With the exception of one other homily, Origen’s Homilies on the Book of Jeremiah are his only sermons that have been ha
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German Pages 734 Year 2018
Table of contents :
Inhalt
Einleitung
I. Die Sonderstellung Der Jeremiahomilien Des Origenes
Ii. Der Text Der Jeremiahomilien
1. Die Abfassungszeit
2. Anzahl Und Erhaltungszustand
3. Fragmente In Den Katenen
4. Die Lateinische Übersetzung Des Hieronymus
5. Die Neuzeitliche Entdeckung Und Edition Der Griechischen Jeremiahomilien
III. Der Inhalt Der Jeremiahomilien
1. Christentum Und Judentum In Caesarea
2. Origenes Und Jeremia: Prophetengeschick Und Predigerschicksal
3. Aspekte Menschlicher Freiheit
4. Gottes Soteriologische Täuschungen
Die Homilien Des Origenes Zum Buch Jeremia
Origenes Werke mit deutscher Übersetzung 11
Origenes Werke mit deutscher Übersetzung Im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Forschungsstelle Origenes der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster herausgegeben von Alfons Fürst und Christoph Markschies
Band 11
De Gruyter
Origenes Die Homilien zum Buch Jeremia Eingeleitet und übersetzt von Alfons Fürst und Horacio E. Lona
De Gruyter
ISBN 978-3-11-028605-2 e-ISBN 978-3-11-028614-4 Library of Congress Control Number: 2018949273 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Einbandgestaltung: Martin Zech, Bremen Satz: Markus Schmitz, Büro für typographische Dienstleistungen, Altenberge © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort Dieser Band in der Reihe der Werke des Origenes mit deutscher Überset zung, der die erhaltenen griechischen und lateinischen Jeremiahomilien des Origenes sowie die selbstständigen griechischen Fragmente aus der Philokalie und den Katenen enthält, hat eine so lange Entstehungsgeschichte, dass ich deren Stationen nicht unerwähnt lassen möchte. In der ihm eigenen zügigen Arbeitsweise hat Horacio Lona in den Jahren 2007 und 2008 eine Rohübersetzung der Homilien erstellt, die er alsbald um die Fragmente komplettierte. In dieser Anfangsphase habe ich als Vorbereitung auf die Beschäftigung mit diesem origeneischen Corpus auch schon den ersten Teil der Einleitung über den textlichen Zustand der Jeremiahomilien und deren Überlieferung geschrieben (Kap. I und II). Noch in der Zeit meines Dekanats an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, die mir ansonsten wenig Freiraum für wissenschaftliches Arbeiten ließ, vermochte ich in den Jahren 2009 und 2010 die Übersetzung der ersten fünf Homilien zu bearbeiten und zu kommentieren. Diese Arbeit konnte ich während eines anschließenden einjährigen Fellowships am Department of Classics der Princeton University zügiger fortsetzen. Bis August 2011 war so die Übersetzung der Homilien 1–12 überarbeitet und um die Kommentierung in den Fußnoten ergänzt. Nach einer ersten Unterbrechung gelangte diese Arbeit während eines mehrwöchigen Aufenthalts als Visiting Fellow an der Graduate Theological Union in Berkeley im März 2012 bis zur 15. Homilie. Der Plan, den Band danach zügig zu vollenden, wurde in den Folgejahren allerdings durch immer wieder andere Verpflichtungen und die Fertigstellung einer Reihe von anderen Büchern vereitelt. Erst im Herbst 2016 vermochte ich, nachdem ich die Fragmente schon im Juli 2016 durchgegangen war, die Arbeit daran wieder konzentriert aufzunehmen und die Homilien 16–20 und die beiden nur lateinisch erhaltenen Predigten in der genannten Weise zu bearbeiten. Das Enddatum dieser Bearbeitung, den 24.11.2016 für die griechischen und den 08.12.2016 für die beiden lateinischen Homilien, habe ich mir voller Erleichterung in die beiden Bände meiner Origenesausgabe notiert. Ein zweiter Durchgang durch alle Texte und die Endrevision erfolgten nach erneuter Unterbrechung schließlich während eines einjährigen Forschungsaufenthalts am Israel Institute for Advanced Studies an der Hebrew University in Jerusalem von September 2017 an. In dieser Zeit, die von der Arbeit in der Forschergruppe über Konzepte von Individualität und Subjektivität in der Antike und damit zusammenhängenden vielfachen Aktivitäten
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Vorwort
reichlich gefüllt war, entstand auch der zweite Teil der Einleitung über den Inhalt der Jeremiahomilien (Kap. III), so dass um Ostern 2018 endlich alles in Satz und Druck gegeben werden konnte. Den Kolleginnen und Kollegen in Jerusalem, insbesondere Maren R. Niehoff, bin ich für die inspirierende und freundschaftliche Atmosphäre in dieser Zeit aufrichtig verbunden. Auch an die früheren Entstehungsorte, besonders in Princeton und Berkeley, und die dortigen Kontakte denke ich dankbar und gerne zurück. Dank sage ich den Studentischen Hilfskräften am Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Lisa Rüschenschmidt, Paul Schroeter und jüngst Nora Enderlein, für die Erstellung der Stellenregister und die Mitarbeit beim Sach- und Namenregister, vor allem aber meiner Wissenschaftlichen Mitarbeiterin an der Forschungsstelle Origenes, Anne Achternkamp, für ihre höchst engagierte und zuverlässige Zuarbeit unterschiedlichster Art. Der größte Dank gebührt allerdings Horacio Lona für seine nicht endende Geduld, mit der er die Fertigstellung dieses Bandes abgewartet hat. Jerusalem, Ostern 2018
Alfons Fürst
Inhalt Einleitung I. Die Sonderstellung der Jeremiahomilien des Origenes . . . . . . . . . 3 II. Der Text der Jeremiahomilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Abfassungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anzahl und Erhaltungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fragmente in den Katenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die lateinische Übersetzung des Hieronymus . . . . . . . . . . . . . . 5. Die neuzeitliche Entdeckung und Edition der griechischen Jeremiahomilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 6 10 19 25 28
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Christentum und Judentum in Caesarea . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Der Antijudaismus des Origenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Juden und Christen in Caesarea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 c) Origenes und die jüdische Bibelauslegung . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Origenes und Jeremia: Prophetengeschick und Predigerschicksal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Aspekte menschlicher Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Kompatibilistischer Libertarismus: Selbstbestimmung des Menschen und Vorsehungshandeln Gottes . . . . . . . . . . . . . . 64 b) Universales Gelingen oder ewiges Scheitern der Freiheit? . . . 74 c) Achtsamkeit und Selbstsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 d) Einzigartige Individualität: Der einzelne Mensch im Freiheitsdenken des Origenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4. Gottes soteriologische Täuschungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Ein cartesischer Betrügergott avant la lettre? . . . . . . . . . . . . . 88 b) Die antike Tradition der „nützlichen Lüge“ . . . . . . . . . . . . . 93 c) Pädagogik der Täuschung als Einführung in die Wahrheit . . . 95 d) Das Geheimnis der Hölle und die Wahrheit über die Strafen . 99
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Inhalt
Die Homilien des Origenes zum Buch Jeremia Homilie 1 (über Jer. 1,2–10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 2 (über Jer. 2,21f.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 3 (über Jer. 2,31–?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 4 (über Jer. 3,6–11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 5 (über Jer. 3,22–4,8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 6 (über Jer. 5,3–5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 7 (über Jer. 5,18f.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 8 (über Jer. 10,12–14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 9 (über Jer. 11,1–10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 10 (über Jer. 11,18–12,9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 11 (über Jer. 12,11–13; 13,1–11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 12 (über Jer. 13,12–17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 13 (über Jer. 15,5–7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 14 (über Jer. 15,10–19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 15 (über Jer. 15,10; 17,5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 16 (über Jer. 16,16–17,1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 17 (über Jer. 17,11–16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 18 (über Jer. 18,1–16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 19 (über Jer. 20,1–7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie 20 (über Jer. 20,7–12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homilie lat. 1(3) (über Jer. 27,23–29 LXX; 50,23–29 MT) . . . . . . . . . Homilie lat. 2(2) (über Jer. 28,6–9 LXX; 51,6–9 MT) . . . . . . . . . . . . .
109 145 155 159 177 213 223 231 251 267 283 295 327 337 375 391 415 429 463 487 527 551
Fragmente Die Fragmente aus der Philokalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 Die selbstständigen Fragmente aus der Prophetenkatene . . . . . . . . . . . 583 Bibliographie Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 Register Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673 Origenesstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692 Namen und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 708
Einleitung
I. Die Sonderstellung der Jeremiahomilien des Origenes In der Spätantike konnten Theologen, die sich dafür interessierten, von Origenes hunderte von Predigten lesen. Zum Bestand seiner Werke in der kirchlichen Bibliothek von Caesarea in Palästina gehörten, ausweislich des darauf beruhenden Verzeichnisses des Hieronymus, 462 Homilien über nahezu sämtliche Schriften des Alten und viele des Neuen Testaments.1 Wahrscheinlich hat Origenes als Presbyter in Caesarea in den beiden Jahrzehnten vor der Mitte des 3. Jahrhunderts noch mehr Predigten gehalten. Es wurden aber weder alle mitgeschrieben noch alle mitgeschriebenen veröffentlicht. Von den einst vorhandenen Homilien sind knapp zweihundert (genau: 196) von sehr unterschiedlicher Länge in den um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert angefertigten lateinischen Übersetzungen erhalten geblieben (118 von Rufinus von Aquileja, 78 von Hieronymus).2 Nur fünfzig hingegen sind in der originalen Sprache Griechisch erhalten, nämlich neben einer Predigt über die Wahrsagerin von Endor (1 Sam. 28)3 29 Homilien über die Psalmen und 20 über das Buch Jeremia. Vor der völlig überraschenden Entdeckung der griechischen Psalmenhomilien im Jahre 2012 in der Bayerischen Staatsbibliothek in München4 lagen sogar nur 21 Homilien des Origenes in der Originalsprache vor. Nichts vermag das Ausmaß der Vernichtung der Hinterlassenschaft des Origenes, die nach seiner Verurteilung als Häretiker im 6. Jahrhundert im frühbyzantinischen Reich ins Werk gesetzt wurde, besser 1
Hieronymus, epist. 33,4 (CSEL 54, 257f.). Da dieses Verzeichnis Fehler und Lücken aufweist, ist eine deutlich höhere Zahl anzunehmen. Altaner/Stuiber, Patrologie 201, sprechen von „etwa 574 Homilien“ (übernommen von Schadel, BGrL 10, 17), doch wird nicht klar, wie sich diese Zahl errechnet. 2 Trigg, Origen 39, spricht von 205 Homilien in lateinischer Übersetzung, und weil Crouzel, Origène 72f., die 74 Psalmenhomilien des Hieronymus als (vermutliche) Übersetzung von Origeneshomilien dazuzählt, kommt er auf eine Gesamtzahl von 279 Homilien. Die richtigen Zahlen bei Neuschäfer, Origenes als Philologe 347 Anm. 243, der allerdings Hieronymus nur 77 Homilien zuschreibt, da er die 9. Jesajahomilie offensichtlich nicht als echt anerkennt, was sie aber ist (siehe dazu Fürst/ Hengstermann, OWD 10, 23–27). 3 Herausgegeben von A. Fürst in OWD 7, Berlin u. a. 2014, 201–237. 4 Die editio princeps wurde herausgegeben von L. Perrone in Zusammenarbeit mit M. Molin Pradel (der Entdeckerin der Handschrift), E. Prinzivalli und A. Cacciari: GCS Orig. 13 (GCS N. F. 19), Berlin/München/Boston 2015.
Einleitung
zu illustrieren als diese Zahlen. Zugleich weisen sie auf die außerordentliche Bedeutung der Jeremiahomilien hin: Zusammen mit der Samuelhomilie und den Psalmenhomilien sind sie eines der wenigen authentischen Zeugnisse für die Predigttätigkeit des Origenes. Auch im Rahmen der Auslegung des Buches Jeremia in der altkirchlichen Exegese und Theologie kommt den Jeremiahomilien des Origenes – der frühesten zusammenhängenden Erklärung dieses Propheten – eine Sonderstellung zu.5 Kommentare und Predigtreihen zu diesem biblischen Buch sind nur wenige geschrieben worden. Der Kommentar des Johannes Chrysostomus,6 von dem es eine Homilie über Jer. 10,23 gibt,7 ist bis auf Katenenfragmente ebenso verloren wie der des Theodor von Mopsuestia.8 Der umfangreichste Jeremiakommentar (einschließlich Baruch und Klagelieder zehn Bücher), der aus der Zeit der Alten Kirche erhalten ist, stammt von Theodoret von Kyrrhos aus dem 5. Jahrhundert.9 Im 6. Jahrhundert verfasste ein alexan drinischer Diakon namens Olympiodor einen Jeremiakommentar, der auch die Septuaginta-Anhänge (Baruch, Klagelieder, Brief Jeremias) umfasst und bislang nicht ediert ist.10 Den einzigen altkirchlichen Jeremiakommentar in lateinischer Sprache schrieb Hieronymus in den Jahren von 414 bis 416 als letzten in der Reihe seiner Prophetenkommentare; aufgrund misslicher äußerer Umstände blieb er allerdings unvollendet.11 Ferner gibt es in der Katenenüberlieferung zahlreiche Fragmente über Jeremia aus den Werken verschiedener Kirchenväter, beispielsweise von Gregor dem Wundertäter, der wohl eine Homilie über Jeremia gehalten hat, von Apollinaris von Laodizea, von einem antiochenischen Presbyter namens Viktor, von Polychronius, dem Bischof von Apameia, dem die dem Johannes Chrysostomus zugeschriebenen
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Siehe für die folgenden Informationen Dassmann, Jeremia 588–602. Ein Fragment daraus zu Jer. 6,2–4 hat Miller, Folio, herausgegeben. Aus der Ausgabe von B. de Montfaucon, Paris 1718–1738, abgedruckt in PG 56, Paris 1859, 153–162. 8 Bezeugt in der Chronik von Seert (PO 5, 290) und im Verzeichnis syrischer Schriftsteller des Ebedjesus bar Berika von 1317/18 (nach J.-S. Assemani, Bibliotheca Orientalis, Bd. 3/1, Rom 1725, 31f., zitiert bei Bardenhewer, Geschichte III, 314). 9 Die Ausgabe von J. L. Schulze/J. A. Noesselt, 5 Bde., Halle 1769–1774, die ihrerseits auf der Edition von J. Sirmond, 4 Bde., Paris 1642 (Nachtrag dazu von J. Garnier, Bd. 5, Paris 1684), beruht, ist abgedruckt in PG 81, Paris 1864, 495–806. 10 Er ist in der vatikanischen Handschrift Barberinus graec. 549 (vormals V. 45) fol. 119– 194v aus dem 9./10. Jahrhundert erhalten. Der Anfang (über Jer. 1–5) ist verstümmelt; die Erklärung setzt bei Jer. 5,19 ein. 11 Ediert von S. Reiter, CSEL 59, Wien/Leipzig 1913 (Nachdruck New York/London 1961), abgedruckt in CChr.SL 74, Turnhout 1960. Die Kommentierung reicht bis einschließlich Jer. 39 LXX (32 MT). Zum abrupten Ende des Kommentars siehe Fürst, Hieronymus 72f. 123f.
I. Die Sonderstellung der Jeremiahomilien des Origenes
über 760 Scholien vermutlich gehören,12 sowie 124 Scholien von Theodoret und über tausend von Olympiodor.13 Außerhalb exegetischer Werke sind einzelne Stellen aus dem Buch Jeremia in der antiken christlichen Literatur von verschiedenen Autoren in unterschiedlicher Auswahl und Dichte verwendet worden, meist zur Illustrierung bestimmter Sachverhalte, eher selten in expliziter Reflexion auf ihre Bedeutung im Kontext des Jeremiabuches.14 Die altkirchliche Auslegung des Propheten Jeremia müsste einmal eingehender untersucht werden, als dies bislang geschehen ist. Allerdings müssten dazu erst die textlichen Grundlagen geschaffen werden, in erster Linie durch eine kritische Edition der spätantiken Kommentare des Theodoret und des Olympiodor sowie der vielen Fragmente in den Katenen. Schon jetzt lässt sich freilich auf der Basis des bislang Bekannten sagen, dass in der Alten Kirche weder in den exegetischen Schriften noch in den gelegentlichen Rekursen je wieder der spirituelle Elan und die theologische Intensität erreicht worden sind, mit denen Origenes das Buch Jeremia in seinen Predigten erklärt hat.
12 Siehe dazu die Hinweise in CPG 4447 zu PG 64, 740–1037. 13 Zu den Katenenscholien siehe Faulhaber, Propheten-Catenen 86–129. Die Olym-
piodor-Scholien sind abgedruckt in PG 93, Paris 1865, 627–726. 14 Viele Beispiele dafür bei Dassmann, Jeremia 558–563 (Neues Testament). 564–588
(frühchristliche Literatur). 602–623 (Blütezeit der Patristik).
II. Der Text der Jeremiahomilien 1. Die Abfassungszeit Einen Kommentar zum Propheten Jeremia scheint Origenes, anders als zu Jesaja und Ezechiel, nicht geschrieben zu haben. Jedenfalls ist von einem solchen nicht die leiseste Spur vorhanden. Wohl aber hat Origenes über das Buch Jeremia gepredigt. Da äußere Zeugnisse fehlen, ist eine Datierung dieser Predigten nur auf der Basis von textinternen Indizien möglich.15 Aus der Bemerkung, dass von ihm mehr verlangt werde als von einem Diakon, und aus dem Hinweis auf „uns, die Presbyter“ ergibt sich zweifelsfrei, dass Origenes Priester war, als er diese Predigten hielt.16 Daraus folgt, dass die Jeremiahomilien wie alle seine Predigten in Caesarea in Palästina entstanden sind, wo Origenes 231/32 zum Priester geweiht worden war und wohin er bald danach von Alexandria übersiedelte. Weitere Bemerkungen verhelfen zu einer Einordung der Jeremiahomilien in eine grobe relative Chronologie. So griff Origenes in der 8. Homilie seine Auslegung von Ps. 134(135),7 auf, und in der 18. Homilie wies er auf seine Auslegung von Ps. 140(141),2 zurück.17 Demnach hat er vor Jeremia über die Psalmen gepredigt (jedenfalls über diese beiden). Nach den Jeremiahomilien entstanden die Homilien über das Buch Numeri, das Buch Josua und den Propheten Ezechiel. In der 12. Jeremiahomilie wies er auf die baldige Lesung und Erklärung des Buches Numeri voraus,18 in den Josua- und Ezechiel
15 Diskussion der relevanten Stellen (und der älteren Literatur) bei Klostermann,
Überlieferung 5–10; ders., GCS Orig. 3, ix–x; Nautin, SC 232, 15–21. 16 Origenes, in Hier. hom. 11,3 (GCS Orig. 32, 81): „Von mir wird mehr verlangt als
vom Diakon“; 12,3 (32, 89): „Ich weise auf uns, die Presbyter, hin“. 17 Ebd. 8,3 (32, 58): „Diese Aussage kam neulich auch im Psalm vor, und wir besprachen,
wie Gott ‚Wolken vom Ende der Erde aufsteigen ließ‘ (vgl. Ps. 134[135],7). Diese Erklärung muss wieder aufgegriffen werden, und zwar für die, die sie noch wissen, zur Klärung und Einprägung des Gesagten, für die aber, die sie vergessen haben oder die nicht da waren, zur Erläuterung“; 18,10 (32, 164): „Wenn wir aufgreifen, was wir neulich zum 140. Psalm gesagt haben, …“ 18 Ebd. 12,3 (32, 89): „Nicht in ferner Zukunft, sondern nach der Erklärung des prophetischen Wortes (sc. im Buch Jeremia) werden wir etwas (sc. über den priesterlichen Segen) erfahren, wenn das Buch Numeri vorgelesen wird.“
II. Der Text der Jeremiahomilien
homilien umgekehrt je einmal auf seine Ausführungen über Jeremia zurück.19 Nicht sicher zu sagen ist, ob Origenes die Levitikushomilien vor oder nach den Jeremiahomilien gehalten hat. Sein Hinweis darin auf eine Erklärung zu Johannes dem Täufer und Jeremia suggeriert zwar, die Jeremiahomilien vor den Levitikushomilien einzuordnen, doch klingen seine Worte nicht so, als würde er sich auf eine Auslegung des Buches Jeremia beziehen. Zudem ist die angesprochene Interpretation in diesen nicht zu finden: „Als wir einmal über Johannes den Täufer und andernorts über Jeremia sprachen und die Aussage erklärten, dass Jeremia einen Gürtel, Johannes aber einen Gürtel aus Fell um die Lenden gehabt habe, da haben wir zur Genüge gezeigt, inwiefern durch diese Hinweise klar gemacht wird, dass jener Teil des Körpers bei Männern dieser Art so abgestorben ist, dass man überzeugt ist, weder ein Levit noch irgendjemand anderer habe sich in ihren Lenden befunden (vgl. Hebr. 7,9f.), sondern einzig und allein Keuschheit und vollkommene Reinheit.“20 Andererseits klingt seine Ausdrucksweise, die Erörterung einer aus dem Propheten Jeremia herangezogenen Stelle erfolge zu einer anderen Zeit (alterius temporis), eher so, dass dies erst noch geschehen wird, doch bedeutet sie strenggenommen nur, dass er jetzt nicht über Jeremia redet: „Es erfordert jedoch zu viel Zeit und eine andere Gelegenheit (alterius temporis), die aus dem Propheten herangezogenen Belegstellen (Jer. 20,14) zu erklären; denn jetzt haben wir uns vorgenommen, nicht die Lesung aus dem Buch Jeremia, sondern die aus dem Buch Levitikus zu kommentieren.“21 Sollte freilich ersteres der Fall sein, sind die Levitikushomilien chronologisch vor den Jeremiahomilien einzuordnen. Demnach ergibt sich aus diesen Daten als relative Chronologie, dass die Jeremiahomilien nach den Psalmenhomilien (und vielleicht nach den Levitikushomilien) und vor den Homilien über Numeri, Josua und Ezechiel entstanden sind. Zudem ist aus den vermerkten Stellen zu folgern, dass alle diese Homilien vor derselben Zuhörerschaft gehalten worden sein müssen, wenn diese Querverweise einen Sinn haben sollen. Kaum präziser fallen mögliche Aussagen über die absolute Chronologie aus. Die Hypothese von Pierre Nautin, sämtliche Homilien des Origenes in einen fortlaufenden dreijährigen Zyklus von gottesdienstlichen Lesungen mit zugehöriger Predigt in den Jahren zwischen 238 und 241 oder eher 239 bis 242 zu datieren,22 ist mittlerweile widerlegt und muss hier nicht erneut 19 In Ios. hom. 13,3 (GCS Orig. 7, 373): „Wie wir damals sagten, als wir den Jeremia er-
örterten“; in Hiez. hom. 11,5 (GCS Orig. 8, 431): „… zu der Zeit, da wir den Jeremia auslegten“. 20 In Lev. hom. 9,2 (GCS Orig. 6, 420f.). In den Ausführungen über den Gürtel Jeremias (Jer. 13,1–14) in Hier. hom. 11,5f. (GCS Orig. 32, 82–85) kommt dieser Gedanke nicht vor. 21 In Lev. hom. 8,3 (GCS Orig. 6, 397). 22 Nautin, Origène 389–409.
Einleitung
diskutiert werden.23 Nautins Datierung der Jeremiahomilien zwischen 241 und 244 (nicht nach 245) bzw. gegen oder um 242 – die Zahlen als solche sind widersprüchlich – steht im Kontext dieser Hypothese und daher auf schwachen Füßen.24 Ob für die Jeremiahomilien eher eine frühere oder eher eine spätere Datierung anzusetzen ist, ist schwer zu sagen. Auf eine frühere Datierung deuten die zahlreichen Rückverweise im Hoheliedkommentar auf die nach den Jeremiahomilien gehaltenen Numerihomilien.25 Wenn die zweite Reise nach Athen, wo Origenes laut Eusebius mit der Arbeit an diesem Kommentar begonnen hat,26 in die Regierungszeit des Kaisers Gordian III. von Januar/ Februar 238 bis Anfang 24427 zu datieren ist, wie der Kontext bei Eusebius nahelegt, oder mit Nautin in das Jahr 245,28 hat er vor 244/45 über das Buch Jeremia gepredigt. Auf eine spätere Datierung hingegen führt die oft bezweifelte Nachricht des Eusebius, Origenes habe erst unter Kaiser Philippus Arabs (Anfang 244 bis September/Oktober 249)29 im Alter von über sechzig Jahren gestattet, seine Predigten mitzuschreiben.30 Da Origenes um 185 geboren wurde,31 führt diese Notiz in seine letzten Lebensjahre nach 244/45. Sollte die Bemerkung über den γέρων in der achtzehnten Jeremiahomilie – über den „Alten“, der mit Kindern redet – auf Origenes selbst zu beziehen sein, hieße das: Origenes war ein alter Mann, als er diese Predigt hielt.32 Das 23 Für die Kritik siehe bes. Grappone, Cronologia; ders., Contesto liturgico; ferner
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Fürst/Hengstermann, OWD 10, 20–22, mit dem Nachweis, dass die Jesajahomilien nicht in den von Nautin postulierten Zyklus passen. Auch aus den neuentdeckten Psalmenhomilien ergibt sich, dass Nautins Konstruktion falsch ist: Bei der Stelle aus der ersten Homilie zu Psalm 36, auf die Nautin, Origène 404, seine Chronologie u. a. stützt, handelt es sich ausweislich der jetzt vorliegenden griechischen Fassung um eine Interpolation des Rufinus. Siehe zu in Ps. 36 hom. 1,2 (GCS Orig. 13, 118) die synoptische Gegenüberstellung des griechischen Textes mit Rufins lateinischer Übersetzung ebd. 532f. (vgl. auch Prinzivalli, GCS Orig. 13, 52f.). Nautin, SC 232, 19–21, übernommen von Schadel, BGrL 10, 4–6; Mortari, CTePa 123, 12; Dassmann, Jeremia 588. Origenes, in Cant. comm. prol. 4,2.7 (OWD 9/1, 104. 108); II 1,25 (9/1, 186); II 8,31 (9/1, 272). Eusebius, hist. eccl. VI 32,2 (GCS Eus. 2, 586). Die Daten nach Kienast, Kaisertabelle 195. Nautin, Origène 88f. 380f., übernommen von Schadel, BGrL 10, 6. Die Regierungszeit nach Kienast, Kaisertabelle 198. Eusebius, hist. eccl. VI 36,1 (GCS Eus. 2, 590). Alle für die Berechnung dieses Datums relevanten Stellen bei Fürst, Intellektuellen-Religion 51f. Origenes, in Hier. hom. 18,6 (GCS Orig. 32, 159): „Wenn einer hört, wie wir uns mit Kindern unterhalten, wird er dann sagen, dass dieser Alte verrückt geworden ist, dieser Mann seinen Bart, sein Mannesalter vergessen hat?“ Siehe dazu Schadel, BGrL 10, 4f.
II. Der Text der Jeremiahomilien
passt zur Nachricht des Eusebius. Die Jeremiahomilien wären demnach nach 244/45 entstanden. Ob Origenes diese Predigten zu einer Zeit hielt, da es keine Christenverfolgungen gab und die Gemeinden kräftig wuchsen, oder im Angesicht von Bedrängnis und Verfolgung, lässt sich nicht sagen, weil es dazu gegensätzliche Aussagen in ihnen gibt, die von der Rhetorik seines jeweiligen Argumenta tionszieles bestimmt sind.33 Für eine genauere Datierung in ein bestimmtes Jahr ist aus solchen Bemerkungen, die typisch für die Zeit mit ihrer potentiellen Verfolgungsgefahr sind, so oder so nichts zu gewinnen. Sicher ist hingegen, dass die 12. Homilie kurz vor einem Osterfest vorgetragen wurde, „denn das Paschafest ist nahe“.34 Will man angesichts der Unsicherheit aller dieser Daten und Schlüsse vorsichtig sein, wird man die in Caesarea vorgetragenen Jeremiahomilien des Origenes in die vierziger Jahre des 3. Jahrhunderts und damit in das letzte Jahrzehnt seines Schaffens, näherhin in dessen erste Hälfte oder Mitte, eher nicht an dessen Ende, datieren. Freilich: Macht es einen großen Unterschied, ob Origenes diese Homilien einige Jahre früher (vor 244/45) oder später (nach 244/45) gehalten hat? Zur Befriedigung historischer Exaktheit mag diese Frage interessant sein. In den Predigten selbst jedoch geht es um ihren philosophisch-theologischen und ethisch-spirituellen Gehalt, und der ist – bei Origenes allemal – unabhängig von aktuellen Ereignissen. Es ist deshalb nicht Zufall, dass diese in ihnen keine Rolle spielen. Für die Bedeutung dieser Predigten und für ihre Interpretation ist ihre Datierung ein paar Jahre früher oder später nicht so wichtig. Sie zeigen uns Origenes in seinem letzten Lebensjahrzehnt, einen hochgelehrten Christen um die Sechzig auf der Höhe seines homiletischen Könnens, „der sich durch lange Übung nun größte Fertigkeit erworben hatte“, wie Eusebius es ausdrückte,35 und der ein weithin berühmter und angefeindeter Theologe war.36 Eine wohl auf sich selbst gemünzte Bemerkung über die Verleumdung von in der Öffentlichkeit stehenden herausragenden Persönlichkeiten machte Origenes übrigens auch im Brief an Julius Africanus,37 der wahrscheinlich in seine letzten aktiven Jahre um 248 zu datieren ist.38 Ein solides Argument für eine Spätdatierung der Jeremiahomilien lässt sich daraus freilich nicht gewinnen. 33 Insbesondere steht in Hier. hom. 4,3 (GCS Orig. 32, 25f.) im Gegensatz zu ebd.
14,7.17 (32, 112f. 123f.). 34 Ebd. 12,13 (32, 100). 35 Eusebius, hist. eccl. VI 36,1 (GCS Eus. 2, 590). Übersetzung: p. 304 Haeuser/Gärtner. 36 Das geht hervor aus Origenes, in Hier. hom. 8,8f. (GCS Orig. 32, 62) und vielleicht auch 20,8 (32, 189). 37 Epist. Afric. 9 (SC 302, 534). 38 So die plausiblen Überlegungen von de Lange, SC 302, 497f. 500f.
Einleitung
2. Anzahl und Erhaltungszustand Die ursprüngliche Anzahl der Homilien des Origenes über das Buch Jeremia ist nicht mehr mit Sicherheit festzustellen.39 Die älteste und zuverlässigste Auskunft dazu ist der Philokalie zu entnehmen. In dieser wird ein Stück aus einer Homilie zitiert, die in der Überschrift des Auszugs als 39. gezählt ist.40 Aufgrund dieser Angabe ist die von Hieronymus im Brief an Paula genannte Zahl von 14 Homilien sicher falsch,41 desgleichen die als Variante in einer Handschrift in Arras (Codex Atrebatensis 849) aus dem 12./13. Jahrhundert überlieferte Zahl von 24 Homilien. Vermutlich stehen hinter dieser Zahl die 14 von Hieronymus in das Lateinische übersetzten Jeremiahomilien, die erhalten sind und von denen er im Prolog zur Übersetzung der Ezechiel homilien des Origenes spricht.42 Einigermaßen richtig könnte indes die von Cassiodor genannte Zahl von 45 Homilien sein, die Origenes auf Griechisch geschrieben habe und von denen ihm die 14 von Hieronymus übersetzten vorlagen: „Den Jeremia aber, der den Untergang seiner Stadt (sc. Jerusalem) im vierfachen Alphabet beweinte (sc. in den Klageliedern mit ihren vier Kapiteln, deren Abschnitte jeweils mit den Buchstaben des hebräischen Alphabets beginnen), hat Origenes in fünfundvierzig Homilien in attischer Sprache (d. h. auf Griechisch) ausgelegt. Von diesen habe ich vierzehn in Übersetzung vorgefunden und euch hinterlassen.“43 Die griechischen Homilien besaß Cassiodor demnach nicht; woher er deren Zahl kannte, ist unbekannt.44 Von Cassiodor abhängig ist schließlich die nahezu gleichlautende Notiz im Vorwort des Jeremiakommentars des Hrabanus Maurus: „Es wird nämlich berichtet (sc. von Cassiodor), dass Origenes den vorliegenden Propheten (sc. Jeremia) in fünfundvierzig Homilien in attischer Sprache ausgelegt hat. Von diesen habe ich nur vierzehn in Übersetzung vorgefunden.“45 Aus dieser 39 Die einschlägigen Stellen samt Auswertung bei Klostermann, Überlieferung 1–4;
ders., GCS Orig. 3, x–xi. Siehe auch Harnack, Geschichte I, 361–363. 40 Philoc. 10 (SC 302, 366) = in Hier. frg. P 4 (GCS Orig. 32, 196).Text und Übersetzung
des Auszugs unten S. 576–581. 41 Hieronymus, epist. 33,4 (CSEL 54, 257): in Hieremiam omeliae XIIII. 42 In Hiez. hom. prol. (GCS Orig. 8, 318): … quattuordecim homilias in Hieremiam. Über
die ursprüngliche oder über die ihm vorliegende Zahl von griechischen Jeremiahomilien äußerte sich Hieronymus weder an dieser Stelle noch in vir. ill. 135,2 (p. 230 Ceresa-Gastaldo), wo er die Jeremia- und die Ezechielhomilien ebenfalls zusammen erwähnte. 43 Cassiodor, inst. I 3,3 (p. 19 Mynors). 44 Nautin, SC 232, 44, meint, Cassiodor habe sie „sans doute“ im 33. Brief des Hieronymus gelesen, ehe ein Abschreiber sie darin verändert habe. Das bleibt reine Vermutung. 45 Hrabanus Maurus, in Hier. expos. praef. (PL 111, 793).
II. Der Text der Jeremiahomilien
Bemerkung ist aufgrund ihrer offenkundigen Abhängigkeit von Cassiodor nicht zu schließen, dass die 45 griechischen Homilien in karolingischer Zeit noch vorhanden gewesen seien.46 Die von Cassiodor genannte Zahl wird von der Katenenüberlieferung gestützt, in der sich die dem Origenes zugeschriebenen Fragmente über das ganze Buch Jeremia erstrecken (von Jer. 1,6f. bis 51,35 LXX). Zweifel an der Zahl von ursprünglich 45 Jeremiahomilien des Origenes könnten sich freilich daraus ergeben, dass die 39. Homilie Jer. 51,22 LXX behandelt: Dass Origenes über Jer. 51,23–52,34 sechs ganze Homilien gehalten habe, erscheint unverhältnismäßig.47 Allerdings folgen in der griechischen Bibel auf das Buch Jeremia einige Anhänge: das Buch Baruch, die Klagelieder und der Brief Jeremias. Statt die von Cassiodor mitgeteilte Zahl anzuzweifeln, könnte sie auch als Indiz dafür genommen werden, dass Origenes auch Texten aus diesen Anhängen die eine oder andere Predigt gewidmet hat.48 Zu den Klageliedern hat er in Alexandria unter seinen ersten Werken immerhin einen Kommentar verfasst, von dem eine Reihe von Fragmenten erhalten ist.49 Von den ursprünglich also wohl 45 Predigten des Origenes über das Buch Jeremia (und vielleicht seine Anhänge) sind 22 (bzw. 23, wenn man das Stück aus der 39. Homilie mitzählt) ganz oder teilweise (s. u.) erhalten geblieben. Die meisten davon, nämlich 20 Homilien, liegen auf Griechisch in zwei Handschriften vor (s. u.). Zwei weitere Predigten sind lateinisch erhalten: Hieronymus hat 14 Jeremiapredigten des Origenes übersetzt, von denen zwölf auf Griechisch vorliegen, zwei jedoch nur in seiner lateinischen Version. Die folgende Übersicht50 verzeichnet die zwanzig griechischen (und das Stück aus der Philokalie) und zwei der von Hieronymus in das Lateinische übersetzten Homilien. Deren Nummerierung weicht von der Reihenfolge der griechischen Homilien ab, weil Hieronymus sie, wie er selbst angab, con fuso ordine, also nicht in ihrer ursprünglichen, der Akoluthie des Bibeltextes folgenden Reihenfolge, sondern „durcheinander“ übersetzt hat.51 Die zwei nur lateinisch vorliegenden Homilien werden als lat. 1 (Nr. 3 bei Hieronymus) und lat. 2 (Nr. 2 bei Hieronymus) gezählt.
46 So zu Recht Klostermann, Überlieferung 4 Anm. 1, mit Kritik an entsprechenden
Äußerungen älterer Autoren. 47 Klostermann, ebd. 4 Anm. 4. 48 So die plausible Überlegung von Nautin, SC 232, 44f. 49 Ediert von Klostermann, GCS Orig. 3, 233–279; insbesondere für die Seelenlehre
des Origenes interessante Stücke daraus in englischer Übersetzung mit Kommentierung bei Trigg, Origen 73–85. 255–257. 50 Tabellen auch bei Klostermann, Überlieferung 20; ders., GCS Orig. 3, xvii; Nautin, SC 232, 33. 51 Hieronymus, in Hiez. hom. prol. (GCS Orig. 8, 318).
Einleitung
Homilie des Origenes Übersetzung des Hieronymus Kommentierter Jeremiatext (LXX) αʹ / 1 1 Jer. 1,2–10 13 Jer. 2,21f. βʹ / 2 Jer. 2,31–? γʹ / 3 – 14 Jer. 3,6–11 δʹ / 4 Jer. 3,22–4,8 εʹ / 5 – Jer. 5,3–5 Ϛʹ / 6 – Jer. 5,18f. ζʹ / 7 – 5 Jer. 10,12–14 ηʹ / 8 6 Jer. 11,1–10 θʹ / 9 8 Jer. 11,18–12,9 ιʹ / 10 7 Jer. 12,11–13; 13,1–11 ιαʹ / 11 9 Jer. 13,12–17 ιβʹ / 12 10 Jer. 15,5–7 ιγʹ / 13 11 Jer. 15,10–19 ιδʹ / 14 Jer. 15,10; 17,5 ιεʹ / 15 – 12 Jer. 16,16–17,1 ιϚʹ / 16 4 Jer. 17,11–16 ιζʹ / 17 Jer. 18,1–16 ιηʹ / 18 – Jer. 20,1–7 ιθʹ / 19 – Jer. 20,7–12 κʹ / 20 – 3 Jer. 27,23–29 (50,23–29 MT) lat. 1 2 Jer. 28,6–9 (51,6–9 MT) lat. 2 Jer. 51,22 (44,22 MT) λθʹ / 39
Die aus dem Jeremiabuch kommentierten Verse werden nach ihrer Zählung in der Septuaginta angegeben (mit der Zählung im masoretischen Text in Klammern), die in der zweiten Buchhälfte stark vom hebräischen Text abweicht: Die Fremdvölkersprüche in Jer. 46–51 MT sind in der Septuaginta in die Buchmitte verschoben (Jer. 25–31 LXX) und darin zudem gegenüber ihrer Reihenfolge im hebräischen Text umgestellt, so dass die Kapitel ab Jer. 25,15–38 MT (Jer. 32 LXX) in der Septuaginta um sieben Kapitel nach hinten verschoben sind (das Schlusskapitel Jer. 52 ist dann wieder identisch). In der ersten Buchhälfte (Jer. 1,1–25,13), zu der die griechisch erhaltenen Jeremiahomilien des Origenes gehören, ist die Zählung identisch.52 Zudem ist der Septuagintatext insgesamt um etwa ein Sechstel oder Siebtel kürzer als der masoretische Text. Ob diese Abweichungen durch Änderungen im Zuge des Übersetzens zustandekamen oder die griechische Übersetzung auf
52 Eine nützliche Übersicht über die unterschiedliche Zählung ist zu finden bei
Fischer, Jeremia 1–25, 43f., und p. 1289 Septuaginta Deutsch.
II. Der Text der Jeremiahomilien
einer kürzeren hebräischen Vorlage basiert, ist in der Forschung umstritten.53 Origenes war sich dieser Differenzen übrigens bewusst: Im Buch Jeremia „haben wir“, schrieb er an Julius Africanus, „große Umstellungen und Abänderungen des Textes der Prophezeiungen gefunden“.54 Inwieweit ihm die beträchtlichen Differenzen zwischen der hebräischen und der griechischen Fassung des Textes im Einzelnen klar waren, lässt sich aus dieser Bemerkung jedoch nicht ersehen.55 Obwohl eine stattliche Reihe von Homilien erhalten ist, verfügen wir doch nur noch über einen Teil der Jeremiaauslegung des Origenes. Nicht nur, dass von den ursprünglich wohl 45 Homilien nur noch die Hälfte vorliegt. Auch die erhaltenen Homilien weisen zum Teil Lücken auf oder sind eher ein Fragment als eine vollständige Homilie. Dies ist der Fall bei den Homilien 3, 17, 18, 19, 20 und 39.56 Homilie 3 ist mit einer Länge von nur wenigen Zeilen viel kürzer als alle anderen Homilien. Da sie plötzlich abbricht und keine Schlussdoxologie aufweist, ist sie als verstümmelt zu betrachten.57 Da von der folgenden vierten Homilie der Anfang mitsamt der Überschrift vorhanden ist und in der Handschrift kein Blatt fehlt, geht der Verlust wohl schon auf die Vorlage zurück, aus welcher die maßgebliche Handschrift, der Codex Scorialensis (s. u.), abgeschrieben worden ist, zumal dessen Schreiber auf diese Lücke nicht hinweist. In Homilie 17 bricht der Codex Scorialensis in der letzten Zeile von fol. 293r mitten im Wort ab (σο, gefolgt von einigen Punkten, aus der lateinischen Übersetzung des Hieronymus, der sapientia hat, zu σοφίᾳ zu ergänzen) und beginnt auf fol. 293v nach zwei freigelassenen Zeilen mitten in einem anderen Satz (ὁ Χριστός ἐστιν). Ebenso im Codex Vaticanus: In der letzten Zeile von p. 422 endet der Text mit σο, eine halbe Zeile bleibt frei, p. 423 oben fährt der Text mit ὁ Χριστός ἐστιν fort.58 Da diese Homilie vollständig in der lateinischen Übersetzung des Hieronymus vorliegt (als Nr. 4), kann die Lücke aus dieser gefüllt werden. Dabei zeigt sich, dass sie einen Umfang von ein bis zwei Druckseiten hat. Sehr wahrscheinlich fehlte in der Vorlage 53 Die diesbezügliche Diskussion bei Fischer, Jeremia 1–25, 39–46, der die Abweichun-
54 55 56 57 58
gen auf die Übersetzungstätigkeit zurückführt und die längere masoretische Fassung für den ursprünglichen Text hält, „da die in der Septuaginta fehlenden Textteile zumeist im masoretischen Text doppelt überlieferte Passagen, für das Verständnis unnötige Floskeln und Formeln sowie Hinzufügungen zu Eigennamen und Gottesbezeichnungen sind“ (so p. 1288 Septuaginta Deutsch im Sinne Fischers). Origenes, epist. Afric. 7 (SC 302, 530). De Lange, SC 302, 531 Anm. 2, zeigt sich skeptisch. Siehe dafür Klostermann, Überlieferung 17 Anm. 3; ders., GCS Orig. 3, xiii; Nautin, SC 232, 22–24. Klostermann, GCS Orig. 3, 21 app. crit. Klostermann, ebd. 145–147 mit app. crit.
Einleitung
des Scorialensis ein Blatt. Dessen Schreiber hat das bemerkt, weil die vorausgehende Seite mitten in einem Wort endete, das auf dem Folgeblatt nicht fortgesetzt wurde, und die Lücke in seiner Kopie kenntlich gemacht. Ein weiterer Textverlust ist weder den Schreibern der Codices noch den ersten Editoren aufgefallen. Erst Erich Klostermann hat ihn entdeckt und berichtigt.59 In Homilie 18 steht im Codex Scorialensis ein Satz: οὐκ οὖν τῶν ἐρχομένων ὀφθητοῦ νοῦ τῆς γραφῆς ὅπερ ἐπιγίνεται (fol. 305v), der in den älteren Ausgaben ob seiner Unverständlichkeit verändert ist zu: ὅθεν (οὐκοῦν ἀπὸ τῶν ἐρχομένων Ghislerius) ὤφθη ὁ νοῦς τῆς γραφῆς τῷ. Im darauffolgenden Satz bemerkte Origenes jedoch mitten in der schon recht langen Predigt, er „habe dies in der Einleitung gesagt“: ταῦτά μοι ἐν προοιμίῳ εἴρηται. Klostermann hat daraus den Schluss gezogen, dass Origenes damit offenbar die Einleitung zu einer neuen Predigt abschloss, deren Anfang jedoch fehlt. Ein Teil des im Codex unverständlichen Satzes (οὐκοῦν τῶν ἐρχομένων ὀφθη), so sein plausibler Lösungsvorschlag, gehört zur vorausgehenden Homilie 18, die damit abbricht, der andere Teil (τοῦ νοῦ τῆς γραφῆς ὅπερ ἐπιγίνεται) zum Ende des Prologs einer neuen Homilie, der jedoch verlorengegangen ist. Weil im weiteren Verlauf dieser Predigt von zwei Perikopen die Rede ist,60 nahm Klostermann an, in dem Vorwort habe wohl zunächst gestanden, dass der auszulegende Text „zwei Perikopen umfasse“, und seien „dann seine Schwierigkeit betont worden“.61 Vermutlich ist diese Lücke durch den Ausfall eines oder gar mehrerer Blätter in der Vorlage des Scorialensis zustandegekommen.62 Die Folge dieser Entdeckung Klostermanns ist, dass wir seitdem eine Jeremiahomilie des Origenes mehr zählen. In den älteren Ausgaben bilden die Homilien 18 und 19 eine Homilie (gezählt als Nr. 18; die heutige Homilie 20 fungiert darin als Nr. 19). Klostermann zählte die Paragraphen der heutigen Homilie 19 noch in Fortsetzung der Paragrapheneinteilung der Homilie 18, also von 19(18),11 bis 19(18),15 (übernommen von Nautin). In der vorliegenden Ausgabe erhalten die Paragraphen der Homilie 19 eine eigene Zählung (von 19,1 bis 19,5), die alte Zählung (von 18,11 bis 18,15) wird dazugesetzt. In Homilie 19 (nach früherer Zählung Nr. 18) sind ferner im Codex Scorialensis auf fol. 307r dreieinhalb Zeilen leer gelassen, vermutlich weil der Kopist oder schon der Schreiber der Vorlage sie nicht lesen bzw. entziffern konnte. Wie groß der Ausfall tatsächlich ist, lässt sich aus der Länge des freien Raums (ca. 125 Buchstaben) nicht erschließen.63 Aus demselben Grund ist in 59 Klostermann, ebd. 164f. mit app. crit. 60 Origenes, in Hier. hom. 19,5(18,15) (GCS Orig. 32, 173): „Die eine Perikope ist damit
zu Ende, doch lasst uns auch mit der zweiten jetzt noch anfangen.“ 61 Klostermann, GCS Orig. 3, 165 app. crit. 62 So Nautin, SC 232, 23. 63 Siehe die Überlegungen von Klostermann, GCS Orig. 3, 167 app. crit.
II. Der Text der Jeremiahomilien
Homilie 20 (früher Nr. 19) im Scorialensis auf fol. 314r das Ende von Zeile 13 leer gelassen (mit Platz für etwa 15 Buchstaben; ebenso im Codex Vaticanus), was die modernen Editoren zur Füllung mittels Konjekturen veranlasst hat.64 Fragmentarisch erhalten ist schließlich Homilie 39, die aus den Zitaten in der Philokalie zu rekonstruieren ist. Deren zehntes Kapitel65 bietet ein Zitat aus dieser Homilie, deren Nummer in der Überschrift vermerkt ist. Auch der darin kommentierte Bibelvers wird angegeben: Jer. 51,22 LXX. Da es gegen Ende des zitierten Stückes heißt: „Das sei als Vorrede gesagt“, bildet das Fragment den Prolog der Homilie. Ein zweites Fragment im ersten Kapitel der Philokalie, das nicht mit einer Überschrift versehen ist, ist aus drei disparaten Teilen zusammengesetzt:66 Der letzte Teil ist identisch mit dem Anfang des Fragments im zehnten Kapitel, gehört also zur Homilie 39. Der mittlere Teil entstammt einer verlorenen griechischen Homilie, ist aber in einer der von Hieronymus übersetzten Homilien zu identifizieren (lat. 2). Die Herkunft des ersten Teils hat sich bislang nicht klären lassen. Wegen seines allgemeinen Inhalts kann er nicht einem bestimmten Bibelvers zugeordnet werden. Da er jedoch zusammen mit zwei Stücken aus den Jeremiahomilien zitiert ist, stammt er wahrscheinlich ebenfalls aus diesen.67 Eine weitere Schwierigkeit betrifft die Reihenfolge des erhaltenen Textes. Am Ende der 10. und zu Beginn der 11. Homilie ist der Text durcheinandergeraten. Er lässt sich aber recht einfach dadurch in eine sinnvolle Abfolge bringen, dass man im Codex Scorialensis einen Passus von fol. 251r Mitte (τὸ ἀποκτεῖναι τὸν Χριστὸν τοῦ θεοῦ) bis 251v unten (ὠφελήσει καὶ ὑμᾶς καὶ ἡμᾶς, ἐάν) aus dem Schluss von Homilie 10 herausnimmt und zwei Zeilen nach dem Beginn von fol. 252v (hinter δεδιωχέναι τοὺς δικαίους) in Homilie 11 kurz nach deren Anfang einfügt. Der Codex Vaticanus (p. 77–80) bietet dieselbe Unordnung. Mit Hilfe der Übersetzung des Hieronymus (darin die Nr. 8 und 7) hat bereits Pierre-Daniel Huet in seiner Edition Rouen 1668 die richtige Ordnung wiederhergestellt.68 Im Blick auf die Länge des zu verschiebenden Abschnitts legt sich die Annahme nahe, dass in der Vorlage des Scorialensis zwei Blätter miteinander vertauscht waren, der Schreiber dies aber nicht erkannte und die unsinnige Textfolge abschrieb.69 Eine letzte Frage schließlich betrifft die Reihenfolge, in der die Homilien 14 und 15 ursprünglich gehalten worden sind. Einige für die Predigten des Origenes ungewöhnliche Phänomene haben die Vermutung aufkommen 64 Siehe Klostermann, ebd. 176 mit app. crit., und Nautin, SC 238, 253 in der Über-
setzung. 65 Philoc. 10 (SC 302, 366–370) = in Hier. frg. P 4 (GCS Orig. 32, 196–198). 66 Philoc. 1,28 (SC 302, 200–202) = in Hier. frg. P 1–3 (GCS Orig. 32, 195f.). 67 Weiteres dazu unten S. 574 Anm. 2. 68 Klostermann, GCS Orig. 3, 78 app. crit. Vgl. Nautin, SC 232, 412 app. crit. 69 So Klostermann, ebd. xiii–xiv.
Einleitung
lassen,70 Origenes habe zuerst in der 15. Homilie über Jer. 15,10 und 17,5 gepredigt und dann in der 14. Homilie nochmals über Jer. 15,10–19. Das ist der einzige Fall im umfangreichen Predigtwerk des Origenes, in dem er zu Beginn zweier Predigten denselben Vers behandelt. Diese Irregularität lässt sich vielleicht so erklären, dass Origenes Homilie 15 vor Homilie 14 gehalten hat. Ein Argument dafür ist, dass aus Homilie 15 eindeutig hervorgeht, dass Jer. 15,10 und 17,5 in dem Gottesdienst, in dem Origenes diese Predigt gehalten hat, zum Lesungstext gehörten.71 Der Aufbau der beiden Homilien könnte ihre Umstellung bestätigen: In Homilie 15 erläuterte Origenes ausführlich die erste Aussage von Jer. 15,10, ging dann nur kurz auf die zweite Aussage dieses Verses ein und beendete aus Zeitgründen die Predigt mit einigen Bemerkungen zu Jer. 17,5. Homilie 14 hingegen leitete Origenes mit medizinischen Überlegungen zu den Schwierigkeiten bei der Behandlung renitenter Kranker ein und kam von da aus auf die zweite Aussage in Jer. 15,10 zu sprechen. Das ist insofern auffällig, als er beim Predigen normalerweise der Akoluthie des Bibeltextes folgte. Hielt er Homilie 14 nach Homilie 15, wären diese Beobachtungen so zu erklären, dass er in Homilie 15 anfing, über Jer. 15,10 zu predigen, aus Zeitmangel aber nicht mehr dazu kam, den ganzen Vers eingehend zu erläutern, und mit der Erklärung von Jer. 17,5 die Predigt über die gelesene Perikope rasch abschloss. In Homilie 14 hätte er dann dieselbe Perikope nochmals aufgegriffen und dabei mit der zweiten Aussage begonnen, die in Homilie 15 zu kurz gekommen war. Erst danach kam er nochmals auf die erste Aussage von Jer. 15,10 zu sprechen und erläuterte dann bis zum Ende der Predigt die folgenden Verse bis Jer. 15,19. Es gibt Fälle im Predigtwerk des Origenes, in denen er in einer folgenden Predigt auf in der vorausgehenden Predigt nicht behandelte Verse einer langen Perikope einging.72 Die Abfolge der Homilien 15 und 14 könnte dafür ein weiteres Beispiel sein. Außer Zeitmangel könnte Origenes in diesem Fall auch die Textfassung von Jer. 15,10 dazu veranlasst haben, nochmals darauf zurückzukommen. In Homilie 15 predigte er nämlich über die hebräische Fassung des Textes, in Homilie 14 über die in den kirchlichen Bibelausgaben gebräuchliche griechische. Vielleicht war er für sein Vorgehen in Homilie
70 Siehe Peri, L’ordine 126–133, übernommen von Nautin, SC 232, 46–49. 71 Origenes, in Hier. hom. 15,1 (GCS Orig. 32, 123) mit Bezug auf Jer. 15,10: „Wir wol-
len sehen, was sich auch aus der heutigen Lesung ergibt“; 15,6 (32, 130) mit Bezug auf Jer. 17,5: „Lasst uns also noch über folgenden Satz aus der weiteren Lesung sprechen …“ 72 Peri, L’ordine 129 mit Anm. 1, verweist auf folgende Stellen: in Lev. hom. 2,1 (GCS Orig. 6, 290); in Num. hom. 14,1 (GCS Orig. 7, 120); 21,1 (7, 199); in Iud. hom. 4,2 (GCS Orig. 7, 488). In Hiez. hom. 13,1 (GCS Orig. 8, 440) geht das eventuell aus dem Ausdruck retractemus hervor.
II. Der Text der Jeremiahomilien
15 kritisiert worden und sah sich auch oder vor allem deshalb veranlasst, den Vers nochmals aufzugreifen.73 So sehr indes eine Einordnung von Homilie 15 vor Homilie 14 die genannten Auffälligkeiten plausibel zu erklären vermag, scheitert sie doch an einer Bemerkung des Origenes in der 15. Homilie, die in dieser Hypothese übersehen wird. Origenes ging darin nämlich noch einmal explizit auf den Wortlaut von Jer. 15,10 ein, den er in der 14. Homilie nach der Septuaginta erläutert hatte, und fügte zur Erklärung der Abweichungen vom hebräischen Text die Bemerkung hinzu: „Als wir aber später auch die übrigen Ausgaben einsahen, erkannten wir, dass ein Schreibfehler vorliegt.“74 Dieses „später“ (ὕστερον) ergibt nur einen Sinn, wenn Origenes damit auf seine Ausführungen in der 14. Homilie rekurrierte. Vermutlich hat er nach dieser Predigt die Hexapla konsultiert und dabei das festgestellt, was er seinen Zuhörern daraufhin an der zitierten Stelle mitteilte.75 So scharfsinnig die Beobachtungen zu den – wie auch immer zu erklärenden – Eigenheiten von Homilie 14 und 15 auch sind und so ingeniös die Hypothese der Umkehrung ihrer Reihenfolge auch sein mag: Es bleibt bei der von der Überlieferung bezeugten Abfolge. Erwägenswert ist die Annahme von Paul Wendland, dass diese Dublette erst bei der Zusammenstellung von Origenespredigten über das Buch Jeremia für ihre Publikation in Buchform zustandegekommen sein könnte. Es könnten „entweder mehrere Nachschriften verschiedener Predigten über das gleiche Thema, oder tachygraphische Nachschrift und Koncept des Origenes neben einander gestellt“ worden sein.76 Diese Hypothese lässt sich zwar nicht nachprüfen, erinnert aber an den Entstehungsprozess dieser Homiliensammlung von Nachschriften einzelner Predigten zu ihrer Zusammenstellung in einem Codex für die Publikation, ohne dass wir sicher sein können, dass dies zu Lebzeiten des Origenes oder überhaupt von ihm überprüft geschah. Daher lässt sich von einer vorliegenden Sammlung aus nicht direkt auf eine genau in dieser Reihenfolge gehaltene Predigtreihe zurückschließen. Diese Übersicht über den erhaltenen Bestand der Jeremiapredigten des Origenes macht deutlich, dass wir nur noch über eine Auswahl verfügen, eben die aufgeführten 22 (bzw. 23) von ursprünglich wohl 45 Homilien, von denen einige zudem nicht vollständig sind. Mit den Jeremiahomilien verhält es sich damit ebenso wie mit dem gesamten Predigtwerk des Origenes: Auch wenn wir fast 250 Predigten besitzen und zu manchen biblischen Schriften 73 So Nautin, SC 232, 48f. 74 Origenes, in Hier. hom. 15,5 (GCS Orig. 32, 129). Neuschäfer, Origenes als Philolo-
ge 41 und ebd. 342f. Anm. 207, führt die Stelle zusammen mit ebd. 14,3 (32, 107–109) als Beleg dafür an, dass Origenes den Zuhörern seiner Predigten gelegentlich auch die Erörterung philologischer Einzelfragen zumutete. 75 Weiteres dazu siehe unten S. 51f. 76 Wendland, Rez. Origenes Werke 782.
Einleitung
eine lange Reihe von Homilien erhalten ist, handelt es sich vor dem Hintergrund des einmal Vorhandenen doch nur um eine Anthologie, die sich, wie im Falle der griechisch erhaltenen Homilien, entweder den Zufällen der handschriftlichen Überlieferung verdankt oder, wie bei den lateinisch vorliegenden, den theologischen und kirchenpolitischen Interessen der Übersetzer Rufinus und Hieronymus an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert.77 Bei den Jeremiahomilien kann man schließlich zudem fragen, ob Origenes den 52 Kapiteln dieses langen biblischen Buches nicht vielleicht mehr als 45 Predigten gewidmet hat, zumal wenn man die Anhänge in diese Zahl miteinbezieht (s. o.). Anlass zu dieser Frage geben nicht zuletzt die 20 Predigten, die zur ersten Hälfte des Buches Jeremia (Jer. 1–25) erhalten sind (näherhin zu Jer. 1–20). Zwischen einzelnen Predigten gibt es nämlich lange Passagen im Buch Jeremia, die nicht kommentiert sind; es fehlen komplett Jer. 6–9, 14 und 19. Die als Folge erhaltenen 20 Predigten bieten keineswegs eine fortlaufende Erörterung des zugrundeliegenden Jeremiatextes. Dafür sind verschiedene Erklärungen möglich.78 Obgleich der Bibeltext im Gottesdienst fortlaufend gelesen und erklärt wurde, bedeutet das noch nicht, dass wirklich über alle Verse oder Kapitel gepredigt wurde oder dass Origenes dies getan hat. Origenes war nicht der einzige Prediger in Caesarea, so dass er möglicherweise nur über diejenigen Perikopen gepredigt hat, die Lesungstext waren, als er mit dem Predigen an der Reihe war. Zudem waren die Lesungstexte unter Umständen sehr lang und umfassten mehrere Kapitel, so dass der Prediger sich ein Kapitel oder einen Passus aussuchen musste, weil er nicht über den ganzen umfangreichen Bibeltext predigen konnte. Der mitstenographierte Anfang der berühmten Predigt über die Wahrsagerin von Endor liefert dazu ein illustratives Beispiel: Die Lesung umfasste vier Kapitel, 1 Sam. 25–28. Origenes fragte also den Bischof, in dessen Anwesenheit er als Presbyter predigte, welche Perikope er auswählen solle, und der Anweisung des Bischofs folgend hielt er aus dem Stegreif eine beeindruckende Predigt über die Wahrsagerin in 1 Sam. 28.79 Denkbar wäre auch, dass Origenes mit der Mitschrift einer 77 Für die Genesishomilien hat das Simonetti, Le Omelie sulla Genesi; ders., Opere di
Origene 1, 8–11, nachgewiesen. Zu den Jesajahomilien, für die das in besonders hohem Maße gilt, siehe Fürst/Hengstermann, OWD 10, 31–34. 78 Siehe Nautin, SC 232, 45f. – Weitere Überlegungen zur Auswahl der von Origenes besprochenen Perikopen mit Bezug auf den Inhalt der Jeremiahomilien siehe unten S. 35 und 55f. 79 Origenes, in Regn. hom. graec. 1 (GCS Orig. 32, 283): „Es sind also“, meinte Origenes, „vier Abschnitte, von denen jeder nicht wenige Schwierigkeiten enthält und auch exegetische Fachleute nicht nur in der Stunde einer einzigen Zusammenkunft, sondern sogar in mehreren beschäftigen könnte. Deshalb mag der Bischof nach seiner Wahl vorschlagen, mit welchem von den vieren wir uns befassen sollen.“ Daraufhin der Bischof: „Der von der Wahrsagerin soll erklärt werden.“ Übersetzung: Fürst, OWD 7, 203–205. Vgl. in Hiez. hom. 13,1 (GCS Orig. 8, 440): „Die Bischöfe geben
II. Der Text der Jeremiahomilien
Predigt nicht zufrieden war und diese daher nicht publizierte. Und schließlich kann der umgekehrte Fall eingetreten sein, dass nicht jede Predigt des Origenes mitgeschrieben wurde – auch nicht, als er die Erlaubnis dazu erteilt hatte –, etwa weil der Stenograph an einzelnen Tagen verhindert war. Aus solchen Beobachtungen und Überlegungen dürfte folgender Schluss zu ziehen sein: Die 20 griechisch erhaltenen Jeremiahomilien ermöglichen zwar einen ausgiebigen und direkten (in diesem Fall nicht durch Übersetzungen in das Lateinische vermittelten) Einblick in die Predigttätigkeit des Origenes in Caesarea, machen diese aber doch nur zu einem Teil zugänglich. Einerseits war das historische Geschehen, das hinter ihnen steht, umfangreicher und komplexer als das, was davon Schrift und Text geworden ist, andererseits haben die Fährnisse der Überlieferung diesen Textbestand ihrerseits dezimiert.
3. Fragmente in den Katenen Spuren der Jeremiahomilien des Origenes haben sich in den frühbyzantinischen Katenen erhalten. Erich Klostermann hat 151 Stücke aufgelistet, die in einer wohl im 7./8. Jahrhundert verfassten Jeremiakatene (in der dieselben Texte aufgrund einer teilweise anderen Einteilung in Abschnitte als 139 Scholien gezählt sind) dem Origenes zugeschrieben werden.80 Zwei davon (Nr. 71 und 147) gehören Johannes Chrysostomus, eines (Nr. 104) Theodoret von Kyrrhos. Ein Stück (Nr. 129) stammt zwar von Origenes, doch nicht aus den Jeremiahomilien, sondern aus dem Brief an Julius Africanus. Da sich der größte Teil der Fragmente, die zu Jer. 1,1–20,12 gehören, Passagen aus den erhaltenen Homilien zuordnen lassen – 70 von 84 Nummern, so dass nur 14 neue Stücke bleiben, die sich zu elf Fragmenten zusammenfügen81 –, dürften alle Fragmente aus Homilien stammen, zumal von einer anderen Form, in der Origenes das Buch Jeremia ausgelegt hätte (Kommentar oder Scholien), nichts bekannt ist.
mir vor, die Aussage über den Fürsten von Tyrus (Ez. 28,12) zu erörtern, … und ordnen auch an, über Pharao, den König von Ägypten (Ez. 29,2), ein paar Dinge zu sagen.“ In Num. hom. 15,1 (GCS Orig. 7, 128) befolgte Origenes den Wunsch einiger Brüder, abweichend von der Leseordnung über die Prophetie Bileams zu predigen. 80 Klostermann, Überlieferung 32–50. 101–108; ders., GCS Orig. 3, xxiii–xxxiii. Siehe auch Faulhaber, Propheten-Catenen 103f. 81 Abgedruckt in GCS Orig. 32, 199–203. Von den weiteren Fragmenten sind sieben (Nr. 107–111 und 113f. = frg. 30–34 und 36f. in GCS Orig. 32, 214–218) über Jer. 27,23; 27,25; 27,27; 27,29 (zweimal); 28,7; 28,9 LXX mit Passagen in den beiden nur lateinisch erhaltenen Homilien korrelierbar.
Einleitung
Die Echtheit und die Zuverlässigkeit dieser Fragmente sind umstritten. Aus den Parallelen zwischen Homilien und Fragmenten ergibt sich, dass der Katenenschreiber nicht wörtlich zitiert, sondern den Text des Origenes zusammengefasst hat.82 Für die Textkonstitution nach kritischen Maßstäben sind die Katenenfragmente damit nur bedingt geeignet. Klostermann hat, von dieser Einschränkung abgesehen, in ihnen zwar echten Origenes gesehen,83 doch schon erkannt, dass einzelne Sätze offenbar vom Verfasser der Katene stammen, weil sich dazu keine Entsprechung in den zugehörigen Origeneshomilien findet. Der Katenenschreiber leitete mit solchen Einschüben wohl von einem Katenenauszug zu dem eines anderen Autors über.84 Nautin hingegen hat die Herkunft der Fragmente von Origenes grundsätzlich in Frage gestellt.85 Seine Argumentation stützte er auf die Fragmente zu Jer. 1,1–20,12. Wenn die elf Katenenfragmente, zu denen sich kein Pendant in den erhaltenen Homilien finden lässt, echt sind, müssten sie als Indiz dafür genommen werden, dass es über diesen Teil des Jeremiabuches einmal mehr Homilien von Origenes gegeben hat, als im Codex Scorialensis enthalten sind. Anhand von zwei Beispielen vermag Nautin indes in Frage zu stellen, dass diese Fragmente auf Origenes zurückgehen: Frg. 1 über Jer. 1,10 bietet eine ganz andere Auslegung als die in Homilie 1 dazu gebotene. In frg. 6 über Jer. 10,16 werden Aquila und Theodotion namentlich genannt, was Origenes in den Homilien – anders als in den Kommentaren – sonst nie tat, wenn er, immer anonym, auf die anderen Übersetzungen des Alten Testaments zu sprechen kam. Da es sich jedoch bei diesen Katenenfragmenten kaum einmal um wörtliche Zitate handelt, ist die Herkunft des exegetischen Inhalts dieser Fragmente damit noch nicht in Frage gestellt. Diese Texte gehen inhaltlich auf Origenes zurück, sind aber vom Katenenschreiber in unterschiedlich enger Anlehnung an den Wortlaut des Origenes formuliert worden.86 In der folgenden Übersicht sind die Jeremiaverse verzeichnet, zu denen in den Katenen dem Origenes zugeschriebene Fragmente existieren. Die selbstständigen Fragmente aus der Prophetenkatene (in der Tabelle die zweite bzw. dritte Spalte) sind wie in der GCS-Ausgabe als zusammengehörende Gruppe
82 83 84 85 86
Zwei Beispiele dafür bei Nautin, SC 232, 27–29. Übernommen von Dassmann, Jeremia 588f. Beispiele bei Klostermann, Überlieferung 40–47; ders., GCS Orig. 3, xxvi–xxvii. Nautin, SC 232, 29–32. Vgl. die Beobachtung von Klostermann, GCS Orig. 3, xxvii–xxviii: „Vergleicht man nun die einzelnen Fragmente in Bezug auf den durch sie bezeugten Origenestext mit den entsprechenden Homilien, so fällt auf, dass die an sich geschickten Paraphrasen der Gedanken des Origenes am Anfang der Katene seltener vorkommen und knapper gehalten sind, während im weiteren Verlauf die Excerpte häufiger und oft ganze Sätze des Originals im Wortlaut wiedergegeben werden.“
II. Der Text der Jeremiahomilien
unten abgedruckt und mit einer Übersetzung versehen.87 Der Text von Stücken, die zu Passagen aus den erhaltenen Homilien gehören, ist bei Delarue bzw. Klostermann im TU-Band zur Überlieferung der Jeremiahomilien zu finden.88 Jer. (LXX) Nr. dieser Eigenständige Stücke mit Nr. bei Delarue/ Parallelstelle in Ausgabe Stücke Parallelen Lommatzsch bzw. den Homilien in Homilien Klostermann 1,10 I 1 1,10 1,10 4 1,13.14 II 2,21 2,31.32 3,7 3,7 3,24.25 3,24.25 3,25 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5.6 4,7 5,3 5,5 5,6 III 21 5,18 7,21 IV 23 8,7 V 24 10,13 10,13
2 3
1 Kl 2 Kl
hom. 1,6.7 hom. 1,14–16
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
3 Del/Lo 3 Kl 3 Kl 5 Del/Lo 6 Del/Lo 4 Kl 5 Kl 6 Kl 7 Kl 8 Kl 9 Kl 10 Kl 11 Kl 12 Kl 13 Kl 14 Kl
hom. 2,1 hom. 3,2
22
15 Kl
hom. 7,1
25 26
10 Del/Lo 11 Del/Lo
hom. 8,3 hom. 8,4
hom. 4,4 hom. 4,1–5 hom. 5,5 hom. 5,6.7 hom. 5,8 hom. 5,11 hom. 5,12 hom. 5,13 hom. 5,14.15 hom. 5,16 hom. 5,16.17 hom. 6,2 hom. 6,3
87 Siehe unten S. 582–653. Nautin hat diese Fragmente wohl wegen seiner Zweifel an
ihrer Echtheit in der SC-Ausgabe nicht berücksichtigt, Schadel in seiner deutschen Übersetzung gleichfalls nicht. Smith, FaCh 97, 280–316, hingegen hat sie in seine englische Übersetzung aufgenommen. 88 Siehe Delarue, Origenis Opera omnia III, 287–320; Lommatzsch, Origenis Opera omnia XV, 421–480; Klostermann, Überlieferung 84–100. In der GCS-Ausgabe hat Klostermann diese Stücke nicht abgedruckt, sondern im Apparat an Ort und Stelle auf sie verwiesen, worauf wiederum an dieser Stelle verwiesen sei.
Einleitung
Jer. (LXX) Nr. dieser Eigenständige Stücke mit Nr. bei Delarue/ Parallelstelle in Ausgabe Stücke Parallelen Lommatzsch bzw. den Homilien in Homilien Klostermann 10,13 10,16 VI 28 11,4 11,5 11,6–8 11,9 11,10 11,11.12 VII 34 11,14(11) VIII 35 12,3 12,4 12,11–13 12,13 12,13 13,12 13,14 15,5 15,6–7 IX 46 47 15,8–9 X 48 49 15,10 15,11 15,12 15,13 15,14 15,15 15,16 15,16 15,17 15,17 15,18 16,16 16,16–17 16,19
27
12 Del/Lo
hom. 8,5
29 30 31 32 33
14 Del/Lo 15 Del/Lo 16 Del/Lo 17 Del/Lo 18 Del/Lo
hom. 9,2.3 hom. 9,3 hom. 9,4 hom. 9,4 hom. 9,4
36 37 38 39 40 41 42 43 44 45
21 Del/Lo 22 Del/Lo 23 Del/Lo 24 Del/Lo 25 Del/Lo 26 Del/Lo 27 Del/Lo 28 Del/Lo 29 Del/Lo 30 Del/Lo
hom. 10,5 hom. 10,6 hom. 11,2 hom. 11,2.3 hom. 11,3 hom. 11,3 hom. 11,4 hom. 12,1.2 hom. 12,5 hom. 13,1
50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
35 Del/Lo 36 Del/Lo 37 Del/Lo 38 Del/Lo 39 Del/Lo 40 Del/Lo 41 Del/Lo 42 Del/Lo 43 Del/Lo 44 Del/Lo 45 Del/Lo 46 Del/Lo 47 Del/Lo 48 Del/Lo 49 Del/Lo 50 Del/Lo
hom. 14,1–4 hom. 14,11 hom. 14,12 hom. 14,12 hom. 14,13 hom. 14,13.14 hom. 14,14 hom. 14,15 hom. 14,15 hom. 14,16 hom. 14,16 hom. 14,17.18 hom. 16,1.2 hom. 16,4 hom. 16,4 hom. 16,8–9
II. Der Text der Jeremiahomilien
Jer. (LXX) Nr. dieser Eigenständige Stücke mit Nr. bei Delarue/ Parallelstelle in Ausgabe Stücke Parallelen Lommatzsch bzw. den Homilien in Homilien Klostermann 17,5 17,11 17,12 17,13 17,14 17,24–27 XI 72 73 18,3.4 18,5.6 18,9 18,9 18,11 18,12 18,15 18,15 18,15 20,8 20,9 20,12 22,13 XII 86 22,14–17 XIII 87 88 22,24–26 XIV 89 23,16 XV 90 23,19.20 XVI 91 23,23.24 XVII 92 23,24 XVIII 93 23,28.29 XIX 94 95 23,28.29 XX 23,30 XXI 96 24,1–3 XXII 97 24,6 XXIII 98 25,14 XXIV 99 25,14–16 XXV 100 101 27,16 XXVI 102
66 67 68 69 7089 16 Kl 17 Kl 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85
51 Del/Lo 52 Del/Lo 53 Del/Lo 54 Del/Lo 55 Del/Lo
hom. 15,6 hom. 17,1–3 hom. 17,4 hom. 17,4 hom. 17,5.6
18 Kl 19 Kl 20 Kl 21 Kl 22 Kl 23 Kl 24 Kl 25 Kl 26 Kl 27 Kl 28 Kl 29 Kl
hom. 18,1–3 hom. 18,4 hom. 18,5 hom. 18,6 hom. 18,7.8 hom. 18,8 hom. 18,9 hom. 18,10 hom. 18,10 hom. 20,7 hom. 20,8 hom. 20,9
89 Nr. 71 ist nicht aufgeführt, weil das Fragment von Johannes Chrysostomus stammt.
Einleitung
Jer. (LXX) Nr. dieser Eigenständige Stücke mit Nr. bei Delarue/ Parallelstelle in Ausgabe Stücke Parallelen Lommatzsch bzw. den Homilien in Homilien Klostermann 27,16 XXVII 10390 27,17 XXVIII 105 27,17–19 XXIX 106 27,23 XXX 107 27,25 XXXI 108 109 27,28 XXXII 110 27,29 XXXIII 27,29–32 XXXIV 111 112 28,8 XXXV 113 28,7 XXXVI 28,9–10 XXXVII 114 115 28,11.12 XXXVIII 28,17–20 XXXIX 116 117 28,21–24 XL 28,25.26 XLI 118 28,27 XLII 119 28,29 XLIII 120 28,30–33 XLIV 121 31,12–17 XLV 122 31,25 XLVI 123 31,26–28 XLVII 124 36,4–6 XLVIII 125 126 127 36,8 XLIX 36,21 L 12891 37,17.18 LI 130 37,21.23. 24 LII 131
hom. Lat. 1,1 hom. Lat. 1,3 hom. Lat. 1,6 hom. Lat. 1,6 hom. Lat. 1,6 hom. Lat. 2,11 hom. Lat. 2,9–7 hom. Lat. 2,12
90 Nr. 104 ist nicht aufgeführt, weil das Fragment von Theodoret von Kyrrhos stammt. 91 Nr. 129 (= Nr. 30 Kl) stammt aus dem Brief des Origenes an Julius Africanus: epist.
Afric. 11. 12 (SC 302, 538. 540). Die Aufnahme dieser beiden Passagen in zwei Katenenhandschriften (deren Text ist abgedruckt in GCS Orig. 32, 224 app. crit.) erklärt sich daraus, dass Origenes darin die Auskunft eines gebildeten „Hebräers“ mitteilt, nach der die beiden Alten in der Susanna-Erzählung mit den in Jer. 36(29),21–23 genannten Zidkija und Ahab zu identifizieren seien, die der babylonische König für ihre Ehebrüche mit israelitischen Frauen im Feuer habe rösten lassen. Siehe zu dieser Tradition auch Hieronymus, in Dan. [IV] 13,5a (CChr.SL 75A, 945); in Hier. V 67,3–7 (CChr.SL 74, 284f.). Zu der kaum lösbaren Frage, wer unter diesem „Hebräer“ zu verstehen sei, siehe de Lange, SC 302, 538 Anm. 2, und Fürst/Hengstermann, OWD 10, 13.
II. Der Text der Jeremiahomilien
Jer. (LXX) Nr. dieser Eigenständige Stücke mit Nr. bei Delarue/ Parallelstelle in Ausgabe Stücke Parallelen Lommatzsch bzw. den Homilien in Homilien Klostermann 38,9 LIII 132 38,10.11 LIV 133 38,16 LV 134 38,16–18 LVI 135 136 38,18–20 LVII 38,23.24 LVIII 137 38,35.37 LIX 138 39,7.8 39,10.11 LX 139 39,14.16 LXI 140 39,17 LXII 141 45,4.5 LXIII 142 45,19.20 LXIV 143 45,22.25 LXV 14492 47,4.5 LXVI 14593 48,2 LXVII 146 51,21.22 LXVIII 148 51,22 LXIX 149 51,32–35 LXX 150 51,35 LXXI 151
4. Die lateinische Übersetzung des Hieronymus In den Jahren 380/81 übersetzte Hieronymus während seines Aufenthalts in Konstantinopel 14 Homilien des Origenes über das Buch Jeremia zusammen mit ebenso vielen über das Buch Ezechiel in das Lateinische.94 Aufgrund dieser Übersetzung, die in zahlreichen Handschriften Verbreitung fand, war dem lateinischen Abendland die Existenz von Jeremiahomilien des Origenes immer bekannt, wie Cassiodor und, von diesem abhängig, Hrabanus Maurus
92 Zur unsicheren Zuschreibung der Fragmente 65–68 (Nr. 144–148) an Origenes siehe
unten S. 648 Anm. 156. – Nr. 147 ist nicht aufgeführt, weil das Fragment von Johannes Chrysostomus stammt. 93 In einem Codex (Laurentianus XI,4 saec. XI, fol. 252r) folgt darauf noch ein Fragment (vgl. GCS Orig. 32, 230 app. crit.), das Origenes zugeschrieben ist: „Genießt die Güter Friedens bringt Gott, dem Spender, die Erstlingsfrüchte dar.“ 94 Hieronymus, in Hiez. hom. prol. (GCS Orig. 8, 318); vir. ill. 135,2 (p. 230 Ceresa- Gastaldo).
Einleitung
bezeugen.95 Dieser Übersetzung des Hieronymus kommt aus zwei Gründen ein nicht geringer, jedoch vorsichtig zu handhabender textkritischer Wert zu. Erstens: Im Vorwort zu den Ezechielhomilien hat Hieronymus nachdrücklich darauf hingewiesen, dass er sich sowohl bei der Übertragung der Jeremia- als auch der Ezechielhomilien eng an Wortlaut und Stil des Originals gehalten hat: „Deshalb habe ich nach den vierzehn Homilien zu Jeremia, die ich unlängst, ohne mich an ihre Reihenfolge zu halten, übersetzt habe, auch diese vierzehn zu Ezechiel mit Unterbrechungen diktiert. Dabei habe ich sorgfältig darauf geachtet, den charakteristischen Stil des oben genannten Mannes (sc. Origenes) und die Schlichtheit seiner Sprache, die den Kirchen einzig von Nutzen ist, auch in der Übersetzung zum Ausdruck zu bringen und jedweden rhetorischen Prunk zu meiden; die Inhalte sollen zur Geltung kommen, nicht die Worte!“96 Ein Vergleich zwischen den griechischen und lateinischen Jeremiahomilien hat ergeben, dass Hieronymus sie in der Tat sehr getreu und zuverlässig übersetzt hat.97 An lediglich einer Stelle hat er den Text des Origenes aus dogmatischen Gründen ergänzt. Origenes hatte in einer Predigt gesagt: ἡμεῖς δὲ ἕνα οἴδαμεν θεὸν καὶ τότε καὶ νῦν, ἕνα Χριστὸν καὶ τότε καὶ νῦν. Hieronymus übersetzte korrekt: nos unum nouimus deum et in praeterito et in praesenti, unum Christum, et tunc et modo similiter, ergänzte dazu jedoch: et unum spiritum sanctum, cum patre et filio sempiternum – „Wir kennen nur einen Gott, damals wie jetzt, einen Christus, ebenfalls damals wie jetzt, und einen Heiligen Geist, der zusammen mit dem Vater und dem Sohn ewig ist.“98 Hinter dieser Ergänzung steht die dogmengeschichtliche Entwicklung der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts, in deren Verlauf die Gottheit des Heiligen Geistes betont und explizit in das nizänisch-homousianische Bekenntnis zur Trinität eingefügt wurde.99 Hieronymus hat die Aussage des Origenes an die trinitätstheologischen Standards seiner Gegenwart angepasst. Während sich in den ebenfalls von Hieronymus übersetzten Jesajahomilien des Origenes an trinitätstheologisch relevanten Stellen mehrere Beispiele für solche Textänderungen nachweisen lassen,100 ist die vorgeführte Stelle in den Jeremiahomilien der einzige Fall eines solchen Eingriffs. Seine Übersetzung vermittelt damit grundsätzlich ein durchaus verlässliches lateinisches Abbild des griechischen Textes. 95 96 97 98
Siehe oben S. 10f. In Hiez. hom. prol. (GCS Orig. 8, 318). Übersetzung: Fürst, Hieronymus 315. Peri, Passi sulla Trinità 157–164. Origenes, in Hier. hom. 9,1 (GCS Orig. 32, 64 mit app. crit.) bzw. 6,1 in der Übersetzung des Hieronymus (PL 25, 633): Klostermann, Überlieferung 27; Peri, ebd. 161; Nautin, SC 232, 40. 99 Zahlreiche wichtige Texte dazu bei Peri, ebd. 170–176. 100 Siehe dazu Fürst, Hieronymus gegen Origenes 220–224; Fürst/Hengstermann, OWD 10, 171–176.
II. Der Text der Jeremiahomilien
Allerdings hat Hieronymus sich beim Übersetzen doch einige Freiheiten erlaubt. Einerseits wollte er in seinen Übertragungen griechischer exegetischer Werke bei aller Treue zur Vorlage elegantes Latein bieten, andererseits war ihm klar, dass eine wortwörtliche Wiedergabe, vom schlechten Stil abgesehen, absurd klingen kann.101 So erklären sich Abweichungen vom gänzlich unliterarischen Stil des Origenes, wie er vor allem in seinen improvisierten Predigten zu beobachten ist, durch Umschreibungen, Verkürzungen oder Einschübe, die dem Leser der lateinischen Welt das Verständnis des Griechen Origenes erleichtern sollten. Dazu kommt die Neigung des Literaten Hieronymus, der über ein außergewöhnliches Sprachtalent und Stilgefühl verfügte, zur Steigerung oder Übertreibung des Ausdrucks, zum Ausmalen von Bildern und zu gelehrten Zusätzen. In der Übersetzung der Jeremiahomilien sind dafür etliche Beispiele zu finden.102 Der lateinische Text des Hieronymus hat daher einen textkritischen Wert für die Konstitution des griechischen Textes der Jeremiahomilien, doch ist er mit Umsicht heranzuziehen. Bei diffizilen Textproblemen ist er wenig hilfreich, weil er sprachliche Schwierigkeiten eher mit einer eleganten Wendung vertuscht als wortgetreu wiedergegeben haben dürfte.103 Zweitens: Obwohl der lateinische Text der von Hieronymus übersetzten Jesaja-, Jeremia- und Ezechielhomilien in Dutzenden von Handschriften überliefert ist,104 befindet er sich doch in einem viel schlechteren Zustand als der Text der übrigen, in Übersetzungen Rufins erhaltenen Origenespredigten zum Alten Testament, weil schon die Vorlage, auf die sämtliche Handschriften zurückgehen, offenbar sehr korrupt war.105 Bei den Jeremiahomilien ist die Situation allerdings dadurch deutlich besser, dass Hrabanus Maurus in seinem Jeremiakommentar den lateinischen Text der Origeneshomilien gut zur Hälfte ausgeschrieben hat und diese Sekundärüberlieferung sowohl einen dem Griechischen näherstehenden Text bietet als auch weniger verderbt ist.106 Aufgrund dieser günstigeren Überlieferungslage können die lateinischen Jeremiahomilien also durchaus für die Konstituierung des griechischen Textes herangezogen werden. Jedoch mangelt es bislang an einer textkritischen Edition aller 14 Homilien. Wilhelm Adolf Baehrens hat im Zuge seiner
101 Zu den Übersetzungsprinzipien des Hieronymus siehe Fürst, Hieronymus 92–95. 102 Siehe die von Klostermann, Überlieferung 23–31, bzw. ders., GCS Orig. 3, xix–xxii,
vorgeführten Stellen. 103 So zu Recht Schadel, BGrL 10, 8. 104 Lambert, Bibliotheca II, 93–98 Nr. 209 (Jesajahomilien). 111–117 Nr. 212 (Jeremia
homilien). 131–137 Nr. 214 (Ezechielhomilien). 105 Siehe dafür Baehrens, Origeneshomilien 207–231; ders., GCS Orig. 8, xxviii–xxxv. 106 Klostermann, GCS Orig. 3, xvii–xix; Baehrens, Origeneshomilien 207. Zum Je-
remiakommentar des Hrabanus Maurus liegt nur die in PL 111, Paris 1852, 793–1272 abgedruckte Ausgabe von Georg Colvenerius, Köln 1617, vor.
Einleitung
Herausgabe der lateinisch überlieferten Predigten des Origenes zum Alten Testament in den „Griechischen Christlichen Schriftstellern der ersten drei Jahrhunderte“ lediglich die beiden nicht auf Griechisch vorliegenden lateinischen Jeremiahomilien ediert.107 Die anderen zwölf Homilien stehen tief im Schatten ihrer griechischen Originale und harren in der „cloaca illa maxima Migneana“, wie Eduard Schwartz die Nachdrucke Mignes schimpfte,108 in deren lateinischer Serie die zweite Edition Domenico Vallarsis (Venedig 1766–1772) abgedruckt ist (PL 25, 585–692 bzw. 611–724 in der Zweitausgabe), nach wie vor ihrer kritischen Edition. Solange keine solide Ausgabe dieser Homilien vorliegt, bleibt ihr Wert für den Text der griechischen Jeremiahomilien begrenzt.
5. Die neuzeitliche Entdeckung und Edition der griechischen Jeremiahomilien Die Entdeckung der griechischen Homilien des Origenes über das Buch Jeremia in der Frühen Neuzeit ist ein Lehrstück für das Schicksal der Schriften des von seiner Kirche als Ketzer verfemten Alexandriners. Seine griechischen Werke wurden zerfetzt und unterdrückt, so dass von seinem riesigen Nachlass in der Bibliothek von Caesarea nur ein Teil die Jahrhunderte überdauert hat – ein Teil, der freilich immer noch ansehnlich ist. Lediglich die lateinischen Übersetzungen, die dem Einflussbereich der byzantinischen Zensur entzogen waren, liegen, geschützt durch die angesehenen Namen des Hieronymus und des Rufinus, in teilweise sogar breiter Überlieferung vor (wobei allerdings nicht allein schon die Quantität der Handschriften die Qualität des Textes garantiert). Griechische Texte hingegen haben oft nur durch das Nadelöhr einer einzigen Handschrift, und das heißt: durch reinen Zufall die Zeiten überdauert, doch auch dann nicht unbedingt separat, sondern anonym, „unter dem Schutze der Namenlosigkeit“,109 und versteckt zwischen Werken „ehrbarer“ Kirchenväter.110 So verhält es sich auch im Falle der Jeremiahomilien, denn die zweite Handschrift, die ihren griechischen Text enthält (Vaticanus graec. 623, p. 281– 475), ist eine direkte Abschrift des Codex Scorialensis. Dieser Pergament kodex aus dem 11./12. Jahrhundert befindet sich seit 1576 im Eskorial in Madrid (Scorialensis Ω-III-19, fol. 208v–326v). Der spanische Diplomat, Gelehrte 107 Baehrens, GCS Orig. 8, 290–317. Diese Fassung ist in der vorliegenden Ausgabe
unten S. 526–571 (in umgekehrter Reihenfolge) abgedruckt. 108 E. Schwartz, ACO I/1,1, Berlin/Leipzig 1927–1930, xviiii. 109 Klostermann, Überlieferung 17, bzw. ders., GCS Orig. 3, xii. 110 Schadel, BGrL 10, 7.
II. Der Text der Jeremiahomilien
und Dichter Don Diego Hurtado de Mendoza (1503–1575) hat ihn vermutlich in Venedig, wo Hurtado de Mendoza seit etwa 1530 ungefähr zwanzig Jahre lang als Botschafter Kaiser Karls V. tätig war, erworben und zusammen mit seiner wertvollen Sammlung seltener griechischer Handschriften kurz vor seinem Tod der Bibliothek des Eskorial vermacht (und diese damit wesentlich mit begründet).111 Die Geschichte der Entdeckung dieser beiden Handschriften wirft ein Schlaglicht auf das Schicksal origeneischer Werke.112 Als erstes wurde im Jahre 1623 die vatikanische Handschrift entdeckt und publiziert, und zwar von Michael Ghislieri (Ghislerius, 1563–1646), einem Regularkleriker im Konvent St. Silvester auf dem Quirinal in Rom und bekannten Exegeten seiner Zeit.113 Der Codex Vaticanus graecus 623, eine Papierhandschrift des 16. Jahrhunderts,114 enthält nach Theodorets Kommentar zum Buch Ezechiel (p. 1–274) zwanzig Homilien (p. 281–510; p. 275–280 sind leer) ohne Überschrift und ohne Verfasserangabe. Am Rand steht jedoch von einer späteren Hand die Notiz ὠριγένους, „von Origenes“. Als Ghislieri dieses Manuskript entdeckte, erkannte er bei der Durchsicht voll freudiger Überraschung, dass es sich um Homilien des Origenes zum Buch Jeremia handelt: „Denique cum item in Vaticana Bibliotheca speciali (ut vere fatear) Dei providentia, quidam in manus meas incidisset Codex alius Graecus, illoque intrinsecus celeri oculorum intuitu perlustrato, viginti in ipso manuscriptas vidissem homilias Origenis super Jeremiam, vix effari possum quanto exinde perfusus sim gaudio ob pretiosissimi eius thesauri inventionem.“115 Ghislieri verglich den Text mit der lateinischen Übersetzung des Hieronymus und stellte fest, dass acht von ihnen lateinisch nicht bezeugt sind. Diese acht Homilien veröffentlichte er beziehungsweise Leon Allatios 111 Zu Hurtado de Mendoza und seiner Sammlertätigkeit siehe Graux, Origines du
Fonds Grec de l’Escurial 163–195. Zu den Origenestexten in seiner Sammlung gehörte auch die Apologie gegen Kelsos (als Nr. 94 in seinem Katalog unter dem Titel „Origenis contra Delium libri 8“, die Abschrift eines Codex in Venedig: Graux, ebd. 225f. 249. 366; „Delium“ ist eine Verschreibung für „Celsum“: ebd. 218), die Philokalie (als Nr. 95: ebd. 366) und der Brief des Julius Africanus an Origenes mit dessen Antwort (als Nr. 118: „Africani ad Origenem epistola, Origenis responsio: De historia Suzannae“: ebd. 368). 112 Siehe für das Folgende Klostermann, Überlieferung 10–19; ders., GCS Orig. 3, xi– xvi. xxxiii–xxxviii; Schadel, ebd. 9f.; ferner Fürst, Klassiker und Ketzer 225–228. 113 Michaelis Ghislerii Romani ex clericis regularibus in Jeremiam Prophetam commentarii, item in Baruch, et breves D. Io. Chrysost. in Jeremiam explanationes, et octo Origenis homiliae, quae omnia nunc primum in lucem emittuntur,Tomi III, Lugduni A. D. MDCXXIII (Lyon 1623). Die Origeneshomilien befinden sich im dritten Band. Zu Ghislerius siehe B. Mas, in: DSp 6 (1967) 350f., zu seiner Arbeitsweise im Jeremiakommentar Faulhaber, Propheten-Catenen 89–92. 114 Die Angabe „saec. XV“ bei Klostermann, Überlieferung 15, ist ein Druckfehler. 115 Ghislieri in der praefatio seiner Ausgabe VII, 4, zitiert aus Klostermann, ebd. 11 Anm. 3.
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(1586/88–1669), den er mit dieser Aufgabe betraute,116 zusammen mit einer lateinischen Übersetzung in einem riesigen dreibändigen Jeremiakommentar stückweise an den geeigneten Stellen, und zwar die Homilien 3, 5, 6, 7, 15, 18 und 19 (letztere beiden nach alter Zählung; neu also die Homilien 18, 19 und 20), dazu die zwanzigste Homilie in der Handschrift (p. 475–510 unter der Überschrift: ὁμιλία εἰκοστή). Zwar bezweifelte er deren Zugehörigkeit zu den Jeremiahomilien, doch stellte er erst nach der Drucklegung fest, dass diese Homilie nicht dem Origenes gehört, sondern es sich um die Schrift Τίς ὁ σωζόμενος πλούσιος; – „Welcher Reiche wird gerettet werden?“ des Clemens von Alexandria handelt, die damit gleichfalls entdeckt war.117 Auch die schwer lesbare – freilich nicht ganz so schwer, wie die frühen Editoren behauptet haben – und arg fehlerhafte Pergamenthandschrift aus dem 11./12. Jahrhundert, die der belgische Jesuit Balthasar Cordier (Corderius, 1582–1650) einige Jahre darauf im Eskorial in Madrid entdeckte, Codex Scorialensis Ω-III-19 in 4o, enthielt dieselben 20 Homilien ohne den Namen ihres Verfassers (fol. 208v–326v die 19 Homilien des Origenes über das Buch Jeremia unter der einfachen Überschrift ἱερεμίας, fol. 326v–345r118 die Schrift des Clemens unter dem Titel ὁμιλία). Weil der erste Teil der Handschrift ausschließlich Werke des Kyrill von Alexandria enthält, nämlich dessen Kommentare zu den Propheten Jesaja (fol. 1r–90r), Daniel (90r–129r) und Ezechiel (129v–208r), und weil auf dem Vorlegeblatt der Handschrift auch die Jeremiahomilien dem Kyrill zugeschrieben sind,119 schrieb Cordier die (nach alter Zählung) 19 Jeremiahomilien in rund drei Wochen ab und gab sie – ohne die zwanzigste, weil er wohl erkannte, dass sie mit den anderen nichts zu tun hat – im Jahre 1648 unter dem Namen Kyrills heraus.120 Erst Pierre-Daniel
116 Siehe dafür Cerbu, Allatius lecteur d’Origène 214. 216f. – Zu Allatios siehe Th. Papa
dopoullos, in: LThK3 1 (1993) 399f. 117 Siehe die Bemerkungen von O. Stählin/L. Früchtel/U. Treu, GCS Clem. Al. 32,
Berlin 1970, x–xi, zur Überlieferung der Schrift. 118 „Die Handschrift enthält 344 einkolumnig beschriebene Blätter, doch sind an ihrem
oberen Rande durch versehentliches Überspringen der Ziffer 277 im Ganzen 345 Blätter gezählt worden“: Klostermann, GCS Orig. 3, xi. 119 Auch im Katalog der griechischen Handschriften des Hurtado de Mendoza, der zwar nicht im Original, jedoch in einer gekürzten Fassung erhalten ist, stehen diese Homilien gewissermaßen unidentifizierbar unter dem Namen Kyrills, und zwar unter Nr. 5: „Cyrilli interpretatio in Isaiam, Danielem, cum aliquot homiliis (magnum volumen)“, zitiert aus Graux, Origines du Fonds Grec de l’Escurial 360; vgl. ebd. 254f. unter Nr. 40, Ω-III-19: „19 hom. sur Jérém.“ 120 S. P. N. Cyrilli Archiepiscopi Alexandrini homiliae XIX in Jeremiam prophetam hactenus ineditae, ac nunc demum ex antiquissimo codice m. s. Regiae Bibliothecae Scorialensis descriptae et latinitate donatae a Balthasare Corderio Antuerpiensi, Soc. Jesu Theologo, Antverpiae MDCXLVIII (Antwerpen 1648). Zu Cordier siehe P. Broutin, in: DSp 2 (1953) 2322f.
II. Der Text der Jeremiahomilien
Huet (1630–1721) deckte den Irrtum Cordiers auf.121 Eine spätere Hand wohl des 18. Jahrhunderts trug in den Codex Scorialensis den Vermerk ein, dass die darin enthaltenen Jeremiahomilien nicht dem Kyrill gehören, wie Cordier irrtümlich verbreitet hatte, sondern dem Origenes, und notierte zum Text mehrmals die Seiten der Ausgabe Ghislieris.122 Auf diesen Ersteditionen der beiden Handschriften beruhten die Ausgaben der Jeremiahomilien im Rahmen von Gesamtausgaben der Werke des Origenes von Pierre-Daniel Huet (Rouen 1668)123 sowie die ihm weitgehend folgenden des Mauriners Charles Delarue (Bd. 3, Paris 1740), der Huets Text mit einer Paragrapheneinteilung versah, sowie des Wittenberger Professors Karl Heinrich Eduard Lommatzsch (Bd. 15, Berlin 1843) und des französischen Verlegers Jacques-Paul Migne (PG 13, Paris 1857), die Delarues Text abdruckten. Ohne die Manuskripte eigens einzusehen, erschienen in ihnen die (nach alter Zählung) sieben aus beiden Handschriften abgedruckten Homilien mit einem Text, der zwischen den Drucken Ghislieris und Cordiers hin und her schwankt, während die anderen zwölf Homilien nur nach Cordier wiedergegeben wurden, an manchen Stellen freilich glücklich emendiert nach der lateinischen Übersetzung. Erst Ende des 19. Jahrhunderts brachte die textkritische Untersuchung der beiden Handschriften anhand der Homilie des Clemens den Nachweis, dass der Codex Vaticanus direkt aus dem Codex Scorialensis abgeschrieben ist; die Kopie wurde in Rom angefertigt und ausweislich der erhaltenen Quittung am 25. März 1551 bezahlt.124 Als Quelle für den griechischen Text der Jeremiahomilien des Origenes steht daher nur ein Codex zur Verfügung. Auf dieser Basis hat Erich Klostermann in den „Griechischen Christlichen Schriftstellern der ersten drei Jahrhunderte“ die griechischen Homilien samt den selbstständigen Katenenfragmenten kritisch ediert (GCS 6 = Orig. 3, Leipzig 1901, 1–232) und den Text, versehen mit einer neuen Paragraphenzählung, an zahlreichen Stellen anhand der Übersetzung des Hieronymus korrigiert; Klostermann kollationierte den Text nicht selbst, benutzte jedoch eine Photographie.125 Diese Ausgabe wurde 1957 ohne kritischen Apparat in
121 Huet, Origeniana III 2,3,9 (p. 250, abgedruckt in PG 17, 1220). 122 Die detaillierten Angaben dazu bei Klostermann, Überlieferung 13 Anm. 1. 123 Huet, Commentaria 125–276 (Nachdruck Köln 1685, pars prior, 53–202, dazu die
„Observationes et Notae“ ebd. 10–22). 124 Siehe dazu J. Gribomont, in: RBen 87 (1977) 396f., in seiner Rezension zum ersten
Band der Ausgabe der Jeremiahomilien in den „Sources Chrétiennes“, mit Bezug auf Canart, Les manuscrits copiés 184. 125 Klostermann selbst hat die 10. Homilie erneut publiziert und dabei Textänderungen vorgeschlagen: Ausgewählte Predigten, Bd. 1 (KlT 4), Bonn 1903 (21914, 2–15).
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Griechenland nachgedruckt.126 In einem Anhang der von Pierre Nautin besorgten zweiten Auflage der GCS-Ausgabe 1983127 sind die Änderungen und Ergänzungen vermerkt, die Nautin in seiner Neuedition für die „Sources Chrétiennes“ (SC 232 und 238, Paris 1976 und 1977) am Text Klostermanns vorgenommen hat. Insbesondere folgte Nautin wieder enger dem Codex Scorialensis und machte Korrekturen an dessen Text anhand der lateinischen Übersetzung oft rückgängig. Aufgrund der äußerst schmalen handschriftlichen Basis der Überlieferung des griechischen Textes der Jeremiahomilien ist, von glücklichen Konjekturen abgesehen, keine weitere Verbesserung des Textes zu erwarten. Über den vom Codex Scorialensis gebotenen Text hinaus stellt sich lediglich die Frage, welcher textkritische Wert der lateinischen Übersetzung des Hieronymus zuzuerkennen ist. Die Ausgaben von Klostermann und Nautin repräsentieren tendenziell die beiden möglichen Antworten auf diese Frage, die nicht generell zu entscheiden, sondern anhand der jeweiligen Textstelle zu erörtern ist. Die vorliegende zwei- bzw. dreisprachige Ausgabe bietet im Wesentlichen den Text Klostermanns128 unter Berücksichtigung der von Nautin vorgeschlagenen Änderungen. Da jedoch mal diesem, mal jenem (meist Klostermann) der Vorzug gegeben wird, wird hier ein zum Teil neuer Text geboten. Die Ausgabe weist daher zusätzlich einen schmalen kritischen Apparat auf, in dem die Abweichungen vom Codex Scorialensis notiert sind. Da Hieronymus als grundsätzlich zuverlässiger Übersetzer gelten kann, ist seine lateinische Fassung für den griechischen Wortlaut durchaus relevant, zumal in Passagen, die im Codex Scorialensis offensichtlich verderbt oder zweifelhaft sind. Wenn ein Eingriff in den Text von allen folgenden Editoren akzeptiert worden ist, wird nur derjenige Bearbeiter genannt, der ihn als erster vorgenommen hat. Ist eine Änderung strittig, wird notiert, wer welche Textfassung vertritt. Komplexe und strittige Fälle werden jeweils an Ort und Stelle in einer Fußnote diskutiert. Die Kennzeichnung von Zitaten ist insofern vereinfacht und stringenter gemacht worden, als lediglich wörtliche Zitate durch doppelte Anführungszeichen als solche kenntlich gemacht sind, während auf die Auszeichnung von Anspielungen und Paraphrasen durch einfache Anführungszeichen verzichtet wurde.129 Die Jeremiahomilien des Origenes sind im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts in die wichtigsten modernen Wissenschaftssprachen übersetzt wor126 ΩΡΙΓΕΝΗΣ (ΜΕΡΟΣ Γ’), hg. von der Apostolischen Diakonie der Griechischen Kir-
che (Bibliothek der griechischen Väter und Kirchenschriftsteller 11), Athen 1957, 9–153. 127 Nautin, GCS Orig. 32, 356–364. 128 Mit Einarbeitung der „Nachträge und Berichtigungen“ in GCS Orig. 3, 348–351. 129 Siehe schon Klostermann, GCS Orig. 3, xxxvii, zur Inkonsistenz dieses zweifachen Systems.
II. Der Text der Jeremiahomilien
den: in das Französische (Pierre Nautin, SC 232. 238, Paris 1976. 1977), Deutsche (Erwin Schadel, BGrL 10, Stuttgart 1980, ohne die beiden nur lateinisch überlieferten Homilien),130 Italienische (Luciana Mortari, CTePa 123, Rom 1995, ohne die Fragmente aus der Philokalie), Englische (John Clark Smith, FaCh 97, Washington D. C. 1998) – in dieser Übersetzung sind neben den Fragmenten aus der Philokalie auch die aus den Katenen berücksichtigt – und Spanische (J. R. Díaz Sánchez-Cid, Biblioteca de Patrística 72, Madrid 2007). Eine neue deutsche Übersetzung ist nicht zuletzt deshalb angezeigt, weil die Übersetzung von Erwin Schadel bei allen Verdiensten, die ihr zukommen, aufgrund – sit venia opprobrio – ihrer merkwürdigen idiosynkratischen Eigenheiten, allen voran der Wiedergabe von λόγος mit dem Unwort „Wortgrund“, sprachlich oft nur schwer erträglich, ohne Beiziehung des griechischen Textes kaum verständlich und des öfteren auch falsch ist (trotz vieler gelungener Wendungen, was auch nicht verschwiegen sein soll). Zudem hat Schadels nicht selten gewaltsame Beziehung der Gedanken und Aussagen des Origenes auf einen „triadischen Grundrhythmus“ bzw. eine „krypto-triadische Struktur des origeneischen Denkens“131 nicht unbedingt zu einer sachgemäßen theologischen Erschließung dieser Homilien beigetragen, obwohl eine solche Schadels erklärtes Ziel war. Demgegenüber versucht die vorliegende, an der Zielsprache orientierte Übersetzung, für die Horacio Lona eine Rohübersetzung angefertigt hat, den griechischen bzw. lateinischen Text inhaltlich präzise und so eng am Wortlaut wie möglich in ein gut lesbares Deutsch zu bringen.132 Dabei ist dezidiert berücksichtigt worden, dass es sich um Predigten handelt, die mitgeschrieben und in dieser Form, das heißt ohne stilistische Überarbeitung, publiziert worden sind. Die originale Mündlichkeit ist in diesem Text auf Schritt und Tritt greifbar. Entsprechend wurde versucht, diese sprachliche Eigenheit des Textes in der Übersetzung präsent zu halten, also Wendungen zu finden, wie sie für gesprochene Sprache typisch sind. Vor allem längere Passagen nicht nur im Griechischen, sondern auch im Deutschen erschließen sich daher besser, wenn man den Text laut liest und ihm dabei in Rhythmus, Betonung 130 Im 19. Jahrhundert waren lediglich zwei sehr schmale Auswahlübersetzungen in das
Deutsche angefertigt worden: Pelt/Rheinwald, Homilieensammlung (sic!) 9–17, bieten eher paraphrasierende Wiedergaben der Homilien 15 und 16; Winter, Origenes und die Predigt 68–85, übersetzte ebenfalls die Homilien 15 und 16 und das Fragment aus Homilie 39. Siehe dazu die genauen Angaben bei Schadel, BGrL 10, 10 Anm. 27. 131 Schadel, ebd. ix, programmatisch im Vorwort. 132 Für die Erläuterungen in den Fußnoten sind die Hinweise in den Ausgaben von Klostermann und Nautin mit großem Gewinn herangezogen worden, worauf hier summarisch unter expliziter Anerkennung ihrer Verdienste hingewiesen sei, ohne sie jeweils an Ort und Stelle immer wieder neu zu nennen. Ohnehin geht die Kommentierung in diesem Band weit darüber hinaus.
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und Pausen einen Duktus gibt, der frei formulierter Rede entspricht (zum Beispiel also mit Einschüben, Ergänzungen, Verdoppelungen eines Wortes oder einer Junktur arbeitet, um danach mit dem begonnenen Satz fortzufahren). Die Jeremiahomilien des Origenes sind – wie nahezu alle seine aus dem Stegreif diktierten Texte – ein Musterbeispiel für zu Schriftlichkeit geronnener Mündlichkeit und beziehen daraus wider alle Schwierigkeiten, die der Text deshalb bereitet, nicht wenig von ihrem Reiz. Wenn dieser in der Übersetzung nicht ganz verlorengegangen ist, dann hat sie – neben der sachlichen Richtigkeit – eines ihrer Hauptziele erreicht. Texte von Origenes sind nicht unbedingt schön im literarischen Sinne, aber gehaltvoll und nur selten langweilig.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien Wie in den Predigten des Origenes üblich, werden in einzelnen Aussagen in den Jeremiahomilien viele Aspekte seiner Theologie angetippt, die im Hintergrund der jeweiligen Auslegung stehen und ihr spezifisches Profil mitformen, aber nicht eigens angesprochen oder ausgeführt werden. In den Anmerkungen zur Übersetzung ist auf solche Hintergründe und Zusammenhänge jeweils an Ort und Stelle hingewiesen.133 Dazu gibt es allerdings auch eine Reihe von durchgängigen Eigenheiten, die für diese Predigten charakteristisch sind. Sie fallen besonders dann ins Auge, wenn man sich Seite für Seite durch sie hindurcharbeitet, weil sie immer wieder begegnen. Dazu kommen thematische Zusammenhänge, die nicht nur anklingen, sondern das Thema der Ausführungen sind. Zu beiden Aspekten, thematischen Zusammenhängen und durchgängigen Eigenheiten, seien im Folgenden ein paar Erläuterungen festgehalten.
1. Christentum und Judentum in Caesarea a) Der Antijudaismus des Origenes Ein auffälliges Merkmal der Jeremiahomilien sind die zahlreichen antijüdischen Bemerkungen, die Origenes immer wieder in die Auslegung einfließen ließ. Ein Anlass dafür waren gewiss die vielen Drohungen gegen das Volk Israel, die im Buch Jeremia zu lesen sind. Im Blick auf das erhaltene Predigtcorpus enthält die erste Hälfte des kommentierten Jeremiatextes eine einzige große Gerichts- und Unheilsdrohung gegen Israel und Juda (Jer. 2,1–6,30), die eine Konsequenz ihrer Untreue gegen Gott ist (Jer. 7,2–9,26) und in eine vorweggenommene Totenklage über Juda mündet (Jer. 9,12–22). Aus diesem Teil des Jeremiabuches erklärte Origenes in den Homilien 2–7 einige Verse, in denen diese Thematik deutlich wird, so die Schilderung der Untreue und des Götzendienstes Judas (Jer. 3,6–11) in Homilie 4 und den Aufruf zur Umkehr (Jer. 3,22–4,8) in Homilie 5, dem es in seiner fortwährenden Untreue aber nicht gefolgt ist (Jer. 5,3–5 und 5,18f. in den Homilien 6 und 7).134 Gele133 Einzelstudien zu den Homilien 1, 9, 14f., 16 und 19f. finden sich bei dal Covolo/
Maritano, Omelie su Geremia. 134 Dazu kann man die fragmentarisch erhaltene 39. Homilie nehmen, in der Origenes
laut der Überschrift in philoc. 10 (SC 302, 366) = in Hier. frg. P 4 (GCS Orig. 32,
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gentlich verwies Origenes auf „die zu Jerusalem mit reichlichen Drohungen gesagten Worte“135 oder an anderer Stelle darauf, dass „die Prophezeiungen ziemlich traurige Dinge beinhalteten“, da sie „Strafen ankündigten, mit denen jeder gebührend bestraft werden sollte“.136 Diese Grundstimmung des Buches Jeremia mag dazu beigetragen haben, dass sich Origenes in diesen Predigten öfter und heftiger gegen die Juden und das Judentum äußerte, als das in seinen Texten sonst der Fall ist. Weniger auffällig wirken diese Äußerungen, wenn man bedenkt, dass Origenes die in der Alten Kirche übliche antijüdische Theologie der Ablösung Israels als des Volkes Gottes durch die Kirche als das neue Volk Gottes ohne Abstriche teilte. Durch das ganze Homiliencorpus hindurch rekurrierte er immer wieder auf diese Substitutionstheorie, „denn das Wort Gottes hat die Versammlung der Juden verlassen und sich eine andere Versammlung und Gemeinde geschaffen: die aus den Heidenvölkern“.137 Deswegen seien „Männer von Juda nicht die Juden, die nicht an Christus glauben, sondern wir alle, die wir an Christus glauben“.138 Ausführlich legte er diesen Grundgedanken der frühchristlichen Heilsgeschichte bei der Auslegung des Töpfergleichnisses (Jer. 18,1–17) dar. Darin ist von einem „Volk“ (und einem „Königreich“) die Rede, das „entfernt“ und „vernichtet“ wird (Jer. 18,7), und von einem „Volk“ (und einem „Königreich“), das „aufgebaut“ und „eingepflanzt“ wird (Jer. 18,9). Origenes stellte fest, „dass sich das, was im Haus des Töpfers geschah“, demnach „nicht auf etwas bezieht, was einen Einzelnen betrifft, sondern auf zwei Völker“, und stellte die Frage: „Wer sind nun die zwei Völker, das zuerst genannte, dem das Wort droht, und das zweite, dem es eine Verheißung gibt?“139 Seiner Ansicht nach ist in der „ganzen Schrift“ „das meiste über diese zwei Völker gesagt“, denn „hauptsächlich auf diesen zwei Völkern beruht der ganze Heilsplan Gottes für die Menschen in der Welt“. Seine Erläuterung dazu sieht so aus: „Als erstes Volk ist jenes Israel entstanden, als zweites seit der Ankunft Christi dieses Volk. Dem früheren drohte Gott an, was er androhte, und wir sehen die Folgen der Drohung gegen das frühere Volk: Es geriet in Gefangenschaft, ihre Stadt wurde zerstört, das Heiligtum niedergerissen, der Opfer196) die Aussage in Jer. 51(44),22 behandelte: „Der Herr konnte es nicht aushalten angesichts eurer Schlechtigkeit.“ – Aus dem nicht erhaltenen zweiten Teil des Homiliencorpus liegen nur die beiden von Hieronymus übersetzten Homilien lat. 1(3) und 2(2) vor, in denen zwei Passagen aus den Sprüchen gegen Babylon behandelt werden: Jer. 27(50),23–29 und 28(51),6–9. 135 In Hier. hom. 13,1 (GCS Orig. 32, 101). 136 Ebd. 20(19),2 (32, 178). 137 Ebd. 14,15 (32, 121f.). Vgl. ebd. 3,2 (32, 21); 4,2 (32, 24); 7,1 (32, 52), hier mit Röm. 11,11; 11,6 (32, 85); 14,12 (32, 116); 18,10 (32, 164). 138 Ebd. 9,1 (32, 65). Vgl. ebd. 9,2f. (32, 66f.). 139 Ebd. 18,5 (32, 155).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
altar umgestürzt, nichts mehr von den einstmals heiligen Dingen ist bei ihnen übrig. Denn Gott sprach zu jenem Volk: Kehrt um, und sie kehrten nicht um. Nachdem er jenen dies gesagt hat, spricht Gott zu diesem zweiten Volk über seinen Wiederaufbau. Er sieht aber, dass auch dieses Volk aus Menschen besteht, die sich erneut verfehlen können. Deswegen droht er auch diesem und sagt: Wenn ich auch zuvor das über den Aufbau und über die Einpflanzung und über die Bebauung gesagt habe, aber auch dieses Volk sündigen wird, wird auch diesem, wenn es gesündigt hat, dasselbe zustoßen, was jenen wegen der Sünden angekündigt worden ist, und werden sie leiden, wenn sie nicht bereuen.“140 Der Passus enthält komprimiert die heilsgeschichtliche Theorie des Origenes: Weil sich das frühere Volk auch durch die vielen Drohungen nicht habe zur Umkehr bewegen lassen, habe sich Gott von ihm abgewandt und sich ein zweites Volk geschaffen. Diese Auslegung beruht auf der Dissoziation, die Aussagen des Textes, die auch auf ein Volk bezogen werden können, auf zwei Völker zu verteilen. Origenes bezog die Aussagen über das Entfernen und das Aufbauen allerdings insofern auf jeweils ein und dasselbe Volk, als er – im zweiten Teil dieses Passus – an das zweite Volk dieselbe Drohung richtete, an der das erste gescheitert sei (mehr dazu unten). Im ersten Teil dieses Textes skizzierte er die Folgen der Missachtung der göttlichen Drohungen durch das erste Volk: „Es geriet in Gefangenschaft, ihre Stadt wurde zerstört, das Heiligtum niedergerissen, der Opferaltar umgestürzt, nichts mehr von den einstmals heiligen Dingen ist bei ihnen übrig.“ Das sind die historischen Elemente, aus denen die frühchristlichen Theologen die Substitutionstheorie formten – vor Origenes taten dies beispielsweise Justin und Tertullian141 – und die auch Origenes oft hervorhob: „Wo gibt es noch Propheten bei ihnen? Wo gibt es noch Zeichen bei ihnen? Wo eine Erscheinung Gottes? Wo sind der Kult, der Tempel, die Opfer?“142 Die Zerstörung des jüdischen Tempels und der Stadt Jerusalem durch die Römer in den Jahren 70 und 135 n.Chr. galten der altkirchlichen antijüdischen Polemik als historischer Beweis dafür, dass Gott das Volk Israel verlassen habe.143 In den neugefundenen Psalmenhomilien äußerte sich Origenes ebenfalls in diesem Sinn: Die Feste der Juden seien seitdem Geschichte.144 140 Ebd. (32, 155f.). 141 Vgl. Justin, dial. 52 (PTS 47, 155f.); Tertullian, adv. Marc. III 23 (CChr.SL 1, 540);
(Pseudo-)Tertullian, adv. Iud. 13,26 (CChr.SL 2, 1390). 142 Origenes, in Hier. hom. 4,2 (GCS Orig. 32, 24). Vgl. ebd. 10,4 (32, 74f.). 143 Vgl. princ. IV 1,3 (GCS Orig. 5, 296f.); in Ios. hom. 17,1 (GCS Orig. 7, 400–402); in
Matth. comm. XIV 19 (GCS Orig. 10, 329f.); Cels. II 8 (GCS Orig. 1, 134); IV 22 (1, 292); VIII 42 (2, 257). Siehe dazu Sgherri, Chiesa e Sinagoga 84–132. 144 Vgl. in Ps. 73 hom. 1,2 (GCS Orig. 13, 226); 2,2 (13, 239f.). Siehe dazu de Lange, Origen and the Jews 75f. 79f. 96f.; Vogt, Juden 238f.; Fürst, Judentum 283f.
Einleitung
Der Hauptvorwurf, den Origenes in diesem Zusammenhang an die Juden richtete, ist der, Jesus getötet zu haben.145 Während zwischen Juden und Christen in den ersten beiden Jahrhunderten die Geltung des mosaischen Gesetzes und die Deutung der Prophetie auf Jesus strittig waren, rückte der Vorwurf, die Juden seien für den Tod Jesu verantwortlich, erst allmählich in den Vordergrund. Im dritten Jahrhundert war jedoch das Kreuz zum Symbol für die Kluft zwischen Judentum und Christentum geworden.146 Für Origenes bildete die Tötung Jesu den Höhepunkt einer langen Reihe von Verfehlungen der Juden, wofür sie letztendlich von Gott verlassen worden seien: „Gott hat jenes Volk verlassen, nachdem sie den Christus getötet hatten.“147 Das war für ihn so evident, dass er den Vorwurf wider alle historische Evidenz – die Römer kreuzigten Jesus – als Faktum ansah: „Dass die Juden ihn kreuzigten, das ist klar und das verkünden wir freimütig.“148 Das ist keine heftige Polemik in dem rhetorischen Sinn, dass er herabsetzendes und beleidigendes Vokabular verwenden würde – so drückte Origenes sich nie aus. Seine Polemik bezog ihre Heftigkeit vielmehr gerade daraus, dass er so sachlich redete, als handelte es sich um völlig selbstverständliche Fakten. Immer wieder flocht er den Vorwurf der Tötung Jesu daher gleichsam nebenbei in die Auslegung ein.149 In den Augen des Origenes war diese Tat besonders schändlich, weil die Juden mit Jesus „‚den Herrn der Herrlichkeit‘ (1 Kor. 2,8) getötet haben“,150 „die Gerechtigkeit getötet haben“, „die Weisheit getötet haben“, „die Wahrheit getötet haben“,151 „unseren Erlöser“.152 Vielleicht spielte sogar persönliche Betroffenheit in diese theologische Wertung hinein, da sich, wie Origenes im Zusammenhang mit seiner Jesusfrömmigkeit einmal formulierte, die Juden „gegen meinen Jesus versündigt haben“, „meinen Jesus getötet haben“.153 Der Passus, in dem er so redet, lässt keinerlei Mitleid mit dem Schicksal Israels bzw. Jerusalems in römischer Zeit erkennen. In Jer. 15,5–7 stehen massive Drohungen gegen Jerusalem: „Wer wird dir Schonung gewähren, Jerusalem? Oder wer wird ein trauriges Gesicht über dich machen? Oder wer wird umkehren, um Frieden für dich zu erbitten? Du hast dich von mir 145 Vgl. in Ps. 73 hom. 1,2 (GCS Orig. 13, 226); 2,2 (13, 239); orat. 31,7 (GCS Orig. 2,
400); Cels. II 8 (GCS Orig. 1, 134f.); II 34 (1, 160); III 1 (1, 204); IV 22 (1, 292); IV 32 (1, 303); V 43 (2, 47); VII 8 (2, 160); VIII 69 (2, 286). 146 Siehe de Lange, Origen and the Jews 77f. 89–102. 147 Origenes, in Hier. hom. 14,13 (GCS Orig. 32, 118). Vgl. in Lev. hom. 3,1 (GCS Orig. 6, 301): Die Juden leiden, weil sie Jesus verworfen haben. 148 In Hier. hom. 10,2 (GCS Orig. 32, 72). 149 Vgl. ebd. 10,7.8 (32, 77); 11,1 (32, 79); 12,13 (32, 99); 13,1 (32, 102f.); 18,8 (32, 162); 20(19),9 (32, 193): „Es sind die Juden, die ihn verfolgten“; lat. 2(2),6 (8, 296). 150 Ebd. 18,8 (32, 162). 151 Ebd. 14,12 (32, 117). Zu diesen Epinoiai Christi siehe unten S. 130 Anm. 55. 152 Ebd. 14,14 (32, 119). 153 Ebd. 13,1 (32, 102. 103). Zur Wendung „mein Jesus“ siehe unten S. 329 Anm. 439.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
abgewandt, spricht der Herr. Du wirst zurückweichen, und ich werde meine Hand über dich ausstrecken und dich vernichten und dich nicht mehr entkommen lassen. Und ich werde sie in der Zerstreuung zerstreuen.“ Origenes gestand zwar seine „Ratlosigkeit“ angesichts solch erbarmungsloser Unheilsdrohungen ohne Aussicht auf Heil ein, weil sie sich nur schwer so erklären lassen, dass deterministische Deutungen vermieden werden. Doch im Blick auf Jerusalem sah er diese Drohungen als wahr geworden an und kommentierte völlig mitleidlos egoistisch: „Wir machen kein trauriges Gesicht über Jerusalem, über all sein Unglück und über das, was jenem ganzen Volk zugestoßen ist; denn ‚durch‘ deren ‚Fehltritt ist das Heil‘ zu uns gekommen, ‚um sie eifersüchtig zu machen‘ (Röm. 11,11).“154 In der Folge ging er darauf dann nicht weiter ein, weil ihn nicht der buchstäbliche Sinn interessierte, der nach seiner Auffassung darin liegt, dass sich die Drohungen Jeremias in der Zerstörung Jerusalems, und zwar nicht der durch die Babylonier 586 v.Chr., sondern der durch die Römer 70 n.Chr.,155 erfüllen, weil die Juden mit der Tötung Jesu die schwerste Sünde auf sich geladen haben, sondern ging zur übertragenen Auslegung über, indem er danach fragte, was das für „jede einzelne Seele“ bedeutet.156 Der starke Antijudaismus, der in solchen Äußerungen zum Ausdruck kommt, wird lediglich dadurch ein wenig aufgefangen, dass Origenes der Substitutionstheorie in einer bestimmten Hinsicht eine eigene Prägung gab. Bei ihm mündete sie nicht in einen christlichen Triumphalismus. Dem hat er dadurch energisch gewehrt, dass er das Schicksal Israels, wie er es sah, den Christen als deutliche Mahnung und Warnung vor Augen hielt: „Wir müssen uns davon belehren lassen, wie er (sc. Gott) sie behandelte“, denn „diese Schelte betrifft auch uns, ich meine uns, wenn wir sündigen und die Vereinbarungen mit Gott nicht halten und nicht sehen, dass jene den Bund verloren haben, obwohl sie edler Herkunft waren, von Abraham abstammten und die Verheißung empfangen hatten. Wir müssen daher bedenken, da jene aus den Segensgütern und den Verheißungen herausgefallen sind und es ihnen nichts genützt hat, von den Patriarchen abzustammen, um wieviel mehr dann wir, wenn wir sündigen, werden verlassen werden.“157 Für die Warnung, „um wieviel mehr er dann uns nicht schonen wird“, berief er sich auf eine entsprechende Aussage des Paulus in Röm. 11,21.158 In diesem Sinne bezog er die
154 Ebd. (32, 101–103). 155 So explizit in Ps. 73 hom. 1,2 (GCS Orig. 13, 226). Vgl. auch Cels. IV 22 (GCS
Orig. 1, 291f.). 156 In Hier. hom. 13,2 (GCS Orig. 32, 103). 157 Ebd. 4,5 (32, 28. 27). Vgl. ebd. 5,1 (32, 30); 18,5 (32, 156); in Ps. 73 hom. 2,2 (GCS
Orig. 13, 240). 158 In Hier. hom. 4,5 (GCS Orig. 32, 28). Vgl. ebd. 4,4 (32, 26); 10,8 (32, 78); 11,6 (32, 85).
Einleitung
Aussage in Jer. 13,17, dass „die Herde des Herrn zerschlagen wurde“, nicht nur auf die Juden, sondern ausdrücklich auch auf die Christen: „Wenn einer die Lage der Juden jetzt sieht und sie mit der damaligen vergleicht, wird er sehen, auf welche Weise ‚die Herde des Herrn zerschlagen wurde‘. Denn sie waren einmal die Herde des Herrn, doch weil sie sich selbst als unwürdig beurteilten, wandte sich das Wort an die Heidenvölker. Wenn nun jene Herde des Herrn zerschlagen wurde, müssen dann nicht wir, der wilde Ölbaum, der wider seine Natur auf den edlen Ölbaum der Väter aufgepfropft wird (vgl. Röm. 11,17.24), noch viel mehr fürchten, dass vielleicht auch diese Herde des Herrn zerschlagen wird? Gemäß dem, was vom Erlöser gesagt wurde, wird sie nämlich einmal zerschlagen werden, wenn ‚die Liebe der Vielen erkalten wird, weil die Gesetzlosigkeit überhandgenommen hat‘ (Mt. 24,12). Denn auf wen bezieht sich die Aussage? Wird nicht über sogenannte Christen gesagt, dass ‚die Liebe der Vielen erkalten wird‘? Auf wen bezieht sich die Aussage: ‚Wenn aber der Menschensohn kommt, wird er Glauben finden auf der Erde?‘ (Lk. 18,8). Bezieht sich das nicht auf uns?“159 Bedenkt man, dass Origenes vom realen Zustand seiner Gemeinde keine besonders hohe Meinung hatte, wird klar, dass er solche Warnungen sehr ernst gemeint hat.160 In Bezug auf die Drohungen und Strafen, die im Buch Jeremia dem Volk Israel angekündigt werden, überlegte er daher immer, „ob nicht auch für uns so etwas gilt“,161 und warnte seine Zuhörer davor, es sich zu leicht zu machen. Gegen eine simple antijüdische Auslegung bezog er solche Texte immer ausdrücklich auch auf die Christen, explizit etwa bei der Auslegung von Jer. 17,1, wo es heißt: „Die Sünde Judas ist mit eisernem Griffel aufgeschrieben, mit stählerner Spitze in das Innere des Herzens eingraviert.“ Origenes erklärte dazu: „Man kann es sich leichter machen und sagen: Dies ist über die Juden geschrieben, denn ihre Sünde ist aufgeschrieben. Doch wenn du siehst, wie wir oft gezeigt haben,162 dass Juda im übertragenen Sinn Christus bezeichnet, ist vielleicht die Sünde Judas die unsere, da wir an Christus glauben, der aus dem Stamm Juda hervorgegangen ist (vgl. Offb. 5,5; Hebr. 7,14).“ Nachdem er eine Beziehung der Aussage auf „Judas den Verräter“ abgelehnt hatte, erwog er daher: „Vielleicht also sagte er, dass sich, wenn wir Sünder geworden sind, diese Prophezeiungen auf uns beziehen. Wir haben gesündigt, und unsere Sünde ist nicht außerhalb von uns aufgeschrieben, sondern in unserem Herzen, und sie wird ‚mit eisernem
159 Ebd. 12,13 (32, 101). 160 Ebd. 4,3–5 (32, 25–29) äußerte er sich so im Kontext einer höchst kritischen Beschrei-
bung des gegenwärtigen Zustands seiner Gemeinde. Siehe dazu unten S. 59f. 161 Ebd. 7,2 (32, 52). 162 Vgl. ebd. 4,2 (32, 25); 5,15 (32, 45); 9,1 (32, 64): „Männer von Juda sind wir wegen
Christus“; 9,4 (32, 68).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
Griffel, mit stählerner Spitze‘ aufgeschrieben.“163 Zur Aussage in Jer. 20,4f.: „Und sie werden sie mit dem Schwert erschlagen. Und ich werde die ganze Macht dieser Stadt preisgeben“, argumentierte er genauso: „Es ist leicht zu sagen, dies werde über Jerusalem prophezeit, denn ihre ganze Macht und was dazu gehört ist damals dem König der Babylonier ausgeliefert worden. Es ist leicht zu sagen, dies werde über ‚diese Stadt‘ prophezeit, da sie zur Zeit des Erlösers den Feinden ausgeliefert worden ist. Die Söhne Jerusalems sind in die Gefangenschaft gegangen, und die Stadt ist zerstört worden. Wenn du die Sache aber genau untersuchst und unter der Stadt nicht die Steine verstehst, sondern die Menschen, wirst du sehen, dass auch jenes Jerusalem, die Menschen, wegen ihrer Gottlosigkeit und Sünde gegenüber Christus ‚in die Hände des Königs von Babylon‘ (Jer. 20,4) ausgeliefert worden sind. Auch du bist jetzt Jerusalem. Wenn also das Wort jetzt eine Drohung gegen Jerusalem ausspricht, fürchte dich, dass nicht du, wenn du sündigst, das sündige Jerusalem bist und ausgeliefert wirst.“164 Das ist durchweg der Duktus seiner Auslegung der vielen Mahnungen und Drohungen, die sich im Buch Jeremia finden. Das Handeln Gottes, von dem darin die Rede ist, kann sich jederzeit ereignen und also auch die Christen treffen, wenn sie sich ihrer Erwählung unwürdig erweisen, und diese sogar noch härter, als es die Juden nach der Geschichtsdeutung des Origenes getroffen hat. Indem er das Schicksal Israels als warnendes Beispiel in der christlichen Pädagogik einsetzte, vermied Origenes einerseits den Triumphalismus, der der Substitutionstheorie allzu leicht eignet. Andererseits änderte dies nichts an seiner grundsätzlichen antijüdischen Argumentation. Weil die Juden darin auf die Rolle als Verworfene der Heilsgeschichte festgeschrieben wurden, um ihre Funktion für die christliche Pädagogik erfüllen zu können, wurde der Antijudaismus in dieser Form sogar verstärkt. Origenes bewegte sich hier in den antijüdischen Denkmustern, die von allen frühchristlichen Theologen im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Judentum und Christentum geschmiedet wurden und für die seine Jeremiahomilien eine Fülle von Aussagen bieten. b) Juden und Christen in Caesarea Damit ist über die Haltung des Origenes zum Judentum und über seine Beziehungen zu Juden aber noch nicht alles gesagt. Die vorgeführten antijüdischen Aussagen und Denkmuster stehen nicht nur in einem exegetischen und geschichtstheologischen Kontext, sondern sind auch in der konkreten 163 Ebd. 16,10 (32, 141f.). 164 Ebd. 19,4(18,14) (32, 171). Vgl. ähnlich ebd. 13,2 (32, 103) zur Auslegung der Frage in
Jer. 15,5: „Wer wird dir Schonung gewähren, Jerusalem?“
Einleitung
Lebenswelt der christlichen Gemeinde von Caesarea zu verorten. In der multikulturellen, multireligiösen und zur Zeit des Origenes bevölkerungsreichen und aufgrund eines schwungvollen Handels wohlhabenden und kosmopolitischen Hauptstadt der römischen Provinz Palästina, die von Herodes dem Großen als hellenistisch-römische Stadt gegründet und nach seinem Protektor Caesar Augustus benannt worden war, gab es eine große jüdische griechischsprachige Gemeinde mit einer im 3. Jahrhundert in der amoräischen Epoche neben Tiberias und Sepphoris bedeutenden rabbinischen Schule.165 Die Jeremiahomilien liefern anschauliches Material für die Beziehungen zwischen Juden und Christen in Caesarea, die offenbar nicht wenig Kontakt miteinander hatten. Es war nicht so, dass nur die christlichen Prediger antijüdische Ansichten propagiert hätten. Es gab auch antichristliche Polemik auf Seiten der Juden, auf die Origenes mehrmals hinwies: „Geh in die Synagogen der Juden“, rief er jedem Einzelnen seiner Zuhörer zu, „und sieh, wie Jesus von ihrer gotteslästerlichen Zunge gegeißelt wird!“166 „Noch jetzt“, bemerkte er zum Ausdruck „Löwe im Wald“ in Jer. 12,8, den er auf die Juden bezog, „gibt es im Wald Löwen, die darauf aus sind, Jesus zu verwünschen, die ihn schmähen und denen nachstellen, die an ihn glauben.“167 Das wird er sich nicht ausgedacht haben, denn in die Synagogen der Juden zu gehen war in Caesarea und in Palästina leicht möglich. Auch andernorts beklagte Origenes, dass die Juden „Jesus bis jetzt anklagen“ und dass „man bis jetzt sehen kann, wie das Volk der Juden von seinen Ältesten und von den Lehrern des jüdischen Kultes überredet und gegen Jesus aufgehetzt wird, ihn zu verdammen“.168 Es gab auch jüdische Feindseligkeiten gegen die Christen.169 Die Beziehungen zwischen Juden und Christen in Caesarea waren von beiden Seiten aus alles andere als spannungsfrei. Diese komplexen Beziehungen spiegeln sich in zwei Verhaltensweisen, die Origenes an christlichen Frauen in seiner Gemeinde kritisierte. In dieser gab es offenbar Christinnen, die zum jüdischen Paschafest „das Fest der ungesäuerten Brote feiern“, und zwar „der ungesäuerten materiellen Brote“, 165 Zur zwischen Syrern bzw. Griechen und Juden konfliktreichen und stets prekären
Geschichte der Juden in Caesarea siehe Levey, Caesarea and the Jews. Eine Beschreibung von Caesarea zur Zeit des Origenes gibt McGuckin, Caesarea Maritima. Siehe auch den Sammelband von Andrei, Cesarea maritima. 166 Origenes, in Hier. hom. 19,2(18,12) (GCS Orig. 32, 168). 167 Ebd. 10,8 (32, 78). 168 In Matth. comm. ser. 119. 123 (GCS Orig. 11, 252. 258). Übersetzung: Vogt, BGrL 38, 318. 323. 169 Siehe dazu Vogt, Juden 233f.; Heine, Origen 172–174. Beispiele für solche antichristliche Polemik, speziell des Rabbi Abbahu (ca. 250–320) (zu diesem: Levey, Caesarea and the Jews 59–65), bei Lachs, Rabbi Abbahu and the Minim, übernommen von McGuckin, Caesarea Maritima 15.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
die „sich am Tag des Sabbat nicht waschen“170 und (wohl an Yom Kippur) „das jüdische Fasten einhalten“. Origenes hielt ihnen vor, den wahren Sinn solcher biblischer Gebote noch nicht verstanden zu haben, „als ob Christus noch nicht gekommen wäre, der uns vervollkommnet und von den Elementen des Gesetzes zur Vollkommenheit des Evangeliums hinüberführt“, denn solche Anweisungen seien nicht im buchstäblichen materiellen, sondern im übertragenen geistigen Sinn, also durch ethisch korrektes Verhalten, zu befolgen.171 Es scheint sich dabei um in der christlichen Gemeinde von Caesarea nicht seltene Praktiken zu handeln, denn auch in den Psalmenhomilien kritisierte Origenes christliche Frauen heftig dafür, das Fest der ungesäuerten Brote mit echten ungesäuerten Broten anstatt der „christlichen ungesäuerten Brote“ zu feiern und sich am jüdischen Fasten zu beteiligen.172 Welche Personen und Praktiken Origenes dabei genau im Visier hatte, ist nicht leicht zu sagen. Es könnte sich um jüdische Konvertitinnen zum Christentum gehandelt haben, die, jedenfalls teilweise, noch an ihren alten Bräuchen und Riten festhielten. Solche Konversionen hat es gegeben. Origenes rechnete mit der Möglichkeit, dass sich jemand noch in hohem Alter vom Judentum zum Christentum bekehrte,173 und seine Kritik an der Beteiligung am Fest der ungesäuerten Brote adressierte er direkt an einen „zu einer so großen Gnade berufenen Christen“, der „wieder zurückkehrt“, der „das aus Gnade berufene Volk Gottes“, das „den Heiligen Geist besitzt“, verlässt und zu dem Volk zurückkehrt, „das der Gnade Gottes beraubt“ ist und „den Heiligen Geist nicht hat“, der „flieht“ und „zu den Feinden überläuft, die er hinter sich gelassen hat“, womit die Juden gemeint sind, wie er explizit dazusagte.174 Sollte dieser Text allerdings weniger konkret als vielmehr theologisch-heilsgeschichtlich gemeint sein – was bei Origenes sogar eher zu erwarten wäre –, dann konnte er durchaus auch auf vordem nicht-jüdische Christinnen zielen, die sich an jüdischen Bräuchen beteiligten und dadurch in Praktiken ‚zurückfielen‘, die man im Christentum eigentlich ‚hinter sich gelassen hat‘. In beiden Fällen kann man überdies an unterschiedliche konkrete Formen dieser Beteiligung denken. Es können Christinnen oder Judenchris170 Hier scheint es sich um ein heidnisch-christliches Missverständnis der am Sabbat
praktizierten Riten zu handeln. Krauss, Jews 146, und McGuckin, Caesarea Maritima 15, missdeuten den Text dahingehend, dass die Frauen sich am Sabbat waschen und herausputzen. 171 Origenes, in Hier. hom. 12,13 (GCS Orig. 32, 100). Zur weiblichen Form der diesbezüglichen Begriffe, aus denen hervorgeht, dass Origenes Frauen anredete, siehe unten S. 322 Anm. 426 und S. 323 Anm. 430. 172 In Ps. 73 hom. 2,3 (GCS Orig. 13, 241f.); in Ps. 77 hom. 1,4 (13, 358f.). Vgl. auch in Lev. hom. 9,5 (GCS Orig. 6, 426f.); cat. Pal. in Ps. 118,38 (SC 189, 256). 173 In Ps. 76 hom. 2,1 (GCS Orig. 13, 314). 174 Ebd. 73 hom. 2,2 (13, 240).
Einleitung
tinnen gemeint sein, die das Fest der ungesäuerten Brote in einer jüdischen Gemeinde oder Familie mitfeierten. Solche engeren Kontakte sind nicht auszuschließen, denn entgegen der Abgrenzungsrhetorik der christlichen Prediger praktizierten viele Christinnen und Christen in ihrem Alltag offenbar einen ungezwungenen Kontakt mit ihrer jüdischen Schwestergemeinde. Origenes selbst bezeugt, dass es Christinnen und Christen gab, die am Sabbat in die Synagoge und am Sonntag in die Kirche gingen.175 Es könnten aber auch Christinnen gemeint sein, die das Fest der ungesäuerten Brote in ihrem christlichen Lebensumfeld dadurch praktizierten, dass sie zum Paschafest allen Sauerteig aus dem eigenen Haus entfernten und ungesäuertes Brot buken und aßen. Dazu passt, dass Origenes speziell christliche Frauen für solche Praktiken kritisierte. Die Verhaltensweisen, die er ablehnte, beziehen sich auf alltägliche Verrichtungen im Haus wie Essen (Brotbacken, Fasten) und Körperpflege (Waschen), und das war die Domäne der Frauen. Alle diese Formen der Beteiligung von Christinnen und Christen an jüdischen Riten und Bräuchen sind denkbar. Sie alle zeigen, dass die Grenze zwischen jüdischen und christlichen Gemeinden nicht so scharf gezogen war, wie die christlichen Prediger (und wohl auch die jüdischen Rabbiner) sich das vorgestellt haben, und dass es viele Formen von Kontakt und fließenden Übergängen zwischen den religiösen Traditionen gab. Ein Prediger wie Origenes hingegen drang, wie alle altkirchlichen Theologen, auf Eindeutigkeit und Abgrenzung, im vorliegenden Fall an die Adresse der Frauen gerichtet: „Wenn es ‚Weiblein‘ gibt, ‚die mit Sünden beladen sind und von mancherlei Lüsten umgetrieben werden‘ (2 Tim. 3,6), die in beide Richtungen ihre Füße bewegen, das heißt auf einmal Jüdin und Christin sein möchten, mahne ich sie: Bekehrt euch! Verändert euch! Werdet entweder Jüdin oder Christin! Ich sage euch die Worte, die der Prophet Elija zu denen, die zwei Seelen hatten, gesagt hat: ‚Wie lange hinkt ihr auf beiden Seiten?‘ (1 Kön. 18,21).“176 Mit der Bemerkung, dass es nicht möglich sei, Jude und Christ zugleich zu sein, kommt eine weitere Deutungsmöglichkeit ins Spiel. Vielleicht hatte Origenes auch die Ebioniten im Sinn, die Jesus als Messias akzeptierten und insofern Christen waren, doch weiterhin die Gebote der Tora beachteten und daher als Juden galten.177 In den Jeremiahomilien erwähnte Origenes einmal die Kritik der Ebioniten an Paulus,178 und auch mit denen, „die meinen, Got175 Vgl. in Lev. hom. 5,8 (GCS Orig. 6, 349); frg. in Ex. 12,46 (PG 12, 285). Siehe dazu de
Lange, Origen and the Jews 36. 86; Bietenhard, Caesarea 50f.; Heine, Origen 175. 176 In Ps. 73 hom. 2,3 (GCS Orig. 13, 242). Übersetzung: Perrone, Psalmenhomilien 211. 177 Vgl. in Gen. hom. 3,5 (GCS Orig. 6, 44); in Matth. comm. XI 12 (GCS Orig. 10, 52);
Cels. II 1 (GCS Orig. 1, 126); V 61 (2, 65). Siehe dazu de Lange, Origen and the Jews 36; Sgherri, Chiesa e Sinagoga 286–289; Monaci Castagno, Origene predicatore 103f.; Martens, Origen and Scripture 148–156. 178 In Hier. hom. 19,2(18,12) (GCS Orig. 32, 167). Vgl. Cels. V 65 (GCS Orig. 2, 68).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
tes Sohn, der Erlöser, war nur ein Mensch“, könnten sie gemeint sein.179 Aus den Psalmenhomilien geht hervor, dass es Leute gab, die sich dem Christentum in Form des Ebionismus angeschlossen hatten – was Origenes kritisch in dem Sinn vermerkte, dass so jemand dann eben nicht als Christ, sondern als Jude lebte: „Dieser hat sein Leben im Ebionismus verbracht, wobei er als Jude lebte, während er meinte, als Christ zu leben.“180 Die Ebioniten waren offensichtlich eine Konkurrenz für die christlichen Gemeinden in Caesarea und Palästina. Die Kritik, die Origenes an den jüdischen Praktiken christlicher Frauen äußerte, scheint allerdings nicht an sie gerichtet zu sein. Zwar monierte er an den Ebioniten, dass sie in – aus seiner Sicht falsch verstandener – Nachahmung Jesu das Paschafest bzw. das Fest der ungesäuerten Brote feierten und das jüdische Fasten praktizierten.181 Da er sich jedoch mit seiner massiven Kritik an solchen Praktiken in den Jeremiahomilien und in den Psalmenhomilien an seine Zuhörer im christlichen Gemeindegottesdienst wandte, dachte er wohl an Christen und speziell Christinnen, die durch ihre Beteiligung an jüdischen Bräuchen (in welcher Form genau auch immer) aus seiner Sicht dem Judentum zu nahe kamen und daher vom Christentum abfielen. In den eben besprochenen Passagen hat Origenes betont Frauen kritisiert. Für die nicht geringe Bedeutung, die Frauen in den frühchristlichen Gemeinden hatten, gibt es ein regionales archäologisches Zeugnis, auf das ob seiner Seltenheit und Prägnanz in einem Nachtrag hingewiesen sei. Ungefähr dreißig Kilometer nordöstlich von Caesarea wurde auf dem Gelände des Gefängnisses von Megiddo von 2003 bis 2005 der antike Ort Legio (Kefar ‘Othnay, lateinisch Caporcotani, arabisch El Lajjun) ausgegraben. In der Gegend befanden sich eine jüdische Siedlung mit auch samaritanischer Bevölkerung, ein römisches Militärlager, später ferner die zu Ehren des Kaisers Maximian (286–305) gegründete griechisch-römische Stadt Maximianopolis, dazu neben dem eigentlichen Legionslager ein weiteres römisches Lager und direkt neben diesem das Dorf Kefar ‘Othnay.182 Wir sehen hier also auf engstem Raum eine ähnliche Vielfalt an ethnischen, kulturellen und religiösen Milieus, wie das für Caesarea der Fall war. Mitten in der Siedlung 179 In Hier. hom. 15,6 (GCS Orig. 32, 130). Vgl. in Luc. hom. 17,4 (GCS Orig. 92, 104);
Cels. V 61 (GCS Orig. 2, 65). 180 In Ps. 76 hom. 2,1 (GCS Orig. 13, 313). In Matth. comm. XII 5 (GCS Orig. 10, 76)
übte er Kritik an denen, „die sich, nachdem sie Christen geworden sind, dafür entscheiden, im Äußeren wie die Juden zu leben“. Übersetzung: Vogt, BGrL 18, 165. 181 In Matth. comm. ser. 79 (GCS Orig. 11, 189). Vgl. in Gen. hom. 5,5 (GCS Orig. 6, 63); in Lev. hom. 3,3 (GCS Orig. 6, 306); 10,2 (6, 442); in Ios. hom. 20,6 (GCS Orig. 7, 426). Siehe dazu Monaci Castagno, Origene predicatore 148f. 182 Siehe den Ausgrabungsbericht von Tepper/Di Segni, Christian Prayer Hall 8–16. Der lateinische Ortsname Caporcotani ist in der Tabula Peutingeriana bezeugt sowie in zwei Inschriften aus Antiochia in Pisidien (CIL III 6814 und 6816): ebd. 9.
Einleitung
Kefar ‘Othnay wurde ein größeres Gebäude freigelegt, das offensichtlich der römischen Armee gehörte und neben der Herstellung von Broten für die Soldaten – wie aus den gefundenen Brotstempeln hervorgeht – wohl als Quartier für Offiziere und ihre Familien diente.183 In diesem Gebäude wurde ein 10 × 5 m2 großer Raum in Nord-Süd-Ausrichtung gefunden, der einer lokalen christlichen Gemeinde als Versammlungsraum diente. Letzteres ergibt sich zweifelsfrei aus einer der insgesamt drei Inschriften im Mosaikfußboden, in der davon die Rede ist, dass für den „Gott Jesus Christus“ ein „Tisch“ gestiftet wurde. Es dürfte sich, wie in frühchristlicher Zeit üblich, um einen beweglichen Tisch gehandelt haben, der für den eucharistischen Teil des Gottesdienstes inmitten der versammelten Gemeinde aufgestellt wurde.184 Nicht ganz eindeutig zu klären ist die Datierung dieses Fundes. Während die Ausgräber Yotam Tepper und Leah Di Segni die Anlage aufgrund der Keramik- und Münzfunde und aufgrund einiger paläographischer Eigenheiten der Inschriften, ferner weil die dort stationierte römische Legion (die Legio VI. Ferrata) um das Jahr 303 von dort verlegt wurde, in das 3. Jahrhundert und ihre Errichtung auf um 230 datieren,185 hat Christoph Markschies Bedenken gegen eine solche Frühdatierung angemeldet, weil sich die paläographischen Details der Inschriften und die figürliche Gestaltung der Mosaiken auch vom 4. bis 6. Jahrhundert nachweisen lassen und die Form eines feststehenden Altars, als die sich die Überreste im Boden zwischen den Mosaiken vielleicht deuten lassen, für die vorkonstantinische Zeit „ganz und gar ungewöhnlich“ wäre.186 Da die Pfeiler- oder Fundamentreste im Boden allerdings etwas schräg sowohl zwischen den beiden Mosaiken als auch im Raum stehen, könnten sie auch erst später eingebaut worden sein, was sich vielleicht als Übergang von einem mobilen „Tisch“ zu einem feststehenden „Altar“ auffassen lässt. Der ganze Fundkontext scheint doch in das 3. Jahrhundert oder auf die Zeit um 300 zu deuten, wogegen nicht spricht, dass sich die Elemente, mit denen die Mosaiken und Inschriften gestaltet sind, auch noch in späteren Jahrhunderten finden. Unabhängig von dieser Kontroverse über die Datierung sind zwei der drei Inschriften aber höchst aufschlussreich dafür, „dass die Gestalt des antiken Christentums viel stärker von vermögenden Frauen geprägt war, als wir uns das gewöhnlich vorstellen“.187
183 184 185 186
Tepper/Di Segni, ebd. 29–31. Tepper/Di Segni, ebd. 22–26. Tepper/Di Segni, ebd. 26–29. 31–34. 42–44 (vgl. ebd. 50). Markschies, Archäologie des Heiligen Landes 432–442 (das Zitat ebd. 438). Spätantike Belege für die paläographischen Eigenheiten der Inschriften ebd. 438 Anm. 48 und 50, Vergleichsbeispiele für die Schmuckmotive der Inschriften aus dem 5. und 6. Jahrhundert ebd. 440 Anm. 56. 187 Markschies, ebd. 442.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
Der „Tisch“ für den „Gott Jesus Christus“ wurde ausweislich einer Inschrift nämlich von einer Frau namens Akeptous gestiftet: „Die gottliebende Akeptous hat den Tisch Gott Jesus Christus als Erinnerungsgabe dargebracht.“188 Auf der zweiten Inschrift im selben Mosaik im südlichen Teil des Raumes ist eine Bitte um das Gebetsgedenken für vier Frauen zu lesen: „Gedenkt der Primilla und Kyriaka und Dorothea, aber ebenso auch der Chreste.“189 Die fünf hier genannten Christinnen der Gemeinde von Kefar ‘Othnay waren offenbar wohlhabend genug, einen solchen Mosaikfußboden mit diesen Inschriften (auf einem von einem Flechtband gerahmten Teppichmuster) und dazu einen Tisch für die Eucharistie zu finanzieren. Aus dieser Spende dürfte wohl auf einen gewissen Einfluss dieser Frauen in der christlichen Gemeinde zu schließen sein, auch wenn der Name Akeptous eher in unteren Gesellschaftsschichten verwendet wurde.190 Oder soll man sich unter den vier Frauen, zu deren Gedenken aufgerufen wird, Märtyrerinnen der Gemeinde vorstellen, die mit dieser Inschrift geehrt werden?191 Auch das ist nicht auszuschließen, doch könnte es auch schlicht so sein, dass der (männliche) Stifter des Mosaiks die vier Frauen, die vielleicht zu seiner Familie gehörten, mit der Erwähnung ihrer Namen ehren wollte.192 Es ist verführerisch, diesen archäologischen Befund mit den kritischen Bemerkungen des Origenes über Frauen in seiner Gemeinde in Caesarea zu verbinden. Immerhin war auch deren Verhalten, unabhängig von der sozialen Stellung dieser Frauen, von der wir nichts wissen, bedeutend und einflussreich genug – jedenfalls fiel es irgendwie auf –, dass Origenes sich genötigt sah, es zu kritisieren, und das gleich mehrmals. Das soziale Setting der griechisch- römischen christlichen Gemeinde von Kefar ‘Othnay mit ihrer Nachbarschaft zu einer jüdischen (und samaritanischen) Siedlung würde ebenfalls zu den von Origenes monierten jüdischen Praktiken passen. Und wenn tatsächlich zu einem Gedenken an Märtyrerinnen aufgerufen wird, dann passt auch das in die Zeit des Origenes. Verführerisch ist zudem, die Form der Widmung an den „Gott Jesus Christus“ mit Origenes in Verbindung zu bringen, denn in seinem frühchristlichen Sprachgebrauch verwendete er den Titel „Gott“ für Jesus Christus wie in der Inschrift ohne Artikel.193 Der archäologische Befund 188 SEG LVI 1900: Προσήνικεν Ἀκεπτοῦς ἡ φιλόθεος τὴν τράπεζαν Θ(ε)ῷ Ἰ(ησο)ῦ Χ(ρι
στ)ῷ μνημόσυνον.
189 Ebd. 1901: Μνημονεύσατε Πριμίλλης καὶ Κυριακῆς καὶ Δωροθέας, ἔτι δὲ καὶ Χρήστην.
Übersetzung beider Inschriften: Markschies, Archäologie des Heiligen Landes 435 (mit Abb. 11 und 12 ebd. 436). Siehe zu den Inschriften Tepper/Di Segni, Christian Prayer Hall 34–42. 190 Siehe dazu Markschies, ebd. 437 mit Anm. 47. 191 So eine Vermutung von Roukema, Église ancienne 392. 192 So Tepper/Di Segni, Christian Prayer Hall 42. 193 Siehe dazu Brox, „Gott“ – mit und ohne Artikel.
Einleitung
in Kefar ‘Othnay ließe sich also ziemlich leicht mit der theologischen Sprache des Origenes und seiner Kritik an ‚judaisierenden‘ Praktiken christlicher Frauen verbinden, wie sie sich in den Jeremia- und Psalmenhomilien findet. Der Kultraum der christlichen Gemeinde von Kefar ‘Othnay bietet ein reales Setting, in dem man sich solche Predigten, wie Origenes sie in Caesarea gehalten hat, konkret vorstellen kann. Aufgrund der Unsicherheit der Datierung bleibt jedoch Vorsicht geboten, diesen archäologischen Befund allzu voreilig und eng an das heranzurücken, was in den Texten des Origenes zu lesen ist. Dazu kommt, dass es sich in Kefar ‘Othnay um ein recht spezielles Ensemble handelt, denn der christliche Versammlungsraum war Teil eines Gebäudekomplexes, der offenbar der römischen Armee gehörte. In diesem war ein Raum für die Versammlung der dortigen Christinnen und Christen hergerichtet – ein Raum, der in seiner architektonischen Anlage kaum etwas mit späteren Kirchengebäuden gemein hat und sich nicht in Besitz der lokalen christlichen Gemeinde, sondern eben des römischen Militärs befand. Mit diesen Besonderheiten ist dieser Raum nicht nur für die Bedeutung von Frauen, sondern auch für die Präsenz römischer Soldaten in christlichen Gemeinden lange vor der Konstantinischen Wende höchst aufschlussreich.194 Auch wenn mit einer solchen auch in Caesarea, der Residenz des römischen Statthalters, zu rechnen ist, werden wir uns die Versammlung und den Versammlungsraum der Christinnen und Christen in der Hauptstadt der Provinz Palästina wohl doch etwas anders vorzustellen haben als die Verhältnisse in dem kleinen Dorf Legio samt Militärlager. c) Origenes und die jüdische Bibelauslegung In einer anderen Hinsicht hat Origenes den Kontakt mit Juden nicht gescheut und sogar gesucht. Um exegetische Fragen zu erörtern, pflegte er bekanntlich einen regen Austausch mit jüdischen Gelehrten,195 unter denen Rabbi Hoshaya der Große gewesen sein dürfte, der von Sepphoris nach Caesarea gekommen war und zur Zeit des Origenes der führende Rabbiner Caesareas war.196 Der einzige Name, der in diesem Zusammenhang überliefert
194 Tepper/Di Segni, Christian Prayer Hall 45–54; Markschies, Archäologie des Heili-
gen Landes 440–442. 195 Vgl. Origenes, in Gen. hom. 2,2 (GCS Orig. 6, 29) und dazu in Gen. hom. 2 frg. 20
(OWD 1/2, 320); sel. in Hiez. 9,4 (PG 13, 800f.); epist. Afric. 10–12 (SC 302, 536–542); Cels. I 45 (GCS Orig. 1, 95); I 55 (1, 106); II 31 (1, 159). 196 Siehe dafür allgemein Bardy, Traditions juives 219–228; de Lange, Origen and the Jews 89–102 (für Hoshaya: ebd. 25. 28); Heine, Origen 147–151; Dorival/Naiweld, Interlocuteurs 130–136 (für Hoshaya: ebd. 134f.); Fürst, Origenes 45–48. Für Hoshaya
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
ist, ist der des Patriarchen „Jullos“,197 worunter wohl der hebräische Name „Hillel“ zu verstehen ist. Da es zu der Zeit, zu der Origenes in Caesarea lebte, allerdings keinen jüdischen Patriarchen dieses Namens gab, könnte vielleicht Hillel, der Sohn des Patriarchen Gamaliel III., gemeint sein, der, wohl weil er recht jung verstarb, seinerseits nicht Patriarch wurde (das wurde sein Bruder Jehuda II.), aber ein jüdischer Gelehrter war.198 Mittels solcher Kontakte sowie von Juden, die zur christlichen Gemeinde übergetreten waren, bezog Origenes Informationen über die jüdische Bibelauslegung, die er in seine Exegese einfließen ließ.199 In den Jeremiahomilien griff Origenes zu den theologisch hoch problematischen Aussagen in Jer. 20,7: „Du hast mich getäuscht, Herr, und ich ließ mich täuschen“ und: „Ich bin zum Gespött geworden, jeden Tag wurde ich fortwährend verhöhnt“,200 zweimal ausführlich auf „eine hebräische Überlieferung“ zurück, „die uns von jemandem zugetragen worden ist, der wegen des Glaubens an Christus und weil er das Gesetz überstiegen hatte, die Flucht ergriffen hatte und dorthin gekommen war, wo wir wohnen“.201 Auch eine damit zusammenhängende Auslegung von Jes. 6,8f. referierte Origenes aus dieser Quelle,202 auf die er die entsprechende Exegese auch in den Jesajahomilien zurückführte.203 Wer war dieser Mann, über dessen Identität sich Origenes nicht näher äußerte? „Wegen des Glaubens an Christus“ war er „dorthin gekommen, wo wir wohnen“ – offenbar hatte er sich der christlichen Gemeinde in Caesarea angeschlossen.204 Aus der Begründung, „weil er das Gesetz überstiegen hatte“, d. h. das wörtliche Verständnis des Alten Testa-
siehe speziell Bacher, Origen and Rabbi Hoshaya; Levey, Caesarea and the Jews 57–59; Stemberger, Ebraismo 96–102. 197 Origenes, in Ps. prol. frg. 3,1 (p. 13 Rietz). 198 So Graetz, Hillel, übernommen von Krauss, Jews 140; Bardy, Traditions juives 223f.; Bietenhard, Caesarea 19. 20. Skeptisch dagegen de Lange, Origen and the Jews 23f.; Sgherri, Patriarca Iullo. Siehe auch Fürst/Hengstermann, OWD 10, 12f. 199 Siehe dazu Krauss, Jews 139–157; Harnack, Ertrag I, 7–30; II, 4–54; Bardy, Traditions juives 228–251; de Lange, Origen and the Jews 103–132; Tzvetkova-Glaser, Pentateuchauslegung. 200 Zu den Inhalten der Auslegung dieser Aussagen siehe unten S. 88–105. 201 Origenes, in Hier. hom. 20(19),2 (GCS Orig. 32, 178). Vgl. ebd. 20(19),5 (32, 184), wo er, nachdem er angeführt hatte, was er „zu dieser Stelle gehört hat“, abschließend vermerkte: „Dies sagte mir der Mann, der mir die überlieferte Erklärung dieser Stelle berichtete.“ Siehe auch Peri, Geremia secondo Origene 3f. 202 Ebd. 20(19),2 (32, 179). 203 Vgl. in Is. hom. 9 (GCS Orig. 8, 288). Siehe dazu Fürst/Hengstermann, OWD 10, 83 mit Anm. 341; 300 Anm. 169; 301 Anm. 170. 204 Es geht nicht an, wie Nautin, SC 238, 256 Anm. 1, aufgrund bestimmter Hypothesen über die Identität dieses Mannes den Text in das Imperfekt zu ändern: „… wo wir wohnten“ und auf Alexandria zu beziehen. Siehe dazu unten S. 491 Anm. 772.
Einleitung
ments zugunsten der höheren, geistigen Deutung aufgegeben hatte,205 ergibt sich, dass er Jude war. Die Stelle belegt somit, dass es in Caesarea Konversionen von Juden zum Christentum gab und Origenes mit solchen Konvertiten in Kontakt über exegetische Fragen stand. Alle weiteren Überlegungen zur Identität dieses ehemaligen Juden müssen Spekulation bleiben, insbesondere die Idee, es handle sich um den von Origenes im Brief an Julius Africanus erwähnten Sohn des jüdischen Patriarchen,206 der vielleicht mit dem von Origenes einmal erwähnten Hillel zu identifizieren ist und der sich, so die Hypothese weiter, zum Christentum bekehrt und zu Origenes (und zwar nach Alexandria) geflohen sei.207 Wer auch immer sich also konkret hinter dieser Notiz des Origenes verbirgt: Auf dem Weg solcher Gespräche und Diskussionen gelangten hebräische Auslegungen in seine Bibelexegese. Ein weiteres Indiz für dieses Lokalkolorit sind Bemerkungen in den Jeremiahomilien, in denen er ausdrücklich auf den hebräischen Bibeltext hinwies oder diesen in seiner Auslegung berücksichtigte. Origenes machte die Zuhörer seiner Predigten gelegentlich darauf aufmerksam, dass es sich bei dem Bibeltext, der im Gottesdienst vorgelesen wurde und den er auslegte, um eine Übersetzung, nämlich der Septuaginta, aus dem Hebräischen handelte. In einer Grundsatzbemerkung hierzu betonte er einmal, dass die siebzig Übersetzer zwar keinen großen Wert darauf gelegt hätten, die ausgefeilten Regeln der griechischen Rhetorik zu beachten,208 sich aber gleichwohl um eine prägnante Ausdrucksweise bemüht und die verwendeten Begriffe fein säuberlich voneinander unterschieden hätten: „Beachte jedoch, wie die Schrift, obwohl sie aus der hebräischen Sprache in das Griechische übersetzt worden ist, nichtsdestotrotz, soweit sie die Unterschiede zwischen den Begriffen wiedergeben kann, einen prägnanten Ausdruck gewählt hat“, denn „auch wenn die Einrichtung der Vorsehung sich nicht sehr stark darum kümmerte, dass sich die griechische Übersetzung nach der in der griechischen Sprache gerühmten Beredsamkeit richtete, sorgte sie dennoch dafür, den prägnanten Sinn der Begriffe zum Ausdruck zu bringen und den Unterschied zwischen ihnen für diejenigen klar darzulegen, die die Schriften sehr sorgfältig erforschen.“209 Zu diesem Zweck haben, so Origenes, die siebzig Übersetzer, wenn sie einen 205 Vgl. für diesen Sprachgebrauch Origenes, in I Cor. frg. 39 (Opere di Origene 14/4,
154); in Matth. comm. XII 37 (GCS Orig. 10, 153). 206 Vgl. epist. Afric. 11 (SC 302, 538). 207 So die Kombination von Nautin, SC 238, 256 Anm. 1 (übernommen von Smith,
FaCh 97, 223 Anm. 23), auf der Basis des in princ. IV 3,14 (GCS Orig. 5, 346) erwähnten „Hebräers“. Schon Bardy, Traditions juives 222, hat lange vor Nautin eine solche Kombination zu Recht als unbegründet abgelehnt. 208 Zur generellen Reserve des Origenes gegen die Rhetorik siehe unten S. 562 Anm. 892. 209 Origenes, in Hier. hom. lat. 2(2),4 (GCS Orig. 8, 293f.). Zu dieser inhaltsreichen Aussage siehe auch unten S. 557 Anm. 882.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
„Ausdruck im Griechischen nicht gefunden haben“, „diesen neu gebildet“, also Neologismen kreiert.210 Manchmal ging Origenes daher auf den Unterschied zwischen dem hebräischen und dem griechischen Bibeltext ein. Grundsätzlich äußerte er sich dazu anlässlich von Jer. 15,10, wo er zwei verschiedene Fassungen vorfand, die inhaltlich jeweils einen anderen Sinn ergeben. „In den meisten Abschriften“, also in der Septuaginta, „steht: ‚Ich war nicht von Nutzen, und auch mir war keiner von Nutzen‘, in den genauesten Handschriften aber, die auch mit den hebräischen übereinstimmen, steht: ‚Ich war nichts schuldig, und auch mir war keiner etwas schuldig‘.“211 Origenes verglich also mehrere Bibelausgaben miteinander. An der vorliegenden Stelle sagte er nicht, welche das waren, aber wie aus seinen sonstigen Werken hervorgeht, handelte es sich um die griechischen Übersetzungen des Aquila, Symmachus und Theodotion, aus denen er die umfangreiche Synopse des Alten Testaments, die Hexapla, erstellt hatte. In den Katenenfragmenten, die von seiner Jeremiaauslegung erhalten sind, verwies er ebenfalls pauschal auf „die übrigen Übersetzer“212 und nannte namentlich einmal Aquila und Theodotion und einmal Symmachus und Aquila.213 Zudem ergibt sich aus einer Bemerkung über Jer. 15,10 in der folgenden Predigt, dass er in diesem Fall „die übrigen Ausgaben“ erst „später eingesehen“ und dabei „erkannt hat, dass ein Schreibfehler vorliegt“.214 Offenbar hat Origenes nicht immer schon vor einer Predigt die Hexapla konsultiert, was damit zusammenpasst, dass er normalerweise aus dem Stegreif gepredigt hat.215 Ob er die betreffende Stelle nachträglich gezielt nachgeschlagen hat oder ob ihm die textlichen Unterschiede zufällig aufgefallen sind, ist nicht auszumachen. Jedenfalls hat seine Entdeckung in diesem Fall dazu geführt, seiner Gemeinde die textliche Schwierigkeit offen zu legen und in Homilie 15 erneut wie schon in Homilie 14 auf die Aussage in Jer. 15,10 einzugehen.216 Schließlich gab er anlässlich der beiden Fassungen dieses Jeremiaverses eine methodische Anweisung, wie in solchen Fällen zu verfahren sei: „Es ist sowohl die gängige und in den Gemeinden vorgetragene Fassung auszulegen als auch diejenige aus den hebräischen Schriften nicht unerklärt zu lassen.“217 Origenes erklärte in solchen Fällen also sowohl die
210 Ebd. 18,6 (32, 159). Zum konkreten Fall in Dtn. 1,31 siehe unten S. 449 Anm. 676. 211 Ebd. 14,3 (32, 107). 212 In Hier. frg. 14 (GCS Orig. 32, 204). 213 Ebd. 6 (32, 200) und 45 (32, 221). 214 In Hier. hom. 15,5 (GCS Orig. 32, 129). 215 Siehe dazu die Hinweise bei Fürst, OWD 7, 204 Anm. 3. 216 Zum damit zusammenhängenden Problem der Reihenfolge der Homilien 14 und 15
siehe oben S. 15–17. 217 Origenes, in Hier. hom. 14,3 (GCS Orig. 32, 107). Vgl. ebd. 15,5 (32, 129): „Allerdings
ist es möglich, die Stelle in beiden Fassungen zu erklären.“
Einleitung
Septuaginta-Übersetzung als auch den hebräischen Text. Für letzteren verwendete er, weil er selbst kein Hebräisch konnte oder nur über minimale Kenntnisse in dieser Sprache verfügte,218 die anderen Übersetzungen in der Hexapla oder zog „Schüler der Hebräer“ heran, also Juden, die Hebräisch konnten.219 Aus diesem Grund erwähnte Origenes zuweilen Unterschiede zwischen dem hebräischen und dem griechischen Bibeltext.220 Interessant daran sind die Fälle, in denen er gegen die Septuaginta dem hebräischen Text den Vorzug gab. Das war etwa der Fall bei Ijob 26,7, wo er dem Text folgte, den „wir in den genaueren Handschriften finden“,221 was insofern wenig spektakulär ist, als zahlreiche Verse der hebräischen Fassung des Buches Ijob in der Septuaginta nicht übersetzt sind und Origenes sie in der Hexapla aus Theodotion ergänzt hat.222 Interessanter ist die Formulierung in Jer. 16,18: „Ich werde zuerst ihre Ungerechtigkeiten und ihre Sünden doppelt vergelten“, wo Origenes „nach dem Vergleich mit den übrigen Ausgaben“ entdeckte, dass das Wort „zuerst“ in der Septuaginta fehlt, in den anderen Ausgaben, mithin im hebräischen Text aber steht.223 In seiner Auslegung folgte er dem hebräischen Text und kam zu dem Schluss, dass „das ‚zuerst‘ notwendigerweise hinzugesetzt ist“.224 Eine Erklärung dafür, weshalb es in der Septuaginta trotzdem fehlt, vermochte er nicht beizubringen und ließ die Frage daher offen: „Entweder haben einige das ‚zuerst‘ ohne nachzudenken aus dem Text getilgt, oder die Siebzig haben es gemäß dem Heilsplan getilgt – Gott wird es wissen.“225 Ebenso erklärte er Jer. 17,1 auf der Basis der „anderen Ausgaben“, weil der ganze Passus Jer. 17,1–4 in der Septuaginta, „ich weiß nicht warum“, fehlt.226 Aus der hebräischen Fassung von Jer. 17,1 gewann er einen zentralen Aspekt seiner Substitutionstheorie,227 und das könnte in diesem Fall erklären, weshalb ihm der hebräische Text an dieser Stelle so wichtig war. Am interessantesten sind die Fälle in den Jeremiahomilien, wo er seiner Auslegung den hebräischen Text zugrundelegte, ohne dies explizit zu kennzeichnen.228 Es handelt sich um folgende Stellen bzw. Junkturen: In Jer. 4,4 218 So richtig Bardy, Traditions juives 219–221, und de Lange, Origen and the Jews
21–23. Anders Sgherri, Lingua ebraica. 219 Origenes, in Hier. hom. 13,2 (GCS Orig. 32, 103). Siehe dazu unten S. 331 Anm. 446. 220 Vgl. ebd. 20(19),5 (32, 184); in Hier. frg. 59 (GCS Orig. 32, 227). 221 In Hier. hom. 8,1 (GCS Orig. 32, 55). 222 Siehe auch unten S. 230 Anm. 238. 223 Origenes, in Hier. hom. 16,5 (GCS Orig. 32, 137). 224 Ebd. 16,6 (32, 138). 225 Ebd. 16,5 (32, 137). 226 Ebd. 16,10 (32, 141). Siehe dazu unten S. 410 Anm. 606. 227 Siehe oben S. 40f. 228 Auch in den Fragmenten aus dem Hoheliedkommentar finden sich Stellen, an denen
Origenes nicht den Septuagintatext zugrundelegte, sondern die Übersetzungen der
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
verwendete er die hebräische Wendung „Vorhaut des Herzens“, nicht die „Herzenshärte“ der Septuaginta.229 Im schwierigen Passus Jer. 20,1–11 stammen die Ortsangabe „am Benjamintor“ (Jer. 20,2), die explizite Qualifizierung Jeremias als „Prophet“ (Jer. 20,2), die Zeitangabe „am folgenden Tag“ (Jer. 20,3), die Verben „plündern“ und „rauben“ (Jer. 20,5), die Wendung „die ganze Ehre“ (Jer. 20,5), die Anrede „Paschor“ (Jer. 20,6) und die Junktur „in meinem Herzen“ (Jer. 20,9)230 aus dem hebräischen Text, der so jeweils nicht in der Septuaginta steht.231 Dasselbe gilt für den Zusatz „Herr der Mächte“ in Jer. 20,12.232 Und schließlich folgen auch die Fassungen von Jer. 22,15 und 28(51),22 in den Katenenfragmenten jeweils der hebräischen Version.233 Origenes zitierte und erläuterte alle diese Verse und Ausdrücke aus dem hebräischen Bibeltext, ohne auch nur eine Andeutung zu machen, dass sie im griechischen Text der Septuaginta fehlen. Eine Erklärung für dieses Verfahren ist nur schwer beizubringen. Aber vielleicht lassen sich diese Beobachtungen als Indizien für das sozioreligiöse Setting seiner christlichen Gemeinde und seiner Predigttätigkeit in Caesarea auffassen. Origenes predigte und legte die Bibel in einem Umfeld aus, in dem es viele Juden gab. Er selbst war sich der zahlreichen Unterschiede zwischen dem Text der hebräischen Bibel und der griechischen Septuaginta höchst bewusst. So erklärt es sich, dass er auch in seinen Predigten gezielt darauf einging und seine Zuhörer darauf aufmerksam machte.234 Musste er damit rechnen, dass vielleicht Juden unter seinen Zuhörern waren? Im christlichen Gemeindegottesdienst ist das vielleicht denkbar, aber eher unwahrscheinlich. Doch in seinem Umfeld war seine Art der Bibelauslegung bekannt, und möglicherweise wurde er sogar auf manche seiner Äußerungen angesprochen.235 Er selbst hat sich mit jüdischen Gelehrten über die Bibel unterhalten und jüdische Auslegungen in seiner eigenen Exegese diskutiert. Zumindest auf diesem Weg konnten die Rabbiner etwas von seiner Bibelauslegung erfahren. anderen Ausgaben, meist Symmachus, gelegentlich auch Aquila und Theodotion. Siehe dazu Fürst/Strutwolf, OWD 9/2, 45f. 229 Origenes, in Hier. hom. 5,14 (GCS Orig. 32, 43). 230 Die Wendung „in meinem Herzen“ auch ebd. 20(19),8 (32, 190). Analog dazu stammt die Wendung „in euren Herzen“ in Ex. 23,13 ebenfalls aus dem hebräischen Text: ebd. (32, 189). 231 Ebd. 19,1(18,11) (32, 166); 19,2(18,12) (32, 167); 19,4(18,14) (32, 172); 19,5(18,15) (32, 173). Zur Wendung „die ganze Ehre“ ebd. 19,4(18,14) (32, 172) siehe unten S. 476 Anm. 736. 232 Ebd. 20(19),9 (32, 193). 233 In Hier. frg. 13 (GCS Orig. 32, 204) und 40 (32, 218). Siehe dazu unten S. 592 Anm. 41 und S. 622 Anm. 103. 234 Vgl. zum Beispiel eine Bemerkung wie die in Num. hom. 16,4 (GCS Orig. 7, 141): „… oder wie die Hebräer sagen, dass es bei ihnen geschrieben steht …“ 235 Ein mögliches Beispiel dafür ist unten S. 90 besprochen.
Einleitung
Es wäre für seine jüdischen Gesprächspartner ein leichtes gewesen, seine Auslegung von vornherein abzulehnen, wenn sie ihm hätten nachweisen können, dass der Text, den er seiner Auslegung zugrundelegte, keine genaue Wiedergabe des hebräischen Textes war. Das war seit dem 2. Jahrhundert ein Hauptstreitpunkt zwischen Juden und Christen, wie etwa aus Justins Dialog mit dem Juden Tryphon hervorgeht. Diesem Vorwurf konnte Origenes dadurch begegnen, dass er die textlichen Probleme der griechischen Übersetzung im Vergleich mit dem hebräischen Text offen ansprach und diskutierte, soweit es ihm angesichts seiner mangelnden Hebräischkenntnisse möglich war. Dabei ging er offenbar so weit, seiner Auslegung eines Textes sogar in einer Predigt den hebräischen Wortlaut zugrundezulegen, obwohl der Text, der im Gottesdienst vorgelesen worden war und den er auslegte, davon abwich (wobei fraglich sein dürfte, wie vielen Zuhörern diese Nuancen aufgefallen sind, zumal es sich meist nur um einzelne Wörter handelte). Manchmal hat Origenes diese Unterschiede offengelegt und beide Versionen ausgelegt, manchmal aber hat er stillschweigend den hebräischen Text erklärt, der in dieser Fassung gar nicht vorgelesen worden war. Diese Art, mit dem hebräischen und griechischen Text der Bibel umzugehen, dürfte am besten mit dem Milieu in Caesarea zu erklären sein, in dem christliche Exegese in einer stark von jüdischen Traditionen geprägten Welt betrieben wurde. Wollte sie ernstgenommen werden, musste ein christlicher Exeget diesen Kontext berücksichtigen. Origenes scheint sich dessen sehr bewusst gewesen zu sein. Jedenfalls hat er eine Bibelauslegung, die sich auf den hebräischen Text bezieht, in hohem Maße praktiziert, manchmal sogar auf Kosten des griechischen Septuagintatextes. Die Jeremiahomilien des Origenes spiegeln somit in einer ganzen Reihe von Merkmalen das soziale und religiöse Milieu von Caesarea maritima, speziell das jüdische Umfeld einer christlichen Gemeinde und ihres Predigers. Das gilt sowohl für die vielen antijüdischen Äußerungen, die Origenes in diesen Predigten machte, und die spannungsreichen Kontakte zwischen Juden und Christen, die er kritisch ansprach, als auch für manche Züge seiner Bibelauslegung, die in diesem Kontext plausibel werden.
2. Origenes und Jeremia: Prophetengeschick und Predigerschicksal Der Text des Buches Jeremia wirkte sich noch in einer weiteren Hinsicht auf einen Grundzug der Auslegung des Origenes aus. „Jeremia schrieb nicht nur Prophezeiungen auf, sondern auch eigene Leiden“, heißt es in einem
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
Fragment aus der Prophetenkatene.236 Im Buch Jeremia wird ausgiebig das Elend von Jeremias Prophetenleben vor Augen geführt, die Ablehnung, die ihm und seiner Verkündigung entgegenschlug, bis hin zu seiner zweimaligen Inhaftierung (Jer. 20,1–3; 44[37],1–46[39],18) und dem Attentat auf ihn (Jer. 45[38],1–6) und seiner Verschleppung nach Ägypten (Jer. 50[43],1–7). Origenes scheint all dies sehr sensibel wahrgenommen zu haben, wenn er seine Zuhörer immer wieder darauf hinwies, was der Prophet für seine Botschaft alles zu erdulden hatte. „Sieh, was für ein Leben die Propheten gelebt haben, wie sie mal verlacht werden, mal in Gefahr schweben, niedergestreckt und gesteinigt vom Volk, getötet, gehasst, verfolgt.“237 Er griff dafür gern eine entsprechende Aussage in Hebr. 11,37f. auf: „Sie wurden gesteinigt, zersägt, auf die Probe gestellt, sie erlitten den Tod durchs Schwert, sie zogen umher in Schafspelzen, in Ziegenfellen, darbend, bedrängt, misshandelt, in Einöden umherirrend“,238 und wandte diese auf Jeremia an. Dieser Aspekt des Buches Jeremia hat Origenes offensichtlich sehr stark interessiert. Während er aus dem ersten Teil (Jer. 2,1–10,25) in den meist kurzen Homilien 2–8 nur einige wenige Sätze und nur selten eine längere Passage erklärte – die einzige längere Perikope, die er in der langen Homilie 5 auslegte, ist Jer. 3,22–4,8 – und auf Jer. 6–9 gar nicht einging, wohl weil darin im Wesentlichen nur Wiederholungen von Jer. 2–5 stehen, hat er in den Homilien 9–20 die „Szenarien prophetischer Existenz“ in Jer. 11,1–20,18239 in meist langen Predigten eingehend erklärt. Nach der Berufung des Propheten (Jer. 1,4–10), die er in der ersten Homilie behandelt hatte, erläuterte er in Homilie 9 den Gottesbund als Grundlage der Sendung und Verkündigung Jeremias (Jer. 11,1–10) und interessierte sich im Folgenden dann besonders für die Konfessionen Jeremias, die er alle ausführlich behandelte, die erste (Jer. 11,18–12,6) in Homilie 10, die zweite (Jer. 15,10–21) in Homilie 14, wobei er der eindringlichen Klage Jeremias in Jer. 15,10 sogar noch eine zweite Predigt widmete, Homilie 15. Die dritte Konfession (Jer. 17,12–18) ist Thema von Homilie 17, die vierte (Jer. 18,18–23) ist vielleicht in Homilie 18 behandelt worden, doch lässt sich das nicht sicher sagen, weil diese Predigt nicht vollständig erhalten ist.240 Die fünfte und eindringlichste Konfession Jeremias schließlich (Jer. 20,7–18) wird in Homilie 20 ausführlich ausgelegt 236 Origenes, in Hier. frg. 63 (GCS Orig. 32, 229). 237 In Hier. hom. 20(19),5 (GCS Orig. 32, 185). Vgl. ebd. 1,13 (32, 11): „Alles Mögliche er-
leiden die Propheten“; 14,14 (32, 119): „Weil die Propheten vieles erlitten haben …“ 238 Vgl. ebd. 14,14 (32, 119f.); 15,2 (32, 126); ferner Cels. VII 7 (GCS Orig. 2, 159). Zur
Legende von der Zersägung Jesajas vgl. ebd. 20(19),9 (32, 192), ferner in Is. hom. 1,5 (GCS Orig. 8, 247). Siehe dazu die Hinweise bei Fürst/Hengstermann, OWD 10, 204 Anm. 26. 239 So die Überschrift über diesen Teil p. 1300 Septuaginta Deutsch. 240 Siehe dazu unten S. 428 Anm. 632.
Einleitung
(bis Jer. 20,12), nachdem er auf den schweren Vorwurf Jeremias gegen Gott, dieser habe ihn getäuscht (Jer. 20,7), aufgrund der theologischen Problematik einer solchen Aussage schon in der vorigen Homilie 19 eingegangen war.241 Origenes, der – wie sich zeigen wird – in Jeremia ein Vorbild für sein eigenes Wirken sah, hat sich für das persönliche Schicksal dieses Propheten, das in dem nach ihm benannten Buch wie bei keinem anderen Propheten geschildert wird, brennend interessiert. Am eindringlichsten ging er auf die „Schwierigkeiten“, mit denen Jeremia ständig konfrontiert war,242 anlässlich seiner Klage in Jer. 15,10 ein: „Weh mir, Mutter, als was für einen hast du mich geboren, einen Mann, vor Gericht gezerrt und umstritten auf der ganzen Erde?“ Origenes muss diese Stelle sehr wichtig gewesen sein, da er in gleich zwei Predigten auf sie zu sprechen kam. Nachdem er sehr lange darüber gepredigt hatte – Homilie 14 ist die längste Predigt im erhaltenen Corpus –,243 kam er im folgenden Gottesdienst noch einmal darauf zu sprechen und predigte erneut nahezu ausschließlich über Jer. 15,10 und das Prophetengeschick, das darin zum Ausdruck kommt, um erst im Schlusspassus von Homilie 15 noch rasch auf einen neuen Vers zu sprechen zu kommen.244 Origenes füllte damit viele Seiten mit Reflexionen auf diese Klage Jeremias. „Ständig“, kommentierte er, „wurde der Prophet vor Gericht gezerrt, beschimpft, verklagt und verleumdet.“245 Die Ursache dafür war, dass Jeremia den Leuten „die Wahrheit sagte“.246 Aber gerade das zog ihm die Feindseligkeit derer zu, die sich dieser Wahrheit versperrten: „Er hatte viele Schwierigkeiten, er litt unter denen, die die Wahrheit nicht hören wollten.“247 Weil die Propheten wie Jeremia ihre Zuhörer zurechtwiesen und tadelten, zogen sie deren Hass und Verfolgung auf sich: „Den Gesandten des Wortes“, wie Origenes die Propheten bezeichnete,248 „droht Gefahr seitens ihrer Hörer; denn werden sie zurechtgewiesen, hassen sie sie, werden sie ge-
241 Siehe dazu ausführlich unten S. 88–105. 242 Origenes, in Hier. hom. 14,15 (GCS Orig. 32, 121); 14,17 (32, 123); 15,1 (32, 125);
20(19),8 (32, 190). Zum Bild des Propheten Jeremia in den Homilien des Origenes siehe auch Peri, Geremia secondo Origene 10f.; Pieri, L’amarezza del profeta 46–51. Zum Jeremiabild in anderen Werken des Origenes siehe Cocchini, Geremia secondo Origene 90–96. 243 Ebd. 14,1–10 (32, 106–115) beschäftigt sich Origenes mit Jer. 15,10; ebd. 14,11–18 (32, 115–125) geht er auf Jer. 15,11–19 ein. 244 Ebd. 15,1–5 (32, 125–129) geht es erneut um Jer. 15,10; ebd. 15,6 (32, 130f.) legt Origenes Jer. 17,5 aus. 245 Ebd. 14,2 (32, 107). Vgl. ebd. 14,5 (32, 110); 14,14 (32, 119). 246 Ebd. 14,13 (32, 118). 247 Ebd. 14,17 (32, 123) zu Frage Jeremias in Jer. 15,18: „Warum werden die, die mich hassen, stärker?“ 248 Vgl. auch Cels. III 68 (GCS Orig. 1, 260); IV 4 (1, 277); IV 72 (1, 342); VI 1 (2, 70).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
tadelt, verfolgen sie sie.“249 In Jer. 15,15 spricht Jeremia selbst von denen, „die mich verfolgen“, und Origenes erläuterte dazu: „Und lass den Propheten diese Worte sprechen, da er von denen verfolgt wird, die getadelt werden, da er von denen gehasst wird, die die Wahrheit nicht annehmen, denn er wurde zum Feind der Zuhörer, weil er ihnen die Wahrheit sagte.“250 Die 14. Homilie eröffnete Origenes mit einem Vergleich der Propheten mit Ärzten, da sie „Ärzte der Seelen“ seien: „Die Propheten erleiden von denen, die sich nicht heilen lassen wollen“ dasselbe, was „Ärzte von renitenten Kranken erleiden“: Weil sie die Mühsal der ärztlich verordneten Kuren und Heilmittel scheuen, schlägt den Ärzten Abneigung und sogar Hass entgegen und werden sie geschmäht und beschimpft, als wären sie die Ursache der schmerzhaften Behandlung.251 Dieses Bild wandte Origenes auf das Wirken und das Schicksal Jeremias an: „Vielerlei Krankheiten gab es in dem Volk, das sich Volk Gottes nannte. Gott schickte ihnen Ärzte: die Propheten. Einer der Ärzte war auch Jeremia. Er tadelte die Sünder, er wollte die Übeltäter zur Umkehr bewegen. Sie aber, die auf seine Worte hätten hören sollen, verklagten den Propheten, und sie verklagten ihn vor Richtern, die ganz wie sie waren. Und ständig wurde der Prophet von denen vor Gericht gezerrt, die, was seine prophetische Verkündigung angeht, behandelt, aber weil sie nicht darauf hörten, nicht geheilt wurden.“ Und weil es ihm ständig so erging, habe Jeremia geseufzt: „Ich bin ganz ermattet und kann es nicht ertragen“ (Jer. 20,9).252 Mit solchen eindringlichen Vergleichen aus der Alltagswelt, die jeder Zuhörerin und jedem Zuhörer verständlich waren, hat Origenes seiner Gemeinde die wiederholten Klagen Jeremias über das Scheitern seiner Sendung zu erläutern versucht: „Er verkündete also das Wort, keiner nahm die Botschaft an. Wie ein Arzt verschwendete er die Heilmittel, weil die Kranken renitent und voller eigener Gelüste waren.“253 Wie immer in seiner Bibelauslegung ging es Origenes allerdings nicht nur darum, seiner Gemeinde das Schicksal des historischen Jeremia zu erläutern. Mit allen seinen Ausführungen darüber war die Frage verknüpft, welche Bedeutung solche Bibeltexte für die Christen in der Gegenwart haben. Das wichtigste Verfahren hierzu war die Übertragung aller dieser Aussagen über Jeremia auf Christus. Das ist überhaupt das durchgängige methodische Ver249 In Hier. hom. 1,13 (GCS Orig. 32, 11). Vgl. ebd. 14,14 (32, 119): „Die Propheten haben
vieles erlitten, als sie tadelten, als Gesandte des Wortes wirkten und die Gebote Gottes verkündeten.“ 250 Ebd. 14,13 (32, 118). Vgl. ebd. 14,14 (32, 119): „Schau auf die Lebenswege der Propheten: Weil sie tadelten, weil sie schimpften, weil sie Vorwürfe machten, wurden sie vor Gericht gezerrt, wurde über sie Gericht gehalten, wurden sie verurteilt.“ 251 Ebd. 14,1 (32, 106f.). 252 Ebd. 14,2 (32, 107). 253 Ebd. 14,3 (32, 107f.).
Einleitung
fahren in sämtlichen Homilien. Bereits in der 1. Homilie ging Origenes auf diese Methodik ein und diskutierte sie ausführlich vor allem im Blick auf Aussagen, die sich der Übertragung auf Christus zu widersetzen scheinen, so die Aussagen in Jer. 1,5: „Bevor ich dich im Mutterschoß formte, kenne ich dich, und bevor du aus dem Mutterleib herauskamst, habe ich dich geheiligt“ und in Jer. 1,10: „Siehe, ich habe dich über Völker und Königreiche gesetzt, um auszureißen und niederzureißen und zu zerstören, um aufzubauen und einzupflanzen.“254 Auch die Klage Jeremias in Jer. 15,10: „Weh mir, Mutter, als was für einen hast du mich geboren, einen Mann, vor Gericht gezerrt und umstritten auf der ganzen Erde?“, auf die er in der 14. Homilie ausführlich einging, um das Prophetengeschick zu erläutern, bezog er unter ausdrücklichem Rekurs auf die 1. Homilie255 auf Christus, denn „wie wir an zahllosen anderen Stellen gezeigt haben, dass Jeremia für unseren Herrn Jesus Christus steht, so werden wir das vielleicht auch hier sagen können“.256 Demgemäß übertrug Origenes das Schicksal Jeremias Zug um Zug auf Christus, beispielsweise mit Hilfe des Gedankens, dass „Jesus Christus in jedem der Märtyrer vor Gericht gezerrt wird“ und in diesem Sinne „auf der ganzen Erde umstritten“ ist.257 Jeremia ist „Symbol“ (σύμβολον), „Sinnbild“, für Christus.258 Die Propheten kündigen Jesus nicht nur in ihren Worten, sondern auch und noch mehr mit ihrem Leben an. Das gilt besonders für Jeremia, der mit dem, was er durch seine Verfolgung erlitten hat, auf das Leiden Jesu vorausweist. Den Wehe-Ruf Jeremias in Jer. 15,10 korrelierte Origenes daher mit den Wehe-Rufen Jesu in Mt. 23,13–29 und übertrug das prophetische Schicksal explizit auf Christus: „Es war nämlich die prophetische Aufgabe sowohl dieses Propheten als auch des Jesaja und der übrigen, zu belehren, zu tadeln und zur Umkehr zu rufen. Demgemäß war es also die Aufgabe auch dieses Propheten, zurechtzuweisen, zu tadeln, zu richten, auch wenn er mit den Sündern gerichtet 254 Vgl. darüber ausführlich ebd. 1,6–16 (32, 4–16). 255 Siehe dazu unten S. 344 Anm. 469. 256 In Hier. hom. 14,5 (GCS Orig. 32, 110). 257 Ebd. 14,7f. (32, 112f.). Vgl. ebd. 15,2 (32, 126f.): „Im eigentlicheren Sinne allerdings
kann dieses prophetische Wort auf den Erlöser bezogen werden. Denn lass den Propheten dies sagen, wird er dies doch nicht wahrheitsgemäß sagen, sondern vielleicht in Form einer Übertreibung, denn er war nicht vor der ganzen Erde umstritten.“ 258 Ebd. 1,6 (32, 4). In Matth. comm. XII 9 (GCS Orig. 10, 81f.) wird Jeremia mit Bezug auf Jer. 1,10 als „Typos“ (τύπος) Christi bezeichnet. Vgl. auch Cels. VII 7 (GCS Orig. 2, 159f.). Siehe dazu Peri, Geremia secondo Origene 9–17 (der ebd. 6 darauf hinweist, dass Origenes damit in einer schon ausgebildeten kirchlichen Tradition steht; ebd. 6–9 weitere Hinweise auf Theologumena in den Jeremiahomilien, die Origenes der frühchristlichen Tradition, bes. Clemens von Alexandria, entnommen hat); Fédou, Sagesse 103–106; Pieri, L’amarezza del profeta 51–60; Cocchini, Geremia secondo Origene 100.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
werden konnte, und die Sünden des Volkes zu tadeln. Und wozu soll man auch noch erwähnen, was ihnen die Angehörigen ihres Volkes alles angetan haben? Den einen steinigten sie, den anderen zersägten sie (vgl. Hebr. 11,37), einen anderen töteten sie ‚zwischen dem Tempel und dem Altar‘ (Mt. 23,35), diesen warfen sie in eine Zisterne mit Schlamm (vgl. Jer. 45[38],6) weil sie von ihm getadelt wurden. Und vor allem hat unser Erlöser dies vollbracht, und zwar mehr noch als diese, weil er der Herr der Propheten ist. Denn als er selbst gegeißelt und gekreuzigt und von den Juden beziehungsweise von den Lehrern der Juden und vom Führer des Volkes ausgeliefert wurde, sagte er: ‚Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler!‘ (Mt. 23,13).“259 Neben diesem durchgängigen Muster seiner Auslegung hat Origenes die Aussagen, die im Buch Jeremia über Jeremia und sein Schicksal gemacht werden, gelegentlich auch auf seine Gemeinde und auf sich selbst angewendet. Die Nachahmung der Propheten und Jesu schließt ein, ihr Schicksal zu teilen. So meinte er im Anschluss an die eben zitierte Auslegung: „Wenn wir nach den Seligpreisungen der Propheten streben, lasst uns also auch dasselbe vollbringen!“260 Es gebe viele, meinte Origenes, die den Propheten und ebenso Jesus und den Aposteln nacheifern. Er erinnerte diese Leute aber mit Nachdruck daran, dass das nicht nur für die angenehmen Seiten des Prophetenlebens gelten könne, „das Herausragende an den Propheten“, wie er sich ausdrückte, nämlich „ihre Unabhängigkeit, ihre Charakterfestigkeit, ihre Wachsamkeit, ihre Geistesgegenwart“ sowie „die Kraft und den Freimut eines Propheten“.261 Wer den Taten der Propheten nacheifern wolle, müsse vielmehr bedenken, dass dazu auch gehöre, „zu erleiden, was die Propheten erlitten haben“, und „gehasst zu werden, wie die Propheten gehasst wurden“; „denn zu sagen: Gib mir Anteil mit den Propheten, ohne zu erleiden, was die Propheten erlitten haben, und ohne es erleiden zu wollen, ist ungerecht … Wenn wir also mit den Propheten sein wollen, dann schau auf die Lebenswege der Propheten!“262 Das ist ein Grund dafür, weshalb Origenes „die Lebenswege der Propheten“ und im vorliegenden Fall denjenigen Jeremias seinen Zuhörern so ausführlich vor Augen geführt hat. Im Blick auf die konkrete Gemeinde, die er vor sich hatte, war Origenes in dieser Hinsicht allerdings alles andere als optimistisch. Er beurteilte „die Lage bei uns“ so, dass seiner Ansicht nach Jesus allen Grund hatte, im Blick auf seine Wiederkunft die Frage zu stellen: „Doch wird der Menschensohn, wenn er kommt, Glauben finden auf Erden?“ (Lk. 18,8). Der anspruchsvolle Moralprediger Origenes hatte generell keine besonders hohe Meinung 259 Origenes, in Hier. hom. 15,2 (GCS Orig. 32, 126). 260 Ebd. 261 Ebd. 15,1.2 (32, 125. 126). Eine ähnliche Liste von lobenden Epitheta für die Prophe-
ten findet sich in Cels. VII 7 (GCS Orig. 2, 159). 262 In Hier. hom. 14,14 (GCS Orig. 32, 119).
Einleitung
vom moralischen und spirituell-intellektuellen Niveau der Christinnen und Christen in seiner Gemeinde. An der hier in Rede stehenden Stelle beurteilte er das Glaubensniveau sogar besonders drastisch und machte keinerlei Hehl aus seiner kritischen Haltung: „Und wahrlich, wenn wir die Situation nach der Wahrheit beurteilen und nicht nach der Zahl der Leute und wenn wir die Situation grundsätzlich beurteilen und nicht im Blick auf die vielen Versammelten, werden wir sehen, dass wir jetzt nicht gläubig sind.“ Den Maßstab für dieses strenge Urteil entnahm er der Vergangenheit: „Damals aber gab es Gläubige, als es echte Martyrien gab, als wir von den Friedhöfen, wohin wir die Märtyrer geleitet hatten, in die Versammlungen kamen und die ganze Gemeinde sich ohne Betrübnis einfand und die Katechumenen angesichts der Martyrien unterrichtet wurden und angesichts des Sterbens derer, die die Wahrheit ‚bis in den Tod‘ (Offb. 2,10) bekannten.“ Für Origenes – eine erstaunliche Beobachtung – war die Zeit der Märtyrer also schon Vergangenheit. Aus dem Text geht nicht hervor, welche konkreten Umstände zu der Zeit, als er über das Buch Jeremia predigte, ihn dazu veranlassten, die Gegenwart in dieser Weise mit einer reichlich verklärten Vergangenheit zu vergleichen. War es ein Versuch, seine Zuhörer zu echter Nachfolge der Propheten und der Apostel zu motivieren? Aber motiviert es wirklich, den Leuten offen ins Gesicht zu sagen: „Damals waren die Gläubigen zwar wenige, aber sie waren wahrhaft Gläubige … Jetzt aber, da wir viele geworden sind …, sind es sehr wenige, die aus der Menge derer, die ihre Gottesverehrung bekunden, die Erwählung Gottes und die Seligkeit erlangen“?263 Derart schonungslose Äußerungen sind ein Indiz für das gespannte Verhältnis zwischen dem Prediger Origenes und seiner Gemeinde, das aus vielen Bemerkungen in seinen Predigten hervorgeht.264 In den Jeremiahomilien hängt dies nicht zuletzt damit zusammen, dass sich Origenes selbst mit seinen oft vergeblichen Mühen als Prediger und Lehrer im Geschick des Propheten Jeremia wiedererkannt hat.265 Es gehörte zu seinem Selbstverständnis, als Ausleger und Verkünder des Wortes das Wirken des Logos, des Wortes Gottes, 263 Ebd. 4,3 (32, 25f.). 264 Vgl. seine Klagen über die Vernachlässigung des Gottesdienstbesuches und die Un-
aufmerksamkeit der Gottesdienstbesucher während der Liturgie und besonders während der Predigt in Gen. hom. 10,1 (GCS Orig. 6, 93f.); in Ex. hom. 12,2 (GCS Orig. 6, 264); 13,3 (6, 272); in Lev. hom. 9,7 (GCS Orig. 6, 431); in Ios. hom. 1,7 (GCS Orig. 7, 295); in Is. hom. 5,2 (GCS Orig. 8, 265). Siehe dazu Schütz, Gottesdienst 46–48; Monaci Castagno, Origene predicatore 88f.; Heine, Origen 182f.; Fürst, OWD 7, 26–30. 265 Siehe dazu auch Peri, Geremia secondo Origene 25f. 36, der dann aber, ebd. 38–57, alles auf das Martyrium hinlenkt, wenn er die Leiden Jeremias mit denen des Origenes parallelisiert. Es geht aber in den Texten eindeutig nicht um das Martyrium, sondern um die Schattenseiten des Lebens als Verkündiger und Lehrer. Ferner Cocchini, Geremia secondo Origene 99.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
in der Bibel und in der Kirche fortzusetzen und damit in der Nachfolge der Propheten und Apostel zu stehen. Wie die Apostel mit den Evangelien und ihren Briefen „geschmiedete Posaunen (vgl. Num. 10,2) tragen, die großartige und himmlische Lehre der Verkündigung“,266 so „befiehlt das Wort zum Beispiel mir und befiehlt auch jedem anderen – es wird dem gegeben, der willens ist und den Sinn der Schriften erforscht – ‚geschmiedete silberne Posaunen‘ (Num. 10,2) anzufertigen“.267 Zu dieser kerygmatischen Nachfolge gehören unausweichlich die negativen Seiten, von denen das Geschick der Propheten gekennzeichnet war. „Machen wir uns also bereit, zur Zeit einer Verfolgung mit Jeremia auf dem Posten zu sein, ebenso mit dem Apostel.“268 Als Lehrer muss Origenes wie Jeremia ermahnen und tadeln269 und die Folgen solcher Mahnrede auf sich nehmen. „Wenn mein Wort bitter ist, empfinden die Zuhörer Widerwillen.“270 Im Vorwort zur ersten Samuelhomilie hat er die Bitterkeit seiner Worte als heilsame Medizin ausführlich verteidigt und sich dafür auf die Praxis Jesu sowie der Propheten und Apostel berufen.271 Offenbar hat Origenes aber die Erfahrung gemacht, „für unsere Worte verlacht zu werden“,272 und sich dies mit dem Geschick der Propheten erklärt: „Was ist nun erstaunlich daran, wenn einer, der dadurch, dass er den Sünder tadelt und ihm Vorwürfe macht, der prophetischen Lebensweise nacheifern will, geschmäht, gehasst und hintergangen wird?“273 Ebenso äußerte sich Origenes im Matthäuskommentar über jeden Christen, der „ganz eifrig lebt und die Sünder überführt und deswegen gehasst wird und Nachstellungen erleidet“, denn „wer dem Leben der Propheten nacheifert und den Geist, der in ihnen war, in sich trägt, wird unvermeidlich in der Welt und bei den Sündern entehrt; denn die füh-
266 Origenes, in Ios. hom. 7,1 (GCS Orig. 7, 327f.). Das Bild vom Evangelium als Posau-
ne Christi stammt von Clemens von Alexandria, protr. 116,3 (SC 2, 185). 267 Origenes, in Hier. hom. 5,16 (GCS Orig. 32, 45). Vgl. ebd. 19,4(18,14) (32, 172): „Wenn
ein Ausleger der prophetischen Worte die Wahrheit sagt, prophezeit er auch selbst und prophezeit Wahres.“ Ferner in Ps. 36 hom. 3,3 (GCS Orig. 13, 142); in Luc. hom. 32,2 (GCS Orig. 92, 182). Siehe dazu Monaci Castagno, Origene predicatore 71–75; Martens, Origen and Scripture 194–200. 268 In Hier. frg. 63 (GCS Orig. 32, 229). 269 Zu dieser Pädagogik der heilsamen Kritik siehe Fürst, OWD 7, 20–26. 270 In Hier. hom. 20(19),6 (GCS Orig. 32, 186). 271 Vgl. in Regn. hom. lat. 1 (GCS Orig. 8, 1–3) und dazu Fürst, OWD 7, 16–19. Vgl. auch in Num. hom. 27,10 (GCS Orig. 7, 270): „Wie nämlich die Ärzte ihren Heilmitteln mit Blick auf die Heilung und Gesundung der Kranken manche Bitterkeiten hinzufügen, so wollte der Arzt unserer Seelen ebenfalls mit Blick auf das Heil, dass wir die Bitterkeiten dieses Lebens in mannigfachen Versuchungen erleiden, wohl wissend, dass am Ende dieser Bitterkeit unsere Seele die Süße des Heils erlangen wird.“ 272 In Hier. hom. 20(19),5 (GCS Orig. 32, 185). 273 Ebd. 14,14 (32, 120).
Einleitung
len sich durch das Leben des Gerechten belastet.“274 In den Jeremiahomilien rekurrierte er dafür auf einen konkreten Vorfall in der Gemeinde, den er aber, weil er seinen Zuhörern offenbar bekannt war, nur so allgemein und vage antippte, dass nicht zu erkennen ist, worum es genau ging. Anscheinend war gegen einen hohen Amtsträger, „einen im Vorstand“, „eine kirchliche Strafe verhängt worden“ – er war wohl exkommuniziert worden – und musste sich „derjenige, der die Sache in die Hand genommen hat“, nunmehr Verleumdungen von dem anhören, der „ausgeschlossen“ worden war: „Jener geht umher und redet schlecht über den, der der Wahrheit Recht verschafft hat.“275 Die Erfahrung, dass die Zuhörer „sich von meinen Worten abwandten und sich nicht aufnahmebereit zeigten“,276 scheint Origenes nicht selten gemacht zu haben. Das Predigerleben hat ihm wohl nicht immer Freude bereitet. Das kann man jedenfalls daran ablesen, dass er das Futur in der Aussage in Jer. 15,16: „Und dein Wort wird mir Freude bringen“ stark hervorgehoben hat: „Das tut es jetzt nicht, doch es wird es tun. Denn in der Gegenwart bringt mir dein Wort Gefängnisaufenthalte, Gerichtsverhandlungen, Schwierigkeiten, Verleumdungen, Mühen, doch das Ende von alledem wird Freude sein“, wie es in Jer. 15,16 dann weiter heißt: „Und dein Wort wird mir Freude und Fröhlichkeit meines Herzens bringen.“277 Das sagte Origenes in der Person Jeremias, aber man spürt deutlich, dass es auch für ihn gilt. Eine Reaktion darauf war der Drang, sich vom Verkündigen des Wortes zurückzuziehen, wie Jeremia einmal sagte: „Ich werde den Namen des Herrn nicht mehr erwähnen und nicht mehr länger in seinem Namen reden“ (Jer. 20,9). Im Blick auf dieses Gefühl parallelisierte Origenes sein Erleben und Empfinden explizit mit demjenigen Jeremias: „Er sagt das also, weil er etwas Menschliches verspürt, das zu verspüren auch uns oft droht. Und besonders, wenn einer sich bewusst ist, wegen der Lehre und des Wortes einmal elend dran zu sein, zu leiden und gehasst zu werden, sagt er oft: Ich ziehe mich zurück, was gehen mich denn diese Schwierigkeiten an? Wenn ich deswegen auch in Schwierigkeiten gerate, weil ich lehre, weil ich das Wort verkünde, weshalb ziehe ich mich nicht lieber in die Einsamkeit und Stille zurück?“278 Das spätere Mönchtum konnte hier einen Ansatzpunkt für die Anachorese, den Rückzug aus der Welt in die Einsamkeit und Stille finden. Origenes brachte damit seine Distanzierung von seiner Gemeinde zum Ausdruck, denn „es
274 In Matth. comm. X 18 (GCS Orig. 10, 25). Übersetzung: Vogt, BGrL 18, 85. 275 In Hier. hom. 14,14 (GCS Orig. 32, 120). 276 Ebd. 14,4 (32, 109). 277 Ebd. 14,15 (32, 121). 278 Ebd. 20(19),8 (32, 189f.).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
ist nicht absurd, die Versammlung der Schlechtigkeit zu fliehen und so den nachzuahmen, der sagte: ‚Für mich allein saß ich da‘ (Jer. 15,17).“279 Letztlich hat Origenes freilich keinen solchen Rückzug angetreten, sondern sich unverdrossen seiner Aufgabe als Prediger gewidmet, auch wenn es ein Leben voller Bitterkeit war, womit er sich erneut dezidiert in die Nachfolge Jeremias stellte: „Wenn ‚der Weg, der zum Leben führt, eng und schmal ist‘ (Mt. 7,14), musst du in diesem Leben ‚von Bitterkeit satt sein‘ (Jer. 15,17) und kannst dich an keiner Süßigkeit erfreuen. Oder weißt du nicht, dass dein Fest mit Bitterkräutern begangen wird?“ Im selben Sinn stellte er sich in die Nachfolge des Apostels Paulus: „Die Aussage über die Bitterkräuter (vgl. Ex. 12,8) ist entsprechend der Aussage über ‚die ungesäuerten Brote der Lauterkeit und Wahrheit‘ (1 Kor. 5,8) zu erläutern. Verfüge über Lauterkeit und Wahrheit, und sie werden dir zu Bitterkräutern werden, und mit Bitterkräutern wirst du die ungesäuerten Brote der Lauterkeit und Wahrheit essen, so wie Paulus, insofern er die ungesäuerten Brote der Lauterkeit und Wahrheit aß, auch Bitterkräuter aß. Wie aß er Bitterkräuter? Indem er sagte: ‚Euer Feind bin ich geworden, weil ich euch die Wahrheit sage‘ (Gal. 4,16).“280 Wie Jeremia wurde also Origenes „zum Feind der Zuhörer, weil er ihnen die Wahrheit sagte“, diese sie aber „nicht hören wollten“ und „sich von seinen Worten abwandten“.281 Andererseits kannte Origenes aber auch das „Glück, wenn man auf einen reifen und großartigen Zuhörer trifft“.282 In luziden Beobachtungen zur Reziprozität von Erziehungs- und Lernprozessen vermochte er den „Nutzen“ zu beschreiben, „den ein Lehrer wohl von Hörern haben würde, wenn sie Fortschritte machen und sich bessern“, denn wenn der Lehrer „in ihnen Früchte hervorbringt“ (vgl. Röm. 1,13), wird der Hörer „zur Ursache des Vorankommens und des Glücks“ des Lehrers. „Ansonsten aber gibt es auch einen Nutzen, den jeder Lehrer aus dem Lehren selbst zieht – umso mehr, je verständiger der Schüler ist –, und zwar im Hinblick auf das, was er lehrt, und auf das, was er lernt. Und die Redner werden besser im Hinblick auf die Kenntnisse, die sie weitergeben, wenn die Hörer verständig sind und diese nicht einfach übernehmen, sondern nachhaken und Fragen stellen und nach der Bedeutung des Gesagten forschen.“283 Der Pädagoge Origenes scheint die Erfahrung aktiver Mitarbeit seiner Schüler, und zwar weniger im Gottesdienst als vielmehr in seiner Schule in Caesarea, gemacht zu haben, sonst hätte er sie nicht so präzise beschreiben können. Sehr häufig scheint sie aber
279 Ebd. 14,16 (32, 122). 280 Ebd. (32, 123). 281 Ebd. 14,13 (32, 118); 14,17 (32, 123); 14,4 (32, 109). 282 Ebd. 6,3 (32, 51). 283 Ebd. 14,3 (32, 108). Siehe dazu auch Schadel, BGrL 10, 298 Anm. 141.
Einleitung
nicht gewesen zu sein, denn die schwierige Seite des Lehrerdaseins hat er immer viel eindringlicher angesprochen und häufig beklagt. In den Jeremiahomilien parallelisierte Origenes sein Erleben und Empfinden als Prediger und Verkünder des Wortes mit dem Schicksal des Propheten Jeremia. Er hat das recht düster gestimmte Flair des Buches Jeremia feinfühlig wahrgenommen und gerade im Elend des Prophetenlebens, das darin eindringlich vor Augen geführt wird, eigene Erfahrungen wiedererkannt. Im Schicksal des Lehrers und Predigers Origenes wiederholt sich das Geschick des Propheten Jeremia, vorwiegend auf taube Ohren zu stoßen. Origenes empfand wohl eine gewisse Seelenverwandtschaft mit dem Propheten Jeremia. Daraus erklärt sich der empathische Ton so vieler Seiten seiner Jeremiahomilien, in denen Propheten- und Predigerschicksal so ineinanderfließen, dass er untrennbar von beidem zugleich sprach. Wenn er davon redete, „dass den Gesandten des Wortes“, als der sich Origenes genau so verstand wie die Propheten, „Gefahr seitens ihrer Hörer droht“, dass sie gehasst und verfolgt werden,284 dass er unter denen leidet, „die die Wahrheit nicht hören wollen“ und „zum Feind der Zuhörer“ wird, „weil er ihnen die Wahrheit sagte“,285 ist kaum auszumachen, woran er mehr dachte, und vermutlich dachte er bei solchen Worten sowohl an Jeremia als auch an sich selbst. Nicht zuletzt daraus dürfte sich auch erklären, dass Origenes das Buch Jeremia so eindringlich ausgelegt hat wie kein altkirchlicher Exeget nach ihm.
3. Aspekte menschlicher Freiheit a) Kompatibilistischer Libertarismus: Selbstbestimmung des Menschen und Vorsehungshandeln Gottes Ein Grundgedanke der christlichen Philosophie des Origenes ist die Freiheit des Menschen.286 Zusammen mit der Güte und Gerechtigkeit Gottes und seinem Vorsehungshandeln zur Erziehung des Menschengeschlechts gehört die Überzeugung vom freien Willen des Menschen und seiner sich daraus ergebenden Verantwortung für sein Handeln und seiner Schuldfähigkeit zu den Kristallisationspunkten seines Denkens.287 Die Inhalte seiner Bibelauslegung orientieren sich durchweg an diesen Leitideen. Origenes legte den Bibeltext immer so aus, dass seine Deutungen nicht gegen diese Grundoptionen je für sich als auch in ihrem Zusammenhang verstoßen.
284 In Hier. hom. 1,13 (GCS Orig. 32, 11); 20(19),5 (32, 185). 285 Ebd. 14,17 (32, 123); 14,13 (32, 118). 286 Siehe dazu einführend Fürst, Origenes 110–142. 287 Ausführlich beschrieben von Schockenhoff, Fest der Freiheit 105–162.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
Diese Exegese betrieb Origenes in einem philosophischen Kontext, mit dem sie vielfach eng verwoben war. Eines der zentralen Probleme der Philosophie zur Zeit des Origenes bildete das freie, verantwortliche Handeln des Menschen im Rahmen der göttlichen Vorsehung. Wie war das Postulat der Verantwortung des Menschen und damit die Annahme seiner Freiheit mit einer mehr oder weniger deterministischen Vorstellung von der Weltordnung zu vereinbaren? Seitdem die Stoiker diese Frage auf die philosophische Agenda gesetzt hatten, wurde sie in der römischen Kaiserzeit insbesondere in den Schulen der Stoiker, der Peripatetiker und der Platoniker zunehmend intensiv diskutiert.288 Origenes hat mit dem ersten christlichen Traktat über die Freiheit im dritten Buch von De principiis289 und mit vielen weiteren Überlegungen dazu in seinen Schriften290 einen wesentlichen Beitrag zu dieser Debatte geleistet. Dabei hat er sie insofern auf ein neues Niveau gehoben, als er als erster antiker Denker nicht nur eine Handlungstheorie im Rahmen der praktischen Philosophie, sondern eine umfassende Metaphysik der Freiheit entwarf, in der er die zentralen Fragen der antiken Theologie, Kosmologie und Anthropologie vom Kerngedanken der Freiheit aus reflektierte.291 Zieht man moderne Kategorien zur Beschreibung seiner Position heran, vertrat Origenes einen Libertarismus mit einem starken Hang zum Kompatibilismus, d. h. er verfocht den Gedanken der nicht-determinierten Freiheit des Menschen – „die Selbstbestimmung ist nämlich frei“, formulierte er dezidiert in den Jeremiahomilien292 –, dachte diese aber zusammen mit der Vorsehung des seinerseits freien Gottes, den er als „ungeschaffene Freiheit“ bestimm-
288 Für die aristotelische Tradition siehe vor allem den Traktat des Alexander von Aphro-
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disias über das Schicksal (De fato), für die platonische etwa Plutarchs De sera numinis vindicta und eine Generation nach Origenes Plotins Enneade VI 8. Siehe dazu Dihle, Vorstellung vom Willen 31–78; Forschner, Stoische Ethik 85–113; Bobzien, Determinism and Freedom 234–357; Müller, Willensschwäche 47–193; Frede, A Free Will 19–48. 66–88. 95–101; Forschner, Epiktets Theorie der Freiheit. Zu Plotin: Gorman, Freedom; Westra, Plotinus and Freedom 97–110; Leroux, Human Freedom; Ousager, Plotinus on Selfhood 162–188; Halfwassen, Plotin 128–141; Frede, A Free Will 125–152; Nölker, Freiheit. Origenes, princ. III 1 (GCS Orig. 5, 195–244). Neben dem grundlegenden Passus in orat. 6f. (GCS Orig. 2, 311–316) siehe besonders die ersten beiden Bücher des Johanneskommentars und viele Passagen in der Apologie gegen Kelsos. Die grundlegenden Aufsätze hierzu sind Holz, Begriff des Willens und der Freiheit, und vor allem Kobusch, Philosophische Bedeutung. Die erste umfassende monographische Darstellung dieser Innovation des Origenes hat jüngst Hengstermann, Freiheitsmetaphysik, vorgelegt. Origenes, in Hier. hom. 18,3 (GCS Orig. 32, 154): τὸ γὰρ αὐτεξούσιον ἐλεύθερόν ἐστι.
Einleitung
te.293 Seine Aussagen über die Freiheit in den Jeremiahomilien bewegen sich durchweg in dem damit abgesteckten Rahmen. Die beiden Pole, zwischen denen Origenes über das Zusammenspiel von Freiheit und Gnade, von Selbstbestimmung des Menschen und Vor sehungshandeln Gottes nachdachte, hat er bereits in seinem Traktat „Über die Selbstbestimmung“ (Περὶ αὐτεξουσίου) in seiner Grundlagenschrift präzise benannt. Gegen deterministische Positionen, wie sie insbesondere von den Gnostikern und in der im Römischen Kaiserreich weit verbreiteten Astrologie vertreten wurden, betonte er immer wieder, „dass es unsere eigene Leistung ist, gut zu leben, und dass Gott dies von uns fordert als etwas, das nicht von ihm ist oder von einem anderen kommt oder, wie manche meinen, von der Schicksalsnotwendigkeit (εἱμαρμένη), sondern als unser eigenes Werk“.294 Demgemäß meinte er in den Jeremiahomilien zu denen, die „auf Erden“ (Jer. 17,13) bzw. „im Himmel aufgeschrieben werden“ (Lk. 10,20), dass „jeder sich selbst die Ursache dafür ist, wo er aufgeschrieben wird. Wenn du nach den Dingen auf Erden strebst, strebst du nicht nach den himmlischen. Wenn deine Seele den Dingen hier zugeneigt ist, wirst du dir selbst dafür verantwortlich … Du sammelst Schätze im Himmel? Du bist dir selbst die Ursache dafür, dass dein Name im Himmel aufgeschrieben wird.“295 Im selben Sinn fühlte er sich bemüßigt, nach der Erwähnung der Gnade im Zitat von 1 Petr. 1,9f. im Zusammenhang mit der Wiedererlangung des Heils bei der Auslegung der Aufforderung in Jer. 28(51),6: „Flieht aus der Mitte Babylons! Und jeder Einzelne errette seine Seele“ hinzuzufügen: „Gleichwohl liegt es an uns (in nobis est)“ – wie üblich greift Origenes die stoische Formel für die freie Selbstbestimmung des Menschen auf – „aus Babylon zu fliehen, und steht es in unserer Macht (in nostra est positum potestate), ob wir wieder aufrichten wollen, was gefallen ist.“296 Origenes vergaß bei seinen Auslegungen nie, „die Freiheit der Entscheidung“ in Erinnerung zu rufen, die nicht „ausgehebelt“ werden dürfe, weil sonst „kein gerechter Grund für das Gericht mehr bestünde“.297 Das „Vermögen der Selbsttätigkeit“, wie er die Fähigkeit zur
293 In Lev. hom. 16,6 (GCS Orig. 6, 502): libertas ingenita. – Der Konnex von Freiheit und
Vorsehung ist das Hauptthema der Studie von Benjamins, Eingeordnete Freiheit, v. a. ebd. 1–165. Für die philosophiegeschichtlichen Zusammenhänge siehe die zusammenfassende Skizze bei Fürst, Entdeckung der Freiheit. 294 Origenes, princ. III 1,6 (GCS Orig. 5, 201). Übersetzung: p. 475 Görgemanns/ Karpp. 295 In Hier. hom. 17,4 (GCS Orig. 32, 148). Vgl. dazu princ. III 6,1 (GCS Orig. 5, 280), zitiert unten S. 422 Anm. 625. 296 In Hier. hom. lat. 2(2),3 (GCS Orig. 8, 293). 297 In Cant. comm. III 17(IV 3),5 (OWD 9/1, 418). Übersetzung: Fürst/Strutwolf, OWD 9/1, 419. Vgl. ebd. III 17(IV 3),21 (9/1, 424); princ. III 1,1 (GCS Orig. 5, 195); III 2,4 (5, 251).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
Selbstbestimmung mit einer ebenfalls stoischen Formel nannte,298 bleibt immer gewahrt: „In jeder Seele gibt es die Kraft des Könnens und die Freiheit der Entscheidung, mit der sie alles tun kann, was gut ist“299 – woraus auch deutlich wird, dass es nicht um eine banale Wahlfreiheit zwischen ethisch neutralen Optionen geht, sondern Freiheit bei Origenes die grundsätzliche Fähigkeit meint, sich am Guten zu orientieren. Andererseits betonte Origenes nicht weniger stark, dass ein frommer Christ im Bewusstsein seiner Schwäche „die Leistung in Dankbarkeit Gott dem Vollender zuschreibt“ und sich bewusst ist, dass „unsere Vollendung nicht geschieht, ohne dass wir etwas tun; aber sie wird nicht von uns zu Ende geführt, sondern Gott wirkt das meiste dabei … Gewiss ist bei unserer Erlösung der Beitrag Gottes unendlich viel größer als der, der von unserer freien Entscheidung kommt“.300 „Wer nicht seine eigene Schwäche gespürt hat und die Gnade Gottes, der wird, wenn er Wohltaten empfängt, ohne sich selbst vorher erprobt und sich selbst verurteilt zu haben, sich einbilden, es sei seine eigene sittliche Leistung, was ihm von der himmlischen Gnade geschenkt wird.“301 „Es ist ja Brauch bei den Heiligen, wo ein Widersacher (sc. die Sünde) besiegt wird, Gott ein Danklied darzubringen, da ihnen gleichsam bewusst ist, dass der Sieg nicht durch ihre Kraft, sondern durch Gottes Gnade zustandekam.“302 Gott ist es, der im Erlösungsgeschehen das meiste bewirkt und dessen Gnade dem menschlichen Handeln vorausgeht: „Er lässt die Sonne über Böse und Gute aufgehen“, und „er lässt Regen über Gerechte und Ungerechte fallen“ (vgl. Mt. 5,45) und „wirkt auf die Seele jedes einzelnen Menschen ein, auf dass er vernünftig ist, auf dass er Wissen erwirbt, auf dass
298 In Ioh. comm. II 16,112 (GCS Orig. 4, 73). Vgl. orat. 6,2 (GCS Orig. 2, 312). 299 In Cant. comm. III 15(IV 1),20 (OWD 9/1, 400). Übersetzung: Fürst/Strutwolf,
OWD 9/1, 401. Vgl. princ. III 1,20 (GCS Orig. 5, 235); III 2,3 (5, 250); in Rom. comm. VIII 10,3 (SC 543, 550–552). 300 Princ. III 1,19 (GCS Orig. 5, 231–233). Übersetzung: p. 535–539 Görgemanns/ Karpp. Vgl. philoc. 26,7 (SC 226, 256–262). 301 Princ. III 1,12 (GCS Orig. 5, 216). Übersetzung: p. 505 Görgemanns/Karpp. Zur Schwäche des Menschen vgl. in Cant. comm. II 5,10 (OWD 9/1, 234) und bes. in Rom. comm. VI 9f. (SC 543, 174–194), wo Origenes anlässlich der Auslegung von Röm. 7,14–25 nachdrücklich auf die Schwäche und die „Macht der Gewohnheit“ zum Sündigen hinweist, die es dem Menschen erschwert, das als Gut Erkannte in die Tat umzusetzen. Siehe dazu Fürst, OWD 7, 50f., ferner Müller, Willensschwäche 242–284; ders., Willensschwäche und innerer Mensch, der in seiner an sich ausgezeichneten Darstellung allerdings dazu tendiert, Origenes einen augustinischen Willensbegriff, d. h. einen Willen, der gegenüber dem Intellekt selbstständig ist, zuzuschreiben, wohingegen für Origenes die Willensschwäche nur ein (freilich massives) praktisches Problem der Umsetzung des vom Intellekt als Gut Erkannten in faktisches Handeln betrifft. 302 In Ex. hom. 6,1 (GCS Orig. 6, 191). Vgl. in Ios. hom. 12,2 (GCS Orig. 7, 369).
Einleitung
er Klugheit einübt im Umgang mit seinem Leib, auf dass er die körperlichen Sinne bei Kräften hält (vgl. Hebr. 5,14).“303 Gottes Gnade wirkt aber nach dem soteriologischen Konzept des Origenes nie so, dass sie das Tun des Menschen überflüssig macht oder gar erzwingt. In einer Passage in den Jeremiahomilien, die man als Kompatibilismus in Reinform bezeichnen könnte, schärfte er dies wiederholt ein. Zur schwierigen Aussage in Jer. 20,7: „Du hast mich getäuscht, Herr, und ich ließ mich täuschen“, gab er zunächst die „hebräische Überlieferung“ wieder, die ihm von einem Juden, der sich zum Christentum bekehrt hatte,304 zugetragen worden war: „Gott ist kein Tyrann, sondern ein König, der nicht durch Gewalt, sondern durch Überzeugung als König herrscht. Er will, dass sich seine Untertanen freiwillig seinem Heilsplan zur Verfügung stellen, damit das Gute, das jemand tut, nicht aus Zwang geschieht, sondern aus freiem Willen.“ Wegen des Bezugs auf eine Aussage des Paulus im Brief an Philemon, der wollte, dass „die gute Tat“ des Onesimus „nicht aus Zwang geschieht, sondern aus einem freien Willen“ (Phlm. 14), ist das Folgende dann vermutlich schon als Aneignung dieser Überlieferung durch Origenes anzusehen (wenn nicht schon ihre ganze Wiedergabe von seiner Sicht eingefärbt ist): „Der Gott des Alls hätte gewiss etwas, das als Gut anerkannt ist, in uns bewirken können, damit wir aus Zwang Almosen geben und aus Zwang besonnen leben, aber er hat es nicht gewollt. Deshalb befiehlt er uns, ‚nicht aus Unlust oder aus Zwang‘ (2 Kor. 9,7) zu tun, was wir tun, damit das, was geschieht, freiwillig geschieht. Gott sucht also sozusagen einen Weg, wie man freiwillig tut, was Gott will.“305 Wenn es daher in Jer. 5,3 heißt, dass „die Augen des Herrn auf Glauben gerichtet sind“ und desgleichen auf Liebe oder auf Gerechtigkeit und überhaupt auf alle Tugenden, dann bedeutet das, dass der Mensch durch ein entsprechendes ethisches Verhalten das Seine dazu tun muss, damit dies Wirklichkeit wird: „Wenn nun auch du willst, dass die Strahlen der geistigen Augen Gottes306 zu dir gelangen, mache dir die Tugenden zu eigen!“307 Gnade und Freiheit sind in der ethisch konfigurierten Freiheitsmetaphysik des Origenes, in der im ethischen Verhalten der ontologische Status eines Vernunftwesens realisiert wird, so miteinander verschränkt, dass Gottes Wirken als Güte, Gerechtigkeit und vor allem als Liebe dadurch zur Wirklichkeit in jedem einzelnen Menschen wird, dass dieser in einem entsprechenden ethischen Leben die Tugenden der Güte, der Gerechtigkeit usw. in Liebe lebt. Wer ein solches Leben führt, über dem „leuchten die Augen des Herrn“, „und wenn du soweit bist, dass die Augen des Herrn über dir leuchten, 303 304 305 306 307
In Hier. hom. 3,2 (GCS Orig. 32, 20f.). Siehe zu diesem Mann oben S. 49f. In Hier. hom. 20(19),2 (GCS Orig. 32, 178). Zu dieser Wendung siehe unten S. 213 Anm. 212. In Hier. hom. 6,1 (GCS Orig 32, 48).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
wirst du sagen: ‚Erschienen ist über uns das Licht deines Angesichts, Herr‘ (Ps. 4,7).“308 Das Tun des Menschen ist nicht die Vorbedingung dafür, dass die Augen des Herrn leuchten, und der Mensch kann schon gar nicht hochmütig darauf pochen, dass er seine Leistung erbracht und Gott ihm nun den Lohn dafür zu geben habe.309 Das wäre ein grobes Missverständnis der Spiritualität des Origenes. In einem solchen Tun des Menschen, das er zu erbringen hat und zu dem er grundsätzlich imstande ist, kommt vielmehr das Leuchten des Herrn zum Ausdruck, das Gott dem Menschen vorgängig und unbedingt, gnadenhaft, immer schon schenkt.310 Aber er wollte dadurch, dass die Menschen sich das gnadenhaft geschenkte Gute durch eine rechte Ausübung ihres freien Willens ihrerseits erringen, erreichen, dass es wirklich zum Gut der Menschen wird: „Denn der Schöpfer gewährte den Vernunftwesen, die er schuf, willensbestimmte, freie Bewegungen, damit in ihnen ein ihnen eigenes Gut entstehe, da sie es mit ihrem eigenen Willen bewahrten.“311 „Obgleich er selbst“, nämlich Christus, „es ist, der in uns siegt“, stellte er in einer Numerihomilie fest, „liegt doch ein höherer Wert darin, dass er durch uns siegt, als dass er durch sich selbst siegt.“312 Origenes beschrieb Gnade als Ermöglichung von Freiheit und deren Zusammenspiel als Synergismus aus zeitlicher und sachlicher Priorität der Gnade, weil der Mensch das Gute als solches nicht zu erschaffen vermag und ihm sein Sein wie sein Gut-Sein als reines Geschenk zuteilwerden, und unerlässlicher Umsetzung des vom Menschen als Gut Erkannten in praktisches Handeln kraft eigener Entscheidung, weil nur so das von Gott geschenkte Gute zu seinem eigenen Gut wird.313 Der christliche Platoniker, für den die Güte das erste Prädikat Gottes war, dachte Gnade Gottes und Freiheit des Menschen nicht als Gegensatz und nicht als reine Abhängigkeit der Freiheit von der Gnade, sondern in ihrer gegenseitigen Verschränkung als Ausdruck einer Liebesbeziehung, in der die Liebe nur dann wirklich Liebe ist, wenn die beiden Partner sich in Freiheit aufeinander einlassen. Gott hat das in seiner freien Güte, die sein Wesen ausmacht, als Schöpfer von Anfang an immer schon getan und tut das in seinem erlösenden erzieherischen Tun beständig weiterhin, worin seine Unwandelbarkeit bzw. Unveränderlichkeit liegt. Der
308 Ebd. 309 Das betont Origenes selbst explizit in Rom. comm. IV 1,12 (SC 539, 194). 310 Vgl. auch die Beschreibung der Reziprozität zwischen der Priorität der Gnade und
der Unerlässlichkeit der Bekehrung des Menschen in Regn. hom. lat. 5 (GCS Orig. 8, 8f.). Siehe dazu Schockenhoff, Fest der Freiheit 44–47; Fürst, OWD 7, 54. 311 Princ. II 9,2 (GCS Orig. 5, 165). Übersetzung: p. 405 Görgemanns/Karpp (leicht modifiziert). 312 In Num. hom. 7,6 (GCS Orig. 7, 48). 313 Weiteres dazu bei Völker, Vollkommenheitsideal 38–41; Gruber, ΖΩΗ 236–240; Schockenhoff, Fest der Freiheit 116–123; Fürst, OWD 7, 50–59.
Einleitung
geschaffene und dadurch wandelbare Mensch hingegen, dem das Gute nicht substantiell, sondern akzidentell eignet, steht vor der Aufgabe, diese Wirklichkeit Gottes – Origenes denkt theologisch einen reinen Aktualismus – seinerseits zu seiner Wirklichkeit zu machen. Als wandelbares Geschöpf, dem das Gute nur akzidentell eignet, ist der Mensch fehlbar. Er kann seine Entscheidungsfreiheit falsch gebrauchen und statt des Guten, das Gott ihm schenkt und zu dem er ihn lockt und aufruft, das Böse tun. Daraus resultieren alle Probleme, die nicht nur in der Philosophie der römischen Kaiserzeit, sondern in der gesamten Religionsgeschichte seit eh und je gegen die Vorsehung Gottes vorgebracht werden. In den Jeremiahomilien formulierte er den Einwand der „Leute, die an der Vorsehung Anstoß nehmen“, so: „Weshalb gibt es so viele Ehebrecher und so viele Lustknaben (vgl. 1 Kor. 6,9), weshalb so viele Gottlose und so viele Unfromme?“314 Dahinter steht der klassische Einwand gegen die Vorsehung aufgrund des Bösen und des Leids in der Welt, den Origenes andernorts noch ausführlicher zur Sprache gebracht und diskutiert hat.315 Seine Antwort darauf ist ebenfalls klassisch: „Und wenn das, was mit der Vorsehung zusammenhängt, in Frage gestellt wird, so dass einige daran zweifeln, ob es überhaupt eine Vorsehung gibt, dann aus keinem anderen Grund als aus Schlechtigkeit. Beseitige die Schlechtigkeit, und du wirst an der Vorsehung keinen Anstoß nehmen!“316 Das Böse in der Welt ist also ein Resultat der „Schlechtigkeit“ der Menschen. Das war schon Platons Antwort auf das Theodizeeproblem: Nicht Gott sei dafür verantwortlich, sondern der Mensch.317 Origenes folgte sowohl seinem philosophischen Heros in dieser Annahme und fand sie auch in der Bibel, auf die er seine Argumentation stützte.318 Nicht Gott verlässt die Menschen, sondern die Menschen verlassen Gott, wofür er explizit zwei Jeremiastellen aufrufen konnte: „Sie haben mich verlassen, die Quelle des Wassers des Lebens“ (Jer. 2,13), „denn sie haben die Quelle des Lebens verlassen, den Herrn“ (Jer. 17,13).319 Und noch einmal sagte er zu Jer. 2,13 mit Nachdruck und zog eine Aussage in den Psalmen als stützenden Beleg heran: „Doch jene ‚haben die Quelle des Wassers des Lebens verlassen‘ (Jer. 2,13), nicht die Quelle des Wassers des Lebens hat sie verlassen. Denn Gott entfernt
314 Origenes, in Hier. hom. 12,11 (GCS Orig. 32, 98). 315 Vgl. bes. princ. II 9,3 (GCS Orig. 5, 166f.), wo er „das ganze Verzeichnis des mensch-
lichen Elends“ auflistet. Übersetzung: p. 407 Görgemanns/Karpp. Siehe auch unten S. 317 Anm. 416. 316 In Hier. hom. 12,11 (GCS Orig. 32, 97). 317 Vgl. Platon, Gorg. 523a–527e; Phaid. 73a–76e; polit. II 379b–380c; X 614a–621d. 318 Vgl. Origenes, princ. I 7,4 (GCS Orig. 5, 90); I 8,1f. (5, 95–98); II 9,7 (5, 170f.); III 3,5 (5, 261f.). Siehe dazu Koch, Pronoia und Paideusis 96–159 (bes. ebd. 98); Scott, Problem of Evil 49–73. 319 In Hier. hom. 17,4 (GCS Orig. 32, 148).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
sich von niemandem, sondern ‚die, die sich von ihm entfernen, werden zugrundegehen‘ (Ps. 72[73],27).“320 Dieser Grundsatz steuerte durchweg die Exegese des Origenes. In manchen Auslegungen sprach er dies auch direkt an, zum Beispiel zu der „aporetischen Frage an Leute, die Bitterkeit in der Seele haben anstelle der Süßigkeit, mit der Gott sie ausgestattet hat“, die der Prophet stellt: „Wie hast du dich in Bitterkeit verwandelt, du fremder Weinstock? Ich aber habe dich als fruchtbaren Weinstock gepflanzt, in jeder Hinsicht echt“ (Jer. 2,13). In seinen Überlegungen dazu rekurrierte er einleitend auf die Aussagen im Buch der Weisheit, dass „Gott den Tod nicht gemacht hat“ (Weish. 1,13), sondern „durch den Neid des Teufels der Tod in die Welt hineingekommen ist“ (Weish. 2,24), was ihm als weiterer biblischer Beleg für den Basissatz seiner Theodizee diente: „Wo es also etwas Vortreffliches bei uns gibt, hat Gott es geschaffen, wir selbst aber haben uns die Schlechtigkeit und die Sünden erschaffen.“ Das gelte auch für die vorliegende Jeremiastelle: „Gott hat die Seele des Menschen zwar als guten Weinstock gepflanzt, aber jeder hat sich verwandelt und ist in Gegensatz zum Willen des Schöpfers geraten.“321 Auf die Ursache dafür, die er andernorts darin sah, dass der Mensch aus Trägheit das Streben nach dem Guten vernachlässigt und das Böse durch Entfernung vom Guten entsteht und, erneut gut platonisch, im Fehlen des Guten und im Mangel an Sein besteht,322 ging er hier nicht ein, sondern widmete sich im Folgenden der für ihn offenbar wichtigeren Frage nach der Überwindung des Bösen.323 Für Origenes war die Frage nach der Herkunft des Bösen weniger ein theoretisches Problem, über das er in hypothetischen Gedankengängen nachdachte, als vielmehr eine Aufgabe für das praktische Verhalten und ein Ansporn zu einem ethisch guten Leben. Auf dieselbe Weise erklärte er die Aussage in Jer. 3,25: „Und unsere Schande hat uns verhüllt.“324 Origenes deutete die „Hülle“, wie schon die Formulierung des Bibeltextes nahelegt, ethisch als Resultat menschlichen Fehlverhaltens: „Solange wir Schandtaten begehen, liegt offensichtlich die Hülle auf uns“, „haben wir eine Hülle auf unseren Herzen liegen“. Die Folgen sind intellektueller Natur, denn diese „Hülle“ beeinträchtigt das Verständnis des Al-
320 Ebd. 18,9 (32, 163). In einem Katenenfragment zu Jer. 23,24 heißt es in diesem Sinne,
dass „nichts leer und ohne Gott ist“, dass er aber „nicht den Sünder erfüllt“: in Hier. frg. 18 (GCS Orig. 32, 206). 321 In Hier. hom. 2,1 (GCS Orig. 32, 16f.). 322 Vgl. princ. I 3,8 (GCS Orig. 5, 63); I 4,1 (5, 63); II 9,2 (5, 165); II 9,6 (5, 170); III 5,8 (5, 278); in Ioh. comm. II 13,91–99 (GCS Orig. 4, 69–71); orat. 29,13 (GCS Orig. 2, 388); Cels. VI 44 (GCS Orig. 2, 115). 323 Siehe dafür auch unten S. 146 Anm. 92. 324 Dazu zitierte er als Parallele Ps. 43(44),16: „Die Schande meines Angesichts hat mich verhüllt.“
Einleitung
ten wie des Neuen Testaments, wie Origenes mit Paulus sagte: „Wegen dieser Hülle versteht der Sünder, wenn ‚Mose gelesen wird‘, ihn nicht, denn ‚eine Hülle liegt auf seinem Herzen‘ (2 Kor. 3,15). Wegen dieser Hülle versteht der Hörer nicht, wenn das Alte Testament gelesen wird. Wegen dieser Hülle ist auch ‚das Evangelium denen, die zugrundegehen, verhüllt‘ (2 Kor. 4,3).“ Die Folge ist aber auch die Abkehr von Gott, so dass die Sünder „den Anblick seiner Herrlichkeit nicht ertragen“ können und „die leuchtende Herrlichkeit Gottes nicht sehen“, wie Origenes am Beispiel des Mose, der sinnbildlich für das sich dem Herrn ab- oder zuwendende Volk eine Hülle auf sein Angesicht legte oder entfernte (vgl. Ex. 34,34f.), und des Paulus (vgl. 2 Kor. 3,13.16.18) erläuterte. Erneut schärfte er dazu den Grundsatz seiner Theodizee ein: „Es ist nicht Gott, der seine Herrlichkeit vor uns verbirgt, sondern wir sind es, die die von der Schlechtigkeit herrührende Hülle auf unser Leitprinzip325 legen“, und schärfte die Verantwortung des Menschen dafür ein, es besser zu machen, die ihm nicht abgenommen werden kann: „Da wir daher die Hülle erkannt haben, die von den Werken der Scham, von den Taten der Schande her auf uns liegt, wollen wir die Hülle wegnehmen. Es liegt an uns, die Hülle wegzunehmen, nicht an jemand anderem.“ Auch dafür gibt Mose das Vorbild ab: „Er wartete nicht darauf, dass Gott sagte: Nimm die Hülle weg, als er sich dem Herrn zuwandte, … damit auch du, der du dir durch die Werke der Schande und der Scham die Hülle auf dein Angesicht gelegt hast, auch das Wegnehmen der Hülle selbst bewirkst.“326 Das nachhaltigste Beispiel für diesen Grundzug seiner Exegese ist die Auslegung des Töpfergleichnisses in Jer. 18,1–10. Zusammen mit einer Reihe von anderen Aussagen gehört es zu den Bibelstellen, die deterministisch deutbar sind. Origenes hat solche Stellen in seinem Freiheitstraktat in der Grundlagenschrift eigens zusammengestellt und ihre deterministische Deutung zu widerlegen versucht.327 Die Jeremiastelle war da nicht dabei, allenfalls indirekt in der Frage des Paulus in Röm. 9,21: „Hat nicht der Töpfer Macht über den Ton, aus einem Klumpen ein Gefäß zu Ehren und das andere zu Unehren zu machen?“328 In der 18. Homilie ging er aber sehr ausführlich auf diesen Jeremiatext ein, denn mit seinen zumindest deterministisch klingenden Aus-
325 Zum stoischen Begriff des Hegemonikon (ἡγεμονικόν) für das vernünftige Leitprin-
zip der Seele siehe unten S. 193 Anm. 176. 326 In Hier. hom. 5,8f. (GCS Orig. 32, 37–39). 327 In princ. III 1,7–24 (GCS Orig. 5, 204–244) diskutierte er die Verstockung Pharaos
laut Ex. 4,21; 7,3, die als Hauptbeleg für Determinismus bzw. Prädestination diente (siehe dazu Boyd, Origen on Pharaoh’s Hardened Heart; Perrone, Il cuore indurito del Faraone), ferner Ez. 11,19f. und Jes. 6,9f. (dazu Fürst/Hengstermann, OWD 10, 45–74) und die prädestinatorischen Aussagen des Paulus in Röm. 9,16.18–21 und Phil. 2,13. 328 So zitiert in princ. III 1,7.21 (GCS Orig. 5, 206. 235).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
sagen stellte er seine freiheitstheoretische Auslegung der Bibel in Frage.329 Die problematische Aussage erblickte Origenes in Jer. 18,3f.: Jeremia sah den Töpfer aus Lehm ein Gefäß machen, dieses Gefäß aber „zerfiel in seinen Händen“, weshalb der Töpfer aus derselben Lehmmasse ein anderes Gefäß machte. Origenes achtete, wie immer, genau auf den Wortlaut und stellte die Frage, die mitten in das Herz des Theodizeeproblems führt: „Warum hat er nicht präzise gesagt: Er verlor das Gefäß aus seiner Hand, und gab die Schuld nicht dem Töpfer?“ Origenes las die Wortwahl des Textes also so, dass peinlich vermieden wird, Gott die Schuld dafür zuzuschreiben, dass das Gefäß seinen Händen entfällt, sondern dass aus der Begrifflichkeit hervorgeht, dass es das Gefäß ist, das von sich aus den Händen des Töpfers Gott entgleitet: „Doch weil von beseelten Gefäßen die Rede ist, die von selbst zerfallen, deshalb wird gesagt: Das Gefäß fiel aus seinen Händen.“ Weil „die Selbstbestimmung frei ist“, kann zwar niemand den Händen Gottes entrissen werden, wie er mit Joh. 10,29 sagte, „aber können wir, wenn wir nachlässig sind, aus seinen Händen fallen“. Aus dieser Lektüre des Wortlauts gewann er die Aufforderung an den Leser, auf sich selbst zu achten,330 „dass du nicht, während du dich in den Händen des Töpfers befindest und noch gestaltet wirst, von dir aus aus seinen Händen fällst“.331 Der von Gott mit freier Selbstbestimmung ausgestattete Mensch kann nicht als Lehm gedacht werden, der passiv vom Töpfer geformt und zerstört wird, sondern nur so, dass es an ihm selbst liegt, was ihm widerfährt. Mit dem alten Grundsatz Platons: „Die Schuld liegt beim Wählenden, Gott ist schuldlos“332 legte Origenes die Metaphorik des Textes so aus, dass nicht Gott, der Töpfer, die Schuld an einem Zerbrechen des Gefäßes hat, sondern dies am Gefäß liegt, das nicht oder nicht genügend auf sich selbst achtet und in nicht sorgsam bedachter Ausübung seiner Freiheit eine falsche Wahl trifft.333 Nachdem er weitere Auslegungsmöglichkeiten des Töpfergleichnisses vorgeführt hatte, in denen es soteriologisch auf die Auferstehung oder heilsgeschichtlich – was er bevorzugte – auf den Übergang des Heils von Israel 329 Die lange Auslegung von Jer. 18,1–10 steht in Hier. hom. 18,1–6 (GCS Orig. 32,
330 331 332 333
150–160), die deutlich kürzere von Jer. 18,11–16 ebd. 18,7–10 (32, 160–165), wobei der Schluss der Predigt allerdings fehlt (siehe unten S. 461 Anm. 694). Gemäß der Einleitung umfasste der Lesungstext und damit wohl auch die Predigt zudem die Symbolhandlung vom Tonkrug in Jer. 19,1–13: ebd. 18,1 (32, 150f.). Siehe dazu unten S. 79–81. In Hier. hom. 18,3 (GCS Orig. 32, 153f.). Platon, polit. X 617 e 5: αἰτία ἑλομένου, θεὸς ἀναίτιος. Auch die „Gefäße seines Zorns“, die Gott laut Jer. 27(50),25 „aus seiner Vorratskammer herausholte“ (vgl. auch Röm. 9,22), fasste Origenes so auf, dass es sich um die Sünder in der Kirche handelt, also keine deterministische Aussage vorliegt, sondern es am einzelnen Christen liegt, ob er ein „Gefäß des Zorns“ ist oder nicht: in Hier. hom. lat. 1(3),3 (GCS Orig. 8, 309–312).
Einleitung
zu den Heidenvölkern gedeutet wurde,334 schärfte er zum Schluss nochmals die Selbstbestimmung des Menschen ein, die durch den Verweis auf das Vorherwissen Gottes nicht in Frage gestellt werden könne. Darauf weise die Schrift, wie Origenes erneut mit einer genauen Beachtung des Wortlauts konstatierte, mit einer präzisen Wortwahl selbst hin. In Jer. 33(26),2f. heißt es nämlich: „Sprich zu den Söhnen Israels! Vielleicht werden sie hören und Reue zeigen.“ Aus diesem „vielleicht“ ist laut Origenes nicht zu folgern, dass Gott dies nicht wisse oder daran zweifle. Vielmehr drücke die Schrift sich so aus, „um in aller Deutlichkeit deine Selbstbestimmung zu erweisen und du nicht sagst: Wenn er im Voraus weiß, dass ich verloren gehe, muss ich verloren gehen; wenn er im Voraus weiß, dass ich gerettet werde, muss ich auf jeden Fall gerettet werden. Er erweckt daher nicht den Eindruck, das auf dich Zukommende zu wissen, um deine Selbstbestimmung zu wahren, ohne vorweggenommen oder vorhergewusst zu haben, ob du Reue zeigen wirst oder nicht.“335 Gegen deterministische Ansichten lag dem Freiheitsphilosophen aus Alexandria durchweg daran, im Prozess der Erlösung an jeder Stelle die Selbstbestimmung des freien Vernunftwesens, das der Mensch ist, zu wahren.336 b) Universales Gelingen oder ewiges Scheitern der Freiheit? Die Freiheit, die Origenes meinte, hat er so hoch angesetzt, dass er auch die Möglichkeit diskutierte und einräumte, dass ein Vernunftwesen sich dem erzieherischen Handeln Gottes verweigert. Erneut antideterministisch verfocht er in einer der beiden lateinisch erhaltenen Jeremiahomilien gegen „die Häretiker, die bestimmte Naturen einführen und behaupten, es gebe eine Ma334 Ebd. 18,4–6 (32, 154–159). Zur antijüdischen heilsgeschichtlichen Deutung siehe oben
S. 36f. 335 Ebd. 18,6 (32, 160). 336 In princ. II 1,2 (GCS Orig. 5, 107f.) brachte er das Vorsehungshandeln Gottes und
die freie Selbstbestimmung der Geschöpfe in einer dichten Passage, die die Kernelemente seiner Freiheitsmetaphysik enthält, folgendermaßen zusammen: „Und deshalb meinen wir, dass Gott, der Vater des Alls, zum Heil all seiner Geschöpfe nach dem unaussprechlichen Plan seines Wortes und seiner Weisheit das Einzelne so angeordnet hat, dass einerseits all die einzelnen Vernunftwesen – mögen sie nun Geister oder Intelligenzen heißen – nicht gegen ihren freien Willen mit Gewalt zu etwas anderem gezwungen werden als wozu ihre geistige Bewegung hindrängt – sonst könnte es scheinen, als würde ihnen dadurch die Freiheit des Willens genommen, was geradezu ein Eingriff in die Eigenart ihres Wesens wäre – und dass andererseits die verschiedenen Bewegungen ihres Wollens sich zur Harmonie einer einzigen Welt in angemessener und nutzbringender Weise zusammenfügen.“ Übersetzung: p. 287–289 Görgemanns/Karpp.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
terie ohne Hoffnung, die grundsätzlich das Heil nicht aufnehmen kann“,337 die These, dass „jede Seele Heilung empfangen kann und keine einzige bei Gott unheilbar ist“. Deshalb heiße es in Jer. 28(51),8: „Klagt über sie, nehmt eine Salbe für ihre Verderbnis, ob sie irgendwie zu heilen sein wird.“ Weil das jedoch im Falle von Babylon, d. h. einer „von den Leidenschaften verwirrten Seele“, nicht gelungen ist, sagen die von Gott mit der Heilung beauftragten Ärzte: „Wir haben Babylon gepflegt, und es ist nicht geheilt. Verlassen wir es!“ (Jer. 28[51],9). Erneut wies Origenes die Schuld daran nicht den Ärzten zu, sondern der kranken Seele: „Sie beschuldigen weder ihre Heilkunst noch die Wirkung der Salbe, sondern dich, weil du ihren Anweisungen nicht folgen wolltest.“ Αἰτία ἑλομένου, θεὸς ἀναίτιος – es ist immer wieder der gleiche Grundsatz Platons. Die Ärzte in diesem Fall – die nicht Gott, „der große Arzt“,338 selbst sind, denn dieser verlässt niemanden,339 sondern „die Engel, die bereitstanden, um unsere Gebrechlichkeiten zu heilen, um die Seele von den Lastern zu befreien“ –, diese Ärzte also sagen: „Verlassen wir es und gehen wir weg!“ (Jer. 28[51],9), weil „sie an unserer Seele verzweifeln“.340 Und noch einmal wies Origenes die Schuld dafür ausdrücklich der menschlichen Seele zu, denn, so die Ärzte-Engel, „sie ist sehr widerspenstig, sie will nicht beachten, was wir sagen, unsere Mühe zeitigt keine Wirkung“. Daraus zog er für sich und seine Zuhörer die Schlussfolgerung: „Wir selbst weisen sie zurück, indem wir ihren Ratschlägen nicht Folge leisten.“ Aus dieser Auffassung des Textes, die erneut den Grundsätzen seines Freiheitsdenkens folgte, gewann Origenes eine eindringliche Warnung vor den sehr ernsthaften Folgen solchen Tuns: „Pass auf, Mensch, dass der Arzt dich nicht einmal verlässt, sei es ein Engel Gottes, sei es ein Mensch, dem die Pflege der Botschaft anvertraut worden ist, um die Arznei für die Heilung zu überbringen. Denn … es ist offenkundig, dass sein Weggang deine Verurteilung bedeutet, da du unheilbar bist und dich nicht heilen lassen willst.“341 An anderen Stellen hat Origenes ein solches Verhalten Gott selbst zugeschrieben. Die Aussage in Ps. 118(119),118, Gott habe „alle, die sich von seinen Urteilen getrennt haben, für nichts erachtet, weil ihr Denken ungerecht ist“, erläuterte er so: „Es ist nicht dasselbe, einen Fehler zu begehen oder sich zu 337 Vgl. ebd. III 1,8 (5, 206f.): Die Häretiker, worunter er stets Gnostiker verstand (siehe
dazu unten S. 138 Anm. 76), „führen Naturen ein, die verlorengehen und unfähig sind zur Rettung“. Übersetzung: p. 487 Görgemanns/Karpp. 338 Zu dieser Bezeichnung Christi bzw. Gottes, die Origenes, in Hier. hom. lat. 2(2),6.12 (GCS Orig. 8, 296. 301) und in Hier. frg. 37 (GCS Orig. 32, 217), verwendete, siehe unten S. 560 Anm. 890. 339 Siehe oben S. 70f. 340 Origenes zitierte dazu ferner Jes. 1,6: „Es gibt keinen Verband, keine Salbe und keine Umschläge zum Auflegen.“ Vgl. auch in Lev. hom. 8,5 (GCS Orig. 6, 402). 341 In Hier. hom. lat. 2(2),12 (GCS Orig. 8, 300–302). In Hier. frg. 37 (GCS Orig. 32, 217f.) liegt diese Auslegung in komprimierter Katenenform auf Griechisch vor.
Einleitung
trennen, denn wer sich trennt, entfernt sich vollständig von der Frömmigkeit Gott gegenüber … Von diesen Leuten sagt der Prophet: ‚Wehe diesen abtrünnigen Kindern!‘ (Jes. 30,1); und anderswo: ‚Weh ihnen, weil sie sich von mir getrennt haben!‘ (Hos. 7,13). So also erzieht Gott Wesen solcher Art nicht mehr, er züchtigt sie nicht mehr, wie er es mit seinen geliebten Söhnen tut, er hält sie für nichts, indem er einem jeden von ihnen sagt: ‚Dein Abfall wird dich züchtigen und deine Bosheit dich mit Schande bedecken‘ (Jer. 2,19).“342 Schlimmer, als von Gott gezüchtigt zu werden, ist es also, nicht mehr von ihm gezüchtigt, sondern den Folgen der eigenen maßlosen Bosheit überlassen zu werden. „Das ist dann der furchtbare Augenblick: jener äußerste Augenblick, da wir nicht mehr für unsere Sünden gezüchtigt werden. Wenn wir das Maß des Bösen überschreiten, wendet der eifersüchtige Gott seinen Eifer von uns ab: ‚Meine Eifersucht, sagt er, wird dich verlassen, deinetwegen werde ich nicht mehr zornig werden‘ (Ez. 16,42).“343 „Zuletzt aber“, so Origenes in der Apologie gegen Kelsos, „wird sich alles verwirklichen, was die Schrift den Gottlosen voraussagt, die alle Heilmittel abgelehnt haben und überrascht sein werden von ihrer sozusagen unheilbaren Bosheit.“344 Weder an diesen Stellen noch in der lateinischen Jeremiahomilie beschrieb Origenes näher, was die Folgen sein werden, außer dass er allgemein sagte, dass solche Seelen „in einen schlimmeren Zustand versinken“.345 In einer anderen Jeremiahomilie erwog er, „dass es die Hölle derjenigen ist, die nicht gereinigt werden wollen, obwohl sie es könnten“,346 weil sie „sich“, wie er in der Grundlagenschrift sagte, „so rückhaltlos in die Bosheit gestürzt haben, dass ihnen für die Rückkehr mehr der Wille als die Möglichkeit fehlt, solange ihnen die Wut der Untaten noch Lust bereitet“.347 Das klingt nicht so, als würde er an einen endgültigen Zustand und damit an eine Hölle im orthodoxen Sinne denken. An anderen Stellen hingegen schien er mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die menschliche Freiheit unwiderruflich misslingt. Wenn Origenes in der Grundlagenschrift erwog, dass die Strafe dafür, dass ein Vernunftwesen sich dem erzieherischen Einwirken Gottes verweigert, in der „Trennung des Geistes von der Seele“ besteht,348 dann ist „mit der Wegnahme des höchsten Seelenteils im Gericht“ einem solchen Vernunftwesen die „Möglichkeit der Wahl des Guten“ genommen.349 Noch deut342 Cat. Pal. in Ps. 118,118 (SC 189, 378). 343 In Ex. hom. 8,5 (GCS Orig. 6, 230). Übersetzung: de Lubac, Betrogen 95 (leicht
modifiziert). 344 Cels. VIII 39 (GCS Orig. 2, 254). Übersetzung: ebd. 345 In Hier. hom. lat. 2(2),12 (GCS Orig. 8, 302). 346 Ebd. 19,5(18,15) (32, 175). 347 Princ. I 8,4 (GCS Orig. 5, 101). Übersetzung: p. 261 Görgemanns/Karpp. 348 Ebd. II 10,7 (5, 181). Übersetzung: ebd. p. 535. 349 So die Deutung von Hengstermann, Freiheitsmetaphysik 344 Anm. 967.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
licher zog er diese Möglichkeit in einer Jeremiahomilie in Erwägung. Die Aussage in Jer. 5,3, Gott habe die Sünder „gegeißelt, und sie haben keinen Schmerz empfunden“, bezog er auf eine „unempfindliche“ Seele, „die an ihren Gliedern abgestorben ist, so dass sie von den Geißeln“ Gottes, die „das Denken geißeln“, indem sein „Wort in die Seele dringt und ihr die Sünden zu Bewusstsein bringt“, „nichts spürt, auch wenn ihr etwas Schmerzvolles zugefügt wird“. Deshalb heißt es im Folgesatz in Jer. 5,3: „Du hast sie vollendet, aber sie wollten die Belehrung nicht annehmen.“ Diese Aussagen führten Origenes wieder auf das Grundthema der Vereinbarkeit von Vorsehung und Freiheit. Auf der einen Seite steht das Handeln Gottes, von dem hier die Rede ist: „Wenn Gott, der für das All Sorge trägt, sein reinigendes Werk zur Rettung der Seele vollzieht, hat er, was in seiner Macht steht, vollendet.“ Auf der anderen Seite ist hier aber davon die Rede, dass auf Seiten des Menschen in diesem Fall nichts bewirkt wird: „Wenn also von Seiten der Vorsehung alles für uns unternommen wird, damit wir vollendet und vollkommen werden, wir aber das Wirken der Vorsehung, die uns zur Vollkommenheit zieht, nicht annehmen, würde wohl von einem, der das versteht, zu Gott gesagt werden: ‚Herr, du hast sie vollendet, aber sie wollten die Belehrung nicht annehmen‘ (Jer. 5,3).“350 Soll man hier, weil von Vollendung und Vervollkommnung die Rede ist, an den Endzustand der Heilsgeschichte denken? Das wäre insofern überraschend, als die endgültige Verweigerung der göttlichen Paideia durch eine selbst für Schmerzen „unempfindliche“ Seele nicht zu der von Origenes sonst erhofften Wiederherstellung von allem, der Apokatastasis, passen würde. Da diese Hoffnung auf Allerlösung in seinen Schriften allerdings breit bezeugt ist,351 wird man Überlegungen wie die vorgeführten wohl in dem Sinne aufzufassen haben, dass sie gleichsam aus der Gegenrichtung die Thesenhaftigkeit seiner offenen Überlegungen zur Eschatologie unterstreichen. Origenes dachte über beide Möglichkeiten nach, über ein universales endgültiges Gelingen der Geschichte ebenso wie über eine partielle endgültige Verweigerung des von Gott geschenkten Heils, weil sich ein Vernunftwesen in falscher Ausübung seiner freien Selbstbestimmung seiner Annahme versperrt. Dass er in seinem stets beweglichen und offenen Denken beide Möglichkeiten reflektierte, bedeutet aber nicht, dass er sie seinen Hörern und Lesern als
350 In Hier. hom. 6,2 (GCS Orig. 32, 48–50). 351 Vgl. princ. I 6,1–3 (GCS Orig. 5, 78–84); II 3,7 (5, 125f.); III 5,7 (5, 278); III 6,3 (5,
283–285); in Ioh. comm. I 16,91 (GCS Orig. 4, 20); orat. 27,15 (GCS Orig. 2, 374); Cels. VII 17 (GCS Orig. 2, 168f.); VIII 72 (2, 288–290); in Ios. hom. 8,4f. (GCS Orig. 7, 339–341). Siehe dazu von Balthasar, Apokatastasis; Crouzel, Origène 337–341; ders., L’Apocatastase 282–290; Rabinowitz, Apokatastasis; Ramelli, Apokatastasis 137–215.
Einleitung
zwei gleichwertige Optionen zur Wahl offeriert hätte.352 Aus seinen Gedankengängen und aus dem Gesamtduktus seiner Soteriologie in kosmischen Dimensionen ergibt sich vielmehr seine klare Option für die Hoffnung auf Erlösung aller Vernunftwesen und der gesamten Schöpfung. Auch über diese hat er im Rahmen seiner Freiheitsmetaphysik allerdings so nachgedacht, dass die Freiheit nicht aufgehoben wird: „Das höchste Gut“, das Origenes philosophisch in wörtlicher Übereinstimmung mit Platon darin bestimmte, „Gott ähnlich zu werden, soweit es möglich ist“,353 wird dann erreicht, wenn der Mensch „sich selbst durch eigenen Eifer diese Ähnlichkeit durch Nachahmung Gottes erworben haben wird“, so dass „er am Ende selbst durch eigenes Wirken die vollkommene Ähnlichkeit vollendet“.354 „Nicht durch Zwang, der zur Unterwerfung drängt, und nicht durch Gewalt wird die ganze Welt Gott untertan, sondern durch Wort, Vernunft, Wissen, Aufmunterung der Besseren, gute Lehren, auch durch angemessene, der Sache entsprechende Strafdrohungen, welche in gerechter Weise gegen jene gerichtet sind, die die 352 Eine solche Sicht wird in manchen Teilen der Forschung neuerdings propagiert, doch
stützt sie sich auf eine unsaubere, um nicht zu sagen schlampige Interpretation der dafür herangezogenen Texte. Norris, Universal Salvation 36–62, der diese Auffassung vertritt (vgl. ebd. 42), spricht von „muddle“ (ebd. 56), „waffle“ und „inconsistency“ (ebd. 58) in den Texten des Origenes und den späteren Nachrichten darüber, doch richtet er dieses Schlamassel durch seine oberflächliche Interpretation der Texte zu einem guten Teil selbst an. Bei Greggs, Exclusivist or Universalist?, der sich Norris explizit anschließt (vgl. ebd. 316. 321), werden ein angebliches „dual picture of Origen“ (ebd. 316), „two straints of thought on universal salvation“ (ebd. 317) oder „two modes of thinking in Origen’s inner logics“ (ebd. 320), dann flugs als unbezweifelbare Tatsache präsentiert, die es zu erklären gelte (vgl. ebd. 316). Man wird Greggs zugestehen, dass Origenes in den systematischen Schriften, in den Homilien und in den Kommentaren das Thema mit unterschiedlichen Akzentsetzungen behandelte (vgl. ebd. 322–325), aber die Grundannahme, die er auf diese Weise erklären will, bleibt falsch, wie nicht zuletzt die Jeremiahomilien zeigen. Der Handbuchbeitrag von Dively Lauro, Art. Universalism, gehört ebenfalls in diese Forschungslinie, desgleichen Scott, Origen’s Universalism 348–354 (der Aufsatz ist auf weite Strecken identisch mit dem letzten Kapitel seines Buches; für die angegebenen Seiten vgl. ders., Problem of Evil 129–141), der in den von Norris und Greggs (vgl. ebd. 349) gelegten Spuren wandelt, mit seiner (gleichfalls falschen) esoterischen Erklärung (siehe dazu unten S. 104 Anm. 477) der angeblich kontradiktorischen Aussagen des Origenes über die Universalität der Erlösung deren These allerdings unterläuft und den soteriologischen Universalismus des Origenes letztlich doch zutreffend darstellt. Es sei nicht verschwiegen, dass dieser irregeleitete Trend in der Interpretation des Origenes wohl auch damit zusammenhängt, dass diese Interpreten entgegen allen Regeln solider Forschung nur englischsprachige Literatur einbeziehen (vom neokonservativen ekklesialen Unterton bei Greggs, ebd. 326f., ganz zu schweigen). 353 Vgl. Platon, Theait. 176b. 354 Origenes, princ. III 6,1 (GCS Orig. 5, 280). Übersetzung: p. 643–645 Görgemanns/ Karpp (leicht modifiziert).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
Sorge um ihr Heil und ihren Nutzen (salutis et utilitatis suae curam) vernachlässigen und sich um ihre Unversehrtheit nicht bekümmern.“ Die Vorsehung Gottes agiert im Blick auf jedes einzelne Geschöpf so, dass „für alle vernunftbegabten Geschöpfe die Entscheidungsfreiheit gewahrt bleibt“.355 c) Achtsamkeit und Selbstsorge In alledem wird dem einzelnen Menschen eine enorme Verantwortung für sich selbst zugesprochen und auferlegt. Immer wieder rief Origenes seine Zuhörer in den Jeremiahomilien dazu auf, auf sich selbst zu achten,356 und warnte die, „die nicht auf sich aufgepasst und nicht in aller Wachsamkeit ihr Herz bewahrt haben“, vor den üblen Folgen.357 Diese Achtsamkeit bezieht sich sowohl auf das konkrete Tun, so wenn er betont hervorhob, wir sollen „in allen unseren Taten auf uns selbst achtgeben“,358 als auch auf die Gedanken und das innere Leben, weshalb er dazu aufrief, dass „jeder von uns sein Gewissen prüfen soll“.359 Im Hoheliedkommentar hat er im Rahmen einer Reflexion darüber, was Selbsterkenntnis alles umfasst, einen detaillierten Fragenkatalog zur Gewissensprüfung entwickelt.360 Mit diesem Aufruf zur Selbstsorge steht Origenes in einer langen antiken Tradition. Seit Platon361 gehörte die Sorge für die eigene Seele in allen Schulen zu den Hauptaufgaben der Philosophie.362 Die frühchristlichen 355 Ebd. III 5,8 (5, 278). Übersetzung: ebd. p. 639–641 (am Schluss modifiziert). Görge-
manns/Karpp, ebd. 639 Anm. 32, weisen darauf hin, dass hinter dem Gedanken die platonische Antithese von „Zwang“ und „Überredung“ steht: Platon, Tim. 48a. 356 Vgl. Origenes, in Hier. hom. 12,13 (GCS Orig. 32, 101); 18,3 (32, 154). 357 Ebd. lat. 1(3),2 (8, 308). Vgl. ebd. 12,2 (GCS Orig. 32, 88) über die, die „überhaupt nicht auf sich selbst achtgeben, sondern leben, wie es sich ergibt“. 358 Ebd. 12,13 (32, 101). 359 Ebd. 20(19),9 (32, 192). Ähnliche Aufforderungen in Lev. hom. 9,7 (GCS Orig. 6, 430) und in Num. hom. 12,3 (GCS Orig. 7, 103). 360 Vgl. in Cant. comm. II 5,6–17 (OWD 9/1, 232–238). Siehe auch unten S. 521 Anm. 816. 361 Vgl. Platon, Alk. mai. 132c. 362 Dies hat Paul Rabbow als erster ausführlich dargestellt: Rabbow, Seelenführung. Pierre Hadot hat es zu seinem zentralen Forschungsthema gemacht und in zahlreichen Büchern als Kern antiken Philosophietreibens herausgestellt: Hadot, Exercises spirituels; Philosophie antique; Philosophie als Lebensform; Wege zur Weisheit. Der späte Michel Foucault hat das Thema im Rahmen seiner Forschungen zur Geschichte der Sexualität entdeckt: Foucault, Care of the Self 37–68, und es in einem Seminarbeitrag, dessen Mitschrift postum publiziert wurde, noch einmal angesprochen: ders., Technologies of the Self. Falls er sich in weiteren Forschungen damit hätte beschäftigen können, wäre er vermutlich auch auf Origenes gestoßen und hätte bei ihm reiches Material für seine Thesen gefunden.
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Theologen haben diese Fokussierung der Philosophie, als die sie auch das Christentum verstanden, auf die praktische Lebensführung uneingeschränkt übernommen und sogar noch verstärkt, wofür hier im Blick auf die alexandrinische Tradition nach dem jüdischen Platoniker Philon363 lediglich Clemens von Alexandria genannt sei.364 Origenes ist einer der wichtigsten und einflussreichsten christlichen Vertreter der „Kunst der Selbststeuerung, durch die man sich selbst vernünftig lenkt“,365 der als solcher allerdings noch nicht gewürdigt worden ist. Schon sein Schüler Gregor der Wundertäter hat in seiner Dankrede das, was er im Studium bei Origenes in Caesarea gelernt hatte, in diese Tradition gestellt.366 In den Jeremiahomilien bot er an einer Stelle eine regelrecht klassische Formulierung dieses Gedankens: Πρόσεχε οὖν καὶ σὺ σαυτῷ – „Achte also auch du auf dich selbst“, was er an derselben Stelle mit dem Grundsatz seines Freiheitsdenkens begründete, dass „die Selbstbestimmung frei ist“.367 In der fünften Homilie stellte er das, was es heißt, „auf sich selbst zu achten“, ausgehend von der Aufforderung in Jer. 4,3: „Bereitet euch neuen Boden und sät nicht unter Dornen“ ausführlich mit Hilfe des davon angeregten Bildes von der Seele als Ackerboden und dem, der sie pflegt, als Landwirt dar. Zuerst bezog er diese Aufforderung auf die „Lehrer“, wie er selbst einer war, „damit sie das Gesagte den Hörern nicht anvertrauen, ehe sie den Boden in ihren Seelen bereitet haben“. Konkret meinte er damit, dass man die Zuhörer über die großen Themen des christlichen Glaubens, zu denen er an der vorliegenden Stelle die Trinität, die Eschatologie und die Bibelauslegung zählte, erst dann belehren soll, wenn sie durch eine angemessene Lebenspraxis darauf vorbereitet sind. Aus diesem Zugang erklären sich die vielen kritischen und mahnenden Worte in seinen Predigten.368 Damit redete er der Seelsorge in dem Sinne das Wort, dass die christlichen Lehrer sich um die Seelen der Anderen kümmern sollen. Auf den Einwand eines fictus interlocutor hin: „Ich lehre nicht, ich unterstehe diesem Gebot nicht!“ kam er dann aber auf die Pflicht zur Selbstsorge zu sprechen, die er seinen Zuhörern ausführlich und eindringlich ans Herz legte: „Auch du werde Landwirt deiner selbst und säe nicht unter Dornen, sondern bereite mir den Boden auf dem Feld, das der Gott des Alls dir anvertraut hat!“ Energisch lenkte der Prediger Origenes den Blick jedes einzelnen Zuhörers auf sich selbst und auf die Aufgabe, die jedem Einzelnen von Gott „anvertraut“ worden ist. Konkret geht es um eine 363 Vgl. Philon, plant. 31 (II p. 139f. Cohn/Wendland). 364 Vgl. Clemens von Alexandria, strom. VII 3,1 (GCS Clem. Al. 32, 4). Viele weitere Be-
lege bei Kobusch, Christliche Philosophie 34–40. 365 Origenes, in Cant. comm. prol. 3,10 (OWD 9/1, 96), mit einer Formulierung aus
Spr. 1,5. 366 Vgl. Gregor Thaumaturgos, pan. Orig. 140 (FC 24, 180). 367 Origenes, in Hier. hom. 18,3 (GCS Orig. 32, 154). 368 Näheres dazu bei Fürst, OWD 7, 16–26. Siehe auch oben S. 61.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
Prüfung und gegebenenfalls Änderung der moralischen Einstellung und des praktischen Lebens: „Lerne das Feld kennen, schau, wo Dornen sind, wo Sorgen des täglichen Lebens, Trug des Reichtums und Liebe zur Lust!“369 „Pflüge und bereite die Erde, und damit sie nicht mehr die alte ist, mache sie neu, ‚indem du den alten Menschen mit seinen Taten ausziehst und den neuen anziehst, der sich auf Erkenntnis hin erneuert‘ (Kol. 3,9f.).“ Solchermaßen vorbereitet, kann jeder sich selbst den Samen des göttlichen Wortes in seine Seele säen: „Dir selbst wirst du den Boden bereiten, und wenn du den Boden bereitet hast, nimm Samen von den Lehrern, nimm Samen vom Gesetz, nimm von den Propheten, von den evangelischen Schriften, von den apostolischen Worten, und wenn du diese Samen genommen hast, säe sie in die Seele, indem du sie durch ständiges Wiederholen pflegst und für sie Sorge trägst (διὰ τῆς μνήμης καὶ τῆς μελέτης).“ Im Anschluss daran wies er im Sinne seines freiheitstheoretischen Kompatibilismus bzw. gnadentheologischen Synergismus darauf hin, dass „Gott“ die Samen „wird wachsen lassen“ und dass „diese Samen von Gott in seinem Heilsplan so angeordnet werden“, dass sie je nach Beschaffenheit des Bodens allmählich heranwachsen und jeder deshalb erst seine Seele reinigen muss, ehe der Same in sie gesät werden kann.370 Auch die von ihm als Ausdruck der freien Selbstbestimmung des Menschen so stark betonte Sorge um sich selbst hat er in den Rahmen des Zusammenspiels von Vorsehung und Freiheit eingeordnet. d) Einzigartige Individualität: Der einzelne Mensch im Freiheitsdenken des Origenes Wie nicht nur aus diesen Überlegungen des Origenes hervorgeht, steht der einzelne Mensch im Zentrum seiner praktischen christlichen Philosophie. Die Aufforderung zur Sorge um sich selbst richtet sich an jede Einzelne und jeden Einzelnen seiner Zuhörerinnen und Zuhörer. Der Jeremiatext selbst lieferte ihm dafür das Motto, denn in Jer. 28(51),6 heißt es: „Jeder Einzelne errette seine Seele!“ Origenes musste das gar nicht weiter erklären, sondern konnte es direkt übernehmen, weil es exakt sein Anliegen als Prediger und Seelsorger zum Ausdruck brachte: „Aufgrund dessen muss jeder Einzelne seine Seele erretten“, und dies „liegt an uns“ (in nobis est), wie er einmal mehr mit der berühmten stoischen Formel (ἐφ᾽ ἡμῖν) sagte.371 So erklärt sich die ständige Wendung an „jeden Einzelnen“, die seine homiletische Bibelauslegung auf vielen Seiten durchzieht und mit der er die Aussage des Bi-
369 Vgl. dazu Origenes, exhort. mart. 49 (GCS Orig. 1, 44f.). 370 In Hier. hom. 5,13 (GCS Orig. 32, 41–43). 371 Ebd. lat. 2(2),3 (8, 293).
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beltextes auf jeden Zuhörer anwandte.372 Entsprechend der Grundrichtung seiner Bibelauslegung, den Bibeltext auf jeden einzelnen Menschen in seiner spezifischen Situation zu beziehen, „gehe ich über“, sagte er einmal, sein Verfahren offenlegend, „zu jeder einzelnen Seele“.373 Gezielt brachte er Aussagen des Bibeltextes im Plural in den Singular, um diese persönliche Adressierung zu erreichen. So verband er die Ankündigung in Jer. 11,4: „Ich werde euer Gott sein“ und in Ex. 29,45: „Ich werde ihr Gott sein“ mit Gen. 17,1: „Ich bin dein Gott“ und Gen. 35,11: „Ich werde dein Gott sein“ und richtete dann die Frage an seine Zuhörer: „Wann also werden wir erreichen – ich meine, jeder Einzelne –, dass Gott unser Gott ist?“374 Zu Jer. 12,4 wird die „Trauer der Erde wegen der Schlechtigkeit ihrer Bewohner“ mit Nachdruck individualisiert: „Bei jedem Einzelnen von uns als trauert die Erde …, bei jedem Einzelnen von uns also freut sie sich …“375 „Der Hammer der ganzen Erde“, der laut Jer. 27(50),23 „zerbrochen und zerschlagen wird“ und den Origenes als den Teufel deutete, wird vor allem, aber nicht nur durch Christus, sondern „durch jeden Einzelnen von uns zerbrochen, wenn wir in die Gemeinde eingeführt werden und zum Glauben voranschreiten, zerschlagen und in Stücke geschlagen aber wird er, wenn wir zur Vollkommenheit gelangen.“ Entsprechend wünschte sich Origenes, dass Babylon, das für die Verwirrung der Seele steht,376 „auch bei jedem Einzelnen von uns eingenommen wird“.377 Die Ausrichtung der Bibelauslegung und der Freiheitslehre des Origenes auf den je einzelnen Menschen wird in einer weiteren Eigenheit seiner theologischen Sprache deutlich. Singulär in der frühchristlichen Literatur setzte Origenes eine Anrede an Jesus oder Christus gerne in den Singular. „Mein Herr Jesus“378 und „mein Herr Jesus Christus“379 sind die häufigsten Be-
372 Vgl. ebd. 15,4 (32, 128): „Zu jedem Einzelnen wird er sagen …“; 18,2 (32, 152): „Jeder
Einzelne von denen, die das Wort hören …“; lat. 2(2),11 (8, 299): „Jeder Einzelne von uns soll sich selbst betrachten …“ 373 Ebd. 13,2 (32, 103). 374 Ebd. 9,3 (32, 67). 375 Ebd. 10,6 (32, 76). 376 Für diese Etymologie von „Babylon“ siehe ebd. lat. 1(3),2 (8, 308); in Hier. frg. 26 (GCS Orig. 32, 211f.); in Hiez. hom. 12,2 (GCS Orig. 8, 435) und Weiteres unten S. 472 Anm. 727. 377 In Hier. hom. lat. 1(3),2 (GCS Orig. 8, 307. 309). Vgl. ebd. lat. 2(2),11 (8, 299). 378 In Ios. hom. 5,3 (GCS Orig. 7, 317); 7,3 (7, 330); 24,3 (7, 451); in Is. hom. 1,2 (GCS Orig. 8, 244); in Hiez. hom. 6,6 (GCS Orig. 8, 384); in Luc. hom. 12,1 (GCS Orig. 92, 72); 18,1 (92, 111); 22,4 (92, 134). 379 In Ex. hom. 3,2 (GCS Orig. 6, 163); 6,1 (6, 192); in Ios. hom. 13,1 (GCS Orig. 7, 371); 14,1 (7, 375); in Is. hom. 1,4.5 (GCS Orig. 8, 245. 246. 247); 2,1.2 (8, 248f. 252); 3,2 (8, 255); 4,4 (8, 262); 6,3 (8, 271); in Hiez. hom. 1,4 (GCS Orig. 8, 327); 6,6 (8, 383); 9,3 (8, 410).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
zeichnungen, dazu kommen „mein Herr“,380 „mein Erlöser“381 und „mein Erlöser und Herr“.382 Am innigsten wirkt diese Bezeichnung, wo die soteriologischen Titel weggelassen werden, Origenes also einfach nur „mein Jesus“ (meus Iesus) oder „mein Christus“ (Christus meus) sagt.383 Diese Wendung kommt nur selten vor, doch gibt es für sie in den griechischen Jeremiahomilien mehrere Belege (μου ὁ ᾽Ιησοῦς), womit ihre Authentizität verbürgt ist.384 Auch in einer der in lateinischer Übersetzung vorliegenden Jeremiahomilien findet sich diese Bezeichnung.385 Diese Stelle ist insofern interessant, als es dafür in der Prophetenkatene ein Fragment gibt, in dem zur parallelen Aussage nur von „Jesus“, nicht von „mein Jesus“ die Rede ist.386 Man könnte annehmen, dass der Übersetzer Hieronymus das Possessivpronomen in seinen lateinischen Text eingefügt hat, doch wird man es aufgrund der Belege in den griechischen Homilien für ursprünglich halten. Der Katenist hat den Origenestext, wie in den Kettenkommentaren üblich, zusammengefasst und gekürzt, und dabei dürfte das Possessivpronomen weggefallen sein. Mit dem Singular des Possessivpronomens bezog Origenes die Anrede Jesu unmittelbar auf jeden einzelnen Christen, ganz explizit etwa, wenn er in einer der häufigen Anreden an den einzelnen Hörer seiner Predigten betont „dein Herr Jesus“ sagte.387 In diesem Sprachgebrauch spiegelt sich der hohe Stellenwert des einzelnen Menschen im Denken des Origenes. Die Individualität der Jesusbeziehung und ihr Gemeinschaftscharakter schließen sich aber nicht aus, denn im personalistischen Kirchenbegriff des Origenes besteht die „Versammlung aller Heiligen“, als die er die Kirche definierte, aus den einzelnen „Seelen der Gläubigen“, welche „die Person der Kirche“ bilden,388 „eine einzige Person“ in „zahllosen Gemeinden“ und „unzähligen Versammlungen und Mengen von Völkern“.389 Dieses Ineinander von Individuum und Gemeinschaft kommt in den Jesusbezeichnungen in Passagen zum Ausdruck, in denen er ganz selbstverständlich von „unser Herr Jesus
380 In Cant. hom. 1,4 (OWD 9/2, 78). 381 In Hier. hom. 17,2 (GCS Orig. 32, 145); in Hiez. hom. 5,3 (GCS Orig. 8, 374). 382 In Hier. hom. 8,9 (GCS Orig. 32, 63); 15,3 (32, 127); in Num. hom. 6,3 (GCS Orig. 7,
33); in Ios. hom. 1,4 (GCS Orig. 7, 291). 383 In Ios. hom. 1,5 (GCS Orig. 7, 293); in Luc. hom. 18,2 (GCS 92, 112) bzw. in Is. hom.
3,1 (GCS Orig. 8, 253). 384 In Hier. hom. 13,1 (GCS Orig. 32, 102. 103); 18,5 (32, 156); 20(19),5 (32, 185), mit ins385 386 387 388 389
gesamt fünf Belegen. Ebd. lat. 2(2),8 (8, 297). In Hier. frg. 36 (GCS Orig. 32, 217). In Hiez. hom. 3,3 (GCS Orig. 8, 352). In Cant. comm. I 1,5 (OWD 9/1, 128); II 5,6 (9/1, 232); II 1,14 (9/1, 180). Ebd. II 1,55 (9/1, 198). Vgl. ebd. III 16 (IV 2),17 (9/1, 410). Zu diesem Kirchenbegriff des Origenes siehe Vogt, Kirchenverständnis 210–225, ferner unten S. 380 Anm. 540.
Einleitung
Christus“ zu „mein Herr Jesus Christus“ wechselte.390 Wie Origenes in der Hohelieddeutung die im frühen Judentum wie im frühen Christentum traditionelle kollektive Deutung der Braut auf die Kirche um die individuelle Beziehung auf die Seele erweiterte, ergänzte er die gängige Rede von „unserem Herrn Jesus (Christus)“ um die individuelle Anrede „mein Herr Jesus (Christus)“ oder, noch inniger und persönlicher, „mein Jesus“. Diese Verinnerlichung der Jesusbeziehung hat Origenes in einer Vorstellung zum Ausdruck gebracht, die er erneut explizit auf jeden Einzelnen bezogen und die in der Geschichte der christlichen Mystik eine tiefe Wirkung hinterlassen hat.391 Anlässlich des „Wortes, das vom Herrn an Jeremia erging“ (Jer. 11,1), dachte Origenes über das Kommen des Wortes zu den Propheten, „im Leibe“ bei der Menschwerdung des Wortes, in den Aposteln, „in jedem Heiligen“ und in der künftigen Parusie nach und bezog auch dies auf jeden Einzelnen: „Aber auch das müssen wir wissen, dass es ein Kommen des Wortes bei jedem Einzelnen gibt … Denn was nützt es mir, wenn das Wort in die Welt gekommen ist, ich es aber nicht habe?“392 An einer anderen Stelle erklärte er, wie er sich dieses Kommen des Wortes bei jedem Einzelnen vorstellte, nämlich so, „dass Jesus in eure Herzen kommt“.393 Auf die Geburt des Wortes Gottes im Herzen jedes einzelnen Gläubigen kam er gerne zu sprechen.394 Das Motiv steht für eine sehr starke Verinnerlichung und Individualisierung der Gottes- bzw. Jesusbeziehung. Man kann fragen, wie profiliert die Individualisierung des Glaubens war, die Origenes zweifellos betrieben hat. Im modernen Sinn steht der Begriff der Individualität für die einzigartige Daseinsform, die einem bestimmten Menschen in seinem spezifischen Leben und in seinem besonderen Umfeld zukommt, und zwar nur diesem einen Menschen im Unterschied zu allen anderen. Zu den gängigen Topoi über die Unterschiede zwischen Antike und Neuzeit – oder Vormoderne und Moderne, wie man auch gern sagt – gehört die Annahme, erst die Moderne habe einen solchen Begriff von einzigartiger Individualität entwickelt, während in antiken philosophischen oder christlichen Konzepten zwar vom einzelnen Menschen und vom Individuum die
390 In Ios. hom. 14,1 (GCS Orig. 7, 375); in Hiez. hom. 1,4 (GCS Orig. 8, 327f.). Vgl. auch
die Kombination in Ios. hom. 5,3 (GCS Orig. 7, 317): noster Iesus Dominus meus; ferner den Übergang ebd. 24,3 (7, 450f.) von Dominus et saluator noster zu meus Dominus Iesus. 391 Siehe dazu Rahner, Gottesgeburt; ders., Symbole der Kirche 29–35; Lieske, Logosmystik 67–71. 392 Origenes, in Hier. hom. 9,1 (GCS Orig. 32, 64). 393 Ebd. lat. 2(2),11 (8, 299). 394 Vgl. in Ex. hom. 10,3 (GCS Orig. 6, 248–250); in Lev. hom. 12,7 (GCS Orig. 6, 466); in Iud. hom. 2,2 (GCS Orig. 7, 473); in Cant. comm. III 13,32 (OWD 9/1, 372); in Cant. hom. 2,6 (OWD 9/2, 116); in Luc. hom. 22,3 (GCS Orig. 92, 134). Einige dieser Stellen sind unten S. 252 Anm. 285 ausgeschrieben.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
Rede sei, aber nicht im Sinne von Einzigartigkeit. Im Allgemeinen scheint diese Annahme auch zutreffend zu sein.395 Nun findet sich in den Jeremiahomilien des Origenes aber ein Passus, der deutlich eine andere Sprache spricht. Bei einer „tieferen Untersuchung“ der Klage Jeremias in Jer. 15,17: „Für mich allein saß ich da“ stellte Origenes zunächst fest, wann man das nicht von sich sagen kann: „Wenn wir das Leben der Masse nachahmen, so dass einer nicht zurückgezogen und besser und aus der Masse herausgehoben ist, kann ich nicht sagen: ‚Für mich allein saß ich da‘, sondern: Zusammen mit der Masse saß ich da.“ Die Wortwahl dieses Satzes hat sowohl einen asketischen Touch, der später zur Anachorese, zum Rückzug der spätantiken Mönche aus der Welt, führte, als auch einen elitären Zug, insofern Origenes davon redete, „besser“ zu sein und „sich aus der Masse herauszuheben“. Doch im folgenden Satz wird deutlich, dass es ihm um weit mehr als um asketischen Rückzug aus der Welt und elitäre Absonderung von der Masse ging: „Sobald aber mein Leben schwer nachahmbar wird,396 so dass ich zu einem solchen werde, dass mir niemand an Charakter, Vernunft, Taten und Weisheit vergleichbar ist, dann kann ich, da allein ich ein solcher bin und niemand mich nachahmt, sagen: ‚Für mich allein saß ich da‘ (Jer. 15,17).“397 Eine klarere Formulierung von einzigartiger Individualität kann man sich eigentlich kaum wünschen. Origenes sprach hier von der Unvergleichlichkeit eines Menschen in allen seinen wesentlichen Aspekten: im Charakter, im Tun und im Denken. In einer Numerihomilie hat er die Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen ausführlich erläutert. Num. 2,2 beschreibt die Lagerordnung der Israeliten. Weil im Bibeltext davon die Rede ist, dass „ein Mensch (homo) nach seiner Ordnung und nach seinen Zeichen“ in diese Lagerordnung eingereiht werden soll, fasste Origenes diese „Zeichen“ (signa) individuell so auf, dass damit „die spezifische Eigenart jedes einzelnen Menschen“ (uniuscuiusque proprietas) bezeichnet werde. Dieser Auslegung fügte er eine sehr lange Darlegung darüber an, wie das näherhin zu verstehen sei. Ich gebe den hochinteressanten Text in einer Mischung aus Zitat (in Übersetzung) und Paraphrase wieder: „Als Menschen sind wir alle ähnlich, doch gibt es gewisse Unterschiede in den Gesichtszügen, in der Gestalt, in der Haltung oder im Auftreten, die für jeden Einzelnen spezifisch sind, wodurch sich zum Beispiel Paulus auszeichnet, dass er Paulus ist, und Petrus, dass er Petrus ist und nicht Paulus.“ 395 Ein lesenswertes Buch zur Entwicklung dieses Gedankens von der klassischen grie-
chischen Antike bis herein in die Frühe Neuzeit ist Siedentop, Erfindung des Individuums. 396 Als Origenes, Cels. VII 7 (GCS Orig. 2, 159), die besonderen Charakterzüge der Propheten hervorhob (siehe dazu oben S. 59 mit Anm. 261), sprach er ebenfalls davon, dass ihr „Leben schwer nachahmbar“ (τὸ τοῦ βίου δυσμίμητον) ist. 397 In Hier. hom. 14,16 (GCS Orig. 32, 122).
Einleitung
Auch wenn man sich nicht sehe, gebe es Unterschiede zwischen den spezifischen Merkmalen jedes einzelnen Menschen, so dass man aus der Stimme und der Ausdrucksweise erkennen könne, wer spreche. Diese Unterschiede übertrug Origenes sodann aus der körperlichen Sphäre auf den Geist und die Seele: So viele Unterschiede wie im körperlichen Aussehen und Merkmalen gebe es auch, meinte er, im Geistig-Seelischen, wofür er sich auf Spr. 27,19 berief: „Wie ein Gesicht sich von anderen unterscheidet, so verschieden sind auch die Herzen der Menschen.“ Der eine sei sanft, mild, still, ruhig, ausgeglichen, ein anderer unruhig, aufbrausend, rauer, erregter, fordernder, wieder einer umsichtig, vorsichtig, vorausschauend, besorgt, eifrig, ein weiterer träge, schlaff, nachlässig, unvorsichtig, und all das sei bei dem einen mehr, bei einem anderen weniger ausgeprägt anzutreffen. Das ist eine ziemlich diversifizierte Aufzählung von Charaktereigenschaften und Gemütszuständen (die natürlich um weitere Beschreibungen vermehrt werden könnte, doch würde das an der Grundaussage nichts ändern). Um die Verschiedenheit der jeweiligen Eigenarten noch weiter zu erklären, fügte Origenes einen Vergleich an: Alle, die schreiben können, schreiben dieselben Buchstaben auf jeweils unterschiedliche Weise, so dass man die jeweilige Handschrift an für den Schreiber typischen Merkmalen erkennen kann. „Und obwohl die Buchstaben dieselben sind, gibt es doch in eben der Ähnlichkeit der Buchstaben eine große Verschiedenheit der spezifischen Zeichen.“ Auch diesen Vergleich übertrug er sodann „auf die Regungen des Geistes und der Seele“: Paulus wie Petrus hätten Keuschheit propagiert, doch zeichne sich die Keuschheit bei Petrus durch eine spezifische Eigenart aus, die anders sei als die der Keuschheit bei Paulus – der eine sei strenger, der andere warne vor übermäßiger Strenge –, auch wenn sie vollkommen identisch aussähen. Diese Diversität dehnte er sodann auf sämtliche Tugenden aus: „In ähnlicher Weise zeichnet auch die Gerechtigkeit in Paulus eine spezifische Eigenart aus und desgleichen in Petrus. Und dasselbe gilt auch für die Weisheit und die übrigen Tugenden.“ Da Männer wie Paulus und Petrus „durch den Geist Gottes eins“ seien, sei es erstaunlich, „dass es gleichwohl eine gewisse Verschiedenheit in der Eigenart der Tugenden selbst gibt“. Das übertrug er abschließend auf gewöhnliche Menschen: „Umso mehr zeichnen sich alle übrigen Menschen in den Bewegungen ihrer Seelen und in den Tugenden ihres Geistes durch bestimmte spezifische Merkmale aus.“398 Das Bemerkenswerteste an diesen Erläuterungen zu den je spezifischen körperlichen, geistigen und seelischen Eigenarten, weshalb kein Mensch einem anderen gleicht, ist die Betonung der Diversität sogar der Tugenden. Tugenden wie Weisheit und Gerechtigkeit, oder christlich Keuschheit, sind 398 In Num. hom. 2,2 (GCS Orig. 7, 10–12). Rahner, Menschenbild 221, ist dieser Text
als bemerkenswert aufgefallen, doch hat er ihn noch nicht mit spezifischer Individualität in Verbindung gebracht.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
eben nicht bei jedem Menschen gleich, obwohl sie in ihrer Substanz identisch sind, sondern individuell verschieden. Damit ging Origenes weit über das hinaus, was bislang in der Antike zu Identität und Differenz in diesem Sinn gedacht worden war.399 Die Tugenden unterscheiden sich nicht nur dadurch, dass sie in unterschiedlichen Situationen verschieden ausgeprägt und angewendet werden, wie das schon die Stoiker gesehen haben.400 Bei Origenes resultieren die Unterschiede nicht nur aus den äußeren Umständen, gleichsam von außen. Sie sind schon an sich im Innern jedes einzelnen Menschen vorhanden. „In“ Paulus ist dieselbe Gerechtigkeit, dieselbe Weisheit usw. anders ausgeprägt als „in“ Petrus. Die „Verschiedenheit“ liegt „in der Eigenart der Tugenden selbst“ (diuersitas in ipsarum proprietate uirtutum). Origenes konzipierte eine Diversität des an sich Identischen in der jedem einzelnen Menschen spezifisch eigenen Individualität. Beim antiken christlichen Philosophen Origenes treffen wir somit zweifellos auf die Formulierung der als typisch modern geltenden Vorstellung von einzigartiger Individualität. Im Zentrum seiner Theologie steht der individuelle Mensch. Origenes ist der Denker der Individualität und Subjektivität par excellence. Das fügt sich bestens in sein Freiheitsdenken. Wenn jeder einzelne Mensch dadurch ausgezeichnet ist, dass er sich in Freiheit selbst bestimmt, dann führt dies zu ganz individuellen Realisierungen. Daher die ständige Hinwendung zu „jedem Einzelnen“ in seinen Predigten, daher die Applizierung des Bibeltextes auf das je konkrete „Du“. Individualität im Sinne von Einzigartigkeit gehört innerlich zu dem radikalen Freiheitsgedanken, wie Origenes ihn konzipiert hat. Es scheint lohnend, dies im Gesamtwerk des Origenes vor dem Hintergrund der antiken Sorge um das eigene Selbst einmal näher zu untersuchen – doch ist das eine weit über den Rahmen dieser Einleitung hinausweisende Aufgabe.
399 Als eine Aussage in der antiken klassischen Literatur, die in diese Richtung geht,
kann Platons Bemerkung in polit. II 370a–b angeführt werden, „dass keiner von uns von Natur ganz gleich ist wie der andere, sondern dass jeder verschiedene Anlagen hat, der eine zu dieser, der andere zu jener Betätigung“. Übersetzung: p. 139 Rufener. Ungeachtet einer umfassenderen Analyse scheint diese Aussage allerdings auf die verschiedenen Anlagen und Interessen der Menschen zu zielen, ohne dass diese Verschiedenheit in das Innere des ‚Wesens‘ gelegt und ohne dass sie mit der Selbstbestimmung des Menschen in Verbindung gebracht wird. 400 Vgl. etwa Seneca, epist. 66,7: Die Tugend, die als solche eine und ganz ist, hat viele Aspekte oder Erscheinungsformen (species), die sich in den unterschiedlichen Situationen des Lebens und in den verschiedenen Handlungen entfalten. Siehe dazu Reydams-Schils, Roman Stoics 16f.
Einleitung
4. Gottes soteriologische Täuschungen Als letztes sei auf die Auslegung eines der schwierigsten Verse eingegangen, auf den Origenes im Buch Jeremia und überhaupt in der Bibel gestoßen ist. Auch sie steht im Rahmen seiner Freiheitsmetaphysik, allerdings in einer überaus heiklen Konstellation. Seine Überlegungen sind eines der besten Beispiele dafür, zu welch verwegenen und grenzwertigen Gedanken sich Origenes bisweilen vorwagte und diese seinen Zuhörern durchaus nicht vorenthielt, sondern zu erklären versuchte.401 a) Ein cartesischer Betrügergott avant la lettre? Nachdem Origenes in der 19. Homilie den Abschnitt Jer. 20,1–6 erklärt hatte, fing er noch mit der offenbar ebenfalls vorgelesenen Perikope Jer. 20,7–11 an, kam in dieser Predigt aber nicht über die Erklärung der Klage Jeremias in Jer. 20,7 hinaus, denn „sie bietet gleich vom ersten Ausdruck an nicht gewöhnliche Schwierigkeiten“.402 Nachdem er in der 19. Homilie einen ersten Anlauf zur Erklärung gemacht hatte, ging er deshalb in der 20. Homilie, in der er Jer. 20,7–12 auslegte, zu Beginn nochmals ausführlich auf diese schwierige Aussage ein.403 In Jer. 20,7 redet Jeremia nämlich davon, dass Gott ihn getäuscht habe: „Du hast mich getäuscht, Herr, und ich ließ mich täuschen.“ „Gott täuscht?“, fragte Origenes sichtlich ungläubig. „Wie ich diese Aussage einordnen soll, weiß ich nicht.“404 In der altgriechischen Mythologie waren Erzählungen von Listen und Lügen der überaus anthropomorph vorgestellten Götter sehr zahlreich und wurden die Menschen von den Göttern nach Belieben getäuscht und in 401 Mit diesem Abschnitt kehre ich zu dem Thema zurück, mit dem meine intensivere
Beschäftigung mit Origenes vor vielen Jahren aus ganz anderen Zusammenhängen heraus – die Auslegung des Streits zwischen Paulus und Petrus (Gal. 2,11–14) in der Kontroverse zwischen Augustinus und Hieronymus – begonnen hat: Fürst, Briefwechsel 36–45. 65–71 (in meiner Habilitationsschrift); ders., Eschatologie des Origenes 170–184 (der Aufsatz geht zurück auf den Vortrag, mit dem ich mich 1998 auf den Münsteraner Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte beworben habe); siehe auch ders., Heilsame Täuschung. Einzelne Formulierungen und Sätze aus diesen Arbeiten sind im Folgenden verwendet. Die damalige Beschäftigung mit der 19. und 20. Homilie gab den Anstoß, mich einmal eingehender den Jeremiahomilien des Origenes zu widmen. Es ist ein schönes Gefühl zu erleben, wie ein altes Vorhaben seinen Abschluss findet. 402 Origenes, in Hier. hom. 19,5(18,15) (GCS Orig. 32, 173). 403 Ebd. 19,5(18,15) (32, 173–176) und 20(19),1–4 (32, 176–184). 404 Ebd. 19,5(18,15) (32, 173).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
die Irre geführt. Doch seit der Ethisierung des Gottesbildes in der griechisch-hellenistischen Aufklärung wurde die Vorstellung von den Göttern an die Moral gebunden und die Gottheit zum Inbegriff der Wahrheit.405 Normsetzend wurde vor allem Platons Kritik an der Unmoral und Unehrlichkeit der altgriechischen Götter: „Ganz ohne Unwahrheit ist also die Gottheit und das Göttliche … Der Gott ist also ganz einfach und wahr in Wort und Tat. Er verwandelt sich nicht und täuscht auch nicht andere.“406 Infolgedessen sowie im Gefolge der biblischen und frühjüdischen Theologie407 waren sich alle frühchristlichen Theologen darüber einig, dass Gott nicht lügt: „Der befohlen hat, nicht zu lügen (Lev. 19,11), um wieviel mehr wird er selbst nicht lügen; denn nichts ist bei Gott unmöglich außer das Lügen.“408 Nun ist aber in Jer. 20,7 ohne Zweifel von einer Täuschung durch Gott die Rede, sogar mit dem starken griechischen Verbum für „betrügen“, ἀπατάω. Kein Wunder, dass Origenes sich angesichts dieser für den biblischen, jüdischen, antiken und christlichen Gottesbegriff höchst anstößigen Aussage die Frage stellte, „ob der Prophet die Wahrheit sagte, wie es sich über einen Propheten zu denken geziemt, oder die Unwahrheit, was über einen heiligen Propheten zu sagen nicht gestattet ist“, und – wie schon dreimal in dieser Predigt409 – vor Beginn seiner Auslegung Jesus um Hilfe anrief, „er möge doch erhellender und erleuchtender (sc. als sonst) kommen, damit er durch sein Kommen uns alle lehrt“.410 So schwierig diese Aussage aber auch ist und so anstößig sie erscheinen mag: Sie steht im Bibeltext. Also muss der Bibelausleger nach einer Erklärung suchen, die mit dem biblisch-christlichen Gottesbild vereinbar ist, oder wie Origenes die Aufgabe, vor die er sich gestellt sah, zu Beginn der 20. Homilie formulierte: „Alles, was über Gott aufgeschrieben ist, muss man, auch wenn es an und für sich unangemessen ist, so verstehen, dass es eines guten Gottes würdig ist.“411 405 Siehe dazu Deichgräber, Trug des Gottes, und den Überblick bei Fürst, Art. Lüge
(Täuschung) 625–627. 406 Platon, polit. II 382e. Übersetzung: p. 183 Rufener. Vgl. den ganzen Abschnitt ebd. II
382a–383a, ferner ebd. III 389b. 407 Vgl. Num. 23,19; 1 Sam. 15,29; Ps. 89(90),36; Ijob 24,25. Für das hellenistische Juden-
tum vgl. Philon, ebr. 139 (II p. 197 Cohn/Wendland): ὁ ἀψευδὴς θεός; vit. Mos. I 283 (IV p. 187 Cohn/Wendland). Siehe dazu Fürst, Art. Lüge (Täuschung) 637. 408 1 Clem. 27,2 (SUC 1, 58). Vgl. Röm. 3,4; Hebr. 6,18; Tit. 1,2: ὁ ἀψευδὴς θεός; 1 Joh. 2,27; Hermas, mand. 3,1 (GCS 48, 24f.). 409 Vgl. Origenes, in Hier. hom. 19,1(18,11) (GCS Orig. 32, 165. 167); 19,4(18,14) (32, 170). 410 Ebd. 19,5(18,15) (32, 173). Zu diesem „Kommen“ Jesu siehe oben S. 84. 411 Ebd. 20(19),1 (32, 176). Das Prinzip einer „Gottes würdigen“ Schriftauslegung war ein Leitsatz der Exegese des Origenes, den er auch schon ebd. 12,1 (32, 85) eingeschärft hat. Zu den dazu unten S. 294 Anm. 377 vermerkten Stellen vgl. noch princ. II 4,4 (GCS Orig. 5, 132); in Hiez. hom. 5,1 (GCS Orig. 8, 372). Siehe dazu Lies, Schriftauslegung.
Einleitung
Um die Täuschung Jeremias durch Gott zu erklären, griff Origenes auch eine jüdische Deutung auf, die er von einem zum Christentum konvertierten Juden erfahren hatte.412 Da er auf diese erst in der 20. Homilie einging, könnte man vermuten, dass er sich nach der 19. Homilie, an deren Ende er seine Auslegung bereits in Grundzügen vorgestellt hatte, nach der jüdischen Auffassung dieser Stelle erkundigt hatte, und zwar vielleicht deshalb, weil sie ihm solche Probleme bereitete. Man könnte sogar noch eine weitere Vermutung anstellen. Nimmt man ihn nämlich beim Wort, sagt er nicht, dass er sich erkundigt hat, sondern dass ihm diese „hebräische Überlieferung zugetragen worden ist“, oder noch wörtlicher: „zugekommen ist“ (ἐληλυθυίᾳ εἰς ἡμᾶς).413 Hat nicht er sich an jemanden gewandt, der mit jüdischer Bibelauslegung vertraut war, sondern ist umgekehrt ein Judenchrist an Origenes herangetreten und hat ihm von der jüdischen Auffassung der Stelle berichtet? Soll man sich vorstellen, dass dieser Judenchrist die 19. Homilie gehört und sich, motiviert von den Schwierigkeiten, die Origenes mit der Stelle offensichtlich hatte, an den Prediger gewandt hat, um ihm eine alternative Deutung vorzuschlagen? Und – spinnt man den Faden weiter – war das ein Grund dafür, dass Origenes in der 20. Homilie noch einmal grundsätzlich und diesmal ausführlicher auf den schwierigen Text einging? Das muss freilich alles Spekulation bleiben. Origenes war von der „hebräischen Überlieferung“ zu Jer. 20,7 jedenfalls ganz angetan, weil sie gut in sein freiheitstheologisches Denken passte. Allerdings vermochte er sich mit der Deutung, dass Gott niemanden zwingt, sondern „einen Weg sucht, wie man freiwillig tut, was Gott will“,414 nicht zufrieden zu geben. Sie lieferte keine wirkliche Erklärung der Täuschung, von der im Bibeltext die Rede ist. Also hat er daraufhin „selbst Überlegungen angestellt“.415 Die Auslegung von Jer. 20,7, die er am Ende der 19. Homilie bereits skizziert hatte und die er zu Beginn der 20. Homilie noch einmal ausführlich darlegte, stammt also von ihm selbst.416 Origenes’ Auslegung der Täuschung Jeremias durch Gott sieht wie folgt aus:417 Er fasste die Aussage in Jer. 20,7 als Worte des erwachsen gewordenen Jeremia auf, der im Rückblick erkenne, dass er anfangs durch Täuschung erzogen worden und dies ein notwendiger Prozess seiner Erziehung zur Frömmigkeit gewesen sei: „Nachdem die Täuschung aufgehört hat, sagt der Prophet: ‚Du hast mich getäuscht, Herr, und ich ließ mich täuschen‘, als wäre ihm 412 Siehe Perrone, Inganno e castigo 98f. Zur möglichen Identität dieses Judenchristen
siehe oben S. 49f. 413 In Hier. hom. 20(19),2 (GCS Orig. 32, 178). 414 Ebd. Siehe dazu oben S. 68. 415 Ebd. 20(19),3 (32, 180). 416 Daniélou, Origène 276, schreibt auch die eigene Auslegung des Origenes fälschlich
der rabbinischen Tradition zu, auf die Origenes davor rekurrierte. 417 Siehe dazu auch Fürst, Diskussionen über die Lüge 77–82.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
der Anfangsunterricht und die Einführung in Form einer Täuschung erteilt worden und könnte er nicht unterrichtet und in die Frömmigkeit eingeführt werden, wenn er nicht zuerst getäuscht wurde, um später dahin zu gelangen, die Täuschung wahrzunehmen.“418 Die Täuschung sei also ein pädagogisches Mittel, wie es beispielsweise bei der Erziehung von Kindern oder der Heilung von Kranken eingesetzt werde, und so „handelt Gott in analoger Weise wie ein Vater und wie ein Arzt“:419 „Wie ein Vater einen noch unmündigen Sohn zu dessen Vorteil zu täuschen beabsichtigt, weil er dem Kind nicht anders nützlich sein kann, als dass er es täuscht, wie ein Arzt es unternimmt, den Kranken zu täuschen, weil er nicht geheilt werden kann, wenn er die täuschenden Worte nicht glaubt, so handelt vielleicht auch der Gott des Alls, da er die Absicht hat, dem Menschengeschlecht zu helfen.“420 Eine Täuschung von Seiten Gottes habe also nicht die Absicht, den getäuschten Menschen in die Irre zu führen und Unwissenheit zu erzeugen, sondern diene „dem Heil“, „führt zur Umkehr“, erfolge „in guter Absicht“,421 verfolge „einen guten Zweck“422 und diene den Getäuschten „zu ihrem Vorteil“,423 kurzum: sei ihnen nicht schädlich, sondern nützlich, weshalb man sich eine solche Täuschung durch Gott eigentlich nur wünschen könne und Origenes Jeremia bitten hörte: „Täusche mich, wenn es nützlich ist!“424 und seine Zuhörer abschließend mit Nachdruck zur Bitte um eine solche nützliche Täuschung aufforderte: „Sagt er die Wahrheit, nehme ich sie an. Will er mich täuschen, lasse ich mich bereitwillig täuschen – nur soll einzig Gott mich täuschen!“425 Im Anschluss an diese Erklärung gab Origenes dann noch etwas wieder, was er ebenfalls von dem Judenchristen gehört hat, der ihm die jüdische Auslegung von Jer. 20,7 zugebracht hatte. Demnach habe Jeremia „aus dieser Täuschung“, sowie er sie durchschaut hatte, sogleich gelernt und insofern daraus „Nutzen gezogen“, als er nun seinerseits seine Zuhörer zu ihrem Nutzen getäuscht habe. Weil diese ihn nämlich „verlachten und verhöhnten“ – Ori418 Origenes, in Hier. hom. 19,5(18,15) (GCS Orig. 32, 173). 419 Die Metapher von Gott (bzw. Christus) als Arzt oder „großer Arzt“ bzw. „Chefarzt“
hat Origenes, zuweilen Mt. 9,12 bzw. Mk. 2,17 zitierend, auch sonst in den Jeremiahomilien immer wieder bemüht: ebd. 1,12 (32, 10); 12,5 (32, 91. 92); 14,1f.3 (32, 106f. 108); 14,18 (32, 124); 17,5 (32, 148f.); 18,5 (32, 156); lat. 1(3),4 (8, 313); lat. 2(2),6 (8, 295f.); lat. 2(2),12 (8, 301f.); in Hier. frg. 37 (GCS Orig. 32, 217). Siehe dazu Fernández, Cristo médico, sowie unten S. 442 Anm. 658 und S. 543 Anm. 853; für hier auch Perrone, Inganno e castigo 99–101. 420 Ebd. 20(19),3 (32, 180). Der Vergleich mit der Kindererziehung auch schon ebd. 18,6 (32, 159), um die Ausdrucksweise der Bibel zu erklären, und ebd. 19,5(18,15) (32, 173f.). 421 Ebd. 19,5(18,15) (32, 174. 175). 422 Ebd. 20(19),3 (32, 182). 423 Ebd. 20(19),4 (32, 182). 424 Ebd. 20(19),3 (32, 182). 425 Ebd. 20(19),4 (32, 183f.).
Einleitung
genes ist dazu übergegangen, den zweiten Satz von Jer. 20,7 auszulegen: „Ich bin zum Gespött geworden, jeden Tag wurde ich fortwährend verhöhnt“ –, wenn er seine Worte mit der prophetischen Einleitungsformel eröffnete: „Dies spricht der Herr“ bzw. „Spruch des Herrn“ (Jer. 2,2 u. ö.), unterließ er dies, wie es gleich darauf in Jer. 20,9 heißt: „Ich werde den Namen des Herrn nicht mehr erwähnen und nicht mehr länger in seinem Namen reden“, und kündigte stattdessen eigene Worte an, wodurch er die Zuhörer zu ihrem Nutzen täuschte, weil sie damit doch Worte Gottes zu hören bekamen: „Weil er deshalb auch selbst täuschen wollte, um aus der Täuschung Nutzen zu ziehen, sagte er: Meine Worte spreche ich zu euch, weil ihr auf die Worte des Herrn nicht hört. Daraufhin schenkten jene den Worten Gehör als Worten Jeremias und bekamen Worte Gottes zu hören.“426 Und damit noch nicht genug, machte sich Origenes, der sein Wirken als Lehrer und Prediger als Fortsetzung der prophetischen Verkündigung betrachtete,427 diese List Jeremias seinerseits zu eigen, wenn er in einer seiner seltenen autobiographischen Bemerkungen bekannte, dass er gegenüber Heiden manchmal vermeide, von Christentum und Christus zu reden, sobald er deren Aversionen und Vorurteile dagegen spüre, und ihnen die christliche Botschaft stattdessen nahezubringen versuche, ohne sie explizit als christlich zu bezeichnen: „Auch wir tun in manchen Situationen so etwas, wenn es uns nützlich erscheint. Manchmal richten wir Worte an die Heiden in der Absicht, sie zum Glauben zu führen, und wenn wir merken, dass sie das Christentum hassen, den Namen verabscheuen und es ihnen zuwider ist zu hören, dass dies die Lehre der Christen ist, maßen wir uns nicht an zu sagen, die Lehre der Christen sei nützlich. Wenn vielmehr jene Lehre grundgelegt ist, soweit wir das vermögen, und wir meinen, den Zuhörer dafür einzunehmen, da er nicht einfach nur so dem Gesagten zugehört hat, dann bekennen wir, dass diese lobenswerte Lehre die Lehre der Christen war.“428 Das ist eine sehr aufschlussreiche Bemerkung zur Gesprächsstrategie des Origenes, die im Wortsinne strategisch war. Sie dürfte eine Realität wiedergeben, die auch andernorts in der Minderheitssituation des frühen Christentums zu finden ist, so wenn Minucius Felix seinen gebildeten aristokratischen Adressaten in Rom zur selben Zeit wie Origenes, also in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, die Wahrheit des Christentums nahebringen wollte, ohne in seinem Dialog Octavius – in dem er freilich offen das Christentum verteidigte – auch nur einmal die Bibel zu zitieren.429 426 Ebd. 20(19),5 (32, 184). 427 Siehe dazu oben S. 60–64. 428 In Hier. hom. 20(19),5 (GCS Orig. 32, 184f.). 429 Ein weiteres Beispiel liefern die pseudoclementinischen Homilien, denen zufolge
nicht einmal die Apostel vor trügerischen Listen zurückgeschreckt seien, um die Heiden zu bekehren: Clem. hom. 20,18–23 (GCS 42, 278–281).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
b) Die antike Tradition der „nützlichen Lüge“ Um diese Ausführungen des Origenes über die Täuschung, von der in Jer. 20,7 die Rede ist, verständlicher zu machen, sind sie in einem ersten Schritt in ihren geistesgeschichtlichen Kontext einzuordnen.430 Zentral im Hintergrund steht die in der paganen wie christlichen Antike weit verbreitete Annahme, dass Listen und Tricks in bestimmten Situationen und unter eng begrenzten Bedingungen erlaubt sein können.431 Eine Kriegslist zur Täuschung des Feindes wurde ebenso weithin akzeptiert wie die Täuschung eines Kranken zu dessen Wohl oder eines Freundes, der sich umbringen will, oder überhaupt zur Rettung eines Dritten aus Todesgefahr.432 Platon formulierte die Grundsätze für eine solche Einstellung: Gegenüber Feinden oder unzurechnungsfähigen Freunden, die anders nicht von einer Untat abzubringen seien, sei eine Lüge oder Täuschung akzeptabel, doch dürfe dieses „nützliche Heilmittel“ nur von Ärzten und Staatsmännern ausnahmsweise angewendet werden.433 Über die Stoa und über die Rhetorik wurde die Legitimität der „nützlichen Lüge“ bzw. „Täuschung“ allgemeines Bildungsgut, das meist mit strengen sittlichen und praktischen Auflagen verbunden und nur selten leichtfertig bis hin zu utilitaristischem Eigennutz vertreten wurde.434 In der Bibel, im Alten wie im Neuen Testament, wird die Lüge streng verurteilt,435 doch gibt es gerade in den Patriarchenerzählungen zahlreiche Episoden, in denen Lügen und Listen eine entscheidende Rolle spielen, allen voran Jakobs Erschleichung des Erstgeburtssegens (Gen. 27,1–40), sodann beispielsweise die Listen in der Josefsnovelle (Gen. 42–45), die irreführende Ausgabe von Sara bzw. Rebekka als Schwester Abrahams bzw. Isaaks (Gen. 12,10–20; 20; 26,1–11), die Lüge der Hebammen in Ägypten (Ex. 1,15–21) und der Dirne Rahab in Jericho 430 Das Folgende nach dem Überblick bei Fürst, Art. Lüge (Täuschung) 624f. 628f. 630. 431 Siehe dazu Souilhé, Mensonge 58–70; Maćkowiak, Notlüge 47–58; de Lubac, Be-
trogen 26–36. 432 Vgl. beispielsweise Sophokles, Philokt. 108f.; Xenophon, mem. IV 2,14–18; kyrup. I
6,31; Pseudo-Platon, iust. 374c–d; Tacitus, hist. IV 50,2; Gellius, noct. Att. XV 22,1f.; Lukian, philops. 1. 433 Vgl. Platon, polit. II 382c; III 389b–d; 414b–c; V 459 c–d. Siehe dazu etwa Zembaty, Lying; Page, Lies. 434 Vgl. für die Stoa Chrysipp, SVF II 994; III 554f., für die Rhetorik Cicero, Brut. 42; orat. II 241, und Quintilian, inst. XII 1,38–44. Utilitaristisch sind Maximos von Tyros, diss. 13,3, und Heliodor, aethiop. I 26,6: „Manchmal ist auch die Lüge schön, wenn sie dem Redenden nützt, den Zuhörern aber nicht schadet.“ Auch der Christentumskritiker Kelsos vertrat die Legitimität einer „nützlichen Lüge“: Kelsos bei Origenes, Cels. IV 18 (GCS Orig. 1, 287). Siehe dazu Satran, Truth and Deception. 435 Vgl. Lev. 19,11; Ps. 4,3; 62(63),5; Hos. 7,1.13; Mich. 6,12; Spr. 4,24; 21,28; 12,22; 30,8; Sir. 5,14; 7,13; 20,26; Kol. 3,9; Eph. 4,25 (= Zitat von Sach. 8,16); Joh. 8,44: Der „Vater der Lüge“ ist der Teufel.
Einleitung
(Jos. 2,4f.).436 Aus platonischer Tradition rezipierte Philon die Erlaubtheit der Lüge in Situationen, in denen nur noch die Unwahrheit den Menschen nützen oder das Vaterland schützen könne, und ein Arzt „wird zuweilen Falsches sagen, ohne ein Lügner zu sein, und er wird täuschen, ohne ein Betrüger zu sein“.437 Für die spätere Entwicklung wurde wichtig, dass Philon die Täuschung in die Pädagogik einführte: Für viele Menschen, die nicht die erforderlichen Voraussetzungen mitbrächten, um direkt über die Wahrheit in die Weisheit eingeführt zu werden, seien erzieherische Lügen nützlich und unumgänglich.438 Alle diese Traditionen sind von den frühchristlichen Theologen aufgenommen worden. Zu täuschen und zu lügen wurde generell verworfen und die moralische wie intellektuelle Pflicht zur Wahrhaftigkeit und Wahrheit eingeschärft,439 zugleich aber von fast allen Theologen die Ansicht vertreten, dass in bestimmten Situationen und besonders, wenn es um die Erlangung des Heils geht, eine Lüge erlaubt, ja sogar geboten sei.440 Der philosophische Vorgänger des Origenes in Alexandria, Clemens, kombinierte Platon und Philon: Er billigte Kriegslisten sowie die Lüge eines Arztes gegenüber einem Patienten, um diesen zu retten, und wertete den pädagogischen Einsatz einer Täuschung als rücksichtsvolle Anpassung des Lehrers an die Fassungskraft des Adressaten zum Zwecke der Heilsvermittlung.441 Auf derselben Linie schärfte Origenes die Wahrhaftigkeitspflicht nachdrücklich ein, folgte indes in der Akzeptanz einer „nützlichen Lüge“ Platon, dessen Bedingungen er allerdings verschärfte: Nur um ein „großes Gut“ zu erreichen, sei eine Täuschung als Heilmittel im Sinne der biblischen Vorbilder erlaubt – er verwies auf Judits Überlistung des Holofernes (Jdt. 11f.),442 Esters Täuschung des Artaxerxes
436 Siehe dazu Klopfenstein, Lüge 325–352. 437 Philon, quaest. in Gen. VI 204 (p. 454 Mercier). Vgl. Cher. 15 (I p. 173 Cohn/
Wendland). 438 Vgl. Philon, deus immut. 51–69 (II p. 68–72 Cohn/Wendland). 439 Ich notiere nur einige vororigeneische Zeugnisse: 1 Clem. 35,5f. (SUC 1, 68); Did. 5,2
(SUC 2, 74–76); Barn. 20,2 (SUC 2, 192); Hermas, mand. 3 (GCS 48, 24f.); Justin, dial. 82,2f. (PTS 47, 212f.); Clemens von Alexandria, strom. VII 50,4 (GCS Clem. Al. 32, 37); VII 53,1f.6; 54,1 (32, 39f.). 440 Siehe dazu Maćkowiak, Notlüge 58–87; Müller, Problematik der Lüge 27–48. 78–93; Ramsey, Lying and Deception 515–528; Fürst, Diskussionen über die Lüge 70–75; ders., Art. Lüge (Täuschung) 632–638. 441 Vgl. Clemens von Alexandria, strom. I 160,2 (GCS Clem. Al. 24, 100f.); VII 53,2–4 (32, 39). Siehe dazu Satran, Pedagogy and Deceit. 442 Auf diese wies Origenes auch zur Auslegung des „Vertragsbruchs“ in Jer. 20,8 hin, in Hier. hom. 20(19),7 (GCS Orig. 32, 187f.): „Was hätte Judit tun sollen? Die Vereinbarungen (sc. mit Holofernes) einhalten oder sie brechen? Brechen – da sind wir uns einig. Denn die Vereinbarungen mit Holofernes zu brechen war wohlgefällig vor Gott.“
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
(Est. 2,10.20) und Jakobs Erschleichung des Erstgeburtssegens (Gen. 27,1– 40) –, und nur selten und vorsichtig dürfe ein solches Mittel unter Menschen eingesetzt werden.443 Aus dieser breiten kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Tradition her aus erklären sich zu einem guten Teil die Überlegungen des Origenes über die „nützliche Täuschung“, die er in Jer. 20,7 fand, insbesondere deren medizinischer (heilsamer) und pädagogischer Sinn und Zweck, der einerseits seit Platon und andererseits in der alexandrinischen Tradition seit Philon mit diesem Denkmodell verbunden war, sowie die altruistische Orientierung am Nutzen eines Anderen (nicht am Eigennutz). Nicht zuletzt wird von daher verständlich, weshalb Origenes offenbar keine Bedenken hatte, ein solches Verhalten Jeremia zuzuschreiben und sogar selbst zu praktizieren. Der allgegenwärtige Zweck solcher Täuschungen, nämlich Heil zu vermitteln, unterlief offenbar die Bedenken gegen das angewandte Mittel oder ließ solche gar nicht erst aufkommen. c) Pädagogik der Täuschung als Einführung in die Wahrheit Die Tradition einer „nützlichen Lüge“ stellte Origenes die denkerischen und ethischen Elemente zur Verfügung, mit deren Hilfe er die Aussage in Jer. 20,7 verständlich machen konnte. Allerdings lag die spezifische Aussage dieses Bibeltextes in einer wesentlichen Hinsicht außerhalb dieser Denkfigur. Zu deren Eckdaten gehörte, dass es sich um eine genau und eng umschriebene Ausnahmesituation im zwischenmenschlichen Verhalten handelt. Was Gott angeht, wurde eine solche Ausnahme aber seit Platon strikt ausgeschlossen: Gott lügt nicht, nie. Dass Jeremia nun aber gerade dies behauptet, nämlich von Gott getäuscht worden zu sein, machte die fragliche Bibelstelle in so hohem Grade problematisch. In seinen Reflexionen über eine „nützliche Täuschung“, deren Subjekt – in offenem, biblisch begründetem Gegensatz zu Platon und zur gesamten Tradition – Gott ist, ging Origenes daher über die bis dahin üblichen Ansichten zu einer „nützlichen Lüge“ hinaus. Seiner Exegese von Jer. 20,7 liegt die Annahme zugrunde, dass eine „Täuschung durch Gott anders geartet ist als unsere Täuschung, durch die wir täuschen“.444 Um das zu erklären, wandte er die Denkmuster der Tradition einer „nützlichen Lüge“ unter Menschen auf eine „Täuschung durch Gott“ an und schuf eine
443 Strom. VI frg. bei Hieronymus, adv. Rufin. I 18 (CChr.SL 79, 18). Vgl. Origenes, Cels.
IV 19 (GCS Orig. 1, 288), in seiner Entgegnung auf die im Prinzip gleiche Position des Kelsos. Siehe auch unten S. 497 Anm. 779. 444 In Hier. hom. 20(19),2 (GCS Orig. 32, 178).
Einleitung
Theorie, die ich, wie schon früher,445 mit der Überschrift über dieses Kapitel unter den Begriff „Gottes soteriologische Täuschungen“ fassen möchte. Für die besondere Bedeutung des Wortes ‚Täuschung‘, die Origenes in Jer. 20,7 fand, berief er sich methodisch auf das Prinzip der Homonymie, das der alexandrinische Bibelphilologe oft heranzog, um schwierige Aussagen über Gott in der Bibel zu erklären.446 Er legte die einschlägige Definition des Aristoteles zugrunde, die er wörtlich zitierte: „Homonym heißen Dinge, die nur den Namen gemeinsam haben, während der zum Namen gehörige Wesensbegriff verschieden ist.“447 Nach diesem Prinzip ließen sich „unangemessene“ anthropomorphe Aussagen über Gott, dass „er Zorn empfinde, sich dem Unmut hingebe, Reue zeige, ja sogar schlafe“, erklären: Werden diese Empfindungen Gott zugeschrieben, handle es sich um „etwas Ungewöhnliches und Eigenartiges“, „etwas Besonderes“, „etwas ihn Auszeichnendes“, das mit den entsprechenden Regungen beim Menschen nichts außer „den Namen“ gemein habe.448 Bei Gott, so Origenes, haben alle diese Regungen und Handlungen einen pädagogischen Zweck: Sie dienen der Erziehung des Menschen.449 Das folgt dem Paradigma einer „nützlichen Lüge“, wenn sie (mit Philon) pädagogisch eingesetzt wird. Was aber ist der spezifische „Nutzen der Täuschung“, von dem Origenes sprach?450 Auch sie diene der Erziehung, und zwar in besonderer Weise der Erziehung von noch unreifen und unmündigen Kindern: „Wenn wir Kinder erziehen, reden wir mit Kindern, und wir reden mit ihnen nicht wie mit Erwachsenen, sondern wir reden mit ihnen wie mit Kindern, die der Erziehung bedürfen, und wir täuschen die Kinder, indem wir den Kindern Furcht einflößen, damit die Ungezogenheit in den Kindern aufhört, und wir flößen den Kindern Furcht ein, indem wir wegen der bei ihnen bestehenden Unmündigkeit täuschende Worte benutzen, damit wir ihnen durch die Täuschung Furcht einjagen und sie zu Lehrern gehen, darüber berichten und das tun, was zur Reifung von Kindern beiträgt.“451 Gott erziehe meist durch sein Wort. Aber wie das Beispiel der Niniviten zeige, 445 Siehe die Überschriften bei Fürst, Briefwechsel 36, und ders., Art. Lüge (Täuschung)
637. 446 Vgl. seine Grundsatzüberlegungen dazu in einem Fragment aus dem Römerbrief-
kommentar in philoc. 9 (SC 302, 350–359) zum bedeutungsreichen Begriff νόμος. Siehe dazu Harl, Langage biblique. 447 Aristoteles, cat. 1, 1 a 1f., zitiert von Origenes, in Hier. hom. 20(19),1 (GCS Orig. 32, 177): Ὁμώνυμα δέ ἐστιν, ὧν ὄνομα μόνον κοινόν, ὁ δὲ κατὰ τοὔνομα τῆς οὐσίας λόγος ἕτερος. 448 Ebd. (32, 176f.). 449 Für den pädagogischen Sinn des Zorns (des Unmuts) bzw. der Reue Gottes siehe die Hinweise unten S. 487 Anm. 760 bzw. S. 489 Anm. 768. 450 In Hier. hom. 20(19),2 (GCS Orig. 32, 178). 451 Ebd. 19,5(18,15) (32, 173f.).
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
genüge ein Wort allein manchmal nicht. Es bedurfte der Androhung von Strafe, nämlich der Zerstörung Ninives (Jona 3,4), um die Niniviten auf den Weg der Bekehrung zu bringen.452 Das Ziel einer solchen Drohung sei nicht Vernichtung, sondern Bekehrung und Rettung. Dasselbe gelte für den Zorn oder den Unmut Gottes, die im selben Sinne eine Täuschung seien, da sie nicht auf das zielten, was sie vordergründig vermittelten. „Die ganze Schrift“, meinte Origenes, „ist voller solcher Heilmittel. Und manch Nützliches ist darin verborgen, aber auch manch Bitteres ist darin verborgen.“453 Eine derartige Pädagogik steht offensichtlich in einem zeitgebundenen Kontext und folgt Vorstellungen von Erziehung, deren Qualität und Effektivität man gewiss skeptisch beurteilen darf. So wird man folgende Ausführungen des Origenes kaum einfach so wiedergeben können, ohne auf ihre bedenklichen Seiten aufmerksam machen zu müssen (auch wenn diese Wertung anachronistisch sein mag): „Wenn du siehst, wie ein Vater seinem Sohn droht, als würde er ihn hassen, und zu seinem Sohn furchterregende Worte sagt und ihm keine Zärtlichkeit zeigt, sondern die Liebe zu seinem Sohn verbirgt, wirst du einsehen, dass er das unmündige Kind täuschen will. Denn es ist dem Sohn nicht zuträglich, um die Liebe des Vaters, um seine liebevolle Absicht zu wissen. Er würde nämlich nachlässig werden und sich nicht erziehen lassen. Deswegen verbirgt er die Süße der Zärtlichkeit, zeigt jedoch die Bitterkeit der Drohung.“454 Es ist mehr als zu bezweifeln, dass eine derartige Drohpädagogik wirklich ihr Ziel erreicht. Sie dürfte eher verheerende Folgen für das solchermaßen erzogene Kind haben und das erstrebte Erziehungsziel gerade verfehlen. Doch es geht nicht darum, diese Aussagen des Origenes, die für die Erziehungsvorstellungen seiner Zeit höchst aufschlussreich sind, zu beurteilen, sondern darum, zu verstehen, wie er solche Gedankengänge einsetzte, um den schwierigen Bibeltext zu erklären. Bei diesen Vergleichen hatte Origenes nämlich nicht tatsächlich Kinder vor Augen, sondern die erwachsenen Christinnen und Christen in seiner Gemeinde, denen er das pädagogische Handeln Gottes erklären und die er dadurch als Lehrer seinerseits erziehen wollte. „Wir alle sind Kinder vor Gott und bedürfen der Erziehung von Kindern.“ Daher versuchte er zu erläutern, was es mit einer Täuschung durch Gott im Blick auf erwachsen gewordene Kinder Gottes auf sich hat: „Deshalb, weil Gott uns schont, täuscht er uns – auch wenn wir die Täuschung nicht wahrnehmen, bevor es dafür Zeit ist –, damit wir nicht, als hätten wir das Stadium der Unmündigkeit schon überschritten, nicht mehr durch Täuschung erzogen werden, sondern durch das wirkliche Leben.“ Was Origenes damit meinte, erläuterte er durch das Beispiel der Niniviten, denen Gott durch Jona die Zerstörung ihrer Stadt 452 Ebd. (32, 174). 453 Ebd. 20(19),3 (32, 180). 454 Ebd.
Einleitung
ankündigen ließ, auf ihre Buße hin aber davon Abstand nahm. Das war für Origenes ein Beispiel dafür, wie „eine Täuschung, die zur Umkehr führt“, funktioniert. Weil Gott die Drohung nicht ausführte, war sie insofern ein Täuschungsmanöver. Die Niniviten wurden gerettet, weil sie sich täuschen ließen. Hätten sie die Drohung ignoriert, wäre sie sogleich wahr geworden oder wäre es sogar noch schlimmer gekommen. Sich täuschen zu lassen, war also heilsam für sie: „Hätte diese Umkehr nicht stattgefunden, wäre das Gesagte keine Täuschung mehr, sondern nunmehr Wahrheit, und die Folge für Ninive wäre die Zerstörung gewesen. Es lag an den Hörern, entweder, wenn sie sich täuschen ließen und dem Gesagten als wahr glaubten, die Wohltaten zu empfangen und nicht zerstört zu werden oder, weil sie sich, als würde sich das Angekündigte nicht als wahr erweisen, auch nicht täuschen ließen, sondern annahmen, das Angekündigte werde nicht eintreten, die Ankündigung als Täuschung zu missachten und nicht das ‚Noch drei Tage und Ninive wird zerstört werden‘ zu erleiden, sondern, wie ich zu behaupten wage, viel Schlimmeres als das ‚Noch drei Tage und Ninive wird zerstört werden‘ (Jona 3,4).“455 Diese Erklärung beruht offenbar darauf, dass im Rahmen des platonischen Weltbildes des Origenes eine Täuschung oder eine Lüge nicht einfach nur im Gegensatz zur Wahrheit stehen, sondern eine ambivalente Funktion innehaben. Einerseits sind sie das Gegenteil von Wahrheit, weil sie nicht die Wahrheit, sondern eben Lüge und Täuschung sind. Andererseits führen sie dadurch aber nicht automatisch von der Wahrheit weg oder sind nichts als unwahr, sondern können als Mittel fungieren, zur Wahrheit zu gelangen. Wie ein Bild im platonischen Denken einerseits im Gegensatz zur Wahrheit steht, weil es nicht die Wahrheit selbst ist, und andererseits gerade als Bild der Wahrheit auf diese verweist und diese erschließt und deswegen nicht einfach falsch ist,456 so ist eine Täuschung nicht die Wahrheit, kann aber in diese einführen, weshalb sie nicht einfach Lug und Trug ist, sondern ein Irrtum, gleichsam ein Umweg zur Erkenntnis der Wahrheit. Wie Bild und Wahrheit stehen platonisch auch Täuschung und Wahrheit nicht strikt kontradiktorisch in einem Gegensatz zueinander, in dem sie sich gegenseitig ausschließen, sondern sind dialektisch in einem Verhältnis der Analogie aufeinander bezogen, in dem die Täuschung im Modus des Irrtums auf die Wahrheit hinführt. Zudem sieht man an dieser Erklärung, wie Origenes ein pädagogisches Täuschungsmanöver Gottes mit seinem Freiheitsdenken zu vereinbaren suchte: Es liege an den Hörern, auf die Drohung zu reagieren und sie dadurch entweder als Täuschung zu erweisen oder wahr werden zu lassen. Nützlich ist ihnen die Täuschung aber nur, wenn sie sich täuschen lassen – weshalb 455 Ebd. 19,5(18,15) (32, 174). 456 So Origenes ausdrücklich in Ioh. comm. I 26,167 (GCS Orig. 4, 31). Siehe dazu Gru-
ber, ΖΩΗ 34–36; de Lubac, Betrogen 68.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
Jeremia nicht nur sagte: „Du hast mich getäuscht, Herr“, sondern auch: „Und ich ließ mich täuschen“ (Jer. 20,7) –, weil sie dadurch auf einen heilsamen Weg gelangen, während dann, wenn sie sich nicht täuschen lassen, d. h. nicht an die Wahrheit der Drohung glauben, diese umso schlimmer wahr werden wird. Eine „nützliche Täuschung“ durch Gott funktioniert nur, wenn sich der Mensch kraft freier Entscheidung täuschen lässt und sich die Täuschung dadurch sowohl als Täuschung als auch als nützlich erweist, weil es sich andernfalls um keine Täuschung (und auch keine nützliche) handeln, sondern diese sich als Wahrheit herausstellen würde. d) Das Geheimnis der Hölle und die Wahrheit über die Strafen Die Sinnspitze dieser Darlegungen des Origenes liegt aber nicht nur darin, den dialektischen Mechanismus einer solchen Täuschung im Rahmen seines platonischen Weltbildes und seines Freiheitsdenkens zu erläutern. Worauf er damit eigentlich hinauswollte, darauf kam er von diesen Erklärungen aus ausführlich zu sprechen, nämlich auf „die Wahrheit über die Bestrafung“.457 Das war sein eigentliches Thema bei diesen Ausführungen. In der Reihe der Erziehungsmaßnahmen Gottes durch Täuschung, Zorn, Unmut oder Drohung kam Origenes nämlich auf die Bestrafung mit „ewigem Feuer“ zu sprechen, die dem Sünder angedroht wird, und schärfte diese mit allem Nachdruck ein. Seine Zuhörerinnen und Zuhörer sollten sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Kindern würden nämlich andere, und zwar leichtere Strafen angedroht als Erwachsenen. Verglichen mit den Menschen, die unter dem Gesetz lebten, den „Sündern im Gesetz“, seien die Christen, die „Sünder im Evangelium“, Erwachsene. Deshalb würden ihnen härtere Strafen angedroht, statt der Steinigung für Ehebruch (vgl. Dtn. 22,24) das „Höllenfeuer, dem schon der anheimfallen wird, der seinen Bruder einen Narren schilt“ (vgl. Mt. 5,22). Vor Gott und im Blick auf die ewige Seligkeit seien aber auch die Christen noch Kinder und müssten Erwachsene erst noch werden. Mit der Relation Kinder – Erwachsene schob Origenes auch die Relation leichtere – schwerere Strafen eine Stufe weiter und kam zur Steigerung der Bestrafung mit „ewigem Feuer“ ins nicht mehr Vorstellbare: „Ich suche einen schlimmeren Strafort als das Höllenfeuer. Und ich könnte vielleicht sagen, dass es die Hölle derjenigen ist, die nicht gereinigt werden wollen, obwohl sie es können … Ich kann mir aber nichts Schlimmeres als die Hölle denken, sondern ich glaube nur, dass es etwas Schlimmeres als die Hölle gibt, und das ist den Ehebrechern bereitet.“ Diese Strafe „ist schlimmer als das, was über die Bestrafung der Sünder im Evangelium gesagt wird, schlimmer als das, was 457 In Hier. hom. 20(19),4 (GCS Orig. 32, 183).
Einleitung
man hört, schlimmer als das, was man denkt“. Unter den verschärften Anforderungen des Evangeliums, das schon mit „ewigem Feuer“ droht, wenn man einen anderen auch nur beschimpft, müssen schwerere Sünden mit noch undenkbar viel härteren Strafen rechnen. „Deswegen wurde der Prophet wie ein Kind eingeführt, indem er hörte und sich fürchtete und erzogen wurde und danach als Erwachsener sagte: ‚Du hast mich getäuscht, Herr, und ich ließ mich täuschen‘ (Jer. 20,7).“458 Trotz dieser scharfen Aussagen über die Hölle und über noch Schlimmeres als die Hölle kann man bei der Interpretation dieser Passagen nicht so weit gehen, Origenes entgegen der allgemeinen Ansicht doch die orthodoxe Auffassung von der Hölle und der Ewigkeit der Höllenstrafen zuzuschreiben.459 Zwar wirken die Aussagen in der 19. und 20. Homilie fast wie eine zünftige Höllenpredigt, und so könnte man sie vielleicht zu den Überlegungen zählen, in denen er ein endgültiges Scheitern des Schicksals einer Vernunftseele in Erwägung zog.460 Doch angesichts seiner ansonsten klar und wiederholt geäußerten Option für die Erlösung aller461 würde eine solche Auffassung des Textes seiner universalen Erlösungshoffnung zuwiderlaufen. Ebenso wenig überzeugend ist die Ansicht, Origenes seinerseits täusche hier seine Zuhörer im Sinne einer heilsamen Täuschung, wie er sie gerade am Beispiel von Jer. 20,7 erläutert habe, um die im Glauben noch Unmündigen durch die Androhung ewiger Höllenstrafen, die jedoch dann, wenn die Drohung ernst genommen wird, nicht eintreffen werden, auf die rechte Bahn zu bringen.462 Wenn dem so wäre, hätten wir allerdings Predigten vor uns, in denen Origenes seine Zuhörer angeblich täuscht, ihnen gleichzeitig aber nicht nur klarmacht, dass er das tut, sondern auch noch ausführlich erklärt, um was für eine Art von Täuschung es sich handelt und welchem Zweck sie dient. Einen krasseren performativen Selbstwiderspruch kann man sich kaum vorstellen. Wie immer verstand Origenes die Drohung mit Strafen, auch die mit „ewigem Feuer“, mit „Höllenfeuer“ und mit noch unvorstellbar viel schlimmeren Bestrafungen, als pädagogisches Mittel, um das Kind, das jeder Mensch vor Gott ist, zu erziehen. Das ist der platonische Sinn allen Strafens bei Origenes.463 Von der Androhung ewiger Strafe für Sünden gilt dasselbe wie für 458 Ebd. 19,5(18,15) (32, 174f.). 459 Siehe zu dieser Frage schon de Lubac, Betrogen 83–97, bes. ebd. 95f., der die An-
sicht des Origenes darüber in ein „letztes Schweigen“ münden sieht. Ein definitives Wissen vom Endzustand hat Origenes in der Tat nie behauptet. 460 Siehe oben S. 74–79. 461 Siehe dazu oben S. 77f. 462 So Trigg, Divine Deception 162. 463 Vgl. Origenes, in Num. hom. 8,1 (GCS Orig. 7, 51); in Hiez. hom. 1,2 (GCS Orig. 8, 322); princ. I 6,3 (GCS Orig. 5, 84); II 3,7 (5, 126); II 10,6 (5, 179f.); III 5,8 (5, 278f.); Cels. III 75 (GCS Orig. 1, 267). Siehe dazu Koch, Pronoia und Paideusis 131–138, ferner unten S. 276 Anm. 336.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
die Androhung der Zerstörung Ninives: Nimmt man sie als Täuschung auf die leichte Schulter und sündigt ungeniert, tritt unausweichlich ein, was angedroht wird, und sogar noch Schlimmeres als dies. Lässt man sich hingegen täuschen wie Jeremia und die Niniviten, lernt man dazu und wird erwachsen vor Gott. Solche Täuschungen sind ein dem begrenzten Erkenntnisvermögen des noch unmündigen Menschen angemessenes Mittel der „Einführung in die Wahrheit“.464 Die Erkenntnis von Wahrheit im Modus des quantitativ und qualitativ Defizitären und im Modus des Irrtums gehört sogar notwendig zur Struktur menschlicher Wahrheitsfindung. Bei solchen Täuschungen geht es daher letztlich gar nicht um einen Irrtum oder eine Lüge, die von der Wahrheit wegführt und im Gegensatz zu dieser steht, sondern im Gegenteil um einen „gemischten Geist des Irrtums“, wie Origenes sich mit Hilfe der Aussage in Jes. 19,14: „Denn der Herr mischte ihnen einen Geist des Irrtums“ ausdrückte.465 Ein solcher „gemischter Irrtum“ – ein mit Wahrheit gemischter Irrtum –, der auf eine erzieherische Täuschung durch Gott zurückgeht, stellt sich, wie der Fall Jeremias zeigt, in der Rückschau, nachdem die damit angezielte Wahrheit erreicht ist, als Umweg heraus, und zwar nicht als ein überflüssiger, sondern als einer, der der Situation des Menschen in seinen Bedingtheiten und Begrenztheiten nicht notwendig immer, aber unausweichlich immer wieder eigen und damit der spezifisch menschliche Weg zur Wahrheit ist. Mit seinen Täuschungen macht sich Gott, so das Konzept des platonischen Dialektikers Origenes, die Struktur der menschlichen Wahrheitserkenntnis, die auch über den Irrtum führt, sozusagen für sein pädagogisches Handeln zunutze. Er wendet eine solche Methode an, um die Kinder, die unreifen, sündigen Menschen, zu Erwachsenen, zu in Freiheit Erlösten und Vollkommenen zu machen: „Auch du fürchte, solange du Kind bist, die Drohungen, damit du nicht das erleidest, was über die Drohungen hinausgeht, die ewigen Strafen (vgl. Mt. 25,46), das unauslöschliche Feuer (vgl. Mk. 9,43; Mt. 3,12; Lk. 3,17) oder vielleicht etwas noch Schlimmeres als dies, was für die bereitliegt, die ihr Leben noch stärker wider die rechte Vernunft466 geführt haben. Die Erfahrung all dieser Dinge werden wir hoffentlich keinesfalls machen, sondern in Christus Jesus als Erwachsene der himmlischen Feste
464 De Lubac, Betrogen 60. Siehe auch Perrone, Inganno e castigo 93–98. 465 Origenes, in Hier. hom. 20(19),3 (GCS Orig. 32, 182): „Und anderswo steht etwas
geschrieben, was dem verwandt ist, denn im Buch Jesaja heißt es: ‚Denn der Herr mischte ihnen einen Geist des Irrtums‘ (Jes. 19,14). Du wirst auch hier erkennen, was der von Gott gemischte Geist des Irrtums bewirkt. Es ist aber gut, dass Gott den Geist des Irrtums nicht ungemischt geschenkt hat, sondern, wie der Prophet sich ausdrückte, ihn gemischt hat.“ 466 Zur stoischen Vorstellung von der „rechten Vernunft“ (ὀρθὸς λόγος) siehe unten S. 219 Anm. 221.
Einleitung
und des Pascha für würdig befunden werden, das dort zur geistigen Erhebung in Christus Jesus gefeiert wird“ – so der Schluss der 19. Homilie.467 Zu einfach darf man sich diesen Erziehungs- und Reifungsprozess aber nicht vorstellen oder machen, gerade dann nicht, wenn man die komplexen Zusammenhänge, die Origenes seiner Gemeinde da ebenso kühn wie anspruchsvoll zu erhellen versuchte, durchschaut. Der erfahrene Prediger und Seelenführer wies ausdrücklich auf die Gefahr hin, die zu frühe und zu rasche Einsichten in sich bergen: „Wie viele angebliche Weise aber sind, nachdem sie die Wahrheit über die Bestrafung herausgefunden haben und über das Stadium der Täuschung scheinbar hinausgelangt sind, in eine schlimmere Lebensweise geraten?“468 Deshalb kombinierte Origenes die Aufklärung über „die Wahrheit der Bestrafung“, nämlich deren Ende in der Apokatastasis, mit der drastischen Warnung, dass keine Sünde ungestraft bleiben werde. Seine Hoffnung darauf, dass das Heil einmal alle erreichen werde, hat in seinem freiheitstheoretischen Konzept nicht zur Folge, dass Gott die Sünden der Menschen ignoriert. Im Gegenteil: Solange der Mensch an seinem bösen Tun und seiner gottwidrigen Einstellung festhält, kann die Erlösung, an der die freien Vernunftwesen aktiv mitwirken müssen, nicht gelingen. Vielmehr muss jeder Mensch die Konsequenzen seines Handelns auf sich nehmen, für das er uneingeschränkt die Verantwortung trägt: „Das Ende der Welt wird eintreten“, schrieb er in der Grundlagenschrift, „wenn ein jeder entsprechend dem, was er durch seine Sünden verdient hat, bestraft wird; die Zeit weiß Gott allein (vgl. Mt. 24,36), wann jedem nach Verdienst vergolten wird. Jedenfalls glauben wir, dass Gottes Güte durch seinen Christus die ganze Schöpfung zu einem einzigen Ende führen wird.“469 Vor dem Hintergrund dieser Hoffnung warnte Origenes in den Jeremiahomilien seine Gemeinde vor einem leichtfertigen Umgang mit den Folgen der Sünde: „Jeder, der gesündigt hat, muss für seine Sünden bestraft werden. ‚Täuscht euch nicht, Gott lässt sich nicht verspotten!‘ (Gal. 6,7),“ schärfte 467 In Hier. hom. 19,5(18,15) (GCS Orig. 32, 175f.). Ein Aufruf zum Erwachsenwerden in
diesem spirituellen Sinn auch in Luc. hom. 20,7 (GCS Orig. 92, 124): „Lasst uns also aufhören, kleine Kinder zu sein, und anfangen, erwachsene Menschen zu werden, indem wir sagen: ‚Als ich ein Mann geworden war, habe ich abgelegt, was eines kleinen Kindes war‘ (1 Kor. 13,11) … An uns liegt es (erneut die stoische Freiheitsformel!), dass wir uns mit allem Einsatz bemühen, das Kindsein abzulegen, es zum Verschwinden zu bringen, um zu den höheren Altersstufen zu gelangen.“ Übersetzung: Sieben, FC 4, 231. 468 In Hier. hom. 20(19),4 (GCS Orig. 32, 183). Auch in princ. III 1,17 (GCS Orig. 5, 225f.) warnte er vor „einer allzu raschen Heilung“, weil man „das Übel als ein leicht heilbares für gering achten“ würde, „sich ein zweites Mal nicht hüten“ würde „hin einzugeraten, und so wieder in dasselbe Übel verfalle“. Übersetzung: p. 523–525 Görgemanns/Karpp. 469 Ebd. I 6,1 (5, 79). Übersetzung: p. 215.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
er mit Paulus ein.470 Mit Nachdruck wandte er sich gegen die frühchristlich verbreitete Mentalität, gerade einmal die sogenannten Kapitalsünden zu meiden reiche schon aus, um das durch die Taufe erlangte Heil nicht mehr zu verspielen:471 „Und jeder von uns meint, weil er keinen Götzendienst, weil er keine Unzucht getrieben hat472 – Wären wir wenigstens von solchen Dingen rein! –, dass er, wenn er aus dem Leben scheidet, gerettet werden wird. Wir sehen nicht, dass ‚wir alle vor den Richterstuhl Christi hintreten müssen, damit jeder das erhält, was seinem Tun während des Daseins im Leibe entspricht, sei es Gutes oder Böses‘ (2 Kor. 5,10). Wir sehen nicht den, der gesagt hat: ‚Nur euch habe ich aus allen Stämmen der Erde erkannt. Deswegen werde ich euch alle eure Handlungen vergelten‘ (Am. 3,2), nicht einige schon, andere aber nicht.“473 In einer früheren Homilie strich er anhand von Jer. 13,14: „Ich werde keine Sehnsucht empfinden und keine Schonung gewähren und kein Mitleid üben bei ihrem Untergang“ an einem eindringlichen Beispiel aus dem Leben der Gemeinde die negativen Folgen von zu großer Laxheit im Umgang mit Sünden heraus, mit der Kernbotschaft: „So verhält es sich auch bei Gott: Wenn er den Sünder schont und sich seiner erbarmt und so viel Mitleid hat, dass er ihn nicht bestraft, wer wird davon nicht aufgestachelt werden? Wer von den schlechten Menschen, die aus Angst vor den Strafen von den Sünden abgelassen haben, wird nicht aufgestachelt werden, wird nicht schlechter werden?“474 Unmissverständlich wies Origenes darauf hin, dass jeder Mensch für sein Tun wird geradestehen müssen und erst dann die Vollendung, die er ebenfalls für jeden einzelnen Menschen erhoffte, eintreten kann. Bei der Erlösung aller handelt es sich laut Origenes um ein „Geheimnis“,475 mit dem der Mensch verantwortlich umzugehen zu lernen hat. „Das Geheimnis“ der Aussage des Paulus, Hurenböcke, Ehebrecher, Lüstlinge, Knabenschänder, Diebe, Säufer, Verleumder und Räuber würden das Reich Gottes nicht erben (1 Kor. 6,9f.) – das nämlich darin liegt, dass dies nicht das letzte Wort ist –, „muss verborgen bleiben, damit die Mehrheit nicht den Mut verliert, damit sie, weil sie den wirklichen Sachverhalt nicht erkannt 470 In Hier. hom. 20(19),3 (GCS Orig. 32, 180f.). 471 Ebd. 16,5f. (32, 137–139) dachte er ausgiebig über nach der Taufe begangene Sünden
nach, die zuerst gesühnt werden müssen, ehe das Heil erlangt werden kann. Vgl. auch ebd. 16,10 (32, 141f.): Weil „die Sünde mit eisernem Griffel aufgeschrieben, mit stählerner Spitze in das Innere ihres Herzens eingraviert ist“ (Jer. 17,1), werden „die Sünder zu Schmach und ewiger Schande auferstehen“. 472 Zu diesen Kapitalsünden siehe unten S. 499 Anm. 785. 473 In Hier. hom. 20(19),3 (GCS Orig. 32, 180f.). Vgl. ebd. 20(19),9 (32, 192): „Jeder von uns soll sein Gewissen prüfen und schauen, welche Sünde er begangen hat. Denn er muss bestraft werden.“ 474 Ebd. 12,5 (32, 91–93). 475 Ebd. 14,18 (32, 124).
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hat, den Tod nicht als Ausruhen, sondern als Strafe erwartet.“ Wer noch nicht reif genug ist, dieses „Geheimnis“ zu verstehen, wähnt sich frei von Sünde oder meint, um die Strafe herumkommen zu können. Das Erstaunliche an diesen Ausführungen ist, dass Origenes diese Zusammenhänge „der großen Mehrheit an Gläubigen“, die er vor sich hatte und über die er so redete, offenlegte: „Du siehst, dass all das der großen Mehrheit der Gläubigen verborgen ist und es gut ist, dass es ihnen verborgen ist.“476 Das zeigt, dass er keinen elitären Esoterismus pflegte, wie man ihm aufgrund solcher Aussagen oft unterstellt.477 Das kann schon deswegen nicht der Fall sein, weil er – was bei diesem Vorwurf regelmäßig übersehen wird – bei seinen Predigten ein gemischtes Auditorium vor sich gehabt haben dürfte, in dem sich Christinnen und Christen von – um seine Terminologie zu benutzen – ‚Anfängern‘ und ‚einfachen‘ Gläubigen bis hin zu mehr ‚fortgeschrittenen‘ und im Einzelfall schon nahezu ‚vollkommenen‘ Gemeindemitgliedern befanden.478 An diese alle wandte er sich mit seinen Ausführungen und adressierte diese an alle auf ihren unterschiedlichen Niveaus. „Was Origenes in Wirklichkeit anstrebt“, konstatierte Henri de Lubac, „ist dies: uns zur Kritik gewisser Vorstellungen anzuleiten, deren vorläufige Notwendigkeit und Wohltat er uns gleichzeitig zeigt.“479 Dabei konfrontierte er jeden einzelnen Zuhörer in seiner Gemeinde mit den hohen ethischen Ansprüchen des Christseins, wie er es sich vorstellte. Seine Gedanken über Sünde und Strafe, Heil und Erlösung sind ein einziger Appell an den Einzelnen, im Glauben erwachsen zu werden. Unverdrossen und engagiert hat Origenes unablässig jeden Einzelnen in seiner 476 Ebd. 20(19),3 (32, 181). 477 Siehe die Literaturhinweise bei Fürst, Eschatologie des Origenes 176 Anm. 30. Auch
Scott, Problem of Evil 129–160, redet einem solchen Esoterismus das Wort (vgl. ebd. 129f. 140f. 149 und bes. 151–158, letzteres weitgehend identisch mit ders., Origen’s Universalism 363–367), obwohl er die Aspekte des „Geheimnisses“, die pädagogische Absicht der Aussagen über „ewige Höllenstrafen“ und den Universalismus des Origenes durchaus richtig darstellt. Die Erläuterungen in der 19. und 20. Jeremiahomilie, die diesem Esoterismus widersprechen, kann er daher nur unter das Prinzip der Akkommodation buchen (ebd. 154–156) und überrascht registrieren, dass Origenes sich so offen über seine eschatologischen Ansichten äußert; vgl. ebd. 155: „We would not expect Origen to spell out the implications of this pedagogical principle for the doctrine of hell, since he would regard most in his audience as spiritual infants, but I suggest that the principle clearly applies to that doctrine.“ 478 Mit diesem Argument hat sich schon de Lubac, Betrogen 48–57, gegen eine esoterische Deutung ausgesprochen, bes. ebd. 51: „Zudem muss erinnert werden, dass die hier kommentierten Stellen aus Homilien stammen, die vor einem sehr gemischten Publikum gehalten wurden. Er wäre ja auch äußerst ungeschickt verfahren, hätte er ‚die Masse der Einfachen‘ (deren Einfalt verschiedene Grade hat) zum Zeugnis genommen für den esoterischen Charakter der ihnen gepredigten Lehre und für die Geheimlehre, die man den Eingeweihten vorbehält.“ 479 De Lubac, ebd. 58f.
III. Der Inhalt der Jeremiahomilien
Gemeinde umworben, sich nicht länger wie ein unmündiges Kind zu benehmen, das seine Freiheit infantil missbraucht und sich damit immer nur neu schadet, sondern ein reifer Erwachsener zu werden, der im Bewusstsein seiner Verantwortung für sich und für andere die von Gott in Christus ständig eröffnete Möglichkeit ergreift, an der Veränderung zum Besseren mitzuarbeiten. In der seinem Gottesbegriff zuwiderlaufenden Aussage von einer Täuschung durch Gott in Jer. 20,7 entdeckte Origenes durch eingehendes Nachdenken eine Dimension, in der eine tiefere Wahrheit über Gott zum Ausdruck kommt, als es die scheinbar abträgliche Formulierung nahelegt. Dabei versuchte er nicht nur das moralisch Anstößige eines solchen Gedankens zu rechtfertigen, indem er ihn als nützliches pädagogisches Mittel auffasste, sondern brachte das darin zum Ausdruck kommende Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen auf eine epistemologische Ebene, auf der sich eine tiefere soteriologische Dimension eröffnet. Gerade an dieser ‚unmöglichen‘ Stelle offenbart sich die Unbegrenztheit der menschliches Begreifen übersteigenden Möglichkeiten Gottes, Menschen zum Heil zu führen. Sogar eine Täuschung ist möglich, doch handelt es sich eigentlich nicht um eine Täuschung, sondern um eine indirekte Einführung in die Wahrheit, wie sie dem moralischen und geistigen Zustand des unerlösten und schwachen Menschen entspricht. Das theologisch Anstößige und auf moralischer Ebene Verwerfliche, eine Täuschung, erweist nachhaltiger als das Unanstößige die unbegrenzte Zuwendung Gottes zu den Menschen auf allen denkbaren Wegen und unter Achtung der begrenzten Möglichkeiten des noch unreifen, aber gleichwohl freien Menschen, die von Gott offenbarte Wahrheit zu erfassen.
Einleitung
Siglen in den Apparaten zum Text der Homilien = Codex Scorialensis Ω-III-19 saec. XI/XII S S* = ursprüngliche Lesart von S S1 = Korrektur erster Hand in S Scorr. = Verbesserungen in S, deren Herkunft nicht sicher ist V = Codex Vaticanus graec. 623 saec. XVI V* = ursprüngliche Lesart von V V1 = Korrektur erster Hand in V V2 = Korrektur zweiter Hand in V Bae = Baehrens Bl = Blass = Prophetenkatene C Co = Cordier (Corderius) Del = Delarue Die = Diels Gh = Ghislieri (Ghislerius) H = Hieronymus Hu = Huet Kl = Klostermann (GCS Orig. 3, 1901) Kl2 = Klostermann (KlT 4, 1903) Kl3 = Klostermann (KlT 4, 21914) Koe = Koetschau Lie = Lietzmann Lo = Lommatzsch LXX = Septuaginta MT = Masoretischer Text NT = Neues Testament Nt = Nautin We = Wendland Wi = Wilamowitz add. = addidit (Einfügung) del. = delevit (Streichung) edd. = editores (Herausgeber)
Die Homilien des Origenes zum Buch Jeremia
S 208v
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1. Ὁ θεὸς εἰς ἀγαθοποιίαν πρόχειρός ἐστιν, εἰς δὲ τὸ κολάσαι τοὺς ἀξίους κολάσεως μελλητής. Δυνάμενος γοῦν ἐπαγαγεῖν τὴν κόλασιν τοῖς ὑπ̓ αὐτοῦ καταδικαζομένοις μετὰ σιωπῆς, μετὰ τοῦ μὴ προδιαμαρτύρασθαι, οὐδαμῶς τοῦτο ποιεῖ· ἀλλὰ κἂν καταδικάζῃ λέγει, τοῦ λέγειν αὐτῷ προκει μένου ἐπὶ τῷ ἐπιστρέψαι ἀπὸ τῆς καταδίκης τὸν καταδικασθησόμενον. Τούτων μὲν παραδείγματα ἔστιν ἀπὸ τῶν γραφῶν λαβεῖν πολλά, ὀλίγα δὲ τὰ ἐπὶ τοῦ παρόντος ὑποπίπτοντα, ἵνα ἔλθωμεν καὶ ἐπὶ τὸν σκο πὸν τῶν προκειμένων ἀναγνωσμάτων. Οἱ Νινευῖται γὰρ ἁμαρτωλοὶ ἐγεγό νεισαν καὶ κατεδικάσθησαν ὑπὸ τοῦ θεοῦ· Ἔτι τρεῖς ἡμέραι καὶ ἔμελλε Νι νευὴ κατασκάπτεσθαι. Oὐκ ἠθέλησε σιωπῶν ὁ θεὸς καταδικάσαι αὐτήν, ἀλλὰ διδοὺς αὐτοῖς τόπον μετανοίαςa καὶ ἐπιστροφῆς ἔπεμψεν Ἑβραῖον προφήτην, ἵνα εἰπόντος αὐτοῦ· „Ἔτι τρεῖς ἡμέραι καὶ Νινευὴ καταστραφή σεται“ b οἱ καταδεδικασμένοι μὴ καταδικασθῶσιν, ἀλλὰ μετανοήσαντες τύ χωσι τοῦ ἐλέους τοῦ θεοῦ. Οἱ ἐν Σοδόμοις καὶ Γομόρροις ἦσαν καταδεδικα σμένοι, ὡς δῆλον ἐκ τῶν λόγων τοῦ θεοῦ τῶν πρὸς τὸν Ἀβραάμ· c ἀλλ̓ ὅμως τὰ αὑτῶν πεποιήκασιν οἱ ἄγγελοι, | θέλοντες σῴζεσθαι τοὺς μὴ θέλοντας σῴζεσθαι, λέγοντες τῷ Λώτ· „Εἰσί τινές σοι ὧδε γαμβροὶ ἢ υἱοὶ ἢ θυγα τέρες;“ d οὐκ ἀγνοοῦντες ὅτι οὐχ ἕπονται ἐκεῖνοι τῷ Λώτ, e ἀλλὰ ποιοῦντες τὰ τῆς τοῦ πέμψαντος αὐτοὺς χρηστότητος καὶ φιλανθρωπίας. f a
Weish. 12,10
b
Jona 3,4
c
Gen. 18
d
Gen. 19,12
e
Gen. 19,14f.
f
Tit. 3,4
1–3 πότε – ὁμιλία αʹ Kl mit H (Quo tempore Hieremias exorsus est prophetare et sub quibus principibus prophetauit et infra quae dicta sunt ei a Domino) Ἱερεμίας S 10 ἀρκεῖ Kl mit H (sufficiunt) 13 ἠθέλησε σιωπῶν Kl z. T. mit Del (ἔθελε σιωπῶν) mit H (noluit cum silentio) ἠθέλ ןεἰπὼν S 19 αὑτῶν Bl Die Kl αὐτῶν S Nt
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Ausführliche Überlegungen dazu unten in Hier. hom. 7,1 (GCS Orig. 32, 51f.), dort ebenfalls mit Rekurs auf Weish. 12,10, und 14,13 (32, 118); ferner in Ex. hom. 7,4 (GCS Orig. 6, 210): Gott „hört alles, und dass er nicht sogleich straft, liegt daran, dass er unsere Buße und Umkehr abwartet“. Die Sendung des Propheten Jona nach Ninive dient Origenes des öfteren dazu, die Dialektik von Strafe und Erbarmen im Handeln Gottes zu erläutern: in Hier. hom.
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1. Gott ist schnell bereit, Gutes zu tun, aber er zögert, die zu bestrafen, die eine Strafe verdienen.1 Obwohl er die Strafe über die von ihm Verurteilten gewiss herbeiführen könnte, ohne ein Wort zu sagen, ohne sie im Voraus zu warnen, tut er dies keineswegs. Im Gegenteil, auch wenn er verurteilt, redet er, und seinem Reden liegt die Absicht zugrunde, den vor der Verurteilung zu bewahren, der verurteilt werden soll. Dafür könnte man den Schriften viele Beispiele entnehmen, doch die wenigen, die mir momentan einfallen, um auch den Sinn und Zweck der vorliegenden Lesungstexte zu erfassen. So waren nämlich die Niniviten Sünder geworden und wurden von Gott verurteilt: Noch drei Tage und Ninive wird zerstört werden. Gott wollte das Urteil über die Stadt nicht ohne ein Wort zu sagen vollstrecken, sondern weil er ihnen Gelegenheit zur Reuea und Umkehr gab, schickte er einen hebräischen Propheten, damit auf sein Wort hin: „Noch drei Tage und Ninive wird zerstört werden“ b das Urteil nicht vollstreckt würde, sondern die Verurteilten durch ihre Reue das Erbarmen Gottes erlangen.2 Über die Bewohner von Sodom und Gomorra war das Urteil gesprochen, wie aus den Worten Gottes an Abraham hervorgeht.c Gleichwohl haben die Engel ihre Aufgabe erfüllt, indem sie die, die nicht gerettet werden wollten, retten wollten und zu Lot sagten: „Hast du hier Schwiegersöhne, Söhne oder Töchter?“ d Sie wussten sehr wohl, dass jene Lot nicht folgen würden,e aber sie taten das, was der Güte und Menschenfreundlichkeit f3 dessen4 entspricht, der sie gesandt hatte. 19,5(18,15) (GCS Orig. 32, 174); in Num. hom. 16,4 (GCS Orig. 6, 140f.). – Kobusch, Christliche Philosophie 112–117. 124–130, zeigt, welch zentrale Bedeutung Reue und Verzeihen im antiken christlichen Denken haben. 3 Tit. 3,4 ist der einzige biblische Beleg für das Wort φιλανθρωπία, „Menschenliebe“. In Ioh. comm. I 20,121 (GCS Orig. 4, 25); II 26,166 (4, 83); Cels. IV 15 (GCS Orig. 1, 284) verwendet Origenes es für die Menschwerdung des Logos, der dadurch „unser Bruder“ wurde: in Cant. hom. frg. (OWD 9/2, 246f.). 4 Die Ergänzung ἑαυτῶν τε ἅμα καί nach τὰ τῆς von Blass und Wilamowitz nach Hieronymus (suam pariter et), die Klostermann, GCS Orig. 3, 2, in den Text genommen hat, ist nicht notwendig: Nautin, GCS Orig. 32, 357; SC 232, 198. Es geht nicht um die Güte und Menschenliebe sowohl der Engel als auch Gottes, sondern im Kontext (vgl. auch den übernächsten Abschnitt) explizit um diejenige Gottes.
Ὁμιλία αʹ
209r
2. Τὸ ὅμοιον εὑρήσετε καὶ ἐπὶ τῶν κατὰ τὸν Ἱερεμίαν. Ἀναγέγραπται ὁ χρόνος τῆς προφητείας αὐτοῦ, πότε ἤρξατο καὶ μέχρι πότε προεφήτευ σεν. Εἶτα ὁ ἐντυγχάνων, ἐὰν μὴ προσέχῃ τῇ ἀναγνώσει μηδὲ ἐξετάζῃ τὸ βούλημα τῶν γεγραμμένων ἀναγνωσμάτων, ἐρεῖ ὅτι ἱστορία ἐστὶν καὶ ἀναγέγραπται, πότε ἤρξατο προφητεύειν Ἱερεμίας καὶ μέχρι πόσου προφη τεύσας χρόνου κατέληξε προφητεύων. Τί οὖν πρὸς ἐμὲ αὕτη ἡ ἱστορία; Ἀνέγνων, || ἔμαθον ὅτι ἤρξατο προφητεύειν „ἐν ἡμέραις Ἰωσίου τοῦ υἱοῦ Ἀμὼς βασιλέως Ἰούδα [ἕως] ἔτους τρισκαιδεκάτου ἐν τῇ βασιλείᾳ αὐτοῦ“· εἶτα „ἐγένετο ἐν ταῖς ἡμέραις Ἰωακεὶμ υἱοῦ Ἰωσίου βασιλέως Ἰούδα“ προ φητεύων „ἕως τῆς συντελείας τοῦ ἑνδεκάτου ἔτους Σεδεκίου υἱοῦ Ἰωσίου βασιλέως Ἰούδα“. Καὶ ἔμαθον ὅτι κατὰ τρεῖς βασιλεῖς ἡ προφητεία αὐτοῦ συνεξέτεινεν „ἕως τῆς αἰχμαλωσίας Ἱερουσαλὴμ ἐν τῷ πέμπτῳ μηνί“.a Τί οὖν διὰ τούτων διδασκόμεθα, ἐὰν προσέχωμεν τῇ ἀναγνώσει; 3. Κατεδίκασεν ὁ θεὸς τὴν Ἱερουσαλὴμ διὰ τὰ ἁμαρτήματα αὐτῆς, καὶ ἦσαν κριθέντες εἰς αἰχμαλωσίαν ἐγκαταλειφθῆναι. Ὅμως ὁ φιλάνθρωπος θεὸς ἐνεστηκότος τοῦ καιροῦ πέμπει καὶ τοῦτον τὸν προφήτην ἀνωτέρω τρίτης βασιλείας τῆς ἐπὶ τῆς αἰχμαλωσίας, ἵν̓ οἱ βουλόμενοι κατανοήσαντες μετανοήσωσι διὰ τοὺς προφητικοὺς λόγους. Ἐξαπέσταλκε προφήτην προ φητεύειν καὶ ἐπὶ τοῦ δευτέρου μετὰ τὸν πρῶτον βασιλέα καὶ ἐπὶ τοῦ τρίτου μέχρι τῶν χρόνων αὐτῆς τῆς αἰχμαλωσίας. Ἐδίδου γὰρ ἀνοχὴν ὁ μακρόθυμος θεὸς καὶ πρὸ μιᾶς ἡμέρας, ὡς ἔστιν εἰπεῖν, τῆς αἰχμαλωσίας, προτρέπων μετανοεῖν τοὺς ἀκούοντας, ἵνα παύσηται τὰ τῆς αἰχμαλωσίας σκυθρωπά· ὅθεν γέγραπται ὅτι ἕως τῆς αἰχμαλωσίας Ἱερουσαλὴμ προε a
Jer. 1,2f.
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Zum „Willen“ (βούλημα) der Schrift vgl. in Hiez. hom. 1,4 (GCS Orig. 8, 329); 3,2 (8, 350); in Luc. hom. 23,8 (GCS Orig. 92, 146); in Ioh. comm. II 16,13 (GCS Orig. 4, 73); X 4,15 (4, 173); X 41,286 (4, 219); XX 13,97 (4, 343); in Matth. comm. XV 2 (GCS Orig. 10, 352); XV 3 (10, 355); XVI 3 (10, 467); XVI 14 (10, 519); XVII 25 (10, 653); XVII 34 (10, 695); in Matth. comm. ser. 15 (GCS Orig. 11, 28); 50 (11, 107), wo er von der uoluntas Christi, der im biblischen Text spricht, redet; 114 (11, 237); exhort. mart. 29 (GCS Orig. 1, 25); Cels. II 76 (GCS Orig. 1, 198); IV 44 (1, 316); V 60 (2, 63); VII 29 (2, 180) sowie in Hier. hom. 4,1 (GCS Orig. 32, 22); 4,2 (32, 24); lat. 2(2),1 (GCS Orig. 8, 292). Siehe dazu de Lubac, Geist aus der Geschichte 354 Anm. 44 und 47; Torjesen, Hermeneutical Procedure 126f. 144f.; Martens, Origen and Scripture 195 mit Anm. 12. Siehe auch unten S. 154 Anm. 108. Joschija (639–609), Jojakim (608–598) und Zidkija (597–587) waren die letzten drei Könige von Juda vor dem babylonischen Exil (vgl. 2 Kön. 22–25). Jeremia wirkte demnach von etwa 627 (vgl. Jer. 25,3) bis 587 (wahrscheinlich bis zur zweiten Exilierung der Bevölkerung von Jerusalem und Juda im August dieses Jahres; vgl. Jer. 52,12) als Prophet, also vierzig Jahre lang: Fischer, Jeremia 1–25, 127f. Solche historischen Auskünfte – für die ein Hieronymus sich durchaus interessiert hat: in Hier. I 1,2–4 (CChr.
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2. Gleiches werdet ihr auch im Buch Jeremia finden. Aufgeschrieben ist die Zeit seines prophetischen Wirkens, wann er damit anfing und bis wann er prophezeite.Wenn nun jemand der Lesung nicht aufmerksam zuhört und die Intention5 der vorgelesenen Schriftstellen nicht erforscht, wird er sagen: Es ist eine Geschichte, in der aufgeschrieben ist, wann Jeremia zu prophezeien anfing und nach wie langer Zeit prophetischen Wirkens er wieder zu prophezeien aufhörte.Was hat diese Geschichte mit mir zu tun? Aus der Lesung habe ich erfahren, dass er „in den Tagen des Königs Joschija von Juda, des Sohnes des Amos, im dreizehnten Jahr seiner Herrschaft“ zu prophezeien anfing; danach wirkte er „in den Tagen des Königs Jojakim von Juda, des Sohnes des Joschija“ als Prophet „bis zur Vollendung des elften Jahres der Herrschaft des Königs Zidkija von Juda, des Sohnes des Joschija“. Ferner habe ich erfahren, dass sich seine prophetische Tätigkeit über drei Könige „bis zur Gefangenschaft Jerusalems im fünften Monat“ erstreckte.a6 Worüber also werden wir durch diese Worte belehrt, wenn wir der Lesung aufmerksam zuhören? 3. Gott verurteilte Jerusalem wegen seiner Sünden, und sie (sc. die Einwohner) waren dazu verurteilt, der Gefangenschaft preisgegeben zu werden. Dennoch sendet der menschenfreundliche Gott, als die Zeit gekommen ist, schon unter dem dritten König vor der Gefangenschaft noch diesen Propheten, damit sich die, die willens sind, durch die prophetischen Worte zur Besinnung bringen und bekehren lassen. Er sandte den Propheten aus, um auch noch unter dem zweiten König – nach dem ersten – sowie unter dem dritten bis in die Zeiten der Gefangenschaft selbst zu prophezeien. Denn der langmütige Gott gewährte einen Aufschub bis sozusagen einen Tag vor der Gefangenschaft und forderte die, die ihn hörten, zur Umkehr auf, um den Betrübnissen der Gefangenschaft Einhalt zu gebieten.7 Daher steht geschrieben, dass Jeremia bis zur Gefangenschaft Jerusalems prophezeite, bis zum fünften
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SL 74, 3) – bleiben für Origenes im Sinne des fictus interlocutor belanglose ἱστορία, „Geschichte“ im Doppelsinn von geschichtlichem Ereignis und historischer, aufgeschriebener Erzählung, wenn sie nicht in ihrer Bedeutung für den Leser bzw. Hörer erschlossen werden; siehe auch Trigg, Bible and Philosophy 179f. (siehe auch unten S. 358 Anm. 491). Die Jahreszahlen in Jes. 6,1 und Ez. 1,1 kommentiert er ebenso: in Is. hom. 1,1 (GCS Orig. 8, 242f.); 4,3 (8, 260); in Hiez. hom. 1,4 (GCS Orig. 8, 328f.); 12,2 (8, 434). Hanson, Allegory and Event 276, meint zum Wert von „Geschichte“ für Origenes an diesen Stellen: „He is only interested in history as parable … It can be nothing more than tinder for the fire of allegory.“ Beispiele dafür ebd. 278f., darunter in Hier. hom. 5,15 (GCS Orig. 32, 44). Torjesen, Hermeneutical Procedure 50–52. 100–105 (dazu das Schema ebd. 152–155), erklärt, wie Origenes den buchstäblich historischen Text spirituell zur Belehrung und Erbauung des Zuhörers auswertet. Ebenso Hieronymus, in Hier. I 1,5 (CChr.SL 74, 4): „Ferner ist die Milde des Herrn zu bewundern: Obwohl die Gefangenschaft schon unmittelbar bevorsteht und das babylonische Heer Jerusalem belagert, ruft er das Volk gleichwohl zur Umkehr auf, da er lieber Bekehrte retten als Sünder ins Verderben stürzen will.“
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φήτευσεν Ἱερεμίας ἕως τοῦ πέμπτου μηνός.a Ἤρξατο ἡ αἰχμαλωσία, καὶ ἔτι προεφήτευεν οἱονεὶ λέγων· Aἰχμάλωτοι γεγόνατε, κἂν οὕτω μετανοήσατε· b μετανοησάντων γὰρ ὑμῶν οὐ προκόψει τὰ τῆς αἰχμαλωσίας, ἀλλὰ τὸ ἔλε ος τοῦ θεοῦ ἐπισταθήσεται ὑμῖν. Ἔχομεν οὖν χρήσιμον ἀπὸ τῆς ἀναγραφῆς ἐχούσης τοὺς χρόνους τῆς προφη|τείας, ὅτι προτρέπει κατὰ φιλανθρωπίαν ἑαυτοῦ ὁ θεὸς τοὺς ἀκούοντας μὴ παθεῖν τὰ τῆς αἰχμαλωσίας. Τοιαῦτα καὶ περὶ ἡμᾶς ἐστιν. Ἐὰν ἁμαρτάνωμεν, αἰχμάλωτοι καὶ ἡμεῖς μέλλομεν γίνεσθαι. Tὸ γὰρ „παραδοῦναι τὸν τοιοῦτον τῷ σατανᾷ“ c || οὐδὲν διαφέρει τοῦ παραδοῦναι τοὺς ἀπὸ Ἱερουσαλὴμ τῷ Ναβουχοδονό σορ· ὡς γὰρ ἐκείνῳ παρεδίδοντο διὰ τὰς ἁμαρτίας, οὕτω τῷ σατανᾷ παραδιδόμεθα διὰ τὰς ἁμαρτίας ὄντι Ναβουχοδονόσορ. Kαὶ „οὓς παρέδω κα τῷ σατανᾷ, ἵνα παιδευθῶσι μὴ βλασφημεῖν“ d φησὶ περὶ ἄλλων ἁμαρτω λῶν ὁ ἀπόστολος. 4. Ὅρα οὖν πηλίκον κακόν ἐστι τὸ ἁμαρτάνειν, ἵνα παραδοθῶσι τῷ σατανᾷ αἰχμαλωτίζοντι τὰς ψυχὰς τῶν ἐγκαταλειπομένων ὑπὸ θεοῦ, οὐκ ἀναιτίως δὲ οὐδὲ ἀκρίτως ἐγκαταλιπόντος θεοῦ, οὓς ἐγκατ έλιπε· ἐπὰν γὰρ πέμψῃ τὸν ὑετὸν ἐπὶ τὸν ἀμπελῶνα, ὁ δὲ ἀμπελὼν φέρῃ ἀντὶ σταφυλῆς ἀκάνθας, τί ποιήσει ὁ θεὸς ἢ ταῖς νεφέλαις ἐντελεῖται τοῦ μὴ βρέξαι ὑετὸν ἐπὶ τὸν ἀμπελῶνα; e Ἐπίκειται οὖν διὰ τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν καὶ ἡμῖν αἰχμαλωσία καὶ μέλλομεν παραδίδοσθαι, ἐὰν μὴ μετανοῶμεν, τῷ Να βουχοδονόσορ καὶ τοῖς Βαβυλωνίοις, ἵνα ἡμᾶς σπαράξωσιν οἱ νοητοὶ Βα βυλώνιοι. Ἐπικειμένων τούτων οἱ λόγοι τῶν προφητῶν, οἱ λόγοι τοῦ νόμου, οἱ λόγοι τῶν ἀποστόλων, οἱ λόγοι τοῦ κυρίου καὶ σωτῆρος ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ λέγουσιν ἡμῖν περὶ μετανοίας, παρακαλοῦσιν ἡμᾶς εἰς ἐπι στροφήν· ἐὰν ἀκούσωμεν, πιστεύωμεν τῷ εἰρηκότι· „Mετανοήσω κἀγὼ περὶ πάντων τῶν κακῶν ὧν ἐλάλησα τοῦ ποιῆσαι αὐτοῖς.“ f Ταῦτα μὲν εἰς τὸ προοίμιον. 5. Mετὰ δὲ τὸ προοίμιον γέγραπται ὅτι „ἐγένετο λόγος κυρίου πρὸς αὐτόν“, g δῆλον ὅτι τὸν Ἱερεμίαν. Τί δὲ λέγει ὁ λόγος τοῦ κυρίου πρὸς αὐτόν; Ἐξαίρετον παρὰ τὸ εἰρημένον πρὸς τοὺς λοιποὺς προφήτας. Τοῦτο a
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Mk. 1,15
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1 Kor. 5,5
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1 Tim. 1,20
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Jes. 5,4–6
f
Jer. 18,8
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Jer. 1,4
5 προφητείας Co mit H (prophetiae) προφητεύει S 11–12 παρέδωκα Kl mit H (tra didi) παρέδωκε S 24 πιστεύωμεν Co πιστεύομεν S
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Zum „Nutzen“ von biblischen Geschichten vgl. in Regn. hom. graec. 2 (GCS Orig. 32, 284) sowie unten in Hier. hom. 12,7 (GCS Orig. 32, 94). Siehe dazu Schütz, Gottesdienst 105f. (ebd. 112f. zu den Jeremiahomilien generell); Neuschäfer, Origenes als Philologe 259–261. Die Aufforderung zielt nicht darauf ab, in stoischem Sinn das Los der Gefangenschaft gleichmütig zu ertragen (so die Interpretation von Schadel, BGrL 10, 241 Anm. 4), sondern darauf, durch Umkehr das Leiden unter dem Los einer inneren, geistigen Gefangenschaft zu beenden bzw. gar nicht erst in eine solche zu geraten.
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Monat.a Die Gefangenschaft hatte schon begonnen, da prophezeite er noch, indem er etwa sagte: Ihr seid in Gefangenschaft geraten; auch in dieser Lage: Kehrt um! b Denn wenn ihr umkehrt, wird sich das Los der Gefangenschaft nicht fortsetzen, sondern wird euch das Erbarmen Gottes zuteil werden. Aus der Aufzeichnung der Zeiten des prophetischen Wirkens gewinnen wir also etwas Nützliches,8 nämlich dass Gott in seiner Menschenfreundlichkeit die Hörer dazu auffordert, nicht das Los der Gefangenschaft zu erleiden.9 Derartiges ist auch bei uns der Fall. Wenn wir sündigen, steht auch uns bevor, in Gefangenschaft zu geraten. Denn „einen solchen dem Satan zu übergeben“ c unterscheidet sich in nichts von der Übergabe der Leute aus Jerusalem an Nebukadnezzar. Wie sie nämlich jenem wegen ihrer Sünden übergeben wurden, so werden wir wegen unserer Sünden dem Satan, der Nebukadnezzar ist,10 übergeben. Und über andere Sünder sagt der Apostel: „Ich habe sie dem Satan übergeben, damit sie durch Züchtigung lernen, Gott nicht zu lästern.“ d11 4. Sieh nun, was für ein großes Übel das Sündigen ist, dass man dem Satan übergeben wird, der die Seelen der von Gott Verlassenen gefangen nimmt! Nicht grundlos aber und ohne Überlegung hat Gott die verlassen, die er verlassen hat. Denn wenn er den Regen über den Weinberg sendet, der Weinberg aber an Stelle der Traube Dornen trägt, was wird Gott tun, als den Wolken zu befehlen, über den Weinberg keinen Regen mehr zu spenden? e Infolge unserer Sünden steht also auch uns eine Gefangenschaft bevor, und wenn wir nicht umkehren, werden wir Nebukadnezzar und den Babyloniern übergeben werden, damit uns die geistigen Babylonier quälen. Da dies bevorsteht, belehren uns die Worte der Propheten, die Worte des Gesetzes, die Worte der Apostel und die Worte unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus über die Reue und mahnen uns zur Umkehr.Wenn wir darauf hören, wollen wir dem glauben, der gesagt hat: „Auch ich werde all das Böse bereuen, das ich ihnen anzutun angekündigt habe.“ f12 So viel zur Vorrede.13 5. Nach der Vorrede steht geschrieben: „Das Wort des Herrn erging an ihn“,g offenkundig an Jeremia. Was aber sagt das Wort des Herrn zu ihm? Etwas Besonderes im Vergleich zu dem, was zu den übrigen Propheten gesagt 10 Nebukadnezzar als Sinnbild für den Teufel auch in Num. hom. 11,4 (GCS Orig. 7,
83); in Hier. frg. 2 (GCS Orig. 32, 199); in Hiez. hom. 11,5 (GCS Orig. 8, 432). Vgl. Hieronymus, in Dan. I 4,1 (CChr.SL 75A, 809f.). 11 Derselbe Gedanke ausführlicher in Hier. hom. 19,4(18,14) (GCS Orig. 32, 170–172). Vgl. ferner in Hier. frg. 48 (GCS Orig. 32, 222). 12 Die „Reue Gottes“, von der hier im Bibelzitat aus Jer. 18,8 die Rede ist, erörtert Origenes ausführlich unten in Hier. hom. 18,6 (GCS Orig. 32, 157–160). Siehe dazu Koch, Pronoia und Paideusis 128. 143f.; Hanson, Allegory and Event 221. 228 Anm. 1. 13 Gemeint ist nicht ein Vorwort der Homilie, wie es in den Predigten des Origenes gelegentlich eines gibt, so in Hier. hom. 14,1 (GCS Orig. 32, 106), 15,1 (32, 125) und 19,1(18,11) (32, 165) und im Fragment aus der 39. Jeremiahomilie in der Philokalie, in Hier. frg. P 4 (GCS Orig. 32, 198), sondern die Einleitung des Jeremiabuches.
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γὰρ πρὸς οὐδένα εὕρομεν τῶν προφητῶν εἰρημένον. Ἀβραὰμ προφήτης ἐχρημάτισεν ἐν τῷ „προφήτης ἐστὶ καὶ προσεύξεται περὶ σοῦ“,a καὶ οὐκ εἶπεν πρὸς αὐτὸν ὁ θεός· „Πρὸ τοῦ με πλάσαι σε ἐν κοιλίᾳ ἐπίσταμαί σε, καὶ πρὸ τοῦ σε ἐξελθεῖν ἐκ μήτρας ἡγίακά σε.“ b || Ἀλλὰ ὕστερόν ποτε ἡγιάσθη ὁ Ἀβραάμ, ὅτε ἐξῆλθεν „ἐκ τῆς γῆς αὐτοῦ καὶ ἐκ τῆς συγγενείας αὐτοῦ καὶ ἐκ | τοῦ οἴκου τοῦ πατρὸς αὐτοῦ“. c Ἐξ ἐπαγγελίας γεγέννηται ὁ Ἰσαάκ, καὶ οὐχ εὕρομεν οὐδὲ πρὸς αὐτὸν τοῦτον λεγόμενον τὸν λόγον. Καὶ τί με δεῖ καταλέγειν περὶ τῶν ἑξῆς; Ἱερεμίας ἐξαιρέτου ἔτυχε δωρεᾶς, τῆς „πρὸ τοῦ με πλάσαι σε ἐν κοιλίᾳ ἐπίσταμαί σε, καὶ πρὸ τοῦ σε ἐξελθεῖν ἐκ μήτρας ἡγίακά σε“. d 6. Οὐκ ἀγνοοῦμεν ὅτι ταῦτα ἀναφέρουσί τινες ὡς μείζονα Ἱερεμίου ἐπὶ τὸν σωτῆρα καὶ κύριον ἡμῶν· καὶ ἰστέον ὅτι τὰ μὲν πολλὰ αὐτῷ συνᾴδει καὶ δύναται ἀναφέρεσθαι ἐπὶ τὸν σωτῆρα, ἃ παραθήσομαι· ὀλίγα δέ τινα τῶν εἰρημένων πρὸς τὸν Ἱερεμίαν θλίβει τὸν λόγον, οὐ δυνάμενα ὡς πρὸς τοὺς πολλοὺς ἐφαρμόσαι τῷ σωτῆρι. Τίνα οὖν ἐστι τὰ ἐφαρμόζοντα τῷ σωτῆρι; „Πρὸς πάντας οὓς ἐὰν ἐξαποστείλω σε πορεύσῃ, καὶ κατὰ πάντα ὅσα ἐὰν ἐντείλωμαί σοι λαλήσεις. Μὴ φοβηθῇς ἀπὸ προσώπου αὐτῶν, ὅτι μετὰ σοῦ εἰμι τοῦ ἐξαιρεῖσθαί σε, λέγει κύριος.“ e Οὔπω ταῦτα ἐναρ γῶς πρὸς τὸν σωτῆρα δόξειαν ἀναφέρεσθαι, τὰ ἑξῆς δὲ „καὶ ἐξέτεινε κύριος τὴν χεῖρα αὐτοῦ πρός με καὶ ἥψατο τοῦ στόματός μου, καὶ εἶπεν κύριος πρός με· Ἰδοὺ δέδωκα τοὺς λόγους μου εἰς τὸ στόμα σου· ἰδοὺ καθέστακά σε σήμερον ἐπὶ ἔθνη καὶ βασιλείας, ἐκριζοῦν καὶ κατασκάπτειν“ f . Ἱερεμίας ποῖα ἔθνη ἐξερρίζωσε, ποίας κατέ στρεψε βασιλείας; Γέγραπται γάρ· „Ἰδοὺ καθέστακά σε σήμερον ἐπὶ ἔθνη καὶ βασιλείας, ἐκριζοῦν καὶ κατασκάπτειν.“ Ποίαν δὲ εἶχεν ἐξουσίαν ὁ Ἱε ρεμίας εἰς τὸ ἀπολλύειν, ὅπερ εἴρηται ὡς πρὸς Ἱερεμίαν ἐν τῷ „καὶ ἀπολ λύειν“; Τίνας δὲ τοσούτους ᾠκοδόμησεν Ἱερεμίας, ἵνα λέγηται „καὶ οἰκοδο μεῖν“; g Ἱερεμίας φησίν· „Οὐκ ὠφέλησα, οὐδὲ ὠφέλησέ με οὐδείς.“ h Πῶς οὖν a
Gen. 20,7 15,10
b
Jer. 1,5
c
Gen. 12,1
d
Jer. 1,5
e
Jer. 1,7f.
18 ἂν Die Wi Kl 19 δόξειαν S Kl δόξει Nt (ohne ἂν) mit H (de Hieremia difficilem faciunt interpretationem)
f
Jer. 1,9f.
g
Jer. 1,10
h
Jer.
22–23 θλίβει – ἑρμηνείαν Kl
14 Philon, rer. div. her. 258 (III p. 59 Cohn/Wendland), beruft sich auf Gen. 20,7 in Ver-
bindung mit Gen. 15,12, um Abraham als ekstatischen Propheten zu charakterisieren. 15 Den Unterschied zwischen der Berufung (bzw. Beauftragung) Jesajas und Jeremias
führt Origenes in Hier. hom. 14,5 (GCS Orig. 32, 109f.) aus. 16 Zur Junktur „Erlöser und Herr“ vgl. in Hier. hom. 8,9 (GCS Orig. 32, 63) und 15,3 (32, 127), eine analoge lateinische Wendung ebd. lat. 1(3),4 (GCS Orig. 8, 313): Domi no meo Iesu saluatori; ferner in Matth. comm. XV 11 (GCS Orig. 10, 378); XVI 3 (10, 470); exhort. mart. 46 (GCS Orig. 1, 42); Cels. II 67 (GCS Orig. 1, 189); V 11 (2, 12); VI 17 (2, 88). Studer, Traductions d’Origène 140–143, zeigt an diesen und weiteren
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wird. Denn dies fanden wir zu keinem der Propheten gesagt. Abraham wurde als Prophet bezeichnet in dem Satz: „Er ist ein Prophet und wird für dich beten“,a14 doch Gott sagte nicht zu ihm: „Bevor ich dich im Mutterschoß formte, kenne ich dich, und bevor du aus dem Mutterleib herauskamst, habe ich dich geheiligt.“ b Abraham wurde indes erst später geheiligt, als er „sein Land, seine Verwandtschaft und das Haus seines Vaters“ c verließ. Kraft einer Verheißung wurde Isaak geboren, und doch finden wir auch zu ihm kein solches Wort gesagt. Wozu soll ich die folgenden Propheten durchgehen?15 Jeremia erhielt ein besonderes Geschenk, nämlich: „Bevor ich dich im Mutterschoß formte, kenne ich dich, und bevor du aus dem Mutterleib herauskamst, habe ich dich geheiligt.“ d 6. Es ist uns bewusst, dass manche Leute diese Worte, weil sie für Jeremia zu groß seien, auf unseren Erlöser und Herrn16 beziehen.17 Und man muss wissen, dass zwar vieles, was ich anführen werde, zu ihm passt und auf den Erlöser bezogen werden kann, doch einige wenige der zu Jeremia gesprochenen Worte sich gegen diese Deutung sperren, da sie nach der Meinung vieler nicht zum Erlöser passen können. Nun, welche passen zum Erlöser? „Zu allen, zu denen ich dich sende, sollst du gehen, und alles, was ich dir auftrage, sollst du sagen. Fürchte dich nicht vor ihrem Angesicht, denn ich bin mit dir, um dich zu befreien, spricht der Herr.“ e Dies scheint sich noch nicht d eutlich auf den Erlöser zu beziehen, das Folgende aber: „Und der Herr streckte seine Hand zu mir aus und berührte meinen Mund, und der Herr sagte zu mir: Siehe, ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt; siehe, ich habe dich heute über Völker und Königreiche gesetzt, um auszureißen und niederzureißen“,f sperrt sich gegen die Deutung auf Jeremia.18 Welche Völker hat Jeremia ausgerissen, welche Königreiche eingerissen? Denn es steht geschrieben: „Siehe, ich habe dich heute über Völker und Königreiche gesetzt, um auszureißen und niederzureißen.“ Inwiefern aber hatte Jeremia Macht zu zerstören, sofern denn zu Jeremia gesagt wurde: „und um zu zerstören“? Wie viele (sc.Völker und Königreiche) hat Jeremia aufgebaut, so dass gesagt werden könnte: „und um aufzubauen“? g Jeremia sagt: „Ich brachte keinen Nutzen, und niemand nützte mir.“ h Wie hätte man ihm also das „Aufbauen und
Beispielen, wie frei Hieronymus die von Origenes verwendeten christologischen Titel oft wiedergibt und gerade den Titel Dominus Saluator, der zu seiner Zeit in der lateinischen Theologie in Mode kam, viel häufiger als Origenes verwendet. 17 Hieronymus, in Hier. I 2,3 (CChr.SL 74, 5): „Manche beziehen diese Stelle (Jer. 1,4f.) auf den Erlöser, der im eigentlichen Sinne Prophet der Völker gewesen ist und durch die Apostel alle Völker berufen hat.“ Zur Fortsetzung dieses Satzes siehe unten S. 129 Anm. 51. 18 Die von Klostermann vorgenommene Ergänzung aus Hieronymus hält Nautin, GCS Orig. 32, 357, für unnötig.
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δέδοται αὐτῷ τὸ „οἰκοδομεῖν καὶ καταφυτεύειν“;a Πῶς ἐπὶ τὸν Ἱερεμίαν ἐφαρμόσει τὸ καταφυτεύειν; Ταῦτα ἐπὶ τὸν σωτῆρα ἀναφερόμενα οὐ θλίβει τὸν ἑρμηνεύοντα, || ὅτι ὁ Ἱερεμίας ἐν τούτοις σύμβολον τοῦ σωτῆρός ἐστιν. Τὰ δὲ παρατεθησόμενα πάνυ θλίβει καὶ τὸν πάνυ συνετώτατον βουλόμενον δεῖξαι, πῶς καὶ ταῦτα δύναται ἁρμόζειν ἐπὶ τὸν σωτῆρα· „Καὶ εἶπα· Ὁ ὢν δέσποτα κύριε, ἰδοὺ οὐκ | ἐπίσταμαι λαλεῖν.“ b Ὅστις ἐν σοφία, ὅστις ἐστὶ δύναμις θεοῦ, c ὃς ἤνεγκεν ἡμῖν τὸ πλήρωμα τῆς θεότητος, ὃ κατῴκη σεν ἐν αὐτῷ σωματικῶς d – πῶς οὖν δύναται ἁρμόζειν τὸ „οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν“ τῷ σωτῆρι; Ἀλλὰ καὶ τὸ „νεώτερος ἐγώ εἰμι“ e ἀπαγορεύεται πρὸς τὸν σωτῆρα, ὡς λέγοντα αὐτὸν οὐ καλῶς. Εἰ γὰρ αὐτῷ λέγει ὁ κύριος· „μὴ λέγε“ f τόδε, δῆλον ὅτι οὐ καλῶς λεγόμενον ἀπαγορεύει αὐτό. Οὐχ ἁρμόζει οὖν ταῦτα ἐπὶ τὸν σωτῆρα. Ἐκεῖνα δοκεῖ δυσωπεῖν ἐπὶ τὸν σωτῆρα. Εἰπεῖν δὲ ὅτι ταῦτα μὲν ἐπὶ τὸν Ἱερεμίαν ἀναφέρεται, ἐκεῖνα δὲ ἐπὶ τὸν σωτῆρα, οὐ χαλεπόν. Ὁ μέντοι εὐγνώμων πάνυ θλιβήσεται ἐν τῷ τόπῳ, ὁρῶν ὅτι τὸ διακόψαι ἐν εἱρμῷ λόγων λόγους εἰρημένους εἴτε πρὸς τὸν Ἱερεμίαν εἴτε πρὸς τὸν σωτῆρα, καὶ λέγειν ταῦτα, , οὐ τῷ Χριστῷ ἀλλὰ τῷ Ἱερεμίᾳ ἁρμόζειν, καὶ ταῦτα, ἐπεὶ μεί ζονά ἐστιν Ἱερεμίου, οὐ τῷ Ἱερεμίᾳ ἀλλὰ τῷ Χριστῷ ἁρμόζειν, ἀγνωμόνων ἐστίν. Ὅλος οὖν ἐπὶ τὸν Ἱερεμίαν ἀναφερέσθω, καὶ ταῦτα τὰ δοκοῦντα εἶναι μείζονα Ἱερεμίου ἑρμηνευέσθω. a
Jer. 1,10
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Jer. 1,6
c
1 Kor. 1,24
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Kol. 2,9
e
Jer. 1,6
f
Jer. 1,7
6 ἐστὶν Kl mit H (est) 12 δ̓ οὐ δοκεῖ δυσωπεῖν Kl mit H (autem facili intellectu … referuntur) 13 εἰπεῖν Hu mit H (dicere) εἶπον S 16–17 ἐπεὶ – Χριστοῦ Kl mit H (quoniam minora sunt)
19 Ebenso in Hier. hom. 14,5 (GCS Orig. 32, 110f.); in Matth. comm. XII 9 (GCS Orig. 10,
81f.), wo Jeremia mit Bezug auf Jer. 1,10 als τύπος, „Sinnbild“, Christi bezeichnet wird.
20 Die Anrede dürfte dreiteilig zu lesen sein; vgl. die Übersetzung von Smith, FaCh 97,
7: „O you who are, Master and Lord“. Auch in der Septuaginta Deutsch wird die handschriftliche Überlieferung so aufgefasst: „Seiender, Gebieter, Herr“ (p. 1290); ebenso in Jer. 4,10 (p. 1293). Schadel, BGrL 10, 55, und Nautin, SC 232, 207, fassen sie als zweiteilig auf: „Du wahrhafter Herrscher und Herr“ bzw. „Seigneur, qui es un maître exigeant“. 21 Die Schwierigkeit mag folgender Satz bei Clemens von Alexandria verdeutlichen, strom. VII 7,4 (GCS Clem. Al. 32, 7): „Unwissenheit nämlich berührt den Sohn (oder: den Gott) nicht, der vor der Erschaffung der Welt Ratgeber des Vaters war.“ Der Sinn der Aussage bleibt gleich, ob man nun der im Codex Laurentianus V 3 überlieferten Lesart τοῦ θεοῦ folgt (so Le Boulluec, SC 428, 54 mit der Begründung ebd. 55 Anm. 4) oder mit Stählin in der GCS-Ausgabe τοῦ υἱοῦ konjiziert, denn auch mit „dem Gott“ ist an dieser Stelle „der Sohn“ gemeint. 22 In Hiez. hom. 7,1 (GCS Orig. 8, 391) kritisiert Origenes Leute, „die die Schriften zerreißen und Aussagen von Aussagen trennen“. In Ioh. comm. X 18,107 (GCS Orig. 4, 189) formuliert er dagegen folgende hermeneutische und methodische Regel der
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Einpflanzen“a auftragen können? Wie passt das Einpflanzen auf Jeremia? Bezieht man dies auf den Erlöser, gerät der Ausleger nicht in Bedrängnis, weil Jeremia in diesen Worten ein Sinnbild für den Erlöser ist.19 Eine weitere Aussage aber bringt sogar den klügsten Ausleger schwer in Bedrängnis, wenn er zeigen will, wie auch diese auf den Erlöser passen könnte: „Und ich sagte: Seiender, Gebieter, Herr,20 siehe, ich weiß nicht zu reden.“ b Er, der die Weisheit , er, der die Kraft Gottes ist,c der uns die Fülle der Gottheit, die in ihm leibhaftig wohnte,d gebracht hat – wie kann also das „Ich weiß nicht zu reden“ auf den Erlöser passen?21 Aber auch das „Ich bin zu jung“ e lässt sich unmöglich auf den Erlöser beziehen, als würde er sich nicht korrekt aus drücken. Denn wenn der Herr ihm sagt: „Sag“ das „nicht“,f ist klar, dass er es verbietet, weil es nicht korrekt ausgedrückt ist. Diese Worte passen also nicht auf den Erlöser, jene scheinen sich Bedenken auf den Erlöser beziehen zu lassen. Freilich, zu sagen, die einen bezögen sich auf Jeremia, die anderen hingegen auf den Erlöser, ist nicht schwer. Wer jedoch einsichtig ist, wird an dieser Stelle schwer in Bedrängnis geraten, wenn er sieht, dass es unsinnig ist, in einer Abfolge von Aussagen die Aussagen aufzuteilen,22 als würden sie mal über Jeremia, mal über den Erlöser gemacht, und dabei zu behaupten, dieses passe nicht auf Christus, ,23 sondern auf Jeremia, und jenes passe nicht auf Jeremia, da es für Jeremia zu groß sei, sondern auf Christus. Die ganze Stelle ist also auf Jeremia zu beziehen, und was für Jeremia zu groß zu sein scheint, muss erklärt werden.24 Schriftauslegung: „An die Schrift in ihrer Gesamtheit muss man wie an einen einheitlichen Leib herangehen und darf die in der Harmonie ihrer Gesamtkomposition so straffen und festen Zusammenhänge nicht zerbrechen oder zerreißen, wie es die getan haben, die die alle Schriften umfassende Einheit des Geistes nach Kräften zerbrechen.“ Vgl. die grundsätzlichen Überlegungen zur inneren Einheit der biblischen Schriften ebd. V 5–8 (4, 102–105) aus philoc. 5,4–7 (SC 302, 290–298), ferner in Ioh. comm. XX 6,43f. (GCS Orig. 4, 334) sowie die Hinweise bei Blanc, SC 120bis, 392 Anm. 4, zur „Harmonie Gottes in den Heiligen Schriften“: so philoc. 6,2 (SC 302, 310) in einer Reflexion darüber aus dem (verlorenen) zweiten Buch des Matthäuskommentars. 23 Diese Ergänzung Klostermanns aus Hieronymus hält Nautin, GCS Orig. 32, 357, für unnötig. In der Tat könnte man sich vorstellen, dass schon Hieronymus den Text des Origenes um diese Junktur ergänzt hat, um eine ausgewogene lateinische Phrase zu gestalten, während die folgende Junktur über das, was „für Jeremia zu groß sei“, ihre Entsprechung am Anfang von Kap. 6 hat. 24 Hanson, Allegory and Event 196f., meint in der für ihn typischen kritischen Haltung, dass es sich bei diesem Grundsatz eher um eine Ausnahme und eine theoretische Forderung handelt, die Origenes zwar im vorliegenden Fall einlöse; ansonsten aber tendiere seine Exegese dazu, die konkreten Umstände einer alttestamentlichen Prophetie zu ignorieren. Vgl. dagegen aber in Hier. hom. 15,5 (GCS Orig. 32, 129) und 20(19),9 (32, 193) sowie die von de Lubac, Geist aus der Geschichte 206–208, gesammelten Stellen.
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7. Πᾶς ὁ λαβὼν λόγους ἀπὸ θεοῦ καὶ ἔχων τὴν χάριν τῶν οὐρανίων λόγων, ἔλαβεν αὐτοὺς ἐπὶ τῷ „ἔθνη καὶ βασιλείας ἐκριζοῦν καὶ κατασκά πτειν“.a Ἀλλὰ ἔθνη καὶ βασιλείας ἐὰν λέγηται ἐκριζοῦν πᾶς ὁ λαβὼν λόγους ἀπὸ θεοῦ, μὴ σωματικῶς μοι νόει τὰ ἔθνη καὶ τὰς βασιλείας, ἀλλὰ κατα νοήσας τὰς ἀνθρωπίνας ψυχὰς βασιλευομένας ὑπὸ τῆς ἁμαρτίας κατὰ τὸ εἰρημένον παρὰ τῷ ἀποστόλῳ· „Μὴ οὖν βασιλευέτω ἡ ἁμαρτία ἐν τῷ θνητῷ ἡμῶν σώματι“, b βλέπων δὲ καὶ τὰ πολλὰ εἴδη τῶν ἁμαρτημάτων, τροπολόγει καὶ τὰ ἔθνη καὶ τὰς βασιλείας, τὰ φαῦλα τὰ ἐν ταῖς ψυχαῖς τῶν ἀνθρώπων ὄντα, ἅτινα ἐκριζοῦται καὶ κατασκάπτεται ὑπὸ τῶν δεδο μένων εἴτε Ἱερεμίᾳ εἴτε ᾡτινιοῦν λόγων τοῦ θεοῦ. || Καὶ δύναται καὶ τὰ πρῶτα, τὰ θλίβοντα ὡς πρὸς τὸν σωτῆρα, ἐφαρμόσαι τῷ Ἱερεμίᾳ καὶ τὰ δεύτερα τῷ εἰδότι τροπολογεῖν ἐφαρμόσαι τῷ Ἱερεμίᾳ. Ἐρεῖ μοί τις τῶν ἀκουόντων· Γύμνασον καὶ τὸν ἄλλον λόγον καὶ ὅλα πειράθητι παραστῆσαι τὰ γεγραμμένα ἁρμόζοντα τῷ | σωτῆρι. Περὶ τῶν δευτέρων μὴ ἀγωνία· φαίνεται γὰρ ὅτι ὁ σωτὴρ ἐξερρίζωσε τὰς τοῦ δια βόλου βασιλείας καὶ τὰ ἔθνη κατέσκαψε τὸν ἐθνικὸν βίον καθελών. Ἐνταῦθα, κατὰ τὸ δοκοῦν δύσφημον ὡς πρὸς τὸν σωτῆρα, γύμνασόν πως τὸν λόγον, πῶς δύναται λέγειν ὁ σωτήρ· „Οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν, ὅτι νεώτερος ἐγώ εἰμι“, c καὶ τὰ ἑξῆς. Ὁρᾷς ὅτι ὁ λόγος στενοχωρεῖται; Τὸν σωτῆρα οἴδαμεν κύριον. Ζητοῦμεν κατὰ τὴν ἀξίαν τοῦ λόγου καὶ κατὰ τὴν ἀλήθειαν ταῦτα ἐπὶ τὸν σωτῆρα ἀναγαγεῖν. Μάρτυρας δεῖ λαβεῖν τὰς γραφάς· ἀμάρτυροι γὰρ αἱ ἐπιβολαὶ ἡμῶν καὶ αἱ ἐξηγήσεις ἄπιστοί εἰσιν. „ἐπὶ στόμα τι δύο καὶ τριῶν μαρτύρων σταθήσεται πᾶν ῥῆμα“ d μᾶλλον ἁρμόζει ἐπὶ a
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Röm. 6,12
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Jer. 1,6
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2 Kor. 13,1; Mt. 18,16 (nach Dtn. 19,15)
8 τροπολόγει Co H (allegorizet) τροπολογεῖ S dictum est)
22 καὶ τὸ Kl mit H (et hoc quod
25 Origenes denkt an Propheten und Apostel, aber auch an Prediger, wie er selbst ei-
ner ist. Er betont oft, dass die „Kraft“ (δύναμις) der Worte eines Predigers von Gott kommt: in Hier. hom. 1,16 (GCS Orig. 32, 16); Cels. VI 2 (GCS Orig. 2, 71f.). Siehe unten S. 141 Anm. 82 und S. 148 Anm. 94. 26 Vgl. orat. 25,1 (GCS Orig. 2, 357). 27 Nautin, SC 232, 209, und Smith, FaCh 97, 8, übersetzen: „Élucide aussi l’autre parole“ bzw. „Explain also the other passage“ und verweisen auf Jer. 1,6, das wenige Zeilen weiter unten zur selben Junktur zitiert wird. Unsere Übersetzung schließt sich an die Wiedergabe von Schadel, BGrL 10, 56, an. 28 Im Kontext ist mit dem λόγος Christus gemeint. Origenes hat den Grundsatz, eine „Gottes würdige“ Schriftauslegung zu bieten (dazu unten S. 294 Anm. 377), wie hier und ebd. 1,16 (32, 16) auch auf die „Würde des Wortes“ angewandt oder auf die „Würde des Heiligen Geistes“: in Is. hom. 2,2 (GCS Orig. 8, 251); vgl. ebd. 9 (8, 288), auf die „Würde des Geistes eines Engels“: in Hier. hom. 13,3 (GCS Orig. 32, 105), auf die „Würde der prophetischen Tiefe“: ebd. 14,16 (32, 122) und auf die „Würde der Schrift“: princ. IV 2,2 (GCS Orig. 5, 309).
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7. Jeder, der Worte von Gott empfangen hat und über die Gabe der himmlischen Worte verfügt,25 hat sie empfangen, um „Völker und Königreiche auszureißen und niederzureißen“.a Wenn aber gesagt wird, dass jeder, der Worte von Gott empfängt, Völker und Königreiche ausreißt, dann fasse mir die Völker und Königreiche nicht in körperlichem Sinne auf! Indem du vielmehr bedenkst, wie die menschlichen Seelen von der Sünde beherrscht werden, wie es beim Apostel heißt: „Die Sünde soll also nicht in unserem sterblichen Leib herrschen“,b26 und indem du die vielfältigen Formen der Sünden betrachtest, lege die Völker und die Königreiche allegorisch aus: Sie sind alles Schlechte in den Seelen der Menschen, das von den Worten Gottes, die Jeremia oder wem auch immer gegeben sind, ausgerissen und nieder gerissen wird. Wer zu allegorisieren versteht, vermag sowohl die ersten Worte, die im Hinblick auf den Erlöser Schwierigkeiten bereiten, auf Jeremia zu beziehen als auch die zweiten auf Jeremia zu beziehen. Einer der Zuhörer wird zu mir sagen: Bemühe dich auch um die andere Erklärung27 und versuche, den ganzen Abschnitt als auf den Erlöser passend darzulegen! Über den zweiten Teil braucht es keinen Streit zu geben. Es leuchtet ja ein, dass der Erlöser die Königreiche des Teufels ausgerissen und die Heidenvölker niedergerissen hat, indem er die heidnische Lebensart beseitigte. Hier aber, bei dem, was als Beleidigung gilt, wenn man es auf den Erlöser bezieht, bemühe dich irgendwie um eine Erklärung dafür, wie der Erlöser sagen kann: „Ich weiß nicht zu reden, weil ich zu jung bin“,c und so weiter. Siehst Du, dass die Erklärung prekär wird? Den Erlöser kennen wir als Herrn. Versuchen wir, dies gemäß der Würde des Wortes28 und gemäß der Wahrheit auf den Erlöser zu beziehen!29 Dazu muss man die Schriften als Zeugen heranziehen. Denn ohne Zeugen sind unsere Überlegungen und Auslegungen nicht glaubwürdig.30 : „Jedes Wort soll sich auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen stützen“ d passt eher auf die Er-
29 Das Verb ἀναγαγεῖν bedeutet wörtlich „hinaufführen“ und bezeichnet bei Origenes
den Vorgang der theologischen, spirituellen und ethischen Deutung der Schrift. Vgl. zu diesem exegetischen Konzept in Lev. hom. 14,1 (GCS Orig. 6, 479); 15,1 (6, 487); in Num. hom. 5,1 (GCS Orig. 7, 24f.); in Ios. hom. 2,3 (GCS Orig. 7, 298); 9,7 (7, 351); 11,1 (7, 362); in Ps. 36 hom. 5,5 (SC 411, 244); in Hier. hom. 19,5(18,15) (GCS Orig. 32, 176); grundlegend: princ. IV 3,4 (GCS Orig. 5, 330), dazu Görgemanns/ Karpp 745 Anm. 9: „Origenes machte das Wort ἀναγωγή zu einem wichtigen Fachbegriff der christlichen Exegese. Er bezeichnete damit einerseits die Ermittelung des durch Christus erkennbar gewordenen geistlichen Sinnes der heiligen Schrift und der göttlichen Geheimnisse, andererseits den vornehmlich durch diese Auslegung bewirkten sittlichen und erlösenden Aufstieg der Seelen zur Vollkommenheit.“ Siehe de Lubac, Geist aus der Geschichte 333. 389. 30 Auf die „Schriften“ als „Zeugen“ beruft sich Origenes oft, etwa in Lev. hom. 9,2 (GCS Orig. 6, 419). Weitere Stellen bei Peri, L’ordine 121 Anm. 4.
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τῶν διηγήσεων ἢ ἐπὶ τῶν ἀνθρώπων, ἵνα στήσω τὰ ῥήματα τῆς ἑρμηνείας λαβὼν μάρτυρας δύο ἀπὸ καινῆς καὶ παλαιᾶς διαθήκης, λαβὼν μάρτυρας τρεῖς ἀπὸ εὐαγγελίου, ἀπὸ προφήτου, ἀπὸ ἀποστόλου· οὕτως γὰρ „στα θήσεται πᾶν ῥῆμα“. Πῶς οὖν δυνάμεθα ταῦτα ἐπὶ τὸν σωτῆρα ἀναγαγεῖν; Φέρε μάρτυρα παλαιὰν διαθήκην· „Διότι πρὶν ἢ γνῶναι τὸ παιδίον ἀγαθὸν ἢ κακόν, ἀπειθεῖ πονηρίᾳ τοῦ ἐκλέξασθαι τὸ ἀγαθόν.“a Καὶ ἄντικρυς ταῦτα περὶ τοῦ σωτῆρος ἐν τῷ Ἡσαΐᾳ λέλεκται· „Ἰδοὺ ἡ παρθένος ἐν γαστρὶ ἕξει καὶ τέξεται υἱόν, καὶ καλέσουσι τὸ ὄνομα αὐτοῦ Ἐμμανουήλ.“ b Καὶ ἐκεῖ ἐπιφέρεται· „Πρὶν ἢ γνῶναι τὸ παιδίον.“ Εἰ δὲ καὶ ἀπὸ τοῦ εὐαγγελίου δεῖ λαμβάνειν παράδειγμα, Ἰησοῦς οὐκ ἀνὴρ γενόμενος, ἀλλ̓ ἔτι παιδίον ὤν, ἐπεὶ ἐκένωσεν ἑαυτόν, c προέκοπτεν (οὐδεὶς γὰρ προκόπτει τετελειωμένος, ἀλλὰ προκόπτει δεόμενος προκοπῆς)· οὐκοῦν προέκοπτεν ἡλικίᾳ, προέκο πτε σοφίᾳ, προέκοπτε χάριτι παρὰ θεῷ καὶ ἀνθρώποις. Εἰ γὰρ ἐκένωσεν ἑαυτὸν καταβαίνων ἐνταῦθα, καὶ κενώσας ἑαυτὸν || ἐλάμβανε πάλιν ταῦτα ἀφ̓ ὧν ἐκένωσεν ἑαυτὸν ἑκὼν κενώσας ἑαυτόν, τί ἄτοπον αὐτὸν καὶ προ κεκοφέναι „σοφίᾳ καὶ ἡλικίᾳ καὶ χάριτι παρὰ θεῷ καὶ ἀνθρώποις“ d καὶ ἀληθεύεσθαι περὶ αὐτοῦ τὸ πρὶν ἢ γνῶναι αὐτὸν καλὸν ἢ πονηρὸν ἐκλέξε ται τὸ ἀγαθὸν καὶ ἀπειθεῖ πονηρίᾳ παρεθέμην ἀπὸ τοῦ Ἡσαΐου; 8. Ἀλλ̓ ἐρεῖ τις· Εἰ καὶ δύνασαι ἐπὶ τὸν σωτῆρα ἀναγαγεῖν τὸ | ‚οὐκ οἶδεν‘, καὶ δύνασαι λέγειν ἐπὶ τὸν σωτῆρα τὸ τοιοῦτο καὶ παιδίον αὐτὸν λαμβάνειν, οὐ προσκόπτει σοι ταῦτα λέγειν περὶ τοῦ μονογενοῦς, e περὶ τοῦ πρωτοτόκου πάσης κτίσεως, f περὶ τοῦ πρὶν συλλήψεως εὐαγγελι σθέντος κατὰ τὸ „Πνεῦμα ἅγιον ἐπελεύσεται ἐπὶ σέ, καὶ δύναμις ὑψίστου ἐπισκιάσει σοι“· g καὶ λέγεις· Οὐκ ἐπίσταται λαλεῖν; Ὅρα εἰ δύνασαί τι ἀξιόλογον καὶ μέγα περὶ τὸν σωτῆρα ἐν τῷ τόπῳ ἰδεῖν· ὅτι τινὰ μὴ ἐπι a
Jes. 7,16
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Jes. 7,14
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1 ἢ Co μὴ S 18 καὶ ἃ Kl mit H (et ea quae) 19 εἰ καὶ Kl mit H (etiamsi) εἶτα S 24 λέγεις· οὐκ ἐπίσταται Kl mit H (audes dicere quia nesciat) λέγει· οὐκ ἐπίσταμαι S Nt
31 Smith, FaCh 97, 9 Anm. 41, vermutet an dieser Stelle eine Lücke. Vielleicht ist auch
schon in der Zitateinleitung mehr ausgefallen, als Klostermann aus Hieronymus ergänzte (so Smith, ebd. Anm. 38). 32 Die vorliegenden Ausführungen in Hier. hom. 1,7–9 (GCS Orig. 32, 6–8) zeigen die streng antidoketische Inkarnationslehre des Origenes. Er bekämpft den Doketismus oft und energisch: princ. I praef. 4 (GCS Orig. 5, 10); II 6,2 (5, 140f.); in Ioh. comm. X 6,23–27 (GCS Orig. 4, 176); in Ios. hom. 7,1 (GCS Orig. 7, 279); in Hiez. hom. 1,4 (GCS Orig. 8, 327f.); in Matth. comm. ser. 90 (GCS Orig. 11, 205); Cels. II 23 (GCS Orig. 2,, 152); IV 19 (2, 288); auch unten in Hier. hom. 7,3 (GCS Orig. 32, 54). Siehe dazu de Lubac, Geist aus der Geschichte 116; Fédou, Sagesse 126–153. 173–175.
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zählungen als auf die Menschen.31 Um die Worte der Auslegung zu stützen, führe ich zwei Zeugen an: aus dem Neuen und dem Alten Testament, und führe ich drei Zeugen an: aus einem Evangelium, aus einem Propheten und aus einem Apostel. Denn so wird „jedes Wort eine Stütze haben“. Wie können wir nun die fraglichen Worte auf den Erlöser beziehen? Ziehe als Zeugen das Alte Testament heran: „Bevor deshalb das Kind Gutes oder Schlechtes erkennt, wendet es sich gegen die Bosheit, um das Gute zu wählen.“a Und daneben wird im Buch Jesaja Folgendes über den Erlöser gesagt: „Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Emmanuel geben.“ b Und eben danach heißt es: „Bevor das Kind erkennt.“ Wenn aber auch ein Beispiel aus dem Evangelium zu nehmen ist: Als Jesus noch nicht erwachsen, sondern noch ein Kind war, da er sich selbst entäußerte,c machte er Fortschritte (niemand nämlich macht Fortschritte, der schon vollkommen ist, sondern Fortschritte macht, wer des Fortschritts bedarf). Er machte also Fortschritte im Alter, Fortschritte in der Weisheit, Fortschritte in der Gnade vor Gott und den Menschen. Denn wenn er sich selbst entäußerte, indem er hierher herabstieg, und wenn er, nachdem er sich selbst entäußert hatte, das wieder zu erlangen begann, wessen er sich selbst entäußert, freiwillig selbst entäußert hatte, was sollte dann daran merkwürdig sein, dass er auch „in Weisheit, Alter und Gnade vor Gott und den Menschen“ d Fortschritte machte und sich an ihm das Wort bewahrheitete: Bevor er das Schöne oder das Böse erkennt, wird er das Gute wählen und sich gegen die Bosheit wenden, wir sonst noch aus dem Buch Jesaja zitiert haben?32 8. Aber, wird einer sagen, auch wenn du die Aussage ‚Er weiß nicht‘ auf den Erlöser beziehen kannst und du Derartiges über den Erlöser sagen und ihn als Kind auffassen kannst, nimmst du nicht Anstoß daran, dies über den einzigen Sohn,e über den Erstgeborenen der ganzen Schöpfung f zu sagen, über den vor seiner Empfängnis die gute Nachricht verkündet wurde: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“? g Und du sagst: Er weiß nicht zu reden?33 Sieh zu, ob du an dieser Stelle etwas Würdiges und Großes in Bezug auf den Erlöser erblicken kannst!34 Denn wenn er etwas nicht weiß, ist er in seinem Nicht-Wissen 33 Die rhetorisch kräftigere Fassung des Hieronymus bezieht den Satz zu Recht noch
in den Einwand des fictus interlocutor ein (in diesem Sinn übersetzt Schadel, BGrL 10, 57) und ist der von Nautin, GCS Orig. 32, 357; SC 232, 212f., präferierten Überlieferung im Codex Scorialensis vorzuziehen: „Et il dit: Je ne sais pas parler“ (ebenso Smith, FaCh 97, 10). 34 Der Satz lässt sich sowohl noch dem Einwand zurechnen als auch der Antwort des Origenes. Der ganze Passus in Hier. hom. 1,6–8 (GCS Orig. 32, 4–7), mit seinen fingierten Einreden belegt die schriftstellerischen Fähigkeiten des Origenes: Villani, Prosopopoiie 144f. 146f.
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στάμενος, μείζων ἐστὶ μὴ ἐπιστάμενος ἢ ἐπιστάμενος αὐτά. Καὶ χρῶμαι αὐτοῦ τῇ φωνῇ μαρτυροῦντος, ὅτι τινὰ οὐκ ἐπίσταται. Λέγει γοῦν τοῖς φάσκουσιν αὐτῷ· „Οὐ τῷ ὀνόματί σου ἐφάγομεν καὶ τῷ ὀνόματί σου ἐπίομενa καὶ τῷ ὀνόματί σου δαιμόνια ἐξεβάλομεν καὶ δυνάμεις πολλὰς ἐποιήσαμεν;“ „Ἀποχωρεῖτε ἀπ̓ ἐμοῦ, οὐδέποτε ἔγνων ὑμᾶς.“ b Ἆρα τὸ „οὐδέποτε ἔγνων ὑμᾶς“ ἐκεῖ λεγόμενον ὑπὸ τοῦ σωτῆρος ἐλάττονα τὴν δύναμιν αὐτοῦ παρίστησιν ἢ μείζονα καὶ θαυμασιωτέραν, διότι τοὺς χείρο νας καὶ τοὺς ἀπολλυμένους οὐκ ἔγνω; Ἔγνω γὰρ τὰ διαφέροντα καὶ κρείτ τονα, καὶ „ἔγνω κύριος τοὺς ὄντας αὐτοῦ“, c καὶ „εἴ τις ἀγνοεῖ, ἀγνο εῖται“. d Οὐκοῦν ὁ ἁμαρτωλὸς ἀγνοεῖται ὑπὸ τοῦ θεοῦ. Ἐρεῖ μοί τις τῶν ἀκροατῶν· Ἔδειξας ὅτι οὐκ οἶδε τοὺς ἁμαρτωλούς, ἔδειξας ὅτι οὐκ οἶδε τοὺς ἐργαζομένους τὴν ἀνομίαν· e οὐ γὰρ ἄξιοί εἰσι τῆς γνώσεως αὐτοῦ. Πῶς [γὰρ] παραστήσεις μέγα καὶ ἔνδοξον εἶναι τὸ „οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν“ f λεγόμενον ὑπὸ τοῦ σωτῆρος; Τὸ λαλεῖν ἀνθρώπινόν ἐστι· τὸ λαλεῖν διαλέκτῳ χρήσασθαί ἐστιν, || ὥστε εἰπεῖν Ἑβραίων, φέρε εἰπεῖν, φωνὴν ἢ Ἑλλήνων τινῶν. Ἐὰν ἀναβῇς ἐπὶ τὸν σωτῆρα καὶ εἰδῇς αὐτὸν λόγον „ἐν ἀρχῇ πρὸς τὸν θεόν“, g ὄψει ὅτι οὐκ ἐπίσταται λαλεῖν ἀνθρωπίνου ὄντος τοῦ λαλεῖν, ἀλλ̓ , ἐπεί ἐστι μεῖ ζον ὃ ἐπίσταται τοῦ λαλεῖν. Ἐὰν δὲ καὶ ἀγγέλων γλώσσας συγκρίνῃς ἀν θρώπων γλώσσαις h καὶ εἰδῇς ὅτι οὗτος μείζων ἐστὶ καὶ ἀγγέλων, ὡς ἐμαρτύρησεν ἐν τῇ πρὸς Ἑβραίους ὁ ἀπόστολος ἐπιστολῇ, i ἐρεῖς ὅτι καὶ τῆς ἀγγέλων γλώσσης μείζων ἦν, ὅτε θεὸς ἦν | λόγος πρὸς τὸν πατέρα. j Μανθάνει οὖν καὶ οἱονεὶ ἀναλαμβάνει ἐπιστήμην οὐ μεγάλων, ἀλλ̓ ὑποδε εστέρων καὶ μικροτέρων. Καὶ ὥσπερ μανθάνω βιαζόμενος ἐμαυτὸν ψελλί ζειν, ὅτε παιδίοις διαλέγομαι (οὐ γὰρ ἐπιστάμενος παιδιστί, ἵν̓ οὕτως εἴπω, λαλεῖν, βιάζομαι τέλειος ὢν διαλέγεσθαι παιδίοις), τὸν αὐτὸν τρόπον καὶ ὁ σωτήρ, ὢν μὲν „ἐν τῷ πατρὶ“ k καὶ ἐν τῇ μεγαλειότητι τῆς δόξης τοῦ a f
Lk. 13,26 bMt. 7,22f. c2 Tim. 2,19 (vgl. Num. 16,5) d1 Kor. 14,38 Jer. 1,6 gJoh. 1,2 h1 Kor. 13,1 i Hebr. 1,4f. j Joh. 1,1f. kJoh. 14,10f.
e
Mt. 7,23
13 γὰρ del. Bl mit H 16 ἢ ἄλλων Kl mit H (siue reliquorum oder: reliquorumque) 18 οὐκ ἐπίσταται Kl mit H (ideo nesciat)
35 Dass Gott „die Seinen“ kennt, die Sünder aber nicht, ist ein Dauerthema des Orige-
nes: in Ioh. comm. XIX 4,24f. (GCS Orig. 4, 302f.); XXXII 14,153f. (4, 447); sel. in Ps. 1,6 (PG 12, 1099); in Gen. hom. 4,6 (GCS Orig. 6, 56f.); in Rom. comm. VII 5,4 (SC 543, 306). Vgl. auch unten in Hier. hom. 1,10 (GCS Orig. 32, 9). 36 Nautin, GCS Orig. 32, 357, hält diese Ergänzung aus Hieronymus nicht für unverzichtbar. Sie wird jedoch von der Logik des Arguments gefordert. 37 Der Ausdruck παιδιστί ist ein Neologismus, wie Origenes viele geprägt hat und auf den er mit der Wendung ἵν̓ οὕτως εἴπω selbst hinweist: Perrone, Approximations origéniennes 369 Anm. 19; 371 Anm. 26.
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größer, als wenn er es wüsste. Ich stütze mich dafür auf eine Bemerkung von ihm, mit der er bezeugt, dass er etwas nicht weiß. Denen, die zu ihm sagen: „Haben wir nicht in deinem Namen gegessen und in deinem Namen getrunken,a in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und viele Wunder gewirkt?“, sagt er jedenfalls: „Geht weg von mir, ich habe euch nie gekannt!“ b Stellt das, was vom Erlöser hier gesagt wird: „Ich habe euch nie gekannt“, seine Macht als geringer oder als größer und bewundernswerter hin, weil er die Schlechten und Verlorenen nicht gekannt hat? Denn das Ausgezeichnete und Bessere kannte er: „Der Herr hat die Seinen gekannt“,c und „wenn einer nicht erkennt, wird er nicht erkannt.“ d Der Sünder also wird von Gott nicht erkannt.35 Einer der Zuhörer wird zu mir sagen: Du hast gezeigt, dass er die Sünder nicht kennt, du hast gezeigt, dass er die nicht kennt, die Unrecht tun;e sie sind nämlich seiner Kenntnis nicht würdig. Wie willst du als groß und ruhmvoll hinstellen, dass vom Erlöser gesagt wird: „Ich weiß nicht zu reden“? f Reden ist menschlich. Beim Reden macht man von einer Sprache Gebrauch, man spricht zum Beispiel in der Sprache der Hebräer oder der Griechen in irgendeiner . Wenn du dich auf die Höhe des Erlösers begibst und ihn als das Wort erkennst, das „im Anfang bei Gott“ ist,g wirst du sehen, dass er nicht zu reden weiß, insofern das Reden menschlich ist, er es aber ,36 weil das, was er weiß, größer ist als das Reden.Wenn du aber auch die Sprachen der Engel mit den Sprachen der Menschen vergleichst h und weißt, dass dieser (sc. der Logos) sogar größer als die Engel ist, wie der Apostel im Brief an die Hebräer bezeugte,i wirst du zugeben, dass er auch größer war als die Sprache der Engel, als er Gott war, das Wort beim Vater.j Er lernt also und eignet sich in gewisser Weise Wissen an, aber nicht von großen Dingen, sondern von geringeren und kleineren. So wie ich mich zwingen muss, stammeln zu lernen, wenn ich mich mit Kindern unterhalte – denn da ich die Sprache der Kinder, um mich so auszudrücken,37 nicht beherrsche, zwinge ich mich als Erwachsener dazu, mich mit Kindern zu unterhalten38 –, in gleicher Weise spricht auch der Erlöser, solange er „im Vater“ ist k und sich in der Erhabenheit der Herrlichkeit Gottes befindet, nicht die Sprache der Menschen noch weiß er, wie man zu denen spricht, die unten39 sind. Sobald 38 Den Kontrast zwischen Kindern und Erwachsenen verwendet Origenes gern als Me-
tapher für Anfänger und Fortgeschrittene bzw. Vollkommene im christlichen Glauben und in spiritueller und ethischer Reife, so in Hier. hom. 19,5(18,15) (GCS Orig. 32, 175f.), ferner etwa in Luc. hom. 20,7 (GCS Orig. 92, 124): „Lasst uns also aufhören, kleine Kinder zu sein, und anfangen, erwachsene Menschen zu werden!“ Übersetzung: Sieben, FC 4/1, 231. Siehe dazu Fürst, Eschatologie des Origenes, bes. 338. 39 Das Adverb „unten“ – im Gegensatz zur „Höhe des Erlösers“ – dient Origenes als räumliche Metapher für die unvollkommene, unerlöste, sündige Welt. Vgl. entsprechende Aussagen über das „Tal“, das dieselbe Konnotation hat: in Gen. hom. 8,7 (GCS Orig. 6, 82); in Num. hom. 12,2 (GCS Orig. 7, 98); in Is. hom. 1,1 (GCS Orig. 8, 243).
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θεοῦ τυγχάνων, οὐ λαλεῖ ἀνθρώπινα, οὐκ οἶδε φθέγγεσθαι τοῖς κάτω. Ὅτε δὲ ἔρχεται εἰς σῶμα ἀνθρώπινον, λέγει κατὰ τὰς ἀρχάς· „Οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν, ὅτι νεώτερος ἐγώ εἰμι“·a νεώτερος δὲ διὰ τὴν γένεσιν τὴν σωματι κήν, πρεσβύτερος δὲ κατὰ τὸ „πρωτότοκος πάσης κτίσεως“, b νεώτερος, ὅτι „ἐπὶ συντελείᾳ τῶν αἰώνων“ c ἦλθεν ὕστερον τῷ βίῳ ἐπιδεδήμηκε. Λέγει οὖν τὸ „οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν“· οἶδά τινα μείζονα τοῦ λαλεῖν, οἶδά τινα μείζονα τοῦ φθόγγου τούτου τοῦ ἀνθρωπίνου. Θέλεις με λαλεῖν ἀν θρώποις; Οὔπω διάλεκτον ἀνθρωπίνην ἀνείληφα, ἔχω διάλεκτον σοῦ, τοῦ θεοῦ, λόγος εἰμὶ σοῦ, τοῦ θεοῦ, σοὶ οἶδα προσδιαλέγεσθαι, ἀνθρώποις „οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν“, „νεώτερός εἰμι“. d 9. ὅτι πρὸς πάντας οὓς ἐὰν ἐξαποστείλω σε πορεύσῃ.“ e Οὕτως ἐκτείνει τὴν χεῖρα, ἅπτεται τοῦ στόματος αὐτοῦ, δίδωσιν αὐτῷ λόγους, καὶ δίδωσιν αὐτῷ λόγους διὰ τὰς βασιλείας, ἵν̓ ἐκριζώσῃ. f Οὐ χρείαν δὲ εἶχεν ἐκριζούν των λόγων, ὅτε ἦν „ἐν πατρί“, g οὐ χρείαν εἶχε κατασκαπτόντων λόγων καὶ καθαιρούντων τὰ χείρονα· οὐδὲν γὰρ ἦν ἄξιον κατασκαφῆς ἐκεῖ, οὐδὲν ἦν ἄξιον ἐκριζώσεως. || Μέγα οὖν ἐστιν, ὡς τὸ „οὐκ οἶδα ὑμᾶς, ὅτι ἐργάται ἐστὲ ἀνομίας“, h οὕτως ὑπὸ τοῦ σωτῆρος λεγόμενον διὰ τὸ ὑπερ βάλλον μέγεθος τῆς δόξης αὐτοῦ, i ἴσον δυνάμενον τῷ οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν ἀνθρώπινα τὸ „οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν“. j 10. Εἴτε δὲ πρὸς τὸν Ἱερεμίαν εἴτε πρὸς τὸν σωτῆρα λέγεται· „Πρὸ τοῦ με πλάσαι σε ἐν κοιλίᾳ ἐπίσταμαί σε“, k ἀναγνοὺς τὴν Γένεσιν καὶ τηρήσας τὰ εἰρημένα περὶ τῆς κτίσεως τοῦ κόσμου εὑρήσεις, ὅτι ἡ γραφὴ πάνυ διαλεκτικώτατα οὐκ εἶπεν ὅτι πρὸ τοῦ με ποιῆσαί σε ἐν κοιλίᾳ ἐπίσταμαί σε. Ὅτε μὲν γὰρ ὁ „κατ̓ | εἰκόνα“ l ἐκτίζετο, „εἶπεν ὁ θεός· ποιήσωμεν ἄνθρωπον κατ̓ εἰκόνα καὶ ὁμοίωσιν ἡμετέραν“, m οὐκ εἶπεν· πλάσωμεν. Ὅτε δὲ ἔλαβε „χοῦν ἀπὸ τῆς γῆς“, οὐ πεποίηκε τὸν ἄνθρωπον, ἀλλ̓ „ἔπλασε τὸν ἄνθρωπον“ n καὶ „ἔθετο ἐν τῷ παραδείσῳ τὸν ἄνθρωπον ὃν ἔπλασεν, ἐργάζεσθαι αὐτὸν καὶ φυλάσσειν“. o Εἰ δύνασαι, ὅρα διαφορὰν a
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Jer. 1,6 bKol. 1,15 cHebr. 9,26 dJer. 1,6 Lk. 13,27; Mt. 7,23 i Eph. 1,19; 2 Kor. 3,10 m Gen. 1,26 nGen. 2,7 oGen. 2,8.15
j
Jer. 1,7 Jer. 1,6
f
Jer. 1,9f. gJoh. 14,10f. Jer. 1,5 l Gen. 1,26.27
k
5 καὶ Co H (et) 10 μὴ – εἰμι Kl mit H (Noli dicere: Iuuenis ego sum) 28 ὅρα Co ὁρᾶν S
14 τῷ Kl
40 Bei der Erklärung des dreifachen sanctus der Seraphim (Jes. 6,3) in den Jesajahomilien,
das Origenes auf die Trinität bezieht, qualifiziert er das „Sprechen“ des trinitarischen Gottes als „Akt reinen Erkennens“; in Is. hom. 1,2 (GCS Orig. 8, 244): sola cognitione dicunt. Im Unterschied zum menschlichen diskursiven Sprechen, das sich aus einzelnen, aufeinanderfolgenden Wörtern und Sätzen zusammensetzt, handelt es sich um ein differenzloses noëtisches Sprechen. Siehe dazu Fürst/Hengstermann, OWD 10, 140f. 184f.
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er jedoch in einen menschlichen Leib kommt, sagt er am Anfang: „Ich weiß nicht zu reden, weil ich zu jung bin“,a jung freilich aufgrund der leiblichen Geburt, alt hingegen, insofern er „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ b ist, jung, weil er „zur Vollendung der Zeiten“ c kam erst spät das Leben hier gelebt hat. Der Satz: „Ich weiß nicht zu reden“ besagt also: Ich weiß um Dinge, die zu groß sind für das Reden, ich weiß um Dinge, die zu groß sind für diese menschliche Ausdrucksweise.40 Du41 willst, dass ich zu den Menschen rede? Ich habe noch keine menschliche Sprache gelernt, ich spreche deine Sprache, Gottes Sprache, ich bin dein Wort, Gottes Wort, mit dir weiß ich ein Gespräch zu führen. Zu den Menschen „weiß ich nicht zu reden“, „ich bin zu jung“.d 9. denn zu allen, zu denen ich dich sende, sollst du gehen.“ e So streckt er die Hand aus, berührt seinen Mund, legt ihm Worte hinein, und zwar legt er ihm Worte hinein im Blick auf die Königreiche, damit er sie ausreiße.f Als er „im Vater“ war,g brauchte er keine Worte, um auszureißen, brauchte er keine Worte, um das Schlechte niederzureißen und zu beseitigen, denn dort war nichts, was Zerstörung verdient, nichts, was Ausrottung verdient hätte.Wie es also groß ist zu sagen: „Ich kenne euch nicht, weil ihr Übeltäter seid“,h so ist auch groß, was vom Erlöser aufgrund der überragenden Größe seiner Herrlichkeit i gesagt wird und was gleichbedeutend ist mit: Ich weiß die Sprache der Menschen nicht zu sprechen, nämlich: „Ich weiß nicht zu reden.“ j 10. Ob nun zu Jeremia oder zum Erlöser gesagt wird: „Bevor ich dich im Mutterschoß formte, kenne ich dich“,k – wenn du im Buch Genesis nachliest und darauf achtest, was darin über die Schöpfung der Welt gesagt ist, wirst du finden, dass die Schrift ganz und gar dialektisch42 nicht sagte: Bevor ich dich im Mutterschoß schuf, kenne ich dich. Als nämlich der Mensch „nach dem Bild“ l geschaffen wurde, „sagte Gott: Lasst uns den Menschen nach unserem Bild und Gleichnis schaffen“;m er sagte nicht: Lasst uns formen. Als er aber „Staub von der Erde“ nahm, schuf er den Menschen nicht, sondern „formte“ er „den Menschen“ n und „setzte den Menschen, den er geformt hatte, in das Paradies, damit er es bebaue und bewache“.o Erkenne, wenn du kannst, den 41 Auch in Cels. VI 65 (GCS Orig. 2, 135) versteht Origenes Jer. 1,6 als Selbstzeugnis
des präexistenten Gottessohnes: Das Zwiegespräch zwischen Vater und Sohn findet in einer Redeweise statt, die jenseits der Möglichkeiten der Sprache von Menschen und Engeln liegt. Die menschliche Sprache reicht nicht aus, Gott adäquat zu erfassen. 42 Das Wort „dialektisch“ ist hier im platonischen Sinne gebraucht. In der Kunst des Gesprächs, in dem sich Fragen und Antworten entfalten, vollzieht sich die Analyse und Synthese der Begriffe, die das Gespräch bestimmen. Durch die ständige begriffliche Unterscheidung ist es möglich, zu einer Übereinstimmung zu kommen. An dieser Stelle geht es um die Unterscheidung zwischen „schaffen“ und „formen“. De Lubac, Geist aus der Geschichte 358, „fühlt sich nicht verpflichtet“, Origenes in dieser dialektischen Auffassung der Schrift „zu folgen“, doch verkennt er damit den philosophischen Charakter dieser Exegese.
Ὁμιλία αʹ
ποιήσεως , ὅτι ὁ λέγων κύριος εἴτε πρὸς τὸν Ἱερεμίαν εἴτε πρὸς τὸν σωτῆρα οὐκ εἶπεν· πρὸ τοῦ με ποιῆσαί σε ἐν κοιλίᾳ ἐπίσταμαί σε· τὸ γὰρ ποιούμενον οὐκ ἐν κοιλίᾳ γίνεται, ἀλλὰ τὸ πλασσόμενον ἀπὸ τοῦ χοῦ τῆς γῆς τοῦτο ἐν κοιλίᾳ κτίζεται. „Πρὸ τοῦ με πλάσαι σε ἐν κοιλίᾳ ἐπίσταμαί σε.“a Εἰ πάντας ἠπίστατο ὁ κύριος ( πρὸς τὸ „οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν“ b [ἐπεὶ πάντας ἠπίστατο ὁ κύριος λεκτέον γάρ]), οὐκ ἂν ὡς ἐξαίρετον ἔλεγε τῷ Ἱερεμίᾳ τὸ καὶ „ἐπίσταμαί σε“. Οὐκοῦν τοὺς διαφέροντας ἐπίσταται ὁ θεός, τοὺς ἀξίους τῆς γνώσεως αὐτοῦ ἐπίσταται ὁ θεός, καὶ „ἔγνω κύριος τοὺς ὄντας αὐτοῦ“, c τοὺς δὲ ἀναξίους οὐκ ἐπίσταται ὁ θεός, ὡς οὐδὲ ὁ σωτὴρ λέγων· „Οὐδέποτε ἔγνων ὑμᾶς“. d Ἡμεῖς ἄνθρωποι ὄντες, ὅσον προ κόπτομεν, κρίνομέν τινα ἄξια ὄντα τοῦ ἐπίστασθαι ἡμᾶς αὐτά· καί τινα οὐδὲ ἀκούειν θέλομεν, ἵνα μὴ αὐτὰ ἐπιστώμεθα μηδὲ εἰδῶμεν, τινὰ δὲ θέλο μεν ἐπίστασθαι. Τί δὲ ὁ τῶν ὅλων θεὸς; Θέλει ἐπίστασθαι τὸν Φαραώ, θέλει ἐπίστασθαι τοὺς Αἰγυπτίους, οὐκ εἰσὶ δὲ ἄξιοι τῆς ἐπιστήμης τοῦ θεοῦ· a
Jer. 1,5
b
Jer. 1,6
c
2 Tim. 2,19 (vgl. Num. 16,5)
d
Mt. 7,23
1 εἴτε πρὸς τὸν Kl πρὸς τὸν εἴτε S 1 καὶ πλάσεως Kl mit H (et plasmationis) 3 γίνεται Co Kl (vgl. GCS Orig. 3, 348) γίγνεται S 6–7 λεκτέον γὰρ – λεκτέον γάρ Nt 13 ἐπιστώμεθα Hu ἐπιστάμεθα S 14 τί δὲ Kl mit H (quid arbitraris) εἰ δὲ S
43 Die durch die Ergänzung aus Hieronymus entstehende Junktur hat eine sie stützende
Parallele in Cels. IV 37 (GCS Orig. 1, 307): περὶ διαφορᾶς ποιήσεως καὶ πλάσεως.
44 Origenes bezieht den doppelten Bericht im Buch Genesis über die Erschaffung des
Menschen zum einen auf den inneren, geistigen Menschen, zum anderen auf den äußeren, leiblichen. Jener wird nach Gen. 1,26f. „geschaffen“, und zwar „nach dem Bild Gottes“, dieser nach Gen. 2,7.8.15 „geformt“, und zwar „aus dem Staub der Erde“. So kommentiert Origenes, in Gen. hom. 1,13 (GCS Orig. 6, 15), Gen. 1,27 unter anderem so: „Unter diesem Menschen, von dem die Schrift sagt, er sei nach dem Bild Gottes geschaffen, verstehen wir gewiss nicht den leiblichen. Denn nicht die leibliche Gestalt enthält das Bild Gottes, und beim leiblichen Menschen heißt es nicht, er sei geschaffen, sondern geformt, wie im Folgenden geschrieben steht (Gen. 2,7). Der aber, der nach dem Bild Gottes geschaffen wurde, ist unser innerer Mensch, unsichtbar, unkörperlich, unverderblich und unsterblich.“ Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 51. Vgl. ferner dial. 11f.15f. (SC 67, 78–80. 88); in Matth. comm. XIV 16 (GCS Orig. 10, 321f.). Da im Mutterschoß der körperliche Mensch entsteht, verwendet die Bibel in Jer. 1,5 das Verbum „formen“. Sowohl die Beobachtung zum biblischen Sprachgebrauch als auch die Beziehung der beiden Schöpfungsberichte auf zwei unterschiedliche Aspekte des einen Schöpfungshandelns (auf die geistige und auf die materielle Schöpfung) stammen von Philon, opif. 134 (I p. 46 Cohn/Wendland): Mit Gen. 2,7 „zeigt er ganz klar, dass ein sehr großer Unterschied besteht zwischen dem Menschen, der jetzt geformt wurde, und dem, der früher nach dem Ebenbild Gottes geschaffen war; denn der jetzt geformte Mensch war sinnlich wahrnehmbar, hatte schon eine bestimmte Beschaffenheit, bestand aus Körper und Seele,
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Unterschied zwischen Schaffen :43 Als der Herr, sei es zu Jeremia, sei es zum Erlöser, sprach, sagte er nicht: Bevor ich dich im Mutterschoß schuf, kenne ich dich. Denn das, was geschaffen wird, entsteht nicht im Mutterschoß, doch das, was aus dem Staub der Erde geformt wird, das wird im Mutterschoß gemacht.44 „Bevor ich dich im Mutterschoß formte, kenne ich dich.“a Würde der Herr alle kennen – denn dazu müsste man die Aussage stellen: „Ich weiß nicht zu reden“ b45 –, wäre es nichts Besonderes, wenn er zu Jeremia sagt: „Ich kenne dich“. Also, Gott kennt die herausragenden Menschen, Gott kennt die Menschen, die seiner Erkenntnis würdig sind, und „der Herr hat die Seinen gekannt“,c die Unwürdigen hingegen kennt Gott nicht, wie auch der Erlöser nicht, wenn er sagt: „Ich habe euch nie gekannt.“d 46 Sofern wir als Menschen Fortschritte machen, sind wir der Meinung, dass manche Dinge es wert sind, sie zu kennen. Und es gibt Dinge, von denen wir nicht einmal hören wollen, damit wir sie weder kennen noch von ihnen wissen, manche Dinge aber wollen wir kennen. Wie steht es damit beim Gott des Alls? Er will den Pharao kennen, er will die Ägypter kennen, die aber sind der Erkenntnis Gottes nicht würdig. Mose hingegen ist würdig, und jeder der war Mann oder Weib und von Natur sterblich; dagegen war der nach dem Ebenbild Gottes geschaffene eine Idee oder ein Gattungsbegriff oder ein Siegel, nur gedacht, unkörperlich, weder männlich noch weiblich, von Natur unvergänglich.“ Übersetzung: Cohn, Philo Werke I, 74f. (mit geringfügiger Modifizierung). Vgl. auch leg. all. I 31f. 88 (I p. 68f. 84 Cohn/Wendland). Siehe dazu Crouzel,Théologie de l’image 148–151, vor allem aber Simonetti, Osservazioni 377–380; Dupuis, L’esprit de l’homme 29–42. 45 Die Worte in Klammern fehlen bei Hieronymus und ergeben so, wie sie im Codex Scorialensis stehen, keinen Sinn: πρὸς τὸ „οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν“ ἐπεὶ πάντας ἠπίστατο ὁ κύριος λεκτέον γάρ. Klostermann betrachtet sie daher als nicht zum ursprünglichen Text gehörig und markiert sie mangels einer Erklärung mit einer crux desperationis. Schadel, BGrL 10, 60, und Smith, FaCh 97, 13, lassen sie unübersetzt. Nautin, SC 232, 67 (vgl. GCS Orig. 32, 357), versucht den offenbar verderbten Text mittels einer Umstellung, einer Ergänzung und einer Tilgung zu heilen: Gestützt auf eine Wendung in exhort. mart. 17 (GCS Orig. 1, 16): λεκτέον γὰρ πρὸς τὸ τοιοῦτον, stellt er λεκτέον γάρ voran und ergänzt nach πρὸς τό: τοιοῦτον τό, denn dieser Ausfall könne durch einen Abschreibfehler als „saut du même au même“ erklärt werden; umgekehrt handle es sich bei den Worten: ἐπεὶ πάντας ἠπίστατο ὁ κύριος wohl um eine fälschliche Wiederholung der gleichlautenden vorausgehenden Worte, so dass folgender Text zu lesen sei: „Car il faut rapprocher de ce verset la parole: ‚Je ne sais pas parler‘“ (Nautin, SC 232, 219).Textgestaltung und Übersetzung oben folgen dieser plausiblen Konjektur: Origenes stellt die Aussage ἐπίσταμαί σε wegen desselben Verbums neben οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν und erklärt die Besonderheit der Aussage in Jer. 1,5 genau so, wie er oben in Hier. hom. 1,8f. (GCS Orig. 32, 7f.) die Besonderheit der Aussage in Jer. 1,6 erklärt hat. 46 Über Dinge, die „der Kenntnis des Vaters würdig“ sind, siehe auch orat. 21,2 (GCS Orig. 2, 346).
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Μωσῆς δὲ ἄξιος, καὶ ἕκαστος τῶν προφητῶν τηλικοῦτος. Πολλά σε δεῖ || κατορθῶσαι, ἵνα ὁ θεὸς ἄρξηταί σε ἐπίστασθαι· τὸν μὲν γὰρ Ἱερεμίαν πρὸ τοῦ πλάσαι ἐν κοιλίᾳ ἠπίστατο, ἄλλον δὲ ἄρχεται ἐπίστασθαι τριάκοντα ἔτη γεγονότα, τεσσαράκοντα ἔτη γεγονότα. Λόγοι εἰσὶν ἀπόρρητοι, περὶ μὲν οὖν τοῦ σωτῆρος οὐ ζητούμενοι, περὶ δὲ τοῦ Ἱερεμίου τοῖς ὦτα ἔχουσινa ἐπιστάσεως δεόμενοι. | 11. Πῶς λέγει· „Πρὸ τοῦ με πλάσαι σε ἐν κοιλίᾳ ἐπίσταμαί σε, καὶ πρὸ τοῦ σε ἐξελθεῖν ἐκ μήτρας ἡγίακά σε“; b Ὁ θεὸς ἑαυτῷ ἁγιάζει τινάς. Τοῦτον οὐ περιέμεινεν, ἵνα ἐλθόντα εἰς γένεσιν ἁγιάσῃ, ἀλλὰ πρὶν ἐξελθεῖν ἐκ μήτρας ἤδη ἡγίασεν. Ἐὰν ἐπὶ τὸν σωτῆρα ἀναφέρῃς, οὐ χαλεπὸν εἰπεῖν, ὅτι πρὶν ἐξελθεῖν ἐκ μήτρας ἡγίασται. Ἐπὶ τὸν σωτῆρα ἐὰν ἀναφέρῃς, οὐ μόνον πρὶν ἐξελθεῖν ἡγίασται, ἀλλὰ καὶ ἔτι πρότερον ἡγίασται. Οὗτος δὲ ὁ Ἱερεμίας πρὶν ἐξελ θεῖν ἐκ μήτρας ἡγίασται. 12. „Προφήτην εἰς ἔθνη τέθεικά σε.“ c Ἐπὶ τοῦ Ἱερεμίου ἐὰν ἀναζητήσῃς τὸ „προφήτην εἰς ἔθνη τέθεικά σε“, τήρησον ἐν τοῖς ἑξῆς, ὅτι κελεύεται προφητεῦσαι „ἐπὶ πάντα τὰ ἔθνη“, καὶ ἔστι προγραφή· „Ἃ προεφήτευσεν Ἱερεμίας ἐπὶ πάντα τὰ ἔθνη“ τῇ „Αἰλὰμ“, d „τῇ Δαμασκῷ“, e „τῇ Μωάβ“. f Καὶ ἔχομεν, ὅτι „προεφήτευσεν ἐπὶ πάντα τὰ ἔθνη“, ὡς πρὸς τὸ ῥητὸν ὅτι „προφήτην εἰς ἔθνη τέθεικά σε“ πρὸς ἐκεῖνον. Ἐὰν δὲ πρὸς ἀναγωγήν, ἐὰν μὲν ἐπὶ τοῦ Ἱερεμίου, προειρήκαμεν, ἐὰν δὲ ἐπὶ τοῦ σωτῆρος, τί δεῖ καὶ λέγειν; Οὗτος ἀληθῶς ἐπὶ πάντα τὰ ἔθνη προεφήτευσεν· ἔστι γὰρ ὥσπερ ἄλλα μυρία οὕτως καὶ προφήτης. Ὥς ἐστιν ἀρχιερεύς, g ὥς ἐστι σωτήρ, ὥς a
Mt. 11,15 Hebr. 2,17
g
b
Jer. 1,5
c
Jer. 1,5
d
Jer. 25,14(49,34)
e
Jer. 30,29(49,23)
f
Jer. 31(48),1
4 ἄλλον Del Kl mit H (alium)
47 Dieses Verständnis von τηλικοῦτος ergibt sich aus einer ähnlichen Formulierung in
einem griechischen Fragment des Kommentars zum Römerbrief, in Rom. frg. 11 Ramsbotham: Τοιοῦτος ἦν Μωσῆς καὶ οἱ προφῆται, ᾽Ιουδαῖοι ὄντες καὶ πιστευθέντες τὰ λόγια τοῦ θεοῦ, καὶ εἴ τις παρ᾽ αὐτοῖς τούτοις παραπλήσιος – „Von dieser Art waren Mose und die Propheten; sie waren Juden, und ihnen waren die Worte Gottes anvertraut, wie außer ihnen noch denen, die ihnen ähnlich waren.“ Übersetzung: Heither, FC 2/6, 67–69. 48 Vgl. in Ioh. frg. 71 (GCS Orig. 4, 539): „Hat man angefangen, muss man Fortschritte machen, um von Gott gesehen und erkannt zu werden.“ 49 Nautin, GCS Orig. 32, 357, hält diese Ergänzung aus Hieronymus für überflüssig. 50 In 2 Kor. 12,4 spricht Paulus von „wortlosen Seufzern, die ein Mensch nicht aussprechen darf“ und „die unsagbare Worte enthalten“, wie Origenes, orat. 2,3 (GCS Orig. 2, 301), dazu anmerkt. Auch die neuplatonische Philosophie kennt solche „unsagbaren Worte“, die dem Menschen in die Seele gelegt worden sind: Porphyrius, epist. ad
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Propheten ist von dieser Art.47 Vieles musst du richtig machen, damit Gott dich zu kennen beginnt.48 Denn Jeremia kannte er, bevor er ihn im Mutterschoß formte, einen anderen aber beginnt er zu kennen, wenn er dreißig Jahre alt geworden ist, ,49 wenn er vierzig Jahre alt geworden ist. Es gibt unaussprechliche Worte,50 die, wenn sie auf den Erlöser bezogen werden, unumstritten sind, aber in Bezug auf Jeremia die Aufmerksamkeit derer verlangen, die Ohren haben.a 11. Wie kann Gott sagen: „Bevor ich dich im Mutterschoß formte, kenne ich dich, und bevor du aus dem Mutterleib herauskamst, habe ich dich geheiligt“? b Gott heiligt sich gewisse Menschen. Bei diesem hat er nicht gewartet, bis er geboren wurde, um ihn zu heiligen, sondern bevor er aus dem Mutterleib herauskam, heiligte er ihn schon.Wenn du dies auf den Erlöser beziehst, lässt sich unschwer sagen, dass er schon geheiligt worden ist, bevor er aus dem Mutterleib herauskam.51 Wenn du dies auf den Erlöser beziehst, ist er nicht nur, bevor er herauskam, geheiligt worden, sondern ist er sogar noch früher geheiligt worden.52 Jeremia hier ist aber, bevor er aus dem Mutterleib herauskam, geheiligt worden. 12. „Als Propheten für die Völker habe ich dich eingesetzt.“ c Wenn du die Aussage: „Als Propheten für die Völker habe ich dich eingesetzt“ in Bezug auf Jeremia untersuchst, beachte, dass ihm im Folgenden aufgetragen wird, „zu allen Völkern“ prophetisch zu reden; die Überschrift dazu lautet: „Was Jeremia zu allen Völkern prophetisch geredet hat“, zu „Elam“, d „zu Damaskus“, e „zu Moab“. f Und weil er „zu allen Völkern prophetisch geredet hat“, nehmen wir an, dass sich der Satz: „Als Propheten für die Völker habe ich dich eingesetzt“ in wörtlichem Sinn auf ihn bezieht. Wenn wir dies aber in anagogischem Sinn53 auffassen und es sich auf Jeremia bezieht, so haben wir das oben bereits besprochen; wenn es sich jedoch auf den Erlöser bezieht, was muss man dann noch sagen? Dieser hat wahrlich zu allen Völkern prophetisch geredet. Denn wie er tausend andere Dinge ist,54 so ist er auch Prophet: Wie er Hohepriester, g wie er Erlöser, wie er Arzt ist, so ist
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Anebonem bei Eusebius, praep. ev. V 10,8 (GCS Eus. 8/1, 243); Jamblich, myst. I 15; V 240; VII 4f.; Proklos, in Tim. Plat. II (I p. 211 Diehl). In Fortsetzung des oben S. 115 Anm. 17 zitierten Satzes sagte Hieronymus, in Hier. I 2,3 (CChr.SL 74, 5): „Bevor nämlich dieser (sc. der Erlöser) im Schoß der Jungfrau geformt wurde und ehe er aus dem Mutterleib herauskam, ist er wahrhaft im Schoß geheiligt worden und dem Vater bekannt gewesen, da er immer im Vater und der Vater immer in ihm ist.“ Zur Heiligkeit des präexistenten (darauf zielt πρότερον) Sohnes innerhalb der Trinität vgl. in Is. hom. 4,1 (GCS Orig. 8, 258f.) und dazu die Erläuterungen in Fürst/ Hengstermann, OWD 10, 141–143. Siehe dazu oben S. 119 Anm. 29. So auch in Ioh. comm. I 22,136 (GCS Orig. 4, 27).
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ἐστιν ἰατρός, οὕτως καὶ προφήτης. Μωσῆς γοῦν προφητεύων περὶ αὐτοῦ οὐχὶ προφήτην μόνον, ἀλλὰ καὶ ἐξαιρέτως εἶπεν εἰπών· „Προφήτην ἐκ τῶν ἀδελφῶν ἀναστήσει ὑμῖν κύριος ὁ θεὸς ὡς ἐμέ, αὐτοῦ ἀκούσετε. Καὶ ἔσται, ὃς ἂν μὴ ἀκούσῃ τοῦ προφήτου ἐκείνου ἐξολοθρευθήσεται ἐκ τοῦ λαοῦ αὐτοῦ.“a Οὗτος οὖν ἐστιν ὁ καὶ προφήτης εἰς ἔθνη τεθειμένος καὶ ἔλαβε χάριν ἀπὸ θεοῦ ἐκχυθεῖσαν ἐν τοῖς χείλεσιν αὐτοῦ, b ἵνα μὴ μόνον, ὅτε παρῆν τῷ σώματι, ἀλλὰ καὶ νῦν, ὅτε πάρεστι δυνάμει || καὶ τῷ πνεύματι, προφητεύῃ ἐπὶ πάντα τὰ ἔθνη, ὥστε ἀπὸ πάντων τῶν ἐθνῶν ἀνύειν αὐτοῦ τὴν προφητείαν καὶ ἕλκειν ἀνθρώπους ἐπὶ σωτηρίαν. 13. „Καὶ εἶπα· Ὁ ὢν δέσποτα κύριε, ἰδοὺ οὐκ ἐπίσταμαι λαλεῖν, ὅτι νεώτερος ἐγώ εἰμι. Καὶ εἶπε κύριος πρός με· Μὴ λέγε ὅτι νεώτερος ἐγώ εἰμι, ὅτι πρὸς πάντας οὓς ἐξαποστείλω σε πορεύσῃ.“ c Πολλάκις εἴπομεν, ὅτι ἔστι κατὰ τὸν ἔσω ἄνθρωπον εἶναι παιδίον, κἂν ἐν γεροντικῇ τις ᾖ ἡλικίᾳ σώματος· ἔστι δέ ποτε κατὰ τὸν ἔξω | ἄνθρωπον εἶναι παιδίον, κατὰ δὲ τὸν ἔσω ἄνδρα. Τοιοῦτος ἦν ὁ Ἱερεμίας, ἤδη ἔχων τὴν χάριν ἀπὸ a
Dtn. 18,15.19 (vgl. Apg. 3,22f.)
3 ὑμῶν Kl mit H (uestris) (quoscumque)
b
Ps. 44(45),3
c
Jer. 1,6f.
8 προφητεύῃ Del προφητεύει S
12 οὓς ἐὰν Lo H
55 Die Stelle gehört zur Vorstellung von den ἐπίνοιαι (Epinoiai), „Aspekten“, Christi,
die Origenes, in Ioh. comm. I 9,52–57 (GCS Orig. 4, 14f.); I 21,125–23,150 (4, 25– 29); I 25,158–36,265 (4, 30–47), und andernorts entwickelt, bes. noch princ. I 2,5–13 (GCS Orig. 5, 33–48). Siehe dazu Koch, Pronoia und Paideusis 65–74; Gruber, ΖΩΗ 241–267; Crouzel, Denominations du Christ; Fédou, Sagesse 233–269; O’Leary, Christianisme et Philosophie 153–165. 56 Entspricht die Junktur δυνάμει καὶ τῷ πνεύματι dem aristotelischen Paar δυνάμει – ἐνεργείᾳ im Sinne einer potentiellen Kraft, die durch den Geist Wirklichkeit wird? Origenes greift dieses aristotelische Gedankenpaar durchaus auf, so in Ioh. comm. II 24,157 (GCS Orig. 4, 81): „Vielleicht ist dieses Leben bei einigen nur in Möglichkeit (δυνάμει) und nicht in Wirklichkeit (ἐνεργείᾳ) Licht, nämlich bei denen, die keinen Ehrgeiz haben zu untersuchen, was mit der Erkenntnis zusammenhängt. Bei anderen aber wird es auch in Wirklichkeit (ἐνεργείᾳ) Licht.“ In einem Fragment zu Joh. 1,12 erklärt er, dass die, die vom Glauben an Gottes Namen zum Glauben an ihn selbst übergegangen seien, nicht mehr der Möglichkeit nach (δυνάμει), sondern in Wirklichkeit (ἐνεργείᾳ) Kinder Gottes sind: in Ioh. frg. 7 (GCS Orig. 4, 489). Allerdings meint Origenes nicht immer, wenn er von δυνάμει oder ἐν δυνάμει redet, die aristotelische Bedeutung dieses Begriffs. So sagt er in Matth. comm. XII 32 (GCS Orig. 10, 142): Die Herrschaft Gottes sei „dem Vermögen nach (δυνάμει) in uns“ (Lk. 17,21), d.h. in allen Menschen, „der Wirksamkeit nach (ἐνεργείᾳ)“ jedoch nur in den Vollkommenen; die „Wirksamkeit“ erläutert er dabei so: „in Kraft (ἐν δυνάμει) und nicht in Schwäche“ (Übersetzung: Vogt, BGrL 18, 193). Diese Kraft ist etwas anderes als die aristotelische Potenz, nämlich – in stoischem Sinne – eine auf innerer Dynamik beruhende Wirklichkeit: Vogt, BGrL 18, 229 Anm. 121 (vgl. ebd. 219 Anm. 65). Die Junktur δυνάμει καὶ τῷ πνεύματι an der vorliegenden Stelle ist daher gegen Schadel,
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er auch Prophet.55 Als jedenfalls Mose über ihn prophezeite, bezeichnete er ihn nicht einfach nur als Propheten, sondern tat dies in besonderer Weise, indem er sagte: „Einen Propheten wie mich wird euch der Herr, Gott, aus Brüdern erstehen lassen; auf ihn sollt ihr hören. Und es wird so sein: Wer auf jenen Propheten nicht hört, wird aus seinem Volk ausgemerzt werden.“a Er ist also auch der Prophet, der für die Völker eingesetzt wurde und von Gott Gnade empfangen hat, die auf seine Lippen ausgegossen ist, b damit er nicht nur, als er im Leib zugegen war, sondern auch jetzt noch, da er in Kraft und im Geist56 zugegen ist, zu allen Völkern prophetisch redet, so dass er in allen Völkern seine Prophetie erfüllt57 und Menschen zum Heil zieht. 13. „Und ich sagte: Seiender, Gebieter, Herr,58 siehe, ich weiß nicht zu reden, weil ich zu jung bin. Und der Herr sagte zu mir: Sag nicht: Ich bin zu jung, denn zu allen, zu denen ich dich sende, sollst du gehen.“ c Schon oft haben wir gesagt, dass man dem inneren Menschen nach ein Kind sein kann, auch wenn man sich körperlich im Greisenalter befindet. Es ist aber gelegentlich auch möglich, dass man dem äußeren Menschen nach ein Kind ist, dem inneren nach jedoch ein Erwachsener.59 Ein solcher war Jeremia, der die BGrL 10, 247 Anm. 16, nicht auf das aristotelische Begriffspaar zu beziehen, sondern sozusagen nur auf deren zweiten Teil (der terminologisch hier gerade nicht vorkommt): Was „in Kraft und im Geist“ zugegen ist, ist „wirklich“ und „wirksam“ zugegen; καί dürfte epexegetisch zu lesen sein: Es ist die Kraft des Geistes, die diese Gegenwart bewirkt. Eine Parallele hierzu steht in Matth. comm. XIII 15 (GCS Orig. 10, 216): In der Gegenwart ist Jesus nicht in Person, sondern „der Kraft nach“ gegenwärtig (ἐν τῇ κατὰ δύναμιν παρουσίᾳ); diese Gegenwart ist keine bloß mögliche, sondern eine wirkliche: Vogt, ebd. 292 Anm. 62. 57 Der Sinn ist: Die Prophetie Jeremias, in der Christus spricht („seine“ ist doppeldeutig), erfüllt sich in Christus und in der Kirche. 58 Zu dieser Anrede siehe oben S. 116 Anm. 20. 59 Die Vorstellung vom „inneren Menschen“ gehört seit Röm. 7,22; 2 Kor. 4,16 zu den Spezifika des Christentums, in dem die entsprechende platonische Vorstellung (vgl. Platon, polit. IX 589 a 7 – b 1: das λογιστικόν als τοῦ ἀνθρώπου ὁ ἐντὸς ἄνθρωπος) aufgegriffen und zu einer Metaphysik des inneren Menschen ausgebaut wurde: Kobusch, Christliche Philosophie 64–71. 138–151 (mit ebd. 65 richtiger Kritik an Markschies, Innerer Mensch 279–282, der einen Gegensatz zwischen der platonischen und der paulinischen Vorstellung vom inneren Menschen konstruiert). Für Origenes vgl. in Cant. comm. prol. 1,4 (OWD 9/1, 58); prol. 2,4–8 (9/1, 64–66); I 4,3.16f. (9/1, 152. 158–160); in Hiez. hom. 13,2 (GCS Orig. 8, 447); in Rom. comm. VII 1,4 (SC 543, 250); in Matth. comm. XIII 26 (GCS Orig. 10, 251); sel. in Ps. 102,1 (PG 12, 1560): „Das Innere des inneren Menschen ist das intellektuelle Vermögen, das diskursive und das forschende Vermögen, die Auslegungskraft, die Phantasie und das Erinnerungsvermögen.“ Übersetzung: Kobusch, ebd. 224 Anm. 28. Die Alternative zwischen innerem und äußerem Menschen in Bezug auf das Lebensalter erörtert Origenes ausführlich in Ps. 36 hom. 4,3 (GCS Orig. 13, 165–167). Zur spirituell ausgewerteten Alternative zwischen Kindsein und Erwachsensein siehe oben S. 123 Anm. 38.
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θεοῦ ἔτι ὢν ἐν τῇ τοῦ παιδίου ἡλικίᾳ κατὰ τὸ σῶμα. Διό φησιν αὐτῷ ὁ κύριος· „Μὴ λέγε ὅτι νεώτερος ἐγώ εἰμι“. Σημεῖον δὲ τοῦ μὴ εἶναι αὐτὸν νεώτερον, ἀλλ̓ „ἄνδρα τέλειον“,a τὸ „πρὸς πάντας οὓς ἐὰν ἐξαποστείλω σε πορεύσῃ, καὶ κατὰ πάντα ὅσα ἐὰν ἐντείλωμαί σοι λαλήσεις. Μὴ φοβηθῇς ἀπὸ προσώπου αὐτῶν.“ b Οἶδεν ὁ τοῦ θεοῦ λόγος ὅτι οἱ πρεσβεύοντες τὸν λόγον κινδυνεύουσιν ἐν τοῖς ἀκούουσιν· ἐλεγχόμενοι γὰρ μισοῦσιν αὐτούς, ἐπιπλησσόμενοι διώκουσι. Πᾶν ὁτιοῦν πάσχουσιν οἱ προφῆται· „Οὐκ ἔστι προφήτης ἄτιμος εἰ μὴ ἐν τῇ ἰδίᾳ πατρίδι καὶ τῇ οἰκίᾳ αὐτοῦ.“ c καὶ πρώην ἐμνημονεύομεν. Οἶδεν οὖν ὁ θεὸς πέμπων τὸν προφήτην, ὅσους κινδύνους ἀναδέξεται, καὶ λέγει αὐτῷ· „Μὴ φοβηθῇς ἀπὸ προσώπου αὐτῶν, ὅτι μετὰ σοῦ εἰμι τοῦ ἐξαιρεῖσθαί σε, λέγει κύριος.“ d Ἃ πέπονθεν Ἱερεμίας, ἀναγέγραπται· εἰς λάκκον βορβόρου βέβληται, e ἔμεινεν ἐκεῖ ἕνα ἄρτον ἐσθίων τῆς ἡμέρας f καὶ ὕδωρ μόνον πίνων, καὶ ἄλλα δὲ μυρία ἃ πέπονθεν ἡ προφητεία αὐτοῦ δεδήλωκεν. „Τίνα τῶν προφητῶν οὐκ ἐδίω ξαν οἱ πατέρες ὑμῶν;“ g εἴρηται πρὸς τοὺς Ἰουδαίους. Καὶ ἀναγκαῖόν ἐστι τοὺς θέλοντας ζῆν εὐσεβῶς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ || πάντως ὑπὸ δυνάμεων ἀντικειμένων δι᾽ ὧν εὑρίσκουσι σκευῶν διώκεσθαι. h Διὰ τοῦτο μὴ ξενιζόμε νοι i οἱ διωκόμενοι πάντα πραττέτωσαν, μόνον εὐχόμενοι, ἵνα ἀδίκως δι ώκωνται καὶ μὴ δικαίως, μὴ δι᾽ ἀδικίαν, μὴ δι᾽ ἁμαρτίαν, μὴ διὰ πλεονεξίαν. Ἐὰν δὲ διώκηται ποτέ τις διὰ δικαιοσύνην, καὶ ἀκουέτω τοῦ „Μακάριοί ἐστε ὅταν ὀνειδίζωσιν ὑμᾶς καὶ διώκωσι καὶ εἴπωσι πᾶν πονηρὸν ῥῆμα καθ̓ ὑμῶν ψευδόμενοι ἕνεκεν ἐμοῦ. Χαίρετε καὶ ἀγαλλιᾶσθε, ὅτι ὁ μισθὸς ὑμῶν πολὺς ἐν τοῖς οὐρανοῖς· οὕτως γὰρ ἐδίωξαν τοὺς προφήτας τοὺς πρὸ ὑμῶν.“ j 14. „Ὅτι μετὰ σοῦ εἰμι τοῦ ἐξαιρεῖσθαί σε, λέγει κύριος. Καὶ ἐξέτεινε κύριος τὴν χεῖρα αὐτοῦ πρός με, καὶ ἥψατο τοῦ στόματός μου, καὶ εἶπε κύριος πρός με.“ k Τήρει διαφορὰς Ἱερεμίου καὶ Ἡσαΐου. Ὁ Ἡσαΐας | φησίν· a
Eph. 4,13 bJer. 1,7f. cMt. 13,57 dJer. 1,8 eJer. 45(38),6 2 Tim. 3,12 i 1 Petr. 4,12 j Mt. 5,11f. kJer. 1,8f.
h
4 ἐὰν Kl ἂν S
8 οὗ Hu mit H (cuius rei)
f
Jer. 44(37),21
g
Apg. 7,52
12–13 ἕνα ἄρτον Kl nach LXX τ‘‘ ἀρτίων S
60 Dieselbe Junktur in Hier. hom. 14,14 (GCS Orig. 32, 119). Vgl. auch Cels. III 68 (GCS
Orig. 1, 260); IV 4 (1, 277); IV 72 (1, 342); VI 1 (2, 70). 61 Diese Bemerkung bezieht sich möglicherweise auf in Luc. hom. 33,1–3 (GCS Orig.
92, 185f.), wo Origenes in Bezug auf Lk. 4,24 diese Thematik bereits in den Jahren 233/34 ausführlich erörtert hat, oder auf eine verlorene Homilie. Weniger wahrscheinlich ist, dass er die Gottesdienstgemeinde auf seine wissenschaftlichen Kommentare verweist: in Ioh. comm. XIII 55,371–376 (GCS Orig. 4, 284f.) zu Joh. 4,44; in Matth. comm. X 18 (GCS Orig. 10, 23f.), der zudem erst nach den Jeremiahomilien entstanden ist. Vgl. auch unten in Hier. hom. 14,13 (GCS Orig. 32, 118). Viele Belege für solche Verweise auf früher bzw. schon oft Gesagtes bei Monaci Castagno, Origene predicatore 53 Anm. 25.
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Gnade Gottes schon besaß, als er sich dem Körper nach noch im Kindesalter befand. Deshalb sagt der Herr zu ihm: „Sag nicht: Ich bin zu jung.“ Zeichen dafür, dass er nicht zu jung, sondern ein „reifer Mann“a ist, sind die folgenden Worte: „Zu allen, zu denen ich dich sende, sollst du gehen, und alles, was ich dir auftrage, sollst du sagen. Fürchte dich nicht vor ihrem Angesicht!“ b Das Wort Gottes weiß, dass den Gesandten des Wortes60 Gefahr seitens ihrer Hörer droht; denn werden sie zurechtgewiesen, hassen sie sie, werden sie getadelt, verfolgen sie sie. Alles Mögliche erleiden die Propheten: „Nirgends wird ein Prophet verachtet, außer in der eigenen Heimat und in seinem Haus.“ c haben wir auch früher schon in Erinnerung gerufen.61 Wenn Gott nun den Propheten sendet, weiß er um all die Gefahren, die dieser auf sich nehmen wird, und sagt zu ihm: „Fürchte dich nicht vor ihrem Angesicht, denn ich bin mit dir, um dich zu befreien, spricht der Herr.“ d Was Jeremia erlitten hat, ist aufgeschrieben: Er wurde in eine Zisterne voller Schlamm geworfen,e er blieb dort und aß nur ein Brot am Tag f62 und trank nur Wasser, und die tausend anderen Dinge, die er erlitten hat, zeigt seine Prophetie.63 „Wen von den Propheten haben eure Väter nicht verfolgt?“,g wurden die Juden gefragt. Und unausweichlich werden die, die in Christus Jesus fromm leben wollen, in jeder Hinsicht von feindlichen Mächten mit allen Mitteln, die sie finden, verfolgt.h Deswegen sollen die Verfolgten alles ohne Befremden i ertragen und nur darum beten, dass sie zu Unrecht und nicht zu Recht, nicht wegen Ungerechtigkeit, nicht wegen Sünde, nicht wegen Habsucht verfolgt werden. Wenn aber einmal jemand der Gerechtigkeit wegen verfolgt wird, so höre er auch dies: „Selig seid ihr, wenn sie euch um meinetwillen schmähen und verfolgen und euch lügnerisch alles Schlechte vorwerfen. Freut euch und frohlockt, denn euer Lohn im Himmel wird groß sein. So haben sie nämlich die Propheten vor euch verfolgt.“ j 14. „Denn ich bin mit dir, um dich zu befreien, spricht der Herr. Und der Herr streckte seine Hand zu mir aus und berührte meinen Mund, und der Herr sagte zu mir.“ k Beachte die Unterschiede zwischen Jeremia und Jesaja! 62 Origenes vermengt zwei leicht verwechselbare biblische Bericht: Ein Brot pro Tag
erhielt Jeremia, als er im „Wachthof“ gefangen war (Jer. 44[37],21); als er hingegen in die Zisterne im „Wachthof“ geworfen wurde (Jer. 45[38],6), musste er hungern, weil es in der Stadt kein Brot mehr gab (Jer. 45[38],9). Klostermanns Konjektur ἕνα ἄρτον ist wegen des Bezugs zum Septuagintatext erforderlich. Nautin, GCS Orig. 32, 357, hält sie für „nicht glücklich“ und will lieber τὸν ἄρτον lesen, wie die (allerdings unleserliche) Stelle im Codex Scorialensis und Hieronymus nahelegen, der panem übersetzte, nicht panem unum. In seiner Ausgabe hat Nautin, SC 232, 224f., jedoch Klostermanns Konjektur beibehalten und übersetzt (ebenso Smith, FaCh 97, 16). 63 Wenn das Leiden Jeremias „aufgeschrieben ist“, dann bezeichnet der Ausdruck „seine Prophetie“ wohl das Buch Jeremia, das seine Prophetie enthält. Vgl. diesen Sprachgebrauch in Matth. comm. X 18 (GCS Orig. 10, 24): ἐν τῇ προφητείᾳ αὐτοῦ ἀναγέγραπται.
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„Ἀκάθαρτα χείλη ἔχων ἐν μέσῳ λαοῦ ἀκάθαρτα χείλη ἔχοντος ἐγὼ οἰκῶ, καὶ τὸν βασιλέα κύριον σαβαὼθ εἶδον τοῖς ὀφθαλμοῖς μου.“a Καὶ ἐπεὶ ἐξ ωμολογήσατο οὐκ ἔχων ἔργα ἀκάθαρτα, ἀλλὰ μόνον ῥημάτια (μέχρι γὰρ τούτου ἁμαρτωλὸς ἦν), οὐκ ἐξέτεινε κύριος τὴν χεῖρα αὐτοῦ, τὸ δὲ ἓν τῶν Σεραφὶμ ἥψατο τῇ χειρὶ αὐτοῦ τῶν χειλέων αὐτοῦ, καὶ εἶπεν· Ἰδοὺ ἀφῄρη κα τὰς ἀνομίας σου. b Ἐπεὶ δὲ οὗτος ἡγιάσθη „ἐκ μήτρας“, c οὐ λαβὶς αὐτῷ πέμπεται οὐδὲ ἀπὸ τοῦ θυσιαστηρίου ἄνθραξ d (οὐκ εἶχεν οὐδὲν ἄξιον τοῦ πυρός), ἀλλ̓ αὐτὴ ἡ χεὶρ τοῦ κυρίου ἥψατο αὐτοῦ. Διὸ λέγει· „Ἐξέτεινε κύριος τὴν χεῖρα αὐτοῦ πρός με καὶ ἥψατο τοῦ στόματός μου, καὶ εἶπεν κύριος πρός με· Ἰδοὺ δέδωκα τοὺς λόγους μου εἰς τὸ στόμα σου. Ἰδοὺ καθέστακά σε σήμερον ἐπὶ ἔθνη καὶ βασιλείας, ἐκριζοῦν.“ e Τίς οὕτως μακάριός ἐστιν ὡς τὰς βασιλείας πολλὰς οὔσας, ἃς δείκνυσιν ὁ διάβολος, f βασιλείας οὔσας δυνάμεων ἀντικειμένων, βασιλείας κατὰ τὰς ἁμαρτίας, ἐκριζοῦν τοῖς διδομένοις ὑπὸ τοῦ θεοῦ λόγοις; || Γέγραπται γάρ· „Ἰδοὺ δέδωκα τοὺς λόγους μου εἰς τὸ στόμα σου. Ἰδοὺ καθέστακά σε σήμερον ἐπὶ ἔθνη καὶ βασιλείας, .“ g Ὥσπερ δὲ βασιλεῖαί εἰσιν, οὕτως καὶ ἔθνη . Οἷον, βασιλεία ἐστὶ τῆς πορνείας, ἔθνη τῆς πορνείας ἑκάστη πορ νεία †. Μία βασιλεία ἐστὶν αὐτὸ γενικὸν ἁμάρτημα τῆς πλεονεξίας καὶ τῆς ἀποστερήσεως, καὶ εἰσὶ πολλαὶ βασιλεῖαι ἐν τοῖς πολλὰ εἴδη ἔχουσιν ἁμαρτημάτων. | Εἶτα καθ̓ ἕκαστον τῶν ἁμαρτωλῶν νόει μοι τὰ ἔθνη τὰ ὑπὸ τὴν βασιλείαν, ὡς εἰπεῖν, ὅτι ὁ δεῖνα ἔχει ἔθνη πολλὰ τῆς βασιλείας τῆς κατὰ τὴν πορνείαν, ὁ δεῖνα ἔχει ἔθνη πολλὰ τῆς βασιλείας τῆς κατὰ τὴν ἀποστέρησιν, τῆς κατὰ τὴν καταλαλιάν, τῆς κατὰ τὴν ὀργήν. Ἔργον ἐστὶ τῶν λόγων τοῦ θεοῦ „ἐπὶ ἔθνη καὶ βασιλείας“ ἐξαποσταλέντων „ἐκρι ζοῦν καὶ κατασκάπτειν“. h Ἐκριζοῦν τίνα; Ἐδίδαξεν ὁ σωτὴρ λέγων· „Πᾶσα a
Jes. 6,5
b
Jes. 6,6f.
c
Jer. 1,5
d
Jes. 6,6
e
Jer. 1,9f.
f
Mt. 4,8
g
Jer. 1,9f.
h
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6 ἐπεὶ δὲ Kl mit H (autem quia oder: quia iam) ἐπειδὴ S 12 ὡς Hu mit H (ut) ὃς S 16 ἐκριζοῦν Lo H (eradicare) 17–18 οὐδὲ – ἔθνη Kl mit H (nec potest aliquod regnum dici, nisi quod sub se continet nationes) 18–19 H (regnat fornicatio in homine peccatore, necesse est ut regnum fornicationis habeat gentes suas) 19 αὐτὸ τὸ Kl mit H (ipsum illud) 20–21 H (fraudis, quo vix aliquis immunis est, habet regnum suum, et sub regno uno multas possidet gentes, per plurimas scilicet species avaritiae) 22 τῆς V τὴν S
64 In Lev. hom. 9,7 (GCS Orig. 6, 430) kommentiert Origenes Jes. 6,5 ebenso: „Daraus
geht hervor, dass sich nur in seinen Worten eine Sünde fand, er (sc. Jesaja) in seinem Tun und Handeln aber nicht sündigte.“ Vgl. in Is. hom. 5,2 (GCS Orig. 8, 264): „Jesaja war heilig, und deshalb wurden nur seine Lippen gereinigt, denn er hatte nur mit den Lippen, das heißt in Worten, gefehlt.“ 65 Hieronymus, in Hier. I 5,1f. (CChr.SL 74, 5f.), erklärt diesen Unterschied zwischen der Berufung Jeremias und der Beauftragung Jesajas mit ihrem unterschiedlichen Lebensalter: Dem erwachsenen Jesaja würden seine Sünden vergeben, dem jungen
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Jesaja sagt: „Ich habe unreine Lippen und wohne inmitten eines Volkes mit unreinen Lippen, und ich habe den König, den Herrn der Heere, mit meinen Augen gesehen.“a Und weil er sich als Sünder bekannte, wenn auch nicht in unreinen Taten, sondern nur in ein paar Worten – denn nur in dieser Hinsicht war er ein Sünder64 –, streckte nicht der Herr seine Hand aus, sondern berührte einer der Seraphim mit seiner Hand seine Lippen und sagte: Siehe, ich habe deine Sünden weggenommen.b Da dieser (sc. Jeremia) aber „vom Mutterleib an“ geheiligt war,c wurde zu ihm weder eine Zange noch glühende Kohle vom Altar geschickt d – er hatte nichts, was Feuer verdient hätte –, sondern berührte ihn die Hand des Herrn selbst.65 Deshalb sagt er: „Der Herr streckte seine Hand zu mir aus und berührte meinen Mund, und der Herr sagte zu mir: Siehe, ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt. Siehe, ich habe dich heute über Völker und Königreiche gesetzt, um auszureißen.“ e Wer ist so selig, dass er die vielen Reiche, die der Teufel zeigt f – Reiche der feindlichen Mächte, Reiche im Sinne von Sünden –, mit den von Gott gegebenen Worten ausreißt? Denn es steht geschrieben: „Siehe, ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt. Siehe, ich habe dich heute über Völker und Königreiche gesetzt, .“ g Wie es aber Reiche gibt, so gibt es auch Völker, .66 Es gibt zum Beispiel ein Reich der Unzucht; Völker der Unzucht jede einzelne Unzucht †.67 Dieselbe Art von Sünde – der Habsucht und des Diebstahls – bildet je ein eigenes Reich, und in denen, die viele Arten von Sünden in sich tragen, gibt es viele Reiche.68 Bei jedem einzelnen Sünder erkenne also die Völker, die dem Reich unterstehen, etwa, dass einer viele Völker hat, die zum Reich der Unzucht gehören, einer viele Völker, die zum Reich des Diebstahls gehören, zu dem der Verleumdung, zu dem des Zorns. Es ist die Aufgabe der zu den „Völkern und Königreichen“ gesandten Worte Gottes, „auszureißen und niederzureißen“.h Jeremia, der noch nicht viele Sünden begangen habe, werde die Gabe des Redens geschenkt. 66 Klostermann nimmt den Satz aus Hieronymus in den griechischen Text auf, Nautin, GCS Orig. 32, 358, hält die Ergänzung für nicht erforderlich und lässt sie in seiner Edition in SC 232, 228 weg (ebenso Smith, FaCh 97, 17). Man kann den Satz als Erläuterung des Übersetzers Hieronymus auffassen, doch fragt man sich, weshalb es diese Erläuterung gebraucht haben sollte. 67 Hieronymus bietet hier folgende Übersetzung: „Herrscht die Unzucht im sündigen Menschen, hat das Reich der Unzucht notwendigerweise seine Völker.“ Klostermann vermutet daher eine Lücke im Text des Codex Scorialensis. 68 Hieronymus übersetzt ἀποστέρησις mit fraus und fährt so fort: „… der Betrug, von dem kaum jemand frei ist, hat sein Reich, und unter seiner Herrschaft hat er viele Völker, und zwar in den einzelnen Arten von Habsucht.“ Den ganzen folgenden Satz lässt er sodann weg und schließt den übernächsten mit et ob id an den zitierten an. Mit dieser Übersetzung gibt er dem Gedanken des Origenes allerdings eine andere Wendung.
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φυτεία, ἣν οὐκ ἐφύτευσεν ὁ πατήρ μου ὁ οὐράνιος, ἐκριζωθήσεται.“a Ἔστι τινὰ ἔνδον ταῖς ψυχαῖς, ἃ οὐκ ἐφύτευσεν ὁ πατὴρ ὁ οὐράνιος· πάντες γὰρ οἱ „διαλογισμοὶ οἱ πονηροί, φόνοι, μοιχεῖαι, , κλοπαί, ψευ δομαρτυρίαι, βλασφημίαι“, b φυτεῖαί εἰσι πεφυτευμέναι οὐχ ὑπὸ τοῦ οὐρανίου πατρός. Εἰ θέλεις δὲ ἰδεῖν, τίνος εἰσὶ φυτεῖαι οἱ τοιοῦτοι διαλογι σμοί, ἄκουε ὅτι ὁ „ἐχθρὸς ἄνθρωπος τοῦτο ἐποίησεν“, c ὁ ἐπισπείρας τὰ „ζιζάνια μέσον τοῦ σίτου“. d Ἐφέστηκεν οὖν ὁ θεὸς ἔχων τὰ σπέρ ματα, καὶ ὁ διάβολος. Ἐὰν διδῶμεν „τόπον τῷ διαβόλῳ“, e ὁ ἐχθρὸς ἐπι σπείρει φυτείαν, ἣν οὐκ ἐφύτευσεν ὁ πατὴρ ὁ οὐράνιος, πάντως ἐκριζωθη σομένην· ἐὰν μὴ διδῶμεν τόπον τῷ διαβόλῳ, ἀλλὰ διδῶμεν τόπον τῷ θεῷ, χαίρων ὁ θεὸς σπείρει τὰ σπέρματα αὐτοῦ ἐπὶ τὸ ἡγεμονικὸν ἡμῶν. Μὴ νόμιζε τοίνυν τὸν Ἱερεμίαν σκυθρωπόν τι εἰληφέναι δῶρον ἀπὸ τοῦ θεοῦ, ὅτι καθίσταται „ἐπὶ ἔθνη καὶ ἐπὶ βασιλείας, ἐκριζοῦν“. f Ἀγαθὸς ὁ θεός ἐστι διὰ τῶν λόγων ἐκριζῶν τὰ φαῦλα, || τὰς ἐχθρὰς βασιλείας τῶν οὐρανῶν τῇ βασιλείᾳ, τὰ πολεμικὰ ἔθνη τῷ ἔθνει τῷ τοῦ θεοῦ. 15. „Ἐκριζοῦν καὶ κατασκάπτειν.“ g Ἔστι τις οἰκοδομὴ διαβόλου, ἔστι τις οἰκοδομὴ τοῦ θεοῦ. Ἡ „ἐπὶ τὴν ἄμμον“ οἰκοδομὴ h τοῦ διαβόλου ἐστίν, ἐπ̓ οὐδενὶ γὰρ ἐστήρικται ἑδραίῳ καὶ βεβαίῳ καὶ ἡνωμένῳ· ἡ δὲ οἰκοδομὴ ἡ „ἐπὶ τὴν πέτραν“ i τοῦ θεοῦ ἐστιν. Ὅρα τί λέγεται τοῖς τοῦ θεοῦ· „Θεοῦ γεώργιον, θεοῦ οἰκοδομή ἐστε.“ j Οἱ λόγοι τοίνυν τοῦ θεοῦ „ἐπὶ ἔθνη καὶ βασιλείας“ εἰσίν, „ἐκριζοῦν καὶ κατασκάπτειν καὶ ἀπολ λύειν“. k Ἐὰν ἐκριζωθῇ μέν, μὴ ἀπόληται δὲ τὸ ἐκριζωθέν, . Ἐὰν κατασκαφῇ μέν, οἱ λίθοι δὲ τῆς | κατασκαφῆς μὴ ἀπόλωνται, ἔστι τὸ κατασκαφέν. Ἔργον οὖν ἐστι τῆς ἀγαθότητος τοῦ θεοῦ, μετὰ τὸ ἐκριζῶσαι ἀπολέσαι τὸ ἐξερριζωμένον, μετὰ τὸ καθελεῖν ἀπολέσαι τὸ καθ ῃρημένον. Ἀνάγνωθι ἐπιμελῶς ἐπὶ μὲν τῶν ἀπολλυμένων καὶ ἐκριζουμένων, πῶς ἀπόλλυνται τὰ τοιαῦτα· Τὸ δὲ ἄχυρον κατακαύσατε πυρὶ ἀσβέστῳ l a
b c d Mt. 15,13 Mt. 15,19 Mt. 13,28 Mt. 13,25 Jer. 1,10 hMt. 7,26 i Mt. 7,24f. j 1 Kor. 3,9 kJer. 1,10
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e Eph. 4,27 Mt. 3,12
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2 ἐν Kl 3 πορνεῖαι Kl nach C (μοιχεῖαι, πορνεῖαι) und H (fornicationes) 7 ἀνὰ Hu nach NT 13 ὅτι Hu mit H (quia) ἔτι S 16 τοῦ Kl 22–23 ἔστι τὸ ἐκριζωθέν Kl mit H (adhuc permanet quod evulsum est)
69 Hieronymus, in Hier. I 6,2 (CChr.SL 74, 6): „‚Jede Pflanze, die nicht der himmlische
Vater gepflanzt hat, wird ausgerottet werden‘ (Mt. 15,13), und ein Bau, der sein Fundament nicht auf einem Felsen hat, sondern im Sand errichtet worden ist (Mt. 7,25f.), wird vom Wort Gottes untergraben und niedergerissen.“ 70 Der Begriff des Hegemonikon (τὸ ἡγεμονικόν) meint bei den Stoikern den „leitenden Seelenteil“, den Zenon laut Diogenes Laërtius VII 110 als „Denkvermögen“ (τὸ διανοητικόν) bestimmte und mit dem „Denken“ bzw. „Verstand“ (ἡ διάνοια) identi-
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Was auszureißen? Der Erlöser lehrte dies, als er sagte: „Jede Pflanze, die nicht mein himmlischer Vater gepflanzt hat, wird ausgerissen werden.“a69 Es gibt einiges Inneren der Seelen, das nicht der himmlische Vater gepflanzt hat; denn alle „schlechten Gedanken, Mord, Ehebruch, , Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung“ b sind Pflanzen, die nicht vom himmlischen Vater gepflanzt worden sind. Wenn du aber wissen willst, wessen Pflanzen derartige Gedanken sind, so höre, dass „der Feind das getan hat“,c der „das Unkraut mitten unter den Weizen“ säte.d Gott ist also da mit den Samen, aber auch der Teufel. Wenn wir „dem Teufel Raum geben“,e sät der Feind eine Pflanze, die nicht der himmlische Vater gepflanzt hat und die vollständig ausgerissen werden wird. Wenn wir dem Teufel keinen Raum geben, sondern Gott Raum geben, sät Gott mit Freude seine Samen in den führenden Teil unserer Seele.70 Meine also nicht, Jeremia habe von Gott eine düstere Gabe empfangen, weil er „über Völker und Königreiche“ gesetzt wurde, „um auszureißen“.f Gott ist gut, wenn er durch seine Worte das Schlechte ausreißt,71 die mit dem Himmelreich verfeindeten Reiche, die das Volk Gottes bekämpfenden Völker. 15. „Ausreißen und niederreißen.“ g Es gibt einen Bau Teufels, es gibt einen Bau Gottes. Der Bau, der „auf Sand“ gebaut ist,h ist der des Teufels, denn er ist auf nichts Stabilem, Beständigem und Einheitlichem errichtet. Der Bau aber, der „auf Fels“ gebaut ist,i ist der Bau Gottes. Schau, was denen gesagt wird, die Gott gehören: „Gottes Ackerfeld, Gottes Bau seid ihr.“ j72 Die Worte Gottes sind also „über Völker und Königreiche, um auszureißen und niederzureißen und zu zerstören“.kWenn zwar ausgerissen, das Ausgerissene aber nicht zerstört wird, . Wenn zwar niedergerissen wird, die Steine des Niedergerissenen aber nicht zerstört werden, besteht das Niedergerissene weiterhin. Aufgabe der Güte Gottes ist es also, nach dem Ausreißen das Ausgerissene zu zerstören, nach dem Niederreißen das Niedergerissene zu zerstören. Lies sorgfältig, auf welche Weise die Dinge, die zerstört und ausgerissen werden, zerstört werden: Verbrennt die Spreu in unauslöschlichem Feuer,l und das Unkraut bindet Bündel für Bün-
fizierte (SVF II 828): Pohlenz, Stoa I, 88f.; Rist, Stoic Philosophy 256–272; Forschner, Stoische Ethik 58–61. Siehe auch unten S. 193 Anm. 176. Origenes, in Ioh. frg. 18 (GCS Orig. 4, 497), kann das ἡγεμονικόν unter anderem als διανοητικόν bezeichnen, identifizierte es jedoch vor allem mit dem „inneren Menschen“ (siehe oben S. 131 Anm. 59), in Eph. frg. 15 (p. 411 Gregg): Christus „nimmt durch den Glauben im inneren Menschen Wohnung, das heißt im führenden Seelenteil“. Siehe dazu Lieske, Logosmystik 103–116; de Lubac, Geist aus der Geschichte 190f. 71 Ebenso in Hiez. hom. 1,12 (GCS Orig. 8, 336) mit Bezug auf Jer. 1,9f.: „Gott ist gütig, wenn er Worte gibt, um auszurotten.“ Siehe ferner unten S. 142 Anm. 85. 72 Eine Reflexion über diesen Vers bietet Origenes, in Regn. hom. lat. 1 (GCS Orig. 8, 1f.).
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καὶ δήσατε δέσμας δέσμας τὰ ζιζάνια καὶ παράδοτε αὐτὰ πυρί.a Οὕτως μετὰ τὸ ἐκριζοῦσθαι ἀπόλλυται. Εἰ θέλεις ἰδεῖν καὶ μετὰ καθαίρεσιν τὰ ἀπολλύμενα τῆς οἰκοδομῆς τῆς ὕλης τῆς φαύλης· χοῦς γίνεται ἡ οἰκία ἐκείνη ἡ διὰ τὴν λέπραν καθῃρημένη καὶ ἐκβάλλεται χοῦς γενομένη „ἔξω τῆς πόλεως“, b ἵνα μηδὲ λίθος ᾖ μένων, ὁμοίως τῷ „ὡς πηλὸν πλατειῶν λεανῶ αὐτούς“. c Δεῖ γὰρ μηδαμῶς συνεστάναι τὰ χείρονα. Κατεσκάφη τι, οἱ λίθοι ἔστωσαν χρήσιμοι πρὸς [τὴν] ἄλλην οἰκοδομήν, ἣν δύναται οἰκοδο μεῖν ὁ πονηρός· ἐξερριζώθη, μὴ πάλιν ἐκ τῶν ἐξερριζωμένων εὕρῃ σπέρμα τα, ἵνα ἐπισπείρῃ πάλιν τὰ ζιζάνια· d πάντως γὰρ ἔχων τὰ σπέρματα τῶν ζιζανίων, ἐπέσπειρεν αὐτά. Διὰ τοῦτο δήσατε τὰ ζιζάνια καὶ κατακαύσατε αὐτὰ πυρί, e ἵνα μετὰ τὸ ἐκριζωθῆναι ἀπόληται, καὶ μετὰ τὸ κατασκαφῆναι ἡ τοῦ διαβόλου οἰκοδομὴ ἀπόληται. 16. Ἀλλ̓ οὐκ ἐν τού||τοις ἵστανται οἱ λόγοι τοῦ θεοῦ, ἐπὶ τῷ „ἐκριζοῦν καὶ κατασκάπτειν καὶ ἀπολλύειν“. Ἔστω γὰρ ἐκρεριζωμένα ἀπ̓ ἐμοῦ τὰ φαῦλα, κατασκαφέντα τὰ χείρονα, τί μοι ὄφελος, ἐὰν μὴ ἀντὶ τῶν ἐκριζω θέντων καταφυτευθῇ τὰ κρείττονα; Τί μοι ὄφελος, ἐὰν μὴ ἀντὶ τούτων ἀνοικοδομηθῇ τὰ διαφέροντα; Διὰ τοῦτο οἱ τοῦ θεοῦ λόγοι ποιοῦσι πρῶτον ἀναγκαίως τὸ „ἐκριζοῦν καὶ κατασκάπτειν καὶ ἀπολλύειν“, μεθ̓ ἃ καὶ καταφυτεύειν“. f Καὶ ἀεὶ ἐν τῇ γραφῇ τετηρήκαμεν τὰ σκυθρωποφανῆ, ἵν̓ οὕτως ὀνομάσω, πρῶτα ὀνομαζόμενα, εἶτα τὰ δοκοῦν τα εἶναι ἱλαρὰ δεύτερα λεγόμενα. „Ἐγὼ ἀποκτενῶ καὶ ζῆν ποιήσω.“ g ἀμήχανον γάρ, ὃ πεποίηκε ζῆν ὁ θεός, ἀναιρεθῆναι ὑπ̓ αὐτοῦ ἢ ὑπ̓ ἄλλου τινός. Ἀλλ̓ „ἐγὼ ἀποκτενῶ καὶ ζῆν ποιήσω“. Τίνα ἀποκτενῶ; Παῦλον τὸν προδότην, Παῦλον τὸν διώκτην· καὶ ζῆν ποιήσω, ἵνα γένηται Παῦλος ἀπόστολος Ἰη σοῦ Χρι|στοῦ. h Ταῦτα εἰ νενοήκεισαν οἱ ταλαίπωροι οἱ ἀπὸ τῶν αἱρέσεων, οὐκ ἂν αὐτὰ συνεχῶς προέφερον ἡμῖν λέγοντες· Ὁρᾷς θεὸν τὸν τοῦ νόμου πῶς ἐστιν ἄγριος καὶ ἀπάνθρωπος καὶ λέγει· „Ἐγὼ ἀποκτενῶ καὶ a
Mt. 13,30 Dtn. 32,39
g
b h
c Lev. 14,40 Ps. 17(18),43 2 Kor. 1,1 u.ö.
d
Mt. 13,25
e
Mt. 13,30
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5 ὁμοίως τῷ Hu H (iuxta quod scriptum est) ὁμοίως τὸ S 6 τι Bl Kl H (aliquid) δέ S Nt 6 μὴ Kl Nt 7 τὴν S Nt del. Kl 10 κατακαύσατε Co καταπαύσατε S 18–19 τὸ οἰκοδομεῖν Kl mit H (aedificant) 21–22 οὐκ – ἀποκτενῶ Kl mit H (Non dixit: Ego uiuificabo, et postea: Occidam) 27 τὸν1 Kl 28 λέγει Co H (dicit) λέγοι S 73 Siehe dazu in Hier. frg. 41 (GCS Orig. 32, 219). 74 Σκυθρωποφανής ist ein Neologismus des Origenes (nicht verzeichnet in LSJ): siehe
oben S. 122 Anm. 37 (nicht verzeichnet von Perrone, Approximations origéniennes).
75 Vgl. dazu ausführlich in Hier. hom. 16,6 (GCS Orig. 32, 138f.). 76 In Hier. hom. 12,5 (GCS Orig. 32, 91), 18,9 (32, 163) und lat. 2(2),12 (GCS Orig. 8,
300) verweist Origenes ebenfalls pauschal auf Häretiker, ebd. 10,5 (32, 75) und 17,2 (32, 144) werden Markion, Basilides und Valentin genannt. In Hiez. hom. 1,12 (GCS Orig.
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del und werft es ins Feuer!a Auf diese Weise wird es nach dem Ausreißen zerstört. Wenn du ferner sehen willst, wie der Bau aus schlechtem Material nach dem Niederreißen zerstört ist: Staub wird jenes Haus, das wegen Aussatz niedergerissen wird, und Staub geworden, wird es „aus der Stadt“ hinausgeworfen,b auf dass nicht ein Stein bleibt, wie es heißt: „Wie den Lehm der Straßen werde ich sie zerstampfen.“ c Denn das Schlechte darf auf keinen Fall bestehen bleiben. Es wurde etwas niedergerissen: Die Steine sollen liegen bleiben, um für einen [den] anderen Bau benutzt zu werden, den der Böse bauen kann.73 Es wurde ausgerissen: Nicht soll er (sc. der Böse) aus dem Ausgerissenen wieder Samen finden, um wieder Unkraut auszusäen,d denn hätte er die Samen des Unkrauts, würde er sie auf jeden Fall aussäen. Deswegen bindet das Unkraut zusammen und verbrennt es im Feuer,e damit es nach dem Ausreißen zerstört wird und der Bau des Teufels nach dem Niederreißen zerstört wird. 16. Doch bleiben die Worte Gottes nicht dabei stehen, beim „Ausreißen und Niederreißen und Zerstören“. Denn mag das Böse aus mir ausgerissen sein, das Schlechte niedergerissen, was nützte mir das, wenn anstelle des Ausgerissenen nicht das Bessere eingepflanzt würde? Was nützte mir das, wenn stattdessen nicht das Gegenteil aufgebaut würde? Deswegen bewirken die Worte Gottes zuerst notwendigerweise das „Ausreißen und Niederreißen und Zerstören“, danach und Einpflanzen“.f Und wir haben beobachtet, dass in der Schrift das traurig Erscheinende – um es so zu nennen74 – immer zuerst genannt und dann das, was heiter zu sein scheint, als zweites erwähnt wird: „Ich werde töten und ich werde lebendig machen.“ g75 Es ist nämlich unmöglich, dass das, was Gott lebendig gemacht hat, von ihm oder von jemand anderem beseitigt wird. Es heißt vielmehr: „Ich werde töten und ich werde lebendig machen.“ Wen werde ich töten? Paulus, den Verräter, Paulus, den Verfolger. Und ich werde ihn lebendig machen, damit er Paulus, Apostel Jesu Christi,h wird. Hätten die armseligen Häretiker76 dies verstanden, würden sie es uns nicht ständig vorhalten, indem sie sagen: Siehst du, wie grausam und unmenschlich Gott des Gesetzes ist, wenn er sagt: „Ich werde töten und ich werde lebendig machen“? Erkennst du in den Schriften nicht die Verheißung von der Auferstehung der Toten?77 Oder
8, 336) wird der hier vor allem gemeinte Markion bei der Auslegung von Jer. 1,9f. namentlich erwähnt. 77 Origenes – der hiermit bereits zur Gegenfrage übergeht – hat den markionitischen und gnostischen Häretikern oft vorgeworfen, nur die erste Hälfte dieses Verses wahrzunehmen, die zweite aber zu übersehen: in Hier. hom. 12,5 (GCS Orig. 32, 91f.); in Luc. hom. 16,4 (GCS Orig. 92, 97); Cels. II 24 (GCS Orig. 1, 153f.); in Matth. comm. XV 11 (GCS Orig. 10, 378f.).
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ζῆν ποιήσω“; Οὐ βλέπεις ἐν ταῖς γραφαῖς ἐπαγγελίαν ἀναστάσεως νεκρῶν; Ἢ οὐχ ὁρᾷς τὴν ἀνάστασιν τῶν νεκρῶν ἤδη προοιμιαζομένην καθ̓ ἕκαστον; „Συνετάφημεν τῷ Χριστῷ διὰ τοῦ βαπτίσματος καὶ συνανέστημεν αὐτῷ.“a Οὐκοῦν ἀπὸ σκυθρωποτέρων μὲν φωνῶν, ἀναγκαίων δὲ ἄρχεται οἷον „ἀποκτενῶ“, εἶτα ἀποκτείνας „καὶ ζῆν ποιήσω· πατάξω, κἀγὼ ἰάσομαι“· b „ὃν γὰρ ἀγαπᾷ κύριος παιδεύει, μαστιγοῖ δὲ πάντα υἱὸν ὃν παραδέχε ται.“ c Πρῶτον πατάσσει καὶ μετὰ τοῦτο ἰᾶται· „Αὐτὸς γὰρ ἀλγεῖν ποιεῖ καὶ πάλιν ἀποκαθίστησιν.“ d Οὕτω δὲ καὶ ἐνθάδε· „Καθέστακά σε σήμερον ἐπὶ ἔθνη καὶ βασιλείας, ἐκριζοῦν καὶ κατασκάπτειν καὶ ἀπολλύειν καὶ ἀνοι κοδομεῖν καὶ καταφυτεύειν.“ e Πλὴν πρῶ||τόν ἐστιν ἐκεῖνα τὰ φαῦλα ρεθῆναι ἀφ̓ ἡμῶν. Οὐ δύναται εἰς τὸν τόπον τῆς οἰκοδομῆς τῆς φαύλης οἰκοδομεῖν ὁ θεός. „Τίς γὰρ μετοχὴ δικαιοσύνῃ καὶ ἀνομίᾳ; Τίς κοινωνία φωτὶ πρὸς σκότος;“ f Δεῖ τὴν κακίαν ἐκ βάθρων ἐκριζωθῆναι, δεῖ τὴν οἰκοδομὴν τῆς κακίας καταναλωθῆναι ἀπὸ τῆς ψυχῆς ἡμῶν, ἵνα μετὰ ταῦτα οἱ λόγοι οἰκοδομῶσι · οὐ δύναμαι γὰρ ἄλλως νοῆσαι τὰ γεγραμμένα· „Ἰδοὺ δέδωκα τοὺς λόγους μου εἰς τὸ στόμα σου.“ g Τί ποιοῦσιν οἱ λόγοι; „Ἐκριζοῦν καὶ κατασκάπτειν καὶ ἀπολλύειν.“ h Λόγοι ἐκριζοῦσιν „ἔθνη“, λόγοι | κατασκάπτουσι „βασιλείας“, ταύτας τὰς σωματικὰς καὶ κοσμικάς. Ἀξίως λόγων κατασκαπτόντων, ἀξίως λόγων ἐκριζούντων νόει τὰ ἐκριζούμενα ὑπὸ λόγων, τὰ κατασκαπτό μενα ὑπὸ λόγων. Ἆρα ἄρτι ἐν τοῖς λεγομένοις οὐκ ἔστι δύναμις, ἐὰν ὁ θεὸς διδῷ (κατὰ τὸ „κύριος δώσει ῥῆμα τοῖς εὐαγγελιζομένοις δυνάμει πολλῇ“ i), a f
Röm. 6,4 (vgl. Kol. 2,12) bDtn. 32,39 cHebr. 12,6 2 Kor. 6,14 gJer. 1,9 hJer. 1,10 i Ps. 67(68),12
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Ijob 5,18
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Jer. 1,10
1 ἐπαγγελίαν Kl mit H (adnuntiationem) ἀπαγγελίαν S 11 ἀφαιρεθῆναι Kl mit H (auferantur) ῥηθῆναι S 15 οἰκοδομῶσι καὶ φυτεύωσι Kl mit H (aedificent atque plantent) οἰκοδομηθῶσιν S 15 ἄλλως Kl mit H (aliter) ὅλως S 18–19 ἀλλ̓ οὐ τὰς βασιλείας Kl mit H (sed non regna) 78 Origenes zitiert Röm. 6,4 oft mit der Ergänzung „und mit ihm begraben worden“,
neben unten in Hier. hom. 19,4(18,14) (GCS Orig. 32, 172) noch in Ioh. comm. I 27,182 (GCS Orig. 4, 33f.); Cels. II 69 (GCS Orig. 1, 190); lat. ebenso: in Matth. comm. ser. 77 (GCS Orig. 11, 184). Siehe dazu Nautin, SC 232, 122. 79 Derselbe Gedanke in Ios. hom. 13,3f. (GCS Orig. 7, 373f.). Vgl. Hieronymus, in Hier. I 6,1 (CChr.SL 74, 6): „Das Gute könnte ja nicht aufgebaut werden, würde das Schlechte nicht niedergerissen, und das Beste könnte nicht gepflanzt werden, würde das Schlechteste nicht ausgerissen.“ 80 Die Hinzufügung von τοῦ θεοῦ zu οἱ λόγοι aus Hieronymus hat schon Klostermann in den „Nachträgen und Berichtigungen“ zu seiner Ausgabe, GCS Orig. 3, 348, für „sehr unsicher“ erklärt, „da Dei in H auch sehr zweifelhaft“ ist. Nautin, GCS Orig. 32, 358, hält sie sogar für schädlich, weil die Worte, die aufbauen, für Origenes nicht nur die Worte Gottes, sondern auch die Worte der theologischen Lehrer sind. Smith, FaCh 97, 21, lässt diese Hinzufügung in seiner Übersetzung ebenfalls fort.
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siehst du nicht, dass die Auferstehung der Toten schon ihr Vorspiel bei jedem Einzelnen hat? „Wir sind durch die Taufe mit Christus begraben worden und mit ihm auferstanden.“a78 Es beginnt also mit den düstereren, aber notwendigen Worten wie: „Ich werde töten“, dann – nach dem Töten – kommt: „und ich werde lebendig machen; ich werde schlagen, und ich werde heilen.“ b „Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er geißelt jeden Sohn, den er annimmt.“ c Zuerst schlägt er, und danach heilt er. „Er bereitet nämlich Schmerzen und stellt wieder her.“ d So auch hier: „Ich habe dich heute über Völker und Königreiche gesetzt, um auszureißen und niederzureißen und zu zerstören, und um wieder aufzubauen und einzupflanzen.“ e Allerdings muss zuerst jenes Schlechte aus uns entfernt werden. Gott kann nicht an den Ort bauen, an dem der schlechte Bau steht.79 „Denn was haben Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit miteinander gemein? Was hat das Licht mit der Finsternis gemeinsam?“ f Die Schlechtigkeit muss von Grund auf ausgerissen werden, der Bau der Schlechtigkeit muss aus unseren Seelen entfernt werden, damit danach die Worte80 aufbauen . Anders kann ich nämlich nicht verstehen, was geschrieben steht: „Siehe, ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt.“ g Was bewirken die Worte? „Ausreißen und Niederreißen und Zerstören.“ h Worte reißen „Völker“ aus, Worte reißen „Königreiche“ nieder, diese materiellen und weltlichen . Verstehe das, was von Worten ausgerissen, was von Worten niedergerissen wird, auf eine Weise, die den niederreißenden Worten, den ausreißenden Worten angemessen ist!81 Ist denn in dem nunmehr Gesagten nicht eine Kraft enthalten, wenn Gott es eingibt – gemäß der Aussage: „Der Herr wird denen ein Wort eingeben, die mit großer Kraft Frohes verkünden“ i82 –, eine Kraft, die ausreißt, wenn Unglaube, wenn Heuchelei,83 wenn Unzucht, wenn Zügellosigkeit da sind? Die 81 Siehe dazu oben S. 118 Anm. 28. 82 Vgl. Cels. VI 2 (GCS Orig. 2, 71f.) im Anschluss an 1 Kor. 2,4f. und Ps. 67(68),12:
„Das göttliche Wort (der Schrift) bringt damit zum Ausdruck, dass eine Rede, selbst wenn sie an sich wahr und höchst glaubwürdig ist, nicht genügt, um die menschliche Seele zu berühren, wenn dem Redner nicht auch eine gewisse Kraft von Gott gegeben wird und Anmut seine Worte schmückt, die ebenfalls nicht ohne göttliches Wirken denen zuteilwird, die mit ihren Reden erfolgreich sind.“ Übersetzung: Barthold, FC 50/4, 1007. Auch in Regn. hom. lat. 2 (GCS Orig. 8, 3) betont Origenes angesichts der Schwierigkeit der Aussage in 1 Sam. 1,1, „dass ihre Auslegung ohne die Gnade einer göttlichen Kraft nicht erfolgen kann“. Übersetzung: Fürst, OWD 7, 123. Siehe auch oben S. 118 Anm. 25. – Zur Präsenz des Wortes Gottes in der Auslegung des Predigers, wodurch es seine Wirkung auf die Zuhörer entfaltet, siehe Torjesen, Hermeneutical Procedure 135–138. 83 Zur Bewertung der Heuchelei als einem der schlimmsten Laster, das hier gleich auf den Unglauben folgt und noch vor der Unzucht steht, siehe Wilckens/Kehl/Ho heisel, Art. Heuchelei 1224–1226.
Ὁμιλία αʹ
δύναμις ἐκριζοῦσα, εἴ τις ἀπιστία, εἴ τις ὑπόκρισις, εἴ τις πονηρία, εἴ τις ἀκολασία; Οὐκ ἔστι κατασκάπτουσα, εἴ που εἰδωλεῖον ᾠκοδόμηται εἰς τὴν καρδίαν; Ἵνα ἐκείνου κατασκαφέντος οἰκοδομηθῇ ναὸς τοῦ θεοῦ,a καὶ δόξα τοῦ θεοῦ εὑρεθῇ ἐν τῷ ἀνοικοδομηθέντι ναῷ, καὶ γένηται οὐκ ἄλσος, b ἀλλὰ φυτεία c παράδεισος d τοῦ θεοῦ, ὅπου ὁ ναὸς τοῦ θεοῦ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ· „ᾧ ἐστιν ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων. Ἀμήν.“ e a
1 Kor. 3,16; 2 Kor. 6,16
b
Jer. 3,6
c
Mt. 15,13
d
Gen. 2,8
e
1 Petr. 4,11
84 Vgl. dazu die Polemik gegen heidnische Kultbräuche in Hier. hom. 4,4 (GCS Orig. 32,
27). Eine ähnliche Reflexion in Barn. 16,6–10 (SUC 2, 184. 186) über den Tempel Gottes richtet sich nicht, wie hier, gegen heidnische Kulte, sondern gegen den jüdischen Tempel. 85 In den nach den Jeremiahomilien gehaltenen Predigten über das Buch Josua (siehe oben S. 6f.) bezieht Origenes sich auf diese Ausführungen: in Ios. hom. 13,3f. (GCS Orig. 7, 373f.). Im selben Sinn deutet er Jer. 1,9f. öfter: in Num. hom. 13,2 (GCS Orig. 7, 110); in Hiez. hom. 1,12 (GCS Orig. 8, 336): „Gott ist gütig, wenn er Worte gibt, um auszureißen. Doch was bedeutet es, auszureißen und niederzureißen? Gibt es eine böse Pflanze im Herzen, gibt es eine nichtswürdige Häresie – diese reißt das prophetische Wort aus, diese reißt es nieder. Möchte doch auch mir ein solches Wort gegeben werden, das die Samen der Häretiker und die aus dem Quell des Teufels fließende Lehre ausreißt, das aus der Seele des soeben neu in die Kirche Eingetretenen die Pflanze des Götzendienstes entfernt! ‚Ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt; siehe, ich habe dich eingesetzt, um auszureißen und zu vernichten‘, und zwar um jeden schlechten Bau zu zerstören.“ Cels. IV 1 (GCS Orig. 1, 273f.): „In den drei vorausgehenden Büchern haben wir, ehrwürdiger Ambrosius, unsere Gedanken zur Schrift des Kelsos ausführlich dargelegt, das vierte richten wir nun gegen die folgenden Anwürfe, nachdem wir uns im Gebet durch Christus zu Gott gewendet haben. Mögen uns solche Worte eingegeben werden, wie sie sich bei Jeremia finden, als der
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niederreißt, wenn irgendwo ein Götzentempel im Herzen gebaut worden ist? Damit, ist dieser niedergerissen, der Tempel Gottesa gebaut wird und die Herrlichkeit Gottes im wiedererbauten Tempel zu finden ist und kein Hain b84 dort entsteht, sondern eine Pflanze,c ein Garten d Gottes, und darin der Tempel Gottes in Christus Jesus.85 „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ e
Herr zum Propheten sprach: ‚Siehe, ich habe meine Worte in deinen Mund wie Feuer gelegt. Siehe, ich habe dich heute über Völker und Königreiche gesetzt, um zu entwurzeln und niederzureißen und aufzulösen und herabzuziehen und um wieder aufzubauen und neu zu pflanzen‘ (Jer. 1,9f.). Und auch wir wünschen uns jetzt Worte, die in jeder Seele, die durch die Schrift des Kelsos oder ähnliche Gedanken korrumpiert ist, alle gegen die Wahrheit gerichteten Auffassungen ‚entwurzeln‘. Es bedarf aber auch der Gedanken, die die Gebäude jeder falschen Meinung ‚niederreißen‘ und ebenso das Gebäude des Kelsos in seiner Schrift, das dem Bau der Menschen ähnlich ist, die sagen: ‚Auf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis zum Himmel reicht!‘ (Gen. 11,4). Aber wir benötigen auch Weisheit, die ‚jede Selbstüberhebung‘ ‚herabzieht‘, ‚die sich gegen die Erkenntnis Gottes auflehnt‘ (2 Kor. 10,5) und gegen die anmaßende ‚Selbstüberhebung‘ des Kelsos, ‚die sich gegen‘ uns ‚auflehnt‘. Da wir also nicht aufhören dürfen, die zuvorgenannten Irrtümer ‚zu entwurzeln und niederzureißen‘, sondern an der Stelle des Entwurzelten Gewächse eines gottgefälligen Gartens (vgl. 1 Kor. 3,9) ‚neu zu pflanzen‘ und am Ort der niedergerissenen Gebäude ein Gebäude Gottes und einen Tempel der Herrlichkeit Gottes errichten müssen, deswegen müssen wir auch den Herrn bitten, der das verliehen hat, was bei Jeremia geschrieben steht, dass er auch uns Worte schenke, um das Gebäude Christi zu errichten und das geistige Gesetz ‚neu zu pflanzen‘ sowie die prophetischen Worte, die ihm entsprechen.“ Übersetzung: Barthold, FC 50/3, 661.
Εἰς τὸ „πῶς ἐστράφης εἰς πικρίαν, ἡ ἄμπελος ἡ ἀλλοτρία;“ μέχρι τοῦ „ἐὰν ἀποπλύνῃ ἐν νίτρῳ καὶ πληθύνῃς σεαυτῇ πόαν, κεκηλίδωσαι ἐν ταῖς ἀδικίαις σου ἐναντίον ἐμοῦ, λέγει κύριος“.a
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1. „Ὁ θεὸς θάνατον οὐκ ἐποίησεν, οὐδὲ τέρπεται ἐπ̓ ἀπωλείᾳ ζώντων· ἔκτισε γὰρ εἰς τὸ εἶναι τὰ πάντα, καὶ σωτήριοι αἱ γενέσεις τοῦ κόσμου, καὶ οὐκ ἔστιν ἐν αὐταῖς φάρμακον ὀλέθρου, οὐδὲ ᾅδου βασίλειον ἐπὶ γῆς.“ b || Εἶτα ὀλίγον ὑπερβὰς τὸ ῥητὸν ἐρῶ, πόθεν οὖν θάνατος εἰσῆλθεν· „Φθόνῳ δὲ διαβόλου θάνατος εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον.“ c Εἴ τι οὖν ἄριστον περὶ ἡμᾶς, ὁ θεὸς πεποίηκεν, ἡμεῖς δὲ ἑαυτοῖς ἐκτίσαμεν τὴν κακίαν καὶ τὰς ἁμαρτίας. Διὰ τοῦτο καὶ ἐν|θάδε ἡ ἀρχὴ τοῦ ἀναγνώσματος ἡ ἐν τῷ προ φήτῃ οἷον ἐπαπορητικῶς ἔλεγεν πρὸς τοὺς πικρότητα ἐσχηκότας ἐν τῇ ψυχῇ ἐναντίαν τῇ γλυκύτητι, ἣν ὁ θεὸς κατεσκεύασεν αὐτῇ· „Πῶς ἐστρά φης εἰς πικρίαν, ἡ ἄμπελος ἡ ἀλλοτρία;“ d Ὡσεὶ ἔλεγε· Χωλότητα οὐκ ἐποίη σεν ὁ θεός, ἀλλ̓ ἀρτίποδας πεποίηκε πάντας, αἰτία δὲ γεγένηται τοῦ χωλανθῆναι τοὺς κεχωλωμένους; Καὶ πεποίηκεν ὁ θεὸς τὰ μέλη πάντα προηγουμένως ὑγιαίνοντα, γέγονε δέ τις αἰτία τοῦ παθεῖν τινα; Τὸν αὐτὸν τρόπον ἡ ψυχὴ οὐ τοῦ πρώτου μόνου γέγονε „κατ̓ εἰκόνα“, ἀλλὰ παντὸς ἀνθρώπου. Τὸ γὰρ „Ποιήσωμεν ἄνθρωπον κατ̓ εἰκόνα καὶ καθ̓ ὁμοίωσιν ἡμετέραν“ e φθάνει ἐπὶ πάντας ἀνθρώπους. Καὶ ἔστι πρεσβύτερον ὥσπερ ἐν τῷ Ἀδὰμ ἐκεῖνο ὃ οἱ πολλοὶ νοοῦσι τὸ „κατ̓ εἰκόνα“ τοῦ προσειλημμένου a
Jer. 2,21f.
b
Weish. 1,13f.
2 μέχρι Kl μέχρις S mit H (qua causa)
c
Weish. 2,24
d
Jer. 2,21
e
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10 ἄριστον C Del Kl Nt ἀρεστὸν S We
16 τίς αἰτία Co Kl
86 Das hier vorkommende Wort πόα bedeutet „Gras“. Es übersetzt das hebräische ברית
(borith), das die „Lauge“ bezeichnet, die aus einer Grassorte (Waschgras) gewonnen wurde. 87 Eusebius, praep. ev. XIII 3,38f. (GCS Eus. 8/2, 174f.), referiert die drei von Origenes hier zitierten Bibelstellen als Belege dafür, dass es „Lehre der Hebräer (d.h. der Bibel) ist, dass Gott (der laut Gen. 1,4.31 nur Gutes erschafft) nicht auch der Urheber des Bösen ist“. 88 Klostermann fasst τίς in diesem Satz als Fragepartikel auf, versteht beide Sätze von daher als Fragesätze und ergänzt im ersten Satz aus Hieronymus ein τίς vor αἰτία.
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Über: „Wie hast du dich in Bitterkeit verwandelt, du fremder Weinstock?“ bis: „Auch wenn du dich mit Natron abwäschst und mit Lauge86 überschüttest, bist du in deinen Ungerechtigkeiten vor mir befleckt, spricht der Herr.“a 5
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HOMILIE 2 1. „Gott hat den Tod nicht gemacht, und er hat keine Freude am Untergang des Lebendigen. Zum Dasein hat er nämlich alles erschaffen, und wohlbewahrt sind die Geschöpfe der Welt. Kein Gift des Verderbens ist in ihnen, und die Unterwelt hat keine Macht auf Erden.“ b Im Anschluss daran übergehe ich ein Stück Text und werde zitieren, woher nun der Tod gekommen ist: „Durch den Neid des Teufels aber ist der Tod in die Welt hineingekommen.“ c Wo es also etwas Vortreffliches bei uns gibt, hat Gott es geschaffen, wir selbst aber haben uns die Schlechtigkeit und die Sünden erschaffen. Aus diesem Grund richtete sich auch an der vorliegenden Stelle der Beginn der Lesung aus dem Propheten gleichsam mit einer aporetischen Frage an Leute, die Bitterkeit in der Seele haben anstelle der Süßigkeit, mit der Gott sie ausgestattet hat: „Wie hast du dich in Bitterkeit verwandelt, du fremder Weinstock?“ d87 Das ist, als würde man sagen: Die Lahmheit hat Gott nicht geschaffen, sondern er hat alle mit gesunden Füßen geschaffen; aber wurde zur Ursache dafür, dass die Gelähmten gelähmt sind? Und wenn Gott alle Glieder ursprünglich gesund geschaffen hat, was wurde zur Ursache dafür, dass einige krank sind?88 In gleicher Weise ist die Seele nicht nur des ersten, sondern jedes Menschen „nach dem Bild“ entstanden. Denn die Aussage: „Lasst uns den Menschen nach unserem Bild und Gleichnis schaffen“ e bezieht sich auf alle Menschen.89 Und wie in Adam jenes, was die meisten unter
Weil mit ὡσεὶ ἔλεγε das ἔλεγεν der vorausgehenden Frage expliziert wird, scheint uns dies das richtige Verständnis des Textes zu sein. Schadel, BGrL 10, 67, und Smith, FaCh 97, 23, übersetzen in diesem Sinn. Nautin, SC 232, 238, hingegen behandelt τις im zweiten Satz enklitisch (wogegen die Stellung vor dem Subjekt spricht), liest beide Sätze als Aussagesätze und hält die Hinzufügung von τίς im ersten Satz für „inutile“ (GCS Orig. 32, 358). 89 Auch in Ioh. comm. XIII 50,331 (GCS Orig. 4, 278) weist Origenes zu Gen. 1,26 darauf hin, dass „Gott das über alle Menschen sagt“. Vgl. ferner ebd. II 23,148 (4, 79); Cels. VII 66 (GCS Orig. 2, 216).
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αὐτῷ, ὅτε ἐφόρεσε διὰ τὴν ἁμαρτίαν „τὴν εἰκόνα τοῦ χοϊκοῦ“,a οὕτως ἐν πᾶσι πρεσβύτερον τὸ „κατ̓ εἰκόνα“ θεοῦ τῆς εἰκόνος τῆς χείρονος. „Ἐφορέ σαμεν“ ἁμαρτωλοὶ ὄντες „τὴν εἰκόνα τοῦ χοϊκοῦ, φορέσωμεν“ μετανοοῦντες „τὴν εἰκόνα τοῦ ἐπουρανίου.“ b Πλὴν ἡ κτίσις γέγονεν ἐν εἰκόνι τοῦ ἐπου ρανίου. Ἀπορεῖ οὖν ἐνθάδε πρὸς τοὺς ἁμαρτάνοντας ἐλεγκτικῶς λέγων ὁ λόγος· „Πῶς ἐστράφης εἰς πικρίαν, ἡ ἄμπελος ἡ ἀλλοτρία; Ἐγὼ“ γὰρ „ἐφύτευσά σε ἄμπελον καρποφόρον πᾶσαν ἀληθινήν.“ c Ἐν τοῖς πρὸ τούτων λέλεκται, καὶ ἐπαναλαβὼν ὀλίγα πείσω ὑμᾶς, ὅτι θεὸς μὲν καλὴν ἄμπελον ἐφύτευσε τὴν τοῦ ἀνθρώπου ψυχήν, ἕκαστος δὲ στραφεὶς γέγονεν ἐναντίος τῷ βουλήματι τοῦ κτίσαντος. „Ἐγὼ δὲ ἐφύτευσά σε ἄμπελον καρποφόρον πᾶσαν“, οὐκ ἐκ μέρους „ἀληθινήν“ οὐδὲ τὴν μὲν ἀληθινὴν τὴν δὲ ψευδῆ, ἀλλ̓ „ἐγὼ ἐφύτευσά σε ἄμπελον καρποφόρον πᾶσαν ἀληθινήν· πῶς ἐστρά φης“, ἐμοῦ κτίσαντός σε || πᾶσαν ἀληθινὴν ἄμπελον, σὺ „πῶς ἐστράφης εἰς πικρίαν“ καὶ γέγονας ἀλλοτρία ἄμπελος; 2. Μετὰ ταῦτα ἴδωμεν τὸ „ἐὰν ἀποπλύνῃ ἐν νίτρῳ καὶ πληθύνῃς | σεαυτῇ πόαν, κεκηλίδωσαι ἐν ταῖς ἀδικίαις σου ἐναντίον ἐμοῦ, λέγει κύρι ος“. d Ἆρα ᾤετό τις ἁμαρτήσασα ψυχὴ νίτρον λαβοῦσα καὶ ἀποπλυναμένη νίτρῳ αἰσθητῷ, ὅτι παύεται τῆς κηλῖδος καὶ παύεται τῆς ἁμαρτίας; Ὑπελάμβανε δέ τις πόαν ταύτην τὴν ἀνατέλλουσαν ἀπὸ γῆς λαβὼν καὶ ἀποπλυνάμενος καὶ ἀποσμηξάμενος καθαρθῆναι τὴν ψυχήν, ὅτι λέγει ἐνταῦθα ὁ λόγος τῇ στραφείσῃ εἰς πικρίαν καὶ γενομένῃ ἀλλοτρίᾳ ἀμπέλῳ· „Ἐὰν ἀποπλύνῃ ἐν νίτρῳ καὶ πληθύνῃς σεαυτῇ πόαν, κεκηλίδωσαι ἐν ταῖς a
1 Kor. 15,49
b
1 Kor. 15,49
c
Jer. 2,21
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Jer. 2,22
90 „Die meisten“, darunter Origenes, beziehen diese Wendung auf die „vernunftbegab-
te Seele“ (λογικὴ ψυχή): in Gen. frg. D 11 Metzler (OWD 1/1, 160). Vgl. in Gen. hom. 1,13 (GCS Orig. 6, 15); princ. I 2,6 (GCS Orig. 5, 34); III 6,1 (5, 280); dial. 15f. (SC 67, 88); Cels. VI 63 (GCS Orig. 2, 133f.); in Rom. comm. II 9,37 (SC 532, 414); in Cant. comm. prol. 1,1 (OWD 9/1, 56). Siehe auch oben S. 126 Anm. 44. Im notierten Fragment aus dem Genesiskommentar setzt Origenes sich mit der – nach seiner Auskunft beispielsweise von Melito von Sardes vertretenen – Ansicht auseinander, die Wendung „nach dem Bild“ auf den Körper des Menschen zu beziehen; vgl. auch dial. 12 (SC 67, 80). Siehe dazu Crouzel, Théologie de l’image 153–160. 91 Vgl. in Luc. hom. 39,5 (GCS Orig. 92, 219f.): „Im Menschen gibt es zwei Bilder, eines, das er von Gott bei seiner Erschaffung am Anfang erhielt, wie es in der Genesis heißt: ‚nach dem Bild und Gleichnis Gottes‘ (Gen. 1,26), ein anderes des ‚irdischen‘ (1 Kor. 15,49) Menschen, das er, aus dem Paradies wegen seines Ungehorsams und seiner Sünde verbannt, später annahm, als er sich von den Verlockungen des ‚Fürsten dieser Welt‘ (Joh. 12,31) hat bestricken lassen.“ Übersetzung: Sieben, FC 4/2, 389. 92 Origenes sieht in Jer. 2,21 die Frage nach der Herkunft des Bösen angesichts der Gutheit des Schöpfers gestellt. In seinen wiederholten Fragen formuliert er sie mehr-
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„nach dem Bild“ verstehen,90 älter ist als das, was er sich dazuerworben hat, als er wegen der Sünde „das Bild des Irdischen“a trug, so ist in allen Menschen das, was „nach dem Bild“ Gottes ist, älter als das Bild des Schlechteren.91 Als Sünder „trugen wir das Bild des Irdischen“; kehren wir um und „tragen wir das Bild des Himmlischen“! b Jedenfalls ist die Schöpfung im Bild des Himmlischen entstanden. Der Text wirft hier eine aporetische Frage auf, wenn zu den Sündern tadelnd gesagt wird: „Wie hast du dich in Bitterkeit verwandelt, du fremder Weinstock?“ Denn „ich habe dich als fruchtbaren Weinstock gepflanzt, in jeder Hinsicht echt.“ c In den Worten davor hieß es – und indem ich einiges davon aufgreife, hoffe ich euch zu überzeugen –, dass Gott die Seele des Menschen zwar als guten Weinstock gepflanzt hat, aber jeder sich verwandelt hat und in Gegensatz zum Willen des Schöpfers geraten ist. „Ich aber habe dich als fruchtbaren Weinstock gepflanzt, in jeder Hinsicht“, nicht nur zum Teil „echt“, nicht teilweise echt, teilweise unecht, sondern: „Ich habe dich als fruchtbaren Weinstock gepflanzt, in jeder Hinsicht echt. Wie hast du dich verwandelt?“ Wenn ich dich als einen in jeder Hinsicht echten Weinstock erschaffen habe, „wie hast du dich in Bitterkeit verwandelt“ und bist ein fremder Weinstock geworden?92 2. Danach lasst uns die Aussage betrachten: „Auch wenn du dich mit Natron abwäschst und mit Lauge überschüttest, bist du in deinen Ungerechtigkeiten vor mir befleckt, spricht der Herr.“ d Meint denn etwa eine sündige Seele, wenn sie Natron nimmt und sich mit materiellem Natron abwäscht, gehe ihre Befleckung weg und gehe ihre Sünde weg? Nimmt denn jemand an, wenn er dieses aus der Erde sprießende Gras93 nimmt und sich damit abwäscht und abreibt, werde seine Seele gereinigt, weil das Wort hier zu dem Weinberg, der sich in Bitterkeit verwandelt hat und ein fremder Weinberg geworden ist, sagt: „Auch wenn du dich mit Seife abwäschst und mit Lauge überschüttest, bist du in deinen Ungerechtigkeiten vor mir befleckt, spricht mals – ohne sie allerdings zu beantworten, außer mit dem ebenso platonischen (vgl. Platon, Gorg. 523a–527e; Phaid. 73a–76e; polit. X 614a–621d: siehe unten S. 436 Anm. 648) wie christlichen Hinweis, dass nicht Gott, sondern der Mensch dafür verantwortlich sei: princ. I 7,4 (GCS Orig. 5, 90); I 8,1f. (5, 95–98); II 9,7 (5, 170f.); III 3,5 (5, 261f.). Siehe dazu Koch, Pronoia und Paideusis 96–159; Scott, Problem of Evil 49–73. Im Folgenden konzentriert er sich daher auf die Frage nach der Überwindung des Bösen, zu der er einiges mehr zu sagen weiß. Torjesen, Hermeneutical procedure 77, weist darauf hin, dass das Problem der Sünde für Origenes nicht in einer vergangenen Sünde besteht, die Vergebung erfordert, sondern in den sündigen Existenz weisen der einzelnen Menschen, die das Wachstum der Seele zur Vollkommenheit verhindern und deshalb geändert werden müssen. Ein Bewusstsein dafür zu wecken und die Zuhörer von ihrem sündigen Dasein wegzurufen ist die oberste Absicht des Origenes in den Jeremiahomilien: ebd. 51f. (siehe dazu auch oben S. 110 Anm. 6). 93 Gemeint ist die aus Waschgras hergestellte Lauge: oben S. 144 Anm. 86.
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ἀδικίαις σου ἐναντίον ἐμοῦ, λέγει κύριος“;a Ἀλλὰ χρὴ εἰδέναι, ὅτι ὁ λόγος πᾶσαν δύναμιν ἔχει· καὶ ὥσπερ πάσης γραφῆς δύναμιν ἔχει, οὕτως ὁ λόγος ἔχει παντὸς φαρμάκου δύναμιν καὶ παντὸς τοῦ καθαρίζοντος δύναμίς ἐστι καὶ σμηκτικώτατος· „Ζῶν γὰρ ὁ λόγος τοῦ θεοῦ καὶ ἐνεργὴς καὶ τομώτερος ὑπὲρ πᾶσαν μάχαιραν δίστομον.“ b Καὶ ὃ ἐὰν εἴπῃς, οὗ ἐστι χρεία, τοῦτό ἐστιν ἐν τῇ δυνάμει τοῦ λόγου. Ἔστιν οὖν τις λόγος νίτρον καὶ ἔστι τις λόγος πόα, ὅστις τοὺς τοιούτους ῥύπους καθαίρει λαληθείς. Ἐπεὶ δὲ ἀπὸ τοῦ τοιούτου λόγου ὅστις ἐστὶ νίτρον καὶ ἀπὸ τοῦ τοιούτου δὲ λόγου ὅς ἐστι πόα οὐ πᾶσα ἁμαρτία θεραπεύεται, ἀλλ̓ ἔστιν ἁμαρτήματα οὐ δεόμενα νίτρου οὐδὲ πόας, λέγεται πρὸς τὴν οἰομένην ἁμαρτήματα ἔχειν ὡς δυνάμενα ἀποπλυθῆναι ἐν νίτρῳ καὶ πόᾳ, τὸ „ἐὰν ἀποπλύνῃ ἐν νίτρῳ καὶ πληθύνῃς σεαυτῇ πόαν, κεκηλί δωσαι ἐναντίον ἐμοῦ ἐν ταῖς ἀδικίαις σου, λέγει κύριος“. c Καὶ ὥσπερ τῶν τραυμάτων τινά ἐστιν ἃ μαλάγματι θεραπεύεται, καὶ ἄλλα ἐλαίῳ θεραπεύε ται, καὶ ἄλλα δεῖται καταδέσμου καὶ οὕτως ὑγιάζεται, ἄλλα δέ ἐστι τραύματα ἐφ̓ οἷς λέγεται· „Οὐκ ἔστι μάλαγμα ἐπιθεῖναι οὔτε ἔλαιον οὔτε καταδέσμους· ἀλλὰ ἡ γῆ ὑμῶν ἔρημος, αἱ πόλεις ὑμῶν πυρίκαυστοι“· d || οὕτως ἔστι τινὰ ἁμαρτήματα, ἃ ῥυποῖ τὴν ψυχήν, καὶ δεῖται ὁ ἄνθρωπος ἐπὶ τούτοις τοῖς ἁμαρτήμασι λόγου νίτρου, λόγου πόας· ἔστι δέ τινα ἁμαρ τήματα, ἃ οὐχ οὕτως θεραπεύεται, οὐδὲ γὰρ ῥύπῳ παραβάλλεται. Διὰ τοῦτο τὰς διαφορὰς τῶν ἁμαρτημάτων ἐπιστάμενος ὁ ἐν τῷ Ἡσαΐᾳ κύριος ὅρα πῶς λέγει τὸ „ἐκπλυνεῖ κύριος τὸν ῥύπον τῶν υἱῶν καὶ τῶν θυγα τέρων Σιών, καὶ τὸ αἷμα ἐκκαθαριεῖ ἐκ μέσου αὐτῶν πνεύματι | κρίσεως καὶ πνεύματι καύσεως“. e Ῥύπον καὶ αἷμα· ῥύπον κρίσεως, αἷμα πνεύματι καύσεως. Εἰ „πρὸς θάνατον“ f ἥμαρτες, πλὴν ἥμαρτες, ῥερύ πωσαι. „Ἐκπλυνεῖ“ οὖν „κύριος τὸν ῥύπον τῶν υἱῶν καὶ τῶν θυγατέρων Σιών, καὶ τὸ αἷμα ἐκκαθαριεῖ ἐκ μέσου αὐτῶν“, εἶτα ἀνταπόδοσις πρὸς μὲν a
Jer. 2,22
b
Hebr. 4,12
c
Jer. 2,22
d
Jes. 1,6f.
7 ἔστι Co ἔστη S 8 ἐπεὶ δὲ Kl ἐπειδὴ S mit H (spiritu) 25 οὐ Kl
e
Jes. 4,4
f
1 Joh. 5,16f.
12 πόᾳ Co παρὰ S
24 πνεύματι Kl
94 Hinter diesen Aussagen steckt ein dem stoischen Logos ähnliches Konzept, gemäß
dem der Logos aller Dinge an einem universalen Logos teilhat, den Origenes mit dem Wort Gottes in der Bibel bzw. dem inkarnierten Sohn Gottes identifiziert: Cels. IV 3 (GCS Orig. 1, 275f.); V 39 (2, 43f.); VIII 17 (2, 234f.); in Matth. comm. X 2 (GCS Orig. 10, 2). Zu dieser „Kraft“ siehe auch oben S. 118 Anm. 25 und S. 141 Anm. 82. Eine umfassende Studie zu diesem Konzept ist Gögler, Theologie des biblischen Wortes. 95 Vgl. Hieronymus, in Hier. I 30,1 (CChr.SL 74, 22): „Auch das Wort der Kirche, das einen Sünder anklagt, schilt und tadelt, hat Ähnlichkeit mit einer etwas schärferen Seife.“
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der Herr“?a Man muss aber wissen, dass das Wort über alle Kraft verfügt. Und wie es über die Kraft der ganzen Schrift verfügt, so verfügt das Wort über die Kraft eines jeden Heilmittels und ist die Kraft all dessen, was reinigt, ja, es reinigt am besten: „Denn lebendig ist das Wort Gottes und voller Kraft und schärfer als jedes zweischneidige Schwert.“ b Und was auch immer du als notwendig bezeichnest: Es liegt in der Kraft des Wortes.94 Es gibt also ein Wort, das Natron ist, und es gib ein Wort, das Lauge ist, das diese Arten von Schmutz reinigt, wenn es ausgesprochen wird.95 Da jedoch von einem solchen Wort, das Natron ist, und von einem solchen Wort, das Lauge ist, nicht jede Sünde geheilt wird, sondern es Sünden gibt, für die weder Natron noch Lauge taugen, wird zu der Seele, die meint, Sünden zu haben, die mit Natron und Lauge abgewaschen werden könnten, gesagt: „Auch wenn du dich mit Natron abwäschst und mit Lauge überschüttest, bist du in deinen Ungerechtigkeiten vor mir befleckt, spricht der Herr.“ c Und wie von den Wunden einige mit einer Salbe behandelt, andere mit Öl behandelt werden und wiederum andere eines Verbandes bedürfen und auf diese Weise geheilt werden, es aber auch noch andere Wunden gibt, von denen gesagt wird: „Es ist nicht möglich, eine Salbe darauf zu tun, noch Öl oder Verbände; vielmehr ist euer Land verwüstet, sind eure Städte in Flammen aufgegangen“,d so gibt es manche Sünden,96 die die Seele beschmutzen, und für diese Sünden benötigt der Mensch ein Wort als Natron, ein Wort als Lauge.97 Es gibt aber auch manche Sünden, die auf diese Weise nicht geheilt werden, weil sie sich auch nicht mit Schmutz vergleichen lassen. Sieh daher, wie der Herr, der die Unterschiede zwischen den Sünden kennt, im Buch Jesaja sagt: „Abwaschen wird der Herr den Schmutz der Söhne und Töchter Zions, und das Blut wird er aus ihrer Mitte im Geist des Gerichts und im Geist des brennenden Feuers reinigen.“ e Schmutz und Blut: Schmutz des Gerichts, Blut im Geist des brennenden Feuers.98 Wenn du eine Sünde begehst, die „zum Tod“ führt,f hast du jedenfalls gesündigt und bist schmutzig. „Abwaschen“ also „wird der Herr den Schmutz der Söhne und Töchter Zions, und das Blut wird er aus ihrer Mitte reinigen“, und als
96 Auch andernorts bezieht Origenes Jes. 1,6 auf Sünden bzw. Sünder: philoc. 26,5
(SC 226, 252–254): „Unter Wunden, Schwären und Krankheiten ist das zu verstehen, was den nachlässigen Seelen aufgrund ihrer Schlechtigkeit widerfährt“; in Lev. hom. 8,5 (GCS Orig. 6, 402). 97 Vgl. philoc. 27,4 (SC 226, 278): „Das Wort Gottes ist ein Arzt für die Seele. Es wendet die vielfältigsten Behandlungsmethoden an, wie sie zum jeweils richtigen Zeitpunkt zu den Kranken passen.“ 98 Vgl. orat. 29,15 (GCS Orig. 2, 390). Dieselbe Junktur lateinisch in Luc. hom. 14,3 (GCS Orig. 92, 85) im Zitat von Jes. 4,4: spiritu iudicii sordem, et spiritu combustionis sanguinem. Vgl. auch das Zitat von Jes. 4,4 in princ. II 10,6 (GCS Orig. 5, 180).
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„τὸν ῥύπον“ „πνεύματι κρίσεως“ ·a καὶ δεόμεθα οἱ πολλοί, ὅταν χείρονα ἁμάρτωμεν, οὐ νίτρου οὐδὲ τοῦ πληθῦναι πόαν, ἀλλὰ τοῦ πνεύματος τῆς καύσεως. 3. Διὰ τοῦτο ὁ Ἰησοῦς βαπτίζει (τάχα νῦν εὑρίσκω τὸν λόγον) „ἐν πνεύματι [καὶ] ἁγίῳ καὶ πυρί“. b Οὐχ ὅτι τὸν αὐτὸν „ἐν πνεύματι ἁγίῳ καὶ πυρί“, ἀλλὰ τὸν μὲν ἅγιον ἐν πνεύματι ἁγίῳ, τὸν δὲ μετὰ τὸ πιστεῦσαι, μετὰ τὸ ἀξιωθῆναι ἁγίου πνεύματος, πάλιν ἡμαρτηκότα λούει ἐν πυρί· ὡς μὴ τὸν αὐτὸν εἶναι βαπτιζόμενον ὑπὸ Ἰησοῦ „ἐν πνεύματι ἁγίῳ καὶ πυρί“. Μακάριος οὖν ὁ βαπτιζόμενος ἐν ἁγίῳ πνεύματι καὶ μὴ δεόμενος βαπτίσμα τος τοῦ ἀπὸ πυρός. Τρισάθλιος δὲ ἐκεῖνος, ὅστις χρείαν ἔχει βαπτίσασθαι τῷ πυρί. Πλὴν ἀμφότερα ἔχει ὁ Ἰησοῦς. „Ἐξελεύσεται“ γὰρ „ῥάβδος ἐκ τῆς ῥίζης Ἰεσσαί, καὶ ἄνθος ἐκ τῆς ῥίζης ἀναβήσεται“, c ῥάβδος ἐπὶ τοὺς κολα ζομένους, . Οὕτως „ὁ θεὸς πῦρ καταναλίσκον“ d ἐστί, καὶ „ὁ θεὸς φῶς ἐστι“· e πῦρ καταναλίσκον τοῖς ἁμαρτωλοῖς, φῶς τοῖς δικαίοις καὶ ἁγίοις. Καὶ „μακάριος ὁ ἔχων μέρος ἐν τῇ ἀναστάσει τῇ πρώτῃ“, f ὁ τηρήσας τὸ βάπτισμα τοῦ ἁγίου πνεύματος. Τίς ἐστιν ὁ ἐν ἑτέρᾳ | σῳζόμενος ἀναστάσει; Ὁ δεόμενος βαπτίσματος τοῦ ἀπὸ πυρός, a
Jes. 4,4
b
Lk. 3,16
c
Jes. 11,1
d
Hebr. 12,29; Dtn. 4,24; 9,3
e
1 Joh. 1,5
f
1–2 πρὸς – καύσεως Bl 5 καὶ1 del. Co 5 ἁγίῳ2 καὶ3 Co H καὶ ἁγίῳ S – δικαίους Kl mit H (flos iustis) 15 μακάριος Co H (beatus) μακαρίοις S
Offb. 20,6 13 ἄνθος
99 Hieronymus versucht diesen komplizierten Abschnitt durch eine freie Übersetzung
klarer zu machen: Si peccasti et peccatorum sorde pollutus es, ‚lauabit Dominus sordes filiorum et filiarum Sion, et sanguinem emundabit de medio eorum‘. Si autem mortale peccatum est, non possumus nitro poaque mundari et spiritu iudicii, sed spiritu combustionis et poenae – „Wenn du gesündigt und dich mit dem Schmutz von Sünden befleckt hast, ‚wird der Herr den Schmutz der Söhne und Töchter Zions abwaschen, und das Blut wird er aus ihrer Mitte reinigen‘ (Jes. 4,4). Wenn es sich aber um eine Todsünde handelt, können wir nicht mit Natron und Lauge und im Geist des Gerichts gereinigt werden, sondern nur im Geist des brennenden Feuers und der Strafe.“ In seinem Jeremiakommentar drückt er den Gedanken so aus (in Fortsetzung des oben S. 148 Anm. 95 zitierten Satzes), in Hier. I 30,2 (CChr.SL 74, 22): „Wer aber mit dem Schmutz leichterer Sünden befleckt ist, wird mit leichteren Ermahnungen gereinigt. Und schwere Sünden, die zum Tod führen, können weder mit Natron noch mit dem Gras borith (Hieronymus gibt das hebräische Wort für ‚Waschgras‘ = ‚Lauge‘ wieder: siehe oben S. 144 Anm. 86) abgewaschen werden, sondern haben schwerere Strafen nötig.“ 100 Ebenso in Luc. hom. 24 (GCS Orig. 92, 148). Schon Clemens von Alexandria, strom. VI 108f. (GCS Clem. Al. 24, 486), hat eine solche Theorie entwickelt. Trigg, Bible and Philosophy 193, deutet die Stelle so, dass die Taufe im Heiligen Geist eine weitere Stufe der Seligkeit sei, die nur einige wenige Auserwählte erlangen; das geht aber weder aus diesem noch aus den anderen angeführten Texten hervor. Weitere Überlegungen dazu bei Bigg, Christian Platonists 229 (mit Anm. 2); Hanson, Allegory and Event 341 (mit Anm. 5). 353.
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Entsprechung für „Schmutz“ steht dann „im Geist des Gerichts“, .a Und die meisten von uns benötigen, wenn wir schwerer sündigen, weder Natron noch eine Menge Lauge, sondern den Geist des brennenden Feuers.99 3. Deswegen tauft Jesus – vielleicht finde ich jetzt die Erklärung – „im Heiligen Geist und im Feuer“.b Es ist nicht so, dass er den gleichen Menschen „im Heiligen Geist und im Feuer“ tauft, sondern den heiligen tauft er im Heiligen Geist, den aber, der, nachdem er zum Glauben gefunden hat und des Heiligen Geistes für würdig befunden worden ist, wieder Sünder geworden ist, den wäscht er im Feuer, so dass es nicht der gleiche Mensch ist, der von Jesus „im Heiligen Geist und im Feuer“ getauft wird.100 Selig also, wer im Heiligen Geist getauft ist und die Taufe des Feuers nicht nötig hat. Dreimal unselig aber jener, der es nötig hat, mit dem Feuer getauft zu werden. Jedenfalls vermag Jesus beides. Denn „eine Rute wird aus der Wurzel Isais hervorgehen, und eine Blüte wird aus der Wurzel aufgehen“,c Rute für die Bestraften, .101 So ist „Gott verzehrendes Feuer“,d und „Gott ist Licht“:e verzehrendes Feuer für die Sünder, Licht für die Gerechten und Heiligen.102 Und „selig, wer an der ersten Auferstehung teilhat“,f103 wer die Taufe des Heiligen Geistes bewahrt hat.104 Wer ist es, der in der anderen Auferstehung gerettet wird?105 Der, der die Taufe des Feuers nötig hat, wenn
101 Diese ethische Auslegung von Jes. 11,1 entfaltet Origenes ausführlich in Ioh. comm.
I 36,262f. (GCS Orig. 4, 46); in Num. hom. 9,9 (GCS Orig. 7, 67); in Is. hom. 3,1 (GCS Orig. 8, 254; siehe dazu OWD 10, 220f. mit Anm. 48–50 und die theologischen Erläuterungen ebd. 153f.); sel. in Hiez. 7,10 (PG 13, 791). 102 Vgl. in Ioh. comm. XIII 23,139 (GCS Orig. 4, 247); in Matth. comm. XVII 19 (GCS Orig. 10, 639f.); in Hier. hom. 16,5f. (GCS Orig. 32, 138). Siehe dazu Nautin, SC 232, 177–179. 103 In Luc. frg. 209 (GCS Orig. 92, 317): „Die Auferstehung der Gerechten ist die, die Johannes in der Offenbarung die erste nennt (vgl. Offb. 20,5f.).“ 104 Die Vorstellung der Bewahrung der Taufe geht auf Hermas, sim. 8,6(72),3 (GCS 48, 71) zurück. Für Origenes vgl. in Luc. hom. 24,2 (GCS Orig. 92, 148): … et aquae et spiritus lauacra seruasse. 105 In einem Fragment aus dem Jesajakommentar überlegt Origenes aufgrund der Aussage in Offb. 20,6, „ob nicht das ganze Geschehen der Auferstehung in zwei Teile geteilt werden kann: auf der einen Seite die Gerechten, die gerettet werden, auf der anderen Seite die Sünder, die gepeinigt werden, so dass es eine Auferstehung der Guten gibt, genannt die erste, und eine der Unglücklichen, genannt die zweite“: in Is. frg. 2 (OWD 10, 309–311) bei Pamphilus, apol. Orig. 137 (SC 464, 220–222). In einem kurz davor ebenfalls von Pamphilus, ebd. 134 (464, 216), zitierten Stück aus der verlorenen Frühschrift über die Auferstehung äußert sich Origenes ähnlich. In princ. II 10,2 (GCS Orig. 5, 174f.) verweist er auf diese Ausführungen. Siehe dazu Hanson, Allegory and Event 346; Fürst/Hengstermann, OWD 10, 9f.
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ὅταν || ἔλθῃ ἐπὶ τὸ πῦρ ἐκεῖνο, καὶ τὸ πῦρ αὐτὸν δοκιμάζῃ,a καὶ εὕρῃ τὸ πῦρ ἐκεῖνο ξύλα, χόρτον καὶ καλάμην, b ὥστε αὐτὰ κατακαῦσαι. Διὰ τοῦτο τούτων λεγομένων, ὅση δύναμις συναγαγόντες τοὺς λόγους τοὺς τῶν γραφῶν, εἰς τὴν καρδίαν ἀποτιθώμεθα αὐτοὺς καὶ κατ̓ αὐτοὺς πειραθῶμεν ζῆν, ἐὰν ἄρα δυνηθῶμεν πρὸ τῆς ἐξόδου καθαροὶ γενέσθαι, καὶ ἑτοιμάσαντες εἰς τὴν ἔξοδον τὰ ἔργα ἡμῶν ἐξελθόντες ἐν αὐτοῖς τοῖς ἀγα θοῖς παραληφθῆναι καὶ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ σωθῆναι, „ᾧ ἐστιν ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων. Ἀμήν.“ c a
1 Kor. 3,13
b
1 Kor. 3,12
c
1 Petr. 4,11
4 ἀποτιθώμεθα Del H (reponamus) ἀποτιθόμεθα S* ἀποτιθέμεθα Scorr.
106 Zur sündentilgenden Wirkung dieses Feuers, jeweils mit Bezug auf 1 Kor. 3,11–15,
vgl. in Is. hom. 4,4 (GCS Orig. 8, 262) und dazu die von Fürst/Hengstermann, OWD 10, 238 Anm. 80, notierten Origenesstellen, ferner princ. II 10,3 (GCS Orig. 5, 177); in Ioh. comm. XIII 23,138 (GCS Orig. 4, 246f.); Cels. IV 13 (GCS Orig. 1, 282f.); V 15 (2, 16); in Hier. hom. 16,5f. (GCS Orig. 32, 138); 20(19),3 (32, 181). Siehe auch die unten S. 216 Anm. 217 vermerkten Stellen.
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Homilie ,3
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er zu jenem Feuer kommt und das Feuer ihn prüfta und jenes Feuer Holz, Heu und Stroh b findet, um es zu verbrennen.106 Deshalb wollen wir nach diesen Ausführungen, nachdem wir so weit wie möglich die Worte der Schriften zusammengetragen haben, diese in unserem Herzen aufbewahren und nach ihnen zu leben versuchen,107 damit wir dann, wenn wir vor unserem Hinscheiden rein werden konnten und unsere Werke im Blick auf unser Hinscheiden verrichtet haben, nach unserem Tod bei den Guten selbst aufgenommen und in Christus Jesus gerettet werden. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ c
107 Dieselbe Aufforderung ausführlich unten in Hier. hom. 4,6 (GCS Orig. 32, 29). In Gen.
hom. 2,6 (GCS Orig. 6, 37f.) fordert Origenes seine Zuhörer auf, sich in ihren Herzen „aus den prophetischen und apostolischen Schriften“ „sozusagen die Bibliothek des göttlichen Wortes“, die „Bibliothek der göttlichen Bücher“ zu errichten. Derselbe Gedanke in Ex. hom. 9,4 (Orig. 6, 242). Siehe dazu de Lubac, Geist aus der Geschichte 405; Fürst, Origenes – der Schöpfer christlicher Wissenschaft und Kultur 106f.
Εἰς τὸ „μὴ ἔρημος ἐγενόμην τῷ οἴκῳ Ἰσραὴλ“ μέχρι τοῦ „ἢ γῆ κεχερσωμένη;“a
Ὁμιλία γʹ.
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1. Φησὶν ὁ κύριος ἐν τῇ ἀρχῇ τῶν ἀναγνωσθέντων περὶ τοῦ Ἰσραήλ, ὅτι „ἔρημος“ αὐτῷ οὐκ ἐγένετο οὐδὲ „γῆ κεχερσωμένη“. b Τίς οὖν γενόμενος ἐν τῷ τόπῳ οὐκ ἂν ζητήσαι ἐξετάζων τὸ βούλημα τοῦ γεγραμμένου; Ἔστω, ὁ θεὸς ἐν τῷ Ἰσραὴλ οὐ γέγονεν ἔρημος, οὐ γέγονεν ἐν τῷ Ἰσραὴλ γῆ κεχερσωμένη· ἆρα οὖν ἔρημος γέγονεν ὁ κύριος τῷ Ἰσραὴλ σήμερον ἢ γῆ κεχερσωμένη νῦν αὐτῷ ἐστιν; Τί δέ; Ὅτε τῷ Ἰσραὴλ ἦν οὐκ ἔρημος οὐδὲ γῆ κεχερσωμένη, τοῖς ἔθνεσιν ἦν ἔρημος καὶ γῆ κεχερσωμένη; Εἰ γὰρ πᾶσιν ἀεὶ οὐκ ἔρημός ἐστι καὶ πᾶσιν ἀεί ἐστιν οὐ γῆ κεχερσωμένη, τίς χρεία τοῦ ἰδίως πρὸς τὸν Ἰσραὴλ κατ̓ ἐξαίρετον λεχθῆναι· „Μὴ ἔρημος ἐγενόμην τῷ οἴκῳ Ἰσραὴλ ἢ γῆ κεχερσωμένη;“ c Ἀλλ̓ ἔστιν ἐλθεῖν ἐπὶ τὰς καθολικὰς εὐεργεσίας τοῦ θεοῦ, εἶτα μετὰ τὰς καθολικὰς εὐεργεσίας αὐτοῦ ἐπὶ τὰς ἰδικάς. 2. Οὐδενὶ ἔρημός ἐστιν ὁ θεός, ἀνατέλλων τὸν ἥλιον ἐπὶ πονηροὺς καὶ ἀγαθούς· οὐδενὶ κεχερσωμένη γῆ ἐστι, βρέχων ἐπὶ δικαίους | καὶ ἀδίκους. d Πῶς ἔρημος, ἀνατέλλων ἡμέραν καὶ νύκτα εἰς ἀνάπαυσιν ποιῶν; Πῶς ἔρη μος τὴν γῆν ποιῶν καρποφορεῖν; Πῶς ἔρημος ἕκαστον οἰκονομῶν κατὰ τὴν ψυχήν, ἵνα λογικὸς ᾖ, ἵνα ἐπιστήμην ἀναλαμβάνῃ, || ἵνα γυμνάζηται τὸ συνετὸν αὐτοῦ κατὰ τὸ σῶμα, ἵνα ἔχῃ ἐρρωμένα τὰ αἰσθητήρια; e Ἔστιν a
Jer. 2,31
b
Jer. 2,31
8 ἢ Gh Co ἡ S
c
Jer. 2,31
9 τί Bl ὅτι S
d
Mt. 5,45
e
Hebr. 5,14
21 ἔχῃ Kl ἔχει S
108 Mit dieser Frage bringt Origenes einen Grundsatz seiner Schrifthermeneutik zum
Ausdruck, der in seinen Exegesen bisweilen erwähnt wird und ihnen immer zugrundeliegt: Der Text der Bibel bringt nur eine bestimmte Tatsache der Heilsgeschichte zum Ausdruck. Aufgabe des Auslegers ist es, deren exakte Bedeutung, deren Gründe und Intentionen zu erkunden. Vgl. in Ioh. comm. X 41,286 (GCS Orig. 4, 219); in Matth. comm. XVI 14 (GCS Orig. 10, 519); Cels. I 42 (GCS Orig. 1, 93); in Is. hom. 3,1 (GCS Orig. 8, 253); 6,3 (8, 272) mit der Erklärung dazu bei Fürst/Hengstermann, OWD 10, 219 Anm. 45; ferner unten in Hier. hom. 4,1 (GCS Orig. 32, 22) und dazu Neuschäfer, Origenes als Philologe 320 Anm. 43. Vgl. auch in Hier. hom. 11,5 (GCS Orig. 32, 83). Siehe auch oben S. 110 Anm. 5.
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Über: „Wurde ich etwa eine Wüste für das Haus Israel“ bis: „oder ein trockenes Land?“a
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1. Zu Beginn des vorgelesenen Abschnitts sagt der Herr über Israel, dass er ihm weder „eine Wüste“ noch „ein trockenes Land“ geworden ist.b Wer wird nun wohl, wenn er an diese Stelle geraten ist, nicht nachforschen, um die Intention des Textes zu erkunden?108 Angenommen, Gott ist in Israel keine Wüste geworden, in Israel kein trockenes Land geworden: Ist dann der Herr für Israel heute eine Wüste geworden oder ist er ihm jetzt ein trockenes Land? Oder: Als er für Israel weder eine Wüste noch ein trockenes Land war, war er für die Heidenvölker eine Wüste und ein trockenes Land? Wenn er nämlich für alle nie eine Wüste ist und für alle nie ein trockenes Land ist, weshalb musste dann eigens zu Israel in betonter Weise gesagt werden: „Wurde ich etwa eine Wüste für das Haus Israel oder ein trockenes Land?“ c Demgegenüber muss man auf die allgemeinen Wohltaten Gottes zu sprechen kommen und nach seinen allgemeinen Wohltaten dann auf die besonderen. 2. Für niemanden ist Gott eine Wüste, da er die Sonne über Böse und Gute aufgehen lässt. Für niemanden ist er ein trockenes Land, da er Regen über Gerechte und Ungerechte fallen lässt.dWie sollte er eine Wüste sein, wo er doch den Tag aufgehen lässt und die Nacht zum Ausruhen erschafft? Wie sollte er eine Wüste sein, wo er doch die Erde Frucht bringen lässt? Wie sollte er eine Wüste sein, wo er doch auf die Seele jedes einzelnen Menschen einwirkt, auf dass er vernünftig ist, auf dass er Wissen erwirbt, auf dass er Klugheit einübt im Umgang mit seinem Leib, auf dass er die körperlichen Sinne bei Kräften hält? e109 Im allgemeinen Sinn also ist Gott für niemanden 109 Die Übersetzung der letzten beiden Kola dieses Satzes hängt davon ab, worauf man
die im Codex Scorialensis fast unleserliche (vgl. Klostermann, Überlieferung 16 Anm. 4) Wendung κατὰ τὸ σῶμα bezieht: Schadel, BGrL 10, 70, zieht sie in den folgenden ἵνα-Satz: „… so dass er im Körperlichen ‚die Sinne‘ (Hebr. 5,14) gekräftigt haben kann“; Nautin, SC 232, 252f., und Smith, FaCh 97, 28f., setzen davor ein Komma und behandeln die Junktur parallel zum vorausgehenden κατὰ τὴν ψυχήν als von οἰκονομῶν abhängig: „…, et dans son corps, pour qu’il ait des sens éveillés“ bzw. „…, and in the body so that it has healthy sense faculties“. Klostermann, GCS Orig. 3, 21, setzt davor kein Komma und bezieht es damit auf ἵνα γυμνάζηται τὸ συνετὸν αὐτοῦ. Es ist schwer zu sagen, wie der Text zu unterteilen ist. Da er keinerlei Signal dafür bietet (etwa ein δέ), mit κατὰ τὸ σῶμα einen neuen, von οἰκονομῶν ab-
Ὁμιλία γʹ
οὖν οὐδενὶ ἔρημος ὡς πρὸς τὸν καθόλου λόγον ὁ θεός. Ὡς δὲ πρὸς τὸν ἰδικὸν ἔρχομαι ἐπὶ τὰ τοῦ Ἰσραὴλ πράγματα καὶ λέγω· Οὔτε ἔρημος οὔτε γῆ κεχερσωμένη ἦν, ὅτε ἐν Αἰγύπτῳ ἐποίει τὰ σημεῖα καὶ τὰ τέρατα τῷ λαῷ. Eἰ δέ τις καιρὸς γέγονεν ὅτε ἐγκατελείφθησαν, οἱονεὶ ἔρημος αὐτοῖς, οὐκ ἔρημος ὢν αὐτός, ἐγένετο. Ὅτε μέντοι ἦν τῷ Ἰσραὴλ οὐκ ἔρημος οὐδὲ γῆ κεχερσωμένη, τοῖς ἔθνεσι κατὰ τὸν ἰδικὸν λόγον ἔρημος καὶ γῆ κεχερ σωμένη ἦν. Ὅτε δὲ ἀπεστράφη τὸν Ἰσραὴλ καὶ γέγονε τῷ Ἰσραὴλ ἐκείνῳ ἔρημος καὶ γῆ κεχερσωμένη, τότε ἐξεχύθη ἡ χάρις ἐπὶ τὰ ἔθνη, καὶ γέγονε νῦν ἡμῖν Χριστὸς Ἰησοῦς οὐκ ἔρημος ἀλλὰ πλήρης, καὶ οὐ γῆ κεχερσωμένη ἀλλὰ καρποφοροῦσα· „πολλὰ“ γὰρ „τὰ τέκνα τῆς ἐρήμου μᾶλλον ἢ τῆς ἐχούσης τὸν ἄνδρα.“a Καὶ ἀπειλεῖ αὐτοῖς, οἷς οὐ γέγονεν ἔρημος οὐδὲ γῆ κεχερσωμένη, λέγων· Ἐγὼ μὲν οὐ γέγονα ὑμῖν „ἔρημος“ οὐδὲ „γῆ κεχερ σωμένη“, ὑμεῖς δὲ εἰρήκατε· „Οὐ κυριευθησόμεθα, οὐχ ἥξομεν πρός σε ἔτι.“ b Ἆρα εἰρήκασιν οἱ υἱοὶ Ἰσραὴλ ἀπονενοημένως κατὰ τὴν λέξιν· „Οὐ κυριευ θησόμεθα“ a
Jes. 54,1; Gal. 4,27
b
Jer. 2,31
5 αὐτός Kl mit C αὐτοῖς S
14–15 κυριευθησόμεθα add. ὁμιλία γ΄ S
hängigen Gedanken zu bringen – was allerdings in mündlicher Rede, die hier aufgezeichnet ist, nicht unbedingt sein muss –, ist der Textgestaltung Klostermanns, der die Übersetzung hier folgt, eher der Vorzug zu geben, zumal sie von einem Katenenfragment gestützt wird, in dem es statt κατὰ τὸ σῶμα heißt: ἐν τῷ σωματικῷ (Klostermann, ebd. app. crit.). Auch sachlich ist weniger davon auszugehen, dass die Fürsorge Gottes für Seele und Leib sorgt (wenngleich das denkbar wäre), sondern für die Seele jedes einzelnen Menschen (das ist ein Hauptgedanke der Anthropologie und Soteriologie des Origenes), und dass diese dadurch befähigt wird, klug mit ihrem Leib umzugehen. Der Anklang an Hebr. 5,14 legt dieses Verständnis ebenfalls nahe, wo von „Vollkommenen“ die Rede ist, „die geübte Sinne zur Unterscheidung von Gut und Böse besitzen“ (τὰ αἰσθητήρια γεγυμνασμένα ἐχόντων πρὸς διάκρισιν καλοῦ τε καὶ κακοῦ).
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eine Wüste. Was aber den besonderen Sinn betrifft, gehe ich auf die Geschichte Israels ein und sage: Er war weder eine Wüste noch ein trockenes Land, als er in Ägypten für das Volk Zeichen und Wunder vollbrachte. Aber immer wenn eine Zeit kam, da sie verlassen wurden, wurde er ihnen gleichsam eine Wüste, ohne selbst eine Wüste zu sein. Als er jedoch für Israel weder eine Wüste noch ein trockenes Land war, war er im besonderen Sinn für die Heidenvölker eine Wüste und ein trockenes Land. Als er sich aber von Israel abwandte und für jenes Israel110 eine Wüste und ein trockenes Land wurde, da wurde die Gnade über die Heidenvölker ausgegossen, und nunmehr wurde für uns Christus Jesus nicht Wüste, sondern Fülle, und nicht trockenes, sondern fruchtbares Land. Denn „viele Kinder hat die Einsame,111 mehr als die, die einen Mann hat“.a Und er droht denen, denen er weder Wüste noch trockenes Land geworden ist, indem er sagt: Ich bin zwar für euch weder „Wüste“ noch „trockenes Land“ geworden, ihr aber habt gesagt: „Wir werden keinen Herrn haben, wir werden nicht mehr zu dir kommen.“ b Haben die Söhne Israels etwa aus Verzweiflung in dem Satz gesprochen: „Wir werden keinen Herrn haben“ 112
110 Damit verweist Origenes auf das Judentum seiner Zeit im Unterschied zum „(wah-
ren) Israel“, unter dem er die christliche Kirche versteht. 111 Im Griechischen steht hier dasselbe Wort wie für „Wüste“ (ἔρημος), weshalb Orige-
nes den Vers zur Erläuterung heranziehen kann. Es handelt sich nicht einfach nur um ein „Wortspiel“ (gegen Schadel, BGrL 10, 256 Anm. 33), sondern um eine Parallelstelle im griechischen Bibeltext. 112 Hier bricht die Überlieferung ab, der Rest der Homilie ist verlorengegangen: siehe oben S. 13. Im Codex Scorialensis steht nach κυριευθησόμεθα nochmals ὁμιλία γʹ. Der Text, der an Stelle der letzten beiden überlieferten Sätze in frg. 6/7 in der Katene steht, ist für den Text des Origenes wertlos, da er laut Klostermann, GCS Orig. 3, 21 app. crit., eine „bedenkliche Ähnlichkeit“ mit Theodoret, in Jer. 2,31 (PG 81, 513), aufweist.
Εἰς τὸ „καὶ εἶπεν κύριος πρός με ἐν ταῖς ἡμέραις Ἰωσίου“ μέχρι τοῦ „ἐδικαίωσε τὴν ψυχὴν αὐτοῦ Ἰσραὴλ ἀπὸ τῆς ἀσυνθέτου Ἰούδα“.a
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Ὁμιλία δʹ.
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1. Αὐτὸ τὸ ῥητὸν τῆς ἀναγνωσθείσης λέξεως ἔχει τι ἀσαφές, ὅπερ πρότερον νοηθήτω· καὶ μετὰ τοῦτο, ἐὰν ὁ θεὸς διδῷ, εἰσόμεθα τὸ βούλημα αὐτοῦ τὸ μυστικόν. οῦν θέλει ἡμᾶς εἰδέναι ἐν τούτοις ὅτι, ὡς ἐν ταῖς Βασιλείαις γέγραπται, b διῃρέθη ὁ λαὸς ἐν τοῖς χρόνοις Ῥοβοὰμ εἰς τὴν ὑπὸ Ἱεροβοὰμ βασιλείαν τῶν δέκα φυλῶν καὶ εἰς τὴν ὑπὸ Ῥοβοὰμ δύο φυλῶν· καὶ ἐκλήθησαν οἱ μὲν ὑπὸ τῷ Ἱεροβοὰμ Ἰσραήλ, Ἰούδα δὲ οἱ ὑπὸ τῷ Ῥο βοάμ. Καὶ ἔμεινεν αὕτη ἡ διαίρεσις τοῦ λαοῦ, ὅσον κατὰ τὴν ἱστορίαν, μέχρι τοῦ δεῦρο· οὐκ οἴδαμεν γὰρ ἱστορίαν συναγαγοῦσαν τὸν Ἰσραὴλ καὶ Ἰούδαν || „ἐπὶ τὸ αὐτό“. c Ἥμαρτεν οὖν πρῶτον Ἰσραὴλ πλείονα, ὁ ὑπὸ τῷ Ἱεροβοὰμ καὶ τοῖς διαδόχοις αὐτοῦ, καὶ τοσαῦτα ἥμαρτε παρὰ τὸν Ἰούδαν ὥστε αὐτοὺς καταδικασθῆναι ὑπὸ τῆς προνοίας γενέσθαι αἰχ μαλώτους εἰς Ἀσσυρίους, ὡς λέγει ἡ γραφή, d μέχρι τῆς σήμερον. Μετὰ τοῦτο ἥμαρτον καὶ οἱ υἱοὶ Ἰούδα καὶ κατεδικάσθησαν αἰχμάλωτοι εἰς Βα βυλῶνα, οὐχὶ μέχρι τῆς σήμερον ὡς ὁ Ἰσραήλ, ἀλλὰ ἐπὶ ἑβδομήκοντα ἔτη, περὶ ὧν ὁ Ἱερεμίας προεφήτευσεν, e ὧν ἐμνήσθη καὶ ὁ Δανιήλ. f Εἰ νοοῦμεν ταῦτα ὡς πρὸς τὸν λαὸν ἐκεῖνον τὸν τότε, ἴδε τὰς λέξεις τοῦ προφήτου, εἰ μὴ τοιοῦτό τι δηλοῦσι. Κατηγορεῖ γὰρ τῶν ἁμαρτιῶν τοῦ Ἰσραὴλ ὁ λόγος, καί φησιν ὅτι τοσούτων ἁμαρτημάτων γεγενημένων τῷ Ἰσραήλ, ἀκούσασα ἡ Ἰούδα συναγωγὴ τὰ ἐκείνων πταίσματα καὶ τίνα τρόπον πεποίηκα a
Jer. 3,6–11
b
1 Kön. 12,1–20
c
Jer. 3,18
d
2 Kön. 17,23
e
Jer. 25,11
f
Dan. 9,2
7 οὐκοῦν Co 13 τὸν Kl (nicht Nt) 10 Ἰσραήλ, Ἰούδα Co H Ἰούδα, Ἰσραὴλ S 13 πρῶτον Del H (primus) πρὸς τὸν S 21 ὁ Kl (GCS Orig. 3, 348) ὡς S Kl (GCS Orig. 3, 22) Nt 113 Die „Unklarheit“ (ἀσάφεια) eines Textes gilt in der paganen wie in der christlichen
Antike als Hauptgrund für die Notwendigkeit der Texterklärung und speziell für die Abfassung von Kommentaren: Mansfeld, Prolegomena 8. 16 und passim (bes. 148– 161 zu den Kommentaren Galens); Harl, Langage biblique 174–181; Skeb, Exegese und Lebensform 194f. 200. 301–303. 323–325. Origenes kommt besonders in seinen Kommentaren darauf zu sprechen, gern an programmatischen Stellen: in Ioh. comm. V 1 (GCS Orig. 4, 100) aus philoc. 5,1 (SC 302, 284–286); in Ioh. comm. VI 34,172f.
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Über: „Und der Herr sprach zu mir in den Tagen Joschijas“ bis: „Israel hat seine Seele gegenüber dem untreuen Juda gerecht gemacht.“a
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1. Der Wortlaut des vorgelesenen Textes selbst enthält etwas Unklares,113 das zuerst verstanden werden muss, und danach werden wir, wenn Gott es gewährt, seine mystische Intention114 erkennen. Er will uns in diesen Worten also wissen lassen, dass – wie in den Büchern der Königtümer geschrieben steht b – das Volk in den Zeiten Rehabeams in ein Reich aus zehn Stämmen unter Jerobeam und in eines aus zwei Stämmen unter Rehabeam geteilt wurde, und die Untertanen Jerobeams wurden Israel genannt, Juda aber die Untertanen Rehabeams. Diese Teilung des Volkes blieb, soweit das aus der Geschichte hervorgeht, bis heute bestehen, denn wir kennen nichts in der Geschichte, das Israel und Juda wieder „zu einem Reich“ c zusammengeführt hätte. Israel sündigte nun unter Jerobeam und seinen Nachfolgern zuerst mehr, und im Vergleich zu Juda sündigte es dermaßen, dass sie von der Vorsehung dazu verurteilt wurden, bis zum heutigen Tag, wie die Schrift sagt,d in die Gefangenschaft der Assyrer zu geraten. Danach sündigten auch die Söhne Judas, und sie wurden zur Gefangenschaft in Babylon verurteilt, nicht bis zum heutigen Tag wie Israel, sondern siebzig Jahre lang, was Jeremia im Voraus prophezeite e und woran auch Daniel erinnerte.f Wenn wir über diese Dinge in Bezug auf jenes Volk damals nachdenken, sieh, ob die Aussagen des Propheten nicht etwa Folgendes bedeuten. Der Text115 klagt ja die Sünden Israels an und sagt: Nachdem Israel so viele Sünden begangen hatte und obwohl die Versammlung Judas von deren Verfehlungen gehört hatte und davon, auf (GCS Orig. 4, 143f.); philoc. 2,1–3 (SC 302, 240–244); in Cant. comm. I 1,11 (OWD 9/1, 130); in Cant. frg. (OWD 9/2, 140) aus philoc. 7,1 (SC 302, 326); in Matth. frg. 138 I (GCS Orig. 12/1, 69); in Rom. comm. I 1,1 (SC 532, 140). Grundlegend ist princ. IV 3 (GCS Orig. 5, 323–347); vgl. auch Cels. III 21 (GCS Orig. 1, 217); in Regn. frg. 10 (GCS Orig. 32, 298), ferner unten in Hier. hom. 12,13 (GCS Orig. 32, 100). 114 Siehe dazu oben S. 110 Anm. 5 und S. 154 Anm. 108. 115 Beachtet man Klostermanns Korrektur in den „Nachträgen und Berichtigungen“ in GCS Orig. 3, 348 von ὡς λόγος zu ὁ λόγος, so werden sämtliche Vermutungen, die Nautin, SC 232, 257 mit Anm. 3, Smith, FaCh 97, 31, und Schadel, BGrL 10, 72 (vgl. ebd. 256 Anm. 34), zu der Stelle anstellen, obsolet. Hieronymus bestätigt Klostermanns Änderung: Accusatur Israel et dicitur.
Ὁμιλία δʹ
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219v
αὐτοὺς γενέσθαι ἐν αἰχμαλωσίᾳ, οὐκ ἐπαιδεύθη ἀλλὰ προσέθηκε ταῖς ἁμαρ τίαις, ὥστε διὰ τὴν προσθήκην τῶν ἁμαρτημάτων συγκρινομένων τοῖς ἁμαρτήμασι τοῦ Ἰσραὴλ δικαιοσύνην εὑρῆσθαι ἐν τῷ Ἰσραὴλ παρὰ τὸν Ἰούδαν.a Εἶτα ἐπὶ τούτοις κελεύεται ὁ προφήτης προφητεῦσαι, ὡς χείρονος γενομένου τοῦ | Ἰούδα παρὰ τὸν Ἰσραήλ, ἵνα μετὰ τὰ ἁμαρτήματα ἐπι στρέψῃ. b Μετὰ τὴν προφητείαν οὖν τὴν πρὸς Ἰσραὴλ κελεύουσαν ἐπιστρέ ψαι αὐτὸν προφητεύει ὁ προφήτης, ὅτι μέλλουσιν ἅμα γίνεσθαι Ἰσραὴλ καὶ Ἰούδας καὶ γίνεσθαί ποτε μίαν ἀμφοτέρων βασιλείαν. c ᾯ δὴ μέλει τῶν ἀναγνωσμάτων, λαβέτω τὰ ῥήματα τῆς ὅλης σήμερον ἀναγνώσεως καὶ τότε ὄψεται τὰ νοήματα δεδηλῶσθαι. „Καὶ εἶπε κύριος πρός με ἐν ταῖς ἡμέραις Ἰωσίου τοῦ βασιλέως· εἶδες ἃ ἐποίησάν μοι ἡ κατοικία τοῦ Ἰσραήλ“, οὐκ Ἰούδα, ἀλλὰ τοῦ Ἰσραὴλ πρῶτον; „Ἐπορεύθη ἐπὶ πᾶν ὄρος ὑψηλὸν καὶ ὑποκάτω παντὸς ξύλου ἀλσώδους καὶ ἐπόρνευσεν . Καὶ εἶπα μετὰ τὸ πορνεῦσαι αὐτὴν πάν τα ταῦτα· ἀνάστρεψον πρός με· Καὶ εἶδεν τὴν ἀσυνθεσίαν αὐτῆς“ τῆς Ἰσραὴλ συναγωγῆς „ἡ ἀσύνθετος Ἰούδα. || Καὶ εἶ δον“ οἱ ἀπὸ Ἰούδα, „διότι περὶ πάντων ὧν κατελείφθη ἐν οἷς ἐμοιχᾶτο ἡ κατοικία τοῦ Ἰσραήλ, καὶ ἐξαπέστειλα αὐτὴν καὶ ἔδωκα αὐτῇ βιβλίον ἀποστασίου.“ d Δέον παιδευθῆναι τὸν Ἰούδαν – ἐξαπέστειλα γὰρ τὸν Ἰσ ραήλ, τὴν συναγωγὴν Ἰσραήλ, ἐξέβαλον αὐτοὺς εἰς Ἀσσυρίους e „καὶ ἔδωκα αὐτῇ βιβλίον ἀποστασίου εἰς τὰς χεῖρας αὐτῆς“ – „καὶ οὐκ ἐφοβήθη ἡ ἀσύνθετος Ἰούδα“. f Μετὰ τοσαῦτα δὲ ἃ ἐποίησε τῷ Ἰσραήλ, ἐξαποστείλας αὐτόν, δοὺς βιβλίον ἀποστασίου, δέον παιδευθῆναι τὴν Ἰούδα συναγωγὴν ἐξ ὧν πεπόνθασιν ἐκεῖνοι, οἳ δὲ οὐ μόνον οὐκ ἐπαιδεύθησαν, ἀλλὰ προσ έθηκαν τοῖς ἁμαρτήμασιν, ὥστε τὰ ἁμαρτήματα τῆς Ἰσραὴλ συναγωγῆς συγκρίσει τῶν ἁμαρτημάτων τῆς συναγωγῆς τοῦ Ἰούδα δικαιοσύνην εἶναι δοκεῖν. „Καὶ ἔδωκα αὐτῇ βιβλίον ἀποστασίου εἰς τὰς χεῖρας αὐτῆς· καὶ οὐκ ἐφοβήθη ἡ ἀσύνθετος Ἰούδα“ ἡ ἀδελφὴ αὐτῆς „καὶ ἐπορεύθη καὶ ἐπόρνευ σε καὶ αὐτή, καὶ ἐγένετο αὐτῆς εἰς οὐδὲν ἡ πορνεία, καὶ ἐμοίχευσε τὸ ξύλον καὶ τὸν λίθον. Καὶ ἐν πᾶσι τούτοις οὐκ ἐπεστράφη πρός με ἡ ἀσύνθετος Ἰούδα ἐξ ὅλης τῆς καρδίας αὐτῆς, ἀλλ̓ ἐπὶ ψεύδει“ g ἐπέστρεψε πρός με. a
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Jer. 3,12–14
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Jer. 3,8
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3 τοῦ Co τῷ S 5 ἵνα Kl εἶτα Co ἐιτ S (verderbt und durch Punkte über den Buchstaben durchgestrichen) 8 μέλει Kl μέλλει S 12–13 Ἰσραὴλ πρῶτον Kl mit H (prius Israel) Ἰσραήλ. Πρῶτον S 14 ἐκεῖ Kl mit H (illic) und LXX 15 καὶ οὐκ ἀνέστρεψε Co H (et non est conuersa) LXX 22 ἐποίησε S Nt ἐποίησα Kl 116 Wie aus dem Bibeltext und dem folgenden Satz hervorgeht, ist Israel gemeint, nicht
Juda, wie Smith, FaCh 97, 31, übersetzt, der den Satz fälschlich auf Jer. 3,7ff. bezieht (ebd. Anm. 12). Die Hinzufügung des Hieronymus nach προφητεῦσαι: ad Israel ist sachlich richtig (nicht nur „wohl richtig“, wie Klostermann, GCS Orig. 3, 22 app. crit., sie einstuft).
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welche Weise ich sie in Gefangenschaft geraten ließ, ließ sie sich nicht belehren, sondern vermehrte ihre Sünden, so dass angesichts dieser Vermehrung von Sünden – verglichen mit den Sünden Israels – in Israel anders als in Juda Gerechtigkeit zu finden war.a Daraufhin erhält der Prophet den Auftrag zu prophezeien, da Juda schlechter geworden ist als Israel, es116 solle nach seinen Sünden umkehren.b Nach dieser Prophezeiung nun, in der Israel zur Umkehr aufgefordert wird, prophezeit der Prophet, dass Israel und Juda zusammenkommen werden und aus beiden dereinst ein einziges Reich werden wird.c Wer sich also für den vorgelesenen Text interessiert, soll die Worte der ganzen heutigen Lesung in Betracht ziehen, und dann wird er sehen, dass die Gedanken offenkundig sind.117 „Und der Herr sprach zu mir in den Tagen des Königs Joschija: Hast du gesehen, was mir das Haus Israel“ – nicht Juda, sondern zuerst Israel – „angetan hat? Es ging auf jeden hohen Berg und unter jeden Baum im Hain und trieb Unzucht. Und nachdem es alle diese Unzucht getrieben hatte, sagte ich: Kehre um zu mir! Und das untreue Juda hat ihre Untreue“ – die der Versammlung Israels – „gesehen. Und“ die aus Juda „sahen, dass das Haus Israel in allem, worin sie Ehebruch beging, verlassen wurde,118 und ich schickte sie fort und gab ihr den Scheidebrief.“ d Juda hätte sich belehren lassen müssen – ich schickte nämlich Israel, die Versammlung Israels, fort, ich verjagte sie zu den Assyrern e „und ich gab ihr den Scheidebrief in ihre Hände“ –, „doch das untreue Juda geriet nicht in Furcht“.f Nach all dem, was er Israel antat, indem er es fortschickte, ihm den Scheidebrief gab, hätte sich die Versammlung Judas von dem, das jenen widerfuhr, belehren lassen müssen, diese aber ließen sich nicht nur nicht belehren, sondern vermehrten ihre Sünden, so dass die Sünden der Versammlung Israels verglichen mit den Sünden der Versammlung Judas Gerechtigkeit zu sein schienen. „Und ich gab ihr den Scheidebrief in ihre Hände. Doch das untreue Juda“, ihre Schwester, „geriet nicht in Furcht; auch sie ging und trieb Unzucht. Ihre Unzucht machte ihr nichts aus, und sie beging Ehebruch mit dem Holz und mit dem Stein. Und in all dem kehrte das untreue Juda nicht aus ihrem ganzem Herzen zu mir zurück, sondern nur zum Schein“ g kehrte 117 Origenes erläutert seinen Zuhörern den Sinn des Abschnitts Jer. 3,6–18, indem er die
Hauptaussagen paraphrasiert. Das Verständnis des Prophetentextes erschließt sich nur, wenn man die Geschichte der Teilung des Volkes Israel in das Nordreich Israel und das Südreich Juda kennt. Siehe auch Nautin, SC 232, 114f. 118 Gegen das überlieferte κατελείφθη, an dem Klostermann, GCS Orig. 3, 23, Nautin, SC 232, 258f., und Smith, FaCh 97, 31, festhalten, bevorzugt Schadel, BGrL 10, 72, mit Hieronymus (comprehensa est) und Delarue die Lesart der LXX: κατελήμφθη. Der überlieferten Lesart ist allerdings der Vorzug zu geben. Schwierig bleibt die Grammatik des Satzes ohnehin (auch in der Septuaginta), weshalb Hieronymus ὧν offenbar ausgelassen hat, um dem Satz eine nachvollziehbare Konstruktion zu geben. In diesem Sinne ist auch hier übersetzt.
Ὁμιλία δʹ
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220r
Οὐκ ᾐδέσθη με ἐξ ὧν πεποίηκα τῷ Ἰσραήλ, ἵνα τελείως ἐπιστρέψῃ, ἀλλὰ δέον αὐτὴν ἐπιστρέφειν ἐν ἀληθείᾳ, ἣ δὲ ἐπὶ ψεύδει ἐπέστρεψε· „καὶ ἐν πᾶσι τούτοις οὐκ ἐπέστρεψε πρός με ἡ ἀσύνθετος Ἰούδα ἐξ ὅλης τῆς καρ δίας αὐτῆς ἀλλ̓ ἐπὶ ψεύδει. Καὶ εἶπεν κύριος πρός με· ἐδικαίωσε τὴν ψυχὴν αὐτῆς Ἰσραὴλ ἀπὸ τῆς ἀσυνθέτου | Ἰούδα.“a Τὰ ἁμαρτήματα τοῦ Ἰσραὴλ συγκρινόμενα τοῖς πταίσμασιν Ἰούδα γέγονε δικαίωσις τῆς ψυχῆς Ἰσραὴλ συναγωγῆς. 2. „Πορεύου” οὖν „καὶ ἀνάγνωθι τοὺς λόγους τούτους πρὸς βορρᾶν.“ b Εἰ νενόηται τὸ ῥητόν, ἴδωμεν τί βούλεται ἐν τούτοις δηλοῦσθαι. Ἡ κλῆσις τῶν ἐθνῶν ἀρχὴν ἔσχεν ἐκ τοῦ παραπτώματος τοῦ Ἰσραήλ, || καὶ λέγουσιν οἱ ἀπόστολοι κηρύξαντες ταῖς τῶν Ἰουδαίων συναγωγαῖς ὅτι ὑμῖν ἦν ἐξαπεσταλμένος ὁ λόγος τῆς σωτηρίας· c ἐπειδὴ δὲ ἀναξίους κρίνετε ἑαυ τούς, ἰδοὺ στρεφόμεθα εἰς τὰ ἔθνη. d Καὶ ὁ ἀπόστολος περὶ τούτων εἰδὼς ἃ οἶδε λέγει· „Τῷ αὐτῶν παραπτώματι ἡ σωτηρία τοῖς ἔθνεσιν, εἰς τὸ παραζηλῶσαι αὐτούς.“ e Οὐκοῦν αἱ πολλαὶ ἁμαρτίαι ἐκείνου τοῦ λαοῦ πε ποιήκασιν αὐτὸν ἐγκαταλειφθῆναι καὶ ἡμᾶς ἥκειν ἑπὶ τὴν ἐλπίδα τῆς σω τηρίας, f τοὺς ξένους τῶν διαθηκῶν, τοὺς ἀλλοτρίους τῶν ἐπαγγελιῶν. g Πόθεν γὰρ ἐμοὶ τῷ ὁπουποτοῦν γενομένῳ ξένῳ τῆς λεγομένης ἁγίας γῆς, νῦν περὶ τῶν ἐπαγγελιῶν διαλέγεσθαι τοῦ θεοῦ, καὶ πιστεύειν εἰς τὸν θεὸν τῶν πατριαρχῶν Ἀβραὰμ καὶ Ἰσαὰκ καὶ Ἰακώβ, καὶ Ἰησοῦν Χριστὸν τὸν προκεκηρυγμένον ὑπὸ τῶν προφητῶν χάριτι θεοῦ παραδέχεσθαι; Εἰ νοεῖς τοὺς δύο τούτους λαούς, τὸν ἀπὸ τοῦ Ἰσραὴλ καὶ τὸν ἀπὸ τῶν ἐθνῶν, ἴδε μοι τὴν μετοικίαν τοῦ Ἰσραὴλ καὶ ἐπὶ τοῦ λαοῦ ἐκείνου τοῦ Ἰσραήλ, καὶ περὶ ἐκείνου νόει μοι γεγράφθαι· „Ἐξαπέσταλκα αὐτὴν καὶ ἔδωκα αὐτῇ βιβλίον ἀποστασίου“· h ἐξαπέστειλε γὰρ τὸν λαὸν ἐκεῖνον ὁ θεὸς καὶ ἔδωκεν αὐτῷ βιβλίον ἀποστασίου. Ὅπερ τοιοῦτόν ἐστιν ἐπὶ τῶν γεγαμηκότων· ἐὰν δυσάρεστος ᾖ ἡ γυνὴ τῷ ἀνδρί, λέγει ὁ Μωσέως νόμος, βιβλίον ἀπο a
Jer. 3,10f. bJer. 3,12 2,12 hJer. 3,8
6 τῆς2 Kl
c
Apg. 13,26
d
Apg. 13,46
e
Röm. 11,11
f
1 Thess. 5,8
g
Eph.
9–10 ἡ κλῆσις Kl mit H (uocatio) ἢ κἂν εἷς S
119 Erneut weist Origenes auf den „Willen“, die „Intention“ der Schrift hin, wie schon
eingangs der Predigt: in Hier. hom. 4,1 (GCS Orig. 32, 22). Siehe erneut oben S. 110 Anm. 5 und S. 154 Anm. 108. 120 Ebenso in princ. IV 1,4 (GCS Orig. 5, 298): Im Buch Deuteronomium (Dtn. 32,21) wird „die Erwählung der unverständigen Heidenvölker geweissagt, die wegen der Sünden des früheren Volkes (Gottes) erfolgen soll“. Übersetzung: p. 681 Görgemanns/Karpp. 121 Origenes ist einer der ersten Autoren, der Palästina als „Heiliges Land“ bezeichnet: in Lam. frg. 93 (GCS Orig. 32, 269); Trigg, Origen 36. 82. Der Zusatz „sogenannt“ ist als Hinweis darauf zu verstehen, dass diese Bezeichnung zu jener Zeit neu war, nicht etwa mit Nautin, SC 232, 261 Anm. 2, und Smith, FaCh 97, 33 Anm. 27, so, dass für Orige-
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sie zu mir zurück. Sie hat mich wegen dem, was ich Israel angetan habe, nicht gefürchtet, um vollends zurückzukehren, sondern während sie in Wahrheit hätte zurückkehren müssen, kehrte sie nur zum Schein zurück. „Und in all dem kehrte das untreue Juda nicht aus ihrem ganzem Herzen zu mir zurück, sondern nur zum Schein. Und der Herr sprach zu mir: Israel hat seine Seele gegenüber dem untreuen Juda gerecht gemacht.“a Die Sünden Israels sind, verglichen mit den Verfehlungen Judas, zur Rechtfertigung der Seele Versammlung Israels geworden. 2. „Geh“ nun „und verkünde diese Worte in Richtung Norden!“ b Wenn der Wortlaut verstanden ist, wollen wir sehen, was in diesem Text gezeigt werden will.119 Die Berufung der Heidenvölker nahm ihren Anfang in der Verfehlung Israels,120 und die Apostel sagen nach ihren Predigten vor den Versammlungen der Juden: Euch wurde das Wort des Heils gesandt;c da ihr euch selbst aber für unwürdig haltet, seht, so wenden wir uns den Heidenvölkern zu.d Und der Apostel, der darüber Bescheid weiß, sagt, was er weiß: „Durch ihre Verfehlung kam das Heil zu den Heidenvölkern, um sie eifersüchtig zu machen.“ e Die vielen Sünden jenes Volkes bewirkten also, dass es verlassen wurde und dass wir zur Hoffnung auf das Heil f gelangt sind – wir, die wir mit den Bundesschlüssen nichts zu tun hatten, den Verheißungen fern waren.g Denn wie kommt es, dass ich, der ich irgendwo anders geboren worden bin und für das sogenannte Heilige Land121 ein Fremder war, jetzt über die Verheißungen Gottes spreche, an den Gott der Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob glaube und Jesus Christus, der von den Propheten im Voraus verkündet worden ist, durch die Gnade Gottes empfange? Wenn du den Sinn dieser zwei Völker verstehst, das Volk aus Israel und das Volk aus den Heidenvölkern,122 dann betrachte mir das Exil Israels auch in Bezug auf jenes Volk Israel und erkenne, dass über jenes geschrieben steht: „Ich schickte sie fort und gab ihr den Scheidebrief.“ h Denn Gott hat jenes Volk fortgeschickt und ihm den Scheidebrief gegeben, wie das auch bei verheirateten Leuten geschieht. Wenn eine Frau ihrem Mann missfiel, sagt das Gesetz des Mose,
nes das wahre heilige Land im Himmel wäre. Ihr Hinweis auf princ. II 3,6 (GCS Orig. 5, 121–124) führt in die Irre, weil dort von einem heiligen Land nicht die Rede ist. 122 Die Rede von „zwei Völkern“ und die Erwählung der Heidenvölker an Stelle Israels ist der antijüdische Topos der altkirchlichen Theologie schlechthin, auf den Origenes sehr oft zu sprechen kommt, so auch in den vorliegenden Homilien: in Hier. hom. 3,2 (GCS Orig. 32, 21); 5,12f. (32, 41); 14,12 (32, 116f.); 16,7 (32, 140); 18,5 (32, 155f.). Siehe dazu Nautin, SC 232, 161–164. Seiner diesbezüglichen Geschichtstheologie ist freilich jeglicher christlicher Triumphalismus fremd, wie aus den folgenden Ausführungen hervorgeht, v.a. ebd. 4,5 (32, 27f.): Origenes interpretiert das Schicksal Israels (wie er es auffasst) einerseits als Warnung für die Christen (siehe unten S. 170 Anm. 136), andererseits mit Bezug auf Röm. 11 nicht als endgültig. Weiteres dazu oben S. 35–41.
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στασίου ἀπὸ τοῦ ἀνδρὸς ἐγίνετο καὶ ἐξαπεστέλλετο ἡ γυνή,a καὶ ἐξῆν τῷ ἀποστείλαντι τὴν προτέραν γυναῖκα διὰ τὸ δοκεῖν ἠσχημονηκέναι γαμεῖν ἑτέραν γυναῖκα. Οὕτως τῷ λόγῳ ἴδε ἐκείνους λαμβάνοντας βιβλίον ἀπο στασίου. Καὶ ἐπεὶ ἔλαβον τὸ βιβλίον τοῦ ἀποστασίου, διὰ τοῦτο ἐγκατε λείφθησαν πάντῃ. Ποῦ γὰρ προφῆται ἔτι παρ᾽ αὐτοῖς; Ποῦ σημεῖα ἔτι παρ᾽ αὐτοῖς; b Ποῦ ἐπιφάνεια θεοῦ; Ποῦ ἡ λατρεία, ὁ ναός, αἱ θυσίαι; c Ἐξεβλή|θησαν ἀπὸ τοῦ τόπου ἑαυτῶν· ἔδωκεν οὖν τῷ Ἰσραὴλ βιβλίον ἀποστασίου. Εἶτα ἡμεῖς Ἰούδα (Ἰούδας δὲ διὰ τὸν σωτῆρα ἐξ Ἰούδα φυλῆς ἀνατείλαν τα· „πρόδηλον γὰρ ὅτι ἐξ Ἰούδα ἀνατέταλκεν ὁ κύριος ἡμῶν“ d) ἐπεστρέ ψαμεν πρὸς κύριον, καὶ τὰ τελευταῖα ἡμῶν, ἅπερ εἴθε μὴ ἤδη εἴη, παρα πλήσια ἔοικε γίνεσθαι τοῖς ἐκείνων τελευταίοις, εἰ μὴ ἄρα καὶ χείρονα. 3. Ὅτι γὰρ τοιαῦτα καὶ τὰ καθ̓ ἡμᾶς ἐπὶ συντελείᾳ τοῦ αἰῶνος τούτου ἔσται, e δῆλον ἀπὸ τῶν ἐν τῷ εὐαγγελίῳ ὑπὸ τοῦ σωτῆρος εἰρημένων, ἐν οἷς φησιν· „Διὰ τὸ πληθυνθῆναι τὴν ἀνομίαν ψυγήσεται ἡ ἀγάπη τῶν πολλῶν, ὁ δὲ ὑπομείνας εἰς τέλος, οὗτος σωθήσεται“ f καί· Ποιήσει σημεῖα καὶ τέρατα ὁ ἐλευσόμενος, ὥστε ἀποπλανᾶσθαι, εἰ δυνατόν, καὶ τοὺς ἐκλε κτούς. g Καὶ τοιαῦτά ἐστι τὰ καθ̓ ἡμᾶς ὥστε τὸν σωτῆρα λέγειν περὶ τῆς ἑαυτοῦ ἐπιδημίας, ὡς ἐκ τῶν τοσούτων ἐκκλησιῶν πιστοῦ ταχέως μὴ εὑρι σκομένου· „Πλὴν ἐλθὼν ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἆρα εὑρήσει τὴν πίστιν ἐπὶ τῆς γῆς;“ h Καὶ ἀληθῶς ἐὰν κρίνωμεν τὰ πράγματα ἀληθείᾳ καὶ μὴ ὄχλοις, καὶ κρίνωμεν τὰ πράγματα προαιρέσει καὶ μὴ τῷ βλέπειν πολλοὺς συνα γομένους, ὀψόμεθα νῦν ὡς οὐκ ἐσμὲν πιστοί. Ἀλλὰ τότε ἦσαν πιστοί, ὅτε τὰ μαρτύρια τὰ γενναῖα ἐγίνοντο, ὅτε ἀπὸ τῶν κοιμητηρίων προπέμψαν τες τοὺς μάρτυρας ἠρχόμεθα ἐπὶ τὰς συναγωγάς, καὶ ὅλη ἡ ἐκκλησία μὴ a
Dtn. 24,1 Mt. 24,24
g
b
Ps. 73(74),9; Jes. 3,2 Lk. 18,8
h
c
Hos. 3,4
d
Hebr. 7,14
e
Mt. 13,49
f
Mt. 24,12f.
17 ἔστι S Nt ἔσται Kl mit H (futura est)
123 Dasselbe Argument bei Justin, dial. 52 (PTS 47, 155f.); Tertullian, adv. Marc. III 23
(CChr.SL 1, 540); (Pseudo-)Tertullian, adv. Iud. 13,26 (CChr.SL 2, 1390). Vgl. auch unten in Hier. hom. 10,4 (GCS Orig. 32, 74f.). 124 Origenes rekurriert auf einen traditionellen Topos der antijüdischen christlichen Polemik: Die Zerstörung des Tempels durch die Römer und die Vertreibung der Juden aus ihrer Stadt Jerusalem in den Jahren 70 und 135 n.Chr. wurden als Beweis dafür angeführt, dass Gott Israel verlassen habe: princ. IV 1,3 (GCS Orig. 5, 296f.), ebenfalls mit Hos. 3,4 LXX: „Die Kinder Israels werden lange Zeit ohne König und ohne Fürst, ohne Opfer und ohne Altar, ohne Priestertum und ohne Teraphim dasitzen“ (Übersetzung: p. 679 Görgemanns/Karpp); in Matth. comm. XIV 19 (GCS Orig. 10, 329f.): „Und als Zeichen dafür, dass sie den Scheidebrief erhalten hat, ist Jerusalem zerstört zusammen mit … dem Heiligtum … und dem Opferaltar und dem ganzen Kult“; in Ios. hom. 17,1 (GCS Orig. 7, 400–402); in Hier. hom. 18,5 (GCS Orig. 32, 155).
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wurde vom Mann ein Scheidebrief ausgestellt, und die Frau wurde fortgeschickt,a und dem, der die frühere Frau fortgeschickt hatte, weil sie unanständig zu sein schien, war es erlaubt, eine andere Frau zu heiraten. So betrachte im Geiste, wie jene den Scheidebrief erhalten. Und weil sie den Scheidebrief erhielten, deshalb wurden sie gänzlich verlassen. Denn wo gibt es noch Propheten bei ihnen?123 Wo gibt es noch Zeichen bei ihnen? bWo eine Erscheinung Gottes? Wo sind der Kult, der Tempel, die Opfer? c Aus ihrem eigenen Ort wurden sie vertrieben. Er hat also Israel den Scheidebrief gegeben.124 Danach haben wir, Juda – Juda wegen des Erlösers, der aus dem Stamm Juda hervorgegangen ist: „Es ist ja bekannt, dass unser Herr aus Juda hervorgegangen ist“ d125 –, uns dem Herrn zugewandt, und unsere letzten Tage, die hoffentlich nicht schon jetzt sind, scheinen den letzten Tagen jener Leute ähnlich zu werden, wenn nicht sogar schlimmer. 3. Dass sich nämlich Derartiges auch bei uns bei der Vollendung dieses Zeitalters ereignen wird,e geht deutlich aus den Worten des Erlösers im Evangelium hervor, in denen er sagt: „Weil die Gesetzlosigkeit überhandnimmt, wird die Liebe der meisten erkalten. Wer aber bis zum Ende ausharrt, der wird gerettet werden“,f und Zeichen und Wunder wird der tun, der kommen wird, um, wenn möglich, auch die Auserwählten irrezuführen.g Und derart ist die Lage bei uns,126 dass der Erlöser, als würde er in so vielen Gemeinden bald keinen Gläubigen mehr finden, über seine Wiederkunft sagt: „Doch wird der Menschensohn, wenn er kommt, Glauben finden auf Erden?“ h Und wahrlich, wenn wir die Situation nach der Wahrheit beurteilen und nicht nach der Zahl der Leute und wenn wir die Situation grundsätzlich beurteilen und nicht im Blick auf die vielen Versammelten, werden wir sehen, dass wir jetzt nicht gläubig sind. Damals aber gab es Gläubige, als es echte Martyrien gab, als wir von den Friedhöfen, wohin wir die Märtyrer geleitet hatten, in die Versammlungen127 kamen und die ganze Gemeinde sich ohne Betrübnis einfand und die 125 Ebenso unten in Hier. hom. 5,15 (GCS Orig. 32, 45); 9,1 (32, 64f.); 16,10 (32, 141). 126 Mit Nautin, GCS Orig. 32, 358; SC 232, 264, und Smith, FaCh 97, 34 mit Anm. 35,
ist an der präsentischen Lesart des Codex Scorialensis festzuhalten. Die von Klostermann, GCS Orig. 3, 25 (und Schadel, BGrL 10, 74) aus Hieronymus (futura est) genommene futurische Fassung (τοιαῦτα ἔσται) passt zwar zur parallelen Wendung im Futur einige Zeilen weiter oben, doch impliziert das Präsens eine kritische Dia gnose des gegenwärtigen Zustands der christlichen Gemeinden, die im Folgenden auch gleich geliefert wird. Zur Korruption der Kirche seiner Zeit in den Augen des Origenes siehe Bigg, Christian Platonists 222 Anm. 1; 263 Anm. 2; Monaci Castagno, Origene predicatore 89; Fédou, Sagesse 348–353. 127 Auch Clemens von Alexandria, paed. III 80,3 (GCS Clem. Al. 1, 280), hat das Wort συναγωγή (Versammlung, Synagoge) für den christlichen Gottesdienst gebraucht: Hanssens, Institutiones liturgicae II, 24. Vgl. auch unten in Hier. hom. 18,5 (GCS Orig. 32, 157), ferner in Ps. 76 hom. 2,5 (GCS Orig. 13, 322); in Ps. 77 hom. 3,3 (13, 387); in Ps. 81 hom. 1,1 (13, 510).
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θλιβομένη παρεγίνετο, καὶ οἱ κατηχούμενοι ἐπὶ τοῖς μαρτυρίοις κατηχοῦντο καὶ ἐπὶ τοῖς θανάτοις τῶν ὁμολογούντων τὴν ἀλήθειαν „μέχρι θανάτου“,a „μὴ πτυρόμενοι“ b μηδὲ ταρασσόμενοι ἐπὶ τὸν ζῶντα θεόν. c Τότε οἴδαμεν καὶ σημεῖα ἑωρακότας παράδοξα καὶ τεράστια. Τότε ἦσαν πιστοὶ ὀλίγοι μὲν πιστοὶ δὲ ἀληθῶς, τὴν στενὴν καὶ τεθλιμμένην ὁδεύοντες ὁδὸν τὴν ἀπάγου|σαν εἰς τὴν ζωήν. d Νῦν δὲ ὅτε γεγόναμεν πολλοί, ἐπεὶ οὐ δυνατὸν εἶναι πολλοὺς ἐκλεκτούς (οὐ γὰρ ψεύδεται ὁ εἰπὼν Ἰησοῦς· „Πολλοὶ οἱ κλητοί, ὀλίγοι δὲ ἐκλεκτοί“ e), ἐκ [γὰρ] τοῦ πλήθους τῶν ἐπαγγελλομένων || θεοσέβειαν σφόδρα εἰσὶν ὀλίγοι οἱ καταντῶντες ἐπὶ τὴν ἐκλογὴν τοῦ θεοῦ καὶ τὴν μακαριότητα. 4. Ἐὰν οὖν λέγῃ ὡς πρῶτον ἐξαπέστειλα διὰ τὰ ἁμαρτήματα τὸν Ἰσ ραὴλ καὶ ἐξαπέστειλα εἰς μετοικίαν αὐτόν, ὁ δὲ Ἰούδας ἀκούων τὰ γενόμε να τῷ Ἰσραὴλ οὐκ ἐπέστρεψε, λέγει περὶ τῶν ἡμετέρων ἁμαρτημάτων. Ὅτε ἀναγινώσκονται τὰ τῷ Ἰσραὴλ συμβεβηκότα καὶ τὰ πταίσματα περὶ ἐκεῖνον τὸν λαόν, δέον ἡμᾶς φοβεῖσθαι καὶ λέγειν· Εἰ „τῶν κατὰ φύσιν κλάδων οὐκ ἐφείσατο“, πόσῳ πλέον οὐδὲ ἡμῶν φείσεται; f Eἰ ἐκείνους τοὺς αὐχοῦντας εἶναι καλλιέλαιον, g τοὺς ἐρριζωμένους εἰς τὴν ῥίζαν τῶν πατρι αρχῶν Ἀβραὰμ καὶ Ἰσαὰκ καὶ Ἰακὼβ h μὴ φεισάμενος ὁ χρηστὸς ἅμα καὶ φιλάνθρωπος θεὸς ἐξέκοψε, πόσῳ πλέον ἡμῶν οὐ φείσεται; „Ἴδε“ γὰρ „χρηστότητα καὶ ἀποτομίαν θεοῦ.“ i Οὐ γὰρ χρηστὸς μὲν οὐκ ἀπότομος δέ, οὐδὲ ἀπότομος μὲν χρηστὸς δὲ οὔ. Eἰ γὰρ χρηστὸς μόνον ἦν, ἀπότομος δὲ μὴ ἦν, ἐπὶ πλεῖον ἂν κατεφρονήσαμεν τῆς χρηστότητος αὐτοῦ. j Eἰ ἀπότομος μὲν ἦν, χρηστὸς δὲ μὴ ἦν, τάχα ἂν καὶ ἀπέγνωμεν ἐπὶ ταῖς ἁμαρτίαις ἡμῶν. Nῦν δὲ ὡς θεὸς (χρῄζομεν γὰρ οἱ ἄνθρωποι μετανοοῦντες τῆς χρηστότητος αὐτοῦ, ἐμμένοντες δὲ ταῖς ἁμαρτίαις τῆς ἀποτομίας) καὶ χρηστός ἐστι καὶ ἀπότομος ὁ θεός, καὶ λαλεῖ ἡμῖν διὰ τῶν προφητῶν καὶ a
Offb. 2,10 bPhil. 1,28 cApg. 14,15 dMt. 7,14 11,24 h Röm. 11,18 i Röm. 11,22 j Röm. 2,4
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Mt. 22,14
f
Röm. 11,21
g
Röm.
8 γὰρ del. Del mit H 11 πρῶτον Del mit H (primum) πρὸς τὸ S 14 ὅτε Co Kl (GCS Orig. 3, 348) Nt ὅτι S Kl (GCS Orig. 3, 26) 14 τὰ3 Bl 18 χρηστὸς Co χς‘ S H (Christus) 21 γὰρ Co Kl δὲ S Nt 24 θεὸς Co mit H (deus) θεοῦ S 25 καὶ Hu mit H (et) εἰ S 128 Da Origenes in seiner Jugendzeit in Alexandria mehrere Christenverfolgungen erlebt
hat, ist die Passage gewiss autobiographisch eingefärbt. In den neuentdeckten Psalmenhomilien berichtet Origenes seiner Gemeinde an einer Stelle, dass er Märtyrer und heilige Männer persönlich kannte, die zum Tod durch wilde Tiere verurteilt wurden, und dass er sich wünscht, ihr Los zu teilen: in Ps. 73 hom. 3,7 (GCS Orig. 13, 261f.). In der Verfolgung unter dem alexandrinischen Statthalter Subatianus Aquila (206–210/11) besuchte Origenes Katechumenen, die er unterrichtete, im Gefängnis und begleitete sie zur Hinrichtung. Laut Eusebius, hist. eccl. VI 3,2–4,1 (GCS Eus. 2, 524–528), ist er dabei mehrmals auf wundersame Weise (παραδόξως) der aufgebrachten Menge entkommen.
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atechumenen angesichts der Martyrien unterrichtet wurden und angesichts K des Sterbens derer, die die Wahrheit „bis in den Tod“a bekannten, „nicht eingeschüchtert“ b und nicht erschüttert vor dem lebendigen Gott.c Damals gab es, wie wir wissen, Leute, die ungewöhnliche und wunderliche Zeichen gesehen haben.128 Damals waren die Gläubigen zwar wenige, aber sie waren wahrhaft Gläubige, die auf dem schmalen und engen Weg gingen, der zum Leben führt.d129 Jetzt aber, da wir viele geworden sind, und da es nicht möglich ist, dass es viele Auserwählte gibt – denn Jesus lügt nicht, wenn er sagt: „Viele sind berufen, wenige aber auserwählt“ e –, sind es sehr wenige, die aus der Menge derer, die ihre Gottesverehrung bekunden, die Erwählung Gottes und die Seligkeit erlangen.130 4. Wenn er also sagt: Zuerst habe ich wegen der Sünden Israel fortgeschickt, es ins Exil fortgeschickt, Juda indes hörte, was Israel geschehen war, bekehrte sich aber nicht, spricht er über unsere Sünden. Wenn vorgelesen wird, was Israel widerfahren ist, all die unguten Dinge bei jenem Volk, müssten wir erschrecken und sagen: Wenn „er die von Natur gewachsenen Zweige nicht geschont hat“, um wie viel mehr wird er auch uns nicht schonen? f Wenn jene, die sich rühmten, der edle Ölbaum g zu sein, die in der Wurzel der Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob eingewurzelt sind,h der gütige und zugleich menschenfreundliche Gott nicht geschont, sondern abgeschnitten hat, um wieviel mehr wird er uns nicht schonen? „Betrachte“ nämlich „die Güte und die Strenge Gottes“.i Denn er ist nicht gütig, ohne streng zu sein, wie er auch nicht streng ist, ohne gütig zu sein. Denn wenn er nur gütig, aber nicht streng wäre, würden wir seine Güte j umso mehr verachten. Wenn er streng, aber nicht gütig wäre, würden wir wohl auch an unseren Sünden verzweifeln. Nun aber als Gott – denn wir Menschen brauchen seine Güte, wenn wir umkehren, seine Strenge aber, wenn wir in den Sünden verharren – ist Gott sowohl gütig als auch streng,131 und er spricht zu uns durch die 129 Die leidenschaftliche und an der vorliegenden Stelle nostalgische (so richtig Trigg,
Origen 4f.) Begeisterung des Origenes für das Martyrium prägt auch seine 235 geschriebene „Aufforderung zum Martyrium“. Vgl. auch in Gen. hom. 1,8 (GCS Orig. 6, 10f.) in ethischer Auslegung der Kriechtiere und Vögel in Gen. 1,20: „Käme es uns in den Sinn, uns einzureden, wir müssten die Qualen des Martyriums nicht ertragen, so wird dies ein giftiger Wurm sein. Richtet sich jedoch unser Sinn und unser Denken in solchem Maße nach oben, dass wir bis zum Tod für die Wahrheit streiten (vgl. Sir. 4,28), so wird dies ein Vogel sein, der vom Irdischen in die Höhen strebt.“ Übersetzung: Habermehl, OWD 1/2, 43. 130 Vgl. in Matth. comm. XII 12 (GCS Orig. 10, 90f.); XVII 24 (10, 652). 131 Der Satz hat eine antimarkionitische Stoßrichtung, vor allem aber einen philosophisch-metaphysischen Sinn: Für die Menschen in den Grenzen und Bedingtheiten ihrer raumzeitlichen Existenz ist Gott je nach Situation und Bedarf entweder gütig oder streng, als Gott an sich aber ist er immer beides zugleich. Dieser Gedanke ermöglicht es Origenes, gegen die markionitische Teilung die Einheit der Schrift in
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λέγει· „Εἶδες ἃ ἐποίησάν μοι ἡ κατοικία τοῦ Ἰσραήλ;“ Tὸν Ἰσραὴλ τὸν λαόν μοι νόει ἐκεῖνον· „Ἐπορεύθη ἐπὶ πᾶν ὄρος ὑψηλὸν καὶ ὑποκάτω παντὸς ξύλου κατασκίου.“a Ἐὰν ἴδῃς τὸν Φαρισαῖον εἰς τὸ ἱερὸν ἀναβαίνοντα ἀλα ζονικῶς καὶ μὴ τύπτοντα ἑαυτοῦ τὸ στῆθος μηδὲ κηδόμενον τῶν ἰδίων κακῶν, ἀλλὰ λέγοντα· | „Εὐχαριστῶ σοι ὅτι οὐκ εἰμὶ ὡς οἱ λοιποὶ τῶν ἀνθρώπων, ἅρπαγες, ἄδικοι, μοιχοί, ἢ καὶ ὡς οὗτος ὁ τελώνης· νηστεύω δὶς τοῦ σαββάτου, ἀποδεκατῶ“ τὰ ὑπάρχοντά μου, b ὄψει ὅτι ἀναβέβηκεν „ἐπὶ πᾶν ὄρος ὑψηλὸν“ c ψεκτῶς καὶ ἀγαπήσας μεγαλοφροσύνην καὶ κατὰ τὴν ἀλαζονείαν καὶ κατὰ τὴν ὑπερηφανίαν. d Ὃς δὲ ἀναβέβηκε καὶ „ἐπὶ πάντα βουνὸν ὑψηλὸν“ e καὶ γέγονεν „ὑποκάτω παντὸς ξύλου“ οὐ καρ πίμου, ἀλλ̓ „ἀλσώδους“· f || ἄλλο γὰρ τὸ ἀλσῶδες ξύλον, ἄλλο τὸ καρπο φόρον. Εἰς ἄλση ὅταν φυτεύωσι ξύλα, φυτεύουσιν οὐ τὰ καρποφόρα, οὐ συκῆν οὐδὲ ἄμπελον, ἀλλὰ μόνον τέρψεως χάριν ἄκαρπα ξύλα. Τοιούτους εὑρήσεις τοὺς λόγους τῶν ἑτεροδόξων καὶ τὰ κάλλη τῶν πιθανοτήτων αὐτῶν οὐκ ἐπιστρεφόντων τοὺς ἀκούοντας. Ὅταν οὖν τοῖς τοιούτοις λό γοις τις ἑαυτὸν ἐπιδῷ, πεπόρευται „ὑποκάτω παντὸς ξύλου ἀλσώδους“. Οὐκ εἴρηκε παντὸς ξύλου καὶ σεσιώπηκεν, οὐδὲ πάλιν προσέθηκε· παντὸς ξύλου τοῦ καρπίμου, ἀλλ̓ εἴρηκεν „ὑποκάτω παντὸς ξύλου ἀλσώδους“. Διὰ τοῦτο νοήσεις τί δήποτε ὁ νομοθέτης λέγει· „Οὐ φυτεύσεις πᾶν ξύλον παρὰ τὸ θυσιαστήριον κυρίου τοῦ θεοῦ σου, καὶ οὐ ποιήσεις ἄλσος.“ g Ἔχεις γὰρ καὶ τὸ ὄνομα τοῦ ἄλσους ἀπηγορευμένον. h 5. „Καὶ ἐπόρνευσεν ἐκεῖ. Καὶ εἶπα μετὰ τὸ πορνεῦσαι αὐτὴν ταῦτα πάντα· πρός με ἀνάστρεψον· καὶ οὐκ ἀνέστρεψεν, καὶ εἶδεν τὴν ἀσυνθεσίαν αὐτῆς ἡ ἀσύνθετος Ἰούδα.“ i Λελοιδορήμεθα καὶ ἡμεῖς, λέγω οἱ ἁμαρτάνον τες καὶ μὴ τηροῦντες τὰς συνθήκας τοῦ θεοῦ μηδὲ βλέποντες ὅτι ἀπολω λέκασιν ἐκεῖνοι τὴν διαθήκην εὐγενεῖς ὄντες, ἐξ Ἀβραὰμ ὄντες, ἐπαγγελίαν λαβόντες. Δέον οὖν ἡμᾶς λογίζεσθαι, ὅτι ἐκπεπτώκασιν ἐκεῖνοι τῶν εὐλο a
Jer. 3,6 bLk. 18,11f. cJer. 3,6 dVgl. Jer. 31,29 (Lukians Rezension) 3,6 gDtn. 16,21 hDtn. 12,3 i Jer. 3,7
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Jer. 2,20
f
Jer.
3 ἀναβαίνοντα Kl mit H (ascendentem) ἀναβαίνον S im Text durchgestrichen, am Rand steht ἑστι, das wohl als ἑστῶτα zu lesen ist (so in V) ihren divergierenden, ja widersprüchlichen Geschichten zu wahren. Siehe dazu die grundsätzlichen Überlegungen in princ. II 5 (GCS Orig. 5, 132–139), v.a. etwa II 5,3 (5, 136): „Aus all dem geht hervor, dass der gerechte und der gute Gott, der Gott der Gesetze und der Evangelien, ein und derselbe ist; dass er Gutes tut mit Gerechtigkeit und mit Güte straft, weil weder Güte ohne Gerechtigkeit noch Gerechtigkeit ohne Güte die Würde der göttlichen Natur kennzeichnen kann.“ Übersetzung: p. 351 Görgemanns/Karpp. Siehe dazu von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, 668f.; Schockenhoff, Fest der Freiheit 153. 132 Origenes zitiert, wie oft, aus dem Gedächtnis und vermengt hier Jer. 3,6 mit einer ganz ähnlichen Junktur in Jer. 2,20 (ἐπὶ πᾶν βουνὸν ὑψηλὸν καὶ ὑποκάτω παντὸς ξύλου κατασκίου), auf die er gleich anspielt und in der am Schluss κατασκίου, „im Schatten“,
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Propheten und sagt: „Hast du gesehen, was mir das Haus Israel angetan hat?“ Unter Israel verstehe mir jenes Volk: „Es ging auf jeden hohen Berg und unter jeden Baum im Schatten.“a132 Wenn du den Pharisäer siehst, wie er hochmütig in den Tempel hinaufgeht und sich weder an die Brust schlägt noch um die eigenen Fehler kümmert, sondern sagt: „Ich danke dir, dass ich nicht wie die übrigen Menschen bin, Räuber, Übeltäter, Ehebrecher, oder auch wie der Zöllner da! Ich faste zweimal die Woche, ich gebe den Zehnten“ meines Vermögens,b wirst du sehen, dass er „auf jeden hohen Berg“ c hinaufgegangen ist, in Schuld und in Liebe zur Arroganz, in Hochmut und Überheblichkeit.d Er ist auch „auf jeden hohen Hügel gegangen“ e und „unter jeden Baum“ geraten, nicht unter einen fruchtbringenden, sondern „im Hain“.f Denn der Baum im Hain ist von anderer Art als der fruchtbringende. Wenn man Bäume für einen Hain pflanzt, pflanzt man nicht die fruchtbringenden wie den Feigenbaum oder den Weinstock, sondern nur unfruchtbare Bäume zum Vergnügen.133 In gleicher Weise wirst du finden, dass die Worte der Andersgläubigen134 und die Schönheit ihrer Wahrscheinlichkeitsargumente die Zuhörer nicht zur Umkehr bewegen. Wenn sich also jemand solchen Reden hingibt, ist er „unter jeden Baum im Hain“ gegangen. Er hat nicht „jeden Baum“ gesagt und dann geschwiegen, und er hat auch nicht hinzugefügt: jeden fruchtbringenden Baum, sondern er hat gesagt: „unter jeden Baum im Hain“.Von daher wirst du begreifen, warum der Gesetzgeber sagt: „Du sollst keinerlei Baum neben dem Altar des Herrn, deines Gottes, pflanzen, und du sollst keinen Hain anlegen.“ g Du findest ja sogar das Wort „Hain“ verboten.h 5. „Und sie trieb dort Unzucht. Und nachdem sie alle diese Unzucht getrieben hatte, sagte ich: Kehre um zu mir! Doch sie kehrte nicht um. Und das untreue Juda hat ihre Untreue gesehen.“ i Diese Schelte betrifft auch uns, ich meine uns, wenn wir sündigen und die Vereinbarungen mit Gott nicht halten und nicht sehen, dass jene den Bund verloren haben, obwohl sie edler Herkunft waren, von Abraham abstammten und die Verheißung empfangen hatten. Wir müssen daher bedenken, da135 jene aus den Segensgütern und den Verheißungen herausgefallen sind und es ihnen nichts genützt hat, von den steht statt ἀλσώδους, „im Hain“ (Hieronymus: nemorosum). Nautin, SC 232, 269 Anm. 1, meint, der Lapsus könnte auch auf einen Abschreiber zurückgehen. 133 Vgl. dazu die Anspielung am Ende von in Hier. hom. 1,16 (GCS Orig. 32, 16). 134 Die Übersetzung „Häretiker“ bei Nautin, SC 232, 269, und Smith, FaCh 97, 36, ist falsch (hier richtig hingegen Schadel, BGrL 10, 76), denn der Kontext zeigt, dass es um heidnische Kultbräuche geht. 135 Die Hinzufügung eines εἰ nach ὅτι durch Wendland, akzeptiert von Nautin, GCS Orig. 32, 358; SC 232, 270, und Smith, FaCh 97, 36 Anm. 64, ist nicht nötig, auch wenn die Konstruktion inkonzinn wirkt: Der indirekte Fragesatz beginnt mit πόσῳ πλέον, im ὅτι-Satz wird die Begründung für die Überlegung geliefert.
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γιῶν καὶ τῶν ἐπαγγελιῶν καὶ οὐδὲν ὤνησεν αὐτοὺς τὸ εἶναι ἀπὸ τῶν πατέρων, πόσῳ πλέον ἡμεῖς ἁμαρτάνοντες ἐγκαταλειφθησόμεθα. „Εἰ ἦτε τέκνα τοῦ Ἀβραάμ, τὰ ἔργα τοῦ Ἀβραὰμ ἂν ἐποιεῖτε“,a λέγει αὐτοῖς ὁ σωτήρ. Καὶ πάλιν ὁ Ἰωάννης· „Μὴ ἄρξησθε λέγειν ἐν ἑαυτοῖς, ὅτι πατέρα ἔχομεν τὸν Ἀβραάμ· λέγω γὰρ ὑμῖν ὅτι δύναται ὁ θεὸς ἐκ τῶν λίθων τούτων ἐγεῖραι τέκνα τῷ Ἀβραάμ“· b λίθους αἰνισσόμενος ἡμᾶς τοὺς λιθίνην ἔχοντας τὴν καρ|δίαν c καὶ ἐσκληρυμμένους πρὸς τὴν ἀλήθειαν. Καὶ ἀληθῶς ὁ δυνατὸς θεὸς ἤγειρε τέκνα τῷ Ἀβραὰμ ἀπὸ τῶν λίθων, ἐὰν μείνωμεν ἐν τῇ τεκνογονίᾳ d καὶ || τηρήσωμεν τὸ πνεῦμα τῆς υἱοθεσίας. e Εἶδεν οὖν τὴν ἀσυνθεσίαν αὐτῆς τῆς κατοικίας τοῦ Ἰσραὴλ ἡ ἀσύνθετος Ἰούδα, ἡ μὴ τηρήσασα τὰς συνθήκας τὰς πρὸς τὸν θεόν, καὶ εἶδεν διότι περὶ πάντων, ὧν κατελείφθη ἐκείνη (ταῦτα γὰρ πάντα ἡμεῖς βλέπομεν ὁ Ἰούδας, ἀναγινώσκωμεν τὴν γραφήν) ὅτι περὶ πάντων ὧν κατελείφθη ἡ κατοικία τοῦ Ἰσραήλ ἐν οἷς ἐμοιχᾶτο, ἐξαπέστειλεν αὐτὴν ὁ θεὸς καὶ ἔδωκεν αὐτῇ βιβλίον ἀποστασίου. f Καὶ δέον ἡμᾶς παιδευθῆναι ἐξ ὧν ἐκεί νοις ἐποίησε κρίνας αὐτοὺς κατὰ τὰ ἁμαρτήματα, ἐγκαταλιπὼν καὶ παρα δοὺς εἰς αἰχμαλωσίαν καὶ παραδοὺς εἰς φόνον καὶ παραδοὺς τοῖς πολεμίοις· δέον ἐκ τούτων ἡμᾶς ἐπιστρέψαι καὶ ἕκαστον ἡμῶν λογίσασθαι ὅτι, „εἰ ὁ θεὸς τῶν κατὰ φύσιν κλάδων οὐκ ἐφείσατο“, πόσῳ πλέον ἡμῶν οὐ φείσε ται, g εἰ τοὺς ἀπὸ τῶν πατέρων οὕτως ἐξέωσε γενομένους ἁμαρτωλούς, τί ἡμεῖς οἱ ἀπὸ τῶν ἐθνῶν κληθέντες πεισόμεθα, ἡμεῖς οὐδὲν τούτων ἐλογισά μεθα, κληθέντες ἵνα παραζηλώσῃ ἐκεῖνος ὁ λαὸς h ὁρῶν τὸν δοῦλον τετιμη μένον, βλέπων τὸν ἀγενῆ προσεληλυθότα. Εἰ ἤδη τοσαῦτα ἐκεῖνοι πεπόν θασι, πόσῳ πλέον, ἐὰν ἁμαρτάνωμεν, ἡμεῖς ἐγκαταλειφθησόμεθα; „Ἐν οἷς ἐμοιχᾶτο ἡ κατοικία τοῦ Ἰσραήλ, ἐξαπέστειλα αὐτὴν καὶ ἔδωκα αὐτῇ βιβλίον ἀποστασίου εἰς τὰς χεῖρας αὐτῆς· καὶ οὐκ ἐφοβήθη ἡ ἀσύν θετος Ἰούδα“ i ἃ πεποίηκα τῇ κατοικίᾳ τοῦ Ἰσραὴλ ὅτι „ἐξαπέστειλα αὐτὴν καὶ ἔδωκα αὐτῇ βιβλίον ἀποστασίου“. Οὐκ ἐφοβήθη ἐκ τῶν ἐκείνοις γεγε νημένων. Εἰσῆλθέ τις εἰς οἰκίαν οἰκοδεσπότου· νεώνητός ἐστι, πυνθάνεται τίνα τῶν προτέρων οἰκετῶν ἐτίμησε καὶ διὰ τί, τίνα ἠτίμασε τῶν οἰκετῶν a
Joh. 8,39 bLk. 3,8 11,21 h Röm. 11,11
c i
Ez. 11,19; 36,26 Jer. 3,8
d
1 Tim. 2,15
e
Röm. 8,15
f
Jer. 3,7f.
g
Röm.
7 ἐσκληρυμμένους Kl ἐσκληρυμένους S 11 εἶδεν Del mit H (uidit) εἶδον S 13 ἐὰν ἀναγινώσκωμεν Kl mit H (legentes) ἀναγινώσκομεν S 23 ἤδη S Nt δὲ Kl mit H (autem)
136 Diese Mahnung bzw. Warnung auch in Hier. hom. 10,8 (GCS Orig. 32, 78); 11,6 (32,
85); 12,13 (32, 101) u.ö., jeweils mit Bezug auf Röm. 11,21. 137 Hieronymus präzisiert in seiner Übersetzung, dass „Johannes der Täufer“ (Ioannes Baptista) der Sprecher ist. 138 Die τεκνογονία, wörtlich das „Kinderzeugen“ bzw. „-gebären“, ist entweder übertragen zu verstehen (so Schadel, BGrL 10, 261 Anm. 41; Smith, FaCh 97, 37 Anm. 70),
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Patriarchen abzustammen, um wieviel mehr dann wir, wenn wir sündigen, werden verlassen werden.136 „Wenn ihr Kinder Abrahams wäret, würdet ihr die Werke Abrahams tun“,a sagt der Erlöser zu ihnen. Und desgleichen Johannes:137 „Fangt nicht an, euch zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken.“ b Die Steine sind eine Anspielung auf uns, wenn wir ein steinernes Herz haben c und gegen die Wahrheit verhärtet sind. Und wahrhaftig hat Gott in seiner Macht dem Abraham aus den Steinen Kinder erweckt, wenn wir in der Kindschaft verbleiben d138 und den Geist der Sohnschaft e bewahren.139 Seine Untreue – die des Hauses Israel – hat also das untreue Juda gesehen, das seine Vereinbarungen mit Gott nicht gehalten hat, und sie sah darum in allem, weswegen jene verlassen wurde – denn all dies sehen wir, das heißt Juda, wir die Schrift lesen –, dass das Haus Israel in allem, worin es Ehebruch beging, verlassen wurde. Gott schickte sie fort und gab ihr den Scheidebrief.f Und wir müssten uns davon belehren lassen, wie er sie behandelte, indem er sie ihren Sünden gemäß richtete, sie verließ und in die Gefangenschaft auslieferte, dem Tod auslieferte, den Feinden auslieferte. Wir müssten uns von solchen Dingen abwenden, und jeder von uns müsste bedenken, „wenn Gott die natürlichen Zweige nicht geschont hat“, um wieviel mehr er dann uns nicht schonen wird,g wenn er die Nachkommen der Patriarchen derart verstoßen hat, weil sie Sünder geworden waren, was dann wir, die aus den Heidenvölkern Berufenen, erleiden werden. Nichts davon haben wir bedacht, obwohl wir berufen wurden, damit jenes Volk eifersüchtig wird,h wenn es sieht, wie der Sklave geehrt wird, wenn es zuschaut, wie der Niedriggeborene aufgerückt ist. Wenn jene schon so viel erlitten haben, um wieviel mehr werden dann wir, wenn wir sündigen, verlassen werden?140 „Worin das Haus Israel Ehebruch beging, schickte ich es fort und gab ihm den Scheidebrief in seine Hände, doch das untreue Juda geriet nicht in Furcht“ i davor, wie ich das Haus Israel behandelte, dass „ich es fortschickte und ihm den Scheidebrief gab“. Es geriet nicht in Furcht vor dem, was jenen geschehen war. Jemand kam in ein Haus, ein neugekaufter Sklave. Er erkundigt sich, welchen von den früheren Hausgenossen der Hausherr schätzte und weshalb und welchen von den Hausgenossen er geringschätzte und weshalb. Nachdem er sich also gute Gedanken und Werke als ‚Söhne‘ und ‚Töchter‘ der Seele, wie unten in Hier. hom. 5,7 (GCS Orig. 32, 37); in Hier. frg. 48 (32, 223); vgl. in Gen. hom. 1,15 (GCS Orig. 6, 19), oder der Begriff ist mit Hieronymus, der in adoptione eius übersetzte, und in Parallele zum folgenden υἱοθεσία passivisch als „Gezeugtsein als Kind“ aufzufassen. 139 Vgl. in Ioh. comm. VI 22,121 (GCS Orig. 4, 132): „Diejenigen, die wegen ihres steinernen Herzens ungläubige Steine genannt werden, werden von der Macht Gottes aus Steinen zu Kindern Abrahams umgewandelt.“ 140 Vgl. auch unten in Hier. hom. 20(19),9 (GCS Orig. 32, 193).
Ὁμιλία δʹ
29 222v
καὶ διὰ τί. Κατανοήσας, εἰ βούλεται εῖναι ἐν τῇ οἰκίᾳ τοῦ οἰκοδε σπότου, φυλάσσεται τούτοις περιπεσεῖν, ἃ πεποιήκασιν οἱ πρότεροι δοῦλοι καὶ ἡμαρτηκότες | καὶ ἐκβεβλημένοι καὶ κολάσει παραδεδομένοι. Εἶτα μαθὼν τίνα πεποιήκασιν οἱ πρότεροι δοῦλοι καὶ εὐδοκιμηκότες, καὶ ἐπὶ ποταποῖς ἐλευθερίας || τετυχήκασι, ζηλοῖ ἐκείνους. Καὶ ἡμεῖς δὲ οὐκ ἦμεν δοῦλοι τοῦ θεοῦ, ἀλλὰ εἰδώλων καὶ δαιμόνων, ἐθνικοί, ἐχθὲς καὶ πρώην προσεληλύθα μεν τῷ θεῷ, ἀναγινώσκωμεν τὴν γραφήν, ἴδωμεν τις ἐδικαιώθη, τίς κατε δικάσθη, μιμησώμεθα τοὺς δικαιωθέντας, φυλασσώμεθα περιπεσεῖν τούτοις, οἷς περιπεπτώκασιν οἱ αἰχμαλωτευθέντες, οἱ ἐκβληθέντες ἀπὸ τοῦ θεοῦ. 6. „Καὶ οὐκ ἐφοβήθη ἡ ἀσύνθετος Ἰούδα, καὶ ἐπορεύθη καὶ ἐπόρνευσεν καὶ αὐτή.“ Πρότερον πορνεύσαντος τοῦ Ἰσραὴλ πεπόρνευκεν ὕστερον καὶ Ἰούδας. „Καὶ ἐγένετο εἰς οὐδὲν ἡ πορνεία αὐτῆς, καὶ ἐμοίχευσε τὸ ξύλον καὶ τὸν λίθον.“a Ὅταν ἁμαρτάνωμεν, οὐδὲν ἄλλο ποιοῦμεν ἢ λιθοκάρδιοι γινόμενοι μοιχεύομεν τὸν λίθον. Ὅταν ἁμαρτάνωμεν καὶ πορνεύωμεν „ὑπο κάτω παντὸς ξύλου ἀλσώδους“, b καὶ ἡμεῖς μοιχεύομεν τὸ ξύλον. „Καὶ οὐκ ἐπεστράφη πρός με ἡ ἀσύνθετος Ἰούδα ἐξ ὅλης τῆς καρδίας αὐτῆς ἀλλ̓ ἐπὶ ψεύδει.“ c Εἰ ἐπεστρέψαμεν πρὸς τὸν θεόν ἐλλιπῶς δέ, ἐγκαλούμεθα ὡς οὐκ ἐξ ὅλης τῆς καρδίας ἐπιστρέψαντες. Διὸ „οὐκ εἶπεν· Καὶ οὐκ ἐπέστρεψεν ἡ ἀσύνθετος Ἰούδα, καὶ ἔστη, ἀλλά· „Καὶ οὐκ ἐπεστράφη πρός με ἡ ἀσύν θετος Ἰούδα ἐξ ὅλης τῆς καρδίας αὐτῆς, ἀλλ̓ ἐπὶ ψεύδει“ ἐπέστρεψεν. Ἡ οὖν ἀληθῶς ἐπιστροφή ἐστιν ἀναγνῶναι τὰ παλαιά, εἰδέναι τοὺς δικαιω θέντας, μιμήσασθαι αὐτούς, ἀναγνῶναι ἐκεῖνα, ἰδεῖν τοὺς μεμφθέντας, φυλά ξασθαι περιπεσεῖν ταῖς μέμψεσιν ἐκείναις, ἀναγνῶναι τὰ βιβλία τῆς καινῆς διαθήκης, τῶν ἀποστόλων τοὺς λόγους, μετὰ τὸ ἀναγνῶναι γράψαι ταῦτα a
Jer. 3,8f.
b
Jer. 3,6
c
Jer. 3,10
1 μεῖναι Kl mit H (perseuerare) εἶναι S Nt 7 ἀναγινώσκωμεν Del mit H (legamus) ἀναγινώσκομεν S 11 καὶ αὐτή Hu mit H (et ipsa) ἑαυτῆ S 18–19 ἐπεστράφη – οὐκ1 Kl mit H (est conuersa ad me praeuaricatrix Iuda ex toto corde suo. Neque uero)
141 An dieser Stelle macht es sachlich keinen Unterschied, ob man der Lesart im Codex
Scorialensis, εἶναι, folgt (so Nautin, GCS Orig. 32, 358; SC 232, 272, der gleichwohl „rester“ übersetzt: ebd. 273; Smith, FaCh 97, 38) oder nach der Übersetzung des Hieronymus, perseuerare, in μεἶναι ändert (so Klostermann, GCS Orig. 3, 28; Schadel, BGrL 10, 77). 142 Dasselbe Gleichnis in Hiez. hom. 7,1 (GCS Orig. 8, 391): „Es verhält sich nämlich so, wie wenn ein Herr in seinem Haus einen von den Hausgenossen schilt und seine Verfehlungen bloßstellt: Wenn ein anderer, neulich gekaufter Sklave die Disziplin des Hausherrn sieht, was er rügt, was er lobt, wird er belehrt, nicht das zu tun, was die früheren Mitsklaven getan haben, und bemüht sich mit aller Kraft darum, das zu tun, wodurch sich andere vom Herrn Wertschätzung und die Freiheit erworben haben. So ist es auch bei uns: Wenn wir hören, worin Gott Jerusalem rügt oder ganz Juda oder
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überlegt hat, ob er im Haus des Herrn bleiben141 will, hütet er sich davor, in die Dinge zu geraten, die die früheren Sklaven getan hatten, die wegen ihrer Verfehlungen hinausgeworfen und der Bestrafung ausgeliefert worden waren. Wenn er sodann erfahren hat, was die früheren Sklaven, die in gutem Ruf standen, getan und wofür sie die Freiheit erlangt hatten, ahmt er jene eifrig nach.142 Auch wir waren Sklaven, aber nicht Gottes, sondern der Götzen und der Dämonen.Wir waren Heiden, gestern und vorgestern erst sind wir zu Gott gekommen. Lasst uns die Schrift lesen,143 lasst uns sehen, wer gerechtfertigt wurde, wer verurteilt wurde! Lasst uns die Gerechtfertigten nachahmen, hüten wir uns davor, in die Dinge zu geraten, in welche die geraten sind, die in die Gefangenschaft geführt wurden, die von Gott verstoßen wurden! 6. „Doch das untreue Juda geriet nicht in Furcht, auch es ging und trieb Unzucht.“ Nachdem zuerst Israel Unzucht getrieben hatte, trieb später auch Juda Unzucht. „Seine Unzucht machte ihm nichts aus, und es beging Ehebruch mit dem Holz und mit dem Stein.“a Sooft wir sündigen, tun wir nichts anderes als steinherzig zu werden und Ehebruch mit dem Stein zu begehen.144 Sooft wir sündigen und „unter jedem Baum im Hain“ b Unzucht treiben, begehen auch wir Ehebruch mit dem Holz. „Und das untreue Juda kehrte nicht aus seinem ganzem Herzen zu mir zurück, sondern nur zum Schein.“ c Wenn wir uns zu Gott bekehrt haben, aber in unvollkommener Weise, wirft man uns vor, dass wir uns nicht aus ganzem Herzen bekehrt haben. Darum steht da: nicht Es heißt : Doch das untreue Juda kehrte nicht zurück, und Schluss,145 sondern: „Doch das untreue Juda kehrte nicht aus seinem ganzem Herzen zu mir zurück, sondern“ es kehrte „nur zum Schein“ zurück. Die wahrhafte Bekehrung also besteht darin, die alten Bücher146 zu lesen, um die Gerechtfertigten zu erkennen und sie nachzuahmen, jene zu lesen, um die Getadelten zu sehen und sich davor zu hüten, jenen Vorwürfen zu verfallen, die Bücher des Neuen Bundes zu lesen, die Worte der Apostel, um sich nach dem Lesen all dies ins Herz zu schreiben und daspeziell irgendeinen von den Stämmen, der sich verfehlt, ziehen wir daraus nicht wenig Nutzen, um nicht in das hineinzugeraten, in das die übrigen hineingeraten sind.“ 143 Das entspricht der von Origenes oft wiederholten Aufforderung aus Joh. 5,39: „Erforscht die Schriften!“ Siehe dazu unten S. 207 Anm. 205. 144 Hanson, Allegory and Event 249f., zählt diese Auslegung unter den allegorischen Deutungen philonischer Art auf, für die sich bei Philon keine Parallele findet. 145 Die Stelle zeigt, dass eine freie, im Lateinischen stilistisch gute Übersetzung durch Hieronymus (hier: tacuit) nicht in jedem Fall dazu führen sollte, den Text des Codex Scorialensis zu ändern (Huet schlug vor: ἐσίγησε), denn zum darin überlieferten καὶ ἔστη gibt es eine Parallele in Matth. comm. X 19 (GCS Orig. 10, 26). 146 Gemeint sind die Schriften des Alten Testaments (vgl. in Hier. hom. 5,8 [GCS Orig. 32, 37]: ἡ παλαιὰ διαθήκη), wie aus dem Zusammenhang hervorgeht und Hieronymus in seiner Übersetzung verdeutlicht: ueteris testamenti historias et prophetas.
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πάντα εἰς τὴν καρδίαν, βιῶσαι κατ̓ αὐτά, ἵνα μὴ καὶ ἡμῖν δοθῇ βιβλίον ἀποστασίου, ἀλλὰ δυνηθῶμεν ἥκειν ἐπὶ τὴν κληρονομίαν τὴν ἁγίαν, μετὰ τοῦ πληρώματος τῶν ἐθνῶν σωθέντος δυνηθῇ τότε ὁ Ἰσραὴλ εἰσελ θεῖν· ἐὰν γὰρ τὸ πλήρωμα τῶν ἐθνῶν εἰσέλθῃ, τότε πᾶς Ἰσραὴλ | σωθήσε ται,a καὶ „γενήσονται μία ποίμνη, εἷς ποιμὴν“ b διδάσκων δοξάζειν τὸν παντοκράτορα θεὸν ἐν αὐτῷ τῷ Χριστῷ Ἰησοῦ, „ᾧ ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων. Ἀμήν.“ c a
Röm. 11,25f.
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Joh. 10,16
c
1 Petr. 4,11
2 καὶ Kl mit H (et)
147 Hinter diesem Gedanken steht der „in die Seele geschriebene“ Logos bei Platon,
Phaidr. 276 a 5f. 8f.; 278 a 3. Siehe auch in Hier. hom. 2,3 (GCS Orig. 32, 20) und dazu oben S. 153 Anm. 107.
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nach zu leben,147 damit nicht auch uns der Scheidebrief ausgehändigt wird, sondern damit wir fähig werden, zum heiligen Erbe zu gelangen, mit der erlösten Fülle der Heidenvölker Israel dann eintreten kann, denn wenn die Fülle der Heidenvölker eingetreten ist, dann wird ganz Israel gerettet werden,a und sie werden „eine Herde werden, ein Hirte“,b der uns lehrt, den allmächtigen Gott in ihm, Christus Jesus, zu verherrlichen.148 „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ c
148 Huet, Origeniana II 2,2,29 (p. 48 bzw. PG 17, 795), hat diese Stelle neben anderen
Stellen aus den Homilien, wie immer differenziert, zu der Frage diskutiert, ob Origenes neben dem Vater zum Sohn betet, wie es hier klingt, oder ob er verboten hat, Gebete an den Sohn zu richten.
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Εἰς τὸ „ἐπιστράφητε, υἱοὶ ἐπιστρέφοντες, καὶ ἰάσομαι τὰ συντρίμματα ὑμῶν“ μέχρι τοῦ „περιζώσασθε σάκκους ἐπὶ τούτοις“.a
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1. Σαφῶς μὲν ἐν ταῖς τῶν ἀποστόλων γέγραπται Πράξεσιν, ὅτι οἱ ἀπό στολοι εἰσῄεσαν πρῶτον εἰς τὴν τῶν Ἰουδαίων συναγωγὴν b καταγγέλλον τες αὐτοῖς, ὡς συγγενέσι διὰ τὸν Ἀβραὰμ καὶ Ἰσαὰκ καὶ Ἰακώβ, c τῶν γε γραμμένων τὰ περὶ τῆς παρουσίας Ἰησοῦ Χριστοῦ. d Ὅτε δὲ ἐκείνων τὰ λεγόμενα μὴ δεχομένων ἔδει ἑτέρους εἶναι τοὺς ἀκροατὰς τῶν λεγομένων, τότε ἀπολογησάμενοι ἐκείνοις κατελίμπανον αὐτούς· γέγραπται γὰρ ὅτι „ὑμῖν ἔδει καταγγελθῆναι τὸν λόγον τοῦ θεοῦ· ἐπεὶ δὲ οὐκ ἀξίους κρίνετε ἑαυτούς, ἰδοὺ στρεφόμεθα εἰς τὰ ἔθνη“. e Τοῦτο δὲ σαφῶς εἰρημένον ἐν ταῖς Πράξεσι τῶν ἀποστόλων δυνάμει πολλαχοῦ καὶ τῶν προφητῶν λέλεκται· καὶ γὰρ προηγουμένως μὲν λαλεῖ τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον διὰ τῶν προφητῶν τοῖς ἀπὸ τοῦ λαοῦ ἐκείνου, εἰ δέ ποτε μετὰ τὸ πολλὰ εἰρηκέναι οὐκ ἠκού σθη, προφητεύει τὸν λόγον τὸν κηρυσσόμενον τοῖς ἔθνεσι. Τοῦτο δὲ καὶ ἐπὶ τῆς ἀρχῆς τοῦ σήμερον ἀναγνώσματος γεγένηται, ἐπειδήπερ πρὸ μὲν [τοῦ] αὐτοῦ τοῖς ἀπὸ τοῦ Ἰσραὴλ λέγεται τὸ „Εἰ καὶ πατέρα με καλέσεις, καὶ ἀπ̓ ἐμοῦ οὐκ ἀποστραφήσῃ. Πλὴν ὡς ἀθετεῖ γυνὴ εἰς τὸν συνόντα αὐτῇ, οὕτως ἠθέτησεν εἰς ἐμὲ ὁ οἶκος Ἰσραήλ, λέγει κύρι ος.“ f Καὶ ὅτε προηγουμένως ταῦτα εἴρηται τὰ περὶ τοῦ Ἰσραὴλ καὶ ἤκου σαν οἱ υἱοὶ Ἰσραὴλ· „ὅτι ἠδίκησαν ἐν ταῖς ὁδοῖς αὐτῶν καὶ ἐπελάθοντο θεοῦ ἁγίου αὐτῶν“, g ἑξῆς [καὶ] τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον μετατίθησι τὸν λόγον ἐφ̓ ἡμᾶς τοὺς ἀπὸ τῶν ἐθνῶν καί φησιν· „Ἐπιστράφητε, υἱοὶ ἐπιστρέφον τες, καὶ ἰάσομαι τὰ συντρίμματα | ὑμῶν.“ h Ἡμεῖς γάρ ἐσμεν οἱ πεπληρω μένοι συντριμμάτων, ἕκαστος εἴποι ἄν, εἰ καὶ νῦν κεκαθάρισται καὶ ἴαται ἀπὸ τῶν συντριμμάτων· „Ἦμεν γὰρ καὶ ἡμεῖς ἀπειθεῖς, ἀνόητοι, πλανώμε νοι, δουλεύοντες ἐπιθυμίαις καὶ ἡδοναῖς πολλαῖς καὶ ποικίλαις, ἐν κακίᾳ καὶ φθόνῳ διάγοντες, στυγητοί, μισοῦντες ἀλλήλους· ὅτε δὲ ἡ χρηστότης || καὶ ἡ φιλανθρωπία ἐπεφάνη τοῦ σωτῆρος ἡμῶν θεοῦ, διὰ λουτροῦ παλιγγενε σίας ἐπέχεε τὸν ἔλεον αὐτοῦ ἐφ̓ ἡμᾶς.“ i Καίτοιγε κἀκεῖνο τὸ ἀποστολικὸν ἅπαξ μνησθεὶς σαφέστερον πειράσομαι παραστῆσαι. Οὐ γὰρ εἴρηκεν· Ἦμεν a
Jer. 3,22–4,8 bApg. 13,14 cApg. 13,26 Jer. 3,21 hJer. 3,22 iTit. 3,3–6
d
g
17 τοῦ1 S Nt del. Kl
21 ὅτι Co LXX ἣν S
Apg. 13,33–35
e
Apg. 13,46
22 καὶ S Nt del. Bl Kl
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Jer. 3,19f.
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Über: „Kehrt um, ihr abtrünnigen Söhne, und ich werde eure Gebrechen heilen“ bis: „Zieht dafür Trauergewänder an“.a
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1. In der Apostelgeschichte steht klar geschrieben, dass die Apostel zuerst in die Synagoge der Juden gingen,b um ihnen als den von Abraham, Isaak und Jakob her Verwandten c zu verkünden, was sich in den Schriften auf das Kommen Jesu Christi bezieht.d Als aber, weil jene die Botschaft nicht annahmen, andere die Hörer der Botschaft sein mussten, da rechtfertigten sie sich vor jenen und verließen sie. Es steht nämlich geschrieben: „Euch musste das Wort Gottes verkündet werden. Da ihr euch aber nicht für würdig haltet, siehe, wenden wir uns an die Heidenvölker.“ e Was in der Apostelgeschichte klar gesagt wird, davon ist implizit auch an vielen Stellen der Propheten die Rede. Denn ursprünglich spricht der Heilige Geist durch die Propheten zu den Menschen aus jenem Volk, wenn er aber dann nach vielem Reden nicht gehört wurde, richtet er das prophetische Wort der Verkündigung an die Heidenvölker. Das ist auch am Anfang des heutigen Lesungstextes der Fall, insofern davor zu den Angehörigen Israels gesagt wird: „Magst du mich auch Vater nennen und dich von mir nicht abwenden, so hat doch, wie eine Frau ihrem Gefährten die Treue bricht, das Haus Israel mir die Treue gebrochen, spricht der Herr.“ f Und nachdem ursprünglich das, was Israel angeht, gesagt worden ist und die Söhne Israels gehört haben, „dass sie auf ihren Wegen Unrecht getan und ihren heiligen Gott vergessen haben“,g richtet daraufhin der Heilige Geist das Wort an uns, die Menschen aus den Heidenvölkern, und sagt: „Kehrt um, ihr abtrünnigen Söhne, und ich werde eure Gebrechen heilen.“ h Wir sind es ja, die voller Gebrechen sind. Jeder könnte wohl sagen, mag er auch jetzt von den Gebrechen gereinigt und geheilt sein: „Auch wir waren nämlich ungehorsam, unvernünftig, irregeführt, versklavt von Leidenschaften und vielen und vielfältigen Gelüsten. Wir lebten in Bosheit und Neid, verhasst, in gegenseitigem Hass. Als aber die Güte und die Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Erlösers, erschien, hat er durch das Bad der Wiedergeburt sein Erbarmen über uns ausgegossen.“ i Doch da ich nun auch jenes Apostelwort einmal erwähnt habe, will ich versuchen, es klarer zu machen.149 Es 149 Nautin, SC 232, 280 Anm. 1, schließt aus dieser Bemerkung zu Recht, dass Origenes
über den Titusbrief bzw. diese Passage offenbar noch nicht gepredigt hat und das
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γάρ ποτε ἀνόητοι, ἀπειθεῖς· ἀλλὰ Παῦλος, ὁ ἀπόστολος, ὁ ἀπὸ τοῦ Ἰσ ραήλ, ὁ „κατὰ τὴν ἐν νόμῳ δικαιοσύνην γενόμενος ἄμεμπτος“a λέγει· „Ἦμεν γὰρ καὶ ἡμεῖς ποτε (οἱ ἀπὸ τοῦ Ἰσραὴλ) ἀπειθεῖς, ἀνόητοι“· b ἀλλ̓ οὐ μόνον οἱ ἀπὸ τῶν ἐθνῶν ἀνόητοι ἦσαν οὐδὲ μόνοι οἱ ἀπὸ τῶν ἐθνῶν ἀπειθεῖς οὐδὲ μόνοι ἐκεῖνοι ἁμαρτωλοί, καὶ ἡμεῖς δὲ οἱ τὸν νόμον δεδιδαγμένοι τοιοῦτοι ἐτυγχάνομεν πρὸ τῆς παρουσίας τοῦ Χριστοῦ. Λέγεται οὖν μετὰ τὰ εἰρημένα τῷ Ἰσραὴλ πρὸς ἡμᾶς τοὺς ἀπὸ τῶν ἐθνῶν· „Ἐπιστράφητε, υἱοὶ ἐπιστρέφοντες, καὶ ἰάσομαι τὰ συντρίμματα ὑμῶν.“ c 2. Ἀλλ̓ ἐρεῖ τις· Ταῦτα εἴρηται πρὸς τὸν Ἰσραήλ, σὺ δὲ αὐτὰ ἕλκεις ἐπὶ τοὺς ἀπὸ τῶν ἐθνῶν. Θέλομεν παραστῆσαι ὅτι οὐ μετὰ πολλά, ἀλλ̓ εὐθύς, ὅπου βούλεται πρὸς τὸν Ἰσραὴλ λέγειν τὰ περὶ ἐπιστροφῆς, προστίθησι τὸ τοῦ Ἰσραὴλ ὄνομα. Ἑξῆς γοῦν λέγεται· „Ἐὰν ἐπιστραφῇ Ἰσραήλ, λέγει κύριος, πρός με, καὶ ἐπιστραφήσεται· καὶ ἐὰν περιέλῃ τὰ βδελύγματα αὐτοῦ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ, καὶ ἀπὸ τοῦ προσώπου μου εὐλαβηθῇ, καὶ ὀμόσῃ· ζῇ κύριος μετὰ ἀληθείας καὶ ἐν κρίσει καὶ ἐν δικαιοσύνῃ, καὶ εὐλο γήσουσιν ἐν αὐτῷ ἔθνη.“ d Τὰ πρῶτα τοίνυν εἴρηται πρὸς τοὺς ἀπὸ τῶν ἐθνῶν· εἶτ̓ ἐπεὶ ἐὰν τὸ πλήρωμα τῶν ἐθνῶν εἰσέλθῃ, τότε πᾶς Ἰσραὴλ σωθήσεται, e κατὰ τὰ εἰρημένα παρὰ τῷ ἀπο στόλῳ ἐν τῇ πρὸς Ῥωμαίους ἐπιστολῇ. Πρόσχες τίνα τρόπον ὁ μὲν θεὸς προτρέπει ἡμᾶς ἐπιστρέφοντας τελείως ἐπιστρέφειν, ἐπαγγελλόμενος ὅτι ἐὰν ἐπιστρέφοντες ἐπιστρέψωμεν πρὸς αὐτόν, ἰάσεται ἡμῶν διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ τὰ συντρίμματα· ἡμεῖς δὲ ἀποκρι νόμενοι, οἱ μὴ μέλλοντες μηδὲ || βραδύνοντες περὶ τῆς σωτηρίας ὡς ἐκεῖνος ὁ Ἰσραήλ, φαμέν· „Οἵδε ἡμεῖς ἐσόμεθά σοι.“ f Ὁ μὲν θεὸς εἶπεν· „Ἐπιστρά φητε, υἱοὶ ἐπιστρέφοντες, καὶ ἰάσο|μαι τὰ συντρίμματα ὑμῶν“· οἱ δὲ ἀπὸ τῶν ἐθνῶν· „Δοῦλοι ἐσόμεθα ἡμεῖς“, g οὐ πρότερον ὄντες „σοί“, ἀλλὰ δαι μόνων ὄντες, ἀλλὰ δυνάμεων ἀντικειμένων τυγχάνοντες. „Ὅτε“ γὰρ „δι εμέριζεν ὁ ὕψιστος ἔθνη“, ἐγενήθημεν ἡμεῖς οὐ μερίς σου οὐδὲ μετὰ τοῦ λαοῦ Ἰακὼβ σχοίνισμα κληρονομίας σου, h ἀλλὰ γεγόναμεν ἄλλων μερίδες· a
Phil. 3,6 bTit. 3,3 Dtn. 32,8f.
h
c
Jer. 3,22
10 οὐ μετὰ Hu οὐ μετ᾽ οὐ S
d
Jer. 4,1f.
e
Röm. 11,25f.
17 ἐπὶ – λέγεται Nt
f
Jer. 3,22
g
Jer. 3,22
27–28 διεμέριζεν Co διεμέριζες S
(längere) Zitat daraus daher zum Anlass nimmt, es durch ein paar Bemerkungen zu erläutern. Derselbe Fall mit nahezu identischem Wortlaut findet sich auch unten in Hier. hom. 5,4 (GCS Orig. 32, 34). 150 An dieser Stelle muss etwas im Sinne der Ergänzung ausgefallen sein. Gegenüber dem möglichen und sinnvollen Vorschlag von Blass: λέγει πρὸς τὸν Ἰσραήλ (vgl. Klostermann, GCS Orig. 3, 31 app. crit.) ist der Konjektur von Nautin, GCS Orig. 32, 358; SC 232, 282, der Vorzug zu geben, weil sie die Auslassung als „saut de ἐπὶ à ἐπεί“ (vgl. ebd. 72) zu erklären vermag.
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heißt nämlich nicht: Wir waren nämlich einst unvernünftig, ungehorsam, sondern Paulus, der Apostel, der aus dem Volk Israel stammt, „der nach der Gerechtigkeit gemäß dem Gesetz untadelig ist“,a sagt: „Auch wir waren nämlich einst“ – die aus dem Volk Israel – „ungehorsam, unvernünftig.“ b Nicht nur die Menschen aus den Heidenvölkern waren unvernünftig, und nicht nur die Menschen aus den Heidenvölkern waren ungehorsam, und nicht nur jene waren Sünder, sondern auch wir, die wir im Gesetz unterwiesen worden sind, waren so vor dem Kommen des Christus. Nach den an Israel gerichteten Worten wird also zu uns, den Menschen aus den Heidenvölkern, gesagt: „Kehrt um, ihr abtrünnigen Söhne, und ich werde eure Gebrechen heilen.“ c 2. Indes wird jemand einwenden: Das ist zu Israel gesagt, du aber beziehst es auf die Menschen aus den Heidenvölkern. Wir wollen darlegen, dass Gott, wenn er sich mit der Aufforderung zur Umkehr an Israel wenden will, den Namen Israel nicht nach vielen Worten, sondern sofort hinzufügt. Im Folgenden jedenfalls heißt es: „Wenn Israel zu mir umkehrt, spricht der Herr, wird es auch umkehren, und wenn es seine Gotteslästerungen aus seinem Mund beseitigt, wenn es sich vor meinem Angesicht in Acht nimmt und schwört: So wahr der Herr lebt, und dies in Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit, werden auch die Heidenvölker in ihm Segen haben.“ d Das erste ist also zu den Menschen aus den Heidenvölkern gesagt, dann ,150 denn wenn die Fülle der Heidenvölker eingetreten ist, dann wird ganz Israel gerettet werden e nach den Worten des Apostels im Brief an die Römer. Beachte, auf welche Weise Gott uns ermahnt, wenn wir umkehren, ganz umzukehren, indem er ankündigt, dass er, wenn wir bei der Umkehr zu ihm umkehren, durch Jesus Christus unsere Gebrechen heilen wird. Wir aber, die im Blick auf das Heil weder zögern noch zaudern wie jenes Israel, antworten darauf und sagen: „Hier sind wir, wir werden die Deinen sein.“ f Gott sagte: „Kehrt um, ihr abtrünnigen Söhne, und ich werde eure Gebrechen heilen“, und die Menschen aus den Heidenvölkern: „Wir werden deine Diener sein“,g die wir früher nicht „die Deinen“ waren, sondern den Dämonen gehörten und feindlichen Mächten unterstanden. Denn „als der Höchste die Völker zuteilte“, wurden wir nicht dein Anteil noch mit dem Volk Jakobs das für dich abgesteckte Erbe,h sondern wir wurden zu Anteilen anderer.151 Aber 151 Origenes präsentiert öfter die in der Septuagintafassung von Dtn. 32,8f. anzutreffende
Zuteilung der einzelnen Völker und Reiche der Erde an einen Engel, der sie als ihr Gott verwaltet, wobei das Volk Israel Gott untersteht: princ. I 5,2 (GCS Orig. 5, 71); in Ioh. comm. XIII 50,335 (GCS Orig. 4, 278); Cels. V 38 (GCS Orig. 2, 41f.); in Ex. hom. 8,2 (GCS Orig. 6, 220f.); in Num. hom. 11,4 (GCS Orig. 7, 84); in Luc. hom. 12,3 (GCS Orig. 92, 73f.). Die Vorstellung geht von Dtn. 32,8f. LXX aus auf jüdische Traditionen (vgl. Sir. 17,17; 24,12; Jubiläenbuch 15,31f.) ebenso zurück wie auf philosophische; vgl. für letztere Cels. V 25 (GCS Orig. 2, 26). Siehe dazu J. Michl, Art. Engel I–IX, in: RAC 5 (1962) 53–258, hier 75. 87. 107. 164; zu den politischen Aspek-
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ὅμως δὲ ἡμεῖς οἱ γενόμενοι ἄλλων ποτὲ μερίδες, σοῦ εἰπόντος ἡμῖν „Ἐπι στράφητε, υἱοί, ἐπιστρέφοντες, καὶ ἰάσομαι τὰ συντρίμματα ὑμῶν“ ἀποκρι νόμεθα· ἡμεῖς“· τοῦτο γὰρ περιεμένομεν, τὴν κλῆσιν, μόνον. Οὐχ ὡς ἐκεῖνοι ἐκλήθησαν καὶ παρῃτήσαντο, οὕτω καὶ ἡμεῖς καλούμενοι παραι τούμεθα. Ἔχομεν γὰρ ἐν ταῖς τοῦ εὐαγγελίου παραβολαῖς, ὅτι τινῶν κε κλημένων προηγουμένως ὁ μέν τις ἔλεγε· γυναῖκα ἔγημα, ἔχε με παρῃτημέ νον, ὁ δέ τις· ζεύγη βοῶν ἠγόρασα πέντε, πορεύομαι δοκιμάσαι αὐτά, ἔχε με παρῃτημένον.a Οὐχ οὕτως οὖν ἡμεῖς, οἱ ἀπὸ τῶν ἐθνῶν, ἐκλήθημεν καὶ παραιτούμεθα. Διὰ τί; Περὶ ποῖον ἀγρὸν ἵνα καταγενώμεθα; Περὶ ποίαν γυναῖκα σοφήν; Ἀλλὰ περὶ τί ἄλλο ἀσχοληθῶμεν; Εἴρηκεν οὖν ὁ θεὸς ἡμῖν· „Ἐπιστράφητε, υἱοί ἐπιστρέφοντες, καὶ ἰάσομαι τὰ συντρίμματα ὑμῶν“· καὶ βλέποντες ἑαυτῶν τὰ συντρίμματα καὶ περὶ τῆς ἰάσεως ἐπαγγελίαν, εὐθέως ἡμεῖς ἀποκρινόμεθα καὶ λέγομεν· „Ἰδοὺ ἡμεῖς ἐσόμεθά σοι, ὅτι σὺ κύριος ὁ θεὸς ἡμῶν.“ b Ἐπακούσαντες οὖν καὶ εἰπόντες „ἐσόμεθά σοι“ μνημονεύωμεν, ὅτι ὑπεσχόμεθα θεῷ, λέγοντες αὐτῷ τὸ „ἐσόμεθά σοι“· καὶ εἰπόντες αὐτῷ τὸ „ἐσόμεθά σοι“ μηδενὸς ἄλλου γενώμεθα, μὴ πνεύματος ὀργῆς, μὴ πνεύματος λύπης, μὴ πνεύματος ἐπιθυ μίας, μὴ τοῦ διαβόλου γενώμεθα, μὴ τῶν ἀγγέλων αὐτοῦ· c ἀλλὰ κληθέντες καὶ εἰπόντες· „Ἰδοὺ ἡμεῖς ἐσόμεθά σοι“, δείξωμεν τοῖς ἔργοις, ὅτι || ἐπαγ γειλάμενοι γενέσθαι αὐτοῦ, οὐδενὶ ἄλλῳ ἢ αὐτῷ ἑαυτοὺς ἀνεθήκαμεν. Καὶ λέγομεν· „Ὅτι σὺ κύριος ὁ θεὸς ἡμῶν εἶ“· οὐδένα γὰρ θεὸν ἡμεῖς ὁμολο γοῦμεν, οὐ τὴν κοιλίαν ὡς οἱ γαστρίμαργοι, „ὧν ὁ θεὸς ἡ κοιλία“· d | οὐ τὸ ἀργύριον ὡς οἱ φιλάργυροι, καὶ τὴν πλεονεξίαν, ἥτις ἐστὶν εἰδωλολα τρία, e οὐδὲ ἄλλο τι ἐκθεοῦμεν καὶ θεοποιοῦμεν, ὧν οἱ πολλοὶ θεοποιοῦσιν, ἀλλὰ ἡμῖν f ὁ ἐπὶ πᾶσι θεός, „ὁ ἐπὶ πάντων, ὁ διὰ πάντων, ὁ ἐν πᾶσι“ g θεός ἐστιν, καὶ ἠρτήμεθα τῆς ἀγάπης τῆς πρὸς τὸν θεόν (ἡ γὰρ ἀγάπη κολλᾷ ἡμᾶς τῷ θεῷ) λέγομεν· „Ἰδοὺ οἵδε ἡμεῖς ἐσόμεθά σοι, ὅτι σὺ κύριος ὁ θεὸς ἡμῶν.“ h 3. Εἶτα καταγνόντες τῶν προτέρων ἡμῶν κακῶν (ὅτε μεγάλα μὲν ἐνο μίζομεν καὶ ὑψηλὰ τὰ εἴδωλα, προσεκυνοῦμεν καὶ θαυμαστὰ ἐνομίζομεν οἷς a
Lk. 14,18–20 Jer. 3,22
h
3 οἵδε Kl
b
Jer. 3,22
c
Mt. 25,41
d
Phil. 3,19
15 μνημονεύωμεν Co μνημονεύομεν S
e
Eph. 5,5
f
1 Kor. 8,6
21 κύριος Kl κε S
g
Eph. 4,6
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ten: Peterson, Nationalismus im alten Christentum; speziell für Origenes: Daniélou, Origène 219–242; ders., Sources juives; Blanc, L’angélologie d’Origène 88–92. 152 Origenes deutet die Frau im Gleichnis auf die Weisheit der Philosophen, in Luc. frg. 212 (GCS Orig. 92, 319): „Der andere sagt: Ich habe eine Frau geheiratet. Das ist der, der wähnt, eine Weisheit gefunden zu haben, und weil er an ihr Teil hat, lehnt er die wahre Weisheit ab.“
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obwohl wir zu Anteilen anderer geworden sind, antworten wir, als du zu uns sagst: „Kehrt um, ihr abtrünnigen Söhne, und ich werde eure Gebrechen heilen“, gleichwohl: „ sind wir“; denn darauf haben wir gewartet, auf die Einladung, nur darauf. Wenn wir eingeladen werden, entschuldigen wir uns nicht wie jene, die eingeladen wurden und sich entschuldigten. Denn wir finden in den Gleichnissen des Evangeliums, dass von den ursprünglich Eingeladenen der eine sagte: Ich habe eine Frau geheiratet, entschuldige mich bitte, ein anderer aber: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft, ich bin auf dem Weg, sie mir anzusehen, entschuldige mich bitte!a Das ist also nicht unsere, der Menschen aus den Heidenvölkern, Art, eingeladen zu sein und sich zu entschuldigen. Warum? Bei welchem Acker sollten wir uns denn aufhalten? Bei welcher weisen152 Frau? Nein, womit sollten wir uns sonst beschäftigen? Gott hat also zu uns gesagt: „Kehrt um, ihr abtrünnigen Söhne, und ich werde eure Gebrechen heilen.“ Und wenn wir unsere Gebrechen betrachten und die Verheißung über ihre Heilung, antworten wir sogleich und sagen: „Siehe, wir werden die Deinen sein, denn du bist der Herr, unser Gott.“ b Da wir also gehorcht und gesagt haben: „Wir werden die Deinen sein“, wollen wir uns daran erinnern, dass wir uns Gott unterstellt haben, indem wir zu ihm sagten: „Wir werden die Deinen sein“. Und da wir zu ihm gesagt haben: „Wir werden die Deinen sein“, wollen wir niemand anderem gehören: nicht dem Geist des Zorns, nicht dem Geist der Traurigkeit, nicht dem Geist der Leidenschaft,153 weder dem Teufel noch seinen Engeln c wollen wir gehören. Da wir eingeladen worden sind und gesagt haben: „Siehe, wir werden die Deinen sein“, wollen wir vielmehr durch Taten zeigen, dass wir uns durch unsere Ankündigung, ihm zu gehören, keinem anderen als ihm zur Verfügung gestellt haben. Und wir sagen: „Denn du bist der Herr, unser Gott.“ Denn nichts bekennen wir als Gott, nicht den Bauch wie die Schlemmer, „deren Gott der Bauch ist“,d nicht das Geld wie die Geldgierigen oder die Habsucht, die Götzendienst ist,e und nichts anderes von dem, was die Menge zu Gott macht, vergöttlichen wir oder machen wir zu Gott, sondern für uns f ist Gott der Gott über allem, „der über allem, durch alles und in allem ist“,g und wir an der Liebe zu Gott hängen – denn die Liebe bindet uns an Gott –, sagen wir: „Siehe, hier sind wir, wir werden die Deinen sein, denn du bist der Herr, unser Gott.“ h 3. Wenn wir uns dann unserer früheren Übeltaten bewusst geworden sind – als wir die Götterbilder für großartig und erhaben hielten, beteten wir 153 Nach Origenes steckt hinter jedem Laster ein Dämon, in Num. hom. 20,3 (GCS
Orig. 7, 193): „Bei jeder einzelnen Sünde, die wir begehen, besonders, wenn wir nicht aus Unachtsamkeit, sondern mit Absicht und Leidenschaft sündigen, weihen wir uns zweifelsohne demjenigen Dämon, der für das Tun der Sünde, die wir begangen haben, zuständig ist.“ Vgl. ebd. 27,8 (7, 267f.); in Lev. hom. 12,7 (GCS Orig. 6, 466); in Ios. hom. 1,6 (GCS Orig. 7, 294); 12,3 (7, 370); 15,5 (7, 389f.).
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ἐλατρεύομεν· νυνὶ δὲ κατέγνωμεν ὅτι ἐκεῖνα πάντα ψευδῆ ἦν καὶ οὐδὲν ἐτύγχανεν), λέγομεν ἐπιστρέφοντες· „Ὄντως εἰς ψεῦδος ἦσαν οἱ βουνοί“,a καὶ ἡμεῖς καταγνόντες τῶν προτέρων ὑψηλῶν καὶ τῶν προτέρων θαυμα σίων. Καὶ τάχα ἐὰν φιλοτεχνῶμεν, εὑρήσομεν τὴν διαφορὰν τῶν ἐν τοῖς ἔθνεσι βουνῶν καὶ ὀρέων, ἅτινα καταλιπόντες οἱ εἰπόντες· „Ἰδοὺ οἵδε ἡμεῖς ἐσόμεθά σοι, ὅτι σὺ κύριος ὁ θεὸς ἡμῶν εἶ“, b κατηγοροῦσιν αὐτῶν ὡς ψευδῶν, καὶ τῶν βουνῶν καὶ τῶν ὀρέων. Τίς οὖν ἡ διαφορὰ τῶν ἐν τοῖς ἔθνεσιν ὀρέων καὶ βουνῶν, ὧν κατεγνωκότες λέγομεν· „Ὄντως εἰς ψεῦδος ἦσαν οἱ βουνοὶ καὶ ἡ δύναμις τῶν ὀρέων“; c Τοῦτο λέγομεν ἡμεῖς καταγνόν τες τῶν προτέρων. Τὰ προσκυνούμενα παρὰ τοῖς ἔθνεσι τὰ μὲν προσκυ νεῖται ὡς θεοί, τὰ δὲ ὡς ἥρωες. Ὁμολογοῦσι γὰρ καὶ αὐτοὶ περί τινων, πρότερον ἦσαν καὶ ἀπεθεώθησαν. Ἡρακλέα προσκυνοῦσιν οὐχ ὡς γεγεννημένον θεόν, ἀλλ̓ ὡς ἐξ ἀνθρώπου εἰς θεὸν μεταβληθέντα· Ἀσκληπιὸν προσκυνοῦσιν ὡς ἐξ ἀνθρώπων δι᾽ ἀρετὴν εἰς θεὸν μεταβεβλη κότα. Ὅταν δὲ προσκυνῶσι τοὺς πατέρας τούτων ὀνομαζομένους παρ᾽ αὐτοῖς θεούς, προσκυνοῦσιν οὐχ ὡς μεταβαλόντας || ἐξ ἀνθρώπων εἰς θε ούς, ἀλλ̓, ὡς ἐκεῖνοι οἴονται, θεοὺς ἀρχῆθεν ὄντας. Ἔσονται μὲν οὖν ἀρχῆθεν μὲν θεοὶ νομιζόμενοι τοῖς | ἔθνεσιν τὰ ὄρη καὶ „ἡ δύναμις τῶν ὀρέων“, οἱ δὲ νομιζόμενοι παρ᾽ αὐτοῖς νῦν μὲν εἶναι θεοί, πρότερον δ̓ ἄν θρωποι γεγονέναι, οὗτοί εἰσιν „οἱ βουνοί“. Ἐγνωκότες οὖν ἀμφότερα προσκυνούμενα τάγματά φασιν· „Ὄντως εἰς ψεῦδος ἦσαν οἱ βουνοὶ καὶ ἡ δύναμις τῶν ὀρέων.“ d Οὐ γὰρ ὑπολαμβά νουσιν οἱ αὐτοῖς λατρεύοντες, ὅτι ψευδῆ ἐστι ταῦτα. Διόπερ οἴονται τοὺς χρησμοὺς καὶ τὰς θεραπείας ἀληθινὰς εἶναι θεραπείας, οὐχ ὁρῶντες διαφορὰν „πάσης δυνάμεως καὶ σημείων καὶ τεράτων ψεύδους ἐν πάσῃ ἀπάτῃ ἀδικίας τοῖς ἀπολλυμένοις γινομένων“ e πρὸς πᾶσαν δύναμιν σημείων καὶ τεράτων ἀληθείας. Ἃ μὲν γὰρ ἐποίει Χριστὸς Ἰησοῦς, ταῦτα ἦν σημεῖα ἀληθείας, καὶ πρὸ αὐτοῦ ἃ μὲν ἐποίει Μωσῆς, f δύναμις ἦν ἀληθείας. Ἃ δὲ ἐποίουν οἱ Αἰγύπτιοι g σημεῖα μὲν ἦν a Jer. 3,23 8,3
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Jer. 3,23
c
Jer. 3,23
d
Jer. 3,23
e
2 Thess. 2,9f.
f
Ex. 7–11
g
Ex. 7,11f.22;
12 ὅτι ἄνθρωποι Kl 13 γεγεννημένον Lo γεγενημένον S 14–15 μεταβεβληκότα Kl μεταβεβηκότα S 17 οἱ Gh 21 τὰ Bl Kl (nicht Nt) 21 φασιν Del φησὶν S 22 οὐ Del νῦν S 23 αὐτοῖς Bl αὐτὰ S 24 ἀληθινοὺς εἶναι χρησμοὺς Lie Nt (nicht Kl) 27 ἀληθείας Gh Co ἀληθούς S 28 ἃ μὲν Nt δὲ ἃ Bl Kl μὲν ἃ S
154 Origenes hat oft darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des Bibeltextes akribisch zu
analysieren ist, um seinen exakten Sinn herauszufinden. Vgl. etwa in Hier. hom. 12,1 (GCS Orig. 32, 85f.), dazu unten S. 294 Anm. 377. 155 Schon Athenagoras, legat. 29,1 (PTS 31, 94) und 30,2 (31, 97), zählte Herakles und Asklepios unter den Beispielen für Menschen auf, die vergöttlicht wurden.
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sie an und hielten das, was wir verehrten, für wunderbar; jetzt aber ist uns bewusst geworden, dass jene Dinge allesamt Lügen und nichtig waren –, sagen wir, wenn wir umkehren: „Wirklich, zur Lüge nur dienten die Hügel“,a und wenn auch wir die einst erhabenen und die einst wunderbaren Dinge verurteilen. Und wenn wir methodisch vorgehen,154 werden wir vielleicht den Unterschied zwischen Hügeln und Bergen bei den Heidenvölkern herausfinden, welche diejenigen verlassen haben, die sagen: „Siehe, hier sind wir, wir werden die Deinen sein, denn du bist der Herr, unser Gott“,b und die sie als Lügen anklagen, und zwar sowohl die Hügel als auch die Berge. Worin besteht nun der Unterschied zwischen den Bergen und Hügeln bei den Heidenvölkern, über die wir, wenn wir sie verurteilen, sagen: „Wirklich, zur Lüge nur dienten die Hügel und die Macht der Berge“? c Das sagen wir, wenn uns unsere früheren Taten bewusst werden.Was bei den Heidenvölkern angebetet wird, wird teils als Götter angebetet, teils als Heroen. Von einigen geben sie nämlich sogar selbst zu, sie zuvor waren und vergöttlicht wurden. Sie beten Herakles an, aber nicht als einen, der als ein Gott geboren, sondern als einen, der aus einem Menschen in einen Gott verwandelt worden ist. Asklepios beten sie an als einen, der aus den Menschen wegen seiner Geschicklichkeit in einen Gott verwandelt worden ist.155 Wenn sie aber deren Väter anbeten, die bei ihnen Götter genannt werden, beten sie diese nicht als solche an, die sich aus Menschen in Götter verwandelt haben, sondern als solche, die ihrer Ansicht nach von Anfang an Götter waren. Es werden also von den Heidenvölkern von Anfang an für Götter gehalten werden, die Berge und „die Macht der Berge“ sein, diejenigen aber, von denen man bei ihnen annimmt, dass sie jetzt zwar Götter sind, zuvor aber Menschen waren, die sind „die Hügel“. Da sie nun beide Kategorien dessen, angebetet wird, erkannt haben, sagen sie: „Wirklich, zur Lüge nur dienten die Hügel und die Macht der Berge.“ d Denn ihre Verehrer merken nicht, dass sie Lügen sind. Deswegen glauben sie, dass die Orakel 156 und dass die Heilungen wahre Heilungen sind, ohne den Unterschied zu sehen zwischen „der ganzen Macht der Zeichen und der Wunder der Lüge, die sich bei jeder Täuschung der Ungerechtigkeit unter denen, die zugrundegehen, ereignen“,e und der ganzen Macht der Zeichen und Wunder der Wahrheit. Denn was Christus Jesus vollbrachte, das waren Zeichen der Wahrheit, und was vor ihm Mose vollbrachte,f war die Macht der Wahrheit. Was aber die Ägypter vollbrachten,g waren zwar Zeichen und Wunder, der Lüge.157 Desglei156 Diese Ergänzung von Lietzmann wird von Nautin, SC 232, 288, aufgenommen
(ebenso von Smith, FaCh 97, 45 Anm. 37), von Klostermann, GCS Orig. 3, 34 (und Schadel, BGrL 10, 82), hingegen nicht. 157 Die Abfolge von μέν und δέ in diesen Sätzen erklärt sich am Besten wohl so: Auf zwei μέν-Glieder, Jesus und Mose – weshalb das zweite, im Codex Scorialensis überlieferte
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καὶ τέρατα, ψεύδους. Οὕτως δὲ καὶ ἃ ἐποίει Σίμων μετὰ τὸν Ἰη σοῦν ὁ μάγος, ὥστε ἀποπλανᾶν τὸ ἔθνος τῆς Σαμαρείας καὶ νομίζεσθαι αὐτὸν εἶναι δύναμιν θεοῦ,a καὶ αὐτὰ ἦν σημεῖα καὶ τέρατα ψεύδους. Ὅταν οὖν καταγνῶμεν ἐκείνων, λέγομεν οἱ κατεγνωκότες· „Ὄντως εἰς ψεῦδος ἦσαν οἱ βουνοὶ καὶ ἡ δύναμις τῶν ὀρέων.“ b 4. Εἶτα ἐπεὶ ἡμεῖς, οἱ ἀπὸ τῶν ἐθνῶν, ἴσμεν ὅτι τῷ παραπτώματι τοῦ Ἰσραὴλ ὁδὸν ἐλάβομεν σωτηρίας c καὶ ἐκεῖνοι ἔξω εἰσὶν ἐκβεβλημένοι, d μέχρι τὸ πλήρωμα ἡμῶν εἰσέλθῃ, ἴσμεν δὲ ὅτι ἐὰν „τὸ πλήρωμα τῶν ἐθνῶν εἰσ έλθῃ“, μετὰ τοῦτο „πᾶς Ἰσραὴλ σωθήσεται“, e διὰ τοῦτό φαμεν πρῶτον μὲν τὸ „Ὄντως εἰς ψεῦδος ἦσαν οἱ βουνοὶ καὶ ἡ δύναμις τῶν ὀρέων“, δεύτερον δὲ περὶ τοῦ Ἰσραὴλ σωθη||σομένου μετὰ τὸ πλήρωμα τῶν ἐθνῶν· „Πλὴν διὰ κυρίου θεοῦ ἡμῶν ἡ σωτηρία τοῦ Ἰσραήλ“. f Ἐπεὶ δὲ ἅπαξ ἐμνή σθημεν τοῦ ἀποστολικοῦ ῥητοῦ λέγοντος ὅτι τῷ παραπτώματι, ᾧ παρέ πεσεν ὁ Ἰσραήλ, ἡ σωτηρία γέγονε τοῖς ἔθνεσιν, καὶ ὅταν „τὸ πλήρωμα τῶν ἐθνῶν εἰσέλθῃ“, ἔξω μένοντος τοῦ Ἰσραήλ, μετὰ τὸ εἰσερχόμενον πλήρωμα τῶν ἐθνῶν τότε „πᾶς Ἰσραὴλ σωθήσεται“, φέρε τὰ κατὰ τοὺς τόπους τούτους ἀναπτύξωμεν. Ἦν Ἰσραὴλ σῳζόμενος. Ἐξέπεσεν ὁ πολὺς Ἰσραήλ, ἀλλὰ „λεῖμμα κατ̓ ἐκλογὴν χάριτος γέγονεν“, g περὶ οὗ λείμμα|τος μυστικῶς „ἐν Ἠλίᾳ“ h λέλεκται· „Κατέλιπον ἐμαυτῷ ἑπτακισχιλίους ἄνδρας, οἵτινες οὐκ ἔκαμψαν γόνυ τῇ Βαάλ.“ i Καὶ ἑρμηνεύων περὶ τοῦ λείμματος τούτου ὁ ἀπόστολός φησιν· „Ἄρ᾽ οὖν καὶ ἐν τῷ νῦν καιρῷ λεῖμμα κατ̓ ἐκλογὴν χάριτος γέγονεν.“ j Οὐκοῦν Ἰσραὴλ κἂν λεῖμμα σῳζόμενον, κατα λειφθέντος τοῦ Ἰσραήλ. Ταῦτα τὰ δύο τάγματα, εἰ δυνατὸς εἶ, μετάγαγέ μοι καὶ ἐπὶ τοὺς ἀπὸ τῶν ἐθνῶν. Οὐ γὰρ εἶπεν· Ὅταν πάντα τὰ ἔθνη σωθῇ, τότε πᾶς Ἰσραὴλ σωθήσεται, ἀλλ̓ ὅταν „τὸ πλήρωμα τῶν ἐθνῶν εἰσέλθῃ“, τότε „πᾶς Ἰσραὴλ σωθήσεται“. k Οὐ τὶς Ἰσραὴλ σωθήσεται μετὰ πάντα τὰ ἔθνη, ἀλλὰ μετὰ τὸ πλήρωμα τῶν ἐθνῶν. Εἴ τις δύναται, τὸ a
Apg. 8,9f. bJer. 3,23 cRöm. 11,11 dLk. 13,28 eRöm. 11,25f. f Jer. 3,23 11,5 h Röm. 11,2 i Röm. 11,4; 1 Kön. 19,18 j Röm. 11,5 kRöm. 11,25f.
1 ἀλλὰ Lie Kl (nicht Nt)
g
Röm.
11 σωθησομένου Gh σωθησομένων S
μέν nicht mit Blass (akzeptiert von Klostermann) in δέ zu ändern, sondern mit Nautin, GCS Orig. 32, 358; SC 232, 288, lediglich μὲν ἅ zu ἃ μέν umzustellen ist –, folgen als Opposition zwei δέ-Glieder, die Ägypter und Simon der Magier. Das μέν im Satz über die Ägypter benötigt einen Kontrast, weshalb Lietzmanns Ergänzung ἀλλά sinnvoll ist (akzeptiert von Klostermann, GCS Orig. 3, 34, und Schadel, BGrL 10, 83), denn damit wird der Kontrast präzisiert. Nautin, SC 232, 72, lehnt letztere Ergänzung ab und versteht das letzte δέ (im Satz über Simon Magus) als Kontrast zum ersten μέν (im Satz über Jesus). Damit bleibt μέν im Satz über die Ägypter aber unerklärt, vor allem aber widerspricht dem das den Simon Magus-Satz einleitende οὕτως, denn dieses bezieht den Satz eindeutig auf den Satz über die Ägypter. 158 Zu dieser Wendung siehe oben S. 177 Anm. 149.
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chen waren auch das, was Simon der Magier nach Jesus vollbrachte, um das Volk von Samaria irrezuführen und selbst für Gottes Kraft gehalten zu werden,a Zeichen und Wunder der Lüge.Wenn wir uns also jener Dinge bewusst werden, sagen wir, da wir uns ihrer bewusst werden: „Wirklich, zur Lüge nur dienten die Hügel und die Macht der Berge.“ b 4. Weil wir, die wir von den Heidenvölkern abstammen, nun wissen, dass uns durch die Verfehlung Israels der Weg zum Heil eröffnet wurde c und jene draußen sind, hinausgeworfen,d bis wir in Fülle eingetreten sind, weil wir aber auch wissen, dass dann, wenn „die Heidenvölker in Fülle eingetreten sind, ganz Israel gerettet werden wird“,e darum sagen wir zuerst: „Wirklich, zur Lüge nur dienten die Hügel und die Macht der Berge“, als zweites aber über Israel, das nach der Fülle der Heidenvölker gerettet werden wird: „Nur durch den Herrn, unseren Gott, erfolgt die Rettung Israels“.f Da wir nun einmal das Apostelwort erwähnt haben,158 das besagt, dass durch die Verfehlung, durch die Israel zu Fall gekommen ist, das Heil zu den Heidenvölkern gekommen ist, und „die Heidenvölker in Fülle eintreten“, während Israel draußen bleibt, nachdem aber die Heidenvölker in Fülle eingetreten sind, daraufhin „ganz Israel gerettet werden wird“, wohlan, lasst uns das an diesen Stellen Gesagte erschließen! Es gab ein159 Israel, das gerettet wird. Der Großteil Israels ist zu Fall gekommen, aber „es gab einen Rest, der aus Gnade erwählt ist“.g Von diesem Rest wird geheimnisvoll „im Bericht über Elija“ h gesagt: „Mir sind siebentausend Männer geblieben, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt haben.“ i Und wo der Apostel die Bedeutung dieses Restes erklärt, sagt er: „So gibt es also auch in der jetzigen Zeit einen Rest, der aus Gnade erwählt ist.“ j Also gibt es ein Israel, wenn auch nur einen Rest, das gerettet wird, während Israel verlassen wurde. Übertrage mir diese zwei Gruppen, wenn du dazu in der Lage bist, auch auf die Menschen aus den Heidenvölkern. Er sagte nämlich nicht: Wenn alle Heidenvölker gerettet werden, dann wird ganz Israel gerettet werden, sondern wenn „die Heidenvölker in Fülle eingetreten sind“, dann „wird ganz Israel gerettet werden“.k Es gibt ein Israel, das gerettet werden wird, aber nicht nach allen Heidenvölkern, sondern nach der Fülle der Heidenvölker.160 Wenn einer dazu fähig ist, soll er das Weitere so, wie er ent159 Das von Nautin, GCS Orig. 32, 358; SC 232, 290 (vgl. ebd. 72), hier eingefügte τις
(akzeptiert von Smith, FaCh 97, 45 Anm. 47) scheint nicht nötig zu sein.
160 Entsprechend seiner Soteriologie des geistigen, intellektuell-spirituellen Fortschritts
interpretiert Origenes den paulinischen Ausdruck τὸ πλήρωμα τῶν ἐθνῶν aus Röm. 11,25, „die Fülle der Heidenvölker“, nicht quantitativ im Sinne von „alle Heidenvölker“, sondern qualitativ als Eintreten in das Heil „in Fülle“. Origenes deutet Röm. 11 also so, dass Paulus nur von der Rettung der „Vollkommenen“, und zwar aus den Heiden wie aus den Juden, spricht. Siehe auch Nautin, SC 232, 164. 292 Anm. 1. Daran schließt er einen nicht weiter ausgeführten und daher sehr kryptisch anmutenden Gedanken dazu an, wann auch quantitativ „alle“ gerettet werden, Gott „unter
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λοιπόν ὥσπερ εὗρεν τὸν Ἰσραὴλ σῳζόμενον μετὰ τὸ πλήρωμα τῶν ἐθνῶν, διαβὰς τῷ λόγῳ κατανοησάτω, πότε πάντες δουλεύσουσιν κατὰ τὰ ἐν τῷ Σοφονίᾳ εἰρημένα τῷ θεῷ „ὑπὸ ζυγὸν ἕνα“ καὶ „ἐκ περάτων Αἰθιοπίας οἴσουσιν θυσίας“ αὐτῷ·a ὅτε, ὡς ἐν ἑξηκοστῷ ἑβδόμῳ λέλεκται Ψαλμῷ· „Αἰθιοπία προφθάσει χεῖρα αὐτῆς τῷ θεῷ“, καὶ ταῖς βασιλείαις „τῆς γῆς“ προστάσσει ὁ λόγος λέγων· „Ἄισατε τῷ κυρίῳ, ψάλατε τῷ θεῷ Ἰακώβ.“ b 5. Οὐκοῦν λέγομεν ἡμεῖς || οἱ ἀπὸ τῶν ἐθνῶν περὶ μὲν ἑαυτῶν, μετανο οῦντες ἐπὶ τοῖς ψευδέσιν ἃ ἐνομίζομεν εἶναι ἀληθῆ· „Ὄντως εἰς ψεῦδος ἦσαν οἱ βουνοὶ καὶ ἡ δύναμις τῶν ὀρέων“· περὶ δὲ τοῦ μεθ̓ ἡμᾶς σωθησομένου Ἰσραήλ· „Πλὴν διὰ κυρίου θεοῦ ἡμῶν ἡ σωτηρία τοῦ οἴκου Ἰσραήλ“. c Εἶτα ἐξομολογούμενοι περὶ τῶν ἁμαρτημάτων, ἐν οἷς καὶ οἱ πατέρες ἡμῶν γεγό νασιν καὶ ἡμεῖς αὐτοὶ εἰδωλολατροῦντες, φαμέν· „Ἡ δὲ αἰσχύνη κατηνάλω σεν τοὺς μόχθους τῶν πατέρων ἡμῶν ἀπὸ νεότητος αὐτῶν, τὰ πρόβατα αὐτῶν καὶ τοὺς βόας αὐτῶν, τοὺς υἱοὺς αὐτῶν καὶ τὰς θυγατέρας αὐτῶν.“ d „Ἡ αἰσχύνη κατηνάλωσεν τοὺς μόχθους τῶν πατέρων ἡμῶν“ καὶ τάδε τὰ εἰρημένα. Οὐκοῦν εἰ μέλλει καταναλίσκεσθαι ὁ μοχθηρὸς μόχθος καὶ τὸ ψευδὲς ἔργον τῶν πατέρων, αἰσχύνην δεῖ γενέσθαι· πρὶν γὰρ αἰσχύνης οὐ καταναλίσκεται ὁ μόχθος τῶν πατέρων ἡμῶν καὶ τὰ ἐπιφερόμενα. Διὰ τοῦτο κατανοήσωμεν ἁμαρτανόντων διαφοράς. Εἰσὶν ἁμαρτάνοντες καὶ οὐκ αἰσχυνόμενοι οὐδὲ αἰδούμενοι ἐπὶ ταῖς ἁμαρ|τίαις αὐτῶν οὐδὲ ἐρυθριῶντες. Τοιοῦτοί εἰσιν οἱ ἀπηλγηκότες καὶ ἑαυτοὺς παραδόντες πάσῃ ἀσελγείᾳ καὶ πάσῃ ἀκαθαρσίᾳ. e Βλέπεις γὰρ τοὺς ἀπὸ τῶν ἐθνῶν τίνα τρόπον ὡς ἀρι στείας ἔσθ̓ ὅτε καταλέγουσιν τὰς πορνείας καὶ τὰς μοιχείας ἑαυτῶν, οὐδὲ αἰδούμενοι ὁμολογεῖν τὰ τοιαῦτα πεποιηκέναι, καὶ οὐ λέγουσιν αὐτὰ ἁμαρ τήματα. Ὅσον οὐκ αἰσχύνονται, οὐκ ἀναλίσκονται αὐτῶν οἱ μόχθοι, οὐκ ἀναλίσκεται αὐτῶν τὰ ἁμαρτήματα. Ἀρχὴ ἀγαθῶν ἐστιν τὸ αἰσχυνθῆναί τινα ἃ οὐκ ᾐσχύνετο. Διὰ τοῦτο ἐγὼ οὐ κατάραν νομίζω ἐν τοῖς προφήταις λέγεσθαι ἐν τῷ „Αἰσχυνθήτωσαν καὶ ἐντραπήτω||σαν πάντες οἱ μισοῦντες Σιών“. f Εὔχεται γὰρ τοὺς ἀναισθήτους τῆς αἰσχύνης ἔργων εἰς συν αίσθησιν ἔρχεσθαι, ἵνα αἰσχυνθέντες δυνηθῶσιν ἀναλῶσαι τοὺς μόχθους καὶ τὰ ἁμαρτήματα αὐτῶν. a
Zeph. 3,9f.
b
Ps. 67(68),32f.
c
Jer. 3,23
2 δουλεύσουσιν Co (Gh) δουλεύουσιν S ψεῦδος S 29 τῶν Gh
d
Jer. 3,24
e
Eph. 4,19
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Ps. 128(129),5
4 ἑξηκοστῷ ἑβδόμῳ Kl ξζ´ S
17 ψευδὲς C
einem einzigen Joch“ dienen, wie er hier sagt, oder „einem einzigen Gesetz unterworfen sind“, wie er in Cels. VIII 72 (GCS Orig. 2, 288–290) formuliert, dort ebenfalls mit Rückgriff auf die universalen Aussagen in Zeph. 3,7–13.
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deckt hat, dass Israel nach der Fülle der Heidenvölker gerettet wird, mit seinem Verstand durchgehen und begreifen, wann – nach den Worten bei Zephanja – alle Gott „unter einem einzigen Joch“ dienen und ihm „von den Grenzen Äthiopiens her Opfer darbringen werden“,a wenn einmal, wie in Psalm 67 gesagt ist, „Äthiopien seine Hände zu Gott emporstrecken“ und das Wort den Königreichen „der Erde“ befehlen wird: „Singt dem Herrn, lobpreist den Gott Jakobs!“ b161 5. Wir also, die wir von den Heidenvölkern abstammen, sagen über uns selbst, wenn wir bezüglich der Lügen umdenken, die wir für wahr gehalten haben: „Wirklich, zur Lüge nur dienten die Hügel und die Macht der Berge“, über Israel aber, das nach uns gerettet werden wird, sagen wir: „Nur durch den Herrn, unseren Gott, erfolgt die Rettung des Hauses Israel.“ c Wenn wir dann die Sünden bekennen, in denen unsere Väter und wir selbst lebten, als wir die Götterbilder verehrten, sagen wir: „Die Scham hat die Mühen unserer Väter verzehrt von ihrer Jugend an, ihre Schafe und ihre Jungstiere, ihre Söhne und ihre Töchter.“ d „Die Scham hat die Mühen unserer Väter verzehrt“ und was sonst noch hier gesagt ist. Nun, wenn die verwerfliche Mühe und das falsche Tun der Väter verzehrt werden soll, muss Scham entstehen. Denn vor der Scham wird die Mühe unserer Väter und das dem Hinzugefügte nicht verzehrt. Betrachten wir daher die Unterschiede zwischen den Sündern! Es gibt Sünder, die weder Schande noch Scham wegen ihrer Sünden empfinden und auch nicht erröten. Das sind die, die abgestumpft sind und sich jeder Ausschweifung und jeder Unreinheit hingeben.e Du siehst ja, auf welche Weise die Angehörigen der Heidenvölker ihre Hurereien und Ehebrüche bisweilen auflisten, als wären es Heldentaten, ohne sich zu schämen zuzugeben, derartige Dinge getan zu haben, und sie bezeichnen sie nicht als Sünden. Solange sie sich nicht schämen, werden ihre Mühen nicht verzehrt, werden ihre Sünden nicht verzehrt. Der Anfang des Guten besteht darin, sich über etwas zu schämen, worüber man sich nicht geschämt hat. Deswegen halte ich nicht für einen Fluch, was in den Propheten gesagt wird, wo es heißt: „Beschämt werden und zurückweichen sollen alle, die Zion hassen.“ f Es wird nämlich darum gebetet, dass die für Werke der Schande Unempfindlichen zum Empfinden kommen, damit sie sich schämen und so ihre Mühen und Sünden verzehren können.
161 „Äthiopien“ ist für Origenes Symbol für das Reich des Teufels. Weil die Haut der
Äthiopier schwarz ist, stehen sie für Seelen, die dem Teufel unterworfen sind: in Hier. hom. 11,6 (GCS Orig. 32, 84), und laut Ps. 73(74),13f. LXX verspeisen die Äthiopier Drachen: orat. 27,12 (GCS Orig. 2, 371). Die Rettung „aller“ wird also eingetreten sein, wenn sich auch die am tiefsten gefallene Vernunftseele (der Teufel) wieder Gott zugekehrt hat.
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6. Τὰ δὲ ἄλογα τῶν πατέρων κινήματα πρόβατα εἶπεν καὶ μόσχους.a Οὐ γὰρ πάντα τὰ ἄλογα ἐπαινετά· ἀλλ̓ ἔστιν ἄλογά τινα ψεκτά, ὥσπερ τὰ πρόβατα τῶν πατέρων τῶν ἡμαρτηκότων· ἔστιν δέ τινα ἄλογα ἐπαινε τά, οἷον· „Τὰ ἐμὰ πρόβατα τῆς φωνῆς μου ἀκούουσιν.“ b Πρόβατα ἦν καὶ ταῦτα, οἷς ἀνάλογον ἔχομεν τὸν λόγον, ἔχοντες τὸν ποιμένα τὸν καλὸν ἐν ταῖς ψυχαῖς ἡμῶν. Ἐπὰν γὰρ λέγῃ ὁ σωτήρ· „Ἐγώ εἰμι ὁ ποιμὴν ὁ καλός“· c οὐκ ἀκούω μόνον καθολικῶς, ὡς πάντες ἀκούουσιν, ὅτι ποιμήν ἐστιν τῶν πιστευόντων (καὶ τοῦτο μὲν γὰρ καὶ ὑγιὲς καὶ ἀληθές), ἀλλὰ καὶ ἐν τῇ ἐμῇ ψυχῇ ὀφείλω ἔχειν ἔνδον μου τὸν Χριστόν, ἔνδον μου τὸν καλὸν ποιμένα, ποιμαίνοντα τὰ ἐν ἐμοὶ ἄλογα κινήματα, ἵνα μηκέτι ἐπὶ τὴν νομὴν ὡς ἔτυχεν ἐξέρχηται, ἀλλ̓ ἀγόμενα ὑπὸ τοῦ ποιμένος ταῦτα τὰ ἀλλότριά ποτε τυγχάνοντα αὐτοῦ ἴδια γένηται αὐτοῦ. Διὰ τοῦτο νῦν, ἐὰν ποιμὴν ᾖ ἐν ἐμοί, ἄρχει μου τῶν αἰσθήσεων· οὐκέτι εἰσὶν ὑπὸ νοῦν ἀλλότριον, ἢ ὑπὸ Φαραώ, ἢ ὑπὸ Ναβουχοδονόσορ, ἀλλὰ ὑπὸ τὸν καλὸν ποιμένα. 7. „Ἡ αἰσχύνη“ οὖν „κατηνάλωσεν τοὺς μόχθους τῶν πατέρων ἡμῶν ἀπὸ νεότητος αὐτῶν, τὰ πρόβατα αὐτῶν καὶ τοὺς βόας αὐτῶν.“ d | Ἔστι ἐν ἡμῖν γεωργοῦν ἡμᾶς, ἤτοι δὲ κακῶς γεωργοῦν, εἴγε δεῖ λέγειν τὸ κακῶς ἐπὶ τοῦ γεωργοῦντος, ἢ καλῶς γεωργοῦν. Εἰ μὲν οὖν κακῶς γεωρ γεῖ, μόχθος ἐστὶ τῶν πατέρων καταναλισκόμενος ὑπὸ τῆς αἰσχύνης αὐτῶν· εἰ δὲ καλῶς γεωργεῖ, οὐκ ἔστι τῶν πατέρων μόχθος· ἀλλὰ μόχθος ἐστὶν ἀφ̓ ὧν τὰ πρωτότοκα ἀναφέρεται ἐπὶ τοῦ θυσιαστηρίου τοῦ θεοῦ. „Τοὺς υἱοὺς αὐτῶν καὶ τὰς θυγατέρας αὐτῶν“ e λέγουσιν οὗτοι. Τίνων „αὐτῶν“ ἢ τῶν πατέρων υἱοὶ ἀνα||λίσκονται ὑπὸ τῆς αἰσχύνης αὐτῶν καὶ αἱ θυγα a
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6 λέγῃ Gh λέγει S 10 ποιμαίνοντα V ποιμένοντα S 12 γένηται Hu γενέσθαι S 14 Ναβουχοδονόσορ V Ναβουχοδονόσωρ S 16–17 ἔστι τι C ἔστιν S 18 ἢ Gh Co 22 τίνων ἡS 18 γεωργοῦν Gh γεωργοῦντος S 20 μόχθος2 S Kl μόσχος C Nt αὐτῶν ἢ Co τινῶν αὐτῶν ἡ S τίνων αὐτῶν οἱ V 23 οἱ Kl 23 ὑπὸ Gh ἀπὸ S 162 Origenes interpretiert christologisch die Auslegung Philons zu Gen. 4,2 („Und Abel
wurde ein Schafhirt“) in sacr. Abel. et Cain. 45 (I p. 220 Cohn/Wendland): Abel verkörpert den Geist, der als Hirt der Schafe, d.h. als Leiter und Lenker der unvernünftigen Seelenkräfte, wirkt und verhindert, dass sie in die Irre schweifen und zugrundegehen. 163 Vgl. Philon, leg. all. III 188 (I p. 155 Cohn/Wendland). 164 Siehe dazu die methodische Bemerkung des Origenes, in Num. hom. 11,4 (GCS Orig. 7, 83): „Wie wir nämlich sehen, dass manche Namen von Völkern oder Herrschern in den Schriften stehen, die sich ohne jeden Zweifel auf die bösen Engel und die feindlichen Mächte beziehen, wie zum Beispiel Pharao, der König von Ägypten, und der Babylonier bzw. Assyrer Nebukadnezzar, so glaube ich, dass wir auch das, was über heilige Männer und fromme Leute geschrieben steht, auf die heiligen Engel und die wohlgesonnenen Mächte beziehen müssen.“ Zum Pharao vgl. in Is. hom. 1,1 (GCS Orig. 8, 242f.); 5,3 (8, 266f.) und dazu Fürst/Hengstermann, OWD 10, 195
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6. Die unvernünftigen Regungen der Väter aber nannte er Schafe und Kälber.a Denn nicht alles Unvernünftige ist lobenswert, sondern es gibt Unvernünftiges, das tadelnswert ist, wie die Schafe der zu Sündern gewordenen Väter. Es gibt aber auch Unvernünftiges, das lobenswert ist, zum Beispiel: „Meine Schafe hören auf meine Stimme.“ b Schafe war auch das, wozu unsere Vernunft eine Analogie ist, wenn wir den guten Hirten in unseren Seelen haben. Wenn nämlich der Erlöser sagt: „Ich bin der gute Hirt“,c verstehe ich das nicht nur in dem allgemeinen Sinn, wie es alle verstehen, dass er der Hirt der Gläubigen ist – auch das ist freilich gesund und wahr –, sondern muss ich auch in meiner Seele, in meinem Innern, Christus haben, in meinem Innern den guten Hirten, der die unvernünftigen Regungen in mir hütet, damit sie nicht mehr aufs Geratewohl auf die Weide hinausgehen, sondern geführt vom Hirten das, was ihm einmal fremd war, ihm zu eigen wird.162 Wenn daher jetzt der Hirt in mir ist, herrscht er über meine Empfindungen.163 Sie unterstehen nicht mehr einem fremden Geist, dem Pharao oder Nebukadnezzar,164 sondern dem guten Hirten.165 7. „Die Scham“ also „hat die Mühen unserer Väter verzehrt von ihrer Jugend an, ihre Schafe und ihre Jungstiere.“ d Es gibt in uns, das den Boden in uns bebaut, und entweder bebaut es ihn schlecht – wenn man denn die Wertung ‚schlecht‘ auf den anwenden darf, der bebaut166 –, oder es bebaut ihn gut. Wenn es ihn nun schlecht bebaut, ist es die Mühe der Väter, die von ihrer Scham verzehrt wird. Wenn es ihn aber gut bebaut, gibt es keine Mühe der Väter, sondern ist es die Mühe167 für die Erstlinge, die auf dem Altar Gottes dargebracht werden. „Ihre Söhne und ihre Töchter“ e nennen sie sie. Auf Anm. 5; zu Nebukadnezzar vgl. in Hier. hom. 1,3 (GCS Orig. 32, 3) und dazu oben S. 113 Anm. 10. 165 In dieser Weise hat Origenes viele Dinge in der Bibel auf die Christen der Gegenwart bezogen; siehe die Beispiele bei Hanson, Allegory and Event 280f. (darunter auch die vorliegende Stelle), der diese Deutungen zu Unrecht als „Externalisierung der Geschichte“, als „Auflösung“ und als „spiritualisierende Tendenz“ kritisiert. Dagegen Fürst, Origenes als Theologe der Geschichte 126–140. 166 Nach Nautin, SC 232, 297 Anm. 4, dachte Origenes bei diesem Vorbehalt an Philon, agr. 20f. (II p. 99 Cohn/Wendland), der zwischen dem, der bebaut (Gen. 9,20), und dem, der den Erdboden bearbeitet (Gen. 4,2), unterscheidet: Beide verrichten dieselbe Arbeit, doch der Bebauer verrichtet sie gut. 167 Die Katenenüberlieferung liest nicht μόχθος, „Mühe“, sondern μόσχος, „Kalb, Jungstier“. Nautin, GCS Orig. 32, 358; SC 232, 296, übernimmt diese Lesart. Die Aussage: „Der Jungstier gehört zu den Erstlingen, die auf dem Altar Gottes dargebracht werden“, wäre in diesem Fall eine Anspielung auf Num. 18,17: „Die Erstlinge von jungen Stieren …, deren Blut du an den Altar sprengen musst“ (vgl. Gen. 4,4; Dtn. 15,19). Aus dem Zusammenhang ergibt sich jedoch ein anderer Sinn, der für die Lesart μόχθος spricht: Auch wenn der Ackerboden gut bebaut wird und es keine Mühe gibt, die den Vätern zur Scham wird, haftet den Erstlingsgaben doch die Mühe an, mit der sie erzeugt werden müssen.
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τέρες; Πολλάκις εἴπομεν τὰ τῆς ψυχῆς γεννήματα, ὅτι τὰ νοήματα μέν εἰσιν υἱοί, τὰ δὲ ἔργα καὶ αἱ πράξεις αἱ διὰ τοῦ σώματος θυγατέρες. Ἐπεὶ οὖν ἐστί τινα νοήματα μοχθηρά, ὁποῖα ἐνόησαν οἱ ἀπὸ τῶν ἐθνῶν, ἔστιν δὲ καὶ ἔργα μοχθηρά, διὰ τοῦτο υἱοὶ καὶ θυγατέρες ἀναλίσκονται ὑπὸ τῶν πεποιηκότων, ἐὰν αἰσχύνη αὐτοῖς ἐγγένηται περὶ τῶν ἡμαρτημένων. Ἡμᾶς δὲ εἴη ποιεῖν υἱοὺς καὶ θυγατέρας δεομένους ἀναλώσεως τῆς ἀπὸ τῆς αἰσχύνης. 8. Μετὰ ταῦτα λέγουσιν οὗτοι οἱ ἐξομολογούμενοι τὸ „Ἐκοιμήθημεν ἐν τῇ αἰσχύνῃ ἡμῶν“ καὶ μετὰ τοῦτό φασιν· „Καὶ ἐπεκάλυψεν“ φησὶν „ἡμᾶς ἡ ἀτιμία ἡμῶν“.a Περὶ τοῦ καλύμματος πολλάκις ἡμῖν εἴρηται τοῦ ἐπικειμένου τῷ προσώπῳ τῶν μὴ ἐπιστρεφόντων πρὸς κύριον. Δι᾽ ὃ κάλυμμα „ἐὰν ἀναγινώσκηται Μωσῆς“, ὁ ἁμαρτωλὸς οὐ νοεῖ αὐτόν· „κάλυμμα“ γὰρ „εἰς αλαιὰ τὴν καρδίαν αὐτοῦ κεῖ“. b Δι᾽ ὃ κάλυμμα, ἐὰν ἀναγινώσκηται ἡ π διαθήκη, οὐ συνήσει ὁ ἀκούων. Δι᾽ ὃ κάλυμμα καὶ „τὸ εὐαγγέλιον τοῖς ἀπολλυμένοις ἐστὶ κεκαλυμμένον“. c Ἐλέγομεν τοίνυν περὶ τοῦ καλύμματος ὅτι ἡ αἰσχύνη ἐστὶ τὸ κάλυμμα. Ὅσον γὰρ ἔχομεν τὰ ἔργα τῆς αἰσχύνης, δῆλον ὅτι ἔχομεν τὸ κάλυμμα κατὰ τὸ εἰρημένον που ἐν τεσσαρακοστῷ καὶ τρίτῳ Ψαλμῷ· „Καὶ ἡ αἰσχύνη τοῦ προσώπου μου ἐκάλυψέν με.“ d Παρε θέμην ὅτι ὁ μὴ ἔχων αἰσχύνης ἔργα οὐκ ἔχει κάλυμμα· ὁποῖος ἦν ὁ Παῦλος | λέγων· „Ἡμεῖς δὲ πάντες ἀνακεκαλυμμένῳ προσώπῳ τὴν δόξαν κυρίου κατοπτριζόμεθα.“ e Παῦλος οὖν ἀνακεκαλυμμένον ἔχει τὸ πρόσωπον· οὐ γὰρ ἔχει αἰσχύνης ἔργα. Ὁ μὴ ὡς Παῦλος ὢν κεκαλυμμένον ἔχει τὸ πρόσω πον. Ὡς οὖν ἐκεῖ „ἡ αἰσχύνη τοῦ προσώπου μου ἐκάλυψέν με“ f εἴρηται ἐν τεσσαρακοστῷ καὶ τρίτῳ Ψαλμῷ, τὸν αὐτὸν τρόπον εἴρηται ἐνθάδε· „Ἐκάλυψεν“ φησὶν „ἡμᾶς ἡ ἀτιμία ἡμῶν.“ g || Ὅσον ἀτιμίας ἔργα ἐργαζόμε θα, κάλυμμα ἔχομεν ἐπὶ τὴν καρδίαν ἡμῶν κείμενον. Εἰ θέλομεν τὸ κάλυμμα τὸ ἀπὸ τῆς ἀτιμίας ἀποθέσθαι, ἐπὶ τὰ τῆς τιμῆς ἔργα καταντήσωμεν καὶ νοήσωμεν ἐκεῖνο τὸ ὑπὸ τοῦ σωτῆρος εἰρημένον· „ἵνα πάντες τιμῶσι τὸν υἱὸν καθὼς τιμῶσι τὸν πατέρα“, h νοήσωμεν καὶ τὸ παρὰ τῷ ἀποστόλῳ εἰρημένον· „διὰ τῆς παραβάσεως τοῦ νόμου τὸν θεὸν ἀτιμάζεις“. i Ὁ δ ίκαιος ὡς τιμᾷ τὸν πατέρα τιμᾷ τὸν υἱόν. Ἡ ἀτιμία, ὅταν ἀτιμάζω τὸν υἱόν (αὐτὴ καθ̓ ἣν ἀτιμάζω τὸν πατέρα ἢ τὸν υἱόν), ἐπικάλυμμα γίνεται τοῦ προσώ a
Jer. 3,25 Jer. 3,25
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b h
2 Kor. 3,15 c2 Kor. 4,3 Joh. 5,23 i Röm. 2,23
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Ps. 43(44),16
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2 Kor. 3,18
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Ps. 43(44),16
6 μὴ Gh 12 ἀναγινώσκηται S1 ἀναγινώσκεται S* 13 κεῖται V Co 14 συνήσει Lo συνίσει S 17–18. 24 τεσσαρακοστῷ καὶ τρίτῳ Kl μ´ καὶ γ´ S 22 ὢν κεκαλυμμένον Kl ἀνακεκαλυμμένον S 31 αὐτὴ V Co αὐτῆ S 168 Vgl. in Gen. hom. 1,15 (GCS Orig. 6, 19); in Hier. frg. 48 (GCS Orig. 32, 223). 169 Vgl. Origenes, princ. I 1,2 (GCS Orig. 5, 18); in Ex. hom. 12,1 (GCS Orig. 6, 262f.); in
Num. hom. 7,2 (GCS Orig. 7, 40f.); in Ios. hom. 9,4 (GCS Orig. 7, 349); in Luc. hom. 26,1 (GCS Orig. 92, 153); in Rom. comm. V frg. 2 (p. 204 Scherer); in Matth. comm.
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wen bezieht sich „ihre“, wenn nicht auf die Väter, deren Söhne und Töchter von ihrer Scham verzehrt werden? Schon oft haben wir über das, was die Seele hervorbringt, gesagt, dass die Gedanken die Söhne sind, die Werke und die körperlichen Taten hingegen die Töchter.168 Da nun manche Gedanken schlecht sind – etwa das, was die aus den Heidenvölkern gedacht haben –, es aber auch schlechte Werke gibt, deshalb werden die Söhne und Töchter von ihren Erzeugern verzehrt, wenn Scham über ihre Sünden in ihnen hochkommt. Möge es geschehen, dass wir Söhne und Töchter erzeugen, die von der Scham verzehrt werden müssen! 8. Daraufhin sagen die, die ein Schuldbekenntnis ablegen: „In unserer Scham haben wir uns gebettet“, und danach sagen sie: „Und unsere Schande“, heißt es, „hat uns verhüllt.“a Über die Hülle haben wir schon oft gesprochen.169 Sie liegt auf dem Angesicht derer, die sich nicht zum Herrn bekehren. Wegen dieser Hülle versteht der Sünder, wenn „Mose gelesen wird“, ihn nicht, denn „eine Hülle liegt auf seinem Herzen“.bWegen dieser Hülle versteht der Hörer nicht, wenn das Alte Testament gelesen wird. Wegen dieser Hülle ist auch „das Evangelium denen, die zugrundegehen, verhüllt“.c Wir sagten also über die Hülle, dass die Schande170 die Hülle ist. Denn solange wir Schandtaten begehen,171 liegt offensichtlich die Hülle auf uns, wie irgendwo im 43. Psalm gesagt wird: „Und die Schande meines Angesichts hat mich verhüllt.“ d Ich habe dargelegt,172 dass auf dem, der keine Schandtaten begeht, keine Hülle liegt. Ein solcher war Paulus; er sagt nämlich: „Wir alle aber spiegeln mit unverhülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider.“ e Paulus also hat das Angesicht unverhüllt, denn er begeht keine Schandtaten. Wer nicht wie Paulus ist, hat das Angesicht verhüllt. Wie also dort im 43. Psalm gesagt wird: „Die Schande meines Angesichts hat mich verhüllt“,f in derselben Weise wird hier gesagt: „Unsere Schande“, heißt es, „hat uns verhüllt.“ g Solange wir Schandtaten begehen, haben wir eine Hülle auf unseren Herzen liegen. Wenn wir die von der Schande herrührende Hülle ablegen wollen, lasst uns zu den Werken der Ehre übergehen und jenes bedenken, was vom Erlöser gesagt worden ist: „damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren“.h Lasst uns ebenso das bedenken, was vom Apostel gesagt worden ist: „Durch die Übertretung des Gesetzes entehrst du Gott.“ i Der Gerechte ehrt den Sohn, wie er den Vater ehrt. Die Schande, wenn ich den Sohn entehre – eben die Schande, mit der ich den Vater oder den Sohn entehre –, wird zu X 14 (GCS Orig. 10, 18); in Matth. comm. ser. 138 (GCS Orig. 11, 284f.); Cels. IV 50 (GCS Orig. 1, 323); V 60 (2, 63f.). Siehe dazu Martens, Origen and Scripture 163. 170 Origenes behandelt die Begriffe αἰσχύνη, „Scham“, und ἀτιμία, „Schande“, aus dem parallelismus membrorum in Jer. 3,25 im Folgenden als Synonyme. 171 Origenes interpretiert die „Hülle“ moralisch: Hanson, Allegory and Event 250. 172 Origenes bezieht sich wohl, wie Nautin, SC 232, 299 Anm. 3, zu Recht vermutet, auf frühere, nicht erhaltene Erläuterungen zu Ps. 43(44),16.
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που μου, καὶ λέγω· „Καὶ ἐπεκάλυψεν ἡμᾶς ἡ ἀτιμία.“a Διὰ τοῦτο νοήσαν τες τὸ κάλυμμα τὸ ἐπικείμενον ἀπὸ τῶν τῆς αἰσχύνης ἔργων, ἀπὸ τῶν τῆς ἀτιμίας πράξεων, περιελώμεθα τὸ κάλυμμα. Ἐφ̓ ἡμῖν ἐστιν περιαιρεθῆναι τὸ κάλυμμα, οὐδενὸς ἄλλου ἐστίν. Ἡνίκα γὰρ ἐπέστρεφεν πρὸς κύριον Μωσῆς, περιῃρεῖτο τὸ κάλυμμα. b Ὁρᾷς ὡς Μωσῆς ποτε λαμβάνεται καὶ ἐπὶ τοῦ λαοῦ; Ὅσον οὐκ ἐπέστρεφεν πρὸς κύριον σύμβολον ὢν τοῦ λαοῦ τοῦ μὴ ἐπιστρέφοντος πρὸς κύριον, κάλυμμα εἶχεν ἐπικείμενον αὐτοῦ τῷ προσώ πῳ· ὅτε δὲ ἐπέστρεφε πρὸς κύριον σύμβολον γινόμενος τῶν ἐπιστρεφόντων πρὸς κύριον, τότε περιῃρεῖτο τὸ κάλυμμα. Καὶ οὐχ οἷον ὁ θεὸς αὐτῷ ἐκέλευεν· περίθου τὸ κάλυμμα (οὐ γὰρ εἶπεν ὁ κύριος πρὸς Μωσῆν· περίθου τὸ κάλυμμα), ἀλλ̓ ἰδὼν Μωσῆς, ὅτι οὐ δύναται ὁ λαὸς ἰδεῖν τὴν δόξαν αὐτοῦ, τότε ἐπετίθει τὸ κάλυμμα ἐπὶ τὸ πρόσωπον, c καὶ οὐ περιέμενεν θεὸν λέγοντα· Περιελοῦ τὸ κάλυμμα, ἡνίκα ἂν ἐπέστρεφεν πρὸς κύριον. 9. Τοῦτο οὖν γέγραπται, ἵνα καὶ σύ, τὸ κάλυμμα ἐπιτιθείς σου τῷ προσώπῳ διὰ τῶν τῆς ἀτιμίας καὶ τῶν τῆς αἰσχύνης ἔργων, αὐτὸς ἐργάσῃ καὶ τὸ περιαιρεθῆναι τὸ κάλυμμα. Ἐὰν ἐπιστρέψῃς πρὸς κύριον, τότε πε ριαιρεῖς τὸ κάλυμ||μα, καὶ οὐκέτι ἐρεῖς τὸ „Ἐπεκάλυψεν ἡμᾶς ἡ ἀτιμία ἡμῶν“. d Οἷον ὀργὴ ἐπικειμένη τῇ ψυχῇ ἡμῶν κατά | τινος ἐπίκειται κάλυμ μα ἡμῶν ἐπὶ τὸ πρόσωπον. Διὰ τοῦτο εἰ θέλομεν προσευχόμενοι εἰπεῖν· „Ἐσημειώθη ἐφ̓ ἡμᾶς τὸ φῶς τοῦ προσώπου σου, κύριε“, e περιαιρῶμεν τὸ κάλυμμα καὶ ποιήσωμεν τὸ ἀποστολικὸν ἐκεῖνο τὸ „Βούλομαι οὖν προσεύ χεσθαι τοὺς ἄνδρας ἐν παντὶ τόπῳ ἐπαίροντας ὁσίους χεῖρας χωρὶς ὀργῆς καὶ διαλογισμῶν.“ f Ἐὰν περιέλωμεν τὴν ὀργήν, περιείλομεν τὸ κάλυμμα, ἐὰν τὰ πάθη πάντα. Ὅσον δὲ ταῦτά ἐστιν ἐν τῷ νῷ ἡμῶν, ἐν τῷ λογισμῷ ἡμῶν, ἐπίκειται τῷ ἔνδον προσώπῳ, ἡγεμονικῷ ἡμῶν, τὸ κάλυμμα καὶ ἡ ἀτιμία, τοῦ μὴ βλέπειν ἡμᾶς τὴν δόξαν τοῦ θεοῦ λάμπουσαν. Οὐκ ἔστιν ὁ θεὸς ὁ ἀποκρύπτων αὐτοῦ τὴν δόξαν ἀφ̓ ἡμῶν, ἀλλ̓ ἡμεῖς τὸ κάλυμμα ἀπὸ τῆς κακίας ἐπιτιθέντες τῷ ἡγεμονικῷ. a f
Jer. 3,25 bEx. 34,34 (vgl. 2 Kor. 3,16) 1 Tim. 2,8
c
Ex. 34,35 (vgl. 2 Kor. 3,13)
d
Jer. 3,25
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Ps. 4,7
10 περίθου1 S1 περιθοῦ S* 16 περιαιρεθῆναι V περιερρηθῆναι S 22 χεῖρας V Co χώρας S 23 περιείλομεν Kl περιείλωμεν S 25 τῷ2 Bl Koe 27 αὐτοῦ S Nt αὑτοῦ Die Kl 173 Das ist der Kerngedanke der Freiheitsethik des Origenes, den er im Folgenden entfal-
tet. Auch im Freiheitstraktat in princ. III 1 (GCS Orig. 5, 195–244) hebt er antignostisch und antideterministisch hervor, „dass es unsere eigene Leistung ist, gut zu leben, und dass Gott dies von uns fordert als etwas, das nicht von ihm ist oder von einem anderen kommt oder, wie manche meinen, von der Schicksalsnotwendigkeit, sondern als unser eigenes Werk“: ebd. III 1,6 (5, 201). Übersetzung: p. 475 Görgemanns/Karpp. 174 Vgl. orat. 9,1 (GCS Orig 2, 317f.): „Der Beter muss heilige Hände erheben (1 Tim. 2,8), indem er jedem, der ihm gegenüber schuldig geworden ist, verzeiht (vgl. Mt. 6,12.14;
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einer Hülle für mein Angesicht, und ich sage: „Und die Schande hat uns verhüllt.“a Da wir daher die Hülle erkannt haben, die von den Werken der Scham, von den Taten der Schande her auf uns liegt, wollen wir die Hülle wegnehmen. Es liegt an uns, die Hülle wegzunehmen, nicht an jemand anderem.173 Denn als sich Mose dem Herrn zuwandte, wurde die Hülle weggenommen.b Siehst du, wie Mose manchmal auch für das Volk steht? Solange er sich dem Herrn nicht zuwandte – er ist Sinnbild für das Volk, das sich dem Herrn nicht zuwendet –, hatte er eine Hülle auf seinem Angesicht liegen. Als er sich aber dem Herrn zuwandte – er wird zum Sinnbild derer, die sich dem Herrn zuwenden –, da wurde die Hülle weggenommen. Und es war nicht so, dass Gott ihm befohlen hätte: Leg dir die Hülle um – denn der Herr sagte nicht zu Mose: Leg dir die Hülle um –, sondern als Mose sah, dass das Volk den Anblick seiner Herrlichkeit nicht ertragen kann, da legte er die Hülle auf das Angesicht,c und er wartete nicht darauf, dass Gott sagte: Nimm die Hülle weg, als er sich dem Herrn zuwandte. 9. Dies steht also geschrieben, damit auch du, der du dir durch die Werke der Schande und der Scham die Hülle auf dein Angesicht gelegt hast, auch das Wegnehmen der Hülle selbst bewirkst.Wenn du dich dem Herrn zuwendest, dann nimmst du die Hülle weg und wirst nicht mehr sagen: „Unsere Schande hat uns verhüllt.“ d Wenn zum Beispiel Zorn gegen jemanden auf unserer Seele liegt, liegt eine Hülle auf unserem Angesicht. Wenn wir daher beim Beten sagen wollen: „Das Licht deines Angesichts, Herr, hat sich über uns gezeigt“,e lasst uns die Hülle wegnehmen und nach jenem Wort des Apostels handeln: „Ich will also, dass die Männer an jedem Ort beten, indem sie heilige Hände erheben, frei von Zorn und Streit.“ f174 Wenn wir den Zorn beseitigen, beseitigen wir die Hülle, ebenso bei allen Leidenschaften.175 Solange sich diese aber in unserem Geist, in unserem Denken befinden, liegen die Hülle und die Schande auf dem inneren Angesicht, unserem Leitprinzip,176 so dass wir die leuchtende Herrlichkeit Gottes nicht sehen. Es ist nicht Gott, der seine Herrlichkeit vor uns verbirgt, sondern wir sind es, die die von der Schlechtigkeit herrührende Hülle auf unser Leitprinzip legen.177 Lk. 11,4), jede leidenschaftliche Regung zum Zorn aus seiner Seele entfernt und niemandem gegenüber verbittert ist.“ Übersetzung: von Stritzky, OWD 21, 131–133. 175 Klostermann, GCS Orig. 3, 39 app. crit., vermutet zu Recht: „der Satz scheint lückenhaft“, weil der Nachsatz, übersetzt man ihn wörtlich: „wenn alle Leidenschaften“, unvollständig ist. 176 Hegemonikon (ἡγεμονικόν) ist der stoische Begriff für das vernünftige Leitprinzip der Seele, „in dem die Vorstellungen und die Triebe entstehen und von dem der Verstand ausgeht“, wie Zenon von Kition, der Begründer der Stoa, gesagt haben soll: Diogenes Laërtios VII 159. Siehe dazu oben S. 136 Anm. 70. Origenes setzt es auch andernorts mit dem Intellekt (νοῦς) gleich: princ. I 1,9 (GCS Orig. 5, 27); in Ioh. frg. 18 (GCS Orig. 4, 497); in Cant. frg. 12 (OWD 9/2, 152). 177 Ähnlich auch oben in Hier. hom. 3,2 (GCS Orig. 32, 21).
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10. „Διότι ἐναντίον τοῦ θεοῦ ἡμῶν ἡμάρτομεν ἡμεῖς καὶ οἱ πατέρες ἡμῶν.“a Εἴθε καὶ ἡμεῖς λέγωμεν, ὡς οὗτοι κατὰ τὴν προσωποποιίαν τοῦ προφήτου, ἡμάρτομεν. Οὐ ταὐτόν ἐστιν τὸ ἡμάρτομεν τῷ ἁμαρτάνομεν· ὁ μὲν γὰρ ἔτι ἐν ἁμαρτίᾳ ὢν μὴ λεγέτω ἡμάρτομεν, ὁ δὲ προαμαρτήσας, ἀκριβῶς δὲ μετανοήσας λεγέτω ἡμάρτομεν, ὡς καὶ ἐν τῷ Δανιὴλ γέγραπται ἐξομολόγησις τῶν μηκέτι ἁμαρτανόντων λεγόντων· „Ἡμάρτομεν, ἠνομήσα μεν“, b καὶ ἐν Ψαλμοῖς· „Μὴ μνησθῇς ἡμῶν ἀνομιῶν ἀρχαίων“ c φησὶν ὁ προφήτης. Καὶ ἡμεῖς οὖν ἐξομολογησώμεθα τὰς ἁμαρτίας, εἴθε μὴ χθιζάς, εἴθε μὴ τριημερινάς, ἀλλ̓ εἴθε ἐξομολογούμενοι ἐξομολογησώμεθα περὶ ἁμαρτημάτων πρὸ πεντεκαίδεκα ἐτῶν γεγενημένων, τῷ μηκέτι ἁμαρτίαν ἔχειν μετ̓ ἐκεῖνα ἐπὶ πεντεκαίδεκα ἔτη. Εἰ δὲ χθὲς ἡμάρτομεν, οὔπω ἀξιόπι στοί ἐσμεν ἐξομολογούμενοι περὶ τῶν ἁμαρτημάτων ἡμῶν· οὐδὲ χώραν || ἔχει ἀπαλειφῆναι τὰ ἁμαρτήματα ἡμῶν ταῦτα. „Διότι ἡμάρτομεν ἡμεῖς καὶ οἱ πατέρες ἡμῶν ἀπὸ νεότητος ἡμῶν ἕως τῆς ἡμέρας ταύτης.“ d Ἐκεῖνα μὲν ἄλλως λελέχθω εἰς διδασκαλίαν τὴν περὶ τρόπου ἀρίστου ἐξομολογή σεως· ταῦτα δέ ἐστιν κατηγορία τοῦ ἐκ πολλοῦ ἁμαρτάνειν· „ἀπὸ νεότη τος“ φησὶν „ἕως τῆς ἡμέρας ταύτης, καὶ οὐχ ὑπηκούσαμεν τῆς φωνῆς κυ ρίου τοῦ θεοῦ ἡμῶν“· e ἡμάρτομεν, καὶ οὐχ ὑπηκούσαμεν ἕως τοῦ παρόντος. Εἶτα ἐπιστρέψαντες καὶ ἀρχὴν ἔχοντες ἐπιστροφῆς λέγουσιν τὸ ἡμάρτομεν, καὶ οὐχ ὑπηκούσαμεν. Οὐδὲ γὰρ ἅμα τῷ θέλειν ὑπακοῦσαι ἤδη εὐθέως ὑπακούομεν· καὶ γὰρ ἔτι χρόνου δεῖ, ὥσπερ ἐπὶ τῶν τραυμάτων πρὸς τὴν ἴασιν, | οὕτως καὶ ἐπὶ τῆς ἐπιστροφῆς, πρὸς τὸ τελείως καὶ καθαρῶς ἐπι στρέψαι πρὸς τὸν θεόν. 11. Ἐπὶ τούτοις περὶ τοῦ Ἰσραὴλ λέγει ὁ θεός· „Ἐὰν ἐπιστραφῇ Ἰσραὴλ πρός με, λέγει κύριος, καὶ ἐπιστραφήσεται“· f τουτέστιν τελείως ἐπι στρέψῃ, καὶ ἐπιστραφήσεται ἐπιστροφῇ, οἱονεὶ ἄρξηται ἐπιστρέ a
Jer. 3,25
b
Dan. 9,5 Theodotion
c
Ps. 78(79),8
d
Jer. 3,25
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Jer. 3,25
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Jer. 4,1
2 προσωποποιίαν Co προσωποποιείαν S 1 ἡμάρτομεν Gh Co ἡμάρτ¨ωμεν S 9 τριθημερινάς Bl 11 οὔπω Gh Co οὕπω S οὕτω V 13 ἀπαλειφθῆναι Gh 21 ἔτι χρόνου Kl ἐπιχρόνου S 25 ἐὰν Co Kl (nicht Nt) 26 οὐκ ἐὰν Bl Kl (nicht Nt)
178 Zur prosopologischen Exegese bei Origenes siehe Neuschäfer, Origenes als Philo-
loge 263–276; Villani, Prosopopoiie. 179 Dieser Begriff des „Bekenntnisses“ im Sinne eines Sünden- oder Schuldbekenntnis-
ses (Exhomologese) verweist auf den Kontext der frühchristlichen Bußpraxis. Vgl. Tertullian, paen. 9,2 (CChr.SL 1, 336); Cyprian, epist. 16,2,3 (CChr.SL 3B, 92); Johannes Chrysostomus, cat. bapt. 1,13 (FC 6/1, 132); Origenes, in Ps. 36 hom. 1,5 (GCS Orig. 13, 125); in Ps. 37 hom. 2,1 (SC 411, 300); in Ps. 73 hom. 3,8 (GCS Orig. 13, 264); sel. in Ps. 135,2 (PG 12, 1653–1656); in Rom. comm. VI 9,15 (SC 543, 188), ferner unten in Hier. frg. 57 (GCS Orig. 32, 226). Siehe dazu Rahner, Bußlehre des Origenes 142f.
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10. „Denn wir haben vor unserem Gott gesündigt, wir und unsere Väter.“a Würden doch auch wir wie diese in der Form, in der der Prophet die Personen gestaltet,178 sagen:Wir haben gesündigt. Zu sagen:Wir haben gesündigt, ist nicht dasselbe wie: Wir sündigen. Denn wer sich noch in der Sünde befindet, soll nicht sagen:Wir haben gesündigt, wer aber früher gesündigt hat, doch gründlich umgekehrt ist, soll sagen: Wir haben gesündigt, wie auch im Buch Daniel über das Bekenntnis derer geschrieben steht, die nicht mehr sündigen und sagen: „Wir haben gesündigt, wir haben gefrevelt“,b und der Prophet in den Psalmen sagt: „Gedenke nicht unserer alten Frevel!“ c Auch wir wollen also die Sünden bekennen, doch nicht die von gestern noch die von vorgestern, sondern wenn wir das tun, dann lasst uns Sünden bekennen, die vor fünfzehn Jahren geschahen, ohne danach fünfzehn Jahre lang eine Sünde begangen zu haben. Wenn wir aber gestern gesündigt haben, sind wir noch nicht glaubwürdig, wenn wir unsere Sünden bekennen; noch ist nicht genug Raum dafür, dass diese unsere Sünden hätten getilgt werden können. „Denn wir haben gesündigt, wir und unsere Väter, von unserer Jugend an bis auf den heutigen Tag.“ d Jenes sei übrigens zur Belehrung über die beste Art des Sündenbekenntnisses179 gesagt, dieses hingegen ist eine Anklage gegen das viele Sündigen: „von Jugend an“, heißt es, „bis auf den heutigen Tag, und auf die Stimme des Herrn, unseres Gottes, haben wir nicht gehört“;e wir haben gesündigt, und bis heute haben wir nicht gehört. Als sie dann umkehren und am Anfang ihrer Umkehr stehen, sagen sie: Wir haben gesündigt, und wir haben nicht gehört. Denn wenn wir hören wollen, hören wir nicht auch gleich sofort. Denn wie bei Wunden zur Heilung, so braucht es auch bei der Umkehr noch Zeit, bis einer vollkommen und rein zu Gott umgekehrt ist.180 11. Daraufhin sagt Gott über Israel: „Wenn Israel zu mir umkehrt, spricht der Herr, wird es auch wirklich umkehren“,f das heißt, es vollkommen umkehrt, wird es bei seiner Umkehr auch wirklich umkehren, es gleichsam anfängt umzukehren.181 Danach sagt er: „Und 180 Origenes unterscheidet in seiner Ethik zwischen der grundsätzlichen Ausrichtung
auf Gott hin oder von Gott weg, die jeder Mensch bewusst oder unbewusst immer schon getroffen hat: in Ex. hom. 4,8 (GCS Orig. 6, 180–182), und der langwierigen und mühsamen Umsetzung einer Grundentscheidung für Gott, bis ihre vollkommene Realisierung erreicht ist: in Rom. comm. I 22,6 (SC 532, 266); V 1,3 (SC 539, 352); VI 9,1–17 (SC 543, 174–190). Siehe dazu Hengstermann, Origen’s Metaphysics of Man. 181 Nautin, GCS Orig. 32, 358, hält die erste Ergänzung in diesem Satz nicht für unbedingt nötig, da Origenes sich damit begnügt haben könne, das erste Verbum des zitierten Bibeltextes (ohne die Konjunktion) unter Hinzufügung des Adjektivs „vollkommen“ zu wiederholen. Die zweite Ergänzung hält er, ebd. 359, für „nicht glücklich“, weil sie den Gedanken des Origenes verkenne: Der Satz in Jer. 4,1 richte sich an ein Israel, das noch am Anfang seiner Umkehr steht; daher müsse man übersetzen: „als hätte es gerade erst angefangen umzukehren“. Smith, FaCh 97, 52, übersetzt in diesem Sinn: „as if he has only begun to turn“.
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φειν. Εἶτά φησι· „Καὶ ἐὰν περιέλῃ τὰ βδελύγματα αὐτοῦ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ, καὶ ἀπὸ προσώπου μου εὐλαβηθῇ, καὶ ὀμόσῃ· ζῇ κύριος ἐν ἀληθείᾳ καὶ ἐν κρίσει καὶ ἐν δικαιοσύνῃ, καὶ εὐλογήσουσιν ἐν αὐτῷ ἔθνη.“a Ἐὰν τάδε ποιήσωσιν, „εὐλογήσου ἐν αὐτῷ ἔθνη“. Τίνα δὲ τάδε ποιήσω σιν, ἵνα „εὐλογήσωσιν ἐν αὐτῷ ἔθνη“; „Ἐὰν περιέλῃ τὰ βδελύγματα αὐτοῦ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ.“ Τί δὲ τὸ περιελεῖν τὰ βδελύγματα ἐκ τοῦ στόμα τος; Ὅσα κακῶς λέγομεν, βδελύγματά εἰσιν ἐν τῷ στόματι ἡμῶν. Περιέλω μεν τοίνυν τὰ βδελύγματα ἐκ τοῦ στόματος ἡμῶν, περιαιροῦντες καταλα λιάς, b λόγους ματαίους, ἀργοὺς λόγους καὶ μέλλοντας ἡμᾶς ποιεῖν ἐγκαλεῖσθαι „ἐν ἡμέρᾳ κρίσεως· ἐκ γὰρ τῶν λόγων σου δικαιωθήσῃ, καὶ ἐκ τῶν λόγων σου κα||ταδικασθήσῃ“. c Εἴπερ οὖν θέλομεν ἀπαντῆσαι ἡμῖν τὸ „Καὶ εὐλογήσουσιν ἐν αὐτῷ ἔθνη, καὶ ἐν αὐτῷ αἰνέσουσιν τῷ θεῷ ἐν Ἱε ρουσαλήμ“, d ποιήσωμεν τὰ ἀπ̓ ἀρχῆς εἰρημένα. Ποῖον δὲ πρῶτον; Περιε λεῖν τὰ βδελύγματα ἐκ τοῦ στόματος ἡμῶν. Ἑξῆς ἐστιν καὶ τὸ „ἀπὸ τοῦ προσώπου μου εὐλαβηθήσῃ“. Δεύτερον τοῦτο ποιήσωμεν, οὐχ ἁπλῶς, ἵνα εὐλαβηθῶμεν· τάχα γάρ ἐστιν εὐλάβεια γινομένη, οὐκ ἀπὸ προσώπου δὲ τοῦ θεοῦ. Οἱ γοῦν οὐκ ἐπιστημόνως φοβούμενοι, προτιθέμενοι δὲ φοβεῖ σθαι, οὐκ ἀπὸ προσώπου τοῦ θεοῦ εὐλαβοῦνται· ὅσοι δὲ μετ̓ ἐπιστήμης εὐλαβοῦνται, τῷ ἀεὶ βλέπειν καὶ ἀναζωγραφεῖν ἑαυτοῖς τὸ πρόσωπον τοῦ θεοῦ γινόμενον „ἐπὶ τοὺς ποιοῦντας τὰ κακά, τοῦ ἐξολοθρευθῆναι ἐκ γῆς τὸ μνημόσυνον αὐτῶν“, e οὗτοί εἰσιν οἱ ἀπὸ προσώπου τοῦ θεοῦ εὐλαβού μενοι. 12. „Ἐὰν περιέλῃ τὰ βδελύγματα ἀπὸ τοῦ στόματος αὐτοῦ, καὶ ἀπὸ τοῦ προσώπου μου εὐλαβηθῇ, καὶ ὀμόσῃ· ζῇ κύριος ἐν ἀληθείᾳ καὶ ἐν κρίσει καὶ ἐν δικαιοσύνῃ.“ f Ἴδωμεν ἡμεῖς ἑαυτοὺς οἱ ὀμνύοντες, τίνα τρό πον οὐκ ἐν κρίσει ὀμνύομεν ἀλλ̓ ἀκρίτως, ὥστε γενέσθαι ἡμῶν τοὺς ὅρκους ἔθει μᾶλλον ἢ κρίσει. Συναρπαζόμεθα γοῦν, καὶ τοῦτο ἐλέγχων ὁ λόγος φησίν· „Kαὶ ἐὰν ὀμόσῃ· ζῇ κύριος ἐν ἀληθείᾳ καὶ ἐν κρίσει καὶ ἐν δικαιο σύνῃ“. Οἴδαμεν ἐν τῷ εὐαγγε|λίῳ εἰρημένον ὑπὸ τοῦ κυρίου πρὸς τοὺς μαθητάς· „Ἐγὼ δὲ λέγω ὑμῖν μὴ ὀμόσαι ὅλως“, g ἴδωμεν δὲ καὶ τοῦτο τὸ ῥητόν· καὶ ἐὰν διδῷ θεός, συνεξετασθήσεται τὰ ἀμφότερα. Τάχα γὰρ πρῶτον δεῖ ὀμόσαι „ἐν ἀληθείᾳ καὶ ἐν κρίσει καὶ ἐν δικαιοσύνῃ“, ἵνα μετὰ τοῦτο προκόψας τις ἄξιος γένηται τοῦ μὴ ὀμνύειν ὅλως, ἀλλ̓ ἔχειν „ναὶ“ μὴ δεόμενον τοῦ εἶναι τοῦτο, καὶ ἔχειν αὐτὸν „οὒ“ μὴ δεόμενον μαρτύρων τοῦ εἶναι αὐτὸ ἀληθῶς „οὔ“. h „Καὶ ὀμόσῃ“ οὖν „ζῇ κύριος ἐν ἀληθείᾳ.“ i Ἐν τῷ ὀμνύοντι πρῶτον ζητῶ τὸ μὴ ψεῦδος, ἀλλὰ τὸ ἀλη||θές, a
Jer. 4,1f. Mt. 5,37
h
b
1 Petr. 2,1 Jer. 4,2
i
4 εὐλογήσουσιν Hu 34 τοῦτο Kl τὸ οὔ S
c
Mt. 12,36f.
d
Jer. 4,2
23 αὐτοῦ1 Co 35 τοῦ Co τὸ S
e
Ps. 33,17(34,16)
33 ἔχειν Kl ἔχη S 35 ὀμόσῃ Co ὁμόση S
f
Jer. 4,1f.
g
Mt. 5,34
34 μαρτύρων Co
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wenn es seine Greuel aus seinem Mund entfernt, sich vor meinem Angesicht fürchtet und schwört: Es lebe der Herr in Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit, werden auch die Heidenvölker in ihm lobsingen.“a Wenn sie dies tun, „werden die Heidenvölker in ihm lobsingen“. Was sollen sie tun, damit „die Heidenvölker in ihm lobsingen“? „Wenn es seine Greuel aus seinem Mund entfernt.“ Was aber heißt es, die Greuel aus dem Mund zu entfernen? Alles, was wir böswillig aussprechen, sind Greuel in unserem Mund. Entfernen wir daher die Greuel aus unserem Mund, indem wir die Verleumdungen,b die eitlen Worte, die nutzlosen Worte entfernen, die bewirken werden, dass wir „am Tag des Gerichts“ angeklagt werden, „denn nach deinen Worten wirst du gerecht gesprochen und nach deinen Worten wirst du verurteilt werden“.c Wenn wir nun wollen, dass auf uns die Aussage passt: „Auch die Heidenvölker werden in ihm lobsingen und in ihm Gott in Jerusalem lobpreisen“,d dann lasst uns das zu Beginn Gesagte tun! Was aber zuerst? Die Greuel aus unserem Mund entfernen. Und das nächste ist: „Es wird sich vor meinem Angesicht fürchten.“ Dies zweite wollen wir nicht einfach tun, damit wir uns fürchten, denn vielleicht gibt es eine Furcht, die zwar aufkommt, aber nicht vor dem Angesicht Gottes. Diejenigen jedenfalls, die sich in Unwissenheit fürchten, weil sie zur Furcht neigen, fürchten sich nicht vor dem Angesicht Gottes. Alle aber, die sich mit Wissen fürchten, indem sie immer auf das Angesicht Gottes schauen und es sich lebendig vorstellen, wie es sich „gegen die“ wendet, „die Schlechtes tun, um die Erinnerung an sie von der Erde auszurotten“,e das sind die, die sich vor dem Angesicht Gottes fürchten. 12. „Wenn es Greuel aus seinem Mund entfernt, sich vor meinem Angesicht fürchtet und schwört: Es lebe der Herr in Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit.“ f Betrachten wir uns selbst, wenn wir schwören, auf welche Weise wir nicht rechtmäßig schwören, sondern unrechtmäßig, so dass unsere Schwüre mehr der Gewohnheit folgen als dem Recht. Wir lassen uns jedenfalls dazu hinreißen, und das ist es, was das Wort tadelt, wenn es sagt: „Und wenn es schwört: Es lebe der Herr in Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit.“ Wir wissen, was im Evangelium vom Herrn zu den Jüngern gesagt worden ist: „Ich aber sage euch, überhaupt nicht zu schwören.“ gWir wollen auch diese Aussage betrachten, und wenn Gott es gewährt, wird sich beides wechselseitig erklären.182 Denn vielleicht muss man zuerst „in Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit“ schwören, damit man danach weiter voranschreitend würdig wird, überhaupt nicht zu schwören, sondern ein „Ja“ genügt, ohne dafür haben zu müssen, dass es so ist, und ein „Nein“ genügt, ohne Zeugen dafür haben zu müssen, dass es sich wahrhaftig um ein „Nein“ handelt.h „Und es schwört“ also: „Es lebe der Herr in Wahrheit.“ i 182 Origenes harmonisiert hier einen offenkundigen Gegensatz zwischen Altem und
Neuem Testament („Ich aber sage …“) mit Hilfe des Fortschrittsgedankens. Das Axiom der Einheit und Widerspruchslosigkeit der Schrift dominiert seine Bibelaus-
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ἵνα μετὰ ἀληθείας ὀμόσῃ· ἡμεῖς δὲ οἱ τάλανες καὶ ἐπιορκοῦμεν. Ἀλλ̓ ἔστω μετὰ ἀληθείας, οὐδὲ καλῶς ὅρκος γίνεται, ἀλλ̓ ἐν κρίσει. Δεδόσθω γάρ, ἔθει ὀμνύω· ἐν κρίσει. Εἰ δέοι παραλαμβάνειν εἰς τὸν τοιοῦτον ὅρκον τὸν θεὸν τὸν τοῦ παντὸς, τὸν Χριστὸν αὐτοῦ ἐπὶ τόδε τὸ πρᾶγμα, πηλίκον δεῖ εἶναι τὸ πρᾶγμα, ἵνα γόνατα θῶ καὶ ὀμόσω; Πρὸς τὴν ἀπιστίαν γενομένην ἔν τισιν περὶ τοῦ λόγου μου θεραπεύων τοῦτο ποιήσαιμί ποτε, εἰ δὲ ὡς ἔτυχεν, εἰ οὕτως ὀμνύοιμι, ἁμάρτοιμι ἄν. „Ἐὰν“ οὖν „ὀμόσῃ· κύριος μετὰ ἀληθείας καὶ ἐν κρίσει“ μὴ ἀκρίτως „καὶ ἐν δικαιοσύνῃ“ μὴ ἀδίκως, „καὶ εὐλογήσουσιν ἐν αὐτῷ ἔθνη.“a Ἥνω σεν ἀμφότερα, τοὺς ἀπὸ τῶν ἐθνῶν καὶ τὸν Ἰσραήλ. Εἶπεν περὶ τῶν ἐθνῶν, εἶπεν καὶ περὶ τοῦ Ἰσραήλ. 13. Ἐπιφέρει· „Καὶ εὐλογήσουσιν ἐν αὐτῷ ἔθνη, καὶ ἐν αὐτῷ αἰνέσουσιν τῷ θεῷ ἐν Ἱερουσαλήμ. Ὅτι τάδε λέγει κύριος τοῖς ἀνδράσιν Ἰούδα καὶ τοῖς κατοικοῦσιν Ἱερουσαλήμ.“ b Εἴρηκεν τοῖς ἀπὸ τῶν ἐθνῶν, εἴρηκεν καὶ τοῖς ἀπὸ τοῦ Ἰσραήλ, λέγει τοῖς ἀπὸ τοῦ Ἰούδα. Μέ μνημαι τῶν πρώην εἰρημένων περὶ τοῦ Ἰούδα καὶ τῶν κατοικούντων ἐν Ἱερουσαλὴμ τροπολογιῶν. Κατοικοῦμεν γὰρ ἡμεῖς, ἐὰν ὁ θεὸς διδῷ, ἐν τῇ Ἱερουσαλήμ. Ἐπεὶ „ὅπου ὁ θησαυρός, ἐκεῖ καὶ ἡ καρδία“, c ἐὰν θησαυρίζω μεν ἐν οὐρανῷ, d καὶ ἔχομεν τὴν καρδίαν ἐν Ἱερουσαλὴμ τῇ ἄνω, περὶ ἧς ὁ ἀπόστολός φησιν· „Ἡ δὲ ἄνω Ἱερουσαλὴμ ἐλευθέρα ἐστίν, ἥτις ἐστὶν μήτηρ ἡμῶν, ὡς γέγραπται“ e καὶ τὰ ἑξῆς. „Τάδε“ οὖν „λέγει κύριος τοῖς ἀνδράσιν Ἰούδα καὶ τοῖς κατοικοῦσιν Ἱερουσαλήμ· νεώσατε ἑαυτοῖς νεώματα, καὶ μὴ σπείρετε ἐπ̓ ἀκάν|θαις.“ f Ὁ λόγος οὗτος μάλιστα τοῖς διδάσκουσι λέγεται, ἵνα μὴ πρότερον ἐμπιστεύ σωσιν τὰ λεγόμενα τοῖς ἀκροαταῖς πρὸ τοῦ νεώματα ποιῆσαι ἐν ταῖς ψυ χαῖς αὐτῶν. Ὅταν γὰρ ἀρότρῳ ἐπιβαλόντες τὴν χεῖρα g νεώματα ποιήσω σιν ἐν ταῖς ψυχαῖς, κατὰ τὴν || γῆν τὴν καλὴν καὶ ἀγαθὴν h τούτων ἀκουόντων, τότε σπείροντες οὐ σπείρουσιν ἐπ̓ ἀκάνθαις. Ἐὰν δὲ πρὸ τοῦ ἀρότρου καὶ πρὸ τοῦ νεώματα ποιῆσαι ἐν τῷ ἡγεμονικῷ τῶν ἀκουόντων, λάβῃ τις τὰ σπέρματα τὰ ἅγια, τὸν περὶ τοῦ πατρὸς λόγον, τὸν περὶ τοῦ υἱοῦ, τὸν περὶ τοῦ ἁγίου πνεύματος, τὸν λόγον τὸν περὶ ἀναστάσεως, τὸν λόγον τὸν περὶ κολάσεως, τὸν λόγον τὸν περὶ ἀναπαύσεως, τὸν περὶ a
Jer. 4,2 bJer. 4,2f. 13,8; Lk. 8,8
c
Lk. 12,34
d
Mt. 6,20
e
Gal. 4,26f.
f
Jer. 4,3
g
Lk. 9,62
h
Mt.
2 οὕτως Kl 2 γίνεται Gh γένηται S 3 οὐκ ὀμνύω Kl 4 καὶ Co 6 τὴν Gh ἣν S 7 ἁμάρτοιμι V Co ἁμάρτιμοι S 8 ζῇ Gh Co 9 εὐλογήσουσιν Gh εὐλογήσωσιν S 11 εἶπεν V εἶπερ S 18 ἔχομεν Kl ἔχωμεν S 31 ἀναπαύσεως V Co ἀναπαύσεων S
legung in jedem Detail. In seiner folgenden Auslegung führt dies dazu, dass er das strikte neutestamentliche Verbot zu schwören tendenziell abschwächt. 183 Vgl. Philon, decal. 84–95 (IV p. 288–291 Cohn/Wendland). 184 Origenes verweist vermutlich auf in Hier. hom. 4,2f. (GCS Orig. 32, 24f.).
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Von einem, der schwört, erwarte ich als erstes nicht das Falsche, sondern das Wahre, damit er in Wahrheit schwört. Wir aber, wir Elenden, wir schwören sogar einen Meineid. Doch sei es in Wahrheit, auch ist ein Schwur nicht richtig, sondern wenn er rechtmäßig abgelegt wird. Denn angenommen, ich schwöre aus Gewohnheit, dann rechtmäßig. Wenn man bei einem solchen Schwur den Gott des Alls seinen Christus als Zeugen für diese Sache nehmen müsste, wie groß muss die Sache sein, damit ich die Knie beuge und schwöre? Um das Misstrauen bei einigen gegen mein Wort zu überwinden, könnte ich das wohl einmal tun, aber wenn ich aufs Geratewohl so schwören würde, würde ich sündigen.183 „Wenn es“ also „schwört: der Herr in Wahrheit, Recht“ – nicht unrechtmäßig – „und Gerechtigkeit“ – nicht ungerecht –, „werden auch die Heidenvölker in ihm lobsingen.“a Er hat beides vereint: die Menschen aus den Heidenvölkern und Israel. Er hat über die Heidenvölker gesprochen, er hat auch über Israel gesprochen. 13. Er fügt hinzu: „Auch die Heidenvölker werden in ihm lobsingen und in ihm Gott in Jerusalem lobpreisen. Denn dies spricht der Herr zu den Männern von Juda und den Bewohnern von Jerusalem.“ b Er hat zu denen gesprochen, die aus den Heidenvölkern kommen, er hat auch zu denen gesprochen, die aus Israel kommen, er spricht zu denen, die aus Juda kommen. Ich erinnere an das, was ich zuvor184 im übertragenen Sinn über Juda und über die Bewohner Jerusalems gesagt habe.Wir wohnen nämlich, wenn Gott es gewährt, in Jerusalem. Denn „wo der Schatz ist, da ist auch das Herz“.c Wenn wir im Himmel Schätze sammeln,d haben wir auch das Herz im oberen Jerusalem, über das der Apostel sagt: „Das obere Jerusalem ist frei, dies ist unsere Mutter, wie geschrieben steht“ e usw. „Dies“ also „spricht der Herr zu den Männern von Juda und den Bewohnern von Jerusalem: Bereitet euch neuen Boden und sät nicht unter Dornen.“ f Diese Aussage richtet sich besonders an die Lehrer, damit sie das Gesagte den Hörern nicht anvertrauen, ehe sie den Boden in ihren Seelen bereitet haben. Denn wenn sie die Hand an den Pflug legen g und den Boden in den Seelen bereiten und wenn diese wie schöne und gute Erde h zuhören, dann säen sie, wenn sie säen, nicht unter Dornen.185 Wenn einer aber vor dem Pflügen und vor der Bereitung des Bodens im Leitprinzip186 der Hörer die heiligen Samen aufgreift – das Wort über den Vater, über den Sohn, über den Heiligen Geist, das Wort über die Auferstehung, das Wort über die Strafe, das
185 Vgl. in Num. hom. 11,3 (GCS Orig. 7, 82): „Jeder einzelne Lehrer, meine ich, scheint
deswegen, weil er lehrt und verkündet und seine Zuhörer unterweist, den Acker jener Gemeinde, die er lehrt, das heißt die Herzen der Gläubigen, zu bestellen.“ 186 Das „Leitprinzip“ der Seele (siehe dazu oben S. 136 Anm. 70 und S. 193 Anm. 176) ist der Ort für Belehrung und Einsicht und daraus folgendes Handeln.
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νόμου, τὸν περὶ προφητῶν, καὶ ἁπαξαπλῶς ἑκάστου τῶν γεγραμμένων, καὶ σπείρῃ, παραβαίνει τὴν λέγουσαν ἐντολὴν πρῶτον „νεώσατε ἑαυτοῖς νεώματα”, δεύτερον „καὶ μὴ σπείρετε ἐπ̓ ἀκάνθαις“. Ἀλλὰ ἐρεῖ τις τῶν ἀκουόντων· Ἐγὼ οὐ διδάσκω, οὐχ ὑπόκειμαι ταύτῃ τῇ ἐντολῇ. Καὶ σὺ γεωργὸς γενοῦ σεαυτοῦ, καὶ μὴ σπείρῃς ἐπ̓ ἀκάνθαις, ἀλλὰ νέωμα ποίησόν μοι τὸ χωρίον, ὃ πεπίστευκέν σοι ὁ θεὸς τῶν ὅλων. Κατανόησον τὸ χωρίον, ἴδε ποῦ εἰσιν ἄκανθαι, ποῦ μέριμναι βιωτικαὶ καὶ πλούτου φιληδονία.a Καὶ κατανοήσας τὰς ἀκάνθας τὰς ἐν τῇ ψυχῇ σου ζήτησον τὸ λογικὸν ἄροτρον, περὶ οὗ ὁ Ἰησοῦς φησιν τὸ „Οὐ δεὶς βαλὼν τὴν χεῖρα ἐπ̓ ἄροτρον καὶ στραφεὶς εἰς τὰ ὀπίσω εὔθετός ἐστιν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ.“ b Ζητήσας αὐτὸ καὶ εὑρών, c ἀπὸ τῶν γραφῶν συν αγαγὼν τοὺς βοῦς τοὺς ἐργάτας τοὺς καθαρούς, ἀροτρίασον καὶ νέωσον τὴν γῆν, καὶ ἵνα μηκέτι ᾖ παλαιά, ποίησον αὐτὴν νέαν „ἐκδυσάμενος τὸν παλαιὸν ἄνθρωπον σὺν ταῖς πράξεσιν αὐτοῦ καὶ ἐνδυσάμενος τὸν νέον τὸν ἀνακαινούμενον εἰς ἐπίγνωσιν“. d Ποιήσεις σεαυτῷ νέωμα, καὶ ἐὰν ποιήσῃς τὸ νέωμα, λάβε σπέρματα ἀπὸ τῶν διδασκόντων, λάβε σπέρματα ἀπὸ τοῦ νόμου, λάβε ἀπὸ τῶν προφητῶν, ἀπὸ τῶν || εὐαγγελικῶν γραφῶν, ἀποστολικῶν λόγων, καὶ λαβὼν ταῦτα τὰ σπέρματα σπεῖρον τὴν a
Mk. 4,19; Mt. 13,22
1 τὸν V Co τῶν S
b
Lk. 9,62
c
Mt. 7,7; Lk. 11,9
5 σὺ Gh σοῦ S
d
Kol. 3,9f.
8 ἀπάτη καὶ Kl
17–18 ἀπὸ τῶν Kl
187 „Ruhe“ (ἀνάπαυσις) ist eine der Vokabeln, mit denen Origenes Erlösung charakte-
risiert, als verschiedene Formen von Ruhe in den Vorratskammern Gottes, auf die Schadel, BGrL 10, 265 Anm. 56, hinweist: in Hier. hom. 8,6 (GCS Orig. 32, 61); als Ruhe (und Glückseligkeit) in der Gemeinschaft der Propheten: ebd. 14,14 (32, 119) und 15,1 (32, 125); als Ruhe der Heiligen und Seligen in Christus Jesus: ebd. 16,4 (32, 136); das Ableben als Ausruhen oder als Strafe: ebd. 20(19),3 (32, 181). Vgl. auch exhort. mart. 47 (GCS Orig. 1, 43): „Lasst uns den Leib ablegen, um mit Christus Jesus die Ruhe zu genießen, die der Glückseligkeit innewohnt, indem wir ihn selbst anschauen als das Wort, das ganz und gar das All mit Leben erfüllt.“ Übersetzung: von Stritzky, OWD 22, 105. 188 Das ist eine knappe Glaubensregel gleichsam in nuce: Trinität, Eschatologie, Bibel. In der Tat ließe sich das gesamte theologische Denken des Origenes diesen drei Themenbereichen zuordnen. Auch in princ. I praef. 4–8 (GCS Orig. 4, 9–14) skizziert Origenes die Inhalte der apostolischen Verkündigung im Wesentlichen anhand dieser Punkte. 189 Hinter diesem Gedanken steht die Verschränkung von Erkenntnis und Ethik, die seit der Sophistik und Sokratik die antike Philosophie prägt und im Frühchristentum mit seinem Akzent auf Moral und Lebenspraxis noch betont wird. Siehe dazu Fürst, Eschatologie des Origenes 321–323. 190 Derselbe Gedanke in exhort. mart. 49 (GCS Orig. 1, 44f.). 191 Zur antignostischen Verwendung von Mt. 7,7 par. Lk. 11,9 bei Origenes siehe Brox, Suchen und Finden. Vgl. z.B. in Cant. comm. III 14,12 (OWD 9/1, 384); in Cant. hom. 1,8 (OWD 9/2, 90).
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Wort über die Ruhe,187 über das Gesetz, über die Propheten, kurz: über jedes Thema der Schriften188 – und aussät, übertritt er das Gebot, das erst sagt: „Bereitet euch neuen Boden“, und an zweiter Stelle: „und sät nicht unter Dornen“.189 Doch einer der Hörer wird sagen: Ich lehre nicht, ich unterstehe diesem Gebot nicht! Auch du werde Landwirt deiner selbst und säe nicht unter Dornen, sondern bereite mir den Boden auf dem Feld, das der Gott des Alls dir anvertraut hat! Lerne das Feld kennen, schau, wo Dornen sind, wo Sorgen des täglichen Lebens, des Reichtums und Liebe zur Lust!a190 Und wenn du die Dornen in deiner Seele kennengelernt hast, suche den geistigen Pflug, über den Jesus sagt: „Keiner, der die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, taugt für das Reich Gottes.“ b Wenn du ihn suchst und findest,c191 wenn du aus den Schriften die Ochsen, die reinen Arbeiter, zusammenführst, pflüge und bereite die Erde, und damit sie nicht mehr die alte ist, mache sie neu, „indem du den alten Menschen mit seinen Taten ausziehst und den neuen anziehst, der sich auf Erkenntnis hin erneuert.“ d Dir selbst wirst du den Boden bereiten, und wenn du den Boden bereitet hast, nimm Samen von den Lehrern, nimm Samen vom Gesetz, nimm von den Propheten, von den evangelischen Schriften, apostolischen Worten, und wenn du diese Samen genommen hast, säe sie in die Seele, indem du sie durch ständiges Wiederholen pflegst und für sie Sorge trägst.192 Ganz von selbst scheinen 192 Die Sorge um die eigene Seele, wie Origenes sie unten in Hier. hom. 18,3 (GCS
Orig. 32, 154) regelrecht programmatisch formuliert, gehört seit Platon, Alk. mai. 132 c 1f., zu den Hauptaufgaben der Philosophie nicht nur in der platonischen, sondern auch in der stoischen Tradition; vgl. etwa Philon, plant. 31 (II p. 139f. Cohn/Wendland); Plotin, enn. IV 6,3 (dazu Schadel, BGrL 10, 265 Anm. 57). Die christlichen Theologen haben diesen Gedanken uneingeschränkt übernommen, so Clemens von Alexandria, strom. VII 3,1 (GCS Clem. Al. 32, 4); Origenes, in Cant. comm. II 5,1–15 (OWD 9/1, 230–236); Gregor Thaumaturgos, pan. Orig. 140 (FC 24, 180). Siehe dazu Kobusch, Christliche Philosophie 34–40 (ebd. 161–163 Anm. 24–27 viele weitere Stellen); Fürst, Origenes – der Schöpfer christlicher Wissenschaft und Kultur 100f. Für hier vgl. bes. Origenes, in Luc. frg. 157 (GCS Orig. 92, 289): „Ein jeder von uns ist ein Ackerbauer, der die eigene Seele zum Acker hat; mit einem geistlichen Pflug muss er diesen Acker zunächst erneuern, indem er die Zugochsen mit der reinen heiligen Schrift darüber treibt; so wird er seine Seele, die durch Untätigkeit in der Vergangenheit alt geworden ist und viel Bosheit und unfruchtbare Werke hervorgebracht hat, wieder jung machen. Wenn dann der Pflug des Wortes all dies beseitigt und die Seele zu einem saatbereiten Brachland gemacht hat, nimmt der Ackerbauer den Samen der göttlichen Lehre und sät das Gesetz, die Propheten und die Evangelien aus, indem er in seinem Gedächtnis darüber nachdenkt und meditiert. Deswegen sagt auch der Gott des Alls durch den Propheten Jeremia: ‚Brecht das Brachland und sät nicht in die Dornen!‘ (Jer. 4,3). Es genügt nämlich nicht, den göttlichen Samen einfach aufzunehmen und Frucht bringen zu lassen, zuvor muss die Seele gereinigt werden, muss alle Leidenschaft, müssen alle Sorgen und alle Lust des (irdischen) Le-
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ψυχὴν διὰ τῆς μνήμης καὶ τῆς μελέτης. Αὐτόματα ταῦτα δόξει ἀνατέλλειν·a τὸ ἀληθὲς οὐκ | αὐτὰ ἀνατελεῖ μετὰ τὴν μνήμην αὐτῶν, ἀλλ̓ ὁ θεὸς αὐτὰ αὐξήσει· „Ἐγὼ ἐφύτευσα, Ἀπολλῶς ἐπότισεν, ἀλλ̓ ὁ θεὸς ηὔξησεν.“ b Καὶ εἴ τίς γε δεδύνηται κατανοῆσαι τὰς γραφάς, οὗτος πεποίηκεν νέωμα καὶ ποιήσας νέωμα ἔσπειρεν οὐκ ἐν ἀκάνθαις. Ταῦτα τὰ σπέρματα οἰκονο μεῖται ὑπὸ θεοῦ οὐκ αἰφνίδιον γενέσθαι στάχυς, ὡς ἐν τῷ κατὰ Μάρκον εὐαγγελίῳ πρῶτον χόρτος, εἶτα στάχυς, εἶτα ἕτοιμον γίνεται πρὸς θερισμόν. c Ὅταν γένηται ἕτοιμον πρὸς θερισμόν, ἐλεύσονται οἱ ἐπὶ τὸν θερισμὸν ἐξαποστελλόμενοι· ὅταν γένηται ἕτοιμον πρὸς θερισμόν, ἐλεύσον ται πρὸς οὓς ὁ λόγος φησίν· „Ἐπάρατε τοὺς ὀφθαλμοὺς ὑμῶν καὶ θεάσα σθε τὰς χώρας, ὅτι λευκαί εἰσιν πρὸς θερισμὸν ἤδη.“ d Φησὶν οὖν ἡμῖν· „Νεώσατε ἑαυτοῖς νεώματα, καὶ μὴ σπείρετε ἐπ̓ ἀκάνθαις.“ e Ἐὰν δὲ πρὶν καθάρῃς σου τὴν ψυχὴν ἔτι ἔχων ἀκάνθας προίῃς τῷ διδάσκειν ἢ δυ ναμένῳ ἢ νομιζομένῳ ἢ ἐπαγγελλομένῳ καὶ αἰτῇς μαθήματα καὶ σπέρματα πνευματικά, παραβαίνεις τὴν λέγουσαν ἐντολήν· „Μὴ σπείρετε ἐπ̓ ἀκάν θαις.“ 14. Καὶ ἑξῆς τούτῳ λέγεται· „Περιτμήθητε τῷ θεῷ , καὶ περιτέ μεσθε τὴν ἀκροβυστίαν τῆς καρδίας ὑμῶν.“ f „Περιτμήθητε τῷ θεῷ ὑμῶν“· ἀναγκαίως πρόσκειται τὸ „περιτμήθητε τῷ θεῷ ὑμῶν“. Νοήσεις δὲ αὐτὸ ἀπὸ τοῦ παραδείγματος τοῦ αἰσθητοῦ· περιτέμνονται, κατὰ τὸ αἰσθητὸν λέγω, οὐ μόνον οἱ ἐκ περιτομῆς κατὰ τὸν Μωσέως νόμον, ἀλλὰ καὶ ἄλλοι πολλοί. Τῶν Αἰγυπτίων [εἰδώλοις] οἱ ἱερεῖς περιτέμνονται, ἀλλ̓ ἐκείνη ἡ περιτομὴ εἰδώλοις περιτομή ἐστιν καὶ οὐκ ἔστιν τῷ θεῷ γινομένη περιτομή· ἡ δὲ Ἰουδαίων τάχα, πάντως δὲ τότε, τῷ θεῷ ἐγίνετο. Ἐὰν οὖν || λέγῃ ὁ λόγος· „Περιτμήθητε τῷ θεῷ ὑμῶν“, νοήσας τὸ ῥητὸν μετάβηθι καὶ ἐπὶ τὴν τροπολογίαν, ἵνα εὕρῃς πῶς τῶν περιτεμνομένων τροπολογικῶς (ὥστ̓ ἂν a
Mk. 4,28
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1 Kor. 3,6
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1 δόξει ἀνατέλλειν Gh δόξη ἀναστέλλειν S 2 δ̓ ἀληθὲς Kl ἀληθῶς S 2 αὐτὰ V Co ἄττα S 2 ἀνατελεῖ Bl ἀναστέλλει S 6 ἀλλ̓ Co 13 προσίῃς Kl 14 αἰτῇς Hu αἰτεῖς S 17 ὑμῶν Co 22 εἰδώλοις del. Kl (nicht Nt) 25 ὑμῶν V ἡμῶν S
bens, die mit den Dornen gemeint sind, entfernt werden. Deswegen heißt es auch: ‚Meide das Böse und tu das Gute!‘ (Ps. 37[38],27).“ Übersetzung: Sieben, FC 4/2, 453–455. Nautin, SC 232, 314f. Anm. 1, vermutet, dieses Katenenfragment könnte auf die vorliegende Stelle in den Jeremiahomilien zurückgehen. 193 Der Satz ist ein schönes kleines Beispiel für das Zusammenspiel von Freiheit und Gnade in der Soteriologie des Origenes, wie er es beispielsweise auch in princ. III 1,19 (GCS Orig. 5, 231–233) beschreibt. Siehe dazu Völker, Vollkommenheitsideal 38–41; Gruber, ΖΩΗ 236–240; Schockenhoff, Fest der Freiheit 116–123; Fürst, OWD 7, 50–59. 194 Exegese ist nach Origenes die unverzichtbare Basis für ethische und spirituell-geistige Entwicklung: Fürst, Origenes – der Schöpfer christlicher Wissenschaft und Kultur
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diese aufzugehen,a in Wahrheit aber werden sie nicht aufgehen, weil man sie durch ständiges Wiederholen gepflegt hat, sondern wird Gott sie wachsen lassen: „Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, aber Gott ließ wachsen.“ b193 Und wenn jemand fähig war, die Schriften zu verstehen, hat er gewiss den Boden bereitet,194 und wenn er den Boden bereitet hat, hat er nicht unter Dornen gesät. Diese Samen werden von Gott in seinem Heilsplan so angeordnet, dass sie nicht im Nu die Ähre hervorbringen, wie im Evangelium nach Markus zuerst Halm, dann Ähre, dann bereit für die Ernte werden.c Wenn sie für die Ernte bereit sind, werden die kommen, die zur Ernte ausgesandt werden; wenn sie für die Ernte bereit sind, werden die kommen, zu denen das Wort sagt: „Erhebt eure Augen und seht, dass die Felder schon weiß sind zur Ernte!“ d Er sagt also zu uns: „Bereitet euch neuen Boden und sät nicht unter Dornen!“ eWenn du aber, bevor du deine Seele gereinigt hast, wenn du noch Dornen hast, zu dem gehst, der lehren kann oder für einen solchen gehalten wird oder den Anspruch darauf erhebt, und ihn um Unterricht und geistigen Samen bittest, übertrittst du das Gebot, das sagt: „Sät nicht unter Dornen!“ 14. Und im Anschluss daran heißt es: „Beschneidet euch für Gott und beschneidet die Vorhaut eures Herzens!“ f195 „Beschneidet euch für euren Gott!“ Notwendigerweise ist hinzugefügt: „Beschneidet euch für euren Gott!“ Aus einem konkreten Beispiel wirst du das verstehen. Beschnitten – im körperlichen Sinn meine ich – werden nicht nur die, die nach dem Gesetz des Mose beschnitten werden, sondern auch viele andere. Die Priester der Ägypter196 werden beschnitten,197 aber jene Beschneidung ist eine Beschneidung für Götterbilder, und sie ist keine Beschneidung, die für Gott geschieht; die der Juden aber wird vielleicht, auf jeden Fall aber wurde sie damals für Gott vollzogen. Wenn das Wort nun sagt: „Beschneidet euch für euren Gott“, sollst du, wenn du den Wortlaut verstanden hast, auch zum übertragenen Sinn übergehen, um herauszufinden, inwiefern von den im übertragenen Sinn Beschnittenen – so dass einige von ihnen vielleicht sagen: 100–108. Der „geistige Pflug“, von dem er oben redet, ist das Lesen und Verstehen bzw. Auslegen der Bibel. 195 Die Septuaginta bietet „Herzenshärte“ (σκληροκαρδία: II p. 662 Rahlfs), nicht „Vorhaut des Herzens“ (ἀκροβυστία τῆς καρδίας), das freilich dem hebräischen Text entspricht. Die gleiche Lesart bezeugt Justin, dial. 15,7 (PTS 47, 95f.); 28,2 (47, 115). 196 Lässt man mit Nautin, GCS Orig. 32, 359; SC 232, 316, εἰδώλοις im Text, ist zu übersetzen: „Für die Götterbilder der Ägypter werden die Priester beschnitten“ (die Übersetzung von Smith, FaCh 97, 56f., legt sich von der Wortstellung her nicht nahe: „The priests of the Egyptians are circumcised for idols“). Die von Klostermann, GCS Orig. 3, 43, vorgenommene Tilgung (akzeptiert von Schadel, BGrL 10, 92) entspricht dem Gedankengang besser. 197 Das wird auch bezeugt von Barn. 9,6 (SUC 2, 162). Vgl. ferner Origenes, Cels. V 47f. (GCS Orig. 2, 51f.); in Rom. comm. II 9,33 (SC 532, 408).
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εἰπεῖν τάχα τινὰς αὐτῶν· „Ἡμεῖς ἐσμεν ἡ περιτομή“a) οἱ μὲν περιτέμνονται τῷ θεῷ, οἱ δὲ περιτέμνονται μέν, οὐ τῷ θεῷ δέ. Εἰσὶν δὲ καὶ ἄλλοι λόγοι παρὰ τὸν λόγον τὸν τῆς ἀληθείας, παρὰ τὸν λόγον τὸν τῆς ἐκκλησίας. Περιτέμνονται τὰ ἤθη καὶ τὴν καρδίαν ὥς τε εἰπεῖν σωφρονίζουσιν οἱ φιλο σοφοῦντες, σωφρονίζουσιν οἱ ἀπὸ τῶν αἱρέσεων καὶ γίνεται αὐτοῖς περιτο μή. Ἀλλὰ περιτομὴ μέν, οὐ τῷ θεῷ δέ· περιτομὴ γὰρ λόγῳ ψευδεῖ παρ᾽ ἐκείνοις γίνεται. Ὅταν δὲ κατὰ τὸν ἐκ|κλησιαστικὸν κανόνα, κατὰ τὴν πρόθεσιν τῆς ὑγιοῦς διδασκαλίας κοινωνικὸς ᾖς, οὐ περιτέτμησαι μόνον, ἀλλὰ περιτέτμησαι τῷ θεῷ. „Περιτμήθητε“ οὖν „τῷ θεῷ ὑμῶν, καὶ περιτέμεσθε τὴν ἀκροβυστίαν τῆς καρδίας ὑμῶν.“ b Τίς ταῦτα οὐ παρέρχεται ὡς σαφῆ; Οὐκοῦν ἔστιν τις ἀκροβυστία τῆς καρδίας καὶ ταύτην δεῖ περιτέμνεσθαι. Ὁ ἀκριβώσας τὸν λόγον τοιαῦτα ζητῶν ἐν τῷ τόπῳ ἐξετάσει· ἡ ἀκροβυστία συγγεννᾶται, ἡ περιτομὴ ἐπίκτητός ἐστιν, καὶ ὅπερ ἐκ γενέσεως ἐλήλυθεν, τοῦτο περιαιρεῖ ἡ περιτομή. Εἰ τοίνυν περιαιρεῖσθαι κελεύει ὁ λόγος τὴν ἀκροβυστίαν τῆς καρδίας, ὀφείλει τι εἶναι συγγεγεννημένον τῇ καρδίᾳ, ὃ λέγει ἀκροβυστίαν, ὅπερ περιαιρεθῆναι δεῖ, ἵνα τις περιτετμῆται τὴν ἀκροβυστίαν τῆς καρδίας. Ἐάν τις νοήσῃ τὸ „Ἤμεθα τέκνα φύσει ὀργῆς ὡς καὶ οἱ λοιποί“, c ἐάν τις νοήσῃ „τὸ σῶμα τῆς ταπεινώσεως“ d ἐν ᾧ γεγεννήμεθα, ἐάν τις νοήσῃ τὸ „Οὐδεὶς καθαρὸς ἀπὸ ῥύπου, οὐδὲ εἰ μία ἡμέρα εἴη ἡ ζωὴ αὐτοῦ· ἀριθμητοὶ δὲ || μῆνες αὐτοῦ“, e ὄψεται τίνα τρόπον γεγεννήμεθα μετὰ ἀκαθαρσίας καὶ ἀκροβυστίας τῆς καρδίας ἡμῶν. 15. Ἵνα δὲ κατὰ τὸ ἁπλούστερον παράδειγμα λεχθῇ δυνάμενον προσα γαγεῖν ὑμᾶς τῷ ἰδεῖν τὴν ἀκροβυστίαν τῆς καρδίας, παραθήσομαι ὅτι κατὰ τὴν πρώτην ἡλικίαν ψευδοδοξίαι πάντως γίνονται ἐν τῇ ψυχῇ· οὐ γὰρ οἷόν τέ ἐστιν ἀρχῆθεν ἀληθῆ δόγματα καθαρὰ λαβεῖν τὸν ἄνθρωπον. Προενοήσατο δὲ ὁ θεῖος λόγος ἱστορίας καὶ γραφῆς τῆς κατὰ τὸ ῥητόν, ἵνα θρέψῃ τὸν κατὰ σάρκα γεγεννημένον τῷ Ἀβραὰμ ἐν τοῖς κατὰ σάρκα πρῶτον λόγοις καὶ γένηται πρῶτος ὁ ἐκ τῆς παιδίσκης, εἰς τὸ δυνηθῆναι μετὰ τοῦτον γεννηθῆναι τὸν τῆς ἐλευθέρας καὶ τὸν διὰ τῆς ἐπαγγελίας. f Εἰ a
Phil. 3,3
b
Jer. 4,4
c
Eph. 2,3
d
Phil. 3,21
e
Ijob 14,4f.
f
Gal. 4,23
11 οὐκοῦν Co οὐκ ἀν S 11–12 τις ἀκροβυστία Scorr. της ἀκροβυστίας S* 17 περιτετμῆται Kl περιτέτμηται S 20 εἰ V Co ἡ S 20 ἡμέρα Kl ἡ über εἰ S 26 καὶ Gh
198 Zu den Tugenden von Heiden und Häretikern, die zwar Tugenden sind, aber keine
vollkommenen, weil sie nicht auf den wahren Gott bezogen sind, vgl. Origenes, in Num. hom. 11,7 (GCS Orig. 7, 88f.); in Hiez. hom. 7,3 (GCS Orig. 8, 392–394). 199 Κοινωνία ist der altkirchliche Begriff für die rechtgläubige Kirchengemeinschaft. 200 Die Form dieses Zitats weicht von der Septuagintafassung ab. Eine ähnliche Variante von Ijob 14,4f. bezeugen 1 Clem. 17,4 (SUC 1, 46); Clemens von Alexandria, strom.
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„Wir sind die Beschneidung“a – die einen für Gott beschnitten werden, die anderen zwar beschnitten werden, aber nicht für Gott. Es gibt auch andere Lehren als die Lehre der Wahrheit, als die Lehre der Kirche. Diejenigen lassen ihre Sitten und ihre Herzen beschneiden und leben sozusagen klug und maßvoll, die sich der Philosophie widmen. Die Anhänger von Häresien leben klug und maßvoll und praktizieren eine Beschneidung. Doch das ist zwar eine Beschneidung, aber nicht für Gott, denn die Beschneidung erfolgt bei jenen für eine falsche Lehre.198 Wenn du aber nach der kirchlichen Regel, nach der Anleitung der gesunden Lehre Gemeinschaft pflegst,199 bist du nicht nur beschnitten, sondern für Gott beschnitten. „Beschneidet euch“ also „für euren Gott und beschneidet die Vorhaut eures Herzens!“ bWer übergeht dies nicht, als sei es klar? Es gibt also so etwas wie eine Vorhaut des Herzens, und diese muss beschnitten werden.Wer denn Sinn genau verstehen will, wird bei näherer Untersuchung an der Stelle Folgendes entdecken: Die Vorhaut ist angeboren, die Beschneidung ist zusätzlich erworben, und was mit der Geburt gekommen ist, das entfernt die Beschneidung. Wenn nun das Wort befiehlt, die Vorhaut des Herzens zu entfernen, muss es im Herzen etwas Angeborenes geben, das es Vorhaut nennt, das entfernt werden muss, damit einer an der Vorhaut des Herzens beschnitten wird. Wenn einer den Satz versteht: „Wir waren von Natur aus Kinder des Zorns wie auch die anderen“,c wenn einer den „Leib der Niedrigkeit“,d in dem wir geboren sind, begreift, wenn einer den Satz versteht: „Niemand ist rein von Schmutz, auch wenn sein Leben nur einen Tag währte und seine Monate gezählt wären“,e200 wird er sehen, auf welche Weise wir mit Unreinheit und mit der Vorhaut unseres Herzens geboren sind.201 15. Um jedoch ein einfacheres Beispiel als das genannte anzuführen, das euch dazu bringen kann, die Vorhaut des Herzens zu verstehen, will ich hinzufügen, dass im ersten Lebensalter überhaupt falsche Meinungen in der Seele entstehen. Denn es ist nicht möglich, dass der Mensch von Anfang an wahre reine Lehren aufnimmt. Das göttliche Wort hat aber eine Geschichte und eine Schrift im wörtlichen Sinn vorgesehen, um den Sohn, der dem Abraham fleischlich geboren wurde, zuerst mit Worten gemäß dem Fleisch zu ernähren und er zuerst Sohn der Sklavin wird, um nach diesem als Sohn der Freien und als Sohn aus der Verheißung geboren werden zu können.f Wenn man versteht, weshalb das in der Schrift steht, kann man die III 100,4 (GCS Clem. Al. 24, 242); ferner Origenes, in Matth. comm. XV 23 (GCS Orig. 10, 417). Vgl. auch Philon, mut. 48 (III p. 165 Cohn/Wendland). 201 Origenes erklärt hier nicht näher, woran er denkt. Im Gesamtgefüge seines Denkens hat er diesen von Geburt an defekten Zustand des Menschen mit dem präexistenten Fall der Seele erklärt, z.B. in princ. II 9,2 (GCS Orig. 5, 165f.). Das folgende „einfachere Beispiel“ ist dann allerdings so komplex und dicht, dass man Zweifel hegen kann, ob es den Zuhörern das Verständnis erleichtert hat. Siehe dazu auch de Lubac, Geist aus der Geschichte 302f.; Gögler, Bibelexegese des Origenes 5.
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νενόηται τοῦτο διὰ τί παρελήφθη, δύναται νοεῖσθαι ἡ ἀκροβυστία τῆς καρδίας προγινομένη τῆς περιτομῆς. Χρεία οὖν ἡμῖν τὸν λόγον παραλαβεῖν τὸν καθαίροντα τὰ δόγματα καὶ περιαιροῦντα πάντα τὰ γενόμενα κατὰ ψευδοδοξίαν ἐν ἡμῖν. Τοῦτο οὖν ἐστιν τὸ ἀποθέσθαι τὴν ἀκροβυστίαν τῆς καρδίας ἡμῶν· εἰ γὰρ καρδία ἐστὶν ἔχουσα καθ̓ ἡμᾶς τὸ ἡγεμονικόν, ἔνθα ἐστὶν τὰ νοήματα, ὅθεν οἱ διαλογισμοὶ ἐξέρχονται οἱ πονηροί,a ὁ περιαι ρούμενος τοὺς διαλογισμοὺς | τοὺς πονηροὺς τὴν ἀκροβυστίαν τῆς καρδίας περιαιρεῖται, ὁ ἀποτιθέμενος τὴν ψευδοδοξίαν περιτέτμηται τὴν ἀκροβυ στίαν τῆς καρδίας αὐτοῦ καὶ γίνεται ἀνὴρ Ἰούδα καὶ κατοικῶν Ἱερου σαλήμ, b καθαρῶς περιτεμνόμενος. Ἐὰν δέ τις μὴ ἀποθῆται τὴν ἀκροβυστίαν τῆς καρδίας αὐτοῦ, ἴδωμεν τί ἀπειλεῖ αὐτῷ ὁ λόγος· „Μή πως ἐξέλθῃ“ φησὶν „ὡς πῦρ ὁ θυμός μου καὶ ἐκκαυθήσεται, καὶ οὐκ ἔσται ὁ σβέσων.“ c Ἐξέρχεται οὖν ὡς πῦρ ὁ θυμὸς τοῦ κυρίου ἐπὶ τοὺς μὴ περιτμηθέντας τῷ θεῷ, ἐπὶ τοὺς μὴ ἀποθεμένους τὴν ἀκροβυστίαν τῆς καρδίας || αὐτῶν, „καὶ οὐκ ἔσται ὁ σβέσων ἀπὸ προσώπου πονηρίας ἐπιτηδευμάτων“ αὐτῶν. d Τὸ πῦρ ἐκεῖνο ὕλην ἔχει τὴν πονηρίαν τῶν ἐπιτηδευμάτων ἡμῶν. Ὅπου οὐκ ἔνι πονηρία ἐπιτηδευμάτων, οὐκ ἔχει τὸ πῦρ ὅπου νεμηθῇ. Ὅτι δὲ ἡ ὕλη ἐκείνου τοῦ πυρὸς ἡ πονηρία ἐστὶν τῶν ἐπιτηδευμάτων, ἄκουε τοῦ προ φήτου λέγοντος· „Καὶ οὐκ ἔσται ὁ σβέσων ἀπὸ προσώπου πονηρίας ἐπι τηδευμάτων ὑμῶν.“ e „Ἀναγγείλατε ἐν τῷ Ἰούδᾳ, καὶ ἐν Ἱερουσαλὴμ ἀκουσθήτω· εἴπατε, [ἀναγγείλατε,] σημάνατε σάλπιγγι ἐπὶ τῆς γῆς, καὶ κράξατε μέγα.“ f Ταῦτα, φησίν, τὰ ἀπαγγελλόμενα εἴπατε ἐν τῷ Ἰούδᾳ, τοῖς ἀπὸ τῆς φυλῆς τοῦ Ἰούδα τοῦ Χριστοῦ· „πρόδηλον γὰρ ὅτι ἐξ Ἰούδα ἀνατέταλκεν ὁ σω τὴρ ἡμῶν.“ g 16. „Σημάνατε σάλπιγγι ἐπὶ τῆς γῆς.“ h Ὁ λόγος ὁ ὑψηλός, ὁ διεγείρων τὸν ἀκροατήν, ὁ παρασκευάζων αὐτὸν εἰς τὸν πόλεμον τὸν κατὰ τῶν παθῶν, εἰς τὸν πόλεμον τὸν κατὰ τῶν ἐνεργειῶν τῶν ἀντικει μένων, ὁ παρασκευάζων αὐτὸν εἰς τὰς ἑορτὰς τὰς οὐρανίους (εἰς ἀμφότερα γὰρ ταῦτα λέγεται) παραλαμβάνεται σάλπιγξ. Ἐν τοῖς Ἀριθμοῖς ὁ τοιοῦτος λόγος σάλπιγξ ἐστίν· i οἷον ἐμοὶ κελεύει ὁ λόγος καὶ εἴ τινι ἄλλῳ (δέδοται δὲ τῷ βουλομένῳ καὶ ζητήσαντι τὸν νοῦν τῶν γραφῶν) κελεύει ποιῆσαι a i
Mt. 15,19 bJer. 4,4 Num. 10,9f.
20 ὑμῶν Co ἡμῶν S
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Jer. 4,4
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Jer. 4,4
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Jer. 4,4
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Jer. 4,5
22 ἀναγγείλατε del. Kl mit LXX
g
Hebr. 7,14
h
Jer. 4,5
22 κεκράξατε Kl
202 Das Herz gilt schon Zenon, dem Begründer der Stoa, als Sitz des ἡγεμονικόν, des „lei-
tenden Seelenteils“, das heißt der Vernunft: Diogenes Laërtios VII 159. Für Origenes ist das biblische Herz der Sitz des Hegemonikon: in Ioh. comm. II 35,215 (GCS Orig. 4, 94): „Inmitten des ganzen Leibes befindet sich das Herz, im Herzen aber das Leitprinzip der Seele.“ Vgl. in Num. hom. 10,3 (GCS Orig. 7, 73); in Is. hom. 2,2 (GCS Orig. 8, 252); in Cant. comm. I 2,3 (OWD 9/1, 134); II 2,17 (9/1, 206); in Cant. hom. 1,6 (OWD 9/2, 82); in Cant. frg. 12 (OWD 9/2, 152); princ. I 1,9 (GCS Orig. 5, 27); orat. 29,2 (GCS Orig. 2, 382). Siehe auch unten S. 648 Anm. 158.
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Entstehung der Vorhaut des Herzens vor der Beschneidung verstehen. Wir müssen also das Wort aufnehmen, das die Lehren reinigt und alles beseitigt, was aufgrund von falschen Meinungen in uns entstanden ist. Das nun bedeutet es, die Vorhaut unseres Herzens abzulegen. Denn wenn es das Herz ist, das die Leitung über uns innehat,202 wenn darin die Gedanken sind, woraus die schlechten Überlegungen kommen,a dann beseitigt die Vorhaut des Herzens, wer die schlechten Überlegungen beseitigt, dann wird an der Vorhaut seines Herzens beschnitten, wer die falschen Meinungen ablegt, und wird ein Mann Judas und ein Bewohner Jerusalems,b beschnitten in reiner Weise.Wenn einer aber die Vorhaut seines Herzens nicht abgelegt hat, lasst uns sehen, was das Wort ihm androht: „Dass nicht etwa“, heißt es, „mein Zorn wie Feuer ausbricht und entfacht wird, und niemand wird zum Löschen da sein.“ c Wie Feuer also bricht der Zorn des Herrn über die aus, die nicht für Gott beschnitten sind, über die, die die Vorhaut ihres Herzens nicht abgelegt haben, „und niemand wird zum Löschen da sein angesichts der Schlechtigkeit“ ihrer „Lebensweise“.d Jenes Feuer hat als Brennstoff die Schlechtigkeit unserer Lebensweise. Wo es keine Schlechtigkeit der Lebensweise gibt, hat das Feuer nichts, wovon es sich nähren könnte. Weil der Brennstoff für jenes Feuer die Schlechtigkeit der Lebensweise ist, höre, wie der Prophet sagt: „Und niemand wird zum Löschen da sein angesichts der Schlechtigkeit eurer Lebensweise.“ e „Verkündet in Juda, auch in Jerusalem soll man es hören! Sagt, [verkündet,] gebt mit der Posaune ein Zeichen im Land und ruft laut!“ f Diese Verkündigung, heißt es, verbreitet in Juda, unter denen aus dem Stamm Juda, des Gesalbten. „Denn es ist bekannt, dass unser Erlöser aus Juda hervorgegangen ist.“ g203 16. „Gebt mit der Posaune ein Zeichen im Land!“ h Das erhabene Wort, das den Hörer aufweckt, das ihn für den Kampf gegen die Leidenschaften, für den Kampf gegen die feindlichen Mächte ausrüstet, das ihn für die himmlischen Feste ausrüstet – auf beides ist das ja zu beziehen –, wird als Posaune aufgefasst.204 Im Buch Numeri ist ein solches Wort eine Posaune.i Das Wort befiehlt zum Beispiel mir und befiehlt auch jedem anderen – es wird dem gegeben, der willens ist und den Sinn der Schriften erforscht205 –
203 Siehe oben in Hier. hom. 4,2 (GCS Orig. 32, 25) und unten 9,1 (32, 64f.). 204 Dieselbe Deutung von Num. 10,9f. zieht Origenes, in Hier. hom. lat. 1(3),1 (GCS
Orig. 8, 303–307), und in Ios. hom. 7,1 (GCS Orig. 7, 327f.), heran, ebenso in Hier. frg. 30 (GCS Orig. 32, 214). Die Deutung von „Silber“ und „Posaune“ als „Wort“ gehört zu den konventionellen Allegorien, deren sich Origenes gern bedient: Hanson, Allegory and Event 247f. Vgl. in Matth. comm. ser. 52 (GCS Orig. 11, 116f.). 205 In diesem Sinn hat Origenes die Aufforderung in Joh. 5,39: „Erforscht die Schriften!“ oft aufgegriffen: princ. IV 3,5 (GCS Orig. 5, 330f.); in Is. hom. 2,2 (GCS Orig. 8, 251); in Ioh. comm. V 6 (GCS Orig. 4,103); VI 20,109 (4, 129); VI 59,303 (4, 168); in Ioh. frg. 37. 48 (GCS Orig. 4, 513f. 523); in Rom. comm. III 4,9 (SC 539, 116); VII 15,2 (SC 543, 396); Cels. III 33 (GCS Orig. 1, 230); V 16 (2, 17); VI 7 (2, 77); VI 37 (2, 106).
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„σάλπιγγας ἀργυρᾶς ἐλατάς“.a Οὕτω φησὶν ὁ λόγος· „Σημάνατε σάλπιγγι ἐπὶ τῆς γῆς, καὶ κεκράξατε μέγα· εἴπατε· Συνάχθητε καὶ εἰσέλθωμεν εἰς τὰς πόλεις τὰς τειχήρεις.“ b Εἰς ἀτείχιστον πόλιν οὐ βούλεται ἡμᾶς εἰσελθεῖν ὁ λόγος τοῦ θεοῦ, ἀλλ̓ εἰς τετειχισμένην. Ἡ ἐκκλησία τοῦ ζῶντος θεοῦ τετει χισμένη ὑπὸ τῆς ἀληθείας c τοῦ λόγου (οὗτος | γάρ ἐστιν τὸ τεῖχος) † ἐν τῷ ἑπτακαιδεκάτῳ κεῖται Ψαλμῷ, ὅτι καὶ τεῖχός ἐστιν ὁ θεός. d „Ἀναλαβόντες φεύγετε εἰς Σιών“· || ὅσοι ἐστὲ ἔξω τῆς Σιών, „ἀναλαβόν τες φεύγετε εἰς Σιών· σπεύσατε, μὴ στῆτε“, οἱ ἐν τῇ προκοπῇ σπεύσατε ἐπὶ τὸ Σκοπευτήριον, „ὅτι κακὰ ἐγὼ ἐπάγω ἀπὸ βορρᾶ καὶ συντριβὴν μεγάλην“· e τῶν κακῶν ἐπαγομένων ἀπὸ βορρᾶ, βορρᾶ τοῦ ἀντικειμένου, ὡς πολλάκις λέλεκται, ὃς ἐὰν εὑρεθῇ μὴ σπεύσας μηδὲ εἰσελθὼν „εἰς τὰς πόλεις τὰς τειχήρεις“, f μὴ γενόμενος „ἐν ταῖς ἐκκλησίαις τοῦ θεοῦ“, g ἀλλ̓ ἔξω ἑστηκώς, αὐτὸς ὑπὸ τῶν πολεμίων καταληφθεὶς ἀναιρεθήσεται. Τίς δέ ἐστιν ὁ πολέμιος; Ἴδωμεν ἐκ τῶν ἑξῆς τίνα τρόπον λέγεται· „Ἀνέβη λέων ἐκ τῆς μάνδρας αὐτοῦ, ἐξολοθρεύων ἔθνη ἐξῆρεν.“ h Οὗτός ἐστιν ὁ πολέμιος, ὃν δεῖ ἡμᾶς φυγεῖν. Λέων ἡμᾶς καταδιώκει. Τίς οὗτος; Πέτρος ἡμᾶς διδάσκει λέγων· „Ὁ ἀντίδικος ὑμῶν διάβολος ὡς λέων ὠρυόμενος περιπατεῖ ζητῶν τίνα καταπίῃ· ᾧ ἀντίστητε στερεοὶ τῇ πίστει“· i καὶ κατὰ τὸν ἔνατον Ψαλ μὸν „ἐνεδρεύει ἐν ἀποκρύφῳ, ἐνεδρεύει ὡς λέων ἐν τῇ μάνδρᾳ αὐτοῦ“. j Καὶ ἐνεδρεύει οὗτος ὁ λέων οὐχ ἡμέρας, ἀλλ̓ ἐπὰν γένηται νύξ· κατὰ γὰρ τὸν ἑκατοστὸν τρίτον Ψαλμόν „ἔθου σκότος καὶ ἐγένετο νύξ. Ἐν αὐτῇ διελεύ a
Num. 10,2 bJer. 4,5 Jer. 4,7 i 1 Petr. 5,8f.
h
c
1 Tim. 3,15 dPs. 17(18),30f. Ps. 9,30(10,9)
j
10 κακῶν ἐπαγομένων Nt ἐπαγομένων κακῶν S Kl 18 ἔνατον Kl θ´ S 21 ἑκατοστὸν τρίτον Kl ργ´ S
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Jer. 4,6
f
Jer. 4,5
g
2 Thess. 1,4
12 τειχήρεις V Co στειχήρεις S
206 Hier wird das Selbstbild des Exegeten und Predigers Origenes greifbar: Der Ausle-
ger der Schrift setzt das Wirken des Logos (in der Schrift) in der Kirche fort. Siehe dazu Torjesen, Hermeneutical Procedure 136. 138. 147; Williams, Origenes 54f. 57; Fürst, Origenes – der Schöpfer christlicher Wissenschaft und Kultur 111f. 207 An dieser offenbar verderbten Stelle kann man mit Nautin, SC 232, 322, und Smith, FaCh 97, 60, vielleicht die Konjektur von Klostermann, GCS Orig. 3, 46 app. crit., übernehmen, an der mit einer crux bezeichneten Stelle ein ὡς, „wie“, einzusetzen. „Aber auch damit wäre nicht alles in Ordnung“, wie Klostermann zu Recht anmerkt, denn in Ps. 17(18),30 ist Gott nicht eine Festung, sondern überwindet er die Mauer, die Origenes, sel. in Ps. 17,30f. (PG 12, 1236); in Lam. frg. 83 (GCS Orig. 32, 267), auf die Sünde deutet. Die anschließende Vermutung Klostermanns, bei diesem Hinweis auf den 17. Psalm handle es sich um die Glosse eines Mannes, der Ps. 17(18),30f. so las, dass er das letzte Wort in V. 30, τεῖχος, zum ersten Wort in V. 31, ὁ θεός, zog, hat einiges für sich. Hat vielleicht schon Origenes den Psalm an dieser Stelle so gelesen? Immerhin begegnet oben, in Hier. hom. 5,13 (GCS Orig. 32, 43), der umgekehrte Fall, dass Origenes in Joh. 4,35f. das Wörtchen ἤδη, das moderne Editoren als erstes Wort von V. 36 auffassen, zu V. 35 zieht: Nautin, SC 232, 315 Anm. 3.
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„geschmiedete silberne Posaunen“a anzufertigen.206 So sagt das Wort: „Gebt mit der Posaune ein Zeichen im Land und ruft laut! Sagt: Versammelt euch, wir wollen in die befestigten Städte hineingehen.“ b In eine unbefestigte Stadt will das Wort Gottes uns nicht hineingehen lassen, sondern in eine befestigte. Die Kirche des lebendigen Gottes, befestigt von der Wahrheit c des Wortes – denn dieses ist die Festung – † im 17. Psalm steht, dass Gott auch Festung ist.d207 „Erhebt euch, flüchtet nach Zion!“ Alle, die ihr außerhalb Zions seid, „erhebt euch, flüchtet nach Zion! Beeilt euch, bleibt nicht stehen“, die ihr Fortschritte macht, eilt zum Wachtturm,208 „denn Böses führe ich von Norden heran und große Zerstörung!“ e Da Böses von Norden herangeführt wird – Norden steht für den Widersacher, wie schon oft gesagt209 –, wird der, der sich nicht beeilt und nicht „in die befestigten Städte“ f hineingeht, der sich nicht „in den Gemeinden Gottes“ g befindet, sondern draußen stehend erwischt wird, von den Angreifern ergriffen und vernichtet werden. Wer ist der Angreifer? Lasst uns aus dem Folgenden ersehen, auf welche Weise gesagt wird: „Heraufgestiegen ist der Löwe aus seiner Höhle, der Völkerverschlinger hat sich erhoben.“ h Das ist der Angreifer, vor dem wir fliehen müssen. Ein Löwe verfolgt uns.Wer ist er? Petrus lehrt es uns, wenn er sagt: „Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann. Widersteht ihm fest im Glauben!“ i Und nach dem neunten Psalm „lauert er im Verborgenen, lauert er wie ein Löwe in seiner Höhle“.j Und dieser Löwe lauert nicht am Tag, sondern wenn es Nacht geworden ist. Denn nach dem 103. Psalm „hast du die Finsternis gesetzt und ist Nacht
208 Diese Etymologie von Zion auch bei Origenes, in Ioh. comm. XIII 13,81 (GCS
Orig. 4, 237); in Lam. frg. 19 (GCS Orig. 32, 242); auch Hieronymus, int. hebr. nom. p. 39 Lagarde (CChr.SL 72, 108); p. 43 (72, 112); p. 50 (72, 122); p. 75 (72, 153); p. 78 (72, 157); p. 81 (72, 161), kennt Sion v.a. als specula. Nach Wutz, Onomastica sacra 81, übernimmt Hieronymus mit der Identifizierung von Sion als specula einen etymologischen Fehler Philons (siehe ferner ebd. 312. 409). – In Hier. frg. 32 (GCS Orig. 32, 215) identifiziert Origenes das als „Aussichtspunkt“ interpretierte Zion mit der Kirche. Wie „das beobachtende und schauende Vermögen, das Zion genannt wird“, zu verstehen ist, erläutert er in Lam. frg. 14 (GCS Orig. 32, 241). Die Erläuterungen dazu von Schadel, BGrL 10, 266 Anm. 61, führen in die Irre, denn Origenes identifizierte die philosophische Disziplin der Logik keineswegs mit der Mystik, sondern kannte die Debatte um die Logik als eigenständige Disziplin oder als für alle Disziplinen relevante Methode: in Cant. comm. prol. 3,1f. (OWD 9/2, 90). Siehe dazu Fürst, Origenes – der Schöpfer christlicher Wissenschaft und Kultur 95–98, ferner unten S. 286 Anm. 364. 209 Da es in den erhaltenen Homilien dazu keine Parallele gibt, bezieht Origenes sich damit offenbar auf Erklärungen in verlorengegangenen Predigten.
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σονται πάντα τὰ θηρία τοῦ δρυμοῦ, σκύμνοι ὠρυόμενοι ἁρπάσαι καὶ ζη τῆσαι παρὰ τοῦ θεοῦ βρῶσιν αὐτοῖς.“a 17. „Ἀνέβη“ οὖν „λέων ἐκ τῆς μάνδρας αὐτοῦ.“ b Ποῦ; Πότε; Κάτω ἐστὶν πεσών, εἰς τὰ κατώτατα τῆς γῆς κατελήλυθεν. c „Ἀνέβη λέων ἐκ τῆς μάνδρας αὐτοῦ.“ Ἄνθρωπος εἶ, ἀνωτέρω εἶ τοῦ διαβόλου· κρείττων γὰρ εἶ αὐτοῦ, ὁποῖος ἐὰν ᾖς· ἐκεῖνος διὰ τὴν κακίαν κάτω ἐστίν. „Ἀνέβη“ οὖν „λέων ἐκ τῆς μάνδρας αὐτοῦ, ἐξολοθρεύων ἔθνη ἐξῆρεν“· ἀναβὰς ἐκ τῆς μάνδρας αὐτοῦ, τόπου τοῦ οἰκείου τῇ κολάσει ἑαυτοῦ, „ἐξολοθρεύων ἔθνη ἐξῆρεν· ἐξῆλθεν ἐκ τοῦ τόπου αὐτοῦ θεῖναι τὴν γῆν σου εἰς ἐρήμω σιν.“ d Βούλεται εἰσελθεῖν | σου εἰς τὴν γῆν, περὶ ἧς || πρὸ βραχέως ἐλέγο μεν. Ἕκαστον ἡμῶν βούλεται νεμηθῆναι. Ἔρχεται οὖν „τοῦ θεῖναι τὴν γῆν σου ἐρήμωσιν“, ἵνα καταπατήσῃ τὰ σπέρματα ὁ λέων, ἵνα ποιήσῃ ἔρημόν σου τὴν γῆν. „Καὶ πόλεις σου καθαιρεθήσονται παρὰ τὸ μὴ κατοι κεῖσθαι αὐτάς. Ἐπὶ τούτοις περιζώσασθε σάκκους.“ e Ἐπεὶ οὖν ἀνέβη λέων καὶ ἀπειλεῖ σοι λέων καὶ βούλεταί σου ἀφανίσαι τὴν γῆν, περίζωσαι σάκ κον, κλαῖε καὶ πένθει, διὰ τῶν εὐχῶν παρακάλει τὸν θεόν, ἵνα τοῦτον τὸν λέοντα ἐξολοθρεύσῃ ἀπὸ σοῦ καὶ μὴ ἐμπέσῃς αὐτοῦ εἰς τὸ στόμα. „Ὃν τρόπον“ γὰρ „ὅταν ἐκσπάσῃ ὁ ποιμὴν ἐκ στόματος λέοντος δύο σκέλη ἢ λοβὸν ὠτίου“· f οὗτος ὁ λέων ζητεῖ τῶν ὤτων σε λαβεῖν, ἵνα διὰ τῆς λιχ νείας σου λόγους ψευδεῖς σοι παραβαλὼν ἐκστήσῃ σε ἀπὸ τῆς ἀληθείας, βούλεταί σου ἀπὸ τῆς ἀληθείας ἁρπάσαι τοὺς πόδας καὶ καταφαγεῖν. Ἀλλὰ σὺ περίζωσαι σάκκους καὶ κόπτου καὶ κλαῖε καὶ ἀλάλαζε βλέπων τὸν πολέμιον τὸν ἐνεστηκότα, ἵνα ἀποστραφῇ θυμὸς ὀργῆς κυρίου ἀπὸ σοῦ, g καὶ ἀποστραφέντος τοῦ θυμοῦ δυνηθῇς ἐν ἀμεριμνίᾳ γενόμενος, μηκέτι τοῦ λέοντος ὑπεισερχομένου σοι, τῷ σε εἰσεληλυθέναι εἰς τὴν τειχήρη πόλιν, δοξάζειν τὸν ῥυόμενόν σε θεὸν ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ, „ᾧ ἐστιν ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων. Ἀμήν.“ h a
Ps. 103(104),20f. 1 Petr. 4,11
h
b
Jer. 4,7
c
Eph. 4,9
5 κρείττων Scorr. κρεῖττον S* 9 τοῦ2 Kl Gh 16 πένθει Scorr. πένθη S*
d
Jer. 4,7
e
Jer. 4,7f.
f
Am. 3,12
10 πρὸ βραχέως V ροβραχέως S
g
Jer. 4,8 12 εἰς
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geworden. In ihr streifen alle Tiere des Waldes umher, die Jungen des Löwen brüllen nach Beute und verlangen von Gott Nahrung für sich.“a 17. „Heraufgestiegen“ also „ist der Löwe aus seiner Höhle.“ bWo? Wann? Unten ist er, gefallen, an den tiefsten Punkt der Erde gestürzt.c „Heraufgestiegen ist der Löwe aus seiner Höhle.“ Du bist ein Mensch, du stehst höher als der Teufel, denn du bist besser als er, wie auch immer du sein magst. Jener ist wegen seiner Schlechtigkeit unten. „Heraufgestiegen“ also „ist der Löwe aus seiner Höhle, der Völkerverschlinger hat sich erhoben.“ Heraufsteigend aus seiner Höhle, dem geeigneten Ort für seine Bestrafung, „hat der Völkerverschlinger sich erhoben. Herausgekommen aus seinem Ort ist er, um dein Land zu einer Wüste zu machen.“ d Er will in dein Land eindringen, über das wir kurz vorher gesprochen haben.210 Jeden von uns will er zu seiner Weide machen. Der Löwe kommt also, „um dein Land zu einer Wüste zu machen“, um die Samen zu zertreten, um dein Land zu verwüsten. „Und deine Städte werden zerstört werden, weil sie nicht mehr bewohnt werden. Darum zieht Trauergewänder an!“ e Da nun der Löwe heraufgestiegen ist, der Löwe dich bedroht und dein Land vernichten will, zieh ein Trauergewand an, weine und klage, rufe durch die Gebete Gott an, damit er diesen Löwen von dir vertreibt und du ihm nicht in den Rachen fällst! Denn „wie der Hirte aus dem Rachen des Löwen zwei Schenkel oder ein Ohrläppchen herauszieht“,f so sucht dieser Löwe dich bei den Ohren zu packen, um dich, indem er dir durch deine Lüsternheit falsche Lehren einflößt, von der Wahrheit abzubringen, so will er deine Füße von der Wahrheit wegziehen und dich verschlingen. Du aber, zieh Trauergewänder an, schlage dich an die Brust, weine und heule, wenn du den Angreifer über dich kommen siehst, damit sich die Wut des Zornes des Herrn von dir abwendet.g Und wenn sich die Wut abgewandt hat, kannst du ohne Sorge, da der Löwe dich nicht mehr umschleicht, weil du in die befestigte Stadt hineingelangt bist, Gott verherrlichen, der dich in Christus Jesus rettet. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ h
210 Siehe oben in Hier. hom. 5,13 (GCS Orig. 32, 42f.).
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1. „Κύριε“ φησὶν „οἱ ὀφθαλμοί σου εἰς πίστιν.“ b Ὡς „ὀφθαλμοὶ κυρίου ἐπὶ δικαίους“, c ἀπὸ γὰρ ἀδίκων ἀποστρέφει αὐτούς, οὕτως οἱ ὀφθαλμοὶ κυρίου εἰς πίστιν, ἀπὸ γὰρ ἀπιστίας ἀποστρέφει αὐτούς. Διὸ καλῶς λέλε κται ὑπὸ τοῦ νοοῦντος, τί λέγει ἐν τῇ εὐχῇ, τὸ „Κύριε, οἱ ὀφθαλμοί σου εἰς πίστιν“. Τὸ μὲν οὖν ἐνταῦθα γεγραμμένον ἐστίν· „Κύριε, οἱ ὀφθαλμοί σου εἰς πίστιν“. Ἐπεὶ δὲ „λόγον σοφὸν ἐὰν ἀκούσῃ ἐπιστήμων, || αἰνέσει αὐτὸν καὶ ἐπ̓ αὐτὸν προσθήσει“, d ὅρα πόσα ἔστιν ποιῆσαι ἀπὸ τοῦ „Κύριε, οἱ ὀφθαλμοί σου | εἰς πίστιν“. Φησὶν ὁ Παῦλος· „Νυνὶ δὲ μένει τὰ τρία ταῦτα, πίστις, ἐλπίς, ἀγάπη· μείζων δὲ τούτων ἡ ἀγάπη.“ e Ὡς ὀφθαλμοὶ κυρίου εἰς πίστιν, ὀφθαλμοὶ κυρίου εἰς ἐλπίδα, ὀφθαλμοὶ κυρίου εἰς ἀγάπην. Ἐπεὶ δέ ἐστιν „πνεῦμα δυνάμεως καὶ ἀγάπης καὶ σωφρονι σμοῦ“, f ὡς ὀφθαλμοὶ κυρίου εἰς ἀγάπην, οὕτως ὀφθαλμοὶ κυρίου εἰς δύνα μιν, οὕτως [οἱ] ὀφθαλμοὶ κυρίου εἰς σωφρονισμόν, ὀφθαλμοὶ κυρίου ἐπὶ δικαιοσύνην, οὕτως ἐπὶ πάσας ἀρετὰς ὀφθαλμοὶ κυρίου. Εἰ οὖν βούλει καὶ σὺ τὰς ἀκτῖνας τῶν νοητῶν ὀφθαλμῶν τοῦ θεοῦ φθάνειν ἐπὶ σέ, ἀνάλαβε τὰς ἀρετάς. Καὶ ἔσται ὡς τὸ „Κύριε, οἱ ὀφθαλμοί σου εἰς πίστιν“, οὕτως „κύριε, οἱ ὀφθαλμοί σου“ εἰς ἕκαστον ὧν ἐὰν κτήσῃ ἀγαθῶν. Καὶ ἐὰν τη λικοῦτος ᾖς, ὡς τοὺς ὀφθαλμοὺς κυρίου ἐλλάμπειν σοι, ἐρεῖς· „Ἐσημειώθη ἐφ̓ ἡμᾶς τὸ φῶς τοῦ προσώπου σου, κύριε.“ g a
Jer. 5,3–5
b
Jer. 5,3
1–3 εἰς – ὁμιλία Ϛʹ Kl
c
Ps. 33(34),16
d
Sir. 21,15
e
1 Kor. 13,13
f
2 Tim. 1,7
g
Ps. 4,7
16 οἱ del. Kl
211 Klostermann, GCS Orig. 3, 48 app. crit., vermutet, dass zum folgenden Kolon ein
Vordersatz fehlt, etwa ein Bibelvers, in dem das Stichwort „Gerechtigkeit“ vorkommt (Röm. 10,6 oder Ps. 33[34],16), das dann aufgegriffen wird (übernommen von Smith, FaCh 97, 62). Das ist aber nicht unbedingt nötig: Nautin, GCS Orig. 32, 359; SC 232, 328. Im mündlichen Vortrag ist eine solche etwas unstrukturierte Aneinanderreihung denkbar, und das Stichwort „Gerechtigkeit“ lässt sich aus dem eingangs zitierten Ps. 33(34),16 gewinnen, womit Origenes die biblischen Tugenden mit zwei paganen Kardinaltugenden verknüpft (Besonnenheit und Gerechtigkeit) und deshalb die Rei-
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1. „Herr“, heißt es, „deine Augen sind auf Glauben gerichtet.“ bWie „die Augen des Herrn auf die Gerechten gerichtet sind“,c denn von den Ungerechten wendet er sie ab, so sind die Augen des Herrn auf Glauben gerichtet, denn vom Unglauben wendet er sie ab. Deshalb ist von dem, der sich überlegt, was er beim Beten sagt, schön gesagt worden: „Herr, deine Augen sind auf Glauben gerichtet.“ Was hier also geschrieben steht, lautet: „Herr, deine Augen sind auf Glauben gerichtet.“ Weil aber „der Einsichtige, wenn er ein weises Wort hört, es loben und ein weiteres hinzufügen wird“,d sieh, wie viel aus der Aussage zu machen ist: „Herr, deine Augen sind auf Glauben gerichtet.“ Paulus sagt: „Für jetzt aber bleiben diese drei: Glaube, Hoffnung, Liebe; am größten von diesen aber ist die Liebe.“ e Wie die Augen des Herrn auf Glauben gerichtet sind, sind die Augen des Herrn auf Hoffnung, sind die Augen des Herrn auf Liebe gerichtet. Er ist ja ein Geist „der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“.f Wie daher die Augen des Herrn auf Liebe gerichtet sind, so sind die Augen des Herrn auf Kraft gerichtet, so die Augen des Herrn auf Besonnenheit,211 die Augen des Herrn auf Gerechtigkeit, so die Augen des Herrn auf alle Tugenden.Wenn nun auch du willst, dass die Strahlen der geistigen Augen Gottes212 zu dir gelangen, mache dir die Tugenden zu eigen! Und wie der Satz gilt: „Herr, deine Augen sind auf Glauben gerichtet“, so wird auch gelten: „Herr, deine Augen“ sind auf jedes der Güter gerichtet, die du erwirbst. Und wenn du soweit bist, dass die Augen des Herrn über dir leuchten, wirst du sagen: „Erschienen ist über uns das Licht deines Angesichts, Herr.“ g
he mit dem Hinweis auf „alle Tugenden“ abschließen kann: Schadel, BGrL 10, 267 Anm. 63. 212 Hinter dieser Wendung steht die platonische Vorstellung von den „Augen des Geistes“ (oder „der Seele“, biblisch auch mit Eph. 1,18 „des Herzens“): Platon, symp. 219 a 2f.; soph. 254 a 10; polit. VII 533 c 7 – d 4. Zu dieser antiken Tradition und für Belege aus Origenes siehe Fürst/Hengstermann, OWD 10, 268 Anm. 124. Entsprechend der Theorie der geistigen Sinne bei Origenes (dazu ebd. 126–129; siehe ferner unten S. 555 Anm. 878) ist der Gedanke hier auf Gott angewendet.
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2. Εἶτα περὶ τῶν ἁμαρτωλῶν ἴδωμεν τὸ λεγόμενον· „Ἐμαστίγωσας αὐτοὺς καὶ οὐκ ἐπόνησαν.“a Αὗται αἱ αἰσθηταὶ μάστιγες ζῶσιν προσφερό μεναι σώμασιν, εἴτε βούλονται εἴτε μὴ βούλονται οἱ μαστιγούμενοι, πόνον ἐμποιοῦσιν αὐτοῖς· αἱ δὲ τοῦ θεοῦ μάστιγες τοιαῦταί εἰσιν ὡς τινὰς μὲν τῶν μαστιγουμένων πονεῖν, τινὰς δὲ τῶν μαστιγουμένων μὴ πονεῖν. Ἴδωμεν εἰ δυνάμεθα διηγήσασθαι, τί ἐστιν τὸ πονεῖν ἀπὸ μαστίγων θεοῦ καὶ τί τὸ μὴ πονεῖν, καὶ ὅτι κακοδαίμονες οἱ μὴ πονοῦντες ἀπὸ μαστίγων θεοῦ, μα κάριοι δὲ οἱ πονοῦντες ἀπὸ μαστίγων θεοῦ. Φησὶν γὰρ ἡ Σοφία· „Τίς δώσει ἐπὶ τοῦ διανοήματός μου μάστιγας, καὶ ἐπὶ τῶν χειλέων μου σφρα γῖδα πανούργων, ἵνα ἐπὶ τοῖς ἀγνοήμασίν μου μὴ φείσωνται, καὶ αἱ ἁμαρ τίαι μου μὴ ἀπολέσωσίν με;“ b Πρόσχες τῷ „τίς δώσει ἐπὶ τοῦ διανοήματός μου μά||στιγας;“ Οὐκοῦν εἰσι μάστιγες τὸ διανόημα μαστιγοῦσαι. Αἱ μά στιγες τοῦ θεοῦ τὸ διανόημα μαστιγοῦσιν· λόγος γὰρ καθαπτόμενος τῆς ψυχῆς καὶ εἰς συναίσιν αὐτὴν ἄγων τῶν ἡμαρτημένων μαστιγοῖ· μαστιγοῖ δὲ τὸν μὲν μακάριον πονοῦντα ἐπὶ ταῖς μάστιξι, καθικνεῖται γὰρ αὐτοῦ τὰ λεγόμενα, καὶ οὐκ ἐξευτελίζει τὸν ἐλέγχοντα ἀπ̓ αὐτοῦ. Ἐπὰν δέ τις εὑρεθῇ, ἵν̓ οὕτως εἴπω, ἀναίσθητος, λεχθήσεται περὶ αὐτοῦ· „Ἐμαστί γωσας αὐτοὺς καὶ οὐκ ἐπόνησαν.“ c Τοῦ αὐτοῦ | λόγου λεγομένου ἐλεγκτι κῶς, φέρε εἰπεῖν, ἐπὶ τῷ καθικέσθαι διανοίας τοῦ τὴν συνείδησιν μεμολυ σμένου ἐπί τινι ἁμαρτίᾳ τὸ λεγόμενον, ἐὰν ὁ μέν τις τῶν ἀκουόντων ἀλγήσῃ, ὥστε λεχθῆναι περὶ αὐτοῦ· „Ἑώρακας ὡς κατενύγη“ d ὁ δεῖνα, ὁ δέ τις τῶν ἀκουόντων μὴ ἀλγήσῃ, ἀλλὰ ἀναισθητῇ τῶν ἐλεγχόντων, δῆλον ὅτι λεχθήσεται περὶ τοῦ μηδ̓ αἰσθανομένου· „Ἐμαστίγωσας αὐτοὺς καὶ οὐκ ἐπόνησαν.“ e Μία μὲν διήγησις αὕτη περὶ τοῦ „οὐκ ἐπόνησαν“ ἢ ἐπόνησαν· ἴδωμεν δὲ εἰ ἔχομεν καὶ ἑτέραν. Γίνονταί τινες ἐν τοῖς σώμασιν μελῶν τινων νε κρότητες καὶ ξηρότητες, καὶ πολλάκις τοιαῦτα πάσχει τὰ νενεκρωμένα μέλη παρὰ τὰ ζῶντα, ὥστε προσαγομένων μὲν τῶν πόνον ποιῆσαι δυναμένων τῷ ζῶντι μέλει ἀλγεῖν ἐκεῖνον ᾧ προσάγεται τὸ ποιοῦν πονεῖν, προσαγο μένων δὲ τῶν ποιούντων πονεῖν τῷ μέλει τῷ ἀναισθήτῳ οὐκ αἰσθάνεται a
Jer. 5,3
b
Sir 22,27; 23,2f.
c
4 τοιαῦται V Co τοιαῦτα S 22 ἀναισθητῇ Kl ἀναισθητεῖ S
Jer. 5,3
d
1 Kön. 20(21),29
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Jer. 5,3
14 συναίσθησιν C σύνεσιν S 16 αὐτοῦ1 Gh αὐτῶ S 25 ἴδωμεν V ἴδομεν S 28 πόνον Del πόνων S
213 Vgl. hierzu das Fragment zu Ex. 10,27 in philoc. 27,6 (SC 226, 286–288), ferner in
Ps. 37 hom. 1,2 (SC 411, 274). 214 Der als wörtliches Zitat präsentierte Satz wirkt als Mischung aus Bestandteilen von
Sir. 22,27 und 23,2f. Aufgrund der Zitateinleitung würde man erwarten, dass Origenes aus dem Buch der Weisheit (Sapientia Salomonis) zitiert, aber vielleicht ist ihm eine Verwechslung unterlaufen.
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2. Sodann wollen wir uns das über die Sünder Gesagte anschauen: „Du hast sie gegeißelt, und sie haben keinen Schmerz empfunden.“a Wenn diese spürbaren Geißeln lebende Körper treffen, bereiten sie, ob die Gegeißelten wollen oder nicht, ihnen Schmerzen. Die Geißeln Gottes aber sind so beschaffen, dass einige der Gegeißelten Schmerz empfinden, andere der Gegeißelten aber keinen Schmerz empfinden. Wir wollen sehen, ob wir erklären können, was es bedeutet, von den Geißeln Gottes Schmerz zu empfinden, und was es bedeutet, keinen zu empfinden, und dass die unglücklich sind, die von den Geißeln Gottes keinen Schmerz empfinden, selig hingegen die, die von den Geißeln Gottes Schmerz empfinden.213 Denn die Weisheit sagt: „Wer hält für mein Denken Geißeln bereit und ein Siegel für meine Schurkenlippen, damit sie mich in meinen Torheiten nicht schonen und meine Sünden mich nicht zugrunderichten?“ b214 Achte auf: „Wer hält für mein Denken Geißeln bereit?“ Demnach gibt es Geißeln, die das Denken geißeln.215 Die Geißeln Gottes geißeln das Denken. Denn das Wort, das in die Seele dringt und ihr die Sünden zu Bewusstsein bringt, geißelt. Es geißelt den Seligen, der über die Geißeln Schmerz empfindet, denn das Gesagte erreicht ihn und er weist das Wort, das ihn tadelt, nicht verächtlich von sich. Wenn sich jedoch einer als sozusagen unempfindlich herausstellt, wird über ihn gesagt werden: „Du hast sie gegeißelt, und sie haben keinen Schmerz empfunden.“ c Angenommen, dasselbe Wort des Tadels wird ausgesprochen, damit das Gesagte das Denken dessen erreicht, der das Gewissen von irgendeiner Sünde befleckt hat: Wenn es den einen unter den Hörern schmerzt, so dass über ihn gesagt wird: „Du hast gesehen, wie tief es ihn getroffen hat“,d es einen anderen unter den Hörern aber nicht schmerzt, sondern er den tadelnden Worten gegenüber unempfindlich bleibt, ist klar, dass über den, der nichts empfindet, gesagt werden wird: „Du hast sie gegeißelt, und sie haben keinen Schmerz empfunden.“ e Das ist eine Erklärung von „sie haben keinen Schmerz empfunden“ oder sie haben Schmerz empfunden. Wir wollen sehen, ob wir noch eine andere haben. Zuweilen kommt es dazu, dass an Körpern manche Glieder absterben und verdorren, und häufig erleiden die abgestorbenen Körperteile Derartiges direkt neben den lebendigen, so dass, fügt man dem lebendigen Körperteil etwas zu, das Schmerz verursachen kann, jener Mensch, dem das Schmerzverursachende zugefügt wird, Schmerz empfindet. Wird das Schmerzverursachende jedoch dem unempfindlichen Körperteil zugefügt, empfindet jener
215 Für die Metapher der Geißeln zur Bestrafung der Seele bzw. des Denkens in der
paganen Tradition vgl. Corpus Hermeticum X 21 mit Bezug auf Aischylos, Choeph. 290 (die Geißeln der Erinnyen).
Ὁμιλία Ϛʹ
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ἐκεῖνος, ὅταν ᾖ νεκρότης περὶ αὐτό. Ταῦτα εἴπερ εἶδες ἐπὶ τοῦ σώματος, μετάθες ἐπὶ τὴν ψυχὴν καὶ ὅρα ὅτι ἔστιν τις καὶ ψυχὴ νεκρουμένη τὰ μέλη, ὥστε μὴ αἰσθάνεσθαι ἀπὸ τῶν μαστίγων, κἂν ἐπίπονα προσφέρηταί τινα. Δεινὰ προσφέρεται, ἀλλ̓ οὐκ αἰσθανθήσεται ἡ δεῖνα ψυχή, ἄλλη δὲ αἰσθαν θήσεται. Καὶ τάχα ὡσπερεὶ λυπεῖται μᾶλλον ἐπὶ τῷ μὴ αἰσθά||νεσθαι ἤπερ ἐπὶ τῷ αἰσθάνεσθαι ὁ μὴ αἰσθανόμενος ἀπὸ πόνων αὐτῷ προσφερομένων, εὐχόμενος μᾶλλον πονεῖν εἰ προσάγοιτο τὰ ἐπίπονα (ἐπεὶ σημεῖόν ἐστι τοῦτο τοῦ ζῆν αὐτόν), ἀηδιζόμενος δὲ ἐπὶ τῷ μὴ αἰσθάνεσθαι ἐπὶ τοῖς ἐπιπόνοις. Ὥσπερ δὴ τοῦτο γίνεται ἐπὶ τῶν σωμάτων, οὕτω νομίζω ἐν τῷ „θελήσωσιν εἰ ἐγένοντο πυρίκαυστοι“a τοιοῦτόν τι δηλοῦσθαι· οἷον τοῦ πυρὸς προσφερομένου τινὶ καὶ μὴ αἰσθανομένου τοῦ καιομένου, θελήσωσιν ἐκεῖνοι, καταλαβόντες σύγκρισιν μὴ αἰσθανομένων ἐπὶ ταῖς ἀλγηδόσιν καὶ αἰσθανομένων, μᾶλλον αἰσθάνεσθαι ἐπὶ τῷ πυρὶ ἢ μὴ αἰσθάνεσθαι. Καὶ εὔξαιτο ἄν τις προσαγομένου κἀκείνου τοῦ κεκριμένου πυρὸς ἐπὶ τοὺς ἁμαρτωλοὺς αἰσθάνεσθαι μᾶλλον ἢ μὴ αἰσθάνεσθαι. Ταῦτα διὰ τὸ „ἐμαστί γωσας αὐτούς, καὶ οὐκ ἐπόνησαν“. b „Συνετέλεσας αὐτούς, καὶ οὐκ ἠθέλησαν δέξασθαι παιδείαν.“ c Ὅτε τὰ καθαρτικὰ ποιεῖ ὁ προνοῶν τῶν ὅλων θεὸς ἐπὶ ψυχῆς σωτηρίᾳ, τὸ ἐπ̓ αὐτῷ συνετέλεσεν. Νοήσεις δὲ „συνετέλεσας αὐτοὺς καὶ | οὐκ ἠθέλη σαν δέξασθαι παιδείαν“ ἀπὸ παραδείγματος τοῦ κατὰ τὸν παραδιδόντα τὴν ἐπιστήμην καὶ τὸν μὴ βουλόμενον παραλαβεῖν τὴν ἐπιστήμην ἀπὸ τοῦ παραδιδόντος. Πάντα γὰρ τὰ παρ᾽ αὐτῷ ποιείτω ὁ διδάσκαλος καὶ συντε λείτω πάντα εἰς παράδοσιν ἐπιστήμης, ἐκεῖνος δὲ μὴ παραδεχέσθω τὰ λε γόμενα· εἴποιμ̓ ἂν περὶ τοῦ τοιούτου τῷ διδασκάλῳ· συνετέλεσας τόνδε καὶ οὐκ ἠθέλησεν δέξασθαι παιδείαν. Ἐπὰν οὖν τὰ ἀπὸ τῆς προνοίας γίνηται πάντα εἰς ἡμᾶς, ἵνα συντελεσθῶμεν καὶ τελειωθῶμεν, ἡμεῖς δὲ μὴ παραδεχώμεθα τὰ τῆς προνοίας τῆς ἐπὶ τελειότητα ἡμᾶς ἑλκούσης, λεχθείη a
Jes. 9,4
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Jer. 5,3
c
Jer. 5,3
1 ᾖ V2 a.R. Kl ἡ S 1 νεκρότης Co νεκρώτης S 1 αὐτό Gh αὐτόν S 1 εἶδες V ἴδες S 4 δεινὰ προσφέρεται Gh διαπροσφέρεται S 5 ἤπερ V εἴπερ S 8 τῷ Gh τοῦ S 19 αὐτῷ Gh αὐτὸ S 19 τὸ Kl 22 αὐτῷ Gh Kl αὐτὸν S We Nt 26 γίνηται Kl γίγνηται S
216 Derselbe Gedanke in sel. in Ps. 2,10 (PG 12, 1112f.): „Vielleicht aber gibt es auch
Leute, die sich, sobald ihnen ihre Verfehlungen zu Bewusstsein gekommen sind und sie sehen, dass sie zur Heilung den brauchen, der sich auf die Kunst des Heilens versteht, dem Allerschmerzvollsten aussetzen, das freilich auch in der Lage ist, sie besser zu machen. Ich glaube, zu diesen gehören die, von denen bei Jesaja gesagt wird: ‚Sie sollten sich wünschen, in Feuer verbrannt zu werden‘ (Jes. 9,4).“ 217 Zu diesem Feuer äußert sich Origenes ausführlich unten in Hier. hom. 16,5–7 (GCS Orig. 32, 137–139); 18,1 (32, 151); 20(19),8f. (32, 190–192). Siehe dazu de Lubac, Geist aus der Geschichte 278f.; Nautin, SC 232, 172–179. Zur sündentilgenden Wirkung
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nichts, weil er diesbezüglich abgestorben ist. Wenn du dies im Blick auf den Körper betrachtet hast, übertrage es auf die Seele und sieh, dass es auch eine Seele geben kann, die an ihren Gliedern abgestorben ist, so dass sie von den Geißeln nichts spürt, auch wenn ihr etwas Schmerzvolles zugefügt wird. Schreckliches wird ihr zugefügt, doch die eine Seele wird nichts spüren, eine andere aber wird es spüren. Und vielleicht ist es gerade so, wie wenn einer, der von den ihm zugefügten Schmerzen nichts empfindet, mehr darüber trauert, dass er nichts empfindet, als darüber, dass er es empfindet, und sich wünscht, lieber Schmerzen zu empfinden, wenn ihm Schmerzvolles zugefügt wird – denn das ist ein Zeichen dafür, dass er lebt –, es ihm aber missfällt, Schmerzvolles nicht zu empfinden. Wie dies also bei Körpern der Fall ist, so meine ich, dass in der Aussage: „Sie sollten sich wünschen, in Feuer verbrannt zu werden“,a Folgendes deutlich wird: Wie wenn an jemanden Feuer gelegt wird und der Verbrannte nichts empfindet, sollten sich jene, wenn sie den Vergleich zwischen denen, die Schmerzen nicht empfinden, und denen, die sie empfinden, verstanden haben, wünschen, das Feuer lieber zu spüren als es nicht zu spüren.216 Und auch wenn jenes für die Sünder vorgesehene Feuer entfacht wird,217 dürfte sich einer wohl wünschen, es lieber zu empfinden als es nicht zu empfinden. Dies zu der Aussage: „Du hast sie gegeißelt, und sie haben keinen Schmerz empfunden.“ b „Du hast sie vollendet, aber sie wollten die Belehrung nicht annehmen.“ c Wenn Gott, der für das All Sorge trägt, sein reinigendes Werk zur Rettung der Seele vollzieht, hat er, was in seiner Macht steht, vollendet. Die Aussage aber: „Du hast sie vollendet, aber sie wollten die Belehrung nicht annehmen“, wirst du aus dem Beispiel verstehen, das von dem handelt, der das Wissen weitergibt, und von dem, der das Wissen nicht von dem annehmen will, der es weitergibt. Denn angenommen, der Lehrer tut alles, was in seiner Macht steht, und vollbringt alles zur Weitergabe des Wissens, jener aber nimmt nicht an, was ihm gesagt wird, würde ich über einen solchen Schüler wohl zum Lehrer sagen: Du hast den da vollendet, aber er wollte die Belehrung nicht annehmen. Wenn also von Seiten der Vorsehung alles für uns unternommen wird, damit wir vollendet und vollkommen werden, wir aber das Wirken der Vorsehung, die uns zur Vollkommenheit zieht, nicht annehmen, würde wohl des Feuers im übertragenen Sinn (als Gewissensqualen) eklärt Origenes mit Bezug auf Jes. 50,11: „Gehet hin in dem Licht eures Feuers und in den Flammen, die ihr euch selbst angezündet habt“ in princ. II 10,4 (GCS Orig. 5, 177): „Mit diesen Worten wird offenbar angedeutet, dass jeder Sünder sich selbst die Flammen seines eigenen Feuers anzündet und nicht in irgendein Feuer geworfen wird, das schon vorher von einem anderen entzündet war und vor ihm selbst existierte.“ Übersetzung: p. 429 Görgemanns/Karpp. Vgl. ferner ebd. I 1,2 (5, 17f.); I 6,3 (5, 84); orat. 29,15 (GCS Orig. 2, 390); in Ex. hom. 13,4 (GCS Orig. 6, 275f.); in Lev. hom. 5,3 (GCS Orig. 6, 338f.); 9,8.9 (6, 432f. 437f.); in Ios. hom. 4,3 (GCS Orig. 7, 311f.); 8,5 (7, 340f.). Siehe auch oben S. 152 Anm. 106.
Ὁμιλία Ϛʹ
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ἂν ὑπὸ τοῦ νοοῦντος τῷ θεῷ· „Κύριε, συνετέλεσας αὐτοὺς καὶ οὐκ ἠθέλη σαν δέξασθαι παιδείαν.“ 3. „Ἐστερέωσαν τὰ πρόσωπα || αὐτῶν ὑπὲρ πέτραν.“a Νοήσεις καὶ τοῦτο ἀπὸ τῶν σωματικωτέρων. Τῶν ἁμαρτανόντων οἱ μὲν ἀκούοντες λό γους ἐλεγκτικοὺς ἐπὶ τῇ ἁμαρτίᾳ ἐρυθριῶσιν καὶ καταδύονται καὶ ὑποπί πτουσιν ἁπτομένου τοῦ λόγου τοῦ ἐλεγκτικοῦ αὐτῶν· οἱ δὲ τοιοῦτοί εἰσιν, ὥστε αὐτοὺς ἀνερυθριάστους εἶναι, μὴ αἰδουμένους ἐφ̓ οἷς ἐλέγχονται, ἐφ̓ οἷς ἡμαρτήκασιν. Εἴποις ἂν οὖν περὶ τούτων οἳ οὐκ αἰδοῦνται· „Ἐστερέω σαν τὰ πρόσωπα αὐτῶν ὑπὲρ πέτραν.“ Εἰ νενόηκας ἐπὶ τῶν σωματικῶν αὐτό, μετάβα μοι τῷ λόγῳ ἐπὶ τὴν ψυχὴν νοήσας πρόσωπον, περὶ οὗ λέγεται· „τότε δὲ πρόσωπον πρὸς πρόσωπον“. b Καὶ ὅρα ψυχὴν στερεάν, ὁποία ἦν ἡ καρδία Φαραὼ ἐσκληρυμμένη, c ὥστε αὐτὴν ἐπὶ τοῖς ἀπαγγελ λομένοις ἑστάναι ἀντίτυπον καὶ ὥσπερ ἀποβάλλουσαν τὰ λεγόμενα μὴ μορφουμένην κατὰ τὰ ἀπαγγελλόμενα. Ἐκεῖ γὰρ εὑρήσεις ὅτι ἁρμόζει τὸ „Ἐστερέωσαν τὰ πρόσωπα αὐτῶν ὑπὲρ πέτραν καὶ οὐκ ἠθέλησαν ἐπι στραφῆναι. Κἀγὼ εἶπα· ἴσως πτωχοί εἰσιν, ὅτι οὐκ ἠθέλησαν γνῶναι ὁδὸν κυρίου καὶ κρίσιν θεοῦ. Πορεύσομαι πρὸς τοὺς ἁδροὺς καὶ λαλήσω αὐτοῖς.“ d Ταῦτα νοήσας περὶ τῶν μὴ θελόντων παιδευθῆναι, μὴ νοούντων ἐπὶ ταῖς μάστιξιν τοῦ θεοῦ, φησὶν νενοηκὼς τὸ τούτων αἴτιον· Πτωχή ἐστιν αὐτῶν ἡ ψυχή. „Κἀγὼ εἶπα· ἴσως πτωχοί εἰσιν, διότι οὐκ ἠδυνήθησαν, ὅτι οὐκ ἔγνωσαν ὁδὸν κυρίου καὶ κρίσιν θεοῦ.“ e „Πορεύσομαι πρὸς τοὺς ἁδροὺς καὶ λαλήσω αὐτοῖς.“ f Οἱ ἁδροὶ ταῖς ψυχαῖς ἐν ἐπαίνῳ λέγονται. Καὶ παρ᾽ Ἕλλησι γὰρ τὸ ἁδρὸν συνεχῶς ὀνο μάζεται καὶ τὸ μεγαλεῖον τῆς λογικῆς ψυχῆς. Ὅταν γάρ τις μεγάλοις ἐπι βάλλῃ πράγμασιν καὶ προθέσεις ἔχῃ ἀξιολόγους καὶ σκοπῇ ἀεὶ τὰ δέοντα, a
Jer. 5,3
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1 Kor. 13,12
c
Ex. 4,21
Co ἀκούοῦντες (sic) S 4 ἀκούοντες V
d
Jer. 5,3–5
e
Jer. 5,4
f
Jer. 5,5
25 προθέσεις Co προσθέσεις S
218 Der kleine Absatz enthält in nuce die um Vorsehung und Erziehung zentrierte Sote-
riologie des Origenes, wie Hal Koch sie im Titel seines Buches „Pronoia und Paideu sis“ zum Ausdruck gebracht hat. Nach Koch, Pronoia und Paideusis 13–162, siehe dazu Schockenhoff, Fest der Freiheit 131–146; Fürst, Eschatologie des Origenes; ders., Origenes als Theologe der Geschichte 142–145; Hengstermann, Freiheitsmetaphysik 336–348. Die Möglichkeit, dass ein Vernunftwesen sich dem erzieherischen Einwirken Gottes verweigert, erwägt Origenes auch in princ. II 10,7 (GCS Orig. 5, 181): Die Strafe Gottes für ein solches Verhalten besteht in der „Trennung des Geistes von der Seele“ (Übersetzung: p. 535 Görgemanns/Karpp), so dass, wie Hengstermann, ebd. 344 Anm. 967, diese Aussage deutet, „mit der Wegnahme des höchsten Seelenteils im Gericht“ einem solchen Vernunftwesen die „Möglichkeit der Wahl des Guten“ genommen ist. Siehe auch unten S. 483 Anm. 751 zu einem ähnlichen Gedanken in Hier. hom. 19,5(18,15) (GCS Orig. 32, 175), ferner die ausführlichen Überlegungen des Origenes, ebd. lat. 2(2),12 (GCS Orig. 8, 300–302).
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von einem, der das versteht, zu Gott gesagt werden: „Herr, du hast sie vollendet, aber sie wollten die Belehrung nicht annehmen.“218 3. „Sie haben ihr Angesicht härter gemacht als Stein.“a Auch dies wirst du aus den mehr körperlichen Dingen verstehen. Bei den Sündern gibt es welche, die, wenn sie tadelnde Worte über die Sünde hören, rot werden, sich verkriechen und sich fügen, weil das tadelnde Wort sie anrührt. Andere jedoch sind so geartet, dass sie nicht rot werden und sich nicht der Dinge schämen, für die sie getadelt werden, an denen sie sich versündigt haben. Über die nun, die sich nicht schämen, würde man wohl sagen: „Sie haben ihr Angesicht härter gemacht als Stein.“ Wenn du es anhand von körperlichen Dingen verstanden hast, geh mir gedanklich zur Seele über und denke dir das Angesicht, von dem gesagt wird: „dann aber von Angesicht zu Angesicht.“ b Und betrachte die harte Seele, wie das verhärtete Herz des Pharao eine war,c so dass sie den Ankündigungen feindselig219 gegenüberstand und sich, gleichsam die Botschaft verwerfend, nicht nach den Ankündigungen gestalten ließ. Denn dort wirst du finden, dass die Aussage passt: „Sie haben ihr Angesicht härter gemacht als Stein und wollten nicht umkehren. Und ich sagte: Vielleicht sind sie Arme, dass sie den Weg des Herrn und das Urteil Gottes nicht erkennen wollten. Ich werde zu den Reifen gehen und zu ihnen sprechen.“ d Da er (sc. der Prophet) dies von denen verstand, die nicht belehrt werden wollen, da sie von den Geißeln Gottes nichts verstehen, sagt er in Erkenntnis der Ursache dafür: Ihre Seele ist arm. „Und ich sagte:Vielleicht sind sie Arme, deswegen konnten sie nicht, weil sie den Weg des Herrn und das Urteil Gottes nicht erkannten.“ e „Ich werde zu den Reifen gehen und zu ihnen sprechen.“ f Die seelisch Reifen werden lobend erwähnt. Auch bei den Griechen werden nämlich ständig die Reife und die Großartigkeit der vernünftigen Seele erwähnt.220 Denn wenn einer großartige Dinge in Angriff nimmt, denkwürdige Absichten hegt und immer im Blick hat, was nötig ist und wie man nach der rechten Vernunft lebt,221 ohne Niedriges und Geringes zu wollen oder ins Auge zu 219 Dieselbe Bedeutung von ἀντίτυπος als „widerstrebend, feindselig“ findet sich in
princ. III 1,15 (GCS Orig. 5, 221) im selben Kontext von Verstocktheit als Ablehnung der Wahrheit: μὴ ἀντίτυπον πρὸς τὴν ἀλήθειαν. 220 Siehe dazu Gauthier, Magnanimité 17–250, ferner Harnack, Ertrag II, 93. 221 „Nach der rechten Vernunft zu leben“ ist eine Leitidee der antiken, besonders der stoischen Philosophie (vgl. z.B. SVF III 264f. 500f.). Zur „rechten Vernunft“ (ὀρθὸς λόγος), „die rechte geistige Einstellung zu den Dingen und Werten“, als Kriterium für ein rechtes Urteil und daraus folgende Taten siehe Pohlenz, Stoa I, 61. 62. 127 (hier das Zitat). 231; Forschner, Stoische Ethik 185. Origenes teilt dieses Ideal, modifiziert es allerdings christlich dadurch, dass er den Logos mit Christus identifiziert: in Hier. hom. 14,10 (GCS Orig. 32, 115). Da der Logos vor allem in der Bibel zugänglich ist, bedeutet „nach der rechten Vernunft zu leben“ für Origenes, auf die Botschaft der Bibel zu hören; und damit dies in rechter Weise geschehen kann, bedarf es
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πῶς βιώσῃ κατὰ τὸν ὀρθὸν λόγον, μηδὲν ταπεινὸν καὶ μικρὸν θέλων μηδὲ ὁρᾶν, ὁ τοιοῦτος τὸ ἁδρὸν καὶ τὸ μεγαλεῖον | ἔχει ἐν τῇ ψυχῇ. Οὗτοι οὖν, || ἐπεὶ ἦσαν πτωχοί, οἱ πρότεροι οὓς ἔψεξεν ὁ λόγος, οὐκ ἤκουσαν, φησὶν ὁ προφήτης, διὰ τοῦτο οὐκ ἤκουσαν, ἐπεὶ πτωχοί εἰσιν. „Πορεύσομαι πρὸς τοὺς ἁδροὺς καὶ λαλήσω αὐτοῖς.“ Καὶ εἰ ἔστιν μακάριον εἶναι ἐπὶ τῷ λέγειν „εἰς ὦτα ἀκουόντων“,a μακάριόν ἐστιν ἐάνπερ τύχῃ τις ἁδροῦ καὶ μεγάλου ἀκροατοῦ. Διὰ τοῦτο τούτων οὕτως λεγομένων, εἰδότες ὅτι οὐ ζημία τοῖς λέγουσιν ὅσον τοῖς ἀκούουσίν ἐστιν τὸ μὴ παραδέχεσθαι τὰ ἀπαγγελλό μενα, καὶ κατηγορεῖ πτωχείας τοῦ νοῦ αὐτῶν καὶ τῆς διανοίας, παρακαλέ σωμεν ἀπὸ τοῦ θεοῦ λαβεῖν αὔξοντος τοῦ λόγου ἐν ἡμῖν ἁδρότητα καὶ μεγαλειότητα ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ, ἵνα ἀκοῦσαι τῶν ἱερῶν καὶ ἁγίων λόγων δυνηθῶμεν, „ᾧ ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων. Ἀμήν.“ b a
Sir. 25,9
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1 Petr. 4,11
6 ἐάνπερ τύχῃ Kl ἐὰν πορἐύση (sic) S
9 αὐτῶν Kl αὐτοῦ S
12 Ἀμήν add. ὁμιλία Ϛʹ S
der Auslegung durch einen Lehrer, der auf reife, verständige, kritisch und aktiv mitdenkende Hörer hofft, wie er hier andeutet und in Hier. hom. 14,3 (GCS Orig. 32, 107f.) ausführt. Vgl. auch orat. 31,2 (GCS Orig. 2, 396); dial. 9 (SC 67, 74); Cels. III 74 (GCS Orig. 1, 265f.). Siehe auch Schockenhoff, Fest der Freiheit 131.
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fassen, ein solcher hat das Reife und das Großartige in der Seele. Diese vorigen Leute nun, die das Wort getadelt hat, haben nicht gehört, weil sie arm waren, sagt der Prophet. Deswegen haben sie nicht gehört, weil sie arm sind. „Ich werde zu den Reifen gehen und zu ihnen sprechen.“ Und wenn es ein Glück ist, zu Leuten zu sprechen, „die Ohren zum Hören haben“,a ist es ein Glück, wenn man auf einen reifen und großartigen Zuhörer trifft. Da diese Worte so gesagt sind und da wir wissen, dass es kein solcher Schaden für die Redner ist wie für die Hörer, die Verkündigung nicht anzunehmen, und dass er (sc. der Prophet) die Armseligkeit ihres Geistes und Verstandes anklagt, lasst uns daher darum bitten, von Gott die Reife und Großartigkeit des in uns wachsenden Wortes in Christus Jesus zu empfangen, damit wir auf die geheiligten und heiligen Worte hören können. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ b
Εἰς τὸ „καὶ ἔσται ἐν ταῖς ἡμέραις ἐκείναις, λέγει κύριος ὁ θεός σου, οὐ μὴ πατάξω ὑμᾶς εἰς συντέλειαν“ μέχρι τοῦ „οὕτως δουλεύσετε ἀλλοτρίοις ἐν γῇ οὐχ ὑμῶν“.a
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1. Ὁ „κρίνων κατὰ βραχὺ“ θεὸς τοὺς κολαζομένους δίδωσι „τόπον μετανοίας“, b καὶ οὐχ ἅμα τῷ ἁμαρτῆσαι κολάζων φέρει τὴν συντέλειαν τῆς κολάσεως ἐπὶ τὸν ἡμαρτηκότα. Διὰ τοῦτο κατὰ βραχὺ κρίνων κολάζει. Καὶ τούτου τὸ παράδειγμα [ἐστιν] ἐν τῷ Λευιτικῷ ἐστιν· ἐν γὰρ ταῖς τῶν παραβαινόντων τὸν νόμον ἀραῖς ἀναγέγραπται μετὰ τὰς κολάσεις τὰς προτέρας· „Καὶ ἔσται, ἐὰν μετὰ ταῦτα μὴ ἐπιστραφῆτε, λέγει κύριος, προ σθήσω ὑμῖν κἀγὼ πληγὰς ἑπτά.“ c Καὶ πάλιν διηγεῖται ἄλλην κόλασιν· „Καὶ ἔσται, ἐὰν μετὰ ταῦτα μὴ ἐπιστραφῆτε, ἀλλὰ πορεύσησθε πρός με πλάγιοι, κἀγὼ πορεύσομαι μεθ̓ ὑμῶν θυμῷ | πλαγίῳ.“ d Καὶ εὑρήσεις τὸν θεὸν ἐπιμετροῦντα κολάσεις μετὰ φειδοῦς, ἐπεὶ || βούλεται εἰς ἐπιστροφὴν ἀγαγεῖν τὸν ἡμαρτηκότα, καὶ οὐκ ἀθρόως πάσας ἀποδιδόντα. Τοιαῦτα οὖν ὅσον ἐπὶ τῷ ῥητῷ ἐγεγόνει περὶ τὸν λαόν, καὶ ἀπειλῶν αὐτοῖς ὁ λόγος ἃ πείσονται μετ̓ ἐκεῖνά φησιν· „Καὶ ἔσται ἐν ταῖς ἡμέραις ἐκείναις, λέγει κύρι ος ὁ θεός σου, οὐ μὴ πατάξω ὑμᾶς εἰς συντέλειαν.“ e Εἰ δὲ ταῦτα μάλιστα φθάνει καὶ ἐπὶ τὰς μελλούσας κολάσεις εἰ μή, ὁ δυνάμενος ἀπὸ τῶν ἐν τῷ συμβεβηκότων περὶ τὸν λαὸν μεταβάτω καὶ ἐπ̓ ἐκείνας· ἐγὼ γὰρ βίῳ a
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Lev. 26,21
d
Lev. 26,23f.
7 κρίνων Kl κολάζων S 8 τούτου Hu τοῦτο S 15 ἀποδιδόντα Gh Co ἀποδιδόντι S
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8 ἐστιν1 del. Kl
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222 Darüber ausführlich oben in Hier. hom. 1,1 (GCS Orig. 32, 1f.). 223 Συντέλεια, „Vollendung“, „Ende“, kann positiv im Sinne von „Vollkommenheit“
gemeint sein wie in der vorausgehenden Homilie, in Hier. hom. 6,2 (GCS Orig. 32, 49f.), oder negativ wie hier und im Folgenden im Sinne von „Vernichtung“. Letztere Bedeutung entspricht dem biblischen Sprachgebrauch: G. Delling, Art. συντέλεια, in: ThWNT 8 (1969) 65–67, hier 66. 224 Die anderen Übersetzer ziehen die Verneinung in diesem Satz nicht zu φέρει κτλ., sondern zum auf οὐχ folgenden Kolon und müssen daher dem Hauptsatz einen anderen Sinn geben (so Schadel, BGrL 10, 100, mit einer Fehlübersetzung), oder sie beziehen die Verneinung auf beides (so Nautin, SC 232, 341; Smith, FaCh 97, 68),
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Über: „Und es wird in jenen Tagen geschehen, spricht der Herr, dein Gott, dass ich euch nicht endgültig niederschlagen werde“, bis: „So werdet ihr Fremden dienen in einem Land, das nicht eures ist.“a 5
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HOMILIE 7 1. Gott, „der nach und nach richtet“, gibt denen, die bestraft werden, „Gelegenheit zur Umkehr“,b222 und wenn er schon im Moment des Sündigens straft, führt er die Strafe nicht endgültig223 über den Sünder herbei.224 Darum bestraft er, indem er nach und nach richtet. Und das Muster dafür steht im Buch Levitikus. In den Verfluchungen gegen die Übertreter des Gesetzes steht nämlich nach den voraufgehenden Strafen geschrieben: „Und es wird geschehen, wenn ihr danach nicht umkehrt, spricht der Herr, werde ich euch sieben weitere Schläge versetzen.“ c Und noch einmal berichtet er von einer anderen Strafe: „Und es wird geschehen, wenn ihr danach nicht umkehrt, sondern mir feindselig begegnet, werde auch ich euch in feindseligem Zorn begegnen.“ d Und du wirst finden, dass Gott Strafen schonend zumisst, weil er den Sünder zur Umkehr führen will, und nicht alle auf einmal verhängt. Soweit es nun den Wortlaut betrifft,225 ist solches dem Volk widerfahren, und weil das Wort ihnen androht, was sie danach erleiden werden, sagt es: „Und es wird in jenen Tagen geschehen, spricht der Herr, dein Gott, dass ich euch nicht endgültig niederschlagen werde.“ e Ob sich dies aber besonders auch auf die kommenden Strafen bezieht226 oder nicht – wer dazu fähig ist, soll von den Ereignissen im Leben des Volkes auch zu jenen über was aber nicht den Sinn trifft: Die Strafe beginnt bereits mit der Sünde, weil diese das, was die Strafe ausmacht, nämlich ein quälendes Bewusstsein von der bösen Tat, schon in sich birgt, aber das ist noch nicht das „Ende“ der Strafe. 225 Grundsätzlich haben sich die Ereignisse in der Bibel ἐπὶ τῷ ῥητῷ, „wortwörtlich“, so zugetragen, wie sie dargestellt werden, was Origenes auch in Ioh. comm. XIII 28,166 (GCS Orig. 4, 252) betont: de Lubac, Geist aus der Geschichte 117; Fürst, Origenes als Theologe der Geschichte 129. 226 Klostermann, GCS Orig. 3, 52, nimmt hier eine Lücke im Text an und setzt eine crux (übernommen von Smith, FaCh 97, 69), die Nautin, GCS Orig. 32, 359; SC 232, 342, mit einem konjizierten ζητήσεις, „du wirst fragen“, füllt (übernommen von Schadel, BGrL 10, 100f.). Das scheint aber nicht nötig zu sein, denn man kann den Satz als Anakoluth auffassen, wie er in mündlicher Rede in einer solchen Konstruktion leicht unterläuft und verständlich ist.
Ὁμιλία ζʹ
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ειθόμενος εἴποιμι, ὅτι ὡς „ὑποδείγματι καὶ σκιᾷ λατρεύουσιν τῶν π ἐπουρανίων“,a οὕτως ὑποδείγματι καὶ σκιᾷ τῶν ἀληθινῶν κολάσεων ἐκο λάσθη ὁ λαὸς ἐκεῖνος ἐπὶ τοῖς ἁμαρτήμασιν ἑαυτῶν, ὡς εἶναι πᾶσαν κόλα σιν τὴν κατὰ νόμον καὶ τοὺς προφήτας ἀναγεγραμμένην περὶ τὸν λαὸν περιέχουσαν σκιὰν κολάσεων ἀληθινῶν. Εἴπερ οὖν ἐκείνοις συντέλεια ἐπὶ ταῖς ἁμαρτίαις οὐ γέγονεν, ἀλλ̓ ἐπὶ τέλει ποτέ· οὕτω μήποτε ἔσται καὶ μετὰ τὴν ἔξοδον ἐπὶ τοὺς ἡμαρτηκότας κόλασις. Συντέλεια δὲ ἐπὶ τὴν Ἱερουσαλήμ, ὅτε ἡ αἰχμαλωσία ἐστὶν ἡ Να βουχοδονόσορ. Καίτοιγε ἐρεῖ τις ὅτι οὐδὲ τότε συντέλεια, ἀλλ̓ οὐδ̓ ἐπὶ τοῖς Μακκαβαϊκοῖς· ἀλλὰ συντέλεια τῷ λαῷ ἐπὶ τῆς τοῦ κυρίου μου Ἰησοῦ Χριστοῦ παρουσίας. Ὅσον γὰρ οὐκ ἔλεγεν αὐτοῖς ὁ σωτήρ· „Ἰδοὺ ἀφίεται ὑμῖν ὁ οἶκος ὑμῶν“, b οὐκ ἠφίετο. Ὅτε δὲ ἔκλαυσεν ἐπὶ τὴν Ἱερουσαλὴμ λέγων· „Ἱερουσαλήμ, Ἱερουσαλήμ, ἡ τοὺς προφήτας ἀποκτείνουσα καὶ λι θοβολοῦσα τοὺς ἀπεσταλμένους πρὸς αὐτήν, ποσάκις ἠθέλησα ἐπισυναγα γεῖν τὰ τέκνα σου, ὃν τρόπον ἐπισυνάγει τὰ νοσσία ὑπὸ τὰς πτέρυγας αὐτῆς, καὶ οὐκ ἠθελήσατε; || Ἰδοὺ ἀφίεται ὑμῖν ὁ οἶκος ὑμῶν ἔρημος“, c ἀφεῖται ὁ οἶκος, κεκύκλωται „ὑπὸ στρατοπέδων Ἱερουσαλὴμ“ ὡς ἀφεθέντος τοῦ οἴκου καὶ „ἤγγισεν ἡ ἐρήμωσις αὐτῆς“. d Εἶτα μετὰ τὸ ἐκείνων παράπτωμα ἦλθεν ἡ σωτηρία ἡμῖν τοῖς ἔθνεσιν. e Ἐκολάζοντο οὖν ἐκεῖνοι, καὶ συντέλεια οὐκ ἔφθανεν ἐπ̓ αὐτοὺς ἕως τῆς τοῦ κυρίου Ἰησοῦ μου ἐπιδημίας. 2. Σκοπῶ δὲ μήποτε καὶ περὶ ἡμᾶς τοιαῦτά ἐστιν, καὶ κολάσεις τινὲς γίνονται, ὥστε τούσδε μὲν μὴ πεῖραν ἔχειν δευτέρων κολάσεων ἀλλὰ ἀρκε σθῆναι ταῖς προτέραις, ἄλλους δὲ ἥκειν καὶ ἐπὶ τὰς δευτέρας, οὐ μὴν καὶ ἐπὶ τὰς τρίτας, ἄλλους δὲ ἐλεύσεσθαι καὶ ἐπὶ τὰς | τετάρτας. Τὸ γὰρ „προσθήσω πληγὰς ἑπτὰ“ f ὁτίποτε μυστήριον δηλοῖ μιᾶς πληγῆς γινο μένης καὶ δευτέρας καὶ τρίτης μέχρι τῶν εἰρημένων ἑπτὰ ἐπί τινας. Οὐ πάντες δὲ ἑπτὰ πληγὰς πλήσσονται· ἀλλ̓ οἶμαί τινας πληγήσεσθαι πληγὰς ἕξ, ἄλλους πέντε, ἄλλους τέσσαρας, ἄλλους τρεῖς δύο, τοὺς δὲ πάντων ὑποδεεστέρους ἐν κολάσεσιν πληγὴν νομίζω πληγήσεσθαι μίαν. Οἶδεν οὖν ὁ θεὸς καὶ τὰ περὶ τῶν πληγῶν. Διὸ γέγραπται ἐνθάδε κατὰ τὴν ἀρχὴν a
Hebr. 8,5 26,21
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Mt. 23,38
c
Mt. 23,37f.; Lk. 13,34f.
d
Lk. 21,20
e
Röm. 11,11
f
Lev.
1 πειθόμενος ἂν Bl Kl πειθόμενος Nt πειθομεθόμενος S 4 τὸν1 Kl 8–9 Ναβουχοδονόσορ Kl ναβουχοδονόσωρ S 9 καίτοιγε Kl καὶ τότε S 13 ἀποκτείνουσα V ἀποκτένουσα S 15 ὄρνις Co 15 νοσσία Hu νοσσεια S 17 ἀφεῖται Kl ἀφεθήσεται S 29 ἢ Co 227 Dieser Gedanke mit Bezug auf Hebr. 8,5 begegnet häufig bei Origenes, etwa in Ioh.
comm. VI 52,266 (GCS Orig. 4, 160); X 15,85 (4, 185); X 16,91 (4, 186); in Ios. hom. 12,1 (GCS Orig. 7, 367). Zur Ambivalenz des Lebens im „Schatten“ als einerseits Abfall, andererseits Annäherung an die Wirklichkeit, siehe Gruber, ΖΩΗ 59–62. 228 Vgl. in Matth. comm. XIV 19 (GCS Orig. 10, 329f.).
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gehen. Nach meiner Überzeugung würde ich nämlich sagen: Wie sie „einem Abbild und Schatten des Himmlischen dienen“,a so wurde jenes Volk mit einem Abbild und Schatten der wahren Strafen für seine Sünden bestraft, so dass jede Strafe, die gemäß Gesetz und den Propheten für das Volk aufgezeichnet ist, einen Schatten der wahren Strafen enthält.227 Wenn nun jene noch nicht endgültig für ihre Sünden bestraft worden sind, sondern das am Ende einmal geschehen wird, so wird es vielleicht auch nach dem Tod eine Strafe für die Sünder geben. Die endgültige Bestrafung Jerusalems erfolgt mit der Gefangenschaft unter Nebukadnezzar. Allerdings wird einer sagen, dass damals auch nicht die endgültige Bestrafung erfolgte, und auch nicht in der Zeit der Makkabäer; die endgültige Bestrafung für das Volk erfolgte vielmehr bei der Ankunft meines Herrn Jesus Christus. Denn solange der Erlöser nicht zu ihnen sagte: „Siehe, verlassen werden wird euer Haus“,b war es nicht verlassen. Als er aber über Jerusalem weinte und sagte: „Jerusalem, Jerusalem, Stadt, die die Propheten tötet und die zu ihr Gesandten steinigt! Wie oft wollte ich deine Kinder um mich scharen, wie ihre Küken unter ihre Flügel schart, und ihr wolltet nicht? Siehe, verlassen werden wird euer Haus, verwüstet“,c da wurde das Haus verlassen, „Jerusalem von Heeren“ eingeschlossen, ein gleichsam verlassenes Haus, und „kam seine Verwüstung nahe“.d228 Dann, nach deren Fehltritt, kam das Heil zu uns, den Heidenvölkern.e Jene wurden also bestraft, doch die endgültige Bestrafung kam nicht über sie bis zur Ankunft des Herrn, meines Jesus.229 2. Ich überlege freilich, ob nicht auch für uns so etwas gilt und bestimmte Strafen erfolgen, so dass die einen nicht die Erfahrung zweiter Strafen machen, sondern die ersten genügen, während andere auch zu den zweiten Strafen, doch nicht auch zu den dritten, andere aber sogar bis zu den vierten kommen werden. Denn die Wendung: „Ich werde euch sieben weitere Schläge versetzen“ f offenbart irgendwie ein Geheimnis,230 dass ein Schlag erfolgt und ein zweiter und ein dritter bis hin zu den erwähnten sieben für manche. Nicht alle aber werden mit sieben Schlägen geschlagen, sondern ich meine, manche werden mit sechs Schlägen geschlagen, andere mit fünf, andere mit vier, andere mit drei zwei, die aber, die von allen am wenigsten der Strafe bedürfen, werden, denke ich, mit nur einem Schlag geschlagen. Gott weiß also auch, was es mit den Schlägen auf sich hat. Deshalb steht hier zu Beginn der Lesung geschrieben: „Und es wird in jenen Tagen geschehen“ – 229 Diese Anrede steht in gewisser Weise zwischen der bei Origenes meist üblichen Form
„mein Herr Jesus“ (oder „mein Herr Jesus Christus“, wie im vorliegenden Absatz etwas weiter oben) und der selteneren, in den Jeremiahomilien aber häufiger verwendeten persönlichen Anrede „mein Jesus“. Für letztere siehe unten S. 329 Anm. 439. 230 Das „Geheimnis“ bezüglich der Strafen erörtert Origenes ausführlich in der 19. und 20. Jeremiahomilie. Vgl. bes. seinen Hinweis in Hier. hom. 20(19),3 (GCS Orig. 32, 181) auf „das in dieser Stelle (Gal. 6,7 mit 1 Kor. 6,10) liegende Geheimnis“.
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τοῦ ἀναγνώσματος· „Καὶ ἔσται ἐν ταῖς ἡμέραις ἐκείναις“, ταῖς περὶ τῶν εἰρημένων, „οὐ μὴ ποιήσω ὑμᾶς εἰς συντέλειαν.“a Ἀλλ̓ οὐκ ἐν ταῖς ἡμέραις ἐκείναις συντέλεια· εἰσὶν γάρ τινες ἡμέραι, ὅτε ποιήσει οὓς ποιήσει συντέλειαν. 3. „Καὶ ἔσται ὅταν εἴπητε· τίνος ἕνεκεν ἐποίησεν κύριος ὁ θεὸς ἡμῖν ἅπαντα τὰ κακὰ ταῦτα; καὶ ἐρεῖς αὐτοῖς· ἀνθ̓ ὧν ἐγκατελίπετέ με καὶ ἐδουλεύσατε θεοῖς ἑτέροις ἐν τῇ γῇ ὑμῶν, οὕτως δουλεύσετε ἐν γῇ οὐχ ὑμῶν.“ b Τὸ ῥητὸν νοηθήτω, καὶ ἀρκεῖ ἐπὶ τοῦ παρόντος τὴν ὑπόμνησιν τοῖς ἀκούειν || δυναμένοις ἐκ τοῦ ῥητοῦ παραστῆσαι. Οὐκοῦν οἱ υἱοὶ Ἰσ ραὴλ τὴν ἁγίαν γῆν, τὸν ναὸν εἶχον, τὸν οἶκον τῆς προσευχῆς. Ἔδει αὐτοὺς λατρεύειν τῷ θεῷ. Παραβαίνοντες δὲ τὰς θείας ἐντολὰς καὶ εἰδωλο λάτρουν καὶ τὰ εἴδωλα παρελάμβανον Δαμασκοῦ, ὡς γέγραπται ἐν ταῖς Βασιλείαις, c καὶ ἄλλα εἴδωλα ἀνελάμβανον τῶν ἐθνῶν εἰς τὴν ἁγίαν γῆν. Δι᾽ ὧν παρελάμβανον τῶν ἐθνῶν εἰδώλων, ἀξίους ἑαυτοὺς ἐποίουν καταβληθῆ ναι εἰς τὴν τῶν εἰδώλων γῆν, καταγενέσθαι ἐκεῖ, ὅπου προσεκύνουν τὰ εἴδωλα. Φησὶν οὖν ὁ λόγος αὐτοῖς κατὰ τὸ ῥητόν· „Ἀνθ̓ ὧν ἐγκατελίπετέ με καὶ ἐδουλεύσατε θεοῖς ἀλλοτρίοις ἐν τῇ γῇ ὑμῶν, οὕτως δουλεύσετε θεοῖς ἀλλοτρίοις ἐν γῇ οὐχ ὑμῶν.“ d Πᾶς θεοποιῶν τι δουλεύει θεοῖς ἀλλο τρίοις. Ἐκθειάζεις τὰ βρώματα καὶ τὰ πόματα; Θεός σού ἐστιν ἡ κοιλία. e Τιμᾷς τὸ ἀργύριον ὡς μέγα ἀγαθὸν καὶ τὸν πλοῦτον τὸν κάτω; Θεός σού ἐστιν ὁ μαμωνᾶς καὶ κύριος. Ἰησοῦς γὰρ αὐτὸν εἶπεν κύριον τῶν φιλαρ γύρων φάσκων· „Οὐ δύνασθε θεῷ δουλεύειν καὶ μαμωνᾷ· οὐδεὶς δύναται δυσὶν κυρίοις δουλεύειν.“ f Οὐκοῦν ὁ τιμῶν τὸ ἀργύριον καὶ θαυμάζων τὸν πλοῦτον καὶ νομίζων ἀγαθὸν αὐτὸν εἶναι καὶ ἀποδεχόμενος τοὺς πλουσίους ὡς θεούς, τοὺς δὲ πένητας ὡς μὴ ἔχοντας τὸν θεὸν αὐτῶν ἐξουθενῶν, οὗτος θεοποιεῖ τὸ ἀργύριον. Ἐάν τις ἐν τῇ γῇ τοῦ θεοῦ, τῇ ἐκκλησίᾳ, τυγχάνων προσκυνήσῃ θεοῖς ἀλλοτρίοις θεοποιῶν τὰ μὴ θεοποιεῖσθαι ἄξια, ἐκβληθή σεται | εἰς γῆν ἀλλοτρίαν καὶ προσκυνείτω τοὺς θεούς, οὓς ἔνδον προσ εκύνησεν γενόμενος. Ἔξω φιλάργυρος ἔστω ἀπὸ τῆς ἐκκλησίας ἐκβληθείς, γαστρίμαργος ἔξω ἔστω τῆς ἐκκλησίας γενόμενος. Ταῦτα κατὰ μίαν τροπο λογίαν, ἵνα μὴ νῦν περιεργάζωμαι || τὰ ὑπὲρ ἐμαυτὸν καὶ περὶ τῆς γῆς, περὶ ἧς εἶπεν ὁ σωτήρ· „Τὸ ἡμέτερον τίς δώσει ὑμῖν;“ g καὶ ὅτι γενομένης a
Jer. 5,18
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Jer. 5,19
c
2 Kön. 16,10–16
d
Jer. 5,19
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Phil. 3,19
f
Mt. 6,24
g
Lk. 16,12
3 εἰς Bl 18 πᾶς θεοποιῶν Kl πᾶς δὲ ὁ ποιῶν S πᾶς δὲ ὁ θεοποιῶν Co Nt 27 προσκυνήσῃ V προσκυνήσει S
231 Hier zitiert Origenes Jer. 5,18 nach dem (heutigen, kritisch hergestellten) Text der
Septuaginta (ποιήσω: II p. 665 Rahlfs), während er oben das die Aussage verstärkende πατάξω bietet. Solche Varianten unterlaufen dem die Bibel aus dem Kopf zitierenden Origenes häufiger.
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in denen, auf die sich diese Worte beziehen –, „dass ich euch nicht endgültig vernichten werde.“a231 Doch in jenen Tagen ist die Vernichtung nicht endgültig, denn es sind bestimmte Tage, da er die, die er vernichten wird, endgültig vernichten wird. 3. „Und es wird der Tag kommen, da ihr sagt: Wofür hat der Herr, Gott, uns alle diese Übel angetan? Und du wirst zu ihnen sagen: Dafür, dass ihr mich verlassen und in eurem Land anderen Göttern gedient habt, so werdet ihr dienen in einem Land, das nicht eures ist.“ b Man muss den Wortlaut verstehen, und momentan reicht es, die Erinnerung für die, die zu hören vermögen, ausgehend vom Wortlaut aufzufrischen. Nun, die Söhne Israels besaßen das heilige Land, den Tempel, das Haus des Gebets. Sie sollten Gott dienen. Aber sie übertraten die göttlichen Gebote: Sie dienten Götterbildern und übernahmen die Götterbilder von Damaskus, wie in den Büchern der Königtümer geschrieben steht,c und nahmen weitere Götterbilder der Heidenvölker in das heilige Land auf. Wegen der Götterbilder der Heiden, die sie übernahmen, hatten sie es verdient, in das Land der Götterbilder vertrieben zu werden, dort hinab zu gelangen, wo sie die Götterbilder anbeteten. Das Wort sagt also zu ihnen gemäß dem Wortlaut: „Dafür, dass ihr mich verlassen und in eurem Land fremden Göttern gedient habt, so werdet ihr fremden Göttern dienen in einem Land, das nicht eures ist.“ d Jeder, der irgendetwas zu Gott macht, dient fremden Göttern. Vergötterst du Speise und Trank? Dein Gott ist der Bauch.e Schätzt du das Geld und den Reichtum hier unten als ein großes Gut? Dein Gott und Herr ist der Mammon. Jesus bezeichnete ihn nämlich als Herrn der Geldgierigen, als er sagte: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Niemand kann zwei Herren dienen.“ f Wer also das Geld schätzt und den Reichtum bewundert und ihn für ein Gut hält und die Reichen wie Götter einstuft, die Armen aber verachtet, als hätten sie nicht ihren Gott, der macht das Geld zu Gott. Sollte einer im Land Gottes, in der Kirche, fremde Götter anbeten, indem er das zu Gott macht, was nicht wert ist, zu Gott gemacht zu werden, wird er in ein fremdes Land hinausgeworfen werden und soll die Götter anbeten, die er angebetet hat, als er noch drinnen war. Hinaus mit dem Geldgierigen, er soll aus der Kirche hinausgeworfen werden, der Schlemmer soll außerhalb der Kirche bleiben! Soweit eine der möglichen Erklärungen im übertragenen Sinn, um mich jetzt nicht unnütz mit Dingen zu beschäftigen, die über meine Kräfte hinausgehen, wie mit der Bedeutung der Erde, über die der Erlöser sagte: „Das unsere, wer wird es euch geben?“,g232 oder dass Gott, wenn es zur Anbetung von irgendetwas im Land
232 In Lk. 16,12 ist nicht von der Erde die Rede. Möglicherweise verweist Origenes auf
eine allegorische Deutung der Stelle, die nicht überliefert ist. Clemens von Alexandria, strom. III 31,3 (GCS Clem. Al. 24, 210), spricht im gleichen Zusammenhang von der „Welt“.
238r
Ὁμιλία ζʹ
προσκυνήσεως ἐν τῇ γῇ τινος οὕτως ὁ θεὸς ᾠκονόμησεν ἐκβληθῆναί τινας ἀπὸ τῆς ἑαυτοῦ καὶ ἐλθεῖν ἐπὶ τὴν γῆν, περὶ ἧς γέγραπται· „Ἄκουε, Ἰσ ραήλ· τί ὅτι ἐν γῇ τῶν ἐχθρῶν εἶ; Συνελογίσθης μετὰ τῶν καταβαινόντων εἰς ᾅδου. Ἐγκατέλιπες πηγὴν ζωῆς τὸν κύριον. Τῇ ὁδῷ τοῦ θεοῦ εἰ ἐπο ρεύθης, κατῴκεις ἂν ἐν εἰρήνῃ τὸν αἰῶνα χρόνον.“a Νῦν οὖν ἐν γῇ ἀλλοτρίᾳ ἐσμέν, καὶ εὐχόμεθα τὸ ἐναντίον ποιῆσαι, ὧν ἐποίησαν οἱ υἱοὶ Ἰσραὴλ ἐν τῇ γῇ τῇ ἁγίᾳ. Ἐκεῖνοι μὲν γὰρ [τὰ ἀλλότρια] ἐν τῇ γῇ τῇ ἁγίᾳ ἀλλοτρίοις προσεκύνησαν· ἡμεῖς δὲ ἐν ἀλλοτρίᾳ γῇ τὸν ἀλλότριον τῆς γῆς προσκυνοῦμεν θεόν, ἀλλότριον τῶν ἐπὶ γῆς πραγμάτων· ἄρχει μὲν γὰρ ὁ ἄρχων τοῦ αἰῶνος τούτου b ἐνθάδε, καὶ ἀλλότριος τῶν υἱῶν αὐτοῦ ἐστιν ὁ θεός. Ἀλλότριον δὲ ἂν εἴπω οὐ τοῦτο λέγω· οὐ κτίσαν τα τὸν κόσμον, ἀλλὰ ἀλλότριον τοῦ κυρίου τῆς κακίας, ἀλλότριον τῶν παρόντων ἁμαρτημάτων. Καίτοιγε καὶ θέλοντες τὸν ἀλλότριον τῶν τῆς ἁμαρτίας πραγμάτων προσκυνεῖν θεὸν ἐν τῇ γῇ ταύτῃ τῆς κακώσεως, τί ποιοῦμεν ἴδωμεν. Οὐ λέγομεν· „Πῶς ᾄσωμεν τὴν ᾠδὴν κυρίου ἐπὶ γῆς ἀλ λοτρίας;“ c ἀλλά· Πῶς ᾄσωμεν τὴν ᾠδὴν κυρίου οὐκ ἐπὶ γῆς ἀλλοτρίας; Τούτου τόπον ζητοῦμεν τοῦ ᾄδειν τὴν ᾠδὴν κυρίου, τόπον τοῦ προσκυνεῖν κύριον τὸν θεὸν ἡμῶν ἐπὶ γῆς ἀλλοτρίας. Τίς οὖν ὁ τόπος; Εὗρον τοῦτον· d ἦλθεν ἐπὶ ταύτην φορέσας σῶμα τὸ σῶσαν, ἀναλαβὼν „τὸ σῶμα τὸ τῆς ἁμαρτίας“ e „ἐν ὁμοιώματι σαρκὸς ἁμαρτίας“, f ἵν̓ ἐν τούτῳ τῷ τόπῳ διὰ τὸν ἐπιδημήσαντα Χριστὸν Ἰησοῦν καὶ κα||ταργήσαντα τὸν ἄρχοντα τοῦ αἰῶνος τούτου g καὶ καταργήσαντα τὴν ἁμαρτίαν, h δυνηθῶ προσκυνῆσαι τὸν θεὸν ἐνθάδε καὶ μετὰ τοῦτο προσκυνήσω ἐν τῇ γῇ τῇ ἁγίᾳ. Εἰ γὰρ προσκυνήσας τις τὰ εἴδωλα ἐν τῇ γῇ τῇ ἁγίᾳ ἀπελήλυθεν εἰς τὴν γῆν τὴν ἀλλοτρίαν, προσκυνήσας τις τὸν θεὸν ἐν τῇ γῇ τῇ ἀλλοτρίᾳ ἀπελεύσεται ἐπὶ τὴν γῆν τὴν ἁγίαν ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ, „ᾧ ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας. Ἀμήν.“ i a
Bar. 3,9–13 bJoh. 12,31 cPs. 136(137),4 12,31 h1 Kor. 15,24 i 1 Petr. 4,11
d
Bar. 3,15
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Röm. 6,6
f
Röm. 8,3
g
Joh.
1 προσκυνήσεως Kl προσσκυνήσεως S 6 ὧν Koe ὡς S Kl Nt 7 τὰ ἀλλότρια del. Gh 15 ἴδωμεν V Co ἴδομεν S 17 τοῦ2 V ποῦ S 18 ἐπὶ γῆς Kl ἐπη῭ S 27 Ἀμήν add. ὁμιλία ζʹ S
233 An der Stelle ist nicht von „Quelle des Lebens“, sondern „der Weisheit“ die Rede, in
Bar. 3,9 allerdings von den „Geboten des Lebens“. 234 Nautin, SC 232, 349 Anm. 2 und 3, und Smith, FaCh 97, 72 Anm. 36, beziehen diese
kryptischen Aussagen wohl zu Recht auf die Präexistenz und den Fall der Geistwesen aus dem „Land“ Gottes in die „Unterwelt“, d.h. die Welt „unter“ jenem Land, also in diese gegenwärtige Welt.
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kommt, es in seinem Heilsplan so angeordnet hat, dass einige aus seinem Land hinausgeworfen werden und in das Land kommen, über das geschrieben steht: „Höre Israel: Wie kommt’s, dass du im Land der Feinde bist? Du wurdest zu denen dazugezählt, die in die Unterwelt hinabsteigen. Du hast die Quelle des Lebens,233 den Herrn, verlassen. Würdest du auf dem Weg Gottes gehen, würdest du auf ewige Zeit in Frieden wohnen.“a234 Jetzt also sind wir in einem fremden Land und beten darum, das Gegenteil dessen zu tun, was die Söhne Israels im heiligen Land getan haben. Denn jene haben im heiligen Land fremde Götter angebetet, wir aber beten in einem fremden Land den Gott an, der dem Land fremd ist, der dem Treiben auf Erden fremd ist. Hier herrscht nämlich der Herrscher dieser Welt,b und Gott ist seinen Söhnen fremd. Wenn ich ihn fremd nenne, meine ich nicht, dass er die Welt nicht erschaffen hat, sondern dass er für den Herrn des Bösen fremd, den gegenwärtigen Sünden fremd ist.235 Wenn wir allerdings den dem Treiben der Sünde fremden Gott in diesem Land des Verderbens anbeten wollen, lasst uns sehen, was wir tun! Wir sagen nicht: „Wie sollen wir das Lied des Herrn in einem fremden Land singen?“,c sondern:Wie sollen wir das Lied des Herrn nicht in einem fremden Land singen? Dafür suchen wir einen Ort, um das Lied des Herrn zu singen, einen Ort, um den Herrn, unseren Gott, in einem fremden Land anzubeten. Wo ist dieser Ort? Ich habe ihn gefunden:d Er kam auf diese Erde, trug einen rettenden Leib und nahm „den Leib der Sünde“ e an „in der Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde“,f236 damit ich an diesem Ort dank der Gegenwart Christi Jesu, der sowohl den Herrscher dieser Welt g vernichtet als auch die Sünde vernichtet hat,h Gott hier anbeten kann und ihn danach im heiligen Land anbeten werde. Denn wenn einer, weil er die Götterbilder im heiligen Land angebetet hat, in das fremde Land gekommen ist, wird einer, wenn er Gott im fremden Land angebetet hat, in das heilige Land kommen in Christus Jesus. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in Ewigkeit. Amen!“ i
235 Diese Präzisierung muss Origenes gegen den „fremden“ Gott Markions und seinen
Dualismus anbringen. 236 Zum antidoketistischen Sinn dieser Aussage siehe Fédou, Sagesse 139f., ferner oben
S. 120 Anm. 32.
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Εἰς τὸ „κύριος ὁ ποιήσας τὴν γῆν ἐν τῇ ἰσχύϊ αὐτοῦ“ μέχρι τοῦ „ἐμωράνθη πᾶς ἄνθρωπος ἀπὸ γνώσεως“.a
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1. Τρεῖς οἱονεὶ ἀρετὰς παραλαβὼν ὁ προφήτης τοῦ θεοῦ, ἰσχὺν αὐτοῦ καὶ τὴν σοφίαν αὐτοῦ καὶ τὴν φρόνησιν αὐτοῦ, ἑκάστῃ αὐτῶν οἰκεῖόν τι ἔργον , τῇ μὲν ἰσχύϊ τὴν γῆν, τῇ δὲ σοφίᾳ τὴν οἰκουμένην, τῇ δὲ φρονήσει τὸν οὐρανόν· ἄκουε γὰρ τῆς λέξεως λεγούσης· „Κύριος ὁ ποιήσας τὴν γῆν ἐν τῇ ἰσχύϊ αὐτοῦ, ὁ ἀνορθώσας τὴν οἰκουμένην ἐν τῇ σοφίᾳ αὐτοῦ, καὶ ἐν τῇ φρονήσει αὐτοῦ ἐξέτεινεν τὸν οὐρανόν.“ b Καὶ ἡμεῖς δὲ πρὸς τὴν ἡμετέραν γῆν (λέλεκται γὰρ πρὸς τὸν Ἀδάμ· „Γῆ εἶ“ c) χρείαν ἔχομεν τῆς ἰσχύος τοῦ θεοῦ, χωρὶς δὲ τῆς δυνάμεως τοῦ θεοῦ οὐχ οἷοί τέ ἐσμεν ἐπιτελέσαι ταῦτα, ὅσα οὐ κατὰ τὸ φρόνημά ἐστιν τῆς σαρκός.d Νεκρωθέντων δὲ τῶν μελῶν τῶν ἐπὶ τῆς γῆς, e ἔσται τὸ κατὰ τὸ βούλημα τοῦ πνεύματος, ἐπεὶ τῷ πνεύματι αἱ πράξεις τῆς σαρκὸς κατὰ τὸν ἀπόστο λον θανατοῦνται. f „Κύριος“ οὖν „ὁ ποιήσας τὴν γῆν ἐν τῇ ἰσχύϊ αὐτοῦ.“ g Ἐὰν δὲ ἔλθῃς καὶ ἐπὶ ταύτην τὴν γῆν, εἰ δύνασαι ἰδεῖν τὸ ἐν τῷ Ἰὼβ γε γραμμένον, ὡς ἐν τοῖς ἀκριβεστέροις ἀντιγράφοις || εὕρομεν, ὅτι ἔστησεν αὐτὴν „ἐπ̓ οὐδενί“, h ὄψει ὅτι ἰσχύϊ θεοῦ κατὰ τὸ μεσαίτατον κεῖται. Ἔρχομαι καὶ ἐπὶ τὴν οἰκουμένην. Οἶδα ψυχὴν οἰκουμένην, οἶδα ψυχὴν ἔρημον. Εἰ γὰρ οὐκ ἔχει τὸν θεόν, οὐκ ἔχει τὸν Χριστὸν τὸν εἰπόντα· „Ἐγὼ καὶ ὁ πατήρ μου ἐλευσόμεθα πρὸς αὐτὸν καὶ μονὴν παρ᾽ αὐτῷ ποι ησόμεθα“, i εἰ οὐκ ἔχει τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον ψυχή, ἔρημός ἐστιν. Οἰκουμένη a
Jer. 10,12–14 bJer. 10,12 cGen. 3,19 10,12 hIjob 26,7 i Joh. 14,23
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g
Jer.
4 τὴν Kl 6 ἀπονέμει Kl mit H (distribuit) 7 οὐρανόν Co H (coelum) ἄνον S 14–15 ἀπόστολον Co H (apostolum) ἀποστόλων S 18 ὄψει Kl 14 ἐπεὶ Co ἐπὶ S (GCS Orig. 3, 348) ὄψῃ S 20 εἰ2 Kl mit H (si) 237 Wie die Schöpfungserzählung in Gen. 1 in der ersten Genesishomilie deutet Orige-
nes die kosmologischen Ausdrücke in Jer. 10,12 anthropologisch. Siehe dazu Fürst, Anthropokosmismus des Origenes 69–85. 238 Die Stelle gehört zu den zahlreichen Versen im Buch Ijob, die im hebräischen Text stehen, jedoch nicht im kirchlich gebräuchlichen Septuagintatext, weshalb Origenes ihn in der Hexapla aus Theodotion ergänzte und mit einem Asteriskos (※) versah (II p. 313 Field).
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Über: „Der Herr, der die Erde in seiner Kraft geschaffen hat“, bis: „Töricht geworden ist jeder Mensch infolge von Erkenntnis.“a
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1. Der Prophet greift gewissermaßen drei Tugenden Gottes auf, seine Kraft, seine Weisheit und seine Einsicht, und jeder von ihnen ein eigenes Werk , der Kraft die Erde, der Weisheit die bewohnte Welt, der Einsicht den Himmel. Höre nämlich, wie der Text sagt: „Der Herr, der die Erde in seiner Kraft geschaffen und die bewohnte Welt in seiner Weisheit aufgerichtet hat, hat auch in seiner Einsicht den Himmel ausgespannt.“ b Auch wir aber bedürfen für unsere Erde237 – denn zu Adam ist gesagt worden: „Erde bist du“ c – der Kraft Gottes, ohne die Macht Gottes jedoch sind wir nicht in der Lage, das zu vollbringen, was nicht nach dem Willen des Fleisches ist.dWenn aber die irdischen Glieder abgetötet sind,e wird das sein, was nach dem Willen des Geistes ist, weil die Taten des Fleisches gemäß dem Apostel vom Geist getötet werden.f „Der Herr“ also ist es, „der die Erde in seiner Kraft geschaffen hat.“ gWenn du aber auch zu dieser Erde kommst und sehen kannst, was im Buch Ijob geschrieben steht – wie wir in den genaueren Handschriften finden238 –, dass er (sc. Gott) sie „überm Nichts“ h gegründet hat, wirst du sehen, dass sie durch Gottes Kraft genau in der Mitte liegt.239 Ich komme auch240 zur bewohnten Welt. Ich kenne eine Seele als bewohnte Welt, ich kenne eine Seele als Wüste. Denn wenn sie Gott nicht hat, sie Christus nicht hat, der sagt: „Ich und mein Vater werden zu ihm kommen und uns eine Bleibe bei ihm bereiten“,i241 wenn eine Seele den 239 Auch nach Philon, vit. Mos. I 212 (IV p. 171 Cohn/Wendand), ist „die Erde in
dem mittelsten Punkt des Alls befestigt“ (Übersetzung: Badt, Philo Werke I, 270). Was meint Origenes näherhin mit dem hier nicht weiter ausgeführten Gedanken? Schadel, BGrL 10, 269 Anm. 71, wird Recht haben, wenn er auf die creatio ex nihilo hinweist (seine weiteren langen Ausführungen dazu, ebd. 269–272, sind allerdings kaum hilfreich). Vgl. dafür in Is. hom. 4,1 (GCS Orig. 8, 258) und dazu Fürst/ Hengstermann, OWD 10, 230 Anm. 65. 240 Die von Origenes hier verwendete Übergangsfloskel gehört zum Stil des antiken Lehrbuchs: Schadel, BGrL 10, 272 Anm. 72, mit Verweis auf Fuhrmann, Lehrbuch 57. 69. Die Homilien des Origenes haben nicht selten Züge eines Lehrvortrags an sich. 241 Diese Form des Zitats von Joh. 14,23 findet sich griechisch auch in Cels. VIII 19 (GCS Orig. 2, 236) und lateinisch in princ. I 1,2 (GCS Orig. 5, 17f.) und in Rom. comm. I 21,10 (SC 532, 258).
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239r
δέ ἐστιν, ὅτε πεπλήρωται θεοῦ, ὅτε ἔχει τὸν Χριστόν, ὅτε πνεῦμα ἅγιόν ἐστιν ἐν αὐτῇ. Ταῦτα δὲ ποικίλως καὶ | διαφόρως ἐν ταῖς γραφαῖς λέγεται, τὸ εἶναι τὸν πατέρα καὶ τὸν υἱὸν καὶ τὸ ἅγιον πνεῦμα ἐν τῇ τοῦ ἀνθρώπου ψυχῇ. Ὁ γοῦν Δαβὶδ ἐν τῷ Ψαλμῷ τῆς ἐξομολογήσεως περὶ τούτων τῶν πνευμάτων αἰτεῖ τὸν πατέρα λέγων· „Πνεύματι ἡγεμονικῷ στήριξόν με“,a „πνεῦμα εὐθὲς ἐγκαίνισον ἐν τοῖς ἐγκάτοις μου“, b „καὶ τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιόν σου μὴ ἀντανέλῃς ἀπ̓ ἐμοῦ“. c Τίνα τὰ τρία πνεύματα ταῦτα; Τὸ ἡγεμονι κὸν ὁ πατήρ, τὸ εὐθὲς ὁ Χριστός, καὶ τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον . Ταῦτα εἰς τὸ παραστῆσαι τὴν οἰκουμένην οὐκ ἄλλως γινομένην ἢ ἐν τῇ σοφίᾳ τοῦ θεοῦ· „ἡ“ γὰρ „σοφία βοηθήσει τῷ σοφῷ ὑπὲρ δέκα ἐξουσιάζοντας τοὺς ὄντας ἐν τῇ πόλει.“ d „Σοφίαν δὲ καὶ παιδείαν ὁ ἐξου θενῶν ταλαίπωρος, καὶ κενὴ ἡ ἐλπὶς αὐτοῦ, καὶ οἱ κόποι αὐτοῦ ἀνόνητοι, καὶ ἄχρηστα τὰ ἔργα αὐτοῦ“, e φησὶν ἡ Σοφία ἡ ἐπιγεγραμμένη Σολομῶν τος. Διὰ τοῦτο ὅση δύναμις, ἐπεὶ ἀνορθοῦται ἡ οἰκουμένη ἐν τῇ σοφίᾳ τοῦ θεοῦ, βουλώμεθα δὴ καὶ αὐτοὶ ἀνορθωθῆναι ἡμῶν τὴν οἰκουμένην τάχα πεσοῦσαν· πέπτωκεν γὰρ αὕτη ἡ οἰκουμένη ἡνίκα ἤλθομεν εἰς τὸν τόπον τῆς κακώσεως, πέπτωκεν αὕτη ἡ οἰκουμένη ἡνίκα „ἡμάρτομεν, ἠσεβήσαμεν, ἠδικήσαμεν“, f καὶ δεῖται ἀνορθώσεως. Θεὸς οὖν „ὁ ἀνορθώσας τὴν οἰκουμένην“ g ἐστίν. Εἰ δὲ μὴ τοιοῦτον λαμβάνεις τὸ „ἀνορθώσας τὴν οἰκουμένην“, ἀλλὰ κοινότερον νοήσας τὴν οἰκουμένην, ζήτει πόθεν ἀνορ||θώ σας ἐστὶν τὴν οἰκουμένην, ζήτει τῆς οἰκουμένης πτῶσιν, ἵνα εὑρὼν αὐτῆς a
Ps. 50(51),14 Jer. 10,12
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Ps. 50(51),12
c
Ps. 50(51),13
d
Koh. 7,19
e
Weish. 3,11
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Dan. 9,5
8–9 τὸ4 – ἅγιον Kl mit H (Spiritus sanctus est) 9 ἢ Co ἡ S 3 τὸ1 S1 τὸν S* 15 βουλώμεθα δὴ Kl mit H (laborare nitamur) βουλόμεθα δὲ S 18 δεῖται Koe δέεται S 242 Von der Einwohnung der Trinität in der Seele des Menschen redet Origenes auch
in Hier. hom. 18,9 (GCS Orig. 32, 163). In princ. I 3,5 (GCS Orig. 5, 55) betont er nachdrücklich, „dass einer, der durch Gott ‚wiedergeboren wird‘ (1 Petr. 1,3), zum Heil des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes bedarf und das Heil nicht empfängt, wenn nicht die Trinität vollständig ist.“ Übersetzung: p. 169 Görgemanns/ Karpp. Vgl. auch ebd. IV 4,5 (5, 356): „Alle Vernunftwesen bedürfen der Teilhabe an der Trinität“ (Übersetzung ebd. p. 801); in Rom. comm. I 21,10 (SC 532, 258). Im ersten Abschnitt des ersten Philokalie-Fragments, in Hier. frg. P 1 (GCS Orig. 32, 195), dessen Herkunft nicht geklärt ist, weist Origenes auf die Reinigung der Seele als Voraussetzung für die Gegenwart der Trinität in ihr hin. Zum Heilstrinitarismus der vorliegenden Stelle siehe Bigg, Christian Platonists 174; Bruns, Trinität und Kosmos 225f. 243 Da der Psalm nicht als „Psalm seines Bekenntnisses“ bezeichnet wird, obwohl es sich tatsächlich um einen Bekenntnistext im Munde Davids handelt, vermutet Nautin, SC 232, 354f. Anm. 1, dass der Psalm möglicherweise im kirchlichen Bußritus verwendet wurde (zur Exhomologese siehe oben S. 194 Anm. 179) und Origenes darauf anspielt.
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Heiligen Geist nicht hat, ist sie eine Wüste. Eine bewohnte Welt aber ist sie dann, wenn sie von Gott erfüllt ist, wenn sie Christus hat, wenn heiliger Geist in ihr ist. Dies aber wird in den Schriften auf vielfache und unterschiedliche Weise gesagt, dass der Vater, der Sohn und der Heilige Geist in der Seele des Menschen sind.242 David jedenfalls bittet im Psalm des Bekenntnisses243 den Vater um folgende Geister, wenn er sagt: „Mit einem führenden Geist stärke mich“,a „in meinem Inneren erneuere einen aufrechten Geist“,b „und deinen heiligen Geist nimmt nicht weg von mir“.c Wer sind diese drei Geister? Der führende ist der Vater, der aufrechte ist Christus, und der heilige Geist ist .244 Dies, um darzulegen, dass die bewohnte Welt nicht anders entsteht als in der Weisheit Gottes. Denn „die Weisheit wird dem Weisen mehr helfen als zehn Machthaber in der Stadt.“ d „Wer jedoch Weisheit und Bildung verachtet, ist elend dran, nichtig ist seine Hoffnung, sinnlos sind seine Mühen und unnütz seine Werke“,e sagt das dem Salomo zugeschriebene245 Buch der Weisheit. Da die bewohnte Welt in der Weisheit Gottes aufgerichtet wird, wollen daher also auch wir, so weit es in unserer Macht steht, gewillt sein, dass unsere bewohnte Welt, da sie vielleicht zu Fall gekommen ist, aufgerichtet wird. Denn zu Fall gekommen ist diese bewohnte Welt, als wir an den Ort des Übels gelangten,246 zu Fall gekommen ist diese bewohnte Welt, als „wir sündigten, frevelten und Unrecht taten“,f und sie bedarf der Aufrichtung. Gott also ist es, „der die bewohnte Welt aufgerichtet hat.“ gWenn du die Wendung „der die bewohnte Welt aufgerichtet hat“ aber nicht auf diese Weise auffasst, sondern die bewohnte Welt im gewöhnlicheren Sinn verstehst, frage, woher es kommt, dass die bewohnte Welt aufgerichtet wird, frage nach dem Fall der bewohnten Welt, damit du, wenn du ihren
244 Diese von Schadel, BGrL 10, 105, und Smith, FaCh 97, 75, akzeptierte Ergänzung
von Klostermann, GCS Orig. 3, 56, nach Hieronymus hält Nautin, GCS Orig. 32, 359; SC 232, 354, für nicht unbedingt nötig. – Die trinitarische Auslegung von Ps. 50(51)12–14 findet sich auch in Origenes’ Psalmenkommentar: frg. in Ps. 50,14 (p. 84 Cadiou). Puech, Origène et l’exégèse trinitaire 187–194, weist mit Hilfe der vorliegenden Stelle in der Jeremiahomilie die Echtheit des von Cadiou publizierten Fragments nach; auch eine entsprechende Auslegung in sel. in Ps. 37,22 (PG 12, 1368f.) kann von daher als echt gelten. Von Origenes aus hat sich diese Auslegung über die lateinische Vermittlung des Hieronymus und des Ambrosius bis ins Mittelalter ausgebreitet: Puech, ebd. 180–183. 245 Origenes formuliert öfters einen Vorbehalt gegen die Zuschreibung des Buches der Weisheit an Salomo: princ. I 2,5 (GCS Orig. 5, 33); IV 4,6 (5, 357) „… in dem Salomo zugeschriebenen Buch der Weisheit, das freilich nicht von allen anerkannt wird“; in Ioh. comm. XX 4,26 (GCS Orig. 4, 331); Cels. V 29 (GCS Orig. 2, 30f.). Siehe dazu Fürst, Weisheit 294. 246 Damit meint Origenes den präexistenten Fall der Vernunftwesen: siehe oben S. 228 Anm. 234.
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τὴν πτῶσιν ἴδῃς αὐτῆς τὴν ἀνόρθωσιν. Εἴ τις οὖν ἐστιν ἐν τῇ οἰκουμένῃ ταύτῃ (ἐὰν οὕτως νοήσῃς τὴν οἰκουμένην), δῆλον ὅτι δεῖται τῆς ἀνορθώσε ως, οὐδεὶς δὲ μὴ πεσὼν δεῖται τῆς ἀνορθώσεως. Δῆλον ὅτι πέπτωκεν ἕκα στος τῶν ἐν τῇ οἰκουμένῃ ἀπὸ ἁμαρτίας, καὶ „κύριός“ ἐστιν ὁ ἀνορθῶν „τοὺς κατερραγμένους“, καὶ „ὑποστηρίζει πάντας τοὺς καταπίπτοντας“.a „Ἐν τῷ Ἀδὰμ πάντες ἀποθνῄσκουσιν“, καὶ οὕτως πέπτωκεν ἡ οἰκουμένη καὶ δεῖται ἀνορθώσεως, ἵν̓ „ἐν τῷ Χριστῷ πάντες ζωοποιηθῶσιν“. b Ὥστε διχῶς ἀποδέδωκα τὰ περὶ τῆς οἰκουμένης, πῇ μὲν ἐπὶ ἕνα ἕκαστον δεικνὺς πῶς ἑκάστη ψυχὴ ἤτοι οἰκουμένη ἐστὶν ἢ ἔρημος, πῇ δὲ ἐπ̓ αὐτῆς στήσας τὸν λόγον τῆς οἰκουμένης. 2. „Καὶ ἐν τῇ φρονήσει αὐτοῦ ἐξέτεινεν τὸν οὐρανόν.“ c Οὐ συντυχικῶς τὴν φρόνησιν παρέλαβεν ἐπὶ τοῦ οὐρανοῦ· εὑρήσεις γὰρ ἐν ταῖς Παροιμίαις λεχθέν· „Ὁ θεὸς ἐν τῇ σοφίᾳ ἐθεμελίωσεν τὴν γῆν, ἡτοίμασεν δὲ οὐρανοὺς ἐν φρονήσει.“ d Ἔστιν οὖν τις φρόνησις θεοῦ, ἣν μὴ ζήτει ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ. Πάντα γὰρ ὅσα τοῦ θεοῦ τοιαῦτά ἐστιν, ὁ Χριστός ἔστιν· σοφία τοῦ θεοῦ αὐτός, δύναμις θεοῦ αὐτός, δικαιοσύνη θεοῦ αὐτός, ἁγιασμὸς αὐτός, ἀπολύτρωσις αὐτός· e οὕτως φρόνησις αὐτός ἐστιν θεοῦ. Ἀλλὰ τὸ μὲν ὑποκείμενον ἕν ἐστιν, ταῖς δὲ ἐπινοίαις τὰ πολλὰ ὀνόματα ἐπὶ διαφόρων ἐστίν. Καὶ οὐ ταὐτὸν νοεῖς περὶ τοῦ Χριστοῦ, ὅτε νοεῖς αὐτὸν σοφίαν, καὶ ὅτε νοεῖς αὐτὸν δικαιοσύνην. Ὅτε μὲν γὰρ σοφίαν, τὴν ἐπιστήμην λαμβά νεις τῶν θείων καὶ ἀνθρωπίνων· ὅτε δὲ δικαιοσύνην, τὴν τοῦ κατ̓ ἀξίαν a
Ps. 144(145),14
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1 Kor. 15,22
c
Jer. 10,12
d
Spr. 3,19
1 οὖν Scorr. 5 κατερραγμένους Kl κατεραγμένους S ut extra Christum requiras)
e
1 Kor. 1,24.30
14 εἰ μὴ Kl mit H (quam nolo
247 Klostermann, GCS Orig. 3, 56, ergänzt den Text hier nach Hieronymus wie folgt:
Εἴ τις οὖν ἐστιν ἐν τῇ οἰκουμένῃ ταύτῃ, ἐὰν οὕτως νοήσῃς τὴν οἰκουμένην, δῆλον ὅτι δεῖται τῆς ἀνορθώσεως, οὐδεὶς δὲ μὴ πεσὼν δεῖται τῆς ἀνορθώσεως. – „Wenn sich nun einer in dieser bewohnten Welt befindet – wenn du die bewohnte Welt so auffasst –, bedarf er offensichtlich der Aufrichtung, niemand aber (H: quippe – „denn niemand“), der nicht zu Fall gekommen ist, bedarf der Aufrichtung. “ Nautin, GCS Orig. 32, 359, hat Recht, wenn er diese Ergänzungen nicht für nötig hält und sie in seiner Ausgabe, SC 232, 356, weglässt (ebenso Smith, FaCh 97, 76; anders Schadel, BGrL 10, 105). Die erste Ergänzung in der Übersetzung des Hieronymus geht aus dem Text des Origenes ohnehin hervor, die zweite verdeutlicht, was im folgenden Satz ausgeführt wird. 248 Dass nichts in der Schrift „zufällig“ dasteht, betont Origenes oft, z.B. in Num. hom. 27,1 (GCS Orig. 7, 257); in Matth. comm. ser. 143 (GCS Orig. 11, 296). Schon Philon,
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Fall findest, ihre Aufrichtung erkennst. Wenn sich nun einer in dieser bewohnten Welt befindet – wenn du die bewohnte Welt so auffasst –, bedarf er offensichtlich der Aufrichtung, niemand aber, der nicht zu Fall gekommen ist, bedarf der Aufrichtung.247 Offensichtlich ist jeder Einzelne in der bewohnten Welt infolge von Sünde zu Fall gekommen, und der „Herr“ ist es, der „die Herabgestürzten“ aufrichtet und „alle Herabgefallenen stärkt“.a „In Adam sterben alle“, und so ist die bewohnte Welt zu Fall gekommen und bedarf der Aufrichtnug, damit „in Christus alle lebendig gemacht werden“.b Somit habe ich das, was die bewohnte Welt betrifft, zweifach erklärt: Einerseits habe ich im Hinblick auf jeden Einzelnen gezeigt, wie jede Seele entweder eine bewohnte Welt ist oder eine Wüste, andererseits habe ich die Aussage auf die bewohnte Welt selbst bezogen. 2. „Und in seiner Einsicht hat er den Himmel ausgespannt.“ c Nicht zufällig248 hat er die Einsicht auf den Himmel bezogen. Im Buch der Sprichwörter wirst du nämlich die Aussage finden: „Gott hat in der Weisheit die Erde begründet, die Himmel aber in Einsicht bereitet.“ d Es gibt also eine Einsicht Gottes, die du nirgendwo in Christus Jesus suchen sollst. Denn alles, was es Derartiges an Gott gibt, ist Christus: Er ist die Weisheit Gottes in Person, die Kraft Gottes in Person, die Gerechtigkeit Gottes in Person, die Heiligung in Person, die Erlösung in Person.e249 Ebenso ist er die Einsicht Gottes in Person. Freilich, die zugrundeliegende Substanz ist eine, die Aspekte aber haben viele Bezeichnungen für verschiedene Sachverhalte.250 Und du denkst nicht dasselbe über Christus, wenn du ihn als Weisheit denkst und wenn du ihn als Gerechtigkeit denkst. Denn wenn als Weisheit, dann fasst du ihn als Wissen von den göttlichen und menschlichen Dingen
leg. all. III 147 (I p. 145 Cohn/Wendland), hat darauf hingewiesen, dass es in der Schrift kein unnötiges Wort gibt. Siehe dazu de Lubac, Geist aus der Geschichte 115f. 249 Zu diesen „Epinoiai“ (Aspekten) Christi, bes. zu „Heiligung“ und „Erlösung“, vgl. in Ioh. comm. I 9,59 (GCS Orig. 4, 15); I 34,247–251 (4, 44); zur Heiligung in Christus: in Num. hom. 11,8 (GCS Orig. 7, 90f.). 250 Ähnlich formuliert bei Philon, rer. div. her. 23 (III p. 7 Cohn/Wendland). Vgl. ferner Origenes, in Ioh. comm. VI 19,107 (GCS Orig. 4, 128); X 5,21 (4, 175); XXXII 31,387 (4, 478); Cels. II 64 (GCS Orig. 1, 185); in Rom. comm. V 6,6 (SC 539, 450): „Christus ist einer der Substanz nach, nach seinen Kräften und Wirkungen aber trägt er viele Bezeichnungen.“ Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, 671 Anm. 5, meint an der vorliegenden Stelle einen „modalistischen Schein“ entdecken zu können, wendet gegen einen solchen dann aber doch richtig ein: „aber an dieser Stelle ist wohl Christus und nicht Gott unter dem τὸ ὑποκείμενον zu verstehen“ (zum Gebrauch von ὑπόστασις bei Origenes siehe die Stellen bei Bigg, Christian Platonists 163 Anm. 3; Kobusch, Philosophische Bedeutung 96 Anm. 8). Siehe dazu Harl, Origène et la fonction révélatrice 234–237 (mit den Stellen ebd. 236 Anm. 63 und 64); Gögler, Theologie des biblischen Wortes 276; Gruber, ΖΩΗ 259–263. Zur Epinoiai-Lehre siehe oben S. 130 Anm. 55.
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ἀπονεμητικὴν δύναμιν ἐν τῷ παντί· καὶ ὅτε ἁγιασμόν, τὸν περιποιητικὸν τοῦ ἁγίους γενέσθαι τοὺς πιστεύοντας καὶ ἀνακειμένους τῷ θεῷ. Οὕτως οὖν || καὶ φρόνησιν αὐτὸν νοήσεις, ὅτε ἐπιστήμη ἐστὶν ἀγαθῶν καὶ κακῶν καὶ οὐθετέρων. Ἐπεὶ οὖν χωρίζεται τοῖς ἐν οὐρανῷ κατοικοῦσινa ἢ τοῖς τὸν οὐράνιον ἄνθρωπον φοροῦσιν b † χωρίσαντος τὰ κακὰ ἀπὸ τῶν ἀγαθῶν, ἵνα μηκέτι μολύνηται ἐκεῖνος ὁ οὐρανὸς διὰ τὸ τῇ φρονήσει τοῦ θεοῦ ἐκτε τάσθαι τὸν οὐρανὸν μηδὲ ὁ δίκαιος ὢν οὐρανός (ἔστιν δὲ καὶ ὁ δίκαιος οὐρανός, ὡς παραστήσω), εἴρηται· „Καὶ ἐξέτεινεν τὸν οὐρανὸν τῇ φρονήσει αὐτοῦ.“ c Πῶς οὖν ἐκτείνεται ὁ οὐρανός; Ἐκτεινούσης αὐτὸν τῆς σοφίας. Δηλοῦται δὲ ὡς ἡ σοφία ἐκτείνει ἐν τῷ „Ἐπειδὴ ἐξέτεινον λόγους καὶ οὐ προσείχε τε“, d καὶ λέγει ἔκτασίν τινα εἶναι λόγων· οὕτως ἐκτείνεται ὁ οὐρανός. Καὶ ἐν ἑκατοστῷ τρίτῳ λέγεται Ψαλμῷ· „Ἐκτείνων τὸν οὐρανὸν ὡσεὶ δέρριν.“ e Ἐκτείνεται δὲ καὶ ἡ ψυχὴ ἡμῶν πρότερον συνεσταλμένη, ἵνα δυνηθῇ χωρῆ σαι τὴν σοφίαν τοῦ θεοῦ. Ἀλλὰ γὰρ ἐπὶ τὸ προκείμενον ἐπανέλθωμεν. Ἐλέγομεν περὶ τοῦ τὸν οὐρανὸν ἐν φρονήσει γεγονέναι. Καί φαμεν ὅτι οἱ τὸν οὐράνιον ἄνθρωπον φοροῦντες καὶ αὐτοί εἰσιν οὐρανός. Εἰ γὰρ πρὸς τὸν ἁμαρτάνοντα λέγεται· „Γῆ εἶ καὶ εἰς γῆν ἀπελεύσῃ“, f πρὸς τὸν δίκαιον οὐκ | ἂν λεχθείη, οὗ „ἐστιν ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν“· g οὐρανὸς εἶ, καὶ εἰς οὐρανὸν ἀπελεύσῃ; Ἢ διὰ μὲν τὸν χοϊκὸν λεχθήσεται τῷ φοροῦντι „τὴν εἰκόνα τοῦ χοϊκοῦ“· h „γῆ εἶ, καὶ εἰς γῆν ἀπελεύσῃ“, i διὰ δὲ τὸν οὐράνιον, ἐπὰν φορέσῃς „τὴν εἰκόνα τοῦ ἐπουρανίου“, j οὐκέτι ἁρμόσει λέγεσθαι· a
Phil. 3,20 b1 Kor. 15,49 cJer. 10,12 dSpr. 1,24 5,3 h1 Kor. 15,49 i Gen. 3,19 j 1 Kor. 15,49
e
Ps. 103(104),2
f
Gen. 3,19
g
Mt.
1 ἀπονεμητικὴν Hu ἀπονεμιτικὴν S 2 ἁγίους Kl mit H (sanctos) ἁγίου S 3 ἐπιστήμη Co ἐπιστήμης S 7 μηδὲ Bl Kl (GCS Orig. 3, 348) μήτε S 12 ἔκτασιν Co H (extensio 13 ἑκατοστῷ τρίτῳ Kl ργ´ S 17 οὐράνιον Co ὀυνόν S nem) ἔκστασιν S 20 ἢ Co H (aut) ἡ S
251 Diese Definition ist wohl von Platon, polit. VI 486 a 5f., angeregt und in der antiken
Philosophie weit verbreitet, sowohl bei den Platonikern (Alkinoos, didask. 1,1 [p. 1 Louis/Whittaker]) als auch und vor allem bei den Stoikern (Cicero, fin. II 37; Tusc. IV 57; V 7; off. II 5; Seneca, epist. 89,5: sapientiam quidam ita finierunt, ut dice rent diuinorum et humanorum scientiam). Philon, congr. erud. grat. 79 (III p. 88 Cohn/ Wendland), kennt sie ebenfalls, und Clemens von Alexandria greift sie christlich auf: paed. II 25,3 (GCS Clem. Al. 1, 171); strom. I 30,1 (GCS Clem. Al. 24, 19); IV 163,4 (24, 321). Für Origenes, der sie wohl aus einem stoischen Handbuch hat (siehe dazu Klostermann, Definitionen), vgl. Cels. III 72 (GCS Orig. 1, 263); in Matth. comm. XVII 2 (GCS Orig. 10, 578); frg. in Prov. 1,2 (PG 13, 17–20). Siehe dazu Logan, Wisdom Christology 124f. 252 Auch das ist traditionelle philosophische Terminologie: Pseudo-Platon, def. 411 e 2; SVF III 24. 65.
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auf;251 wenn als Gerechtigkeit, dann als die Kraft, die jedem in angemessener Weise zuteilt;252 und wenn als Heiligung, dann als den, der bewirkt, dass die Gläubigen und Gottgeweihten heilig werden.253 So also denkst du ihn auch als Einsicht, wenn er das Wissen von Gutem und Bösem ist und von dem, was weder das eine noch das andere ist.254 Da nun getrennt ist von den Bewohnern des Himmelsa beziehungsweise von denen, die den himmlischen Menschen an sich tragen b † da er das Böse vom Guten trennte, damit jener Himmel nicht mehr befleckt wird, weil in der Einsicht Gottes der Himmel ausgespannt ist, und auch nicht der Gerechte, der ein Himmel ist – es ist aber auch der Gerechte ein Himmel, wie ich darlegen werde –, wurde gesagt: „Und er spannte den Himmel aus in seiner Einsicht.“ c255 Wie wird nun der Himmel ausgespannt? Die Weisheit ist es, die ihn ausspannt. Wie aber die Weisheit ihn ausspannt, wird deutlich in dem Satz: „Als ich Worte ausspannte und ihr nicht darauf geachtet habt.“ d Er besagt, dass es so etwas wie ein Ausspannen von Worten gibt. So wird der Himmel ausgespannt. Und im 103. Psalm heißt es: „Er spannt den Himmel aus wie einen Vorhang.“ e Aber auch unsere zuvor zusammengezogene Seele wird ausgespannt, damit sie die Weisheit Gottes aufnehmen kann. Aber wir wollen doch wieder auf den vorliegenden Text zurückkommen.Wir sprachen darüber, dass der Himmel in Einsicht entstanden ist. Und wir sagen, dass die, die den himmlischen Menschen an sich tragen, selbst auch ein Himmel sind. Wenn nämlich zum Sünder gesagt wird: „Erde bist du und zur Erde wirst du zurückkehren“,f würde man zum Gerechten, dem „das Reich der Himmel gehört“,g nicht sagen: Himmel bist du und zum Himmel wirst du zurückkehren? Oder wird zwar wegen des irdischen Menschen zu dem, der „das Bild des Irdischen“ an sich trägt,h gesagt werden: „Erde bist du und zur Erde wirst du zurückkehren“,i aber wegen des himmlischen Menschen, wenn du „das Bild des Himmlischen“ an dir trägst,j nicht mehr passend gesagt werden:
253 Hierzu gibt es keine Parallele aus der philosophischen Tradition, weil es sich um ei-
nen genuin biblisch-christlichen Gedanken handelt. 254 Die Adiaphora in der stoischen Ethik sind Dinge oder Handlungen, die weder gut
noch böse, also ethisch indifferent sind. Vgl. etwa SVF I 191f. 195; III 117; Epiktet, diss. I 30,3; Mark Aurel II 11,6; Diogenes Laërtios VII 104–106. Siehe dazu Pohlenz, Stoa I, 119–123. Origenes hat die Kategorie des ethisch Indifferenten oft aufgegriffen: in Ioh. comm. XX 39,363 (GCS Orig. 4, 380); in Rom. comm. IV 9,4 (SC 539, 304); X 3,3 (SC 555, 280); in Rom. frg. 30 Ramsbotham; in I Cor. frg. 38 (Opere di Origene 14/4, 152–154); Cels. IV 96 (GCS Orig. 4, 369). 255 Der unklare Passus – den Hieronymus nicht übersetzt hat – mag vielleicht verständlicher werden, wenn man die Überlegungen zu Gen. 1,6f., wo von der Scheidung zwischen dem Wasser über und unter dem Gewölbe die Rede ist, in Gen. hom. 1,2 (GCS Orig. 6, 2–4) dazu liest.
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οὐρανὸς εἶ, καὶ εἰς οὐρανὸν ἀπελεύσῃ; Ἕκαστος οὖν ἡμῶν ἔχει ἔργα οὐράνια καὶ ἐπίγεια. Ἐπίγειά ἐστιν ἔργα, ἃ ἐπὶ τὴν συγγενῆ αὐτοῖς γῆν κατάγει τὸν θησαυρίζοντα αὐτὰ ἐπὶ τῆς γῆς, καὶ μὴ θησαυρίζοντα ἐν οὐρανῷ.a Πάλιν ἐπὶ τὰ συγγενῆ τοῖς ἔργοις χωρία τὰ ἐν τῷ οὐρανῷ || ἀνάγει τὸν θησαυρίζοντα ἐν οὐρανῷ, τὸν φορέσαντα „τὴν εἰκόνα τοῦ ἐπουρανίου“ b τὰ πραττόμενα κατ̓ ἀρετήν. 3. „Καὶ ἀνήγαγεν νεφέλας ἐξ ἐσχάτου τῆς γῆς.“ c Τοῦτο τὸ ῥητὸν πρώην καὶ ἐν τῷ Ψαλμῷ ἐνέπεσεν, d καὶ ἐλέγομεν, πῶς ὁ θεὸς „ἀνήγαγεν νεφέλας ἐξ ἐσχάτου τῆς γῆς“. Ἅπερ χρεία ἐστὶν ἐπαναλαβεῖν, τοῖς μὲν εἰδόσιν εἰς ἐπι τράνωσιν καὶ ὑπόμνησιν τῶν εἰρημένων, τοῖς δὲ ἐπιλαθομένοις ἢ μὴ παρα τετυχηκόσιν εἰς σαφήνειαν τούτου, εἴτε ἀποκαλυπτομένου καὶ φανεροῦ γε νομένου εἴτε ὁπώσποτε νοουμένου. λέγομεν δὲ τοὺς ἁγίους εἶναι νεφέλας. Τὸ γὰρ „ἡ ἀλήθειά σου ἕως τῶν νεφελῶν“ e οὐ δύναται ἀναφέρε σθαι ἐπὶ τὰς ἀψύχους νεφέλας· ἀλλὰ ἡ ἀλήθεια τοῦ θεοῦ ἕως τῶν νεφελῶν ἐστιν, αἵτινες ἀκούουσιν ἐντολῆς θεοῦ καὶ οἴδασιν, ποῦ ἐκπέμπωσιν ὑετὸν καὶ ἀπὸ τίνων κωλύσωσιν· ὡς οὐσῶν γὰρ νεφελῶν, αἷς ἐντέλλεται ὁ θεὸς μὴ βρέχειν ἢ βρέχειν, γέγραπται· „Ταῖς νεφέλαις ἐντελοῦμαι τοῦ μὴ βρέξαι ἐπ̓ αὐτὸν ὑετὸν.“ f Ἐπὶ μὲν οὖν τούτων νεφελῶν, ἐὰν μὴ ὑετὸς ᾖ, οὐκ ἐντέλλεται ὁ θεὸς ταῖς νεφέλαις τοῦ μὴ βρέχειν ἐπὶ τὸν ἀμπελῶνα ἢ τὴν χώραν ὑετόν, ἀλλ̓ ὅλως οὐ φαίνεται νεφέλη, ὡς ἐν τῇ τρί τῶν Βασιλει ῶν γέγραπται· ὅπου παρὰ τὸν καιρὸν τῆς ἀβροχίας νεφέλη οὐκ ἐφαίνετο, ἡνίκα δὲ κατὰ τὸν λόγον τῆς προφητείας τοῦ | Ἠλίου ἔμελλεν ὁ ὑετὸς γίνε σθαι, ἴχνος ἐφάνη νεφέλης „ὡς ἴχνος ἀνδρὸς“ g καὶ ἐγένετο νεφέλη ποιοῦσα τὸν ὑετόν. Ὡς δὲ ὑπαρχουσῶν μὲν τῶν νεφελῶν, κελευομένων δὲ μὴ ὕειν ὅταν ἀξία ἡ ψυχὴ τοῦ ὑετοῦ τυγχάνῃ, λέγεται τὸ „Ταῖς νεφέλαις a
Mt. 6,19f. b1 Kor. 15,49 1 Kön. 18,44
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12 ἐλέγομεν Kl mit H (diximus) 14 ἀψύχους Scorr. ἀψύχως S* 4 ἐπὶ Scorr. ἐπει S* 15 ἐκπέμπωσιν Kl ἐκπέμπουσιν S 18 τῶν Kl 20 τρίτῃ Co 21 ὅπου Kl ὁ τὸν S 25 ἀναξία Co H (indigna) 25 τυγχάνῃ Co τυγχάν S 256 Ebenso Origenes, orat. 26,6 (GCS Orig. 2, 362f.): „Denn jemand, der sündigt, ist Erde,
wo immer er auch ist, und wird, wenn er nicht umkehrt, zu der ihm verwandten Erde werden (vgl. Gen. 3,19). Wer aber den Willen Gottes tut und den heilbringenden geistigen Gesetzen Folge leistet, ist Himmel.“ Übersetzung: von Stritzky, OWD 21, 211. Auch Tertullian, orat. 4,1 (CChr.SL 1, 259), weist darauf hin, dass „wir aufgrund einer bildlichen Deutung des Geistes und des Fleisches Himmel und Erde sind“. Übersetzung: Schleyer, FC 76, 227. 257 Vgl. dazu unten in Hier. frg. 22 (GCS Orig. 32, 208f.), ferner in Lev. hom. 16,2 (GCS Orig. 6, 495f.). 258 Vgl. sel. in Ps. 134,7 (PG 12, 1653): „Die Wolke ist die vernünftige Natur, der die Worte über die Vorsehung anvertraut worden sind.“ Zum Zitat von Ps. 134(135),7 siehe Koetschau, Bibelcitate 327f. – Zur Datierung siehe oben S. 6.
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Himmel bist du und zum Himmel wirst du zurückkehren?256 Nun, jeder von uns hat himmlische und irdische Werke vorzuweisen. Irdisch sind die Werke, die denjenigen zu der mit ihnen verwandten Erde hinabführen, der Schätze auf Erden sammelt, aber keine im Himmel.a Zu den mit den Werken verwandten Gefilden im Himmel hingegen führen die gemäß der Tugend vollbrachten Taten denjenigen hinauf, der Schätze im Himmel sammelt, der „das Bild des Himmlischen“ an sich trägt.b257 3. „Und er ließ Wolken aufsteigen vom Ende der Erde.“ c Diese Aussage kam neulich auch im Psalm vor,d und wir besprachen, wie Gott „Wolken vom Ende der Erde aufsteigen ließ“.258 Diese Erklärung muss wieder aufgegriffen werden, und zwar für die, die sie noch wissen, zur Klärung259 und Einprägung des Gesagten, für die aber, die sie vergessen haben oder die nicht da waren, zur Erläuterung, sei es, dass die Aussage enthüllt und klar wird, sei es, dass sie irgendwie verstanden wird.260 Wir sagten, dass die Heiligen Wolken sind.261 Denn die Aussage: „Deine Wahrheit reicht bis zu den Wolken“ e kann nicht auf die unbeseelten Wolken bezogen werden.Vielmehr reicht die Wahrheit Gottes bis zu denjenigen Wolken, die auf Gottes Gebot hören und wissen, wo sie den Regen ausgießen und vor wem sie ihn zurückhalten sollen. Denn weil es gleichsam Wolken gibt, denen Gott befiehlt, keinen Regen zu spenden oder Regen zu spenden, steht geschrieben: „Den Wolken w erde ich befehlen, ihm keinen Regen zu spenden.“ f Wenn es nun bei diesen Wolken keinen Regen gibt, dann nicht, weil Gott den Wolken verbietet, dem Weinberg oder dem Land Regen zu spenden, sondern weil überhaupt keine Wolke erscheint, wie im dritten Buch der Königtümer geschrieben steht: Als zur Zeit der Dürre keine Wolke erschien, aber nach dem Wort der Prophezeiung Elijas der Regen kommen sollte, erschien die Spur einer Wolke „wie die Spur eines Mannes“ g und wurde zu einer Wolke, die den Regen brachte. Wenn aber die Wolken zwar gleichsam da sind, ihnen aber befohlen wird, keinen Regen zu spenden, solange die Seele des Regens unwürdig ist, wird gesagt:
259 Der Begriff ἐπιτράνωσις ist ein Neologismus des Origenes, auf den er nicht explizit
hinweist: Perrone, Approximations origéniennes 369 Anm. 19
260 Das Folgende zählt Hanson, Allegory and Event 247, zu den Fällen, in denen Orige-
nes eine Allegorie konstruiert, obwohl der Text nicht übertragen gemeint ist. Doch: Einen Wettergott im buchstäblichen Sinn, wie er in diesem biblischen Satz beschrieben wird, kann Origenes sich in seinem philosophisch aufgeklärten Weltbild nicht vorstellen. Er ist daher gleichsam genötigt, nach dem eigentlichen Sinn einer solchen Aussage zu suchen, der nicht auf der Ebene der wörtlichen Bedeutung liegen kann. 261 Zur Deutung der Heiligen, ebenso der Propheten und Apostel, als Wolken vgl. in Lev. hom. 16,2 (GCS Orig. 6, 495); in Ps. 36 hom. 3,10 (GCS Orig. 13, 151); in Cant. comm. III 14,24f. (OWD 9/1, 388); III 15(IV 1),16 (9/1, 398); frg. in 1 Thess. 4,16f. (Opere di Origene 14/4, 384).
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ἐντελοῦμαι τοῦ μὴ βρέξαι ἐπ̓ αὐτὸν ὑετόν“.a || Οὐκοῦν ἕκαστος τῶν ἁγίων νεφέλη ἐστίν. Μωσῆς νεφέλη ἦν καὶ ὡς νεφέλη ἔλεγεν· „Πρόσεχε, οὐρανέ, καὶ λαλήσω· καὶ ἀκουέτω γῆ ῥήματα στόματός μου. Προσδοκάσθω ὡς ὑετὸς τὸ ἀπόφθεγμά μου“ „καὶ καταβήτω ὡς δρόσος τὰ ῥήματά μου.“ Ὡς νεφέλη λέγει· „Ὡσεὶ ὄμβρος ἐπ̓ ἄγρωστιν, καὶ ὡσεὶ νιφετὸς ἐπὶ χόρτον· ὅτι ὄνομα κυρίου ἐκάλεσα.“ b Οὕτως ὡς νεφέλη καὶ Ἡσαΐας λέγει· „Ἄκουε, οὐρανέ, καὶ ἐνωτίζου, γῆ, ὅτι κύριος ἐλάλησεν.“ c Καὶ ἐπειδήπερ καὶ αὐτὸς ἦν νεφέλη, ἔλεγεν δὲ νεφέλας τοὺς συμπροφητεύοντας αὐτῷ, φησὶν προφη τεύων· „Ταῖς νεφέλαις ἐντελοῦμαι τοῦ μὴ βρέξαι εἰς αὐτὸν ὑετόν.“ d 4. Εἰ δὲ νενόηται ἡμῖν, τίνες εἰσὶν αἱ νεφέλαι, ἴδωμεν πῶς ὁ θεὸς „ἀνά γων“ ἐστὶν „νεφέλας ἐξ ἐσχάτου τῆς γῆς“. e Πῶς ἀπ̓ „ἐσχάτου τῆς γῆς“; Φησὶν ὁ σωτήρ· „Ὁ θέλων ἐν ὑμῖν εἶναι πρῶτος ἔσται πάντων ἔσχατος.“ f Ἐτήρησεν ταύτην τὴν ἐντολὴν Παῦλος, καὶ ἦν ἔσχατος ἐν τούτῳ τῷ κό σμῳ. Διό φησιν· „Δοκῶ γάρ, ὁ θεὸς ἡμᾶς τοὺς ἀποστόλους ἐσχάτους ἀπέδειξεν, ὡς ἐπιθανατίους, ὅτι θέατρον ἐγενήθημεν τῷ κόσμῳ καὶ ἀγ γέλοις καὶ ἀνθρώποις.“ g Εἴ τις οὖν ἐστιν τηρῶν τὴν τοῦ σωτῆρος ἐντολὴν καὶ γενόμενος ἔσχατος ὡς πρὸς τὸν βίον τοῦτον, οὗτος γίνεται νεφέλη. Καὶ ἀνάγει νεφέλας ὁ θεὸς οὐκ ἀπὸ τῶν πρώτων τῆς γῆς, οὐκ ἀπὸ ὑπατικῶν ἀνάγει νεφέλας, οὐκ ἀπὸ ἡγουμένων ἀνάγει νεφέλας, οὐκ ἀπὸ πλουσίων· „μακάριοι“ γὰρ „οἱ πτωχοί, ὅτι ὑμετέρα ἐστὶν ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ“. h Ὁρᾷς πῶς ἀπὸ τῶν ἐσχάτων ἀνάγει ὁ θεὸς καὶ σωματοποιεῖ τὰς νεφέλας; Διὰ τοῦτο εἰ βουλόμεθα γενέσθαι νεφέλαι, ἐφ̓ ἃς φθάνει ἡ ἀλήθεια τοῦ θεοῦ, i ἔσχατοι πάντων γενώμεθα καὶ εἴπωμεν ἔργοις καὶ διαθέσει τὸ „δοκῶ γάρ, ὁ θεὸς ἡμᾶς τοὺς ἀποστόλους ἐσχάτους ἀπέδειξεν“. j Κἂν μὴ ἀπόστο λος ὦ, ἔξεστί μοι γενέσθαι ἐσχάτῳ, ἵνα ὁ θεὸς „ἀνάγων νεφέλας“ || ἀπ̓ „ἐσχάτου τῆς γῆς“ ἀναγάγῃ με. „Καὶ ἀστραπὰς εἰς ὑετὸν ἐποίησεν.“ k Λέγουσιν οἱ περὶ ταῦτα δεινοί, ὅτι ἡ γένεσις τῶν ἀστραπῶν ἀπὸ τῶν νεφελῶν γίνεται ἀλλήλαις προστρι βομένων· ὅπερ γὰρ συμβαίνει περὶ τοὺς πυροβόλους λίθους ἐπὶ γῆς, ἵνα δύο λίθων προσκρουσάντων πῦρ γενηθῇ, τοῦτο γίνεσθαι καὶ ἐπὶ τῶν νε a
Jes. 5,6 bDtn. 32,1–3 1 Kor. 4,9 hLk. 6,20
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Jes. 1,2 dJes. 5,6 ePs. 134(135),7 (vgl. Jer. 10,13) Ps. 35(36),6 j 1 Kor. 4,9 kJer. 10,13
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1 ἐντελοῦμαι Co ἐντελλοῦμαι S 4–5 εἰ – μου1 Kl mit H (si non fuisset nubes, numquam dixisset: Exspectentur ut pluuia uerba mea) 25–26 ἀπόστολος ὦ V2 Kl mit H (sim apostolus) ἀποστόλους ὧ S 262 Der Apostel Paulus ist für Origenes das Vorbild im Streben nach Demut, zu dem er
hier aufruft: Völker, Vollkommenheitsideal 61. Vgl. auch in Matth. comm. XIII 16 (GCS Orig. 10, 219–222), ferner Hieronymus, in Hier. II 89,4 (CChr.SL 74, 106). 263 Origenes zieht des öfteren naturwissenschaftliches Wissen (im Sinne der Antike) heran, um den Bibeltext zu erklären: in Ioh. comm. XIII 18,113 (GCS Orig. 4, 243),
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„Den Wolken werde ich befehlen, ihm keinen Regen zu spenden.“a Jeder der Heiligen ist also eine Wolke. Mose war eine Wolke und als Wolke sagte er: „Gib acht, Himmel, und ich werde reden! Auch die Erde soll die Worte meines Mundes hören, wie Regen soll sie meinen Spruch erwarten“ – – „und wie Tau sollen meine Worte herabkommen.“ Als Wolke sagt er: „Wie ein Regenguss auf das Land und wie ein Schneesturm auf die Weide. Denn ich habe den Namen des Herrn ausgerufen.“ b Ebenfalls als Wolke sagt auch Jesaja: „Höre, Himmel, und horche auf, Erde, denn der Herr hat gesprochen!“ c Und weil er auch selbst eine Wolke war, sprach er zu den Wolken, die zusammen mit ihm prophetisch tätig waren; er sagt prophetisch: „Den Wolken werde ich befehlen, ihm keinen Regen zu spenden.“ d 4. Wenn wir aber verstanden haben, wer die Wolken sind, wollen wir sehen, wie Gott „Wolken vom Ende der Erde aufsteigen“ lässt.e Was bedeutet „vom Ende der Erde“? Der Erlöser sagt: „Wer unter euch der Erste sein will, soll von allen der Letzte sein.“ f Paulus hat dieses Gebot beachtet: Er war der Letzte in dieser Welt. Deshalb sagt er: „Mir scheint nämlich, Gott hat uns Apostel zu Letzten gemacht, wie Todgeweihte, weil wir der Welt, den Engeln und den Menschen ein Schauspiel geworden sind.“ g Wenn einer nun das Gebot des Erlösers beachtet und, was dieses Leben hier betrifft, zu einem Letzten wird, wird dieser eine Wolke. Und Gott lässt Wolken nicht von den Ersten der Erde aufsteigen, nicht von Konsuln lässt er Wolken aufsteigen, nicht von Statthaltern lässt er Wolken aufsteigen, nicht von Reichen; denn „selig sind die Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“.h Siehst du, wie Gott die Wolken von den Letzten her aufsteigen und sie Gestalt annehmen lässt? Wenn wir daher Wolken werden wollen, zu denen die Wahrheit Gottes gelangt,i lasst uns die Letzten von allen sein und in unseren Werken und unserer Einstellung sagen: „Mir scheint nämlich, Gott hat uns Apostel zu Letzten gemacht.“ j262 Auch wenn ich kein Apostel bin, ist es mir möglich, Letzter zu werden, damit Gott, wenn er „Wolken vom Ende der Erde aufsteigen“ lässt, mich aufsteigen lässt. „Und er machte Blitze zu Regen.“ k Die Leute, die sich auf diesem Gebiet auskennen,263 sagen, dass die Blitze aus den Wolken entstehen, wenn diese sich aneinander reiben.Wie es sich nämlich bei den Feuersteinen auf der Erde verhält, dass Feuer entsteht, wenn zwei Steine zusammenstoßen, so funktioeingeleitet mit derselben Wendung; XIII 61,429 (4, 293); Cels. I 24 (GCS Orig. 1, 74); I 25 (1, 76); in Ps. 36 hom. 2,4 (GCS Orig. 13, 132); in Ps. 67 hom. 1,7 (13, 381). Für die Information hier vgl. die epikureischen Quellen Lukrez VI 160–163 und Diogenes Laërtios X 99–104, doch hat Origenes die Blitzentstehungstheorie wohl einer stoischen doxographischen Schrift entnommen: Neuschäfer, Origenes als Philologe 188f., mit Verweis auf Seneca, nat. quaest. II 22; Plinius, nat. hist. II 213; Aëtios III 3,4 (p. 367–371 Diels); Suda Π 1179 (p. 100 Adler).
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φελῶν φασιν. Προσκρουομένων τῶν νεφελῶν κατὰ τοὺς χειμῶνας γίνεται ἡ ἀστραπή· διὸ ὡς ἐπίπαν ἡ ἀστραπὴ ἅμα βροντῇ γίνεται, τῆς μὲν βροντῆς ἐμφαινούσης τὸν ἦχον τοῦ συγκρουσμοῦ τῶν νεφελῶν, τῆς δὲ ἀστραπῆς γεννώσης τὸ φῶς. 5. Εἰ νενόηκας τὸ παράδειγμα, ἴδε μοι καὶ τὴν νοητὴν νεφέλην. Μωσῆς νεφέλη ἦν, Ἰησοῦς ὁ τοῦ Ναυῆ νεφέλη ἦν. Αὗται δὴ ὁμι λοῦσιν ἀλλήλαις, καὶ ἀπὸ τῶν λόγων αὐτῶν ἀστραπὴ γίνεται. Ἱερεμίας νεφέλη ἦν, Βαροὺχ νεφέλη ἦν. Διαλέγονται πρὸς ἀλλήλους, ἦλθεν ἡ ἀστρα πὴ ἀπὸ τῶν λόγων Ἱερεμίου καὶ τῶν λόγων Βαρούχ. Οὕτως εἰ δύνασαι συνάγαγε ἀπὸ τῶν γραφῶν, τίνα τρόπον ἀστραπὴ ἔρχεται. Καὶ ἐν τῇ καινῇ διαθήκῃ Παῦλος καὶ Σιλουανὸς δύο νεφέλαι ἦσαν. Ἦλθον ἐπὶ τὸ αὐτό, γέγονεν ἡ τῆς ἐπιστολῆς ἀστραπή. „Ἀστραπὰς“ οὖν ὁ θεὸς „εἰς ὑετὸν ἐποίησεν καὶ ἐξήγαγεν ἀνέμους ἐκ θησαυρῶν αὐτοῦ.“a Ἆρα οὖν οὗτοι οἱ ἄνεμοι ἐν θησαυροῖς εἰσιν; Ἢ οὐχὶ φαίνεται ἡ τούτων φύσις πνεόντων ἐπὶ γῆς τίνα τρόπον ὑφίσταται; Ἀλλ̓ εἰσί τινες ἀνέμων θησαυροί, πνευμάτων θησαυροί, „πνεῦμα σοφίας καὶ συνέσεως, πνεῦμα βουλῆς καὶ ἰσχύος, πνεῦμα γνώσεως καὶ εὐσεβείας, πνεῦμα φόβου θεοῦ“, b „πνεῦμα δυνάμεως καὶ ἀγάπης καὶ σωφρονισμοῦ“. c Καὶ δύνασαι αὐτὸς ἀπὸ τῶν γραφῶν συναγαγεῖν τοὺς ἀνέμους τούτους. Τὰ πνεύματα || ταῦτα ἐν θησαυροῖς ἐστιν· οἱ θησαυροὶ τίνες εἰσίν; „Ἐν ᾧ εἰσιν οἱ θησαυροὶ τῆς σοφίας καὶ γνώσεως ἀπόκρυφοι;“ d Οὗτοι οἱ θησαυροὶ ἐν Χριστῷ εἰσιν. Ἐκεῖθεν οὖν ἔρχονται οἱ ἄνεμοι οὗτοι, τὰ πνεύματα ταῦτα, ἵν̓ ὁ μέν τις ᾖ σοφός, ὁ δέ τις πιστός, ὁ δέ τις ᾖ ἔχων γνῶσιν, ὁ δέ τις ὁτιποτοῦν ἀναλαβὼν χάρισμα θεοῦ· „ᾧ μὲν γὰρ διὰ τοῦ πνεύματος δίδοται λόγος σοφίας, ἄλλῳ δὲ λόγος γνώσεως κατὰ τὸ αὐτὸ πνεῦμα, ἑτέρῳ πίστις ἐν τῷ αὐτῷ πνεύματι.“ e 6. „Ἀνήγαγεν“ οὖν „νεφέλας ἐξ ἐσχάτου τῆς γῆς, καὶ ἀστραπὰς εἰς ὑετὸν ἐποίησεν, καὶ ἐξήγαγεν ἀνέμους ἐκ θησαυρῶν αὐτοῦ.“ f Καὶ ἡμεῖς διὰ τὸν θεὸν ἐπὶ τοὺς θησαυροὺς τούτους ἐλπίζομεν καταντή|σεσθαι. Καὶ εἰσίν τινες πολλοὶ θησαυροί, τάχα κατὰ τάγματα τῶν ἀνισταμένων ἔσονται a
Ps. 134(135),7 (vgl. Jer. 10,13) 134(135),7 (vgl. Jer. 10,13)
b
Jes. 11,2f.
13 ἆρα οὖν Kl mit H (ergone) ὅρα οὖν S
c
2 Tim. 1,7
d
13 ἢ Co ἠ S
Kol. 2,3
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1 Kor. 12,8f.
f
Ps.
28 ἐπεὶ Kl mit H (quia)
264 Der Erste Thessalonicherbrief ist von Paulus und Silvanus (und Timotheus) verfasst: 1
Thess. 1,1; der Zweite Thessalonicherbrief ist ebenso gestaltet: 2 Thess. 1,1. In 1 Petr. 5,12 erscheint allerdings ein Silvanus als Sekretär oder Bote des Petrus. 265 In Jer. 10,13 ist nicht von „Winden“, sondern von „Licht“ die Rede. Origenes zitiert die Parallelfassung in Ps. 134(135),7, auf die er sich auch schon oben bezogen hat. Weil er seine frühere Auslegung dieses Psalmverses in dieser Predigt wiederholt, hat er gleichsam die Psalmfassung des ansonsten identischen Satzes im Kopf, gibt sie aus-
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niert es auch bei den Wolken, sagen sie.Wenn die Wolken während der Stürme zusammenstoßen, entsteht der Blitz. Deswegen entsteht der Blitz gewöhnlich zusammen mit dem Donner: Der Donner markiert den Widerhall des Zusammenstoßes der Wolken, der Blitz bringt das Licht hervor. 5. Wenn du das Beispiel verstanden hast, betrachte mir auch die geistige Wolke. Mose war eine Wolke, Josua, der Sohn Nuns, war eine Wolke. Diese also unterhalten sich miteinander, und aus ihren Worten entsteht ein Blitz. Jeremia war eine Wolke, Baruch war eine Wolke. Sie führen ein Gespräch miteinander: Der Blitz kam aus den Worten des Jeremia und den Worten des Baruch. So trage, wenn du kannst, aus den Schriften zusammen, wie es zum Blitz kommt. Auch im Neuen Testament waren Paulus und Silvanus zwei Wolken. Sie trafen sich, es entstand der Blitz des Briefes.264 „Blitze“ also „machte“ Gott „zu Regen und entließ Winde265 aus seinen Vorratskammern.“a Befinden sich diese Winde also in den Vorratskammern? Oder wird nicht klar sichtbar, worin die Natur dieser Dinge, die auf Erden wehen, besteht? Es gibt allerdings manche Vorratskammern an Winden,Vorratskammern an Geistern, „den Geist der Weisheit und der Einsicht, den Geist des Rates und der Stärke, den Geist der Erkenntnis und der Frömmigkeit, den Geist der Gottesfurcht“,b266 „den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“.c Auch du selbst kannst aus den Schriften diese Winde zusammentragen. Diese Geister befinden sich in den Vorratskammern.Was sind die Vorratskammern? „In wem sind die Vorratskammern der Weisheit und der Erkenntnis verborgen?“ d267 Diese Vorratskammern befinden sich in Christus. Von dort also kommen diese Winde, diese Geister, auf dass der eine weise ist, der andere gläubig, der nächste über Erkenntnis verfügt und wieder ein anderer diese oder jene Gnadengabe Gottes empfängt: „Dem einen wird nämlich durch den Geist ein Wort der Weisheit geschenkt, dem anderen aber ein Wort der Erkenntnis nach dem gleichen Geist, wieder einem anderen Glaube in dem gleichen Geist.“ e268 6. „Er ließ“ also „Wolken aufsteigen vom Ende der Erde, machte Blitze zu Regen und entließ Winde aus seinen Vorratskammern.“ f Auch wir hoffen durch Gott zu diesen Vorratskammern zu gelangen. Und es zahlreiche Vorratskammern gibt, wird es vielleicht entsprechend der Ordnung der Auf-
wendig wieder – offenbar ohne einen Blick in den vor ihm liegenden Jeremiatext zu werfen – und erklärt sie. 266 Zu dieser Bibelstelle bei Origenes siehe Fürst/Hengstermann, OWD 10, 36–45, zu in Is. hom. 3 (GCS Orig. 8, 253–257). 267 Auch Hieronymus, in Hier. II 89,5 (CChr.SL 74, 106), erklärt Jer. 10,13 mit Hilfe von Kol. 2,3. 268 Die Kombination dieser Bibelstelle mit Jes. 11,2f. findet sich schon bei Justin, dial. 39,2 (PTS 47, 134f.).
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ἀναπαύσεις ἐν τοῖς θησαυροῖς τοῦ θεοῦ. Ὃ δὲ λέγω τοιοῦτόν ἐστιν. Ἡ ἀνάστασις τῶν νεκρῶν ἐν τάγμασίν τισιν γίνεται· φησὶ γὰρ ὁ ἀπόστολος· „ἕκαστος δὲ ἐν τῷ ἰδίῳ τάγματι“.a Καὶ ἐπεὶ μὴ ὡς ἔτυχεν συμφύρεται τὰ τάγματα, τόδε τὸ τάγμα ἔσται ἔν τινι θησαυρῷ θεοῦ καὶ τόδε τὸ τάγμα ἐν ἑτέρῳ θησαυρῷ θεοῦ καὶ τρίτον ἕτερον τάγμα ἔσται ἐν ἄλλῳ θησαυρῷ. Οὗτοι μέντοιγε πάντες οἱ θησαυροὶ ἕνα ἔχουσιν θησαυρόν, ἐν ᾧ κατοικοῦ σιν. Διὸ παρὰ τῷ Παύλῳ λέλεκται· „Ἐν ᾧ εἰσιν οἱ θησαυροὶ καὶ τῆς σοφίας καὶ τῆς γνώσεως ἀπόκρυφοι.“ b Καὶ ὥσπερ κτῶμαι τὸν „ἕνα πολύτιμον μαργαρίτην“ c διὰ τῶν πολλῶν μαργαριτῶν, οὕτως ἔρχομαι ἐπὶ τὸν θησαυ ρὸν τῶν θησαυρῶν, τὸν κύριον τῶν κυρίων, τὸν βασιλέα τῶν βασιλέων, d ἐπὰν γένωμαι ἄξιος τῶν πνευμάτων τῶν ἀπὸ θησαυρῶν τοῦ θεοῦ· „ἐξήγα γεν“ γὰρ „ἀνέμους ἐκ θησαυρῶν αὐτοῦ“. e 7. „Ἐμωράν||θη πᾶς ἄνθρωπος ἀπὸ γνώσεως.“ f Εἰ πᾶς ἄνθρωπος ἐμω ράνθη ἀπὸ γνώσεως, καὶ Παῦλός ἐστιν ἄνθρωπος, Παῦλος ἐμωράνθη ἀπὸ γνώσεως ἐκ μέρους γινώσκων καὶ ἐκ μέρους προφητεύων, g ἐμωράνθη ἀπὸ γνώσεως δι᾽ ἐσόπτρου βλέπων, ἐν αἰνίγματι βλέπων, h πολλοστημόριον καί, εἰ ἔστιν εἰπεῖν, ἀπειροστημόριον βλέπων καὶ καταλαμβάνων τῶν πραγ μάτων. Ἐκ τοῦ ἐναντίου δὲ νοήσεις τὸ „ἐμωράνθη πᾶς ἄνθρωπος ἀπὸ γνώσεως“. i Ἔστιν ἁμαρτήματα τῆς Ἱερουσαλήμ, ἁμαρτήματα καὶ Σοδό μων, ἀλλὰ συγκρίσει τῶν χειρόνων ἁμαρτημάτων τῆς Ἱερουσαλὴμ δικαιο σύνη ἐστὶν τὰ Σοδόμων ἁμαρτήματα· ἐδικαιώθη γάρ φησι Σόδομα ἐκ σοῦ. j Ὥσπερ οὖν οὐχὶ δικαιοσύνη τὰ Σοδόμων ἁμαρτήματα ἀλλὰ ἀδικία, ὡς πρὸς τὴν πλείονα ἀδικίαν δικαιοσύνη ἐστίν, οὕτως ἐκ τοῦ ἐναντίου a
1 Kor. 15,23 bKol. 2,3 cMt. 13,46 dOffb. 17,14; 19,16 10,13) f Jer. 10,14 g1 Kor. 13,9 h1 Kor. 13,12 i Jer. 10,14 3 συμφύρεται Del H (miscentur) συμφέρεται S
e j
Ps. 134(135),7 (vgl. Jer. Ez. 16,51.53
23 δὲ Co H (sed)
269 Zu den verschiedenen, sich dynamisch ständig fortentwickelnden Ordnungen der
Auferstandenen vgl. Origenes, princ. II 10,2 (GCS Orig. 5, 174f.); II 11,6f. (5, 189– 192); in Num. hom. 17,2–4 (GCS Orig. 7, 155–164); res. II frg. bei Pamphilus, apol. Orig. 134 (SC 464, 216); in Rom. comm. II 5,6 (SC 532, 310–312). Siehe dazu Fürst/ Hengstermann, OWD 10, 10. 270 Zu diesem Begriff siehe oben S. 200 Anm. 187. 271 Das aus der platonischen Philosophie stammende dynamische Verhältnis zwischen Einheit und Vielheit bildet die Grundstruktur der Heilsmetaphysik des Origenes, an der alle einzelnen Akte orientiert sind. Das betonte εἷς μαργαρίτης in Mt. 13,46 fällt ihm daher ebenso auf wie beispielsweise die Junktur ἄνθρωπος εἷς bzw. uir unus in 1 Sam. 1,1 in der Übersetzung Aquilas (I p. 487 Field) und des Hieronymus (in der Vulgata: p. 366 Weber/Gryson), an die er eine eingehende Reflexion über die Einheit hängt: in Regn. hom. lat. 4 (GCS Orig. 8, 5–7). Hinter sämtlichen Überlegungen in der vorliegenden Predigt, angefangen von den „Epinoiai“ Christi bis hin zu den diversen „Vorratskammern“ und „Geistern“, steht diese Denkfigur des metaphysisch-ethischen Einheitsdenkens. Siehe dazu Fürst, OWD 7, 31–59.
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erstandenen269 Ruheplätze270 in den Vorratskammern Gottes geben. Ich meine damit Folgendes: Die Auferstehung der Toten erfolgt in bestimmten Ordnungen, denn der Apostel sagt: „jeder aber in der ihm eigenen Ordnung“.a Und da die Ordnungen nicht aufs Geratewohl gemischt sind, wird die eine Ordnung in der einen Vorratskammer Gottes sein, die andere Ordnung in einer anderen Vorratskammer Gottes, und eine dritte weitere Ordnung wird in einer anderen Vorratskammer sein. Alle diese Vorratskammern haben aber gleichwohl eine einzige Vorratskammer, in der sie ihre Bleibe haben. Deswegen ist bei Paulus gesagt: „In dem die Vorratskammern der Weisheit wie der Erkenntnis verborgen sind.“ b Und wie ich die „eine besonders wertvolle Perle“ c durch die vielen Perlen erwerbe,271 so gelange ich zur Vorratskammer der Vorratskammern, zum Herrn der Herren, zum König der Könige,d wenn ich der Geister aus den Vorratskammern Gottes würdig werde. Denn „er entließ Winde aus seinen Vorratskammern.“ e 7. „Töricht geworden ist jeder Mensch infolge von Erkenntnis.“ f Wenn jeder Mensch infolge von Erkenntnis töricht geworden ist und Paulus ein Mensch ist, ist Paulus infolge von Erkenntnis töricht geworden, da er teilweise erkennt und teilweise prophezeit,g ist er infolge von Erkenntnis töricht geworden, da er durch einen Spiegel schaut, in rätselhafter Erscheinung schaut h und von den Dingen nur einen ganz kleinen Teil und, wenn man es so ausdrücken kann,272 einen unendlich kleinen Teil schaut und erfasst. Vom Gegenteil her wirst du aber die Aussage verstehen: „Töricht geworden ist jeder Mensch infolge von Erkenntnis.“ i Es gibt Sünden Jerusalems und Sünden Sodoms, doch im Vergleich mit den schlimmeren Sünden Jerusalems sind die Sünden Sodoms Gerechtigkeit, denn für gerecht befunden, heißt es, wurde Sodom, geht man von dir aus.j273 Wie also die Sünden Sodoms nicht Gerechtigkeit, sondern Unrecht, im Blick auf größeres Unrecht Gerechtigkeit sind, so ist umgekehrt die Erkenntnis,274 sogar die Erkenntnis, über 272 Zu solchen Neologismen des Origenes, hier das Wort ἀπειροστημόριον, siehe oben
S. 122 Anm. 37.
273 Der Satz ist kein wörtliches Zitat, findet sich als solches allerdings bei Origenes, in
Matth. comm. ser. 76 (GCS Orig. 11, 177): Et quod dicit Ezechiel ad Jerusalem: „iustificata est magis Sodoma ex te“. Vgl. auch Const. apost. II 60,1 (SC 320, 326). 274 Hieronymus hat in seiner Übersetzung dieses erstmalige γνῶσις weggelassen, „vielleicht mit Recht“, wie Klostermann, GCS Orig. 3, 61 app. crit., meint, denn das ergibt einen flüssigeren Satz. Doch ergibt der Text, wie er vorliegt, einen guten Sinn: Origenes hebt betont hervor, dass generell jede menschliche Erkenntnis, sogar eine Erkenntnis wie die, über die Paulus verfügt, im Vergleich zur vollkommenen Erkenntnis im Himmel Torheit ist. Der ganze Abschnitt ist ein Musterbeispiel für das relationale Denken des Origenes, der nicht in Gegensätzen denkt, die sich ausschließen, sondern in Antithesen und Relationen, die sich je nach Bezugspunkt verschieben. Siehe dazu Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, 654; Völker, Vollkommenheitsideal 132; Gruber, ΖΩΗ 73–79 (zur vorliegenden Stelle ebd. 74).
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γνῶσις, ἡ οὖσα Παύλῳ γνῶσις, ὡς πρὸς τὴν γνῶσιν ἐκείνην τὴν οὖσαν ἐν τοῖς οὐρανοῖς, ὡς πρὸς τὴν τελείαν γνῶσιν μωρία ἐστίν. Διὰ τοῦτο „ἐμω ράνθη πᾶς ἄνθρωπος ἀπὸ γνώσεως“.a Τοιοῦτόν τι οἶμαι καταλαμβάνων ὁ Ἐκκλησιαστὴς ἔλεγεν· „Εἶπα· σοφισθήσομαι· καὶ αὐτὴ ἐμακρύνθη ἀπ̓ ἐμοῦ μακρὰν ὑπὲρ ὃ ἦν, καὶ βαθὺ βάθος, τίς εὑρήσει αὐτό;“ b 8. Μέλλει τι ἐπιτολμᾶν ὁ λόγος καὶ λέγειν, ὅτι τὸ ἐπιδημῆσαν τῷ βίῳ ἐκένωσεν ἑαυτό, c ἵνα τῷ κενώματι αὐτοῦ πληρωθῇ ὁ κόσ|μος. Εἰ δὲ ἐκένω σεν ἐκεῖνο τὸ ἐπιδημῆσαν τῷ βίῳ, αὐτὸ ἐκεῖνο τὸ κένωμα σοφία ἦν· „ὅτι τὸ μωρὸν τοῦ θεοῦ σοφώτερον τῶν ἀνθρώπων ἐστίν“. d Εἰ ἐγὼ εἰρήκειν „τὸ μωρὸν τοῦ θεοῦ“, πῶς ἂν οἱ φιλαίτιοι εκάλεσάν μοι; πῶς ἂν ἐμέμψαντό μοι; πῶς ἂν χιλίων μὲν εἰρημένων τῶν νομιζομένων καὶ αὐτοῖς καλῶν, τούτου δὲ ὡς οἴονται οὐ || καλῶς εἰρημένου κατηγορήθην, διότι εἶπον τὸ μωρὸν τοῦ θεοῦ; Νυνὶ δὲ Παῦλος ὡς σοφὸς καὶ ἐξουσίαν ἔχων ἀποστολικὴν ἐτόλμησεν εἰπεῖν πᾶσαν τὴν ἐπὶ γῆς σοφίαν, καὶ τὴν ἐν αὐτῷ καὶ τὴν ἐν Πέτρῳ καὶ τοῖς ἀποστόλοις, πᾶσαν τὴν ἐπιδημήσασαν τῷ κό σμῳ εἶναι „τὸ μωρὸν τοῦ θεοῦ“. Ὡς γὰρ πρὸς ἐκείνην τὴν σοφίαν, ἣν οὐ χωρεῖ ἐπὶ γῆς τόπος, ὡς πρὸς ἐκείνην τὴν σοφίαν τὴν ὑπερουράνιον, τὴν ὑπερκόσμιον, τοῦτο τὸ ἐπιδημῆσαν „μωρὸν τοῦ θεοῦ“. Ἀλλὰ τοῦτο „τὸ μωρὸν τοῦ θεοῦ σοφώτερον τῶν ἀνθρώπων ἐστίν“. e Ποίων ἀνθρώπων; Οὐ τῶν μωρῶν λέγω, ἀλλὰ σοφώτερόν ἐστι καὶ τῶν σοφῶν ἀνθρώπων· κἂν τοὺς σοφοὺς εἴπῃς τοῦ αἰῶνος τούτου εἴτε ἄρχοντας εἴτε προφήτας τῶν ἀρχόντων τοῦ αἰῶνος τούτου f „τὸ μωρὸν τοῦ θεοῦ“, ὃ διηγησάμην, „σο φώτερον τῶν ἀνθρώπων ἐστίν“. g 9. Παράδοξόν τι μέλλει λέγειν ὁ λόγος, ὅτι „ἡ σοφία τοῦ κόσμου μωρία παρὰ τῷ θεῷ ἐστιν“, h καὶ „ἐμώρανεν ὁ θεὸς τὴν σοφίαν τοῦ κόσμου“. i Ἆρα ἐν σοφίᾳ ἐμώρανεν τὴν σοφίαν τοῦ κόσμου; Καὶ δύναται χωρῆσαι τὴν σοφίαν, ἵν̓ ἐλεγχθῇ μωρὰ εἶναι, ἡ τοῦ κόσμου σοφία; Ἀγωνίζεται γὰρ ἡ a
Jer. 10,14 bKoh. 7,23f. cPhil. 2,7 1,25 h1 Kor. 3,19 i 1 Kor. 1,20
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1 Kor. 1,25
e
1 Kor. 1,25
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7 ἑαυτὸ Kl ἑαυτὸν S 8 ἑαυτὸ Kl mit H (se) 10 ἐνεκάλεσάν Kl (non) οὖν S 26 δύναται Hu H (potest) δύνασαι S
g
1 Kor.
16 οὐ Kl mit H
275 Eine ähnliche Wendung, um die Kühnheit einer Deutung zum Ausdruck zu bringen,
unten in Hier. hom. 20(19),8 (GCS Orig. 32, 190). Vgl. ferner in Ps. 15 hom. 1,5 (GCS Orig. 13, 82); in Ps. 77 hom. 4,6 (13, 396). 276 Vgl. Origenes, Cels. IV 15 (GCS Orig. 1, 284f.): „Jenes Wesen aber, das zu den Menschen herabgestiegen ist, existierte ‚in Gottes Gestalt‘, und aus Liebe zu den Menschen ‚entäußerte er sich selbst‘ (Phil. 2,6f.), um von den Menschen aufgenommen werden zu können.“ Übersetzung: Barthold, FC 50/3, 687. Durch diese Selbstentäußerung der Weisheit empfängt die Welt die Fülle der Weisheit: Fédou, Sagesse 328–330.
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die Paulus verfügt, im Blick auf jene Erkenntnis im Himmel, im Blick auf die vollkommene Erkenntnis,Torheit. Deshalb „ist jeder Mensch infolge von Erkenntnis töricht geworden“.a Etwas Ähnliches, denke ich, erfasste Kohelet, als er sagte: „Ich sprach: Ich will weise werden. Doch die Weisheit entfernte sich von mir ferner, als sie war, und das Tiefe der Tiefe: Wer wird es finden?“ b 8. Der Bibeltext möchte eine kühne Aussage machen:275 Was in das Leben einging, entäußerte sich selbst,c damit durch seine Entäußerung die Welt erfüllt werde.276 Wenn aber jenes, was in das Leben einging, entäußerte, war eben jene Entäußerung Weisheit; „denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen.“ dWenn ich vom „Törichten an Gott“ gesprochen hätte, wie sehr würden die Besserwisser über mich herfallen? Wie sehr würden sie mich beschimpfen? Wiewohl ich tausend Dinge gesagt habe, die auch sie für schön halten, wie sehr würde ich, weil sie meinen, das sei kein schöner Ausdruck, verurteilt werden, weil ich vom „Törichten an Gott“ gesprochen habe? Nun aber hat Paulus, der doch ein Weiser mit apostolischer Vollmacht ist, zu sagen gewagt, dass die ganze Weisheit auf Erden, auch seine eigene und die des Petrus und der Apostel, die ganze auf der Welt vorhandene Weisheit, „das Törichte an Gott“ ist. Denn im Blick auf jene Weisheit, die kein Ort auf Erden zu fassen vermag, im Blick auf jene überhimmlische,277 überweltliche Weisheit, ist das, was hier vorhanden ist, „das Törichte an Gott“. Aber dieses „Törichte an Gott ist weiser als die Menschen“.e Als welche Menschen? Ich spreche nicht von den Toren, sondern es ist auch weiser als die weisen Menschen. Auch wenn du unter den Weisen dieser Welt die Herrscher oder die Propheten der Herrscher dieser Welt f verstehst,278 „ist das Törichte an Gott“, das ich erklärt habe, „weiser als die Menschen“.g 9. Etwas Paradoxes will der Bibeltext sagen, dass nämlich „die Weisheit der Welt Torheit ist vor Gott“ h und dass „Gott die Weisheit der Welt zu Torheit gemacht hat“.i279 Hat er etwa in Weisheit die Weisheit der Welt zu Torheit gemacht? Und kann die Weisheit der Welt die Weisheit fassen, um der Torheit überführt zu werden? Streitet denn die Weisheit Gottes mit der Weisheit der 277 Der Ausdruck geht zurück auf Platon, Phaidr. 247 c 3. Zu seiner christlichen Verwen-
dung vor Origenes siehe Méhat, Le „Lieu supracéleste“, für Origenes etwa orat. 17,2 (GCS Orig. 2, 339); Cels. V 4 (GCS Orig. 2, 4); VI 19 (2, 89f.); VII 44 (2, 196). 278 In 1 Kor. 2,6.8 verbindet Paulus die „Weisheit dieser Welt“ mit den „Herrschern dieser Welt“, unter denen Origenes Dämonen oder heidnische Götter versteht. Bei den „Propheten der Herrscher dieser Welt“ denkt er wohl an die von Apollo inspirierte Pythia oder an die Sibylle: Cels. I 70 (GCS Orig. 1, 124); V 61 (2, 65); VII 3 (2, 154f.). Wenn man den Text mit Nautin, SC 232, 372, und Smith, FaCh 97, 83, so auffasst, also zwischen προφήτας und τῶν ἀρχόντων τοῦ αἰῶνος τούτου kein Komma setzt wie Klostermann, GCS Orig. 3, 62, der letztere Junktur als Genitiv zum folgenden Komparativ zieht, dann wird seine Überlegung, ebd. app. crit., τῶν ἀνθρώπων im Zitat sei vielleicht zu streichen, gegenstandslos. 279 Vgl. auch Hieronymus, in Hier. II 89,5 (CChr.SL 74, 106).
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σοφία τοῦ θεοῦ πρὸς τὴν σοφίαν τοῦ κόσμου, ἵνα ἐλεγχθῇ πρὸς αὐτήν; Ἀλλ̓ ὀλίγου τινὸς χρεία ἐστίν, ὅπερ ὀλίγον μωρὸν τοῦ θεοῦ ἐστιν, ἵνα τούτῳ τῷ βραχεῖ μωρῷ τοῦ θεοῦ μωρανθῇ ἡ σοφία τοῦ κόσμου καὶ ἐλεγ χθῇ. Οὐ γὰρ ἔφερεν ἡ σοφία τοῦ κόσμου τούτου τὴν σοφίαν τοῦ θεοῦ. Οἷον ἐπὶ παραδείγματος, ἵνα νοήσῃς ὅτι „τὸ μωρὸν τοῦ θεοῦ“a „ἐμώρανεν τὴν σοφίαν τοῦ κόσμου“, b δεδόσθω με ἀγωνίζεσθαι, δοκοῦντά με εἰδέναι πολλὰ καὶ πλείονα, πρός τινα ἀνόητον καὶ ἀπαίδευτον καὶ μηδὲν συνιέντα καὶ μὴ ἀγωνιζόμενον ὑπὲρ λόγων γενναίων ὁποιωνδήποτε. Ἆρα χρείαν ἔχω διαλεκτικῆς || πρὸς ἐκεῖνον ἢ θεωρημάτων βαθυτέρων, ἐὰν ᾖ μωρὰ αὐτοῦ τὰ νοήματα; Οὐχ ἑνός μοι λεξιδίου χρεία ἐστὶν ὀλίγῳ δριμυτέρου παρὰ τὴν | ἐκείνου λέξιν, ἵνα ἐλέγξαι δυνηθῶ τὴν ἐκείνου μωρίαν; Οὕτως ἵνα μωραν θῇ ἡ σοφία τοῦ κόσμου τούτου, οὐ χρεία τῆς σοφίας τοῦ θεοῦ ἀγωνιζο μένης πρὸς αὐτήν (αὐτὴ γὰρ κάτω ἐστίν), ἀλλὰ ἀρκεῖ „τὸ μωρὸν τοῦ θεοῦ“, ὅτι „τὸ μωρὸν τοῦ θεοῦ σοφώτερον τῶν ἀνθρώπων ἐστίν, καὶ τὸ ἀσθενὲς τοῦ θεοῦ ἰσχυρότερον τῶν ἀνθρώπων ἐστίν“. c Καὶ πάντα τὰ ἐναν τία ὁ σωτήρ μου καὶ κύριος ἀνείληφεν, ἵνα τοῖς ἐναντίοις λύσῃ τὰ ἐναντία, καὶ ἡμεῖς ἰσχυροποιηθῶμεν ἀπὸ τῆς ἀσθενείας Ἰησοῦ καὶ σοφισθῶμεν ἀπὸ τοῦ μωροῦ τοῦ θεοῦ καὶ εἰσαχθέντες ἐν τούτοις δυνηθῶμεν ἀναβῆναι ἐπὶ τὴν σοφίαν, ἐπὶ τὴν ἰσχὺν τοῦ θεοῦ, Χριστὸν Ἰησοῦν, „ᾧ ἐστιν ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας. Ἀμήν.“ d a
1 Kor. 1,25
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1 Kor. 1,20
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1 Kor. 1,25
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1 Petr. 4,11
2 ὅπερ S1 ὁσπερ S* 10 ὀλίγῳ Kl ὀλίγου S 13 αὐτήν Kl mit H (cum ea) αὐτόν S 13 αὐτὴ Kl H (quae) αὐτη S 20 Ἀμήν add. ὁμιλία ηʹ S
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Welt, um sie zu widerlegen? Doch braucht man nur wenig, das in seinem geringen Ausmaß das Törichte an Gott ist, um mit diesem wenigen Törichten an Gott die Weisheit der Welt zu Torheit zu machen und zu widerlegen. Denn die Weisheit dieser Welt hielt der Weisheit Gottes nicht stand. Nehmen wir ein Beispiel, damit du verstehst, dass „das Törichte an Gott“a „die Weisheit der Welt zu Torheit gemacht hat“.b Angenommen, ich, der ich viel und mehr zu wissen scheine, diskutiere mit einem, der unvernünftig und ungebildet ist, nichts versteht und nicht in der Lage ist, über irgendein anspruchsvolles Thema zu diskutieren: Werde ich etwa Dialektik280 oder tiefere Überlegungen gegen jenen brauchen, wenn seine Gedanken töricht sind? Reicht mir nicht ein einziger knapper Satz, der ein bisschen griffiger ist als das, was jener sagt, um seine Torheit widerlegen zu können? Ebenso muss, um die Weisheit dieser Welt zu Torheit zu machen, nicht die Weisheit Gottes mit ihr, die ihr ja weit unterlegen ist, streiten, sondern genügt „das Törichte an Gott“, denn „das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen.“ c Und alle Gegensätze hat mein Erlöser und Herr281 angenommen, um Gegensätzliches mit Gegensätzlichem aufzulösen,282 damit wir durch die Schwäche Jesu gestärkt und durch die Torheit Gottes weise werden und, eingeführt in diese Dinge, hinaufsteigen können zur Weisheit, zur Stärke Gottes, Christus Jesus. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in Ewigkeit. Amen!“ d
280 Siehe dazu oben S. 125 Anm. 42. 281 Zur Anrede „mein Erlöser und Herr“ oder „mein Herr und Erlöser“ vgl. unten in
Hier. hom. 15,3 (GCS Orig. 32, 127), ferner in Num. hom. 6,3 (GCS Orig. 7, 33); in Ios. hom. 1,4 (GCS Orig. 7, 291); 24,3 (7, 451). 282 Mit dieser Aussage wird Origenes zum Vorläufer der coincidentia oppositorum des Nikolaus von Kues: Schadel, BGrL 10, 280 Anm. 90.
Εἰς τὸ „ὁ λόγος ὁ γενόμενος πρὸς τὸν Ἱερεμίαν παρὰ κυρίου λέγων· Ἀκούσατε τοὺς λόγους τῆς διαθήκης ταύτης“ μέχρι τοῦ „ἐπεστράφησαν ἐπὶ τὰς ἀδικίας τῶν πατέρων αὐτῶν τῶν πρότερον“.a
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1. Κατὰ μὲν τὴν ἱστορουμένην παρουσίαν τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χρι στοῦ γέγονεν αὐτοῦ ἡ ἐπιδημία σωματικῶς καθολική τις καὶ ἐπιλάμψασα ὅλῳ τῷ κόσμῳ, ὅτε „ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο καὶ ἐσκήνωσεν ἐν ἡμῖν“· b „ἦν“ γὰρ „τὸ φῶς τὸ ἀληθινὸν ὃ φωτίζει πάντα ἄνθρωπον ἐρχόμενον εἰς τὸν κόσμον. Ἐν τῷ κόσμῳ ἦν, καὶ ὁ κόσμος δι᾽ αὐτοῦ ἐγένετο, καὶ ὁ κόσμος αὐτὸν οὐκ ἔγνω. Eἰς τὰ ἴδια ἦλθεν, καὶ οἱ ἴδιοι αὐτὸν οὐ παρέλαβον.“ c Χρὴ μέντοιγε εἰδέναι ὅτι καὶ πρότερον ἐπεδήμει, εἰ καὶ μὴ σωματικῶς, ἐν ἑκά στῳ τῶν ἁγίων, καὶ μετὰ τὴν ἐπιδημίαν αὐτοῦ ταύτην τὴν βλεπομένην πάλιν ἡμῖν ἐπιδημεῖ. Καὶ εἰ βούλει τούτων ἀπόδειξιν λαβεῖν, πρόσεχε τῷ „Ὁ λόγος ὁ γενόμενος πρὸς Ἱερεμίαν || παρὰ κυρίου λέγων· ἀκούσατε“ καὶ τὰ | ἑξῆς. d Τίς γάρ ἐστιν ὁ λόγος ὁ γενόμενος παρὰ κυρίου εἴτε πρὸς Ἱε ρεμίαν εἴτε πρὸς Ἡσαΐαν εἴτε πρὸς Ἰεζεκιὴλ εἴτε πρὸς ὁνδήποτε ὁ ἐν ἀρχῇ πρὸς τὸν θεόν; Ἐγὼ οὐκ οἶδα ἄλλον λόγον κυρίου ἢ τοῦτον, περὶ οὗ εἴρηκεν ὁ εὐαγγελιστὴς τὸ „Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος, καὶ ὁ λόγος ἦν πρὸς τὸν θεόν, καὶ θεὸς ἦν ὁ λόγος.“ e a
Jer. 11,1–10
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Joh. 1,9–11
2 λέγων Co LXX H (dicens) ἀπὸ τῶν S
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Jer. 11,1f.
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17 ἢ Lie
283 Ebenso in Is. hom. 1,5 (GCS Orig. 8, 247): „Es gibt nicht nur eine Ankunft meines
Herrn Jesus Christus, nicht nur einen Abstieg zur Erde; zu Jesaja ist er gekommen, zu Mose, zum Volk und zu jedem einzelnen Propheten … Auch wenn er bereits zurückgekehrt ist, wird er noch einmal kommen“ (Übersetzung: Fürst/Hengstermann, OWD 10, 207); in Matth. comm. ser. 28 (GCS Orig. 11, 53); in Ioh. comm. II 1,2–9 (GCS Orig. 4, 52f.). Gemäß einem altkirchlich gängigen Theologumenon (siehe die Belege bei Fürst/Hengstermann, OWD 10, 206 Anm. 28) erklärt Origenes die Theophanien im Alten Testament aufgrund der Transzendenz Gottes des Vaters als Erscheinungen des Logos, beispielsweise in Matth. comm. XII 43 (GCS Orig. 10, 167) zu Ex. 33,20, wonach kein Mensch das Antlitz Gottes sehen und am Leben bleiben kann; in Gen. frg. E 93 Metzler (OWD 1/1, 268) zu Gen. 32,24 (Jakobs Kampf mit Gott). Hanson, Allegory and Event 202, wertet dies kritisch: Für Origenes „there is
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Über: „Das Wort, das vom Herrn an Jeremia erging, lautet: Hört die Worte dieses Bundes“, bis: „Sie kehrten zu den Freveln ihrer Vorväter zurück.“a
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1. Gemäß den Geschichten von der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus war sein Kommen im Leibe gewissermaßen ein universales Ereignis, das die ganze Welt erleuchtet hat, als „das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat.“ b „Es war“ nämlich „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, das in die Welt kommt. Es war in der Welt, und die Welt ist durch es geworden, doch die Welt hat es nicht erkannt. Es kam in sein Eigentum, doch die Seinen nahmen es nicht auf.“ c Man muss allerdings wissen, dass er auch schon zuvor kam, wenn auch nicht im Leibe, und zwar in jedem der Heiligen, und dass er nach diesem seinem sichtbaren Kommen noch einmal zu uns kommen wird.283 Und wenn du dafür einen Beweis haben willst, richte deine Aufmerksamkeit auf die Aussage: „Das Wort, das vom Herrn an Jeremia erging, lautet: Hört“ usw.d Denn was ist „das Wort, das vom Herrn erging“, sei es an Jeremia, sei es an Jesaja, sei es an Ezechiel, sei es an wen auch immer, das, das am Anfang bei Gott war? Ich jedenfalls kenne kein anderes Wort des Herrn als das, über das der Evangelist gesagt hat: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ e
no fundamental distinction between the revelation given in the Old Testament and that given in the New“. In der Tat hat Origenes eine Theorie der universalen Immanenz des Logos im sittlich Fortgeschrittenen aller Zeiten entworfen: Fürst/Hengstermann, ebd. 103–112. Der Logos, führt Origenes anhand von Joh. 1,26 aus, war immer in der Welt, er kam nicht erst mit der Inkarnation (als er auch im Leib sichtbar wurde): in Ioh. comm. VI 39,194–197 (GCS Orig. 4, 147f.); vgl. ferner ebd. I 7,37f. (GCS Orig. 4, 11f.); VI 4,17 (4, 110); XIX 5,28 (4, 304); XX 12,87–89 (4, 341), von Hanson, ebd. 203, als „most daring and most shocking point of extravagance“ bewertet; XXVIII 24,211 (4, 420); in Ioh. frg. 86 (4, 551); Cels. VII 4 (GCS Orig. 2, 155f.); in Rom. comm. VIII 2,5 (SC 543, 456). Siehe dazu de Lubac, Geist aus der Geschichte 307f.; Crouzel,Théologie de l’image 81; Gögler, Theologie des biblischen Wortes 255–270; Fédou, Sagesse 128f.; Torjesen, Hermeneutical Procedure 113–119, zu den drei Grundformen der Präsenz des Logos.
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Καὶ ταῦτα δὲ ἡμᾶς εἰδέναι χρή, ὅτι οὓς μάλιστα ἔστιν ὄνασθαι, πρὸς ἕκαστον ἐπιδημία ἐστὶν τοῦ λόγου. Τί γάρ μοι ὄφελος, εἰ ἐπιδεδήμηκεν ὁ λόγος τῷ κόσμῳ, ἐγὼ δὲ αὐτὸν οὐκ ἔχω; Ἐκ δὲ τοῦ ἐναντίου, εἰ καὶ μηδέ πω ὅλῳ τῷ κόσμῳ ἐπιδεδήμηκεν, δὸς δέ με γεγονέναι κατὰ τοὺς προ φήτας, ἐγὼ ἔχω τὸν λόγον. Καὶ εἴποιμι ἂν ὅτι ὁ Χριστὸς γέγονε πρὸς Μωσέα, πρὸς Ἱερεμίαν, πρὸς Ἡσαΐαν, πρὸς ἕκαστον τῶν δικαίων, καὶ τὸ εἰρημένον ὑπ̓ αὐτοῦ πρὸς τοὺς μαθητάς· „Ἰδού, ἐγώ εἰμι μεθ̓ ὑμῶν πάσας τὰς ἡμέρας ἕως τῆς συντελείας τοῦ αἰῶνος“a ἔργῳ ἐσῴζετο καὶ ἐγίνετο καὶ πρὸ τῆς ἐπιδημίας αὐτοῦ· ἦν γὰρ μετὰ Μωσέως καὶ ἦν μετὰ Ἡσαΐου καὶ μετὰ ἑκάστου τῶν ἁγίων. Πῶς δύνανται ἐκεῖνοι λόγον θεοῦ λελαληκέναι τοῦ λόγου τοῦ θεοῦ μὴ ἐπιδημήσαντος αὐτοῖς; Ταῦτα δὲ μάλιστα καθ̓ ἡμᾶς τοὺς ἐκκλησιαστικοὺς ἀναγκαῖόν ἐστιν γινώσκεσθαι, οἵτινες θέλομεν τὸν αὐτὸν εἶναι θεὸν νόμου καὶ εὐαγγελίου, τὸν αὐτὸν Χριστὸν καὶ τότε καὶ νῦν εἰς πάντας τοὺς αἰῶνας. Ἔσονται δὲ οἱ διακόπτοντες τὴν θεότη τα τὴν πρεσβυτέραν τῆς ἐπιδημίας τοῦ σωτῆρος, ὅσον ἐπὶ τῇ ἑαυτῶν ὑπο λήψει, ἀπὸ τῆς θεότητος τῆς ἀπαγγελλομένης ὑπὸ Ἰησοῦ Χριστοῦ· ἡμεῖς δὲ ἕνα οἴδαμεν θεὸν καὶ τότε καὶ νῦν, ἕνα Χριστὸν καὶ τότε καὶ || νῦν. Ταῦτα διὰ τὸ „ὁ λόγος ὁ γενόμενος πρὸς Ἱερεμίαν παρὰ κυρίου λέγων“. b a
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3 ἔχω Hu H (habeam) ἔγνων S 14 καὶ Kl mit H (et) 1 ὄνασθαι Kl ὀνᾶσθαι S 14 ἔσονται Co H (sunt) ἴσονται S 16 ἀπαγγελλομένης Kl (GCS Orig. 3, 348) mit H (quae annuntiatur) ἐπαγγελλομένης S 284 Alle Menschen haben, insofern sie Vernunftwesen (λογικά) sind, Teil am Wort bzw.
der Vernunft (λόγος), weshalb man von der Gegenwart des Wortes in jedem Menschen sprechen kann, wie Origenes das unten in Hier. hom. 14,10 (GCS Orig. 32, 114) ebenfalls mit Bezug auf Joh. 1,9 tut. Je nach Disposition der Einzelnen ist der Logos aber mehr oder weniger präsent und profitieren manche besonders von seiner Gegenwart. 285 Ebenso in Iud. hom. 2,2 (GCS Orig. 7, 473): „Denn was nützt es mir, wenn er (sc. Christus) in anderen aufgrund der Tugend lebt und in mir aufgrund der Schwachheit der Sünde stirbt? Was nützt es mir, wenn er nicht in mir und in meinem Herzen lebt und wenn er nicht in mir die Werke des Lebens vollbringt?“; in Cant. hom. 2,6 (OWD 9/2, 116): „Aber nicht nur in Maria beginnt seine Geburt …, sondern auch in dir wird, wenn du würdig geworden bist, das Wort Gottes geboren“ (Übersetzung: Fürst/Strutwolf, OWD 9/2, 117); in Luc. hom. 22,3 (GCS Orig. 92, 134): „In der Tat, was hätte es dir genutzt, dass Christus einst im Fleische kam, wenn er nicht bis in deine Seele gekommen wäre? Lasst uns darum beten, dass er täglich zu uns komme und dass wir sagen können: ‚Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir‘ (Gal. 2,20). Wenn nämlich Christus nur in Paulus gelebt hat, aber nicht in mir, welchen Nutzen habe ich davon? Wenn Christus aber auch zu mir kommt und ich mich seiner erfreue, wie Paulus sich seiner erfreut hat, dann kann auch ich wie Paulus sagen: ‚Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir‘“ (Übersetzung: Sieben, FC 4/1, 243); ferner in Cant. comm. III 13,32 (OWD 9/1, 372); in Ex. hom.
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Aber auch das müssen wir wissen, dass es ein Kommen des Wortes bei jedem Einzelnen von denen gibt, die davon besonders profitieren.284 Denn was nützt es mir, wenn das Wort in die Welt gekommen ist, ich es aber nicht habe?285 Umgekehrt: Auch wenn es noch nicht in die ganze Welt gekommen ist, angenommen aber, ich bin wie die Propheten geworden, dann habe ich das Wort. Und ich möchte behaupten, dass Christus zu Mose kam, zu Jeremia, zu Jesaja, zu jedem Einzelnen der Gerechten, und dass das, was von ihm zu den Jüngern gesagt worden ist: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt“,a in der Tat auch vor seinem Kommen galt und geschah, denn er war mit Mose, er war mit Jesaja und mit jedem der Heiligen. Wie können jene das Wort Gottes verkündet haben, wenn das Wort Gottes nicht zu ihnen gekommen war? Das aber muss besonders unter uns, den Männern der Kirche,286 begriffen werden, da unserer Ansicht nach der Gott des Gesetzes und des Evangeliums derselbe ist, Christus derselbe damals wie jetzt für alle Zeiten. Es werden aber Leute auftreten,287 die die Gottheit vor dem Kommen des Erlösers – freilich nur gemäß ihrer Annahme288 – von der von Jesus Christus verkündeten Gottheit trennen.289 Wir aber kennen nur einen Gott, damals wie jetzt, nur einen Christus, damals wie jetzt.290 Dies zu der Aussage: „Das Wort, das vom Herrn an Jeremia erging, lautet.“ b 10,3 (GCS Orig. 6, 248–250); in Lev. hom. 12,7 (GCS Orig. 6, 466); vgl. auch unten in Hier. hom. lat. 2(2),11 (GCS Orig. 8, 299). Zum Gedanken der Gottesgeburt im Herzen, den Origenes wesentlich geprägt hat und der in der christlichen Mystik ein reiches Nachleben hatte, siehe Rahner, Symbole der Kirche 29–35; Lieske, Logosmystik 67–71; de Lubac, Geist aus der Geschichte 247. 356. 397; ferner unten S. 265 Anm. 313 zum Ende dieser Homilie. 286 So bezeichnet Origenes die Mitglieder der rechtgläubigen Kirche im Gegensatz zu Häretikern: in Ioh. comm. II 13,96 (GCS Orig. 4, 69); Cels. II 6 (GCS Orig. 1, 132) = lateinisch in Ios. hom. 9,8 (GCS Orig. 7, 353); in Lev. hom. 1,1 (GCS Orig. 6, 281); in Luc. hom. 2,2 (GCS Orig. 92, 13); 16,6 (92, 97f.); in Tit. frg. 2 (Opere di Origene 14/4, 394) bei Pamphilus, apol. Orig. 33 (SC 464, 88). 287 Origenes denkt an Markion und die Gnostiker, gegen die er unablässig die Einheit der Schrift und die Einheit Gottes – dazu bes. princ. II 4f. (GCS Orig. 5, 126–139) – verteidigt: siehe oben S. 116 Anm. 22 und S. 167 Anm. 131, dazu auch Nautin, SC 232, 165. 288 Eine solche separierte Gottheit gibt es nach Ansicht des Origenes nicht, weshalb er dem Satz die Kautel hinzufügt, dass zwei derartige Gottheiten nur in der kritisierten Theorie existieren, aber nicht in Wirklichkeit. Nautin, SC 232, 379, übersetzt entsprechend: „qui n’a de réalité que dans leur pensée“. 289 Die Junktur διακόπτοντες τὴν θεότητα begegnet auch in orat. 29,12 (GCS Orig. 2, 387). Vgl. auch die differentiae deitatis, die Origenes, princ. II 7,1 (GCS Orig. 5, 148), Markion und Valentinus zuschreibt. 290 Hieronymus fügt hier hinzu: et unum Spiritum sanctum, cum Patre et Filio sempiternum – „und nur einen Heiligen Geist, ewig zusammen mit dem Vater und dem Sohn“ (Klostermann, Überlieferung 27; GCS Orig. 3, 64 app. crit.; Nautin, SC 232, 40),
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Τί οὖν καὶ ἡμεῖς ἀκούσωμεν; „Ἀκούσατε τοὺς λόγους τῆς διαθήκης ταύτης, καὶ λαλήσατε πρὸς ἄνδρας Ἰούδα καὶ πρὸς τοὺς κατοικοῦντας Ἱε ρουσαλήμ.“a Ἄνδρες Ἰούδα ἡμεῖς ἐσμεν διὰ τὸν Χριστόν· | „πρόδηλον γὰρ ὅτι ἐξ Ἰούδα ἀνατέταλκεν ὁ κύριος ἡμῶν“, b καὶ τὸ ὄνομα τοῦ Ἰούδα ἐὰν παραστήσω κατὰ τὴν γραφὴν ἐπὶ τὸν Χριστὸν ἀναφερόμενον, ἄνδρες Ἰού δα οἱ ἀπιστοῦντες τῷ Χριστῷ Ἰουδαῖοι οὐκ ἔσονται, ἀλλ̓ ἡμεῖς ὅσοι πι στεύομεν ἐπὶ τὸν Χριστόν. „Ἰούδα, σὲ αἰνέσαισαν οἱ ἀδελφοί σου· αἱ χεῖρές σου ἐπὶ νώτου τῶν ἐχθρῶν σου.“ c „Σὲ αἰνέσαισαν.“ Οὐκ ἐκεῖνον τὸν Ἰού δαν τὸν υἱὸν τοῦ Ἰακὼβ οἱ ἀδελφοὶ αὐτοῦ ᾔνεσαν. Τοῦτον δὲ τὸν Ἰούδαν αἰνέσουσιν οἱ ἀδελφοί, ἐπεί φησιν οὗτος ὁ Ἰούδας· „Διηγήσομαι τὸ ὄνομά σου τοῖς ἀδελφοῖς μου, ἐν μέσῳ ἐκκλησίας ὑμνήσω σε.“ d Οὐ λέγεται πρὸς ἐκεῖνον τὸν Ἰούδαν· „Αἱ χεῖρές σου ἐπὶ νώτου τῶν ἐχθρῶν σου.“ Ποῦ εὑρί σκεται ἐπὶ νώτου τῶν ἐχθρῶν τὰς χεῖρας ἐκεῖνος ὁ Ἰούδας ἐπιτιθείς; Ἡ ἱστορία οὐδὲν τοιοῦτον ἀνέγραψεν περὶ αὐτοῦ. Ἐὰν δὲ νοήσῃς τὴν ἐπιδη μίαν τοῦ κυρίου Ἰησοῦ καταργοῦντος τὸν διάβολον, ἀπεκδυομένου τὰς ἀρχὰς καὶ τὰς ἐξουσίας καὶ δειγματίζοντος καὶ θριαμβεύοντος ἐν τῷ ξύλῳ, e ὁρᾷς πῶς ἐπὶ τοῦτον τὸν Ἰούδαν πεπλήρωται ἡ λέγουσα προφητεία· „Αἱ χεῖρές σου ἐπὶ νώτου τῶν ἐχθρῶν σου.“ f Εἰ τοῦθ̓ οὕτως ἔχει, λέγει δὲ ὁ λόγος νῦν „πρὸς ἄνδρας Ἰούδα“, πρὸς τίνας ἂν λέγοι ἢ πρὸς ἡμᾶς τοὺς πιστεύοντας ἐπὶ τὸν Χριστόν, διὰ τὴν φυλὴν Ἰούδα λεγόμενόν πως καὶ Ἰούδαν; 2. „Πρὸς ἄνδρας Ἰούδα“ λέγεται ὁ λόγος „καὶ πρὸς τοὺς κατοι κοῦντας Ἱερουσαλήμ.“ g Αὕτη ἐστὶν ἡ ἐκκλησία· ἔστιν || γὰρ ἡ πόλις τοῦ θεοῦ ἡ ἐκκλησία, h ἡ Ὅρασις τῆς εἰρήνης, ἐν αὐτῇ ἐστιν ἡ εἰρήνη ἣν ἤγαγεν ἡμῖν, i εἴγε ἐσμὲν τέκνα εἰρήνης, j πληθύνεται καὶ ὁρᾶται. „Ἀκούσατε“ οὖν „τοὺς λόγους τῆς διαθήκης ταύτης, καὶ λαλήσατε πρὸς ἄνδρας Ἰούδα καὶ τοὺς κατοικοῦντας Ἱερουσαλήμ. Καὶ ἐρεῖς πρὸς αὐτούς· τάδε λέγει κύριος ὁ θεὸς · ἐπικατάρατος ἄνθρωπος ὃς οὐκ ἀκού σεται τῶν λόγων τῆς διαθήκης, ἧς ἐνετειλάμην τοῖς πατράσιν ὑμῶν.“ k Τίς a f
Jer. 11,2 Gen. 49,8
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c d e Hebr. 7,14 Gen. 49,8 Ps. 21(22),23 Kol. 2,15 (vgl. 1 Kor. 15,24) Jer. 11,2 hOffb. 3,12 i Joh. 14,27 j Lk. 10,6 kJer. 11,2–4
g
5 κατὰ Kl mit H (iuxta) καὶ S 18 εἰ τοῦθ̓ Co εἰτ᾽ οὐθ̓ S 19 ἄνδρας Kl mit H (uiros) ἄνδρα S 19 ἢ Co ἡ S 21 ἄνδρας Ἰούδα Co ἄνδρα ἰούδαν S 27 Ἰσραήλ Co LXX
um die Aussage orthodox im Sinne der Trinitätslehre des 4. Jahrhunderts klingen zu lassen: Peri, I passi sulla Trinità 161; Fürst/Hengstermann, OWD 10, 172f.; Fürst, Hieronymus gegen Origenes 223. 291 Dasselbe oben in Hier. hom. 4,2 (GCS Orig. 32, 25) und 5,15 (32, 45). 292 Vgl. in Ioh. comm. I 23,142f. (GCS Orig. 4, 28). 293 Vgl. ebd. XIX 5,28 (4, 304). 294 Origenes zitiert Kol. 2,15 in der Regel mit der Wendung „am Holz“ (ἐν τῷ ξύλῳ) statt „in ihm“ (ἐν αὐτῷ): in Ioh. comm. VI 55,285 (GCS Orig. 4, 164); in Matth.
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Was nun sollen auch wir hören? „Hört die Worte dieses Bundes und sprecht zu den Männern von Juda und zu den Bewohnern von Jerusalem!“a Männer von Juda sind wir wegen Christus. „Es ist ja bekannt, dass unser Herr aus Juda hervorgegangen ist“,b291 und wenn ich nachweise, dass sich der Name Juda nach der Schrift auf Christus bezieht,292 werden Männer von Juda nicht die Juden sein, die nicht an Christus glauben, sondern wir alle, die wir an Christus glauben. „Juda, dich sollen deine Brüder loben: Deine Hände auf den Nacken deiner Feinde!“ c „Sie sollen dich loben.“ Nicht jenen Juda, den Sohn Jakobs, lobten seine Brüder. Diesen Juda aber werden die Brüder loben, weil dieser Juda sagt: „Ich werde deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Gemeinde werde ich dich lobpreisen.“ d293 Nicht zu jenem Juda wird gesagt: „Deine Hände auf den Nacken deiner Feinde!“ Wo findet man, dass jener Juda die Hände auf den Nacken der Feinde gelegt hat? Die Geschichte hat nichts Derartiges über ihn aufgeschrieben. Wenn du aber darunter das Kommen des Herrn Jesus verstehst, der den Teufel vernichtet, die Mächte und die Gewalten entwaffnet, sie bloßstellt und am Holz294 über sie triumphiert,e dann siehst du, wie sich an diesem Juda die Prophezeiung erfüllt, die besagt: „Deine Hände auf den Nacken deiner Feinde!“ f Wenn sich dies so verhält, das Wort aber jetzt „zu den Männern von Juda“ spricht, zu wem spricht es dann wohl, wenn nicht zu uns, die wir an Christus glauben, der wegen des Stammes Juda irgendwie auch Juda genannt wird? 2. „Zu den Männern von Juda“ wird das Wort gesprochen „und zu den Bewohnern von Jerusalem.“ g Das ist die Kirche, denn die Kirche ist die Stadt Gottes,h295 die Schau des Friedens.296 In ihr ist der Friede, den er uns gebracht hat,i und wenn wir wirklich Kinder des Friedens j sind, mehrt er sich und wird geschaut. „Hört“ also „die Worte dieses Bundes und sprecht zu den Männern von Juda und den Bewohnern von Jerusalem! Und du wirst zu ihnen sagen: Dies sagt der Herr, der Gott :Verflucht sei der Mensch, der nicht auf die Worte des Bundes hören wird, den ich euren Väter auferlegt habe.“ kWer hört
comm. X 17 (GCS Orig. 10, 22); XII 25 (4, 127); XII 40 (4, 158); Cels. I 55 (GCS Orig. 1, 106). Siehe dazu Nautin, SC 232, 122. 295 Vgl. sel. in Ps. 45,5 (PG 12, 1433): πόλις θεοῦ ἤτοι ἡ ἐκκλησία. 296 Die Etymologie geht auf Philon, somn. II 250 (III p. 298 Cohn/Wendland), zurück. Er erklärt so den hebräischen Namen der Stadt Jerusalem ( ירושליםJeruschalajim): ירו (jiru) ist eine Form des Verbs ( ראהra’ah): sehen; ( שלוםschalom) ist der Friede. So auch Hieronymus, int. hebr. nom. p. 50 Lagarde (CChr.SL 72, 121): Ierusalem uisio pacis; p. 62 (72, 136); p. 74 (72, 152); p. 75 (72, 154); Wutz, Onomastica sacra 109f. 585. Siehe auch unten in Hier. hom. 13,2 (GCS Orig. 32, 103); lat. 2(2),1 (GCS Orig. 8, 291): in Hierusalem, in locum uisionis pacis; in Ios. hom. 21,2 (GCS Orig. 7, 431); in Cant. comm. II 1,28 (OWD 9/1, 186); in Ioh. frg. 80 (GCS Orig. 4, 547). Siehe dazu Brox, Das „irdische Jerusalem“ 158f.
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μάλιστα ἀκούει τῶν λόγων τῆς διαθήκης, ἧς ἐνετείλατο ὁ θεὸς τοῖς πατρά σιν; Ἆρά γε οἱ πιστεύοντες ἐπ̓ αὐτὸν ἢ οἱ μηδὲ Μωσεῖ πιστεύειν ἀποδεικ νύμενοι ἐκ τοῦ μὴ πεπιστευκέναι ἐπὶ τὸν κύριον; Φησὶ γὰρ ὁ σωτὴρ πρὸς ἐκείνους· „Εἰ ἐπιστεύετε Μωσεῖ, ἐπιστεύετε ἂν ἐμοί· περὶ γὰρ ἐμοῦ ἐκεῖνος ἔγραψεν. Eἰ δὲ τοῖς ἐκείνου γράμμασιν οὐ πιστεύετε, πῶς τοῖς ἐμοῖς ῥήμα σι πιστεύσετε;“a Οὐκοῦν ἐκεῖνοι εἰς Μωσῆν οὐ πεπιστεύκασιν, ἡμεῖς δὲ πιστεύοντες εἰς Χριστὸν πιστεύομεν τῇ διαθήκῃ τῇ διὰ Μωσέως, καὶ πρὸς ἡμᾶς λέγεται, ἵνα μὴ κατάρατοι γενώμεθα· „Ἐπικατάρατος ὁ ἄνθρωπος ὃς οὐκ ἀκούσεται τῶν λόγων τῆς διαθήκης, ἧς ἐνετειλάμην τοῖς πατράσιν.“ b Ἐκεῖνοι οὖν ἔχουσιν τὸ ἐπικατάρατοι εἶναι· οὐ γὰρ ἤκουσαν τῆς διαθήκης, ἧς ἐνετείλατο ὁ θεὸς τοῖς πατράσιν. „Ἐν ἡμέρᾳ“ φησὶν „ᾗ ἀνήγαγον αὐτοὺς ἐκ γῆς Αἰγύπτου, ἐκ τῆς καμί νου τῆς σιδηρᾶς.“ c Καὶ ἡμᾶς ἑξήγαγεν ὁ θεὸς ἐκ γῆς Αἰγύπτου, ἐκ τῆς καμίνου τῆς σιδηρᾶς, μάλιστα κατὰ τὸν νοήσαντα τὸ γεγραμμένον ἐν τῇ Ἀποκαλύψει Ἰωάννου, ὅτι ὁ τόπος „ὅπου ὁ κύριος αὐτῶν ἐσταυρώθη κα λεῖται πνευματικῶς Σόδομα καὶ Αἴγυπτος“. d Εἰ γὰρ πνευματικῶς καλεῖται Αἴγυπτος, οὐκ ἔστιν δὲ αὕτη ἡ Αἴγυπτος ἡ πνευματικῶς καλουμένη Αἴγυ πτος, αἰσθητὴ γάρ, δῆλον ὅτι ἐὰν νοήσῃς τὴν πνευματικῶς καλουμένην Αἴγυπτον καὶ ἐ||ξέλθῃς ἀπ̓ αὐτῆς, σὺ εἶ ὁ ἐξελθὼν ἐκ γῆς Αἰγύπτου καὶ ἐκ τῆς καμίνου τῆς σιδηρᾶς καὶ λέγεται πρὸς σέ· „Ἀκούσατε τῆς φωνῆς μου καὶ ποιήσατε κατὰ πάντα“ e ταῦτα. Εἶτ̓ ἐπαγγελία τοῦ θεοῦ ἐστι πρὸς τοὺς ἀκούοντας, ἐὰν ποιήσωσιν ἃ ἐντέταλται, λέγουσα· „Καὶ ἔσεσθέ μοι εἰς λαὸν κἀγὼ ἔσομαι ὑμῖν εἰς θεόν.“ f Οὐ πᾶς ὁ λέγων [ὁ] λαὸς εἶναι θεοῦ λαὸς ἔστιν θεοῦ. Ἐκεῖνος οὖν ὁ ἐπαγ γειλάμενος εἶναι λαὸς θεοῦ „οὐ λαός μου ὑμεῖς“ ἤκουσαν ἐν τῷ „διότι οὐ λαός μου ὑμεῖς“, καὶ ἐρρήθη πρὸς τὸν λαὸν ἐκεῖνον „οὐ λαός μου“, g καὶ πάλιν οὗτος ὁ λαὸς ἐκλήθη λαός. h | „Αὐτοὶ“ γὰρ „παρεζήλωσάν με ἐπ̓ οὐ θεῷ“ (περὶ ἐκείνων δὲ λέγει), „παρώργισάν με ἐν τοῖς εἰδώλοις αὐτῶν· κἀγὼ παραζηλώσω αὐτοὺς ἐπ̓ οὐκ ἔθνει, ἐπ̓ ἔθνει ἀσυνέτῳ παροργιῶ αὐτούς.“ i 3. Γεγόναμεν οὖν ἡμεῖς τῷ θεῷ εἰς λαόν, καὶ ἡ δικαιοσύνη τοῦ θεοῦ ἀναγγέλλεται τῷ λαῷ τῷ τεχθησομένῳ j τῷ ἀπὸ τῶν ἐθνῶν. Οὗτος γὰρ ὁ λαὸς τίκτεται ἀθρόως, καὶ ἐν τῷ προφήτῃ δὲ εἴρηται· εἰ „ἐτέχθη ἔθνος ἅπαξ“. k Ἐτέχθη δὲ ἔθνος εἰς ἅπαξ, ὅτε ἐπιδεδήμηκεν ὁ σωτὴρ a
Joh. 5,46f. Hos. 2,25
h
i
b Jer. 11,3f. Dtn. 32,21
c j
Jer. 11,4 dOffb. 11,8 Ps. 21(22),32 kJes. 66,8
e
Jer. 11,4
f
Jer. 11,4
g
Hos 1,9
2 μηδὲ Μωσεῖ Kl mit H (nec Moysi) μηδαμῶς S 6 Μωσῆν Kl μωϋσῆν S 22 εἶτ̓ Kl mit H (deinde) ἥ τ̓ S 24 ὁ2 del. Bl Koe 33 εἰς ἅπαξ1 Co C LXX H (in semel)
297 Für Origenes ist „Ägypten“ Symbol für „diese Welt“: in Ex. hom. 2,1 (GCS Orig. 6,
155), für „das dunkle Leben in der Weltzeit“ und „für die Dunkelheiten des Unwissens“: ebd. 3,3 (6, 165. 167). Vgl. auch orat. 13,4 (GCS Orig. 2, 328). Er greift damit ein
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vor allem auf die Worte des Bundes, den Gott den Vätern auferlegt hat? Sind es die, die an ihn glauben, oder sind es die, denen nachgewiesen wird, dass sie auch dem Mose nicht glauben, weil sie nicht an den Herrn geglaubt haben? Der Erlöser sagt nämlich zu jenen: „Wenn ihr Mose glauben würdet, würdet ihr mir glauben; denn jener hat über mich geschrieben.Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?“a Demnach haben jene nicht an Mose geglaubt, indem wir aber an Christus glauben, glauben wir dem durch Mose geschlossenen Bund und wird zu uns gesagt, damit wir nicht verflucht werden: „Verflucht sei der Mensch, der nicht auf die Worte des Bundes hören wird, den ich den Vätern auferlegt habe.“ b Jene also sind es, die verflucht sind, denn sie haben nicht auf den Bund gehört, den Gott den Vätern auferlegt hat. „An dem Tag“, heißt es, „an dem ich sie aus dem Land Ägypten heraufgeführt habe, aus dem Schmelzofen des Eisens.“ c Auch uns hat Gott „aus dem Land Ägypten, aus dem Schmelzofen des Eisens“ herausgeführt, insbesondere wenn man versteht, was in der Offenbarung des Johannes geschrieben steht, dass nämlich der Ort, „wo ihr Herr gekreuzigt wurde, im geistigen Sinn Sodom und Ägypten genannt wird“.d Denn wenn im geistigen Sinn von Ägypten die Rede ist, es aber nicht dieses Ägypten ist, das im geistigen Sinn Ägypten genannt wird – dieses ist ja sinnlich wahrnehmbar –, dann ist klar, wenn du das geistig genannte Ägypten verstehst und aus ihm herausgehst,297 dass du es bist, der „aus dem Land Ägypten und aus dem Schmelzofen des Eisens“ herausgeht, und dass zu dir gesagt wird: „Hört auf meine Stimme und tut in allem“ e diese Dinge. Sodann gibt es eine Verheißung Gottes für die Hörer, wenn sie das Aufgetragene tun, die besagt: „Und ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein.“ f Nicht jedes Volk, das sagt, es sei Volk Gottes, ist Volk Gottes. Jenes Volk nun, dem verheißen wurde,Volk Gottes zu sein, bekam „Ihr seid nicht mein Volk“ zu hören in dem Satz: „Deshalb seid ihr nicht mein Volk“, und zu jenem Volk wurde gesagt: „Nicht mein Volk“,g und andererseits wurde dieses Volk hier Volk genannt.h Denn „diese haben mich eifersüchtig gemacht auf einen Nicht-Gott“ – er spricht über jene –, „mich mit ihren Götterbildern zornig gemacht. Auch ich will sie eifersüchtig machen auf ein NichtVolk, sie auf ein unverständiges Volk zornig machen.“i 3. Wir also sind Gott ein Volk geworden, und die Gerechtigkeit Gottes wird dem Volk verkündet, das aus den Heidenvölkern hervorgehen wird.j Denn dieses Volk wird als ganzes auf einmal entstehen, und beim Propheten steht die Frage, ob „ein Volk einmal entstanden ist“.k Es ist aber ein Volk auf einmal entstanMotiv auf, das auch bei Clemens von Alexandria, strom. I 5,30 (GCS Clem. Al. 24, 20): Αἴγυπτος δὲ ὁ κόσμος ἀλληγορεῖται, zu finden ist. Es geht schon auf das Alte Testament zurück, in dem „Ägypten“ Chiffre für die böse, im religiösen wie im ethischen Sinn verderbte Welt ist.
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καὶ ἐπίστευσαν ἐν μιᾷ ἡμέρᾳ χιλιάδες πέντεa καὶ προσετέθησαν ἄλλῃ ἡμέρᾳ χιλιάδες τρεῖς. b Καὶ ἔστιν ἰδεῖν ὅλον λαὸν τικτόμενον λόγῳ θεοῦ καὶ ἀθρόως τίκτουσαν τὴν στεῖραν, τὴν πρότερον οὐ τεκοῦσαν, πρὸς ἣν λέγεται· „Εὐ φράνθητι στεῖρα ἡ οὐ τίκτουσα, ῥῆξον καὶ βόησον ἡ οὐκ ὠδίνουσα, ὅτι πολλὰ τὰ τέκνα τῆς ἐρήμου μᾶλλον ἢ τῆς ἐχούσης τὸν ἄνδρα.“ c Ἔρημος αὕτη νόμου, ἔρημος αὕτη θεοῦ ἦν· ἔχουσα δὲ ἄνδρα τὸν νόμον ἐκείνη ἡ συναγωγὴ λέλεκται. Τί οὖν μοι ἐπαγγέλλεται ὁ θεός; „Ἔσεσθέ μοι εἰς λαὸν κἀγὼ ἔσομαι ὑμῖν εἰς θεόν.“ d Οὐκ ἔστιν πάντων θεὸς ἀλλ̓ ἢ ἐκείνων οἷς χαρίζεται ἑαυτόν, ὥσπερ ἐχαρίσατο ἑαυτὸν τῷ πατριάρχῃ ἐκείνῳ ᾧ || εἶπεν· „Ἐγὼ θεὸς σός“, e καὶ πάλιν ἄλλῳ· „Ἐγὼ ἔσομαί σου θεός“, f καὶ περὶ ἑτέρων· „Ἔσομαι αὐτῶν θεός“. g Πότε οὖν ἄρα ἡμεῖς ἐπιτυγχάνομεν, ὁ καθ̓ ἕκαστον λέγω, εἰς τὸ τὸν θεὸν εἶναι ἡμῶν θεόν; Εἰ δὲ θέλεις μαθεῖν, τίνων ἐστὶν ὁ θεὸς καὶ τίνι χαρίζεται τὴν ἑαυτοῦ ἐπίκλησιν, ἐγώ φησιν θεὸς Ἀβραάμ, θεὸς Ἰσαάκ, θεὸς Ἰακώβ. h Καὶ διηγούμενος τὸ τοιοῦτον ὁ σωτήρ φησιν· „Ὁ θεὸς οὐκ ἔστιν νεκρῶν ἀλλὰ ζώντων.“ i Τίς ὁ νεκρός; Ὁ ἁμαρτωλός, ὁ μὴ ἔχων τὸν εἰπόντα· „Ἐγώ | εἰμι ἡ ζωή“, j ὁ ἔχων νεκρὰ ἔργα, ὁ μηδέπω μετανοήσας ἀπὸ νεκρῶν ἔργων, περὶ ὧν φησιν ὁ ἀπόστολος· „μὴ πάλιν θεμέλιον καταβαλλόμενοι μετανοίας ἀπὸ νεκρῶν ἔργων“. k Εἰ τοίνυν „ὁ θεὸς οὐκ ἔστιν νεκρῶν θεὸς ἀλλὰ ζώντων“, l καὶ οἴδαμεν τίς ἐστιν ὁ ζῶν, ὅτι ὁ πολιτευόμενος κατὰ Χρι στὸν καὶ μένων μετ̓ αὐτοῦ, εἰ βουλόμεθα ἵνα ἡμῶν ᾖ ὁ θεός, ἀποταξώμεθα τοῖς ἔργοις τῆς νεκρότητος, ἵνα τὴν ἐπαγγελίαν αὐτοῦ πληρώσῃ τὴν λέγου σαν· „Καὶ ἐγὼ ἔσομαι ὑμῖν εἰς θεόν, ὅπως στήσω τὸν ὅρκον μου ὃν ὤμοσα τοῖς πατράσιν ὑμῶν, τοῦ δοῦναι αὐτοῖς γῆν ῥέουσαν γάλα καὶ μέλι.“ m Τήρει γὰρ ὅτι λέγει· „Στήσω τὸν ὅρκον μου ὃν ὤμοσα τοῖς πατράσιν ὑμῶν, τοῦ δοῦναι αὐτοῖς γῆν ῥέουσαν γάλα καὶ μέλι“, ὡς μηδέπω δεδωκὼς αὐτοῖς τὴν „γῆν ῥέουσαν γάλα καὶ μέλι“· αὕτη γὰρ οὐκ ἔστιν ἡ γῆ, ἣν ἐπηγγείλα το ὁ θεὸς „ῥέουσαν γάλα καὶ μέλι“, ἀλλ̓ ἔστιν ἐκείνη, περὶ ἧς ἐδίδασκεν ὁ σωτὴρ λέγων· „Μακάριοι οἱ πραεῖς, ὅτι αὐτοὶ κληρονομήσουσι τὴν γῆν.“ n a
Apg. 4,4 bApg. 2,41 cJes. 54,1; Gal. 4,27 dJer. 11,4 eGen. 17,1 f Gen. 35,11 gEx. 29,45 hEx. 3,6 i Mt. 22,32 par. j Joh. 11,25 kHebr. 6,1 l Mt. 22,32 par. mJer. 11,4f. n Mt. 5,5
28 ἀλλ̓ ἔστιν ἐκείνη Kl mit H (sed illa est) ἀλλὰ περὶ ἐκείνης S
298 Klostermann, GCS Orig. 3, 67, fügt hier nach der Übersetzung des Hieronymus
(deserta ecclesia a lege) ein: Ἔρημος μὲν ἡ ἐκκλησία·, „Einsam war die Kirche“. Nautin, GCS Orig. 32, 359, hält diese Ergänzung zu Recht für nicht unverzichtbar und lässt sie in SC 232, 384, weg, desgleichen Schadel, BGrL 10, 116, und Smith, FaCh 97, 89. 299 Derselbe Gedanke bei Origenes, in Ioh. comm. XXVIII 24,211 (GCS Orig. 4, 420); in Matth. comm. X 23 (GCS Orig. 10, 32). Weitgehend wörtlich hat Hieronymus die
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den, als der Erlöser hier weilte und an einem einzigen Tag fünftausend zum Glauben kamena und an einem anderen Tag dreitausend hinzukamen.b Und man kann sehen, wie ein ganzes Volk durch das Wort Gottes entsteht und die Unfruchtbare auf einmal gebärt, die zuvor nicht gebar, zu der gesagt wird: „Freue dich, du Unfruchtbare, die du nicht gebärst, brich in lauten Jubel aus, die du keine Wehen hast, denn viele Kinder hat die Einsame, mehr als die, die den Mann hat!“ c298 Einsam war diese, ohne Gesetz, einsam war sie, ohne Gott. Von jener aber, der Synagoge, ist gesagt, dass sie das Gesetz zum Mann hat.299 Was verheißt mir nun Gott? „Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein.“ d Er ist nicht der Gott aller, sondern nur jener, denen er sich gnädig schenkt, wie er sich jenem Patriarchen schenkte, zu dem er sagte: „Ich bin dein Gott“,e und erneut zu einem anderen: „Ich werde dein Gott sein“,f und über andere: „Ich werde ihr Gott sein.“ g Wann also werden wir erreichen – ich meine, jeder Einzelne –, dass Gott unser Gott ist? Wenn du aber lernen willst, wessen Gott er ist und wem er die Gnade seiner Anrufung schenkt, sagt er: Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs.h Und zur Erklärung dieser Aussage sagt der Erlöser: „Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.“ i Wer ist der Tote? Der Sünder, der den nicht hat, der sagt: „Ich bin das Leben“,j der tote Werke hat, der sich von den toten Werken noch nicht abgekehrt hat, über die der Apostel sagt: „um nicht noch einmal das Fundament für die Abkehr von toten Werken zu legen.“ k Wenn demnach „Gott nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden ist“ l und wir wissen, wer der Lebende ist, nämlich wer ein Leben gemäß Christus führt300 und ihm treu bleibt, und wenn wir wollen, dass Gott unser Gott ist, lasst uns von den Werken des Todes ablassen, damit er seine Verheißung erfüllt, die lautet: „Und ich werde euer Gott sein, um meinen Eid zu halten, den ich euren Vätern geschworen habe, ihnen ein Land zu geben, das von Milch und Honig fließt.“ m Beachte nämlich, dass er sagt: „um meinen Eid zu halten, den ich euren Vätern geschworen habe, ihnen ein Land zu geben, das von Milch und Honig fließt“, als hätte er ihnen das „Land, das von Milch und Honig fließt“, noch nicht gegeben. Denn dies hier ist nicht das Land, das Gott als „von Milch und Honig fließend“ verheißen hat, sondern jenes ist es, von dem der Erlöser lehrte, als er sagte: „Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.“ n301 Stelle in seinem Kommentar zu Gal. 4,27 benutzt: in Gal. comm. II 4,27 (CChr.SL 77A, 142f.). 300 Zur Bedeutung von πολίτευμα (lateinisch conuersatio) als „Lebenswandel“ siehe in Gen. hom. 5,5 (GCS Orig. 6, 63) mit der Erklärung von Habermehl, OWD 1/2, 136 Anm. 261. So auch in Ex. hom. 6,10 (GCS Orig. 6, 202) und in den Genesishomilien im Zitat von Phil. 3,20: in Gen. hom. 1,2 (GCS Orig. 6, 3); 1,13 (6, 16); 2,6 (6, 37). Siehe dazu auch Gruber, ΖΩΗ 37f. 301 Derselbe Gedanke in Ps. 36 hom. 2,4 (GCS Orig. 13, 132). Siehe dazu Jaubert, SC 71, 51–54.
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4. Εἶτα πρὸς τὰ προειρημένα ὑπὸ τοῦ κυρίου ἀποκρίνεται ὁ προφήτης, πρὸς τὸ „ἐπικατάρατος ὁ ἄνθρωπος ὃς οὐκ ἀκούσεται τῶν λόγων τῆς διαθήκης ταύτης“,a καί φησι· „Καὶ ἀπεκρίθην || καὶ εἶπα· γένοιτο, κύριε.“ b Τί „γένοιτο, κύριε“; „Ἐπικατάρατος ὃς οὐκ ἐμμενεῖ τοῖς λόγοις τῆς δια θήκης ταύτης.“ c „Καὶ εἶπεν κύριος πρός με· ἀνάγνωθι τοὺς λόγους τούτους ἐν πόλεσιν Ἰούδα καὶ ἔξωθεν Ἱερουσαλήμ.“ d Καὶ τοῖς ἔξω ἀναγινώσκομεν τοὺς λόγους τοῦ θεοῦ προκαλούμενοι αὐτοὺς ἐπὶ σωτηρίαν. τοὺς λόγους τῆς διαθήκης ταύτης καὶ ποιήσατε αὐτούς. Καὶ οὐκ ἐποίησαν. Καὶ εἶπεν κύριος πρός με· εὑρέθη σύνδεσμος ἐν ἀνδράσιν Ἰούδα καὶ ἐν τοῖς κατοικοῦσιν Ἱερουσαλήμ.“ e ῏Η μέλλομεν μετανοεῖν ἐπὶ τοῖς εἰρημένοις ἁμαρ τήμασι περὶ ἀνδρῶν Ἰούδα, εἰδότες ὅτι ἐσμὲν οἱ ἄνδρες Ἰούδα, διὰ τὸν Χριστὸν Ἰούδα προφητευθέντα καὶ λεχθέντα; Μήποτε γὰρ ἐπεὶ ἐν ἡμῖν εἰ σιν ἁμαρτωλοί τινες καὶ παρὰ τὸν ὀρθὸν λόγον πράττοντες, | διὰ τοῦτο λέγει ὁ προφήτης· „Εὑρέθη σύνδεσμος ἐν ἀνδράσιν Ἰούδα καὶ ἐν τοῖς κατ οικοῦσιν Ἱερουσαλήμ.“ Ὅταν γὰρ εὑρεθῇ ἔν τισι χρηματίζουσιν ἀπὸ τῆς ἐκκλησίας σύνδεσμος ἀδικίας καὶ σύνδεσμος τῶν ἁμαρτημάτων, ὥστ̓ ἂν ἐφαρμόσαι ἐπὶ τοῦ ἁμαρτωλοῦ τὸ „Σειραῖς δὲ τῶν ἑαυτοῦ ἁμαρτιῶν ἕκα στος σφίγγεται“, f λέγοι ἂν ὁ θεός· „Εὑρέθη σύνδεσμος ἐν ἀνδράσιν Ἰούδα.“ Ἀλλὰ μὴ εὑρεθείη σύνδεσμος ἐν ἡμῖν. Πῶς δὲ οὐχ εὑρίσκεται σύνδεσμος ἐν ἡμῖν, εἰ καὶ μέχρι τοῦ δεῦρό ἐστιν σύνδεσμος ἔν τισιν; „Λῦε πάντα σύνδε σμον ἀδικίας, διάλυε στραγγαλιὰς βιαίων συναλλαγμάτων, πᾶσαν συγ γραφὴν ἄδικον διάσπα. Διάθρυπτε πεινῶντι τὸν ἄρτον σου.“ g „Εὑρέθη“ οὖν „σύνδεσμος ἐν ἀνδράσιν Ἰούδα καὶ ἐν τοῖς κατοικοῦσιν Ἱερουσαλήμ. Ἐπεστράφησαν ἐπὶ τὰς ἀδικίας τῶν πατέρων αὐτῶν τῶν πρότερον.“ h „Ἐπεστράφησαν ἐπὶ τὰς ἀδικίας.“ Τίνων; λέγει ἁπλῶς τῶν πατέρων. Τίς ἡ προσθήκη; „Ἐπεστράφησαν ἐπὶ τὰς ἀδικίας || τῶν πατέρων αὐτῶν τῶν πρότερον.“ Ἐλέγομεν ταῦτα λέγεσθαι πρὸς ἡμᾶς καὶ τοὺς ἐν ἡμῖν ἁμαρτάνοντας. Πῶς οὖν οἱ ἐν ἡμῖν ἁμαρτάνοντες ἐπεστράφη σαν οὐκ ἐπὶ τὰς ἀδικίας τῶν πατέρων, ἀλλὰ τῶν πατέρων τῶν a
Jer. 11,3 bJer. 11,5 cDtn. 27,26 mit Jer. 11,3 Jes. 58,6f. hJer. 11,9f.
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Jer. 11,6
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Jer. 11,6.8f.
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4 ἐμμενεῖ Die H (audierit) ἐμμένει S 7 προκαλούμενοι Kl (GCS Orig. 3, 348) mit H (prouocantes) προσκαλούμενοι S 7 ἀκούσατε Kl 10 ἦ Lie Kl ἤ Nt εἰ S (und H) 12 λεχθέντα Co ἐλεγχθέντα S 13 τὸν ὀρθὸν Co τῶν ὀρθῶν S 20 εἰ Kl mit H (si) ἠ S 21 συναλλαγμάτων Hu συναλαγμάτων S 25 οὐ λέγει Kl mit H (non ait) λέγε S 29 τὰς ἀδικίας Del ταῖς ἀδικίαις S 29 αὐτῶν Kl mit H (suorum) (nicht Nt) 302 In der Septuagintaübersetzung, die zudem die Verse leicht anders zählt, fehlt ein
Stück hebräischer Text von Jer. 11,6–9: „Gehorcht den Worten dieses Bundes, tut es! Denn ermahnt habe ich eure Väter, ermahnt vom Tag, da ich sie heraufholte aus dem Land Ägypten bis zu diesem Tag, Mahnung vom Frühmorgen an, sprechend: Hört auf meine Stimme! Sie aber wollten nicht hören, sie aber neigten ihr Ohr nicht, sie gin-
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4. Auf das zuvor vom Herrn Gesagte antwortet der Prophet sodann, nämlich auf: „Verflucht sei der Mensch, der nicht auf die Worte dieses Bundes hören wird“,a und sagt: „Und ich antwortete und sagte: So sei es, Herr!“ bWas „sei so, Herr“? „Verflucht sei jeder, der den Worten dieses Bundes nicht treu bleiben wird.“ c „Und der Herr sprach zu mir: Lies diese Worte in den Städten von Juda und außerhalb von Jerusalem vor!“ d Auch denen draußen lesen wir die Worte Gottes vor, um sie damit zum Heil zu rufen. „ die Worte dieses Bundes und handelt nach ihnen. Doch sie handelten nicht nach ihnen. Und der Herr sprach zu mir: Unter den Männern von Juda und den Bewohnern von Jerusalem wurde ein Geheimbund entdeckt.“ e302 Sind etwa wir es, die angesichts der Sünden, die von den Männern von Juda berichtet werden, umkehren werden, da wir wissen, dass wir die Männer von Juda sind, weil Christus prophetisch Juda genannt worden ist?303 Denn vielleicht deswegen, weil unter uns manche Sünder sind, die wider die rechte Vernunft handeln,304 sagt der Prophet: „Unter den Männern von Juda und den Bewohnern von Jerusalem wurde ein Geheimbund entdeckt.“ Denn sooft bei einigen, die zur Kirche zählen, ein Unrechtsbund und ein Sündenbund entdeckt wird, so dass wohl305 auf den Sünder das Wort passt: „Jeder ist in den Stricken der eigenen Sünden verfangen“,f dürfte Gott sagen: „Unter den Männern von Juda wurde ein Geheimbund entdeckt.“ Doch möge kein Geheimbund unter uns entdeckt werden! Wie aber soll kein Geheimbund unter uns entdeckt werden, wenn es sogar bis auf den heutigen Tag einen Geheimbund bei einigen gibt? „Löse jeden Unrechtsbund, löse die Schlingen gewaltsam geschlossener Verträge auf, jede ungerechte Urkunde zerreiße! Brich dem Hungrigen dein Brot!“ g „Unter den Männern von Juda und den Bewohnern von Jerusalem wurde“ also „ein Geheimbund entdeckt. Sie kehrten zu den Freveln ihrer Vor väter zurück.“ h „Sie kehrten zu den Freveln zurück.“ Wessen Freveln? Es heißt einfach: der Väter. Wie lautet die Ergänzung? „Sie kehrten zu den Freveln ihrer Vorväter zurück.“ Wir haben gesagt, das werde zu uns, und zwar zu den Sündern unter uns gesagt. Wie nun sind die Sünder unter uns nicht zu den Freveln der Väter, sondern Vorväter zurückgekehrt?
gen, jedermann, in der Sucht ihres bösen Herzens. So ließ ich über sie kommen alle Wortes dieses Bunds, die zu tun ich ihnen entbot, sie aber taten es nicht. Und weiter spracht ER zu mir: Aufruhr ist befunden an der Mannschaft Jehudas und an den Insassen Jerusalems“ (III p. 261f. Buber/Rosenzweig). Auf die Auslegung des Origenes wirkt sich dieser Unterschied freilich nicht aus. 303 Vgl. oben in Hier. hom. 4,2 (GCS Orig. 32, 25); 5,15 (32, 45); 9,1 (32, 65). 304 Zur stoischen Vorstellung von der rechten Vernunft siehe oben S. 219 Anm. 221. 305 Die Einfügung von αὐτοῖς τὸ nach ἐφαρμόσαι durch Diels und Lietzmann (nach Hieronymus), die Klostermann, GCS Orig. 3, 69, akzeptiert, hält Nautin, GCS Orig. 32, 359, zu Recht für unnötig.
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πρότερον; Μήποτε οὖν διττοί εἰσιν οἱ πατέρες ἡμῶν, καὶ ἔστιν μὲν ἐν ἡμῖν εἶδος πατέρων τὸ χεῖρον· πρὶν πιστεῦσαι γὰρ υἱοὶ ἦμεν φέρ᾽ εἰπεῖν τοῦ διαβόλου, ὡς δείκνυσιν ὁ λόγος ὁ εὐαγγελικὸς λέγων· „Ὑμεῖς ἐκ τοῦ πα τρὸς τοῦ διαβόλου ἐστέ“,a ὅτε δὲ πεπιστεύκαμεν, γεγόναμεν „υἱοὶ θεοῦ“. b Ἐπὰν οὖν ἁμαρτάνωμεν, ἐπιστρέφομεν ἐπὶ τὰς ἀδικίας οὐχ ἁπαξαπλῶς τῶν πατέρων, ἀλλὰ τῶν πρότερον πατέρων. Εἰς δὲ τὸ παραστῆσαι ὅτι διττοὶ ἡμῶν εἰσιν οἱ πατέρες, χρήσομαι ῥητοῖς ἀπὸ τοῦ τεσσαρακοστοῦ τετάρτου Ψαλμοῦ οὕτως ἔχουσιν· „Ἄκουσον, θύγατερ, καὶ ἴδε καὶ κλῖνον τὸ οὖς σου, καὶ ἐπιλαθοῦ τοῦ λαοῦ σου καὶ τοῦ οἴκου τοῦ πατρός σου.“ c Πατὴρ λέγει· „Ἐπιλαθοῦ τοῦ οἴκου τοῦ πατρός σου“· ὡς γὰρ πατὴρ λέγει· „Ἄκουσον, θύγατερ“. Οὐκοῦν διττοὶ οἱ πατέρες ἡμῶν εἰσιν. Ἀλλὰ „ἐπιλα θοῦ τοῦ οἴκου [τοῦ οἴκου] τοῦ πατρός σου“ τοῦ προτέρου. | Ἐὰν ἐπιλα θόμενός σου τοῦ οἴκου τοῦ προτέρου πάλιν ἐπιστρέψῃς ἐπὶ τὰ ἁμαρτήμα τα, σὺ πεποίηκας τὰ λεγόμενα ἐνθάδε ἁμαρτήματα. „Ἐπεστράφησαν ἐπὶ τὰς ἀδικίας τῶν πατέρων αὐτῶν τῶν πρότερον.“ d Ἔλεγον ὅτι καὶ ὁ διάβολος πρότερον ἦν ἡμῶν πατήρ, πρὶν γένηται ἡμῶν ὁ θεὸς πατήρ, εἴγε καὶ νῦν οὐκ ἔστιν ἡμῶν ὁ διάβολος πατήρ· ὅπερ πα ραστήσομεν καὶ ἀπὸ τῆς Ἰωάννου καθολικῆς ἐπιστολῆς, ἐν ᾗ γέγραπται· „Πᾶς ὁ ποιῶν τὴν ἁμαρτίαν ἐκ τοῦ διαβόλου γεγέννηται.“ e Εἰ „πᾶς ὁ ποιῶν τὴν ἁμαρτίαν ἐκ τοῦ διαβόλου γεγέννηται“, οἱονεὶ τοσαυτάκις ἐκ τοῦ διαβόλου γεγεννήμεθα ὁσάκις ἁμαρτάνομεν. Ταλαίπωρος οὖν οὗτός ἐστιν, ὃς ἀεὶ γεννᾶται ἐκ τοῦ διαβόλου, ὥσπερ πάλιν μακάριος ὁ ἀεὶ γεν νώμενος ὑπὸ τοῦ θεοῦ. Οὐ γὰρ ἅπαξ ἐρῶ || τὸν δίκαιον γεγεννῆσθαι ὑπὸ τοῦ θεοῦ, ἀλλ̓ ἀεὶ γεννᾶσθαι καθ̓ ἑκάστην πρᾶξιν ἀγαθήν, ἐν ᾗ γεννᾷ τὸν δίκαιον ὁ θεός. Ἐὰν οὖν ἐπιστήσω σε ἐπὶ τοῦ σωτῆρος, ὅτι οὐχὶ ἐγέννησεν ὁ πατὴρ τὸν υἱὸν καὶ ἀπέλυσεν αὐτὸν ὁ πατὴρ ἀπὸ τῆς γενέσεως αὐτοῦ, αραπλήσιον. ἀλλ̓ ἀεὶ γεννᾷ αὐτόν, παραστήσω καὶ ἐπὶ τοῦ δικαίου π a
Joh. 8,44
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Röm. 8,14
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Ps. 44(45),11
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Jer. 11,10
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1 Joh. 3,8
3 ὡς Kl mit H (ut) οὓς S 7–8 τεσσαρακοστοῦ τετάρτου Kl μδ´ S 12 τοῦ οἴκου2 del. Co 14 σὺ πεποίηκας Kl mit H (incidisti in) οὐ πεποίηκας S 17 διάβολος Co διάβος S 19 εἰ πᾶς Co H (si omnis) εἶπας S
306 Vgl. in Ioh. comm. I 39,286–288 (GCS Orig. 4, 50f.); sel. in Ps. 44,11 (PG 12, 1431). 307 Origenes erkennt nur den Ersten Johannesbrief als kanonisch an: Zahn, Geschichte
des neutestamentlichen Kanons 210–212.
308 In 1 Joh. 3,8 steht statt γεγέννηται lediglich ἐστίν. Mit seiner Umformulierung rückt
Origenes das Zitat an die Vater-Metaphorik in Joh. 8,44 und im Kontext der Predigt heran und verleiht seiner Argumentation auf diese Weise zusätzliche Kraft.
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Möglicherweise also haben wir zwei Arten von Vätern und gibt es unter uns eine Form von Vätern, die schlechter ist. Bevor wir nämlich zum Glauben kamen, waren wir sozusagen Söhne des Teufels, wie das Wort des Evangeliums zeigt, wenn es sagt: „Ihr habt den Teufel zum Vater“,a als wir aber zum Glauben kamen, wurden wir „Söhne Gottes“.b Sooft wir also sündigen, kehren wir zu den Freveln nicht einfach nur der Väter, sondern der Vorväter zurück. Um darzulegen, dass wir zwei Arten von Vätern haben, will ich Worte aus dem 44. Psalm heranziehen, die so lauten: „Höre, Tochter, sieh her und neige dein Ohr! Vergiss dein Volk und das Haus deines Vaters!“ c306 Ein Vater sagt: „Vergiss das Haus deines Vaters“, denn als Vater sagt er: „Höre,Tochter!“ Demnach haben wir zwei Arten von Vätern. Doch „vergiss das Haus deines Vaters“, nämlich des früheren. Wenn du, nachdem du das Haus des früheren vergessen hast, wieder zu den Sünden zurückkehrst, hast du die Sünden begangen, von denen hier die Rede ist. „Sie kehrten zu den Freveln ihrer Vorväter zurück.“ d Ich habe gesagt, dass sogar der Teufel früher unser Vater war, ehe Gott unser Vater wurde – wenn denn nicht auch jetzt noch der Teufel unser Vater ist! Das werden wir auch aus dem katholischen Brief des Johannes307 darlegen, in dem geschrieben steht: „Jeder, der die Sünde tut, ist aus dem Teufel geboren.“ e308 Wenn „jeder, der die Sünde tut, aus dem Teufel geboren ist“, sind wir gleichsam so viele Male aus dem Teufel geboren, wie wir sündigen.309 Unselig ist also, wer ständig vom Teufel geboren wird, wie andererseits selig ist, wer ständig von Gott geboren wird.310 Denn nicht nur einmal, möchte ich sagen, wurde der Gerechte von Gott geboren, sondern er wird ständig in jeder guten Tat geboren, in der Gott den Gerechten gebiert. Wenn ich dich nun im Blick auf den Erlöser darauf aufmerksam mache, dass der Vater den Sohn nicht geboren und der Vater ihn nach seiner Geburt fortgeschickt hat, sondern ihn ständig gebiert,311 werde ich auch im Blick auf den Gerechten Entsprechendes dar
309 Den Gedanken, zu sündigen bedeute aus dem Teufel geboren zu werden, hat Ori-
genes öfter wiederholt: in Ioh. comm. XX 13,96–107 (GCS Orig. 4, 342–344); XX 16,133 (4, 348); XX 22,176 (4, 354); XX 23,193 (4, 356); in Luc. frg. 156 (GCS Orig. 92, 289). 310 Ähnlich in Ioh. comm. XX 36,337 (GCS Orig. 4, 377). 311 Vgl. princ. I 2,6 (GCS Orig. 5, 35f.): Man muss „annehmen, auf die gleiche Art, wie der Wille aus dem Geist hervorgeht, ohne einen Teil des Geistes abzuschneiden und ohne von ihm geschieden oder getrennt zu werden, so habe der Vater den Sohn gezeugt“; Übersetzung: p. 135 Görgemanns/Karpp. Ferner ebd. IV 4,1 (5, 349f.). Der Gedanke ist schon traditionell: Justin, dial. 61,2 (PTS 47, 175); 128,4 (47, 293); Tatian, orat. 5,3 (PTS 43, 13).
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Ἴ δωμεν δὲ τίς ἡμῶν ἐστιν ὁ σωτήρ. „Ἀπαύγασμα δόξης.“a Τὸ „ἀπαύγασμα τῆς δόξης“ οὐχὶ ἅπαξ γεγέννηται καὶ οὐχὶ γεννᾶται· ἀλλὰ ὅσον ἐστὶν τὸ φῶς ποιητικὸν τοῦ ἀπαυγάσματος, ἐπὶ τοσοῦτον γεννᾶται τὸ ἀπαύγασμα τῆς δόξης τοῦ θεοῦ. Ὁ σωτὴρ ἡμῶν σοφία ἐστὶν τοῦ θεοῦ. b Ἔστιν δὲ ἡ σοφία „ἀπαύγασμα φωτὸς ἀιδίου“. c Εἰ οὖν ὁ σωτὴρ ἀεὶ γεννᾶται, καὶ διὰ τοῦτο λέγει· „Πρὸ δὲ πάντων βουνῶν γεννᾷ με“, d (οὐχὶ δέ· „πρὸ δὲ πά ντων βουνῶν“ γεγέννηκέν „με“, ἀλλά· „πρὸ πάντων βουνῶν γεννᾷ με“), καὶ ἀεὶ γεννᾶται ὁ σωτὴρ ὑπὸ τοῦ πατρός, οὕτως καὶ σὺ ἐὰν ἔχῃς τὸ τῆς υἱοθεσίας πνεῦμα, e ἀεὶ γεννᾷ σε ἐν αὐτῷ ὁ θεὸς καθ̓ ἕκαστον ἔργον, καθ̓ ἕκαστον διανόημα, καὶ γεννώμενος οὕτως γίνῃ ἀεὶ γεννώμενος υἱὸς θεοῦ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ· „ᾧ ἐστιν ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων. Ἀμήν.“ f a
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1 Kor. 1,24
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Weish. 7,26
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Röm. 8,15
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1 Petr. 4,11
1–8 Vgl. Pamphilus, apol. Orig. 64 (SC 464, 118–120):Videamus ergo qui sit saluator noster. „Splendor“ dicitur „gloriae“ (Hebr. 1,3), id est „aeternae lucis splendor“ (Weish. 7,26); et certum est quod splendor ex lumine inseparabiliter generatur et donec permanet lux permanet semper et splendor. Saluator ergo noster qui sapientia est (1 Kor. 1,24) – sapientia autem Dei ipsa est „splendor aeternae lucis“ (Weish. 7,26) – inseparabiliter et indesinenter generatur ex Patre. Sic enim et ipsa de se sapientia per Salomonem dicit: „Ante omnes colles generat me“ (Spr. 8,25); non enim dixit „ante omnes colles genuit me“, sed „generat me“, in quo significantia sempiternitatis est (siehe dazu Klostermann, Überlieferung 112f.) 12 Ἀμήν add. ὁμιλία θʹ S
312 Ebenso princ. I 2,4 (GCS Orig. 5, 33): „Die Zeugung“ des Sohnes durch den Vater,
die man sich nicht wie einen materiellen Zeugungsakt vorstellen darf, „ist ebenso ewig und immerwährend wie die Zeugung des Glanzes durch das Licht.“ Übersetzung: p. 131 Görgemanns/Karpp (dieselbe Metaphorik findet sich übrigens bei Augustinus, serm. 118,2 [PL 38, 672f.], ausführlich zitiert bei Schadel, BGrL 10, 283 Anm. 98). Pamphilus hat diesen Passus aus der Jeremiahomilie in seine Apologie des Origenes aufgenommen: apol. Orig. 64 (SC 464, 118–120): „Lass uns sehen, wer unser Erlöser ist. Er wird ‚Glanz der Herrlichkeit‘ (Hebr. 1,3) genannt, das heißt ‚Glanz des ewigen Lichtes‘ (Weish. 7,26). Es steht fest, dass der Glanz untrennbar vom Licht gezeugt wird, und solange das Licht da ist, ist auch der Glanz da. Unser Erlöser, der die Weisheit ist – die Weisheit Gottes aber ist selbst der ‚Glanz des ewigen Lichtes‘ –, wird untrennbar und unaufhörlich aus dem Vater gezeugt. Denn so spricht die Weisheit selbst durch Salomo: ‚Vor allen Bergen zeugt er mich‘ (Spr. 8,25). Sie sagt nicht: ‚Vor allen Bergen hat er mich gezeugt‘, sondern ‚zeugt er mich‘. Damit ist die immerwährende Ewigkeit angedeutet.“ Übersetzung: Röwekamp, FC 80, 287–289. Schon Huet, Origeniana II 2,2,24 (p. 45 bzw. PG 17, 783), hat diesen Passus herangezogen, um Origenes’ Lehre von der ewigen Zeugung des Sohnes darzulegen. Vgl. für diese princ. I 2 (GCS Orig. 5, 27–48); IV 4,1 (5, 348–350); in Ioh. comm. I 29,204 (GCS Orig. 4, 37) mit dem biblischen Hauptbeleg Ps. 2,7; II 1,9 (4, 53). Siehe dazu Bigg, Christian Platonists 177; Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, 672; Crou-
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legen. Doch wir wollen sehen, wer unser Erlöser ist: „Glanz der Herrlichkeit“.a Der „Glanz der Herrlichkeit“ ist nicht einmal geboren worden und wird dann nicht wieder geboren, sondern solange das Licht den Glanz hervorbringt, so lange wird der Glanz der Herrlichkeit Gottes geboren.312 Unser Erlöser ist die Weisheit Gottes.b Die Weisheit aber ist „der Glanz des ewigen Lichts“.c Wenn nun der Erlöser ständig geboren wird und deswegen sagt: „Vor allen Hügeln gebiert er mich“ d – und nicht: „Vor allen Hügeln“ hat er „mich“ geboren, sondern: „Vor allen Hügeln gebiert er mich“ – und wenn der Erlöser vom Vater ständig geboren wird, verhält es sich auch bei dir so: Wenn du den Geist der Sohnschaft e hast, gebiert dich Gott in ihm ständig in jedem Werk, in jedem Gedanken, und wenn du so geboren wirst, wirst du zum ständig neu geborenen Sohn Gottes in Christus Jesus.313 „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen!“ f
zel,Théologie de l’image 88f.; Gögler, Bibelexegese des Origenes 1; Fédou, Sagesse 286f.; Bruns,Trinität und Kosmos 241f.; Hengstermann, Freiheitsmetaphysik 213f. 313 Im Schlussteil dieser Predigt spricht Origenes den fundamentalen Gedanken seiner Soteriologie an: Der Erlöser ist nicht eine dem Menschen äußerliche Größe, sondern das innere Seinsprinzip der gesamten Natur und aller Vernunftwesen. Dies kommt besonders in den Epinoiai zum Ausdruck, mit denen Origenes den Sohn Gottes hauptsächlich beschreibt (Weisheit,Wort, Leben,Wahrheit, Licht,Weg; vgl. etwa princ. I 2,7 [GCS Orig. 5, 37]) und von denen einige hier vorkommen: Weisheit, Licht, Leben (impliziert in der Geburts-Metapher),Weg (impliziert im ständigen Geborenwerden). Der Weg der Erlösung besteht für alle Vernunftwesen (und für die ganze geschaffene Natur) darin, das zu werden, was der Erlöser immer schon in Fülle ist, zum Beispiel also Leben und Licht. Wie der Sohn innerstes Prinzip allen Daseins ist, erhält dieses und darin jedes einzelne Vernunftwesen auf diese Weise Anteil am innersten Sein der trinitarischen Gottheit (vgl. ebd. IV 4,5 [5, 356]), an seiner „Herrlichkeit“. Im (Heiligen) Geist und im Sohn werden alle in einem beständigen, dynamischen Prozess zu Söhnen und Töchtern Gottes des Vaters und somit anteilhaft und gnadenhaft das, was der Sohn seinshaft immer schon ist (vgl. ebd. I 2,4 [5, 33]: natura filius est). Die Stelle enthält damit Grundgedanken des origeneischen Heilstrinitarismus, wie er ebd. I 3,8 (5, 60–62) ebenso knapp wie prägnant dargelegt ist. Siehe dazu Fürst, Theologie der Freiheit 11–13, ferner Völker,Vollkommenheitsideal 149. 219; Gruber, ΖΩΗ 48.
Εἰς τὸ „γνώρισόν μοι, κύριε, καὶ γνώσομαι“ μέχρι τοῦ „συνάξατε πάντα τὰ θηρία τοῦ ἀγροῦ, καὶ ἐλθέτωσαν τοῦ καταφαγεῖν αὐτήν“.a
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1. Εἰ θεοῦ λόγιά ἐστιν ἐν νόμῳ καὶ προφήταις, εὐαγγελίοις τε καὶ ἀπο στόλοις, δεήσει τὸν μαθητευόμενον θεοῦ λογίοις διδάσκαλον ἐπιγράφεσθαι θεόν· „Ὁ“ γὰρ „διδάσκων ἄνθρωπον γνῶσιν“ b ὁ θεός ἐστιν, ὡς καὶ ἐν Ψαλμοῖς γέγραπται. Καὶ ὁ σωτὴρ δὲ μαρτυρεῖ μὴ δεῖν ἐπιγράφεσθαί τινα διδάσκαλον ἐπὶ τῆς γῆς λέγων· „Καὶ ὑμεῖς μὴ καλέσητε διδάσκαλον ἐπὶ τῆς γῆς· εἷς γάρ ἐστιν ὑμῶν ὁ διδάσκαλος, ὁ πατὴρ ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς.“ c διδάσκει ἤτοι κα||θ᾽ αὑτὸν ἢ διὰ τοῦ Χριστοῦ ἢ ἐν ἁγίῳ πνεύματι ἢ διὰ Παύλου, φέρ᾽ εἰπεῖν, ἢ διὰ Πέτρου ἢ διά τινος τῶν ἄλλων ἁγίων, μόνον θεοῦ πνεῦμα καὶ θεοῦ λόγος ἐπιδημείτω καὶ διδασκέτω. Ταῦτά μοι πρὸς τί εἴρηται; Ἐπειδήπερ φησὶν ὁ προφήτης· „Γνώρισόν μοι, κύριε, καὶ γνώσομαι“· d οὐ γὰρ γνώσομαι, ἐὰν μὴ σύ μοι γνωρίσῃς, ἐὰν δὲ γνωρίζοντος σοῦ ἐμοὶ γνῶ, „τότε“ ὄψομαι „τὰ ἐπιτη δεύματα αὐτῶν“ e καὶ νοήσω, ὃ ἕκαστος πράττει καὶ ποίας ἐστὶν προαιρέ σεως. a
Jer. 11,18–12,9
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Ps. 93(94),10
c
Mt. 23,8f.
d
Jer. 11,18
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Jer. 11,18
10–11 ὁ πατὴρ2 – οὐρανοῖς Kl mit H (pater autem qui est in coelis) (cuius) ποία S
17 ποίας Hu H
314 Als Beispiel für die Predigtweise des Origenes hat Klostermann diese Homilie in
den „Kleinen Texten und Übungen“ Bd. 4 separat herausgegeben, mit dem Hieronymustext auf der gegenüberliegenden Seite (1903, in der 2. Auflage 1914 ergänzt um die 7. Lukas- und die 21. Josuahomilie), und geringfügige weitere Textemendationen angebracht. 315 Vgl. sel. in Iob 22,2 (PG 12, 1036f.): „Das ist eine gesunde Lehre, dass der wahre Meister der Tugend der Mensch nicht sein kann. ‚Der den Menschen die Weisheit lehrt‘, so steht es in den Psalmen, ‚ist kein anderer als Gott‘ (Ps. 93[94],10). Es lehrt aber Gott, indem er in die Seele des von ihm Lernenden hineinleuchtet und den Geist mit dem wahren Licht, mit seinem eigenen Worte erhellt. Und wenn auch gerechte Menschen uns unterweisen, da sie die Gnade der Unterweisung erhielten, ist es doch der Herr, der uns lehrt, und die Einsicht selber und das Öffnen unserer Herzen zur
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Über: „Lass mich erkennen, Herr, und ich werde erkennen“ bis: „Treibt alle wilden Tiere des Feldes zusammen! Sie sollen kommen, um es zu fressen!“a
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1. Wenn Gottes Worte im Gesetz und in den Propheten, in den Evangelien und in den Aposteln enthalten sind, wird einer, der in Gottes Worten unterrichtet wird, Gott als Lehrer bezeichnen müssen. Denn der, „der den Menschen Erkenntnis lehrt“,b ist Gott, wie auch in den Psalmen geschrieben steht.315 Und der Erlöser bezeugt, man dürfe niemanden auf der Erde als Lehrer bezeichnen, wenn er sagt: „Und ihr sollt niemanden auf der Erde Lehrer nennen, denn nur einer ist eurer Lehrer, der Vater in den Himmeln.“ c lehrt entweder von sich aus oder durch Christus oder im Heiligen Geist316 oder zum Beispiel durch Paulus oder durch Petrus oder durch einen der anderen Heiligen, vorausgesetzt nur, Gottes Geist und Gottes Wort kommen und lehren.317 Wozu habe ich das gesagt? Weil nämlich der Prophet sagt: „Lass mich erkennen, Herr, und ich werde erkennen.“ d Denn ich werde nicht erkennen, wenn du mich nicht erkennen lässt, wenn ich aber erkenne, weil du mich erkennen lässt, „dann“ werde ich „ihre Machenschaften“ e sehen und verstehen, was jeder Einzelne tut und was seine Intention ist. Aufnahme der göttlichen Lehren geschieht durch die göttliche Gnade selbst.“ Übersetzung: von Balthasar, Geist und Feuer 262 (Nr. 538). 316 Schon Justin, I apol. 36–39 (SC 507, 224–228), hat die exegetische Regel aufgestellt, dass in der Bibel, speziell im Alten Testament, entweder Gott Vater oder der Sohn oder der Heilige Geist die Sprecher sind. Im Konzept des Origenes sind die Präpositionen wichtig: Der Vater ist die Quelle und Wirkursache (καθ᾽ αὑτὸν), der Sohn die Instrumentalursache (δι᾽ οὗ) und der Heilige Geist das Medium (ἐν ᾧ) der Erkenntnis, die „vom“ Vater stammt und „durch“ den Sohn „im“ Heiligen Geist vermittelt wird; vgl. in Ioh. comm. II 10,71f. (GCS Orig. 4, 64); princ. I 3,4 (GCS Orig. 5, 53): „Jegliches Wissen über den Vater wird durch die Offenbarung des Sohnes im Heiligen Geist erlangt.“ Übersetzung: p. 167 Görgemanns/Karpp. 317 Mit Bezug auf Mt. 23,8f. hat Origenes die Pädagogik der Christus- und Geist-Innerlichkeit grundgelegt, die Augustinus in seiner Frühschrift De magistro ausgebaut hat. Als Vermittler dieses Gedankens fungierten Hieronymus und Ambrosius: Schadel, Augustinus, De magistro, 34f. 214–216, zur patristischen Tradition des inneren Lehrers. Siehe auch Lomiento, Cristo didaskalos.
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Ταῦτα ὁ προφήτης. Εἶτα ὁ σωτὴρ ἐν τῷ προφήτῃ ἴδωμεν τίνα λέγει· „Ἐγὼ ὡς ἀρνίον ἄκακον ἀγόμενον τοῦ θύεσθαι οὐκ ἔγνων. Ἐπ̓ ἐμὲ ἐλογί σαντο λογισμόν, λέγοντες· Δεῦτε καὶ ἐμβάλωμεν ξύλον εἰς τὸν ἄρτον αὐτοῦ, καὶ ἐκτρίψωμεν αὐτὸν ἀπὸ γῆς ζώντων, καὶ τὸ ὄνομα αὐτοῦ οὐ μὴ μνησθῇ ἔτι.“a Ὡς φησὶν καὶ ὁ προφήτης Ἡσαΐας, Χριστὸς „ὡς πρόβατον ἐπὶ σφα γὴν ἤχθη, καὶ ὡς ἀμνὸς ἐναντίον τοῦ κείραντος ἄφωνος, οὕτως οὐκ ἀνοίγει τὸ στόμα αὐτοῦ“. b Ἐκεῖ μὲν οὖν περὶ αὐτοῦ Ἡσαΐας λέγει, ἐνταῦθα δὲ ὁ Χριστὸς περὶ αὑτοῦ | „ἐγὼ“ φησὶν „ὡς ἀρνίον ἄκακον ἐπὶ σφαγὴν ἀγόμε νον τοῦ θύεσθαι οὐκ ἔγνων.“ c Οὐκ εἶπεν τί οὐκ ἔγνω. Οὐ γὰρ εἴρηκεν· οὐκ ἔγνων κακά, οὐκ εἴρηκεν· οὐκ ἔγνων ἀγαθά, οὔτε εἴρηκεν· οὐκ ἔγνων ἁμαρ τίαν, ἀλλ̓ ἁπλῶς „οὐκ ἔγνων“. Σοὶ οὖν καταλέλοιπεν ἐξετάζειν τί οὐκ ἔγνω. Kαὶ μάνθανε τί οὐκ ἔγνω ἀπὸ τοῦ „Τὸν μὴ γνόντα ἁμαρτίαν ὑπὲρ ἡμῶν ἁμαρτίαν ἐποίησεν“· d γνῶναι γὰρ ἁμαρτίαν ἁμαρτῆσαί ἐστιν, ὡς γνῶναι δικαιοσύνην δικαιοπραγῆσαί ἐστιν. Ὁ οὖν ἀπαγγέλλων τὰ περὶ δικαιοσύνης καὶ μὴ δικαιοπραγῶν οὐκ ἔγνω δικαιοσύνην. 2. „Ἐπ̓ ἐμὲ ἐλογίσαντο λογισμόν, λέγοντες· Δεῦτε καὶ ἐμβάλωμεν ξύλον εἰς τὸν ἄρτον αὐτοῦ.“ e Ὅτι μὲν ἐσταύρωσαν αὐτὸν || Ἰουδαῖοι, δῆλον τοῦτό ἐστιν καὶ παρρησίᾳ τοῦτο κηρύσσομεν. Πῶς δὲ τοῦτο ἐφαρμόσεις τῷ „Ἐλογίσαντο ἐπ̓ ἐμὲ λογισμόν, λέγοντες· Δεῦτε καὶ ἐμβάλωμεν ξύλον εἰς τὸν ἄρτον αὐτοῦ“, ἔργον ἐστὶ νοῆσαι. Ὁ τοῦ Ἰησοῦ ἄρτος ὁ λόγος ἐστὶν ἐν ᾧ τρεφόμεθα. Ἐπεὶ τοίνυν διδάσκοντος αὐτοῦ ἐν τῷ λαῷ ἠθέλησαν τὸ σκάνδαλον [ἐν] τῇ διδασκαλίᾳ αὐτοῦ προσθεῖναι διὰ τοῦ σταυρῶσαι a
Jer. 11,19
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Jes. 53,7
c
Jer. 11,19
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2 Kor. 5,21
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Jer. 11,19
1 εἶτα Kl mit H (deinde) εἶ δὲ S 8 αὑτοῦ Kl mit H (se ipse) αὐτοῦ S (cognouerit) ἔγνων S 22 ἐν del Bl Kl (mit H) (nicht Nt)
9 ἔγνω Co H
318 Vgl. Hieronymus, in Hier. II 110,2 (CChr.SL 74, 117): „Sämtliche Kirchen sind sich
darüber einig, dies (sc. Jer. 11,18–20) so zu verstehen, dass es in der Person Jeremias von Chistus gesagt wird.“ 319 In den Satz aus Jer. 11,19 ist die Junktur ἐπὶ σφαγήν aus Jes. 53,7 eingedrungen (so auch Schadel, BGrL 10, 287 Anm. 102), die eine Doppelung zu τοῦ θύεσθαι darstellt und die Hieronymus in seiner Übersetzung aus stilistischen Gründen zu Recht wegließ. Siehe auch Koetschau, Bibelcitate 333f. 320 Auch Hieronymus, in Hier. II 110,2 (CChr.SL 74, 117), erklärt Jer. 11,19 unter Beiziehung von 2 Kor. 5,21 so, dass unter dem, wovon Jeremia/Christus nichts wusste, die Sünde zu verstehen sei. 321 Wenn man die Infinitive Aorist in diesem Satz ernst nimmt und nicht einfach wie einen Infinitiv Präsens übersetzt (wie das alle Übersetzer tun), wird klar, dass Wissen nicht einfach irgendwie mit Handeln zu tun hat, sondern im strengen Sinn auf Erfahrung beruht. Der Wissensbegriff des Origenes gründet wesentlich in praktischem Tun. Zur Bedeutung der Erfahrung in der Soteriologie des Origenes siehe Fürst, Origenes als Theologe der Geschichte 148f. 159–161.
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So weit der Prophet. Dann wollen wir uns anschauen, was der Erlöser in der Person des Propheten318 sagt: „Ich war wie ein argloses Lamm, das zum Schlachten geführt wird, und wusste es nicht. Sie heckten etwas gegen mich aus, indem sie sagten: Kommt, wir wollen Holz in sein Brot tun und ihn aus dem Land der Lebenden austilgen, und seines Namens soll nicht mehr gedacht werden.“a Wie auch der Prophet Jesaja sagt: Christus „wurde wie ein Schaf zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm, das vor dem Scherer stumm ist, so tut er seinen Mund nicht auf.“ b Dort nun spricht Jesaja über ihn, hier aber sagt Christus über sich selbst: „Ich war wie ein argloses Lamm, das zur Schlachtung319 zum Schlachten geführt wird, und wusste es nicht.“ c Er sagte nicht, was er nicht wusste. Denn er hat nicht gesagt: Ich wusste vom Bösen nichts, er hat nicht gesagt: Ich wusste vom Guten nichts, er hat auch nicht gesagt: Ich wusste von der Sünde nichts, sondern einfach nur: „Ich wusste es nicht“. Dir also ist es überlassen herauszufinden, was er nicht wusste. Und lerne, was er nicht wusste, aus der Aussage: „Den, der von Sünde nichts wusste, hat er (sc. Gott) für uns zur Sünde gemacht.“ d320 Denn von der Sünde zu wissen bedeutet sündig gehandelt zu haben, wie von Gerechtigkeit zu wissen gerecht gehandelt zu haben bedeutet.321 Wer also von Gerechtigkeit kündet und nicht gerecht handelt, wusste von Gerechtigkeit nichts. 2. „Sie heckten etwas gegen mich aus, indem sie sagten: Kommt, wir wollen Holz in sein Brot tun.“ e Dass die Juden ihn kreuzigten, das ist klar und das verkünden wir freimütig.322 Wie du das aber passend mit der Aussage zusammenbringst: „Sie heckten etwas gegen mich aus, indem sie sagten: Kommt, wir wollen Holz in sein Brot tun“, ist eine Aufgabe für das Nachdenken.323 Das Brot Jesu ist das Wort, von dem wir uns ernähren.324 Da sie nun, als er im Volk lehrte, seiner Lehre das, was Anstoß erregt, hinzufügen wollten, indem sie ihn 322 Wie viele altkirchliche Autoren macht auch Origenes „die Juden“ für die Kreuzi-
gung Jesu verantwortlich: Cels. II 8 (GCS Orig. 1, 134f.); II 34 (1, 160); III 1 (1, 204); IV 22 (1, 292); IV 32 (1, 303); V 43 (2, 47); VII 8 (2, 160); VIII 69 (2, 286); orat. 31,7 (GCS Orig. 2, 400); in Ps. 73 hom. 1,2 (GCS Orig. 13, 226). Seit dem 3. Jahrhundert gehört dies zu den Standardvorwürfen der antijüdischen christlichen Polemik: de Lange, Origen and the Jews 75–79. 89–102; Trigg, Bible and Philosophy 185. 323 Von der christlichen Apologetik wird Jer. 11,19 (wie hier in Verbindung mit Jes. 53,7) auf die Kreuzigung Jesu bezogen: Justin, dial. 72,2f. (PTS 47, 194f.); Tertullian, adv. Marc. III 19,3 (CChr.SL 1, 533); IV 40,3 (1, 656); Pseudo-Tertullian, adv. Iud. 10,12 (CChr.SL 2, 1378). Für Origenes liegt dieser Bezug nicht einfach auf der Hand, weshalb er im Folgenden eine Erklärung in diesem Sinne sucht. 324 Parallelen zur Erklärung des „Brotes“ als „Wort“, deren es sehr viele gibt, bei Schadel, BGrL 10, 288 Anm. 105, und Hanson, Allegory and Event 326f. (der dieses Motiv jedoch als Spiritualisierung der Eucharistie bzw. Allegorisierung und Rationalisierung des Sakramentalen kritisiert). Siehe dazu Lies, Wort und Eucharistie bei Origenes. Vgl. etwa in Hier. frg. 20 (GCS Orig. 32, 207); orat. 27,9 (GCS Orig. 2, 368f.).
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αὐτόν, εἶπον· „Βάλωμεν ξύλον εἰς τὸν ἄρτον αὐτοῦ.“ Ὅταν γὰρ τῷ λόγῳ τῆς Ἰησοῦ διδασκαλίας προσάπτηται τὸ ἐσταυρῶσθαι τὸν διδάσκαλον, εἰς τὸν ἄρτον αὐτοῦ ξύλον ἐμβέβληται. Ἐκεῖνοι μὲν οὖν ἐξ ἐπιβουλῆς βουλευ σάμενοι λεγέτωσαν· „Δεῦτε καὶ ἐμβάλωμεν ξύλον εἰς τὸν ἄρτον αὐτοῦ.“ Ἐγὼ δὲ παραδοξότερον ἐρῶ· τὸ ξύλον ἐμβληθὲν εἰς τὸν ἄρτον αὐτοῦ κρείτ τονα τὸν ἄρτον πεποίηκεν. Παράδειγμα λαμβάνω ἀπὸ τοῦ Μωσέως νόμου· Τὸ ξύλον βληθὲν εἰς τὸ πικρὸν ὕδωρ ἐποίησεν αὐτὸ γλυκύ.a Οὕτως τὸ ξύλον τοῦ πάθους Ἰησοῦ Χριστοῦ ἐλθὸν εἰς τὸν λόγον πεποίηκεν τὸν ἄρτον αὐτοῦ γλυκύτερον. Πρὶν ἔλθῃ γοῦν εἰς τὸν ἄρτον αὐτοῦ τὸ ξύλον, ὅτε ἄρτος μόνον ἦν καὶ ξύλον οὐκ ἦν ἐν τῇ διδασκαλίᾳ αὐτοῦ, „εἰς πᾶσαν τὴν γῆν“ οὐκ „ἐξῆλθεν ὁ φθόγγος αὐτοῦ“. b Ἀλλ̓ ἐπεὶ προσ|έλαβεν δύναμιν ὁ ἄρτος διὰ τοῦ ξύλου τοῦ βληθέντος εἰς αὐτόν, διὰ τοῦτο ὁ λόγος τῆς δι δασκαλίας αὐτοῦ νενέμηται ὅλην τὴν οἰκουμένην. Καὶ τότε τὸ ξύλον [ὃ] σύμβολον ἦν τοῦ πάθους Ἰησοῦ, δι᾽ οὗ τὸ πικρὸν ὕδωρ γλυκὺ γίνεται· ἐγὼ γὰρ λέγω ὅτι ὁ νόμος μὴ νοούμενος πικρὸν ὕδωρ ἐστίν, ἐὰν δὲ ἔλθῃ τὸ ξύλον Ἰησοῦ καὶ ἡ διδασκαλία τοῦ σωτῆρός μου ἐπιδημήσῃ, γλυκάζεται καὶ ἥδιστος γίνεται ὁ Μωσέως || νόμος ἀναγινωσκόμενος καὶ γινωσκόμενος. Εἶπον οὖν· „Δεῦτε καὶ ἐμβάλωμεν ξύλον εἰς τὸν ἄρτον αὐτοῦ.“ 3. Λέ γουσιν δὲ καὶ τὸ „Ἐκτρίψωμεν αὐτὸν ἀπὸ γῆς ζώντων, καὶ τὸ ὄνομα αὐτοῦ οὐ μὴ μνησθῇ ἔτι.“ c Οὕτως αὐτὸν ἀπέκτειναν, ὡς ἐξαφανίζοντες αὐτοῦ τὸ ὄνομα. Ἀλλὰ ὁ Ἰησοῦς οἶδεν πῶς ἀποθνῄσκει καὶ διὰ τί. Διό φησιν· „Ἐὰν μὴ ὁ κόκκος τοῦ σίτου πεσὼν εἰς τὴν γῆν ἀποθάνῃ, αὐτὸς μόνος μένει· ἐὰν δὲ ἀποθάνῃ, πολὺν καρπὸν φέρει“· d ὥστε ὁ θάνατος τοῦ Ἰησοῦ στάχυς σίτου γίνεται ποιῶν πολλαπλάσιον καὶ πολύχουν τὸ ἐσπαρμένον. e Ὡς εἰ καθ̓ ὑπόθεσιν μὴ ἐσταύρωτο μηδὲ τεθνήκει, ἔμεινεν ἂν μόνος ὁ κόκκος τοῦ σίτου, καὶ πολλοὶ οὐκ ἐγένοντο ἐξ αὐτοῦ. Πρόσχες οὖν αὐτοῦ τῇ λέξει, εἰ μὴ τοῦτο βεβούληται λέγειν· „Ὁ κόκκος τοῦ σίτου ἐὰν μὴ πεσὼν εἰς τὴν γῆν ἀπο θάνῃ, αὐτὸς μόνος μένει· ἐὰν δὲ ἀποθάνῃ, πολὺν καρπὸν φέρει“· f ὁ θάνατος τοῦ Ἰησοῦ τούτους πάντας ἐκαρποφόρησεν, εἰ δὲ ὁ θάνατος τούτους ἐκαρποφόρησε, πόσους καρποφορήσει ἡ ἀνάστασις; a
Ex. 15,25
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Ps. 18(19),5
c
Jer. 11,19
d
Joh. 12,24
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Lk. 8,8; Mt. 13,8
f
Joh. 12,24
12 διὰ2 S Kl Nt μετὰ We Kl2 13 ὃ del. Kl 24 πολλαπλάσιον We Kl2 πολλαπλασίονα S Kl Nt 25 μηδὲ Kl μὴ δὲ S 26 ἐγένοντο Kl ἐγίνοντο S 27 λέγειν Kl mit H (uelint intellegi) λέγων S Nt 29 τοσούτους Kl mit H (tantas attulit fruges) 325 Auch Hieronymus, in Hier. II 110,2f. (CChr.SL 74, 117), bezieht das „Holz“ aus Jer.
11,19 auf das Kreuz und erklärt dies im selben Sinne wie Origenes so, dass damit der Lehre Christi geschadet werden sollte, „um seinen Namen für immer auszulöschen“. Allerdings bezieht er das „Brot“ nicht wie Origenes auf das „Wort“, sondern auf den „Körper des Erlösers“ (corpus saluatoris). 326 Auch dieser Vers wurde traditionell auf das Kreuz bezogen: Justin, dial. 86,1 (PTS 47, 219); Tertullian, bapt. 9,2 (CChr.SL 1, 284); Pseudo-Tertullian, adv. Iud. 13,12 (CChr.
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kreuzigten, sagten sie: „Wir wollen Holz in sein Brot tun.“325 Wenn nämlich mit dem Wort der Lehre Jesu die Kreuzigung des Lehrers verbunden wird, wird in sein Brot Holz getan. Jene also mögen in der Absicht, einen Anschlag zu verüben, sagen: „Kommt, wir wollen Holz in sein Brot tun.“ Ich hingegen will etwas Paradoxeres sagen: Das in sein Brot getane Holz hat das Brot besser gemacht. Ich nehme ein Beispiel aus dem Gesetz des Mose: Das Holz, das in das bittere Wasser geworfen wurde, hat es süß gemacht.a326 In gleicher Weise hat das Holz des Leidens Jesu Christi, das zum Wort dazukam, sein Brot süßer gemacht. Bevor jedenfalls das Holz zu seinem Brot dazukam, als es nur Brot und kein Holz in seiner Lehre gab, „ging sein Schall“ nicht „in die ganze Welt hinaus“. bAber nachdem das Brot durch das dazugetane Holz an Kraft gewonnen hatte, hat sich eben dadurch327 das Wort seiner Lehre über die ganze bewohnte Welt verbreitet. Und das Holz damals war Symbol für das Leiden Jesu, durch das das bittere Wasser süß wird. Ich behaupte nämlich, dass das Gesetz, wenn es nicht verstanden wird, bitteres Wasser ist. Wenn aber das Holz Jesu dazukommt und die Lehre meines Erlösers zugegen ist, wird das Gesetz des Mose süß und höchst wohltuend, wenn es gelesen und verstanden wird. Sie sagten also: „Kommt, wir wollen Holz in sein Brot tun.“ 3. Sie sagen aber auch: „Wir wollen ihn aus dem Land der Lebenden austilgen, und seines Namens soll nicht mehr gedacht werden.“ c So töteten sie ihn in der Absicht, seinen Namen auszulöschen. Doch Jesus weiß, wie und weshalb er stirbt. Deshalb sagt er: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht,“ d so dass der Tod Jesu zu einer Weizenähre wird, die das Gesäte vervielfältigt und Ertrag im Überfluss hervorbringt.e Angenommen daher, er wäre nicht gekreuzigt worden und nicht gestorben, wäre das Weizenkorn allein geblieben und wären nicht viele aus ihm geworden. Achte also genau auf seine Ausdrucksweise, ob er nicht genau das sagen wollte: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“ f Der Tod Jesu hat alle diese Früchte hervorgebracht. Wenn aber schon der Tod so viele Früchte hervorgebracht hat, wie viele Früchte wird dann die Auferstehung hervorbringen? SL 2, 1387); für Origenes vgl. in Ex. hom. 7,1 (GCS Orig. 6, 206). Vgl. dazu auch schon Philon, migr. Abr. 36f. (II p. 275 Cohn/Wendland): „Dieses Holz aber verspricht nicht nur Nahrung, sondern auch Unsterblichkeit …“ Übersetzung: Nesselrath, SAPERE 30, 41. Zur von Origenes hier vorgelegten Deutung des Kreuzestodes Jesu siehe Völker,Vollkommenheitsideal 102f.; de Lubac, Geist aus der Geschichte 107f. 319f. 327 Die Konjektur von Wendland, die Klostermann in seine Neuausgabe der 10. Homilie übernimmt, statt διὰ (τοῦτο) μετὰ (τοῦτο) zu schreiben, ist zwar aufgrund der Zeitstruktur des Satzes nachvollziehbar, insofern von einem Zustand ‚davor‘ und ‚danach‘ die Rede ist. Gleichwohl schwächt diese Konjektur die sachliche Aussage, dass der Zustand ‚danach‘ „eben dadurch“ qualifiziert ist, was dazwischen geschehen ist.
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4. „Κύριε τῶν δυνάμεων κρίνων δίκαια, δοκιμάζων νεφροὺς καὶ καρδίας, ἴδοιμι τὴν παρὰ σοῦ ἐκδίκησιν ἐξ αὐτῶν.“a Προφητικῶς ταῦτα εὔχεται, ἰδεῖν τὴν παρὰ τοῦ θεοῦ ἐκδίκησιν ἐξ αὐτῶν· κεκύκλωται γὰρ ὑπὸ στρα τοπέδων ἡ Ἱερουσαλήμ, καὶ ἤγγισεν ἡ ἐρήμωσις αὐτῆς, b καὶ εἴρηται αὐτῇ· „Ἰδοὺ ἀφίεται ὑμῖν ὁ οἶκος ὑμῶν.“ c „Ἴδοιμι“ οὖν „τὴν παρὰ σοῦ ἐκδίκησιν ἐν αὐτοῖς, ὅτι πρὸς σὲ ἀπεκάλυψα τὸ δικαίωμά μου. Διὰ τοῦτο τάδε λέγει κύριος ἐπὶ τοὺς ἄνδρας Ἀναθὼθ τοὺς ζητοῦντας τὴν ψυχήν μου, τοὺς λέ γοντας· Οὐ μὴ προ|φητεύσῃς ἐν ὀνόματι κυρίου, εἰ δὲ μή, ἀποθανῇ ἐν ταῖς χερσὶν ἡμῶν. Ἰδοὺ ἐγὼ ἐπισκέψομαι ἐπ̓ αὐτούς· οἱ νεανίσκοι αὐτῶν ἐν ῥομφαίᾳ ἀποθανοῦνται, καὶ οἱ υἱοὶ αὐτῶν καὶ αἱ θυγατέρες αὐτῶν τελευ τήσουσιν λιμῷ. Καὶ || ἐγκατάλειμμα οὐκ ἔσται αὐτῶν, ὅτι ἐπάξω κακὰ ἐπὶ τοὺς κατοικοῦντας Ἀναθὼθ ἐν ἐνιαυτῷ ἐπισκέψεως αὐτῶν.“ d Προ σχήματος ἕνεκεν τὸ ὄνομα τῆς Ἀναθὼθ ἐνθάδε λαμβάνεται. Ὅλον δὲ τὸ Ἰουδαϊκὸν μυστήριον τροπικῶς ἐν αὐτῇ εἴρηται· ἑρμηνεύεται γὰρ Ἀναθὼθ ἐπακουσμός. τοῦ θεοῦ ἐν ἐκείνῳ ἦν τῷ λαῷ, ὡς καὶ ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ, καὶ γέγονεν ἐπὶ τῆς βασιλείας τὸ „Ἀρθήσεται ἀφ̓ ὑμῶν ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ καὶ δοθήσεται ἔθνει ποιοῦντι τοὺς καρποὺς αὐτῆς“, e κατὰ τοῦτο γέγονεν καὶ τὸ τοὺς ἄνδρας Ἀναθώθ, τοὺς ὄντας ἐν τῷ ἐπακουσμῷ, ζητεῖν τὴν ψυχὴν οὐχ Ἱερεμίου (οὐδὲ γὰρ ἡ ἱστορία λέγει ὅτι ἄνδρες Ἀναθὼθ ἐζήτησαν τὴν ψυχὴν Ἱερεμίου. Ἔχομεν τὰς Βασιλείας, μέμνηται ἡ γραφὴ ἐκεῖ τοῦ Ἱερεμίου, f οὐδὲν τοιοῦτον ἐν αὐταῖς εἴρηται, ἐν ταῖς Παραλειπομέναις· ἔχομεν γὰρ αὐτὴν τὴν βίβλον τοῦ προ φήτου, οὐδὲν εἰρήκασιν οἱ ἄνδρες Ἀναθώθ), ἀλλὰ ταῦτα λέγεται περὶ Χρι στοῦ. „Τοὺς ζητοῦντας τὴν ψυχήν μου, τοὺς λέγοντας· Οὐ μὴ προφητεύσῃς ἐπὶ τῷ ὀνόματι κυρίου“ (ἐκώλυσαν Ἰουδαῖοι διδάσκειν Ἰησοῦν), „εἰ δὲ μή, ἀποθανῇ ἐν ταῖς χερσὶν ἡμῶν. Ἰδοὺ ἐγὼ ἐπισκέψομαι ἐπ̓ αὐτούς· οἱ νεανί σκοι αὐτῶν ἐν ῥομφαίᾳ ἀποθανοῦνται, καὶ οἱ υἱοὶ αὐτῶν καὶ αἱ θυγατέρες αὐτῶν τελευτήσουσιν ἐν λιμῷ.“ g Οὐ τότε τετελευτήκασιν ἐν ῥομφαίᾳ, ἀλλὰ μετὰ τὴν πόρθησιν νῦν λιμὸς ἦλθεν ἐπ̓ αὐτούς, „οὐ λιμὸς ἄρτου οὐδὲ δίψα a
Jer. 11,20 b Lk. 21,20 Jer. 11,21f.
g
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Mt. 23,38
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Jer. 11,20–23
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Mt. 21,43
f
2 Kön. 23,31; 24,18
2 αὐτῶν Co H (eis) αὐτοῦ S 9 ἐπισκέψομαι Co LXX H (uisitabo) ἐπισκέπτομαι S 11 ἐν Kl mit LXX und H (in) 11 ἐγκατάλειμμα Co ἐγκατάλειμα S 15 ἐπεὶ οὖν ἐπακουσμὸς Kl mit H (quia ergo obedientia) 19 οὐχ Lo οὐκ S 22 οὐδ̓ Kl 30 πόρθησιν S Kl3 Nt παρουσίαν Kl Kl2 mit H (aduentum) 328 Vgl. Hieronymus, int. hebr. nom. p. 24 Lagarde (CChr.SL 72, 90): Anathoth oboediens
uel respondens signum; p. 53 (72, 125): Anathoth responsio siue respondens signum uel oboe dientia. Siehe auch Wutz, Onomastica sacra I, 537. 329 Diese Bibelstelle gehört für Origenes zu denen, die keinen historischen bzw. buchstäblichen, sondern nur einen übertragenen Sinn haben: Hanson, Allegory and Event
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4. „Herr der Mächte, der gerecht richtet, der Nieren und Herzen prüft, könnte ich doch deine Rache an ihnen sehen!“a Prophetisch wünscht er sich, die Rache Gottes an ihnen zu sehen. Denn Jerusalem ist von Heeren eingeschlossen und seine Verwüstung ist nahe,b und es ist zu ihr gesagt worden: „Siehe, verlassen werden wird euer Haus.“ c „Könnte ich doch“ also „deine Rache an ihnen sehen, denn ich habe dir meine gerechte Sache offenbart! Deshalb spricht der Herr zu den Männern von Anatot, die mir nach dem Leben trachten, indem sie sagen: Du sollst nicht im Namen des Herrn weissagen, sonst wirst du von unseren Händen sterben! Siehe, ich werde sie heimsuchen. Ihre jungen Männer werden durch das Schwert sterben, und ihre Söhne und ihre Töchter werden Hunger umkommen. Und kein Rest wird von ihnen übrigbleiben, denn Schlimmes werde ich über die Bewohner von Anatot im Jahr ihrer Heimsuchung bringen.“ dAls Verhüllung des eigentlich Gemeinten wird der Name Anatot hier verwendet. Das ganze jüdische Mysterium kommt im übertragenen Sinn in ihm zum Ausdruck, denn Anatot heißt übersetzt Gehorsam.328 gegen Gott in jenem Volk war wie auch das Reich Gottes und weil sich im Blick auf das Reich das Wort erfüllte: „Das Reich Gottes wird von euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt“,e erfüllte sich entsprechend auch das Wort, dass die Männer von Anatot, die im Gehorsam lebten, jemandem nach dem Leben trachten, freilich nicht dem Jeremia. Denn in der Erzählung ist nicht davon die Rede, dass die Männer von Anatot Jeremia nach dem Leben trachteten. Wir haben die Bücher der Königtümer. Die Schrift erwähnt darin Jeremia,f doch nichts dergleichen ist in ihnen gesagt, in den Büchern der Chronik. Wir haben ja sogar das Buch des Propheten selbst, doch nichts, was die Männer von Anatot gesagt hätten. Dies wird vielmehr über Christus gesagt.329 „Die mir nach dem Leben trachten, indem sie sagen: Du sollst nicht im Namen des Herrn weissagen“ – die Juden hinderten Jesus daran, zu lehren –, „sonst wirst du von unseren Händen sterben! Siehe, ich werde sie heim suchen. Ihre jungen Männer werden durch das Schwert sterben und ihre Söhne und ihre Töchter werden vor Hunger umkommen.“ g Nicht damals sind sie durch das Schwert umgekommen, sondern nach der Zerstörung330 266. Wie an anderen Stellen (siehe die Belege ebd. 264–272, bes. in Ioh. comm. X 20,119–32,209 [GCS Orig. 4, 191–206] zur Tempelreinigung und zum Einzug in Jerusalem, deren Historizität Origenes bezweifelt) zieht er zur Prüfung des Sachverhalts andere Zeugnisse, biblische wie außerbiblische, heran. Auch Hieronymus, in Hier. II 111,2f. (CChr.SL 74, 118), bezieht die Aussage, gestützt auf die Etymologie von Anatot als „Gehorsam“ (Anathoth, quod interpretatur oboedientia), auf Christus. 330 Nautin, GCS Orig. 32, 359; SC 232, 404, hat Recht (vgl. die Begründung in SC 232, 77), dass der Text des Codex Scorialensis (πόρθησιν) hier nicht mit Hieronymus (ad uentum Domini) in παρουσίαν zu ändern ist, wie Klostermann, GCS Orig. 3, 74, mit Verweis auf diese Wendung in Hier. hom. 7,1 (GCS Orig. 32, 52) vorschlägt (woran
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ὕδατος, ἀλλὰ λιμὸς τοῦ ἀκοῦσαι λόγον κυρίου“.a Οὐκέτι γὰρ „τάδε λέγει κύριος παντοκράτωρ“ λέγεται παρ᾽ αὐτοῖς. Αὕτη ἡ λιμός, ἵνα ἡ προφητεία μηκέτι ᾖ, καὶ τί λέγω | προφητεία; Οὐδὲ διδασκαλία. Κἂν μυριάκις χρημα τίζωσιν παρ᾽ αὐτοῖς σοφοί, οὐκ ἔστιν || λόγος κυρίου ἔτι ἐν αὐτοῖς, ἐπεὶ πεπλήρωτο τὸ „Ἀφελεῖ κύριος ἀπὸ τῆς Ἰουδαίας καὶ ἀπὸ τῆς Ἱερουσαλὴμ ἰσχύοντα καὶ ἰσχύουσαν, γίγαντα καὶ ἰσχύοντα καὶ ἄνθρωπον πολεμιστὴν καὶ δικαστὴν καὶ προφήτην καὶ στοχαστὴν καὶ πρεσβύτερον καὶ πεντηκόντ αρχον καὶ θαυμαστὸν σύμβουλον καὶ σοφὸν ἀρχιτέκτονα καὶ συνετὸν ἀκρο ατήν.“ b Οὐκέτι ἔστιν παρ᾽ αὐτοῖς δυνάμενος εἰπεῖν· „Ὡς σοφὸς ἀρχιτέκτων θεμέλιον τέθεικα.“ c Μετέβησαν οἱ ἀρχιτέκτονες, ἦλθον ἐπὶ τὴν ἐκκλησίαν, ἔθηκαν τὸν θεμέλιον Ἰησοῦν Χριστόν. d Τούτῳ ἐποικοδομοῦσιν καὶ οἱ μετ̓ ἐκείνους. 5. Ἐν λιμῷ οὖν ὁ λαὸς ἐκεῖνος ἐγκαταλελειμμένοι εἰσίν· „ἐπάξω“ γὰρ ἐπ̓ αὐτοὺς „κακὰ ἐπὶ τοὺς κατοικοῦντας Ἀναθὼθ ἐν ἐνιαυτῷ ἐπισκέ ψεως αὐτῶν“. e „Δίκαιος εἶ, κύριε, ὅτι ἀπολογήσομαι πρός σε. Πλὴν κρίματά μου λαλή σω πρός σε. ὅτι ὁδὸς ἀσεβῶν εὐοδοῦται; εὐθήνησαν πάντες οἱ ἀθε τοῦντες ἀθετήματα;“ f Ἔτι ζητοῦμεν, εἰ ἀγαθὸς ὁ θεός ἐστιν ὁ τὸν νόμον καὶ τοὺς προφήτας δεδωκώς, ὁρῶντες ὅτι „ὁδὸς ἀσεβῶν εὐοδοῦται“ καὶ οὐ κολάζει τοὺς ἀσεβεῖς. „Εὐθήνησαν πάντες οἱ ἀθετοῦντες ἀθετήματα.“ Αὐτοὶ οἱ κατὰ τοῦ δημιουργοῦ λέγοντες, δυσφημοῦντες αὐτὸν „εὐθήνησαν“· „ἐφυ τεύθησαν καὶ ἐρριζώθησαν, ἐτεκνοποίησαν καρπόν.“ g Πό σος καρπὸς Μαρκίωνος τεκνοποιήσαντος, πόσος Βασιλείδου, πόσος Οὐαλεν τίνου; Τοῦτο γάρ ἐστι τὸ περὶ τῶν ἀσεβῶν προφητευόμενον καὶ λεγόμενον a
Am. 8,11
b
Jes. 3,1–3
c
1 Kor. 3,10
16 τί Co LXX H (quid est)
d
1 Kor. 3,11
e
Jer. 11,23
f
Jer. 12,1
g
Jer. 12,2
21 καὶ ἐποίησαν Del LXX H (et fecerunt)
er in der Separatausgabe von 1903 noch festhält; in der Ausgabe von 1914 aber kehrt er zur Lesart der Handschrift zurück). Gemeint ist die Zerstörung Jerusalems, auf die Origenes mit Lk. 21,20 gerade oben hingewiesen hat. 331 So auch schon in Hier. hom. 4,2 (GCS Orig. 32, 24). Siehe dazu oben S. 164 Anm. 124. 332 Im hellenistischen Judentum wurden die Rabbiner als „Weise“ bezeichnet: hom. pasch. 3,12.14.15f.43 (SC 48, 121. 123. 125. 155). Für Origenes siehe de Lange, Origen and the Jews 34: epist. Afric. 11 (SC 302, 538), wo er vom Sohn eines Rabbi spricht, „der bei ihnen Sohn eines Weisen genannt wird“; sel. in Ps. prol. (PG 12, 1056); Cels. I 45 (GCS Orig. 1, 95); I 55 (1, 106); II 31 (1, 159). Auch Hieronymus bezeugt diesen Sprachgebrauch: in Tit. comm. 1,12–14 (CChr.SL 77C, 33); in Abac. comm. I 2,15–17 (CChr.SL 76A, 610); epist. 121,10 (CSEL 56, 49). 333 Solche antijüdische Polemik schon bei Tertullian, adv. Marc. III 23,2 (CChr.SL 1, 540); V 6,10 (1, 680f.). 334 Markion stammte aus Sinope im kleinasiatischen Pontus, war von Beruf Reeder und schloss sich um 140 der Christengemeinde in Rom an, aus der er aber im Jahre 144 ausgeschlossen wurde; er gründete daraufhin eine eigene Kirche, die im Westen des Römischen Reiches bis in das 4., im Osten bis in das 5. Jahrhundert existierte (Har
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kam jetzt Hunger über sie, „nicht Hunger nach Brot, auch nicht Durst nach Wasser, sondern Hunger danach, das Wort des Herrn zu hören“.a Denn bei ihnen wird nicht mehr gesagt: „Dies spricht der Herr, der Allmächtige.“ Der Hunger besteht darin, dass es keine Prophetie mehr gibt,331 doch was rede ich von Prophetie? Auch keine Lehre mehr. Auch wenn sich Tausende bei ihnen als Weise bezeichnen,332 gibt es kein Wort des Herrn mehr bei ihnen, weil sich das Wort erfüllt hat: „Der Herr wird von Juda und von Jerusalem den starken Mann und die starke Frau, den Riesen, den Starken, den Krieger, den Richter, den Propheten, den Wahrsager, den Älteren, den Anführer von fünfzig Kriegern, den wunderbaren Ratgeber, den weisen Baumeister und den verständigen Hörer wegnehmen.“ b333 Es gibt bei ihnen keinen mehr, der sagen kann: „Als weiser Baumeister habe ich das Fundament gelegt.“ c Die Baumeister sind weggegangen, sie sind zur Kirche gekommen, sie legten als Fundament Jesus Christus.d Darauf bauen auch ihre Nachfolger weiter. 5. Im Hunger ist also jenes Volk zurückgelassen worden. Denn „Schlimmes werde ich“ über sie, „über die Bewohner von Anatot, im Jahr ihrer Heimsuchung bringen“.e „Gerecht bist du, Herr, dass ich mich vor dir verteidigen werde. So werde ich dir meine Klagen vortragen. dass der Weg der Gottlosen erfolgreich verläuft? Dass alle Frevler mit ihren Freveltaten gedeihen?“ f Ferner fragen wir, ob der Gott gut ist, der das Gesetz und die Propheten gegeben hat, wenn wir sehen, dass „der Weg der Gottlosen erfolgreich verläuft“ und er die Gottlosen nicht bestraft. „Alle Frevler mit ihren Freveltaten gedeihen.“ Selbst die, die gegen den Schöpfer reden, „gedeihen“, obwohl sie ihn verleumden: „Sie wurden eingepflanzt und haben Wurzeln geschlagen, sie haben Kinder gezeugt Frucht .“ g Wie viele Früchte wurden von Markion als Kinder gezeugt, wie viele von Basilides, wie viele von Valentinus?334 Denn das ist der Sinn der Prophezeiung über die Gott nack, Marcion). Basilides wirkte unter Kaiser Hadrian (117–138) in Alexandria und stiftete eine Schule, deren Anhänger bis in das 4. Jahrhundert nachweisbar sind (Löhr, Basilides; Fürst, Intellektuellen-Religion 20–23). Valentin stammte vielleicht aus Ägypten, wuchs möglicherweise in Alexandria auf – beides ist nicht gesichert – und lehrte Mitte des 2. Jahrhunderts als Theologe in Rom; die Schüler Valentins (Herakleon, Ptolemaios und dann vor allem dessen Schüler) prägten seine Lehre stark um (Markschies,Valentinus Gnosticus?; Fürst, ebd. 25–33). Markion, Basilides und Valentin galten im 2. und 3. Jahrhundert als Häretiker par excellence und werden von Origenes in antihäretischen Aussagen sehr oft und immer stereotyp genannt: in Num. hom. 12,2 (GCS Orig. 7, 98); in Ios. hom. 7,7 (GCS Orig. 7, 335); 12,3 (7, 370); sel. in Iob 41,19 (PG 12, 1049); in Matth. comm. ser. 46 (GCS Orig. 11, 94); in Ps. 73 hom. 2,6 (GCS Orig. 13, 249); in Ps. 77 hom. 5,7 (13, 416); zudem unten in Hier. hom. 17,2 (GCS Orig. 32, 144). Siehe dazu Harnack, Ertrag I, 30–39; II, 54–81; de Lubac, Geist aus der Geschichte 66 (mit weiteren Belegen ebd. Anm. 16), sowie oben S. 138 Anm. 76.
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ἐν τῷ „Ἐτεκνοποίησαν καὶ ἐποίησαν καρπόν“. „Ἐγγὺς εἶ σὺ τοῦ στόματος αὐτῶν, πόρρω δὲ ἀπὸ τῶν || νεφρῶν αὐτῶν.“a Ὀνομάζουσι τὸ Ἰησοῦ ὄνο μα, | οὐκ ἔχουσι δὲ τὸν Ἰησοῦν· οὐ γὰρ ὁμολογοῦσιν αὐτὸν ὡς χρή. „Καὶ σύ, κύριε, γινώσκεις με, εἶδές με, ἐδοκίμασας τὴν καρδίαν μου ἐναντίον σου· ἅγνισον αὐτοὺς εἰς ἡμέραν σφαγῆς αὐτῶν.“ b Τί ποιήσω, ἵνα ταῦτα σαφη νίσω; Τὰς κολάσεις ἁγνισμὸν λέγει τῶν κολαζομένων· „ἅγνισον“ γὰρ „αὐτοὺς εἰς ἡμέραν“ φησὶν „σφαγῆς αὐτῶν“. Διὰ τοῦ σφαγῆναι αὐτοὺς ἅγνισον αὐτούς· „Ὃν γὰρ ἀγαπᾷ κύριος παιδεύει, μαστιγοῖ δὲ πάντα υἱὸν ὃν παραδέχεται.“ c 6. „Ἕως πότε πενθήσει ἡ γῆ καὶ ὁ χόρτος τοῦ ἀγροῦ ξηρανθήσεται ἀπὸ κακίας τῶν κατοικούντων ἐν αὐτῇ;“ d Ὡς περὶ ἐμψύχου τῆς γῆς καὶ ἐνταῦθα διαλέγεται ὁ προφήτης λέγων τὴν γῆν πενθεῖν διὰ τὴν κακίαν τῶν ἐπιβαινόντων ἐπ̓ αὐτήν. Καθ̓ ἕκαστον οὖν ἡμῶν ἡ γῆ ἤτοι πενθεῖ ἢ εὐ φραίνεται· ἢ γὰρ πενθεῖ ἀπὸ κακίας τῶν ἐνοικούντων ἐν αὐτῇ ἢ εὐφραίνε ται ἀπὸ ἀρετῆς τῶν ἐνοικούντων ἐν αὐτῇ. Ἐφ̓ ἑκάστου οὖν ἡμῶν αὐτὸ τὸ στοιχεῖον ἢ εὐφραίνεται ἢ πενθεῖ. Εἰ δὲ ἡ γῆ, τάχα καὶ τὰ λοιπὰ στοιχεῖα. Ὁμοίως ἐρῶ καὶ ὕδωρ καὶ ὁ ἐπὶ τοῦ ὕδατος τεταγμένος ἄγγελος, e ἵνα δι ηγήσωμαι καὶ τὴν γῆν πενθοῦσαν ἢ μὴ πενθοῦσαν· οὐ γὰρ τοῦτο τὸ σῶμα, ἡ γῆ, πενθεῖ ἀπὸ τῶν κατοικούντων ἐν αὐτῇ, ἀλλὰ νόει μοι πρὸς τῇ διατάξει τοῦ παντὸς τεταγμένον τινὰ ἄγγελον ἐπὶ τῆς γῆς καὶ ἄλλον τεταγμένον ἐπὶ τῶν ὑδάτων καὶ ἄλλον ἐπὶ τοῦ ἀέρος καὶ τέταρτον ἐπὶ τοῦ a
Jer. 12,2
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Jer. 12,3
c
Spr. 3,12; Hebr. 12,6
d
Jer. 12,4
e
Offb. 16,5
11 ὡς περὶ We Kl2 Kl3 ὡσπερεὶ S Kl Nt 335 Vgl. orat. 22,3 (GCS Orig. 2, 347): Die Worte „Herr ist Jesus“ (1 Kor. 12,3) werden
auch von „tausenden von Heuchlern und sehr vielen Andersgläubigen, manchmal auch von Dämonen vorgebracht, die von der Kraft, die diesem Namen innewohnt, überwältigt werden“. Übersetzung nach von Stritzky, OWD 21, 183. Dieselbe Auslegung bei Hieronymus, in Hier. III 2,2f. (CChr.SL 74, 120): Die Ausführungen in Jer. 12,1f. „richten sich zwar gegen alle, die Unrecht tun, … in besonderer Weise aber gegen alle Häretiker: Obwohl sie gottlos sind, gedeiht ihr Dasein und zeugen sie Kinder, die sie mit ihrer Häresie täuschen. Sie übertreten die Gebote und tun Unrecht, so dass sie die Kirche ausplündern und, obwohl sie auf ihrer falschen Ansicht beharren, sich brüsten, von Gott gepflanzt worden zu sein, Wurzeln geschlagen, Söhne gezeugt und Frucht gebracht zu haben. Obwohl sie den Namen Christi ständig wiederholen, wohnt Gott nicht in ihnen gemäß der Aussage Jesajas: ‚Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir‘ (Jes. 29,13; vgl. Mk. 7,6; Mt. 15,8).“ 336 Origenes versteht Strafen als Erziehungsmittel zur ‚Reinigung‘ von allem Schlechten. Vgl. bes. princ. I 6,3 (GCS Orig. 5, 84) im Blick auf den damit verbundenen langwierigen Prozess in kosmischen Dimensionen: „So werden manche in der ersten Epoche, andere in der zweiten, einige in der letzten durch besonders schwere Strafen hindurch, die lang dauern und sozusagen äonenlang zu ertragen sind, in einem besonders harten Reinigungsprozess wiederhergestellt und wiedereingesetzt; sie erhalten zuerst die Erziehung von Engeln, dann auch von Mächten höheren Ranges und gelangen endlich
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losen und der Aussage: „Sie haben Kinder gezeugt und Frucht gebracht.“ „Nahe bist du ihrem Mund, weit weg aber von ihren Nieren.“a Sie sprechen den Namen Jesu aus, aber sie haben Jesus nicht, denn sie bekennen ihn nicht so, wie es nötig wäre.335 „Und du, Herr, du kennst mich, du hast mich gesehen, du hast mein Herz vor dir geprüft. Reinige sie für den Tag ihrer Schlachtung!“ b Was soll ich tun, um das zu erläutern? Die Strafen bezeichnet er als Reinigung der Bestraften.336 „Reinige sie“ nämlich „für den Tag“, sagt er, „ihrer Schlachtung.“ Durch ihre Schlachtung reinige sie: „Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er geißelt jeden Sohn, den er annimmt.“ c 6. „Wie lange soll die Erde trauern und das Gras des Feldes wegen der Schlechtigkeit ihrer Bewohner verdorren?“ d Auch hier redet der Prophet, als wäre die Erde beseelt,337 wenn er sagt, die Erde trauere wegen der Schlechtigkeit derer, die auf ihr herumlaufen. Bei jedem Einzelnen von uns also trauert die Erde oder freut sich, denn sie trauert über die Schlechtigkeit ihrer Bewohner oder freut sich über die Tugend ihrer Bewohner. Bei jedem Einzelnen von uns also freut sich das Element selbst oder trauert – wenn aber die Erde, dann vielleicht auch die übrigen Elemente. In gleicher Weise werde ich sagen: auch das Wasser und der für das Wasser zuständige Engel,e um darzulegen, dass auch die Erde trauert oder nicht trauert. Denn nicht dieser Körper, die Erde, trauert wegen ihrer Bewohner, sondern bedenke mir, dass zur Ordnung des Alls ein Engel für die Erde zuständig ist, ein anderer für die Wasser zuständig ist, ein anderer für die Luft und ein vierter für das Feuer.338 So erstufenweise zum Höheren, dem ‚Unsichtbaren und Ewigen‘, nachdem sie die einzelnen Ämter der himmlischen Mächte nach Art einer Erziehung durchlaufen haben.“ Übersetzung: p. 227 Görgemanns/Karpp. Vgl. ebd. II 3,7 (5, 126); II 10,6 (5, 179f.); III 5,8 (5, 278f.); in Num. hom. 8,1 (GCS Orig. 7, 51); in Hiez. hom. 1,2 (GCS Orig. 8, 322); Cels. III 75 (GCS Orig. 1, 267). Siehe dazu Koch, Pronoia und Paideusis 131–138. 337 Zur Beseelung der Erde vgl. in Hiez. hom. 4,1 (GCS Orig. 8, 358–363), wo Origenes ausgehend von der prophetischen Anklage gegen die „sündige Erde“ (peccatrix terra) in Ez. 14,12 im Zuge seiner Auslegung nachdrücklich betont, „dass diese sichtbare Erde beseelt ist“ (8, 359). Siehe dazu Hengstermann, Freiheitsmetaphysik 317f. 338 Die Einteilung der Welt in vier Elemente ist antikes Gemeingut. Lukrez I 712–716 führt sie auf Empedokles zurück, Diogenes Laërtios VII 136 auf Zenon (SVF I 28); vgl. auch Philon, aet. mund. 61 (VI p. 91 Cohn/Wendland); Origenes, princ. IV 4,6 (GCS Orig. 5, 357). Die Divinisierung der Elemente ist ein Philosophumenon des mittleren Platonismus; vgl. Alkinoos, didask. 15,1 (p. 35 Louis/Whittaker): „Es gibt Geister, die man auch gezeugte Götter nennen könnte, bei jedem einzelnen der Elemente. Die einen sind sichtbar, die anderen sind unsichtbar. Sie sind im Äther und im Feuer, in der Luft und im Wasser, so dass kein Teil der Welt ohne eine Seele und ohne eine die sterbliche Natur übersteigende Lebendigkeit ist“ (Übersetzung aus Schadel, BGrL 10, 289 Anm. 110). Die Vorstellung findet sich auch in jüdischen Apokryphen (etwa dem Jubiläenbuch 2,2), ist aber vor allem von christlichen Theologen im Umfeld des Mittelplatonismus rezipiert worden: Athenagoras, legat. 10,5 (PTS 31, 41); Origenes, Cels. VIII 31f. (GCS Orig. 2, 246–248); in Ios. hom. 22,3 (GCS Orig. 7, 434f.).
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πυρός. Οὕτως ἀνάβα μοι τῷ λόγῳ ἐπὶ τὴν διάταξιν πᾶσαν τὴν ἐν ζῴοις, τὴν ἐν φυτοῖς, τὴν ἐν τοῖς οὐρανίοις ἄστροις. Ἄγγελός τις τέτακται καὶ ἐπὶ τοῦ ἡλίου καὶ ἐπὶ τῆς σελήνης ἄλλος, καὶ ἐπὶ τῶν ἄστρων· || οὗτοι δὴ οἱ ἄγγελοι, μεθ̓ ὧν ἐσμεν ὅσον ἐσμὲν ἐπὶ γῆς, ἤτοι εὐφραίνονται ἢ πενθοῦσιν ἐφ̓ ἡμῖν ὅταν ἁμαρτάνωμεν. Πενθεῖ, φησίν, ἡ γῆ ἀπὸ τῶν κατοικούντων ἐν αὐτῇ. Ὁμωνύμως εἶπεν τὸν ἄγγελον γῆν αὐτῇ τῇ γῇ. Ὥσπερ γὰρ „τὸ χειροποίητον ἐπικατάρατον αὐτὸ καὶ ὁ ποιήσας αὐτό“,a οὐχ | ὅτι ἐπικατάρατον αὐτὸ τὸ ἄψυχον, ἀλλ̓ εἴρηται χειροποίητον τὸ προσκαθεζόμενον τῷ ἀψύχῳ ἀγάλματι καὶ χρηματίζον ἐκείνῳ τῷ ὀνόματι· οὕτως δὴ ἐρῶ καὶ γῆν λέγεσθαι τὸν ἐπὶ γῆς τεταγμένον ἄγγελον, καὶ ὕδωρ λέγεσθαι τὸν ἐπὶ ὕδατος τεταγμένον ἄγγελον, καθ̓ ὃ λέλεκται· „Ἴδοσάν σε ὕδατα, ὁ θεός, ἴδοσάν σε ὕδατα καὶ ἐφοβήθησαν, ἐταράχθησαν ἄβυσσοι πλήθους ἤχους ὑδάτων, φωνὴν ἔδωκαν αἱ νεφέλαι, καὶ γὰρ τὰ βέλη σου διαπορεύονται.“ b 7. „Ἐγκαταλέλοιπα τὸν οἶκόν μου, ἀφῆκα τὴν κληρονομίαν μου, ἔδωκα τὴν ἠγαπημένην ψυχήν μου εἰς χεῖρας ἐχθρῶν αὐτῆς.“ c Ἴδε μοι τὸν „ἐν μορφῇ θεοῦ ὑπάρχοντα“ d ὄντα ἐν τοῖς οὐρανοῖς, ἴδε αὐτοῦ τὸν οἶκον ὑπερ ουράνιον. Εἰ βούλει καὶ ὑψηλότερον ἰδεῖν (ὅτι „ἐγὼ ἐν τῷ πατρί“ e), ἴδε αὐτοῦ οἶκον ὄντα τὸν θεόν. Καταλείπει „τὸν πατέρα καὶ τὴν μητέρα“, f τὴν „ἄνω Ἱερουσαλήμ“, g καὶ ἔρχεται εἰς τὸν περίγειον τόπον καί φησιν· „Ἐγκα ταλέλοιπα τὸν οἶκόν μου, ἀφῆκα τὴν κληρονομίαν μου.“ Ἐκείνη γὰρ ἦν ἡ κληρονομία αὐτοῦ, τὰ χωρία τὰ μετὰ τῶν ἀγγέλων, ἡ τάξις ἡ μετὰ τῶν ἁγίων δυνάμεων. „Ἔδωκα τὴν ἠγαπημένην ψυχήν μου εἰς χεῖρας ἐχθρῶν αὐτῆς.“ h Παρέδωκεν αὑτοῦ τὴν ψυχὴν εἰς τὰς χεῖρας τῶν ἐχθρῶν τῆς ψυ aWeish. 14,8 h
4,26
b
Ps. 76(77),17f.
c
Jer. 12,7
d
Phil. 2,6
e
Joh. 14,10.11
f
Mt. 19,5
g
Gal.
Jer. 12,7
2 οὐρανίοις Kl mit H (caelestia) οὐνοῖς S 3 ἄλλος2 Kl mit H (alius) ἄλλοι Nt 4–5 ὅταν 10 δὴ Co H (sic et (ἐὰν Kl) δικαιοπραγῶμεν Kl2 Kl3 mit H (quando iuste agimus) nunc) δ᾽ S 16 ἐν Co ἐμ S 21 ἀφῆκα Co ἀφῆκας S 24 αὑτοῦ Kl (GCS Orig. 3, 348) Kl2 Kl3 αὐτοῦ S Kl Nt 339 In princ. I praef. 10 (GCS Orig. 5, 16) formuliert Origenes die Frage, ob Sonne,
Mond und Sterne beseelt seien, als in der kirchlichen Überlieferung nicht geklärt (die Ansicht geht auf Platon, Tim. 40b; nom. X 896e–899b, zurück) und beantwortet sie positiv: ebd. I 7,3–5 (5, 87–94); in Ioh. comm. I 17,98 (GCS Orig. 4, 21); in Matth. comm. XIII 20 (GCS Orig. 10, 235); orat. 7 (GCS Orig. 2, 315f.); Cels. V 10f. (GCS Orig. 2, 9–12). Siehe dazu Scott, Origen and the Life of the Stars. – Dieser Standpunkt hat später zu seiner Verketzerung beigetragen: In den Anathematismen von 543 (Nr. 6) und 553 (Nr. 3) wird diese Ansicht explizit verurteilt (p. 824f. bzw. 826f. Görgemanns/Karpp). 340 Nautin, GCS Orig. 32, 359; SC 232, 410, hält diese Ergänzung aus Hieronymus für „inutile“, doch ergibt sie einen guten Sinn, weil sich sonst der folgende Konditionalsatz auf Trauer und Freude zugleich beziehen würde.
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hebe dich mir im Denken zur gesamten Ordnung bei den Lebewesen, bei den Pflanzen, bei den himmlischen Sternen. Ein bestimmter Engel ist für die Sonne zuständig, ein anderer für den Mond und für die Sterne.339 Diese Engel also, mit denen wir zusammen sind, solange wir auf Erden sind, freuen sich entweder, 340 oder trauern über uns, sooft wir sündigen. Es trauert, heißt es, die Erde wegen ihrer Bewohner. Mit dem gleichen Namen wie die Erde selbst bezeichnet er den Engel als Erde. Wie nämlich „das von Menschenhand Geschaffene verflucht ist und auch der, der es geschaffen hat“a – nicht, dass das Unbeseelte als solches verflucht wäre, sondern das von Menschenhand Geschaffene ist gemeint, das sich in die unbeseelte Statue hineinversetzt und sich mit jenem Namen benennt341 –, so also will ich sagen, dass mit Erde der für die Erde zuständige Engel und mit Wasser der für das Wasser zuständige Engel gemeint ist. Dem gemäß ist gesagt: „Die Wasser sahen dich, Gott, die Wasser sahen dich und erbebten; die Abgründe tosender Wassermassen wurden erschüttert, die Wolken ließen ihre Stimme erdröhnen, denn auch deine Blitze flitzen einher.“ b342 7. „Ich habe mein Haus verlassen, mein Erbe aufgegeben und meine geliebte Seele in die Hände ihrer Feinde gegeben.“ c Sieh mir, wie der, der „in der Gestalt Gottes ist“,d in den Himmeln ist, sieh sein überhimmlisches343 Haus.Wenn du noch Höheres sehen willst – denn „ich bin im Vater“ e –, sieh, wie sein Haus Gott ist.344 Er „verlässt den Vater und die Mutter“,f das „obere Jerusalem“,g345 kommt an den irdischen Ort und sagt: „Ich habe mein Haus verlassen, mein Erbe aufgegeben.“ Denn dies war sein Erbe, die Regionen in Gemeinschaft mit den Engeln, die Ordnung in Gemeinschaft mit den heiligen Mächten. „Ich habe meine geliebte Seele in die Hände ihrer Feinde gegeben.“ h Er hat seine Seele in die Hände der Feinde der Seele gegeben, in die
341 In den unbeseelten Götterbildern sind die Dämonen anwesend: Cels. VII 62–67
(GCS Orig. 2, 211–216), bes. VII 64 (2, 214). 342 Origenes will erklären, dass in biblischen Sätzen wie dem in Jer. 12,4 oder
Ps. 76(77),17f. nicht die unbeseelte Materie als solche Subjekt sein kann, sondern ein beseeltes Prinzip in ihr, dass homonym mit dem Begriff für den materiellen Gegenstand bezeichnet wird. Zur Homonymie siehe unten S. 490 Anm. 769. 343 Siehe dazu oben S. 247 Anm. 277. 344 Vgl. in Ioh. comm. XX 18,153 (GCS Orig. 4, 350): „Und überlege, ob nicht die Aussage: ‚Er ging von Gott aus‘ (Joh. 8,42) gleichbedeutend mit der Aussage ist: ‚Der Herr geht aus seinem Ort heraus‘ (Mich. 1,3). Denn wenn der Sohn im Vater ist (Joh. 14,10.11), da er in der Gestalt Gottes war, ehe er sich selbst entäußerte (Phil. 2,6f.), ist Gott gleichsam sein Ort.“ 345 Vgl. in Matth. comm. XIV 17 (GCS Orig. 10, 326): „Um der Kirche willen hat der Herr, der Mann, den Vater verlassen, auf den er schaute, als er ‚in der Gottesgestalt‘ existierte; er hat aber auch die Mutter verlassen, weil ja auch er Sohn des oberen Jerusalem ist …“ Übersetzung: Vogt, BGrL 30, 57.
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χῆς, εἰς χεῖρας Ἰουδαίων τῶν ἀποκτεινάντων αὐτόν, εἰς χεῖρας ἀρχόντων συναχθέντων κατ̓ αὐτοῦ, εἰς χεῖρας βασιλέ||ων, ὅτε „παρέστησαν οἱ βασι λεῖς τῆς γῆς καὶ οἱ ἄρχοντες συνήχθησαν ἐπὶ τὸ αὐτὸ κατὰ τοῦ κυρίου καὶ κατὰ τοῦ Χριστοῦ αὐτοῦ“.a 8. „Ἐγενήθη ἡ κληρονομία μου ἐμοὶ ὡς λέων ἐν δρυμῷ.“ b Αὕτη ἐπὶ γῆς κληρονομία αὐτοῦ ἣν κεκληρονόμηκεν ἀπεθηριώθη πρὸς αὐτόν, καὶ γέγονεν ἡ κληρονομία Ἰουδαῖοι ἐξαγριωθέντες κατ̓ αὐτοῦ „ὡς λέων ἐν δρυμῷ“. Οὐ θαυμαστὸν εἰ τότε ἐγένετο ἡ κληρονομία | αὐτοῦ ὡς λέων ἐν δρυμῷ· νῦν ἔτι ἐν δρυμῷ λέοντές εἰσιν καταθεματίζειν θέλοντες τὸν Ἰησοῦν καὶ δυσφημοῦντες αὐτὸν καὶ ἐπιβουλεύοντες τοῖς πιστεύουσιν εἰς αὐτόν. „Ἐγενήθη“ οὖν „ἡ κληρονομία μου ἐμοὶ ὡς λέων ἐν δρυμῷ. Ἔδωκεν ἐπ̓ ἐμὲ τὴν φωνὴν αὐτῆς, διὰ τοῦτο ἐμίσησα αὐτήν. Μὴ σπήλαιον ὑαίνης ἡ κλη ρονομία μου ;“ c || Προφητεύει περὶ τῆς κληρονομίας ταύτης· ἡ κλη ρονομία μου μήτι σπήλαιον ὑαίνης γέγονεν, σπήλαιον ὑαίνης, τῆς ἀγριω τάτης, τῆς νεκροβόρου, τῆς περὶ τὰ μνημεῖα, τῆς ἐσθιούσης τὰ θνησιμαῖα σώματα; „Μὴ σπήλαιον ὑαίνης ἡ κληρονομία μου ἐμοί; Ἢ σπήλαιον ἐ||π̓ αὐτὴν κύκλῳ αὐτῆς; Βαδίζετε.“ d Ἐπεὶ τοιοῦτοι γεγόνασιν, κελεύω ὑμῖν τοῖς ἀγγέλοις, ἵνα βαδίσητε καὶ συναγάγητε τὰ θηρία καὶ παραδῶτε αὐτοὺς τοῖς θηρίοις. „Βαδίζετε καὶ συναγάγετε πάντα τὰ θηρία τοῦ ἀγροῦ, καὶ ἐλθέτωσαν τοῦ φαγεῖν αὐτήν.“ e Ἐλήλυθεν τὰ θηρία τοῦ ἀγροῦ, διεσθίει τὸν λαὸν ἐκεῖνον. Βλέπετε αὐτῶν τὰς καρδίας διεσθιομένας ὑπὸ τῶν δυνάμεων τῶν ἀντικειμένων. Εἰ ἐκείνων ὁ Ἰησοῦς οὐκ ἐφείσατο ἀλλὰ εἶπεν· „Βαδίζετε, συναγάγετε τὰ θηρία“, πόσῳ πλέον ἡμῶν οὐ φείσεται; f Ἐὰν μὴ ποιῶμεν τὸν νόμον τοῦ θεοῦ, τὸν λόγον τοῦ εὐαγγελίου, ἐρεῖ πάλιν· βαδίσατε, συν αγάγετε τὰ θηρία καὶ παράδοτε αὐτήν. Ἀλλ̓ ἡμεῖς παρρησίαν ἔχομεν, ἵνα εἴπωμεν ἐν ταῖς εὐχαῖς· „Μὴ παραδῷς τοῖς θηρίοις ψυχὴν ἐξομολογουμένην σοι.“ g Ἐξομολογησώμεθα περὶ τῶν παραπτωμάτων μετανοοῦντες, καὶ τοῖς θηρίοις οὐ παραδοθησόμεθα, ἀλλ̓ ἀγγέλοις ἁγίοις τιθηνοῖς ἐσομένοις, ἐπὶ κόλπων βαστάζουσιν, μεταβιβάζουσιν ἡμᾶς ἀπὸ τοῦ αἰῶνος τούτου ἐπὶ τὸν μέλλοντα ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ, „ᾧ ἐστιν τὸ κράτος καὶ ἡ δόξα εἰς τοὺς αἰῶνας. Ἀμήν.“ h a
Ps. 2,2; Apg. 4,26 b Jer. 12,8 Ps. 73(74),19 h1 Petr. 4,11
g
c
Jer. 12,8f.
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Jer. 12,9
e
Jer. 12,9
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Röm. 11,21.24
5 ἡ2 Kl 13 ἐμοί Lo LXX H (mihi) 13 προφητεύει Hu προφητεύη S mit LXX und H (aut) ὡς S Kl2 Kl3 31 Ἀμήν add. ὁμιλία ιʹ S
16 ἢ Kl Nt
346 Siehe dazu oben S. 269 Anm. 322. 347 Siehe dazu unten in Hier. hom. 19,2(18,12) (GCS Orig. 32, 168). 348 Zur textlichen Unordnung im Codex Scorialensis an dieser Stelle, wo ein Teil aus
dem Anfang der 11. Homilie wohl durch Vertauschung eines Blattes hierher geraten ist, siehe oben S. 15.
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Hände der Juden, die ihn töteten,346 in die Hände der Herrscher, die sich gegen ihn versammelten, in die Hände der Könige, als „die Könige der Erde aufstanden und die Mächtigen sich gegen den Herrn und gegen seinen Gesalbten versammelten“.a 8. „Mein Erbe wurde mir wie ein Löwe im Wald.“ b Dieses sein Erbe auf Erden, das er geerbt hatte, ist wie ein wildes Tier gegen ihn geworden, und das Erbe – die Juden, die gegen ihn wüteten – ist „wie ein Löwe im Wald“ geworden. Es ist nicht erstaunlich, wenn sein Erbe damals „wie ein Löwe im Wald“ geworden ist. Noch jetzt gibt es im Wald Löwen, die darauf aus sind, Jesus zu verwünschen,347 die ihn schmähen und denen nachstellen, die an ihn glauben. „Mein Erbe“ also „wurde mir wie ein Löwe im Wald. Es erhob seine Stimme gegen mich, weswegen ich es hasste. Ist mein Erbe nicht die Höhle einer Hyäne?“ c348 Er prophezeit über dieses Erbe: Ist mein Erbe nicht zur Höhle einer Hyäne geworden, zur Höhle einer Hyäne, die ganz wild geworden ist, die Verendetes frisst, die um die Gräber herum die Kadaver verschlingt? „Ist mein Erbe mir nicht die Höhle einer Hyäne? Oder zur Höhle gegen es und rings um es herum?349 Geht!“ dWeil sie so geworden sind, befehle ich euch Engeln, dass ihr geht und die wilden Tiere zusammentreibt und dass ihr sie den wilden Tieren vorwerft: „Geht und treibt alle wilden Tiere des Feldes zusammen! Sie sollen kommen, um es (sc. das Erbe) zu fressen!“ e Die wilden Tiere des Feldes sind gekommen, und sie fressen jenes Volk auf. Schaut euch an, wie ihre Herzen von den feindlichen Mächten aufgefressen werden! Wenn Jesus jene nicht geschont hat, sondern sagte: „Geht, treibt die wilden Tiere zusammen“, um wie viel mehr wird er uns nicht schonen? f350 Wenn wir nicht nach dem Gesetz Gottes, nach dem Wort des Evangeliums handeln, wird er erneut sagen: Geht, treibt die wilden Tiere zusammen und werft sie (sc. die Seele) ihnen vor! Aber wir haben Zuversicht,351 um in den Gebeten zu sagen: „Wirf eine Seele nicht den wilden Tieren vor, wenn sie sich zu dir bekennt!“ g Lasst uns unsere Verfehlungen bekennen und umkehren, und wir werden nicht den wilden Tieren vorgeworfen werden, sondern den heiligen Engeln, die uns pflegen, in ihrem Schoß tragen und uns aus dieser Welt in die künftige hinüberbringen in Christus Jesus. „Sein ist die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen!“ h 349 Der griechische Ausdruck nach der Lesart des Codex Scorialensis: ἢ σπήλαιον ἐπ΄
αὐτὴν κύκλῳ αὐτῆς ist in seiner Bedeutung unklar. Hieronymus übersetzt: aut spelunca in circuitu eius gemäß der Septuaginta: ἢ σπήλαιον κύκλῳ αὐτῆς (II p. 676 Rahlfs). 350 Dasselbe Textverständnis bei Hieronymus, in Hier. III 8,3 (CChr.SL 74, 123f.), der die Aussage ebenfalls auf Israel bezieht: „So ist Israel, da es sich gegen seinen Herrn stellt.“ Die antijüdischen Exegesen des Origenes in diesen Homilien werden nur dadurch einigermaßen aufgefangen, dass er die kritischen Aussagen im Buch Jeremia auf die Christen jeweils noch verschärft anwendet. Siehe oben S. 39–41. 351 Zu dieser „Zuversicht“ (παρρησία) vgl. unten in Hier. hom. 16,4 (GCS Orig. 32, 136).
Εἰς τὸ „δι᾽ ἐμὲ ἀφανισμῷ ἠφανίσθη πᾶσα ἡ γῆ“ καὶ εἰς τὸ „περίζωμα“.a
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1. Τίς ἔστιν ὁ λέγων· „Δι᾽ ἐμὲ ἠφανίσθη ἀφανισμῷ πᾶσα ἡ γῆ“; b Ὁ Χριστὸς ταῦτά φησιν, οὗ πρὸ τῆς ἐπιδημίας πολλὰ μὲν γεγένηται ἁμαρ τήματα τῷ λαῷ, ἀλλ̓ οὐ τοιαῦτα ὥστε αὐτοὺς πάντῃ ἐγκαταλειφθῆναι καὶ εἰς αἰχμαλωσίαν πολυχρόνιον παραδοθῆναι. Ὅτε || δὲ ἐπλήρωσαν τὸ μέτρον τῶν πατέρων αὐτῶν c καὶ προσέθηκαν τῷ ἀνῃρηκέναι τοὺς προ φήτας καὶ δεδιωχέναι τοὺς δικαίους d || τὸ ἀποκτεῖναι „τὸν Χριστὸν τοῦ θεοῦ“, e τότε γεγένηται τὸ „Ἀφίεται ὑμῖν ὁ οἶκος ὑμῶν“. f Καὶ δι᾽ αὐτὸν ταῦτα πεπόνθασιν καὶ ἀφανισμῷ ἠφανίσθη πᾶσα ἡ γῆ. 2. Εἰ δὲ καὶ ὑψηλότερον ἀκοῦσαι βούλει τοῦ „Δι᾽ ἐμὲ ἠφανίσθη ἀφανι σμῷ πᾶσα ἡ γῆ“, g ἴδε τὴν ἐν σοὶ γῆν τίνα τρόπον ἠφανίσθη ἐλθόντος τοῦ Ἰησοῦ· ἠφανίσθη γὰρ νεκρωθέντων τῶν μελῶν τῶν ἐπὶ τῆς γῆς h καὶ οὐκέτι ἡ γῆ ἐργάζεται τὰ ἑαυτῆς, οὐκέτι γίνεται παρὰ τῷ δικαίῳ τὰ ἔργα τῆς σαρκὸς οἷς ἔθαλλεν ἡ σάρξ, οὐκέτι πορνεία, οὐκέτι ἀκαθαρσία, οὐκ ἀσέλ γεια, οὐκ εἰδωλολατρία, οὐ φαρμακεία καὶ τὰ λοιπά. i Καὶ ὁ σωτὴρ δὲ λέγει· „Τί νομίζετε ὅτι ἦλθον βαλεῖν εἰρήνην ἐπὶ τῆς γῆς· οὐκ ἦλθον βαλεῖν εἰρήνην ἀλλὰ μάχαιραν.“ j Ἀληθῶς γὰρ πρὶν μὲν ἔλθῃ, μάχαιρα οὐκ ἦν ἐπὶ τῆς γῆς οὐδὲ ἡ σὰρξ ἐπεθύμει κατὰ τοῦ πνεύματος οὐδὲ τὸ πνεῦμα κατὰ τῆς || σαρκός· k ὅτε δὲ ἦλθεν καὶ δεδιδάγμεθα τίνα μέν ἐστιν τῆς σαρκός τίνα δὲ τοῦ πνεύματος, ἡ διδασκαλία ὥσπερ μάχαιρα γεγενημένη ἐν | γῇ διεῖλεν τὴν σάρκα καὶ τὴν γῆν ἀπὸ τοῦ πνεύματος· l καὶ ἠφανίσθη μὲν ἡ γῆ, ὅτε a
Jer. 12,11–13; 13,1–11 b Jer. 12,11 c Mt. 23,32 d Mt. 5,12; 23,37 e Lk. 9,20 f Mt. 23,38 g Jer. 12,11 hKol. 3,5 i Gal. 5,19f. j Mt. 10,34 (vgl. Jer. 12,12) k Gal. 5,17 l Hebr. 4,12 8 τῷ V1 Del H (ad occisionem) τὸ S 352 Zur Einfügung des folgenden Teils aus dem Codex Scorialensis (fol. 251r Mitte – fol.
251v unten) aus dem Schluss der 10. Homilie siehe oben S. 15. 353 Zu diesem Vorwurf siehe oben S. 269 Anm. 322. 354 Siehe dazu in Hier. hom. 8,1 (GCS Orig. 32, 55); 8,2 (32, 57f.); lat. 1(3),6 (GCS Orig.
8, 317). 355 Nautin, SC 232, 418 Anm. 1, weist darauf hin, dass Origenes Jer. 12,12 nicht eigens
auslegt, sondern im Folgenden gleich zu Jer. 12,13 übergeht. Der Gegensatz zwischen
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Über: „Meinetwegen ist die ganze Erde der Vernichtung anheimgefallen“ und über den „Schurz“.a
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1. Wer ist derjenige, der sagt: „Meinetwegen ist die ganze Erde der Vernichtung anheimgefallen“? b Der Gesalbte (Christus) sagt dies, vor dessen Kommen zwar vom Volk viele Sünden begangen wurden, aber nicht der maßen, dass sie ganz verlassen und einer lange dauernden Gefangenschaft ausgeliefert wurden. Als sie aber das Maß ihrer Väter erfüllten c und der Beseitigung der Propheten und der Verfolgung der Gerechten d352 die Tötung des „Gesalbten Gottes“ e353 hinzufügten, da erfüllte sich das Wort: „Verlassen werden wird euer Haus.“ f Seinetwegen haben sie das erlitten und „ist die ganze Erde der Vernichtung anheimgefallen“. 2. Wenn du aber zu der Aussage: „Meinetwegen ist die ganze Erde der Vernichtung anheimgefallen“ g noch etwas Höheres hören willst, betrachte, auf welche Weise die Erde in dir354 durch das Kommen Jesu vernichtet wurde. Sie wurde nämlich vernichtet, als die irdisch gesonnenen Glieder getötet wurden:h Die Erde verrichtet nicht mehr die ihr eigenen Werke, beim Gerechten gibt es keine Werke des Fleisches mehr, die das Fleisch zum Blühen brachten, gibt es keine Unzucht mehr, keine Unreinheit mehr, keine Ausschweifung, keinen Götzendienst, keine Zauberei und dergleichen.i Und der Erlöser sagt: „Warum meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ j355 Denn wahrlich, bevor er kam, gab es kein Schwert auf der Erde und das Fleisch trachtete nicht wider den Geist noch der Geist wider das Fleisch.k Als er aber kam und wir belehrt wurden, was des Fleisches und was des Geistes ist, wurde die Lehre wie ein Schwert356 auf Erden, das das Fleisch und die Erde vom Geist trennte.l Und die Erde wurde zwar vernichtet, da Frieden und Schwert, auf den er mit Mt. 10,34 zu sprechen kommt, steht jedoch auch in Jer. 12,12: „An jeden Durchgang in der Wüste kamen, die Mühsal und Qual brachten, denn das Schwert des Herrn wird vom (einen) Ende der Erde bis zum (anderen) Ende der Erde verzehren, alles Fleisch hat keinen Frieden“ (p. 1320 Septuaginta Deutsch). Man kann daher das Folgende ebenfalls als Auslegung dieses Verses betrachten. 356 Den Vergleich von Lehre bzw. Wort und Schwert (vgl. schon Eph. 6,17) hat Origenes oft herangezogen: in Ioh. comm. I 32,229 (GCS Orig. 4, 40f.); VI 58,297 (4, 166); in
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τὴν νέκρωσιν Ἰησοῦ ἐν τῷ σώματι περιφέρομεν,a καὶ οὐκέτι ζῶμεν κατὰ σάρκα, b ζῇ δὲ τὸ πνεῦμα, καὶ σπείρομεν οὐδὲν εἰς τὴν σάρκα ἀλλὰ πάντα εἰς τὸ πνεῦμα, ἵνα μὴ θερίσωμεν φθορὰν ἐκ τῆς σαρκὸς ἀλλ̓ ἀπὸ τοῦ πνεύματος ζωὴν αἰώνιον. c 3. Λέγεται δὲ τοῖς ἡμαρτηκόσιν· „Σπείρετε πυροὺς καὶ ἀκάνθας θερίζε τε“· d κἂν γὰρ [ἐν] τοῖς λογίοις τοῦ θεοῦ ὁμιλῶσιν, οἱ μὴ καλῶς αὐτοῖς ὁμιλοῦντες μηδὲ ὃν δεῖ τρόπον βιοῦντες μηδὲ πιστεύοντες σπείρουσιν πυ ροὺς καὶ θερίζουσιν ἀκάνθας. Μάλιστα δὲ ἔστιν ταῦτα νοῆσαι ἐπὶ τῶν ἑτεροδόξων ἐντυγχανόντων ταῖς γραφαῖς καὶ ἀκάνθας οὐκ ἀπὸ τῶν γρα φῶν, ἀλλ̓ ἀπὸ τῶν ἰδίων ἐπινοιῶν θεριζόντων. „Οἱ κλῆροι αὐτῶν οὐκ ὠφελήσουσιν αὐτούς.“ e Ταῦτα καὶ πρὸ ἡμῶν ἄλλοι διηγήσαντο. Καὶ ἐπει δὴ οὐκ ἀποδοκιμάζομεν αὐτῶν τὴν διήγησιν, εὐγνωμόνως φέρομεν αὐτὴν εἰς μέσον, οὐχ ὡς αὐτοὶ εὑρόντες ἀλλ̓ ὡς μεμαθηκότες καλὸν μάθημα. Οὗτος ὁ λόγος ὠφελήσει καὶ ὑμᾶς καὶ ἡμᾶς, ἐὰν || προσέχωμεν τῷ γεγραμμένῳ, οἳ δοκοῦμεν εἶναι ἀπὸ κλήρου τινὲς προκαθεζόμενοι ὑμῶν, ὥστε τινὰς θέλειν ἥκειν ἐπὶ τὸν κλῆρον τοῦτον. Ἴστε δὲ ὅτι οὐ πάντως ὁ κλῆρος σῴ ζει· πολλοὶ γὰρ καὶ πρεσβύτεροι ἀπολοῦνται, πολλοὶ καὶ λαϊκοὶ μακάριοι ἀποδειχθήσονται. Ἐπεὶ οὖν τινές εἰσιν ἐν κλήρῳ οὐχ οὕτως βιοῦντες ὥστε ὠφεληθῆναι καὶ κοσμῆσαι τὸν κλῆρον, διὰ τοῦτο, φασὶν οἱ διηγησά|μενοι, γέγραπται· „Οἱ κλῆροι αὐτῶν οὐκ ὠφελήσουσιν αὐτούς“· f τὸ γὰρ ὠφελοῦν οὐκ αὐτὸ τὸ καθέζεσθαι ἐν πρεσβυτερίῳ ἐστίν, ἀλλὰ τὸ βιοῦν ἀξίως τοῦ τόπου, ὡς ἀπαιτεῖ ὁ λόγος. Ἀπαιτεῖ καὶ ὑμᾶς βιοῦν ὁ λόγος καλῶς καὶ a
2 Kor. 4,10
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Röm. 8,13
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Jer. 12,13
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Jer. 12,13
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Jer. 12,13
5 σπείρετε Hu H (seminatis) σπείρατε S 6 ἐν del. Kl (mit C) 6 λογίοις Kl ἁγίοις S 12 οὐκ Hu H (non) τοῦτ᾽ S 15 τινὲς Hu Kl Nt (SC 232, 420) τινὸς S Nt (GCS Orig. 19 ὠφεληθῆναι Hu ὀφεληθῆναι S 20 ὠφελήσουσιν Hu ὀφελήσουσιν S 32, 359) 20 ὠφελοῦν Hu ὀφελοῦν S 21 καθέζεσθαι Lo καθέσ ζεσθαι S 21 πρεσβυτερίῳ Kl πρεσβϋτερείω S
Matth. comm. XV 4 (GCS Orig. 10, 358); in Gen. hom. 3,6 (GCS Orig. 6, 48), hier ebenfalls mit Mt. 10,34; in Lev. hom. 16,7 (GCS Orig. 6, 504f.); in Ios. hom. 26,2 (GCS Orig. 7, 458–460). 357 Origenes bezieht sich öfter auf (allegorische) Auslegungen von Vorgängern: Har nack, Ertrag I, 22–30; II, 10–34; Hanson, Allegory and Event 133f. 358 Im Bibeltext meint κλῆροι die „Anteile“ am Land, die den Angehörigen des Gottesvolkes nichts nützen werden. Im christlichen Sprachgebrauch, erstmals belegt bei Clemens von Alexandria, div. salv. 42,2 (Clem. Al. 32, 188), meint der Terminus ein kirchliches Amt und damit auch die Zugehörigkeit zum „Klerus“. Stellen wie Num. 18,20 und Dtn. 10,9 in der Auslegung Philons dürften die Grundlage für diese Sprachentwicklung abgegeben haben: plant. 63–72 (II p. 146–148 Cohn/Wendland). Die folgende Auslegung beruht auf dieser Sprachentwicklung.
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wir das Sterben Jesu am Leib tragena und nicht mehr nach dem Fleisch leben,b aber der Geist lebt, und wir säen nichts in das Fleisch, sondern alles in den Geist, um nicht Verderben vom Fleisch zu ernten, sondern vom Geist ewiges Leben.c 3. Zu den Sündern aber wird gesagt: „Ihr sät Weizen und erntet Dornen.“ d Denn auch wenn sie mit den Worten Gottes umgehen, säen die, die mit ihnen nicht richtig umgehen und nicht so leben, wie sie es müssten, und auch nicht glauben, Weizen und ernten Dornen. Besonders ist das im Blick auf die, die andere Ansichten vertreten (sc. Häretiker), zu verstehen, die sich mit den Schriften befassen und Dornen nicht von den Schriften, aber von den eigenen Gedanken ernten. „Ihre Ämter werden ihnen nicht nützen.“ e Das haben schon andere vor uns ausgelegt,357 und da wir ihre Auslegung nicht ablehnen, tragen wir sie gerne vor, nicht als hätten wir sie selbst gefunden, sondern weil wir etwas Richtiges gelernt haben. Dieses Wort wird sowohl euch als auch uns von Nutzen sein, wenn wir genau darauf achten, was da geschrieben steht.358 Manche359 von uns scheinen durch das Amt über euch gesetzt zu sein,360 so dass manche in dieses Amt gelangen wollen. Ihr sollt aber wissen, dass das Amt ganz und gar nicht rettet, denn auch viele Presbyter werden zugrundegehen und viele Laien werden für selig befunden werden. Da es nun im Klerus manche gibt, die nicht so leben, dass es ihnen nützt und das Amt ehrt, deshalb, sagen die Ausleger, steht geschrieben: „Ihre Ämter werden ihnen nicht nützen.“ f361 Denn das Nützliche besteht an sich nicht darin, im Presbyterium zu sitzen, sondern entsprechend der Würde des Platzes zu leben, wie das Wort es verlangt. Das Wort verlangt sowohl von euch, gut zu leben, als auch von uns. Doch wenn man sagen muss: „Die Mächtigen 359 Huet korrigierte τινὸς im Codex Scorialensis richtig zu τινὲς, denn es geht nicht um
„irgendein“ Amt (unter vielen Ämtern), sondern um „das“ Amt in der Kirche als solches, das „manche“ in der Gemeinde innehaben. Nautin, GCS Orig. 32, 359, schloss sich der Lesart des Scorialensis an, während er in SC 232, 420 wie Klostermann, GCS Orig. 3, 80, Huets Korrektur übernahm. 360 Das ist auch wörtlich zu verstehen: Die Presbyter saßen mit dem Bischof „über“ der Gemeinde im Halbkreis um den Altar herum, was nach Nautin, SC 232, 109, vermutlich darauf hindeutet, dass das Presbyterium schon zur Zeit des Origenes baulich erhöht war. Vgl. in Hiez. hom. 5,4 (GCS Orig. 8, 375): prior sedeo in cathedra resupinus – „weiter vorne (oder: höher) sitze ich zurückgelehnt auf dem Stuhl“; in Matth. comm. ser. 12 (GCS 11, 22): visibiles primas cathedras eorum qui dicunt presbyteri – „die sichtlich ersten (vorderen? höheren?) Stühle derer, die Presbyter genannt werden“. 361 Origenes hat an die Kleriker hohe Ansprüche gestellt und ihre Verfehlungen entsprechend oft und scharf kritisiert: in Gen. hom. 16,5 (GCS Orig. 6, 142f.); in Lev. hom. 6,2 (GCS Orig. 6, 361); in Num. hom. 2,1 (GCS Orig. 7, 9f.); 9,1 (7, 54); 22,4 (7, 208); in Sam. hom. lat. 7 (GCS Orig. 8, 13); in Luc. hom. 13,6 (GCS Orig. 92, 80f.); in Matth. comm. XI 15 (GCS Orig. 10, 59). Weiteres dazu bei Harnack, Ertrag I, 69–71. 73–78; II, 129–141; Vogt, Kirchenverständnis 29–33; Schütz, Gottesdienst 50–54.
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Ὁμιλία ιαʹ
ἡμᾶς· ἀλλ̓ εἰ δεῖ οὕτως εἰπεῖν, „δυνατοὶ δυνατῶς ἐτασθήσονται“,a πλεῖον ἐγὼ ἀπαιτοῦμαι παρὰ τὸν διάκονον, πλεῖον ὁ διάκονος παρὰ τὸν λαϊκόν, ὁ δὲ τὴν πάντων ἡμῶν ἐγκεχειρισμένος ἀρχὴν αὐτὴν τὴν ἐκκλησιαστικὴν ἔτι πλεῖον ἀπαιτεῖται. Διὰ τοῦτο ὁ πεπιστευμένος τὰ μεγάλα, ὁ ἀπόστο λος, ἀκούετε, φησίν· „Οὕτως ἡμᾶς λογιζέσθω ἄνθρωπος ὡς ὑπηρέτας Χρι στοῦ καὶ οἰκονόμους μυστηρίων θεοῦ. Ὧδε λοιπὸν ζητεῖτε ἐν τοῖς οἰκο νόμοις ἵνα πιστός τις εὑρεθῇ.“ b Καὶ οὕτως σπάνιόν ἐστιν εὑρεθῆναι οἰκονόμον πιστὸν καὶ καλόν. Ἰησοῦς „ὁ εἰδὼς τὰ πάντα πρὶν γενέσεως αὐτῶν“ c λέγει· „Τίς ἄρα ἐστὶν ὁ πιστὸς οἰκονόμος καὶ φρόνιμος, ὃν κατα στήσει ὁ κύριος αὐτοῦ ἐπὶ τῆς οἰκίας αὐτοῦ διδόναι ἐν καιρῷ τὸ σιτομέτρι ον τοῖς δούλοις αὐτοῦ;“ d Εἶτα μέμφεταί τινας οἰκονόμους καὶ λέγει· „Ἐὰν δὲ ἄρ||ξηται ὁ κακὸς δοῦλος λέγειν· χρονίζει μου ὁ κύριος ἔρχεσθαι, καὶ ἄρξηται τύπτειν τοὺς συνδούλους αὐτοῦ καὶ τὰς παιδίσκας, ἐσθίειν τε καὶ πίνειν καὶ μεθύσκεσθαι· ἥξει ὁ κύριος τοῦ δούλου ἐκείνου ἐν ἡμέρᾳ ᾗ οὐ προσδοκᾷ καὶ ἐν ὥρᾳ ᾗ οὐ γινώσκει καὶ διχοτομήσει αὐτόν, καὶ τὸ μέρος αὐτοῦ μετὰ τῶν ἀπίστων θήσει.“ e Ταῦτα μὲν εἰς τὸ „οἱ κλῆροι αὐτῶν οὐκ ὠφελήσουσιν αὐτούς“. f 4. Ἴδωμεν δὲ καὶ ἑξῆς ἐπίπληξιν ἀναγκαίαν, ἣν καλὸν εἰς τὸν ἠθικὸν τόπον ἀναλαβεῖν, λέγουσαν· „Αἰσχύνθητε ἀπὸ καυχήσεως ὑμῶν, ἀπὸ ὀνει δισμοῦ ἐναντίον κυρίου.“ g Ἔστιν τινά, ἐν οἷς καυχώμεθα διὰ τὴν ἄνοιαν οὐκ οὖσιν καυχήσεως ἀξίοις· οἷον ἐὰν καυχήσηταί τις ὅτι πλούσιός ἐστιν καὶ πολλὰ κέκτηται, λέγοιτ̓ ἂν πρὸς αὐτόν· „Αἰσχύνθητε ἀπὸ καυχήσεως ὑμῶν.“ Ἐὰν καυχήσηταί τις ἐπὶ εὐγενείᾳ ταύτῃ τῇ ἐκτός, λεχθήσεται πρὸς αὐτόν· „Αἰσχύνθητε ἀπὸ καυχήσεως ὑμῶν.“ Ἐὰν καυχήσηταί τις ἐπὶ πο λυτελείᾳ ἱματίων, ἐπὶ οἰκοδομῇ οἰκίας πλουσίως κατεσκευασμένης, ἀλλο τρία ἐστὶν ἡ καύχησις καυχήσεως ἁγίων· διὸ λεχθήσεται πρὸς τὸν τοιοῦτον· „Αἰσχύνθητε ἀπὸ καυχήσεως | ὑμῶν.“ Ἄκουε τοῦ λόγου τοῦ προφήτου Ἱερεμίου κελεύοντος ἡμᾶς μὴ καυχᾶσθαι μηδὲ ἐπὶ σοφίᾳ· „μὴ καυχάσθω“ γάρ φησιν „ὁ σοφὸς ἐν τῇ σοφίᾳ αὐτοῦ μηδὲ ὁ ἰσχυρὸς ἐν τῇ ἰσχύϊ αὐτοῦ μηδὲ ὁ πλούσιος ἐν τῷ πλούτῳ αὐτοῦ, ἀλλὰ ἐν τούτῳ καυχάσθω ὁ καυ χώμενος, συνιεῖν καὶ γινώσκειν ὅτι ἐγώ εἰμι κύριος.“ h Θέλεις καυχᾶσθαι καὶ a
Weish. 6,6 b1 Kor. 4,1f. c Sus. 35a LXX (42 Theodotion) bzw. Dan. 13,42 Mt. 24,45 eLk. 12,45f.; Mt. 24,48–51 f Jer. 12,13 g Jer. 12,13 hJer. 9,22f.
d
4 ἔτι Kl ἐπὶ S 9 ἄρα S* ἆρα Scorr. 17 ὠφελήσουσιν Hu ὀφελήσουσιν S ἂν Hu H (dicitur) λέγει τ̓ ἂν S 28 μηδὲ Co H (ne – quidem) μήτε