memorat: „Ecce, ego adducam cicatricem eius, et simul curabo eos et manifestabo iis pacem et fidem; et conuertam captiuitatem Iuda et captiuitatem Hierusalem.“ b Si ergo sufficienter a propheta didicimus de uulneribus et cicatricibus animarum et curis ac sanitatibus, quae Deo medicante inferuntur, intuere nunc illam animam, de qua dicit Deus quia „ego adduxi cicatricem eius“. Post uulnera sine dubio cicatricem adducit et sanitatem. „Et curaui eos, et manifestabo iis pacem et fidem.“ c Si | ergo post cognitionem et medicinam Dei, si post manifestationem pacis et fidei, quam per Christum suscepimus, rursum in ista cicatrice adscendat aliquod peccati prioris indicium aut signum aliquod erroris ueteris innouetur, tunc „fit in cute corporis“ nostri „contagio leprae“ d inspicienda per pontificem, secundum ea quae legislator exposuit. ἰατρεύθης“ a καὶ τὰ ἑξῆς ἕως οὗ· „Ἀπὸ πληγῆς ὀδυνηρᾶς ἀνάξω σε, λέγει Κύριος“· a ἀνθ᾽ οὗ Ἀκύλας καὶ Σύμμαχος ἐξέδωκαν ὅτι „ἀνάξω συνούλωσίν σοι“. Πάλιν δὲ ἑτέρωθι καὶ κατὰ τοὺς ἑβδομήκοντα φανερῶς Ἱερεμίας φησίν· „Ἰδοὺ ἐγὼ ἀνάγω αὐτῇ συνούλωσιν καὶ ἴαμα, ἰατρεύσω αὐτοὺς καὶ φανερώσω αὐτοῖς εἰρήνην καὶ πίστιν· καὶ ἀποστρέψω τὴν ἀποικίαν Ἰούδα καὶ τὴν ἀποικίαν Ἱερουσαλήμ.“ b Οὐκοῦν μετὰ οὐλὴν ἢ οὐ τοσοῦτον μὲν ἔχουσαν τῶν προημαρτημένων ὡς εἶναι οὐλήν, σημασίαν δέ τινα, ἢ οὐδὲ σημασίαν τρανήν, ἀλλὰ τὴν καλουμένην „τηλαυγῆ“ „γίνεταί“ ποτε „ἐν τῷ δέρματι τοῦ χρωτὸς ἁφὴ λέπρας“,d ἐφ᾽ ᾗ νομοθετεῖται τὰ ἐπιφερόμενα. a

Jer. 37(30),12–17

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Jer. 40(33),6f.

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Jer. 40(33),6

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der Verletzung eines Feindes habe ich dich geschlagen, mit kräftigem Tadel, für all deine Ungerechtigkeit, weil deine Sünden zahlreich geworden sind. Was schreist du über deine Zerknirschung? Gewaltsam ist dein Schmerz, wegen der Menge deiner Ungerechtigkeiten wurden deine Sünden übermächtig und taten dir dies an. Deswegen werden alle, die dich verschlingen, verschlungen werden, und alle deine Feinde werden ihr Fleisch verschlingen; und die dich gepeinigt haben, werden in Pein sein, und alle, die dich ausgeplündert haben, werde ich als Beute geben; denn ich werde deine Gesundheit zurückbringen, und vom Schmerz deiner Wunden werde ich dich zurückbringen, sprach der Herr.“a Erinnere dich sorgfältiger, was du vom Propheten über die Wunden, über die Narben und über die Geschwüre sagen gehört hast. Denn dies wird für uns notwendig sein zur Erklärung der Narben,Wunden oder anderen Dinge dieser Art, die bei den Diagnostizierungen des Aussatzes erwähnt werden. Wir wollen jedoch noch hinzufügen, was derselbe Jeremia auch an einer anderen Stelle an Wunden und Heilmitteln der Seele, bei denen dennoch Spuren der Wunden verbleiben, nachdem die Wunde vernarbt ist, mit diesen Worten erwähnt: „Siehe, ich lasse seine Wunde vernarben, und zugleich werde ich sie heilen und ihnen Frieden und Treue offenbaren; und ich werde die Gefangenschaft Judas und die Gefangenschaft Jerusalems wenden.“ b Wenn wir also ausreichend vom Propheten über die Wunden und Narben der Seelen und die Heilmittel und die Gesundung gelernt haben, die von Gott als Heilendem angewendet werden, schau nun auf jene Seele, über die Gott sagt, dass „ich ihre Wunden habe vernarben lassen“. Nach der Wunde lässt er ohne Zweifel die Wunde vernarben und führt Gesundheit herbei. „Und ich habe sie geheilt und ich werde ihnen Frieden und Treue offenbaren.“ c Wenn also nach der Diagnose und dem Heilmittel Gottes, wenn nach der Offenbarung von Frieden und Treue, die wir durch Christus empfangen haben, wiederum in dieser Narbe irgendein Hinweis auf die frühere Sünde auftaucht oder sich erneut irgendein Zeichen für den alten Irrtum bildet, dann „entsteht auf der Haut“ unseres „Körpers eine Ansteckung mit Aussatz“,d die durch den Hohepriester zu diagnostizieren ist gemäß dem, was der Gesetzgeber darlegte. heilt“ und so weiter bis zu: „Von der schmerzhaften Wunde werde ich dir bringen, spricht der Herr“.a Stattdessen gaben Aquila und Symmachus wieder: „Ich werde dir Heilung bringen.“ Wiederum an anderer Stelle aber und nach den Siebzig sagt Jeremia deutlich: „Siehe, ich bringe ihr Vernarbung und Heilung, ich werde sie heilen und ihnen Frieden und Treue offenbaren: Und ich werde die Kolonie Judas und die Kolonie Jerusalems zurückbringen.“ b Deshalb haben sie nach der Narbe zwar nicht so viel von den vorher begangenen Sünden, dass es eine Narbe ist, aber doch eine Art Mal, oder nicht einmal ein deutliches Mal, sondern das „glänzend“ genannte Mal „entsteht“ einmal „auf der Haut des Fleisches als Befall des Aussatzes“,d worüber das Folgende gesetzlich geregelt wird.

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Homilia VIII

6. Secunda uero species est leprae, si „effloruerit“ inquit „in cute, ita ut tegat omnem cutem corporis a capite usque ad pedes, per omnia quaecumque sacerdos inspexerit“.a Cum ergo „omnem cutem corporis“ obtexerit, tunc mundum eum esse sacerdos a contagione pronuntiat.b Sed „in quacumque die apparuerit in eo color uiuus“, rursum „iudicatur immundus“ per hoc, quod „color in eo uiuus apparuit“,c quem ante non habuit. De hoc quidam etiam ante me dixerunt colorem uiuum indicare rationem uitae, quae in homine est; qua nondum in anima posita si quid illud peccati fiat, non reputatur, pro eo quod uideatur nondum rationis capax esse is, qui delinquit; cum autem ratio in eo locum ac tempus inuenerit, si quid iam contra rationem agat, uideri eum iure culpabilem. Nos autem diligentius, quae scripta sunt, contuentes arbitramur magis haec de illis accipienda, quibus uel phrenesi uel furore uel quocumque ex pacto occupatus uel oppressus est sensus | et agunt contra rationem. Mundi ergo isti a lepra, id est immunes appellantur a peccato, quia actus sui uel motus non habent sensum. Quod si forte „apparuerit in eo uiuus color“ d corporis, hoc est sensus sui reparata in eo fuerit sanitas et post haec aliquid contra rationem recti iustique gerat, reputari ei peccatum dicitur ex ea parte, qua uiuus color, id est sensus in eo uiuae rationis, apparuit. 7. Tertia lex de leprosis est, „cum in cute corporis ulcus efficitur et in loco ulceris cicatrix alba cum rubore inuenitur“.eVlceris autem causa est, cum in corpore humor sordidus abundat et noxius. Ita ergo et in anima ulcera intel6. „Καὶ καλύψῃ ἡ λέπρα πᾶν τὸ δέρμα τῆς ἁφῆς ἀπὸ κεφαλῆς ἕως ποδῶν.“ a Τῶν παλαιῶν τις „χρῶτα ζῶντα“ τὸν λόγον ἐλάμβανεν. Οὗ μὴ παρόντος τῇ ψυχῇ, ὅτι ποτ᾽ οὖν ἐὰν γένηται, ἀνέγκλητος ὁ ἁμαρτών, ἀλόγου φέρων κατάστασιν· εἰ δὲ παρείη λόγος, ὑπεύθυνος. Τί οὖν τὸ „καθ᾽ ὅλου τοῦ σώματος γίνεσθαι τὴν ἁφήν“; a Μήποτε τροπικῶς φρενίτιδας ἢ μελαγχολίας δηλοῖ; Μὴ βοηθοῦντος γὰρ τότε λόγου μηδὲ παρούσης αἰσθήσεως πᾶν τὸ πραχθὲν ἢ λεχθὲν οὐχ ἁμάρτημα, ἀλλ᾽ ὅτε πάρεστιν αἴσθησις. 19 Fragmentum IV (Prokop, comm. in Lev.: PG 87/1, 735f.): 7. „Καὶ σάρξ, ἐὰν γένηται ἐν τῷ δέρματι αὐτοῦ ἕλκος.“ Τρίτος νόμος οὗτος περὶ λέπρας, „ἐὰν ἕλκος ὑγιασθῇ καὶ ἐν τῷ τόπῳ οὐλὴ λευκὴ εὑρεθῇ“.e Ὡς γὰρ ἐν σώματι πολλὰ νοσημάτων αἴτια, οὕτω καὶ ἐν ψυχῇ· καὶ παυσαμένων τῶν τραυμάτων οὐλὴ λευκὴ καὶ λεπρώδης εὑρίσκεται ἢ πυρρίζουσα ὡς ταπεινοτέραν εἶναι τῆς λοιπῆς ψυχῆς τὴν τοιαύτην κατάστασιν. a

Lev. 13,12

b

Vgl. Lev. 13,13

c

Lev. 13,14

d

Lev. 13,14

e

Lev. 13,18f.

324 Vgl. Philon, deus immut. 125f. (II p. 83 Cohn/Wendland): „… denn die an der

Seele tatsächlich erscheinende gesunde und lebensvolle Farbe wird der Überführer. Wenn dieser erscheint, stellt er eine Liste aller ihrer Sünden auf und hört kaum auf, sie zu schmähen, zu beschämen und zu schelten. Sie aber wird überführt und erkennt jedes Einzelne, was sie gegen die rechte Vernunft tat, und dann empfindet sie sich selbst als töricht, zuchtlos, ungerecht und voller Befleckungen.“ Übersetzung: Leisegang , Philo Werke IV, 100.

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6. Die zweite Art des Aussatzes hingegen ist, wenn „er aufblüht“, heißt es, „auf der Haut, sodass er die ganze Haut des Körpers vom Haupt bis zu den Füßen bedeckt, über alles hin, was der Priester besichtigt.“aWenn er also „die ganze Haut des Körpers“ bedeckt, dann verkündet der Priester, dass er von Ansteckung rein ist.b Doch „an dem Tag, an dem an ihm eine lebendige Farbe erscheint“, wird er wiederum dadurch „als unrein beurteilt“, dass „an ihm eine lebendige Farbe erschienen ist“,c die er vorher nicht hatte. Darüber sagten einige schon vor mir, dass die lebendige Farbe die Vernunft des Lebens anzeigt, die im Menschen ist;324 insofern sie noch nicht in der Seele vorhanden ist, wenn irgendeine Sünde geschieht, wird sie nicht angerechnet aus dem Grund, weil es scheint, dass der, der sich verfehlt, noch nicht der Vernunft fähig ist; sobald aber die Vernunft in ihm Ort und Zeit gefunden hat und wenn er dann noch etwas gegen die Vernunft tut, wird er mit Recht als schuldfähig angesehen.Wir aber meinen, wenn wir das Geschriebene sorgfältiger betrachten, dass das mehr über die anzunehmen ist, deren Sinn entweder durch Wahnsinn oder durch Zorn oder durch irgendetwas dieser Art eingenommen oder überwältigt ist und die gegen die Vernunft handeln. Diese werden also rein vom Aussatz genannt, das heißt unberührt von der Sünde, weil sie keinen Sinn für ihre Handlungen oder Bewegungen haben. Wenn aber vielleicht „an ihm eine lebendige Farbe“ des Körpers „erscheint“,d das heißt die Gesundheit seines Sinnes in ihm wiederhergestellt ist und er danach etwas gegen die Vernunft des Rechten und Gerechten tut, wird gesagt, dass ihm die Sünde angerechnet wird, insofern eine lebendige Farbe, das heißt ein Sinn der in ihm lebendigen Vernunft, erschienen ist. 7. Das dritte Gesetz über die Aussätzigen ist, „wenn auf der Haut des Körpers ein Geschwür entsteht und an der Stelle des Geschwürs eine weiße Narbe mit Rötung gefunden wird“.e Die Ursache für ein Geschwür aber ist, dass im Körper schmutzige und schädliche Flüssigkeit im Übermaß vorhanden ist. So 6. „Und der Aussatz wird die ganze Haut des Befalls vom Kopf bis zu den Füßen bedecken.“ a Einer von den Alten (sc. Philon) hat die „lebendige Haut“ als Vernunft verstanden. Wenn diese nicht in der Seele ist zu der Zeit, wenn sie (sc. die lebendige Haut) entsteht, ist der, der sündigt, vorwurfsfrei, weil er in einem Zustand der Unvernunft ist; wenn aber die Vernunft vorhanden ist, ist er verantwortlich. Was also bedeutet „über den ganzen Körper entsteht der Befall“? a Zeigt es vielleicht in übertragenem Sinn den Irrsinn oder den Wahnsinn an? Denn wenn dann weder Vernunft zu Hilfe kommt noch Sinneswahrnehmung vorhanden ist, ist keine Handlung und kein Wort eine Sünde, sondern wenn die Sinneswahrnehmung vorhanden ist. 25 Fragment 4 (in Lev. hom. 8,7f.): 7. „Und Fleisch, wenn auf dessen Haut ein Geschwür entsteht.“ Das dritte Gesetz über den Aussatz ist dieses, „wenn das Geschwür geheilt wird und an der Stelle eine weiße Narbe gefunden wird“.e Denn wie es im Körper viele Ursachen von Krankheiten gibt, so auch in der Seele: Und wenn die Wunden sich beruhigt haben, findet sich eine weiße und aussätzige Narbe oder eine rötliche, da ein solcher Zustand niedriger als die übrige Seele ist.

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Homilia VIII

liguntur ea, quae ex immundis cupiditatibus uel sordidis cogitationibus effer­ uescunt. Quae si forte per fidei gratiam et remissionem curata sunt peccatorum et sana facta est anima, residet tamen cicatrix et ipsa cicatrix non habet similem corporis colorem, sed est albidior, lepra esse pronuntiatur. Ita enim lucida est et clara cupiditas, ut etiam porro uidentibus peccati in se residentis ostendat indicia, et fortassis peccati talis, quod „ad mortem“a sit; et ideo non solum „alba cicatrix“ esse, sed et „rubicunda“ describitur.b Quod uero „humiliorem“ ipsam cicatricem dicit uideri,c certum est quia huiusmodi macula peccati humilem et deiectam animam faciat. 8. Quarta erat lex, ubi dicitur quia „si in cute fiat adustio ignis“ et post haec, „cum sanata fuerit adustio, ipsa splendida fiat et alba cum rubore uel certe exalbida, et uisio eius humilior a reliqua cute“: et hoc dicit esse „lepram, quae in adustione effloruerit“.d Vide ergo, si non | adustio est in omni anima, quaecumque recipit „iacula maligni ignita“;e aut si non igni aduritur omnis, qui ardet in amore carnali. Istae sunt ergo adustiones et succensiones ignis. Sed et ille adustionem patitur, qui gloriae humanae cupiditate succenditur et qui irae uel furoris aestibus inflammatur. Quod si forte curetur ab his uulneribus anima per fidem et post sanitatem receptam contempto eo, qui dixit: „Ecce, iam sanus factus es, noli peccare, ne quid tibi deterius contingat“,f incipiat ueteris uitii fructus ex obducta cicatrice proferre nec exaequetur cicatrix ad reliqui corporis cutem, sed sit humilior et illum adhuc retineat colorem, quem habuit leprae tempore: lepra eius in adustione refloruit et ideo immundus a sacerdote iudicatur.g 9. Quinta species leprae est, cum „in capite contagio efficitur aut in barba uiri siue mulieris, ita ut uisio contagionis ipsius humilior sit a cute corporis; et haec est lepra capitis uel barbae“.hVide ergo, si potest fieri, ut lepra capitis putetur in eo, qui non habet „caput Christum“,i sed alium aliquem, uerbi 8. „Κατάκαυμα πυρός.“ d Μήποτε κατάκαυμά ἐστιν ἐν παντὶ τῷ δεξαμένῳ „βέλος τοῦ πονηροῦ πεπυρωμένον“; e Ἐρᾷ γὰρ οὗτος σαρκός τε καὶ αἵματος, γυναικὸς ἢ παιδός. Τοιοῦτοι καὶ οἱ πρὸς δόξαν μαινόμενοι καὶ ἀργύριον· ψυχὴ γὰρ ἐμπαθὴς ἐπὶ τοιούτοις ἐκκάεται. Κἂν ἀπαλλαγεῖσα τούτων ὑγιασθῇ καὶ μὴ οὕτως ὁμαλίσῃ τὸν τόπον τοῦ πάθους ὡς πρὸ τοῦ πάθους ἐτύγχανεν, ἀλλ᾽ ᾖ κατὰ τοῦτο ταπεινοτέρα, μιαρὰ τῷ νόμῳ δοκεῖ. 24 Fragmentum V (Prokop, comm. in Lev.: PG 87/1, 736f.): 9. „Ἐν τῇ κεφαλῇ ἢ ἐν τῷ πώγωνι.“ h Ὅρα εἰ δύναται „λέπρα“ μὲν λαμβάνεσθαι „κεφαλῆς“, ὅτε ἀντὶ τοῦ ἔχειν „κεφαλὴν Χριστόν“,i ἄλλον τινά τις λόγον ἐπιγράφηται κεφαλὴν λεπρὸν καὶ ἀκάθαρτον. a

1 Joh. 5,16 bLev. 13,19 cLev. 13,20 dLev. 13,24f. Vgl. Lev. 13,25 hLev. 13,29f. i 1 Kor. 11,3

g

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Eph. 6,16

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Joh. 5,14

325 Rufinus gibt den Plural „Pfeile“ in Eph. 6,16 richtig wieder, während im griechi-

schen Fragment der Singular steht.

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werden also auch in der Seele diejenigen Geschwüre verstanden, die aus unreinen Begierden und schmutzigen Gedanken aufwallen.Wenn sie aber vielleicht durch die Gnade des Glaubens und die Vergebung der Sünden geheilt wurden und die Seele gesund geworden ist, jedoch eine Narbe verbleibt und diese Narbe nicht die gleiche Farbe wie der Körper hat, sondern blasser ist, wird verkündet, dass es Aussatz ist. Denn so hell und klar ist die Begierde, dass sie auch denen, die von ferne schauen, Hinweise auf die in ihr verbleibende Sünde zeigt, und vielleicht eine solche Sünde, die „zum Tod“a führt; und deshalb wird beschrieben, dass sie nicht nur eine „weiße Narbe“ ist, sondern auch „gerötet“.b Weil er hingegen sagt, dass diese Narbe „niedriger“ erscheint,c ist sicher, dass ein derartiger Makel der Sünde die Seele niedrig und niedergeworfen macht. 8. Das vierte Gesetz war, wo gesagt wird, „wenn auf der Haut eine Verbrennung von Feuer entsteht“ und danach, „wenn die Verbrennung geheilt ist, wird diese strahlend und weiß mit Rötung oder wenigstens verblasst, und ist ihre Erscheinung niedriger als die übrige Haut“; und das nennt man „den Aussatz, der in einer Verbrennung aufblüht“.d Sieh also, ob es nicht eine Verbrennung in jeder Seele gibt, die „die brennenden Pfeile325 des Bösen“ e empfängt; oder ob nicht jeder vom Feuer versengt wird, der in fleischlicher Liebe brennt. Dies sind also die Verbrennungen und die Entzündungen des Feuers. Doch erleidet auch der eine Verbrennung, der von der Begierde nach menschlichem Ruhm entzündet wird und der durch die Gluten des Zornes oder der Wut entflammt wird. Wenn aber die Seele durch den Glauben vielleicht von diesen Wunden geheilt wird und nach dem Empfang der Heilung in Verachtung dessen, der sagte: „Siehe, du bist schon gesund geworden, sündige nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfährt“,f beginnt, die Früchte des alten Lasters aus der verheilten Narbe hervorzubringen, und die Narbe nicht der Haut des übrigen Körpers gleich ist, sondern niedriger ist und noch immer jene Farbe behält, die sie zur Zeit des Aussatzes hatte: dessen Aussatz ist in der Verbrennung wieder aufgeblüht und wird er deshalb vom Priester als unrein beurteilt.g 9. Die fünfte Art des Aussatzes ist, wenn „auf dem Haupt eine Ansteckung entsteht oder auf dem Bart des Mannes oder der Frau, sodass die Erscheinung dieser Ansteckung niedriger ist als die Haut des Körpers; und das ist der Aussatz des Hauptes oder des Bartes.“ h Sieh also, ob es sein kann, dass der Aussatz des Hauptes in dem vermutet wird, der nicht „Christus als Haupt“ i hat, son8. „Eine Verbrennung durch Feuer.“ d Gibt es vielleicht eine Verbrennung in jedem, der „den feurigen Pfeil des Bösen“ e empfängt? Denn dieser verlangt nach Fleisch und Blut, Frau oder Kind.Von solcher Art sind auch die, die nach Ruhm und Geld verrückt sind: denn die leidenschaftliche Seele entbrennt nach solchen Dingen. Und wenn sie sich von diesen abgewendet hat und geheilt wird und die Stelle des Leidens nicht so hoch wird, wie sie vor dem Leiden war, sondern dem gegenüber tiefer ist, erscheint sie dem Gesetz als befleckt. 31 Fragment 5 (in Lev. hom. 8,9): 9. „Am Haupt oder am Bart.“ h Sieh, ob als „Aussatz des Hauptes“ angenommen werden kann, wenn jemand, anstatt „Christus als Haupt“ i  zu haben, sich eine andere Lehre als aussätziges und unreines Haupt einschreibt. Aber auch

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causa, Epicurum uoluptatem summum bonum praedicantem; non tibi et caput et barba talis hominis uidetur immunda? Sed et is, qui cum debeat esse uir et agere tamquam perfectus, si forte facile et tamquam puer uincatur a peccato,a etiam ipse lepram barbae habere dicendus est, quia cum uincere deberet malignum et sacerdotali honore, qui in barba designatur, incedere, adole|scentiae uitiis impeditus lepram barbae perpetitur. Mulierem autem animam in scripturis indicari eam, quae non tam proferre semen uerbi quam suscipere potest, saepe dictum est; quae lepram habere designatur in capite, si uirum, qui „caput mulieris“ b est, id est doctorem pollutum habeat et immundum, aut Marcionem aut Valentinum aut aliquem eiusmodi sequens. 10. Sexta iam et ultima species leprae ponitur, quae „fit in caluitie uel recaluitie“;c quae res, quantum ex se ipsis, mundae sunt. Sic enim dicit et lex: „Si cuius“ inquit „defluxerint capilli capitis, caluus est, mundus est. Si autem a fronte eius defluxerint, recaluus est, mundus est.“ d Et conuenienter haec referuntur ad animam, ut, cum ea, quae sui natura mortua sunt, abicit ac deponit, munda esse dicatur. Sed post hoc si ea, quae prius purificata fuerant, repullulare sordidius et humilius, quam dignitas puritatis expetit, uidebuntur, immundam ac leprosam animam reddent. Ex hoc iam generaliter de omni leproso, in quo fuerit contagio leprae et humilior uidebitur a reliqua cute e – humilius namque est omne animae uitium a reliquis eius uirtutibus – lex, quae spiritalis est,f talia quaedam decernit: „Vestimenta“ inquit „eius dissuta sint et caput eius reuelatum et os eius adopertum.“ g Per quae designat eum, qui in anima leprosus est, id est qui peccatis confixus est, non oportere assuere sibi tegumenta et turpitudines operire peccati. Sicut enim is, cuius uestimenta dissuta sunt, nudam atque intectam gerit turpitudinem corporis, ita oportet Ἀλλὰ καὶ ἐὰν ἤδη τις „γενόμενος ἀνὴρ“ καὶ δοκῶν „κατηργηκέναι τὰ τοῦ νηπίου“ a ἁμαρτάνῃ, μὴ ὡς νήπιος, ἀλλ᾽ ἁμαρτίαν ἀνδρός, τάχα ἔχει „λέπραν ἐπὶ τοῦ πώγωνος“.h Καὶ γυνὴ δέ, ψυχὴ ἡ μὴ προετικὴ μὲν λογικῶν σπερμάτων, δεκτικὴ δέ, ἔχοι ἄν ποτε ἐπὶ τοῦ προσώπου καὶ τοῦ ἐν αὐτῇ πώγωνος ὅπερ ἰδίως παρὰ τὰ πρότερα καὶ „θραῦσμα“ i ὠνόμασεν ὁ νόμος. a

Vgl. 1 Kor. 13,11 b1 Kor. 11,3 cLev. 13,42 dLev. 13,40f. Vgl. Röm. 7,14 gLev. 13,45 hLev. 13,29 i Lev. 13,30

f

e

Vgl. Lev. 13,30

326 Abgesehen von dieser Predigtstelle stehen die zahlreichen weiteren Belege, in de-

nen Origenes Epikur nennt – und zwar, wie auch hier, durchweg höchst kritisch –, sämtlich in der Apologie gegen Kelsos: siehe Markschies, Epikureismus bei Origenes 128–141; Fürst, Art. Origenes 508. 327 Vgl. in Ex. hom. 10,3 (GCS Orig. 6, 248): „Vollkommene und starke Männer also sind diejenigen, die gleich nach der Empfängnis gebären, d.  h. die das Wort des Glaubens empfangen und in die Tat umsetzen. Eine Seele aber, die empfangen hat und die Leibesfrucht zurückhält und nicht gebiert, die wird als Frau bezeichnet, wie auch der Prophet sagt: ‚Die Geburtswehen traten bei ihr ein, aber sie hatte nicht die Kraft zum Gebären‘ (Jes. 37,3).“ Übersetzung: p. 207 Heither.

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dern irgendeinen anderen, zum Beispiel Epikur,326 der das Vergnügen als höchstes Gut verkündet; scheinen dir nicht sowohl das Haupt als auch der Bart eines solchen Menschen unrein? Doch auch wenn einer, obwohl er ein Mann sein und gleichsam vollkommen handeln sollte, vielleicht leicht und wie ein Knabe von der Sünde besiegt wird,a ist auch von diesem zu sagen, dass er den Aussatz des Bartes hat, weil er, obwohl er den Bösen besiegen und mit priesterlicher Ehre, die durch den Bart bezeichnet wird, einherschreiten sollte, von den Lastern der Jugend gehemmt den Aussatz des Bartes erleidet. Dass die Frau aber in den Schriften auf die Seele verweist, die nicht so sehr den Samen des Wortes hervorbringen als aufnehmen kann, wurde oft gesagt;327 von dieser wird gesagt, dass sie den Aussatz auf dem Haupt hat, wenn sie als Mann, der „das Haupt der Frau“ b ist, das heißt als Lehrer, einen sündhaften und unreinen hat, indem sie Markion oder Valentinus328 oder einem von dieser Art folgt. 10. Als sechste und letzte Art des Aussatzes wird noch die vorgestellt, die „auf der Glatze oder auf der Stirnglatze entsteht“;c was diese Dinge an sich selbst angeht, sind sie rein.329 Denn so sagt auch das Gesetz: „Wenn seine Haupthaare“, heißt es, „ausfallen, hat er eine Glatze, er ist rein. Wenn sie aber von seiner Stirn ausfallen, hat er eine Stirnglatze, er ist rein.“ d Und das wird passenderweise auf die Seele bezogen, sodass sie, wenn sie das, was seiner Natur nach sterblich ist, abwirft und beiseitelegt, rein genannt wird. Wenn jedoch danach das, was vorher gereinigt worden war, schmutziger und niedriger, als die Würde der Reinheit es verlangt, erneut zu wuchern scheint, wird es die Seele unrein und aussätzig machen. Daher verordnet jetzt allgemein über jeden Aussätzigen, an dem sich die Ansteckung des Aussatzes befindet und niedriger als die übrige Haut erscheint e – niedriger nämlich ist jedes Laster der Seele als ihre übrigen Tugenden –, das Gesetz, das geistig ist,f solches: „Seine Kleider“, heißt es, „sollen zerrissen und sein Haupt aufgedeckt und sein Mund verhüllt werden.“ g Dadurch bestimmt es, dass sich der, der in der Seele aussätzig ist, das heißt, der an Sünden angeheftet ist, nicht eine Bedeckung nähen und die Schändlichkeiten der Sünde zudecken darf. Denn so wie der, dessen Kleider zerrissen sind, die Schändlichkeit des Körpers nackt wenn jemand schon „ein Mann geworden“ ist und, obwohl er „das Kindliche entfernt zu haben“ a scheint, eine Sünde begeht nicht wie ein Kind, sondern eine Sünde eines Mannes, hat er vielleicht „Aussatz auf dem Bart“.h Die Frau aber, die Seele, die zwar nicht die vernünftigen Samen hervorbringt, aber aufnahmefähig ist, hat wohl einmal auf dem Gesicht und dem Bart in sich das, was das Gesetz in der den Früheren eigenen Art auch „Schorf“ i nannte.

328 Zu diesen von Origenes oft genannten Häretikern siehe oben S. 160 Anm. 150. 329 Vgl. Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 737).

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eum, qui peccatis aliquibus obsaeptus est, mala sua et flagitia nullis uerborum assumentis, nullis excusationum | uelaminibus operire; uti ne fiat „sepulcrum dealbatum, quod deforis quidem apparet hominibus speciosum, intus autem plenum est ossibus mortuorum et omni immunditia“.a Vult ergo lex diuina peccatorem non solum uestimenta non assuere, sed et caput non contegere, ut, si quod est capitis delictum, id est si in Deum aliquid commissum est, si in fide peccatum est, ne haec quidem habeantur obtecta, sed omnibus publicentur, ut interuentu et correptione omnium emendetur et ueniam mereatur. Verum tamen leprosus iste os tantummodo iubetur obtegere:b Quid est hoc quod omnes corporis partes nudas habere praecipitur et os solum iubetur operire? Nonne palam est et in aperto positum quod ei, qui in lepra peccati est, clauditur sermo, clauditur ei os, ut fiducia sermonis et docendi auctoritas excludatur? „Peccatori“ enim „dixit Deus: Quare tu enarras iustitias meas, et adsumis testamentum meum per os tuum?“ c Clausum ergo habeat os peccator, quia, qui se ipsum non docuit, docere alium non potest;d et ideo os suum iubetur operire, qui male agendo loquendi perdidit libertatem. „Immundus“ inquit „erit, et separatus sedebit foris, extra castra erit con­ uersatio eius.“ e Clarum est quod omnis immundus abiciatur a conuentu bonorum et segregetur a coetu castrisque sanctorum; et ideo dicit quia: „Extra castra erit conuersatio eius.“ Quod si forte mundatus fuerit, sponte quidem et a semet ipso non uenit ad sacerdotem, sed offertur, inquit, ab alio nec intrat in castra. Neque enim conueniens erat, ut „eadem die, qua mundabatur“,f priusquam fierent pro eo, quae competebant, „introiret in castra“.g Propter quod „sacerdos“ inquit „exibit ad eum foras extra castra“.h Semper enim ad eum, qui nondum potest introire in castra, exit ille, qui potest exire extra castra, qui dicit: „Ego a Deo exiui et ueni in hunc mundum.“ i Exit ergo ad eum sacerdos et considerat, si iam recipit sanitatem, si a leprae contagione purgatur. Cum autem | uiderit eum sacerdos, praecipit, ut „accipiantur gallinae duae uiuae ei, qui mundatur, et lignum cedrinum et coccum tortum et a

Mt. 23,27 Lev. 14,8

g

b

Vgl. Lev. 13,45 cPs. 49(50),16 Lev. 14,3 i Joh. 16,28

h

d

Vgl. Röm. 2,21

e

Lev. 13,46

f

Lev. 14,2

330 Vgl. dieselbe Interpretation in sel. in Lev. 13,45 (PG 12, 401D), ferner Prokop, comm.

in Lev. (PG 87/1, 738). 331 D.  h., wenn die Sünde nach der Taufe begangen wurde. 332 Hier geht es um einen öffentlichen Bußakt, dem sich der Sünder unterwerfen muss:

siehe Rahner, Bußlehre des Origenes 138. 333 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 2,4 (GCS Orig. 6, 296) und 14,4 (6, 486). Siehe dazu

Rahner, ebd. 142.

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und unbedeckt trägt, so darf der, der von irgendwelchen Sünden eingesperrt ist, seine Übel und Schandtaten durch keine Beiziehung von Worten, durch keine Schleier von Entschuldigungen bedecken; damit er nicht „ein weiß getünchtes Grab“ wird, „das außen zwar den Menschen ansehnlich erscheint, innen aber voll mit Knochen von Toten und aller Unreinheit ist“.a 330 Das göttliche Gesetz will also, dass der Sünder nicht nur keine Kleider näht, sondern auch das Haupt nicht bedeckt, sodass, wenn es irgendeine Verfehlung des Hauptes gibt, das heißt, wenn etwas gegen Gott begangen wurde, wenn es eine Sünde im Glauben gibt,331 auch diese nicht bedeckt gehalten, sondern allen öffentlich gezeigt werden soll,332 damit er durch die Vermittlung und den Tadel aller gebessert wird und Gnade verdient.333 Gleichwohl wird aber befohlen, dass der Aussätzige nur den Mund bedeckt.b Was bedeutet es, dass alle Teile des Körpers nackt zu haben vorgeschrieben und nur den Mund zu bedecken befohlen wird? Ist es nicht offenkundig und liegt offen zutage, dass dem, der im Aussatz der Sünde ist, die Rede verschlossen wird, ihm der Mund verschlossen wird, damit die Glaubwürdigkeit der Rede und die Autorität des Lehrens ausgeschlossen werden?334 Denn „zum Sünder sagte Gott: Warum erzählst du von meinen Gerechtigkeiten und nimmst meinen Bund in deinen Mund?“ c Geschlossen soll also der Sünder den Mund haben, denn der sich selbst nicht lehrte, kann nicht einen anderen lehren;d und deshalb wird befohlen, seinen Mund zu bedecken, der durch schlechtes Tun die Freiheit des Sprechens verloren hat. „Unrein“, heißt es, „soll er sein und abgesondert soll er draußen sitzen, außerhalb des Lagers soll sein Aufenthalt sein.“ e Es ist klar, dass jeder Unreine von der Versammlung der Guten ausgeschlossen und von der Zusammenkunft und vom Lager der Heiligen abgesondert wird; und deshalb heißt es: „Außerhalb des Lagers soll sein Aufenthalt sein.“ Wenn er aber vielleicht rein geworden ist, kommt er nicht aus eigenem Willen und von sich aus zum Priester, sondern wird von einem anderem, heißt es, ein Opfer dargebracht und geht er nicht in das Lager hinein. Denn es war nicht angemessen, dass „er an demselben Tag, an dem er gereinigt wurde“,f bevor für ihn getan wurde, was notwendig war, „in das Lager hineinging“.g Deswegen „soll der Priester“, heißt es, „zu ihm aus dem Lager hinausgehen.“ h Denn immer geht zu dem, der noch nicht in das Lager hineingehen kann, jener hinaus, der aus dem Lager hinausgehen kann, der sagt: „Ich bin von Gott ausgegangen und in diese Welt gekommen.“ i Der Priester geht also zu ihm hinaus und erwägt, ob er schon die Gesundheit zurückerlangt, ob er von der Ansteckung des Aussatzes gereinigt wird. Wenn aber der Priester ihn gesehen hat, schreibt er vor, dass „für den, der gereinigt wird, zwei lebende Hennen genommen wer-

334 Vgl. Methodius, lepr. 8,3 (GCS 27, 461): „Die Verhüllung aber des Mundes ist das

Schweigen des Sünders.“

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hyssopum“.aVidentur mihi etiam hic duae istae gallinae habere similitudinem quandam duorum hircorum, ex quibus unus Domino offertur, alius in eremum emittitur;b ita enim et hic ex duabus gallinis una immolatur et alia in campum dimittitur.c Dat ergo et hic, qui purgatur a lepra, aliquam partem, quae abiciatur in eremum; alia autem pars Domino offertur pro eo. Nondum tamen hic, qui purgatur a lepra et offert gallinas, etiam illam ipsam, quae pro eo Domino offertur, ad altare offert, sicut turtures aut columbas.d Nondum enim eadem die is, qui purgatur a lepra, diuino altari dignus efficitur. Propter quod mandat legislator, ut „eadem die, qua purgatur, accipiantur duae gallinae“ e ad purificationem eius. Puto autem quod et hic illius gallinae intellectus latenter habeatur, per quam purificatio efficitur peccatoris, de qua scriptum est: „Quotiens uolui congregare filios tuos, sicut gallina congregat pullos suos sub alis suis, et noluisti!“ f Indiget tamen, ut et per lignum cedrinum purificetur is, qui purificatur. Impossibile namque est sine | ligno crucis peccati lepram posse purgari, nisi adhibeatur et lignum, in quo Saluator, sicut apostolus Paulus dicit, „exuit principatus et potestates, triumphans eos in ligno“.g Iungitur tamen ad emundatio­nem leprae huius etiam coccum tortum, sociatur et hyssopum. Coccum tortum figuram sacri sanguinis continet, qui de eius latere per lanceae uulnus extortus est.h „Et hyssopum.“ i Hoc genus herbae naturam 1 Fragmentum VI (Prokop, comm. in Lev.: PG 87/1, 739–742): [10.] Τὰ δὲ „δύο ζῶντα ὀρνίθια“ a δοκεῖ τινα φέρειν ἀναλογίαν πρὸς τοὺς δύο τράγους ὧν ὁ εἷς „τοῦ ἀποπομπαίου“.b Κἀκεῖ γὰρ ὁ εἷς θύεται καὶ ὁ εἷς πέμπεται „εἰς τὴν ἀποπομπὴν“ αὐτοῦ. Καθαροὶ δὲ ἄμφω, καθὰ καὶ τὰ νῦν ὀρνίθια· οὐκ ἀκάθαρτος γὰρ τῇ φύσει, φασί, δεδημιούργηται οὐδὲ ὁ διὰ τὴν αὐτοῦ κακίαν γενόμενος ἀποπομπαῖος. Διὰ μὲν οὖν τὴν ἀπὸ τῆς ἁμαρτίας λέπραν ὀφείλει τι τῷ ἀποπομπαίῳ καθαριζόμενος, εἰ καὶ ἔφυγε τὴν ἀπὸ τῆς λέπρας ἀκαθαρσίαν· διὰ δὲ τὴν καθαρότητα προσφέρεται περὶ αὐτοῦ τῶν ὀρνιθίων τὸ ἕτερον. Πλὴν τὰ δύο ἔοικεν ἕτερα εἶναι τῷ γένει παρὰ τὰ προσφερόμενα εἰς τὸ θυσιαστήριον, „τρυγόνας ἢ περιστεράς“.d Ὁ νεωστὶ γὰρ καθαρισθεὶς οὔπω τοῦ θυσιαστηρίου γέγονεν ἄξιος, ἀλλ᾽ ὅπως ἄξιος γένηται, λαμβάνεται ταῦτα περὶ αὐτοῦ, „ᾗ ἂν ἡμέρᾳ καθαρισθῇ“,e μηδεμίας ὑπερθήσεως μετὰ τὴν ἡμέραν τοῦ καθαρισμοῦ γινομένης. Δεῖ δὲ καὶ „ξύλῳ“ καθαρισθῆναι „κεδρίνῳ“,e ὅπερ σύμβολον τοῦ σωτηριώδους ξύλου, ἐν ᾧ „ἐθριάμβευσεν ἀπεκδύσας“ ἡμᾶς ὁ Σωτὴρ „τὰς ἀρχὰς καὶ τὰς ἐξουσίας“ g (der lat. Text bei Prokop ergänzt hier: nos penitus in aeternam asserens beatitudo). Τοῦ δὲ τιμίου αἵματος διὰ τὸ χρῶμα τὸ κόκκινον i a f

Lev. 14,4 bVgl. Lev. 16,8–10 cVgl. Lev. 14,7 dVgl. Lev. 14,22 Mt. 23,37 gKol. 2,14f. hVgl. Joh. 19,34 i Lev. 14,4

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335 Vgl. sel. in Lev. 14,5 (PG 12, 404A): „Das Zedernholz aber bezeichnet das Holz unse-

rer Erlösung.“

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den und Zedernholz und eine scharlachrote Schnur und Ysop“.a Mir scheinen auch hier diese zwei Hennen eine gewisse Ähnlichkeit mit den zwei Böcken zu haben, von denen einer dem Herrn dargebracht, der andere in die Wüste hinausgeschickt wird;b denn so wird auch hier von den zwei Hennen eine geopfert und die andere ins Feld freigelassen.c Also gibt auch der, der vom Aussatz gereinigt wird, einen Teil, der in die Wüste vertrieben wird; der andere Teil aber wird dem Herrn für ihn dargebracht. Dennoch bringt der, der vom Aussatz gereinigt wird und die Hennen darbringt, auch jene, die für ihn dem Herrn dargebracht wird, noch nicht zum Altar so wie die Turteltauben und Tauben.d Denn der, der vom Aussatz gereinigt wird, wird noch nicht am selben Tag des göttlichen Altares würdig. Deswegen ordnet der Gesetzgeber an, dass „an demselben Tag, an dem er gereinigt wird, zwei Hennen genommen werden“ e zu seiner Reinigung. Ich glaube aber, dass sich auch hier ein Verständnis dieser Henne verborgen hält, durch die die Reinigung des Sünders bewirkt wird und über die geschrieben steht: „Wie oft wollte ich deine Söhne sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihren Flügeln sammelt, und du wolltest nicht!“ f Es ist jedoch nötig, dass der, der gereinigt wird, auch durch Zedernholz gereinigt wird. Denn es ist unmöglich, dass ohne das Holz des Kreuzes der Aussatz der Sünde gereinigt werden kann, wenn nicht auch das Holz herangezogen wird, an dem der Erlöser, wie der Apostel Paulus sagt, „Fürsten und Mächte beraubte, indem er über sie am Holz triumphierte“.g 335 Man verwendet jedoch zur Reinigung dieses Aussatzes auch eine scharlachrote Schnur, man nimmt dazu auch Ysop. Die scharlachrote Schnur enthält das Bild des heiligen Blutes, das seiner Seite durch die Wunde der Lanze entrissen wurde.h „Und Ysop.“ i Diese Kräuterart hat die natürliche Eigenschaft, berichten die 1 Fragment 6 (in Lev. hom. 8,10f.): [10.] Der Ausdruck „zwei lebende Vögelchen“ a aber scheint eine gewisse Ähnlichkeit zu den zwei Ziegenböcken aufzuweisen, von denen einer der „des Weggeschickten“ ist.b Denn dort wird der eine geopfert und der andere „zu seiner Wegschickung“ geschickt. Rein sind aber beide, gleichwie auch jetzt die Vögelchen: Denn weder wurde er in seiner Natur, heißt es, unrein gebildet noch wurde er wegen seiner Schlechtigkeit ein Weggeschickter.Wegen des Aussatzes, der von der Sünde kommt, verdankt also der Gereinigte dem Weggeschickten etwas, wenn er auch vor der vom ­Aussatz kommenden Unreinheit geflohen ist: Wegen der Reinigung aber wird für ihn das eine von den Vögelchen dargebracht. Außerdem scheinen die zwei in ihrer Art andere zu sein als die beim Altar Darzubringenden, „Turteltauben und Tauben“.d Denn der vor kurzem Gereinigte ist noch nicht des Altares würdig geworden, aber sowie er würdig wird, wird dies von ihm angenommen; „an dem Tag, an dem er gereinigt wurde“,e soll es nach dem Tag der Reinigung keinen Aufschub geben. Aber man muss auch „mit Zedernholz“ e ­gereinigt werden, das ein Symbol des erlösenden Holzes ist, an dem der Erlöser für uns „die Fürsten und Mächte entwaffnete und triumphierend besiegte“ g (und uns vollständig in die ewige Seligkeit brachte). Das scharlachrote Gewebe i aber ist wegen der Farbe ein

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habere medici ferunt, ut diluat et expurget, si quae illae pectori hominum sordes ex corruptione noxii humoris insederint.Vnde et necessario in expurgatione peccatorum huiuscemodi graminis figura suscepta est. Coccum uero quod saepe sumptum sit ad salutis subsidia, in diuinis referri uoluminibus inuenimus, sicut in partu Thamar, cum „unus“ inquit „prior protulit manum. Accipiens autem obsetrix coccum alligauit in manu eius dicens: Hic exibit prior.“a Sed et Raab meretrix, cum exploratores suscepisset et pactum ab iis salutis acciperet, et illi: „Et pones“ inquiunt „signum resticulam coccineam, et alligabis eam in fenestra ista, per quam deposuisti nos.“ b Obserua tamen et illud, quod non ipse sacerdos immolare gallinam dicitur; nondum enim dignus est hic, qui fuit leprosus, ut ipse sacerdos pro eo immolet. Propter quod nec sanguis gallinae offertur ad altare, sed dicit quia „occidetur gallina in uasculo fictili, in quo uase aqua uiua“ c sit missa, ut et aqua adsumatur | ad purificationem et compleatur plenitudo mysterii „in aqua et sanguine“,d quod dicitur exisse de latere Saluatoris, et nihilominus, quod Iohannes in epistola sua ponit et dicit purificationem fieri in aqua et sanguine et spiritu.e Vnde et hic uideo omnia ista compleri. Spiritus enim est gallinae istius, quae occiditur, et aqua uiua, quae in uase est, et sanguis, qui super eam diffusus est; non quo per haec iterandam baptismi gratiam sentiamus, sed quod omnis purificatio peccatorum, etiam haec, quae per poenitentiam quaeritur, illius ope indiget, de cuius latere aqua processit et sanguis.  Vide ergo, quomodo et „uiua gallina et lignum cedrinum et coccum tortum et σύμβολον. Τοιοῦτον καὶ τὸ δεθὲν ἐν τῇ γενέσει τοῦ Φαρὲς a καὶ τὸ δειχθὲν ἀπὸ Ῥαὰβ τῆς πόρνης τοῖς κατασκόποις σημεῖον.b Σμηκτικὸς δὲ ὁ ὕσσωπος. Οὐκ αὐτὸς δὲ ὁ ἱερεὺς σφάζει τὸ ὀρνίθιον· οὔπω γὰρ ἄξιος ἱερέως ἐν ἡμέρᾳ τοῦ καθαρίζεσθαι· ὅθεν οὐδὲ τὸ αἷμα τῷ θυσιαστηρίῳ προσφέρεται· δέχεται δὲ τοῦτο „ἀγγεῖον ὀστράκινον“ c ὕδατος ζῶντος προεμβληθέντος, ἵνα γένηται ὁ καθαρισμὸς „ὕδατι καὶ αἵματι“, ἅπερ „ἐξῆλθεν ἀπὸ τῆς πλευρᾶς“ d τοῦ Σωτῆρος κατὰ τὸν Ἰωάννην, ὃς καί φησιν ἐν τῇ ἐπιστολῇ τὰ καθαρίζοντα εἶναι „πνεῦμα καὶ ὕδωρ καὶ αἷμα“· e καὶ ἐνταῦθα δὲ αἷμα καὶ ὕδωρ καὶ τοῦ σφαγέντος ὀρνιθίου τὸ πνεῦμα, δι᾽ ὧν καθαίρεται πρὸς τῇ ἀπὸ τῆς λέπρας καθαρότητι. a

Gen. 38,27f.(28)

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Jos. 2,18

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Lev. 14,5

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Joh. 19,34

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Vgl. 1 Joh. 5,6.8

336 Vgl. Dioskurides III 25 (p. 169 Aufmesser). 337 Eine andere Deutung des Scharlachs in der Auslegung von Ex. 35,6 gibt Origenes,

in Ex. hom. 13,4 (GCS Orig. 6, 275): „Sehen wir also zu, aus welchem Grund er den Scharlach doppelt genannt hat. Die Farbe bezeichnet, wie gesagt, den Grundstoff Feuer. Feuer hat nämlich eine doppelte Kraft, eine zum Erleuchten und eine zum Entzünden.“ Übersetzung: p. 257f. Heither. Zum Feuer siehe oben S. 168 Anm. 164. 338 Zur Auslegung dieser Stelle und der roten Schnur vgl. in Ios. hom. 3,5 (GCS Orig. 7, 306f.); 6,4 (7, 327); in Matth. comm. ser. 125 (GCS Orig. 11, 261). Belege für diese in der Alten Kirche schon seit 1 Clem. 12,7 (FC 15, 92) und Justin, dial. c. Tryph. 111,4 (PTS 47, 261), weit verbreitete Exegese siehe bei Döhler/Fürst, OWD 5, 49 Anm. 201. 339 Joh. 19,34 wird sonst häufig auf Taufe und Eucharistie hin ausgelegt: siehe Elowski, John 327–329. In Joh. 5,6 kommt noch der Heilige Geist dazu. Hier geht es Orige-

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Ärzte, dass es wäscht und reinigt, wenn in der Brust der Menschen irgendein Schmutz aus einer verdorbenen schädlichen Flüssigkeit sitzt.336 Daher ist auch notwendigerweise bei der Reinigung von Sünden das Bild einer solchen Pflanze genommen worden. Die scharlachrote Schnur hingegen, die oft als Hilfsmittel zur Erlösung herangezogen wird,337 finden wir in den göttlichen Büchern erwähnt, etwa bei der Niederkunft Tamars, wenn es heißt: „Einer streckte früher die Hand heraus. Die Hebamme aber nahm sie, band eine scharlachrote Schnur um seine Hand und sagte: Dieser wird vorher herausgehen.“a Doch auch als die Dirne Rahab die Kundschafter aufgenommen hatte und von ihnen eine Abmachung zur Rettung annahm, sagten auch jene: „Und du sollst als Zeichen eine scharlachrote Schnur anbringen und du sollst sie an dieses Fenster binden, durch das du uns heruntergelassen hast.“ b  338 Beachte jedoch auch dies, dass nicht gesagt wird, dass der Priester selbst die Henne opfert; denn der, der aussätzig war, ist noch nicht würdig, dass der Priester selbst für ihn opfert. Deswegen wird auch nicht das Blut der Henne am Altar dargebracht, sondern er sagt, dass „die Henne in einem tönernen Gefäß getötet werden soll, in welches Gefäß lebendiges Wasser“ c geschüttet wurde, damit auch Wasser für die Reinigung genommen wird und die Fülle des Mysteriums erfüllt wird im „Wasser und Blut“,d die, wie gesagt wird, aus der Seite des Erlösers herauskamen, und genauso, was Johannes in seinem Brief darlegt und sagt, dass die Reinigung in Wasser und Blut und Geist e erfolgt. Daher sehe ich auch hier alles dies erfüllt werden. Denn der Geist ist der dieser Henne, die getötet wird, und das lebendige Wasser ist das, das im Gefäß ist, und das Blut ist das, das über dieses ausgegossen wird; nicht dass wir meinen, dass dadurch die Gnade der Taufe wiederholt werden muss, sondern dass jede Reinigung von den Sünden, auch die, die durch Buße gesucht wird, der Hilfe dessen bedarf, aus dessen Seite Wasser und Blut hervorgingen.339 Sieh also, wie auch „die lebende Henne und das Zedernholz und die scharSymbol des kostbaren Blutes. Ein solche Schnur wird auch bei der Geburt des Perez angebunden a und von der Dirne Rahab den Kundschaftern als Zeichen gezeigt.b Der Ysop aber gehört zum Salben. Doch nicht der Priester selbst schlachtet das Vögelchen: Denn der, der gereinigt wird, ist an dem Tag, an dem er gereinigt wird, noch nicht des Priesters würdig. Daher bringt er das Blut nicht am Altar dar. Man nimmt aber dieses „tönerne Gefäß“,c wobei lebendiges Wasser hineingegossen wird, damit die Reinigung „mit Wasser und Blut“ geschieht, die „herauskamen aus der Seite“ d des Erlösers gemäß Johannes, der auch im Brief sagt, dass das Reinigende „Geist, Wasser und Blut“ e sind. Hierin aber ist es das Blut, das Wasser und der Geist des geschlachteten Vögelchens, durch die er bei der Reinigung vom Aussatz gereinigt wird. nes um die Buße, die Reinigung von den Sünden. In Hiez. hom. 5,1 (GCS Orig. 8, 372) bringt er die Taufe des Heiligen Geistes mit der Taufe des reinigenden Feuers zusammen: „Denn die nicht durch die Taufe des Heiligen Geistes geheilt sind, tauft er mit Feuer, weil sie nicht durch die Reinigung des Heiligen Geistes gereinigt werden konnten.“

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hyssopum tingitur in sanguine pulli et aqua uiua“,a ut ex hoc aspersus et purificatus ex aqua et sanguine, in quo tincta est et illa gallina, quae in campum emittitur,b et „septiens contra Dominum respersus“,c is, qui purificatur, mundus efficiatur ab omni immunditia, qua fuerat ex leprae contagione possessus. 11. Sed et illud aduerte, quomodo, cum superius dixerit: „Haec lex leprosi; in qua die mundatus fuerit“,d nunc his omnibus addit et dicit: „Et mundus erit.“ e Si enim semel abiecta lepra mundatus est, quomodo adhuc mundus erit? Sed uide quia, etiamsi mundetur quis a peccato et non sit iam in opere peccati, ipsa tamen uestigia sceleris commissi purificatione indigent, et ea, quam exposuimus, et aliis nihilominus, quae mandantur in consequentibus. Obseruauimus enim ad hoc, quod scriptum est de lepra: „in qua die mundatus fuerit“,f post | haec inter cetera, quae mandantur, tertio dictum esse: „Et mundus erit“,g et iterum ad ultimum scriptum esse: „Et mundabitur.“ hVnde mihi uidetur esse quasdam et in ipsa purificatione differentias et, ut ita dixerim, profectus quosdam purgationum. Potest enim et de illo, qui cessat a peccato, dici: „Et mundus erit“,i sed non statim ita mundus uidebitur, ut ad summam puritatis accesserit. Denique addit his, quae dixerat: „in quacumque die mundatus fuerit“:j „Et emittetur“ inquit „uiua gallina in campum, et lauabit uestimenta sua is, qui purificatur“;k post haec autem „omnem“ inquit „pilum radet“; et addit: „Et lauabitur in aqua“; et post haec additur: „Et mundus erit.“ l Neque enim sufficit quod in respersione dixerat: „Mundus erit“,m nisi adiecisset etiam haec. Sordida ergo uestimenta habuit usque adhuc iste, qui purificatur a lepra, etiam post aspersionem et nunc lauare ea iubetur. Quae tamen uestimenta non mihi per omnia malae texturae uidentur fuisse: 11. Ἄνω γὰρ εἶπεν· „ᾗ ἂν ἡμέρᾳ καθαρισθῇ“,d νυνὶ δέ· „καὶ καθαρὸς ἔσται“.e Καὶ καθαρθεὶς γὰρ τῆς λέπρας ὅμως ὑπὲρ τοῦ μολυσμοῦ τοῦ φθάσαντος χρόνου δεῖται τοῦ παρόντος καθαρισμοῦ, μᾶλλον δὲ καὶ ἄλλων τριῶν. Εἷς γὰρ καθαρισμὸς τό· „ᾗ ἂν ἡμέρᾳ καθαρισθῇ“ f καὶ τρεῖς μεταξὺ τῷ· „καὶ καθαρὸς ἔσται“ τρίτον λεγομένῳ δηλούμενοι· g καὶ πέμπτος καὶ τελευταῖος διὰ τοῦ· „καὶ καθαρισθήσεται“.h Εἰσὶ γὰρ οἷον καὶ καθαρισμῶν προκοπαὶ πρὶν εἰς τὴν τελείαν ἐλθεῖν καθαρότητα. Μετὰ γοῦν τὴν ἀποστολὴν τοῦ ὀρνιθίου πρῶτον „τὰ ἱμάτια πλύνεται ὁ καθαρισθείς“, εἶτα „πᾶσαν τρίχα ξυρᾶται“ καὶ ἐπὶ τούτοις „λούεται ὕδατι“, μεθ᾽ ὃ ἐπιφέρεται τό· „καὶ καθαρὸς ἔσται“, ὡς ἐκτὸς τούτων οὐκ ἂν ἀρκέσαντος τοῦ ῥηθέντος ἐπὶ τοῦ ῥαντισμοῦ· „καὶ καθαρὸς ἔσται“.l Καὶ μετὰ τὸν ῥαντισμὸν γὰρ ῥυπαρὰ a

Lev. 14,6 bVgl. Lev. 14,7 Lev. 14,7.8.9 hLev. 14,20 m Lev. 14,7

g

c

Lev. 14,16 dLev. 14,2 eLev. 14,7 f Lev. 14,2 Lev. 14,7.8.9 j Lev. 14,2 kLev. 14,7f. l Lev. 14,8

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340 Versprengt wird nach Lev. 14,16 nicht das Blut der Henne, sondern Öl.

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lachrote Schnur und der Ysop im Blut des Kükens und in lebendigem Wasser eingetaucht werden“,a damit der, der gereinigt wird, besprengt und gereinigt mit dem Wasser und dem Blut, in das auch jene Henne eingetaucht wurde, die ins Feld geschickt wird,b und „siebenfach vor dem Herrn besprengt“ c 340 rein wird von aller Unreinheit, von der er aufgrund der Ansteckung mit dem Aussatz in Besitz genommen war. 11. Beachte jedoch auch, nachdem er im Vorhergehenden sagte: „Das ist das Gesetz über den Aussätzigen; an dem Tag, an dem er gereinigt wurde“,d wie er nun diesem allen hinzufügt und sagt: „Und er wird rein sein.“ e Denn wenn er einmal den Aussatz abgeschüttelt hat und gereinigt ist, wie wird er auch noch rein sein? Doch sieh: Auch wenn jemand von der Sünde gereinigt wird und nicht mehr mit dem Tun der Sünde beschäftigt ist, bedürfen dennoch die Spuren der begangenen Untat der Reinigung, sowohl dieser, die wir erklärten, als auch genauso anderer, die im Folgenden angeordnet werden. Denn wir haben zu dem, was über den Aussatz geschrieben steht: „an dem Tag, an dem er gereinigt wird“,f beobachtet, dass danach unter anderen Anordnungen als drittes gesagt ist: „Und er wird rein sein“,g und wiederum ist zum Schluss geschrieben: „Und er wird gereinigt werden.“ h Daher scheint mir, dass es auch in der Reinigung selbst gewisse Unterschiede gibt und, um es so zu sagen, gewisse Fortschritte der Reinigungen. Denn es kann auch über den, der von der Sünde ablässt, gesagt werden: „Und er wird rein sein“,i doch er wird nicht sofort als so rein erscheinen, dass er zur höchsten Reinheit gekommen wäre. Schließlich fügt er zu dem, was er gesagt hatte: „an dem Tag, an dem er gereinigt wird“,j hinzu: „Und er soll“, heißt es, „die lebende Henne ins Feld freilassen und der, der gereinigt wird, soll seine Kleider waschen.“ k Danach aber heißt es: „Er soll sein ganzes Haar rasieren“, und er fügt hinzu: „Und er soll sich in Wasser waschen“; und danach wird hinzugefügt: „Und er wird rein sein.“ l Denn es würde nicht genügen, dass er bei der Besprengung gesagt hatte: „Er wird rein sein“,m wenn er nicht auch dies hinzugefügt hätte. Der, der vom Aussatz gereinigt wird, hatte also immer noch schmutzige Kleider, auch nach der Besprengung, und nun wird befohlen, sie zu waschen. Diese Kleider scheinen mir jedoch nicht ganz und gar von schlechtem Ge11. Oben nämlich hieß es: „an dem Tag, an dem er gereinigt wurde“,d nun aber: „und er wird rein sein“.e Denn auch der vom Aussatz Gereinigte bedarf dennoch über die Zeit der früheren Befleckung hinaus der gegenwärtigen Reinigung, vielmehr aber auch von drei weiteren. Denn eine ist die Reinigung „an dem Tag, an dem er gereinigt wurde“ f und drei zeigen sich später in den Worten „und er wird rein sein“, die dreimal gesagt werden.g Und eine fünfte und letzte durch die Aussage: „und er wird gereinigt werden“.h Denn so gibt es auch gleichsam Fortschritte der Reinigungen, bevor man zur letzten Reinheit kommt. Nach dem Wegschicken des Vögelchens „soll der, der gereinigt wird“, demnach zuerst „die Kleider waschen“, dann „wird das ganze Haar geschoren“ und danach „wäscht er sich mit Wasser“, wonach die Worte „und er wird rein sein“ hinzufügt werden, weil es ohne dieses eben nicht genügt hätte, über die Besprengung zu sagen: „und er wird rein sein“.l Denn auch nach der Besprengung hat er schmutzige Kleider. Dieser Lebenswandel

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alioquin abici ea magis quam lauari praeciperet. In quo ostenditur neque per omnia alienam fuisse a Deo conuersationem eius neque pure in Domino et integre custoditam. Non enim lauaret uestimenta, nisi fuissent sordida, nec iterum lotis iis uteretur, si fuissent textrini in omnibus alieni. Quod autem radi iubetur omnem pilum,a puto quod omne quidquid emortui operis animae positae in peccatis exortum est – hoc enim nunc pili nominantur – iubeatur abicere. Peccator enim omne, quod ei siue in | consilio natum est siue in uerbo siue in opere, expedit, si uere purificari uult, ut eradat et abiciat nec residere aliquid patiatur. Sanctus autem seruare debet omnem capillum et, si possibile est, „nec adscendere“ debet „ferrum super caput eius“,b ne abscidere aliquid de cogitationibus eius sapientibus aut dictis aut operibus possit. Inde denique est quod et Samueli „ferrum“ dicitur „non adscendisse super caput“; sed et omnibus Nazareis,c qui sunt iusti, quia iustus sicut scriptum est, „omnia quaecumque fecerit, prosperabuntur, et folia eius non decident“.d Hinc et discipulorum Domini etiam „capilli capitis“ dicuntur „esse numerati“,e hoc est omnes actus, omnes sermones, omnes cogitationes eorum seruantur apud Deum, quia iustae, quia sanctae sunt. Peccatorum uero omne opus, omnis sermo, omnis cogitatio debet abscidi. Et hoc est quod dicitur: „ut omnis pilus corporis eius radatur et tunc erit mundus“.f Sed et hoc obserua quod non sufficit ei post purificationem uel uestimenta lauisse uel omnem pilum rasisse, nisi et lotus fuerit in aqua.g Oportet namque eum abicere omnes sordes, omnem immunditiam non solum de uestimentis, sed et de proprio corpore, ut ne qua in eo macula exstinctae leprae resideat. Tertio ergo nunc purificatus ita demum dignus efficitur ingredi castra Domini; non tamen continuo permittitur ei introire domum suam, sed dicitur ut „extra domum suam maneat septem diebus et radatur omnem pilum capitis et barbae et superciliorum“;h quasi non suffecerit quod prius | omnem εἶχε τὰ ἱμάτια. Ἅπερ εἴη ἂν πολιτεία μὴ πάντῃ κακῶς ὑφασμένη, ἐπεὶ κἂν ἀπέθετο ταῦτα. Τρίχες δὲ τὰ ἐξανθήσαντα νεκρὰ τῇ ψυχῇ, αἷς ἐναντίαι αἱ τοῦ Σαμουὴλ καὶ τῶν Ναζιραίων καὶ αἱ τῶν μαθητῶν ἠριθμημέναι.e Τῶν γὰρ Ναζιραίων „σίδηρος ἐπὶ τὴν κεφαλὴν οὐκ ἀναβαίνει“.c Πάντα, ὅσα ἂν ποιῶσιν, εὐοδούμενα πραττόντων ὡς μήτε φύλλον αὐτῶν καρποφορούντων ἀπορρεῖν.d Ἤδη δὲ καὶ ἀπὸ τοῦ σώματος ὕδατι τὸν μολυσμὸν a

b

g

h

Vgl. Lev. 14,9 Vgl. Lev. 14,9

1 Sam. 1,11 Lev. 14,8f.

c

Vgl. Num. 6,5

d

Ps. 1,3

e

Mt. 10,30

f

Lev. 14,9

341 Vgl. in Ex. hom. 13,5 (GCS Orig. 6, 276f.): „Das Haar hat eine tote, blutleere, see-

lenlose Gestalt. Wer es opfert, zeigt, dass in ihm der Sinn für die Sünde bereits tot ist und dass in seinen Gliedern die Sünde nicht mehr lebt oder herrscht.“ Übersetzung: p. 259f. Heither. 342 In Num 6,1–21 geht es um das Nasiräergelübde, das lebenslänglich (vgl. Simson in Ri. 13,3ff.; Samuel in 1 Sam. 1,21–28) oder zeitlich begrenzt sein kann. Die Nasiräer dürfen weder etwas vom Weinstock oder Alkoholisches zu sich nehmen noch ihre Haare schneiden. Außerdem ist es ihnen untersagt, Tote zu berühren.

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webe gewesen zu sein: Andernfalls würde er vorschreiben, dass sie eher weggeworfen als gewaschen werden. Darin wird gezeigt, dass sein Lebenswandel weder ganz und gar Gott fremd noch rein und unversehrt im Herrn gewahrt war. Denn er würde nicht die Kleider waschen, wenn sie nicht schmutzig gewesen wären, noch würde er die gewaschenen wieder verwenden, wenn sie ganz und gar von fremdem Gewebe gewesen wären. Dass aber befohlen wird, das ganze Haar zu rasieren:a Ich glaube, dass befohlen wird, alles, was an totem Werk der Seele, die sich in Sünden befindet, entsprungen ist – denn das wird nun Haare genannt –, wegzuwerfen.341 Denn es nützt dem Sünder, dass er alles, was als Vorhaben, Wort oder Werk in ihm entsteht, wenn er wahrlich gereinigt werden will, austilgt und wegwirft und nichts verbleiben lässt. Der Heilige aber muss das ganze Haar bewahren und darf, wenn es möglich ist, „kein Schermesser über sein Haupt erheben“,b damit er nichts von seinen weisen Gedanken,Worten oder Werken abschneiden kann. Daher kommt es schließlich, dass auch zu Samuel gesagt wird, „kein Schermesser über das Haupt zu erheben“, doch auch zu allen Nasiräern,c  342 die gerecht sind,343 weil, wie geschrieben steht, „alles, was“ der Gerechte „tut, gedeihen wird und seine Blätter nicht herabfallen werden.“ d Daher wird auch von den Jüngern des Herrn gesagt, „die Haare des Hauptes seien gezählt“,e das heißt, alle ihre Handlungen, alle ihre Reden, alle ihre Gedanken werden bei Gott bewahrt, weil sie gerecht, weil sie heilig sind. Jedes Werk, jede Rede, jeder Gedanke der Sünder hingegen muss abgeschnitten werden. Und das bedeutet es, dass gesagt wird, „dass das ganze Haar seines Körpers rasiert werden soll und er dann rein sein wird“.f Beachte jedoch auch, dass es ihm nicht genügt, nach der Reinigung die Kleider gewaschen oder das ganze Haar rasiert zu haben, wenn er sich nicht auch in Wasser gewaschen hat.g Es ist nämlich notwendig, dass er allen Schmutz wegwirft, jede Unreinheit nicht nur von den Kleidern, sondern auch vom eigenen Körper, damit nicht irgendein Makel des ausgetilgten Aussatzes in ihm verbleibt. Als drittes also wird nun der Gereinigte so endlich würdig, in das Lager des Herrn hineinzugehen; es wird ihm jedoch nicht unverzüglich erlaubt, in sein Haus einzutreten, sondern es wird gesagt, dass er „sieben Tage außerhalb seines Hauses bleiben soll und das ganze Haar des Hauptes und des Bartes und der Augenbrauen rasiert werden soll“.h Als ob es nicht genügte, dass er war eben nicht gänzlich schlecht gewebt, denn sonst hätte er diese wohl auch entfernt. Die Haare aber bedeuten das aufgeblühte Tote in der Seele, denen die Haare Samuels, der Nasiräer und die der Jünger gegenüberstehen, die gezählt werden.e Denn bei den Nasiräern „soll kein Eisen über den Kopf kommen“.c Alles, was sie tun, machen sie mit gutem Fortgang, dass nicht ihre Frucht bringenden Blätter herabfallen.d Er entfernt aber auch

343 Vgl. für diese etymologische Erklärung des Wortes „Nasiräer“ in Lam. frg. 102 zu

Klgl. 4,7f. (GCS Orig. 32, 271f.). Siehe Wutz, Onomastica sacra 376.

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pilum raserat, nunc additur ut omnem pilum capitis et barbae et superciliorum radat. Idem namque uidebatur dictum in eo, quod dixerat omnem pilum radendum. Sed non mihi uidetur inanis esse ista repetitio.Vult enim peccatorem, posteaquam fuerit mundatus, posteaquam remissionem per poenitentiam acceperit peccatorum, de purgatione capitis admonere et barbae et superciliorum, uelut si diceret ei: „Ecce, iam sanus factus es“,a uide ne ultra capitis contrahas culpam. Capitis enim peccatum b est aliter quam fides ecclesiae continet de diuinis sentire dogmatibus. In barba uero, ut meminerit se uirilis aetatis deposuisse peccata et conuersus fiat sicut infans. In superciliis autem arrogantiam deicit et male elatum ad humilitatem Christi inclinat supercilium. Secundo ergo ad hunc modum omnis pilus corporis raditur. Et sicut haec geminantur, ita et uestimenta semel in prima purificatione lauisse non sufficit, sed secundo praecipitur, ut lauet uestimenta sua et corpus suum aqua,c et tunc quarto additur: „Et mundus erit.“ d Haec autem fiunt intra castra quidem posito eo, adhuc tamen „extra domum suam“.e Dicit enim post septem dies: „In die octaua assumet sibi duos agnos.“ f Iam non alius assumit, sed ipse sibi assumit. „Duos“ inquit „agnos immaculatos, et ouem unam anniculam immaculatam, et tres decimas similaginis conspersae in oleo, et cyathum olei unum“,g ut post haec quinta purificatione purificatus consummetur. Ex his ergo duobus agnis unus quidem immolatur et dicitur „pro delicto“: „in loco“ inquit, „in quo iugulatur pro peccato, et ubi holocaustomata fiunt, in loco sancto.“ h Ecce iam dignus efficitur, ut offerat sacrificium, | qui potuit ad quintam purificationem peruenire, et hostia eius „sancta sanctorum“ i fit. Alius autem agnus holocaustum efficiἀποτίθεται. Μετὰ δὲ τὸ τρίτον καθαρὸν γενέσθαι τῆς μὲν παρεμβολῆς ἄξιος γίνεται· εἰς δὲ τὸν ἴδιον οἶκον οὐκ εἰσεῖσιν ἕως „ἡμερῶν ἑπτὰ“ καὶ τοῦ πάλιν ξυρηθῆναι. Ὡς μὴ ἀρκούσης τῆς δευτέρας ξυρήσεως ἁπλούστερον εἰρημένης τῆς δευτέρας κατ᾽ ἐξαίρετον ἐχούσης – κεφαλὴν καθαιρομένου διὰ τὰ τῶν δογμάτων κεφαλαιωδέστερα καὶ πώγωνα μετ᾽ αὐτὴν ἀποτιθεμένου τὰ τοῦ ἀνδρὸς ἁμαρτήματα, διὰ δὲ τῶν ὀφρύων ἅπασαν οἴησιν –, οὕτω καὶ πλύνει τὰ ἱμάτια δεύτερον καὶ δεύτερον λούεται καὶ οὕτω καθαρὸς τέταρτον ἤδη γίνεται. „Τῇ δὲ ὀγδόῃ“ τῆς ἐν τῇ παρεμβολῇ διαγωγῆς „ἡμέρᾳ“ οὐκέτι λήψονται ἕτεροι αὐτῷ, ἀλλ᾽ αὐτὸς „ἑαυτῷ ἀφήσει ζῷα καὶ ἔλαιον καὶ σὺν ἐλαίῳ σεμίδαλιν“ g ὡς ἂν ἐν τῇ καθάρσει τελειωθῇ. Καὶ τῆς „ἐν τόπῳ ἁγίῳ“ θυσίας ἄξιος γίνεται ὁ ἐπὶ τὸν πέμπτον φθάσας καθαρισμὸν καὶ τὸ θῦμα αὐτοῦ „ἅγια ἁγίων“ ἐστίν.h Ὁ μὲν οὖν „περὶ πλημμελείας ἀμνὸς“ i a

Joh. 5,14 bVgl. 1 Joh. 5,16 cVgl. Lev. 14,8 Lev. 14,10 hLev. 14,13 i Lev. 14,13

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Lev. 14,9

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Lev. 14,8

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Lev. 14,10

344 Zu einer solchen „Sünde des Hauptes“, d.  h. einer „Todsünde“, vgl. sel. in Lev. 14,19

(PG 12, 403B); in Ioh. comm. XIX 13,79 (GCS Orig. 4, 312).

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vorher das ganze Haar rasiert hatte, wird nun hinzugefügt, dass „er das ganze Haar des Hauptes und des Bartes und der Augenbrauen rasieren soll“. Dasselbe schien nämlich darin gesagt, dass er gesagt hatte, dass das ganze Haar rasiert werden muss. Doch scheint mir diese Wiederholung nicht grundlos zu sein. Denn er will den Sünder, nachdem er gereinigt worden ist, nachdem er durch Buße die Vergebung der Sünden erlangt hat, bezüglich der Reinigung des Hauptes und des Bartes und der Augenbrauen ermahnen, wie wenn er ihm sagen wollte: „Siehe, du bist schon gesund geworden“,a sieh, dass du nicht weiter Schuld auf dein Haupt häufst. Denn eine Sünde des Hauptes b ist es, anders über die göttlichen Lehren zu denken, als es der Glaube der Kirche enthält.344 Den Bart hingegen soll er sich rasieren, damit er sich erinnert, dass er die Sünden des männlichen Alters abgelegt hat und bekehrt wurde wie ein Kind. In den Augenbrauen aber entfernt er den Hochmut und neigt die übel hochgezogene Augenbraue zur Demut Christi. Zum zweiten Mal also wird auf diese Weise das ganze Haar des Körpers rasiert. Und so wie dies verdoppelt wird, so genügt es auch nicht, dass die Kleider einmal in der ersten Reinigung gewaschen worden sind, sondern es wird ein zweites Mal vorgeschrieben, dass er seine Kleider und seinen Körper in Wasser wäscht,c und dann wird ein viertes Mal hinzugefügt: „Und er wird rein sein.“ d Dies aber geschieht, während er sich zwar innerhalb des Lagers befindet, jedoch noch immer „außerhalb seines Hauses“.e Denn er sagt nach sieben Tagen: „Am achten Tag soll er für sich zwei Lämmer nehmen.“ f Nicht mehr ein anderer nimmt sie, sondern er selbst nimmt sie für sich. „Zwei makellose Lämmer“, heißt es, „und ein einjähriges makelloses Schaf und drei Zehntel Feinmehl, mit Öl besprengt, und einen Becher Öl“,g damit danach der Gereinigte durch eine fünfte Reinigung vollendet wird. Von diesen zwei Lämmern also wird eines geopfert und „für die Verfehlung“ genannt: „an dem Ort,“ heißt es, „an dem es für die Sünde geschlachtet wird und wo die Ganz­ opfer stattfinden, an dem heiligen Ort.“ h Siehe, er, der zur fünften Reinigung gelangen konnte, wird bereits würdig, dass er ein Opfer darbringt, und sein Opfer wird das „Allerheiligste“.i Das andere Lamm aber wird ein Ganzopfer, schon mit dem Wasser die Befleckung vom Körper. Nach dem dritten Reinwerden aber wird er zwar des Lagers würdig, aber in sein eigenes Haus geht er nicht hinein, bis „sieben Tage“ vergangen sind und er wiederum rasiert wurde. Wie es nicht genügt hätte, dass von der zweiten Rasur einfacher die Rede gewesen wäre, erfolgt die zweite gemäß der Aussonderung – rasiert wird das Haupt des Gereinigten durch die Hauptlehren, und ebenso der Bart, womit die Sünden des Mannes entfernt werden, durch die Rasur der Augenbrauen aber alles, was sie glauben –, so wäscht er auch die Kleider ein zweites Mal und wäscht sich selbst ein zweites Mal und so wird er schon ein viertes Mal rein. „Am achten Tag“ des Aufenthalts im Lager aber werden nicht mehr andere für ihn nehmen, sondern er selbst „wird für sich Tiere freilassen und Öl und Feinmehl mit Öl nehmen“,g damit er in der Reinigung vollendet wird. Und des Opfers „an einem heiligen Ort“ wird würdig, wer bei der fünften Reinigung angelangt ist, und sein Opfer ist ein „Hochheiliges“.h Das Lamm „für das Vergehen“ i reinigt nun freilich die männliche Tat dessen, der gesündigt hat. Das

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Homilia VIII

tur, in quo et propitiari pro ipso sacerdos dicitur, ut purgetur.a Igitur primus agnus, qui „pro delicto“ b est, uidetur mihi uirtutis ipsius formam tenere, quam assumpsit is, qui erat in peccatis, per quam potuit propellere a se affectum peccandi et malorum ueterum poenitudinem gerere; secundus uero agnus figuram tenere illius iam recuperatae uirtutis, per quam abiectis et procul fugatis omnibus uitiis integrum se et ex integro obtulit Deo et dignus exstitit diuinis altaribus. Ouis autem, quae post agnos assumitur,c quantum conicere in tam difficilibus locis ualemus, fecunditatem puto quod designet eius, qui conuersus est a peccato et totum se obtulit Deo, qua post omnia in bonorum operum foetibus utitur et innocentiae fructibus pollet. In tria ergo purificationis huius, id est conuersionis a peccato, ratio diuiditur. Prima est hostia, qua peccata soluuntur; secunda est, qua anima conuertitur ad Deum; tertia est fecunditatis et fructuum, quos in operibus pietatis is, qui dicitur conuersus, ostendit. Et quia tres istae sunt hostiae, idcirco sub­iungit et tres mensuras decimae similaginis assumendas,d ut ubique intelligamus purificationem fieri non posse sine mysterio trinitatis. Vide autem quod hic in quinta purificatione non assumitur farina, sed iam similam habet iste, qui purificatur a peccatis; simila ei adscribitur, unde habeat iam panem mundum, et haec oleo conspergitur. Sed et oleum | eius ad duos usus diuiditur; unum, quo simila conspergitur, alium, quo sacerdos accipit integram mensuram cyathi, ut ait.e In quo, ut ego sentio, et panis eius pinguis efficitur pro misericordia et oleum, quo lux uera et scientiae ignis accenditur, per manus sacerdotis capiti eius imponitur.f Ita enim dicit: „Et statuet“ inquit „eum sacerdos, qui mundat eum, in conspectu Domini, ad ostium tabernaculi testimonii.“ g Vide quia sacerdotis est statuere eum, qui conuertitur a peccato, ἀνδραγάθημα καθαιρετικὸν ἡμαρτημένων· ὁ δὲ „ὁλοκαρπούμενος“ a ἤδη καρπὸς ἄξιος ὢν καὶ δι᾽ ὅλων ἀνατεθῆναι τῷ Θεῷ τροφὴ τῷ πυρὶ τοῦ θυσιαστηρίου γινόμενος. Μεθ᾽ οὓς „τὸ πρόβατον“· c οἱ παραμείναντες τῇ ψυχῇ τοῦ καθαριζομένου καρποὶ ἐπ᾽ αὐτὸν ἀναφερόμενοι τὸν καθαριζόμενον. Εἰς δὲ τὰς τρεῖς θυσίας τὰ „τρία δέκατα“ διαιρεῖται „τῆς σεμιδάλεως“· ἐπὶ τῷ πέμπτῳ καθαρισμῷ οὐκ ἄλευρον δέ φησιν, ἀλλὰ σεμίδαλιν, ὕλην ἄρτου καθαροῦ· „ἐν ἐλαίῳ δὲ πεφύραται“· d φωτὸς δὲ τοῦτο τροφή, οὐχ ἁπλῶς πυρός. Δι᾽ ἑτέρου δὲ κοτύλης ἐλαίου πάλιν καθαρίζεται ὁ δεόμενος ἱερέως τοῦ στήσοντος αὐτὸν οὐ μόνον ἔσω τῆς παρεμβολῆς ἀλλὰ καὶ „παρ᾽ αὐτὴν τὴν θύραν τῆς σκηνῆς τοῦ μαρτυρίου ἔναντι Κυρίου“.g a

Vgl. Lev. 14,19.20 bLev. 14,13 Vgl. Lev. 14,18 gLev. 14,11

f

c

Vgl. Lev. 14,10

d

Vgl. Lev. 14,10

e

Vgl. Lev. 14,10

345 Vgl. sel. in Lev. 14,10 (PG 12, 404B–C). 346 Nach Rahner, Bußlehre des Origenes 160–162, ist hierin ein mit der Rekonziliation

verbundener Salbungsritus zu erkennen, der die Verleihung des Geistes bezeichnet, wie im Folgenden deutlich wird.

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von dem gesagt wird, dass der Priester in ihm für diesen auch die Versöhnung erwirkt, damit er gereinigt wird.a Daher scheint mir das erste Lamm, das „für die Verfehlung“ b ist, das Sinnbild der Tugend selbst zu enthalten, die der angenommen hat, der in Sünden war, durch die er von sich den Zustand des Sündigens wegstoßen und Buße für die alten Übel tun konnte; das zweite Lamm hingegen enthält das Bild jener bereits wiedergewonnenen Tugend, durch die er sich, nachdem er alle Laster weggeworfen und weit in die Flucht geschlagen hatte, unversehrt und von Neuem Gott darbrachte und würdig bei den göttlichen Altären erschien. Das Schaf aber, das nach den Lämmern genommen wird,c soviel wir an so schwierigen Stellen zu mut­maßen vermögen, bezeichnet, glaube ich, die Fruchtbarkeit dessen, der sich von der Sünde bekehrt und sich ganz Gott dargebracht hat, die er nach all dem zum Hervorbringen guter Werke nützt und durch die er stark ist in den Früchten der Unschuld. In drei Teile also wird das Vorgehen dieser Reinigung, das heißt der Bekehrung von der Sünde, geteilt.345 Das erste Opfer ist das, durch das die Sünden gelöst werden; das zweite ist das, durch das die Seele zu Gott bekehrt wird; das dritte ist das der Fruchtbarkeit und der Früchte, die der, der bekehrt genannt wird, in Werken der Frömmigkeit zeigt. Und weil es drei Opfer sind, deshalb verbindet er damit auch drei Zehntelmaße Feinmehl, die genommen werden müssen,d damit wir überall verstehen, dass die Reinigung nicht ohne das Mysterium der Trinität geschehen kann. Sieh aber, dass hier bei der fünften Reinigung nicht Mehl genommen wird, sondern der, der von den Sünden gereinigt wird, hat bereits Feinmehl; Feinmehl wird ihm zugeschrieben, daher hat er bereits reines Brot, und dieses wird mit Öl besprengt. Doch auch sein Öl wird zu zwei Verwendungen geteilt; eine, bei der das Feinmehl besprengt wird, die andere, bei der der Priester ein vollständiges Maß eines Bechers nimmt, wie es heißt.e In diesem wird auch, wie ich meine, sein Brot für die Barmherzigkeit fett gemacht und das Öl, mit dem das wahre Licht und das Feuer der Erkenntnis entzündet wird, wird durch die Hand des Priesters auf sein Haupt gegeben.f 346 Denn so sagt er: „Und der Priester“, heißt es, „der ihn reinigt, soll ihn vor das Angesicht des Herrn hinstellen, zum Eingang des Bundeszeltes.“ g Sieh, dass es dem Priester zukommt, den, der von der Sünde bekehrt wurde, hinzustellen, damit „als Ganzfrucht Dargebrachte“ a zeigt aber, dass er schon eine würdige Frucht und einer geworden ist, der gänzlich für Gott als Nahrung auf das Feuer des Opferaltars gelegt wird. Danach „das Schaf“:c Das sind die Früchte, die der Seele des Gereinigten bleiben, die dem Gereinigten selbst wieder gebracht werden. In drei Opfer aber werden die „drei Zehntel von Feinmehl“ geteilt: Bei der fünften Reinigung nennt er nicht Weizenmehl, sondern Feinmehl, das Material reinen Brotes; „in Öl“ aber wird es „gemischt“.d Dieses aber ist die Nahrung des Lichtes, nicht einfach des Feuers. Durch das Schälchen eines anderen Öls wiederum wird gereinigt, der des Priesters bedarf, der ihn nicht nur in das Lager hineinstellt, sondern auch „zum Eingang selbst des Bundeszeltes vor dem Herrn“.g

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ut stabilis esse possit et ultra non fluctuare nec moueri „omni uento doctrinae“.a Statuit ergo eum non solum intra castra, sed ad ipsum ostium tabernaculi testimonii ante Dominum. Et posteaquam secundum ea, quae superius dicta sunt, offeruntur hostiae pro purificatione, adhibet, inquit, et cyathum olei et separat illud ante Dominum. „Et accipiet“ inquit „sacerdos de sangui­ne, et ponet super extremam auriculam eius dextram et super extremam manum eius dextram et super extremum pedem eius dextrum.“ b Et post haec, inquit, accipiet sacerdos non ipsum cyathum olei, sed ex ipso et „diffundet“ inquit „in manum suam sinistram, et intinget digitum suum sacerdos in oleo, quod est in manu eius sinistra, et adsperget septiens ante Dominum“;c et iterum: „Ex eo, quod superest in manu eius sinistra, imponet super auriculam eius, qui purificatur, dextram et super extremam manum eius dextram et super extremum pedem eius dextrum“;d et post haec: „Id quod relictum fuerit ex oleo, imponet“ inquit „sacerdos de manu sua super caput eius, qui purificatur.“ eVides quomodo ultimae et summae purificationis est aurem purificari, ut purus et mundus seruetur auditus, et manum dextram, ut munda sint opera nostra nec aliquid immundum | his admisceatur et sordidum. Sed et pedes purificandi sunt, ut ad opus bonum tantummodo dirigantur nec ultra lapsus iuuentutis incurrant. Septiens autem respergit sacerdos contra Dominum ex oleo.f Post omnia etenim, quae pro purificato celebrata sunt, postquam conuersus et reconciliatus est Deo, post immolatas hostias ordinis erat, ut et uirtutem super eum septemplicem sancti Spiritus inuitaret, secundum eum, qui dixerat: „Redde mihi laetitiam salutaris tui, et spiritu principali confirma me.“ g Vel certe quoniam peccatorum corda Dominus in euangelio testatur a septem daemonibus obsideri,h competenter septiens ante Dominum sacerdos in purificatione respergit, ut expulsio septem spirituum malignorum de purificati corde septiens excusso digitis oleo declaretur. Sic ergo conuersis a peccato purificatio quidem per illa omnia datur, quae superius diximus, donum autem gratiae spiritus per olei imaginem designatur, ut non solum purgationem consequi possit is, qui conuertitur a peccato, sed et Spiritu sancto repleri, quo et recipere priorem stolam et anulum i possit et per omnia reconciliatus patri in a

Eph. 4,14 bLev. 14,14 cLev. 14,15f. dLev. 14,17 Ps. 50(51),14 hVgl. Lk. 8,2; 11,26 iVgl. Lk. 15,22

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Lev. 14,18

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Vgl. Lev. 14,16

347 Von hier bis zum Schluss (ohne die Schlussdoxologie) hat Hrabanus Maurus, in Lev.

expos. IV 7 (PL 108, 398A–C), die Predigt abgeschrieben. 348 Vgl. Origenes, in Num. hom. 6,3 (GCS Orig. 7, 32): „Denn der Geist Gottes ruht auf

denen, die ‚rein sind im Herzen‘ (Mt. 5,8), und auf denen, die ihre Seelen von der Sünde reinigen …“; in Ios. hom. 3,2 (GCS Orig. 7, 303): „Denn obwohl die Buße und die Umkehr vom Bösen zum Guten durch den Herrn und Erlöser gepredigt und allen Glaubenden die Vergebung der Sünden gegeben und alles, was zur Vollkommenheit der Zehnzahl [als Bild der Vollkommenheit] zu streben scheint, erfüllt wird,

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er standhaft sein und nicht weiter schwanken noch „von jedem Wind einer Lehre“a bewegt werden kann. Er stellte ihn also nicht nur in das Lager, sondern zum Eingang des Bundeszeltes selbst vor den Herrn. Und nachdem gemäß dem, was vorher gesagt wurde, die Opfer für die Reinigung dargebracht werden, nimmt er, heißt es, auch den Becher Öl und sondert ihn vor dem Herrn ab. „Und der Priester soll“, heißt es, „von dem Blut nehmen und es auf den äußeren Teil seines rechten Ohrläppchens und auf den äußersten Teil seiner rechten Hand und auf den äußersten Teil seines rechten Fußes geben.“ b Und danach, heißt es, soll der Priester nicht den Becher Öl selbst, sondern aus diesem nehmen und, heißt es, „in seine linke Hand gießen, und der Priester soll seinen Finger in das Öl, das in seiner linken Hand ist, tauchen und es siebenmal vor dem Herrn versprengen“;c und wiederum: „Von dem, was in seiner linken Hand übrig ist, soll er etwas auf das rechte Ohrläppchen dessen, der gereinigt wird, und auf den äußersten Teil seiner rechten Hand und auf den äußersten Teil seines rechten Fußes geben“;d und danach: „Das, was vom Öl übrig ist, soll der Priester“, heißt es, „von seiner Hand auf das Haupt dessen geben, der gereinigt wird.“ e Du347 siehst, wie die letzte und höchste Reinigung darin besteht, dass das Ohr gereinigt wird, damit das Hören lauter und rein bewahrt wird, und die rechte Hand, damit unsere Werke rein sind und ihnen nichts Unreines und Schmutziges beigemischt wird. Doch auch die Füße müssen gereinigt werden, damit sie nur zu einem guten Werk gelenkt werden und nicht weiter in die Fehltritte der Jugend hineinlaufen. Siebenmal aber versprengt der Priester etwas von dem Öl vor dem Herrn.f Nach allem nämlich, was für den Gereinigten ausgeführt wurde, nachdem er sich bekehrt und mit Gott versöhnt hat, war es nach den geopferten Opfern an der Reihe, dass er auch die siebenfache Kraft des Heiligen Geistes über ihn herbeirief gemäß dem, der gesagt hatte: „Gib mir die Fröhlichkeit deines Heils und stärke mich mit einem Geist, der mich leitet!“ g Oder sicher, weil der Herr im Evangelium bezeugt, dass die Herzen der Sünder von sieben Dämonen besessen sind,h versprengt der Priester dementsprechend siebenmal bei der Reinigung vor dem Herrn, damit die Austreibung der sieben boshaften Geister aus dem Herzen des Gereinigten durch das Öl, das siebenmal von den Fingern geschüttelt wird, bezeichnet wird. So wird also den von der Sünde Bekehrten die Reinigung durch all jenes gegeben, was wir vorher gesagt haben, das Geschenk der Gnade des Geistes aber wird durch das Bild des Öles bezeichnet, sodass der, der sich von der Sünde bekehrt, nicht nur die Reinigung erlangen, sondern auch vom Heiligen Geist erfüllt werden kann,348 durch den er auch das frühere Obergewand und den Ring i zurückerhalten und, durch alles mit dem Vater versöhnt, wieder auf den Platz des Sohnes besteht doch die Vollkommenheit und der Gipfel alles Guten darin, wenn jemand nach all dem verdient, die Gnade des Heiligen Geistes zu erhalten.“

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Homilia VIII

locum filii reparari, per ipsum Dominum nostrum Iesum Christum, cui est „gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ j a

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eingesetzt werden kann durch unseren Herrn Jesus Christus selbst. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ j

HOMILIA IX. De sacrificiis repropitiationis, et de duobus hircis, quorum unus sors est Domini et unus apopompaei, qui dimittitur in eremum,a et de ingressu pontificis in sancta sanctorum.b

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1. Die propitiationis indigent omnes qui peccauerunt, et ideo inter sollemnitates legis, quae figuras continent coelestium mysteriorum, una quaedam sollemnitas habetur, quae dies propitiationis appellatur. Haec ergo, quae nunc recitata sunt, legislatio est sollemnitatis ipsius, quae | dies, ut diximus, propitia­ tionis uocitata est. Sed uideamus primo quid sibi uelit litterae ipsius continentia, ut orantibus uobis – si tamen ita Domino supplicetis, ut exaudiri mereamini – possimus accipere gratiam spiritus, per quam explanare ualeamus mysteria, quae continentur in lege. Defuncti sunt duo filii Aaron, Nadab et Abiud, cum offerrent ignem alienum ad altare Domini.c Necesse erat, ut coelesti doctrina instrueretur Aaron, quomodo eum ad altare oporteret accedere et quo supplicationum ritu propitium faceret Deum, uti ne etiam ipse incurreret haec, quae incurrerant filii sui incaute et inconuenienter accedentes ad altare Dei, alienum ignem et non illum, qui diuinitus datus fuerat, offerentes.d Propterea ergo de his hoc modo praefata est lex: „Et locutus est Dominus ad Moysen, posteaquam defuncti sunt duo filii Aaron, dum offerrent ignem alienum ante Dominum, et defuncti sunt. Et dixit Dominus ad Moysen: Loquere ad Aaron fratrem tuum, ut non intret omni hora in sancta interiora, quod est intra uelum ante conspectum propitiatorii, quod est supra arcam testimonii, et non morietur.“ e Ex quo ostenditur quod, si omni hora introeat sancta non praeparatus, non indutus pontificalibus indumentis neque hostiis, quae statutae sunt, praeparatis neque propitiato prius Deo, morietur. Et iuste quidem, tamquam qui non fecerit ea, quae conuenit fieri antequam accedatur ad altare Dei. Omnes nos iste sermo contingit, ad omnes pertinet, quod hic loquitur lex; praecepit enim ut sciamus, quomodo accedere debeaa

Vgl. Lev. 16,8–10

b

Vgl. Lev. 16,2–4

c

Vgl. Lev. 16,1

d

Vgl. Lev. 10,1

349 Zu solchen Gebeten der Gemeinde siehe oben S. 164 Anm. 155.

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Lev. 16,1f.

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Über die Sühnopfer und über die zwei Böcke, von denen einer das Los des Herrn ist und einer das des Weggeschickten, der in die Wüste geschickt wird,a und über den Eintritt des Hohepriesters in das Allerheiligste.b 1. Einen Versöhnungstag brauchen alle, die gesündigt haben, und deshalb gibt es unter den Feiern des Gesetzes, die Bilder der himmlischen Mysterien enthalten, einen Feiertag, der Versöhnungstag genannt wird. Das also, was nun vorgelesen wurde, ist die Gesetzgebung dieses Feiertages, der, wie wir sagten, Versöhnungstag genannt wird.Wir wollen jedoch zuerst sehen, was der Inhalt des Buchstabens selbst will, sodass wir durch euer Beten349 – wenn ihr denn den Herrn so bittet, dass ihr gewürdigt werdet, erhört zu werden – die Gnade des Geistes empfangen können, durch die wir die Mysterien zu erklären vermögen, die im Gesetz enthalten sind. Gestorben sind die zwei Söhne Aarons, Nadab und Abihu, als sie fremdes Feuer am Altar des Herrn opferten.c Es war notwendig, dass Aaron durch eine himmlische Lehre unterwiesen wurde, wie er zum Altar hintreten musste und durch welchen Ritus der Bitten er Gott geneigt machen konnte, damit nicht auch er selbst in das hineinlief, in das seine Söhne hineingelaufen waren, indem sie unvorsichtig und unangemessen zum Altar Gottes hintraten und ein fremdes Feuer und nicht jenes, das von Gott her gegeben worden war, darbrachten.d Deswegen also wurde das Gesetz darüber auf diese Weise eingeleitet: „Und der Herr sprach zu Mose, nachdem die zwei Söhne Aarons gestorben waren, als sie vor dem Herrn fremdes Feuer darbrachten, und sie starben. Und der Herr sagte zu Mose: Sprich zu deinem Bruder Aaron, dass er nicht zu jeder Stunde in das innere Heiligtum eintritt, das sich innerhalb des Vorhangs vor der Versöhnungsplatte befindet, die über der Bundeslade ist, und er wird nicht sterben.“ e Daraus wird gezeigt, dass er, wenn er zu jeder Stunde in das Heiligtum eintritt, nicht vorbereitet, nicht mit den hohepriesterlichen Kleidern bekleidet, und weder die Opfer, die festgelegt sind, vorbereitet hat noch vorher mit Gott versöhnt wurde, sterben wird. Und freilich zurecht, da er nicht das getan hat, was getan werden muss, bevor man zum Altar Gottes hinzutritt. Uns alle betrifft dieses Wort, auf alle bezieht sich, was das Gesetz hier sagt; denn es macht Vorschriften, damit wir wissen, wie wir zum Altar Gottes hintreten

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Homilia IX

mus ad altare Dei. Altare est enim, super quod orationes nostras offerimus Deo, ut sciamus, quomodo debeamus offerre, scilicet ut deponamus „uestimenta sordida“,a quae est carnis immunditia, morum uitia, inquinamenta libidinum. Aut ignoras tibi quoque, id est omni ecclesiae Dei et credentium populo, sacerdotium datum? Audi, quomodo Petrus dicit de fidelibus: „genus“ inquit „electum, regale, sacerdotale, gens sancta, populus in acquisitionem.“ b Habes ergo sacerdotium, quia gens sacer|dotalis es, et ideo offerre debes „Deo hostiam laudis“,c hostiam orationum, hostiam misericordiae, hostiam pudicitiae, hostiam iustitiae, hostiam sanctitatis. Sed ut haec digne offeras, indumentis tibi opus est mundis et segregatis a reliquorum hominum communibus indumentis et ignem diuinum necessarium habes, non aliquem alienum d a Deo, sed illum, qui a Deo hominibus datur, de quo filius Dei dicit: „Ignem ueni mittere in terram, et quam uolo ut accendatur.“ e Si enim non hoc, sed alio et huic contrario igni utamur, illo, qui „se transfigurat sicut angelum lucis“,f eadem sine dubio patiemur, quae Nadab passus est et Abiud. Praecepit ergo mandatum diuinum, ut instruatur Aaron, „ne omni hora intret in sancta“ g ad altare, sed cum fecerit prius ea, quae fieri mandantur, ne forte moriatur. 2. Sed primo omnium ostendamus, quomodo haec, quae de sacrificiis conscribuntur, figuras esse apostolus dicit et formas,h quarum ueritas in aliis ostendatur, ne forte auditores praesumere nos arbitrentur et legem Dei in alium sensum, quam scripta est, uiolenter inflectere, quippe si nulla in his, quae asserimus, apostolica praecedat auctoritas. Paulus ergo ad Hebraeos scribens, eos scilicet, qui legem quidem legerent et haec meditata haberent et bene nota, sed indigerent intellectu, qualiter sentiri de sacrificiis debeat, hoc modo dicit: „Non enim in sancta manu facta introiuit Iesus, exemplaria uerorum, sed in ipsum coelum, ut appareat nunc uultui Dei pro nobis.“ i Et iterum dicit de hostiis: „Hoc enim fecit semel, se ipsum hostiam offerendo.“ j Sed quid de his singulatim quaerimus testimonia? Omnem epistolam ipsam ad Hebraeos scriptam si qui recenseat et praecipue eum locum, ubi pontificem legis confert pontifici repromissionis, de quo scriptum est: „Tu es sacerdos in aeternum secundum ordinem Melchisedech“,k inueniet, quomodo omnis hic locus apostoli exemplaria et formas ostendit esse rerum uiuarum et uerarum illa, quae in lege scripta sunt. Oportet ergo nos quaerere pontificem, qui a

Sach. 3,4 Lev. 16,2

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1 Petr. 2,9 cHebr. 13,15 dVgl. Lev. 16,1 eLk. 12,49 f 2 Kor. 11,14 Vgl. 1 Kor. 10,6 i Hebr. 9,24 j Hebr. 7,27 kHebr. 5,6; Ps. 109(110),4

h

350 Vgl. in Num. hom. 10,3 (GCS Orig. 7, 73): „Der Altar ist ein Hinweis auf das Gebet.“

Mit ähnlicher Stoßrichtung schon Philon, plant. 108 (II p. 154 Cohn/Wendland): „Denn an Altären ohne Opferbrand, um welche die Tugenden ihren Reigen führen, hat Gott Freude, aber nicht an den von mächtigem Feuer umloderten, das die ungeweihten Weihegaben der Unheiligen aufflammen ließen, (Opfer), welche nur die Unwissenheit und Sünde der (Opfernden) in Erinnerung bringen.“ Übersetzung: Cohn, Philo Werke IV, 173.

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müssen. Denn es ist der Altar, auf dem wir Gott unsere Gebete darbringen,350 damit wir wissen, wie wir darbringen müssen, nämlich dass wir „die schmutzigen Kleider“a ablegen, das heißt die Unreinheit des Fleisches, die sittlichen Laster, die Befleckungen durch die Begierden. Oder weißt du nicht, dass auch dir, das heißt der ganzen Kirche Gottes und dem Volk der Glaubenden, das Priestertum gegeben ist? Höre, wie Petrus über die Gläubigen sagt: „ein auserwähltes“, heißt es, „königliches, priesterliches Geschlecht, ein heiliger Stamm, ein Volk der Erwerbung.“ b Du hast also das Priestertum, weil du ein priesterlicher Stamm bist, und deshalb musst du „Gott ein Opfer des Lobes“ c darbringen, ein Opfer von Gebeten, ein Opfer der Barmherzigkeit, ein Opfer der Keuschheit, ein Opfer der Gerechtigkeit, ein Opfer der Heiligkeit. Damit du das jedoch würdig darbringst, brauchst du Kleider, die rein und abgesondert sind von den gewöhnlichen Kleidern der übrigen Menschen, und du hast göttliches Feuer nötig, nicht ein Gott fremdes,d sondern jenes, das den Menschen von Gott gegeben wird, über das der Sohn Gottes sagt: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen, und wie sehr will ich, dass es entzündet wird!“ e Denn wenn wir nicht dieses, sondern ein anderes und diesem entgegengesetztes Feuer verwenden, jenes, das „sich verwandelt wie der Engel des Lichts“,f werden wir ohne Zweifel dasselbe erleiden, das Nadab und Abihu erlitten haben. Also schreibt der göttliche Auftrag vor, dass Aaron unterwiesen wird, „dass er nicht zu jeder Stunde in das Heiligtum eintritt“ g zum Altar, sondern nachdem er vorher das getan hat, was zu tun angeordnet wird, damit er nicht etwa stirbt. 2. Als Erstes von allem wollen wir jedoch zeigen, wie der Apostel das, was über die Opfer aufgeschrieben ist, Bilder und Sinnbilder nennt,h deren Wahrheit sich in etwas anderem zeigt, damit nicht vielleicht die Zuhörer meinen, dass wir voreingenommen sind und das Gesetz Gottes gewaltsam auf einen anderen Sinn, als es geschrieben steht, hinbiegen, zumal wenn uns in dem, was wir behaupten, keine apostolische Autorität vorausgeht. Paulus sagt also im Brief an die Hebräer, die nämlich, die das Gesetz zwar lesen und es bedacht haben und gut kennen, denen jedoch das Verständnis fehlt, auf welche Weise über die Opfer gedacht werden muss, Folgendes: „Denn Jesus trat nicht in ein von Händen gemachtes Heiligtum ein, ein Ebenbild des Wahren, sondern in den Himmel selbst, damit er nun für uns vor Gottes Angesicht erscheine.“ i Und wiederum sagt er über die Opfer: „Denn das hat er einmal getan, indem er sich selbst als Opfer darbrachte.“ j Doch wozu suchen wir die Zeugnisse darüber einzeln? Wenn jemand den ganzen Brief an die Hebräer durchgeht und besonders diese Stelle, wo er den Hohepriester des Gesetzes mit dem Hohepriester der Verheißung vergleicht, über den geschrieben steht: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“,k wird er finden, wie diese ganze Stelle des Apostels zeigt, dass das, was im Gesetz geschrieben ist, Ebenbilder und Sinnbilder der lebendigen und wahren Dinge sind. Wir

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Homilia IX

„semel in anno“,a id est per omne hoc praesens saeculum, sacrificium obtulit Deo indutus ueste, cuius Domino iuuante, quae | sit qualitas, ostendemus. „Tunica“ inquit „linea sanctificata induetur.“ b Linum de terra oritur, tunica ergo sanctificata linea induitur uerus pontifex Christus, cum naturam terreni corporis sumit; de corpore enim dicitur quia terra sit et in terram ibit.c Volens ergo Dominus et Saluator meus hoc, quod in terram ierat, resuscitare terrenum suscepit corpus, ut id eleuatum de terra portaret ad coelum. Et huius mysterii tenet figuram hoc quod in lege scribitur, ut linea tunica pontifex induatur. Sed quod addidit: „sanctificata“,d non otiose audiendum est. Sanctificata namque fuit tunica carnis Christi; non enim erat ex semine uiri concepta, sed ex sancto Spiritu generata. „Et femoralia“ inquit „linea sint super corpus eius.“ e Femoralia indumentum est, quo pudenda corporis contegi et constringi solent. Si ergo adspicias Saluatorem nostrum suscepisse quidem corpus et in corpore positum egisse humanos actus, id est uescendi et bibendi et cetera similia, hoc autem solum opus non egisse, quod ad pudenda corporis pertinet, carnemque eius neque nuptiis neque filiorum procreationi patuisse, inuenies, qualiter femoralia linea sanctificata habuerit, ut uere de ipso dici debeat quia: „Inhonestiora nostra abundantiorem habent honorem.“ f Considera tamen et ipsum pontificis habitum, quia, quod per naturam minus in eo honestum uidetur, indutis femoralibus lineis et zona constrictis etiam secundum litteram de eo conuenit dici quia: „Inhonestiora nostra abundantiorem honestatem habent.“ Ita ergo et omnis, qui in castitate uiuens imitatur Christum, hoc solum de humanis actibus nescientem, etiam ipse lineis femoralibus sanctificatis indutus est et inhonestioribus suis abundantiorem circumdedit honestatem. Tunica ergo linea sanctificata induitur et femoralia linea super corpus eius sunt. Sed ne forte femoralia haec, quibus pudenda conteguntur, resoluta ­defluant et turpitudinem reuelent ac retegant – „non enim“ inquit „facies gradus ad altare, ne forte reueletur in his turpitudo tua“ g –, ne ergo turpitudo tua de­ fluentibus femoralibus reueletur, „zona“ inquit „femoralia constringantur“.h a

Lev. 16,34 Ex. 20,26

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b

Lev. 16,4 Lev. 16,4

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Vgl. Gen. 3,19

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Lev. 16,4

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Lev. 16,4

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1 Kor. 12,23

351 Vgl. zum Leinen in Lev. hom. 4,6 (GCS Orig. 6, 324) und dazu oben S. 144 Anm. 133. 352 Zu dieser Anrede siehe oben S. 168 Anm. 162. 353 Vgl. in Lev. hom. 6,6 (GCS Orig. 6, 365).

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müssen also den Hohepriester suchen, der „einmal im Jahr“,a das heißt durch das ganze gegenwärtige Zeitalter hindurch, Gott ein Opfer darbrachte, bekleidet mit einem Gewand, von welchem wir, mit Gottes Hilfe, zeigen werden, was seine Beschaffenheit ist. „Ein geheiligtes Leinengewand“, heißt es, „soll er anziehen.“ b Leinen kommt von der Erde,351 ein geheiligtes Leinengewand zieht also der wahre Hohepriester Christus an, wenn er die Natur des irdischen Körpers annimmt; denn über den Körper wird gesagt, dass er Erde ist und zur Erde gehen wird.c Mein Herr und Erlöser352 also, der das, was zur Erde gegangen war, wieder auferwecken wollte, hat einen irdischen Körper angenommen, damit er ihn von der Erde aufgehoben zum Himmel trug. Und das, was im Gesetz geschrieben wird, dass der Hohepriester ein Leinengewand anziehen soll, enthält das Bild dieses Mysteriums. Was er jedoch hinzufügt: „ein geheiligtes“,d ist nicht unnötig zu hören. Geheiligt nämlich war das Gewand des Fleisches Christi; denn es war nicht aus dem Samen eines Mannes empfangen, sondern aus dem Heiligen Geist hervorgebracht. „Und ein leinenes Beinkleid“, heißt es, „soll auf seinem Körper sein.“ e Ein Beinkleid ist das Kleid, durch das die Schamteile des Körpers bedeckt und gebunden zu werden pflegen.353 Wenn du also betrachtest, dass unser Erlöser zwar einen Körper angenommen und im Körper befindlich menschliche Handlungen ausgeführt hat, das heißt essen und trinken und dergleichen, aber keine einzige Handlung ausgeführt hat, die sich auf die Schamteile des Körpers bezieht, und sein Fleisch weder der Heirat noch der Zeugung von Kindern überlassen hat, wirst du finden, auf welche Weise er ein geheiligtes leinenes Beinkleid hatte, sodass von ihm wahrlich gesagt werden muss: „Unsere weniger ehrbaren Glieder haben reichlichere Ehre.“ f Bedenke jedoch auch die Kleidung des Hohepriesters, denn was infolge der Natur an ihm weniger ehrbar erscheint, darüber ist es angemessen, dass nach dem Anziehen der leinenen Beinkleider und nach dem Einschnüren mit dem Gürtel sogar nach dem Buchstaben gesagt wird: „Unsere weniger ehrbaren Glieder haben reichlichere Ehre.“ So wurde also auch jeder, der in Keuschheit lebt und Christus nachahmt, der nur diese eine von den menschlichen Handlungen nicht kannte, auch selbst mit geheiligten leinenen Beinkleidern bekleidet und umgab seine unehrenhafteren Glieder mit reichlicherer Ehre. Ein geheiligtes leinenes Gewand wird also angezogen und leinene Beinkleider sind auf seinem Körper. Damit jedoch nicht vielleicht diese Beinkleider, durch die die Schamteile bedeckt werden, losgelöst herabfallen und die Schande offenbaren und entblößen – „denn nicht“, heißt es, „sollst du die Stufen zum Altar nehmen, damit nicht vielleicht auf ihnen deine Schande offenbart wird“ g –, damit also nicht deine Schande offenbart wird, indem die Beinkleider herabfallen, „sollen die Beinkleider“, heißt es, „mit einem Gürtel zusammengebunden werden“.h Einmal, als wir Johannes den Täufer und ein andermal Jeremia

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Homilia IX

Quodam tempore exponentes Iohannem baptistam et alias Hieremiam, quod Hiere|mias quidem zonam, Iohannes uero pelliciam zonam circa lumbos ­habuisse diceretur, sufficienter ostendimus, quomodo per haec declaretur indicia pars illa corporis apud huiusmodi uiros ita emortua, ut neque Leuis neque alius quisquam in lumbis eorum fuisse crederetur,a sed sola castitas et pura pudicitia. „Zona“ ergo pontifex „linea cingitur et cidarim lineam ponit super caput suum“,b omnia linea. Cidaris quod dicitur, ornatus quidam est, qui ­capiti superponitur, quo utitur pontifex in offerendis hostiis uel ceteri sacerdotes. Sed et unusquisque nostrum ornare debet caput suum sacerdotalibus ornamentis. Etenim quoniam „omnis uiri caput Christus est“,c quicumque ita agit, ut ex actibus suis conferat gloriam Christo, caput suum, qui est Christus,d ornauit. Potest et alio modo in nobis intelligi capitis ornatus. Quoniam quidem quod est in nobis primum ac summum et caput omnium, mens est, ad dignitatem pontificis excolet caput suum, si qui mentem suam adornauerit sapientiae disciplinis. Ista igitur sunt, quibus indui praecipitur pontifex, et ita demum introire in sancta, ne haec non habens moriatur.e 3. Iam uero de hostiis quaedam quidem ipsius mandantur debere esse pontificis, quaedam uero a populo sumendae.f Ipsius dicitur uitulus, quod est in animalibus pretiosius et robustius; et secundum animal aries, quod in ouibus sine dubio pretiosius est. A populo uero munera iubentur offerri: aries a principibus et hirci duo a populo; unus, qui dimittatur in eremum, qui et „apopompaeus“ nominatur, et unus, qui Domino offeratur.g Si esset omnis populus Dei sanctus et omnes essent beati, non fierent duae sortes super hircis et unus quidem sortem ferret, ut dimitteretur in eremum, alius uero ut Domino offerretur, sed esset sors una et hostia una Domino soli. Nunc uero quoniam in multitudine eorum, qui accedunt ad Dominum, sunt quidam Domini, alii autem sunt, qui mitti ad eremum debeant, id est qui abici merentur et separari ab hostia Domini: propterea pars hostiae, quae offertur a populo, id est unus solus hircus Domino immolatur, alius | autem abicitur et in eremum dimittitur et „apopompaeus“ nominatur. Sors tamen cadit super utrumque, et ille quidem, qui in eremum mittitur, dicitur quod ipse auferat super se peccata filiorum Istrahel et iniustitias eorum et iniquitates ipsorum.h Non enim ille hircus, qui Domini sors efficitur, sed ille, cuius sors est, ut in eremum dimittatur, auferre ea dicitur, secundum illud, credo, quod scriptum a

Vgl. Hebr. 7,5.10 bLev. 16,4 c1 Kor. 11,3 dVgl. Eph. 4,15 Vgl. Lev. 16,2 fVgl. Lev. 16,3.5f. gVgl. Lev. 16,8 hVgl. Lev. 16,21f.

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354 Diese Auslegungen sind offensichtlich nicht erhalten. Auch in der Erklärung zum

Gürtel Jeremias in Hier. hom. 11,5f. (GCS Orig. 32, 82–85) kommen sie nicht vor. Siehe dazu auch Fürst/Lona, OWD 11, 7. 355 Zu dieser Kopfbedeckung vgl. in Lev. hom. 6,5 (GCS Orig. 6, 366) und dazu oben S. 216 Anm. 241.

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auslegten, haben wir ausreichend gezeigt,354 weil gesagt wird, dass Jeremia einen Gürtel, Johannes hingegen einen Gürtel aus Fell um die Lenden hatte, wie durch diese Hinweise jener Teil des Körpers bei solchen Männern als so abgestorben erklärt wird, dass man nicht glaubt, dass ein Levit oder irgendein anderer in ihren Lenden war,a sondern allein Keuschheit und reine Schamhaftigkeit. „Mit einem leinenen Gürtel wird“ also der Hohepriester „gegürtet und einen leinenen Turban setzt er auf sein Haupt“,b alles aus Leinen. Was Turban355 genannt wird, ist eine Art Schmuck, der auf das Haupt gesetzt wird, den der Hohepriester beziehungsweise die übrigen Priester verwenden, wenn sie Opfer darbringen. Doch auch jeder Einzelne von uns muss sein Haupt mit den priesterlichen Schmuckstücken schmücken. Weil nämlich „Christus das Haupt jedes Mannes ist“,c hat jeder, der so handelt, dass er aus seinen Handlungen zur Verherrlichung Christi beiträgt, sein Haupt, das Christus ist,d geschmückt. Der Schmuck des Hauptes kann auch noch auf eine andere Weise in uns verstanden werden. Weil das, was in uns das Erste und Höchste und das Haupt von allem ist, der Geist ist, verschönert jemand sein Haupt zur Würde des Hohepriesters, wenn er seinen Geist mit den Lehren der Weisheit schmückt. Das ist es also, womit vorgeschrieben wird, dass der Hohepriester bekleidet wird und so erst in das Heiligtum eintritt, damit er nicht stirbt, weil er es nicht hat.e 3. Hingegen wird noch von den Opfern vorgeschrieben, dass manche vom Hohepriester sein müssen, manche hingegen vom Volk zu nehmen sind.f Von ihm selbst wird das Kalb genannt, das unter den Tieren wertvoller und stärker ist; und als zweites Tier der Widder, der unter den Schafen zweifellos wertvoller ist.Vom Volk hingegen wird befohlen, dass als Gaben dargebracht werden: ein Widder von den Anführern und zwei Böcke vom Volk; einer, der in die Wüste geschickt, der auch „Weggeschickter“ genannt wird, und einer, der dem Herrn dargebracht werden soll.gWenn das ganze Volk Gottes heilig wäre und alle selig wären, gäbe es nicht zwei Lose über die Böcke und einer trüge das Los, dass er in die Wüste geschickt, der andere hingegen, dass er dem Herrn dargebracht würde, sondern es gäbe nur ein Los und nur ein Opfer für den Herrn allein. Weil es nun hingegen in der Menge derer, die zum Herrn hinzutreten, solche gibt, die vom Herrn sind, andere aber, die in die Wüste weggeschickt werden müssen, das heißt die es verdienen, hinausgeworfen und vom Opfer des Herrn abgesondert zu werden, deswegen wird ein Teil des Opfers, das vom Volk dargebracht wird, das heißt nur ein einziger Bock, dem Herrn geopfert, der andere aber wird hinausgeworfen und in die Wüste weggeschickt und „Weggeschickter“ genannt. Das Los fällt jedoch über beide, und von dem, der in die Wüste geschickt wird, wird gesagt, dass er selbst die Sünden der Söhne Israels und ihre Ungerechtigkeiten und ihr Unrecht auf sich wegträgt.h Denn nicht von dem Bock, der zum Los des Herrn wird, sondern von dem, dessen Los es ist, in die Wüste weggeschickt zu werden, wird gesagt, dass er sie wegträgt, gemäß dem, glaube ich, was

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Homilia IX

est: „Dedi commutationem tuam Aegyptum, et Aethiopiam, et Soënen pro te, ex quo tu honorabilis factus es in conspectu meo.“a Peccata igitur eorum, qui poenitentiam egerunt, et eorum, qui dereliquerunt malitiam, super capita sua suscipiunt hi, qui effecti sunt in sorte eius, qui in eremum dimittitur, qui se ipsos dignos tali ministerio uel huiusmodi sorte fecerunt. Conueniet autem uelut e contrario aptari his et illud, quod dictum est: „Qui habet, dabitur ei.“ b Sicut enim qui habet iustitias, additur ei, ita et qui habet peccata in tantum, ut „in sorte apopompaei“ c inueniatur illius, qui in eremum emittitur, addentur ei ea, quae abstergentur a sanctis, ut et in ipsis compleatur, quod scriptum est: „Ab eo autem, qui non habet, etiam quod habet auferetur ab eo“,d ut ei addatur, qui habet multas „mnas“ e peccatorum. Verum quoniam is, qui „in sorte Domini“ f est, spem gerit non in praesenti saeculo, sed in futuro, et cuius sors Dominus est, „cotidie moritur“:g propterea is quidem, super quem sors Domini ceciderit, iugulatur et moritur, ut sanguine suo purificet populum Dei; ille autem, qui in sortem contrariam ceciderit, non est dignus, ut moriatur, quia qui „in sorte Domini“ est, „non est de hoc mundo“, ille uero „de hoc mundo est“ et „mundus, quod suum est, diligit“.h Ideo non occiditur, nec dignus est iugulari ad altare Dei nec sanguis eius „ad basim altaris“ i meretur effundi. 4. Sed uideamus, quis est hic, qui accipit eum, cuius „sors apopompaei“ facta est, ut eum eiciat in eremum. „Homo“ inquit „paratus | accipiet hircum, qui uenerit in sortem eius, cui ceciderit sors apopompaei, et abducet eum in eremum.“ j Finis sortis istius eremus est, id est locus desertus, desertus uirtutibus, desertus Deo, desertus iustitia, desertus Christo, desertus omni bono. Et nos ergo singulos manet sors una e duabus.Aut enim bene agentes sors Domini sumus aut male agentes sors nostra nos ducit ad eremum. Vis tibi euidenter ostendam, quomodo duae istae sortes semper operentur et unusquisque ­nostrum aut sors Domini aut sors apopompaei uel eremi fiat? Considera in euangeliis illum diuitem uiuentem splendide et luxuriose et „Lazarum ad ianuam eius iacentem ulceribus plenum et cupientem saturari de micis, quae cadebant de mensa diuitis“,k qui finis designatur utriusque: „Mortuus est“ inquit „Lazarus et abductus est ab angelis in sinus Abraham. Similiter autem et diues et abductus est in locum tormenti.“ l Animaduertis euidenter loca sortis utriusque distincta. Vide etiam qui sunt, qui abducunt; angeli, inquit, qui a

Jes. 43,3f. bMt. 13,12 cVgl. Lev. 16,10 dLk. 19,26 eLk. 19,24 f Lev. 16,9 1 Kor. 15,31 hJoh. 15,19 i Lev. 4,7 u.  ö. jVgl. Lev. 16,21f. kLk. 16,20f. l Lk. 16,22

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geschrieben steht: „Ich habe als Tausch für dich Ägypten, Äthiopien und Saba gegeben, wodurch du ehrenwert in meinen Augen wurdest.“a Daher nehmen die Sünden derer, die Buße getan haben, und derer, die die Bosheit verlassen haben, diejenigen auf ihr Haupt, die zu ihrem Los wurden, die in die Wüste weggeschickt werden, die sich selbst eines solchen Dienstes oder eines solchen Loses würdig gemacht haben. Es ist aber angemessen, dass wie als Gegensatz auch das zu ihnen passt, was gesagt ist: „Wer hat, dem wird gegeben werden.“ b Denn so wie dem, der Gerechtigkeit hat, dazugegeben wird, so wird auch dem, der so sehr Sünden hat, dass er sich „im Los des Weggeschickten“ c befindet, der in die Wüste hinausgeschickt wird, das dazugegeben wird, was von den Heiligen entfernt wird, damit auch in ihnen erfüllt wird, was geschrieben steht: „Von dem aber, der nicht hat, wird auch das, was er hat, von ihm weggenommen werden“,d damit es dem dazugegeben wird, der viele „Minen“ e der Sünden hat. Weil hingegen der, der „im Los des Herrn“ f ist, die Hoffnung nicht in die gegenwärtige Welt setzt, sondern in die zukünftige, und der, dessen Los der Herr ist, „täglich stirbt“,g deswegen wird der, auf den das Los des Herrn gefallen ist, geopfert und stirbt, damit er durch sein Blut das Volk Gottes reinigt; der aber, der in das entgegengesetzte Los gefallen ist, ist nicht würdig, dass er stirbt, weil, wer „im Los des Herrn“ ist, „nicht von dieser Welt ist“, jener hingegen „von dieser Welt ist“ und „die Welt liebt, was das Ihre ist“.h Deshalb wird er nicht getötet; weder ist er würdig, beim Altar Gottes geopfert zu werden, noch verdient er, dass sein Blut „beim Sockel des Altars“ i ausgegossen wird. 4. Wir wollen jedoch sehen, wer der ist, der den annimmt, dem das „Los des Weggeschickten“ zuteilwurde, damit er ihn in die Wüste hinauswirft. „Ein Mensch, der bereit steht“, heißt es, „soll den Bock annehmen, der zu dessen Los gekommen ist, dem das Los des Weggeschickten zugefallen ist, und soll ihn in die Wüste wegführen.“ j Das Ende von dessen Los ist die Wüste, das heißt ein verlassener Ort, verlassen von den Tugenden, verlassen von Gott, verlassen von der Gerechtigkeit, verlassen von Christus, verlassen von allem Guten. Auch für jeden von uns bleibt also ein Los von den beiden. Denn entweder handeln wir gut und sind das Los für den Herrn oder wir handeln schlecht und unser Los führt uns in die Wüste. Willst du, dass ich dir deutlich zeige, wie diese zwei Lose immer am Werk sind und jeder Einzelne von uns entweder ein Los für den Herrn oder ein Los für den Weggeschickten oder die Wüste wird? Betrachte in den Evangelien jenen Reichen, der prächtig und genusssüchtig lebt, und „Lazarus, der bei dessen Tür liegt, voll von Geschwüren, und wünscht, sich von den Krümeln zu sättigen, die vom Tisch des Reichen fallen“,k welches Ende der beiden gezeigt wird: „Lazarus“, heißt es, „starb und wurde von den Engeln in den Schoß Abrahams weggeführt. Ebenso aber auch der Reiche, und er wurde zum Ort der Marter weggeführt.“ l Du bemerkst deutlich die unterschiedlichen Orte beider Lose. Sieh auch, wer die sind, die wegführen; Engel, heißt es, die immer bereit stehen, um

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Homilia IX

semper parati sunt ad abducendum. Ministri enim Dei sunt ad hoc ipsum destinati, qui impleant sortem, quam tibi ipse paraueris. Si enim bene uixeris, si „fregeris esurienti panem tuum“ ex animo, nudum uestieris,a „rectum iudicium iudicaueris“,b iniquo aduersum iniquitatem suam restiteris c nec posueris consilium tuum cum his, qui laqueos innocentibus parant,d sortem tuam facies Dominum. Si uero libidini seruias, „uoluptatis amator sis magis quam Dei“,e„saeculum diligas“,f malitiam non oderis,g sortem tuam fecisti apopompaei, ut abducaris in eremum per manus ministri Dei, qui in hoc ipsum ordinatus a Deo est; et ideo paratus appellatur, quia personam nullius erubescit nec diuitis nec potentis nec regis nec sacerdotis. Vis autem | scire quia ad nos pertinent quae dicuntur? Animalia haec, quae sortes istas excipiunt, non sunt immunda nec aliena ab altaribus Dei, sed munda sunt et quae in sacrificiis offerri solent; ut scias haec figuram tenere non eorum, qui extra fidem sunt, sed eorum, qui in fide sunt; hircus enim animal mundum est et diuinis altaribus consecratum. Et tu ergo per gratiam baptismi consecratus es altaribus Dei et animal factus es mundum. Sed si non custodias mandatum illud Domini, quod dixit: „Ecce, sanus factus es; iam noli peccare, ne quid tibi deterius contingat“,h sed, cum esses mundus, rursum te peccati inquinamento maculasti et ex uirtute ad libidinem, ex puritate ad immunditiam declinasti, tuo uitio, cum animal mundum fueris, sorti te apopompaei eremique tradidisti. 5. Potest fortassis et alio modo homo paratus et mundus, qui abducit eum, cuius sors uenit, in eremum,i et eo ipso, quo educit eum, quasi qui immundum contigerit, dicitur lauare uestimenta sua ad uesperam j et esse mundus, etiam ipse Dominus et Saluator noster intelligi ex ea parte, qua naturae nos­ trae, id est carnis et sanguinis, uestimenta suscepit, quae in uesperam lauerit; propter quod et dudum propheta de eo dixerat: „Et uidi Iesum sacerdotem magnum, indutum uestimenta sordida, et diabolum stantem a dextris eius, ut contradiceret ei.“ k „Lauit“ ergo „in uino“ – id est in sanguine suo – „stolam suam“ l in uesperam et factus est mundus.m Et inde fortassis erat quod post resurrectionem Mariae uolenti pedes eius tenere dicebat: „Noli me tangere.“ n a

Jes. 58,7.10 2 Tim. 4,10 k Sach. 3,1.3 f

b

Joh. 7,24 cVgl. Ps. 93(94),16 dVgl. Ps. 56(57),7 e2 Tim. 3,4 Vgl. Ps. 44(45),8 hJoh. 5,14 iVgl. Lev. 16,21f. jVgl. Lev. 16,26 l Gen. 49,11 mVgl. Lev. 15,27 u.  a. nJoh. 20,17 g

356 Vgl. Platon, Phaid. 113d: „So ist das also. Wenn nun die Toten an den Ort gelangen,

wohin der Daimon jeden bringt, folgt das Gericht, sowohl für solche, die ihr Leben in Ehren und Lauterkeit vollendet haben, als auch für solche, die es nicht getan“ (Übersetzung: p. 186f. Dirlmeier); Origenes, in Num. hom. 5,3 (GCS Orig. 7, 30): „Also werden die, die völlig gereinigt und leicht von den Vergehen geworden sind, von Engeln mitgenommen; die hingegen, die noch von irgendetwas Übriggebliebenem belastet werden, werden getragen“; vgl. zu den Engeln und ihrer Hilfe auch ebd. 11,4 (7, 82); in Luc. hom. 13,5 (GCS Orig. 92, 81). Zur Angelologie des Origenes siehe Daniélou, Origène 219–242.

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wegzuführen.356 Denn sie sind Diener Gottes, die dazu bestimmt sind, das Los zu erfüllen, das du dir selbst bereitet hast. Denn wenn du gut gelebt hast, wenn du aufgrund deiner Gesinnung „dem Hungernden dein Brot brichst“, den Nackten bekleidest,a „rechtes Urteil sprichst“,b dem Ungerechten gegen seine Ungerechtigkeit Widerstand leistest c und nicht deinen Rat mit denen teilst, die den Unschuldigen Fallstricke bereiten,d wirst du den Herrn zu deinem Los machen.Wenn du hingegen der Begierde dienst, „mehr ein Liebhaber der Vergnügung als Gottes bist“,e „die Welt liebst“,f die Bosheit nicht hasst,g hast du das des Weggeschickten zu deinem Los gemacht, sodass du durch die Hand des Dieners Gottes, der eben dazu von Gott eingesetzt ist, in die Wüste weggeführt wirst; und deshalb wird er bereit genannt, weil er keine Person scheut, weder einen Reichen noch einen Mächtigen noch einen König noch einen Priester. Willst du aber wissen, dass sich das, was gesagt wird, auf uns bezieht? Die Tiere, die diese Lose empfangen, sind nicht unrein noch den Altären Gottes fremd, sondern sie sind rein und solche, die üblicherweise bei Opfern dargebracht werden; du sollst wissen, dass diese nicht das Bild derer in sich tragen, die außerhalb des Glaubens sind, sondern derer, die im Glauben sind; denn ein Bock ist ein reines Tier und den göttlichen Altären geweiht. Auch du wurdest also durch die Gnade der Taufe den Altären Gottes geweiht und wurdest ein reines Tier. Wenn du jedoch diese Anordnung des Herrn nicht bewahrst, in der er sagte: „Siehe, du bist rein geworden; sündige nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlechteres widerfährt“,h sondern dich, obwohl du rein warst, wiederum mit der Beschmutzung einer Sünde befleckt hast357 und aus der Tugend zur Begierde, aus der Reinheit zur Unreinheit abgeschweift bist, hast du dich durch dein Laster, obwohl du ein reines Tier warst, dem Los des Weggeschickten und der Wüste übergeben. 5. Vielleicht kann der bereite und reine Mann, der den, dessen Los gekommen ist, in die Wüste wegführt i und von dem gesagt wird, dass der, der eben dadurch, dass er ihn wegführt, gleichsam etwas Unreines berührt hat, gegen Abend seine Kleider wäscht j und rein ist, auch auf andere Weise sogar als unser Herr und Erlöser selbst verstanden werden in der Hinsicht, dass er die Kleider unserer Natur, das heißt des Fleisches und des Blutes, angenommen hat, die er gegen Abend gewaschen hat; deswegen hatte auch vor langem der Prophet über ihn gesagt: „Und ich sah Jesus, den großen Priester, gekleidet in schmutzige Kleider, und den Teufel, der zu seiner Rechten stand, um ihm zu widersprechen.“ k „Er wäscht“ also „in Wein“ – das heißt in seinem Blut – „sein Obergewand“ l gegen Abend und ist rein geworden.m  358 Und daher kam vielleicht auch das, was er nach der Auferstehung zu Maria, als sie seine Füße festhalten wollte, sagte: „Berühre mich nicht!“ n 357 Vgl. in Num. hom. 10,1 (GCS Orig. 7, 68–71) über die Sünden der Heiligen. 358 Vgl. in Lev. hom. 12,4 (GCS Orig. 6, 460f.); in Ioh. comm. VI 56,290f. (GCS Orig. 4,

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Vis autem adhuc uidere et aliam duarum sortium formam? Considera duos illos, qui tempore crucis eius „unus a dextris eius et | unus a sinistra“, pependerunt „latrones“;a et uide illum, qui confitebatur Dominum, sortem factum esse Domini et abductum esse sine mora ad paradisum, illum uero alium blasphemantem b sortem factum esse apopompaei, qui in eremum abduceretur inferni. Sed et in eo, quod dicitur quia „affixit cruci suae principatus et potestates contrarias et triumphauit eas“,c sortem in his apopompaei compleuit et tamquam „homo paratus abduxit eas in eremum“.d Denique et in euangelio Dominus dicit: „Quia cum exierit de homine immundus spiritus, uadit per loca deserta quaerens requiem et non inuenit.“ e Sic ergo potest et Saluator noster homo paratus intelligi, qui sortem quidem Domini ecclesiam suam fecerit eamque diuino consecrarit altari, sortem uero apopompaei contrarias fecerit „potestates, spiritus nequitiae et mundi huius rectores tenebrarum harum“,f quos, sicut dicit apostolus, cum potestate „traduxit triumphans eos in semet ipso“.g „Traduxit.“ Quo traduxit, nisi ad eremum, ad loca deserta? Sicut enim illi, qui confessus est, aperuit paradisi ianuas dicendo: „Hodie mecum eris in paradiso“ h et per hoc omnibus credentibus et confitentibus ingrediendi aditum dedit, quem prius Adam peccante concluserat – quis enim alius „romphaeam flammeam uersatilem“, quae apposita est „custodire lignum uitae“ i et fores paradisi, poterat dimouere? Quis alius Cherubim peruigili excubans custodia j ualebat inflectere, nisi ipse solus, cui „data est omnis potestas in coelo et in terra“? k – ut, inquam, praeter ipsum nemo alius haec facere potuit, ita „principatus ac potestates“ l et „rectores mundi“,m quos enumerat apostolus, nemo alius poterat triumphare et abducere in eremum inferni nisi ipse solus, qui dixit: „Confidite, ego uici mundum.“ n Idcirco ergo necessarium fuit Dominum et Saluatorem meum non solum inter homines hominem nasci, sed etiam ad inferna descendere, ut sortem apopompaei tamquam homo paratus in eremum inferni deduceret atque inde regressus opere consummato adscenderet | ad patrem ibique plenius apud altare illud coeleste purificaretur, ut carnis nostrae pignus, quod secum euexerat, perpetua puritate donaret. Hic ergo est uerus dies propitiationis, cum propitiatus est Deus hominibus; sicut et apostolus dicit: „quoniam Deus erat in Christo, mundum reconcilians sibi“;o et iterum de Christo dicit: „pacificans per sanguinem crucis suae, siue quae in coelo sunt, siue quae in a

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Lk. 23,33 Kol. 2,15 m Eph. 6,12

Vgl. Lk. 23,39–43 cKol. 2,14f. dLev. 16,21 eMt. 12,43 f Eph. 6,12 Lk. 23,43 i Gen. 3,24 jVgl. Gen. 3,24 kMt. 28,18 l Kol. 2,15 n Joh. 16,33 o2 Kor. 5,19

359 Vgl. princ. III 2,1 (GCS Orig. 5, 244–246), wo die feindlichen Mächte zusammen

mit dem Teufel als diejenigen angesprochen werden, die die Menschen zur Sünde provozieren. 360 Zu dieser Anrede siehe oben S. 168 Anm. 162.

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Willst du aber auch noch ein anderes Sinnbild für die beiden Lose sehen? Betrachte jene beiden „Räuber“, die zur Zeit seines Kreuzes „einer zu seiner Rechten und einer zur Linken hingen“;a und siehe, wie jener, der den Herrn bekannte, das Los des Herrn wurde und ohne Aufschub in das Paradies weggeführt wurde, jener andere hingegen, der Gott lästerte,b zum Los des Weggeschickten wurde, der in die Wüste der Unterwelt weggeführt wurde. Doch auch darin, dass gesagt wird: „Er schlug an sein Kreuz die Fürsten und feindlichen Mächte und triumphierte über sie“,c erfüllte sich in diesen das Los des Weggeschickten und „führte der bereite Mensch sie“ gleichsam „in die Wüste weg“.d Schließlich sagt auch im Evangelium der Herr: „Wenn der unreine Geist aus dem Menschen herausgegangen ist, zieht er durch verlassene Orte, sucht Ruhe und findet sie nicht.“ e So also kann auch unser Erlöser als der bereite Mensch verstanden werden, der seine Kirche zum Los des Herrn gemacht und sie dem göttlichen Altar geweiht hat, zum Los des Weggeschickten hingegen machte er die feindlichen „Mächte,359 die Geister der Schlechtigkeit und die Lenker dieser Welt der Finsternis“,f die er, wie der Apostel sagt, mit Macht „überführte und über sie in sich selbst triumphierte“.g „Er überführte.“ Wohin überführte er, wenn nicht in die Wüste, an verlassene Orte? So wie er nämlich dem, der ein Bekenntnis ablegte, die Türen des Paradieses öffnete, indem er sagte: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“,h und dadurch allen, die glauben und ein Bekenntnis ablegen, den Zugang zum Hineingehen gab, den früher Adam, indem er sündigte, verschlossen hatte – denn wer sonst hätte „das gezückte Flammenschwert“, das aufgestellt wurde, „um den Baum des Lebens“ und die Türen des Paradieses „zu bewachen“,i entfernen können? Wer sonst vermochte die immer wachsamen Cherubim, die Wache hielten,j zu beugen, wenn nicht allein der, dem „alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben ist“? k –; wie, sage ich, außer ihm niemand anderer das hätte tun können, so hätte niemand anderer „über die Fürsten und Mächte“ l und die „Lenker der Welt“,m die der Apostel aufzählt, triumphieren und sie in die Wüste der Unterwelt wegführen können außer ihm allein, der sagte: „Seid zuversichtlich, ich habe die Welt besiegt!“ n Deshalb also war es notwendig, dass mein Herr und Erlöser360 nicht nur als Mensch unter Menschen geboren wurde, sondern auch in die Unterwelt hinabstieg, damit er das Los des Weggeschickten gleichsam als bereiter Mensch in die Wüste der Unterwelt wegführte und, nachdem er das Werk vollendet hatte, von dort zurückkehrte und zum Vater aufstieg und dort beim himmlischen Altar vollständiger gereinigt wurde, damit er das Unterpfand unseres Fleisches, das er mit sich emporgeführt hatte, mit andauernder Reinheit beschenkte. Dies also ist der wahreVersöhnungstag, als Gott mit den Menschen versöhnt wurde; so sagt auch der Apostel: „weil Gott in Christus war, die Welt wieder mit sich versöhnend“;o und wiederum sagt er über Christus: „befriedend durch das Blut seines Kreuzes, sei es, was im Himmel, sei es, was auf der

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terra“.a Mandatur ergo in lege, ut in die repropitiationis omnis populus „humiliet animam suam“.b Quomodo humiliat populus animam suam, ipse dicit: „Venient“ inquit „dies, cum auferetur ab iis sponsus, et tunc ieiunabunt“ in illis diebus.c Plures ergo aguntur dies festi secundum legem. Est quidam sollemnis dies in mense primo,d est et alius in secundo.e Sed et in mense primo alia sollemnitas paschae, alia azymorum, licet coniuncta uideatur azymis paschae sollemnitas; principium etenim azymorum ad finem paschae coniungitur.f Pascha autem ille solus dies appellatur, in quo agnus occiditur,g reliqui uero azymorum dies appellantur; sic enim dicit: „Facies sollemnitatem azymorum septem diebus.“ h Haec ergo est prima sollemnitas. Post haec „cum“ inquit „demessueris messem tuam, et congregaueris natiuitates ex agro tuo, facies diem festum de initiis fructuum tuorum.“ i Qui dies est post septem septimanas paschae, id est pentecoste, cum etiam dici iubetur: „Et mundabis sancta de domo mea.“ Post haec in septimo mense aliae aguntur sollemnitates. „Prima die mensis“ numenia tubarum,j sicut dicit in psalmo: „Tuba canite in initio mensis.“ k „Decima uero die septimi mensis“ l ista est sollemnitas repropitiationis. In hac sola die pontifex induitur omnibus pontificalibus indumentis, tunc induitur „manifestationem et ueritatem“ m tunc ingreditur ad illa inaccessibilia, quo | semel in anno n accedi tantummodo licet, id est in sancta sanctorum. Semel enim in anno populum pontifex derelinquens ingreditur ad eum locum, ubi est propitiatorium et super propitiatorium Cherubim, ubi est et arca testimonii et altare incensi,o quo nulli introire fas est nisi pontifici soli.p Si ergo considerem uerum pontificem meum Dominum Iesum Chri­ stum,q quomodo in carne quidem positus per totum annum erat cum populo, annum illum, de quo ipse dicit: „Euangelizare pauperibus misit me et uocare annum Domini acceptum et diem remissionis“,r aduerto quomodo semel in isto anno, in die repropitiationis intrat in sancta sanctorum, hoc est cum impleta dispensatione penetrat coelos s et intrat ad patrem, ut eum propitium humano generi faciat et exoret pro omnibus credentibus in se. Hanc repropitiationem eius, qua hominibus repropitiat patrem, sciens Iohannes apostolus dicit: „Haec dico, filioli, ut non peccemus. Quod et si peccauerimus, aduocatum habemus apud patrem Christum Iesum iustum; et ipse est repropitiatio a

Kol. 1,20 bLev. 16,29 cMt. 9,15 dVgl. Ex. 12,3.18 eVgl. Num. 9,11 Vgl. Ex. 12,15.18 gVgl. Ex. 12,6 hEx. 23,15 iVgl. Ex. 23,16 j Num. 29,1 k Ps. 80(81),4 l Lev. 16,29 mEx. 28,30 nVgl. Ex. 30,10 oVgl. Ex. 25,18–21 p Vgl. Hebr. 9,7 qVgl. Hebr. 4,14 r Jes. 61,1f. sVgl. Hebr. 4,14

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361 Es ist unklar, auf welche Schriftstelle Origenes hier Bezug nimmt. Man könnte an

Dtn. 26,13 denken, wo die Israeliten bekräftigen, alle heiligen Abgaben aus dem Haus gebracht und abgeliefert zu haben. Hier geht es allerdings um die Abgabe des Zehnten und nicht um das Wochenfest. 362 Vgl. in Lev. hom. 6,4 (GCS Orig. 6, 365) und 6,6 (6, 368).

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Erde ist“.a Im Gesetz wird also angeordnet, dass am Versöhnungstag das ganze Volk seine „Seele demütigen soll“.bWie das Volk seine Seele demütigt, sagt er selbst: „Es werden Tage kommen,“ heißt es, „da der Bräutigam von ihnen weggenommen werden wird, und dann werden sie“ in jenen Tagen „fasten.“ c Mehrere Festtage werden also nach dem Gesetz begangen. Es gibt einen bestimmten Feiertag im ersten Monat,d und es gibt einen anderen im zweiten.e Doch auch im ersten Monat gibt es eine Feier des Pascha und eine andere der ungesäuerten Brote, obgleich die Feier des Pascha mit der der ungesäuerten Brote verbunden scheint; denn der Beginn der ungesäuerten Brote ist mit dem Ende des Pascha verbunden.f Pascha aber wird allein jener Tag genannt, an dem das Lamm getötet wird,g die übrigen hingegen werden Tage der ungesäuerten Brote genannt; denn so sagt er: „Du sollst die Feier der ungesäuerten Brote sieben Tage halten.“ h Das ist also die erste Feier. Danach, „wenn du“, heißt es, „deine Ernte abgeerntet und die Früchte von deinem Feld gesammelt hast, sollst du einen Festtag von den Erstlingen deiner Früchte halten.“ i Dieser Tag ist nach den sieben Wochen des Pascha, das heißt das Wochenfest, wenn auch befohlen wird: „Und du sollst das Heilige aus meinem Haus reinigen.“361 Danach werden im siebten Monat andere Feiern begangen. „Am ersten Tag des Monats“ ist Neumond der Posaunen,j so wie es im Psalm heißt: „Lasst die Posaune erklingen am Beginn des Monats!“ k „Am zehnten Tag“ hingegen „des siebten Monats“ l ist diese Feier der  Versöhnung. Allein an diesem Tag zieht der Hohepriester alle priesterlichen Kleider an, dann zieht er „die Offenbarung und die Wahrheit“ m  362 an, dann tritt er in das Unzugängliche ein, zu dem er nur einmal im Jahr n hinzutreten darf, das heißt in das Allerheiligste. Denn einmal im Jahr verlässt der Hohepriester das Volk und tritt an den Ort ein, wo der Versöhnungsort ist und über dem Versöhnungsort die Cherubim, wo sowohl die Bundeslade als auch der Weihrauchaltar sind,o wohin niemand das Recht hat einzutreten außer allein der Hohepriester.p Wenn ich also als den wahren Hohepriester meinen Herrn363 Jesus Christus betrachte,q wie er im Fleisch befindlich das ganze Jahr hindurch mit dem Volk war, jenes Jahr, über das er selbst sagt: „Er hat mich gesandt, den Armen die frohe Botschaft zu verkünden und auszurufen ein wohlgefälliges Jahr des Herrn und einen Tag der Vergebung“,r bemerke ich, wie er einmal in diesem Jahr, am Versöhnungstag, in das Allerheiligste eintritt, das heißt, als er, nachdem sein Heilswirken erfüllt ist, in die Himmel eindringt s und zum Vater eintritt, damit er ihn dem menschlichen Geschlecht geneigt macht und für alle, die an ihn glauben, bittet. Diese seine Wiederversöhnung, durch die er den Vater wieder mit den Menschen versöhnt, kennt der Apostel Johannes und sagt: „Ich sage das, Kinder, damit wir nicht sündigen. Aber auch wenn wir sündigen, haben wir einen Beistand beim Vater, Christus Jesus, den 363 Zu dieser Anrede siehe erneut oben S. 168 Anm. 162.

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pro peccatis nostris.“a Sed et Paulus similiter de hac repropitiatione commemorat, cum dicit de Christo: „quem posuit Deus propitiatorium in sanguine ipsius per fidem.“ b Igitur dies propitiationis manet nobis usque quo occidat sol, id est usque quo finem mundus accipiat. Stamus enim nos pro foribus c opperientes pontificem nostrum commorantem intra sancta sanctorum, id est apud patrem, et exorantem pro peccatis eorum, qui se exspectant,d non pro omnium peccatis exorantem. Non enim exorat pro his, qui in sortem ueniunt eius hirci, qui emittitur in desertum.e Pro illis exorat tantum, qui | sunt sors Domini, qui eum pro foribus exspectant, qui non recedunt de templo, ieiuniis et orationibus uacantes.f Aut tu putas, qui uix diebus festis ad ecclesiam uenis nec intentus es ad audienda uerba diuina nec das operam ad implenda mandata, quod possit sors Domini uenire super te? Optamus tamen ut uel his auditis operam detis non solum in ecclesia audire uerba Dei, sed et in domibus uestris exerceri et meditari „in lege Domini die ac nocte“;g et ibi enim Christus est et ubique adest quaerentibus se. Propterea namque mandatur in lege ut meditemur eam, cum imus in uia et cum sedemus in domo, et cum iacemus in cubili, et cum exsurgimus;h et hoc est uere pro foribus exspectare pontificem morantem intra sancta sanctorum et effici in sortem Domini. 6. Quod autem dicimus de sorte, non sic accipiat auditor, quasi sors talis aliqua dicatur, quae inter homines casu et non iudicio agi solet. Sors Domini ita accipienda est, tamquam si diceretur electio Domini uel pars Domini, et rursum sors eius, qui in eremum mittitur, accipienda est ueluti pars illa, quae pro indignitate sui a Domino spernitur et abicitur. Magis enim et sermo ipse apopompaei abiecti ac refutati significantiam continet. Ex quo possumus etiam illud intelligere, uerbi gratia: Adscendit in cor tuum mala cogitatio, concupiscentia mulieris alienae aut uicinae possessionis;i intellige statim hanc esse de sorte apopompaei, abice confestim et expelle de corde tuo. Quomodo abicis? Si habeas tecum parati hominis manum,j id est si lectio diuina sit in a

1 Joh. 2,1f. bRöm. 3,25 cVgl. Jak. 5,9 dVgl. 1 Joh. 2,1f.; Hebr. 9,28 eVgl. Lev. 16,9f. Vgl. Lk. 2,37 gPs. 1,1 hVgl. Dtn. 6,7 iVgl. Dtn. 5,21 jVgl. Lev. 16,21

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364 In Rom. comm. III 5,1–3 (SC 539, 122–126) wird der Vers zunächst mit dem Aus-

druck propitiationem, also „Versöhnung“, zitiert, wie es auch die Vulgata hat; im Zuge der Auslegung erwähnt Origenes den Vers noch einmal mit abweichendem Wortlaut: quem proposuit Deus propitiatorium (sive propitiatorem) … – „den Gott hingestellt hat als Versöhnungsort (oder als Versöhner) …“. 365 Über nachlässigen Gottesdienstbesuch und Unaufmerksamkeit bei der Lesung klagt Origenes häufig, nahezu wörtlich so wie hier z.  B. in Gen. hom. 10,1 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 147); vgl. auch unten in Lev. hom. 9,7 (GCS Orig. 6, 431); weitere Belege bei Döhler/Fürst, OWD 5, 104 Anm. 30. Siehe dazu Harnack, Ertrag I, 68f. 71. 83; Schütz, Gottesdienst 46–48; Monaci Castagno, Origene predicatore 88f.; Heine, Origen 182f.

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Gerechten; und er selbst ist die Wiederversöhnung für unsere Sünden.“a Doch auch Paulus erinnert ebenso an diese Wiederversöhnung, wenn er über Christus sagt: „den Gott hingestellt hat als Versöhnungsort in seinem Blut durch den Glauben“.b  364 Daher dauert uns der Versöhnungstag an, bis die Sonne untergeht, das heißt, bis die Welt ein Ende nimmt. Denn wir stehen vor den Türen c und erwarten unseren Hohepriester, der innerhalb des Allerheiligsten verweilt, das heißt beim Vater, und für die Sünden derer bittet, die ihn erwarten,d nicht für die Sünden aller bittet. Denn er bittet nicht für die, die in das Los dieses Bockes gekommen sind, der in die Wüste geschickt wird.e Er bittet nur für jene, die das Los des Herrn sind, die ihn vor den Türen erwarten, die nicht vom Tempel weichen und die Zeit mit Fasten und Gebeten verbringen.f Oder glaubst du, der du kaum an Festtagen zur Kirche kommst und nicht danach strebst, die göttlichen Worte zu hören,365 und dir keine Mühe gibst, die Anordnungen zu erfüllen, dass das Los des Herrn auf dich fallen kann? Wir wünschen jedoch, dass ihr, nachdem ihr das gehört habt, euch Mühe gebt, nicht nur in der Kirche die Worte Gottes zu hören, sondern das auch in euren Häusern zu üben und „über das Gesetz des Herrn Tag und Nacht“ nachzusinnen;g denn auch dort ist Christus, und er ist überall da für die, die ihn suchen. Deswegen nämlich wird im Gesetz angeordnet, dass wir über es nachsinnen, wenn wir auf der Straße gehen und wenn wir im Haus sitzen und wenn wir im Bett liegen und wenn wir aufstehen;h und das bedeutet es wahrlich, vor den Türen den Hohepriester zu erwarten, der innerhalb des Allerheiligsten verweilt, und zu einem Los des Herrn zu werden. 6. Was wir aber über das Los sagen, soll der Zuhörer nicht so aufnehmen, als ob etwas über ein solches Los gesagt wird, das unter Menschen üblicherweise durch Zufall und nicht durch Entscheidung erfolgt.366 Das Los des Herrn ist so aufzufassen, als ob von der Erwählung des Herrn oder vom Anteil des Herrn die Rede wäre, und andererseits ist das Los dessen, der in die Wüste geschickt wird, wie jener Teil aufzufassen, der für seine Unwürdigkeit vom Herrn verachtet und verworfen wird. Denn sogar das Wort Weggeschickter selbst enthält noch mehr die Bedeutung des Verworfenen und Zurückgewiesenen. Von daher können wir auch Folgendes verstehen, zum Beispiel: In dein Herz steigt ein schlechter Gedanke auf, die Begierde nach einer fremden Frau oder nach dem Besitz des Nachbarn;i verstehe sogleich, dass dieser Gedanke aus dem Los des Weggeschickten stammt, verwirf ihn unverzüglich und vertreibe ihn aus deinem Herzen. Wie verwirfst du ihn? Wenn du bei dir die Hand eines bereiten Menschen j hast, das heißt, wenn die 366 Vgl. in Ios. hom. 23,1 (GCS Orig. 7, 439): „Im üblichen Gebrauch der Menschen

scheint, wenn etwas durch Los zugeteilt wird, dieses Los zufällig diesem und das andere einem anderen zuzufallen; in der Heiligen Schrift aber ist es nicht so … Beginnen wir daher beim Buch Levitikus, wo geschrieben ist: ‚Und sie nehmen‘, heißt es, ‚zwei Lose, ein Los für den Herrn und ein Los für den Weggeschickten.‘“

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manibus tuis et praecepta Dei ante oculos habeantur, tunc uere inuenieris paratus ad abicienda et repellenda ea, quae sunt sortis alienae. Sed et ira si adscendit in cor tuum, si zelus, si inuidia, si malitia ad supplantandum fra­trem,a paratus esto, ut abicias ea et expellas et emittas in eremum. Si uero adscendat in cor tuum „co|gitare quae Dei sunt“,b de misericordia, de iustitia, de pietate, de pace, haec de sorte sunt Domini, haec offeruntur ad altare, haec pontifex suscipit et in his tibi reconciliat Deum. Propterea ergo et is, qui eicit eum, in quo sors apopompaei est,c hoc est malas cogitationes, malas cupiditates, non est homo piger nec occupatus negotiis saecularibus, sed paratus est et promptus ac uigilans; qui etiamsi sordescere uideatur pro eo quod contigerit immundum, lauabit statim uestimenta sua et erit mundus.d Quod intelligere possumus, quantum ad unumquemque nostrum pertinet, secundum moralem locum esse hominem paratum rationem ipsam, quae intra nos est, per quam discretio nobis boni malique est,e quae etiam si uidetur sordescere, dum discutit et pertractat ipsa, quae mala sunt, tamen si ea abiciat et expellat a corde ac procul effuget, tunc melioribus cogitationibus uelut purificata ac diluta munda uidebitur rationabilis mens. Nec sane mireris quod etiam ad personam Saluatoris traximus hunc, qui eicit hircum et expellit in eremum, quia dicitur lauare uestimenta sua et fieri mundus f propter illud, quod legimus in propheta dici de Domino, sicut supra diximus: „Et uidi Iesum sacerdotem magnum indutum uestimenta sordida.“ g Quod si utique pro assumptione carnis dici pie intelligitur, etiam hic in lauandis uestimentis potest eadem figura seruari. 7. Videamus post haec, quae sunt, quae pontifex faciat: „Et sumet“ inquit „plenum batillum carbonibus ignis de altari, quod est contra Dominum.“ h Legimus et in Esaia quia igni purgatur propheta per unum ex Seraphim, quod missum est ad eum, cum accepit forcipe carbonem unum ex his, qui erant super altare, et contigit labia prophetae et dixit: „Ecce, abstuli iniquitates tuas.“ i Mihi uidentur mystica haec esse | et hoc indicare quod unicuique secundum id, quod peccat, si dignum fuerit purificari eum, inferantur carbones membris eius. Nam quoniam dicit propheta hic: „Immunda labia habeo, a

Vgl. Hos. 12,3(4) b1 Kor. 7,34 cVgl. Lev. 16,10 dVgl. Lev. 16,26; 13,6 Vgl. Lev. 16,26; 13,6 gSach. 3,1.3 hLev. 16,12 i Jes. 6,7

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Vgl. 1 Kön. 3,9

367 Vgl. in Lev. hom. 9,5 (GCS Orig. 6, 424). 368 Vgl. ebd. 12,4 (6, 460). Dort sagt Origenes, dass Jesus als einziger von der Befleckung

durch die Zeugung bzw. die Geburt ausgenommen ist. Der Name Jeschua in Sach. 3,1.3 wird mit Jesus gleichgesetzt und der Vers auf die Inkarnation gedeutet. In Luc. hom. 14,4 (GCS Orig. 92, 86) heißt es: „Damit dir klar wird, dass auch Jesus sich auf Grund seines freien Willens beflecken ließ, weil er zu unserem Heil einen menschlichen Leib angenommen hat, vernimm, was der Prophet Sacharja sagt: … Dieses Wort richtet sich gegen die, die leugnen, dass unser Herr einen menschlichen Leib gehabt habe, dass dieser vielmehr aus Himmlischem und Geistlichem bestanden habe.“

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göttliche Lesung in deinen Händen ist und dir die Vorschriften Gottes vor Augen stehen, dann wirst du wahrlich bereit gefunden, das zu verwerfen und zu vertreiben, was zu einem fremden Los gehört. Doch auch wenn Zorn, wenn Eifersucht, wenn Neid, wenn Bosheit, den Bruder auszustechen,a in dein Herz aufsteigt, sollst du bereit sein, das zu verwerfen und zu vertreiben und in die Wüste hinauszuschicken. Wenn hingegen in dein Herz „Gedanken“ aufsteigen, „die von Gott sind“,b über Barmherzigkeit, über Gerechtigkeit, über Frömmigkeit, über Frieden, sind diese vom Los des Herrn, werden diese zum Altar dargebracht, nimmt der Hohepriester diese an und versöhnt dich in diesen mit Gott. Deswegen also ist auch der, der den hinauswirft, in dem das Los des Weggeschickten ist,c das heißt die schlechten Gedanken, die schlechten Begierden, nicht ein träger Mensch noch durch weltliche Geschäfte in Anspruch genommen, sondern er ist bereit, entschlossen und wachsam; auch wenn er dadurch, dass er Unreines berührt hat, beschmutzt zu sein scheint, wird er sofort seine Kleider waschen und rein sein.d Das können wir verstehen, sofern es sich auf jeden Einzelnen von uns bezieht, gemäß dem ethischen Sinn, dass der bereite Mensch die Vernunft selbst ist, die in uns ist, durch die wir Gutes und Böses unterscheiden können;e auch wenn diese beschmutzt zu werden scheint, indem sie das, was schlecht ist, untersucht und eingehend behandelt, wird dennoch dann, wenn sie es verwirft und aus dem Herzen vertreibt und weit davonjagt, der vernünftige Geist, da er durch bessere Gedanken gleichsam gereinigt und abgewaschen wurde, als rein erscheinen. Und du sollst dich in der Tat nicht wundern, dass wir den, der den Bock hinauswirft und in die Wüste vertreibt, auch auf die Person des Erlösers bezogen haben, denn es wird gesagt, dass er seine Kleider wäscht und rein wird f wegen dessen, was wir beim Propheten über den Herrn lesen, so wie wir vorher gesagt haben:367 „Und ich sah Jesus, den großen Priester, gekleidet in schmutzige Kleider.“ gWenn aber auf fromme Weise verstanden wird, dass das gewiss für die Annahme des Fleisches gesagt wird,368 kann hier auch im Waschen der Kleider dasselbe Bild bewahrt werden. 7. Wir wollen danach sehen, was das ist, was der Hohepriester macht: „Und er soll“, heißt es, „eine Räucherpfanne, voll mit Kohlen, vom Feuer am Altar nehmen, der vor dem Herrn ist.“ h Wir lesen auch im Buch Jesaja, dass der Prophet mit Feuer gereinigt wird durch einen von den Seraphim, der zu ihm geschickt wurde, als er mit der Zange eine Kohle von denen nahm, die auf dem Altar waren, und die Lippen des Propheten berührte und sagte: „Siehe, ich habe deine Ungerechtigkeiten entfernt.“ i Mir scheint dies ein Geheimnis zu sein und dies anzuzeigen, dass jedem gemäß dem, was er sündigt, wenn er würdig ist, gereinigt zu werden, Kohlen an seine Glieder gebracht werden. Weil nämlich der Prophet hier sagt: „Unreine Lippen habe Übersetzung: Sieben, FC 4/1, 168. Vgl. auch Didymus, in Sach. I 214 (SC 83, 304); Hieronymus, in Zach. I 3,1–5 (CChr.SL 76A, 772f.).

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in medio quoque populi immunda labia habentis habito“,a idcirco carbo forcipe adsumptus a Seraphim labia eius purgat, quibus solis se mundum non esse profitetur. Ex quo ostenditur quod usque ad uerbum tantummodo peccatum eius inueniretur, in facto uero uel opere nullo peccauerit; alioquin dixisset quoniam immundum corpus habeo, uel immundos oculos habeo, si peccasset in concupiscendo aliena, et dixisset: immundas manus habeo, si eas polluisset operibus iniquis. Nunc autem quoniam in solo fortasse sermone conscius sibi erat delicti illius, de quo dicit Dominus: „quia etiam de uerbo otioso reddetis rationem in die iudicii“,b pro eo quod difficile est etiam perfectis culpam uitare sermonis, idcirco indigebat etiam propheta sola purgatione labiorum. Nos autem, si redeat unusquisque ad conscientiam suam, nescio si possumus aliquod membrum corporis excusare, quod non igni indigeat. Et propheta quidem quoniam ab omnibus mundus erat, idcirco meruit, ut unus de Seraphim mitteretur ad eum, qui eius sola labia purgaret.c Nos uero uereor ne ignem non membris singulis, sed toto corpore mereamur. Cum enim lasciuiunt oculi uel per illicitas concupiscentias uel per spectacula diabolica, quid aliud nisi ignem sibi congregant? Cum aures non auertuntur ab auditu uano ac derogationibus proximorum, cum manus a caede nequaquam et a rapinis ac depraedationibus continentur, cum „pedes ueloces sunt ad effundendum sanguinem“,d cumque corpus non Domino, sed fornicationi tradimus, quid aliud nisi totum corpus tradimus in gehennam? e Sed haec cum dicuntur, contemptui habentur. Quare? Quia fides deest. Alioquin si tibi hodie diceretur quia iudex saeculi uult te crastino uiuum exurere et his auditis si esset tibi unius diei spatium liberum, quanta faceres? Quomodo et per quos discurreres? Quam humilis, quam lugens et sordidus oberrares? Nonne effunderes | omnem pecuniam tuam in eos, quorum intercessione euadere posse te crederes? Nonne omnia, quae possides, redemptionem faceres animae tuae? Quod si etiam aliquis te retardare aut impedire temptaret, nonne diceres: Pereant omnia pro salute mea nec quicquam remaneat, tantum ut ego uiuam? Hoc quare faceres? Quia inde non dubitares, hinc dubitas. Et ideo bene Dominus dicit: „Putas, ueniens filius hominis inueniet fidem super terram?“ f Et quid ego dico de certis indubitatisque periculis? Tantummodo si causa dicenda sit apud iudicem terrenum, quae aliquem metum ex legibus habere uideatur, nonne omnibus uigiliis excubatur, aduoa

Jes. 6,5

b

Vgl. Mt. 12,36

c

Vgl. Jes. 6,6

d

Ps. 13,3 LXX

e

Vgl. Mt. 5,29f.

f

Lk. 18,8

369 Vgl. Origenes, in Is. hom. 1,4 (GCS Orig. 8, 246); 5,6 (8, 264). 370 In der Septuaginta und in der Vulgata ist in Ps. 13 nach V. 3 ein Text eingefügt, der

die hier zitierten Worte enthält. Der Abschnitt wird so auch in Röm. 3,15 zitiert. Vgl. auch Jes. 59,7.

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ich, ich wohne auch inmitten eines Volkes, das unreine Lippen hat“,a deshalb reinigt die von den Seraphim mit der Zange genommene Kohle seine Lippen, von denen allein er bekennt, dass er nicht rein ist.369 Daraus wird gezeigt, dass sich eine Sünde bei ihm nur hinsichtlich des Wortes findet, er hingegen in keiner Tat und keinem Werk sündigte. Sonst hätte er gesagt: Einen unreinen Körper habe ich oder unreine Augen habe ich, wenn er gesündigt hätte, indem er Fremdes begehrte, und er hätte gesagt: Unreine Hände habe ich, wenn er diese durch unrechte Werke verunreinigt hätte. Da er sich nun aber vielleicht nur in der Rede jener Verfehlung bewusst war, über die der Herr sagt, „dass ihr auch über das unnütze Wort am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen werdet“,b weil es sogar für die Vollkommenen schwierig ist, die Schuld der Rede zu vermeiden, deshalb bedurfte auch der Prophet nur der Reinigung der Lippen.Was aber uns betrifft, wenn jeder zu seinem Gewissen zurückgeht, so weiß ich nicht, ob wir irgendein Glied des Körpers entschuldigen können, das nicht des Feuers bedürfte. Und weil der Prophet von allem rein war, deshalb verdiente er, dass einer von den Seraphim zu ihm geschickt wird, der allein seine Lippen reinigen sollte.c Wir hingegen, fürchte ich, verdienen das Feuer nicht für einzelne Glieder, sondern für den ganzen Körper. Denn wenn die Augen über unrechtmäßige Begierden oder über teuflische Schauspiele schweifen, was anderes sammeln sie sich an als Feuer? Wenn die Ohren nicht abgewendet werden vom nichtigen Hören und von den Herabwürdigungen der Nächsten, wenn die Hände keineswegs zurückgehalten werden von Mord, von Raub und Plünderung, wenn „die Füße schnell sind zum Blutvergießen“ d  370 und wenn wir den Körper nicht dem Herrn, sondern der Hurerei übergeben, was anderes tun wir, als den ganzen Körper in die Hölle zu übergeben? e Wenn dies jedoch gesagt wird, wird es verachtet.Warum? Weil der Glaube fehlt. Wenn dir übrigens heute gesagt würde, dass ein weltlicher Richter will, dass du morgen lebendig verbrannt wirst, und wenn du, nachdem du das gehört hast, noch die Zeit eines Tages frei hast, wie viel würdest du tun? Wie und bei wem allem würdest du herumlaufen? Wie demütig, wie trauernd und beschmutzt würdest du herumirren? Würdest du nicht all dein Geld für die aufwenden, durch deren Vermittlung du glaubst, entrinnen zu können? Würdest du nicht alles, was du besitzt, für den Loskauf deiner Seele aufwenden? Wenn jemand auch versuchte, dich aufzuhalten oder zu hindern, würdest du nicht sagen: Zugrundegehen möge alles für mein Heil und nichts möge zurückbleiben, dass ich nur lebe? Warum würdest du das machen? Denn dort würdest du nicht zweifeln, hier zweifelst du. Und daher sagt der Herr richtig: „Glaubst du, wenn der Menschensohn kommt, wird er Glauben auf der Erde finden?“ f Und was sage ich über die sicheren und unzweifelhaften Gefahren? Wenn nur eine Sache, die aus den Gesetzen scheinbar zu irgendeiner Befürchtung Anlass gibt, bei einem irdischen Richter vorzubringen ist, liegt man dann nicht die ganze Nacht hindurch wach, werden Geschenke für den

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Homilia IX

cati patroni munera praeparantur, etiamsi anceps periculum sit aut etiam solius notae metus uel damni ratio? Nos quare non credimus quod omnes adstabimus „ante tribunal Christi, ut reportet unusquisque propria corporis, prout gessit, siue bona siue mala“?a Haec si integre crederemus, esset nobis, secundum quod scriptum est, „redemptio animae uiri diuitiae eius“.b Sed unde possumus haec uel sentire uel credere uel intelligere, cum ne ad haec ipsa quidem audienda conueniamus? Quis enim uestrum, cum recitantur scripturae, praebet auditum? Deus per prophetam comminatur et quidem in ira magna: „Emittam famem super terram, non famem panis neque sitim aquae, sed famem audiendi uerbum Dei.“ c Sed nunc famem non misit Deus super ecclesiam suam neque sitim ad audiendum uerbum Dei. Habemus enim „panem“ uiuum, „qui de coelo descendit“,d habemus „aquam uiuam salientem in uitam aeternam“.e Cur nos ipsos fecunditatis tempore fame necamus ac siti? Pigrae est et desidis animae in abundantia omnium penuriam pati. Non audistis ex diuinis scripturis quia certamen est inter homines carni aduersum spiritum et spiritui aduersus carnem? f Et nescitis quia, si carnem solam nutriatis et ipsam frequenti mollitie ac iugi deliciarum fluxu foueatis, insolescet necessario aduersum spiritum et fortior illo efficitur? g Quod si fiat, sine dubio eum in | ditionem suam redactum suis coget legibus ac uitiis oboedire. Si uero ad ecclesiam frequenter uenias, aurem litteris diuinis admoueas, explanationem mandatorum coelestium capias, sicut cibis et deliciis caro, ita spiritus uerbis diuinis conualescet ac sensibus et robustior effectus carnem sibi parere coget ac suis legibus obsequi. Nutrimenta igitur spiritus sunt diuina lectio, orationes assiduae, sermo doctrinae. His alitur cibis, his conualescit, his uictor efficitur. Quod quia non facitis, nolite conqueri de infirmitate carnis, nolite dicere quia uolumus, sed non possumus; uolumus continenter uiuere, sed carnis fragilitate decipimur et impugnamur stimulis eius. Tu das stimulos carni tuae, tu eam aduersus spiritum tuum armas et potentem facis, cum eam carnibus satias, uino nimio inundas, omni mollitie palpas et ad illecebras nutris. Aut nescitis quia non potest aedificium istud ecclesiae ex leprosis lapidibus construi? Audi, quid dicit apostolus: „Modicum fermentum totam massam corrumpit. Expurgate ergo uetus fermentum, ut sitis noua conspersio.“ h Sed ad propositum redeamus. a

2 Kor. 5,10 bSpr. 13,8 cAm. 8,11 Vgl. Mk. 3,27.29 h1 Kor. 5,6f.

d

g

371 Siehe dazu oben S. 322 Anm. 365.

Joh. 6,41

e

Joh. 4,10.14

f

Vgl. Gal. 5,17

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verteidigenden Anwalt vorbereitet, auch wenn die Gefahr zweifelhaft ist oder sogar die Furcht allein vor der Schande oder die Summe einer Geldbuße ist? Warum glauben wir nicht, dass wir alle dastehen werden „vor dem Richterstuhl Christi, dass jeder das Eigene, so wie er im Körper gehandelt hat, sei es gut oder schlecht, zurückbekommt“?a Wenn wir das uneingeschränkt glauben würden, wäre für uns gemäß dem, was geschrieben steht, „der Loskauf der Seele eines Mannes sein Reichtum“.b Woher jedoch könnten wir das denken, glauben oder verstehen, wenn wir nicht einmal zusammenkommen, um eben dies zu hören? Denn wer von euch leiht sein Ohr, wenn die Schriften vorgetragen werden?371 Gott droht durch den Propheten, und zwar in großem Zorn: „Ich werde Hunger auf die Erde schicken, nicht Hunger nach Brot und Durst nach Wasser, sondern Hunger, das Wort Gottes zu hören.“ c Nun jedoch schickte Gott nicht Hunger auf seine Kirche und nicht Durst, das Wort Gottes zu hören. Denn wir haben das lebendige „Brot, das vom Himmel herabgekommen ist“,d wir haben „das lebendige Wasser, das ins ewige Leben sprudelt“.e Warum töten wir zur Zeit der Fruchtbarkeit uns selbst durch Hunger und Durst? Es ist Zeichen einer trägen und untätigen Seele, im Überfluss von allem Mangel zu leiden. Habt ihr nicht aus den göttlichen Schriften gehört, dass es unter den Menschen einen Kampf für das Fleisch gegen den Geist und für den Geist gegen das Fleisch f gibt? Und wisst ihr nicht, dass, wenn ihr allein das Fleisch nährt und es mit häufiger Weichlichkeit und mit dem schlaffen Joch des Genusses pflegt, es notwendigerweise übermütig gegen den Geist und stärker als er wird? gWenn das aber geschieht, wird es ihn ohne Zweifel, nachdem er seiner Befehlsgewalt unterworfen wurde, zwingen, seinen Gesetzen und Lastern zu gehorchen.Wenn du hingegen häufig zur Kirche kommst, das Ohr auf die göttlichen Texte lenkst, die Erklärung der himmlischen Anordnungen begreifst, so wird, wie das Fleisch durch die Speisen und Genüsse, der Geist durch die göttlichen Worte und Gedanken stark und zwingt, kräftiger geworden, das Fleisch, ihm zu gehorchen und seinen Gesetzen zu folgen. Die Nahrung des Geistes sind daher die göttliche Lesung, unablässige Gebete, die Predigt der Lehre. Durch diese Speisen wird er genährt, durch sie wird er stark, durch sie wird er siegreich. Weil ihr das nicht tut, beschwert euch nicht über die Schwachheit des Fleisches, sagt nicht: Wir wollen, aber wir können nicht; wir wollen enthaltsam leben, werden jedoch von der Schwäche des Fleisches getäuscht und von seinen Stacheln angegriffen. Du gibst deinem Fleisch die Stacheln, du bewaffnest es gegen deinen Geist und machst es mächtig, wenn du es mit Fleisch übersättigst, mit zu viel Wein überschwemmst, mit jeder Weichlichkeit streichelst und zur Verführung ernährst. Oder wisst ihr nicht, dass das Gebäude der Kirche nicht aus aussätzigen Steinen erbaut werden kann? Höre, was der Apostel sagt: „Wenig Sauerteig verdirbt den ganzen Teig. Reinigt euch also vom alten Sauerteig, damit ihr ein neuer Teig seid.“ hWir wollen jedoch zum Thema zurückkehren.



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8. „Et accipiet“ inquit „batillum plenum carbonibus.“a Non omnes purgantur eo igni, qui „de altari“ b assumitur. Aaron purgatur illo igni et Esaias et si qui sunt similes illis; alii uero, qui non sunt tales, de quibus etiam me ipsum computo, alio igni purgabimur; timeo ne illo, de quo scriptum est: „Fluuius ignis currebat ante ipsum.“ c Iste ignis non est de altari. Qui de altari est ignis, ignis est Domini; qui autem extra altare est, non est Domini, sed proprius est uniuscuiusque peccantium, de quo dicitur: „Vermis eorum non morietur, et ignis eorum non exstinguetur.“ d Iste ergo ignis ipsorum est, qui eum accenderunt, sicut et alibi scriptum est: „Ambulate in igni uestro et in flamma, quam accendistis uobis.“ e Esaiae autem non suus ignis apponitur, sed ignis | altaris, qui circumpurgabit labia eius,f et huic, de quo dicitur: „Et sumet batillum plenum carbonibus ignis de altari, quod est contra Dominum, et implebit manus suas incenso compositionis minuto.“ g Quod quidem plenius Dominus noster fecit. Impleuit enim manus suas incenso minuto, de quo scriptum est: „Dirigatur oratio mea sicut incensum in conspectu tuo.“ h Impleuit ergo manus suas sanctis operibus, quae pro humano genere operatus est. Quare autem compositionis incensum dicitur? Quia non est una species operum, sed ex iustitia et ex pietate, ex continentia, ex prudentia et ex omnibus huiuscemodi uirtutibus componitur hoc quod placetur Deo. Sed et „minutum“ quod addidit, non otiose intelligimus. Non enim uult eum, qui ad perfectionem tendit, uerbum Dei crasse et carnaliter intelligere, sed minutum in his sensum subtilemque perquirere, ut, si forte audiat scriptum esse: „Non obturabis os boui trituranti“,i ille haec non de bobus intelligat – „neque enim de bobus cura est Deo“ j –, sed de apostolis dici. Sed et si qui de prouidentia Dei rationem, quae est minutissima et subtilissima, possit exponere, iste minuto incenso manum suam replere dicitur. Quis ergo nostrum ita promptus est et paratus, ut ingressuro pontifici in sancta sanctorum „incensum compositionis“ offerat „minutum“? k Necesse est enim nos singulos aliquid offerre tabernaculo Dei, aliquid etiam pontificalibus indumentis, aliquid uero, quod per pontificis manus ad ipsum Deum per odorem suauitatis l adscendat. Pontifex igitur noster Dominus et Saluator aperit manus suas et suscipere uult ab unoquoque nostrum „incensum a

Lev. 16,12 Lev. 16,12

g

b

Lev. 16,12 cDan. 7,10 dJes. 66,24 eJes. 50,11 fVgl. Jes. 6,7 Ps. 140(141),2 i 1 Kor. 9,9 j 1 Kor. 9,9 kLev. 16,12 lVgl. Lev. 1,9 u.  ö.

h

372 Vgl. in Ps. 36 hom. 3,1 (GCS Orig. 13, 140f.), wo Origenes festhält, dass alle durch

das Feuer müssen (Zitat 1 Kor. 3,13). Aber solchen Menschen wie Paulus oder Petrus wird es nichts anhaben, wie mit Jes. 43,2 festgehalten wird. 373 Vgl. princ. II 4,2 (GCS Orig. 5, 129); IV 2,6 (5, 315). 374 Vgl. ebd. II 9,8 (5, 172): „Gott regelt all das bis ins kleinste mit der Kraft seiner Weisheit“ (Übersetzung: p. 419 Görgemanns/Karpp); III 1,17 (5, 228): „die vielfältige Vorsehung Gottes“ (Übersetzung: p. 529).

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8. „Und er soll“, heißt es, „eine Räucherpfanne voll mit Kohlen nehmen.“a Nicht alle werden von dem Feuer gereinigt, das „vom Altar“ b genommen wird. Aaron wird durch jenes Feuer gereinigt und Jesaja und die, die ihnen gleichen; andere hingegen, die nicht solche sind, zu denen ich auch mich selbst zähle, wir werden durch ein anderes Feuer gereinigt werden;372 ich fürchte, von jenem, über das geschrieben steht: „Ein Strom von Feuer floss vor ihm.“ c Dieses Feuer ist nicht vom Altar. Das Feuer, das vom Altar ist, ist das Feuer des Herrn; das aber außerhalb des Altars ist, ist nicht vom Herrn, sondern es ist jedem der Sünder eigen, über den gesagt wird: „Ihr Wurm wird nicht sterben und ihr Feuer wird nicht ausgelöscht werden.“ d Das ist also das Feuer derer selbst, die es entzündet haben, so wie auch anderswo geschrieben steht: „Geht einher in eurem Feuer und in der Flamme, die ihr euch entzündet habt!“ e Jesaja aber wird nicht sein Feuer aufgelegt, sondern das Feuer des Altars, das seine Lippen reinigen wird;f ebenso dem, über den gesagt wird: „Und er soll eine Räucherpfanne voll mit Kohlen vom Feuer vom Altar nehmen, der vor dem Herrn ist, und er soll seine Hände mit zerkleinertem Weihrauch der Zusammensetzung anfüllen.“ g Das freilich tat unser Herr vollkommener. Denn er füllte seine Hände mit zerkleinertem Weihrauch, über den geschrieben steht: „Mein Gebet möge wie Weihrauch vor dein Angesicht gelenkt werden.“ h Er füllte also seine Hände mit heiligen Werken, die er für das Menschengeschlecht ausführte. Warum aber wird er Weihrauch der Zusammensetzung genannt? Weil es nicht nur eine Art von Werken ist, sondern aus Gerechtigkeit und aus Frömmigkeit, aus Enthaltsamkeit, auch Klugheit und aus allen Tugenden dieser Art das zusammengesetzt wird, was Gott gefällt. Wir verstehen jedoch, dass auch das Wort „zerkleinert“, das er hinzufügte, nicht unnötig ist. Denn er will nicht, dass der, der zur Vollkommenheit strebt, das Wort Gottes grob und fleischlich versteht, sondern darin einen zerkleinerten und feinen Sinn sucht, damit er, wenn er vielleicht hört, dass geschrieben steht: „Du sollst dem dreschenden Ochsen nicht das Maul verstopfen“,i das nicht von Ochsen versteht – „denn Gott sorgt sich nicht um die Ochsen“ j –, sondern dass es über die Apostel gesagt wird.373 Doch auch wenn jemand eine Erklärung über die Vorsehung Gottes, die überaus kleinteilig und fein ist,374 darlegen kann, wird von ihm gesagt, dass er seine Hand mit zerkleinertem Weihrauch füllt. Wer von uns ist also so entschlossen und bereit, dass er dem Hohepriester, der im Begriff ist, in das Allerheiligste einzutreten, „zerkleinerten Weihrauch der Zusammensetzung“ k darbringt? Denn es ist notwendig, dass jeder Einzelne von uns dem Zelt Gottes etwas darbringt, etwas auch in hohepriesterlichen Kleidern, etwas jedoch, das durch die Hand des Hohepriesters zu Gott selbst durch den süßen Wohlgeruch l aufsteigt. Als Hohepriester öffnet daher unser Herr und Erlöser seine Hände und will von jedem von uns „zerkleinerten Weihrauch der Zusammensetzung“ annehmen. Wir müssen

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compositionis minutum“; necesse est nos quaerere species incensi. Libanuma nobis quaerendum est et non quale|cumque libanum, sed dilucidum. Non uult a te suscipere pontifex obscurum aliquid aut sordidum, dilucidum quaerit. Sed et galbanum b a te poscit, cuius natura est, ut uehementia odoris sui serpentes noxios fuget. Quaerit et stacten;c colata enim et defaecata uult esse uel uerba nostra uel opera. Quaerit et onychem,d quo uelut scuto quodam obtegitur animal suum et illaesum permanet. Ita et te uult scuto fidei esse protectum, quo omnia iacula maligni ignita restinguas.e Haec tamen omnia uult a te esse composita, nihil inordinatum, nihil inquietum, nihil indecens, sed hoc uult, ut omnia nostra composite et honeste fiant.f Stat ergo etiam nunc uerus pontifex noster Christus et repleri uult „manus suas incenso composito minuto“,g et ab unaquaque ecclesia, quae sub coelo est, considerat quid offeratur, quam integre incensum suum diligenterque componat, quam minutum id faciat, id est quomodo unusquisque nostrum opera sua ordinet et quomodo sensum ac uerba scripturarum spiritali explanatione discutiat. Nec angelorum ministeria ab huiuscemodi officiis desunt; „angeli“ enim „Dei adscendunt et descendunt ad filium hominis“,h perquirunt et curiose agunt, quid in unoquoque nostrum inueniant, quod offerant Deo.Vident et perscrutantur uniuscuiusque nostrum mentem, si habet aliquid tale, si tam sanctum aliquid cogitet, quod Deo mereatur offerri. Intuentur et considerant, si quis nostrum ex his, quae dicuntur in ecclesia, corde compungitur et animum conuertit ad poenitentiam, si his auditis corrigere cogitet uias suas i et obliuisci praeterita ac praeparare se ad futura,j saltem secundum Achab illum impiissimum, de quo dicit Dominus: „Vidisti, quomodo compunctum est cor Achab?“ k Sed in his omnibus quid de | illis dicam, qui nec audiunt auribus haec nec corde recipiunt? Quae in illis compunctionis spes, quae conuersionis suspicio, quae emendationis uia? Si enim etiam de his, qui audiunt, dubitamus, quid speramus de his, qui omnino non audiunt? Sed utamur uerbis Domini et dicamus: „Qui habent aures audiendi, audiant“ l et qui audiunt, sciant scriptum esse quia „cum conuersus ingemueris, tunc saluus eris et scies ubi fueris“.m a

b

e

f

Vgl. Sir. 39,18 Vgl. Eph. 6,16 j Vgl. Phil. 3,13

Vgl. Ex. 30,34 cVgl. Sir. 24,15 u.  a. dVgl. Ex. 30,34; Sir. 24,15 Vgl. 1 Kor. 14,40 gLev. 16,12 hJoh. 1,51 iVgl. Ps. 118(119),9; Spr. 21,29 k 1 Kön. 20(21),29 lVgl. Mt. 11,15 mVgl. Jes. 30,15

375 Während zuvor für Weihrauch das Wort incensum verwendet wurde, steht hier libanus,

das auch in Sir. 39,18 gebraucht wird. 376 Origenes zählt weitere Arten von Weihrauch bzw. Räucherwerk auf, die auch in

biblischen Texten erwähnt werden. Vgl. Ex. 30,34: „Der Herr sprach zu Mose: Nimm dir Duftstoffe, Staktetropfen, Räucherklaue, Galbanum, Gewürzkräuter und reinen Weihrauch, von jedem gleich viel.“

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nach den Arten des Weihrauchs suchen. Weihraucha 375 müssen wir suchen, und nicht irgendeinen Weihrauch, sondern hellen. Der Hohepriester will von dir nicht etwas Dunkles oder Schmutziges annehmen, er sucht etwas Helles. Er fordert jedoch auch Galbanum b 376 von dir, dessen Natur es ist, dass er durch die Heftigkeit seines Geruches die schädlichen Schlangen in die Flucht schlägt.377 Er sucht auch Myrrhe;c denn er will, dass sowohl unsere Worte als auch unsere Werke gereinigt und geläutert sind. Er sucht auch Onyx,d mit dem so wie mit einer Art Schild das Tier das Seine bedeckt und unverwundet bleibt. So will er, dass auch du durch den Schild des Glaubens geschützt bist, durch den du alle feurigen Pfeile des Bösen auslöschst.e Er will jedoch, dass das alles von dir zusammengesetzt wird, nichts Ungeordnetes, nichts Unruhiges, nichts Unschickliches ist, sondern dies will er, dass alles Unsrige zusammengesetzt und ehrbar geschieht.f Auch jetzt steht also unser wahrer Hohepriester Christus da und will, dass „seine Hände mit zerkleinertem zusammengesetztem Weihrauch“ g gefüllt werden, und von jeder Gemeinde, die es unter dem Himmel gibt, betrachtet er, was dargebracht wird, wie unversehrt und sorgfältig sie ihren Weihrauch zusammensetzt, wie sie das kleinteilig macht, das heißt, wie jeder von uns seine Werke ordnet und wie er den Sinn und die Worte der Schriften mit einer geistigen Erklärung erörtert. Und auch die Dienste der Engel fehlen nicht bei dieser Art von Verrichtungen; denn „die Engel Gottes steigen hinauf und steigen hinab zum Menschensohn“,h sie forschen nach und verfolgen wissbegierig, was sie in jedem von uns finden, das sie Gott darbringen können.378 Sie sehen und untersuchen eingehend den Geist eines jeden von uns, ob er so etwas hat, ob er etwas so Heiliges denkt, das es verdient, Gott dargebracht zu werden. Sie schauen und betrachten, ob jemand von uns von dem, was in der Kirche gesagt wird, in seinem Herzen getroffen wird und den Geist zur Buße wendet, ob er, nachdem er das gehört hat, daran denkt, seine Wege zurecht zu richten i und das Vergangene zu vergessen und sich auf das Künftige vorzubereiten,j wenigstens entsprechend jenem äußerst gottlosen Ahab, über den der Herr sagt: „Hast du gesehen, wie das Herz Ahabs getroffen wurde?“ k Doch was soll ich in all dem über jene sagen, die dies weder mit den Ohren hören noch mit dem Herzen aufnehmen? Welche Hoffnung auf Zerknirschung ist in ihnen, welche Vermutung der Umkehr, welcher Weg der Besserung? Denn wenn wir sogar über die, die hören, zweifeln, was hoffen wir über die, die überhaupt nicht hören? Wir wollen jedoch die Worte des Herrn benutzen und sagen: „Die Ohren haben, zu hören, sollen hören“,l und die hören, sollen wissen, dass geschrieben steht: „Wenn du seufzt und umkehrst, dann wirst du erlöst sein und wissen, wo du bist.“ m Und wenn „du deine 377 Dioskurides III 74 (p. 188 Aufmesser) erwähnt eine Heilwirkung bei Tierbissen. 378 Vgl. in Num. hom. 11,3f. (GCS Orig. 7, 80–86): Die Engel bringen für die Menschen

Erstlingsopfer dar.



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Et si „dixeris tu peccata tua prior“,a ego exaudiam te tamquam populum sanctum. Audisti quomodo, etiam si peccator fuisti, tantum si conuersus es et desisti a peccato, iam sanctus appellaris? Nihil ergo desperandum est his, qui compunguntur et conuertuntur ad Dominum; non enim superat bonitatem Dei malitia delictorum. 9. „Sumit“ ergo pontifex „batillum plenum carbonibus ignis de altari, quod est contra Dominum, et implet manum suam de incenso compositionis minuto et infert in interiora uelaminis.“ b Intelligamus primo quid designat historia et tunc, quid sensus spiritalis habeat, requiramus. Duplex aedes est tabernaculi testimonii uel templi Domini. Prima est, in qua altare holocau­ storum est, quod perpetuis ignibus excitatur, in qua aede solis licet assistere sacerdotibus et sacrificiorum ritus ac ministeria celebrare et neque Leuitis neque alii cuiquam praeterea indulgetur accessus. Secunda uero aedes interior est solo ab hac discreta uelamine. Intra quod uelamen arca testamenti et propitiatorium, super quod Cherubim duo statuta sunt, et altare incensi collocatum est.c In hanc aedem semel in anno primus quicumque erat pontifex,d oblatis prius hostiis propitiationis, de quibus supra exposuimus, ingrediebatur habens utramque manum repletam, unam batillo carbonum et aliam compositionis incenso,e ut, cum fuisset ingressus, statim superposito incenso carbonibus fumus adscenderet totamque | aedem repleret, ut adspectum sanctorum, quem ingressus pontificis reuelauerat, nubes uelaret incensi.f Si tibi sacrificiorum mos patuit antiquus, quid haec etiam secundum rationem mysticam contineant, uideamus. Duas audisti aedes, unam quasi uisibilem et patentem sacerdotibus, aliam uelut inuisibilem et inaccessam: excepto uno solo pontifice ceteri foris sunt. Prima aedes ista puto quod intelligi possit haec, in qua nunc sumus in carne positi ecclesia, in qua sacerdotes ministrant ad altare holocaustorum, succenso illo igni, de quo dixit Iesus: „Ignem ueni mittere in terram, et quam uolo ut accendatur.“ g Et nolo mireris quod haec aedes solis sacerdotibus patet. Omnes enim, quicumque unguento sacri chrismatis delibuti sunt, sacerdotes effecti sunt, sicut et Petrus ad omnem dicit a

Jes. 43,26 bLev. 16,12 cVgl. Ex. 26,33.34; 25,18; 30,6 Vgl. Lev. 16,12 fVgl. Lev. 16,13 gLk. 12,49

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d

Vgl. Ex. 30,10; Lev. 16,34

379 Origenes nennt auch schon die heilig, die sich auf den langen Weg der Umkehr be-

geben haben, auch wenn sie nicht frei von Sünde sind; vgl. in Num. hom. 10,1 (GCS Orig. 7, 71): „Die nicht heilig sind, sterben in ihren Sünden; die heilig sind, tun Buße für die Sünden, nehmen ihre Wunden wahr, sehen ihren Fall ein, suchen den Priester auf, verlangen nach Gesundheit, suchen Reinigung durch den Priester“; in Ps. 37 hom. 2,2 (SC 411, 306): Der Gerechte „bleibt nicht in seinen Vergehen …, sondern er bezichtigt sich und überführt sich, und durch sein Bekenntnis wird er vom Tod befreit.“ Vgl. auch in Ps. 36 hom. 4,2 (GCS Orig. 13, 160f.).

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Sünden vorher sagst“,a werde ich dich wie ein heiliges Volk erhören. Hast du gehört, wie du, auch wenn du ein Sünder warst, wenn du dich nur bekehrt und von der Sünde abgelassen hast, schon heilig genannt wirst?379 Es gibt also nichts zu verzweifeln für die, die zerknirscht werden und sich zum Herrn bekehren; denn die Bosheit der Vergehen übertrifft nicht die Güte Gottes. 9. „Es nimmt“ also der Hohepriester „eine Räucherpfanne voll mit Kohlen vom Feuer vom Altar, der vor dem Herrn ist, und füllt seine Hand mit zerkleinertem Weihrauch der Zusammensetzung und trägt ihn in das Innere hinter dem Vorhang hinein.“ b Wir sollen zuerst verstehen, was der Wortsinn380 bedeutet, und dann prüfen, was der geistige Sinn enthält. Es gibt ein zweifaches Heiligtum des Bundeszeltes beziehungsweise des Tempels des Herrn. Das erste ist das, in dem sich der Ganzopferaltar befindet, der durch ein ununterbrochenes Feuer angefacht wird. In diesem Heiligtum ist es allein den Priestern erlaubt, hinzutreten und die Opferriten und -dienste zu verrichten, und weder den Leviten noch irgendjemand anderem außerdem wird Zutritt gewährt. Das zweite Heiligtum hingegen ist weiter innen, allein durch einen Vorhang von diesem abgetrennt. Innerhalb dieses Vorhangs befinden sich die Bundeslade und der Versöhnungsort, über dem zwei Cherubim aufgestellt sind, und der Weihrauchaltar.c In dieses Heiligtum trat einmal im Jahr ein, wer auch immer der erste Hohepriester war,d nachdem vorher die Versöhnungsopfer dargebracht worden waren, die wir vorher ausgelegt haben,381 und hatte dabei beide Hände gefüllt, die eine mit einer Räucherpfanne mit Kohlen und die andere mit Weihrauch der Zusammensetzung,e damit, wenn er eingetreten war, sofort, nachdem er den Weihrauch auf die Kohlen gelegt hatte, Rauch aufstieg und das ganze Heiligtum erfüllte, sodass eine Wolke von Weihrauch den Anblick der heiligen Dinge, den der Eintritt des Hohepriesters offenbart hatte, verschleierte.f Wenn dir der alte Brauch der Opfer klar ist, wollen wir sehen, was dies auch gemäß dem mystischen Sinn enthält. Du hast von zwei Heiligtümern gehört, das eine gleichsam ein sichtbares und den Priestern offenstehendes, das andere wie ein unsichtbares und unzugängliches: abgesehen von einem Hohepriester allein sind die Übrigen draußen. Das erste Heiligtum kann, glaube ich, als diese Kirche verstanden werden, in der wir uns nun im Fleisch befinden, in der die Priester beim Ganzopferaltar dienen, entflammt von jenem Feuer, über das Jesus sagte: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie sehr will ich, dass es entzündet wird!“ g Und ich will nicht, dass du dich wunderst, dass dieses Heiligtum nur den Priestern offensteht. Denn alle, die durch die Salbung mit dem heiligen Chrisamöl benetzt sind, sind Priester geworden, so wie auch Petrus zur ganzen Kirche sagt: „Ihr aber 380 Zur Bedeutung von historia als „Erzählung“ im Sinne des Wortsinns des Textes siehe

oben S. 103 Anm. 71. 381 Siehe in Lev. hom. 9,3 (GCS Orig. 6, 421f.).

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Homilia IX

ecclesiam: „Vos autem genus electum, regale sacerdotale, gens sancta.“a Estis ergo genus sacerdotale et ideo acceditis ad sancta. Sed et unusquisque ­nostrum habet in se holocaustum suum et holocausti sui ipse succendit altare, ut semper ardeat. Ego si renuntiem omnibus, quae possideo,b et tollam crucem meam et sequar Christum,c holocaustum obtuli ad altare Dei; aut „si tradidero corpus meum, ut ardeam“,d habens caritatem et gloriam martyrii consequar, holocaustum me ipsum obtuli ad altare Dei. Si diligam fratres meos, ita ut animam meam ponam pro fratribus meis,e si pro iustitia, pro ueritate usque ad mortem certauero,f holocaustum obtuli ad altare Dei. Si membra mea ab omni concupiscentia carnis mortificauero,g si „mundus mihi crucifixus sit et ego mundo“,h holocaustum obtuli ad altare Dei et ipse meae hostiae sacerdos efficior. Hoc ergo modo sacerdotium geritur in prima aede et hostiae offe­ runtur et ex hac aede sanctificatis indutus uestimentis pontifex proficiscitur et ingreditur in interiora uelaminis, sicut iam superius Pauli uerba posuimus dicentis: „Non in manu facta sancta, sed in ipsum coelum penetrauit“ inquit „Iesus et apparet uultui Dei pro nobis.“ i Coeli ergo locus et ipsa Dei sedes per interioris | aedis figuram atque imaginem designatur. Sed mirum contuere ordinem sacramentorum. Ingrediens pontifex in sancta sanctorum ignem secum de hoc altari portat et incensum de hac aede suscipit. Sed et uestimenta, quibus indutus est, de hoc loco sumpsit. Putasne dignabitur Dominus meus uerus pontifex et a me suscipere partem aliquam incensi compositionis minuti,j quod secum deferat ad patrem? Putasne inuenit in me aliquid igniculi et holocaustum meum ardens, ut dignetur ex eo batillum suum implere carbonibus et in ipsis Deo patri odorem suauitatis offerre? Beatus est, cuius tam uiuos tamque ignitos holocausti sui carbones inuenerit, ut eos aptos iudicet, quos altari superponat incensi. Beatus, in cuius corde inuenerit tam subtilem, tam minutum tamque spiritalem sensum et ita diuersa uirtutum suauitate compositum, ut replere dignetur ex eo manus suas Deoque patri suauem odorem intelligentiae eius offerre. At contra infelix anima, cuius fidei ignis exstinguitur et refrigescit caritatis calor; ad quam cum uenerit coelestis pontifex noster quaerens ab ea ignitos et ardentes carbones, super quos incensum offerat patri, inuenit in ea aridos cineres et frigidas fauillas. Tales sunt omnes, qui subtrahunt se et longe faciunt a uerbo Dei, ne a

1 Petr. 2,9 bVgl. Lk. 14,33 cVgl. Mk. 8,34 d1 Kor. 13,3 eVgl. 1 Joh. 3,16 Vgl. Sir. 4,28 gVgl. Kol. 3,5 hGal. 6,14 i Hebr. 9,24 jVgl. Lev. 16,12

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382 Siehe ebd. 9,2 (6, 419).

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seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm.“a Ihr seid also ein priesterliches Geschlecht und deshalb tretet ihr zum Heiligen hinzu. Doch auch jeder Einzelne von uns hat in sich sein Ganzopfer und entflammt selbst den Altar seines Ganzopfers, auf dass er immer brennt. Wenn ich alles aufgebe, was ich besitze,b und mein Kreuz nehme und Christus folge,c habe ich ein Ganzopfer am Altar Gottes dargebracht; oder „wenn ich meinen Körper gebe, sodass ich brenne,“ d Liebe habe und die Herrlichkeit des Martyriums erlange, habe ich mich selbst am Altar Gottes als Ganzopfer dargebracht. Wenn ich meine Brüder liebe, sodass ich mein Leben für meine Brüder gebe,e wenn ich für die Gerechtigkeit, für die Wahrheit bis zum Tod kämpfe,f habe ich ein Ganzopfer am Altar Gottes dargebracht. Wenn ich meine Glieder von jeglicher Begierde des Fleisches abtöte,g wenn „mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt“,h habe ich ein Ganzopfer am Altar Gottes dargebracht und werde selbst zum Priester meines Opfers. Auf diese Weise wird also im ersten Heiligtum das Priestertum ausgeübt und werden Opfer dargebracht und aus diesem Heiligtum geht der Hohepriester, bekleidet mit geheiligten Gewändern, heraus und tritt in das Innere hinter dem Vorhang, so wie wir schon vorher die Worte des Paulus angeführt haben,382 der sagt: „Nicht in ein von Hand gemachtes Heiligtum, sondern in den Himmel selbst gelangte Jesus“, heißt es, „und erscheint vor dem Angesicht Gott für uns.“ i Der Ort des Himmels also und der Sitz Gottes selbst werden durch das Bild und Abbild des inneren Heiligtums bezeichnet. Betrachte jedoch die wunderbare Ordnung der Geheimnisse. Wenn der Hohepriester in das Allerheiligste eintritt, trägt er Feuer von diesem Altar mit sich und nimmt Weihrauch von diesem Altar. Doch auch die Gewänder, mit denen er bekleidet ist, hat er von diesem Ort genommen. Glaubst du, mein Herr, der wahre Hohepriester, wird es für würdig erachten, auch von mir einen Teil des zerkleinerten Weihrauchs der Zusammensetzung j anzunehmen, den er mit sich zum Vater hinträgt? Glaubst du, er findet in mir ein Feuerchen und mein Ganzopfer brennend, sodass er es für würdig erachtet, aus diesem seine Räucherpfanne mit Kohlen zu füllen und eben darin Gott dem Vater einen süßen Wohlgeruch darzubringen? Selig ist, wessen Kohlen seines Ganzopfers er so lebendig und so feurig findet, dass er diese als geeignet beurteilt, sie auf den Weihrauchaltar zu legen. Selig, in wessen Herz er einen so feinen, so kleinteiligen, so geistigen und aus einer so vielfältigen Süße der Tugenden zusammengesetzten Sinn findet, dass er es für würdig erachtet, aus diesem seine Hände zu füllen und Gott dem Vater als süßen Wohlgeruch seines Verständnisses darzubringen. Aber unglücklich ist dagegen die Seele, deren Feuer des Glaubens ausgelöscht wird und deren Hitze der Liebe abkühlt; wenn unser himmlischer Hohepriester zu ihr kommt und von ihr feurige und brennende Kohlen erbittet, auf denen er dem Vater Weihrauch darbringen kann, findet er in ihr trockene Asche und kalte Glutasche. Solche sind alle, die sich zurückziehen und weit vom Wort Gottes entfernen,

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Homilia IX

audientes sermones diuinos accendantur ad fidem, incalescant ad caritatem, igniantur ad misericordiam. Vis tibi ostendam, quomodo de uerbis Spiritus sancti ignis exeat et accendat corda credentium? Audi dicentem Dauid in psalmo: „Eloquium Domini igniuit eum.“a Et iterum in euangelio scriptum est, postquam Dominus locutus est ad Cleophan: „Nonne cor nostrum“ inquit „erat ardens intra nos, cum adaperiret nobis scripturas?“ bTu ergo unde ardebis? Vnde inuenientur in te carbones ignis, qui numquam Domini igniris eloquio, numquam uerbis sancti Spiritus inflammaris? Audi et alibi ipsum Dauid dicentem: „Concaluit cor meum intra me, et in meditatione mea exardescit ignis.“ c  Vnde tu concalescis?  Vnde in te ignis accenditur, qui numquam in diuinis meditaris eloquiis, immo, quod est infelicius, concalescis in spectaculis circi, concalescis in equorum contentionibus, in certamine | athletarum? Atque iste ignis non est de altari Domini, sed hic est, qui dicitur ignis alienus, et audisti paulo superius quia, qui obtulerunt alienum ignem ante Dominum, exstincti sunt.d Concalescis et cum te repleuerit iracundia et cum te inflammauerit furor, ureris interdum et amore carnali ac turpissimae libidinis iactaris incendiis. Sed omnis iste ignis alienus est et contrarius Deo; quem qui accenderit, sine dubio Nadab et Abiud perferet sortem.e 10. Ait ergo eloquium diuinum: „Et imponet incensum super ignem in conspectu Domini, et operiet fumus incensi propitiatorium, quod est super testimonia, et non morietur. Et sumet de sanguine uituli et resperget digito suo super propitiatorium contra oriente.“ f Ritus quidem apud ueteres propitiationis pro hominibus, qui fiebat ad Deum, qualiter celebraretur edocuit; sed tu, qui ad Christum uenisti, pontificem uerum, qui sanguine suo Deum tibi propitium fecit et reconciliauit te patri,g non haereas in sanguine carnis; sed disce potius sanguinem uerbi et audi ipsum tibi dicentem quia: „Hic sanguis meus est, qui pro uobis effundetur in remissionem peccatorum.“ h Nouit, qui mysteriis imbutus est, et carnem et sanguinem uerbi Dei. Non ergo immoremur in his, quae et scientibus nota sunt et ignorantibus patere non possunt. Quod autem contra orientem respergit,i non otiose accipias. Ab oriente tibi propitiatio uenit; inde est enim uir, cui „Oriens nomen“ j est, qui „mediator a

Vgl. Ps. 118(119),140 bLk. 24,32 cPs. 38(39),4 dVgl. Lev. 16,1 eVgl. Lev. 10,1f. Lev. 16,13f. gVgl. Röm. 5,11 hMt. 26,28 iVgl. Lev. 16,14 j Sach. 6,12

f

383 Zum göttlichen Feuer siehe oben S. 168 Anm. 164. 384 Lk. 24,32 wird von Origenes häufig zitiert: in Gen. hom. 11,3 (GCS Orig. 62 N.  F.

17, 168); 13,3 (62 N.  F. 17, 186); in Ex. hom. 4,8 (GCS Orig. 6, 180); 7,8 (6, 216); 12,4 (6, 266); 13,4 (6, 276). Unten in Lev. hom. 14,4 (GCS Orig. 6, 485) wird vom ewigen Feuer als Strafe für die Sünde gesprochen. Vgl. auch ebd. 5,3 (6, 338f.), wo von Gott als verzehrendem Feuer (Dtn. 4,24) gesprochen wird, das die Sünden vernichtet. Zum Feuer siehe auch oben S. 70 Anm. 18. 385 Vgl. ebd. 9,1 (6, 418).

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damit sie nicht, wenn sie die göttlichen Worte hören, zum Glauben entflammt werden, zur Liebe warm werden, zur Barmherzigkeit entbrennen. Willst du, dass ich dir zeige, wie von den Worten des Heiligen Geistes Feuer ausgeht und die Herzen der Gläubigen entzündet?383 Höre David im Psalm sagen: „Die Rede des Herrn entflammte ihn.“a Und wiederum steht im Evangelium geschrieben, nachdem der Herr zu Kleopas gesprochen hat: „Brannte nicht“, sagt er, „unser Herz in uns, als er uns die Schriften eröffnete?“ b 384 Du also, woher wirst du brennen? Woher werden in dir feurige Kohlen gefunden werden, der du niemals von der Rede des Herrn entflammt wirst, niemals von den Worten des Heiligen Geistes entzündet wirst? Höre auch denselben David an anderer Stelle sagen: „Warm wurde mein Herz in mir, und in meinem Nachsinnen entbrennt ein Feuer.“ c Woher wirst du warm? Woher wird in dir ein Feuer entzündet, der du niemals über die göttlichen Reden nachsinnst, ja sogar, was noch unglücklicher ist, der du dich in Zirkusaufführungen erhitzt, der du dich in Pferdewettrennen erhitzt, im Wettkampf von Athleten? Und dieses Feuer ist nicht vom Altar des Herrn, sondern es ist das, das fremdes Feuer genannt wird, und ein wenig zuvor hast du gehört,385 dass die, die fremdes Feuer vor dem Herrn darbrachten, ausgelöscht wurden.d Du erhitzt dich auch, wenn Zorn dich erfüllt und wenn Wut dich entflammt, manchmal brennst du auch in fleischlicher Liebe und wirst hin und her geworfen von den Bränden der schändlichsten Begierde. All das jedoch ist fremdes Feuer und Gott entgegengesetzt; wen dieses Feuer entzündet, der wird ohne Zweifel das Los Nadabs und Abihus erleiden.e 10. Es sagt also das göttliche Wort: „Und er soll Weihrauch auf das Feuer vor dem Angesicht des Herrn legen und der Rauch des Weihrauchs soll den Versöhnungsort verdecken, der über den Zeugnissen386 ist, und er wird nicht sterben. Und er soll vom Blut des Kalbes nehmen und es mit seinem Finger über dem Versöhnungsort gegen Osten versprengen.“ f Wie der Ritus der Versöhnung für die Menschen, der vor Gott ausgeführt wurde, bei den Alten gefeiert werden sollte, hat er gelehrt; du jedoch, der du zu Christus gekommen bist, dem wahren Hohepriester, der durch sein Blut Gott mit dir versöhnt und dich mit dem Vater wieder versöhnt hat,g sollst nicht am Blut des Fleisches haften; sondern lerne vielmehr das Blut des Wortes und höre ihn selbst zu dir sagen: „Dies ist mein Blut, das für euch vergossen werden wird zur Vergebung der Sünden.“ h Wer in die Mysterien eingeführt wurde, kennt das Fleisch und das Blut des Wortes Gottes.Wir wollen also nicht bei dem verweilen, was den Wissenden bekannt ist und den Unwissenden nicht offenbar sein kann. Dass er aber gegen Osten versprengt,i sollst du nicht als unnütz annehmen. Vom Osten kommt dir die Versöhnung; denn von dort stammt der Mann, dessen „Name Osten“ j ist, der „Mittler zwischen Gott und den 386 Es handelt sich dabei um die Bundeslade, in der die „Zeugnisse“, d.  h. die Bundes­

tafeln, aufbewahrt sind (vgl. Ex. 25,16).

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Homilia IX

Dei et hominum“a factus est. Inuitaris ergo per hoc, ut „ad orientem“ b semper adspicias, unde tibi oritur „sol iustitiae“,c unde tibi lumen nascitur; ut numquam „in tenebris ambules“ d neque dies ille nouissimus te in tenebris comprehendat; ne tibi ignorantiae nox et caligo subripiat, sed ut semper in scientiae luce uerseris, semper habeas diem fidei, semper lumen caritatis et pacis obtineas. 11. Addit post haec scriptura: „Et non erit“ inquit „homo, cum ingredietur pontifex, intra uelamen interius in tabernaculo testimonii.“ e | Quomodo non erit homo? Ego sic accipio quod, qui potuerit sequi Christum et pene­ trare cum eo interius tabernaculum et coelorum excelsa conscendere, iam non erit homo, sed secundum uerbum ipsius erit „tamquam angelus Dei“.f Aut forte etiam ille super eum sermo complebitur, quem ipse Dominus dixit: „Ego dixi, dii estis et filii Excelsi omnes.“ g Siue ergo spiritalis effectus unus cum Domino spiritus fiat, siue per resurrectionis gloriam in angelorum ordinem transeat, recte iam non erit homo; sed unusquisque ipse sibi hoc praestat, ut uel excedat hominis appellationem uel intra conditionem huius uocabuli censeatur. Si enim factus homo „ab initio“ h seruasset illud, quod ad eum scriptura dicit: „Ecce, posui ante oculos tuos mortem et uitam, elige uitam“,i si hoc fecisset, numquam profecto humanum genus mortalis conditio tenuisset. Sed quoniam derelinquens uitam mortem secutus est, homo factus est; et non solum homo, sed et terra, propter quod et in terram redire dicitur.j Requiro tamen, quae sit ista mors, quam dicit: „Ante oculos tuos posui.“ k De uita enim non dubitatur quod semet ipsum indicet Deus, qui dixit: „Ego sum ueritas et uita.“ l Quae est ergo ista mors uitae contraria, quam posuit Deus ante oculos nostros? De illo dici puto, de quo Paulus dicit: „Nouissimus inimicus destruetur mors.“ m Iste est ergo inimicus diabolus, qui primo quidem ante oculos positus est, sed nouissimus destruetur. Positus autem fuerat ante oculos, non ut sequeremur eum, sed ut uitaremus.Vnde et arbitror quod ipsa per se anima humana neque mortalis neque immortalis dici potest. Sed si contigerit uitam, ex participio uitae erit immortalis (in uitam enim non incidit mors); si uero auertens se a | uita participium traxerit mortis, ipsa se a

1 Tim. 2,5 bBar. 4,36 cMal. 4,2(3,20) dVgl. Joh. 12,35 eLev. 16,17 f Mt. 22,30 Ps. 81(82),6 hMk. 10,6 iVgl. Dtn. 30,15.19 jVgl. Gen. 3,19 kVgl. Dtn. 30,15 l Joh. 14,6 m1 Kor. 15,26 g

387 Zu der Anweisung, sich beim Gebet nach Osten, zum Sonnenaufgang, zu wenden,

vgl. Clemens von Alexandria, strom. VII 43,6 (GCS Clem. Al. 32, 32); Tertullian, apol. 16,10 (CChr.SL 1, 116); Origenes, in Num. hom. 5,1 (GCS Orig. 7, 26). 388 Vgl. Philon, rer. div. her. 84 (III p. 20 Cohn/Wendland): „Auch der Priester – ‚nicht ein Mensch soll an ihm sein, wenn er in das Allerheiligste hineingeht, bis er wieder hinausgeht‘ (Lev. 16,17), nicht körperlicher Art, sondern mit den Regungen der Seele. Denn der Geist ist, wenn er Gott in Reinheit dient, nicht menschlich, sondern göttlich; in dem Augenblick aber, da er irgendeinem menschlichen Anliegen dient, ist

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Menschen“a wurde. Du wirst also dadurch eingeladen, dass du stets „nach Osten“ b blickst, von wo dir „die Sonne der Gerechtigkeit“ c aufgeht, von wo dir das Licht geboren wird;387 dass du niemals „in Finsternis wandelst“ d noch der jüngste Tag dich in Finsternis ergreift; dass dich nicht die Nacht und das Dunkel der Unwissenheit hinwegnehmen, sondern dass du dich stets im Licht der Erkenntnis aufhältst, stets den Tag des Glaubens hast, stets das Licht der Liebe und des Friedens festhältst. 11. Danach fügt die Schrift hinzu: „Und wenn der Hohepriester eintritt“, heißt es, „soll er innerhalb des Vorhangs im Inneren des Bundeszeltes kein Mensch sein.“ e Wie soll er kein Mensch sein?388 Ich fasse das so auf, dass der, der Christus folgen und mit ihm ins Innere des Zeltes gelangen und zur Höhe des Himmels aufsteigen kann, kein Mensch mehr sein wird, sondern nach seinem Wort „wie ein Engel Gottes“ f sein wird. Oder vielleicht wird in ihm auch jenes Wort erfüllt werden, das der Herr selbst sagte: „Ich habe gesagt, ihr alle seid Götter und Söhne des Höchsten.“ g Wenn er also, geistig geworden, mit dem Herrn ein Geist wird, oder wenn er durch die Herrlichkeit der Auferstehung in die Ordnung der Engel übergeht, wird er zu Recht nicht mehr Mensch sein; jeder verschafft sich das jedoch selbst, dass er entweder aus der Bezeichnung Mensch heraustritt oder zu dem mit dieser Benennung angezeigten Zustand gerechnet wird. Denn wenn er, als Mensch gemacht „von Anfang an“,h das beachtet hätte, was die Schrift zu ihm sagt: „Siehe, ich habe vor deine Augen den Tod und das Leben gestellt, wähle das Leben“,i wenn er das getan hätte, hätte sich das Menschengeschlecht sicherlich niemals im sterblichen Zustand befunden. Weil er jedoch das Leben verließ und dem Tod folgte, ist er Mensch geworden; und nicht nur Mensch, sondern auch Erde, weswegen auch gesagt wird, dass er zur Erde zurückkehrt.j Ich frage jedoch, was dieser Tod ist, von dem er sagt: „Vor deine Augen habe ich ihn gestellt.“ k Denn hinsichtlich des Lebens ist es nicht zweifelhaft, dass Gott sich selbst bezeichnet, der sagte: „Ich bin die Wahrheit und das Leben.“ l Was ist also dieser Tod, der dem Leben entgegengesetzt ist, den Gott vor unsere Augen stellte? Von jenem, glaube ich, ist die Rede, über den Paulus sagt: „Als letzter Feind wird der Tod vernichtet werden.“ m Dieser ist also der Feind, der Teufel, der zwar als Erster vor Augen gestellt wurde, jedoch als Letzter vernichtet werden wird. Er war aber vor Augen gestellt worden, nicht damit wir ihm folgen, sondern damit wir ihn meiden. Daher meine ich auch, dass aus sich heraus die menschliche Seele weder sterblich noch unsterblich genannt werden kann.Wenn sie jedoch das Leben erlangt hat, wird sie aus der Teilhabe am Leben unsterblich werden (denn ins Leben gelangt der Tod nicht); wenn sie sich hingegen vom Leben abwendet und sich die Teilhabe am er verwandelt, vom Himmel herabgestiegen, oder vielmehr zur Erde gefallen, ‚geht er hinaus‘, auch wenn der Körper noch drinnen bliebe.“ Übersetzung: Leisegang, Philo Werke V, 242f.

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Homilia IX

facit esse mortalem. Et ideo propheta dicit: „Anima quae peccat, ipsa morietur“,a quamuis mortem eius non ad interitum substantiae sentiamus, sed hoc ipsum, quod aliena et extorris sit a Deo, qui uera uita est, mors ei esse credenda est. Nulla ergo „participatio sit iustitiae cum iniquitate“, nulla „societas luci ad tenebras“, nulla „consonantia Christo cum Belial“.b Si elegimus uitam, semper uiuemus, „mors“ nobis „non dominabitur“,c et complebitur in nobis sermo Domini, qui dixit: „Qui credit in me, etiamsi moriatur, uiuet.“ d Eligamus ergo uitam, eligamus lucem, ut „in die honeste ambulemus“,e ut et nos sequentes Iesum intra uelamen tabernaculi interioris iam non simus ut homines mortales, sed ut angeli immortales, cum nouissimum inimicum destruxerit mortem f ipse Dominus noster Iesus Christus, qui est „uia et ueritas et uita“,g „cui gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ h a

Ez. 18,4 Joh. 14,6

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2 Kor. 6,14f. 1 Petr. 4,11

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Röm. 6,9

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Tod zuzieht, macht sie sich selbst sterblich. Und deshalb sagt der Prophet: „Die Seele, die sündigt, wird selbst sterben“,a 389 obgleich wir meinen, dass ihr Tod nicht zum Untergang ihrer Substanz führt, sondern eben dies, dass sie fremd und entfernt von Gott ist, der das wahre Leben ist, als ihr Tod anzusehen ist. Also soll es keine „Teilhabe der Gerechtigkeit an der Ungerechtigkeit“ geben, keine „Gemeinschaft des Lichtes mit der Finsternis“, keinen „Einklang Christi mit Belial“.b Wenn wir das Leben wählen, werden wir immer leben, „der Tod wird nicht“ über uns „herrschen“,c und in uns wird das Wort des Herrn erfüllt werden, der sagte: „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.“ d Wählen wir also das Leben, wählen wir das Licht, damit „wir am Tag ehrenhaft wandeln“,e damit auch wir, indem wir Jesus hinter den Vorhang des inneren Zeltes folgen, nicht mehr wie sterbliche Menschen sind, sondern wie unsterbliche Engel, wenn er selbst den letzten Feind, den Tod, vernichtet,f unser Herr Jesus Christus, der „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ g ist! „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ h

389 Vgl. Origenes, princ. II 8,3 (GCS Orig. 5, 158).

HOMILIA X. De ieiunio, quod in die propitiationis fit,a et de hirco, qui in eremum dimittitur.b

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1. Nos quidem, qui de ecclesia sumus, merito Moysen recipimus et scripta eius legimus sentientes de eo quod propheta sit et Deo sibi reuelante in symbolis et figuris ac formis allegoricis conscripserit futura mysteria, quae in tempore suo docemus impleta. Qui uero huiusmodi in eo non recipit sensum, siue Iudaeorum quis siue etiam nostrorum est, is ne prophetam quidem eum docere potest; quomodo etenim pro|phetam probabit, cuius litteras asserat esse communes, futuri nullius conscias nec occulti aliquid mysterii continentes? Hunc itaque qui ita sentit, legentem haec arguit sermo diuinus et dicit: „Putasne intelligis quae legis?“ c Est ergo lex et omnia, quae in lege sunt, secundum apostoli sententiam usque „ad tempus correctionis“ d imposita, et, sicut hi, quibus artificium est signa ex aere facere et statuas fundere, antequam uerum opus aeris producant aut argenti uel auri, figmentum prius luti ad similitudinem futurae imaginis formant – quod figmentum necessarium quidem est, sed usquequo opus quod principale est, expleatur; cum autem fuerit effectum opus illud, propter quod figmentum luti fuerat formatum, usus eius ultra non quaeritur –, tale aliquid intellige etiam in his, quae in typo et figura futurorum in lege et prophetis uel scripta uel gesta sunt.e Venit enim ipse artifex et auctor omnium et legem, quae „umbram“ habebat „futurorum bonorum“, transtulit ad „ipsam imaginem rerum“.f Sed ne forte difficile tibi probari posse, quae dicimus, uideantur, recognosce per singula. Erat prius Ierusalem urbs illa magna regalis, ubi templum famosissimum Deo fuerat exstructum. Postea uero quam uenit ille, qui erat uerum templum a

Vgl. Lev. 16,29.31 Hebr. 10,1

f

b

Vgl. Lev. 16,10

c

Apg. 8,30

d

Hebr. 9,10

e

Vgl. 1 Kor. 10,6.11

390 Zu dieser Bezeichnung, mit der sich Origenes von den Häretikern absetzt, die das

Alte Testament nicht annehmen, siehe oben S. 138 Anm. 128. 391 Vgl. Philon, vit. Mos. II 187 (IV p. 244 Cohn/Wendland): „Da, wie wir ausgeführt

haben, der vollkommenste Anführer vier Eigenschaften aufweisen muss, die eines Königs, eines Gesetzgebers, eines Priesters und eines Propheten, … so gehe ich nach der

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HOMILIE 10 Über das Fasten, das am Versöhnungstag geschieht,a und über den Bock, der in die Wüste geschickt wird.b

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1. Wir, die wir von der Kirche sind,390 nehmen zu Recht Mose an, lesen seine Schriften und denken über ihn, dass er ein Prophet ist391 und Gott sich ihm offenbarte und er in Symbolen, Bildern und allegorischen Sinnbildern zukünftige Mysterien aufschrieb, von denen wir lehren, dass sie zu ihrer Zeit erfüllt wurden. Wer hingegen in ihm nicht einen solchen Sinn annimmt, sei er einer von den Juden oder auch einer von uns, der kann ihn auch nicht als Propheten lehren; denn wie wird er den als Propheten erweisen, von dessen Schriften er versichert, sie seien gewöhnlich, ohne irgendein Wissen um die Zukunft und ohne irgendein verborgenes Mysterium zu enthalten? Den also, der so denkt, wenn er dies liest, widerlegt das göttliche Wort und sagt: „Glaubst du, dass du verstehst, was du liest?“ c Es ist daher das Gesetz und alles, was im Gesetz enthalten ist, nach der Meinung des Apostels „bis zur Zeit der Besserung“ d auferlegt, und so wie die, deren Kunst es ist, Bildnisse aus Erz zu machen und Statuen zu gießen, bevor sie das wahre Werk aus Erz oder Silber oder Gold hervorbringen, zuerst ein Modell aus Lehm zur Ähnlichkeit des zukünftigen Bildes formen392 – dieses Modell ist zwar notwendig, doch nur bis das eigentliche Werk vollendet wird; wenn aber jenes Werk hergestellt ist, dessentwegen das Modell aus Lehm geformt worden war, ist dessen Nutzen nicht länger gefragt –, verstehe so etwas auch in dem, was im Typus und im Bild des Zukünftigen im Gesetz und den Propheten geschrieben beziehungsweise getan wird.e Denn der Künstler und Urheber von allem ist selbst gekommen und hat das Gesetz, das „den Schatten der künftigen Güter“ enthielt, in „das Bild der Dinge selbst“ f übertragen. Damit dir jedoch nicht etwa scheint, dass das, was wir sagen, schwer erwiesen werden kann, gehe die Dinge im Einzelnen durch. Jerusalem war früher jene große königliche Stadt, wo der höchst berühmte Tempel für Gott errichtet worden war. Danach hingegen kam jener, der der wahre Tempel Gottes war und über den Tempel seines Körpers sagte: Erörterung der drei ersten Eigenschaften … nunmehr daran zu zeigen, dass er auch der bewährteste Prophet gewesen ist.“ Übersetzung nach Badt, Philo Werke I, 341. 392 Zum Bild des Modells siehe oben S. 11.

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Homilia X

Dei et dicebat de templo corporis sui: „Soluite templum hoc“,a et qui coelestis Ierusalem b coepit aperire mysteria: deleta est illa terrena, ubi coelestis apparuit, et in templo illo non remansit „lapis super lapidem“,c ex quo uerum templum Dei facta est caro Christi. Erat prius pontifex „sanguine taurorum et hircorum“ d purificans populum; sed ex quo uenit uerus pontifex, qui sanguine suo sanctificaret credentes, nusquam est ille pontifex prior nec ullus ei relictus est locus. Altare fuit prius et sacrificia celebrabantur; sed ut uenit uerus agnus, qui „se ipsum hostiam obtulit Deo“,e cuncta illa uelut pro tempore posita cessauerunt. Non tibi ergo uidetur quod secundum figuram, quam supra posuimus, ueluti | formae fuerint quaedam e luto fictae, per quas ueritatis exprimerentur imagines? Propterea denique diuina dispensatio procurauit, ut et ciuitas ipsa et templum et omnia illa pariter subuerterentur; ne qui forte adhuc paruulus et lactans in fide,f si uideret illa constare, dum sacrificiorum ritum, dum ministeriorum ordinem attonitus stupet, ipso diuersarum formarum raperetur intuitu. Sed prouidens Deus infirmitati ­nostrae et uolens multiplicari ecclesiam suam omnia illa subuerti fecit et penitus auferri, ut sine ulla cunctatione illis cessantibus haec esse uera, pro quibus in illis typus praecesserat, crederemus. 2. Vnde et nunc dicenda nobis sunt aliqua etiam ad eos, qui putant pro mandato legis sibi quoque Iudaeorum ieiunium ieiunandum, et primo omnium sermonibus utar Pauli dicentis quia, si qui uult unum aliquid custodire de obseruationibus legis, „obnoxius est uniuersae legis faciendae“.g Qui ergo obseruat ista ieiunia, adscendat et „ter in anno“ in Ierusalem, ut „appareat ante templum Domini“,h ut offerat se sacerdoti; requirat altare, quod in puluerem uersum est, offerat hostias nullo adstante pontifice. Scriptum est enim, ut duos hircos i ieiunans populus offerat in sacrificium, super quos sortes mitti debeant, ut unus ex his fiat Domini sors et hostia Domino offeratur, alterius uero sors fiat, ut dimittatur in eremum uiuus,j qui et habeat in se peccata populi. Haec tibi omnia consequenter explenda sunt, qui uis a

Joh. 2,19 bVgl. Hebr. 12,22 cMt. 24,2 dHebr. 10,4 eVgl. Eph. 5,2 fVgl. Hebr. 5,13; Röm. 14,1 gGal. 5,3 hEx. 23,17 iVgl. Lev. 16,5 jVgl. Lev. 16,9f.

393 Zum Ende des Tempels in Jerusalem und der zugehörigen Opferpraxis als Zeichen

dafür, dass diese vorübergehende Symbole für die Wahrheit waren, vgl. z.  B. in Ios. hom. 2,1 (GCS Orig. 7, 296); Hinweise auf weitere Stellen bei Döhler/Fürst, OWD 5, 108 Anm. 34. Siehe dazu de Lange, Origen and the Jews 89–102. 394 Das Fasten ist in Lev. 16,29.31 impliziert (adfligetis animas uestris – „ihr werdet eure Seelen erniedrigen“; EÜ: „ihr sollt euch Enthaltung auferlegen“). Origenes betrachtet die jüdische Fastenpraxis, wie auch Opfer, Feste, Sabbat und Beschneidung, als überholt. Christliches Fasten hingegen hat eine neue Bedeutung und ersetzt die jüdische Praxis. Vgl. in Hier. hom. 12,13 (GCS Orig. 32, 100): „Ihr alle, die ihr das jüdische Fasten

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„Brecht diesen Tempel ab“,a und der begann, die Mysterien des himmlischen Jerusalem b zu eröffnen: Zerstört ist jenes irdische, wo das himmlische erschien, und in diesem Tempel blieb „kein Stein auf dem anderen“,c seitdem das Fleisch Christi der wahre Tempel Gottes wurde. Früher gab es einen Hohepriester, der das Volk „mit dem Blut von Stieren und Böcken“ d reinigte; seitdem jedoch der wahre Hohepriester gekommen ist, der mit seinem Blut die Glaubenden heiligte, gibt es jenen früheren Hohepriester nirgends mehr noch ist ihm irgendein Ort verblieben. Früher gab es einen Altar und wurden Opfer gefeiert; als jedoch das wahre Lamm kam, das „sich selbst als Opfer Gott darbrachte“,e endete alles, was gleichsam auf Zeit eingesetzt war.393 Scheint dir also nicht, dass sie gemäß dem Bild, das wir vorher dargelegt haben, wie aus Lehm geschaffene Sinnbilder waren, durch die Bilder der Wahrheit zum Ausdruck gebracht werden sollten? Deswegen sorgte die göttliche Heilsvermittlung schließlich dafür, dass die Stadt selbst und der Tempel und alle jene Dinge gleichermaßen vernichtet wurden; damit nicht vielleicht einer, der noch klein und ein Säugling im Glauben ist,f wenn er das weiter bestehen sieht, solange er den Ritus der Opfer, solange er die Ordnung der Dienste begeistert bestaunt, vom Anblick der verschiedenen Sinnbilder hingerissen wird. Gott jedoch, der unsere Schwäche voraussah und wollte, dass seine Kirche vermehrt wird, bewirkte, dass alle jene Dinge vernichtet und völlig weggerafft wurden, damit wir, wenn jene ein Ende finden, ohne irgendein Zögern glauben, dass das wahr ist, wofür jene ein Vorausbild waren. 2. Daher müssen wir nun auch etwas zu denen sagen, die glauben, dass aufgrund des Auftrags des Gesetzes auch sie das Fasten der Juden praktizieren müssen, und als allererstes will ich die Worte des Paulus benutzen, der sagt, wenn jemand eine einzige von den zu beachtenden Bestimmungen des Gesetzes einhalten will, ist er „verpflichtet, das gesamte Gesetz zu tun“.gWer also dieses Fasten einhält, soll auch „dreimal im Jahr“ nach Jerusalem hinaufgehen, um „vor dem Tempel des Herrn zu erscheinen“,h um sich dem Priester darzubringen; er soll den Altar suchen, der zu Staub verwandelt ist, er soll Opfer darbringen, obwohl kein Hohepriester dasteht. Denn es steht geschrieben, dass das Volk, während es fastet,394 zwei Böcke i zum Opfer darbringen soll, über die Lose geworfen werden müssen, sodass einer von ihnen ein Los des Herrn wird und dem Herrn als Opfer dargebracht wird, der andere hingegen ein Los wird, dass er lebendig in die Wüste geschickt wird, der auch die Sünden des Volkes auf sich trägt.j Das alles musst du folgerichtigerweise erfüllen, der du nach der Vorschrift des Gesetzes das Fasten beachten willst; dieses

einhaltet, ohne etwas vom Tag der Sühne nach der Ankunft Jesu Christi zu verstehen, habt von der Sühne nicht im Verborgenen gehört, sondern nur sichtbar. Denn im Verborgenen von der Sühne zu hören zu hören, wie Gott Jesus als Sühne für unsere Sünden hingestellt hat …“; Übersetzung: Fürst/Lona, OWD 11, 323.

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Homilia X

secundum praeceptum legis obseruare ieiunium; de quibus a nobis quidem, prout potuimus, superiori disputatione dissertum est. Tamen quoniam diues est sermo Dei et secundum sententiam Salomonis non simpliciter, sed et dupliciter et „tripliciter describendus in corde est“,a temptemus etiam nunc addere aliqua ad ea, quae dudum pro uiribus dicta sunt, ut ostendamus, quomodo in typo futurorum b etiam hic unus hircus Domino oblatus est | hostia et alius uiuus dimissus est. Audi in euangeliis Pilatum dicentem ad sacerdotes et populum Iudaeorum: „Quem uultis ex duobus dimittam uobis, Iesum, qui dicitur Christus, aut Barabban?“ c Tunc clamauit omnis populus, ut Barabban dimitteret, Iesum uero morti traderet.d Ecce habes hircum, qui dimissus est uiuus in eremum peccata secum populi ferens clamantis et dicentis: „Crucifige, crucifige!“ e Iste est ergo hircus uiuus dimissus in eremum et ille est hircus, qui Domino oblatus est hostia ad repropitianda peccata et ueram propitiationem in se credentibus populis fecit. Quod et si hoc requiras, qui sit, qui hunc hircum perduxit in eremum, ut probetur in eo etiam quod lotus sit et mundus effectus, potest Pilatus ipse accipi homo paratus.f Iudex quippe gentis ipsius erat, qui eum per sententiam suam emisit in eremum. Audi autem quomodo lotus sit et mundus effectus.g Cum ad populum diceret: „Vultis dimittam uobis Iesum, qui dicitur Chri­ stus?“ h et acclamasset omnis populus dicens: „Si hunc dimittis, non es amicus Caesaris“,i tunc „poposcit“ inquit „Pilatus aquam et lauit manus suas coram populo, dicens: Mundus ego a sanguine huius; uos uideritis.“ j Sic ergo uidebitur lotis manibus suis mundus effectus. Nostra igitur, id est qui non „umbrae et exemplari seruimus“,k sed ueritati, haec est propitiationis dies, in qua data est nobis remissio peccatorum, cum „pascha nostrum immolatus est Christus“.l Quomodo ergo cognita ueritate conuertimur „iterum ad infirma et egena elementa huius mundi, quibus“ rursus „a capite seruire uultis dies obseruantes et menses et tempora et annos“? m Audi quomodo etiam propheta huiusmodi ieiunium respuit et dicit: „Non hoc ieiunium elegi, dicit Dominus, neque diem, ut humiliet homo animam suam.“ n Tu si uis ieiunare secundum Christum et humiliare animam tuam, omne tibi tempus apertum est totius anni; immo totius uitae tuae dies habeto ad humiliandam animam | tuam, si tamen didicisti a Domino Saluatore nostro quia „mitis est et humilis corde“.o Quando ergo non est tibi humiliationis dies, qui Christum sequeris, qui est humilis corde et humilitatis a

Spr. 22,18.20 bVgl. 1 Kor. 10,11; Hebr. 10,1 cMt. 27,17 dVgl. Mt. 27,21f. Lk. 23,21 fVgl. Lev. 16,21f. gVgl. Lev. 16,24 hMk. 15,9; Mt. 27,17 i Joh. 19,12 j Mt. 27,24 kHebr. 8,5 l 1 Kor. 5,7 mGal. 4,9f. n Jes. 58,5 o Mt. 11,29 e

395 In Homilie 9. 396 Im Lateinischen steht hier dimittam, dasselbe Verb, das für das Wegschicken des Bo-

ckes verwendet wird. Deshalb sieht Origenes eine Verbindung zwischen den beiden Stellen.

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wurde von uns freilich, so gut wir konnten, schon in der vorausgehenden Abhandlung erörtert.395 Weil jedoch das Wort Gottes reich und nach dem Urteil Salomos nicht einfach, sondern zweifach und „dreifach in das Herz zu schreiben ist“,a wollen wir versuchen, auch jetzt etwas zu dem hinzuzufügen, was schon vorher nach Kräften gesagt wurde, damit wir zeigen, wie auch dieser eine Bock im Typus des Zukünftigen b dem Herrn als Opfer dargebracht und der andere lebendig weggeschickt wird. Höre in den Evangelien Pilatus zu den Priestern und dem Volk der Juden sagen: „Wen von beiden wollt ihr, dass ich euch freilasse,396 Jesus, der Christus genannt wird, oder Barabbas?“ c Da rief das ganze Volk, dass er Barabbas freilasse, Jesus hingegen dem Tod übergebe.d Hier hast du den Bock, der lebendig in die Wüste geschickt wurde und die Sünden des Volkes mit sich trug, das rief: „Kreuzige, kreuzige!“ e Dieser ist also der lebendige Bock, der in die Wüste geschickt wurde, und jener ist der Bock, der dem Herrn als Opfer zur Versöhnung der Sünden dargebracht wurde und die wahre Versöhnung für die an ihn glaubenden Völker bewirkte. Wenn du auch das fragst, wer es ist, der diesen Bock in die Wüste führte, um an ihm auch zu beweisen, dass er gewaschen und rein wurde, kann Pilatus selbst als der bereite Mann f aufgefasst werden. Er war ja Richter dieses Volkes, der ihn durch sein Urteil in die Wüste schickte. Höre aber, wie er gewaschen und rein wurde.g Als er zum Volk sagte: „Wollt ihr, dass ich euch Jesus freilasse, der Christus genannt wird?“ h und das ganze Volk gerufen hatte: „Wenn du ihn freilässt, bist du kein Freund des Kaisers“,i da „verlangte“, heißt es, „Pilatus Wasser und wusch sich seine Hände vor den Augen des Volkes und sagte: Rein bin ich von dessen Blut; ihr mögt sehen!“ j So also wird er mit seinen gewaschenen Händen als rein Gewordener erscheinen. Für uns, das heißt, die wir nicht „einem Schatten und einem Abbild dienen“,k sondern der Wahrheit, ist daher der Tag der Versöhnung der, an dem uns die Vergebung der Sünden geschenkt wurde, als „unser Pascha geopfert wurde, Christus“.l Wieso also wenden wir uns nach der Erkenntnis der Wahrheit „wiederum den schwachen und dürftigen Elementen dieser Welt zu, denen ihr“ wieder von Neuem „dienen wollt, indem ihr Tage und Monate und Zeiten und Jahre beachtet“? m Höre, wie auch der Prophet ein Fasten dieser Art verschmäht und sagt: „Dieses Fasten habe ich nicht erwählt, spricht der Herr, noch den Tag, damit der Mensch seine Seele demütigt.“ n Wenn du gemäß Christus fasten und deine Seele demütigen willst, steht dir jede Zeit des ganzen Jahres offen; vielmehr sollen dir die Tage deines ganzen Lebens zur Demütigung deiner Seele dienen, wenn du denn vom Herrn, unserem Erlöser, gelernt hast, dass er „mild und demütig von Herzen ist“.o Wann also ist für dich nicht ein Tag der Demütigung, der du Christus folgst, der von Herzen demütig und ein Lehrer der Demut ist? Wenn du daher fas-

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Homilia X

magister? Tu itaque si uis ieiunare, ieiuna secundum praeceptum euangelii et obserua in ieiuniis euangelicas leges, in quibus hoc modo Saluator de ieiuniis mandat: „Tu autem si ieiunas, unge caput tuum et laua faciem tuam.“a Quod si requiris, quomodo laues faciem tuam, Paulus apostolus docet, quemadmodum „reuelata facie gloriam Domini contempleris, ad eandem imaginem reformatus a gloria in gloriam, tamquam a Domini spiritu“.b „Vnge“ etiam „caput tuum“,c sed obserua ne oleo peccati: „Oleum“ enim „peccatoris non impinguet caput tuum.“ d Sed unge caput oleo exsultationis, „oleo laetitiae“,e oleo misericordiae, ita ut secundum mandatum sapientiae „misericordia et fides non deserant te“.f Propterea enim et apostolus Paulus uolens abstrahere nos ab his uisibilibus et terrenis et erigere animos sensusque nostros ad coelestia clamat et dicit: „Si resurrexistis cum Christo, quae sursum sunt quaerite, non quae super terram.“ g Nonne aperte tibi dicit: Noli quaerere in terris Ierusalem nec obseruantias legis nec ieiunium Iudaeorum, sed ieiunium Christi? Ieiunans enim debes adire pontificem tuum Christum, qui utique non in terris requirendus est, sed in coelis, et per ipsum debes offerre hostiam Deo. Vis tibi adhuc ostendam, quale te oportet ieiunare ieiunium? Ieiuna ab omni peccato, nullum cibum sumas malitiae, nullas capias epulas uoluptatis, nullo uino luxuriae concalescas. Ieiuna a malis actibus, abstine a malis sermonibus, contine te a cogitationibus pessimis. Noli contingere panes furtiuos peruersae doctrinae. Non concupiscas fallaces philosophiae cibos, qui te a ueritate seducant. Tale ieiunium Deo placet. „Abstinere“ uero „a cibis, quos Deus creauit ad percipiendum | cum gratiarum actione fidelibus“ h et hoc facere cum his, qui Christum crucifixerunt, acceptum esse non potest Deo. Indignati sunt aliquando et Pharisaei Domino, cur non ieiunarent discipuli eius. Quibus ille respondit quia: „Non possunt filii sponsi ieiunare, quamdiu cum ipsis est sponsus.“ i Illi ergo ieiunent, qui perdiderunt sponsum, nos habentes nobiscum sponsum ieiunare non possumus. Nec hoc tamen ideo dicimus, ut abstinentiae Christianae frena laxemus; habemus enim quadragesimae dies ieiuniis consecratos, habemus quartam et sextam septimanae diem, quibus sollemniter ieiunamus. Est certe libertas Christiano per omne tempus a

Mt. 6,17 b2 Kor. 3,18 Kol. 3,1.2 h1 Tim. 4,3

g

c

Mt. 6,17 Mt. 9,15

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Ps. 140(141),5

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Ps. 44(45),8

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Spr. 3,3

397 Vgl. Hirt des Hermas, sim. V 3,6: „Zuallererst hüte dich vor jedem bösen Wort

und jeder bösen Begierde, und reinige dein Herz von allen Nichtigkeiten dieser Welt. Wenn du das beachtest, wird dieses Fasten vollkommen sein.“ Übersetzung: Leutzsch, SUC 3, 259. 398 Für diese christlichen Fasttage vgl. Did. 8,1: „Eure Fasttage sollen nicht mit den Heuchlern gemeinsam sein! Sie fasten nämlich am Montag und Donnerstag; ihr aber sollt am Mittwoch und Freitag fasten“; Übersetzung: Wengst, SUC 2, 79. Clemens von Alexandria, strom. VII 75,2 (GCS Clem. Al. 32, 54): „Er (sc. der Gnostiker) kennt

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ten willst, faste gemäß der Vorschrift des Evangeliums und beachte beim Fasten die Gesetze des Evangeliums, in denen der Erlöser auf diese Weise Anordnungen über das Fasten gibt: „Du aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht!“a Wenn du aber fragst, wie du dein Gesicht waschen sollst, lehrt der Apostel Paulus, auf welche Weise du „mit enthülltem Gesicht die Herrlichkeit des Herrn betrachtest, zu demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit verwandelt, gleichsam vom Geist des Herrn“.b „Salbe“ auch „dein Haupt“,c achte jedoch darauf, dass du es nicht mit dem Öl der Sünde tust: Denn „das Öl des Sünders soll dein Haupt nicht benetzen.“ d Sondern salbe das Haupt mit dem Öl des Jubels, „mit dem Öl der Freude“,e mit dem Öl der Barmherzigkeit, sodass gemäß der Anordnung der Weisheit „Barmherzigkeit und Glaube dich nicht verlassen“.f Denn deswegen ruft auch der Apostel Paulus, weil er uns von diesen sichtbaren und irdischen Dingen fortziehen und unsere Geister und Sinne zu den himmlischen Dingen hin aufrichten will: „Wenn ihr mit Christus auferstanden seid, sucht, was oben ist, nicht, was auf der Erde ist.“ g Sagt er dir nicht offensichtlich: Suche nicht Jerusalem auf der Erde noch die Beachtung des Gesetzes noch das Fasten der Juden, sondern das Fasten Christi? Denn fastend musst du zu deinem Hohepriester Christus hingehen, der keinesfalls auf der Erde zu suchen ist, sondern im Himmel, und durch ihn musst du Gott Opfer darbringen. Willst du, dass ich dir noch weiter zeige, welches Fasten du fasten sollst? Faste von aller Sünde, nimm keine Speise der Bösartigkeit, ergreife keine Gerichte der Vergnügung, erwärme dich nicht mit dem Wein der Genusssucht. Faste von schlechten Taten, enthalte dich von schlechten Reden, halte dich zurück von den sehr schlechten Gedanken.397 Berühre nicht die gestohlenen Brote der verkehrten Lehre. Begehre nicht die trügerischen Speisen der Philosophie, die dich von der Wahrheit wegführen. Ein solches Fasten gefällt Gott. „Sich“ hingegen „von Speisen zu enthalten, die Gott geschaffen hat, damit sie die Gläubigen mit Danksagung annehmen,“ h und das mit denen zu tun, die Christus gekreuzigt haben, kann von Gott nicht angenommen werden. Einmal empörten sich auch die Pharisäer über den Herrn, warum seine Schüler nicht fasteten. Er antwortete ihnen: „Die Söhne des Bräutigams können nicht fasten, solange der Bräutigam mit ihnen ist.“ i Jene also sollen fasten, die den Bräutigam verloren haben, wir, die wir den Bräutigam mit uns haben, können nicht fasten. Wir sagen das jedoch nicht deshalb, um der christlichen Enthaltsamkeit die Zügel zu lockern; denn wir haben die vierzig Tage, die dem Fasten geweiht sind, wir haben den vierten und den sechsten Tag der Woche, an denen wir feierlich fasten.398 Der Christ hat sicherlich die Freiheit, die ganze Zeit hindurch zu fasten, nicht durch den Aberglauben der auch die geheime Bedeutung des Fastens an den bekannten Tagen, ich meine am Mittwoch und am Freitag, von denen der eine nach Hermes, der andere nach Aphrodite benannt ist“; Übersetzung: Stählin, BKV² II 20, 79.

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Homilia X

ieiunandi, non obseruantiae superstitione, sed uirtute continentiae. Nam quomodo apud eos castitas incorrupta seruatur nisi artioribus continentiae fulta subsidiis? Quomodo scripturis operam nauant, quomodo scientiae et sapientiae student? Nonne per continentiam uentris et gutturis? Quomodo quis se ipsum castrat „propter regnum coelorum“,a nisi ciborum affluentiam resecet, nisi abstinentia utatur ministra? Haec ergo Christianis ieiunandi ratio est. Sed est et alia adhuc religiosa, cuius laus etiam quorundam apostolorum litteris praedicatur. Inuenimus enim in quodam libello ab apostolis dictum: „Beatus est, qui etiam ieiunat pro eo, ut alat pauperem.“ Huius ieiunium ualde acceptum est apud Deum et reuera digne satis; imitatur enim illum, qui animam suam posuit pro fratribus suis.b Quid ergo ueteribus pannis noua indumenta miscemus? Quid in utres ueteres mittimus uinum nouum? c „Vetera transierunt: ecce, facta sunt“ omnia „noua“,d per Christum Dominum nostrum, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ e a

Mt. 19,12

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Vgl. 1 Joh. 3,16

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Vgl. Mt. 9,16f.

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2 Kor. 5,17

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1 Petr. 4,11

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Gesetzesobservanz, sondern durch die Tugend der Enthaltsamkeit. Denn wie wird bei diesen die Keuschheit unverdorben bewahrt, wenn nicht gestützt auf die festeren Hilfsmittel der Enthaltsamkeit? Wie geben sie sich Mühe mit den Schriften, wie streben sie nach Erkenntnis und Weisheit? Nicht etwa durch Enthaltsamkeit von Bauch und Kehle? Wie entmannt sich jemand „wegen des Himmelreiches“,a wenn er nicht den Überfluss der Speisen abschneidet, wenn er nicht Enthaltsamkeit als Gehilfin gebraucht? Dies also ist die Form des Fastens für die Christen. Es gibt jedoch auch noch eine andere gottesfürchtige Form, deren Lob auch in den Schriften bestimmter Apostel verkündet wird. Denn wir finden in einem Büchlein von den Aposteln gesagt: „Selig ist, der auch dazu fastet, dass er den Armen ernährt.“399 Dessen Fasten ist bei Gott sehr wohlgefällig und ist tatsächlich reichlich würdig; denn er ahmt den nach, der sein Leben für seine Brüder gegeben hat.bWarum also vermischen wir neue Kleider mit alten Fetzen? Warum geben wir neuen Wein in alte Schläuche? c „Das Alte ist vergangen: Siehe“, alles „ist neu geworden“ d durch Christus, unseren Herrn. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ e

399 Vgl. Hirt des Hermas, sim. V 3,7: „Wenn du alles vorher Geschriebene erfüllt hast,

sollst du an jenem Tag, an dem du fastest, nichts genießen außer Brot und Wasser; und von deinen Speisen, die du verzehren wolltest, sollst du die Höhe der Kosten jenes Tages überschlagen, die du aufwenden wolltest, und sollst es zurücklegen und einer Witwe oder Waise oder einem Bedürftigen geben.“ Übersetzung: Leutzsch, SUC 3, 259–261. Für dieses apokryphe Apostelwort siehe Resch, Agrapha 267.

HOMILIA XI.

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De eo quod scriptum est: „Sancti estote, quia et ego sanctus sum, dicit Dominus.“ a

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1. Nuper in auribus ecclesiae recitatus est sermo Dei dicens: „Estote sancti, quia et ego sanctus sum Dominus Deus uester.“ b Nomen hoc „sanctus“ quid sibi uelit, quidue significet in scripturis diuinis, diligentius requirendum est, ut, cum uim uerbi didicerimus, etiam opus eius possimus implere. Congregemus ergo de scripturis diuinis, super quibus „sanctum“ dici inuenimus, et deprehendimus non solum homines, sed etiam muta animalia sancta appellata;c inuenimus et uasa ministerii sancta uocitata d et uestimenta sancta dici e et loca nihilominus, quae in urbibus uel suburbibus posita sunt et sacerdotibus deputata.f Ex mutis quidem animalibus primogenita boum uel pecorum sanctificari per legem Domino iubentur et dicitur: ne facias, inquit, in iis opus ullum, „quoniam Domino sanctificata sunt“.g Super uasis uero, cum in tabernaculo testimonii uasa ministerii turibula uel phialae uel cetera huiusmodi uasa sancta appellantur.h Super uestimentis etiam cum stola pontificis Aaron et tunica linea et cetera huiusmodi uestimenta sancta dicuntur.i Si ergo intueamur, quo sensu haec omnia sancta nominata sunt, aduertemus, quomodo etiam nos dare operam debeamus, ut sancti esse possimus. Natus est mihi primogenitus bos: non mihi licet occupare eum ad opus commune; est enim Domino consecratus et ideo dicitur sanctus. Intelligimus ergo ex hoc muto animali, quomodo lex, quod sanctum uult esse, nulli alii id deseruire iubet nisi Domino soli. | Iterum pateras uel phialas quas dicit sanctas, illae sunt, quae numquam iubentur exire de templo, sed esse semper in sanctis nec ullis penitus humanis usibus ministrare. Similiter et uestimenta, quae sancta nominana

Lev. 19,2; 20,7 bLev. 19,2; 20,7 cVgl. Ex. 13,2 dVgl. Ex. 40,9 Vgl. Ex. 28,2; Lev. 16,4 fVgl. Num. 35,2 gEx. 13,2; vgl. Dtn. 15,19 h Vgl. Ex. 25,29; 40,9 iVgl. Ex. 28,2; Lev. 16,4.32 e

400 Über heilige Menschen und Tiere schreibt Origenes in Num. hom. 24,2 (GCS Orig.

7, 230): „Denn heilig werden die genannt, die sich Gott weihen. Daher wird auch der Widder, zum Beispiel, wenn er Gott geweiht wird, heilig genannt, und es ist nicht erlaubt, ihn für eine profane Verwendung zu scheren. Doch auch das Kalb, wenn es

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HOMILIE 11 Über die Schriftstelle: „Seid heilig, weil auch ich heilig bin, sagt der Herr.“a

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1. Soeben wurde vor den Ohren der Kirche das Wort Gottes vorgelesen, das besagt: „Seid heilig, weil auch ich heilig bin, der Herr, euer Gott.“ b Was dieser Begriff „heilig“ sagen will, oder was er in den göttlichen Schriften bezeichnet, ist sorgfältiger zu prüfen, damit wir, wenn wir die Bedeutung des Wortes gelernt haben, es auch in die Tat umsetzen können. Wir wollen also aus den göttlichen Schriften zusammensammeln, wozu wir das Wort „heilig“ gesagt finden, und wir stellen fest, dass nicht nur Menschen, sondern auch stumme Tiere heilig genannt werden;c 400 wir finden, dass auch Gefäße für den Dienst als heilig bezeichnet d und Gewänder heilig genannt werden e und genauso Orte, die in Städten oder Vorstädten liegen und für die Priester bestimmt sind.f Von den stummen Tieren wird durch das Gesetz befohlen, dass die Erstgeborenen von den Rindern und vom Kleinvieh dem Herrn geheiligt werden, und es wird gesagt: Tu nicht, heißt es, irgendeine Arbeit mit ihnen, „weil sie dem Herrn geheiligt sind“.g Bezüglich der Gefäße hingegen, wenn sie im Bundeszelt Gefäße des Dienstes sind, Räucherpfannen, Schalen oder etwas anderes derartiges, werden sie heilige Gefäße genannt.h Auch bezüglich der Gewänder, wenn es das Obergewand des Hohepriesters Aaron und das Leinengewand und anderes derartiges ist, werden sie heilige Gewänder genannt.i Wenn wir also betrachten, in welchem Sinn all dies als heilig bezeichnet wird, werden wir bemerken, wie auch wir uns Mühe geben müssen, um heilig sein zu können. Mir ist ein erstgeborenes Rind geboren: Es steht mir nicht zu, es für eine gewöhnliche Tätigkeit zu benutzen; denn es ist dem Herrn geweiht und wird deshalb heilig genannt. Wir verstehen also aus diesem stummen Tier, wie das Gesetz befiehlt, dass das, was es will, dass es heilig ist, nichts anderem dient als dem Herrn allein. Die Opfergefäße und Schalen wiederum, die es heilig nennt, sind jene, von denen befohlen wird, dass sie niemals aus dem Tempel hinausgehen, sondern immer heiligem und auf gar keinen Fall menschlichem Gebrauch dienen. Ebenso wird auch befohlen, dass die Gewänder, die heilig genannt werden, dem Hohepriester nicht zum GeGott geweiht ist, wird ebenso heilig genannt, und es ist nicht erlaubt, es für gewöhnliche Arbeit einzuspannen.“

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tur, non iubentur intra domum usui deseruire pontificis, sed in templo esse et inde omnino numquam efferri, sed ad hoc tantum consecrata esse, ut iis Deo ministrans pontifex induatur et sint semper in templo, ad ceteros uero usus communes utatur communibus indumentis. Similiter et pateris ac phialis his, quae sancta appellantur, ad humanos et communes usus uti non licet, sed tantum ad diuina ministeria. Quod si intellexisti, quomodo uel animal uel uas uel uestimentum sanctum appellatur, consequenter intellige quod his obseruationibus et legibus etiam homo sanctus appelletur. Si qui enim se ipsum deuouerit Deo, si qui nullis se negotiis saecularibus implicauerit, „ut ei placeat, cui se probauit“,a si qui separatus est et segregatus a reliquis hominibus carnaliter uiuentibus et mundanis negotiis obligatis non quaerens ea, „quae super terram“,b sed quae in coelis sunt, iste merito sanctus appellatur. Donec enim permixtus est turbis et in multitudine fluctuantium uolutatur nec uacat soli Deo segregatus a uulgo, non potest esse sanctus. Nam de his quid dicemus, qui cum gentilium turbis ad spectacula maturant et conspectus suos atque auditus impudicis et uerbis et actibus foedant? Non est nostrum pronuntiare de talibus. Ipsi enim sentire et uidere possunt, quam sibi delegerint partem.Tu ergo, qui haec audis, cui lex diuina recitatur, quem ipsius etiam Dei sermo conuenit dicens: „Sancti estote, quia et ego sanctus sum Dominus Deus uester“,c sapienter intellige quae dicuntur, ut sis beatus, cum feceris ea. Hoc est enim, quod dicitur tibi: Separa te ab omni non solum homine, sed et fratre inquiete ambulante et non secundum traditiones apostolicas.d „Separamini“ etenim „qui portatis“ inquit „uasa Domini, et exite de medio eorum, dicit Dominus.“ e Separa te a terrenis actibus, separa te a concupiscentia mundi: „Omne enim quod in mundo est“ secundum apostolum „concupiscentia carnis est et concu|piscentia oculorum“,f quae non est a Deo. Cum ergo separaueris te ab his omnibus, deuoue te Deo tamquam primogenitum uitulum; non operetur per te peccatum nec iugum tibi imponat malitia, sed esto semotus et segregatus, usibus tantum sacerdotalibus tamquam primogenitum animal mancipatus.g Segregare et secernere, tamquam phialae sanctae et sancta turibula solius templi usibus et Dei ministerio uacans.h Separa te et semoue ab omni pollutione peccati et esto semotus et segregatus intra templum Dei tamquam sancta indumenta pontificis. In templo namque Dei est segregatus et separatus ille, qui „in lege Dei meditatur die ac nocte“ i et qui „in mandatis eius cupit nimis“.j a f

2 Tim. 2,4 1 Joh. 2,16

b

Kol. 3,2 cLev. 19,2; 20,7 dVgl. 2 Thess. 3,6 eVgl. Jes. 52,11 Vgl. Ex. 13,2 hVgl. Ex. 25,29 i Ps. 1,2 j Ps. 111(112),1

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brauch im Haus dienen, sondern sich im Tempel befinden und von dort überhaupt niemals hinausgetragen werden, sondern nur dafür geweiht sind, dass sie der Hohepriester während seines Dienstes für Gott anzieht und sie immer im Tempel sind, er für den übrigen gewöhnlichen Gebrauch hingegen gewöhnliche Kleider verwendet. Ebenso ist es auch nicht erlaubt, diese Opfergefäße und Schalen, die heilig genannt werden, zu menschlichem und gewöhnlichem Gebrauch zu verwenden, sondern nur für die göttlichen Dienste. Wenn du aber verstanden hast, wie ein Tier, ein Gefäß oder ein Gewand heilig genannt wird, verstehe folgerichtigerweise, dass durch die Beachtung der Gesetze auch ein Mensch heilig genannt wird. Denn wenn jemand sich selbst Gott geweiht hat, wenn jemand sich in keine weltlichen Geschäfte verwickelt, „damit er dem gefällt, der ihn angenommen hat“,a wenn jemand getrennt ist und abgesondert von den übrigen Menschen, die fleischlich leben und weltlichen Geschäften verpflichtet sind, und nicht das sucht, „was auf der Erde ist“,b sondern was im Himmel ist, der wird mit Recht heilig genannt. Denn solange er unter die Massen gemischt ist und in der Menge der Schwankenden umhergetrieben wird und nicht frei, allein für Gott abgesondert vom Volk, ist, kann er nicht heilig sein. Denn was sollen wir über die sagen, die mit den Massen der Heidenvölker zu den Schauspielen eilen und ihre Blicke und das Gehör mit unanständigen Worten und Handlungen besudeln? Es ist nicht an uns, ein Urteil über solche Leute zu fällen. Denn sie können selbst wahrnehmen und sehen, welchen Teil sie für sich gewählt haben. Du also, der du dies hörst, dem das göttliche Gesetz vorgetragen wird, den sogar das Wort Gottes selbst trifft, das sagt: „Seid heilig, denn auch ich bin heilig, der Herr, euer Gott“,c verstehe weise, was gesagt wird, damit du selig bist, wenn du dies tust. Denn das ist es, was dir gesagt wird: Trenne dich nicht nur von jedem Menschen, sondern auch von jedem Bruder, der unruhig lebt und nicht gemäß den apostolischen Überlieferungen.d Denn „trennt euch“, heißt es, „die ihr die Gefäße des Herrn tragt, und geht hinaus aus ihrer Mitte, spricht der Herr.“ e Trenne dich von irdischen Handlungen, trenne dich von der Begierde der Welt: „Denn alles, was in der Welt ist, ist“ gemäß dem Apostel „Begierde des Fleisches und Begierde der Augen“,f die nicht von Gott ist. Wenn du dich also von all dem getrennt hast, weihe dich Gott wie ein erstgeborenes Kalb; durch dich soll nicht die Sünde wirken noch soll dir die Bosheit ein Joch auferlegen, sondern du sollst entfernt und abgesondert sein, wie ein erstgeborenes Tier nur dem priesterlichen Gebrauch hingegeben.g Sondere dich ab und trenne dich ab, wie heilige Schalen und heilige Räucherpfannen frei für den Gebrauch des Tempels und den Dienst Gottes allein.h Trenne dich und entferne dich von jeder Verunreinigung der Sünde und sei entfernt und abgesondert innerhalb des Tempels Gottes wie die heiligen Gewänder des Hohepriesters. Denn im Tempel Gottes ist der abgesondert und getrennt, „der über das Gesetz Gottes nachsinnt Tag und Nacht“ i und der „seinen Anordnungen sehr zugetan ist“.j

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„Sancti“ ergo „estote, dicit Dominus, quia et ego sanctus sum.“a Quid est: „quia et ego sanctus sum“? Sicut ego, inquit, segregatus sum et longe separatus ab omnibus, quae adorantur uel coluntur siue in terra, siue in coelo; sicut ego excedo omnem creaturam atque ab uniuersis, quae a me facta sunt, segregor: ita et uos segregati estote ab omnibus, qui non sunt sancti nec Deo dicati. Segregari autem dicimus non locis, sed actibus, nec regionibus, sed conuersationibus. Denique et ipse sermo in graeca lingua, quod dicitur ἅγιος, quasi extra terram esse significat. Quicumque enim se consecrauerit Deo, merito extra terram et extra mundum uidebitur; potest enim et ipse dicere: Super terram ambulantes „conuersationem in coelis habemus“.b Solomon quoque in Prouerbiis dicit: „Laqueus est uiro forti cito aliquid de suis sanctificare; postea enim quam uouerit euenit poenitere.“ c Et hoc est utique quod dicit, ne quis forte, cum fructus ex area aut uinum ex torcularibus colligit d et dixerit: Volo tantum offerre ecclesiae uel in usum pauperum aut peregrinorum tantum praebere; si postea ex eo modo, quem uouit, aliquid ad usus proprios praesumat, iam non de suis fructibus praesumpsit, sed sancta Dei uiolauit. Et ideo laqueus forti est sanctificare aliquid,e hoc est uouere Deo et postmodum poenitentia ductum | ad usus proprios ea, quae consecrauerat, reuocare. Sed et si nos ipsos consecramus et offerimus Deo aut etiam si alios uouemus, obseruemus hunc laqueum, ne forte, posteaquam nos Deo uouimus, iterum humanis usibus uel actibus subiugemur. Vouet autem se unusquisque, uerbi gratia, sicut Nazaraei faciebant tribus aut quattuor aut quot placuisset annis templo se consecrantes Dei, ut ibi semper uacarent obseruantes illa, quae de Nazaraeis scripta sunt; ut comam capitis nutrirent nec adscenderet ferrum super caput eorum f toto uoti sui tempore, ut uinum non contingerent neque aliquid ex uite g et cetera quaecumque complexa fuisset uoti professio. Sed et alium quis ita uouet Deo, sicut Anna fecit Samuelem; ante enim quam nasceretur, obtulit eum Deo dicens: „Et dabo eum Domino datum omnibus diebus uitae suae.“ h Ex quibus omnibus clarum est, quomodo unusquisque nostrum, qui uult esse sanctus, consecrare se debeat Deo et nullis praeterea negotiis uel actibus, qui ad Deum minime pertinent, occupari. 2. Post haec scriptum est: „Seruate“ inquit „praecepta mea et facite ea, ego Dominus“ i et his addidit: „Homo homo si maledixerit patrem aut a

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Lev. 19,2; 20,7 Vgl. Num. 6,5

Phil. 3,20 cVgl. Spr. 20,19(25) dVgl. Dtn. 16,13 Vgl. Num. 6,4 h 1 Sam. 1,11 i Lev. 20,8

e

Vgl. Spr. 20,19(25)

401 Mit Borret, SC 287, 148, ist im Sprichwörterzitat forti statt fortis (so Baehrens, GCS

Orig. 6, 448) zu lesen. 402 Diese beiden Möglichkeiten des Gelübdes werden auch in Num. hom. 24,2 (GCS

Orig. 7, 229) erwähnt, mit Hanna und Jiftach als Beispielen. Außerdem kann auch etwas vom eigenen Besitz geweiht werden. 403 Zu den Nasiräern siehe in Lev. hom. 8,11 (GCS Orig. 6, 413) und dazu oben S. 296 Anm. 342.

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„Seid“ also „heilig, sagt der Herr, weil auch ich heilig bin.“aWas bedeutet: „weil auch ich heilig bin“? So wie ich, sagt er, abgesondert und weit getrennt bin von allem, was angebetet und verehrt wird, sei es auf der Erde, sei es im Himmel; so wie ich über jedes Geschöpf hinausgehe und mich von allem, was von mir gemacht worden ist, absondere: so sollt auch ihr von allen abgesondert sein, die nicht heilig und nicht Gott geweiht sind. Abgesondert aber, sagen wir, nicht von Orten, sondern von Handlungen, nicht von Gegenden, sondern vom Lebenswandel. Schließlich bezeichnet auch das Wort selbst in der griechischen Sprache, das hagios heißt, gleichsam, außerhalb der Erde zu sein. Denn wer immer sich Gott weiht, wird mit Recht als außerhalb der Erde und außerhalb der Welt angesehen; denn er kann selbst auch sagen: Während wir auf der Erde wandeln, „haben wir den Lebenswandel im Himmel“.b Auch Salomo sagt in den Sprichwörtern: „Es ist ein Fallstrick für einen starken Mann, schnell etwas von dem Seinen zu heiligen; denn nachdem er es gelobt hat, geschieht es, dass er es bereut.“ c Und gewiss sagt er das, damit nicht etwa jemand, wenn er Früchte vom Feld oder Wein aus der Weinpresse sammelt,d sagt: Ich will es nur der Kirche darbringen oder nur für den Gebrauch der Armen und Fremden darbieten; wenn er später von diesem Maß, das er gelobt hat, etwas für den eigenen Gebrauch in Anspruch nimmt, hat er es schon nicht mehr von seinen Früchten genommen, sondern das Heilige Gottes entweiht. Und deshalb ist es ein Fallstrick für den Starken,401 etwas zu heiligen,e das heißt, Gott zu geloben, und danach, von Reue getrieben, zum eigenen Gebrauch das, was man geweiht hatte, zurückzurufen. Doch auch wenn wir selbst uns weihen und Gott darbringen oder auch wenn wir andere weihen,402 wollen wir diesen Fallstrick beachten, damit wir nicht etwa, nachdem wir uns Gott geweiht haben, wiederum für menschliche Verwendungen und Handlungen eingespannt werden. Es weiht sich aber jeder, zum Beispiel so, wie es die Nasiräer taten,403 die sich drei oder vier, oder wie viele Jahre es ihnen gefiel, dem Tempel Gottes weihten, damit sie dort beständig frei waren, das zu beachten, was über die Nasiräer geschrieben steht; dass sie das Kopfhaar wachsen lassen und nicht ein Schermesser über ihr Haupt erheben f während der ganzen Zeit ihres Gelübdes, dass sie keinen Wein berühren noch irgendetwas von der Weinrebe g und das Übrige, was die Bekundung des Gelübdes umfasst hatte. Doch auch einen anderen weiht jemand Gott so, wie Hanna es mit Samuel tat; denn bevor er geboren wurde, brachte sie ihn Gott dar, indem sie sagte: „Und ich werde ihn als Gabe dem Herrn geben für alle Tage seines Lebens.“ h Aus alledem ist klar, wie jeder von uns, der heilig sein will, sich Gott weihen muss und sich mit keinen sonstigen Geschäften und Handlungen, die nur sehr wenig mit Gott zu tun haben, beschäftigen darf. 2. Danach steht geschrieben: „Bewahrt“, heißt es, „meine Vorschriften und tut sie, ich bin der Herr“,i und dem fügte er an: „Ein Mensch, ein

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matrem suam, moriatur“;a et post multa, quae praecepit, quibus etiam poenas praeuaricationis adscripsit, addit in clausula: „Et seruate omnia praecepta mea et iustificationes meas et iudicia mea.“ b  Vnde consequens mihi uidetur requirere, quid in his singulis indicetur. Equidem secundum quod obseruare potui, praeceptum est siue mandatum illud, quod, uerbi gratia, in decalogo dicitur: „Non occides, non adulterabis“;c hoc enim solum praecipitur et non adscribitur poena commissi. Nunc autem iterantur quidem eadem, sed additis poenis; dicitur enim: „Homo homo quicumque adulterauerit uxorem uiri et uxorem | proximi sui, morte moriatur is, qui adulterat, et quae adulteratur. Et si quis dormierit cum uxore patris sui, turpitudinem patris sui detexit, morte moriantur, ambo rei sunt.“ d De his autem in prioribus iam data fuerant praecepta, sed non obseruantem quae maneret poena, non fuerat adscriptum. Nunc ergo eadem repetuntur et uniuscuiusque peccati poena decernitur; et ideo recte haec iustificationes et iudicia appellantur,e quibus quod iustum est recipere iudicatur ille qui peccat. Sed intuere ordinem diuinae sapientiae; non continuo poenas cum primis statuit praeceptis. Vult enim, ut non metu poenae, sed amore pietatis patris praecepta custodias; sed si contempseris, non tam homini iam quam contemptori poena mandatur. Primo ergo benignitate prouocaris ut filius: „Ego enim dixi: Dii estis, et filii excelsi omnes.“ f Quod si filius esse obediens non uis, contemptor plecteris ut seruus. Post haec dicit: „Et si quis dormierit cum nuru sua, morte moriantur ambo, impietatem fecerunt, rei sunt.“ g Et has leges uel haec praecepta absque poenis superius dederat; dixerat enim: „Turpitudinem nurus tuae non denudabis, quoniam uxor filii tui est, non reuelabis turpitudinem eius“,h et omnia quae subsequuntur. Et hunc locum simili modo ibi absque suppliciis, hic uero cum diuersis suppliciorum generibus adscripsit. Quo in loco recordor sermonis illius, quem beatus apostolus Paulus ad Hebraeos scribens dicit: „Irritam quis faciens legem Moysis sine ulla miseratione duobus aut tribus testibus moritur; quanto maioribus suppliciis dignus a f

Lev. 20,9 bLev. 20,22 cEx. 20,13.14; Dtn. 5,17.18 Ps. 81(82),6 gLev. 20,12 hLev. 18,15

d

Lev. 20,10f.

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Vgl. Lev. 20,22

404 Lev. 20,22 nennt nur zwei Ausdrücke, nach der Vulgata leges und iudicia. Origenes

zählt drei Begriffe auf (praecepta, iustificationes, iudicia), beschreibt aber im Anschluss nur zwei unterschiedliche Formen von Gesetzen, solche ohne und solche mit Strafandrohung, für die er aber weiter unten wie in seiner Form des Zitats von Lev. 20,22 erneut auf iustificationes et iudicia verweist. Vgl. zur Unterscheidung unterschiedlicher Formen von Geboten in Lev. hom. 16,2 (GCS Orig. 6, 493f.); in Num. hom. 11,1 (GCS Orig. 7, 76): „Nicht von der Anordnung, sondern vom Gesetz wird gesagt, dass es den Schatten künftiger Güter enthält“; in Ex. hom. 10,1 (GCS Orig. 6, 245f.); sel. in Hiez. 21,1 (PG 12, 293B); sel. in Ps. 18,8–10 (PG 12, 1244A–C); 118,1 (12, 1585D). 405 Diese beiden unterschiedlichen Motivationen, Furcht oder Liebe, beim Halten der Gebote Gottes beschreibt Origenes ausführlich in Ios. hom. 9,7 (GCS Orig. 7, 351f.). Vgl. auch in Gen. hom. 7,4 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 115): „Einige hangen Gott aus

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Mensch, wenn er seinen Vater oder seine Mutter verflucht, soll sterben“;a und nach vielem, was vorschrieb, wozu er auch Strafen für die Übertretung dazuschrieb, fügt er am Schluss hinzu: „Und bewahrt alle meine Vorschriften und meine Rechtfertigungen und meine Urteile.“ b 404 Daher scheint es mir folgerichtig, zu prüfen, worauf mit diesen einzelnen Bezeichnungen hingewiesen wird. Freilich ist gemäß dem, was ich beobachten konnte, eine Vorschrift oder eine Anordnung das, was zum Beispiel im Dekalog gesagt wird: „Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen“;c denn das wird nur vorgeschrieben und es wird keine Strafe für das Vergehen hinzugeschrieben. Nun aber wird zwar dasselbe wiederholt, aber unter Hinzufügung von Strafen; denn es wird gesagt: „Ein Mensch, ein Mensch, der mit der Frau eines Mannes und der Frau seines Nächsten Ehebruch begeht, der soll sterben, er, der Ehebruch begeht, und die, mit der Ehebruch begangen wird. Und wenn jemand mit der Frau seines Vaters schläft, hat er die Scham seines Vaters aufgedeckt, er soll sterben, beide sind schuldig.“ d Darüber waren aber schon vorher Vorschriften gegeben worden, doch die Strafe, die den erwartet, der sie nicht beachtet, war nicht dazugeschrieben worden. Nun also wird dasselbe wiederholt und die Strafe für jede einzelne Sünde bestimmt; und daher werden zu Recht die Rechtfertigungen und Urteile genannt,e durch die der, der sündigt, zu empfangen verurteilt wird, was gerecht ist. Betrachte jedoch die Ordnung der göttlichen Weisheit; sie setzte nicht unverzüglich mit den ersten Vorschriften die Strafen fest. Sie will nämlich, dass du die Vorschriften nicht aus Furcht vor Strafe, sondern aus frommer Liebe zum Vater beachtest;405 wenn du sie jedoch verachtest, wird nicht mehr so sehr dem Menschen als vielmehr dem Verächter eine Strafe angeordnet. Zuerst also wirst du mit Freundlichkeit wie ein Sohn aufgefordert: „Denn ich habe gesagt, Götter seid ihr und Söhne des Höchsten alle.“ f Wenn du aber kein gehorsamer Sohn sein willst, wirst du als Verächter bestraft wie ein Sklave. Danach sagt er: „Und wenn einer mit seiner Schwiegertochter schläft, sollen beide sterben, sie haben eine Schandtat begangen, sie sind schuldig.“ g Auch diese Gesetze beziehungsweise diese Vorschriften hatte er vorher ohne Strafen gegeben; denn er hatte gesagt: „Die Scham deiner Schwiegertochter sollst du nicht entblößen; weil sie die Ehefrau deines Sohnes ist, sollst du ihre Scham nicht offenbaren“,h und alles, was folgt. Auch diese Stelle schrieb er in gleicher Weise dort ohne Bestrafungen, hier hingegen mit verschiedenen Arten von Bestrafungen hinzu. An dieser Stelle erinnere ich mich an jenes Wort, das der selige Apostel Paulus an die Hebräer schreibt: „Wer das Gesetz des Mose ungültig macht, wird ohne jedes Erbarmen aufgrund von zwei oder drei Zeugen sterben; um wie viel größerer Bestrafungen wird der für würdig gehalten werden, der den

Liebe an, andere aus Angst und Furcht vor dem kommenden Gericht“; Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 157.

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putabitur, qui filium Dei conculcauerit et sanguinem testamenti pollutum duxerit, in quo sanctificatus est, et spiritui gratiae contumeliam fecerit?“a Sed quam ob causam mentionem fecerim scripturae huius, ausculta. Secundum legem adulter uel adultera morte moriebantur b nec poterant dicere: Poenitentiam petimus et ueniam deprecamur. Non erat lacrimis locus nec emendationi ulla concedebatur facultas, sed omnimodis puniri necesse erat, qui incurrisset in legem. | Hoc autem seruabatur et in singulis quibusque criminibus, quibus erat poena mortis adscripta. Apud Christianos uero si adulterium fuerit admissum, non est praeceptum, ut adulter uel adultera corporali interitu puniantur, nec potestas data est episcopo ecclesiae adulterum praesenti morte damnare, sicut tunc secundum legem fiebat a presbyteris populi. Quid igitur? Dicemus quod lex Moysi crudelis est quae iubet puniri adulterum uel adulteram et euangelium Christi per indulgentiam resoluit auditores in deterius? Non ita est. Propterea enim sermonem Pauli protulimus in superioribus dicentis: „quanto magis deterioribus suppliciis dignus est, qui filium Dei conculcauerit“ c et cetera. Audi ergo, quomodo neque tunc crudelis fuerit lex neque nunc dissolutum uideatur euangelium propter ueniae largitatem, sed in utroque Dei benignitas diuersa dispensatione teneatur. Hoc quod secundum legem, uerbi causa, adulter uel adultera praesenti morte puniebatur: propter hoc ipsum, quod peccati sui pertulit poenam et commissi sceleris exsoluit digna supplicia, quid erit post haec, quod animabus eorum ultionis immineat, si nihil aliud deliquerunt, si aliud peccatum non est, quod condemnet eos, sed hoc solum commiserunt et tunc tantum, cum puniti sunt et legis pro hoc supplicium pertulerunt? „Non uindicabit“ Dominus „bis in id ipsum“;d receperunt enim peccatum suum et consumpta est criminis poena. Et ideo inuenitur hoc genus praecepti non crudele, sicut haeretici asserunt accusantes legem Dei et negantes in ea humanitatis aliquid contineri, sed plenum misericordia, idcirco quod per hoc purgaretur ex peccatis populus magis quam condemnaretur. Nunc uero non infertur poena corpori nec purgatio peccati per corporale supplicium constat, sed per poenitentiam; quam utrum quis digne gerat, ita | ut mereri pro ea ueniam possit, uideto. a

Hebr. 10,28f.

b

Vgl. Lev. 20,10

c

Hebr. 10,29

d

Nah. 1,9

406 Vgl. in Hier. hom. 19,5(18,15) (GCS Orig. 32, 174f.): „Vergleiche die Strafen für die

Sünder im Gesetz mit den Strafen für die Sünder im Evangelium, und du wirst sehen, dass jene wie unmündige Kinder von Strafen hörten, die für jene als unmündige Kinder angebracht waren, wir aber wie Leute im Erwachsenenalter von schwereren Strafen hören. Wenn es damals einen Ehebrecher gab oder eine Ehebrecherin, war die Drohung nicht die Hölle, nicht das ewige Feuer, sondern: Er wird gesteinigt werden …“; Übersetzung: Fürst/Lona, OWD 11, 483. 407 Eine ähnliche Überlegung hinsichtlich der Schwere unterschiedlicher Strafen stellt Origenes, in Lev. hom. 14,4 (GCS Orig. 6, 484–486), an: Durch die Todesstrafe ist die

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Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes, in dem er geheiligt wurde, unrein gemacht und dem Geist der Gnade Schande bereitet hat?“a Höre jedoch zu, aus welchem Grund ich diese Schriftstelle erwähnt habe. Nach dem Gesetz sollten der Ehebrecher oder die Ehebrecherin sterben b und sie konnten nicht sagen:Wir erbitten Buße und flehen um Gnade. Es war kein Platz für Tränen noch wurde irgendeine Möglichkeit zur Besserung zugestanden, sondern der, der gegen das Gesetz gehandelt hatte, musste auf jeden Fall bestraft werden. Das wurde aber auch bei allen einzelnen Verbrechen beachtet, für die die Todesstrafe vorgeschrieben war. Bei den Christen hingegen ist es, wenn Ehebruch begangen wurde, nicht vorgeschrieben, dass der Ehebrecher oder die Ehebrecherin mit der körperlichen Vernichtung bestraft werden, und dem Bischof der Gemeinde ist nicht die Macht gegeben, den Ehebrecher zum sofortigen Tod zu verurteilen, so wie es damals nach dem Gesetz von den Ältesten des Volkes getan wurde. Was also? Sollen wir sagen, dass das Gesetz des Mose grausam ist, das befiehlt, den Ehebrecher oder die Ehebrecherin zu bestrafen, und das Evangelium Christi die Zuhörer durch Nachsicht zum Schlimmeren erlöst? So ist es nicht.406 Denn deswegen habe ich vorher das Wort des Paulus angeführt, der sagt: „um wie viel schlimmerer Bestrafungen ist würdig, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten hat“ c und so weiter. Höre also, wie weder damals das Gesetz grausam war noch jetzt das Evangelium wegen der Großzügigkeit der Gnade lax erscheint, sondern in beiden die Freundlichkeit Gottes in unterschiedlicher Zuteilung enthalten ist. Nach dem Gesetz wurde zum Beispiel ein Ehebrecher oder eine Ehebrecherin mit dem sofortigen Tod bestraft: Wegen der Tatsache, dass er die Strafe für seine Sünde erlitten und die des begangenen Vergehens würdigen Bestrafungen abgetragen hat, was wird es danach geben, was deren Seelen an Vergeltung droht, wenn sie nichts anderes begangen haben, wenn es keine andere Sünde gibt, die sie verurteilt, sondern dies allein begangen haben und nur damals, als sie bestraft wurden und die Bestrafung des Gesetzes dafür erlitten haben? Der Herr „wird nicht zweimal für dasselbe vergelten“;d denn sie haben ihre Sünde auf sich genommen und die Strafe für das Vergehen wurde vollzogen. Und deshalb wird diese Art von Vorschrift nicht als grausam gefunden, so wie die Häretiker behaupten, die das Gesetz Gottes anklagen und leugnen, dass darin irgendeine Menschlichkeit enthalten ist, sondern als voll von Barmherzigkeit, und zwar deshalb, weil dadurch das Volk eher von den Sünden gereinigt als verurteilt wurde.407 Jetzt hingegen wird die Strafe nicht dem Körper zugefügt noch besteht die Reinigung von der Sünde in körperlicher Bestrafung, sondern in Buße; ob jemand diese würdig erbringt, sodass er für sie Gnade verdienen kann, soll er sehen. Denn es gibt viele, die weder dazu geneigt sind Sünde gesühnt, daher ist sie nicht als übermäßig grausam anzusehen. Ist die Strafe nicht abgebüßt, steht sie im jenseitigen Leben noch bevor – was Origenes als schwerwiegender betrachtet.

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Homilia XI

Multi sunt enim, qui nec ad hoc inclinantur nec poenitentiae refugium quaerunt, sed, cum ceciderint, surgere ultra nolunt; delectantur enim in eo luto, quo haeserint, uolutari. Nos tamen non obliuiscimur praecepti illius, quo dicitur: „Qua mensura mensi fueritis, eadem remetietur uobis.“a Dicimus enim et ad Deum quoniam: „Dedisti nobis panem lacrimarum, et potasti nos in lacrimis in mensura.“ b Sunt ergo ista peccata, quae dicuntur „ad mortem“;c unde et consequens est, ut, quotiens commiserit quis tale peccatum, totiens moriatur. Multas enim esse peccati mortes significat etiam apostolus Paulus, cum dicit: „Qui de tantis mortibus eripuit nos et eripiet; in quo speramus quia et adhuc eripiet.“ d Quas ergo hic mortes plures commemorat nisi peccatorum? Si enim haec non diceret de mortibus peccatorum, uidebatur Paulus secundum sententiam suam immortalis esse mansurus ab hac communi morte, qui dicit quia: „De tantis mortibus eripuit nos et eripiet; in quo speramus quia et adhuc eripiet.“ e Si enim et eripuit et eripiet, numquam erit quando moriatur, quem Dominus semper eripiet. Et ideo secundum ea, quae discussimus, uidendum est ne forte aliquanto etiam grauius sit nobis, qui pro peccato communi hac morte minime punimur, quam illis, quos legis sententia corporaliter condemnabat; quia nobis ultio reponitur in futurum, illos absoluebant commissi sui persoluta supplicia. Quod et si aliquis est, qui forte praeuentus est in huiuscemodi peccatis, admonitus nunc uerbo Dei ad auxilium confugiat poenitentiae, ut, si semel admisit, secundo non faciat, aut, si et secundo iam aut etiam tertio praeuentus est, ultra non addat. Est enim apud iudicem iustum poenae moderatio, non solum pro qualitate, uerum etiam pro quantitate. 3. Inter cetera ergo peccata, quae morte puniuntur, refert diuina lex quod et „qui maledixerit patri aut matri, morte moriatur“.f Nomen | patris grande mysterium est et nomen matris arcana reuerentia est. Pater tibi secundum spiritum Deus est; mater Hierusalem coelestis est.g Propheticis haec et aposto­ a

Mt. 7,2 bPs. 79(80),6 c1 Joh. 5,16 Vgl. Gal. 4,26; Hebr. 12,22

g

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2 Kor. 1,10

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2 Kor. 1,10

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Lev. 20,9

408 Vgl. strom. X frg. (PG 11, 103): „Jede Sünde, die zum Tod führt, ist als Tod zu bezeich-

nen. Und so oft man glaubt, dass wir sterben, so oft sündigen wir zum Tode.“ Zu den Todsünden und ihrer Vergebung siehe Rahner, Bußlehre des Origenes 91–110. Eine solche Sünde kann nur „durch den ‚Tod‘ der Exkommunikationsbuße“ (ebd. 166) vergeben werden. 409 Die meisten griechischen Textzeugen haben hier „Tod“ im Singular. Die Variante „Tode“ im Plural ist jedoch auch gut bezeugt; die Vulgata spricht von „Gefahren“ (periculis). 410 Vom „gewöhnlichen Tod“ unterscheidet Origenes den durch die Sünde verursachten Tod: vgl. in Ioh. comm. XIII 23,140 (GCS Orig. 4, 247). In dial. 25 (SC 67, 102–104) erwähnt er den Tod für die Sünde: „Welches sind die drei Arten des Todes? ‚Es lebt jemand für Gott und ist für die Sünde gestorben‘ (vgl. Röm. 6,2) nach dem Worte des

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noch Zuflucht zur Buße suchen, sondern, wenn sie gefallen sind, nicht wieder aufstehen wollen; denn sie erfreuen sich daran, sich in dem Dreck, in dem sie steckengeblieben sind, herumzuwälzen.Wir jedoch vergessen nicht jene Vorschrift, in der gesagt wird: „Mit welchem Maß ihr messt, mit demselben wird euch zugemessen werden.“a Denn wir sagen auch zu Gott: „Du hast uns Tränenbrot gegeben und du hast uns mit Tränen in vollem Maß getränkt.“ b Es gibt also die Sünden, die „zum Tod“ c genannt werden; daher ist es auch folgerichtig, dass jemand so oft sterben soll, wie er eine solche Sünde begeht.408 Denn dass es viele Tode für die Sünde gibt, darauf verweist auch der Apostel Paulus, wenn er sagt: „Der uns aus so vielen Toden entrissen hat und entreißen wird; auf ihn hoffen wir, dass er uns auch jetzt entreißen wird.“ d 409 Welche vielfachen Tode erwähnt er hier, wenn nicht die der Sünden? Denn wenn er dies nicht über die Tode der Sünden gesagt hätte, schiene Paulus nach seinem Urteil unsterblich zu bleiben vom gewöhnlichen Tod, sagt er doch: „Aus so vielen Toden hat er uns entrissen und wird er uns entreißen; auf ihn hoffen wir, dass er uns auch jetzt entreißen wird.“ e Denn wenn er sowohl entrissen hat als auch entreißen wird, gäbe es niemals eine Zeit, zu der sterben würde, wen der Herr immer entreißen wird. Und deshalb muss man gemäß dem, was wir erörtert haben, zusehen, dass nicht etwa uns, die wir für die Sünde keineswegs mit diesem gewöhnlichen Tod bestraft werden, sogar bedeutend Schwereres zukommt als jenen, die das Urteil des Gesetzes körperlich verurteilte; denn uns wird die Vergeltung für die Zukunft aufbewahrt, jene erbrachten die erbrachten Bestrafungen für ihr Vergehen.410 Wenn es aber jemanden gibt, der vielleicht schon in Sünden dieser Art gelangt ist und nun, ermahnt durch das Wort Gottes, Zuflucht zur Hilfe der Buße nimmt, sodass er, wenn er sie einmal begangen hat, sie kein zweites Mal tut oder, wenn er schon zum zweiten oder sogar zum dritten Mal dahin gelangt ist, nicht weitere hinzufügt.411 Denn es gibt bei einem gerechten Urteil ein Maßhalten der Strafe, nicht nur für die Qualität, sondern auch für die Quantität. 3. Unter den übrigen Sünden also, die mit dem Tod bestraft werden, überliefert das göttliche Gesetz, dass auch, „wer Vater oder Mutter verflucht, sterben soll“.f Der Name des Vaters ist ein großes Mysterium und der Name der Mutter ist geheimnisvolle Ehrerbietung. Dein Vater dem Geist nach ist Gott; die Mutter ist das himmlische Jerusalem.g Lerne dies durch die prophetischen Apostels. Das ist ein seliger Tod. Es stirbt jemand für die Sünde. Diesen Tod ist mein Herr gestorben.“ Übersetzung: Früchtel, BGrL 5, 42. 411 Vgl. in Ios. hom. 7,6 (GCS Orig. 7, 334): „Wenn er heftig ermahnt und für das Vergehen einmal und noch einmal und auch ein drittes Mal zurechtgewiesen wurde und keine Besserung zeigt, verwenden wir die Zucht der Medizin“; in Lev. hom. 15,2 (GCS Orig. 6, 489): „Denn für schwerwiegendere Verbrechen wird nur einmal der Ort der Buße zugestanden; diese gewöhnlichen Verfehlungen hingegen, in die wir häufig geraten, erhalten immer eine Buße …“

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Homilia XI

licis testimoniis disce. Hic ipse Moyses scribit in cantico: „Nonne hic ipse pater tuus acquisiuit te et possedit te?“a Apostolus uero dicit de Hierusalem coelesti quia: „Libera est, quae est“ inquit „mater omnium nostrum.“ b Primo ergo tibi pater Deus est, qui genuit spiritum tuum, qui et dicit: „Filios genui et exaltaui.“ c Sed et Iacobus apostolus dicit: „Obtemperemus patri spirituum et uiuemus.“ d Secundo tibi pater est carnis pater, cuius ministerio in carne natus es atque in hunc mundum uenisti, qui te portauit in lumbis; sicut dicitur de Leui quia: „Adhuc in lumbis erat Abrahae, quando occurrit ei Melchisedech“,e regresso a caede regum, et benedixit eum, et decimas accepit ab eo.f Quia igitur tam sacratum nomen est patris et tam uenerabile, idcirco „qui maledixerit patri aut matri, morte morietur“.g Similia etiam de matre aestimanda sunt, cuius labore, cuius cura, cuius ministerio et natus es et nutritus. Et oportet te secundum apostolum parem gratiam referre parentibus.h Si enim dehonoraueris patrem carnalem, huius contumelia ad patrem spirituum i redit; et si iniuriam feceris matri carnali, ad illam matrem Hierusalem coelestem j redundat iniuria. Sic et seruus si domino irreuerens sit, per hunc corporalem dominum in Dominum maiestatis k contumeliam iactat; ille enim huic carnali domino suum nomen imposuit. Et ideo nullo genere aduersum patrem aut matrem, ne uerbo quidem, habendum certamen est aut mouenda contradictio. Pater est, mater | est; ut ipsis uidetur, agant, faciant, dicant; ipsi nouerint. Quantumcumque detulerimus obsequii, nondum reddimus uicem gratiae, qua geniti sumus, qua portati, qua hausimus lucem, qua nutriti sumus, fortassis et eruditi et honestis artibus instituti. Et ipsis fortasse auctoribus agnouimus Deum et ad ecclesiam Dei uenimus et sermonem diuinae legis audiuimus. Propter haec ergo omnia quicumque „maledixerit patri aut matri, morte morietur“.l Quod si haec de corporalibus parentibus decernuntur, a

Dtn. 32,6 bGal. 4,26 cJes. 1,2 dHebr. 12,9 Lev. 20,9 hVgl. Röm. 1,30 iVgl. Hebr. 12,9 k Vgl. Ps. 28(29),3 l Lev. 20,9 g

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Hebr. 7,10 fVgl. Gen. 14,17–20 Vgl. Gal. 4,26; Hebr. 12,22

j

412 Hier liegt offensichtlich ein Fehler in der Überlieferung vor. Borret, SC 287, 160,

ersetzt in seiner Edition Iacobus durch Paulus. Origenes schreibt sonst immer den Hebräerbrief dem Apostel Paulus zu, z.  B. auch kurz vorher in der vorliegenden Homilie: in Lev. hom. 11,2 (GCS Orig. 6, 451). Eusebius, hist. eccl. VI 25 (GCS Eus. 2, 578–580), überliefert die Ansicht des Origenes zum Hebräerbrief wie folgt: „In seinen Homilien zum Hebräerbrief äußert sich Origenes über denselben also: ‚Jeder, der Stile zu unterscheiden und zu beurteilen versteht, dürfte zugeben, dass der Stil des sog. Hebräerbriefes nichts von jener Ungewandtheit im Ausdruck zeigt, welche der Apostel selber eingesteht, wenn er sich als ungeschickt in der Rede, d.  i. im Ausdruck, bezeichnet, dass der Brief vielmehr in seiner sprachlichen Form ein besseres Griechisch aufweist. Dass die Gedanken des Briefes Bewunderung verdienen und hinter denen der anerkannten Briefe des Apostels nicht zurückstehen, dürfte ebenfalls jeder als richtig zugeben, der mit der Lektüre des Apostels vertraut ist.‘ Später bemerkt Origenes noch: ‚Ich aber möchte offen erklären, dass die Gedanken vom Apostel

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Homilie 11,3

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und apostolischen Zeugnisse. Mose selbst schreibt im Lied: „Hat nicht dieser dein Vater selbst dich erworben und besitzt dich?“a Der Apostel hingegen sagt über das himmlische Jerusalem: „Sie ist frei“, heißt es, „die die Mutter von uns allen ist.“ b Erstens ist also Gott dein Vater, der deinen Geist gezeugt hat, der auch sagt: „Ich habe Söhne gezeugt und erhöht.“ c Doch auch der Apostel Jakobus412 sagt: „Wir wollen dem Vater der Geister gehorchen und leben.“ d Zweitens ist dein Vater der Vater des Fleisches, durch dessen Dienst du im Fleisch geboren und in diese Welt gekommen bist, der dich in den Lenden getragen hat; so wird über Levi gesagt: „Er war noch in den Lenden Abrahams, als ihm Melchisedek begegnete“,e als er von der Schlacht gegen die Könige zurückkam, und er segnete ihn und nahm den Zehnten von ihm.f Weil also der Name des Vaters so geheiligt und so ehrwürdig ist, deshalb „soll der, der Vater oder Mutter verflucht, sterben“.g Die gleiche Wertschätzung ist auch der Mutter entgegenzubringen, durch deren Mühe, deren Sorge, deren Dienst du geboren und ernährt wurdest. Und du musst nach dem Apostel den Eltern gleiche Dankbarkeit erweisen.h Denn wenn du den fleischlichen Vater nicht ehrst, kommt dessen Beleidigung zum Vater der Geister i zurück; und wenn du der fleischlichen Mutter Unrecht tust, strömt das Unrecht zu jener Mutter, dem himmlischen Jerusalem.j So wirft auch der Diener, wenn er dem Herrn gegenüber respektlos ist, durch diesen körperlichen Herrn die Beleidigung auf den Herrn der Erhabenheit;k denn jener gab seinen Namen diesem fleischlichen Herrn. Und deshalb darf man auf keine Weise, nicht einmal mit einem Wort, gegen den Vater oder die Mutter Streit haben oder Widerspruch erheben. Es ist der Vater, es ist die Mutter; wie es ihnen gutdünkt, sollen sie handeln, tun, reden; sie sollten es wissen. Wie viel Gehorsam auch immer wir entgegenbringen, wir vergelten noch nicht die Gnade, durch die wir geboren wurden, durch die wir getragen wurden, durch die wir ans Licht gelangten, durch die wir ernährt wurden, vielleicht auch ausgebildet und in den schönen Künsten unterrichtet. Und vielleicht haben wir durch ihr Beispiel Gott erkannt und sind zur Kirche Gottes gekommen und haben das Wort des göttlichen Gesetzes gehört. Wegen all dessen also „soll der, der Vater oder Mutter verflucht, sterben“.l Wenn aber dies über die körperlichen

stammen, Ausdruck und Stil dagegen einem Manne angehören, der die Worte des Apostels im Gedächtnis hatte und die Lehren des Meisters umschrieb. Wenn daher eine Gemeinde diesen Brief für paulinisch erklärt, so mag man ihr hierin zustimmen. Denn es hatte seinen Grund, wenn die Alten ihn als paulinisch überliefert haben. Wer indes tatsächlich den Brief geschrieben hat, weiß Gott. Soviel wir aber erfahren haben, soll entweder Klemens, der römische Bischof, oder Lukas, der Verfasser des Evangeliums und der Apostelgeschichte, den Brief geschrieben haben.‘ So viel hierüber.“ Übersetzung: Haeuser, BKV² I 1, 294f. Zur Diskussion über die paulinische Verfasserschaft des Hebräerbriefs in den ersten christlichen Jahrhunderten siehe Grässer, An die Hebräer 19f. Jakobus wird dabei nicht in Betracht gezogen.

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Homilia XI

quid illi facient, qui Deum patrem maledicis uocibus lacessunt? qui eum negant conditorem esse mundi aut qui coelestem Hierusalem, quae est mater omnium nostrum,a indignis sensibus intelligentes dicta prophetica ad conditionem terrenae alicuius urbis adducunt? Bonum ergo est obseruare ne quando aut carnalem patrem aut coelestem minus digna honorificentia ueneremur, similiter et matrem; obseruare etiam omne mandatum, quod nobis pudicitiam castitatemque commendat, ut neque in praesenti uita secundum legem obnoxii simus morti neque secundum spiritalem legem futura nos poena maneat ignis aeterni; ex quo effugere et euadere omnibus nobis concedat Dominus noster Iesus Christus, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ b a

Gal. 4,26; Hebr. 12,22

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Eltern bestimmt wird, was werden jene tun, die Gott, den Vater, mit fluchenden Worten herausfordern? Die leugnen, dass er der Schöpfer der Welt ist,413 oder die das himmlische Jerusalem, das die Mutter von uns allen ist,a in den Stand irgendeiner irdischen Stadt versetzen, indem sie die prophetischen Worte in unwürdigem Sinn verstehen? Es ist also gut darauf zu achten, niemals den fleischlichen oder den himmlischen Vater mit zu wenig würdiger Ehrbezeigung zu ehren, ebenso auch die Mutter; auch jede Anordnung zu beachten, die uns Schamhaftigkeit und Keuschheit aufträgt, dass wir weder im gegenwärtigen Leben nach dem Gesetz des Todes schuldig sind noch dass uns nach dem geistigen Gesetz die künftige Strafe des ewigen Feuers erwartet; daraus zu fliehen und zu entkommen gewähre uns allen unser Herr Jesus Christus! „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ b

413 Vgl. Philon, fug. 83f. (III p. 127 Cohn/Wendland): „‚Wer Vater oder Mutter

schmäht, der soll sterben‘ (Ex. 21,15f.). Sie (sc. die Schrift) verkündet also fast mit schreiend lauter Stimme, dass keinem, der das Göttliche lästert, Verzeihung gewährt werden soll. Denn wenn diejenigen, welche ihre sterblichen Eltern geschmäht haben, zum Tode abgeführt werden, welche Strafe verdienen dann wohl die, welche es wagen, den Vater und Schöpfer des Alls zu lästern?“ Übersetzung: Adler, Philo Werke VI, 74.

HOMILIA XII. De magno sacerdote.

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1. Omnis qui inter homines sacerdos est, ad illum sacerdotem, de quo dixit Deus: „Tu es sacerdos in aeternum secundum ordinem Melchisedech“,a paruus est et exiguus. Ille est autem „magnus sacerdos“,b | qui potest pene­ trare coelos c et uniuersam supergredi creaturam et adscendere ad eum, qui „lucem habitat inaccessibilem“,d Deum et patrem uniuersitatis. Propter quod et ille, qui apud Iudaeos magnus dicebatur sacerdos, introibat quidem in sancta, sed manu facta, sed lapidibus exstructa; non adscendebat in coelum nec adstare poterat apud patrem luminum.e Sed quia horum umbram implebat et imaginem, idcirco etiam magni sacerdotis nomen per umbram gerebat et imaginem.f Vnde et Iudaei per hoc, quod ad fidem proximi esse debuissent, quia apud ipsos adumbratio quaedam et imago praeluxerat ueritatis, dum typos ueritatem putant, ueritatem ipsam tamquam mendacium respuerunt. Nos autem, qui recipimus magnum sacerdotem, intelligere debemus quomodo a

Ps. 109(110),4; Hebr. 5,6 bLev. 21,10 cVgl. Hebr. 4,14 Vgl. Ps. 105(106),7 fVgl. Kol. 2,17; Hebr. 10,1

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1 Tim. 6,16

414 Origenes spricht hier vom magnus sacerdos. Für den Hohepriester verwendet er den

Ausdruck pontifex. Vom Hohepriester spricht er in Zusammenhang mit Aaron. In Lev. 21,10, das hier ausgelegt wird, spricht die Septuaginta entsprechend dem Hebräischen von ὁ ἱερεὺς ὁ μέγας ἀπὸ τῶν ἀδελφῶν αὐτοῦ („der große Priester unter seinen Brüdern“); die Vulgata hat pontifex id est sacerdos maximus inter fratres suos. Der „große Priester“ ist also der Hohepriester. Der Hebräerbrief bezeichnet den Hohepriester wie Origenes als pontifex. Origenes macht die Bezeichnung „groß“ im Folgenden zum Gegenstand seiner Auslegung. 415 Für Origenes besteht die Schöpfung aus dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren (vgl. 2 Kor. 4,18); vgl. in Lev. hom. 5,2 (GCS Orig. 6, 337): Makrokosmos und Mikrokosmos (sc. der Mensch) entsprechen einander; princ. II 11,6 (GCS Orig. 5, 189): „Nun ist die Luft, die sich zwischen Himmel und Erde befindet, nicht leer von Lebewesen, und zwar von vernunftbegabten …“; Übersetzung: p. 451–453 Görgemanns/Karpp; ebd. IV 4,4 (5, 353): „Es soll aber niemand glauben, wir wollten hiermit sagen, es sei nur irgendein Teil der Gottheit des Sohnes Gottes in Christus gewesen, der übrige Teil dagegen anderswo oder überall. Das können nur die meinen, die die Natur einer unkörperlichen und unsichtbaren Substanz nicht kennen.“ Übersetzung: p. 793; Cels. V 4 (GCS Orig. 2, 4): „Denn bekanntlich ‚sprechen wir‘ auch ‚von Engeln‘, welche ‚dienstbare Geister‘ sind, ‚abgesandt zu Diensten um derer willen, die das Heil er­

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HOMILIE 12 Über den großen Priester.

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1. Jeder, der unter den Menschen Priester ist, ist im Vergleich zu jenem Priester, über den Gott sagte: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“,a klein und gering. Der ist aber „ein großer Priester“,b 414 der die Himmel durchdringen c und die gesamte Schöpfung415 überschreiten und zu dem hinaufsteigen kann, der „in unzugänglichem Licht wohnt“,d dem Gott und Vater des Alls.416 Deswegen trat auch jener, der bei den Juden großer Priester genannt wurde, zwar in das Heiligtum ein, jedoch in das von Hand gemachte, jedoch in das aus Steinen errichtete; er stieg nicht in den Himmel hinauf noch konnte er beim Vater der Lichter e stehen. Weil er jedoch dessen Schatten und Bild erfüllte, deswegen trug er auch den Namen des großen Priesters durch den Schatten und das Bild.f Daher haben auch die Juden dadurch, dass sie dem Glauben am nächsten hätten sein müssen, weil bei ihnen ein gewisser Umriss und ein Bild der Wahrheit im Voraus leuchtete, während sie die Typen für die Wahrheit halten, die Wahrheit selbst wie eine Lüge zurückgewiesen. Wir aber, die wir den großen Priester angenommen haben, müssen verstehen, wie er selbst wahrlich ein großer Priester ist. Wahrlich ein erben sollen‘, und lehren, dass sie teils aufsteigen und die Anliegen der Menschen in den reinsten himmlischen Räumen der Welt oder in den noch reineren überhimmlischen zu Gott emportragen, teils wieder von dort herabsteigen und einem jeden nach seiner Würdigkeit etwas von den Wohltaten bringen, womit Gott den Menschen zu dienen befohlen hat.“ Übersetzung: Koetschau, BKV² I 53, 443. 416 Origenes betont hier die Mittlerfunktion Christi als Hohepriester. Vgl. Cels. III 34 (GCS Orig. 1, 231): „Diese Gebete bringen wir ihm dar als den, der mitteninne steht zwischen der ungeschaffenen Natur und allen geschaffenen Wesen, der uns die Gnadengaben vom Vater bringt und unsere Gebete nach Art eines Hohe­priesters zum allmächtigen Gott hinaufträgt.“ Übersetzung: Koetschau, BKV² I 52, 242; ebd. V 4 (2, 4): „Denn alle ‚Bitten, Gebete, Fürbitten und Danksagungen‘ müssen dem allmächtigen Gott durch den über alle Engel erhabenen Hohepriester, der lebendiges Wort und Gott ist, dargebracht werden. Wir werden aber auch das Wort selbst bitten und ihm anliegen und danksagen und zu ihm beten, wenn wir zwischen dem rechtmäßigen Gebrauch und dem Missbrauch des Gebetes richtig zu unterscheiden vermögen.“ Übersetzung: ebd. 53, 443; in Ioh. comm. I 2,11 (GCS Orig. 4, 5): „Von diesem übernehmen auch wir es und sagen, dass Menschen nach der Ordnung Aarons Hohepriester sein können, nach der Ordnung Melchisedeks aber ‚nur‘ der Christus Gottes.“ Übersetzung: p. 29 Thümmel.

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Homilia XII

uere ipse sit magnus sacerdos. Vere magnus sacerdos est, qui peccata dimittit non per sanguinem taurorum et hircorum, sed per sanguinem suum.a Quia ergo cognouimus, qui sit magnus sacerdos, et confitemur ea, quae in lege scripta sunt, de magno sacerdote scripta esse, id est de Saluatore, quem uere magnum sacerdotem esse superior tractatus ostendit, uideamus nunc quae sint, quae de eo lex prophetico spiritu scribit. 2. „Et sacerdos“ inquit „magnus ex fratribus suis, cui infusum est super caput eius oleum chrismatis et perfectas habet manus suas, ut induat sancta uestimenta, de capite cidarim non deponet, uestimenta sua non disrumpet, et ad omnem animam mortuam non intrabit; in patre suo uel in matre sua non contaminabitur, et de sanctis non exibit et non coinquinabit nomen quod est sanctificatum Dei super se, quia sanctum oleum chrismatis Dei sui in ipso est; ego Dominus. Hic uxorem uirginem de genere suo accipiet. Viduam autem et eiectam et pollutam et meretricem, has non accipiet; sed uirginem ex genere suo accipiet uxorem; et non maculabit semen suum in populo suo; ego Dominus, qui sanctifico eum.“ b Fuerit quidem etiam apud Iudaeos imago huius obseruantiae et custodita sint, quae lex statuit, a pontificibus Iudaeorum, | sed et si diligenter cuncta seruata sint et si omnia, quae lex praecepit, impleta sint, nec sic quidem omnis haec obseruatio magnum potuit facere sacerdotem. Quomodo etenim magnus dici potest sacerdos, qui peccare potest? Quod autem sub peccato fuerint omnes etiam magni sacerdotes, et ex hoc ipso facile aduertimus quod lex praecipit ut „prius pro suis, post etiam pro populi peccatis offerat hostiam“ sacerdos.c Quomodo ergo magnus est sub peccato positus? Meus autem sacerdos magnus Iesus idcirco magnus est, quia „peccatum non fecit nec inuentus est dolus in ore eius“ d et quia uenit ad eum „princeps huius mundi“ et non inuenit in eo quicquam.e Ideo ergo et Gabriel archangelus natiuitatem eius adnuntians dicit: „Hic erit magnus et filius altissimi uocabitur.“ f Peccatum hominem paruum facit et exiguum, uirtus eminentem praestat et magnum. Sicut enim aegritudo corporis exile et exiguum facit corpus hominis, sanitas uero laetum reddit et ualidum, ita intellige quia et animam aegritudo quidem peccati humilem facit et paruam, sanitas uero interioris hominis et uirtutis opera magnam faciunt eam et eminentem et quanto in uirtutibus crescit, tanto prolixiorem reddit magnitudinem sui. Sic ego intelligo illud, quod de Iesu scriptum est quia: „Proficiebat sapientia et aetate et gratia apud Deum et homines.“ g Nam quis est hominum, a

Vgl. Hebr. 9,12; 10,4 bLev. 21,10–15 cHebr. 7,27 Joh. 14,30; 16,11 f Lk. 1,32 gLk. 2,52

e

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Jes. 53,9; 1 Petr. 2,22

417 Mit dem „Herrscher dieser Welt“ ist der Teufel gemeint, der durch Christus ent-

machtet wird (vgl. Joh. 12,31; Offb. 12,9). Vgl. in Num. hom. 12,4 (GCS Orig. 7, 104) mit 1 Joh. 5,19: „Die ganze Welt befindet sich im Bösen“; princ. I 5,5 (GCS Orig. 5, 77): „… denn er führte die Herrschaft über die, die seiner Bosheit nachfolgten“; Übersetzung: p. 211 Görgemanns/Karpp.

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großer Priester ist, wer die Sünden erlässt nicht durch das Blut von Stieren und Böcken, sondern durch sein eigenes Blut.a Weil wir also erkannt haben, wer der große Priester ist, und bekennen, dass das, was im Gesetz geschrieben ist, über den großen Priester geschrieben ist, das heißt über den Erlöser, den wahrhaft großen Priester, wie die voraufgehende Abhandlung gezeigt hat, wollen wir nun sehen, was das ist, was das Gesetz in prophetischem Geist über ihn schreibt. 2. „Und der große Priester aus seinen Brüdern,“ heißt es, „dem Salböl auf sein Haupt gegossen wurde und der seine Hände vollkommen hat, sodass er die heiligen Gewänder anzieht, soll den Turban nicht vom Haupt nehmen, seine Gewänder nicht zerreißen und zu keiner verstorbenen Seele eintreten; in seinem Vater oder in seiner Mutter soll er sich nicht verunreinigen, und er soll nicht aus dem Heiligtum hinausgehen und nicht den Namen Gottes, der über ihm geheiligt wurde, beflecken, weil das heilige Salböl seines Gottes in ihm ist; ich bin der Herr. Er soll als Ehefrau eine Jungfrau aus seinem Geschlecht nehmen. Eine Witwe aber, eine Verstoßene, eine Unreine und eine Hure, die soll er nicht nehmen; sondern eine Jungfrau aus seinem Geschlecht soll er zur Ehefrau nehmen; und er soll nicht seinen Samen in seinem Volk entweihen; ich bin der Herr, der ich ihn heilige.“ b Es gab zwar auch bei den Juden das Bild dieser Beachtung und das, was das Gesetz festsetzte, wurde von den Priestern der Juden bewahrt, doch auch wenn jegliches sorgfältig beachtet wurde und wenn alles, was das Gesetz vorschrieb, erfüllt wurde, konnte nicht einmal so diese ganze Gesetzesobservanz einen Priester zu einem großen machen. Denn wie kann ein Priester groß genannt werden, der sündigen kann? Weil aber auch alle großen Priester unter der Sünde waren, bemerken wir auch eben daraus leicht, dass das Gesetz vorschreibt, dass der Priester „zuerst für seine eigenen, danach auch für die Sünden des Volkes ein Opfer darbringt“.c Wie also ist der groß, der sich unter der Sünde befindet? Aber mein großer Priester Jesus ist deswegen groß, weil „er keine Sünde beging und keine List in seinem Mund zu finden war“ d und weil zu ihm „der Herrscher dieser Welt“417 kam und bei ihm nichts fand.e Deshalb also sagt auch der Erzengel Gabriel, als er seine Geburt ankündigt: „Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden.“ f Die Sünde macht den Menschen klein und gering, die Tugend erweist ihn als hervorragend und groß. Denn so wie eine Krankheit des Körpers den Körper des Menschen kraftlos und gering macht, die Gesundheit hingegen ihn wieder heiter und kräftig macht, so verstehe, dass auch die Krankheit der Sünde die Seele niedrig und klein macht, die Gesundheit des inneren Menschen und die Werke der Tugend hingegen sie groß und hervorragend machen, und um wie viel sie in den Tugenden wächst, um so viel dehnt sie ihre Größe aus. So verstehe ich das, was über Jesus geschrieben steht: „Er schritt fort in der Weisheit und im Alter und in der Gnade bei Gott und den Menschen.“ g Gibt es denn einen Menschen, der in

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Homilia XII

qui non proficiat aetate in pueritia, ut hoc uelut egregium quiddam de Iesu scriberetur? Ad te haec dico, qui corporaliter audis quod Iesus aetate proficeret. Intellige ergo quia aetate animae proficiebat et magna fiebat anima eius propter magna et ingentia opera, quae faciebat. Denique sciens et apostolus hanc aetatem de interiori homine sentiendam ita scribit: „donec omnes occurramus in uirum perfectum, in mensuram aetatis pleni|tudinis Christi“.a Nam secundum corpus crescere et magnum fieri non est in nobis. Corpus enim ex genitali origine quantitatis materiam sumit, ut uel magnum uel exiguum fiat; anima uero in nobis habet causas et arbitrii libertatem, ut uel magna uel parua sit. Si ergo pusilla et parua sit anima, etiam scandalizari potest; sic enim scriptum est in euangelio quia: „Expedit praecipitari in profundum maris quam scandalizare unum de pusillis istis.“ b Qui magnus est, non scandalizatur, sed qui pusillus est. Qui magnus est, quodcumque uiderit, quodcumque passus fuerit, non declinat a fide. Qui autem pusillus est animo et paruus, occasiones quaerit, quomodo scandalizetur, quomodo in fide uideatur offendi. Propterea denique oportet nos maxime his consulere, qui parui sunt in fide, nec tantam curam circa magnos et fortes, quantam erga paruulos et incipientes debemus impendere.c Fortis enim „omnia tolerat, omnia suffert et numquam cadit“.d Paruuli uero et infirmi in fide obseruandum est, ne occasione nostri offendantur et recedant a fide ac decidant a salute.e Aut ostende mihi de scripturis, ubi aliquis peccator aut parui meriti magnus appellatus sit. Nusquam, opinor, inuenies. Audi uero, qui sunt, qui magni appellantur. De Isaac dicitur quia proficiebat ualde, usquequo factus est magnus, magnus ualde.f Moyses magnus dictus est g et Iohannes baptista magnus dictus est,h nunc autem Iesus magnus dicitur i et post hunc iam nullus appellatus est magnus. Prius enim quam adesset, qui uere magnus est, ad comparationem reliquorum hominum magni appellati sunt sancti, quorum superius fecimus mentionem. Vbi uero aduenit ipse, qui non ex comparatione ceterorum, sed sui magnitudine uere magnus erat, de quo etiam scriptum a

Eph. 4,13 bLk. 17,2 cVgl. Hebr. 5,13; Röm. 14,1 d1 Kor. 13,7.8 Vgl. Gen. 26,13 gVgl. Ex. 11,3 hVgl. Lk. 1,15 iVgl. Lk. 1,32

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Vgl. Röm. 14,1

418 Vgl. in Luc. hom. 20,6f. (GCS Orig. 92, 123f.): „In der Heiligen Schrift ist von zwei

Sorten von Alter die Rede, vom Alter des Leibes, das nicht in unserer Gewalt liegt, sondern ein Naturgesetz darstellt, und vom Alter der Seele, das eigentlich von uns selbst bestimmt wird, in dem wir, wenn wir nur wollen, tagtäglich wachsen. Bei diesem Alter gelangen wir zur Vollkommenheit … Lasst uns also aufhören, kleine Kinder zu sein, und anfangen, erwachsene Menschen zu werden …“; Übersetzung: Sieben, FC 4/1, 231; in Matth. comm. XIII 26 (GCS Orig. 10, 250): „Bei den Seelen aber sind unser freier Wille und die so oder so beschaffenen Taten und die so oder so beschaffene Gesittung Grund dafür, dass einer groß oder klein oder dazwischen ist. Und es hängt von unserem Willen ab, ob wir an Reife voranschreiten und an Größe zunehmen oder nicht voranschreiten und kurz sind. So jedenfalls verstehe ich es auch, wenn es vom Heiland, der auch eine menschliche Seele angenommen

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der Kindheit nicht im Alter fortschreitet, sodass das wie etwas Besonderes über Jesus geschrieben würde? Dir sage ich das, der du körperlich hörst, dass Jesus im Alter fortschritt. Verstehe also, dass er im Alter der Seele fortschritt und seine Seele groß wurde wegen der großen und gewaltigen Werke, die er tat.418 Schließlich schreibt auch der Apostel, der wusste, dass dieses Alter über den inneren Menschen zu verstehen ist, so: „bis wir alle zum perfekten Mann gelangen, zum Maß des vollen Alters Christi“.a Denn gemäß dem Körper zu wachsen und groß zu werden liegt nicht an uns. Denn der Körper nimmt aus dem Ursprung in der Zeugung die Materie für die Größe, sodass er entweder groß oder klein wird; die Seele in uns hingegen hat die Gründe und die Freiheit der Entscheidung, groß oder klein zu sein. Wenn also die Seele winzig und klein ist, kann sie auch irregeführt werden; denn so steht im Evangelium geschrieben: „Es ist besser, ins tiefe Meer gestürzt zu werden als einen von diesen Kleinen irrezuführen.“ bWer groß ist, wird nicht irregeführt, sondern wer winzig ist. Wer groß ist, was immer er sieht, was immer er erleidet, wendet sich nicht vom Glauben ab. Wer aber im Geist winzig ist und klein, sucht Gelegenheiten, wie er irregeführt wird, wie er im Glauben verletzt zu werden scheint. Deswegen müssen wir schließlich besonders die beraten, die klein im Glauben sind, und wir müssen nicht eine ebenso große Sorge um die Großen und Starken wie gegenüber den Kleinen und Anfängern aufwenden.c 419 Denn der Starke „erträgt alles, hält allem stand und kommt nie zu Fall“.d Bei den Kleinen und im Glauben Schwachen hingegen ist zu beachten, dass sie nicht durch einen Anlass unsererseits verletzt werden und sich vom Glauben zurückziehen und vom Heil abfallen.e Oder zeige mir aus den Schriften, wo ein Sünder oder jemand von geringem Verdienst groß genannt wird. Nirgends, meine ich, wirst du einen finden. Höre hingegen, welche es sind, die groß genannt werden. Von Isaak wird gesagt, dass er kräftig Fortschritte machte, bis er groß wurde, sehr groß.f Mose wurde groß genannt g und Johannes der Täufer wurde groß genannt,h nun aber wird Jesus groß genannt i und nach ihm wird niemand mehr als groß bezeichnet.420 Denn bevor der da war, der wahrlich groß ist, wurden im Vergleich mit den übrigen Menschen die Heiligen als groß bezeichnet, die wir vorher erwähnt haben. Sobald hingegen der ankam, der nicht aus dem Vergleich mit den Übrigen, sondern aus eigener Größe wahrlich groß war, über den sogar geschrieben hat, heißt: ‚Jesus machte Fortschritte‘ (Lk. 2,52). Wie nämlich aus dem freien Willen seiner Seele ein Fortschritt ‚an Weisheit und an Gnade‘ kam, so auch an ‚Reife‘. Und der Apostel sagt: ‚Bis wir alle zum vollkommenen Mann gelangen, zum Maß der Reife des Vollalters Christi‘ (Eph. 4,13) …“; Übersetzung: Vogt, BGrL 18, 271. 419 Vgl. in Hiez. hom. 7,10 (GCS Orig. 8, 398f.). 420 Vgl. in Luc. hom. 6,7f. (GCS Orig. 92, 38): „Deshalb sagt auch der Engel zu ihr (sc. Maria): ‚ … Dieser wird groß sein …‘ Auch von Johannes heißt es: ‚Er wird groß sein (Lk. 1,15), … aber als Jesus, der wahrhaft große, der wahrhaft erhabene, gekommen war, wurde der, der vorher groß war, kleiner“; Übersetzung: Sieben, FC 4/1, 103.

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est quia: „Exsultauit ut gigas ad currendam | uiam“,a ultra iam magnus nullus appellatus est. Hic est ergo, de quo scribitur: „magnus sacerdos ex fratribus suis“.b Quibus fratribus? De quibus dixit, cum resurrexisset a mortuis: „Vade ad fratres meos et dic iis: Adscendo ad patrem meum et ad patrem uestrum et ad Deum meum et ad Deum uestrum.“ c Si autem uis et ex antiquis litteris discere fratres Iesu, lege uicesimum primum psalmum, ubi ex persona Christi dicitur: „Narrabo nomen tuum fratribus meis, in medio ecclesiae laudabo te.“ d Ex fratribus ergo suis magnus est Iesus, ex his, qui prius magni fuerant appellati; et sicut pastorum pastor est et pontificum pontifex et „dominantium Dominus“ et „regum rex“,e ita et magnorum magnus est; et ideo addidit: „magnus ex fratribus suis“.f 3. Post haec uero: „cui“ inquit „infusum est oleum chrismatis super caput eius“.g Istud oleum noli requirere in terris, quod super caput infunditur magni sacerdotis, ut fiat Christus; sed si uidetur, disce a propheta Dauid istud oleum, quale sit: „Dilexisti“ inquit „iustitiam et odisti iniquitatem; propterea unxit te Deus Deus tuus oleo laetitiae prae participibus tuis.“ h Istud est ergo oleum laetitiae, quod capiti eius infusum fecit eum Christum. Sed addit adhuc ad laudes eius: „qui consummatas“ inquit „habet manus“.i Cuinam, quaeso, hominum hoc conuenit dici? In quo mortalium perfectas inuenire possumus manus? Etiamsi Aaron iste sit, cuius mentio fieri uidetur, quomodo consummatas putabitur habuisse manus, quibus uitulum fabricauit, quibus idolum sculpsit? j Etiamsi ipsum Moysen proferas, quomodo consummatas habuisse uidebitur manus, qui non glorificauit Dominum ad aquam contradictionis? k Pro quo delicto etiam uita iubetur excedere.l Quod si et alium quem sanctorum memorare uelis, | occurrit tibi sermo scripturae, qui dicit quia: „Non est homo super terram, qui faciat bonum et non peccet.“ m Merito ergo solus Iesus consummatas habet manus, qui solus „peccatum non fecit“,n hoc est qui perfecta et integra opera manuum habet. Et ideo de ipso recte dicitur: „qui consummatas habet manus, ut induatur sancta.“ o Hic enim est qui uere indua

Ps. 18(19),6 bLev. 21,10 cJoh. 20,17 dPs. 21(22),23 e1 Tim. 6,15 f Lev. 21,10 Lev. 21,10 h Ps. 44(45),8 i Lev. 21,10 jVgl. Ex. 32,4 kVgl. Num. 20,24 l Vgl. Num. 27,13f. m Koh. 7,20 n Jes. 53,9; 1 Petr. 2,22 oLev. 21,10

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421 Für die Kirchenväter bringen die Psalmen das Schicksal Jesu Christi zum Ausdruck.

Der Bezug eines Psalms auf Christus kann entweder Christus als Redenden (so wie hier: „in der Person Christi“), als Angesprochenen oder als Gegenstand eines Psalms verstehen. Ps. 21(22) ist ein Beispiel für einen Psalm, der als von Christus gesprochen interpretiert wurde. Tertullian, adv. Prax. 11,7 (CChr.SL 2, 1172), sagt in diesem Sinn: „Indes, fast alle Psalmen, die die Person Christi enthalten, bieten den Sohn dar als jemand, der an den Vater Worte richtet (d.  h. Christus an Gott).“ Übersetzung: Sieben, FC 34, 147. Siehe dazu Reemts, Psalmen 18–20. 422 Die Vulgata spricht von „geweihten Händen“ (manus consecratae), der hebräische Text vom Füllen der Hände. In der Septuaginta fehlen diese Worte.

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steht: „Er frohlockte wie ein Gigant, den Weg zu laufen“,a wurde niemand mehr als groß bezeichnet. Dieser ist es also, über den geschrieben wird: „der große Priester aus seinen Brüdern“.b Welchen Brüdern? Von denen er sagte, nachdem er von den Toten auferstanden war: „Geh zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich steige hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater und zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ cWenn du aber auch aus den alten Texten von den Brüdern Jesu erfahren willst, lies den einundzwanzigsten Psalm, wo in der Person Christi gesagt wird:421 „Ich werde deinen Namen meinen Brüdern kundtun, inmitten der Versammlung werde ich dich loben.“ d Aus seinen Brüdern ist Jesus also der große, aus denen, die früher groß genannt worden waren; und so wie er der Hirt der Hirten, der Priester der Priester, „der Herr der Herrscher“ und „der König der Könige“ e ist, so ist er auch der Große der Großen; und daher fügte er hinzu: „der große aus seinen Brüdern“.f 3. Danach hingegen heißt es: „dem Salböl über sein Haupt gegossen wurde“.g Dieses Öl, das über das Haupt des großen Priesters gegossen wird, damit er Christus wird, suche nicht auf Erden; sondern, wenn es dir gut erscheint, lerne vom Propheten David, wie dieses Öl beschaffen ist: „Du hast die Gerechtigkeit geliebt“, heißt es, „und das Unrecht gehasst; deshalb hat dich Gott, dein Gott, mehr als deine Gefährten mit dem Öl der Freude gesalbt.“ h Das ist also das Öl der Freude, das, über sein Haupt ausgegossen, ihn zu Christus machte. Doch fügt er zu seinem Lob noch hinzu: „der vollkommene“, heißt es, „Hände hat“.i 422 Wem von den Menschen, frage ich, kommt es zu, dass das gesagt wird? Bei welchem Sterblichen können wir vollkommene Hände finden? Auch wenn Aaron der ist, der erwähnt zu werden scheint, wie wird geglaubt werden, dass er vollkommene Hände gehabt hat, mit denen er das Kalb herstellte, mit denen er ein Götzenbild schnitzte? j Auch wenn du Mose selbst vorbringst, wie scheint er vollkommene Hände gehabt zu haben, der den Herrn beim Streitwasser nicht verherrlichte? k Für diese Verfehlung wurde ihm sogar befohlen, aus dem Leben zu scheiden.l 423 Wenn du aber noch an einen anderen von den Heiligen erinnern willst, entgegnet dir das Wort der Schrift, das sagt: „Es gibt keinen Menschen auf der Erde, der Gutes tut und nicht sündigt.“ m Mit Recht also hat allein Jesus vollkommene Hände, der allein „keine Sünde beging“,n das heißt der vollkommene und unversehrte Werke der Hände hat. Und deshalb wird über ihn richtig gesagt: „der vollkommene Hände hat, sodass er das Heilige anzieht“.o Denn dieser ist es, 423 Auch in Num. hom. 6,3 (GCS Orig. 7, 34) kritisiert Origenes Mose auf dieselbe

Weise: „Er selbst schreibt über sich und gibt Zeugnis über sich selbst, dass er darin gesündigt hat, dass er sagte: ‚Hört mich, ihr Ungläubigen; können wir euch nicht aus diesem Felsen Wasser hervorbringen?‘ (Num. 20,10). Denn in diesen Worten heiligte er den Herrn nicht beim ‚Streitwasser‘ (Num. 20,12), das heißt er vertraute nicht auf die Kraft Gottes.“

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tus est sancta, non illa, quae in typo erant, sed ipsa, quae uere sancta sunt. Quod si uis audire de excelsioribus indumentis eius, accipe uerba prophetica: „Amictus“ inquit „lumen sicut uestimentum, abyssus sicut amictum uestimentum eius.“a Hic est mei magni pontificis habitus, quo indicatur profunda scientiae et sapientiae luce uestitus, quae uere sancta sunt indumenta. „Non“ inquit „auferet de capite suo cidarim.“ b Iam et prius diximus cidarim genus esse operimenti, quod capiti superpositum pontifici praestat ornatum. Hic ergo magnus pontifex meus numquam deponit sacri capitis ornatum. Quid sit autem caput Christi, ab apostolo disce, qui dicit: „Caput autem Christi Deus“.c Merito igitur istum capitis sui, qui Deus est, numquam deponit ornatum, quia semper est pater in filio, sicut filius semper in patre.d „Et uestimenta sua non disrumpet.“ e  Vere hic est, qui uestimenta sua non disrumpet, sed semper ea munda, semper integra, semper casta seruabit. „Et ad omnem animam defunctam non intrabit.“ f Quae est anima defuncta? Quae est mortua; propheta dicit: „Anima quae peccat, ipsa morietur.“ g Super hanc ergo animam mortuam Christus non superuenit, quia sapientia est h et sapientia non intrat ad animam maliuolam. Ipsa est enim mortua, quia, cui inest malitia, inest et peccatum. „Peccatum autem cum consummatum“ inquit „fuerit, generat mortem.“ i Et propter hoc Iesus non intrat ad animam mor|tuam. Si autem uiuat anima, hoc est si non habeat in se mortale peccatum, tunc Christus, qui est uita,j uenit ad animam uiuentem; quia sicut lux non potest esse cum tenebris nec cum iniquitate iustitia,k ita nec uita potest esse cum morte. Et ideo si quis sibi conscius est quod habeat intra se mortale peccatum neque id a se per poenitentiam plenissimae satisfactionis abiecit, non speret quod intret Christus ad animam eius, qui ad omnem animam defunctam non intrat, quia magnus sacerdos est.l 4. „In patre suo et in matre sua non contaminabitur.“ m Hic scripturae locus difficillimus est ad explanandum, sed si orationibus uestris Deum patrem Verbi deprecemini, ut nos illuminare dignetur, ipso donante poterit explanari. Omnis qui ingreditur hunc mundum, in quadam contaminatione effici dicitur. Propter quod et scriptura dicit: „Nemo mundus a sorde, nec si unius diei fuerit uita a

Ps. 103(104),2.6 bLev. 21,10 c1 Kor. 11,3 dVgl. Joh. 10,38; 14,10 eLev. 21,10 Lev. 21,11 gEz. 18,4 hVgl. 1 Kor. 1,24 i Jak. 1,15 jVgl. Joh. 11,25 k Vgl. 2 Kor. 6,14 lVgl. Lev. 21,10 mLev. 21,11 f

424 Vgl. sel. in Ps. 103,2 (PG 12, 1559D) auf die Christen bezogen: „Die Kleidung des 425 426 427 428

Herrn ist die wahre Erkenntnis: Wer sie anzieht, wird von ihr erleuchtet werden.“ Vgl. in Lev. hom. 6,5 (GCS Orig. 6, 366f.). Siehe dazu oben S. 216 Anm. 241. Zu diesem Ausdruck siehe oben S. 204 Anm. 223. Für eine solche Bitte um ein unterstützendes Gebet siehe oben S. 164 Anm. 155. Vgl. in Lev. hom. 8,3 (GCS Orig. 6, 396). Zu verschiedenen Formen der Unreinheit von Menschen vgl. ebd. 5,10 (6, 352f.); 9,6 (6, 428f.). Jesus ist von dieser Befleckung

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der wahrhaft das Heilige anzieht, nicht das, das im Typus war, sondern das, das wahrhaft heilig ist.Wenn du aber etwas über seine erhabeneren Kleider hören willst, vernimm das prophetische Wort: „Er hat angelegt“, heißt es, „Licht wie ein Gewand, der Abgrund war wie sein angelegtes Gewand.“a Das ist die Kleidung meines großen Priesters, durch die er als bekleidet mit der Tiefe der Erkenntnis und dem Licht der Weisheit gezeigt wird, die wahrlich heilige Kleider sind.424 „Nicht“, heißt es, „soll er den Turban von seinem Haupt entfernen.“ bWir haben auch schon früher gesagt, dass der Turban eine Art der Bedeckung ist, die, auf das Haupt des Priesters gesetzt, einen Schmuck darstellt.425 Dieser mein großer Priester legt also niemals den Schmuck des heiligen Hauptes ab. Was aber das Haupt Christi ist, lerne vom Apostel, der sagt: „Das Haupt Christi aber ist Gott.“ c Mit Recht legt daher dieser niemals den Schmuck seines Hauptes, das Gott ist, ab, weil immer der Vater im Sohn ist, so wie der Sohn immer im Vater.d „Und seine Gewänder soll er nicht zerreißen.“ e Wahrlich ist er der, der seine Gewänder nicht zerreißen wird, sondern sie immer rein, immer unversehrt, immer keusch bewahren wird. „Und zu keiner verstorbenen Seele soll er eintreten.“ f Was ist eine verstorbene Seele? Eine, die tot ist; der Prophet sagt: „Eine Seele, die sündigt, wird selbst sterben.“ g Zu dieser toten Seele also kommt Christus nicht, weil er die Weisheit ist h und die Weisheit nicht zu einer übelwollenden Seele eintritt. Diese ist nämlich tot, weil dem, dem Bösartigkeit innewohnt, auch die Sünde innewohnt. „Wenn die Sünde aber vollendet ist“, heißt es, „bringt sie den Tod hervor.“ i Und deswegen tritt Jesus nicht zu einer toten Seele ein. Wenn eine Seele aber lebt, das heißt, wenn sie keine tödliche Sünde in sich hat, dann kommt Christus, der das Leben ist,j zur lebenden Seele; denn so wie das Licht nicht mit der Finsternis sein kann und die Gerechtigkeit nicht mit dem Unrecht,k so kann das Leben nicht mit dem Tod sein. Und wenn sich daher jemand bewusst ist, dass er in sich eine tödliche Sünde hat und sie nicht durch die Reue einer vollständigen Buße von sich geworfen hat, soll er nicht hoffen, dass Christus zu seiner Seele eintritt, der zu keiner verstorbenen Seele eintritt, weil er der große Priester ist.l 4. „In seinem Vater und in seiner Mutter soll er sich nicht verunreinigen.“ m Diese Stelle der Schrift ist sehr schwer zu erklären, wenn ihr jedoch mit euren Gebeten Gott, den Vater des Wortes,426 bittet, dass er uns zu erleuchten geruht, wird sie, wenn er es schenkt, erklärt werden können.427 Von jedem, der in diese Welt kommt, wird gesagt, dass er mit einer gewissen Befleckung entsteht.428 Deswegen sagt auch die Schrift: „Niemand ist rein von ausgenommen: ebd. 12,4 (6, 461). Die Inkarnation wird mit dem Anziehen eines schmutzigen Gewandes ausgesagt: ebd. 9,5 (6, 424); 9,6 (6, 429). Allerdings kannte Jesus auch nach seiner menschlichen Natur keine Sünde: ebd. 3,1 (6, 300) und hier weiter unten.

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eius.“a Hoc ipsum ergo quod in uulua matris est positus b et quod materiam corporis ab origine paterni seminis sumit, in patre et matre contaminatus dici potest.c Aut nescis quia, cum quadraginta dierum factus fuerit puer masculus, offertur ad altare, ut ibi purificetur,d tamquam qui pollutus fuerit in ipsa conceptione uel paterni seminis uel uteri materni? Omnis ergo homo in patre et in matre pollutus est,e solus uero Iesus Dominus meus in hanc generationem mundus ingressus est, in matre non est pollutus. Ingressus est enim corpus incontaminatum. Ipse enim erat, qui et dudum per Solomonem dixerat: „Magis autem cum essem bonus, ueni ad corpus incoinquinatum.“ f Non est ergo contaminatus in matre, sed ne in patre quidem. Nihil enim Ioseph in genera­ tione eius praeter ministerium praestitit et affectum; unde et pro fideli ministerio patris ei uocabulum scriptura concessit. Sic enim Maria | ipsa dicit in euangelio: „Ecce, ego et pater tuus dolentes quaerebamus te.“ g Sic ergo solus est hic sacerdos magnus, qui neque in patre pollutus sit neque in matre. Videamus autem, si adhuc possumus aliquid sublimius et pro dignitate tanti pontificis inuenire. Pater omnium uerus dicitur Deus. Matrem autem apostolus Ierusalem dicit esse coelestem.h Omnes ergo qui peccant, contaminantur in patre, a quo creati sunt. Siue enim egimus aliquid impium siue locuti sumus siue cogitauimus contra Deum, cum non credidimus Deo, contaminati sumus in patre. Sed atque utinam tunc solum per incredulitatem factum sit, cessatum sit uero postquam credidimus! Sic ergo etiam in matre contaminamur, si credentes Deo uel ecclesiam laedimus uel libertatem matris coelestis indigna peccati seruitute foedamus. Solus uero Dominus noster Iesus Christus, qui peccatum nescit,i neque in patre neque in matre contaminatus est et de sanctis non exiuit.j Fuerant quidem nonnulla et in superioribus proponenda Iudaeis, ad quae respondere non possent, sed omissis illis de hoc interim sermone quid nobis dicunt uel ipsi uel qui secundum ipsorum sensum intelligi legem uolunt: Si haec ad pontificem nostrum et Saluatorem non referantur, quomodo secundum litteram probabitur quod de sanctis non exiuit magnus sacerdos, qui utique et uxorem accipiebat, sicut inferius dicitur, „uirginem de genere suo“? k Si de sanctis non exit, si nusquam procedit, a

Ijob 14,4f. bVgl. Ijob 3,11 cVgl. Lev. 21,11 dVgl. Lev. 12,2–4 eVgl. Lev. 21,11 Weish. 8,20 gLk. 2,48 hVgl. Gal. 4,26; Hebr. 12,22 iVgl. 2 Kor. 5,21 j Vgl. Lev. 21,12 kLev. 21,14

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429 Zu dieser Anrede siehe oben S. 168 Anm. 162. 430 Vgl. in Luc. hom. 17,1 (GCS Orig. 92, 100f.): „Warum nennt er den, der kein Vater

war, doch Vater? … Da der Stammbaum von David bis zu Josef hin hergeleitet wird, wurde er Vater des Herrn genannt, damit Josef, der in Wirklichkeit nicht Vater des Heilands war, nicht scheinbar umsonst genannt wird und es überhaupt einen Sinn hat, den Stammbaum zu nennen.“ Übersetzung: Sieben, FC 4/1, 195. Demnach wird Josef also als Vater genannt, um die genealogische Verbindung Jesu zu David herzustellen. Hier führt Origenes seine Sorge für Jesus als Grund an.

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Schmutz, auch wenn sein Leben nur einen Tag währte.“a Eben dies also, dass er sich in der Gebärmutter der Mutter befindet b und dass er die Materie des Körpers aus dem Ursprung im väterlichen Samen nimmt, kann in Vater und Mutter verunreinigt genannt werden.c Oder weißt du nicht, dass ein männliches Kind vierzig Tage, nachdem es geboren wurde, zum Altar gebracht wird, damit es dort gereinigt wird,d als ob es beschmutzt worden wäre bei der Empfängnis des väterlichen Samens beziehungsweise der mütterlichen Gebärmutter? Jeder Mensch also ist im Vater und in der Mutter beschmutzt worden,e allein mein Herr429 Jesus hingegen ist rein in diese Erzeugung eingegangen, ist in der Mutter nicht beschmutzt worden. Denn er ist in einen unbefleckten Körper eingegangen. Denn er war der, von dem schon lange durch Salomo gesagt worden war: „Aber mehr noch, weil ich gut war, kam ich zu einem unverdorbenen Körper.“ f Er wurde also nicht in der Mutter verunreinigt, doch auch nicht im Vater. Denn Josef stellte nichts bei seiner Erzeugung zur Verfügung außer den Dienst und die Zuneigung; daher gestand ihm die Schrift auch für seinen treuen Dienst die Bezeichnung ‚Vater‘ zu.430 Denn so sagt Maria selbst im Evangelium: „Siehe, ich und dein Vater haben dich schmerzlich gesucht.“ g So also ist es allein dieser große Priester, der weder im Vater noch in der Mutter beschmutzt worden ist. Wir wollen aber sehen, ob wir noch etwas Erhabeneres und der Würde eines so großen Priesters Angemessenes finden können. Wahrer Vater aller wird Gott genannt. Mutter aber nennt der Apostel das himmlische Jerusalem.h Alle also, die sündigen, verunreinigen sich im Vater, von dem sie erschaffen wurden. Denn wenn wir entweder etwas Gottloses getan oder gesagt oder gedacht haben gegen Gott, wenn wir nicht an Gott geglaubt haben, haben wir uns im Vater verunreinigt. Wenn das jedoch nur damals aus Ungläubigkeit geschehen wäre, hingegen aufgehört hätte, nachdem wir zum Glauben gekommen sind! So verunreinigen wir uns also auch in der Mutter, wenn wir, obwohl wir an Gott glauben, entweder der Kirche schaden oder die Freiheit der himmlischen Mutter durch die unwürdige Knechtschaft der Sünde entstellen. Allein unser Herr Jesus Christus hingegen, der die Sünde nicht kennt,i verunreinigte sich weder im Vater noch in der Mutter und ging nicht aus dem Heiligtum heraus.j Es gab zwar auch im Vorhergehenden einige den Juden vorzulegende Fragen, auf die sie nicht antworten konnten, doch, nachdem jene übergangen wurden, was sagen uns indes über dieses Wort entweder sie selbst oder die, die das Gesetz nach deren Sinn verstehen wollen: Wenn sich dies nicht auf unseren Priester und Erlöser bezieht, wie wird nach dem Buchstaben bewiesen werden, dass der große Priester nicht aus dem Heiligtum herausging, der jedenfalls auch, wie weiter unten gesagt wird, „eine Jungfrau aus seinem Geschlecht“ k zur Ehefrau nahm? Wenn er nicht aus dem Heiligtum herausgeht, wenn er nirgends hingeht, wie oder zu

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quomodo aut ad quos usus accipere iubetur uxorem? Neque enim putandum est quod cum uxore intra sancta manere potuerit. Sed haec putent illi, quibus placent Iudaicae fabulae.a Nos autem habemus sacerdotem magnum secundum ordinem Melchisedech b Christum Iesum numquam de sanctis exeuntem; semper enim in sanctis est et manet semper sanctus in uerbis suis, sanctus in actibus suis, sanctus in omnibus uoluntatibus suis et solus est, qui numquam inueniatur extra sancta. Qui enim peccat, exit de sanctis et quotiensque quis peccat, totiens efficitur extra sancta. Chri|stus autem, qui numquam peccauit,c numquam exiit de sanctis. Sed et tu, qui sequeris Christum et imitator eius es, si permaneas in uerbo Dei, si „in lege eius mediteris die ac nocte“,d si in mandatis eius exercearis, semper in sanctis es nec umquam inde discedis. Neque enim in loco sancta quaerenda sunt, sed in actibus et uita ac moribus. Quae si secundum Deum sint et secundum praeceptum Dei habeantur, etiamsi in domo sis, etiamsi in foro – et quid dico in foro? –, etiamsi in theatro inueniaris uerbo Dei deseruiens, in sanctis te esse non dubites. Aut non tibi uidetur Paulus, cum ingressus est theatrum uel cum ingressus est Areum pagum et praedicauit Atheniensibus Christum,e in sanctis fuisse? Sed et cum perambularet aras et idola Atheniensium, ubi inuenit scriptum: „Ignoto Deo“ f et ex hoc uerbo sumpsit Christi praedicationis exordium, etiam ibi aras gentilium lustrans in sanctis positus erat, quia sancta cogitabat. Sed et quicumque custodit se post acceptam gratiam Dei ne incidat in homicidium, in adulterium, in furtum, in falsum testimonium g et alia his similia, sed permanet mundus ab omni contagione peccati, non exiuit iste de sanctis, et non contaminauit sanctificationem Dei sui in semet ipso, quia sanctum oleum chrismatis Dei sui super ipsum est. Illud oleum, de quo in Exodo scriptum est,h quomodo potest secundum litteram proprie oleum Dei dici, quod arte myrepsica confectum est a pigmentario? Sed si uis uidere oleum Dei, audi quem propheta dicat unctum esse oleo Dei, illum sine dubio, de quo dicit: „Propterea unxit te Deus Deus tuus oleo laetitiae prae participibus tuis.“ i Hic ergo est magnus sacerdos, qui solus oleo Dei unctus est et in quo semper sanctum permansit diuini chrismatis oleum. 5. Sed quid additur post haec? „Hic uxorem uirginem de genere suo accipiet, uiduam autem et eiectam et meretricem non accipiet, sed uirginem de genere suo accipiet; et non contaminabit semen suum in populo suo; ego a

Vgl. Tit. 1,14 bVgl. Hebr. 5,6; Ps. 109(110),4 cVgl. Jes. 53,9; 1 Petr. 2,22 dPs. 1,2 Vgl. Apg. 17,19.22 f Apg. 17,23 gVgl. Mt. 15,19 hVgl. Ex. 29,7 i Ps. 44(45),8

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431 Siehe dazu oben S. 110 Anm. 87. 432 Zu diesem nicht physischen, sondern spirituellen Herausgehen vgl. auch in Lev. hom.

11,1 (GCS Orig. 6, 447). 433 Vgl. Philon, vit. Mos. II 146 (IV p. 234 Cohn/Wendland): „Nachdem er sie mit den

Gewändern geschmückt hatte, nahm er von dem wohlriechenden Salböl, das durch die Kunst der Salbenbereiter hergestellt wurde.“ Übersetzung: Badt, Philo Werke I, 331f.

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welchem Zweck wird befohlen, dass er eine Ehefrau nimmt? Denn man darf nicht glauben, dass er mit der Ehefrau innerhalb des Heiligtums hätte bleiben können. Das jedoch mögen die glauben, denen die jüdischen Fabelna 431 gefallen. Wir aber haben einen großen Priester nach der Ordnung Melchi­ sedeks, Christus Jesus,b der niemals aus dem Heiligtum herausgeht; denn er ist immer im Heiligtum und bleibt immer heilig in seinen Worten, heilig in seinen Taten, heilig in allen seinen Willensbekundungen, und er allein ist es, der niemals außerhalb des Heiligtums zu finden ist. Denn wer sündigt, geht aus dem Heiligtum heraus, und so oft jemand sündigt, so oft begibt er sich außerhalb des Heiligtums. Christus aber, der niemals sündigte,c ging niemals aus dem Heiligtum heraus.432 Doch auch du, der du Christus folgst und sein Nachahmer bist, wenn du im Wort Gottes bleibst, wenn du „über das Gesetz nachsinnst bei Tag und Nacht“,d wenn du dich in seinen Anordnungen übst, bist immer im Heiligtum und gehst niemals von dort weg. Denn nicht an einem Ort ist das Heilige zu suchen, sondern in Taten und im Leben und im Verhalten. Wenn dies Gott gemäß ist und den Vorschriften Gottes gemäß gehalten wird, auch wenn du im Haus bist, auch wenn du auf dem Forum bist – und was sage ich auf dem Forum? –, auch wenn du dich im Theater befindest und dem Wort Gottes dienst, sollst du nicht zweifeln, dass du im Heiligtum bist. Oder scheint dir nicht Paulus, als er ins Theater ging oder als er auf den Areopag ging und den Athenern Christus verkündigte,e im Heiligtum gewesen zu sein? Doch auch, als er unter den Altären und Götzenbildern der Athener herumspazierte, wo er die Inschrift „Für den unbekannten Gott“ f fand und diesem Wort den Ausgangspunkt für die Verkündigung Christi entnahm, sogar dort, als er die Altäre der Heidenvölker musterte, befand er sich im Heiligtum, weil er Heiliges dachte. Doch auch jeder, der sich in Acht nimmt, dass er nach dem Empfang der Gnade Gottes nicht in Mord, in Ehebruch, in Diebstahl, in falsches Zeugnis g und anderes dergleichen gerät, sondern rein von aller Berührung mit der Sünde bleibt, der ist nicht aus dem Heiligtum herausgegangen und hat nicht die Heiligung seines Gottes in sich selbst verunreinigt, weil das heilige Salböl seines Gottes auf ihm ist. Wie kann jenes Öl, über das im Buch Exodus geschrieben ist,h nach dem Buchstaben im eigentlichen Sinn Öl Gottes genannt werden, das mit der Kunst der Salbenherstellung vom Salbenhändler angefertigt wurde?433 Wenn du jedoch das Öl Gottes sehen willst, höre, wen der Prophet mit dem Öl Gottes gesalbt nennt, den ohne Zweifel, von dem er sagt: „Deswegen hat dich Gott, dein Gott, mehr als deine Gefährten mit dem Öl der Freude gesalbt.“ i Dieser also ist der große Priester, der allein mit dem Öl Gottes gesalbt ist und auf dem immer das heilige Öl der göttlichen Salbung geblieben ist. 5. Was jedoch wird danach hinzugefügt? „Er soll als Ehefrau eine Jungfrau aus seinem Geschlecht nehmen, eine Witwe aber, eine Verstoßene und eine Hure soll er nicht nehmen, sondern eine Jungfrau aus seinem Geschlecht soll er nehmen; und er soll nicht seinen Samen in seinem Volk verunreinigen; ich

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Homilia XII

Dominus, qui sanctifico eum.“a Quia ergo totius expositionis ordo ad uerum sacerdotem magnum reuocatus est Christum, | uideamus nunc quid et de nuptiis eius intelligi debeat. Paulus apostolus dicit: „Volo autem uos omnes uni uiro uirginem castam exhibere, Christo. Timeo autem, ne sicut serpens seduxit Euam astutia sua, corrumpantur sensus uestri a simplicitate, quae in Christo est.“ bVult ergo Paulus omnes Corinthios uirginem castam exhibere Christo; quod utique numquam uellet, nisi id possibile uideret. Vnde et mirum fortasse uideatur, quomodo hi, qui diuersis peccatis corrupti ad fidem Christi uenerunt, omnes simul uirgo casta dicantur; quae uirgo tam sancta, tam casta sit, ut mereatur etiam Christi nuptiis copulari. Verum quoniam haec ad carnis integritatem referre non possumus, certum est quod ad integritatem animae spectent, cuius secundum ipsius Pauli sententiam simplicitas fidei, „quae in Christo est“,c uirginitas eius appellata est, et per hoc, quoniam cessantibus uel philosophorum sophismatibus uel superstitionibus Iudaicis in fide simplici Christus sibi adsumpsit ecclesiam, „uirginem de genere suo accepit uxorem“.d Huius namque fidem non corrumpit philosophicus sensus nec circumcisionis ambitio, sed in simplicitate confessionis tamquam in uirginali integritate permansit. Sic enim et dudum promiserat per prophetam dicens: „Desponsabo te mihi in fide.“ e Omnis ergo secundum apostolum, „qui in Christo est, noua creatura est“.f Et sicut idem apostolus dicit: „ut exhibeat ipse sibi gloriosam ecclesiam non habentem maculam aut rugam aut aliquid eiusmodi, sed ut sit sancta et immaculata.“ g Quomodo ergo eam, quae rugosa est, facit esse sine ruga, nisi quia renouat eam secundum quod scriptum est: „Nam etsi is, qui deforis est, homo noster corrumpitur, sed qui intus est, renouatur de die in diem“? hViduam sane et meretricem et eiectam i non accipit Christus nec intrat talis anima thalamos sponsi. Qui enim ingressus fuerit illuc non habens indumenta nuptialia, perferet illud, quod scriptum esse nostis in euangelio.j Virginem ergo accipiet, uiduam non accipiet neque meretricem neque eiectam aut contaminatam. Meretricem quidem et abiectam | animam et pollutam cur non suscipiat Christus in coniugium, non est laboris exponere; uidua uero cur non recipiatur, diligentius intuendum est. Paulus apostolus ad Romanos scribens uirum animae legem dicit eamque, cum mortuus fuerit uir, solutam esse pronuntiat a lege uiri, ut iam non sit adultera, si nupserit Christo.k Quod si eueniat, ut lex quidem animae ipsi moriatur, id est ut anima discedat a lege nec tamen constringat se castioris a

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f

Lev. 21,13–15 b2 Kor. 11,2f. c2 Kor. 11,3 dLev 21,13 2 Kor. 5,17 gEph. 5,27 h 2 Kor. 4,16 iVgl. Lev. 21,14 k Vgl. Röm. 7,2f.

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Hos. 2,(20)22 Vgl. Mt. 22,12f.

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bin der Herr, der ich ihn heilige.“a Weil also die Abfolge der ganzen Auslegung auf den wahren großen Priester, Christus, ausgerichtet wurde, wollen wir nun sehen, wie auch seine Heirat verstanden werden muss. Der Apostel Paulus sagt: „Ich will aber euch alle als keusche Jungfrau einem einzigen Mann, Christus, darbieten. Ich fürchte aber, dass so, wie die Schlange Eva mit ihrer List verführt hat, eure Sinne verdorben werden, weg von der Einfachheit, die in Christus ist.“ b Paulus will also alle Korinther als reine Jungfrau Christus darbieten; was er gewiss niemals wollte, wenn er es nicht als möglich ansähe. Daher erscheint es vielleicht auch erstaunlich, wie die, die durch verschiedene Sünden verdorben waren und zum Glauben an Christus gekommen sind, alle zugleich eine keusche Jungfrau genannt werden; diese Jungfrau ist so heilig, so keusch, dass sie sogar mit Christus durch Hochzeit verbunden zu werden verdient. Weil wir dies aber nicht auf die Unversehrtheit des Fleisches beziehen können, ist es sicher, dass es auf die Unversehrtheit der Seele gerichtet ist, deren Einfachheit des Glaubens, „die in Christus ist“,c gemäß der Meinung des Paulus selbst ihre Jungfräulichkeit genannt wurde; und dadurch, dass Christus, während die Sophismen der Philosophen oder der jüdische Aberglaube ein Ende nahmen, die Kirche in einfachem Glauben für sich angenommen hat, „nahm er eine Jungfrau aus seinem Geschlecht als Ehefrau“.d Denn deren Glauben verdirbt weder das philosophische Denken noch der Ehrgeiz der Beschneidung, sondern sie blieb in der Einfachheit des Bekenntnisses wie in jungfräulicher Unversehrtheit. Denn so hatte er auch längst durch den Propheten verheißen: „Ich werde dich mir verloben im Glauben.“ e Jeder also, gemäß dem Apostel, „der in Christus ist, ist eine neue Schöpfung“.f Und wie derselbe Apostel sagt: „damit er sich selbst eine herrliche Kirche bereite, die keinen Makel oder eine Falte oder etwas dergleichen hat, sondern damit sie heilig und makellos ist.“ gWie bewirkt er also, dass die, die faltig ist, ohne Falte ist, wenn er sie nicht erneuert gemäß dem, was geschrieben steht: „Denn auch wenn dieser unser Mensch, der außen ist, verdorben wird, wird doch der, der innen ist,Tag für Tag erneuert“? h Die Witwe, die Hure und die Verstoßene i allerdings nimmt Christus nicht an noch tritt eine solche Seele in das Schlafgemach des Bräutigams ein. Denn wer dorthin eintritt, ohne Hochzeitsgewänder anzuhaben, wird das erleiden, was ihr wisst, dass es im Evangelium geschrieben steht.j Eine Jungfrau also wird er annehmen, eine Witwe, eine Hure, eine Verstoßene oder eine Befleckte wird er nicht annehmen. Warum Christus eine hurerische, eine verstoßene und eine beschmutzte Seele nicht in die Ehe nimmt, bereitet keine Mühe darzulegen; warum er jedoch eine Witwe nicht annimmt, ist sorgfältiger zu betrachten. In seinem Brief an die Römer nennt der Apostel Paulus das Gesetz den Mann der Seele und verkündet, dass diese, wenn der Mann gestorben ist, vom Gesetz des Mannes gelöst ist, sodass sie keine Ehebrecherin mehr ist, wenn sie Christus heiratet.kWenn es aber geschieht, dass zwar das Gesetz für die Seele stirbt, das heißt, dass die Seele sich vom Gesetz entfernt, sich jedoch nicht

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conubii disciplinis et a lege discedens euangelici dogmatis non suscipiat iugum: haec nubere Christo non poterit, quae libertatis lasciuiam quaesierit, non fidei uirginalis et simplicis cultum. Hic ergo sacerdos magnus „uxorem uirginem accipiet de genere suo“.a Potest et propter hoc dictum uideri „de genere suo“, quod anima Christi ex genere et ex substantia fuerit humanarum omnium animarum. Potest et secundum hoc, quod fratres uocat credentes in se, „de genere suo“ dici anima, quae ei in fide tamquam nuptiis sociatur. Illud tamen nolo nos lateat, quod Hebraei negant se scriptum habere, quod nos apud septuaginta interpretes inuenimus: „de genere suo“. Et recte illi non habent scriptum. Ablata est enim ab illis propinquitas Dei, ablata est adoptio filiorum et translata est ad ecclesiam Christi. Illi ergo non habent scriptum quia de genere Christi sint, sicut nec esse meruerunt. Nos autem qui hoc scriptum habemus et legimus, gaudeamus quidem de dignatione Dei, sed caute et sollicite curemus, ne nos uita nostra et actus ac mores faciant aliquando degeneres, ne et hoc ipsum nobis ad condemnationem ducatur quod, cum genus simus Christi,b indignis et foedis et diabolicis actibus seruiamus. „Qui habet“ ergo „sponsam, sponsus est.“ c Audis, quomodo sponsus dicitur Christus, sponsa uero eius anima dicitur, quae fidei simplicitate et actuum puritate incorrupta probatur et uirgo. Dicit enim Dominus et per Hieremiam prophetam: „Nonne sicut Dominum me uocasti et patrem et principem uirginitatis tuae?“ d 6. „Viduam autem et eiectam et contaminatam non accipiet.“ e Si quis nostrum peccauerit, abiectus est; etiamsi non abiciatur ab episcopo, siue quod a

Lev. 21,13

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Vgl. Apg. 17,29

c

Joh. 3,29

d

Jer. 3,4

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Lev. 21,14

434 Vgl. princ. IV 4,4 (GCS Orig. 5, 353): „Als nun der Sohn Gottes zum Heile der

Menschheit sich den Menschen offenbaren und unter den Menschen wandeln wollte, nahm er nicht, wie manche glauben, nur einen menschlichen Leib an, sondern auch eine Seele. Diese war zwar ihrer Natur nach unsern Seelen gleich, nach ihrer Willensrichtung aber und ihrem sittlichen Verhalten ihm selber gleich und so beschaffen, dass sie alle Entschlüsse und Heilsmaßnahmen des Logos und der Weisheit unverändert ausführen konnte.“ Übersetzung: p. 793 Görgemanns/Karpp. 435 Die Wendung „aus seinem Geschlecht“ ist im hebräischen Text in Lev. 21,13 nicht vorhanden, allerdings in Lev. 21,14 (dem folgt Hieronymus in der Vulgata). Nur die Septuaginta hat diesen Zusatz in Vers 13. 436 Origenes formuliert hier die antijüdische christliche Substitutionstheorie, wie z.  B. auch in Ios. hom. 26,3 (GCS Orig. 7, 463): „Die Gnade des Heiligen Geistes ist auf die Heidenvölker übergegangen (translata est), die Festlichkeiten sind auf uns übergegangen, weil zu uns auch nicht der bildliche, sondern der wahre Hohepriester übergegangen ist, der gemäß der Ordnung Mechisedeks erwählt wurde; und notwendigerweise bringt er die wahren Opfer, das heißt die geistigen, bei uns dar, wo der Tempel Gottes aus lebendigen Steinen erbaut wird, der die Kirche des lebendigen Gottes ist, und wo das wahre Israel ist.“ Weitere Stellen hierzu bei Döhler/Fürst, OWD 5, 414 Anm. 473.

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durch die Zucht einer keuscheren Heirat bindet und, obwohl sie sich vom Gesetz entfernt, nicht das Joch der Lehre des Evangeliums auf sich nimmt, wird diese Christus nicht heiraten können, da sie die Ausschweifung der Freiheit sucht, nicht die Lebensweise des jungfräulichen und einfachen Glaubens. Dieser große Priester also „soll als Ehefrau eine Jungfrau aus seinem Geschlecht nehmen“.a Es kann offenbar auch deswegen „aus seinem Geschlecht“ gesagt werden, weil die Seele Christi aus dem Geschlecht und aus der Substanz aller menschlichen Seelen war.434 Es kann auch gemäß dem, dass er die an ihn Glaubenden Brüder nennt, „aus seinem Geschlecht“ die Seele genannt werden, die ihm im Glauben wie durch Heirat verbunden wird. Ich will jedoch nicht, dass uns verborgen ist, dass die Hebräer leugnen, dass sie in ihrer Schrift haben, was wir bei den siebzig Übersetzern finden: „aus seinem Geschlecht“.435 Und zu Recht haben jene es nicht in ihrer Schrift. Denn weggenommen wurde die Nähe Gottes von ihnen, weggenommen wurde die Annahme als Söhne und auf die Kirche Christi übertragen.436 Jene haben also nicht in ihrer Schrift, dass sie aus dem Geschlecht Christi sind, wie sie es auch nicht zu sein verdienten. Wir aber, die das in der Schrift haben und lesen, wir wollen uns zwar freuen über die Würdigung durch Gott, doch wir wollen vorsichtig und wachsam besorgt sein, dass wir unser Leben, unsere Taten und unser Verhalten nicht irgendwann entarten437 lassen, damit uns nicht eben dies zur Verurteilung führt, dass wir, obwohl wir das Geschlecht Christi sind,b unwürdigen, abscheulichen und teuflischen Handlungen dienen.438 „Wer“ also „die Braut hat, ist der Bräutigam.“ c Du hörst, wie Christus Bräutigam genannt wird, seine Braut hingegen wird die Seele genannt, die in der Einfachheit des Glaubens und in der Reinheit der Taten als unbefleckt und als Jungfrau erwiesen wird. Denn der Herr sagte auch durch den Propheten Jeremia: „Hast du mich nicht so wie Herr auch Vater und Herrscher deiner Jungfräulichkeit genannt?“ d 6. „Eine Witwe aber, eine Verstoßene und eine Befleckte soll er nicht nehmen.“ eWenn439 jemand von uns sündigt, ist er ausgestoßen; auch wenn er nicht vom Bischof ausgestoßen wird, sei es, weil es verborgen ist, sei es, weil er

437 Das verwendete Verb degeneres spielt auf genus (Geschlecht) an. 438 Der Antijudaismus, wie er in der Substitutionstheorie formuliert ist, wird bei Ori-

genes dadurch nicht zu einem christlichen Triumphalismus, weil er seine Gemeindemitglieder immer wieder davor warnt, dass sie, wenn sie sündigen, ebenso der göttlichen Verurteilung anheimfallen werden, trotz ihrer Zugehörigkeit zu Christus. Vgl. in diesem Sinne z.  B. in Hier. hom. 4,5 (GCS Orig. 32, 27); 19,4(18,14) (32, 171): „Auch du bist jetzt Jerusalem … fürchte dich, dass nicht du, wenn du sündigst, das sündige Jerusalem bist und ausgeliefert wirst!“ Übersetzung: Fürst/Lona, OWD 11, 475. Siehe dazu ebd. 39–41 mit weiteren Stellen aus den Jeremiahomilien. 439 Von hier bis zum Ende (ohne die Schlussdoxologie) hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos. VI 16 (PL 108, 482C–483C), die Predigt abgeschrieben.

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lateat siue quod interdum ad gratiam iudicetur, eiectus est tamen ipsa conscientia peccati. Nec prode est hominis gratia, cum Christus huiusmodi animam tamquam abiectam non recipiat in coniugium. Igitur neque uiduam, sicut supra diximus, accipiet neque eiectam neque pollutam. Polluta dicitur, quae, etiamsi non ex integro compleuit peccatum, tamen hoc ipso quod cogitauit, quod uoluit, quod optauit, etiamsi non admisit, polluta est et a magno pontifice non eligitur.Valde enim puram, ualde mundam et sinceram requirit animam, quam sibi iungat, quia „qui se iunxerit Domino, unus spiritus est“.a Vnde etiam hoc ostenditur quod sint differentiae peccatorum et qui pecca­ uerit peccatum ad mortem,b abiectus sit, qui autem non peccat ad mortem, sed inferius aliquid, pollutus sit. Sponsa autem Christi neque abiecta neque polluta potest esse, sed uirgo incontaminata, incorrupta, munda. Memento enim sermonis apostoli, quem paulo ante proposuimus, dicentis: „ut exhibeat ipse sibi gloriosam ecclesiam, non habentem maculam aut rugam aut aliquid eiusmodi, sed ut sit sancta et immaculata“.c 7. Sed et „meretricem non accipiet“.d Quae est anima meretrix? Quae ad se recipit amatores, de quibus dicit propheta: „Meretricata es post amatores tuos.“ e Qui sunt isti amatores, qui intrant ad animam meretricem, nisi contra­ riae potestates et daemones, qui desiderium capiunt pulchritudinis eius? Pulchra namque a Deo creata est anima | et satis decora. Audi, quomodo ipse Deus dicit: „Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram.“ f Vide, cuius decoris, cuius pulchritudinis est anima; imaginem habet et similitudinem Dei. Hanc pulchritudinem contrariae potestates cum adspiciunt, id est diabolus et angeli eius,g concupiscunt speciem ipsius; et quia non possunt sponsi eius fieri, meretricari cupiunt cum ea. Si ergo susceperis, o homo, in cubili animae tuae adulterum diabolum, meretricata est anima tua cum diabolo. Si receperis angelos eius, si spiritus diuersos, qui peccare te suadeant, meretricata est cum iis anima tua; si spiritus irae, si inuidiae, si superbiae, si impudicitiae ingressus fuerit ad animam tuam et receperis eum, consenseris ei loquenti in corde tuo, delectatus fueris his, quae tibi secundum suam mentem suggerit, meretricatus es cum eo. a

1 Kor. 6,17 Gen. 1,26

f

b

Vgl. 1 Joh. 5,16 Vgl. Offb. 12,9

g

c

Eph. 5,27

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Lev. 21,14

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Vgl. Ez. 16,33.28

440 Siehe dazu die Erklärung in Rahner, Bußlehre des Origenes 165: Im Fall einer

Todsünde darf der Bischof „nicht einfach ‚ad gratiam iudicare‘ (nachsichtig verurteilen), d.  h. auf die Exkommunikation verzichten und die unheilbare Sünde so heilen wollen, wie sich nur Sünden heilen lassen, die nicht den geistigen Tod bewirkt haben, nämlich durch Gebet und Opfer allein.“ Vgl. auch in Lev. hom. 14,2 (GCS Orig. 6, 479) und 14,3 (6, 483). 441 Vgl. ebd. 12,5 (6, 463f.). 442 Vgl. auch princ. II 6,3 (GCS Orig. 5, 142). 443 Siehe dazu oben S. 364 Anm. 408.

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einstweilen nachsichtig verurteilt wird,440 er ist dennoch durch das Wissen um die Sünde selbst verstoßen. Nutzlos ist die Nachsicht eines Menschen, wenn Christus eine derartige Seele gleichsam als ausgestoßene nicht in die Ehe aufnimmt. Daher wird er, wie wir vorher gesagt haben,441 weder eine Witwe noch eine Verstoßene noch eine Beschmutzte aufnehmen. Beschmutzte wird die genannt, die, auch wenn sie eine Sünde nicht ganz vollendet hat, dennoch durch eben das, was sie dachte, was sie wollte, was sie wünschte, auch wenn sie es nicht zuließ, beschmutzt ist und vom großen Priester nicht erwählt wird. Denn er verlangt eine sehr reine, sehr saubere und ehrliche Seele, die er sich verbindet, denn „wer sich dem Herrn verbindet, ist ein Geist“.a 442Von daher zeigt sich auch, dass es Unterschiede zwischen den Sünden gibt, und wer eine Sünde zum Tod b begangen hat, ist ausgestoßen,443 wer aber nicht zum Tod sündigt, sondern eine geringere Sünde begeht, ist beschmutzt. Die Braut Christi aber kann weder ausgestoßen noch beschmutzt sein, sondern eine unbefleckte Jungfrau, unverdorben, rein. Erinnere dich nämlich an das Wort des Apostels, das wir kurz zuvor dargelegt haben, wo er sagt: „damit er sich selbst eine herrliche Kirche bereite, die keinen Makel oder eine Falte oder etwas dergleichen hat, sondern damit sie heilig und makellos ist“.c 7. Doch auch „eine Hure soll er nicht nehmen“.d Welche Seele ist eine Hure? Die Liebhaber zu sich aufnimmt, über die der Prophet sagt: „Hinter deinen Liebhabern hast du hergehurt.“ e Wer sind diese Liebhaber, die zur hurerischen Seele eintreten, wenn nicht die feindlichen Mächte und Dämonen, die das Verlangen nach ihrer Schönheit in sich haben? Schön nämlich und reichlich geschmückt wurde die Seele von Gott geschaffen. Höre, wie Gott selbst sagt: „Wir wollen den Menschen machen nach unserem Bild und unserer Ähnlichkeit.“ f Sieh, von welchem Schmuck, von welcher Schönheit die Seele ist; sie enthält das Bild und die Ähnlichkeit Gottes. Wenn die feindlichen Mächte, das heißt der Teufel und seine Engel,g diese Schönheit erblicken, begehren sie ihre Erscheinung; und weil sie nicht ihre Bräutigame werden können, wünschen sie, mit ihr zu huren.444 Wenn du also, o Mensch, in das Bett deiner Seele den ehebrecherischen Teufel aufnimmst, hat deine Seele mit dem Teufel gehurt. Wenn du seine Engel, wenn du verschiedene Geister, die dich überreden zu sündigen, aufgenommen hast, hat deine Seele mit ihnen gehurt; wenn der Geist des Zorns, des Neids, des Stolzes, der Unzucht zu deiner Seele hineingegangen ist und du ihn aufgenommen hast,445 hast du mit ihm übereingestimmt, wenn er in deinem Herzen redet, hast du dich an dem erfreut, was er dir nach seinem Sinn eingibt, hast du mit ihm gehurt. 444 Vgl. in Hiez. hom. 8,1 (GCS Orig. 8, 401): „Wir haben oft gesagt, dass die feindlichen

Kräfte die Schönheit der menschlichen Seele lieben, und wenn die menschliche Seele die Samen ihrer Liebhaber annimmt, treibt sie auf gewisse Weise Hurerei mit ihnen.“ 445 Vgl. in Ex. hom. 8,5 (GCS Orig. 6, 227): „An diesem Beispiel erkennen wir, dass jede Seele sich entweder den Dämonen anbietet und zahlreiche Freier hat, so dass einmal

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„Meretricem“ ergo „non accipiet sacerdos magnus et non contaminabit semen suum in populo suo.“a Quod est istud semen, quod contaminari non uult? In euangeliis scriptum est quia: „Qui seminat, uerbum seminat.“ b Non uult ergo contaminari uerbum Dei ab his, qui seminant. Qui sunt autem qui seminant? Qui uerbum Dei in ecclesia proferunt. Audiant ergo doctores, ne forte animae contaminatae, animae meretricanti, animae infideli uerba Dei credant, ne forte mittant „sanctum canibus et margaritas ante porcos“,c sed animas mundas, uirgines in simplicitate fidei, „quae in Christo est“,d eligant, ipsis committant secreta mysteria, ipsis uerbum Dei et arcana fidei proloquantur, ut in ipsis „Christus formetur“ e per fidem. Aut nescis quia ex isto semine uerbi Dei, quod seminatur, Christus nascitur in corde auditorum? Hoc enim et apostolus dicit: „donec formetur Christus in nobis“.f Concipit ergo anima ex hoc uerbi semine et conceptum format in se uerbum, donec pariat spiritum timoris Dei. Sic enim per prophetam dicunt animae sanctorum: „A timore tuo, Domine, concepimus in utero et parturiuimus et peperimus; spiritum salutis tuae fecimus super terram.“ g Iste | est sanctarum animarum partus, iste conceptus, ista sunt sancta coniugia, quae conueniunt et apta sunt magno pontifici Christo Iesu Domino nostro, „cui gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ h a

Lev. 21,14 bMk. 4,14 1 Petr. 4,11

h

c

Mt. 7,6

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2 Kor. 11,3

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Gal. 4,19

f

Gal. 4,19

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Jes. 26,17f.

bei ihr der Geist der Unzucht einzieht, bei seinem Weggang der Geist der Habsucht, nach ihm der Geist des Hochmuts kommt, dann der des Zorns, dann der des Neides, danach der der eitlen Ruhmsucht und mit ihnen sehr viele andere.“ Übersetzung: p. 171 Heither. 446 Die Geburt Christi im Herzen des Gläubigen ist eines der in der späteren Mystik wirkmächtigsten spirituellen Motive des Origenes, auf das er oft zu sprechen kommt. Siehe die Belege bei Döhler/Fürst, OWD 5, 392 Anm. 435, und dazu bes. Rahner , Gottesgeburt 351–358 (= ders., Symbole der Kirche 29–35).

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„Eine Hure“ also „soll der große Priester nicht annehmen und nicht seinen Samen in seinem Volk verunreinigen.“a Was ist dieser Samen, von dem er will, dass er nicht verunreinigt wird? In den Evangelien steht geschrieben: „Wer sät, sät das Wort.“ b Er will also nicht, dass das Wort Gottes von denen verunreinigt wird, die säen. Wer aber sind die, die säen? Die das Wort Gottes in der Kirche vortragen. Es sollen also die Lehrer hören, dass sie nicht vielleicht einer verunreinigten Seele, einer hurerischen Seele, einer ungläubigen Seele die Worte Gottes anvertrauen, dass sie nicht vielleicht „das Heilige den Hunden und die Perlen vor die Schweine“ c werfen, sondern dass sie reine Seelen, Jungfrauen in der Einfachheit des Glaubens, „die in Christus ist“,d auswählen, ihnen die geheimen Mysterien übergeben, ihnen das Wort Gottes und die Geheimnisse des Glaubens sagen, damit in ihnen durch den Glauben „Christus Gestalt annimmt“.e Oder weißt du nicht, dass aus diesem Samen des Wortes Gottes, das gesät wird, Christus im Herzen der Zuhörer geboren wird?446 Denn das sagt auch der Apostel: „bis Christus in uns Gestalt annimmt“.f Die Seele empfängt also aus diesem Samen des Wortes und, wenn sie ihn empfangen hat, bildet sie in sich das Wort, bis es den Geist der Gottesfurcht gebiert. Denn so sagen die Seelen der Heiligen durch den Propheten: „Von deiner Furcht, Herr, haben wir im Mutterleib empfangen und wollten gebären und haben geboren; den Geist deines Heils schufen wir auf der Erde.“ g 447 Das ist die Geburt der heiligen Seelen, das ist die Empfängnis, das sind die heiligen Ehen, die angemessen und passend sind für den großen Priester Christus Jesus, unseren Herrn. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ h

447 Der Vers lautet in der Vulgata: concepimus et quasi parturivimus et peperimus spiritum

salutes non fecimus in terra … – „Wir wurden schwanger und kreißten gleichsam und gebaren einen Hauch. Wohltaten verrichteten wir nicht im Land …“; Übersetzung: p. 98 Fieger u.  a. In manchen Handschriften der Septuaginta, die Origenes benutzt, fehlt das „nicht“, wodurch der Sinn umgekehrt wird.

HOMILIA XIII. De diebus festis et lucerna et candelabro et oleo ad lumen et de mensa et panibus propositionis.a

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1. Qui perfectus est,b ab ipso Deo docetur de sollemnitatum ratione et homine ad haec discenda magistro non utitur, sed a Deo discit, si qui potest capere Dei uocem. Qui autem non est talis, sed inferior, discit ab eo, qui didicerit a Deo. Est haec ergo de sollemnitatibus duplex quaedam ratio doctrinae. Vna, qua illuminata per spiritum prophetica mens docetur, quae, ut ita dicam, magis intuitu mentis discitur quam sono uocis, per quam ueritas ipsa, non umbra et imago ueritatis c agnoscitur. Hi uero, qui ipsam Dei claritatem capere non possunt nec totum fulgorem ueritatis intenta mentis acie conspicari, audiunt de sollemnitatibus secundo loco ab his, qui primo didicerunt; et cum illis ueritatem rerum ipsa inspectionis proprietas dederit, ad istos ueritatis umbram perfert solus auditus. Huius mysterii apostolus conscius dicebat de Iudaeis quia: „Vmbrae et exemplari deseruiunt coelestium.“ d Ipsa enim coelestia Moyses uidisse describitur, typos autem et imagines eorum, quae uiderat, populo tradidisse; sic enim ad eum diuinum dicit eloquium: „Vide“ inquit „omnia facito secundum formam, quae ostensa est tibi in monte.“ e Tale ergo est, quod et in hoc loco recitatum est quia Dominus locutus fuerit de sollemnitatibus ad Moysen.f Et post haec: „Et locutus est Moyses“ inquit „dies sollemnes Domini Dei filiis | Istrahel.“ g a

Vgl. Lev. 24,1–9 bVgl. z.  B. Mt. 19,21 cVgl. Hebr. 10,1 Hebr. 8,5; vgl. Ex. 25,40 fVgl. Lev. 23 gLev. 23,44

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Hebr. 8,5

448 Vgl. in Hier. hom. 10,1 (GCS Orig. 32, 71): „‚Der Vater‘ freilich ‚in den Himmeln‘

lehrt entweder von sich aus oder durch Christus oder im Heiligen Geist oder zum Beispiel durch Paulus oder durch Petrus oder durch einen der anderen Heiligen, vorausgesetzt nur, Gottes Geist und Gottes Wort kommen und lehren.“ Übersetzung: Fürst/Lona, OWD 11, 267. 449 Vgl. princ. III 6,8 (GCS Orig. 5, 289f.): „… die wahren und lebendigen Gestalten (­formas) jener Vorschriften, die Mose unter der ‚schattenhaften‘ Form des Gesetzes (vgl. Hebr. 10,1) erließ. Darauf bezieht sich das Wort: ‚Sie dienen dem Nachbild und dem Schatten des Himmlischen‘ (Hebr. 8,5), nämlich die, die unter dem Gesetz dienten. Auch zu Mose selbst ward gesagt: ‚Schau zu, dass du alles machst nach dem Vorbild, das dir auf dem Berg gezeigt wurde‘ (Ex. 25,40, vgl. Hebr. 8,5).“ Übersetzung: p. 665 Görgemanns/Karpp.

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HOMILIE 13 Über die Festtage, die Öllampe, den Leuchter, das Öl für das Licht und über den Tisch und die Brote der Auslegung.a

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1. Wer vollkommen ist,b wird von Gott selbst über die Erklärung der Festlichkeiten belehrt und braucht keinen Menschen als Lehrer, um dies zu lernen, sondern er lernt von Gott, wenn er die Stimme Gottes fassen kann. Wer aber nicht von solcher Art ist, sondern geringer, lernt von dem, der von Gott gelernt hat.448 Es gibt also über die Festlichkeiten eine Art doppelte Erklärung der Lehre. Eine, durch die der durch den Geist erleuchtete prophetische Verstand gelehrt wird, die, wie ich so sagen möchte, mehr durch die Anschauung des Verstandes gelernt wird als durch den Klang der Stimme, durch die die Wahrheit selbst, nicht ein Schatten oder Bild der Wahrheit,c erkannt wird. Die hingegen, die die Klarheit Gottes selbst nicht erfassen und den ganzen Glanz der Wahrheit mit dem aufmerksamen Blick des Geistes nicht erblicken können, hören über die Festlichkeiten an zweiter Stelle von denen, die zuerst gelernt haben; und während die Eigentümlichkeit der Einsicht jenen die Wahrheit der Dinge erschlossen hat, vermittelt diesen allein das Hören den Schatten der Wahrheit.449 Im Wissen um dieses Mysterium sagte der Apostel über die Juden: „Dem Schatten und Vorbild der himmlischen Dinge dienen sie.“ d Denn es wird beschrieben, dass Mose die himmlischen Dinge selbst gesehen hat, dem Volk aber die Typen und Bilder dessen, was er gesehen hatte, überlieferte; denn so sagt zu ihm die göttliche Rede: „Siehe“, heißt es, „du sollst alles nach der Gestalt machen, die dir auf dem Berg gezeigt worden ist.“ e 450 So beschaffen ist also das, was auch an der Stelle vorgelesen wurde, wo der Herr über die Festlichkeiten zu Mose sprach.f Und danach: „Und Mose sprach“, heißt es, „über die Festtage Gottes des Herrn zu den Söhnen Israels.“ g 450 In Ex. 25,40 geht es um das Modell des Heiligtums in der Wüste, das Mose gezeigt

wird. Origenes deutet dieses Heiligtum spirituell, in Ex. hom. 9,2 (GCS Orig. 6, 237): „Wenn du die Erde verlassen hast, dem prophetischen und apostolischen Gedanken und – was über alles hinausgeht – dem Wort Christi mit ganzer Seele und ganzem Verstand folgst, wenn du mit ihm zum Himmel aufsteigst, kannst du dort die Herrlichkeit des ewigen Zeltes suchen, dessen Vorbild durch Mose schattenhaft auf Erden angedeutet wurde.“ Übersetzung: p. 187 Heither. In Num. hom. 17,4 (GCS Orig. 7, 159–164) findet sich eine ausführliche spirituelle Auslegung des Wüstenheiligtums.

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Homilia XIII

Transacto uero de his sermone uideamus quid post haec edocetur Moyses. Primo de lucerna et candelabro et oleo, quod ei infunditur; secundo in loco de mensa et panibus propositionis ac numero eorum et qui iis uti debeant. Intendamus ergo animum diligentius his, quae scripta sunt, et ad haec dino­ scenda concedi nobis gratiam Domini deprecemur, ut in his quae legimus litteris, quae sit uoluntas sancti Spiritus, agnoscamus. „Praecipe“ inquit „filiis Istrahel, et deferant tibi oleum de oliuis mundum expressum ad lumen, ut ardeat lucerna semper extra uelum in tabernaculo testimonii, et accendent illam Aaron et filii eius a uespera usque in mane contra Dominum indesinenter, legitimum aeternale in progenies uestras. In candelabro mundo accendetis lucernas contra Dominum usque mane.“a Candelabrum mundum nominat; lucernas accendi per pontificem iubet et earum lumen ministrari ex oleo, quod datur a populo, praecipit. Itaque nisi dederit oleum populus, sine dubio exstinguetur lucerna et non erit lumen in sanctis. Secundum litteram ergo haec erat consequentia, ut conferret populus oleum mundum de oliuis expressum, ut ex eo ministraretur lumen lucernae; et Aaron accendebat lucernas a uespera usque mane, fomentis olei, quod contulerat populus, lumini pabulum praebens. 2. Verum quoniam „lex spiritalis est“,b petamus a Domino – si tamen conuersi sumus ad Dominum c – „auferri“ nobis „uelamen de lectione ueteris testamenti“,d ut possimus aduertere, quae ratio sit candelabri uel lucernarum eius secundum intelligentiam spiritalem. Ante aduentum Domini mei Iesu Christi sol non oriebatur populo Istrahel, sed lucernae lumine utebatur. Lucerna enim erat apud eos sermo legis et sermo propheticus intra angustos conclusa parietes, quae non poterat in orbem terrae lumen effundere. Intra Iudaeam namque concludebatur scientia | Dei, sicut et propheta dicit: „Notus in Iudaea Deus.“ e Vbi uero exortus est „sol iustitiae“ f Dominus et Saluator noster et natus est uir, de quo scriptum est: „Ecce uir, Oriens nomen est ei“,g per uniuersum mundum scientiae Dei lumen effusum est. Sermo ergo legis et sermo propheticus erat lucerna ardens, sed ardebat intra aedem nec ultra poterat emittere splendorem suum. Quod autem sermo legis et prophetarum lucerna dicatur, Dominus ipse nos docuit dicens de Iohanne baptista: „Ille erat lucerna ardens et lucens, et uos uoluistis ad horam exsultare in lumine eius.“ h Et alibi dicit quia: „lex et prophetae usque ad Iohannem“.i Lucerna itaque ardens est Iohannes, in quo lex concluditur et prophetae. Donec ergo a f

Lev. 24,2–4 bRöm. 7,14 cVgl. 2 Kor. 3,16 d2 Kor. 3,14 Mal. 4,2(3,20) gSach. 6,12 h Joh. 5,35 i Lk. 16,16

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Ps. 75(76),2

451 Siehe dazu oben S. 168 Anm. 162. 452 Vgl. Ambrosius, in Ps. 118,105 (PL 15, 1393A): „Und vielleicht ist das Wort Gottes

nach dem Gesetz eine Lampe, nach dem Evangelium ein großes Licht.“ 453 In Lev. hom. 9,10 (GCS Orig. 6, 438) wird derselbe Vers zitiert, der Name Oriens

jedoch als „Osten“, die Richtung des Sonnenaufgangs, gedeutet.

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Nachdem aber die Rede darüber beendet ist, wollen wir sehen, was Mose danach gelehrt wird. Zuerst über die Öllampe, den Leuchter und das Öl, das in diesen hineingegossen wird; an zweiter Stelle über den Tisch und die Brote der Auslegung und deren Anzahl und die, die sie verwenden dürfen. Richten wir also den Geist sorgfältiger auf das, was geschrieben steht, und bitten wir, dass die Gnade des Herrn uns das unterscheiden lässt, damit wir in den Buchstaben, die wir lesen, erkennen, was der Wille des Heiligen Geistes ist. „Schreib“, heißt es, „den Söhnen Israels vor, dass sie dir reines, aus Oliven gepresstes Öl für das Licht bringen, damit die Öllampe außerhalb des Vorhangs im Bundeszelt immer brennt, und Aaron und seine Söhne sollen sie vom Abend bis zum Morgen unablässig vor dem Herrn anzünden, ein ewiges Gesetz für eure Nachkommen. Auf einem reinen Leuchter sollt ihr Öllampen vor dem Herrn bis zum Morgen anzünden.“a Er nennt den Leuchter rein; er befiehlt, dass die Öllampen vom Hohepriester angezündet werden, und schreibt vor, dass ihr Licht aus dem Öl versorgt wird, das vom Volk gespendet wird. Wenn daher das Volk kein Öl gespendet hat, wird ohne Zweifel die Öllampe erlöschen und es kein Licht im Heiligtum geben. Nach dem Buchstaben war also dies die Abfolge, dass das Volk reines, aus Oliven gepresstes Öl brachte, damit mit diesem das Licht der Öllampe versorgt wurde; und Aaron zündete die Öllampen vom Abend bis zum Morgen an, indem er dem Licht Nahrung mittels des Öls bot, das das Volk gebracht hatte. 2. Weil aber „das Gesetz geistig ist“,b wollen wir vom Herrn erbitten – wenn wir denn zum Herrn bekehrt sind c –, dass für uns „die Hülle von der Lesung des Alten Testaments weggenommen wird“,d sodass wir wahrnehmen können, was die Erklärung des Leuchters beziehungsweise seiner Lampen nach dem geistigen Verständnis ist. Vor der Ankunft meines Herrn451 Jesus Christus ging die Sonne für das Volk Israel nicht auf, sondern verwendeten sie das Licht von Öllampen. Denn das Wort des Gesetzes und das prophetische Wort waren bei ihnen eine Öllampe, die innerhalb von engen Wänden eingeschlossen war und ihr Licht nicht auf dem Erdkreis ausgießen konnte.452 Innerhalb von Judäa wurde nämlich die Erkenntnis Gottes eingeschlossen, so wie auch der Prophet sagt: „In Judäa ist Gott bekannt.“ e Sobald hingegen die „Sonne der Gerechtigkeit“,f unser Herr und Erlöser, aufging und der Mann geboren wurde, über den geschrieben steht: „Siehe ein Mann, Aufgang453 ist sein Name“,g wurde das Licht der Erkenntnis Gottes über die gesamte Welt ausgegossen. Das Wort des Gesetzes also und das prophetische Wort waren eine brennende Öllampe, sie brannte jedoch innerhalb des Tempels und konnte ihren Glanz nicht darüber hinaus aussenden. Dass aber das Wort des Gesetzes und der Propheten Öllampe genannt wird, lehrte uns der Herr selbst, als er über Johannes den Täufer sagte: „Er war eine brennende und leuchtende Öllampe, und ihr wolltet eine Zeit lang in seinem Licht jubeln.“ h Und anderswo sagt er: „das Gesetz und die Propheten bis zu Johannes“.i Eine brennende Öllampe ist daher Johannes, in dem das Gesetz und die Propheten

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Homilia XIII

populus ille habebat oleum, quod conferret ad lumen, lucerna non est exstincta. Vbi uero defecit in iis oleum misericordiae, oleum operum bonorum nec inuenta est apud eos puritas – purum namque oleum quaerebatur ad lumen –, necessario exstincta lucerna est. Sed quid dicimus quia illis haec euenerunt, a nobis uero aliena sunt? Immo maior cura est Christiano olei conquirendi. Vide enim, quomodo Dominus in euangeliis per parabolam stultas uirgines nominat, quae oleum non portant in uasculis suis, et in tantum stultas, ut, quoniam defuit iis oleum ad succendendas lampadas suas, thalamis exclusae sint nuptiarum nec pulsantibus, quae olei curam neglexerant, ultra aperiri iusserit sponsus.a Memini tamen dudum nos, cum centesimi octaui decimi psalmi exponeremus illum uersiculum, in quo scriptum est: „Lucerna pedibus meis lex tua, Domine, et lumen semitis meis“,b diuersitatem lucernae et lucis pro uiribus ostendisse. Dicebamus enim quod lucernam quidem pedibus, id est inferioribus corporis partibus deputarit, lucem uero semitis dederit, quae semitae in alio loco semitae aeternae nominantur. Quia ergo secundum quandam mysticam rationem inferiores partes creaturae mundus hic intelligitur, ideo lucerna legis his, qui in hoc mundo tamquam totius creaturae pedes sunt, accensa memoratur. Lux autem aeterna erit illis semitis, | per quas in futuro saeculo unusquisque pro meritis incedet. Sed de his in suo loco sufficienter pro nostris uiribus dictum est. Nunc ergo quoniam uespera est et nox „usque ad consummationem saeculi“ c et usque quo nouus dies futuri saeculi et nouae lucis effulgeat, ardet unicuique nostrum lucerna haec in tantum splendorem luminis praebens, quantum olei copia ubertate operum fuerit ministrata. Denique et Iob in quodam loco, cum de bonis operum suorum exponeret, addidit etiam hoc: „cum splenderet“ inquit „lucerna super caput meum“.d Splendet ergo unicuique nostrum lucerna haec, in quantum oleo bonorum operum fuerit accensa. Si autem male agamus et opera nostra mala sint, non solum non accendimus, sed exstinguimus nobis istam lucernam et completur in nobis illud, quod scriptura dicit quia: „Qui male agit, in tenebris ambulat, et qui odit fratrem suum, in tenebris ambulat.“ e Exstinxit enim lucernam ­caritatis et ideo in tenebris ambulat. Aut non tibi uidetur exstinxisse lucernam, qui lumen caritatis exstinxit? „Qui“ autem „diligit fratrem“,f in caritatis luce perdurat et cum fiducia potest dicere: „Ego autem sicut oliua fructifera in domo Dei“ g et: „Filii eius sicut nouella oliuarum in circuitu a

Vgl. Mt. 25,1–13 bPs. 118(119),105 1 Joh. 2,10 gPs. 51(52),10

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c

Mt. 28,20

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Ijob 29,3

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1 Joh. 2,11

454 Diese Auslegung des Origenes ist nicht überliefert. In dem Fragment, das von ihm zu

diesem Psalmvers in der palästinischen Katene erhalten ist: cat. Pal. in Ps. 118,105 (SC 189, 358–362), erwähnt er zwar einen Unterschied zwischen Lampe und Licht, der aber anders geartet ist als der hier beschriebene.

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eingeschlossen sind. Solange also jenes Volk Öl hatte, das es zum Licht bringen konnte, ist die Öllampe nicht erloschen. Sobald hingegen bei ihnen das Öl der Barmherzigkeit ausging, das Öl der guten Werke, und bei ihnen keine Reinheit zu finden war – reines Öl war nämlich für das Licht gefordert –, ist die Öllampe notwendigerweise erloschen. Doch warum sagen wir, dass ihnen dies passierte, uns hingegen fremd ist? Vielmehr obliegt einem Christen eine größere Sorge, Öl zu beschaffen. Denn sieh, wie der Herr in den Evangelien durch ein Gleichnis die Jungfrauen töricht nennt, die kein Öl in ihren Gefäßen mittragen, und sie waren so sehr töricht, dass sie, weil ihnen das Öl ausging, um ihre Lampen anzuzünden, vom Hochzeitsgemach ausgeschlossen wurden, und als sie, die die Sorge für das Öl vernachlässigt hatten, anklopften, befahl der Bräutigam, dass nicht mehr geöffnet wurde.a Ich erinnere mich jedoch, dass wir jüngst, als wir vom 118. Psalm jenen Vers auslegten, in dem geschrieben steht: „Eine Öllampe für meine Füße ist dein Gesetz, Herr, und ein Licht für meine Pfade“,b nach Kräften den Unterschied zwischen Öllampe und Licht gezeigt haben. Wir sagten nämlich, dass er die Öllampe für die Füße, das heißt für die unteren Teile des Körpers bestimmte, das Licht hingegen den Pfaden gab, welche Pfade an anderer Stelle ewige Pfade genannt werden. Weil also gemäß einer bestimmten mystischen Erklärung die unteren Teile der Schöpfung als diese Welt verstanden werden, deshalb erinnert die brennende Öllampe des Gesetzes an die, die in dieser Welt gleichsam die Füße der gesamten Schöpfung sind. Das ewige Licht aber wird für jene Pfade sein, auf denen in der künftigen Weltzeit jeder nach seinen Verdiensten einhergehen wird. Doch darüber wurde an seinem Ort nach unseren Kräften ausreichend gesprochen.454 Nun also, weil Abend ist und Nacht455 „bis zum Ende der Weltzeit“ c und bis dass der neue Tag der zukünftigen Weltzeit und des neuen Lichtes erstrahlt, brennt für jeden von uns diese Öllampe, die solange Lichtglanz bietet, wie die Menge des Öls durch die Fülle der Werke besorgt wird. Schließlich fügte auch Ijob an einer Stelle, als er das Gute seiner Werke darlegte, auch das hinzu: „als glänzte“, sagt er, „die Öllampe auf meinem Haupt“.d Es leuchtet also für jeden von uns diese Öllampe, solange sie durch das Öl der guten Werke angezündet wird. Wenn wir aber schlecht handeln und unsere Werke schlecht sind, zünden wir diese Öllampe nicht nur nicht an, sondern löschen sie uns aus und erfüllt sich in uns das, was die Schrift sagt: „Wer schlecht handelt, wandelt in Finsternis, und wer seinen Bruder hasst, wandelt in Finsternis.“ e Denn er hat die Öllampe der Liebe ausgelöscht und wandelt deshalb in Finsternis. Oder scheint dir nicht, dass die Öllampe ausgelöscht hat, wer das Licht der Liebe ausgelöscht hat? „Wer“ aber „den Bruder liebt“,f verbleibt im Licht der Liebe und kann mit Zuversicht sagen: „Ich aber bin wie ein fruchtbringender Ölbaum im Haus Gottes“ g und: „Seine Söhne sind wie 455 Zur Bedeutung von Tag und Nacht siehe oben S. 34f.

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Homilia XIII

men­sae“a eius. Oleum ergo offerri iubetur a populo et oleum non qualecumque, sed mundum, et non ex quibuscumque seminibus, ut fieri diuersis in regionibus mos est, sed de oliuis expressum,b in quibus indicium pacis ostenditur. Neque enim accepta possunt esse Deo opera tua, nisi in pace peragantur; sicut et Iacobus apostolus dicit: „Fructus autem iustitiae in pace seminatur.“ c Idcirco, credo, etiam Dominus discipulis suis tradebat fidele depositum dicens: „Pacem meam do uobis, pacem meam relinquo uobis.“ d De hac ergo oliua oleum premamus operum nostrorum, ex quo lucerna Domino possit accendi, ut non in tenebris ambulemus.e | Haec quidem nobis dicta sint, quantum ad lucernam candelabri et oleum eius spectat. 3. Nunc uero uideamus, quid etiam in consequentibus de panibus propositionis scriptum est. „Et sumetis“ inquit „similaginem et facietis de ea duodecim panes, de duabus decimis erit unus panis; et imponetis eos duas positiones, sex panes una positio, super mensam mundam contra Dominum. Et imponetis super positionem tus mundum et salem, et erunt panes in commemorationem appositi Domino; die sabbatorum proponentur contra Dominum semper a filiis Istrahel, testamentum aeternum. Et erit Aaron et filiorum eius, et edent ea in loco sancto; sunt enim sancta sanctorum. Hoc erit illis de his, quae offeruntur Domino, legitimum aeternale.“ f Secundum ea, quae scripta sunt, in duodecim panibus duodecim tribuum Istrahel uidetur commemoratio ante Dominum fieri et praeceptum dari, ut sine cessatione isti duodecim panes in conspectu Domini proponantur; ut et memoria duodecim tribuum apud eum semper habeatur, quo ueluti exoratio quaedam et supplicatio per haec pro singulis fieri uideatur. Sed parua satis et tenuis est huiuscemodi intercessio. Quantum enim proficit ad repropitiandum, ubi uniuscuiusque tribus per panem fructus, per fructus opera consideranda sunt? Sed si referantur haec ad mysterii magnitudinem, inuenies commemorationem istam habere ingentis repropitiationis effectum. Si redeas ad illum panem, „qui de coelo descendit et dat huic mundo uitam“,g illum panem propositionis, „quem proposuit Deus propitiatiorem per fidem in sanguine eius“,h et si respicias illam commemorationem, de qua dicit Dominus: „Hoc facite in meam commemorationem“,i inuenies quod ista est commemoratio sola, quae propitium facit hominibus Deum. Si ergo intentius ecclesiastica mysteria recorderis, in his, quae lex scria f

Ps. 127(128),3 bVgl. Lev. 24,2 cJak. 3,18 dJoh. 14,27 Lev. 24,5–9 gJoh. 6,33 hRöm. 3,25 i 1 Kor. 11,25

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Vgl. 1 Joh. 2,11

456 Zum Ölzweig als Zeichen des Friedens vgl. Aischylos, Eum. 44 (p. 214 Werner/

Zimmermann); Sophokles, Oed. Tyr. 1. Akt (p. 265 Zimmermann); Vergil, Georg. II 425 (p. 136 Götte/Götte): placitam Paci … olivam. 457 Die Erwähnung des Salzes ist eine Ergänzung durch die Septuaginta, vielleicht beeinflusst durch Lev. 2,13, wo angeordnet wird, dass jedes Opfer mit Salz darzubringen ist. Dort wird es als „Salz des Bundes“ bezeichnet: vgl. in Lev. hom. 1,2 (GCS Orig. 6, 282). Ebd. 2,4 (6, 295) wird die Symbolik des Salzes mit Mt. 5,13 erläutert.

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junge Ölbäume rund um“ seinen „Tisch“.a Er befiehlt also, dass Öl vom Volk dargebracht wird, und zwar nicht irgendein Öl, sondern reines, und nicht aus irgendwelchen Samen, wie es in verschiedenen Gegenden Brauch ist, sondern aus Oliven gepresstes,b in denen ein Hinweis auf den Frieden gegeben wird.456 Denn deine Werke können nicht von Gott angenommen sein, wenn sie nicht in Frieden ausgeführt werden; so wie auch der Apostel Jakobus sagt: „Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden gesät.“ c Deswegen, glaube ich, vertraute auch der Herr seinen Jüngern ein verlässliches Gut an: „Meinen Frieden gebe ich euch, meinen Frieden hinterlasse ich euch.“ d Von diesem Ölbaum also sollen wir das Öl unserer Werke pressen, mit dem die Öllampe für den Herrn angezündet werden kann, damit wir nicht in Finsternis wandeln.e Dies möge von uns gesagt sein, soweit es sich auf die Öllampe des Leuchters und ihr Öl bezieht. 3. Nun hingegen wollen wir sehen, was im Folgenden auch über die Brote der Auslegung geschrieben steht. „Und ihr sollt“, heißt es, „Feinmehl nehmen und aus diesem zwölf Brote machen, ein Brot soll aus zwei Zehntel sein; und ihr sollt sie auf zwei Lagen legen, sechs Brote in eine Lage, auf den reinen Tisch vor dem Herrn. Und ihr sollt auf die Lage reinen Weihrauch und Salz457 legen, und sie sollen die Brote zur Erinnerung458 sein, ausgelegt für den Herrn; am Sabbattag sollen sie immer von den Söhnen Israels vor dem Herrn ausgelegt werden, als ewiges Zeugnis. Und es soll Aaron und seinen Söhnen gehören, und sie sollen es an einem heiligen Ort essen; denn sie sind das Allerheiligste. Das soll für sie von dem, was dem Herrn dargebracht wird, ein ewiges Gesetz sein.“ f Gemäß dem, was geschrieben steht, erfolgt offenbar in den zwölf Broten die Erinnerung an die zwölf Stämme Israels vor dem Herrn und wird die Vorschrift gegeben, dass diese zwölf Brote ohne Unterlass im Angesicht des Herrn ausgelegt werden; dass ferner die Erinnerung an die zwölf Stämme immer bei ihm gepflegt wird, auf dass dadurch offenbar gleichsam eine Art Bitte und ein Flehen für die Einzelnen erfolgt. Doch eine Fürsprache dieser Art ist reichlich klein und schwach. Denn wie viel nützt es zur Versöhnung, wo durch ein Brot die Früchte jedes einzelnen Stammes, durch die Früchte die Werke zu betrachten sind? Doch wenn dies auf die Größe des Mysteriums bezogen wird, wirst du finden, dass diese Erinnerung die Wirkung einer ungeheuren Versöhnung hat. Wenn du zu jenem Brot zurückkommst, „das vom Himmel herabkommt und dieser Welt das Leben gibt“,g jenes Brot der Auslegung, „das Gott vorgelegt hat als Versöhnung durch den Glauben in seinem Blut“,h und wenn du jene Erinnerung erwägst, über die der Herr sagt: „Tut das zu meiner Erinnerung“,i wirst du finden, dass dies die einzige Erinnerung ist, die Gott den Menschen versöhnt macht. Wenn du also aufmerksamer der kirchlichen Mysterien ge458 Zum Opfer als individuelles „Denkmal“ vgl. ebd. 4,7 (6, 326) und 4,9 (6, 329). Hier

geht es um ein Zeichen, das Gott an die zwölf Stämme Israels „erinnert“. Siehe oben S. 146 Anm. 137.

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Homilia XIII

bit, futurae ueritatis inuenies imaginem praeformatam.a Sed de his non est plura disserere, quod recordatione sola intelligi sufficit. Possumus uero et aliter dicere. | Omnis sermo Dei panis est, sed est differentia in panibus. Est enim aliqui sermo, qui ad communem proferri possit auditum et edocere plebem de operibus misericordiae ac totius beneficentiae; et iste est panis, qui communis uidebitur. Est uero alius, qui secreta contineat et de fide Dei uel rerum scientia disserat. Iste panis mundus est et ex simila confectus. Iste in conspectu Domini semper ponendus est et super mensam mundam proponendus. Iste solis sacerdotibus sequestratus est et filiis Aaron aeterno munere condonatus.b Verum ne putes haec nos propriis sensibus excogitata narrare et non in diuinis obseruasse uoluminibus, proferam tibi de scripturis, quomodo apud diuersos uiros panis diuersitas pro merito unius­ cuius­que seruata est. Refertur in Genesi quod Abraham patriarcha angelos suscepit hospitio, similiter autem et Lot. Sed Abraham, qui meritis praecellebat, panes ex simila apposuisse describitur, quos et ἐγκρυφίας, id est occultos ac reconditos, nominauit.c Lot uero, quod non habuit similam, ex farina panes hospitibus apposuit;d non quo ita pauper esset,e ut non habuerit similam, qui in diuitiis non inferior patruo scribitur, sed utriusque meritorum differentia per haec designatur indicia; quod is quidem, cui erant a Domino mysteria reuelanda et ad quem dicebatur: „Non celabo a puero meo Abraham quod facturus sum“,f qui imbuendus erat et edocendus de occultis et secretis Dei, ille panes ex simila scribitur habuisse;g ille uero, ad quem nihil sacramenti deferebatur, sed ratio praesentis salutis et uitae, panes communes ex sola farina scribitur habuisse confectos.h Et tu ergo si habes scientiam secretorum, si de fide Dei, de mysterio Christi, de sancti Spiritus unitate potes scienter cauteque disserere, panes ex simila offers Domino; si uero communibus uteris ad populum monitis et moralem scis tantummodo locum tractare, qui ad omnes pertinet, communem te obtulisse noueris panem. 4. Sed uideamus iam, quae sit confectio in istis panibus propositionis qui ante Dominum poni semper iubentur.i „De duabus“ inquit „decimis sit panis unus.“ j Duas quidem decimas dixit, sed cuius mensurae sint istae decimae, a

Vgl. Hebr. 10,1 bVgl. Lev. 24,5.6.8 cGen. 18,6 dVgl. Gen. 19,3 eVgl. Gen. 13,5 Gen. 18,17 gVgl. Gen. 18,6 hVgl. Gen. 19,3 iVgl. Lev. 24,8 j Lev. 24,5

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459 Von hier bis an das Ende von Kap. 4 hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos. VII 2 (PL

108, 517C–519D), die Auslegung abgeschrieben. 460 Origenes erläutert unterschiedliche Arten von Brot und verwendet hier für das Brot,

das auf die spirituelle, mystische Dimension verweist, den griechischen Ausdruck ἐγκρύφιος, „in heißer Asche gebacken“, „heimlich“, „verborgen“. Vgl. auch in Gen. hom. 4,1 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 78); ferner Philon, sacr. 60 (I p. 226 Cohn/Wend4 land ); Clemens von Alexandria, strom. V 80,3 (GCS Clem. Al. 2 , 379): „Er wollte damit zeigen, dass die wahrhaft heilige Mysterienlehre über das Ewige und seine Kräfte verborgen bleiben müsse“; Übersetzung: Stählin, BKV² II 19, 187; Ambrosius, Abr. I 38 (CSEL 32/1, 531).

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denkst, wirst du in dem, was das Gesetz schreibt, das Bild der künftigen Wahrheit vorgebildet finden.a Doch dies muss nicht weiter erörtert werden, weil allein die Erinnerung zum Verstehen genügt. Wir können459 es hingegen auch anders sagen. Jedes Wort Gottes ist Brot, doch es gibt einen Unterschied zwischen den Broten. Es gibt nämlich ein Wort, das für das gewöhnliche Hören vorgetragen werden und das Volk über die Werke der Barmherzigkeit und der ganzen Wohltätigkeit belehren kann; und das ist das Brot, das als gewöhnlich erscheinen wird. Es gibt hingegen ein anderes, das Geheimes enthält und den Glauben an Gott und die Erkenntnis der Dinge erörtert. Das ist das reine und aus Feinmehl zubereitete Brot. Dieses ist immer vor das Angesicht des Herrn zu legen und auf dem reinen Tisch auszulegen. Dieses ist für die Priester allein abgesondert und den Söhnen Aarons als ewige Gabe geschenkt.b Aber damit du nicht glaubst, dass wir erzählen, was wir uns durch eigene Gedanken ausgedacht und nicht in den göttlichen Büchern beobachtet haben, will ich dir aus den Schriften vorlegen, wie bei verschiedenen Männern der Unterschied im Brot je nach Verdienst jedes Einzelnen gewahrt wurde. Im Buch Genesis wird berichtet, dass der Patriarch Abraham Engel in Gastfreundschaft aufnahm, ebenso aber auch Lot. Doch von Abraham, der sich durch Verdienste auszeichnete, wird beschrieben, dass er Brote aus Feinmehl vorsetzte, die er auch enkryphias, das heißt versteckte oder verborgene, nannte.c 460 Weil Lot hingegen kein Feinmehl hatte, setzte er den Gästen Brote aus Mehl vor;d nicht weil er so arm gewesen wäre,e dass er, der an Reichtum nicht geringer als der Onkel beschrieben wird, kein Feinmehl gehabt hätte, sondern durch diese Hinweise wird der Unterschied der Verdienste der beiden bezeichnet; dieser freilich, dem vom Herrn Mysterien offenbart werden sollten und zu dem gesagt wurde: „Ich werde nicht vor meinem Knecht Abraham verbergen, was ich tun werde“,f der eingeführt und über die verborgenen Dinge und die Geheimnisse Gottes belehrt werden sollte, von ihm wird geschrieben, dass er Brote aus Feinmehl hatte;g von jenem hingegen, dem nichts von den Geheimnissen mitgeteilt wurde, sondern die Erklärung des gegenwärtigen Heils und Lebens, wird geschrieben, dass er gewöhnliche, allein aus Mehl zubereitete Brote hatte.h Auch du also, wenn du die Erkenntnis der Geheimnisse hast, wenn du den Glauben an Gott, das Mysterium Christi und die Einheit des Heiligen Geistes kenntnisreich und sicher erörtern kannst, bringst dem Herrn Brote aus Feinmehl dar; wenn du hingegen gewöhnliche Mahnungen an das Volk richtest und nur den ethischen Sinn zu behandeln weißt, der sich auf alle bezieht, sollst du wissen, dass du gewöhnliches Brot dargebracht hast. 4. Wir wollen jedoch noch sehen, was die Herstellung bei diesen Broten der Auslegung ist, die immer vor den Herrn zu legen befohlen wird.i „Aus zwei Zehntel“, heißt es, „soll ein Brot sein.“ j Zwei Zehntel sagte er zwar,

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non comprehendit; cum utique consequens fuisset, si de quantitate similae uolebat agnosci, ipsam, cuius duas decimas sumi iubebat, nominare mensuram. Quae ergo ista res est, cuius mensura et modus nec comprehendi potuit nec nominari? Decem numerus ubique perfectus inuenitur; totius enim numeri ex ipso ratio et origo consurgit. Competenter igitur auctor et origo omnium, Deus, sub hoc numero uidetur ostendi. Sed si in ecclesia de solo patre loquar et ipsius solius laudes proferam, unius decimae panem feci. Aut si de Christo solo fecero sermonem et ipsius enumerauero passionem et resurrectionem praedicauero, unius decimae obtuli panem. Si uero dixero quia pater semper cum filio est et ipse facit opera sua,a uel etiam si dixero quia pater in filio est et filius in patre b et qui uidit filium, uidit et patrem,c et quia pater et filius unum sunt,d ex duabus decimis similae mundae obtuli unum panem, panem uerum, qui uitam dat huic mundo.e Haeretici non faciunt de duabus decimis unum panem,f negant enim creatorem Deum patrem Christi esse neque uetus et nouum testamentum unum faciunt panem et unum spiritum in utroque instrumento profitentur. Nos autem in lege et euangeliis unum atque eundem inesse sanctum Spiritum dicimus et isto quoque modo ex duabus decimis unum panem propositionis offerimus. Qui ergo separant Christum a creatore Deo patre suo haeretici et Iudaei, qui solum patrem recipiunt et uerbum ac sapientiam eius, Christum, non recipiunt, non faciunt ex duabus decimis unum panem. Nos autem | mensurae quidem ipsius, id est substantiae, nomen uel rationem comprehendere aut inuenire non possumus; confitentes tamen patrem et filium unum facimus panem ex duabus decimis, non ut panis unus ex una decima fiat et alius ex alia, ut sint ipsae duae decimae separatae, sed ut sint duae istae decimae una massa et unus panis. Quomodo duae decimae una massa fit? Quia non separo filium a patre nec patrem a filio: „Qui enim uidit me“ inquit, „uidit et patrem.“ g a

Vgl. Joh. 14,10 Vgl. Lev. 24,5

f

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Vgl. Joh. 14,10 Joh. 14,9

g

c

Vgl. Joh. 14,9

d

Vgl. Joh. 10,30

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Vgl. Joh 6,33

461 Moderne Übersetzungen ergänzen hier häufig „Efa“ als Maßeinheit. Im Masoreti-

schen Text und in der Septuaginta fehlt diese Angabe. 462 Vgl. in Hier. frg. 62 (GCS Orig. 32, 228): „Die Zahl Zehn ist vollkommen und passt

zu Gott.“ Übersetzung: Fürst/Lona, OWD 11, 643. 463 Vgl. princ. I 2,12 (GCS Orig. 5, 46): „Da also der Sohn sich in gar nichts vom Vater

an Wirkungsmacht unterscheidet, und da das Werk des Sohnes kein anderes ist als das des Vaters, sondern sozusagen in allen Dingen ein und dieselbe Bewegung (bei beiden) sich vollzieht: deshalb nannte (Salomo) ihn einen fleckenlosen Spiegel, damit man daraus erkenne, dass es überhaupt keine Unähnlichkeit des Sohnes gegenüber dem Vater gibt.“ Übersetzung: p. 153 Görgemanns/Karpp. 464 Dasselbe sagt Origenes von den Häretikern unten in Lev. hom. 14,2 (GCS Orig. 6, 480). Angesprochen sind hier Gnostiker, besonders aber Markioniten (siehe oben S. 160 Anm. 150), die die Einheit der beiden Testamente, die Identität des Schöpfer-

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doch von welchem Maß diese Zehntel sind, drückt er nicht aus,461 obwohl es gewiss folgerichtig gewesen wäre, wenn er wollte, dass die Menge des Feinmehls bekannt ist, dieses Maß, wovon er zwei Zehntel zu nehmen befahl, zu nennen. Was ist also diese Sache, deren Maß und Weise weder ausgedrückt noch genannt werden konnte? Die Zahl Zehn wird überall als vollkommen befunden; denn aus ihr ergibt sich die Erklärung und der Ursprung der Zahl insgesamt. Entsprechend wird daher offenbar der Urheber und Ursprung von allem, Gott, unter dieser Zahl angezeigt.462 Wenn ich jedoch in der Kirche allein über den Vater spreche und allein seine Lobpreisungen vorbringe, habe ich ein Brot von einem Zehntel gemacht. Oder wenn ich eine Predigt über Christus allein halte und sein Leiden aufzähle und seine Auferstehung verkünde, habe ich ein Brot von einem Zehntel dargebracht.Wenn ich hingegen sage, dass der Vater immer mit dem Sohn ist und dieser seine Werke tut,a oder auch wenn ich sage, dass der Vater im Sohn ist und der Sohn im Vater b und wer den Sohn gesehen hat, auch den Vater gesehen hat,c und dass der Vater und der Sohn eins sind,d 463 habe ich aus zwei Zehntel reinem Feinmehl ein Brot dargebracht, ein wahres Brot, das dieser Welt das Leben gibt.e Die Häretiker machen nicht ein Brot aus zwei Zehnteln,f denn sie leugnen, dass der Schöpfergott der Vater Christi ist, und sie machen nicht das Alte und das Neue Testament zu einem Brot und sie bekennen nicht den einen Geist in beiden Testamenten.464 Wir aber sagen, dass im Gesetz und den Evangelien ein und derselbe Heilige Geist enthalten ist, und auf diese Weise bringen wir auch ein Brot der Auslegung aus zwei Zehnteln dar. Die also Christus vom Schöpfergott, seinem Vater, trennen, die Häretiker und die Juden, die allein den Vater annehmen und sein Wort und seine Weisheit, Christus, nicht annehmen, machen nicht ein Brot aus zwei Zehnteln. Wir aber können zwar nicht den Namen oder die Erklärung des Maßes selbst, das heißt der Substanz, erfassen oder finden; im Bekenntnis jedoch machen wir den Vater und den Sohn zu einem Brot aus zwei Zehnteln, nicht wie ein Brot aus einem Zehntel gemacht wird und das andere aus einem anderen, sodass diese zwei Zehntel getrennt wären, sondern sodass diese zwei Zehntel ein Teig und ein Brot sind. Wie werden die zwei Zehntel ein Teig? Weil ich nicht den Sohn vom Vater trenne noch den Vater vom Sohn: „Denn wer mich gesehen hat“, sagt er, „hat auch den Vater gesehen.“ g

gottes mit dem Gott Christi und damit auch die Einheit der Heilsgeschichte leugnen. Vgl. auch Clemens von Alexandria, strom. II 29,2 (GCS Clem. Al. 24, 128) zu den zwei Testamenten: „… da diese zwar dem Namen und der Zeit nach zweierlei sind und entsprechend dem Zeitalter und der Entwicklungsstufe auf Grund des göttlichen Heilsplanes gegeben wurden, dagegen ihrer Wirkung nach eines sind, das eine das Alte, das andere das Neue Testament, und von dem einen Gott durch den Sohn geschenkt werden.“ Übersetzung: Stählin, BKV² II 17, 172.

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Fiunt ergo panes singuli ex duabus decimis et proponuntur duabus positionibus,a id est duobus ordinibus. Si enim una positio fieret, confusus et permixtus esset sermo de patre ac filio. Nunc autem unus quidem est panis – una enim uoluntas est et una substantia –, sed duae sunt positiones, id est duae personarum proprietates. Illum enim patrem, qui non sit filius, et hunc filium dicimus, qui non sit pater. Et hoc modo duas decimas in uno pane seruamus et duas positiones ante Dominum profitemur. Sed reuera magni, ut ita dicam, cuiusdam pistoris et ualde artificis est diligenter istas seruare mensuras et ita temperare de patre et filio sermonem, coniungere ubi oportet et rursum ubi competit separare, ut neque duae mensurae aliquando desint neque umquam non unus panis appareat. Duodecim ergo panes ex ista simila fieri mandantur b secundum numerum tribuum, quae tunc erant carnalis Istrahel. In quo mihi uidetur forma totius naturae rationabilis contineri; duodecim namque putantur esse generales ordines rationabilis creaturae, quorum figura erat in illis duodecim tribubus. In quibus erat unus quidam ordo regalis, qui Iudas nominatur. Alius erat ordo sacerdotalis et Leui appellatur. Erat et alius ordo Iudae uicinus, qui Beniamin dicitur, in quo ordine et templum Dei et altare collocatum est. Alius ordo Isachar et Zabulon et Ephrem aliique, quos nominatim designat scriptura diuina, quorum rationem non est nunc temporis explicare.c Est tamen uniuscuiusque tribus uel ordinis | panis ante Dominum.d Et licet sit aliqua tribus, quae non ex libera, sed ex concubina Istrahel descendat e et ex parte libera, ex parte seruilis sit, tamen pro omnibus ex duabus decimis panis proponitur ante Dominum et in uniuersis duae decimae similaginis constant.f Proponi autem iubentur supra mensam mundam.g Quis est nostrum, qui ita habeat mensam mundam, ut panes super eam Domino offerantur? „Si sederis“ inquit Solomon „coenare ad mensam potentis, intelligibiliter intellige, quae apponuntur tibi.“ h Quae est ergo mensa potentis, nisi mens illius, qui dicebat: „Omnia possum in eo, qui me confortat, Christo“ i et: „Cum infirmor, tunc potens sum“? j In istius potentis mensa munda, hoc est in istius corde, in istius mente Domino panis offertur. Ad huius potentis apostoli mensam si sedeas coenaturus, „intelligibiliter intellige, quae apponuntur tibi“,k hoc est spiritaliter a

Vgl. Lev. 24,5f. bVgl. Lev. 24,5 cVgl. Gen. 35,23–26 dVgl. Lev. 24,6 Vgl. Gen. 30,5–13 fVgl. Lev. 24,5 gVgl. Lev. 24,6 h Spr. 23,1 i Phil. 4,13 j 2 Kor. 12,10 kSpr. 23,1 e

465 Zum Verhältnis von Vater und Sohn in der Christologie des Origenes siehe Bruns,

Trinität und Kosmos 60–122. 466 Vgl. Philon, spec. leg. II 161 (V p. 125 Cohn/Wendland): „… die Auflegung von

zwölf – an Zahl den Stämmen entsprechenden – Broten auf den heiligen Tisch“. Übersetzung: Heinemann, Philo Werke II, 151. 467 Origenes, princ. I 8,4 (GCS Orig. 5, 101f.), erwähnt verschiedene Ordnungen der Vernunftwesen mit ihren Ämtern und Würdestellungen: die Engel, Gewalten, Thro-

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Die einzelnen Brote werden also aus zwei Zehnteln gemacht und in zwei Lagen ausgelegt,a das heißt in zwei Ordnungen. Denn wenn nur eine Lage gemacht würde, wäre das Wort vom Vater und vom Sohn verwirrt und vermischt. Nun aber ist es zwar ein einziges Brot – denn es ist ein einziger Wille und eine einzige Substanz –, doch es sind zwei Lagen, das heißt zwei Eigentümlichkeiten der Personen.465 Denn jenen nennen wir Vater, der nicht Sohn ist, und diesen nennen wir Sohn, der nicht Vater ist. Und auf diese Weise bewahren wir zwei Zehntel in einem Brot und bekennen zwei Lagen vor dem Herrn. Tatsächlich jedoch ist es sozusagen Sache eines großen und sehr kunstfertigen Bäckers, diese Maße sorgfältig zu bewahren und das Wort über den Vater und den Sohn so in das richtige Verhältnis zu bringen, sie zu verbinden, wo es nötig ist, und andererseits zu trennen, wo es passt, dass weder die zwei Maße einmal fehlen noch jemals nicht ein einziges Brot erscheint. Es wird also angeordnet, dass zwölf Brote aus diesem Feinmehl gemacht werden b nach der Anzahl der Stämme, die damals das fleischliche Israel waren.466 Darin scheint mir ein Sinnbild für die gesamte vernünftige Natur enthalten zu sein; man glaubt nämlich, dass es zwölf allgemeine Ordnungen der vernünftigen Schöpfung gibt,467 deren Bild in jenen zwölf Stämmen war. Unter diesen war eine die königliche Ordnung, die Juda genannt wird. Eine andere war die priesterliche Ordnung und sie wird Levi genannt. Es gab auch eine andere, Juda benachbarte Ordnung, die Benjamin genannt wird, in welcher Ordnung der Tempel Gottes und der Altar errichtet wurden. Eine andere Ordnung war Issachar und Sebulon und Ephraim und die anderen, die die göttliche Schrift mit Namen bezeichnet, deren Erklärung zu entfalten jetzt nicht die Zeit ist.c Es hat jedoch jeder Stamm oder jede Ordnung ein Brot vor dem Herrn.d Und mag es auch einen Stamm geben, der nicht von einer Freien, sondern von einer Konkubine Israels abstammt e und zum Teil frei, zum Teil versklavt ist, wird dennoch für alle aus den zwölf Stämmen ein Brot vor dem Herrn ausgelegt und bestehen alle aus zwei Zehnteln Feinmehl.f Es wird aber befohlen, dass sie auf einem reinen Tisch ausgelegt werden.gWen gibt es unter uns, der so einen reinen Tisch hat, dass die Brote auf diesem dem Herrn dargebracht werden? „Wenn du dich“, sagt Salomo, „an den Tisch eines Mächtigen setzt, um zu speisen, verstehe verständig, was dir vorgesetzt wird.“ h Was ist also der Tisch eines Mächtigen, wenn nicht der Geist dessen, der sagte: „Alles vermag ich in ihm, der mich stärkt, Christus“,i und: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich mächtig“? j Am reinen Tisch dieses Mächtigen, das heißt in seinem Herzen, in seinem Geist wird dem Herrn das Brot dargebracht. Wenn du dich an den Tisch dieses mächtigen Apostels setzt, um zu speisen, „verstehe verständig, was dir vorgesetzt wird“,k das heißt, fasse geistig ne und Herrschaften, d.  h. die „himmlische Ordnung der Vernunftwesen, die höchste und vorzüglichste“, die feindlichen Mächte und die Menschenseelen. Übersetzung: p. 261 Görgemanns/Karpp.

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aduerte, quae dicuntur ab eo, ut et tu facere possis, quod additur; ait enim: „sciens quia talia te oportet praeparare“.a 5. Sed uideamus, quomodo hi duodecim panes proponantur: „Duae“ inquit „positiones, in una positione sex panes.“ b Putasne, otiosa est ista diuisio? Quid est quod duodecimus numerus iterum partitur in sex? Habet enim propinquitatem quandam cum hoc mundo senarius numerus; in sex enim diebus factus est iste uisibilis mundus. Duo igitur ordines habentur in hoc mundo, id est duo populi, qui fidem patris ac filii in una ecclesia tamquam in una mensa munda custodiunt. „Et superponetur“ inquit „super positionem tus mundum.“ cTuris species formam tenet orationum. Oportet ergo panibus fidei orationum uigilantiam puritatemque coniungere. Pura autem oratio est, sicut apostolus dicit: „leuantes puras manus sine ira et disceptatione“.d Simul et odoris suauitas impleri facit illud, quod scriptum est: „Dirigatur oratio mea sicut incensum in conspectu tuo.“ e Si qui ergo ora|tiones quidem offerat Deo, non tamen habeat mundam conscientiam ab operibus malis, hic tus quidem uidetur panibus superponere, sed non penitus mundum. Nam si omne tus mundum esset, non utique addidisset scriptura tus mundum super panes propositionis ponendum ante Dominum.f Nec enim putes quod omnipotens Deus hoc mandabat et hoc lege sanciebat, ut tus ei ex Arabia deferretur. Sed hoc est tus quod Deus ab hominibus sibi quaerit offerri, ex quo capit odorem suauitatis,g orationes ex corde puro et conscientia bona, in quibus uere Deus suscipit flagrantiam suauitatis. „Et erunt“ inquit „panes in commemorationem propositi ante Dominum. In die sabbatorum proponetis ea.“ h Si nondum tibi manifestum est quia panes isti uerbum Dei est, ex his nunc sermonibus confirmare. Quid est enim quod nobis commemorationem Dei faciat? Quid est quod nos ad memoriam iustitiae et totius boni reuocet nisi uerbum Dei? Ideo ergo dicit quia „erunt in commemorationem propositi ante Dominum“.i Addit et „in die sabbatorum“,j id est in requie animarum. Et quae maior fideli animae requies quam memoria Dei, quam in conspectu Domini uersari, quam in fide patris ac filii permanere, quam orationes Domino tamquam odorem suauitatis k offerre? „Testamentum“ inquit „aeternum erit Aaron et filiis eius, et manducabunt ea in loco sancto.“ l Aaron et filii eius genus est electum, genus sacerdoa

Spr. 23,2 bLev. 24,6 cLev. 24,7 d1 Tim. 2,8 ePs. 140(141),2 fVgl. Lev. 4,7.8 Vgl. Lev. 1,9 u.  ö. hLev. 24,7f. i Lev. 24,7 j Lev. 24,8 kVgl. Lev. 1,9 u.  ö. l Lev. 24,8f. g

468 Vgl. z.  B. in Iud. hom. 4,2 (GCS Orig. 7, 489): „Die Zahl Sechs … trägt in sich das

Bild dieser Welt, von der gesagt wird, dass sie in sechs Tagen vollendet wurde.“ 469 Zum rechten christlichen Halten des Sabbats vgl. in Num. hom. 23,4 (GCS Orig. 7,

215–217). 470 Anders als die modernen Übersetzungen zieht Origenes die letzten Wörter von Lev.

24,8 („ein ewiges Zeugnis“) zum Beginn von Lev. 24,9. Vers 9 sagt, dass die Brote

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auf, was von ihm gesagt wird, damit auch du tun kannst, was hinzugefügt wird; denn er sagt: „in dem Wissen, dass du dir solche Speisen zubereiten musst“.a 5. Wir wollen jedoch sehen, wie diese zwölf Brote hingelegt werden: „Zwei Lagen“, heißt es, „in einer Lage sechs Brote.“ b Glaubst du, diese Einteilung ist unnötig? Was bedeutet es, dass die Zahl Zwölf wiederum in Sechs geteilt wird? Denn die Zahl Sechs hat eine gewisse Verwandtschaft mit dieser Welt; denn in sechs Tagen wurde diese sichtbare Welt gemacht.468 Zwei Ordnungen gibt es daher in dieser Welt, das heißt zwei Völker, die den Glauben an den Vater und den Sohn in einer einzigen Kirche wie an einem einzigen reinen Tisch bewahren. „Und auf die Lage“, heißt es, „soll reiner Weihrauch gelegt werden.“ c Das Aussehen von Weihrauch enthält ein Sinnbild für Gebete. Man muss also mit den Broten des Glaubens die Wachsamkeit und Reinheit der Gebete verbinden. Rein aber ist das Gebet, so wie der Apostel sagt: „reine Hände erhebend ohne Zorn und Streit“.d Zugleich bewirkt auch der süße Wohlgeruch, dass erfüllt wird, was geschrieben steht: „Mein Gebet werde wie Weihrauch vor dein Angesicht gelenkt.“ eWenn jemand also zwar Gott Gebete darbringt, jedoch kein von schlechten Werken reines Gewissen hat, legt er zwar offenbar Weihrauch auf die Brote, doch keinen völlig reinen. Wenn nämlich jeder Weihrauch rein wäre, hätte die Schrift gewiss nicht angefügt, dass reiner Weihrauch auf die Brote der Auslegung vor den Herrn gelegt werden muss.f Denn du sollst nicht glauben, dass der allmächtige Gott anordnete und per Gesetz verordnete, dass ihm Weihrauch aus Arabien gebracht wurde. Sondern das ist der Weihrauch, den Gott verlangt, dass er ihm von den Menschen dargebracht wird, aus dem er süßen Wohlgeruch g annimmt: Gebete aus einem reinen Herzen und einem guten Gewissen, in denen Gott wahrlich einen süßen Duft aufnimmt. „Und die Brote sollen“, heißt es, „zur Erinnerung vor den Herrn ausgelegt werden. Am Tag der Sabbate sollt ihr sie hinlegen.“ hWenn dir noch nicht klar ist, dass diese Brote das Wort Gottes sind, ist es nun aus diesen Worten zu bekräftigen. Denn was ist es, das für uns die Erinnerung an Gott bewirkt? Was ist es, das uns die Erinnerung an die Gerechtigkeit und an alles Gute wachruft, wenn nicht das Wort Gottes? Deshalb also sagt er, dass sie „zur Erinnerung vor den Herrn ausgelegt werden sollen“.i Er fügt auch hinzu „am Tag der Sabbate“,j das heißt in der Ruhe der Seelen.469 Und welche Ruhe ist für die gläubige Seele größer als die Erinnerung an Gott, als sich vor dem Angesicht des Herrn aufzuhalten, als im Glauben an den Vater und den Sohn zu verbleiben, als dem Herrn Gebete wie süßen Wohlgeruch k darzubringen? „Ein ewiges Zeugnis“, heißt es, „soll es für Aaron und seine Söhne sein, und sie sollen sie an einem heiligen Ort essen.“ l 470 Aaron und seine Söhne Aaron und seinen Söhnen gehören sollen. Origenes hingegen bezieht das „ewige Zeugnis“ auf Aaron und seine Söhne.

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tale,a quibus haec portio sanctorum donatur a Deo, quod sumus omnes, qui credimus in Christo. Locum autem sanctum ego in terris non requiro positum, sed in corde. Locus enim dicitur sanctus rationabilis anima, propter quod et apostolus dicit: „Nolite locum dare diabolo.“ bAnima ergo mea locus est, si male ago, diaboli, si bene, Dei. Denique et „spiritus malignus cum“ inquit „exierit ab homine, et circuierit loca arida, et requiem non inuenerit, tunc dicit: Reuertar ad locum meum, unde exiui.“ c Locus ergo sanctus anima est pura. In quo loco edere no|bis mandatur cibum uerbi Dei. Neque enim conuenit, ut sancta uerba anima non sancta suscipiat, sed cum purificauerit se ab omni inquinamento carnis et morum, tunc locus sanctus effecta cibum capiat panis illius, „qui de coelo descendit“.d Nonne melius sic intelligitur locus sanctus quam si putemus structuram lapidum insensibilium locum sanctum nominari? Vnde simili modo etiam tibi lex ista proponitur, ut, cum accipis panem mysticum, in loco mundo manduces eum, hoc est ne in anima contaminata et peccatis polluta dominici corporis sacramenta percipias: „Quicumque“ enim „manducauerit“ inquit „panem et biberit calicem Domini indigne, reus erit corporis et sanguinis Domini. Probet autem se unusquisque, et tunc de pane manducet et de calice bibat.“ e 6. „Sancta enim sanctorum sunt.“ f Vides quomodo non dixit „sancta“ tantummodo, sed „sancta sanctorum“, ut si diceret: Cibus iste sanctus non est communis omnium nec cuiuscumque indigni, sed sanctorum est. Quanto magis hoc et de uerbo Dei recte meritoque dicemus: Hic sermo non est omnium; non quilibet uerbi huius potest audire mysterium, sed sanctorum est tantummodo qui purificati sunt mente, qui mundi sunt corde,g qui simplices animo,h qui uita irreprehensibiles, qui conscientia liberi, ipsorum est de hoc audire sermonem, ipsis possunt explanari ista mysteria. „Vobis enim datum est“ inquit „nosse mysteria regni Dei, illis autem“,i id est qui non merentur, qui non sunt tales ut mereantur nec capaces esse possunt ad intelligentiam a

Vgl. 1 Petr. 2,9; Ex. 19,6 Lev. 24,9 gVgl. Mt. 5,8

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Eph. 4,27 cMt. 12,43f. dJoh. 6,33 Vgl. Gen. 20,6 u.  ö. i Mt. 13,11

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1 Kor. 11,27f.

471 Vgl. sel. in Ps. 67,6 (PG 12, 1505D): „Der Ort Gottes ist eine reine Seele.“ 472 Zuerst spricht Origenes von der geistigen Speise als dem Wort Gottes. Hier kommt

die eucharistische Speise in den Blick (vgl. das Zitat von 1 Kor. 11,27f.). Zum Gedanken, dass man sich dem Leib Christi rein nähern muss, um nicht dem göttlichen Gericht zu verfallen, vgl. auch in Ps. 37 hom. 2,6 (SC 411, 320): „Fürchtest du dich nicht, mit dem Leib Christi Gemeinschaft zu haben, wenn du zur Eucharistie herantrittst, als ob du unschuldig und rein wärest, als ob in dir nichts Unwürdiges wäre, und du in all dem glaubst, dass du dem göttlichen Gericht entkommst?“ In Ex. hom. 13,3 (GCS Orig. 6, 274): „Ihr, die ihr an den Sakramenten Gottes teilzunehmen pflegt, wisst, wie ihr beim Empfang des Leibes des Herrn ihn mit aller Sorgfalt und Ehrfurcht behandelt, damit auch nicht das Geringste davon zu Boden fällt und damit

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sind ein erwähltes Geschlecht, ein priesterliches Geschlecht,a denen dieser Anteil am Heiligen von Gott geschenkt wird – was wir alle sind, die wir an Christus glauben. Den heiligen Ort aber suche ich nicht auf der Erde, sondern im Herzen. Denn ein heiliger Ort wird die vernünftige Seele genannt, weswegen auch der Apostel sagt: „Gebt dem Teufel keinen Ort.“ b Meine Seele ist also der Ort des Teufels, wenn ich schlecht handle, der Ort Gottes, wenn ich gut handle. Schließlich heißt es auch: „Wenn ein bösartiger Geist aus einem Menschen herausgegangen ist und an trockenen Orten umhergeht und keine Ruhe findet, dann sagt er: Ich will zu meinem Ort zurückkehren, von wo ich herausgegangen bin.“ c Ein heiliger Ort ist also eine reine Seele.471 An diesem Ort wird uns die Speise des Wortes Gottes zu essen aufgetragen. Denn es ist nicht angemessen, dass eine nicht heilige Seele heilige Worte aufnimmt, sondern wenn sie sich von aller Besudelung des Fleisches und der Sitten gereinigt hat, dann soll sie, ein heiliger Ort geworden, die Nahrung jenes Brotes zu sich nehmen, „das vom Himmel herabkommt“.dWird nicht so der heilige Ort besser aufgefasst, als wenn wir glauben würden, ein Bauwerk aus empfindungslosen Steinen werde heiliger Ort genannt? Daher wird auf gleiche Weise auch dir das Gesetz vorgelegt, dass du, wenn du das mystische Brot empfängst, es an einem reinen Ort isst, das heißt, dass du nicht in einer befleckten und mit Sünden verunreinigten Seele die Geheimnisse des Leibes des Herrn empfängst.472 Denn „wer unwürdig das Brot isst“, heißt es, „und den Becher des Herrn trinkt, wird schuldig werden am Leib und Blut des Herrn. Es soll sich aber jeder prüfen und dann vom Brot essen und vom Becher trinken.“ e 6. „Denn sie sind das Allerheiligste.“ f Du siehst, wie er nicht einfach nur „heilig“ sagte, sondern „das Allerheiligste“, wie wenn er sagen würde: Diese heilige Speise ist weder eine gewöhnliche Speise für alle noch für irgendeinen Unwürdigen, sondern die Speise der Heiligen. Um wie viel mehr werden wir das richtig und mit Recht auch vom Wort Gottes sagen: Dieses Wort ist nicht für alle; nicht jeder Beliebige kann das Mysterium dieses Wortes hören, sondern es ist nur für die Heiligen, die im Geist gereinigt sind, die rein im Herzen sind,g die einfach in der Seele,h die untadelig im Leben, die frei im Gewissen sind, ihnen kommt es zu, das Wort darüber zu hören, ihnen können diese Mysterien erklärt werden. „Euch nämlich ist gegeben“, heißt es, „die Mysterien des Reiches Gottes zu kennen, jenen aber“,i das heißt denen, die es nicht verdienen, die nicht so sind, dass sie es verdienen, und nicht aufnahmefähig sein können zum Verstehen der Geheimnisse, jenen kann dieses nichts von der geweihten Opfergabe verloren geht. … wieso glaubt ihr dann, es sei ein geringeres Vergehen, das Wort Gottes zu missachten als den Leib des Herrn?“ Übersetzung: p. 255 Heither. In Num. hom. 16,9 (GCS Orig. 7, 152): „Es wird aber gesagt, dass wir das Blut Christi trinken, nicht nur im Ritus der Geheimnisse, sondern auch, wenn wir seine Worte empfangen, in denen das Leben ist, so wie er auch selbst sagt …“ Ferner in Matth. comm. X 25 (GCS Orig. 10, 34).

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Homilia XIII

secretorum, illis non potest dari iste sacerdotalis panis, qui est secretus et mysticus sermo, sed in parabolis, qui communis est uulgi.a „Legitimum aeternale hoc erit.“ b Legitimum namque aeternum est omne quod mysticum est. Nam praesentia haec et passim uisibilia temporalia sunt et finem cito accipiunt: „Praeterit enim habitus huius mundi.“ c Quod si huius mundi praeterit, sine dubio et litterae habitus praeterit et manent illa, quae aeterna sunt, quae sensus continet spiritalis. Si ergo intelleximus primo quomodo Deus loquatur ad Moysen et Moyses filiis Istrahel,d secundo | etiam rationem candelabri mundi et lucernarum atque olei eius,e tertio quoque panes propositionis ex duabus decimis singulos quosque confectos f secundum uoluntatem spiritus intelleximus: demus operam, quomodo et nos hoc tanto et tam sublimi intellectu non efficiamur indigni, sed ut anima nostra prius fiat locus sanctus et in loco sancto capiamus sancta mysteria per gratiam Spiritus sancti, ex quo sanctificatur omne quod sanctum est. „Ipsi gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ g a

Vgl. Mt. 13,13

fVgl. Lev. 24,5

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Lev. 24,9 c1 Kor. 7,31 1 Petr. 4,11

g

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Vgl. Lev. 24,1f.

e

Vgl. Lev. 24,4

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Homilie 13,6

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priesterliche Brot nicht gegeben werden, das das geheime und mystische Wort ist, sondern das Wort in Gleichnissen, das für das gewöhnliche Volk ist.a „Ein ewiges Gesetz soll es sein.“ b Ein ewiges Gesetz ist nämlich alles, was mystisch ist. Diese gegenwärtigen und durchwegs sichtbaren Dinge sind nämlich zeitlich und nehmen schnell ein Ende: „Denn die Gestalt dieser Welt vergeht.“ c Wenn aber die Gestalt dieser Welt vergeht, vergeht ohne Zweifel auch die des Buchstabens und bleibt das, was ewig ist, was der geistige Sinn enthält. Wenn wir also erstens verstanden haben, wie Gott zu Mose spricht und Mose zu den Söhnen Israels,d zweitens auch die Erklärung des reinen Leuchters, der Lampen und ihres Öls,e wenn wir drittens auch die Brote der Auslegung, die jeweils aus zwei Zehnteln zubereitet werden,f gemäß dem Willen des Geistes verstanden haben: bemühen wir uns, wie auch wir dieser so großen und so erhabenen Einsicht nicht unwürdig werden, sondern dass unsere Seele zuerst ein heiliger Ort wird und wir an dem heiligen Ort die heiligen Mysterien erfassen durch die Gnade des Heiligen Geistes, aus dem alles geheiligt wird, was heilig ist. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ g

HOMILIA XIV. De filio mulieris Istrahelitidis et Aegyptii patris, qui „nominans nomen maledixit“ a et de sententia Dei lata in eum.

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1. Historia nobis recitata est, cuius quamuis uideatur aperta narratio, tamen nisi diligentius continentiam eius, quae est secundum litteram, consequamur, interior nobis sensus haud facile patebit. Est ergo sermo scripturae, de quo disserendum est, hic: „Et exiit“ inquit „filius mulieris Istrahelitidis, et hic erat filius Aegyptii inter filios Istrahel; et litigauerunt in castris, is, qui erat ex Istrahelitide, et homo Istrahelita. Et nominans filius mulieris Istrahelitidis nomen maledixit; et adduxerunt eum ad Moysen; et nomen matris eius Salomith filia Dabri, ex tribu Dan. Et miserunt eum in carcerem, ut iudicarent de illo per praeceptum Domini. Et locutus est Dominus ad Moysen dicens: Eice illum, qui maledixit, extra castra, et imponent omnes, qui audierunt, manus suas super caput eius, et lapidabunt eum omnis synagoga.“ bVideamus ergo primo quid sibi uelit historia, quam proposuimus, et, quamuis plana uideatur, tamen adhuc euidentius eam temptemus sub oculis ponere. Ponamus ergo unum ex patre et ex matre Istrahelitici nominis generositate gaudentem, alium ex matre tantum, non etiam ex patre et uelut ex parte nobilem et ex parte non patris, quae utique melior uideretur, sed matris, quae inferior est. Si enim pater fuisset Istrahe|lita et mater Aegyptia, esset aliquid amplius; hoc enim fuerant Manasses et Ephrem.c Nunc uero scriptum est quia filius sit mulieris Istrahelitidis et Aegyptii patris. Si ergo diligenter secutus es duos istos uiros, unum ex integro nobilem, alium ex parte, intuere nunc eos litigantes ad inuicem; in qua lite is, qui patre Aegyptio et matre sola Istrahelitide genitus uidetur, „nominans maledixerit“ d et ob hoc perductus sit is, qui maledixerat, a

Lev. 24,11

b

Lev. 24,10–14

c

Vgl. Gen. 41,50–52

d

Lev. 24,11

473 Zur Bedeutung von historia („Geschichte“) als narratio („Erzählung“), die Origenes in

diesem Satz klar zum Ausdruck bringt, siehe oben S. 103 Anm. 71. 474 Origenes betont öfter, dass sich der Sinn eines biblischen Textes nur durch eine mi-

nutiöse Beachtung des Wortlauts erschließt. Vgl. in Gen. hom. 8,1 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 120): „Beachte jede Einzelheit, die geschrieben steht. Denn wenn jemand es versteht, in die Tiefe zu graben, wird er in den Einzelheiten einen Schatz finden, und dort, wo man es nicht erwartet, liegen vielleicht die kostbaren Kleinodien der Ge-

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HOMILIE 14 Über den Sohn einer israelitischen Frau und eines ägyptischen Vaters, der „lästerte, indem er den Namen nannte“,a und über das Urteil Gottes, das gegen ihn gefällt wurde. 5

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1. Eine Geschichte473 wurde uns vorgetragen, deren innerer Sinn, obwohl die Erzählung klar erscheint, uns dennoch, wenn wir ihrem Inhalt nach dem Buchstaben nicht genauer folgen, nicht einfach zugänglich sein wird.474 Das ist also das Wort der Schrift, das zu erklären ist: „Und es ging hinaus“, heißt es, „der Sohn einer israelitischen Frau, und dieser war der Sohn eines Ägypters unter den Söhnen Israels; und sie stritten im Lager, er, der von der Israelitin abstammte, und ein israelitischer Mann. Und der Sohn der israelitischen Frau lästerte, indem er den Namen nannte; und sie brachten ihn zu Mose; und der Name seiner Mutter war Schelomit, eine Tochter Dibris, aus dem Stamm Dan. Und sie brachten ihn in Gewahrsam, um durch die Vorschrift des Herrn über ihn zu urteilen. Und der Herr sprach zu Mose: Wirf ihn, der gelästert hat, aus dem Lager hinaus, und alle, die es gehört haben, sollen ihre Hände auf sein Haupt legen, und die ganze Versammlung soll ihn steinigen.“ b Wir wollen also zuerst sehen, was die Geschichte will, die wir vorgelegt haben, und obwohl sie deutlich erscheint, wollen wir dennoch versuchen, sie noch offensichtlicher vor Augen zu führen. Stellen wir uns also einen vor, der sich der Herkunft des israelitischen Namens aus dem Vater und aus der Mutter erfreut, einen anderen nur aus der Mutter, nicht auch aus dem Vater, und gleichsam zum Teil edel, und zwar dem Teil, der nicht vom Vater ist, der gewiss besser erschien, sondern dem der Mutter, der geringer ist. Denn wenn der Vater ein Israelit gewesen wäre und die Mutter eine Ägypterin, wäre er mehr gewesen; denn das waren Manasse und Efraim.c Nun hingegen steht geschrieben, dass er der Sohn einer israelitischen Frau und eines ägyptischen Vaters ist. Wenn du also diesen zwei Männern sorgfältig gefolgt bist, dem einen ganz, dem anderen teilweise edlen, betrachte nun, wie sie miteinander streiten; in diesem Streit „lästerte, indem er nannte“,d der, der offenbar von heimnisse verborgen.“ Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 165. In Ex. hom. 10,2 (GCS Orig. 6, 247) liefert er ein Beispiel für eine solche detaillierte Untersuchung des Wortlauts. Ferner in Num. hom. 25,6 (GCS Orig. 7, 241): „Betrachte nämlich sorgfältig, was der Text der Geschichte (historiae textus) anzeigt.“

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Homilia XIV

ad Moysen, Moyses uero neque absoluere eum ausus neque condemnare sine Deo tradiderit eum custodiae, usquequo a Deo acciperet responsum, quid uelit fieri eum. Haec est historiae continentia; nunc iam uideamus, quae sit in ea spiritalis ratio, quae aedificare debet ecclesiam. 2. Primo omnium sermo dicit quia „exiit filius mulieris Istrahelitidis“ et Aegyptii patris;a et unde uel quo exierit, non refert. Inueniuntur enim ambo in castris positi, sicut indicat sermo Domini, qui dicit: „Educ hominem, qui maledixit, foras extra castra.“ b Si ergo de castris educitur, necessario in castris erat. Quid ergo est quod, cum nondum exisset de castris, dicit de eo scriptura diuina: „Et exiit filius mulieris Istrahelitidis“? c Ego puto quia docere nos uult sermo diuinus quod, qui peccat, dupliciter exire dicitur. Primo enim exit a proposito bono et recta sententia, exit a uia iustitiae, exit a lege Dei. Post­ modum uero cum confutatus fuerit pro peccato, exit etiam de coetu et congregatione sanctorum. Vt si uerbi causa dicamus: Peccauit aliquis fidelium, iste etiamsi nondum abiciatur per episcopi sententiam, iam tamen per ipsum peccatum, quod admisit, eiectus est; et quamuis intret ecclesiam, tamen eiectus est et foris est segregatus a consortio et unanimitate fidelium. Exiit ergo filius patris Aegyptii et matris Istrahelitidis. Qui penitus extra fidem est, totus Aegyptius est. Qui autem inter nos est et peccat, ex una quidem parte, qua Deo credit, Istra|heliticae uidetur originis; ex ea uero parte, qua peccat, de Aegyptio genus ducit. Duos ergo scriptura proposuit litigantes, unum ex integro Istrahelitam, qui litigauit quidem, sed non peccauit; istum uero, cuius peccatum designat, maxima ex parte mixtum esse Aegyptio generi indicat, aduersum quem litigat Istrahelita et forte competenter et rationabiliter litigat. Nam et in Exodo a

Lev. 24,10

b

Lev. 24,14

c

Lev. 24,10

475 Zur „Erbauung“ als Ziel der Predigt siehe oben S. 63 Anm. 10. 476 Die Frage nach der Bedeutung des Hinausgehens stellen sich auch die rabbinischen

Interpreten: Sifra Emor 14,1; LevR 32,3. Siehe Murmelstein, Aggadische Methode 116. 477 Zur Entfernung des Sünders von Gott vgl. auch in Lev. hom. 5,3 (GCS Orig. 6, 337f.) und in Ex. hom. 11,5 (GCS Orig. 6, 258), ferner schon Philon, post. Cain. 1–13 (II p. 1–3 Cohn/Wendland). 478 Vgl. in Hier. frg. 48 (GCS Orig. 32, 222): „Ein Sünder wird aber hinausgeworfen, auch wenn er nicht von Menschen hinausgeworfen wurde.“ Übersetzung: Fürst/Lona, OWD 11, 631. 479 Es gibt also eine innerliche und eine äußerliche Trennung von der Kirche: vgl. oben in Lev. hom. 12,6 (GCS Orig. 6, 465); siehe dazu Rahner, Bußlehre des Origenes 128f. Vgl. auch in Ps. 37 hom. 1,1 (SC 411, 264): „Er soll von der Zusammenkunft der Kirche abgetrennt werden“; in Matth. comm. ser. 89 (GCS Orig. 11, 204f.): Diejenigen, die gravierende Vergehen begangen haben, werden „wegen der Ehre des

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einem ägyptischen Vater und nur einer israelitischen Mutter geboren ist, und deswegen wurde der, der gelästert hatte, zu Mose geführt; Mose hingegen, der es ohne Gott weder wagte, ihn freizusprechen, noch, ihn zu verurteilen, übergab ihn der Wache, bis er von Gott eine Antwort empfing, was nach seinem Willen mit ihm geschehen sollte. Das ist der Inhalt der Geschichte; nun wollen wir sehen, welche geistige Erklärung, die die Kirche erbauen soll,475 in ihr steckt. 2. Zuallererst sagt der Text, dass „der Sohn einer israelitischen Frau“ und eines ägyptischen Vaters „hinausging“;a und woher oder wohin er hinausging, berichtet er nicht. Denn beide befinden sich im Lager, so wie das Wort des Herrn zeigt, der sagt: „Führe den Menschen, der gelästert hat, aus dem Lager hinaus.“ bWenn er also aus dem Lager hinausgeführt wird, war er notwendigerweise im Lager. Was also bedeutet es, dass, da er noch nicht aus dem Lager hinausgegangen war, die göttliche Schrift über ihn sagt: „Und der Sohn einer israelitischen Frau ging hinaus?“ c 476 Ich glaube, dass uns das göttliche Wort lehren will, dass von dem, der sündigt, doppelt gesagt wird, dass er hinausgeht. Denn zuerst geht er vom guten Vorhaben und vom rechten Gedanken hinaus, er geht vom Weg der Gerechtigkeit, er geht vom Gesetz Gottes hinaus.477 Wenn er hingegen bald darauf der Sünde überführt ist, geht er auch aus der Versammlung und der Zusammenkunft der Heiligen hinaus. Wie wenn wir zum Beispiel sagen: Jemand von den Gläubigen hat gesündigt; auch wenn er noch nicht durch das Urteil des Bischofs ausgestoßen wird, wurde er dennoch schon durch die Sünde selbst, die er beging, ausgestoßen;478 und obwohl er in die Kirche eintritt, ist er dennoch ausgestoßen und ist draußen, getrennt von der Gemeinschaft und der Eintracht der Gläubigen.479 Also ging der Sohn eines ägyptischen Vaters und einer israelitischen Mutter hinaus.Wer völlig außerhalb des Glaubens ist, ist als ganzer ein Ägypter. Wer aber unter uns ist und sündigt, ist zwar zu dem einen Teil, mit dem er an Gott glaubt, offenbar von israelitischer Herkunft; zu dem Teil hingegen, mit dem er sündigt, leitet er seine Herkunft von einem Ägypter her. Zwei480 Streitende also stellte die Schrift vor, einen ganz israelitischen, der zwar stritt, doch nicht sündigte; sie zeigt hingegen an, dass der, dessen Sünde sie bezeichnet, zum größten Teil mit ägyptischer Herkunft vermischt war, gegen den der Israelit streitet und wohl gebührend und vernünftig streitet. Auch im Buch Exodus streiten nämlich ein Israelit und ein Ägypter, wo der

Gebets“ von eben diesem gemeinsamen Gebet ausgeschlossen. Siehe Rahner, ebd. 144: Den Exkommunizierten ist „auch die Teilnahme am Gottesdienst der Gemeinde überhaupt versagt“, nicht nur die Teilnahme an der Eucharistie. Zur theologischen Bedeutung siehe ebd. 144–146. 480 Die folgenden Seiten bis S. 420 Z. 22 uidetur hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos. VII 3 (PL 108, 521B–523C), abgeschrieben.

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Homilia XIV

Istrahelita et Aegyptius litigant, ubi Istrahelita superat et Aegyptius cadit.a Igitur et ego hodie si ueritatem defendam, si pugnem pro ecclesiastica fide aduersum eum, qui ex parte quidem credit Christo et recipit scripturas, sed non integre sensum earum nec fideliter recipit, litigo aduersum eum, qui ex matre quidem Istrahelita est, ex patre uero Aegyptius. Si qui ergo et fidei credulitate et professione nominis Christianus est et catholicus, iste ex utraque parte Istrahelita est. Qui uero professione quidem Christianus est, intellectu autem fidei haereticus et peruersus est, iste matrem quidem Istrahelitidem, patrem uero Aegyptium habet. Quomodo ergo hoc accidit? Cum scripturas quis legit et litteram quidem sequitur, intellectum autem repudiat spiritalem, hic matrem quidem Istraheliticam habet, id est litteram, sensum uero quia spiritalem non sequitur, sed carnalem, isti est Aegyptius pater et ideo aduersum ecclesiasticum, aduersum catholicum litigat, eum, qui ex utraque parte Istrahelita est, qui et secundum litteram Istrahelita est et secundum spiritum Istrahelita est, quia ipse secundum litteram quidem Istrahelita est, secundum spiritum uero Aegyptius. Quid ergo est utrisque litigantibus? Necessario ille, qui carnalem sequitur sensum, tamquam de Aegyptio genus ducens nomen nominat et maledicit.b Nominat enim nomen Dei et cum maledicto nominat; negat enim eum creatorem esse mundi, negat esse patrem Christi. Nos uero, qui ex utroque genere Istrahelitae sumus et litteram et spiritum in scripturis sanctis defendimus, et litiga|mus aduersum eos, qui ex media parte Istrahelitae uidentur, et dicimus quia neque secundum litteram maledici oportet neque secundum spiritalem intelligentiam blasphemari. Maledicus enim non solum in Deum, sed etiam in proximum apostoli Pauli sententia a regno Dei excluditur. Vide enim, quomodo dicit apostolus: „Nolite errare: Neque fornicarii neque adulteri neque molles neque masculorum concubitores neque fures neque auari neque maledici regnum Dei possidebunt.“ c Vide inter quae crimina, inter adulteros, inter masculorum concubitores, inter auaros, quos alibi dicit idolis seruientes,d etiam maledicos posuit et a regno Dei cum illis pariter exclusit! Videant ergo, si qui os suum cotidiana paene consuetudine hoc uitio insuescunt, quid iis periculi immineat! Putantes enim leue et facile hoc esse peccatum non facile cauent, sed a

Vgl. Ex. 2,11

b

Vgl. Lev. 24,11

c

1 Kor. 6,9f.

d

Vgl. Eph. 5,5

481 Damit wird auf die Tötung eines Ägypters durch Mose in Ex. 2,11 angespielt. Der

rabbinische Midrasch Tanchuma Schemot 9 verbindet in seiner Auslegung ebenfalls die beiden Stellen Ex. 2,11 und Lev. 24,10f.: „‚Und er sah einen Ägypter einen He­ bräer schlagen‘ (Ex. 2,11). Wer war dieser Ägypter? Er war der Vater des Gotteslästerers, über den gesagt ist: ‚Und der Sohn einer Israelitin und eines Ägypters … schmähte den Gottesnamen‘ (Lev. 24,10f.).“ Die Auslegung wird dann auf Basis dieser Textverbindung entwickelt. 482 Zu dieser Bedeutung des Wortes catholicus, „katholisch“, siehe oben S. 138 Anm. 128. 483 Vgl. in Tit. frg. 2 (OO 14/4, 388–392), ferner oben in Lev. hom. 13,4 (GCS Orig. 6, 473).

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Israelit siegt und der Ägypter fällt.a 481 Wenn daher auch ich heute die Wahrheit verteidige, wenn ich für den kirchlichen Glauben gegen den kämpfe, der zwar zum Teil an Christus glaubt und die Schriften annimmt, doch ihren Sinn nicht gänzlich und gläubig annimmt, streite ich gegen den, der zwar von der Mutter her ein Israelit ist, vom Vater her hingegen ein Ägypter. Wenn also jemand sowohl durch die Anhänglichkeit an den Glauben als auch durch das Bekenntnis zum Namen ein Christ und katholisch ist, ist dieser von beiden Teilen her ein Israelit.Wer hingegen zwar im Bekenntnis Christ, im Verständnis des Glaubens aber häretisch und verkehrt ist, der hat zwar zur Mutter eine Israelitin, zum Vater hingegen einen Ägypter. Wie also kommt das? Wenn jemand die Schriften liest und zwar dem Buchstaben folgt, das geistige Verständnis aber zurückweist, hat dieser zwar eine israelitische Mutter, das heißt den Buchstaben, weil er hingegen dem geistigen Sinn nicht folgt, sondern dem fleischlichen, hat er einen ägyptischen Vater und streitet deshalb gegen den kirchlich, gegen den katholisch gesinnten Mann482 – den, der von beiden Teilen her Israelit ist, der sowohl nach dem Buchstaben Israelit ist als auch nach dem Geist Israelit ist –, weil er selbst zwar nach dem Buchstaben Israelit ist, nach dem Geist aber Ägypter. Was also passiert den beiden Streitenden? Notwendigerweise nennt jener, der dem fleischlichen Sinn folgt, da er gleichsam von ägyptischer Herkunft ist, den Namen und lästert.b Denn er nennt den Namen Gottes und er nennt ihn mit einer Lästerung; denn er leugnet, dass er der Schöpfer der Welt ist, er leugnet, dass er der Vater Christi ist.483 Wir hingegen, die von beiderseitiger Herkunft her Israeliten sind und sowohl den Buchstaben als auch den Geist in den heiligen Schriften verteidigen, streiten sowohl gegen die, die offenbar zur Hälfte Israeliten sind, und sagen auch, dass man weder nach dem Buchstaben lästern noch nach dem geistigen Verständnis blasphemisch reden darf. Denn der Lästerer nicht nur gegen Gott, sondern auch gegen den Nächsten wird durch das Urteil des Apostels Paulus vom Reich Gottes ausgeschlossen. Denn sieh, wie der Apostel sagt: „Irrt euch nicht: Weder Unzüchtige noch Ehebrecher, weder Lustknaben noch Knabenschänder, weder Diebe noch Geizige oder Lästerer werden das Reich Gottes besitzen.“ c Sieh, unter welche Verbrechen, unter Ehebrecher, unter Knabenschänder, unter Geizige, die er anderswo Götzendiener nennt,d 484 er auch die Lästerer stellte und sie zusammen mit jenen vom Reich Gottes ausschloss! Sehen sollen also, wenn manche ihren Mund in fast täglicher Gewohnheit an dieses Laster gewöhnen, welche Gefahr ihnen droht! Denn wenn sie glauben, diese Sünde sei unbedeutend und leicht, nehmen sie sich nicht leicht in Acht, sollten jedoch be484 Auch in 1 Kor. 6,9, das Origenes soeben zitiert hat, werden die „Götzendiener“ ge-

nannt. Möglicherweise fehlte der Ausdruck in seiner Bibelhandschrift (allerdings ist eine solche Variante nicht bezeugt) oder – nicht unwahrscheinlich – Origenes zitiert aus dem Gedächtnis.

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Homilia XIV

considerent apostolum, quomodo maledicum a regno Dei excludit et Deus per Moysen quomodo maledicum puniri iubet.Vnde et ego ualde admiratus sum quod in hoc loco, quem habemus in manibus, scriptura non aperte designauit quia iste, qui ex Aegyptio genus ducit, maledixerit Deum, sed tantum posuit quia „nominans maledixit“,a et reliquit in medio uel de Deo uel de homine suspicandum. Vnde mihi uidetur idcirco noluisse aperte de Deo pronuntiare, ne de hominibus uideretur dedisse licentiam, et ideo uel de Deo uel de homine siluisse, ut de utroque caueretur. 3. Verum quoniam sententiam apostoli proposuimus, qua dicit maledicos a regno Dei excludendos, aliquid exposcit iste sermo solacii, ne omnimodis desperationem uideamur indicere his, qui cotidiana paene maledicendi consuetudine rapiuntur et ori suo adhibere custodiam uel ostium negligunt.b Promissionis futurae non unus est modus neque simplex species; sed sicut docuit ipse Dominus in euangelio, cum beatos dicit pauperes spiritu et ipsorum dicit esse regnum coelorum,c et iterum beatos dicit mites nec tamen iis coelorum regna, sed terrae haereditatem promittit.d Dicit beatos et pacificos, sed ne ipsis quidem coelorum regnum dedit, filios tamen eos Dei esse pronuntiat.e Et | cum diuersis diuersa repromittat, omnes beatos dicit, qui ad promissa perueniunt, non tamen omnibus coelorum regna concessit. Potest ergo fieri, ut aliquis in ceteris forte operibus et actibus emendatus sit et perfectus, subripiatur ei tamen in oris uitio lapsuque sermonis; huic etiamsi secundum apo­stoli sententiam negantur regna coelorum, non tamen alterius beatitudinis absciditur locus.  Verumtamen eo magis, si qui in ceteris perfectus est, elaborare etiam in hoc debet, ne ei subripiens prauae consuetudinis uitium coelorum regna, quod est omnium beatitudinum culmen, eripiat, quamuis Dominus dixerit: „In domo patris mei mansiones multae sunt.“ f Possumus adhuc addere etiam illud, quod natura peccati similis est materiae, quae igni consumitur, quam aedificari Paulus apostolus a peccatoribus dicit, qui „supra fundamentum“ Christi „aedificant ligna, foenum, stipulam“.g In quo manifeste ostenditur esse quaedam peccata ita leuia, ut stipulae comparentur, cui utique ignis illatus diu non potest immorari; alia uero foeno esse similia, quae et ipsa non difficulter ignis absumat, uerum aliquanto tardius quam in stipulis immoretur; alia uero esse, quae lignis conferantur, in quibus pro qualitate criminum a f

Lev. 24,11 bVgl. Ps. 140(141),3 Joh. 14,2 g1 Kor. 3,12

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Vgl. Mt. 5,3

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Vgl. Mt. 5,4

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Vgl. Mt. 5,9

485 Vgl. in Rom. comm. II 5,24f. (SC 532, 330–332): „Es kann ja vorkommen, dass von

denen unter dem Gesetz jemand vielleicht wegen der allgemein herrschenden Überzeugung nicht zum Glauben an Christus kommt, trotzdem aber Gutes tut. … Wenn ein solcher Mensch auch das ewige Leben nicht hat, … so kann ihm doch die Herrlichkeit seiner Werke sowie Ehre und Frieden nicht verlorengehen.“ Übersetzung: Heither, FC 2/1, 215.

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denken, wie der Apostel den Lästerer vom Reich Gottes ausschließt und wie Gott durch Mose den Lästerer zu bestrafen befiehlt. Daher wunderte ich mich auch sehr, dass an dieser Stelle, die wir in Händen haben, die Schrift nicht offen bezeichnete, dass der, der die Herkunft von einem Ägypter herleitete, Gott lästerte, sondern nur vermerkte, dass „er lästerte, indem er nannte“,a und im Unklaren ließ, ob es auf Gott oder auf einen Menschen zu beziehen sei. Daher scheint mir, dass sie sich deswegen nicht offen in Bezug auf Gott äußern wollte, um nicht den Anschein zu erwecken, in Bezug auf Menschen die Erlaubnis gegeben zu haben, und deswegen sowohl in Bezug auf Gott als auch auf Menschen schwieg, damit man sich in Bezug auf beide in Acht nahm. 3. Da wir aber das Urteil des Apostels vorgestellt haben, durch das er sagt, dass die Lästerer vom Reich Gottes auszuschließen sind, erfordert dieses Wort etwas Trost, damit wir nicht denen, die sich von der fast täglichen Gewohnheit des Lästerns hinreißen lassen und es vernachlässigen, vor ihren Mund eine Wache oder eine Tür zu stellen,b in jeder Hinsicht Verzweiflung ansagen. Es gibt nicht nur eine Weise noch eine einfache Form der zukünftigen Verheißung; sondern so wie der Herr selbst im Evangelium lehrte, nennt er selig die Armen im Geiste und sagt, dass ihnen das Himmelreich gehört,c und wiederum nennt er selig die Sanftmütigen und verheißt ihnen jedoch nicht das Himmelreich, sondern das Erbe der Erde.d Er nennt auch die Friedfertigen selig, doch gab er nicht einmal diesen das Himmelreich, verkündet jedoch, dass sie Söhne Gottes sind.e Und weil er Verschiedenen Verschiedenes verheißt, nennt er alle selig, die zum Verheißenen gelangen, gewährte jedoch nicht allen das Himmelreich. Es kann also geschehen, dass jemand vielleicht in den übrigen Werken und Handlungen gebessert und vollkommen ist, es ihm aber dennoch im Laster des Mundes und im Verstoß des Wortes weggenommen wird; auch wenn diesem nach dem Urteil des Apostels das Himmelreich verneint wird, wird ihm dennoch nicht der Ort einer anderen Seligkeit entzogen.485 Aber umso mehr, wenn er im Übrigen vollkommen ist, muss er sich doch auch in dem bemühen, dass ihm nicht das Laster der schlechten Gewohnheit das Himmelreich, das heißt den Gipfel aller Seligkeiten, wegnimmt, obwohl der Herr sagte: „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen.“ f Wir können auch noch dies anfügen, dass die Natur der Sünde der Materie ähnlich ist, die vom Feuer verzehrt wird, von der der Apostel Paulus sagt, dass sie von den Sündern aufgebaut wird, die „auf dem Fundament“ Christi „Holz, Heu und Stroh aufbauen“.g Darin zeigt sich klar, dass es Sünden gibt, so leicht, dass sie mit Stroh verglichen werden, bei dem gewiss ein entfachtes Feuer nicht lange andauern kann; andere hingegen sind dem Heu ähnlich, das das Feuer ebenfalls ohne Schwierigkeit verzehrt, hingegen etwas länger als beim Stroh andauert; andere hingegen gibt es, die mit Holz verglichen werden, bei denen entsprechend der Beschaffenheit der Verbrechen das Feuer lang andauernde

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Homilia XIV

diutinum et grande pabulum ignis inueniat. Ita ergo unumquodque peccatum pro qualitate uel quantitate sui poenarum iusta persoluit. Verumtamen quid opus est fidelibus et his, qui cognouerunt Deum, de poenarum qualitatibus cogitare? Quid opus est ligna, quid foenum, quid uel ipsam stipulam fundamento Christi superponere? Cur non aurum magis uel argentum uel pretiosos lapides pretioso superponimus fundamento,a ubi, cum ignis accesserit, nihil inueniat, quod absumat? Nam si accesserit ad stipulam, ex stipula fauillas reddet et cineres; si uero accesserit ad aurum, aurum purius reddet. Haec nobis dicta sint pro his, qui negligunt oris maledici consuetudinem resecare; qui etiamsi non ex corde male|dicant, etiamsi non uoto et animo iniquo proferant maledicta, tamen immunditiam labiorum secundum Esaiae uerbum b et inquinamenta oris incurrunt. Iste tamen, qui licet matre Istrahelitide, Aegyptio tamen progenitus est patre, exiit et „nominans nomen maledixit“.c De quo ego puto quod, nisi exisset, nec litigasset aduersum uerum Istrahelitem nec nominans maledixisset. Exiit enim a ueritate, exiit a timore Dei, a fide, a caritate, sicut superius diximus, quomodo per haec quis exeat de castris ecclesiae, etiamsi per episcopi uocem minime abiciatur. Sicut e contrario interdum fit, ut aliquis non recto iudicio eorum, qui praesunt ecclesiae, depellatur et foras mittatur. Sed si ipse non ante exiit, hoc est si non ita egit, ut mereretur exire, nihil laeditur in eo, quod non recto iudicio ab hominibus uidetur expulsus. Et ita fit ut interdum ille, qui foras mittitur, intus sit et ille foris sit, qui intus retineri uidetur. Vis tibi ostendam et alium, qui a nullo eiectus exisse dicitur? Scriptum est de Cain quia: „Exiit a facie Dei.“ d Quo exiit a facie Dei? Vbi enim non erat facies Dei? Sed exisse dicitur pro eo quod legem naturae egressus est et ignaram tanti sceleris terram fraterno sanguine primus infecit. Sunt tamen et qui bene exeunt et beati sunt, quia exeunt. Ostendam etiam hoc de scripturis. In Exodo scriptum est: „Omnes“ inquit „qui quaerebant nomen Domini, exierunt foras ad Moysen extra castra.“ e Isti bene exierunt extra castra, quia sequebana

Vgl. 1 Kor. 3,12

b

Vgl. Jes. 6,5

c

Lev. 24,11

d

Gen. 4,16

e

Ex. 33,7

486 Zur Einteilung der Sünden bei Origenes siehe Rahner, Bußlehre des Origenes 87

Anm. 33. 487 Vgl. oben in Lev. hom. 12,6 (6, 465) und 14,2 (6, 479). 488 Vgl. dazu Methodius, lepr. 8,4 (GCS 27, 462): „Sein ‚Leben aber ist außerhalb des

Lagers‘ (Lev. 13,46), das heißt außerhalb des Himmelreichs, denn ‚draußen ist‘, sagt der Apostel, ‚ein jeder, der sündigt‘ (Offb. 22,15). Denn auch wenn er scheint drinnen zu sein, sich selbst täuschend, draußen ist er, außerhalb ist er, wie er gerecht handelnd drinnen ist, wenn er auch draußen zu sein scheint.“ 489 Es kann zu Fällen kommen, wo der bischöfliche Ausschluss aus der Kirche zu Unrecht geschieht. In diesem Fall ist der Betroffene zwar äußerlich ausgeschlossen, innerlich ist er aber weiterhin Teil der Kirche. Vielleicht spiegelt sich hierin auch Origenes’ persönliche Erfahrung wider: Um 230 schloss ihn Bischof Demetrius von

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und große Nahrung findet.486 So also bezahlt jede Sünde entsprechend ihrer Beschaffenheit und Größe die gerechten Strafen. Aber welche Notwendigkeit besteht denn für die Gläubigen und die, die Gott erkannt haben, über die Beschaffenheit der Strafen nachzudenken? Welche Notwendigkeit besteht, Holz, Heu oder selbst Stroh auf das Fundament Christi zu legen? Warum legen wir nicht vielmehr Gold oder Silber oder Edelsteine auf das wertvolle Fundament,a wo es, wenn das Feuer herankommt, nichts findet, was es verzehren könnte? Denn wenn es an Stroh herankommt, lässt es vom Stroh Glut und Asche zurück; wenn es hingegen an Gold herankommt, lässt es das Gold reiner zurück. Das ist uns gesagt über die, die es vernachlässigen, die Gewohnheit des Lästerns zu beseitigen; auch wenn sie nicht aus dem Herzen lästern, auch wenn sie nicht absichtlich und mit unrechter Gesinnung Lästerungen vorbringen, geraten sie dennoch in die Unreinheit der Lippen gemäß dem Wort des Jesaja b und in das Unrecht des Mundes. Der jedoch, der zwar einer israelitischen Mutter, jedoch einem ägyptischen Vater entstammte, ging hinaus und „lästerte, indem er den Namen nannte“.c  Von diesem glaube ich, dass er, wenn er nicht hinausgegangen wäre, weder gegen den wahren Israeliten gestritten noch, indem er nannte, gelästert hätte. Denn er ging hinaus aus der Wahrheit, er ging hinaus aus der Gottesfurcht, aus dem Glauben, aus der Liebe, so wie wir vorher sagten,487 wie dadurch jemand aus dem Lager der Kirche hinausgeht, auch wenn er keineswegs durch die Stimme des Bischofs ausgestoßen wird.488 So wie es im Gegensatz dazu manchmal geschieht, dass jemand durch ein unrechtes Urteil derer, die der Kirche vorstehen, vertrieben und nach draußen geschickt wird. Wenn er selbst jedoch nicht vorher hinausgegangen ist, das heißt, wenn er sich nicht so verhalten hat, dass er hinauszugehen verdiente, wird ihm kein Schaden zugefügt, weil er offenbar durch ein unrechtes Urteil von Menschen ausgestoßen worden ist. Und so kommt es, dass manchmal der, der nach draußen geschickt wird, drinnen ist und jener draußen ist, der drinnen zu bleiben scheint.489 Willst du, dass ich dir auch einen anderen zeige, von dem gesagt wird, dass er hinausging, obwohl er von niemandem ausgestoßen wurde? Über Kain steht geschrieben: „Er ging hinaus vom Angesicht Gottes.“ dWohin ging er hinaus vom Angesicht Gottes? Denn wo war nicht das Angesicht Gottes? Es wird jedoch gesagt, dass er hinausging dafür, dass er das Gesetz der Natur übertrat und als Erster die Erde, die ein so großes Verbrechen nicht kannte, mit dem brüderlichen Blut tränkte. Es gibt jedoch auch welche, die auf gute Weise hinausgehen und selig sind, weil sie hinausgehen. Auch das will ich aus den Schriften zeigen. Im Buch Exodus steht geschrieben: „Alle“, heißt es, „die den Namen des Herrn suchten, gingen hinaus zu Mose außerhalb des Lagers.“ e Diese gingen auf gute Weise hinaus aus dem Lager, weil sie Alexandria aus seiner Gemeinde aus, was Origenes als nicht gerechtfertigt empfand. Siehe Crouzel, Origène 38–46; Fürst, Art. Origenes 467f.

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Homilia XIV

tur Moysen, id est legem Dei. Et de aliis dicitur: „Exite populus meus de medio eorum, et immundum nolite contingere.“a „Exiit“ ergo inquit „filius mulieris Istrahelitidis, et hic erat filius Aegyptii, inter filios Istrahel; et litigauerunt in castris ille, qui erat ex Istrahelitide muliere, et homo Istrahelita.“ b Vide quanta cautela scripturae diuinae, si tamen intendas, si diligenter inspicias: illum, qui de Istrahelitide matre et de Aegyptio patre natus est, non dixit hominem, illum uero, qui ex utroque genere Istrahelita erat, hominem nominauit. | Putamus haec fortuitu scripta? Putamus casu adiectum, ut ille non diceretur homo et hic diceretur? Non sunt ista fortuita, ratio est. Nihil enim in uerbis Dei absque profunda ratione conscriptum est. Ille namque, qui ex parte Aegyptius, ex parte Istrahelita erat, nondum merebatur homo nominari; iste uero, qui ex integro Istrahelita erat, hoc est qui mente Deum uidebat, iste homo appellatur, ille homo interior, qui ad imaginem Dei factus est c et potest uidere Deum.d 4. Post haec iam quae in posterioribus referuntur, non absque quadam quaestione sunt, de qua multi quaerentes non multi explicare potuerunt. Sed si uestris me orationibus iuueritis, temptabimus etiam nos in medium proferre, quae Dominus dederit. „Homo homo“ inquit „si maledixerit Deum, peccatum accipiet; qui autem nominat nomen Domini, morte moriatur.“ e Quid est hoc? Qui maledixerit Deum, non habet poenam mortis, sed qui nomina­ uerit nomen Domini? Nonne multo grauius est maledicere Deum quam nominare, quamuis in uanum nominasse dicatur? Et quomodo qui maledicit, peccatum suscipit tantum, qui autem nominat, morte multatur? Haec ergo sunt, quae in hoc loco solent quaestionem mouere, quae ignorantibus sensum scripturarum inconsequenter dicta uidentur et incongrue. Putant enim quod ille, qui maledicit nomen Dei, statim puniri debeat; ille uero, qui nominauerit nomen Domini, hoc est superfluo et in uanum nominauerit, sufficiat accepisse peccatum. Sed nos consequentiam sermonis tali quodam sensu temptemus aperire. Maius esse peccatum, in quo maledicitur Deus, quam in quo nominatur, dubitare non possumus. Restat, ut ostendamus multo esse grauius a

Jes. 52,11

b

Lev. 24,10

c

Vgl. Gen. 1,27

d

Vgl. Mt. 5,8

e

Lev. 24,15f.

490 Das lateinische homo bedeutet sowohl „Mann“ als auch „Mensch“. Origenes nimmt

in seiner Auslegung auf das Menschsein bzw. dessen Fehlen Bezug, das er aus den Bezeichnungen der beiden Männer in Lev. 24,10 ableitet. 491 Philon leitet den Namen Israel vom Schauen ab, das er als eine fortgeschrittene Stufe der Spiritualität betrachtet: vgl. conf. ling. 72 (II p. 243 Cohn/Wendland); migr. Abr. 38(II p. 276); ebr. 82 (II p. 185); rer. div. her. 78 (III p. 170); Abr. 57 (IV p. 14). Für diese etymologische Erklärung des Namens Israel als „Schau Gottes“ bei Origenes vgl. in Gen. hom. 15,3 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 206); in Num. hom. 11,4 (GCS Orig. 7, 83); in Ios. hom. 9,4 (GCS Orig. 7, 350). Siehe Wutz, Onomastica sacra 21. 492 Siehe dazu oben S. 164 Anm. 155.

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Mose folgten, das heißt dem Gesetz Gottes. Und über andere wird gesagt: „Geht hinaus, mein Volk, aus ihrer Mitte und berührt nichts Unreines!“a „Es ging“, heißt es also, „der Sohn einer israelitischen Frau hinaus, und dieser war der Sohn eines Ägypters unter den Söhnen Israels; und sie stritten im Lager, jener, der von einer israelitischen Frau abstammte, und ein israelitischer Mann.“ b Sieh, welch große Vorsicht der göttlichen Schrift, wenn du denn aufmerksam bist, wenn du sorgfältig hinschaust: Jenen, der von einer israelitischen Mutter und von einem ägyptischen Vater geboren ist, nannte sie nicht Mensch,490 jenen hingegen, der von beiderseitiger Herkunft Israelit war, bezeichnete sie als Menschen. Glauben wir, dass das ohne Absicht geschrieben steht? Glauben wir, es sei zufällig passiert, dass jener nicht Mensch genannt wurde, dieser aber sehr wohl? So etwas ist nicht ohne Absicht, es ist begründet. Denn nichts in den Worten Gottes ist ohne tiefen Grund niedergeschrieben worden. Jener nämlich, der zum Teil Ägypter, zum Teil Israelit war, verdiente noch nicht, Mensch genannt zu werden; dieser hingegen, der ganz Israelit war, das heißt, der im Geist Gott sah,491 dieser wird Mensch genannt, jener innere Mensch, der nach dem Bild Gottes gemacht ist c und Gott sehen kann.d 4. Was danach im Folgenden noch berichtet wird, ist nicht ohne eine bestimmte Frage, die, obwohl sie viele gestellt haben, nicht viele erklären konnten. Wenn ihr mich jedoch mit euren Gebeten unterstützt,492 werden wir versuchen, dass auch wir vorbringen, was der Herr gegeben hat. „Ein Mensch, ein Mensch“, heißt es, „wenn er Gott lästert, wird eine Sünde auf sich laden; wer aber den Namen des Herrn nennt, soll sterben.“ eWas bedeutet das? Wer Gott lästerte, wird nicht mit dem Tod bestraft, sondern wer den Namen des Herrn nannte? Ist es nicht viel schwerwiegender, Gott zu lästern als ihn zu nennen, obwohl gesagt wird, dass er grundlos genannt wurde? Und wie lädt der, der lästert, nur eine Sünde auf sich, wer ihn aber nennt, wird mit dem Tod bestraft? Das ist es also, was an dieser Stelle eine Frage aufzuwerfen pflegt, was denen, die den Sinn der Schriften nicht kennen, unlogisch und unpassend gesagt zu sein scheint. Denn sie glauben, dass der, der den Namen Gottes lästert, sofort bestraft werden muss; für den hingegen, der den Namen des Herrn nannte, das heißt überflüssig und grundlos nannte, sei es genug, dass er eine Sünde auf sich geladen habe.493 Wir wollen jedoch versuchen, die Folgerichtigkeit des Wortes durch einen bestimmten Sinn wie folgt zu erschließen. Dass die Sünde, mit der Gott gelästert wird, größer ist als die, mit der er genannt wird, können wir nicht bezweifeln. Es bleibt zu zeigen, dass es 493 Auch Philon, vit. Mos. II 204 (IV p. 247f. Cohn/Wendland), formulierte schon

dieses Problem: „Denn sonst hättest du einen Mann, der die schwerste Gottlosigkeit begangen, nicht so milde behandelt, indem du ihn gewöhnlichen Sündern beigeselltest, während du gegen einen, der anscheinend ein geringeres Unrecht begangen, die äußerste Strafe, den Tod, festsetztest.“ Übersetzung: Badt, Philo Werke I, 345.

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Homilia XIV

accipere peccatum et habere secum quam morte multari. Mors, quae poenae causa infertur pro peccato, purgatio est peccati ipsius, pro quo iubetur inferri. Absoluitur ergo | peccatum per poenam mortis nec superest aliquid, quod pro hoc crimine iudicii dies et poena aeterni ignis inueniat. Vbi uero quis accipit peccatum et habet illud secum ac permanet cum ipso nec aliquo supplicio poena, quae diluitur, transit, cum ipso est etiam post mortem; et quia temporalia hic non persoluit, ibi expendit aeterna supplicia. Vides ergo quanto grauius sit accipere peccatum quam morte multari. Hic enim mors pro uindicta datur et apud iustum iudicem Dominuma non uindicatur bis in id ipsum, sicut propheta dixit;b ubi autem non est soluta uindicta, peccatum manet illis aeternis ignibus exstinguendum. Quia autem haec ita se habeant, possum tibi testes ex diuinis uoluminibus adhibere Ruben et Iudam patriarchas loquentes ad patrem suum Iacob, cum uellent adsumere secum Beniamin et ducere ad Aegyptum propter sponsiones, quas cum Ioseph fratre pepigerant.c Ibi ergo Ruben quidem ita dicit ad patrem: „Ambos filios meos occide, nisi reduxero ad te Beniamin“;d Iudas uero ait: „Peccator ero in te, nisi reduxero eum tibi.“ e Iacob ergo, pater ipsorum, sciens multo esse grauius, quod promiserat Iudas, qui dixerat: „Peccator ero in te“ f ab eo, qui dixerat: „Occide filios meos“,g Ruben quidem non credidit filium,h tamquam qui leuiorem elegerit poenam, Iudae uero tradidit i sciens grauius esse quod elegerat. Hoc ergo modo conuenienter aptauit scriptura diuina ei quidem, qui maledixerit Deum, ut peccatum sumat, ei uero, qui leuius deliquit, quod morte moriatur.j Vis autem et de euangeliis noscere quod qui receperit in hac uita mala sua, ibi iam non recipiat; qui autem hic non receperit, ibi seruentur ei omnia? Docet nos exemplum Lazari pauperis et illius diuitis, ad quem dicitur in infernis a patriarcha Abraham: „Memento, fili, quoniam tu recepisti bona tua in uita tua et Lazarus similiter mala. Nunc autem tu quidem cruciaris, hic uero requie|scit.“ k Et solent homines ignorantes iudicia Dei, quae sunt abyssus multa,l conqueri aduersum Deum et dicere, cur homines iniqui et iniusti raptores, impii, scelesti in hac uita nihil patiantur aduersi, sed cuncta iis prosperis successibus cedant, honores, diuitiae, potentia, sanitas quoque iis ipsa et corporis habitudo famuletur; econtra innocentibus ac piis et colentibus Deum innumerabiles aerumnae superueniant, abiecti, a

Vgl. 2 Tim. 4,8 bVgl. Nah. 1,9 cVgl. Gen. 42,20 dGen. 42,37 eGen. 43,9 Gen. 43,9 gGen. 42,37 hVgl. Gen. 42,38 iVgl. Gen. 43,13 jVgl. Lev. 24,15f. k Lk. 16,25 lVgl. Ps. 35(36),7; Lk. 16,26 f

494 Vgl. auch in Ex. hom. 8,6 (GCS Orig. 6, 232). 495 Vgl. sel. in Ex. 20,5 (PG 12, 293A): „Wenn wir etwas getan haben, das Strafe verdient,

werden wir so bestraft, dass wir sie hier erhalten, danach aber im Schoß Abrahams ruhen werden.“ In Hiez. hom. 1,2 (GCS Orig. 8, 322): „Wir werden in diesem Leben bestraft, damit wir nicht im zukünftigen nie versiegend bestraft werden.“

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viel schwerwiegender ist, eine Sünde auf sich zu laden und mit sich zu haben, als mit dem Tod bestraft zu werden. Der Tod, der wegen der Strafe für eine Sünde zugefügt wird, ist eine Reinigung von eben der Sünde, für die er zuzufügen befohlen wird.494 Also wird die Sünde durch die Strafe des Todes bezahlt und bleibt nichts übrig, was der Tag des Gerichts und die Strafe des ewigen Feuers für dieses Verbrechen finden könnten. Wo hingegen jemand eine Sünde auf sich lädt, sie mit sich hat und sie mit ihm bleibt und die Strafe, die abgeleistet wird, durch keine Bestrafung vergeht, ist sie auch nach dem Tod mit ihm; und weil er die zeitliche Bestrafung hier nicht bezahlte, leistet er dort die ewige. Du siehst also, wie viel schwerwiegender es ist, eine Sünde auf sich zu laden als mit dem Tod bestraft zu werden. Denn hier wird der Tod als Strafe gegeben und beim Herrn, dem gerechten Richter,a wird nicht zweimal für dasselbe gestraft, wie der Prophet sagte;b dort aber wird die Strafe nicht gelöst, die Sünde bleibt, um durch jene ewigen Feuer ausgelöscht zu werden.495 Dass sich dies aber so verhält, dafür kann ich dir als Zeugen aus den göttlichen Büchern die Patriarchen Ruben und Juda heranziehen, die mit ihrem Vater Jakob sprachen, weil sie Benjamin mit sich nehmen und nach Ägypten bringen wollten wegen der Vereinbarungen, die sie mit ihrem Bruder Josef abgemacht hatten.c Dort also sagt Ruben zum Vater so: „Meine beiden Söhne töte, wenn ich Benjamin nicht zu dir zurückbringe“;d Juda hingegen sagt: „Ich werde ein Sünder gegen dich sein, wenn ich ihn dir nicht zurückbringe.“ eWeil also Jakob, ihr Vater, wusste, dass es viel schwerwiegender war, was Juda versprochen hatte, der gesagt hatte: „Ich werde ein Sünder gegen dich sein“,f als das Versprechen dessen, der gesagt hatte: „Töte meine Söhne“,g vertraute er seinen Sohn nicht Ruben an,h da er die leichtere Strafe gewählt hatte, Juda hingegen übergab er ihn,i weil er wusste, dass das, was er gewählt hatte, schwerwiegender war. Auf diese Weise also schrieb die göttliche Schrift passenderweise dem, der Gott lästerte, zu, dass er eine Sünde auf sich lädt, dem hingegen, der sich leichter verging, dass er sterben soll.j Willst du aber auch aus den Evangelien erkennen, dass der, der in diesem Leben seinen schlechten Teil erhielt, ihn dort nicht mehr erhält; wer ihn aber hier nicht erhält, dem wird alles dort aufbewahrt werden? Uns lehrt das Beispiel des armen Lazarus und jenes Reichen, zu dem in der Unterwelt vom Patriarchen Abraham gesagt wird: „Denke daran, mein Sohn, dass du dein Gutes in deinem Leben erhalten hast und Lazarus gleichermaßen Schlechtes. Nun aber wirst du gequält, dieser hingegen ruht sich aus.“ k Und die Menschen, die Gottes Urteile nicht kennen, die ein großer Abgrund l sind, pflegen gegen Gott zu klagen und zu fragen, warum die unrechten Menschen und die ungerechten Räuber, die Gottlosen, die Frevler in diesem Leben nichts Widriges erleiden, sondern ihnen alles mit glücklichem Fortgang zuteil wird, Ehrungen, Reichtum, Macht, auch die Gesundheit selbst und der Zustand des Körpers ist ihnen dienlich; warum im Gegensatz dazu die Unschuldigen, die

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Homilia XIV

humiles, contempti et sub colaphis potentium uiuant, nonnumquam etiam saeuius iis morbi quoque ipsi corporis dominentur. Sed haec, ut dixi, conqueruntur ignorantes, qui sit ordo in diuinis iudiciis. Quanto enim grauius eos puniri uolunt, de quorum potentia et iniquitatibus ingemiscunt, tanto necessarium est differri poenas, quae si non differrentur, temporales utique et leuiores essent, quia finem cum morte reciperent; nunc uero quia differuntur, certum est quod aeternae erunt et cum saeculis extendentur. Econtra igitur si uelint iustis et innocentibus in praesenti saeculo bona reddi, essent etiam ipsa bona temporalia et celeri termino concludenda; quanto autem magis differuntur in futurum, tanto erunt perpetua et nescient finem. Hoc est ergo quod nos scripturae huius locus paucis sermonibus comprehensus edocuit, ut sciamus multo esse grauius accipere peccatum et habere ac secum ad inferna deferre quam in praesenti poenas dare commissi. Et ideo haec sciens expedire fidelibus apostolus Paulus dicit de eo, qui peccauerat: „quem tradidi“ inquit „Satanae in interitum carnis“,a hoc est morte multasse. Qui autem sit fructus mortis huius, ostendit in sequentibus dicens: „Vt spiritus saluus fiat in die Domini nostri Iesu Christi“.b Vides ergo quomodo aperte apostolus utilitatem mortis huius exposuit. Quod enim dicit: „Tradidi in interitum carnis“, hoc est in afflictionem corporis, quae solet a poenitentibus expendi, eumque carnis interitum nominauit, qui tamen carnis interitus uitam spiritui conferat. Vnde et nunc si quis forte nostrum recordatur in semet ipso alicuius peccati conscientiam, si qui se obnoxium nouit esse delicto, confugiat ad poeni|tentiam et spontaneum suscipiat carnis interitum, ut expurgatus in praesenti uita spiritus noster mundus et purus pergat ad Christum Dominum nostrum, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ c a

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Frommen und die, die Gott ehren, unzählige Mühsale überkommen, sie als Ausgestoßene, Gedemütigte,Verachtete und unter den Schlägen der Mächtigen leben, bisweilen sogar schrecklicher als diese auch durch körperliche Krankheit beherrscht werden. Darüber jedoch klagen, wie ich gesagt habe, die, die nicht wissen, was die Ordnung in den göttlichen Urteilen ist. Denn je schwerer sie wollen, dass die bestraft werden, über deren Macht und Ungerechtigkeiten sie stöhnen, umso mehr ist es notwendig, die Strafen aufzuschieben; würden sie nicht aufgeschoben werden, wären sie gewiss zeitlich und leichter, weil sie mit dem Tod ein Ende fänden; weil sie nun hingegen aufgeschoben werden, ist es sicher, dass sie ewig sein und sich über Zeitalter erstrecken werden. Wenn sie im Gegensatz dazu daher wollen, dass den Gerechten und Unschuldigen im gegenwärtigen Zeitalter Gutes erstattet wird, wäre auch dieses Gute zeitlich und durch ein schnelles Ende abgeschlossen; je mehr sie aber in die Zukunft aufgeschoben werden, umso länger werden sie andauern und kein Ende kennen. Das ist also, was uns diese Schriftstelle mit wenigen Worten zusammengefasst lehrte, damit wir erkennen, dass es viel schwerwiegender ist, eine Sünde auf sich zu laden und zu haben und mit sich in die Unterwelt zu tragen, als in der Gegenwart für ein Vergehen Strafe zu leisten. Und deshalb, weil er weiß, dass es den Gläubigen nützt, sagt der Apostel Paulus über den, der gesündigt hatte: „den ich“, heißt es, „dem Satan zum Untergang des Fleisches übergeben“,a das heißt mit dem Tod bestraft habe. Was aber die Frucht dieses Todes ist, zeigt er im Folgenden, wenn er sagt: „damit der Geist gerettet wird am Tag unseres Herrn Jesus Christus“.b Du siehst also, wie offen der Apostel die Nützlichkeit dieses Todes darlegte. Denn was er sagt: „Ich habe ihn zur Vernichtung des Fleisches übergeben“, das bedeutet zur Peinigung des Körpers, die von den Büßenden üblicherweise vollzogen wird,496 und er nannte die Vernichtung des Fleisches, die jedoch als Vernichtung des Fleisches dem Geist das Leben bringt.Wenn sich daher auch jetzt vielleicht jemand von uns das Bewusstsein irgendeiner Sünde in sich selbst in Erinnerung ruft, wenn jemand weiß, dass er einer Verfehlung schuldig ist, soll er zur Buße Zuflucht nehmen und die freiwillige Vernichtung des Fleisches auf sich nehmen, damit, im gegenwärtigen Leben gereinigt, unser Geist sauber und rein aufbricht zu Christus, unserem Herrn. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ c

496 Es handelt sich um eine öffentliche kirchliche Buße, für die bei Origenes der in 1

Kor. 5 genannte Sünder als typisches biblisches Beispiel herangezogen wird. Zu dieser Buße gehört die „Vernichtung des Fleisches“, d.  h. die geistige Überwindung der fleischlichen Begierden. Siehe Rahner, Bußlehre des Origenes 108f.

HOMILIA XV. De uenditionibus domorum et redemptionibus.

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1. Tres diuersas leges de domorum uenditionibus et redemptionibus per Moysen in Leuitico datas uidemus, quarum continentiam primo secundum historiam pertractemus, ut post hoc etiam ad spiritalem sensum possimus adscendere. Domus quaedam sunt in urbibus muratis,a quaedam in uicis uel agris non habentibus muros.bAit ergo, ut, si in ciuitate murata uendiderit quis domum, per annum integrum habeat copiam redimendi, post annum uero potestas recuperandi nulla conceditur.c Erit enim, inquit, domus ipsius emptori certa possessio, si intra annum liberare eam non potuerit, qui distraxit.d Secunda lex est, ut, si domus, quae distracta est, in uico fuerit, qui murum non habet, cui tamen uico ager adiaceat, liceat uenditori et post annum et quandocumque potuerit, restituere pretium et recuperare quam distraxerat domum.eTertia lex est, ut, si forte domus sit leuitae uel sacerdotis, ubicumque fuerit talis domus, siue in ciuitate murata, siue in uico, cui murus non est, liceat semper et in omni tempore, ut, quandocumque potuerit leuita uel sacerdos, redimat domum suam;f nec umquam sacerdotalem uel Leuiticam possessionem confirmari in alium, qui non sit eiusdem ordinis, diuina iura permittunt. Istae sunt ergo leges, quibus utebatur populus ille prior, etiam secundum hoc ipsum, quod per historiam designatur, religiose satis et pie sacerdotalibus uel Leuiticis ordinibus consulentes. 2. Sed citius haec referamus ad nos, quibus lex Christi, si eam sequamur, nec possessiones in terra nec in urbibus domos habere per|mittit. Et quid dico domos? Nec plures tunicas g nec multam concedit possidere pecuniam: a

b

f

g

Vgl. Lev. 25,29 Vgl. Lev. 25,32

Vgl. Lev. 25,31 cVgl. Lev. 25,29f. Vgl. Mk. 6,9; Mt. 10,10

d

Vgl. Lev. 25,30

e

Vgl. Lev. 25,31

497 Zu historia im Sinne der „Erzählung“, womit der Wortsinn des biblischen Textes

gemeint ist, siehe oben S. 103 Anm. 71. 498 Von hier ab hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos. VII 6 (PL 108, 541A–543B), die

Predigt ganz abgeschrieben (ohne die Schlussdoxologie).

499 Vgl. in Gen. hom. 16,5 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 225): „Doch dank dieser Mahnung

wollen wir uns wenigstens beeilen, es zu erfüllen, wollen wir uns beeilen, uns von Priestern des Pharao, denen irdischer Besitz gehört, in Priester des Herrn zu verwandeln, die auf Erden keinen Anteil haben, deren Anteil der Herr ist.“ Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 289. Paulus, Petrus und Johannes dienen als vorbildhafte Beispiele dafür. Vgl. auch Irenäus von Lyon, adv. haer. IV 30,1 (FC 8/4, 238): „Die

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HOMILIE 15 Über den Verkauf und den Rückkauf von Häusern.

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1. Wir sehen, dass drei verschiedene Gesetze über den Verkauf und den Rückkauf von Häusern durch Mose im Buch Levitikus gegeben wurden, deren Inhalt wir zuerst nach dem Wortsinn497 behandeln wollen, damit wir danach auch zum geistigen Sinn aufsteigen können. Manche Häuser befinden sich in ummauerten Städten,a manche in Dörfern oder auf Feldern, die keine Mauern haben.b Es heißt also, dass, wenn jemand in einer ummauerten Stadt ein Haus verkauft hat, er ein ganzes Jahr hindurch die Möglichkeit des Rückkaufs haben soll, nach einem Jahr hingegen wird keine Erlaubnis mehr zugestanden, es wiederzuerlangen.c Denn sein Haus, heißt es, soll der sichere Besitz des Käufers sein, wenn der, der es verkauft hat, es innerhalb eines Jahres nicht freikaufen konnte.d Das zweite Gesetz besagt, dass, wenn das Haus, das verkauft wurde, in einem Dorf ist, das keine Mauer hat, dem Dorf jedoch ein Feld benachbart ist, es dem Verkäufer auch nach einem Jahr, und wann immer er kann, erlaubt ist, den Preis zurückzuerstatten und das Haus, das er verkauft hatte, wiederzuerlangen.e Das dritte Gesetz besagt, dass, wenn es etwa das Haus eines Leviten oder eines Priesters ist, wo immer sich ein solches Haus befindet, sei es in einer ummauerten Stadt, sei es in einem Dorf, das keine Mauer hat, es immer und zu jeder Zeit erlaubt ist, dass der Levit oder Priester, wann immer er kann, sein Haus zurückkauft;f und dass jemals ein priesterlicher oder levitischer Besitz einem anderen zugesichert wird, der nicht von demselben Stand ist, erlaubt das göttliche Recht nicht. Dies sind also die Gesetze, die jenes frühere Volk anwendete; sogar gemäß dem, was durch die Geschichte bezeichnet wird, sorgen sie reichlich religiös und fromm für die priesterlichen und levitischen Stände. 2. Beziehen wir dies498 jedoch schnell auf uns, denen das Gesetz Christi, wenn wir ihm folgen, weder Besitztümer auf der Erde noch Häuser in Städten zu haben erlaubt. Und was sage ich Häuser? Es gestattet auch nicht, mehrere Gewänder,g noch, viel Geld zu besitzen;499 denn „wir sollen damit zufrieÄgypter schuldeten dem jüdischen Volk nicht nur Sachwerte, sondern auch ihr Leben, weil der Patriarch Josef früher gut gewesen war; inwiefern sind aber die Heiden unsere Schuldner, wo wir von ihnen Nutzen und Gewinn haben? Was sie unter Arbeit herstellen, das benutzen wir Gläubigen, ohne Arbeit dafür leisten zu müssen.“ Übersetzung: Brox, FC 8/4, 239.

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Homilia XV

„Habentes“ enim, inquit „uictum et uestitum, his contenti simus.“a Quomodo ergo nos datas de domibus, siue intra ciuitatem muratam positis siue in uicis, quibus muri non sunt,b obseruabimus leges? Inuenimus in aliis scripturae locis quod sermo diuinus maiore quodam sacramento nominet domum, ut cum dicit de Iacob et quasi pro laude eius ponit: „Erat enim“ inquit „Iacob homo simplex, habitans domum.“ c Et iterum inuenio de obsetricibus Hebraeorum scriptum: „Et quia“ inquit „timebant Deum obsetrices, fecerunt sibi domos.“ d Videmus ergo quod obsetricibus quidem faciendarum domorum causa fuerit timor Dei, Iacob uero simplicitas et innocentia causam dederit, ut habitaret domum. Denique Esau, quia malus fuit, non est scriptum de eo quia habita­ uerit domum, nec de alio aliquo scriptum est quia aedifica­uerit sibi domum, qui non habuerit timorem Dei. Quae est ergo ista domus et quale aedificium est, Paulus apostolus exponit apertius, cum dicit: „Domum habemus non manu factam, aeternam in coelis.“ e Haec ergo est domus, quam aedificare nemo potest nisi timeat Deum. Haec est domus, quam exstruere uel habitare nemo potest nisi in simplicitate mentis et puritate cordis. Sed quoniam accidere solet, ut etiam qui bene aedificauerit et domum sibi coelestem bene agendo et bene uiuendo ac recte credendo construxerit, incurrat alicuius peccati debitum et hanc a crudelissimo foeneratore uenumdare cogatur ac labores suos transfundere in alium, pietas et clementia legislatoris occurrit, ut intra certum tempus redimi possit. „Si tamen inuenerit“ inquit „manus tua pretium, quod restituas.“ f Quale pretium? Poenitentiae sine dubio lacrimis congregatum et manibus, id est labore boni operis inuentum. Annus autem iste intelligi potest, quem uenit uocare Dominus „annum acceptum“,g quo dimittat confractos in remissio|nem et salutem delicta sua confitentibus praebeat. Quod autem dicit „domum in ciuitate murata“,h recte, ut ego arbitror, domus, quae in coelo esse dicitur,i „in ciuitate murata“ intelligitur. Murus est enim huiuscemodi domibus ipsum coeli firmamentum. Sed talem domum rari quique habere possunt, illi fortassis, qui super terram ambulantes conuersationem habent in coelis j et de quibus dicit apostolus: „Dei aedificatio estis.“ k Ceteri autem in uicis habent domos, quibus non est murus, est tamen iis adiacens ager fecundus, illi fortassis, qui sibi habitaculum praeparant „in terra uiuentium“ l et in illa terra, quam mansuetis Dominus promittit dicens: „Beati mites, quoniam ipsi haereditate possidebunt terram.“ m Istas ergo a

1 Tim. 6,8 bVgl. Lev. 25,30f. cGen. 25,27 dEx. 1,21 e2 Kor. 5,1 fVgl. Lev. 25,26 Lk. 4,19 hLev. 25,29 iVgl. 2 Kor. 5,1 jVgl. Phil. 3,20 k1 Kor. 3,9 l Ps. 26(27),13 m Mt. 5,5 g

500 So nach der Septuaginta. Hebräischer Text und Vulgata sprechen von „Zelten“. 501 Vgl. in Num. hom. 26,5 (GCS Orig. 7, 252f.): „Es gibt also auch im Reich Gottes ein

Land, das denen Sanftmütigen versprochen wird (vgl. Mt. 5,4), und ein Land, das Land der Lebenden genannt wird (vgl. Ps. 141[142],6), und ein in den Höhen gelegenes Land, über das der Prophet zum Gerechten sagt: ‚Und er wird dich erheben, das Land zu e­ rben‘ (Ps. 36[37],34).“ Ferner princ. II 3,6 (GCS Orig. 5, 123); in Ps. 36 hom. 5,4 (SC 411, 236–238).

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den sein“, heißt es, „wenn wir Nahrung und Kleidung haben“.a Wie also sollen wir die Gesetze beachten, die uns über die Häuser gegeben sind, seien sie innerhalb der ummauerten Stadt gelegen, seien sie in Dörfern, die keine Mauern haben? bWir finden an anderen Stellen der Schrift, dass das göttliche Wort das Haus im Sinne eines größeren Geheimnisses nennt, wenn sie über Jakob spricht und gleichsam zu seinem Lob anführt: „Denn Jakob war“, heißt es, „ein einfacher Mann, der ein Haus500 bewohnte.“ c Und wiederum finde ich über die Hebammen der Hebräer geschrieben: „Und weil“, heißt es, „die Hebammen Gott fürchteten, bauten sie sich Häuser.“ dWir sehen also, dass für die Hebammen die Gottesfurcht der Grund war, Häuser zu bauen, für Jakob hingegen Einfachheit und Unschuld den Grund darstellten, dass er ein Haus bewohnte. Schließlich Esau: Weil er schlecht war, steht über ihn nicht geschrieben, dass er ein Haus bewohnte, noch steht über irgendeinen anderen geschrieben, dass er, der keine Gottesfurcht hatte, sich ein Haus baute. Was also dieses Haus ist und welcher Art Bauwerk es ist, legt der Apostel Paulus deutlicher dar, wenn er sagt: „Wir haben ein Haus, das nicht von Hand erbaut ist, ein ewiges im Himmel.“ e Das ist also das Haus, das niemand bauen kann, wenn er nicht Gott fürchtet. Das ist das Haus, das niemand errichten oder bewohnen kann, außer in der Einfachheit des Geistes und der Reinheit des Herzens. Weil es jedoch zu geschehen pflegt, dass auch der, der gut gebaut und sich, indem er gut gehandelt, gut gelebt und richtig geglaubt hat, ein himmlisches Haus errichtet hat, in die Schuld irgendeiner Sünde gerät und von einem äußerst grausamen Wucherer gezwungen wird, dieses Haus zu verkaufen und seine Mühen an einen anderen zu übergeben, stellt die Frömmigkeit und Milde des Gesetzgebers dem entgegen, dass es innerhalb einer bestimmten Zeit zurückgekauft werden kann. „Wenn denn“, heißt es, „deine Hand das Geld auftreibt, dass du zurückerstatten sollst.“ f Welches Geld? Ohne Zweifel das, das durch die Tränen der Buße gesammelt und durch die Hände, das heißt durch die Mühe des guten Werkes, aufgetrieben wird. Dieses Jahr aber kann verstanden werden als das, das der Herr als „wohlgefälliges Jahr“ g auszurufen gekommen ist, in dem er die Zerbrochenen in die Vergebung entlässt und denen, die ihre Verfehlungen bekennen, das Heil gewährt. Was er aber „ein Haus in einer ummauerten Stadt“ h nennt, wird richtig, wie ich meine, das Haus, von dem gesagt wird, dass es im Himmel ist,i als „in einer ummauerten Stadt“ verstanden. Denn die Mauer für Häuser dieser Art ist die Befestigung des Himmels selbst. Ein solches Haus jedoch können selten Menschen haben, jene vielleicht, die, während sie auf Erden wandeln, ihren Aufenthalt im Himmel j haben und über die der Apostel sagt: „Ihr seid das Bauwerk Gottes.“ k Die Übrigen aber haben Häuser in Dörfern, die keine Mauern haben, doch haben sie ein benachbartes fruchtbares Feld, jene vielleicht, die sich eine Wohnung „im Land der Lebenden“ l und in jenem Land bereiten, das der Herr den Sanftmütigen verspricht, indem er sagt: „Selig die Sanften, denn sie werden das Land als Erbe besitzen.“ m501 Diese Häuser also

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Homilia XV

domos, si forte aliqui, sicut supra exposuimus, lapsus acciderit, semper est recuperandi facultas, ut uerbi gratia dicamus, si nos aliqua culpa mortalis inuenerit, quae non in crimine mortali, non in blasphemia fidei, quae muro ecclesiastici et apostolici dogmatis cincta est, sed uel in sermonis uel in morum uitio consistat; hoc est uendidisse domum, quae in agro est uel in uico, cui murus non est. Haec ergo uenditio et huiusmodi culpa semper reparari potest nec aliquando tibi interdicitur de commissis huiusmodi poenitudinem gerere. In grauioribus enim criminibus semel tantum poenitentiae conceditur locus; ista uero communia, quae frequenter incurrimus, semper poenitentiam recipiunt et sine intermissione redimuntur. 3. „Quod si sacerdotalis fuerit“ inquit „ista domus uel Leuitica, ubicumque fuerit, siue in ciuitate siue in agro, semper habet redemptionem.“a In hoc loco sacerdotalem sensum et Leuiticam intelligentiam | quaero. Non enim inferior esse debet auditor horum, si fieri potest, illo ipso, qui haec scripsit et sanxit. Quid est ergo, quod sacerdos et Leuita domus suae semper et ubicumque fuerit, habet redemptionem? Secundum spiritalem intelligentiam sacerdos mens Deo consecrata dicitur et Leuita appellatur is, qui indesinenter adsistit Deo et uoluntati eius ministrat. Perfectio ergo in intellectu et opere, in fide et actibus sacerdos et Leuita accipiendus est. Huic itaque perfectae menti si acciderit aliquando „domum, quam habet non manu factam, aeternam in coelis“,b uendere et in manus alterius dare, sicut contigit aliquando magno patriarchae Dauid, cum de tecto suo  Vriae Cetthaei adspexit uxorem,c statim eam redimit, statim reparat; statim enim dicit: „Peccaui.“ d Immo uero aliquid adhuc sublimius in hoc sensu debemus inspicere, quomodo domus sacerdotum et Leuitarum, id est perfectarum mentium semper delicta redimantur semperque purgentur. Si quando scripturas diuinas legimus et sanctorum patrum in his delicta aliqua recensemus, si secundum apostoli Pauli sententiam dicimus quia: „Haec omnia in figura contingebant illis, scripta sunt autem propter commonitionem nostram“,e hoc modo semper domus eorum redimitur, quia semper pro culpis eorum purgatio et satisfactio a doctoribus adhibetur ostendentibus ex diuinis scripturis formas fuisse haec et a

Vgl. Lev. 25,32

b

2 Kor. 5,1

c

Vgl. 2 Sam. 11,2

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2 Sam. 12,13

e

1 Kor. 10,11

502 Die Bezeichnung der Schuld als „tödlich“ widerspricht an dieser Stelle dem Fol-

genden, das gerade von einer nicht tödlichen Schuld, also nicht von einer Todsünde, spricht, ist aber in der Textüberlieferung fest bezeugt. Rahner, Bußlehre des Origenes 102–105, plädiert dafür, das mortalis hier zu streichen; ebenso Borret in seiner Ausgabe: SC 287, 256. 503 Vgl. in Lev. hom. 2,4 (GCS Orig. 6, 295); 11,2 (6, 452) und dazu oben S. 90 Anm. 51. 504 Vgl. in Ioh. comm. I 2,10 (GCS Orig. 4, 5): „… die dem Wort Gottes geweiht sind und sich dem alleinigen Dienst Gottes widmen“; in Num. hom. 21,1 (GCS Orig. 7, 200): „… alle Leviten, das heißt alle, die aufmerksam und unablässig im Dienst Gottes verbleiben und wachsam in seiner Knechtschaft Wache halten.“

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Homilie 15,2–3

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wiederzuerlangen, wenn vielleicht, so wie wir vorher dargelegt haben, irgendein Unfall passiert, besteht immer die Möglichkeit; sagen wir zum Beispiel in dem Fall, wenn uns irgendeine tödliche502 Schuld trifft, die nicht in einem tödlichen Verbrechen noch in einer Lästerung des Glaubens, der durch die Mauer der kirchlichen und apostolischen Lehre umgeben ist, sondern in einem Fehler in Worten oder Sitten besteht; das bedeutet, dass das Haus verkauft worden ist, das sich auf einem Feld oder in einem Dorf befindet, das keine Mauer hat. Dieser Verkauf also und eine derartige Schuld kann immer wiederhergestellt werden, und dir wird nicht irgendwann verboten, über derartige Vergehen Reue zu üben. Denn für schwerwiegendere Verbrechen wird der Buße nur einmal Raum gewährt;503 diese gewöhnlichen Verfehlungen hingegen, in die wir häufig geraten, erhalten immer eine Buße und werden ohne Unterbrechung losgekauft. 3. „Wenn dieses Haus aber“, heißt es, „das eines Priesters oder eines Leviten ist, wo immer es ist, sei es in einer Stadt, sei es auf einem Feld, gibt es immer einen Rückkauf.“a An dieser Stelle suche ich den priesterlichen Sinn und das levitische Verständnis. Denn der Hörer dieser Worte darf nicht geringer sein, wenn das geschehen kann, als der, der dies geschrieben und verordnet hat. Was bedeutet es also, dass ein Priester und ein Levit immer, und wo immer es ist, ein Rückkaufsrecht für ihr Haus haben? Nach dem geistigen Verständnis wird Priester der Gott geweihte Geist genannt und als Levit der bezeichnet, der unablässig bei Gott steht und seinem Willen dient.Vollkommenheit im Verständnis und im Werk, im Glauben und in den Handlungen sind beim Priester und Levit also anzunehmen.504 Wenn es daher diesem vollkommenen Geist einmal zustößt, „das Haus, das nicht von Hand erbaut ist, das ewige im Himmel“,b das er hat, zu verkaufen und in die Hände eines anderen zu geben, so wie es einmal dem großen Patriarchen David passierte, als er von seinem Dach die Frau des Hethiters Urija erblickte,c kauft er es sofort zurück, erwirbt er es sofort wieder; denn sofort sagt er: „Ich habe gesündigt.“ dVielmehr müssen wir etwas noch Erhabeneres in diesem Sinn erblicken, wie das Haus der Priester und Leviten, das heißt die Verfehlungen der vollkommenen Geister, immer zurückgekauft und immer gereinigt werden. Wenn wir einmal in den göttlichen Schriften lesen und darin manche Verfehlungen der heiligen Väter durchgehen, wenn wir gemäß der Ansicht des Apostels Paulus sagen: „Das alles widerfuhr ihnen sinnbildlich, aufgeschrieben aber ist es wegen unserer Ermahnung“,e 505 wird auf diese Weise immer deren Haus zurückgekauft, weil für ihre Schuld immer Reinigung und Genugtuung von den Gelehrten geleistet wird, indem sie aus den göttli505 Während Paulus diese Aussage als Abschluss seiner allegorischen Interpretation des

Exodusgeschehens macht, bezieht Origenes sie auf die gesamte Bibel. Siehe die Liste der alttestamentlichen Bezugspunkte und der Stellen bei Origenes in Crouzel, Connaissance mystique 287 Anm. 7.

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Homilia XV

imagines rerum futurarum,a non quibus arguerentur delicta sanctorum, sed quibus ostenderetur peccatores et impios in partem sanctorum societatemque conscisci. Numquam ergo sacerdotalis possessio a sacerdote separatur, etiamsi ad tempus fuerit ablata, etiamsi fuerit distracta, semper redimitur, semper reparatur, uelut si diceret, caritas, quae perfecta est,b | „omnia patitur, omnia sperat, omnia tolerat, caritas numquam cadit“.c Sic ergo et possessio ac domus sanctorum numquam cadit, numquam aufertur, numquam ab eorum iure separatur. Quomodo enim separari a sacerdotibus potest domus, quae aedificata est „supra fundamentum apostolorum et prophetarum“, in qua est „ipse angularis lapis Christus Iesus“? d Quod autem possit aliquando domus ista distrahi, hoc est huiusmodi aedificatio incidere peccatum, audi apostolus Paulus quomodo de talibus dicit: „Vt sapiens architectus fundamentum“ inquit „posui, alius superaedificat, unusquisque autem uideat, quomodo superaedificet. Fundamentum enim aliud nemo potest ponere praeter id, quod positum est, qui est Christus Iesus. Si quis autem supra fundamentum hoc aedificat aurum, argentum, lapides pretiosos, ligna, foenum, stipulam.“ eVides ergo quia potest supra fundamentum Christi aedificari ligna, foenum, stipula, hoc est opera peccati; quae qui aedificat, sine dubio uendidit domum suam emptori pessimo, diabolo, a quo unusquisque peccantium peccati pretium consequitur, satisfactionem desiderii sui. Hoc si forte incurrerit aliquis, quod absit, cito redimat, cito reparet, dum tempus est reparandi, dum poenitentiae locus est, deprecantes in commune, ne aeternae domus habitatione fraudemur, sed digni habeamur recipi „in aeterna tabernacula“,f per Christum Dominum nostrum, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!“ g a

Vgl. Hebr. 10,1 bVgl. 1 Joh. 2,5 Lk. 16,9 g1 Petr. 4,11

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1 Kor. 13,7.8

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Eph. 2,20

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1 Kor. 3,10–12

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

chen Schriften zeigen, dass dies Sinnbilder und Bilder künftiger Dingea waren, durch die nicht Verfehlungen der Heiligen angeklagt, sondern durch die gezeigt werden sollte, dass die Sünder und die Gottlosen in den Teil und in die Gemeinschaft der Heiligen miteingeschlossen sind. Niemals also wird der priesterliche Besitz vom Priester getrennt, auch wenn er für eine Zeit weggenommen wurde, auch wenn er verkauft wurde, wird er immer zurückgekauft, wird er immer zurückerworben, wie wenn er sagte: Die Liebe, die vollkommen ist,b „erleidet alles, erhofft alles, erträgt alles, die Liebe endet niemals.“ c So endet also auch der Besitz und das Haus der Heiligen niemals, niemals wird er weggenommen, niemals wird er von ihrem Besitzrecht getrennt. Denn wie kann das Haus von den Priestern getrennt werden, das „auf dem Fundament der Apostel und Propheten“ erbaut ist, bei dem „Christus Jesus selbst der Eckstein“ ist? d Dass aber dieses Haus einmal verkauft werden könnte, das heißt, ein derartiges Bauwerk in eine Sünde geraten könnte, höre den Apostel Paulus, wie er über so etwas sagt: „Wie ein weiser Architekt“, heißt es, „habe ich das Fundament gelegt, ein anderer baut darauf auf, jeder aber sehe zu, wie er darauf aufbaut. Denn ein anderes Fundament kann niemand legen außer das, das gelegt ist, das ist Christus Jesus. Ob aber jemand auf dieses Fundament Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh baut.“ e Du siehst also, dass auf das Fundament Christi Holz, Heu und Stroh gebaut werden kann, das heißt Werke der Sünde;506 wer diese darauf baut, hat ohne Zweifel sein Haus dem schlechtesten Käufer, dem Teufel, verkauft, von dem jeder von den Sündern den Preis der Sünde erhält, die Genugtuung für sein Verlangen. Wenn jemand vielleicht in das hineingerät, was ihm fern sein soll, soll er schnell zurückkaufen, soll er schnell zurückerwerben, solange Zeit zum Wiederherstellen ist, solange es Raum für die Buße gibt, während wir gemeinsam darum bitten, dass wir nicht der Wohnung des ewigen Hauses beraubt werden, sondern für würdig gehalten werden, „in die ewigen Zelte“ f aufgenommen zu werden durch Christus, unseren Herrn. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ g

506 Vgl. in Ex. hom. 6,3 (GCS Orig. 6, 194f.), wo Origenes vom „dreifachen Weg der

Sünde“ spricht (in der Tat, im Wort, im Gedanken); sel. in Ps. 106,3 (PG 12, 1556D): „Dieses Feuer verbrennt Holz, Heu und Stroh, das heißt die schlechten Eigenschaften.“ Zu Gott als verzehrendem Feuer siehe oben S. 168 Anm. 164.

HOMILIA XVI. De benedictionibus Leuitici. 492

1. In agonibus corporalibus gradus quidam et differentiae singulorum quorumque obseruari ordinum solent, ut pro qualitate certaminum | praemio remuneretur unusquisque uictoriae. Verbi gratia, si inter pueros quis habeat agonem, si inter iuuenes, si inter uiros, quae per singulos ordines obseruatio haberi debeat, quid fieri liceat quidue non liceat, et quae certaminis regula custodiri, quid etiam post haec remunerationis mereatur palma uincentis, ipsis nihilominus agonicis legibus cautum est. Ita et nunc omnipotens Deus obser­ uandae legis suae in hoc mundo agonem mortalibus ponens posteaquam tradidit obseruanda quam plurima et quid fieri, quidue non fieri deberet, adscripsit, conuenienter ad ultimum iam Leuitici librum, in quo de singulis quibusque obseruationibus constitutum est, quid muneris reportet qui impleuerit et quid poenae subeat qui non obseruauerit, enuntiat. Sed si lex, secundum quod Iudaei uolunt et hi, qui eorum sensu scripturas intelligendas putant, non est spiritalis, sed carnalis, dubium non est quin obseruata carnaliter benedictiones quoque carnales obseruantibus tribuat. Si uero, ut Paulo uidetur apostolo, „lex spiritalis est“,a sine dubio et spiritaliter obseruanda est et spiritalis est ex ea benedictionum speranda remuneratio. Totius namque consequentiae est spiritalem legem benedictiones dare spiritales et eiusdem nihilominus consequentiae est etiam maledicta et condemnationes legis spiri­ talis non esse corporeas. Sed ut indubitatum sit quod dicimus, ipsius Pauli apostoli uoce utamur, qua ad Ephesios scribens de spiritalibus benedictionibus hoc modo pronuntiat: „Benedictus“ inquit „Deus, et pater Domini nostri Iesu Christi, qui benedixit nos in omni benedictione spiritali in coelestibus in Christo.“ b Quoniam quidem sciebat nonnullos legentes de benedictionibus posse in id prolabi, ut eas corporales putarent et terrenas, uoluit iis euidentius aperire, quae sit diuinarum benedictionum natura uel ubi quaerenda, et ideo ait: „qui benedixit nos“ inquit „in omni benedictione spiritali in coelestibus in a

Röm. 7,14

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HOMILIE 16 Über die Segnungen im Buch Levitikus.

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1. Bei körperlichen Wettkämpfen ist es üblich, bestimmte Stufen und Unterschiede in den einzelnen Gruppen zu beachten, sodass entsprechend der Beschaffenheit der Kämpfe jeder mit einem Siegespreis belohnt wird. Zum Beispiel, wenn man einen Wettkampf unter Knaben hat, wenn unter Jugendlichen, wenn unter Männern: was in den einzelnen Gruppen beachtet werden muss, was getan werden darf und was nicht getan werden darf und welche Wettkampfregel eingehalten werden muss, auch welche Belohnung danach die Hand des Siegers verdient, ist genauso durch die Wettkampfgesetze angeordnet. So verkündet auch jetzt der allmächtige Gott, der den Sterblichen den Kampf, sein Gesetz in dieser Welt zu beachten, auferlegt, nachdem er mitgeteilt hat, wie viel zu beachten ist, und dazugeschrieben hat, was getan werden muss beziehungsweise was nicht getan werden darf, passend nunmehr gegen Ende des Buches Levitikus, in dem im Einzelnen festgelegt ist, was zu beachten ist, welche Belohnung erhalten soll, wer es erfüllt, und welcher Strafe sich unterziehen soll, wer es nicht beachtet. Wenn jedoch das Gesetz, wie es die Juden wollen und die, die meinen, dass die Schriften in deren Sinn zu verstehen seien, nicht geistig, sondern fleischlich ist, besteht kein Zweifel, dass das fleischlich Beachtete denen, die es beachten, auch fleischliche Segnungen zuteilt. Wenn hingegen, wie es dem Apostel Paulus scheint, „das Gesetz geistig ist“,a ist es ohne Zweifel auch geistig zu beachten und ist die daraus zu erhoffende Belohnung durch Segnungen geistig. Es ist nämlich von gänzlicher Folgerichtigkeit, dass das geistige Gesetz geistige Segnungen gibt und genauso von derselben Folgerichtigkeit, dass auch die Flüche und Verurteilungen des geistigen Gesetzes nicht körperlich sind. Damit jedoch unzweifelhaft ist, was wir sagen, wollen wir die Stimme des Apostels Paulus selbst gebrauchen, mit der er im Brief an die Epheser über die geistigen Segnungen Folgendes verkündet: „Gesegnet sei der Gott“, heißt es, „und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns mit jedem geistigen Segen in den himmlischen Dingen in Christus gesegnet hat.“ b Weil er freilich wusste, dass manche Leser hinsichtlich der Segnungen dahin geraten können, dass sie diese für körperlich und irdisch halten, wollte er ihnen deutlicher offen legen, was die Natur der göttlichen Segnungen ist beziehungsweise wo sie zu suchen ist, und deshalb sagt er: „der uns gesegnet hat“, heißt es, „mit jedem geistigen Segen in den himmlischen Dingen in Christus“. Dass er je-

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Homilia XVI

Christo“. Sed et hoc quod addidit: „in omni benedictione“, non est otiosum, sed apostolicae uehementiae plenum. Nam quia sciebat multa esse implenda, quae mandantur in lege, et in unoquoque mandato proprios existere agones, in quibus per singula | benedictionem, qui uinceret, mereretur, ideo dixit: „qui benedixit nos in omni benedictione spiritali“, ut et plures eas ostenderet et spiritales. Potest autem in hoc sermone, quo ait: „in omni benedictione spiritali“, et illud intelligi, ut, uerbi gratia, iustus quique et perfectus capiat benedictiones Leuitici, de quibus nunc sermo est, capiat et eas, quae in libro Numerorum scriptae sunt,a sed et illas, quae in libro Genesis continentur benedictiones Noë ad Sem et Iaphet b et benedictiones Isaac ad Iacob c et item Iacob benedictiones ad Ioseph d et ad Ephrem et Manassen,e et post haec ad duodecim patriarchas.f Quia ergo multae sunt benedictiones positae in diuinis scripturis, quae uidentur quidem ad unumquemque sanctorum, uerbi gratia, ad Sem uel Iaphet aut Ioseph dirigi, non tamen, ut quibusdam uidetur, ita in illos solos diriguntur, ut alius ex his participare non possit, idcirco eas spiritales apostolus nominauit,g ut, quicumque effici potuerit in uirtute et spiritu, uerbi gratia, Sem uel Iaphet uel Ioseph aut Isaac aut Iacob, sicut et Iohannes fuit „in spiritu et uirtute Heliae“,h possit etiam ipse benedictionis illius particeps fieri, cuius uirtutem et spiritum gesserit. 2. Sed uideamus nunc in Leuitico benedictionum quod sit exordium. „Si“ inquit „in praeceptis meis ambulaueritis, et mandata mea custodieritis et feceritis ea.“ i Tria sunt, quae dicit: in praeceptis ambulandum, mandata custo­ dienda et facienda, quae mandata sunt. Vnde uidetur mihi praeceptum esse, uerbi gratia, cum iubetur, ut ille qui sabbatum non seruauit, ab omni synagoga lapidetur,j aut qui maledixit Deum, ut lapidibus perimatur,k et si qua iubentur huiusmodi. Mandata uero esse, quibus iubetur, uerbi causa, decimas offerri Leuitis l uel ter in anno apparere Domino m uel non apparere uacuum in con­ spectu | Domini.n Custodire est ergo mandatum intelligere uel aduertere, quae iubentur; facere autem mandatum implere est, quae iubentur. Sic ergo intelligendum puto, quod dixit: „Si in praeceptis meis ambulaueritis, et mandata mea custodieritis et feceritis ea.“ o Sed uideamus, quae sit prima benedictio his, qui ea, quae mandantur, impleuerint. „Dabo“ inquit „pluuiam uobis in tempore suo.“ p Igitur primo ad Iudaeos dicamus et eos, qui simpliciter uel corporaliter haec intelligenda a

Vgl. Num. 24,1–9 bVgl. Gen. 9,26f. cVgl. Gen. 28,1 dVgl. Gen. 48,15 Vgl. Gen. 48,14 fVgl. Gen. 49,28 gVgl. Eph. 1,3 hLk. 1,17 i Lev. 26,3 j Vgl. Num. 15,35 kVgl. Lev. 24,14 lVgl. Num. 18,21 mVgl. Ex. 23,17 n Vgl. Ex. 23,15 oLev. 26,3 pLev. 26,4

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507 Vgl. auch die Auslegung von Gen. 49 in Hiez. hom. 4,4 (GCS Orig. 8, 364f.). 508 Zur Unterscheidung verschiedener Ausdrücke für Gesetze und Gebote, und zwar

solche mit und solche ohne Strafandrohung, vgl. in Lev. hom. 11,2 (GCS Orig. 6, 449) und dazu oben S. 360 Anm. 404.

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doch auch „mit jedem Segen“ hinzufügte, ist nicht unnötig, sondern voll apostolischen Nachdrucks. Weil er nämlich wusste, dass vieles zu erfüllen ist, was im Gesetz angeordnet wird, und dass es bei jeder Anordnung eigene Kämpfe gibt, bei denen der, der siegt, für jede einzelne einen Segen verdient, deshalb sagte er: „der uns mit jedem geistigen Segen gesegnet hat“, um zu zeigen, dass sie sowohl mehrere als auch dass sie geistige sind. Es kann aber in dem Wort, in dem er sagt, „mit jedem geistigen Segen“, auch dies verstanden werden, dass zum Beispiel jeder Gerechte und Vollkommene die Segnungen des Buches Levitikus, von denen jetzt die Rede ist, erhält und auch die erhält, die im Buch Numeri geschrieben stehen,a doch auch jene, die im Buch Genesis enthalten sind,507 die Segnungen Noahs für Sem und Jafet b und die Segnungen Isaaks für Jakob c und ebenso die Segnungen Jakobs für Josef d und für Ephraim und Manasse e und danach für die zwölf Patriarchen.f Weil also viele Segnungen in den göttlichen Schriften stehen, die zwar offenbar an jeden der Heiligen, zum Beispiel an Sem, Jafet oder Josef, gerichtet werden, jedoch nicht, wie es manchen scheint, so an jene allein gerichtet werden, dass ein anderer an ihnen nicht Anteil haben könnte, deswegen nannte sie der Apostel geistig,g damit jeder, der sich in der Tugend und im Geist vollenden konnte, zum Beispiel Sem, Jafet, Josef, Isaak oder Jakob, so wie auch Johannes „im Geist und in der Tugend des Elija“ h war, auch selbst Teilhaber des Segens dessen werden konnte, dessen Tugend und Geist er in sich trug. 2. Wir wollen jetzt jedoch im Buch Levitikus sehen, was die Einleitung der Segnungen ist. „Wenn ihr“, heißt es, „in meinen Vorschriften wandelt und meine Anordnungen bewahrt und sie tut.“ i Drei Dinge sind es, die er sagt: in den Vorschriften wandeln, die Anordnungen bewahren und tun, was angeordnet ist.508 Daher scheint mir, dass es eine Vorschrift zum Beispiel ist, wenn befohlen wird, dass der, der den Sabbat nicht gehalten hat, von der ganzen Versammlung gesteinigt wird,j oder der, der Gott gelästert hat, von Steinen getötet wird,k und wenn etwas dieser Art befohlen wird. Anordnungen hingegen sind es, durch die zum Beispiel befohlen wird, den Leviten die Zehnten dazubringen l oder dreimal im Jahr vor dem Herrn zu erscheinen m oder nicht leer vor dem Angesicht des Herrn zu erscheinen.n Eine Anordnung zu bewahren bedeutet also, zu verstehen beziehungsweise wahrzunehmen, was befohlen wird; eine Anordnung zu tun aber bedeutet, zu erfüllen, was befohlen wird. So also, glaube ich, ist zu verstehen, was er sagte: „Wenn ihr in meinen Vorschriften wandelt und meine Anordnungen bewahrt und sie tut.“ o Wir wollen jedoch sehen, was der erste Segen ist für die, die das erfüllen, was angeordnet ist. „Ich werde euch“, heißt es, „Regen zu seiner Zeit geben.“ p Sagen wir daher zuerst zu den Juden und zu denen, die meinen, dass dies einfach oder körperlich zu verstehen ist: Wenn dieser Regen gleichsam

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opinantur: Si pluuia haec tamquam remuneratio pro laboribus datur his, qui mandata custodiunt, quomodo et his, qui mandata non seruant, una atque eadem datur pluuia temporibus suis et uniuersus mundus communibus utitur pluuiis a Deo datis? „Pluit“ enim „super iustos et iniustos.“a Quod si iustis et iniustis datur pluuia, non erit eximia remuneratio his, qui mandata seruaue­ rint. Vide ergo quia, etiamsi Iudaei non adquiescunt uerbis Iesu Domini nostri, tu tamen, qui nomine eius censeris et Christianus appellaris, debes ei credere dicenti quia pater suus coelestis communem hanc pluuiam „pluit super iustos et iniustos“ et non debes putare quia iustis eximiam separauerit portionem hanc, quam communem posuit etiam cum iniustis. Quaeramus ergo in scripturis quae sit pluuia, quae sanctis tantummodo datur et de qua mandatur nubibus, ne pluant pluuiam istam super iniustos.b Quae ergo sit ista pluuia, ipse nos Moyses horum legislator edoceat. Ipse enim dicit in Deuteronomio: „Attende, coelum, et loquar, et audiat terra uerba ex ore meo; exspectetur sicut pluuia eloquium meum.“ c Numquid mea uerba sunt ista? Numquid rhetoricis argumentis sensum diuinae legis uiolenter inflectimus? Nonne Moyses est, qui dicit pluuiam esse, quod loquitur? „Exspectetur“ inquit „sicut pluuia eloquium meum, et descendant sicut ros uerba mea, sicut imber super gramen, et sicut nix super | foenum.“ d Intende diligenter, auditor, ne putes nos uim facere scripturae diuinae, cum docentes ecclesiam dicimus uel aquas uel imbres uel alia, quae corporaliter dici uidentur, spiritaliter sentienda. Audi Moysen, quomodo uerbum legis nunc pluuiam nominat, nunc rorem uocat, nunc imbrem, nunc etiam niuem dicit. Et sicut Moyses uaria et diuersa proloquitur tamquam ex gratia multiformis Dei sapientiae proloquens, ita et Esaias cum dicit: „Audi, coelum, et percipe auribus, terra, quoniam Dominus locutus est.“ e Sed et unusquisque prophetarum cum aperuerit os, imbres f deducit „super faciem terrae“,g hoc est auribus et cordibus auditorum. Hoc sciens et apostolus Paulus dicebat: „Terra enim uenientem saepius super se bibens imbrem et generans herbam opportunam his, a quibus colitur, accipit benedictiones a Deo; quae autem protulerit spinas et tribulos, reproba est et maledicto proxima, cuius finis ad exustionem.“ h Numquid haec apostolus de terra hac dixit? Sed nec accipit terra benedictiones a Deo, cum imbres biberit et fructum produxerit; sed neque si spinas ac tribulos post pluuiam protulerit, consequitur maledictiones a Deo. Sed nostra a

Mt. 5,45 Gen. 8,8

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Vgl. Jes. 5,6 Hebr. 6,7f.

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Dtn. 32,1f.

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Dtn. 32,2

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Jes. 1,2

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Vgl. Ez. 34,26

509 Vgl. in Hier. hom. 8,3 (GCS Orig. 32, 59): „Jeder der Heiligen ist also eine Wolke.

Mose war eine Wolke und als Wolke sagte er: ‚Gib acht, Himmel, und ich werde reden! Auch die Erde soll die Worte meines Mundes hören, wie Regen soll sie meinen Spruch erwarten‘ … Ebenfalls als Wolke sagt auch Jesaja: ‚Höre, Himmel, und horche auf, Erde, denn der Herr hat gesprochen!‘“ Übersetzung: Fürst/Lona, OWD 11, 241.

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als Belohnung für die Mühen denen gegeben wird, die die Anordnungen bewahren, wie wird auch denen, die die Anordnungen nicht bewahren, ein und derselbe Regen zu seinen Zeiten gegeben und genießt die gesamte Welt die von Gott gegebenen gemeinsamen Regenfälle? Denn „er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“.aWenn aber der Regen Gerechten und Ungerechten gegeben wird, wird er nicht eine besondere Belohnung für die sein, die die Anordnungen bewahrt haben. Sieh also, dass, auch wenn die Juden nicht zufrieden sind mit den Worten unseres Herrn Jesus, dennoch du, der du seinem Namen zugerechnet und Christ genannt wirst, ihm glauben musst, wenn er sagt, dass sein himmlischer Vater diesen gemeinsamen Regen „über Gerechte und Ungerechte regnen lässt“, und nicht glauben darfst, dass er für die Gerechten diesen besonderen Anteil abgetrennt hat, den er gemeinsam auch mit den Ungerechten gegeben hat. Wir wollen also in den Schriften suchen, was der Regen ist, der nur den Heiligen gegeben wird und bezüglich dessen den Wolken aufgetragen wird, dass sie diesen Regen nicht über die Ungerechten regnen lassen.b Was also dieser Regen ist, soll uns Mose, ihr Gesetzgeber, selbst lehren. Er selbst sagt nämlich im Buch Deuteronomium: „Gib acht, Himmel, und ich werde reden, und die Erde soll die Worte aus meinem Mund hören; erwartet werden wie Regen soll meine Rede.“ c Sind das etwa meine Worte? Verbiegen wir etwa mit rhetorischen Argumenten gewaltsam den Sinn des göttlichen Gesetzes? Ist es nicht Mose, der sagt, dass Regen ist, was gesprochen wird?509 „Erwartet werden“, heißt es, „wie Regen soll meine Rede und herabkommen wie Tau sollen meine Worte, so wie ein Regenguss auf das Gras und wie Schnee auf das Heu.“ d Sei aufmerksam, lieber Zuhörer, damit du nicht glaubst, dass wir der göttlichen Schrift Gewalt antun, wenn wir die Kirche lehren und sagen, dass die Wasser, die Regengüsse und anderes, was körperlich gesagt zu sein scheint, geistig zu verstehen ist. Höre Mose, wie er das Wort des Gesetzes mal Regen nennt, mal Tau ruft, mal Regenguss, mal auch Schnee sagt. Und so wie Mose verschiedene und unterschiedliche Ausdrücke verwendet, gleichsam aus der Gnade der vielgestaltigen Weisheit Gottes redend, so auch Jesaja, wenn er sagt: „Höre, Himmel, und vernimm mit den Ohren, Erde, dass der Herr gesprochen hat.“ e Doch auch jeder der Propheten, wenn er den Mund öffnet, bringt Regengüsse f „auf das Antlitz der Erde“,g das heißt in die Ohren und Herzen der Zuhörer. In diesem Wissen sagte auch der Apostel Paulus: „Denn wenn die Erde den Regenguss trinkt, der öfter auf sie kommt, und Kraut hervorbringt, das denen nützlich ist, von denen es angebaut wird, empfängt sie Segnungen von Gott; die aber Dornen und Disteln hervorbringt, ist verworfen und dem Fluch nahe, dessen Ende Verbrennen sein wird.“ h Hat der Apostel das etwa über diese Erde gesagt? Die Erde empfängt jedoch keine Segnungen von Gott, wenn sie Regengüsse trinkt und Frucht hervorbringt, sie erlangt jedoch auch nicht, wenn sie Dornen und Disteln nach dem Regen hervorbringt, Verfluchungen von Gott.

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terra, id est nostrum cor, si suscipiat frequenter uenientem super se pluuiam doctrinae legis et attulerit fructum operum, accipit benedictiones. Si uero non opus spiritale, sed spinas et tribulos id est sollicitudines saeculi, habeat aut uoluptatum et diuitiarum cupiditates, „reproba est et maledicto proxima, cuius finis erit ad exustionem“.a Propterea unusquisque auditorum cum conuenit ad audiendum, suscipit imbrem uerbi Dei; et si quidem fructum attulerit operis boni, benedictionem consequetur; si uero susceptum Dei uerbum contempserit et frequenter audita neglexerit ac sollicitudini | se rerum saecularium libidinique subiecerit, tamquam qui spinis suffocauerit uerbum, maledictionem pro benedictione conquiret et pro beatitudinis fine finem exustionis inueniet. „Dabo“ ergo, inquit „uobis pluuiam in tempore.“ b Necessario addidit et „in tempore“. Sicut enim imber iste terrenus, si importune ueniat, id est cum messis colligitur, cum frumenta teruntur in areis, obesse magis quam prodesse uidebitur, ita et hi, quibus pluuia uerbi Dei ministranda committitur, obser­ uare debent hoc, quod dicit scriptura, ut in tempore praebeant, id est ne crapu­lato et ebrio uerbum Dei ingerant nec occupato in aliis animo, cum attentus esse non potest uel cum alicuius uitii languore constrictus est et non doctori, sed morbo proprio interior praestatur auditus. Prudenter ergo con­ iciat, ubi potest uacare mens, ubi sobrius, ubi uigilans, ubi intentus auditor est et ibi pluuiam ministret in tempore; sic et tritici mensuram seruus fidelis et prudens in euangelio conseruis dare iubetur in tempore.c Sed et alio modo possumus intelligere hoc, quod mandatur imber dandus in tempore. Puer est aliquis et paruulus in fide:d indiget pluuiam, sed lactis pluuiam; sic enim dicit ille, qui sciebat pluuias in tempore dispensare: „Lac uobis potum dedi, non escam; nondum enim poteratis.“ e Profecit post haec in fide, „creuit aetate et sapientia“:f Aptus sine dubio factus est, qui solidiorem percipiat cibum.g Infirmatur aliquis et non pro tempore, sed pro infirmitate capere non potest quae robusta sunt; uerbi causa, non potest plene de castitate capere sermonem: a f

Hebr. 6,8 bLev. 26,4 cVgl. Lk. 12,42 Lk. 2,52 gVgl. Hebr. 5,14

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Vgl. Röm. 14,1; 1 Kor. 3,2

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1 Kor. 3,2

510 Vgl. in Gen. hom. 1,2.3 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 7. 8f.): „Wie also dieses Trockene,

nachdem das Wasser, wie wir oben dargelegt haben, von ihm geschieden war, fortan nicht das Trockene blieb, sondern nunmehr Erde heißt, in gleicher Weise werden auch unsere Leiber, wenn diese Scheidung von ihnen vollzogen wird, nicht länger das Trockene bleiben, sondern aus dem Grund Erde heißen, dass sie fortan Gott werden Frucht bringen können. … Wenn wir nun Erde geworden sind, wenn wir nicht mehr das Trockene sind, wollen wir Gott fette und vielfältige Frucht bringen, damit auch uns der Vater segne …“, Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 33. 35; in Num. hom. 26,5 (GCS Orig. 7, 252): „Denn wir alle, solange wir unfruchtbar sind und keine Früchte der Gerechtigkeit, keine der Schamhaftigkeit, keine der Frömmigkeit herbeibringen, sind trocken. Wenn wir aber beginnen, uns selbst zu kultivieren, und

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Wenn jedoch unsere Erde, das heißt unser Herz, den häufig auf sie kommenden Regen der Lehre des Gesetzes aufnimmt und die Frucht der Werke herbeibringt, empfängt sie Segnungen.510 Wenn sie hingegen kein geistiges Werk hat, sondern Dornen und Disteln, das heißt die Sorgen der Welt, oder das Verlangen nach Begierden und Reichtum, „ist sie verworfen und dem Fluch nahe, deren Ende Verbrennen sein wird“.a Deswegen nimmt jeder Zuhörer, wenn er kommt, um zu hören, den Regenguss des Wortes Gottes auf; und wenn er die Frucht eines guten Werkes herbeibringt, wird er Segen erlangen; wenn er hingegen das aufgenommene Wort Gottes verachtet und das häufig Gehörte vernachlässigt und sich der Sorge um weltliche Dinge und der Begierde unterwirft wie einer, der das Wort durch Dornen erstickt, wird er Fluch anstelle von Segen ansammeln und anstelle des Endes der Seligkeit das Ende des Verbrennens finden. „Ich werde euch“ also, heißt es, „Regen geben zur rechten Zeit.“ b Notwendigerweise fügte er auch „zur rechten Zeit“ hinzu. Denn so wie dieser irdische Regenguss, wenn er ungünstig kommt, das heißt, wenn die Ernte eingebracht wird, wenn das Getreide auf den Tennen gedroschen wird, mehr zu schaden als zu nützen scheinen wird, so müssen auch die, denen der Regen des Wortes Gottes zum Dienst anvertraut wird, das beachten, was die Schrift sagt, dass sie zur rechten Zeit darreichen, das heißt, dass sie weder einem Betrunkenen und Berauschten das Wort Gottes bringen noch einer Seele, die mit anderem beschäftigt ist, wenn sie nicht aufmerksam sein kann oder wenn sie gefesselt durch die Trägheit irgendeines Lasters ist und nicht dem Lehrer, sondern der eigenen Krankheit das innere Gehör gewährt. Also mutmaße er klug, wo der Geist frei sein kann, wo der Zuhörer nüchtern, wo er wachsam, wo er aufmerksam ist, und dort verschaffe er den Regen zur rechten Zeit; so wird auch im Evangelium dem treuen und klugen Knecht befohlen, seinen Mitknechten ein Maß Weizen zur rechten Zeit zu geben.c Wir können jedoch noch auf eine andere Weise verstehen, dass angeordnet wird, dass der Regenguss zur rechten Zeit gegeben werden muss. Jemand ist ein Knabe und sehr jung im Glauben;d er benötigt Regen, jedoch Regen von Milch; denn so sagt jener, der den Regen zur rechten Zeit auszuteilen wusste: „Milch habe ich euch als Trank gegeben, nicht feste Speise; denn ihr wart noch nicht dazu imstande.“ e Er schritt danach fort im Glauben, „er wuchs an Alter und Weisheit“:f Er wurde ohne Zweifel fähig, festere Nahrung aufzunehmen.g Jemand ist schwach und kann nicht aufgrund der Zeit, sondern aufgrund der Schwachheit nicht aufnehmen, was kräftig ist; er kann zum Beispiel nicht voll eine Rede über die Keuschheit erfassen: Man muss gedul-

unsere trägen Seelen zur Frucht der Tugenden antreiben, werden wir Erde anstelle des Trockenen, die den Samen des Wortes Gottes aufgenommen hat und ergiebig die Früchte vermehrt.“

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oportet compati et metiri doctrinam pro uirium qualitate et concedi talibus nuptias. Hoc est oleribus pascere infirmuma et ad huiuscemodi mensuras animae aptare uelut tenuem et rori similem pluuiam uerbi. Est autem alia terra, quae potest suscipere ualidos imbres, ferre etiam flumina uerbi Dei et rapidos portare torrentes. De his enim talibus propheta dicit in Psalmis: „Et torrentem uoluptatis tuae potum dabis illis.“ b 3. „Dabo“ ergo, inquit „uobis pluuiam in tempore suo, et dabit terra natiuitates suas.“ c Post primam benedictionem pluuiae ista secunda est, qua dicitur terra suscepta pluuia dare natiuitates suas. Inuenimus quia et Isaac benedicens Iacob: „Det tibi“ inquit „Dominus a rore coeli et ab ubertate terrae plenitudinem frumenti et uini.“ d Putasne tale frumentum in benedictione dabat Isaac filio suo Iacob, quale habent et peccatores homines et quali abundabat etiam impius Pharao? Haecine erat tanti patriarchae benedictio? Vis tibi adhuc ostendam, quomodo et alii iniqui habeant multitudinem frumenti? Intuere illum in euangelio, cuius ager multos attulit fructus,e qui dicit: „Destruam horrea mea et maiora reaedificabo et dicam animae meae: Anima, habes multa bona reposita in annos multos; manduca, bibe et laetare.“ f Talia ergo credimus esse bona, quae diuinis benedictionibus sanctis quibusque et fidelibus tradebantur? Alios ego terrae fructus adspicio et aliter multitudinem natiuitatis intueor. Si enim terra mea afferat fructum, si natiuitates suas ex Domini benedictione producat, intelliget sensus meus et explicare poterit, quae qualisue sit ista terra, quae accepta coelesti pluuia natiuitates proferat rationabilium frugum. Testimonium de euangeliis sume, quomodo exiit qui seminat seminare et aliud quidem cecidit secus uiam, aliud autem super petram, aliud super spinas, aliud autem super terram bonam.g Si ergo ea, quae ceciderunt super terram bonam, attulerint fructum, dedit terra fructum suum et natiuitates suas, produxit „centesimum et sexagesimum et tricesimum“.h 4. „Sed et ligna“ inquit „camporum dabunt fructum suum.“ i Habemus intra nosmet ipsos et ligna camporum, quae fructum suum producunt. Quae sunt ista ligna camporum, quae fructum suum producunt? Dicit fortassis auditor: Quid iterum hic euresilogus agit? Quid undecumque uerba conquirit, ut explanationem lectionis effugiat? Quo|modo intra nos esse ligna docebit et arbores? Si non temere obtrectes, iam nunc audies quia: „Non potest a

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Vgl. Röm. 14,2 Vgl. Lk. 12,18f.

Ps. 35(36),9 cLev. 26,4 dGen. 27,28 eVgl. Lk. 12,16 Vgl. Mt. 13,3–8 hMt. 13,8 i Lev. 26,4

511 Von hier bist fast an das Ende (S. 448 Z. 3 suum) hat Hrabanus Maurus, in Lev. expos.

VII 12 (PL 108, 553A–C), das Kapitel abgeschrieben. 512 Harnack, Ertrag I, 8 Anm. 4, übersetzt das Wort euresilogus, das in den lat. Über-

setzungen des Origenes sonst nicht mehr vorkommt und offensichtlich ein Gräzismus ist (εὑρεσίλογος), mit „der schnüffelnde Schwätzer“ und kommentiert, dass die

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dig sein und die Lehre gemäß der Beschaffenheit der Kräfte zumessen und solchen Leuten die Heirat zugestehen. Das bedeutet es, den Schwachen mit Gemüse zu nährena und an die Maße einer derartigen Seele den gleichsam milden und dem Tau ähnlichen Regen des Wortes anzupassen. Es gibt aber eine andere Erde, die starke Regengüsse aufnehmen, sogar Flüsse des Wortes Gottes aushalten und reißende Ströme tragen kann. Denn über solche sagt der Prophet in den Psalmen: „Und den Strom deiner Üppigkeit wirst du ihnen als Trank geben.“ b 3. „Ich werde euch“ also, heißt es, „Regen zu seiner Zeit geben, und die Erde wird ihre Erträge geben.“ c Nach der ersten Segnung des Regens ist diese die zweite, in der gesagt wird, dass die Erde nach der Aufnahme des Regens ihre Erträge gibt. Wir finden, dass auch Isaak, als er Jakob segnete, sagte: „Der Herr gebe dir vom Tau des Himmels und von der Fruchtbarkeit der Erde die Fülle an Getreide und Wein.“ d Glaubst du, dass im Segen Isaak seinem Sohn Jakob solches Getreide gegeben hat, welches auch die sündigen Menschen haben und an welchem sogar der gottlose Pharao Überfluss hatte? War das der Segen eines so bedeutenden Patriarchen? Willst du, dass ich dir noch zeige, wie auch andere Ungerechte eine Menge Getreide haben? Schau auf jenen im Evangelium, dessen Acker viele Früchte trug,e der sagt: „Ich will meine Scheunen niederreißen und größere wieder aufbauen und zu meiner Seele sagen: Seele, du hast viele Güter in vielen Jahren zurückgelegt; iss, trink und freu dich!“ f Glauben wir also, dass solche Dinge gut sind, die durch göttliche Segnungen allen Heiligen und Gläubigen übergeben wurden? Ich blicke auf andere Früchte der Erde und ich schaue anders auf die Menge des Ertrags. Denn wenn meine Erde Frucht bringt, wenn sie ihre Erträge aus dem Segen des Herrn hervorbringt, wird mein Denken verstehen und erklären können, was und welcher Art diese Erde ist, die nach Aufnahme des himmlischen Regens Erträge an vernünftigen Früchten hervorbringt. Nimm ein Zeugnis aus den Evangelien, wie einer, der sät, hinausging, um zu säen, und etwas neben den Weg fiel, anderes auf Felsen, anderes auf Dornen, anderes aber auf gute Erde.gWenn also das, was auf gute Erde fiel, Frucht brachte, gab die Erde ihre Frucht und ihre Erträge, sie brachte „das Hundertfache und das Sechzigfache und das Dreißigfache“ hervor.h 4. „Doch auch die Gehölze“, heißt es, „der Felder werden ihre Frucht geben.“ i Wir haben511 in uns selber auch Gehölze der Felder, die ihre Frucht hervorbringen. Was sind diese Gehölze der Felder, die ihre Frucht hervorbringen? Vielleicht sagt ein Zuhörer: Was treibt dieser Wortklauber512 schon wieder? Was sucht er von woher auch immer Wörter, damit er der Erklärung der Lesung entgeht? Wie wird er lehren, dass in uns Hölzer und Bäume sind? Wenn du dich nicht unüberlegt widersetzt, wirst du nunmehr hören: „Weder „exegetische Methode“ des Origenes in den christlichen Gemeinden selbst „nicht nur abgelehnt, sondern auch verlacht und verspottet wurde“ (ebd. 8).

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arbor bona malum fructum facere, neque arbor mala fructum bonum facere.“a Habemus ergo arbores intra nos siue bonas siue malas; et quae bonae sunt, fructus malos afferre non possunt, sicut quae malae sunt, fructus non afferunt bonos.Vis tibi et arborum ipsarum, quae intra nos sunt, uocabula et appellationes expediam? Non est ficus nec malum nec uitis, sed una arbor iustitia uocatur, alia prudentia, alia fortitudo, alia temperantia nominatur. Et si uis, maiorem adhuc arborum multitudinem disce, quibus fortassis dignius putabi­ tur consitus etiam paradisus Dei. Est enim ibi arbor pietatis, est et alia arbor sapientiae, est et alia disciplinae, est et alia „scientiae boni et mali“.b Super omnia uero est „arbor uitae“.c Non tibi magis uidetur quod pater coelestis agricola d huiusmodi arbores in anima tua excolat et huiusmodi plantaria in tua mente constituat? Sic ergo dicit Saluator: „Non potest arbor mala bonos fructus facere, neque bona malos fructus facere.“ e Hoc est quod docet: Arbor pudicitiae bona est, non potest afferre fructus impudicitiae; arbor iustitiae bona est et afferre fructus iniustitiae non potest. Sic et e contrario si habeas malae arboris radicem in tua mente plantatam, bonos reddere non potest fructus. Si enim sit in te radix malitiae, fructus non dabit bonos; si sit intra cor tuum stultitiae planta, numquam proferet sapientiae florem; si iniustitiae, si iniquitatis arbor sit, numquam huiusmodi ligna gaudere bonis fructibus possunt. Si ergo seruemus mandata Dei, suscepta pluuia uerbi Dei, de qua superius diximus, etiam arbores, quae in campis animae nostrae et cordis nostri latitudine plantatae sunt, laetum et bonae suauitatis afferent fructum. Vis autem tibi de scripturis ostendam arbores uel ligna appellari has singulas quasque uirtutes, quas superius memorauimus? Adhibeo testem sapientissimum Solomonem dicentem de sapientia: „Lignum uitae est“ inquit „omnibus, | qui amplectuntur eam.“ f Si ergo sapientia lignum uitae est, sine dubio et aliud lignum est prudentiae et aliud scientiae et aliud iustitiae. Neque enim a

Mt. 7,18

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Gen. 2,9

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Gen. 2,9

d

Vgl. Joh. 15,1

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Mt. 7,18

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Spr. 3,18

513 Vgl. Philon, plant. 28 (II p. 139 Cohn/Wendland): „… wollen wir sehen, wie auch

im Menschen, der Welt im Kleinen, der allweise Gott die Gewächse schuf.“ Übersetzung: Cohn, Philo Werke IV, 158. 514 Vgl. auch in Ios. hom. 22,4 (GCS Orig. 7, 435). 515 Nachdem Origenes die vier Kardinaltugenden (Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit und Mäßigung) genannt hat, fügt er noch weitere hinzu, allen voran die Frömmigkeit (pietas); vgl. dazu exhort. mart. 5 (GCS Orig. 1, 6); Cels. VIII 17 (GCS Orig. 2, 234f.). Schon Platon, Prot. 349b (p. 162 Bayer/Bayer), fügte Gottesfurcht (ὁσιότης) zu den Tugenden hinzu. Zur Bedeutung des pietas in der paganen wie christlichen Antike vgl. Cicero, nat. deor. II 153: „Wenn der Geist dies alles gesehen hat, schreitet er weiter zur Erkenntnis der Götter, aus der die Frömmigkeit entsteht, mit der die Gerechtigkeit und die übrigen Tugenden verknüpft sind“; Übersetzung: p. 215 Gigon/­ Straume-Zimmermann; Philon, decal. 52 (IV p. 280 Cohn/Wendland): „Der erhabenste Anfang von allem, was existiert, ist Gott, und von den Tugenden ist es die Gottesfurcht“; Übersetzung: Laupheim, Philo Werke I, 382; Gregor Thaumaturgos,

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kann ein guter Baum schlechte Frucht bringen noch ein schlechter Baum gute Frucht bringen.“a Wir haben also Bäume in uns, seien es gute oder schlechte;513 und die guten können keine schlechten Früchte bringen, so wie die schlechten keine guten Früchte bringen.514 Willst du, dass ich dir auch die Namen und Benennungen eben der Bäume, die in uns sind, darlege? Es ist weder ein Feigenbaum noch ein Apfelbaum noch ein Weinstock, sondern ein Baum wird Gerechtigkeit genannt, ein anderer Klugheit, ein anderer Tapferkeit, ein anderer wird Mäßigung genannt. Und wenn du willst, lerne noch eine größere Menge von Bäumen, von denen man vielleicht passender glauben wird, dass mit ihnen sogar das Paradies Gottes bepflanzt ist. Denn es gibt dort den Baum der Frömmigkeit,515 und ein anderer ist der Baum der Weisheit, und noch einer der der Lehre, und noch einer der „der Erkenntnis von Gut und Böse“.b Über allen aber steht „der Baum des Lebens“.c Scheint es dir nicht eher, dass der himmlische Vater als Bauer d derartige Bäume in deiner Seele veredelt und derartige Pflanzungen in deinem Geist anlegt? So also sagt der Erlöser: „Weder kann ein schlechter Baum gute Früchte bringen noch ein guter schlechte Früchte bringen.“ e Das ist es, was er lehrt: Der Baum der Schamhaftigkeit ist gut, er kann nicht Früchte der Schamlosigkeit hervorbringen; der Baum der Gerechtigkeit ist gut und kann nicht Früchte der Ungerechtigkeit hervorbringen. So kann auch andererseits, wenn du die Wurzel eines schlechten Baumes in deinem Geist gepflanzt hast, dieser keine guten Früchte bringen. Denn wenn in dir die Wurzel der Bosheit ist, wird sie keine guten Früchte geben; wenn in deinem Herzen der Setzling der Torheit ist, wird er niemals die Blüte der Weisheit hervorbringen; wenn es ein Baum der Ungerechtigkeit oder des Unrechts ist, können sich derartige Gehölze niemals über gute Früchte freuen. Wenn wir also die Anordnungen Gottes bewahren, nachdem wir den Regen des Wortes Gottes aufgenommen haben, über den wir vorher gesprochen haben,516 werden auch die Bäume, die auf den Feldern unserer Seele und in der Weite unseres Herzens gepflanzt sind, üppige Frucht von guter Süßigkeit hervorbringen. Willst du aber, dass ich dir aus den Schriften zeige, dass als Bäume beziehungsweise Gehölze diese einzelnen Tugenden bezeichnet werden, die wir vorher in Erinnerung gerufen haben? Ich ziehe als weisesten Zeugen Salomo heran, der über die Weisheit sagt: „Sie ist ein Gehölz des Lebens“, heißt es, „für alle, die sie umarmen.“ f Wenn also die Weisheit ein Gehölz des Lebens ist, ist es ohne Zweifel auch das andere Gehölz der Klugheit, das der Erkenntnis und das der Gerechtigkeit. Denn es wird nicht folgerichtig gesagt, dass aus pan. Orig. 149 (FC 24, 184): „… zu unserer Geduld und vor allem zur Frömmigkeit, die man mit Recht die Mutter der Tugenden nennt. Sie ist nämlich Anfang und Ende aller Tugenden. Denn wenn wir die Frömmigkeit als Ausgangspunkt nehmen, dürften uns sicherlich auch die übrigen Tugenden sehr leicht zuteilwerden“; Übersetzung: Guyot, FC 24, 185. 516 Vgl. Origenes, in Lev. hom. 16,2 (GCS Orig. 6, 496).

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consequenter dicitur ex omnibus uirtutibus solam sapientiam meruisse, quae lignum uitae dicatur, ceteras autem uirtutes nequaquam similis sortis suscepisse uocabula. „Ligna“ ergo „campi dabunt fructum suum.“a Hoc, credo, de se sentiebat et beatus Dauid, cum dicebat: „Ego autem sicut oliua fructifera in domo Dei.“ b Ex quo manifeste ostendit lignum oliuae iustum et sanctum hominem dici. 5. „Et comprehendet uobis trituratio uindemiam.“ c Si seminatum est in anima mea semen bonum et suscepta a Deo pluuia creuit et uenit ad spicam, necessario consequetur et messis; et si messis, consequetur etiam trituratio, in qua frumenta purgentur. Etenim anima quae germinat ex uerbo Dei et coelesti pluuia rigata germen producit ad messem, necesse est, ut ipsa messis, quam profert, purgetur in area, id est ut sensus, quos genuerit anima, in medium proferat et siue cum ceteris doctoribus, siue etiam cum ipsis, quae sentit, diuinis uoluminibus conferat; ut, si quid in iis inane et superfluum, si quid paleae simile fuerit aut aristis, flante in se spiritu discretionis d excutiat et purum frumentum, quo solo queat nutrire conseruos et „mensuram tritici in tempore dispensare,“ e retineat. „Et consequetur“ inquit „uobis trituratio uindemiam.“ f Quia „panis“, ut scriptura dicit, „confortat cor hominis et uinum laetificat“,g quaecumque de continentia, de obseruantiis et custodia mandatorum dicuntur, haec possunt uideri frumentum, ex quo panis efficitur et auditorum corda confortat. Ea uero, quae ad scientiam pertinent et occultorum explanatione mentes laetificant audientium, uino ac uindemiae uidebuntur aptanda. Cordi etenim laetitia tribuitur, cum, quae occulta et obscura sunt, explicantur. „Et uindemia“ inquit „comprehendet sationem.“ h Vt si dicamus: Primo seminaui quae legis | sunt et, posteaquam seminatum est, oraui, ut daret Dominus pluuiam in tempore:i facta est messis. Post hoc non maneo otiosus, sed iterum semino, accipio scripturam propheticam et ex ea semino terras et noualia auditorum. Post haec semino et alia de euangelicis sermonibus. Diuersa sunt quae seminentur; per totum annum possumus seminare; possumus enim et de apostolicis litteris multa semina iacere. Semper est quod seminetur, in omni uita nostra otii nullum tempus est. Quamdiu respiramus, seminemus; tantum est, ut „in spiritu seminemus“, ut „de spiritu metamus uitam aeternam“.j a

Lev. 26,4 bPs. 51(52),10 cLev. 26,5 dVgl. Hebr. 5,14 Ps. 103(104),15 h Lev. 26,5 iVgl. Lev. 26,4 j Gal. 6,8

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Lk. 12,42

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Lev. 26,5

517 Vgl. sel. in Ps. 51,10 (PG 12, 1459A): „Der Heilige nun, der die Frucht in sich hat,

sagte: ‚Ich aber bin wie ein fruchtbringender Ölbaum.‘“ 518 Zur Verborgenheit des geistigen Sinnes vgl. auch in Lev. hom. 13,3 (GCS Orig. 6,

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allen Tugenden allein die Weisheit verdient hat, Gehölz des Lebens genannt zu werden, die übrigen Tugenden aber keineswegs einen Namen von ähnlicher Art erhalten haben. „Gehölze des Feldes werden“ also „ihre Frucht geben.“a Das, glaube ich, dachte auch der selige David über sich, als er sagte: „Ich aber bin wie ein fruchtbringender Ölbaum im Haus Gottes.“ b Daraus zeigt er klar, dass als Gehölz des Olivenbaumes der gerechte und heilige Mensch bezeichnet wird.517 5. „Und es wird für euch das Dreschen die Weinlese umfassen.“ c Wenn in meine Seele guter Samen gesät wurde und nach der Aufnahme des Regens von Gott wuchs und zur Ähre wurde, wird notwendigerweise auch die Ernte folgen; und wenn es eine Ernte gibt, wird folgerichtig auch ein Dreschen folgen, bei dem das Getreide gereinigt wird. Denn wenn eine Seele aus dem Wort Gottes keimt und, von himmlischem Regen bewässert, einen Keim bis zur Ernte hervorbringt, muss notwendigerweise die Ernte selbst, die sie hervorbringt, auf der Tenne gereinigt werden, das heißt, die Seele muss die Gedanken, die sie geboren hat, an die Öffentlichkeit bringen und das, was sie denkt, sei es mit den übrigen Lehrern, sei es sogar mit den göttlichen Büchern selbst vergleichen, damit, wenn in ihnen etwas Unnützes oder Überflüssiges ist, wenn etwas der Spreu oder den Grannen gleicht, sie es abwirft, indem der Geist der Unterscheidung d in ihr bläst, und das reine Getreide behält, durch das allein sie die Mitsklaven nähren und „die Menge des Weizens zur rechten Zeit verteilen“ e kann. „Und es wird folgen“, heißt es, „für euch das Dreschen auf die Weinlese.“ f Weil „Brot“, wie die Schrift sagt, „das Herz des Menschen stärkt und Wein es erfreut“,g kann das, was immer über die Enthaltsamkeit, über die Beachtung und Bewahrung der Anordnungen gesagt wird, als Getreide angesehen werden, aus dem Brot wird und dieses die Herzen der Zuhörer stärkt. Das hingegen, was sich auf die Erkenntnis bezieht und durch die Erklärung des Verborgenen den Geist der Zuhörer erfreut, werden offenbar auf den Wein und die Weinlese passen. Denn dem Herzen wird Freude zuteil, wenn das, was verborgen und dunkel ist, erklärt wird.518 „Und die Weinlese“, heißt es, „wird die Aussaat umfassen.“ h Wie wenn wir sagen würden: Zuerst habe ich gesät, was vom Gesetz ist, und nachdem es gesät wurde, habe ich gebetet, dass der Herr Regen zur rechten Zeit gibt:i es erfolgte die Ernte. Danach bleibe ich nicht untätig, sondern ich säe wiederum, ich nehme die prophetische Schrift und aus ihr säe ich in die Erde und die brachliegenden Felder der Zuhörer. Danach säe ich noch anderes aus den Worten der Evangelien. Unterschiedlich ist, was gesät werden soll; wir können das ganze Jahr hindurch säen; denn wir können auch aus den apostolischen Briefen viele Samen ausstreuen. Immer gibt es etwas, das gesät werden soll, in unserem ganzen Leben gibt es keine Zeit der Untätigkeit. Solange wir atmen, wollen wir säen; es ist nur wichtig, dass „wir im Geist säen“, damit „wir aus dem Geist das ewige Leben ernten“.j

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Homilia XVI

„Et manducabitis panem uestrum in satietate.“a Nec hoc ego corporalis esse benedictionis accipio, quasi qui custodiat legem Dei, panem istum communem in abundantia consequatur. Quid enim? Nonne impii et scelesti panem non solum in abundantia, sed et in deliciis comedunt? Magis ergo si respiciamus ad eum, qui dixit: „Ego sum panis uiuus, qui de coelo descendit; et qui manducauerit hunc panem, uiuet in aeternum“ b et aduertamus quia, qui haec dicebat, uerbum erat,c quo animae pascuntur, intelligimus, de quo pane dictum sit in benedictionibus a Deo: „Et manducabitis panem uestrum in satietate.“ d Similia his etiam Solomon in Prouerbiis pronuntiat de iusto dicens: „Iustus manducans replebit animam suam; animae autem impiorum in egestate erunt.“ e Hoc si secundum litteram accipias quia: „Iustus manducans replebit animam suam, animae uero impiorum in egestate erunt“, falsum uidebitur. Magis enim animae impiorum cum auiditate cibum sumunt et satietati student; iusti autem interdum et esuriunt. Denique Paulus iustus erat et dicebat: „Vsque ad hanc horam et esurimus et sitimus et nudi sumus et colaphis caedimur.“ f Et iterum dicit: „in fame et siti, in ieiuniis multis“.g Et quomodo dicit Solomon quia: „Iustus manducans satiet animam suam“? h Sed si in|tuearis, quomodo iustus semper et sine intermissione manducet de pane uiuo et repleat animam suam ac satiet eam cibo coelesti, qui est uerbum Dei et sapientia eius, inuenies, quomodo ex benedictione Dei manducet iustus panem suum in satietate. „Et habitabitis tuti super terram uestram.“ i Iniquus numquam tutus est, sed semper mouetur et „fluctuat et circumfertur omni uento doctrinae in fallacia hominum ad deceptionem erroris“.j Iustus uero, qui legem Dei custodit, tutus habitat super terram suam. Sensus enim eius firmus est dicentis ad Deum: „Confirma me, Domine, in uerbis tuis.“ k Confirmatus ergo et tutus et radicatus habitat super terram, fundatus in fide,l quia aedificium eius non est super arenam positum neque radix eius super petram est,m sed domus quidem eius fundata est super terram, planta uero eius radicata est in profundo terrae,n hoc est in interioribus animae eius. Recte ergo ad huiuscemodi animam dicitur in benedictionibus: „Et habitabitis tuti super terram uestram.“ o „Et dabo pacem super terram uestram.“ p Quam pacem dat Deus? Istam, quam habet mundus? Negat se istam dare Christus. Dicit enim: „Meam pacem do uobis, meam pacem relinquo uobis; non sicut hic mundus dat pacem, et ego do uobis.“ q Negat ergo se pacem mundi dare discipulis suis, quia et alibi dicit: „Quid putatis quia ueni pacem mittere in terram? Non a

Lev. 26,5 bJoh. 6,51 cVgl. Joh. 1,1 dLev. 26,5 eSpr. 13,25 f 1 Kor. 4,11 2 Kor. 11,27 hSpr. 13,25 i Lev. 26,5 j Eph. 4,14 kPs. 118(119),28 lVgl. Eph. 3,17; Kol. 1,23 mVgl. Mt. 7,24–26 nVgl. Mt. 13,5.21 oLev. 26,5 pLev. 26,6 qJoh. 14,27 g

519 „Land“ und „Erde“ geben dasselbe lateinische Wort terra wieder. 520 Vgl. Prokop, comm. in Lev. (PG 87/1, 789).

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„Und ihr werdet euer Brot bis zur Sättigung essen.“a Ich nehme auch nicht an, dass das ein körperlicher Segen ist, als ob einer, der das Gesetz Gottes beachtet, das gewöhnliche Brot im Überfluss erlangen würde. Was denn? Essen nicht die Gottlosen und die Frevler Brot nicht nur im Überfluss, sondern auch mit Vergnügen? Wenn wir also eher auf den blicken, der sagte: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabkommt; und wer dieses Brot isst, wird in Ewigkeit leben“,b und darauf achten, dass der, der dies sagte, das Wort war,c durch das die Seelen geweidet werden, verstehen wir, über welches Brot in den Segnungen von Gott gesagt ist: „Und ihr werdet euer Brot bis zur Sättigung essen.“ d Ähnliches verkündet auch Salomo in den Sprichwörtern über den Gerechten, indem er sagt: „Der Gerechte wird durch Essen seine Seele erfüllen; die Seelen der Gottlosen aber werden Mangel leiden.“ e Wenn du das nach dem Buchstaben auffasst: „Der Gerechte wird durch Essen seine Seele erfüllen; die Seelen der Gottlosen hingegen werden Mangel leiden“, wird es als falsch erscheinen. Denn eher nehmen die Seelen der Gottlosen die Speise mit Gier zu sich und streben nach Sättigung; die Gerechten aber hungern mitunter auch. Schließlich war Paulus ein Gerechter und sagte: „Bis zu dieser Stunde hungern und dürsten wir und sind nackt und werden mit Faustschlägen geschlagen.“ f Und wiederum sagt er: „in Hunger und Durst, in häufigem Fasten“.g Und wieso sagt Salomo: „Der Gerechte wird durch Essen seine Seele sättigen“? h Wenn du jedoch betrachtest, wie der Gerechte immer und ohne Unterbrechung vom lebendigen Brot isst und seine Seele erfüllt und sie mit der himmlischen Speise sättigt, die das Wort Gottes und seine Weisheit ist, wirst du finden, wie aus dem Segen Gottes der Gerechte sein Brot bis zur Sättigung isst. „Und ihr werdet sicher auf eurem Land wohnen.“ i Der Ungerechte ist niemals sicher, sondern bewegt sich immer und „schwankt und wird von jedem Wind einer Lehre im Betrug von Menschen zur Täuschung des Irrtums umhergetrieben“.j Der Gerechte hingegen, der das Gesetz Gottes beachtet, wohnt sicher auf seinem Land. Denn sein Sinn ist stark, da er zu Gott sagt: „Stärke mich, Herr, in deinen Worten!“ k Gestärkt, sicher und verwurzelt wohnt er also auf dem Land, gegründet im Glauben,l weil sein Haus nicht auf Sand gebaut ist noch seine Wurzel sich auf einem Felsen befindet,m sondern sein Haus auf der Erde519 gegründet ist, sein Setzling hingegen in der Tiefe der Erde verwurzelt ist,n das heißt im Inneren seiner Seele. Richtig also wird zu einer solchen Seele in den Segnungen gesagt: „Und ihr werdet sicher auf eurem Land wohnen.“ o „Und ich werde Frieden auf euer Land geben.“ p Welchen Frieden gibt Gott? Den, den die Welt hat? Christus verneint, dass er diesen gibt. Denn er sagt:520 „Meinen Frieden gebe ich euch, meinen Frieden hinterlasse ich euch; nicht den Frieden, wie ihn diese Welt gibt, gebe auch ich euch.“ q Er verneint also, dass er seinen Jüngern den Frieden der Welt gibt, weil er auch anderswo sagt: „Was glaubt ihr, dass ich gekommen bin, den Frieden auf die Erde zu

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Homilia XVI

ueni pacem mittere, sed gladium.“a Vis ergo uidere, quam pacem dat Deus super terram nostram? Si terra sit bona, illa, quae affert „fructum centesimum aut sexagesimum aut tricesimum“,b illam pacem suscipiet a Deo, quam dicit apostolus: „Pax autem Dei, quae superat omnem mentem, custodiet corda uestra et sensus uestros.“ c Haec est ergo pax, quam dat Deus super terram nostram. 6. „Et dormietis et non erit, qui vos exterreat.“ d Et Solomon in Proverbiis dixit: „Si enim sederis, sine timore eris; et si dormieris, libenter somnum capies; et non timebis terrorem superuenientem tibi neque impetus impiorum superuenientes.“ e Haec ille dixit de iusto et sapiente uiro et haec in benedictione dicuntur: „Dormietis, et non erit, qui uos exterreat.“ f Si enim iustus efficiar, nemo me exterrere potest; nihil timeo aliud, si Deum timeam; „iustus“ enim, inquit „confidit ut leo“ g et ideo non timet leonem diabolum nec draconem Satanam nec angelos eius,h sed dicit secundum Dauid: „Non timebo a timore nocturno, a iaculo uolante per diem et a negotio perambulante in tenebris, a ruina et daemonio meridiano.“ i Addit et illud: „Dominus illuminatio mea et Saluator meus, quem timebo? Dominus defensor uitae meae, a quo trepidabo?“ j Et iterum: „Si consistant aduersum me castra, non timebit cor meum.“ k Vides constantiam et uirtutem animae custodientis mandata Dei et habentis fiduciam libertatis ingenitae. Post haec „et exterminabo“ inquit „bestias malas de terra uestra.“ l Bestiae istae corporales non sunt malae neque bonae, sed medium quiddam; sunt enim muta animalia. Sed illae bestiae malae sunt spiritales, quas apostolus dicit „spiritales nequitias in coelestibus“.m Et illa est mala bestia, de qua dicit scriptura: „Serpens autem erat sapientior omnium bestiarum, quae sunt super terram.“ n Ipsa ergo est haec mala bestia, quam promittit Deus exterminaturum se de terra nostra, si eius mandata seruemus.Vis uidere et aliam bestiam malam? „Aduersarius“ inquit „uester diabolus sicut leo rugiens circuit quaerens quem transuoret; cui resistite fortes in fide.“ o Quod si adhuc plures a

Lk. 12,51; Mt. 10,34 bMt. 13,8 cPhil. 4,7 dLev. 26,6 eSpr. 3,24f. f Lev. 26,6 Spr. 28,1 hVgl. Offb. 12,7 i Ps. 90(91),5f. j Ps. 26(27),1 kPs. 26(27),3 l Lev. 26,6 mEph. 6,12 nGen. 3,1 o 1 Petr. 5,8f. g

521 Nebenbei, ohne nähere Erläuterung, beschreibt Origenes Gott mit der grundlegen-

den Bestimmung, die er ihm in seiner Freiheitsmetaphysik gegeben hat: „ungeschaffene Freiheit“ (im Gegensatz zum Menschen als geschaffener Freiheit). Siehe die Hinweise dazu bei Fürst, Art. Origenes 538f. 522 In Gen. hom. 1,8 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 15f.) bezieht Origenes die Tiere auf die guten und schlechten Gedanken: „Wörtlich verstanden, werden auf Gottes Geheiß von den Wassern Kriechtiere und Vögel hervorgebracht, und wir erkennen, von wem erschaffen wurde, was wir sehen. Wir wollen aber auch begreifen, wie eben diese Geschöpfe in unserem Himmelsgewölbe entstehen, das heißt in der Festigkeit unseres Geistes oder Herzens. Ich glaube, dass unserem Geist, wenn unsere Sonne, Christus, ihn erleuchtet hat, in der Folge auferlegt wird, aus den Wassern in ihm Kriechtiere

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bringen? Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“a Willst du also sehen, welchen Frieden Gott auf unser Land gibt? Wenn das Land gut ist, jenes, das „hundertfache und sechzigfache und dreißigfache Frucht“ bringt,b wird es jenen Frieden von Gott aufnehmen, von dem der Apostel sagt: „Der Friede Gottes aber, der jeden Geist übersteigt, bewahre eure Herzen und eure Sinne.“ c Das ist also der Friede, den Gott auf unser Land gibt. 6. „Und ihr werdet schlafen und es wird keinen geben, der euch aufschreckt.“ d Auch Salomo sagte in den Sprichwörtern: „Denn wenn du sitzt, wirst du ohne Furcht sein; und wenn du schläfst, wirst du vergnügt Schlaf finden; und du wirst keinen über dich kommenden Schrecken fürchten noch über dich kommende Angriffe der Gottlosen.“ e Dies sagte jener über den gerechten und weisen Mann, und dies wird im Segen gesagt: „Ihr werdet schlafen und es wird keinen geben, der euch aufschreckt.“ f Denn wenn ich ein Gerechter werde, kann mich niemand aufschrecken; ich fürchte nichts anderes, wenn ich Gott fürchte; denn „der Gerechte“, heißt es, „vertraut wie ein Löwe“ g und deshalb fürchtet er nicht den Löwen, den Teufel, noch den Drachen, den Satan, noch seine Engel,h sondern er sagt gemäß David: „Ich werde mich nicht vor der nächtlichen Furcht fürchten, vor dem Speer, der bei Tag fliegt, und vor dem Treiben, das in der Finsternis umhergeht, vor einem Unglück und dem Dämon des Mittags.“ i Er fügt auch das hinzu: „Der Herr ist meine Erleuchtung und mein Erlöser, wen werde ich fürchten? Der Herr ist der Verteidiger meines Lebens, vor wem werde ich zittern?“ j Und wiederum: „Wenn sich ein Heer gegen mich aufstellt, wird sich mein Herz nicht fürchten.“ k Du siehst die Standhaftigkeit und Tugendhaftigkeit der Seele, die die Anordnungen Gottes beachtet und Vertrauen in die ungeschaffene Freiheit521 hat. Danach heißt es: „Und die bösen wilden Tiere werde ich aus eurem Land vertilgen.“ l Die körperlichen wilden Tiere sind weder schlecht noch gut, sondern ein Mittelding; denn sie sind stumme Tiere. Jene bösen wilden Tiere jedoch sind die geistigen,522 die der Apostel „die geistigen Nichtsnutzigkeiten im Himmel“ nennt.m Und jenes ist ein böses wildes Tier, über das die Schrift sagt: „Die Schlange aber war weiser als alle wilden Tiere, die es auf der Erde gibt.“ n Sie ist also auch dieses böse wilde Tier, von dem Gott verspricht, dass er es aus unserem Land vertilgen wird, wenn wir seine Anordnungen beachten.Willst du noch ein anderes böses wildes Tier sehen? „Euer Widersacher“, heißt es, „der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann; widersteht ihm stark im Glauben!“ o Wenn du aber noch hervorzubringen und Vögel, die fliegen, das heißt gute wie böse Gedanken zutage zu fördern, damit eine Scheidung der guten von den bösen geschehe, die ja beide dem Herzen entspringen. Denn die guten wie die bösen Gedanken gehen aus unserem Herzen hervor wie aus den Wassern.“ Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 41–43. Vgl. ferner für solche geistigen wilden Tiere in Hiez. hom. 4,7 (GCS Orig. 8, 367f.).

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Homilia XVI

bestias uis discere, docebit te Esaias propheta, qui sub uisione, quam attitulauit „quadrupedum in deserto“,a talia quaedam prophetico spiritu de bestiis loquitur: „In tribulatione“ inquit „et angustia leo et catulus leonis; inde et nati aspidum uolantium, qui portabant super asinos et camelos diuitias suas ad | gentem, quae non proderit iis.“ b Numquid ullo modo uideri possunt haec de corporalibus bestiis dicta etiam his, qui ualde amici sunt litterae? Quomodo enim leo et catulus leonis uel aspides uolantes possunt super camelos et asinos portare diuitias suas? Sed euidenter contrarias potestates daemonum pessimorum propheta Spiritu sancto repletus enumerat eosque collocare diuitias deceptionum suarum super animas stolidas peruersasque, quas camelis et asinis per figuram comparat, designauit. Et his bestiis ne traderetur anima, Deum timens orabat dicens: „Non tradas bestiis animam confitentem tibi.“ c „Et exterminabo“ inquit „bestias malignas de terra uestra, et pugna non transibit per terram uestram.“ d Multae sunt pugnae, quae transeunt per terram nostram, si legem Dei non custodimus nec praecepta eius seruamus. Redeat unusquisque ad animam suam et ipse se interna recordatione discutiat et uideat, quomodo terra nostra, id est caro nostra, nunc spiritu fornicationis, nunc irae et furoris urgetur, nunc auaritiae iaculis agitatur, nunc telis pulsatur inuidiae, nunc spiculis libidinis terebratur, et in quibuscumque „concupiscit caro aduersus spiritum et spiritus aduersus carnem“,e internis proeliis semper agitatur. Quid autem dicam de cogitationum pugnis, quas cordi nostro suggerit inimicus, ut nos exuat a fide Christi et ab spe uocationis nostrae? Cum enim afflictiones tentationum et molestiarum saeculi suscitauerit nobis, consequenter iam suggerit cogitationi superfluum et ineptum esse haec tolerare pro Christo, multo esse melius securam et sine persecutionibus uitam ducere. Haec sciens et apostolus Paulus dicebat: „Cogitationes destruentes et omnem altitudinem extollentem se aduersum scientiam Christi.“ f Qui ergo „diuina praecepta seruauerit et mandata eius custodierit et fecerit ea“,g hanc pugnam et haec bella non patitur, sed Deus aufert ea de terra eius et non sinit ea transire per animam iusti. a

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Jes. 30,6

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Ps. 73(74),19

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Lev. 26,6

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Gal. 5,17

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2 Kor. 10,5

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Lev. 26,3

523 Als „Freunde des Buchstabens“ (amici litterae) bezeichnet Origenes Juden ebenso wie

Christen, „die den Buchstaben des Gesetzes des Mose sattsam lieben, seinen Geist aber fliehen“: in Ex. hom. 9,1 (GCS Orig. 6, 235). Vgl. die Belege bei Döhler/ Fürst, OWD 5, 206 Anm. 177. Siehe dazu Harnack, Ertrag I, 47–52; II, 81–87; de Lubac, Geist aus der Geschichte 125. 145f.; de Lange, Origen and the Jews 32; Monaci C astagno , Origene predicatore 97–107. 524 Vgl. in Gen. hom. 10,2 (GCS Orig. 62 N.  F. 17, 150); in Matth. comm. ser. 20 (GCS Orig. 11, 36); ferner Novatian, cib. Iud. III 14 (CChr.SL 4, 95), zitiert oben S. 256 Anm. 291.

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mehr wilde Tiere kennenlernen willst, wird dich der Prophet Jesaja lehren, der in einer Vision, die er „die Vierfüßler in der Wüste“a betitelte, so etwas im prophetischen Geist über die wilden Tiere sagt: „In Bedrängnis und Not“, heißt es, „sind der Löwe und das Junge des Löwen; von daher kommen auch die Jungen von fliegenden Nattern, die ihre Reichtümer auf Eseln und Kamelen zu einem Volk trugen, das ihnen nicht nützen wird.“ b Kann dies auf irgendeine Weise von körperlichen wilden Tieren gesagt erscheinen, sogar denen, die so sehr Freunde des Buchstabens sind?523 Denn wie können ein Löwe und ein Junges eines Löwen oder fliegende Nattern ihre Reichtümer auf Kamelen und Eseln tragen? Der Prophet, erfüllt vom Heiligen Geist, zählt doch offensichtlich die feindlichen Mächte der übelsten Dämonen auf und verwies darauf, dass sie die Reichtümer ihrer Betrügereien auf die dummen und verkehrten Seelen legen, die er mittels eines Bildes mit Kamelen und Eseln vergleicht.524 Und damit die Seele nicht diesen wilden Tieren übergeben wurde, betete der, der Gott fürchtete: „Übergib nicht die Seele dessen, der dir vertraut, den wilden Tieren!“ c „Und ich werde“, heißt es, „die bösartigen wilden Tiere aus eurem Land vertilgen, und Kampf wird nicht durch euer Land gehen.“ d Viele Kämpfe sind es, die durch unser Land gehen, wenn wir das Gesetz Gottes nicht beachten und seine Vorschriften nicht halten. Jeder soll zu seiner Seele zurückkehren und sich selbst in innerer Erinnerung untersuchen und sehen, wie unsere Erde, das heißt unser Fleisch, mal durch den Geist der Unzucht, mal durch den des Zornes und der Wut bedrängt wird, mal von den Speeren des Geizes getrieben, mal durch die Geschosse des Neides geschlagen, mal von den Pfeilen der Begierde durchbohrt wird, und, wodurch auch immer „das Fleisch gegen den Geist begehrt und der Geist gegen das Fleisch“,e immer von inneren Gefechten umgetrieben wird.Was aber soll ich über die Kämpfe der Gedanken sagen, die der Feind unserem Herzen eingibt, sodass er uns vom Glauben Christi und von der Hoffnung unserer Berufung entblößt? Wenn er uns nämlich Peinigungen der Versuchungen und Beschwernisse der Welt entfacht hat, gibt er dem Denken folgerichtig auch noch ein, dass es überflüssig und unpassend sei, dies für Christus zu ertragen, dass es viel besser sei, ein sicheres Leben ohne Verfolgung zu führen.525 Im Wissen darum sagte auch der Apostel Paulus: „Wir zerstören die Gedanken und jede Überheblichkeit, die sich gegen die Erkenntnis Christi erhebt.“ f Wer also „die göttlichen Vorschriften hält und seine Anordnungen beachtet und sie tut“,g erleidet nicht diesen Kampf und diese Kriege, sondern Gott nimmt sie weg von seinem Land und lässt sie nicht durch die Seele des Gerechten hindurchgehen. 525 Die Aussage ist typisch für die Zeit des Origenes, dessen eigenes Leben immer wieder

von der Erfahrung realer oder drohender Verfolgung geprägt war. Siehe Fürst, Art. Origenes 463f. 469.

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Homilia XVI

„Et persequemini inimicos uestros.“a Quos inimicos, nisi ipsum diabolum et angelos eius b et spiritus malignos et daemonia immunda? c | Persequemur ea non solum, ut a nobis ipsis effugemus, sed et ab aliis, quos incursant, si diuina praecepta seruemus. „Persequemini“ inquit „inimicos uestros, et cadent in conspectu uestro morte.“ d Si conterat Satana sub pedes nostros uelociter Deus,e cadent inimici in conspectu nostro morte. Cuius morte? Ego arbitror quod nostra; si enim nos mortificemus „membra nostra, quae sunt super terram, fornicationem, immunditiam“,f si hanc mortem inferamus membris nostris, illi cadent in conspectu nostro. Quomodo cadent in con­spectu nostro? Si tu iustus sis, cecidit iniustitia in conspectu tuo; si castus sis, cecidit libido; si pius, impietas corruit ante te. 7. „Et persequentur ex uobis quinque centum, et centum ex uobis persequentur multa milia.“ g Qui sunt isti quinque, qui possunt persequi centum? Quinque numerus et in laudabilibus ponitur et in culpabilibus. Quinque sunt sapientes uirgines et quinque insipientes.h Sic ergo et centenarius numerus ad utramque partem accipi potest. Si itaque nos simus ex quinque laudabilibus, id est ex quinque sapientibus, persequemur insipientes centum. Si enim sapienter et probabiliter pugnemus in uerbo Dei, si prudenter de lege Domini disseramus, conuincemus et fugabimus infidelium multitudinem. Sicut enim quinque numerus et sapientes indicat et insipientes, ita et centum numerus et fideles indicat et infideles. Nam sub centenario annorum numero Abraham Deo credidisse et iustificatus esse describitur,i et „peccator“ qui moritur „centum annorum, maledictus erit“.j Et hic centum infideles a quinque sapientibus fugantur et rursum centum fideles, non tam numero centum quam perfectione signati, multa milia infidelium persequentur. Fugant enim fideles doctores innumeros daemones, ne animas credentium antiqua fraude decipiant. „Et cadent inimici uestri in conspectu uestro gladio.“ k Qui sint inimici, supra diximus; quo | autem gladio dicantur cadere, requiramus. Apostolus Paulus nos docet, qui sit hic gladius, cum dicit: „Viuus enim est sermo Dei et efficax et penetrabilior omni gladio utrimque acuto, pertingens quoque usque ad compagem animae ac spiritus, membrorum quoque et medullarum, et est discretor cogitationum et intentionum cordis.“ l Hic est gladius, cuius acie cadent inimici nostri. Sermo namque Dei est, qui prosternit omnes inimicos a

Lev. 26,7 Lev. 26,8

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Vgl. Offb. 12,7 cVgl. Lk. 4,33 Vgl. Mt. 25,2 iVgl. Gen. 21,5

j

Lev. 26,7 Jes. 65,20

526 Vgl. in Lev. hom. 16,6 (GCS Orig. 6, 503f.).

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Vgl. Röm. 16,20 f Kol. 3,5 Lev. 26,8 l Hebr. 4,12

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„Und ihr werdet eure Feinde verfolgen.“aWelche Feinde, wenn nicht den Teufel selbst und seine Engel,b die bösartigen Geister und die unreinen Dämonen? cWir wollen sie nicht nur verfolgen, um sie von uns selbst zu vertreiben, sondern auch von anderen, die sie angreifen, wenn wir die göttlichen Vorschriften bewahren. „Ihr werdet“, heißt es, „eure Feinde verfolgen, und sie werden vor eurem Angesicht durch den Tod fallen.“ dWenn Gott den Satan schnell unter eure Füße zertritt,e werden die Feinde vor unserem Angesicht durch den Tod fallen. Durch wessen Tod? Ich glaube, dass es unserer ist; denn wenn wir „unsere Glieder abtöten, die auf der Erde sind, die Unzucht, die Unreinheit“,f wenn wir unseren Gliedern diesen Tod zufügen, werden jene vor unserem Angesicht fallen. Wie werden sie vor unserem Angesicht fallen? Wenn du gerecht bist, ist die Ungerechtigkeit vor deinem Angesicht gefallen; wenn du keusch bist, ist die Begierde gefallen; wenn du fromm bist, ist die Gottlosigkeit vor dir gestürzt. 7. „Und fünf von euch werden hundert verfolgen, und hundert von euch werden viele tausend verfolgen.“ gWer sind diese fünf, die hundert verfolgen können? Die Zahl Fünf wird sowohl für lobenswerte als auch für schuldige Menschen verwendet. Fünf sind die weisen Jungfrauen und fünf die törichten.h So also kann auch die Zahl Hundert in beide Richtungen aufgefasst werden.Wenn wir daher zu den fünf Lobenswerten gehören, das heißt zu den fünf Weisen, werden wir hundert Törichte verfolgen. Denn wenn wir weise und glaubwürdig im Wort Gottes kämpfen, wenn wir klug das Gesetz des Herrn erörtern, werden wir die Menge der Ungläubigen widerlegen und in die Flucht schlagen. Denn so wie die Zahl Fünf sowohl Weise als auch Törichte bezeichnet, so bezeichnet auch die Zahl Hundert sowohl Gläubige als auch Ungläubige. Es wird nämlich beschrieben, dass Abraham mit der Zahl von hundert Jahren zum Glauben an Gott kam und gerechtfertigt wurde,i und „ein Sünder“, der mit „hundert Jahren“ stirbt, „wird verflucht sein“.j Auch hier werden hundert Ungläubige von fünf Weisen in die Flucht geschlagen und wiederum hundert Gläubige, nicht so sehr durch die Zahl Hundert als vielmehr durch die Vollkommenheit bezeichnet, werden viele tausend Ungläubige verfolgen. Denn die gläubigen Lehrer schlagen unzählige Dämonen in die Flucht, damit sie nicht die Seelen der Glaubenden mit altem Betrug täuschen. „Und eure Feinde werden vor eurem Angesicht durch das Schwert fallen.“ kWer die Feinde sind, haben wir oben gesagt;526 von welchem Schwert aber gesagt wird, dass sie dadurch fallen, wollen wir prüfen. Der Apostel Paulus lehrt uns, welches dieses Schwert ist, wenn er sagt: „Denn lebendig ist das Wort Gottes und wirksam und durchdringender als jedes zweischneidige Schwert; es dringt auch durch bis zur Verbindung der Seele und des Geistes, auch der Glieder und des Marks, und unterscheidet die Gedanken und Absichten des Herzens.“ l Das ist das Schwert, durch dessen Schärfe unsere Feinde fallen werden. Das Wort Gottes nämlich ist es, das alle Feinde niederstreckt

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et ponit eos „sub pedibus suis“,a ut „subditus fiat omnis mundus Deo“.bVis adhuc et de alia epistola Pauli discere quia gladius sermo Dei sit? Audi eum, cum arma praeparat militibus Christi, quomodo dicit: „Et galeam salutaris accipite, et gladium spiritus, quod est uerbum Dei, per omnem orationem et obsecrationem“,c euidentissime et per haec pronuntians quia per uerbum Dei, qui est gladius utrimque acutus,d cadent inimici nostri in conspectu nostro.e „Et respiciam super uos et augebo uos.“ f Plenum beatitudinis est hoc ipsum, si quem respiciat Deus. Vis uidere, si respiciat Dominus ad hominem, quanta sit salus? Petrus aliquando paene perierat et ex consecratione apostolici numeri diabolo per os ancillae pontificis inspirante fuerat ereptus;g sed ubi respexit ad eum Iesus tantum,h ubi ad eum placidi uultus ora conuertit, statim reuersus in semet ipsum et prolapsum de praecipitio reuocans pedem, „fleuit“ inquit „amarissime“ i atque ita respectus a Deo locum suum flendo recepit, quem negando perdiderat. „Respiciam“ ergo inquit „super uos et augebo uos.“ j Tamquam si sol respiciat segetem et afferat fructus – quam utique si non respexisset, infructuosa mansisset –, ita Deus segetem cordis nostri respiciens et radiis nos uerbi sui illuminans auget nos et multiplicat, ut ultra iam non simus paruuli, sed magni efficiamur, sicut magnus factus est Isaac,k et magnus factus est Moyses l et magnus Iohannes.m „Et statuam testamentum meum uobiscum.“ n  Vide quantae b­ enedictiones pro|mittantur, si mandata seruemus. „Statuam“ inquit „testamentum meum uobiscum. Et manducabitis uetera et uetera ueterum, et eicietis uetera a con­ spectu nouorum.“ o Quomodo eicimus uetera a conspectu nouorum? Vetera habuimus legem et prophetas,p uetera autem ueterum ea, quae ante legem fuerunt ab initio, cum mundus factus est.Venerunt euangelia noua, uenerunt et apostoli. A conspectu horum eicimus uetera. Quomodo ea eicimus? Legem secundum litteram eicimus, ut statuamus legem secundum spiritum. Possumus et hoc modo dicere: Antequam ueniret homo de coelo et nasceretur homo coelestis, eramus omnes terreni et portabamus imaginem terreni;q sed a

1 Kor. 15,25; vgl. Ps. 109(110),1 bRöm. 3,19 cEph. 6,17f. dVgl. Hebr. 4,12 Vgl. Lev. 26,8 f Lev. 26,9 gVgl. Lk. 22,56; Mk. 14,66 hVgl. Lk. 22,61 i Lk. 22,62 j Lev. 26,9 kVgl. Gen. 26,13 lVgl. Ex. 11,3 mVgl. Lk. 1,15 nLev. 26,9 o Lev. 26,9f. p Vgl. Lk. 16,16 qVgl. 1 Kor. 15,47 e

527 Vgl. in Matth. comm. X 15 (GCS Orig. 10, 20) nach Zitat von Lev. 26,9: „Wir essen

nämlich unter Lobpreis das Alte, die Reden der Propheten, und von diesem Alten das Alte, die Reden des Gesetzes; und da das Neue, nämlich das Evangelium, kommt, tragen wir, wenn wir entsprechend dem Evangelium leben, angesichts des Neuen das Alte des Buchstabens hinaus; und er schlägt sein Zelt unter uns auf und erfüllt seine Verheißung: ‚Ich werde unter ihnen wohnen und einhergehen‘ (2 Kor. 6,16; Lev. 26,12).“ Übersetzung: Vogt, BGrL 18, 80. In Ioh. comm. I 6,36 (GCS Orig. 4, 11): „Das Evangelium aber, das das Neue Testament ist, enthob uns der alten ‚Herrschaft‘ des Buchstabens und ließ die niemals alternde neue ‚Herrschaft‘ des Geistes

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und sie „unter seine Füße“a legt, damit „die ganze Welt Gott unterworfen wird“.bWillst du auch noch aus einem anderen Brief des Paulus lernen, dass das Schwert das Wort Gottes ist? Höre ihn, wenn er die Waffen für die Soldaten Christi bereitet, wie er sagt: „Nehmt auch den Helm des Heiles und das Schwert des Geistes, das das Wort Gottes ist, durch jedes Gebet und Flehen“,c wo er sehr offensichtlich auch dadurch verkündet, dass durch das Wort Gottes, das ein zweischneidiges Schwert ist,d unsere Feinde vor unserem Angesicht fallen werden.e „Und ich werde auf euch schauen und euch wachsen lassen.“ f Die Fülle der Seligkeit ist eben dies, wenn Gott auf jemanden schaut. Willst du sehen, wenn der Herr auf den Menschen schaut, wie groß das Heil ist? Petrus wäre einmal fast zugrunde gegangen und aus der Weihe der apostolischen Zahl herausgerissen worden, weil es ihm der Teufel durch den Mund der Magd des Hohepriesters eingab;g sobald jedoch Jesus nur auf ihn schaute,h sobald er ihm sanften Blickes das Antlitz zuwandte, kehrte er sofort zu sich selbst um, zog seinen ausgeglittenen Fuß vom Abgrund zurück und „weinte“, heißt es, „bitterlichst“,i und so von Gott angeschaut, nahm er durch sein Weinen seinen Ort wieder ein, den er durch sein Verleugnen verloren hatte. „Ich werde“, heißt es also, „auf euch schauen und euch wachsen lassen.“ j Gleich wie wenn die Sonne auf das Saatfeld schaut und Früchte hervorbringt – wenn sie es jedenfalls nicht angeschaut hätte, wäre es unfruchtbar geblieben –, so lässt Gott, indem er das Saatfeld unseres Herzens anschaut und uns mit den Strahlen seines Wortes erleuchtet, uns wachsen und mehr werden, damit wir weiterhin nicht mehr klein sind, sondern groß werden, so wie Isaak groß wurde,k und Mose groß wurde l und Johannes groß.m „Und ich werde meinem Bund mit euch aufrichten.“ n Sieh, welch große Segnungen verheißen werden, wenn wir die Anordnungen bewahren. „Ich werde“, heißt es, „meinen Bund mit euch aufrichten. Und ihr werdet das Alte und das Alte vom Alten essen und ihr werdet das Alte angesichts des Neuen hinauswerfen.“ o Wie werfen wir das Alte angesichts des Neuen hinaus? Als das Alte hatten wir das Gesetz und die Propheten,p als das Alte vom Alten aber das, was vor dem Gesetz von Anfang an war, als die Welt gemacht wurde. Es kamen die Evangelien als das Neue, es kamen auch die Apostel. Angesichts dieses Neuen werfen wir das Alte hinaus.527 Wie werfen wir es hinaus? Wir werfen das Gesetz gemäß dem Buchstaben hinaus, um das Gesetz gemäß dem Geist aufzurichten. Wir können es auch auf diese Weise sagen: Bevor der Mensch vom Himmel kam und der himmlische Mensch geboren wurde, waren wir alle irdisch und trugen das Bild des Irdischen;q sobald jedoch der (Röm. 7,6), die dem Neuen Testament zugehört und die in allen Schriften vorliegt, durch das Licht der Erkenntnis aufleuchten. Man muss nun das Evangelium, das das auch im Alten Testament für Evangelium gehaltene ‚erst zu einem solchen‘ macht, in besonderer Weise ‚Evangelium‘ nennen.“ Übersetzung: p. 37 Thümmel.

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ubi uenit homo nouus, „qui secundum Deum creatus est“,a eicimus a con­ spectu eius uetera, deponentes ueterem hominem et induentes nouum,b qui secundum interiorem hominem „renouatur de die in diem“.c „Et ponam tabernaculum meum in uobis.“ d Si haec habemus in nobis, quae supra dicta sunt, si abiecto uetere homine innouatum est cor nostrum, uenit ad nos Deus et habitat in nobis, qui dixit: „Et ponam tabernaculum meum in uobis, et non uos abominabitur anima mea.“ e Non nos abominabi­ tur anima Dei, si obseruemus ea, quae scripta sunt.Verumtamen uelim requirere, quid est anima Dei. Numquidnam putabimus quia Deus habeat animam sicut homo? Absurdum est hoc sentire de Deo. Ego autem audeo et dico quia anima Dei Christus est. Sicut enim Verbum Dei est Christus f et „sapientia Dei et uirtus Dei“,g ita et anima Dei est. Et hoc modo dicitur quia: „Non uos abominabitur anima mea“,h id est filius meus, sed „ambulabo inter uos“.i | Non mihi uidetur quod hoc promittat Deus quia in terra Iudaeorum ambulaturus sit, sed quia, si qui meruerit ita puri esse cordis, ut Dei capax sit, in eo se dicit ambulare Deus. „Et uos eritis mihi populus. Ego Dominus Deus uester, qui eduxi uos de terra Aegypti, cum essetis serui, et contriui iugum uinculi uestri.“ j Vere „eduxit nos de domo seruitutis“,k serui enim eramus peccati, quia: „Omnis qui peccat, seruus est peccati.“ l Et contriuit uinculum iugi nostri, iugi, quod imposuerat super ceruices nostras ille, qui nos in captiuitatem duxerat m et peccatorum uinculis colligarat. Contriuit ergo peccati uinculum et iugum nostrae captiuitatis excussit Dominus noster Iesus Christus et suum nobis suaue iugum n fidei et caritatis et spei ac totius sanctitatis imposuit. „Ipsi gloria in aeterna saecula saeculorum. Amen!“ o a

Eph. 4,24 bVgl. Eph. 4,22.24 c2 Kor. 4,16 dLev. 26,11 eLev. 26,11 fVgl. Joh. 1,1 1 Kor. 1,24 hLev. 26,11 i Lev. 26,12 j Lev. 26,12f. kEx. 13,14 l Joh. 8,34 m Vgl. 2 Kor. 10,5 nVgl. Mt. 11,30 oVgl. Röm. 11,36 g

528 Baehrens, GCS Orig. 6, 506 app. crit., erwägt hier die in einigen Handschriften be-

zeugte Lesart eiecimus (Perfekt) anstelle des Präsens eicimus, was im Kontext des Satzes besser passen würde: „sobald jedoch der neue Mensch kam, … warfen wir aus seinem Angesicht das Alte hinaus.“ Borret, SC 287, 298, übernimmt diesen Vorschlag in seinen Text. 529 Zur Metapher vom „inneren Menschen“ siehe oben S. 60 Anm. 3.

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neue Mensch kam, „der gemäß Gott geschaffen wurde“,a werfen wir528 aus seinem Angesicht das Alte hinaus, indem wir den alten Menschen ablegen und den neuen anziehen,b der gemäß dem inneren Menschen529 „von Tag zu Tag erneuert wird“.c „Und ich werde mein Zelt bei euch aufstellen.“ d Wenn wir das in uns haben, was oben gesagt wurde, wenn nach Ablegung des alten Menschen unser Herz erneuert wurde, kommt Gott zu uns und wohnt in uns,530 der sagte: „Und ich werde mein Zelt bei euch aufstellen, und meine Seele wird euch nicht verabscheuen.“ e Die Seele Gottes wird uns nicht verabscheuen, wenn wir das beachten, was geschrieben steht. Ich möchte aber doch danach fragen, was die Seele Gottes ist. Werden wir etwa glauben, dass Gott eine Seele hat wie ein Mensch? Es ist abwegig, das von Gott zu denken. Ich aber wage es und sage, dass die Seele Gottes Christus ist.531 Denn so wie Christus das Wort Gottes f ist und „die Weisheit Gottes und die Kraft Gottes“,g so ist er auch die Seele Gottes. Und auf diese Weise wird gesagt: „Meine Seele wird euch nicht verabscheuen“,h das heißt mein Sohn, sondern „ich werde unter euch umhergehen“.i Mir scheint nicht, dass Gott verheißt, dass er im Land der Juden umhergehen wird, sondern wenn jemand es verdient, so reinen Herzens zu sein, dass er fähig ist, Gott zu empfangen, sagt Gott, dass er in ihm umhergeht. „Und ihr werdet mein Volk sein. Ich bin der Herr, euer Gott, der ich euch aus dem Land Ägypten herausgeführt habe, als ihr Sklaven wart, und ich habe das Joch eurer Fessel zerrieben.“ j Wahrlich „hat er uns aus dem Sklavenhaus herausgeführt“,k denn wir waren Sklaven der Sünde, denn: „Jeder, der sündigt, ist Sklave der Sünde.“ l Und er zerrieb die Fessel unseres Joches, des Joches, das jener auf unsere Nacken gelegt hatte, der uns in die Gefangenschaft geführt m und mit den Fesseln der Sünden gebunden hatte. Unser Herr Jesus Christus zerrieb also die Fessel der Sünde und schüttelte das Joch unserer Gefangenschaft ab und legte uns sein süßes Joch n des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung und der ganzen Heiligkeit auf. „Ihm sei Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen!“ o

530 Die Einwohung Gottes im Herzen beschrieb Origenes, ausgehend von Jos. 19,49f.,

gegen Ende der Predigtreihe zum Buch Josua eindringlich in Ios. hom. 24,3 (GCS Orig. 7, 451) und 26,1 (7, 458). Siehe dazu oben S. 390 Anm. 446. 531 Vgl. princ. II 8,5 (GCS Orig. 5, 163): „Und wenn wir es wagen dürfen, hierin etwas Weitergehendes zu sagen, so ist vielleicht die Seele Gottes als sein eingeborener Sohn zu verstehen.“ Übersetzung: p. 399 Görgemanns/Karpp.

Bibliographie Für Editionen und Übersetzungen der Werke des Origenes sowie weiterer wichtiger Quellen, auf die in diesem Band lediglich mit den Namen der ­Editor*innen bzw. Übersetzer*innen sowie den Siglen der jeweiligen Reihen hingewiesen wird, siehe das Verzeichnis in OWD 1/1, xvii–xxiv, zu den Abkürzungen ebd. xiv–xvi (OO = L. Perrone/E. Prinzivalli/M. ­Simonetti † [Hg.], Opere di Origene, 21 Bde., Rom 2002ff.).

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Register Bibelstellen Die Anordnung der biblischen Bücher des Alten Testaments folgt der Reihenfolge in der Septuaginta, da Origenes nach dieser zitiert hat. Dasselbe gilt für die Zählung der Kapitel und Verse; wo diese von der hebräischen Bibel abweicht (besonders in den Psalmen), ist die Verseinteilung des masoretischen Textes in Klammern nach derjenigen der Septuaginta angegeben. Die Seitenzahlen beziehen sich sowohl auf den Text als auch auf die Fußnoten. Genesis 1,1 1,26 1,26f. 1,27 2,9 3,1 3,17 3,18 3,19 3,21 3,24 4,13f. 4,16 8,8 9,26f. 12,7 13,2 13,5 14,17–20 15,5 16,5 18,6 18,17 19,3 20,6 21,5

160 8, 20, 82, 86, 388 134 422 446 452 170 170 88, 310 210 318 168 166, 420 440 438 14 122 400 366 22, 166 428 400 400 400 408 36, 456

22,13 24,4 24,4f. 24,5 24,16 25,27 26,13 27,27 27,28 28,1 30,5–13 30,19 32,1f. 35,23–26 38,7 38,27f.(28) 40,20 40,22 41,50–52 42,20 42,37 42,38 43,9 43,13 48,14 48,15 49,11

124 268 266 268 268 18, 430 374, 458 226 444 438 404 340 88 404 176 292 270 270 412 424 424 424 424 424 438 438 236, 316



Register

49,28

438

Exodus 1,21 2,11 3,5 11,3 12,3 12,5 12,6 12,8 12,10 12,11 12,18 12,43 13,2 13,14 15,20 17,6 17,11 19,6 20,13 20,14 20,26 23,15 23,16 23,17 25,16 25,18 25,18–21 25,29 25,40 26,33 26,34 28,2 28,2–43 28,4 28,30 28,37 28,39 28,40 28,42 29,6 29,7

430 416 170 374, 458 96, 320 320 184, 320 320 184 214 320 99 222, 354, 356 460 94 14 26, 222 408 360 360 210, 308 320, 438 84, 320 346, 438 339 334 320 354, 356 11, 392, 393 334 334 354 220 212, 216 320 216 216 216 220, 222 216 382

29,9 30,6 30,10 30,29 30,34 30,35 32,4 33,7 34,33f. 35,6 39,27 39,28 (36,35 LXX) 39,31 (36,38 LXX) 40,9 Levitikus 1 1,1 1,1–9 1,2 1,3 1,3–5 1,4 1,4f. 1,5 1,6–9 1,8 1,9 1,10 1,14 2,1 2,1f. 2,3 2,4 2,5 2,7 2,9 2,11 2,13 2,14 2,15 3,1

216 334 320, 334 144 332 65 376 420 12 292 220 216 216 354 164 64 23, 55, 56 15, 64, 78, 80, 81 24, 66, 68, 90, 164 66 68 68 24, 68, 70, 124 70 72 72, 330, 406 78, 90 64, 78 64, 78, 80, 81, 242 91 55, 164, 242 64, 78, 82, 94, 116 64, 78, 82, 116, 124 64, 78, 82, 94 180 64 64, 65, 398 64, 78, 84, 85, 186 78 64, 78, 90

Bibelstellen

3,1ff. 3,3f. 3,6 3,7 3,12 4,1f. 4,2 4,2f. 4,3 4,3–8 4,6 4,6f. 4,7 4,8 4,8–10 4,11 4,11f. 4,12 4,13 4,14 4,22 4,22f. 4,22–26 4,27 4,27f. 4,28 5,1 5,1f. 5,2 5,2f. 5,4f. 5,4–6 5,6 5,7 5,10 5,11 5,14–16 5,15 5,16 6 6,1(5,20)

84 116 64, 78, 90 64 78 20, 84 78 26 4, 64, 78, 80, 86, 88, 100 194 116, 243 78 68, 88, 116, 314, 406 184, 406 78 88 78, 88 66, 88, 242 64, 78, 80 80 64, 80 90 80 64, 78, 80, 96, 98 80, 90, 96 98 102, 104, 106, 110 100 106, 110, 192 106 114 110 90, 116 78, 80, 90, 94, 118 164, 197 80, 118, 180 118 118, 122, 124, 126, 140 118 14 130



6,1–5(5,20–24) 132 6,2(5,21) 7, 130, 132, 134, 136, 138 6,2f.(5,21f.) 138 6,3(5,22) 138 6,4(5,23) 132, 138 6,5(5,24) 140 6,6(5,25) 132 6,6f.(5,25f.) 140 6,8–13(1–6) 142 6,10 212 6,14 34 6,14–18(7–11) 146, 148 6,15(8) 152 6,16(9) 150, 152 6,17(10) 144, 148 6,18(11) 148, 150 6,19–23(12–16) 154 6,20(13) 146 6,20f.(13f.) 154 6,21(14) 154, 156 6,22(15) 156 6,23(16) 156 6,24–30(17–23) 47, 158 6,24f.(17f.) 162, 172 6,25(18) 47, 158, 162, 166, 168 6,25(18)– 7,28(38) 44 6,26(19) 168, 170 6,31(7,1) 172, 180 6,31f.(7,1f.) 172 6,31–7,24 (7,1–34) 47 6,33(7,3) 174 6,35(7,5) 174 6,37(7,7) 174, 182 6,38(7,8) 174 6,39(7,9) 176, 178 6,40(7,10) 180 7,1–5(11–15) 180 7,2(12) 180 7,3(13) 182, 184

 7,4(14) 182 7,5(15) 182, 184 7,6(16) 56, 180 7,6–8(16–18) 188 7,6f.(16f.) 184, 188 7,7f.(17f.) 188 7,9(19) 36, 164 7,9–11(19–21) 190 7,10(20) 192 7,11(21) 192 7,12–17(22–27) 194 7,18–24(28–34) 196 7,20(30) 196, 198 7,21(31) 198 7,22(32) 198 7,24(34) 200, 202, 206 7,25(35) 204 7,25–28(35–38) 204 7,27(37) 206 8,1–9 206 8,4f. 210 8,7 25, 212, 214 8,8 214, 218 8,8f. 214 8,9 216, 217 8,11–36 56 8,13 216, 216 8,26 36, 178 8,29 162 9,5 186 9,7 226 9,12 186 10,1 306 10,1f. 338 10,1–8 56 10,7 222 10,8–11 226 10,9 226, 230, 238 10,9f. 44 10,14 164, 226, 242, 244 10,14f. 44, 242 10,16–20 56 11 42, 226

Register

11,3 11,3–7 11,3–11 11,9 11,9f. 11,13 11,17–19 12–14 12,1f. 12,2 12,2–4 12,3 12,4 12,5 12,6 12,7 12,8 13 13f. 13,2 13,6 13,12 13,13 13,14 13,18f. 13,19 13,20 13,24 13,24f. 13,25 13,29 13,29f. 13,30 13,40f. 13,42 13,45 13,46 13,47–59 14 14,1–8 14,2 14,3

43, 109, 254, 260 44, 254 43 250 44, 260 44 44, 262 44 266 264, 266, 268, 272, 274 380 35, 272 272 272 268, 274 268 267, 274 30 264 276, 280, 282 324 276 282 282 276, 282 278, 284 284 276 284 284 276, 286 284 286 286 276, 286 286, 288 264, 288, 420 56 31 91 288, 290, 294 288

Bibelstellen

14,4 14,5 14,6 14,7 14,7f. 14,8 14,8f. 14,9 14,10 14,11 14,13 14,14 14,15f. 14,16 14,17 14,18 14,19 14,20 14,21–57 14,22 14,49–53 15,27 16 16,1 16,1f. 16,2 16,2–4 16,3 16,4 16,5 16,5f. 16,8 16,8–10 16,9 16,9f. 16,10 16,12 16,13 16,13f. 16,14 16,15 16,16

290 292 294 290, 294 294 288, 294, 298 296 294, 296, 298 298, 300 300 298, 300 302 302 36, 294, 302 302 300, 302 300 294, 300 56 290 91 316 25 306, 308, 338 306 308, 312 306 312 216, 310, 312, 354 346 312 312 290, 306 314 322, 346 314, 324, 344 324, 330, 332, 334, 336 334 338 338 28 458

16,17 16,20f. 16,21 16,21f. 16,22 16,24 16,26 16,29 16,31 16,32 16,34 18,15 19,2 19,6 20,7 20,8 20,9 20,10 20,12 20,22 21,1–9 21,10 21,10–15 21,11 21,12 21,13 21,13–15 21,14 21,16–24 22,19 23 23,44 24,1f. 24,1–9 24,2 24,2–4 24,4 24,5 24,5–9 24,6 24,7 24,7f.

 340 314 318, 322 312, 314, 316, 348 314 164, 197, 348 316, 324 320, 344, 346 344, 346 354 172, 310, 334 360 354, 356, 358 56, 184, 188 354, 356, 358 358 18, 360, 364, 366 360, 362 360 360 56 27, 370, 376, 378 44, 372 378, 380 380 384, 386 384 380, 384, 386, 388, 390 56 90 392 392 410 44, 392 398 394 410 16, 36, 400, 402, 410 398 400, 406 406 406

 24,8 24,8f. 24,9 24,10 24,10f. 24,10–14 24,10–16 24,11 24,14 24,15f. 24,17–23 25,1–28 25,13 25,26 25,29 25,29f. 25,29–32 25,30 25,30f. 25,31 25,32 25,33–55 26 26,3 26,3–11 26,4 26,5 26,6 26,7 26,8 26,9 26,9f. 26,10 26,11 26,12

Register

26,12f. 26,12–46

400, 406 406 243, 406, 408, 410 414, 422 416 412 44 412, 416, 418, 420 414, 438 422, 424 56 56 188 430 428, 430 428 30, 44 428 430 428 18, 428, 432 56 29 438, 454 44, 56 438, 442, 444, 448 448 452, 454 456 36, 456, 458 458 458 188 460 37, 166, 240, 458, 460 460 56

Numeri 1,2 6,1–21 6,4

150 296 358

6,5 9,11 11,18 11,24 12,15 15,35 15,38 18,7 18,19 18,20 18,21 20,10 20,12 20,24 24,1–9 27,13f. 29,1 35,2

296, 358 320 192 144, 145 272 438 70 222 65 228 438 377 377 376 438 376 320 354

Deuteronomium 4,24 70, 168, 338 5,17 360 5,18 360 5,21 322 6,7 322 15,1f. 188 15,19 354 16,9f. 84 16,13 358 19,15 104 21,10–13 258 23,8 172 25,4 12 26,5 450 26,6 450 26,13 320 30,14 14 30,15 340 30,19 340 32,1f. 440 32,2 440 32,6 366 32,7 152

Bibelstellen

32,22 32,39 33,1

170 112 108

Josua 2,18 9,5 9,13 10,24 10,26 11,9 19,49f.

292 188 188 160 160 94 461

Richter 13,3ff.

296

Erstes Buch Samuel 1,11 358 1,14f. 230 1,21–28 296 2,25 140 15,22 142 Zweites Buch Samuel 11,2 432 12,3 432 Erstes Buch der Könige 3,9 324 20(21),29 332 Zweites Buch der Könige 1,10 108 13,21 106 Zweites Buch der Chronik 13,5 65 Erstes Buch Esra 4,14 65 Psalmen 1,1

322

1,2 1,3 6,7 11(12),7 13,3 LXX 18(19),6 18(19),13 19(20),4 21(22),23 22(23),5 26(27),1 26(27),3 26(27),13 28(29),3 31(32),5 32(33),3 32(33),6 33(34),9 34(35),10 35(36),7 35(36),9 36(37),34 37(38),6 38(39),4 41(42),4 44(45),8 48(49),15 49(50),14 49(50),16 49(50),17 49(50),23 50(51),7 50(51),10 50(51),14 50(51),19 51(52),10 56(57),7 57(58),4 63(64),4 72(73),28 73(74),19

 34, 43, 94, 152, 204, 222, 254, 356, 382 296 92 126 326 376 188 198 376 230, 232 452 452 430 102, 176, 366 92, 114 242 166 122 240 108, 424 232, 444 430 180, 234 338 92 180, 316, 350, 376, 382 170 98 256, 288 256 182, 184, 186 272 238 302 98, 142, 166 396, 448 316 272 244 246 454

 75(76),2 79(80),6 80(81),4 81(82),6 90(91),5f. 93(94),16 101(102),4 102(103),8 103(104),2 103(104),6 103(104),15 105(106),7 108(109),7 109(110),1 109(110),4

Register

111(112),1 118(119),9 118(119),18 118(119),28 118(119),105 118(119),106 118(119),140 127(128),3 137(138),8 140(141),2 140(141),3 140(141),5 140(141),7 141(142),6 143(144),4

394 364 320 28, 340, 360 452 316 94 234 378 378 448 370 188 458 27, 102, 104, 168, 308, 370, 382 34, 356 332 62 450 45, 396 112 338 398 42 330, 406 418 350 240 430 122

Sprichwörter 3,3 3,18 3,24f. 9,9 13,8 13,25 18,17 20,19(25) 21,29 22,18

350 446 452 64 122, 328 450 114 358 332 348

22,20 22,20f. 23,1 23,2 27,1 28,1

348 5 404 406 246 452

Kohelet 7,20

376

Hohelied 1,10 5,12

82, 124 82, 124

Ijob 3,1 3,2 3,3 3,4 3,6 3,8 3,11 10,11 14,4f. 29,3

270 270 270 270 270 270 380 248 268, 272, 380 396

Weisheit 1,7 7,17–19 7,27 8,20

166 244 162 380

Jesus Sirach 4,28 24,15 39,18 45,10

336 332 332 220

Hosea 2,20(22) 4,8 6,6 7,4

384 168, 170 98 176



Bibelstellen

7,6 10,12 12,3(4)

176 216 324

Amos 8,11

328

Micha 5,2(1)

274

Joël 2,28(3,1)

22, 166

Nahum 1,9

362, 424

Sacharja 3,1 3,3 3,4 3,5 6,12 14,14

316, 324 316, 324 308 216 338, 394 122

Maleachi 4,2(3,20)

35, 340, 394

Jesaja 1,2 1,6 1,11 1,16 1,16–18 1,25 3,14 5,6 6,5 6,6 6,7 10,20 11,2f. 26,17f. 30,6

366, 440 278 98, 140 206 142 168 136 440 326, 420 326 324, 330 194 116, 117 390 7, 454

30,15 35,10 37,3 38,14 43,2 43,3f. 43,26 50,11 52,5 52,11 53,4 53,9 58,5 58,7 58,10 59,7 61,1f. 61,6 61,10 65,13 65,20 66,2 66,24

332 238 286 94 330 314 114, 334 330, 356 182 200, 422 170 66, 372, 376, 382 348 316 316 326 320 142 216 232 36, 456 208 330

Jeremia 1,5 3,4 6,30 20,9 20,14–16 23,24 37(30),12–17 37(30),17 38(31),14 40(33),6f.

270 386 126 114 270 166 280 50 232 50, 280

Baruch 4,36

340

Klagelieder 4,27f.

297

 Ezechiel 1 1,10 4,12 4,14 10 16,28 16,33 18,4 21,26(31) 26,16 27,36 34,26 34,31 37,7 37,7f. 37,11 39,28 44,18

Register

178 178 186 186 178 388 388 21, 52, 342, 378 216 216 138 440 108 240 240 240 220 216

Susanna 22f. (Dan. 13,22f.) 17, 62 Daniel 3,38–40 7,10 Matthäus 1,1–16 1,23 5,3 5,4 5,5 5,8 5,9 5,13 5,14 5,16 5,19 5,21f. 5,27f.

142 330 66 266 136, 418 418, 430 430 122, 134, 198, 200, 302, 408, 422 418 90, 398 166 182 214 212 212

5,28 5,29f. 5,45 5,48 6,12 6,14f. 6,17 7,2 7,6 7,13f. 7,18 7,24–26 8,2 8,2–4 8,17 9,12f. 9,15 9,16f. 9,17 9,20 10,10 10,30 10,34 11,12 11,15 11,19 11,27 11,29 11,30 12,32 12,36 12,39–41 12,40 12,43 12,43f. 13,3–8 13,5 13,8 13,11 13,12 13,13 13,21 13,23

106 326 440 134 92 92 350 364 222, 390 43, 256 446 450 264 196 170 264 320, 350 352 138 70, 148, 264 428 296 452 136 110, 122, 332 232 244 348 460 274 326 272 270 318 408 444 450 444, 452 146, 408 314 146, 410 450 124



Bibelstellen

13,34 13,47f. 13,52 14,6 14,10 14,20 15,19 16,6 17,2f. 17,3 17,4 18,6 18,15 18,15–17 18,16 18,35 19,12 19,19 19,21 19,24 20,8f. 21,39 22,12f. 22,14 22,30 23,3 23,27 23,37 24,2 24,17 24,35 24,41 25,1–12 25,1–13 25,2 25,9 25,14f. 25,41 26,26 26,27 26,28 26,29 27,1

146 250, 260 122 270 270 156 382 184 208 208 208 194 104 102 104 92 352 94 392 43, 256 126 66 384 13, 60 28, 136, 340 256 288 234, 290 346 248 156 124 74 396 36, 456 140 126 169 186 232 338 232, 234 68

27,17 27,21f. 27,24 27,25 28,18 28,20

348 348 348 102 318 22, 166, 396

Markus 1,4 2,17 3,11 3,27 3,29 4,14 4,34 5,9 5,25 5,25f. 5,29 6,9 6,21 6,27 7,3 7,7 7,21 8,34 9,1 9,3 9,4 10,6 14,66 15,9

90 264 212 328 328 390 146 202, 203 148 106 148 428 270 270 184 184 198, 200 336 208 208 208 340 458 348

Lukas 1,15 1,17 1,32 1,35 2,24 2,34 2,37 2,48 2,52

374, 375, 458 438 372, 374 268 267, 274 102 322 380 372, 375, 442

 4,33 5,31f. 6,36 6,45 7,44 7,46 7,47 8,2 8,11 8,26 8,30 8,43 8,44 8,45 8,46 9,3 9,17 10,23 11,5f. 11,10 11,41 12,16 12,18f. 12,35 12,42 12,49 12,51 13,7f. 13,33 14,33 15 15,10 15,22 15,23 16,9 16,12 16,16 16,25 16,26 16,29 17,2 18,1

Register

456 264 134 252 70 70 92 36, 302 302 302 202, 203 106 106, 148 106 106 186 242 60 178 176 92 444 444 27, 142 442, 448 169, 170, 178, 308, 334 452 88 68 336 66 136 302 88 434 122 394 114, 424 424 206 374 69

18,8 18,18 18,30 19,24 19,26 21,34 22,36 22,56 22,61 22,62 23,21 23,33 23,34 23,39–43 23,43 24,32

326 6, 160 6, 160 314 314 228 252 458 458 458 348 318 80 318 318 169, 338

Johannes 1,1 1,3 1,11 1,14 1,29 1,51 2,1f. 2,19 3,18 3,20 3,29 4,10 4,14 4,24 4,34 5,6 5,8 5,14 5,16 5,35 6,33 6,41 6,51 6,52 6,53

72, 122, 450, 460 136 66 150, 252 98 332 232 346 168 262 386 328 328 130 244 292 292 284, 298, 316 140, 284, 298 394 398, 402, 408 328 450 252 13, 252



Bibelstellen

6,55 6,60 6,63 6,66 7,4 7,24 8,34 10,16 10,27 10,30 10,32 10,38 11,25 11,52 12,31 12,35 13,8 13,10 13,25 13,33 14,2 14,6 14,9 14,10 14,16 14,25 14,25f. 14,26 14,27 14,30 15,1 15,5 15,13 15,26 16,7 16,11 16,12 16,28 16,33 17,4 17,5 18,13ff. 19,12

236, 252 252 130 252 114 316 460 124 108 402 244 378 21, 342, 378 240, 242 372 340 72 72 70 230 418 340, 342 402 378, 402 68 404 404 68, 404 398, 450 372 446 234 94, 194 68 68 372 123 288 318 236 240 68 348

19,26 19,34 20,17 21,20

70 290, 292 316, 376 70

Apostelgeschichte 2,4 84 2,13 84 2,17 13, 60 8,30 344 10,6 248 10,9 246, 248 10,11 248 10,11–13 248 10,12 248 10,14–16 248 10,15 200, 248 10,16 248 10,17 248 10,21 250 10,27 250 10,28 250 15,10 212 15,19 150, 314 16,6 222 17,19 382 17,22 382 17,23 382 17,29 386 20,29 110 22,3 246 Römerbrief 1,20 1,30 2,13 2,15 2,21 2,24 2,28 2,28f. 2,29 3,15

160 366 218 252 288 182 148 14, 47, 158 162, 164 326

 3,19 3,25 5,8 5,14 6,2 6,3 6,8 6,9 7,2f. 7,14 7,15 7,25 10,1–5 10,21 11,18 11,19f. 11,22f. 11,25 11,25f. 11,36 12,1 12,5 12,15 13,12 13,13 13,14 14,1 14,1f. 14,2 14,15 14,38 16,20 16,27

Register

458 322, 398 240 88 364 92 246 342 384 5, 9, 10, 34, 37, 154, 156, 286, 394, 436 112 112 14 102 194 194 194 194 116 460 74 238 234 136, 178, 200 342 206 346, 374, 442 72 6, 36, 144, 182, 444 90 252 456 98, 99

Erster Korintherbrief 1,5 124 1,24 378, 460 2,2 144 2,6 180 2,6f. 5 2,6–8 144 2,12f. 180

2,14 2,14f. 3,1f. 3,1–3 3,2 3,2f. 3,5 3,6 3,9 3,10–12 3,12 3,13 3,14 3,16 3,17 3,21–23 4,11 4,15 5 5,5 5,6f. 5,7 5,8 5,9–11 5,10 5,11 6,9 6,9f. 6,11 6,17 7,1 7,31 7,34 8,5 9,9 9,27 10 10,1–4 10,1–5 10,3 10,4 10,6 10,11

20, 82 82 14 72 6, 36, 442 182 74 252 430 434 168, 418, 420 330 176 218 63 123 450 222 427 114, 426 328 12, 99, 148, 348 94, 152, 192 108 328 194, 250, 338 417 136, 416 150 388 106 410 214, 324 48 12, 276, 330 29, 74, 112 10, 17, 73 246 14 246 246 10, 11, 308, 344 11, 344, 348, 432



Bibelstellen

11,3 11,19 11,25 11,27f. 12,8 12,20f. 12,23 12,27 13,5 13,7 13,8 13,9 13,9f. 13,11 13,13 14,14f. 14,40 15,23 15,25 15,26 15,28 15,31 15,33 15,47 15,50 15,53f.

218, 240, 284, 286, 312, 378 126 398 408 10 238 310 236 234 374, 434 374, 434 240 190 150, 286 94, 336 186 332 108 458 340, 342 236 314 184 458 116 210

Zweiter Korintherbrief 1,10 364 2,15 84, 122 3,6 13, 60 3,7 204 3,14 12, 13, 60, 70, 148, 204, 394 3,14–16 12, 276 3,14–17 12 3,16 16, 204, 394 3,16f. 62 3,17 130 3,18 350 4,16 228, 242, 384, 460 4,18 160

5,1 5,4 5,16 5,17 5,19 5,21 6,8 6,14 6,14f. 6,16 6,18 8,9 9,6 10,4 10,5 11,2f. 11,3 11,14 11,27 12,10 12,21 Galaterbrief 1,4 3,16 4,4f. 4,9f. 4,19 4,26 5,2 5,3 5,4 5,17

430, 432 210 72 144, 352, 384 318 100, 102, 380 430 21, 136, 378 342 166, 218, 458 166 274 152 258 454, 460 384 384, 390 308 450 112, 228, 404 180, 234, 238

5,22 5,24 6,8 6,14

232 14 266 348 220, 390 364, 366, 368, 380 212, 272 346 272 20, 112, 236, 328, 454 20, 24, 86, 196 94 21, 86, 448 336

Epheserbrief 1,3 1,10 1,22

436, 438 23, 88 68



Register

1,22f. 2,7 2,15 2,20 3,17 4,13 4,14 4,15 4,20 4,20f. 4,21 4,22 4,24 4,27 5,2 5,5 5,18 5,27 5,30 6,11 6,12 6,16 6,17f. 6,19

236 43, 256 242 240, 434 450 374, 375 450 312 132 176 132 460 210, 460 408 28, 174, 232, 346 416 228 384, 388 240 66 318, 452 45, 284, 332 458 204

Philipperbrief 1,24f. 2,1f. 2,6 2,7 3,3 3,5 3,13 3,20 3,21 4,7 4,13 4,18

96 136 234 88, 100, 234 272 246 332 96, 358, 430 116 452 404 152

Kolosserbrief 1,12 1,13 1,17–19

136 234 236

1,20 1,23 2,3 2,9 2,14f. 2,15 2,16f. 2,17 2,19 3,1 3,1f. 3,2 3,5 3,9 3,10 3,15

23, 68, 136, 320 450 124 88 290, 318 318 212, 246 12, 370 218 96, 350 248 350, 356 20, 94, 336, 456 188, 242 210 29

Erster Thessalonicherbrief 4,6 134 5,21 126 5,23 20 Zweiter Thessalonicherbrief 1,9 166 3,6 356 3,11 200 Erster Timotheusbrief 1,5 170 1,7 190 1,9f. 132 1,10 170 2,5 340 2,7 238 2,8 406 3,5 110 3,7 210 4,3 350 5,6 108 6,15 208, 376 6,16 370 6,20 134

Bibelstellen



8,3 8,5

12,23 12,29 13,12 13,15

27 11, 16, 23, 39, 160, 348, 392 172 172, 320 11, 344 68, 146, 230 24 23, 372 23, 66, 116, 168, 258 16, 68, 234, 308, 336 322 5, 11, 12, 16, 23, 39, 84, 99, 116, 276, 344, 348, 370, 392, 400, 434 346, 372 23, 68 68 27 362 238 366 346, 364, 366, 368, 380 68 168 88 27, 308

Jakobusbrief 1,15 3,18 5,9 5,14f. 5,20

378 196, 398 322 92 92

Zweiter Timotheusbrief 1,7f. 228 1,14 134 2,2f. 228 2,4 356 2,15 244 3,4 316 3,12 222 4,8 424 4,10 316 Titusbrief 1,12 1,14 3,3–5 Hebräerbrief 2,17 3,1 4,12 4,14 4,14f. 5,1 5,1–3 5,1–5 5,6 5,10 5,12 5,12–14 5,13 5,14 6,7f. 6,8 6,20 7,5 7,10 7,25 7,26 7,27 7,28 8,1

184 38, 110, 212, 382 150 68 68 456, 458 72, 320, 370 68 86 24 27 27, 308, 370, 382 68 72, 192 72 346, 374 6, 36, 84, 145, 146, 150, 182, 192, 442, 448 440 442 68 312 312, 366 68, 234 68 23, 86, 308, 372 86 27, 68

9,4 9,7 9,10 9,11 9,11–14 9,12 9,14 9,24 9,28 10,1

10,4 10,10 10,20 10,21 10,28f. 11,39f. 12,9 12,22

Erster Petrusbrief 1,19 128 2,9 33, 142, 308, 336, 408 2,22 86, 100, 206, 372, 376, 382

 2,24 3,15 3,18 4,1 4,8 4,11

5,8f.

Register

100 214 112 128 92 44, 76, 99, 156, 202, 224, 262, 304, 342, 352, 368, 390, 410, 426, 434 110, 452

Zweiter Petrusbrief 1,4 136 2,9 25, 27 3,13 242 3,15 192

Erster Johannesbrief 2,1f. 322 2,5 434 2,10 396 2,11 396 2,16 33, 356 3,16 336, 352 5,16 30, 174, 364, 388 5,19 372 Offenbarung 1,4 1,6 5,9 12,7 12,9 14,6 22,15

117 156 242 452, 456 372, 388 156 420

Origenesstellen



Origenesstellen Das Register der Origenesstellen folgt dem Abkürzungsverzeichnis der Werke des Origenes in OWD 1/1. Genesiskommentierung frg. D 22 Metzler 210 frg. E 106 Metzler 270 Genesishomilien 1,2 1,3 1,7 1,8 1,11 1,13 2,3 4,1 4,4 7,1 7,4 8,1 8,4 8,6 10,1 10,2 10,4 11,2 11,3 12,1 12,5 13,1 13,3 15,3 16,5 16,6

442 442 166 164, 452 21, 165 134 108 400 67 146 257, 360 412 154 100, 168 322 454 74 258 338 204 155 204 338 422 428 121

6,1 6,3 7,8 8,5 8,6 9,1 9,2 10,1 10,2 10,3 11,5 11,6 12,4 13,1 13,3 13,4 13,5 sel. in Ex. 20,5 sel. in Ex. 23,17 Levitikushomilien 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 2,1 2,2 2,3 2,4

Exodushomilien 1,1 2,1 2,4 4,8

63, 164 67 207 168, 338

2,5 3,1 3,2

94 435 146, 338 389 424 454 393 360 413 286 168, 414 258 338 120 80, 408 168, 292, 338 258, 296 424 67 4, 8, 13, 17, 268 16, 85, 124, 398 23, 24, 88 23, 25 9, 20, 29, 95 26, 90, 100 8, 21, 39, 95, 96, 117, 124, 180 5, 23, 27, 30, 45, 80, 100, 116 9, 30, 80, 83, 211, 288, 398, 432 21 24, 38, 55 7, 38

 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 3,8 4,1 4,2 4,4 4,5 4,6 4,7 4,8 4,9 4,10 5,1 5,1f. 5,2 5,3 5,4 5,5 5,7 5,8 5,9 5,10 5,11 5,12 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5

Register

29, 37, 38, 148, 192 20, 30 23, 36, 55, 124, 194, 198 55, 132, 140 9, 36 45, 55, 140 63 7, 120 23, 35, 132 30, 132 6, 27, 71, 220, 221, 310 13, 37, 399 17, 23, 34, 67, 190 85, 146, 399 10, 34, 35, 85, 179 6, 14, 15, 20, 24, 37, 47, 48, 130 95 22, 24, 35, 121, 197, 370 24, 31, 33, 36, 70, 338, 414 26 9, 35, 36, 130, 168, 183 24, 25, 36, 71, 72, 191 20, 38, 56 36 29, 33, 52, 378 198 4, 24, 26, 31, 33, 35, 37, 55, 244 37 31, 36, 176 12, 25, 38, 110, 177, 196 320 20, 312, 378

6,6 7,1 7,2 7,3 7,4 7,5 7,6 8,1 8,2 8,3 8,4 8,5 8,5f. 8,5–10 8,5–11 8,7f. 8,9 8,10 8,10f. 8,11 9,1 9,2 9,3 9,5 9,6 9,7 9,8 9,9 9,10 9,11 10,1 10,2 10,3 11,1 11,2 11,3 12,1 12,1f.

16, 26, 144, 310, 320 31, 56, 81, 234 20, 31, 228 39, 52, 168 16, 17, 36, 81 7, 9, 13, 37, 130 37, 43 9, 31, 228 16, 49 30, 378 35, 36 12 49 30 49 49 9, 49 10, 31, 92 31, 49 31, 36, 208, 249, 358 7, 27, 33, 338 10, 45, 144, 336 335 23, 72, 324 9, 378 20, 322 45, 136, 276 16, 27, 28, 168 35, 394 21, 28, 52 8, 11, 28, 38, 39, 48, 61 12, 38, 39, 55, 180 23 33, 34, 200, 382 18, 32, 366, 432, 438 18 12, 39, 72 27



Origenesstellen

12,2 12,3 12,4 12,5 12,5–7 12,6 12,7 13,1 13,1–3 13,2 13,3 13,4 13,5 13,6 14,2 14,3 14,4 15,2 15,3 16,1 16,2 16,4 16,6 16,7 Levitikusfragmente in Lev. frg. 1 (OWD 3) in Lev. frg. 2 in Lev. frg. 3 in Lev. frg. 4 in Lev. frg. 5 in Lev. frg. 6 sel. in Lev. 10,9 (PG 12)

39 21, 52, 180 34, 38, 110, 168, 180, 192, 204, 317, 324 18, 38, 388 21 21, 414, 420 20 11, 39, 48 16 9, 10, 35, 45, 168, 179, 180 9, 37, 146, 251, 448 20, 37, 39, 415 21, 33, 34, 36, 170, 243, 251 71 20, 388, 402, 420 168, 388 20, 32, 288, 338, 362 18, 30, 31, 140, 365 25 10, 37, 38 17, 37, 121, 360, 447 17 7, 20, 456 36, 37, 61

158–161 49, 50, 266f. 49, 278f. 49, 282f. 49, 50, 284–287 49, 290–293 230

sel. in Lev. 11,3 sel. in Lev. 13,45 sel. in Lev. 14,5 sel. in Lev. 14,10 sel. in Lev. 14,19 Numerihomilien 1,1 3,1 5,1 5,3 6,1 6,3 9,5 9,6 10,1

256 288 290 300 298

10,2 10,3 11,1 11,3f. 11,4 11,7 12,4 14,1 16,9 17,4 20,4 21,1 21,2 23,4 23,6 24,2 25,1 26,3 26,5 27,1

150 379 340 316 80, 145 302, 377 379 379 80, 93, 170, 317, 334 170 222, 308 99, 120, 360 333 316, 422 67 372, 379 80 162, 409 393 86 432 80, 145 406 182, 251 354, 358 192 130 430, 442 3

Josuahomilien 1,3 1,6 2,1 3,1

207 121 346 103

 3,2 3,5 5,1 6,4 7,1 7,6 8,1 8,2 8,3 8,6 9,1 9,4 9,7 9,8 9,9 10,1 10,2 12,3 14,2 15,3 20,1 20,1f. 20,3 20,4 21,2 22,1 22,4 23,1 24,3 25,6 26,1 26,3 in Ios. frg. 21 (OWD 5)

Register

302 292 121 292 265 104, 238, 365 130 63, 164 164 63, 100, 130, 168 63 422 257, 360 139 60, 66 186 139 160 139 94 63, 164 163 80 162, 164 121 103 121, 446 323 461 413 162, 461 386 103

Richterhomilien 4,2 6,1 8,3

406 80 63

Samuelhomilien hom. graec. 1 hom. lat. 1

81 162

hom. lat. 4 hom. lat. 8 hom. lat. 9

200 145 60

Psalmenkommentierung sel. in Ps. 18,8–10 360 sel. in Ps. 49,23 182 sel. in Ps. 51,10 448 sel. in Ps. 67,4 170 sel. in Ps. 67,6 408 sel. in Ps. 103,2 378 sel. in Ps. 106,3 435 sel. in Ps. 115,8 92 sel. in Ps. 118,1 360 cat. Pal. in Ps. 118,1f. 216 cat. Pal. in Ps. 118,105 396 Psalmenhomilien 36 hom. 3,1 36 hom. 4,2 36 hom. 5,4 37 hom. 1,1 37 hom. 2,2 37 hom. 2,6 76 hom. 2,5 77 hom. 1,1 77 hom. 1,5 77 hom. 3,3 80 hom. 2,5 81 hom. 1

330 334 430 414 114, 334 408 80 96 164 80 164 80, 116

Hoheliedkommentar prol. 1,7 178 prol. 2,4–8 60 I 1,5 132 I 4,16f. 60 II 7,8f. 82 III 6,9 190 III 16(IV 2),27 139 III 17(IV 3),9 139



Origenesstellen

Jesajahomilien 1,1 1,4 5,6 7,1

45 326 326 64

Jeremiakommentierung frg. 19(94) (OWD 11) 126 frg. 48 414 frg. 59 96 frg. 62 402 Jeremiahomilien 1,1 1,16 4,3 4,5 8,1 8,3 10,1 11,5f. 11,6 12,5 12,7 12,13 14,3 15,5 15,6 16,5f. 16,6 16,10 18,5 19,1(18,11) 19,4(18,14) 20(19),5 20(19),8 20(19),9 lat. 2(2),6

162 112 80 387 96 440 392 312 144 265 126 346 96 96 81 96 112 96 80 162 162, 387 96, 362 114 126 228

Ezechielkommentierung frg. 2 (OO 8) 116

frg. 181 sel. in Hiez. 21,1 (PG 12) Ezechielhomilien 1,1f. 1,2 1,3 2,2 3,6 4,4 4,7 5,1 7,10 8,1 13,2 13,4

122 360 162 424 116 215, 222 64 438 453 293 146, 375 389 61 81

Klageliederkommentierung frg. 102 (GCS Orig. 32) 297 Matthäuskommentar X 22 270 X 25 409 XI 8 203 XIII 26 61, 374 XV 3 62 XVI 7 216 XVI 21 80 XVI 22 132 Matthäuskommentarreihe 20 454 27 60 38 162 42 171 68 120 77 85 86 91 89 414 125 292

 Lukashomilien 6,7f. 10,3 13,5 14,4 14,5 14,6 16,3–5 16,6 17,1 17,2–5 20,6f. 31,3 32,2

Register

375 68 316 324 272 274 102 62 380 102 374 184 80

Johanneskommentar I 2,10 432 I 2,11 28, 371 I 4,23 70 I 6,36 458 I 30,205f. 230 VI 2 162 VI 56,290f. 317 X 27,164 130 X 36,235 240 X 36,237 240 XIII 23,140 364 XIX 13,80 140 XIX 13,79 298 XX 35,311 192 XX 36,323 130 XX 44,413 109 XXXII 20,264 70 Johanneskommentarfragmente frg. 18 (GCS Orig. 4) 61 Römerbriefkommentar I 12,4 208 II 5,24f. 418 II 9,15 163 III 5,1–3 322

IV 5,11 V 1,41 V 9,12 V 10,7 VI 5,7 IX 1,2 IX 42,1f.

134 248 272 272 123 83, 95 203

Korintherbriefkommentierung frg. 17 (OO 14/4) 123 Epheserbriefkommentierung frg. II 34 (OO 14/4) 61 Über die Prinzipien I praef. 8 10 I 1,2 168 I 1,7f. 50 I 2,12 402 I 5,5 372 I 8,3 238 I 8,4 404 II 3,6 430 II 4,2 330 II 6,3 388 II 8,3 343 II 8,5 461 II 9,8 330 II 10,1 274 II 10,4 168 II 10,6 228, 265 II 11,1 84 II 11,6 370 III 1,17 330 III 2,1 318 III 5,6f. 236 III 6,1 134 III 6,8 392 IV 2,4 5, 70 IV 2,6 330 IV 3,14 190 IV 4,4 370, 386



Origenesstellen

Apologie gegen Kelsos I 9 264 I 18 176 I 48 264 II 51 170 II 67 264 III 34 371 III 41 72 III 43 184 III 51 208 III 61 264 III 75 228 IV 16 70 IV 40 210 IV 64 70 IV 76 84 V 4 370, 371 VI 16 256 VI 60 204 VI 70 131 VII 5 257 VII 41 204 VII 50 272 VIII 17 446 VIII 17–23 120

VIII 22f. VIII 45 VIII 54 VIII 62

120 264 265 264

Über das Gebet 10,2 13,4 21,2 27,12 28,9f.

68 271 67 248, 251 140

Aufforderung zum Martyrium 5 29, 446 18 29 30 92 48 29 51 29 Stromateis X frg. (PG 11)

364

Philokalie 1,30 (in Lev. frg. 1) 46, 158–161 12 (in Ios. frg. 18) 163



Register

Namen und Sachen Aal 261 Aaron 22, 25, 27, 69, 71, 75, 143, 147, 153, 159, 163, 165, 181, 197, 199, 205–207, 209–211, 219, 223, 227, 231, 239, 307, 309, 331, 355, 370, 371, 377, 395, 399, 401, 407 Abbild siehe Bild Abend 34f. Aberglaube 38, 351, 385 Abihu 307, 309 Abraham 22, 24, 67, 107, 123, 154, 165, 167, 195, 239, 258, 269, 315, 367, 401, 424, 425, 457 Adam 89, 168, 211, 319 Adler 179, 261 Aeneas von Paris 170, 175, 210, 220 Ägypten 315, 425 Ägypter 413–419, 423 Ähnlichkeit 75–77, 83 Ahab 333 Aischylos 398 Akkommodation 70f. Aldus Manutius 54 Alexandria 15 Allegorie 5, 8, 10, 16, 17, 23, 31, 39f., 41, 42, 49, 61, 62, 67, 94, 345 Almosen 30, 91, 93 alt/neu 145, 243, 353, 458–461 Altar 28, 33, 36, 65, 69, 71, 73, 75, 79, 81, 87, 89, 93, 117, 120, 143, 157, 173, 175, 195, 199, 227–229, 231, 233, 235, 237, 291, 301, 307–309, 315, 317, 319, 325, 331, 337, 339, 347, 381, 405 Alter 268f., 299, 373–375, 443 Amalekiter 223 Ambrosius (Mäzen des Origenes) 44

Ambrosius von Mailand 91, 394, 400 Amt 219–221 Angelologie 316 Angst 257, 329, 360f. Anthropologie 19–22, 134 Antijudaismus 387 Aphrodite 351 Apokatastasis 237 Apostel 9, 12, 33, 85, 109, 141–143, 170, 177, 213, 231, 239, 243, 245, 247, 250f., 253, 277, 331, 353, 435, 459 Aquila 50, 281 Arabien 407 Arbeit 196 Arche 108 Areopag 383 Aristeas 42 Aristobulus 42 Aristoteles 21, 165 Armut 119, 198f., 201, 203, 244, 274f., 359 Arzt 31, 228f., 235, 264f., 293 Asche 337, 421 Askese 29, 32, 33 Äthiopien 315 Athlet 73, 339 Auferstehung 28, 51, 52, 73, 103, 137, 191–193, 239, 274f., 317, 341, 377, 403 Aufrichtigkeit 95 Auge 33, 61, 63, 83, 119, 123, 125, 229, 239, 327, 357 – Augenbraue 299 Augustinus von Hippo 3, 174 Aussatz 30, 49, 56, 91, 197, 265, 267, 275–277, 281, 283–297

Namen und Sachen

Babylon 42 Barabbas 349 Barmherzigkeit 16, 24, 27, 30, 45, 85, 87, 91, 99, 135, 143, 153, 155, 197, 301, 309, 325, 339, 351, 363, 397, 401 Bart 287, 299 Basilides 160 Basilius von Caesarea 46 Bauer 447 Baum 445–447 Begierde 27, 29, 33, 75, 83, 94, 107, 145, 155, 175, 199, 213, 214, 231, 285, 309, 317, 323, 325, 327, 337, 339, 350, 357, 427, 443, 455, 457 Begräbnis 111 Bekehrung 26, 30, 31, 91, 93, 95, 205, 208, 235, 301, 303 Benjamin 405, 425 Bergmaus 42 Beschneidung 14, 35, 47, 159, 163, 213, 273, 275, 346, 385 Betlehem 275 Betrug 121, 133, 135 Betuël 269 Bewegung 402 Bibel 4, 6 Bild 10, 11, 13, 16, 17, 18, 31, 35, 39, 81, 87, 101, 115, 125, 127, 131, 134f., 149, 155, 171, 186f., 196, 212f., 214, 231, 235, 253, 277, 291, 293, 301, 303, 307, 309, 311, 317, 319, 325, 337, 345, 347, 349, 371, 373, 393, 401, 405, 406f., 435, 455, 459 Bildung 187, 193, 261, 367 Bischof 25, 31, 132, 171, 175, 222, 230, 363, 387f., 415, 421 Blut 28, 69, 75, 79, 81, 89, 91, 99, 103, 117, 137, 183, 195, 235–237, 253, 272f., 285, 291, 293–295, 315, 317, 319, 323, 339, 347, 373, 399, 409, 421



Bock 65, 119, 291, 313, 315, 317, 323, 325, 347, 348f., 373 böse, das Böse 29, 45, 71, 95, 111, 113, 115, 137, 147, 151, 177, 285, 302, 315, 317, 325, 372, 379, 397, 409, 447 Braut 21, 125, 387, 389 Bräutigam 75, 83, 351, 385, 387, 389, 397 Brot 16, 36, 37, 65, 79, 83, 93, 95, 117, 155f., 179, 183, 185, 187, 301, 321, 329, 351, 353, 395, 399–411, 449, 451 Brust 163, 199–201, 203, 243–245, 293 Buchstabe 7, 8, 12f., 14, 17, 34, 43, 47, 61–63, 71, 85, 119–121, 132f., 135, 139, 149, 155–157, 159, 161, 181, 187, 213, 219, 247, 253, 255, 273, 307, 311, 381, 383, 395, 411, 413, 417, 451, 454f., 458f. Bund 65 Bundeslade 173, 307, 321, 335, 339 Buße 26, 28, 30, 31f., 67, 91, 93, 104f., 115, 136f., 167, 169, 175–177, 181, 235, 265, 288, 293, 299, 302, 315, 333, 334, 363–365, 379, 427, 431, 433, 435 – Zweite Buße 90f. Caesarea 249, 251 Cassiodor 53, 174 Cherubim 178f., 319, 321, 335 Christologie 52, 404 Christus passim – Ankunft/Kommen Christi 28, 35, 38, 39, 102, 105, 155, 347, 395 – Blut Christi 31, 33, 117, 129 – Demut Christi 299 – Fleisch Christi 311, 347 – Gottheit/Göttlichkeit Christi 13, 73, 89, 370 – Leib Christi 232, 237, 238–241



Register

– Opfer Christi 77 – Tod Christi 93 Cicero 228, 446 Clemens von Alexandria 9, 19, 90, 126, 131, 210, 229, 265, 340, 350, 400, 403 Clemens von Rom 367 Cornelius 249–251 Cyprian von Karthago 92, 136 Cyrill von Alexandria 3 Dämon 26, 36, 201–203, 223, 303, 389, 453, 455, 457 Dan 413 Daniel 143 Dank 197, 199, 241 David 115, 143, 181, 189, 273, 339, 377, 380, 433, 449, 453 Dekalog 361 Delarue, Charles 54 Demetrius von Alexandria 44, 420 Demut 143, 209, 274, 321, 349 Denar 127, 141 Diadem 217, 219 Diakon 25, 132 Dialektiker 185 Dibris 413 Didymus der Blinde 325 Diebstahl 121 Dioskurides 292, 333 Doketismus 268 Doxologie 99 Drache 453 Drachme 141 Dunkelheit 8, 63 Durst 329 Edelstein 421, 435 Edom 43 Ehe 83, 381–389, 391, 445 – Ehebruch 107, 140, 213, 361–363, 383 Ehrfurcht 157, 228, 408

Eid 111, 113, 133, 139 Eifersucht 325 Einfachheit 95, 385, 387, 391, 431 Einheit 136, 401, 402–405 Eintracht 136, 415 Efraim 413 Eli 141 Elija 36, 109, 208f., 439 Elischa 107 Eltern 367–369, 381, 413, 423 Ende 323 Engel 28, 67, 89, 136f., 190, 315–317, 333, 341, 343, 370f., 375, 389, 401, 404, 453, 457 Enthaltsamkeit 25, 33, 74f., 82, 94f., 154f., 331, 351–353, 449 Epaphroditus 153 Ephräm der Syrer 41 Ephraim 405, 439 Epikur 50, 286f. Epimenides von Knossos 184 Er 176f. Erasmus von Rotterdam 54 Erbauung 63, 105, 120f., 133, 139, 159, 199, 226f., 415 Erbe 161 Erde 89, 95–97, 99, 171, 311, 341, 359, 409, 421, 441–443, 445, 451, 455 Erkenntnis 5, 6, 7, 8, 9, 10, 13, 14, 16, 20, 26, 43, 61, 71, 75, 84, 109, 123–125, 139, 143, 151, 163, 173, 183, 189–191, 199, 211, 213, 216f., 219, 221, 223, 245, 247, 249, 255, 257, 259, 301, 341, 349, 353, 378f., 401, 421, 446f., 449, 455, 459 Erlösung 29, 41 Erwählung 323 Erz 11, 345 Erziehung 4, 279 Esau 431 Esel 7, 455 Ethik 4, 8f., 73, 89, 401

Namen und Sachen

Etymologie 297, 422 Eucharistie 91, 292, 408f., 415 Eugippius 53 Eule 263 Eusebius von Caesarea 44, 46, 366 Eva 211, 385 Evangelium 12, 47, 92, 95, 103, 105, 149, 161, 208f., 223, 253, 351, 362f., 387, 458f. – Ewiges Evangelium 157 Exegese 4, 14–18, 40 Exkommunikation 31, 32, 388, 414f., 420f. – Exkommunikationsbuße 364 Ezechiel 139, 178f., 187, 239 Falke 261 Fasten 38, 39, 323, 346–353 Feind 223, 259, 341, 343, 457–459 Fell 210f. Fels 247 Fett 175, 194f., 199 Feuer 27, 33, 70f., 73, 79, 85, 87, 94f., 117, 143, 155, 168–171, 173, 179, 191, 285, 292, 301, 307, 308f., 325, 327, 330f., 335, 337–339, 362, 369, 419–421, 425, 435 Finsternis 21, 35, 137, 201, 263, 270, 319, 341, 343, 379, 397, 399, 453 Fisch 245, 247, 251, 260f. Fledermaus 263 Fleisch 13, 20f., 23, 32, 33, 61, 67, 69, 71, 73–75, 83, 87, 89, 94f., 97, 101, 103, 107, 113, 115, 116f., 123, 149–153, 161, 163, 182f., 185–187, 191–193, 201, 207, 219, 229, 231–233, 237, 253, 258, 261, 275, 285, 309, 317, 319, 321, 329, 335, 337, 339, 357, 385, 409, 427, 455 Fluch 437, 441–443 Fortschritt 5f., 8, 22, 28, 36, 70–73, 108, 121, 295, 375 Forum 383



Frau 18, 49, 66f., 74f., 107, 149, 150f., 193, 217, 259, 265, 267–269, 273, 285, 286f., 323, 433 Freiheit 4f., 29, 63, 289, 351, 375, 381, 387, 405, 443 – Freiheit des Geistes 261 – Freiheitsmetaphysik 452 – Ungeschaffene Freiheit 452f. Freude 20, 24, 87, 137, 233–239, 241, 308, 351, 377, 449 Freund 69, 95 Freundschaft 193 Friede 20, 24, 35, 75, 87, 136f., 197, 281, 325, 341, 398f., 418, 451–453 Frömmigkeit 89, 93, 111, 301, 325, 331, 431, 442, 446f. Frucht 85, 87, 123, 197, 223, 359, 399, 427, 442f., 445–447 Fruchtbarkeit 301 Fuß 229, 238f., 303, 327, 397 Gabe 65, 67, 73–75, 79, 83, 87, 89, 95, 99, 117, 119, 199, 313, 359, 401 Gabriel 373 Galbanum 333 Gamaliel 247 Gastfreundschaft 401 Gebet 26, 27, 34, 68f., 85, 89, 93, 164f., 205, 223, 227, 241, 306f., 308f., 323, 329, 371, 379, 388, 407, 415, 423 Geburt 267, 275, 324, 367, 373 – Gottesgeburt 390f., 461 Geburtstag 269–271 Gedanke 115 Geduld 20, 24, 87, 197, 241 Geheimnis siehe Mysterium Gehorsam 143, 151, 237, 367 Geier 261 Geist (mens) 71, 75, 83, 170, 233, 251, 313, 325, 333, 393, 405, 409, 423, 431, 433, 443, 447, 449



Register

Geist (spiritus) 5, 6, 7, 9, 13, 14, 20f., 24, 25, 28, 32, 33, 36, 47f., 61, 75, 85, 87, 92, 99, 113, 115, 131, 133, 136, 143, 151, 155, 159, 161–163, 167, 177, 178, 187, 195, 197, 203, 213, 215, 219, 229, 237, 244, 245, 273, 293, 329, 341, 365, 367, 373, 389, 391, 393, 403, 411, 417, 419, 427, 437, 439, 449, 455, 457, 459 – Geist der Unterscheidung 449 Geiz 455 Geld 107, 121, 127, 132, 141, 249, 253, 285, 327, 429, 431 Geldwechsler 126f. Gelübde 358f. Gemeinde 80f. Gemüse 6, 36, 73, 145, 183, 445 Génébrard, Gilbert 54 Gerechtigkeit 16, 21, 24, 27, 35, 197, 217, 309, 315, 325, 331, 337, 343, 377, 379, 399, 407, 415, 442, 447 Gericht 239, 257, 316, 408, 425 Geschichte/Erzählung (historia) 7, 8, 63, 69, 103, 267, 335, 412–415, 429 Geschwür 281, 283–285 Gesetz passim Gesinnung 89, 95, 317, 421 Gesundheit 283 Gewand 209–211, 213, 215–217, 219, 221, 295–297, 299, 303, 307, 309, 311, 317, 321, 325, 331, 337, 355–357, 378f., 429 Gewissen 34, 73, 103, 133, 171, 327, 407, 409 Gewohnheit 417, 419–421 Glaube 20, 25, 27, 29, 33, 39, 63, 71, 73, 75, 92, 95, 107, 108f., 120, 125, 127, 143, 151, 153, 157, 161, 167, 170f., 173, 193, 195, 210, 215, 221, 239, 243, 261, 285, 286, 289, 299, 317, 323, 327, 333, 337, 339, 347, 351, 371, 375, 381, 385, 387, 391, 399, 401, 407, 409, 415, 417, 418,

421, 433, 443, 451, 453, 455, 457, 461 Gleichnis 147, 411 Gnade 10, 30, 31, 36, 63, 91, 93, 117, 163, 187, 201, 209, 219, 225, 273, 279, 285, 289, 303, 307, 317, 363, 367, 371, 373, 375, 383, 386, 395, 411, 441 Gnostiker 47, 402 Gold 11, 123, 345, 421, 435 Gott passim – Erkenntnis Gottes 35, 75, 395 – Freund Gottes 163 – Furcht Gottes 26, 199, 391, 421, 431, 446, 453, 455 – Güte Gottes 167, 238, 335 – Name Gottes 217–219, 417, 423 – Schau Gottes 199, 201, 422 – Seele Gottes 461 – Selbstmitteilung Gottes 5 – Weisheit Gottes 190 – Wille Gottes 247, 433 – Wort Gottes 13, 20, 23, 31, 34, 61, 63, 71, 75, 83, 109, 111, 123, 130f., 139, 145, 151, 160f., 171, 179, 184f., 187, 191, 193, 205, 209, 223, 231, 256, 264, 323, 329, 331, 337–339, 349, 355, 357, 365, 383, 391, 394, 401, 407, 408f., 415, 423, 431, 432, 443, 445, 447, 449, 451, 457–459 Gottesdienst 322, 415 Gottesebenbildlichkeit 8, 20, 81, 87, 134f., 389, 423 Gotteslästerung 417–419, 421, 423, 425, 439 Gottlosigkeit 93, 103, 115, 457 Götzenbild 377, 383 Götzendienst 140 Grammatik 15, 185 Gregor der Große 174 Gregor Thaumaturgos 84 Gregor von Nazianz 46 Gregor von Nyssa 94

Namen und Sachen

Gürtel 214f., 217, 219, 311–313 gut, das Gute 29, 111, 113, 137, 147, 151, 253, 287, 302, 315, 325, 377, 381, 397, 407, 409, 418, 427, 431, 447, 452f. Haar 296–299 Habgier 231 Habicht 125 Habsucht 75, 390 Haggada 41 Halacha 41 Hals 125 Hand 75, 147, 153, 196f., 229, 239, 303, 323, 327, 331, 377, 431 – Handauflegung 93 Hanna 230, 358f. Hannas 69 Häresie 127 Häretiker 9, 39, 48, 52, 62, 138f., 160f., 257, 287, 344, 363, 402f., 417 Hase 43, 255 Hass 75 Haus 18 Haut 176f. Hebamme 431 Hebräisch 18 Heil 26, 85, 103, 177, 183, 195, 197, 199, 229, 236, 324, 327, 370, 375, 386, 391, 401, 431, 459 – Heilsgeschichte 34f., 48, 85, 403 – Heilsordnung 130 – Heilsplan 403 – Heilsvermittlung (dispensatio) 73, 87, 88f., 233, 347 – Heilswirken 321 Heilige(r) 67, 133, 137, 233, 239, 261, 273, 289, 297, 375, 377, 391, 392, 409, 415, 435, 439, 440f., 445 Heiligkeit/Heiligung 5, 27, 28, 29, 32–34, 41, 64, 149–151, 193, 201, 210, 269–271, 309, 334f., 355–359, 383, 411, 461



Heiligtum 11, 16 Heilung 279, 281, 285 Henne 291, 293–295 Heraclius 50 Hermas 90, 350, 353 Hermeneutik 8f., 13f., 46 Hermes 351 Herodas 138 Herodes 271 Herrlichkeit 28, 209, 241 Herz 8, 14, 20, 24, 33, 34, 37, 47, 63, 75, 93, 95, 107, 115, 119, 123, 135, 143, 153, 154, 157, 163, 168, 170f., 179, 196, 199, 201, 203, 207, 211, 213, 223, 229, 253, 303, 323–325, 333, 337, 339, 349, 350, 389, 390f., 405, 407, 409, 421, 431, 441, 443, 447, 449, 452f., 455, 459, 461 Hesychius von Jerusalem 4 Heu 169, 419–421, 435 Hexapla 19, 44, 96, 212 Hieronymus von Stridon 18, 27, 52, 325 Hippolyt von Rom 109 Hirt 82, 95, 125, 377 Hochmut 83, 299, 389f. Hoffnung 26, 95, 153, 199, 315, 333, 455, 461 Hohepriester 16, 17, 23, 25–28, 30, 33, 69, 72, 87, 89, 101, 103, 145, 147, 170, 173, 177, 205, 207, 209, 211–215, 217–219, 231, 243, 245, 277, 281, 309–311, 313, 321, 323, 325, 331–333, 335, 337, 339, 347, 351, 355–357, 370f., 386, 395, 459 Hölle 115, 327, 362 Holz 25, 71, 73, 169, 419–421, 435 Homer 14, 15 Homilie 4f., 6, 44f., 51, 63, 139, 277, 329, 403 Honig 6, 64f. Hosea 177



Register

Hrabanus Maurus 66, 90, 133, 137, 164, 174, 178, 181, 189, 191, 194, 196, 206, 220, 302, 387, 400, 415, 428, 444 Hülle 12f., 61, 63, 69, 71 Hund 109, 391 Hunger 329 Hure 385, 389 Hymnus 241 Ignatius von Antiochia 265 Ijob 249, 271, 397 Individualität 43 Inkarnation 61, 88, 253, 324f. Inspiration 5, 7, 15, 18 Irenäus von Lyon 428 Irrtum 26, 95, 97, 141, 175, 235, 239, 281, 451 Isaak 125, 239, 269, 375, 439, 445 Issachar 405 Jafet 439 Jakob 18, 89, 239, 425, 431, 439, 445 Jakobus 93, 366f., 399 Jeremia 45, 114, 233, 271, 279–281, 311–313, 387 Jerusalem 69, 235, 281, 345–347, 351, 365–367, 369, 381, 387 Jesaja 99, 141, 233, 279, 325, 331, 421, 440f., 455 Jesus 39, 67, 69, 70, 72, 73, 89, 97, 101, 123, 125, 147, 151, 169, 177, 197, 208f., 213, 235, 243, 253, 265, 268, 324, 335, 337, 343, 347, 349, 371, 373–377, 378f., 381, 441, 459 Jiftach 358 Johannes 123, 137, 141, 157, 233, 293, 321, 428, 439, 459 Johannes der Täufer 45, 271, 311–313, 375, 395 Jona 271 Jonas von Orléans 91, 102, 112 Joppe 247, 249

Josef 380f., 425, 429, 439 Juda 281, 405, 425 Judäa 395 Juden/Judentum 6, 9, 11, 13, 14, 18, 37–43, 47, 48, 62, 85, 103, 107, 110, 131, 149, 159–161, 163, 165, 187, 203, 213, 245, 255, 257, 259, 345, 347, 349, 351, 371, 373, 381–383, 385, 387, 393, 403, 437, 439–441, 454, 461 Jugend 287 Julius Africanus 62 Jungfrau 21, 49, 267, 268f., 381, 385, 387, 389, 391, 397, 457 – Jungfräulichkeit 94 Justin der Märtyrer 131, 292 Kadaver 107, 109, 111 Kain 167, 168, 421 Kaiser 349 Kajaphas 69 Kalb 23, 63, 67, 69, 71, 73, 79, 81, 83, 87, 89, 93, 95, 101, 117, 125, 179, 195, 313, 354, 357, 377 Kallimachos 184 Kamel 7, 42, 43, 255, 256f., 455 Kampf 29, 32, 34, 259, 329, 437, 439, 455 Karmesin 91 Kastration 353 Katechumene 208 katholisch 138f., 416f. Ketura 258 Keuschheit 27, 113, 145, 221, 309, 311, 313, 353, 369, 443, 447 Kind 67, 145, 151, 266f., 273, 275, 285, 287, 299, 347, 362, 374, 381, 443 Kirche 9, 13, 16, 18, 25, 33, 36, 39, 63, 66, 69, 71, 82, 85, 91, 99, 108f., 121, 132f., 139, 149, 151, 153, 159, 171, 173, 177, 187, 188, 195, 199, 201, 209, 221–223, 240f., 243, 253,

Namen und Sachen

255, 265, 267, 273, 299, 309, 319, 323, 329, 333, 335, 345, 347, 355, 359, 367, 381, 385, 386f., 389, 391, 403, 407, 414f., 420, 421, 441 Klage 95 Kleopas 339 Klippdachs 43, 255 Klugheit 74f., 109, 331, 447 Knochen 107, 239–243 König 127, 209, 229, 317, 344, 377 Korb 179 Körper 5, 6, 20, 21, 25, 29, 31, 36, 47f., 75, 87, 89, 133, 144, 161, 179, 210, 215, 228f., 235, 239, 249, 311, 327, 345, 363, 373, 375, 381, 427 Kohle 325–327, 335, 337, 339 Kraft 107, 117, 123 Krankheit 197, 279, 283, 373, 427, 443 Kreuz 39, 69, 73, 103, 233, 236, 291, 319, 337, 349, 351 Krieg 223, 259 Kuchen 183 Laie 173, 183 Lamm 28, 63, 65, 81, 95, 97–99, 117, 119, 275, 299–301, 321, 347 Laster 25, 26, 29, 31, 67, 83, 94, 107, 139, 175, 179, 188, 199, 203, 209, 215, 229, 287, 301, 317, 329, 417, 419, 443 Lazarus 315, 425 Leben 21, 35, 43, 52, 71, 83–85, 87, 94, 103, 115, 120, 131, 161, 167, 171, 221, 235, 253, 255, 257, 260f., 275, 277, 283, 285, 297, 309, 316, 329, 341–343, 353, 359, 369, 379, 383, 387, 399, 401, 403, 409, 418, 427, 447–449 – Ewiges Leben 87 – Lebensalter 72 Leber 117, 199 Lehm 11, 345, 347



Lehre 25, 26, 31, 52, 73, 109, 145, 151, 157, 171, 173, 175, 183, 185, 187, 199, 221, 223, 239, 247, 285, 287, 299, 303, 307, 313, 329, 351, 387, 393, 433, 443, 445, 447, 451 Lehrer 6, 9, 13, 50, 149, 153, 171, 223, 247, 264, 349, 391, 393, 443, 449, 457 Leiche 107–109, 111 Leinen 144f., 310–313 Lende 221 – Lendenschurz 221–223 Lesung 227, 267, 277, 325, 329, 445 Leuchter 395 Levi 227, 367, 405, 429 Levit 25, 173, 313, 335, 433, 439 Licht 21, 34, 35, 137, 154f., 167, 201, 217, 263, 301, 341, 343, 371, 379, 394–397, 459 Liebe 16, 20, 24, 30, 35, 71, 75, 87, 91, 93, 95, 137, 153, 171, 197, 235, 241, 257, 285, 337, 339, 341, 360f., 397, 421, 435, 461 Lippe 111, 113, 325–327, 331, 421 List 261, 373, 385 Liturgie 45 Logium 215, 217 Logos (Wort Gottes siehe Gott) 7f., 15, 70, 72, 74, 116, 120, 205, 264f., 386, 403, 451, 461 Lohn 437, 441 Los 313–319, 323–325, 347 Lösegeld 123 Löwe 7, 111, 179, 453–455 Lüge 39, 371 Lukas 367 Lust 84, 270, 287, 351 Manasse 413, 439 Mann 66f., 75, 149, 151, 269, 286f., 299, 317, 375, 385, 395 Manna 173



Register

Maria 13, 49, 61, 70, 94, 266f., 268f., 275, 317, 375, 381 Markion 62, 160, 287 Markioniten 402 Märtyrer 170 Martyrium 16, 24, 27, 29, 30, 91–93, 337 Mäßigung 447 Materie 116f., 375, 381, 419 Mathematik 119 Medizin 228, 265, 365 Meer 260f. – Meerungeheuer 271f. Mehl 63, 65, 79, 81, 83, 91, 95, 117, 119, 125, 147, 153, 155, 183, 301, 401–403 Mekhilta 40 Melchisedek 169, 309, 367, 371, 383, 386 Menander 184 Mensch 65–67, 79, 81–83, 87, 109, 165, 173, 188, 190, 197, 229, 243, 245–247, 250f., 253, 255, 261, 319, 323–325, 341, 343, 354f., 357, 370, 389, 393, 419, 422f., 425, 431, 449, 459–461 – Innerer Mensch 60f., 121, 175, 229, 243, 373, 375, 385, 423, 461 – Menschensohn 327 – Menschlichkeit 151, 363 Merlin, Jacques 54 Methodik 14–18, 40, 185 Methodius von Olympos 289, 420 Midrasch 15, 40, 41, 42, 66 Migne, Jacques-Paul 54 Mikrokosmos 21f., 370, 446 – Mensch als Mikrokosmos 165–167 Milan 263 Milch 6, 36, 72f., 145f., 183, 443 Mirjam 94 Mischna 40, 41, 42 Modell 345

Mond 22, 167 Mord 140, 213, 327, 383 Morgen 34f. Mose 9, 11, 12, 13, 22, 26, 36, 42, 61, 65, 85, 89, 109, 117, 131, 143, 145, 149, 153, 155, 159, 163, 165, 170f., 177, 195, 205, 207–211, 212f., 219, 221, 227, 247, 251, 267, 307, 332, 345, 361, 363, 367, 375, 377, 392f., 395, 411, 413, 415, 416, 419, 421–423, 429, 440f., 454, 459 Mühe 26, 199–201 Mund 67, 196, 257, 289, 417, 419, 421 Mutter 365–367, 369, 381, 413, 417, 421 Myrrhe 71, 333 Mysterium 5, 7, 8, 9, 10, 11, 16, 36, 38, 55, 71, 73, 83, 84, 89, 101, 115, 117, 119, 125, 127, 133, 135, 139, 145, 147, 151, 171–173, 179, 181, 183, 187–189, 190, 191, 193, 201, 203, 207, 211, 213, 219, 221, 222, 233, 239, 253, 264f., 269, 271, 293, 301, 307, 311, 325, 337, 339, 345, 347, 365, 391, 393, 397, 399, 400f., 409–411, 412f., 431 – Mysterienterminologie 233 Mystik 390 Nachahmung 5, 135, 147, 223, 235, 311, 383 Nachfolge 34, 349 Nachlässigkeit 121, 235 Nächstenliebe 27, 95 Nacht 34, 35, 179, 397 Nadab 307, 309, 339 Narbe 278–281, 283, 285 Nasiräer 296f., 359 Natter 7, 455 Natur 89, 135, 287, 291, 311, 317, 370f., 379, 386, 405, 419 – Naturgesetz 374, 421

Namen und Sachen

Nebel 8 Neid 20, 75, 231, 325, 389f., 455 Niere 79, 89, 116f., 175, 221 Noah 108, 439 Novatian 256, 454 Nüchternheit 228f. Obolus 141 Ochse 12, 277, 331 Ofen 65, 79, 83, 177–179 Offenbarung 7, 15, 16, 85, 190, 207, 215–217, 219–221, 223, 245, 281, 321, 345, 401 Ohr 61, 109, 119, 123, 303, 327 Öl 16, 31, 35, 36, 63, 65, 75, 79, 81, 83–85, 91, 93, 95, 117, 141, 147, 153, 155, 180f., 183, 294, 301, 303, 351, 377, 382f., 395–399, 411 – Chrisamöl 335 – Ölbaum 397–399, 448f. – Öllampe 395–397, 399, 411 – Salböl 33, 52 Onyx 333 Opfer passim Orakel 214f. Osten 339–341 Pädagogik siehe Erziehung Pamphilus von Caesarea 44, 276 Paradies 319, 447 Pascha 12, 97, 99, 120, 185, 321, 349 Passion 25, 73, 89, 91, 103, 117, 403 Patriarch 67, 107, 165, 439 Pauke 94 Paulinus von Nola 53 Paulus passim Perez 293 Perle 391 Person 405 Petrus 111, 137, 201, 209, 247–251, 253, 309, 330, 335, 392, 428, 459 Pfanne 155, 177, 179–181 Pfeil 284f., 333



Pferd 94 – Pferderennen 339 Pfingsten 39, 85 Pharao 270f., 428, 445 Pharisäer 9, 38, 105, 185, 351 Philologie 15 Philon von Alexandria 9, 14, 21, 39f., 42, 82, 95, 122, 133, 144, 160, 165, 176, 178, 194, 196, 212, 214f., 227, 228, 229, 230, 254, 270, 282, 283, 308, 340, 344, 369, 382, 400, 404, 414, 422, 423, 446 Philosophie 15, 40, 84, 228, 257, 351, 385 Pilatus 349 Platon 20, 144, 204, 316, 446 Plutarch 144 Posaune 321 Presbyter 25, 62, 132 Priester 9, 18, 22, 24, 25–28, 31, 37, 56, 61, 65, 69, 71, 73, 75, 79, 81, 87–89, 93, 117, 119, 141, 143–145, 147–149, 153–155, 157, 165, 169, 171–173, 175–177, 183, 187, 199–201, 203, 207, 209, 211, 219, 221–223, 227, 229, 231, 238, 269, 283, 285, 289, 293, 301–303, 309, 313, 317, 334, 335–337, 344, 347, 355, 370–373, 377, 379, 381, 383, 385, 387, 389, 391, 401, 428f., 433, 435 Prokop von Gaza 49f., 86, 226, 232, 244, 248, 250, 256, 260, 266, 273, 275, 276, 287, 288, 450 Prophet 9, 33, 107, 141–143, 222f., 239, 344f., 435, 441 Proselyt 66 Prosopopoiie 180 Purpur 143 Rabbiner 23, 41, 42, 178, 185, 273, 414, 416 Rabe 109, 263



Register

Rahab 293 Raub 133, 137–139, 261, 327, 383 Rebekka 268 Rechtfertigung 103 Regen 439–445, 447, 449 Reichtum 119, 122–125, 401, 425, 443 Reinheit 29, 32–34, 35, 42, 49, 250–253, 287, 295, 317, 319, 340, 349, 387, 397, 407, 431 Reinigung 133, 169, 175, 201, 207–209, 219, 249, 267, 269, 271, 273, 275, 277, 289–303, 327, 334, 363, 425, 433 Religion 89, 149, 159, 257 Reue 168, 359, 379, 433 Rhetorik 184f., 441 Rind 22, 24, 65, 67, 79, 85, 87, 91, 165, 355 Ring 303 Rom 43, 53 Rost 177, 179–181 Ruben 425 Rufinus von Aquileja 18, 48, 50–52, 53, 55, 86, 145, 197, 276, 284 Ruhe 115, 407 Ruhm 75, 285 Saba 315 Sabbat 213, 247, 346, 399, 406f., 439 – Sabbatjahr 189 Sacharja 324 Sakramente 251 Salbung 93, 205–207, 219, 300, 335, 351, 383 Salomo 9, 123, 349, 359, 381, 402, 405, 447, 451, 453 Salz 64f., 91, 398f. Samaritaner 131, 192 Same 49, 223, 266f., 269, 311, 381, 391, 443, 449 Samuel 296f., 359 Sanftmut 209

Sauerteig 95, 185, 329 Schaf 22, 24, 65, 79, 82f., 85, 90, 91, 95, 99, 109–111, 119, 125, 141, 143, 165, 253, 301, 313 Scham 105, 114 Schande 231, 311, 329 Scharlach 143, 291–295 Schatten 11f., 18, 23, 28, 39, 85, 99, 117, 123, 125, 161, 245, 247, 276–279, 345, 349, 360, 371, 392f. Schauspiel 327, 357 Schekel 33, 117, 119, 123, 125, 127, 141 Schelomit 413 Schild 333 Schlange 109, 249, 333, 453 Schleier 149, 185, 205, 277 Schmerz 235, 238f., 240, 279–281 Schmuck 217–221 Schnee 143, 441 Schönheit 125, 389 Schöpfung 21f., 37, 47, 88, 237, 370f., 397, 405 Schrecken 87, 91 Schriftgelehrter 105 Schuld 91, 93, 123, 189, 299, 327, 431, 432f. Schulter 196, 198f., 201, 213, 214, 219, 243, 244f. Schwachheit/Schwäche 66f., 75, 87, 101, 135, 210f., 329, 347, 443 Schwein 43, 255, 391 Schwert 457–459 Schwur 103, 105 Sebulon 405 Seele passim – Seele Christi 33, 72, 117, 195, 387 Segen 29, 56, 189, 437–439, 441– 443, 445, 451, 453, 459 Seligkeit 419, 443, 459 Sem 439 Septuaginta 18, 44, 45, 50, 64, 96, 197, 214f., 242, 272, 281, 326, 370, 376, 386f., 391, 398, 402, 430

Namen und Sachen

Seraphim 325–327 Sichem 214 Silber 11, 123, 127, 345, 421, 435 Simon 249 Simson 296 Sinai 205 Sinn 12, 55, 70, 97, 119, 135, 149, 155, 156, 171, 173, 175, 176, 177, 181, 185, 189, 214, 247, 250, 257, 309, 331, 337, 345, 380, 391, 417, 431, 441, 451 – Schriftsinn 5–11, 13f., 14f., 16, 18, 19, 21f., 28, 36, 38, 41, 42, 43, 46, 47, 60, 61, 71, 72f., 89, 103, 110, 113, 120, 127, 161f., 255, 278, 325, 333, 335, 411, 412f., 423, 428f., 437 – Sinn Christi 16, 181 Sinne 36, 50, 75, 121, 133, 145, 151, 253, 351, 385, 401, 453 – Geistige Sinne 121–123, 448 – Sinneswahrnehmung 50, 121, 283 Sklave 361, 461 Soldat 459 Sonne 22, 35, 167, 395, 452, 459 – Sonne der Gerechtigkeit 341, 395 Sophokles 398 Sorge 229, 375, 443 Soteriologie 238 Speise 6, 17, 34, 36, 72f., 85, 145f., 151, 153, 155–157, 179, 182f., 193, 213, 237, 243, 245, 247, 250–253, 261, 263, 329, 351, 353, 408f., 443, 451 Spiegel 221, 402 Spiritualität 4, 43 Spreu 449 Statue 345 Staunen 97 Steinigung 439 Sterblichkeit 210f. Stern 22, 167 Stier 373 Stoa 122



Stolz 20, 83 Strafe 32, 105, 115, 338, 360–363, 365, 369, 437 – Todesstrafe 32, 362, 423–425, 427 Stroh 169, 419–421, 435 Substanz 343, 370, 387, 403, 405 Substitutionstheorie 386f. Sueton 220 Sühne 175, 183, 233, 235, 347 Sünde passim – Sündenbekenntnis 30, 115 – Sündenvergebung 171, 273, 285, 299, 302, 349 – Todsünde 30, 140f., 174f., 285, 298, 364f., 379, 388, 389, 432 Susanna 62f. Symbol 65, 72 Symmachus 50, 281 Tadel 279–281, 289 Tag 34, 35, 154f., 397 Talmud 42 Tamar 293 Tapferkeit 447 Tau 441, 445 Taube 65, 78f., 81, 83, 90, 95, 117, 119, 125, 267, 269, 275, 291 – Turteltaube 65, 79, 81, 82f., 90, 95, 117, 119, 125, 267, 269, 275, 291 Taufe 10, 25, 27, 30, 33, 73, 90–92, 93, 108, 138, 208f., 219, 273, 288, 292f., 317 – Kindertaufe 272f. Täuschung 67, 451, 457 Teilhabe 21, 72, 108, 341–343, 439 Tempel 16, 22f., 28, 33, 42, 94, 120, 132, 149, 151, 157, 219, 323, 335, 345–347, 355–357, 359, 386, 395, 405 Tertullian von Karthago 90, 109, 138, 240, 340, 376



Register

Teufel 30, 66, 74, 90, 93, 111, 115, 125, 135, 179, 265, 271, 287, 317, 318, 333, 341, 343, 372, 389, 409, 427, 435, 453, 455, 459 Theater 383 Theodoret von Cyrus 3, 248, 250, 256 Tier 17, 28, 32, 33, 42f., 56, 95, 107, 108–111, 153, 165, 167, 179, 191, 193, 195, 199, 211, 243, 244, 245–247, 249, 250, 253–255, 259, 263, 313, 317, 333, 354f., 357, 452–455 Timotheus 135 Tod 21, 30, 52, 63, 93, 101, 103, 115, 171, 237, 261, 334, 341–343, 363, 364f., 369, 379, 388, 427, 457 Tora 22, 41, 42 Torheit 447 Tosefta 41 Tradition 357 Träne 31, 92, 93, 95 Trauer 238f. Trinität 51, 52, 88, 201, 243, 249, 301, 403–405 – Gott Vater 173, 191, 203, 204f., 235, 236f., 241, 245, 249, 263, 303, 319, 321, 323, 337, 339, 361, 365–367, 369, 371, 376f., 379, 381, 392, 402–405, 407, 417, 441, 442, 447 – Sohn Gottes 72, 91, 130, 137, 167, 169, 173, 191, 223, 245, 249, 303, 309, 370, 379, 386, 402–405, 407, 461 – Heiliger Geist 8, 10, 15, 22, 31, 32, 36, 63, 77, 83, 85, 116, 117, 129, 130, 135, 137, 151, 157, 160, 167, 173, 191, 203, 208f., 221, 223, 225, 249, 263, 269, 271, 292f., 303, 307, 311, 339, 386, 392, 395, 401, 403, 411, 455 Trunkenheit 228–231, 233, 270, 443 – Heilige Trunkenheit 231

Tugend 5, 21, 25, 29, 31, 32, 67, 71, 73, 75, 87, 91, 12, 183, 211, 215, 221, 229, 287, 301, 308, 315, 317, 331, 337, 353, 373, 439, 443, 446–449, 453 – Kardinaltugenden 446f. Turban 215, 216f., 219, 313, 379 Typologie 8, 10f., 16, 23, 25, 27, 72f., 83, 85, 89, 117, 125, 149, 155, 199, 345, 349, 371, 379, 393 Typos 10, 11, 13, 16f., 18, 31, 35, 39, 101, 115, 125, 127, 131, 149, 155, 171, 186f., 196, 212f., 214, 231, 235, 253, 277, 291, 293, 301, 303, 307, 309, 311, 317, 319, 325, 337, 345, 347, 349, 371, 373, 393, 401, 405, 406f., 435, 455, 459 Übersetzung 48, 49f., 51f., 96f., 145 Übung 109 Umkehr 333–335 Ungerechtigkeit 115, 273, 343, 427, 447, 457 Unglaube 103, 259 Unrecht 21 Unreinheit 107, 111, 191–195, 201, 259, 267, 271, 273, 275, 289, 291, 295, 297, 309, 317, 378–381, 421, 457 Unsterblichkeit 210, 341–343 Unterwelt 319, 427 Unwissenheit 101 Unzucht 20, 389f., 455, 457 Urija 433 Urim und Tummim 214f. Valentinus 160, 287 Verdammnis 103 Verdienst 26, 108, 175, 189, 221, 223, 239, 250, 253, 375, 397, 401, 409 Verfolgung 455 Vergebung 12, 30, 31f., 85, 90–93, 94f., 115, 125, 127

Namen und Sachen

Vergil 398 Verheißung 207, 233, 239, 309, 419, 458 Vernunft 43, 50, 67, 71, 74f., 83, 91, 109, 111, 113, 135, 167, 171, 215, 217, 219, 257, 261, 282f., 287, 325, 404f., 409 Versöhnung 269, 303, 321–323, 339, 349, 399 – Versöhnungstag 307, 319–323 Verstand 85, 135, 187, 229–231, 249, 257, 393 Versuchung 455 Vogel 22, 24, 65, 79, 85, 91, 191, 193, 245, 247, 249, 251, 261, 452f. Volk 11, 26, 36, 38, 42, 43, 46, 63, 81, 86f., 89, 95–99, 101–103, 105, 108, 123, 132, 145, 147, 155, 169–171, 177, 183, 187, 211, 215, 223, 229, 241, 279, 309, 313, 315, 321, 335, 347, 349, 363, 393, 395, 399, 401, 407, 411 – Volk Israel 35, 95, 163, 165, 173, 193, 195, 199, 201, 205, 222f., 241, 243, 267, 313, 386, 395, 399, 405, 411, 422, 459 – (Heiden-)Völker 117, 151, 195, 239, 271, 349, 357, 383, 386, 429 Vollkommenheit 25, 37, 67, 73, 120, 135, 145, 178, 179, 182f., 237, 239–241, 302f., 331, 374, 433, 457 Vorsehung 261, 330f. Vorwort 162, 226 Vulgata 18, 27, 78, 220, 272, 321, 326, 360, 364, 370, 376, 386, 391, 430 Wahnsinn 283 Wahrheit 11, 15, 16, 27, 28, 38, 39, 63, 72, 84, 85, 95, 105, 113, 127, 131, 136, 144, 149, 153, 161, 173, 215–217, 219, 221, 222, 239, 245, 247, 276–279, 309, 321, 337, 341,



343, 346f., 349, 351, 371, 393, 401, 417, 421 Waise 141, 353 Wasser 73, 92, 125, 259–261, 293– 295, 297, 299, 329, 353, 441, 442 Weg 257, 343 Weihe 207, 219 Weihrauch 34, 63, 79, 81, 85, 91, 147, 153, 181, 331–333, 335, 337, 399, 407 Wein 227–229, 230–235, 237, 239, 243, 296, 317, 329, 351, 353, 359, 449 – Weinstock 235, 243 Weiser 144, 175, 457 Weisheit 5, 10, 72, 84, 87, 108, 122–125, 145, 175, 194, 199, 211, 215, 217, 219, 221, 228, 258f., 313, 330, 351, 353, 361, 373, 375, 379, 386, 403, 441, 443, 447–449, 451, 461 Welt 32, 33, 35, 36, 43, 84, 121, 139, 145, 147, 161, 167, 169, 193, 205, 229, 243–245, 256f., 259–261, 275, 315–317, 325, 350, 357, 359, 395, 397, 403, 406f., 411, 443, 451 Werk 16, 24, 25, 27, 31, 33, 67, 75, 89, 121, 123, 153, 193, 197, 198f., 201, 203, 213–215, 217, 219, 237, 241, 244f., 253, 259, 261, 297, 301, 303, 327, 331, 333, 373, 375, 377, 397, 399, 401, 402f., 407, 418f., 431, 433, 443 Wettkampf 437 Widder 83, 95, 99, 117–119, 123, 125, 141–143, 163, 173, 313, 354 Wiedergeburt 151 Wille 191, 237, 241, 245, 289, 383, 386, 395, 405, 411 – Freier Wille 324, 374f. Wissbegierde 138 Wissen 215, 270, 393 Witwe 109, 143, 353, 385, 389



Register

Woche 275 – Wochenfest 321 Wolf 109, 111 Wolke 440 Wolle 143 Wunde 235, 279–281, 283, 285, 334 Wunder 63, 170, 205 Würde 221, 381 Wüste 313–315, 317, 319, 323, 325, 347, 349, 393 Ysop 91, 291, 293, 295 Zahl 35–37, 119–121, 402f., 407, 457 Zedernholz 91, 290f., 293 Zeit 34f., 275 – Zeitmangel 80, 115, 226, 242, 247, 274, 276f.

Zelt 18, 28, 67, 173, 209, 223, 237, 331, 341, 343, 393, 458 Zerknirschung 279–281, 333–335 Zeuge 103, 105, 111 Zeugung 223 Ziege 22, 24, 79, 81, 83, 85, 90f., 97, 165 Zirkus 339 Zizit 70 Zorn 20, 75, 83, 93, 113, 117, 171, 199, 213, 231, 271, 283, 285, 325, 329, 339, 389f., 455 Zufall 323 Zunge 229 Zustimmung 103 Zuversicht 169, 397