Werke mit deutscher Übersetzung: Band 1/2 Die Homilien zum Buch Genesis 9783110225990, 9783110204353

The main focus of Origen’s work was exegesis of the Bible ‑ in large commentaries, but also in sermons, which explore in

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Werke mit deutscher Übersetzung: Band 1/2 Die Homilien zum Buch Genesis
 9783110225990, 9783110204353

Table of contents :
Einleitung
I. Der Text der Genesishomilien
1. Die Abfassungszeit
2. Die Anzahl der Predigten
3. Origenes’ Vortrag
4. Das Anliegen der Predigten
II. Rufins Übersetzung der Genesishomilien
1. Rufinus von Aquileja
2. Rufins Übersetzungen
3. Das griechische Fragment der zweiten Homilie
III. Die Überlieferung der lateinischen Homilien
1. Die lateinischen Handschriften
2. Die Genesishomilien in der Neuzeit
Die Homilien des Origenes zum Buch Genesis in der Übersetzung des Rufinus
Homilia I
Homilia II
Homilia III
Homilia IV
Homilia V
Homilia VI
Homilia VII
Homilia VIII
Homilia IX
Homilia X
Homilia XI
Homilia XII
Homilia XIII
Homilia XIV
Homilia XV
Homilia XVI
Anhang
Das griechische Fragment der zweiten Homilie
Bibliographie
Quellen
Literatur
Register
Bibelstellen
Origenesstellen
Namen und Sachen

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Origenes Werke mit deutscher Übersetzung 1/2

Origenes Werke mit deutscher Übersetzung Im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Forschungsstelle Origenes der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster herausgegeben von Alfons Fürst und Christoph Markschies

Band 1/2

De Gruyter Berlin • Boston Herder Freiburg • Basel • Wien

Origenes Die Homilien zum Buch Genesis Eingeleitet und übersetzt von Peter Habermehl

De Gruyter Berlin • Boston Herder Freiburg • Basel • Wien

ISBN De Gruyter: 978-3-11-020435-3 e-ISBN De Gruyter: 978-3-11-022599-0 ISBN Herder: 978-3-451-32902-9 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Einbandgestaltung: Martin Zech, Bremen Satz: pagina GmbH, Tübingen Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ’ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Einleitung I. Der Text der Genesishomilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1. Die Abfassungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Anzahl der Predigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Origenes’ Vortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Anliegen der Predigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Rufins Übersetzung der Genesishomilien

.................. 1. Rufinus von Aquileja . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rufins Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das griechische Fragment der zweiten Homilie . . . . . . . . . . . .

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III. Die Überlieferung der lateinischen Homilien . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Die lateinischen Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Genesishomilien in der Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Homilien des Origenes zum Buch Genesis in der Übersetzung des Rufinus

Homilia Homilia Homilia Homilia Homilia Homilia Homilia Homilia Homilia Homilia Homilia

I .............................................. II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V ............................................. VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X ............................................. XI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 64 90 112 126 140 150 164 182 194 210

VI Homilia Homilia Homilia Homilia Homilia

Inhalt

XII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

222 234 250 262 278

Anhang Das griechische Fragment der zweiten Homilie . . . . . . . . . . . . . . . .

296

Bibliographie Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

331 332

Register Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Origenesstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namen und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung

I. Der Text der Genesishomilien 1. Die Abfassungszeit Um 234 ließ Origenes sich in seiner neuen Heimat Caesarea nieder.1 In Palästina stand die Exegese der Heiligen Schrift im Zentrum seiner Arbeit. Der große, noch in Alexandria begonnene Johanneskommentar wird abgeschlossen (etwa 238); es folgten Kommentare unter anderem zur Genesis, zu den Psalmen, zum Römerbrief, zum Hohenlied, zu Matthäus und Lukas.2 Zu den exegetischen Höhenflügen der großen Kommentare gesellte sich eine schlichtere Form der Bibelauslegung. Bereits bei früheren Aufenthalten in Caesarea hatten die dortigen Bischöfe Origenes eingeladen, „vor der Gemeinde Vorträge zu halten und die göttlichen Schriften zu erklären“.3 Als Gemeindemitglied und Presbyter predigte er nun regelmäßig und vermutlich über etliche Jahre im Anschluss an die Lesung über die Heilige Schrift und legte dabei den Gläubigen systematisch biblische Texte aus.4 In den Genesishomilien klingt zwischen den Zeilen einmal Origenes’ seelsorgerische Verpflichtung an5 – ein kleines Indiz, das die Lokalisierung der Predigten in Caesarea stützt. Hinweise für eine genauere Datierung der Genesishomilien innerhalb jener zwei Jahrzehnte (ca. 234–252) finden sich im Text freilich nirgendwo.6 Es gibt allerdings eine externe Nachricht, die 1 2

3 4

5 6

Zuvor (um 230) hatte er dort bereits die Priesterweihe empfangen. Von seinen Bibelkommentaren ist allein der zum Römerbrief (in Rufins gekürzter Übersetzung) annähernd vollständig auf uns gekommen. Berühmt ist Hieronymus’ Lob eines weiteren exegetischen Unternehmens: „In anderen Büchern übertraf Origenes alle anderen, im Hohenlied jedoch übertraf er sich selbst“ (Vorwort zu seiner Übersetzung der Predigten zum Hohelied; GCS Orig. 8, 26). Eusebius, hist. eccl. VI 19,16 (GCS Eus. 2, 564). Siehe dazu Monaci Castagno, Origene predicatore 45–64; Grappone, Annotazioni sul contesto liturgico. – Als widerlegt dürfen die Schlussfolgerungen gelten, die Nautin, Orige`ne 389–409, aus den spärlichen Nachrichten zu diesen Predigten zog: Origenes habe zwischen 238 und 242 in Caesarea in einem festen Zyklus von drei Jahren zur Unterweisung der Gemeinde und der Katechumenen die gesamte Heilige Schrift in Predigten ausgelegt; zur Kritik an Nautin siehe neben dem vermerkten Aufsatz von Grappone auch ders., Annotazioni sulla cronologia; Fürst/Hengstermann, OWD 10, 20–23. Origenes, in Gen. hom. 10,1 (GCS Orig. 6, 93): „Was soll ich also tun, dem die Verkündigung des Wortes (dispensatio uerbi) anvertraut ist …, dem der Dienst am Wort (ministerium uerbi) anvertraut ist?“ Gelegentliche Erinnerungen an die Gefahren des Martyriums (v.a. ebd. 1,8 [6, 10f.];

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Einleitung

eine späte Datierung der erhaltenen Predigten insgesamt nahelegt. Eusebius zufolge hat Origenes erst in reifen Jahren (etwa ab seinem 60. Lebensjahr), als er sich seiner Sache als Prediger sicher war, das Mitstenographieren seiner öffentlichen Ansprachen gestattet.7 Aus jener letzten Lebensphase ab etwa 245 n.Chr. dürften auch die Genesishomilien datieren.

2. Die Anzahl der Predigten Origenes war ein höchst fruchtbarer Prediger. Rund 150 Jahre nach seinem Tod listet Hieronymus’ großer Werkkatalog (der in Teilen auf einer Inventur der kirchlichen Bibliothek von Caesarea basieren dürfte) insgesamt 462 Homilien zum Alten und Neuen Testament auf.8 Da vermutlich nicht jede Homilie schriftlich konserviert wurde, wird die Zahl der einst gehaltenen Predigten mit Sicherheit höher gelegen haben. Zudem dürfte im Laufe der Zeit in Caesarea auch manches Manuskript abhanden gekommen sein.9 Vom einstigen Reichtum, den Hieronymus inventarisierte, ist insgesamt weniger als die Hälfte auf uns gekommen, nämlich 216 Predigten: 195 von sehr unterschiedlicher Länge in den um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert angefertigten lateinischen Übersetzungen des Rufinus von Aquileja (117) und des Hieronymus (78) – die zumindest im Westen des Reiches ihren Teil

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7,3 [6, 73f.]; 8,8 [6, 83]) helfen ebenso wenig weiter wie die Klage über die Anfeindungen, denen seine Exegese in manchen Kreisen ausgesetzt war (v.a. ebd. 13,3 [6, 116]). Eusebius, hist. eccl. VI 36,1 (GCS Eus. 2, 590). Zur Datierung der Homilien siehe v.a. Grappone, Annotazioni sulla cronologia 51–58. Hieronymus, epist. 33,4 (CSEL 54, 255–259). Während seines langen Aufenthalts in Palästina hatte Hieronymus Zugang zur Bibliothek von Caesarea (vgl. Kelly, Jerome 98). Nur bedingt plausibel ist die Annahme, Hieronymus habe dieses Werkverzeichnis Eusebius entnommen (so Simonetti, Le Omelie sulla Genesi 259). Eusebius’ umfassender Katalog der Werke des Origenes in seiner Biographie des Märtyrers Pamphilus (vgl. hist. eccl. VI 32,3 [GCS Eus. 2, 586–588]) ist leider verloren. Wo Eusebius’ und Hieronymus’ Buchzahlen sich aber vergleichen lassen, fallen einige irritierende Abweichungen auf; so umfasste Origenes’ Genesiskommentar laut Eusebius, ebd. VI 24,2 (2, 572) zwölf Bücher, laut Hieronymus 13, der Johanneskommentar laut Eusebius, ebd. VI 24,1 (2, 570–572) 22 Bücher, laut Hieronymus 32, der Jesajakommentar laut Eusebius, ebd. VI 32,1 (2, 586) 30 Bücher, von denen einige bereits verloren seien, laut Hieronymus 36. Dazu: Fürst/Hengstermann, OWD 10, 4–6. Angesichts der Textmassen, mit denen Origenes die Bibliothek von Caesarea füllte, kann es kaum verwundern, dass erste Lücken in den Beständen bereits zu Eusebius’ Zeiten zu beklagen waren. Die letzten Originalmanuskripte des Origenes dürften Mitte des 7. Jahrhunderts vernichtet worden sein, als die arabischen Eroberer Palästinas die Bibliothek von Caesarea zerstörten.

I. Der Text der Genesishomilien

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dazu beitrugen, dass die Originale verlorengingen – und 21 in der originalen Sprache Griechisch, neben der Predigt über die Wahrsagerin von Endor (1 Sam. 28) zwanzig Homilien zum Buch Jeremia. Wie viele Homilien des Origenes speziell zum Buch Genesis in Caesarea ursprünglich verwahrt wurden, lässt sich nicht mehr sicher feststellen. Zwei jüngere Auskünfte ergänzen sich freilich. Laut Hieronymus gab es folgende Oktateuchhomilien: „17 Predigten zu Genesis, acht zu Exodus, elf zu Leviticus, 28 zu Numeri, 13 zu Deuteronomium, 26 zu Josua, neun zu Richter.“10 Knapp zwei Jahrhunderte später zählte Cassiodor die ins Lateinische übersetzten Oktateuchpredigten des Origenes auf, die wahrscheinlich die Bibliothek seines Klosters Vivarium beherbergte:11 „Zum Oktateuch gibt es überaus wortgewaltige Predigten des Origenes in drei Codices …, 16 zu Genesis, zwölf zu Exodus, 16 zu Levitikus, 29 zu Numeri, vier Predigten zu Deuteronomium (sie enthalten eine allzu kleinteilige und feingesponnene Auslegung), 26 zu Josua, neun zu Richter. Zu Rut freilich konnte ich auf keinerlei Weise alte Auslegungen ausfindig machen.“12 Ein Vergleich dieser beiden Listen fördert markante Abweichungen zutage. Zum Deuteronomium lagen in Caesarea neun Predigten mehr; umgekehrt hatte das Vivarium zehn Oktateuchpredigten mehr als Caesarea: vier weitere zu Exodus, fünf zu Levitikus, eine mehr zu Numeri.13 Zu Josua und Richter stimmen die Zahlen überein – und wohl auch zur Genesis. Die eine Homilie Differenz (Hieronymus: 17, Cassiodor: 16) ist am ehesten dem Eingriff eines Kopisten geschuldet, der Hieronymus’ ursprüngliche ,16‘ um jene apokryphe 17. Genesishomilie (De benedictionibus patriarcharum) erweiterte, die etliche der lateinischen Handschriften überliefern.14 10 Hieronymus, epist. 33,4 (CSEL 54, 257): rursus omeliarum in uetus testamentum: in Genesi omeliae xvii, in Exodo omeliae viii, in Leuitico omeliae xi, in Numeris omeliae xxviii, in Deuteronomio omeliae xiii, in Iesu Naue omeliae xxvi, in libro Iudicum omeliae viiii. 11 Dafür spricht v.a. der pragmatische Hinweis auf die Edition in „drei Codices“. 12 Cassiodor, inst. I 1,8f. (p. 14f. Mynors): Item in Octateucho eloquentissimae nimis omeliae sunt Origenis in codicibus tribus …, in Genesi xvi, in Exodo xii, in Leuitico xvi, in Numerorum xxviiii, in Deuteronomio sermones iiii, in quibus est minuta nimis et suptilis expositio, in Hiesu Naue xxvi, in Iudicum viiii; in Ruth uero priscas explanationes nequaquam potui reperire. – Zum Buch Rut ließ Cassiodor den Presbyter Bellator einen Text verfassen; ebd. I 1,9 (p. 15): „Diese Bücher habe ich den Auslegungen des Origenes wohl mit gutem Grund angefügt, damit die Exegese des gesamten Oktateuchbandes mit einem trefflichen Grenzstein (consummato termino) abgeschlossen werde.“ – Zu den vier Deuteronomiumhomilien vgl. unten S. 16 Anm. 53. 13 Da die numerische Schnittmenge der Predigten nicht notwendig dieselben Texte umfasst, könnten die Abweichungen durchaus größer sein. – Zu ähnlich widersprüchlichen Zahlenangaben im Fall der Jesajahomilien vgl. Fürst/Hengstermann, OWD 10, 20. 14 Zu ihr siehe Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte 1–5: Dort liefert Baeh-

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Einleitung

Im Fall der Genesishomilien ist also von 16 Predigten auszugehen, die Ende des 4. Jahrhunderts noch greifbar waren. Hier kommt freilich eine weitere Nachricht des Hieronymus ins Spiel. Wie er in einem Brief schildert, konsultierte er auf der Suche nach Auskünften über Melchisedek verschiedene ältere Theologen. Als ersten schlug er Origenes auf – „und sogleich stieß ich auf der Vorderseite der Genesis auf Origenes’ erste Homilie über Melchisedek, in der er in einer verschlungenen Diskussion zu dem Urteil gelangte, ihn einen Engel zu nennen“.15 Gab es also auch eine Genesishomilie des Origenes über Melchisedek – noch dazu am Anfang einer ganzen Serie? Irritierend genug wird Melchisedek in der Genesis nur einmal kurz erwähnt (Gen. 14,18) und taugt, anders als etwa die Schöpfungsgeschichte, nur bedingt als Auftakt einer Genesisexegese. Doch was auch immer es mit dieser Predigt auf sich hatte16 – sie ist auf alle Fälle verloren17 und erinnert uns auf heilsame Weise daran, dass Origenes offenbar mehr zur Genesis gepredigt hat, als uns heute vorliegt. Dies legt im Übrigen auch das folgende Verzeichnis der 16 in Rufins Übersetzung erhaltenen Homilien nahe. griechisches Original (hom. 2,1f.)

Rufins Übersetzung hom. 1 hom. 2 hom. 3 hom. 4 hom. 5 hom. 6

kommentierter Bibeltext Gen. 1 Gen. 6,5–8,22, bes. 6,13–22 Gen. 17,1–13 Gen. 18,1–15 (16–33) Gen. 19 Gen. 20

rens eine einleuchtende Erklärung, wie die Zahl 17 irrtümlich in die Handvoll Hieronymushandschriften gelangt sein dürfte; Baehrens’ These wird heute allgemein akzeptiert, vgl. u.a. Doutreleau, SC 7bis, 14–16. 15 Hieronymus, epist. 73,2 (CSEL 55, 14): Statimque in fronte Geneseos primam omeliarum Origenis repperi scriptam de Melchisedech, in qua multiplici sermone disputans illuc deuolutus est, ut eum angelum diceret … – Die rätselhafte Wendung in fronte Geneseos verweist zweifelsohne auf den Einband oder die Vorder- bzw. Stirnseite eines Kodex. Doch was war gemeint: eine Genesisausgabe oder Texte zur Genesis? 16 Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte 5f., vermutet im Anschluss an Westcott und Klostermann, „daß jene Homilie die erste Predigt der viel besprochenen mistarum (= mixtarum) omeliarum libri II bildet“, die Hieronymus’ Katalog im Anschluss an die 13 Bücher des Genesiskommentars verzeichnet. 17 Das von Baehrens, ebd. 6f., edierte griechische Fragment der Melchisedek-Predigt wurde alsbald als Text des Cyrill von Alexandria identifiziert: Vaccari, Frammento Origeniano. Zu der Frage insgesamt siehe Devreesse, Anciens commentateurs 170.

I. Der Text der Genesishomilien

griechisches Original

Rufins Übersetzung hom. 7 hom. 8 hom. 9 hom. 10 hom. 11 hom. 12 hom. hom. hom. hom.

13 14 15 16

7

kommentierter Bibeltext Gen. 21,1–21 Gen. 22,1–14 Gen. 22,15–17 Gen. 24,10–27 Gen. 25,1f.11 Gen. 25,19–26; 26,12f. Gen. 26,14–22 Gen. 26,23–30 Gen. 37–4718 Gen. 47,20–27

Wie sich zeigt, sind die Gewichte der Exegese auffallend ungleichmäßig verteilt. Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift (Gen. 1,1–2,4a: hom. 1) kommt ebenso zur Sprache wie die Sintflut und die Arche Noah (Gen. 6,5–8,22: hom. 2). Doch kaum ein Wort gilt der älteren Schöpfungsgeschichte des Jahwisten samt Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies (Gen. 2,4b–3,24), gilt der dunklen Perikope von den Ehen der ,Gottessöhne‘ (Gen. 6,1–4), Kains Brudermord (Gen. 4,2–16), Noah und den Seinen nach der Flut (Gen. 9,18–27), dem Turmbau zu Babel (Gen. 11,1–9) oder den großen Genealogien (vor allem Gen. 4,17–26; 5,1–32; 10,1–32; 11,10–27). In den Vätergeschichten liegt der Schwerpunkt auf Abraham (Gen. 12–25: hom. 3–11),19 doch klammert Origenes manches Bedeutsame aus (zum Beispiel den Kampf der Könige Gen. 14 oder Verheißung und Bund Gen. 15). In den Geschichten um Jakob (Gen. 25–36: hom. 12–14) dominieren die Auslassungen (zum Beispiel das Linsengericht Gen. 25,27–34, der erlistete Segen Gen. 27, Jakobs Traum in Bethel Gen. 28,10–22, der nächtliche Kampf am Jabbok Gen. 32,23–32, das Massaker in Sichem Gen. 34). Von der großen Josef-Erzählung schließlich (Gen. 37–50: hom. 15 und 16) kommen nur wenige Ausschnitte zu Wort. Die erhaltenen Predigten bieten also alles andere als eine fortlaufende Erörterung des biblischen Buches. Sie repräsentieren wahrscheinlich nur einen Ausschnitt einer ursprünglich weit größeren Zahl von Homilien.20 Für

18 Im Einzelnen handelt es sich v.a. um die Passagen Gen. 37,25–35; 42; 45,25–28; 46,2–7; 47,29–31. 19 Zwei Predigten widmen sich ausgesprochen kleinteiligen Perikopen von je drei Versen: hom. 9 (zu Gen. 22,15–17) und hom. 11 (zu Gen. 25,1f.11). 20 Dem Eindruck zufolge, den die zahlreichen Fragmente vermitteln, dürften sich die Homilien mit Origenes’ (verlorenem) Genesiskommentar thematisch eher selten überschnitten haben. – Zu der weit selektiveren Auswahl der lateinischen Jesajahomilien vgl. Fürst/Hengstermann, OWD 10, 27–34.

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Einleitung

diese Sicht der Dinge plädiert Manlio Simonetti.21 Ihm zufolge gab es drei oder vier Sammlungen von Genesishomilien: eine (oder zwei) zur Urgeschichte (Gen. 1–11), eine zu Abraham (Gen. 12–25) und eine zu Jakob und Josef (Gen. 26–50). Der Abrahamzyklus sei mit hom. 3–14 vollständig erhalten; die Zyklen zur Urgeschichte bzw. zu Jakob und Josef hingegen seien nur mit jeweils zwei exemplarischen Texten vertreten, hom. 1–2 und 15–16.22 In der Summe bietet diese These eine einleuchtende Erklärung für das unausgewogene Erscheinungsbild des Homiliencorpus in seiner überlieferten Version.

3. Origenes’ Vortrag Origenes hat seine Predigten zur Heiligen Schrift extemporiert. Ob er dabei frei, also ohne jedes Konzept gesprochen hat oder ob er den Bibeltext in Händen hatte, womöglich mit exegetischen Glossen versehen, ist nicht überliefert. Auf den ersten Blick mag das zweite Modell realistischer erscheinen. Wer sich aber den spontanen Gedankenfluss vieler Passagen vor Augen hält und Origenes’ vorzügliches Gedächtnis bedenkt (die Bibel kannte er zu großen Teilen, wenn nicht ganz, auswendig), wird auch die erste Möglichkeit ernstlich erwägen.23 Zumindest teilweise wurden diese Predigten mitstenographiert.24 Diese Mitschriften wurden in Reinschrift übertragen und standen in den Kirchenarchiven Caesareas zur Verfügung; auch waren wohl von Anfang an Abschriften in Umlauf. Ob Origenes die schriftlichen Fassungen durchge21 Simonetti, Le Omelie sulla Genesi 259–273 (vgl. dazu auch Fürst/Hengstermann, ebd. 34). 22 Simonettis schärfstes Argument (ebd. 265f.) liefern die Titel. Die Predigten des Abrahamzyklus haben eigene Titel; hom. 1 und 2 tragen keine Titel; bei hom. 15 und 16 ersetzt die erste Perikope den Titel. – Wann und wo diese Anthologie aus den vollständigen Zyklen zusammengestellt wurde, muss offen bleiben. 23 Der ,Mündlichkeit‘ des Predigens trägt auch das feste Muster Rechnung, dem Origenes in aller Regel folgt. Um der Gemeinde (und sich selbst) das zuvor in der Lesung Gehörte nochmals zu vergegenwärtigen, wiederholt er zunächst das Lemma, um dessen Auslegung es geht. Vom heiligen Wort aus entfaltet sich dann seine Exegese, zunächst die Deutung ,im Wortsinn‘, die den historischen Gehalt der Perikope erörtert, dann die übertragene Auslegung, die den Text (auf einer moralischen wie spirituellen Ebene) allegorisch liest (vgl. unten S. 11f.). 24 Eusebius, hist. eccl. VI 36,1 (GCS Eus. 2, 590). Möglicherweise kam immer noch Origenes’ Mäzen Ambrosius für die Stenographen auf. Das an die gnostischen Valentinianer verlorene ,Schaf‘ hatte Origenes in Alexandria der Kirche zurückgewonnen: ebd. VI 18,1 (2, 556). Seitdem förderte Ambrosius seinen Retter mit seinem nicht unbeträchtlichen Vermögen und ermunterte ihn zu etlichen Arbeiten: ebd. VI 23,1f. (2, 568–570).

I. Der Text der Genesishomilien

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sehen oder gar überarbeitet hat, ist nicht bekannt. Der deutlich ,mündliche‘ Charakter der Texte25 und der oft assoziative Argumentationsgang machen eine solche Revision jedoch nicht allzu wahrscheinlich.

4. Das Anliegen der Predigten Wie kaum ein anderer früher Theologe war Origenes bemüht, seine Bibelexegese philologisch abzusichern. Frucht trugen diese Mühen um einen verlässlichen Text der Heiligen Schriften vor allem in einem (nicht nur) in der Antike konkurrenzlosen Unternehmen – der Hexapla. Als kritische Synopse des gesamten Alten Testaments vereinte die Hexapla Vers um Vers in sechs bis (im Fall der Psalmen) neun Kolumnen das hebräische Original (und dessen Umschrift) mit den damals verfügbaren griechischen Übersetzungen – allen voran die Septuaginta, aber auch die Übersetzungen Theodotions, Aquilas, des Symmachus und andere Ausgaben, die Origenes’ „Spähergeist aus irgendwelchen unbekannten Winkeln, wo sie lange Zeit verborgen lagen, ans Tageslicht gebracht hatte“.26 Ergebnis dieser langwierigen Arbeit war unter anderem ein korrigierter Text der Septuaginta, der in zahllosen Kopien Verbreitung fand.27 Auch die von Origenes verantworteten Texte des Neuen Testaments, die exemplaria Adamantii, errangen den Status des Standards. Die 50 Bibeln etwa, die Kaiser Konstantin bei Eusebius für seine neue Hauptstadt Konstantinopel bestellte, basierten so gut wie sicher auf Origenes’ Revision der Texte.28 Diese philologische Seite seiner Exegese hat in Origenes’ Predigten zur Genesis wenig Spuren hinterlassen.29 Wie schon die erste Homilie zum Schöpfungsbericht der Priesterschrift zeigt, geht es ihm aber auch kaum um die philosophische Botschaft des Textes. Sonst hätte einer der größten Kos-

25 So dienen etwa Einsprengsel wie inquit („heißt es“) bei Bibelversen dazu, den Hörern das Zitat zu verdeutlichen, z.B. in Gen. hom. 1,3 Anfang (GCS Orig. 6, 5): „Et uidit“ inquit „Deus ...“. 26 Eusebius, hist. eccl. VI 16,1 (GCS Eus. 2, 554). 27 Die Arbeit an der Hexapla begann noch in Alexandria, wo Origenes offenbar zumindest Grundkenntnisse des Hebräischen erworben hatte. Der schiere Umfang des Werks, das sich auf 50 große Pergamentrollen verteilte, hatte zur Folge, dass es nur in Auszügen kopiert wurde. – Zu dem Thema insgesamt siehe Neuschäfer, Origenes als Philologe. 28 Eusebius, vit. Const. VI 36f. (GCS Eus. 1/1, 133f.). Vgl. auch Barnes, Constantine and Eusebius 124f. 29 Z.B. in Gen. hom. 3,5 (GCS Orig. 6, 45): „Im Buch Exodus, wo wir in den Handschriften der Kirche geschrieben finden, dass Mose dem Herrn antwortet und sagt: ,… Denn ich bin von zarter Stimme und träger Zunge‘, lest ihr in den hebräischen Manuskripten: ,Ich aber bin unbeschnitten an den Lippen‘.“

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Einleitung

mologen der frühen Kirche, der dem Buch Genesis einen eigenen (verlorenen) Kommentar widmete und in seinen Werken immer wieder auf die Schöpfungsgeschichte zu sprechen kam, nicht so zentrale Fragen vernachlässigt (zentral gerade in der Auseinandersetzung mit platonischen Positionen) wie die nach der Wirklichkeit des Schöpfungsaktes oder nach der Erschaffung der Welt aus dem Nichts.30 Immerhin geht er kurz auf das Problem der Zeit ein.31 Was aber liegt dem Prediger Origenes am Herzen? Zunächst einmal geht es ihm darum, seinen Hörern den heiligen Text in seinen verschiedenen Schichten zu erschließen. Hier steht er in einer langen Tradition, wie ein aufschlussreiches Zeugnis eines Gegners verrät. Im dritten Buch seines untergegangenen Werks „Gegen die Christen“ liefert Porphyrios eine so knappe wie scharfe Skizze des Origenes: „Da einige, statt sich von der Erbärmlichkeit der jüdischen Schriften abzuwenden, nach befriedigenden Lösungen suchten, verloren sie sich in verworrene, dem Text nicht entsprechende Erklärungen. ... Diese Exegeten reden groß daher, die klaren Worte des Mose seien Rätsel; sie verherrlichen dieselben als Gottesworte voll heiliger Geheimnisse und betören durch ihren Schwindel die Fähigkeit zur Kritik. ... Diese törichte Methode möge man an einem Manne beobachten, mit dem auch ich in meiner frühesten Jugend verkehrt habe, nämlich an Origenes, der in hohem Ansehen stand und noch heute durch seine hinterlassenen Schriften in Ansehen steht und dessen Ruhm bei den Lehrern dieser Gedanken weit verbreitet ist. ... In seiner Auffassung von der Welt und von Gott dachte er wie ein Grieche und schob den fremden Mythen griechische Ideen unter. Ständig beschäftigte er sich mit Platon. Er war vertraut mit den Schriften des Numenius, Kronius, Apollophanes, Longinus, Moderatus, Nikomachus und der berühmten Männer aus der pythagoreischen Schule. Er benützte aber auch die Bücher des Stoikers Chairemon und des Kornutus, von welchen er die allegorische Auslegung der heidnischen Mysterien erlernte, und wandte diese Methode auf die jüdischen Schriften an.“32 30 Origenes nahm vermutlich auch Rücksicht auf das Fassungsvermögen der Gemeinde, das mit allzu abstrakten Spekulationen wohl eher überfordert war. Weit ausführlicher äußerte er sich zu diesen Themen in seinem Johanneskommentar: in Ioh. comm. I 90–124 (GCS Orig. 4, 20–25). 31 Vgl. in Gen. hom. 1,1 (GCS Orig. 6, 2). Mit dem Werden des ersten Tages entsteht das Maß, Zeit zu messen. Also entsteht die Zeit selbst mit der Welt. – Wie vor der Erschaffung der Sonne von Tag und Nacht die Rede sein kann, bleibt offen. Dass es die Gestirne sind, die (gut aristotelisch) die Zeit messen, wird ebd. 1,6 (6, 7) erwähnt. Zu dem Komplex insgesamt siehe Köckert, Christliche Kosmologie; dies., Gott, Welt, Zeit und Ewigkeit bei Origenes. 32 Eusebius, hist. eccl. VI 19,4–8 (GCS Eus. 2/2, 558–560). Porphyrios’ Verbitterung hat handfeste Gründe: In seinen Augen war Origenes ein Renegat, der den ge-

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In zwei entscheidenden Punkten trifft diese wenig freundliche Charakterisierung des Theologen ins Schwarze: Origenes war bestens vertraut mit der zeitgenössischen griechischen Philosophie – dafür bürgt schon sein Studium bei dem legendären Ammonios Sakkas. Und wie sich in jeder seiner Arbeiten studieren lässt (am nachdrücklichsten vielleicht im Johanneskommentar), nimmt „die allegorische Auslegung“ der Heiligen Schriften, gerne unter platonischen Vorzeichen, in seiner Exegese breiten Raum ein. Doch Porphyrios verkennt eine entscheidende Verbindungslinie, wenn er Origenes vorhält, er habe die allegorische Exegese nur aus paganen Quellen übernommen. Bereits die ältesten christlichen Texte, die Briefe des Paulus, sind getränkt von allegorischer Schriftauslegung im Geist rabbinischer Exegese. Und Paulus’ Zeitgenosse Philon führt in seinen Kommentaren vor, wie sich vor allem der Pentateuch allegorisch deuten lässt. Philon lag es am Herzen, einen philosophischen Kern der Bibel auszumachen und die Weisheit der Griechen in Mose wiederzuentdecken. So wird Mose zum wahren ersten Philosophen, der in ,mythischem Gewand‘ höchste Theologie verkündet und dank seiner Schriften zum Lehrer der Griechen wird, allen voran Platons.33 Anders Origenes. Ihm geht es darum, das Alte Testament mit den Schlüsseln der Allegorese wie der frühchristlichen Typologie zu ergründen und in den Texten verborgene Aussagen über das künftige Heil aufzuspüren, das dereinst in Christus erscheinen wird.34 So nimmt es nicht wunder, dass Origenes die Werke des Paulus wie des Philon höchst aufmerksam studiert, Philons Name aber durchweg verschweigt (vielleicht aus dem Unbehagen, dass seine Auslegung einer außerkirchlichen Quelle soviel Inspiration verdankt), um sich umso lieber auf Paulus zu berufen.35 Seine Hörer konfrontiert er von Anfang an mit den beiden grundsätzlichen Möglichkeiten, die Heilige Schrift zu lesen, nämlich an der Oberfläche, in wörtlicher Auslegung („dem Wortsinn nach“, in Rufins Übersetzung secundum litteram), und in einer übertragenen, die den verborgenen Sinn aufspürt (in der Regel secundum allegoriam, „in allegorischer Deutung“, „allegorisch gelesen“, oder secundum spiritalem intelligentiam, „in geistiger Lesart“).36 Diese

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meinsamen Ursprüngen im Platonismus später kühl den Rücken kehrte; vgl. Chadwick, Early Christian thought 103. Diese Darstellung der Geistesgeschichte, die die griechische Philosophie genealogisch an das Alte Testament ankoppelt, sichert die Überlegen- und Erwähltheit des jüdischen Volkes angesichts der bedrohlichen Dominanz griechischer Bildung und Wissenschaft. Zu Origenes’ Exegese vgl. u.a. de Lubac, Geist aus der Geschichte 115–232; ders., Exe´ge`se me´die´vale I 1, 198–207; Nesterova, Les interpre´tations modernes. Zu Origenes’ Philon-Rezeption vgl. Runia, Philo 157–183. Rufinus gebraucht noch andere Wendungen, für die wörtliche Auslegung etwa historialis intelligentia oder ad historiae rationem, für die übertragene z.B. secundum spi-

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übertragene Lesart kann ihrerseits zwei Ebenen gewinnen, eine moralische, die eher die einzelne Seele in ihrer irdischen Existenz berührt, und eine spirituelle, die den großen Glaubensgeheimnissen gilt, etwa dem Dasein der Kirche in Zeit und Ewigkeit. Einer wörtlichen stehen also zwei geistige Auslegungen gegenüber, analog zur paulinischen Dreiteilung des Menschen in Leib, Seele und Geist.37 Auf dieser Basis macht Origenes zunächst im „wörtlich“ verstandenen Bibeltext eine zweifache Schöpfung aus, eine geistige und eine materielle (wobei nach platonischer Tradition die geistige der materiellen vorausgeht).38 Diese ,reale‘ doppelte Schöpfung spiegelt sich in einer „geistigen“ Allegorese, die sich am Topos von Makro- und Mikrokosmos inspiriert und den ersten, „geistigen“ Himmel als „unser Bewusstsein“ deutet (den „geistigen“ Menschen, „der Gott schaut und erkennt“) und den „körperlichen“ Himmel („das Gewölbe“) als unsere sterbliche Physis.39 Die anthropozentrische Auslegung der ersten Genesisverse gibt in den folgenden Paragraphen den Ton vor (in Gen. hom. 1,2–11). Die Realien des Schöpfungsprozesses streift Origenes nur, um desto ausführlicher bei der moralischen Allegorese zu verweilen. Er nimmt sogar manche Ungereimtheiten in Kauf, um so gut wie alle Schöpfungsakte vom zweiten Tag an auf den Menschen und sein sittliches Betragen zu beziehen. Die „Wasser“ zum Beispiel, von denen im Schöpfungsbericht wiederholt die Rede ist (Gen. 1,6ff.), werden zu Symbolen für die innere Verfasstheit des Menschen. Die „oberen Wasser“ stehen für „das Hohe und Erhabene“, „das Himmlische“ in uns, die „Wasser des Abgrunds“ hingegen für alles „Irdische“, für „die Sünden und Laster unseres Leibes“, für „die Sinnesart der Dämonen“.40 Ähnlich die Gestirne, die Origenes’ geistige Deu-

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ritalem rationem. Dass diese zweite Bedeutungsebene existiert, gebe die Schrift gelegentlich selbst zu verstehen, wenn nämlich ein Text nur in übertragener Lesart Sinn ergebe; siehe z.B. in Gen. hom. 2,6 (GCS Orig. 6, 36f.). – Da Origenes diese Begrifflichkeit nicht eigens einführt, scheint er das exegetische Instrumentarium bei seinen Hörern als bekannt vorauszusetzen. Vgl. u.a. princ. IV 2,4 (GCS Orig. 5, 312f.); in Lev. hom. 5,1.5 (GCS Orig. 6, 333f. 344); in Num. hom. 9,7 (GCS Orig. 7, 64). Mitunter kommt eine dritte übertragene Lesart ins Spiel, die „mystische“. Auf diese Idee bringt ihn nicht zuletzt der missverständliche erste Vers (Gen. 1,1), den moderne Exegeten als Überschrift lesen, der in der Antike jedoch als Beschreibung eines eigenen Schöpfungsaktes galt: „Da Gott den Himmel bereits erschaffen hatte, erschafft er nun das Firmament ..., d.h. den körperlichen Himmel“: in Gen. hom. 1,2 (GCS Orig. 6, 2f.). Ebd. (6, 3). Auch hier schimmert im Hintergrund das platonische Weltbild durch, das im Geist (noyÄw) des Menschen die Brücke zur Welt der Ideen und damit zum Göttlichen erkennt. – Da der Mensch erst am sechsten Tag erschaffen wird, kann an dieser Stelle nur von einer übertragenen Lesart die Rede sein. Ebd. (6, 3–5).

I. Der Text der Genesishomilien

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tung in unser Inneres verpflanzt: „Gestirne werden wir in uns tragen, die uns erleuchten: Christus und seine Kirche.“ Origenes unterstreicht seine Allegorese mit einer schlagenden Analogie aus der Astronomie, die seine Vertrautheit mit den antiken Naturwissenschaften augenfällig belegt: Wie des Nachts die Sonne den Mond beleuchtet, und dieser mit seinem ,geliehenen‘ Licht die Erde, so erleuchtet Christus durch seinen ,Satelliten‘, die Kirche, die Gläubigen in der irdischen Finsternis.41 Die Christologie, die hier anklingt, verbirgt sich Origenes zufolge bereits im Eröffnungssatz des Schöpfungsberichts: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Gen. 1,1).42 Vor allem aber geht es dem Prediger um den Menschen. Gottes letzte Schöpfung wird auf gleich mehreren Ebenen zur moralischen Botschaft. Für die besondere Stellung des Menschen in der Welt findet Origenes zwei Indizien im Text. Das erste fasst er so zusammen: „Einzig Himmel und Erde, Sonne, Mond und Sterne, schließlich der Mensch sind von Gott erschaffen; alles andere, so heißt es in der Schrift, entstand auf sein Geheiß.“43 Genuines Werk Gottes sind nur die großen kosmischen Entitäten – und der Mensch.44 Das zweite Indiz verbirgt sich in Gen. 1,27: „Und Gott schuf den Menschen, nach dem Bild Gottes schuf er ihn.“ Diese Aussage bezieht sich laut Origenes nicht auf unsere leibliche Gestalt, sondern auf den „inneren“ Menschen – zu dem aber nicht Gott selbst das Modell liefert, der Vater, sondern das „andere Bild Gottes“, Gottes Sohn.45 Unser Rang in der Hierarchie der Schöpfungen und unser Urbild in Christus, unsere göttliche Ab-

41 Ebd. 1,5 (6, 7). Diese Übertragung, die auffällig mit der Metaphorik des Lichts spielt, erinnert vage an Plotins Hypostasen: Aus dem überweltlichen Einen, das sich vorsichtig mit Gott gleichsetzen lässt, emaniert der Nous (,Geist‘), aus diesem wiederum die Psyche (,Seele‘), aus dieser zuletzt die wahrnehmbare Materie. Liegt hier eine Erinnerung an eine Lehre des Ammonios Sakkas zugrunde, bei dem ja Origenes wie Plotin gehört haben? Andererseits vergleicht bereits Platon im „Staat“ die Idee des Guten mit der Sonne. – Zu dem Thema insgesamt siehe Crouzel, Orige`ne et Plotin. 42 Jenen „Anfang“ deutet Origenes als „unseren Herrn und ,aller Erlöser‘, Jesus Christus“: ebd. 1,1 (6, 1). Dies ist auch eine Absage an frühchristliche Positionen, denen zufolge der Vater Christus in der Zeit geboren habe. 43 Ebd. 1,12 (6, 14). 44 Dieses Argument trifft freilich nicht zu. Der Genesis zufolge hat Gott auch die Tiere „erschaffen“ (z.B. Gen. 1,21). Dass dem berühmten Genesiskommentator ein solcher Schnitzer versehentlich unterlief, ist kaum denkbar. Opferte Origenes hier die philologische Texttreue der theologischen Botschaft? 45 Ebd. 1,13 (6, 16f.): „Die Schrift sagte nicht: Gott schuf den Menschen nach seinem Bild oder seiner Ähnlichkeit, sondern ,nach dem Bild Gottes schuf er ihn‘.“ – In einer fast dialektischen Volte – wie der innere Mensch Christi Bild in sich trägt, so trägt Christus auf Erden das Bild des Menschen – begründet diese innere Verwandtschaft zwischen Gottes Sohn und dem Menschen unsere Erlösung: ebd. (6, 17f.).

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kunft als Geschöpfe wie als Gefäße Gottes, sind Heilsverheißung und Verpflichtung. Deshalb ist auch unsere Herrschaft über die Erde und ihre Geschöpfe (vgl. Gen. 1,26) vor allem allegorisch zu lesen: als Auftrag Gottes, das Dunkle in unseren Herzen zu bannen und das Gute zur Entfaltung zu bringen.46 Sie stellt dem Gläubigen eine klar umrissene Aufgabe: Er muss „sich mühen, des geistigen Bildes teilhaftig zu werden“, das in ihm schlummert, er muss „dieses Bild Gottes“ in sich ,realisieren‘. Nur auf diesem Weg wird er Christus ähnlich und der Erlösung würdig.47 Wenn das Schlusswort der ersten Predigt das Gesagte mahnend zusammenfasst und den Hörern das Studium der Heiligen Schrift (und Origenes’ Auslegung) ans Herz legt, formt es das letzte Ergebnis der Exegese zum Imperativ und zum Gebet um (zu dem im Rückblick die ganze Predigt wird): Wer Origenes’ Weisung folgt, wird ein Tempel Gottes. Die Predigt als Gebet ist nicht die schlechteste Lösung angesichts jenes Dilemmas, mit dem der Seelsorger Origenes sich konfrontiert sah: Wie kann er seiner Gemeinde die Vielfalt heiliger Erkenntnis vermitteln und erschließen, ohne die schlichten Gemüter zu über- oder die aufgeweckten zu unterfordern? Welche Wahrheiten kann er seinen Hörern und Lesern zumuten, welche darf er bestenfalls andeuten, welche muss er verschweigen? Origenes sah sich immer wieder in diesem Konflikt.48 Nicht umsonst spricht er in seinem Römerbriefkommentar einmal von „Glaubensgeheimnissen, die man nicht einmal dem Papier anvertrauen dürfe“.49 In seinen Predigten versuchte er einen Mittelweg – wie der Herr, der zu der Menge in Gleichnissen und Bildern sprach, seinen Jüngern aber die Wahrheit hinter den Bildern erschloss.50

II. Rufins Übersetzung der Genesishomilien 1. Rufinus von Aquileja Die Biographie Rufins (um 345–411/12), des Zeitgenossen des Augustinus und Hieronymus, ist typisch für einen Christen des 4. und 5. Jahrhunderts. Geboren und aufgewachsen unweit Aquilejas (im heutigen Friaul), studierte er in jungen Jahren in Rom Grammatik und Rhetorik (ca. 358–368). Dort schloss er auch Freundschaft mit Hieronymus, und wie Hieronymus oder 46 Vgl. ebd. 1,12 (6, 13f.). 47 Ebd. 1,13 (6, 17f.). 48 Vgl. z.B. in Matth. comm. X 1 (GCS Orig. 10, 1f.); Cels. III 21 (GCS Orig. 1, 217); in Gen. hom. 7,1 (GCS Orig. 6, 71). 49 In Rom. comm. II 4 (p. 110 Hammond Bammel): … habeatur hoc quoque inter occulta Dei nec chartulae committenda mysteria. 50 Vgl. in Gen. hom. 7,1 (GCS Orig. 6, 71); Cels. III 52–58 (GCS Orig. 1, 248–253).

II. Rufins Übersetzung der Genesishomilien

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Austinus begeisterte er sich für die asketischen Ideale jener Zeit. Nach den römischen Studienjahren kehrte er nach Aquileja zurück und trat in ein Kloster ein. Um das wahre Mönchsleben kennenzulernen, brach er 373 nach Ägypten auf, wo er bis etwa 380 die Klostergemeinschaften in der Nitrischen Wüste bereiste, die christliche Aristokratin Melania die Ältere kennenlernte und unter der Führung Didymus’ des Blinden in Alexandria die Heilige Schrift und die Werke des Origenes studierte. 381 folgte er Melania nach Jerusalem und gründete am Ölberg unweit ihres neuen Frauenklosters ein Männerkloster, wo er bis 397 lebte und die Priesterweihe empfing. Als 393 der Streit um Origenes’ Orthodoxie aufflammte, ergriff Rufinus entschieden Partei für den von ihm über alles bewunderten Theologen. Es kam zum Bruch mit Hieronymus, dessen einstige Verehrung des Origenes tiefer Skepsis gewichen war.51 Der bittere Streit um das rechte Verständnis des Origenes und die (eher theologisch denn philologisch) ,korrekte‘ Übersetzung seiner Werke verfolgte Rufinus bis ans Ende seiner Tage. Dieser Streit trug sein Teil dazu bei, dass Rufinus dem Heiligen Land (und Hieronymus) den Rücken kehrte und sich wieder nach Italien begab; 397 war er in Rom, 399 kehrte er nach Aquileja heim. Fortan widmete er sich vor allem seinen Übersetzungen. Als Alarich in Italien einfiel, floh er von Aquileja über Rom, Nola und Terracina nach Sizilien (407/8). Im Jahr 410 nahmen gotische Truppen Rom ein. Ein Widerschein jener Katastrophe fiel bis nach Messina, wo Rufinus jenseits der Meerenge das von Alarichs Mannen verheerte Rhegium Iulium in Flammen aufgehen sah.52 Ende 411 oder Anfang 412 starb er in Messina.

2. Rufins Übersetzungen Es sind kaum seine eigenen theologischen Studien, denen Rufinus seine historische Bedeutung verdankt (allenfalls zwei von ihnen verdienen Erwähnung, eine Arbeit zum apostolischen Glaubensbekenntnis, Commentarius in symbolum apostolorum, und eine allegorische Auslegung des Jakobssegens, De benedictionibus patriarcharum). Rufinus, der lange Jahre im griechischsprachigen Osten lebte und ganz im Bann griechischer Theologie stand, wurde zu ihrem wohl wichtigsten Vermittler im Westen. Er setzte sich zum 51 Zeugnis dieses Streits sind mehrere Schriften Rufins, bes. der Prolog zu seiner Übersetzung von Pamphilus’ „Apologie des Origenes“ sowie die Schriften De adulteratione librorum Origenis, Apologia ad Anastasium und Apologia contra Hieronymum (alle in CChr.SL 20); vgl. Buchheit, Interpretatio; dell’Era, De adulteratione librorum Origenis. 52 Rufinus, in Num. hom. Orig. prol. (GCS Orig. 7, 1).

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Ziel, maßgebliche Texte der östlichen Kirche seinen Landsleuten in lateinischer Aneignung zu erschließen. Als er 397 aus Jerusalem nach Rom zurückkehrte, brachte er eine ansehnliche Sammlung griechischer Handschriften mit, deren Übersetzung seine letzten Jahre füllte. In rascher Folge veröffentlichte er Werke unter anderem des Basilius, des Gregor von Nazianz und des Evagrius Ponticus. Die Historia monachorum in Aegypto (CPG 5620) fand ebenso den Weg ins Lateinische wie Adamantius’ De recta in deum fide (CPG 1726), die Sententiae des Sextus (CPG 1115) ebenso wie die pseudoklementinischen Anagnorismoi (in Rufins Fassung die Recognitiones; CPG 1015,5). Eusebius’ „Kirchengeschichte“ übersetzte er nicht nur, sondern führte sie bis in die Gegenwart fort, bis zum Tod des Theodosius im Jahre 395. Keinem Autor aber widmete Rufinus sich mit solcher Hingabe und Sorgfalt wie Origenes. Von ihm übertrug er etliche exegetische Schriften, so die Predigten zum Oktateuch (Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri, Josua, Richter, 1 Samuel)53 und seine Kommentare zum Hohenlied und zum Römerbrief, aber auch das frühe Hauptwerk De principiis. Origenes’ Werk auch im Westen bekannt zu machen, es zu verbreiten und zu verteidigen, wurde seine Mission, in der er sich auch vom Streit um dessen Person nicht beirren ließ. Nicht zuletzt seinen Bemühungen ist es zu verdanken, dass kein geringer Teil von Origenes’ Arbeiten auf uns gekommen ist, wenn auch nur ,wie in einem Spiegel‘ – in einer interpretierenden, aneignenden Übersetzung.54 Denn Rufins lateinische Fassungen dürfen im Allgemeinen als zuverlässig gelten, kaum jedoch als wortgetreu.55 Angesichts der Querelen, die um Origenes entbrannt waren, lag es ihm am Herzen, Aussagen und Gedanken der Originale, die in den Geruch der Heterodoxie geraten könnten, abzuschwächen oder diskret zu unterschlagen. Bei manchen Thesen, die seines Erachtens zu weit von den kirchlichen Dogmen abwichen, vermutete er offenbar, Häretiker hätten sie nachträglich in Origenes’ Schriften interpoliert.56 Welche Freiheiten er sich mit dem Text nahm, lässt das Nachwort zu seiner Übertragung des Römerbriefkommentars ahnen. Vorschläge, er solle das Werk doch unter eigenem Namen publizieren, lehnte er mit der Begründung ab: „Auch wenn es so aussieht, als fügte ich manches hinzu und

53 Die Predigten zum Deuteronomium blieben offenbar unübersetzt. Dass Rufinus ihre Übersetzung im Sinn hatte, verrät er im Epilog zum Römerbriefkommentar (p. 862 Hammond Bammel) und v.a. im Prolog zu in Num. hom. Orig. (GCS Orig. 7, 2). Die vier Deuteronomiumpredigten in Cassiodors Vivarium (siehe oben S. 5) hatte vermutlich ein Anonymus übersetzt. 54 Im griechischsprachigen Osten war Origenes’ umstrittener späterer Ruf als Häretiker der Überlieferung seiner Werke insgesamt wenig zuträglich. 55 Vgl. Hoppe, Rufin als Übersetzer; Grappone, Omelie origeniane. 56 Vgl. Rufins Vorreden zu De principiis (GCS Orig. 5, 5. 194); Hoppe, ebd. 138.

II. Rufins Übersetzung der Genesishomilien

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ergänzte, was fehlt, oder kürzte, was sich in die Länge zieht – trotzdem scheint es mir nicht rechtens, den ehrwürdigen Namen dessen zu unterschlagen, der die Fundamente zu dem Werk gelegt und das Material geliefert hat, den Bau zu errichten.“57 Aus demselben Nachwort erfahren wir auch etwas zu zwei Übersetzungsstilen Rufins, vor allem in den Oktateuchhomilien: „Was von Origenes vor der Kirchengemeinde weniger in exegetischer als erbaulicher Absicht aus dem Stegreif erörtert wurde, das suche ich zu ergänzen, wie ich es bei den Predigten oder kleinen Reden zur Genesis und zum Exodus gehalten habe, und vor allem bei dem, was von ihm zum Buch Levitikus im Stil einer Erörterung gesagt, von mir jedoch in exegetischem Duktus übersetzt wurde. Das mühselige Ergänzen dessen, was fehlte, habe ich deshalb auf mich genommen, damit aufgeworfene und unbeantwortet gebliebene Fragen – wie es bei ihm in der Gattung Predigt oftmals zu geschehen pflegt – den lateinischen Leser nicht vergrämen. Denn das, was ich zu Josua und zum Buch Richter … geschrieben habe, habe ich schlicht übersetzt, so wie ich es vorfand, und ohne großen Aufwand.“58 Mit anderen Worten: Die Predigten zu Josua und Richter übersetzte Rufinus ohne spürbare Eingriffe und nahe am Original.59 Die Predigten zu Genesis, Exodus und vor allem Levitikus ergänzte er, um ,Lücken‘ zu schließen und den exegetischen Mehrwert der von Origenes extemporierten Texte zu steigern. Es ist also mit markanten Zusätzen zu rechnen.60

3. Das griechische Fragment der zweiten Homilie Freilich ist es schwierig, solche Eingriffe im Einzelnen nachzuweisen. Im Fall der Genesishomilien ermöglicht uns allenfalls ein längeres Fragment des verlorenen griechischen Originals einen Blick in Rufins übersetzerische Werkstatt – die Beschreibung der Arche aus der zweiten Predigt (vgl. in Gen. hom. 2,1f.). Sie liegt uns in zwei nur bedingt deckungsgleichen Fassungen vor, in den anonym überlieferten Genesiskatenen und in Prokops Genesiskom-

57 Rufinus, in Rom. comm. Orig. epil. (p. 861 Hammond Bammel). 58 Ebd. (p. 860f.). 59 Vor allem im Fall der Josuahomilien lässt sich dank paralleler Passagen bei Prokop und in der Philokalie Rufins Arbeitsweise genauer prüfen und als (in der Summe) verlässlich erweisen; vgl. dazu A. Jaubert, SC 71, Paris 1960, 68–82. 60 Solche ,Manipulationen‘ bescheinigt ihm auch Hieronymus, epist. 80 (CSEL 55, 103): „Wenn sich im Griechischen etwas Anstößiges (aliquanta offendicula) findet, hat er beim Übersetzen alles so getilgt (eliminauit) und gesäubert (purgauit), dass der lateinische Leser in ihnen nichts findet, das von unserem Glauben abweicht.“

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mentar. In beiden Fassungen ist der Text gekürzt und (vor allem bei Prokop) auch mehr oder minder bearbeitet. Prokop glättete und beschnitt die ausgewählten Passagen, um sie (ebenso wie Auszüge aus der Genesisexegese des Origenesschülers Didymus)61 in seinen fortlaufenden Text zu integrieren. Anders die Genesiskatenen (maßgeblich ist hier ,Typ II‘, die mit Abstand umfassendste Redaktion). Sie bewahren in der Regel Origenes’ Wortlaut und stehen Rufinus deshalb auch näher als die Fassung Prokops. Doch reißen sie die einzelnen Zitate oft aus dem Zusammenhang und präsentieren sie in neuer Ordnung62 (entsprechend selten decken sich Wortlaut und Abfolge der Texte in Prokop und Katenen mit der Fassung des Rufinus). Von Origenes’ Original vermitteln die griechischen Passagen also ein gebrochenes, nur an wenigen Stellen verlässliches Bild. Wilhelm Adolf Baehrens hat in seiner Edition63 beide Quellen, Prokop und Katenen, zu einem kontinuierlichen Text verschnitten – eine philologisch heikle Entscheidung. Anders die Edition von Louis Doutreleau.64 Er hat sich philologisch konsequent für eine synoptische Präsentation entschieden, die beide Überlieferungsstränge sauber scheidet und Brüche und Differenzen nicht verschleiert. Die Reihenfolge der Texte lehnt sich an Rufins Übersetzung an, der Prokop weitgehend entspricht (die einzelnen Passagen aus den Katenen hingegen sind aus ihrer ursprünglichen Abfolge herausgelöst). Die im Anhang des vorliegenden Bandes gebotene Fassung folgt mit kleineren Abstrichen der Ausgabe von Doutreleau.65

61 Dank der in den Tura-Papyri erhaltenen Passagen aus Didymus’ Genesiskommentar lassen sie sich identifizieren. 62 In der zentralen Katenenhandschrift Moskau 385 (saec. X, fol. 145f. 150f.) erscheinen die unten im Anhang aufgenommenen Katenenzitate in der Reihenfolge 1–3. 10–13. 4–6. 8. 26. 18–21. 23–25. – Zwei kleinere Texte (Nr. 6 und 8) sowie die Diskussion geometrischer Fragen (Nr. 22–26), die bei Rufinus so gut wie keine Entsprechung finden, gehen womöglich auf Didymus zurück. Ähnliches gilt vermutlich für die zwei Passagen (Nr. 4 und 5), die merklich über Rufins Text hinausgehen. 63 Baehrens, GCS Orig. 6, 23–30. 64 Doutreleau, Le fragment grec de l’Home´lie II. Vgl. auch Grappone, Omelie origeniane 69f. 140–144. 163–165. 347–353. 65 Siehe unten S. 296–329 . Bei Doutreleau findet sich zu den Katenen und Prokop auch ein kritischer Apparat. Eine neue Edition von Prokops Genesiskommentar wird von Karin Metzler vorbereitet. Die hier abgedruckten Passagen aus Prokop sind mit ihrem Text abgeglichen.

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III. Die Überlieferung der lateinischen Homilien 1. Die lateinischen Handschriften Während vom griechischen Text der Genesishomilien nur die soeben besprochenen Bruchstücke aus der zweiten Predigt auf uns gekommen sind, hat das Corpus von sechzehn lateinischen Homilien in einer Vielzahl mittelalterlicher Handschriften überlebt, die uns in der Summe ein verlässliches Bild von Rufins Übersetzung vermitteln.66 Die Spur jener lateinischen Manuskripte führt nach Kampanien zurück, genauer: nach Nola. Dort lag im Kloster des Paulinus von Nola (gest. 431) offenbar ein Exemplar der Oktateuchpredigten des Origenes in Rufins Übersetzung, das Rufinus persönlich seinem Freund Paulinus hatte zukommen lassen (vor 411/12). Ein Jahrhundert später verweist die nächste Spur auf Eugippius (gest. kurz nach 530), den Abt des Klosters von Castellum Lucullanum unweit Neapels, in dessen Hände eine Abschrift des Nolaner Handexemplars gelangt sein dürfte.67 Wahrscheinlich von diesem Exemplar ließ Cassiodor (gest. nach 580), der mit Eugippius in Kontakt stand,68 die drei Codices kopieren, die in seinem 540 an der Küste Kalabriens gegründeten Kloster Vivarium lagen.69 Von Paulinus’ und Eugippius’ Handschriften fehlt jede Spur. Bald nach Cassiodors Tod und dem Untergang des Klosters nahmen die Handschriften des Vivarium ihren Weg in den Norden (Teile gelangten offenbar in die Lateranbibliothek zu Rom, andere fanden im norditalienischen Bobbio eine neue Heimat). Nur ein oder zwei Generationen nach Cassiodor, im späten 6. oder frühen 7. Jahrhundert, entstanden in Norditalien oder Gallien die drei ältesten erhaltenen Codices mit Oktateuchhomilien des Origenes: der Lugdunensis 443, der Parisinus Bibl. Nat. lat. 1625 und der Petropolitanus Q.v.J. nr. 2.70 Dort im Norden befand sich zu jener Zeit also der Archetyp der heute noch greifbaren Handschriften. Vieles spricht dafür, dass es Cassiodors Exemplar war.

66 Augustinus konnte sie schon für conf. XI (verfasst vor 401) heranziehen. Vgl. Altaner, Augustinus und Origenes 26 Anm. 67. 67 Den wichtigsten Hinweis liefert die subscriptio eines Presbyters Donatus im Codex Cassinensis 150 (saec. VI), der u.a. Rufins Übersetzung von Origenes’ Römerbriefkommentar enthält: Donatus gratia Dei presbyter proprium codicem Iustino Augusto tertio post consulatum eius in aedibus beati Petri in castello Lucullano infirmus legi legi legi. 68 Vgl. Cassiodor, inst. I 23,1 (p. 61f. Mynors). 69 Vgl. oben S. 5. 70 Er enthält die Predigten zu Levitikus (ohne hom. 6 und 7) und Josua sowie zwei der insgesamt sieben Bücher De persecutione des Optatus von Mileve. Er stammt aus Montier St. Jean an der Coˆte d’Or.

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Einleitung

Von der Popularität der Genesishomilien seit dem frühen Mittelalter zeugen über hundert erhaltene Handschriften. Deren Verhältnis zueinander darf trotz der systematischen Untersuchung von Wilhelm Adolf Baehrens71 für seine große GCS-Ausgabe noch nicht als sicher geklärt gelten. Die ältesten Textzeugen enthalten meist nur die Homilien zu Genesis und Exodus, mitunter auch Levitikus (diese Konstellation entsprach vermutlich dem ersten Codex der Oktateuchhomilien des Origenes im Vivarium). In späterer Zeit traten die zunächst auf eigenem Wege überlieferten Homilien zu Numeri, Josua und Richter hinzu (wohl parallel zum zweiten Codex des Vivarium). Ein Phänomen des 11. und 12. Jahrhunderts ist die Sammlung sämtlicher Homilien des Origenes zum Alten Testament in nur einer Handschrift.72 Im Rahmen der vorliegenden Ausgabe sind nur die ältesten und wichtige ältere Textzeugen anzuführen.73 An erster Stelle stehen zwei bereits erwähnte Handschriften des späten 6. oder frühen 7. Jahrhunderts. Der Codex Bibliothe`que Municipale de Lyon 443 (saec. VI/VII; 279 fol.; in Baehrens’ GCS-Ausgabe das Sigel A)74 besteht aus zwei Teilen: fol. 1–161 enthalten die Genesis- und Exodushomilien in Halbunzialen des späten 6. oder frühen 7. Jahrhunderts, fol. 162–279 die Levitikushomilien in Unzialen des 8. oder 9. Jahrhunderts (dieser zweite Teil ersetzt die verlorengegangene Abschrift der Levitikushomilien durch den ersten Schreiber). Spätestens im 9. Jahrhundert befand sich die Handschrift in Lyon; dort oder im Umland wurde sie vermutlich auch geschrieben. Der Codex hat unter den Unbilden der Zeit sichtlich gelitten. Die beiden ersten Blätter fehlen; eine ganze Reihe weiterer Lücken kommt hinzu.75 Zudem ist der Text auf vielen Seiten verblasst (womöglich unter dem Einfluss von Tintenfraß), was im 8./9. Jahrhundert an nicht wenigen Stellen zu Ausbesserungen und Überschreibungen diverser westgotischer und spätmerowingischer Hände in Minuskeln führte. Dank ihres palimpsesthaften Charakters ist die Handschrift streckenweise nur schwer zu lesen. Zudem zeichnet die Sorglosigkeit des ersten Kopisten für eine Vielzahl banaler Verschreibungen verantwortlich.

71 Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte. 72 Also zu Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri, Josua, Richter, Samuel, Hoheslied, Jesaja, Jeremia und Ezechiel sowie der Kommentar zum Hohenlied (für gewöhnlich fehlen aber die Numerihomilien und der Kommentar zum Hohenlied). 73 Die Handschriften diskutiert Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte; siehe auch ders., GCS Orig. 6, IX–XXXII. 74 Seit kurzem ist die Handschrift in digitalisierter Form im Internet verfügbar: http://florus.bm-lyon.fr/visualisation.php?cote=MS0443&vue=1 usw. 75 13 Blätter mit dem Anfang der Levitikushomilien liegen heute in Paris, Bibl. Nat. nouv. acq. lat. 1591.

III. Die Überlieferung der lateinischen Homilien

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Auf Grund ihres hohen Alters gebührt noch einer zweiten Handschrift eine eminente Stellung als eigenständiger Zeuge, nämlich Paris, Bibliothe`que Nationale lat. 1625 (saec. VI/VII; 80 fol.: Genesishomilien; bei Baehrens Sigel P). Dank markanter Lücken bietet sie nur in Gen. hom. 1,17 (GCS Orig. 6, 21,9) Phinees sedauit bis 7,2 (6, 73,7) destruentes sowie 8,4 (6, 80,2) Isaac bis 11,1 (6, 102,7) in corpore. Die Fahrlässigkeit ihres Schreibers ist der des Kopisten des Lyoner Codex mehr als ebenbürtig. Aus dem 9. Jahrhundert stammen die fünf Handschriften Admont, Stiftsbibliothek 285 (208 fol.: Genesis- und Exodushomilien), Köln, Dombibliothek 3 (182 fol.: Genesis- und Exodushomilien; bei Baehrens Sigel D),76 München, Staatsbibliothek 14315 (142 fol.: Genesis- und Exodushomilien; bei Baehrens Sigel n), sowie St. Gallen, Stiftsbibliothek 87 (345 fol.: Genesis-, Exodus- und Levitikushomilien) und Paris, Bibliothe`que Nationale lat. 12121 (211 fol.: Genesis-, Exodus- und Levitikushomilien),77 aus dem 10. Jahrhundert Berlin, Staatsbibliothek Ms. Phillipp. 1670 (233 fol.: Genesis-, Exodus-, Levitikus- und Numerihomilien; bei Baehrens Sigel b).78 Aus dem 11. Jahrhundert haben sich sieben Textzeugen erhalten: Angers, Bibliothe`que municipale 143 (135) (saec. XI; 217 fol.: Homilien zu Genesis, Exodus, Levitikus [mit markanter Lücke], Josua und Richter); Brüssel, Bibliothe`que Royale 5499 (van den Gheyn II 909) (saec. XI; 271 fol.: Homilien zu Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri, Josua, Richter, Samuel, Hoheslied, Jesaja, Jeremia und Ezechiel); Douai, Bibliothe`que municipale 203 (saec. XI ex.; 110 fol.: Genesis-, Exodus- und Levitikushomilien); Durham, Dean and Chapter Library B.III.1 (vor 1096; 202 fol.: Homilien zu Genesis, Exodus, Levitikus, Josua, Richter, Hoheslied, Jesaja, Jeremia und Ezechiel); Florenz, Biblioteca Laurenziana s. Marco 607 (saec. XI; 234 fol.: Genesishomilien sowie Hieronymus, Kommentare zum Alten Testament; bei Baehrens Sigel F); Rom, Biblioteca Vaticana lat. 204 (saec. XI; 188 fol.: Genesis-, Exodus- und Levitikushomilien; vermutlich aus Monte Cassino; bei Baehrens Sigel v) und Tours, Bibliothe`que municipale 252 (saec. XI; 222 fol.: Homilien zu Genesis, Exodus, Levitikus, Josua, Richter, Samuel, Hoheslied, Jesaja, Jeremia und Ezechiel). Während im frühen Mittelalter und bis in karolingische, ottonische und salische Zeit die Überlieferung der Homilien mit insgesamt siebzehn Hand-

76 Auch diese Handschrift steht inzwischen digital im Internet zur Verfügung (über das Portal www.ceec.uni-koeln.de). 77 Die beiden Handschriften Paris, Bibl. Nat. lat. 12121 und St. Gallen 87 enthalten nur einen merklich gekürzten und zudem stellenweise bearbeiteten Text der Genesishomilien (St. Gallen 87 steht inzwischen in digitalisierter Form im Internet zur Verfügung: www.e-codices.unifr.ch/en/csg/0087). 78 Eine zweite Handschrift des 10. Jahrhunderts, Turin, Bibl. Nat. F II 17 (aus Bobbio) ist laut Baehrens eine Abschrift des Codex St. Gallen 87.

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Einleitung

schriften79 in überschaubaren Bahnen verläuft, ufert sie im Hochmittelalter förmlich aus. Allein aus dem 12. Jahrhundert besitzen wir 57 Handschriften, von denen drei in Baehrens’ GCS-Ausgabe erscheinen: Berlin, Staatsbibliothek Ms. theol. lat. fol. 349/350 (saec. XII; 189 fol.: Homilien zu Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri, Josua und Richter; bei Baehrens Sigel g); Monte Cassino 342 (saec. XII; 219 fol.: Homilien zu Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri, Josua und Richter, ferner Texte des Hieronymus; bei Baehrens Sigel m); Paris, Bibliothe`que Nationale 1628 (saec. XII in.; 145 fol.: Genesis-, Exodus- und Levitikushomilien; bei Baehrens Sigel r). Offen bleiben muss, welcher textkritische Stellenwert den 35 Codices zukommt, die aus dem 13. (neun), dem 14. (zwei), dem 15. (23) und dem 16. Jahrhundert (eins) datieren.

2. Die Genesishomilien in der Neuzeit Dank der zahlreichen Handschriften war der Text der Genesishomilien vielerorts kontinuierlich bis in die Neuzeit verfügbar.80 Die frühen Drucke machten sich diese breite Textbasis freilich nicht zunutze.81 Die Erstausgabe der Oktateuchhomilien von Aldo Manuzio, die 1503 in Venedig erschien,82 basiert wesentlich auf der im nahen Padua verfügbaren Handschrift Biblioteca del Seminario 526 (saec. XII; 266 fol.). „Von der editio princeps … sind alle folgenden Ausgaben direkt oder indirekt abhängig.“83 Zu diesen zählen vor allem die Edition der Oktateuchhomilien von Jacques Merlin in zwei Bänden (Paris 1512)84 und die zweibändige Ausgabe der „Origenis Opera“ des Desiderius Erasmus (Basel 1536).85

79 Zwei Handschriften aus dem 6./7. Jahrhundert, fünf aus dem 9., zwei aus dem 10., acht aus dem 11. Jahrhundert (darunter ein loses Doppelblatt aus einem verlorenen Codex: Zürich, Staatsarchiv C VI 1, III, Nr. 10). Aus dem 8. Jahrhundert hat sich keine Handschrift erhalten. 80 Die jüngste erhaltene Handschrift – Nürnberg, Stadtbibliothek Cent. I, 43 (1502) – entstand nur ein Jahr vor der Aldine (1503). 81 Das Folgende zum Teil nach Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte 239–242. 82 Das Titelblatt – Quae hoc in libro continentur. Origenis in Genesim homiliae 16. … Diuo Hieronymo interprete. Ven. in aedib. Aldi Ro. mense feb. 1503 – nennt keinen Herausgeber, dafür aber irrtümlicherweise Hieronymus als Übersetzer. 83 Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte 239. 84 Operum Origenis Adamantii Tomi duo priores cum tabula et indice generali, prime sequentibus. 85 Origenis Adamantii eximii scripturarum interpretis Opera, quae quidem extant omnia / per Des. Erasmum Roterodamum partim versa, partim vigilanter recognita, cum praefatione de Vita, Phrasi, Docendi ratione, & Operibus illius …

III. Die Überlieferung der lateinischen Homilien

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Einen philologischen Fortschritt bedeutete die Ausgabe von Charles Delarue in vier Bänden (Paris 1733–1759),86 der für die Predigten mehrere französische Handschriften heranzog und so das Textfundament auf breitere Basis stellte. Aus Respekt gegenüber dem textus receptus der älteren Ausgaben (in seinem Fall vor allem der Edition Merlins) druckte Delarue freilich einen Text, „der weit schlechter ist, als er ihn – auch mit seinen beschränkten Hilfsmitteln – hätte bieten können“.87 Die großen Ausgaben der Folgezeit, besonders die Edition von Karl Heinrich Eduard Lommatzsch (in 25 Bänden, Berlin 1831–1848)88 und der Nachdruck in Mignes Patrologia Graeca (PG 11–17), hängen unmittelbar von Delarue ab. Die erste Ausgabe, die modernen kritischen Ansprüchen gerecht wird, stammt von Wilhelm Adolf Baehrens. Nach ausführlichem Studium der Handschriften und der Überlieferungsgeschichte89 publizierte er in der Reihe der „Griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte“ seine große Edition der alttestamentlichen Homilien des Origenes in drei Bänden (1920–1925).90 Im Fall der Genesishomilien basiert sie auf einer Kollation (meist vor Ort in Deutschland, Frankreich und Italien) von zehn Codices. Da die Überlieferung fast von Anfang an deutliche Hinweise auf eine Kontamination zeigt, hat Baehrens auf ein Stemma verzichtet. Stattdessen gliederte er seine Handschriften (nach zum Teil recht willkürlichen Kriterien, über die anderenorts zu sprechen sein wird) in sieben ,Familien‘, A B C D E F P. Eine bevorzugte Stellung billigte er A zu (Bibliothe`que Municipale de Lyon 443); die anderen ,Familien‘ wurden im Grunde nach dem eklektischen Prinzip als quasi gleichberechtigt behandelt.91 Auf Baehrens basieren alle modernen zweisprachigen Ausgaben der Homilien – im Fall der Genesishomilien die Edition von Louis Doutreleau in den „Sources Chre´tiennes“92 und die Ausgabe von Manlio Simonetti in den 86 Origenous ta euriskomena panta. Origenis Opera omnia quae Graece vel Latine tantum exstant. … Opera & studio Domni Caroli Delarue … Die Predigten befinden sich in Bd. I (1733). 87 Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte 242. 88 Origenous ta heuriskomena panta. Ed. Carolus et Carol. Vincent. de LaRue, denuo recensuit Carolus-Henricus Eduardus Lommatzsch. 89 Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte. 90 Origenes, Werke. Sechster Band (GCS 29); Siebenter Band (GCS 30); Achter Band (GCS 33). 91 Das eklektische Prinzip hat A. E. Housman in seiner Edition des Bellum civile Lukans (Oxford 1926, p. VII) zur Überlieferung dieses Epikers mustergültig formuliert: „The manuscripts group themselves not in families but in factions; their dissidences and agreements are temporary and transient … and the true line of division is between the variants themselves, not between the manuscripts which offer them.“ 92 Orige`ne, Home´lies sur la Gene`se (SC 7bis). Den zentralen Textzeugen, die Handschrift Bibliothe`que Municipale de Lyon 443, hat Doutreleau vor Ort neu kollationiert, Baehrens’ etliche Lesefehler aber nur vereinzelt korrigiert.

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„Opere di Origene“93 – sowie die modernen Übersetzungen ins Englische, Französische, Italienische, Deutsche und in andere Sprachen. Der hier abgedruckte lateinische Lesetext (ohne kritischen Apparat) stellt eine überarbeitete Version des Textes von Baehrens dar, die auf einer erneuten Kollation sämtlicher von ihm verwendeten Handschriften beruht und an rund hundert Stellen vom GCS-Text abweicht.94 Die Paginierung der in der Sekundärliteratur oft zitierten GCS-Ausgabe ist am linken Rand notiert. Die Übersetzung hat keinerlei literarische Ambitionen. Sie sucht Rufins Fassung (samt der Bibelzitate) textnah und verständlich wiederzugeben und soll Benutzern, die sich über den Inhalt orientieren möchten, eine unbeschwerte Lektüre erlauben. Zugleich will sie den Zugang zum Original erleichtern und zum Beispiel dort Hilfe bieten, wo Aufschluss über einen schwierigen Passus im Lateinischen gewünscht wird. Sie vereinfacht oder beschönigt das Original (das ja selbst eine Übersetzung darstellt) dabei nicht. Komplexe Satzgefüge, wie Origenes (oder zumindest Rufinus) sie den Hörern und Lesern gerne zumutet, bleiben nach Möglichkeit erhalten (etwa in Gen. hom. 10,3 Anfang). Auch Asyndeta und ähnliche Stilfiguren werden nachgeahmt, wo immer dies möglich ist.95 Der Verfasser dankt den beteiligten studentischen Hilfskräften und wissenschaftlichen Mitarbeitern der Forschungsstelle Origenes an der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster aufrichtig für ihre kompetente Betreuung des Manuskripts – namentlich Christine Kerber (Register der Bibelstellen, S. 337–348), Anne Achternkamp (Origenes-Stellen, S. 349f.), Christian Hengstermann (»Personen und Sachen«, S. 351–359) sowie Christian Gers-Uphaus (v.a. Redaktion der Register). Insbesondere aber weiß er sich Herrn Prof. Fürst verbunden für die konkurrenzlose Sorgfalt, mit der dieser die Übersetzung zu wiederholten Malen durchgesehen und an ungezählten Stellen verbessert oder gar gerettet hat.

93 Origene, Omelie sulla Genesi (Opere di Origene 1). 94 Zusätzlich ausgewertet wurde der Codex Admont, Stiftsbibliothek 285 (saec. IX). – Genauere Auskunft zu den Handschriften und dem neu konstituierten Text wird die Neuausgabe der Genesishomilien in den GCS bieten. 95 Z.B. in Gen. hom. 7,6 (GCS Orig. 6, 76): „weil auch die Blinden, die in Jericho saßen – hätten sie nicht zum Herrn gerufen, ihnen wären die Augen nicht geöffnet worden“. Anders Wortspiele oder raffinierte sprachliche Bezüge, die sich im Deutschen nur eingeschränkt nachahmen lassen; auf sie wird in Fußnoten verwiesen.

Die Homilien des Origenes zum Buch Genesis in der Übersetzung des Rufinus

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HOMILIA I De initio mundi et omnium rerum

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1. „In principio fecit Deus caelum et terram.“ a Quod est omnium principium nisi Dominus noster et „Saluator omnium“ b Iesus Christus „primogenitus omnis creaturae“? c In hoc ergo principio, hoc est in uerbo suo, Deus caelum et terram fecit, sicut et euangelista Iohannes in initio euangelii sui ait dicens: „In principio erat uerbum, et uerbum erat apud Deum, et Deus erat uerbum. Hoc erat in principio apud Deum. Omnia per ipsum facta sunt, et sine ipso factum est nihil.“ d Non ergo hic temporale aliquod principium dicit, sed in principio, id est in Saluatore, factum esse dicit caelum et terram et omnia, quae facta sunt. „Terra autem erat inuisibilis et inconposita, et tenebrae erant super abyssum, et Spiritus Dei ferebatur super aquas.“ e Inuisibilis et inconposita terra erat, antequam Deus diceret: „Fiat lux“ f et antequam diuideret inter lucem et tenebra, g secundum quod sermonis ordo declarat. Verum quoniam in consequentibus firmamentum iubet fieri et hoc caelum appellat, h cum ad ipsum locum uenerimus, inibi differentiae ratio caeli firmamentique dicetur, cur etiam firmamentum appellatum sit caelum. Nunc autem ait: „Tenebrae erant super abyssum.“ i Quae est abyssus? Illa nimirum, in qua erit diabolus et angeli eius. j Denique hoc manifestissime et in euangelio designatur, cum a g

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b c d e f Gen. 1,1 1 Tim. 4,10 Kol. 1,15 Joh. 1,1–3 Gen. 1,2 Gen. 1,3 h i j vgl. Gen. 1,4 vgl. Gen. 1,6.8 Gen. 1,2 vgl. Mt. 25,41; Offb. 12,9; 20,3

Zur ersten Homilie siehe Prinzivalli, Omelia I. Vgl. Ambrosius, hexaem. I 4,15 (CSEL 32, 13): „Es ist auch ein mystischer Beginn, wie jener es ist: ,Ich bin der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.‘ . . . ,Ein Anfang, da ich auch mit euch spreche.‘ . . . In diesem ,Anfang‘ also, das heißt in Christus, ,schuf Gott Himmel und Erde‘, weil ,durch ihn alles erschaffen wurde‘. . .und er selbst ist ,der Erstgeborene aller Schöpfung‘.“ Die Erklärung von principium als Sohn Gottes machen sich auch Clemens von Alexandria, strom. VI 58,1 (GCS Clem. 2, 461), und Augustinus zu eigen; vgl. Gen. c. Man. I 3 (CSEL 91, 69); Gen. ad litt. lib. imp. 3 (CSEL 28, 461f.); Gen. ad litt. I 1 (CSEL 28, 4); I 6 (28, 10); conf. XI 11 (p. 271 Skutella); civ. XI 32 (I p. 507 Dombart/Kalb5). Origenes begnügt sich mit knappen Auskünften; so fehlt etwa ein Hinweis auf die creatio ex nihilo (weit ausführlicher äußert er sich in Ioh. comm. I 16,90–20,124 (GCS Orig. 4, 20–25). Es geht ihm darum, die Rolle des ,Wortes‘ in der Schöpfung zu

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HOMILIE 11 Über den Anfang der Welt und aller Dinge

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1. „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“a Was ist der Anfang von allem, wenn nicht unser Herr und „Erlöser von allem“,b Jesus Christus, der „Erstgeborene aller Schöpfung“?c 2 In diesem Anfang also, das heißt in seinem Wort, schuf Gott Himmel und Erde, wie es auch der Evangelist Johannes zu Beginn seines Evangeliums sagt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles wurde durch es erschaffen, und ohne es wurde nichts erschaffen.“d Die Schrift spricht hier also nicht von einem zeitlichen Anfang, sondern sagt, dass Himmel und Erde und alles, was erschaffen wurde, im Anfang erschaffen wurden, das heißt im Erlöser.3 „Die Erde aber war unsichtbar und ungestalt, und Finsternis lag über dem Abgrund, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.“e Unsichtbar und ungestalt war die Erde, bevor Gott sprach: „Es werde Licht“f und bevor er zwischen Licht und Finsternis schied,g laut dem, was die Abfolge der Darstellung deutlich macht.4 Da er aber im Folgenden befiehlt, dass das Gewölbe entstehe, und es Himmel nennt,h wird, wenn wir zu eben dieser Stelle gelangen, dort vom Grund für die Unterscheidung von Himmel und Gewölbe die Rede sein, und warum das Gewölbe Himmel genannt wird.5 Nun aber heißt es: „Finsternis lag über dem Abgrund.“i Was ist der Abgrund? Natürlich der Ort, in dem der Teufel und seine Engelj liegen werden.6 Dies bringt ja auch das Evangelium ganz klar zum Ausdruck, wenn es

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unterstreichen, aber auch die ,Zeitlosigkeit‘ der Schöpfung: Der erste Tag der Schöpfung liegt vor oder besser außerhalb der zeitlichen Ordnung (vgl. Kap. 1 Ende). Auf diese Weise bringt er den biblischen Schöpfungsbericht mit der Erschaffung der geistigen Welt ,vor aller Zeit‘ in Einklang (siehe auch Nautin, Gene`se 1,1–2, bes. 88–92). – Bereits Philon, opif. 26 (I p. 8 Cohn/Wendland), hält fest, dass ,im Anfang‘ nicht auf eine bereits existierende Zeit verweise, sondern auf den ersten Schöpfungsakt (vgl. auch Chalcidius, in Tim. comm. 276 [280f. Waszink2]; unten S. 28 Anm. 9). Zur Rezeption Philons bei Origenes siehe Runia, Philo 157–183. Es handelt sich um zwei Ereignisse: die Erschaffung des Lichts und die Trennung von Licht und Finsternis. Vgl. Kap. 2. Kap. 10 (GCS Orig. 6, 11) scheint Satan bereits in der Urzeit zu existieren. Kap. 2 (GCS Orig. 6, 4) sind er und die Seinen bereits in der Gegenwart in den Abgrund verbannt.

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Homilia I

dicitur de Saluatore: „Et rogabant eum daemonia, quae eiciebat, ne iuberet ea ire in abyssum.“ a Propterea ergo Deus soluit tenebras dicente scriptura: „Et dixit Deus: Fiat lux, et facta est lux. Et uidit Deus lucem, quia bona est; et diuisit Deus inter medium lucis et inter medium tenebrarum. Et uocauit Deus lucem diem et tenebras uocauit noctem. Et factum est uespere et factum est mane, dies una.“ b Secundum litteram Deus et lucem uocat diem et tenebras noctem. Secundum spiritalem uero intellegentiam uideamus, quid sit, quod, cum Deus in initio illo, quo superius diximus, fecerit caelum et terram, c dixerit quoque, ut lux fieret, d et diuiserit inter medium lucis et tenebrarum, et uocauerit lucem diem, et tenebras noctem, e et dixerit, quia „factum est uespere, et factum est mane“, non dixit: dies prima, sed dixit: „dies una“. f Quia tempus nondum erat, antequam esset mundus. Tempus autem esse incipit ex consequentibus diebus. Secunda namque dies et tertia et quarta et reliquae omnes tempus incipiunt designare. 2. „Et dixit Deus: Fiat firmamentum in medio aquae, et sit diuidens inter medium aquae et aquae. Et factum est sic. Et fecit Deus firmamentum.“ g Cum iam antea Deus fecisset caelum, nunc firmamentum facit. Fecit enim caelum prius, de quo dicit: „Caelum mihi sedes.“ h Post illud autem firmamentum facit, id est corporeum caelum. Omne enim corpus firmum est sine dubio et solidum; et hoc est, quod diuidit inter aquam, quae est super caelum, et aquam, quae est sub caelo. i Cum enim omnia, quae facturus erat Deus, ex spiritu constarent et corpore, ista de causa in principio et ante omnia caelum dicitur factum, id est omnis spiritalis substantia, super quam uelut in throno quodam et sede Deus requiescit. Istud autem caelum, id est firmamentum, corporeum est. Et ideo illud quidem primum caelum, quod spiritale diximus, mens nostra est, quae et ipsa spiritus est, id est spiLk. 8,31 b Gen. 1,3–5 c vgl. Gen. 1,1 d vgl. Gen. 1,3 g h i 1,5 Gen. 1,6f. Jes. 66,1 vgl. Gen. 1,7

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vgl. Gen. 1,4f.

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Vgl. die in den Katenen überlieferte Polemik des Diodor von Tarsus gegen Origenes: Wenn die Finsternis nicht physisch, sondern geistig zu verstehen ist, „das heißt als der Teufel“, dann verkündet jenes „Es werde Licht“ den Sohn Gottes. Das hieße aber, „Gott als Wort“ (oë ueoÁw loÂgow) komme erst nach dem Himmel, der Erde, dem Abgrund und dem Teufel in die Welt: coll. Coisl. frg. 28 Petit (CChr.SG 15, 28f.). Genau besehen wird ab dixerit „die Schrift“ zum Subjekt der Aussage. Ähnlich bereits Platon, Tim. 38 b 6: „Die Zeit entstand nun gemeinsam mit dem Himmel” (d.h. mit der Bewegung der Gestirne). Vgl. Philon, opif. 26 (I p. 8 Cohn/ Wendland): „Denn Zeit gab es keine vor der Welt“; ebd. 35 (I p. 10f.); Basilius, hexaem. 2,8 (GCS NF 2, 35f.). Zum Thema vgl. v.a. Köckert, Christliche Kosmologie; dies., Gott, Welt, Zeit und Ewigkeit bei Origenes.

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Homilie 1,1–2

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vom Erlöser heißt: „Und die Dämonen, die er austrieb, baten ihn, er solle sie nicht heißen, in den Abgrund zu fahren.“a 7 Deshalb löste nun Gott die Finsternis auf, wie die Schrift sagt: „Und Gott sprach: Es werde Licht, und es wurde Licht. Und Gott sah das Licht, dass es gut ist. Und Gott schied mitten zwischen dem Licht und der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Und es wurde Abend und es wurde Morgen: ein Tag.“b Dem Wortsinn nach nennt Gott das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Doch gemäß dem geistigen Verständnis wollen wir sehen, was der Grund dafür ist, dass Gott, als er in jenem Anfang, von dem wir oben gesprochen haben, Himmel und Erde schuf,c auch sagte, dass Licht werden solle,d und dass er mitten zwischen Licht und Finsternis schied und das Licht Tag nannte und die Finsternis Nachte und sagte,8 „es wurde Abend und es wurde Morgen“, aber nicht sagte: erster Tag, sondern: „ein Tag“.f Weil es die Zeit noch nicht gab, bevor die Welt existierte. Die Zeit beginnt aber zu existieren, wo Tage aufeinander folgen; denn der zweite und dritte und vierte Tag und alle übrigen Tage beginnen die Zeit zu bezeichnen.9 2. „Und Gott sprach: Es werde ein Gewölbe in der Mitte des Wassers, und es sei eine Scheide mitten zwischen Wasser und Wasser. Und so geschah es. Und Gott schuf das Gewölbe.“g Nachdem Gott den Himmel schon zuvor erschaffen hatte, erschafft er nun das Gewölbe. Denn zuerst schuf er den Himmel, von dem er sagt: „Der Himmel ist mein Thron“.h Nach ihm erschafft er aber das Gewölbe, das heißt einen körperlichen Himmel.10 Denn jeder Körper ist zweifelsohne fest und massiv, und dies ist es, was zwischen dem Wasser über dem Himmel und dem Wasser unter dem Himmel scheidet.i 11 Denn da alles, was Gott erschaffen wollte, aus Geist und Körper bestehen sollte,12 aus diesem Grund heißt es, der Himmel – das heißt alle geistige Wesenheit, auf der wie auf einer Art Thron und Sessel Gott ruht – sei im Anfang und vor allen Dingen erschaffen worden.13 Doch der Himmel hier, das heißt das Gewölbe, ist körperlich. Daher ist der erste Himmel, den wir geistig genannt haben, unser Bewusstsein, das ja selbst Geist ist, das heißt

10 Vgl. Philon, opif. 36 (I p. 11 Cohn/Wendland): „Nach dem Vorbild (paraÂdeigma) (der unkörperlichen Welt) . . . schuf der Schöpfer den Himmel, den er zurecht ,Feste‘ nannte, da er körperlich ist. Denn der Körper ist von Natur aus fest.“ 11 Zum Gedankengang von Kap. 2 vgl. Pe´pin, The´ologie 390–417. 12 Genau besehen, geht Origenes von zwei Schöpfungen aus, einer rein geistigen und einer materiellen. Über Himmel und Erde als die geschaffene Welt der Geister und Körper vgl. Augustinus, Gen. ad litt. I 1 (CSEL 28, 4f.). 13 Vgl. unten Kap. 13 (GCS Orig. 6, 16): „Gott ruht und weilt in denen, deren ,Gemeinde in den Himmeln ist‘.“ – Die Doppelung in throno quodam et sede ist typisch für Rufins Übersetzungsstil; auf diese Weise sucht er komplexe griechische Termini (hier uroÂnow) besser zu fassen.

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Homilia I

ritalis homo noster qui uidet ac perspicit Deum. Istud autem corporale caelum, quod firmamentum dicitur, exterior homo noster est, qui corporaliter intuetur. Sicut ergo firmamentum caelum appellatum est ex eo, quod diuidat inter eas aquas, quae sunt super ipsum, et eas, quae sub ipso sunt, ita et homo, qui in corpore positus est, si diuidere potuerit et discernere, quae sint aquae, quae sunt superiores super firmamentum, et quae sint quae sunt sub firmamento, etiam ipse caelum, id est caelestis homo, a appellabitur secundum apostoli Pauli sententiam dicentis: „Nostra autem conuersatio in caelis est.“ b Ita ergo continent uerba ipsa scripturae: „Et fecit Deus firmamentum, et diuisit inter medium aquae, quae est sub firmamento, et inter medium aquae, quae est super firmamentum. Et uocauit Deus firmamentum caelum. Et uidit Deus, quia bonum est; et factum est uespere, et factum est mane, dies secunda.“ c Studeat ergo unusquisque uestrum diuisor effici aquae eius, quae est supra et quae est subtus, quo scilicet spiritalis aquae intellectum et participium capiens eius, quae est supra firmamentum, „flumina de uentre suo“ d educat „aquae uiuae“, e „salientis in uitam aeternam“, f segregatus sine dubio et separatus ab ea aqua, quae subtus est, id est aqua abyssi, in qua tenebrae esse dicuntur, in qua „princeps huius mundi“ g et aduersarius draco et angeli eius h habitant, sicut superius indicatum est. Illius ergo aquae supernae participio, quae supra caelos esse dicitur, unusquisque fidelium caelestis efficitur, id est cum sensum suum habet in arduis et excelsis, nihil de terra, sed totum de caelestibus cogitans, quae sursum sunt quaerens, ubi Christus est in dextra Patris. i Tunc enim et ipse ea laude dignus habebitur a Deo, quae hic scribitur, cum dicit: „Et uidit Deus, quia bonum.“ j Denique et ea, quae de tertia die in consequentibus describuntur, in hunc eundem conueniunt intellectum. Ait enim: „Et dixit Deus: Congrea g

vgl. 1 Kor. 15,47 Joh. 12,31 u.ö.

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Phil. 3,20 c Gen. 1,7f. d Joh. 7,38 e Gen. 26,19 i j vgl. Offb. 12,7 vgl. Kol. 3,1 Gen. 1,8

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Joh. 4,14

14 Diese vom Topos Makrokosmos (der ,große Kosmos‘ bzw. die Welt) und Mikrokosmos (der ,kleine Kosmos‘ bzw. der Mensch; vgl. auch Kap. 11 Ende [GCS Orig. 6, 13] und unten S. 48 Anm. 63) inspirierte Deutung ist allegorisch-geistig (dafür spricht schon der Umstand, dass der Mensch erst am sechsten Tag erschaffen wird). 15 Für diese Begründung findet sich im Schöpfungsbericht kein Anhaltspunkt. Begreiflich wird sie erst aus der Übertragung auf den Menschen. 16 Zu dem Begriff conuersatio siehe unten S. 136 Anm. 261. 17 Origenes schließt sich in den Hortativ nicht ein, vgl. in Gen. hom. 10,1 (GCS Orig. 6, 93). 18 Vgl. Kap. 1 Mitte (GCS Orig. 6, 2).

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unser geistiger Mensch, der Gott schaut und erkennt. Jener körperliche Himmel aber, der Gewölbe heißt, ist unser äußerer Mensch, der körperlich wahrnimmt.14 Wie folglich das Gewölbe deshalb Himmel genannt wurde, weil es zwischen den Wassern über ihm und denen unter ihm scheidet,15 so wird man auch den vom Leib beherbergten Menschen – wenn er zu scheiden und zu unterscheiden versteht zwischen den Wassern, die oben über dem Gewölbe sind, und denen, die unter dem Gewölbe sind – selbst Himmel nennen, das heißt himmlischen Menschen,a gemäß dem Wort des Apostels Paulus, der sagt: „Doch unser Wandel16 ist in den Himmeln.“b So also besagen es die eigenen Worte der Schrift: „Und Gott schuf das Gewölbe und schied mitten zwischen dem Wasser, das unter dem Gewölbe ist, und mitten zwischen dem Wasser, das oberhalb des Gewölbes ist. Und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Und Gott sah, dass es gut ist. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: der zweite Tag.“c Ein jeder von euch trachte also danach,17 dass er zur Scheidelinie werde zwischen dem Wasser, das oben ist, und dem, das unten ist, damit er dadurch Einsicht und Anteil erlange am geistigen Wasser, das über dem Gewölbe ist, und „aus seinem Bauch Ströme“d „lebendigen Wassers“e fließen lasse, „das ins ewige Leben sprudelt“f – zweifelsohne geschieden und getrennt von dem Wasser, das unten ist, das heißt vom Wasser des Abgrunds, in dem, wie es heißt, die Finsternis liegt, in dem, wie oben dargelegt,18 „der Fürst dieser Welt“g und der Widersacher, der Drache und seine Engel,h hausen.19 Durch seine Teilhabe an jenem oberen Wasser also, das, wie es heißt, über den Himmeln liegt, wird jeder Gläubige zum Himmlischen – wenn er seinen Sinn im Hohen und Erhabenen bewegt, nicht ans Irdische, sondern ganz ans Himmlische denkt und nach dem sucht, was oben ist, wo Christus zur Rechten des Vaters weilt.i 20 Dann nämlich wird Gott auch ihn des Lobes für würdig erachten, das hier geschrieben steht, wenn es heißt: „Und Gott sah, dass es gut ist.“j Dann passt auch das, was im Folgenden über den dritten Tag geschrieben steht, zu eben diesem Verständnis. Es heißt nämlich: „Und Gott sprach:

19 Ohne dessen Namen zu nennen, verwahrt sich Basilius, hexaem. 3,9 (GCS N.F. 2, 53f.), gegen Origenes’ allegorische Auslegung des Schöpfungsberichtes, derzufolge die geschiedenen Gewässer als „Mächte“ (dynaÂmeiw) zu verstehen seien. Die „besseren Mächte“ seien demnach oben im Gewölbe geblieben, die „bösen“ Mächte hätten sich „drunten in den erdnahen Regionen“ niedergelassen. Origenes’ Ansicht wird auch von Hieronymus, epist. 51,5,7 (CSEL 54, 405), zitiert; ähnlich Prokop von Gaza, in Gen. comm. 1,2 (R 87/1, 48B), der in diesem Kontext von „heiligen Mächten“ (aëgiÂaw dynaÂmeiw) bzw. „bösen Mächten“ (ponhraÁw dynaÂmeiw) spricht. – Einen anderen Akzent setzt Origenes unten Kap. 12 (GCS Orig. 6, 14): „das Wasser, nämlich sein (d.h. des Menschen) Geist“. 20 Dazu Markschies, Origenes 11.

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Homilia I

getur aqua, quae est sub caelo, in congregationem unam, et appareat arida. Et factum est ita.“ a Nos ergo laboremus congregare aquam, quae est sub caelo, et abicere eam a nobis, ut, cum hoc factum fuerit, appareat arida, quae sunt in carne gesta opera nostra, quo scilicet uidentes homines opera nostra bona, glorificent Patrem nostrum, qui in caelis est. b Si enim aquas istas, quae sunt sub caelo, non separauerimus a nobis, id est peccata et uitia corporis nostri, arida nostra non poterit apparere nec habere fiduciam procedendi ad lucem. „Omnis enim, qui male agit, odit lucem et non uenit ad lucem, uti ne arguantur opera eius. Qui autem facit ueritatem, uenit ad lucem, uti manifestentur opera eius, et uideantur, si in Deo sunt gesta.“ c Quae utique fiducia non aliter dabitur, nisi si uelut aquas abiciamus a nobis et segregemus uitia corporis, quae sunt materiae peccatorum. Quo facto iam arida nostra non permanebit arida, sicut ex consequentibus ostendetur. Ait enim: „Et congregata est aqua, quae est sub caelo, in congregationes suas, et apparuit arida. Et uocauit Deus aridam terram, et congregationes aquarum uocauit maria.“ d Sicut ergo arida haec segregata a se aqua, quemadmodum superius diximus, ultra non mansit arida, sed iam terra nominatur, hoc modo etiam nostra corpora, si haec ab eis segregatio fiat, iam non permanebunt arida, sed terra appellabuntur ex eo, quod fructum Deo ferre iam poterunt. Quoniam quidem in initio Deus caelum fecit et terram, postea uero fecit firmamentum et aridam; et firmamentum quidem uocauit caelum donans ei eius caeli, quod ante creauerat, nomen, aridam uero appellauit terram pro eo, quod ei facultatem ferendorum fructuum largiretur. Si quis ergo sua culpa aridus adhuc manet et fructum nullum adfert, sed „spinas et tribulos“, e ueluti „ignis escas“ f gerens, secundum ea, quae ex se protulit, etiam ipse esca ignis efficitur. Si uero studio et diligentia sua separatis ex se aquis abyssi, qui sunt daemonum sensus, exhibuit se „terram fructiferam“, g debet sperare similia, quod et ipse introducatur a Deo „in terram fluentem lac et mel“. h a f

Gen. 1,9 Jes. 9,18

vgl. Mt. 5,16 Ps. 106(107),34

b g

c

d Joh. 3,20f. Gen. 1,9f. Ex. 3,8; 33,3 u.ö.

h

e

Gen. 3,18; Hebr. 6,8

21 Wie das Folgende nahelegt, denkt Origenes hier wohl vor allem an die guten Werke. Vgl. aber Kap. 8 (GCS Orig. 6, 10): „Denn die guten wie die bösen Gedanken gehen aus unserem Herzen hervor wie aus den Wassern.“ 22 Die (in Text und Übersetzung ergänzte) Lücke in dem Johannes-Zitat findet sich in allen Handschriften. Sie dürfte auf den Archetypus zurückgehen. 23 Das heißt: wenn im Menschen die Trennung der himmlischen Bestandteile von den irdischen erfolgt ist. 24 Das gleiche Thema entfaltet in Num. hom. 26,5 (GCS Orig. 7, 251f.). 25 Quoniam quidem besitzt bei Rufinus meist begründende Qualität, hier aber offenkundig eher eine summarisch-überleitende Funktion (vgl. das folgende parallele postea uero).

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Es schare sich das Wasser unter dem Himmel in eine Schar, und das Trockene trete zutage. Und so geschah es.“a Wir sollen uns also bemühen, das Wasser, das unter dem Himmel ist, zu sammeln und es von uns zu werfen, damit, wenn dies geschehen ist, das Trockene zutage trete, das heißt unsere im Fleisch getanen Werke,21 natürlich, damit die Menschen, die unsere guten Werke sehen, unseren Vater preisen, der in den Himmeln ist.b Wenn wir nämlich die Wasser hier, die unter dem Himmel sind, das heißt die Sünden und Laster unseres Leibes, nicht von uns scheiden, wird das Trockene in uns nicht zutage treten können und nicht das Zutrauen besitzen, zum Licht zu kommen. „Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Werke nicht entlarvt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit seine Werke offenbar und sichtbar werden, wenn sie in Gott getan sind.“c 22 Doch dieses Zutrauen wird uns nur zuteil werden, wenn wir gewissermaßen als die Wasser die Laster des Leibes, die den Stoff für die Sünden bieten, von uns werfen und absondern. Ist dies geschehen, bleibt das Trockene in uns nicht länger das Trockene, wie das Folgende zeigt. Es heißt nämlich: „Und es scharte sich das Wasser unter dem Himmel in seine Scharen, und das Trockene trat zutage. Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Wasserscharen nannte er Meere.“d Wie also dieses Trockene, nachdem das Wasser, wie wir oben dargelegt haben, von ihm geschieden war, fortan nicht das Trockene blieb, sondern nunmehr Erde heißt, in gleicher Weise werden auch unsere Leiber, wenn diese Scheidung von ihnen vollzogen wird,23 nicht länger das Trockene bleiben, sondern aus dem Grund Erde heißen, dass sie fortan Gott werden Frucht bringen können.24 So25 schuf Gott zwar im Anfang Himmel und Erde, später jedoch schuf er das Gewölbe und das Trockene. Und das Gewölbe nannte er Himmel und gab ihm den Namen des Himmels, den er zuvor erschaffen hatte, das Trockene aber nannte er aus dem Grund Erde, dass er ihm die Fähigkeit schenkte, Frucht zu tragen. Bleibt also jemand durch eigene Schuld bis jetzt trocken und trägt keine Frucht, sondern „Dornen und Disteln“,e ein „Fraß der Flammen“f gleichsam, wird er entsprechend dem, was er aus sich selbst hervorgebracht hat, selbst ein Fraß der Flammen werden.26 Hat er jedoch durch seinen Eifer und seine Sorgfalt die Wasser des Abgrunds, welche die Sinnesart der Dämonen sind, aus sich ausgeschieden und sich als „fruchttragende Erde“g erwiesen, darf er Ähnliches erhoffen: dass Gott auch ihn hineinführt in „das Land, das von Milch und Honig fließt“.h

26 Dazu in Num. hom. 26,5 (GCS Orig. 7, 252): „Solange wir unfruchtbar sind und keine Frucht der Gerechtigkeit, der Keuschheit, des Glaubens tragen, sind wir ,das Trockene‘. Beginnen wir aber, für uns selbst Sorge zu tragen (. . .), so werden wir aus ,dem Trockenen‘ Land.“

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Homilia I

3. Videamus autem ex consequentibus, qui sunt fructus, quos producere Deus iubet terram eam, cui hoc ipse nomen indulsit. „Et uidit“, inquit, „Deus, quia bonum, et dixit Deus: Producat terra herbam foeni semen seminantis secundum genus et secundum similitudinem, et lignum fructiferum faciens fructum, cuius semen est in ipso secundum similitudinem super terram. Et factum est sic.“ a Secundum litteram manifesti sunt fructus, quos terra non arida producit. Sed iterum referamus et ad nos. Si iam facti sumus terra, si iam non sumus arida, adferamus fructus uberes et diuersos Deo, ut et nos benedicamur a Patre dicente: „Ecce odor Filii mei sicut odor agri pleni, quem benedixit Dominus“, b et ut illud, quod ait apostolus, conpleatur in nobis: „Terra enim excipiens frequenter uenientem super se imbrem, et generans herbam opportunam his, a quibus colitur, percipiet benedictiones a Deo. Quae uero spinas et tribulos profert, reproba est et maledicto proxima, cuius finis est in adustionem.“ c 4. „Et produxit terra herbam foeni semen seminantis secundum genus et secundum similitudinem, et lignum fructiferum faciens fructum, cuius semen in ipso faciens fructum secundum genus super terram. Et uidit Deus, quia bonum. Et factum est uespere, et factum est mane, dies tertia.“ d Non solum iubet terrae proferre herbam foeni, sed et semen proferre, ut semper fructum possit adferre. Et non solum iubet lignum fructiferum, sed et faciens fructum, cuius semen in ipso est, secundum genus, id est ut semper ex his seminibus, quae in se habet, fructum possit adferre. Et nos ergo ita debemus et fructificare fructum et semina habere in nobis ipsis, id est omnium bonorum operum omniumque uirtutum semina in corde nostro continere, ut haec habentes fixa in mentibus nostris ex ipsis iam omnes actus, qui incurrerint nobis, secundum iustitiam geramus. Isti sunt enim seminis illius fructus, actus nostri, qui ex bono cordis nostri thesauro e proferuntur. Si uero audimus quidem uerbum et ex auditu statim terra nostra producit herbam et haec herba, antequam ad maturitatem uel ad fructum ueniat, aruerit, terra nostra petrosa appellabitur. f Si uero ea, quae dicuntur, profundioribus nitantur in corde nostro radicibus, ita ut et fructum operum adferant et semina in se habeant futurorum, tunc uere uniuscuiusGen. 1,10f. 13,5f.20f.

a

b

Gen. 27,27

c

Hebr. 6,7f.

d

Gen. 1,12f.

e

vgl. Lk. 6,45

f

vgl. Mt.

27 Hier und am Ende des Zitats schreibt die Septuaginta kauÆ oëmoioÂthta („in der gleichen Art“). 28 Die Wendung referamus et ad nos signalisiert eine Deutung secundum spiritum (vgl. secundum litteram eine Zeile höher), genauer: eine ethisch-existentielle Auslegung. 29 Vielleicht cuius semen est in ipso, so Kap. 3 (GCS Orig. 6, 5); vgl. Kap. 4 (GCS Orig. 6, 6): cuius semen in ipso est.

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3. Aus den folgenden Worten wollen wir ersehen, welche Früchte Gott diese Erde hervorzubringen heißt, der er selbst diesen Namen verlieh. „Und Gott sah“, heißt es, „dass es gut ist; und Gott sprach: Die Erde bringe Krautgewächs hervor, das Samen sät, entsprechend seiner Art und Ähnlichkeit,27 und fruchttragendes Holz, das Frucht treibt auf Erden samt ihrem Samen darin, entsprechend seiner Ähnlichkeit. Und so geschah es.“a Wörtlich verstanden, sind es die sichtbaren Früchte, welche die Erde hervorbringt, die nicht mehr trocken ist. Doch auch diese Worte wollen wir wiederum auf uns beziehen.28 Wenn wir nun Erde geworden sind, wenn wir nicht mehr das Trockene sind, wollen wir Gott fette und vielfältige Frucht bringen, damit auch uns der Vater segne, der sagt: „Seht, der Geruch meines Sohns ist wie der Geruch des reifen Feldes, das der Herr gesegnet hat“,b und damit sich an uns erfülle, was der Apostel sagt: „Denn das Land, das den Regen aufnimmt, der oftmals auf es niedergeht, und nützliche Gewächse für die hervorbringt, die es bestellen, wird Gottes Segen empfangen. Das Land aber, das Dornen und Disteln trägt, ist verworfen und der Verfluchung nahe; sein Ende liegt in den Flammen.“c 4. „Und die Erde brachte Krautgewächs hervor, das Samen sät, entsprechend seiner Art und Ähnlichkeit, und fruchttragendes Holz, das Frucht treibt samt ihrem Samen darin,29 das Frucht treibt auf Erden entsprechend seiner Art. Und Gott sah, dass es gut ist. Und es wurde Abend und es wurde Morgen: der dritte Tag.“d Gott befiehlt der Erde nicht nur, Krautgewächs hervorzubringen, sondern auch Samen, damit sie allezeit Frucht tragen kann. Und er befiehlt ihr, nicht nur fruchttragendes Holz hervorzubringen, sondern auch das Frucht treibt samt ihrem Samen darin, entsprechend seiner Art, damit sie nämlich allezeit aus diesen Samen, die sie in sich birgt, Frucht tragen kann. So sollen also auch wir Frucht hervorbringen und Samen in uns tragen, nämlich die Samen aller guten Taten und aller Tugenden30 in unserem Herzen bewahren, damit wir – haben wir sie fest in unseren Geist eingepflanzt – aus ihnen heraus fortan alle Werke, die uns aufgegeben sind, in Gerechtigkeit ausführen. Denn das sind die Früchte dieses Samens: unsere Werke, die dem guten Schatz unseres Herzense entstammen. Wenn wir nun aber das Wort hören und unsere Erde dank dieses Hörens sogleich Gras sprießen lässt und dieses Gras verdorrt, bevor es zur Reife oder Frucht gelangt, so wird man unsere Erde steinig nennen.f Schlägt aber das, was gesagt wird, tiefere Wurzeln in unserem Herzen, so dass es die Frucht der Werke hervorbringt und die Samen künftiger Werke in sich birgt, dann wird die Erde eines 30 Da im Kontext Hebr. 6,7f. durchklingt und v.a. von „Taten“ und „Werken“ die Rede ist (vgl. in Lev. hom. 16,2 [GCS Orig. 6, 495]: si (nostrum cor) attulerit fructum operum, accipit benedictiones), vermutet Doutreleau, SC 7bis, 36 Anm. 1, in omniumque uirtutum einen Zusatz des Rufinus.

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Homilia I

que nostrum terra secundum uirtutem suam adferet „fructum, alia centesimum, alia sexagesimum, alia trigesimum“. a Sed et illud admonendum necessario duximus, ut fructus noster nusquam „zizania“, b id est nusquam lolium habeat, ut non sit „secus uiam“, c sed in ipsa uia, in illa, quae dicit: „Ego sum uia“, d seminetur, uti ne „aues caeli“ e comedant fructus nostros neque uineam nostram. Si quis tamen nostrum uinea esse meruerit, uideat, ne pro uua adferat spinas; et propter hoc iam „non putabitur, neque fodietur“, neque mandabitur „nubibus, ut pluant super eam pluuiam“, sed e contrario relinquetur „deserta“, ut increscant super eam „spinae“. f 5. Post haec uero iam firmamentum etiam meretur luminaribus adornari. Ait enim Deus: „Fiant luminaria in firmamento caeli, ut luceant super terram, et diuidant inter diem et noctem.“ g Sicut in firmamento isto, quod iam caelum fuerat appellatum, iubet Deus fieri luminaria, ut diuidant inter medium diei et noctis, ita et in nobis fieri potest, si tamen studeamus et nos uocari et effici caelum; luminaria habebimus in nobis, quae inluminent nos, Christum et ecclesiam eius. Ipse enim est „lux mundi“, h qui et ecclesiam inluminat sua luce. Sicut enim luna de sole percipere dicitur lumen, ut per ipsam etiam nox possit inluminari, ita et ecclesia suscepto Christi lumine inluminat omnes, qui in ignorantiae nocte uersantur. Si uero quis in hoc proficiat, ut iam filius diei efficiatur, sic ut in die honeste ambulet, i quasi filius diei et filius lucis: j Hic ab ipso Christo inluminatur, sicut dies a sole. 6. „Et sint in signa et in tempora, et in dies et in annos; et fiant ad inluminandum in firmamento caeli, ut luceant super terram. Et factum est sic.“ k Sicut luminaria caeli ista, quae uidemus, posita sunt in signa et in Mt. 13,8.23 b Mt. 13,25ff. c Lk. 8,5 h i 1,14 Joh. 8,12 vgl. Röm. 13,13

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d j

Joh. 14,6 e Lk. 8,5 f Jes. 5,6 k vgl. 1 Thess. 5,5 Gen. 1,14f.

g

Gen.

31 Zum ,multiplikativen‘ Gebrauch von centesimus usw. („hundertfach“ usw.) bei christlichen Autoren vgl. ThLL III, 819,13–27. 32 Der erklärende Zusatz „das heißt . . . Schwindelhafer“ (id est . . . lolium) geht eindeutig auf Rufinus zurück. Leicht irritierend bleibt das Perfekt (duximus). 33 Zumindest Rufinus fasst mit secus uiam den Text von Lk. 8,5 (paraÁ thÁn oëdoÂn, wörtlich: „an den Rand des Wegs“ – der eben noch zum Weg gehört) recht frei auf. 34 Vgl. z.B. in Ps. 36 hom. 1,2 (SC 411, 68): „Ich glaube also, dass auch in unseren Herzen, die wir an den Erlöser glauben, ein Weinstock eingepflanzt ist.“ 35 Der Anschluss (et propter hoc, „und deshalb“) setzt eben diesen Fall voraus. 36 Erst wird die Erde geschmückt, dann das Gewölbe. Der überlieferte Text („auch mit Gestirnen“) ergibt kaum Sinn.

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jeden von uns wahrlich „Frucht“ tragen entsprechend ihrem Vermögen, „die eine hundertfach, die andere sechzigfach, die dritte dreißigfach“.a 31 Doch es schien uns nötig, auch darauf mahnend hinzuweisen, dass niemals „Lolch“,b das heißt niemals Schwindelhafer in unsere Frucht geraten dürfe.32 Und nicht „neben den Weg“c soll sie fallen,33 sondern auf dem Weg soll sie gesät werden, auf dem, der sagt: „Ich bin der Weg“,d damit nicht „die Vögel des Himmels“e unsere Früchte fressen oder unseren Weinstock. Ist aber einer unter uns es wert, ein Weinstock zu sein,34 so sehe er zu, dass er nicht statt Trauben Dornen hervorbringt. Sonst35 wird man ihn künftig „weder beschneiden noch seine Erde lockern“, und man wird „die Wolken“ nicht heißen, „Regen auf ihn fallen zu lassen“, sondern man wird ihn im Gegenteil „einsam“ preisgeben, damit „Dornen“ ihn überwuchern.f 5. Danach aber gebührt es nun auch dem Gewölbe, mit Gestirnen geschmückt zu werden.36 Gott sagt nämlich: „Gestirne sollen entstehen am Himmelsgewölbe, auf dass sie über der Erde leuchten und zwischen Tag und Nacht scheiden.“g Wie Gott befiehlt, dass am Gewölbe, das zuvor Himmel genannt worden war, Gestirne entstehen, damit sie mitten zwischen Tag und Nacht scheiden, so kann es auch in uns geschehen – wenn wir uns nur anstrengen, dass auch wir Himmel genannt und zum Himmel werden. Gestirne werden wir in uns tragen, die uns erleuchten: Christus und seine Kirche. Denn er ist „das Licht der Welt“,h der auch die Kirche mit seinem Licht erleuchtet. Wie es nämlich heißt, der Mond empfange sein Licht von der Sonne, damit durch ihn auch die Nacht erleuchtet werde, so erleuchtet auch die Kirche mit dem Licht, das sie von Christus empfängt, alle, die in der Nacht der Unwissenheit wandeln.37 Macht aber jemand solche Fortschritte, dass er ein Sohn des Tages38 wird, so dass er ehrbar wandelt am Tag,i gleichsam als Sohn des Tages und Sohn des Lichts:j Der wird von Christus selbst erleuchtet, wie der Tag von der Sonne.39 6. „Und sie sollen als Zeichen und Zeitmaß dienen, für die Tage wie für die Jahre; zum Erleuchten sollen sie am Himmelsgewölbe entstehen, auf dass sie über der Erde leuchten. Und so geschah es.“k Wie die Gestirne, die wir am Himmel sehen, dort hingesetzt wurden als Zeichen und Zeitmaß, Tage 37 Hier macht Origenes astronomische, also naturwissenschaftliche Erkenntnisse in der Exegese fruchtbar (vgl. in Num. hom. 23,5 [GCS Orig. 7, 217]); zu Origenes’ Nähe zu den Naturwissenschaften allgemein vgl. Gregor Thaumaturgus, paneg. Orig. 8 (SC 148, 140–142). Zum Mond als Bild der Kirche vgl. Rahner, Griechische Mythen 200–224. 38 Die Handschriften und Ausgaben bieten hier fast durchweg filius dei. Der biblische Subtext (1 Thess. 5,5) spricht jedoch eindeutig für die in der Handschrift r (Paris, Bibliothe`que Nationale 1628, saec. XII inc.) bezeugte Lesart filius diei (so überzeugend Doutreleau, SC 7bis, 38 Anm. 2). 39 Hier tritt in den Genesishomilien zum ersten Mal ein Thema klar zutage, das Origenes am Herzen liegt: die Hierarchie der Gläubigen entsprechend ihrer Gottesnähe.

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Homilia I

tempora et dies et annos, ut luceant de firmamento caeli his, qui super terram sunt, hoc modo etiam Christus inluminans ecclesiam suam signa dat per praecepta sua, ut sciat, quomodo quis accepto signo fugiat „ab ira superuentura“, a uti ne dies illa sicut fur eum conprehendat, b sed ut magis peruenire possit in „annum Domini acceptabilem“. c Christus ergo est „lux uera, quae inluminat omnem hominem uenientem in hunc mundum“, d ex cuius lumine inluminata ecclesia etiam ipsa „lux mundi“ e efficitur inluminans eos, „qui in tenebris sunt“, f sicut et ipse Christus contestatur discipulis suis dicens: „Vos estis lux mundi.“ g Ex quo ostenditur, quia Christus quidem lux est apostolorum, apostoli uero lux mundi. Ipsi enim sunt non habentes maculam uel rugam aut aliquid huiusmodi, uera ecclesia, sicut et apostolus dicit: „Vt ipse sibi exhibeat gloriosam ecclesiam non habentem maculam aut rugam aut aliquid huiusmodi.“ h 7. „Et fecit Deus duo luminaria magna, luminare maius in principatum diei, et luminare minus in principatum noctis, et stellas. Et posuit ea Deus in firmamento caeli, ut luceant super terram, et potestatem habeant diei et noctis, et diuidant inter medium lucis et inter medium tenebrarum. Et uidit Deus, quia bonum. Et factum est uespere, et factum est mane, dies quarta.“ i Sicut sol et luna magna luminaria dicta sunt esse in firmamento caeli, ita et in nobis Christus et ecclesia. Sed quoniam etiam stellas in firmamento posuit Deus, uideamus, quae sint etiam in nobis stellae, id est in cordis nostri caelo. Moyses stella est in nobis, quae lucet et inluminat nos actibus suis. Et Abraham et Isaac et Iacob et Esaias et Hieremias et Ezechiel et Dauid et Daniel et omnes, quibus scriptura sancta testimonium dedit, quia placuerint Deo. j Sicut enim „stella ab stella differt in gloria“, k ita etiam sanctorum unusquisque secundum magnitudinem suam lumen suum fundit in nos. Sicut autem sol et luna inluminant corpora nostra, ita et a Christo atque ecclesia inluminantur mentes nostrae. Ita tamen inluminamur, si non simus mentibus caeci. Nam sicut sol et luna corporalibus oculis caecos quamuis inlustrent, illi tamen lumen recipere non possunt, ita et Christus lucem suam praestat mentibus nostris; sed ita demum nos inluminabit, si nequaquam caecitas mentis inpediat. Quod etiamsi accidat, primo oportet eos, qui caeci sunt, a g

Mt. 3,7 u.ö. b vgl. 1 Thess. 5,4 c Jes. 61,2 d Joh. 1,9 e Mt. 5,14 f Röm. 2,19 h i j k Mt. 5,14 Eph. 5,27 Gen. 1,16–19 vgl. Hebr. 11,5 1 Kor. 15,41

40 Wörtlich „das (Gott) willkommene Jahr“ (annus acceptabilis). 41 Vgl. in Ioh. comm. VI 55,287 (GCS Orig. 4, 164); in Num. hom. 23,5 (GCS Orig. 7, 217); Ledegang, Mysterium Ecclesiae 627–630. 42 Vgl. in Gen. hom. 9,2 (GCS Orig. 6, 90): „In jenem (d.h. jüdischen) Volk gab es

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wie Jahre, damit sie vom Himmelsgewölbe herab denen leuchten, die auf Erden weilen, so gibt auch Christus, der seine Kirche erleuchtet, durch seine Gebote Zeichen, damit einer weiß, wie er, wenn er das Zeichen empfängt, „dem kommenden Zorn“a entfliehe, damit jener Tag ihn nicht wie ein Dieb ertappe,b sondern er vielmehr ins „Gnadenjahr40 des Herrn“c gelangen könne. Christus ist also „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt“.d Von seinem Licht erleuchtet, wird auch die Kirche zum „Licht der Welt“e und erleuchtet die, „die in Finsternis wandeln“,f wie auch Christus bezeugt, wenn er seinen Jüngern sagt: „Ihr seid das Licht der Welt.“g Daraus lässt sich erkennen, dass Christus das Licht der Apostel ist, die Apostel aber das Licht der Welt. Denn sie, die ohne Flecken oder Falten oder anderes dergleichen sind, sind die wahre Kirche, wie auch der Apostel sagt: „Damit er sich die Kirche glorreich vor Augen stelle, ohne Flecken oder Falten oder anderes dergleichen.“h 7. „Und Gott schuf zwei große Lichter, das größere Licht, um über den Tag zu herrschen, das kleinere Licht, um über die Nacht zu herrschen, und die Sterne. Und Gott setzte sie ans Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde leuchten und Macht haben über Tag und Nacht und mitten zwischen dem Licht und der Finsternis scheiden. Und Gott sah, dass es gut war. Und es wurde Abend und es wurde Morgen: der vierte Tag.“i So wie Sonne und Mond laut dieses Textes die großen Lichter am Himmelsgewölbe sind, so in uns Christus und die Kirche.41 Da Gott aber auch Sterne ans Gewölbe gesetzt hat, wollen wir klären, welche Sterne es in uns gibt, nämlich im Himmel unseres Herzens. Mose ist ein Stern in uns, der strahlt und uns mit seinen Taten erleuchtet. Ebenso Abraham, Isaak und Jakob, Jesaia, Jeremia und Ezechiel, David und Daniel und alle, denen die Heilige Schrift bezeugt hat, dass sie Gott gefielen.j 42 Wie sich nämlich „Stern von Stern im Glanz unterscheidet“,k so verströmt auch jeder Heilige seinem Rang entsprechend sein Licht in uns.43 Wie aber Sonne und Mond unseren Leib beleuchten, so erleuchten Christus und die Kirche unseren Geist. Doch auf diese Weise werden wir nur erleuchtet, wenn wir nicht im Geist blind sind. Denn so wie Sonne und Mond zwar auch auf die scheinen, deren leibliche Augen blind sind – die jedoch können das Licht nicht wahrnehmen –, so gewährt auch Christus unserem Geist sein Licht. Doch auf diese Weise wird es uns nur dann erleuchten, wenn geistige Blindheit dies nicht verhindert. Doch auch wenn dies geschieht: Zuerst müssen die Blinden Christus folgen und rufen

viele Gerechte und Propheten, mit denen sich das Beispiel von den Sternen des Himmels mit gutem Grund vergleichen lässt.“ 43 In Christus als Sonne, die sich immerfort verströmt, ohne sich je zu erschöpfen, mag ein Abglanz neuplatonischer Ideen durchschimmern; zu diesem Thema insgesamt siehe Crouzel, Orige`ne et Plotin.

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sequi Christum dicentes et clamantes: „Miserere nobis, fili Dauid“, a ut etiam uisum ab ipso recipientes possint deinceps et lucis eius splendore radiari. Verum non aequaliter omnes, qui uident, inluminantur a Christo, sed singuli secundum eam mensuram inluminantur, qua uim luminis recipere ualent. Et sicut non aequaliter oculi corporis nostri inluminantur a sole, sed quanto quis in loca altiora conscenderit et ortus eius editioris speculae intuitione fuerit contemplatus, tanto amplius et splendoris eius percipiet et caloris; ita etiam mens nostra quanto elatius et excelsius adpropiauerit Christo ac se uicinior splendori lucis eius obiecerit, tanto magnificentius et clarius eius lumine radiabitur, sicut et ipse ait per prophetam: „Adpropinquate mihi, et adpropinquabo uobis, dicit Dominus.“ b Et iterum dicit: „Deus adproximans ego sum, et non Deus de longe.“ c Non similiter tamen uenimus ad eum omnes, sed unusquisque „secundum propriam suam uirtutem“. d Aut enim cum turbis uenimus ad eum et per parabolas nos reficit ad hoc tantummodo, ne multis ieiuniis deficiamus „in uia“; e aut certe semper et indesinenter eius pedibus adsidemus, uacantes ad hoc solum, ut audiamus uerbum eius, nequaquam perturbati erga multum ministerium, sed optimam partem eligentes, quae non auferetur a nobis. f Et utique qui sic accedunt ad eum, multo amplius ex eius lumine consequuntur. Si uero sicut apostoli nusquam omnino moueamur ab eo, g sed semper cum eo permaneamus in omnibus tribulationibus eius, h tunc nobis secreto ea, quae ad turbas locutus fuerat, exponit atque dissoluit, i et multo clarius inluminat nos. Si uero etiam talis quis fuerit, ut possit et in montem ascendere cum eo, sicut Petrus et Iacobus et Iohannes, iste non solum Christi lumine, sed etiam Patris ipsius inluminabitur uoce. j 8. „Et dixit Deus: Producant aquae repentia animarum uiuarum et uolatilia uolantia super terram secundum firmamentum caeli. Et factum est sic.“ k Secundum litteram iussu Dei producuntur ab aquis repentia et uolatilia et haec, quae uidemus, a quo sint facta, cognoscimus. Sed uideamus, quomodo etiam secundum nostrum firmamentum caeli, id est mentis nostrae uel cordis soliditatem, haec eadem fiant. Arbitror quia, si mens nostra inluminata Mt. 9,27 b Sach. 1,3; Jak. 4,8 Lk. 10,39–42 g vgl. Mt. 13,36 k Gen. 1,20 a

c h

Jer. 23,23 d Mt. 25,15 e Mt. 15,32 u.ö. f vgl. vgl. Lk. 22,28 i vgl. Mk. 4,34 j vgl. Mt. 17,1–5

44 Mit der editior specula könnte ein astronomisches ,Observatorium‘ gemeint sein. Intuitio („Blick, Anblick, Sehvermögen“) ist nur siebenmal belegt, zuerst bei Irenäus, und dreimal bei Rufinus (vgl. ThLL s.v.). 45 Zu appropiare (statt appropinquare), das nur in christlichen Texten dokumentiert ist, z.B. in der Itala (nicht aber in der Vulgata), vgl. ThLL s.v. 46 Zu dieser Hierarchie, die vom Volk über die Apostel zu Petrus, Jakobus und Johannes führt, vgl. oben S. 37 Anm. 39.

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und schreien: „Erbarme dich unser, Sohn Davids“,a damit sie ihr Augenlicht von ihm empfangen und alsbald auch im Glanz seines Lichts erstrahlen können. Alle die jedoch, die sehen, werden von Christus nicht in gleichem Maß erleuchtet, sondern ein jeder in dem Maß, in dem er sich der Kraft des Lichts gewachsen zeigt. Und wie unsere leiblichen Augen nicht in gleichem Maß von der Sonne erhellt werden – sondern je höher man emporsteigt und ihren Aufgang aus dem Blickwinkel einer luftigeren Warte verfolgt,44 desto mehr wird man von ihrem Glanz und ihrer Wärme empfangen –, ebenso wird auch unser Geist, je höher und weiter er zu Christus emporsteigt45 und je größer die Nähe ist, aus der er sich dem Glanz seines Lichtes aussetzt, umso prächtiger und heller in seinem Licht erstrahlen – wie er selbst es durch den Propheten sagt: „Naht euch mir, und ich werde mich euch nahen, spricht der Herr.“b Er sagt auch: „Ich bin der Gott, der nahe ist, und nicht ein Gott aus der Ferne.“c Allerdings gelangen wir nicht alle auf gleiche Weise zu ihm, sondern ein jeder „gemäß dem eigenen Vermögen“.d Denn entweder kommen wir mit der Menge zu ihm, und er erquickt uns allein mit Gleichnissen, dass wir nicht vom vielen Fasten „auf dem Weg“e ermatten; oder aber wir sitzen allezeit und ohne Unterlass zu seinen Füßen, einzig dem ergeben, sein Wort zu hören, mitnichten besorgt ob der vielen Mühsal, sondern den besten Teil erwählend, den man uns nicht nehmen wird.f Jedenfalls erlangen die, die sich ihm so nahen, weit mehr von seinem Licht. Wenn wir aber wie die Apostel nie und nimmer von seiner Seite weichen,g sondern stets mit ihm ausharren in all seinen Heimsuchungen,h dann legt er uns im Geheimen aus, was er der Menge erzählt hat, und entschlüsselt esi und erleuchtet uns in weit herrlicherem Maße. Besitzt denn aber einer solchen Rang, dass er mit ihm sogar den Berg besteigen kann, wie Petrus, Jakobus und Johannes, so wird ihn nicht allein Christi Licht erleuchten, sondern auch die Stimme des Vaters persönlich.j 46 8. „Und Gott sprach: Die Wasser sollen an Lebewesen Kriechtiere hervorbringen47 und Vögel, die über dem Land fliegen, dem Himmelsgewölbe entlang. Und so geschah es.“k Wörtlich verstanden, werden auf Gottes Geheiß von den Wassern Kriechtiere und Vögel hervorgebracht, und wir erkennen, von wem erschaffen wurde, was wir sehen. Wir wollen aber auch begreifen, wie eben diese Geschöpfe in unserem Himmelsgewölbe48 entstehen, das heißt in der Festigkeit unseres Geistes oder Herzens. Ich glaube,

47 Rufinus folgt hier dicht dem Text der Septuaginta (kaum Genitivus qualitatis: „Kriechtiere mit Lebensodem“). Vgl. auch Gen. 1,21, zitiert Kap. 9 Anfang (GCS Orig. 6, 11). 48 Wörtlich „gemäß unserem Himmelsgewölbe“. Die übertragene Deutung knüpft an den Begriff „Gewölbe“ an, der mit „Festigkeit“ (soliditatem) paraphrasiert wird.

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Homilia I

fuerit a nostro sole Christo, iubetur postmodum ex his, quae in ea sunt, aquis producere repentia et uolatilia uolantia, id est cogitationes bonas uel malas proferre in medium, ut discretio fiat bonorum a malis, quae utique utraque ex corde procedunt. De corde namque nostro uelut de aquis proferuntur et bonae cogitationes et malae. Sed nos uerbo ac praecepto Dei utraque proferamus ad conspectum et iudicium Dei, ut cum ipsius inluminatione discernere possimus a bono, quod malum est, id est ut ea, quae super terram repunt et terrenas sollicitudines gerunt, separemus a nobis; illa uero, quae meliora sunt, id est uolatilia, sinamus uolare non solum super terram, sed etiam secundum firmamentum caeli; id est ut sensum et rationem tam terrenorum quam caelestium pertractemus in nobis, intellegere quoque possimus, quae sint in nobis noxia ex repentibus. Si uiderimus „mulierem ad concupiscendum eam“, a illud est in nobis reptile uenenatum; si uero sit in nobis sobrietatis sensus, etiamsi domina Aegyptia nos adamauerit, efficimur aues et relinquentes Aegyptia uestimenta in manibus eius ex obscoenis insidiis euolabimus. b Si sit in nobis sensus ad furandum nos prouocans, istud est reptile pessimum; si uero sit in nobis sensus, ut, etiamsi duo minuta c habeamus, haec ipsa pro misericordia offeramus in dona Dei, d iste sensus auis est, nihil de terrenis cogitans, sed ad firmamentum caeli uolatibus tendens. Si ueniat nobis sensus persuadens nobis cruciatus martyrii non nos debere tolerare, istud erit reptile uenenatum; si uero ascendat nobis sensus et cogitatio talis, ut usque ad mortem pro ueritate certemus, e auis erit haec a terrenis ad superna contendens. Similiter etiam de ceteris uel peccatorum uel uirtutum speciebus sentiendum est et discernendum, quae sint repentia et quae sint uolatilia, quae producere ad discretionem in conspectu Dei aquae nostrae iubentur. 9. „Et fecit Deus cetos magnos et omnem animam animalium repentium, quae eduxerunt aquae secundum genus suum, et omne uolatile pennatum secundum genus suum.“ f Et de his similiter, ut de illis, quae supra diximus, sentiendum est, quod producere debeamus etiam cetos magnos et a f

Mt. 5,28 Gen. 1,21

b

vgl. Gen. 39,7–12

c

vgl. Lk. 21,2

d

vgl. Lk. 21,4

e

vgl. Sir. 4,28

49 Vgl. oben Kap. 2 (GCS Orig. 6, 4), und S. 32 Anm. 21. – Im Lateinischen herrscht eine gewisse Verwirrung der Genera (cogitationes bonas – bonorum – quae utraque). 50 Die Syntax erfordert an dieser Stelle ein et, vielleicht auch ut, vgl. Kap. 9 Ende (GCS Orig. 6, 11): ut unicuique usw. 51 Die „ägyptischen Gewänder“ werden zum Bild für ,Ägypten‘ – die sündige Welt (vgl. unten S. 272 Anm. 481). 52 Für die lectio difficilior contendens (ABF) spricht wenige Zeilen höher ad firmamentum . . . tendens; conscendens (CDR) legte dem Kopisten womöglich adscendat in der

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dass unserem Geist, wenn unsere Sonne, Christus, ihn erleuchtet hat, in der Folge auferlegt wird, aus den Wassern in ihm Kriechtiere hervorzubringen und Vögel, die fliegen, das heißt gute wie böse Gedanken zutage zu fördern, damit eine Scheidung der guten von den bösen geschehe, die ja beide dem Herzen entspringen. Denn die guten wie die bösen Gedanken gehen aus unserem Herzen hervor wie aus den Wassern.49 Wir aber wollen beides getreu Gottes Wort und Gebot vor Gottes Angesicht und Urteil offenlegen, damit wir, von ihm erleuchtet, vom Guten zu scheiden vermögen, was böse ist, das heißt damit wir das, was auf der Erde kriecht und irdische Trübsal bringt, von uns scheiden; das Bessere aber, nämlich die Vögel, wollen wir nicht nur über dem Land fliegen lassen, sondern auch dem Himmelsgewölbe entlang – das heißt damit wir Sinnesart und Wesen der irdischen wie der himmlischen Gedanken in uns ergründen und50 erkennen können, was in uns aufgrund der Kriechtiere schädlich ist. Sehen wir „eine Frau“ an, „um sie zu begehren“,a so ist das in uns ein giftiger Wurm. Waltet in uns jedoch ein nüchterner Sinn, so werden wir – auch wenn eine ägyptische Herrin uns begehrt – uns in Vögel verwandeln, die ägyptischen Gewänder51 in ihren Händen zurücklassen und der verführerischen Falle entfliegen.b Zeigen wir eine Gesinnung, die uns zum Stehlen verlockt, so ist das in uns ein elender Wurm. Waltet in uns jedoch eine Gesinnung, dass wir, auch wenn wir nur zwei Scheidemünzenc besitzen, diese aus Mitleid als Gaben Gottesd verschenken, so ist diese Gesinnung ein Vogel, der auf nichts Irdisches achtet, sondern seinen Flug zum Himmelsgewölbe lenkt. Käme es uns in den Sinn, uns einzureden, wir müssten die Qualen des Martyriums nicht ertragen, so wird dies ein giftiger Wurm sein. Richtet sich jedoch unser Sinn und unser Denken in solchem Maße nach oben, dass wir bis zum Tod für die Wahrheit streiten,e so wird dies ein Vogel sein, der vom Irdischen in die Höhen strebt.52 Ähnlich gilt es auch die übrigen Gestalten von Sünde und Tugend zu beurteilen und zu unterscheiden, welche zu den Kriechtieren zählen und welche zu den Vögeln, die unsere Wasser ja beide zur Unterscheidung vor Gottes Angesicht hervorbringen sollen.53 9. „Und Gott schuf große Wale und alles Leben der Kriechtiere, welche die Wasser hervorbrachten, entsprechend seiner Art, und einen jeden gefiederten Vogel, entsprechend seiner Art.“f Hierüber ist ähnlich zu urteilen wie über das vorhin Besprochene: Wir sollen auch große Wale hervorbringen Vorzeile nahe; vgl. aber in Gen. hom. 2,1 (GCS Orig. 6, 22): possimus adscendere ad ... allegoricum sensum; 2,5 (6, 34): de terrenis ... ad coelestia ... conscenditur; 8,3 (6, 79): ut ... terrena derelinquat et ad superna conscendat. 53 Origenes unterscheidet hier drei Typen von Sünden: sinnliche Sünden, soziale Sünden, und Sünden wider Gott; die gleiche Typologie kehrt Kap. 11 Ende (GCS Orig. 6, 13) wieder.

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animam repentium secundum genus. In magnis istis cetis inpias cogitationes et nefarios quosque contra Deum sensus arbitror indicari. Quae tamen omnia producenda sunt ante conspectum Dei et ponenda ante ipsum, ut diuidamus et separemus bona a malis, ut unicuique suus locus a Domino tribuatur, sicut ex his, quae sequuntur, ostenditur. 10. „Et uidit Deus, quia bona sunt, et benedixit ea dicens: Crescite et multiplicamini, et replete aquas, quae sunt in mari, et uolatilia repleantur super terras. Et factum est uespere, et factum est mane, dies quinta.“ a In mari quidem cetos magnos et omnem animam animalium repentium, quae produxerunt aquae, iubet inmorari, ubi et draco ille, quem plasmauit Deus ad inludendum ei, b inhabitat. Volucres autem multiplicari iubet super terram, quae aliquando arida fuit, nunc autem iam terra appellatur, sicut superius exposuimus. Sed requirit aliquis, quomodo ceti magni et repentia in malo accipiuntur et uolatilia in bono, cum de omnibus simul dictum sit: „Et uidit Deus, quia bona sunt“ ? c Ipsis sanctis bona sunt ea, quae illis aduersantur, quia uincere ea possunt et, cum ea uicerint, maioris gloriae efficiuntur apud Deum. Denique cum diabolus petisset, ut sibi potestas daretur aduersum Iob, inpugnans eum aduersarius causa ei exstitit duplicis gloriae post uictoriam. d Quod ostenditur ex eo quia ea, quae in praesenti perdiderat, in duplum receperit, simili modo sine dubio et in caelestibus recepturus. Et apostolus dicit, quia „nemo coronatur, nisi qui legitime certauerit“. e Et reuera quomodo erit certamen, si non fuerit qui resistat? Quantus decor et splendor sit lucis non dinosceretur, nisi obscuritas intercederet noctis. Vnde aliqui in castitate laudantur, nisi quia alii pro inpudicitia condemnantur? Vnde uiri fortes magnificantur, nisi existerent inbelles et timidi? Si amarum adhibeas, tunc dulce efficitur laudabilius. Si atrum consideraueris, gratiora tibi, quae clara sunt, uidebuntur. Et ut breuiter dicam, ex malorum consideratione decus bonorum lucidius indicatur. Propterea ergo de omnibus hoc dicit scriptura: „Et a e

Gen. 1,21–23 2 Tim. 2,5

b

vgl. Ps. 103(104),26

c

Gen. 1,21

d

vgl. Hiob 1,9–12(42,10–17)

54 Repleantur ist hier offenbar medial zu verstehen. 55 Vgl. oben S. 27 Anm. 6. 56 Die Wendung accipere in malo („im bösen Sinn auslegen“) kehrt wieder bei Augustinus, civ. XIV 7 (II p. 14 Dombart/Kalb5): dicunt . . . dilectionem accipiendam esse in bono, amorem in malo; epist. 149,1 (CSEL 44, 357): non semper in malo accipiendi sunt canes. 57 Ähnlich Origenes, in Num. hom. 14,2 (GCS Orig. 7, 123): „Hätten wir keine

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und kriechendes Leben, entsprechend seiner Art. Die großen Wale stehen meines Erachtens für die gottlosen Gedanken und jede ruchlose Gesinnung wider Gott. Gleichwohl sollen wir sie alle vor Gottes Angesicht hervorbringen und vor ihm niederlegen, damit wir das Gute vom Bösen trennen und scheiden und der Herr einem jeden seinen Platz zuweist, wie aus dem Folgenden deutlich wird. 10. „Und Gott sah, dass sie gut sind, und er segnete sie und sprach: Wachset und vermehrt euch, und füllt die Wasser, die im Meer sind; und die Vögel sollen sich auf dem Land vermehren.54 Und es wurde Abend und es wurde Morgen: der fünfte Tag.“a Er heißt die großen Wale und alles Leben der Kriechtiere, welche die Wasser hervorbrachten, im Meer zu verweilen, wo auch der Drache haust, den Gott formte, um ihn zu verhöhnen.b 55 Die Vögel aber heißt er, sich auf dem Land zu vermehren, das einst das Trockene war, nun aber Land genannt wird, wie wir vorhin dargelegt haben. Fragt sich nun jemand, wieso die großen Wale und Kriechtiere in schlechtem Sinn verstanden werden56 und die Vögel in gutem, wo es doch von allen gleichermaßen heißt: „Und Gott sah, dass sie gut sind“?c Gerade für die Heiligen ist gut, was sich ihnen widersetzt, denn sie können es besiegen und werden, wenn sie es besiegt haben, größeren Ruhmes teilhaftig bei Gott.57 In der Tat: Als der Teufel verlangt hatte, dass ihm Macht verliehen werde wider Ijob, wurde er für ihn, den er als Widersacher bekriegte, nach dem Sieg ja Anlass zu doppeltem Ruhm.d Dies zeigt sich darin, dass er (sc. Ijob) das, was er in dieser Welt verloren hatte, doppelt zurückbekam – um es zweifelsohne in gleicher Weise auch im Himmel zu empfangen. Und der Apostel sagt: „Allein der wird gekrönt, der in gehörigem Geist gekämpft hat.“e Und wirklich: Wie soll es einen Wettstreit geben, wenn es niemanden gibt, der sich widersetzt? Welche Schönheit und Pracht das Licht besitzt, bliebe verborgen, stellte sich ihm nicht die Finsternis der Nacht entgegen. Weshalb werden manche für ihre Keuschheit gelobt, wenn nicht deshalb, weil man andere wegen ihrer Lüsternheit verdammt? Wie könnte man die Mutigen rühmen, gäbe es keine Feiglinge und Hasenfüße? Greift man zu etwas Bitterem, dann erweist sich das Süße als umso angenehmer. Faßt man etwas Schwarzes ins Auge, wird einem das Helle umso willkommener erscheinen. Kurzum: Der Blick auf das Schlechte verkündet umso strahlender den Glanz des Guten.58 Deshalb also sagt die Schrift von

Gegner, die uns Widerstand leisteten, so gäbe es keine Kämpfe und den Siegern fielen keine Preise zu und den Siegenden würde das Himmelreich nicht bereitet.“ Zu dem Gedanken vgl. auch Augustinus, civ. I 7 (I p. 11f. Dombart/Kalb5). – Zu der Konstruktion efficere mit Akk. und Gen. vgl. ThLL V/2, 177,84–178,17. 58 Seinen Ursprung hat dieser Gedanke wohl in der Stoa (vgl. z.B. Seneca, prov. 2,4); er kehrt wieder im Neuplatonismus (etwa bei Plotin, enn. III 3,7), aber auch bei

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Homilia I

uidit Deus, quia bona sunt.“, a Quare tamen non est scriptum: Et dixit Deus, quia bona sunt, sed: „Vidit Deus, quia bona sunt?“ Id est: Vidit utilitatem ipsorum et eam rationem, qua, cum essent ipsa per se talia, bonos tamen facere possent optimos. Propterea ergo dixit: „Crescite et multiplicamini, et replete aquas, quae in mari sunt, et uolatilia repleantur super terras“, b id est, ut ceti quidem magni et repentia in mari essent, sicut superius exposuimus, et uolatilia super terras. 11. „Et dixit Deus: Producat terra animam uiuam secundum genus, quadrupedia et repentia et bestias terrae secundum genus. Et factum est sic. Et fecit Deus bestias terrae secundum genus, et omnia repentia terrae secundum genus. Et uidit Deus, quia bona sunt.“ c Secundum litteram quidem nulla quaestio est. Manifeste enim a Deo creata esse dicuntur uel animalia uel quadrupedia uel bestiae uel serpentes super terram. Aptare autem haec his, quae supra exposuimus, secundum spiritalem intellectum, non otiosa res est. Ibi quidem dictum est: „Producant aquae repentia animarum uiuarum et uolatilia uolantia super terram secundum firmamentum caeli“, d hic autem ait: „Producat terra animam uiuam secundum genus, quadrupedia et repentia et bestias terrae secundum genus.“ e Et illa quidem, quae de aquis producta sunt, diximus debere motus et cogitationes mentis nostrae, qui de profundo cordis producuntur, intellegi. Nunc uero hoc, quod dicitur: „Producat terra animam uiuam secundum genus, quadrupedum et repentium et bestiarum super terram secundum genus“, f exterioris hominis nostri, id est carnalis et terreni motus arbitror indicari. Denique nihil uolatile in his, quae de carne loquitur, indicauit, sed tantummodo quadrupedia et repentia et bestias terrae. Secundum illud nempe, quod dictum est ab apostolo, quia „non habitat in carne mea bonum“ g et quia „sapientia carnis inimica est Deo“, h ista nimirum sunt, quae terra, id est caro nostra, producit, de quibus rursum apostolus praecipit dicens: „Mortificate membra uestra, quae sunt a g

Gen. 1,21 Röm. 7,18

b

Gen. 1,22 h Röm. 8,7

c

Gen. 1,24f.

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Gen. 1,20

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Gen. 1,24

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Laktanz, ira 13–15 (CSEL 27, 99–108); inst. VII 5 (CSEL 19, 596–602), und abgewandelt bei Augustinus, z.B. civ. XI 18 (I p. 485f. Dombart/Kalb5). Vgl. ferner Origenes, in Num. hom. 9,1 (GCS Orig. 7, 55): „Wer wüsste, dass das Licht gut ist, würden wir nicht die Finsternis der Nacht wahrnehmen? Wer würde die Süße des Honigs kennen, hätte er nicht den Geschmack des Bitteren gekostet?“; Cels. IV 70 (GCS Orig. 1, 339f.). 59 Id est am Satzbeginn hat fast kausalen Charakter („weil“). Vidit oszilliert zwischen dem Bibelzitat und einem prouidit („sah vorher“). Das et könnte explikativ sein („eben“).

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allen: „Und Gott sah, dass sie gut sind.“a Doch warum steht nicht geschrieben: Und Gott sagte, dass sie gut sind, sondern: „Gott sah, dass sie gut sind“? Das heißt, er sah ihren Nutzen und59 die Weise, wie sie – waren sie auch an sich, wie sie eben waren – die Guten gleichwohl noch besser machen konnten.60 Deshalb also sagte er: „Wachset und vermehrt euch, und füllt die Wasser, die im Meer sind; und die Vögel sollen sich auf dem Land vermehren“,b damit sich, wie eben dargelegt, große Wale und Kriechtiere im Meer und Vögel auf dem Land befinden. 11. „Und Gott sprach: Die Erde bringe Lebewesen hervor nach ihrer Art, Vierbeiner und Kriechtiere und Tiere des Festlands nach ihrer Art. Und so geschah es. Und Gott schuf die Tiere des Festlands nach ihrer Art und alle Kriechtiere des Festlands nach ihrer Art. Und Gott sah, dass sie gut sind.“c Die wörtliche Lesart wirft hier gewiss keine Fragen auf. Denn es wird eindeutig gesagt, dass die Lebewesen, ob nun die Vierbeiner oder die Tiere oder die Schlangen auf dem Land, von Gott erschaffen wurden. Doch ist es kein müßiges Unterfangen, diese Passage auch mit dem eben in geistiger Lesart Dargelegten in Einklang zu bringen. Dort hieß es: „Die Wasser sollen an Lebewesen Kriechtiere hervorbringen und Vögel, die über dem Land fliegen, dem Himmelsgewölbe entlang“;d hier aber sagt er: „Die Erde bringe Lebewesen hervor nach ihrer Art, Vierbeiner und Kriechtiere und Tiere des Festlands nach ihrer Art.“e Und wir haben gesagt, dass das, was die Wasser hervorbringen, als die Regungen und Gedanken unseres Geistes zu verstehen sei, die aus der Tiefe des Herzens emporsteigen. Mit dem aber, was nun gesagt wird – „Die Erde bringe Lebewesen hervor nach ihrer Art, Vierbeiner und Kriechtiere und Tiere des Festlands nach ihrer Art“f –, wird meines Erachtens auf die Regungen unseres äußeren, das heißt des fleischlichen und irdischen Menschen angespielt. Schließlich hat die Schrift dort, wo vom Fleisch die Rede ist, keine Vögel genannt, sondern einzig Vierbeiner und Kriechtiere und Tiere des Festlands. In Übereinstimmung mit dem, was der Apostel verkündet hat – „nichts Gutes wohnt in meinem Fleisch“,g und „die Weisheit des Fleisches ist Gott feind“h –, sind dies zweifellos die Regungen, welche die Erde hervorbringt, das heißt unser Fleisch;61 ihrethalber mahnt der Apostel wiederum mit den Worten: „Tötet eure Glieder ab, die auf 60 Vgl. in Ioh. comm. XIII 42,279–284 (GCS Orig. 4, 268f.). 61 Im Genesiskommentar des Gießener Papyrus, der allerdings kaum aus Origenes’ Feder stammt (frg. F 1 Metzler [OWD 1/1, 312–314]), findet sich die gleiche Übertragung: „Deshalb sagt er: ,Wachset und vermehrt euch, füllt die Erde und herrscht auf ihr‘, wobei er den Leib, der (die Seele) umgibt, als Erde bezeichnet, denn er besteht aus Erde. (Gott) will, dass er (der Mensch) über den Leib herrscht und nicht von ihm beherrscht wird. Doch über diese Erde herrscht allein der Gerechte, der von Gott Gesegnete, der von ihm nach seinem Bild und seiner Ähnlichkeit Erschaffene und von ihm mit Odem Erfüllte und für würdig Erachtete, die inneren Triebe zu beherrschen.“

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super terram, fornicationem, inmunditiam, inpudicitiam, auaritiam, idolatriam“ a et cetera. Cum ergo haec omnia fierent, quae uidentur, iussu Dei per Verbum eius et praepararetur inmensus iste uisibilis mundus, simul autem et per allegoriae figuram ostenderetur, quae essent, quae exornare possent minorem mundum, id est hominem, tunc iam ipse homo creatur secundum ea, quae in consequentibus declarantur. 12. „Et dixit Deus: Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram, et principatum gerat piscium maris et uolucrum caeli et animalium et uniuersae terrae et omnium, quae repunt super terram.“ b Consequenter secundum ea, quae superius exposuimus, talem hominem, qualem descripsimus, uult principatum gerere praedictarum bestiarum et uolucrum et repentium et quadrupedum et omnium reliquorum. Quae qualiter intellegi per allegoriam debeant, exposuimus, cum diximus iuberi aquam, id est mentem eius, sensum spiritalem producere et terram sensum carnis proferre, ut dominetur eis mens et non illa dominentur ei. Vult enim Deus, ut magna ista Dei „factura“ c homo, propter quem et uniuersus creatus est mundus, non solum inmaculatus sit ab his, quae supra diximus, et inmunis, sed et dominetur eis. Iam uero quale animal sit homo, ex ipsis scripturae sermonibus consideremus. Omnes reliquae creaturae iussione Dei fiunt dicente scriptura: „Et dixit Deus: Fiat firmamentum“, d „et dixit Deus: Congregetur aqua, quae sub caelo est, in congregationem unam, et appareat arida“, e „et dixit Deus: Producat terra herbam foeni.“ f Ita etiam in reliquis dicit. Videamus autem, quae sunt, quae ipse Deus fecit, et per haec, quae magnitudo sit hominis, aduertamus. „In principio fecit Deus caelum et terram.“ g Similiter ait: „Et fecit duo luminaria magna“, h et nunc iterum: „Faciamus hominem.“ i In his solis factura ipsius Dei adscribitur, in aliis uero nullis; sed tantummodo caeKol. 3,5 b Gen. 1,26 c Eph. 2,10 h i 1,1 Gen. 1,16 Gen. 1,26

a

d

Gen. 1,6

e

Gen. 1,9

f

Gen. 1,11

g

Gen.

62 Hier kehren die drei Arten von Sünden wieder, die Origenes bereits Kap. 8 aufzählt (siehe auch S. 43 Anm. 53). Während es dort aber um Sünden ,im Geist‘ geht, ist hier von Sünden die Rede, die Wirklichkeit werden. 63 Das Bild vom Makro- und Mikrokosmos (vgl. oben S. 30 Anm. 14) geht auf Aristoteles zurück (phys. VIII 2, 252 b 26). Philon greift es des öfteren auf: prov. I 40 (p. 160 Hadas-Lebel in lateinischer Übersetzung des armenischen Originals): homo ipse, qui tamquam paruus mundus in magno mundo factus est; plant. 28 (II p. 139 Cohn/ Wendland); quis rer. div. her. 155 (III p. 36); Abr. 71 (IV p. 17f.); vit. Mos. II 135 (IV p. 231); post. Cain. 58 (II p. 13); migr. Abr. 220 (II p. 312); opif. 82 (I p. 28); vgl. Gregor von Nyssa, inscr. Ps. 1,3 (GNO 5, 32).

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Erden sind: Unzucht, Unreinheit, Schamlosigkeit, Habgier, Götzendienst“a und so fort.62 Als folglich all das, was zu sehen ist, auf Gottes Geheiß durch sein Wort erschaffen und diese gewaltige sichtbare Welt eingerichtet wurde, zugleich aber auch durch die Figur der Allegorie die Dinge gezeigt wurden, welche die kleinere Welt zu schmücken vermögen, nämlich den Menschen,63 da wird nun der Mensch selbst erschaffen, entsprechend dem, was im Folgenden erläutert wird. 12. „Und Gott sprach: Lasst uns den Menschen schaffen nach unserem Bild und Gleichnis, und er soll die Herrschaft ausüben über die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels und die Lebewesen und die gesamte Erde und alles, was kriecht auf Erden.“b Folgerichtig will er entsprechend dem eben Dargelegten, dass der Mensch, so wie wir ihn beschrieben haben,64 die Herrschaft ausübe über die aufgezählten Tiere: Vögel, Kriechtiere, Vierbeiner und alle übrigen.65 Wie dies allegorisch zu verstehen ist, haben wir dargelegt, als wir sagten, das Wasser, nämlich sein (d.h. des Menschen) Geist, werde geheißen, den geistigen Sinn hervorzubringen, und die Erde, den des Fleisches zu Tage zu fördern, damit der Geist sie (d.h. die Tiere) beherrsche und nicht sie ihn. Denn Gott will, dass dieses große „Geschöpf“c Gottes, der Mensch, um dessentwillen die gesamte Welt erschaffen wurde,66 nicht nur unbefleckt und rein sei von ihnen, die wir eben genannt haben, sondern sie auch beherrsche. Nun wollen wir aber aus den Äußerungen der Schrift erschließen, was für ein Lebewesen der Mensch ist. Alle übrigen Schöpfungswerke entstehen auf Gottes Geheiß, wie es die Schrift sagt: „Und Gott sprach: Es werde ein Gewölbe“;d „und Gott sprach: Es schare sich das Wasser unter dem Himmel in eine Schar, und das Trockene trete zutage“;e „und Gott sprach: Die Erde bringe Krautgewächs hervor.“f So berichtet sie es auch von den übrigen Schöpfungswerken. Wir wollen aber sehen, was Gott selbst erschaffen hat, um so zu begreifen, welcher Rang dem Menschen zukommt. „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“;g ähnlich heißt es: „Und er schuf zwei große Lichter“;h und nun: „Lasst uns den Menschen schaffen.“i Allein bei ihnen wird Gottes eigenes Schöpfertum festgehalten, nirgendwo sonst.67 Einzig

64 In den Kap. 8–11. 65 Die wörtliche Lesart; schon im nächsten Satz folgt die geistige. 66 Dieses anthropozentrische Weltbild ist nicht nur ein Grundpfeiler jüdisch-christlicher Theologie, vgl. Laktanz, ira 13,1 (CSEL 27, 99); es findet sich bereits in der hellenistischen Philosophie, v.a. in der Stoa (vgl. etwa Cicero, nat. deor. II 37. 133.154ff.). Andere Schulen sind vorsichtiger; zu den Einwänden des Platonikers Kelsos vgl. Origenes, Cels. IV 74 (GCS Orig. 1, 343). 67 Vgl. Prokop von Gaza, in Gen. comm. 1,7 (PG 87/1, 77B); 1,26 (87/1, 113B); etwas anders Philon, opif. 72 (I p. 24 Cohn/Wendland).

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Homilia I

lum et terra, sol et luna ac stellae, et nunc homo a Deo facta sunt, omnia uero reliqua iussione eius facta esse dicuntur. Ex hoc ergo considera, quanta sit magnitudo hominis, qui tam magnis elementis tamque praecipuis adaequatur, qui habet honorem caeli, propter quod et „caelorum“ ei promittitur „regnum“. a Habet et terrae honorem, quoniam quidem „in terram bonam et terram uiuorum fluentem lac et mel“ b ingredi sperat. Habet honorem solis et lunae habens repromissionem fulgere sicut sol in regno Dei. c 13. Illud sane etiam eminentius in conditione hominis uideo, quod alibi non inuenio dictum: „Et fecit Deus hominem, ad imaginem Dei fecit eum.“ d Quod neque in caelo neque in terra neque in sole uel luna inuenimus adscriptum. Hunc sane hominem, quem dicit ad imaginem Dei factum, non intellegimus corporalem. Non enim corporis figmentum Dei imaginem continet, neque factus esse corporalis homo dicitur, sed plasmatus, sicut in consequentibus scriptum est. Ait enim: „Et plasmauit Deus hominem“, id est finxit „de terrae limo“. e Is autem, qui ad imaginem Dei factus est, interior homo noster est, inuisibilis et incorporalis et incorruptus atque inmortalis. In his enim talibus Dei imago rectius intellegitur. Si qui uero hunc corporeum putet esse, qui ad imaginem et similitudinem Dei factus est, Deum ipsum corporeum et humanae formae uidetur inducere; quod sentire de Deo manifestissime inpium est. Denique carnales isti homines, qui intellectum diuinitatis ignorant, sicubi in scripturis de Deo legunt quia „caelum mihi sedes, terra autem scabellum pedum meorum“, f suspicantur Deum tam ingentis esse corporis, ut putent eum sedentem in caelo pedes usque ad terram protendere. Hoc autem sentiunt, quia non habent illas aures, quae digne possint audire uerba Dei de Deo, quae per scripturam referuntur. Quod enim dicit: „Caelum mihi sedes est“, g ita digne de Deo intellegitur, a g

Mt. 3,2 u.ö. Jes. 66,1

b

Ex. 3,8 u.ö.

c

vgl. Mt. 13,43

d

Gen. 1,27

e

Gen. 2,7

f

Jes. 66,1

68 Hier irrt Origenes – Gott erschafft auch die Tiere (Gen. 1,21; vgl, oben S.13 Anm. 44). 69 Für eine grundlegende Deutung von Origenes’ Aussagen zu diesem Thema siehe Crouzel, The´ologie de l’image 147–179. 217–245; Alviar, Klesis 18–37; Lund Jacobsen, Anthropology of Origen. 70 Vgl. Philon, opif. 134 (I p. 46 Cohn/Wendland): „Ein gewaltiger Unterschied besteht zwischen dem Menschen, der jetzt gebildet wurde (toyÄ te nyÄn plasueÂntow Ä aÆnurvÂpoy), und dem, der früher nach dem Ebenbild Gottes geschaffen war (toy kataÁ thÁn eiÆkoÂna ueoy Ä gegonoÂtow). Denn der jetzt gebildete Mensch war sinnlich wahrnehmbar, hatte eine bestimmte Beschaffenheit, bestand aus Körper und Seele . . .. Dagegen war der nach dem Ebenbild Gottes geschaffene eine Idee (iÆdeÂa tiw). . ., nur gedacht (nohtoÂw), unkörperlich (aÆsvÂmatow) usw.“; Origenes, in Gen. frg. D 11 Metzler (Z. 34–51); in Hier. hom. 1,10 (GCS Orig. 32, 9); princ. I 2,6 (GCS Orig. 5.

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Himmel und Erde, Sonne, Mond und Sterne, schließlich der Mensch sind von Gott erschaffen; alles andere, so heißt es in der Schrift, entstand auf sein Geheiß.68 Daraus also folgere, welcher Rang dem Menschen zukommt, der so mächtigen und gewaltigen Urgründen gleichgestellt wird: Himmlische Ehre erfährt er – weshalb ihm auch „das Himmelreich“a verheißen wird. Auch irdische Ehre erfährt er, denn er hofft, in ein gutes Land zu gelangen, in „das Land der Lebenden, das von Milch und Honig fließt“.b Er erfährt die Ehre der Sonne und des Mondes – ihm ist verheißen, er werde leuchten wie die Sonne im Reich Gottes. c 13. Etwas noch weit Herausragenderes entdecke ich bei der Erschaffung des Menschen, was ich an keiner anderen Stelle ausgesprochen finde: „Und Gott schuf den Menschen, nach dem Bild Gottes schuf er ihn.“d 69 Dies finden wir weder beim Himmel noch bei der Erde noch bei Sonne und Mond festgehalten. Unter diesem Menschen, von dem die Schrift sagt, er sei nach dem Bild Gottes erschaffen, verstehen wir gewiss nicht den leiblichen.70 Denn nicht die leibliche Gestalt enthält das Bild Gottes, und beim leiblichen Menschen heißt es nicht, er sei erschaffen, sondern geformt, wie im Folgenden geschrieben steht. Die Schrift sagt nämlich: „Und Gott formte den Menschen“, das heißt er bildete ihn,71 „aus dem Schlamm der Erde“.e Der aber, der nach dem Bild Gottes erschaffen wurde, ist unser innerer Mensch, unsichtbar, unkörperlich, unverderblich, unsterblich.72 Denn in eben diesen Eigenschaften lässt sich Gottes Bild mit mehr Recht erkennen.73 Wer aber glaubt, es sei der leibliche Mensch, der nach Gottes Bild und Gleichnis erschaffen wurde, stellt offensichtlich Gott selbst leiblich und in menschlicher Gestalt dar – eine ganz offenkundig frevelhafte Vorstellung von Gott. Überhaupt mutmaßen diese fleischlichen Menschen, denen jede Einsicht in das göttliche Wesen abgeht, wenn sie irgendwo in der Schrift von Gott lesen, „der Himmel ist mein Sitz, und die Erde der Schemel meiner Füße“,f Gott besitze einen so gewaltigen Leib, dass sie glauben, er throne im Himmel und strecke die Füße zur Erde herab.74 Dies vermuten sie aber, weil es ihnen an Ohren gebricht, die Gottes Worte über Gott, welche die Schrift überliefert, angemessen aufzunehmen vermögen. Was er nämlich sagt: „Der Himmel ist mein Sitz“,g ist in der Weise angemessen von Gott zu 71 Dieser Einschub, der das seltene plasmauit erklärt (nach griech. eÍplasen; zuerst Tertullian, spect. 23,7 [CChr.SL 1, 247]), geht nach Heine, FaCh 71, 63 Anm. 97, auf Rufinus zurück. – Zu Origenes’ Unterscheidung zweier Schöpfungsakte, dem ,Erschaffen‘ und dem ,Formen‘, vgl. Crouzel, The´ologie de l’image 148–153. 72 Zum Begriff des „inneren Menschen“, der im Platonismus wurzelt, und seiner reichen christlichen Rezeptionsgeschichte siehe Markschies, Innerer Mensch; zu Origenes ebd. 289–293. 73 Zur Erschaffung des Menschen „nach dem Bild Gottes“ vgl. princ. I 2,6 (GCS Orig. 5, 34); III 6,1 (5, 280). Zu Philons Deutung siehe oben S. 50 Anm. 70. 74 Vgl. in Gen. frg. D 11 Metzler (Z. 20–22).

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Homilia I

ut sciamus quia in his, quorum „in caelis est conuersatio“, a Deus requiescit et residet. In his autem, qui adhuc terrenum propositum gerunt, ultima pars eius prouidentiae inuenitur, quod in pedum appellatione figuraliter indicatur. Ex quibus si qui forte studium ac desiderium sumpserint effici caelestes perfectione uitae et intellectus altitudine, efficiuntur etiam ipsi sedes Dei, facti prius pro prudentia et conuersatione caelestes; qui etiam dicunt: „Suscitauit nos cum Christo, et simul sedere fecit nos in caelestibus.“ b Sed et illi, quorum thesaurus in caelo c est, caelestes dici possunt et sedes Dei, quoniam ibi est cor eorum, ubi est thesaurus eorum. d Et non solum requiescit super eos Deus, sed et inhabitat in eis. e Si uero tantus quis effici potest, ut possit dicere: „Aut documentum quaeritis eius, qui in me loquitur Christus?“, f in hoc non solum inhabitat Deus, sed etiam inambulat. Et propterea perfecti quique caelestes facti uel caeli effecti „enarrant gloriam Dei“, g sicut in psalmo dicit. Propterea denique et apostoli, qui erant caeli, mittuntur ad enarrandam gloriam Dei, et „Boanerges“ nomen accipiunt, „quod est filii tonitrui“, h ut per tonitrui potestatem uere eos caelos esse credamus. „Fecit“ ergo „Deus hominem, ad imaginem Dei fecit eum“. i Oportet nos uidere, quae est ista imago Dei, et perquirere, ad cuius imaginis similitudinem homo factus est. Non enim dixit quia: Fecit Deus hominem ad imaginem aut similitudinem suam, sed: „Ad imaginem Dei fecit eum.“ Quae est ergo alia imago Dei, ad cuius imaginis similitudinem factus est homo, nisi Saluator noster? Qui est „primogenitus omnis creaturae“, j de quo scriptum est quia sit „splendor aeterni luminis, et figura expressa substantiae Dei“, k qui et ipse de se dicit: „Ego in Patre, et Pater in me“ l et „qui me uidet, uidet et Patrem“. m Sicut enim qui uiderit imaginem alicuius, uidet eum, cuius imago est, ita et per „uerbum Dei“, n quae est imago Dei, Deum quis uidet. Et ita uerum erit, quod dixit: „Qui me uidet, uidet et Patrem.“ o Phil. 3,20 2 Kor. 13,3 l Joh. 14,10 a f

b

Eph. 2,6 c vgl. Mt. 6,20 u.ö. g h Ps. 18(19),2 Mk. 3,17 m n Joh. 14,9 Mk. 7,13 u.ö.

i

d vgl. Mt. 6,21 u.ö. e vgl. 2 Kor. 6,16 j k Gen. 1,27 Kol. 1,15 Hebr. 1,3 o Joh. 14,9

75 Zu dem Begriff conuersatio vgl. unten S. 136 Anm. 261. 76 Vielleicht auch: „ein irdisches Anliegen verfolgen“; vgl. OLD s.v. propositum 1. 77 Der Text des Archetyps war an dieser Stelle sichtlich verderbt. A bietet das paläographisch schwierige militia, B pudica, DF politia (in diesem Fall erklärende Dublette Rufins zu conuersatio; der Begriff ist bei Cicero belegt [div. I 60 und II 59 für Platons „Staat“] und vereinzelt spätantik), C peritia und E das (chiastisch zu intellectus altitudine stehende) prudentia. 78 Vgl. Origenes, orat. 23,4 (GCS Orig. 2, 352): „Wie (Gott) in den Heiligen wohnt, so auch im Himmel, ja in jedem Heiligen, der ,das Bild des himmlischen

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verstehen, dass wir begreifen, Gott ruht und weilt in denen, deren „Wandel in den Himmeln ist“.a 75 In denen aber, die noch einen irdischen Wandel pflegen,76 wirkt der fernste Teil seiner Vorsehung – was in der Nennung der Füße versinnbildlicht wird. Wenn unter ihnen welche mit Eifer und Sehnsucht danach trachten, durch die Vollkommenheit ihres Lebens und die Höhe ihrer Erkenntnis Himmelsbewohner zu werden, werden sie sogar Gottes Sitz werden, nachdem sie zuvor dank ihrer Klugheit77 und ihres Wandels Himmelsbewohner wurden. Sie sagen auch: „Er hat uns mit Christus auferweckt und ließ uns mit ihm im Himmel sitzen.“b Doch auch die, deren Schatz im Himmelc liegt, können Himmelsbewohner und Sitz Gottes genannt werden, denn ihr Herz ist dort, wo ihr Schatz ist.d Und Gott ruht nicht allein auf ihnen, er wohnt auch in ihnen.e 78 Wird aber einem ein solcher Rang zuteil, dass er sagen kann: „Oder verlangt ihr einen Beweis, dass in mir Christus spricht?“,f in dem wohnt Gott nicht nur, in dem wandelt er sogar. Deshalb „verkünden“ alle Vollkommenen, die Himmelsbewohner wurden oder zu Himmeln wurden, „Gottes Ruhm“,g wie es im Psalm heißt. Deshalb werden auch die Apostel, die Himmel waren, ausgesandt, den Ruhm Gottes zu verkünden, und sie empfangen den Namen „Boanerges, das heißt Söhne des Donners“,h damit wir dank der Macht des Donners glauben, dass sie wahrhaftig Himmel sind. „Gott schuf“ also „den Menschen, nach dem Bild Gottes schuf er ihn“.i Wir müssen überlegen, was dieses Bild Gottes ist, und genau klären, welchem Bild ähnlich der Mensch erschaffen wurde. Denn die Schrift sagte nicht: Gott schuf den Menschen nach seinem Bild oder seinem Gleichnis, sondern „nach dem Bild Gottes schuf er ihn“. Was anders also ist das Bild Gottes, nach dessen Gleichnis der Mensch erschaffen wurde, wenn nicht unser Erlöser, der „Erstgeborene aller Kreatur“,j von dem geschrieben steht, er sei „der Glanz des ewigen Lichts und das Gestalt gewordene Abbild der Wesenheit Gottes“,k der selbst von sich sagt: „Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir“l und: „Wer mich sieht, sieht auch den Vater“?m Wie man nämlich, wenn man jemandes Bild sieht, den sieht, um dessen Bild es sich handelt, so sieht man auch durch das „Wort Gottes“,n das Gottes Bild ist,79 Gott. Und so wird wahr werden, was er gesagt hat: „Wer mich sieht, sieht auch den Vater.“o 80 Diesem Bild ähnlich wurde der Mensch also erschaffen, Menschen‘ in sich trägt“; Clemens von Alexandria, ecl. proph. 51,2 (GCS Clem. 3, 151). 79 Doutreleau, SC 7bis, 61 Anm. 3, sieht in quae keine Genusattraktion, sondern einen Überlieferungsfehler, und verweist auf Saluator noster, qui est imago Dei im übernächsten Satz. Zu lesen sei also quod oder qui. Wenige Zeilen zuvor steht aber gleich zweimal uidere, quae est ista imago und quae est ergo alia imago Dei. 80 Zu diesem Gedanken vgl. u.a. in Ioh. comm. I 17,104f. (GCS Orig. 4, 22); II 3,20 (4, 55); Cels. VI 63 (GCS Orig. 2, 133f.); in Luc. hom. 8 (GCS Orig. 92, 48); zum Folgenden vgl. princ. I 2,8 (GCS Orig. 5, 38f.).

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Homilia I

Ad huius ergo imaginis similitudinem homo factus est et propterea Saluator noster, qui est imago Dei, misericordia motus pro homine, qui ad eius similitudinem factus fuerat, uidens eum deposita sua imagine maligni imaginem induxisse, ipse motus misericordia imagine hominis adsumpta uenit ad eum, sicut et apostolus contestatur dicens: „Cum in forma Dei esset, non rapinam arbitratus est esse se aequalem Deo, sed semet ipsum exinaniuit formam serui accipiens, in similitudinem hominum factus et habitu repertus ut homo, humiliauit semet ipsum usque ad mortem.“ a Quicumque ergo ueniunt ad eum et rationabilis imaginis participes effici student, per profectum suum secundum interiorem hominem renouantur cotidie b ad imaginem eius, qui fecit eos; ita ut possint conformes corporis claritatis eius c effici, sed unusquisque pro uiribus suis. Apostoli se ad eius similitudinem reformarunt in tantum, ut ipse de eis diceret: „Vado ad Patrem meum et ad Patrem uestrum, ad Deum meum et ad Deum uestrum.“ d Ipse enim iam petierat Patrem pro discipulis suis, ut eis similitudo pristina redderetur, cum dicit: „Pater, da ut, sicut ego et tu unum sumus, ita et isti in nobis unum sint.“ e Semper ergo intueamur istam imaginem Dei, ut possimus ad eius similitudinem reformari. Si enim ad imaginem Dei factus homo contra naturam intuens imaginem diaboli per peccatum similis eius effectus est, multo magis intuens imaginem Dei, ad cuius similitudinem factus est a Deo, per Verbum et per uirtutem eius recipiet formam illam, quae data ei fuerat per naturam. Et nemo desperet uidens similitudinem suam magis esse cum diabolo quam cum Deo posse se iterum recuperare formam imaginis Dei, quia non uenit Saluator uocare iustos, sed peccatores in poenitentiam. f Matthaeus publicanus erat g et utique imago eius diabolo similis erat, sed ueniens ad imaginem Dei, Dominum et Saluatorem nostrum, et sequens eam transformatus est ad similitudinem imaginis Dei. Iacobus, Zebedaei filius, et Iohannes, frater eius h piscatores erant i et „homines sine litteris“, j a f

Phil. 2,6–8 vgl. Lk. 5,32

b

vgl. 2 Kor. 4,16 vgl. Mt. 10,3

g

h

c d vgl. Phil. 3,21 Joh. 20,17 i vgl. Mt. 4,21 vgl. Mt. 4,18

j

e Joh. 17,21f. Apg. 4,13

81 Doutreleau, SC 7bis, 61 Anm. 5, sieht in dem zweiten motus misericordia eine überflüssige Doppelung Rufins oder eines Kopisten – zu Unrecht. Ähnliche, gerade im mündlichen Vortrag sinnvolle Wiederholungen finden sich z.B. in Gen. hom. 2,5 (GCS Orig. 6, 35): „Der Zugang freilich“ usw.; 10,3 (6, 96): „Überlege also, ob nicht vielleicht so“ usw.; 15,3 (6, 130): „Denn der Glanz des Lichts“ usw. 82 Zu aërpagmoÂw, das rapina übersetzt, vgl. Bauer/Aland, Wörterbuch zum NT s.v. 83 Der von den Hss. ADE bezeugte (und von Baehrens erst in seinen Addenda

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und deshalb kam unser Erlöser, der Gottes Bild ist, von Mitleid mit dem Menschen bewegt, der in seinem Gleichnis erschaffen worden war – sah er doch, wie dieser sein Bild ab- und das Bild des Bösen anlegte –, von Mitleid bewegt81 und mit dem Bild des Menschen angetan, zu ihm, wie es auch der Apostel bezeugt, der spricht: „Obgleich er Gottes Gestalt besaß, erachtete er es nicht für etwas gewaltsam Festzuhaltendes,82 Gott gleich zu sein, sondern er entblößte sich, nahm Sklavengestalt an und erlangte Ähnlichkeit mit den Menschen,83 und seinem Äußeren nach als Mensch wahrgenommen, erniedrigte er sich bis in den Tod“.a Alle also, die zu ihm kommen und sich mühen, des geistigen84 Bildes teilhaftig zu werden, werden durch ihren Fortschritt dem inneren Menschen getreu täglich erneuertb nach dem Bild dessen, der sie erschuf, so dass sie Ebenbilder der Herrlichkeit seines Leibesc werden können, ein jeder freilich nach seinen Kräften. Die Apostel haben sich in solchem Maße auf seine Ähnlichkeit hin verwandelt, dass er von ihnen sagte: „Ich gehe zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“d Denn er hatte bereits den Vater für seine Jünger gebeten, dass ihnen die ursprüngliche Ähnlichkeit zurückgegeben werde, mit den Worten: „Vater, gib, dass, wie ich und du eins sind, so auch diese in uns eins seien.“e Dieses Bild Gottes wollen wir also immer betrachten, damit wir auf seine Ähnlichkeit hin verwandelt werden können. Wenn nämlich der nach dem Bild Gottes erschaffene Mensch, der wider seine Natur das Bild des Teufels anschaut, durch die Sünde dessen Ebenbild geworden ist, umso mehr wird er, wenn er das Bild Gottes anschaut, nach dessen Ähnlichkeit er von Gott erschaffen wurde, durch das Wort und dessen Macht85 wieder jene Gestalt zurückerlangen, die ihm von Natur aus geschenkt worden war.86 Und niemand, der sieht, dass er mehr dem Teufel als Gott gleicht, soll daran verzweifeln, dass er wieder die Gestalt des Bildes Gottes zurückerlangen kann, denn der Erlöser kam nicht, um die Gerechten zur Umkehr zu rufen, sondern die Sünder.f Matthäus war ein Zöllner,g und in der Tat glich sein Bild dem Teufel; doch als er zum Bild Gottes kam, unserem Herrn und Erlöser, und ihm folgte, wurde er in die Ähnlichkeit mit dem Bild Gottes verwandelt. Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und sein Bruder Johannesh waren Fischeri und „Menschen ohne Bildung“,j die damals in der Tat mehr dem berücksichtigte) Zusatz in similitudinem hominum factus ist notwendig; er entspricht imagine hominis assumpta einige Zeilen höher. 84 Rationabilis entspricht hier, wie auch sonst gelegentlich, spiritalis; vgl. Doutreleau, SC 7bis, 62f. Anm. 2. 85 Oder: „durch dessen Wort und Macht“. 86 Zu der Wendung per naturam vgl. in Lev. hom. 4,3 (GCS Orig. 6, 318): omnia (sc. bona) quae in Deo praesto sunt per naturam; 9,2 (6, 420): quod per naturam minus in eo honestum uidetur. Nach contra naturam erwartet man eher „als seine Natur“ (e.g. in naturam).

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qui utique tunc magis ad imaginem diaboli similitudinem referebant, sed sequentes et isti imaginem Dei similes facti sunt ei, sicut et ceteri apostoli. Paulus ipsius imaginis Dei persecutor erat; a ut autem potuit decorem eius et pulchritudinem contueri, uisa ea in tantum ad eius similitudinem reformatus est, ut diceret: „Aut documentum quaeritis eius, qui in me loquitur Christus?“ b 14. „Masculum et feminam fecit eos, et benedixit eos Deus dicens: Crescite et multiplicamini, et replete terram, et dominamini in ea.“ c Dignum uidetur hoc in loco requirere secundum litteram, quomodo nondum facta muliere dicit scriptura: „Masculum et feminam fecit eos.“ Fortassis, ut ego arbitror, propter benedictionem, qua benedixit eos dicens: „Crescite et multiplicamini, et replete terram“, praeueniens, quod futurum erat, dicit: „Masculum et feminam fecit eos“, quoniam quidem crescere aliter et multiplicari non poterat homo, nisi cum femina. Vt ergo benedictio eius sine dubio futura esse crederetur, ait: „Masculum et feminam fecit eos.“ Hoc namque modo homo uidens crescendi et multiplicandi consequentiam esse ex eo, quod ei femina iungebatur, certiorem spem gerere poterat in benedictione diuina. Si enim dixisset scriptura: „Crescite et multiplicamini, et replete terram, et dominamini in ea“, non adiciens hoc, quia „masculum et feminam fecit eos“, utique benedictioni diuinae incredulus exstitisset, sicut et Maria ad eam benedictionem, qua benedicebatur ab angelo, ait: „Quomodo fiet hoc? Quoniam uirum non cognosco.“ d Aut fortasse quia omnia, quae a Deo facta sunt, coniuncta et conpaginata dicuntur, ut caelum et terra, ut sol et luna: Ita ergo, ut ostenderetur quoniam et homo Dei opus est et non sine harmonia uel competenti coniunctione prolatus est, idcirco praeueniens ait: „Masculum et feminam fecit eos.“ e Haec quidem ad eam quaestionem dicta sunt, quae secundum litteram proferri potest. 15. Videamus autem etiam per allegoriam quomodo ad imaginem Dei homo factus masculus et femina est. Interior homo noster ex spiritu et anima constat. Masculus spiritus dicitur, femina potest anima nuncupari. Haec si concordiam inter se habeant et consensum, conuenientia inter se ipsa crescunt et multiplicantur generantque filios, sensus bonos et intellectus uel a

vgl. 1 Tim. 1,13

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2 Kor. 13,3

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Gen. 1,27f.

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Lk. 1,34

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Gen. 1,27

87 Wie der Hinweis auf „die Frau“ zeigt, die „noch nicht erschaffen war“, hat Origenes hier auch den zweiten Schöpfungsbericht der Genesis im Blick. Vgl. zur Stelle Simonetti, Opere di Origene 1, 111–122. 88 Fiet mit A und Doutreleau, SC 7bis, 66f. Anm. 1. Die Lesart sciam ergibt im Kontext deutlich weniger Sinn. 89 Zu der im spätantiken Latein verbreiteten Bedeutung von quoniam = „dass“ siehe Hofmann/Szantyr, Lateinische Syntax 628.

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Bild des Teufels glichen; doch da auch sie dem Bild Gottes nachfolgten, wurden sie ihm ähnlich, wie auch die übrigen Apostel. Paulus stellte dem Ebenbild Gottes nach.a Als er jedoch dessen Anmut und Schönheit zu gewahren vermochte, wurde er durch diesen Anblick in solchem Maße getreu dessen Ähnlichkeit verwandelt, dass er sagte: „Oder verlangt ihr einen Beweis, dass in mir Christus spricht?“b 14. „Männlich und weiblich schuf er sie, und Gott segnete sie mit den Worten: Wachset und vermehrt euch, füllt die Erde und herrscht auf ihr.“c Bei dieser Stelle scheint es berechtigt, bei einer wörtlichen Deutung zu überlegen, in welchem Sinn – war doch die Frau noch nicht erschaffen – die Schrift sagt: „Männlich und weiblich schuf er sie.“87 Vielleicht, so meine Vermutung, sagt sie wegen des Segens, den er ihnen mit den Worten „wachset und vermehrt euch und füllt die Erde“ erteilte, indem sie das Künftige vorwegnimmt, „männlich und weiblich schuf er sie“ – denn der Mann konnte ja nicht anders wachsen und sich vermehren als mit der Frau. Damit man folglich ohne Zweifel daran glaube, dass sein Segen sich erfüllen werde, sagt sie: „Männlich und weiblich schuf er sie.“ So nämlich konnte der Mann, der begriff, dass sich sein Wachsen und sich Vermehren darauf gründete, dass ihm die Frau beigesellt wurde, größere Hoffnung auf den göttlichen Segen setzen. Hätte die Schrift nämlich gesagt: „Wachset und vermehrt euch, füllt die Erde und herrscht auf ihr“, ohne hinzuzufügen, „männlich und weiblich schuf er sie“, hätte er dem göttlichen Segen gewiss keinen Glauben geschenkt – so wie Maria zu dem Segen, den sie von dem Engel empfing, sagt: „Wie wird dies geschehen,88 wo ich doch keinen Mann erkenne?“d Oder vielleicht, weil alles von Gott Erschaffene vereint und verbunden beschrieben wird – wie Himmel und Erde, wie Sonne und Mond –, deshalb also, damit zutage trete, dass89 auch der Mensch Gottes Werk ist und nicht ohne Einklang und die ihm gemäße Verbindung erschaffen wurde, deshalb sagt die Schrift vorausgreifend: „Männlich und weiblich schuf er sie.“e Soviel zu der Frage, die sich mit Blick auf den Wortsinn stellen lässt. 15. Wir wollen aber auch auf allegorischer Ebene prüfen, in welchem Sinn der Mensch nach Gottes Bild männlich und weiblich erschaffen wurde.90 Unser innerer Mensch besteht aus Geist und Seele.91 Der Geist gilt als männlich, die Seele lässt sich als weiblich bezeichnen. Wenn sie Eintracht untereinander pflegen und Übereinstimmung, wachsen und vermehren sie

90 Oder: „in welchem Sinn der nach Gottes Bild erschaffene Mensch männlich und weiblich ist“. 91 Vgl. in Lev. hom. 5,1 (GCS 6, 333f.); princ. IV 2,4 (GCS Orig. 5, 313): „Der Mensch besteht aus Leib, Seele und Geist“ (oë aÍnurvpow syneÂsthken eÆk svÂmatow kaiÁ cyxh Ä w kaiÁ pneyÂmatow); III 4,1 (5, 263); Redepenning, Origenes 2, 369–371.

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cogitationes utiles, per quae replent terram et dominantur in ea; hoc est subiectum sibi sensum carnis ad meliora instituta conuertunt et dominantur ei, scilicet cum in nullo caro contra uoluntatem spiritus insolescit. Iam uero si anima coniuncta spiritui atque eius, ut ita dixerim, coniugio copulata declinet aliquando ad corporeas uoluptates sensumque suum delectationi carnis inclinet et aliquando quidem obtemperare uideatur salutaribus monitis spiritus, aliquando uero uitiis carnalibus cedat, talis anima uelut adulterio corporis maculata neque crescere neque multiplicari legitime dicitur, quoniam quidem filios adulterorum inperfectos a scriptura designat. Talis enim anima, quae spiritus coniunctione deserta sensui se carnis et desideriis corporalibus tota prosternit, uelut auersa a Deo inpudenter audiet quia „facies meretricis facta est tibi, sine pudore effecta es ad omnes“. b Velut meretrix ergo punietur et filii eius ad occisionem praeparari iubebuntur. c 16. „Et dominamini piscium maris et uolatilium caeli et iumentorum et omnium, quae sunt super terram, et repentium, quae repunt super terram.“ d Iam haec interpretata sunt secundum litteram, cum diceremus quod dixit Deus: „Faciamus hominem“ et reliqua, ubi dicit: „Et dominentur piscium maris et uolatilium caeli“ e et cetera. Secundum allegoriam tamen in piscibus et uolatilibus uel animalibus et repentibus terrae ea mihi uidentur indicari, de quibus nihilominus superius diximus, id est uel quae de sensu animae et cordis cogitatione procedunt, uel quae ex desideriis corporalibus et carnis motibus proferuntur; quorum sancti quique et benedictionem Dei in semet ipsis seruantes dominationem exercent agentes totum hominem secundum spiritus uoluntatem; peccatoribus uero magis ipsa dominantur, quae de carnis uitiis et corporis uoluptatibus proferuntur. a

vgl. Weish. 3,16

b

Jer. 3,3

c

vgl. Jes. 14,21

d

Gen. 1,28

e

Gen. 1,26

92 Wörtlich „als miteinander harmonierende“ (zur Konstruktion vgl. ThLL IV, 834,55–62; 842,22–27). 93 Rufinus konstruiert dominari teils mit Dativ (wie hier), teils mit Genitiv (z.B. im Zitat von Gen. 1,28 in Kap. 16 Anfang [GCS Orig. 6, 19]). 94 Die Wendung coniugio copulata ist üblich, nicht aber in Verbindung mit einem Genitiv (eius) anstelle eines Dativs (ei; vgl. aber Iordanes, orig. act. Get. 59: sororis Priami coniugio copulatus). 95 Doutreleau, SC 7bis, 68 Anm. 2, will dominentur ändern zu dominetur und vergleicht Kap. 12 Anfang (GCS Orig. 6, 13): principatum gerat piscium maris usw. – „Als wir besprachen“: Kap. 12 Anfang. 96 In den Kap. 8f. und 11. 97 Ähnlich im Gießener Papyrus (frg. F 1 Metzler [OWD 1/1, 314]): „(Gott) sagt aber, dass er (der Mensch) nicht allein über die Erde herrsche, sondern auch über die Fische, die Vögel, das Vieh und die Kriechtiere. Mit den Fischen verweist er auf die

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sich dank der Harmonie zwischen ihnen92 und zeugen Kinder – gute Gedanken und nützliche Erkenntnisse oder Einsichten –, mit denen sie die Erde füllen und auf ihr herrschen; das heißt, die Gesinnung des Fleisches, die sie sich unterworfen haben, richten sie auf bessere Vorsätze und beherrschen sie93 – vorausgesetzt, das Fleisch empört sich in nichts gegen den Willen des Geistes. Wenn nun aber die mit dem Geist verbundene und mit ihm sozusagen ehelich vereinte94 Seele sich bald den leiblichen Ergötzungen zuwendet und ihren Sinn auf die Fleischeslust richtet, bald den heilsamen Ermahnungen des Geistes Folge zu leisten scheint, um dann wieder den fleischlichen Lastern zu verfallen, von einer solchen, gleichsam vom Ehebruch mit dem Leib befleckten Seele heißt es weder, sie wachse, noch, sie vermehre sich ehelich; die Kinder der Ehebrecher bezeichnet die Schrift ja als unvollkommen.a Denn eine solche Seele, die ihren Bund mit dem Geist aufgibt und sich ganz der fleischlichen Gesinnung und den leiblichen Begierden ergibt, die sich gleichsam schamlos von Gott abgewendet hat, wird hören: „Das Antlitz einer Dirne nahmst du an, schamlos zeigtest du dich gegen alle.“b Wie eine Dirne wird man sie also bestrafen, und es ergeht Befehl, ihre Kinder zur Hinrichtung zu führen.c 16. „Und ihr sollt herrschen über die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels und das Vieh und über alles, was auf Erden ist, und über die Kriechtiere, die über die Erde kriechen.“d Diese Stelle wurde bereits dem Wortsinn nach gedeutet, als wir besprachen, was Gott sagte: „Lasst uns den Menschen schaffen“ und so weiter, wo er sagt: „Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels“e und so fort.95 Allegorisch gelesen jedoch scheint mir in den Fischen und Vögeln oder in den Tieren und Kriechtieren der Erde das angedeutet, worüber wir gleichfalls vorhin gesprochen haben,96 das heißt das, was der Gesinnung der Seele und der Erwägung des Herzens entspringt oder was die leiblichen Gelüste und die Regungen des Fleisches zutage fördern.97 Über sie (d.h. gute wie schlechte Gedanken) üben alle Heiligen und die, die Gottes Segen in sich bewahren, die Herrschaft aus; sie lenken den Menschen insgesamt getreu dem Willen ihres Geistes. Die Sünder jedoch werden eher von dem beherrscht, was die Laster des Fleisches und die Begierden des Leibes zutage fördern.98 Triebe im Verborgenen und in der Tiefe; denn wie die Fische in der Tiefe sind sie ungesehen und unsichtbar. Dass er über sie herrsche, will er. Mit den Vögeln verweist er auf die Vernunft (den Logos) in uns. Dass über ihn der (Gott) Ebenbildliche herrsche, will er. Denn sie fliegt wie die Vögel, da sie leicht ist. . . . Und er sagt, dass er (der Mensch) über die leiblichen Werke herrsche, die den Stellenwert von Vieh und Kriechtieren einnehmen.“ 98 Bereits Philon, leg. all. II 11 (I p. 92 Cohn/Wendland), deutet die Tiere des Schöpfungsberichts (einschließlich der Vögel) als Bilder menschlicher Leidenschaften; ähnlich später Ambrosius, parad. 51 (CSEL 32, 308).

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17. „Et dixit Deus: Ecce dedi uobis omne foenum seminale, quod seminat semen, quod est super omnem terram, et omne lignum, quod habet in se fructum seminis seminalis, uobis erit ad escam, et omnibus bestiis terrae et omnibus uolatilibus caeli, et omnibus repentibus, quae repunt super terram, quae habent in se animam uitae.“ a Historia quidem huius sententiae manifeste indicat usum ciborum primitus a Deo ex herbis, id est oleribus et arborum fructibus, esse permissum. Postea uero cum ad Noe post diluuium fieret testamentum, facultas uescendarum carnium hominibus datur. Quibus sane de causis in suis locis rectius exponetur. Secundum allegoriam tamen herba terrae et fructus eius, qui ad escam hominibus indulgetur, potest de adfectibus intellegi corporalibus; uerbi causa, ira et concupiscentia germen est corporis. Huius germinis fructus, id est opus, nobis rationabilibus et bestiis terrae communis est. Nam quando irascimur ad iustitiam, id est ad correptionem delinquentis et emendationem salutis eius, isto fructu terrae nos uescimur et cibus noster iracundia corporalis efficitur, per quam reprimimus peccatum, iustitiam reparamus. Et ne tibi uideamur haec de nostro potius sensu quam de diuinae scripturae auctoritate proferre, redi ad librum Numerorum et recordare, quid egerit Phinees sacerdos, qui cum Madianitae gentis meretricem cum Israhelita uiro sub oculis omnium inpuris uidisset inhaerere conplexibus, ira diuinae aemulationis inpletus arreptum gladium per utriusque pectus exegit. b Quod opus reputatum est ei a Deo ad iustitiam dicente Domino: „Phinees sedauit furorem meum, et reputabitur ei ad iustitiam.“ c Iste ergo cibus irae terrenus noster fit cibus, cum eo rationabiliter utimur ad iustitiam. Si uero inrationabiliter agatur ira, ut innocentes puniat, ut efferuescat in eos, qui nihil delinquunt, iste cibus erit bestiarum agri et serpentium terrae et uolucrum caeli. His enim et daemones nutriuntur cibis, qui malis nostris actibus et pascuntur et fauent. Indicium namque est huius operis Cain, qui a Gen. 1,29f. 4,3; Gal. 3,6

b

vgl. Num. 25,6–8.11 LXX

c

Num. 25,11f.; Ps. 105(106),31; Röm.

99 Vgl. Prokop von Gaza, in Gen. comm. 1,29 (PG 87/1, 137C): „War denn zu Beginn der Schöpfung . . . dem Menschen je etwas anderes (als Nahrung) gestattet worden als die Früchte des Feldbaus? Denn später hört Noah einmal: ,Alles überließ ich euch als Gemüse zur Nahrung‘, alle Lebewesen.“ In den erhaltenen Werken geht Origenes auf diese Gründe nicht ein (nach frg. E 17 Metzler zu Gen. 9,3 erlaubt die Schrift den Verzehr von Insekten und ähnlichen „Kriechtieren“). 100 Zu der seltenen und nur christlich belegten Konstruktion irasci ad vgl. z.B. in der Itala Ex. 4,14; Dtn. 7,4: magno furore irascetur dominus ad uos. 101 Die Anrede des einzelnen Zuhörers (hier ne tibi uideamur) gehört zum Instrumentarium der Predigt des Origenes.

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17. „Und Gott sprach: Seht, ich gab euch alles Samen tragende Gras, das Samen sät, der sich über die ganze Erde verbreitet; und alles Gehölz, das die Frucht samenhaltigen Samens in sich trägt, wird euch zur Speise gereichen und allen Tieren der Erde, allen Vögeln des Himmels und allen Kriechtieren, die über die Erde kriechen und Lebensodem in sich haben.“a Die wörtliche Lesart dieses Satzes besagt offensichtlich, dass Gott ursprünglich nur den Verzehr von Speisen aus Pflanzen gestattete, das heißt Gemüse und Baumfrüchten. Später jedoch, als nach der Flut der Bund mit Noah gestiftet wurde, wird den Menschen die Erlaubnis gegeben, auch Fleisch zu verzehren. Aus welchen Gründen freilich, lässt sich passender an den jeweiligen Stellen behandeln.99 Allegorisch gelesen aber lässt sich die Pflanze der Erde und ihre Frucht, die den Menschen als Speise gewährt wird, im Sinne körperlicher Gemütszustände verstehen. Zorn und Begierde beispielsweise sind Schösslinge des Leibes. Die Frucht dieser Schösslinge, nämlich die Tat, ist uns Vernunftwesen mit den Tieren der Erde gemein. Denn wenn wir uns um der Gerechtigkeit willen erzürnen,100 das heißt um einen Übeltäter zu tadeln und seine Heilsaussichten zu bessern, nähren wir uns von dieser Frucht der Erde, und unsere Speise wird der leibliche Zorn, durch den wir die Sünde zügeln und die Gerechtigkeit wiederherstellen. Und damit es nicht so aussieht,101 als entspringe diese Deutung mehr eigener Überlegung als der Autorität der Heiligen Schrift, greife zum Buch Numeri und führe dir vor Augen, was der Priester Pinhas tat, als er eine Dirne aus dem Stamm der Midianiter mit einem Israeliten vor aller Augen in unreiner Umarmung beieinander liegen sah: Vom Zorn göttlichen Eifers erfüllt, packte er ein Schwert und trieb es durch beider Brust.b Diese Tat rechnete ihm Gott als Gerechtigkeit an, denn der Herr sprach: „Pinhas besänftigte mein Rasen, und dies wird ihm als Gerechtigkeit angerechnet werden.“c 102 Diese irdische Speise des Zorns103 wird folglich unsere Speise, wenn wir sie vernünftig gebrauchen, für die Gerechtigkeit. Wird der Zorn jedoch unvernünftig eingesetzt, so dass er Unschuldige trifft, so dass er gegen die aufwallt, die nichts Böses tun, so wird diese Speise den Tieren des Feldes und den Schlangen der Erde und den Vögeln des Himmels gehören.104 Denn von diesen Speisen nähren sich auch die Dämonen, die sich an unseren bösen Werken laben und sie ermuntern. Ein Beispiel solchen Handelns liefert ja Kain, der den unschuldigen Bruder in eifersüchtigem 102 Origenes zitierte wie üblich aus dem Gedächtnis und vermischte hierbei die freie Wiedergabe von Num. 25,11f., wo abschließend von „Friedensbund“ die Rede ist, mit Wendungen zur „Gerechtigkeit“ aus Röm. 4,3 etc. 103 Enallage; gemeint ist „Diese Speise des irdischen Zorns“ (vgl. oben „leiblicher Zorn“). 104 Die „Tiere des Feldes“ und die Schlangen stehen für böse Werke – nicht jedoch die Vögel (vgl. oben Kap. 8). Liegt hier ein Versehen vor?

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innocentem fratrem ira decepit inuidiae. a Similiter etiam de concupiscentia et de singulis huiuscemodi adfectibus sentiendum est. Cum enim „concupiscit et deficit anima nostra ad Deum uiuum“, b noster cibus est concupiscentia. Cum autem uel alienam mulierem ad concupiscendum uidemus c uel aliquid rerum proximi concupiscimus, d bestialis cibus efficitur concupiscentia; sicut exemplo potest esse concupiscentia Achab et factum Iezabel de uinea Nabuthei Iezraelitae. e Obseruanda sane est sanctae scripturae etiam in uerborum ratione cautela, quae, cum de hominibus dixisset quia dixit Deus: „Ecce dedi uobis omne semen seminale, quod est super terram, et omne lignum, quod est super terram, uobis erit ad escam“, f de bestiis non dixit: Quia dedi eis ad escam haec omnia, sed: „Erit illis ad escam“, g ut secundum spiritalem rationem, quam exposuimus, adfectus isti intellegantur homini quidem a Deo dati esse, praedici tamen a Deo quod erunt etiam bestiis terrae in cibum. Ideo ergo cautissimo usa est sermone scriptura diuina, quae hominibus quidem ait dicere Deum: „Dedi uobis haec ad escam“, h ubi autem ad bestias uenit, non iubentis, sed quasi praedicentis significatione dicit quia haec erunt etiam bestiis et uolucribus et serpentibus ad escam. Sed nos secundum apostoli Pauli sententiam attendamus lectioni, ut possimus, sicut ipse ait, „sensum Christi“ i accipere et scire „quae a Deo donata sunt nobis“, j et quae nobis ad escam data sunt, non faciamus escas porcorum uel canum, k sed tales eas praeparemus in nobis, quibus dignum sit suscipi in hospitio cordis nostri uerbum ac Filium Dei uenientem cum Patre suo et uolentem facere apud nos mansionem l in Spiritu sancto, cuius prius templum per sanctitatem debemus existere. m Ipsi gloria in aeterna saecula saeculorum. Amen. n vgl. Gen. 4,5–8 b Ps. 83(84),3 c vgl. Mt. 5,28 d vgl. Ex. 20,17 e vgl. 1 Kön. 21 Gen. 1,29 g Gen. 1,30 h Gen. 1,29 i 1 Kor. 2,16 j 1 Kor. 2,12 k vgl. Mt. 7,6 l m n vgl. Joh. 14,23 vgl. 1 Kor. 6,19 vgl. Röm. 11,36 a f

105 Zu der höchst seltenen und nur spät belegten Verwendung von decipere im Sinne von damno afficere („schädigen“; noch pointierter das PPP deceptus: „i.q. vita privatus, mortuus“) vgl. ThLL V/1, 178,73–75. 106 Doutreleau, SC 7bis, 72f. Anm. 1, sieht in semen einen Kopistenfehler und liest hier fenum, vgl. Kap. 17 Anfang (GCS Orig. 6, 20). Doch das ganze Zitat ist stark verkürzt.

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Zorn ums Leben brachte.a 105 In gleicher Weise sind auch die Begierde und jeder einzelne dieser Gemütszustände zu beurteilen. Wenn nämlich „unsere Seele den lebendigen Gott begehrt und sich nach ihm verzehrt“,b ist die Begierde unsere Speise. Sehen wir aber die Frau eines anderen begehrlich anc oder begehren wir etwas von den Dingen unseres Nächsten,d wird die Begierde zur tierischen Speise – wie zum Beispiel Ahabs Begierde und Isebels Übergriff auf den Weinberg des Nabot von Jesreel.e Beachtenswert ist jedenfalls auch die Sorgfalt der Heiligen Schrift im Umgang mit den Worten. Nachdem sie bei den Menschen erzählt hatte, dass Gott sprach: „Seht, ich gab euch allen samenhaltigen Samen106 auf Erden und alles Gehölz auf Erden; es wird euch zur Speise dienen“,f heißt es bei den Tieren nicht: Ich gab ihnen dies alles zur Speise, sondern: „Es wird ihnen zur Speise dienen“,g damit getreu der geistigen Deutung, die wir dargelegt haben,107 deutlich wird, dass diese Gemütszustände dem Menschen von Gott gegeben wurden, dass von Gott aber vorhergesagt wurde, dass sie auch den Tieren der Erde zur Speise dienen werden. Deshalb also traf die Heilige Schrift eine höchst sorgfältige Wortwahl. Zu den Menschen lässt sie Gott sagen: „Dies gab ich euch zur Speise.“h Kommt sie aber zu den Tieren, sagt sie – nicht um jemanden zu kennzeichnen, der befiehlt, sondern der gleichsam vorhersagt –, diese Gemütszustände werden auch den Tieren, Vögeln und Schlangen zur Speise dienen.108 Doch getreu dem Wort des Apostels Paulus wollen wir uns dem Lesen109 widmen, damit wir, wie er sagt, „den Geist Christi“i empfangen und begreifen können, „was uns von Gott geschenkt worden ist“.j Und lasst uns das, was uns zur Speise gegeben wurde, nicht zur Speise für Schweine oder Hunde machen,k sondern lasst uns so treffliche Speisen in uns bereiten, dass wir würdig sind, in der Gastlichkeit unseres Herzens das Wort und den Sohn Gottes zu empfangen, der mit seinem Vater kommt und bei uns Wohnung nehmen willl im Heiligen Geist, als dessen Heiligtum wir uns zuerst durch unseren reinen Wandel erweisen müssen.m Ihm sei Preis auf ewige Zeiten. Amen.n

107 In den Kap. 8–9, 11 und 16–17. 108 Das dedi an die Adresse des Menschen markiert dessen Verfügungsgewalt über die Triebe („Gemütszustände“), die den Tieren nicht gegeben ist. 109 Lectio meint hier die „Lektüre“ der Heiligen Schrift, aber auch die „Predigt“ als Auslegung der Heiligen Schrift. Das Schlusswort greift also das letzte Ergebnis der Exegese auf und formt es um zum Imperativ und Gebet.

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HOMILIA II De arca quae a Noe constructa est

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1. Incipientes de arca, quae secundum mandatum Dei a Noe constructa est, disserere, primo omnium uideamus, quae de ea secundum litteram referuntur, et quaestiones proponentes, quae obici a plurimis solent, etiam absolutiones earum ex his, quae nobis sunt a maioribus tradita, requiramus, ut, cum huiuscemodi fundamenta iecerimus, ab historiae textu possimus ascendere ad spiritalis intellegentiae mysticum et allegoricum sensum et, si quid in eis arcanum continetur, aperire Domino nobis uerbi sui scientiam reuelante. Primo igitur haec ipsa, quae scripta sunt, proponamus. „Et dixit“, inquit, „Dominus ad Noe: Tempus omnis hominis uenit ante me, quoniam inpleta est terra iniquitatibus ab eis; et ecce, ego disperdam illos et terram. Fac ergo tibi arcam de lignis quadratis, nidos facies in arca, et bituminabis eam ab intus et a foris bitumine. Et sic facies arcam: Trecentorum cubitorum longitudinem arcae, et quinquaginta cubitorum latitudinem, et triginta cubitorum altitudinem eius conligens facies arcam, et in cubitum consummabis eam in summo. Ostium autem arcae facies ex latere, inferiora bicamerata et tricamerata superiora facies in ea.“ a Et post pauca: „Et fecit“, inquit, „Noe omnia, quaecumque praecepit ei Dominus Deus, sic fecit.“ b a

Gen. 6,13–16

b

Gen. 6,22

110 Vgl. zu dieser Predigt Ciccarese, Omelia II; Ledegang, Mysterium Ecclesiae 371–377; Dively Lauro, The soul 121–127. 132–147; Markschies, Origenes 42–49. 52. – Teile dieser Predigt (genauer: der Kap. 1–2) haben sich in zwei Versionen auf Griechisch erhalten (vgl. Einführung S. 17f.; Text und Übersetzung im Anhang S. 296–329), wo es u.a. heißt, die Arche habe die Gestalt einer Pyramide. 111 Origenes denkt hier mit Sicherheit neben früheren christlichen Theologen auch an die jüdische Exegese (vgl. Kap. 2: „Was wir von klugen, in den hebräischen Lehrtraditionen bewanderten Männern und von alten Lehrern gelernt haben“; siehe dazu Bardy, Les traditions 217–252). – Zur Exegese der Geschichte von der Arche vgl. u.a. Philon, quaest. in Gen. II 5 (p. 83f. Petit); Clemens von Alexandria, strom. VI 86f. (GCS Clem. 2, 474f.); Lewis, A study of the interpretation of Noah.

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1. Wenn wir auf die Arche zu sprechen kommen, die getreu Gottes Gebot von Noah gebaut worden ist, wollen wir zuallererst klären, was von ihr dem Wortsinn nach berichtet wird, und indem wir die Fragen stellen, die von der großen Mehrheit aufgeworfen zu werden pflegen, wollen wir mit Hilfe dessen, was uns von den Alten111 überliefert ist, auch deren Lösungen suchen, damit wir, wenn wir auf diese Weise eine Grundlage geschaffen haben, von der Darstellung des wirklich Geschehenen112 zum mystischen und allegorischen Sinn der geistigen Erkenntnis emporzusteigen und, wenn in ihnen ein Geheimnis enthalten ist, es aufzuschließen vermögen – so der Herr uns die Einsicht in sein Wort offenbart.113 Zunächst wollen wir also das vorstellen, was geschrieben steht. „Und der Herr“, heißt es, „sprach zu Noah: Das Ende eines jeden Menschen kam vor mich, denn die Erde wurde von ihnen mit Unrecht erfüllt; und siehe, ich werde sie und die Erde vernichten. Baue dir also eine Arche aus Kanthölzern. Nischen114 wirst du in der Arche schaffen, und von innen und von außen wirst du sie mit Teer verpichen. Und so wirst du die Arche bauen: Indem du die Länge der Arche auf dreihundert Ellen, die Breite auf fünfzig Ellen und ihre Höhe auf dreißig Ellen festlegst,115 wirst du die Arche bauen, und auf eine Elle wirst du sie im First vollenden. Den Eingang der Arche aber wirst du an der Seite machen. Das Unterdeck wirst du zweistöckig und das Oberdeck dreistöckig bauen in ihr.“a 116 Und bald danach heißt es: „Und Noah tat alles, was Gott der Herr ihm auftrug; so tat er es.“b

112 Gemeint ist „die biblische Darstellung im wörtlichen Sinn“ (ab historiae textu; die Wendung kehrt wieder in Ex. hom. 3,2 [GCS Orig. 6, 165]). Zu historia als „(real) Geschehenem, Geschichte“ (im Gegensatz zu deren tieferer allegorischer Bedeutung) bei christlichen Autoren vgl. ThLL VI, 2839,20–46; zu historicus Kap. 6 (GCS Orig. 6, 36. 38) ebd. 2841,71–2842,4. 113 Doutreleau, SC 7bis, 77 („graˆce au Seigneur qui nous re´ve`le la science de sa parole“), und Heine, FaCh 71, 72, fassen den Ablativus absolutus kausal auf. 114 Doutreleau, SC 7bis, 76 Anm. 2, schreibt mit den Hss. Er nidos et nidos (vgl. Kap. 5: nidi uero et nidi; Kap. 6: nidos in ea et nidos). 115 Zu diesem Gebrauch von colligere vgl. ThLL III, 1619,64–1620,4. 116 Das einfache ea am Satzende ist unverständlich (auf inferiora und superiora kann es sich nicht beziehen; von ihnen ist ja erst hier die Rede). Ich lese mit der Vulgata in ea.

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Homilia II

Primo ergo quaeritur, qualem oporteat habitum ipsum et formam arcae intellegi. Quam ego puto, quantum ex his, quae describuntur, apparet, quattuor angulis ex imo consurgentem eisdemque paulatim usque ad summum in angustum attractis in spatium unius cubiti fuisse conlectam. Sic enim refertur, quod in fundamentis eius trecenti cubiti in longitudine, in latitudine uero quinquaginta sunt positi, triginta autem in altitudine aedificati, sed conlecta in cacumen angustum, ita ut cubitus sit latitudinis et longitudinis eius. Iam uero intrinsecus ea quidem, quae dicuntur eius inferiora, bicamerata ponuntur, id est habitationem duplicem continentia, superiora uero tricamerata, ueluti si dicamus triplicibus constructa cenaculis. Sed haec habitationum distinctiones ad hoc factae uidentur, ut secerni per singulas mansiones diuersa animalium uel bestiarum genera facilius possint et a bestiis feris mansueta quaeque et ignaua seiungi. Istae ergo habitationum discretiones nidi appellantur. Quadrata uero ligna fuisse referuntur, quo et facilius alterum alteri possit aptari et inundante diluuio totus aquarum prohiberetur incursus, cum intrinsecus et extrinsecus oblita bitumine iunctura muniretur. Traditum sane nobis est, et non absque uerisimilitudine, quod inferiora (quae supra diximus constructa dupliciter, quae et separatim bicamerata appellata sunt exceptis superioribus, quae tricamerata dicuntur) ob hunc modum fuisse duplicia, quoniamquidem annum integrum fecerunt omnia animalia in arca, et utique in totum annum necesse erat prouideri cibos et non solum cibos, uerum et digestionum constitui loca, quo neque ipsa animalia, praecipue tamen homines, fimi fetore uexarentur. Tradunt ergo quod inferior regio ipsa, quae in fundo est, ad huiuscemodi necessitates mancipata sit et excepta, huic autem superior [et] contigua conseruandis pabulis deputetur. Etenim necessarium uidebatur ut his bestiis, quibus natura uesci carnibus dedit, introducta sint extrinsecus animalia, quorum uescentes carnibus conseruare uitam posteritatis reparandae gratia ualerent, aliis uero alia, quae naturalis usus deposcit, seruarentur alimenta. In hos ergo usus inferiores partes, quae bicameratae dicuntur, tradunt fuisse distinctas, superiores uero

117 An dieser Stelle setzt das griechisch erhaltene Fragment ein, das in zwei Fassungen in den Genesiskatenen und im Genesiskommentar des Prokop von Gaza überliefert ist: siehe oben S. 64 Anm. 110. 118 Nämlich „der großen Mehrheit“ (s.o.). 119 Wörtlich: „auf das Maß einer einzigen Elle verengte“. – Zum Nachwirken dieser Beschreibung im Genesiskommentar des Claudius von Turin (9. Jh.) vgl. PL 50, 926f.; Baehrens, Überlieferung und Textgeschichte 77f. 120 Laut Doutreleau, SC 7bis, 79 Anm. 3, ist der Konjunktiv sint positi nicht notwendig. 121 Die Dublette animalium uel bestiarum dürfte auf Rufinus zurückgehen (im griechischen Fragment heißt es taÁ zv Äì a).

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Die erste Frage118 lautet nun, wie man sich Erscheinungsbild und Gestalt der Arche vorzustellen hat. Ich vermute, soweit dies aus der Beschreibung deutlich wird, dass sie sich von der Grundfläche aus mit vier Kanten erhob und sich mit eben diesen vier Kanten, die bis zum First allmählich zusammenliefen, auf eine Fläche von je einer Elle Kantenlänge verengte.119 So wird es nämlich berichtet, dass man ihren Boden dreihundert Ellen lang und fünfzig Ellen breit anlegte, sie aber dreißig Ellen in die Höhe zog;120 sie lief aber in einen so engen First zusammen, dass dessen Länge und Breite eine Elle betrugen. Im Innern aber wird das, was ihr Unterdeck genannt wird, zweistöckig angelegt, das heißt es enthält eine doppelte Ebene, das Oberdeck aber dreistöckig, als sagten wir, es sei mit drei Etagen ausgestattet. Diese Trennung der Ebenen scheint aber zu dem Zweck gemacht, dass sich die verschiedenen Tier- oder Raubtierarten121 leichter auf die einzelnen Behausungen verteilen und all die zahmen und schwachen Tiere von den wilden Raubtieren trennen lassen. Diese separaten Wohnungen nennt man also Nischen. Es wird aber berichtet, dass die Hölzer Kanthölzer waren, damit sich das eine leichter mit dem anderen verbinden lasse und bei steigender Flut jedes Eindringen der Wasser verhindert werde, weil die Fugen, innen wie außen mit Teer verpicht, gesichert wurden. Eine Tradition erzählt uns nun,122 und nicht ohne Wahrscheinlichkeit, dass das Unterdeck, von dem wir oben berichteten, dass es zweiteilig gebaut war, und das seinerseits zweistöckig genannt wurde (anders als das Oberdeck, das als dreistöckig bezeichnet wird), aus dem Grund zweiteilig war, weil ja alle Tiere ein ganzes Jahr in der Arche verbrachten und es in der Tat notwendig war, für ein ganzes Jahr Nahrungsmittel unterzubringen, und nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Räumlichkeiten für die Ausscheidungen vorzusehen, damit die Tiere, besonders aber die Menschen nicht unter dem Gestank des Kots zu leiden hätten. Man berichtet also, der untere Bereich des Unterdecks, der im Kielraum liegt, sei für derlei Bedürfnisse bestimmt und reserviert123 gewesen, der an ihn angrenzende höhere aber sei für die Aufbewahrung des Futters auserkoren worden. Denn es schien notwendig, für die Raubtiere, die sich naturgemäß von Fleisch ernähren, von draußen Tiere an Bord zu bringen, damit sie deren Fleisch verzehrten und so imstande wären, um der Nachkommenschaft willen, die es zu erneuern galt, ihr Leben zu erhalten, für die anderen Tiere aber andere Nahrungsmittel einzulagern, wie ihre natürlichen Bedürfnisse es erfordern.124 Für diese Zwecke war der Überlieferung zufolge also der untere Bereich einge122 Origenes spielt hier wohl auf jüdische Genesiskommentare oder auf mündliche Überlieferungen an. 123 Mancipata et excepta ist Dublette des Rufinus (im griech. Fragment aÆpeteÂtakto). 124 Vgl. Augustinus, civ. XV 27 (II p. 119 Dombart/Kalb5); quaest. in Hept. I 7 (CChr.SL 33, 4).

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Homilia II

ad habitaculum bestiis uel animalibus deputatas, in quibus inferiores quidem feris et inmitibus bestiis uel serpentibus habitaculum praebuisse, his uero contigua in superioribus loca mitioribus animantibus stabula fuisse. Supra omnia uero in excelso hominibus sedem locatam, utpote qui et honore et ratione cuncta praecellant, ut, sicut ratione et sapientia principatum gerere supra omnia, quae in terris sunt, dicitur homo, ita etiam loco excelsiore et supra omnes animantes, quae in arca sunt, conlocatus sit. Tradunt autem etiam ostium, quod ex latere factum dicitur, eo loci fuisse, ut inferiora, quae dixit bicamerata, infra se haberet, et, quae dixit tricamerata superiora, a loco ostii appellata sint et inde ingressa uniuersa animalia per sua quaeque loca, secundum quae supra diximus, congrua discretione dirempta sint. Verum ostii ipsius munimen non iam humanis rationibus adinpletur. Quomodo enim posteaquam clausum est et nullus hominum extra arcam fuit, bituminari extrinsecus ostium potuit, nisi quia diuinae uirtutis sine dubio opus fuit, ne ingrederentur aquae per aditum, quem humana non munierat manus? Propterea ergo scriptura, cum de ceteris omnibus dixisset, quia fecit arcam Noe et introduxit animalia et filios et uxores eorum, de ostio non dixit, quia Noe clausit ostium arcae, sed ait quia: „Clausit Dominus Deus deforis ostium arcae, et sic factum est diluuium.“ a Obseruandum tamen est, quod post diluuium non dicitur Noe aperuisse ostium, sed „fenestram“, b cum „emisit coruum, ut uideret, utrum cessasset aqua super terram“. c Quod autem cibum intulerit Noe in arcam omnibus animalibus uel bestiis, quae cum eo introierunt, audi ex his, quae Dominus dicit ad Noe: „Tu“, inquit, „accipe tibi ipsi ab omnibus escis, quae eduntur, et congregabis ad temet ipsum, et erunt tibi et ipsis ad edendum.“ d Quod autem fecit Noe ea, quae praecepit ei Dominus, audi scripturam dicentem: „Et fecit“, inquit, „Noe omnia, quae praecepit ei Dominus Deus, sic fecit.“ e Sane quod de locis, quae diximus ad fimum animalium separata, scriptura nihil retulit, sed traditio tenet, opportune uidebitur super hoc habitum esse silentium, de quo sufficienter consequentiae ipsius ratio doceret. Et quia ad spiritalem intellegentiam minus digne poterat aptari, merito ergo scriptura siluit de hoc, quae magis narrationes suas intellectibus allegoricis coaptat. Verumtamen a

Gen. 7,16f.

b

Gen. 8,6

c

Gen. 8,8

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Gen. 6,21

125 Zu bestiis uel animalibus vgl. oben S. 66 Anm. 121.

e

Gen. 6,22

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Homilie 2,1

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teilt, der zweistöckig heißt; der obere Bereich aber war als Behausung für die Raubtiere beziehungsweise Tiere125 vorgesehen, wobei dessen untere Etage den wilden und grimmigen Raubtieren beziehungsweise Schlangen Unterkunft geboten habe, die an sie angrenzenden Räumlichkeiten hingegen in der darüberliegenden Etage hätten den zahmeren Lebewesen als Stallungen gedient. Über ihnen allen aber, auf der höchsten Ebene, habe sich die Wohnung für die Menschen befunden, die ja auch an Rang und Vernunft alles überragen, damit der Mensch, von dem es heißt, dank seiner Vernunft und Weisheit herrsche er über alles, was auf Erden ist, entsprechend auch in seiner Position erhöht und über alle Lebewesen in der Arche gestellt sei. Die Tradition besagt aber auch, der Eingang, von dem es heißt, er sei an der Seite angelegt worden, habe so gelegen, dass er das Unterdeck, das die Schrift zweistöckig nannte, unter sich habe, und das Oberdeck, das sie dreistöckig nannte, aufgrund der Position des Eingangs Oberdeck genannt werde und sämtliche an Bord gegangenen Lebewesen von dort aus in füglicher Trennung auf ihre jeweiligen Unterkünfte (gemäß dem, was wir eben dargelegt haben) verteilt würden. Den Schutz des Eingangs aber bewerkstelligen keine menschlichen Mittel mehr. Denn wie hätte der Eingang, nachdem er geschlossen und kein Mensch mehr außerhalb der Arche war, von außen verpicht werden können, wenn nicht zweifelsohne göttliche Macht am Werk war, damit kein Wasser durch eine Öffnung eindringe, die keine Menschenhand geschützt hatte? Deshalb also sagte die Schrift, nachdem sie bei allem anderen gesagt hatte, dass Noah die Arche baute und die Tiere und seine Söhne und deren Frauen hineinführte, beim Eingang nicht, dass Noah den Eingang der Arche schloss, sondern sie sagt, dass „Gott, der Herr, den Eingang der Arche von außen schloss, und so geschah die Flut“.a Es gilt aber zu beachten, dass es nach der Flut nicht heißt, Noah habe den Eingang geöffnet, sondern eine „Luke“,b als er „den Raben aussandte, um zu sehen, ob das Wasser auf Erden gewichen sei“.c Dass aber Noah für alle Tiere oder Raubtiere, die mit ihm an Bord gingen, Nahrung in die Arche brachte, entnimm dem, was der Herr zu Noah spricht: „Du“, heißt es, „nimm dir von allen Speisen, die verzehrt werden, und du wirst sie bei dir sammeln, und sie werden dir und ihnen als Zehrung dienen.“d Dass aber Noah tat, was ihm der Herr auftrug, entnimm der Schrift, die sagt: „Und Noah tat alles, was Gott der Herr ihm auftrug; so tat er es.“e Da die Schrift von den Räumen, von denen wir sagten, sie seien für den Kot der Lebewesen reserviert gewesen, nichts berichtet hat, sondern die Überlieferung an sie erinnert, wird es gewiss angemessen erscheinen, dass über Dinge Stillschweigen gewahrt wurde, über die folgerichtiges Nachdenken hinreichend Aufschluss gab. Und da sie sich für ein geistiges Verständnis kaum würdevoll aufbereiten ließen, schwieg die Schrift, die ihre Erzählungen mehr auf eine allegorische Deutung ausrichtet, folglich zurecht

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Homilia II

quantum ad necessitatem pluuiarum et diluuii spectat, nulla potuit tam conueniens et congrua arcae species dari quam ut e summo uelut e tecto quodam in angustum culmen educto diffunderet imbrium ruinas, et ima in aquis quadrata stabilitate consistens nec inpulsu uentorum nec inpetu fluctuum nec inquietudine animalium, quae intrinsecus erant, aut inclinari posset aut mergi. 2. Sed his omnibus tanta arte conpositis obiciunt quidam quaestiones et praecipue Apelles, qui fuit discipulus quidem Marcionis, sed alterius haereseos magis quam eius, quam a magistro suscepit, inuentor. Is ergo, dum adsignare cupit scripta Moysi nihil in se diuinae sapientiae nihilque operis sancti Spiritus continere, exaggerat huiusmodi dicta et dicit nullo genere fieri potuisse, ut tam breue spatium tot animalium genera eorumque cibos, qui per totum annum sufficerent, capere potuisset. Cum enim „bina bina“ a ex inmundis animalibus, hoc est bini masculi et feminae binae – hoc enim indicat sermo repetitus –, ex mundis uero „septena septena“, b quod est paria septena, in arcam dicantur inducta, quomodo, inquit, fieri potuit istud spatium, quod scriptum est, ut quattuor saltem solos elephantes capere potuerit? Et posteaquam per singulas species hoc modo refragatur, addit super omnia his uerbis: Constat ergo fictam esse fabulam; quod si est, constat non esse hanc a Deo scripturam. Sed ad haec nos, quae a prudentibus uiris et Hebraicarum traditionum gnaris atque a ueteribus magistris didicimus, ad auditorum notitiam deferemus. Aiebant ergo maiores quod Moyses, qui, ut de eo scriptura testatur, omni sapientia Aegyptiorum fuerat eruditus, c secundum artem geometricam, qua praecipue Aegyptii callent, cubitorum numerum in hoc loco posuit. Apud geometras enim secundum eam rationem, quae apud eos uirtus uocatur, ex solido et quadrato uel in sex cubitos unus deputatur, si genea

Gen. 6,19

b

Gen. 7,2

c

vgl. Apg. 7,22

126 Die ambivalente Wendung zielt sowohl auf den Bericht („abgefasst“) als auch auf die Arche („gebaut“). 127 Apelles, der gestorben sein dürfte, als Origenes noch ein Kind war, galt als wichtigster Schüler Markions. Der oben paraphrasierte Gedanke dürfte aus seinen Syllogismen stammen, einer Blütenlese philologischer Widersprüche im Alten Testament in den Fußspuren Markions. Mit der „anderen Häresie, größer als die“ seines Lehrers, ist wohl seine Vorstellung gemeint, die Schöpfung sei das Werk eines untergeordneten Prinzips, das Alte Testament das eines gefallenen Engels; vgl. Cels. V 54 (GCS Orig. 2, 58); Hippolyt, haer. VII 26 (GCS Hippol. 3, 204f.); Eusebius,

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davon. Was aber die Gewalt der Regengüsse und der Überschwemmung angeht, so konnte die Arche keine passendere und angemessenere Form erhalten, als dass sie von ihrem Scheitel aus wie von einem in einen spitzen First hochgezogenen Dach die Wolkenbrüche zerstreute und zugleich unten mit einem festgefügten Viereck sicher in den Fluten stand und weder vom Peitschen der Winde noch vom Ungestüm der Wogen noch durch die Unrast der Tiere in ihrem Innern zum Kentern oder Sinken gebracht werden konnte. 2. Doch obgleich all dies mit so viel Kunst gestaltet ist,126 werfen gewisse Kreise Fragen auf, namentlich Apelles, der ein Schüler Markions war, jedoch Erfinder einer anderen Häresie, größer als die, die er von seinem Lehrer übernahm.127 Indem er sich also müht nachzuweisen, dass Moses Schriften keinerlei göttliche Weisheit und keinerlei Wirkkraft des Heiligen Geistes in sich trügen, übertreibt er die entsprechenden Ausführungen und sagt, es sei völlig unmöglich gewesen, dass ein so enger Raum so viele Tierarten samt deren Nahrung, die für ein ganzes Jahr reichen sollte, hätte aufnehmen können. Da es nämlich heißt, von den unreinen Tieren würden „ein Paar und ein Paar“,a das heißt je zwei Männchen und zwei Weibchen (das nämlich zeigt die Wortwiederholung an), von den reinen aber „je sieben und je sieben“,b das heißt sieben Paare, in die Arche gebracht, fragt er, wie es hätte möglich sein können, dass dieser Raum, wie er beschrieben wird, auch nur vier Elefanten hätte aufnehmen können. Und nachdem er Tierart für Tierart in dieser Weise Einwände erhebt, fügt er diesen Worten zu alledem hinzu: Es steht also fest, dass die Geschichte erfunden ist; ist dem aber so, steht fest, dass diese Schrift nicht von Gott stammt. Doch als Antwort darauf werden wir unseren Hörern zur Kenntnis bringen, was wir von klugen, in den hebräischen Lehrtraditionen bewanderten Männern und von alten Lehrern gelernt haben.128 Die Alten sagten nun, Mose, der, wie die Schrift von ihm bezeugt, in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen worden war,c habe an dieser Stelle die Zahl der Ellen gemäß der geometrischen Wissenschaft festgelegt, in der sich vornehmlich die Ägypter auszeichnen.129 Denn laut der Rechenart, die bei ihnen Potenz heißt, steht bei den Geometrikern bei Körpern und Flächen eine Elle für sechs Ellen, wenn einfach, oder für dreihundert Ellen, wenn hochgradig hist. eccl. V 13 (GCS Eus. 2/1, 454–458). Von seinen Schriften haben sich nur Bruchstücke erhalten. Siehe Greschat, Apelles 17–134 (zur vorliegenden Stelle ebd. 67f.). – Zum folgenden Abschnitt vgl. insgesamt Origenes, Cels. IV 41 (GCS Orig. 1, 314f.). 128 Hier nennt Origenes seine Gewährsmänner offen (siehe auch oben S. 64 Anm. 111). 129 Vgl. Augustinus, quaest. in Hept. I 4 (CChr.SL 33, 3); civ. XV 27 (II p. 117 Dombart/Kalb5). Dass die Geometrie aus Ägypten stamme, war in der Antike ein verbreiteter Gedanke; vgl. u.a. Herodot II 109; Aristoteles, met. 981 b 23; Strabon XVII 3; Proklos, in element. Eucl. comm. prol. II (p. 64 Friedlein).

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raliter, uel in trecentos, si minutatim deducitur. Quae utique ratio si obseruetur, in huius arcae mensura inuenientur et longitudinis et latitudinis tanta spatia, quae uere totius mundi reparanda germina et uniuersorum animantium capere potuerint rediuiua seminaria. Haec, quantum ad historiae pertinet rationem, aduersum eos dicta sint, qui inpugnare scripturas ueteris testamenti nituntur tamquam inpossibilia quaedam et inrationabilia continentes. 3. Nunc uero iam deprecantes eum prius, qui solus potest de lectione ueteris testamenti auferre uelamen, a temptemus inquirere, quid etiam spiritalis aedificationis contineat magnifica haec arcae constructio. Puto ergo, ut ego pro paruitate sensus mei assequi possum, quod illud diluuium, quo paene finis tunc datus est mundo, formam teneat finis illius qui uere futurus est mundi. Quod et ipse Dominus pronuntiauit dicens: „Sicut enim in diebus Noe emebant, uendebant, aedificabant, nubebant, et nuptum tradebant, et uenit diluuium, et perdidit omnes: Ita erit et aduentus Filii hominis.“ b In quo euidenter unam eandemque formam diluuii, quod praecessit, et finis mundi, quem uenturum dicit, designat. Sicut ergo tunc dictum est ad illum Noe, ut faceret arcam et introduceret in eam secum non solum filios et proximos suos, uerum etiam diuersi generis animalia, ita etiam ad nostrum Noe, qui uere solus iustus et solus perfectus c est, Dominum Iesum Christum in consummatione saeculorum dictum est a Patre, ut faceret sibi arcam ex lignis quadratis et mensuras ei daret caelestibus sacramentis repletas. Hoc enim designatur in psalmo, ubi dicit: „Pete a me, et dabo tibi gentes hereditatem tuam, et possessionem tuam terminos terrae.“ d a

vgl. 2 Kor. 3,14–16

b

Luk. 17,26f.; Mt. 24,37–39

c

vgl. Gen. 6,9

d

Ps. 2,8

130 Der irritierenden Wendung ex solido et quadrato (wörtl. „bei einem festen Körper und einem Viereck“) entspricht in der griechischen Fassung tetragvÂnoy (vgl. quadrato); solido scheint also Rufins Ergänzung zu sein. Augustinus zitiert Rufins Fassung, wenn er meint, Origenes berechne die Größe der Arche mittels der geometrischen Elle; quaest. in Hept. I 7 (CChr.SL 33, 4); vgl. civ. XV 27 (II p. 119 Dombart/ Kalb5): Eine geometrische Elle entspreche sechs gewöhnlichen Ellen. Von speziellen „ägyptischen (genauer: Thebanischen) Ellen“ bei den Maßen der Arche spricht bereits die rabbinische Exegese (GenRab 31,10; Neusner, Genesis Rabbah). – Die Lesart deducitur ist vorzuziehen; deducatur ist wohl Echo von deputatur. 131 Im griechischen Text heißt es, die angegebenen Maße bezögen sich auf die „Potenz der Fläche“ (dyÂnamiw tetragvÂnoy), mit anderen Worten: Sie seien im Quadrat zu nehmen bzw. mit sich selbst zu multiplizieren. Demnach maß die Arche in der Länge 90.000, in der Breite 2.500 und in der Höhe 900 Ellen (rund 45 x 1,25 x 0,45

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Homilie 2,2–3

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komprimiert wird.130 Wendet man nun diese Rechenart an, wird man in den Maßen dieser Arche in Länge wie Breite solche Größenverhältnisse entdecken, dass sie tatsächlich die Keime der gesamten zu erneuernden Welt, die Samen sämtlicher wieder lebendig werdender Lebewesen aufzunehmen vermochten.131 Dies, soweit es die historische Lesart betrifft, sei gegen die vorgebracht, die die Schriften des Alten Testaments anzugreifen suchen, als enthielten sie Unmögliches und Widersinniges.132 3. Nun aber wollen wir, die wir zuvor ihn anflehen, der allein beim Studium des Alten Testaments den Schleier fortzuziehen vermag,a zu erforschen suchen, was das großartige Werk dieser Arche auch an geistiger Erbauung enthält. Ich glaube also, soweit ich es in der Geringheit meines Geistes zu begreifen vermag, dass jene Flut, die damals der Welt beinahe das Ende brachte, die Gestalt jenes Weltendes enthält, das wirklich kommen wird. Der Herr selbst verkündete es mit den Worten: „Denn wie sie in den Tagen Noahs kauften und verkauften, bauten, heirateten und verheirateten, und es kam die Flut und vernichtete alle, so wird auch die Ankunft des Menschensohnes sein.“b Hier setzt er eindeutig die Gestalt der Flut, die vorausgegangen war, mit der des Weltendes gleich, von dem er sagt, es werde kommen. Wie also damals zu jenem Noah gesagt wurde, er solle die Arche bauen und nicht allein seine Söhne und Verwandten mit sich an Bord nehmen, sondern auch Tiere der verschiedenen Arten, so wurde auch zu unserem Noah, der wahrhaftig allein gerecht und allein vollkommenc ist, dem Herrn Jesus Christus, bei der Vollendung der Zeiten133 vom Vater gesagt, er solle sich aus Kanthölzern eine Arche bauen und ihr Maße geben, die erfüllt seien von himmlischen Geheimnissen. Darauf wird nämlich in dem Psalm angespielt, wo es heißt: „Fordere von mir, und ich werde dir die Völker als dein Erbe geben, und als deinen Besitz die Grenzen der Erde.“d

km). Dieselbe Rechnung macht Origenes auch Cels. IV 41 (GCS Orig. 1, 314) und spricht von einer „Konstruktion, die einer sehr großen Stadt gleiche“. Warum Rufinus die Maße verschweigt, die Origenes errechnet, muss offenbleiben. Muteten sie ihn zu märchenhaft an? Vgl. zur Stelle auch Ciccarese, Omelia II 59f. – Reparanda (wörtl. „die wiederherzustellenden Keime der gesamten Welt“) und rediuiua (wörtl. „die wieder lebendig gewordenen Samen sämtlicher Lebewesen“) stehen in Enallage. 132 Gelegentlich räumt Origenes ein, dass ein wörtliches Verständnis mancher Bibelpassagen unmöglich sei, vgl. in Gen. hom. 2,6 (GCS Orig. 6, 36f.); princ. IV 2,9 (GCS Orig. 5, 321). 133 Das Ende der Zeiten ist in Origenes’ Eschatologie mit Jesu Menschwerdung angebrochen (weniger wahrscheinlich ist, dass er damit das „Ende der vorchristlichen Jahrhunderte“ meint). Vgl. auch in Gen. hom. 15,5 (GCS Orig. 6, 134): „Am Ende der Zeiten (stieg) sein einziger Sohn für das Heil der Welt bis in die Hölle hinab.“

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Homilia II

Construit ergo arcam et facit in ea nidos, id est promptuaria quaedam, quibus diuersi generis animalia recipiantur. De quibus et propheta dicit: „Perge, populus meus, intra in promptuaria tua, absconde te parumper, donec transeat furor irae meae.“ a Confertur ergo populus hic, qui saluatur in ecclesia, illis omnibus siue hominibus siue animalibus, quae saluata sunt in arca. Verum quoniam non est omnium unum meritum nec unus in fide profectus, idcirco et arca illa non unam praebet omnibus mansionem, sed bicamerata sunt inferiora et tricamerata superiora, et nidi distinguuntur in ea, ut ostendat quia et in ecclesia, licet omnes intra unam fidem contineantur atque uno baptismate diluantur, non tamen unus omnibus atque idem profectus est, „sed unusquisque in suo ordine“. b Hi quidem, qui per rationabilem scientiam uiuunt et idonei sunt non solum semet ipsos regere, sed et alios docere, c quoniam ualde pauci inueniuntur, paucorum, qui cum ipso Noe saluantur et proxima ei propinquitate iunguntur, tenent figuram, sicut et Dominus noster, uerus Noe, Christus Iesus, paucos habet proximos, paucos filios et propinquos, qui uerbi eius participes sunt et sapientiae capaces. Et hi sunt, qui in summo gradu positi sunt et in summitate arcae conlocantur. Ceterum multitudo inrationabilium animalium uel etiam bestiarum in inferioribus locis habetur, et eorum maxime, quorum feritatis saeuitiam nec fidei dulcedo molliuit. Superiores uero aliquantulo ab his sunt, qui licet minus rationis, plurimum tamen simplicitatis innocentiaeque custodiunt. Et sic per singulos habitationum gradus ascendentibus peruenitur ad ipsum Noe, qui interpretatur ,requies‘ uel ,iustus‘, qui est Christus Iesus. Neque enim in illum Noe conuenit, quod dicit Lamech pater eius: „Hic enim“, inquit, „requiem dabit nobis ab operibus et a tristitiis manuum nostrarum et a terra, quam maledixit Dominus Deus.“ d Quomodo enim uerum erit quod ille Noe requiem dederit illi Lamech uel populo, qui tunc habebatur in terris, uel quomodo a tristitiis et labore cessatum est temporibus Noe uel quomodo ablatum est maledictum terrae, quod dederat Dominus, ubi potius et iracundia diuina maior ostenditur et refertur dicere Deus quia „poenitet me quod feci hominem super terram“, e et iterum dicit: „Deleam omnem a

Jes. 26,20

b

1 Kor. 15,23

c

vgl. 2 Tim. 2,2

d

Gen. 5,29

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vgl. Gen. 6,6

134 Die typologische Auslegung der Arche als Kirche findet sich bereits im 2. Jahrhundert; vgl. Tertullian, idol. 24,4 (CChr.SL 2, 1124); Hippolyt, haer. IX 12,23 (GCS Hippol. 3, 250). 135 Zum christlichen Gebrauch von diluo für „taufen“ vgl. ThLL V/1, 1190,22–31. 136 Origenes denkt hier wohl v.a. an die Apostel. 137 Die Etymologie biblischer Eigennamen spielt in der jüdischen und frühchristlichen Exegese eine Schlüsselrolle. Zu Noah als ,Ruhe‘ vgl. Philon, leg. all. III 24 (I p. 118 Cohn/Wendland); Abr. 5 (IV p. 7); Wutz, Onomastica sacra 102. 115; Grabbe, Etymology 192f. Diese Deutung geht letztlich auf Gen. 5,29 zurück.

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Er baut also die Arche und legt in ihr Nischen an, das heißt eine Art Kammern, in denen Lebewesen der verschiedenen Arten Aufnahme finden sollten. Die erwähnt auch der Prophet: „Auf, mein Volk, hinein in deine Kammern, verbirg dich eine Weile, bis das Rasen meines Zorns vorübergeht.“a Dieses Volk, das in der Kirche gerettet wird, wird also mit all jenen verglichen, Menschen wie Tieren, die in der Arche gerettet wurden.134 Doch weil es nicht für alle einen Verdienst und einen Fortschritt im Glauben gibt, deshalb stellt jene Arche auch nicht allen eine Wohnung zur Verfügung, sondern das Unterdeck ist zweistöckig und das Oberdeck dreistöckig, und Nischen werden in ihr unterteilt, um zu zeigen, dass ebenso in der Kirche, auch wenn alle von dem einen Glauben umfangen und von der einen Taufe abgewaschen werden,135 trotzdem nicht alle ein und denselben Fortschritt im Glauben machen, „sondern ein jeder an seinem Platz“.b Die, die in vernünftiger Einsicht leben und imstande sind, nicht allein sich selbst zu leiten, sondern auch andere zu unterweisen,c erfüllen aufgrund ihrer sehr geringen Zahl die Sinnfigur der wenigen, die mit Noah gerettet werden und ihm in engster Verwandtschaft verbunden sind, wie auch unser Herr, der wahre Noah, Christus Jesus, nur wenige Vertraute hat, wenige Söhne und Verwandte, die an seinem Wort teilhaben und sich seiner Weisheit gewachsen zeigen.136 Sie sind auf die höchste Stufe gestellt und ganz oben in der Arche untergebracht. Die Menge der unvernünftigen Tiere oder auch Raubtiere hingegen wird unter Deck gehalten, vornehmlich die, deren wilde Natur nicht einmal die Süße des Glaubens besänftigt hat. Ein weniges über ihnen aber sind die untergebracht, die sich, auch wenn es ihnen an Vernunft gebricht, gleichwohl in höchstem Maße Einfalt und Unschuld bewahren. Steigt man so durch die verschiedenen Wohnebenen empor, gelangt man zu Noah selbst, der als ,Ruhe‘ oder als ,der Gerechte‘ gedeutet wird137 und der Christus Jesus ist. Denn nicht auf jenen alten Noah trifft zu, was sein Vater Lamech sagt: „Er nämlich“, heißt es, „wird uns Ruhe schenken von den Mühen und von der trübseligen Arbeit unserer Hände und von der Erde, die Gott, der Herr, verflucht hat.“d Denn wie könnte es wahr werden,138 dass jener alte Noah dem Lamech oder dem Volk, das damals auf Erden weilte,139 Ruhe schenkte, oder wie rastete man zu Noahs Zeiten nach Trübsal und Arbeit, oder wie wurde der Fluch aufgehoben, den der Herr über die Erde verhängt hatte, wo doch vielmehr dargelegt wird, wie der göttliche Zorn wächst, und erzählt wird, wie Gott sagt: „Es reut mich, dass ich den Menschen auf Erden schuf“,e und weiter sagt: „Alles Fleisch will ich

138 Das Futur (erit) greift das Futur in dem Genesis-Zitat auf. 139 Zu diesem Gebrauch von habere vgl. ThLL VI, 2430,59–76; 2431,53–69; OLD s.v. 13b.

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carnem, quae est super terram“, a et super omnia summae offensae indicium interitus uiuentium datur? Si uero respicias ad Dominum nostrum Iesum Christum, de quo dicitur: „Ecce agnus Dei, ecce qui tollit peccatum mundi“, b et iterum de quo dicitur: „Factus pro nobis maledictum, ut nos de maledicto legis redimeret“, c et iterum cum dicit: „Venite ad me qui laboratis et onerati estis, et ego reficiam uos, et inuenietis requiem animabus uestris“, d inuenies hunc esse, qui uere requiem dedit hominibus et liberauit terram de maledicto, quo maledixit ei Dominus Deus. Huic ergo spiritali Noe, qui requiem dedit hominibus et tulit peccatum mundi, dicitur: „Facies tibi arcam ex lignis quadratis.“ e 4. Videamus ergo quae sunt quadrata ligna. Quadratum est quod nulla uacillat ex parte, sed quocumque uerteris, fida et solida stabilitate consistit. Ista sunt ligna, quae omne pondus uel animalium intrinsecus uel fluctuum extrinsecus ferunt. Quos ego arbitror doctores esse in ecclesia et magistros atque aemulatores fidei, qui et populos intrinsecus positos uerbo conmonitionis et doctrinae gratia consolantur et inpugnantibus extrinsecus uel gentilibus uel haereticis et quaestionum fluctus ac procellas certaminum conmouentibus uirtute uerbi ac sapientia rationis obsistunt. Vis autem uidere quod ligna rationabilia nouit scriptura diuina? Recenseamus quid apud Ezechielem prophetam scriptum est: „Et factum est“, inquit, „in undecimo anno tertio mense una die mensis, factum est uerbum Domini ad me dicens: Fili hominis, dic ad Pharaonem regem Aegypti et ad multitudinem eius: Cui te similem facis in exaltatione tua? Ecce, Assur cypressus in Libano, speciosus ramis et condensus umbraculis et excelsus in altitudine. Inter medias nubes factum est cacumen eius, aqua enutriuit eum et abyssus exaltauit eum et adduxit omnia flumina sua circa eum et congregationes suas emisit ad omnia ligna campi. Propterea exaltata est altitudo eius super omnia ligna campi.“ f Et post pauca dicit: „Cypressi multae in paradiso Dei et pini non sunt similes ramis eius, et abietes non fuerunt similes eis. Omne lignum in paradiso Dei non adsimilatum est ei, et zelata sunt eum omnia ligna paradisi deliciarum Dei.“ g Animaduertis de quibus uel qualibus lignis dicat propheta? Quomodo b vgl. Gen. 6,7.13 Joh. 1,29 g 31,1–5 Ez. 31,8f.

a

c

Gal. 3,13

c

Mt. 11,28f.

c

Gen. 6,14

f

Ez.

140 Heine, FaCh 71, 79 Anm. 25, liest mit den Hss. Pg delebo. 141 Doutreleau, SC 7bis, 94f. Anm. 1, will in den drei Begriffen doctores, magistros und aemulatores fidei eine Hierarchie christlichen Unterrichts entdecken, die von den aemulatores zu den doctores führe. 142 Siehe S. 60 Anm. 101. Gerade in dieser Predigt dominiert die persönliche Anrede.

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vernichten,140 das auf Erden ist“,a und vor allem die Vernichtung der Lebenden den Beweis höchster Ungnade liefert? Denkt man jedoch an unseren Herrn Jesus Christus, von dem es heißt: „Siehe, das Lamm Gottes, siehe, das hinwegnimmt die Sünde der Welt“,b von dem es ferner heißt: „Für uns zum Fluch geworden, damit er uns loskaufe vom Fluch des Gesetzes“,c und der seinerseits sagt: „Kommt zu mir, die ihr Mühsal leidet und beladen seid, und ich will euch erquicken, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“,d wird man entdecken, dass er es ist, der den Menschen wahrhaftig Ruhe geschenkt und die Erde vom Fluch befreit hat, den Gott der Herr über sie verhängte. Zu diesem geistigen Noah also, der den Menschen Ruhe geschenkt und die Sünde der Welt hinweggenommen hat, wird gesagt: „Du wirst dir eine Arche bauen aus Kanthölzern.“e 4. Wir wollen also klären, was Vierkanthölzer sind. Vierkantig ist etwas, das nach keiner Seite nachgibt, sondern, wohin auch immer man es dreht, in verlässlicher und unerschütterlicher Festigkeit standhält. Das sind die Hölzer, die allem Gewicht standhalten, dem der Lebewesen drinnen wie dem der Fluten draußen. Meines Erachtens sind das die Lehrer in der Kirche, die Häupter und die Eiferer des Glaubens,141 die die Leute im Inneren mit dem Wort der Erquickung und der Wohltat der Unterweisung trösten und den von draußen angreifenden Heiden oder Häretikern, die die Fluten der Streitfragen und die Stürme der Glaubensdispute aufrühren, mit der Gewalt des Wortes und der Weisheit der Vernunft Widerstand leisten. Willst du dich aber vergewissern,142 dass die göttliche Schrift vernunftbegabte Bäume kennt? Prüfen wir, was bei dem Propheten Ezechiel geschrieben steht: „Und ergangen ist“, heißt es, „im elften Jahr, im dritten Monat, am ersten Tag des Monats, ergangen ist das Wort des Herrn, das zu mir spricht: Menschensohn, sprich zu Pharao, dem König Ägyptens, und zu seinem Gefolge: Wem stellst du dich gleich in deiner Erhabenheit? Schau, Assur war eine Zeder143 auf dem Libanon, wohlgestaltet an Ästen, reich an Schatten und erhaben an Höhe. Mitten in die Wolken ragte ihr Wipfel, das Wasser machte sie groß und der Abgrund erhöhte sie und ließ all seine Ströme rings um sie emporquellen und leitete seine Gewässer zu allen Bäumen des Feldes. Deshalb erhob sich ihre Höhe über alle Bäume des Feldes.“f Wenig später sagt er: „Die vielen Zedern im Garten Gottes und die Pinien gleichen nicht ihren Ästen, und die Tannen glichen ihnen nicht. Kein Baum im Garten Gottes war ihr gleich, und alle Bäume des Gartens der Lustbarkeiten Gottes waren eifersüchtig auf sie.“g 144 Merkst du, von welchen oder was für Bäumen der 143 Oder „Schau, eine assyrische Zeder“. – Zur Zeder bei Origenes vgl. Ledegang, Mysterium Ecclesiae 554–556. 144 Auch Didymus, in Zach. 4,34–39 (SC 85, 818–820), zitiert diese Passage, um zu belegen, dass die Bäume in der Bibel für Menschen stehen – hier für den assyrischen Staat.

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Homilia II

describat cypressum Libani, cui omnia ligna, quae in paradiso Dei sunt, conparari non possint? Et addit etiam hoc ad ultimum, quod omnia ligna, quae sunt in paradiso Dei, zelata sint eam, euidenter ostendens secundum spiritalem intellegentiam rationabilia dici ligna, quae in paradiso Dei sunt, quippe in quibus aemulationem quandam describit esse aduersum ea ligna, quae sunt in Libano. Vnde, ut in excursu etiam hoc dicamus, considera ne forte et illud, quod scriptum est quia „maledictus a Deo omnis, qui pendet in ligno“, a sic debeat intellegi, quomodo et illud, quod alibi dictum est: „maledictus homo, qui spem habet in homine“. b Pendere enim in solo Deo debemus et in nullo alio, etiam si de paradiso Dei procedere quis dicatur, sicut et Paulus dicit: „Etiam si nos aut angelus de caelo euangelizauerit uobis aliter quam euangelizauimus uobis, anathema sit.“ c Sed haec alias. Interim uidisti quae sint quadrata ligna, quae uelut murus quidam et defensio his, qui sunt intrinsecus, a fluctibus, qui extrinsecus superueniunt, conlocantur ab spiritali Noe; quae ligna intrinsecus et extrinsecus d bitumine liniuntur. Vult enim te architectus ecclesiae Christus non esse talem, quales illi, qui deforis quidem apparent hominibus iusti, deintus autem sunt sepulcra mortuorum, e sed uult te et corpore sanctum esse extrinsecus et corde intrinsecus purum, cautum undique et castitatis atque innocentiae uirtute munitum, hoc est intus et foris bitumine esse oblitum. 5. Post haec de longitudine et latitudine arcae et de altitudine memoratur et numeri in his quidam ponuntur ingentibus mysteriis consecrati. Sed antequam de numeris disseramus, hoc, quod dicit longitudinem et latitudinem et altitudinem, quale sit uideamus. Apostolus in quodam loco, cum de mysterio crucis sacratius loqueretur, ita ait: „Vt sciatis quae sit longitudo et latitudo et profundum.“ f Profundum autem et altitudo idem significat, tantum quod altitudo spatium de inferioribus uidetur ad superiora metiri, profundum uero de superioribus incipere et ad inferiora descendere. Consequenter igitur Spiritus Dei et per Moysen et per Paulum ingentium sacraa Dtn. 21,23 LXX (Gal. 3,13) f 23,27 Eph. 3,18

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Jer. 17,5

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Gal. 1,8

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vgl. Gen. 6,14

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vgl. Mt.

145 Wie Simonetti, Opere di Origene 1, 94 Anm. 41, zu Recht festhält, weniger ein Verweis auf eine Behandlung an anderer Stelle als eine den Exkurs abschließende Wendung. Vgl. aber Origenes, in Hiez. hom. 4,8 (GCS Orig. 8, 369); in Hier. hom. 15,6 (GCS Orig. 32, 130); pasch. 14f. (p. 180–182 Gue´raud/Nautin). 146 Die Idee von den Glaubensgeheimnissen, die hinter dem Buchstaben der Schrift verborgen liegen, kehrt bei Origenes beständig wieder, z.B. in Gen. hom. 2,1 (GCS Orig. 6, 22); 2,6 (6, 36f.); 4,2 (6, 52); 4,4 (6, 54); 8,1 (6, 77): „Dort, wo man es nicht erwartet, liegen vielleicht die kostbaren Kleinodien der Geheimnisse verborgen.“

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Prophet spricht? Wie er die Zeder vom Libanon beschreibt, mit der sich alle Bäume, die im Garten Gottes stehen, nicht vergleichen lassen? Und zuletzt fügt er auch das hinzu, dass alle Bäume, die im Garten Gottes stehen, eifersüchtig auf sie waren, womit er eindeutig zu verstehen gibt, dass laut der geistigen Einsicht die Bäume, die im Garten Gottes stehen, als vernunftbegabt beschrieben werden – führt er doch aus, dass sich in ihnen eine gewisse Eifersucht auf die Bäume regt, die auf dem Libanon stehen. Deshalb erwäge – damit wir in einer Fußnote auch dies sagen –, ob nicht zufällig auch das, was geschrieben steht, dass „ein jeder, der am Baum hängt, von Gott verflucht ist“,a so zu verstehen ist wie das, was anderen Orts geschrieben steht: „Verflucht sei der Mensch, der seine Hoffnung auf den Menschen setzt.“b Denn an Gott allein sollen wir hangen und an niemand anderem, auch wenn es von jemandem hieße, er komme aus dem Garten Gottes, wie auch Paulus sagt: „Selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch das Evangelium anders verkündeten, als wir es euch verkündet haben: der sei verflucht.“c Doch davon ein andermal.145 Derweil hast du gesehen, was die Kanthölzer sind, die vom geistigen Noah für die, die im Innern sind, wie eine Art Mauer und Bollwerk gegen die Fluten errichtet werden, die von außen hereinbrechen. Diese Hölzer sind von innen wie außend mit Teer verpicht. Denn der Bauherr der Kirche, Christus, will nicht, dass du denen gleichst, die zwar von außen den Menschen gerecht erscheinen, im Innern aber Gräber der Toten sind,e sondern er will, dass du von außen heilig seist in deinem Leib und im Innern reinen Herzens, in allem auf der Hut und mit der Kraft der Keuschheit und Unschuld gewappnet. Das heißt es, von innen wie außen mit Pech verpicht sein. 5. Danach geht die Schrift auf Länge, Breite und Höhe der Arche ein, und zu diesen werden gewisse Zahlen angeführt, die gewaltigen Geheimnissen geweiht sind.146 Doch bevor wir von den Zahlen handeln, wollen wir sehen, was die Schrift unter Länge, Breite und Höhe versteht. An einer Stelle, wo er auf mystische Weise vom Geheimnis des Kreuzes sprach, sagt der Apostel Folgendes: „Damit ihr wisst, was die Länge und Breite und Tiefe sei.“f 147 Tiefe und Höhe bezeichnen aber dasselbe, nur dass die Höhe den Raum von unten nach oben zu messen, die Tiefe aber oben zu beginnen und nach unten hinabzusteigen scheint. Folgerichtig verkündet der Geist Gottes also durch Mose wie durch Paulus Sinnbilder gewaltiger GeDie ganze Schrift ist „ein Meer voller Geheimnisse“: ebd. 9,1 (6, 86): tam uastum mysteriorum pelagus. 147 Auch wenn Origenes dieses Paulus-Zitat an anderer Stelle korrekt zitiert („damit ihr wisst, was die Länge und Breite und Höhe und Tiefe sei“), spricht der Kontext hier zugunsten der Überlieferung. Der folgende Satz lebt ganz vom Gegensatz zwischen Höhe und Tiefe.

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mentorum figuras enuntiat. Nam Paulus quoniam descensionis Christi mysterium praedicabat, profundum nominauit quasi de superioribus ad inferiora uenientis; Moyses uero quia restitutionem designat eorum, qui per Christum de interitu et perditione saeculi tamquam de nece diluuii ex inferioribus ad superna et caelestia reuocantur, in mensura arcae non profundum memorat, sed altum, tamquam ubi de terrenis et humilibus ad caelestia et excelsa conscenditur. Numeri quoque ponuntur trecenti cubiti longitudinis, quinquaginta latitudinis, triginta altitudinis. Trecenti ter centeni sunt, centenarius autem numerus plenus in omnibus et perfectus ostenditur et totius rationabilis creaturae continens sacramentum, sicut in euangeliis legimus, ubi dicit quia habens quis centum oues, ex quibus cum perisset una, relictis nonaginta et nouem in montibus descendit quaerere eam, quae perierat, quamque inuentam humeris suis reportauit, et posuit cum illis nonaginta nouem, quae non perierant. a Hic ergo centenarius totius creaturae rationabilis numerus quoniam non ex semet ipso subsistit, sed ex Trinitate descendit et longitudinem uitae, hoc est inmortalitatis gratiam, ex Patre per Filium ac Spiritum sanctum suscipit, idcirco triplicatus ponitur, utpote qui ad perfectionem per gratiam Trinitatis augetur et qui ex centenario per ignorantiam lapsum per agnitionem Trinitatis restituat in trecentos. Latitudo quinquagenarium numerum tenet, qui numerus remissioni et indulgentiae consecratus est. Secundum legem enim quinquagesimo anno remissio erat, id est ut, si quis distraxisset possessionem, reciperet; b si liber in seruitutem uenisset, reciperet libertatem; indulgentiam debitor acciperet, exul rediret ad patriam. Spiritalis ergo Noe Christus in arca sua, in qua humanum genus de interitu liberat, id est in ecclesia sua, hunc quinquagenarium remissionis numerum in latitudine conlocauit. Nisi enim remissionem peccatorum donasset credentibus, non fuisset per orbem terrae ecclesiae latitudo diffusa. Triginta autem altitudinis numerus simile, ut trecenti, continet sacramentum. Quod enim ibi centeni, a

vgl. Mt. 18,12f.; Lk. 15,4–6

b

vgl. Lev. 25,10–13

148 Möglich ist auch zweimal Präsens: „sondern aus der Trinität hervorgeht und die Länge des Lebens, das heißt die Gnade der Unsterblichkeit, vom Vater durch den Sohn und den Heiligen Geist empfängt.“ – Die Maße der Arche legt bereits Philon, quaest. in Gen. II 5 (p. 83f. Petit), symbolisch aus, ebenso Clemens von Alexandria, strom. VI 86f. (GCS Clem. 2, 474f.). Zu Origenes’ Zahlensymbolismus vgl. auch in Gen. hom. 16,6 (GCS Orig. 6, 143). 149 Vgl. Philon, mut. nom. 228 (III p. 196 Cohn/Wendland): „Die völlige Entlassung (aÍfesiw) in die Freiheit, deren Sinnbild (syÂmbolon) die heilige Zahl Fünfzig ist“;

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heimnisse. Paulus nämlich, der ja das Mysterium der Höllenfahrt Christi predigte, sprach von Tiefe, da Christus gleichsam von der Ober- in die Unterwelt gelangt. Weil Mose aber auf die Wiederherstellung derer hinweist, die durch Christus vom Untergang und der Vernichtung der Welt wie vom Tod durch die Flut aus den Niederungen in die oberen himmlischen Räume zurückgerufen werden, spricht er bei den Maßen der Arche nicht von Tiefe, sondern von Höhe, durch die man gleichsam von den irdischen und niedrigen zu den himmlischen und erhabenen Regionen emporsteigt. Als Zahlen werden angegeben: dreihundert Ellen in der Länge, fünfzig in der Breite, dreißig in der Höhe. Dreihundert sind dreimal hundert; die Zahl Hundert aber wird als in jeder Hinsicht voll und vollkommen gedeutet und birgt in sich das Geheimnis der gesamten vernunftbegabten Schöpfung, wie wir in den Evangelien lesen, wo es heißt, dass jemand hundert Schafe besaß. Als von denen eines verloren ging, ließ er die neunundneunzig in den Bergen zurück und stieg hinab, das zu suchen, das verloren gegangen war; und als er es fand, trug er es auf seinen Schultern heim und gesellte es zu den neunundneunzig, die nicht verloren gegangen waren.a Weil nun diese Zahl Hundert als Bild der gesamten vernunftbegabten Schöpfung nicht aus sich selbst Bestand hat, sondern aus der Trinität hervorgegangen ist und die Länge des Lebens, das heißt die Gnade der Unsterblichkeit, vom Vater durch den Sohn und den Heiligen Geist empfangen hat, wird sie deshalb verdreifacht; denn dank der Gnade der Trinität wird sie zur Vollendung erhoben und bringt den durch Unwissenheit aus der Hundertzahl Gefallenen dank der Erkenntnis der Trinität in die Dreihundert zurück.148 Die Breite hat die Zahl Fünfzig, die dem Erlass und der Vergebung der Sünden geweiht ist.149 Denn laut Gesetz gab es im fünfzigsten Jahr einen Erlass, das heißt, wer Besitz verkauft hatte, empfing ihn zurück,b wer als Freier in die Sklaverei geraten war, erlangte die Freiheit zurück, der Schuldner empfing einen Schuldenerlass, der in die Fremde Verschlagene kehrte in die Heimat zurück. Deshalb hat Christus, der geistige Noah, in seiner Arche, in der er das Menschengeschlecht vor dem Untergang errettet, das heißt in seiner Kirche, diese Fünfzigzahl der Vergebung für die Breite verwendet. Denn hätte er den Gläubigen nicht die Vergebung der Sünden geschenkt, hätte die Kirche sich nicht weithin über den Erdkreis ausgebreitet.150 Die Zahl Dreißig aber für die Höhe birgt ein ähnliches Geheimnis wie die Dreihundert. Was dort nämlich die Hundert, das bewirkt hier die mit Drei multiplizierte Zehn.151 Clemens von Alexandria, strom. VI 87,2 (GCS Clem. 2, 475); Origenes, in Num. hom. 5,2 (GCS Orig. 7, 27f.) u.ö.; Harnack, Ertrag I, 52ff. 150 Siehe unten S. 241 Anm. 432. 151 Verkürzt für: „Was dort nämlich die mit Drei multiplizierte Hundert bewirkt, das bewirkt hier die mit Drei multiplizierte Zehn.“ – Zur Zahlensymbolik der gesamten Passage siehe Vogt, Kirchenverständnis 207f.

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hoc hic deni tertio multiplicati faciunt. Ad unum autem totius constructionis numerum summa reuocatur, quia „unus Deus Pater, ex quo omnia, et unus Dominus“ a et „una ecclesiae fides est, unum baptisma, unum corpus et unus spiritus“ b et ad unum perfectionis Dei finem cuncta festinant. Sed et tu, qui haec audis, si scripturis sanctis intendas ex otio, permulta inuenies magnarum rerum gesta sub tricenario uel quinquagenario numero contineri. Triginta annorum Ioseph educitur de carcere et totius Aegypti suscipit principatum, c ut inminentis perniciem famis diuina prouisione depellat. „Triginta annorum“ d refertur Iesus, cum uenit ad baptismum et „uidit caelos diuisos et Spiritum Dei in columbae specie uenientem super se“; e ubi et primum coepit sacramentum patescere Trinitatis; et multa his similia inuenies. Sed et quinquagesimum diem festum in nouarum frugum consecratione repperies f et de Madianitarum spoliis Domino quinquagesima delibatur. g Cum trecentis uero inuenies et Abraham uincentem Sodomitas h et Gedeon cum trecentis lingua aquam lambentibus superat. i Ostium sane, quod non a fronte nec desuper, sed e latere ex transuerso conlocatur, quoniam irae diuinae tempus est – „dies“ enim „Domini, dies irae est et furoris“, j sicut scriptum est; licet enim uideantur aliqui saluari, multi tamen, quos merita sua reprobant, delentur et pereunt – ex transuerso ostium ponitur, ut illud ostendatur, quod per prophetam dicitur, quia: „Si incesseritis mecum peruersi, et ego incedam uobiscum in ira peruersa.“ k Post haec uideamus et de eo, quod dicit separatim inferiora bicamerata et superiora tricamerata, ne forte illud indicetur per haec, quod apostolus dixit, quia „in nomine Iesu omne genu flectetur caelestium, terrestrium et infernorum“ l et in arca significetur omnium quidem inferiora ipsa esse, 1 Kor. 8,6 b Eph. 4,4f. c vgl. Gen. 41,14.46 d Lk. 3,23 e Mk. 1,10 f vgl. Lev. g h i j 23,15–17 u.ö. vgl. Num. 31,30 vgl. Gen. 14,14f. vgl. Ri. 7,5–25 Zeph. k l 1,14f. Lev. 26,27f. Phil. 2,10 a

152 Baehrens möchte hier baptismum lesen statt baptisma; doch beide Formen sind in den Pentateuchhomilien gut belegt, auch wenn die latinisierte klar dominiert. 153 Vgl. Origenes, in Num. hom. 21,2 (GCS Orig. 7, 201). Zur ,Eins‘ in der antiken Philosophie vgl. z.B. Anatolius, decade p. 29 Heiberg: „Die Pythagoreer nannten (die Monade) Geist und setzten sie dem einen geistigen Gott gleich“; Macrobius, somn. Scip. I 6,7; Chalcidius, in Tim. comm. 39 (p. 88 Waszink2). 154 Vgl. Origenes, in Hiez. hom. 1,4 (GCS Orig. 8, 327–329). 155 Diesem Passus liegt ein Spiel mit dem Text der Septuaginta zugrunde. Gen. 6,16 heißt es: „Den Eingang der Arche bringe auf der Seite (eÆk plagiÂvn) an“; und

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Doch die Spitze des gesamten Baus wird auf die Zahl Eins hin ausgerichtet, weil es „einen Gott Vater gibt, aus dem alles hervorgeht, und einen Herrn“,a und „einen Glauben der Kirche, eine Taufe,152 einen Leib und einen Geist“b und alles zu dem einen Ende der Vollkommenheit Gottes eilt.153 Doch auch wenn du, der du dies hörst, dich in Muße den Heiligen Schriften zuwendest, wirst du entdecken, dass sehr viele große Ereignisse unter die Zahl Dreißig oder Fünfzig fallen. Dreißig Jahre zählt Josef, als er aus dem Gefängnis geführt wird und die Herrschaft über ganz Ägypten übernimmt,c um dank göttlicher Vorsorge das Verderbnis der drohenden Hungersnot abzuwenden. „Dreißig Jahre“,d wird berichtet, zählte Jesus, als er zur Taufe kam und „die Himmel geteilt und den Geist Gottes in Gestalt einer Taube auf sich niedersteigen sah“e – wo sich auch zum ersten Mal das Geheimnis der Trinität zu offenbaren begann.154 Und du wirst vieles finden, was dem ähnelt. Doch du wirst auch auf den fünfzigsten Tag als Fest für die Weihe der neuen Früchte stoßen;f und von der Beute der Midianiter wird der fünfzigste Teil dem Herrn zugesprochen.g Du wirst aber entdecken, dass Abraham mit dreihundert Mann die Sodomiter schlägt,h und Gideon siegt mit den dreihundert, die das Wasser mit der Zunge lecken.i Der Zugang freilich, der weder am Bug noch auf dem Deck liegt, sondern schräg an der Seite, weil es die Zeit des göttlichen Zorns ist – denn „der Tag des Herrn ist ein Tag des Zorns und des Rasens“,j wie geschrieben steht; denn wenn es auch scheint, dass einige gerettet werden, so werden doch viele, denen ihre Verdienste das Urteil sprechen, ausgelöscht und gehen zugrunde –, der Zugang wird an der Seite angelegt, damit deutlich wird, was durch den Propheten verkündet wird: „Wenn ihr mir heimtückisch begegnet, so werde auch ich euch in heimtückischem Zorn begegnen.“k 155 Danach wollen wir angesichts dessen, was im Einzelnen das zweistöckige Unterdeck und das dreistöckige Oberdeck heißt, auch prüfen, ob dadurch nicht etwa das angedeutet wird, was der Apostel sagte: „Im Namen Jesu wird jedes Knie der Himmlischen, der Irdischen156 und der Unterirdischen sich beugen.“l Wird hier aufgezeigt, dass in der Arche das allerunterste Lev. 26,27f. lautet: „Wenn ihr mir immer noch heimtückisch (plaÂgioi) begegnet, Äì plagiÂvì )“. Origenes rückt begegne auch ich euch in heimtückischem Zorn (eÆn uymv hier also das in Genesis wörtlich verwendete plaÂgiow neben das übertragene aus Levitikus. Rufinus versucht dies nachzuahmen, indem er eÆk plagiÂvn als Dublette übersetzt: e latere ex transuerso (transuerso vgl. peruersi bzw. peruersa). Im Deutschen etwa: „Den Zugang hat es auf die Seite verschlagen, damit deutlich werde, was der Herr durch den Propheten verkündet: ,Wenn ihr mir verschlagen begegnet, so werde auch ich euch in verschlagenem Zorn begegnen.‘“ 156 Dieses Zitat erscheint bei Rufinus (gegen die Vulgata) meist mit et (et terrestrium), so in Ios. hom. 1,1 (GCS Orig. 7, 287f.); 4,2 (7, 310); in Iud. hom. 2,3 (GCS Orig. 7, 475); vgl. in Num. hom. 24,1 (GCS Orig. 7, 227): ac terrestrium.

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quae apostolus dicit inferna, horum autem contigua superiora ipsa esse terrestria, tricamerata uero superiora, quae dicit, simul omnia esse caelestia, sed in his eorum merita distingui, qui possunt secundum apostolum Paulum „usque ad tertium caelum“ a conscendere. Nidi uero et nidi, quia multi fiunt in arca, multas esse apud Patrem indicant mansiones. b De animalibus uero et bestiis ac pecudibus ceterisque diuersis animantibus, quae nobis alia figura seruanda est, nisi quam uel Esaias ostendit, cum dicit in regno Christi lupum cum agno, pardum cum haedo, leonem et bouem simul ire ad pascua eorumque foetus simul paleis uesci, insuper etiam in aspidum cauernam paruum puerum – talem sine dubio, qualem dicebat Saluator: „Nisi conuersi fueritis et effecti sicut puer hic, non introibitis in regnum Dei“ c – missurum esse manum et nihil nocendum? d Vel etiam illa figura, quam Petrus iam nunc in ecclesia haberi docet, cum refert se uisionem uidisse, in qua omnia quadrupedia et bestiae terrae ac uolatilia caeli intra unum fidei linteum continebantur quattuor euangeliorum initiis alligatum? e 6. Verum quoniam arca, quam describere conamur, non solum bicamerata sed et tricamerata a Deo construi iubetur, operam demus et nos ad hanc duplicem, quae praecessit, expositionem secundum praeceptum Dei etiam tertiam iungere. Prima enim, quae praecessit, historica est ueluti fundamentum quoddam in inferioribus posita. Secunda haec mystica superior et excelsior fuit. Tertiam, si possumus, moralem temptemus adicere, nam si uis et hoc ipsum, quod neque ,bicameratam‘ solum dixit et siluit, neque ,tricameratam‘ tantum et cessauit, sed cum dixisset ,bicameratam‘, addidit et ,tricameratam‘, non absque huius ipsius expositionis, quam habemus in manibus, uideatur esse mysterio. Nam ,tricamerata‘ triplicem hanc expositionem designat. Sed quia non semper in scripturis diuinis historialis consequentia stare potest, sed nonnumquam deficit, ut, uerbi causa, cum dicitur: „Spinae nascuntur in manu ebriosi“ f et cum in templo a Salomone cona f

b 2 Kor. 12,2 vgl. Joh. 14,2 Spr. 26,9 LXX

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Mt. 18,3

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vgl. Jes. 11,6–8

e

vgl. Apg. 10,11f.

157 Worauf quae dicit sich bezieht, wird nicht recht klar. Heine, FaCh 71, 84, übersetzt: „The three upper decks which the text mentions are, all together, the heavenly regions.“ 158 Auch diese Redundanz könnte auf Rufinus zurückgehen. 159 Zu Origenes’ dreiteiliger Schriftauslegung siehe de Lubac, Geist aus der Geschichte 115–232; ders., Exe´ge`se me´die´vale I/1, 198–207; Nesterova, Interpre´tations modernes. 160 Vgl. in Lev. hom. 5,1 (GCS Orig. 6, 333f.); zu dem Absatz insgesamt vgl. Markschies, Origenes 8f.

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Deck das ist, was der Apostel das Unterirdische nennt, das daran angrenzende höhere Deck aber das Irdische, das dreistöckige Oberdeck aber insgesamt das, was er alles Himmlische nennt,157 dass in den Himmelsregionen jedoch die Verdienste derer unterschieden werden, die laut des Apostels Paulus „bis in den dritten Himmel“a emporsteigen können? Die Nester und Nester aber – denn viele entstehen in der Arche – zeigen, dass es beim Vater viele Wohnungen gibt.b Was aber die Tiere, die Raubtiere, das Vieh und die verschiedenen übrigen Lebewesen angeht,158 welche andere Sinnfigur können wir hier festhalten als die, die Jesaja verkündet, wenn er sagt, im Reich Christi ruhe der Wolf mit dem Lamm, der Panther mit dem Böcklein, der Löwe und das Rind gingen gemeinsam auf die Weide und ihre Jungen fräßen gemeinsam Spreu, und zudem werde der Knabe – zweifellos ein solcher wie der, von dem der Erlöser sagte: „Wenn ihr euch nicht wandelt und wie dieser Knabe werdet, werdet ihr nicht in das Reich Gottes eingehen“c – seine Hand in die Vipernhöhle stecken und nicht zu Schaden kommen?d Oder auch die Sinnfigur, von der Petrus lehrt, dass sie schon jetzt in der Kirche gegenwärtig sei, wenn er erzählt, er habe eine Vision gehabt, in der alle Vierbeiner und Tiere der Erde und Vögel des Himmels in ein einziges Linnen des Glaubens eingeschlossen waren, zusammengehalten von den vier Anfängen der Evangelien?e 6. Doch da von Gott befohlen wird, die Arche, die wir zu beschreiben suchen, nicht nur zwei-, sondern dreistöckig zu bauen, wollen auch wir uns bemühen, dieser zweifachen Auslegung, die vorausging, gemäß Gottes Gebot noch eine dritte hinzuzufügen.159 Denn die erste, die vorausging, die historische, ist wie eine Art Fundament am Grund angesiedelt. Die zweite, diese mystische, war höher und erhabener. So es uns gelingt, wollen wir versuchen, als dritte160 eine sittliche hinzuzufügen, denn161 eben der Umstand, dass die Schrift weder bloß ,zweistöckig‘ sagte und verstummte noch allein ,dreistöckig‘ und innehielt, sondern, nachdem sie ,zweistöckig‘ gesagt hatte, noch ,dreistöckig‘ hinzufügte, scheint für eben die Auslegung, die wir uns nun vornehmen, nicht ohne eine geheimnisvolle Bedeutung zu sein. Denn das ,dreistöckig‘ weist diese Auslegung als dreistufig aus. Weil aber in den göttlichen Schriften der Text auf der historischen Ebene nicht immer eine logische Folgerichtigkeit aufweist, sondern diese gelegentlich fehlt – wenn es zum Beispiel heißt: „Dornen werden entspringen162 in der Hand des Trunkenbolds“,f und wenn es bei dem von Salomo erbauten Tempel heißt: „Die Stimme des Hammers und der Axt wurde im Hause Gottes 161 Das überlieferte quamuis („obgleich“, „abgesehen von dem Umstand“) ergibt im Kontext kaum Sinn. Paläographisch naheliegend ist die Konjektur nam si uis („denn“). 162 Doutreleau, SC 7bis, 108 Anm. 1, plädiert mit den Hss. APgrv und der Septuaginta für nascuntur (gnomisches Präsens).

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structo dicitur: „Vox mallei et securis non est audita in domo Dei“ a et iterum in Leuitico, cum lepra parietis et pelliculae et staminis inspici iubetur a sacerdotibus et purgari, b propter haec ergo et his similia, non solum tricamerata, sed et bicamerata arca contexitur, ut sciamus in scripturis diuinis non semper triplicem, quia non semper nos historia sequitur, sed interdum duplicis tantummodo sensum expositionis insertum. Temptemus igitur et tertiam expositionem disserere secundum moralem locum. Si quis est, qui crescentibus malis et inundantibus uitiis conuertere se potest a rebus fluxis ac pereuntibus et caducis et audire uerbum Dei ac praecepta caelestia, hic intra cor suum arcam salutis aedificat et bibliothecam, ut ita dicam, intra se diuini consecrat uerbi, longitudinem in ea et latitudinem et altitudinem, fidem, caritatem et spem conlocat. Fidem Trinitatis ad longitudinem uitae inmortalitatemque distendit, latitudinem caritatis indulgentiae et benignitatis fundat adfectu, altitudinem spei ad caelestia erigit et excelsa; super terram enim ambulans in caelis habet conuersationem. c Summam uero actuum suorum refert ad unum. Scit enim quia „omnes quidem currunt, sed unus accipit palmam“, d scilicet qui cogitationum uarietate et instabilitate mentis non fuerit multiplex. Sed hanc bibliothecam non ex agrestibus et inpolitis, sed ex quadratis et secundum aequitatis lineam directis construit lignis, id est non ex saecularium auctorum, sed ex propheticis atque apostolicis uoluminibus. Ipsi enim sunt, qui diuersis temptationibus edolati, resecatis omnibus uitiis et excisis, quadratam continent uitam et ex omni parte libratam. Nam auctores saecularium librorum possunt quidem dici ligna excelsa et ligna umbrosa – sub omni enim ligno excelso et nemoroso e accusatur fornicatus esse Israhel –, quia illi loquuntur quidem excelsa et florida utuntur eloquentia, non tamen ita egerunt ut locuti sunt; et ideo non possunt ligna quadrata f nominari, quod in eis nequaquam uita et sermo conlibret. Tu ergo si facis arcam, si bibliothecam congregas, ex sermonibus propheticis et apostolicis uel eorum, qui eos rectis fidei lineis secuti sunt, a 1 Kön. 6,7 14,23 u.ö.

vgl. Lev. 14,34; 13,48 vgl. Gen. 6,14

b f

c

vgl. Phil. 3,20

d

1 Kor. 9,24

e

vgl. 1 Kön.

163 Wörtlich: „nur der geistige Gehalt (sensum) einer zweifältigen“. 164 Doutreleau, SC 7bis, 108 Anm. 2, schreibt die dreifache Charakterisierung (fluxis ac pereuntibus et caducis) Rufinus zu. 165 Der gleiche Gedanke erscheint auch in Ex. hom. 9,4 (Orig. 6, 242). Zu dem Absatz insgesamt vgl. Augustinus, civ. XV 26 (II p. 116 Dombart/Kalb5); Faust. XII 16 (CSEL 25/1, 345f.).

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nicht gehört“,a und weiter im Buch Levitikus, wenn befohlen wird, dass der Aussatz an Wand, Leder und Gewebe von den Priestern untersucht und entfernt werdeb –, wegen dieser und ähnlicher Passagen also wird die Arche nicht nur dreistöckig, sondern auch zweistöckig gezimmert, damit wir begreifen, dass in den göttlichen Schriften nicht immer eine dreifältige Deutung eingeschlossen ist – denn nicht immer wird uns eine historische Deutung zuteil –, sondern bisweilen nur eine zweifältige.163 Wir wollen also versuchen, auch die dritte Lesart abzuhandeln, die des sittlichen Standpunkts. Wenn es jemanden gibt, der sich inmitten wachsender Übel und überströmender Laster von den flüchtigen und vergänglichen und hinfälligen Dingen164 abzuwenden und das Wort Gottes und die himmlischen Gebote zu hören vermag, der baut in seinem Herzen die Arche des Heils und weiht in sich sozusagen die Bibliothek des göttlichen Wortes.165 Als ihre Länge, Breite und Höhe gebraucht er Glaube, Liebe und Hoffnung. Den Glauben an die Trinität dehnt er auf die Länge und Unsterblichkeit des Lebens aus; die Breite der Liebe befestigt er mit den Herzensregungen der Freundlichkeit und Güte; die Höhe der Hoffnung richtet er empor zum Himmlischen und Erhabenen. Denn er wandelt auf Erden und hat doch seinen Wandel166 in den Himmeln.c Doch die Gesamtheit seiner Taten richtet er auf das Eine. Denn er weiß, dass „zwar alle laufen, doch nur einer die Palme empfängt“d – der natürlich, der im Gewirr seiner Gedanken und in der Unbeständigkeit seines Geistes nicht wankelmütig war. Doch diese Bibliothek errichtet er nicht aus rohen und unbehauenen, sondern aus viereckigen und gleichmäßig ausgerichteten Hölzern, das heißt nicht aus den Werken weltlicher Autoren, sondern aus den prophetischen und apostolischen Büchern. Sie167 nämlich sind es, die in vielfältigen Versuchungen bewährt168 und deren Laster alle getilgt und ausgemerzt sind und die ein viereckiges und in jeder Hinsicht ausgewogenes Leben in sich bergen. Denn die Autoren weltlicher Bücher lassen sich zwar als erhabene Bäume und schattige Bäume bezeichnen – wird Israel doch angeklagt, unter jedem erhabenen und belaubten Baume gehurt zu haben –, weil sie gewiss Erhabenes reden und sich einer blühenden Beredsamkeit befleißigen; doch haben sie nicht so gehandelt, wie sie geredet haben. Und deshalb kann man sie nicht Kanthölzerf nennen, weil bei ihnen Leben und Wort in keiner Weise in Einklang stehen.169 Wenn du also eine Arche baust, das heißt wenn du eine Bibliothek zusammenstellst, stelle sie aus den prophetischen und apostolischen Schriften 166 Zu dem Begriff conuersatio vgl. unten S. 136 Anm. 261. 167 Wie ipsi (statt ipsa) erkennen lässt, denkt Rufinus (oder Origenes) hier an die Verfasser der uolumina. 168 Zu dem seltenen terminus technicus edolare vgl. ThLL V/2, 110,34–48. 169 Das äußerst rare Verb collibrare erscheint nur noch Cato, agr. 19,2 (vgl. ThLL s.v.).

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Homilia II

congrega, bicameratam et tricameratam facito eam. Ex ipsa narrationes historicas disce, ex ipsa mysterium magnum, a quod in Christo et in ecclesia inpletur, agnosce; ex ipsa etiam emendare mores, resecare uitia, purgare animam atque exuere eam omni uinculo captiuitatis intellege, nidos in ea et nidos diuersarum uirtutum et profectuum conlocans. Deintus sane et deforis bituminabis eam, b corde fidem gerens, ore confessionem proferens, c intus scientiam, foris opera habens, intus corde mundus, foris castus corpore incedens. In hanc ergo arcam, siue eam bibliothecam diuinorum librorum siue animam fidelem secundum moralem interim locum ponamus, introducere debes etiam animalia ex omni genere non solum munda sed et inmunda. Sed munda quidem animalia facile possumus dicere quod memoria, eruditio, intellectus, examinatio et iudicium eorum, quae legimus, aliaque his similia intellegi possint. De inmundis uero pronuntiare difficile est, quae et ,bina bina‘ d nominantur. Verumtamen quantum in tam difficilibus locis audere possumus, puto quod concupiscentia et ira, quia inest omni animae, necessario istae secundum hoc, quod ad peccandum homini famulantur, inmundae dicuntur; secundum hoc uero, quod neque posteritatis sine concupiscentia successio reparatur neque emendatio ulla sine ira potest neque disciplina constare, necessariae et conseruandae dicuntur. Et quamuis haec iam non morali sed naturali ratione discussa uideantur, tamen quae ad praesens occurrere potuerunt, pro aedificatione tractauimus. Si qui sane potuerit ex otio ipsam sibi conferre et conparare scripturam diuinam et „spiritalibus spiritalia“ e coaptare, nec nos latet quod plura in hoc loco profundi et arcani mysterii secreta repperiet, quae nunc nos adducere in medium uel pro breuitate temporis uel pro auditorum labore non possumus. Omnipotentis tamen Dei misericordiam deprecemur, qui nos non solum auditores faciat, sed et factores uerbi sui f et inducat super nostras quoque animas diluuium aquae suae et deleat in nobis, quae scit esse delenda, et uiuificet, quae iudicat esse uiuificanda, per Christum Dominum nostrum et per Spiritum suum sanctum. Ipsi gloria in aeterna saecula saeculorum. Amen. g a f

vgl. Eph. 5,32 vgl. Jak. 1,22

b g

vgl. Gen. 6,14 c vgl. Röm. 10,10 vgl. Röm. 11,36

d

vgl. Gen. 6,19

e

1 Kor. 2,13

170 Hier erscheint der Sinn der dreifachen Auslegung zur Essenz komprimiert. 171 Vgl. zu diesem Gedanken in Gen. hom. 1,17 (GCS Orig. 6, 20f.); Chadwick,

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zusammen oder aus den Werken derer, die ihnen auf der geraden Richtschnur des Glaubens gefolgt sind; baue sie zweistöckig und dreistöckig. Aus ihr erfahre die Geschichten in ihrem historischen Sinn; aus ihr erkenne das große Geheimnis,a das in Christus und in der Kirche erfüllt wird; aus ihr lerne auch deinen Lebenswandel zu bessern, die Laster zu stutzen, die Seele zu reinigen und sie aller Fessel der Gefangenschaft zu entledigen, indem du in ihr Nester und Nester baust für die verschiedenen Tugenden und Besserungen.170 Von innen und außen wirst du sie gewiss verpichen,b indem du im Herzen den Glauben trägst und mit dem Mund das Bekenntnis ablegst,c innen Einsicht und außen gute Taten dein eigen nennst, innen lauteren Herzens, außen reinen Leibes einhergehst. In diese Arche also – ob wir sie für den Augenblick in moralischer Auslegung als die Bibliothek der göttlichen Bücher ansehen oder als gläubige Seele – musst du auch Lebewesen jeglicher Gattung bringen, nicht nur reine, sondern auch unreine. Was nun die reinen Lebewesen angeht, können wir leicht sagen, dass sie sich als Gedächtnis, Wissen, Vernunft, die Prüfung und Beurteilung dessen, was wir lesen, und andere, diesen ähnliche Fähigkeiten begreifen lassen. Schwierig jedoch ist es, sich über die unreinen zu äußern, die auch ,ein Paar und ein Paar‘d genannt werden. Doch glaube ich, soweit wir bei so schwierigen Stellen eine Aussage wagen können, dass Begierde und Zorn, die sich ja in jeder Seele finden, insofern notwendig unrein heißen, als sie dem Menschen zum Sündigen dienen. Doch insofern ohne Begierde die Abfolge der Generationen abreißt und es ohne Zorn keinerlei Besserung oder Zucht geben kann, heißen sie notwendig und erhaltenswert.171 Und obgleich dies keine sittliche Auslegung mehr zu sein scheint, sondern eine naturphilosophische, haben wir trotzdem zur Erbauung das abgehandelt, was uns im Moment in den Sinn kommen konnte. Hätte denn jemand die Muße, die göttlichen Schriften nebeneinanderzulegen und miteinander zu vergleichen und „Geistiges mit Geistigem“e in eins zu fügen, so hege ich keine Zweifel, dass er in dieser Passage auf so manche Geheimnisse eines tiefen und verborgenen Mysteriums stieße, die wir jetzt ob der Kürze der Zeit und der Ermüdung der Hörer nicht öffentlich darlegen können. Doch lasst uns das Mitleid des allmächtigen Gottes erflehen, dass er uns nicht nur zu Hörern seines Wortes mache, sondern auch zu Erfüllernf und dass er auch über unsere Seelen die Flut seines Wassers ausgieße und in uns zerstöre, was er zerstörenswert weiß, und belebe, was er als belebenswert erachtet, durch Christus, unseren Herrn, und durch seinen Heiligen Geist. Ihm sei Preis auf ewige Zeiten. Amen.g

Early Christian thought 90. Diese Psychologie des ,Bösen in uns‘ wird erweitert in princ. III 2,2 (GCS Orig. 5, 247f.).

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HOMILIA III De circumcisione Abrahae

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1. Quoniam in multis diuinae scripturae locis Deum legimus ad homines loqui et pro hoc Iudaei quidem, sed et nostrorum nonnulli Deum quasi hominem intellegendum putarunt, id est humanis membris habituque distinctum, philosophi uero uelut fabulosa haec et ad poeticorum similitudinem figmentorum formata despiciunt, uidetur mihi de his primo paucis sermocinandum et tunc ad ea, quae recitata sunt, ueniendum. Primo ergo ad eos sit sermo, qui foris positi adroganter nos circumstrepunt dicentes excelso illi et inuisibili atque incorporeo Deo non conuenire, ut humanis utatur adfectibus. Si enim loquendi, inquiunt, ei datis usum, sine dubio dabitis et os et linguam ceteraque membra, quibus loquendi expletur officium. Quod si sit, recessum est ab inuisibili et incorporeo Deo; et multa his similia nectentes nostros fatigant. Ad haec ergo, si precibus uestris iuuemur, prout Dominus dederit, breuiter occurremus. 2. Nos sicut incorporeum esse Deum et omnipotentem et inuisibilem profitemur, ita eum curare mortalia et nihil absque eius prouidentia geri neque in caelo neque in terris certo et inmobili dogmate confitemur. Memento quia nihil sine prouidentia eius geri diximus, non: sine uoluntate. Multa enim sine uoluntate eius geruntur, nihil sine prouidentia. Prouidentia namque est qua procurat et dispensat et prouidet quae geruntur, uoluntas uero est qua uult aliquid aut non uult. Sed de his alias; longior enim est et diffusior iste tractatus.

172 Origenes dürfte hier u.a. an Meliton denken; vgl. in Gen. frg. D 11 Metzler (OWD 1/1, 158). 173 An fast allen Parallelstellen bedeutet affectus nur „Gefühl“ u.ä.; hier geht das Wort aber deutlich über das rein Psychologische hinaus. Offenbar hat Origenes (oder Rufinus) bereits die folgende Argumentation im Sinn. 174 Vgl. princ. IV 4,1 (GCS Orig. 5, 349): „aus dem unsichtbaren und unkörperlichen Gott“ (entsprangen der Sohn und die Weisheit); II 9,6 (5, 169): „der gute und gerechte und allmächtige Gott“; Cels. VII 38 (GCS Orig. 2, 188): „Wir halten fest: Der Gott des Alls . . . ist unsichtbar und körperlos.“ Die „Körperlosigkeit“ Gottes ist das Thema des Traktats über den Vater in princ. I 1 (GCS Orig. 5, 16–27), angekündigt in praef. 8f. (5, 14f.).

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HOMILIE 3 Die Beschneidung Abrahams

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1. Da wir an vielen Stellen der göttlichen Schrift lesen, dass Gott zu den Menschen spricht, und die Juden, aber auch einige der Unsrigen172 deshalb zu der Meinung gekommen sind, man müsse sich Gott gleichsam als Menschen vorstellen, das heißt mit menschlichen Gliedmaßen und Aussehen ausgestattet, die Philosophen jedoch diese Meinung wie etwas Märchenhaftes und nach Art dichterischer Ausgeburten Erfundenes verachten, scheint es mir notwendig, zuerst kurz davon zu handeln, um dann zu dem zu kommen, was vorgelesen wurde. Richten wir also das Wort zunächst an die, die außerhalb (sc. der Kirche) stehen und uns überheblich in den Ohren liegen mit Reden, für jenen erhabenen und unsichtbaren und körperlosen Gott schicke es sich nicht, über menschliche Regungen173 zu verfügen. Sprecht ihr ihm nämlich die Redegabe zu, sagen sie, werdet ihr ihm zweifelsohne auch einen Mund und eine Zunge und die übrigen Organe zusprechen, mit denen der Akt des Redens ausgeführt wird. Dies aber bedeute eine Abkehr vom unsichtbaren und körperlosen Gott. Und indem sie viele ähnliche Argumente anführen, quälen sie die Unsrigen. Darauf werden wir also, wenn eure Gebete uns unterstützen, kurz Antwort geben, wie der Herr es gewährt. 2. Wie wir bekennen, dass Gott körperlos ist und allmächtig und unsichtbar,174 so anerkennen wir als festen und unerschütterlichen Grundsatz, dass er für das Sterbliche Sorge trägt und nichts ohne seine Vorsehung geschieht, weder im Himmel noch auf Erden. Wohlgemerkt: Wir haben gesagt, nichts geschieht ohne seine Vorsehung, nicht: ohne seinen Willen. Denn vieles geschieht ohne seinen Willen, nichts ohne seine Vorsehung.175 Die Vorsehung nämlich ist es, durch die er für das, was geschieht, Sorge trägt und es verwaltet und versorgt,176 der Wille aber ist es, mit dem er etwas will oder nicht will. Doch davon ein andermal; denn dieser Gegenstand ist zu lang und weitschweifig.177 175 Dieses Theorem ist vor allem im Mittelplatonismus zuhause; vgl. u.a. Dillon, The Middle Platonists 44f. 166–168 (Philon). 208–211 (Plutarch). 176 Die Kette der Synonyme könnte auf Rufinus zurückgehen. 177 Eine typische Schlussformel (vgl. oben S. 78 Anm. 145). Zum freien Willen und zur Rolle der Vorsehung äußert sich Origenes u.a. princ. II 1,2 (GCS Orig. 5, 107f.); 9,6 (5, 169f.); III 1 (5, 195–244).

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Homilia III

Secundum hoc ergo, quod prouisorem omnium et dispensatorem profitemur Deum, consequens est ut quid uelit uel quid hominibus expediat indicet. Si enim non indicet, nec erit prouisor hominis nec credetur curare mortalia. Indicans igitur Deus hominibus, quae eos agere uult, quo potissimum adfectu dicendus est indicare? Nonne eo, qui hominibus in usu et notitia est? Si enim uerbi causa dicamus quia silet Deus, quod naturae illius conueniens creditur, quomodo indicatum esse aliquid ab eo putabitur per silentium? Nunc autem idcirco locutus dicitur, ut scientes homines hoc ministerio uoluntatem alterius alteri innotescere agnoscant ea, quae sibi per prophetas deferuntur, Dei esse uoluntatis indicia. In quibus utique non intellegatur uoluntas Dei contineri, nisi ea locutus dicatur, quia nec sentitur nec intellegitur inter homines indicari umquam posse per silentium uoluntatem. Sed haec rursum non secundum errorem Iudaeorum uel etiam ex nostris nonnullorum, qui cum illis errant, eatenus dicimus, ut, quoniam humana fragilitas aliter audire de Deo non potest, nisi ut sibi res ipsa et uocabula nota sunt, idcirco etiam membris haec nostris similibus et habitu humano Deum agere sentiamus. Alienum hoc est ab ecclesiae fide. Sed hoc ipso quod uel adspirat in corde uniuscuiusque sanctorum uel sonum uocis peruenire ad aures eius facit, locutus homini dicitur Deus. Sic et cum nota sibi esse indicat, quae unusquisque uel loquitur uel agit, audisse se dicit; et cum aliquid iniustum geri a nobis indicat, irasci se dicit; cum beneficiis suis ingratos nos arguit, poenitere se dicit, indicans quidem haec his adfectibus, qui hominibus in usu sunt, non tamen his membris ea ministrans, quae naturae corporeae sunt. Simplex namque est illa substantia et neque membris ullis neque conpagibus adfectibusque conposita, sed quidquid diuinis uirtutibus geritur, hoc ut homines possint intellegere aut humanorum membrorum appellatione profertur aut communibus et notis enuntiatur adfectibus. Et hoc modo uel irasci uel audire uel loqui dicitur Deus. Nam si uox humana aer esse ictus, id est lingua repercussus, definitur,

178 Futur mit Hs. A. 179 Einem verbreiteten philosophischen Argument zufolge trägt und übernimmt Gott Verantwortung für die Menschen, da ansonsten jede moralische Anstrengung und die Verehrung Gottes (oder der Götter) ins Leere laufe; vgl. etwa Epiktet, diss. I 12,1–8; Cicero, nat. deor. I 2–5. 180 Zu affectus vgl. oben S. 90 Anm. 173. 181 Zu lesen ist vielleicht intellegatur (intellegitur wäre dann Echo des folgenden intellegitur). 182 Statt Baehrens’ hoc ipsum bevorzugt Doutreleau, SC 7bis, 118 Anm. 1, mit Hs. E den Ablativ hoc ipso.

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Angesichts dessen jedoch, dass wir Gott als den bekennen, der für alles Sorge trägt und alles verwaltet, ist es folgerichtig, dass er zu verstehen gibt, was er will oder was den Menschen von Nutzen ist. Gäbe er es nämlich nicht zu verstehen, wird er nicht der sein, der für den Menschen sorgt, noch wird man von ihm glauben,178 dass er sich um das Sterbliche kümmert.179 Da Gott den Menschen folglich zu verstehen gibt, was sie nach seinem Willen tun sollen, mit welcher Regung180 gibt er dies unseres Erachtens vornehmlich zu verstehen? Nicht mit einer, die den Menschen geläufig und bekannt ist? Denn würden wir beispielsweise sagen, dass Gott schweigt – was nach allgemeiner Vorstellung seiner Natur entspräche –, wie sollte man annehmen, er habe etwas durch Schweigen zu verstehen gegeben? Nun heißt es aber deshalb, er habe gesprochen, damit die Menschen, die wissen, dass jemandes Wille einem anderen auf diesem Weg bekannt wird, erkennen, dass das, was ihnen durch die Propheten mitgeteilt wird, den Willen Gottes anzeigt. Dass diese Verweise den Willen Gottes enthalten, bliebe wahrlich unerkannt,181 hieße es nicht, er habe dies gesagt; denn unter Menschen lässt sich weder begreifen noch einsehen, dass sich der Wille jemals durch Schweigen zu verstehen geben lasse. Andererseits jedoch folgen wir hier nicht insoweit dem Irrtum der Juden oder auch einiger der Unsrigen, die mit ihnen irren, dass wir uns vorstellen – denn nur dann kann menschliche Gebrechlichkeit von Gott sprechen hören, wenn ihr Gegenstand und Begriffe vertraut sind –, Gott tue dies deshalb mit Körperteilen, die unseren ähneln, und in menschlicher Gestalt. Dem Glaube der Kirche steht dies fern. Doch auf eben diese Weise,182 dass er dem Herzen eines jeden Heiligen Worte einhaucht oder den Klang einer Stimme zu dessen Ohren gelangen lässt, sagt man, Gott habe mit dem Menschen geredet.183 So sagt die Schrift184 auch, wenn Gott zu verstehen gibt, ihm sei bekannt, was ein jeder rede oder tue, er habe gehört; und wenn er zu verstehen gibt, dass wir ein Unrecht begangen hätten, sagt sie, er zürne; wenn er uns undankbar gegen seine Wohltaten schilt, sagt sie, es reue ihn – was er zwar mit Regungen zu verstehen gibt, die den Menschen vertraut sind, aber nicht mit Körperteilen bewerkstelligt, die zu unserer leiblichen Natur gehören. Denn die göttliche Wesenheit ist einfach185 und setzt sich weder aus Gliedmaßen noch Körperteilen noch Regungen zusammen; doch was auch immer von den göttlichen Kräften bewirkt wird, dies wird, damit die Menschen es begreifen können, bildlich mit menschlichen Gliedmaßen dargestellt oder mit gängigen und vertrauten Regungen ausgedrückt. In diesem Sinn heißt es, Gott zürne oder höre oder spreche. Denn wenn man die menschliche Stimme als erschüt183 Zu loqui alicui, das in der Prosa erst spätantik belegt ist, vgl. ThLL VII/2, 1671,25–39. 184 Kaum „Gott“. 185 Vgl. in Ioh. comm. I 20,119 (GCS Orig. 4, 24): „Gott . . . ist eines und einzig“; princ. I 1,6 (GCS Orig. 5, 21); Cels. VII 38 (GCS Orig. 2, 188).

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Homilia III

potest et Dei uox dici aer ictus uel ui uel uoluntate diuina. Et inde est quod, si quando uox diuinitus datur, non ad omnium aures, sed ad quorum interest auditus adlabitur, ut agnoscas sonitum non linguae pulsu redditum – alioquin fieret communis auditus –, sed superni nutus moderamine gubernatum. Quamquam prophetis saepe et patriarchis ceterisque sanctorum etiam sine uocis sono uerbum Dei factum esse referatur, sicut ex omnibus sacris uoluminibus abundanter docemur. In quo, ut breuiter dicam, inluminata mens per Spiritum Dei formatur in uerba. Et ideo siue hoc siue illo, quo supra diximus, modo, cum uoluntatem suam indicat, locutus esse dicitur Deus. Secundum hunc ergo sensum aliqua iam ex his, quae lecta sunt, disseramus. 3. Multa responsa dantur a Deo ad Abraham, sed non omnia ad unum eundemque deferuntur. Quaedam etenim ad Abram, quaedam ad Abraham, id est alia post inmutationem nominis et alia, cum adhuc genuino uocabulo censeretur. Et primum quidem a Deo ad Abram ante inmutationem nominis illud defertur oraculum quod dicit: „Exi de terra tua, et de cognatione tua, et de domo patris tui“ a et reliqua. Sed nihil in hoc de testamento Dei, nihil de circumcisione praecipitur. Non enim poterat, cum adhuc esset Abram et carnalis natiuitatis uocabulum ferret, suscipere testamentum Dei et circumcisionis insigne. Cum uero exiit de terra sua et de cognatione sua, tunc ad eum sacratiora iam responsa deferuntur, et primo dicitur ei quia: „Iam non uocaberis Abram, sed Abraham erit nomen tuum.“ b Tunc iam et testamentum Dei suscepit et signaculum fidei accepit circumcisionem, c quam non potuit accipere, dum esset in domo patris et in consanguinitate carnali et cum adhuc Abram uocaretur. Sed neque presbyter appellatus est ipse et uxor sua, donec esset in domo patris et carni cohabitaret ac sanguini; sed postquam inde profectus est, et Abraham uocari et presbyter meruit: „Erant enim“, inquit, „ambo presbyteri“, id est senes, Abraham scilicet et admiranda uxor eius, „et prouecti in a

Gen. 12,1

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vgl. Röm. 4,11

186 Diese Definition der Stimme geht angeblich auf Archelaos zurück: Diogenes Lae¨rtius II 17. Heimisch wird sie in der Stoa; z.B. Seneca, nat. II 6,3: quid enim est uox nisi intentio aeris, ut audiatur, linguae formata percussu? Simplicius, in Aristot. phys. 201 a 29 (p. 426 Diels): „Sie definieren die Stimme als erschütterte Luft (aÆeÂra peplhgmeÂnon)“; Gellius V 15; Origenes, sel. in Ps. 40 (XI p. 432 Lommatzsch). 187 Das Argument kehrt wieder bei Basilius, hexaem. 2,7 (GCS NF 2, 33). Zur ,Stimme Gottes‘ vgl. auch Origenes, Cels. I 70 (GCS Orig. 1, 124): „Gott gebrauchte eine Stimme, die, da sie voller Kraft verkündet wurde, in jenen, die sie hörten, auf unbeschreibliche Weise überzeugend wirkte.“ Siehe Alviar, Klesis 60–65.

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terte, das heißt von der Zunge zum Schwingen gebrachte Luft definiert,186 lässt sich auch Gottes Stimme als durch göttliche Gewalt oder göttlichen Willen erschütterte Luft bezeichnen. Und deshalb geschieht es, wenn einmal durch göttliche Fügung eine Stimme ertönt, dass sie nicht zu aller Ohren gelangt, sondern zum Gehör derer, die es angeht, so dass erkennbar wird, dass der Ton nicht der Bewegung einer Zunge entspringt – sonst wäre er allgemein zu hören –, sondern vom Eingreifen eines höheren Willens gelenkt wird.187 Doch es wird überliefert, dass Gottes Wort oftmals auch ohne das Erklingen einer Stimme an die Propheten und Patriarchen und übrigen Heiligen ergangen ist, wie wir aus allen heiligen Schriftrollen reichlich belehrt werden. Um es kurz zu machen: In diesem Fall formt der vom Geist Gottes erleuchtete Sinn in sich die Worte. Und deshalb heißt es, Gott habe geredet, wenn er teils auf diese, teils auf jene eben dargelegte Weise seinen Willen zu verstehen gibt. In diesem Sinn also wollen wir nun einiges von dem erörtern, was gelesen wurde. 3. Viele Antworten werden Abraham von Gott gegeben, doch nicht alle werden ein und demselben Menschen zuteil; manche werden nämlich Abram zuteil, manche Abraham, das heißt die einen nach der Namensänderung und die anderen, als man ihn noch unter dem Geburtsnamen kannte. Und zuerst wird Abram von Gott vor der Namensänderung jene Weissagung zuteil, die besagt: „Zieh fort aus deinem Land und von deinen Verwandten und aus dem Haus deines Vaters“a und so weiter. Doch in ihr ergeht keine Weisung zum Bund mit Gott, keine zur Beschneidung. Denn als er noch Abram war und den Namen seiner leiblichen Geburt trug, konnte er den Bund mit Gott und die Auszeichnung der Beschneidung nicht empfangen. Als er jedoch aus seinem Land und von seinen Verwandten fortzog, da wurden ihm fortan heiligere Antworten zuteil, und zuerst erfährt er, dass „man dich nicht mehr Abram rufen wird, sondern dein Name Abraham lauten wird“.b Da erlangte er den Bund mit Gott und empfing als Zeichen des Glaubens die Beschneidung,c die er nicht empfangen konnte, solange er im Haus seines Vaters und bei den leiblichen Verwandten weilte und noch Abram hieß.188 Doch weder er noch seine Frau wurden ,Ältester‘ genannt, solange er im Haus seines Vaters weilte und mit seinem Fleisch und Blut zusammenwohnte. Doch als er von dort aufgebrochen war, verdiente er es, ,Abraham‘ und ,Ältester‘ zu heißen: „Denn es waren“, heißt es, „beide Älteste“, das heißt Greise,189 Abraham nämlich und seine bewundernswerte

188 Vgl. pasch. 6 (p. 164 Gue´raud/Nautin): „Nicht Abram empfängt die Verheißungen, sondern Abraham.“ 189 Der erklärende Einschub id est senes (bzw. senex) hier und einige Zeilen weiter dürfte auf Rufins Konto gehen.

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Homilia III

diebus suis“. a Quanti ante eos longioribus annorum spatiis uitam duxere, nongentis et eo amplius annis aliqui, aliqui non multo minus usque ad diluuium uixere, et nulli ex his presbyteri appellati sunt. Non enim hoc nomine in Abraham senecta corporis, sed cordis maturitas appellata est. Sic et ad Moysen Dominus dicit: „Elige tibi presbyteros, quos tu ipse scis presbyteros esse.“ b Intueamur diligentius Domini uocem, quid sibi ista uidetur adiectio, qua ait: „Quos tu ipse scis esse presbyteros.“ Numquid is, qui senilem corporis gerebat aetatem, non omnium oculis perspicuus erat quod esset presbyter, id est senex? Quid ergo soli Moysi, tanto ac tali prophetae, specialis ista mandatur inspectio, ut illi eligantur, non quos ceteri homines norunt, non quos inperitum uulgus agnoscit, sed quos propheta Deo plenus elegerit? Non enim erga eos de corpore, non de aetate, sed de mente iudicium est. Tales ergo erant beati isti presbyteri Abraham et Sarra. Et primo omnium genuina his nomina, quae ortus carnalis dederat, conmutantur. „Cum enim esset nonaginta et nouem annorum Abraham, apparuit ei Deus et dixit: Ego sum Deus, conplace coram me, et esto inculpabilis, et ponam testamentum inter me et te. Et procidit Abraham in faciem suam et adorauit Deum, et locutus est ei Deus dicens: Ego sum, ecce testamentum meum tecum, et eris pater multitudinis gentium, et benedicentur in te omnes gentes; et iam non uocabitur nomen tuum Abram, sed erit nomen tuum Abraham.“ c Et cum dedisset hoc nomen, statim subiungit: „Et ponam testamentum meum inter me et te, et semen tuum post te. Et hoc est testamentum, quod seruabis inter me et te, et inter semen tuum post te.“ d Et post haec addit: „Circumcidetur omne masculinum uestrum, et circumcidetis carnem praeputii uestri.“ e 4. Igitur quandoquidem in hos deuenimus locos, requirere uolo, si omnipotens Deus, qui caeli ac terrae dominatum tenet, uolens testamentum ponere cum uiro sancto, in hoc summam tanti negotii conlocabat, ut praeputium carnis eius ac futurae ex eo sobolis circumcideretur. „Erit enim“, inquit, „testamentum meum super carnem tuam.“ f Hocine erat quod caeli Gen. 18,11 17,13

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Num. 11,16

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Gen. 17,1–5

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Gen. 17,7

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Gen. 17,10f.

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Gen.

190 Vgl. Gen. 5. 191 Vgl. in Gen. hom. 4,4 (GCS Orig. 6, 54) und ad loc. Alviar, Klesis 191f. – Bereits Philon unterstreicht, dass Abraham als jüngster der frühen Patriarchen stirbt und zugleich als einziger als „alt und hochbetagt“ bezeichnet wird – in Anerkennung seiner Reife und Einsicht: sobr. 17 (II p. 218 Cohn/Wendland). Vgl. Origenes, in Gen. frg. E 7 Metzler (OWD 1/1 204–206); in Ios. hom. 16,1 (GCS Orig. 7, 395f.); Hieronymus, in Is. II 3 (I p. 222 Gryson/Deproost).

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Frau, „und vorgerückt in ihren Tagen“.a Wie viele vor ihnen lebten weit längere Jahresspannen, neunhundert Jahre und mehr, einige lebten nicht viel kürzer in der Zeit vor der Flut190 – und keinen von ihnen nannte man ,Ältesten‘.191 Mit diesem Wort wurde bei Abraham nämlich nicht das Greisenalter des Leibes bezeichnet, sondern die Reife des Herzens.192 So spricht der Herr auch zu Mose: „Erwähle dir Älteste, von denen du weißt, dass sie Älteste sind.“b Wir wollen das Wort des Herrn sorgfältiger prüfen, was dieser Zusatz bedeutet, in dem er sagt: „von denen du weißt, dass sie Älteste sind“. Lag denn nicht vor aller Augen offen, dass der ein Ältester war, das heißt ein Greis, der die leiblichen Greisenjahre verlebte? Warum wird also allein dem Mose, einem so großen und bedeutenden Propheten, diese besondere Prüfung anvertraut: nicht die auszuerwählen, die die übrigen Menschen kennen, nicht die, die das unkundige Volk erkennt, sondern die, die der gotterfüllte Prophet auserwählt? Denn das Urteil über sie gilt nicht ihrem Leib, nicht ihrem Alter, sondern ihrem Geist.193 Solche Ältesten waren sie also, die seligen Abraham und Sarah. Und zuallererst werden ihre angeborenen Namen, die ihnen die leibliche Geburt verliehen hatte, geändert. „Als Abraham nämlich neunundneunzig Jahre alt war, erschien ihm Gott und sprach: Ich bin Gott, sei wohlgefällig vor meinen Augen und untadelig, und ich werde einen Bund schließen zwischen mir und dir. Und Abraham fiel nieder auf sein Angesicht und betete Gott an, und Gott redete zu ihm und sprach: Ich bin. Siehe, mein Bund mit dir: Du wirst Vater einer Fülle von Völkern sein, und in dir werden alle Völker gesegnet werden. Und dein Name wird nicht länger Abram heißen, sondern dein Name wird Abraham sein.“c Und als er ihm diesen Namen gegeben hatte, fügt er sogleich hinzu: „Und meinen Bund werde ich schließen zwischen mir und dir und deinen Samen pflanzen nach dir. Und dies ist der Bund, den du bewahren wirst zwischen mir und dir und deinem Samen nach dir.“d Und danach fügt er hinzu: „Alles Männliche bei euch wird beschnitten werden, und ihr werdet das Fleisch eurer Vorhaut beschneiden.“e 4. Da wir nun einmal zu diesen Passagen gelangt sind, will ich untersuchen, ob der allmächtige Gott, der Macht hat über Himmel und Erde, als er den Bund mit dem heiligen Mann schließen wollte, den Kern einer so bedeutenden Angelegenheit darin sah, dass dessen leibliche Vorhaut und die seiner einstigen Nachkommen beschnitten würde. „Denn mein Bund“, sagt er, „wird über deinem Fleisch sein.“f War es das, was der Herr des Himmels 192 Den gleichen Gedanken entwickelt Origenes, in Gen. hom. 4,4 (GCS Orig. 6, 54) sowie in Ios. hom. 16,1 (GCS Orig. 7, 394–396). – Vgl. zu dem Absatz ferner in Gen. cat. 1077 (III p. 121 Petit). 193 Doutreleau, SC 7bis, 122f. Anm. 3, möchte statt mente mit Hs. E corde lesen (vgl. weiter oben cordis maturitas im Gegensatz zu senecta corporis).

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ac terrae Dominus a ei, quem e cunctis mortalibus solum delegerat, aeterni testamenti munere conferebat? Haec enim sunt sola, in quibus magistri et doctores synagogae sanctorum gloriam ponunt. Ecclesia uero Christi, quae per prophetam dixerat: „Mihi autem satis honorificati sunt amici tui, Deus“, b quomodo honoret amicos sponsi sui et quantam eis gloriam conferat, cum gesta eorum reuoluit, ueniant, si uidetur, et audiant. Nos ergo imbuti per apostolum Paulum dicimus quia, sicut multa alia in figura et imagine futurae ueritatis fiebant, ita et circumcisio illa carnalis circumcisionis spiritalis formam gerebat, de qua et dignum erat et decebat Deum maiestatis c praecepta mortalibus dare. Audite ergo, quomodo Paulus „doctor gentium in fide et ueritate“ d de circumcisionis mysterio Christi ecclesiam docet. „Videte“, inquit, „concisionem“ – de Iudaeis loquens, qui conciduntur in carne – „nos enim sumus“, ait, „circumcisio, qui Spiritu Deo seruimus et non in carne fiduciam habemus“. e Haec una Pauli de cirumcisione sententia. Audi et aliam: „Non enim qui in manifesto Iudaeus est“, inquit, „neque quae manifeste in carne est circumcisio, sed qui in occulto Iudaeus, circumcisione cordis in spiritu, non littera.“ f Non tibi dignius uidetur talis circumcisio dicenda in sanctis et amicis Dei quam carnis obtruncatio? Sed sermonis nouitas fortasse non solum Iudaeos, sed etiam aliquos fratrum nostrorum deterreat. Impossibilia enim uidetur Paulus praesumere, qui circumcisionem cordis inducit. Quomodo enim fieri poterit, ut circumcidatur membrum, quod internis uisceribus obtectum etiam a conspectibus ipsis hominum latet? Redeamus ergo ad propheticas uoces, ut orantibus uobis haec, de quibus quaerimus, inde clarescant. Ezechiel propheta dicit: „Omnis alienigena incircumcisus corde et incircumcisus carne non introibit in sancta mea.“ g Et item alibi nihilominus exprobrans propheta dicit: „Omnes alienigenae incircumcisi carne, filii autem Israhel incircumcisi corde.“ h Designatur ergo quod, nisi quis circumcisus fuerit corde et circumcisus carne, non introibit in sancta Dei. b c vgl. Gen. 24,3 Ps. 138(139),17 LXX vgl. Ps. 28(29),3 f g h 3,2f. Röm. 2,28f. Ez. 44,9 Jer. 9,25

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1 Tim. 2,7

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Phil.

194 Mit magistri und doctores sind womöglich die „Pharisäer und Schriftgelehrten“ gemeint. 195 Das Lob der „geistigen Beschneidung“ singt auch Ambrosius, Abr. II 78 (CSEL 32/1, 630): perfecta . . . circumcisio spiritalis est. 196 Concisio statt circumcisio erscheint nur in christlichen Texten als abwertende Bezeichnung der jüdischen Beschneidung (vgl. ThLL IV, 63,18–24). Gleiches gilt für concidere bzw. circumcidere. 197 Vgl. zu diesem Paulus-Zitat in Num. hom. 15,3 (GCS Orig. 7, 135); in Ios. hom. 13,1 (7, 371); in Rom. comm. II 9 (p. 147 Hammond Bammel). 198 Obtruncatio gehört zu den Lieblingswörtern Rufins (ansonsten erscheint es einmal bei Columella und noch dreimal spätantik; vgl. ThLL IX/2, 295,9–14). Für die

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und der Erdea ihm, den er aus allen Sterblichen als einzigen auserwählt hatte, als Gabe des ewigen Bundes in die Hand legte? Allein darin nämlich siedeln die Meister und Lehrer194 der Synagoge den Ruhm der Heiligen an. Doch sie sollen kommen, wenn sie wollen, und hören, wie die Kirche Christi, die durch den Propheten gesagt hatte: „Deine Freunde haben mir hinreichend Ehre erfahren, Gott“,b die Freunde ihres Bräutigams ehrt und wieviel Ruhm sie ihnen zuerkennt, wenn sie ihrer Taten gedenkt. Dank der Unterweisung des Apostels Paulus halten wir also fest, dass, wie etliches andere im Gleichnis und Bild künftiger Wahrheit geschah, so auch jene fleischliche Beschneidung die Gestalt der geistigen Beschneidung in sich trug, zu der der Gott der Erhabenheitc würdig und rechtens den Sterblichen Gebote gab.195 Hört also, wie Paulus, „der Lehrer der Heiden im Glauben und in der Wahrheit“,d die Kirche Christi über das Geheimnis der Beschneidung unterweist. „Seht“, sagt er, „die Beschneidung“, wobei er über die Juden spricht, die im Fleisch beschnitten sind,196 „wir nämlich sind die Beschneidung“, sagt er, „die wir Gott im Geist dienen und nicht ins Fleisch Vertrauen haben“.e Dies ist ein Urteil des Paulus über die Beschneidung. Höre noch ein anderes: „Denn nicht der ist Jude, der es sichtbar ist“, sagt er, „und nicht das ist Beschneidung, was im Fleisch sichtbar ist, sondern der, der im Verborgenen Jude ist, durch die Beschneidung des Herzens im Geist, nicht im Buchstaben.“f 197 Scheint es dir nicht würdiger, den Heiligen und Freunden Gottes eine solche Beschneidung zuzusprechen als eine Verstümmelung198 des Fleisches? Doch das Unerhörte jener Wendung könnte vielleicht nicht nur die Juden, sondern auch einige unserer Brüder abschrecken. Denn Unmögliches scheint Paulus sich vorzustellen, der von der Beschneidung des Herzens spricht. Denn wie soll es geschehen können, dass ein Körperteil beschnitten wird, der sich, von den inneren Eingeweiden verdeckt, sogar den Blicken der Menschen entzieht? Lasst uns also zu den Worten der Propheten zurückkehren, damit auf euer Gebet hin die Dinge, über die wir nachdenken, alsbald klar zutage treten. Der Prophet Ezechiel sagt: „Kein Fremder, der unbeschnitten ist im Herzen und unbeschnitten im Fleisch, wird in mein Heiligtum treten.“g Ebenso sagt der Prophet an anderer Stelle, nicht minder tadelnd: „Alle Fremden sind unbeschnitten im Fleisch, die Söhne Israels jedoch sind unbeschnitten im Herzen.“h Es wird also darauf hingewiesen, dass, wer nicht beschnitten ist im Herzen und beschnitten im Fleisch, nicht in das Heiligtum Gottes treten wird.199 „Beschneidung“ verwendet er es nur hier, vermutlich in Anspielung (des Origenes) auf Gal. 5,12. 199 Vgl. in Rom. comm. II 9 (p. 165 Hammond Bammel): „Bei Ezechiel . . . sagt der Herr: ,Kein fremdgeborener Sohn, der unbeschnitten ist im Herzen und unbeschnitten im Fleisch, wird in mein Heiligtum treten‘ (Ez. 44,9). Offensichtlich geht

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5. Sed uidebor meis ipse indiciis captus. Hoc enim prophetae testimonio continuo constringit me Iudaeus et dicit: Ecce propheta utramque circumcisionem designat carnis et cordis; allegoriae non superest locus, ubi utraque species circumcisionis exigitur. Si me uestris precibus iuueritis, ut adesse dignetur uerbum Dei uiui a „in apertione oris“ b nostri, poterimus ipso duce per ar[c]tum hoc quaestionis iter ad latitudinem ueritatis exire, quia non solum carnales Iudaei de circumcisione carnis reuincendi sunt nobis, sed et nonnulli ex his, qui Christi nomen uidentur suscepisse et tamen carnalem circumcisionem recipiendam putant, ut Ebionitae et si qui his simili paupertate sensus oberrant. Vtamur igitur ueteris instrumenti testimoniis, quibus libenter indulgent. Scriptum est in Hieremia propheta: „Ecce populus hic incircumcisus auribus.“ c Audi Israhel propheticam uocem, grande tibi opprobrium dicitur, grandis tibi inpingitur culpa. Accusatio tua profertur, quod incircumcisus es auribus. Et cur non haec audiens adhibuisti ferrum auribus tuis et incidisti eas? Culparis namque a Deo et condemnaris, cur aures non habeas circumcisas. Confugere enim tibi ad allegorias nostras, quas Paulus docuit, non permitto. Circumcidere quid cessas? Deseca aures, abscide membra, quae Deus ad utilitatem sensuum et ad ornatum humani status creauit; sic enim intellegis uerba diuina. Sed et aliud tibi adhuc proferam, cui contradicere non possis. In Exodo, ubi nos in codicibus ecclesiae habemus scriptum respondentem ad Dominum Moysen et dicentem: „Prouide Domine alium, quem mittas. Ego enim gracili uoce sum et tardus lingua“, uos in Hebraeis exemplaribus habetis: „Ego autem incircumcisus sum labiis.“ d Ecce habetis circumcisionem labiorum secundum uestra, quae ueriora dicitis, exemplaria. a

vgl. 1 Petr. 1,23

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Eph. 6,19

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Jer. 6,10

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Ex. 4,13.10 (vgl. 6,30)

das Prophetenwort in diesem Passus von zwei Beschneidungen aus. Von daher sind wir gehalten, gemäß den Gesetzen der Allegorese Form und Erscheinung beider Beschneidungen zu klären.“ 200 Vgl. Otto, Sprichwörter s.v. sorex. 201 Arctus ist eine seltene Verschreibung für artus (vgl. ThLL II, 720,35–37). Rufins Text ist wohl zu korrigieren. 202 Als Ebioniten (hebr. „die Armen“; von daher Origenes’ boshaftes Wortspiel) bezeichnete man eine Gruppe, die sich zum Christentum bekannte, zugleich aber an den jüdischen Kultvorschriften festhielt; vgl. Cels. II 1 (GCS Orig. 1, 126f.); princ. IV 3,8 (GCS Orig. 5, 334); in Matth. comm. XI 12 (GCS Orig. 10, 52); in Rom. comm. II 9 (p. 155 Hammond Bammel); Eusebius, hist. eccl. III 27 (GCS Eus. 2/1, 254–256); Hilgenfeld, Ketzergeschichte 421–446; Simon, Verus Israel 279–296.

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5. Doch es wird so aussehen, als hätte ich mich in meinen eigenen Beweisen gefangen.200 Denn mit diesem Zeugnis des Propheten packt mich sogleich der Jude und sagt: Schau, der Prophet verweist auf beide Beschneidungen, die des Fleisches und die des Herzens; wo beide Formen der Beschneidung gefordert sind, bleibt kein Raum mehr für allegorische Auslegung. Wenn ihr mir mit euren Gebeten zu Hilfe kommt, damit das Wort des lebendigen Gottesa sich willens zeigt, „in der Öffnung“ unseres „Mundes“b zugegen zu sein, wird es mir mit ihm als Führer gelingen, durch diesen engen201 Pfad der Untersuchung hinauszuschreiten in die Weite der Wahrheit. Denn was die Beschneidung des Fleisches angeht, müssen wir nicht allein die leiblichen Juden widerlegen, sondern auch einige von denen, die scheinbar Christi Namen angenommen haben und trotzdem glauben, man müsse die fleischliche Beschneidung empfangen, wie die Ebioniten202 und wer sonst in ähnlicher Armut des Geistes irrt. Greifen wir also zu den Zeugnissen des Alten Testaments, derer sie sich liebend gerne bedienen. Im Propheten Jeremia steht geschrieben: „Siehe, dieses Volk ist unbeschnitten an den Ohren.“c Höre das Wort des Propheten, Israel! Großen Tadel spricht es dir aus, große Schuld hält es dir vor. Deine Anklage wird vorgetragen: dass du unbeschnitten seiest an den Ohren. Und warum hast du nicht, als du dies hörtest, das Messer an deine Ohren gesetzt und sie beschnitten? Beschuldigt und verurteilt Gott dich doch, deine Ohren seien nicht beschnitten. Denn ich gestatte dir nicht, zu unseren allegorischen Auslegungen Zuflucht zu nehmen, die Paulus lehrte. Was zauderst du, sie zu beschneiden? Schneide die Ohren, trenne die Glieder ab, die Gott zum Wohl der Sinne und zur Zierde der menschlichen Gestalt erschaffen hat;203 denn so verstehst du die göttlichen Worte. Doch noch eine andere Passage will ich dir vorlegen, der du nicht widersprechen kannst. Im Buch Exodus, wo wir in den Handschriften der Kirche geschrieben finden, dass Mose dem Herrn antwortet und sagt: „Halte Ausschau nach einem anderen, Herr, um ihn zu senden. Denn ich bin von zarter Stimme und träger Zunge“, lest ihr in den hebräischen Manuskripten: „Ich aber bin unbeschnitten an den Lippen.“d Also kennt ihr laut eurer Manuskripte, die ihr für authentischer erklärt, eine Beschneidung der Lippen.204 Wenn euch zufolge Mose 203 Hier spiegelt sich stoisches Gedankengut; vgl. Cicero, nat. deor. I 47: uos quidem . . . soletis ... quam sint omnia in hominis figura non modo ad usum, uerum etiam ad uenustatem apta describere; SVF II 1165–1167 von Arnim. 204 Vgl. Hexapla zu Ex. 6,30 Symmachus: oyÍk eiÆmi kauaroÁw fueÂgmati (wörtlich: „ich bin nicht rein an Stimme / in meiner Rede“); Septuaginta: iÆsxnoÂfvnoÂw eiÆmi („ich bin von schwacher Stimme“) (I p. 91 Field). Auf den gleichen Punkt kommt Origenes in seinem Römerbriefkommentar zu sprechen, in Rom. comm. II 9 (p. 167 Hammond Bammel): „Wo schließlich Moses zum Herrn sagt: ,Halte Ausschau nach einem anderen; ich aber bin von träger Zunge und zarter Stimme‘, sagen sie, in den hebräischen Manuskripten stehe: ,Ich aber bin unbeschnitten an den Lippen‘.“

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Si ergo secundum uos Moyses indignum se esse adhuc dicit, quod non sit labiis circumcisus, certum est hoc illum indicare, quod dignior sit et sanctior ille, qui circumcisus est labiis. Adhibete ergo etiam labiis falcem et oris operimenta desecate, quandoquidem talis uobis in diuinis litteris conplacet intellectus. Quod si circumcisionem labiorum ad allegoriam reuocatis et circumcisionem aurium nihilominus allegoricam dicitis et figuralem, quomodo non et in circumcisione praeputii allegoriam requiritis? Sed illos quidem, qui ad idolorum modum „aures habent et non audiunt, et oculos habent et non uident“, a omittamus. Vos autem, o populus Dei, et populus in adquisitionem electus ad enarrandas uirtutes Domini, b suscipite dignam circumcisionem uerbi Dei in auribus uestris et in labiis et in corde et in praeputio carnis uestrae et in omnibus omnino membris uestris. Circumcisae namque sint aures uestrae secundum uerbum Dei, ut uocem non recipiant obtrectantis, ut maledici et blasphemi uerba non audiant, ut falsis criminationibus, mendacio, irritationi non pateant. Oppilentur et clausae sint, ne iudicium sanguinis audiant c aut inpudicis canticis et theatralibus sonis pateant. Nihil obscoenum recipiant, sed ab omni scena corruptionis auersae sint. Haec est circumcisio, qua ecclesia Christi aures suorum circumcidit infantum. Istae, credo, sunt aures, quas in auditoribus suis Dominus requirebat dicens: „Qui habet aures audiendi, audiat.“ d Nemo enim potest incircumcisis auribus et inmundis munda uerba sapientiae et ueritatis audire. Veniamus, si uultis, et ad labiorum circumcisionem. Ego puto quod incircumcisus sit labiis, e qui nondum cessauit ab stultiloquio, ab scurrilitate, f qui bonis derogat, qui criminatur proximos, qui instigat lites, qui calumnias mouet, qui fratres inter se falsa loquendo conmittit, qui uana, inepta, saecularia, inpudica, turpia, iniuriosa, proterua, blasphema et cetera, quae indigna sunt Christiano, proloquitur. Si qui uero ab his omnibus continet os suum, et „disponit sermones suos in iudicio“, g uerbositatem reprimit, linguam temperat, uerba moderatur, iste merito circumcisus labiis dicitur. Sed et qui iniquitatem in excelsum loquuntur et extendunt in caelum linguam suam, h sicut haeretici faciunt, incircumcisi et inmundi labiis dicendi sunt, circumcisus uero et mundus, qui semper uerbum Dei loquitur et sanam doctrinam euangelicis et apostolicis munitam regulis profert. Hoc ergo modo et circumcisio labiorum datur in ecclesia Dei. Ps. 113,14.13 (115,6.5) u.ö. b vgl. 1 Petr. 2,9f. c vgl. Jes. 33,15 d Mt. 13,9 f g h Ex. 4,10; 6,30 vgl. Eph. 5,4 Ps. 111(112),5 LXX vgl. Ps. 72(73),8f.

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vgl.

205 Eine verwandte Diskussion in Rom. comm. II 9 (p. 166f. Hammond Bammel): Ein dem Wortsinn verhafteter Ausleger „wird folglich notwendig zur Allegorese zurückkehren und sagen, die Ohren seien beschnitten, wenn sie gemäß Salomos Mahnung . . . verschlossen werden, auf dass sie dem Rat des Blutes nicht lauschen (vgl. Jes. 33,15). Unbeschnitten an den Lippen heißt, wer Lästerung, Geschwätz, üble Nachrede nicht beschneidet.“

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also erklärt, er sei noch nicht würdig, da er an den Lippen nicht beschnitten sei, steht fest, dass er damit zu verstehen gibt, würdiger und heiliger sei der, der an den Lippen beschnitten ist. Setzt die Sichel also auch an eure Lippen und trennt die Hüllen des Mundes ab – findet ihr doch nun einmal Gefallen an einem solchen Verständnis der göttlichen Texte. Wenn ihr aber die Beschneidung der Lippen als Allegorie auffasst und die Beschneidung der Ohren ebenfalls als allegorisch und bildlich ausgebt, warum sucht ihr nicht auch in der Beschneidung der Vorhaut eine Allegorie? Doch genug von denen, die nach Art der Götzenbilder „Ohren haben und nicht hören, und Augen haben und nicht sehen“.a Ihr aber, Volk Gottes und Volk, auserwählt und erworben, die Werke des Herrn zu verkünden,b vollzieht eine Beschneidung, die des Wortes Gottes würdig ist: an euren Ohren und Lippen, in eurem Herzen, an der Vorhaut eures Fleisches und überhaupt an all euren Gliedern. Denn eure Ohren seien beschnitten getreu dem Wort Gottes, auf dass sie die Stimme des Widersachers nicht vernehmen, auf dass sie die Worte des Lästermauls und Gottesverächters nicht hören, auf dass sie sich falschen Anschuldigungen, Lügen und Verlockungen nicht öffnen. Verriegelt und verschlossen sollen sie sein, auf dass sie dem Rat des Blutes nicht lauschenc oder sich unkeuschen Liedern und dem Lärmen des Theaters öffnen. Nichts Anstößiges sollen sie vernehmen, sondern sich von jedem Schauspiel der Verderbnis abwenden. Das ist die Beschneidung, mit der die Kirche Christi die Ohren ihrer Kinder beschneidet. Dies, glaube ich, sind die Ohren, die der Herr bei seinen Hörern erwartete, als er sprach: „Wer Ohren hat zu hören, der höre.“d Denn niemand kann mit unbeschnittenen und unreinen Ohren die reinen Worte der Weisheit und Wahrheit vernehmen. Wenn es euch recht ist, wollen wir auch auf die Beschneidung der Lippen eingehen. Ich glaube, der ist an den Lippen unbeschnitten,e der noch nicht von einfältigem Geschwätz und Schabernack lässt,f der gute Menschen anschwärzt, der seine Nächsten verleumdet, der Streit vom Zaun bricht, der falsche Anschuldigungen in die Welt setzt, der mit lügnerischen Worten Brüder aufeinanderhetzt, der eitle, ungereimte, weltliche, schamlose, schändliche, frevlerische, unverschämte, lästerliche und andere eines Christen unwürdige Reden führt. Wer seinen Mund jedoch in jeder Weise in Zaum hält und „seine Worte mit Verstand setzt“,g die Schwatzhaftigkeit unterdrückt, die Zunge zügelt, die Worte mäßigt, von dem heißt es zurecht, er sei an den Lippen beschnitten. Doch auch die, die Ungerechtigkeit wider die Höhe reden und dem Himmel ihre Zunge herausstrecken,h wie es die Häretiker tun, müssen als unbeschnitten und unrein an den Lippen gelten, als beschnitten und rein aber der, der immer das Wort Gottes im Mund führt und die heilsame, mit den Lehrsätzen der Evangelien und Apostel gewappnete Lehre verkündet. Auf diese Weise also gibt es in der Kirche Gottes auch eine Beschneidung der Lippen.205

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6. Nunc uero secundum pollicitationem nostram, qualiter etiam carnis circumcisio suscipi debeat, uideamus. Membrum hoc, in quo praeputium uidetur esse, officiis naturalibus coitus et generationis deseruire, nemo qui dubitet. Si qui igitur erga huiuscemodi motus non inportunus existat, nec statutos legibus terminos superet nec aliam feminam quam coniugem legitimam nouerit et in ea quoque ipsa posteritatis tantummodo causa certis et legitimis temporibus agat, iste circumcisus praeputio carnis suae dicendus est. Qui uero in omnem lasciuiam proruit et per diuersos et illicitos passim pendet amplexus atque in omnem libidinis gurgitem fertur infrenis, iste incircumcisus est praeputio carnis suae. Verum ecclesia Christi gratia eius, qui pro se crucifixus est, roborata non solum ab illicitis nefandisque cubilibus, uerum etiam a concessis et licitis temperat et tamquam uirgo sponsa Christi castis et pudicis uirginibus floret, in quibus uera circumcisio carnis praeputii facta est et uere testamentum Dei et testamentum aeternum in eorum carne seruatur. Superest nobis designare etiam circumcisionem cordis. Si quis est, qui obscoenis desideriis et foedis cupiditatibus aestuat et, ut breuiter dicam, qui moechatur in corde, a hic „incircumcisus“ est „corde“. b Sed et qui haereticos sensus mente continet et blasphemas assertiones contra scientiam Christi disponit in corde, hic incircumcisus est corde. Qui uero puram fidem in conscientiae sinceritate custodit, iste circumcisus est corde; de quo dici potest: „Beati mundi corde, quia ipsi Deum uidebunt.“ c Ego uero audeo ex simili etiam haec propheticis uocibus addere, quia, sicut oportet auribus et labiis et corde et carnis praeputio secundum ea, quae supra diximus, circumcidi, ita fortassis et manus nostrae indigent circumcisionem et pedes et uisus et odoratus et tactus. Vt enim perfectus sit homo Dei in omnibus, d cuncta circumcidenda sunt membra, manus quidem a rapinis, a furtis, a caedibus, et ad sola Dei opera pandendae. Circumcidendi sunt pedes, ne ueloces sint ad effundendum sanguinem, e et ne intrent in consilium malignantium, f sed ut tantum pro mandatis Dei circumeant. Circumcidatur et oculus, ne concupiscat alienum, ne uideat ad concupiscendum mulierem. g Cui enim erga feminarum formas lasciuus et curiosus oberrat aspectus, iste incircumcisus est oculis. Sed et si quis est, qui siue manducet a f

vgl. Mt. 5,28 vgl. Ps. 1,1

Ez. 44,9 c Mt. 5,8 vgl. Mt 5,28 b

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vgl. 2 Tim. 3,17

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vgl. Spr. 1,16; Jes. 59,7

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6. Nun wollen wir aber unserem Versprechen getreu auch prüfen, wie die Beschneidung des Fleisches aufzufassen ist. Niemand dürfte bezweifeln, dass dieses Glied, an dem man die Vorhaut sitzen sieht, den natürlichen Aufgaben von Beischlaf und Zeugung dient. Wer sich also angesichts solcher Regungen nicht zügellos zeigt, weder die vom Recht gesetzten Schranken verletzt noch eine andere Frau als die rechtmäßige Gattin erkennt und auch mit eben dieser allein um der Nachkommenschaft willen zu bestimmten festgelegten Zeiten tätig wird, den muss man an der Vorhaut seines Fleisches beschnitten nennen.206 Wer sich aber auf jederlei Lust stürzt, allerorten in mannigfacher verbotener Umarmung liegt und haltlos in jedem Strudel der Leidenschaft versinkt, der ist an der Vorhaut seines Fleisches unbeschnitten. Doch die Kirche Christi, gestärkt durch die Gnade dessen, der für sie gekreuzigt worden ist, enthält sich nicht allein unerlaubter und ruchloser, sondern auch der erlaubten und gesetzmäßigen Beilager, und wie eine jungfräuliche Braut Christi erblüht sie in keuschen und reinen Jungfrauen, an denen die wahre Beschneidung des Fleisches der Vorhaut geschehen ist und in deren Fleisch der wahre Bund mit Gott, der ewige Bund bewahrt wird. Bleibt uns noch die Beschneidung des Herzens zu deuten. Wenn jemand in lüsternen Begierden und abscheulichen Leidenschaften erglüht und, kurz gesagt, im Herzen die Ehe bricht,a der ist „unbeschnitten im Herzen“.b Doch auch wer ketzerische Gedanken im Sinn trägt und lästerliche Behauptungen wider die Erkenntnis Christi im Herzen bewegt, der ist unbeschnitten im Herzen. Wer aber den reinen Glauben in der Aufrichtigkeit seines Gewissens bewahrt, der ist beschnitten im Herzen; von ihm kann man sagen: „Selig die Reinen im Herzen, denn sie werden Gott schauen.“c Ich wage es aber, den Worten der Propheten in ähnlichem Geist auch dies hinzuzufügen: Wie es, in dem Sinn, in dem wir es eben dargelegt haben, notwendig ist, an den Ohren und Lippen und im Herzen und an der Vorhaut des Fleisches beschnitten zu werden, so bedürfen vielleicht auch unsere Hände und Füße und Augen und unser Geruchs- und Tastsinn der Beschneidung. Damit nämlich der Mensch Gottes in allem vollkommen sei,d müssen alle seine Glieder beschnitten werden – die Hände nämlich von Räuberei, Diebstahl und Totschlag; allein zu den Werken Gottes sollen sie sich ausstrecken. Die Füße müssen beschnitten werden, damit sie nicht behend sind, Blut zu vergießen,e und nicht eintreten in den Rat der Boshaften,f sondern nur zur Erfüllung der Gebote Gottes umherwandeln. Auch das Auge gilt es zu beschneiden, damit es nichts Fremdes begehre, damit es nicht schaue, eine Frau zu begehren.g Denn wessen Blick lüstern und neugierig über weibliche Formen irrt, der ist unbeschnitten an den Augen. 206 Zu Origenes’ Bild der Ehe vgl. z.B. in Gen. hom. 5,4 (GCS Orig. 6, 62) und in Matth. comm. XIV 2 (GCS Orig. 10, 277f.), ferner Chadwick, Early Christian thought 90.

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Homilia III

siue bibat, sicut apostolus praecipit, ad gloriam Dei manducat et bibit, a iste circumcisus est gustu; cuius autem Deus uenter est b et suauitatibus gulae deseruit, huius incircumcisum dixerim gustum. Si qui Christi odorem bonum c capit et in operibus misericordiae odorem suauitatis d requirit, huius circumcisa est odoratio; qui uero primis unguentis delibutus e incedit, iste incircumcisus odoratu dicendus est. Sed et singula quaeque membrorum, si in officiis mandatorum Dei deseruiant, circumcisa dicenda sunt; si uero ultra praescriptas sibi diuinitus luxuriant leges, incircumcisa reputanda sunt. Et hoc puto esse, quod apostolus dixit: „Sicut enim exhibuistis membra uestra seruire iniquitati ad iniquitatem, ita nunc exhibete membra uestra seruire iustitiae in sanctificationem.“ f Cum enim iniquitati seruirent membra nostra, non erant circumcisa nec erat in eis testamentum Dei; cum uero seruire coeperint iustitiae in sanctificationem, promissio, quae ad Abraham facta est, inpletur in eis. Tunc enim lex Dei et testamentum eius signatur in eis. Et hoc est uere signum fidei, g quod inter Deum et hominem aeterni foederis continet pactum. Ista est circumcisio quae petrinis machaeris h per Iesum populo Dei data est. Quae est autem machaera petrina et qui gladius, quo circumcisus est populus Dei? Audi dicentem apostolum: „Viuus enim est Dei sermo et efficax et acutior omni gladio utrimque acuto pertingens usque ad diuisionem animae ac spiritus, conpagum quoque et medullarum; et est discretor cogitationum et intentionum cordis.“ i Iste ergo est gladius, quo circumcidi debemus, de quo dicit Dominus Iesus: „Non ueni pacem mittere in terram, sed gladium.“ j Non tibi uidetur dignior haec esse circumcisio, in qua testamentum Dei debeat conlocari? Confer, si placet, haec nostra cum uestris Iudaicis fabulis et narrationibus foetidis et uide, si in illis uestris an in his, quae in Christi ecclesia praedicantur, circumcisio diuinitus obseruetur; si non etiam ipse sentis et intellegis hanc ecclesiae circumcisionem, honestam, sanctam, Deo dignam, illam uestram turpem, foedam, deformem, ipso etiam habitu et aspectu kakeÂmfaton praeferentem. „Et erit“, inquit Deus ad Abraham, cirvgl. 1 Kor. 10,31 b vgl. Phil. 3,19 c vgl. 2 Kor. 2,15 d vgl. Gen. 8,21 u.ö. e vgl. Am. 6,6 f Röm. 6,19 g vgl. Gen. 17,11 h vgl. Jos. 5,2 i Hebr. 4,12 j Mt. 10,34

a

207 Vgl. in Rom. comm. II 9 (p. 168 Hammond Bammel): „Man erzählt, getreu dem Gebot des Herrn habe Josua, der Sohn Nuns, die Söhne Israels ein zweites Mal mit steinernen Messern (vgl. Jos. 5,2) beschnitten – was freilich, soweit es den Buchstaben betrifft, unmöglich scheint“; in Ios. hom. 5,5 (GCS Orig. 7, 317f.).

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Doch auch, wenn jemand isst oder trinkt, wie der Apostel es lehrt: zur Ehre Gottes isst und trinkt er,a der ist beschnitten in seinem Geschmackssinn; wessen Gott aber der Bauch istb und wer sich den Genüssen des Schlundes hingibt, dessen Geschmackssinn würde ich unbeschnitten nennen. Wenn einer den guten Geruch Christic annimmt und in den Werken der Barmherzigkeit den Geruch der Süßigkeitd sucht, dessen Geruchssinn ist beschnitten; wer aber mit den erlesensten Salbölen benetzte einhergeht, der muss am Geruchssinn unbeschnitten heißen. Doch überhaupt jedes Glied muss beschnitten heißen, wenn es sich dem Dienst der Gebote Gottes ergibt; wenn es aber über die ihm von Gott gegebenen Gesetze hinaus den Sinnen frönt, muss es als unbeschnitten gelten. Dies ist es, glaube ich, was der Apostel sagte: „Wie ihr nämlich eure Glieder dargeboten habt, dass sie der Ungerechtigkeit dienen, um eurer Ungerechtigkeit willen, so bietet jetzt eure Glieder dar, dass sie der Gerechtigkeit dienen, um eurer Heiligung willen.“f Als unsere Glieder nämlich der Ungerechtigkeit dienten, waren sie nicht beschnitten, und der Bund mit Gott war nicht in ihnen; da sie aber beginnen, um der Heiligung willen der Gerechtigkeit zu dienen, erfüllt sich die Verheißung, die an Abraham erging, in ihnen. Da nämlich wird Gottes Gesetz und sein Bund in ihnen besiegelt. Dies ist wahrhaftig das Siegel des Glaubens,g das die Übereinkunft des ewigen Bundes zwischen Gott und Mensch in sich beschließt. Dies ist die Beschneidung, die dem Volk Gottes durch Jesus (sc. Josua)207 mit steinernen Messernh gegeben wurde. Was aber ist das steinerne Messer,208 das Schwert, mit dem das Volk Gottes beschnitten wurde? Höre, was der Apostel sagt: „Denn lebendig ist Gottes Wort und wirkmächtig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, auch von Gelenken und Mark; und es ist der Wäger der Gedanken und Regungen des Herzens.“i Dies also ist das Schwert, mit dem wir beschnitten werden müssen und von dem der Herr Jesus sagt: „Ich bin nicht gekommen, Frieden auf die Erde zu bringen, sondern das Schwert.“j Scheint dir diese Beschneidung nicht würdiger, um einen Bund mit Gott zu schließen? Vergleiche doch bitte unsere Auslegung mit euren jüdischen Märchen und abstoßenden Geschichten und prüfe, ob nach eurem Verständnis oder laut dessen, was Christi Kirche verkündet, die Beschneidung im Sinne Gottes ausgeübt wird – wenn du nicht aus eigenen Stücken einsiehst und begreifst, dass diese Beschneidung der Kirche ehrbar, heilig und Gottes würdig ist, die eure hingegen abgefeimt, abscheulich und ungestalt; zudem stellt sie in Form und Erscheinung ,das Obszöne‘209 zur Schau. „Und“ die Beschneidung, spricht Gott zu Abraham, „und mein Bund wer208 An anderer Stelle definiert Origenes dieses Messer als den „Stein, der Christus ist“: ebd. (7, 318). 209 Rufinus bewahrt die griechische Wendung: kakeÂmfaton.

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Homilia III

cumcisio et „testamentum meum super carnem tuam.“ a Si ergo talis fuerit uita nostra, ita omnibus membris quadrata et conposita, ut uniuersi motus nostri secundum Dei leges agantur, uere testamentum Dei erit super carnem nostram. Haec quidem breuiter a nobis de ueteri testamento transcursa sint ad confutandos eos, qui in carnis circumcisione confidunt, simul et ad ecclesiam Domini aedificandam. 7. Sed uenio etiam ad nouum testamentum, in quo est plenitudo omnium, et inde uolo ostendere, quomodo et nos possumus testamentum Domini nostri Iesu Christi habere super carnem nostram. Non enim sufficit solo nomine et uerbo haec dici, sed rebus oportet inpleri. Iohannes quippe apostolus dicit: „Omnis spiritus, qui confitetur Iesum in carne uenisse, a Deo est.“ b Quid ergo? Si peccans quis et non recte agens confiteatur Iesum in carne uenisse, in Spiritu Dei uidebitur confiteri? Non est hoc testamentum Dei habere in carne, sed in uoce. Dicetur ergo ad eum statim: Erras, homo, „regnum Dei non in sermone est, sed in uirtute“. c Quomodo ergo erit testamentum Christi super carnem meam, requiro. Si mortificauero membra mea, quae sunt super terram, d testamentum Christi habeo super carnem meam. Si semper mortem Iesu Christi in corpore meo circumferam, e testamentum Christi est in corpore meo, quia „si conpatimur, et conregnabimus“. f Si conplantatus fuero similitudini mortis eius, g testamentum eius ostendo esse super carnem meam. Quid enim prode est, si in illa tantum carne, quam de Maria suscepit, dicam uenisse Iesum et non ostendam etiam in hac mea carne quod uenerit? Ostendo autem ita demum, si, quemadmodum prius exhibui membra mea seruire iniquitati ad iniquitatem, nunc ea conuertam et exhibeam seruire iustitiae ad sanctificationem. h Testamentum Dei ostendo esse in carne mea, si potuero dicere secundum Paulum quia „Christo concrucifixus sum; uiuo autem iam non ego, uiuit uero Christus in me“, i et si potuero dicere, ut ipse dicebat: „Ego autem stigmata Domini mei Iesu Christi in corpore meo porto.“ j Vere autem ille a f

Gen. 17,13 2 Tim. 2,12

b g

1 Joh. 4,2 vgl. Röm. 6,5

c

d 1 Kor. 4,20 vgl. Kol. 3,5 h i vgl. Röm. 6,19 Gal. 2,19f.

e

vgl. 2 Kor. 4,10 j Gal. 6,17

210 Wörtlich: „viereckig und zusammengefügt“. Hier kehren die metaphorischen Kanthölzer der Arche wieder; vgl. in Gen. hom. 2, bes. 2,4 (GCS Orig. 6, 32): „Das sind die Hölzer, die allem Gewicht standhalten . . ., die Lehrer in der Kirche, die Häupter und die Eiferer des Glaubens“; 2,6 (6, 37): „Diese Bibliothek errichtet er . . . aus viereckigen und gleichmäßig ausgerichteten Hölzern, das heißt . . . aus den prophetischen und apostolischen Büchern.“ 211 Das nur christlich belegte complantatus (ThLL III, 2080,66–2081,5) gibt syÂmfytow wieder („zusammengewachsen“), eine „verkürzte und daher logisch ungenaue Ausdrucksform für ,wenn wir durch die Nachbildung seines Todes mit seinem Tode zusammengewachsen sind‘“: Lietzmann, An die Römer 68 zu Röm. 6,5.

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den in deinem Fleisch sein.“a Wenn wir also unser Leben so führen – in allen Gliedern gleichmäßig wohlgeordnet210 –, dass eine jede unserer Bewegungen getreu Gottes Geboten geschieht, wird der Bund mit Gott wahrlich in unserem Fleisch sein. Dies haben wir knapp zum Alten Bund besprochen, um die zu widerlegen, die auf die Beschneidung des Fleisches vertrauen, und zugleich, um die Kirche des Herrn zu erbauen. 7. Doch ich komme auch zum Neuen Bund, in dem die Fülle von allem ist, und von ihm ausgehend will ich darlegen, auf welche Weise auch wir den Bund mit unserem Herrn Jesus Christus in unserem Fleisch haben können. Denn es genügt nicht, die Heilsbotschaft allein beim Namen und Wort zu nennen, sondern es ist notwendig, sie mit Leben zu füllen. Der Apostel Johannes sagt ja: „Aller Geist, der bekennt, dass Jesus im Fleisch gekommen ist, stammt von Gott.“b Was nun? Wenn einer, der sündigt und unrecht handelt, bekennt, dass Jesus im Fleisch gekommen ist, sollen wir annehmen, er bekenne das im Geist Gottes? Das heißt nicht den Bund mit Gott im Fleisch haben, sondern im Mund. Man wird ihm also sogleich sagen: Du irrst, Mensch, „das Reich Gottes liegt nicht im Wort, sondern in der Kraft“.c So frage ich, auf welche Weise der Bund mit Christus in meinem Fleisch sein wird. Wenn ich meine Glieder, die auf Erden sind, abgetötet habe,d habe ich den Bund mit Christus in meinem Fleisch. Wenn ich stets den Tod Jesu Christi in meinem Leib herumtrage,e ist der Bund mit Christus in meinem Leib, denn „wenn wir mit ihm mitleiden, werden wir auch mit ihm mitherrschen“.f Wenn ich ein Gewächs geworden bin211 mit ihm in der Ähnlichkeit unseres Todes,g zeige ich, dass der Bund mit ihm in meinem Fleisch ist. Denn was nutzt es, wenn ich sage, dass Jesus nur in dem Fleisch gekommen ist, das er von Maria empfangen hat, und nicht zeige, dass er auch in diesem meinem Fleisch gekommen ist? Ich zeige das aber erst dann, wenn ich meine Glieder, so wie ich sie vorher dargebracht habe, damit sie der Ungerechtigkeit dienen, um meiner Ungerechtigkeit willen, nun verwandle und darbringe, damit sie der Gerechtigkeit dienen, um meiner Heiligung willen.h Ich zeige, dass der Bund mit Gott in meinem Fleisch ist, wenn ich mit Paulus sagen kann, dass „ich gemeinsam mit Christus gekreuzigt bin; doch nicht mehr ich bin es, der lebt, sondern Christus lebt in mir“,i und wenn ich sagen kann, wie er selbst sagte: „Ich aber trage die Wundmale meines212 Herrn Jesu Christi an meinem Leib.“j Der zeigte aber wahrlich,

212 Zu dem affektiven mei, das im Bibeltext fehlt, vergleicht Doutreleau, SC 7bis, 142f. Anm. 1, Wendungen wie dominus meus, saluator meus, Christus meus, wie sie in dieser Form Origenes als erster christlicher Theologe verwendet. Hier finden wir die ersten Keime der mittelalterlichen Christus-Mystik; siehe dazu Fürst/Hengstermann, OWD 10, 198f. Anm. 14.

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Homilia III

ostendebat testamentum Dei esse super carnem suam, qui dicebat: „Quis nos separabit a caritate Dei, quae est in Christo Iesu? Tribulatio, an angustia, an periculum, an gladius?“ a Si enim uoce tantummodo confiteamur Dominum Iesum et non ostendamus testamentum eius esse super carnem nostram, secundum haec, quae supra exposuimus, uidebimur etiam nos simile aliquid facere Iudaeis, qui solo circumcisionis signo Deum se confiteri putant, factis autem negant. Nobis autem praestet Dominus corde credere, ore confiteri, b operibus conprobare testamentum Dei esse in carne nostra, ut uidentes homines opera nostra bona, magnificent Patrem nostrum, qui in caelis est c per Iesum Christum Dominum nostrum, „cui est gloria in saecula saeculorum. Amen.“ d a

Röm. 8,35

b

vgl. Röm. 10,9f.

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vgl. Mt. 5,16

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Gal. 1,5

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Homilie 3,7

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dass der Bund mit Gott in seinem Fleisch ist, der sprach: „Wer wird uns von der Liebe Gottes trennen, die in Christus Jesus ist? Heimsuchung, Bedrängnis, Gefahr, das Schwert?“a Denn sollten wir den Herrn Jesus allein mit der Stimme bekennen und nicht zeigen, dass der Bund mit ihm in unserem Fleisch ist, gemäß dem, was wir eben dargelegt haben, wird es so aussehen, als handelten auch wir ähnlich den Juden, die glauben, dass sie allein mit dem Zeichen der Beschneidung Gott bekennen, doch ihn mit ihren Taten leugnen. Uns aber möge der Herr gewähren, mit dem Herzen zu glauben, mit dem Mund zu bekennenb und mit Werken zu bekräftigen, dass der Bund mit Gott in unserem Fleisch ist, damit die Menschen, die unsere guten Werke sehen, unseren Vater preisen, der in den Himmeln ist,c durch Jesus Christus, unseren Herrn, „der gepriesen wird auf ewige Zeiten. Amen.“d

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HOMILIA IV De eo, quod scriptum est: „Visus est Deus Abrahae“ a

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1. Recitata est nobis alia uisio Dei ad Abraham hoc modo: „Visus est“, inquit, „Deus ab Abraham, cum sederet ad ostium tabernaculi sui ad quercum Mambre. Et ecce uiri tres adstiterunt super eum, et respiciens oculis suis Abraham uidit, et ecce tres uiri super eum et exiit in occursum eis“ b et cetera. Conferamus primo, si uidetur, hanc uisionem cum illa, quae facta est ad Lot. Tres uiri ueniunt ad Abraham et stant super eum; ad Lot duo ueniunt et sedent in platea. c Vide si non dispensatione sancti Spiritus pro meritis res geruntur. Etenim Lot inferior longe erat ab Abraham. Nisi enim fuisset inferior, non esset separatus ab Abraham nec dixisset ei: „Si tu ad dextram, ego ad sinistram; si tu ad sinistram, ego ad dextram.“ d Et nisi fuisset inferior, non ei Sodomorum terra et habitatio placuisset. Veniunt ergo ad Abraham tres uiri „meridie“, e ad Lot duo et „uespere“ f ueniunt. Non enim capiebat Lot meridianae lucis magnitudinem; Abraham uero capax fuit plenum fulgorem lucis excipere. Videamus nunc, quomodo Abraham susceperit uenientes et quomodo Lot, et qui apparatus hospitalitatis utriusque sit, conparemus. Primo tamen obserua quod Abraham cum duobus angelis etiam Dominus adfuit, ad Lot uero duo tantummodo angeli pergunt. Et quid dicunt? „Misit nos Dominus conterere ciuitatem et perdere eam.“ g Ille ergo suscepit eos, qui perditum darent, non suscepit eum, qui saluaret; Abraham uero suscepit et eum, qui saluat, et eos, qui perdunt. b Gen. 18,1 Gen. 18,1f. g 19,1 Gen. 19,13

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vgl. Gen. 19,1f.

d

Gen. 13,9

e

Gen. 18,1

f

Gen.

213 Irritierend an dem Passus ist der Umstand, dass laut der Genesis nicht die beiden Engel sitzen, die zu Lot kommen, sondern Lot selbst – und nicht einfach vage „am Weg“, sondern „am Stadttor“. 214 In Gen. 13,9 äußert Abraham diesen Satz (so korrekt in Gen. hom. 5,1 [GCS Orig. 6, 58]), nicht Lot. Doutreleau, SC 7bis, 144 Anm. 2, erwägt zu lesen: non esset separatus ab ,eo‘ Abraham. Passender erschiene e.g. nec ,ille‘ dixisset ei. 215 Baehrens zitiert Philon, quaest. in Gen. IV 30 (p. 151 Petit), wo die gleiche Wendung mit zweifachem kai erscheint (tv Äì meÁn ÆAbraaÁm faiÂnontai treiÄw kaiÁ meshmbriÂaw´ tv Äì deÁ LvÁt dyÂo kaiÁ eëspeÂraw). Die Symmetrie mit et uespere spräche für die Lesart et meridie.

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HOMILIE 4 Über das, was geschrieben steht: „Gott erschien Abraham“a

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1. Eine andere Erscheinung Gottes vor Abraham ist uns vorgelesen worden, folgender Art: „Gott wurde von Abraham gesehen“, heißt es, „als er am Eingang seines Zeltes saß, bei der Eiche von Mamre. Und siehe, drei Männer standen über ihm, und da er aufblickte, sah Abraham sie mit seinen Augen: Siehe, drei Männer über ihm; und er trat hinaus, ihnen entgegen“b und so fort. Zunächst wollen wir, wenn ihr einverstanden seid, diese Vision mit der vergleichen, die Lot zuteil geworden ist. Drei Männer kommen zu Abraham und stehen über ihm; zu Lot kommen zwei und sitzen am Weg.c 213 Überlege, ob nicht dank des Waltens des Heiligen Geistes die Geschehnisse den Verdiensten der beiden entsprechen. Denn Lot war weit geringer als Abraham. Wäre er nämlich nicht geringer gewesen, wäre er nicht von Abraham getrennt worden und hätte nicht zu ihm gesagt: „Wenn du nach rechts gehst, gehe ich nach links, wenn du nach links gehst, gehe ich nach rechts.“d 214 Und wäre er nicht geringer gewesen, hätte er nicht Gefallen gefunden am Land und Wohnsitz Sodoms. Zu Abraham kommen also drei Männer „mittags“,e 215 zu Lot kommen zwei, und „abends“.f Denn Lot war der Stärke des mittäglichen Lichts nicht gewachsen; Abraham hingegen war imstande, den vollen Glanz des Lichts zu ertragen.216 Wir wollen nun sehen, wie Abraham die Ankömmlinge empfangen hat und wie Lot, und vergleichen, mit welchem Aufwand die beiden die Gastfreundschaft pflegen. Zuerst aber gilt es zu beachten, dass bei Abraham neben zwei Engeln auch der Herr zugegen war, sich zu Lot jedoch nur zwei Engel begeben. Und was sagen die? „Der Herr hat uns gesandt, die Stadt zu zerstören und sie zu vernichten.“g Er empfing also die, die Verderben bringen würden,217 er empfing nicht den, der rettet; Abraham aber empfing sowohl den, der rettet, als auch die, die verderben. 216 Vgl. zu diesem Thema Origenes, in Cant. comm. II (GCS Orig. 8, 139) bzw. II 4,26f. (SC 375, 344): „Weil (die Kirche) nun Vollkommeneres herbeisehnt und nach Höherem strebt, erfleht sie das mittägliche Licht des Wissens. Daher glaube ich, dass auch von Abraham viele Belehrungen später . . . erzählt wird, Gott sei ihm erschienen . . ., mittags (vgl. Gen. 18,1)“; Prokop, in Gen. comm. 18,1 (PG 87/1, 365A. 370C); in Gen. cat. 1110 (III p. 137 Petit). 217 Wie die chiastische Konstruktion zeigt, steht hier qui perditum darent parallel zu qui perdunt; die Stelle ist also ein Beleg für das äußerst seltene Substantiv perditus („Verlust“, „Verderben“; die Stelle fehlt im ThLL).

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Homilia IV

Nunc uideamus, quomodo unusquisque suscipiat. „Vidit“, inquit, „Abraham et occurrit eis in obuiam.“ a Considera protinus inpigrum et alacrem in officiis Abraham. Ipse currit in obuiam et cum occurrisset: „Refestinat“, inquit, „ad tabernaculum et dicit ad uxorem suam: festina ad tabernaculum.“ b Vide in singulis quanta sit suscipientis alacritas. Festinatur in omnibus, omnia perurgentur, nihil per otium geritur. Dicit ergo ad uxorem suam Sarram: „Festina ad tabernaculum, et consperge tres mensuras similaginis, et fac subcinericias.“ c Hoc Graece eÆgkryfiÂaw dicitur, quod occultos uel absconditos indicat panes. „Ipse autem cucurrit“, inquit, „ad boues et accepit uitulum.“ d Qualem uitulum? Forte qui potuit primus occurrere? Non ita est, sed „uitulum bonum et tenerum“. e Et licet cuncta festinet, scit tamen, quae praecipua et magna sunt Domino uel angelis offerenda. Accepit ergo uel elegit de grege uitulum bonum et tenerum et tradidit puero. „Puer“, inquit, „festinauit facere eum.“ f Ipse currit, uxor festinat, puer adcelerat; nullus piger est in domo sapientis. Adponit ergo uitulum et simul cum eo panes et similam, sed et lac et butyrum. g Haec sunt Abrahae et Sarrae hospitalitatis officia. Nunc uideamus, quid etiam Lot. Hic neque similam habet neque panem mundum, sed farinam. Neque tres mensuras similae nouit neque eÆgkryfiÂaw, id est absconditos ac mysticos panes, adponere uenientibus potest. 2. Sed persequamur nunc interim, quid agit Abraham cum tribus uiris, qui adstiterunt super eum. h Hoc ipsum uide, quale sit, quod super eum ueniunt, non contra eum. Subiecerat quippe se uoluntati Dei, ideo super eum adstare dicitur Deus. Adponit ergo panes tribus mensuris similaginis i conspersos. Tres uiros suscepit, tribus mensuris similaginis panes conspersit. Totum quod agit mysticum, totum sacramentis repletum est. Adponitur uitulus, ecce aliud sacramentum. Vitulus ipse non est durus, sed bonus et tener. j Et quid tam tenerum, quid tam bonum quam est ille, qui „humiliauit se“ pro nobis „usque ad mortem“ k et „animam suam posuit“ l „pro amicis suis“? m Vitulus ille saginatus, n quem pro recepto poenitente filio iugulat b c d e Gen. 18,2 Gen. 18,6 Gen. 18,6 Gen. 18,7 Gen. 18,7 h i j vgl. Gen. 18,8 vgl. Gen. 18,2 vgl. Gen. 18,6 vgl. Gen. 18,7 l m n 1 Joh. 3,16 Joh. 15,13 vgl. Lk. 15,23 a

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Gen. 18,7 k Phil. 2,8

218 Vgl. aber Kap. 2 (GCS Orig. 6, 52): „Fladen, die mit drei Maß feinsten Weizenmehls besprenkelt sind“. 219 Dieser Zusatz geht auf Rufins Konto. 220 Diesen Punkt arbeitet bereits Philon heraus, Abr. 109 (IV p. 25 Cohn/Wendland): „Im Hause des Weisen ist niemand langsam im Dienst der Nächstenliebe (proÁw filanurvpiÂan)“; vgl. Prokop, in Gen. comm. 18,6 (PG 87/1, 365B); in Gen. cat. 1068 (III p. 115 Petit). 221 Nouit variiert hier habet aus dem Vorsatz, oder es bedeutet „weiß zu servieren“.

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Homilie 4,1–2

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Nun wollen wir sehen, wie ein jeder die Ankömmlinge empfängt. „Abraham“, heißt es, „sah sie und lief ihnen entgegen.“a Beachte: Abraham zeigt sich sogleich rührig und in seinen Pflichten eifrig. Er läuft ihnen entgegen, und nachdem er ihnen begegnet ist, „eilt er zurück“, heißt es, „zum Zelt und sagt zu seiner Frau: Eile zum Zelt.“b Schau im Einzelnen, welchen Eifer er als Gastgeber an den Tag legt. In allem herrscht Eile, alles geht flink von der Hand, nichts geschieht im Müßiggang. Er sagt also zu seiner Frau Sarah: „Eile zum Zelt, schütte drei Maß feinsten Weizenmehls aus und backe in der Asche Fladen.“c 218 Griechisch heißen sie ,enkryphı´ai‘, was geheime oder verborgene Brote bedeutet.219 „Er aber“, heißt es, „lief zu den Rindern und nahm ein Kalb.“d Was für ein Kalb? Etwa das erstbeste? Mitnichten, sondern ein „gutes und zartes Kalb“.e Und auch wenn er alles geschwind erledigt, weiß er trotzdem, was es dem Herrn beziehungsweise den Engeln Vorzügliches und Großes anzubieten gilt. Er nahm also beziehungsweise wählte aus der Herde ein gutes und zartes Kalb und übergab es seinem Knecht. „Der Knecht“, heißt es, „eilte sich, es zuzubereiten.“f Er läuft, die Frau eilt, der Knecht sputet sich; niemand ist träge im Hause des Weisen.220 Er trägt also ein Kalb auf und zugleich Fladen und feinstes Weizenmehl, aber auch Milch und Butter.g So tun Abraham und Sarah den Pflichten der Gastfreundschaft Genüge. Nun wollen wir sehen, was denn Lot tat. Er hat weder feinstes Weizenmehl noch helles Brot, sondern Mehl. Weder kennt er221 drei Maß feinsten Weizenmehls, noch kann er den Ankömmlingen ,enkryphı´ai‘ vorsetzen, das heißt geheime oder verborgene Brote.222 2. Nun wollen wir aber verfolgen, wie Abraham für die drei Männer sorgt, die über ihm standen.h Überlege, was eben das bedeutet, dass sie über ihm nahen, nicht ihm entgegen. Er hatte sich eben dem Willen Gottes unterworfen, deshalb heißt es von Gott, er stehe über ihm. Er trägt also Fladen auf, die mit drei Maß feinsten Weizenmehlsi besprenkelt sind. Drei Männer empfing er, mit drei Maß feinsten Weizenmehls besprenkelte er die Fladen. Alles, was er tut, ist geheimnisvoll, alles erfüllt von Geheimnissen. Ein Kalb wird aufgetragen: Schau, ein weiteres Geheimnis. Dieses Kalb ist nicht zäh, sondern gut und zart.j Was aber ist so zart, was so gut wie der, der „sich erniedrigt hat“ für uns „bis in den Tod“k und der „sein Leben hingegeben hat“l „für seine Freunde“?m Er ist das gemästete Kalb,n das der Vater 222 In Lev. hom. 13,3 (GCS Orig. 6, 472) kommt Origenes genauer auf diese ,geheimen Brote‘ und ihre göttlichen Mysterien zu sprechen. Vgl. auch in Gen. hom. 12,5 (GCS Orig. 6, 111); Philon, sacr. 60 (I p. 226 Cohn/Wendland): „Es steht geschrieben, sie solle ,verborgene Brote‘ bereiten (vgl. Gen. 18,6). Denn die heilige Mysterienlehre (toÁn iëeroÁn ... myÂsthn loÂgon) über den Ewigen und seine Kräfte muss verborgen gehalten werden“; Clemens von Alexandria, strom. V 80,3 (GCS Clem. 2, 379); Ambrosius, Abr. I 38 (CSEL 32/1, 531); Cain. et Abel. I 35 (CSEL 32, 369).

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Homilia IV

Pater. „Sic enim dilexit hunc mundum, ut Filium suum unicum daret“ a pro huius mundi uita. Nec tamen latet sapientem, quos susceperit. Tribus occurrit et unum adorat et ad unum loquitur dicens: „Declina ad puerum tuum et refrigera te sub arbore.“ b Sed quomodo addit iterum quasi hominibus loquens: „Accipiatur“, inquit, „aqua et lauentur pedes uestri“? c Docet quidem te per haec Abraham pater gentium et magister, quomodo hospites suscipere debeas et ut laues hospitum pedes, tamen et hoc in mysterio dicitur. Sciebat enim dominica sacramenta non nisi in lauandis pedibus consummanda. d Sed ne illius quidem praecepti eum pondus latebat, quo dicitur a Saluatore: „Si qui non susceperint uos, etiam puluerem, qui adhaesit pedibus uestris, excutite in testimonium illis.“ e „Amen dico uobis quia tolerabilius erit terrae Sodomorum in die iudicii quam illi ciuitati.“ f Volebat ergo praeuenire et lauare pedes, ne quid forte pulueris resideret, quod ad testimonium incredulitatis excussum posset in die iudicii reseruari. Propterea ergo dicit sapiens Abraham: „Accipiatur aqua et lauentur pedes uestri.“ g 3. Sed uideamus iam, quid etiam in consequentibus dicitur. „Ipse autem“, inquit, „Abraham adstabat eis sub arbore.“ h Ad huiuscemodi narrationes circumcisas aures requirimus. Neque enim summam sollicitudinem Spiritui sancto fuisse credendum est, ut scriberet in libris legis, ubi staret Abraham. Quid enim me iuuat, qui ueni audire, quid Spiritus sanctus humanum doceat genus, si audiero quod Abraham stabat sub arbore? Sed uideamus, quae sit haec arbor, sub qua stabat Abraham et conuiuium Domino atque angelis exhibebat. „Sub arbore“, inquit, „Mambre.“ i ,Mambre‘ in nostra lingua interpretatur ,uisio‘ siue ,perspicacia‘. Vides qui et qualis est locus, in quo Dominus potest habere conuiuium? Delectauit eum uisio et perspicacia Abrahae. Erat enim mundus corde, ut posset uidere Deum. j In tali ergo loco et in tali corde potest Dominus cum angelis suis habere conuiuium. Denique ante prophetae uidentes dicebantur. k 4. Quid ergo dicit Dominus ad Abraham? „Vbi est“, inquit, „Sarra uxor tua? At ille: Ecce, ait, in tabernaculo. Dixit autem Dominus: Veniens ueniam in tempore ad te secundum tempus hoc, et habebit filium Sarra uxor a g

Joh. 3,16 Gen. 18,4

b

Gen. 18,3f. h Gen. 18,8

c

Gen. 18,4 i Gen. 18,1

d

vgl. Joh. 13,6–8 j vgl. Mt. 5,8

e k

Mk. 6,11 f Mt. 10,15 vgl. 1 Sam. 9,9

223 Zu quomodo in der Bedeutung „warum“ vgl. Hofmann/Szantyr, Lateinische Syntax 649. 224 Vgl. Prokop, in Gen. comm. 18,6 (PG 87/1, 365B). 225 Anspielungen auf den Heiligen Geist als Lehrer der Gläubigen finden sich in Gen. hom. 6,3 Ende (GCS Orig. 6, 69); 7,1 (6, 70); 10,2 (6, 95). Zur Beschneidung der Ohren siehe ebd. 3,5 (6, 44–46). 226 Vgl. Wutz, Onomastica sacra 416; Grabbe, Etymology 183. Philon, migr. Abr. 165

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schlachtet, um den reuigen Sohn zu empfangen. „So nämlich liebte er diese Welt, dass er seinen einzigen Sohn hingab“a für das Leben dieser Welt. Doch dem Weisen bleibt es nicht verborgen, wen er empfangen hat. Dreien läuft er entgegen, und einen ehrt er, einen redet er an mit den Worten: „Kehre ein bei deinem Knecht und erquicke dich unter dem Baum.“b Doch warum fährt er fort, als rede er mit Menschen:223 „Man bringe Wasser“, heißt es, „und eure Füße sollen gewaschen werden“?c Dadurch unterweist dich Abraham, der Vater und Lehrer der Völker, wie du Gäste empfangen sollst und dass du die Füße deiner Gäste wäschst. Doch auch dies wird als Geheimnis gesagt. Er wusste nämlich, dass die Geheimnisse des Herrn sich einzig in der Waschung der Füße vollenden lassen.d 224 Doch auch das Gewicht jenes Gebots blieb ihm nicht verborgen, in dem der Erlöser erklärt: „Wenn euch jemand nicht empfängt, so schüttelt den Staub ab, der an euren Füßen hängt, zum Zeugnis wider ihn.“e „Wahrlich, ich sage euch, am Tag des Gerichts wird es erträglicher sein für das Land Sodom als für jene Stadt.“f Dem wollte er also zuvorkommen und ihre Füße waschen, damit nicht zufällig etwas Staub hängen bliebe, der, als Zeugnis des Unglaubens abgeschüttelt, bis zum Tag des Gerichts aufbewahrt werden könnte. Deshalb also sagt der weise Abraham: „Man bringe Wasser, und eure Füße sollen gewaschen werden.“g 3. Doch nun wollen wir sehen, was im Folgenden noch gesagt wird. „Abraham aber“, heißt es, „stand bei ihnen unter dem Baum.“h Für derlei Geschichten bedürfen wir beschnittener Ohren. Man darf nämlich nicht glauben, die größte Sorge des Heiligen Geistes sei es gewesen, in den Büchern des Gesetzes festzuhalten, wo Abraham stand. Denn was nutzt es mir, der ich gekommen bin, um zu hören, was der Heilige Geist das Menschengeschlecht lehre, wenn ich höre, dass Abraham unter dem Baum stand?225 Doch lasst uns sehen, was das für ein Baum ist, unter dem Abraham stand und dem Herrn und den Engeln das Mahl richtete. „Unter dem Baum von Mamre“,i sagt die Schrift. ,Mamre‘ wird in unserer Sprache mit ,Gesicht‘ oder ,Scharfsichtigkeit‘226 übersetzt. Siehst du, was für ein Ort das ist, an dem der Herr Mahl halten kann? Ihn erfreuten Abrahams Gesicht und Scharfsichtigkeit. Er war nämlich reinen Herzens, so dass er Gott sehen konnte.j An einem solchen Ort also, in einem solchen Herzen kann der Herr mit seinen Engeln Mahl halten. Zudem hießen einst die Propheten Seher.k 227 4. Was also sagt der Herr zu Abraham? „Wo ist Sarah“, sagt er, „deine Frau? Der aber antwortet: Dort, im Zelt. Der Herr aber sprach: Ich werde wiederkehren und zur rechten Zeit zu dir kommen, nach Jahresfrist, und (II p. 300 Cohn/Wendland) übersetzt den Namen aÆpoÁ oëraÂsevw („vom Sehen“). – Perspicacia ist fast ausschließlich christlich belegt; vgl. ThLL X/1, 1737,63–1738,13. 227 Vgl. Philon, deus immut. 139 (II p. 86 Cohn/Wendland).

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Homilia IV

tua. Audiebat autem Sarra stans post ostium tabernaculi post Abraham.“ a Discant mulieres exemplis patriarcharum, discant, inquam, mulieres sequi uiros suos. Neque enim sine causa scriptum est quod Sarra stabat post Abraham, sed ut ostenderetur quia, uir si praecedat ad Deum, sequi mulier debet. Quod dico: Sequi debere mulierem, in eo: si adstare uirum suum uideat Deo. Alioquin ascendamus ad altiorem intellegentiae gradum et dicamus uirum in nobis esse rationabilem sensum et mulierem, quae ei uelut uiro sociata est, carnem nostram. Sequatur ergo semper caro rationabilem sensum nec in id umquam desidiae ueniatur, ut carni in luxuria et uoluptatibus fluitanti in dicionem redactus obsequatur rationabilis sensus. Stabat ergo Sarra post Abraham. Sed et mysticum aliquid sentire in hoc possumus loco, si uideamus, quomodo in Exodo „praecedebat Deus in columna ignis per noctem et in columna nubis per diem“ b et synagoga Domini sequebatur post ipsum. Sic ergo intellego et Sarram secutam esse uel stetisse post Abraham. Quid post haec dicitur? „Et erant“, inquit, „ambo presbyteri“ – id est senes – „et prouecti in diebus suis.“ c Quantum ad aetatem corporis pertinet, multi ante ipsos numerosioribus annis duxerant uitam, nemo tamen ,presbyter‘ appellatus est. Vnde uidetur nomen hoc sanctis non longaeuitatis ratione, sed maturitatis adscribi. 5. Quid ergo post tantum ac tale conuiuium, quod Abraham Domino et angelis sub arbore uisionis exhibuit? Proficiscuntur hospites. „Abraham autem deducebat“, inquit, „eos et ambulabat cum eis. Dominus autem dixit: Non celabo Abraham puerum meum, quod ego faciam. Abraham autem fiet in gentem magnam et multam et benedicentur in ipso omnes gentes terrae. Sciebat enim quia praecipiet filiis eius, et seruabunt uias Domini, ut faciant iustitiam et iudicium, ut inpleat Dominus Abrahae, quae indicauit ei. Et dixit: Clamor Sodomorum et Gomorrhae repletus est, et peccata eorum magna ualde. Descendi ergo, ut uiderem, si secundum clamorem ipsorum, qui uenit ad me, consummantur; sin autem, ut sciam.“ d Haec scripturae diuinae sunt uerba. a

Gen. 18,9f.

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Ex. 13,21

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Gen. 18,11

d

Gen. 18,16–21

228 Vgl. u.a. in Ex. frg. 23,17 (VIII p. 331f. Lommatzsch); Philon, opif. 165 (I p. 57f. Cohn/Wendland). 229 Im Neuen Testament bezeichnet der Begriff synagvgh meist die jüdische Synagoge und ihre Gemeinde. Vom 2. Jh. an steht er in christlichen Texten aber auch für die „Zusammenkunft“ der (christlichen) Gemeinde zum Gottesdienst bzw. für die „Gemeinde“ selbst oder die „Kirche“ (als Gebäude wie Institution); vgl. z.B. Origenes, in Hier. hom. 18,5 (GCS Orig. 32, 157); in Matth. comm. XVI 21 (GCS Orig. 10, 548). Äquivalente Belege im christlichen Latein sind merklich rarer. 230 Vgl. in Gen. hom. 3,3 (GCS Orig. 6, 42); Philon, quaest. in Gen. IV 84 (p. 310

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deine Frau Sarah wird einen Sohn haben. Sarah aber, die hinter dem Eingang des Zeltes stand, hinter Abraham, hörte zu.“a Nach dem Beispiel der Patriarchen sollten die Frauen lernen, die Frauen sollten lernen, sage ich, ihren Männern zu folgen. Denn nicht ohne Grund steht geschrieben, dass Sarah hinter Abraham stand, sondern um zu zeigen, dass die Frau, wenn der Mann dem Herrn entgegengeht, zu folgen hat. Ich meine das so: dass die Frau zu folgen hat, wenn sie ihren Mann an Gottes Seite stehen sieht. Außerdem wollen wir noch eine höhere Stufe der Erkenntnis erklimmen und festhalten, dass der Mann den vernünftigen Geist in uns verkörpert und die Frau unser Fleisch, das mit dem Geist verbunden ist wie die Frau mit dem Mann.228 Stets soll das Fleisch also dem vernünftigen Geist folgen, und niemals darf es zu solcher Trägheit kommen, dass der vernünftige Geist dem der Ausschweifung und Lust ergebenen Fleisch unterjocht wird und zu Willen ist. Deshalb stand Sarah hinter Abraham. Doch wir können in dieser Passage auch etwas Geheimnisvolles erkennen, wenn wir sehen, wie im Buch Exodus „Gott bei Nacht in einer Feuersäule und bei Tag in einer Wolkensäule vorauszog“b und die Gemeinde229 des Herrn hinter ihm folgte. So also deute ich es, dass Sarah Abraham folgte beziehungsweise hinter Abraham stand. Was wird als nächstes gesagt? „Und beide waren“, heißt es, „Älteste“, das heißt Greise, „und vorgerückt in ihren Tagen.“c Was das leibliche Alter angeht, so hatten viele vor ihnen weit mehr Jahre gelebt, doch keiner wurde ,Ältester‘ genannt. Daraus lässt sich erkennen, dass man diese Bezeichnung den Heiligen nicht aufgrund ihrer Langlebigkeit, sondern aufgrund ihrer Reife verleiht.230 5. Was geschah nun nach dem so reichen wie erlesenen Mahl, das Abraham dem Herrn und den Engeln unter dem Baum der Vision231 darbot? Die Gäste brechen auf. „Abraham aber geleitete sie“, heißt es, „und ging mit ihnen. Der Herr aber sprach: Meinem Knecht Abraham werde ich nicht verheimlichen, was ich tun werde. Abraham wird ein gewaltiges und zahlreiches Volk werden, und in ihm werden alle Völker der Erde gesegnet werden. Denn Gott wusste, dass Abraham seine Söhne unterweisen wird und dass sie die Wege des Herrn einhalten werden, um Gerechtigkeit und Gericht zu wirken, auf dass der Herr dem Abraham erfülle, was er ihm zu verstehen gegeben hat. Und er sprach: Das Geschrei von Sodom und Gomorra, es ist genug, und ihre Sünden sind überaus groß. So stieg ich nieder, um zu sehen, ob sie, wie ihr Lärm verrät, der zu mir dringt, der Vernichtung anheimfallen;232 falls aber nicht, dass ich es wisse.“d So lauten die Worte der göttlichen Schrift. Aucher): „Vorgerückt als Älterer – ich glaube, dank seiner gehobenen Rechtschaffenheit“; zu der Wendung ,Älteste, das heißt Greise‘ siehe oben S. 96 Anm. 191. 231 Vgl. Kap. 3 (GCS Orig. 6, 53).

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Homilia IV

Videamus ergo nunc, quid in his intellegi dignum sit. „Descendi“, inquit, „ut uideam.“ a Quando ad Abraham responsa deferuntur, non dicitur Deus descendere, sed supra ipsum adstare, sicut supra exposuimus: „Adstiterunt“, inquit, „tres uiri super eum.“ b Nunc autem, quia peccatorum causa agitur, descendere dicitur Deus. Vide ne ascensionem et descensionem localem sentias. Frequenter enim hoc in diuinis litteris inuenitur, sicut in Michea propheta: „Ecce“, inquit, „Dominus exiit de loco sancto suo et descendit et incedet super excelsa terrae.“ c Descendere ergo dicitur Deus, quando curam humanae fragilitatis habere dignatur. Quod specialius de Domino ac Saluatore nostro sentiendum est, qui „non rapinam arbitratus est esse se aequalem Deo, sed semet ipsum exinaniuit formam serui accipiens.“ d Descendit ergo. „Neque“ enim „alius ascendit in caelum, nisi qui descendit de caelo, Filius hominis, qui est in caelo.“ e Descendit enim Dominus non solum curare, sed et portare, quae nostra sunt. Formam namque serui accepit, et cum sit ipse inuisibilis naturae, utpote aequalis Patri, habitum tamen uisibilem suscepit, et repertus est habitu ut homo. f Sed et cum descendit, aliis deorsum est, aliis uero ascendit et sursum est. Nam electis apostolis ascendit in montem excelsum, et ibi transformatur coram ipsis. g Illis ergo, quos de mysteriis regni caelorum h docet, sursum est; turbis autem et Pharisaeis, quibus exprobrat peccata, deorsum est et ibi est cum ipsis, ubi foenum est. Transformari autem deorsum non poterat, sed sursum ascendit cum his, qui sequi se poterant, et ibi transformatur. 6. „Descendi ergo“, inquit, „ut uideam, si secundum clamorem eorum, qui uenit ad me, consummantur; sin autem, ut sciam.“ i Ex isto sermone haeretici inpugnare solent Deum meum dicentes: Ecce nesciebat Deus legis, quid ageretur in Sodomis, nisi descendisset, ut uideret, et misisset, qui discerent. Sed nos, quibus praecipitur proeliari proelia Domini, acuamus aduersum eos romphaeam uerbi Dei et occurramus eis ad pugnam. Stemus in acie „succincti lumbos in ueritate“, simul et „scutum fidei praeferentes“, j a g

Gen. 18,21 b Gen. 18,2 vgl. Mt. 17,1f.; Mk. 9,2

Micha 1,3 d Phil. 2,6f. e Joh. 3,13 f vgl. Phil. 2,7 i j vgl. Mt. 13,11 Gen. 18,21 Eph. 6,14–17

c h

232 Zu consummare in der nur christlich belegten Bedeutung „vernichten“ u.ä. vgl. ThLL IV, 604,21–49. 233 Vgl. in Gen. cat. 1093 (III p. 129 Petit). 234 Bereits Philon, conf. ling. 134 (II p. 254 Cohn/Wendland), warnt davor, die Worte „Gott stieg herab“ wörtlich zu verstehen. Hier an eine räumliche Bewegung zu denken, sei „Gottlosigkeit“ (aÆseÂbeia). 235 Statt exiit und descendit will Doutreleau, SC 7bis, 156 Anm. 1, mit der Septuaginta exit (so auch die Hss. ns) und descendet lesen.

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Wir wollen nun prüfen, was Deutenswertes in ihnen steckt. „Ich stieg nieder“, heißt es, „um zu sehen.“a Wenn Abraham Antworten erteilt werden, heißt es nicht, Gott steige nieder, sondern er stehe über ihm, wie wir oben dargelegt haben: „Drei Männer“, heißt es, „standen über ihm.“b Doch nun, wo es um Sünder geht, heißt es, Gott steige nieder.233 Hüte dich davor, hier an einen räumlichen Aufstieg und Abstieg zu denken.234 Denn dergleichen findet sich oft in den göttlichen Texten, etwa im Propheten Micha: „Siehe“, sagt er, „der Herr verließ seine heilige Stätte und stieg herab, und er wird schreiten über die Anhöhen der Erde.“c 235 Es heißt also, Gott steigt nieder, wenn er geruht, für die menschliche Gebrechlichkeit Sorge zu tragen. Dabei sollten wir insbesondere an unseren Herrn und Erlöser denken, der „es nicht als etwas gewaltsam Festzuhaltendes ansah, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst entblößte und die Gestalt eines Sklaven annahm“.d Deshalb stieg er nieder. Denn „kein anderer stieg zum Himmel empor als er, der vom Himmel herabstieg, der Menschensohn, der im Himmel ist.“e Denn der Herr stieg nicht bloß herab, um Sorge zu tragen für das, was unser ist, sondern auch, um es zu tragen. Denn er nahm die Gestalt eines Sklaven an, und obgleich er von Natur unsichtbar ist, da er ja dem Vater gleich ist, nahm er trotzdem sichtbar Gestalt an, und wurde in seiner Gestalt als Mensch wahrgenommen.f Doch auch wenn er herabgestiegen ist, weilt er für die einen unten, für die anderen aber steigt er empor und ist oben. Denn für die auserwählten Apostel steigt er empor auf einen hohen Berg und wird dort vor ihren Augen verwandelt.g Für die, die er in den Geheimnissen des Himmelreichsh unterweist, ist er also oben. Für die Volksmengen aber und die Pharisäer, denen er ihre Sünden vorwirft, ist er unten und weilt mit ihnen dort, wo das Kraut wächst. Doch unten konnte er nicht verwandelt werden, sondern steigt mit denen nach oben empor, die ihm folgen konnten, und wird dort verwandelt. 6. „So stieg ich nieder“, heißt es, „um zu sehen, ob sie, wie ihr Lärm verrät, der zu mir dringt, der Vernichtung anheimfallen; falls aber nicht, dass ich es wisse.“i Wegen dieser Äußerung pflegen die Häretiker meinen Gott anzugreifen und zu sagen: Schau, der Gott des Gesetzes wüsste nicht, was in Sodom vor sich geht, wäre er nicht hinabgestiegen, um es zu sehen, und hätte er nicht jemanden geschickt, es ausfindig zu machen.236 Doch wir, denen es aufgetragen ist, die Schlachten des Herrn zu schlagen, wollen gegen sie das Schwert des Wortes Gottes schärfen und ihnen zum Kampf entgegentreten. In der Schlachtreihe wollen wir stehen, „die Lenden mit Wahrheit gegürtet“ und „den Schild des Glaubens vor uns haltend“,j um die

236 Diese und ähnliche Vorwürfe gehen auf das Konto Markions; vgl. z.B. auch in Gen. hom. 8,8 (GCS Orig. 6, 83); in Hier. hom. 1,16 (GCS Orig. 32, 15); vgl. Harnack, Marcion 270*; ders., Ertrag I, 32.

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Homilia IV

excipiamus eorum uenenata disputationum iacula et in ipsos ea rursum librata diligentius torqueamus. Talia namque sunt proelia Domini, quae proeliatus est Dauid et ceteri patriarchae. Stemus aduersum eos pro fratribus nostris. Melius est enim mori me a quam ut rapiant et praedentur aliquos ex fratribus meis et argutis uerborum subreptionibus captiuos ducant paruulos b et lactantes in Christo. Perfectis autem nec conferre poterunt manum nec uenire in certamen audebunt. Nos ergo prius Dominum deprecantes et uestris orationibus adiuti adgrediemur contra eos proelium uerbi. Dicimus ergo cum fiducia quod secundum scripturas non omnes sciat Deus. Peccatum nescit Deus et peccatores nescit Deus, alienos a se ignorat. Audi dicentem scripturam: „Cognouit Dominus, qui sunt eius, et: Discedat ab iniquitate omnis, qui inuocat nomen Domini.“ c Suos cognoscit Dominus, iniquos autem et inpios nescit. Audi Saluatorem dicentem: „Discedite a me omnes operarii iniquitatis, non noui uos.“ d Et iterum Paulus dicit: „Si quis in uobis est propheta uel spiritalis, agnoscat, quae scribo quia Domini sunt. Qui autem ignorat, ignoratur.“ e Haec autem dicimus non blasphemum aliquid, sicut uos facitis, de Deo sentientes neque ignorantiam adscribentes ei, sed ita intellegimus, quod hi, quorum actus indignus Deo est, indigni etiam notitia Dei ducantur. Non enim dignatur nosse Deus eum, qui auersus est ab eo et ignorat eum. Et ideo dicit apostolus quoniam „qui ignorat, ignoratur“. f Tali ergo specie et nunc de his, qui habitant in Sodomis, dicitur, ut, siquidem secundum clamorem qui ascendit ad Deum, actus eorum consummantur, g notione eius ducantur indigni; si uero est in illis aliqua conuersio, si uel decem in illis inuenti fuerint iusti, h ita demum nouerit eos Deus. Et ideo dixit: „Sin autem, ut sciam.“ i Non dixit, ut sciam, quid agunt, sed ut ipsos sciam et scientia mea dignos faciam, si quos in ipsis inueniam iustos, si quos inueniam poenitentes, si quos tales, quos debeam scire. Denique quia nullus, qui poeniteret, nullus, qui conuerteretur, alius inuentus est praeter Lot, ipse solus agnoscitur, ipse solus de incendio liberatur. j Nec generi sequuntur admoniti nec uicini nec proximi, nullus cognoscere uoluit clementiam Dei, nullus ad misericordiam eius confugere; idcirco et nullus agnoscitur. b c vgl. 1 Kor. 9,15 vgl. 1 Kor. 3,1 2 Tim. 2,19 (vgl. Num. 16,5) 1 Kor. 14,37f. f 1 Kor. 14,38 g vgl. Gen. 18,21 h vgl. Gen. 18,32 j vgl. Gen. 19,1–29 a

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d Mt. 7,23 Gen. 18,21

237 Der gleiche Gedanke kehrt z.B. wieder sel. in Ps. 1 (XI p. 392 Lommatzsch): Gott „kennt das Böse nicht und schenkt ihm keine Beachtung . . ., da es seiner Erkenntnis unwürdig ist“; vgl. Philon, leg. all. III 51 (I p. 124 Cohn/Wendland).

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vergifteten Wurfspeere ihrer Wortgefechte abzufangen und, sorgfältiger zielend, auf sie zurückzuschleudern. Denn von solcher Art sind die Schlachten des Herrn, die David und die anderen Patriarchen geschlagen haben. Wir wollen ihnen standhalten, für unsere Brüder. Denn es ist besser, dass ich sterbe,a als dass sie einige von meinen Brüdern rauben und verschleppen und mit listigem Blendwerk der Worte die kleinen Kinderb und Säuglinge in Christus gefangennehmen. Doch mit den Vollkommenen können sie nicht handgemein werden, noch werden sie es wagen, zur Schlacht anzutreten. So werden wir, die wir zuvor den Herrn anflehen, unterstützt von euren Gebeten gegen sie die Schlacht des Wortes in Angriff nehmen. Zuversichtlich halten wir also fest, dass den Schriften zufolge Gott nicht alle Menschen kennt. Die Sünde kennt Gott nicht und die Sünder kennt Gott nicht; die ihm fernstehen, sind ihm unbekannt. Höre, was die Schrift sagt: „Der Herr kennt die, die ihm angehören, und: Es halte sich fern vom Unrecht ein jeder, der den Namen des Herrn anruft.“c Die Seinen kennt der Herr, die Ungerechten und Gottlosen aber kennt er nicht. Höre, was der Erlöser sagt: „Weicht von mir, alle Täter des Unrechts, ich kenne euch nicht.“d Und Paulus wiederum sagt: „Wenn einer unter euch ein Prophet oder vom Geist erfüllt ist, soll er erkennen, dass das, was ich schreibe, vom Herrn kommt. Wer es aber nicht erkennt, der wird nicht gekannt.“e Dies sagen wir aber nicht, weil wir, wie ihr es tut, etwas Lästerliches von Gott denken und ihm Unwissenheit zuschreiben, sondern wir verstehen es so, dass die, deren Treiben Gottes unwürdig ist, Gottes Beachtung gleichfalls für unwürdig befunden werden.237 Denn Gott hält es für unwürdig, den zu kennen, der sich von ihm abgewandt hat und ihn nicht kennt. Deshalb sagt der Apostel: „Wer nicht erkennt, der wird nicht gekannt.“f In solcher Weise sagt nun also auch die Schrift von denen, die in Sodom wohnen, dass sie seiner Beachtung für unwürdig befunden werden, wenn – wie ihr Lärm verrät, der zu Gott emporsteigt – ihre Taten der Vernichtung anheimfallen.g Gibt es jedoch irgendeine Umkehr bei ihnen, finden sich auch nur zehn Gerechte unter ihnen,h dann und nur dann wird Gott sie erkennen. Deshalb sagte er: „Falls aber nicht, dass ich es wisse.“i Er sagte nicht, dass ich es wisse, was sie treiben, sondern damit ich sie erkenne und sie meiner Erkenntnis238 würdige – vorausgesetzt, ich finde einige Gerechte unter ihnen, ich finde einige Reuige, einige, die verdienen, dass ich sie kenne. Weil sich schließlich kein anderer fand, der Reue zeigte, kein anderer, der umkehrte, als Lot, wird er allein erkannt, er allein vor dem Feuersturm gerettet.j Obgleich er sie mahnt, folgen weder die Schwiegersöhne noch die Nachbarn noch die Nächsten; keiner wollte die Milde Gottes erkennen, keiner zu seinem Mitleid Zuflucht nehmen; deshalb wird auch keiner erkannt. 238 Die Wendung ist ambivalent: Es geht auch darum, dass die Menschen Gott erkennen.

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Homilia IV

Haec quidem aduersum eos, qui iniquitatem in excelsum loquuntur. a Nos uero operam demus tales effici actus nostros, talem conuersationem nostram, ut digni habeamur notitia Dei, ut nos scire dignetur, ut digni habeamur notitia filii eius Iesu Christi et notitia Spiritus sancti, ut agniti a Trinitate et nos sacramentum Trinitatis plene et integre et perfecte mereamur agnoscere reuelante nobis Domino Iesu Christo, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen.“ b a

vgl. Ps. 72(73),8

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1 Petr. 4,11

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Soviel gegen die, die Ungerechtigkeit wider die Höhe reden.a Wir aber wollen uns mühen, dass unsere Taten, unser Lebenswandel so ausfallen, dass wir Gottes Beachtung für würdig befunden werden, dass er sich geneigt zeigt, uns zu kennen, dass wir der Beachtung seines Sohnes Jesus Christus und der Beachtung des Heiligen Geistes für würdig befunden werden, dass auch wir, von der Trinität erkannt, es verdienen, das Geheimnis der Trinität239 ganz, rein und vollkommen zu erkennen, wenn der Herr Jesus Christus es uns enthüllt. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“b

239 Vgl. Origenes, in Cant. comm. II (GCS Orig. 8, 158) bzw. II 2,8 (SC 375, 410): „Drei Männer erschienen dem Abraham. . . . Denn dort wurde das Geheimnis der Trinität offenbart“; Prokop, in Gen. comm. 18,3 (PG 87/1, 364B).

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HOMILIA V

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De Lot et filiabus eius

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1. Missi angeli ad euersionem Sodomorum, cum iniunctum cuperent maturare negotium, curam prius gerunt hospitis Lot, ut eum de inminenti ignis excidio contemplatione hospitalitatis eximerent. a Audite haec, qui peregrinis clauditis domus; audite haec, qui hospitem uelut hostem uitatis! Lot in Sodomis habitabat. Alia eius bene gesta non legimus, hospitalitas in eo sola ex usu ueniens memoratur; euadit ignes, euadit incendia ob hoc solum, quod domum suam patefecit hospitibus. Hospitalem domum angeli ingressi sunt; clausas hospitibus domos ignis ingressus est. Quid ergo ad hospitem suum pro hospitalitatis officiis dicant angeli, uideamus. „In montem“, inquit, „saluam fac animam tuam, ne forte conprehendaris.“ b Erat quidem hospitalis Lot, qui etiam, sicut ei scriptura testimonium tulit, ab interitu latuit angelis hospitio receptis. c Sed non erat ita perfectus, ut statim de Sodomis exiens montem posset ascendere; perfectorum namque est dicere: „Leuaui oculos meos in montes, unde ueniet auxilium mihi.“ d Iste ergo neque talis erat, qui inter Sodomitas perire deberet, neque tantus erat, qui cum Abraham in excelsioribus posset habitare. Si enim fuisset talis, numquam ad eum diceret Abraham: „Si tu ad dexteram, ego ad sinistram, aut si tu ad sinistram, ego ad dexteram“ e nec habitacula ei Sodomitica placuissent. Erat ergo medius quidam inter perfectos et perditos. Et sciens non conuenire uiribus suis ut ascenderet montem, religiose et humiliter excusat dicens: „Non possum in monte saluus fieri, sed ecce haec ciuitas pusilla est, hic saluabor, et non est pusilla.“ f Ingressus uero Segor ciuitatem pusillam in ea saluatur. g Et post haec cum filiabus ascendit in montem. h Neque enim de Sodomis ascendi poterat in montem, quamuis scriptum sit de terra Sodomorum, priusquam subuerteretur, eo tempore, a f

vgl. Gen. 19,12ff. b Gen. 19,17 g Gen. 19,19f. vgl. Gen. 19,23

c

vgl. Hebr. 13,2 vgl. Gen. 19,30

h

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Ps. 120(121),1

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Gen. 13,9

240 Das Wortspiel hospitem – hostem, das im Griechischen kein Äquivalent hat, dürfte Rufins Einfall sein. 241 Vgl. in Gen. hom. 4,1 (GCS Orig. 6, 50f.). – Parallel zu fuisset und placuissent wäre statt diceret zu erwarten dixisset. Vor allem aber erfordert die Logik des Gedankengangs statt eines zweiten talis ein zweites tantus (so die Übersetzung). 242 Für reflexives excusare ohne Reflexivpronomen nennt der ThLL zwei Beispiele: vit.

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HOMILIE 5 Über Lot und seine Töchter

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1. Die Engel, die ausgesandt waren, Sodom zu zerstören, und danach trachteten, die ihnen anvertraute Aufgabe eilends zu erledigen, sorgen sich zuvor um ihren Gastgeber Lot, um ihn angesichts seiner Gastlichkeit vor der drohenden Vernichtung durch die Feuersbrunst zu retten.a Hört das, die ihr den Fremden eure Häuser verschließt; hört das, die ihr den Gast meidet wie einen Gegner!240 Lot lebte in Sodom. Keine anderen guten Taten lesen wir von ihm, einzig die Gastlichkeit findet Erwähnung, die einzig er beständig pflegte. Allein deshalb entgeht er den Flammen, entgeht er der Feuersbrunst, weil er sein Haus Fremden geöffnet hat. Das gastliche Haus betraten die Engel; die den Fremden verschlossenen Häuser betrat das Feuer. Schauen wir uns also an, was die Engel zum Lohn für seine pflichtbewusste Gastlichkeit zu ihrem Gastgeber sagen. „Auf dem Berg“, heißt es, „rette dein Leben, damit dich nicht etwa das Feuer erfasst.“b Lot war zwar gastfreundlich, er, der auch dem Untergang verborgen blieb, wie die Schrift ihm bezeugt, da er die Engel in Gastfreundschaft aufnahm.c Doch er war nicht so vollkommen, dass er, als er Sodom verließ, sogleich den Berg besteigen konnte; denn den Vollkommenen gebührt es zu sagen: „Zu den Bergen erhob ich meine Augen, von wo mir Hilfe kommen wird.“d Er war also weder so verworfen, dass er mit den Sodomiten zugrundegehen sollte, noch war er so groß, dass er mit Abraham in den Höhen wohnen konnte. Wäre er nämlich so groß gewesen, hätte Abraham niemals zu ihm gesagt: „Wenn du nach rechts gehst, gehe ich nach links, wenn du nach links gehst, gehe ich nach rechts“,e noch hätten ihm die Wohnstätten Sodoms gefallen.241 Er stand also gewissermaßen in der Mitte zwischen den Vollkommenen und den Verlorenen. Und da er wusste, dass seine Kräfte nicht ausreichen, den Berg zu besteigen, entschuldigt er sich242 gottesfürchtig und bescheiden mit den Worten: „Ich kann nicht auf dem Berg gerettet werden; doch da, diese Stadt ist winzig, hier werde ich gerettet werden, und sie ist nicht winzig.“f Als er aber die winzige Stadt Segor betreten hat, wird er dort gerettet.g Und danach steigt er mit seinen Töchtern auf den Berg.h Denn von Sodom aus konnte man nicht auf den Berg steigen, obgleich über das Land Sodom, bevor es zugrundegerichtet wurde, zu der Zeit, als Lot es als seine Wohnpatr. V 5,41 (PL 73, 887B); Rufinus, patr. II praef. 1 (CChr.SL 20, 311): unde excusaui frequenter apud te.

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Homilia V

quo Lot habitationem eius elegit, fuisse sicut paradisus Dei et sicut terra Aegypti. a Et tamen, ut paruo quodam utamur excessu, quaenam uidetur esse uicinitas paradiso Dei et terrae Aegypti, ut ex aequo his Sodoma conparetur? Sed ego ita puto, quod, antequam peccaret Sodoma, cum adhuc simplicitatem uitae incontaminabilis custodiret, erat sicut paradisus Dei; ubi uero decolorari coepit et peccatorum maculis obscurari, sicut terra Aegypti facta est. Sed et illud requirimus, quoniamquidem propheta dicit quia „restituetur soror tua Sodoma in antiquum“, b utrumnam restitutio eius etiam hoc recipiat, ut sit sicut paradisus Dei, an solum sicut terra Aegypti. Ego quidem dubito, si in tantum poterunt Sodomorum peccata decoqui et eo usque scelera purgari, ut restitutio eorum tanta sit, quae non solum terrae Aegypti, uerum etiam Dei paradiso conparetur. Vrgebunt tamen nos, qui hoc confirmare uolunt, ex eo praecipue sermone, qui additus huic repromissioni uidetur; non enim dixit quia „restituetur Sodoma“ et cessauit, sed ait: „Restituetur Sodoma in antiquum.“ Et asseuerabunt antiquum eius statum non fuisse ut terram Aegypti, sed ut paradisum Dei. c 2. Sed redeamus ad Lot, qui cum uxore et filiabus interitum fugiens Sodomorum accepto ab angelis mandato, ne retrorsum respiceret, d tendebat in Segor. Sed uxor eius inmemor fit praecepti, retrorsum respicit, inpositam legem rumpit, efficitur staticulum salis. e Putamus tantum sceleris in hoc esse commisso, ut, quia post se respexit mulier, interitum, quem diuino beneficio effugere uidebatur, incurreret? Quid enim tantum criminis habuit, si sollicita mulieris mens retrorsum, unde nimio flammarum crepitu terrebatur, adspexit? Sed „quia lex spiritalis est“ f et quae contingebant antiquis, „in figura contingebant“, g uideamus, ne forte Lot, qui non respexit post se, rationabilis est sensus et animus uirilis, uxor autem hic carnis imaginem teneat. Caro est b c vgl. Gen. 13,10 Ez. 16,55 vgl. Gen. 13,10 f g 19,26 Röm. 7,14 1 Kor. 10,11

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vgl. Gen. 19,17

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vgl. Gen.

243 Hier hätte Origenes eigentlich eine Entschuldigung für Lots Wohnung in Sodom, vgl. oben Kap. 1 (GCS Orig. 6, 58 Z. 21f.): „. . . die sodomitischen Wohnstätten hätten ihm nicht gefallen“. 244 In restitutio schwingt wohl Origenes’ Begriff der aÆpokataÂstasiw mit – die „Wiederherstellung“ des Kosmos in seinen ursprünglichen Zustand. 245 Die wörtliche Auslegung dieser Passage brachte Origenes in Verlegenheit. Gen. 13,10 beschreibt, einst habe dieser Landstrich ausgesehen „wie der Garten des Herrn, wie das Land Ägypten“. Und Ez. 16,55 prophezeit, dereinst werde Sodom „wieder sein wie früher“. Doch diese Rückverwandlung war nie eingetreten. Zum gleichen Problem äußert Origenes sich in Hiez. hom. 10,3 (GCS Orig. 8, 420): „Die Hebräer sagen, Sodom sei im selben Zustand wiederherzustellen . . ., damit es wieder mit dem Garten Gottes und dem Land Ägypten verglichen werde. Ob dies sich so verhält und eintreten wird oder nicht, derlei Fragen mögen die Gelehrten

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stätte wählte, geschrieben steht, es sei wie der Garten Gottes gewesen und wie das Land Ägypten.a 243 Und trotzdem – nehmen wir sozusagen einen kleinen Umweg –, welche Verwandtschaft scheint es zwischen dem Garten Gottes und dem Land Ägypten zu geben, dass Sodom mit ihm auf gleicher Stufe verglichen wird? Ich vermute freilich, dass Sodom, bevor es sündigte, als es noch die Schlichtheit eines unbefleckbaren Lebens bewahrte, wie der Garten Gottes war; als es freilich begann, sich zu verfärben und von den Flecken der Sünden verdunkelt zu werden, wurde es wie das Land Ägypten. Wir fragen uns aber auch – da der Prophet nun einmal sagt, dass „deine Schwester Sodom wiederhergestellt werden wird in ihren einstigen Zustand“b –, ob ihre Wiederherstellung auch das bedeutet, dass sie wie der Garten Gottes ist oder nur wie das Land Ägypten. Ich für mein Teil bezweifle, ob Sodoms Sünden sich so weit auskochen und seine Verbrechen sich in solchem Maße tilgen lassen, dass seine Wiederherstellung244 so grundlegend ausfällt, dass es nicht nur mit dem Land Ägypten, sondern auch mit dem Garten Gottes verglichen wird. Doch die werden uns zusetzen, die eben dies bekräftigen wollen, namentlich mit diesem Passus, der dieser Verheißung beigefügt scheint. Die Schrift sagte nämlich nicht, „Sodom wird wiederhergestellt werden“ und Schluss, sondern sie sagt, „Sodom wird wiederhergestellt werden in seinen einstigen Zustand.“ Und sie werden ernsthaft versichern, sein einstiger Zustand sei nicht wie das Land Ägypten gewesen, sondern wie der Garten Gottes.c 245 2. Doch lasst uns auf Lot zurückkommen, der mit seiner Frau und seinen Töchtern vor dem Untergang Sodoms floh – von den Engeln hatte er das Gebot empfangen, nicht nach hinten zurückzublickend – und nach Segor zog. Doch seine Frau vergisst das Gebot; sie blickt nach hinten zurück; sie bricht das ihnen auferlegte Gesetz; sie erstarrt zur Salzstatuette.e Glauben wir,246 dass in diesem Vergehen ein solches Verbrechen liegt, dass die Frau, weil sie hinter sich zurückblickte, den Tod fand,247 dem sie dank göttlicher Gunst gerade zu entkommen schien? Denn was war daran so schlimm, wenn der aufgewühlte Geist der Frau nach hinten blickte, von wo das mächtige Prasseln der Flammen sie erschreckte? Doch weil „das Gesetz geistig ist“f und den Alten das, was ihnen widerfuhr, „im Bild widerfuhr“,g wollen wir sehen, ob Lot, der nicht hinter sich zurückblickte, nicht etwa den vernünftigen Sinn und männlichen Geist verkörpert, die Frau aber hier als Bild für das Fleisch steht.248 Denn es ist das Fleisch, das stets zu den klären. Damit aber geschehe, was gesagt wird, bis dahin werden dreitausend Jahre vergehen.“ 246 Mit Origenes’ eindringlichem Tonfall gerade in dieser Passage vertrüge sich putemus besser („sollen wir glauben. . .“). 247 Zu spätantikem incurro mit bloßem Akkusativ vgl. ThLL VII/1, 1087f. (bes. 1087, 65–68).

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Homilia V

enim, quae respicit semper ad uitia, quae, cum animus tendit ad salutem, illa retrorsum respicit et uoluptates requirit. Inde denique et Dominus dicebat: „Nemo manum suam mittens in aratrum et retro respiciens aptus est regno Dei“, a et addit: „Mementote uxoris Lot.“ b Quod autem fit staticulum salis, insipientiae eius indicium uidetur expositum. Sal enim prudentiae loco ponitur, quae ei defuit. Pertendit ergo Lot in Segor ibique paulisper conlectis uiribus, quas in Sodomis habere non potuit, ascendit in montem et ibi habitauit, sicut scriptura dicit, „ipse et duae filiae eius cum eo“. c 3. Post haec iam refertur illa famosissima fabula, in qua scribitur filias eius arte furatas concubitum patris. d In quo nescio si qui potest ita excusare Lot, ut eum inmunem faciat a peccato. Neque rursum ita eum accusandum puto, ut tam grauis incesti fieri debeat reus. Non enim inuenio eum insidiatum esse aut uiolenter eripuisse pudicitiam filiarum, sed magis insidias passum et arte circumscriptum. Sed neque rursum circumuentus fuisset a puellis, nisi inebriari potuisset. Vnde uidetur mihi in parte culpabilis, in parte excusabilis inueniri. Excusari namque potest, quod a concupiscentiae et uoluptatis crimine liber est et quia neque ipse uoluisse arguitur neque uolentibus consensisse; subiacet uero culpae quod decipi potuit, quod uino nimis indulsit et hoc non semel, sed iterum fecit. Nam et ipsa scriptura mihi uidetur pro eo quodammodo satisfacere, cum dicit: „Nesciebat enim, cum dormiret cum eis et cum surgeret.“ e De filiabus hoc non dicitur, quae studio et arte decipiunt patrem. Ille tamen in tantum sopitus est uino, ut nesciret dormisse se cum filia priore neque cum iuniore. Audite ebrietas quid agat; audite quantum facinoris conciliet temulentia! Audite et cauete uos, o quibus istud malum non in crimine, sed in usu est. Ebrietas decipit, quem Sodoma non decepit. Vritur ille flammis mulierum, quem sulphurea flamma non ussit. Erat ergo Lot arte, non uoluntate deceptus. Ideo medius quidam est inter peccatores et iustos; quippe qui ex Abrahae quidem cognatione descenderit, in Sodomis tamen habitauerit. Nam et hoc quod euadit ex Soa

Lk. 9,62

b

Lk. 17,32

c

Gen. 19,30

d

vgl. Gen. 19,31–36

e

Gen. 19,33.35

248 Philon deutet Lots Frau als Bild der Menschen, die sich von den Tugenden ab- und den irdischen Gütern zuwenden; vgl. somn. I 248 (III p. 257 Cohn/Wendland); fug. 122 (III p. 136); leg. all. III 213 (I p. 160). 249 Lots Fehltritt war Gegenstand reicher exegetischer Erörterungen und Entschuldigungen in der jüdischen (siehe unten S. 132 Anm. 253) wie der christlichen Exegese. Bereits Irenäus vereint die Schlüsselargumente des Origenes: Lot habe unwissentlich gehandelt, und die Töchter aus Sorge um den Fortbestand der Menschheit; vgl. haer. IV 31,1f. (SC 100, 788–792). Für spätere Stimmen vergleiche Johannes Chry-

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Lastern zurückblickt, das – während der Geist zum Heil strebt – auf die Dinge hinter sich zurückblickt und nach den Lüsten verlangt. Deshalb also sprach auch der Herr: „Niemand, der seine Hand an den Pflug legt und nach hinten zurückblickt, taugt für das Reich Gottes“,a und fügt hinzu: „Denkt an Lots Frau.“b Dass sie aber zur Salzstatuette wird, scheint als Hinweis auf ihre Torheit gedacht. Denn das Salz steht für die Vernunft, die ihr abging. Lot zog also fort nach Segor, und als er dort ein Weilchen Kraft geschöpft hatte, die ihm in Sodom nicht vergönnt war, stieg er auf den Berg und wohnte dort, wie die Schrift sagt, „er und seine zwei Töchter mit ihm“.c 3. In der Folge wird nun jene überaus berühmte Geschichte erzählt, in der beschrieben wird, wie seine Töchter listig das Beilager des Vaters erschlichen.d Hier weiß ich nicht, ob man Lot in solchem Maße entschuldigen kann, dass man ihn von Sünde freispricht. Andererseits glaube ich nicht, dass man, wenn man ihn anklagt, so weit gehen muss, ihm einen so gravierenden Inzest vorzuwerfen. Ich sehe nämlich nicht, dass er der Keuschheit der Töchter nachgestellt oder sie gewaltsam geraubt hätte, sondern vielmehr, dass er einem Hinterhalt zum Opfer gefallen und listig umgarnt worden ist. Andererseits freilich hätten die Mädchen ihn nicht verführen können, hätte er sich nicht trunken machen lassen. Deshalb steht er meines Erachtens teils schuldig da, teils ist er zu entschuldigen. Denn er ist zu entschuldigen, weil er vom Vorwurf der Begierde und Lust frei ist, das heißt, weil offen zutageliegt, dass er weder selbst wollte noch einverstanden war mit denen, die wollten. Doch er macht sich schuldig, weil er sich täuschen ließ, weil er zu sehr dem Wein zusprach, und dies nicht einmal, sondern zweimal.249 Denn selbst die Schrift scheint mir für ihn gewissermaßen Abbitte zu leisten, wenn sie sagt: „Denn er wusste nicht, wann er mit ihnen schlief und wann er sich erhob.“e Von den Töchtern wird dies nicht gesagt, die den Vater so eifrig wie listig täuschen. Doch er war vom Wein so betäubt, dass er nicht wusste, dass er mit der älteren wie mit der jüngeren Tochter geschlafen hatte. Hört, was die Trunkenheit zuwege bringt; hört, zu welchen Verbrechen der Rausch anstachelt! Hört es und seid auf der Hut, die ihr dieses Übel nicht verurteilt, sondern pflegt. Ihn, den Sodom nicht verführt hat, verführt die Trunkenheit. Ihn, den die Schwefelglut nicht verzehrt hat, verzehrt die Glut der Frauen. Lot war also listig getäuscht worden, ohne es zu wollen. Deshalb steht er gewissermaßen in der Mitte zwischen Sündern und Gerechten,250 denn er stammte zwar aus Abrahams Sippe, wohnte jedoch in Sodom. Denn auch der Umstand, dass er aus Sodom entkommt, verdankt sich, wie die Schrift sostomus, in Gen. hom. 44,4f. (PG 54, 411f.); Ambrosius, Abr. I 56 (CSEL 32/1, 539); Augustinus, Faust. XXII 42–45 (CSEL 25, 635–637). 250 Vgl. Kap. 1 (GCS Orig. 6, 58).

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Homilia V

domis, sicut scriptura indicat, magis ad honorem Abrahae quam ad meritum pertinet Lot. Sic enim ait: „Et factum est“, inquit, „cum exterminaret Deus ciuitates Sodomorum, recordatus est Deus Abrahae et eiecit Lot de terra illa.“ a 4. Sed et filiarum eius propositum puto diligentius considerandum, ne forte etiam ipsae non tantum, quantum putatur, accipere criminis mereantur. Refert enim scriptura quia dixerunt inuicem sibi: „Pater“, inquit, „noster senior est et nemo est super terram, qui intret ad nos, sicut conuenit omni terrae. Veni et potemus patrem nostrum uino et dormiamus cum eo et suscitemus de patre nostro semen.“ b Quantum ad ea 〈pertinet〉, quae de his dicit scriptura, uidetur etiam pro ipsis quodammodo satisfacere. Apparet namque filias Lot didicisse quaedam de consummatione mundi, quae inmineret per ignem, sed tamquam puellae non integre perfecteque didicerant; nescierunt quod Sodomiticis regionibus igne uastatis multum adhuc spatii integrum resideret in mundo. Audierunt in fine saeculi terram et omnia elementa ignis ardore decoquenda. c Videbant ignem, uidebant sulphureas flammas, uidebant cuncta uastari. Matrem quoque suam uidebant non esse saluatam, suspicatae sunt tale aliquid factum, quale in temporibus audierant Noe, et ob reparandam mortalium posteritatem solas se esse cum parente seruatas. Recuperandi igitur humani generis desiderium sumunt atque instaurandi saeculi ex sese dandum opinantur exordium. Et quamuis grande eis crimen uideretur furari concubitum patris, grauior tamen eis uidebatur inpietas, si humanae, ut putabant, posteritatis spem seruata castitate delerent. Propter hoc ergo consilium ineunt minore, ut ego arbitror, culpa, spe tamen argumentoque maiore: Patris maestitiam uel rigorem uino molliunt et rea

Gen. 19,29

b

Gen. 19,31f.

c

vgl. 2 Petr. 3,12

251 „Sodoms“ ist womöglich ein Versehen des Rufinus. Die Septuaginta hat taÁw poÂleiw th Ä w perioiÂkoy („die Städte des Umlands“), die Vulgata ciuitates regionis illius („die Städte jenes Landstrichs“). 252 Die Ergänzung pertinet ist notwendig, da Rufinus die Floskel quantum ad sonst stets mit einem Verb verbindet, meist pertinet oder spectat; vgl. in Gen. hom. 2,1 (GCS Orig. 6, 27): quantum ad necessitatem pluuiarum . . . spectat; 2,2 (6, 29f.): quantum ad historiae pertinet rationem; 4,4 (6, 54): quantum ad aetatem corporis pertinet; 5,5 (6, 63): quantum ad allegoriam pertinet; ebd. (6, 63): quantum ad legem pertinet; 6,2 (6, 68): quantum ad ethicam . . . spectat; 15,5 (6, 133): quantum ad Iacob illum spectat; ein Sonderfall ist ebd. 15,4 (6, 132): in quantum ad praesens occurrere potuit. 253 Bereits jüdische Exegeten entschuldigen Lots Töchter mit diesem Argument; vgl. u.a. Philon, quaest. in Gen. IV 56 (p. 291f. Aucher): „Doch scheint (die Schrift)

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Homilie 5,3–4

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andeutet, mehr der Wertschätzung Abrahams als Lots Verdienst. Sie sagt nämlich so: „Und es geschah“, heißt es, „als Gott die Gemeinden Sodoms251 auslöschte, dass Gott Abrahams gedachte und Lot aus jenem Land fortführte.“a 4. Doch meines Erachtens gilt es auch, den Entschluss seiner Töchter sorgfältiger zu prüfen, ob vielleicht auch sie nicht in solchem Maße eine Anschuldigung verdienen, wie man gemeinhin glaubt. Denn die Schrift berichtet, dass sie zueinander sprachen: „Unser Vater“, heißt es, „ist alt, und es gibt niemanden auf der Erde, der uns beiwohnte, wie es auf der ganzen Erde Brauch ist. Komm, wir wollen unserem Vater Wein zu trinken geben und mit ihm schlafen und unserem Vater Samen entlocken.“b Insofern252 die Schrift sich dazu äußert, scheint sie gewissermaßen auch für die Töchter Abbitte zu leisten. Denn offenkundig hatten Lots Töchter etwas über das Ende der Welt erfahren, das durch Feuer bevorstehe; doch wie es vorkommt bei Mädchen, hatten sie es nicht vollständig und richtig erfahren. Sie wussten nicht, dass auch nach der Verwüstung der sodomitischen Landstriche durch das Feuer noch viel unversehrter Raum in der Welt übrig bliebe. Sie haben gehört, dass am Ende der Zeit die Erde und alle Elemente von einer Feuersbrunst vertilgt werden sollten.c Sie sahen das Feuer, sie sahen die Schwefelglut, sie sahen, wie alles verwüstet wurde. Sie sahen auch, dass ihre Mutter nicht gerettet worden war. Sie argwöhnten, etwas Derartiges sei geschehen, wie sie es aus Noahs Zeiten gehört hatten, und allein sie seien samt ihrem Vater errettet worden, um für den Fortbestand der Sterblichen Sorge zu tragen. So ergreift sie die Sehnsucht, das Menschengeschlecht möge wieder auferstehen, und sie vermuten, der Beginn des zu erneuernden Zeitalters müsse von ihnen ausgehen. Und obgleich es ihnen ein großes Vergehen schien, das Beilager des Vaters zu erschleichen, schien es ihnen doch eine schwerere Gottlosigkeit, wenn sie, wie sie glaubten, die Hoffnung auf menschliche Nachkommenschaft ihrer Keuschheit zuliebe zerstörten. Deshalb also nehmen sie ihr Vorhaben mit, wie ich glaube, geringerer Schuld, jedoch mit größerer Hoffnung und besserem Grund in Angriff.253 Die Trauer oder Strenge des Vaters mildern und vertreiben sie mit Nachsicht zu üben, weil die Jungfrauen, nachdem sie jene Städte samt ihren Bewohnern verbrannt gesehen hatten, in ihrer Unkenntnis der Ereignisse glaubten, gleichsam . . . das ganze Menschengeschlecht sei vernichtet. . . . Deshalb . . ., damit die Erde sich nicht als gänzlich verwaist entpuppe, haben sie ihre höchst kühne Dreistigkeit in Angriff genommen“; Flavius Josephus, ant. I 205 (I p. 36 Niese). Vgl. ferner Theodoret, in Gen. quaest. 70 (PG 80, 180B); Hieronymus, epist. 22,8,5 (CSEL 54, 156); Ambrosius, Abr. I 24 (CSEL 32/1, 519); Pseudo-Eucherius, in Gen. comm. (PL 50, 964D). – Cels. IV 45 (GCS Orig. 1, 318) erinnert Origenes an ein stoisches Gedankenexperiment: den Weisen, der mit seiner Tochter den Untergang der Menschheit überlebt und in diesem Fall das Recht hat, mit ihr für deren Fortbestand zu sorgen.

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Homilia V

soluunt. Singulis ingressae noctibus singulae suscipiunt ab ignorante conceptum; ultra non repetunt, non requirunt. Vbi hic libidinis culpa, ubi incesti crimen arguitur? Quomodo dabitur uitio, quod non iteratur in facto? Vereor proloqui, quod sentio; uereor, inquam, ne castior fuerit harum incestus quam pudicitia multarum. Discutiant se et requirant feminae in coniugiis positae, si ob hoc solum adeant uiros, ut suscipiant liberos, si post conceptum desistunt. Istae enim, quae argui uidentur incesti, ut adeptae sunt conceptum, ultra non accedunt ad concubitum uiri. Nonnullae uero mulieres, neque enim uniuersas pariter notamus, sed sunt quaedam, quae sicut animalia absque ulla discretione indesinenter libidini seruiunt, quas ego nec mutis pecudibus conparauerim. Pecora enim et ipsa sciunt, cum conceperint, ultra non indulgere maribus copiam sui. Notat tales et scriptura diuina, cum dicit: „Nolite fieri sicut equus et mulus, quibus non est intellectus“, a et iterum: „Equi admissarii facti sunt.“ b Sed uos, o populus Dei, qui Christum amatis in incorruptione, c intellegite apostoli sermonem, quo ait: „Siue manducatis, siue bibitis, siue aliud quid facitis, omnia in gloriam Dei facite.“ d Quod enim post manducare et bibere dicit: „siue aliud quid facitis“, inuerecunda coniugii negotia uerecundo sermone signauit ostendens etiam ipsa ad Dei gloriam geri, si posteritatis solius contemplatione procurentur. Prosecuti sumus, ut potuimus, uel de culpis Lot ac filiarum eius uel rursum de excusationibus eorum. 5. Verum scio nonnullos, quantum ad allegoriam pertinet, Lot traxisse ad Domini personam et filias eius ad duo testamenta. Sed haec, qui sciat, quid de Ammanitis et Moabitis scriptura dicit, qui ex genere Lot descendunt, nescio si libenter accipiat. Quomodo enim poterit aptare Christo quod, qui de semine eius generantur, „usque in tertiam et quartam progeniem“ e „non introibunt in ecclesiam Domini“? f Nos autem, prout sentire possumus, Lot figuram ponimus legis. Nec uideatur incongruum quod feminino genere apud nos declinatur lex, cum masculinum genus seruet in Graeco. Huius uxorem illum populum ponimus, qui de Aeypto profectus et de mari rubro ac persecutione Pharaonis tamquam de Sodomiticis ignibus a

Ps. 31(32),9

b

Jer. 5,8

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vgl. Eph. 6,24

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1 Kor. 10,31

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Ex. 34,7

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Dtn. 23,4

254 Zu diesem spätantiken Gebrauch von discutio (auch reflexiv) vgl. ThLL V/1, 1374,67f. 255 Wörtlich: „ohne jede Unterscheidung“, „ohne jedes Urteilsvermögen“. Zu diesem nachklassischen Gebrauch vgl. ThLL V/1, 1350,33–52; zur Konstruktion mit absque ebd. 1353,7–9. 256 Vgl. Porphyrius, abstin. III 10,5 (p. 200 Nauck): „Die Tiere befruchten die Weibchen allein zu dem Zweck, Junge zu zeugen. Und ist das Weibchen trächtig, decken sie es meist nicht mehr, noch lässt es dies zu“; vgl. Plutarch, brut. rat. uti 7, 990d; Nemesius von Emesa, nat. hom. 25; Macrobius, sat. II 5,10.

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Wein. Indem sich jede ihm für eine Nacht naht, werden sie von dem Ahnungslosen schwanger; fortan wiederholen sie, verlangen sie es nicht wieder. Wo lässt sich hier die Schuld der Lüsternheit, wo das Verbrechen der Blutschande anklagen? Wie wird etwas als Laster gewertet, das sich als Tat nicht wiederholt? Ich scheue mich auszusprechen, was ich denke. Ja, ich fürchte, dass ihre Blutschande reiner war als die Keuschheit vieler Frauen. Die verheirateten Frauen mögen sich fragen254 und erwägen, ob sie sich allein deshalb ihren Männern nahen, um Kinder zu empfangen, ob sie sich nach der Empfängnis zurückhalten. Sie nämlich, die der Blutschande schuldig scheinen, suchen, sobald sie empfangen haben, fortan nicht mehr das Beilager mit dem Mann. Manche Frauen jedoch – denn wir brandmarken nicht alle gleichermaßen; es gibt da freilich manche, die wie Tiere unterschiedslos255 und unaufhörlich ihrer Lust frönen. Die möchte ich nicht einmal mit dem stummen Vieh vergleichen. Denn wenn es empfangen hat, weiß sogar das Vieh dem männlichen Tier fortan keine Gelegenheit mehr zu gewähren.256 Die brandmarkt auch die göttliche Schrift, wenn sie sagt: „Werdet nicht wie Pferd und Maultier, die keine Vernunft besitzen“,a des weiteren: „Zuchthengste sind sie geworden.“b Ihr aber, Volk Gottes, die ihr Christus liebt in der Unvergänglichkeit,c begreift das Wort des Apostels, wo er sagt: „Ob ihr esst oder trinkt oder irgend etwas anderes tut, tut alles zur Ehre Gottes.“d Denn was nach dem Essen und Trinken folgt: „oder irgend etwas anderes tut“, umschrieb in schamhafter Rede die schamlosen Werke der Ehe und gab zu verstehen, dass auch sie zur Ehre Gottes verrichtet werden, wenn man sie allein mit Blick auf die Nachkommenschaft vollzieht. Wir haben uns bislang nach Kräften über die Schuld Lots und seiner Töchter ausgelassen, andererseits über das, was sie entschuldigt. 5. Ich weiß nun, dass einige in allegorischer Lesart Lot auf die Person des Herrn bezogen haben und seine Töchter auf die beiden Testamente. Ich weiß aber nicht, ob jemand diese Deutung billigt, der weiß, wie sich die Schrift über die Ammoniter und Moabiter äußert, die Lots Geschlecht entstammen. Denn wie wird er es auf Christus übertragen können, dass die, die aus seinem Samen hervorgehen, „bis ins dritte und vierte Glied“e „nicht in die Gemeinde des Herrn eintreten werden“?f 257 Wir aber deuten Lot, soweit wir es beurteilen können, als Sinnbild des Gesetzes. Und es möge nicht ungereimt erscheinen, wenn das Gesetz bei uns im Lateinischen mit weiblichem Geschlecht gebeugt wird; im Griechischen bewahrt es ja das männliche Geschlecht.258 Seine Frau deuten wir als das Volk, das, nachdem es aus Ägypten aufgebrochen und aus dem Roten Meer und vor der Verfolgung durch Pharao gerettet worden war wie aus den Feuern Sodoms, wieder nach

257 Vgl. Philon, post. Cain. 177 (II p. 39 Cohn/Wendland). 258 Der Satz ist ein Einschub des Rufinus.

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Homilia V

liberatus rursum carnes et ollas Aegypti et caepas cucumeresque a desiderans retro respexit et cecidit in deserto, factus etiam ipse concupiscentiae memoria in eremo. b Ibi ergo lex primum illum populum tamquam Lot retro respicientem perdidit ac reliquit uxorem. Inde ueniens Lot habitat in Segor, de qua dicit: „Ciuitas haec pusilla et saluabitur anima mea in ipsa et non est pusilla.“ c Quae ergo est, quantum ad legem pertinet, ciuitas pusilla et non pusilla, uideamus. Ciuitas a conuersatione multorum dicta est pro eo, quod plurimorum in unum consciscat et contineat uitas. Hi ergo, qui in lege conuersantur, pusillam habent et paruam conuersationem, quamdiu secundum litteram intellegunt legem. Nihil enim grande est sabbata et neomenias et circumcisionem carnis et ciborum distinctiones carnaliter obseruare. Si uero spiritaliter intellegere quis coeperit, ipsae illae obseruantiae, quae secundum litteram pusillae erant et paruae, secundum spiritum non erunt pusillae, sed magnae. Ascendit ergo post haec Lot in montem et ibi „habitat in spelunca“, ut dicit scriptura, „ipse et duae filiae eius“. d Et lex ascendisse putanda est, quod ei per templum a Salomone constructum accessit ornatus, cum facta est quidem domus Dei, domus orationis, e mali autem habitatores fecerunt eam „speluncam latronum“. f „Habitauit“ ergo „in spelunca Lot et duae filiae eius.“ g Duas has filias euidenter propheta describit dicens Oollam et Oolibam duas sorores esse, et esse quidem Oollam Iudam et Oolibam esse Samariam. h In duas ergo partes populus diuisus duas fecit filias legis. Istae carnalem cupidae progeniem propagari et uires regni terrestris numerosa posteritate muniri, sopientes patrem et somnum ei inducentes, id est tegentes et obumbrantes eius spiritalem sensum, solam ex eo carnis intellegentiam trahunt. Inde concipiunt, inde generant filios tales, quos nec sentiret nec agnosceret pater. Neque enim iste sensus aut haec uoluntas fuerat legis, ut a vgl. Num. 11,5 b vgl. Ps. 105(106),14 f g Lk. 19,46 Mt. 21,13 Gen. 19,30

c

Gen. 19,20 d Gen. 19,30 h vgl. Ez. 23,2–4

e

vgl. Jes. 56,7;

259 Laut Num. 11,4f. sehnte sich das jüdische Volk nach Ägyptens „Fleisch“, „Fischen“, „Gurken und Melonen, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch (Septuaginta: taÁ skoÂrda, lat. allia)“ – nicht aber nach den „Töpfen“ (ollas); so Doutreleau, SC 7bis, 176f. Anm. 2, der deshalb voreilig allia konjiziert. 260 Vgl. zu dieser Definition der Stadt Platon, polit. II 369 c 1–4: „Wenn einer den anderen herbeiholt, den einen für das eine Anliegen, den anderen für ein anderes, und sie, da sie viele Dinge benötigen, auch viele Gefährten und Helfer an einem Ort versammeln, ein solches Zusammenwohnen (synoikiÂa) nennen wir Stadt (poÂliw).“ 261 Diese Stelle ist ein Schlüssel zum Verständnis des schillernden Begriffs conuersatio (griech. poliÂteyma oder synoikiÂa) bei Rufinus. Er kann zum einen „Gemeinwesen“, „Gemeinschaft“ bedeuten (z.B. Rufinus, hist. eccl. IV 7,14 [GCS Eus. 2/1, 313]),

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Fleisch und den Töpfen259 Ägyptens und Zwiebeln und Gurkena verlangte, wieder zurückblickte und in der Wüste fiel; auch es wurde zum Denkmal der Fleischeslust in der Einöde.b Dort also hat das Gesetz jenes Volk ein erstes Mal verloren und zurückgelassen, wie Lot seine wieder zurückblickende Frau. Lot, der von dort kommt, wohnt in Segor, von dem er sagt: „Diese Stadt ist winzig, in ihr wird mein Leben gerettet werden, und sie ist nicht winzig.“c Wir wollen also prüfen, insoweit es hier um das Gesetz geht, was das ist, eine winzige und nicht winzige Stadt. ,Stadt‘ leitet sich vom Miteinander vieler her, weil sie nämlich das Leben sehr vieler zu einem Ganzen eint und zusammenschließt.260 Folglich haben die, die im Gesetz miteinander leben, ein winziges und kleines Miteinander, solange sie das Gesetz dem Buchstaben gemäß begreifen. Denn es heißt nichts Großes, den Sabbat und den Neumond, die Beschneidung des Fleisches und die Unterscheidung der Speisen auf fleischliche Weise einzuhalten. Wer aber geistig zu begreifen beginnt, für den werden eben diese Bräuche, die dem Buchstaben nach winzig und klein waren, dem Geist nach nicht mehr winzig sein, sondern gewaltig.261 Danach steigt Lot also auf den Berg, und dort „wohnt er in einer Höhle“, wie die Schrift erzählt, „er und seine zwei Töchter“.d Auch das Gesetz, so darf man annehmen, ist aufgestiegen, weil der von Salomo erbaute Tempel es mit Schmuck ausstattete, als es ein Haus Gottes, ein Haus des Gebetse wurde; seine bösen Bewohner aber machten daraus eine „Räuberhöhle“.f „Lot und seine zwei Töchter wohnten“ also „in einer Höhle“.g Diese zwei Töchter hat der Prophet eindeutig vor Augen, wenn er sagt, Ohola und Oholiba seien zwei Schwestern, und Ohola sei Juda, Oholiba Samaria.h 262 Das in zwei Teile getrennte Volk brachte dem Gesetz also zwei Töchter hervor. In ihrem Trachten, die fleischliche Nachkommenschaft zu vermehren und die Kräfte des irdischen Reiches mit zahlreichem Spross zu stärken, betäuben sie den Vater und flößen ihm Schlummer ein, das heißt sie umhüllen und verdunkeln seinen geistigen Sinn und empfangen von ihm einzig die Einsicht des Fleisches. Daher empfangen, daher gebären sie Söhne, die der Vater weder wahrnahm noch anerkannte. Denn dies war nicht die Sinnesart oder der Wille des Gesetzes gewesen, fleischlich zu zeugen, sondern vielleicht sogar „Heimat“, zum anderen aber auch „Lebenswandel“, „Lebenspraxis“, „Miteinander“ (z.B. in Ex. hom. 6,10 [GCS Orig. 6, 202]; hist. eccl. III 28,2 [GCS Eus. 2/1, 259]). In den Genesishomilien erscheint er v.a. in dem Paulus-Zitat Phil. 3,20: „Unser Wandel ist in den Himmeln“; vgl. in Gen. hom. 1,2 (GCS Orig. 6, 3); 1,13 (6, 16); 2,6 (6, 37). 262 Tatsächlich bezieht Ez. 23,4 (auch in der Septuaginta) Oola auf Samaria, Ooliba auf Jerusalem; so Origenes korrekt in Cant. comm. prol. (GCS Orig. 8, 67) bzw. prol. 2,18 (SC 375, 104); vgl. ebd. II (8, 161) bzw. II 8, 24 (SC 375, 421): Oollam et Oolibam, aliam Samariam ... aliam Iudam.

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Homilia V

carnaliter generaret, sed sopitur lex, ut talis posteritas generetur, quae non intret in ecclesiam Domini. „Ammanitae enim“, inquit, „et Moabitae non introibunt in ecclesiam Domini usque in tertiam et quartam progeniem et usque in saeculum“, a designans quod carnalis generatio legis non intret in ecclesiam Christi nec tertia generatione pro Trinitate nec quarta pro euangeliis nec in saeculum, nisi forte post praesens saeculum, cum plenitudo gentium introierit, et sic omnis Israhel saluus fuerit factus. b Haec, ut potuimus, secundum allegoricam intellegentiam de Lot et de uxore eius ac de filiabus exsculpsimus nihil praeiudicantes his, qui sacratius aliquid de hoc sentire potuerint. 6. Quod uero in morali loco superius ipsum quidem Lot ad rationabilem sensum et uirilem animum traximus, uxorem uero eius, quae retro respexerit, carnem concupiscentiis et uoluptatibus deditam diximus, non neglegenter haec, o auditor, excipias. Obseruare enim debes, ne forte etiam cum effugeris flammas saeculi et incendia carnis euaseris, etiam cum pusillam et non pusillam ciuitatem Segor, c qui est medius quidam et ciuilis profectus, superaueris et ad scientiae altitudinem uelut ad quaedam cacumina montis ascenderis: Vide ne tibi insidientur duae filiae istae, quae a te non discedunt, sed sequuntur te etiam, cum ascendis ad montem, id est uana gloria et maior soror eius superbia. Vide ne te istae filiae sopitum et dormientem, dum tibi nec sentire nec intellegere uideris, conplexibus suis stringant. Quae idcirco filiae dicuntur, quia non nobis extrinsecus superueniunt, sed de nobis et de actuum nostrorum uelut quadam integritate procedunt. Vigila ergo, quantum potes, et obserua, ne de his generes filios, quia qui de his nati fuerint, „non introibunt in ecclesiam Domini“. d Tu autem, si uis generare, in spiritu genera, quoniam „qui in spiritu seminat, de spiritu metet uitam aeternam“. e Si uis amplecti, amplectere sapientiam et „dic sapientiam sororem tuam esse“, f ut et sapientia dicat de te: „Qui fecerit uoluntatem Patris mei, qui in caelis est, hic meus et frater et soror et mater est.“ g Quae sapientia Iesus Christus est Dominus noster, „cui gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen.“ h a f

Dtn. 23,4; Ex. 34,7 b vgl. Röm. 11,25f. g h Spr. 7,4 Mt. 12,50 1 Petr. 4,11

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vgl. Gen. 19,20

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Dtn. 23,4

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Gal. 6,8

263 Vgl. Kap. 2 (GCS Orig. 6, 60). 264 Vgl. Poimandres 27 (I p. 16 Nock/Festugie`re): „Werdet nüchtern! Macht eurer

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das Gesetz wird betäubt, um eine Nachkommenschaft zu gebären, die nicht eintritt in die Gemeinde des Herrn. „Denn die Ammoniter“, heißt es, „und die Moabiter werden nicht eintreten in die Gemeinde des Herrn bis ins dritte und vierte Glied und bis ans Ende der Zeit“;a womit sie zu verstehen gibt, dass die fleischliche Nachkommenschaft des Gesetzes nicht in die Gemeinde des Herrn eintreten wird, weder im dritten Glied, um der Trinität willen, noch im vierten, um der Evangelien willen, noch in dieser Zeit, außer etwa nach dem gegenwärtigen Zeitalter, wenn die Fülle der Heiden eingetreten und so ganz Israel gerettet ist.b Dies haben wir nach unserem Vermögen in allegorischer Deutung über Lot, seine Frau und seine Töchter herausgearbeitet, wobei wir denen, die hier womöglich zu heiligeren Einsichten gelangen, keinesfalls den Weg verstellen wollen. 6. Dass wir aber weiter oben Lot in moralischer Lesart als vernünftigen Sinn und männlichen Geist gedeutet, seine Frau aber, die nach hinten zurückblickte, als den Begierden und Lüsten ergebenes Fleisch bezeichnet haben, dies nimm nicht achtlos auf, Hörer.263 Du musst nämlich auf der Hut sein, dass dir nicht etwa – auch wenn du den Flammen dieses Zeitalters entkommen und dem Feuer des Fleisches entronnen bist, auch wenn du die winzige und nicht winzige Stadt Segor,c die gewissermaßen die Mitte und das Voranschreiten miteinander verkörpert, hinter dir gelassen hast und zur Höhe der Erkenntnis emporgestiegen bist wie gleichsam zu den Gipfeln des Berges – pass auf, dass dir diese beiden Töchter nicht auflauern, die nicht von dir weichen, sondern dir auch folgen, wenn du den Berg emporsteigst, die eitle Ruhmsucht nämlich und ihre größere Schwester, der Hochmut; pass auf, dass dich diese Töchter, während du betäubt daliegst und schläfst und es dir scheint, als würdest du nichts spüren oder wahrnehmen, nicht in ihren Umarmungen fesseln.264 Sie heißen deshalb Töchter, weil sie nicht von außen über uns kommen, sondern aus uns und gleichsam aus einer Art Lauterkeit unserer Taten hervorgehen. Sei also wachsam, so gut du kannst, und hüte dich, dass du nicht mit ihnen Söhne zeugst, denn die, die von ihnen geboren werden, „werden nicht in die Gemeinde des Herrn eintreten“.d Wenn du aber zeugen willst, so zeuge im Geist, denn „wer im Geist sät, wird vom Geist das ewige Leben ernten“.e Wenn du umarmen willst, so umarme die Weisheit und „sage, die Weisheit ist deine Schwester“,f damit auch die Weisheit von dir sage: „Wer den Willen meines Vaters erfüllt, der im Himmel ist, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter.“g Diese Weisheit ist Jesus Christus, unser Herr. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“h

Trunkenheit ein Ende, die ihr versunken liegt in vernunftlosem Schlaf (yÏpnvì aÆloÂgvì )!“

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HOMILIA VI De Abimelech rege Philistinorum, quomodo accipere uoluit Sarram in matrimonio

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1. Recitata est nobis historia libri Geneseos, ubi refertur quod post uisionem trium uirorum, post euersionem Sodomorum et Lot uel hospitalitatis merito uel consanguinitatis Abrahae gratia seruatum „profectus est“, inquit, „inde Abraham ad Africum“ a et uenit ad regem Philistinorum. Refertur etiam quod pactus sit cum Sarra uxore sua, ut non diceret uxorem se Abrahae, sed sororem eius esse; et quod rex Abimelech acceperit eam, b ingressus sit autem Deus ad Abimelech noctu et dixerit ei: Quia non contigisti, inquit, mulierem hanc, et non permisi te contingere eam, et cetera. Post haec uero Abimelech reddidit eam uiro suo, simul et increpauit Abraham, cur ei non confessus fuerit ueritatem. c Refertur etiam quod tamquam propheta Abraham orauerit pro Abimelech, et „sanauit Dominus Abimelech et uxorem eius et ancillas eius“. d Et curae fuit omnipotenti Deo, ut etiam ancillas Abimelech sanaret, „quoniamquidem concludens concluserat“, inquit, „uuluas earum, ne parerent“. e Coeperunt autem parere propter orationem Abrahae. Si quis haec secundum litteram solum audire uult et intellegere, magis cum Iudaeis quam cum Christianis debet habere auditorium. Si autem uult Christianus esse et Pauli discipulus, audiat eum dicentem „quia lex spiritalis est“ f et, cum de Abraham atque eius uxore ac filiis loqueretur, pronuntiantem haec esse allegorica. g Et licet cuiusmodi allegorias habere debeant, haud facile quis nostrum inuenire possit, orare tamen debet, ut a corde eius auferatur uelamen, si quis est qui conatur conuerti ad Dominum h – „Dominus enim Spiritus est“ i –, ut ipse auferat uelamen litterae et aperiat lucem Spiritus et possimus dicere quia „reuelata facie gloriam Domini speculantes eadem imagine transformamur a gloria in gloriam, tamquam a Domini Spiritu“. j a f

Gen. 20,1 Röm. 7,14

b g

vgl. Gen. 20,2 vgl. Gal. 4,22–24

c

vgl. Gen. 20,3–9 h vgl. 2 Kor. 3,16

d i

Gen. 20,17 2 Kor. 3,17

e j

Gen. 20,18 2 Kor. 3,18

265 Im hebräischen Text heißt es: „in den Negeb“, womit auch die Himmelsrichtung „Süden“ bezeichnet wird.

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HOMILIE 6 Über Abimelech, den König der Philister, wie er Sarah zur Frau nehmen wollte 5

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1. Vorgelesen wurde uns die Geschichte aus dem Buch Genesis, wo erzählt wird, dass nach der Erscheinung der drei Männer, nach der Zerstörung Sodoms und Lots Rettung – dank seiner Gastlichkeit oder um seiner Blutsverwandtschaft mit Abraham willen – „Abraham von dort“, heißt es, „gen Süden265 aufbrach“a und zum König der Philister kam. Erzählt wird auch, dass er mit seiner Frau Sarah ausmachte, sie solle nicht sagen, sie sei Abrahams Frau, sondern seine Schwester; und dass König Abimelech sie (d.h. Sarah) zu sich nahm,b Gott aber nachts zu Abimelech eintrat und ihm sagte: Du hast diese Frau, heißt es, nicht berührt, und ich habe nicht erlaubt, dass du sie berührst, und so fort. Danach aber gab Abimelech sie ihrem Mann zurück, und zugleich schalt er Abraham, warum er ihm nicht die Wahrheit gestanden habe.c Erzählt wird auch, dass Abraham wie ein Prophet für Abimelech gebetet habe, „und der Herr heilte Abimelech, seine Frau und seine Mägde“.d Und es lag dem allmächtigen Gott am Herzen, auch Abimelechs Mägde zu heilen, „hatte er doch ihre Gebärmutter verschlossen“, heißt es, „verschlossen, damit sie nicht gebären“.e Dank Abrahams Gebet aber wurden sie wieder schwanger. Wer diese Geschichte nur dem Wortsinn nach hören und begreifen will, sollte eher bei den Juden als bei den Christen der Predigt lauschen. Will er aber ein Christ und Schüler des Paulus sein,266 soll er hören, wie dieser sagt, dass „das Gesetz geistig ist“,f und verkündet, dass allegorisch zu verstehen ist, was es von Abraham, seiner Frau und seinen Söhnen erzählt.g Und auch wenn keiner von uns leicht zu entschlüsseln vermag, welche Allegorien diese Geschichten enthalten dürften, gilt es gleichwohl zu beten, dass von unserem Herzen der Schleier fortgezogen werde, wenn einer sich müht, sich dem Herrn zuzuwendenh – „denn der Herr ist Geist“i –, damit dieser den Schleier des Buchstabens fortziehe und das Licht des Geistes enthülle und wir sagen können, dass „wir, die wir mit enthülltem Antlitz die Herrlichkeit des Herrn schauen, im selben Bild verwandelt werden von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, gleichsam durch den Geist des Herrn“.j

266 Wie immer beruft sich Origenes für die allegorische Auslegung des Alten Testaments auf Paulus.

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Homilia VI

Puto ergo Sarram, quae interpretatur ,princeps‘ uel ,principatum agens‘, formam tenere aÆrethÄw, quod est animi uirtus. Haec ergo uirtus coniuncta est et cohaeret sapienti et fideli uiro, sicut et ille sapiens, qui dicebat de sapientia: „Hanc quaesiui adducere sponsam mihi.“ a Ideo ergo dicitur a Deo ad Abraham: „Omnia quaecumque dixerit tibi Sarra, audi uocem eius.“ b Quod utique in corporali coniugio non conuenit dictum, quippe cum diuinitus prolata sit illa sententia, quae dicit ad mulierem de uiro: „Ad ipsum conuersio tua et ipse tui dominabitur.“ c Si ergo dominus esse dicitur uir mulieris, quomodo iterum diceretur ad uirum: „Omnia quaecumque dixerit tibi Sarra, audi uocem eius“? d Si quis ergo adsciuit sibi in coniugium uirtutem, audiat uocem eius in omnibus, in quibus consilium dederit ei. Igitur Abraham non uult iam uirtutem uxorem suam dici. Donec enim uxor appellatur uirtus, propria est et cum nullo participari potest. Et est conueniens, ut, donec ad perfectum ueniamus, intra nos sit animi uirtus et propria sit; cum uero ad perfectum uenerimus, ita ut idonei simus et alios docere, e tunc iam uirtutem non ut uxorem intra gremium concludamus, sed ut sororem etiam aliis uolentibus copulemus. Ad hos denique, qui perfecti sunt, dicit sermo diuinus: „Dic sapientiam sororem tuam esse.“ f Secundum hoc igitur et Abraham Sarram dicebat sororem suam esse. Permittit ergo quasi iam perfectus, ut, qui uult, habeat uirtutem. 2. Voluit tamen aliquando et Pharao accipere Sarram, g sed non in corde mundo h uoluit; et uirtus nisi cum cordis munditia non potest conuenire. Propterea ergo scriptura refert quia „adflixit Dominus Pharaonem adflictionibus magnis et pessimis“ i. Nec enim poterat cum exterminatore – hoc enim interpretatur in lingua nostra Pharao – uirtus habitare. Abimelech uero quid dixerit ad Dominum uideamus. „Tu scis“, inquit, „Domine, quia in corde mundo feci hoc.“ j Longe aliter agit Abimelech iste quam Pharao. Non est ita inperitus et sordidus, sed scit quia cor mundum debet praeparare a g

Weish. 8,2 b Gen. 21,12 c Gen. 3,16 d Gen. 21,12 e vgl. 2 Tim. 2,2 h i j vgl. Gen. 12,15 vgl. Gen. 20,5 Gen. 12,17 Gen. 20,5

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Spr. 7,4

267 Diese zweigleisige Auslegung des Namens Sarah als „Herrschaft“ (in Anlehnung an hebr. sar, „Herrscher“, und sarar, „herrschen“) und „Tugend“ geht auf die jüdische Exegese zurück; vgl. Philon, Abr. 99 (IV p. 23 Cohn/Wendland): „(Abrahams) Frau, deren Name auf Griechisch Herrscherin (aÍrxoysa) laute, bedeute die ,Tugend‘, da nichts zum Herrschen und Regieren geeigneter sei als die Tugend“; cherub. 3. 5 (I p. 170f.); congr. 2 (III p. 72); quaest. in Gen. III 53 (p. 228 Aucher); in Gen. cat. 896 (III p. 14 Petit); Wutz, Onomastica sacra 91; Grabbe, Etymology 201. 268 Vgl. auch sel. in Ps. 127,3 (XIII p. 124 Lommatzsch); Philon, quaest. in Gen. IV 60

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Ich glaube also, dass Sarah, was mit ,Herrscherin‘ oder ,die Herrschaft ausübend‘ übersetzt wird, die Figur der Tugend verkörpert, nämlich die Tugend des Herzens.267 Diese Tugend ist also verbunden mit dem weisen und treuen Mann und hangt ihm an, wie seinerseits jener Weise, der über die Weisheit sagte: „Sie suchte ich mir als Braut heimzuführen.“a Deshalb also sagt Gott zu Abraham: „Was auch immer Sarah zu dir sagt, höre auf ihr Wort.“b In der leiblichen Ehe hat dieser Ausspruch gewiss keine Gültigkeit, da ja auf göttliches Geheiß jener Satz an die Frau ergangen ist, der über den Mann sagt: „Ihm wendest du dich zu, und er wird über dich herrschen.“c Wenn der Mann also Herr über die Frau genannt wird, wie konnte es dann andererseits dem Mann gegenüber heißen: „Was auch immer Sarah zu dir sagt, höre auf ihr Wort“?d Wenn einer sich also zur Ehe die Tugend erkoren hat, höre er auf ihr Wort in allem, worin sie ihm Rat gibt. Deshalb will Abraham nicht mehr, dass man die Tugend seine Frau nenne. Solange die Tugend nämlich Frau genannt wird, ist sie die Seine, und kein anderer kann teilhaben an ihr. Und es ist nur billig, dass, bis wir zur Vollkommenheit gelangen, die Tugend des Herzens in uns und unser Eigentum ist. Sind wir aber zur Vollkommenheit gelangt, so dass wir fähig sind, auch andere zu unterweisen,e dann wollen wir die Tugend nicht länger wie eine Gattin in unserem Busen einschließen, sondern wie eine Schwester auch mit anderen vereinen, die sie begehren.268 Denn an die, die vollkommen sind, wird das göttliche Wort ergehen: „Sag, dass die Weisheit deine Schwester ist.“f In diesem Sinne sagte also auch Abraham, Sarah sei seine Schwester. Da er schon vollkommen ist, lässt er es zu, dass der, der nach ihr verlangt, die Tugend besitze. 2. Einst wollte aber auch Pharao Sarah aufnehmen,g doch nicht reinen Herzensh wollte er es; und die Tugend kann allein mit der Reinheit des Herzens zusammengehen. Deshalb also berichtet die Schrift, dass „der Herr Pharao mit großen und überaus bösen Heimsuchungen heimgesucht hat“.i Denn mit dem Vernichter – so nämlich wird Pharao in unserer Sprache übersetzt269 – konnte die Tugend nicht wohnen. Wir wollen aber sehen, was Abimelech zum Herrn sagte. „Du weißt, Herr“, heißt es, „dass ich dies reinen Herzens tat.“j Dieser Abimelech handelt ganz anders als Pharao. Er ist nicht so unwissend und niedrig, sondern er weiß, dass er ein reines Herz (p. 294 Aucher): Der tugendliebende Geist nennt die Tugend ,Schwester‘ und nicht ,Frau‘, weil Eifer und Bemühen um die Tugend allen gemein sind, die ernsthaft nach ihr trachten; Ambrosius, Abr. II 85 (CSEL 32/1, 636). 269 Philon, leg. all. III 12f. (I p. 115 Cohn/Wendland); sacr. 48. 69 (I p. 221. 230) u.ö., deutet ,Pharao‘ als skedasmoÂw, „Zerstreuer“ (wohl in Anlehnung an hebr. parar, „brechen“, „unbrauchbar machen“); ähnlich die Onomastica, die ,Pharao‘ für gewöhnlich mit dissipans oder dissipator übersetzen. Vgl. Wutz, Onomastica sacra 173 (dort fehlt Rufins exterminator); Grabbe, Etymology 212f.; Ledegang, Mysterium 412–416.

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Homilia VI

uirtuti. Et quia puro corde uoluit suscipere uirtutem, idcirco Deus eum sanat orante pro ipso Abraham. Et non solum ipsum, sed et ancillas eius sanat. Quid autem est, quod adiecit scriptura: „Et Dominus“, inquit, „non permisit ei contingere illam“? a Si uirtutis formam tenet Sarra et in corde mundo b Abimelech uoluit accipere uirtutem, quid est quod dicitur quia „Dominus non permisit eum contingere illam“? Abimelech interpretatur ,pater meus rex‘. Videtur ergo mihi quod hic Abimelech formam teneat studiosorum et sapientum saeculi, qui philosophiae operam dantes, licet non integram et perfectam regulam pietatis adtigerint, tamen senserint Deum Patrem et regem esse omnium, id est qui genuerit et regat uniuersa. Isti ergo, quantum ad ethicam, id est moralem philosophiam, spectat, etiam puritati cordis operam dedisse aliquatenus conprobantur et omni animo omnique studio diuinae uirtutis inspirationem quaesisse. Sed hanc non permisit Deus contingere eos. Haec enim gratia non per Abraham, qui, quamuis esset magnus, famulus tamen erat, sed per Christum tradi gentibus parabatur. Idcirco ergo, quamuis festinaret Abraham per se et in se illud inpleri, quod ad eum dictum est, quoniam „benedicentur in te omnes gentes“, c tamen in Isaac ei ponitur repromissio, id est in Christo, sicut dicit apostolus: „Non dixit: Et seminibus tamquam in multis, sed tamquam in uno: Et semini tuo, qui est Christus.“ d „Sanat“ tamen „Dominus Abimelech et uxorem eius et ancillas eius“. e 3. Verum non mihi uidetur otiosum quod non solum uxoris, sed et ancillarum Abimelech mentio facta est, in eo maxime, quod dicit quia: „Sanauit“ eas Deus „et pariebant. Concluserat enim“ illas, ne parerent. f Quantum possumus in tam difficilibus locis sentire, putamus uxorem Abimelech naturalem posse philosophiam dici, ancillas uero eius diuersa et uaria pro qualitate sectarum commenta dialecticae. Gen. 20,6 20,17f.

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vgl. Gen. 20,5

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Gen. 22,18

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Gal. 3,16

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Gen. 20,17

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Gen.

270 Hier heißt es: non permisit eum contingere illam, einen Satz höher: non permisit ei (eum Hs. F) contingere illam – Nachlässigkeit Rufins oder ein Fehler der Überlieferung? 271 Korrekte Etymologie des hebräischen Namens: abıˆ („mein Vater“) melek („König“); vgl. Wutz, Onomastica sacra 64; Grabbe, Etymology 125. 272 Vgl. z.B. in Gen. hom. 14,3 (GCS Orig. 6, 123f.): „Viele Philosophen schreiben, es gebe einen einzigen Gott, der alles erschaffen habe. . . . Einige haben noch hinzugefügt, dass Gott durch sein Wort alles erschaffen habe und lenke. . . . Die Ver-

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Homilie 6,2–3

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vorbereiten muss für die Tugend. Und weil er die Tugend reinen Herzens empfangen wollte, deshalb heilt ihn Gott, nachdem Abraham für ihn gebetet hat. Und nicht allein ihn heilt er, sondern auch seine Mägde. Was aber bedeutet das, was die Schrift hinzugefügt hat? „Und der Herr“, heißt es, „erlaubte ihm nicht, sie zu berühren“?a Wenn Sarah die Figur der Tugend verkörpert und Abimelech die Tugend reinen Herzensb empfangen wollte, was bedeutet es, wenn es heißt, „der Herr erlaubte ihm nicht, sie zu berühren“?270 Abimelech heißt übersetzt ,mein Vater, der König‘.271 Deshalb scheint mir, dass Abimelech hier bildlich die Wissbegierigen und Weisen der Welt verkörpert, die sich um die Philosophie bemühen und sich, auch wenn sie die unversehrte und vollkommene Richtschnur der Frömmigkeit nicht erlangt haben, trotzdem darüber im Klaren sind, dass Gott der Vater und König von allem ist, der nämlich, der das Universum erschaffen hat und beherrscht.272 Insofern es um die Ethik, das heißt die Moralphilosophie geht, wird ihnen also zugestanden, dass sie sich bis zu einem gewissen Grade auch um die Reinheit des Herzens bemüht und mit aller Geisteskraft und allem Eifer nach der Erleuchtung durch die göttliche Tugend getrachtet haben. Doch dass sie diese berühren, hat Gott nicht erlaubt. Denn es war vorgesehen, dass diese Gnade den Völkern nicht durch Abraham widerfahre, der, so bedeutend er war, gleichwohl ein Knecht war, sondern durch Christus. Deshalb also, obgleich Abraham Eile hatte, dass sich durch ihn und in ihm erfülle, was ihm verheißen war: „In dir werden alle Völker gesegnet werden“,c wird ihm die Verheißung trotzdem in Isaak zuteil, das heißt in Christus, wie der Apostel sagt: „Er sagte nicht: ,und den Nachkommen‘, wie bei vielen, sondern wie bei einem: ,und deinem Nachkommen‘; und das ist Christus.“d „Der Herr“ aber „heilt Abimelech, seine Frau und seine Mägde.“e 3. Es scheint mir jedoch nicht belanglos, dass nicht allein die Frau, sondern auch die Mägde des Abimelech Erwähnung finden, insbesondere an der Stelle, wo es heißt, dass Gott sie „heilte und sie gebaren. Denn er hatte ihre Gebärmutter verschlossen“, damit sie nicht gebären.f Soweit wir uns zu so schwierigen Stellen ein Urteil erlauben können, vermuten wir, dass sich die Frau des Abimelech als die Naturphilosophie begreifen lässt, seine Mägde aber als die verschiedenen und dem Wesen der einzelnen Schulen entsprechenden mannigfaltigen Spielarten der Dialektik.273 nunftlehre bekennt Gott als den Vater aller Dinge“; in Gen. frg. E 51 Metzler (OWD 1/1, 236): „Gott ließ allerdings nicht zu, dass Abimelech sie anrührte, und so wohl bei jedem, der sich hoher Besonnenheit erfreute. Denn dies ist eine Gottesgabe“; Philon, plant. 167 (II p. 169 Cohn/Wendland); Clemens von Alexandria, paed. I 21,3 (GCS Clem. 1, 103). – Zu Gott als Herrn des Universums vgl. Origenes, princ. I 3,1 (GCS Orig. 5, 48). 273 Zur Philosophie und ihrem Verhältnis zu den Glaubenswahrheiten vgl. in Gen. hom. 14,3 (GCS Orig. 6, 123–125).

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Homilia VI

Interea Abraham inpertiri cupit etiam gentibus donum diuinae uirtutis, sed nondum est tempus a priore populo transire ad gentes gratiam Dei. Nam et apostolus, licet sub alia specie et alia figura, dicit tamen: „Mulierem alligatam esse legi, quamdiu uir eius uiuit; si autem mortuus fuerit uir, solutam esse a lege, ut iam non sit adultera, si fuerit cum alio uiro.“ a Oportet ergo mori prius legem litterae, ut ita demum libera iam anima spiritui nubat et noui testamenti matrimonium sortiatur. Hoc autem, in quo nunc sumus, tempus est uocationis gentium et mortis legis, quo possint liberae animae iam solutae a lege uiri nouo uiro nubere Christo. Quod si edoceri uis, quomodo lex mortua sit, considera et uide, ubi nunc sacrificia, ubi nunc altare, ubi templum, ubi purificationes, ubi sollemnitas paschae; nonne mortua est in his omnibus lex? Aut si possunt isti amici et defensores litterae, custodiant litteram legis. Secundum hunc ergo allegoriae ordinem Pharao, quod est homo inmundus et exterminator, Sarram, id est uirtutem, accipere omnino non poterat. Porro Abimelech, id est qui munde et philosophice uiuebat, poterat quidem accipere, quia in corde mundo b quaerebat, sed nondum tempus aduenerat. c Manet ergo apud Abraham uirtus, manet in circumcisione, donec tempus ueniat, ut in Christo Iesu Domino nostro, in quo „habitat omnis plenitudo deitatis corporaliter“, d integra et perfecta uirtus ad ecclesiam gentium transeat. Tunc ergo et domus Abimelech et ancillae eius, quas sanauit Dominus, parient ecclesiae filios. Hoc enim tempus est, quo „sterilis“ parit, et quo „multi sunt filii desertae, magis quam eius, quae habet uirum“. e Aperuit enim Dominus uuluam sterilis et effecta est fecunda, ita ut pariat gentem „de semel“. f Sed et sancti clamant et dicunt: „Domine, a timore tuo in uentre concepimus et peperimus, spiritum salutis tuae fecimus super terram.“ g Vnde et Paulus similiter dicit: „Filioli mei, quos iterum parturio, donec formetur Christus in uobis.“ h Tales ergo parturit et tales filios generat omnis ecclesia Dei. Nam „qui seminat in carne, de carne et metet corruptionem“. i Filii autem Spiritus isti sunt, de quibus et apostolus dicit: Muliea f

b Röm. 7,2f. vgl. Gen. 20,5 g Jes. 66,8 Jes. 26,17f. LXX

c h

d vgl. Joh. 7,6 Kol. 2,9 i Gal. 4,19 Gal. 6,8

e

Jes. 54,1 (Gal. 4,27)

274 Eine ähnliche Aufzählung findet sich in Ios. hom. 2,1 (GCS Orig. 7, 296): „Fasst Du also ins Auge, dass Jerusalem gefallen ist, der Altar verwaist, dass es nirgendwo Opfer gibt . . ., so sage, dass Mose, der Knecht Gottes, gestorben ist.“ 275 Vgl. oben S. 143 Anm. 269. 276 Oder „Söhne der Kirche“, was sachlich auf dasselbe hinausläuft.

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Derweil trachtet Abraham danach, das Geschenk der göttlichen Tugend auch mit den Völkern zu teilen, doch die Zeit ist noch nicht angebrochen, dass die Gnade Gottes vom früheren Volk auf die Völker übergehe. Denn auch der Apostel, wenn auch aus anderem Blickwinkel und in einem anderen Bild, sagt gleichwohl: „Die Frau ist an das Gesetz gebunden, solange ihr Mann lebt; ist der Mann aber gestorben, ist sie vom Gesetz befreit, so dass sie hinfort keine Ehebrecherin ist, wenn sie mit einem anderen Mann lebt.“a Es ist also unabdingbar, dass zuerst das Gesetz des Buchstabens stirbt, damit sich die Seele, die dann erst frei ist, dem Geist vermähle und die Ehe des Neuen Bundes gewinne. Die Zeit aber, in der wir jetzt leben, ist die Zeit der Berufung der Völker und des Todes des Gesetzes, in der die freien, vom Gesetz ihres Mannes befreiten Seelen sich mit einem neuen Gatten vermählen können: Christus. Willst du aber genau erfahren, in welchem Sinn das Gesetz tot ist, so prüfe und schau: Wo sind denn jetzt die Opfer, wo der Altar, wo der Tempel, wo die Reinigungen, wo die Feierlichkeit des Passahfestes?274 Ist nicht in ihnen allen das Gesetz gestorben? Wenn die Freunde und Verteidiger des Buchstabens es freilich vermögen, sollen sie den Buchstaben des Gesetzes bewahren. Gemäß dieser allegorischen Deutung also konnte der Pharao, das heißt der unreine Mensch und Vernichter,275 Sarah, das heißt die Tugend, auf keinen Fall zu sich nehmen. Abimelech wiederum, das heißt er, der rein und philosophisch lebte, konnte sie zwar zu sich nehmen, denn er suchte reinen Herzens;b doch die Zeit war noch nicht angebrochen.c So bleibt die Tugend bei Abraham, sie bleibt in der Beschneidung, bis die Zeit kommt, da in Christus Jesus, unserem Herrn, in dem „alle Fülle der Göttlichkeit leiblich wohnt“,d die unversehrte und vollkommene Tugend auf die Kirche der Völker übergeht. Da werden das Haus des Abimelech und seine Mägde, die der Herr heilte, der Kirche Söhne276 gebären. Denn das ist die Zeit, da „die Unfruchtbare“ gebiert und da „die Verlassene viele Söhne hat, mehr als die, die einen Mann hat“.e Denn der Herr öffnete die Gebärmutter der Unfruchtbaren, und sie wurde fruchtbar, so dass sie ein Volk „auf einmal“f zur Welt bringt.277 Doch auch die Heiligen verkünden und rufen: „Herr, aus Furcht vor dir haben wir im Bauch empfangen und geboren, den Geist deines Heils haben wir über die Erde gebracht.“g Ähnlich sagt daher auch Paulus: „Meine Kindlein, mit denen ich ein zweites Mal schwanger gehe, bis Christus in euch Gestalt gewinnt.“h Mit solchen Söhnen also geht die gesamte Kirche Gottes schwanger, solche Söhne gebiert sie. Denn „wer im Fleisch sät, wird vom Fleisch auch Verderben ernten“.i Söhne des Geistes aber sind die, von denen auch der Apostel sagt: Die Frau wird das Heil 277 Vgl. in Ex. hom. 10,3 (GCS Orig. 6, 248–250); in Gen. frg. E 80 Metzler (OWD 1/1, 256f.) „Nach dem geistlichen Gesetz öffnet (Gott) den Mutterleib der Seele, damit seine künftige Mutter das Wort Gottes gebäre.“

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Homilia VI

rem saluam futuram per filiorum generationem, si permanserint in fide et castitate. a Ecclesia igitur Dei sic intellegat partus, sic generationes accipiat, sic patrum gesta decora et honesta interpretatione sustollat, sic uerba Spiritus sancti non ineptis et Iudaicis fabulis decoloret, b sed plena honestatis, plena uirtutis atque utilitatis adsignet. Alioquin quae nobis aedificatio erit legentibus Abraham, tantum patriarcham, non solum mentitum esse Abimelech regi, sed et pudicitiam coniugis prodidisse? Quid nos aedificat tanti patriarchae uxor, si putetur contaminationibus exposita per coniuentiam maritalem? Haec Iudaei putent et si qui cum eis sunt litterae amici, non Spiritus; nos autem „spiritalibus spiritalia conparantes“ c et actu et intellectu spiritales efficiamur in Christo Iesu Domino nostro, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen.“ d a

vgl. 1 Tim. 2,15

b

vgl. 1 Tim. 4,7; Tit. 1,14

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1 Kor. 2,13

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erlangen, da sie Kinder zur Welt bringt, wenn diese im Glauben und in der Keuschheit verharren.a In diesem Sinn also soll die Kirche Gottes die Geburten begreifen, die Zeugungen auffassen,278 in diesem Sinn die Taten der Väter in geziemender und ehrbarer Deutung hochhalten, in diesem Sinn die Worte des Heiligen Geistes nicht mit lächerlichen und jüdischen Märchen entstellen,b sondern sie in ihrem Reichtum an Ehrbarkeit, Sitte und Wert würdigen. Welche Erbauung bleibt uns denn sonst, wenn wir lesen, dass Abraham, ein so großer Patriarch, nicht nur König Abimelech angelogen, sondern auch die Keuschheit seiner Frau preisgegeben hat? Was erbaut es uns, wenn wir von der Frau eines so großen Patriarchen glauben, dank ehelicher Nachsicht sei sie der Befleckung ausgesetzt gewesen? Das mögen die Juden glauben und wer auf ihrer Seite steht als Freund des Buchstabens und nicht des Geistes. Doch mögen wir, die wir „Geistiges mit Geistigem vergleichen“,c in unseren Taten wie in unserem Denken vergeistigt werden in Jesus Christus, unserem Herrn. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“d

278 Gemeint sind die Geschichten des Alten Testaments über Geburten und Zeugungen.

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HOMILIA VII De nativitate Isaac, et quod a lacte depulsus est

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1. Moyses nobis legitur in ecclesia. Deprecemur Dominum, ne secundum uerbum apostoli etiam apud nos, cum legitur Moyses, uelamen sit positum super cor nostrum. a Lectum est enim quia genuerit Abraham filium Isaac, cum esset centum annorum. b „Et dixit Sarra: Quis“, inquit, „nuntiabit Abrahae quod lactat puerum Sarra?“ c „Et tunc“, inquit, „circumcidit Abraham puerum die octaua.“ d Huius pueri diem natalem non celebrat Abraham, sed celebrat diem depulsionis a lacte et facit conuiuium magnum. e Quid? Putamus quia propositum sit Spiritui sancto historias scribere et narrare, quomodo a lacte depulsus sit puer et conuiuium factum sit, quomodo luserit aliaque puerilia egerit? An per haec putandum est quod diuinum aliquid nos edocere uelit et dignum quod humanum genus Dei uocibus discat? Isaac ,risus‘ uel ,gaudium‘ interpretatur. f Quis ergo est, qui talem filium generet? Ille nimirum, qui dicebat de his, quos per euangelium genuerat: „Vos enim estis gaudium meum et corona gloriandi.“ g De huiusmodi filiis, cum fuerint a lacte depulsi, fit conuiuium et laetitia magna, de his, qui non iam lacte indigent, sed cibo forti, h „qui pro possibilitate sumendi exercitatos habent sensus ad discretionem boni uel mali“. i Super his talibus, cum depelluntur a lacte, fit conuiuium magnum. Super illis autem non potest exhiberi conuiuium nec haberi laetitia, de quibus dicit apostolus: „Lac uobis potum dedi, non escam; nondum enim poteratis, sed nec adhuc quidem potestis. Et ego non potui uobis loqui quasi spiritalibus, sed quasi carnalibus, quasi paruulis in Christo.“ j Dicant nobis isti, qui simpliciter ina f

vgl. 2 Kor. 3,15 vgl. Gen. 21,6

g

b vgl. Gen. 21,5 1 Thess. 2,20.19

h

c d e Gen. 21,7 Gen. 21,4 vgl. Gen. 21,8 vgl. Hebr. 5,12 i Hebr. 5,14 j 1 Kor. 3,2.1

279 Von hebr. sahaq, „lachen“; vgl. Gen. 21,6; Philon, leg. all. III 218 (I p. 161f. Cohn/ Wendland): „Ihr Kind ist ,Lachen‘ und ,Freude‘ (geÂlvw kaiÁ xaraÂ); denn das bedeutet Isaak“; Wutz, Onomastica sacra 585; Grabbe, Etymology 171f. 280 Das zeugmatische fit lässt sich im Deutschen kaum wiedergeben. 281 Die Wendung pro possibilitate sumendi hat in dem Paulus-Zitat keine Entsprechung; oder soll sie diaÁ thÁn eÏjin ersetzen (Vulgata: pro consuetudine, „durch Gebrauch, Gewöhnung“)? Das Zitat erscheint noch in Lev. hom. 4,6.8 (GCS Orig. 6, 325. 327f.) und in Regn. hom. lat. 8 (GCS Orig. 8, 14); vgl. auch in Ex. hom. 7,8 (GCS Orig. 6, 215): Verbum Dei . . . pro mensura credentium uel possibilitate sumentium diuerse nominatur.

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HOMILIE 7 Über die Geburt Isaaks und seine Entwöhnung

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1. Mose wird uns in der Kirche vorgelesen. Lasst uns den Herrn anflehen, dass nicht nach dem Wort des Apostels auch bei uns, wenn Mose vorgelesen wird, ein Schleier auf unserem Herzen liegt.a Denn gelesen wurde, dass Abraham den Sohn Isaak zeugte, als er hundert Jahre alt war.b „Und Sarah sprach: Wer“, heißt es, „wird Abraham verkünden, dass Sarah einen Knaben stillt?“c „Und da“, heißt es, „beschnitt Abraham den Knaben am achten Tag.“d Nicht den Geburtstag dieses Knaben feiert Abraham, sondern er feiert den Tag der Entwöhnung und richtet ein großes Festmahl aus.e Wie? Sollen wir annehmen, dem Heiligen Geist sei aufgetragen worden, Geschichten zu schreiben und zu erzählen, wie ein Knabe entwöhnt und ein Festmahl ausgerichtet wurde, wie er spielte und andere Kindereien trieb? Oder sollen wir annehmen, dass er uns damit etwas Göttliches mitteilen will, würdig, dass es das Menschengeschlecht aus Gottes Worten erfahre? Isaak wird mit ,Lachen‘ oder ,Freude‘ übersetzt.f 279 Wer ist es also, der einen solchen Sohn zeugt? Unleugbar er, der über die, die er durch das Evangelium gezeugt hatte, sagte: „Denn ihr seid meine Freude und mein Ruhmeskranz.“g Für solche Söhne richtet man ein Festmahl aus, wenn sie entwöhnt sind, und große Freude herrscht280 über die, die keine Milch mehr brauchen, sondern feste Nahrung,h „die entsprechend ihrer Auffassungsgabe281 ihre Sinne für die Unterscheidung von Gut und Böse geschärft haben“.i 282 Für ihresgleichen richtet man ein großes Festmahl aus, wenn sie entwöhnt werden. Doch für die lässt sich kein Festmahl rüsten, und keine Freude kann über die aufkommen, von denen der Apostel sagt: „Milch gab ich euch zu trinken, keine Speise, denn ihr wart noch nicht soweit; ja nicht einmal jetzt seid ihr es. Und ich konnte nicht zu euch wie zu geistigen Menschen sprechen, sondern wie zu fleischlichen, wie zu kleinen Kindern in Christus.“j Die Leute, die die göttlichen Schriften einfach buchstäblich

282 Der Gedanke erscheint bereits bei Philon, somn. II 10 (III p. 261 Cohn/Wendland); vgl. auch Ambrosius, Abr. I 64 (CSEL 32/1, 544): „Denn nicht deshalb feierte Abraham ein großes Festmahl, weil der Knabe der Milch der Amme entwöhnt wurde, sondern weil Isaak als reif galt für Speise stärkerer Gnade und für Nahrung voll Kraft; nicht länger war er wie ein Korinther mit Milch zu nähren.“ – Zur ,Milch‘ in diesem Kontext vgl. Alviar, Klesis 103–107.

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Homilia VII

tellegi uolunt scripturas diuinas, quid est: „Non potui uobis loqui quasi spiritalibus, sed quasi carnalibus, quasi paruulis in Christo; lac uobis potum dedi, non escam?“ a Possuntne haec simpliciter accipi? 2. Sed interim redeamus ad ea, unde digressi sumus. Laetatur Abraham et conuiuium facit magnum in die, qua depulit a lacte Isaac filium suum. b Post haec ludit Isaac et ludit cum Ismael. Indignatur Sarra quod filius ancillae ludat cum filio liberae, et ludum illum perniciem putat, consilium dat Abrahae et dicit: „Eice ancillam et filium eius. Non enim heres erit filius ancillae cum filio meo Isaac.“ c Haec quomodo intellegi debeant, non ego nunc commentabor. Apostolus ista disseruit dicens: „Dicite mihi, qui legem legistis, legem non audistis? Scriptum est enim quia Abraham duos filios habuit, unum de ancilla, et unum de libera. Sed is quidem, qui de ancilla, secundum carnem natus est; qui uero ex libera, per repromissionem. Quae sunt allegorica.“ d Quid ergo? Isaac non est secundum carnem natus? Non eum peperit Sarra? Non est circumcisus? Hoc ipsum, quod ludebat cum Ismaele, non in carne ludebat? Hoc est enim, quod mirabile est in apostoli sensu, quod, de quibus non potest dubitari quin secundum carnem gesta sint, haec ille dicit esse allegorica; ut nos, quid faciendum sit in ceteris, nouerimus et in his maxime, in quibus nihil diuina lege dignum historica uidetur indicare narratio. Ismael ergo „secundum carnem“ e nascitur ancillae filius. Isaac uero, qui erat liberae filius, f non nascitur „secundum carnem“, sed secundum repromissionem. g Et dicit de his apostolus quod Agar in seruitutem genuerit h carnalem populum; Sarra uero, quae erat libera, populum genuerit, qui non est „secundum carnem“, sed in libertate uocatus est, i qua libertate liberauit eum Christus. j Ipse enim dixit quia: „Si uos Filius liberauerit, uere liberi eritis.“ k Quid uero his addit exponens apostolus, uideamus: „Sed sicut tunc“, inquit, „is, qui secundum carnem est, persequebatur eum, qui secundum spiritum, ita et nunc.“ l Vide, quomodo nos docet apostolus quia in omnibus caro aduersatur spiritui, m siue populus ille carnalis aduersatur huic populo 1 Kor. 3,1f. b vgl. Gen. 21,8 c Gen. 21,10 d Gal. 4,21–24 e Gal. 4,23 Gal. 4,30 g vgl. Gal. 4,23 h vgl. Gal. 4,24 i vgl. Gal. 5,13 j vgl. Gal. 5,1 l m 8,36 Gal. 4,29 vgl. Gal. 5,17 a

f k

vgl. Joh.

283 Die aktive Verbform im Lateinischen lässt offen, ob Sarah ihn abstillt oder Abraham ihn entwöhnt. 284 Diese und etliche andere Wendungen dieser Predigt kehren wieder bei Gregor von Elvira (gest. nach 392/93), tract. de libr. ss. script. = tract. Orig. 3 (CChr.SL 69, 19–27). 285 Baehrens schreibt in seinen ,Addenda‘ mit den Hss. ADFP ista (statt ita) disseruit.

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gedeutet sehen wollen, mögen uns doch sagen, was das heißt: „Ich konnte nicht zu euch wie zu geistigen Menschen sprechen, sondern wie zu fleischlichen, wie zu kleinen Kindern in Christus. Milch gab ich euch zu trinken, keine Speise?“a Lassen sich diese Worte einfach buchstäblich begreifen? 2. Derweil wollen wir aber zu dem zurückkehren, von wo wir abgeschweift sind. Abraham freut sich und richtet ein großes Festmahl aus am Tag, an dem sein Sohn Isaak entwöhnt wird.b 283 Danach spielt Isaak, und er spielt mit Ismael. Sarah empört sich, dass der Sohn der Magd mit dem Sohn der Freien spielt, und sieht in diesem Spiel ein Verhängnis.284 Sie gibt Abraham einen Rat und sagt: „Jage die Magd und ihren Sohn hinaus. Denn der Sohn der Magd wird nicht mit meinem Sohn Isaak das Erbe antreten.“c Wie dies zu verstehen ist, werde ich jetzt nicht darlegen. Der Apostel hat sich dazu folgendermaßen geäußert:285 „Sagt mir, die ihr das Gesetz gelesen habt, habt ihr das Gesetz nicht gehört? Denn es steht geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Magd und einen von der Freien. Der aber von der Magd wurde gemäß dem Fleisch geboren, der von der Freien aber getreu der Verheißung. Diese Dinge sind Allegorien.“d Was also? Ist Isaak nicht gemäß dem Fleisch geboren? Hat Sarah ihn nicht zur Welt gebracht? Ist er nicht beschnitten? Und die Geschichte, dass er mit Ismael spielte – spielte er nicht im Fleisch? Das eben ist verwunderlich an der Auffassung des Apostels, dass er Dinge Allegorien nennt, die ohne jeden Zweifel gemäß dem Fleisch geschehen sind286 – damit wir wissen, wie die übrigen Passagen zu deuten sind, insbesondere dort, wo die geschichtliche Erzählung nichts zu enthalten scheint, was des göttlichen Gesetzes würdig ist. Ismael wird also „gemäß dem Fleisch“e als Sohn der Magd geboren. Isaak jedoch, der Sohn der Freien,f wird nicht „gemäß dem Fleisch“ geboren, sondern gemäß der Verheißung.g Und von ihnen sagt der Apostel, dass Hagar ein fleischliches Volk zur Knechtschaft gebarh; Sarah jedoch, die Freie, gebar ein Volk, das nicht „gemäß dem Fleisch“ ist, sondern in Freiheit287 berufen wurde,i in der Freiheit, zu der Christus es befreite.j Denn er selbst sagte: „Wenn der Sohn euch befreit, werdet ihr wahrhaft frei sein.“k Wir wollen uns aber ansehen, was der Apostel in seiner Auslegung diesen Worten folgen lässt: „Doch wie damals“, heißt es, „der, der gemäß dem Fleisch lebt, den verfolgte, der gemäß dem Geist lebt, so auch jetzt.“l Sieh, wie uns der Apostel lehrt, dass sich in allem das Fleisch dem Geist widersetzt,m ob nun das fleischliche Volk sich diesem geistigen Volk wider286 Vgl. in Num. hom. 11,1 (GCS Orig. 7, 77f.): „Doch an einer anderen Stelle, wo der Apostel sagt: ,Abraham hatte zwei Söhne . . .‘, wer bezweifelt, dass dies im wörtlichen Sinn zu verstehen ist? . . . Der Apostel fügt aber hinzu: ,Diese Dinge sind Allegorien‘ (Gal. 4,21–24).“ 287 Dem Neuen Testament näher wäre: „sondern zur Freiheit (in libertatem) berufen wurde, zu der Freiheit“, usw.

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Homilia VII

spiritali, siue etiam inter nos ipsos, si qui adhuc carnalis est, spiritalibus aduersatur. Nam et tu, si secundum carnem uiuis et secundum carnem conuersaris, filius es Agar et propterea aduersaris his, qui secundum spiritum uiuunt. a Siue etiam in nobis ipsis requirimus, inuenimus concupiscere carnem aduersus spiritum et spiritum aduersus carnem et haec inuicem sibi aduersari, b et inuenimus legem in membris nostris repugnantem legi mentis nostrae et captiuos nos ducentem in lege peccati. c Vides quantae sunt pugnae carni aduersus spiritum? Est adhuc et alia pugna his paene omnibus uiolentior, quod hi, qui legem secundum carnem intellegunt, aduersantur his, qui secundum spiritum sentiunt et persequuntur eos. Quare? Quia „animalis homo non percipit, quae sunt Spiritus Dei. Stultitia est enim illi, et non potest intellegere quia spiritaliter diiudicatur.“ d Et tu ergo, si habes in te fructum spiritus quod est gaudium, caritas, pax, patientia, e Isaac esse potes, non secundum carnem natus, sed secundum repromissionem f et es filius liberae, g si tamen potes et tu secundum Paulum dicere: „In carne enim ambulantes, non secundum carnem militamus (arma enim militiae nostrae non carnalia, sed potentia Deo ad destructionem munitionum) cogitationes destruentes et omnem altitudinem extollentem se aduersum scientiam Dei.“ h Si potes talis esse, ut digne tibi aptetur etiam illa apostoli sententia, quae dicit: „Vos autem in carne non estis, sed in spiritu, si tamen Spiritus Dei habitat in uobis“, i et tu ergo, si talis es, non es secundum carnem natus, sed secundum spiritum per repromissionem, j et eris heres repromissionum, secundum quod dictum est: „Heredes quidem Dei, coheredes autem Christi.“ k Non eris coheres eius, qui secundum carnem natus est, sed coheres Christi, quia „etsi cognouimus Christum secundum carnem, sed nunc iam non nouimus“. l 3. Et tamen secundum ea, quae scripta sunt, non uideo, quid mouerit Sarram, ut filium ancillae iuberet expelli. Ludebat cum filio suo Isaac. Quid laeserat aut quid nocuerat, si ludebat? Quasi non hoc in aetate illa etiam gratum esse debuerit, quod luderet filius ancillae cum filio liberae. Tum deinde et apostolum miror, qui ludum hunc persecutionem pronuntiauit dicens: „Sed sicut tunc is, qui secundum carnem persequebatur eum, qui secundum spiritum, ita et nunc“, m cum utique nulla persecutio Ismaelis aduersum Isaac mota referatur, nisi hic solus ludus infantiae. Sed uideamus, quid in hoc ludo intellexerit Paulus et quid indignata sit Sarra. Superius iam spiritaliter exponentes loco uirtutis posuimus Sarram. Si ergo caro, cuius a vgl. Röm. 8,4 u.ö. b vgl. Gal. 5,17 c vgl. Röm. 7,23 f g h 5,22 vgl. Gal. 4,23 vgl. Gal. 4,30 2 Kor. 10,3–5 k l m 4,23 Röm. 8,17 2 Kor. 5,16 Gal. 4,29

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setzt oder ob auch unter uns einer, der noch immer fleischlich ist, sich den Geistigen widersetzt. Denn auch du, wenn du gemäß dem Fleisch lebst und gemäß dem Fleisch wandelst, bist ein Sohn Hagars und widersetzt dich deshalb denen, die gemäß dem Geist leben.a Oder auch wenn wir uns selbst erforschen, entdecken wir, dass das Fleisch wider den Geist aufbegehrt und der Geist wider das Fleisch und diese miteinander in Fehde liegen,b und wir entdecken, dass ein Gesetz in unseren Gliedern dem Gesetz unseres Geistes Widerstand leistet und uns gefangennimmt im Gesetz der Sünde.c Siehst du, wie viele Schlachten das Fleisch wider den Geist schlägt? Es gibt da noch eine andere Schlacht, schier gewalttätiger als all diese, weil die, die das Gesetz gemäß dem Fleisch begreifen, sich denen widersetzen, die es gemäß dem Geist verstehen, und ihnen nachstellen. Warum? Weil „der Sinnenmensch nicht annimmt, was vom Geist Gottes kommt. Denn er erachtet es für Torheit, und ihm fehlt die Einsicht, da es geistig beurteilt wird.“d Auch du also, wenn du die Frucht des Geistes in dir trägst, nämlich Freude, Liebe, Friede und Geduld,e kannst Isaak sein, geboren nicht gemäß dem Fleisch, sondern gemäß der Verheißung,f und du bist ein Sohn der Freieng – vorausgesetzt, auch du kannst mit Paulus sagen: „Denn auch wenn wir im Fleisch wandeln, streiten wir nicht gemäß dem Fleisch (die Waffen unseres Kriegsdienstes nämlich sind nicht fleischlich, doch in Gott stark genug, Festungen einzureißen) und vernichten Gedankengebäude und alle Erhabenheit, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt.“h Vorausgesetzt, du vermagst so zu leben, dass auch jenes Apostelwort sich verdientermaßen auf dich anwenden lässt, das da lautet: „Ihr aber lebt nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn denn Gottes Geist in euch wohnt.“i Und wenn du so lebst, bist du folglich nicht gemäß dem Fleisch geboren, sondern gemäß dem Geist dank der Verheißung,j und wirst du Erbe der Verheißungen sein, dem Wort entsprechend, das da lautet: „Erben Gottes, Miterben Christi.“k Du wirst nicht Miterbe dessen sein, der gemäß dem Fleisch geboren ist, sondern Miterbe Christi, denn „auch wenn wir Christus gemäß dem Fleisch kannten, kennen wir ihn jetzt nicht mehr so“.l 3. Trotzdem: Mit Blick auf das, was geschrieben steht, begreife ich nicht, warum Sarah darauf bestand, den Sohn der Magd zu verstoßen. Er spielte mit ihrem Sohn Isaak. Was hatte er Böses getan oder Schaden angerichtet, wenn er mit ihm spielte? Als wäre es in diesem Alter nicht sogar zu begrüßen, dass der Sohn der Magd mit dem Sohn der Freien spielt. Ich wundere mich aber auch über den Apostel, der dieses Spiel zur Verfolgung erklärt hat, wenn er sagt: „Doch wie damals er, der gemäß dem Fleisch geboren ist, ihn verfolgte, der gemäß dem Geist geboren ist, so auch jetzt“,m wo doch wirklich von keiner Verfolgung berichtet wird, die Ismael gegen Isaak angezettelt hätte, ausgenommen allein dieses Kinderspiel. Doch wir wollen untersuchen, was Paulus in diesem Spiel sah und was Sarah empörte. Vorher haben wir in geistiger Auslegung Sarah bereits als Tugend gedeu-

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Homilia VII

personam gerit Ismael, qui secundum carnem nascitur, spiritui blandiatur, qui est Isaac, et inlecebrosis cum eo deceptionibus agat, si delectationibus inliceat, uoluptatibus molliat, huiuscemodi ludus carnis cum spiritu Sarram maxime, quae est uirtus, offendit et huiuscemodi blandimenta acerbissimam persecutionem iudicat Paulus. Et tu ergo, o auditor horum, non illam solam persecutionem putes, quando furore gentilium ad inmolandum idolis cogeris; sed si forte te uoluptas carnis inliceat, si tibi libidinis alludat inlecebra, haec, si uirtutis es filius, tamquam persecutionem maximam fuge; idcirco enim et apostolus dicit: „Fugite fornicationem.“ a Sed et si iniustitia tibi blandiatur, ut „personam potentis“ b accipiens et gratia eius flexus non rectum iudicium feras, intellegere debes quia sub specie ludi blandam persecutionem ab iniustitia pateris. Verum et per singulas malitiae species, etiam si molles et delicatae sint et ludo similes, persecutionem spiritus ducito, quia in his omnibus uirtus offenditur. 4. Duo sunt ergo filii Abraham, unus de ancilla et unus de libera, c uterque tamen filius Abraham, licet non uterque et liberae. Propterea et is, qui de ancilla nascitur, heres quidem non fit cum filio liberae, accipit tamen dona et non dimittitur uacuus. Accipit et ipse benedictionem, sed filius liberae d accipit repromissionem. Fit et ille „in gentem magnam“, e sed iste in populum adoptionis. f Spiritaliter ergo omnes quidem, qui per fidem ueniunt ad agnitionem Dei, possunt filii Abrahae dici; sed in his sunt aliqui pro caritate adhaerentes Deo, alii pro metu et timore futuri iudicii. Vnde et apostolus Iohannes dicit: „Qui timet, non est perfectus in caritate; perfecta autem dilectio foras mittit timorem.“ g Iste ergo, qui in caritate perfectus est, et de Abraham nascitur et filius liberae h est. Qui uero non perfecta caritate, sed futurae poenae metu et suppliciorum timore mandata custodit, est quidem et ipse filius Abrahae, accipit et ipse dona, id est operis sui mercedem (quia etiam qui calicem aquae frigidae dederit tantum in nomine discipuli, non peribit merces eius i), tamen inferior illo est, qui non in seruili timore, sed in caritatis libertate perfectus est. a f

1 Kor. 6,18 b Spr. 19,6 Vulg. c vgl. Gal. 4,22 vgl. Gal. 4,5; Röm. 8,23; Eph. 1,5 g 1 Joh. 4,18

d h

vgl. Gal. 4,30 vgl. Gal. 4,30

e i

Gen. 12,2 u.ö. vgl. Mt. 10,42

288 In der vorigen Predigt, in Gen. hom. 6,1 (GCS Orig. 6, 66); vgl. oben S. 142 Anm. 267. 289 Die Gefahr von Christenverfolgungen lag damals in der Luft, vgl. auch in Gen. hom. 8,8 (GCS Orig. 6, 83f.) und Origenes’ Exhortatio ad martyrium. Wenige Jahre später unter Decius traf sie gerade die Gemeinden Palästinas; berühmtestes Opfer war Origenes. 290 Vgl. Boethius, cons. 2 pros. 1: cum tibi (fortuna) falsae illecebris felicitatis alluderet. 291 Vgl. in Ios. hom. 9,7 (GCS Orig. 7, 351f.): „Es gibt zwei Arten von (Gläubigen), die

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Homilie 7,3–4

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tet.288 Wenn folglich das Fleisch, dessen Rolle Ismael verkörpert, der gemäß dem Fleisch geboren wird, den Geist umschmeichelt, nämlich Isaak, und mit ihm seine trügerischen Spiele treibt, wenn es ihn mit Lustbarkeiten lockt, mit Ausschweifungen verdirbt, dann beleidigt ein solches Spiel des Fleisches mit dem Geist Sarah, das heißt die Tugend, ganz entschieden, dann sieht Paulus in solchen Schmeicheleien die bitterste Verfolgung. Und du, der du dies hörst, glaube folglich nicht, einzig das sei Verfolgung, wenn du vom Rasen der Heiden zum Götzenopfer gezwungen wirst.289 Sondern wenn dich etwa die Fleischeslust lockt, wenn der Stachel der Begierde mit dir sein Spiel treibt,290 so fliehe sie, wenn du ein Sohn der Tugend bist, wie die ärgste Verfolgung. Deshalb sagt nämlich auch der Apostel: „Flieht die Unzucht.“a Doch auch wenn das Unrecht dich umschmeichelt, so dass du, „die Maske eines Mächtigen“b vor Augen und von seinem Gunsterweis bestochen, ein falsches Urteil fällst, musst du begreifen, dass du unter dem Schein des Spiels schmeichlerische Verfolgung von Seiten des Unrechts erleidest. Doch in allen Erscheinungen der Niedertracht, auch wenn sie zart und angenehm sind und einem Spiel gleichen, sollst du eine Verfolgung des Geistes erkennen; denn in ihnen allen wird die Tugend beleidigt. 4. Abraham hat also zwei Söhne, einen von der Magd und einen von der Freien;c jeder von beiden ist Abrahams Sohn, wenn auch nicht jeder ein Sohn der Freien. Deshalb wird der, den die Magd gebiert, auch nicht Erbe mit dem Sohn der Freien, doch er empfängt Geschenke und wird nicht mit leeren Händen fortgeschickt. Auch er empfängt einen Segen, doch der Sohn der Freiend empfängt die Verheißung. Auch er wird „ein großes Volk“,e der aber das Volk der Erwählung.f In geistiger Lesart können folglich alle, die durch den Glauben zur Erkenntnis Gottes gelangen, als Söhne Abrahams gelten; doch einige von ihnen hangen Gott aus Liebe an, andere aus Angst und Furcht vor dem kommenden Gericht.291 Deshalb sagt auch der Apostel Johannes: „Wer sich fürchtet, ist nicht vollkommen in der Liebe; die vollkommene Liebe aber verscheucht die Furcht.“g Wer also in der Liebe vollkommen ist, der entstammt Abraham und ist ein Sohn der Freien.h Wer aber nicht in vollkommener Liebe, sondern aus Furcht vor der künftigen Strafe und aus Angst vor den Martern die Gebote achtet, ist zwar auch ein Sohn Abrahams, auch er empfängt Geschenke, das heißt den Lohn für sein Tun (denn wer auch nur einen Becher kühlen Wassers reicht um des Jüngers willen, der wird nicht um seinen Lohn kommeni), gleichwohl ist er geringer als der, der nicht in sklavischer Furcht, sondern in der Freiheit der Liebe vollkommen ist. . . . zum Heil streben. Der einen Art liegt es am Herzen . . ., stets beim Herrn zu sein; die anderen aber sind die . . ., die sagen: Mir reicht es, nicht in die Hölle zu kommen.“

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Homilia VII

Tale aliquid etiam apostolus ostendit, cum dicit: „Quamdiu quidem heres paruulus est, nihil differt a seruo, cum sit dominus omnium, sed sub tutoribus est et actoribus, usque ad praefinitum tempus a patre.“ a Paruulus ergo est, qui lacte alitur et expers est sermonis iustitiae nec potest cibum solidum b sapientiae diuinae et scientiae legis accipere, qui non potest spiritalia spiritalibus conparare, c qui nondum potest dicere: „Cum autem factus sum uir, quae paruuli erant deposui.“ d Iste ergo „nihil differt a seruo“. e Si uero relinquens initiorum Christi sermonem f ad perfectionem feratur et quae sursum sunt quaerat, ubi Christus est, in dextera Dei sedens, non quae super terram, g et contempletur non ea, quae uidentur, sed quae non uidentur, h neque in diuinis scripturis sequatur occidentem litteram, i sed „uiuificantem spiritum“: j Ex illis erit sine dubio, qui non accipiunt spiritum seruitutis iterum in timore, sed spiritum adoptionis, in quo clament Abba, Pater. k 5. Quid interim agat Abraham, postquam indignata est Sarra, uideamus. Eicit ancillam et filium eius, sed tamen dat ei utrem aquae. Non enim habebat mater eius puteum aquae uiuae, nec poterat puer haurire de puteo aquam. l Isaac habet puteos, pro quibus et certamina patitur aduersum Philistinos; m Ismael autem de utre bibit aquam, sed hic uter quasi uter deficit et ideo sitit et non inuenit puteum. Tu autem, qui „secundum Isaac repromissionis“ n es filius, „bibe aquas de tuis fontibus, et de puteis tuis aquae non effluant foras, sed in tuis plateis percurrant tuae aquae“. o Ille uero, „qui secundum carnem natus est“, p de utre aquam bibit et aqua ipsa deficit ei et in multis deficit. Vter legis est littera, de qua ille carnalis populus bibit, et inde intellectum capit; quae littera frequenter ei deficit et explicare se non potest; in multis enim defectum patitur historialis intellegentia. Ecclesia autem de euangelicis et apostolicis fontibus bibit, qui numquam deficiunt, sed in plateis suis percurrunt, q quia in latitudine spiritalis interpretationis abundant semper et fluunt. Bibit et de puteis, cum profundiora quaeque haurit et scrutatur ex lege. Pro hoc arbitror mysterio etiam Dominus et Saluator b c d e Gal. 4,1f. vgl. Hebr. 5,12–14 vgl. 2 Kor. 2,13 1 Kor. 13,11 Gal. 4,1 g h i j Hebr. 6,1 vgl. Kol. 3,1f. vgl. 2 Kor. 4,18 vgl. 2 Kor. 3,6 1 Kor. 15,45 k vgl. Röm. 8,15 l vgl. Gen. 21,14–16 m vgl. Gen. 26,15–22 n Gal. 4,28 o Spr. p q 5,15f. Gal. 4,29 vgl. Spr. 5,16 a f

292 Vgl. in Gen. hom. 13,1 (GCS Orig. 6, 113f.). 293 Das et steht explikativ (so im Grunde schon im Vorsatz). 294 In Gen. hom. 2,6 (GCS Orig. 6, 36f.) nennt Origenes Schriftpassagen, die sich ge-

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Ähnliches gibt auch der Apostel zu verstehen, wenn er sagt: „Solange der Erbe ein Kind ist, unterscheidet ihn nichts von einem Sklaven, obgleich er über alles Herr ist, sondern untersteht er bis zu der vom Vater festgelegten Stunde Vormündern und Verwaltern.“a Ein Kind ist also, wer mit Milch gespeist wird, wer des Wortes der Gerechtigkeit nicht kundig ist und die feste Kostb der göttlichen Weisheit und der Erkenntnis des Gesetzes nicht zu sich nehmen kann, wer Geistiges nicht mit Geistigem zu vergleichenc vermag, wer noch nicht sagen kann: „Als ich aber ein Mann wurde, legte ich ab, was zum Kind gehörte.“d Den „unterscheidet“ also „nichts von einem Sklaven“.e Lässt er aber das Anfangsstadium der Verkündigung Christi hinter sichf und strebt zur Vollkommenheit, sucht er, was oben ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt, und nicht, was auf Erden ist,g versenkt er sich nicht ins Sichtbare, sondern ins Unsichtbare,h und folgt er in den göttlichen Schriften nicht dem Buchstaben, der tötet,i sondern „dem belebenden Geist“,j dann wird er zweifellos zu denen gehören, die nicht den Geist der Knechtschaft empfangen, um sich abermals zu fürchten, sondern den Geist der Erwählung, in dem sie rufen: Abba, Vater.k 5. Wir wollen sehen, was Abraham unterdessen treibt, nachdem Sarah sich empört hat. Er verjagt die Magd und ihren Sohn, doch gibt er ihm einen Wasserschlauch. Denn seine Mutter besitzt keinen Brunnen lebendigen Wassers, und der Knabe konnte aus keinem Brunnen Wasser schöpfen.l Isaak besitzt Brunnen, für die er auch Kämpfe mit den Philistern besteht.m 292 Ismael aber trinkt Wasser aus dem Schlauch; doch dieser Schlauch geht wie ein Schlauch zur Neige, und deshalb dürstet er und findet keinen Brunnen. Du aber, der du „wie Isaak“ ein Sohn „der Verheißung“n bist, „trinke das Wasser aus deinen Quellen, und aus deinen Brunnen sollen die Wasser nicht nach draußen fließen, sondern in deinen Höfen sollen deine Wasser strömen“.o Der aber, „der gemäß dem Fleisch geboren ist“,p trinkt Wasser aus dem Schlauch, und das Wasser geht ihm zur Neige, vielerorts geht es ihm zur Neige. Der Schlauch ist der Buchstabe des Gesetzes, von dem das fleischliche Volk trinkt und aus dem es Einsicht schöpft. Dieser Buchstabe geht ihm oftmals zur Neige, das heißt293 er sperrt sich der Erklärung; denn vielerorts geht das historische Verständnis zur Neige.294 Die Kirche hingegen trinkt aus den evangelischen und apostolischen Quellen, die niemals zur Neige gehen, sondern in ihren Höfen strömen,q denn in der Fülle der geistigen Deutung laufen sie stets über und verströmen sich. Sie trinkt auch aus den Brunnen, da sie alles Tiefere aus dem Gesetz schöpft und erforscht. Um dieses Geheimnisses willen, glaube ich, sagte auch unser Herr und Erlöser zu

gen eine wörtliche Auslegung sperren: „Weil aber in den göttlichen Schriften der Text auf der historischen Ebene nicht immer eine logische Folgerichtigkeit aufweist“ usw.

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Homilia VII

noster dicebat ad Samaritanam, ubi, uelut si cum ipsa Agar loqueretur, aiebat: „Omnis, qui biberit ex hac aqua, iterum sitiet; qui autem biberit de aqua, quam ego do ei, non sitiet in aeternum.“ a At illa dicit ad Saluatorem: „Da mihi Domine hanc aquam, ut non sitiam, neque ueniam huc haurire.“ b Post haec Dominus ad eam: „Qui credit“, inquit, „in me, fiet in eo fons aquae salientis in uitam aeternam.“ c 6. Errabat ergo Agar per desertum cum puero et puer plorabat et proiecit eum Agar dicens „ne uideam mortem filii mei“. d Post haec, cum iam quasi moriturus fuisset abiectus et fleuisset, adest ei angelus Domini „et aperuit oculos Agar, et uidit puteum aquae uiuae“. e Haec ad historiam referri quemadmodum possunt? Vbi enim inuenimus quod Agar clausos habuerit oculos et aperti sunt postmodum? Nonne luce clarior est in his intellegentia spiritalis et mystica, quod abiectus est is, qui „secundum carnem“ f est populus, et tamdiu iacet in fame et siti, „non famem panis“ perferens „neque sitim aquae, sed sitim uerbi Dei“, g donec aperiantur oculi synagogae? Hoc est quod apostolus dicit esse „mysterium“, quia „caecitas contigit ex parte in Israhel, donec plenitudo gentium introiret et tunc omnis Israhel saluus fieret“. h Ista est ergo caecitas in Agar, quae „secundum carnem“ i genuit, quae tamdiu in ea permanet, donec uelamen litterae auferatur j per angelum Dei et uideat aquam uiuam. k Nunc enim iacent Iudaei circa ipsum puteum, sed oculi eorum clausi sunt et non possunt bibere de puteo legis et prophetarum. Sed et nos caueamus, quia frequenter et nos circa puteum iacemus aquae uiuae, id est circa scripturas diuinas et erramus in ipsis. Tenemus libros et legimus, sed spiritalem sensum non adtingimus. Et ideo opus est lacrimis et oratione indesinenti, ut Dominus aperiat oculos nostros, quia et illi caeci, qui sedebant in Hiericho, nisi clamassent ad Dominum, non fuissent aperti oculi ipsorum. l Et quid dico, ut aperiantur oculi nostri, m qui iam aperti sunt? Iesus enim uenit aperire oculos caecorum. n Aperti sunt ergo oculi nostri et de littera legis uelamen ablatum est. o Sed uereor, ne nos ipsi eos somno iterum profundiore claudamus, dum non uigilamus in intellectu spiritali neque solliciti sumus, ut somnum discutiamus ab oculis nostris et contemplemur, quae Joh. 4,13f. b Joh. 4,15 c Joh. 6,47; 4,14 d Gen. 21,14–16 e Gen. 21,19 f Gal. 4,23 g Am. 8,11 h Röm. 11,25f. i Gal. 4,23 j vgl. 2 Kor. 3,16 k vgl. Gen. 26,19 l m n o u.ö. vgl. Mt. 20,30–34 vgl. Mt. 20,33 vgl. Jes. 42,7 vgl. 2 Kor. 3,16 a

295 Vgl. Ambrosius, Abr. I 28 (CSEL 32/1, 523f.); II 72 (32/1, 626): „Sara, Abrahams Frau, ist die Kirche . . ., ihre Magd ist die Synagoge oder alle Häresie.“

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der Samariterin, als er redete, als wende er sich an Hagar:295 „Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird niemals mehr Durst leiden.“a Sie aber sagt zum Erlöser: „Gib mir dieses Wasser, Herr, damit ich nicht mehr Durst leide und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen.“b Darauf spricht der Herr zu ihr: „Wer an mich glaubt, in dem wird ein Quell sprudelnden Wassers zum ewigen Leben entspringen.“c 6. So irrte Hagar mit dem Knaben durch die Wüste, und der Knabe weinte, und Hagar legte ihn nieder und sprach: „Den Tod meines Kindes will ich nicht sehen.“d Als sie ihn schon, als liege er im Sterben, aufgegeben und beweint hatte, da steht ihr ein Engel des Herrn zur Seite „und öffnete Hagars Augen, und sie sah einen Brunnen lebendigen Wassers“.e Wie lässt sich dies mit einer historischen Deutung vereinbaren? Denn wo lesen wir, dass Hagar die Augen geschlossen hatte, die ihr später geöffnet wurden?296 Tritt hier nicht sonnenklar die geistige und mystische Auslegung zutage: Dass dieses Volk, das „gemäß dem Fleisch“f lebt, aufgegeben ist und solange hungrig und durstig am Boden liegt – „nicht Hunger nach Brot“ leidet es „und nicht Durst nach Wasser, sondern Durst nach dem Wort Gottes“g –, bis der Synagoge die Augen aufgehen? Dies ist es, was der Apostel als „Geheimnis“ bezeichnet, dass „Blindheit einen Teil Israels geschlagen hat, bis die Fülle der Völker eingetreten ist und dann ganz Israel gerettet wird“.h Dies also ist Hagars Blindheit, die „gemäß dem Fleisch“i geboren hat; in Blindheit verharrt sie solange, bis der Engel Gottes den Schleier des Buchstabens lüftetj und sie das lebendige Wasserk schaut. Denn jetzt liegen die Juden am Brunnen, doch ihre Augen sind verschlossen, und sie können sich nicht laben am Brunnen des Gesetzes und der Propheten. Doch auch wir wollen uns hüten, denn oftmals liegen auch wir am Brunnen des lebendigen Wassers, das heißt bei den göttlichen Schriften, und irren in ihnen. Wir besitzen und lesen die Bücher, doch zum geistigen Sinn stoßen wir nicht vor. Und deshalb tun Tränen und unablässiges Gebet not, damit der Herr uns die Augen öffne, weil auch die Blinden, die in Jericho saßen – hätten sie nicht zum Herrn gerufen, wären ihnen die Augen nicht geöffnet worden.l Und was sage ich, damit unsere Augen geöffnet werden,m die schon geöffnet sind? Denn Jesus kam, die Augen der Blinden zu öffnen.n Unsere Augen sind also geöffnet, der Schleier vom Buchstaben des Gesetzes gezogen.o Doch ich habe Angst, dass wir selbst sie wieder in tieferem Schlaf schließen, wenn wir nicht in geistiger Einsicht wachen und nicht Sorge tragen, den Schlaf von unseren Augen zu schütteln und die

296 Der Text sollte lauten: quod Agar clausos habuerit oculos, qui aperti sunt postmodum.

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Homilia VII

spiritalia sunt, uti ne cum populo carnali circa ipsam aquam positi erremus. Quin potius uigilemus et cum propheta dicamus: „Si dedero somnum oculis meis, et palpebris meis dormitationem, aut requiem temporibus meis, donec inueniam locum Domino, tabernaculum Deo Iacob.“ a „Ipsi gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen.“ b a

Ps. 131(132),4f.

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Offb. 1,6; vgl. 1 Petr. 4,11

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Homilie 7,6

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geistigen Dinge zu betrachten, damit wir nicht mit dem fleischlichen Volk am Wasser liegen und irregehen. Lasst uns lieber wachsam sein und mit dem Propheten sagen: „Wenn ich meinen Augen Schlaf gönne und meinen Lidern Schlummer oder Rast meinen Schläfen, bis ich eine Stätte finde für den Herrn, eine Bleibe für den Gott Jakobs.“a 297 „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“b

297 Die Septuaginta und die Vulgata bieten den Text, den auch Rufinus hat. Die hebräische Konjunktion ’im = „wenn“ kann als Schwurwort gebraucht werden: „Nicht will ich meinen Augen Schlaf gönnen“ usw.

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HOMILIA VIII De eo quod obtulit Abraham filium suum Isaac

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1. Adhibete huc aures, qui accessistis ad Deum, qui fideles esse uos creditis, et considerate diligentius quemadmodum fidelium fides probatur ex his, quae recitata sunt nobis. „Et factum est“, inquit, „post haec uerba, temptauit Deus Abraham et dixit ad eum: Abraham, Abraham. At ille dixit: Ecce ego.“ a Obserua singula quaeque, quae scripta sunt. In singulis enim, si qui scit in altum fodere, inueniet thesaurum, b et fortassis etiam, ubi non aestimatur, latent mysteriorum pretiosa monilia. Abram uocabatur uir iste prius et nusquam legimus quod hoc nomine eum uocauerit Deus aut dixerit ad eum: Abram, Abram. Non enim uocari a Deo poterat nomine delendo, sed uocat eum hoc nomine, quod ipse donauit, et non solum uocat hoc nomine, sed et ingeminat. Cumque ille respondisset: „Ecce ego“, c dicit ad eum: „Accipe filium tuum carissimum, quem diligis, Isaac, et offer mihi eum. Vade“, inquit, „in terram excelsam, et ibi offer eum holocaustum in uno ex montibus, quem ostendero tibi.“ d Nomen quidem cur ei donauerit Deus et uocauerit eum Abraham, ipse interpretatus est: „Quia patrem“, inquit, „multarum gentium posui te.“ e Hanc repromissionem dedit ei Deus, cum haberet filium Ismael, sed pollicitus est ei quia in filio, qui nascetur ex Sarra, conplebitur ista promissio. Accenderat ergo animos eius in amorem filii, non solum posteritatis gratia, sed et promissionum spe. Sed hunc, in quo ei positae sunt promissiones magnae istae et mirabiles, hunc, inquam, filium, in quo uocatum est nomen eius Abraham, holocaustum Domino iubetur offerre in uno ex montibus. f Quid tu ad haec, o Abraham? Quae et quales cogitationes mouentur in corde tuo? Prolata est uox a Deo, quae discutiat et probet fidem tuam. Quid ad haec dicis? Quid cogitas? Quid retractas? Putasne reuoluis in corde tuo quia, si in Isaac data a Gen. 22,1 22,2

b

vgl. Mt. 13,44

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Gen. 22,1

d

Gen. 22,2

e

Gen. 17,5

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vgl. Gen.

298 Diese verdientermaßen berühmte Predigt über Abrahams tragischen Konflikt hat in der antiken Exegese vielfältige Spuren hinterlassen, im Osten so gut wie im Westen, etwa bei Gregor von Nyssa, deit. (PG 46, 568–573); Johannes Chrysostomus, prov. dei 10,8–18 (SC 79, 154–162); Cyrill von Alexandria, hom. pasch. 5,6f. (PG 77, 489–497); Ambrosius, Abr. I 66–79 (CSEL 32/1, 545–553); Augustinus, en. in Ps. 30 serm. 2,9 (CChr.SL 38, 208f.), civ. XVI 32 (II p. 175–178 Dombart/Kalb5); Beda Venerabilis, in Gen. comm. 22 (PL 91, 244f.); Pseudo-Eucherius, in Gen. comm. II

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HOMILIE 8298 Darüber, dass Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte

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1. Hierher wendet eure Ohren, die ihr euch Gott genaht habt, die ihr denkt, ihr seid gläubig, und erwägt sorgfältiger, wie der Glaube der Gläubigen durch das, was uns vorgelesen wurde, auf die Probe gestellt wird. „Und es begab sich“, heißt es, „nach diesen Worten, dass Gott Abraham prüfte und zu ihm sprach: Abraham, Abraham. Der aber sprach: Hier bin ich.“a Beachte jede Einzelheit, die geschrieben steht. Denn wenn jemand es versteht, in die Tiefe zu graben, wird er in den Einzelheiten einen Schatz finden,b und dort, wo man es nicht erwartet, liegen vielleicht die kostbaren Kleinodien der Geheimnisse verborgen. Vorher hieß dieser Mann Abram, und nirgendwo lesen wir, dass ihn Gott mit diesem Namen rief oder zu ihm sprach: Abram, Abram. Denn Gott konnte ihn nicht mit einem Namen rufen, der getilgt werden sollte, sondern er ruft ihn mit dem Namen, den er selbst ihm schenkte, und er ruft ihn nicht nur mit diesem Namen, sondern wiederholt ihn sogar. Und als der geantwortet hatte: „Hier bin ich“,c sagt er zu ihm: „Nimm deinen liebsten Sohn, an dem du hängst, Isaak, und bringe ihn mir dar. Gehe“, heißt es, „ins Hochland, und bringe ihn dort als Brandopfer dar, auf einem der Berge, den ich dir zeigen werde.“d Warum Gott ihm diesen Namen gab und ihn Abraham nannte, hat er selbst erklärt: „Weil ich dich zum Vater“, heißt es, „vieler Völker bestimmt habe.“e Diese Verheißung gab ihm Gott, als er nur Ismael zum Sohn hatte, doch er versprach ihm, diese Verheißung werde sich in einem Sohn erfüllen, den Sarah gebären werde. Er hatte in seinem Herzen also die Sohnesliebe entfacht, nicht nur um der Nachkommenschaft willen, sondern auch in der Hoffnung der Verheißungen. Doch er wird geheißen, diesen Sohn, in dem ihm diese großen und wunderbaren Verheißungen zuteil wurden, diesen Sohn, sage ich, um dessentwillen er den Namen Abraham empfangen hat, dem Herrn als Brandopfer auf einem der Berge darzubringen.f Was sagst du dazu, Abraham? Welche Gedanken bewegen dich in deinem Herzen? Ein Wort ist von Gott ergangen, das deinen Glauben erschüttert und auf die Probe stellt. Was sagst du dazu? Was denkst du? Was grübelst du? Überlegst du und wälzst in (PL 50, 971f.). – Zu dieser Predigt siehe Cocchini, Omelia VIII; dies., Origene 99–127; Dively Lauro, The soul 175–185; zur Exegese des Isaak-Opfers in der antiken christlichen Literatur siehe Danie´lou, Sacramentum 97–128.

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Homilia VIII

est mihi repromissio, hunc autem offero holocaustum, superest ut non speretur illa promissio? Aut magis illa cogitas et dicis quia inpossibile est mentiri eum, a qui repromisit; quidquid illud fuerit, promissio permanebit? Verum ego quia „minimus sum“, b tanti patriarchae cogitationes non ualeo perscrutari nec scire possum uox Dei, quae ad temptandum eum processerat, quas ei cogitationes mouerit, quid animi attulerit, cum iuberetur unicum iugulare. Sed quoniam spiritus prophetarum prophetis subiectus est, c Paulus apostolus, qui per spiritum, credo, didicerat, quid animi, quid consilii Abraham gesserit, indicauit dicens: „Fide Abraham non haesitauit, cum unicum offerret, in quo acceperat repromissiones, cogitans quia et a mortuis eum suscitare potens est Deus.“ d Prodidit ergo nobis cogitationes uiri fidelis apostolus, quod fides resurrectionis iam tunc haberi coeperit in Isaac. Abraham ergo resurrecturum sperabat Isaac et credebat futurum, quod adhuc non erat factum. Quomodo ergo filii sunt Abraham, e qui factum non credunt in Christo, quod ille futurum credidit in Isaac? Immo, ut apertius proloquar, sciebat se Abraham futurae ueritatis imaginem praeformare, sciebat de semine suo nasciturum Christum, qui et offerendus esset totius mundi uerior hostia et resurrecturus a mortuis. 2. Sed nunc interim „temptabat“, inquit, „Deus Abraham, et dicit ad eum: Accipe filium tuum carissimum, quem diligis.“ f Non enim suffecerat dixisse ,filium‘, sed adicitur et ,carissimum‘. Esto et hoc: Quid adhuc additur et ,quem diligis‘? Sed uide temptationis pondus. Caris et dulcibus appellationibus iterum ac saepe repetitis paterni suscitantur adfectus, ut amoris euigilante memoria ad inmolandum filium paterna dextera retardetur et aduersum fidem animi tota carnis militia repugnet. „Accipe“, ergo inquit, „filium tuum carissimum, quem diligis, Isaac.“ g Esto, Domine, quia conmemoras de filio patrem; addis et ,carissimum‘, quem praecipis iugulari. Sufficiat hoc ad supplicium patris; addis rursum et ,quem diligis‘. Sint et in b c vgl. Hebr. 6,18 1 Kor. 15,9 vgl. 1 Kor. 14,32 f g 8,37 Gen. 22,1f. Gen. 22,2

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Hebr. 11,17.19

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299 Das Asyndeton ist kaum richtig; zu lesen ist etwa: Putasne et reuoluis in corde tuo (vgl. im folgenden Satz illa cogitas et dicis). 300 Wenn Origenes von Isaak (fälschlich) als „einzigem“ Sohn Abrahams spricht, hat er wohl schon das folgende Paulus-Zitat im Sinn. In der Septuaginta steht „geliebter“ Sohn: yiëoÂn soy toÁn aÆgaphtoÁn oÊn hÆgaÂphsaw, entsprechend dem Lateinischen im unten folgenden Zitat von Gen. 22,2: filium tuum carissimum, quem diligis. Im Hebräischen ist freilich an dieser Stelle ebenfalls vom „einzigen“ Sohn die Rede – hatte Origenes auch diese Textfassung im Blick? 301 Vgl. Ambrosius, Abr. I 67 (CSEL 32/1, 546): „Er lässt es nicht zu, dass die Zuneigung des Vaters zur Ruhe kommt. . . . Er peinigt ihn . . . die Stachel der Liebe

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deinem Herzen:299 Wenn mir die Verheißung in Isaak zuteil geworden ist, ich ihn aber als Brandopfer darbringe, dass dies nur eines bedeutet: alle Hoffnung fahren zu lassen auf die Verheißung? Oder erwägst du vielmehr dies und sagst dir, unmöglich kann er täuschen,a der sein Wort gab; was auch immer dies zu bedeuten hat, die Verheißung wird gültig bleiben? Doch weil ich „der Geringste bin“,b vermag ich die Gedanken eines so großen Patriarchen nicht zu ergründen, noch kann ich wissen, welche Gedanken ihm das Wort Gottes eingab, das ergangen war, ihn zu prüfen, welche Gefühle es weckte, als er geheißen wurde, den einzigen300 Sohn zu töten. Doch weil der Geist der Propheten den Propheten unterworfen ist,c ließ der Apostel Paulus, der es meines Erachtens durch den Geist erfahren hatte, uns wissen, mit welchen Gedanken, mit welchem Entschluss Abraham sich trug; er sagt: „Abraham wankte nicht im Glauben, als er seinen einzigen Sohn darbrachte, in dem er die Verheißungen empfangen hatte; er bedachte, dass Gott die Macht hat, ihn sogar von den Toten zu erwecken.“d Der Apostel hat uns also die Gedanken eines gläubigen Mannes aufgedeckt: Dass der Glaube an die Auferstehung bereits damals um Isaaks willen zu keimen begann. Abraham hoffte also, Isaak werde auferstehen, und glaubte, es werde geschehen, was bislang noch nie geschehen war. Wie können also die als Söhne Abrahamse gelten, die nicht glauben, dass mit Christus geschehen ist, wovon er glaubte, es werde mit Isaak geschehen? Um es noch deutlicher zu sagen: Abraham wusste, dass er vor der Zeit das Abbild künftiger Wahrheit gestaltete, er wusste, dass aus seinem Samen Christus geboren würde, der als das wahrere Opfertier für die gesamte Welt dargebracht werden sollte und von den Toten auferstehen würde. 2. Derweil aber „stellte Gott“, heißt es, „Abraham auf die Probe und sagt zu ihm: Nimm deinen liebsten Sohn, an dem du hängst.“f Es war nämlich nicht genug, dass es ,Sohn‘ heißt, sondern ,den liebsten‘ kommt noch hinzu. Nun gut. Warum tritt schließlich noch ,an dem du hängst‘ hinzu? Doch führe dir die Schwere der Prüfung vor Augen. Mit zärtlichen und süßen, stets aufs Neue wiederholten Wendungen wird die väterliche Zuneigung angestachelt, damit in der wachen Erinnerung an seine Liebe die väterliche Rechte beim Sohnesopfer stocke und der ganze Heertross des Fleisches gegen den Glauben des Geistes aufbegehre.301 „Nimm“, heißt es also, „deinen liebsten Sohn, an dem du hängst, Isaak.“g Es genügt, Herr, dass du den Vater an seinen Sohn erinnerst. Du fügst noch ,den liebsten‘ hinzu, von dem du befiehlst, er solle getötet werden. Dies dürfte reichen, den Vater zu quälen. Du ergänzt aber noch ,an dem du hängst‘, damit sich für mehrt er noch um den Namen des Sohnes, als Ausdruck der Familienbande (ad nomen necessitudinis) und wegen der Macht der Liebe. Er glaubte, das Wort ,Sohn‘ genüge nicht; er fügte hinzu ,deinen liebsten, den du ins Herz geschlossen hast, Isaak‘.“ Vgl. ebd. I 73 (32/1, 550).

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Homilia VIII

hoc parenti triplicata supplicia. Quid opus est adhuc, ut conmemores et ,Isaac‘? Numquid nesciebat Abraham quia filius suus ille carissimus, ille, quem diligebat, Isaac uocaretur? Sed cur hoc additur in tempore? Vt recordetur Abraham quia dixeras ad eum: „Quod in Isaac uocabitur tibi semen“ a et quod in Isaac erunt tibi repromissiones. b Fit et conmemoratio nominis, ut et promissionum, quae sub hoc nomine factae sunt, desperatio subeat. Sed haec omnia, quia temptabat Deus Abraham. 3. Quid post haec? „Vade“, inquit, „in terram excelsam, in unum ex montibus, quem tibi ostendero, et ibi eum offeres holocaustum.“ c Intuemini per singula, quomodo fiunt temptationis augmenta. „Vade in terram excelsam.“ Numquid non potuerat duci prius Abraham cum puero ad illam terram excelsam et inponi prius in montem, quemcumque delegerat Dominus, et ibi ad eum dici, ut offerret filium suum? Sed prius ei dicitur quia offerre debeat filium suum et tunc iubetur ire in terram excelsam et ascendere in montem. Quo hoc spectat? Vt dum ambulat, dum iter agit, per totam uiam cogitationibus discerpatur, ut hinc perurgente praecepto, hinc uero unici adfectu obluctante crucietur. Propterea ergo etiam uia iniungitur, etiam montis ascensio, ut in his omnibus spatium certaminis accipiant adfectus et fides, amor Dei et amor carnis, praesentium gratia et expectatio futurorum. Mittitur ergo in terram excelsam et non sufficit patriarchae tantum opus Domino peracturo terra excelsa, sed et montem iubetur ascendere, scilicet ut fide elatus terrena derelinquat et ad superna conscendat. 4. „Surrexit ergo Abraham mane, et strauit asinam suam, et concidit ligna ad holocaustum. Et accepit filium suum Isaac et duos pueros, et peruenit ad locum, quem dixit ei Deus, die tertia.“ d Surrexit Abraham mane (quod addidit ,mane‘, ostendere fortasse uoluit quia initium lucis splenderet in corde eius), strauit asinam suam, ligna praeparauit, adsumpsit filium. Non deliberat, non retractat, non communicat cum ullo hominum consilium, sed statim occupat iter. „Et peruenit“, inquit, „ad locum, quem dixerat ei Dominus, die tertia.“ e Omitto nunc, quid sacramenti contineat dies tertia; sapientiam et cona

Gen. 21,12

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vgl. Gal. 4,23.28

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Gen. 22,2

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Gen. 22,3f.

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Gen. 22,3f.

302 Vgl. ebd. I 67 (32/1, 547): „Ein langer Weg kommt hinzu . . ., damit er mit diesem Hinauszögern die Liebe des Vaters überwältige.“ 303 Das gut bezeugte dixit (statt dixerat, wie im folgenden Zitat) irritiert. Womöglich

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den Vater die Qual verdreifache. Musstest du auch noch ,Isaak‘ erwähnen? Wusste Abraham denn nicht, dass sein Sohn, der liebste, der, an dem er hing, Isaak hieß? Doch warum wird es in diesem Augenblick hinzugefügt? Damit Abraham sich vergegenwärtige, dass du zu ihm gesagt hattest, „dass in Isaak dein Same benannt werden wird“a und dass in Isaak deine Verheißungen liegen werden.b Der Name wird aber auch erwähnt, damit Abraham insgeheim an den Verheißungen verzweifle, die in diesem Namen ergangen sind. Doch dies alles geschah, weil Gott Abraham auf die Probe stellen wollte. 3. Was geschieht danach? „Geh ins Hochland“, heißt es, „auf einen der Berge, den ich dir zeigen werde, und dort wirst du ihn als Brandopfer darbringen.“c Seht euch an, wie sich die Prüfung Schritt für Schritt verschärft. „Geh ins Hochland.“ Hätte Abraham nicht zuerst mit dem Knaben in jenes Hochland geführt und zuerst auf den Berg gebracht werden können, den der Herr ausgewählt hatte, um dort zu erfahren, er solle seinen Sohn darbringen? Doch zuerst wird ihm gesagt, er müsse seinen Sohn darbringen, danach wird er geheißen, ins Hochland zu gehen und auf einen Berg zu steigen. Aus welchem Grund? Damit er, während er geht, während er unterwegs ist, auf dem ganzen Weg von Gedanken zerfleischt werde, damit er von dem drückenden Gebot ebenso gemartert werde wie von der Zuneigung zum einzigen Sohn, die sich in ihm aufbäumt.302 Deshalb also wird ihm auch der Weg, deshalb auch das Besteigen des Berges aufgebürdet, damit auf all diesen Stationen Zuneigung und Glaube, die Liebe zu Gott und die Liebe zum Fleisch, die Anmut des Gegenwärtigen und die Erwartung des Künftigen Gelegenheit fänden zum Streit. Er wird also ins Hochland gesandt, und das Hochland allein genügt nicht für einen Patriarchen, der ein so gewaltiges Werk für den Herrn vollenden soll, sondern er wird sogar geheißen, einen Berg zu besteigen, gleichsam damit er, vom Glauben erhoben, das Irdische gänzlich hinter sich lasse und in die Himmelsräume emporsteige. 4. „Abraham erhob sich also morgens, sattelte seine Eselin und schlug Holz für das Brandopfer. Und er nahm seinen Sohn Isaak und zwei Knechte, und am dritten Tag gelangte er zu dem Ort, den Gott ihm nannte.“d 303 Abraham erhob sich morgens (dass die Schrift ,morgens‘ hinzufügte, sollte vielleicht zeigen, dass in seinem Herzen aufdämmernd ein Licht erstrahlte), er sattelte seine Eselin, er richtete Holz, er nahm seinen Sohn mit. Er überlegt nicht, er grübelt nicht, keinem Menschen teilt er mit, was er vorhat, sondern er macht sich sogleich auf den Weg. „Und am dritten Tag“, heißt es, „gelangte er zu dem Ort, den Gott ihm genannt hatte.“e Für den Augenblick lasse ich beiseite, was der dritte Tag an spiegelt es den Aorist der Septuaginta (eiËpen). Oder soll es andeuten, wie gegenwärtig Gottes Gebot Abraham war?

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Homilia VIII

silium temptantis intueor. Sic in proximo non erat mons aliqui, cum totum ageretur in montibus, sed per triduum iter protenditur, ut per totum triduum recursantibus curis paterna uiscera cruciarentur, ut omni hoc spatio tam prolixo intueretur filium pater, cibum cum eo sumeret, tot noctibus puer penderet in amplexibus patris, inhaereret pectori, cubitaret in gremio. Vide in quantum temptatio cumulatur. Tertia tamen dies semper apta fit sacramentis. Nam et populus cum exisset de Aegypto, tertia die offert sacrificium Deo et in die tertia purificatur; a et resurrectionis Domini tertia est dies; b et multa alia intra hanc diem mysteria concluduntur. 5. „Respiciens“, inquit, „Abraham uidit locum de longe et dixit ad pueros suos: Sedete hic cum asina, ego autem et puer ibimus usque illuc, et cum adorauerimus, reuertemur ad uos.“ c Pueros dimittit. Non enim poterant ascendere pueri cum Abraham ad holocausti locum, quem ostenderat Deus. „Vos“, ergo inquit, „sedete hic, ego autem et infans ibimus; et cum adorauerimus, reuertemur ad uos.“ Dic mihi Abraham, uere dicis ad pueros quod adores et redeas cum infante, an fallis? Si uerum dicis, ergo non facies eum holocaustum. Si fallis, tantum patriarcham non decet fallere. Quid ergo animi in te hic indicat sermo? Verum, inquit, dico et holocaustum offero puerum. Idcirco enim et ligna mecum porto et cum ipso redeo ad uos. Credo enim et fides mea est haec, quod „et a mortuis eum suscitare potens est Deus“. d 6. Post haec „accepit“, inquit, „Abraham ligna ad holocaustum, et superposuit ea Isaac filio suo et accepit ignem in manibus suis et gladium, et abierunt simul.“ e Quod ipse sibi ligna ad holocaustum portat Isaac, illa figura est, quod et Christus ipse sibi baiulauit crucem, f et tamen portare ligna ad holocaustum sacerdotis officium est. Fit ergo ipse et hostia et sacerdos. Sed et quod additur „et abierunt ambo simul“, g ad hoc refertur. Cum enim Abraham uelut sacrificaturus ignem portaret et cultrum, Isaac non uadit post ipsum, sed cum ipso, ut ostendatur cum ipso pariter fungi sacerdotio. a e

b vgl. Ex. 19,10–16; 24,5–8 vgl. Mt. 27,63 u.ö. f g Gen. 22,6 vgl. Joh. 19,17 Gen. 22,6

c

Gen. 22,4f.

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Hebr. 11,19

304 Weiter vorne ist vielleicht zu lesen ut . . . crucientur: „damit diese ganzen drei Tage lang . . . Qualen martern“. 305 Vgl. Kap. 3 (GCS Orig. 6, 79): „Seht euch an, wie sich die Prüfung Schritt für Schritt verschärft.“ 306 Vgl. Ambrosius, Abr. I 69 (CSEL 32/1, 548): „Schließlich sagt Mose auch . . . 〈zum〉 Pharao . . .: ,Einen Weg von drei Tagen werden wir zurücklegen‘ (Ex. 8,23). Und zu Recht wird am dritten Tag das Opfer der Trinität (trinitatis sacrificium) gefeiert.“ 307 Vgl. Origenes, in Gen. frg. E 53 Metzler (OWD 1/1, 238); E 54 (1/1, 240) = in Gen. cat. 1252 (III p. 219 Petit). Dieser Gedanke kehrt wieder bei Cyrill von Alexandria, glaph. in Gen. III (PG 69, 141D). Zur Gleichsetzung von Isaak mit Christus siehe Ledegang, Mysterium Ecclesiae 380f.

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Geheimnissen birgt; ich betrachte die Weisheit und den Ratschluss dessen, der auf die Probe stellt. So fand sich kein Berg in der Nähe, obgleich das Ganze in den Bergen geschah, sondern drei ganze Tage dauert der Weg, und diese ganzen drei Tage lang martern wiederkehrende Qualen die väterlichen Eingeweide, damit der Vater in dieser ganzen langen Zeit den Sohn vor Augen habe, das Mahl mit ihm teile, damit der Knabe so viele Nächte in den Armen des Vaters ruhe, an seinem Busen liege, sich an sein Herz schmiege.304 Schau, in welchem Maße die Prüfung sich verschärft.305 Der dritte Tag aber verträgt sich immer mit Geheimnissen. Denn nachdem es aus Ägypten ausgezogen war, bringt das Volk am dritten Tag Gott ein Opfer dar und am dritten Tag wird es gereinigt;a und die Auferstehung des Herrn fällt auf den dritten Tag;b und viele andere Geheimnisse schließt dieser Tag in sich ein.306 5. „Als er sich umsah“, heißt es, „erblickte Abraham von ferne den Ort und sprach zu seinen Knechten: Bleibt mit der Eselin hier, doch ich und der Knabe werden dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, werden wir zu euch zurückkehren.“c Die Knechte lässt er zurück. Denn die Knechte konnten nicht mit Abraham zum Ort des Brandopfers emporsteigen, den Gott gezeigt hatte. „Ihr“, sagt er also, „bleibt hier, doch ich und das Kind werden gehen; und wenn wir angebetet haben, werden wir zu euch zurückkehren.“ Sag mir, Abraham, sagst du den Knechten die Wahrheit, dass du anbetest und mit dem Kind zurückkehrst, oder täuschst du sie? Wenn du die Wahrheit sagst, wirst du ihn folglich nicht als Brandopfer darbringen. Täuschst du sie aber, so ist es eines so großen Patriarchen nicht würdig zu täuschen. Welche innere Haltung gibt dieses Wort also zu erkennen? Ich sage die Wahrheit, sagt er, und ich bringe den Knaben als Brandopfer dar. Deshalb nämlich trage ich auch Holz mit mir – und ich kehre mit ihm zu euch zurück. Denn ich bin gewiss, und dies ist mein Glaube, dass „Gott die Macht hat, ihn sogar von den Toten zu erwecken“.d 6. Darauf, heißt es, „nahm Abraham das Holz für das Brandopfer und lud es seinem Sohn Isaak auf und nahm Feuer und das Schwert in seine Hände, und sie gingen zusammen fort.“e Dass Isaak das Holz für sein Brandopfer selbst trägt, ist Sinnbild dafür, dass auch Christus selbst das Kreuz auf sich nahm;f 307 es gehört aber auch zum Amt des Priesters, das Holz für das Brandopfer zu tragen. Er wird also zugleich Opfertier und Priester.308 Darauf bezieht sich aber auch, was folgt: „Und sie beide gingen zusammen fort.“g Als Abraham nämlich als der, der das Opfer vollziehen will, Feuer und Messer trug, schreitet Isaak nicht hinter ihm, sondern mit ihm, damit deutlich werde, dass er mit ihm in gleicher Weise das Priesteramt versehe.309

308 Vgl. Origenes, in Ios. hom. 8,6 (GCS Orig. 7, 342): „Es zeigt sich, dass Christus selbst . . . Priester ist und Opfertier und Altar.“

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Homilia VIII

Quid post haec? „Dixit“, inquit, „Isaac ad Abraham patrem suum: Pater.“ a Et haec in tempore a filio prolata temptationis est uox. Quomodo enim putas inmolandus filius per hanc uocem uiscera paterna concussit? Et quamuis Abraham rigidior esset pro fide, reddit tamen etiam ipse adfectionis uocem et respondit: „Quid est, fili?“ At ille: „Ecce“, inquit, „ignis et ligna, ubi ouis ad holocaustum?“ Ad haec respondit Abraham: „Deus prouidebit ipse sibi ouem ad holocaustum, fili.“ b Mouet me Abrahae satis diligens et cauta responsio. Nescio quid uidebat in spiritu, quia non de praesenti, sed de futuro dicit: „Deus prouidebit ipse sibi ouem“: Futura respondit filio de praesentibus requirenti. Ipse namquam sibi Dominus ouem prouidebit in Christo, quia et „sapientia ipsa sibi aedificauit domum“ c et „ipse se humiliauit usque ad mortem“; d et omnia quaecumque legeris de Christo, non necessitate, sed sponte facta repperies. 7. „Perrexerunt ergo ambo et uenerunt ad locum, quem dixerat ei Deus.“ e Moyses cum uenisset ad locum, quem ostendit ei Deus, non permittitur ascendere, sed ante ei dicitur: „Solue corrigiam calciamenti de pedibus tuis.“ f Abrahae nihil horum dicitur et Isaac, sed ascendunt nec calciamenta deponunt. In quo illa fortassis est ratio quod Moyses, quamuis esset „magnus“, g tamen de Aegypto ueniebat et erant aliqua mortalitatis uincula pedibus eius innexa. Abraham uero et Isaac nihil horum habent, sed ueniunt ad locum. Aedificat altare Abraham, inponit ligna super altare, conligat puerum, praeparat se ad iugulandum. h Multi estis patres in ecclesia Dei, qui haec auditis. Putas aliqui uestrum ex ipsa historiae narratione tantum constantiae, tantum animi robur adquirit, ut, cum forte amittitur filius morte communi et omnibus debita, etiamsi sit unicus, etiamsi sit dilectus, adducat sibi in exemplum Abraham et magnanimitatem eius ante oculos ponat? Et quidem a te non exigitur istud animi magnitudinis, ut ipse alliges filium, ipse constringas, ipse gladium pares, ipse unicum iugules. Haec omnia a te ministeria non quaeruntur. Proposito saltem et mente constans esto, fide fixus laetus Gen. 22,7 b Gen. 22,7f. h 11,3 vgl. Gen. 22,9f.

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Spr. 9,1

d

Phil. 2,8

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Gen. 22,8f.

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Ex. 3,5

g

Ex.

309 Vgl. in Gen. frg. E 55 Metzler (OWD 1/1, 240) = in Gen. cat. 1253 (III p. 220 Petit). 310 In tempore vielleicht auch: „in diesem Augenblick“. – Zur Stelle vgl. Ambrosius, Abr. I 73 (CSEL 32/1, 550): „Von Worten der Liebe wird die väterliche Zuneigung getroffen. . . . Der Sohn spricht den Vater an, der Vater antwortet: ,Sohn‘. . . . Isaak fügte hinzu: ,Schau, das Holz. Wo ist das Schaf für das Brandopfer?‘ (Gen. 22,7)

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Was geschah dann? „Isaak“, heißt es, „sagte zu Abraham, seinem Vater: Vater.“a Und zur rechten Zeit310 wurde dieses Wort der Versuchung vom Sohn ausgesprochen. Denn wie, glaubst du, erschütterte der Sohn, der geopfert werden sollte, mit diesem Wort des Vaters Innerstes? Und obgleich Abraham ganz unerschütterlich war im Glauben, äußert doch auch er ein Wort der Zuneigung und antwortet: „Was ist, Sohn?“ Der aber sagt: „Schau, Feuer und Holz; doch wo ist das Schaf für das Brandopfer?“ Darauf entgegnet Abraham: „Gott selbst wird sich ein Schaf für das Brandopfer besorgen, Sohn.“b Mich rührt Abrahams so verständige und besonnene Antwort. Irgendetwas sah er im Geist, denn nicht vom Gegenwärtigen, sondern von Künftigem sagt er: „Gott selbst wird sich ein Schaf besorgen.“ Künftiges antwortet er dem Sohn, der sich nach Gegenwärtigem erkundigt. Denn der Herr selbst wird sich ein Schaf besorgen in Christus, denn auch „die Weisheit selbst baute sich ein Haus“,c und „er selbst erniedrigte sich bis zum Tod“;d und was auch immer du über Christus lesen wirst: Du wirst erkennen, dass nichts aus Zwang geschah, sondern alles aus freien Stücken. 7. „Sie machten sich also beide auf und gelangten zu dem Ort, den Gott ihm genannt hatte.“e Als Mose zu dem Ort gelangt war, den Gott ihm gezeigt hat, wird ihm nicht gestattet emporzusteigen, sondern zuerst wird ihm befohlen: „Löse den Riemen deiner Schuhe von deinen Füßen.“f Abraham und Isaak wird nichts dergleichen befohlen, sondern sie steigen empor und legen ihre Schuhe nicht ab. Damit wird vielleicht angedeutet, dass Mose, obgleich er „groß“g war, doch aus Ägypten kam und dass eine Art Fesseln der Sterblichkeit seine Füße umschlungen hielten.311 Abraham und Isaak aber bindet nichts dergleichen, sondern sie gelangen zu dem Ort. Abraham errichtet einen Altar, er schichtet das Holz auf den Altar, er bindet den Knaben, er schickt sich an, ihn zu töten.h Viele unter euch, die ihr dies hört, sind Väter in der Kirche Gottes. Glaubst du,312 irgendeiner unter euch erlangt aus der bloßen Erzählung dieser Geschichte soviel Standhaftigkeit, soviel Seelenstärke, dass er, sollte er einen Sohn an den Tod verlieren, der uns gemeinsam und allen auferlegt ist – zumal, wenn es sein einziger ist, zumal, wenn es sein Liebling ist –, sich Abraham zum Vorbild nimmt und sich dessen Hochherzigkeit vor Augen hält? Und dir wird nicht einmal die Seelengröße abverlangt, dass du selbst den Sohn bindest, du selbst ihn fesselst, du selbst das Schwert bereitlegst, du selbst den Einzigen tötest. All diese Schritte werden dir nicht abverlangt. So sei zumindest standhaft in deinem Entschluss und Sinn; im Glauben gefestigt, bringe froh deinen Sohn . . . Abraham antwortete mit einer Prophezeiung . . .: dass es ein anderes Opfertier gebe, das Gott sich bereite, um den Erdkreis zu reinigen.“ 311 Vgl. in Regn. hom. lat. 6 (GCS Orig. 8, 10): erat uelut quadam mortalitate constrictus. 312 Der Sprung zum persönlicheren Singular (vgl. oben S. 60 Anm. 101) ist hier dramatisch.

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Homilia VIII

offer filium Deo. Esto sacerdos animae filii tui; sacerdotem autem inmolantem Deo non decet flere. Vis uidere quia exigitur hoc a te? In euangelio Dominus dicit: „Si filii Abraham essetis, opera utique Abraham faceretis.“ a Ecce, istud est opus Abrahae. Facite opera, quae fecit Abraham, sed non cum tristitia; „hilarem enim datorem diligit Deus“. b Quod si et uos tam prompti fueritis ad Deum, dicetur et uobis: „Ascende in terram excelsam et in montem, quem ostendero tibi; et ibi offer mihi filium tuum.“ c Non in profundis terrae nec „in conualle fletus“, d sed in altis et excelsis montibus offer filium tuum. Ostende quia fides in Deum fortior est quam carnis adfectus. Amabat enim, inquit, Abraham Isaac filium suum, sed amori carnis praetulit amorem Dei, et inuentus est non in uisceribus carnis, sed „in uisceribus Christi“ e, id est in uisceribus uerbi Dei et ueritatis et sapientiae. 8. „Et extendit“, inquit, „Abraham manum suam, ut acciperet gladium et iugularet filium suum. Et uocauit eum angelus Domini e caelo, et dixit: Abraham, Abraham. At ille dixit: Ecce ego. Et dixit: Non inicias manum tuam super puerum, neque facias ei quicquam. Nunc enim cognoui quoniam times tu Deum.“ f In hoc sermone solet obici nobis, quod Deus nunc se cognouisse dicat quia Abraham timeat Deum, quasi qui ante ignorauerit. Sciebat Deus et non eum latebat, quippe „qui nouit omnia antequam fiant“, g sed propter te haec scripta sunt, quia et tu credidisti quidem Deo, sed nisi opera fidei h expleueris, nisi in omnibus praeceptis etiam difficilioribus parueris, nisi sacrificium obtuleris et ostenderis quia nec patrem nec matrem nec filios praeferas Deo, i non agnosceris quia timeas Deum nec dicetur de te: „Quia nunc cognoui quoniam times tu Deum.“ j Et tamen considerandum est quia angelus haec refertur ad Abraham locutus et quia in consequentibus euidenter hic angelus Dominus ostenditur. Vnde puto quod, sicut inter nos homines „habitu repertus est ut homo“, k ita et inter angelos habitu est repertus ut angelus. Et ipsius sequentes exemplum angeli in caelo laetantur „super uno peccatore poenitentiam agente“ l et de profectibus hominum gloriantur. Ipsi enim uelut procurationem animarum Joh. 8,39 b 2 Kor. 9,7 c Gen. 22,2 d Ps. 83(84),7 e Phil. 1,8 f Gen. 22,10–12 Sus. 42 (Dan. 13,42) h vgl. 2 Thess. 1,11 i vgl. Mt. 10,37 j Gen. 22,12 k Phil. l 2,7 Lk. 15,10

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313 Zu quia in der Bedeutung „warum“ hier und zweimal Kap. 8 (GCS Orig. 6, 83) vgl. Hofmann/Szantyr, Lateinische Syntax 584. 314 Wohl durch Markion; vgl. in Gen. hom. 4,6 (GCS Orig. 6, 56) und oben S. 121 Anm. 236. 315 Dieser Gedanke kehrt wieder in Gen. hom. 14,1 (GCS Orig. 6, 121f.); vgl.

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Gott dar. Sei Priester über das Leben deines Sohnes; und ein Priester, der Gott opfert, darf nicht weinen. Willst du sehen, warum dies von dir verlangt wird?313 Im Evangelium sagt der Herr: „Wäret ihr Söhne Abrahams, gewiss tätet ihr die Werke Abrahams.“a Wohlan: Hier ist ein Werk Abrahams. Tut die Werke, die Abraham tat, doch nicht in Traurigkeit; „denn Gott liebt den, der froh gibt.“b Denn wenn auch ihr euch Gott gegenüber so willig zeigt, wird man auch zu euch sagen: „Steige ins Hochland und auf den Berg, den ich dir zeigen werde; und dort bringe mir deinen Sohn dar.“c Bringe deinen Sohn dar – nicht in den Tiefen der Erde noch „im Tal der Tränen“,d sondern auf den hochragenden Bergen. Beweise, dass der Glaube an Gott stärker ist als die Zuneigung des Fleisches. Abraham liebte nämlich, steht geschrieben, seinen Sohn Isaak, doch über die Liebe zum eigenen Fleisch stellte er die Liebe zu Gott, und nicht in den Eingeweiden des Fleisches fand sie sich, sondern „in den Eingeweiden Christi“,e das heißt in den Eingeweiden des Wortes Gottes und der Wahrheit und der Weisheit. 8. „Und Abraham“, heißt es, „streckte seine Hand aus, um das Schwert zu ergreifen und seinen Sohn zu töten. Und der Engel des Herrn rief ihn vom Himmel und sprach: Abraham, Abraham. Der aber sagte: Hier bin ich. Und er sprach: Erhebe nicht deine Hand gegen den Knaben und tu ihm nichts zuleide. Denn nun habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest.“f Zu diesem Text wirft man uns für gewöhnlich vor, dass Gott sagt, nun habe er erkannt, dass Abraham Gott fürchte, als habe er es vorher nicht gewusst.314 Gott wusste es, und es blieb ihm nicht verborgen, „weiß er“ doch „alles, bevor es geschieht“.g Doch um deinetwillen steht es geschrieben. Denn auch du bist zwar zum Glauben an Gott gekommen; doch wenn du nicht die Werke des Glaubensh erfüllst, wenn du nicht in allen Geboten, auch den schwierigeren, gehorchst, wenn du kein Opfer darbringst und zeigst, dass du weder Vater noch Mutter noch Kinder über Gott stellst,i wird man nicht anerkennen, dass du Gott fürchtest, und man wird von dir nicht sagen, „nun habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest“.j Doch gilt es zu untersuchen, warum erzählt wird, ein Engel habe dies zu Abraham gesagt, und warum im Folgenden in diesem Engel eindeutig der Herr erkennbar wird.315 Daraus schließe ich, dass er, so wie er unter uns Menschen „seinem Äußeren nach als Mensch erschienen ist“,k so auch unter den Engeln seinem Äußeren nach als Engel erschienen ist. Und seinem Beispiel getreu freuen sich die Engel im Himmel „über den einen Sünder, der Buße tut“,l und in den Fortschritten der Menschen finden sie ihren Ruhm. Sie sind nämlich gleichsam mit der Obhut unserer Seelen betraut, auch in Matth. comm. ser. 28 (GCS Orig. 11, 53): „Wesenhaft (substantialiter) war Christus in Mose wie in den Propheten stets gegenwärtig, mehr aber noch in den Engeln, die dem Heil der Menschen dienten“; princ. III 2,1 (GCS Orig. 5, 244); Prokop, in Gen. comm. (PG 87/1, 390); Bigg, The Christian Platonists 257.

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Homilia VIII

nostrarum tenent, quibus, dum adhuc paruuli sumus, a uelut tutoribus et actoribus conmittimur usque ad praefinitum tempus a patre. b Et ipsi ergo nunc de profectu uniuscuiusque nostrum dicunt: „Quia nunc cognoui quod times tu Deum.“ c Verbi causa propositum habeo martyrii, non ex hoc dicere ad me angelus poterit: „Quia nunc cognoui quod times tu Deum“; Deo enim soli cognitum est propositum mentis. Si uero accessero ad agones, protulero „bonam confessionem“, d quae inferuntur, constanter cuncta suscepero, tunc potest dicere angelus uelut confirmans me et conroborans: „Nunc cognoui quod times tu Deum.“ e Verum haec dicta sint ad Abraham, et pronuntiatus sit timere Deum. Quare? Quia non pepercit filio suo. Nos uero conferamus haec cum apostoli dictis, ubi dicit de Deo: „Qui proprio filio non pepercit, sed pro nobis omnibus tradidit illum.“ f Vide Deum magnifica cum hominibus liberalitate certantem: Abraham mortalem filium non moriturum obtulit Deo; Deus inmortalem Filium pro hominibus tradidit morti. Quid nos ad haec dicemus? „Quid retribuemus Domino pro omnibus, quae retribuit nobis?“ g Deus Pater propter nos „proprio filio non pepercit“. Quis uestrum, putas, audiet aliquando angeli uocem dicentis „nunc cognoui quoniam times tu Deum, quia non pepercisti filio tuo“ h uel filiae tuae uel uxori, aut non pepercisti pecuniae uel honoribus saeculi et ambitionibus mundi, sed omnia contempsisti et omnia duxisti stercora, ut Christum lucrifaceres, i uendidisti omnia, et dedisti pauperibus, et secutus es uerbum Dei? j Quis uestrum, putas, audiet ab angelis huiuscemodi uocem? Interim Abraham audit hanc uocem et dicitur ad eum: „Quia non pepercisti filio tuo dilecto propter me.“ k 9. „Et respiciens“, inquit, „Abraham oculis suis uidit, et ecce, aries tenebatur cornibus in uirgulto Sabec.“ l Diximus, puto, in superioribus quod Isaac formam gereret Christi, sed et aries hic nihilominus formam Christi gerere uidetur. Sed quomodo Christo uterque conueniat, et Isaac, qui non est iugulatus, et aries, qui iugulatus est, operae pretium est noscere. Christus „Verbum Dei“ m est, sed „Verbum caro factum est“. n Vnum igitur in Christo de superioribus est, alterum ex humana natura et uirginali utero susceptum. vgl. Gal. 4,3 b vgl. Gal. 4,2 c Gen. 22,12 d 1 Tim. 6,12 e Gen. 22,12 f Röm. 8,32 g Ps. 115,3 LXX (116,12 MT) h Gen. 22,12 i vgl. Phil. 3,8 j vgl. Mt. 19,21 k l m n Gen. 22,12 Gen. 22,13 Mk. 7,13 u.ö. Joh. 1,14 a

316 Vgl. in Gen. hom. 7,3 (GCS Orig. 6, 74) und oben S. 156 Anm. 289. 317 Zu dieser Anrede, die den Prediger (Origenes) ausnimmt, vgl. in Gen. hom. 1,2 (GCS Orig. 6, 3): „Ein jeder von euch trachte also danach“ usw.

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sie, denen wir, solange wir noch Kinder sind,a wie Vormündern und Verwaltern bis zu der vom Vater festgelegten Stunde unterstehen.b Deshalb sagen sie nun über den Fortschritt eines jeden von uns: „Nun habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest.“c Angenommen, ich trachte nach dem Martyrium.316 Deshalb wird kein Engel zu mir sagen können: „Nun habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest“; denn das Trachten des Geistes kennt allein Gott. Wenn ich aber den Wettkampf auf mich nehme, wenn ich „ein gutes Bekenntnis“d ablege, wenn ich alles, was man mir zufügt, standhaft ertrage, dann kann der Engel sagen, mir gleichsam zur Bestätigung und Bestärkung: „Nun habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest.“e Nun mag dies zu Abraham gesagt und verkündet worden sein, er fürchte Gott. Doch warum? Weil er seinen Sohn nicht verschonte. Doch wir wollen dies neben die Worte des Apostels halten, wo er über Gott sagt: „Er hat den eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben.“f Schau Gott an, wie er mit den Menschen in wunderbarer Freigebigkeit wetteifert: Abraham hat Gott einen sterblichen Sohn dargebracht, der nicht den Tod findet; Gott hat für die Menschen einen unsterblichen Sohn dem Tod überantwortet. Was werden wir dazu sagen? „Was werden wir dem Herrn erstatten für all das, was er uns erstattet hat?“g Um unseretwillen hat Gott Vater „den eigenen Sohn nicht verschont“. Wer von euch,317 glaubst du, wird einst die Stimme des Engels hören, der sagt: „Nun habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest. Denn du hast deinen Sohn nicht verschont“h oder deine Tochter oder Frau, oder dein Geld hast du nicht verschont oder die Ehren dieses Äons und die ehrgeizigen Ziele der Welt, sondern alles hast du verachtet und alles hast du als Unrat erachtet, um Christus zu gewinnen,i alles hast du verkauft und es den Armen gegeben und bist dem Wort Gottes gefolgt?j Wer von euch, glaubst du, wird dergleichen von den Engeln hören? Derweil hört Abraham dieses Wort, und zu ihm wird gesagt: „Denn du hast deinen geliebten Sohn nicht verschont um meinetwillen.“k 9. „Und Abraham“, heißt es, „blickte sich um und sah mit seinen Augen, und da, ein Widder hatte sich mit seinen Hörnern in einem SabekStrauch verfangen.“l 318 Gerade eben haben wir meines Wissens gesagt, Isaak verkörpere das Abbild Christi.319 Nicht minder scheint aber auch dieser Widder das Abbild Christi zu verkörpern. Doch es lohnt der Mühe zu klären, wie jeder von beiden zu Christus in Beziehung steht – Isaak, der nicht getötet wurde, wie auch der Widder, der getötet wurde. Christus ist „das Wort Gottes“,m doch „das Wort ist Fleisch geworden“.n Ein Teil Christi entstammt also den oberen Sphären, der andere ging aus der menschlichen Natur und aus dem jungfräulichen Schoß hervor. Christus leidet also, je318 Griech. sabeÂk („Dickicht“). Die Septuaginta nennt neben dem griechischen Lehnwort auch das hebräische Wort für „Dickicht“, sebak. 319 Vgl. Kap. 1 Ende (GCS Orig. 6, 78) und Kap. 6 Anfang (6, 81).

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Homilia VIII

Patitur ergo Christus, sed in carne; et pertulit mortem, sed caro, cuius hic aries forma est; sicut et Iohannes dicebat: „Ecce agnus Dei, ecce qui tollit peccatum mundi.“ a Verbum uero „in incorruptione“ b permansit, quod est secundum spiritum Christus, cuius imago est Isaac. Ideo ipse et hostia est et pontifex. Secundum spiritum namque offert hostiam Patri, secundum carnem ipse in altari crucis offertur, quia, sicut dictum est de eo: „Ecce agnus Dei, ecce qui tollit peccatum mundi“, c ita de eo dictum est: „Tu es sacerdos in aeternum secundum ordinem Melchisedech.“ d Tenetur ergo cornibus aries in uirgulto Sabec. e 10. „Et accepit“, inquit, „arietem et obtulit eum holocaustum pro Isaac filio suo, et uocauit Abraham nomen loci illius: Dominus uidit.“ f Scientibus haec audire intellegentiae spiritalis euidens panditur uia. Omnia enim, quae gesta sunt, ad uisionem perueniunt; dicitur namque quia Dominus uidit. Visio autem, quam Dominus uidit, in spiritu est, ut et tu haec, quae scripta sunt, in spiritu uideas et, sicut in Deo corporeum nihil est, ita etiam tu in his omnibus nihil corporeum sentias, sed in spiritu generes etiam tu filium Isaac, cum habere coeperis fructum spiritus, gaudium, pacem. g Quem tamen filium ita demum generabis, si, ut de Sarra scriptum est quia: „Defecerunt Sarrae muliebria“ h et tunc genuit Isaac, ita deficiant et in anima tua muliebria, ut nihil iam muliebre et effeminatum habeas in anima tua, sed uiriliter agas i et uiriliter praecingas lumbos tuos, j si sit pectus tuum thorace iustitiae munitum, si galea salutari et gladio spiritus accingaris. k Si ergo deficiant muliebria fieri in anima tua, generas filium de coniuge tua, uirtute et sapientia, gaudium ac laetitiam. Generas autem gaudium, si omne gaudium existimaueris, cum in temptationes uarias incideris l et istud gaudium offers in sacrificium Deo. Cum enim laetus accesseris ad Deum, iterum tibi reddit, quod obtuleris, et dicit tibi quia: „Iterum uidebitis me, et gaudebit cor uestrum, et gaudium uestrum nemo auferet a uobis.“ m Sic ergo quae obtuleris Deo, multiplicata recipies. Tale aliquid, licet per aliam figuram, refertur in euangeliis, cum per parabolam dicitur accepisse quis mnam, ut negotiaretur et patrifamilias peJoh. 1,29 b 1 Kor. 15,42 c Joh. 1,29 d Ps. 109(110),4 e vgl. Gen. 22,13 f Gen. g h i j 22,13f. vgl. Gal. 5,22 Gen. 18,11 vgl. Dtn. 31,6 u.ö. vgl. Eph. 6,14 k l m vgl. Eph. 6,14.17 vgl. Jak. 1,2 Joh. 16,22.17 a

320 Vgl. in Ioh. comm. VI 53,273–275 (GCS Orig. 4, 161f.). – Diese Passage vermittelt in nuce Origenes’ Christologie: Christus ist zugleich Gott und Mensch; siehe auch Fe´dou, La sagesse et le monde 72–79. 321 Vgl. Philon, ebr. 59f. (I p. 181 Cohn/Wendland): „Sarah, die tugendliebende Denkart (hë filareÂth diaÂnoia), wird in der heiligen Schrift so eingeführt, ,als hätte sie alles Weibliche verlassen‘ (Gen. 18,11), als sie den selbstlernenden Sprößling

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doch im Fleisch; und er hat den Tod erfahren, jedoch sein Fleisch, dessen Abbild dieser Widder verkörpert. So sagte auch Johannes: „Siehe, das Lamm Gottes, siehe, das hinwegnimmt die Sünde der Welt.“a Das Wort hingegen, das Christus dem Geist nach ist, verharrte „in der Unvergänglichkeit“;b sein Abbild verkörpert Isaak. Deshalb ist er Opfertier wie Priester. Dem Geist nach nämlich bringt er das Opfertier dem Vater dar, dem Fleisch nach aber wird er selbst auf dem Altar des Kreuzes dargebracht, denn wie es von ihm heißt: „Siehe, das Lamm Gottes, siehe, das hinwegnimmt die Sünde der Welt“,c so heißt es von ihm: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.“d 320 Es verfing sich also ein Widder mit seinen Hörnern in einem Sabek-Strauch.e 10. „Und er nahm“, heißt es, „den Widder und brachte ihn als Brandopfer anstelle seines Sohnes Isaak dar, und Abraham gab jener Stätte den Namen: „Der Herr sah.“f Für die, die das zu hören verstehen, erschließt sich hier ein offensichtlicher Weg zum geistigen Verständnis. Denn alles, was geschehen ist, gelangt vor Gottes Gesicht; heißt es doch, der Herr sah. Das aber, was der Herr sah, ist im Geist, damit auch du im Geist siehst, was geschrieben steht. Und wie sich in Gott nichts Körperliches findet, so sollst auch du in all dem nichts Körperliches entdecken, sondern auch du sollst im Geist einen Sohn zeugen, Isaak – wenn du beginnst, die Frucht des Geistes zu besitzen, Freude und Friede.g 321 Diesen Sohn wirst du aber dann erst zeugen – so wie es von Sarah geschrieben steht, dass „Sarahs Weiblichkeit versiegte“,h 322 und dann gebar sie den Isaak –, wenn auch in deiner Seele das Weibliche versiegt, so dass du nichts Weibliches und Weichliches mehr in deiner Seele trägst, sondern männlich handelsti und männlich deine Lenden gürtest,j wenn deine Brust mit dem Harnisch der Gerechtigkeit gepanzert ist, wenn du dich mit dem Helm des Heils und dem Schwert des Geistes wappnest.k Wenn das Weibliche in deiner Seele also versiegt, dann zeugst du mit deiner Gattin, mit Tugend und Weisheit, deinen Sohn, Freude und Heiterkeit. Du zeugst aber Freude, wenn du alles als Freude begreifst, wenn du in vielerlei Versuchungen gerätstl und diese Freude Gott zum Opfer darbringst. Denn wenn du dich Gott froh nahst, gibt er dir wieder zurück, was du gegeben hast, und sagt dir: „Ihr werdet mich wiedersehen, und euer Herz wird frohlocken, und niemand wird euch eure Freude entreißen.“m So wirst du denn, was du Gott gibst, vielfältig zurückempfangen.323 Solches, wenn auch in einem anderen Sinnbild, erzählen die Evangelien, wenn es in einem Gleichnis heißt, einer habe eine Mine empfangen, um (toÁ ayÆtomaueÁw geÂnow) unter Schmerzen gebären sollte, Isaak.“ – Diese Aussage scheint eine wörtliche Auslegung der Isaak-Geschichte nahezu auszuschließen. 322 Muliebria hier im Sinn von „Monatsblutung“. 323 Vgl. in Num. hom. 12,3 (GCS Orig. 7, 102): „Das, was wir Gott darbringen, bleibt uns erhalten.“

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Homilia VIII

cuniam quaereret. Sed si attuleris quinque multiplicata in decem, tibi ipsi donantur, tibi conceduntur. a Audi enim quid dicit: „Tollite“, inquit, „huic minam et date illi, qui habet decem minas.“ b Sic ergo uidemur quidem Domino negotiari, sed nobis cedunt negotiationis lucra; et uidemur offerre Domino hostias, sed nobis, quae offerimus, redonantur. Deus enim nullius indiget, c sed nos uult diuites esse, nostrum desiderat per singula quaeque profectum. Haec nobis figura ostenditur etiam in his, quae gesta sunt erga Iob. Et ille enim propter Deum perdidit omnia, cum diues esset. Sed quia bene pertulit agonas patientiae et in omnibus, quae passus est, magnanimus fuit et dixit: „Dominus dedit, Dominus abstulit; ut Domino placuit, ita factum est; sit nomen Domini benedictum“, d uide ad ultimum, quid de eo scribitur: „Recepit“, inquit, „omnia dupla, quae amiserat.“ e Vides quid est amittere aliquid pro Deo, hoc est multiplicata recipere. Tibi autem et amplius aliquid euangelia promittunt, „centupla“ tibi pollicentur, insuper et „uitam aeternam“ f in Christo Iesu Domino nostro, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen.“ g a e

b vgl. Lk. 19,12–27 (Mt. 25,14–30) Lk. 19,24 f g Ijob 42,10 Mt. 19,29 1 Petr. 4,11

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vgl. Apg. 17,25

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Geschäfte zu machen und für seinen Herrn Geld zu verdienen. Erwirtschaftest du aber aus fünf Minen zehn, bekommst du sie geschenkt, überlässt man sie dir.a Denn höre, was geschrieben steht: „Nehmt ihm“, heißt es, „die Mine weg und gebt sie dem, der zehn Minen hat.“b So scheinen wir denn für den Herrn Geschäfte zu machen, doch der Gewinn aus den Geschäften fällt uns zu; wir scheinen dem Herrn Opfertiere darzubringen, doch was wir darbringen, wird uns zurückgeschenkt. Denn Gott ermangelt es an nichts,c 324 doch er will, dass wir reich sind, in einem jeden Werk ersehnt er unseren Fortschritt. Dieses Sinnbild zeigt sich uns auch in dem, was Ijob widerfahren ist. Denn auch er verlor alles durch Gott, obgleich er reich war. Doch weil er sich tapfer hielt im Wettkampf der Geduld und sich in allem, was er erlitt, hochherzig zeigte und sagte: „Der Herr gab es, der Herr nahm es; wie es dem Herrn gefiel, so geschah es; der Name des Herrn sei gepriesen“d – merke auf das, was zuletzt über ihn geschrieben steht: „Alles, was er verloren hatte“, heißt es, „empfing er doppelt zurück.“e Du siehst, was es heißt, etwas für Gott zu verlieren, nämlich es vielfältig zurückzuerhalten. Dir verheißen die Evangelien aber noch Größeres: „Hundertfältiges“ versprechen sie dir und zudem „das ewige Leben“f in Jesus Christus, unserem Herrn. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“g

324 Vgl. z.B. Philon, deus immut. 7 (II p. 58 Cohn/Wendland): „(Gott) ist keiner Sache bedürftig (xreiÄow d’ oyÆdeno`w vÃn [sc. oë ueoÂw]).“ So schon Xenophon, mem. I 6,10.

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HOMILIA IX De repromissionibus secundis ad Abraham factis

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1. Quantum legentes progredimur, tantum nobis sacramentorum cumulus augetur. Et ut si quis exiguo uectus nauigio ingrediatur mare, donec terrae uicinus est, minus metuit; cum uero paulatim in altum fuerit progressus et undis intumescentibus uel in excelsum attolli coeperit uel eisdem dehiscentibus in ima deduci, ibi uero mentem pauor ingens et formido percurrit, quod exiguam ratem tam inmensis fluctibus credidit: Ita etiam nos pati uidemur, qui exigui meritis et ingenio tenues inire tam uastum mysteriorum pelagus audemus. Sed si orantibus uobis Dominus dignetur Spiritus sui sancti auram nobis prosperam dare, secundo uerbi cursu portum salutis intrabimus. Videamus ergo nunc quae sunt, quae nobis recitata sunt. „Et uocauit“ inquit, „angelus Domini Abraham secundo de caelo dicens: Per me ipsum iuraui, dicit Dominus, propter quod fecisti uerbum hoc, et non pepercisti filio tuo dilecto propter me, benedicens benedicam te, et multiplicans multiplicabo te, et erit semen tuum sicut stellae caeli in multitudine, et sicut harena maris, quae non potest dinumerari“ a et cetera. Sollicitum haec et intentum auditorem requirunt. Nouum est enim, quod dicit: „Et uocauit angelus Domini Abraham secundo de caelo.“ b Quod tamen addit, non est nouum. Nam ,benedicens benedicam te‘ c et ante iam dictum est, et ,multiplicans multiplicabo te‘ d ante promissum est, et ,erit semen tuum sicut stellae caeli, et sicut harena maris‘ e et prius fuerat pronuntiatum. Quid ergo est nunc amplius, quod secundo clamatur e caelo? Quid noui ueteribus repromissionibus additur? Quid plus praemii datur in eo, quod dicit: „Propter quod fecisti uerbum hoc,“ f id est propter quod filium obtulisti, propter quod non pepercisti unico filio tuo? Nihil additum uideo, eadem repetunb Gen. 22,15–17 Gen. 22,15 f Gen. 22,17 Gen. 22,16

a

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vgl. Gen. 12,2; 22,17

d

vgl. Gen. 16,10

e

vgl.

325 Das Bild ist klassisch, z.B. Paulinus von Petricordia, vit. Mart. II 1–8 (CSEL 16, 34f.). Eine verwandte Schilderung, die Origenes kaum gekannt haben dürfte, findet sich in Lukan, bell. civ. V 560–677. 326 In dem „Wort“ (uerbum) verbirgt sich wohl eine christologische Anspielung auf das

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HOMILIE 9 Über die weiteren Verheißungen an Abraham

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1. Je weiter wir in unserer Lektüre voranschreiten, desto mehr Geheimnisse türmen sich vor uns auf. Und wie einer, wenn er in einem kleinen Kahn sitzt und aufs Meer hinausfährt, sich kaum fürchtet, solange er in der Nähe des Ufers bleibt; gelangt er aber allmählich auf die hohe See hinaus und schicken die sich auftürmenden Wogen sich an, ihn in die Höhe zu heben oder, wenn sie brechen, in den Abgrund zu ziehen, da durchströmen gewaltiger Schrecken und Furcht seinen Geist, dass er ein winziges Boot so gewaltigen Fluten anvertraut hat:325 So scheint es auch uns zu ergehen, die wir es wagen, in unseren Verdiensten gering und schwach in unserem Geist, ein so gewaltiges Meer voller Geheimnisse zu befahren. Doch wenn auf euer Gebet hin der Herr geruht, uns das verheißungsvolle Wehen seines Heiligen Geistes zu schenken, werden wir auf dem glücklichen Kurs des Wortes326 den Hafen des Heils erreichen. Nun wollen wir also ansehen, was uns da vorgelesen wurde. „Und es rief“, heißt es, „der Engel des Herrn Abraham ein zweites Mal vom Himmel und sprach: Bei mir selbst habe ich geschworen, spricht der Herr, weil du dieses Gebot erfüllt und deinen geliebten Sohn nicht verschont hast um meinetwillen: Mit Segen werde ich dich segnen, und in Vermehrung werde ich dich vermehren, und dein Same wird in seiner Fülle wie die Sterne des Himmels sein und wie der Sand am Meer, der sich nicht zählen lässt“,a und so fort. Diese Worte erfordern einen wachen und aufmerksamen Zuhörer. Denn was die Schrift hier sagt, ist neu: „Und es rief der Engel des Herrn Abraham ein zweites Mal vom Himmel.“b Doch was sie hinzufügt, ist nicht neu. Denn ,mit Segen werde ich dich segnen‘c wurde bereits zuvor gesagt, und ,in Vermehrung werde ich dich vermehren‘d wurde zuvor verheißen, und ,dein Same wird wie die Sterne des Himmels sein und wie der Sand am Meer‘e wurde zuvor verkündet. Was also wird nun beim zweiten Mal zusätzlich vom Himmel gerufen? Was tritt den alten Verheißungen Neues zur Seite? Was macht die Auszeichnung hier größer, dass er sagt, „weil du dieses Gebot erfüllt hast“,f das heißt weil du deinen Sohn dargebracht hast, weil du deinen einzigen Sohn nicht verschont hast? Ich sehe nichts hinzugefügt;

„Wort Gottes“, zumal auch „der Herr“ und der „Heilige Geist“ genannt werden; vgl. auch Doutreleau, SC 7bis, 236f. Anm. 1.

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Homilia IX

tur, quae prius fuerant repromissa. Ergo superfluum uidebitur eadem saepius retractare? Immo necessarium. In sacramentis enim fiunt cuncta, quae fiunt. Abraham si tantum „secundum carnem“ a uixisset et unius populi, quem „secundum carnem“ genuit, pater fuisset, una suffecerat repromissio. Nunc uero, ut ostenderet eum primo patrem futurum eorum, qui „secundum carnem“ circumcisi sunt, circumcisionis suae tempore datur ei promissio, quae ad populum circumcisionis pertinere deberet. Secundo, quia pater esset futurus etiam eorum, „qui ex fide sunt“ b et qui per passionem Christi ueniunt ad hereditatem, tempore nihilominus passionis Isaac promissio renouatur, quae pertinere debeat ad eum populum, qui passione Christi ac resurrectione saluatur. Et eadem quidem repeti uidentur, sed longe diuersa sunt. Illa enim, quae prius dicta sunt et ad priorem populum pertinent, in terris dicta sunt. Sic enim dicit scriptura: „Et eduxit eum foras“ – de tabernaculo scilicet – „et dixit ei: Respice stellas caeli, si dinumerari possunt a multitudine.“ Et addidit: „Sic erit semen tuum.“ c Vbi autem secundo repetitur promissio, designat quia locutus est ei de caelo; d et datur promissio prima de terra, secunda de caelo. Nonne aperte hic illud designare uidetur, quod apostolus dicit: „Primus homo de terra terrenus, secundus homo de caelo caelestis“? e Ista ergo promissio, quae ad fidelem populum pertinet, de caelo fit, illa de terra. In illa sermo tantummodo fuit, hic interponitur iusiurandum, quod interpretatur ad Hebraeos scribens sanctus apostolus hoc modo dicens: „Volens“, inquit, „Deus ostendere pollicitationis heredibus inmobilitatem consilii sui, interposuit iusiurandum.“ f Et iterum: „Homines“, inquit, „per maiorem sui iurant.“ g „Deus autem quoniam neminem habuit, per quem iuraret maiorem,“ h per memet ipsum iuro, dixit Dominus. i Non quod Deum iurisiurandi necessitas urgeret (quis enim ab eo exigeret sacramentum?), sed sicut interpretatus est apostolus Paulus, quo per hoc inmobilitatem consilii sui cultoribus designaret. j Sic et alibi per prophetam dicitur: „Iurauit Dominus nec poenitebit eum: Tu es sacerdos in aeternum secundum ordinem Melchisedech.“ k Tum deinde in prima repromissione non habet positam causam, cur data sit repromissio, tantum quod eduxit eum foras et „ostendit“ a g

Gal. 4,23 Hebr. 6,16

b

Gal. 3,9 c Gen. 15,5 d vgl. Gen. 22,15 e 1 Kor. 15,47 f Hebr. 6,17 h i j k Hebr. 6,13 vgl. Gen. 22,16 vgl. Hebr. 6,17 Ps. 109(110),4

327 Explikatives et („denn“ o.ä.). 328 Bereits Philon erklärt Jahwes Schwur: Er schwört „bei sich selbst, dem besten aller Wesen“, vgl. leg. all. III 203 (I p. 158 Cohn/Wendland); vgl. Hirzel, Eid 18 Anm. 1.

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eben das wird wiederholt, was zuvor verheißen worden war. Wird es also überflüssig erscheinen, zu wiederholten Malen auf dasselbe zurückzukommen? Im Gegenteil, es ist notwendig. Denn alles, was geschieht, geschieht in Geheimnissen. Hätte Abraham nur „gemäß dem Fleisch“a gelebt und wäre er der Vater nur eines Volkes gewesen, das er „gemäß dem Fleisch“ zeugte, so hätte eine Verheißung genügt. So aber wird ihm, um ihn zunächst als künftigen Vater derer vorzustellen, die „gemäß dem Fleisch“ beschnitten sind, zur Zeit seiner Beschneidung das Versprechen zuteil, das sich auf das Volk der Beschneidung beziehen musste. Dessen ungeachtet wird aber danach, weil er auch der Vater derer sein sollte, die „aus dem Glauben stammen“b und durch Christi Leiden zur Erbschaft gelangen, zur Zeit von Isaaks Leiden das Versprechen erneuert, das sich auf das Volk beziehen muss, das durch Christi Leiden und Auferstehung erlöst wird. Zwar scheinen dieselben Dinge wiederholt zu werden, doch sie sind ganz verschieden. Denn das, was zuerst gesagt wurde und sich auf das erste Volk bezieht, wurde auf Erden gesagt. So nämlich sagt die Schrift: „Und er führte ihn hinaus“, nämlich aus dem Zelt, „und sprach zu ihm: Schau die Sterne am Himmel an, ob sie sich zählen lassen in ihrer Fülle.“ Und er setzte hinzu: „So wird dein Same sein.“c Wenn die Verheißung danach aber wiederholt wird, weist die Schrift darauf hin, dass er vom Himmeld zu ihm sprach; das heißt327 die erste Verheißung wird auf Erden erteilt, die zweite vom Himmel. Scheint das nicht offen auf das zu verweisen, was der Apostel sagt: „zuerst der irdische Mensch auf Erden, dann der himmlische Mensch vom Himmel“?e Die Verheißung, die sich auf das gläubige Volk bezieht, ergeht also vom Himmel, die andere auf Erden. In der anderen gab es nur eine Aussage; hier wird ein Eid abgelegt, den der heilige Apostel in seinem Brief an die Hebräer folgendermaßen deutet. Er sagt: „Gott“, heißt es, „der den Erben der Verheißung die Unerschütterlichkeit seines Ratschlusses zeigen wollte, legte einen Eid ab.“f Ferner heißt es: „Die Menschen schwören bei dem, der höher ist als sie.“g „Da Gott aber keinen Höheren hatte, bei dem er schwören konnte“,h schwöre ich bei mir selbst, sprach der Herr.i Nicht dass Notwendigkeit Gott dazu drängte, einen Eid abzulegen (denn wer forderte von ihm einen Eid?),328 sondern, wie es der Apostel Paulus gedeutet hat, um dadurch den Gläubigen die Unerschütterlichkeit seines Ratschlusses vor Augen zu führen.j So heißt es auch anderen Orts aus Prophetenmund: „Der Herr hat geschworen, und es wird ihn nicht reuen: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.“k Damals bei der ersten Verheißung hat er keinen Grund dafür angegeben,329 warum die Verheißung ergangen ist, nur dass er ihn hinaus329 Denkbar statt „er“ (sc. Gott) wäre hier und in den folgenden Sätzen auch „sie“ (sc. die Heilige Schrift).

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Homilia IX

inquit „ei stellas caeli“, „et dixit: Sic erit semen tuum.“ a Nunc uero addit causam, propter quam iuramento confirmat promissionem firmam futuram. Dicit enim: „Quia fecisti uerbum hoc et non pepercisti filio tuo.“ b Ostendit ergo quia propter oblationem uel passionem filii promissio firma sit, euidenter designans quia propter passionem Christi populo ex gentibus, „qui ex fide est Abrahae“ c, maneat firma promissio. Et numquid in hoc solo secunda firmiora sunt primis? In multis huiuscemodi adumbrata inuenies sacramenta. Primas tabulas legis in littera confregit Moyses et abiecit; d secundam legem in spiritu suscepit et sunt firmiora secunda quam prima. Rursus idem ipse, cum omnem legem in quattuor libris conprehendisset, Deuteronomium scribit, quod secunda lex dicitur. Ismael primus est, secundus Isaac, et similis in secundo praelationis forma seruatur. e Hoc et in Esau et Iacob, f in Ephrem et Manasse g et in mille aliis similiter inuenies adumbratum. 2. Redeamus nunc ad nosmet ipsos et moralem locum per singulos quosque tractemus. Apostolus dicit, sicut iam superius memorauimus: „Primus homo de terra terrenus, secundus homo de caelo caelestis. Qualis terrenus, tales et terreni, et qualis caelestis, tales et caelestes. Sicut portauimus imaginem terreni, portemus et imaginem caelestis.“ h Vides, quid ostendit, quia, si permanseris in eo, quod primum est, quod de terra est, reprobaberis, nisi te conmutes, nisi conuersus fueris, nisi caelestis effectus imaginem caelestis acceperis. Hoc idem est, quod et alibi dicit: „Exuentes uos ueterem hominem cum actibus suis, et induentes nouum, qui secundum Deum creatus est.“ i Id ipsum et in alio loco scribit: „Ecce, uetera transierunt, facta sunt omnia noua.“ j Idcirco ergo promissiones suas renouat Deus, ut ostendat tibi quia debes et tu renouari. Non permanet ille in ueteribus, ne et tu „uetus homo“ k permaneas; „de caelo“ l haec loquitur, ut et tu „imaginem caelestis“ m accipias. Nam quid tibi proderit, si Deus innouet promissiones et tu non innoueris? Si ille ,de caelo‘ loquatur et tu ,de terra‘ audias? Quid tibi proderit, si Deus se iuramento constringat et tu haec quasi communem audiens fabulam transeas? Quare non consideras quod propter te Deus etiam ea, quae naturae suae apta minime uidentur, amplectitur? Iurare dicitur b c d Gen. 15,5 Gen. 22,16 Röm. 4,16 vgl. Ex. 32,19 vgl. Gen. 25,25–28 g vgl. Gen. 41,51f. h 1 Kor. 15,47–49 k l m 5,17 Röm. 6,6 1 Kor. 15,47 1 Kor. 15,49 a f

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e vgl. Gen. 17,19–21 Kol. 3,9f. j 1 Kor.

330 Vgl. Kap. 1 (GCS Orig. 6, 88), wo das Zitat ungenauer übersetzt ist: „zuerst der irdische Mensch auf Erden, dann der himmlische Mensch vom Himmel“. 331 Wieder de terra, wie zweimal am Anfang von Kap. 2. Die Wendung umfasst

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führte und „ihm die Sterne am Himmel zeigte“, heißt es, „und hinzusetzte: So wird dein Same sein“.a Nun aber fügt er den Grund hinzu, um dessentwillen er die künftige Verheißung mit einem Eid fest bekräftigt. Denn er sagt, „weil du dieses Gebot erfüllt und deinen Sohn nicht verschont hast“.b Er legt also dar, dass die Verheißung wegen des Opfers oder Leidens des Sohnes gewiss ist, und zeigt so offensichtlich, dass wegen des Leidens Christi für das Volk aus den Heiden, „das Abrahams Glauben entstammt“,c die Verheißung gewiss bleibt. Und ist etwa nur in dieser Geschichte das Zweite gewisser als das Erste? In vielen Geschichten wirst du derlei Geheimnisse angedeutet finden. Die ersten Gesetzestafeln im Buchstaben zerbrach Mose und warf sie zu Boden;d das zweite Gesetz empfing er im Geist – und das Zweite ist gewisser als das Erste. Nachdem er das gesamte Gesetz in vier Büchern zusammengefasst hatte, schreibt eben er auch das Deuteronomium, was „zweites Gesetz“ heißt. Ismael ist der erste, Isaak der zweite, und eine ähnliche Art der Bevorzugung wird dem zweiten zuteil.e Ähnlich wirst du dies auch in Esau und Jakob,f in Ephraim und Manasseg und in tausend anderen angedeutet finden. 2. Wir wollen nun zu uns selbst zurückkehren und die moralische Auslegung Punkt für Punkt abhandeln. Wie wir bereits vorhin erwähnten, sagt der Apostel: „Der erste Mensch von Erde ist irdisch, der zweite Mensch vom Himmel himmlisch.330 Wie der irdische Mensch, so sind auch die irdischen beschaffen, und wie der himmlische, so auch die himmlischen. Wie wir das Bild des irdischen Menschen getragen haben, so wollen wir auch das Bild des himmlischen tragen.“h Du siehst, was er zeigt: Wenn du in dem verharrst, was zuerst ist, was von Erde ist, wirst du verworfen werden – es sei denn, du änderst dich, es sei denn, du verwandelst dich, es sei denn, du wirst himmlisch und empfängst das Bild des himmlischen Menschen. Dies ist dasselbe, was er auch anderen Orts sagt: „Die ihr den alten Menschen samt seinen Taten ablegt und den neuen anlegt, der Gott gemäß erschaffen wurde.“i Das Gleiche schreibt er auch an anderer Stelle: „Siehe, das Alte ist vergangen, alles ist neu geworden.“j Deshalb also erneuert Gott seine Verheißungen, um dir zu zeigen, dass auch du erneuert werden musst. Er hält nicht am Alten fest, damit auch du nicht am „alten Menschen“k festhältst. Er spricht „vom Himmel“,l damit auch du das „Bild des himmlischen Menschen“m empfängst. Denn was wird es dir nutzen, wenn Gott seine Verheißungen erneuert und du nicht erneuert wirst? Wenn er ,vom Himmel‘ spricht und du ,von Erde‘ hörst?331 Was nützt es dir, wenn Gott sich mit einem Eid bindet und du dies übergehst, als hörtest du eine alltägliche Geschichte? Warum bedenkst du nicht, dass Gott um deinetwillen sogar Dinge auf sich nimmt, die seinem Wesen nicht im Mindesten zu entsprechen den Stoff („aus Erde“) und die Herkunft („von der Erde“); hier steht sie für den Ort („auf Erden“) oder wahrscheinlicher den Inhalt des Gehörten („Irdisches“).

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Deus, ut tu audiens paueas et intremescas et metu consternatus inquiras, quid illud tantum est, pro quo Deus iurare dicatur. Fiunt ergo haec, ut tu attentus et sollicitus fias et audiens tibi repromissionem parari in caelis uigiles et requiras, quatenus diuinis promissionibus dignus existas. Verumtamen hunc locum et apostolus interpretatur dicens quia: „Abraham promisit Deus et semini eius. Non dixit: Et seminibus tamquam in multis, sed tamquam in uno: Et semini tuo, qui est Christus.“ a De Christo ergo dicitur: „Multiplicans multiplicabo semen tuum, et erunt sicut stellae caeli in multitudine, et sicut harena, quae est ad oram maris.“ b Quis iam expositionem indiget, ut sciat semen Christi quomodo multiplicetur, qui uidet a finibus terrae „usque ad fines terrae“ c praedicationem euangelii propagatam et nullum paene esse iam locum, qui non semen uerbi susceperit? Hoc namque et in initiis mundi praefigurabatur, cum diceretur Adae: „Crescite et multiplicamini.“ d Quod et ipsum dicit apostolus in Christo dici et in ecclesia. e Quod autem dixit: „sicut stellae caeli in multitudine“ et adiecit: „et sicut harena, quae est ad oram maris innumerabilis,“ f fortasse quidem dicat aliquis caelestis numeri figuram Christianorum populo, harenae maris Iudaico conuenire. Ego tamen hoc magis puto quod utrumque exemplum utrique populo possit aptari. Nam et in illo populo fuerunt multi iusti et prophetae, quibus stellarum caeli merito conparatur exemplum; et in nostro populo sunt multi, „qui terrena sapiunt“ g et quorum stultitia grauior est harenae maris, h in quibus praecipue haereticorum turbas arbitror deputandas. Sed ne nos quidem securi simus; donec enim quis nostrum non deponit „imaginem terreni“ et induit „imaginem caelestis“, i terrenis conparatur exemplis. Vnde et apostolus ex his, ut opinor, motus in caelestibus et terrestribus corporibus resurrectionis format imaginem dicens: „Alia quidem caelestium gloria, alia autem terrestrium.“ Et „stella ab stella differt in gloria; ita erit et resurrectio mortuorum.“ j Sed et Dominus cum dicit: „Vt luceat lux uestra coram hominibus et uidentes homines opera uestra bona glorificent Patrem uestrum, qui in caelis est,“ k hoc idem conmonet eum, qui nouit audire. Gal. 3,16 Gen. 22,17 5,16 a f

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Gen. 22,17 g Phil. 3,19

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Ps. 18(19),5 (Röm. 10,18) d Gen. 1,28 e vgl. Eph. 5,32 vgl. Ijob 6,3 i 1 Kor. 15,49 j 1 Kor. 15,40–42 k Mt.

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332 Vgl. Philon, quaest. in Gen. IV 180 (p. 193 Petit). 333 Zu der fast nur spät belegten Konstruktion indigere mit Akkusativ vgl. ThLL VII/1, 1173,33–38; 1175,32–58. 334 Siehe unten S. 240 Anm. 429. – Realistischer äußert Origenes sich in Mt. comm. ser. 39 (GCS Orig. 11, 76), wo er etliche Völker außerhalb des Römischen Reiches aufzählt, zu denen das Evangelium noch nicht gedrungen ist. 335 Vgl. in Gen. hom. 1,7 (GCS Orig. 6, 8): „Mose ist ein Stern in uns, der strahlt und uns mit seinen Taten erleuchtet. Ebenso Abraham, Isaak und Jakob, Jesaia, Jeremia

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scheinen? Gott, so heißt es, schwört, damit du, wenn du dies hörst, dich ängstigst und erbebst und von Furcht gepackt fragst, was so gewaltig sei, dass es heißt, um dessentwillen schwöre Gott.332 Dies geschieht also, damit du aufmerkst und wach wirst und, wenn du hörst, dass dir im Himmel eine Verheißung bereitet wird, wachsam bleibst und dich fragst, wie du dich der göttlichen Versprechen würdig erweist. Doch diese Stelle deutet auch der Apostel, wenn er sagt, dass „Gott Abraham und seinem Samen die Verheißung gab. Er sagte nicht: und den Samen, als betreffe es viele, sondern als betreffe es einen: und deinem Samen, nämlich Christus“.a Von Christus heißt es folglich: „In Vermehrung werde ich deinen Samen vermehren, und sie werden in ihrer Fülle wie die Sterne des Himmels sein und wie der Sand am Meeresgestade.“b Wer bedarf noch einer Erklärung,333 um zu begreifen, wie sich Christi Same vermehrt, wenn er sieht, wie die Verkündigung des Evangeliums von einem Ende der Erde „zum anderen“c verbreitet ist und dass es beinahe keinen Ort mehr gibt, der nicht den Samen des Wortes empfangen hat?334 Dies wurde nämlich auch am Anfang der Welt im Bild vorweggenommen, als Adam gesagt wurde: „Wachset und vermehrt euch!“d Eben diese Worte, so der Apostel, gelten Christus und der Kirche.e Da er aber sagte: „wie die Sterne des Himmels in ihrer Fülle“, und hinzufügte: „und wie der Sand am Meeresgestade, ohne Zahl“f, könnte man auf die Idee kommen, das Bild der himmlischen Zahl beziehe sich auf das Volk der Christen, das vom Sand am Meer auf das jüdische Volk. Ich denke jedoch eher, dass beide Beispiele sich auf beide Völker anwenden lassen. Denn auch in jenem Volk gab es viele Gerechte und Propheten, mit denen sich das Beispiel von den Sternen des Himmels mit gutem Grund vergleichen lässt.335 Umgekehrt gibt es in unserem Volk viele, „die Irdisches denken“g und deren Torheit schwerer wiegt als der Sand am Meer.h Ihnen muss man meines Erachtens vornehmlich die Scharen der Ketzer zurechnen. Doch dass auch wir uns nicht in Sicherheit wiegen! Denn solange einer unter uns „das Bild des irdischen Menschen“ nicht ablegt und „das Bild des himmlischen“i anlegt, gleicht er den irdischen Beispielen.336 Auch der Apostel entwirft daher meines Erachtens unter dem Eindruck solcher Gedanken sein Bild von der Auferstehung in himmlischen und irdischen Leibern. Er sagt: „Eine Sache ist die Pracht der himmlischen Körper, eine andere die der irdischen.“ Auch „Stern von Stern unterscheidet sich in seiner Pracht. So wird auch die Auferstehung der Toten sein.“j Doch eben dies legt auch der Herr dem ans Herz, der zu hören versteht, sagt er doch, „auf dass euer Licht vor den Menschen erstrahle und die Menschen, die eure guten Werke sehen, euren Vater preisen, der in den Himmeln ist.“k und Ezechiel, David und Daniel und alle, denen die Heilige Schrift bezeugt hat, dass sie Gott gefielen.“ 336 Verkürzt für „Beispiele eines irdischen, das heißt weltzugewandten Lebens“.

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3. Quod autem Christus semen Abrahae et filius Abrahae sit, si uis euidentius scripturae uerbis discere, audi, quomodo in euangelio scriptum est: „Liber“, inquit, „generationis Iesu Christi, Filii Dauid, Filii Abraham.“ a In hoc ergo conpletur et ille sermo, quem dicit: „Hereditate capiet semen tuum ciuitates aduersariorum.“ b Quomodo hereditate cepit Christus ciuitates aduersariorum? Per hoc sine dubio quod „in omnem terram exiuit sonus“ apostolorum, et „in orbem terrae uerba eorum“. c Vnde et ad iracundiam excitati sunt angeli illi, qui singulas quasque nationes sub potestate retinebant. „Cum enim diuideret Excelsus gentes secundum numerum angelorum Dei, tunc pars eius facta est Iacob et funiculus hereditatis eius Israhel.“ d Christus enim, ad quem dixerat Pater: „Pete a me, et dabo tibi gentes hereditatem tuam, et possessionem tuam terminos terrae“ e depellens ipsos angelos potestate et dominatione, quam habebant in nationibus, prouocauit eos ad iracundiam. Et idcirco dicit quia „adstiterunt reges terrae et principes congregati sunt in unum aduersus Dominum et aduersus Christum eius“. f Ideo aduersantur etiam nobis atque agonas contra nos et certamina concitant. Hinc et apostolus Christi: „Lucta est non aduersum carnem et sanguinem, sed aduersus principatus et potestates et mundi huius rectores.“ g Propterea ergo uigilandum nobis est et sollicite agendum, quia „aduersarius noster sicut leo rugiens circuit, quaerens quem transuoret“. h Cui nisi restiterimus fortes in fide, i rursum nos in captiuitatem reuocabit. Quod si nobis eueniat, ingratum faciemus opus eius, qui cruci suae adfixit principatus et potestates, cum fiducia triumphans eos in semet ipso j et qui uenit dimittere captiuos in remissionem. k Quin potius fidem Christi sequentes, qui triumphauit eos, l disrumpamus uincula eorum, quibus nos deuinxerant potestati suae. Vincula uero, quibus nos constringunt, passiones et uitia nostra sunt, quibus tamdiu innectimur, donec carnem nostram crucifigamus cum uitiis et concupiscentiis m et ita demum „disrumpamus uincula eorum et proiciamus a nobis iugum ipsorum“. n Igitur occupauit semen Abrahae ciuitates aduersariorum, o id est semen uerbi, quod est praedicatio euangelii et fides Christi. a Mt. 1,1 b Gen. 22,17 c Ps. 18(19),5 (Röm. 10,18) d Dtn. 32,8f. 2,2 g Eph. 6,12 h 1 Petr. 5,8 i vgl. 1 Petr. 5,9 j vgl. Kol. 2,14f. l m n o vgl. Kol. 2,15 vgl. Gal. 5,24 Ps. 2,3 vgl. Gen. 22,17

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Ps. 2,8 f Ps. vgl. Lk. 4,18

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337 Anders in Ioh. comm. XIII 59,43 (GCS Orig. 4, 291): „Ich glaube, dass es bei der Wiederkunft Christi auch bei den herrschenden Mächten (sc. Engeln) eine Verwandlung zum Besseren geben wird.“ – Von den sog. Völkerengeln – Engeln, denen Gott die Herrschaft über ein Volk verliehen hat – berichten bereits frühe jüdische Quellen wie hier Dtn. 32,8f.; vgl. Michl, Engel II, 87. Eine besondere Rolle kommt ihnen in frühchristlichen Texten zu; vgl. Michl, Engel IV 164–166.

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3. Willst du aber offensichtlicher aus den Worten der Schrift erfahren, dass Christus der Same Abrahams und der Sohn Abrahams ist, höre, wie im Evangelium geschrieben steht: „Geschichte der Abkunft“, heißt es, „Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.“a Darin erfüllt sich also auch das Schriftwort, das er verkündet: „Dein Same wird die Reiche der Widersacher zum Erbe empfangen.“b Auf welche Weise empfing Christus die Reiche der Widersacher zum Erbe? Zweifellos doch dadurch, dass „die Stimme“ der Apostel „in alle Welt hinausging“ und „ihre Worte in den Erdkreis“.c So wurden auch jene Engel zur Wut gereizt, von denen jeder ein Volk in seiner Gewalt hatte.337 „Denn als der Erhabene die Völker nach der Zahl der Engel Gottes aufteilte, da fiel Jakob ihm zu, und Israel wurde sein Erbteil.“d 338 Denn Christus, zu dem der Vater gesagt hatte, „erbitte von mir, und ich werde dir die Stämme als dein Erbe geben und als deinen Besitz die Grenzen der Erde“,e verstieß die Engel aus ihrer Herrschaft und Macht, die sie über die Völker hatten, und reizte sie zur Wut. Deshalb steht geschrieben, dass „die Könige der Erde aufstanden und die Fürsten sich gegen den Herrn und seinen Gesalbten verbündeten“.f Deshalb widersetzen sie sich auch uns und zetteln Kampf und Streit gegen uns an. Daher sagt auch der Apostel Christi: „Unser Ringen geht nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte und Gewalten und die Lenker dieser Welt.“g Deshalb also müssen wir auf der Hut sein und wachsam handeln, denn „unser Widersacher streift umher wie ein brüllender Löwe, auf der Suche, wen er verschlinge“.h Wenn wir ihm nicht, stark im Glauben,i Widerstand leisten, wird er uns wieder in die Gefangenschaft zurückführen. Wenn uns dies widerfährt, werden wir das Werk dessen schlecht vergelten, der die Mächte und Gewalten an sein Kreuz heftete, da er voll Zuversicht in sich selbst über sie triumphierte,j und der gekommen ist, die Gefangenen in die Freiheit zu entlassen.k Lasst uns lieber dem Glauben Christi anhangen, der über sie triumphierte,l und ihre Fesseln zerbrechen, mit denen sie uns fest an ihre Macht gekettet hatten. Die Fesseln aber, in die sie uns schlagen, sind unsere Leidenschaften und Laster, die uns so lange umschlingen, bis wir unser Fleisch samt seinen Lastern und Begierden kreuzigenm und so endlich „ihre Fesseln zerbrechen und ihr Joch von uns werfen“.n So eroberte Abrahams Same die Reiche der Widersacher,o das heißt der Same des Wortes, nämlich die Verkündigung des Evangeliums und der Glaube an Christus.

Vgl. in Gen. hom. 16,2 (GCS Orig. 6, 138). Zu Origenes’ Angelologie insgesamt siehe Danie´lou, Orige`ne 219–242. 338 In der Septuaginta lautet der Schluss des Bibelzitats (Dtn. 32,9): sxoiÂnisma klhronomiÂaw ayÆtoy Ä Israhl, wörtlich: „das zugemessene Stück Land seines Erbteils, Israel“, in der Fassung der Vulgata: funiculus hereditatis eius Israhel, wörtlich: „die Messschnur (metonymisch: der Anteil) seines Erbes, Israel“.

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Homilia IX

Sed dico: Numquid iniquitate usus est Dominus, ut eriperet gentes de potestate aduersariorum et ad fidem suam ditionemque reuocaret? Nequaquam. Erat enim aliquando „pars Domini Israhel“, a sed illi peccare fecerunt Israhel a Deo suo, et propter peccata sua dixit eis Deus: „Ecce peccatis uestris distracti estis, et propter peccata uestra dispersi estis sub uniuerso caelo.“ b Sed iterum dicit ad eos: „Si fuerit dispersio uestra ab extremo caeli usque ad extremum eius, inde congregabo uos, dicit Dominus.“ c Quia ergo primi principes huius mundi d inuaserant partem Domini, e necesse habuit „pastor bonus“, f relictis in supernis nonaginta et nouem, descendere ad terras et unam ouem, quae perierat, quaerere inuentamque eam et humeris reuectam, ad supernum perfectionis ouile reuocare. g Sed quid mihi prode est, si semen Abrahae, „qui est Christus“, h hereditate possideat ciuitates aduersariorum i et meam ciuitatem non possideat? Si in mea ciuitate, hoc est in anima mea, quae est „ciuitas regis magni“, j neque leges eius neque instituta seruentur? Quid mihi prodest quod uniuersum mundum subiecit et aduersariorum ciuitates possidet, si non et in me aduersarios suos uincat, si non destruat legem, quae est in membris meis repugnans legi mentis meae, et captiuum me ducit in lege peccati? k Sic ergo unusquisque nostrum satis agat, ut et in sua anima et in suo corpore uincat Christus aduersarios et subiciens eos ac triumphans l etiam suae animae possideat ciuitatem. Hoc enim modo de parte eius efficiemur, de parte meliore, quae est sicut stellae caeli in claritate, m ut et nos benedictionem Abrahae capere possimus per Christum Dominum nostrum, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen.“ n b c Sir. 17,17 2 Esr. 11,8 LXX (Neh. 1,8) 2 Esr. 11,9 LXX (Neh. 1,9); vgl. Dtn. d e f g 30,4 vgl. 1 Kor. 2,8 vgl. Dtn. 32,9 Joh. 10,11.14 vgl. Mt. 18,12f.; Lk. h i j k 15,4–6 Gal. 3,16 vgl. Gen. 22,17 Ps. 47(48),3; Mt. 5,35 vgl. Röm. 7,23 l m n vgl. Kol. 3,15 vgl. 1 Kor. 15,41 1 Petr. 4,11 a

339 Gegen Markion; vgl. Harnack, Marcion 272*. 340 Zur Konstruktion peccare a (peccare fecerunt . . . a Deo; in ThLL X/1,1, 891,32–49 ist sie nicht vermerkt) vgl. in Lev. hom. 3,6 (GCS Orig. 6, 310 Z. 4f. und 14f.).

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Doch ich frage: Beging der Herr etwa Unrecht, um die Völker der Macht der Widersacher zu entreißen und zum Glauben an ihn und in seine Gerichtsbarkeit zurückzurufen?339 Mitnichten. Denn einst war Israel „Teil des Herrn“a, doch sie brachten Israel zum Abfall von seinem Gott,340 und wegen ihrer Sünden sagte Gott zu ihnen: „Seht, ob eurer Sünden seid ihr versprengt, wegen eurer Sünden seid ihr zerstreut unter dem gesamten Himmel.“b Doch er sagt zu ihnen auch: „Wenn ihr zerstreut seid von einem Ende des Himmels bis zum anderen, werde ich euch von dort versammeln, spricht der Herr.“c Da die Fürsten dieser Weltd also zuerst in den Teil des Herrne eingedrungen waren, sah „der gute Hirte“f es als seine Pflicht an, die neunundneunzig Schafe in den Höhen zurückzulassen, zur Erde341 niederzusteigen und das eine zu suchen, das verlorengegangen war, und nachdem er es gefunden und auf den Schultern heimgetragen hatte, es in den Schafstall der Vollkommenheit in den Höhen zurückzurufen.g Doch was nutzt es mir, wenn Abrahams Same, „der Christus ist“,h die Reiche der Widersacher als Erbe besitzti und mein Reich nicht besitzt? Wenn in meinem Reich, das heißt in meiner Seele, die „das Reich des Großkönigs“ j ist, weder seine Gebote noch seine Verordnungen Beachtung finden? Was nutzt es mir, dass er die gesamte Welt unterworfen und die Reiche der Widersacher innehat, wenn er nicht auch in mir seine Widersacher besiegt, wenn er das Gesetz nicht vernichtet, das in meinen Gliedern dem Gesetz meines Geistes Widerstand leistet und mich im Gesetz der Sünde gefangen führt?k So soll denn ein jeder von uns danach trachten, dass Christus auch in seiner Seele und in seinem Leib die Widersacher besiege und, wo er sie unterwirft und über sie triumphiert,l auch das Reich seiner Seele besitze. Denn auf diese Weise werden wir seinem Teil angehören, dem besseren Teil, der wie die Sterne des Himmels in ihrer Pracht ist,m damit auch wir Abrahams Segen zu erlangen vermögen durch Christus, unseren Herrn. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“n

341 Den Plural terras deutet Heine, FaCh 71, 155 Anm. 59, vorsichtig als Anspielung auf die verschiedenen Völker, über welche die Engel herrschen.

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HOMILIA X De Rebecca, cum exisset ad aquam hauriendam et occurrisset ei puer Abrahae

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1. Isaac inquit scriptura crescebat a et confortabatur, id est gaudium crescebat Abrahae respicienti non ad ea, „quae uidentur, sed quae non uidentur“. b Non enim gaudebat de praesentibus Abraham neque de diuitiis mundi et actibus saeculi. Sed uis audire Abraham unde gauderet? Audi Dominum ad Iudaeos dicentem: „Abraham pater uester desiderauit uidere diem meum, et uidit et gauisus est.“ c Per hoc ergo crescebat Isaac, d per quod Abrahae illa uisio, qua uidebat Christi diem, et spes, quae in ipso est, gaudia cumulabat. Et atque utinam efficeremini etiam uos Isaac et essetis gaudium matri uestrae ecclesiae! Sed uereor, ne adhuc in tristitia et gemitu ecclesia filios pariat. Aut non est ei tristitia et gemitus, cum uos non conuenitis ad audiendum Dei uerbum et uix festis diebus ad ecclesiam proceditis, et hoc non tam desiderio uerbi quam studio sollemnitatis et publicae quodammodo remissionis obtentu? Quid igitur ego faciam, cui dispensatio uerbi credita est? e Qui licet inutilis seruus f sim, accepi tamen a Domino distribuendam familiae dominicae tritici mensuram. g Sed uide, quid addit sermo Domini: „distribuendam“, inquit, „in tempore tritici mensuram“. h Quid ergo faciam? Vbi uel quando uestrum tempus inueniam? Plurimum ex hoc, immo paene totum mundanis occupationibus teritis; in foro aliud, aliud in negotiatione consumitis; alius agro, alius litibus uacat, et ad audiendum Dei uerbum nemo aut pauci admodum uacant. Sed quid uos de occupationibus culpo? Quid de absentibus conqueror? Praesentes etiam et in ecclesia positi non estis intenti, sed communes ex usu fabulas teritis, uerbo Dei uel lectionibus diuinis terga a f

vgl. Gen. 21,8 vgl. Lk. 17,10

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2 Kor. 4,18 vgl. Lk. 12,42

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Joh. 8,56 h Lk. 12,42

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vgl. Gen. 21,8

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vgl. 1 Kor. 9,17

342 Zu dieser Homilie siehe Danieli, Omelie X e XVI, 109–119. 343 Zur Etymologie von Isaaks Namen vgl. in Gen. hom. 7,1 (GCS Orig. 6, 70): „Isaak wird mit ,Lachen‘ oder ,Freude‘ übersetzt“, und oben S. 150 Anm. 279. 344 Origenes meint wohl: Die Vision Christi ließ Abrahams Freude wachsen und damit seine ,Freude‘ – Isaak. 345 Über eine besondere liturgische Sündenvergebung in Caesarea liegen keine Nachrichten vor.

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HOMILIE 10342 Über Rebekka, die hinausgegangen war, Wasser zu schöpfen, und der Abrahams Knecht begegnet war 5

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1. Isaak, erzählt die Schrift, wuchsa und erstarkte, das heißt es wuchs die Freude343 Abrahams, der nicht auf das achtete, „was sichtbar ist, sondern auf das, was nicht sichtbar ist“.b Denn Abraham erfreute sich nicht am Gegenwärtigen, weder an den Reichtümern der Welt noch an den Geschäften des Zeitalters. Doch willst du hören, worüber Abraham sich freute? Höre, was der Herr zu den Juden sagt: „Abraham, euer Vater, sehnte sich danach, meinen Tag zu sehen, und er sah ihn und freute sich.“c Dadurch also wuchs Isaak,d wodurch jene Vision, in der er den Tag Christi sah, samt der Hoffnung, die darin liegt, Abrahams Freuden mehrte.344 Würdet doch auch ihr zu einem Isaak werden und wäret eine Freude für eure Mutter, die Kirche! Doch ich fürchte, die Kirche gebiert ihre Kinder noch immer in Trauer und Wehklagen. Oder hat sie nicht Grund zu Trauer und Wehklagen, wenn ihr euch nicht versammelt, um das Wort Gottes zu hören, und kaum an den Feiertagen in der Kirche erscheint – und dies weniger aus Sehnsucht nach dem Wort als aus dem Verlangen nach Pracht und wohl auch um der öffentlichen Vergebung willen?345 Was soll ich also tun, dem die Verkündigung des Wortes anvertraut ist?e 346 Der ich, auch wenn ich ein unnützer Knechtf bin, gleichwohl vom Herrn das Maß Weizen empfangen habe, das an die Familie des Herrn zu verteilen ist.g Doch schau, was das Herrenwort hinzufügt: „das Maß Weizen“, heißt es, „das zur rechten Zeit zu verteilen ist“.h Was soll ich also tun? Wo oder wann werde ich eure rechte Zeit treffen? Den größten Teil davon, ja fast alles vergeudet ihr mit weltlichen Angelegenheiten. Teils verbringt ihr sie auf dem Forum, teils mit Geschäften. Der eine widmet seine Zeit dem Land, der andere dem Gerichtssaal, und keiner oder die wenigsten finden Zeit, das Wort Gottes zu hören. Doch was werfe ich euch eure Angelegenheiten vor? Was beschwere ich mich über die Abwesenden? Selbst wenn ihr da seid und in der Kirche sitzt, seid ihr nicht bei der Sache, sondern hechelt für gewöhnlich den üblichen Klatsch durch und kehrt dem Wort Gottes 346 Rufins dispensatio („Verkündigung“) übersetzt den paulinischen Begriff oiÆkonomiÂa, der nicht nur (wie in 1 Kor. 9,17) das Amt des Verwalters beschreibt, sondern auch die „Heilsordnung“, den „Heilsplan“ Gottes. Der Prediger Origenes wirkt am göttlichen Heilsgeschehen mit.

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conuertitis. Vereor ne et uobis dicatur a Domino illud, quod per prophetam dictum est: „Conuerterunt ad me dorsa, et non facies suas.“ a Quid igitur ego faciam cui ministerium uerbi creditum est? Quae leguntur mystica sunt, in allegoricis exponenda sunt sacramentis. Possumne surdis et auersis auribus ingerere „margaritas“ b uerbi Dei? Non ita egit apostolus. Vide enim, quid dicit: „Qui legem“, inquit, „legitis, legem non auditis. Abraham enim duos filios habuit“ c et cetera, quibus addit: „Quae sunt allegorica.“ d Numquid sacramenta legis eis aperuit, qui neque legunt neque audiunt legem? Sed legem legentibus dicebat: „Legem non auditis.“ e Quomodo ergo potero mysteria legis et allegorias, quas ab apostolo edocti sumus, aperire et prodere his, quibus et auditio et lectio legis incognita est? Asperior fortasse uobis uideor, sed non possum linire parietem f lapsantem; timeo enim illud, quod scriptum est: „Populus meus, qui beatificant uos, seducunt uos, et semitas pedum uestrorum conturbant.“ g „Tamquam filios meos carissimos moneo.“ h Miror, si nondum uobis innotuit uia Christi; si nec hoc quidem audistis quod non est „lata et spatiosa“, sed „arta et angusta uia est, quae ducit ad uitam“. Et uos ergo „intrate per angustam portam“, i relinquite pereuntibus latitudinem. „Nox praecessit, dies autem adpropinquauit,“ j „ut filii lucis ambulate“. k „Tempus breue est; superest, ut et qui habent, tamquam non habentes sint, et qui utuntur hoc mundo, tamquam non utantur.“ l „Sine intermissione“ m orandum apostolus praecipit; uos, qui ad orationes non conuenitis, quomodo conpletis sine intermissione, quod semper omittitis? Sed et Dominus praecipit: „Vigilate et orate, ne intretis in temptationem.“ n Quodsi illi uigilantes et orantes et semper uerbo Dei adhaerentes temptationem tamen nequaquam fugerunt, quid faciunt hi, qui diebus tantum sollemnibus ad ecclesiam ueniunt? „Si iustus uix saluus fit, peccator et inpius ubi parebunt?“ o Piget me dicere aliquid ex his, quae lecta sunt. Nam et apostolus dicit de huiusmodi sermonibus quia „ininterpretabiles sunt ad dicendum, quoniam uos“, inquit, „inbecilles facti estis ad audiendum“. p a b c d e f Jer. 39,33 LXX Mt. 7,6 Gal. 4,21f. Gal. 4,24 Gal. 4,21 vgl. Ez. g h i j k 13,10–12 Jes. 3,12 1 Kor. 4,14 Mt. 7,13f. Röm. 13,12 Eph. 5,8 l 1 Kor. 7,29.31 m 1 Thess. 5,17 n Mt. 26,41; Mk. 14,38 o Spr. 11,31 (1 Petr. 4,18) p Hebr. 5,11

347 Für ähnliche Seitenblicke auf das Treiben der Gottesdienstbesucher vgl. in Gen. hom. 11,3 (GCS Orig. 6, 105): „. . . so wie ich einige unter euch sehe, die ausschließlich an Feiertagen zur Kirche kommen . . .“; in Ex. hom. 12,2 (GCS Orig. 6, 263. 264); in Ios. hom. 20,1 (GCS Orig. 7, 415); in Is. hom. 5,2 (GCS Orig. 8, 265). Jonas von Orle´ans (frühes 9. Jh.) hatte offenbar Grund genug, die Passage zu zitieren: inst. laic. I 11 (PL 106, 143f.). Vgl. auch Alviar, Klesis 153–156. 348 An anderer Stelle charakterisiert Origenes seine Predigten als bittere, doch heilsame Arznei; vgl. in Regn. hom. lat. 1 (GCS Orig. 8, 3).

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oder den göttlichen Lesungen den Rücken.347 Ich fürchte, auch zu euch sagt der Herr, was durch den Propheten gesagt wurde: „Sie haben mir den Rücken zugewandt und nicht ihr Gesicht.“a Was soll ich also tun, dem der Dienst am Wort anvertraut ist? Was verlesen wird, birgt einen tiefen Sinn; es muss in seinen allegorischen Geheimnissen ausgelegt werden. Kann ich die „Perlen“b des Wortes Gottes tauben und abgewandten Ohren vorwerfen? Der Apostel hat es anders gehalten. Denn schau, was er sagt: „Ihr, die ihr das Gesetz lest“, heißt es, „hört das Gesetz nicht. Denn Abraham hatte zwei Söhne“,c und so fort; und er fügt hinzu: „Diese Dinge sind Allegorien.“d Hat er nun die Geheimnisse des Gesetzes denen offengelegt, die das Gesetz weder lesen noch hören? Nein, sondern er sagte zu denen, die das Gesetz lesen: „Ihr hört das Gesetz nicht.“e Wie werde ich da die Geheimnisse und Allegorien des Gesetzes, die uns der Apostel lehrte, denen offenlegen und verraten können, die sich weder auf das Hören noch das Lesen des Gesetzes verstehen? Vielleicht erscheine ich euch zu streng,348 doch ich kann keine einstürzende Wand weißen;f 349 denn ich fürchte das, was geschrieben steht: „Mein Volk! Die, die euch seligpreisen, verführen euch, und die Pfade eurer Füße verwirren sie.“g „Ich ermahne euch als meine geliebten Kinder.“h Ich frage mich, ob euch der Weg Christi noch nicht bekannt geworden ist, ob ihr nicht einmal das gehört habt, dass er nicht „breit und raumgreifend“ ist, sondern dass „der Weg eng und schmal ist, der zum Leben führt“. „Tretet“ also auch ihr „durch die schmale Pforte ein“;i überlasst das Breite denen, die zugrundegehen. „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe“;j „wandelt wie Söhne des Lichts.“k „Die Zeit ist kurz. Eines bleibt: dass die, die etwas besitzen,350 sich verhalten, als besäßen sie nichts, und die, die aus der Welt Nutzen ziehen, als zögen sie aus ihr keinen Nutzen.“l Der Apostel trägt uns auf, „ohne Unterlass“m zu beten. Ihr, die ihr euch nicht zu den Gebeten versammelt, wie erfüllt ihr ohne Unterlass, was ihr stets versäumt? Doch auch der Herr trägt uns auf: „Seid wachsam und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“n Wenn nun selbst die, die wachsam sind und beten und immer dem Wort Gottes anhangen, trotzdem der Versuchung nicht entkamen, was machen die, die allein an den Feiertagen zur Kirche kommen? „Wenn kaum der Gerechte gerettet wird, wo werden der Sünder und der Frevler sich wiederfinden?“o Es widerstrebt mir, etwas über das zu sagen, was verlesen wurde. Denn auch der Apostel sagt über derlei Passagen, dass sie „sich im Reden nicht deuten lassen,351 da ihr“, heißt es, „im Hören träge geworden seid“.p

349 Offenbar eine sprichwörtliche Wendung; vgl. Häussler, Nachträge 255. 350 Paulus sagt 1 Kor. 7,29 freilich (in lateinischer Übersetzung): qui habent uxores, „die eine Frau haben“.

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2. Videamus tamen hoc, quod nobis modo recitatum est. „Rebecca“ inquit „ueniebat cum filiabus ciuitatis haurire aquam de puteo.“ a Rebecca cotidie ueniebat ad puteos, cotidie hauriebat aquam. Et quia cotidie uacabat ad puteos, idcirco inueniri potuit a puero Abraham et in matrimonium sociari Isaac. Haec fabulas putas esse et historias narrare in scripturis Spiritum sanctum? Animarum est ista eruditio et spiritalis doctrina, quae te instituit et docet cotidie uenire ad puteos scripturarum, ad aquas Spiritus sancti et haurire semper ac plenum uas domum referre, sicut faciebat et sancta Rebecca, quae non aliter iungi potuisset tanto patriarchae Isaac, qui ex repromissione natus est, b nisi hauriendo aquas et in tantum hauriendo, ut non solum potare posset eos, qui domi sunt, sed et puerum Abrahae, et non tantum puerum, sed et eo usque abundaret aquis, quas hauriebat de puteis, ut et camelos posset adaquare, „usque quo cessarent“, inquit, „bibentes“. c Mysteria sunt cuncta, quae scripta sunt: Vult et te Christus sibi despondere; ad te enim loquitur per prophetas dicens: „Desponsabo te mihi in aeternum et desponsabo te mihi in fide et misericordia, et agnosces Dominum.“ d Quia ergo uult te sibi despondere, praemittit ad te istum puerum. Puer iste sermo propheticus est, quem nisi prius susceperis, nubere Christo non poteris. Scito tamen quia nemo inexercitatus et inperitus sermonem propheticum suscipit, sed qui scit haurire aquam de profundo putei et qui in tantum scit haurire, ut etiam his sufficiat, qui inrationabiles et peruersi uidentur, quorum figuram tenent cameli, ut et ipse possit dicere quia „sapientibus et insipientibus debitor sum“. e Denique sic dixerat in corde suo puer iste: „Ex his“ inquit „uirginibus, quae ueniunt ad aquam, quaecumque dixerit mihi: Bibe tu et camelos tuos adaquabo, ipsa erit sponsa Domini mei.“ f Sic ergo Rebecca, quae interpretatur ,patientia‘, ut uidit puerum et inspexit propheticum uerbum, deponit de humero hydriam. g Deponit enim elatam Graecae facundiae adrogantiam et ad humilem ac simplicem proa f

vgl. Gen. 24,15.11 vgl. Gen. 24,13f.

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b vgl. Gal. 4,23 vgl. Gen. 24,18

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Gen. 24,22

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Hos. 2,21f.

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Röm. 1,14

351 Wörtlich: „dass sie unerklärbar sind für die mündliche Darlegung“. Rufins ininterpretabilis (so auch die Vulgata) übertrifft das dysermhÂneytow der Vorlage. 352 Auch hier denkt Origenes an die Vorbehalte eines Apelles; vgl. in Gen. hom. 2,2 (GCS Orig. 6, 27f.). 353 Das Bild des Brunnens als Heiliger Schrift kehrt wieder in Num. hom. 12,2 (GCS Orig. 7, 100). Als Symbol von Bildung und Wissenschaft deutet bereits Philon den Brunnen; vgl. quaest. in Gen. IV 191 (p. 392 Aucher); fug. 200 (III p. 153 Cohn/ Wendland). 354 Vgl. in Matth. comm. ser. 20 (GCS Orig. 11, 36): „das Verquere (tortuositas) der

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2. Wir wollen uns trotzdem ansehen, was uns gerade vorgelesen wurde. „Rebekka“, heißt es, „kam mit den Töchtern der Stadt, Wasser zu schöpfen aus dem Brunnen.“a Jeden Tag kam Rebekka zum Brunnen, jeden Tag schöpfte sie Wasser. Und weil sie jeden Tag am Brunnen weilte, deshalb konnte Abrahams Knecht sie antreffen und konnte sie mit Isaak vermählt werden. Du denkst, dies seien Ammenmärchen und der Heilige Geist erzähle in den Schriften Geschichten?352 Eine Unterweisung für die Seelen ist das, eine geistige Lehre, die dich anhält und lehrt, jeden Tag zum Brunnen der Schriften zu kommen,353 zu den Wassern des Heiligen Geistes, und allezeit zu schöpfen und ein volles Gefäß nach Hause zu tragen, wie es auch die heilige Rebekka tat; mit einem so großen Patriarchen wie Isaak, der aus der Verheißung geboren ist,b hätte sie nicht vermählt werden können, wenn sie nicht Wasser geschöpft hätte, und das in solcher Fülle, dass sie nicht nur ihren Leuten daheim zu trinken geben konnte, sondern auch Abrahams Knecht, und nicht nur dem Knecht, sondern in solcher Fülle strömte ihr Wasser, das sie aus dem Brunnen schöpfte, dass sie auch die Kamele tränken konnte, „bis sie aufhörten“, heißt es, „zu trinken“.c Geheimnis ist alles, was geschrieben steht. Christus will sich auch mit dir verloben; denn zu dir spricht er durch die Propheten und sagt: „Ich werde mich mit dir verloben auf ewig, und ich werde mich mit dir verloben in Glaube und Erbarmen, und du wirst den Herrn erkennen.“d Weil er sich also mit dir verloben will, schickt er diesen Knecht zu dir voraus. Dieser Knecht ist das prophetische Wort. Wenn du es nicht vorher empfängst, wirst du dich nicht mit Christus vermählen können. Wisse aber, dass kein Ungeübter und Unverständiger das prophetische Wort empfängt, sondern nur der, der das Wasser aus der Tiefe des Brunnens zu schöpfen weiß und es in solcher Fülle zu schöpfen weiß, dass es auch für die reicht, die unvernünftig und verkommen zu sein scheinen (deren Sinnbild verkörpern die Kamele),354 so dass er auch sagen kann: „Verständigen wie Unverständigen bin ich verpflichtet.“e Dieser Knecht hatte nun in seinem Herzen so gesprochen: „Wer auch immer“, heißt es, „von diesen Mädchen, die zum Wasser kommen, zu mir sagt: Trink du nur, deine Kamele werde ich tränken, die wird die Braut meines Herrn sein.“f Deshalb nahm Rebekka, was mit ,Geduld‘ übersetzt wird,355 als sie den Knecht sah und das prophetische Wort erwog, den Krug von der Schulter.g Denn sie legt den stolzen Dünkel griechischer BeredsamKamele, das heißt der widernatürlichen Handlungen.“ Zum Kamel bei Origenes vgl. Ledegang, Mysterium Ecclesiae 588. 355 Vgl. Kap. 3 (GCS Orig. 6, 96): „Zeigt Geduld, denn unsere Predigt handelt von Rebekka, das heißt der Geduld.“ So bereits Philon, erud. 37 (III p. 79 Cohn/ Wendland); plant. 169 (II p. 167); fug. 45 (III p. 119); somn. I 46 (III p. 214); anders Cher. 41 (I p. 180): „die im Guten Verharrende“; vgl. auch Clemens von Alexandria, paed. I 21,3 (GCS Clem. 1, 103); strom. I 31,3 (2, 20); Wutz, Onomastica sacra 92; Grabbe, Etymology 197.

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pheticum se inclinans sermonem dicit: „Bibe tu, et camelos tuos adaquabo.“ a 3. Sed dicis fortasse, si puer prophetici sermonis tenet figuram, quomodo potatur a Rebecca, quam ipse magis potare deberet? Vide ergo, ne forte, sicut et Dominus Iesus, cum ipse sit „panis uitae“ b et ipse pascat animas esurientes, ipse rursum esurire se fatetur, cum dicit: „Esuriui, et dedistis mihi manducare“ c et iterum, cum ipse sit aqua uiua d et potum det omnibus sitientibus, rursum ipse dicit ad Samaritanam: „Da mihi bibere“: e Sic et propheticus sermo, cum ipse potum det sitientibus, nihilominus ipse ab his potari dicitur, cum studiosorum exercitia et uigilantias suscipit. Ista ergo talis anima, quae agit cuncta patienter, quae tam prompta est et tanta eruditione subnixa, quae de profundis haurire scientiae fluenta consueuit, ipsa potest copulari nuptiis Christi. Nisi ergo cotidie uenias ad puteos, nisi cotidie haurias aquas, non solum alios potare non poteris, sed ipse quoque „sitim uerbi Dei“ f patieris. Audi et Dominum dicentem in euangeliis: „Qui sitit, ueniat, et bibat.“ g Sed tu, ut uideo, non esuris nec sitis iustitiam, h et quomodo poteris dicere: „Sicut ceruus desiderat ad fontes aquarum, ita desiderat anima mea ad te, Deus. Sitiuit anima mea ad Deum uiuum; quando ueniam et apparebo ante conspectum eius?“ i Obsecro uos, qui auditorio uerbi semper adsistitis, patienter accipite, donec paululum neglegentes et desides conmonemus. Habetote patientiam, quia de Rebecca nobis, id est de patientia, sermo est. Et necesse est nos eos, qui conlectam neglegunt et audire declinant uerbum Dei, paululum per patientiam castigare, qui non desiderant panem uitae j nec aquam uiuam, k qui non exeunt de castris nec procedunt de domibus luteis, l ut conligant sibi manna, m qui non ueniunt ad petram, ut bibant de spiritali petra. Petra enim est Christus, n ut apostolus ait. Habetote, inquam, uos paululum patientiam; sermo enim nobis ad neglegentes est et eos, qui male habent. „Sani enim non indigent medico, sed male habentes.“ o Gen. 24,14 b Joh. 6,35 u.ö. c Mt. 25,35 d vgl. Joh. 7,38 e Joh 4,7 f Am. 8,11 h i j k Joh. 7,37 vgl. Mt. 5,6 Ps. 41(42),2f. vgl. Joh. 6,35 u.ö. vgl. Joh. 7,38 l m n o vgl. Ijob 4,19 vgl. Ex. 16,13–20 vgl. 1 Kor. 10,4 Lk. 5,31 a

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356 Vgl. Augustins Charakterisierung der Bibel conf. III 9 (CChr.SL 27, 31), bes.: rem . . . incessu humilem. – Diese Szene bespricht Origenes auch in Ioh. comm. XIII 29,177f. (GCS Orig. 4, 253f.). – Die markante ,iteratio‘ – deponit de humero hydriam („nahm den Krug von der Schulter“) bzw. deponit . . . arrogantiam („sie legt den Dünkel ab“) – lässt sich im Deutschen kaum nachahmen. 357 Doutreleau, SC 7bis, 265: „ce lieu ou` l’on e´coute la parole“, und Heine, FaCh 71,

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keit ab und befleißigt sich bescheidener und schlichter prophetischer Sprache;356 sie sagt: „Trink du nur, deine Kamele werde ich tränken.“a 3. Vielleicht sagst du aber: Wenn der Knecht das Sinnbild des prophetischen Wortes verkörpert, warum reicht Rebekka ihm zu trinken, wo doch eher er ihr zu trinken geben sollte? Überlege also, ob nicht vielleicht so, wie der Herr Jesus, obschon er „das Brot des Lebens“b ist und die hungernden Seelen speist, gleichwohl bekennt, er hungere, wenn er sagt: „Ich hungerte, und ihr gabt mir zu essen“,c und der zum andern, obschon er das lebendige Wasserd ist und allen Dürstenden zu trinken gibt, gleichwohl zu der Samariterin sagt: „Gib mir zu trinken“e – ob es nicht vielleicht so auch von dem prophetischen Wort, obschon es den Dürstenden zu trinken gibt, gleichwohl heißt, dass es von ihnen zu trinken erhält, wenn es die Hingabe und Aufmerksamkeit der Lernbeflissenen erfährt. Eine solche Seele also, die alles geduldig verrichtet, die sich überaus entschlossen zeigt und auf eine beachtliche Bildung zurückgreift und die aus den Tiefen den Strom der Erkenntnis zu schöpfen weiß, kann sich mit Christus zur Ehe verbinden. Wenn du also nicht täglich zum Brunnen kommst, wenn du nicht täglich Wasser schöpfst, wirst du nicht nur anderen nicht zu trinken geben können, sondern auch selbst „Durst nach dem Wort Gottes“f leiden. Höre auch, was der Herr in den Evangelien sagt: „Wer Durst hat, soll kommen und trinken.“g Doch du, wie ich sehe, hungerst und dürstest nicht nach der Gerechtigkeit;h wie wirst du da sagen können: „Wie der Hirsch lechzt nach den Quellen des Wassers, so lechzt meine Seele nach dir, Gott. Meine Seele bekam Durst nach dem lebendigen Gott; wann werde ich kommen und vor sein Antlitz treten?“i Ich beschwöre euch, die ihr dem Hören des Wortes allezeit beiwohnt:357 Fasst euch in Geduld, solange wir die Nachlässigen und Trägen ein wenig ermahnen. Zeigt Geduld, denn unsere Predigt handelt von Rebekka, das heißt von der Geduld. Und es tut not, die ein wenig in Geduld zurechtzuweisen, die unsere Versammlung vernachlässigen und sich sträuben, das Wort Gottes zu hören, die weder nach dem Brot des Lebensj noch nach dem lebendigen Wasserk lechzen, die nicht aus den Lagern ausschwärmen und nicht aus den Lehmhüttenl kommen, um Manna für sich zu sammeln,m die nicht zum Felsen kommen, um von dem geistigen Felsen zu trinken. Denn der Fels ist Christus,n wie der Apostel sagt. Habt ein wenig Geduld, sage ich; denn unsere Predigt gilt den Nachlässigen und denen, die krank sind. „Denn nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die, die krank sind.“o 162 Anm. 42, vermuten hinter auditorium uerbi einen besonderen Raum für die Lesung und Auslegung biblischer Texte (vgl. OLD s.v. 210) – wohl zu Unrecht; vgl. in Gen. hom. 6,1 (GCS Orig. 6, 66): magis cum Iudaeis quam cum Christianis debet habere auditorium, „er sollte eher bei den Juden als bei den Christen der Predigt lauschen“.

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Dicite mihi uos, qui tantummodo festis diebus ad ecclesiam conuenitis: Ceteri dies non sunt festi? Non sunt dies Domini? Iudaeorum est dies certos et raros obseruare sollemnes; et ideo ad eos dicit Deus quia „neomenias uestras et sabbata et diem magnum non sustineo. Ieiunium et ferias et dies festos uestros odit anima mea.“ a Odit ergo Deus eos, qui una die putant festum diem esse Domini. Christiani omni die carnes agni comedunt, id est carnes uerbi cotidie sumunt. „Pascha enim nostrum inmolatus est Christus.“ b Et quia lex Paschae talis est, ut in uespera comedatur, c propterea in uespera mundi passus est Dominus, ut tu semper manduces de carnibus uerbi, quia semper in uespera es, usque quo ueniat mane. Et si in hac uespera sollicitus fueris et „in fletu ac ieiuniis“ d atque in omni labore iustitiae uitam duxeris, poteris et tu dicere: „Ad uesperam demorabitur fletus et ad matutinum laetitia.“ e Laetaberis enim mane, id est in saeculo uenturo, si in hoc saeculo fructum iustitiae f in fletu et labore conlegeris. Venite ergo, et nos, dum tempus est, bibamus de puteo uisionis, ubi Isaac deambulat g et ubi procedit ad exercitium. Obserua, quanta geruntur ad aquas, ut et tu inuiteris cotidie uenire ad aquas uerbi Dei et assistere puteis eius, sicut faciebat et Rebecca, de qua dicitur: „Virgo erat decora ualde, uirgo, uir non cognouerat eam.“ h „Et haec“ inquit „exiit sero haurire aquam.“ i 4. Nec hoc frustra scriptum est de ea. Verumtamen mouet me, quid est, quod dicit: „Virgo erat, uirgo, uir non cognouerat eam,“ j quasi uero aliud sit uirgo nisi quam uir non contigit. Et quid sibi uidetur additamentum in uirgine, ut dicatur quia uir non cognouit eam? Est enim aliqua uirgo, quam contigerit uir? Saepe iam dixi quod in his non historiae narrantur, sed mysteria contexuntur. Tale ergo in hoc aliquid indicari puto. Sicut Christus animae uir dicitur, cui nubit anima, cum uenit ad fidem, ita et huic contrarius uir ille est, cui nubit anima, cum declinat ad perfidiam, ipse ille, qui et inimicus homo dicitur, cum lolium superserit tritico. k Non ergo sufficit animae, ut casta sit corpore; opus est ut et uir hic pessimus non cognouerit Jes. 1,13f. b 1 Kor. 5,7 c vgl. Ex. 12,8–10 d Joel 2,12 e Ps. 29(30),6 f vgl. Jak. 3,18; Phil. 1,11 g vgl. Gen. 24,62 h Gen. 24,16 i vgl. Gen. 24,15.11 j Gen. 24,16 k vgl. Mt. 13,25 a

358 Vgl. in Num. hom. 23,3 (GCS Orig. 7, 214): Der wahre Gläubige feiert Gott allezeit ein Fest (non aliquando quidem agenda est Deo, aliquando uero non agenda festiuitas, sed semper et indesinenter iustus agere debet diem festum). 359 Das Bild vom „Abend der Welt“ kehrt wieder in Ex. hom. 7,8 (GCS Orig. 6, 214f.): Christus kam „am Abend der Welt“ (ad uesperam mundi); doch die „Sonne der Gerechtigkeit“ (sol iustitiae) brachte den Gläubigen gleichsam einen neuen Morgen. Vgl. auch in Ioh. comm. X 18,108 (GCS Orig. 4, 189): „die Dämmerung des (neuen) Tages nach diesem Leben“.

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Ihr, die ihr einzig an den Feiertagen in der Kirche erscheint, sagt mir: Sind die übrigen Tage keine Feiertage?358 Sind es keine Tage des Herrn? Jüdische Sitte ist es, bestimmte seltene Tage festlich zu begehen. Deshalb sagt Gott zu ihnen: „Mir sind eure Neumonde und Sabbate und euer Großer Sabbat zuwider. Meine Seele hasst das Fasten und die Feste und eure Feiertage.“a Gott hasst also die, die glauben, der Feiertag des Herrn währe einen Tag. Die Christen verzehren das Fleisch des Lammes jeden Tag, das heißt sie nehmen das Fleisch des Wortes täglich zu sich. „Denn als unser Osterlamm wurde Christus geopfert.“b Und weil das Gesetz des Passahfestes es vorsieht, dass am Abend gegessen wird,c deshalb hat der Herr am Abend der Welt gelitten,359 damit du immer vom Fleisch des Wortes isst; denn immer weilst du im Abend – bis der Morgen anbricht. Und wenn du an diesem Abend besorgt bist und „in Tränen und Fasten“d und in aller Mühsal der Gerechtigkeit dein Leben zubringst, wirst auch du sagen können: „Am Abend währen die Tränen und am Morgen die Heiterkeit.“e Am Morgen nämlich wirst du dich freuen, das heißt in der künftigen Zeit, wenn du in der gegenwärtigen die Frucht der Gerechtigkeitf unter Tränen und Mühen gesammelt hast. Kommt also und lasst uns, solange noch Zeit ist, aus dem Brunnen der Vision trinken, wo Isaak umhergehtg und wo er zur Andacht360 schreitet. Sieh dir an, was alles an den Wassern geschieht, damit auch du eingeladen wirst, jeden Tag zu den Wassern des Wortes Gottes zu kommen und an seinem Brunnen zu stehen, wie es auch Rebekka tat, von der es heißt: „Eine überaus anmutige Jungfrau war sie, eine Jungfrau; kein Mann hatte sie erkannt.“h „Und sie“, heißt es, „ging spät hinaus, um Wasser zu schöpfen.“i 4. Und nicht grundlos steht dies über sie geschrieben. Ich frage mich aber, warum es heißt: „Eine Jungfrau war sie, eine Jungfrau; kein Mann hatte sie erkannt“j – als bedeute ,Jungfrau‘ etwas anderes, als dass kein Mann sie berührt hat. Und warum legt die Schrift bei einer Jungfrau auf den Zusatz wert, kein Mann habe sie erkannt? Denn gibt es irgendeine Jungfrau, die ein Mann berührt hat? Schon oft habe ich gesagt,361 dass hier keine Geschichten erzählt, sondern Geheimnisse ineinander gewoben werden. Ich glaube also, dass hier auf etwas von der Art verwiesen wird. Wie man Christus den Mann der Seele nennt, den die Seele heiratet, wenn sie zum Glauben kommt, so tritt als sein Widersacher der Mann auf, den die Seele heiratet, wenn sie sich der Treulosigkeit ergibt, eben der, den man auch Feind nennt, wenn er Lolch in den Weizen sät.k Es genügt also nicht, dass die Seele am Körper rein ist; es ist auch nötig, dass dieser Erzbösewicht sie 360 Ad exercitium. Vgl. Gen. 24,63: ad meditandum (Vulgata); aÆdolesxhÄsai (Septuaginta: „um zu sinnen“); „um sich auf dem Feld zu beschäftigen“ (hebr.). 361 Vgl. in Gen. hom. 8,1 (GCS Orig. 6, 77); 9,1 (6, 86–89); oben Kap. 1 (6, 93); unten Kap. 5 (6, 100): „Welche Fülle an Geheimnissen dringt auf uns ein . . .“

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Homilia X

eam. a Potest enim fieri, ut habeat quis in corpore uirginitatem et cognoscens istum uirum pessimum diabolum atque ab eo concupiscentiae iacula in corde suscipiens animae perdiderit castitatem. Quia ergo Rebecca uirgo erat „sancta corpore et spiritu“, b idcirco eius duplicat laudem et dicit: „Virgo erat, uir non cognouerat eam.“ c Vespere d ergo uenit ad aquas. De uespera supra iam diximus. Vide autem prudentiam pueri, non uult adsumere sponsam domino suo Isaac, nisi quam inuenerit decoram et pulchra facie uirginem, et non solum uirginem, sed quam non contigerit uir, et nisi quam reppererit aquas haurientem; non uult aliam despondere domino suo. Non ei dat ornamenta, nisi talis sit, non dat inaures, non dat bracchialia; e manet inconposita, inerudita, incompta. Putamus quia pater Rebeccae, uir diues, non habebat bracchialia et inaures, quas inponeret filiae suae? Tanta eius aut neglegentia erat aut auaritia, ut filiae ornamenta non daret? Sed Rebecca non uult de auro Bathuelis ornari. Non sunt ei condigna ornamenta hominis barbari et inperiti; de domo Abrahae requirit monilia, quia patientia de domo sapientis ornatur. Non potuerunt ergo aures Rebeccae recipere decorem suum, nisi ueniret puer Abraham et ipse eas ornaret; nec manus eius ornamenta suscipiunt, nisi quae miserit Isaac. Vult enim aurea in auribus uerba suscipere et aureos actus in manibus habere. Sed haec prius accipere non potuit nec mereri, nisi uenisset ad puteos haurire aquas. Tu, qui non uis uenire ad aquas, qui non uis in auribus tuis aurea prophetarum uerba suscipere, quomodo poteris ornatus esse in doctrina, ornatus in actibus, ornatus in moribus? 5. Sed ut omittamus plurima – neque enim commentandi nunc tempus est, sed aedificandi ecclesiam Dei et pigriores ac desides auditores exemplis sanctorum et mysticis explanationibus prouocandi – secuta puerum Rebecca uenit ad Isaac; secuta enim sermonem propheticum ecclesia uenit ad Christum. Vbi eum inuenit? „Ad puteum“ inquit „iuramenti deambulantem.“ f Nusquam receditur a puteis, nusquam desistitur ab aquis. Rebecca inuenitur a f

vgl. Gen. 24,16 vgl. Gen. 24,62

b

1 Kor. 7,34

c

Gen. 24,16

d

vgl. Gen. 24,11

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vgl. Gen. 24,22

362 Philon, quaest. in Gen. IV 99 (p. 323 Aucher), schreibt ihr eine zweifache Jungfräulichkeit zu, eine des Leibes und eine der Seele, „denn sie war schön an Angesicht wie Geist“. 363 Ein dunkler Satz. Wenn von „Rebekkas Vater“ die Rede ist (der erst im nächsten Satz genannt wird), ergibt nisi talis sit keinen Sinn. Und Isaaks Knecht schmückt sie ja. Ist der Satz konditional gefärbt („Entspräche sie nicht dieser Vorstellung, er gäbe ihr keinerlei Schmuck, keine Ohrringe“ usw.)? 364 Vgl. sel. in Ez. 16,11 (XIV p. 219f. Lommatzsch): „Geschmeide legt der Herr in die Hände der Seele, Quell der guten Werke“; Ambrosius, Abr. I 89 (CSEL 32/1, 560); Hilarius, tract. myst. I 19 (CSEL 65, 17).

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nicht erkannt hat.a Denn es ist gut möglich, dass jemand seinen Leib jungfräulich bewahrt und doch, wenn er diesen Erzbösewicht, den Teufel, erkennt und die Pfeile der Fleischeslust ihn ins Herz treffen, die Keuschheit der Seele verliert. Weil Rebekka also eine Jungfrau war, „heilig an Leib und Geist“,b deshalb verdoppelt die Schrift ihr Lob362 und sagt: „Eine Jungfrau war sie; kein Mann hatte sie erkannt.“c Abendsd also kam sie zum Wasser. Über den Abend haben wir eben bereits gesprochen. Doch halte dir die Klugheit des Knechtes vor Augen. Nur dann will er seinem Herrn Isaak eine Braut zuführen, wenn ihm eine stattliche Jungfrau von schönem Antlitz begegnet, und nicht nur eine Jungfrau, sondern eine, die kein Mann berührt hat, und nur eine, die er beim Wasserschöpfen antrifft; keine andere will er seinem Herrn anverloben. Er gibt ihr keinerlei Schmuck – es sei denn, sie entspricht dieser Vorstellung –, er gibt ihr keine Ohrringe, er gibt ihr keine Armreife;e sie bleibt ohne Schmuck, ohne Bildung, ohne Zierde.363 Sollen wir glauben, dass Rebekkas Vater, ein reicher Mann, keine Armreife und Ohrringe besaß, um sie seiner Tochter anzulegen? Waren seine Gleichgültigkeit oder sein Geiz so groß, dass er seiner Tochter keinerlei Schmuck gab? Doch Rebekka will nicht mit Betue¨ls Gold geschmückt werden. Der Schmuck eines ungebildeten und unwissenden Menschen ist ihrer nicht würdig; aus Abrahams Haus begehrt sie Halsketten, denn die Geduld wird vom Haus des Weisen geschmückt. Rebekkas Ohren könnten ihren Zierat also nicht empfangen, käme nicht Abrahams Knecht und schmückte sie; und ihre Hände empfangen keinen Schmuck als den, den Isaak schickte. Denn goldene Worte will sie in ihren Ohren empfangen und goldene Werke in Händen halten.364 Doch nicht eher konnte sie die empfangen noch ihrer würdig sein, als bis sie zum Brunnen gekommen war, um Wasser zu schöpfen. Du, der du nicht zum Wasser kommen, der du die goldenen Worte der Propheten nicht in deinen Ohren empfangen willst, wie wird dir der Schmuck der Unterweisung zuteil werden, der Schmuck der Werke, der Schmuck der Sittlichkeit? 5. Doch um das meiste zu übergehen – denn jetzt ist nicht die Zeit für exegetische Überlegungen, sondern es gilt, die Kirche Gottes zu erbauen und die nachlässigen und trägen Hörer mit dem Vorbild der Heiligen und tiefsinnigen Deutungen mitzureißen:365 Rebekka folgte dem Knecht und kam zu Isaak; denn die Kirche folgte dem prophetischen Wort und kam zu Christus. Wo fand sie ihn? „Am Brunnen des Eides“, heißt es, „erging er sich.“f 366 Um keinen Preis weicht man von den Brunnen, um keinen 365 Vgl. Neuschäfer, Origenes als Philologe 41 (und 342 Anm. 206). 366 Gen. 24,62 ist vom „Brunnen der Vision“ die Rede; vgl. oben Kap. 3 (GCS Orig. 6, 97); in Gen. hom. 11 passim. Auf wen das Versehen (iuramenti statt uisionis) zurückgeht – ob auf den Kopisten, auf Rufinus oder Origenes –, muss offenbleiben (zum „Brunnen des Eides“ vgl. in Gen. hom. 14 passim).

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Homilia X

ad puteum, rursum Rebecca ad puteum inuenit Isaac; a ibi primos eius contemplatur adspectus, ibi desilit de camelis, b ibi a puero sibi demonstratum uidet Isaac. Haec putas sola referri de puteis? Et Iacob ad puteum uenit et ibi inuenit Rachel, c ibi innotescit ei Rachel „bona oculis et decora conspectu“. d Sed et Moyses ad puteum inuenit Sephoram, filiam Raguel. e Nondum moueris, ut haec intellegas spiritaliter dici? Aut putas casu semper contingere, ut patriarchae ad puteos ueniant et ad aquas coniugia sortiantur? Qui haec ita putat, „animalis homo“ est, et „non percipit, quae sunt Spiritus Dei“. f Sed qui uult, maneat in his, maneat animalis, ego Paulum apostolum sequens dico haec esse „allegorica“ g et sanctorum nuptias coniunctionem dico esse animae cum uerbo Dei: „Qui enim se iungit Domino, unus spiritus est.“ h Hanc autem coniunctionem animae cum uerbo certum est non aliter fieri posse, nisi per instructionem diuinorum librorum, qui figuraliter putei appellantur. Ad quos si qui ueniat et hauriat ex his aquas, id est meditando in his sensum et intellectum percipiat altiorem, inueniet nuptias Deo dignas; coniungetur enim anima eius cum Deo. Desilit etiam de camelis, i id est discedit a uitiis, abiciet inrationabiles sensus et coniungitur Isaac; dignum namque est ut Isaac transeat „de uirtute ad uirtutem“. j Qui uirtutis filius est Sarrae, nunc coniungitur et sociatur patientiae, quae est Rebecca. Et hoc est transire „de uirtute in uirtutem“ et „ex fide in fidem“. k Sed et ad euangelia ueniamus. Ipse Dominus cum „ex itinere fatigatus“ fuisset, uideamus, ubi requiem quaerit. „Venit“, inquit, „ad puteum, et sedebat super eum.“ l Vides ubique sibi concordare mysteria, uides noui et ueteris testamenti consonas formas. Ibi ad puteos et ad aquas uenitur, ut inueniantur sponsae; et ecclesia Christo in lauacro aquae coniungitur. b c d vgl. Gen. 24,16.62 vgl. Gen. 24,64 vgl. Gen. 29,2–12 Gen. 29,17 f g h i Ex. 2,15–17 1 Kor. 2,14 Gal. 4,24 1 Kor. 6,17 vgl. Gen. 24,64 k l 83(84),8 Röm. 1,17 Joh. 4,6 a

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vgl. Ps.

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367 Zur spirituell-mystischen Bedeutung der Brunnen vgl. in Gen. hom. 11,3 (GCS Orig. 6, 104–106), zum „Brunnen der Vision“ in Gen. hom. 13 passim und unten S. 234 Anm. 420. 368 Ähnlich in Num. hom. 12,1 (GCS Orig. 7, 96f.). 369 Vgl. oben Kap. 2 (GCS Orig. 6, 95): „Eine Unterweisung für die Seelen ist das, eine geistige Lehre, die dich anhält und lehrt, jeden Tag zum Brunnen der Schriften zu kommen, zu den Wassern des Heiligen Geistes.“ 370 Zu diesem Bild des Kamels vgl. oben Kap. 2 (GCS Orig. 6, 95): „die . . ., die unvernünftig und verkommen zu sein scheinen (deren Sinnbild verkörpern die Kamele)“, und S. 198 Anm. 354. 371 Vgl. oben S. 199 Anm. 355. 372 Zu dieser Harmonie, die in Origenes’ Augen zwischen Mose und Jesus herrscht, vgl. bes. in Lev. hom. 6,2 (GCS Orig. 6, 361): „Mose verweilt stets mit Jesus, das heißt

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Preis lässt man von den Wassern. Rebekka wird am Brunnen angetroffen, Rebekka wiederum trifft Isaak am Brunnen an.a Dort schaut sie das erste Mal sein Antlitz, dort springt sie vom Kamel,b dort sieht sie Isaak, den der Knecht ihr zeigt.367 Glaubst du, allein hier erzähle man von Brunnen? Auch Jakob kommt zum Brunnen und trifft dort Rachel;c dort lernt er Rachel kennen, „mit schönen Augen und anmutigem Antlitz“.d Doch auch Mose trifft Zippora am Brunnen, die Tochter Regue¨ls.e 368 Das lässt dich noch nicht begreifen, dass von diesen Dingen in geistigem Sinn die Rede ist? Oder glaubst du, es sei stets reiner Zufall, dass die Patriarchen zum Brunnen kommen und am Wasser das Band der Ehe knüpfen? Wer so denkt, ist ein „seelischer Mensch“ und „begreift nicht, was der Geist Gottes wirkt“.f Wer aber mag, der bleibe dabei, der bleibe seelisch. Ich schließe mich dem Apostel Paulus an und sage, diese Dinge sind „Allegorien“,g und ich sage, die Hochzeit der Heiligen ist die Vereinigung der Seele mit dem Wort Gottes: „Denn wer sich mit dem Herrn vereint, ist ein Geist mit ihm.“h Es steht aber fest, dass diese Vereinigung der Seele mit dem Wort nicht anders geschehen kann als durch die Unterweisung durch die göttlichen Bücher, die bildlich Brunnen genannt werden.369 Wenn einer zu ihnen kommt und Wasser aus ihnen schöpft, das heißt durch sein Nachdenken tiefere Bedeutung und Erkenntnis in ihnen findet, wird ihm eine Hochzeit zuteil werden, die Gottes würdig ist; denn seine Seele wird mit Gott vermählt. Außerdem springt sie vom Kamel,i das heißt sie trennt sich von ihren Lastern,370 legt die unvernünftige Sinnesart ab und wird mit Isaak vermählt; denn es ziemt sich, dass Isaak „von Tugend zu Tugend“j fortschreitet. Er, der Sohn Sarahs, der Tugend, wird nun mit der Geduld vermählt und vereint, die Rebekka verkörpert.371 Das heißt es, „von Tugend zu Tugend“ fortzuschreiten und „von Glaube zu Glaube“.k Doch wir wollen auch auf die Evangelien blicken. Lasst uns sehen, wo der Herr selbst Ruhe sucht, als er „vom Weg erschöpft“ war. „Er kam“, heißt es, „zu einem Brunnen und ließ sich auf ihm nieder.“l Du siehst, dass die Geheimnisse allenthalben miteinander harmonieren, du siehst die Sinnbilder des Neuen und Alten Bundes im Einklang.372 Dort begibt man sich zu den Brunnen und Wassern, um eine Braut zu finden; und die Kirche wird mit Christus im Bad des Wassers vermählt.373

das Gesetz mit den Evangelien. . . . Das Gesetz, die Propheten und die Evangelien kommen stets zusammen und verharren in einer einzigen Glorie. . . . Denn das Gesetz, die Propheten und das Evangelium besitzen nicht drei, sondern ein einziges Zelt – die Kirche Gottes.“ Vgl. auch in Matth. frg. 87 (GCS Orig. 12/1, 50f.): „Friedensstifter (eiÆrenopoioÂw) ist der, der zeigt, dass das, was den anderen wie Streit der Schriften untereinander erscheint, nicht Streit ist, und der den Gleichklang (symfvniÂan) der alten mit den neuen Bibelstellen darstellt.“ 373 Gemeint ist damit natürlich die Taufe.

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Homilia X

Vides, quantus nos sacramentorum cumulus perurget; quanta sunt, quae occurrunt, explicare non possumus: Saltem haec incitare te debent ad audiendum, ad conueniendum, ut, etiamsi nos aliqua pro breuitate transcurrimus, tu cum relegis et requiris, etiam ipse discutias et inuenias, certe uel in horum inquisitione permaneas, ut et te uerbum Dei inueniens ad aquam adsumat et coniungat sibi, ut efficiaris cum eo „unus spiritus“ a in Christo Iesu Domino nostro, „cui gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen.“ b a

1 Kor. 6,17

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1 Petr. 4,11

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Homilie 10,5

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Du siehst, welche Fülle an Geheimnissen auf uns eindringt; wir können sie nicht erklären, in solcher Fülle begegnen sie uns. Zumindest sollen sie dich anspornen, zuzuhören und in die Kirche zu kommen, damit du es, auch wenn wir manches um der knappen Zeit willen nur streifen, wenn du erneut liest und zur Hand nimmst, es auch selbst befragst und untersuchst oder sogar bei seiner Untersuchung verharrst, damit auch dich das Wort Gottes am Wasser antrifft und zu sich nimmt und sich anvermählt, damit du mit ihm „ein Geist“a wirst in Christus Jesus, unserem Herrn. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“b

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HOMILIA XI De eo, quod Abraham Chetturam accepit uxorem et quod Isaac habitauit ad puteum uisionis

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1. Semper nobis sanctus apostolus occasiones praebet intellegentiae spiritalis et pauca licet, tamen necessaria studiosis ostendit indicia, quibus „quod lex spiritalis sit“, a in omnibus agnoscatur. Ipse igitur de Abraham et Sarra disputans quodam loco ait: „Non“, inquit, „infirmatus fide considerauit suum corpus emortuum, cum fere centum annorum esset, et emortuam uuluam Sarrae.“ b Hunc ergo, quem ille dicit emortui corporis in centenario annorum numero fuisse et Isaac magis uirtute fidei quam corporis fecunditate genuisse, scriptura nunc refert accepisse uxorem Chetturam nomine et filios ex ea plurimos genuisse, cum fere centum triginta et septem uideatur annorum. c Nam Sarra uxor eius decem ab eo annis iunior scribitur, d quae centesimo uicesimo et septimo anno defuncta e indicat Abraham supra centum triginta et septem annorum fuisse, cum Chetturam accepit uxorem. Quid ergo? Putamus quod in tanto patriarcha per idem temporis incitamenta carnis uiguerint? Et qui olim naturalibus motibus emortuus dicitur, nunc ad libidinem rediuiuus putabitur? An, ut saepe iam diximus, patriarcharum coniugia mysticum aliquid indicant et sacratum? Sicut et ille, qui dicebat de sapientia: „Hanc ego cogitaui uxorem adducere mihi.“ f Fortassis ergo iam tunc et Abraham simile aliquid cogitauit et, quamuis esset sapiens, hoc ipso tamen sciebat quod sapientiae nullus est finis nec discendi terminum senectus inponit. Qui enim consueuit eo modo sortiri matrimonium, quo de ipso superius indicauimus, id est qui uirtutem habere in coniugio a f

Röm. 7,14 Weish. 8,9

b

Röm. 4,19

c

vgl. Gen. 25,1f.

d

vgl. Gen. 17,17

e

vgl. Gen. 23,1

374 Vgl. zu dieser Homilie Dively Lauro, The soul and spirit 96–103. 375 Vielleicht auch: „in allen Bibelpassagen“. 376 Zu der seit Seneca dem Älteren sicher belegten Lesart iuuenior (Hs. P; vgl. in Ex. hom. 5,5 [GCS Orig. 6, 190]) statt iunior vgl. ThLL VII/2, 737,45–74. 377 Der Gedanke erscheint bereits in princ. IV 2,2 (GCS Orig. 5, 309); vgl. auch in Regn. hom. lat. 5 (GCS Orig. 8, 8). – Zur jüngeren Lesart sacramentum statt sacratum vgl. Doutreleau, SC 7bis, 278 Anm. 1. 378 Vielleicht hat Origenes hier Solons klassisches Diktum im Sinn: „Ich werde alt und

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HOMILIE 11374 Darüber, dass Abraham Ketura zur Frau nahm und dass Isaak am Brunnen der Vision wohnte 5

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1. Stets gewährt uns der heilige Apostel Gelegenheit zur geistigen Einsicht und gibt den Forschenden, wenn auch nur wenige, so doch notwendige Fingerzeige, dank deren sich in allem375 erkennen lässt, „dass das Gesetz geistig ist“.a Er selbst sagt nun an einer Stelle, wo er von Abraham und Sarah handelt: „Im Glauben“, heißt es, „nicht entkräftet, wähnte er seinen Leib erstorben, war er doch beinahe hundert Jahre alt, und Sarahs Schoß erstorben.“b Von ihm also, von dem er (sc. Paulus) sagt, in seinem hundertsten Lebensjahr sei sein Leib erstorben gewesen und habe er Isaak mehr mit der Kraft seines Glaubens als mit der Fruchtbarkeit seines Leibes gezeugt, berichtet nun die Schrift, er habe sich eine Frau namens Ketura genommen und mit ihr sehr viele Söhne gezeugt, als er etwa hundertsiebenunddreißig Jahre alt schien.c Denn seine Frau Sarah, steht geschrieben, war zehn Jahre jünger als er;d 376 da sie mit hundertsiebenundzwanzig Jahren verschied,e wird deutlich, dass Abraham mehr als hundertsiebenunddreißig Jahre zählte, als er Ketura zur Frau nahm. Was also? Glauben wir, dass sich bei einem so großen Patriarchen in eben jenen Jahren die Lockungen des Fleisches regten? Und von ihm, von dem es heißt, er sei schon lange für die natürlichen Regungen erstorben gewesen, wird man glauben, nun sei er wiedergeboren für die Lust? Oder verweisen die Ehen der Patriarchen, wie wir schon oft gesagt haben, auf etwas Mystisches und Geheiligtes377 – wie auch er es tat, der von der Weisheit sagte: „Ich habe erwogen, sie mir zur Frau zu nehmen“?f Vielleicht erwog also auch Abraham schon lange Ähnliches, und obwohl er weise war, wusste er eben darum trotzdem, dass es kein Ende der Weisheit gibt und dass das Greisenalter dem Lernen keine Grenze setzt.378 Wer nämlich den Ehebund auf die Weise zu schließen pflegt, die wir bei ihm eben dargelegt haben,379 das heißt wer mit der Tugend vermählt ist, wann könnte der von lerne stets Etliches hinzu.“ (frg. 18 West: ghraÂskv dÆ aiÆeiÁ pollaÁ didaskoÂmenow; vgl. Cicero, sen. 26: Solonem . . ., qui se cotidie aliquid addiscentem dicit senem fieri). 379 Vgl. in Gen. hom. 6,1 (GCS Orig. 6, 66): „Ich glaube also, dass Sarah, was mit ,Herrscherin‘ oder ,die Herrschaft ausübend‘ übersetzt wird, die Figur der Tugend verkörpert, nämlich die Tugend des Herzens. Diese Tugend ist also verbunden mit dem weisen und treuen Mann und hangt ihm an.“

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Homilia XI

solet, quando potest ab huiuscemodi cessare coniugio? Sarrae namque dormitio uirtutis est intellegenda consummatio. Qui uero consummatae et perfectae uirtutis est, semper necesse est ut in aliqua eruditione uersetur; quam eruditionem coniugem eius sermo diuinus appellat. a Secundum hoc puto quod et in lege caelebs et sterilis maledicto subiacet; dicit enim: Maledictus, qui non reliquerit semen in Israhel. Quod si haec de carnali semine dici putentur, omnes ecclesiae uirgines sub maledicto positae uidebuntur. Et quid de ecclesiae uirginibus dico? Ipse Iohannes, quo maior inter natos mulierum nemo fuit, b et alii sanctorum plurimi semen secundum carnem non reliquerunt, quippe qui ne inisse quidem matrimonia referuntur. Sed certum est illos spiritale semen et spiritales filios reliquisse et habuisse unumquemque coniugem sapientiam, sicut et Paulus per euangelium filios generabat. c Accepit ergo senex emortui iam corporis Abraham uxorem Chetturam. Ego puto secundum hanc, quam supra exposuimus rationem, quod melius tunc uxor accipitur, quando emortuum corpus est, quando mortificata sunt membra. d Maior enim ad sapientiam sensibus nostris capacitas inest, quando mortificatio Christi circumfertur in corpore nostro mortali. e Denique Chettura, quam nunc senex Abraham sortitur in matrimonium, uymiÂama interpretatur, quod est incensum uel bonus odor. Et ipse enim dicebat, sicut Paulus dixit, quia „Christi bonus odor sumus“. f Quomodo autem quis „Christi bonus odor“ efficitur, uideamus. Peccatum res est foetida. Denique peccatores porcis conparantur, qui in peccatis uelut in stercore foetido uolutantur. g Et Dauid ex persona peccatoris poenitentis dicit: „Computruerunt et exesae sunt cicatrices meae.“ h 2. Si quis ergo uestrum est, in quo odor peccati iam nullus est, sed odor iustitiae, suauitas misericordiae, si quis „sine intermissione“ i orando offert Domino semper incensum et dicit: „Dirigatur oratio mea sicut incensum in conspectu tuo, eleuatio manuum mearum sacrificium uespertinum“, j hic Chetturam duxit uxorem. Sic ergo senum nuptias interpretari dignius puto, sic pulchre inita patriarcharum in ultima iam et defecta aetate coniugia, sic a vgl. Weish. 8,9 b vgl. Mt. 11,11 c vgl. 1 Kor. 4,15 d vgl. Kol. 3,5 e vgl. 2 Kor. f g h i j 4,10 2 Kor. 2,15 vgl. Mt. 8,30f. u.ö. Ps 37(38),6 1 Thess. 5,17 Ps. 140(141),2

380 Dieses Logion schließt nur vage an bestimmte Aussagen des Alten Testaments an (vgl. Dtn. 7,14; 25,5–10). Seine engste (ins Positive gewendete) Parallele bietet Jes. 31,9 in der Fassung der Septuaginta: „Glücklich, wer Nachkommen hat in Zion und Verwandtschaft in Jerusalem.“ Aus welcher Quelle Origenes das (in seinen Augen offenkundig genuine) Logion hat, ist unklar. Später zitiert es noch Johannes von Damaskus; gelegentlich taucht es bei spätantiken lateinischen Kirchenvätern auf (vgl. die Belege bei Doutreleau, SC 7bis, 395–397).

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einer solchen Ehe lassen? Denn Sarahs Entschlafen ist als Vollendung der Tugend zu begreifen. Wer aber vollendete und vollkommene Tugend besitzt, der kann nicht umhin, sich stets irgendeiner Erkenntnis zu widmen. Diese Erkenntnis nennt das göttliche Wort seine Gemahlin.a Aus diesem Grund wird, glaube ich, der Unverheiratete und Unfruchtbare im Gesetz der Verfluchung preisgegeben. Es sagt nämlich: Verflucht, wer keinen Samen in Israel zurückgelassen hat.380 Glaubt man nun, dies werde von fleischlichem Samen gesagt, wird es so aussehen, als fielen alle Jungfrauen der Kirche der Verfluchung anheim.381 Und was spreche ich von den Jungfrauen der Kirche? Gerade Johannes – größer als er war keiner unter den Söhnen der Frauenb – und die meisten anderen Heiligen ließen keinen leiblichen Samen zurück, berichtet man ja von ihnen, sie hätten nicht einmal geheiratet. Doch es ist gewiss, dass sie geistigen Samen und geistige Söhne zurückließen und dass ein jeder von ihnen die Weisheit zur Gemahlin hatte, wie auch Paulus durch das Evangelium Söhne zeugte.c So nahm denn der greise Abraham mit seinem bereits erstorbenen Leib Ketura zur Frau. Entsprechend der Deutung, die wir eben gegeben haben, glaube ich, dass man sich besser dann eine Frau nimmt, wenn der Leib erstorben ist, wenn die Glieder abgetötet sind.d Denn ein größeres Fassungsvermögen für die Weisheit liegt in unseren Sinnen, wenn wir die Tötung Christi in unserem sterblichen Leib mit uns tragen.e Des Weiteren deutet man Ketura, die der greise Abraham nun zur Frau nimmt, als „thymı´ama“, das heißt Weihrauch oder Wohlgeruch.382 Er selbst sagte ja, wie Paulus sagte, dass „wir Christi Wohlgeruch sind“.f Wie man aber „Christi Wohlgeruch“ wird, wollen wir sehen. Die Sünde ist eine übelriechende Angelegenheit.383 Die Sünder werden ja mit Schweinen verglichen, die sich in ihren Sünden wälzen wie in stinkendem Kot.g Und David sagt als reuiger Sünder: „Gänzlich faulig und zerfressen sind meine Narben.“h 2. Findet sich unter euch also einer, an dem kein Geruch der Sünde mehr ist, sondern der Geruch der Gerechtigkeit, die Süße des Mitleids, bringt einer dem Herrn „ohne Unterlass“i im Gebet allezeit Weihrauch dar und sagt: „Mein Gebet steige wie Weihrauch vor dein Angesicht, die Erhebung meiner Hände gelte als Abendopfer“,j der hat Ketura zur Frau genommen. So also deutet man meines Erachtens die Hochzeiten der Greise würdiger, so in lauterer Gesinnung die noch im hohen, ermatteten Alter 381 Vgl. in Regn. hom. lat. 3 (GCS Orig. 8, 5): „Unsere Jungfrauen müssen doch wohl nicht trauern, weil sie kinderlos leben?“ 382 Vgl. Philon, sacr. Abel. et Cain. 43 (I p. 220 Cohn/Wendland): „Ketura, die ,Duftende‘ (uymiv Ä sa)“; Wutz, Onomastica sacra 457; Grabbe, Etymology 220. 383 Der Gedanke erscheint auch in Cant. hom. 1,2 (GCS Orig. 8, 30): „Die Sünde ist von üblem Geruch.“

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Homilia XI

necessarias filiorum procreationes aestimo numerandas. Ad tales enim nuptias et ad huiuscemodi subolem non ita iuuenes ut senes apti sunt. Quanto enim quis carne fessus est, tanto erit animi uirtute robustior et sapientiae conplexibus aptior. Sic et ille in scripturis uir iustus Helchana duas simul habuisse refertur uxores, quarum una Phennana, alia Anna dicebatur, id est ,conuersio‘ et ,gratia‘. a Et primo quidem dicitur de Phennana filios suscepisse, id est de conuersione, et postmodum de Anna, quae est gratia. Profectus etenim sanctorum scriptura figuraliter per coniugia designat. Vnde et tu potes, si uis, huiuscemodi nuptiarum maritus existere, et, uerbi causa, si hospitalitatem libenter exerces, hanc tibi coniugem uideberis adsumpsisse. Huic si addideris pauperum curam, secundam uideberis sortitus uxorem. Quod si et patientiam tibi iungas et mansuetudinem ceterasque uirtutes, tot uideberis accepisse uxores, quot uirtutibus gaudes. Inde ergo est quod nonnullos patriarcharum simul plures habuisse coniuges, b alios defunctis prioribus accepisse alias scriptura conmemorat; c ut illud figuraliter indicetur, quod quidam plures simul possunt exercere uirtutes, alii non prius, quae sequuntur, incipere quam priora perduxerint ad perfectum. Inde denique Solomon plures simul habuisse refertur uxores, d cui dixerat Dominus: „Sapiens ante te non fuit talis, et post te non erit.“ e Quia ergo dederat ei Dominus multitudinem prudentiae, sicut harena est maris, f ut iudicaret populum suum „in sapientia“, g ideo plures simul poterat exercere uirtutes. Sane praeter hoc quod ex lege Dei edocemur, si etiam ex his eruditionibus, quae extrinsecus uidentur esse in saeculo, aliquas contingimus – uerbi causa, ut est eruditio litterarum uel artis grammaticae, ut est geometrica doctrina uel ratio numerorum uel etiam dialectica disciplina – et haec omnia extrinsecus quaesita ad nostra instituta perducimus atque in adsertionem nostrae legis adsciscimus, tunc uidebimur uel alienigenas in matrimonium sumpsisse uel etiam concubinas. h Et si de huiuscemodi coniugiis disputando, disserendo, contradicentes redarguendo conuertere aliquos poterimus ad fidem et si suis eos rationibus et artibus superantes ueram philosophiam Christi et ueram pietatem Dei suscipere suaserimus, tunc ex diaa f

vgl. 1 Sam. 1,2 vgl. Gen. 22,17

b

vgl. Gen. 16,3 Koh. 7,23

g

h

c vgl. Gen. 25,1 d vgl. Hld. 6,8 vgl. 1 Kön. 11,1.3; Hld. 6,8

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2 Chr. 1,12

384 Bereits Philon, z.B. deus immut. 5 (II p. 57 Cohn/Wendland), erklärt Hanna als xaÂriw, „Anmut, Gnade“ (nach hebr. hanan, „anmutig sein“). Vgl. Wutz, Onomastica sacra 107; Grabbe, Etymology 133.

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geschlossenen Ehen der Patriarchen, so sind in meinen Augen die unweigerlichen Zeugungen von Kindern zu bewerten. Denn zu solchen Hochzeiten und dergleichen Nachkommen eignen sich junge Männer weniger als Greise. Je erschöpfter man nämlich im Fleisch ist, umso stärker wird man sich im geistigen Vermögen zeigen und umso reifer für die Umarmungen der Weisheit. So erzählt man auch in den Schriften, der gerechte Elkana habe gleichzeitig zwei Frauen besessen, von denen die eine Peninna hieß, die andere Hanna, das heißt ,Umkehr‘ und ,Gnade‘.a 384 Und es heißt, zuerst habe er von Peninna Söhne empfangen, das heißt von der Umkehr, und danach von Hanna, die die Gnade ist.385 Denn die Fortschritte der Heiligen beschreibt die Schrift bildlich mit Ehen. Deshalb kannst auch du, wenn du willst, bei solchen Hochzeiten Bräutigam werden. Pflegst du etwa freigebige Gastlichkeit, wird es scheinen, als hättest du dir diese zur Frau genommen. Stellst du ihr noch die Sorge um die Armen zur Seite, wird es scheinen, als hättest du eine zweite Frau erlangt. Und vermählst du dich mit der Geduld und der Sanftmut und den übrigen Tugenden, wird es scheinen, als hättest du so viele Frauen gewonnen, wie du dich Tugenden erfreust. Deshalb also erinnert die Schrift daran, dass manche Patriarchen gleichzeitig mehrere Gattinnen hatten,b während andere erst nach dem Tod der ersten Gattin eine andere geheiratet haben,c damit im Bild deutlich werde, dass manche gleichzeitig mehrere Tugenden üben können, während andere mit einer neuen erst beginnen können, wenn sie die erste vervollkommnet haben. Deshalb also erzählt man von Salomo, er habe gleichzeitig mehrere Frauen gehabtd – zu dem der Herr gesagt hatte: „Vor dir gab es keinen, der so weise war, und nach dir wird es keinen geben“.e Weil der Herr ihm also eine solche Fülle der Klugheit geschenkt hatte, wie es Sand am Meer gibt,f damit er „in Weisheit“g über sein Volk richte, deshalb konnte er gleichzeitig mehrere Tugenden üben. Wenn wir, natürlich neben dem, was das Gesetz Gottes uns lehrt, auch einige von den Wissenschaften wählen, die draußen zur Welt zu gehören scheinen – wie beispielsweise das Studium der Literatur oder der Grammatik, wie Geometrie, Arithmetik oder auch Dialektik –, und all dies draußen Erworbene für unseren Unterricht fruchtbar machen und zur Erläuterung unseres Gesetzes heranziehen, dann wird es scheinen, als hätten wir Ausländerinnen oder gar Konkubinenh geehelicht. Und wenn wir aus derlei Ehen durch Diskutieren, durch Erörtern, durch das Widerlegen derer, die uns widersprechen, einige zum Glauben bekehren können und wenn wir sie mit ihren eigenen Lehren und Methoden bezwingen und überzeugen, die wahre Philosophie Christi und den wahren Glauben an Gott anzunehmen, 385 Breiter entfaltet wird dieser Gedanke in Regn. hom. lat. 5 (GCS Orig. 8, 8).

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Homilia XI

lectica uel rhetorica uidebimur quasi ex alienigena quadam uel concubina filios genuisse. Igitur ad tales nuptias uel ad huiuscemodi filios procreandos per senectam nullus excluditur, immo potius haec casta progenies maturae aetati plus conuenit. Sicut et nunc Abraham grandaeuus et, ut scriptura dicit, senex et plenus dierum a Chetturam ducit uxorem. Sed ne hoc quidem latere nos debet ex his, quae per historiam referuntur, quae et quales sint generationes, quae ex ipsa propagantur. Si enim horum meminerimus, facilius, quae de diuersis gentibus in scripturis dicuntur, poterimus agnoscere; uerbi causa, ut cum dicitur quia Moyses accepit uxorem filiam Iothor sacerdotis Madiam, b qui Madiam inuenitur filius esse Chetturae et Abraham. c Agnoscimus ergo quia uxor Moysi ex semine Abraham sit et non fuerit alienigena. Sed et cum scribitur ,regina Cedar‘, d sciendum nihilominus est quod et Cedar ex ipso genere Chetturae descendat et Abraham. Sed et in generationibus Ismael similia inuenies. e Quas si diligenter intuearis, plurimas in his, quae ceteros latent, historias deprehendes. Sed nos interim haec in aliud tempus remittentes ad ea, quae in consequentibus recitata sunt, properemus. 3. „Et factum est“, inquit, „postquam mortuus est Abraham, benedixit Dominus Isaac filium eius et habitauit ad puteum uisionis.“ f De morte Abraham quid nobis amplius dicendum est quam sermo Domini in euangeliis continet dicens: „De resurrectione autem mortuorum non legistis, quomodo dicit in rubo: Deus Abraham et Deus Isaac et Deus Iacob? Deus autem non est mortuorum, sed uiuorum. Omnes enim illi uiuunt.“ g Optemus ergo et nos huiusmodi mortem, sicut et apostolus dicit, ut moriamur peccato, uiuamus autem Deo. h Talis namque Abrahae mors intellegenda est, quae in tantum dilatauerit sinus eius, ut omnes sancti, qui de quattuor terrae partibus ueniunt, in sinus Abrahae portentur ab angelis. i vgl. Gen. 24,1 b vgl. Ex. 2,21 c Gen. 25,1f. d vgl. Jer. 30,23 LXX e vgl. Gen. f g h 25,13 Gen. 25,11 Mk. 12,26f.; Lk. 20,37f. vgl. Röm. 6,10; 1 Petr. 2,24 i vgl. Lk. 16,22 a

386 Zum Nutzen weltlicher Wissenschaften in der Exegese vgl. in Gen. hom. 6,2 (GCS Orig. 6, 67f.); 14,3 (6, 123f.); in Ex. hom. 11,6 (GCS Orig. 6, 260); epist. Greg. (SC 148, 186–194); vorsichtiger in Num. hom. 20,3 (GCS Orig. 7, 192). Vgl. auch Gregor Thaumaturgus, paneg. Orig. 13f. (SC 148, 158–168). Vgl. unten S. 241 Anm. 432; Neuschäfer, Origenes als Philologe 162 (und 416 Anm. 158), und zu dem Thema insgesamt Crouzel, Orige`ne 139–165. 387 Die Konstruktion excludere ad (ad tales nuptias . . . excluditur) scheint singulär (der ThLL hat kein Beispiel). 388 Laut Cadiou, La jeunesse d’Orige`ne 30 (zit. nach Doutreleau, SC 7bis, 284f. Anm. 3), spiegelt sich hier auch ein ironischer Kommentar des Origenes über die eigene Gelehrsamkeit.

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Homilie 11,2–3

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dann wird es scheinen, als hätten wir mit der Dialektik oder Rhetorik wie mit einer Ausländerin oder Konkubine Söhne gezeugt.386 Von solchen Hochzeiten oder vom Zeugen solcher Söhne wird folglich niemand durch sein Greisenalter ausgeschlossen.387 Im Gegenteil: Diese keusche Nachkommenschaft passt weit mehr zum reifen Alter.388 So nimmt denn auch der steinalte und, wie die Schrift sagt, greise und hochbetagtea Abraham Ketura zur Frau. Doch von dem, was auf der geschichtlichen Ebene erzählt wird, soll uns auch nicht verborgen bleiben, welche und was für Geschlechter von ihr (sc. Ketura) begründet werden. Behalten wir nämlich dies im Gedächtnis, werden wir leichter begreifen können, was in den Schriften über die verschiedenen Stämme gesagt wird – zum Beispiel wenn es heißt, Mose nahm die Tochter des Jitro zur Frau, des Priesters von Midian,b dass sich dieser Midian als Sohn Keturas und Abrahams herausstellt.c 389 Wir erkennen also, dass die Frau des Mose aus Abrahams Samen stammt und keine Fremde war. Doch auch wenn geschrieben steht ,Königin Kedar‘,d gilt es nichtsdestotrotz zu wissen, dass auch Kedar aus eben dem Geschlecht Keturas und Abrahams stammt. Aber auch in den Nachkommen Ismaels findet sich Ähnliches.e Untersucht man sie sorgfältig, wird man in ihnen überaus viele geschichtliche Nachrichten entdecken, die anderen verborgen bleiben. Doch das wollen wir einstweilen auf eine andere Gelegenheit vertagen und rasch zu dem kommen, was in der Folge vorgelesen wurde. 3. „Und es geschah“, heißt es, „nachdem Abraham gestorben war, dass der Herr Isaak segnete, seinen Sohn, und Isaak wohnte am Brunnen der Vision.“f Was können wir über Abrahams Tod mehr sagen, als das Wort des Herrn in den Evangelien besagt, das lautet: „Habt ihr nicht von der Auferstehung der Toten gelesen, wie er im Dornbusch sagt: Gott Abrahams, Gott Isaaks und Gott Jakobs? Gott ist aber kein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Sie alle nämlich leben.“g Lasst also auch uns einen solchen Tod wählen, wie auch der Apostel sagt, dass wir der Sünde sterben, Gott aber leben sollen.h So nämlich ist Abrahams Tod zu begreifen: Er hat seinen Schoß390 in solchem Maße weit gemacht, dass alle Heiligen, die aus den vier Regionen der Erde kommen, von den Engeln in Abrahams Schoß getragen werden.i

389 Hier identifiziert Origenes unzulässigerweise Midian, den Sohn Abrahams und Keturas (Gen. 25,1f.), mit dem palästinischen Landstrich Midian (Ex. 2,15). Zippora, die Tochter des dortigen Priesters (Regue¨l laut Ex. 2,18; Jitro laut Ex. 3,1), nimmt Mose zur Frau (Ex. 2,21). – Vgl. ferner in Gen. frg. E 65 Metzler (OWD 1/1, 246f.): „Das Volk der Midianiter stammt von Midian, dem Sohn des Abraham und der Ketura. Daraus wird klar, dass Jitro, der Schwiegervater des Mose, ein Nachkomme Abrahams und Verwandter des Mose war.“ 390 Der ungewöhnliche Plural (sinus) bildet diese „Ausbreitung“ ab.

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Homilia XI

Sed uideamus iam, quomodo post mortem eius benedixerit Dominus Isaac filium eius et quae est ista benedictio. „Benedixit“, inquit, „Dominus Isaac et habitauit ad puteum uisionis.“ a Haec est omnis benedictio, qua Dominus benedixit Isaac, ut habitaret ad puteum uisionis. Intellegentibus grandis est ista benedictio. Vtinam Dominus et mihi donet hanc benedictionem, ut habitare merear ad puteum uisionis. Qui potest scire et intellegere, quae est „uisio, quam uidit Esaias filius Amos“? b Qui potest scire, quae est uisio Naum? c Qui potest intellegere, quid contineat illa uisio, quam uidit Iacob in Bethel, cum abiret in Mesopotamiam, ubi dixit: „Haec est domus Dei et porta caeli“? d Et si qui potest singulas quasque uisiones, uel quae in lege sunt uel quae in prophetis, scire et intellegere, ille habitat ad puteum uisionis. Sed et hoc diligentius perspice, quod ita magnam benedictionem accipere a Domino meruit Isaac, ut habitaret ad puteum uisionis; nos uero quando satis mereri poterimus, si forte transitum habere possimus per puteum uisionis? Ille permanere in uisione meruit et habitare, nos autem parum quid inluminati per Dei misericordiam sentire uel suspicari de unaquaque uisione uix possumus. Si tamen potuero unum aliquem intellectum sentire de uisionibus Dei, unam diem uidebor fecisse apud puteum uisionis. Si uero non solum secundum litteram, sed aliquid et secundum spiritum adtingere quiuero, bidui uidebor fecisse apud puteum uisionis. Quod si et moralem locum contigero, fecerim tridui. Vel certe etiam si non potuero omnia intellegere, adsideo tamen scripturis diuinis et in lege Dei meditor die ac nocte e et omnino numquam desino inquirendo, discutiendo, tractando, certe, quod maximum est, orando Deum et ab illo poscendo intellectum, qui „docet hominem scientiam“, f uidebor etiam ego habitare ad puteum uisionis. Si uero neglegam et neque domi exercear in uerbo Dei neque ecclesiam ad audiendum uerbum frequenter ingrediar, sicut nonnullos in uobis uideo, qui diebus tantummodo sollemnibus ad ecclesiam ueniunt, qui huiusmodi sunt, non habitant apud puteum uisionis. Ego autem uereor, ne forte qui ita neglegentes sunt, etiam cum ad ecclesiam ueniunt, nec bibant de puteo uitae nec reficiantur, sed occupationibus uacent cordis sui et cogitationibus, quas secum deferunt, et discedant nihilominus ab scripturarum puteis siti- entes. Festinate ergo uos et satis agite, ut ista ad uos Domini benedictio a Gen. 25,11 93(94),10

b

Jes. 1,1

c

vgl. Nah. 1,1

d

Gen. 28,17

e

vgl. Ps. 1,2

391 Der Begriff ,Vision‘ wird deutlicher im Licht von in Gen. hom. 13. 392 Der gleiche Vorwurf erscheint in Gen. hom. 10,1.3 (GCS Orig. 6, 93.97).

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Ps.

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Homilie 11,3

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Doch nun wollen wir sehen, wie der Herr nach Abrahams Tod seinen Sohn Isaak segnete und was dieser Segen bedeutet. „Der Herr“, heißt es, „segnete Isaak, und Isaak wohnte am Brunnen der Vision.“a Das ist der ganze Segen, mit dem der Herr Isaak segnete, dass er am Brunnen der Vision wohnte. Für die Verständigen ist dieser Segen groß. Schenkte der Herr diesen Segen doch auch mir, dass ich es verdiente, am Brunnen der Vision zu wohnen! Wer vermag zu wissen und zu begreifen, was für eine Vision „Jesaia sah, der Sohn des Amoz“?b Wer vermag zu wissen, was die Vision des Nahum ist?c Wer vermag zu begreifen, was jene Vision besagt, die Jakob in Bethel hatte, als er nach Mesopotamien fortzog, wo er sprach: „Dies ist das Haus Gottes und das Himmelstor“?d Und wenn einer all die einzelnen Visionen – ob die im Gesetz oder die in den Propheten – wissen und begreifen kann, so wohnt er am Brunnen der Vision. Doch auch dies erwäge sehr sorgfältig, dass Isaak würdig war, einen so großen Segen vom Herrn zu empfangen, dass er am Brunnen der Vision wohnte. Doch wann werden wir würdig genug sein, vielleicht am Brunnen der Vision vorbeiziehen zu können? Er war würdig, in der Vision zu verharren und zu wohnen; wir, nur dürftig erleuchtet dank Gottes Erbarmen, vermögen uns kaum eine Meinung oder Vorstellung von irgendeiner dieser Visionen zu bilden. Gelingt es mir aber, eine einzige Erkenntnis über die Visionen Gottes zu gewinnen, wird es scheinen, als habe ich einen Tag am Brunnen der Vision verbracht. Vermag ich jedoch etwas nicht nur gemäß dem Buchstaben, sondern auch gemäß dem Geist zu begreifen, wird es scheinen, als habe ich zwei Tage am Brunnen der Vision verbracht. Gelange ich aber zu einer sittlichen Einsicht, dürfte ich drei Tage dort verbracht haben. Und wahrlich, auch wenn ich nicht alles verstehen kann, aber über den göttlichen Schriften sitze und bei Tag und bei Nacht über Gottes Gesetz sinnee und niemals aufhöre zu forschen, zu erörtern, zu untersuchen und wahrlich, was das Größte ist, Gott zu bitten und von ihm, der „die Menschen Erkenntnis lehrt“,f Einsicht zu erflehen, wird es scheinen, als wohnte auch ich am Brunnen der Vision.391 Werde ich aber nachlässig und widme mich weder daheim dem Wort Gottes noch betrete ich oftmals die Kirche, um das Wort zu hören (so wie ich einige unter euch sehe, die ausschließlich an Feiertagen zur Kirche kommen)392 – wer sich so benimmt, wohnt nicht am Brunnen der Vision. Ich fürchte aber, dass die, die sich so nachlässig zeigen, auch wenn sie zur Kirche kommen, weder vom Brunnen des Lebens trinken noch erquickt werden, sondern sich den Beschäftigungen ihres Herzens und den Gedanken hingeben, die sie mit sich herumtragen, und die Brunnen der Schriften gleichwohl durstig verlassen.393 Sputet euch also und trachtet danach, dass dieser 393 Zu solcher Nachlässigkeit gegenüber Gottesdienst und Wort Gottes vgl. in Gen. hom. 10,1 (GCS Orig. 6, 93f.).

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Homilia XI

ueniat, qua apud puteum uisionis habitare possitis, ut aperiat Dominus oculos uestros et uideatis puteum uisionis et percipiatis ex eo aquam uiuam, a quae fiat in uobis fons aquae salientis in uitam aeternam. b Si qui autem raro ad ecclesiam ueniat, raro de scripturarum fontibus hauriat et, quae audit, continuo discedens et aliis negotiis occupatus omittat, hic non habitat apud puteum uisionis. Vis tibi ostendam, quis est, qui numquam recedit a puteo uisionis? Apostolus Paulus, qui dicebat: „Nos autem omnes reuelata facie gloriam Domini speculamur.“ c Et tu ergo si semper scruteris propheticas uisiones, si semper inquiras, semper discere cupias, haec mediteris, in his permaneas, percipis et tu benedictionem a Domino et habitas apud puteum uisionis. Et tibi enim apparebit Dominus Iesus „in uia“ et aperiet tibi scripturas, ita ut dicas: „Nonne cor nostrum erat ardens in nobis, cum adaperiret nobis scripturas?“ d Apparet autem his, qui de ipso cogitant et in ipso meditantur atque in lege eius die ac nocte e uersantur. „Ipsi gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen.“ f vgl. Gen. 26,19; Joh. 7,38 b vgl. Joh. 4,14 f 1,2 Offb. 1,6; vgl. 1 Petr. 4,11

a

c

2 Kor. 3,18

d

Lk. 24,32

e

vgl. Ps.

394 Aufgrund seiner Stellung bezieht continuo sich ebenso auf discedens wie auf omittat.

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Homilie 11,3

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Segen des Herrn zu euch komme, dank dessen ihr am Brunnen der Vision wohnen könnt, damit der Herr eure Augen öffne und ihr den Brunnen der Vision seht und aus ihm das lebendige Wassera empfangt, das in euch ein Quell Wassers werde, das sprudele zum ewigen Leben.b Wer aber selten zur Kirche kommt, selten aus den Quellen der Schriften schöpft und vergisst, was er hört, da er alsbald394 geht und sich mit anderen Geschäften befasst, der wohnt nicht am Brunnen der Vision. Willst du, dass ich dir zeige, wer niemals vom Brunnen der Vision weicht? Der Apostel Paulus, der sagte: „Wir aber schauen alle entblößten Angesichts die Herrlichkeit des Herrn.“c So auch du: Wenn du allezeit die prophetischen Visionen erforschst, wenn du allezeit fragst, dich allezeit zu lernen mühst, über diese Dinge nachsinnst, in ihnen verweilst, dann empfängst auch du vom Herrn Segen und wohnst am Brunnen der Vision. Denn auch dir wird der Herr Jesus „auf dem Weg“ erscheinen und dir die Schriften auslegen, so dass du sagst: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er uns die Schriften auslegte?“d Er erscheint aber denen, die über ihn nachdenken und über ihn nachsinnen395 und bei Tag und bei Nacht in seinem Gesetze verweilen. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“f

395 Zu meditari in im Sinn von meditari de in christlichen Texten vgl. ThLL VIII/1, 576,22–37.

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HOMILIA XII De conceptu Rebeccae et partu

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1. Per singulas quasque lectiones, „cum legitur Moyses“, a orandus nobis est Pater Verbi, ut inpleat etiam in nobis illud, quod in psalmis scriptum est: „Reuela oculos meos, et considerabo mirabilia de lege tua.“ b Nisi enim ipse aperiat oculos nostros, quomodo uidere poterimus tanta haec, quae in patriarchis sacramenta formantur, quae nunc in puteis, nunc in nuptiis, nunc in partubus, nunc etiam in sterilitatibus figurantur? Refert namque praesens lectio quod „Isaac rogauit dominum pro Rebecca uxore sua, quia sterilis erat; et exaudiuit illum Deus, et concepit. Et exsultabant“, inquit, „pueri in utero eius.“ c Primo omnium intuere, quid istud est, quod plurimae sanctarum mulierum in scripturis steriles fuisse referuntur, sicut ipsa Sarra, d ecce et nunc Rebecca. e Sed et Rachel dilecta Israhel sterilis fuit. f Anna quoque mater Samuelis sterilis scribitur. g Sed et in euangeliis Elisabeth sterilis fuisse memoratur. h In omnibus autem istis unus hic titulus designatur quod post sterilitatem sanctum omnes ediderint partum. Sic ergo et haec nunc Rebecca sterilis fuisse dicitur, sed „orauit“, inquit, „pro ea Isaac Dominum, et exaudiuit illum et concepit. Et exsultabant“, ait, „pueri in utero eius.“ i Sterilitas haec ecce quid concepit? Filii sterilis, antequam nascantur, exsultant et quae desperauerat subolem, gentes et populos gestat in utero. Sic enim dicit: „Abiit“, inquit, „Rebecca interrogare a Domino, et dixit ei Dominus: Duae gentes in utero tuo sunt, et duo populi de uentre tuo separantur.“ j Longum est, si uelimus nunc exsultationem puerorum adhuc in utero habitantium perscrutari. Longum est, si de his interpretationes et aenigmata, quae scripsit apostolus, proferamus, quid mysterii, quid causae contineant, cur, antequam a f

2 Kor. 3,15 b Ps. 118(119),18 c Gen. 25,21f. d vgl. Gen. 11,30 e vgl. Gen. 25,21 g h i j vgl. Gen. 29,31 vgl. 1 Sam. 1,2 vgl. Lk. 1,7 Gen. 25,21f. Gen. 25,22f.

396 Zu dieser Homilie siehe Dively Lauro, The soul and spirit 157–163. 397 Vgl. Platon, symp. 177 d 5: „Vater des Wortes (pathÁr toyÄ loÂgoy)“. An der vorliegenden Stelle ist die Junktur nicht in dem literarischen Sinne gemeint, wie Platon sie verwendete, sondern trinitarisch auf den „Vater des Wortes (sc. Christus)“ bezogen. So hat Origenes sie öfter gebraucht: in Gen. hom. 13,1 (GCS Orig. 6, 114): Patrem Verbi uiuentis; in Lev. hom. 12,4 (GCS Orig. 6, 460): Deus, Pater Verbi. 398 Zu diesem Namen Jakobs vgl. in Gen. hom. 15,3 (GCS Orig. 6, 129f.).

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HOMILIE 12396 Über Rebekkas Empfängnis und Niederkunft

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1. Bei jeder einzelnen Lesung, „wenn Mose gelesen wird“,a müssen wir zum Vater des Wortes397 beten, dass er auch an uns vollbringe, was in den Psalmen geschrieben steht: „Entschleiere meine Augen, und ich werde über das Wunderbare an deinem Gesetz nachsinnen.“b Denn wenn nicht er unsere Augen öffnet, wie werden wir diese bedeutsamen Geheimnisse erkennen können, die bei den Patriarchen Gestalt gewinnen, die bald in Brunnen, bald in Hochzeiten, bald in Geburten, ja bald in Unfruchtbarkeiten versinnbildlicht werden? Denn die jetzige Lesung erzählt, dass „Isaak für seine Frau Rebekka betete, denn sie war unfruchtbar; und Gott erhörte ihn, und sie empfing. Und Kinder“, heißt es, „hüpften in ihrem Schoß.“c Zuallererst überlege, warum von den meisten heiligen Frauen in den Schriften erzählt wird, sie seien unfruchtbar gewesen – wie Sarah,d und nun auch Rebekka.e Doch auch Rachel, die Geliebte Israels,398 war unfruchtbar.f Auch von Hanna, der Mutter Samuels, steht geschrieben, sie sei unfruchtbar gewesen.g Aber auch in den Evangelien wird berichtet, Elisabeth sei unfruchtbar gewesen.h Doch bei all diesen Frauen wird diese eine Auszeichnung festgehalten, dass sie alle nach der Unfruchtbarkeit eine heilige Leibesfrucht gebaren.399 So heißt es nun also auch von dieser Rebekka, sie sei unfruchtbar gewesen, doch „Isaak“, heißt es, „betete für sie zum Herrn, und er erhörte ihn, und sie empfing. Und Kinder“, heißt es, „hüpften in ihrem Schoß.“i Aufgemerkt: diese Unfruchtbarkeit, was empfing sie? Die Kinder der Unfruchtbaren hüpfen, bevor sie geboren werden, und die aller Hoffnung auf Nachkommenschaft entsagt hatte, trägt Stämme und Völker in ihrem Schoß. So nämlich sagt die Schrift: „Rebekka“, heißt es, „ging fort, den Herrn zu befragen, und der Herr sprach zu ihr: Zwei Stämme sind in deinem Schoß, und zwei Völker scheiden sich von deinem Unterleib.“j 400 Es würde zu weit führen, wollten wir nun das Hüpfen der noch im Schoß weilenden Kinder genau untersuchen. Es würde zu weit führen, wollten wir zu diesen Dingen die Auslegungen und Rätselworte anführen, die der Apostel niederschrieb, welche Geheimnisse, welche Urgründe sie bergen, 399 Von Lea, Rachels älterer Schwester, heißt es in Gen. frg. E 80 Metzler (OWD 1/1, 256): „Der Herr machte sie fruchtbar, auf dass sie Heilige gebäre.“ 400 De uentre tuo meint: „nach ihrer Geburt aus deinem Unterleib“ (hebr.: „in deinem Unterleib“).

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Homilia XII

nascantur pueri aut aliquid in hoc saeculo agant boni uel mali, a dicitur de his quia: „Populus populum superabit et maior seruiet minori“; b cur, antequam de matris utero procederent, dicitur per prophetam quia: „Iacob dilexi, Esau autem odio habui.“ c Haec et supra nostram linguam sunt et supra auditum uestrum. 2. Nunc interim uideamus, quid est quod dicitur: „Abiit Rebecca interrogare a Domino.“ d „Abiit.“ Quo abiit? Ex eo loco, in quo non erat Dominus, abiit ad eum locum, in quo erat? Hoc enim uidetur indicari, cum dicitur: Abiit interrogare Dominum. Nonne ubique est Dominus? Nonne ipse dixit: „Caelum et terram ego repleo, dicit Dominus“? e Quo ergo abiit Rebecca? Ego puto quod non de loco ad locum abierit, sed de uita ad uitam, de actu ad actum, de bonis ad meliora transierit, de utilibus ad utiliora perrexerit, de sanctis ad sanctiora properauerit. Absurdum namque est, si ita putemus inperitam fuisse Rebeccam et indoctam, quae in domo sapientis Abrahae sub uiro eruditissimo Isaac fuerat instituta, ut intra aliquem locum Dominum putaret esse conclusum et illuc iret interrogare, quid paruulorum intra uterum exsultatio designaret. Vis autem uidere quia ex more uenit hoc sanctis, ut, cum aliquid a Deo ostendi sibi uiderint, uel abire uel transire se dicant? Moyses cum uidisset rubum ardere et non exuri, admiratus uisum dixit: „Transeam et uidebo uisum hoc.“ f Non utique et ipse significabat se aliquod terrae spatium transiturum, non montes conscendere nec degredi praerupta conuallium. Prope ipsum erat uisio, in ore et in oculis eius. Sed dicit: „Transeam“, ut ostendat se conmonitum uisione caelesti ad superiorem uitam debere conscendere et ab his, in quibus erat, ad meliora transire. Sic ergo et nunc refertur de Rebecca quia abiit interrogare Dominum, g quae, ut diximus, abisse non passibus pedum, sed mentis profectibus aestimanda est. Et tu ergo, si coeperis intueri non ea, „quae uidentur, sed quae non uidentur“, h id est non carnalia, sed spiritalia, non praesentia, sed futura, abisse diceris interrogare Dominum. Si eruas te de conuersatione ueteri et a a f

vgl. Röm. 9,11 b Gen. 25,23 g Ex. 3,3 vgl. Gen. 25,22

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c Mal. 1,2f. (Röm. 9,13) 2 Kor. 4,18

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Gen. 25,22

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Jer. 23,24

401 Vgl. princ. III 6,2 (GCS Orig. 5, 283): „Wir sagen, dass Gott überall und in allem sei.“ 402 Vgl. in Ps. 36 hom. 4,1 (SC 411, 180–182): „Ich hörte jemanden . . . vor uns sagen, als er diese Stelle auslegte, es sei unmöglich, eine große Vision vorher zu sehen . . ., sondern es tue not, hinüberzugehen . . . und dann zur Anschauung der geistigen Dinge zu gelangen.“ 403 Zu digredi (Hss. CD degredi) vgl. ThLL V/1, 386,74f.: „in codicibus saepe confunditur (sc. degredior) cum digredior.“

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Homilie 12,1–2

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warum es, noch bevor die Kinder geboren werden oder irgend etwas Gutes oder Böses in dieser Welt tun,a von ihnen heißt: „Ein Volk wird das andere übertreffen und das ältere dem jüngeren dienen“,b warum es, noch bevor sie aus dem Schoß der Mutter hervorgingen, durch den Mund des Propheten heißt: „Jakob habe ich geliebt, Esau aber gehasst.“c Diese Dinge übersteigen unsere Beredsamkeit wie euer Hörvermögen. 2. Indes wollen wir nun sehen, warum es heißt: „Rebekka ging fort, den Herrn zu fragen.“d „Sie ging fort.“ Wohin ging sie fort? Ging sie von einem Ort, an dem der Herr nicht weilte, zu dem Ort, an dem er weilte? Dies scheint nämlich gemeint zu sein, wenn es heißt: Sie ging fort, den Herrn zu fragen. Ist der Herr nicht überall? Sagte er nicht selbst: „Himmel und Erde erfülle ich, spricht der Herr“?e401 Wohin ging Rebekka also fort? Ich glaube, dass sie nicht von einem Ort zu einem anderen ging, sondern von einem Leben zu einem anderen, von einem Werk zu einem anderen; vom Guten ging sie über zum Besseren, vom Nützlichen drang sie zum Nützlicheren vor, vom Heiligen eilte sie zum Heiligeren. Denn es wäre absurd zu glauben, Rebekka, die im Haus des weisen Abraham unter einem hochgelehrten Gatten, Isaak, ihre Ausbildung genossen hatte, sei so unerfahren und unwissend gewesen, dass sie geglaubt hätte, der Herr sei an irgendeinem Ort eingeschlossen, und dass sie dorthin gegangen wäre, um zu fragen, was das Hüpfen der Kleinen in ihrem Schoß bedeute. Willst du aber sehen, dass dies bei den Heiligen üblich ist, wenn sie sehen, dass ihnen von Gott irgendetwas gezeigt wird, dass sie sagen, sie gingen fort oder sie gingen hinüber? Als Mose sah, dass der Dornbusch in Flammen stand und nicht verbrannte, verwunderte er sich über die Erscheinung und sagte: „Ich will hinübergehen und mir diese Erscheinung ansehen.“f 402 Damit gab er gewiss nicht zu verstehen, dass er irgendeine räumliche Distanz überwinden werde, Berge erklimme oder die schroffen Hänge der Täler herabsteige.403 Die Erscheinung war ihm ganz nahe, in seinem Antlitz und in seinen Augen. Er sagt aber: „Ich will hinübergehen“, um zu zeigen, dass er, von der himmlischen Erscheinung ermutigt, zu einem höheren Leben emporsteigen und von dem Dasein, das er führte, zu einem besseren hinübergehen müsse.404 So wird nun also auch von Rebekka berichtet, dass sie fortging, den Herrn zu befragen,g wobei es, wie gesagt, zu erkennen gilt, dass sie nicht mit Schritten, sondern mit den Fortschritten ihres Geistes gegangen ist. So auch du: Wenn du beginnst, nicht das anzusehen, „was sichtbar ist, sondern das, was nicht sichtbar ist“,h das heißt nicht das Fleischliche, sondern das Geistige, nicht das Gegenwärtige, sondern das Künftige, wird es von dir heißen, du seiest fortgegangen, den Herrn zu befragen. Wenn du deinem 404 Ähnlich erklärt Origenes diese Exodus-Passage in Ps. 36 hom. 4,1 (SC 411, 180–186).

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consortio eorum, cum quibus turpiter et notabiliter uixeras, honestis uero te ac religiosis actibus socies, cum requisitus fueris inter sodales turpitudinis et in cateruis noxiorum nequaquam fueris repertus, dicetur et de te quia: Abiit interrogare Dominum. Sic igitur sancti non de loco ad locum, sed de uita ad uitam, de institutis primis abeunt ad instituta potiora. 3. Dixit ergo ei Dominus: „Duae gentes in utero tuo sunt, et duo populi de uentre tuo segregabuntur. Et populus populum superabit, et maior seruiet minori.“ a Quomodo populus populum superauerit, id est ecclesia synagogam, et quomodo maior seruiat minori, etiam ipsis Iudaeis licet non credentibus notum est. De his ergo, quae palam sunt et ualde omnibus trita, dicere superfluum puto. Illud, si placet, addamus, quod unumquemque nostrum, qui haec audit, aedificare et instruere queat. Ego puto quod et de singulis nobis hoc dici potest quia duae gentes et duo populi sunt intra nos. Nam et uirtutum populus intra nos est et uitiorum nihilominus populus intra nos est: „De corde enim nostro procedunt cogitationes malae, adulteria, furta, falsa testimonia“, b sed et „doli, contentiones, haereses, inuidiae, comessationes et his similia“. c Vides quantus malorum populus intra nos est? Si uero mereamur illam uocem dicere sanctorum: „A timore tuo, Domine, in utero concepimus et peperimus, spiritum salutis tuae fecimus super terram“, d tunc et alius intra nos populus inuenitur in spiritu generatus. „Fructus“ enim „spiritus est caritas, gaudium, pax, patientia, bonitas, mansuetudo, continentia, castitas“ e et his similia. Vides alium populum, qui et ipse intra nos est; sed iste minor est, ille maior. Semper enim plures sunt mali quam boni et uitia numerosiora uirtutibus. Sed si tales simus, qualis Rebecca, et mereamur de Isaac, id est de uerbo Dei, habere conceptum, etiam in nobis „populus populum superabit et maior seruiet minori“; f seruiet enim caro spiritui et uitia uirtutibus cedent. „Et inpleti sunt“, inquit, „dies eius, ut pareret, et erant gemini in uentre eius.“ g Hic sermo, id est „inpleti sunt dies eius, ut pareret“, numquam fere nisi de sanctis mulieribus scribitur. De hac namque Rebecca dictum est hoc et de Elisabeth matre Iohannis h et Maria matre Domini nostri Iesu Christi. i Gen. 25,23 b Mt. 15,19 c Gal. 5,20f. g h 25,23 Gen. 25,24 vgl. Lk. 1,57

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Jes. 26,17f. LXX vgl. Lk. 2,6

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405 So auch Prokop, in Gen. comm. 25,25 (PG 87/1, 408C). 406 Explikatives et.

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Gal. 5,22f.

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alten Wandel und dem Umgang mit denen, mit denen du übel und berüchtigt gelebt hattest, entsagst, dich aber mit ehrenhaften und gottesfürchtigen Werken verbindest, wenn man nach dir unter den Liebhabern des Lasters geforscht und dich in den Scharen der Schurken nicht ausfindig gemacht hat, wird es auch von dir heißen: Er ging fort, den Herrn zu befragen. So gehen denn die Heiligen nicht von einem Ort fort zum anderen, sondern von einem Leben zum anderen, von den ersten Unterweisungen zu den erhabeneren. 3. Der Herr sprach also zu ihr: „Zwei Stämme sind in deinem Schoß, und zwei Völker werden sich von deinem Unterleib scheiden. Und ein Volk wird das andere übertreffen und das ältere dem jüngeren dienen.“a Wie ein Volk das andere übertroffen hat, das heißt die Kirche die Synagoge, und wie das ältere dem jüngeren dient, ist auch den Juden bekannt, auch wenn sie nicht daran glauben. Deshalb halte ich es für überflüssig, über diese Dinge zu sprechen, die offen zutageliegen und allen bestens vertraut sind. Das wollen wir hinzufügen – wenn es recht ist –, was einen jeden von uns, der es hört, erbauen und unterweisen kann. Ich glaube, dies lässt sich auch über einen jeden von uns sagen, dass zwei Stämme und zwei Völker in uns sind. Denn ein Volk der Tugenden ist in uns, ebenso aber auch ein Volk der Laster. „Denn aus unserem Herzen gehen böse Gedanken hervor, Ehebruch, Diebstahl, falsches Zeugnis“,b aber auch „Arglist, Händel, Ketzerei, Eifersucht, Gelage und dergleichen.“c Siehst du, wieviel lasterhaftes Volk in uns wohnt? Sind wir aber würdig, jenes Wort der Heiligen auszusprechen: „Aus Furcht vor dir, Herr, haben wir im Schoß empfangen und sind niedergekommen, den Geist deines Heils haben wir auf Erden geschaffen“,d dann weilt auch das andere Volk in uns, das im Geist gezeugt ist. Denn „die Frucht des Geistes ist die Liebe, die Freude, der Friede, die Geduld, die Güte, die Sanftmut, die Enthaltsamkeit, die Keuschheit“e und dergleichen. Du siehst dieses andere Volk, das eben auch in uns ist; doch es ist kleiner, jenes größer. Denn immer gibt es mehr Böse als Gute und sind die Laster zahlreicher als die Tugenden. Doch wenn wir so sind wie Rebekka und wenn wir würdig sind, von Isaak, das heißt dem Wort Gottes, ein Kind zu empfangen, wird auch in uns „ein Volk das andere übertreffen und das ältere dem jüngeren dienen“.f Denn das Fleisch wird dem Geist dienen, und die Laster werden den Tugenden weichen. „Und ihre Tage waren erfüllt“, heißt es, „auf dass sie gebäre, und sie trug Zwillinge in ihrem Leib.“g Dieses Schriftwort nämlich: „Ihre Tage waren erfüllt, auf dass sie gebäre“, findet fast ausschließlich bei heiligen Frauen Verwendung.405 Denn von Rebekka wird es hier gesagt und von Elisabeth, der Mutter des Johannes,h und von Maria, der Mutter unseres Herrn Jesus Christus.i Deshalb scheint es mir etwas Außerordentliches anzukündigen, nämlich406 eine Niederkunft, die das menschliche Maß über-

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Vnde mihi uidetur eximium aliquid et praeter ceteros homines huiuscemodi partus ostendere et repletio dierum ortum perfectae subolis indicare. 4. „Exiit autem filius“, inquit, „primitiuus, rubeus, et totus tamquam pellis hirsutus. Cognominauit autem nomen illius Esau. Et postea exiit frater eius, et manus illius inplexa erat calcaneo Esau; et appellauit nomen illius Iacob.“ a Refert de his alia scriptura quia Iacob in uentre subplantauerit fratrem suum b et huius rei indicium sit quod manus eius inplexa erat calcaneo fratris sui Esau. Qui Esau de utero matris processit „hirsutus totus tamquam pellis“, c Iacob autem leuis et simplex. Vnde et Iacob a luctando uel subplantando nomen accepit; Esau uero – ut aiunt qui Hebraea nomina interpretantur – uel a rubore uel a terra, id est uel rubeus uel terrenus uel, ut aliis uisum est, factura dictus esse uideatur. Verum quae sint ista natiuitatis priuilegia, cur aut ille subplantauerit fratrem d et leuis ac simplex natus sit, cum utique, sicut dicit apostolus, „ex uno“ fuerit „Isaac patre nostro“ e utriusque filii conceptus, uel cur ille „totus hirsutus“ f et horridus et, ut ita dicam, peccati et nequitiae squalore circumdatus, meum non est discutere. Si enim uoluero in altum fodere et aquae uiuae g latentes uenas aperire, continuo aderunt Philistini et litigabunt mecum, rixas mihi et calumnias conmouebunt et incipient replere terra sua et luto puteos meos. Nam utique si permitterent isti Philistini, et ego uolebam accedere ad Dominum meum; patientissimum Dominum, qui dicit quia „ego uenientem ad me non repello“, h uolebam accedere, et sicut dixerunt ei discipuli: „Domine, quis peccauit? hic aut parentes eius, ut caecus nasceretur?“, i et ego uolebam interrogare eum et dicere: Domine, quis peccauit, hic Esau aut parentes eius, ut sic totus hirsutus et horridus nasceretur, ut in utero subplantaretur a fratre? Sed si uoluero de his interrogare uerbum Dei et inquirere, statim mihi lites Philistini et calumnias mouent. Et ideo nos relinquentes hunc puteum et uocantes eum inimicitiam alium fodiamus. j 5. Post haec inquit „seminauit Isaac hordeum, et inuenit centuplum. Benedixit autem illum Dominus et magnificatus est homo, et processu maior fiebat, quoad usque magnus factus est ualde.“ k Quid est quod Isaac hordeum seminat et non frumentum et benedicitur in eo quod hordeum b c d Gen. 25,25f. vgl. Hos. 12,4 Gen. 25,25 vgl. Hos. 12,4 g h i z Gen. 25,25 vgl. Gen. 26,19; Joh. 7,38 Joh. 6,37 Joh. 9,2 k 26,21f. Gen. 26,12f. a f

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Röm. 9,10 j vgl. Gen.

407 Philon, migr. Abr. 200 (II p. 307 Cohn/Wendland), bezieht den Namen auf „den Kämpfenden, Ringenden, der mit der Ferse ein Bein stellt“ (nach hebr. aqab, „auf der Ferse folgen, überholen“, und abaq, „ringen“). Vgl. Wutz, Onomastica sacra 19; Grabbe, Etymology 166; Ledegang, Mysterium Ecclesiae 381–384. 408 Die Übertragung „Geschöpf“ (poiÂhma) kennt bereits Philon, congr. 61 (III p. 84 Cohn/Wendland); vgl. Wutz, ebd. 74. 431; Grabbe, ebd. 162f. Siehe auch Philon, deus immut. 144 (II p. 87): „das erdhafte Edom“ (oë ghÂinow ÆEdvÂm); Grabbe,

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steigt, und die Fülle der Tage scheint mir die Geburt eines vollkommenen Sprosses anzuzeigen. 4. „Es kam aber“, heißt es, „der Erstlingssohn zur Welt, rötlich und ganz struppig wie ein Fell. Er nannte ihn aber Esau. Und danach kam sein Bruder, und seine Hand war um Esaus Ferse geschlungen. Und er nannte ihn Jakob.“a Anderen Orts in der Schrift wird von ihnen berichtet, dass Jakob seinen Bruder im Mutterleib zu Fall brachte,b und als Zeichen dafür gilt, dass seine Hand um die Ferse seines Bruders Esau geschlungen war. Dieser Esau kam „ganz struppig wie ein Fell“c aus dem Schoß seiner Mutter, Jakob aber glatt und nackt. Deshalb erhielt Jakob seinen Namen vom ,Ringen‘ oder ,Zu-Fall-Bringen‘,407 Esau aber – wie die sagen, die hebräische Namen deuten – von der Röte oder von der Erde, das heißt sein Name scheint ,rot‘ oder ,erdig‘ zu lauten, oder, wie andere mutmaßen, ,Geschöpf‘.408 Was aber diese Geburtsvorrechte ausmacht, warum der eine den Bruder zu Fall brachted und glatt und nackt geboren wurde, wo doch, wie der Apostel sagt, beide Söhne „von dem einen Isaak, unserem Vater“,e gezeugt wurden, oder warum der andere „ganz struppig“f und zottelig war und sozusagen vom Schmutz der Sünde und des Frevels starrte, dies zu erörtern ist nicht meine Absicht. Will ich nämlich in die Tiefe graben und die verborgenen Adern des lebendigen Wassersg freilegen, werden sogleich die Philister auf den Plan treten und Streit mit mir vom Zaun brechen, mir Händel und Ränke bereiten und beginnen, meine Brunnen mit ihrer Erde und ihrem Kot zu füllen. Denn wirklich: Ließen diese Philister es zu, würde auch ich mich meinem Herrn nahen, meinem überaus geduldigen Herrn, der sagt: „Wer zu mir kommt, den weise ich nicht zurück“,h würde auch ich mich nahen, und wie die Jünger zu ihm sagten: „Herr, wer hat gesündigt, der oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?“,i so würde auch ich ihn befragen und sagen: Herr, wer hat gesündigt, dieser Esau oder seine Eltern, dass er so ganz struppig und zottelig geboren und im Schoß von seinem Bruder zu Fall gebracht wurde? Doch wollte ich darüber das Wort Gottes befragen und ausforschen, beginnen die Philister mit mir sogleich Streit und Ränke.409 Und deshalb verlassen wir diesen Brunnen und nennen ihn ,Feindseligkeit‘. Wir wollen einen anderen graben!j 5. Danach heißt es: „Isaak säte Gerste und gewann hundertfach. Der Herr aber segnete ihn, und der Mann wurde erhöht, und im Wachsen wurde er größer, bis dass er überaus groß geworden war.“k Was bedeutet es, dass Isaak Gerste säte, keinen Weizen, und dafür gesegnet wird, dass er ebd. 152f. – Hier wird deutlich, dass bereits in der Antike onomastische Handbücher existierten und von Origenes benutzt wurden. 409 Von solchen ,Philistern‘ ist auch in Gen. hom. 6,3 (GCS Orig. 6, 69. 70) und 13,3 (6, 116–118) die Rede (zu Philon siehe unten S. 236 Anm. 423). Wen genau Origenes hier im Auge hat, bleibt offen.

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seminat et magnificatur, usquequo magnus fiat? Apparet ergo quia nondum erat magnus, sed posteaquam seminauit hordeum et conlegit centuplum, tunc factus est magnus ualde. Hordeum iumentorum maxime cibus est aut seruorum rusticorum. Est enim asperior species et quae uelut acuminibus quibusdam contingentem stimulare uideatur. Isaac sermo Dei est, qui sermo in lege hordeum seminat, in euangeliis triticum. Illum enim cibum perfectioribus et spiritalibus, hunc inperitioribus et animalibus parat, quia scriptum est: „Homines et iumenta saluos facies, Domine.“ a Isaac ergo sermo legis hordeum seminat et tamen in ipso hordeo inuenit centesimum fructum. b Inuenis enim et in lege martyres, quorum est centesimus fructus. Sed et Dominus noster euangeliorum Isaac perfectiora quaeque apostolis, turbis autem plana et communia loquebatur. c Vis autem uidere quia etiam ipse hordei cibos incipientibus exhibet? Scriptum est in euangeliis quia secundo pauerit turbas. d Sed illos, quos primo pascit, id est incipientes, hordeaciis panibus pascit. e Postea uero, cum iam profecissent in uerbo et doctrina, triticeos eis exhibet panes. Sed post hoc „Dominus“, inquit, „benedixit Isaac, et magnus factus est ualde“. f Paruus erat Isaac in lege, sed processu temporis fit magnus. Fit magnus processu temporis in prophetis. Nam cum in sola lege est, nondum magnus est, quippe quae et uelamine tecta est. g Crescit ergo iam in prophetis; cum uero peruenerit usque ad hoc, ut et uelamen abiciat, tunc erit magnus ualde. Cum coeperit littera legis uelut palea hordei eius secerni et apparuerit „quod spiritalis est lex“, h tunc Isaac magnificabitur et fiet magnus ualde. Vide enim quia et Dominus in euangeliis paucos panes frangit et quot milia reficit populorum et quanti cophini reliquiarum supersunt. i Donec integri sunt panes, nemo saturatur, nemo reficitur, nec ipsi panes uidentur augeri. Considera ergo nunc, quomodo paucos panes frangimus: De scripturis diuinis paucos sermones adsumimus et quot milia hominum saturantur. Sed nisi fracti fuerint isti panes, nisi in partes conminuti a discipulis, hoc est Ps. 35(36),7 b vgl. Mt. 13,8 c vgl. Mt. 13,10–17.34f. d vgl. Mt. 15,32–39 Joh. 6,9–13; Mt. 14,19–21 f Gen. 26,12f. g vgl. 2 Kor. 3,14 h Röm. 7,14 Mt. 14,19–21; 15,36–38; 16,9f.

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vgl. vgl.

410 Vgl. Philon, spec. leg. II 175 (V p. 128 Cohn/Wendland). 411 Vgl. in Ioh. comm. XIII 33,211–213 (GCS Orig. 4, 258). 412 Die gleiche Rechnung kehrt in Ios. hom. 2,1 (GCS Orig. 7, 297) wieder: „Wenn du die Früchte der guten Erde in der Kirche dreißigfach siehst, sechzigfach, hundertfach: die Witwen, die Jungfrauen und die Märtyrer.“ Hundertfache Frucht bescheinigt auch Cyprian den Märtyrern, vgl. hab. virg. 21 (CSEL 3/1, 202).

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Gerste sät, und erhöht wird, bis dass er groß ist? Daraus geht hervor, dass er noch nicht groß war; doch nachdem er Gerste gesät und hundertfach geerntet hatte, da ist er überaus groß geworden. Gerste dient hauptsächlich als Viehfutter oder Kost der Feldarbeiter.410 Sie stellt nämlich eine gröbere Sorte dar, die den, der sie berührt, wie mit Nadeln zu stechen scheint. Isaak ist das Wort Gottes, das im Gesetz Gerste sät, in den Evangelien aber Weizen. Denn jene Speise bereitet er den Vollkommeneren und Geistigen, die aber den weniger Verständigen und den Tierhaften,411 denn es steht geschrieben: „Die Menschen und das Vieh wirst du bewahren, Herr.“a So sät Isaak als Wort des Gesetzes Gerste, und trotzdem gewinnt er in der Gerste hundertfach Frucht.b Denn auch im Gesetz gewinnst du Märtyrer, deren Frucht hundertfach ist.412 Doch auch unser Herr, der Isaak der Evangelien, verkündete alles Vollkommenere den Aposteln, den Massen aber das Verständliche und Gewöhnliche.c Willst du aber sehen, dass auch er den Neulingen Speisen aus Gerste reicht? In den Evangelien steht geschrieben, dass er die Massen ein zweites Mal gespeist hat.d Doch die, die er das erste Mal verköstigt, das heißt die Neulinge, speist er mit Gerstenfladen.e Später aber, als sie im Wort und in der Lehre schon fortgeschritten waren, bietet er ihnen Weizenfladen.413 Danach aber heißt es: „Der Herr segnete Isaak, und er wurde überaus groß.“f Klein war Isaak im Gesetz, doch durch das Fortschreiten der Zeit414 wird er groß. Er wird groß durch das Fortschreiten der Zeit in den Propheten. Denn solange er allein im Gesetz weilt, ist er noch nicht groß; denn es ist mit einem Schleier verdeckt.g So wächst er dann in den Propheten; gelangt er aber so weit, dass er auch den Schleier abwirft, dann wird er überaus groß sein. Wenn der Buchstabe des Gesetzes wie die Spreu von der Gerste getrennt wird und zutage tritt, dass „das Gesetz geistig ist“,h dann wird Isaak erhöht und überaus groß werden. Denn siehe, auch der Herr bricht in den Evangelien wenige Brote – und wieviel Tausende aus den Völkern erquickt er, und wieviel Körbe mit Resten bleiben übrig!i Solange die Brote ganz sind, wird niemand gesättigt, niemand erquickt, und es scheint nicht, als würden die Brote vermehrt. So überlege denn, wie wir wenige Brote brechen: Einige wenige Worte aus den Schriften wählen wir aus – und wieviel Tausende von Menschen werden satt! Doch werden diese Brote nicht gebrochen, werden sie von den Jüngern nicht Stück für Stück aufgeteilt, das heißt wird der Buchstabe nicht 413 Nur Joh. 6,9.13 spricht von „Weizenfladen“ (aÍrtow kriÂuinow), jedoch nicht von einer zweiten Vermehrung. Markus und Matthäus hingegen, die von zwei Vermehrungen berichten, sprechen schlicht von „Brot“ (aÍrtow); vgl. Mk. 6,41.44; 8,4.5; Mt. 14,17; 15,36 (vgl. Lk. 9,13.16). 414 Progressu temporis meint hier im Grunde einfach „mit der Zeit“, gewinnt aber zugleich eine tiefere Bedeutung: „durch sein (sittlich-religiöses) Wachsen in der Zeit“; vgl. das Genesis-Zitat zu Beginn von Kap. 5 (GCS Orig. 6, 111): „im Wachsen wurde er größer, bis dass er überaus groß geworden war.“

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nisi minutatim littera fuerit discussa et fracta, sensus eius ad omnes non potest peruenire. Cum autem pertractare coeperimus et singula quaeque discutere, tunc turbae quidem, quantum poterint, sument. Quod autem non potuerint, conligendum est et reseruandum, „ne quid pereat“. a Seruamus ergo et nos, si quid turbae capere non possunt, et recolligimus in cophinis et sportis. b Denique paulo ante, cum fregissemus panem de Iacob et Esau, quanta de illo pane fragmenta superauerunt. Quae nos diligenter recollegimus, ne perirent, et seruamus in sportis uel cophinis, usquequo Dominus quid etiam de ipsis fieri iubeat, uideamus. Nunc autem, quantum possibile est, uel de panibus comedamus uel de puteis hauriamus. Temptemus facere etiam illud, quod sapientia conmonet dicens: „Bibe aquas de tuis fontibus, et de tuis puteis, et sit tibi fons tuus proprius.“ c Tempta ergo et tu, o auditor, habere proprium puteum et proprium fontem, ut et tu, cum apprehenderis librum scripturarum, incipias etiam ex proprio sensu proferre aliquem intellectum et secundum ea, quae in ecclesia didicisti, tempta et tu bibere de fonte ingenii tui. Est intra te natura aquae uiuae, dsunt uenae perennes et inrigua fluenta rationabilis sensus, si modo non sint terra et ruderibus oppleta. Sed satis age fodere terram tuam et purgare sordes, id est ingenii tui amouere desidiam et torporem cordis excutere. Audi enim quid dicit scriptura: „Punge oculum, et proferet lacrimam; punge cor, et profert sensum.“ e Purga ergo et tu ingenium tuum, ut aliquando etiam de tuis fontibus bibas f et de tuis puteis haurias aquam uiuam. g Si enim suscepisti in te uerbum Dei, si accepisti ab Iesu aquam uiuam et fideliter accepisti, fiet in te fons aquae salientis in uitam aeternam h in ipso Iesu Christo Domino nostro, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen.“ i Joh. 6,12 Sir. 22,19 4,11

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c vgl. Mt. 16,9f. Spr. 5,15.18 LXX vgl. Spr. 5,15 g vgl. Gen. 26,19; Joh. 7,38

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vgl. Gen. 26,19; Joh. 7,38 h vgl. Joh. 4,14 i 1 Petr.

415 Bzw. – eine im Deutschen kaum nachahmbare Ambivalenz – „erörtert“ (discussa). 416 Ein ähnlicher Gedanke in Lev. hom. 4,10 (GCS Orig. 6, 331). 417 Vgl. in Num. hom. 12,1 (GCS Orig. 7, 94): „Es hat folglich . . . ein jeder von uns in sich selbst einen Brunnen.“

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säuberlich zerkleinert415 und gebrochen, kann sein Sinn nicht zu allen gelangen.416 Beginnen wir aber, jede Einzelheit zu behandeln und zu erörtern, dann werden die Volksmengen davon zu sich nehmen, soviel sie vermögen. Was sie aber nicht verzehren können, gilt es einzusammeln und aufzubewahren, „damit nichts zugrunde gehe“.a Auch wir bewahren also auf, was die Menge nicht zu fassen vermag, und sammeln es wieder ein in Weidenkörben und Kiepen.b Denn als wir ein Weilchen zuvor über Jakob und Esau das Brot gebrochen hatten, wieviel Krumen von jenem Brot blieben übrig – die wir gewissenhaft einsammelten, damit sie nicht zugrundegehen, und die wir in Kiepen oder Weidenkörben aufbewahren, bis wir erkennen, was nach des Herrn Befehl auch mit ihnen geschehen soll. Jetzt aber lasst uns nach Kräften von den Broten essen oder aus den Brunnen schöpfen. Lasst uns versuchen, auch das zu tun, was die Weisheit uns mit den Worten ans Herz legt: „Trinke das Wasser aus deinen Quellen und deinen Brunnen, und dein Quell sei dir zu eigen.“c So versuche auch du, Hörer, einen eigenen Brunnen und einen eigenen Quell zu besitzen,417 damit auch du, wenn du ein Buch der Schriften zur Hand nimmst, auch aus eigenem Denken einen Sinn zu entdecken beginnst; und getreu dem, was du in der Kirche gelernt hast, versuche auch du, aus dem Quell deiner Einsicht zu trinken. In dir findet sich das Wesen des lebendigen Wassers,d finden sich die beständigen Adern und der bewässernde Strom vernünftigen Denkens – wenn denn Erde und Geröll sie nicht hemmen. Mühe dich aber, deine Erde abzutragen und den Unrat auszumisten, das heißt die Trägheit deines Geistes zu überwinden und die Erstarrung des Herzens abzuschütteln.418 Denn höre, was die Schrift sagt: „Stich ins Auge, und Tränen werden quellen; stich ins Herz, und es quillt Einsicht.“e So reinige auch du deinen Geist, damit du einst auch aus deinen Quellen trinkenf und aus deinen Brunnen das lebendige Wasserg schöpfen kannst. Hast du nämlich das Wort Gottes in dich aufgenommen, hast du von Jesus das lebendige Wasser empfangen und es im Glauben empfangen, so wird in dir ein Quell sprudelnden Wassers zum ewigen Leben entspringen,h in Jesus Christus, unserem Herrn. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“i

418 Vgl. ebd. (7, 96): „Tatsächlich bedürfen die Brunnen in unserer Seele eines Gräbers. . . . Es gilt, das Irdische zu beseitigen, damit die Adern vernünftiger Gedanken . . . reine und hehre Wasserläufe hervorbringen.“

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HOMILIA XIII De puteis, quos fodit Isaac, et repleti sunt a Philistinis

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1. Solita erga puteos semper patriarcharum inuenimus exercitia. Ecce enim refert scriptura quod Isaac, postquam „benedixit illum Dominus et magnificatus est ualde“, a adgressus est opus magnum. Et coepit, inquit, fodere puteos, „puteos, quos foderant pueri eius in tempore patris eius Abraham, sed oppilauerant eos Philistini et inpleuerant terra“. b Primo ergo habitauit apud puteum uisionis c et inluminatus a puteo uisionis adgreditur alios puteos aperire et non primum nouos puteos, sed quos foderat pater eius Abraham. Et cum fodisset primum puteum, „zelati sunt“, inquit, „eum Philistini“. d At ille zelo eorum non est deterritus nec cessit inuidiae, sed „iterum“, inquit, „fodit puteos, quos foderant pueri Abraham patris eius et oppilauerant eos Philistini post mortem Abrahae patris eius; et posuit illis nomina secundum nomina, quae posuerat pater eius“. e Fodit ergo illos puteos, quos pater suus foderat, et per malitiam Philistinorum terra fuerant repleti. Fodit et alios nouos in ualle Gerarum, non quidem ipse, sed pueri eius, „et inuenit“, inquit, „ibi puteum aquae uiuae. Sed rixati sunt pastores Gerarum cum pastoribus Isaac, dicentes suam esse aquam; et appellauit nomen putei iniquitas. Inique enim gesserunt cum eo.“ f Sed Isaac recessit a malitia eorum et „fodit iterum alium puteum, et pro ipso nihilominus“, inquit, „altercabantur, et appellauit nomen illius inimicitia. Et recessit inde et fodit iterum puteum alium et non sunt rixati de eo, et appellauit nomen eius amplitudo dicens, quia nunc dilatauit nos Deus et auxit nos super terram.“ g Bene in quodam loco sanctus apostolus considerans mysteriorum magnitudinem dicit: „Et ad haec quis idoneus?“ h Simili modo, immo longe dissimili, quanto longe illo inferiores sumus, etiam nos uidentes tantam in a f

Gen. 26,12f. Gen. 26,19f.

Gen. 26,15 Gen. 26,21f.

b g

c h

vgl. Gen. 25,11 2 Kor. 2,16

d

Gen. 26,14

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Gen. 26,18

419 Zu dieser Homilie vgl. Simonetti, Omelia XIII. 420 Der Symbolismus der Brunnen war eines der Lieblingsthemen des Origenes, von in Ioh. comm. XIII 1,3f. (GCS Orig. 4, 226) über Anspielungen in Cant. comm. I (GCS Orig. 8, 81) bzw. prol. 4,6f. (SC 375, 150) bis zu in Gen. hom. 7,5f. (GCS Orig. 6, 75f.); 10,2–5 (6, 94–96); 11–13 passim (6, 100–121); einen Höhepunkt findet

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HOMILIE 13419 Über die Brunnen, die Isaak grub und die von den Philistern wieder gefüllt wurden 5

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1. Stets stoßen wir auf die vertrauten Bemühungen der Patriarchen um die Brunnen.420 Denn schau: Die Schrift berichtet, dass Isaak, nachdem „der Herr ihn gesegnet hatte und er erhöht worden war“,a ein großes Werk in Angriff nahm. Und er begann, heißt es, Brunnen zu graben, „die Brunnen, die seine Knechte zur Zeit seines Vaters Abraham gegraben hatten; doch die Philister hatten sie zugeschüttet und mit Erde gefüllt“.b Zuerst also wohnte er am Brunnen der Visionc und erleuchtet vom Brunnen der Vision, macht er sich daran, andere Brunnen zu erschließen, und in erster Linie keine neuen Brunnen, sondern die, die sein Vater Abraham gegraben hatte. Und als er den ersten Brunnen gegraben hatte, „missgönnten es ihm“, heißt es, „die Philister“.d Er aber ließ sich von ihrer Missgunst nicht abschrecken und gab der Eifersucht nicht nach, sondern „wieder“, heißt es, „grub er die Brunnen, welche die Knechte seines Vaters Abraham gegraben hatten; und die Philister hatten sie nach dem Tod seines Vaters Abraham zugeschüttet; und er gab ihnen Namen nach den Namen, die sein Vater ihnen gegeben hatte.“e Er grub also jene Brunnen, die sein Vater gegraben hatte und die infolge der Bosheit der Philister mit Erde gefüllt worden waren. Er grub auch andere, neue Brunnen im Tal von Gerar – nicht er, sondern seine Knechte –, „und er fand dort“, heißt es, „einen Brunnen lebendigen Wassers. Doch die Hirten von Gerar stritten mit den Hirten Isaaks und sagten, das Wasser gehöre ihnen. Und er gab dem Brunnen den Namen ,Ungerechtigkeit‘. Denn ungerecht verfuhren sie mit ihm.“f Isaak aber zog sich zurück von ihrer Bosheit und „grub wieder einen anderen Brunnen, und nicht minder“, heißt es, „stritten sie um ihn. Und er gab ihm den Namen ,Feindseligkeit‘. Und er zog sich von dort zurück und grub wieder einen anderen Brunnen, und um den stritten sie nicht. Und er gab ihm den Namen ,Weite‘ und sagte: Gott hat uns nun Raum verschafft und uns vermehrt auf Erden.“g An einer Stelle, wo er die Größe der Geheimnisse ins Auge fasst, sagt der heilige Apostel schön: „Und wer ist diesen Dingen gewachsen?“h Ähndas Thema in Num. hom. 12,1–3 (GCS Orig. 7, 93–103). Die Brunnen stehen einerseits für die Heilige Schrift, andererseits für die Seele, die sich der Heiligen Schrift mit Hingabe widmet.

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Homilia XIII

mysteriis altitudinem puteorum dicimus: „Et ad haec quis idoneus?“ Quis enim digne ualeat explicare uel puteorum sacramenta tantorum uel eorum, quae gesta pro puteis referuntur, nisi si inuocemus Patrem uerbi uiuentis et ipse in ore nostro uerbum dare dignetur, a ut sitientibus uobis possimus aliquantulum aquae uiuae b haurire ex istis tam copiosis et multiplicibus puteis? 2. Sunt ergo putei, quos foderunt pueri Abraham, sed hos Philistini repleuerant terra. Hos ergo primum purgare adgreditur Isaac. Philistini aquas oderunt, terram diligunt; Isaac aquas diligit, puteos semper quaerit, ueteres purgat, nouos aperit. Intuere nostrum Isaac, qui pro nobis oblatus est hostia c – uenientem in ualle Gerarum, quam interpretantur maceriam siue saepem, uenientem, inquam, ut medium parietem saepis soluat inimicitias in carne sua, d uenientem tollere maceriam, id est peccatum, quod inter nos separat ac Deum, maceriam, quae est media inter nos et caelestes uirtutes, ut faciat „utraque unum“ e et ouem, quae errauerat, humeris suis reportet ad montes et restituat ad alias nonaginta nouem, quae non errauerant. f Hic ergo Isaac saluator noster cum uenisset in istam uallem Gerarum, primo omnium illos puteos fodere uult, quos foderant pueri patris sui; legis scilicet et prophetarum uult puteos innouare, quos Philistini terra repleuerant. Qui sunt isti, qui terra puteos replent? Illi sine dubio, qui in lege terrenam et carnalem intellegentiam ponunt et spiritalem ac mysticam claudunt, ut neque ipsi bibant neque alios bibere permittant. Audi Isaac nostrum Dominum Iesum in euangeliis dicentem: „Vae uobis, Scribae et Pharisaei, quoniam tulistis clauem scientiae et neque ipsi introistis neque uolentes permisistis.“ g Isti sunt ergo, qui puteos, quos foderant pueri Abraham, terra repleuerunt, qui legem carnaliter docent et aquas sancti Spiritus maculant; qui puteos ad hoc habent, non ut aquam proferant, sed ut terram ponant. Hos ergo puteos adgreditur fodere Isaac. Et uideamus, quomodo eos fodit. Cum pueri Isaac, qui sunt apostoli Domini nostri, transirent, inquit, per segetes sabbato, „uellebant spicas et confricantes manibus manducabant“. h Tunc ergo dicebant ei isti, qui terra repleuerant puteos patris eius: „Ecce, discipuli tui faciunt sabbatis, quod non licet.“ i Ille, ut terrenum a e

b c d vgl. Eph. 6,19 vgl. Gen. 26,19; Joh. 7,38 vgl. Eph. 5,2 vgl. Eph. 2,14 f g h i Eph. 2,14 vgl. Mt. 18,12f.; Lk. 15,4–6 Lk. 11,52 Lk. 6,1 Mt. 12,2

421 Vgl. Philon, quaest. in Gen. IV 176 (p. 380 Aucher): Gerara, septum; Wutz, Onomastica sacra 22. 767; Grabbe, Etymology 146f. 422 Das heißt „durch sein Sterben“. 423 Ähnlich äußert sich Philon: Die ,Philister‘ sind jene Menschen, die sich der Amoral ergeben und den Gläubigen ihre Fortschritte neiden; vgl. quaest. in Gen. IV 191 (p. 392 Aucher): „Mit Erde füllten (sc. die Philister die Brunnen), also mit irdischen Begierden.“

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wir, die wir eine solche Tiefe in den Geheimnissen der Brunnen gewahren „Und wer ist diesen Dingen gewachsen?“ Denn wer dürfte würdig und imstande sein, die Geheimnisse so tiefer Brunnen zu ergründen oder dessen, was laut der Schrift um der Brunnen willen geschehen ist – es sei denn, wir flehen den Vater des lebendigen Wortes an und er geruht, sein Wort in unseren Mund zu legen,a damit wir euch Dürstenden aus diesen so reichen und vielzähligen Brunnen ein klein wenig lebendigen Wassersb schöpfen können. 2. Es gibt also Brunnen, welche die Knechte Abrahams gegraben haben, doch die Philister hatten sie mit Erde zugeschüttet. So nimmt es Isaak als erstes in Angriff, sie zu säubern. Die Philister hassen das Wasser, sie lieben das Land. Isaak liebt das Wasser; allezeit sucht er Brunnen, die alten säubert er, neue erschließt er. Sieh unseren Isaak an, der für uns als Opfertier dargebracht wurde.c Er kommt ins Tal von Gerar, was als ,Einfriedung‘ oder ,Gehege‘ gedeutet wird;421 er kommt, sage ich, um in seinem Fleisch422 die feste Wand des Geheges zu zerstören, das heißt die Feindseligkeiten;d er kommt, die Einfriedung zu beseitigen, das heißt die Sünde, die zwischen uns und Gott scheidet, die Einfriedung, die mitten zwischen uns und den himmlischen Tugenden liegt, um „beide eins“e zu machen und das Schaf, das in die Irre gegangen war, auf seinen Schultern in die Berge zurückzutragen und zu den neunundneunzig anderen zurückzubringen, die nicht in die Irre gegangen waren.f Als dieser Isaak also, unser Erlöser, in jenes Tal von Gerar gelangt war, will er zuallererst jene Brunnen graben, welche die Knechte seines Vaters gegraben hatten; er will gleichsam die Brunnen des Gesetzes und der Propheten erneuern, welche die Philister mit Erde zugeschüttet hatten. Wer sind sie, die die Brunnen mit Erde zuschütten? Zweifelsohne die, die im Gesetz ein irdisches und fleischliches Verständnis geltend machen und das geistige und mystische verschließen, so dass sie weder selbst trinken noch anderen zu trinken gestatten.423 Höre unseren Isaak, den Herrn Jesus, der in den Evangelien sagt: „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, denn ihr habt den Schlüssel zum Wissen ergriffen und seid weder selbst eingetreten, noch habt ihr es denen erlaubt, die wollten.“g Die also sind es, die die Brunnen, die Abrahams Knechte gegraben hatten, mit Erde zuschütteten, die das Gesetz fleischlich lehren und die Wasser des Heiligen Geistes verschmutzen, die Brunnen nicht dazu besitzen, um Wasser zu schöpfen, sondern um sie mit Erde zu füllen. Diese Brunnen zu graben nimmt Isaak also in Angriff. Lasst uns sehen, wie er sie gräbt. Als Isaaks Knechte, die Apostel unseres Herrn, am Sabbat durch Kornfelder gingen, heißt es, „rissen sie Ähren ab, zerrieben sie mit den Händen und aßen sie“.h Da sagten nun die zu ihm, die die Brunnen seines Vaters mit Erde zugeschüttet hatten: „Schau, deine Jünger tun am Sabbat, was nicht gestattet ist.“i Um ihre irdische Einsicht bloßzulegen, sagt lich – nein, ganz unähnlich, sind wir doch weit geringer als er, sagen auch

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Homilia XIII

eorum foderet intellectum, dicit ad eos: „Non legistis, quid fecit Dauid, cum esuriret ipse et qui cum eo erant, quomodo intrauit ad Abiathar sacerdotem, et panes propositionis manducauit ipse et pueri sui, quos non licebat manducare nisi solis sacerdotibus?“ a Et his addit: „Si sciretis, quid est: Misericordiam uolo, et non sacrificium, numquam utique condemnassetis innocentes.“ b Sed illi ad haec quid referunt? Rixati sunt cum pueris eius et dicunt quia „hic homo non est a Deo, qui non custodit sabbata“. c Hoc ergo modo fodit puteos Isaac, quos foderant pueri patris sui. Puer patris sui erat Moyses, qui foderat puteum legis; pueri patris sui erant Dauid et Salomon et prophetae, et si qui illi sunt, qui libros scripserant ueteris testamenti, quos terrena et sordida repleuerat intellegentia Iudaeorum. Quam cum uellet purgare Isaac et ostendere quia, quaecumque „lex et prophetae“ d dixerunt, de ipso dixerunt, rixati sunt cum eo Philistini. Sed discedit ab eis; non enim potest esse cum his, qui in puteis aquam nolunt habere, sed terram; et dicit eis: „Ecce, relinquetur uobis domus uestra deserta.“ e Fodit ergo Isaac et nouos puteos, immo pueri Isaac fodiunt. Pueri sunt Isaac Matthaeus, Marcus, Lucas, Iohannes; pueri eius sunt Petrus, Iacobus, Iudas, puer eius apostolus Paulus; qui omnes noui testamenti puteos fodiunt. Sed et pro his altercantur illi, „qui terrena sapiunt“ f nec noua condi patiuntur nec uetera purgari. Euangelicis puteis contradicunt, apostolicis aduersantur. Et quoniam in omnibus contradicunt, in omnibus litigant, dicitur ad eos: „Quoniam indignos uos fecistis gratia Dei, ex hoc iam ad gentes ibimus.“ g 3. Post haec ergo fodit tertium puteum Isaac et „appellauit nomen loci illius amplitudo dicens quia nunc dilatauit nos Dominus et auxit nos super terram“. h Vere enim nunc dilatatus est Isaac et auctum est nomen eius super omnem terram, cum adinpleuit nobis scientiam Trinitatis. Tunc enim tantum „in Iudaea notus erat Deus“ i et in Israhel nomen eius nominabatur, nunc autem „in omnem terram exiit sonus eorum, et in fines orbis terrae a g

Mt. 12,3f. Apg. 13,46

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c d Mt. 12,7 Joh. 9,16 Mt. 7,12 u.ö. i Gen. 26,22 Ps. 75(76),2

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Phil. 3,19

424 Dieser Abschnitt, so Doutreleau, SC 7bis, 316 Anm. 1, liefert ein bezeichnendes Beispiel für Origenes’ Umgang mit dem biblischen Text. Zur Episode mit den Ähren zitiert er die drei Synoptiker und eine Passage des Johannesevangeliums, die sich womöglich auf diese Episode bezieht. Noch Rufins Übersetzung lässt ahnen, dass er aus dem Gedächtnis zitiert. Die Wendung „in das Haus Gottes“ z.B. ist ausgefallen (Mk. 2,26); „und er gab auch seinen Begleitern davon“ wurde zu manducauit ipse et pueri sui.

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er zu ihnen: „Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als er und seine Begleiter hungerten, wie er beim Priester Abiatar eintrat und die Schaubrote aß, er und seine Knechte, die zu verzehren einzig den Priestern erlaubt war?“a Und er fügt hinzu: „Wüsstet ihr, was das heißt: Barmherzigkeit will ich, keine Opfer, niemals hättet ihr Unschuldige verurteilt.“b Doch sie, was erwidern sie darauf? Sie stritten mit seinen Jüngern und sagen: „Dieser Mensch, der den Sabbat nicht achtet, stammt nicht von Gott.“c Auf diese Weise also gräbt Isaak die Brunnen, welche die Knechte seines Vaters gegraben hatten.424 Ein Knecht seines Vaters war Mose, der den Brunnen des Gesetzes gegraben hatte; Knechte seines Vaters waren David und Salomo und die Propheten und wer immer die Bücher des Alten Testaments geschrieben hatte, die die irdische und armselige Auslegung der Juden zugeschüttet hatte. Als Isaak diese Auslegung säubern und darlegen wollte, dass alles, was „Gesetz und Propheten“d gesagt haben, sie über ihn gesagt haben, stritten die Philister mit ihm. Er aber zieht sich von ihnen zurück; denn er kann nicht mit Menschen verweilen, die in den Brunnen kein Wasser wollen, sondern Erde; und er sagt ihnen: „Seht, verlassen wird euch euer Haus zurückbleiben.“e Isaak gräbt also auch neue Brunnen, genauer: Isaaks Knechte graben sie. Isaaks Knechte sind Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, seine Knechte sind Petrus, Jakobus und Judas, sein Knecht ist der Apostel Paulus. Sie alle graben die Brunnen des Neuen Testaments.425 Doch auch mit diesen Brunnen hadern426 die, die „Irdisches denken“f und es weder dulden, dass Neues gegründet noch dass Altes gereinigt wird. Den Brunnen der Evangelien widersprechen sie, denen der Apostel widersetzen sie sich. Und weil sie in allem widersprechen, in allem streiten,427 wird ihnen gesagt: „Da ihr euch der Gnade Gottes unwürdig erwiesen habt, deshalb werden wir von nun an zu den Heiden gehen.“g 3. Danach grub Isaak also einen dritten Brunnen und „gab jenem Ort den Namen ,Weite‘ und sagte, der Herr hat uns nun Raum verschafft und uns vermehrt auf Erden.“h Denn nun wurde Isaak wahrhaftig Raum verschafft, und sein Name verbreitete sich über die ganze Erde, da er unser Wissen um die Trinität vollendete.428 Damals nämlich „war Gott“ einzig „in Judäa bekannt“,i und in Israel rief man seinen Namen, nun aber „ging ihr Schall in die ganze Welt hinaus und ihre Worte bis zu den Enden des Erd425 Eine ähnliche Liste des neutestamentlichen Kanons findet sich in Ios. hom. 7,1 (GCS Orig. 7, 327f.). Dort fehlt auffälligerweise in etlichen Hss. die Offenbarung, die Origenes als Werk des Johannes anerkannte (in Ioh. comm. V 3 [GCS Orig. 4, 101]). Hier wird sie nicht eigens genannt, vielleicht aber unter dem Namen des Johannes subsumiert. Vgl. Harnack, Ertrag I, 12. 426 Die Konstruktion altercari pro scheint singulär (der ThLL nennt kein Beispiel). 427 Das verbindende et der Hs. A gehört vielleicht in den Text. 428 Die Rede ist von der christlichen Zeit.

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Homilia XIII

uerba eorum“. a Exeuntes enim pueri Isaac per uniuersum orbem terrae foderunt puteos et aquam uiuam b omnibus ostenderunt „baptizantes omnes gentes in nomine Patris et Filii et Spiritus sancti“. c „Domini est“ enim „terra et plenitudo eius“. d Sed et unusquisque nostrum, qui uerbum Dei ministrat, puteum fodit et aquam uiuam quaerit, ex qua reficiat auditores. Si ergo incipiam et ego ueterum dicta discutere et sensum in eis quaerere spiritalem, si conatus fuero uelamen legis amouere et ostendere „allegorica“ e esse, quae scripta sunt, fodio quidem puteos, sed statim mihi mouebunt calumnias amici litterae et insidiabuntur mihi, inimicitias continuo et persecutiones parabunt ueritatem negantes stare posse nisi super terram. Sed nos, si Isaac pueri sumus, puteos aquae uiuae f diligamus et fontes; a litigiosis et calumniatoribus recedamus et relinquamus eos in terra quam diligunt. Nos uero numquam cessemus puteos aquae uiuae fodiendo et nunc quidem uetera, nunc etiam noua discutiendo efficiamur similes illi euangelico scribae, de quo Dominus dixit quia: „Profert de thesauris suis noua et uetera.“ g Sed et si qui eorum me nunc audiat disputantem, qui saeculares litteras nouit, dicit fortassis: Nostra sunt ista, quae dicis, et nostrae artis eruditio est; haec ipsa, qua disputas et doces, nostra eloquentia est. Et mouet mihi lites uelut Philistinus quidam, dicens quia in meo solo fodisti puteum et uidebitur sibi merito uindicare, quae propriae terrae sunt. Verum ad haec ego respondebo quia habet omnis terra aquas, sed qui Philistinus est et terrena sapit, h nescit in omni terra inuenire aquam, nescit in omni anima inuenire rationabilem sensum et imaginem Dei, nescit fidem, pietatem, religionem posse in omnibus inueniri. Quid tibi prodest habere eruditionem et nescire ea uti, habere sermonem et nescire loqui? a f

Ps. 18(19),5 b vgl. Gen. 26,19; Joh. 7,38 c Mt. 28,19 g h vgl. Gen. 26,19 Mt. 13,52 vgl. Phil. 3,19

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Ps. 23(24),1

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Gal. 4,24

429 Zum heilsgeschichtlichen Horizont der altkirchlichen Theologen siehe Fürst, Bis ans Ende der Erde; zu Origenes: ebd. 277f. 285. 430 Origenes beklagt sich hier über die Nachstellungen seiner Gegner (ähnlich in Gen. hom. 12,4 [GCS Orig. 6, 110]). Seine Parteinahme für eine geistige Auslegung setzte ihn Angriffen von zwei Seiten aus: von den Fürsprechern einer ,wörtlichen‘ Exegese (Juden, Ebioniten, Gegnern der Allegorese) und seitens paganer Denker, die ihm den ,Diebstahl‘ ihrer Methoden vorwarfen (Doutreleau, SC 7bis, 320 Anm. 1). – In der leicht verächtlichen Schlussbemerkung (terrenus steht auch für das wörtliche Verständnis der Bibel in den Händen der Pharisäer) zeigt sich Origenes’ platonischer Geist. Für ihn sind die biblischen Texte Abbild der übernatürlichen Wirklichkeit Gottes. 431 Vgl. Porphyrius bei Eusebius hist. eccl. VI 19,7 (GCS Eus. 2/2, 560): „Origenes, als Grieche unter Griechen erzogen, verirrte sich in seinen Lehren zu barbarischer Dreistigkeit. . . . In seiner Auffassung von der Welt und von Gott dachte er wie ein Grieche und schob den fremden Mythen griechische Ideen unter.“

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kreises“.a 429 Denn Isaaks Knechte, die hinauszogen über den gesamten Erdkreis, gruben Brunnen, zeigten allen das lebendige Wasserb und „tauften alle Völker im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“.c Denn „die Erde und ihre Fülle gehören dem Herrn“.d Doch auch ein jeder von uns, der das Wort Gottes darreicht, gräbt einen Brunnen und sucht das lebendige Wasser, um seine Hörer damit zu erquicken. Wenn also auch ich mich anschicke, die Worte der Alten zu erörtern und in ihnen einen geistigen Sinn zu suchen, wenn ich versuche, den Schleier des Gesetzes zu lüften und darzulegen, dass „allegorisch“e zu verstehen ist, was geschrieben steht, so grabe ich Brunnen. Doch sogleich werden die Anhänger des Buchstabens Verleumdungen gegen mich ausstreuen und mir nachstellen, alsbald werden sie Feindseligkeiten und Verfolgungen säen – sie, die leugnen, dass die Wahrheit irgendwo anders stehen könne als auf der Erde.430 Wir aber, wenn wir Isaaks Knechte sind, wollen die Brunnen des lebendigen Wassersf lieben und seine Quellen; von den Streithähnen und Verleumdern wollen wir uns zurückziehen und sie in dem Land zurücklassen, das sie lieben. Wir aber wollen niemals aufhören, Brunnen des lebendigen Wassers zu graben, und indem wir bald das Alte, bald auch das Neue erörtern, wollen wir jenem Schriftgelehrten im Evangelium ähnlich werden, von dem der Herr verkündete: „Aus seinen Schätzen fördert er Neues und Altes zu Tage.“g Weiter: Wenn nun einer von denen, die in den weltlichen Wissenschaften beschlagen sind, mich argumentieren hört, sagt er vielleicht: Das, was du sagst, gehört uns, deine Gelehrsamkeit ist Teil unserer Wissenschaft;431 eben diese Beredsamkeit, die dich argumentieren und lehren lässt, ist unser. Und einem Philister gleich bricht er Streit mit mir vom Zaun und sagt: Auf meinem Grund hast du einen Brunnen gegraben; und er wird annehmen, er beanspruche rechtens für sich, was sein eigenes Land ist. Darauf werde ich aber entgegnen, dass jeder Boden Wasser enthält; doch wer ein Philister ist und Irdisches denkt,h versteht es nicht, in jedem Boden Wasser zu finden, versteht es nicht, in jeder Seele die geistige Ader und das Bild Gottes zu finden, versteht es nicht, dass sich Glaube, Frömmigkeit und Hingabe in allem finden lassen. Was nutzt es dir, Gelehrsamkeit zu besitzen, wenn du sie nicht zu nutzen verstehst, Beredsamkeit zu besitzen, wenn du nicht zu reden verstehst?432

432 Origenes tadelt die ,weltliche Wissenschaft‘ der Griechen, die nicht zur Erkenntnis Gottes führe (vgl. die bitteren Worte in Ex. hom. 4,6 [GCS Orig. 6, 177–179]). Nur dort lasse ihr Gebrauch sich rechtfertigen, wo die Christen „all dies draußen Erworbene für unseren Unterricht fruchtbar machen und zur Erläuterung unseres Gesetzes heranziehen“: in Gen. hom. 11,2 (GCS Orig. 6, 103). In dem berühmten Brief an seinen Schüler Gregor kommt Origenes ausführlich auf dieses Thema zu sprechen; vgl. epist. Greg. (SC 148, 186–194).

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Homilia XIII

Istud opus proprie puerorum Isaac est, qui in omni terra fodiunt puteos aquae uiuae, a id est omni animae uerbum Dei b loquuntur et inueniunt fructum. Denique uis uidere, unus puer Isaac quantos puteos in terra alienigenarum foderit? Vide Paulum, qui ab Hierusalem in circuitu usque ad Illyricum repleuit euangelium Dei. c Sed per singulos istos puteos persecutiones passus est Philistinorum. Audi ipsum dicentem: „Quanta mihi acciderunt Iconio, Lystris“, d quanta in Epheso? Quotiens caesus, quotiens lapidatus est? e Quotiens pugnauit ad bestias? f Sed permansit usquequo exiret ad „latitudinem“, g id est usquequo in totius orbis terrae latitudine ecclesias conlocaret. Sic ergo putei, quos fodit Abraham, id est scripturae ueteris testamenti, repleti sunt terra a Philistinis, siue malis doctoribus, scribis et Pharisaeis, siue etiam aduersariis potestatibus; et obturatae sunt eorum uenae, ne potum praebeant his, qui ex Abraham sunt. Non enim potest populus ille bibere de scripturis, sed „sitim“ patitur „uerbi Dei“, h donec ueniat Isaac et aperiat eos, ut bibant pueri sui. Gratias ergo Filio Abrahae Christo, de quo scriptum est: „liber generationis Iesu Christi, Filii Dauid, Filii Abraham“, i qui uenit et aperuit nobis puteos. Ipsos enim aperiebat illis, qui dicebant: „Nonne cor nostrum erat ardens in nobis, cum adaperiret nobis scripturas?“ j Aperuit ergo hos puteos et „uocauit eos“, inquit, „sicut uocauerat eos Abraham pater eius“. k Non enim inmutauit uocabula puteorum. Et est mirum quod Moyses etiam apud nos Moyses appellatur et prophetae unusquisque suo nomine compellantur. Non enim Christus in eis nomina, sed intellegentiam conmutauit. Conmutat autem in eo, ut iam ultra non attendamus „Iudaicis fabulis“ l et „genealogiis infinitis“, m quia a ueritate quidem auditum auertunt, ad fabulas autem conuertuntur. n Aperuit ergo puteos et docuit nos, ut non in loco aliquo quaeramus Deum, sed sciamus quia in omni terra offertur sacrificium nomini eius. o Nunc enim illud est tempus, quando ueri adoratores adorant Patrem neque in Hierosolymis neque in monte Garizim, sed „in spiritu et ueritate“. p Non ergo in loco neque in terra habitat Deus, sed in corde habitat. Et si locum Dei requiris, cor mundum est locus eius. In hoc namque loco habitaturum se dicit, per prophetam cum ait: „Habitabo in eis et inambulabo; et ipsi erunt mihi populus et ego ero illis Deus, dicit Dominus.“ q b c d vgl. Gen. 26,19 vgl. Mk. 7,13 u.ö. vgl. Röm. 15,19 2 Tim. 3,11 2 Kor. 11,25 f vgl. 1 Kor. 15,32 g 2 Sam. 22,20; Ps. 17(18),20 h Am. 8,11 1,1 j Lk. 24,32 k Gen. 26,18 l Tit. 1,14 m 1 Tim. 1,4 n vgl. 2 Tim. 4,4 p q Mal. 1,11 vgl. Joh. 4,20–23 2 Kor. 6,16 a

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433 Replere in dieser Verwendung ist christliche Sondersprache (vgl. Blaise s.v. 4, nur ad loc.).

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Dies ist ausdrücklich das Werk der Knechte Isaaks, die in jedem Boden Brunnen des lebendigen Wassersa graben, das heißt jeder Seele das Wort Gottesb verkünden und Frucht ernten. Willst du denn sehen, wie viele Brunnen ein einziger Knecht Isaaks in ausländischer Erde gegraben hat? Schau auf Paulus, der von Jerusalem aus ringsum bis nach Illyrien das Evangelium Gottes verbreitete.c 433 Doch für einen jeden dieser Brunnen ertrug er die Nachstellungen der Philister. Höre, was er selbst sagt: „Was alles ist mir in Ikonion, in Lystra widerfahren“,d was alles in Ephesus? Wie oft wurde er geschlagen, wie oft gesteinigt,e wie oft kämpfte er mit wilden Tieren?f Doch er blieb standhaft, bis er in die „Weite“g gelangte, das heißt bis er in der Weite des gesamten Erdkreises Kirchen gründete. So wurden also die Brunnen, die Abraham grub, das heißt die Schriften des Alten Testaments, von den Philistern mit Erde gefüllt: von bösen Lehrern, Schriftgelehrten und Pharisäern so gut wie von feindlichen Gewalten; und ihre Adern wurden verstopft, damit sie die nicht trinken lassen, die von Abraham abstammen. Denn dieses Volk kann nicht von den Schriften trinken, sondern leidet „Durst nach dem Wort Gottes“,h bis Isaak kommt und die Brunnen freilegt, damit seine Knechte trinken. Dank also dem Sohn Abrahams, Christus, von dem geschrieben steht: „der Stammbaum434 Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams“,i der kam und uns die Brunnen freilegte. Denn er legte sie für die frei, die sprachen: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er uns die Schriften auslegte?“j Er legte also diese Brunnen frei und „benannte sie“, heißt es, „wie sein Vater Abraham sie benannt hatte“.k Denn er änderte nicht die Namen der Brunnen. Und es ist wundersam,435 dass Mose auch bei uns Mose heißt und jeder der Propheten mit seinem Namen angesprochen wird. Denn Christus hat nicht ihre Namen verwandelt, sondern unser Verständnis. Er verwandelt es aber deshalb, damit wir künftig unser Augenmerk nicht länger auf „jüdische Märchen“l und „endlose Stammbäume“m richten; denn die lenken unsere Ohren von der Wahrheit fort und lenken sie hin zu den Märchen.n Er legte also die Brunnen frei und lehrte uns, Gott nicht an irgendeinem Ort zu suchen, sondern zu wissen, dass auf der ganzen Erde seinem Namen ein Opfer dargebracht wird.o Denn jetzt ist die Zeit da, wo die wahren Anbeter den Vater weder in Jerusalem noch auf dem Berg Garizim anbeten, sondern „im Geist und in der Wahrheit“.p Gott wohnt also weder an einem Ort noch auf der Erde, sondern er wohnt im Herzen. Und wenn du den Ort Gottes suchst: Ein reines Herz ist sein Ort. Denn er sagt, an diesem Ort werde er wohnen, wenn er durch den Propheten verkündet: „Ich werde in ihnen wohnen und umhergehen, und sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein, spricht der Herr.“q 434 Wörtlich: „das Buch der Abstammung“. 435 Passender statt et est mirum wäre non est mirum oder etwa ein Fragesatz.

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Homilia XIII

Vide ergo quia forte etiam in uniuscuiusque nostrum anima est puteus aquae uiuae, a est quidam caelestis sensus et imago Dei latens, et hunc puteum Philistini, id est potestates aduersae, repleuerunt terra. Quali terra? Carnalibus sensibus et terrenis cogitationibus, et propterea „portauimus imaginem terreni“. b Tunc ergo, cum portaremus imaginem terreni, Philistini repleuerunt puteos nostros. Sed nunc quoniam uenit noster Isaac, suscipiamus eius aduentum et fodiamus puteos nostros, abiciamus ab eis terram, purgemus eos ab omnibus sordibus et a cunctis cogitationibus luteis et terrenis, et inueniemus in eis aquam uiuam, c illam, quam dicit Dominus: „Qui credit in me, flumina de uentre eius fluent aquae uiuae.“ d Vide quanta sit liberalitas Domini: Puteos repleuerunt Philistini et uenas nobis aquarum exiles et tenues inuiderunt et pro his fontes nobis redduntur et flumina. 4. Si ergo et uos hodie haec audientes fideliter percipiatis auditum, operatur et in uobis Isaac, purgat corda uestra a terrenis sensibus, et uidentes tanta haec mysteria in scripturis diuinis esse latentia proficitis in intellectu, proficitis in spiritalibus sensibus. Incipietis etiam ipsi esse doctores et procedent ex uobis flumina aquae uiuae. e Adest enim Verbum Dei et haec nunc eius est operatio, ut de anima uniuscuiusque uestrum remoueat terram et aperiat fontem tuum. Intra te enim est et non extrinsecus uenit, sicut et regnum Dei intra te est. f Et mulier illa, quae perdiderat drachmam, non illam inuenit extrinsecus, sed in domo sua, posteaquam accendit lucernam et mundauit domum sordibus et inmunditiis, quas longi temporis ignauia et hebetudo congesserat, et ibi inuenit drachmam. g Et tu ergo si accendas lucernam, si adhibeas tibi inluminationem Spiritus sancti et in lumine eius uideas lumen, h inuenies intra te drachmam. Intra te namque conlocata est imago regis caelestis. Cum enim faceret hominem ex initio Deus, ad imaginem et similitudinem suam fecit eum; i et hanc imaginem non extrinsecus, sed intra eum conlocauit. Haec in te uideri non poterat, donec domus tua a f

vgl. Gen. 26,19 vgl. Lk. 17,21

g

b 1 Kor. 15,49 vgl. Lk. 15,8

vgl. Gen. 26,19 vgl. Ps. 35(36),10

c h

d

e Joh. 7,38 vgl. Joh. 7,38 vgl. Gen. 1,26; 5,1

i

436 Vgl. weiter oben in Kap. 3 (GCS Orig. 6, 117): in omni anima . . . rationabilem sensum et imaginem Dei. 437 Vgl. in Gen. frg. E 69 Metzler (OWD 1/1, 248f.): „Jeder Betende muss also danach streben, ein Kind Isaaks zu sein, um diese Brunnen zu ersinnen und sie in sich selbst zu ergraben.“ 438 Vgl. in Num. hom. 12,2 (GCS Orig. 7, 100): auferre terram de puteo hoc et . . . de interiore petra . . . spiritales sensus uelut aquam uiuam proferre. 439 Weiter oben stehen die Brunnen für die Heilige Schrift; hier stehen sie für die Seelen. Diese beiden Gedanken, so Doutreleau, SC 7bis, 326f. Anm. 1, sind bei Origenes fest miteinander verbunden: Beide – Bibel und Seele – leben ein geistiges Leben, das auf Gott zurückgeht; in beiden wirkt Gottes Wort; die Trinität ist das Grundwasser, aus dem diese beiden Brunnen sich speisen.

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Bedenke also, dass sich vielleicht auch in der Seele eines jeden von uns ein Brunnen des lebendigen Wassersa findet, eine Art himmlischer Sinn und – verborgen – das Bild Gottes;436 und diesen Brunnen haben die Philister, das heißt die feindlichen Gewalten, mit Erde gefüllt. Mit welcher Erde? Mit fleischlichen Eindrücken und irdischen Erwägungen, und deshalb haben wir „das Bild des Irdischen zu tragen begonnen“.b Damals also, als wir das Bild des Irdischen trugen, haben die Philister unsere Brunnen gefüllt. Nun aber, da unser Isaak kam, wollen wir ihn bei seiner Ankunft aufnehmen und unsere Brunnen graben, die Erde von ihnen räumen und sie von allem Unrat säubern, das heißt von allen schlammigen und irdischen Erwägungen.437 Und wir werden in ihnen das lebendige Wasserc finden, das, von dem der Herr sagt: „Wer an mich glaubt, aus dessen Bauch werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“d Schau, wie groß die Freigebigkeit des Herrn ist: Brunnen haben die Philister gefüllt und uns dürftige und ärmliche Wasserläufe geneidet, und statt ihrer erhalten wir Quellen und Ströme zurück. 4. Wenn also auch ihr, die ihr dies heute hört, euch das Gehörte treu zu eigen macht, wirkt Isaak auch in euch und reinigt eure Herzen von irdischer Gesinnung.438 Und indem ihr erkennt, dass diese gewaltigen Geheimnisse in den göttlichen Schriften verborgen liegen, schreitet ihr voran in eurem Begreifen, schreitet ihr voran in eurer geistigen Einsicht. Ihr werdet beginnen, selbst Lehrer zu sein, und Ströme lebendigen Wasserse werden aus euch entspringen. Denn das Wort Gottes ist zugegen und zeigt eben diese Wirkung, dass es aus der Seele eines jeden von euch die Erde forträumt und deinen Quell öffnet.439 Denn es ist in dir und kommt nicht von außen, wie auch das Reich Gottes in dir ist.f 440 Auch die Frau, die eine Drachme verloren hatte, fand sie nicht draußen, sondern in ihrem Haus, nachdem sie ein Licht angezündet und das Haus gereinigt hatte von Schmutz und Unrat, die Trägheit und Stumpfsinn über eine lange Zeit aufgehäuft hatten, und dort fand sie die Drachme.g So wirst auch du, wenn du das Licht anzündest, wenn du dir die Erleuchtung des Heiligen Geistes zunutze machst und in seinem Licht das Licht siehst,h in dir die Drachme finden. Denn in dir ist das Bild des himmlischen Königs errichtet. Denn als Gott am Anbeginn den Menschen schuf, schuf er ihn nach seinem Bild und seinem Gleichnis;i und dieses Bild errichtete er nicht außen, sondern in ihm.441 Es war nicht zu sehen in dir, solange dein Haus mit Unrat verschmutzt und voller Schutt 440 Vgl. Chadwick, Early Christian thought 104 (zum Folgenden ebd. 119); ferner Fürst/Hengstermann, OWD 10, 108. 441 Vgl. in Gen. hom. 1,13 (GCS Orig. 6, 15): „Unter diesem Menschen, von dem die Schrift sagt, er sei ,nach dem Bild Gottes‘ erschaffen, verstehen wir gewiss nicht den leiblichen. . . . Der aber, der ,nach dem Bild Gottes‘ erschaffen wurde, ist unser innerer Mensch, unsichtbar, unkörperlich, unverderblich, unsterblich“; in Num. hom. 24,2 (GCS Orig. 7, 228); in Hiez. hom. 13,2 (GCS Orig. 8, 446).

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Homilia XIII

sordida erat inmunditiis et ruderibus repleta. Iste fons scientiae intra te erat situs, sed non poterat fluere, quia Philistini repleuerant eum terra et fecerant in te „imaginem terreni“. a Sed tu portasti quidem tunc imaginem terreni; nunc uero his auditis ab illa omni mole et oppressione terrena per Verbum Dei purgatus „imaginem caelestis“ b in te splendescere facito. Haec ergo imago est, de qua dicebat Pater ad Filium: „Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram.“ c Filius Dei est pictor huius imaginis. Et quia talis et tantus est pictor, imago eius obscurari per incuriam potest, deleri per malitiam non potest. Manet enim semper in te imago Dei, licet tu tibi ipse superducas „imaginem terreni“. d Istam picturam tu tibi ipse depingis. Cum enim te libido fucauerit, induxisti unum colorem terrenum; si uero et auaritia aestuas, miscuisti et alium. Sed et cum te ira sanguineum facit, addis nihilominus et tertium colorem. Superbiae quoque alius additur fucus et inpietatis alius. Et sic per singulas quasque malitiae species, uelut diuersis coloribus congregatis, hanc imaginem terreni, quam Deus in te non fecit, tu tibi ipse depingis. Propterea ergo deprecandus est nobis ille, qui dicit per prophetam: „Ecce ego deleo sicut nubem iniquitates tuas, et sicut caliginem peccata tua.“ e Et cum deleuerit omnes istos in te colores, qui ex fucis malitiae sumpti sunt, tunc resplendet in te imago illa, quae a Deo creata est. Vides ergo, quomodo diuinae scripturae formas inducunt et figuras, quibus ad agnitionem uel purgationem sui anima doceatur. Vis adhuc et aliam uidere formam huius imaginis? Sunt quaedam litterae, quas Deus scribit, quaedam litterae, quas nos scribimus. Peccati litteras nos scribimus. Audi apostolum dicentem: „Delens“, inquit, „quod aduersum nos erat chirographum in decretis, quod erat contrarium nobis, tulit illud de medio adfigens illud cruci suae.“ f Istud, quod dicit chirographum, peccatorum nostrorum cautio fuit. Vnusquisque etenim nostrum in his, quae delinquit, efficitur debitor et peccati sui litteras scribit. Quia et in iudicio Dei, quod Daniel consedisse describit, libros dicit apertos, g sine dubio qui peccata hominum continerent. Haec ergo ipsi nobis scribimus per ea, quae delinquimus. Huius enim rei et illa imago est, quae in euangelio dicitur de uilico iniquitatis, h qui ad unumquemque debitorem dicit: „Accipe litteras tuas, et sedens scribe octoginta“, i et cetera, quae referuntur. Vides ergo quia unia b c d e 1 Kor. 15,49 1 Kor. 15,49 Gen. 1,26 1 Kor. 15,49 Jes. 44,22 g h i 2,14 vgl. Dan. 7,10; Offb. 20,12 vgl. Lk. 16,8 Lk. 16,7

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Kol.

442 In Baehrens’ Text fehlt das gut bezeugte in te; der Gedankengang erfordert es aber zwingend (so auch Doutreleau, SC 7bis, 328 Anm. 1). 443 Vgl in Hier. hom. 15,5 (GCS Orig. 32, 129): „Jeder von uns ist ein Schuldner aufgrund seiner Sünden und ein Schuldner mit einem Schuldschein (xeiroÂgrafon)“;

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war. Dieser Quell des Wissens lag in dir, doch er konnte nicht fließen, weil die Philister ihn mit Erde gefüllt und in dir „das Bild des Irdischen“a erschaffen hatten. Doch damals trugst du das Bild des Irdischen in dir; nun aber, da du dies gehört hast, durch das Wort Gottes von aller Last und Erdenschwere gereinigt, lasse „das Bild des Himmlischen“b in dir erstrahlen. Dies also ist das Bild, von dem der Vater zum Sohn sagte: „Lasst uns Menschen schaffen nach unserem Bild und unserem Gleichnis.“c Der Gottessohn ist der Maler dieses Bildes. Und weil er ein so vortrefflicher und großer Maler ist, lässt sich sein Bild durch Vernachlässigung trüben – durch Bosheit auslöschen lässt es sich nicht. Denn das Bild Gottes bleibt stets in dir442 erhalten, auch wenn du es in dir mit dem „Bild des Irdischen“d überdeckst. Dieses Bild malst du dir selbst. Denn wenn Fleischeslust dich verfinstert hat, hast du eine erste irdische Farbe aufgetragen. Glühst du aber auch vor Geiz, hast du eine zweite beigemischt. Wenn jedoch auch Zorn dich blutrot anlaufen lässt, fügst du noch eine dritte Farbe hinzu. Auch ein Purpurton des Hochmuts kommt ins Spiel und ein anderer der Gottlosigkeit. Und so malst du dir mit all den einzelnen Formen des Bösen wie mit den verschiedenen Farben der Palette dieses Bild des Irdischen, das Gott nicht in dir schuf. Deshalb also müssen wir ihn anflehen, der durch den Propheten verkündet: „Siehe, ich vernichte deine Untaten wie eine Wolke und wie die Finsternis deine Sünden.“e Und hat er alle diese Farben in dir zerstört, die den Purpurtönen des Bösen entstammen, dann erstrahlt in dir das Bild, das von Gott erschaffen wurde. Du siehst also, wie die göttlichen Schriften Bilder und Gleichnisse darbieten, mit denen die Seele zur eigenen Erkenntnis beziehungsweise Reinigung angehalten wird. Willst du dieses Gleichnis noch in anderer Gestalt sehen? Es gibt bestimmte Schriftstücke, die Gott schreibt, und bestimmte Schriftstücke, die wir schreiben. Die Schriftstücke der Sünde schreiben wir. Höre, was der Apostel sagt: „Indem er tilgte“, heißt es, „was zu unseren Lasten in den Schuldscheinen niedergelegt war, was uns abträglich war, merzte er es aus und heftete es an sein Kreuz.“f Das, was er Schuldschein nennt, war das Unterpfand unserer Sünden. Denn jeder von uns macht sich durch das, was er Böses begeht, zum Schuldner und schreibt das Schriftstück seiner Sünde.443 Denn auch bei der Versammlung des Gottesgerichts, die Daniel schildert, beschreibt er offene Bücher,g die zweifelsohne die Sünden der Menschen enthielten. Diese Schriftstücke der Sünde stellen wir uns also selbst aus durch das Böse, das wir begehen. Denn ein Gleichnis für diesen Sachverhalt ist auch das, was im Evangelium von dem ungerechten Verwalterh erzählt wird, der zu jedem Schuldner sagt: „Nimm dein Schriftstück, setze dich und schreibe: achtzig“,i und was weiter geschrieben steht. Du siehst also, dass zu orat. 28,5 (GCS Orig. 2, 378): „Diese bösen Werke . . . werden zum Schuldschein, der gegen uns spricht und nach dem man uns richten wird.“

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Homilia XIII

cuique dicitur: „Accipe litteras tuas.“ Vnde constat nostras esse litteras peccati; litteras autem iustitiae Deus scribit. Ita enim dicit apostolus: „Vos enim estis epistola inscripta non atramento, sed Spiritu Dei uiui, non in tabulis lapideis, sed in tabulis cordis carnalibus.“ a Habes ergo in te litteras Dei et litteras Spiritus sancti. Si uero delinquas, ipse tibi conscribis peccati chirographum. Sed uide quia, semel cum accessisti ad crucem Christi et ad gratiam baptismi, chirographum tuum cruci adfixum et in fonte baptismi deletum est. b Non rescribas ultra, quae deleta sunt, nec repares, quae abolita sunt, solas in te serua litteras Dei, sola in te permaneat scriptura Spiritus sancti. Sed redeamus ad Isaac et fodiamus cum ipso puteos aquae uiuae; c etiamsi obsistunt Philistini, etiamsi rixantur, nos tamen perseueremus cum ipso puteos fodiendo, ut et nobis dicatur: „Bibe aquam de tuis uasis et de tuis puteis“, d et in tantum fodiamus, ut superabundent aquae putei in plateis e nostris, ut non solum nobis sufficiat scientia scripturarum, sed et alios doceamus et alios instruamus, ut bibant homines, bibant et pecora. Audiant prudentes, audiant simplices quique: Sapientibus enim et insipientibus debitor est f doctor ecclesiae, potare homines, potare debet et pecora; quia et propheta dicit: „Homines et iumenta saluos facies, Domine“, g inluminante nos et purgante corda nostra ipso Domino Iesu Christo Saluatore nostro, „cui gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen.“ h a f

b 2 Kor. 3,2f. vgl. Kol. 2,14 g vgl. Röm. 1,14 Ps. 35(36),7

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vgl. Gen. 26,19 1 Petr. 4,11

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einem jedem gesagt wird: „Nimm dein Schriftstück.“ Daraus geht hervor, dass uns das Schriftstück der Sünde gehört; das Schriftstück der Gerechtigkeit aber schreibt Gott. So nämlich spricht der Apostel: „Denn ihr seid ein Brief, der nicht mit Tinte geschrieben ist, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinernen Tafeln, sondern auf den fleischlichen Tafeln des Herzens.“a Du trägst in dir also Schriftstücke Gottes und Schriftstücke des Heiligen Geistes. Begehst du aber Böses, stellst du dir selbst den Schuldschein der Sünde aus. Doch sieh: Weil du dich einmal dem Kreuz Christi und der Gnade der Taufe genaht hast, wurde dein Schuldschein ans Kreuz geheftet und im Quell der Taufe vernichtet.b Schreibe künftig nicht von neuem, was vernichtet ist, stelle nicht wieder her, was getilgt ist; bewahre in dir einzig das Schriftstück Gottes, in dir verbleibe einzig die Schrift des Heiligen Geistes. Doch lasst uns zu Isaak zurückkehren und mit ihm Brunnen lebendigen Wassersc graben. Auch wenn die Philister sich empören, auch wenn sie Streit anzetteln: Lasst uns trotzdem standhaft bleiben, wenn wir Brunnen mit ihm graben, damit auch zu uns gesagt werde: „Trinke Wasser aus deinem Geschirr und aus deinen Brunnen“,d und lasst uns so tief graben, dass die Wasser des Brunnens in unseren Höfene überströmen, damit das Wissen um die Schriften nicht allein uns genüge, sondern wir auch andere belehren und andere unterweisen, damit die Menschen trinken, damit auch das Vieh trinke. Die Verständigen sollen es hören, alle Einfältigen sollen es hören, denn der Lehrer der Kirche ist den Wissenden wie den Unwissenden verpflichtet;f die Menschen muss er tränken, auch das Vieh muss er tränken. Denn auch der Prophet sagt: „Mensch und Tier wirst du heil machen, Herr“g – da er uns erleuchtet und unsere Herzen reinigt, der Herr Jesus Christus, unser Erlöser. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“h

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HOMILIA XIV De eo, quod apparuit Dominus Isaac ad puteum iuramenti, et de pacto, quod conposuit cum Abimelech

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1. Scriptum est in propheta ex persona Domini dicentis: „Et in manibus prophetarum similatus sum.“ a Qui sermo illud indicat, quod, cum unus sit Dominus noster Iesus Christus per substantiam suam et nihil aliud quam Filius Dei sit, in figuris tamen et formis scripturarum uarius ac diuersus ostenditur. Verbi gratia, sicut in superioribus exposuisse nos memini, quod ipse esset in typo Isaac, cum offerretur ad holocaustum, ipsius tamen et aries formam teneret. Ego amplius dico quod et in angelo, qui locutus est ad Abraham et dicit ei: „Ne inicias manum tuam in puerum“, b ipse ostenditur, quia iterum dicit ad eum: „Propter quod fecisti uerbum hoc, benedicens benedicam te.“ c Ouis uel agnus, qui inmolatur in Pascha, ipse dicitur d et ouium pastor ipse signatur; e et pontifex, qui offert sacrificium, nihilominus ipse describitur. f Sponsus tamquam Verbum Dei ipse appellatur, g et tamquam sapientia ipse rursum sponsa nominatur; sicut et propheta dicit ex persona ipsius: „Tamquam sponso posuit mihi mitram, et tamquam sponsam adornauit me ornamento“, h multaque alia, quae nunc interim persequi longum est. Sicut ergo ipse Dominus pro loco et tempore formam sui singulis quibusque accommodat causis, ita etiam sancti, qui eius typum gerebant, pro locis et temporibus et causis mysteriorum figuras egisse credendi sunt; sicut b c d e Hos. 12,10(11) Gen. 22,12 Gen. 22,16f. vgl. 1 Kor. 5,7 vgl. Joh. f g h 10,11.14; Hebr. 13,20 vgl. Hebr. 5,1–10 vgl. Mt. 9,15 u.ö. Jes. 61,10

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444 Die schwierige Ausdrucksweise in Hos. 12,10(11) – zum Verbum similatus sum fehlt ein Dativ-Objekt – geht auf den hebr. Text zurück: „Und durch die Propheten (wörtlich: in der Hand der Propheten) lasse ich Gleichnisse vortragen.“ Die Septuaginta übersetzte: kaiÁ eÆn xersiÁn profhtv Ä n vëmoivÂuhn, Hieronymus in der Vulgata: et in manu prophetarum adsimilatus sum. Vgl. Bons u.a., Bible d’Alexandrie 152, mit franz. Übersetzung von Hos. 12,10(11) LXX ebd. 151: „et par la main de prophe`tes j’ai fait l’objet de comparaisons“. 445 Vgl. von Ungern-Sternberg, Schriftbeweis 165; von Dobschütz, Decretum Gelasianum 241–245. 446 Vgl. in Gen. hom. 8,1.6.9 (GCS Orig. 6, 78. 81. 84). 447 Vgl. ebd. 8,8 (6, 83).

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HOMILIE 14 Darüber, dass der Herr dem Isaak am Brunnen des Eids erschien, und über den Bund, den er mit Abimelech schloss 5

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1. In einem Propheten steht geschrieben, dass der Herr sagt: „Und in den Händen der Propheten habe ich ähnliche Gestalt angenommen.“a 444 Dieses Wort zeigt an, dass unser Herr Jesus Christus, auch wenn er in seiner Wesenheit einer und nichts anderes als der Sohn Gottes ist, in den Gleichnissen und Bildern der Schriften gleichwohl mannigfaltig und verschieden dargestellt wird.445 Beispielsweise war er, wie ich meines Wissens unlängst dargelegt habe,446 im Urbild Isaaks, als der als Brandopfer dargeboten wurde; doch auch der Widder trug sein Bild in sich. Des weiteren behaupte ich, dass er auch in dem Engel dargestellt wird, der zu Abraham sprach und ihm sagt: „Erhebe nicht deine Hand gegen den Knaben.“b 447 Denn beim zweiten Mal sagt er zu ihm: „Weil du dieses Wort erfüllt hast, werde ich dich mit einem Segen segnen.“c Das Schaf oder Lamm, das man an Passah opfert, wird er genannt,d und als Hirt der Schafe wird er bezeichnet.e Auch als der Hohepriester wird er beschrieben, der das Opfer darbringt.f 448 Als Wort Gottes heißt man ihn den Bräutigam,g als Weisheit wiederum wird er die Braut gerufen, wie auch der Prophet in seinem Namen sagt: „Wie einem Bräutigam setzte er mir die Mitra auf, und wie eine Braut schmückte er mich mit Schmuck“,h und etliches mehr, das im Augenblick durchzugehen zu weit führen würde.449 Wie nun der Herr selbst je nach Ort und Zeit sein Bild all den einzelnen Gegebenheiten anpasst, so darf man auch von den Heiligen, die sein Urbild verkörperten, glauben, dass sie je nach Ort, Zeit und Gegebenheiten Sinnbilder der Geheimnisse darstellten, wie wir es nun auch bei Isaak geschehen 448 Vgl. in Lev. hom. 1,2 (GCS Orig. 6, 283). 449 Vgl. in Cant. comm. I (GCS Orig. 8, 113) bzw. I 6,14 (SC 375, 256): „Man nennt ihn Bräutigam, und er wird die Braut gerufen – wie im Propheten geschrieben steht: ,Wie einem Bräutigam setzte er mir die Mitra auf‘.“ In seiner Epinoiai-Lehre unterstreicht Origenes die wesensmäßige Einheit des Gottessohnes hinter der Vielzahl von Namen, Bildern, Erscheinungsformen, Aspekten, Funktionen, mit denen die Heilige Schrift ihn charakterisiert, etwa als ,Leben‘, ,Licht‘, ,Wahrheit‘, ,Weg‘, ,Lamm‘, ,Hirte‘. Vgl. z.B. in Ex. hom. 7,8 (GCS Orig. 6, 214–217); Cels. II 64 (GCS Orig. 1, 185f.); in Ioh. comm. I 9,52–10,66. 21,125–39,292 (GCS Orig. 4, 14–16. 25–51); Bigg, The Christian Platonists 167–171; Koch, Pronoia und Paideusis 62–78.

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Homilia XIV

et nunc fieri in Isaac uidemus, de quo recitatum est nobis: „Ascendit“, inquit, „inde ad puteum iuramenti, et apparuit illi Dominus nocte illa, et dixit: Ego sum Deus Abraham patris tui, noli timere. Tecum enim sum, et benedicam te, et multiplicabo semen tuum propter Abraham patrem tuum.“ a Huius Isaac duas nobis figuras exposuit apostolus Paulus, unam, qua dixit quod Ismael quidem, filius Agar, populi secundum carnem, Isaac uero populi, qui ex fide est, formam teneret; b aliam, qua ait: „Non dixit: Et seminibus, tamquam in multis, sed: Semini tuo, tamquam in uno, qui est Christus.“ c Tenet ergo Isaac et populi figuram et Christi. Christum autem tamquam Verbum Dei non solum in euangeliis loqui, sed et in lege certum est et prophetis. Verum in lege incipientes, in euangeliis perfectos docet. Et Isaac ergo formam nunc Verbi, quod in lege uel prophetis est, tenet. 2. „Ascendit igitur Isaac ad puteum iuramenti, et apparuit illi Dominus.“ d Ascensionem legis et ante iam diximus ornatum templi esse et eorum, quae inibi diuina gerebantur obsequia. Potest et augmentum prophetarum legis ascensio nominari; et propterea forte ad puteum iuramenti ascendisse dicitur et ibi apparuisse ei Dominus. Per prophetas enim „iurauit Dominus, et non poenitebit, quod ipse sit sacerdos in aeternum secundum ordinem Melchisedech“. e Ad puteum ergo iuramenti uisus est ei Deus futura in eum promissa confirmans. „Et aedificauit ibi altare Isaac, et inuocauit nomen Domini, et fixit ibi tabernaculum suum. Foderunt autem ibi pueri Isaac puteum.“ f Aedificat quidem Isaac altare etiam in lege et figit tabernaculum suum; in euangeliis uero non tabernaculum figit, sed domum aedificat et fundamentum conlocat. Audi enim dicentem Sapientiam de ecclesia: „Sapientia“, inquit, „aedificauit sibi domum, et supposuit septem columnas.“ g Audi de hoc etiam Paulum dicentem: „Fundamentum enim nemo potest ponere praeter id, quod positum est, qui est Christus Iesus.“ h Vbi ergo tabernaculum est, a f

Gen. 26,23f. Gen. 26,25

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b c vgl. Gal. 4,22–26 Gal. 3,16 h Spr. 9,1 1 Kor. 3,11

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Gen. 26,23f.

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450 Vgl. in Gen. hom. 12,5 (GCS Orig. 6, 111): „Isaak ist das Wort Gottes, das im Gesetz Gerste sät, in den Evangelien aber Weizen. Denn jene Speise bereitet er den Vollkommeneren und Geistigen, die aber den weniger Verständigen und den Tierhaften.“ Drei Kategorien christlicher Vollendung unterscheidet Origenes in Lev. hom. 1,4 (GCS Orig. 6, 286): alia quidem incipientibus (die „Anfänger“), alia uero his, qui iam proficiunt in fide Christi (die „Fortgeschrittenen“), alia autem illis, qui iam perfecti sunt in scientia et caritate eius (die „Vollendeten“). Zum Zustand der Vollkommenheit gelangt man erst allmählich: in Num. hom. 10,1 (GCS Orig. 7, 70f.). – Zur Hierarchie der Gläubigen siehe auch in Gen. hom. 2,3 (GCS Orig. 6, 30f.): „Weil es nicht für alle . . . einen Fortschritt im Glauben gibt, deshalb . . . ist das Unterdeck

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sehen, über den uns vorgelesen wurde: „Von dort stieg er hinauf“, heißt es, „zum Brunnen des Eids, und in jener Nacht erschien ihm der Herr und sprach: Ich bin der Gott deines Vaters Abraham, fürchte dich nicht. Denn ich bin mit dir, und ich werde dich segnen, und ich werde deinen Samen um deines Vaters Abraham willen vermehren.“a Die beiden Sinnbilder dieses Isaak hat uns der Apostel Paulus ausgelegt: das eine, von dem er gesagt hat, dass Ismael, der Sohn Hagars, das Volk gemäß dem Fleisch verkörpere, Isaak aber das Volk, das aus dem Glauben stammt;b das andere, von dem er sagt: „Er sagte nicht: und den Samen, als betreffe es viele, sondern: deinem Samen, als betreffe es einen, nämlich Christus.“c Isaak verkörpert also sowohl das Bild des Volkes als auch Christi. Es steht aber fest, dass Christus als das Wort Gottes nicht allein in den Evangelien spricht, sondern auch im Gesetz und in den Propheten. Doch im Gesetz unterweist er die Anfänger, in den Evangelien die Vollendeten.450 Und Isaak verkörpert nun also das Wort, das im Gesetz oder in den Propheten ist. 2. „Isaak stieg also hinauf zum Brunnen des Eides, und es erschien ihm der Herr.“d Bereits früher haben wir gesagt, der Schmuck des Tempels und des Gottesdienstes, der in ihm abgehalten wurde, stelle den Aufstieg des Gesetzes dar.451 Auch das Gedeihen der Propheten lässt sich als Aufstieg des Gesetzes begreifen; und vielleicht heißt es deshalb, Isaak sei zum Brunnen des Eides hinaufgestiegen und dort sei ihm der Herr erschienen. Denn durch die Propheten „schwor der Herr, und es wird ihn nicht reuen, er sei Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“.e So erschien ihm Gott am Brunnen des Eides und bekräftigte das ihm für die Zukunft Verheißene. „Und Isaak errichtete dort einen Altar, rief den Namen des Herrn an und erbaute dort seine Hütte. Isaaks Knechte gruben dort einen Brunnen.“f Auch im Gesetz errichtet Isaak einen Altar und erbaut seine Hütte; in den Evangelien jedoch erbaut er keine Hütte, sondern errichtet er ein Haus und legt ein Fundament. Denn höre, was die Weisheit über die Kirche sagt: „Die Weisheit“, heißt es, „errichtete sich ein Haus, und sieben Säulen setzte sie darunter.“g Höre auch, was Paulus darüber sagt: „Denn niemand kann ein anderes Fundament legen als das, das gelegt ist, das heißt Christus Jesus.“h Wo also eine Hütte steht, muss sie, auch wenn sie erbaut wird, zweifelsohne

(der Arche) zweistöckig und das Oberdeck dreistöckig . . ., um zu zeigen, dass ebenso in der Kirche . . . nicht alle ein und denselben Fortschritt im Glauben machen“; vgl. Vogt, Kirchenverständnis 95–99; Alviar, Klesis 120–132. 451 Vgl. in Gen. hom. 5,5 (GCS Orig. 6, 63f.): „Auch das Gesetz . . . ist aufgestiegen, weil der von Salomo erbaute Tempel es mit Schmuck ausstattete, als es ein Haus Gottes, ein Haus des Gebets wurde.“ – Mit „Aufstieg des Gesetzes (adscensionem legis, parallel zum adscendit)“ ist der religiöse ,Fortschritt‘ gemeint (bei Rufinus sonst meist profectus). Zu Origenes’ Bild des geistigen Fortschritts siehe Völker, Vollkommenheitsideal; Alviar, Klesis 89–120.

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Homilia XIV

etiamsi figatur, sine dubio resoluendum est; ubi uero fundamenta sunt et „supra petram“ a aedificatur domus, numquam resoluitur domus illa, fundata enim est supra petram. b Fodit tamen et ibi puteum Isaac nec umquam cessat puteos fodiendo, donec oriatur fons aquae uiuae c et „fluminis inpetus laetificet ciuitatem Dei“. d 3. Sed et „Abimelech“ (ille, qui dudum honorauerat Abraham) „uenit“ nunc cum amicis suis „de Geraris“ ad Isaac: „Et dicit illis Isaac: Quid uenistis ad me? Vos enim odistis me et eiecistis me a uobis. Ad haec illi respondent: Videntes“, inquit, „uidimus quia est Dominus tecum et diximus: Fiat coniuratio inter nos et te et constituamus tecum pactum, ne facias nobiscum malum“ e et cetera. Iste Abimelech, ut uideo, non semper pacem habet cum Isaac, sed aliquando dissidet, aliquando pacem requirit. Si meministis, quomodo in superioribus diximus de Abimelech quia personam teneat studiosorum et sapientum saeculi, qui per eruditionem philosophiae multa etiam ex ueritate conprehenderint, intellegere potestis, quomodo hic cum Isaac, qui Verbi Dei, quod in lege est, tenet figuram, neque in dissensione semper potest esse neque semper in pace. Philosophia enim neque in omnibus legi Dei contraria est neque in omnibus consona. Multi enim philosophorum unum esse Deum, qui cuncta creauerit, scribunt. In hoc consentiunt legi Dei. Aliquanti etiam hoc addiderunt quod Deus cuncta per Verbum suum et fecerit et regat et Verbum Dei sit, quo cuncta moderentur. In hoc non solum legi, sed et euangeliis consona scribunt. Moralis uero et physica, quae dicitur philosophia, paene omnis, quae nostra sunt, sentit. Dissidet uero a nobis, cum Deo dicit esse materiam coaeternam. Dissidet, cum negat Deum curare mortalia, sed prouidentiam eius supra lunaris globi spatia cohiberi. Dissident a nobis, cum uitas nascentium stellarum cursibus pendunt. Dissia

Mt. 7,24

b

vgl. Mt. 7,25

c

vgl. Gen. 26,19

d

Ps. 45(46),5

e

Gen. 26,26–29

452 Vgl. in Gen. hom. 6,2 (GCS Orig. 6, 67). 453 Vgl. princ. I 3,1 (GCS Orig. 5, 49): „Einige der (griechischen Philosophen) scheinen sogar eine Idee von (Gott) gehabt zu haben, wenn sie bekennen, alles sei durch Gottes Wort oder Logos geschaffen worden“; II 1,4 (5, 110); Philon, opif. 24 (I p. 7 Cohn/Wendland); quaest. in Gen. I 4 (p. 3f. Aucher); Zeller, Philosophie der Griechen III/2, 418f. 454 Dieser Standpunkt, wie ihn etwa Platon, die Peripatetiker und die Stoa vertreten haben, kehrt auch in gnostischen Kreisen wieder; vgl. princ. I 3,3 (GCS Orig. 5, 51): „Widerlegt wurden die falschen Behauptungen einiger (Gnostiker), die Materie sei gleich ewig mit Gott“; Tertullian, adv. Marc. I 15,4 (CChr.SL 1, 456f.); Hilgenfeld, Ketzergeschichte 242f. 264. 305 u.ö. (vgl. im Register s.v. Hyle).

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zugrundegehen. Wo es aber Fundamente gibt und das Haus „auf einem Fels“a errichtet wird, geht dieses Haus niemals zugrunde, denn es ist auf einem Fels gegründet.b Dort gräbt Isaak aber auch einen Brunnen und hört niemals auf, Brunnen zu graben, bis der Quell lebendigen Wassersc entspringt und „das Strömen der Flut die Stadt Gottes ergötzt“.d 3. Doch auch „Abimelech“ (der, der einst Abraham geehrt hatte) „kommt“ nun mit seinen Gefährten „von Gerar“ zu Isaak. „Und Isaak sagt zu ihnen: Warum seid ihr zu mir gekommen? Denn ihr hasst mich und habt mich von euch vertrieben. Darauf entgegnen sie: Mit eigenen Augen“, heißt es, „haben wir gesehen, dass der Herr mit dir ist, und haben gesagt: Ein Eidesbund entstehe zwischen uns und dir, und wir wollen einen Vertrag schließen mit dir, damit du uns nichts Böses antust“,e und so fort. Dieser Abimelech hält, wie ich sehe, nicht immer Frieden mit Isaak, sondern zuweilen ist er mit ihm zerstritten, zuweilen ersucht er um Frieden. Wenn ihr euch erinnert, wie wir bei früherer Gelegenheit452 über Abimelech sagten, er verkörpere die Wissbegierigen und Weisen dieses Zeitalters, die dank ihrer philosophischen Bildung bereits viel von der Wahrheit erkannt haben, könnt ihr begreifen, wie er mit Isaak, der das Wort Gottes verkörpert, das im Gesetz ist, weder immerfort in Zwietracht noch immerfort in Frieden leben kann. Denn weder steht die Philosophie in jeder Hinsicht im Widerspruch zum Gesetz Gottes, noch stimmt sie in jeder Hinsicht mit ihm überein. Denn viele Philosophen schreiben, es gebe einen einzigen Gott, der alles erschaffen habe. Darin stimmen sie mit dem Gesetz Gottes überein. Einige haben noch hinzugefügt, dass Gott durch sein Wort alles erschaffen habe und lenke und dass es das Wort Gottes sei, durch das alles geleitet werde.453 Damit schreiben sie Dinge, die nicht allein mit dem Gesetz, sondern mit den Evangelien übereinstimmen. Die sogenannte Ethik und Naturlehre aber teilt praktisch in jeder Hinsicht unsere Standpunkte. Doch sie steht in Widerspruch zu uns, wenn sie behauptet, die Materie sei ebenso ewig wie Gott.454 Sie steht in Widerspruch, wenn sie abstreitet, Gott trage für die irdischen Belange Sorge, aber behauptet, seine Vorsehung beschränke sich auf die Räume jenseits der Mondkugel.455 Sie stehen in Widerspruch zu uns, wenn sie die Lebenswege der Neugeborenen von den Gestirnsbahnen beeinflusst

455 Vgl. in Rom. comm. III 1 (I p. 201f. Hammond Bammel): „Diese (Philosophen), die auch Gottes Vorsehung einschränken, versichern, selbige erstrecke sich bis zur Mondkugel; weiter hinab jedoch, das heißt bis zu den Menschen, reiche sie auf keinen Fall“; vgl. Tatian, adv. Graec. 2 (p. 269f. Goodspeed). Hier dürften die Peripatetiker gemeint sein, die eine göttliche Providenz allenfalls oberhalb des Mondes für die ewigen Sphären des Äthers gelten lassen, in denen alle Abläufe fest determiniert sind; vgl. Flashar, Philosophie 351–355.

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Homilia XIV

dent, cum perpetuum dicunt hunc mundum et nullo fine claudendum. Sed et alia plurima sunt, in quibus nobiscum uel dissident uel concordant. Et ideo Abimelech secundum hanc figuram aliquando in pace esse cum Isaac, aliquando dissidere perscribitur. Sed et hoc non puto quod otiose Spiritui sancto, qui haec scribit, curae fuerit conprehendere, quod duo alii cum Abimelech uenerint, id est „Ochozath gener eius et Phicol dux exercitus eius“. a Interpretatur autem Ochozath ,tenens‘, et Phicol ,os omnium‘, ipse autem Abimelech ,pater meus rex‘. Qui tres, ut ego arbitror, imaginem totius philosophiae tenent, quae apud eos in tres partes diuiditur, logicam, physicam, ethicam, id est rationalem, naturalem, moralem. Rationalis est illa, quae Deum Patrem omnium confitetur, ut est Abimelech. Naturalis illa est, quae fixa est et tenet omnia, uelut naturae ipsius uiribus nitens, quam profitetur Ochozath, qui dicitur ,tenens‘. Moralis est, quae in ore est omnium et ad omnes pertinet et pro communium similitudine praeceptorum in omnium ore uersatur, quam designat iste Phicol, qui ,os omnium‘ interpretatur. Hi ergo omnes in huiuscemodi eruditionibus instituti ueniunt ad legem Dei et dicunt: „Videntes uidimus quia est Dominus tecum et diximus: Fiat coniuratio inter nos et inter te et constituamus tecum pactum, ne facias nobiscum mala, sed quemadmodum nos te non sumus exsecrati, ita et tu benedictus Domino.“ b Possunt quidem isti tres, qui pacem requirunt a Verbo Dei et praeuenire cupiunt pacto societatem eius, figuram tenere magorum, qui ex Orientis partibus ueniunt eruditi paternis libris et institutione maiorum et dicunt quia: „Videntes uidimus“ natum regem c, et uidimus quia Deus est cum ipso, d „et uenimus adorare eum“. e Sed et si quis ille est a Gen. 26,26 2,2

b

Gen. 26,28f.

c

Gen. 26,28; vgl. Mt. 2,2

d

vgl. Gen. 26,28

e

Mt.

456 Origenes denkt hier v.a. an die Chaldäer, vgl. in Hiez. hom. 1,10 (GCS Orig. 8, 333), in Hier. hom. 20,4f. (GCS Orig. 32, 182–185); siehe auch Bardy, Orige`ne et la magie. Wie etliche Zeitgenossen räumt er ein, dass die Gestirne unter gewissen Umständen dämonischen Einflüssen unterliegen und meteorologische Veränderungen ankündigen wie z.B. drohende Unwetter oder Dürreperioden. Einen Einfluss der Gestirne auf das Schicksal des Menschen, auf dessen moralischer Freiheit er nachdrücklich besteht, streitet Origenes jedoch vehement ab; vgl. philoc. 23 (SC 226, 130–210), und dazu Junod, SC 226, 36–65. 457 Zu diesem Abschnitt vgl. Crouzel, Orige`ne et la philosophie 19–25. Einen Überblick über die Diskussion theologischer Positionen in den verschiedenen antiken philosophischen Schulen vermittelt Cicero, nat. deor. I 2–5. 458 Zu Ahusat (korrekt von hebr. ahaz, „packen, ergreifen“) vgl. Wutz, Onomastica sacra 580 s.v. Ochozath, zu Pichol ebd. 743 (diese Deutung findet sich nur hier) und zu Abimelech vgl. in Gen. hom. 6,2 (GCS Orig. 6, 67).

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sehen.456 Sie stehen in Widerspruch, wenn sie behaupten, diese Welt bestehe ewig und könne kein Ende nehmen. Doch es gibt noch zahllose andere Punkte, in denen sie mit uns in Widerspruch stehen oder übereinstimmen.457 Und deshalb heißt es von Abimelech gemäß dieser Sinnfigur, dass er bisweilen mit Isaak in Frieden lebe, bisweilen mit ihm zerstritten sei. Ich glaube aber auch nicht, dass es dem Heiligen Geist, der dies schreibt, nur beiläufig am Herzen lag festzuhalten, dass zwei andere mit Abimelech kamen, nämlich „Ahusat, sein Schwiegersohn, und Pichol, der Anführer seiner Streitmacht“.a Ahusat heißt nun übersetzt ,umfassend‘ und Pichol ,Mund aller‘, Abimelech aber ,mein Vater, der König‘.458 Diese drei verkörpern meines Erachtens die gesamte Philosophie, die sich bei ihnen in drei Teile gliedert, Logik, Physik und Ethik beziehungsweise Vernunftlehre, Natur- und Moralphilosophie.459 Die Vernunftlehre bekennt Gott als den Vater aller Dinge; sie wird von Abimelech versinnbildlicht. Die Naturphilosophie ist unveränderlich und umfasst alles; sie gründet gleichsam auf den Kräften der Natur selbst. Ahusat bekennt sie, den man ,umfassend‘ nennt. Die Moralphilosophie ist in aller Munde und geht alle an; dank der Ähnlichkeit der gängigen Lehren findet sie sich in aller Munde. Pichol stellt sie dar, der übersetzt ,Mund aller‘ heißt. Sie alle, die in dergleichen Wissenschaften gebildet sind, kommen also zum Gesetz Gottes und sagen: „Mit eigenen Augen haben wir gesehen, dass der Herr mit dir ist, und haben gesagt: Ein Eidesbund entstehe zwischen uns und zwischen dir, und wir wollen einen Vertrag schließen mit dir, damit du uns nichts Böses antust, sondern wie wir dich nicht verflucht haben, so tue auch du, der Gesegnete des Herrn.“b Diese drei, die Friede erheischen vom Wort Gottes und schon vorab durch einen Vertrag die Gemeinschaft mit ihm zu erlangen suchen, können sehr wohl die Magier verkörpern, die aus Landstrichen des Ostens kommen, gebildet in den Büchern ihrer Väter und in den Lehren der Altvorderen,460 und sagen, „mit eigenen Augen haben wir“ den neugeborenen König „gesehen“c, und wir haben gesehen, dass Gott mit ihm ist,d „und wir sind gekommen, ihm zu huldigen“.e Doch auch

459 Zu dieser Einteilung der Philosophie vgl. z.B. Seneca, epist. 89,8: „Die bedeutendsten und die meisten Autoren stellten fest, dass die Philosophie sich in drei Teile gliedere – Ethik, Physik und Logik (philosophiae tres partes esse dixerunt et maximi et plurimi auctores: moralem, naturalem, rationalem).“ Etwas anders Origenes, in Cant. hom. prol. (GCS Orig. 8, 75); siehe auch Crouzel, Orige`ne et la philosophie 22–25. 460 Vgl. in Num. hom. 13,7 (GCS Orig. 7, 118). Zu Num. 24,17: „Diese Schriften (sc. die Prophezeiungen des Balaam) hatten die Magier bei sich, und deshalb erkannten sie den Stern, als Jesus geboren wurde, und verstanden, dass die Verheißung in Erfüllung gehe“; in Num. frg. 22 (X p. 156 Anm. Lommatzsch): „,Ein Stern wird aufgehen‘ (Num. 24,17). Dies empfingen die Magier aus der väterlichen Überlieferung und Unterweisung und kamen nach Bethlehem.“

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Homilia XIV

huiuscemodi eruditionibus institutus, uidens quia „Deus erat in Christo mundum reconcilians sibi“ a et admiratus operum eius maiestatem, dicat: „Videntes uidimus quia est Dominus tecum, et diximus: Fiat coniuratio inter nos.“ b Accedens enim ad legem Dei necessario dicit: „Iuraui et statui, ut custodiam mandata tua.“ c 4. Sed quid petunt? „Ne facias“, inquiunt, „nobiscum mala; sed sicut nos te exsecrati non sumus, ita et tu benedictus Domino.“ d Remissionem peccatorum per haec deposcere mihi uidentur, ne recipiant mala. Benedictionem postulant, non retributionem. Denique uide, quid sequitur. „Et fecit illis“, inquit, „conuiuium magnum Isaac: Et manducauerunt et biberunt.“ e Certum est enim quia qui ministrat uerbum, sapientibus et insipientibus debitor est. f Quia ergo hic conuiuium sapientibus exhibet, idcirco dicitur quia non paruum, sed magnum conuiuium fecit. Et tu, si non sis adhuc paruulus et lacte indigeas, sed exercitatos deferas sensus g et eruditione plurima praemissa ad intellegentiam Verbi Dei capacior uenias, fit etiam tibi conuiuium magnum. Non tibi olera h languidorum parabitur cibus nec lacte nutrieris, quo paruuli nutriuntur, sed faciet tibi minister uerbi conuiuium magnum. Loquetur tibi sapientiam, quae inter perfectos profertur, sapientiam Dei in mysterio absconditam“ proferet tibi, quam nemo principum huius saeculi cognouit. i Reuelabit tibi Christum secundum hoc quod in eo „omnes thesauri sapientiae et scientiae absconditi sunt“. j Facit ergo tibi conuiuium magnum et ipse tecum epulatur, si te non inueniat talem, ut dicat tibi quia: „Non potui uobis loqui quasi spiritalibus, sed quasi carnalibus; tamquam paruulis in Christo.“ k Corinthiis hoc dicit, quibus et addit: „Cum enim sint inter uos contentiones et dissensiones, nonne carnales estis, et secundum hominem ambulatis?“ l Istis non fecit magnum conuiuium Paulus, in tantum ut, cum esset apud eos et egeret, nulli oneri esset, m nec panem gratis ab aliquo manducaret; sed sibi et omnibus, qui secum erant, nocte et die laborantes manus suae ministrarent. n Tantum ergo longe aberant Corinthii, quibus magnum conuiuium fieret, ut ne minimum quidem uel exi2 Kor. 5,19 Röm. 1,14 k 1 Kor. 3,1 Thess. 3,8 a

g

b Gen. 26,28 c Ps. 118(119),106 d Gen. 26,29 e Gen. 26,30 f vgl. vgl. Hebr. 5,12–14 h vgl. Röm. 14,2 i vgl. 1 Kor. 2,6–8 j Kol. 2,3 l m n 1 Kor. 3,3 vgl. 1 Thess. 2,9 vgl. 1 Kor. 4,12; 1 Thess. 2,9; 2

461 Vgl. in Gen. hom. 13,4 (GCS Orig. 6, 121): „Die Verständigen sollen es hören, alle Einfältigen sollen es hören, denn der Lehrer der Kirche ist den Wissenden wie den Unwissenden verpflichtet; die Menschen muss er tränken, auch das Vieh muss er tränken.“ 462 Wörtlich: „nachdem ein Höchstmaß an Bildung vorausgegangen ist (eruditione plurima praemissa)“.

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wenn einer in dergleichen Wissenschaften gebildet ist und begreift, dass „Gott es war, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat“,a und die Erhabenheit seiner Werke bewundert, der sage: „Mit eigenen Augen haben wir gesehen, dass der Herr mit dir ist, und haben gesagt: Ein Eidesbund entstehe zwischen uns.“b Denn wenn er sich dem Gesetz Gottes naht, sagt er notwendig: „Ich habe geschworen und beschlossen, deine Gebote zu bewahren.“c 4. Doch worum bitten sie? „Damit du uns“, sagen sie, „nichts Böses antust, sondern wie wir dich nicht verflucht haben, so tue auch du, der Gesegnete des Herrn.“d Die Vergebung der Sünden scheinen sie sich meines Erachtens auszubedingen, damit ihnen nichts Böses widerfahre. Segen fordern sie, keine Vergeltung. Achte des weiteren auf das, was folgt. „Und Isaak“, heißt es, „richtete ihnen ein großes Gastmahl aus; und sie aßen und tranken.“e Denn es ist gewiss, dass der, der dem Wort dient, den Wissenden wie den Unwissenden verpflichtet ist.f 461 Weil er hier also für Wissende ein Gastmahl veranstaltet, deshalb heißt es, er habe kein kleines, sondern ein großes Gastmahl ausgerichtet. Und du, wenn du kein Kleinkind mehr bist und der Milch nicht mehr bedarfst, sondern über geübte Sinneg verfügst und ein Höchstmaß an Bildung erworben hast462 und eher zur Einsicht in das Wort Gottes befähigt erscheinst, wird auch dir ein großes Gastmahl zuteil. Man wird dir nicht den Kohlh der Schwachen zur Speise bereiten, noch wird man dich mit der Milch nähren, mit der die Kleinen genährt werden, sondern der Diener des Wortes wird dir ein großes Gastmahl ausrichten. Er wird dir die Weisheit verkünden, die bei den Vollkommenen vorgetragen wird. Die Weisheit Gottes wird er dir vortragen, die im Geheimnis verborgen liegt, die keiner der Fürsten dieser Welt kannte.i Er wird dir Christus offenbaren, denn in ihm „liegen alle Schätze der Weisheit verborgen“.j Er richtet dir also ein großes Gastmahl aus, und er selbst speist mit dir – wenn er nicht in dir jemanden findet, dem er sagen muss: „Ich konnte nicht mit euch reden463 wie mit Geistigen, sondern wie mit Fleischlichen, wie mit Kleinkindern in Christus.“k Dies sagt er zu den Korinthern, und er fügt noch hinzu: „Denn wenn zwischen euch Zank und Zwietracht herrschen, seid ihr dann nicht fleischlich und wandelt gemäß dem Menschen?“l Ihnen hat Paulus kein großes Gastmahl ausgerichtet. Umgekehrt:464 Als er bei ihnen weilte und Entbehrung litt, fiel er niemandem zur Lastm und aß niemandes Brot umsonst, sondern für ihn und alle, die bei ihm waren, kamen seine Hände auf, die Nacht und Tag tätig waren.n In solchem Maße also waren die Korinther davon entfernt, dass man ihnen ein großes Gastmahl ausrichte, dass der Verkünder des Wortes Gottes bei ihnen nicht einmal ein

463 Zu loqui alicui vgl. oben S. 93 Anm. 183. 464 Wörtlich: „in solchem Maße, dass er“.

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Homilia XIV

guum apud eos praedicator Verbi Dei potuerit habere conuiuium. Qui uero sciunt audire perfectius, qui eruditos et „exercitatos“ ad audiendum Verbum Dei deferunt „sensus“, a istis fit magnum conuiuium, cum istis epulatur Isaac et non solum epulatur, sed et surgens cum iuramento eis pacem de futuris promittit. b Oremus ergo et nos tali mente, tali fide accedere ad audiendum Verbum Dei, ut facere nobis dignetur conuiuium magnum. „Sapientia“ enim „iugulauit hostias suas, miscuit in cratere uinum suum, et misit seruos suos“, c qui omnes, quotquot inuenerint, perducant ad conuiuium suum. Tantum est, ut nos ingressi conuiuium sapientiae non rursum nobiscum indumenta insipientiae deferamus, non infidelitatis ueste circumdati, non peccatorum maculis fuscati, sed in simplicitate et puritate cordis amplectamur uerbum et diuinae sapientiae famulemur, qui est Christus Iesus Dominus noster, „cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen.“ d a

Hebr. 5,14

b

vgl. Gen. 26,31

c

Spr. 9,2f.

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1 Petr. 4,11

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winziges oder bescheidenes Gastmahl abhalten konnte. Die es aber auf vollkommenere Weise verstehen zuzuhören, die gebildete und „geübte Sinne“a mitbringen, um das Wort Gottes zu hören, denen wird ein großes Gastmahl zuteil. Mit ihnen speist Isaak, und er speist nicht nur, sondern er erhebt sich auch und gelobt ihnen mit einem Eid künftigen Frieden.b Lasst uns also beten, dass auch wir uns mit solcher Gesinnung, solchem Glauben nahen, das Wort Gottes zu hören, auf dass er geruhe, uns ein großes Gastmahl auszurichten. Denn „die Weisheit hat ihre Opfertiere geschlachtet, sie hat ihren Wein im Mischkrug gemischt und ihre Knechte ausgesandt“,c damit sie alle, so viele sie auch anträfen, zu ihrem Gastmahl führen. Bleibt nur noch, dass wir, wenn wir beim Gastmahl der Weisheit eingetreten sind, nicht wieder die Kleider der Torheit mit uns bringen, weder mit dem Gewand des Unglaubens angetan noch von den Flecken der Sünden geschwärzt; sondern in der Einfalt und Reinheit unseres Herzens wollen wir das Wort umarmen und der göttlichen Weisheit dienen, die Christus Jesus ist, unser Herr. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“d

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HOMILIA XV

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De eo quod scriptum est: „Et ascenderunt ex Aegypto et uenerunt in terram Chanaan ad Iacob patrem suum, et adnuntiauerunt ei dicentes quia filius tuus Ioseph uiuit et ipse principatum agit totius terrae Aegypti.“ a 1. Obseruandum nobis est sanctas scripturas legentibus, quomodo in singulis quibusque locis ,ascendere‘ ponatur et ,descendere‘. Si enim diligentius consideremus, inueniemus quia numquam fere in sanctum quis locum dicitur descendisse neque ad uituperabilem conscendisse memoratur. Quae obseruationes ostendunt scripturam diuinam non, ut plurimis uidetur, inerudito et agresti sermone conpositam, sed secundum disciplinam diuinae eruditionis aptatam neque tantum historicis narrationibus quantum rebus et sensibus mysticis seruientem. Inuenies ergo scriptum eos, qui ex semine Abraham nascuntur, descendisse in Aegyptum et rursum filios Israhel ascendisse de Aegypto. Denique et de ipso Abraham ita dicitur: „Ascendit autem Abraham ex Aegypto, ipse et uxor eius, et omnia, quae eius erant, et Lot cum ipso in desertum.“ b Tum deinde et de Isaac dicitur quia „apparuit ei Dominus, et dixit ei: Ne descendas in Aegyptum.“ c Sed et Ismaelitae, qui portabant uymiaÂmata et resinam et guttam, qui et ipsi ex semine Abraham ueniebant, in Aegyptum descendere referuntur, cum quibus et Ioseph descendisse in Aegyptum dicitur. d Sed et post haec: „Videns“, inquit, „Iacob quia est conmercium frumenti in Aegypto, dixit ad filios suos: Vt quid desides estis? Ecce audio quia est frumentum in Aegypto; descendite illuc et emite nobis escas, ut uiuamus et non moriamur.“ e Et paulo post: „Descenderunt“, inquit, „fratres Ioseph in Aegyptum conparare frumentum.“ f Sane cum detentus fuisset Simeon in a f

Gen. 45,25f. Gen. 42,3

b

Gen. 13,1

c

Gen. 26,2

d

vgl. Gen. 37,25–28

e

Gen. 42,1f.

465 Vgl. Cels. I 29 (GCS Orig. 1, 80); in Ios. hom. 8,1 (GCS Orig. 7, 336). 466 Der Gedanke einer von Glaubensgeheimnissen erfüllten Heiligen Schrift kehrt bei Origenes immer wieder, z.B. in Gen. hom. 7,1 (GCS Orig. 6, 70); 10,2 (6, 95): „Geheimnis ist alles, was geschrieben steht“; 11,1 (6, 101): „die Ehen der Patriarchen (verweisen) auf etwas Mystisches und Geheiligtes“. 467 Vgl. Ambrosius, Abr. II 13 (CSEL 32/1, 574): „In jenes (Ägypten) steigt unser Geist hinab, wenn er fleischliche Dinge erwägt. Er steigt aber empor, wenn er sich nach dem Unsichtbaren sehnt.“

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Über das, was geschrieben steht: „Und sie stiegen aus Ägypten empor und kamen ins Land Kanaan zu ihrem Vater Jakob, und sie berichteten ihm und sprachen: Dein Sohn Josef lebt und hat die Herrschaft über das ganze Land Ägypten inne.“a 1. Wenn wir die Heiligen Schriften lesen, gilt es darauf zu achten, wie an jeder einzelnen Stelle ,emporsteigen‘ und ,hinabsteigen‘ verwendet wird. Geben wir nämlich sorgfältiger acht, werden wir entdecken, dass es so gut wie nie von jemandem heißt, er sei zu einer heiligen Stätte hinabgestiegen, noch wird festgehalten, er sei zu einer Lasterhöhle emporgestiegen. Diese Beobachtungen belegen, dass die göttliche Schrift nicht, wie es den meisten scheint, in kunstlosem und ungeschlachtem Stil abgefasst,465 sondern entsprechend ihrer Aufgabe göttlicher Unterweisung eingerichtet wurde und dass sie weniger der historischen Erzählung dient als vielmehr den Gegenständen und Bedeutungen der Glaubensgeheimnisse.466 Du wirst also geschrieben finden, dass die, die Abrahams Samen entstammen, nach Ägypten hinabstiegen und dass umgekehrt die Söhne Israels aus Ägypten emporstiegen.467 Ja, auch von Abraham selbst heißt es: „Abraham aber stieg aus Ägypten empor in die Wüste, er und seine Frau und alles, was ihm gehörte, und mit ihm Lot.“b Darauf heißt es auch von Isaak, dass „ihm der Herr erschien und zu ihm sprach: Steige nicht nach Ägypten hinab.“c Aber auch von den Ismaeliten, die Weihrauch, Harz und Myrrhe geladen hatten,468 die selbst Abrahams Same entstammten, wird berichtet, sie stiegen nach Ägypten hinab; mit ihnen, erzählt man, sei auch Josef nach Ägypten hinabgestiegen.d Doch auch danach heißt es: „Als Jakob sah, dass man in Ägypten mit Getreide handelt, sprach er zu seinen Söhnen: Warum seid ihr so träge? Seht, ich erfahre soeben, dass es in Ägypten Getreide gibt. Steigt dorthin hinab und kauft uns Essen, damit wir leben und nicht sterben.“e Und wenig später heißt es: „Josefs Brüder stiegen nach Ägypten hinab, um Getreide zu erwerben.“f Als nun Simeon in Ägypten festgehalten

468 Der erste Begriff, den Rufinus hier unübersetzt lässt, wird in Gen. hom. 11,1 (GCS Orig. 6, 102) als „Weihrauch“ oder „Wohlgeruch“ definiert. Wofür genau gutta steht – „Myrrhe“, „Myrrhenöl“ (gutta Arabica) oder „Bernstein“ (gutta Phaethontis oder gutta sucina) – ist nicht sicher. Vgl. Gen. 37,25 (hebr.): „Ihre Kamele waren mit Tragakant, Mastix und Ladanum beladen.“

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Aegypto et nouem fratres eius dimissi reuerterentur ad patrem, a non est scriptum quia ascenderunt ex Aegypto, sed: „Inponentes“, inquit, „frumentum super asinos suos abierunt.“ b Neque enim digne dicerentur ascendere, quorum frater uinctus tenebatur in Aegypto, cum quo et ipsi mente et animo solliciti uelut quibusdam caritatis uinculis cruciabantur adstricti. Cum autem recepto fratre et agnito Ioseph, sed et Beniamin oculis eius oblato, cum laetitia reuertuntur, tunc dicitur quia „ascenderunt ex Aegypto, et uenerunt in terram Chanaan ad Iacob patrem suum“. c Tunc est quando et dicunt ad patrem quia: „Ioseph filius tuus uiuit, et ipse principatum agit totius terrae Aegypti.“ d Necessario enim ab infimis et humilibus dicuntur ad ardua et excelsa conscendere, qui Ioseph uiuere nuntiant et principatum totius Aegypti gerere. Haec interim ad praesens nobis occurrere de ascensione et descensione potuerunt; ex quibus studiosi quique occasiones habere possunt plura de scripturis sanctis pro huiusmodi adsertione probamenta conligere. 2. Videamus sane, quomodo audire debeamus de eo, quod scriptum est quia „Ioseph filius tuus uiuit“. e Ego haec non communiter dicta suscipio. Si enim, uerbi causa, ponamus quia potuisset uinci a libidine et peccasset cum uxore domini sui, f non puto quod hoc a patriarchis nuntiatum de eo fuisset patri eius Iacob, quia „filius tuus Ioseph uiuit“. g Hoc enim si fecisset, sine dubio non uiuebat. „Anima“ enim „quae peccat, ipsa morietur“. h Sed et Susanna eadem docet, cum dicit: „Angustiae mihi undique. Si enim hoc fecero“ – id est peccauero – „mors mihi est; et si non fecero, non effugiam manus uestras.“ i Vides ergo et ipsam mortem in peccato posuisse. Sed et ad primum hominem a Deo prolata sententia eadem continet, cum dicit: „Qua die autem manducaueritis ex eo, morte moriemini.“ j Statim namque ut praeuaricatus est mandatum, mortuus est. Mortua est enim anima, quae peccauit, et arguitur serpens fefellisse, qui dixit: „Non morte moriemini.“ k Et haec de eo, quod dictum est a filiis Israhel ad Iacob quia „Ioseph filius tuus uiuit.“ l Quibus similia etiam in posterioribus referuntur, cum dicitur: „Et resuscitatus est spiritus Iacob patris ipsorum, et dixit Israhel: Magnum mihi est, si adhuc Ioseph filius meus uiuit.“ m Quod in Latino dicitur „resuscitatus est b c d vgl. Gen. 42,24.19f. Gen. 42,26 Gen. 45,25 Gen. 45,26 g h i vgl. Gen. 39,7–12 Gen. 45,26 Ez. 18,4 Sus. 22 (Dan. 13,22) k l m Gen. 3,4 Gen. 45,26 Gen. 45,27f. a f

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Gen. 45,26 j Gen. 2,17

469 Aus dieser Bemerkung schließt Doutreleau, SC 7bis, 352f. Anm. 1, etwas voreilig auf die Existenz von Bibelkonkordanzen, auf die Origenes bei seiner Exegese zurückgegriffen habe. 470 Vgl. Philon, rer. div. her. 256 (III p. 58 Cohn/Wendland): „Mit Recht wun-

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worden war, seine neun Brüder aber freigelassen wurden und zum Vater heimkehrten,a steht nicht geschrieben, dass sie aus Ägypten emporstiegen, sondern es heißt: „Sie luden das Getreide auf ihre Esel und zogen fort.“b Denn es wäre unpassend, von ihnen zu sagen, sie seien emporgestiegen, deren Bruder in Ägypten in Fesseln lag, mit dem auch sie litten, bang im Geist und im Herzen, gleichsam mit Banden der Liebe an ihn gebunden. Als sie aber in Freude heimkehren – denn den Bruder hatten sie zurückerhalten und Josef erkannt; aber auch Benjamin war ihm vor Augen getreten –, da heißt es: „Sie stiegen aus Ägypten empor und kamen ins Land Kanaan zu ihrem Vater Jakob.“c Zu diesem Zeitpunkt sagen sie auch zum Vater: „Dein Sohn Josef lebt und hat die Herrschaft über das ganze Land Ägypten inne.“d Denn von denen, die verkünden, dass Josef lebe und die Herrschaft über ganz Ägypten innehabe, heißt es unabdingbar, vom Untersten und Niederen stiegen sie zum Hohen und Erhabenen empor. Soviel zu dem, was uns einstweilen zum Emporsteigen und Hinabsteigen in den Sinn kommen konnte. Es bietet jedem Forscher Gelegenheit, in den Heiligen Schriften weitere Beweise für eine derartige Behauptung zu sammeln.469 2. Lasst uns nun überlegen, wie wir aufzufassen haben, was da geschrieben steht: „Dein Sohn Josef lebt.“e Meines Erachtens ist dies nicht im gewöhnlichen Sinn gesagt. Wenn wir nämlich beispielsweise annehmen, die Lust hätte ihn zu überwältigen gewusst und er hätte mit der Frau seines Herrn gesündigt,f so glaube ich nicht, dass die Patriarchen seinem Vater Jakob das über ihn berichtet hätten: „Dein Sohn Josef lebt.“g Denn hätte er das getan, würde er zweifelsohne nicht leben. Denn „die Seele, die sündigt, die wird sterben.“h 470 Eben dies lehrt aber auch Susanna, wenn sie sagt: „Eng wird mir von allen Seiten. Denn wenn ich dies tue“ – das heißt wenn ich sündige – „bin ich des Todes; und wenn ich es nicht tue, werde ich euren Händen nicht entrinnen.“i Du siehst also, dass auch sie in der Sünde den Tod erkannte. Das Gleiche besagt aber auch der von Gott dem ersten Menschen verkündete Ratschluss, wenn er sagt: „An dem Tag aber, an dem ihr von ihm esst, werdet ihr sterben.“j Denn kaum hat er das Gebot übertreten, ist er tot. Denn die Seele, die gesündigt hat, ist tot, und die Schlange, die gesagt hat: „Ihr werdet nicht sterben“,k ist als Betrügerin bloßgestellt. Soviel zu dem, was von den Söhnen Israels zu Jakob gesagt wurde: „Dein Sohn Josef lebt.“l Ähnliches wird auch im Folgenden erzählt, wenn es heißt: „Und der Geist ihres Vaters Jakob belebte sich wieder. Und Israel sprach: Etwas Gewaltiges bedeutet es mir, wenn mein Sohn Josef noch lebt.“m Was auf Ladert sich Jakob, dass der im Körper weilende Geist (oë eÆn svÂmati noyÄw), Josef, tugendhaft ,lebt‘ und über den Körper ,herrscht‘, nicht aber von ihm beherrscht wird“; migr. Abr. 21 (II p. 272); Origenes, in Gen. frg. E 145 Metzler (OWD 1/1, 296).

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spiritus“, in Graeco „aÆnezvpyÂrhsen“ scriptum est. Quod non tam ,resuscitare‘ quam ,reaccendere‘, ut ita dicam, significat et ,reignire‘. Quod dici solet cum forte in aliqua materia ignis eo usque deficit, ut exstingui uideatur; et si forte fomentis adhibitis reparetur, reaccensus dicitur. Aut si lucernae lumen eo usque perueniat, ut putetur exstingui, et si forte infuso oleo resuscitetur, licet minus polito sermone, reaccensa lucerna dicitur. Similiter et de lampade uel aliis huiuscemodi luminibus appellabitur. Tale ergo aliquid et in Iacob indicare uidetur hic sermo, quod, donec longe fuit ab Ioseph et non est ei adnuntiatum de uita eius, ueluti defecerat in eo spiritus eius et lumen, quod in ipso fuit, fomentis deficientibus iam fuerat obscuratum; ubi uero uenerunt, qui ei adnuntiarent de uita eius, id est qui dicerent quia „uita erat lux hominum“, a reaccendit in se spiritum suum et reparatus est in eo fulgor luminis ueri. 3. Quia autem possit interdum diuinus ignis exstingui etiam in sanctis et fidelibus, audi apostolum Paulum praecipientem his, qui dona spiritus et gratiam merebantur accipere et dicentem: „Spiritum nolite exstinguere.“ b Tamquam ergo tale aliquid passus fuerit Iacob, quale Paulus praecipit fieri non debere, et reparauerit se per ea, quae ei nuntiata fuerant de uita Ioseph, dicitur de eo: „Et reaccendit spiritum suum Iacob, et dixit Israhel: Magnum mihi est, si adhuc filius meus Ioseph uiuit.“ c Sed et hoc obseruandum est quia, qui reaccendit spiritum suum, eum scilicet, qui paene uidebatur exstinctus, Iacob dicitur; ille autem, qui dicit: „Magnum mihi est, si filius meus Ioseph uiuit“ d, quasi intellegens et uidens magnam esse uitam, quae est in Ioseph spiritali, iste iam non Iacob, sed Israhel scribitur, tamquam qui mente uideat ueram uitam, qui est uerus Deus Christus. Non solum autem de hoc motus est quod audiuit quia Ioseph filius suus uiuit, sed et de illo maxime, quod adnuntiatum est ei quia ipse sit, qui principatum teneat totius Aegypti. e Hoc enim uere magnum est ei, quod in ditionem suam redegit Aegyptum. Calcare enim libidinem, fugere luxuriam, a

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1 Thess. 5,19

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Gen. 45,28

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vgl. Gen. 45,26

Hier liegt eindeutig ein Einschub Rufins vor. Das Verbum reignire scheint nur hier belegt zu sein. Diese Verwendung von appellare de scheint singulär (vgl. ThLL II, 272,83–275,44). Zu dieser Etymologie vgl. z.B. Philon, ebr. 82 (II p. 185 Cohn/Wendland): „Israel . . . verkündet die Schau Gottes (oÏrasin ueoyÄ)”; Origenes, in Num. hom. 11,4 (GCS Orig. 7, 83); Wutz, Onomastica sacra 21; Grabbe, Etymology 172f. Die hebräische Bibel (Gen. 32,28) übersetzt den Namen ,Israel‘ mit „Gottstreiter“. – Zu kausal verwendetem tamquam (vgl. griechisch vëw) vgl. Hofmann/Szantyr, Lateinische Syntax 597.

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teinisch heißt: „Der Geist belebte sich wieder“, lautet auf Griechisch: „Er flammte wieder auf“.471 Das bedeutet weniger ,sich wieder beleben‘ als sozusagen ,wieder entzünden‘ und ,wieder entfachen‘.472 Man sagt es für gewöhnlich, wenn zum Beispiel in irgendeinem Brennstoff das Feuer so zur Neige geht, dass es zu erlöschen scheint. Wird dann Zunder nachgelegt und flammt es wieder auf, sagt man, es sei wieder entzündet. Oder wenn das Licht einer Lampe an den Punkt gelangt, wo es zu erlöschen scheint, und man etwa Öl nachgießt und sie wieder aufflackert, sagt man von der Lampe, wenn auch in weniger gepflegter Diktion, sie sei wieder entzündet. Ähnlich wird auch von Lampen oder anderen Leuchten dieser Art gesprochen.473 Entsprechendes scheint diese Wendung also auch bei Jakob anzuzeigen. Solange er Josef fern war und man ihm nichts darüber berichtete, dass er noch lebte, war sein Geist in ihm gleichsam ermattet und das Licht, das in ihm brannte, bereits dunkel geworden – der Brennstoff ging ja zur Neige. Als aber jemand kam, der ihm berichtete, dass er noch lebte, das heißt der sagte, dass „das Leben das Licht der Menschen war“,a entzündet er wieder seinen Geist in sich, und der Glanz des wahren Lichtes erneuerte sich wieder in ihm. 3. Da aber das göttliche Feuer zuweilen sogar in den Heiligen und Gläubigen erlöschen kann, höre, was der Apostel Paulus denen ans Herz legt, die würdig waren, die Gaben des Geistes und die Gnade zu empfangen; er sagt: „Löscht den Geist nicht aus.“b Als sei Jakob also solches widerfahren, von dem Paulus uns ans Herz gelegt hat, dass es nicht geschehen dürfe, und als sei er durch das wiederaufgelebt, was man ihm über das Leben Josefs gemeldet hatte, heißt es über ihn: „Und Jakob entzündete wieder seinen Geist, und Israel sprach: Etwas Gewaltiges bedeutet es mir, wenn mein Sohn Josef noch lebt.“c Doch auch darauf gilt es zu achten, dass der, der seinen Geist wieder entzündete, nämlich den Geist, der beinahe erloschen schien, Jakob genannt wird; der aber, der sagt: „Etwas Gewaltiges bedeutet es mir, wenn mein Sohn Josef lebt“d – als erkenne und begreife er, dass es ein gewaltiges Leben ist, das sich in dem geistigen Josef befinde –, der heißt in der Schrift nicht mehr Jakob, sondern Israel, weil er im Geist das wahre Leben schaut,474 das heißt den wahren Gott, Christus. Doch nicht allein das bewegte ihn, zu erfahren, dass sein Sohn Josef lebt, sondern insbesondere, dass ihm gemeldet wurde, er sei es, der die Herrschaft über ganz Ägypten innehabe.e Denn dies bedeutet ihm wahrlich etwas Gewaltiges, dass er Ägypten in seine Gewalt gebracht hatte. Denn die Lüsternheit niederzutreten, die Genusssucht zu fliehen475 und sämtliche Be-

475 Aus dem militanten Duktus der Passage fällt nur das Verbum fugere heraus (womöglich eine Erinnerung an Josefs Flucht vor Potifars Frau; vgl. in Gen. hom. 1,8 [GCS Orig. 6, 10]): „So werden wir uns – auch wenn eine ägyptische Herrin unser

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omnesque uoluptates corporis premere ac frenare, hoc est principatum gerere totius Aegypti. Et hoc est, quod apud Israhel magnum ducitur et in admiratione habetur. Si qui uero est, qui aliqua quidem uitia corporis subiuget, aliis uero cedat et subiaceat, de isto non integre dicitur quia „principatum agit totius terrae Aegypti“, a sed, uerbi causa, unius forte aut duarum uel trium ciuitatum uidebitur gerere principatum. Ioseph uero, cui nulla corporis libido dominata est, totius Aegypti princeps et dominus fuit. Dicit ergo non iam Iacob, sed Israhel reaccenso spiritu: „Magnum mihi est, si Ioseph filius meus uiuit. Ibo et uidebo eum, antequam moriar.“ b Sed ne hoc quidem otiose relinquendum est, quod non animam, sed spiritum, tamquam meliorem sui partem, resuscitatam uel reaccensam dicit. Splendor etenim lucis, qui erat in eo, etiam si exstinctus penitus non est tunc, cum obtulerunt filii eius tunicam Ioseph haedi sanguine maculatam et mendacio eorum decipi potuit, ita ut scinderet uestimenta sua et poneret saccum super lumbum suum et lugeret filium suum, nec uellet omnino consolari, c sed diceret: „Quia descendo ad filium meum lugens in infernum“, d tunc etiam si, ut diximus, non erat penitus exstinctum in eo lumen, maxima tamen ex parte fuerat obscuratum, quod decipi potuit, quod uestimenta scindere, quod falso lugere, quod inplorare mortem, quod in infernum cuperet lugendo descendere. Propter haec ergo nunc resuscitat et „reaccendit spiritum suum“, e quia consequens erat, ut lumen, quod in eo obscurauerat fraus mendacii, reaccenderet et refoueret ueritatis auditus. 4. Verum quia diximus quod Iacob est, qui „reaccendit spiritum suum“, f Israhel uero est, qui dicit: „Magnum mihi est, si adhuc filius meus Ioseph uiuit“, g potes et tu, qui haec audis, incipiens ab eo loco, ubi scriptum est quia „dixit ei: Iam non Iacob uocabitur nomen tuum, sed Israhel, quia inualuisti ad Deum, et cum hominibus potens factus es“, h omnem scripturam decurrens inuenire huius uocabuli differentiam. Verbi causa, ut cum dicit: „Adnuntia mihi nomen tuum“, i hic is, qui ignorat nomen, non Israhel esse dicitur, sed Iacob. Vbi uero „non edunt neruum, qui obstupuit in a f

Gen. 45,26 Gen. 45,27

b g

Gen. 45,28 Gen. 45,28

d vgl. Gen. 37,31–35 Gen. 37,35 i Gen. 32,29 Gen. 32,28

c h

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Gen. 45,27

begehrt – in Vögel verwandeln, die ägyptischen Gewänder in ihren Händen zurücklassen und der verführerischen Falle entfliegen.“ Sinnvoller wäre fugare. 476 Vgl. in Gen. frg. E 132 Metzler (OWD 1/1, 29f.): „Wer über alle körperlichen

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gierden des Leibes zu bändigen und zu zügeln, das heißt die Herrschaft über ganz Ägypten innehaben.476 Das ist es, was in Israels Augen als etwas Gewaltiges gilt und seine Bewunderung erregt. Gibt es aber jemanden, der zwar einige leibliche Laster unterjocht, anderen aber nachgibt und unterliegt, von dem hieße es zu Unrecht, er habe „die Herrschaft über das ganze Land Ägypten“a inne, sondern es wird aussehen, als übe er beispielsweise die Herrschaft über vielleicht eine oder zwei oder drei Städte aus. Doch Josef, den keine leibliche Lust beherrschte, war Fürst und Herr über ganz Ägypten. Nicht mehr Jakob also, sondern Israel spricht mit von neuem entflammtem Geist: „Etwas Gewaltiges bedeutet es mir, wenn mein Sohn Josef lebt. Ich will mich aufmachen und ihn sehen, bevor ich sterbe.“b Doch auch das dürfen wir nicht müßig übergehen, dass die Schrift nicht die Seele, sondern den Geist, seinen besseren Teil gleichsam, als wiederbelebt oder von neuem entflammt bezeichnet. Denn der Glanz des Lichts, der in ihm war – auch wenn er damals nicht völlig erlosch, als seine Söhne ihm das vom Blut eines Böckleins besudelte Gewand Josefs zeigten und er sich von ihrer Lüge täuschen ließ, so dass er seine Gewänder zerriss und einen Sack über seine Lenden breitete und seinen Sohn betrauerte und sich gar nicht trösten lassen wollte,c sondern sagte: „In Trauer steige ich hinab zu meinem Sohn in die Unterwelt“d – auch wenn damals, wie gesagt, das Licht in ihm nicht völlig erloschen war, so hatte es sich doch zum größten Teil verdunkelt, weil er sich täuschen ließ, weil er seine Gewänder zerreißen, weil er irrtümlich trauern, weil er den Tod bejammern, weil er zum Trauern in die Unterwelt hinabsteigen wollte. Deshalb also belebt er nun seinen Geist wieder und „entzündet ihn wieder“,e weil es folgerichtig war, dass das Hören der Wahrheit das Licht, das der Trug der Lüge in ihm verdunkelt hatte, wieder entzündete und neu belebte. 4. Da wir aber gesagt haben, dass es Jakob ist, der „seinen Geist wieder entzündet hat“,f hingegen Israel, der sagt: „Etwas Gewaltiges bedeutet es mir, wenn mein Sohn Josef noch lebt“,g kannst auch du, der du dies hörst, die Besonderheit dieses Namens aufdecken, indem du, beginnend mit der Stelle, wo geschrieben steht, dass „er ihm sagte: Dein Name wird nicht länger Jakob heißen, sondern Israel, weil du vor Gott erstarkt477 und unter den Menschen mächtig geworden bist“,h die ganze Schrift durchgehst. Wenn es beispielsweise heißt: „Nenne mir deinen Namen“,i so wird hier der, der den Namen nicht weiß, nicht Israel genannt, sondern Jakob. Wo sie aber „den Muskel nicht essen, der am breiten Oberschenkel“ des PatriarAngelegenheiten herrscht und keinesfalls vor ihnen zurückweicht, mag wohl auch den Satz sagen: ,Gott machte mich zum Herrn von ganz Ägypten‘ (Gen. 45,9).“ 477 Zu der offenbar nur in der Bibelübersetzung gebräuchlichen Konstruktion inualescere ad vgl. ThLL VII/2, 117,37–41.

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latitudine femoris“ a patriarchae, non filii Iacob, sed filii Israhel esse dicuntur. Ille uero, qui respiciens uidit Esau uenientem et cum ipso quadringentos uiros, et adorauit septiens b fornicatorem et profanum et eum, qui pro una esca „uendidit primitiua sua“, c non Israhel, sed Iacob dicitur. Sed et cum ei offert dona et dicit: „Si inueni gratiam coram te, suscipe haec munera de manibus meis, propter quod uidi faciem tuam, sicut qui uidet faciem Dei“, d hic non erat Israhel, sed Iacob. Et ubi audiuit quia contaminata est Dina filia eius „et tacuit Iacob, usquequo uenirent filii eius“, e non dicitur Israhel. Sed et tu, ut dixi, similia, si obserues, inuenies. In praesenti igitur lectione non Iacob, sed Israhel dicit: „Magnum mihi est, si adhuc filius meus Ioseph uiuit.“ f Sed et cum uenit ad puteum iuramenti et offert hostiam Deo patris sui Isaac, g non Iacob dicitur, sed Israhel. Verum si requiras, cur in uisu nocte loquens ad eum Deus non dicit ,Israhel Israhel‘, sed „Iacob Iacob“, h forte propter hoc quia nox erat et adhuc per uisum et nondum palam uocem Dei audire merebatur. Et cum intrat in Aegyptum, non Israhel, sed Iacob dicitur „et filii eius cum ipso“, i et cum stat „ante Pharaonem“, j ut benedicat eum, non Israhel, sed Iacob nominatur; neque enim capiebat Pharao Israhelis benedictionem. Et Iacob, non Israhel est, qui dicit ad Pharaonem quia parui et pessimi sunt dies uitae suae, k quod utique numquam diceret Israhel. Post haec uero non de Iacob, sed de Israhel dicitur quia: „Vocauit filium suum Ioseph et dicit ei: Si inueni gratiam in conspectu tuo, pone manum tuam sub femore meo, et facies super me misericordiam et ueritatem.“ l Et qui adorauit super fastigium uirgae Ioseph, non erat Iacob, sed Israhel. m Tum deinde, cum benedicit filios Ioseph, Israhel dicitur. n Et cum conuocat filios suos, dicit: „Conuenite, ut adnuntiem uobis, quae euenient uobis in nouissimis diebus. Congregamini filii Iacob, et audite Israhel patrem uestrum.“ o Sed fortasse requiras, quare filii Iacob dicuntur, qui conueniunt, Israhel uero dicitur, qui benedicit eos. Vide, ne forte hoc indicetur quod illi nondum eo usque profecerant, ut Israhel meritis aequarentur. Et ideo illi filii Iacob dicuntur tamquam inferiores, ille uero, qui iam perfectus erat et benedictiones futurorum conscius Gen. 32,33 b vgl. Gen. 33,1.3 c Gen. 25,33; Hebr. 12,16 d Gen. 33,10 e Gen. f g h i j 34,5 Gen. 45,28 vgl. Gen. 46,1 Gen. 46,2 Gen. 46,6f. Gen. 47,7 k l m n vgl. Gen. 47,9 Gen. 47,29 vgl. Gen. 47,31 LXX; Hebr. 11,21 vgl. Gen. o 48,14 Gen. 49,1f. a

478 Dieses Zitat aus Jakobs Kampf mit Gott an der Furt des Jabbok (Gen. 32,23–33) ist ein nachexilischer Zusatz zum ursprünglichen Text, der ein kultisches Speisetabu begründet. Der Hüftnervenstrang durfte vermutlich nicht verzehrt werden, „weil er zu dem Bereich der Fortpflanzungsorgane gerechnet wurde“: Westermann, BKAT 1/2, 634.

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chen „gelähmt war“,a 478 heißen sie nicht Söhne Jakobs, sondern Söhne Israels. Der aber, der aufblickte und Esau und mit ihm vierhundert Männer kommen sah und der den Wüstling und Gottlosen und ihn, der für eine einzige Mahlzeit „sein Erstgeburtsrecht verkaufte“,c siebenmal begrüßte,b der wird nicht Israel, sondern Jakob genannt. Auch wenn er ihm Geschenke anbietet und sagt: „Wenn ich Gnade gefunden habe vor deinem Angesicht, empfange diese Geschenke aus meiner Hand, weil ich dein Gesicht gesehen habe wie einer, der das Gesicht Gottes sieht“,d war er hier nicht Israel, sondern Jakob. Auch als er hörte, dass seine Tochter Dina entehrt war „und Jakob schwieg, bis seine Söhne heimkehrten“,e wird er nicht Israel genannt. Doch wie ich gesagt habe: Wenn du achtgibst, wirst auch du auf Ähnliches stoßen. In der heutigen Lesung sagt also nicht Jakob, sondern Israel: „Etwas Gewaltiges bedeutet es mir, wenn mein Sohn Josef noch lebt.“f Doch auch wenn er zum Brunnen des Eides kommt und dem Gott seines Vaters Isaak ein Opfertier darbringt,g wird er nicht Jakob, sondern Israel genannt.479 Fragst du aber, warum Gott, der nachts in einer Vision zu ihm spricht, nicht ,Israel, Israel‘ sagt, sondern „Jakob, Jakob“,h so vielleicht deshalb, weil es Nacht war und er bislang nur würdig war, die Stimme Gottes in einer Vision und noch nicht offen zu hören. Und als er nach Ägypten kommt, wird er nicht Israel, sondern Jakob geheißen, „und seine Söhne mit ihm“;i und als er „vor Pharao“j steht, um ihn zu segnen, wird er nicht Israel, sondern Jakob genannt; denn der Pharao empfing nicht Israels Segen. Und Jakob, nicht Israel, sagt zum Pharao, die Tage seines Lebens seien wenige und übelk – was Israel gewiss niemals sagen würde. Danach aber heißt es nicht von Jakob, sondern von Israel, dass „er seinen Sohn Josef rief und zu ihm sagt: Wenn ich Gnade gefunden habe vor deinem Angesicht, so lege deine Hand unter meinen Oberschenkel und du wirst mir Mitleid und Wahrheit angedeihen lassen.“l 480 Und nicht Jakob war es, der bei der Spitze von Josefs Stab anbetete, sondern Israel.m Wenn er dann die Söhne Josefs segnet, wird er Israel genannt.n Und wenn er seine Söhne zusammenruft, sagt er: „Kommt zusammen, damit ich euch verkünde, was euch in den jüngsten Tagen widerfahren wird. Versammelt euch, Söhne Jakobs, und hört euren Vater Israel.“o Vielleicht fragst du aber, warum die, die zusammenkommen, Söhne Jakobs heißen, der jedoch, der sie segnet, Israel. Überlege, ob nicht vielleicht darauf angespielt wird, dass sie noch nicht solche Fortschritte gemacht hatten, dass sie Israels Verdiensten ebenbürtig waren. Und deshalb heißen sie Söhne Jakobs wie niedriger Gestellte, er aber, der bereits vollkommen war und im Wissen um das Künftige Segen erteilte, wird Israel 479 So auch in Gen. frg. E 136 Metzler (OWD 1/1, 292). 480 Zu der nur christlich belegten Junktur misericordia super (me) vgl. ThLL VIII, 1127,3–5.

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dabat, Israhel appellatur. Sane quod dicitur quia sepelierunt sepultores a Aegypti non Iacob, sed Israhel, grandis uidebitur esse quaestionis. Sed ego arbitror quod in hoc illorum uitium exponatur, quibus pro eo quod exosus erat omnis intellectus bonorum et omnis perspicacia intellegentiae caelestis, Israhel ab eis sepeliri dicatur, quia apud inpios sancti mortui sunt et sepulti. Haec, in quantum ad praesens occurrere potuit, de differentia Iacob et Israhel memorata sint nobis. 5. Dignum sane post haec uidetur intueri et perspicere, quae ad ipsum Israhel per uisum Deus loquatur et quomodo eum uelut ad quosdam agones proficiscentem conroborans et cohortans mittat ad Aegyptum. Ait enim: „Noli timere descendere in Aegyptum“, b hoc est dicere: Congressurus „aduersum principatus et potestates et aduersum mundi huius“ – qui figuraliter Aegyptus appellatur – „rectores tenebrarum harum“ c noli timere, noli trepidare. Quod et si causam scire uis, quia timere non debeas, audi promissionem meam: „In gentem enim magnam faciam te ibi, et descendam tecum in Aegyptum, et ego te reuocabo inde in finem.“ d Non ergo timet descendere in Aegyptum, non timet agones huius mundi et obsistentium daemonum subire certamina, cum quo in agones descenderit Deus. Denique audi apostolum Paulum dicentem: „Amplius“, inquit, „ego quam omnes illi laboraui, non autem ego, sed gratia Dei mecum.“ e Sed et in Hierosolymis cum aduersum eum conmota fuisset seditio et agonem clarissimum pro uerbo et praedicatione Domini desudaret, adstitit ei Dominus et dixit eadem, quae nunc dicuntur ad Israhel: „Noli“, inquit, „timere, Paule, quia, sicut testificatus es de me Hierosolymis, ita te oportet et Romae testimonium dare.“ f Verum ego amplius adhuc aliquid hoc in loco arbitror latere mysterii. Mouet enim me quod dixit: „In gentem magnam faciam te, et descendam tecum in Aegyptum, et inde te reuocabo in finem.“ g Quis est, qui factus est in gentem magnam in Aegypto et in finem reuocatus est? Quantum ad Iacob illum spectat, de quo dici putatur, non uidebitur uerum. Non enim rea f

b vgl. Gen. 50,2 LXX Gen. 46,3 g Apg. 23,11 Gen. 46,3f.

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481 Zu diesem Bild Ägyptens vgl. in Gen. hom. 16,4 (GCS Orig. 6, 141): „Pass also auch du auf, dass du dich nicht etwa als Ägypter erweist . . ., in die Geschäfte der Welt versunken oder von den Fesseln des Geizes gebunden oder vom Übermaß der Ausschweifung erschlafft“; in Ex. hom. 2,1 (GCS Orig. 6, 146); 8,1 (6, 217f.); Philon, migr. Abr. 77 (II p. 283 Cohn/Wendland); rer. div. her. 255 (III p. 58); eine frühchristliche Stimme: pass. Perp. 10 (SC 417, 134–142). Dieses allegorisch hoch belastete Ägypten, von dem Origenes spricht, ist in aller Regel das

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genannt. Dass es heißt, die Bestattera Ägyptens hätten nicht Jakob bestattet, sondern Israel, scheint in der Tat ein entscheidendes Problem zu sein. Ich glaube aber, damit wird das Laster derer bloßgestellt, von denen es heißt, Israel werde von ihnen bestattet, und zwar deshalb, weil ihnen jedes Verständnis des Guten und alle Einsicht himmlischer Erkenntnis verhasst war – sind die Heiligen unter den Gottlosen doch gleichsam tot und bestattet. Dies sei, soweit es mir momentan in den Sinn kam, zum Unterschied zwischen Jakob und Israel gesagt. 5. Es dürfte wohl sinnvoll sein, als nächstes zu fragen und zu prüfen, was Gott in der Vision zu Israel sagt und wie er ihn wie jemanden, der zu Wettkämpfen aufbricht, stärkend und ermutigend nach Ägypten schickt. Er sagt nämlich: „Fürchte dich nicht, nach Ägypten hinabzusteigen“,b will heißen: Der du dich zum Kampf stellen wirst „wider die Fürsten und Gewalten und wider die Beherrscher der Finsternis dieser Welt“c (die sinnbildlich Ägypten genannt wird),481 fürchte dich nicht, bange nicht. Und willst du den Grund wissen, warum du dich nicht fürchten musst, so höre meine Verheißung: „Denn zu einem großen Volk werde ich dich dort machen, und mit dir werde ich nach Ägypten hinabsteigen, und am Ende werde ich dich von dort zurückrufen.“d So fürchtet er sich nicht, nach Ägypten hinabzusteigen, er fürchtet sich nicht, die Wettkämpfe dieser Welt und die Gefechte mit widerspenstigen Dämonen auf sich zu nehmen, da Gott mit ihm zu den Wettkämpfen hinabsteigt. Denn höre, was der Apostel Paulus sagt: „Ich habe mich“, heißt es, „mehr gemüht als sie alle, freilich nicht ich, sondern die Gnade Gottes mit mir.“e Doch auch, als man in Jerusalem einen Aufruhr gegen ihn anzettelte und er für das Wort und die Verkündigung des Herrn einen herrlichen Wettkampf durchlitt,482 stand der Herr ihm bei und sagte eben das, was nun zu Israel gesagt wird: „Fürchte dich nicht“, heißt es, „Paulus, denn wie du für mich in Jerusalem Zeugnis abgelegt hast, so musst du auch in Rom Zeugnis ablegen.“f Ich glaube aber, in dieser Stelle liegt ein noch größeres Geheimnis verborgen. Denn es gibt mir zu denken, dass er gesagt hat: „Zu einem großen Volk werde ich dich machen, und mit dir werde ich nach Ägypten hinabsteigen, und am Ende werde ich dich von dort zurückrufen.“g Wer ist es, der in Ägypten zu einem großen Volk gemacht und am Ende483 zurückgerufen wurde? Sofern es sich auf jenen Jakob bezieht, von dem es gesagt zu werden scheint, wird es nicht als wahr gelten. Denn er wurde von Ägypten nicht am längst untergegangene Reich der Pharaonen. Erinnerungen an das zeitgenössische Land, in dem er aufwuchs, dürften sich hier kaum niedergeschlagen haben; anders in Ioh. comm. VI 2,9 (GCS Orig. 4, 107f.). 482 Vgl. Pseudo-Clemens, recogn. (versio Rufini) I 42 (GCS 51, 32). 483 Auch hier muss es in finem heißen (so zu Recht Baehrens gegen die Hss.: in fine) wie zweimal vorher in dem Zitat Gen. 46,4 und in der Septuaginta (eiÆw teÂlow).

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Homilia XV

uocatus est in finem de Aegypto, quippe qui defunctus in Aegypto est. Absurdum autem erit, si quis in eo reuocatum dicit a Deo Iacob, quia corpus eius reportatum est. Quod si recipiatur, non erit uerum quod „Deus non est Deus mortuorum, sed uiuorum“. a Non ergo conuenit haec de corpore mortuo intellegi, sed super uiuis et uigentibus approbari. Videamus ergo, ne forte uel Domini descendentis in hunc mundum et „in gentem magnam“, b hoc est in ecclesiam ex gentibus facti, consummatisque omnibus ad Patrem regressi, uel „protoplasti“ c in hoc figura formetur, qui in agones descendit in Aegyptum, cum de paradisi deliciis eiectus ad huius mundi labores aerumnasque deducitur proposito sibi cum serpente certamine, cum dicitur: „Tu illius obseruabis caput et ipse tuum obseruabit calcaneum“, et iterum, cum ad mulierem dicitur quia: „Ponam inimicitias inter te et ipsum, et inter semen tuum et semen illius.“ d Nec tamen eos in hoc certamine positos deserit Deus, sed semper cum ipsis est. Conplacet in Abel, corripit Cain; e inuocatus adest Enoch; f Noe mandat in diluuio arcam salutis exstruere; g Abraham educit de domo patris sui et de cognatione sua; h Isaac et Iacob benedicit; i filios Israhel educit ex Aegypto. j Per Moysen legem litterae scribit; k per prophetas, quae deerant, inplet. Hoc est esse cum eis in Aegypto. Quod autem dicit: „Reuocabo te inde in finem“, l hoc esse arbitror, sicut superius diximus, quod in fine saeculorum unigenitus Filius suus pro salute mundi usque in inferna descendit m et inde protoplastum n reuocauit. Quod enim dixit ad latronem: „Hodie mecum eris in paradiso“, o hoc non illi soli dictum, sed et omnibus sanctis intellege, pro quibus in inferna descenderat. In hoc ergo uerius quam in Iacob adinplebitur, quod dictum est quia: „Reuocabo te inde in finem.“ p 6. Sed et unusquisque nostrum eodem ordine atque eadem uia Aegyptum et agones ingreditur et, si mereatur, ut Deus semper maneat cum eo, faciet eum in gentem magnam. Magna enim gens est uirtutum numerus et iustitiae multitudo, in qua sancti quique multiplicari dicuntur et crescere. Conpletur in eo etiam illud, quod dictum est quia: „Reuocabo te inde in Mt. 22,32 b Gen. 46,3 c Weish. 7,1 d Gen. 3,15 e vgl. Gen. 4,4.10–12 f vgl. Gen. 5,22 g vgl. Gen. 6,14 h vgl. Gen. 12,1 i vgl. Gen. 25,11; 32,27.29 j vgl. Ex. k l m n 13,17–14,31 vgl. Ex. 24,4.12 Gen. 46,4 vgl. Eph. 4,9 vgl. Weish. 7,1 o p Lk. 23,43 Gen. 46,4 a

484 Die lateinische Bildung protoplastus (nach griech. prvtoÂplastow als biblische Periphrase für „Adam“, vgl. Weish. 7,1) dürfte auf Tertullian zurückgehen, z.B. exhort. cast. 2,6 (CChr.SL 2, 1017); adv. Iud. 13,11 (2, 1387). 485 Im Buch Genesis richtet Gott diese beiden Worte an die Schlange und nicht an Adam und Eva; vgl. Gen. 3,15: „Er (sc. der Nachwuchs der Frau) trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse.“ Origenes passt sie seinen Bedürfnissen an, besonders im ersten Fall.

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Ende zurückgerufen, weil er in Ägypten gestorben ist. Abwegig wird es aber sein, wenn jemand sagt, in dem Sinn sei Jakob von Gott zurückgerufen worden, dass sein Leib heimgeführt wurde. Heißt man diese Deutung gut, wird es nicht wahr sein, dass „Gott nicht der Gott der Toten ist, sondern der Lebenden“.a Es kommt also nicht in Frage, dieses Wort auf einen Leichnam zu beziehen, sondern es gilt, es als Wort über Lebende und Kraftvolle zu erweisen. Lasst uns also überlegen, ob darin nicht etwa ein Sinnbild des Herrn gestaltet ist, der in diese Welt hinabsteigt und „zu einem großen Volk“b wird, nämlich zur Kirche aus den Völkern, und der, wenn alles vollbracht ist, zum Vater zurückkehrt, – oder ein Sinnbild des „zuerst Gebildeten“,c 484 der zu Wettkämpfen nach Ägypten hinabsteigt, wenn er, aus den Lustbarkeiten des Paradieses verbannt, in die Mühsal und Trübsal dieser Welt hinabgeführt wird, wo ihm der Wettkampf mit der Schlange verheißen ist, wenn es heißt: „Du wirst sein Haupt im Auge behalten, und er wird deine Ferse im Auge behalten“, und wenn ferner zu der Frau gesagt wird: „Feindschaft werde ich setzen zwischen dir und ihm und zwischen deinem Samen und seinem Samen.“d 485 Doch die in diesen Wettkampf Gestellten lässt Gott nicht im Stich, sondern ist immer mit ihnen. An Abel findet er Gefallen, Kain verwarnt er scharf.e Zu Hilfe gerufen, steht er Henoch zur Seite.f Noah trägt er auf, in der Flut die Arche des Heils zu bauen.g Abraham führt er aus dem Haus seines Vaters und von seiner Verwandtschaft fort.h Isaak und Jakob segnet er.i Die Söhne Israels führt er aus Ägypten.j Durch Mose schreibt er das Gesetz des Buchstabens;k was fehlte, vervollständigt er durch die Propheten. Das heißt es, mit ihnen in Ägypten zu weilen. Dass er aber sagt: „Am Ende werde ich dich von dort zurückrufen“,l das bedeutet meines Erachtens, wie wir vorher dargelegt haben, dass am Ende der Zeiten486 sein einziger Sohn für das Heil der Welt bis in die Unterwelt hinabstiegm und von dort den zuerst Gebildetenn zurückrief. Was er nämlich zu dem Räuber sagte: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“,o begreife, dass dies nicht allein zu dem gesagt ist, sondern auch zu allen Heiligen, für die er in die Unterwelt hinabgestiegen war. Wahrhaftiger als in Jakob wird also in ihm erfüllt werden, was geschrieben steht: „Am Ende werde ich dich von dort zurückrufen.“p 6. Doch auch jeder von uns nähert sich Ägypten und den Wettkämpfen auf die gleiche Weise und auf dem gleichen Weg, und ist er würdig, dass Gott stets mit ihm bleibt, wird der ihn zu einem großen Volk machen. Denn ein großes Volk ist die Schar der Tugenden und die Fülle der Gerechtigkeit, in der sich, so heißt es, alle Heiligen entfalten und wachsen. In ihm vollendet sich auch, was gesagt wurde: „Am Ende werde ich dich von dort zu-

486 Zum „Ende der Zeiten“ vgl. oben S. 73 Anm. 133; zu dem Satz insgesamt vgl. Prokop, in Gen. comm. 46,3 (PG 87/1, 482C).

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finem.“ a Finis enim perfectio rerum et uirtutum consummatio ponitur. Propter hoc denique et alius quidam sanctorum dicebat: „Ne reuoces me in dimidio dierum meorum.“ b Et iterum magno patriarchae Abraham scriptura testimonium perhibet quoniam defunctus est Abraham plenus dierum. c Hoc est ergo: „Reuocabo te inde in finem“, d uelut si diceret: Quoniam certamen bonum certasti, fidem seruasti, cursum consummasti, e reuocabo te iam de hoc mundo ad beatitudinem futuram, ad perfectionem uitae aeternae, ad iustitiae coronam, quam reddet Dominus in fine saeculorum omnibus, qui diligunt eum. f 7. Videamus autem, quid etiam inde sentiendum sit, quod dicit: „Et Ioseph ponet manus suas super oculos tuos.“ g Multa quidem intra huius sermonis uelamen arcanae intellegentiae contegi arbitror sacramenta, quae contingere et pulsare alterius temporis est. Nunc interim non uidebitur absque ratione dici quod et prioribus nostris quibusdam uisum est prophetiam quandam in hoc designatam uideri; quoniam quidem de tribu Ioseph fuit Hieroboam ille, qui fecit duas uaccas aureas, ut seduceret populum adorare eas, h et per hoc ueluti inpositis manibus suis excaecauit et clausit oculos Israhel, ne uiderent inpietatem suam, de quo dictum est: „Propter inpietatem Iacob haec omnia, et propter peccatum domus Israhel. Quae autem inpietas Iacob? Nonne Samaria?“ i Sed si quis forte neget debere ea, quae sub specie pietatis futura a Deo dicta sunt, ad partem uituperabilem flecti, dicemus quia uerus Ioseph, Dominus et Saluator noster, sicut corporalem manum suam posuit super oculos caeci et reddidit ei uisum, quem perdiderat, j ita etiam spiritales manus suas posuit super oculos legis, qui per corporalem intellegentiam Scribarum et Pharisaeorum fuerant excaecati et reddidit eis uisum, ut his, quibus aperit Dominus scripturas, spiritalis in lege uisus et intellectus appareat. k Atque utinam et nobis iniciat Dominus Iesus manus suas super oculos, l ut incipiamus et nos respicere non ea, „quae uidentur, sed quae non uidentur“, m et aperiat nobis illos oculos, qui non intuentur praesentia, sed futura, et reuelet nobis cordis adspectum, quo Deus uidetur in spiritu, per ipsum Dominum nostrum Iesum Christum, „cui gloria et potestas in saecula saeculorum. Amen.“ n b c d e Gen. 46,4 Ps. 101(102),25 vgl. Gen. 25,8 Gen. 46,4 vgl. 2 Tim. 4,7 g h i j vgl. 2 Tim. 4,8 Gen. 46,4 vgl. 1 Kön. 12,28 Mi. 1,5 vgl. Mt. 20,34 k l m n vgl. Lk. 24,32 vgl. Gen. 46,4; Mk. 8,25 2 Kor. 4,18 1 Petr. 4,11 a f

487 Vgl. Origenes, princ. I 6,1 (GCS Orig. 5, 78): „Das (Wort) ,Ende‘ scheint auf eine ,Vollendung‘ der Dinge zu verweisen.“ 488 Vgl. Prokop, in Gen. comm. 25,8 (PG 87/1, 405B): „Von keinem Unvollkommenen wurde bezeugt, er sei in der Fülle seiner Tage (verstorben)“; vgl. Philon, quaest. in Gen. IV 152 (p. 360 Aucher).

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rückrufen.“a Denn als Ende gilt die Vollkommenheit der Dinge und die Vollendung der Tugenden.487 Deshalb sagte ja auch ein anderer Heiliger: „Rufe mich nicht zurück in der Mitte meiner Tage.“b Und dem großen Patriarchen Abraham stellt die Schrift ferner das Zeugnis aus, dass Abraham in der Fülle seiner Tage verstarb.c 488 Dieses Wort also: „Am Ende werde ich dich von dort zurückrufen“,d bedeutet so viel wie: Da du den guten Kampf gekämpft, den Glauben bewahrt und den Lauf vollendet hast,e werde ich dich nun aus dieser Welt zurückrufen zur künftigen Seligkeit, zur Vollkommenheit des ewigen Lebens, zur Krone der Gerechtigkeit, die der Herr am Ende der Zeiten allen schenken wird, die ihn lieben.f 489 7. Wir wollen aber auch klären, was daraus zu folgern ist, dass er sagt: „Und Josef wird seine Hände auf deine Augen legen.“g Hinter dem Schleier dieses Schriftwortes verbergen sich meines Erachtens viele Offenbarungen geheimer Erkenntnis, die zu berühren und zu behandeln Aufgabe einer anderen Stunde ist. Derweil wird es nicht so aussehen, als werde dies ohne Grund gesagt – glaubten doch auch einige unserer Vorgänger, darin scheine eine Art Prophezeiung angedeutet. Denn aus dem Stamm Josefs stammte ja jener Jerobeam, der zwei goldene Kühe schuf, um das Volk zu verführen, sie anzubeten,h und damit blendete er Israel, als habe er ihm seine Hände aufgelegt, und schloss ihm die Augen, damit sie ihre Gottlosigkeit nicht sähen; darüber heißt es: „Das alles geschieht wegen Jakobs Unfrömmigkeit und wegen der Sünde des Hauses Israel. Doch was ist Jakobs Unfrömmigkeit? Ist es nicht Samaria?“i Leugnet aber jemand etwa, dass das, was von Gott in frommer Gestalt als künftiges Geschehen verkündet wurde, auf einen tadelnswerten Akt zu beziehen ist, werden wir festhalten, dass der wahre Josef, unser Herr und Erlöser, so wie er seine leibliche Hand auf die Augen des Blinden legte und ihm die Sehkraft zurückgab, die er verloren hatte,j ebenso auch seine geistigen Hände auf die Augen des Gesetzes legte, die durch die leibliche Auslegung der Schriftgelehrten und Pharisäer geblendet worden waren, und ihnen die Sehkraft zurückgab, damit für die, denen der Herr die Schriften erschließt, im Gesetz die geistige Sehkraft und Erkenntnis sichtbar werde.k 490 Möchte doch auch uns der Herr Jesus seine Hände auf die Augen legen,l damit auch wir beginnen, nicht auf das zu blicken, „was sichtbar ist, sondern auf das, was nicht sichtbar ist“;m möchte er doch uns jene Augen öffnen, die nicht das Gegenwärtige schauen, sondern das Künftige; möchte er doch uns die Sehkraft des Herzens enthüllen, durch die Gott im Geist geschaut wird, durch den Herrn Jesus Christus. „Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.“n 489 Vgl. in Gen. frg. E 135 Metzler (OWD 1/1, 292f.): „Es ließ ihn Gott hinaufsteigen, als er Israel nach dem Ende des Lebens zum Ziel bei sich brachte.“ 490 Vgl. in Matth. comm. XVI 11 (GCS Orig. 10, 509): „Wenn (der Erlöser uns) berührt, werden Finsternis und Unverstand (aus unseren Sinnen) weichen.“

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HOMILIA XVI De eo, quod scriptum est: „Et adquisiuit Ioseph omnem terram Aegyptiorum Pharaoni; uendiderunt enim Aegyptii terram suam Pharaoni, quia obtinuit eos fames. Et facta est terra Pharaonis, et populum sibi in seruitutem redegit, a summis finibus Aegypti usque ad summos fines eius.“ a

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1. Secundum scripturae fidem nullus Aegyptius liber. Pharao enim populum sibi in seruitutem redegit nec aliquem intra Aegyptiorum fines liberum dereliquit, sed in omni terra Aegypti adempta libertas est. Et propterea forte scriptum est: „Ego sum Dominus Deus tuus, qui eduxi te de terra Aegypti, de domo seruitutis.“ b Facta est ergo Aegyptus domus seruitutis, et, quod est infelicius, uoluntariae seruitutis. Nam de Hebraeis quamuis referatur quia in seruitutem redacti sint et quia iugum dominationis erepta libertate pertulerint, uiolenter tamen in hoc memorantur adducti. Scriptum est enim quia: „Aegyptii abominabantur filios Israhel et per potentiam opprimebant Aegyptii filios Israhel uiolenter et adfligebant uitam eorum in operibus duris, luto et latere, et omnibus operibus, quae erant in campis, in quibus omnibus in seruitutem eos redigebant cum ui.“ c Intende ergo diligentius, quomodo Hebraei scribuntur uiolenter in seruitutem redacti, quibus naturalis inerat libertas, quae non eis facile uel per deceptionem aliquam, sed cum ui extorquebatur. Pharao uero Aegyptium populum facile sibi in seruitutem redegit, nec scribitur quia cum ui hoc fecerit. Procliues enim sunt Aegyptii ad degenerem uitam et cito ad omnem famulatum decidunt uitiorum. Respice ad originem generis et inuenies quod pater eorum Cham, qui nuditatem riserat patris, huiuscemodi sententiam meruit, ut filius eius Chanaan seruus esset fratribus suis, d quo in eo nequitiam morum argueret conditio seruitutis. Non ergo inmerito ignobilitatem generis decolor posteritas imitatur. Hebraei uero, etiamsi in seruitutem redigantur, etiamsi tya

Gen. 47,20f.

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Ex. 20,2

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Ex. 1,13f.

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vgl. Gen. 9,22–27

491 Zu dieser Homilie siehe Danieli, Omelie X e XVI, 120–126. 492 Zu diesem dunklen Bild Ägyptens vgl. oben S. 272 Anm. 481; zum Thema Freiheit bei Origenes siehe Alviar, Klesis 37–51. 493 Ebenso in Gen. cat. 2062 (IV p. 314 Petit) = Origenes, in Gen. frg. E 163 Metzler (OWD 1/1, 302); vgl. auch in Gen. frg. E 161 Metzler (OWD 1/1, 302f.): „Besitz des Pharao wollen die Ägypter werden, so wie die Heiligen ,Besitz‘ Gottes.“

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Über das, was geschrieben steht: „Und Josef erwarb alles Land der Ägypter für den Pharao; denn die Ägypter verkauften ihr Land dem Pharao, weil der Hunger sie bedrückte. Und es wurde Pharaos Land, und er unterwarf sich das Volk in Knechtschaft von der einen äußersten Grenze Ägyptens bis zur anderen.“a 1. Dem Zeugnis der Schrift zufolge war kein Ägypter frei. Denn der Pharao unterwarf sich das Volk in Knechtschaft, und niemandem innerhalb der Grenzen Ägyptens ließ er die Freiheit, sondern im ganzen Land Ägypten ging die Freiheit verloren. Deshalb steht vielleicht geschrieben: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten herausgeführt hat, aus dem Haus der Knechtschaft.“b Ägypten wurde also zum Haus der Knechtschaft, ja – was unglücklicher ist – freiwilliger Knechtschaft.492 Denn obgleich von den Hebräern berichtet wird, dass sie der Knechtschaft unterworfen wurden und nach dem Raub der Freiheit das Joch der Herrschaft ertrugen, wird von ihnen dennoch erzählt, man habe sie gewaltsam in diese Not gebracht. Denn es steht geschrieben: „Die Ägypter verabscheuten die Söhne Israels, und mit Macht unterdrückten die Ägypter die Söhne Israels gewaltsam und vergällten ihr Leben mit harter Fron: mit Lehm und Ziegeln und jeglicher Arbeit, die es auf dem Feld gab; mit all dem unterwarfen sie sie der Knechtschaft mit Gewalt.“c Achte also genau darauf, wie von den Hebräern geschrieben steht, sie seien gewaltsam in die Knechtschaft geführt worden; sie besaßen eine natürliche Freiheit, die ihnen nicht leicht oder durch irgendeinen Trug, sondern mit Gewalt entrissen wurde. Das ägyptische Volk aber unterwarf sich Pharao leicht in Knechtschaft, und es steht nicht geschrieben, dass er dies mit Gewalt getan hätte.493 Denn die Ägypter sind einem losen Leben zugetan und verfallen rasch aller Knechtschaft der Laster. Wirf einen Blick auf den Ursprung ihres Stammes, und du wirst entdecken, dass ihr Vater Ham, der die Blöße seines Vaters verspottet hatte, ein solches Urteil verdiente: dass sein Sohn Kanaan seinen Brüdern als Knecht diente,d damit das Los494 der Knechtschaft bei ihm die Verworfenheit seiner Sitten kundtue. Nicht zu Unrecht also spiegelt die liederliche Nachkommenschaft die niedere Herkunft des Stammes. Die Hebräer aber, auch wenn sie der Knecht-

494 Zu der Schreibung conditio statt condicio (in Gen. hom. bietet sie gleich viermal) vgl. ThLL IV, 127,73: „in permultis libris (non in Inscr.) forma per t invenitur“.

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Homilia XVI

rannidem patiantur ab Aegyptiis, uiolenter et necessitate patiuntur. Idcirco ergo liberantur „de domo seruitutis“ a et ad libertatem pristinam, quam inuiti amiserant, reuocantur. Denique etiam diuinis legibus cauetur, ut, si forte emerit quis Hebraeum puerum, non eum perpetua seruitute possideat, sed sex annis seruiat ei, septimo uero anno exeat liber. b De Aegyptiis nihil tale censetur nec usquam diuina lex curam gerit libertatis Aegyptiae, quia eam sponte perdiderant, sed aeterno eos conditionis iugo ac seruituti perpetuae derelinquit. 2. Haec ergo si intellegamus spiritaliter, quae sit Aegyptiorum seruitus, agnoscimus quia seruire Aegyptiis non aliud est quam obnoxium fieri carnalibus uitiis et daemonibus esse subiectum. In quod utique unumquemque non extrinsecus illata necessitas cogit, sed segnitia animi et libido ac uoluptas corporis subigit, cui se animus per socordiam subdit. Qui uero libertatis animae curam gerit et dignitatem mentis caelesti cogitatione nobilitat, iste ex filiis Israhel est. Qui etiamsi „uiolenter“ c opprimatur ad tempus, non tamen libertatem suam in perpetuum perdit. Denique et Saluator de libertate et seruitute in euangelio disserens ita loquitur: „Omnis“, inquit, „qui peccat, seruus est peccati.“ d Et iterum dicit: „Si manseritis in uerbo meo, agnoscetis ueritatem et ueritas liberos faciet uos.“ e Quod si quis forte dicat nobis: Quomodo ergo per Ioseph omnis terra in possessionem traditur Pharaoni et omnis ista seruitus, quam superius exposuimus ex peccati conditione susceptam, per sanctum uirum ministrata dicitur Pharaoni? – possumus ad haec respondere quia ipse scripturae sermo excusat sancti uiri ministerium, cum dicit quia semet ipsos uendiderunt Aegyptii et possessiones suas. f Non ergo ad dispensantem culpa reflectitur, ubi digna dispensatorum meritis prouidentur. Inuenies enim tale aliquid et a Paulo fieri, cum ab eo is, qui semet ipsum pro foeditate actuum consortio sanctorum fecit indignum, traditur Satanae, ut discat non blasphemare. g In quo utique nemo dixerit Paulum dure egisse, qui hominem de ecclesia eiecit et Satanae tradidit. Sed in illum sine dubio culpa refertur, qui pro actibus suis hoc meruit, ut non ei esset in ecclesia locus, sed Satanae consortio mereretur adiungi. Ita ergo et Ioseph, cum nihil Hebraeae libertatis, nihil Israheliticae nobilitatis in Aegyptiis peruidisset, digna seruitia digno dominatui sociauit. a g

Ex. 20,2 b vgl. Ex. 21,2 vgl. 1 Tim. 1,20

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Ex. 1,13

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Joh. 8,34

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Joh. 8,31f.

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schaft unterworfen werden, auch wenn sie die Zwangsherrschaft der Ägypter erdulden, erdulden sie gewaltsam und aus Not. Deshalb also werden sie „aus dem Haus der Knechtschaft“a befreit und in die frühere Freiheit zurückgerufen, die sie gegen ihren Willen verloren hatten. Ja, es wird sogar in den göttlichen Gesetzen dafür Sorge getragen, dass einer, der einen hebräischen Knecht ersteht, ihn nicht in immerwährender Knechtschaft hält, sondern dass er ihm sechs Jahre dienen, im siebten Jahr aber frei fortziehen soll.b Was die Ägypter angeht, wird nichts dergleichen beschlossen, und nirgendwo trägt das göttliche Gesetz Sorge für die ägyptische Freiheit (sie hatten sie ja aus eigenem Antrieb verloren), sondern es überlässt sie dem ewigen Joch ihres Loses und immerwährender Knechtschaft. 2. Wenn wir dies also geistig auffassen, erkennen wir, was die Knechtschaft der Ägypter ist; denn den Ägyptern als Knecht zu dienen bedeutet nichts anderes, als den fleischlichen Lastern zu verfallen und den Dämonen unterworfen zu sein. Dazu zwingt gewiss niemanden von außen zugefügte Not, sondern einen jeden unterjochen die Trägheit des Geistes und die Lust und Begierden des Leibes, denen sich der Geist in seiner Mattigkeit unterwirft. Wer aber für die Freiheit der Seele Sorge trägt und die Würde seines Geistes mit himmlischen Gedanken adelt, der stammt von den Söhnen Israels. Auch wenn er eine Zeitlang „gewaltsam“c unterdrückt wird, verliert er gleichwohl seine Freiheit nicht auf ewig. So sagt ja auch unser Erlöser, wenn er im Evangelium über Freiheit und Knechtschaft spricht: „Jeder“, heißt es, „der sündigt, ist Knecht der Sünde.“d Und er sagt des weiteren: „Wenn ihr in meinem Wort verharrt, werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“e Hält man uns aber entgegen: Wie wird denn durch Josef alles Land dem Pharao zum Besitz überantwortet, und wie wird diese ganze Knechtschaft, von der wir eben dargelegt haben, dass sie dem Los ihrer Sünde entsprang, von dem heiligen Mann für Pharao, wie es heißt, verwaltet? – dann können wir darauf antworten, dass just die Schriftstelle das Tun des heiligen Mannes entschuldigt, wenn sie sagt, dass die Ägypter sich und ihre Besitztümer selbst verkauft haben.f Die Schuld fällt also nicht auf den Verwalter zurück, wenn der für Verhältnisse sorgt, wie sie den Verdiensten der Verwalteten entsprechen. Denn du wirst entdecken, dass auch Paulus dergleichen tut, wenn er den, der sich durch die Scheußlichkeit seiner Taten der Gemeinschaft der Heiligen unwürdig erwies, dem Satan überantwortet, damit er lerne, nicht zu lästern.g Niemand dürfte wohl sagen, Paulus habe in diesem Fall streng gehandelt, als er einen Menschen aus der Gemeinde verstieß und dem Satan überantwortete. Vielmehr fällt die Schuld zweifelsohne auf den zurück, der es aufgrund seiner Taten verdiente, dass ihm kein Platz in der Gemeinde blieb, der es aber verdiente, der Schar Satans beigesellt zu werden. So verband denn auch Josef, da er in den Ägyptern nichts von hebräischer Freiheit, nichts von israelitischem Adel entdeckt hatte, ein verdientes Sklavendasein

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Homilia XVI

Ego etiam amplius aliquid dico. Inuenies et in diuinis dispensationibus tale aliquid gestum, in eo quod dicit Moyses: „Cum diuideret Excelsus gentes et distingueret fines gentium, secundum numerum angelorum Dei posuit eas, et facta est pars Domini Iacob, funiculus hereditatis eius Israhel.“ a Vides ergo quoniam pro meritis unicuique genti angelorum statuitur principatus, pars autem Domini gens efficitur Israhel. 3. Post haec sequitur: „Vendiderunt“, inquit, „Aegyptii terram suam Pharaoni, obtinuit enim eos fames.“ b Vituperatio mihi uidetur et in hoc Aegyptiorum contineri. Non enim facile de Hebraeis scriptum inuenies quia obtinuit eos fames. Licet enim scriptum sit quia „inualuit fames super terram“, c non tamen scriptum est quia obtinuit fames Iacob aut filios eius, sicut de Aegyptiis dicitur quia obtinuit eos fames. Quamuis enim ueniat etiam ad iustos fames, non tamen obtinet eos; propter quod et gloriantur in ea, sicut Paulus inuenitur libenter gratulari in huiuscemodi passionibus, cum dicit: „in fame et siti, in frigore et nuditate.“ d Quod ergo iustis exercitium uirtutis est, hoc iniustis poena peccati est. Denique etiam in Abrahae temporibus scriptum est quia: „Facta est fames super terram et descendit Abraham in Aegyptum habitare ibi, quoniam inualuerat fames super terram.“ e Et utique si, ut quidam putant, incaute et inperite esset sermo scripturae diuinae conpositus, potuerat dicere quia descendit Abraham in Aegyptum habitare ibi, quia inualuerat super eum fames. Sed intuere, quanta distinctione utitur sermo diuinus, quanta cautela. Cum de sanctis refert, famem dicit inualuisse super terram; cum de iniustis, ipsos fame dicit obtentos. Neque ergo Abraham neque Iacob neque filios eorum obtinet fames. Sed et si inualescat, super terram dicitur inualescere. Et temporibus Isaac nihilominus scriptum est quia: „Facta est fames super terram, praeter illam famem priorem, quae facta est temporibus Abrahae.“ f In tantum autem non potest obtinere fames Isaac, ut dicat ad eum Dominus: „Noli descendere in Aegyptum, sed habita in terra, quamcumque ostendero tibi; in ea habita, et ego ero tecum.“ g b Dtn. 32,8f. Gen. 47,20 g 26,1 Gen. 26,2f.

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Gen. 41,57

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2 Kor. 11,27

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Gen. 12,10

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Gen.

495 Auch hier schwingt in dem Begriff dispensatio die Idee der göttlichen „Heilsordnung“ mit; vgl. oben S. 195 Anm. 346. 496 Zu den ,Völkerengeln‘ vgl. oben S. 190 Anm. 337. – Das Zitat Dtn. 32,8f. diskutiert Origenes auch princ. I 5,2 (GCS Orig. 5, 71). 497 So auch in Gen. cat. 2060 (IV p. 314 Petit) = Origenes, in Gen. frg. E 162 Metzler (OWD 1/1, 302). 498 Vgl. in Gen. hom. 1,10 (GCS Orig. 6, 11): „Gerade für die Heiligen ist gut, was sich ihnen widersetzt, denn sie können es besiegen und werden, wenn sie es besiegt haben, größeren Ruhmes teilhaftig bei Gott.“

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mit einer verdienten Zwangsherrschaft. Ich sage aber noch mehr. Du wirst entdecken, dass dergleichen auch während der göttlichen Regentschaft495 geschehen ist, dort, wo Mose sagt: „Als der Erhabene die Völker aufteilte und die Gebiete der Völker schied, legte er sie nach der Zahl der Engel Gottes fest; und Jakob wurde zum Anteil des Herrn, Israel wurde zum Anteil seines Erbes.“a 496 Du siehst also: Die Herrschaft der Engel wird jedem Volk entsprechend seinen Verdiensten bestimmt; zum Anteil des Herrn aber wird das Volk Israel. 3. Danach folgt: „Die Ägypter“, heißt es, „verkauften ihr Land dem Pharao, weil der Hunger sie bedrückte.“b Auch hier scheint sich meines Erachtens ein Tadel der Ägypter zu verbergen. Denn schwerlich dürftest du über die Hebräer geschrieben finden, dass der Hunger sie bedrückte. Denn auch wenn geschrieben steht, dass „der Hunger auf dem Land lastete“,c steht doch nicht geschrieben, dass der Hunger Jakob oder seine Söhne bedrückte, wie es von den Ägyptern heißt, dass der Hunger sie bedrückte.497 Denn obgleich der Hunger auch zu den Gerechten kommt, so bedrückt er sie doch nicht. Deshalb rühmen sie sich seiner auch – wie sich bei Paulus zeigt, dass er gerne in solcherlei Leiden schwelgt, wenn er sagt: „in Hunger und Durst, in Kälte und Blöße“.d Was den Gerechten also zur Ertüchtigung ihrer Tugend dient, dient den Ungerechten als Strafe für ihre Sünde.498 So steht auch zu Abrahams Zeiten geschrieben, dass „Hunger über das Land kam und Abraham nach Ägypten hinabstieg, um dort zu wohnen; denn Hunger hatte auf dem Land gelastet.“e Und wären nun, wie manche glauben, die Worte der göttlichen Schrift nachlässig und ungeschickt abgefasst worden,499 hätte sie sagen können, dass Abraham nach Ägypten hinabstieg, um dort zu wohnen, weil Hunger auf ihm gelastet hatte. Doch schau, welche Sorgfalt der göttliche Text an den Tag legt, welche Vorsicht. Wo er von den Heiligen spricht, sagt er, Hunger habe auf dem Land gelastet; wo er von den Ungerechten spricht, sagt er, Hunger habe sie bedrückt. Der Hunger bedrückt also weder Abraham noch Jakob noch deren Söhne. Doch auch wenn er lastet, so heißt es, er laste auf dem Land. Und nicht minder steht zu Isaaks Zeiten geschrieben, dass „Hunger über das Land kam nach der Hungersnot einst, die zu Abrahams Zeiten ausbrach.“f Doch so arg kann der Hunger Isaak nicht bedrücken, so dass der Herr zu ihm sagt: „Steige nicht nach Ägypten hinab, sondern wohne in dem Land, das ich dir zeigen werde, wohne in ihm, und ich werde mit dir sein.“g

499 Denkt Origenes hier an Apelles (vgl. Harnack, Marcion 416*)? – Zum Fortgang des Satzes vgl. in Ioh. comm. XX 10,73 (GCS Orig. 4, 339): „Nach Ägypten wird er hinabsteigen, um dort zu wohnen, damit der Hunger, der auf dem Land lastete, nicht auch über ihn Gewalt gewinne.“

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Homilia XVI

Secundum hanc, ut arbitror, obseruantiam longe post ista tempora propheta dicebat: „Iuuenis fui et senui et non uidi iustum derelictum nec semen eius quaerens panes.“ a Et alibi: „Non occidet Dominus fame animam iustam.“ b Ex quibus omnibus declaratur terram quidem posse pati famem et eos, „qui terrena sapiunt“. c Quorum autem iste cibus est, ut faciant uoluntatem Patris, qui in caelis est, d et quorum animam panis ille alit, qui de caelo descendit, e numquam possunt famis inedia laborare. Idcirco ergo obseruanter scriptura diuina non dicit eos fame obtineri, quibus nouit esse scientiam Dei et cibum caelestis praeberi sapientiae. Sed et in tertio Regnorum libro similem de relatione famis inuenies habitam esse cautelam, ubi, cum fames inualuisset super terram – dicente Elia ad Achab: „Viuit Dominus Deus uirtutum, Deus Israhel, in cuius conspectu steti, si in his annis ros uel pluuia fuerit super terram, nisi per sermonem oris mei“ f –, post haec mandatur a Domino coruis, ut pascant prophetam et ut aquam bibat de torrente Chorrat. g Et iterum in Sarepta Sidoniae mandatur mulieri uiduae pascere prophetam, h ut, cui non amplius quam unius diei supererat uictus, largiendo indeficiens fieret et multipliciter abundaret exhaustus. „Hydria“ enim „farinae“ et „capsaces olei“ i secundum uerbum Domini non defecit pascendo prophetam. Similia quoque inuenies etiam in temporibus Elisaei, cum filius Iader, rex Syriae, ascendit aduersum Samariam et obsedit eam: „Et facta est“, inquit, „fames magna in Samaria, usquequo efficeretur caput asini quinquaginta siclis argenti et quartarium stercoris columbini quinque argenteis.“ j Sed subito per uerbum prophetae fit mira conuersio dicentis: „Audi uerbum Domini. Haec dicit Dominus: Sicut haec hora crastino, mensura similaginis siclo uno et duae mensurae hordei siclo uno in portis Samariae erunt.“ k Vides ergo ex his omnibus quid conligatur: Quia, cum terram fames obtineat, non solum non obtinet iustos, sed medela potius per eos intentatae cladi defertur. 4. Cum ergo uideas huiusmodi obseruantiam in omnibus paene scripturae sanctae locis integre custodiri, conuerte haec ad tropicum et allegoricum sensum, quem ipsorum nihilominus prophetarum sermonibus edocemur. Vnus enim ex duodecim prophetis aperte et euidenter spiritalem dici famem nudo sermone pronuntiat dicens: „Ecce dies ueniunt, dicit Dominus, a b c e f Ps. 36(37),25 Spr. 10,3 Phil. 3,19 d vgl. Mt. 7,21 vgl. Joh. 6,51.58 1 Kön. 17,1 g vgl. 1 Kön. 17,2–6 h vgl. 1 Kön. 17,9 i 1 Kön. 17,14 j 2 Kön. 6,25 k 2 Kön. 7,1

500 Obseruantia gewinnt hier eine ansonsten kaum belegte Bedeutung: die „Sorgfalt“ der inspirierten Heiligen Schrift im Umgang mit der Sprache, ihre sprachliche „Präzision“. Vgl. Kap. 3 (GCS Orig. 6, 139): „Doch schau, welche Sorgfalt (distinctione) die Heilige Schrift an den Tag legt, welche Vorsicht (cautela).“ Ebd. (6, 139, 13f.) deutet sich dieser Gebrauch bereits an: „Entsprechend dieser Beobachtung (secundum

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Entsprechend dieser Beobachtung sagte meines Erachtens lange nach jenen Zeiten der Prophet: „Ich war ein Jüngling und bin alt geworden, und keinen Gerechten sah ich verlassen noch seinen Samen um Brot betteln.“a Und an anderer Stelle: „Der Herr wird keine gerechte Seele Hungers sterben lassen.“b Aus all dem tritt zutage, dass die Erde Hunger leiden kann, ebenso die, „die Irdisches denken“.c Deren Speise es aber ist, den Willen des Vaters zu tun, der im Himmel ist,d und deren Seele jenes Brot nährt, das vom Himmel niederstieg,e die können niemals die Not des Hungers leiden. Deshalb also sagt die göttliche Schrift mit Bedacht nicht, dass die vom Hunger bedrückt werden, von denen sie weiß, dass sie die Erkenntnis Gottes besitzen und die Kost himmlischer Weisheit empfangen. Du wirst aber entdecken, dass auch im Dritten Buch der Königreiche bei der Erzählung einer Hungersnot ähnliche Vorsicht waltete. Als nach dem Wort Elias zu Ahab: „Es lebt der Herr, der Gott der Mächte, der Gott Israels, vor dessen Angesicht ich stand: Wenn in diesen Jahren Tau oder Regen auf die Erde fällt, so allein auf das Wort meines Mundes hin“f Hunger auf dem Land lastete, da trägt der Herr den Raben auf, dass sie den Propheten ernähren und dass er Wasser aus dem Lauf des Kerit trinke.g Des weiteren wird in Sarepta einer Sidonierin, einer Witwe, aufgetragen, den Propheten zu ernähren,h so dass ihr, die nur noch für einen einzigen Tag Vorräte hatte, diese auf reich gedeckter Tafel nicht ausgingen und die eben noch erschöpften in Vielfalt überflossen. Denn getreu dem Wort des Herrn gingen die „Mehlkruke“ und der „Ölkrug“i nicht zur Neige, da sie den Propheten speiste. Ähnliches wirst du auch zur Zeit des Elischa entdecken, als der Sohn des Hadad, der König Syriens, gegen Samaria hinaufzog und es belagerte: „Und eine große Hungersnot“, heißt es, „brach in Samaria aus, bis ein Eselskopf fünfzig Silberschekel kostete und ein Viertel Taubenkot fünf Silberstücke.“j Doch plötzlich ereignet sich durch das Wort des Propheten ein wundersamer Umschwung; er spricht: „Höre das Wort des Herrn. Dies spricht der Herr: Morgen zu eben dieser Stunde werden an den Toren Samarias ein Maß feinstes Weizenmehl einen Schekel und zwei Maß Gerste einen Schekel kosten.“k Du siehst also, was aus all dem folgt. Wenn eine Hungersnot das Land bedrückt, bedrückt sie nicht nur auf keinen Fall die Gerechten, sondern bieten diese für das Unheil, das drohte, das Heilmittel dar. 4. Da du also siehst, dass in so gut wie allen Passagen der Heiligen Schrift auf eine derartige Genauigkeit säuberlich geachtet wird,500 übersetze sie in ihre figürliche und allegorische Bedeutung, über die wir ebenso durch die Worte der Propheten belehrt werden. Denn einer der zwölf Propheten spricht in schmucklosen Worten offen und eindeutig aus, dass von geistigem Hunger die Rede ist, wenn er sagt: „Siehe, es kommen Tage, spricht der hanc . . . obseruantiam)“ ist zu verstehen als: „Im Sinne dieser von uns gemachten sprachlichen Beobachtung“.

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et emittam famem super terram, non famem panis neque sitim aquae, sed famem audiendi uerbum Domini.“ a Vides, quae sit fames, quae obtinet peccatores? Vides, quae sit fames, quae inualescat super terram? Qui enim de terra sunt et „terrena sapiunt“ b et non possunt percipere, quae sunt Spiritus Dei, c „famem uerbi Dei“ d patiuntur, legis mandata non audiunt, correptiones prophetarum nesciunt, apostolicas consolationes ignorant, non sentiunt euangelii medicinam. Et ideo merito de his dicitur quia: „Inualuit fames super terram.“ e Iustis autem et in lege Domini meditantibus die ac nocte, f sapientia praeparat mensam suam, occidit uictimas suas, miscet in cratere uinum suum et summa uoce clamat, g non ut omnes ueniant, non ut abundantes, non ut diuites, neque ut sapientes huius mundi deuertant ad se, sed si qui sunt inquit inopes sensu, ueniant ad me; h id est si qui sunt humiles corde, qui a Christo didicerint mites esse et humiles corde i (quod alibi dicitur „spiritu pauperes“ j), sed fide diuites, isti conueniunt ad epulas sapientiae et dapibus eius refecti depellunt famem, quae inualescit super terram. k Vide ergo et tu, ne forte inueniaris Aegyptius et obtineat te fames, ne forte saeculi actibus occupatus aut auaritiae uinculis strictus aut luxuriae effusione resolutus alienus efficiaris a sapientiae cibis, qui semper in Dei ecclesiis exhibentur. Si enim auertas auditum ab his, quae uel leguntur in ecclesia uel disputantur, sine dubio „famem uerbi Dei“ l patieris. Si uero de Abraham stirpe descendas et nobilitatem Israhelitici generis custodias, pascit te semper lex, pascunt prophetae, exhibent tibi et apostoli opulenta conuiuia. In sinibus quoque Abraham et Isaac et Iacob, m „in regno Patris“ n recumbere te inuitabunt euangelia, ut ibi manduces „de ligno uitae“ o et bibas uinum de uite uera, p uinum nouum cum Christo in regno Patris eius. q Ab his enim cibis non possunt ieiunare nec famem pati filii sponsi, donec cum ipsis est sponsus. r 5. Refertur sane in consequentibus quoniam terra sacerdotum Aegyptiorum non sit in seruitutem redacta Pharaoni neque cum ceteris Aegyptiis uendiderint semet ipsos, sed quia extrinsecus acceperint uel frumenta uel munera non ab Ioseph, sed ab ipso Pharaone, et „propter hoc“ tamquam Am. 8,11 b Phil. 3,19 c vgl. 1 Kor. 2,14 d Am. 8,11 e Gen. 41,57 f vgl. Ps. 1,2 vgl. Spr. 9,2 h vgl. Spr. 9,4 i vgl. Mt. 11,29 j Mt. 5,3 k vgl. Gen. 12,10 l Am. 8,11 m vgl. Mt. 8,11 n Mt. 26,29 o Offb. 2,7 p vgl. Joh. 1,51 q vgl. Mt. 26,29 r vgl. Lk. 5,34; Mt. 9,15 a

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501 Vgl. in Hiez. frg. 14,13 (XIV p. 215 Lommatzsch): „Innerlich wird der Mensch mit geistigem Hunger gezüchtigt: mit dem Entzug des geistigen Brotes (thÄì sterhÂsei toyÄ pneymatikoy Ä aÍrtoy)“; in Luc. hom. 29 (GCS Orig. 92, 168–171).

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Herr, da werde ich Hunger aussenden über die Erde, nicht Hunger nach Brot und nicht Durst nach Wasser, sondern Hunger, das Wort des Herrn zu hören.“a Siehst du, was für ein Hunger die Sünder bedrückt? Siehst du, was für ein Hunger auf der Erde lastet? Die nämlich von der Erde stammen und nur „Irdisches denken“b und nicht wahrnehmen können, was vom Geist Gottes kommt,c die leiden „Hunger nach dem Wort Gottes“:d Die Gebote des Gesetzes hören sie nicht, die Vorhaltungen der Propheten kennen sie nicht, die Tröstungen der Apostel sind ihnen unbekannt, die Arznei des Evangeliums nehmen sie nicht wahr. Und deshalb heißt es von ihnen zu Recht, dass „der Hunger auf der Erde lastete“.e 501 Den Gerechten aber und denen, die über das Gesetz des Herrn bei Tag und bei Nacht sinnen,f bereitet die Weisheit ihren Tisch; sie tötet ihre Schlachttiere, mischt im Krug ihren Wein und ruft mit lauter Stimme,g nicht, damit alle kommen, nicht, damit die Wohlhabenden, nicht, damit die Reichen, auch nicht, damit die Weisen dieser Welt bei ihr einkehren, sondern die bedürftig im Geist sind, heißt es, die sollen zu mir kommen;h das heißt die demütig im Herzen sind, die von Christus gelernt haben, sanft zu sein und demütig im Herzeni – was an anderer Stelle „arm im Geist“j heißt –, doch reich im Glauben, die strömen zum Festmahl der Weisheit zusammen und vertreiben, von ihren Speisen erquickt, den Hunger, der auf der Erde lastet.k Pass also auch du auf, dass du dich nicht etwa als Ägypter erweist und der Hunger dich bedrückt, dass du dich nicht etwa, in die Geschäfte der Welt versunken oder von den Fesseln des Geizes gebunden oder vom Übermaß der Ausschweifung erschlafft, der Kost der Weisheit entfremden lässt, die allezeit in den Kirchen Gottes dargeboten wird. Denn wenn du deine Ohren von dem abwendest, was in der Kirche gelesen oder erörtert wird, wirst du gewiss „Hunger nach dem Wort Gottes“l leiden. Stammst du aber von Abrahams Stamm ab und bewahrst du den Adel des israelitischen Geschlechts, so ernährt dich allezeit das Gesetz, ernähren dich die Propheten, richten dir auch die Apostel reiche Gastmähler aus. Ja, dich im Schoß Abrahams, Isaaks und Jakobs,m „im Reich des Vaters“n zurückzulehnen, dazu werden die Evangelien dich einladen, damit du dort „vom Baum des Lebens“o kostest und Wein vom wahren Rebstockp trinkst, neuen Wein mit Christus im Reich seines Vaters.q Denn solange der Bräutigam unter ihnen weilt, können die Kinder des Bräutigamsr sich weder dieser Speisen enthalten noch Hunger leiden.502 5. Im Folgenden wird nun berichtet, dass das Land der ägyptischen Priester nicht dem Pharao in Knechtschaft anheimfiel und dass sie sich nicht mit den übrigen Ägyptern selbst verkauften, sondern dass sie zudem Getreide oder andere Gaben empfingen, nicht von Josef, sondern von Pharao 502 Zur Speisung durch das Wort und zu ihrem Bezug zur Eucharistie bei Origenes siehe de Lubac, Geist aus der Geschichte 415–424.

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Homilia XVI

familiariores ceteris „non uendiderint terram suam“ Pharaoni. a Sed per hoc nequiores esse ceteris ostenduntur, qui pro nimia familiaritate, quae eis est cum Pharaone, nihil inmutationis recipiunt, sed permanent in mala possessione; et sicut his, qui in fide et sanctitate profecerant, dicit Dominus: „Iam non dico uos seruos, sed amicos“, b ita dicit et istis Pharao, tamquam qui ad summum gradum nequitiae et ad sacerdotium perditionis ascenderint: „Iam uos non dico seruos, sed amicos.“ Denique uis scire, quid intersit inter sacerdotes Dei et sacerdotes Pharaonis? Pharao terras concedit sacerdotibus suis; Dominus autem sacerdotibus suis partem non concedit in terra, sed dicit eis: „Ego sum pars uestra.“ c Obseruate ergo, qui haec legitis, omnes Domini sacerdotes, et uidete, quae sit differentia sacerdotum, ne forte, qui partem habent in terra et terrenis cultibus ac studiis uacant, non tam Domini quam Pharaonis sacerdotes esse uideantur. Ille est enim, qui uult sacerdotes suos habere possessiones terrarum et exercere agri, non animae culturam, ruri et non legi operam dare. Christus autem Dominus noster sacerdotibus suis quid praecipit, audiamus. „Qui non“, inquit, „renuntiauerit omnibus, quae possidet, non potest meus esse discipulus.“ d Contremesco haec dicens. Meus enim primo omnium, meus, inquam, ipse accusator exsisto, meas condemnationes loquor. Negat Christus suum esse discipulum, quem uiderit aliquid possidentem et eum, qui non renuntiat omnibus quae possidet. Et quid agimus? Quomodo haec aut ipsi legimus aut populis exponimus, qui non solum non renuntiamus his, quae possidemus, sed et adquirere uolumus ea, quae numquam habuimus, antequam ueniremus ad Christum? Numquidnam, quia nos redarguit conscientia, tegere et non proferre, quae scripta sunt, possumus? Nolo duplicati criminis fieri reus. Confiteor, et palam populo audiente confiteor haec scripta esse, etiamsi nondum inplesse me noui. Sed ex hoc saltem conmoniti festinemus inplere, festinemus transire a sacerdotibus Pharaonis, quibus terrena possessio est, ad sacerdotes Domini, quibus in terra pars non est, quibus portio Dominus e est. Talis enim erat et ille, qui dicebat: „Tamquam egentes, multos autem locupletantes, ut nihil habentes et omnia possidentes.“ f Paulus hic est, qui in talibus gloriatur. Vis audire, quid etiam Petrus de se ipse pronuntiet? Audite a f

Gen. 47,22 2 Kor. 6,10

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Joh. 15,15

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Num. 18,20

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Lk. 14,33

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vgl. Ps. 118(119),57

503 Vgl. in Ioh. comm. I 29,201–203 (GCS Orig. 4, 36f.). 504 Origenes leidet darunter, dass er als Priester Christi nicht jedem Besitz entsagt hat. Wie er an anderer Stelle festhält, erlaubt Christi Gebot nicht einmal den Besitz mehrerer Gewänder: in Lev. hom. 15,2 (GCS Orig. 6, 487f.); vgl. Irenäus, adv. haer. IV 30,1 (SC 100, 770–774). Seine Strenge gegen sich selbst zeigt sich bereits in jungen Jahren, als er für eine bescheidene tägliche Rente von vier Obolen die

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persönlich; und „deshalb haben sie“, die ihm näherstanden als die übrigen, „ihr Land“ dem Pharao „nicht verkauft“.a Doch dadurch wird offenkundig, dass sie verwerflicher sind als die übrigen, sie, die dank der allzu großen Vertrautheit, die sie mit dem Pharao verbindet, keinerlei Veränderung erfahren, sondern in bösem Besitz verharren. Und wie der Herr zu denen sagt, die sich in Glaube und Heiligkeit weiterentwickelt hatten: „Nicht mehr Knechte nenne ich euch, sondern Freunde“,b 503 so sagt auch Pharao zu denen, die die höchste Stufe der Verkommenheit und das Priestertum der Verderbnis erklommen haben: „Nicht mehr Knechte nenne ich euch, sondern Freunde.“ Willst du denn wissen, welcher Unterschied zwischen den Priestern Gottes und den Priestern des Pharao besteht? Pharao gesteht seinen Priestern Ländereien zu; der Herr jedoch gesteht seinen Priestern keinen Anteil an Ländereien zu, sondern sagt ihnen: „Ich bin euer Anteil.“c Beobachtet also, die ihr dies lest, alle Priester des Herrn und prüft, welcher Unterschied zwischen den Priestern besteht, ob nicht etwa die, die Anteil an der Erde haben und sich irdischen Angelegenheiten und Beschäftigungen widmen, weniger Priester des Herrn als Priester des Pharao zu sein scheinen. Denn er ist es, der will, dass seine Priester Ländereien besitzen und ihre Äcker pflegen, nicht ihre Seele, und sich um das Land kümmern, nicht um das Gesetz. Lasst uns aber hören, was Christus, unser Herr, seinen Priestern ans Herz legt: „Wer nicht allem“, heißt es, „entsagt hat, was er besitzt, kann nicht mein Jünger sein.“d Ich erbebe, wenn ich dies sage. Denn zuallererst trete ich als mein eigener, ja: als mein eigener Ankläger auf, meine Verurteilung verkünde ich. Christus leugnet, dass der sein Jünger ist, den er etwas besitzen sieht, und der, der nicht allem entsagt, was er besitzt. Und was tun wir? Wie lesen wir diese Worte oder legen sie den Völkern aus, wo wir nicht nur dem nicht entsagen, was wir besitzen, sondern auch noch das erwerben wollen, was wir niemals besessen haben, bevor wir zu Christus kamen? Können wir denn, weil das Gewissen uns quält, verheimlichen und nicht verkünden, was geschrieben steht? Ich will nicht eines zweifachen Verbrechens schuldig werden. Ich bekenne, und vor dem Volk, das mich hört, bekenne ich, dass dies geschrieben steht, auch wenn ich weiß, dass ich es noch nicht erfüllt habe.504 Doch dank dieser Mahnung wollen wir uns wenigstens beeilen, es zu erfüllen, wollen wir uns beeilen, uns von Priestern des Pharao, denen irdischer Besitz gehört, in Priester des Herrn zu verwandeln, die auf Erden keinen Anteil haben, deren Anteil der Herre ist. Denn ein solcher war auch er, der sagte: „Wie Bedürftige, die aber viele bereichern, wie Besitzlose, die alles besitzen.“f Paulus ist es, der sich dessen rühmt. Willst du auch hören, was Petrus über sich verkündet? Hört ihn, wie er gemeinsam mit Johannes Bibliothek des geliebten Vaters verkauft; vgl. Eusebius, hist. eccl. VI 3,9 (GCS Eus. 2/2, 529); zu Origenes’ gelebter Armut siehe auch Alviar, Klesis 180–185.

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Homilia XVI

eum cum Iohanne pariter profitentem et dicentem: „Aurum et argentum non habeo, sed quod habeo, hoc tibi do. In nomine Iesu Christi surge et ambula!“ a Vides sacerdotum Christi diuitias, uides nihil habentes quanta et qualia largiuntur? Istas opes largiri non potest terrena possessio. 6. Contulimus sacerdotes sacerdotibus; nunc, si uidetur, et populum Aegyptium populo Israhelitico conferamus. Dicitur enim in consequentibus quia post famem et seruitutem populus Aegyptius quintas offerat Pharaoni; b e contrario uero Israheliticus populus decimas offert sacerdotibus. Vide et in hoc scripturam diuinam ingenti ratione subnixam. Vide Aegyptium populum quinario numero tributa pendentem: Quinque enim sensus corporei designantur, quibus carnalis populus seruit; semper enim Aegyptii uisibilibus rebus et corporalibus obsequuntur. At uero Israheliticus populus honorat decadam perfectionis numerum; decem enim uerba legis accepit et decalogi uirtute constrictus ignota mundo huic sacramenta diuina largitione suscepit. Sed et in nouo testamento similiter uenerabilis est decas, sicut et fructus spiritus denis exponitur germinare uirtutibus c et seruus fidelis de negotiationis suae lucris decem mnas offert Domino et decem ciuitatum accipit potestatem. d Verum quia unus auctor est omnium et fons et initium unus est Christus, idcirco et populus decimas quidem ministris et sacerdotibus praestat, primogenita uero offert primogenito omnis creaturae et initia initio omnium, de quo scriptum est: „Qui est initium, primogenitus omnis creaturae.“ e Vide ergo ex his omnibus differentiam populi Aegyptiorum et populi Israhel et differentiam sacerdotum Pharaonis et sacerdotum Domini, et discutiens temet ipsum peruide, de quo populo sis et cuius ordinis sacerdotium teneas. Si adhuc carnalibus sensibus seruis, si adhuc quinario numero uectigal exsoluis et respicis ea, quae uisibilia et temporalia sunt, et non respicis ea, quae inuisibilia et aeterna sunt, f de Aegyptio te populo esse cognosce. Si uero decalogum legis et decadam noui testamenti, quam supra exposuimus, a f

b Apg. 3,6 vgl. Gen. 47,24 vgl. 2 Kor. 4,18

c

vgl. Gal. 5,22

d

vgl. Lk. 19,16f.

e

Kol. 1,18.15

505 Vgl. Philon, migr. Abr. 204 (II p. 308 Cohn/Wendland): Josef schreibt den Ägyptern vor, ein Fünftel des Getreides abzuliefern, „das heißt Stoff und reichlich Nahrung für die fünf Sinne (taiÄw peÂnte aiÆsuhÂsesin) aufzuhäufen, damit ein jeder von ihnen in unaufhörlicher Sättigung schwelge und den Geist . . . ertränke“; ferner plant. 132 (II p. 159); Origenes, in Num. hom. 5,2 (GCS Orig. 7, 27). 506 Die Zehn gilt seit den Pythagoreern als „etwas Vollkommenes“, umfasst sie doch als Summe der Eins, Zwei, Drei und Vier „die ganze Natur von Zahl“: Aristoteles, met. I 5, 986 a 8–10; vgl. Origenes, in Ex. hom. 9,3 (GCS Orig. 6, 240). Zur tieferen Bedeutung der Zahlen 1, 30, 50, 100 und 300 vgl. oben in Gen. hom. 2,5

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Homilie 16,5–6

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bekennt und sagt: „Gold und Silber besitze ich nicht, doch was ich besitze, das schenke ich dir. Im Namen Jesu Christi, steh auf und geh!“a Siehst du die Reichtümer der Priester Christi, siehst du, was die Besitzlosen in welcher Fülle verschenken? Diese Schätze kann kein irdischer Besitz verschenken. 6. Wir haben Priester mit Priestern verglichen; nun wollen wir, wenn es recht ist, auch das ägyptische Volk mit dem israelitischen Volk vergleichen. Denn im Folgenden heißt es, nach Hungersnot und Knechtschaft biete das ägyptische Volk Pharao den Fünften an;b das israelitische Volk hingegen bietet den Priestern den Zehnten an. Erkenne auch hierin, dass die göttliche Schrift von einem gewaltigen Prinzip getragen wird. Erkenne, wie das ägyptische Volk seine Abgaben in der Fünfzahl entrichtet. Denn fünf körperliche Sinne zählt man, denen das fleischliche Volk zu Willen ist;505 immer nämlich gehorchen die Ägypter den sichtbaren und leiblichen Dingen. Das israelitische Volk hingegen ehrt die Zehn als Zahl der Vollkommenheit.506 Denn die zehn Worte des Gesetzes hat es empfangen und, von der Kraft des Dekalogs geeint,507 aus göttlicher Freigebigkeit Geheimnisse empfangen, die dieser Welt unbekannt sind. Doch auch im Neuen Testament ist die Zehn ähnlich ehrwürdig. Zum Beispiel wird dargelegt, dass die Frucht des Geistes in zehn Tugenden aufgeht,c und der treue Knecht übergibt als Gewinn seiner Geschäfte seinem Herrn zehn Minen und empfängt Macht über zehn Städte.d Da aber einer der Schöpfer von allem ist, und Quell und Anfang der eine Christus ist, deshalb entrichtet das Volk den Opferdienern und Priestern zwar den Zehnten, die Erstgeborenen aber bringt es dem Erstgeborenen aller Schöpfung dar und die Anfänge508 dem Anfang von allem, über den geschrieben steht: „Er ist der Anfang, der Erstgeborene aller Schöpfung.“e So erkenne aus all dem den Unterschied zwischen dem Volk der Ägypter und dem Volk Israel und den Unterschied zwischen den Priestern des Pharao und den Priestern des Herrn. Halte Zwiesprache mit dir und erkenne, aus welchem Volk du stammst und welche Art Priestertum du innehast. Dienst du noch immer den fleischlichen Sinnen, entrichtest du noch immer in der Fünfzahl Steuern und kümmerst dich um das, was sichtbar und zeitlich ist, kümmerst dich aber nicht um das, was unsichtbar und unvergänglich ist,f so erkenne, dass du aus dem ägyptischen Volk stammst. Stehen dir jedoch der Dekalog des Gesetzes und die Zehnzahl des Neuen Testaments, (GCS Orig. 6, 33–36) und insgesamt de Lubac, Exe´ge`se me´die´vale II/2, 7–40. – Der Symbolismus der Zahlen, der letztlich auf die Pythagoreer zurückgeht, wird von Philon an ein Lieblingsthema alexandrinischer Exegese; vgl. plant. 123 (II p. 157 Cohn/Wendland); erud. 90 (III p. 90); decal. 20 (IV p. 272f.). 507 Oder: „von der Tugend des Dekalogs in Zaum gehalten“. 508 Gemeint sind die „Erstlingsgaben“.

292

Homilia XVI

semper ante oculos habes et de his decimas offers et primogenita sensus tui in fide inmolas primogenito ex mortuis et initia tua refers ad initium omnium, a uerus Israhelita es, in quo dolus non est. b Sed et sacerdotes Domini si semet ipsos discutiant et a terrenis actibus liberi sint et a possessione mundana, uere possunt dicere ad Dominum quia: „Ecce nos dimisimus omnia, et secuti sumus te“ c atque audire ab eo quia: „Vos, qui secuti estis me, in regeneratione omnium, cum uenerit Filius hominis in regno suo, sedebitis et uos supra duodecim thronos iudicantes duodecim tribus Israhel.“ d 7. Post haec uideamus, quid dicit Moyses: „Et habitauit“, inquit, „Israhel in Aegypto, in terra Gessen.“ e Interpretatur autem Gessen ,proximitas‘ uel ,propinquitas‘. Per quod ostenditur quia, etiamsi in Aegypto habitet Israhel, non tamen longe est a Deo, sed proximus est ei et coniunctus, sicut etiam ipse dicit quia: „Ego descendam tecum in Aegyptum“ f „et ero tecum.“ g Et nos ergo etiam si uidemur in Aegyptum descendisse, etiam si in carne positi agones mundi huius et certamina sustinemus, etiam si inter eos habitamus, qui deseruiunt Pharaoni, tamen si prope Deum simus, si in mandatorum eius meditatione uersemur et „praecepta eius ac iudicia“ h perquiramus – hoc est enim esse prope Deum semper, quae Dei sunt cogitare, quae Dei sunt quaerere i –, et Deus semper erit nobiscum, per Christum Iesum Dominum nostrum, „cui est gloria in saecula saeculorum. Amen.“ j vgl. Kol. 1,18 b vgl. Joh. 1,47 g h 46,4 Gen. 26,3 Dtn. 12,1

a

c

Mt. 19,27 d Mt. 19,28 e Gen. 47,27 i j vgl. Phil. 2,21 Gal. 1,5

f

Gen.

509 Vgl. Wutz, Onomastica sacra 569 (diese Deutung des Namens findet sich einzig hier). In beiden Worten schwingt auch die Idee der ,Verwandtschaft‘ mit.

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Homilie 16,6–7

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die wir eben ausgelegt haben, stets vor Augen und bringst du von diesen den Zehnten dar, opferst du im Glauben die Erstgeborenen deines Geistes dem Erstgeborenen aus den Toten und erstattest deine Anfänge dem Anfang von allem,a dann bist du ein wahrer Israelit, in dem kein Fehl ist.b Aber auch die Priester des Herrn können, wenn sie Zwiesprache mit sich halten und von irdischen Werken und weltlichem Besitz frei sind, wahrhaftig zum Herrn sagen: „Siehe, wir haben alles aufgegeben und sind dir gefolgt“,c und von ihm hören: „Ihr, die ihr mir gefolgt seid: Bei der Wiedergeburt von allem, wenn der Menschensohn in seinem Reich kommt, werdet auch ihr auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.“d 7. Lasst uns danach ansehen, was Mose sagt: „Und Israel“, heißt es, „wohnte in Ägypten im Landstrich Goschen.“e Goschen heißt aber übersetzt ,Nachbarschaft‘ oder ,Nähe‘.509 Dadurch wird verdeutlicht, dass Israel, auch wenn es in Ägypten wohnt, Gott trotzdem nicht fernsteht, sondern ihm ganz nahe und verbunden ist, wie er ja selbst sagt: „Ich werde mit dir nach Ägypten hinabsteigen“f „und mit dir sein.“g So auch wir: Auch wenn es scheint, als seien wir nach Ägypten hinabgestiegen, auch wenn wir im Fleisch die Wettkämpfe und Schlachten dieser Welt auf uns nehmen, auch wenn wir unter denen wohnen, die Pharao unterworfen sind – wenn wir trotzdem Gott nahe sind, wenn wir uns in die Betrachtung seiner Gebote versenken und „seine Vorschriften und Urteile“h sorgfältig erforschen (das nämlich heißt es, Gott allezeit nahe zu sein: auf das bedacht zu sein, was Gottes ist, zu suchen, was Gottes isti),510 dann wird auch Gott allezeit mit uns sein, durch Christus Jesus, unseren Herrn, „der gepriesen wird auf ewige Zeiten. Amen.“j

510 Vgl. sel. in Ps. 118(119),169 (XIII p. 104 Lommatzsch): „Der Vollkommenere nähert sich Gott. . . . Sich nähern heißt aber: Wenn wir begreifen werden, dass Christus Gerechtigkeit ist.“

Anhang

296

Homiliae secundae quae supersunt 1 Catenae

Procopius

[ÆVrigeÂnoyw.] ZhthteÂon potapoÁn deiÄ noh Ä sai toÁ sxh Ä ma th Ä w kibvtoy Ä´ oÏper nomiÂzv oÏti pyramoeideÂw eÆstin, aÆrxomeÂnhw aÆpoÁ meÁn mhÂkoyw triakosiÂvn phxv Ä n, aÆpoÁ deÁ plaÂtoyw penthÂkonta kaiÁ eÆpiÁ toyÁw triaÂkonta toy Ä yÏcoyw phÂxeiw eÆpisynagoÂmenon, v Ï ste thÁn koryfhÁn geneÂsuai mhÂkoyw kaiÁ plaÂtoyw ph Ä xyn.

ZhteiÄtai deÁ potapoÁn deiÄ noh Ä sai toÁ sxh Ä ma th Ä w kibvtoy Ä ´ oÏper nomiÂzv, fhsiÂn, oÏti pyramoeideÂw eÆstin, aÆrxoÂmenon aÆpoÁ mhÂkoyw t phxv Ä n, aÆpoÁ deÁ plaÂtoyw n kaiÁ eÆpiÁ l toy Ä yÏcoyw phÂxeiw eÆpisynagoÂmenon, v Ï ste thÁn koryfhÁn geneÂsuai mhÂkoyw kaiÁ plaÂtoyw ph Ä xyn.

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 66,1–8) Primo ergo quaeritur, qualem oporteat habitum ipsum et formam arcae intellegi. Quam ego puto, quantum ex his, quae describuntur, apparet, quattuor angulis ex imo consurgentem eisdemque paulatim usque ad summum in angustum attractis in spatium unius cubiti fuisse conlectam. Sic enim refertur, quod in fundamentis eius trecenti cubiti in longitudine, in latitudine uero quinquaginta sunt positi, triginta autem in altitudine aedificati, sed conlecta in cacumen angustum, ita ut cubitus sit latitudinis et longitudinis eius.

297

Das griechische Fragment der zweiten Homilie 1 Katenen

Prokop

[Von Origenes.] Zu fragen ist, wie

Gefragt wird, wie man sich das Erscheinungsbild der Arche vorzustellen habe. [Im Folgenden decken sich die Texte Prokops und der Katenen.]

man sich das Erscheinungsbild der Arche vorzustellen hat. Meines Erachtens ist es pyramidenförmig, wobei die Arche unten mit einer Länge von dreihundert Ellen und einer Breite von fünfzig Ellen beginnt und sich dreißig Ellen in die Höhe erhebt. Dort läuft sie so zusammen, dass der First an Länge und Breite eine Elle misst.

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 67,1–9) Die erste Frage lautet nun, wie man sich Erscheinungsbild und Gestalt der Arche vorzustellen hat. Ich vermute, soweit dies aus der Beschreibung deutlich wird, dass sie sich von der Grundfläche aus mit vier Kanten erhob und sich mit eben diesen vier Kanten, die bis zum First allmählich zusammenliefen, auf eine Fläche von je einer Elle Kantenlänge verengte. So wird es nämlich berichtet, dass man ihren Boden dreihundert Ellen lang und fünfzig Ellen breit anlegte, sie aber dreißig Ellen in die Höhe zog; sie lief aber in einen so engen First zusammen, dass dessen Länge und Breite eine Elle betrugen.

298

Homiliae secundae quae supersunt

2 Catenae

Procopius

ÍEstv deÁ taÁ meÁn kaÂtv ayÆth Ä w, aÏper vÆnoÂmastai „kataÂgaia“, oÆrofv Än dyÂo, taÁ deÁ yëpeÁr taÁw dyÂo oÆrofaÁw eÆpiÁ tv Äì aÆnvteÂrv oÆroÂfvì oÆroÂfvn triv Ä n. Toy Ä to deÁ kaiÁ oë SyÂmmaxow safv Ä w eÆjeÂueto eiÆpvÂn´ „KataÁ diÂstega kaiÁ triÂstega poihÂseiw ayÆthÂn.“

ÍEstv deÁ taÁ meÁn kaÂtv ayÆth Ä w, aÏper vÆnoÂmastai „kataÂgaia“, oÆrofv Ä n bÂ, taÁ deÁ yëpeÁr taÁw dyÂo oÆrofaÁw eÆpiÁ toÁ aÆnvteÂrv oÆrofv Ä n gÂ. Toy Ä to deÁ kaiÁ oë SyÂmmaxow safv Ä w eÆjeÂueto eiÆpvÂn´ „kataÁ taÁ diÂstega kaiÁ triÂstega poihÂseiw ayÆthÂn“.

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 66,8–10) Iam uero intrinsecus ea quidem, quae dicuntur eius inferiora, bicamerata ponuntur, id est habitationem duplicem continentia, superiora uero tricamerata, ueluti si dicamus triplicibus constructa cenaculis.

3 Catenae

Procopius

NohÂseiw kau’ eëkaÂsthn oÆrofhÁn aÆpodialambanoÂmena xvriÂa yëpeÁr toy Ä xvriÂzesuai taÁ aÆnomoiogenh Ä zv Äì a aÆp’ aÆllhÂlvn´ kaiÁ kaleiÂsuv taÁ aÆpodialambanoÂmena tay Ä ta xvriÂa „nossiai“, aÏ pvw oë SyÂmmaxow pepoiÂhke „kaliai“. KaiÁ met’ oÆliÂga´ FasiÁ ... [cf. 10]

NoeiÂsuv deÁ kau’ eëkaÂsthn oÆrofhÁn aÆpolambanoÂmena xvriÂa yëpeÁr toy Ä xvriÂzesuai taÁ aÆnomoiogenh Ä zv Äì a, aÏper kaleiÄ nossiaÂw, oë deÁ SyÂmmaxow kaliaÂw.

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 66,10–14) Sed haec habitationum distinctiones ad hoc factae uidentur, ut secerni per singulas mansiones diuersa animalium uel bestiarum genera facilius possint et a bestiis feris mansueta quaeque et ignaua seiungi. Istae ergo habitationum discretiones nidi appellantur.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

299

2 Katenen

Prokop

Ihr unterer Teil, den man Untergrund nennt, bestehe aus zwei Decks, der Teil über den zwei Decks, auf dem Oberdeck, aus drei Decks. Das hat auch Symmachus verständig dargetan, als er übersetzte: „Zweistöckig und dreistöckig wirst du sie bauen.“

[Prokops Text deckt sich mit dem der Katenen.]

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 67,9–11) Im Innern aber wird das, was ihr Unterdeck genannt wird, zweistöckig angelegt, das heißt es enthält eine doppelte Ebene, das Oberdeck aber dreistöckig, als sagten wir, es sei mit drei Etagen ausgestattet.

3 Katenen

Prokop

Du wirst begreifen, dass auf jedem Deck Räume separiert waren, um die Tiere der verschiedenen Arten voneinander trennen zu können. Nennen wir diese separierten Räume „Nester“ – woraus Symmachus gewissermaßen „Nischen“ gemacht hat. Und wenig später: Man berichtet also … [vgl. Nr. 10]

Man begreife, dass auf jedem Deck Räume separiert waren, um die Tiere der verschiedenen Arten voneinander trennen zu können. Die Schrift nennt sie „Nester“, Symmachus „Nischen“.

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 67,12–16) Diese Trennung der Ebenen scheint aber zu dem Zweck gemacht, dass sich die verschiedenen Tier- oder Raubtierarten leichter auf die einzelnen Behausungen verteilen und all die zahmen und schwachen Tiere von den wilden Raubtieren trennen lassen. Diese separaten Wohnungen nennt man also Nischen.

300

Homiliae secundae quae supersunt

4 Catenae

Procopius

[DidyÂmoy.] PleiÂsthn aÆkoloyuiÂan eÍxei toÁn rëhtoÂn. ÆEk jyÂlvn tetragvÂnvn prostattomeÂnoy poih Ä sai thÁn kibvtoÁn toy Ä Nv Ä e, prv Ä ton meÁn oyËn, Ïina mhÁ polyÁw xroÂnow katanaliÂskhtai eiÆw diaiÂresin ayÆtv Ä n´ eÍpeita, oÏper kaiÁ aÆlhueÂsteroÂn eÆstin, Ïin’ eÆj oëloklhÂrvn jyÂlvn ginomeÂnh aÆsfalesteÂra tygxaÂnh´ ì eÍmelle gaÁr kaiÁ oÍresi prospelaÂzein kaiÁ zaÂlhn oyÆ mikraÁn yëfiÂstasuai, proÁw aÏper oyÆk aÆnteiÄxen eiÆ mhÁ eÆj oëloklhÂrvn jyÂlvn kateskeyÂasto.

TetraÂgvna deÁ eÍstv taÁ jyÂla´ prv Äton meÁn Ïina mhÁ polyÂw xroÂnow katanaliÂskhtai eiÆw diaiÂresin ayÆtv Ä n´ eÍpeita, oÏper kaiÁ aÆlhueÂsteroÂn eÆstin, Ïin’ eÆj oëloklhÂrvn jyÂlvn ginomeÂnh aÆsfalesteÂra tygxaÂnh´ ì eÍmelle gaÁr kaiÁ oÍresi prospelaÂzein kaiÁ zaÂlhn oyÆ mikraÁn yëfiÂstasuai, proÁw aÏper oyÆk aÆnteiÄxen eiÆ mhÁ eÆj oëloklhÂrvn kateskeyÂasto jyÂlvn.

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 66,14–16) Quadrata uero ligna fuisse referuntur, quo et facilius alterum alteri possit aptari et inundante diluuio totus aquarum prohiberetur incursus … [continuatur numero sequente]

5 Catenae (a)

Procopius (a)

[DidyÂmoy.] XrhsiÂmvw deÁ kaiÁ nossiaÁw geneÂsuai prostaÂttei, aiÏper eiÆsiÁ xv Ä rai dihrhme ì Â nai, dyÂo toyÂtvn eÏneken, proÁw toÁ mhÁ aÆnamiÁj eiËnai thÁn tv Ä n zvÂì vn diatribhÁn v Î n eÍmellen eiÆsaÂgein meu’ eëaytoy Ä kaiÁ proÁw toÁ syÂndesin eiËnai toy Ä kataskeyaÂsmatow´

Aië deÁ nossiaiÁ kaiÁ diexvÂrizon taÁ zv Äì a kaiÁ syÂndesin eiÆrgaÂzonto tv Äì kataskeyaÂsmati.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

301

4 Katenen

Prokop

[Von Didymus.] Der Text besitzt größte innere Stimmigkeit. Wenn Noah den Auftrag empfängt, die Arche aus Kanthölzern zu bauen, so zunächst, damit nicht viel Zeit dabei verloren gehe, sie aufzusägen; dann – was noch entscheidender ist –, damit die Arche, entstehe sie aus massiven Hölzern, stabiler werde. War es ihr doch bestimmt, sich auch Bergen zu nähern und nicht eben harmlose Unwetter zu bestehen, denen sie kaum standhielte, wäre sie nicht aus massiven Hölzern gebaut.

Aus Kanthölzern bestehe die Arche, zunächst, damit nicht viel Zeit dabei verloren gehe [Im Folgenden decken sich die Texte Prokops und der Katenen.]

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 67,16–18) Es wird aber berichtet, dass die Hölzer Kanthölzer waren, damit sich das eine leichter mit dem anderen verbinden lasse und bei steigender Flut jedes Eindringen der Wasser verhindert werde … [fortgesetzt in Nr. 5]

5 Katenen (a)

Prokop (a)

[Von Didymus.] Sinnvollerweise befiehlt der Herr, dass Nester entstehen, das heißt separate Räume, aus den beiden Gründen: damit die Tiere, die Noah mit sich an Bord bringen sollte, sich nicht chaotisch vermischten, und damit die Konstruktion stabil verbunden sei.

Die Nester trennten die Tiere und sorgten dafür, dass die Konstruktion stabil verbunden ist.

302

Homiliae secundae quae supersunt

(b)

(b)

[DidyÂmoy.] ÆAsfaltoyÄtai deÁ kaiÁ eÍsvuen kaiÁ eÍjvuen proÁw toÁ mhdemiÂan pareiÂsdysin yÏdatow geneÂsuai.

ëYpeÁr deÁ toy Ä mhÁ eÍxein pareiÂsdysin toÁ yÏdvr aÆsfaÂltvì perialhliÂfuv eÍjvueÂn te kaiÁ eÍsvuen´

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 66,16) … cum intrinsecus et extrinsecus oblita bitumine iunctura muniretur.

6 Catenae

Procopius

[DidyÂmoy.] EyË deÁ kaiÁ toÁ eiËnai toÁ mh Äkow toy Ä plaÂtoyw meiÄzon´ oyÏtv gaÁr eyÆkiÂnhton hËn, eÆpeiÁ kaiÁ taÁ skaÂfh tayÂthw eiÆsiÁ toy Ä sxhÂmatow aÆnalogiÂaw.

EyË deÁ kaiÁ toÁ eiËnai toÁ mh Ä kow toy Ä plaÂtoyw meiÄzon´ oyÏtv gaÁr eyÆkiÂnhton hËn´ toiay Ä ta gaÁr kaiÁ taÁ skaÂfh th Ä w aÆnalogiÂaw fylattomeÂnhw tv Äì sxhÂmati.

7 Procopius [deest in Catenis] ÏAma deÁ kaiÁ proÁw tosoy Ä ton yÏdvr eÆtyÂgxanen aÆsfaleÁw oyÍte peritraph Ä nai diaÁ toÁ sxh Ä ma dynaÂmenon eÆj aÆneÂmvn hà tv Ä n kymaÂtvn oyÍte klinoÂmenon hà plagiazoÂmenon´ troÂpon deÁ oiÆkiÂaw teuemelivmeÂnhw eëstvÂshw eÆn yÏdati th Ä w kibvtoy Ä . KaiÁ oyÆk aÍn tiw aÆsfaleÂsteron eÆpinohÂseie sxh Äma proÁw tosayÂthn foraÂn te kaiÁ biÂan.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

303

(b)

(b)

[Von Didymus.] Die Arche ist innen

Um zu verhindern, dass Wasser eindringe, werde die Arche innen wie außen mit Teer verpicht.

wie außen mit Teer verpicht, damit kein Tropfen Wasser eindringen könne.

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 67,18f.) … weil die Fugen, innen wie außen mit Teer verpicht, gesichert wurden.

6 Katenen

Prokop

[Von Didymus.] Es trifft sich auch

Es trifft sich auch gut, dass die Länge der Arche ihre Breite übertrifft. So ließ sie sich gut steuern, denn auch ihr so beschaffener Rumpf bewahrte die gleiche Gestalt.

gut, dass die Länge der Arche ihre Breite übertrifft. So ließ sie sich gut steuern, da auch ihr Rumpf von gleicher Gestalt ist.

7 Prokop [fehlt in den Katenen] Ungeachtet solcher Wassermassen war die Arche zugleich auch sicher und dank ihrer Gestalt weder in der Lage, unter dem Ansturm der Winde oder Wogen zu kentern, noch schlingerte sie oder hatte Schlagseite. Fest gegründet wie ein Haus stand die Arche im Wasser. Und niemand hätte sich angesichts solcher Belastungen und Naturgewalten eine sicherere Form ausdenken können.

304

Homiliae secundae quae supersunt

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 68,33–70,6) Verumtamen quantum ad necessitatem pluuiarum et diluuii spectat, nulla potuit tam conueniens et congrua arcae species dari quam ut e summo uelut e tecto quodam in angustum culmen educto diffunderet imbrium ruinas, et ima in aquis quadrata stabilitate consistens nec inpulsu uentorum nec inpetu fluctuum nec inquietudine animalium, quae intrinsecus erant, aut inclinari posset aut mergi.

8 Catenae

Procopius

[DidyÂmoy.] EiÆ d’ oÏti tetraÂgvnow kaÂtvuen geÂgone tiw leÂgoi, kaiÁ toy Ä to oyÆk aÆpeikoÂtvw´ eÆpeiÁ gaÁr oyÆk eiÆw toÁ pleiÄn prohgoymeÂnvw, aÆll’ eiÆw toÁ fylaÂttein eÆgiÂneto. DiaÁ toy Ä to oyÏtvw geÂgonen. ÍAllvw te kaiÁ katepontoy Ä to taxeÂvw, eiÆ mhÁ tetraÂgvnon hËn. [sequitur textus in 26 lauda-

EiÆ deÁ oÏti tetraÂgvnow kaÂtvuen geÂgone tiw leÂgoi, kaiÁ toy Ä to oyÆk aÆpeikoÂtvw´ eÆpeiÂper oyÆk eiÆw toÁ pleiÄn prohgoymeÂnvw, aÆll’ eiÆw toÁ fylaÂttein eÆgeÂneto´ aÍllvw te kaiÁ katepontoy Ä to taxeÂvw, eiÆ mhÁ tetraÂgvnon hËn.

tus]

9 Procopius [deest in Catenis] ParadeÂdotai deÁ oyÆk aÆpiuaÂnvw hÏ te xreiÂa tv Ä n dyÂo katagaiÂvn oÆrofv Än kexvrismeÂnvn paraÁ taÁw aÆnvteÂrv kaiÁ tv Ä n triv Ä n iÆdiÂaì vÆnomasmeÂnvn´ eÆpeiÁ gaÁr eÆniaytoÁn pepoiÂhke paÂnta taÁ zv Äì a eÆn th Äì kibvtv Äì , paÂntvw eÍdei proÂnoian geneÂsuai th Ä w te eÆpithdeiÂoy pa Ä si trofh Ä w ayÆtaÂrkoyw proÁw eÆniaytoÁn kaiÁ th Ä w tv Ä n eÆkkrinomeÂnvn skybaÂlvn xvÂraw dynameÂnhw mhÁ eÆnoxleiÄn toiÄw zvÂì oiw kaiÁ maÂlista toiÄw aÆnurvÂpoiw.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

305

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 71,1–8) Was aber die Gewalt der Regengüsse und der Überschwemmung angeht, so konnte die Arche keine passendere und angemessenere Form erhalten, als dass sie von ihrem Scheitel aus wie von einem in einen spitzen First hochgezogenen Dach die Wolkenbrüche zerstreute und zugleich unten mit einem festgefügten Viereck sicher in den Fluten stand und weder vom Peitschen der Winde noch vom Ungestüm der Wogen noch durch die Unrast der Tiere in ihrem Innern zum Kentern oder Sinken gebracht werden konnte.

8 Katenen

Prokop

[Von Didymus.] Stellte jemand fest,

[Prokops Text deckt sich mit dem der Katenen; es fehlt nur: Deshalb wurde sie auf diese Art gebaut.]

dass ihr Rumpf rechteckig war, wäre auch dies zutreffend. Denn in erster Linie war die Arche nicht für das Fahren, sondern für das Retten gebaut. Deshalb wurde sie auf diese Art gebaut. Wäre sie im übrigen nicht rechteckig gewesen, wäre sie rasch untergegangen. [Es folgt unmittelbar der Text von Katenen 26]

9 Prokop [fehlt in den Katenen] Recht zuverlässig überliefert ist die Verwendung der beiden Unterdecks, die von den Oberdecks getrennt sind, und die der drei, die eigens benannt sind. Denn da alle Tiere ein ganzes Jahr in der Arche verbrachten, war es dringend notwendig, ausreichend Nahrungsmittel für alle für ein ganzes Jahr vorzusehen, sowie Räumlichkeiten für die Ausscheidungen, wo diese weder die Tiere noch insbesondere die Menschen belästigten.

306

Homiliae secundae quae supersunt

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 66,17–23) Traditum sane nobis est, et non absque uerisimilitudine, quod inferiora (quae supra diximus constructa dupliciter, quae et separatim bicamerata appellata sunt exceptis superioribus, quae tricamerata dicuntur) ob hunc modum fuisse duplicia, quoniamquidem annum integrum fecerunt omnia animalia in arca, et utique in totum annum necesse erat prouideri cibos et non solum cibos, uerum et digestionum constitui loca, quo neque ipsa animalia, praecipue tamen homines, fimi fetore uexarentur.

10 Catenae

Procopius

FasiÁ toiÂnyn oÏti hë meÁn katvteÂrv proÁw tv Äì pyumeÂni toy Ä divroÂfoy steÂgh eiÆw skyÂbala aÆpeteÂtakto´ hë deÁ tayÂthw aÆnvteÂrv eiÆw thÁn synagvghÁn th Ä w trofh Ä w tv Ä n zvÂì vn, v Ï ste eyÆporeiÄn taÁ meÁn sarkoboÂra sarkv Ä n ± taÁ eÏtera zv Äì a paraÁ taÁ eiÆw diathÂrhsin eiÆsaxueÂnta trofh Äw eÏneken eiÆshÂxuh eiÆw thÁn kibvtoÂn ±, taÁ deÁ mhÁ toiay Ä ta th Ä w eÆpithdeiÂoy eÏkaston eyÆporh Ä sai trofh Ä w.

FasiÁ toiÂnyn oÏti hë meÁn katvteÂrv kaiÁ proÁw tv Äì pyumeÂni toy Ä divroÂfoy steÂgh eiÆw skyÂbala aÆpeteÂtakto´ hë deÁ tayÂthw aÆnvteÂrv eiÆw thÁn synagvghÁn th Ä w trofh Ä w tv Ä n zvÂì vn.

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 66,23–29) Tradunt ergo quod inferior regio ipsa, quae in fundo est, ad huiuscemodi necessitates mancipata sit et excepta, huic autem superior contigua conseruandis pabulis deputetur. Etenim necessarium uidebatur ut his bestiis, quibus natura uesci carnibus dedit, introducta sint extrinsecus animalia, quorum uescentes carnibus conseruare uitam posteritatis reparandae gratia ualerent, aliis uero alia, quae naturalis usus deposcit, seruarentur alimenta.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

307

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 67,20–28) Eine Tradition erzählt uns nun, und nicht ohne Wahrscheinlichkeit, dass das Unterdeck, von dem wir oben berichteten, dass es zweiteilig gebaut war, und das seinerseits zweistöckig genannt wurde (anders als das Oberdeck, das als dreistöckig bezeichnet wird), aus dem Grund zweiteilig war, weil ja alle Tiere ein ganzes Jahr in der Arche verbrachten und es in der Tat notwendig war, für ein ganzes Jahr Nahrungsmittel unterzubringen, und nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Räumlichkeiten für die Ausscheidungen vorzusehen, damit die Tiere, besonders aber die Menschen nicht unter dem Gestank des Kots zu leiden hätten.

10 Katenen

Prokop

Man berichtet also, im Zweierdeck sei das Deck unten im Kielraum eigens für den Unrat bestimmt gewesen, das darüber gelegene Deck aber für die Aufbewahrung des Futters für die Tiere, damit die Fleischfresser ausreichend Fleisch hätten (zusätzlich zu den zur Rettung bestimmten Tiere wurden weitere Tiere als Nahrung an Bord gebracht), die Pflanzenfresser* aber ein jeder ausreichend eigenes Futter.

[wie die Katenen, jedoch nur bis: … das darüber gelegene Deck aber für die Aufbewahrung des Futters für die Tiere.]

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 67,28–36) Man berichtet also, der untere Bereich des Unterdecks, der im Kielraum liegt, sei für derlei Bedürfnisse bestimmt und reserviert gewesen, der an ihn angrenzende höhere aber sei für die Aufbewahrung des Futters auserkoren worden. Denn es schien notwendig, für die Raubtiere, die sich naturgemäß von Fleisch ernähren, von draußen Tiere an Bord zu bringen, damit sie deren Fleisch verzehrten und so imstande wären, um der Nachkommenschaft willen, die es zu erneuern galt, ihr Leben zu erhalten, für die anderen Tiere aber andere Nahrungsmittel einzulagern, wie ihre natürlichen Bedürfnisse sie erfordern. *

Wörtlich etwa: „die nicht derartige Kost [d.h. Fleisch] (verzehrenden Tiere)“.

308

Homiliae secundae quae supersunt

11 Catenae

Procopius

Tay Ä ta meÁn eiÆw toÁn periÁ tv Ä n katagaiÂvn divroÂfvn loÂgon. ToÁ deÁ metaÁ tay Ä ta trivÂrofon toiÄw zvÂì oiw aÆpeteÂtakto kataÁ taÁw nomisueiÂsaw nossiaÂw. KaiÁ eiÆkoÂw, oÏti tv Äì meÁn tv Än oÍfevn geÂnei kaiÁ uhriÂvn hë toy Ä katvtaÂtoy trivroÂfoy xvÂra aÆpenemhÂuh, toiÄw deÁ kthÂnesi kaiÁ toiÄw loipoiÄw tv Ä n tiuassoteÂrvn hà hëmervteÂrvn taÂjei kaiÁ loÂgvì taÁ aÆnvteÂrv.

ToÁ deÁ metaÁ tay Ä ta trivÂrofon toiÄw zvÂì oiw aÆpeteÂtakto kataÁ taÁw oÆnomasueiÂsaw nossiaÂw. KaiÁ eiÆkoÂw, oÏti tv Äì meÁn tv Ä n oÍfevn geÂnei kaiÁ uhriÂvn hë toy Ä katvtaÂtoy trivroÂfoy xvÂra aÆpenemhÂuh, toiÄw deÁ kthÂnesi kaiÁ toiÄw loipoiÄw tv Ä n tiuasvteÂrvn hà hëmervteÂrvn taÂjei kaiÁ loÂgvì taÁ aÆnvteÂrv.

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 66,29–68,3) In hos ergo usus inferiores partes, quae bicameratae dicuntur, tradunt fuisse distinctas, superiores uero ad habitaculum bestiis uel animalibus deputatas, in quibus inferiores quidem feris et inmitibus bestiis uel serpentibus habitaculum praebuisse, his uero contigua in superioribus loca mitioribus animantibus stabula fuisse.

12 Catenae

Procopius

ÆExrh Ä n deÁ toÁn aÍnurvpon v Ï sper th Äì fyÂsei aÍrxonta tv Ä n aÆloÂgvn, v În eÆpibeÂbhken ayÆtoÂw, oyÏtv kaiÁ eÆn th Äì xvÂraì eiËnai eÆn toÂpvì aÆnvtaÂtvì th Äw kibvtoy Ä periÁ thÁn triÂthn steÂghn, yëpoxeiÂria eÍxonta taÁ loipaÁ tv Än zvÂì vn.

ÆExrh Ä n deÁ toÁn aÍnurvpon v Ï sper th Äì fyÂsei aÍrxonta tv Ä n aÆloÂgvn, oyÏtv kaiÁ xvÂraì th Äì aÆnvtaÂtv tygxaÂnein periÁ thÁn triÂthn steÂghn.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

309

11 Katenen

Prokop

Soweit zum Sinn des Zweierdecks. Das darüber gelegene Dreierdeck war für die Aufteilung der Tiere in die festgelegten Nester vorgesehen. Und es ist nur fair, dass der unterste Bereich des Dreierdecks dem Geschlecht der Schlangen und Raubtiere zugeteilt war, den Haustieren aber und den übrigen zahmeren oder zutraulicheren Tieren mit Fug und Recht die oberen Ebenen.

Das darüber gelegene Dreierdeck war für die Aufteilung der Tiere in die sogenannten Nester vorgesehen. [Im Folgenden decken sich die Texte Prokops und der Katenen.]

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 67,36–69,6) Für diese Zwecke war der Überlieferung zufolge also der untere Bereich eingeteilt, der zweistöckig heißt; der obere Bereich aber war als Behausung für die Raubtiere beziehungsweise Tiere vorgesehen, wobei dessen untere Etage den wilden und grimmigen Raubtieren beziehungsweise Schlangen Unterkunft geboten habe, die an sie angrenzenden Räumlichkeiten hingegen in der darüberliegenden Etage hätten den zahmeren Lebewesen als Stallungen gedient.

12 Katenen

Prokop

Unvermeidlich weilt der Mensch, der ja von Natur aus über die vernunftlose Kreatur herrscht, über die er sich selbst erhob, entsprechend auf seinem (angemessenen) Platz auf der höchsten Ebene der Arche in der dritten Etage, samt den übrigen von ihm abhängigen Tieren.

[Die Texte Prokops und der Katenen decken sich weitgehend; bei Prokop fehlt nur der Schluss: samt den übrigen von ihm abhängigen Tieren.]

310

Homiliae secundae quae supersunt

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 68,3–7) Supra omnia uero in excelso hominibus sedem locatam, utpote qui et honore et ratione cuncta praecellant, ut, sicut ratione et sapientia principatum gerere supra omnia, quae in terris sunt, dicitur homo, ita etiam loco excelsiore et supra omnes animantes, quae in arca sunt, conlocatus sit.

13 Catenae

Procopius

PiuanoÁn deÁ thÁn plagiÂan periÁ hÎw eiÍrhtai´ „ThÁn deÁ uyÂran th Ä w kibvtoy Ä eÆk plagiÂvn poihÂseiw“, a gegoneÂnai periÁ thÁn kaÂtvuen prvÂthn steÂghn, Ïin’ eÆkeiÄuen eiÆseluoÂnta taÁ zv Äì a aÆpiÂhì eÆpiÁ toyÁw tetagmeÂnoyw ayÆtoiÄw eÆn taiÄw nossiaiÄw toÂpoyw. KaiÁ toy Ä to beÂltion hëmiÄn faiÂnetai leÂgein periÁ ayÆth Ä w hà aÍnvuen nomiÂzein metaÁ pollh Ä w dyskoliÂaw taÁ zv Äì a katabaiÂein eÆpiÁ toyÁw oiÆkeiÂoyw toÂpoyw.

PiuanoÁn deÁ thÁn plagiÂan uyÂran, hÊn eiËpe, gegoneÂnai periÁ thÁn kaÂtvuen prvÂthn steÂghn, Ïina eÆkeiÄuen eiÆseluoÂnta taÁ zv Äì a proÁw taÁw tetagmeÂnaw xvroiÂh neottiÂaw´ eiÆ gaÁr aÍnvuen hËn, metaÁ pollh Ä w dyskoliÂaw aÆnhì ei te taÁ zv Äì a proÁw thÁn kibvtoÁn kaiÁ proÁw toyÁw iÆdiÂoyw toÂpoyw kathÂrxeto.

a

Gen. 6,16

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 68,8–12) Tradunt autem etiam ostium, quod ex latere factum dicitur, eo loci fuisse, ut inferiora, quae dixit bicamerata, infra se haberet, et, quae dixit tricamerata superiora, a loco ostii appellata sint et inde ingressa uniuersa animalia per sua quaeque loca, secundum quae supra diximus, congrua discretione dirempta sint.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

311

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 69,6–11) Über ihnen allen aber, auf der höchsten Ebene, habe sich die Wohnung für die Menschen befunden, die ja auch an Rang und Vernunft alles überragen, damit der Mensch, von dem es heißt, dank seiner Vernunft und Weisheit herrsche er über alles, was auf Erden ist, entsprechend auch in seiner Position erhöht und über alle Lebewesen in der Arche gestellt sei.

13 Katenen

Prokop

Wahrscheinlich befand sich der Seiteneingang, von dem es heißt: „Den Eingang der Arche wirst du an der Seite anlegen“, a auf der ersten Ebene des Oberdecks, damit die an Bord gegangenen Lebewesen von dort aus die für sie bestimmten Plätze in den Nestern aufsuchten. Mir scheint es besser, den Eingang so zu verorten, als anzunehmen, die Tiere seien unter großen Schwierigkeiten von oben zu ihren jeweiligen Unterkünften hinabgestiegen.

Wahrscheinlich befand sich der Seiteneingang, den die Schrift erwähnt, auf der ersten Ebene des Oberdecks, damit die an Bord gegangenen Lebewesen von dort aus die für sie bestimmten Nester erreichten. Hätte der Eingang oben gelegen, wären die Tiere unter großen Schwierigkeiten in die Arche und zu ihren jeweiligen Unterkünften hinabgelangt.

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 69,12–18) Die Tradition besagt aber auch, der Eingang, von dem es heißt, er sei an der Seite angelegt worden, habe so gelegen, dass er das Unterdeck, das die Schrift zweistöckig nannte, unter sich habe, und das Oberdeck, das sie dreistöckig nannte, aufgrund der Position des Eingangs Oberdeck genannt werde und sämtliche an Bord gegangenen Lebewesen von dort aus in füglicher Trennung auf ihre jeweiligen Unterkünfte (gemäß dem, was wir eben dargelegt haben) verteilt würden.

312

Homiliae secundae quae supersunt

14 Catenae

Procopius

[ÆVrigeÂnoyw.] UeioteÂraw deÁ dynaÂmevw eÍxrhzen hë aÆsfaÂleia th Ä w kleiomeÂnhw tayÂthw uyÂraw, oyÆkeÂti dynameÂnoy tinoÁw eÍjvuen aÆnurvÂpoy aÆsfaltv Äsai ayÆthÁn yëpeÁr toy Ä mhÁ pareisdy Änai yÏdvr. DioÁ „eÍkleise kyÂriow oë ueÄ Nv Ä e „kaiÁ oyÏtvw oÁw“ oÍpisuen toy eÆgeÂneto oë kataklysmoÂw“. a

UeioteÂraw deÁ dynaÂmevw eÍxrhzen hë aÆsfaÂleia th Ä w kleiomeÂnhw tayÂthw uyÂraw, oyÆkeÂti dynameÂnoy tinoÁw eÍjvuen aÆnurvÂpoy aÆsfaltv Ä sai ayÆthÁn yëpeÁr toy Ä mhÁ pareisdy Ä nai yÏdvr. DioÁ „eÍkleisen oë ueoÁw“ oÍpisuen toy Ä Nv Ä e „kaiÁ oyÏtvw eÆgeÂneto oë kataklysmoÂw“. a

a

Gen. 7,16f.

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 68,12–19) Verum ostii ipsius munimen non iam humanis rationibus adinpletur. Quomodo enim posteaquam clausum est et nullus hominum extra arcam fuit, bituminari extrinsecus ostium potuit, nisi quia diuinae uirtutis sine dubio opus fuit, ne ingrederentur aquae per aditum, quem humana non munierat manus? Propterea ergo scriptura, cum de ceteris omnibus dixisset, quia fecit arcam Noe et introduxit animalia et filios et uxores eorum, de ostio non dixit, quia Noe clausit ostium arcae, sed ait quia „clausit Dominus Deus deforis ostium arcae, et sic factum est diluuium“. a a

Gen. 7,16f.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

313

14 Katenen

Prokop

[Von Origenes.] Es bedurfte einer göttlichen Macht, um diesen Eingang sicher zu verschließen. Denn kein Mensch war mehr imstande, die Arche von außen zu verpichen, damit kein Wasser eindringe. Deshalb „schloss Gott, der Herr, den Eingang“ hinter Noah, „und so geschah die Flut“. a

[Prokops Text deckt sich mit dem der Katenen.]

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 69,18–27) Den Schutz des Eingangs aber bewerkstelligen keine menschlichen Mittel mehr. Denn wie hätte der Eingang, nachdem er geschlossen und kein Mensch mehr außerhalb der Arche war, von außen verpicht werden können, wenn nicht zweifelsohne göttliche Macht am Werk war, damit kein Wasser durch eine Öffnung eindringe, die keine Menschenhand geschützt hatte? Deshalb also sagte die Schrift, nachdem sie bei allem anderen gesagt hatte, dass Noah die Arche baute und die Tiere und seine Söhne und deren Frauen hineinführte, beim Eingang nicht, dass Noah den Eingang der Arche schloss, sondern sie sagt, dass „Gott, der Herr, den Eingang der Arche von außen schloss, und so geschah die Flut“. a

314

Homiliae secundae quae supersunt

15 Procopius [deest in Catenis] MetaÁ deÁ toÁn kataklysmoÁn parethrhÂsamen oÏti oyÆkeÂti vëw eÆn toiÄw aÆnvteÂrv uyÂran aÆneÂvjen ì oë Nv Ä e, aÆllaÁ „uyriÂda“, a Ïina aÆposteiÂlhì toÁn koÂraka. a

Gen. 8,6

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 68,20–22) Obseruandum tamen est, quod post diluuium non dicitur Noe aperuisse ostium, sed „fenestram“, a cum „emisit coruum, ut uideret, utrum cessasset aqua super terram“. b a

Gen. 8,6

b

Gen. 8,8

16 Procopius [deest in Catenis] BiÂaion de tiw thÁn parathÂrhsin yëpelaÂmbanen, eiÆ mhÁ kaiÁ aië loipaiÁ eÆkdoÂseiw deyÂteron meÁn uyriÂda perieiÄxon aÆnoigomeÂnhn yëpoÁ toy Ä Nv Ä e, proÂteron deÁ uyÂran hà aÍnoigma eÍlegon prostetaxeÂnai toÁn UeoÁn tv Äì Nv Ä e poih Ä sai eÆk plagiÂvn th Ä w kibvtoy Ä ´ „uyÂran“ meÁn gaÁr oë UeodvtiÂvn kaiÁ SyÂmmaxow, „aÍnoigma“ deÁ oë ÆAkyÂlaw eÆpoiÂhse.

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 68,18–22) Ait quia: „Clausit Dominus Deus deforis ostium arcae, et sic factum est diluuium.“ a Obseruandum tamen est, quod post diluuium non dicitur Noe aperuisse ostium, sed „fenestram“, b cum „emisit coruum, ut uideret, utrum cessasset aqua super terram“. c a

Gen. 7,16f.

b

Gen 8,6

c

Gen. 8,8

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

315

15 Prokop [fehlt in den Katenen) Wir haben beobachtet, dass Noah nach der Flut nicht mehr wie weiter oben einen Eingang öffnete, sondern eine „Luke“, c um den Raben auszusenden.

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 69,27–30) Es gilt aber zu beachten, dass es nach der Flut nicht heißt, Noah habe den Eingang geöffnet, sondern eine „Luke“, b als er „den Raben aussandte, um zu sehen, ob das Wasser auf Erden gewichen sei“. c

16 Prokop [fehlt in den Katenen] Diese Beobachtung könnte jemand überzogen finden, stünde nicht auch in den übrigen Ausgaben, dass Noah im Folgenden eine Luke öffnete. Zuerst aber sagten sie, Gott habe Noah aufgetragen, an der Seite der Arche eine Tür oder einen Eingang anzulegen. Denn Theodotion und Symmachus übersetzten „Tür“, und Aquila „Eingang“.

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 69,26–30) (Die Schrift) sagt, dass „Gott, der Herr, den Eingang der Arche von außen schloss, und so geschah die Flut“. a Es gilt aber zu beachten, dass es nach der Flut nicht heißt, Noah habe den Eingang geöffnet, sondern eine „Luke“, b als er „den Raben aussandte, um zu sehen, ob das Wasser auf Erden gewichen sei“. c

316

Homiliae secundae quae supersunt

17 Procopius [deest in Catenis] GeÂgraptai deÁ periÁ tv Ä n trofv Ä n oÏti kaiÁ proseÂtajen oë ueoÁw eiÆsagageiÄn kaiÁ eiÆshÂgage Nv Ä e. a a

cf. Gen. 6,21f.

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 68,23–28) Quod autem cibum intulerit Noe in arcam omnibus animalibus uel bestiis, quae cum eo introierunt, audi ex his, quae Dominus dicit ad Noe: „Tu“ inquit „accipe tibi ipsi ab omnibus escis, quae eduntur, et congregabis ad temet ipsum, et erunt tibi et ipsis ad edendum.“ a Quod autem fecit Noe ea, quae praecepit ei Dominus, audi scripturam dicentem: „Et fecit“ inquit „Noe omnia, quae praecepit ei Dominus Deus, sic fecit.“ b a

Gen. 6,21

b

Gen. 6,22

18 Catenae

Procopius

[DidyÂmoy.] ëH deÁ periÁ tv Ä n skybaÂlvn tv Ä n zvÂì vn paÂrodow kalv Ä w parasesivÂphtai kaiÁ toy Ä Nv Ä e aÏma toiÄw yiëoiÄw dynameÂnoy toÁ aÆkoÂloyuon periÁ toyÂtvn skoph Ä sai kaiÁ hëmv Ä n toÁ paraleleimmeÂnon stoxaÂsasuai kaiÁ aÆnaplhrv Ä sai.

ëH deÁ tv Ä n skybaÂlvn tv Ä n zvÂì vn paÂrodow kalv Ä w parasesivÂphtai kaiÁ toy Ä Nv Ä e dynameÂnoy toÁ aÆkoÂloyuon periÁ toyÂtvn skoph Ä sai kaiÁ hëmv Ä n toÁ paraleleimmeÂnon stoxaÂsasuai.

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,1 (hoc in libro p. 68,28–70,6) Sane quod de locis, quae diximus ad fimum animalium separata, scriptura nihil retulit, sed traditio tenet, opportune uidebitur super hoc habitum esse silentium, de quo sufficienter consequentiae ipsius ratio doceret. Et quia ad spiritalem intellegentiam minus digne poterat aptari, merito ergo scriptura siluit de hoc, quae magis narrationes suas intellectibus allegoricis coaptat. Verumtamen quantum ad necessitatem pluuiarum et diluuii spectat, nulla

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

317

17 Prokop [fehlt in den Katenen] Über die Nahrung steht geschrieben, dass Gott Noah auftrug, sie an Bord zu bringen, und dass Noah sie an Bord brachte. a

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 69,31–37) Dass aber Noah für alle Tiere oder Raubtiere, die mit ihm an Bord gingen, Nahrung in die Arche brachte, entnimm dem, was der Herr zu Noah spricht: „Du“, heißt es, „nimm dir von allen Speisen, die verzehrt werden, und du wirst sie bei dir sammeln, und sie werden dir und ihnen als Zehrung dienen.“ a Dass aber Noah tat, was ihm der Herr auftrug, entnimm der Schrift, die sagt: „Und Noah tat alles, was Gott der Herr ihm auftrug; so tat er es.“ b

18 Katenen

Prokop

[Von Didymus.] Der Durchlass für die Ausscheidungen der Lebewesen wurde zurecht verschwiegen, da Noah und seine Söhne imstande waren, das in diesen Angelegenheiten Erforderliche ins Auge zu fassen, und wir, das Ausgelassene zu vermuten und zu ergänzen.

Der Durchlass für die Ausscheidungen der Lebewesen wurde zurecht verschwiegen, da Noah imstande war, das in diesen Angelegenheiten Erforderliche ins Auge zu fassen, und wir, das Ausgelassene zu vermuten.

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,1 (in diesem Band S. 69,37–71,8) Da die Schrift von den Räumen, von denen wir sagten, sie seien für den Kot der Lebewesen reserviert gewesen, nichts berichtet hat, sondern die Überlieferung an sie erinnert, wird es gewiss angemessen erscheinen, dass über Dinge Stillschweigen gewahrt wurde, über die folgerichtiges Nachdenken hinreichend Aufschluss gab. Und da sie sich für ein geistiges Verständnis kaum würdevoll aufbereiten ließen, schwieg die Schrift, die ihre

318

Homiliae secundae quae supersunt

potuit tam conueniens et congrua arcae species dari quam ut e summo uelut e tecto quodam in angustum culmen educto diffunderet imbrium ruinas, et ima in aquis quadrata stabilitate consistens nec inpulsu uentorum nec inpetu fluctuum nec inquietudine animalium, quae intrinsecus erant, aut inclinari posset aut mergi.

19 Catenae

Procopius

[ÆVrigeÂnoyw.] ÆEphpoÂroyn tineÂw, eiÆ dyÂnatai hë thlikayÂth kibvtoÁw xvrh Ä sai kaÃn toÁ posthmoÂrion tv Ä n eÆpiÁ gh Ä w paÂntvn zvÂì vn. KaiÁ maÂlista ÆApellh Ä w, oë toy Ä MarkiÂvnow gnvÂrimow kaiÁ genoÂmenow eëteÂraw aiëreÂsevw par’ eÆkeiÄnon pathÂr, aÆueteiÄn boyloÂmenow vëw oyÆx aÏgia taÁ Mvy ÈseÂvw syggraÂmmata tay Ä ta eÆpaporhÂsaw eÆpifeÂrei to´ „CeydhÁw aÍra oë my Ä uow´ oyÆk aÍra eÆk ueoy Ä hë grafhÂ.“ OyÆ gaÁr syniÂei podapoyÁw triakosiÂoyw phÂxeiw kaiÁ podapoyÁw penthÂkonta oëphliÂkoyw te triaÂkonta vÆnoÂmasen eÆpiÁ th Ä w kataskeyh Ä w th Ä w kibvtoy Ä hë grafhÂ.

ÆApellh Ä w deÂ, fasiÂn, oë toy Ä MarkiÂvnow gnvÂrimow, ceydh Ä deiÄjai boyloÂmenow thÁn grafhÂn, eÆphpoÂrhsen eiÆ dyÂnatai thlikayÂth kibvtoÁw posthmoÂrion tv Ä n eÆpiÁ gh Ä w xvrh Ä sai zvÂì vn.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

319

Erzählungen mehr auf eine allegorische Deutung ausrichtet, folglich zurecht davon. Was aber die Gewalt der Regengüsse und der Überschwemmung angeht, so konnte die Arche keine passendere und angemessenere Form erhalten, als dass sie von ihrem Scheitel aus wie von einem in einen spitzen First hochgezogenen Dach die Wolkenbrüche zerstreute und zugleich unten mit einem festgefügten Viereck sicher in den Fluten stand und weder vom Peitschen der Winde noch vom Ungestüm der Wogen noch durch die Unrast der Tiere in ihrem Innern zum Kentern oder Sinken gebracht werden konnte.

19 Katenen

Prokop

[Von Origenes.] Gewisse Kreise war-

Apelles, sagt er, der Schüler Markions, der die Schrift als lügnerisch erweisen wollte, warf die Frage auf, ob eine so dimensionierte Arche einem Bruchteil der Lebewesen auf Erden Platz bieten könne.

fen zudem die Frage auf, ob die so dimensionierte Arche auch nur einem Bruchteil aller Lebewesen auf Erden Platz böte. Namentlich Apelles, der Schüler Markions und Vater einer anderen Häresie, die sich von der des Apelles unterschied, der Moses Schriften als nicht heilig verwerfen wollte, warf diese Frage auf und fügt hinzu: „Folglich ist die Geschichte erlogen; folglich stammt diese Schrift nicht von Gott.“ Denn er begreift nicht, von welcher Art von dreihundert und von fünfzig Ellen und von wie großen dreißig Ellen die Schrift beim Bau der Arche sprach.

320

Homiliae secundae quae supersunt

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,2 (hoc in libro p. 70,7–20) Sed his omnibus tanta arte conpositis obiciunt quidam quaestiones et praecipue Apelles, qui fuit discipulus quidem Marcionis, sed alterius hereseos magis quam eius, quam a magistro suscepit, inuentor. Is ergo, dum adsignare cupit scripta Moysi nihil in se diuinae sapientiae nihilque operis sancti Spiritus continere, exaggerat huiusmodi dicta et dicit nullo genere fieri potuisse, ut tam breue spatium tot animalium genera eorumque cibos, qui per totum annum sufficerent, capere potuisset. Cum enim bina bina a ex inmundis animalibus, hoc est bini masculi et feminae binae – hoc enim indicat sermo repetitus –, ex mundis uero septena septena, b quod est paria septena, in arcam dicantur inducta, quomodo, inquit, fieri potuit istud spatium, quod scriptum est, ut quattuor saltem solos elefantes capere potuerit? Et postea quam per singulas species hoc modo refragatur, addit super omnia his uerbis: constat ergo fictam esse fabulam; quod si est, constat non esse hanc a Deo scripturam. a

cf. Gen. 6,19

b

cf. Gen. 7,2

20 Catenae

Procopius

ÆEmaÂuomen deÁ hëmeiÄw aÆpo tinow tv Än par’ ëEbraiÂoiw eÆllogiÂmvn, vëw aÍra oië triakoÂsioi phÂxeiw vÆnomaÂsuhsan vëw hë kaloymeÂnh paraÁ toiÄw gevmeÂtraiw dyÂnamiw toy Ä aÆpoÁ toy Ä triakostoy Ä tetragvÂnoy, vëw eiËnai toyÁw hëmeteÂroyw phÂxeiw toy Ä mhÂkoyw eÆn tv Äì kaÂtv eÆpipeÂdvì eÆnneÂa myriaÂdaw´ oyÏtv deÁ kaiÁ toy Ä plaÂtoyw disxiliÂoyw pentakosiÂoyw kaiÁ toy Ä yÏcoyw eÆnnakosiÂoyw.

ÆAgnov Ä n kauaÁ dh tiw tv Ä n par’ ëEbraiÂoiw eÆllogiÂmvn pareÂdvken, vëw aÍra oië t phÂxeiw vÆnomaÂsuhsan vëw hë kaloymeÂnh paraÁ toiÄw gevmeÂtraiw dyÂnamiw toy Ä aÆpoÁ toy Ä triakoÂsia tetragvÂnoy, vëw eiËnai toyÁw phÂxeiw toy Ä mhÂkoyw eÆn tv Äì kaÂtv eÆpipeÂdvì u myriaÂdaw´ oyÏtv deÁ kaiÁ toy Ä plaÂtoyw disxiliÂoyw pentakosiÂoyw kaiÁ toy Ä yÏcoyw eÆnnakosiÂoyw.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

321

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,2 (in diesem Band S. 71,9–25) Doch obgleich all dies mit soviel Kunst gestaltet ist, werfen gewisse Kreise Fragen auf, namentlich Apelles, der ein Schüler Markions war, jedoch Erfinder einer anderen Häresie, größer als die, die er von seinem Lehrer übernahm. Indem er sich also müht nachzuweisen, dass Moses Schriften keinerlei göttliche Weisheit und keinerlei Wirkkraft des Heiligen Geistes in sich trügen, übertreibt er die entsprechenden Ausführungen und sagt, es sei völlig unmöglich gewesen, dass ein so enger Raum so viele Tierarten samt deren Nahrung, die für ein ganzes Jahr reichen sollte, hätte aufnehmen können. Da es nämlich heißt, von den unreinen Tieren würden ein Paar und ein Paar, a das heißt je zwei Männchen und zwei Weibchen (das nämlich zeigt die Wortwiederholung an), von den reinen aber je sieben und je sieben, b das heißt sieben Paare, in die Arche gebracht, fragt er, wie es hätte möglich sein können, dass dieser Raum, wie er beschrieben wird, auch nur vier Elefanten hätte aufnehmen können. Und nachdem er Tierart für Tierart in dieser Weise Einwände erhebt, fügt er diesen Worten zu alledem hinzu: Es steht also fest, dass die Geschichte erfunden ist; ist dem aber so, steht fest, dass diese Schrift nicht von Gott stammt.

20 Katenen

Prokop

Von einem der Gelehrten der Hebräer haben wir gelernt, dass die dreihundert Ellen nach der von den Geometrikern so genannten Potenz des Quadrates von dreihundert bezeichnet wurden, so dass sich für die Länge der Grundfläche neun Myriaden (90.000) unserer Ellen ergeben, gleichermaßen auch 2.500 Ellen für die Breite und neunhundert für die Höhe.

In Unkenntnis darüber, was einer der Gelehrten der Hebräer lehrte, dass die dreihundert Ellen usw. [Im Folgenden decken sich die Texte Prokops und der Katenen, nur heißt es statt unserer Ellen kurz Ellen.]

322

Homiliae secundae quae supersunt

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,2 (hoc in libro p. 70,21–72,1) Sed ad haec nos, quae a prudentibus uiris et Hebraicarum traditionum gnaris atque a ueteribus magistris didicimus, ad auditorum notitiam deferemus. Aiebant ergo maiores quod Moyses, qui, ut de eo scriptura testatur, omni sapientia Aegyptiorum fuerat eruditus, a secundum artem geometricam, qua praecipue Aegyptii callent, cubitorum numerum in hoc loco posuit. Apud geometras enim secundum eam rationem, quae apud eos uirtus uocatur, ex solido et quadrato uel in sex cubitos unus deputatur, si generaliter, uel in trecentos, si minutatim deducitur. a

cf. Apg. 7,22

21 Catenae

Procopius

KaiÁ gaÁr paÂny aÃn eiÍh aÆtopvÂtaton toÁn paideyueÂnta paÂshì sofiÂaì AiÆgyptiÂvn a tv Ä n gevmetrikvtaÂtvn maÂlista, kaiÁ eÆn oiÍkvì toy Ä basileÂvw aÆnatrafeÂnta mhÁ synevrakeÂnai oÏti oië koinoÂteron nohueÂntew triakoÂsioi toy Ä mhÂkoyw kaiÁ penthÂkonta toy Ä plaÂtoyw kaiÁ triaÂkonta toy Ä yÏcoyw oyÆdeÁ eÆleÂfantaw eÆxvÂrhsan aÃn taÂxa poy teÂssaraw kaiÁ taÁw toyÂtvn eÆpiÁ eÆniaytoÁn trofaÂw, prostaÂjantow toy Ä ueoy Ä dyÂo dyÂo b aÆpoÁ tv Ä n aÆkauaÂrtvn eiÆseÂrxesuai zvÂì vn eiÆw thÁn kibvtoÂn.

PaÂshì gaÁr paideyueiÁw sofiÂaì tv Än AiÆgyptiÂvn a eÆn oiÍkvì toy Ä basileÂvw oë Mvy Èsh Ä w oyÆk hÆgnoÂei oÏti oië koinoÂteron nohueÂntew t toy Ä mhÂkoyw kaiÁ n toy Ä plaÂtoyw kaiÁ l toy Ä yÏcoyw oyÆdeÁ eÆleÂfantaw aÃn eÆxvÂrhsan taÂxa poy d kaiÁ taÁw toyÂtvn eÆp’ eÆniaytoÁn trofaÂw.

a

cf. Apg. 7,22

b

cf. Gen. 6,19

a

cf. Apg. 7,22

cf. in Gen. hom. (in Rufini versione) 2,2 (hoc in libro p. 70,11–26) Dicit nullo genere fieri potuisse, ut tam breue spatium tot animalium genera eorumque cibos, qui per totum annum sufficerent, capere potuisset. Cum enim „bina bina“ a ex inmundis animalibus, hoc est bini masculi et feminae binae … in arcam dicantur inducta, quomodo, inquit, fieri potuit istud

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

323

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,2 (in diesem Band S. 71,26–73,1) Doch als Antwort darauf werden wir unseren Hörern zur Kenntnis bringen, was wir von klugen, in den hebräischen Lehrtraditionen bewanderten Männern und von alten Lehrern gelernt haben. Die Alten sagten nun, Mose, der, wie die Schrift von ihm bezeugt, in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen worden war, a habe an dieser Stelle die Zahl der Ellen gemäß der geometrischen Wissenschaft festgelegt, in der sich vornehmlich die Ägypter auszeichnen. Denn laut der Rechenart, die bei ihnen Potenz heißt, steht bei den Geometrikern bei Körpern und Flächen eine Elle für sechs Ellen, wenn einfach, oder für dreihundert Ellen, wenn hochgradig komprimiert wird.

21 Katenen

Prokop

In der Tat wäre es völlig absurd (anzunehmen, Moses), der in aller Weisheit der Ägypter, die als Geometriker konkurrenzlos sind, unterwiesen a und im Hause Pharaos großgezogen worden war, hätte nicht klar erkannt, dass dreihundert Ellen in der Länge, fünfzig Ellen in der Breite und dreißig Ellen in der Höhe, in gewöhnlicher Weise verstanden, nicht einmal vier Elefanten samt ihrem Futter für ein Jahr in irgendeiner Weise Raum geboten hätten. Denn Gott hatte angeordnet, dass von den unreinen Tieren je ein Paar und ein Paar b in die Arche gebracht würden.

Unterwiesen in aller Weisheit der Ägypter a im Hause Pharaos, war Mose sich wohl bewusst, dass dreihundert Ellen in der Länge, fünfzig Ellen in der Breite und dreißig Ellen in der Höhe, in gewöhnlicher Weise verstanden, nicht einmal vier Elefanten samt ihrem Futter für ein Jahr in irgendeiner Weise Raum geboten hätten.

vgl. in Gen. hom. (Rufinus) 2,2 (in diesem Band S. 71,15–32) (Apelles) sagt, es sei völlig unmöglich gewesen, dass ein so enger Raum so viele Tierarten samt deren Nahrung, die für ein ganzes Jahr reichen sollte, hätte aufnehmen können. Da es nämlich heißt, von den unreinen Tieren würden „ein Paar und ein Paar“, a das heißt je zwei Männchen und zwei

324

Homiliae secundae quae supersunt

spatium, quod scriptum est, ut quattuor saltem solos elefantes capere potuerit? … Aiebant ergo maiores quod Moyses, qui, ut de eo scriptura testatur, omni sapientia Aegyptiorum fuerat eruditus, b secundum artem geometricam, qua praecipue Aegyptii callent, cubitorum numerum in hoc loco posuit. a

Gen. 6,19

b

cf. Apg. 7,22

22 Procopius [deest in Catenis] Ti deÁ toÁ eÆpisyna Ä jai eiÆw ph Ä xyn thÁn kibvtoÂn;*

23 Catenae [deest in Procopii versione] EiÆ deÁ xrhÁ yëpeÁr toy Ä tranoÂteron noh Ä sai to´ „eÆpisynaÂgvn poihÂseiw thÁn kibvtoÁn kaiÁ eiÆw ph Ä xyn synteleÂseiw ayÆthÁn aÍnvuen“ a eÆkueÂsuai toÁn oiëoneiÁ aÆrxitektonikoÁn periÁ th Äw kibvtoy Ä loÂgon, feÂre, vëw yëpopeÂptvken hëmiÄn kaiÁ memauhÂkamen, ayÆtoÁn eÆkuvÂmeua. a

Gen. 6,16

*

Cf. in Gen. hom. 2,1 (hoc in libro p. 66,2–4): Quam ego puto … quattuor angulis ex imo consurgentem eisdemque paulatim usque ad summum in angustum attractis in spatium unius cubiti fuisse conlectam.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

325

Weibchen … in die Arche gebracht, fragt er, wie es hätte möglich sein können, dass dieser Raum, wie er beschrieben wird, auch nur vier Elefanten hätte aufnehmen können. … Die Alten sagten nun, Mose, der, wie die Schrift von ihm bezeugt, in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen worden war, b habe an dieser Stelle die Zahl der Ellen gemäß der geometrischen Wissenschaft festgelegt, in der sich vornehmlich die Ägypter auszeichnen.

22 Prokop [fehlt in den Katenen] Was bedeutet es, dass die Arche sich (oben) auf eine Elle verengt?*

23 Katenen [fehlt bei Prokop] Ist es, um die Worte: „Zusammenlaufend wirst du die Arche bauen, und auf eine Elle wirst du sie im First vollenden“ a klarer zu verstehen, notwendig, den, sagen wir: Bauplan der Arche offenzulegen, so wollen wir ihn gerne offenlegen, wie er uns vor Augen stand und wir ihn begriffen haben.

*

Vgl. in Gen. hom. 2,1 (Rufinus; hier S. 67,2–5): „Ich vermute …, dass sie sich von der Grundfläche aus mit vier Kanten erhob und sich mit eben diesen vier Kanten, die bis zum First allmählich zusammenliefen, auf eine Fläche von je einer Elle Kantenlänge verengte.“

326

Homiliae secundae quae supersunt

24 Catenae

Procopius

NoÂei moi triakosiÂvn phÂjevn tv Än eiÆrhmeÂnvn kataÁ thÁn kaloymeÂnhn dyÂnamin eiËnai katvtaÂtv toÁ th Ä w kibvtoy Ä mh Ä kow kaiÁ penthÂkonta toÁ plaÂtow, eiËta kataÁ ph Ä xyn eÆpisynaÂgesuai toy Ä meÁn mhÂkoyw deÂka phÂxeiw, toy Ä deÁ plaÂtoyw eÏna kaiÁ diÂmoiron´ v Ï ste geneÂsuai toÁn triakostoÁn toy Ä yÏcoyw ph Ä xyn, deÂka meÁn toy Ä mhÂkoyw, eënoÁw deÁ kaiÁ dimoiÂroy toy Ä plaÂtoyw´ eiËta metaÁ toy Ä to syntelesueiÂh eiÆw ph Ä xyn thÁn eÆpisynagvghÂn.

OyÆkoy Ä n, tv Ä n kataÁ dyÂnamin eiÆrhmeÂnvn phxv Ä n kaÂtvuen synagomeÂnvn eiÆw ph Ä xyn, eÆgiÂnonto toy Ä meÁn mhÂkoyw i phÂxeiw, toy Ä deÁ plaÂtoyw eiÎw kaiÁ diÂmoiron´ v Ï ste geneÂsuai toÁ triakostoÁn toy Ä yÏcoyw ph Ä xyn, deÂka meÁn toy Ä mhÂkoyw, eënoÁw deÁ kaiÁ dimoiÂroy toy Ä plaÂtoyw´ eiËta metaÁ toy Ä to synteleiÄsuai eiÆw ph Ä xyn thÁn eÆpisynagvghÂn.

25 Catenae

Procopius

EiÆ de tvì biÂaiow eiËnai doÂjei oë ph Ä xyw triakostoÁw v à n kaiÁ prv Ä tow v à n toy Ä yÏcoyw, prosexeÂtv th Äì leÂjei legoyÂsh´ ì „KaiÁ triaÂkonta phÂxevn toÁ yÏcow ayÆth Ä w´ eÆpisynaÂgvn poihÂseiw thÁn kibvtoÂn, kaiÁ eiÆw ph Ä xyn synteleÂseiw ayÆthÂn.“ a OiËmai gaÁr eÆmfaiÂnesuai metaÁ to´ „kaiÁ triaÂkonta phÂxevn toÁ yÏcow“ toÁn prv Ä ton kaiÁ triakostoÁn ph Ä xyn diaÁ toy Ä ´ „kaiÁ eiÆw ph Ä xyn synteleÂseiw ayÆthÁn aÍnvuen.“

EiÆ de tvì biÂaiow eiËnai doÂjei oë ph Ä xyw triakostoÁw kaiÁ prv Ä tow v à n toy Ä yÏcoyw, prosexeÂtv th Äì leÂjei legoyÂsh´ ì „KaiÁ l phÂxevn toÁ yÏcow ayÆth Ä w´ eÆpisynagagvÁn poihÂseiw thÁn kibvtoÂn, kaiÁ eiÆw ph Ä xyn synteleÂseiw ayÆthÂn.“ a OiËmai gaÁr eÆmfaiÂnesuai metaÁ to´ „kaiÁ l phÂxevn toÁ yÏcow“ toÁn prv Ä ton kaiÁ triakostoÁn ph Ä xyn diaÁ toy Ä ´ „kaiÁ eiÆw ph Ä xyn synteleÂseiw ayÆthÁn aÍnvuen.“

a

Gen. 6,16

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

327

24 Katenen

Prokop

Aufgepasst! Auf der untersten Ebene der Arche beträgt die Länge dreihundert der erwähnten Ellen in der sogenannten Potenz (des Quadrats), und die Breite fünfzig Ellen. In der Folge wird bei jeder Elle (aufwärts) in der Länge um zehn Ellen gekürzt, in der Breite um ein und zwei Drittel Ellen. So ergeben sich bei der dreißigsten Elle an der Spitze zehn Ellen in der Länge und ein und zwei Drittel Ellen in der Breite. Zuletzt gilt es, die Verdichtung auf eine Elle zu vollenden.

Da die erwähnten Ellen in der sogenannten Potenz (des Quadrats) von unten nach oben auf eine Elle verdichtet wurden, ergaben sich folglich in der Länge zehn Ellen und in der Breite ein zwei Drittel Ellen. So ergeben sich bei der dreißigsten Elle an der Spitze zehn Ellen in der Länge und ein zwei Drittel Ellen in der Breite. Zuletzt gilt es, die Verdichtung auf eine Elle zu vollenden.*

25 Katenen

Prokop

Findet jemand die Aussage gezwungen, die dreißigste Elle sei zugleich die erste von oben, so achte er bitte auf den Text, der sagt: „Und ihre Höhe betrage dreißig Ellen. Zusammenlaufend wirst du die Arche bauen, und auf eine Elle wirst du sie vollenden.“ a Denn ich bin der Ansicht, dass nach dem „und ihre Höhe betrage dreißig Ellen“ die einunddreißigste Elle durch die Worte bezeichnet wird: „und auf eine Elle wirst du sie im First vollenden“.

[Prokops Text deckt sich mit dem der Katenen.]

*

Vgl. Nr. 22 Anm.

328

Homiliae secundae quae supersunt

26 Catenae [praecedit textus in 8 laudatus]

Procopius

[DidyÂmoy.] ÆEpisynhgmeÂnh deÁ oiÆkeiÂvw eÆgiÂneto, Ïina hë tv Ä n yëdaÂtvn eÆpiforaÁ eÍxhì toÁn oÍlisuon kaiÁ mhÁ kauaÂper eiÆw peÂtran pantoÂuen eÍxoysan yÏcow prosaraÂtthì taÁ kyÂmata. KaiÁ toÁ thÁn uyÂran deÁ eÆk plagiÂvn geneÂsuai eÆpithdeiÂvw prosetaÂtteto´ eiÆ meÁn gaÁr eÆn oÆrofvÂsei eÆtyÂgxane gegenhmeÂnh, tv Ä n oÍmbrvn eÆperxomeÂnvn eÆplhroy Ä to aÃn diaÁ uyriÂdow hë kibvtoÂw, eÆk plagiÂvn deÁ taxueiÄsa aÆnephreaÂstoyw toyÁw eÍndon diefyÂlatte feromeÂnhw th Ä w kibvtoy Ä eÆpiÁ toy Ä yÏdatow kaiÁ th Ä w uyriÂdow aÆnvteÂrv toyÂtoy tygxanoyÂshw.

ÆEgeÂneto deÁ oyÏtvw Ïina hë tv Ä n yëdaÂtvn eÆpiforaÁ eÍxhì toÁn oÍlisuon kaiÁ mhÁ kauaÂper eiÆw peÂtran pantoÂuen eÍxoysan yÏcow prosaraÂtthì taÁ kyÂmata. KaiÁ toÁ thÁn uyÂran deÁ eÆk plagiÂvn geneÂsuai eÆpithdeiÂvw prosetaÂtteto´ eÆn oÆrofh Äì meÁn gaÁr eiÆ geÂgonen eÆk tv Ä n oÍmbrvn eÆplhÂroy thÁn kibvtoÂn, eÆk deÁ tv Ä n plagiÂvn taxueiÄsa toÁ aÆsfaleÁw toiÄw eÍndon pareiÂxeto, th Ä w meÁn kibvtoy Ä ef’ yÏdatow feromeÂnhw, th Ä w deÁ uyriÂdow aÆnvteÂrv toyÂtoy tygxanoyÂshw.

Das griechische Fragment der zweiten Homilie

329

26 Katenen [folgt unmittelbar auf den Text von Katenen 8]

Prokop

[Von Didymus.] In passender Weise

Auf diese Weise entstand (die Arche) aber, damit der Ansturm der Wassermassen keine Angriffsfläche fände und damit die Wogen (sie) nicht zertrümmerten wie einen von allen Seiten aufragenden Fels. Und sinnvoll war der Auftrag, den Eingang an der Seite anzulegen. Wäre er nämlich auf dem Dach entstanden, so wäre die Arche bei der Sintflut vollgelaufen. Der an der Seite angelegte Eingang aber gewährte denen drinnen Sicherheit, denn die Arche lag ruhig auf dem Wasser, der Eingang aber befand sich oberhalb der (Wasserlinie).*

verjüngte sich (die Arche) nach oben, damit der Ansturm der Wassermassen keine Angriffsfläche fände und damit die Wogen sie nicht zertrümmerten wie einen von allen Seiten aufragenden Fels. Und sinnvoll war der Auftrag, den Eingang an der Seite anzulegen. Wäre er nämlich auf dem Dach entstanden, so wäre die Arche beim Losbrechen der Sintflut durch diese Öffnung vollgelaufen. Der an der Seite angelegte Eingang aber bewahrte die drinnen vor allem Schaden, denn die Arche lag ruhig auf dem Wasser und der Eingang befand sich oberhalb der (Wasserlinie).

*

Vgl. oben Nr. 7 (S.303–305).

Bibliographie Quellen Für Editionen und Übersetzungen der Werke des Origenes sowie weiterer wichtiger Quellen siehe das Verzeichnis in OWD 1/1, XVII–XXIV. In den gängigen Reihen erschienene Quellen werden im Folgenden nicht eigens aufgeführt (PG, PL, PO, CSEL, GCS, CChr.SL, CChr.SG, SC, FC, PTS). Zur Erklärung der Abkürzungen siehe die Hinweise in OWD 1/1, XIV–XVI. Origenes Quae hoc in libro continentur. Origenis in Genesim homiliae 16. … Diuo Hieronymo interprete. Ven. in aedib. Aldi Ro. mense feb. 1503. [Erstausgabe, gedruckt von Aldo Manuzio, Venedig 1503] Origenous ta euriskomena panta. Origenis Opera omnia quae Graece vel Latine tantum exstant. … Opera & studio Domni Caroli Delarue …, Parisiis … 1733–1759. [hier Bd. I, 1733] Origenes, Werke. Sechster Band. Homilien zum Hexateuch in Rufins Übersetzung, herausgegeben von W. A. Baehrens. Erster Teil: Die Homilien zu Genesis, Exodus und Leviticus (GCS 29), Leipzig 1920. Orige`ne, Home´lies sur la Gene`se, introduction de H. de Lubac/L. Doutreleau, texte latin, traduction et notes de L. Doutreleau (SC 7bis), Paris 1944 (21996). Origene, Omelie sulla Genesi e sull’Esodo, introduzione, traduzione e note di G. Gentili (CPPC 54), Rom 1976, 112–348. Origen, Homilies on Genesis and Exodus, translated by R. E. Heine (FaCh 71), Washington, D.C. 22002, 47–224. Origenes, Homilien zum Buch Genesis, übertragen und herausgegeben von Th. Heither (Edition Cardo 90), Köln 2002. [nicht herangezogen] Origene, Omelie sulla Genesi, a cura di M. Simonetti, traduzione di M. I. Danieli (Opere di Origene 1), Rom 2002. Catenae Graecae in Genesim et in Exodum I. Catena Sinaitica, edita a F. Petit (CChr.SG 2), Turnhout/Leuven 1977. Catenae Graecae in Genesim et in Exodum II. Collectio Coisliniana in Genesim, edita a F. Petit (CChr.SG 15), Turnhout/Leuven 1986. La Chaıˆne sur la Gene`se, e´dition inte´grale, texte e´tabli par F. Petit, 4 Bde., Louvain 1991–1996.

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Bibliographie

H. J. Vogt, Das Kirchenverständnis des Origenes (BoBKG 4), Köln/Wien 1974. W. Völker, Das Vollkommenheitsideal des Origenes. Eine Untersuchung zur Geschichte der Frömmigkeit und zu den Anfängen christlicher Mystik (BHTh 7), Tübingen 1931. C. Westermann, Genesis. Bd. 2: Genesis 12–36 (BKAT 1/2), NeukirchenVluyn 21989. F. X. Wutz, Onomastica sacra. Untersuchungen zum Liber interpretationis nominum Hebraicorum des hl. Hieronymus. 1. Hälfte: Quellen und System der Onomastika. 2 Hälfte: Texte und Register (TU 41), Leipzig 1914. 1915. E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Teil 3. Die nacharistotelische Philosophie. 2 Bde., Leipzig 51923 (Nachdruck Darmstadt 61963).

Register Bibelstellen Die Anordnung der biblischen Bücher des Alten Testaments folgt der Reihenfolge in der Septuaginta, da Origenes nach dieser zitiert hat. Die Seitenangaben beziehen sich sowohl auf den Text als auch auf die Fußnoten. Genesis 1 1–11 1,1 1,1–2,4a 1,2 1,3 1,3–5 1,4 1,4f. 1,6 1,6f. 1,6ff. 1,7 1,7f. 1,8 1,9 1,9f. 1,10f. 1,11 1,12f. 1,14f. 1,16 1,16–19 1,20 1,21 1,21–23 1,22 1,24f. 1,26

6 8 12, 7 26 26, 28 26 28 26, 28 12 28 30 26, 32, 32 34 48 34 36 48 38 40, 13, 44 46 46 14,

13, 26, 28, 48 28

48

30 48

46 41, 42, 44, 50

48, 58, 244, 246

1,27 1,27f. 1,28 1,29 1,29f. 1,30 2,4b–3,24 2,7 2,17 3,4 3,15 3,16 3,18 4,2–16 4,4 4,5–8 4,10–12 4,17–26 5 5,1 5,1–32 5,22 5,29 6,1–4 6,5–8,22 6,6f. 6,9 6,13 6,13–22 6,13–16

13, 50, 52, 56 56 58, 188 62 60 62 7 50 264 264 274 142 32 7 274 62 274 7 96 244 7 274 74, 75 7 6, 7 76 72 76 6 64

338

Register

noch Genesis 6,14 76, 78, 86, 88, 274 6,16 82, 310, 324, 326 6,19 70, 88, 320, 322, 324 6,21 68, 316 6,21f. 316 6,22 64, 68, 316 7,2 70, 320 7,16f. 68, 312, 314 8,6 314 8,8 68, 312 8,16 68 8,21 106 9,3 60 9,18–27 7 9,22–27 278 10,1–32 7 11,1–9.10–27 7 11,30 222 12–25 7, 8 12,1 94, 274 12,2 156, 182 12,10 282, 286 12,15.17 142 13,1 262 13,9 112, 126 13,10 126, 128 14 7 14,14f. 82 14,18 6 15 7 15,5 184, 186 16,3 214 16,10 182 17,1–5 96 17,1–13 6 17,5 94, 164 17,7.10f. 96 17,11 106 17,13 96, 106 17,17 210 186 17,19–21 18,1 112, 113, 116

18,1f. 18,1–15 18,2 18,3f. 18,6 18,7 18,8 18,9f. 18,11 18,16–21 18,16–33 18,21 18,32 19 19,1 19,1–29 19,1f. 19,12f. 19,13 19,17 19,19f. 19,20 19,23 19,26 19,29 19,30 19,31f. 19,31–36 19,33.35 20 20,1.2.3–9 20,5 20,6 20,17 20,17f. 20,18 21,1–21 21,4.5.6.7 21,8 21,10 21,12 21,14–16 21,19

112 6 114, 120 116 115, 114 114 114, 116 118 94, 118, 178 118 6 120, 122 122 6 112 122 112 126 112 126, 128 126 136, 138 126 128 132 126, 130, 136 132 130 130 6 140 142, 144, 146, 144 140, 144 144 140 7 150 150, 152, 194 152 142, 168 158, 160 160

Bibelstellen

noch Genesis 22,1 22,1f. 22,1–14 22,2 22,2f. 22,3f. 22,4f.6 22,7.8.9.10 22,10–12 22,12 22,13 22,13f. 22,15 22,15–17 22,16 22,16f. 22,17 22,18 23,1 24,1 24,3 24,10–27 24,11 24,13f. 24,14 24,15 24,16 24,18 24,22 24,62 24,63 24,64 25–36 25,1f. 25,11 25,13 25,15 25,19–26 25,21f. 25,22 25,22f.

164 166 7 164, 166, 168 174 168 170 172 174 174, 176, 250 176, 178 178 182, 184 7, 182 182, 184, 186 250 182, 188, 190, 192, 214 144 210 216 96 7 198, 202, 204 198 200 198, 202 202, 204, 205 198 198, 204 202, 204, 205, 206 203 206 7 7, 210, 214, 216, 217 7, 216, 218, 234, 274 216 234 7 222 224 222

25,23 25,24 25,25f. 25,25–28 25,27–34 25,33 26–50 26,1 26,2 26,2f. 26,3 26,12 26,12f. 26,14 26,14–22 26,15–22 26,18 26,19 26,19f. 26,21f. 26,22 26,23f. 26,23–30 26,25 26,26 26,26–29 26,28 26,28f. 26,29f. 26,31 27 27,25–28 27,27 28,10–22 28,17 29,2–12.17 29,31 32,23–32 32,23–33 32,27 32,28

339 224, 226 226 228 186 7 270 8 282 262 282 292 228 7, 230, 234 234 7 158 234, 242 30, 160, 220, 228, 232, 236, 240, 242, 244, 248, 254 234 228, 234 238 252 7 252 256 254 256, 258 256 258 260 7 262 34 7 218 206 222 7 270 274 266, 268

340 noch Genesis 32,29 268, 274 32,33 268 33,1.3.10 270 34 7 34,5 270 37–47/50 7 37,25 263 37,25–35 7 37,31–35 268 39,7–12 42, 264 41,14.46 82 41,51f. 186 41,57 282, 286 42 7 42,1f.3 262 42,19f.24.25.26 264 45,9 269 45,25f. 262 45,25–28 7 45,26 264, 266, 268 45,27 268 264, 266 45,27f. 45,28 266, 268, 270 46,1f. 270 46,2–7 7 46,3 272, 274 46,3f. 272 46,4 273, 274, 276, 292 46,6f. 270 47,7.9 270 47,20 282 47,20f. 278, 280 47,20–27 7 47,22 286 47,24 290 47,27 292 47,29 270 47,29–31 7 47,31 LXX 270 48,14 270 49,1f. 270 50,2 LXX 272

Register

Exodus 1,12 1,13f. 2,15 2,15–17 2,18 2,21 3,1 3,3 3,5 3,8 4,10 4,13 6,30 8,23 11,3 12,8–10 13,17–14,31 16,13–20 19,10–16 20,2 20,17 21,2 24,1–8 24,4.12 31,21 32,19 33,3 34,7

280 278 217 206 217 216, 217 217 224 172 32, 50 100, 102 100 100, 101, 102 170 172 202 274 200 170 278, 280 62 280 170 274 118 186 32 134, 138

Levitikus 13,48 14,34 23,15–17 25,10–13 26,27f.

86 86 82 80 82, 83

Numeri 11,5.14f. 11,16 16,5 18,20 24,17

136 96 122 288 257

Bibelstellen

noch Numeri 25,6–8.11 LXX 60 25,11f. 60, 61 31,30 82 Deuteronomium 7,4 60 7,14 212 12,1 292 21,23 LXX 78 23,4 134, 138 25,5–10 212 30,4 192 31,6 178 32,8f. 190, 282 32,9 191, 192 Josua 5,2

106

Richter 7,5–25

82

Erstes Buch Samuel 1,2 214, 222 9,9 116 Zweites Buch Samuel 22,20 242 Erstes Buch der Könige 6,7 86 11,1.3 214 12,28 276 14,23 86 17,1.2–6.9 284 17,14 285 21 62 Zweites Buch der Könige 6,25 284 7,1 284

Zweites Buch der Chronik 1,12 214 Zweites Buch Esra 11,8.9 LXX 192 Psalmen 1,1 104 1,2 218, 220, 286 2,2.3 190 2,8 72, 190 17(18),20 242 18(19),2 52 18(19),5 188, 190, 240 23(24),1 240 28(29),3 98 29(30),6 202 31(32),9 134 35(36),7 230, 248 35(36),10 244 36(37),25 282 41(42),2f. 200 45(46),5 254 47(48),3 192 72(73),8 124 102 72(73),8f. 75(76),2 238 83(84),3 62 83(84),7 174 83(84),8 206 93(94),10 218 101(102),25 276 103(104),26 44 105(106),14 136 105(106),31 60 106(107),34 32 109(110),4 178, 184, 252 111(112),5 LXX 102 113,14.13(115,6.5) 102 115,3 LXX 176 118(119),6 258 118(119),18 222 118(119),57 288

341

342

Register

noch Psalmen 120(121),1 126 131(132),4f. 162 138(139),17 LXX 98 140(141),2 212 Sprichwörter 1,16 5,15 5,15f. 5,16 5,18f. 7,4 9,1 9,2 9,2f. 9,4 10,3 11,31 19,6 Vulg. 26,9 LXX

104 232, 158 158, 232 138, 172, 286 260 286 284 196 156 84

Kohelet 7,23

214

Hoheslied 8,6

248 248 142 252

214

Ijob 1,9–12(42,10–17) 44 Weisheit 3,16 7,1 8,2 8,9

58 274 142 210, 212

Jesus Sirach 4,28 17,17 22,19

42 192 232

Hosea 2,21f. 12,4 12,10(11)

198 228 250

Amos 8,11

284, 286

Micha 1,5

276

Joe¨l 2,12

202

Zefanja 1,14f.

82

Sacharja 1,3

40

Maleachi 1,2f. 1,11

224 242

Jesaja 1,1 1,13f. 3,12 5,6 8,19 11,6–8 14,21 26,17f. LXX 26,20 31,9 35,15 42,7 44,22 54,1 56,7 59,7 61,2 61,10

218 202 196 36 32 84 58 146, 226 74 212 102 160 246 146 136 104 38 250

Bibelstellen

noch Jesaja 66,1 66,8

28, 50 146

Jeremia 3,3 5,8 6,10 9,25 17,5 23,23 23,24 30,23 LXX 39,33 LXX

58 134 100 98 78 40 224 216 196

Ezechiel 13,10–12 16,11 16,55 18,4 23,2–4 23,4 31,1–5.8f. 44,9

196 204 128 264 136 137 76 98, 100, 104

Susanna 22 (Dan. 13,22) 264 42 (Dan. 13,42) 174 Daniel 7,10 13,22 13,42

246 264 174

Matthäus 1,1 2,2 3,2 3,7 4,18.21 5,3 5,6 5,8

190, 242 256 50 38 54 286 200 104, 116

5,14 38 5,16 32, 110, 188 5,28 42, 62, 104 5,35 192 6,20f. 52 7,6 62, 196 7,12 238 7,13f. 196 7,21 284 7,23 122 7,24f. 254 8,11 286 8,30f. 212 9,15 250, 286 9,27 40 10,3 54 10,15 116 10,34 106 10,37 174 10,42 156 11,11 212 11,28f. 76 11,29 286 12,2 236 12,3f.7 238 138 12,50 13,5f. 34 13,8 230 13,8.23 36 13,9 102 13,10–17.34f. 230 13,11 120 13,20f. 34 13,25 202 13,25ff. 36 13,36 40 13,43 50 13,44 164 13,52 240 14,17 231 14,19–21 230 15,19 226 15,32 40

343

344

Register

noch Matthäus 15,32–39 230 16,9f. 232 17,1f. 120 17,1–5 40 18,3 84 18,12f. 192, 236 18,21f. 80 19,21 176 19,27f. 292 19,29 180 20,30–34 160 20,34 276 21,13 136 22,32 274 23,27 78 23,38 238 24,37–39 72 25,14–30 180 25,15 40 25,35 200 25,41 26 26,29 286 26,41 196 27,63 170 28,19 240 Markus 1,10 2,26 3,17 4,34 6,11 6,41.44 7,13 8,4.5 8,25 9,2 12,26f. 14,38

82 238 52 40 116 231 52, 176, 242 231 276 120 216 196

Lukas 1,7

222

1,34 1,57 2,6 3,23 4,18 5,31 5,32 5,34 6,1 6,45 8,5 8,31 9,13.16 9,62 11,52 12,42 14,33 15,4–6 15,8 15,10 15,23 16,7f. 16,22 17,10 17,21 17,32 19,12–27 19,16f. 19,46 20,37f. 21,2.4 23,43 24,32

56 226 226 82 190 200 54 286 236 34 36 28 231 130 236 194 288 80, 192, 236 244 174 116 246 216 194 244 130 180 290 136 216 42 274 220, 242, 276

Johannes 1,1–3 1,4 1,9 1,14 1,29 1,51 3,13 3,16

26 266 38 176 76, 178 286 120 116

345

Bibelstellen

noch Johannes 3,20f. 32 4,6 206 4,13f. 160 4,14 30, 160, 220, 232 4,15 160 4,20–23 242 6,9 231 6,9–13 230 6,12 232 6,13 231 6,35 200 6,37 228 6,47 160 6,51.58 284 7,6 146 7,37 200 7,38 30, 200, 220, 228, 232, 236, 240, 244 8,12 36 8,31f.34 280 8,36 152 8,37 166 8,39 174 8,56 194 9,2 228 9,16 238 10,11.14 192, 250 12,31 30 13,6–8 116 14,2 84 14,6 36 14,9f. 52 14,23 62 15,13 116 15,15 288 16,17.22 178 17,21f. 54 19,17 170 20,17 54 Apostelgeschichte 3,6 290

4,13 7,22 10,11f. 13,46 17,25 23,11

54 70, 322, 324 84 238 180 272

Römerbrief 1,14 1,17 2,19 2,28f. 4,3 4,11 4,16 4,19 6,5 6,6 6,10 6,19 7,2 7,14 7,18 7,23 8,4 8,7 8,9 8,15 8,17 8,23 8,32 8,35 9,10 9,11 9,13 10,9f. 10,10 10,18 11,25f. 11,36 13,12 13,13 14,2 15,19

198, 248, 258 206 38 98 60, 61 94 186 210 108, 109 186 216 106, 108 146 128, 140, 210, 230 46 154, 192 154 46 154 158 154 156 176 110 228 222 224 110 88 188, 190 138, 160 62, 88 196 36 258 242

346 Erster Korintherbrief 2,6–8 258 2,8 192 2,12 62 2,13 88, 148 2,14 154, 206, 286 2,16 62 3,1 122, 258 3,1f. 150, 152 3,3 258 3,11 252 4,12 258 4,14 196 4,15 212 4,20 108 5,7 202, 250 5,17 186 6,17 206, 208 6,18 156 6,19 62 7,29 196, 197 7,34 204 8,6 82 9,15 122 9,17 194, 195 9,31 196 86 9,34 10,4 200 10,11 128 10,31 106, 134 13,11 158 14,32 166 14,37f. 122 15,9 166 15,10 272 15,23 74 15,32 242 15,40–42 188 15,41 38, 192 15,42 178 15,45 158 15,47 30, 184, 186 15,47–49 186 15,49 186, 188, 244, 246

Register

Zweiter Korintherbrief 2,13 158 2,15 106, 212 2,16 234 3,2f. 248 3,6 158 3,14 230 3,14–16 72 3,15 150, 222 3,16 140, 160 3,17 140 3,18 140, 220 4,10 108, 212 4,16 54 4,18 158, 194, 224, 276, 290 5,16 154 5,19 258 6,10 288 6,16 52, 242 9,2 174 10,3–5 154 11,25 242 11,27 282 12,2 84 13,3 52, 56 Galaterbrief 1,5 1,8 2,19f. 3,6 3,9 3,13 3,16 4,1f. 4,2 4,3 4,5 4,19 4,21f. 4,21–24 4,22

110, 292 78 108 60 184 76, 78 144, 188, 192, 252 158 176 174 156 146 196 152, 153 156

347

Bibelstellen

noch Galaterbrief 4,22–24 140 4,22–26 252 4,23 152, 184, 4,24 152, 4,27 146 4,28 158, 4,29 152, 4,30 152, 5,1 152 5,12 99 5,13 152 5,17 152, 5,20f. 226 5,22 154, 5,22f. 226 5,24 190 6,8 138, 6,17 108 Epheserbrief 1,5 2,6 2,10 2,14 3,18 4,4f. 4,9 5,2 5,4 5,8 5,27 5,32 6,12 6,14.17 6,14–17 6,19 6,24

154, 160, 168, 198 196, 206, 240 168 154, 158 154, 156

154 178, 290 146

156 52 48 236 78 82 274 236 102 196 38 88, 188 190, 272 178 120 100, 236 134

Philipperbrief 1,8 174 1,11 202

2,6f. 2,6–8 2,7 2,8 2,10 2,21 3,2f. 3,8 3,19 3,20 3,21

120 54 120, 174 114, 172 82 292 98 176 106, 188, 238, 240, 284, 286 30, 52, 86, 137 54

Kolosserbrief 1,15 1,18 2,3 2,9 2,14 2,14f. 3,1 3,1f. 3,5 3,9f. 3,15

26, 52, 290 290, 292 258 146 246, 248 190 30 158 48, 108, 212 186 192

Erster Thessalonicherbrief 2,9 258 2,19f. 150 5,4 38 5,5 36, 37 5,17 266 Zweiter Thessalonicherbrief 1,11 174 3,8 258 5,17 196, 212 Erster Timotheusbrief 1,4 242 1,13 56 1,20 280 2,7 98

348

Register

noch Erster Timotheusbrief 2,15 148 4,7 148 4,10 26 6,12 176 Zweiter Timotheusbrief 2,2 74, 142 2,5 44 2,12 108 2,19 122 3,11 242 3,17 104 4,4 242 4,7f. 276 Titusbrief 1,14

148, 242

Hebräerbrief 1,3 1,17.19 4,12 5,1–10 5,11 5,12 5,12–14 5,14 6,1 6,7f. 6,8 6,13.16f. 6,18 11,5 11,19 11,21

52 166 106 250 196 150 158, 258 150, 260 158 34f. 32 184 166 38 170 270

12,16 13,2 13,20

270 126 250

Jakobusbrief 1,2 1,22 3,18 4,8

178 88 202 40

Erster Petrusbrief 1,23 100 2,24 216 2,9f. 102 4,11 124, 138, 148, 162, 180, 192, 208, 220, 232, 248, 260, 276 4,18 196 5,8f. 190 Zweiter Petrusbrief 3,12 132 Erster Johannesbrief 3,16 114 4,2 108 4,18 156 Offenbarung 1,6 2,7 12,7 12,9 20,3 20,12

162, 220 286 30 26 26 246

349

Origenesstellen Das Register der Origenesstellen folgt dem Abkürzungsverzeichnis der Werke des Origenes in OWD 1/1. Genesiskommentierung frg. D 11 Metzler: 50, 51, 90; E 7 M.: 96; E 51 M.: 145; E 53 M.: 170; E 55 M.: 172; E 65 M.: 217; E 69 M.: 244; E 80 M.: 147, 223; E 132 M.: 268; E 135 M.: 276; E 136 M.: 271; E 145 M.: 265; E 161 M.: 278; E 162 M.: 282; E 163 M.: 278

Levitikushomilien 1,2: 251; 1,4: 252; 3,6: 192; 4,3: 55; 4,6: 150; 4,8: 150; 4,10: 232; 5,1: 12, 57, 84; 5,5: 12; 6,2: 207; 12,4: 222; 13,3: 115; 15,2: 288; 16,2: 35

Genesishomilien 1,1: 10; 1,2: 12, 137, 176; 1,2–11: 12; 1,3: 9; 1,7: 188; 1,8: 267; 1,10: 282; 1,13: 245; 1,17: 21, 88; 1,7: 188; 2: 108; 2,1: 43, 78, 132, 324; 2,1f.: 17; 2,2: 198; 2,3: 252; 2,4: 108; 2,5: 54, 291; 2,6: 12, 73, 158; 3,3: 118; 3,5: 9; 4,1: 126; 4,4: 96, 97; 4,6: 174; 5,1: 112; 5,4: 105; 5,5: 253; 6,1: 156, 201, 211; 6,2: 215, 254, 257; 6,3: 116, 229; 7,1: 14, 194, 262; 7,3: 176; 7,5f.: 234; 7,6: 24; 8,1: 203, 250; 8,6: 250; 8,8: 121, 156; 8,9: 250; 9,2: 38; 10,1: 3, 30, 218, 219; 10,3: 24, 218; 11: 205; 11,1: 263; 11,2: 241; 11,3: 196, 206; 12,4: 240; 12,5: 115, 252; 13: 206, 218; 13,1: 158, 222; 13,4: 258; 14: 205; 14,1: 174; 14,3: 144, 145; 15,3: 222; 15,5: 73; 16,2: 191; 16,4: 272; 16,6: 80

Numerihomilien 5,2: 81, 290; 9,1: 46; 9,7: 12; 10,1: 252; 11,1: 153; 11,4: 266; 12,1: 206, 232; 12,1–3: 234; 12,2: 198, 244; 12,3: 179; 13,7: 257; 14,2: 44; 15,3: 98; 20,3: 216; 21,2: 82; 23,3: 202; 23,5: 37, 38; 24,1: 83; 24,2: 245; 26,5: 32, 33

Exoduskommentierung frg. 23,17: 118 Exodushomilien 2,1: 272; 3,2: 65; 4,6: 241; 5,5: 210; 6,10: 137; 7,8: 150, 202, 251; 9,3: 291; 9,4: 86; 10,3: 147; 11,6: 216; 12,2: 196

Numerikommentierung frg. 22: 257

Josuahomilien 1,1: 83; 2,1: 146, 230; 5,5: 106; 7,1: 239; 8,1: 262; 8,6: 171; 9,7: 156; 13,1: 98; 16,1: 96, 97; 20,1: 196 Samuelhomilien lat. 1: 197; 3: 213; 5: 210, 215; 6: 173; 8: 150 Psalmenkommentierung 1 frg.: 122; 40 frg.: 94; 118(119),169 frg.: 293; 127,3 frg.: 142 Psalmenhomilien in Ps. 36 hom. 1,2: 36; in Ps. 36 hom. 4,1: 224, 225 Hoheliedkommentar prol. (2,18): 137; I (prol. 4,6f.): 234; I (6,14): 251; II (4,26f.): 113; II (2,8): 125; II (8,24): 137

350

Register

Hoheliedhomilien prol.: 257; 1,2: 213 Jesajahomilien 5,2: 196 Jeremiahomilien 1,10: 50; 1,16: 121; 15,5: 246; 15,6: 78; 18,5: 118; 20,4f.: 256 Ezechielkommentierung frg. 14,13: 286 Ezechielhomilien 1,4: 82; 1,10: 256; 4,8: 78; 10,3: 128; 13,2: 246

XIII 1,3f.: 234; XIII 29,177f.: 200; XIII 33,211–213: 230; XIII 42,279–284: 47; XIII 59,43: 190; XX 10,73: 283

Römerbriefkommentar II 4: 14; II 9: 98, 99, 100, 101, 102, 106; III 1: 255 Über die Prinzipien I 1: 90; I 1,6: 93; I 2,6: 50, 51; I 2,8: 53; I 3,1: 145, 254; I 3,3: 254; I 5,2: 282; I 6,1: 276; I 1,2: 91; III 2,1: 175; III 2,2: 89; III 6,2: 224; IV 2,2: 210; IV 2,4: 12, 57; IV 2,9: 73; IV 3,8: 100; IV 4,1: 90

Matthäuskommentarreihe 20: 198; 28: 175

Apologie gegen Kelsos I 29: 262; I 70: 94; II 1: 100; II 64: 251; III 21: 14; III 52–58: 14; IV 41: 71, 73; IV 45: 133; IV 70: 46; IV 74: 49; V 54: 70; VI 63: 53; VII 38: 90, 93

Matthäuskommentarfragmente frg. 87: 207

Über das Gebet 23,4: 52; 28,5: 247

Lukashomilien 8: 53; 29: 286

Über das Pascha 5,6f.: 164; 6: 95; 14f.: 78

Johanneskommentar I 9,52–10,66: 251; I 16,90–20,124: 26; I 17,104f.: 53; I 20,119: 93; I 21,125–39,292: 251; I 29,201–203: 288; I 90–124: 10; V 3: 239; VI 2,9: 273; VI 53,273–275: 178; VI 55,287: 38; X 18,108: 202;

Philokalie 23: 256

Matthäuskommentar X 1: 14; XI 12: 100; XIV 2: 105; XVI 11: 277; XVI 21: 118

351

Namen und Sachen (Ab)Bild 13f., 29, 37, 42, 47, 49–59, 99, 129, 141, 167, 173, 177, 179, 187, 189, 205, 240, 241, 245, 247, 251 Abel 61, 275 Abiater 239 Abimelech 141–149, 251, 255, 257 Abraham 7, 8, 39, 83, 91, 95–97, 107, 112–121, 125, 127, 131, 133, 141–149, 151, 153, 157, 159, 160, 164–181, 183–193, 194, 195, 197, 199, 205, 211, 213, 217, 225, 235, 237, 243, 251, 253, 255, 263, 275, 277, 283, 287 Abstieg/Aufstieg 73, 81, 119–121, 131, 137, 139, 253, 263, 265, 275, 283, 285, 293, 311 Adam 189, 274 Adamantius 16 Affekt 39, 45, 55, 59, 61, 63, 75, 77, 83, 89, 105, 131, 133, 139, 157, 191, 195, 213, 236, 247, 269, 281 Ägypten 15, 42, 43, 71, 72, 77, 83, 128f., 136, 137, 171, 173, 262–275, 278, 279, 281, 283, 287, 290, 291, 293, 323, 325 Ahab 63, 285 Ähnlichkeit (homoı´osis) 13f., 47, 53–57, 109, 251 Ahusat 256, 257 Alarich 15 Alexandria 3, 8, 9, 15 Allegorie 8–14, 15, 28, 29, 30, 31, 43, 47, 49, 57, 59, 61, 63, 65, 69, 79, 86, 87, 89, 100, 101, 102, 103, 135, 137, 139, 141, 147, 149, 153, 155, 157, 159, 161, 179, 197, 207, 211, 237, 240, 241, 245, 272f., 277, 281, 285, 291, 319 Allmacht 89, 90, 91, 97, 141

Ambrosius (Mäzen des Origenes) 8 Ambrosius von Mailand 26, 59, 98, 115, 131, 133, 143, 151, 160, 164, 166, 170, 172, 204, 262 Ammonios Sakkas 11, 13 Ammoniter 135, 139 Analogie 12, 13, 108 Anatolius 82 Anfang/Prinzip/Ursprung 13, 26, 27, 29, 33, 49, 55, 70, 85, 128, 159, 189, 252, 253, 279, 291, 293 Apelles 70, 71, 198, 282, 319, 321, 323 Apokatastasis 81, 128f., 277 Apollophanes 10 Apostel 39, 40, 41, 53, 55, 57, 74, 103, 121, 191, 231, 237, 287 Aquila 9, 315 Aquileja 14f. Arche 7, 17, 64–89, 108, 252f., 275, 297, 301, 303, 305, 307, 309, 311, 313, 315, 317, 319, 321, 323, 325, 327, 329 Archelaos 94 Aristoteles 10, 48, 71, 94, 290f. Askese 15, 33, 45, 79, 103, 105, 131, 133, 135, 149, 205, 217, 227 Assur 77 Auferstehung 133, 167, 171, 185, 189, 217 Augustinus 14f., 19, 26, 29, 44, 45, 46, 67, 71, 72, 86, 131, 164, 200 Babel 7 Basilius von Caesarea 16, 28, 31, 94f. Beda Venerabilis 164 Bellator 5 Benjamin 265 Beschneidung 9, 91–111, 116, 117, 137, 147, 151, 153, 185

352

Register

Bethel 7, 219 Bethlehem 257 Betue¨l 205 Bildung/Erziehung (paideı´a) 11, 13, 37, 55, 198, 201, 205, 215, 217, 225, 240f., 255, 257, 258, 259, 261 Brunnen 159, 161, 198, 199, 201, 203, 205, 206, 207, 211, 217, 219, 221, 223, 229, 232, 233, 234–249, 251, 253, 255, 271 Buße 81, 175, 194, 259 Caesarea 3–5, 8, 194 Cassiodor 5, 16, 19 Chairemon 10 Chaldäer 256 Cicero 49, 52, 101, 211, 256 Claudius von Turin 66 Clemens von Alexandria 26, 53, 64, 80, 81, 115, 145, 199 Columella 99 Cyprian 230 Cyrill von Alexandria 6, 164, 170 Dämon 12, 29, 33, 61, 256, 273, 281 Daniel 39, 189, 247 David 39, 123, 189, 191, 213, 239, 243 Decius 156 Dekalog 291 Demiurg siehe Kosmos Denken (dia´noia, no´esis) siehe Geist/Intellekt (nouˆs) Dialektik 145, 215, 217 Didymus von Alexandria 15, 18, 77, 301, 303, 305, 317, 329 Dina 271 Diodor von Tarsus 28 Diogenes Lae¨rtius 94 Donatus 19

Ebioniten 100, 101, 240 Edom 228 Ehe 7, 59, 105, 135, 141, 143, 147, 149, 199, 201, 207, 209, 211, 213, 215, 227 Eine, der/das (heis, hen); der/das Einfache (haplouˆn, haplouˆs); Eines/Vieles 55, 71, 82, 83, 93, 156f., 290f., 323 einfache/vollkommene Christen 123, 151, 153, 159, 231, 252, 259, 276, 293 Elias 285 Elisabeth 223, 227 Elischa 285 Elkana 215 Ende/Ziel/Letztes 26, 27, 35, 65, 73, 83, 117, 133, 139, 177, 189, 211, 213, 252f., 257, 273, 275, 276f. Endor 5 Engel 6, 27, 31, 70, 79, 112, 113, 115, 117, 119, 127, 129, 161, 175, 177, 183, 191, 217, 251 – Gabriel 57 – Gewalten 191, 243, 245, 273 – Mächte 31, 191, 285 – Völkerengel 190, 191, 193, 282, 283 Enthaltsamkeit siehe Askese Epiktet 92 Ephesus 243 Ephraim 187 Epinoia (epı´noia) 251, 293 Erasmus von Rotterdam 22 Erkenntnis (gnoˆsis) siehe Gottesschau/Gotteserkenntnis Erlösung 11, 13f., 27, 53, 55, 59, 61, 73, 87, 103, 121, 131, 141, 145, 147, 156f., 175, 179, 183, 185, 195, 196f., 227, 237, 240, 249, 275, 277, 280, 281, 285 Erziehung siehe Bildung

Namen und Sachen

Esau 187, 225, 229, 233, 271 Eugippius 19 Eusebius von Caesarea 3f., 8, 9, 10, 16, 70f., 100, 240, 289 Eva 274 Evagrius Ponticus 16 Evangelium 79, 151, 188, 189, 191, 207, 213, 243, 287 Ezechiel 39, 77, 99, 129, 189 Fall siehe Abstieg/Aufstieg Feuer 33, 35, 119, 123, 127, 129, 131, 133, 135, 139, 171, 173, 221, 225, 243, 267, 269 Flavius Josephus 133 Fortschritt 37, 55, 75, 175, 177, 181, 207, 215, 225, 231, 236, 252f., 271 Freiheit 77, 80, 81, 91, 147, 153, 155, 157, 173, 191, 256, 278, 279, 281, 293 Friede 61, 107, 155, 179, 207, 227, 255, 257, 261 Gebet 14, 63, 91, 97, 99, 101, 123, 137, 141, 145, 161, 171, 183, 197, 213, 223, 243, 244, 253, 261, 271, 277 Geduld 155, 181, 199, 201, 205, 207, 215, 227, 229 Geist/Intellekt (nouˆs) 12–14, 27, 29, 31, 35, 39, 41, 43, 47, 48, 49, 55, 63, 73, 79, 82, 87, 97, 101, 119, 129, 131, 137, 139, 143, 145, 155, 167, 177, 183, 193, 204, 215, 224, 225, 233, 241, 262, 265, 267, 281, 290, 293 geistige Sinnlichkeit 75, 105, 107, 159, 213, 285, 287 Gellius 94 Gerar 235, 236, 237, 255 Gerechtigkeit 33, 35, 39, 47, 55, 61, 73, 75, 79, 90, 103, 107, 109, 119, 123, 125, 131, 159, 179, 189, 197,

353

201, 202, 203, 213, 215, 235, 247, 249, 275, 277, 283, 285, 287, 293 Gericht siehe Strafe Geschichte/Vorsehung 53, 65, 83, 89, 91, 195, 255, 280 Gesetz (no´mos) 77, 81, 100, 107, 117, 121, 129, 135, 137, 139, 141, 147, 153, 155, 159, 161, 187, 193, 197, 203, 207, 211, 213, 215, 219, 221, 223, 231, 237, 239, 241, 252, 253, 255, 257, 259, 275, 277, 281, 287, 289, 291 Gestirne 10, 12f., 28, 36, 37, 39, 49, 183, 185, 188, 189, 193, 255, 256, 257 Gewissen 105, 289 Gideon 83 Glaube 12, 14, 15, 17, 31, 33, 36, 37, 75, 77, 78, 81, 83, 85, 87, 89, 93, 95, 99, 105, 107, 108, 111, 116, 117, 121, 145, 149, 156f., 161, 165, 167, 169, 171, 173, 175, 185, 187, 191, 193, 199, 202, 203, 207, 211, 215, 227, 233, 236, 241, 245, 252f., 261, 262, 263, 267, 277, 287, 289, 293 Gnade 80, 81, 105, 129, 145, 147, 151, 214, 215, 239, 249, 267, 271, 273 Gomorra 119 Goschen 293 Gott siehe Trinität bzw. Vater (Gott Vater) Gottesdienst 118, 196, 219, 253 Gottesschau/Gotteserkenntnis 12, 31, 41, 51, 53, 55, 77, 81, 105, 113, 117, 119, 122, 123, 125, 139, 141, 155, 157, 175, 177, 179, 194, 195, 199, 201, 203, 205, 206, 207, 211, 217, 218, 219, 221, 223, 224, 225, 235, 237, 241, 245, 255, 257, 259, 266, 267, 271, 273, 277, 281, 285

354

Register

Götze/Götzendienst siehe Idolatrie Gregor von Elvira 152 Gregor von Nazianz 16 Gregor von Nyssa 48, 164 Gregor der Wundertäter 37, 216, 241 gut/Güte 13, 14, 29, 31, 32, 33, 35, 39, 43, 45, 46, 47, 51, 59, 87, 89, 90, 103, 107, 111, 115, 127, 130, 151, 177, 189, 193, 199, 204, 225, 227, 230, 273, 277, 282 Hadad 285 Hades 81, 269, 275 Hagar 153, 155, 161, 253 Ham 279 Hanna 214, 215, 223 Häresie 16, 70, 71, 77, 103, 121, 160, 319, 321 Hebräer/hebräische Lehrer 64, 71, 128, 321, 323 Heil siehe Erlösung Heilig/Heiligkeit/Heiligung 10, 14, 31, 39, 45, 52, 59, 63, 79, 80, 93, 95, 97, 99, 100, 103, 107, 109, 115, 119, 121, 139, 147, 185, 199, 205, 207, 211, 213, 215, 217, 223, 225, 227, 235, 251, 262, 263, 267, 273, 275, 277, 278, 281, 282, 283, 289 Heilige Schrift 3, 8–14, 15, 31, 39, 45, 51, 57, 61, 63, 69, 71, 73, 78, 79, 83, 84, 85, 87, 89, 91, 93, 95, 123, 132f., 151, 158f., 161, 178, 189, 198, 199, 203, 205, 206, 207, 215, 219, 221, 231, 233, 234, 243, 244, 245, 247, 249, 251, 262, 263, 265, 269, 277, 283, 284, 285, 291, 299, 311, 313, 315, 317, 319, 323, 325 Heiliger Geist siehe Pneuma Henoch 275

Herodot 71 Herrlichkeit 55, 107, 125, 139, 141, 149, 163, 181, 193, 209, 221, 233, 249, 261, 277 Hexapla 9, 101 Hieronymus 3–6, 14f., 17, 21f., 31, 96, 133, 250 Hilarius von Poitiers 204 Hippolyt 70, 74 Hoffnung 33, 51, 57, 79, 87, 133, 165, 167, 195, 223 Hölle 73, 81, 157 Hosea 199, 251 Hypostase (hypo´stasis) 13 Idee (ide´a, eıˆdos, morphe´, sche´ma, para´deigma) 12, 13, 43, 50, 254 Idolatrie 49, 103, 157 Ijob 45, 181 Ikonion 243 Illyrien 243 Inkarnation 55, 73, 121, 177, 237 innerer Mensch 12f., 51, 55, 57, 79, 245 Iordanes 58 Irenäus von Lyon 40, 130, 288 Isaak 39, 145, 150, 151, 153, 155, 157, 159, 165–179, 185, 187, 188, 194, 195, 199, 203, 204, 205, 207, 211, 217, 219, 223–231, 235–249–261, 263, 271, 275, 283, 287 Isebel 63 Ismael 153, 155, 157, 159, 165, 187, 217, 253, 263 Israel 61, 87, 99, 101, 106, 128, 139, 161, 191, 193, 213, 239, 263, 265, 271, 275, 277, 279–293 Itala 40, 60 Jabbok 7, 270 Jahwist 7

Namen und Sachen

Jakob 7, 8, 15, 39, 40, 163, 187, 188, 191, 207, 217, 219, 222, 223, 225, 229, 233, 263–277, 283, 287, 293 Jakobus 41, 55, 239 Jeremia 39, 99, 101, 188, 197 Jericho 24, 161 Jerobeam 277 Jerusalem 15, 16, 137, 146, 212, 243, 273 Jesaja 75, 85, 251 Jitro 217 Johannes (Apostel) 27, 40, 41, 55, 109, 157, 239, 289 Johannes Chrysostomus 130f., 164 Johannes von Damaskus 212, Johannes der Täufer 179, 213, 227 Jonas von Orle´ans 196 Josef 7f., 83, 263, 265, 267, 269, 271, 277, 279, 281, 287, 290 Josua 106, 107 Judäa 239 Juda (Land) 137 Judas 239 Jungfräulichkeit 105, 133, 177, 203, 204, 205, 213, 230 Kain 7, 61, 275 Kampanien 19 Kanaan (Sohn des Ham) 279 Kanaan (Land) 263, 265 Kanon siehe Heilige Schrift Kedar 217 Kelsos 49 Kenosis 55, 115, 121, 173 Kerit 285 Ketura 211, 213, 217 Kirche 8, 9, 12, 13, 17, 37, 39, 74, 75, 77, 79, 81, 83, 85, 89, 91, 93, 99, 101, 103, 105, 107, 108, 109, 113, 118, 146, 147, 149, 151, 159, 160, 173, 189, 195, 196, 197, 203, 205, 207, 209, 213, 219, 221, 227, 230, 233, 243, 249, 253, 258, 275, 287

355

Konstantin 9 Konstantinopel 9 Kornutus 10 Körper siehe Leib Kosmos 10, 12, 13, 26f., 28, 29, 30, 37, 48, 49, 51, 70, 73, 81, 89, 128, 133, 145, 202, 240f., 255, 257 – creatio ex nihilo 10 Kreuz 55, 79, 105, 108f., 115, 171, 173, 177, 179, 191, 247, 249 Kronius 10 Laktanz 46, 49 Lamech 75 Lea 223 Leben 31, 43, 45, 51, 53, 61, 63, 67, 77, 80, 81, 87, 89, 101, 107, 109, 117, 127, 129, 137, 139, 155, 159, 161, 181, 189, 197, 201, 202, 203, 217, 219, 221, 225, 227, 229, 233, 235, 237, 241, 243, 244, 245, 249, 251, 255, 263, 265, 267, 271, 275, 277, 279, 307 Leib 12, 13, 29, 31, 33, 39, 41, 47, 49, 50, 51, 55, 57, 59, 61, 75, 79, 83, 89, 90, 91, 93, 95, 97, 99, 100, 101, 103, 105, 109, 111, 119, 129, 137, 139, 143, 147, 151, 153, 155, 157, 159, 161, 163, 167, 169, 175, 177, 179, 185, 189, 191, 193, 203, 204, 205, 211, 213, 215, 223, 225, 227, 229, 237, 245, 247, 249, 253, 259, 262, 265, 268f., 275, 277, 281, 291, 293, 323 Libanon 77, 79 Licht 13, 27, 28, 29, 33, 37, 39, 41, 43, 45, 46, 49, 51, 53, 54, 95, 113, 141, 145, 169, 188, 189, 197, 219, 235, 245, 249, 251, 267, 269 Liebe (aga´pe/e´ros) 87, 111, 114, 117, 135, 143, 155, 157, 165, 166, 167, 168, 169, 172, 175, 177, 178, 183, 197, 225, 227, 237, 241, 265, 277

356

Register

Logos 3, 11, 13f., 26, 27, 28, 31, 35, 37, 39, 41, 43, 49, 53, 57, 59, 63, 65, 73, 75, 77, 79, 81, 87, 89, 95, 101, 103, 107, 109, 111, 121, 123, 125, 135, 139, 143, 145, 147, 149, 151, 153, 155, 159, 161, 167, 171, 173, 175, 177, 179, 181, 182f., 189, 191, 193, 195, 197, 199, 201, 202, 203, 205, 207, 209, 213, 219, 222, 223, 227, 229, 231, 233, 237, 241, 243, 244, 245, 247, 249, 251, 252, 253, 255, 259, 261, 267, 273, 277, 281, 287, 289, 291, 293 – Höllenfahrt 81, 275 – Mittler 26f., 45, 49, 53, 55, 144f., 254, 255 Longinus 10 Lot 112, 113, 115, 123, 127–139, 141, 263 Lüge/Täuschung 103, 131, 167, 171, 269, 319 Lukas 239 Lust siehe Affekt Lystra 243 Macrobius 82, 135 Mamre 113, 117 Manasse 187 Manuzio, Aldo 22 Maria 57, 109, 227 Markion 70, 71, 121, 174, 192, 319, 321 Markus 231, 239 Martyrium 3, 43, 156, 177, 230, 231 Materie 12, 13, 29, 33, 254, 255, 267 Matthäus 55, 231, 239 Melania die Ältere 15 Melchisedek 6, 179, 185, 253 Melito von Sardes 90 Merlin, Jacques 22f. Mesopotamien 219 Messina 15

Metapher siehe Analogie Micha 121 Midian 61, 83, 217 Mitte 29, 31, 37, 39, 77, 127, 131, 139, 237, 277 Moabiter 135, 139 Moderatus 10 Mose 9–11, 39, 71, 79, 81, 97, 101, 146, 151, 170, 173, 175, 187, 188, 207, 217, 223, 225, 239, 243, 275, 283, 293, 319, 321, 323, 325 Nabot von Jesreel 63 Nachahmung/Nachfolge 39, 119, 121, 123, 139, 279 Nahum 219 Natur siehe Kosmos Neapel 19 Negeb 140 Nemesius von Emesa 135 Nikomachus 10 Nitrische Wüste 15 Noah 7, 60, 61, 65, 69, 73, 74, 75, 77, 79, 81, 133, 275, 301, 313, 315, 317 Nola 15, 19 Nomos siehe Gesetz Notwendigkeit siehe Freiheit Numenius 10 Nun 106 Offenbarung 65, 83, 125, 141, 223, 259, 277 Ohola 137 Oholiba 137 Oikonomia (oikonomı´a) siehe Geschichte/Vorsehung Optatus von Mileve 19 Ordnung siehe Kosmos Origenistische Streitigkeiten 15f.

Namen und Sachen

Palästina 3, 4, 156 Pamphilus 4, 15 Passah 147, 203, 251 Patriarchen 95, 96, 119, 123, 207, 211, 215, 223, 235, 262, 265 Paulinus von Nola 19 Paulinus von Petricordia 182 Paulus 11, 31, 35, 39, 45, 47, 55, 57, 63, 79, 81, 83, 85, 99, 101, 107, 109, 123, 135, 141, 145, 147, 151, 153, 155, 157, 159, 161, 167, 177, 185, 187, 189, 191, 197, 201, 207, 211, 213, 217, 221, 223, 229, 235, 239, 243, 247, 249, 253, 259, 267, 273, 281, 283, 289 Peninna 215 Peripatos 254 Petrus 40, 41, 85, 239, 289 Pharao 77, 135, 143, 147, 170, 271, 273, 278–293, 323 Pharisäer 98, 121, 237, 240, 243, 277 Philister 141, 159, 229, 235–249 Philon von Alexandria 11, 27, 28, 29, 48, 49, 50, 51, 59, 64, 74, 80, 91, 96, 112, 114, 115, 116f., 118, 120, 122, 130, 132, 135, 142f., 145, 150, 151, 178, 180, 184, 188, 198, 199, 204, 213, 214, 228, 229, 230, 236, 254, 264, 266, 272, 276, 290, 291 Philosophie 9–11, 49, 82, 89, 91, 92, 144, 145, 147, 215, 241, 254, 255, 256, 257 Pichol 256, 257 Pinhas 61 Platon 11, 13, 28, 52, 136, 222, 254 Platonismus 10–12, 39, 45, 51, 91, 240, 254 Plotin 13, 45 Plutarch 91, 134 Pneuma 27, 63, 71, 80, 81, 83, 89, 95, 123, 125, 141, 147, 149, 151, 155, 159, 179, 183, 199, 206, 207,

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209, 227, 237, 241, 245, 249, 257, 267, 287, 321 Pneumatiker siehe einfache/vollkommene Christen Porphyrios 10f., 134, 240 Potifar 267 Präexistenz 223, 225, 229 Priesterschrift 7, 9 Prinzip siehe Anfang Proklos 71 Prokop von Gaza 17f., 31, 49, 60, 66, 113, 114, 116, 125, 175, 226, 275, 276, 297–329 Prophetie/Propheten 38, 87, 93, 95, 105, 108, 117, 123, 141, 161, 167, 173, 175, 189, 199, 201, 205, 207, 219, 221, 231, 237, 239, 243, 250, 251, 253, 257, 275, 277, 285, 287 Pseudo-Clemens 273 Pseudo-Eucherius 133, 164 Pythagoreer 10, 82, 290f. Rabbinische Literatur 11, 72 Rachel 207, 223 Rebekka 195, 199, 201, 203, 204, 205, 207, 223, 225, 227 Regue¨l 207, 217 Reinigung 89, 147, 171, 173, 233, 239, 245, 247, 249 Rom 14–16, 19, 188, 273 Rufinus von Aquileja 3, 4, 6f., 11, 14–18, 19, 24, 29, 32, 35, 36, 40, 41, 51, 52, 54, 58, 66, 67, 72, 73, 83, 84, 86, 87, 90, 91, 95, 98, 100, 107, 114, 126, 127, 132, 135, 136f., 143, 144, 162, 195, 198, 205, 238, 253, 263, 266, 273, 297–329 Salomo 85, 102, 137, 215, 239, 253 Samaria 137, 161, 277, 285 Samuel 223

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Register

Sarah 97, 115, 117, 119, 141, 142, 143, 145, 147, 151, 152, 153, 155, 157, 159, 165, 178, 179, 207, 211, 213, 223 Seele 12, 13, 47, 50, 57, 59, 63, 77, 89, 107, 147, 173, 175, 179, 193, 199, 201, 203, 204, 205, 206, 207, 233, 234, 241, 243, 244, 245, 247, 265, 269, 281, 285, 289 – Geist (pneuma) 12, 57, 59, 99, 107, 109, 113, 116, 117, 137, 139, 147, 153, 155, 157, 167, 173, 179, 187, 205, 219, 227, 243, 265, 267, 269, 277, 287, 291 – Hegemonikon/Herz 14, 32, 35, 36, 39, 41, 43, 47, 53, 59, 63, 79, 87, 89, 93, 97, 99, 101, 103, 105, 107, 111, 117, 141, 143, 145, 147, 151, 165, 167, 169, 179, 199, 205, 211, 219, 221, 227, 233, 243, 245, 249, 261, 265, 277, 287 – Trichotomie 12, 57 Schau (theorı´a) siehe Gottesschau/Gotteserkenntnis Schicksal siehe Freiheit Schöpfung siehe Kosmos Schriftgelehrte 98, 237, 241, 243, 277 Segor 127, 129, 131, 137, 139 Seneca d.Ä. 210 Seneca d.J. 45, 94, 257 Septuaginta 9, 34, 41, 82, 85, 101, 120f., 132, 136, 137, 162f., 166, 169, 177, 191, 203, 212, 250, 273 Sextus 16 Sichem 7 Simeon 263 Simplicius 94 Sizilien 15 Sodom 83, 113, 117, 119, 121, 123, 127, 128, 129, 131, 132, 133, 135, 141

Sohn (Gottes) 13, 26, 28, 35, 39, 63, 73, 80, 81, 90, 117, 121, 125, 153, 177, 187, 191, 222, 241, 243, 247, 251, 275 Stoa 45, 49, 94, 101, 133, 254 Strabon 71 Strafe 59, 117, 119, 123, 127, 133, 135, 157, 247, 283 Substanz/substantiell 29, 53, 93, 175, 251 Sünde 7, 12, 33, 42, 43, 48, 55, 59, 61, 77, 81, 89, 109, 119, 121, 123, 129, 131, 133, 155, 175, 179, 193, 194, 197, 213, 217, 229, 237, 246, 247, 249, 259, 261, 265, 277, 281, 283, 285 Susanna 265 Symbol 12, 80, 81, 198, 234, 291 Symmachus 9, 101, 299, 315 Synagoge 99, 118, 160, 161, 227 Syrien 285 Taufe 74, 75, 83, 208, 209, 241, 249 Täuschung siehe Lüge Teilhabe 14, 31, 55, 75, 143, 282 Terracina 15 Tertullian 51, 74, 254, 274 Theodoret von Cyrus 133 Theodosius der Große 16 Theodotion 9, 315 Teufel 27, 28, 45, 55, 57, 205, 274, 281 Tod 12, 43, 51, 55, 80, 81, 87, 91, 93, 96, 99, 108f., 115, 123, 129, 133, 147, 161, 173, 177, 179, 213, 215, 217, 235, 236, 245, 263, 265, 269, 285 Trinität 13f., 267, 27, 31, 41, 53, 55, 63, 73, 80, 81, 83, 87, 90, 111, 115, 121, 125, 139, 170, 177, 179, 189, 191, 222, 237, 239, 241, 244f., 247, 275, 285, 287

Namen und Sachen

Tugend 35, 43, 89, 130, 142, 143, 145, 147, 155, 157, 178, 179, 207, 211, 213, 125, 227, 237, 265, 275, 277, 283, 291 Tura 18 Typos 11, 43, 53, 74, 79, 80, 119, 129, 135, 139, 143, 145, 157, 171, 177, 179, 181, 199, 201, 206, 207, 211, 251, 253, 255, 257, 273, 275 Unterwelt siehe Hades Valentinianer 8 Vater (Gott Vater) 10, 12–14, 31, 33, 35, 41, 53, 55, 63, 73, 80, 81, 83, 85, 90, 111, 115, 121, 139, 145, 159, 177, 179, 189, 191, 222, 223, 237, 241, 243, 247, 253, 257, 271, 275, 285, 287 Vollkommene Christen siehe einfache Christen Vollkommenheit 53, 59, 73, 81, 83, 105, 113, 117, 123, 125, 127, 143, 145, 147, 157, 159, 193, 213, 229, 231, 252, 253, 259, 261, 271, 276, 277, 290, 291, 293 Vorsehung siehe Geschichte Vulgata 40, 65, 83, 132, 150, 162f., 191, 198, 203, 250

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Wahrheit 14, 33, 39, 43, 53, 75, 77, 99, 101, 103, 105, 121, 141, 145, 153, 167, 171, 175, 202, 215, 241, 243, 251, 255, 267, 269, 271, 275, 277, 281, 287, 293 Wahrsagerei 5 Weg 14, 36, 37, 41, 119, 168, 169, 170, 171, 197, 221, 251, 275 Weisheit (sophı´a) 11, 47, 69, 71, 75, 77, 90, 103, 114, 115, 117, 133, 139, 143, 145, 159, 171, 173, 175, 179, 205, 211, 213, 215, 225, 233, 251, 253, 259, 261, 285, 287, 311, 321, 323 Willensfreiheit siehe Freiheit Wissen siehe Gottesschau/Gotteserkenntnis Witwe 230, 285 Xenophon 181 Zahl 71, 75, 79, 80, 81, 83, 189, 290f., 323, 325 Zebedäus 55 Ziel/Zweck siehe Ende Zion 212 Zippora 207, 217