Weltgeschichte in zusammenhängenden Einzelbildern nach schul- und volkspädagogischen Grundsätzen: Für Volkslehranstalten und zum Selbstbelehrung für Jedermann aus dem Volke [Reprint 2021 ed.]
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Die Weltgeschichte in

zusammenhängenden Einzelbildern nach

schul- und volkspädagogischen Grundsätzen für

VolKslrhrnnstaltrn und mr Selbstbelehrung für Jedermann

aus dem Volke

bearbeitet von

I. G. Kühner.

Erster Theil.

Das Alterthum.

Berlin. Verlag von Georg Reimer.

1858.

Vorwort. Um den geneigten Leser in Kür;e über Zweck und Inhalt der vorliegenden 5d;rift zu informiren, sei Felgendes bemerkt. Was den Zweck derselben betrifft, so giebt der Titel schon darüber Aufschluß; sie ist für Volkslehranstalten, namentlich für gehobene Notköschuten, Stadtund Bürgerschulen, Präparandenanstalten, Privatanstalten re., sowie auch zur Selbstbelehrung für den Bürger und gebildeteren Landmann bestimmt. In­ deß soll und wird sie auch dem Lehrer in der gewöhnlichen Volksschule, der sich auf wenige Geschichtsbilder beschränken muß, gute Dienste leisten. Um diesem Zweck zn entsprechen, ist ihr Inhalt nach felgenden pädagogischen Rück­

sichten und Grundsätzen gearbeitet worden. 1. Man halte Maaß in der Auswahl des Stoffes, schränke denselben im Umfange ein und gehe dafür mehr in die Jticfe, und sorge für solide An­ eignung bis zur sichern Beherrschung des Stoffes. Doch übertreibe mcut es aber auch nicht mit der Einschränkung, damit nicht Dinge unerwähnt bleiben, von denen jeder einigermaaßen gebildete Mensch in unsern Tagen Kenntniß haben muß, wenn er sich in der menschlichen Gesellschaft mit Ehren bewegen, und ihr nützen soll. Man vergesse nicht, daß wir in einer Zeit leben, in welcher auch das Volk einen gewissen Antheil an der Kommunal- und Staats­ regierung hat, daß aus unsern Bürgerkindern dereinst Wahlmänner, Stadt­ verordnete, Magistratspersonen, Ortsrichter, Kirchenvorsteher, Gerichtsschreiber, Schiedsrichter rc. hervorgehen, denen doch alten ein gewisses Maaß historischer Bildung und ein einigermaßen durch historische Kenntnisse geläuterter und gereifter Geist zu wünschen ist. Oder liegt kein Grund mehr vor zur Klage über Einseitigkeit und blinden Parteibaß, der oft ganz vergißt, daß eine höhere Macht die Geschicke der ringenden Menschheit leitet und zu Gericht sitzt über Engherzigkeit, besonders wo es höhere Interessen gilt; über Starrköpfigkeit, die nicht zu belehren ist, und über Afterweisheit, die sich geberdet, als ob Alles erst von vorn angefangen werden müsse und von keinem historischen Bestände die Rede sei; wiederum auch über Kurzsichtigkeit, Unselbstständigkeit, Gesinnungslosigkeit, die den stärksten Lungen und redefertigsten Zungen den Sieg über die Wahrheit und das Recht verschafft? Und sind nicht alte diese Gebrechen großentheils die Folge einer mangelhaften Geschichtskenntniß? Blicken wir weiter, über den bürgerlichen und staatlichen Gesichtskreis hinaus, und fassen wir das höchste Ziel' des Menschen in's Ange. Ist viel­ leicht in dieser Hinsicht eine übermäßige Beschränkung des historischen Unter­ richts empfehlenswertb? Ich bezweifle es. Wenn man über materialistische Richtung, über Mangel an ideellem Streben und an Glauben u. s. w. klagt, so kann diesen Uebelständen wohl kaum bester abgehetfen werden, als wenn dem Volke und seiner Jugend Gott in der Geschichte nachgewiesen wird. Da sprechen Thatsachen, und eine einzige unleugbare Thatsache wirkt mehr, denn tausend schöne Worte. Soll aber Gott in der Geschichte mit unerschüt-

VI terlicher Gewißheit erkannt werden, so genügen einzelne Geschichtsbrocken nicht, sondern es muß auf den Entwickelungsgang der Menschheit, insbesondere der einflußreichsten Völker, wenigstens einigermaßen eingegangen werden. Man verspreche sich überhaupt nicht zu viel von eifernde!: Worten und salbungs­ reichen Reden; dergleichen sind wohl nicht das rechte Heilmittel gegen die be­ zeichneten Gebrechen; weit besser möchte einfache, klare, den Kops und das Herz zugleich treffende Belehrung helfen. Gedanken- und Empfindungsphrasen bringen höchstens Strohfeuer zuwege; echtes, anhaltendes Läuterungsfeuer ist einzig und allein die Wirkung ruhiger, den Verstand und das Gemüth ergreifender Belehrung. „ . Ueber das rechte Maaß des historischen Unterrichts in Lehranstalten müssen die Ansichten natürlich sehr verschieden sein, schon der verschiedenen Organisation der Schulen wegen, selbst derer von einerlei Bestimmung. In­ dessen dürfte man es doch in: Allgemeinen für zweckmäßig erachten, dem zu­ künftigen Bürger nicht Dinge vorzuenthalten, auf welche er im Umgänge mit Menschen, im socialen und politischen Lebensgebiete, im Geschäftsver­ kehr re. fast unaufhörlich so zu sagen hingestoßen wird, und mindestens als des Bürgers würdig möchte es zu bezeichnen sein, daß derselbe die in der Gegenwart noch vorhandenen Anklänge an die griechische, römische und alt­ germanische Welt wenigstens einigermaßen als solche erkennen lernt. Weiter dürfte es wohl zum vollen Verständnisse des Wortes „Als die Zeit erfüllet ward rc." nöthig sein, die Religionsverhältnisse des heidnischen Alterthums etwas an's Licht zu ziehen und einen Blick auf die römische Weltherrschaft zu werfen. Das Wort: „Himmel und Erde werden^ vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen," findet durch einen Blick in die Kampfes- und Siegesbahn des Christenthums die beste Erklärung und das Christenthum wird jedenfalls auch an dem Gegensatze des Wodanthum und des andern Heidenthums recht lebendig als die „köstlichste Perle", als der „Schatz im Acker" erkannt. Dies Alles zeigt wohl zur Genüge, daß wir die Grenzen des historischen Unterrichts nicht allzueng stecken dürfen. In den: vorliegenden Buche habe ich diese Grenzen nach meinem besten Wissen bestimmt. Da dasselbe nach meiner Absicht auch noch nach der Schulzeit für den Besitzer Interesse und Werth haben soll, so habe ich Manches darin ausgenommen, was Man­ chen als zu viel oder zu schwierig für den Schulunterricht erscheinen wird. Diese Partien möge man ruhig überschlagen, oder nur im Auszuge zur Sprache bringen. Dergleichen Stellen sind z. B. mehrere allgemeine Betrach­ tungen, u. a. die über die punischen Kriege, ferner mehrere Mittheilungen über die Verfassungen der Staaten, über die Philosophen Griechenlands, ins­ besondere auch der Rückblick am Ende dieses Bändchens. Waö endlich die sichere Aneignung des Stoffes betrifft, so kann man auch hierin leicht in ein schädliches Extrem gerathen. Wer es nämlich mit diesem Grundsatz so weit treiben will, daß er von jedem seiner Schüler ver­ langt, jeden Augenblick über alle Einzelheiten des Dagewesenen im Zusammen­ hänge frei sich aussprechen zu können, wird bei der Jugend, wie sie nun eben organisirt ist, im Laufe eines Jahres nur äußerst wenig aus der Geschichte vortragen dürfen. Erreichen läßt sich so Etwas wohl; ob aber mit solcher Pe­ danterie wirklich der Jugend und des Volks Bestes gefördert wird, das ist eine Frage, welche ihrer Erörterung und Entscheidung noch entgegenharrt. 2. ' Man vermeide eben so sehr systematische Vollständigkeit, strengen Pragmatismus, allgemeine Betrachtung und trockene Wissenschaftlichkeit, als übertriebene Lückenhaftigkeit, gänzliche Zusammenhangslosigkeit, . minutiöse Einzelbetrachtung und gemüthliche Unterhaltung, und halte sich vielmehr in

vn der Mitte dieser Extreme, Ein gewisses Maaß von Vollständigkeit verlangt daA praktische Leben; der zukünftige Bürger muß so weit in der allgemeinen. Geschichte orientirt sein, daß er nicht nur die Lust empfindet, sondern auch die Fähigkeit besitzt, sich in diesem Gebiete mit Erfolg weiter auszubilden. Ein gewisses Maaß von Zusammenhang aber verlangt schon der Ordnungs­ sinn, der, wo er vorhanden, geschont und gepflegt, und wo er fehlt, geweckt und genährt werden muß. Nicht minder liegt es in der Natur unseres Geistes begründet, daß neben dem Einzelnen auch das Allgemeine zur Be­ trachtung komme. Wenn wir einen Strich Landes durchwandert und im Ein­ zelnen kennen gelernt haben, fühlen wir das Bedürfniß, denselben auch im Ganzen zu überschauen, um einen Totaleindruck von ihm in uns aufzuneh­ men, und umgekehrt, haben wir von einer Höhe eine Landschaft überblickt, so zieht es uns hinab, hervorragende Einzelheiten zu betrachten. Der histo­ rische Unterricht befasse sich daher immerhin vorzugsweise mit Einzelbildern der bedeutendsten historischen Personen, Ereignisse und Zustände; aber er ver­ säume dabei nicht, den Blick auch auf das Ganze zu lenken. Allgemeine Ueberblicke über historische Gebiete, wenn auch nur in allgemeinen Umrissen, haben nicht nur einen praktischen, sondern auch einen sittlichen Werth. Oder wirken große, allgemeine Anschauungen nicht erhebend auf den Geist?— Bei dem in bloßen, zusammenhangslosen Einzelbildern bestehenden Unterricht liegt endlich auch die Gefahr nahe, daß es zu keinem festen geordneten Wis­ sen kommt. Ein bloßes Knochengerüst von Zahlen, Namen und Thatsachen taugt allerdings nichts, oder doch nicht viel; aber eben so wenig taugt eine bloße Fleischmasse, oder vielmehr ein Komplex von Fleischstücken, wozu ein zusammenhangsloser Geschichtsbilderunterricht leicht große Aehnlichkeit erlan­ gen kann. 3. Der historische Unterricht beanspruche weder das Gedächtniß noch den Verstand übermäßig, sondern habe vielmehr die Pflege einer edlen, thatkräftigen Gesinnung im Auge. Man gebe daher nicht nur zu viel Namen und Zahlen, vertiefe sich nicht in trockene Einzelheiten, namentlich nicht in politische Verwickelungen, sondern halte- sich mehr an das besonders Hervorstechende, womit dem praktischen Bedürfniß gedient ist, und wobei ein Gewinn für das Herz und den Charakter in Aussicht steht. Im Allgemeinen lege man es darauf an, die Ueberzeugung recht zu befestigen, daß eine höhere Macht mit Weisheit, Güte und Gerechtigkeit in der Welt waltet und die Geschicke des Einzelnen, wie ganzer Völker leitet. Insbesondere aber sei die Grundlage des historischen Unterrichts christlich und national, er durch­ dringe die Jugend mit Gedanken, welche christliches Wesen athmen, befördere frommen Sinn und christlichen Wandel., begeistere für vaterländisches Wesen und Aufrechthaltung der edelsten Volksgüter. 4. Die Geschichte des Alterthums hat ihren Mittelpunkt in der wich­ tigsten, nämlich der biblischen Geschichte, oder in der Geschichte des jü­ dischen Volks. Demgemäß bilde auch diese Geschichte den innern Mittelpunkt

der Mittheilungen aus dem Alterthum. Da die biblische Geschichte den Kin­ dern in ihren Hauptzügen schon bekannt ist, wenn der Geschichtsunterricht be­ ginnt, so schließt sich überdies auf diese Weise einem pädagogischen Grundsätze gemäß Unbekanntes an Bekanntes. In der Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit treten Deutschland und beziehungsweise Preußen in den Vordergrund. Die Geschichte der hervorragendsten Völker wird in gedrängter Kürze daran geknüpft. \ Die Geographie ziehe man nicht bloß in topischer, sondern auch in physikalischer.Hinsicht heran. So viel wie möglich eröffne man den Schülern einen Blick in den Zusammenhang des Menschenlebens mit dem Naturleben.

VIII 6. Der Lehrer gewöhne die Schüler an Wiedererzählung des Vorgetra­ genen. Damit diese Aufgabe den Kindern nicht unnöthigerweise erschwert werde, erzähle der Lehrer möglichst einfach. Soll sich bas Kind lang ausge­ sponnene oder zu hoch gehaltene Sätze erst in seine kindlich einfache Redeweise übersetzen, so muthet man ihm die Lösung einer doppelten Aufgabe zu, ein­ mal die Auffassung des Stoffes und dann die Umwandlung der Form. 7. Besonders halte sich der Unterricht von Phrasen jeder Art fern, seien es Gedanken- oder Empfindungsphrasen. Auch suche man weniger durch die Form, als durch den Inhalt zu fesseln. Der Inhalt aber fesselt, wenn er den Kindern u. a. Aufschluß über Dinge bringt, die in ihre Gedankenwelt hinein­ ragen, oder sie doch berühren, oder die sie bereits dem Namen nach kennen, oder von denen sie sofort die Ueberzeugung erlangen, daß sie einen praktischen Werth für sie haben. 8. Man vermeide möglichst die Vorführung von Bildern schlechter Charaktere. Nur wo es gilt, der Jugend die Wahrheit, „die Sünde ist der Leute Verderben", und den Glauben an Gottes strafende Gerechtigkeit tief in's Herz und Gewissen einzuprägen, ziehe man dergleichen heran. Ausführ­ liche Erzählungen von Schlachten unterblieben in der alten Geschichte am besten ganz. Aus dem Mittelalter, namentlich aber aus der Neuzeit, ist es jedoch nothwendig, einzelne kriegerische Thatsachen behufs Belebung thatkräf­ tigen Patriotismus zu erzählen. Im Allgemeinen gebe man der Kultur­ geschichte vor der Kriegsgeschichte entschieden den Vorrang; man verweile mehr bei dem, was der Mensch durch Arbeit und Ringen seiner geistigen Kräfte, als durch die Gewalt des Schwertes gewirkt hat. In Betreff der Mittheilungsform sei man bestrebt, die Kulturverhältnisse möglichst durch concrete Darstellung zum Verständniß zu bringen, und dagegen die bloß abstracten Besprechungen und Schilderungen zu vermeiden. Wer dergleichen Ansichten huldigt, wird sich der vorliegenden Schrift be­ dienen, und zu ihrer Verbreitung beitragen dürfen. Da dieselbe kein wissen­ schaftlich historisches, sondern ein pädagogisches Ziel verfolgt, so habe ich es unterlassen, die zahlreich benutzten Quellen anzuführen. Wörtlich entlehnte Stellen sind jedoch bezeichnet. Schließlich habe ich nur noch den Wunsch auszusprechen, daß das Buch eine freundliche Aufnahme finden und eine nachsichtige Beurtheilung erfah­ ren möge. Hirsch berg in Schlesien,

im Juli 1858.

Der Verfasser.

Inhalt. Seite

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

Einleitung.......................................................................................... 1 Die ersten Menschen............................................................................. 4 Die Assyrer, Babylonier und Meder..................................................... 9 Die Aegypter............................................................................................. 15 Die Phönizier............................................................................... . 23 Die Israeliten . ........................................................................................... 28 Die Perser.................................................................................................. 5C> Die Griechen.................................................................................................. 63 Philipp und Alexander der Große von Makedonien.................................. 109 Die Indier................................................................................................ 128 Die Chinesen............................................................................................ 141 Die Römer................................................................................................ 145 Die christliche Kirche in den ersten fünf Jahrhunderten............................. 218 Ruck- und Ueberblick................................................................................ 242 Zeittafel................................................................................................... 247

Einleitung. Alles Wissen oder die gestimmte Wissenschaft — im Gegensatz zu dem Reich deS Glaubens und der Philosophie — zerfällt in zwei große Ge­

biete, von denen daS eine die Dinge, Erscheinungen und Kräfte in der Natur, und die andere die Entwickelung des menschlichen .Geistes und

die Begebenheiten in der Menschenwelt umfaßt.

heißt daS eine, das andere Geschichte.

Naturwissenschaft

Mit letzterer wollen wir uns

beschäftigen.

Der Geschichte

gehört

also

nach

dem

Gesagten

alles

geistige

Werden und Gewordensein in der Menschenwelt an.

Das

Leben der Völker, die Thaten und Schicksale der Nationen und die Werke der Menschen während ihres irdischen Daseins, ihrer Betrachtung:

offenbar

ein Inhalt,

Ehrensache jedes Menschen ist.

sind

die Gegenstände

wovon Kenntniß zu nehmen

bloß

die Menschenwürde

fordert von unS, daß wir die Geschichte Kennen zu

lernen suchen, auch

Doch

nicht

daS Bedürfniß und der eigene Vortheil mahnt dazu.

Denn aus der

Weltgeschichte schöpft der Mensch neben angenehmer Unterhaltung nütz­

liche Belehrung, Trost, Beruhigung, Hoffnung, Kraft, Warnung u. s. w. Bedenken wir,

baß wir alle,

was wir geistig, moralisch und politisch

sind, durch die Geschichte sind, d. h. durch eine Reihefolge von Begeb­ nissen vor unserer Zeit, welche den Stand der Gegenwart,

in der wir

leben und denken, vorbereitet haben, so leuchtet ein, daß wir durch die Geschichte die Gegenwart

lernen.

erst recht verstehen,

benutzen

und würdigen

Indem sie den Zusammenhang der Vergangenheit mit der Ge­

genwart aufdeckt, schärft sie unsern Blick für die Zukunft, desgleichen schärft sie auch unser Urtheil über den Werth der Dinge und lehrt unS

dadurch bestehende Uebel beseitigen, oder drohenden vorbeugen und aus dem Wege gehen. Halten wir uns ferner vor, daß aus dem Verlaufe des Lebens ein­

zelner Menschen und Völker die Wahrheit hervorleuchtet, daß

ein all­

mächtiger, allweiser, allliebender Gott die Geschicke der Einzelnen wie

Kutzner Geschichte I.

1

2

Einleitung.

ganzer Völker nach einem weisen, wenn auch uncrfopschlichen Plane lei­ tet, so leuchtet sofort ein, welchen Trost im Unglück, welche Beruhigung im Leiden, welche Hoffnung in der Bedrängniß, welche Kraft im Kampfe

gegen Mißgeschick und Unrecht der Mensch aus der Geschichte schöpfen kann.

Und wenn aus den Schicksalen einzelner Menschen die Predigt

der göttlichen Gerechtigkeit uns

entgegentönt, wenn das Aufblühen und

der Verfall der verschiedenen Völker uns das Wort „Gerechtigkeit erhöht

ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben!" in's Gewissen redet,

welch mächtige Warnung liegt darin für den schwachen Menschen, welch kräftiger Antrieb für ihn, sich nur der Tugend

zu weihen!

Und wenn

ein vergleichender Blick von der trüberen Vergangenheit auf die freund­

liche

stärkt und das

Gegenwart das Gefühl der Zufriedenheit in uns

Herz dem Gefühl der Dankbarkeit

öffnet, um

wie viel reicher müssen

wir da nicht durch die Geschichte an innern: Glück und Frieden werden! Grund genug für Jedermann, sich mit Fleiß in der Geschichte so

weit umznsehen, als es seine Kräfte und Umstände nur gestatten. wir uns dies zur Aufgabe.

Machen

Doch wollen wir die Grenzen unserer Auf­ Nimmt die Geschichte überhaupt nur von den

gabe nicht zu weit ziehen.

wichtigen Ereignissen Notiz, so genügt für unsern Zweck auch schon daS

Wichtigste.

Kommt es

doch auch beim Studium der Geschichte nicht

auf die Masse des Wissens an, dessen man sich bemächtigt, sondern viel­ mehr darauf, daß man sich davon so viel wie möglich

zu Nutze macht,

recht viel daraus lernt, und das Gelernte in's Leben überträgt.

Daran

wollen wir immer denken, wenn wir Geschichte treiben.

Doch wollen wir bei der Beschränkung

auf

das Wichtigste uns

auch so einrichten, daß wir einen allgemeine«: Ueberblick über das Gebiet

der Weltgeschichte gewinnen.

Diesen Zweck würden wir nicht erreichen,

wenn wir uns mit der Betrachtung einzelner wichtiger Begebenheiten ans der Weltgeschichte begnügen wollten; vielmehr ist dazu erforderlich, daß

wir gewisse Standpunkte einzunehmen suchen, von denen aus eS möglich

ist, eine Uebersicht über eine Reihefolge von Begebenheiten zu erhalten. Solche Standpunkte sind die Wendepunkte der Geschichte.

Wenn man

sich in einem aus einer großen Menschenzahl bestehenden Zuge befindet,

so kann man für gewöhnlich nur einen kleinen Theil desselben übersehen. Wenn jedoch der Zug auf einem großen freien Platze sich wendet, dann

gelingt es jedem Theilnehmer, das Ganze zu überschauen und einen Be­

griff von seiner Größe

und Beschaffenheit zu

gewinnen.

Dergleichen

Wendepunkte hat auch die Geschichte, die ja eine fortlaufende Reihe von

Begebenheiten ist.

Die Wendepunkte

auffallenden Hauptveränderungen

der Geschichte

aber

find

in der Menschheitsentwickelung.

die Von

3

Einleitung.

ihnen aus kommt Uebersicht und Ordnung in

das Ganze.

Der bedeu­

tendste Wendepunkt in der Geschichte trat mit dem Heilande der Welt ein.

Der Umschwung in dem Menschenleben wurde durch sein Erscheinen

ein so großartiger, daß man die ganze Zeit der Menschheitsentwickelung

nach diesem Ereigniß in zwei große Abschnitte theilt, in die alte und

in die neue Zeit.

Was vor Christo war und geschah, gehört in die

alte Zeit, und waS nach ihm sich ereignet hat, in die neue.

Nach der

Geburt Christi trifft man daher auch die Zeitbestimmungen; man zählt

nämlich von Christi Geburt an sowohl rückwärts als vorwärts, und redet

von Jahren vor und nach Christi Geburt.

Innerhalb der neuen Zeit

ist mit der Reformation nochmals ein wichtiger Wendepunkt eingetreten,

weßhalb man die Geschichte der neuen Zeit in eine mittlere und neue eintheilt.

Daraus ergiebt sich die Eintheilung der Geschichte in eine

alte, mittlere und neue, oder in das Alterthum, das Mittel­

alter und die Neuzeit.

Jeden von diesen Haupttheilen wollen wir

nun in seinen Hauptzügen kennen lernen.

Also zunächst das Alterthum.

1. Die ersten Menschen. DaS Dunkel der Urgeschichte der Menschheit wird nur durch das Licht der heiligen Schrift, des Buches des Glaubens, einigermaßen aufgehellt. So wenig eS aber auch ist, was uns darin über den Ursprung und das Leben der ersten Menschen gesagt wird, so inhaltsschwer ist es: „Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde," so tönt es uns aus der heiligen Urkunde entgegen. Da haben wir genug des Aufschlusses über die Ent« stehung und Bestimmung des Menschen. Unmittelbar aus der Hand Gottes ging der Mensch hervor und als Ebenbild Gottes auf Erden, so wurde er von Gott geschaffen. Ein Abbild seines Schöpfers soll er fein in all seinem Thun. — Als die ersten Menschen nennt die Schrift ein Paar: Adam und Eva, und als Aufenthaltsort bezeichnet sie das Paradies, oder den Garten des Landes Eden, d. i. der Anmuth und Lust. Wo dieses gelegen war, ist unbekannt und uns zu wissen auch nicht nöthig. Genug, Adam und Eva lebten in jenen Gefilden ein glück­ liches Leben in Unschuld und Freude. Sie fanden ihren Lebensunterhalt, indem sie den Garten mit leichter Mühe bauten und von seinen Früch­ ten aßen. Dem Willen Gottes folgten sie, wie gute Kinder ihren Aeltern. Darum kannten sie auch keine Furcht vor Gott, der mit ihnen umging, wie ein lieber Vater mit seinen Kindern. Kein Schmerz, keine Krankheit, keine Noth nahte ihnen, „denn sie gedachten des Gebotes Gottes, daß sie danach thäten." DaS Leben war ihnen gewiß, denn mitten im Garten stand ja der Baum des Lebens, und so lange sie von den Früchten dieses BaumeS aßen, wußten sie nicht, was Tod und Sterben ist. So träumten sie den schönsten Traum ihres Lebens; „aber es war ein Traum der Wahrheit, die noch fort und fort im Gemüth der Völker empfunden wird, und sich ausspricht in der Sehnsucht nach dem verlornen Paradiese und in der Sage vom goldnen Zeitalter." Doch nur kurze Zeit lebten Adam und Eva dieses selige Leben; durch Ungehorsam gegen Gottes Gebot betrogen sie sich darum. Gott hatte ihnen verboten, von einem gewissen Baume zu essen, der deßhalb

Die ersten Menschen.

5

der Baum der Erkenntniß des Guten und Bösen heißt.

Sie ließen sich

durch die Schlange zur Uebertretung dieses Gebots verführen, und nah­ men somit das Böse in sich apf. radieses verlustig

mit

In Folge dessen gingen sie des Pa­

seinen Freuden und

Das Ge­

seinem Frieden.

wissen erwachte und seine strafende Stimme verscheuchte Ruhe und Frie­ den; Schmerz und Krankheit drangen in's Leben des Menschen ein, die

Arbeit, welche bis dahin eine Lust gewesen war, wurde nun im Schweiße des Angesichts zur Last; der Geist wurde verdunkelt und der leibliche

und geistige Tod waren andere bittere Früchte der Sünde. — Mit dem Sündenfall verschwindet das Paradies aus der heiligen Geschichte, es ist

nun hinweggerückt/ und unS nun als Ziel all unsres Strebens hingestellt.

Durch Mühen und Kämpfe soll cS wieder errungen werden, vor Allem durch Glauben, durch den Glauben an Christum, von dem Gott schon

den ersten Menschen die tröstende Verheißung gab, daß er der Schlange den Kopf zertreten werde.

Christus hat den Eingang in das Paradies

wieder geöffnet, er steht den Seinen mächtig zur Seite, er kämpft ihnen

voran,

bis sie,

siegend

durch

ihn,

den

Lebensbaum

jenseits

wieder

erblicken. Bald nach der Vertreibung aus dem Paradiese befleckt schon der erste Mord die Erde.

schreitet rasch fort. gen Morgen.

Kain erschlägt seinen Bruder Abel.

Die Sünde

Kain flieht, von seinem bösen Gewissen gejagt, ge­

Seth, der dritte Sohn des ersten Menschenpaares bleibt

aber in dem alten Wohnsitz und wird der Stammvater eines zahlreichen Hirtengeschlechts.

Aber mit der Zahl der Menschen wächst ihre Sünde.

Da sendet Gott die Sündfluth und das entartete Geschlecht wird ver­

tilgt, bis auf die Familie Noah, welche die Erde auf's Neue bevölkert. Von Noah's Nachkommen,

nach

und Iaphetiten unterschieden,

seinen Söhnen in Semiten,

breiteten sich

Hamiten

die Semiten im mittleren

Asien aus; (zu ihnen gehören die Hebräer, Assyrer, Babylonier, Perser, Phönizier, Lydier rc.); die Hamiten drangen in das heiße Afrika vor,

und die Iaphetiten in das nördliche Asien und Europa. Das ist das Wichtigste von dem, was die heilige Schrift über die ersten Menschen mittheilt.

Wollen wir über die Lebensweise, über die

Entwickelung der Menschen in jenen früheren Zeiten Näheres wissen, so müssen wir die Phantasie zn Hülfe nehmen.

Auf diesem Wege gelangen

wir etwa zu folgenden Vorstellungen.

Jedenfalls setzte die Sorge um Nahrung, Kleider und Obdach den

Menschen zuerst in Thätigkeit.

Da er zur Befriedigung dieser Bedürf­

nisse durch keinen Instinkt geleitet wurde, so mußte er sich seines Ver­ standes bedienen.

Durch Anwendung desselben konnte er von den Thieren

Die ersten Menschen.

Mancherlei lernen, was ihm zur Erhaltung seines Lebens und zur Ver­

Außer dem Genuß

schönerung desselben diente.

verschiedener Früchte

lernte er ihnen gewiß auch bald die Bereitnng einer Lagerstätte zum Schutz vor der Rauhheit der Nacht und der Witterung ab.

Weiter

lernte er von ihnen wahrscheinlich auch frühzeitig das Todten der Thiere und das Verzehren ihres Fleisches.

friedlichen Fruchteffer ein kühner,

der die Wälder durchstreifte. der Mensch

Dadurch wurde aus dem furchtsamen,

kräftiger und

mordlustiger Jäger,

In der Nähe von Gewässern legte sich

auf den Fischfang; er wurde ein Fischer.

Bei beiden

Beschäftigungen galt eS, nachzudenken; es mußten Jagd- und Fischgeräthe erfunden werden.

So wurde schon diese rohe Beschäftigung ein Weck­

mittel geistiger Kraft.

Mit der Haut der erlegten Thiere wurde ein

haltbareres Kleid gewonnen als die Baumblätter boten, deren man sich

wahrscheinlich zuerst als Bekleidungsmittel bediente.

Sich dasselbe be­

quem zu machen, erforderte Ueberlegung, und so wurde auch dadurch der Verstand geschärft.

Jagd und Fischerei mögen lange Zeit den Menschen ihren Un­

terhalt gewährt haben.

Indessen zeigte eö sich doch anch bald, daß das

Jagdleben einen unsichern Erwerb bietet.

Man benutzte daher die Er­

fahrungen, die man bei der Jagd über die Thiere gemacht hatte, zu an­

derweitigem Erwerb von Nahrungsmitteln.

Man hatte gutmüthige und

zähmbare Thiere von wilden unterscheiden gelernt.

und gewöhnte sie an sich.

Erstere fing man ein

Das Schaf mag wohl das erste Hausthier

des Menschen gewesen sein, denn kaum folgt ein anderes Thier dem

Menschen so willig; noch heut heftet sich kein anderes so willig an seine Fersen.

Vermochte doch auch das Schaf alle Bedürfnisse des natürlichen

Lebens zu befriedigen; sein Fell gab dem Menschen Kleidung, sein Fleisch, seine Milch vortreffliche Nahrung.

War aber einmal ein Anfang mit

der Zähmung der Thiere gemacht, so schritt man darin durch Einfängen

andrer zähmbarer Thiere fort.

den Anfang.

Vielleicht machte man mit jungen Thieren

Der Mensch ließ nun von der Jagd ab und beschäftigte

sich mit der Viehzucht, er vertauschte das wilde Jägerleben mit dem friedlichen Hirtenleben.

Heimath- und obdachlos streifte der Mensch sonst als Jäger durch die Wälder

und erlegte das flüchtige Wild.

Sein blutiges Gewerbe

duldete keine Genossen; er bedurfte großer Erdstrecken, damit die Thiere

sich nähren konnten,

in deren Fell er sich hüllte, deren Fleisch seinen

Hunger stillte, aus deren Blut er neue Wildheit trank.

er lebte, so endete er auch.

wordene Mensch!

Einsam, wie

Wie ganz anders der nun zum Hirten ge­

Sein Geschäft war nicht mehr der Mord; er nährte,

Die ersten Menschen.

7

zähmte, erzog die Thiere und in Zelten richtete er sich mit den Seinen Die edleren Kräfte seines Gemüthes wurden wach; nach

wohnlich ein.

oben zu den ewigen Gestirnen richtete sich sein ahnendes Auge und mit der Ruhe und Gemüthlichkeit seines Daseins fand sich Zeit und Lust, die Dinge um sich her in einem Zusammenhänge zu betrachten.

Er

forschte nach dem Grunde des Vorhandenen und dies brachte ihn dem

Schöpfer aller Dinge wieder näher.

Da er indessen Gott nur aus der

Natur erkennen konnte, so mußte die Vorstellung von ihm sehr mangelhaft

Aus demselben Grunde mußten

sein. lungen

von

dem Weltenschöpfer

Menschengruppen sehr

verschieden

auch nach und nach die Vorstel­

bei

den

verschiedenen Menschen und Daß, und wie dies ge­

ausfallen.

schehen ist, darüber werden wir in der Geschichte der einzelnen Völker Näheres erfahren.

Aber auch daö Hirtenleben

hatte seine Mängel und Uebelstände;

der größte darunter war die Nothwendigkeit des Wohnungswechsels. Die Heerde bedurfte vieler Weide; war der Platz abgcweidet, so mußte man das Vieh nach einem andern treiben.

heimisch,

er war überall

So wurde der Hirt nirgends recht

Auch

ein Fremder.

mochte

der

eintretende

Mangel an Weide nicht selten Ursache zu Zank und blutigen Kämpfen

werden.

(Abraham, Lot.)

Das Alles mochte die Hirten bewegen,

noch auf andere Weise den Lebensunterhalt zu verschaffen. gen am weidenden Vieh wiesen sie auf einen andern Weg.

sich

Beobachtun­ Sie sahen,

wie die Thiere die Aehren mancher Gräser mit Vorliebe abfraßen, sie

nahmen auch wohl wahr, daß die Vögel gern nach den Körnern pickten. Die Körner wurden probirt und sie würden

rung gefunden.

nicht unpassend zur Nah­

Um sie in Menge zu gewinnen, besäete man in der

Nähe des Zeltes ein Fleckchen Acker mit Getreidekörnern und hielt die

erste Ernte.

Das Kauen der harten Körner war unbequem; man ge«

rielh darauf, sie zu zerdrücken, zu zermalmen, dies bewerkstelligte man

durch Steine; das Mehl war erfunden.

Trocknes Mehl will schlecht

hinunter, man nahm daher Wasser dazu; der Teig war fertig. Teig mundet auch noch nicht sonderlich.

Roher

Man mochte schon vom Fleische

her wissen, daß es besser schmeckt, wenn man es dem Feuer ausgesetzt

hat.

Es wurde nun auch der Teig der Hitze ausgesetzt und das erste

Backwerk war fertig. und Bäcker geworden.

Der Mensch war bald

So fand sich

ein Ackerbauer, Müller

eine Entdeckung und Erfindung

zur andern und das Leben der Menschen nahm immer mehr an Genuß,

Bequemlichkeit und an Kultur zu.

Die ersten Menschen.

8

Mit dem Ackerbau kamen auch die festen Wohnsitze.

Man

brauchte nur wenig Land, um sich die nöthige Getreidefrucht zu bauen, und man konnte jedes Jahr

auf

nöthigen Lebensunterhalt gewinnen.

mer der Saat

in

ein und

demselben Landstriche den

Andererseits ninßte der Eigenthü­

der Nähe derselben bleiben, um sie vor Verderben

Das nöthigte

und Zerstörung zu schützen.

zu festen Niederlassungen.

Das Zelt verschwand, feste, größere und bequemere Wohnungen erstanden. Durch Ackerbau und festen Wohnsitz wurde der Mensch

erst zum Menschen.

Mit dieser Beschäftigung hatte er ein trautes

Er lernte seine Umgebung genau kennen,

Heimathsplätzchen gewonnen.

an diese und jene Stelle knüpften sich liebe Erinnerungen; es stellte sich

die Heimathsliebe ein.

Da der Ackerbauer wenig Landfläche bedarf,

so konnten sich in nicht zu großer Entfernung niederlassen.

verschiedene Familien

Diese traten nun in geselligen Verkehr.

Dadurch wur­

den nicht nur gesellige Tugenden, als Gefälligkeit, Freundlichkeit, Freundschaft, Friedfertigkeit rc. erweckt und gepflegt, sondern durch den Austausch der Gedanken steigerten sich auch die Kenntnisse, erstarkten Und diese wurden vielfach in Anspruch genommen;

die geistigen Kräfte.

da mußte man darauf sinnen, den Acker möglichst fruchtbar zu machen,

man mußte Ackerwerkzeuge erfinden, mußte sich Thiere für den Ackerbau dienstbar machen, auf die Thierkrankheiten achten und auf ihre Heilung be­

dacht sein u. s. w. leicht auszuweichen,

Die Unmöglichkeit, und

die

dem

streitsüchtigen Nachbar

geschmeckte Annehmlichkeit des

Friedens

drängten dahin, für die Schlichtung von Stteitigkeiten zu sorgen.

So

rief der Ackerbau Anstalten der Gerechtigkeit und der Rechtspflege hervor.

Vermehrter Wohlstand, erhöhte Geistesbildung verbunden mit

Muße, ließen die ersten künstlerischen Versuche entstehen, und in der Erforschung der Natur und ihrer Kräfte, in dem Nachdenken über

sichtbare und unsichtbare Dinge einen unaufhaltsamen Fortschritt anbah­ nen. Zur Sicherung des Eigenthums, des ruhigen Erwerbes, des Friedens u. f. w. ordneten sich viele Familien zu einem gemeinsamen

Ganzen, mit dessen Leitung ein Oberhaupt betraut wurde. sich Stämme,

Staaten und Reiche,

So bildeten

so entstand die Obrigkeit.

Zu den'geselligen Tugenden traten nu nauch die bürgerlichen, als da sind Gemeinsinn,

Gesetzlichkeit,

und vor Allem Vaterlandsliebe,

wozu sich die Heimathsliebe erweiterte. Kurz, durch den Ackerbau wurde der geistige Bau der Kultur der

Menschheit

errichtet.

Sitte,

durch den Ackerbau errungen

Bildung, Kunst, worden.

Wissenschaft,

Alles

ist

So ist denn der Getreidehalm

in der That einer der größten Wohlthäter der Menschheit.

9

Die Assyrer, Babylonier und Meder.

Doch eS hat lange gewährt, ehe der Mensch bis auf die Höhe der heutigen Bildungsstufe gelangt ist.

vielen Stücken nur der Anfang.

Im Alterthum findet sich dazu in

Das werden wir aus den nachfolgen­

den Mittheilungen über die Völler jener Zeit erfahren.

Die Assyrer, Babylonier und Meder.

2.

Unter den vielen Völkern, deren in den Büchern des A. T. er­ wähnt wird, gehören die Assyrer und Babylonier zu den ältesten

Diese Völker wohnten im südlichen Theile von Vor-

und bedeutendsten.

derasien, im Gebiete des großen Stromzwillingspaares Euphrat und

Tigris. Betrachten wir dieses Landgebiet vorerst etwas genauer. südlich vom Hochlande

von Armenien,

das

Es liegt

den Berg Ararat trägt

und das zu dem großen Hochlande von Vorderasien gehört.

Auf dem

armenischen Hochlande entspringt der Euphrat und Tigris; jener etwa 300 Meilen weit aufwärts von dem persischen Meerbusen, in den beide

(Unsere Oder ist nur 120 Meilen lang.)

Ströme münden.

Nördlich

vom Wan-See hat der Euphrat seine Quelle; in sehr langem und großem

Bogen läuft er um den Quellbezirk des Tigris herum;

dann

entfernt

er sich von seinem Zwillingsbruder wohl an 50 Meilen weit, worauf sie sich wieder nähern, bis sie endlich etwa 40 Meilen vor der Mün­ dung einander brüderlich die Hand reichen und vereint dem Meere sich

überliefern.

ersten

Die

hundert Meilen schaut sich der Euphrat im

Hochlande um; nachher tritt er in ein großes Tiefland ein, das theils zwischen den

liegt.

Strömen,

beiden

theils

ost-

und

westwärts

derselben

Die Grenzen sind im Norden: Armenien, im Osten die kurdi­

schen Berge, im Süden das persisch-arabische Meer und im Westen die syrisch-arabische Wüste.

nur Gräser hervor.

Es ist ein Steppenland, d. h. es bringt meist

Im nördlichen Theile ist es graSreich und trägt

hie und da Bäume; weiter abwärts, wo

der Regen noch mehr man­

gelt, ist es baumleer, oft wüst; im südlichen Theile ist es aber wieder

grünender.

Dieses Land zwischen den beiden Flüssen heißt Mesopo­

tamien (auch Chaldäa), und ist gegen 4000 Q.-Meilen groß.

Darin

lag Ur, wo Abraham ursprünglich wohnte. Im Südwesten von Mesopotamien- am Ausfluß des Euphrat liegt

Babylonien.

Dieses Land ist am fruchtbarsten; namentlich trägt eS

9

Die Assyrer, Babylonier und Meder.

Doch eS hat lange gewährt, ehe der Mensch bis auf die Höhe der heutigen Bildungsstufe gelangt ist.

vielen Stücken nur der Anfang.

Im Alterthum findet sich dazu in

Das werden wir aus den nachfolgen­

den Mittheilungen über die Völler jener Zeit erfahren.

Die Assyrer, Babylonier und Meder.

2.

Unter den vielen Völkern, deren in den Büchern des A. T. er­ wähnt wird, gehören die Assyrer und Babylonier zu den ältesten

Diese Völker wohnten im südlichen Theile von Vor-

und bedeutendsten.

derasien, im Gebiete des großen Stromzwillingspaares Euphrat und

Tigris. Betrachten wir dieses Landgebiet vorerst etwas genauer. südlich vom Hochlande

von Armenien,

das

Es liegt

den Berg Ararat trägt

und das zu dem großen Hochlande von Vorderasien gehört.

Auf dem

armenischen Hochlande entspringt der Euphrat und Tigris; jener etwa 300 Meilen weit aufwärts von dem persischen Meerbusen, in den beide

(Unsere Oder ist nur 120 Meilen lang.)

Ströme münden.

Nördlich

vom Wan-See hat der Euphrat seine Quelle; in sehr langem und großem

Bogen läuft er um den Quellbezirk des Tigris herum;

dann

entfernt

er sich von seinem Zwillingsbruder wohl an 50 Meilen weit, worauf sie sich wieder nähern, bis sie endlich etwa 40 Meilen vor der Mün­ dung einander brüderlich die Hand reichen und vereint dem Meere sich

überliefern.

ersten

Die

hundert Meilen schaut sich der Euphrat im

Hochlande um; nachher tritt er in ein großes Tiefland ein, das theils zwischen den

liegt.

Strömen,

beiden

theils

ost-

und

westwärts

derselben

Die Grenzen sind im Norden: Armenien, im Osten die kurdi­

schen Berge, im Süden das persisch-arabische Meer und im Westen die syrisch-arabische Wüste.

nur Gräser hervor.

Es ist ein Steppenland, d. h. es bringt meist

Im nördlichen Theile ist es graSreich und trägt

hie und da Bäume; weiter abwärts, wo

der Regen noch mehr man­

gelt, ist es baumleer, oft wüst; im südlichen Theile ist es aber wieder

grünender.

Dieses Land zwischen den beiden Flüssen heißt Mesopo­

tamien (auch Chaldäa), und ist gegen 4000 Q.-Meilen groß.

Darin

lag Ur, wo Abraham ursprünglich wohnte. Im Südwesten von Mesopotamien- am Ausfluß des Euphrat liegt

Babylonien.

Dieses Land ist am fruchtbarsten; namentlich trägt eS

Die Assyrer, Babylonier und Meder.

10

Oestlich am und vom Tigris liegt Assy­

sehr reiche Getreideernten.

rien (das heutige Kurdistan), das nach Osten hin bald, in ein üppiges

und schönes Hügelland übergeht,

dessen Höhen prächtige Eichen- und

Nußbaumwälder tragen, während die Thäler Getreide und Südfrüchte

Oestlich von Assyrien liegt Medien,

in Menge hervorbringen.

ein

Hochland.

In dem großen Tieflande deö Euphrat und Tigris mögen sich schon

sehr früh Menschen angesiedelt haben; die herrlichen Weiden luden die

Die Bibel berichtet, daß ein Enkel Hams,

Hirten gar sehr dazu ein.

Namens Nimrod, hier zuerst anfing, ein gewaltiger Herr zu sein auf

Erden und ein gewaltiger Jäger,

seines Reichs

und daß der Anfang

war Babel im Lande Sinear, d. i. Babylonien.

Das Reich Baby­

lonien wurde um 2000 v. Chr. von Assyrien abhängig.

Ninus, Herr

von Assyrien (das seinen Namen von Sems Sohne, Assur, hat) bildete sich aus den tapfersten, jungen Männern, die er lange in den Waffen

geübt, ein Heer, eroberte Babylonien und Medien, und stiftete so das große assyrische Reich.

Als er von seinem siegreichen Zuge mit

reicher Beute beladen heimgekehrt war, wollte er auch eine Residenzstadt

haben, die seiner würdig sei.

Er wählte dazu ein kleines Städtchen in

Assyrien, am Tigris gelegen und baute es mit Hülfe von vielen tausend

Ueberwundenen so groß, daß die neue Stadt der Sage nach zwölf Meilen im Umfange hatte.

Ninive hieß sie.

Das ist die Stadt, in welche

später der Prophet Jonas gesandt wurde,

der

von ihr erzählt,

daß

120000 Kinder in ihr gewesen seien und zwar noch so kleine, daß sie

die rechte Hand von der

linken noch nicht zu unterscheiden wußten.

Heut ist von dieser Riesenstadt nichts übrig als ein Hügel und ein Dorf, mit Namen Nunia.

Fast noch merkwürdiger als Ninus ist seine Frau, Namens Se-

miramis, die nach dem Tode ihres Gemahls die Herrschaft antrat.

Wie dieser Ninive,

so baute

sie Babylon groß und schön.

Diese

Stadt, ein Viereck bildend, hatte vierzehn Meilen im Umfange; eS lagen nämlich in den damaligen Städten auch Felder.

Die Mauern waren

thurmhoch und so breit, daß sechs Wagen neben einander auf ihnen fahren konnten.

Hundert eherne Thore führten in die Riesenstadt, durch welche

der Euphrat strömte, dessen Bett von hohen Mauern eingeschlossen war. In der Mitte der Stadt war eine sehr lange Prachtbrücke über

Strom gebaut, mit zwei schönen Palästen an jedem Ende.

den

Jeder dieser

Paläste trug auf gewölbten und hoch aufgethürmten Terrassen die schön-

11

Die Assyrer, Babylonier und Meder.

ften Gärten; diese lustigen Anlagen nannte man die schwebenden Gärten

der Semiramis. thurm.

An der östlichen Seite der Brücke stand der Belus-

Von einer dreihundert Schritt in's Geviert haltenden Grund­

fläche erhob er sich zn der schwindelndenHöhe von sechshundert Fuß und zwar so, daß acht Thürme auf einander standen, der höhere aber immer etwas

schmäler und niedriger

war,

als der untere.

Ganz

oben war eine

Kapelle für den Gott BeluS, für den hier ein goldenes Bett und an­

derer goldener Hausrath aufgestellt war, im Fall er hier seine Woh­ nung aufschlagen wollte. Ein zweihundert Fuß hoher Trümmerhaufen, das einzige Ueberbleibsel des alten Babylon, bezeichnet noch heut den Stand­ ort dieses Tempels.

AuS diesen wie aus andern Ueberresten in jenen

Gegenden geht hervor, daß man sich zum Bauen würfelförmiger, an der Lust getrockneter Backsteine bediente.

Dieser Umstand erklärt die Stärke

der Mauern und auch ihre Hinfälligkeit. — Nach den in unsern Tagen von den Franzosen und Engländern bei den Ausgrabungen um die Stadt

Mosul gemachten Entdeckungen von Ueberbleibseln bilder- und inschrif­ tenreicher Säle, von Waffen, Gefäßen, Elfenbein- und Goldzierrathen, müssen wir von assyrischer Kunst und Luxus eine hohe Meinung ge­

winnen.

Nicht

minder StaunenswertheL

haben die alten Assyrer in

ihren zahlreichen Bewässerungsanstalten und Kanalbauten geleistet, das ganze Land netzartig durchzogen und

desselben zuwege brachten.

die

die

übergroße Fruchtbarkeit

Jetzt, nach dem Verfall dieser Bewässerungs­

anstalten findet man da, wo

vormals große Städte standen und herr­

liche, fruchtbare Felder prangten, zumeist nur einförmige Steppen, die kaum an die ehemalige Herrlichkeit Mesopotamiens

und Babyloniens

erinnern.

Die Assyrer waren Heiden und ihre Religion war Naturdienst,

namentlich Fetischdienst,

grenztes

Vertrauen

wahrscheinlich ein

und

d. h. sie setzten auf leblose Dinge ein unbe­ hielten

sie

heilig.

höchstes Wesen verehrt;

Ursprünglich

haben

sie

bald aber mögen sie der

Ansicht geworden sein, daß dieses sich mit den kleinlichen Angelegenheiten der Menschen

nicht

befassen möge.

Daher dachte man sich zwischen

diesen und dem höchsten Wesen vermittelnde Gottheiten und dies führte zur Verehrung der Gestirne:

Sonne,

Mond,

Planeten re.,

in denen

man belebte, göttliche Wesen sah, die Gegenstand der Anbetung wur­

den.

Baal oder Belus (d. h. Herr) entsprach der Sonne;

er er­

scheint als bärtiger Gott mit vier Stierhörnern, mit einem Beil in der

rechten Hand, umgeben von weiblichen Gestalten, über deren Häuptern

12

Die Assyrer, Babylonier und Meder.

Mylitta (d.

Sterne angebracht sind.

h.

Mutter)

entspricht dem

Aber auch zwischen diesen Gottheiten und den Menschen sollte

Mond.

es noch der Vermittler bedürfen und für solche erklärten sich die Prie­ ster, Chaldäer genannt. Bewegungen der

Diese Leute verbreiteten die Ansicht, daß die.

Gestirne

Entscheidungen

und Willensverkündigungen

der Gottheiten seien und gaben vor, daß sie diese göttlichen Aeußerun­ gen aus dem Stande der Gestirne zu deuten vermöchten. den Grund zur Sterndeuterei (Astrologie).

Dies legte

Da die Gestirne zu man­

chen Zeiten nicht sichtbar waren, so machte man sich von ihnen Götter­

bilder aller Art und glaubte,

daß der Geist der Götter diese Bilder

So entstand der Bilderdienst.

belebe.

sollten aber

Die Götter

auch dienstbare Geister unter sich haben, die sich mit den besondern An­

Diese Genien konnten, nach

gelegenheiten der Menschen beschäftigten.

der Aussage der Priester, durch ihre Beschwörungen an kleine, körper­

liche Dinge: Edelsteine, Hölzchen, Bänder, Ringe rc. gefesselt werden zum Dienst der Menschen, welche jene Dinge bei sich trugen.

So ent­

stand der Glaube an die Talismane. Der Gottes- oder vielmehr Götzendienst der Assyrer bestand in

Processionen, wobei die Götzenbilder umhergetragen wurden, und in Opfern, bei welchen man anfangs auch Menschen schlachtete, später opferte man Gold und Silber, wovon die Priester das meiste für sich

behielten, das Uebrige zum Ankauf von Weihrauch und Kerzen verwen­ Der König regierte despotisch, d. h. sein Wille war Gesetz,

deten.

das Volk mußte ihm

Sclave.

unbedingt gehorchen;

herrschte; die Jungfrauen wurden öffentlich

Putzsucht

er war Herr,

das Volk

Hinsichtlich der Sitten, ist bemerkenswerth, daß Vielweiberei

war

ein

Hauptcharakterzug

versteigert.

der Assyrer.

Ueppigkeit galten ihnen nicht als Laster.

Eitelkeit und

Schwelgerei und

Dadurch und durch Schlaff­

heit des Volkes und seiner Regenten ging das große assyrische Reich 888

v. Chr. unter.

Der letzte König, der feige Sardanapal, verbrannte

sich mit allen seinen Weibern und Schätzen, als die Empörer (Meder) siegreich bis in

seine Residenz vorgedrungen waren.

ordneten sich aus

Im Jahre 876

den Trümmern deS Reichs drei neue Reiche: daS

neu-assyrische, das babylonische und das medische. Diese Reiche kamen, wie uns aus der biblischen Geschichte schon

näher bekannt ist, mit den Israeliten in Berührung; erinnern wir unS hier in Kürze daran.

Ein Charakterzug jener asiatischen Herrschaften

war maßlose Eroberungssucht; in der Größe der Masse der Gehorchen­

den, in der Unermeßlichkeit der Grenzen ihrer Monarchie, in der Unter­ jochung jeder Freiheit, lag die Befriedigung der Lust der Beherrscher

Die Assyrer, Babylonier und Meder.

jener Völkermassen.

Alle schwachen Nachbarn

13

waren daher stets in

Gefahr, von ihnen angegriffen zu werden, und dies Unglück brach bei günstiger Gelegenheit auch

wirklich über sie herein.

Zunächst wurde

Assyrien mächtig, es unterwarf sich Babylonien und fiel dann auch über die beiden Reiche Israel und Juda her. Schon um 770 griff der assyrische König PH ul das Reich Israel an, dessen König Menahem die Gunst des wilden Eroberers, nur durch

1000 Silbertalente (ä 1500 Thaler in unserm Gelde) und durch das

Versprechen eines jährlichen Tributs erkaufen konnte. Um 750 wiederholte Tiglath Pilessar von ,Neu-Afshrien den Angriff gegen Israel,

das damals von Pekah

regiert wurde.

Der

Eroberer nahm das Ostjordanland in sein Reich auf und führte viele Das Wegführen des Volkskernes

angesehene Israeliten mit sich fort.

aus den eroberten Ländern war damals Eroberungssitte; man war nicht zufrieden mit den Abgaben der

eroberten Völker, sondern man raubte

ihnen auch jede Art von Selbstständigkeit. Im Jahre 722 machte endlich der assyrische König SalmanasHosea, der letzte König des­

sar dem unglücklichen Israel ein Ende.

selben, hatte dem Salmanassar gegen den Rath des Propheten Jesaias den Tribut aufgekündigt,

worauf dieser schnell in's Land rückte, den

König gefangen setzte, nach dreizehnjähriger Belagerung die Hauptstadt Samaria eroberte und alle waffenfähigen und tüchtigen Männer so wie

auch den König mit sich fortführte in die entferntesten Theile seines

Reichs. Nicht lange darauf begannen auch die Angriffe gegen Juda. Schon

Sanherib (SalmanafsarS Nachfolger) versuchte, ihm zu bereiten, welches Israel getroffen.

dasselbe Schicksal

Mit einem großen Heere rückte

er im Jahre 710 v. Chr. in Judäa ein (2. Kön. 18), wo der fromme Hiskias regierte, dem der erhabene Prophet JcsaiaS mächtig zur Seite

stand.

Doch die Gefahr wurde diesmal von dem bedrohten Reiche ab­

gewendet.

HiskiaS ermunterte Alle zum Gottvertrauen, und suchte bei

Jehova selber Rath und Hülfe.

Und er fand sie.

euch, die ihr wohnet zu Jerusalem? Hand

errettet?"

So

„Weß vertröstet ihr

Wo ist ein Gott, der aus meiner

hatte Sanherib

der Prophet JesaiaS sprach zu Hiskias:

hochmüthig

gesprochen.

Aber

„So spricht der Herr: Fürchte

dich nicht vor den Worten der Lästerung; siehe, er soll Etwas hören,

daß er heimzieht in sein Land, und ich will ihn fällen durch's Schwert

in seinem Lande."

Und so geschah eS auch.

aus der Engel des Herrn (d. i.

In derselben Nacht fuhr

eine Pest brach

185,000 Mann im Lager der Assyrer, und

aus) und

schlug

Sanherib zog weg nach

14

Die Assyrer, Babylonier und Meder.

Ninive.

„Und da er anbetete im Hguse seines Götzen,

schlugen ihn

seine Söhne mit dem Schwerte."

Sanheribs Sohn, Assarhaddon, wieder auf.

nahm den Plan seines Vaters „Der that

In Juda regierte Hiskia's Sohn, Ma nasse.

was dem Herrn übel gefiel; darum ließ der Herr die Assyrer über ihn

konimen.

Die nahmen Manasse gefangen und führten ihn in Ketten

nach Babel.

Da er nun in der Angst war,

demüthigte er sich vor

Und Gott erhörte sein Flehen

dem Gotte seiner Väter.

und

brachte

ihn wieder gen Jerusalem zu seinem Königreich." (2. Kön. 18—20.) Doch nun geschah es, daß dem Reiche Assyrien dasselbe Schicksal bereitet wurde, womit es andere Völker heimgesucht hatte:

selbst unterjocht.

es wurde

Das Nomadenvolk der Chaldäer eroberte um 630

Babylonien, das nun ein mächtiges Reich wurde, namentlich unter

Nebukadnezar,

der in kurzer Zeit alles Land bis Aegypten,

Phö-

nicien und Palästina unter seinem Scepter vereinigte. — Das Reich

Juda fiel nach mehrmaligem Angriff.

Das erste Mal griff cS Nebu­

kadnezar an, als Jojakim regierte,

den er sich unterthänig machte.

Da Jojakim abtrünnig wurde,

so zog Nebukadnezar abermals herauf

gegen Juda, band ihn in Ketten, führte ihn nach Babel und setzte sei­

nen acht Jahre alten Sohn Jojachin zum Könige ein.

Der regierte

nur drei Monate; denn Nebukadnezar zog wieder herauf und nahm die

Schätze im Tempel und im Palaste des Königs, führte diesen weg und alle Obersten, alle Zimmerleute und Schmiede und 10,000 Gefangene,

und ließ

nichts übrig,

als

über diese Trümmer aber

Zum Könige

geringes Volk des Landes.

setzte

der Eroberer den Zedekias.

Dies

geschah 606 v. Chr. und ist der Anfang der 70 jährigen babylonischen

Gefangenschaft. — Da aber Zedekias auch abtrünnig wurde und sich mit dem Könige von Aegypten verband, erschien Nebukadnezar zum letz­

ten Male, und zerstörte, was noch übrig war vom Reiche Juda.

Alte

Schätze im Hause des Herrn und im Hause des Königs ließ er nach

Babel bringen,

und den Tempel und alle Häuser zu Jerusalem ver­

brennen und die Mauern zerbrechen.

Die Kinder des Königs Zedekias

wurden vor seinen Augen getödtct und er selbst wurde mit Ketten ge­ bunden und nach Babylon geführt.

Was vom Volke übrig war, wurde

ebenfalls gefangen geführt in die entlegenen Theile des babylonischen Reichs. Das Glück der Waffen hatte aber den Nebukadnezar so stolz ge­ macht, daß er vor lauter Hochmuth in Wahnsinn verfiel, der ihn sieben

Jahre lang für die Regierung unfähig machte (Daniel 4).

Der Wahn­

sinn artete sogar in völlige Raserei aus; der König geberdete sich wie

ein wildes Thier, lief zu den Ochsen auf dem Felde,

fraß Gras mit

Die Aegypter.

15

ihnen, brachte Tag und Nacht unter freiem Himmel zu, und ließ sich Haare und Nägel so lang wachsen, verlor.

daß er alles menschliche Ansehen

Er wurde zwar wieder geheilt, starb aber bald nach seiner Ge­

nesung, und hinterließ sein mächtiges Reich schwachen Nachfolgern, unter

denen es schon im Jahre 537 v. Chr. an die Meder und Perser ver­ loren ging, worüber wir bald Näheres erfahren werden.

3. Die Aegypter. Die

heilige Schrift erzählt

uns in 1. Mose 14,

daß Abraham

durch eine Hungersnoth sich genöthigt sah, nach Aegypten (in der Bibel

auch Mizraim oder Cham genannt) zu ziehen, von wo er nach längerer Zeit reich gesegnet mit Gütern aller Art nach Kanaan zurückzog. ter lebten Joseph und Jakob in Aegypten.

Spä­

Hier wurde auch das Haus

Jakobs ein großes Volk; hier wurde ferner Moses geboren und erzogen; hierher wendete sich später die vor Herodes flüchtende heilige Familie.

Grund genug, um unsern Blick auch einmal nach Aegypten zu richten.

Aegypten liegt im Nordosten Afrika'S

und ist also ein Theil

Nordafrika's, der einzigen Landstrecke des großen Erdtheils, worin ge­

schichtliche Völker gelebt haben.

Im übrigen Afrika haben von jeher,

bis auf den heutigen Tag, nur

wilde

und

halbwilde Völker gehaust,

die nicht einmal dahin gekommen sind, ihre Erlebnisse und Thaten auf­ zuzeichnen, und der Nachwelt zu überliefern.

Sie sind ohne Geschichte

und darin nicht unähnlich den lieben Thieren, die auch von ihren Voreltern nichts wissen.

In

Aegypten

dagegen wohnte

schon in sehr

stüher Zeit ein gebildetes Volk; ja, die alten Aegypter sind überhaupt eins der

ältesten Völker der Erde.

Schon um 3600 v. Chr. hatten

sie Könige, unter denen sic staunenswerthe Bauten aufführten, so daß wir annehmen dürfen, sie haben schon um 4000 v. Chr. in geordneter Staatsregierung gelebt. Das von ihnen bewohnte Land strecken.

ist eine der wunderbarsten Erd­

Man kann es als eine Schöpfung

des großen Nilstromes

bezeichnen, der in das mittelländische Meer mündet, und etwa 700 Mei­ len weit nach Süden hin,

Aftika seine Quellen hat. fen mit sich führte,

im Hoch- und Gebirgslande

von Mittel-

Was der Strom von hier an erdigen Stof­

hat er in seinem 120 Meilen

langen Unterlaufe

Die Aegypter.

15

ihnen, brachte Tag und Nacht unter freiem Himmel zu, und ließ sich Haare und Nägel so lang wachsen, verlor.

daß er alles menschliche Ansehen

Er wurde zwar wieder geheilt, starb aber bald nach seiner Ge­

nesung, und hinterließ sein mächtiges Reich schwachen Nachfolgern, unter

denen es schon im Jahre 537 v. Chr. an die Meder und Perser ver­ loren ging, worüber wir bald Näheres erfahren werden.

3. Die Aegypter. Die

heilige Schrift erzählt

uns in 1. Mose 14,

daß Abraham

durch eine Hungersnoth sich genöthigt sah, nach Aegypten (in der Bibel

auch Mizraim oder Cham genannt) zu ziehen, von wo er nach längerer Zeit reich gesegnet mit Gütern aller Art nach Kanaan zurückzog. ter lebten Joseph und Jakob in Aegypten.

Spä­

Hier wurde auch das Haus

Jakobs ein großes Volk; hier wurde ferner Moses geboren und erzogen; hierher wendete sich später die vor Herodes flüchtende heilige Familie.

Grund genug, um unsern Blick auch einmal nach Aegypten zu richten.

Aegypten liegt im Nordosten Afrika'S

und ist also ein Theil

Nordafrika's, der einzigen Landstrecke des großen Erdtheils, worin ge­

schichtliche Völker gelebt haben.

Im übrigen Afrika haben von jeher,

bis auf den heutigen Tag, nur

wilde

und

halbwilde Völker gehaust,

die nicht einmal dahin gekommen sind, ihre Erlebnisse und Thaten auf­ zuzeichnen, und der Nachwelt zu überliefern.

Sie sind ohne Geschichte

und darin nicht unähnlich den lieben Thieren, die auch von ihren Voreltern nichts wissen.

In

Aegypten

dagegen wohnte

schon in sehr

stüher Zeit ein gebildetes Volk; ja, die alten Aegypter sind überhaupt eins der

ältesten Völker der Erde.

Schon um 3600 v. Chr. hatten

sie Könige, unter denen sic staunenswerthe Bauten aufführten, so daß wir annehmen dürfen, sie haben schon um 4000 v. Chr. in geordneter Staatsregierung gelebt. Das von ihnen bewohnte Land strecken.

ist eine der wunderbarsten Erd­

Man kann es als eine Schöpfung

des großen Nilstromes

bezeichnen, der in das mittelländische Meer mündet, und etwa 700 Mei­ len weit nach Süden hin,

Aftika seine Quellen hat. fen mit sich führte,

im Hoch- und Gebirgslande

von Mittel-

Was der Strom von hier an erdigen Stof­

hat er in seinem 120 Meilen

langen Unterlaufe

Die Aegypter.

16

abgesetzt, und so das fruchtbare Tiefland geschaffen, daS wir Aegypten

nennen. Genau genommen ist es nur ein Tieflandstreifen, denn eS ist, ab­

gesehen von dem Mündungslande, nur 3—4 Meilen breit; links und rechts von ihm ist trockener Fels und Wüste.

Der Nil ist es auch,

der des Landes Fruchtbarkeit erhält; zöge er nicht durch das regenlose

Thal,

eS würde ebenfalls eine todte Wüste sein, wie die benachbarten

Landstrecken.

Seiner Wasserfülle ist es zu verdanken, daß sich Aegyp­

ten noch immer als ein langes grünes Band mitten durch die Oede des

heißen Sandes zieht, geschmückt mit reichem Pflanzenwuchs, belebt von zahlreichen Thieren,

eine einladende Wohnstätte für den Menschen.

Der Nil schafft aber die große Fruchtbarkeit des von ihm durch­ strömten Thales

insbesondere

durch seine Ueberschwemmungen, die er

in wunderbarer Regelmäßigkeit vollbringt, heut noch, wie vor Tausenden

von Jahren.

Im Monat März fängt

steigen, in Folge des vielen Regens,

sein Wasser

regelmäßig an zu

der in den Bergländern seines

Oberlaufes fällt; dann wächst eS immer mehr, bis es endlich aus den

Ufern tritt, und im Monat August das ganze Land in einen See ver­

wandelt, so daß man dann mit Kähnen über die Felder fährt, und die menschlichen Niederlassungen, die auf erhöhten Stellen angebracht sind,

wie Inseln aus dem seichten Meer hervorragen.

Allmählig zieht sich

der Strom wieder in seine Ufer zurück, äußerst fruchtbaren Schlamm

zurücklasscnd.

Zu Anfang unsers Winters ist er in seinem Bett und

nun kann man die Saat zurichten, wozu cs aber des Pflügens kaum bedarf.

Im Dezember blüht schon der Flachs, im Januar schlägt der

Weinstock aus, tut März ist das Korn reif zum Schnitt, und im Juni

hat man reife Weintrauben.

Nach gehaltener Ernte beginnt der Nil seine

Düngungs- und Befeuchtungsgcschäft wieder und der Mensch

braucht

dies nur vorübergchen zu lassen, um dann abermals zu säen und zu ernten. — Wir begreifen, warum Abraham und später auch Jakob, wie

überhaupt alle umwohnenden Asiaten, sich nach Aegypten wendeten, wenn

Thenrung und Hungernoth sie heimsuchten.

Aegypten war die Haupt­

kornkammer der alten Welt. Das ist der Boden,

auf welchem das Volk der alten Aegypter

lebte und auf dem es das wurde, was wir nun von ihm hören werden.

Daß die alten Aegypter sehr früh auf die Stufe des ackerbautrei­

benden Lebens sich erhoben, ist leicht begreiflich.

Sie gehören jedenfalls

zu den ersten Ackerbauern der Erde, und sie sind wahrscheinlich auch die

Die Aegypter. Ihr frühester Pflug war (wie

Erfinder des Pfluges. Griechen)

ohne Räder,

wahrscheinlich

gar nur

nian auch schon.

17

und Streichbrett.

Segg

ein

gekrümmter Baumast.)

auch bei den

(Der Urpflug

war

Die Egge kannte

Man baute insbesondere viel Weizen und zwar pflanz­

ten ihn die alten Aegypter, wie die Israeliten,

mit der Hand,

indem

sie die einzelnen Körner einen Fuß und noch weiter auseinander legten. Dadurch erhielt der Weizen Raum zu reichlicher Bestaudung und mußte sich an diese starke Bestaudung gewöhnen, wodurch ein sehr reicher Er­

trag bei wenig Aussaat erzielt wurde.

Der von Aegypten zu unS ge­

brachte Mumienweizen zeigt diese Eigenthümlichkeit noch jetzt.

Um die Wohlthaten des Nils allen Theilen des Thales möglichst

reichlich zukommen zu lassen, wurden Kanäle gegraben, und Schöpf­ räder in Anwendung

gebracht.

Kurz vor 1500 v. Chr. ließ der Kö­

nig Möris einen an 60 Meilen im Umfang haltenden See ausgraben, der mit dem Nil durch einen 2 Meilen langen Kanal in Verbindung stand.

In diesem Kanal war ein großes Schleusenwerk, das geöffnet

wenn der Nil-stieg,

wurde,

um das Wasser in den See zu leiten.

War er gefüllt, so schloß man es wieder.

Trat dann Trockniß ein, so

hatte man Wasser zur Befruchtung der Felder.

Viele tausend Menschen

mußten viele Jahre lang arbeiten, um zur Herstellung dieses Kunstsee's Erde auszugraben und fortzuschaffen.

Da durch die Nilüberschwemmun­

gen die Grenzmarken der Felder jedesmal unkenntlich gemacht wurden, so sahen sich die Aegypter früh genöthigt, die Feldmeßkunst zu er­

Um 250 v. Chr. Geburt hatten sie auch schon Wasserpum­

finden.

pen und Springbrunnen.

Doch erkannten sie noch nicht, daß der

Luftdruck bei ersterer die wirkende Ursache sei;

sie

erklärten sich das

Steigen des Wassers in die Röhre vielmehr durch die Annahme eines Abscheues der Natur gegen den leeren Raum; ein Glaube, der bis in'S

17. Jahrhundert n. Chr. fortbestanden hat. — Die Feldmessung trieb

wohl auch zum Rechnen hin, indessen rechneten die alten Aegypter nur mit Hülfe von Steinchen.

Zum eigentlichen Rechnen wurden erst die

Phönizier, die wir auch bald kennen lernen werden, durch den Handel getrieben.

Zum Handel im Großen konnten sich die Aegypter nicht verstehen,

da sie einen Abscheu vor dem Meere hatten und auch vor Verbindung mit fremden Völkern.

Um so ausgebildeter war ihre Industrie.

In

der Leinen- und Baumwollenweberei hatten sie einen hohen Grad von

Volttommenheit erreicht. Hanf.

Moses kannte schon Gewebe aus Flachs und

Aus dem Byssus

spann man die feinen Fäden zu der im

Alterthum berühmten „köstlichen Leinwand".

Kutzner Geschichte I.

Die PapyruSstaude

2

Die Aeghpter.

18

(eine Art Schilf) gab Veranlassung zur Erfindung des Papiers.

Da­

älteste Schreibmaterial waren wahrscheinlich Palmenblätter, auf welche man die Buchstaben mittelst eines spitzen Instruments einritzte.

schrieb auf steinernen Tafeln; die Babylonier auf Ziegeln.

Mose-

(Die Ara­

ber schrieben auf Knochen und die alten Römer auf Holz.)

Um da-

Jahr 1100 schrieben die Aeghpter schon auf Leinwand; später erfanden sie die Kunst, aus den Fasern der Papyrusstaude ein Papier zu ver­

fertigen, das in sehr ausgedehnten Gebrauch kam und womit die Phö­

nizier starken Handel trieben.

Der wichtigste Zweig der ägyptischen In­

dustrie war aber der Bergbau.

Man fand besonders Gold, Silber

und Kupfer Und verarbeitete Letzteres zu Gefäßen.

(Aus der Inschrift

eines Grabmales vor 1500 v. Chr. geht hervor, daß der jährliche Er­ trag der Gold- und Silberbergwerke an 480 Mill. Thaler nach unserm

Gelde betrug.)

Das Eisen war den Aegyptern schon zu Mosis Zeit

bekannt.

Zur Aufzeichnung der Gedanken bediente man sich einer Bilder­

schrift, der Hieroglyphen, die noch heut von den Denkmalen dieseVolkes theils entziffert, theils unverstanden vor uns stehen. Naturkunde mögen die Aegypter,

Kenntnisse besessen haben. nachahmen (2. Mos.).

besonders

ihre Priester,

In der

bedeutende

Konnten sie doch einige Wunder des MoseIn der Sternkunde

waren sie

um 1300

v. Chr. schon so weit gekommen, das Jahr auf 365 Tage und 6 Stun­

Sie waren die ersten, welche das Jahr in 12 Mo­

den zu berechnen.

nate, jeden zu 30 Tagen, eintheilten und demselben 5% Tag zur Er­

(Die Chaldäer und Chinesen mögen aber wohl die

gänzung anhingen.

ersten Völker gewesen sein, welche die Länge des Jahres auf 365 Tage gesetzt haben.)

Am bekanntesten ist, was die Aeghpter in der Baukunst geleistct haben.

Wer hätte nicht schon von den Pyramiden sprechen hören,

oder davon gelesen!

ES sind dies große, vierseitige, spitzlaufeyde Ge­

bäude aus riesigen Steinquadern.

Nach innen führt ein enger Gang

in einen kleinen höhlenartigen Raum, der wahrscheinlich als Gruft für eine königliche Leiche diente. ihrer Erbauung)

stehen

Noch heut (nach etwa 3000 Jahren feit

diese seltsamen Grabdenkmäler fast unversehrt

und zwar in Mittelägypten.

Der Zahl nach sind eö 40 und einige,

worunter die des Cheops die größte ist.

Die Grundfläche dieser Riesen­

pyramide ist so groß, wie ein großer Marktplatz (720 Fuß jede Seite)

und höher, als unsere höchsten Thürme (422 Fuß).

100,000 Men­

schen hatten 20 Jahre an diesem aus ungeheuren Kalksteinquadern auf-

gethürmten unnützen Koloß zu thun.

ES ist keine geringe Arbeit, an

Die Aegypter. der Außenseite hinaufzuklettern.

19

Die untern Quadern sind wohl 4 Fuß

hoch, so daß man oft die Kniee zu Hülfe nehmen muß, um hinaufzu­ Werden auch die stufenförmigen Absätze,

kommen.

je höher nach der

Spitze, desto niedriger, so muß man doch bis zuletzt die Füße bedeutend heben.

Von oben herabgesehen,

erscheinen die äußerst steilen Seiten­

wände fast senkrecht, und es gehört große Sicherheit dazu,

hinab zu gehen; wer ausgleitet, ist verloren.*)

um allein

Die Ausführung dieser

Riesenbauten geschah mit Hülfe von Erdwällen, welche um den bereits

fertigen Theil der Pyramide aufgeschüttet und mit der Erhebung dersel­

ben auch immer höher wurden, endlich nach Vollendung des Baues aber wieder abgetragen werden mußten. Neben den

Pyramiden

liegt

ein

kolossaler Sphinx,

d. i. ein

Steinbild von einem fabelhaften Geschöpfe mit Menschenkopf und Löwen­ körper.

Die

ganze Länge

dieses

Ungeheuers

beträgt 117 Fuß,

der

Umfang des Kopfes allein 81 Fuß und die Höhe vom Bauch bis zum Kopfe 51 Fuß.

Dieser Sphinx hat am Halse einen Eingang, welcher

in eine Reihe von Felsengemächern führt.

Diese Gemächer haben wahr­

scheinlich mit der großen Cheops-Pyramide in Verbindung gestanden, und

dann den Zweck

der Sphinx selbst hatte

eines Einganges neben der

symbolischen Bedeutung eines Wächters. Außer dieser kolossalen Figur giebt eö noch eine Menge unterge­

ordneter Sphinxe, bald mit Menschenhäuptern, bald mit Widder- oder anderen

Thierköpfen.

Sie lagen

gewöhnlich

Tempel und Pyramiden zu beiden Seiten

an

den Eingängen

der

und trugen zwischen ihren

Vorderfüßen die Statue irgend eines Gottes oder Königs. Von

der

großen

Baugeschicklichkeit

ferner die Obelisken,

d. s. viereckige,

der

alten

Aegypter

zeugen

glatt polirte Spitzsäulen aus

einem Stück Granit oder Marmor, oft von der Höhe von 150-Fuß.

Einer von ihnen wiegt über 5400 Ctr. und mußte 800 englische Mei­ len weit transportirt werden.

Welche Arbeit gehörte dazu, diesen Stein­

block aus dem Gebirge auSzuhanen, auf ein Nilschiff zu schaffen, ihn an'S Ufer zu bringen und an Ort und Stelle aufzurichten!

So groß und gewaltig aber auch diese Bauten sind, so verschwin­

den sie doch gegen die Tempel und Paläste Thebens,

an denen man

wohl ein Jahrtausend gearbeitet haben mag und die ihres Gleichen kaum

auf Erden finden. Grunde.

Die Phramidenform

lag

auch

diesen Bauten zu

Man denke sich einen ägyptischen Königspalast oder Tempel,

zunächst von einer massiven Mauer umgeben, die ein ungeheures Viereck

*) Die Seitenflächen der andem Pyramiden sind eben.

Die Aegypter.

20

einschließt. Diese Mauer ist 30—50 Fuß dick, besteht aus schweren Granitblöcken und wird der Raum nach oben zu cngeb, so daß die Mauer

einem Festungswalle gleicht.

Den Eingang

Die ganze Wand ist fcnsterloS-

hohe thurm-

bilden an 80 Fuß

Pfeiler, vor denen als Thürhüter Obelisken

stehen.

und

pyramidenartige

oder kolossale Bildsäulen

An diese Umfassungsmauer waren nach innen zu Zimmer und

Säulengänge gebaut,

ganze Raum war in

und der

eine Reihe von

Höfen abgctheilt; außerdem standen noch Sphinxe und Götterstatuen im Innern.

Der freie Theil des Hofes hatte kein Dach; die Säulenhallen

Im letzten Hofe lag das Allerhciligste,

waren mit Steinplatten bedeckt.

eine fenster-- und lichtlose Steinkammer, rechts und links um sie Priester­

wohnungen.

Die ganze Gegend um das alte hundertthorige Theben (in Ober­ ägypten) ist mit Trümmern von Tempeln, Palästen, worin Säle mit

Säulen von 6—11 Fuß Durchmesser und 70 Fuß Höhe, und Kapita­

len, auf denen an 100 Menschen Raum haben, Säulcngängen, Obelis­

ken, kolossalen Sphinxen rc. wie besäet, und in den Sälen und Säulen­ hallen dieses ältesten Sitzes ägyptischer Baukunst finden sich noch In­

schriften und Malereien, deren Farben ganz frisch erscheinen. Dem ganzen öffentlichen Leben der Aegypter lag ihre Religion

zu Grunde.

Dieselbe mag ursprünglich wohl

eine sinnvolle

gewesen

sein; was aber von ihr bekannt ist, weist nur rohen Fetischdienst auf. Sonne, Mond, Gestirne, Feuer, Wasser, Thiere, Pflanzen, ausgezeich­

nete Menschen rc. waren ihnen Dinge religiöser Verehrung.

Der Nil

wurde als das sichtbare Abbild der obersten Gottheit, Ammon, betrachtet,

der in dieser Gestalt Aegypten belebte. Verehrung

des Osiris

und seiner

verstanden die gelehrten Priester die

Am ausgebreitetsten war die

Schwester Isis.

Unter jenem

befruchtende Kraft in der Natur

(die düngende Kraft des Nil), unter Isis die hervorbringende Natur (die Fruchtbarkeit des Landes).

Andere verstanden unter Osiris

die

Sonne und unter Isis den Mond. — Dankbarkeit und Furcht trieben

zur Verehrung der Thiere.

Der Ibis wurde verehrt, weil er die

im Nilschlamm nistenden Schlangen vertilgte, das Krokodil, weil es Furcht einflößte, das Ichneumon, weil es die Krokodileier verzehrte;

desgleichen war die Katze ein heiliges Thier.

Die größte Verehrung

aber genoß der Apis (Sinnbild des Ackerbaues),

mit weißem Fleck auf der Stirn.

ein schwarzer Ochse

Er hatte seine Residenz in der

Königsstadt Memphis, wo ihn Priester bedienten und ihm kniend die

Speise darreichten.

Die Aegypter waren überhaupt ein überaus reit»

Die Aegypler. giöses Volk; groß war die Ehre,

Gegenständen erwiesen.

21

die sie ihren Göttern

Starb ein geheiligtes Thier,

und heiligen

so trauerte das

ganze Haus; um eine gestorbene Katze z. B. schoren sich alle Hausbe­

wohner die Augenbrauen ab.

Starb

der Apis, so trauerte das ganze

Land so lange, bis ein neuer gefunden war.

galt für das

größte Verbrechen.

Völker,

Tödtung geheiligter Thiere

die z. B. Kuhfleisch aßen,

waren den Aegyptern ein Greuel. — Der Gottesdienst selbst bestand in Trank- und Speiseopfern, d. h. man

vernichtete ein Getränk

oder

einen zur Speise dienenden Gegenstand. — Seltsam war auch die An­

sicht der Aeghpter über Tod und Unsterblichkeit.

Mit der Unsterblich­

keit der Seele dachten sie sich eine'Wanderung derselben verbunden.

Sie glaubten, die Seele bleibe noch

so lange im todten Körper, bis

dieser verwest sei, dann trete sie die Wanderung durch allerlei Thiere

an, bis sie nach Verlauf von etwa 3000 Jahren wieder in den Körper

eines neugebornen Menschen einkehre.

Daher waren sie gar sehr darauf

bedacht, den Leichnam durch Einbalsamirung vor Verwesung zu schützen,

wodurch die Mumien entstanden; daher kam auch die große Sorgfalt bei Herstellung von Todtenhäusern; war doch die Zeit des Lebens' so sehr kurz gegen die des Todes.

Jede Stadt hatte in ihrer Nähe eine

unterirdische Todtenstadt, die aus Gräbern bestand, welche in die Fel­ sen deö an das Tiefland grenzenden Gebirges eingehauen wurden.

Theben zieht sich eine solche von zn)ei Meilen Länge hin.

Bei

Diese Grüfte

und Grabmäler stachen durch Pracht unendlich von den Wohnungen der Lebenden ab.

Hat man doch auch Mumien gefunden,

Finger und Zehen, waren. — Ein

Gesicht

und Kopf in

ehrenvolles Begräbniß

bei denen alle

goldene Futterale

war der

eingefaßt

höchste Wunsch

des

AeghpterS. Aber nicht Jedem wurde die Ehre zu Theil, in die Todtenstadt

ausgenommen zu werden.

Ueber jeden Gestorbenen wurde nämlich erst

ein Todtengericht abgehaltcn, wo Kläger und Vertheidiger auftreten konnten.

Sogar mit den Königen machte man keine Ausnahme.

Fiel

das Urtheil ungünstig aus, so wurde das ehrenvolle Begräbniß unerbitt­

Die Furcht vor diesem Gericht hielt Manchen auf

lich verweigert.

gutem Wege. Das Volk war in erbliche Stände oder Kasten getheilt, d. h. die Kinder eines Standes mußten in dem Stande verbleiben, in dem sie ge­

boren waren.

Die

vornehmste Kaste

war die

der Priester.

Sie

waren die Erzieher und Räthe des Königs, gaben Gesetze und richteten

das Volk danach.

Sie waren die einzigen Gelehrten im Lande,

die

Pfleger der Künste und Wissenschaften, die sie sehr geheim hielten; auch

Die Aegypter.

22 als Aerzte wirkten sie, stimmte Krankheit.

doch

studirte und kurirte Jeder

nur eine be­

Die nächste Kaste war die der Krieger.

Diese

bildeten nicht etwa ein stehendes Heer; sie besaßen vielmehr Ländereien,

von denen sie lebten und hatten das Vorrecht, daö Land gegen Feinde Alles Land war in drei Theile getheilt; ein Theil gehörte

zu schützen.

dem Könige, der zweite den Priestern,

der dritte den Kriegern.

Die

Kaste der Ackerbauer hatte kein eigenes Land, sondern mußte eS für

die Grundbesitzer bestellen.

Die Hirten waren die verachtetsten und

geplagtesten aller Stände; darum ging eS auch den Israeliten, die zu

den verhaßten Nomaden gezählt wurden, so übel. Sehr absonderlich waren die Aegypter in ihren Sitten. Darin war

fast Alles dem entgegen gesetzt, was bei andern Völkern die Sitte gebot.

Die Weiber besorgten die Geschäfte

Mann der Wirthschaft vorstand.

Mann mußte ihm gehorchen.

Eltern ob.

außer dem Hause,

während

der

Daö Weib war der Hausherr; der

Der Unterhalt für die Kinder lag den

Die Frau hatte nur ein Kleid,

der Mann zwei.

Man

aß auf der Gasse, knetete den Teig mit den Füßen und den Lehm mit

den Händen.

Die Schwester zu heirathen, war erlaubt.

Unter den zahlreichen Pharaonen (Königen) einen, den Necho,

der

um 600 v. Chr. lebte.

merken

wir nur

Dieser Mann

hatte

den großen Plan gefaßt, das mittelländische Meer mit dem rothen durch einen Kanal zu verbinden, also die Landenge Suez durchstechen zu las­ sen.

Auf den Rath eines Orakels ließ er jedoch davon ab.

dings beschäftigen sich die Franzosen, selben Plane.)

zwar

von

(Neuer­

Aegypter und Türken mit dem­

Dagegen wurde unter ihm Afrika schon umsegelt, und

angeworbenen,

phönizischen Seefahrern.

segelte vom rothen Meere aus,

umschiffte

Die kleine Flotte

die Südspitze von Afrika,

durchfuhr die Meerenge zwischen den Säulen des Herkules (Gibraltar) und kam nach Verlauf von drei Jahren wieder in Aegypten an.

Was

diese Umschisfung außer Zweifel setzt, ist die Nachricht der Reisenden, die Sonne auf der rechten Seite gehabt zu haben.

tende,

Der dies berich­

griechische Geschichtsschreiber Herodot (um 450 v. Chr.) fügt

dieser Mittheilung die Worte bei: „waö nicht ich, sondern ein Anderer

glauben mag."

Nach dem damaligen Standpunkte der Wissenschaft hatte

er allerdings Recht, daran zu zweifeln. Necho drang auch erobernd bis an den Euphrat vor, wurde aber von Nebukadnezar geschlagen.

Unter seinen Nachfolgern sank das

Reich immer mehr, und endlich wurde es im Jahre 525 v. Chr. eine

Die Phönizier. Beute der Perser.

23

Necho und sein Vorgänger hatten zuerst das ver­

schlossene, „bittere" Aegypten, wie es die Fremden nannten, dem Aus­ lande geöffnet und fremde Sitten mit der einheimischen gemischt.

durch war der alte ägyptische Staat nicht stärker geworden, überhaupt die Völker nur stark sind, wenn sie nach

sen und sich entwickeln können.

Da­

wie denn

ihrer Weise wach­

Der Sohn dcS aus der biblischen Ge­

schichte unS bekannten Perserkönigs Korcs (KyroS), Namens Kamby-

seS, war es, der Aegypten zu einer persischen Provinz machte. das Land unter die Herrschaft

Später (um 330 v. Chr.) gerieth

Alexanders des Großen von Makedonien.

Nach

dieses Eroberers

Dreißig Jahre v. Chr. Geb.

Tode wurde eS wieder ein eigenes Reich.

fiel es den Römern in die Hände, von diesen eroberten eö die Ara­

ber (634 n. Chr.) und seit 1517 gehört es den Türken.

4.

Die Phönizier.

Der Name dieses Volkes ist uns aus der biblischen Geschichte schon bekannt.

Ein phönizischer König toar- es, welcher dem Könige Salomo

Cedernholz und Bauleute zur Ausführung seiner Baupläne überließ; in Zarpath, einer phönizischen Stadt, fand der Prophet Elias einen Zufluchts­ ort zur Zeit einer Dürre und HungerSnoth in Palästina; such' Jesus

begab sich einst nach Phönizien, nämlich in die Gegend von Tyrus und

Shdon,

wie wir aus der Geschichte

vom kananäischen Weibe wissen.

Machen wir uns daher auch mit dem Lande und Volke der Phönizier

etwas näher bekannt. Von dem Hochlande von Kleinasien zieht sich nach Süden an der

Ostküste des Mittelmeeres Hochland hin,

das

entlang bis an's rothe Meer

ein

anderes

jetzt den Namen „syrisches Hochland" führt.

An

dem Ostfuße desselben beginnt die syrisch-arabische Wüste, welche es von

Mesopotamien und schmaler Küstensaum

Arabien trennt; den Westfuß am Mittelmeere.

dieses Hochlandes umfaßt das alte Syrien, Palästina.

aber begrenzt

ein

Der nördliche größere Theil der südliche kleinere Theil

Im südlichen Theile Syriens steigt das berühmte Kalkstein­

gebirge des Libanon (Libanoy h. der Weiße) auf, von dem die arabi­

schen Dichter sagen: er trügt den Winter auf seinem Haupte, den Früh­

ling auf seinen Schultern, den Herbst in seinem Schooße und zu seinen Füßen schlummert der Sommer.

Er besteht aus zwei Theilen:

dem

Die Phönizier. Beute der Perser.

23

Necho und sein Vorgänger hatten zuerst das ver­

schlossene, „bittere" Aegypten, wie es die Fremden nannten, dem Aus­ lande geöffnet und fremde Sitten mit der einheimischen gemischt.

durch war der alte ägyptische Staat nicht stärker geworden, überhaupt die Völker nur stark sind, wenn sie nach

sen und sich entwickeln können.

Da­

wie denn

ihrer Weise wach­

Der Sohn dcS aus der biblischen Ge­

schichte unS bekannten Perserkönigs Korcs (KyroS), Namens Kamby-

seS, war es, der Aegypten zu einer persischen Provinz machte. das Land unter die Herrschaft

Später (um 330 v. Chr.) gerieth

Alexanders des Großen von Makedonien.

Nach

dieses Eroberers

Dreißig Jahre v. Chr. Geb.

Tode wurde eS wieder ein eigenes Reich.

fiel es den Römern in die Hände, von diesen eroberten eö die Ara­

ber (634 n. Chr.) und seit 1517 gehört es den Türken.

4.

Die Phönizier.

Der Name dieses Volkes ist uns aus der biblischen Geschichte schon bekannt.

Ein phönizischer König toar- es, welcher dem Könige Salomo

Cedernholz und Bauleute zur Ausführung seiner Baupläne überließ; in Zarpath, einer phönizischen Stadt, fand der Prophet Elias einen Zufluchts­ ort zur Zeit einer Dürre und HungerSnoth in Palästina; such' Jesus

begab sich einst nach Phönizien, nämlich in die Gegend von Tyrus und

Shdon,

wie wir aus der Geschichte

vom kananäischen Weibe wissen.

Machen wir uns daher auch mit dem Lande und Volke der Phönizier

etwas näher bekannt. Von dem Hochlande von Kleinasien zieht sich nach Süden an der

Ostküste des Mittelmeeres Hochland hin,

das

entlang bis an's rothe Meer

ein

anderes

jetzt den Namen „syrisches Hochland" führt.

An

dem Ostfuße desselben beginnt die syrisch-arabische Wüste, welche es von

Mesopotamien und schmaler Küstensaum

Arabien trennt; den Westfuß am Mittelmeere.

dieses Hochlandes umfaßt das alte Syrien, Palästina.

aber begrenzt

ein

Der nördliche größere Theil der südliche kleinere Theil

Im südlichen Theile Syriens steigt das berühmte Kalkstein­

gebirge des Libanon (Libanoy h. der Weiße) auf, von dem die arabi­

schen Dichter sagen: er trügt den Winter auf seinem Haupte, den Früh­

ling auf seinen Schultern, den Herbst in seinem Schooße und zu seinen Füßen schlummert der Sommer.

Er besteht aus zwei Theilen:

dem

Die Phönizier.

24

Libanon im Westen (mit Kuppen von 9000 Fuß) und dem Antili­ Zwischen dem Libanon und Antilibanon liegt ein

banon im Osten.

schönes Thal, Hohlshrien

zwei Flüsse:

(Cölcshricn) genannt.

Daraus kommen

(unweit

nach Norden fließend

Der Orontes,

Nach Süden

Mündung in'S Mittelmeer liegt die Stadt Antiochien). fließt der LeonteS.

Zum Antilibanon

seiner

gehört der 14000 Fuß hohe

Hermon, auf welchem der Jordan entspringt.

Oestlich vom Antili­

banon liegt das uralte Damaskus, am Saume der Wüste.

Das Hoch­

land von Palästina werden wir später genauer betrachten.

Südwärts

von ihm erhebt sich auf einer kleinen Halbinsel am Nordende des rothen

Meeres das Sinaigebirge, das im Mosisberge 7000, im Ho­ reb 8000 Fuß Höhe erreicht.

Ungefähr da, wo Syriens und Palästina's Grenzen zusammenstoßen, liegt am Mittelmeere Phönizien, ein schmaler Küstenstrich von etwa

vier Meilen Breite uud fünfundzwanzig Meilen Länge.

Die Lage des

Landes sowohl als die vielen Gebirge im Osten, welche den Ackerbau

nicht begünstigten, lenkten die Aufmerksamkeit

der Bewohner

auf das

Meer und veranlaßten sie zur Beschäftigung mit Schifffahrt.

Die­

ses wichtige Verkehrsmittel wurde von den Phöniziern zuerst auf dem Die Flußschifffahrt war jedenfalls an­

Meere in Anwendung gebracht.

derwärts längst

üblich.

Ein

ausgerissener auf dem Flusse dahin trei­

bender Baumstamm, worauf ein Thier saß, leitete gewiß schon früh zu dem Versuche, auf Holzstämmen über den Fluß zu schiffen.

Der un­

bequeme Sitz darauf führte auf den Gedanken, den Stamm auszuhöhlcn, und später schlug man

ähnliche lange,

hohle Kasten aus Balken und

Bohlen zusammen. Die Phönizier waren aber die Ersten, welche sich auf's Meer hinauswagten.

Mit ihren kleinen Fahrzeugen ruderten sie zu­

nächst bis auf die nahe liegende Insel Cypern und an die Küsten Klein­ asiens,

später wagten sie sich auf die Inseln im Archipelagus,

Italien, Sicilien, Spanien, England. und kauften andere

ein

und so

erhoben sie

um 1200 v. Chr. ihren

Handel zum Welthandel der damaligen Zeit.

also die ersten Welthandelsleute. theils

zur See.

Sie holten

nach

Ueberall setzten sie Waaren ab,

Ihr Handel

Die Phönizier waren

ging theils

aus Syrien Wein,

zu Land,

aus Armenien

Eisen, Stahl und Pferde, aus Babylonien und Persien Sklaven, Kupfer und Putzwaren, aus Arabien Weihrauch, Myrrhen, Zimmt,

Edelsteine, Elfenbein, aus Aegypten baumwollene Zeuge, aus Spanien Gold und Silber,

von den britischen Inseln Zinn und von der

Ostseeküste Bernstein.

Auf

ihren Seereisen mußten

sie sich jedoch

ängstlich an den Küsten halten, indem sie weder Kompaß noch Seekarten

25

Die Phönizier.

besaßen.

Den Gebrauch der Segel mögen sie indeß schon gekannt ha­

ben; vielleicht führte sie der Nautilus darauf, der oft in seiner Muschel

neben den Schiffen auf dem Mittelmeer segelt.

Das früheste Fortbe­

wegungsmittel war das Ruder, das man wahrscheinlich auch später bei ungünstigem Winde noch in Anioendung bringen mußte. In den meisten Ländern, wo die Phönizier hinkamen, gründeten sie Städte, Töchterstädte oder Kolonien

thago,

genannt, welche mit dem Muttet-

Die wichtigste dieser Kolonien war Kar­

lande in Verbindung blieben.

an der Nordküste Afrika's gelegen,

Tunis liegt. Auch als Bauleute

waren

in der Gegend,

die Phönizier berühmt.

wo jetzt

„Du

weißt

(schreibt Salomo 1. Kön. 5. 6 an den König Hiram zu ThruS), daß bei uns Niemand ist,

der Holz zu

hauen wisse,

wie die Sidonier."

Die Phönizier brachten das Cedern- und Tannenholz vom Libanon bis an die Küste, von wo eS nach Jerusalem weiter befördert wurde zum Tempelbau.

Der reiche Verkehr des kleinen Völkchens mit fast allen damals bekannten Völkern machte ihr Ländchen sehr belebt.

Längs der Küste

befanden sich in der Entfernung von etwa 4 Meilen größere Städte,

zwischen denen wieder kleinere Ortschaften lagen. jener Städte

Zarpath.

waren Thrus und Sidon.

Die

Südlich

bedeutendsten

von Sidon

lag

Das ganze Land zerfiel in mehrere kleine Gebiete, deren

oberste Vorsteher Könige genannt wurden. Die Handelsweise der Phönizier war ursprünglich ein Tausch, d. h. sie boten, wenn sie in ein fremdes Land kamen, den Einwohnern

die Waare an, welche sie mit sich führten, Dinge,

und erhielten dafür andere

die sie in einem anderen Lande wieder mit Vortheil vertausch­

Dergleichen Handel trieben zuerst auch die Nomaden und Acker­

ten. bauer.

Erstere tauschten für Vieh Getreide ein, uud Letztere für Ge­

treide Vieh, Felle rc.

Dieser Umsatz der Waare war allerdings sehr­

unbequem und man erleichterte sich daher denselben bald dadurch, daß

man Gold und Silber als Tauschmittel anwendete, einer Wage zuwog, welche man mit sich

führte.

die man sich auf

Noch später fertigte

man bestimmte Gold- und Silber-stücke, und bemerkte darauf ihr Gewicht.

So entstanden die Geldmünzen, dergleichen man sich beim Handel noch jetzt vorzugsweise bedient.

Kaufleute können ohne die Rechenkunst nicht bestehen; wahrschein­

lich ist diese daher von den Phöniziern auch erfunden oder wenigstens weiter ausgebildet worden.

Desgleichen

Erfindung der Buchstabenschrift zu.

schreibt man ihnen auch die Das Aufzeichnen von Gedanken

Die Phönizier.

26

war dem Menschen schon früh zum Bedürfniß geworden.

Die erste und

roheste Art der Gedankenauföewahrung war das Ausrichten und Erbauen

Diese waren aber nur

von Denkmälern.

für die mit ihnen bekannten

Personen verständlich, überdies waren sie leicht der Zerstörung ausgesetzt. Dieser Umstand drängte dahin, die Vorfälle, deren Gedächtniß man be­

wahren wollte, in Holz, Baumrinde und anderem Material abzubilden. So entstand die Bilderschrift. nur sinnliche Dinge

Mit dieser Schrift konnte man aber

für die Aufbewahrung

und Vorgänge darstellen;

von Gedanken war sie nicht geeignet.

Man war daher genöthigt, Zei­

chen zu erfinden, welche Gedanken rein geistiger Art ausdrückten. das that man.

Und

So z. B. mußte eine Nase, welche Dampf sprühte, den

Begriff Zorn ausdrücken, eine geballte Faust Kraft; ein Auge bedeutete das höchste Wesen, ein Vogel die Schnelligkeit, eine Sturmleiter die Be­ lagerung einer Stadt, eine sich in den Schwanz beißende Schlange den Jahreölauf und die Ewigkeit.

Diese Art Schrift ist

die in der Ge­

schichte der Aeghpter schon erwähnte Hieroglhphenschrift.

Bilder­

und Hieroglhphenschrift waren lange in Gebrauch und wurden besonders

in Aegypten ausgebildet. Aber auch sie hatten ihre großen Mängel. Man verfiel daher darauf, für jedes Wort ein besonderes Zeichen zu erfinden.

Diese Schreibweise hat sich bis auf den heutigen Tag bei den Chinesen, die in Ostasien wohnen, erhalten.

Die Sprache dieses Volkes hat an

80000 Wörter und eben so viele Zeichen.

Wie schwer es ist, eine solche

Schrift auch nur theilweise zu erlernen, leuchtet ein.

Man verbesserte

diese Art der schriftlichen Darstellung daher dadurch, daß man für die Silben Zeichen erfand, und aus diesen die Worte zusammensetzte.

In­

dessen war damit nur ein kleiner Fortschritt gemacht und das Vollkom­

mene noch

nicht

erreicht.

Die Krone setzte man der Schrifterfindung

erst durch Erfindung der Buchstabenschrift auf, wozu man dadurch

gelangte,

daß man die Silben weiter in Laute

Laut ein Zeichen,

einen Buchstaben erfand.

Phönizier Taaut um

auflöste und für jeden

Diese Erfindung

1900 v. Chr. gemacht haben.

wenige Zeichen, bei uns 24,

um alle nur

Nun

soll der genügen

möglichen Worte zur Dar-

stellmkg für das Auge zu bringen.

Die Schriftzeichen derer Art.

oder Buchstaben sind fast bei jedem Volke an­

So bedienten sich die Assyrer, wie aus den zu Tage geleg­

ten Baudenkmälern

von

Ninive

hervorgeht,

zuerst der Keilschrift.

Diese besteht darin, daß jeder Buchstabe aus mehreren unter sich ver­ bundenen Keilstrichen

zusammengesetzt ist;

später

bildeten

sie sich eine

Cursiv- (d. h. fließende) Schrift. Die Aneinanderreihung der Buchstaben

in der Schrift war und ist bei den verschiedenen Völkern ungleich.

Die

Die Phönizier.

27

Phönizier (Aeghpter, Hebräer), schrieben in wagcrechter Reihe, aber von Anderwärts stellte man die Buchstaben in senkrecht

rechts nach links.

laufende Reihen; einige Völker schrieben und lasen von oben nach unten

(wie heut noch die Bewohner der Philippinen), andere von unten nach

oben, wie noch jetzt die Chinesen, Japanesen und Tataren.

Diese Ge­

wohnheit rührt daher, daß man das Schreibmaterial auf'S Kniee legt,

wobei es bequem ist,

von

unten

Sogar im Kreise 'ober

anzufangen.

vielmehr in einer Spirale haben später

so

manche Völker geschrieben,

namentlich einige nordische Völker.

Eine andere Erfindung der Phönizier ist die der Pnrpurfärberei.

Die Purpurfarbe wurde aus den kleinen Purpurschnccken gewonnen, die in der Nähe des Magens eine Blase mit weißem Saft haben, der auf

Wolle aufgetragen, eine grüne Farbe annimmt, welche durch Licht und

Luft in ein Dunkelroth übergeht, das aber an Schönheit unserer Coche­ nille,

womit man jetzt roth färbt,

fertigten vortreffliche Zeuge,

weit nachsteht.

Phönizische Weber

und diese färbte man mit Purpur,

wegen der Kostbarkeit der Farbe, meist nur streifig.

doch

Das Tragen eines

Purpurgewandes war im Alterthum ein Zeichen der Wohlhabenheit; deß­

halb heißt es auch vom reichen Manne:

(Luc. 16, 19)

„Er kleidete

sich in Purpur rc."

Endlich ist noch der Glasbereitung als einer den Phöniziern zu­ geschriebenen Erfindung zu erwähnen.. eines Feuers, wo Salpeterstücke

Daß diese Kunst bei Gelegenheit

auf Ufersand lagen,

erfunden worden

sei, ist eine Fabel; denn bei der Hitze des gewöhnlichen Feuers schmilzt

Kiesel mit Kali oder Natron nicht zu Glas zusammen.

Man mag das

Glas vielmehr bei Schmelzprozessen kennen gelernt haben, wobei sich meist Glasflüsse (Schlacken) bilden.

nizier Glasperlen

zu

So viel aber scheint gewiß, daß die Phö­

Schmuck

zu

bereiten

Fenster- und

verstanden.

Spiegelglas kannte man indeß noch nicht; das ist eine viel spätere Er­ findung.

Damals fertigte man nur Metallspiegel und Glasfenster waren

ganz unbekannt; letztere sind erst seit, wenigen hundert Jahren üblich.

Der Religion nach waren die Phönizier Heiden; sie trieben eben­

falls Naturdienst, indem sie Sonne und Mond verehrten.

Die Fabrik-

und Handelsthätigkeit machte

das Volk

nennt doch Hesekiel die phönizischen Kaufleute Fürsten. lockte beutegierige Eroberer herbei.

Der uns

sehr

reich;

Der Reichthum

schon bekannte assyrische

König Salmanassar eroberte Sidon, fand aber bei der Belagerung

seinen Tod.

Reichlich hundert Jahre später kam Nebukadnezar, zer­

störte daö wieder erbaute Sidon und nahm nach dreizehnmonatlicher Be­ lagerung auch Tyrus ein (590 v. Chr.).

Er fand indessen nur leere

Die Israeliten.

28

Häuser, denn die Einwohner hatten sich mit ihrer Habe auf eine nahe Insel gefluchtet, und daselbst Ncu-ThruS gegründet, welches in der

Folge an Blüthe und Reichthum Alt-Tyrus noch übertraf.

Aber auch

diese Stadt wurde später (332 v. Chr.) durch Alexander den Großen von Makedonien zerstört und Phönizien dem Weltreiche dieses Er­

oberers einverleibt.

3. Die Israeliten. Die Israeliten sind eins der merkwürdigsten Völker des AlterthnniS, insbesondere darum,

weil sie von Gott zur Förderung seines großen

Heilplans für die Menschheit ausersehen wurden. Völker des Alterthums

immer

Während die andern

tiefer in's Heidenthum

sich verstrickten,

wurde der Glaube an den einen wahren Gott in der israelitischen Nation

erhalten,

damit von ihr aus

zu Theil werden könne.

dereinst der wahre Glaube allen Völkern

Das war die Bestimmung Israels, das darum

auch besonders das „Volk Gottes" genannt wird. Der Grund zur Bildung eines Gottesvolkes, eines Volkes, in wel­ chem Gott der alleinige Herrscher sein sollte, wurde durch die Berufung

Abrahams gelegt.

Dieser gottbegabte

und

gottbegnadigte Mann lebte,

wie schon erwähnt wurde, ursprünglich in Mesopotamien.

Hier herrschte

aber große Abgötterei; selbst in Abrahams Familie hatte sich die Götzen­

dienerei bereits eingenistet und nur in Abraham allein lebte der Glaube an den einigen Gott in voller Reinheit und Kraft. eine Offenbarung vom Herrn, der ihm befahl,

Daher wurde ihm

aus seinem Vaterlande,

ja sogar von seiner Freundschaft zu gehen in ein Land, das der Herr ihm zeigen werde, und an diesen Ruf knüpfte sich der Segen:

sollte nicht allein ein Vater der Völker werden, alle Geschlechter

der Erde einen Segen

Abraham

sondern in ihm sollten

empfangen.

Abraham glaubte

dieser Verheißung und folgte dem Rufe in ein unbekanntes Land, das nicht er, sondern Gott allein kannte.

Damit begann die Absonderung,

die zum Zweck hatte, zunächst eine Familie, dann ein ganzes Volk der

Vielgötterei zu entreißen und für den Glauben an den einigen wahren Gott zu erziehen.

Die Israeliten.

28

Häuser, denn die Einwohner hatten sich mit ihrer Habe auf eine nahe Insel gefluchtet, und daselbst Ncu-ThruS gegründet, welches in der

Folge an Blüthe und Reichthum Alt-Tyrus noch übertraf.

Aber auch

diese Stadt wurde später (332 v. Chr.) durch Alexander den Großen von Makedonien zerstört und Phönizien dem Weltreiche dieses Er­

oberers einverleibt.

3. Die Israeliten. Die Israeliten sind eins der merkwürdigsten Völker des AlterthnniS, insbesondere darum,

weil sie von Gott zur Förderung seines großen

Heilplans für die Menschheit ausersehen wurden. Völker des Alterthums

immer

Während die andern

tiefer in's Heidenthum

sich verstrickten,

wurde der Glaube an den einen wahren Gott in der israelitischen Nation

erhalten,

damit von ihr aus

zu Theil werden könne.

dereinst der wahre Glaube allen Völkern

Das war die Bestimmung Israels, das darum

auch besonders das „Volk Gottes" genannt wird. Der Grund zur Bildung eines Gottesvolkes, eines Volkes, in wel­ chem Gott der alleinige Herrscher sein sollte, wurde durch die Berufung

Abrahams gelegt.

Dieser gottbegabte

und

gottbegnadigte Mann lebte,

wie schon erwähnt wurde, ursprünglich in Mesopotamien.

Hier herrschte

aber große Abgötterei; selbst in Abrahams Familie hatte sich die Götzen­

dienerei bereits eingenistet und nur in Abraham allein lebte der Glaube an den einigen Gott in voller Reinheit und Kraft. eine Offenbarung vom Herrn, der ihm befahl,

Daher wurde ihm

aus seinem Vaterlande,

ja sogar von seiner Freundschaft zu gehen in ein Land, das der Herr ihm zeigen werde, und an diesen Ruf knüpfte sich der Segen:

sollte nicht allein ein Vater der Völker werden, alle Geschlechter

der Erde einen Segen

Abraham

sondern in ihm sollten

empfangen.

Abraham glaubte

dieser Verheißung und folgte dem Rufe in ein unbekanntes Land, das nicht er, sondern Gott allein kannte.

Damit begann die Absonderung,

die zum Zweck hatte, zunächst eine Familie, dann ein ganzes Volk der

Vielgötterei zu entreißen und für den Glauben an den einigen wahren Gott zu erziehen.

29

Die Israeliten.

Und welches war das Land, das Gott zu diesem hohen Zwecke aus­

erkoren hatte? — Es war Palästina*), jener Theil des

syrischen Hochlandes,

damals Kanaan genannt,

der im Norden in Syrien,

im

int Süden an Arabien und im

Osten an die syrisch-arabische Wüste,

Westen an das Mittelmeer grenzt, etwa zweiuliddreißig Meilen lang und

acht bis zwanzig Meilen breit ist und gegen fünfhundertvierzig Q.-Meilen

Flächeninhalt

hat.

Herrn recht deutlich.

In

dieser Wahl offenbart sich

die Weisheit Ye8

Denn einmal war dieses Land durch Gebirge und

Wüsten, wie durch das Weltmeer fast abgcschnitten von der Welt,

so

lange sich die Schifffahrt in ihrer Kindheit befand, und dadurch geeignet,

die Bewohner von den umwohnenden Heiden abzusondern, was zur Fort­

pflanzung

der

reinen Erkenntniß Gottes

nothwendig war;

dann aber

lag es in der Mitte dreier Erdtheile — Asien, Afrika und Europa —

und war dadurch wiederum auch ganz dazu gemacht, dereinst der Ver­ kündigung des Evangeliums an alle Völker Vorschub zu leisten, insbe­ sondere durch die Verbindung, welche das Meer so leicht herbei zu füh­

ren im Stande ist.

Auch die innere Beschaffenheit Kanaans war dem

Plane Gottes förderlich,

denn obwohl reich gesegnet, so führte es den­

noch seine Bewohner nicht zur Verweichlichung, wie Mesopotamien, son­

dern trieb vielmehr zur Arbeit an, und lud zum Landbau ein,

als der

höhern Stufe der Bildung; endlich bot es auch in den Wundern seiner

Wüsten,

des Meeres, der Hochgebirge und der Thäler dem Gemüthe

reiche Nahrung und erhielt dadurch

die religiöse Empfindung lebendig.

Doch sehen wir uns diesen geweihten Landstrich noch etwas genauer an.

Daß Palästina ein Hochland bildet, wissen wir bereits.

Demselben

sitzen verschiedene Höhenzüge auf, wodurch der Charakter des Landes ein fast durchaus gebirgiger wird.

Die Abhänge der aus Kalkstein bestehen­

den Höhenzüge enthalten viele Höhlen,

die ursprünglich zu Wohnungen,

später zu Gräbern, zu Zufluchtsörtern, zu Aufenthaltsörtern für Kranke,

zu Viehställen rc. benutzt wurden.

fast durchweg zur Bebauung; die Tiefebenen und Thäler, land unterbrechen.

von

Die hochgelegenen Ebenen eignen sich

vorzüglicher Fruchtbarkeit aber sind

welche an verschiedenen Stellen das Hoch­

Der nördliche Theil des Westjordan-Landes

heißt

das Hochland von Galiläu; es schließt sich an den Libanon an, ist

wellenförmig und enthält u.- a. den Berg Tabor,

einen fast ganz mit

Eichen und Gesträuch bewachsenen, einzelnstehenden Kalksteinkegel.

*)

(Ver-

Der Name Palästina stammt von den Philistern, welcher Name derselbe ist,

wie, der der Phönizier und „Palmenvolk" bedeutet; ursprünglich hieß daher da.S Land

auch Philistäa.

Die Israeliten.

30 klärung Christi).

Südlich davon liegt die fruchtbare Ebene Jeöreel, die

sich vier Stunden breit und acht Stunden lang vom Meere nach dem

(Hier weidetm Josephs Brüder ihre Heerden

Jordan hin ausbreitet. und siegte Gideon).

Südlich davon erhebt sich das quellenreiche, mit

Obst und Weideland gesegnete Hochland von Samaria und noch weiter südlich die mehr steinige, rauhe und unfruchtbare Hochebene von Juda.

— Im Hochlande von Samaria liegen die Bergzüge des Karmel, das

Zu letzterem gehört der schön be­

Gebirge Gilboa und Ephraim.

wachsene

Garizim.

(Tempel

Im Hochlande von

der Samariter.)

Juda ist das Gebirge von Juda zu nennen; dazu gehört der Berg

Quarantania (Versuchung Christi) und der Oelberg. werth ist hier auch die Wüste Juda,

Bemerkens­

eine Meile südlich von Beth­

lehem beginnend und bitz an das Südende, des rothen Meeres reichend. Sie ist eigentlich eine Steppe, denn sie enthält vortreffliches Weideland und leidet an Holz und Wassermangel. — Vom Gebirge Karmel süd­

eine schmale fruchtbare Tiefebene

wärts zieht sich an dem Mittelmeer

südliche dagegen Sephela

deren nördlicher Theil Saron, der

hin, heißt.

In letzterer saßen die Philister. — Eine dritte Tiefebene ist die

Dasselbe zieht sich zu beiden Sei­

des Jordan, oder das Jordanthal.

ten des Jordan hin, vom See Genezareth biö an's

und ist sehr fruchtbar.

todte Meer,

Weiter ist von Thä­

(Loth wählte sie daher.)

lern noch besonders erwähnenswerth das Thal Kidron (östlich von Je­ rusalem), das Thal Hebron und das Eichthal (westlich von Jerusa-

leni, wo David den Goliath schlug.)

Die Erhebung des Bodens über das Meer ist verschieden; während

der

Karmel

ungefähr

1500 Fuß, das

Gebirge

Höhen des Gebirges Ephraim gegen 2000 Fuß sich erheben,

Gilboa

1300,

die

über daS Mittelmeer

steigt das Gebirge Juda in der Gegend von Hebron bis

auf 2400 Fuß. Das Ostjordanland ist ebenfalls Hochland.

an

dem

legen

und

schneebedeckten bis

in

die

Hermon,

Breite

Thälern durchschnitten und

des

ist

ES beginnt im Norden

hoch

gegen 2400 Fuß

See's

Genezareth

ge­

vielen

von

fruchtbar; insbesondere war diese Gegend

einst durch ihre Eichenwälder und Viehweiden berühmt. dieses Plateau in die arabische Wüste über.

Ostwärts geht

Weiter nach Süden zieht

sich östlich vom Jordan bis in die Gegend des todten Meeres das Ge­ birge Gilead, in der Mitte vom Thale des Flusses Jabok durchbrochen;

herrliche Eichenwaldungen bedecken

einen großen Theil dieses Gebirgs­

landes und die Thäler haben Ueberfluß an Korn und Oliven,

und die

Hügel tragen die Rebe; Rindvieh und Schaafe gedeihen vorzüglich.

Die

Die Israeliten. höchsten Fuß.

dieses

Gipfel

Gebirges

Noch weiter nach Süden

31

schätzt

erstreckt

man

auf

3-

sich, östlich

von

4000

bis

dem todten

Meere hin, das Gebirge Abarim, dessen höchster Berg Nebo heißt (Moses.). Die Gewässer Palästina's laufen theils dem Mittelmeere, theils dem

todten Meere zu.

Erstere sind kleine Küstenflüsse, von letzteren ist der

Jordan der Hauptfluß.

Auf dem Hermon entspringend, erst den See

Merom, dann den See Genezareth durchströmend, mündet er etwa

nach sechsunddreißig Stunden langem Laufe in das todte Meer.

Das

ganze Bett dieses Flusses liegt tiefer, als der Spiegel deS Mittelmeers;

noch tiefer

liegt

Meeresspiegel.

das todte Meer, nämlich gegen 1300 Fuß unter

dem

Die bedeutendsten Nebenflüsse deS Jordans befinden sich

auf seiner linken Seite und heißen Hieromax und Jabok.

Das Klima Palästina'S ist ein sehr mildes;

die Winterkälte ist

nie stark, der dünne Schnee bleibt keinen Tag liegen und nur eine feine Eisdecke zieht sich über das Wasser.

Unangenehmer ist die Kälte des

Nachts, die auf den heißen Tag folgt,

und- welche die Bewohner oft

nöthigt, sich am Feuer zu

In der warmen Jahreszeit ist

erwärmen.

die Hitze so groß, daß die Erde aufspringt, und Gras und Früchte ver­

dorren, wenn nicht Wasser in der Nähe fließt.

Der Winter,

welcher

fast nur Regen bringt, mildert die Hitze und gewährt dem ausgetrockne­

ten Lande wieder die nöthige Bewässerung.

Der Jahreszeiten sind eigent­

lich nur zwei, Sommer und Winter; doch kann man in denselben sechs

kleine Abschnitte beobachten. Der erste reicht von Mitte Oktober bis Mitte Dezember.

Schon

im September fällt einiger Regen; in der Mitte des Oktobers beginnt

die Saatzeit und Ende desselben Monats der Frühregen. Ende No­ vember entlauben sich die Bäume und zeigt sich schon etwas Schnee.

zweite Abschnitt reicht von Mitte Dezember bis Mitte Februar.

Der

Das ist

der eigentliche Winter; häufiger Regen und wenig Schnee, Gewitter und Hagel zeichnen ihn aus;

doch werden alle Bäume und Pflanzen grün,

Mandeln, Pfirsiche, Oelbäume blühen, zumal in den Gegenden, wo die Luft oft drückend warm ist.

Der dritte Abschnitt beginnt mit Mitte

Februar und reicht bis Mitte April.

Diese Zeit ist schon wärmer, und

häufigere Gewitter verbinden sich mit dem nun eintretenden Spätregen,

der die Körner des Getreides, welches hier im Februar schon so groß

ist, als bei uns im Mai und Juni, anschwellen läßt,

und die Frucht­

barkeit des Landes eben so bedingt, wie der Frühregen. Abschnitt reicht

von Mitte April bis Mitte Juni.

In

Der vierte der Mitte des

April beginnt die Ernte, die zu Anfang des Juni schon ganz beendigt ist.

Die Israeliten.

32

Mit dem Mai beginnt die sengende Hitze, die nur durch den in diesem Lande starken Thau an schädlichen Folgen verliert.

Der fünfte Ab­

schnitt reicht von Mitte Juni bis Mitte August; in ihm reift das Obst; das Gras verdorret und Land und Bäche werden durch den heißen Ost­

Die Hitze dieser Zeit dauert auch noch in dem letzten

wind ausgetrocknet.

Abschnitte fort von Mitte August bis Mitte September, wo der Negcn

seine belebende Wirksamkeit beginnt.

Unter den Gewächsen, welche Palästina hervorbringt, merken wir besonders die Getreidearten: Weizen,

Gerste, Spelt und Hirse; ferner

Bohnen und Linsen; weiter Flachs und Baumwolle, Gurken und Me­ lonen.

Von Bäumen sind hervorzuheben:

Pfirsich-, Pomeranzen-, Dattelpalm«

und

Aepfel-, Birn-,

Pflaum-,

Citronen-, Oel-, Feigen-, Mandel-, Granat-,

Maulbeerbäume;

Cypressen,

Fichten,

Terebinthen,

Myrten, Eichen, Akazien, Weiden, Balsamstauden, Weinstöcke. •— Von

nützlichen Thieren nährt das Land besonders:

Bienen, Rinder, Schafe,

Ziegen, Esel, Maulesel, wenig Pferde rind Schweine. früher Löwen, Leoparden,

Wild lebten dort

Bären, Wölfe, Schakals, Füchse, Hirsche,

Rehe, Gazellen u. a. m.

Als Abraham in das Land einzog, wohnten in

ihm

eine Menge

kleiner Völkerschaften, als Kananiter, Hethiter, Amoriter, Pheresiter, He-

viter, Jebnsiter; zusammen genommen Kananiter genannt, von Kanaan, einem Sohne Hams;

Naturdienst.

der Religion nach waren sie Heiden und trieben

Bei Sich em und dem Terebinthenhain More machte

Abraham mit seinem Neffen Lot Halt.

Hier

und

an andern Orten

baute er seine Altäre, und mit dem Bauen derselben, mit dem Predigen

vom Namen und von der Herrlichkeit des wahren Gottes begann der Held des

Glaubens

2000 v. Chr. Geb.).

die Besitzergreifung des

heidnischen Landes

(um

Für seinen Glaubenseifer und seine Glaubenstreue

wurde er mit der Verheißung belohnt: alle Völker auf Erden."

„In dir sollen gesegnet werden

Der Sohn seines Alters, Isaak, welchen er

auf Gottes Befehl selbst zu opfern bereit war, wurde mit Rebecka, der En­

kelin von Abrahams Bruder Nahor in Mesopotamien,

vermählt, denn

kein Weib von den Töchtern der Kananiter sollte den reinen Stamm Abrahams fortsetzen.

Ismael aber, Abrahams Sohn von der Hagar,

wanderte aus, denn ihm war es beschieden, Stammvater der arabischen

Völkerschaften zu werden.

Jakob, Isaaks Sohn, lange Zeit mit sei­

nem Zwillingsbruder Esau wegen des Betruges um das Recht der Erstgeburt

verfeindet, endlich aber wieder mit ihm versöhnt, hatte zwölf Söhne,

welche die Stammväter des jüdischen Volkes wurden. Da Jakob auch Israel hieß, so nannte sich später das ganze Volk auch daö Haus Israel, oder die Kinder Israel, auch kurz Israeliten. Joseph, Jakobs jüngster Sohn, von seinen Brüdern nach Aegypten verkauft, wurde hier nach schweren Prüfungen ein mächtiger, gewaltiger Herr und der Wohlthäter Aegyptens, wie seines Hauses, das er wegen einer Theurung und Hungersnoth nach Aegypten einlud, wo er ihm das fruchtbare Gosen anwies. Es war um 1800 v. Chr., als Jakob nach Aegypten zog. Dreihundert Jahre später, um 1500, führte Moses die zu einem zahlreichen Volke angewachsenen Israeliten aus Aegypten wieder zurück in das Land ihrer Väter. Er war der Mann, den Gott auserkoren hatte, ihm das Volk Israel zu seinem Eigenthume zu bereiten, zu einem Volke, das sich nur von ihm, dem Unsichtbaren, Gesetze vorschreiben lassen sollte. Welche Aufgabe für Moses, der Vermittler bei einem so sinnlichen, rohen, verwilderten Volke zu sein! Die Israeliten hatten bisher in ein­ facher Stammverfassung und nomadischer Sitte gelebt. In Aegypten hatten sie wohl einen bürgerlich geordneten Staat näher kennen gelernt, aber nicht als freie Leute, sondern als Sclaven, die den Glauben der Väter über dem Götzendienst ihrer Herren fast ganz vergessen hatten. Ein solches Volk sollte Moses zur bürgerlichen Gesellschaft bilden, gereregelt durch das Gesetz des höchsten Gottes selber; ein solches Volk, ge­ blendet durch den Bilder- und Thierdienst der Aegypter, sollte MoseS zur Anbetung des einigen, wahren, unsichtbaren Gottes führen, und nur im Glauben an diesen Gott sollte er ihm ein Vaterland geben. MoseS erfüllte die ihm gestellte Aufgabe durch die Gesetzgebung auf Sinai. Hier vernahm er des Herrn Wort, das er seinem Volke verkündigte. Da erscholl zuerst das erhabene Wort: „Ich bin der Herr dein Gott! Du sollst Dir kein Bildniß noch irgend ein Gleichniss machen." Damit war die Einheit und Geistigkeit Gottes ausge­ sprochen, und als Grundlage der wahren Religion festgestellt. Und nun offenbart MoseS dem Volke den Willen des Herrn in den zehn Geboten. Und Jehova ruft dem Volk zu: „Werdet ihr meiner Stimme ge­ horchen und meinen Bund halten; so sollt ihr mein Eigenthum sein vor allen Völkern." (2. Mos. 19, 5.) Das Volk aber, dankerfüllt, indem eS die Gefahren überdachte, denen es entronnen war, und sich des ge­ nossenen sichtbaren Schutzes Jehova'S erinnerte, rief begeistert: „Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir thun!" Somit war ein Bund zwischen Jehova und Israel geschlossen. DaS ganze Volk war nun zum Eigenthum Gottes erklärt, zu einem priesterlichen Königreich dessen Volk ein heiliges, und worin Gott der Kutzner Geschichte I.

3

alleinige Regent sein sollte. Es war eine Gottesherrschaft (Theo­ kratie) geschaffen. Unter dieser Herrschaft sollte daö ganze Leben des Volkes nach dem göttlichen Willen eingerichtet werden. Daher gab Mo­ ses außer dem Sittenge'setze auch noch daö bürgerliche Gesetz. Um dem Volk die übersinnliche Wahrheit faßbar zu machen, richtete er den Gottesdienst ein und gab gottesdienstliche Gesetze. Opfer mußten das Schuldbewußtsein rege erhalten, Waschungen und Reinigun­ gen deS Leibes die innere Reinigkeit des Geistes vorbereiten. Weiter errichtete er einen Priesterstand, dem die Verwaltung deS Gottesdienstes oblag. Doch hatten die Priester vor dem Volke, Gott, dem unsichtbaren Könige, gegenüber nichts voraus, wie bei den Heiden, wo die Priester zwischen dem Götzen und den Laien und höher als letztere standen. Die israelitischen Priester sollten nur das Mittel sein, das Volk zur wahren geistigen Freiheit zu führen. So entstand denn durch das Volk Israel ein schroffer Gegensatz gegen alle anderen Völker. Sowohl Israel als die Heiden wurden sich dessen bewußt; daher der gegenseitige Haß und die Verachtung. Am entschiedensten sprach sich die Gottesherrschaft im Volke Israel in der Gottesverehrung (im Kultus) aus. Daher wollen wir dar­ über das Wichtigste uns vorführen. Entsprechend der Einheit Gottes gab es nur ein Heiligthum, die Stiftshütte, später der Tempel*). Als ein Haus der Zusammen­ kunft Gottes mit seiner Gemeinde war das Allerheiligste das Zim­ mer für den Eintritt Gottes selber. In diesen Raum durfte kein Auge schauen; nur der Hohepriester, als Vertreter des heiligen Volkes bei Gott, durfte alljährlich ein Mal hineingehen, um ganz Israel mit Je­ hova zu versöhnen. Dem Allerheiligsten konnten auch die Heiligen sich bloß nahen; da dies für ein zahlreiches Volk unmöglich war, so geschah die Annäherung durch Stellvertretung von Seiten der Priester, welche den zweiten Raum, das Heilige einnahmen. Das Volk aber hielt sich im Vorhofe des Heiligen auf, und bekundete damit seinen Willen, dem Heiligen und dem Heiligsten näher zu kommen. Im Allerheiligsten befand sich die Bundeslade mit dem Gesetz. Sie war das Heiligthum im Heiligthum, der eigentliche Sitz Jehova's,

*) Die Einrichtung Leider Gebäude ist der eines Nomaden-HäuptlingSzelteS ähnlich.

Ein solches hatte drei Abtheilungen, einen Vorhof für das Vieh und die Knechte, einen zweiten Raum für den Häuptling und feine Familie, und einen dritten, das Frauen­

gemach. Dem entsprechend enthielten Stiftshütte und Tempel einen Vorhof, ein Hei­ liges und ein AllerheiligsteS.

Die Israeliten.

35

um dessenwillen die ganze Wohnung da war. Ihr Deckel, der Gnaden­ stuhl, war der Thron Gottes; von diesem Sitz der Gnade und Barm­ herzigkeit wollte der Herr zu seinem Volke sprechen. Zn beiden Enden des Gnadenstuhls standen zwei Cherubim mit ausgebreiteten Flügeln und gesenktem Antlitz, al.s Sinnbild, daß die sichtbare Schöpfung dem unsicht­ baren Schöpfer huldige. — Im Heiligen stand der Tisch mit den Schaubroten, die, zwölf an der Zahl, allwöchentlich am Sabbath frisch aufgetragen werden mußten, der heilige Leuchter mit feinstem Olivenöl, und der Nauchaltar, auf welchem täglich Weihrauch geopfert wurde. Dies alles waren Sinnbilder; das Mehl bedeutete den reinen Lebensteig, das Oel das reine Lebenslicht und der Weihranch den Wohlgeruch, die Lieblichkeit des Lebens des Volkes Israel vor dem Herrn. Die Schau­ brote mußten stets erneuert werden und das Licht durfte nie verlöschen. So sollte auch des Volkes sittliches Leben durch Verbindung mit Je­ hova stets frisch und helle sein. Der Leuchter, als Träger des Lichtes, war die Gemeinde Gottes, welche mit ihrem Gotteslichte die Menschheit erleuchten sollte. — Der Vorhof erinnerte das, Volk an seinen sündebe­ fleckten Zustand. Seine Geräthe waren das Waschbecken (im Tempel an dessen Stelle das eherne Meer) zur leiblichen Reinigung für den Priester, uud der Br and opferalt ar zur Reinigung von der Sünden­ schuld des Opfernden. An seinen vier Enden war er mit Hörnern ver­ sehen. Diese Hörner waren ein Sinnbild der göttlichen Macht, welche das Böse abwehrt, aber auch göttlichen Segens, indem man an sie das Opferblut sprengte, zum Zeichen, daß die Sünde gesühnt sei. Diese „Hörner des Heils" ergriff der, welcher aus Uebereilung einen Todt­ schlag begangen hatte, um der Rache zu entgehen; denn er stellte sich damit unter den Schutz des sündenvergebenden, barmherzigen Gottes. (So Adonia. 1. Kön. 1, 15.) Zur Verwaltung des Gottesdienstes war der Priesterstand be­ stimmt. Die Priester waren nicht Stellvertreter Gottes, sondern Stell­ vertreter des Volkes in der Weise, daß sie das unheilige Volk fähig machten, sich Gott zu nahen. Weil sie berufen waren, dem Jehova das Volk zu heiligen, so hießen sie auch vorzugsweise heilig. Ihr vollständige Bestimmung war, Gott ganz anzugehören, besonders heilig zu sein und zu opfern. Wie das Opfer früher nur dem Erstgeborenen zukam, so wurde jetzt ein Stamm, der Stamm Levi besonders mit dem Priesterthum betraut, und aus diesem Stamme wurde die Familie Aarons für das Opfern ausgesondert. Die unterste Klasse des Priesterstandes, die Leviten, hatten den äußern Dienst am Heiligthum zu besorgen, die Schaubrote und anderes Backwerk zu bereiten, die heiligen Gefäße zn 3*

Die Israeliten.

36

reinigen, die gesetzliche Schau der Aussätzigen zu übernehmen, überhanpt

auf die Ausführung der Gesetze zu halten und im Gesetz zu unterrichten, den Priestern beim Opfern an die Hand zu gehen, später (im Tempel) auch den Gesang und die Instrumentalmusik beim Gottesdienst zu leiten.

In's Heilige Priester.

durften sie nicht

treten.

Dies Recht hatten

allein

die

Diese zündeten das Räucherwerk früh und spät an, reinigten

und füllten die Lampen, legten die Schaubrote auf. gab's für sie zu thun;

Anch im Vorhofe

beständige Feuer auf dem

hier mußten sie das

Brandopferaltar unterhalten, mit Blut sprengen, die Opfer und Gaben

auf dem Altar darbringen und das zu Verbrennende anzünden.

Ferner

sollten sie das Volk über das Gesetz belehren, und in schwierigen Fällen

das Recht entscheiden.

Ihre Amtskleidung

war

nach dem Muster der

ägyptischen Priesterkleidung von weißem Linnen zum Zeichen der Reinheit,

und bestand aus einem Unterkleid, einem darübergezogenen Leibrock, einem bunt gewirkten Gürtel und

einem Turban

nehmste Priester war der Hohepriester.

oder Kopfbund. Er

Der vor­

allein ging am großen

Versöhnungstage in'S Allerheiligste, dort die Entsühnuckg des Volkes vor­

zunehmen, und indem er sich und die ganze Gemeinde Gott zur Sühne darbrachte, stellte er das büßende Volk dar, wie es durch Gottes Gnade

An diesem Tage trat an die Stelle des Prachtschmuckes

geheiligt wird.

die einfache linnene Kleidung.

War aber die Sühnung geschehen, dann

erschien er als das heilige, vor Gott gerechtfertigte Israel im Schmuck und Ehrenkleide das ganze Jahr hindurch.

höchsten

Er trug dann ein

gewebtes, baumwollenes purpurblaues Oberkleid, das unten einen präch­

tigen Saum mit baumwollenen, dreifarbigen Granatäpfeln und goldenen Glöckchen hatte.

Es war kürzer, als das weiße linnene Unterkleid, damit

der schöne Saum besser abstach. gezwirntem Byssus,

Darüber hing der kurze Leibrock von

aus purpurblauen,

und goldenen Fäden gewebt,

und aus

purpurrothen,

carmoisinrothen

zwei Hälften bestehend (wie die

katholischen Meßgewänder), die auf den Schultern durch kostbare Span­

gen, an der Brust aber durch den aus gleichem Stoff gewebten Gürtel

zusammengehalten wurden.

Vorn auf der Brust befand sich das vier­

eckige doppelte Brustschild, durch goldene Ringe und Ketten und purpur­

blaue Schnüre befestigt, und mit zwölf in Gold gefaßten Edelsteinen ge­

ziert, in denen die Namen der zwölf Stämme eingegraben waren.

Diese

kostbaren Steine sollten Israel daran erinnern, wie theuer und werth es

Jehova sei.

Dieses Brustschild

diente auch

„Urim und Thumim" (2. Mos. 28, 30),

für

um in

das

heilige Orakel:

besonders

wichtigen

Fällen, wenn menschliche Klugheit nicht ausreichte, den Willen Jehova'S zu enthüllen.

Die Israeliten.

37

Der Hohepriester durfte übrigens alle Priesterdienste verrichten.

Er

führte die Oberaufsicht über deii Gottesdienst und den Tempelschatz und war Vorsitzender des Obergerichts und später des hohen Rathes. er war, was der Papst für die katholische Christenheit ist.

Kurz

Wir werden

später hören, daß er zur Zeit der Makkabäer sogar Landesfürst war.

Die Hauptsache des israelitischen Gottesdienstes war das Opfer. Ohne Opfer war für die ganze alte Welt keine Religion denkbar. Durch

das Opfer drückte inan aus, was int Gemüthe vorging: das Gefühl der

Abhängigkeit von Gott, das Bekenntniß der eigenen Schwäche, die Dank­ barkeit gegen das höchste Wesen und das Bestreben,

ihm

wohlgefällig

zu werden.

Man wählte, nm dies Alles auszudrücken, die Gaben, die

Einem

theuersten

am

waren.

Brachte man

Herren Geschenke dar, wenn man sich wagen können,

vor Gott mit

doch

ihnen nahte,

leeren Händen zu

schon

auch

hohen

wie hätte man es

erscheinen?

Opferten

heidnische Völker sogar Kinder, so verabscheute Israel dagegen das Men­ schenopfer; denn Blutvergießen von Menschen war ausdrücklich verboten.

Ueberhaupt unterschieden sich die israelitischen Opfer von denen der Hei­

den dadurch, daß bei ihnen der Zweck der Heiligung stärker hervortrat, als irgendwo. Ueberdieß erblickt der fromme Glaube in den Opfern Israels

mit Recht vorbildliche Handlungen auf den Opfertod des Erlösers.

Das vollständigste Opfer

war bei

den Israeliten

das Brand­

opfer, wobei ein ganzes Thier geopfert wurde; es war der allgemeinste

Ausdruck frommer Hingebung an Jehova und

bedeutete eine allgemeine

Die Sünd- und Schuldopfer galten einzelnen, bestimmten

Sühnung.

Das Opferthier

Sünden.

Opfernden.

Dieser

brachte

mußte es

fehlerlos

sein

Gott dar mit der Bitte um gnädige Annahme. das Thier untersucht hatte,

und Eigenthum

selbst zum Heiligthume und

des

stellte es

Nachdem der Priester

näherte sich der Eigenthümer dem Altare,

legte die Hand auf den Kopf des Opferthieres, gleichsam, als wolle er

sein ganzes Gefühl und Leben auf dasselbe überleiten, und darauf schlach­ tete er eS selbst. Der Priester fing mit den Opferschalen das Blut

auf und sprengte eS über den Altar; damit wurde die Gnade und Er-

barmung

Jehova's

auf

den Opfernden

herabgerufen

und

verkündigt.

Darauf wurde das Thier zerlegt und alles Genießbare verbrannt.

Haut empfing

altar

Die

der Priester. — Uebrigens kamen auf den Brandopfer­

auch Gaben

aus

dem Pflanzenreiche, z. B.

geröstetes Getreide,

Mehl, Backwerk mit Olivenöl; endlich wurde bei jedem Opfer Salz an­

gewendet, als das erhaltende, vor Fäulniß bewahrende, allernützlichste und

nothwendigste Gewürz.

DaS waren die Speiseopfer.

Dazu gesellte

sich das Trankopfer, wozu rother Wein verwendet wurde.

Dank-

38

Die Israeliten.

Opfer waren freiwillige Opfer für empfangene Wohlthaten; dabei genoß der Opfernde und der Priester an Ort und Stelle eine Mahlzeit von dem Opferthiere, das nur theilweise verbrannt wurde. Bei der Darbrillgung des Dankopfers hatte der Priester das „Heben und Weben" vorzunehmen, d. h. die Theile zu bezeichnen, welche zur Priestermahlzeit kommen sollten. (Das Weben war eine Bewegung der Fleischstücke nackallen vier Weltgegenden, um anzudeuten, daß Jehova die ganze Erde umfasse; und das Heben war nach oben gerichtet, zum Zeichen, daß von oben der Segen und die Offenbarung komme.) — Eine Art Dankopfer waren die Nasiräeropfer. Man konnte sich nämlich Gott in ganz besonderem Sinne weihen; man enthielt sich dann von jedem geistigen Getränk und ließ das Haar lang wachsen. Jenes bedeutete das Streben nach einem nüchternen auf das Göttliche gerichteten Sinn, dieses das Ver­ langen nach der höchsten Lebensfülle im Sinn des Gesetzes. Nach Ab­ lauf der Weihezeit brachte der Nasiräer (Nasir, ein Geweiheter) ein ver­ einigtes Brand-, Sund- und Dankopfer.*) Andere Opfer waren die NeinigungSopfer. Wer einen Todten berührt, wer den Aussatz gehabt hatte u. s. w., war damit unrein und unheilig geworden. Um wieder als rein und heilig zu gelten, wurde eine rothe Kuh, die noch kein Joch getragen hatte, als Sündopfer außer­ halb dcö Lagers geschlachtet, von ihrem Blute siebenmal gegen die Stifts­ hütte gesprengt, und dann die ganze Knh sammt der Haut und dem Blute verbrannt. Die Asche aber wurde an einem reinen Orte aufbe­ wahrt, um mit ihr das Reinigungöwasser zu bereiten, das am dritten oder siebenten Tage den durch Todtenberührung rc. Verunreinigten wieder rein machen sollte. (Die Asche zum Wasser gethan, bildete eine Lauge, und diese war ein Zeichen, daß bloßes Wasser zur Reinigung nicht mehr hinreichte, und die rothe Farbe der Kuh war ein Sinnbild des Lebens.) Die besondere Stellung des Volkes Israel zu Gott wurde ferner auch durch besondere Festtage bezeichnet. Der allwöchentlich wieder­ kehrende Feiertag war der Sabbath, der siebente Wochentag. Der Freitag Nachmittag hieß Nüst tag; er war znr Vorbereitung bestimmt. Der Sabbath wurde durch Ruhe geheiligt, die den Menschen zn Gott führt. Man arbeitete nicht, zündete kein Feuer an und genoß nur kalte Speisen. Sabbathentheiligung wurde mit dem Tode bestraft (2. Mos. 35, 2). Ferner gab es ein Sabbathjahr, das alle sieben Jahre als Ruhejahr gefeiert wurde und worin der Boden nicht angebaut werden durfte. In diesem Jahre stärkte sich der Boden zu neuer Fruchtbarkeit und das Volk erwarb sich göttliche Kraft. Das Sabbathjahrgesetz hatte *) Bergt. Simsen. Richt. 14. Paulus. Apost. 21.

Die Israeliten.

39

einen doppelten.Zweck: erstens sollte es der Theurung und Hungersnoth vorbeugen, weil der Ueberfluß der sechs Jahre aufgespeichert werden mußte und das Eintreten deS Sabbathjahreö auch den Leichtsinnigen hierzu antrieb; zweitens aber sollte es der Armuth wehren, indem eö ihr den Genuß aller im Sabbathjahr wachsenden Früchte freigab. Waren sieben solcher Sabbathjahre (neunuudvicrzig Jahre) verflossen, so wurde ein Jubeljahr gefeiert. In diesem Jahr wurden sänimtliche Sklaven aus israelitischem Geschlecht frei (es wurde nämlich Mancher durch Ver­ armung ein Sklave); alle Feldarbeit ruhte, und die verkauften Grund­ stücke kamen ohne Kaufgeld an den ursprünglichen Eigenthümer oder seine Erben zurück. Es konnte also höchstens auf fünfzig Jahre lang eine Familie einen großen Grundbesitz haben und eine andere sehr arm sein. — So wurde der Verarmung vorgebeugt und eine allzugroße Ungleichheit im Vermögen verhindert. Man kaufte, wenn man ein Grundstück er­ warb, in der That auch nur den Ertrag von neunundvierzig Ernten, weßhalb auch die Felder verschiedene Preise hatten, je nachdem man sie entfernt oder nahe vom Jubeljahr erstand. Unter den Jahresfesten sind zu nennen: 1) das Passah. Eö heißt auch das Fest des ungesäuerten Brotes. Es wurde von den Ju­ den zum Andenken an den Auszug ihrer Vorfahren aus Aegypten ge­ feiert. Eö begann an dem vierzehnten Nisan oder Abib, als an dem Tage, an welchem die Erstgeburt der Aegypter getödtet war, mit Eintritt des Vollmondes, so daß es so ziemlich mit unserer Osterzeit zusammen­ fällt, und dauerte sieben Tage, jedoch so, daß nur der erste und siebente Tag als Sabbathstage betrachtet wurden, die dazwischenliegenden zu Ar­ beit jeder Art benutzt werden durften. Die häusliche Feier bestand im Genusse des ungesäuerten Brotes, d. h. Brot ohne Sauerteig und Salz gebacken, wie es die Juden bei ihrem Auszuge tvegen Mangels an Zeit gebacken hatten und in dem gemeinschaftlichen Genusse des Osterlammes, eines Lammes von einem Jahre, ohne alle Fehler, welches im Tempel geschlachtet und zerstückelt, mit bittern Kräutern, die an die Zeit der Sclaverei erinnern sollten, gebraten, von einer Tischgesellschaft nicht un­ ter zehn und nicht über zwanzig Personen verzehrt wurde. Die Knochen oder Beine durften nicht zerbrochen, und nichts davon durfte aufbewahrt werden. Was nicht verzehrt werden konnte, wurde daher verbrannt. Beim Essen waren alle Tischgäste wie zur Reise gekleidet, es wurden Lobgesänge angestimmt und Wein getrunken. Schon vor dem Ostertage durchsuchten die Juden ihr ganzes Hans und reinigten dasselbe von oben bis unten, damit ja kein Sauerteig im Hause bliebe; der etwa noch vor­ handene wurde entweder in'S Wasser geworfen oder verbrannt.

Die Israeliten.

40

Da in den Tagen des Nisan zngleich die Ernte begann, so wurde

das Osterfest auch zugleich benutzt, um mit religiöser Feier dieselbe zu eröffnen,

am zweiten Ostertage im Tempel die

indem jeder Ackerbauer

erste Gabe nebst einem Brand-, Speis- und Trankopfer darbrachte. Das Pfingstfest, das Fest des fünfzigsten Tages, wurde am

2)

fünfzigsten Tage, von dem auf den Ostersabbath folgenden Tage an ge­ rechnet, gefeiert, und war das Erntefest, dann beendigt war.

Sünd-

und

weil die Ernte der Feldfrüchte

Der Festtag verfloß unter Darbringung von Brand-,

Dankopfern,

die

und

Ackerbautreibenden

Brote von neuem Getreide im Tempel.

übergaben

zwei

Später verband man mit dem

Pfingstfeste zugleich die Erinnerung an die Gesetzgebung auf Sinai.

3)

das schönste und deßhalb noch

Das Fest der Laubhütten,

jetzt von den Juden gefeierte Fest, ein Dank- und Freudenfest, ward zur Erinnerung an die Zeit der Wanderschaft in der Wüste, Laubhütten wohnten, gefeiert.

wo

sie unter

Man wohnte sieben Tage lang in Laub­

hütten und schmückte sich mit Zweigen und Früchten, und hielt fröhliche Mahlzeiten.

Das Fest dauerte vom fünfzehnten bis einundzwanzigsten

Tisri, und wurde durch große Opfer gefeiert.

An jedem Tage wurden

dreizehn bis siebenzig Stiere, zwei Widder, vierzehn jährige Lämmer und

ein Bock als Sündopfer, außer dem täglichen Brand-, Speis- und Trank­ opfer geopfert,

und,

vielleicht zur Erinnerung an den die Fruchtbarkeit

befördernden Regen, das von einem Priester aus dem Teiche Silva ge­ schöpfte Wasser in eine am Brandopferaltar angebrachte Röhre gegossen; Priester und Volk umzogen unter Posaunenschall, so wie die Jericho er­ obernden

Vorfahren,

den Altar,

und

alle

sieben Jahre,

also in den

Sabbathsjahren, wurde das Gesetz verlesen.

4)

Der große VersöhnungStag,

ein Buß- und Fasttag, jetzt

auch wohl die „lange Nacht" genannt, an welchem die Juden in vier­

undzwanzig Stunden Nichts genießen durften, fällt auf den zehnten des

Monats Tisri, also in die reizlose, winterliche Zeit, wo das Volk durch die erstorbene, gleichsam in Verderbniß untergegangene Natur, an den

Tod,

an

den schnellen Wechsel

des irdischen Daseins und die Sünde

erinnert wurde; an ihm wurde das ganze Volk durch den Hohenpriester entsündigt.

Zuerst mußte sich der Hohepriester durch ein Bad reinigen

und die leinene Kleidung anlegen,

für sich und sein Haus

dann

einen Stier,

schlachtete

ging

er zum Sündopfer

mit einen Napf voll Blut

und Räucherwerk in das Allerheiligste, hier zündete er das Räucherwerk an, so daß der Nebel den Deckel der Bundeslade, den man sich als den Sitz der gegenwärtigen Gottheit dachte, verhüllte und sprengte mit seinen

Fingern siebenmal von dem Blut gegen diesen Deckel.

Vorher war be-

Die Israeliten.

41

reite zwischen zwei Böcken geloost worden.

Den Beck, den das Todeö-

looS getroffen hatte, und sprengte

schlachtete er nun zum Sündopfer für das Volk,

sein Blut

ebenfalls

gegen

den

der BundeSlade.

Deckel

Darauf sprengte er von dem Blute beider Thiere

siebenmal gegen den

So war das Heiligthum versöhnt.

Nun nahm er den

Räucheraltar.

andern Bock, „bekannte auf ihn alle Missethat der Kinder Israel, legte

sie ihm auf sein Haupt", und ließ ihn durch einen Mann in die Wüste bringen, so daß also symbolisch der Bock „alle Missethat des Volkes in Den Bock ließ man im Freien davonlapfen.

die Wildniß trug".

Hier-

auf badete sich der Hohepriester wieder, zog seine gewöhnlichen Kleider an und brachte Brandopfer für sich und das Volk dar.

gänge der Sonlie durfte

kein Jude Etwas

Vor dem Unter­

genießen,

eine Arbeit

oder

vornehmen.

Nach dem Tode des MoseS war Josua (um 1460 v. Chr.) der

Heerführer des Volkes Israel. Geist war dazu angethan,

das

führte nicht nur Israel siegreich

Sein starkinuthiger,

glaubenskräftiger

von Mose Gepflanzte zu

schützen.

Er

kämpfend in das von andern Völkern

besetzte Land Kanaan, sondern er zeichnete sich auch dadurch ans, daß er dem Volk das Gesetz mit Eifer an's Herz legte, und selbst in Allem mit

einem leuchtenden Beispiele voranging.

„Ich und mein Haus wol­

len dem Herrn dienen!" so rief der große Schüler des großen Mei­ sters begeistert aus. Vollständig gelang dem Josua die Eroberung und Unterjochung Ka­ naans nicht, aber was menschenmöglich war, leistete er.

Der Boden des

Landes war unter alle Israeliten so getheilt, daß jeder waffenfähige Mann zwanzig Acker Land erhielt.

ließ

Einen Zehntheil

man unvertheilt für

öffentliche Zwecke und für die Leviten; diese wohnten allein in Städten, hatten kein Grundeigenthum, sondern nur das Recht auf den Zehnten von

dem Roherträge

der

Stämme vertheilt,

Felder

und Weingärten,

nach Flächenausdehnung

und

waren

unter

alle

und Bevölkerung derselben.

Für diese Leistungen von Seiten des Volkes beschäftigten sich die Leviten

mit gelehrten und religiösen Studien,

später mit Unterrichten und vor

Allem auch mit Heilkunde und zwar unentgeltlich.

Zwei und ein halber

Stamm ließen sich östlich vom Jordan nieder, die andern neun Stämme nebst dem andern halben westlich von demselben;

der Stämme sein Gebiet rein und unvermischt.

doch bewohnte keiner

So kam es denn bald

dahin, daß die Juden sich Weiber von den Heiden heiratheten, und um­

gekehrt, und dadurch mehr und mehr der syrischen und kananitischen Ab-

42

Die Israeliten.

götterei anheimficlen. Indem so der Jehovadienst, der allein die Kraft des israelitischen Volkes und seine nationale Einheit bildete, kläglich in Verfall gerieth, konnten alle die Starte und kleineren Königreiche, die Josua's gewaltiger Arm niedergeworfen hatte, bald wieder sich erholen und die Oberhand gewinnen. Ja, eö kam so weit, daß Israel nicht einmal seine Ernten und Hecrden vor Feindes Hand sicher hatte. Dazu kam auch die Feindschaft der einzelnen Stämme untereinander (Richter 19).

Josua hatte keinen Nachfolger ernannt, und so zerfiel die theokratische Monarchie in einen lockern Bund kleiner Freistaaten, wodurch sie sehr in Nachtheil kam gegen die Kananiter, die von dem Willen eines Einzigen, des Königs, geleitet wurden. Hätten die kananäischen Völker­ schaften einmüthig zusammcngehalten, so würden sie die eingedrungencn Fremdlinge völlig unterjocht haben. Doch hier zeigte sich eben die höhere Hand einer göttlichen Vorsehung, welche gerade durch den Abfall und die Untreue des auserwählten Volkes dasselbe immer wieder zum rechten Glauben znrückführte und welche inmitten der allgemeinen Zerrüttung das GottcSbcwnßtsein doch nicht ganz ersterben ließ. Sie bewirkte dies, in­ dem sie einzelne Männer erweckte, die mannhaft wider die Feinde strit­ ten, dem Volke wieder Zutrauen zu sich selber und Vertrauen und Ge­ horsam gegen Jehova einflößtcu. Diese Männer waren die Richter, die in der Zeit von 1440 bis 1100 v. Chr. auftrateu. Dieselben wur­ den von Gott erwählt, indem ein Heldengeist der Vaterlandsliebe, des KriegSmntheS und des Zornes wider die Feinde über sie kam, der auch ihrer Umgebung Muth einflößte und die Verzagten zu Thaten der Tapfer­ keit fortriß. Dergleichen Heldengestalten, die rein durch den Einfluß ihres persönlichen Ansehens ihre bis zum Uebermaaß der Lust an per­ sönlicher Unabhängigkeit sich hiugebcnden Volksgenossen für kriegerische Thaten zu vereinigen wußten, findet man sonst nirgend in der alten Welt. Sie erließen einen Aufruf an die waffenfähigen Männer, und freiwillig schloß sich an das Oberhaupt an, wer Lust hatte. War der Feldzug beendet, so war das Ansehen des Anführers wohl so befestigt, daß auch in den Zeiten der Ruhe seine Stimme Geltung behielt und man ihn freiwillig als zum Schiedsrichter annahm für streitige Rechts­ fälle. Aber im Uebrigen blieb er Privatmann; auch war sein Wirkungs­ kreis nur auf ein kleines Stamnigebict beschränkt. Eli und Samuel waren eigentlich Priester, aber ihre Persönlichkeit verschaffte ihnen auch den richterlichen Einfluß. Von Erblichkeit des Richteramtes war nie die

Die Israeliten.

43

Rede, wie denn auch Samnel'ö Söhne von Israel nicht als Richter an-erkannt wurden. Eine sehr wichtige Einrichtung zur Förderung des religiösen Lebens int Volke schuf Samuel in den Prophetenschulen, denen er bis an's Ende seines Lebens Vorstand. In diesen Schulen wurden fähige Jüng­ linge mit einem religiös-nationalen Geiste ausgerüstet, der sie befähigte, heilsam auf das Volk zu wirken. Die Jünglinge, darunter auch Män­ ner, wohnten beisammen, genossen gemeinschaftliche Kost. Durch Belehrmig über göttliche Dinge erhielten die Schüler eine Richtung auf gei­ stige Dinge, und Musik und Gesang beförderten die Begeisterung für das Erhabene. So wurde eine religiöse Körperschaft in's Leben gerufen, welche geeignet war, die Richtung des Volkes auf das Göttliche zu för­ dern. Die Prophetenschüler wurden durch die Pflege ihres Geistes empfänglich gemacht, Gottes Offenbarungen zu vernehmen, und so gingen denn aus den Prophetenschnlen viele Propheten hervor, obwohl auch Propheten aufstanden, die keine Prophetenschule besucht hatten. Denn die unmittelbar göttliche Offenbarung, die den Mann erst zum Prophe­ ten machte, war stets ein freies Geschenk GotteS; in der Schule konnte sie nicht erworben werden.

Mit Samuel endete die Richterzeit, nachdem das Richterthum gegen drei Jahrhunderte gewissermaßen als theokratischeö Zwischenreich, in wel­ chem das Faustrecht und alle Rohheit lustig emporwuchcrte, bestanden hatte. Das Volk sprach nun das Verlangen nach einem sichtbaren Könige aus, weil es gemerkt hatte, daß die umwohnenden Heiden durch die Könige ihnen im Kriege überlegen waren. Wiewohl dies Verlangen mit Samnel'ö Wünschen nicht übereinstimmte, indem eine reine Gottes­ herrschaft sein Wunsch war, ging er doch darauf ein, weil er erkannte, daß eine Königswahl nicht durchaus gegen die Gottesherrschaft streite. Dabei setzte er voraus, daß die Könige sich in religiösen Dingen der geistlichen Macht unterordnen würden. So kam die Wahl des Königs Saul zu Stande (1100 v. Chr.). Das jüdische Königthum unterschied sich wesentlich von den unbeschränkten Despotieen des Alterthums; ja eö bildete einen schroffen Gegensatz zu diesen, indem es auf Volkswahl beruhte und auf selbstständige Gemeindeordnung und den Beirath der Aeltesten iin Volk sich stützte. In keinem andern Volke Asiens hat sich der Geist der Freiheit so kräftig geltend gemacht, als in Israel. Saul war ein hcldenmüthiger Fürst, aber den Anforderungen, die Samuel an einen theokratischen König machte, entsprach er nicht. Erst

44

Die Israeliten.

mit dem König David (1055 v. Chr.) wurde die durch Mose begrün­ dete Gottesherrschaft vollkommen verwirklicht. Er war als König das irdische Abbild des himmlischen Königs in aller Größe und Herrlichkeit, und was in der Seele des Moseö und Samuel nur als Hochbild vor« Handen gewesen war, ward unter David's Regierung Wirklichkeit. Durch David wurde daö Mische Volk in Wahrheit erst eine Nation, ein Volk Gottes. Seine Herrschaft war nicht bloß eine weltliche, sondern auch eine geistliche; sein Reich war ein Priester-Königthum, er selbst ein Priesterfürst, gewissermaßen ein Stellvertreter Gottes Bei. seinem Volk. In dieser Eigenschaft ist seine Herrschaft ein Vorbild des Messiasreiches, der vollkommensten Verwirklichung der Gottesherrschaft und er selbst trotz seiner Schwächen ein Abbild des Messias, der in noch höherem Glanze unter den Völkern sein Königreich aufrichtete. Daher reihen auch an ihn die messianischen Weissagungen der Propheten sich an. JesaiaS 11, 1. 2: Es wird eine Ruthe aufgehen von dem Stamme Jsai und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen; auf welchem wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Raths und der Stärke, der Geist der Erkenntniß und der Furcht des Herrn." Welche Heldennatur David inne wohnte, sehen wir daraus, daß er binnen kurzer Zeit alles Land vom Euphrat bis zum Mittelmeer, vom Libanon bis an die Grenze von Arabien unter die Oberhoheit Israels brachte. Nicht minder glänzend waren die inneren Zustände seines Reichs; das Volk wurde wohlhabender und die Künste deö Friedens blühten frisch und kräftig empor. Sein Hauptaugenmerk jedoch richtete der theokratische Fürst auf die Ordnung und das Gedeihen des Gottesdienstes, wodurch er vollendete, was Moses begonnen. Der Jehovadienst wurde ein glanz­ voller, Dichtkunst und Musik verherrlichte ihn. An viertausend Ton­ künstler erhoben die Feierlichkeit des Gottesdienstes durch Musik und Gesang, und David selbst dichtete herrliche Psalmen zur Ehre des Höch­ sten. In diesen Gesängen ist ans das Deutlichste ausgesprochen, wie David zu Jehova stand. Was sein Herz auch bewegte, die höchste Freude, das tiefste Leid, — Kummer und Sorge und Sündenschmerz oder Sieg und Frohlocken über den Feind, Heldenmuth oder Zagen — das hauchte er aus in die Saiten seiner Harfe und sang es in den Tönen seiner Psalmen. Woher das? Weil er sich als Werkzeug der Gottesherrschaft fühlte. Er war ein echter theokratischer König. Mit Salomo (1015—975) beginnt der innere Verfall des Rei­ ches Israel. In der ersten Hälfte seiner Regierung war er zwar auch noch ein theokratischer König, ein würdiger Sohn des großen Vaters;

Die Israeliten.

45

in der zweiten Hälfte aber zeigte er sich als ein weltlicher Herrscher, der nur eine selbstständige Glanzherrschast im Sinne hatte, wie sie in den heidnischen Reichen (Assyrien, Babylonien rc.) bestand, wo ein Despot die Neichseinwohner wie eine Heerde beherrschte, zu keinem andern Zwecke, als um die Begierden und Leidenschaften eines nur auf das Vergängliche gerichteten Herzens zu befriedigen. Er fing an, das Volk aus der ihm vorgezeichnetcn Bahn herauszuwerfen, indem er feine Ver­ mischung mit fremden Völkern und auch die Verbindung der mosaischen Religion mit den heidnischen Religionen herbeiführte, indem er das auf Ackerbau angewiesene und auf möglichsten Abschluß von der Fremde an­ gewiesene Volk zu einem handeltreibenden phönizisch-weltbürgerlichen Volke zu machen sich bemühte, wie er denn auch in Frohndiensten die persön­ liche Freiheit des Bürgers antastete. Wäre es Salomo und seinen Nach­ folgern gelungen, eine israelitische Despotie aufzurichten, so hätte Israel seinen Glauben an den einen wahren Gott eingebüßt und die von Gott hm bestimmte Aufgabe nicht erfüllt. Es gelang ihm aber nicht; das Volk selbst widerstrebte der eingeschlagenen Richtung; eS widerstrebte im Gegensatz zu andern asiatischen Völkern einer Weltherrschaft im Sinne der Assyrer und Babylonier, und dies führte zur Theilung des Reiches in zwei Reiche, in das Reich Juda und Israel, im Jahre 975 v. Chr. Ging dadurch auch die politische Selbstständigkeit nach und nach verloren, so wurde doch der Glaube der Väter gerettet.

Daß letzteres geschah, war insbesondere das Werk der Prophe­ ten. Diese gottbegabten und gottgesandteu Männer sind die großartig­ sten Heldengestalten Israels und der alten Welt überhaupt. Mit uner­ schütterlichem Muthe strebten sie die Freiheit und Nationalität zu bewahren und kämpften unermüdlich gegen jeglichen Uebermuth, Gewaltherrschaft und Ungerechtigkeit. Indem sie Achtung vor der höchsten Freiheit, der Frei­ heit des Geistes, für sich in Anspruch nahmen, und sie trotz aller An­ fechtungen und Verfolgungen erzwangen, setzten sie das jüdische Volk in Besitz der höchsten, edelsten und reinsten sittlichen Wahrheit, zu der ein Volk vor Christus sich erheben konnte. — Mit welcher Kühnheit stellte sich Eliaö (um 900) dem Könige Ahab entgegen! Mit welchem Glau­ benseifer und Glaubensmuthe unternimmt und vollbringt er die Aus­ rottung des Baaldienstes der durch Jsebel in's Reich gedrungen war! Wie unerschrocken strafen Hosea und Amos (um 800) Volk und Fürsten in Israel um der Gräuel willen! „Bekehre dich" ruft Hosea, „Israel, zu dem Herrn, deinem Gotte, so wird sein Zorn sich wieder von dir

Die Israeliten.

46 wenden!

Aber du verwirfst Gottes Wort, darum will ich dich auch ver­

werfen, spricht der Herr." Zeit schon sehr tranrig

In der That sah eö in Israel zu Hosea's

aus.

Neben

dem Königthum

blieb

hier bald

nichts stehen, als ein Heer siegestrunkener Soldaten, ungerechter Richter, hochmüthiger Nebenbuhler der königlichen Macht, eine Menge reichgewor­ dener Kaufleute, die nichts, als sichern Genuß ihrer Schätze und unge­

störte Erlaubniß,

das Volk weiter zu übervortheilen,

wünschten.

Dazu

kam, daß immer ungehemmter leichtfertige, heidnische Religionen aller Art die Kraft

des Ganzen

verzehrten.

der Hauptstadt des

In Samaria,

Reichs, stand unter Jerobeain II. (825) ein von ihm

nischer Tempel.

beschützter

heid­

Besser noch stand cs um das Reich Juda, wo der Je­

hovadienst von Zeit zu Zeit kräftige Pfleger fand; aber das Volk verlor auch allmählig den bessern Sinn.

Unter solchen Umständen konnte der Untergang beider Reiche nicht ausbleiben, und die Propheten waren es, die ihn mit Bestimmtheit vor­

aussagten.

Sie stemmen sich dem hereinbrechenden Verderben mit der

geistigen Macht deö Wortes entgegen, können dasselbe aber nicht aufhal­

ten, und im Geiste sehen sie den Untergang ihres Volkes.

Doch die Propheten sahen nicht bloß den Untergang ihres Volkes vorher, sie schauten auch die Rettung desselben.

Die Trübsale, denen

es entgegenging, erschienen ihnen als vorübergehend, als Läuterungen und Reinigungen,

als was sie sich denn auch in der That

Ja noch mehr,

erwiesen haben.

die Propheten schauten auch die durch den Messias zu

sie

bewirkende Erneuerung des Volkes Gottes;

land, die Erlösung und das Himmelreich.

weissagten den Welthei­

Und zwar wurden die Weissa­

gungen immer bestimmter, je näher die Zeit heraurückte, in welcher Gott

erfüllte, was er schon nach dem Sündenfall verhieß.

1. Mos. 3, 15.

JesaiaS (um 800 v. Chr.) weissagt die Geburt des Herrn von einer Jungfrau (Jes. 7, 14), das Leiden des Herrn (Jes. 53, 4—7). Micha

(750) weissagt den Geburtsort Bethlehem (Micha 5, 1), und der letzte

Prophet Maleachi (um 400) sagt:

„Siehe,

senden, der vor mir den Weg bereiten soll. seinem Tempel der Herr, den ihr suchet,

deß ihr begehret.

ich

will meinen Engel

Und bald wird kommen zu und der', Engel des Bundes,

Siehe er kommt, spricht der Herr Zebaoth."

(Ma­

leachi 3, 1.)

Wie durch den Mund der Propheten verkündet worden war, so ge­

schah eö auch.

Beide

Reiche

fanden ihren Untergang.

Zuerst

traf

47

Die Israeliten)

Israel daS traurige Geschick.

Wie bereits erwähnt wurde, ging es 722

durch Assyrien unter. (Wiederhole: Phul — Menahem 770.

Tiglath Pilessar — Pekah 750. Salmanassar — Hosea 722.) Im Jahre 588 folgte das Reich Juda nach. (Wiederhole: Sanherib — Hiskias 710.

Assarhaddon — Manasse.

Nebukadnezar — Jojakim. Jojachin. Zedekias. 588.)

So war denn Israel aus der Reihe der selbstständigen Völker ge­ strichen.

Aber die Zerstörung der beiden Reiche war der Anfang zum

Aufbau einer neuen geistigen Gemeinde,

reinern,

gesetzestreueren Verehrung

der Lebenstrieb

Jehovah's.

In

der

zu einer

Verbannnng

wurde noch entschiedener, als schon zur Zeit der Spaltung des Reiches, die Spreu vom Weizen gesondert.

Der kleine bessere Theil des Volkes

wurde nun um so fester in seinem Glauben und eine innige Vaterlands­

liebe setzte sich in ihm fest.

Man erbaute sich durch das Lesen der al­

ten heiligen Schriften und der Weissagungen

der Propheten und

lebte

strenger nach den Geboten Moses denn je. (Der Prophet Hesekiel wirkte in den Provinzen und Daniel in der

Hauptstadt.) Im Jahre 536 war es, als den Verbannten durch den Perserkönig

Kyros, über den wir bald ein Mehreres erfahren werden, die Erlaub­ niß ertheilt wurde, in ihr Vaterland heimznkehren.

Namentlich waren

es Arme und Geringe, welche von dieser Erlaubniß Gebrauch machten. Unter der Anführung des Prinzen Serubabel aus Davids Geschlecht,

und des Priesters Jesua, eines Mannes von hoherpriesterlicher Abkunft, setzte sich ein Zug von 42,000 Mann nach der Heimath in Bewegung. Wie hat sich aber das Volk verändert!

sache geworden,

und

an

Das Gesetz ist ihm nun Herzens­

seiner Nationalität hält es jetzt

mit

einer

Zähigkeit fest, welche den Grimm und die Bewunderung der Heiden er­ regt.

Das Heidenthum wird innerhalb der

neuen Gemeinde

geradezu

unmöglich, und der Glaube an den einen unsichtbaren Gott wird so fest, daß, wie wir aus der biblischen Geschichte aus der Zeit der Makkabäer

wissen, die stärksten Drohungen,

Strafen,

Martern und Verführungen

nicht vermögen, das Volk abtrünnig zu machen. *) 2. Makkab. 6, 7.

Der Glaubenseifer der

Die Israeliten.

48 Juden,

welcher Name nunmehr an die Stelle des Namens Israeliten

tritt, weil die Treuen zumeist dem Stamm Juda

weit,

daß sie dem Mischvolk der Samariter,

angehörten,

ging so

entstanden durch Ver­

bindung der einst in Israel zurückgebliebenen Einwohner mit den durch

Assarhaddon daselbst angesiedelten Assyrern, die Theilnahme am Tempel­ ban verweigerten, und sich überhaupt streng von ihm absonderten.

Einen großen Antheil

an dieser Vortheilhaften Umwandelung des

Volkes hatte der Schriftgelehrte Esra, der (478) den zweiten Hauptzug

heimführte.

Dieser berühmte Mann begann die Sammlung der heiligen

Schriften und gründete Synagogen

oder Rabbinerschulen,

das

waren Schulen der Schriftgelehrsamkeit, die wie einst die Samuel'schen

Prophetenschulen, die richtige Erkenntniß und den Geist des Gesetzes im

Volke wirksam erhalten sollten.

Auch steuerte er mit großer Entschieden­

heit der Vermischung der Juden mit den umwohnenden Heiden.

Ne-

hemia, Mundschenk am persischen Hofe, der die Mauern Jerusalems

wieder anfbaute, wirkte in demselben Geiste.

Als man während seiner

Abwesenheit in Persien wieder in die alten Abwege

gerieth, kehrte er

wieder zurück und stellte mit Feuereifer die Ordnung wieder her. priesterliche

Esra's

Werk

unterstützte

er

kräftig

durch

Das

seine weltliche

Macht, Umsicht und Tapferkeit, durch sein fürstliches Ansehen und seine

Gunst bei Hofe.

Wie innerlich, so war auch äußerlich in dem erneuerten Jehovabunde Manches anders, als in dem alten. nicht mehr nach

So konnte z. B. das Jubeljahr

dem Wortlaut des Gesetzes eingeführt werden.

im Tempel und Gottesdienst

fehlte Manches,

so

Auch

die Bundeslade und

Solche Lücken auszufüllen, hielt

der Orakelschmuck des Hohenpriesters.

man sich nun um so eifriger an das geschriebene Gesetz sich mit Gesetzauslegung zu beschäftigen.

und fing an,

So entstand die Schriftge­

lehrsamkeit und der Synagogendienst, dessen Zweck war, die Er­

kenntniß des Gesetzes zu verbreiten

Gesetze zu schärfen.

und das Gewissen

gegenüber dem

Das hatte sein Gutes, aber auch seine Gefahren.

Durch das Denken, Reden und Schreiben über das Gesetz bildeten sich mancherlei Satzungen und Meinungen, die sich durch Ueberlieferungen fortpflanzten, und für die vom Volke unbedingter Glaube verlangt wurde. Ja, es kam dahin, daß der Traditionsglaube noch mehr galt, als

der Jehovaglaube selber; dadurch litt das Glaubensleben,

und an die

Stelle geistiger Freiheit trat geistige Knechtschaft; falsche Werkheiligung und Aberglaube aller Art nistete sich ein.

Die Israeliten.

49

Unter der Herrschaft der Perser ging es den Juden nach Wunsch. Sie wurden weder persönlich noch in der Verwaltung ihres Gemeinde­

wesens sehr beschränkt.

oberste Gerichtsbehörde

Als

bildete sich nach

Esra der hohe Rath (Synedrium), der aus 71 Personen, Priestern, Geineindeältesten und Schriftgelehrten zusammengesetzt war.

das Volk in Frieden dahin.

durch

Alexander

den

Mit dem Sturz der persischen Monarchie

(334

Großen

unterworfen.

v.

Chr.)

brach

aber

für

sje

Zunächst wurden sie der Weltherr­

wieder eine bewegte Zeit herein.

schaft Alexanders

So lebte

Nach

dem Tode

dieses Weltstürmers

wurde aber das kleine Palästina ein Zankapfel zwischen dem ägyptischen und syrischen Reiche.

Zuerst fiel es den Aegyptern anheim (von 320 bis 223 v. Chr.), später den Syrern, welche damals von Antiochus dem Großen (von

dem Sirach ein Zeitgenosse war) beherrscht wurden.

Dieser Fürst ge­

währte den Juden noch volle Freiheit des Gottesdienstes; er befahl, daß ihnen Thiere, Oel und Wein zu den Opfern und Holz zur Ausbesserung

des Tempels

Auch schenkte er ihnen so viel Ver­

dargereicht würde.

trauen, daß er jüdische Colonien nach Kleinasien verpflanzte,

um sich

seiner dortigen Unterthanen zu Persichern.

So entstand auch eine jüdische

aus der

nachmals die erste Christenge­

Gemeinde in Antiochien selbst,

meinde hervorging, und bei welcher der Name Christen zuerst gebraucht wurde.

Um so trauriger ging es den Juden unter seinem Sohn und Nach­ folger Antiochns, mit dem Beinamen Epiphanes d. h. der Glänzende.

Dem war das kleine jüdische Volk ein Dorn im Auge, weil es nichts von dem griechischen Wesen wissen wollte, das der König so sehr liebte.

Er nahm sich

daher

vor,

den

Glauben und

die Nationalität dieses

Es gelang ihm aber nicht,

Volkes mit einem Schlage zu vernichten.

wie sehr auch die entarteten Hohenpriester ihn in seinem Vorhaben unter­ stützten.

Waren doch diese Wächter des Glaubens bereits so verdorben,

daß Einer von ihnen einen griechischen Namen annahm, Josua) und griechische Sitten, namentlich Kampfspiele,

(Jason statt

dem Könige zu

Liebe einführte! Als der Befehl erschien, jede Spur der Landeöreligion zu

tilgen, und Truppen zur Vollstreckung desselben einrückten, fügten sich nur die Jdumäer und Samariter; die Juden dagegen blieben ihrem Glauben größtentheils

treu trotz

aller Gefahren

des Tempels zu einem Zeusteinpel

und

und Leiden.

Die Einrichtung von Götzen­

die Aufrichtung

altären an vielen Orten konnten sie freilich nicht hindern; ebenso wenig

konnten

sie

die Gesetzbücher Moses

vor Vernichtung bewahren;

ihren Glauben ließen sie sich nicht nehmen. Kühner Geschichte. I.

aber

Viele flohen in wüste Ge4

Die Israeliten.

50

stellten, um auf bessere Zeiten zu harren. Andere trugen standhaft alle

Der Priester Eleasar und die Mutter mit ihren sieben

Marter.

Söhnen sind ergreifende Beispiele von Glaubcnsmuth.

Solche Zeit,

wo man mit seinem Herzblut die Göttlichkeit des Gesetzes bezeugte,

hatte Israel bis dahin noch nicht erlebt. Doch man duldete nicht bloß, bald ging man auch zu thatkräftigem Handeln über.

Die Familie der Makkabäer war cs, welche sich an

die Spitze der Gleichgesinnten stellte und poten aufnahm.

den Kampf gegen den Des­

Das geschah im Jahre 168 v. Chr.

bäus vertrieb die Syrer und

machte

Bund mit den

sehr mächtigen

damals schon

zum Besten

Judas Makka-

seines Volks einen

Römern.

Nach

seinem

Heldentode leiteten seine Brüder Jonathan und Simon den Befreiungs­

kampf.

Unter Simon (142 v. Chr.),

der

als

unabhängiger Fürst

und Hoherpriester der Juden anerkannt wurde, stand das jüdische Volk wieder selbstständig da.

Johannes Hyrkaneö folgte ihm und verband sich auf's Neue mit

den Römern.

Mit AristobuluS, der den Königstitel annahm, stellte

sich jedoch schon wieder die Richtung auf eine blos weltliche Herrschaft

ein.

Im Jahre 70 v. Chr. Geburt entstand

zwei makkabäischen Brüdern (Hyrkan II. Herrschaft.

Das führte die Römer herbei, die (im Jahr 63) Palästina

Als Scheinrcgenten ließen sie Hyrkan II.

ihrem Reiche einverlcibten.

bestehen.

sogar ein Streit unter

und AristobuluS II.) um die

Nach dessen Tode aber wurde der Jdumäer Herodes König

von Judäa, im I. 37 v. Chr., nachdem sein Vater Antipas bereits als Statthalter dem letzten Makkabäer zur Seite gestanden hatte. So war denn auch die Herrschaft der Makkabäer zu Grunde ge­

gangen. gekämpft.

Indessen hatten diese Herrscher doch nicht vergeblich gelebt und

Durch ihre Heldenkämpfe hatten sie den Glauben an Einen

Gott gerettet, die Gemeinde gereinigt und die Gefahr des Rückfalls in

den Götzendienst beseitigt.

Was die Gefangenschaft angebahnt, das hatte

jener Glaubenskampf vollendet,

nämlich die Läuterung des VollS und

die Befestigung im Glauben, und dadurch hatte Israel seine Lebensauf­

gabe, den Glauben an Einen Gott unter den Völkern fest zu gründen, erfüllt.

Was anfangs nur in Wenigen lebte,

war jetzt in der ganzen

Volksgemeinde verwirklicht.

Damit hatte nun aber auch

die

alttestamentliche Gottesherrschaft

ihr Ende erreicht, und eS mußte nun eine neue Offenbarung kommen, die, worauf durch die Propheten schon längst hingedeutet worden war,

die Offenbarung durch Christum. der Heiland der Welt,

Und sie kam.

In Christo erschien

der einen Bund aller Menschen

mit Gott

Die Israeliten.

51

stiftete, der das Gesetz Moses „erfüllte", und Gnade allen nach Licht und Rettung Verlangenden verkündete und ihnen Friede und Versöhnung brachte. Verwarf auch die herrschende Partei des jüdischen Volkes — die Pharisäer, die im hohen Rathe die Mehrheit bildeten — den Heiland, so hinderte das die Durchführung des Erlösungswerkes nicht. Israel hatte seine Aufgabe erfüllt, und die neue Offenbarung konnte nun auch ohne dasselbe in die Welt dringen. Die Verwerfung des Messias führte dagegen den eigenen Untergang der Nation herbei. Ihr Stolz, das auSerwählte Volk Gottes zu sein, ihre Hoffnung auf einen andern Messias verleitete sie, wie wir später noch ausführlicher hören werden, zu einem Betragen gegen die Römer, das ihnen den Haß derselben zu­ zog und ihnen den Untergang brachte. Im Jahre 70 n. Chr. endete Israel als Staat; zerstreut in alle Welt leben die Nachkommen dieses wunderbaren Volkes seit jener Zeit bis auf den heutigen Tag.

Das ist in wenigen Zügen die Geschichte des Volkes Gottes. Noch bleibt uns jetzt übrig, Etwas über die Sitten und Lebensweise die­ ses merkwürdigsten und wichtigsten Volkes des Alterthums mitzutheilen. Zuerst über ihre Wohnungen. Nach der Einnahme Kanaans durch Josua beharrten zwei und ein halber Stamm im Ostjordanlande beim Hirtcnstande und cs wohnten da­ her diese Israeliten noch lange in leichten Zelten. Die andern im West­ jordanlande gewöhnten sich bald an ein seßhaftes Landleben. Wie an­ gesehen der Ackerbau war und wie selbst die Vornehmsten sich mit ihm beschäftigten, beweisen zahlreiche Stellen des alten Testaments; so drischt der Richter Gideon sein Getreide selbst; Boas ist sein eigener Feldaufscher; Saul finden wir auf dem Felde bei seinen Heerden; David hütete die Schaafe, und selbst seine Söhne und Töchter mußten die Schaafschnr vornehmen. Mit dem Ackerban sind feste Wohnsitze unzertrennlich verbunden. Die Israeliten bauten sich daher feste Häuser nach dem kananitischen Vorbilde, die späterhin immer besser und prächtiger einge­ richtet wurden. Man baute ein Viereck, so daß im Innern ein offener, freier Hof umschlossen wurde. Doch treten wir näher herzu und be­ trachten wir das Einzelne. Das meist einstöckige, selten zweistöckige Ge­ bäude ist aus Ziegeln oder Quadern aufgeführt und hat ein plattes und von einem Geländer umgebenes Dach, das mit Erde bedeckt ist. In der Mitte desselben erhebt sich das Obergemach (der Söller) zur Andacht und stillen Zurückgezogenheit. Vom Söller führt eine Treppe 4*

Die Israeliten.

52

in den innern Hof, auch wohl in ein Wohnzimmer.

Dorthin finden alle Zimmer ihren

Mittelpunkt des häuslichen Lebens.

oft einzigen niedrigen AuSgang.

Der Hof ist der

Von oben blickt der heitere, regenlose

Hinrmel hinein, eine ausgespannte Zeltdecke schützt vor den brennenden Im gepflasterten Hof blühen schattige Bäume und ein

Sonnenstrahlen.

frischer Brunnquell murmelt seine einschläfernde Weise.

Die ganze Fa­

milie versammelt sich hier und ruht auf den ringsum Polstern.

ausgebreiteten

In den Hof hinein schauen die Stuben mit ihren glaslosen,

aus dicken Holzstäben

bestehenden Gitterfenstern.

gemächer des Hauses

haben einen

Die niedern Wohn­

einfachen Fußboden von Holz oder

Im Winter,

Ziegel, über welchen reichliche Teppiche ausgebreitet sind.

wenn es draußen regnet oder schneit, erwärmt ein Feuertopf das Zim­

mer.

Ihn setzt man in

ausgebrannt,

ein Loch

des Fußbodens,

so legt die Hausfrau

über ihn Teppiche.

und ist sein Feuer

einen Deckel darauf,

und

breitet

An den Seiten der Stuben laden zwei bis vier Fuß

hohe DivanS, Erhöhungen des Fußbodens, zur Ruhe ein.

Auf ihnen

werden zur Nachtzeit die Schlafdecken und Matratzen ansgebreitet. Vom innern Hofe führt ein enger, dunkler, krummer,

durch

das Haus

auf die

athmen nach frischer Luft.

Straße.

niedriger Gang quer

Wir treten gebückt heraus

Da sehen wir von rechts

und

und von links

lange, todte Mauerreihen sich ausbreiten, ohne Fensteröffnungen.

Es

sind dies die Häusermauern, welche nach der Sttaße zu meist nur von

dem niedern, kleinen Eingänge durchbrochen sind.

Straßen sind eng;

offene Plätze.

Die ungepflasterten

sie unterbrochen

von Zeit zu Zeit werden

durch

Am Thor der Stadt ist der große Versammlungsort der

Gemeinde; hier werden die Rechtsstreitigkeiten von den Aeltesten erle­

digt.

Liegt der Ort auf einer Anhöhe,

geeignet,

so

umgiebt man ihn mit

zur Stadt wird

und ist er

zur Vertheidigung

einer Mauer und

durch Thürflügel und Riegel

Orte Kanaans sind aber freie, offene Dörfer.

gesichert.

der Eingang Die meisten

Oft sind die Häuser gar

nicht miteinander verbunden, so daß wirkliche Straßen mit Häuserreihen entstehen könnten.

Die Kleidung der alten Hebräer war, dem Klima des Landes entsprechend,

leicht und bestand aus Baumwolle,

Zwirn oder Wolle.

Zunächst auf dem Leibe trugen sie einen Leibrock, ein leinenes oder baum­ wollenes Hemde mit Aermeln, von einem ledernen oder gewebten Gür­

tel zusammengehalten.

Ein Oberkleid, nach der Jahreszeit

aus wollenem oder baumwollenem Stoffe und

gewöhnlich

entweder

von

vier­

eckiger Form, wurde darüber getragen und diente den Aermeren zugleich als Schlafdecke.

Den Priestern war das Tragen von Hosen gesetzlich

Die Israeliten. vorgeschrieben.

53

Sandalen d. i. mit Riemen befestigte Ledersohlen, mach­

ten die Fußbekleidung aus, und ein um den Kopf geschlungenes Tuch,

ein Turban,

Der Bart war

diente als Kopfbedeckung.

ein Schmuck

der Männer, langes Haupthaar nur in verschiedenen Zeitperioden. Die Nasiräer durften ihr Haar nicht scheeren.

Beim Gottesdienst war es

Sitte, das Haupt bedeckt und die Füße entblößt zu haben. — Um der

starken, übelriechenden Transpiration in dem heißen Klima entgegenzu­ wirken, war neben dem häufigen Räuchern in den Zimmern das Sal­ ben des Haars und

den Aermern.

des Bartes

etwas sehr Gewöhnliches,

selbst bei

Bei Gastmählern gehörte das Salben mit kostbarem

Oele mit zur Toilette. — Die Trauerkleidung wird der Sack genannt,

woher der Ausdruck stammt: „in Sack und Asche trauern!" Die Kleidung der Frauen unterschied sich nur durch feineren, kostbareren Stoff.

von

der Männer

der

Das Oberkleid war länger und

weiter, der Gürtel oft von sehr hohem Werthe.

Der Schleier gehörte

nothwendig zur weiblichen Kleidung, wie er fetzt noch im Morgenlande gebräuchlich ist.

Armbänder, Nasenringe, waren gewöhnliche Schmuck­

sachen. (Elieser, Rebekka).

Hinsichtlich der Speisen und Getränke bestanden bestimmte Vor­

schriften.

Moses

erlaubte neben Pflanzenkost nur gewisse Thierarten

zur Nahrung, um die furchtbaren morgenländischen Krankheiten von sei­

nem Volke abzuhalten.

So waren verboten Schwein, Hase, Kaninchen,

das Kameel (wohl wegen seines größeren Nutzens stande).

im lebendigen Zu­

Von Fischen waren nur die mit Flossen und Schuppen erlaubt.

Muschelthiere gehörten zu den verbotenen Speisen. Von den Vögeln wa­

ren

Gänse und

alle Raubthiere unrein.

Milch wurde dagegen

empfohlen;

nahrungsmittel im Morgenlande. nossen.

jetzt

Es

gab

Zwiebeln und Knoblauch

Weizen-

waren

das Haupt­

Nicht minder häufig wurde Brot ge­

Die Frauen kneteten den Teig in Backtrögen

Brot in Oefen.

und

erlaubt.

durfte der Hohepriester keine Bohnen essen, sollten.)

waren unbekannt.

Hühner

dieselbe ist noch

Gerstenbrot.

und buken das

Hülsenfrüchte,

(Am Versöhnungstage

aber

weil sie schläfrig machen

Außerdem genoß man Honig, Früchte, Erbsen, Linsen, Grütze.

Zur Stillung des Durstes

Wasser an,

wendete man Essig

auch mit Wasser verdünnten Wein.

wurde Mittags eingenommen.

mit etwas Oel zum Die Hauptmahlzeit

Messer und Gabeln kannte man nicht;

jeder Tischgenosse brachte mit den Fingern eine Portion Gemüse oder Fleisch aus der großen Schüssel auf seinen Brotkuchen, der zum Teller

diente. Die Hochzeit hatte keinen religiösen Charakter, sondern sie war

Die Israeliten.

54

Die beiderseitigen Eltern des neuen Paares

ein heiteres Familienfest.

schlossen den Kontrakt ab und die jungen Leute wurden verehelicht, ohne

sich auch nur näher gesehen und gesprochen zu haben.

Für die Braut

wurde vom Bräutigam an den Schwiegervater der gewogene Sklaven­

preis von

dreißig Silberseckeln

(neun Thaler)

bezahlt.

Auch kam es

vor, daß Jemand ein Weib durch Heldenthaten oder fleißige Arbeit sich verdiente (David).

Die Hochzeit

selbst dauerte sieben Tage.

Jung­

gesellen, oft zweihundert an der Zahl, zogen unter Fackelschein mit dem bekränzten Bräutigam in das Haus der Braut,

Behausung zu bringen.

Arme

ließen

sich an

um

sie in ihre neue

einem Weibe genügen;

Reiche dagegen fausten sich mehrere Weiber und brachten dadurch das

Unheil der Vielweiberei in ihr Haus und in ihr Familienleben. — Die Kinder standen zum Vater in strenger Unterordnung, aber ohne sklavische Starb der Vater, so vertrat der älteste Sohn dessen

Unterwürfigkeit. Stelle.

Das Familienleben, die Grundlage aller Freiheit, hat sich im

Alterthum nirgends so schön ausgebildet,

Mütter standen in einem Hausherrn.

als

in Israel.

Kinder und

patriarchalischen Verhältniß zum Vater und

Die Mütter besonders aber waren es, welche in den Kin­

dern den religiösen Sinn pflegten, indem sie die Thaten Gottes an ihren

Vätern in stillen häuslichen Feierstunden den Ihrigen erzählten.

Nir­

gend in Asien hatte die Frau eine würdigere Stellung int Hause, als

bei den Juden.

Während sie bei andern asiatischen Völkern nur Skla­

vin war, stand sie bei den Inden dem Mann schott mehr als Freundin und Gehülfin und mehr geehrt von ihm zur Seite, wenn sie auch noch

nicht die Achtung

und Würdigmtg erfuhr,

Frauen gebracht hat.

die

das Christenthum den

Mehre Aussprüche Salomo's beweisen dies.

Er

sagt: „Wem ein tugendhaft Weib bescheert ist, die ist viel edler, denn die köstlichsten Perlen.

Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen und

Nahrung wird ihm nie mangeln.

sein Lebelang.

Sie thut ihm Liebes und kein Leid

Sie breitet ihre Hände aus zu den Armen, und reichet

ihre Hand den Dürftigen.

Lieblich und schön sein ist nichts; ein Weib,

das den Herrn fürchtet, soll man loben." —Kinderschulen gab es nicht;

man unterrichtete die Rinder daheim int elterlichen Hanse in Gottes Wort und die religiösen Vorschriften lernten sie nach und nach durch das praktische Leben

kennen.

nen

Nur die Kinder der Reichen und Vornehmen wurden int Rech­

und Schreiben

unterrichtet.

Erst spät, zur Zeit Christi, gab es

Volksschulen, in' denen die Kinder im Singen heiliger Lieder unterrichtet wurden. Die Beschäftigungen der Frauen waren zum größten Theile häus­

liche Arbeiten, wozu auch Spinnen und Weben gehörte.

Die Männer

Die Israeliten.

55

dagegen pflegten vorzugsweise die Feldarbeit. den

kleinen

eisenbeschlagcnen Pflug

Hinterher und trieb

mit dein

Ochsen und Esel zogen

Räder.

ohne

Der Pflüger ging

langen Stachel das Zugvieh an.

Länge nach und die Quere wurden Furchen gezogen.

Der

Die Egge ebnete

das aufgerissene Erdreich zum Empfang der Saat. Bei tiefem und weichem Nach dem ersten

Fruchtboden wurden Spaten und Hacke angewendet.

Regenfall (im November) streute

man die Wintersaat,

(Weizen, denn

Roggen kannte man nicht) reihenweis in das Land und befahl es Je­ hova.

Zur Regenzeit blieb das Vieh im Stalle; erst im März begann Kurz vor dieser Zeit wurde auch die Sommerfrucht

das Austreiben.

(Gerste, Spelt, Linsen, Bohnen) der Erde anvertraut; denn sie mußte

vor dem

Spätregcn

des

März

sein.

im Boden

Sommerzeit (April) war der Hausvater

Im

Beginn der

bei der Heerde oder in

den

Gärten beschäftigt, worin Wein, Oelbäuinc, Birn-, Aepfel-, Aprikosen-, Im Mai begann die Ernte.

Mandel- und Feigenbäume standen.

wurde die Gerste eingebracht, dann im Juni der Weizen.

Wochen von Ostern bis Pfingsten waren

eine anhaltende Erntezeit für

Man mähte mit Handsicheln;

das Getreide.

und stellten sie zu Haufen

zusammen.

Erst

Die sieben

Weiber banden Garben

War

das Getreide

getrocknet,

Dies war ein für die Erntezeit hart

so brachte man es auf die Tenne.

gestampftes Ackerfeld unter freiem Himmel.

Ochsen wurden über das

ausgebreitete Getreide hergetrieben, dainit die Körner ausgingen; dafür durften diese vierbeinigen Drescher auch nach Herzenslust sich satt fressen

an dem Getreideseegen.

Aber auch Dreschmaschinen wendete man an.

Durch Wurfschaufeln sonderte man die Körner von der Spreu.

Stroh

und Spreu wurden zur Fütterung benutzt; die Fruchtkörner aber wurden aufgespeichert in Erdgruben, Höhlen oder Scheuern.

Neben der Getreideernte und gleich nach ihr wurden die kleinen Sommerfrüchte eingebracht.

Flachs, Kümmel.

So

besonders

Bohnen,

Spelt,

Linsen,

Weiber und Kinder gingen in die Obstgärten und

pflückten die länglichrunden, oft die Größe eines Taubeneies erreichenden Olivenbeeren,

ehe

sie

ganz

gereift

waren.

Beeren preßte das jüdische Weib edles Oel.

Denn aus den

unreifen

Die iin September gereif­

ten Beeren machte sie ein oder setzte sie der Familie roh zum Verzeh­

ren vor.

Auch der Honig wurde jetzt eingebracht von zahmen und wil­

den Bienen. süßt..

Das Backwerk und der Opferkuchen wurden mit ihm ver­

Die Söhne aber

lebten um diese Zeit

Tage streiften sie mit dem Vieh durch Gebirg Hund

war ihr steter Begleiter.

Heerde ein und

hielten sich

wohl

Für

bei der Heerde.

Bei

der

treue

und Wald;

die Nachtzeit

pferchten sie die

selber im sichern Karren auf.

Sie

Die Perser.

56

sorgten für die Lämmer und ihre Mütter, sie schlachteten Kleinvieh und Rinder zum Gebrauch der Küche und bereiteten auch wohl in den vie­

len Mußestunden das Fell zur warmen Kleidung oder zu Teppichen für

die Stube. So sah es im Hause und in der Wirthschaft des jüdischen Volkes

aus.

Nehmen wir nun auf längere Zeit von ihm Abschied.

Später

werden wir noch einmal Gelegenheit haben, auf dasselbe zurückzukommen.

6. Die Perser. Es wurde bereits erwähnt,

daß das Reich Neu-Babylonien im

Jahre 537 v. Chr. unter persische Herrschaft gerieth.

Indem das ge­

schah, empfingen die Juden natürlich auch einen neuen Herrscher.

der den Juden die Rückkehr in ihr Vaterland

siebenzig Jahre im Exil geschmachtet hatten. uns auf,

Die­

Dies war der Mann,

ser war Kyros, in der Bibel Kores genannt.

erlaubte,

nachdem sie

Dieser Umstand fordert

auch einen Blick in die Geschichte des persischen Volkes zu

werfen. Das alte Persien lag an d.er Nordostküste des persischen Meer­

busens, südlich von Medien, und war eine medische Provinz.

In Me­

dien, so berichtet die Sage, regierte (zur Zeit Nebukadnezar'S) der Kö­

nig Asthages.

Von diesem wird erzählt,

er habe einst im Traume

von seiner Tochter Mandane soviel Wasser ausgehen sehen, daß ganz

Asien davon überschwemmt wurde.

Die herbeigerufenen Traumdeuter

meinten, das bedeute: ein Sohn der Mandane werde einst ganz Asien

beherrschen.

Darin erblickte Astyageö eine Gefahr für sein Reich; da­

her verheirathete er seine Tochter an einen einfachen persischen Edelmann

Kambyses.

Bald darauf träumte dem Könige abermals; ersah einen

Baum von seiner Tochter ausgehen, dessen Aeste ganz. Asien überschat­

teten.

Die Traumausleger wiederholten die vorige Deutung.

Als nun

Mandane einen Knaben erhielt, beschloß daher der Großvater, ihn tödten zu lassen.

Den Auftrag

dazu gab er seinem Minister HarpagoS.

Dieser übertrug den Mord des Kindes jedoch einem Rinderhirten.

Da

aber die Frau desselben eben ein todtes Knäblein geboren hatte, so wurde dieses statt des «Sohnes der Mandane ausgesetzt und letzterer am Leben

erhalten.

Er wuchs bei dem menschenfreundlichen Hirten auf, ohne daß

eS bekannt wurde, von welcher Herkunft er sei.

Erst als

das Kind

Die Perser.

56

sorgten für die Lämmer und ihre Mütter, sie schlachteten Kleinvieh und Rinder zum Gebrauch der Küche und bereiteten auch wohl in den vie­

len Mußestunden das Fell zur warmen Kleidung oder zu Teppichen für

die Stube. So sah es im Hause und in der Wirthschaft des jüdischen Volkes

aus.

Nehmen wir nun auf längere Zeit von ihm Abschied.

Später

werden wir noch einmal Gelegenheit haben, auf dasselbe zurückzukommen.

6. Die Perser. Es wurde bereits erwähnt,

daß das Reich Neu-Babylonien im

Jahre 537 v. Chr. unter persische Herrschaft gerieth.

Indem das ge­

schah, empfingen die Juden natürlich auch einen neuen Herrscher.

der den Juden die Rückkehr in ihr Vaterland

siebenzig Jahre im Exil geschmachtet hatten. uns auf,

Die­

Dies war der Mann,

ser war Kyros, in der Bibel Kores genannt.

erlaubte,

nachdem sie

Dieser Umstand fordert

auch einen Blick in die Geschichte des persischen Volkes zu

werfen. Das alte Persien lag an d.er Nordostküste des persischen Meer­

busens, südlich von Medien, und war eine medische Provinz.

In Me­

dien, so berichtet die Sage, regierte (zur Zeit Nebukadnezar'S) der Kö­

nig Asthages.

Von diesem wird erzählt,

er habe einst im Traume

von seiner Tochter Mandane soviel Wasser ausgehen sehen, daß ganz

Asien davon überschwemmt wurde.

Die herbeigerufenen Traumdeuter

meinten, das bedeute: ein Sohn der Mandane werde einst ganz Asien

beherrschen.

Darin erblickte Astyageö eine Gefahr für sein Reich; da­

her verheirathete er seine Tochter an einen einfachen persischen Edelmann

Kambyses.

Bald darauf träumte dem Könige abermals; ersah einen

Baum von seiner Tochter ausgehen, dessen Aeste ganz. Asien überschat­

teten.

Die Traumausleger wiederholten die vorige Deutung.

Als nun

Mandane einen Knaben erhielt, beschloß daher der Großvater, ihn tödten zu lassen.

Den Auftrag

dazu gab er seinem Minister HarpagoS.

Dieser übertrug den Mord des Kindes jedoch einem Rinderhirten.

Da

aber die Frau desselben eben ein todtes Knäblein geboren hatte, so wurde dieses statt des «Sohnes der Mandane ausgesetzt und letzterer am Leben

erhalten.

Er wuchs bei dem menschenfreundlichen Hirten auf, ohne daß

eS bekannt wurde, von welcher Herkunft er sei.

Erst als

das Kind

Die Perser.

57

zehn Jahre alt war, wurde diese'offenbar. Kyros — wie der Knabe später 'genannt wurde — spielte mit andern Kindern und wurde von ihnen zum Könige erwählt. In solcher Eigenschaft ließ er einst einen Ungehorsamen züchtigen. Weinend lief dieser nach Hause und klagte das Unglück seinem Vater. Dieser ging mit seinem Söhnchen zum Asthages und verklagte den Sohn des Rinderhirten. Astyageö ließ den Hirten nebst dessen vermeintlichem Sohne vor sich kommen, wobei dieser sich damit rechtfertigte, daß er zum Könige erwählt worden sei und mit dieser Wahl das Recht empfangen habe, Ungehorsam zu strafen. Astyageö erkannte in den Gesichtszügen des Kyros die Aehnlichkeit mit seiner Tochter, forschte weiter und entdeckte bald Alles. Der Minister wurde auf ächt asiatisch-despotische Weise dadurch gestraft, daß der König dessen Sohn insgeheim tödten und zurichten, und bei der Mahlzeit dem Vater versetzen ließ. Nach Tische erfuhr der unglückliche Mann, was er ge­ gessen hatte. Tiefer Schmerz, aber auch bitterer Groll zog in sein ver­ wundetes Herz; doch mußte er schweigend das harte Geschick hinnehmen. KhroS blieb indeß am Leben, denn die Traumdeuter meinten, die Träume des Königs seien bereits dadurch erfüllt, daß Kyros von seinen Spiel­ kameraden zum Könige erwählt worden sei. Ja der Knabe erhielt, weil er sich bei dem Könige sehr beliebt zu machen wußte, sogar die Erlaub­ niß, zu seinen Eltern zurückzukehren. Als Beispiele des Witzes und Verstandes des kleinen Kyros nur folgende Mittheilungen, die zugleich einen Blick in den Luxus und die Verweichlichung der asiatischen Despotieen gewähren. Als sich KyroS einst mit seiner Mutter zum Großvater nach Medien begeben hatte, er­ götzte er sich, als er denselben in weibischem Putze erblickte: mit bemal­ ten Augenbraunen, falschen Haaren und geschminkten Wangen, gehüllt in purpurne Kleider, am Halse mit schimmernden Ketten und an den Händen mit Armbändern geschmückt. Indem er ihn so betrachtete, rief er schelmisch aus: „O Mutter, wie schön ist mein Großvater!" „Welchen hältst Du denn für schöner, Deinen Großvater et er Vater?" fragte ihn die Mutter. Der Knabe antwortete rasch: „In Persis ist mein Vater der Schönste, in Medien aber mein Großvater." — Ueber die mannig­ faltigen und leckerhaften Gerichte der Meder hielt er sich in der Weise auf, daß er einst bei Tafel sagte: „Wie viel Mühe hast Du doch, Großvater, von allen diesen Speisen zu kosten. Wir Perser gelangen mit unserm Fleisch und Brot eher zum Zweck." — Auf die Frage des Asthages: „Berauscht sich Dein Vater nie, wenn er trinkt?" sagte der Knabe: „Nimmermehr!" —„Aber was macht er denn da?" — „Er hört auf zu trinken, weiter geschieht ihm Nichts", antwortete der kluge Knabe.

Die Perser.

58

Der Minister sah den Jüngling zu seiner Freude aufblühen, denn

ihn hatte er sich zum Werkzeuge seiner Rache ausersehen.

Als der rechte

stellte Harpagos den Kyros an die Spitze

Augenblick gekommen war,

einer Verschwörung, die er unter den vornehmsten Medern gegen den grausamen Astyagcs angestiftet hatte.

Der Plan gelang; Kyros schlug

das Heer des Königs, nahm ihn selbst gefangen und bestieg um 555

v: Chr. den Thron des medischen Reichs.

Nach andern alten Schriftstellern und nach

So berichtet die Sage.

den Berichten der Bibel ist jedoch Kyros seinem Vater in der Herr­ schaft über Persien gefolgt und hat als Verbündeter des medischen Kö­

nigs Darius und als Führer seines Heeres die im Nachfolgenden er­

zählten Eroberungen gemacht. An der Spitze eines

großen Heeres

unternahm

Kyros

zunächst

einen Zug gegen das lydische Reich, das in Kleinasien lag und da­ mals von dem reichen Könige Krösus beherrscht wurde.

Dieser König

wollte den Eroberungen des Kyros Schranken setzen und fing den Krieg

mit ihm an.

Bevor er dies aber that, schickte er Gesandte nach Europa

zu dem Orakel nach Delphi in Griechenland, um sich von dort Raths zu erholen und um zu

erfahren,

ob er glücklich sein werde.

(Ein

Orakel war eine Anstalt, durch welche man die Verkündigung des Wil­ lens der Gottheiten zu vernehmen meinte.)

Um sich das Orakel recht

geneigt zu machen, schickte ihm Krösus übermäßige Geschenke, die uns

einen Begriff von dem unerhörten Reichthum dieses Fürsten, wie der asiatischen Despoten überhaupt geben.

Es waren 117 Goldplatten, so

groß und dick wie Ziegelsteine, jede einzelne 2000 Thlr. werth, ein gol­ dener Löwe, ein großes goldenes und ein silbernes Trinkgeschirr, vier silberne Fässer, ein goldenes und ein silbernes Gießbecken, zwei goldene

Schüsseln, eine goldene Bildsäule und das Halsband und den Gürtel seiner Frau.

Außerdenr opferte er dem Orakel zu Hause auf einmal

3000 Stiere. — Und was antwortete ihm das Orakel? — Nun, es

ließ ihm sagen: „Geht Krösus über den Halys (das war der Grenzfluß seines Reichs im Osten), so wird er ein. großes Reich zerstören." — Erfreut über diese Antwort, beschenkte er die delphischen Priester noch

mehr, und fragte weiter an, „ob er sich auch lange in seiner Herrschaft behaupten würde?" thier einmal

„So lange", sagte das Orakel, „bis ein Maul­

die Meder beherrscht."

Das

wird

gewiß niemals ge­

schehen, meinte Krösus, und hielt seine Herrschaft für gesichert.

Crmuthigt durch diese Orakelsprüche ging Krösus über den Halys,

Die Perser.

59

wurde aber bald von Kyros vollständig besiegt.

540 v. Chr. Geb.

DaS geschah im Jahre

So hatte Krösus denn wirklich ein Reich zerstört,

aber nicht das fremde persische, sondern sein eigenes, und da Kyros der Sohn einer Prinzessin und eines gewöhnlichen Edelmannes war, also

allenfalls mit einem Maulthier verglichen werden konnte, so hatte sich

Krösus in der That so lange behauptet, bis ein Maulthier die Meder

beherrschte.

So paßten

denn die Antworten des Orakels

recht

wäre es umgekehrt gekommen, so hätten sie freilich auch gestimmt.

gut; Aber

das war ja eben die Kunst bei der Anfertigung der Orakelsprüche, sie zweideutig abzufassen, um in jedem Falle richtig prophezeiht zu haben.

KyroS verdammte den reichen, nunmehr recht armen Krösus zum Tode auf dem Scheiterhaufen.

der

Als

unglückliche Mann auf dem

Martergerüste stand, stieß er seufzend den Ruf auö: lon! Solon!"

Kyros fragte alsbald,

„O Solon! So-

was dieser Ruf bedeuten solle.

Krösus antwortete ihm, daß einst der griechische Weltweise Solon bei ihm gewesen sei und nach Besichtigung der königlichen Schätze zu ihm

gesagt

habe:

„Niemand

seinem Tode glücklich zu

ist vor

preisen."

Diese Worte rührten das Herz des Kyros; wer weiß, mochte er denken, ob ich

bis an «tritt Ende immer glücklich sein

befahl

er,

den Scheiterhaufen zu

löschen und

werde.

Gleich darauf

den Krösus behielt er

fortan als Freund bei sich. Nach der Unterwerfung Lydiens brach Kyros

gegen Babylonien

Das Land war bald erobert, es fehlte nur noch die Stadt Ba­

auf.

bylon.

Mit Gewalt glaubte er hier nichts ausrichten zu können, daher

griff er zur List.

Er ließ nämlich den Euphrat, der mitten durch die

Stadt floß, ableiten in ein anderes vorher dazu gegrabenes Bett, und

an beiden entgegengesetzten Seiten der Stadt, unv herausfloß, Wachen aufstellen.

wo der Strom hinein-

Nun traf es sich, daß die Baby­

lonier ein Fest feierten; dieses benutzte der schlaue KyroS,

ließ seine

Krieger in der Nacht, als Alles mit Spiel und Tanz vollauf zu thun

hatte, plötzlich durch das trockene Flußbett in die Stadt eindringen und

bald war dieselbe in seinen Händen.

Das geschah im Jahre 537 v.

Chr. Geb., im siebenten Jahre nach Nebukadnezar.

In dieser für die Babylonier schrecklichen Nacht geschah es,

daß

der König Nabonid (Belsazar) jene wundersame Flammenschrift sah (Daniel 5).

Er machte ein herrliches Mahl seinen tausend Gewaltigen

und Hauptleuten und soff sich voll mit ihnen; und da er trunken war,

hieß er die goldenen und silbernen Gefäße bringen, die sein Vater Ne­ bukadnezar aus dem Tempel zu Jerusalem weggenommen hatte, daß Alle

daraus tränken.

Und da sie so soffen, lobten sie die Götter.

Eben zu

Die Perser.

60

derselbigen Stunde gingen hervor Finger, als einer Menschenhand, die schrieben an die Wand.

Da entfärbte sich der König.

Es ward aber

geschrieben: Meneh, meneh, tekehl, upharsihn, d. h. nach Daniels Aus­

legung: Gott hat Dein Königreich vollendet;

man

in einer

hat Dich

Wage gewogen und zu leicht gefunden; Dein Königreich ist zertheilet

und den Medern und Persern gegeben.

In derselben Nacht ward Bel­

sazar getödtct.

Nach Darius von Medien Tode fiel

dieses Reich

Persien.

an

Somit kam nun auch Palästina unter die Herrschaft deS Kyros.

Durch

diesen Wechsel der Dinge aber war auch die Stunde der Erlösung des israelitischen Volkes aus der Gefangenschaft herangekommen.

Siebenzig

Jahre hatte es in fremden Ländern geschmachtet und sich gesehnt nach dem Lande seiner Völker.

„An den Wassern zu Babel saßen wir und

weinten, wenn wir an Zion gedachten," so klagt der Prophet Hesekiel, der die Gefangenen tröstete und sie ermahnte, sich zu beugen unter der Hand des Herrn. Befreiung.

Im

Nach langem Harren schlug endlich die Stunde der

ersten Jahre des Kyros

wurde erfüllt das Wort des

Herrn, durch Jeremias geredet: „Israel aber will ich heim zu seiner Wohnung bringen, daß sie auf Karmel und Basan weiden, Seele auf dem Gebirge Ephraim und Gilead

(3er. 50, 19).

Der Herr erweckte den Geist des Kyros, daß er aus­

rufen ließ durch sein ganzes Königreich: Himmel,

und ihre

gesättigt werden soll"

hat mir befohlen,

„Der Herr,

der Gott vom

ihm ein Haus zu bauen zu Jerusalem.

Wer nun unter euch seines Volkes ist, der ziehe hinauf gen Jerusalem und baue das Haus des Herrn!" — Mit seltener Großherzigkeit gab

er dem Schatzmeister den Befehl, die von Nebukadnezar geraubten, als Siegesdenkmale in dem Belustempel aufgestellten silbernen und goldenen Gefäße des zerstörten Tempels wieder zurückzustellen, und ferner gestattete er, daß Alle, welche zurückkehren wollten, nicht nur ihre eigenen Güter und Besitzthümer in Geldeswerth umsetzen, sondern auch von den Landes­

leuten und Fremden Geschenke der Prophet JesaiaS den Kyros

einsammeln durften.

Dankbar nannte

daher auch den Gesalbten des Herrn

(Jes. 45, 1).

Das große persische Reich bestand nach Kyros noch gegen zwei­

hundert Jahre.

Alexander der Große von Makedonien war eS, der es

331 v. Chr. Geb. eroberte und seinem Weltreiche einverleibte. Von den Nachfolgern des KyroS werden in der Bibel einige ge­

nannt, und dieser wollen wir hier noch in Kürze gedenken.

Zunächst

Xie Xcrier,

61

AhaSveros, auch Kambyscs, bet Sohn dcs Kyros, der Aegypten er­ oberte.

Dann Arthasasta oder der falsche Smerdis, der die Fort­

setzung des Tempclbancö auf Anstiften der Samariter verbot.

Darius

«Hystaspis) erlaubte die Fortsetzung des Banes und unterstützte die Ju­

den sogar mit Geld.

(Er begann

den Kampf

AhaSveros oder XcrxcS ist bekannt

gegen die Griechen.)

durch die Geschichte der Esther

und deö Mardachai, ferner durch die des Schriftgelchrten Esra, in dessen

Buche er Arthasasta heißt.

Arthasasta oder Artaxerxes Longimanus

d. i. Langhand, kommt in der Geschichte deS Nehemia vor, der bei ihm

Der letzte Perserkönig war DariuS Kodomannus.

Mundschenk war.

Er starb 331 v. Chr.

Unter den heidnischen Religionen deS Alterthums nimmt die der

Perser einen der ersten Plätze ein.

Es ist dies die Religion des Zo-

roaster, eines Weisen, der um die Zeit deS KyroS, oder doch kurz

vorher auftrat.

Die Lehre dieses Mannes steht in einem Buche, wel­

ches Zend-Avesta (d. h. lebendiges Wort) genannt wird.

züge derselben sind folgende.

Die Grund­

ES giebt in der Welt Gutes und Böses.

Der Schöpfer deS Guten ist Ormuzd;

er wird als der Geist deS

Lichts unter dem Sinnbilde des Feuers angebetet.

Unter ihm stehen

sieben Lichtfürsten, und unter diesen viele gute Geister.

In Ornlnzd's

Reich gehören alle reinen und nützlichen Geschöpfe und diejenigen Men scheu, welche nach ZoroasterS Lehre leben. — Dem Lichtreiche gegen­

über steht das Reich der Finsterniß, in welchem Ahriman als Ober­ herr regiert.

Unter ihm stehen

viele böse Geister. schädlichen

sieben böse Fürsten und unter diesen

Au AhrimauS Reiche gehören alle

Geschöpfe,

sowie diejenigen Menschen,

unreinen und

welche Zoroasters

Vorschriften durch Gedanken, Worte oder Thaten verachten. — Beide Mächte leben in stetem Kampfe miteinander, aber einst wird Ormuzd

die Oberhand behalten und Ahriman's Reich unterliegen. gelangen, ist es nöthig,

Um dahin zu

daß alle Menschen sich mit Fleiß dem Reiche

des Lichts zuwenden, d. h. Zoroasters Lehren gut befolgen.

Und was

fordert Zoroaster? — Unter Anderem Folgendes: Die Menschen sollen

das Böse bekämpfen, wo sie cs finden, und das Gute nie unterlassen, wo sie Gelegenheit zu seiner Uebung haben; sie sollen ihren Körper täg­

lich durch Bäder reinigen und ihre Seele durch Gebete erheben; sie sollen wohlthätig sein,

den Boden und die nützlichen Thiere pflegen,

die schädlichen vertilgen u. s. w.

Als Lohn wird dem Guten ein Platz

im Lichtreiche verheißen, während die Bösen dem Reich des Ahriman

62

Die Perser.

anheimfallen,

wo sie so lange der Qual der Finsterniß überantwortet

werden, bis sie geläutert sind und das Reich des Lichts über das Reich der Finsterniß den Sieg davon getragen hat, und dann Alles gut wird,

selbst die bösen Geister und sogar Ahriman*). Die Priester der zoroasterschen Religion hießen, wie die der me-

dischen, Magier.

Dieselben waren nicht bloß Lehrer der Religion,

sondern auch Vermittler zwischen ihrem Gott und den Menschen; außer­ dem wirkten sie als Gehülfen des Königs, als Richter und Räthe.

Auf die Volkserziehung hatten die Magier indeß wenig Einfluß, und dadurch unterschieden sich die Perser sehr von den andern asiatischen Völkern, bei denen die Erziehung vorzugsweise eine religiöse war und

von den Priestern besorgt wurde.

In Persien hatte man dagegen die

Erziehung zum Nationalgefühl im Auge: auf kriegerischen Geist

und sittliche Tüchtigkeit war eS abgesehen.

Vom fünften bis zum

zwanzigsten Jahre wurden die Knaben im Reiten, Bogenschießen und ehrenhafter, offener Gesinnung geübt.

Schande,

Die Lüge galt für die größte

und durch körperliche Uebung

kräftig und rein erhalten werden.

sollte auch der Geist frisch,

Die Perser sind das Volk, bei dem

am frühesten eine weltliche, sittlich-tüchtige Erziehung angestrebt wurde, damit die Jugend aufwachse in dem begeisternden Nationalgefühl, dem Perservolk anzugchören.

Der persische Knabe wurde abgehärtet durch

körperliche Anstrengungen und Entbehrungen, wie gegen sinnliche Genüsse.

Brot, Kresse und Wasser war die Kost in den Reichsschulen, in denen der persische Knabe zum Krieger, zum Eroberer und Beherrscher erzogen

Mit dem fünfundzwanzigsten Jahre wurde der Jüngling Staats­

wurde.

bürger und Krieger und erst als fünfzigjähriger Mann entband man ihn

vom Kriegsdienste und übertrug ihm Belehrung und Beauffichtigung der

Jugend, welche durch eigene Gerichte sich lenkte und Schuldige strafte. Die älteren Männer dienten ihnen als Beispiel und Muster.

*)

Noch heut leben mehrere tausend Leute dieses Glaubens unter dem Namen

Parsen in Persien.

Ihre Priester unterhalten beständig das heilige Feuer als ein

Sinnbild des LichtgotteS,

und betend

brennt eine heilige Flamme.

liegen sie vor demselben.

In jedem Hause

In weißen, reinen Gewändern und mit farbigen Tur­

banen warten sie täglich aus den Aufgang der Sonne, und wenn diese am Morgen­ himmel in strahlendem Glanze sich erhebt, lassen sie einen Freudenrnf hören.

Abend­

kommen sie wieder und liegen betend auf den Knieen, bis das letzte Abendroth er­

loschen ist.

Die Grieche».

63

Die Sitten des Volkes waren im Allgemeinen unverdorben.

Jede

Lüge, jeder Betrug war den Persern ein Gräuel; nicht minder verhaßt war ihnen das Schuldenmachen, weil dies zum Lugen und Betrügen verleite.

7.

Die Griechen.

Des Griechenvolkes geschieht in der Apostelgeschichte Erwähnung, wo uns erzählt wird, wie Paulus ans seiner zweiten Missionsreise über

Kleinasien nach Makedonien und von da nach Griechenland sich wendet,

und nach Athen und Korinth, worauf er wieder nach Kleinasien (Ephe­ sus) und dann nach Jerusalem reist.

In Athen war es, wo er von

dem Altar mit der Inschrift „dem

unbekannten Gott" Veranlassung

nahm, den heidnischen Griechen das Evangelium zu verkündigen. Korinth stiftete er während

seines

In

anderthalbjährigen Aufenthaltes (im

Jahre 53 oder 54 u. Chr.) eine Christengemeinde, an welche die in der Bibel

Später

zwei Briefe

enthaltenen

breitete

sich

an die Korinther

Christenthum auch

das

in

den

gerichtet sind. übrigen Orten

Griechenlands immer weiter aus, sowie überhaupt in allen den Ländern, welche griechische Bildung besaßen.

Letztere hat der Ausbreitung des

Evangeliums großen Vorschub geleistet.

Dies und der Umstand, daß.

die griechische Kultur in weltlichen Dingen die vollkommenste des Alter­ thums war,

ist Grund

genug, uns auch

mit dem Wesentlichsten aus

der Geschichte des Griechenvolks bekannt zu macheu.

Blicken wir zuerst auf das Land der Griechen.

ES bildet eine

Halbinsel, welche sich von Norden nach Süden in das Mittelmeer hinein

erstreckt.

Weiter westlich begegnen wir in Italien und Spanien dieser

Halbinselbildung noch zweimal.

die Hand reicht,

und

Während letztere, Spanien, dem Ocean

von hier ans

auch der Ocean zuerst erforscht

wurde, und während die mittlere, Italien, in das Herz Europa's führt,

wie denn auch von hier die Kultur der alten Welt nach dem europäischen Contineut sich fortpflanzte,

streckt Griechenland

seine Arme nach dem

Morgenlande hin aus, und in dieses Land ist denn auch in der That

die Bildung der asiatischen Völker und Aegyptens eingezogen, .und indem die. Griechen dieselbe mit ihrer eigenen Kultur verschmolzen und verarbei«

Die Grieche».

63

Die Sitten des Volkes waren im Allgemeinen unverdorben.

Jede

Lüge, jeder Betrug war den Persern ein Gräuel; nicht minder verhaßt war ihnen das Schuldenmachen, weil dies zum Lugen und Betrügen verleite.

7.

Die Griechen.

Des Griechenvolkes geschieht in der Apostelgeschichte Erwähnung, wo uns erzählt wird, wie Paulus ans seiner zweiten Missionsreise über

Kleinasien nach Makedonien und von da nach Griechenland sich wendet,

und nach Athen und Korinth, worauf er wieder nach Kleinasien (Ephe­ sus) und dann nach Jerusalem reist.

In Athen war es, wo er von

dem Altar mit der Inschrift „dem

unbekannten Gott" Veranlassung

nahm, den heidnischen Griechen das Evangelium zu verkündigen. Korinth stiftete er während

seines

In

anderthalbjährigen Aufenthaltes (im

Jahre 53 oder 54 u. Chr.) eine Christengemeinde, an welche die in der Bibel

Später

zwei Briefe

enthaltenen

breitete

sich

an die Korinther

Christenthum auch

das

in

den

gerichtet sind. übrigen Orten

Griechenlands immer weiter aus, sowie überhaupt in allen den Ländern, welche griechische Bildung besaßen.

Letztere hat der Ausbreitung des

Evangeliums großen Vorschub geleistet.

Dies und der Umstand, daß.

die griechische Kultur in weltlichen Dingen die vollkommenste des Alter­ thums war,

ist Grund

genug, uns auch

mit dem Wesentlichsten aus

der Geschichte des Griechenvolks bekannt zu macheu.

Blicken wir zuerst auf das Land der Griechen.

ES bildet eine

Halbinsel, welche sich von Norden nach Süden in das Mittelmeer hinein

erstreckt.

Weiter westlich begegnen wir in Italien und Spanien dieser

Halbinselbildung noch zweimal.

die Hand reicht,

und

Während letztere, Spanien, dem Ocean

von hier ans

auch der Ocean zuerst erforscht

wurde, und während die mittlere, Italien, in das Herz Europa's führt,

wie denn auch von hier die Kultur der alten Welt nach dem europäischen Contineut sich fortpflanzte,

streckt Griechenland

seine Arme nach dem

Morgenlande hin aus, und in dieses Land ist denn auch in der That

die Bildung der asiatischen Völker und Aegyptens eingezogen, .und indem die. Griechen dieselbe mit ihrer eigenen Kultur verschmolzen und verarbei«

64

Die Griechen.

teten, entstand jene klassische Bildung,

wodurch das Griechenvolk sich

für alle Zeiten berühmt gemacht hat, jene Kultur, welche später durch

das römische Schwert über den Erdboden verbreitet wurde und welche

im Verein mit dem Christenthume die beiden Hauptbestandtheile unserer heutigen Bildung ausmacht.

Wenn man Europa die gegliederte Hand Asiens genannt hat, so

kann man Griechenland mit Recht die gegliederte Hand Europas nennen, denn es ist durch zahlreiche Küsteneinschnitte so sehr zertheilt, daß eS bei nur 1800 Quadrat-Meilen Flächeninhalt eine längere Küstenlänge be­ sitzt, als das 10000 Q.-Meilen große Frankreich.

Und welche Küste!

wie reichlich, ja verschwenderisch mit den schönsten Meerbusen, Meer­ engen, Häfen, Buchten, Halbinseln und ganzen Reihen von Inseln auS-

gestattet, und dann das Meer so ruhig und schön, schöner als irgend

ein anderer Theil des Mittelmeeres, überall seine Anwohner zum Ver­ kehr und Austausch der Produkte und Gedanken einkadend!

War die

vielgliedrige „Thalassa", wie die Griechen das Meer nannten, das gott­

gegebene Verbindungsmittel der einzelnen Stämme des griechischen Vol­

kes — weßhalb auch ein griechischer Geschichtschreiber den raschen Auf­ schwung seiner Vaterstadt von der Nähe und dem frühzeitigen Verkehre mit dem Meere herleitete und vom Meer das Wort sprach: ist die Macht der Thalassa —,

Gewaltig

so hatte die Natur auf der andern

Seite durch die Bildung der Bodenoberfläche dafür gesorgt, daß jene Eigenthümlichkeit der griechischen Stämme, auf welcher der Reichthum

der vielseitigen griechischen Entwickelung beruhte, nicht verwischt wurde. Denn eine Menge Kettengebirge theilen Griechenland in mehr als zwan­ zig einzelne Landschaften,

von

denen eine jede einem eigenthümlichen

Stamme einen natürlich gesicherten Wohnort gewährte und dadurch eine Fülle eigenthümlicher Gedanken, Sitten, Staatseinrichtungen, Kunst und

Wissenschaftserscheinungen hervorrief,

wodurch gerade das zu Stande

gebracht wurde, was wir in der griechischen Bildung vorzugsweise be­ wundern, nämlich: eine Mannigfaltigkeit in der Einheit, wie sie kein anderes Volk auf Erden aufzuweisen hat.

darin die Germanen; die Norweger, Niederländer und die Deutschen,

Am nächsten stehen ihnen

Schweden,

sie alle sind

Dänen, Engländer,

auch

stammverwandte

Völker und jedes hat eine nationale Eigenthümlichkeit bei gewissem all-

gemein-germanischem Charakter;

aber

das Griechenvolk bot auf weit

weniger Quadratmeilen dieselbe, ja noch größere und reichere Mannig­ faltigkeit des Lebens dar. Indem wir die Bodenbeschaffenheit Griechenlands näher betrachten, erwähnen wir zuerst des Pindus, des Gebirgsstockes im Norden, von

65

Die Griechen.

dem nach Süden ein Kettengebirge streicht, das zwei Landschaften von einander trennt, im Westen Epirus, im Osten Thessalien, die bei­

den Landschaften Nordgriechenlands.

Im Norden Thessaliens macht das

kambunische Gebirge die Grenze, im Süden tritt ein Seitenzweig der Pinduslette so nahe an das griechische Jnselmeer heran, daß der Paß von Ther-

mophlae zwischen dem Berge Oeta und dem Archipelagus so schmal ist,

daß an zwei Stellen kein Wagen dem andern ausweichen famt. Die­ ser Paß ist der einzige Weg aus dem schönen fruchtbaren Thessalien

(besonders berühmt darin ist das Thal Tempe) nach Mittelgriechenland, oder Hellas.

Dieses

bestand aus acht Landschaften, die sich

Meerbusen von Arta bis zum Golf von Athen hinziehen«

vom

Besonders

wichtig sind: das waldige Akarnanien, das rauhe Aetolien, Phokis, wo am Fuße des Parnaß Delphi, die Tempelstadt Apollo'S stand;

Boeotien mit der Stadt Theben, und Attika mit Athen, eine vierzehn Meilen lange als Landzunge in'S Meer sich erstreckende Gebirgsland­

schaft, steinig und unftuchtbar, nur auf den Höhen mit duftenden Kräu­

tern bedeckt, während Olivenwälder die von klaren Bächen durchrieselten Thäler schmücken, aber gesegnet mit einem gesunden Klima und einem

Himmel von so wunderbarer Bläue und Klarheit, daß ein griechischer

Arzt die Feinheit des athenischen Verstandes diesem Umstande beimaß,

und mit einer Lage zur Schifffahrt, wie wir sie in Europa nur noch in der Bretagne, Normandie in Frankreich und in Cornwallis in Eng­ land wiederfinden.

— Südwärts

von Hellas

dritte Theil

liegt der

Griechenlands, die Halbinsel Peloponnes, durch den Busen von Lepanto von jenem getrennt und durch die Landenge von Korinth mit ihm verbunden.

Die Mitte dieser wie ein Platanenblatt gestalteten Halb­

insel nimmt das Hochland Arkadien ein, dessen Berge und Hochthäler

muntere Heerden bedeckten, während an den Flüssen liebliche Ortschaften lägen.

Von diesem Hochlande gehen nach allen Richtungen Bergzüge

strahlenförmig aus, zwischen denen wohl Senkungen, aber nur selten

eine Ebene oder ein breiteres Flußthal sich zeigen.

Westlich von Ar­

kadien liegt die Landschaft Elis, berühmt durch die Ebene Olympia, wo alle vier Jahre festliche Spiele gefeiert wurden (worüber bald mehr),

und die zahlreichen (an dreitausend) hier Büsten.

aufgestellten Bildsäulen

und

Im Süden liegen Messenien und Lakonien, letzteres mit

der Stadt Sparta.

An der Landenge selbst liegt die Landschaft Ko­

rinth mit der Stadt Korinth, „dem Auge Griechenlands", so genannt,

weil sie mit den größten See-Handelsstädten der alten Welt — Tyrus, Karthago, Athen und Alexandrien — wetteiferte. — Außerdem gehören

zu Griechenland noch mehrere Inseln, als Ithaka, Korkyra, Aegina rc.

Kutzner Geschichte I.

5

66

Die Griechen.

Durch freiwillige oder gezwungene Auswanderungen auch in Sicilien,

und in Kleinasien

Unteritalien

entstanden ferner

griechische Kolonien.

Unteritalien hieß davon auch Großgriechenland.

Als ursprüngliche Bewohner Griechenlands nennen wir die PelaSgcr, die sich besonders in Nordgriechenland angesiedelt hatten. Von ihnen wissen wir, daß sie ein ackerbautreibendes Volk waren, und daß

ihr religiöser

Mittelpunkt der

zu Dodona in EpiruS

Tempel

war.

Seltsame Bauten — die Kyklopenmauern —> erinnern an sie; dies sind achtzig bis neunzig Fuß hohe, inwendig mit Gängen versehene und ohne

allen Mörtel aus Gemäuer.

gewaltigen

vieleckigen Steinblöcken

Statt der Gerüste

zusammengesetzte

wendete man wie bei den Pyramiden­

bauten Erdhäufungen an dem Mauerwerke an, die nach Vollendung des Baueö wieder weggeschafft werden mußten.

Durch Einwanderungen (von 1500 an) von Asien und Aegypten

erhielt Griechenland immer mehr Bewohner, welche den gemeinschaftli­ chen Namen Hellenen oder Griechen führen.

Dieselben unterschei­

den sich in vier Hauptstämme: die Aeoler, Achäer, Dorer und Ioner. Jeher Stamm zerfiel in eine große Anzahl kleiner Staaten (Horden),

die von Königen beherrscht wurden, die zugleich als Opferpriester und

Heerführer eine patriarchalische Gewalt ausübten.

Die königliche Ge­

walt erbte zwar fort vom Vater auf den Sohn, aber persönliche Kraft, Klugheit oder eine

stattliche Gestalt galt

als

nothwendige Eigenschaft

eines Fürsten, selbst noch mehr als das Recht der Geburt. In dieser Zeit traten die Heroen auf, von denen das erste Zeit­

alter des Griechenvolkes auch den Namen „heroisches Zeitalter" führt,

das etwa bis zum Jahr 1100 v. Chr. herabreicht. — „Unter Heroen

verstanden die Griechen Männer, welche geistig und körperlich so äußet­

ordentlich begabt waren nnd so ungewöhnliche Thaten verrichteten, daß

man keine andere Erklärung für sie wußte, als das Göttliche, welches jedem Menschen inne wohnt, bei ihnen als in besonders starkem Maße

vorhanden anzunehmen und dies durch eine Abstammung von Göttern oder Göttinnen zu versinnlichen.

Solche Menschen aber entstehen nicht

in der Zeit, wo der Mensch noch im schweren Kampfe mit der Natur ums tägliche Brot liegt, noch

auch,

wenn

geordnete Staaten jedem

Bürger das Maaß seiner Pflichten und Rechte genau festgesetzt haben,

sondern in den Uebcrgangszeiten, die gewaltige, kräftige Naturen bedürfen, um die Keime des zukünftigen Staates zu legen und den großen Haufen

an Gehorsam, Ordnung und Recht zu gewöhnen«

Die geistigen und

67

Die Griechen.

körperlichen Vorzüge pflanzen sich sammt dem Glanze der vollbrachten

Thaten und der durch sie erlangten herrschenden Stelle vom Vater auf Sohn und Enkel fort, und es entsteht der Stand des Adels, der nicht

etwa eine bloß äußerliche Schöpfung roher Gewalt oder verschlagener Gewandtheit, sondern das naturnothwendige Erzeugniß jeder bürgerlichen

Gesellschaft ist, sich deßhalb bei allen Nationen findet und unter irgend

einer Form bestehen wird, so lange die Menschheit besteht. — Solche

Zeiten aber, wo der Adel noch auf der körperlichen wie geistigen Per­

sönlichkeit zugleich, aber vorzugsweise allen

Nationen fruchtbar

an

auf der

kühnen,

ersten beruht,

romantischen

sind bei

Unternehmungen,

Fahrten und Abenteuern Einzelner, wie ganzer Stämme und Völker ge­ wesen; denn dann ist die Thatkraft so groß, die Lust an kühnem Wagen

und Gewinnen bei Allen so stark — denn der große Haufe richtet sich immer nach dem Vorbilde seiner Helden — daß die Jugendkraft des Volkes sich in irgend einem großen Unternehmen Luft machm muß."

Unter den Heroen Griechenlands ragen besonders Herakles (Her­ kules) und Theseus, und unter den größer», gemeinschaftlichen, hel-

denmüthigen Unternehmungen der Argonautenzug (1250 v. Chr.) und der trojanische Krieg (1180 v. Chr.) hervor.

Bon Herkules (um 1250) erzählt die Sage, daß er ein Sohn

des Gottes Zeus sei, geboren von einer Thebanerin.

Bon Juno, der

Gemahlin des Zeus verfolgt, hatte er schon, als er erst acht Monate alt war, mit zwei giftigen Schlangen zu kämpfen, welche Juno geschickt hatte, die aber der junge Herkules erdrückte.

In der Einsamkeit des

Landlebens zum Manne herangereift, gelangte er einst auf seinen Wan­ derungen an einen Scheideweg.

Indem er noch überlegte, für welche

Richtung er sich entscheiden sollte, erschienen ihm plötzlich zwei Götttnnen.

Die eine davon, die Schönste, „das Laster", versprach ihm die höchste

Wonne und Glückseligkeit, wenn er ihr folgen wolle, die andere dage­

gen, die weniger Schöne, „die Tugend", sprach: ich führe Dich in Ar­ beit und Gefahren,

aber ich

verheiße Dir Unsterblichkeit,

Ehre und

Ruhm bei Göttern und Menschen, wenn Du meiner Leitung Dich an­

vertraust."

Herkules entschloß sich schnell und reichte der bescheidenen

Tugend seine Hand.

Diese führte ihn rauhe Pfade; in zwölffacher har­

ter Arbeit prüfte sie seinen Willen und seine Kraft, aber sie machte ihn auch zum Wohlthäter des Menschengeschlechts, zum ersten Helden seines

Volkes, und weil er sich in allen Kämpfen bewährte, erstieg feilt. Geist den Himmel und wohnte als ein Gott unter den Göttern. 5*

Die Griechen.

68

Von den zwölf ihm aufgegebenen Arbeiten erwähnen wir nur einige. Er erdrosselte einen unverwundbaren Löwen, und nahm bessen undurch­ dringliches Fell als Mantel um; er tödtcte eine giftige Schlange mit

hundert Köpfen, die, wenn sie abgeschlagen waren, immer von Neuem wieder

zuwuchsen;

er mistete in

einem Tage die Ställe des AugiaS,

Königs von Elis, aus, worin dreitausend Rinder lange Zeit gestanden

hatten,

ohne daß auSgemistet worden wäre; Herkules riß dabei

eine

Wand des Stalles ein, leitete einen Arm deS nächsten Flusses in die­

selbe, und so spülten die Fluthen den Unrath weg.

Ferner brachte er

die goldenen Aepfel der Hcsperiden und tödtete den Drachen,

bewachte.

der sie

wo die Hesperidengärten lagen,

Da Herkules nicht wußte,

so ging er auf gut Glück in's Blaue hinein, kam an das Nordwestende

Afrika's, wo der Niese Atlas auf seinen Schultern den Himmel trug. Dieser

entdeckte ihm den Aufenthalt der HeSperiden (d. s. Nymphen,

die einen Baum mit goldenen Früchten zu bewachen hatten, worunter vielleicht Orangen gemeint sind); dafür mußte aber Herkules eine Weile

das

Himmelsgewölbe ans seine Schultern nehmen.

Gibraltar und

Ceuta soll

Herkules

Meerenge beendigten Abenteuer

Säulen des Herkules.)

aufgestellt haben;

schwerste

Die

(Die Felsen bei

zum Andenken

daher

Aufgabe aber

Höllenhund Cerberus aus der Unterwelt heraufzuholen.

das dreiköpfige Ungeheuer

auch wirklich

herauf,

mußte

jener

an seine der

Name:

war die,

den

Und er brachte

es

aber bald

wieder hinabtragen.

Von Theseuö wird u. a. erzählt, daß er einen riesigen Keulenträger (Periphet) erschlug und sich dessen Keule in Zukunft bediente.

Ferner

brachte er den Prokrustus um, der zwei eiserne Bettstellen hatte, die eine kurz, die andere lang.

so schleppte er ihn in das

Fing er einen langgewachsenen Wanderer,

kurze Bett und

hieb die hervorragenden

Körpertheile ab; erwischte er einen kleinen Mann, so legte er ihn in's lange Bett, und zerrte ihn so lange auseinander, bis er die Bettstelle

ausfüllte.

ThescuS wurde

von ihm auch

ergriffen,

aber die Sache

kehrte sich um, indem TheseuS den Eigenthümer mit derselben Münze bezahlte, womit er andere bedient hatte.

Von Theseus Vater, Aegeus,

hat das griechische Jnselmeer seinen Namen ägäisches Meer,

weil der

Sage nach Aegeus in dasselbe sich stürzte, als er seines SohneS Schiff

mit schwarzem Segel von der Insel Kreta heimkehren sah, was er vor­ schnell auf dessen Tod deutete.

Die Griechen.

69

Der Argonautenzug (1300 v. Chr.) wurde von einer großen Anzahl Heroen unternommen, darunter auch die eben Genannten waren. Es galt, sich durch den HelleSpont in's schwarze Meer zu wagen, und in dem Lande Kolchis am Kaukasus das goldene Vließ zu holen. Die Hauptgestalt dieses Abenteuers ist Jason, ein Thessalier. Er baute ein zu diesem Zwecke eigens bestimmtes Schiff, die Argo. Nach vielen Gefahren gelang es ihm durch die Königstochter Medea, die in Zauber­ künsten wohl erfahrene, mit feuerschnaubenden, erzfüßigen Stieren ein Stück Landes zu pflügen und die aus den Furchen aufgestiegene Saat der Drachenzähne, eine Schaar geharnischter Männer, zu besiegen. Medea ist es auch, welche den das goldene Vließ bewachenden Drachen einschläfert und mit Jason und ihren Schätzen heimlich nach Hellas entflieht, wo sie später aus Eifersucht ihre eigenen Kinder mordet. (Die Sage vom goldenen Vließ gründet sich vielleicht entweder auf das durch Widderfelle in jenen Gegenden aus den Flüssen ausgewaschene Gold, oder auf den feurigen Wein, welcher dort seine Reben malerisch um ge­ waltige Bäume schlingt.)

Der trojanische Krieg ist geschichtlich vielleicht einer der vielen Kämpfe, welche die griechischen Kolonisten mit den alten Einwohnern Kleinasiens zu bestehen hatten, im Gewände der Poesie aber ist es das erste große Nationalunternehmen aller griechischen Stämme jenseits des griechischen Jnselmeeres. Die Dichtungen über diesen Zug sind von Homer (einem Zeitgenossen Davids), dem Vater des Gesanges und der Dichtkunst, etwa hundertfünfzig Jahre nach dem trojanischen Kriege in Kleinasien geboren.*) Das eine Gedicht schildert den Kampf um Troja oder Ilion, weßhalb es die Ilias heißt, und das andere hat die Rückkehr der Helden in die Heimath, insbesondere des Odysseus zum Gegenstände und führt daher den Namen die Odyssee. Wie in der Ilias das heroische Zeitalter von seiner kriegerischen Seite geschildert wird, so in der Odyssee neben den Wundererlebnissen des kühnen, das griechische Meer zuerst durchforschenden Schiffers, die friedlichen, bürger­ lichen, häuslichen Verhältnisse. Beide Dichtungen sind wahre Meister­ werke und finden ihres Gleichen nicht; insbesondere ist die liebliche Schilderung der zauberhaften Schisferinsel der Phäaken anziehend; der Dichter veranschaulicht durch dieselbe die bildende und cultivircnde Macht des Meeres, des Handels und der andern Friedensbeschäftigungen auf die reizendste Weise. *)

Man sehe:

Sagen des klassischen Alterthums v. Schwab.

Die Griechen.

70

Alls der Ilias erwähnen wir nur, daß der Streit der Griechen

gegen

die Trojaner

hervorgerufeu

wurde durch

Entführung der

die

schonen Helena, Gattin des spartanischen Königs Menelaos, Seitens des Paris, Sohn des Königs Priamos von Troja.

Auf griechischer

Seite sind als berühmte Kämpfer besonders inerkenöwerth ihr Heerführer

Agamemnon, Achilleus aus Thessalien, sein Freund Patroklos, und Odysseus, König von Ithaka.

Von den Trojanern ist Hektor, Der Kampf nm

der ältere Sohn des Priamos, der berühinteste Held. Troja endet damit,

wird.

daß

diese Stadt schließlich

durch List

Die Griechen erbauten ein hölzernes Pferd,

verbergen konnten und

in dem Bauche desselben eine Anzahl Krieger stellten dies vor eines der Stadtthore auf,

gewonnen

so groß, daß sich

indem sie zugleich das Ge­

rücht verbreiteten, dasselbe sei ein gottgeheiligtes Thier, welches den Be­

sitzern Ruhm und Schutz gewähren

würde.

Als

sie darauf zll den

Schiffen eilten und sich stellten, als lvollten sie die Eroberung aufgeben,

so zogen die Trojaner das

unheilschwangcre Thier in die Stadt und

überließen sich dem Jubel.

Als sich Alles sicher glaubte und in den

Armen des Schlummers lag, brachen die Krieger aus ihrem Versteck hervor und fielen mit den übrigen Griechen, welche nun von den Schif­ fen herbeieilten und durch die Thoröffnungen drangen,

die Trojaner her. Straßen,

mordend über

Diese kämpften verzweifelt, das Blut floß in den

aber vergebens.

Priamos

wird

aut Altar

ermordet,

seine

Söhne, worunter auch Paris, werden hingcschlachtct, Gemahlinnen und Töchter als Sklavinnen gebunden abgeführt uitd das stolze Troja wird in Asche gelegt.

Das Herocnzeitalter war eine Schöpfung der Achäer; der troja­ nische Krieg war auch ihr Werk.

Nach diesem Kriege war das Heroen-

thum beendet, und die Stämme und Völkerschaften begannen nun unter

Anführung

von Adeligen einen

neuen Lebensabschnitt.

In Folge der

stürmischen Aufregung der Stämme nach dein trojanischen Kriege begamt unter ihnen eine Völkerwanderung, die von 1100 bis 1000 v. Chr.

dauerte und wodurch sie nicht nur ihre ursprünglichen Wohnsitze inner­ halb des Landes

änderten,

sondern

sich

auch

nach allen Seiten des

Mittelmeers wandten und auf seinen gesegnete« Gestaden der Saamen

der hellenischen Kultur ausstreuten, wodurch das Griechcnvolk die große

Aufgabe erfüllte, das erste große Vereinigungsmittel der damaligen Mensch­ heit und dadurch ein Werkzeug zur schnelleren Verbreitung des Christen­ thums zu werden.

Die Griechen.

Die Achäer

verloren

71

dabei die Herrschaft des Peloponnes

und

flüchteten sich entweder in die kleine Landschaft Achaja im Norden des

Peloponnes, oder wurden politisch unebenbürtige Unterthanen der Dorer.

Die Aeoler gingen ebenfalls als Stamm zu Grunde und erhielten sich nur als Kolonien ans den Inseln

Küste selbst.

an der Küste Kleinasiens

und

der

Es blieben demnach nur noch die Jon er und Dorer Erstere, die Joner, hatten nunmehr,

als selbstständige Stämme übrig.

ihre Sitze in Attika, Euböa, auf den meisten Inseln im Archipelagus,

in den wichtigsten Kolonien auf der Küste Kleinasiens (besonders Mileund am Marmor-

tus und Ephesus),

und schwarzen Meere;

letztere,

die Dorer, saßen vorzugsweise im Peloponnes, auf der Insel RhoduS

und anderen, auf Kreta, und in den Kolonien auf Sicilien und Unter­

italien, welches,

wie bereits erwähnt,

auch Großgricchenland

genannt

wurde.

Die Zersplitterung des Volkes in viele Staaten dauerte nach wie

Fast jede Stadt mit dem sie umgebenden Landgebiete bildete

vor fort.

einen selbstständigen Staat.

Indessen bestand doch auch schon früh eine

Einigung derselben durch zwei nationale Einrichtungen, nämlich in den

Amphyktionen und in dem Orakel,

ferner in der Sprache und

in den heiligen Festspielen, von denen die zu Olympia die berühm­ testen waren.

Der Rath der Amphyktionen (schon um 1500 vorhanden) be­ stand aus den Abgeordneten der verschiedenen Staaten, die jährlich zwei­ mal zusammentraten

und

über Frieden,

Religion

und Sittenreinheit

wachen sollten. — Unter den Orakeln war das bereits erwähnte des Apollo, des Sonnen- und Dichtcrgottes, in Delphi das berühmteste.

Die Tempelstadt Delphi lag dicht unter

nasses.

dem Gipfel des

spitzen Par­

Wer das Orakel befragen wollte, besprengte sich zuvörderst mit

dem Wasser einer Quelle, die aus einer in der Nähe des Tempels be­

findlichen Schlucht hervorquoll.

Außerdem brachte er Geschenke mit und

bereitete sich durch Gebete vor.

Dann nahte er dem prächtigen Apollo­

tempel.

In demselben führt eine Thür nach dem Schlund, aus welchem

der begeisternde Dampf aufstieg.

Es war Schwefeldampf, der, einge­

athmet, den Menschen in eine krampfhafte Verzückung versetzte, so daß

er unzusammenhängende

Worte

ausstieß.

welcher der Dampf aufstieg, stand Priesterin,

Pythia,

hinab

in

Ueber

ein Dreifuß.

wallendem

der

Oesfnung,

aus

Zu diesem stieg die

Schleppkleid.

Die

Laute,

welche sie in der Verzückung ausstieß, erlauschten die Priester und such-

Die Griechen.

72 ten sie zu deuten.

Dabei ging ihr Streben dahin, weise Rathschläge zu

geben, in und zwischen den griechischen Staaten Eintracht zu erhalten.

Da wir hiermit das Gebiet der Religion, der Griechen berührt

Die Religion dieses

haben, so wollen wir dabei noch etwas verweilen.

Volles ist in mehr als einer Hinsicht interessant; besonders beachtenswerth ist, daß sie über alle heidnischen Religionen des Alterthums er­

haben dasteht und eine Vorbereitung auf die Verkündigung des Christen­ thums war.

Die Religion der andern alten Heidenvölker war Naturdicnst und

beschränkte sich meistens auf die Unterscheidung zweier Naturgcwalten,

einer freundlichen und einer feindlichen, einer gebenden und empfangen­

den, einer männlichen und weiblichen Gottheit, und man besaß für die­

des

selben einige rohe Sinnbilder aus den Naturkräften des Feuers,

Lichtes, des Wassers, oder aus dem Pflanzen- oder Thicrreiche.

Ganz

anders der Grieche; er vergöttlichte die ganze Natur, indem er die Fülle der Verschiedenheit in der menschlichen körperlichen und geistigen Ent­

in der Fülle der Naturerscheinungen wiederfand,

wickelung,

einigte Natur und Menschheit zu

einer neuen Welt,

zur

und ver­

Götterwelt.

Er faßte das Göttliche unter dem Bilde der veredelten Menschheit auf, während die andern Heiden sich nicht über die furchtsame und dankbare,

Verehrung der großen Naturgcwalten,

der Sonne,

Wassers, der Erde rc. erheben konnten.

der Gestirne, des

„In der griechischen Religion

dämmerte zuerst eine Ahnung von der Verwandtschaft des Menschlichen

mit dem Göttlichen, von dem biblischen Satze, daß Gott den Menschen schuf nach seinem Ebenbilde.

Wie sehr auch der Grieche die Göttlich­

keit des Menschen in eine Vermenschlichung des Göttlichen verkehrte, so war doch

der

ungeheure Fortschritt,

das Göttliche nicht bloß in den

außermenschlichen Naturgewalten, sondern in dem Menschen, der Krone

der Schöpfung, erkannt zu haben, gemacht, und ist deßhalb die griechische

Götterlehre

auch

für den streng christlichen Geist ein schöner Beweis

für die ewige, zum Christenthum vorbereitende Weltregierung." Die Götterlehre (Mythologie, von Mythus, d. i. eine höhere

Wahrheit, dargestellt im Gewände der Geschichte) der Griechen ist ein

Lustgarten voll duftender Blüthen und Genüsse. und Bewegung sah,

wirkte eine Gottheit,

da sah er Leben,

wo

Wo der Grieche Kraft

er Leben wahrnahm,

die er sich mit menschlichen Eigenschaften,

und schlimmen, in erhöhetem Grade ausgestattet dachte.

gung, jeder Genuß wurde dadurch geweiht,

daß

da

guten

Jede Beschäfti­

man sie unter den

Schutz einer Gottheit stellte; die ganze Natur wurde dadurch zu einem großen Tempel, wo man überall auf Götter stieß. Ringsum ist Alles, Wald und Flur, Luft und Wasser, mit Göttern erfüllt. Sie bewachen die Menschen, leiten ihre Schicksale und sehen ihre geheimsten Hand­ lungen. Selbst im Innern deö Menschen wohnen sie; die Gedanken und Leidenschaften, die lohnenden und strafenden Gefühle in des Men­ schen Brust sind Gottheiten oder Wirkung derselben. Die Liebe, der Haß, die Freude, der Schmerz, der Gesang, die Poesie, Alles sind Ga­ ben der himmlischen Mächte. Kurz die griechischen Götter waren mensch­ lich denkende, menschlich fühlende und menschlich gestaltete Wesen, welche der Menschenwelt nahestanden, warnend, strafend, schützend und helfend in die menschlichen Dinge sich mischten, und alles Thun der Sterblichen durch ihre Gegenwart ehrten. So viel aber auch der Grieche durch seine Religion die anderen Heiden überragte, so stand er darin doch noch sehr weit hinter dem Israeliten zurück; denn er konnte sich das Göttliche nur in menschlicher Beschränktheit denken und hatte noch keinen Begriff von dem heiligen Geiste Gottes, der Alles in Allem ist, und doch mit der Welt sich nicht vermischt. Diese Erkenntniß besaß Israel allein zufolge der ihm zu Theil gewordenen Offenbarung. Betrachten wir die /griechische Götterlehre nun noch etwas näher. „Das Chaos ist die Urquelle aller Dinge; die erste Bewegung des­ selben, die Liebe, gab ihnen ihre Gestalt; durch sie sind Götter und Menschen entstanden. Unzählige Götter, von verschiedenem Range, thei­ len unter sich die Herrschaft der Welt; an 30,000 hat man ihnen nachgezählt. Zeus (Jupiter) ist der höchste Gott, welcher Himmel und Erde beherrscht, den Donner schleudert, Wolken und Regen sendet. Poseidon (Neptun) beherrscht das Meer, und bändigt mit seinem Dreizack den Ungestüm der Wogen, Pluto ist der Herr der Unter­ welt, wo er auf schwarzem Throne mit seiner Gemahlin Proserpina über die Abgeschiedenen waltet. Apollo (Phöbus) fährt jeden Mor­ gen auf goldenem Wagen mit vier feuerschnaubenden Rossen, von einem Lichtkranze umstrahlt, an dem Himmelsbogen hinan, und bringt den Tag der harrenden Erde; Aurora, mit rosigen Fingern, eilt ihm hold erröthend voran, und umsäumt mit Morgenroth das Rund des Erd­ balls; und Nachts zieht Artemis (Diana, Luna) mit silbernem Hörne die gleiche Bahn, während ihr Bruder die heißen Glieder in des Oceans Wellen kühlt; Ceres lehrte die Menschen den Getreidebau, Bacchus den Weinbau; auf seinen weiten Zügen, von Indien her, unterwarf er seiner Gewalt alle Völker der Erde; bocksfüßige Satyrn und schwär-

74

Die Griechen.

mcnde Frauen (Bacchantinnen) begleiten ihn unter Tänzen, während der

alte trunkene Sil en sich mit Mühe auf seinem Esel daneben behauptet. Hephästos (Vulkan) ist der Gott des Feuers und der Schmiedckunst,

und verfertigt mit seinen Khklopcn das schönste Geschmeide und Waffen­ werk.

Er ist häßlich und hinkt, aber seine Gemahlin Aphrodite (Ve­

nus) ist die Göttin des Liebreizes und der Schönheit, nichts vermag dem Lächeln ihrer Huld zu widerstehen;

zwei reizende Kinder begleiten sie,

ErvS (Amor) und Psyche, beide geflügelt und Boten der Liebe, jener mit Bogen und Pfeilen bewaffnet; man von

Gemahlin,

süßem

wenn er in das Herz trifft, fühlt

Liebesgram sein Herz verzehrt; auch Zeus hat eine

die stolze Here (Juno),

die mit Eifersucht und Zänkerei

ihrem Ehchcrrn oft manche bittere Stunde macht; stets Jungfrau blieb

Pallas (Minerva), die Göttin der Weisheit, welche dem Haupte Ju­

piters entsprungen war. Ares (Mars) ist der wilde Gott des Krieges;

wie der Ruf von zehntausend Kriegern schallt sein Kriegsgeschrei, wenn er Entsetzen verbreitend

durch die Schlacht hinstürmt.

am Fuß und an der Mütze und goldenen Sohlen

an

Mit Flügeln

den Füßen eilt

der Göttcrbote Hermes (Mercur) in Blitzesschnelle zur Erde; er ist der Beschützer der Kaufleute und der Diebe.

auf dem Olymp,

wo

Die Unsterblichen wohnen

jeder seine Wohnung

und Arbeit hat.

Dort

auf jenem Berge bilden die höchsten Götter einen Götterrath, in wel­ Sie leben in ewiger Jugend, sonst aber

chem Zeus den Vorsitz führt.

so, wie die Menschen auf Erden; sie essen (Ainbrosia), trinken (Nektar), schlafen und lieben.

Oft auch

kommen

sie

zur Erde herab,

glücken mit ihrem Umgang die schwachen Sterblichen.

und be­

Ihre von sterb­

lichen Müttern geborenen Söhne rüsten sie mit höherer Kraft auö; als

Helden (Heroen) wirken diese zum Heile der Menschheit, um nach ihrenr Tode in die Versannnlung der Götter einzutretcn.

und Theseus sind die gefeiertsten unter ihnen. die Künste und Wissenschaft, drei Grazien heit;

in jedem Baume,

Nymphen,

in

jeder Quelle,

die oft den Sterblichen

Herkules, Pollux

Neun Musen pflegen alle Anmuth und Schön­

in

jedem Haine lauschen

mit ihrem Anblick überraschen.

Ein ganzer Chor von Nymphen folgt Dianen, wenn sie leicht auf­

geschürzt auf die Jagd

zieht.

Drei

ernste Göttinnen, die Parzen,

sind es, welche über das Leben der Menschen wachen.

Es hat geendet,

wenn die Hand der einen mit der unerbittlichen Scheere den Lebensfaden abschneidet.

Furchtbar aber sind die Eumeniden (Furien), die Räche­

rinnen des Bösen, tvelche nach jedem begangenen Frevel der Unterwelt

entsteigen,

und mit geschwungener Fackel und

gezücktem Dolch,

statt

Haaren das Haupt von Nattern umzischt, den Verbrecher verfolgen und

7S

Die Griechen.

jagen,

ruhelos

bis er

derselben.

jenseits

furchtbar

dauern die Qualen

Das Schattenreich (Hades, Orkus) ist ein von schwarzen Sieben Ströme umrauschen ihn.

Schatten umhüllter Ort. die

empfängt

Ufern

Noch

Denn

gefallen.

seinem Verhängniß

waltet Nemesis über den Bösen.

bleiche,

abgeschiedenen Seelen,

An deren

luftige

Schatten,

Charon, der Fährmann, und setzt sie gegen ein Fährgeld (das der Leiche zwischen die Zähne gesteckt wurde) hinüber.

Aus

dem Lethe

trinken

sie Vergessenheit, und schwanken an dem den Eingang bewachenden drei­

köpfigen Höllenhund, Cerberus, vorüber, um vor Pluto'S Thron von den unbestechlichen Richtern ihr Urtheil zu empfangen.

Fällt dies gün­

stig auS, so wandern sie nach Elysium, dem Wohnsitz den Seligen;

aber selbst hier ist es so freudelos,

dem Achilles

daß

ein Tagelöhner

auf der Oberwelt beneidenswürdiger zu sein schien, als selbst der König DaS LooS der Verdammten aber ist schrecklich.

der Unterwelt.

liegt dort im Tartarus niedergestreckt,

nagen;

an seiner Leber

Einer

beständig

während zwei Geier

abgefresscne Theil wächst immer wieder

der

nach; Frauen, die ihre Männer getödtet, die Danaiden, müssen zur Strafe Wasser in ein bodenloses Faß gießen, um es zu füllen; SisyphuS wälzt

mit ungeheurer Mühe einen Felsblock den Berg hinan; ist er endlich oben angelangt, so entrollt ihm der polternde Felsblock tückisch wieder

unter den Händen. lachende Früchte

Tantalus steht bis am Kinn in den Fluthen, und

hängen

an Aesten,

ganz

nahe

über seinem Haupte.

Wüthender Dürst und Hunger verzehrt seine Eingeweide.

Er bückt sich

nach der kühlenden Welle, tückisch fließt sie zurück, daß er den trockene» Boden schaut.

Er greift

nach den

lockenden Früchten:

rasch

schnellt

sich der Ast in die Höhe." Der Gottesdienst bestand

Fett man verbrannte,

weil

sich

Fleisch

ergötzten.

Opfernden.

Das

Die Griechen

in Opfern; man opferte Thiere,

die Götter

an

dem Wohlgeruch

der Opferthiere

waren ein

dagegen

deren

desselben

verzehrten die

sehr frommes Volk,

ließen es

darum auch nicht an Opfern fehlen; Frömmigkeit war cS auch, welche

sie bewog,

in

schwierigen Lagen

den Willen

der Götter zu erfahren.

Diesen glaubten sie theils aus verschiedenen Merkzeichen der Opferthicre ersehen

oder

geradezu bei

einem Orakel

erfragen zu können.

Daher

war daS schon genannte Orakel zu Delphi ein sehr besuchter Ort und,

wie schon erwähnt, auch ein Einigungsband um alle griechischen Stämme und Staaten.

76

Die Griechen.

Als eilt nationales Bindemittel nannten wir oben auch die olym­ Bon ihnen behauptet die Sage, daß Zeus, dem zu

pischen Spiele.

Ehren sie gehalten wurden, selbst sie gestiftet habe.

Man

bis fast vierhundert Jahre nach Christo.

man sogar die Zeit nach ihnen eintheilte,

vier

von

eine Olympiade

Jahren

indem man einen Zeitraum

nannte.

Sprache reichte, selbst von Italien,

Sie erhielten sich

hielt sie so hoch, daß

weit die

So

griechische

Afrika kamen Gäste,

Asien,

um

die Festspiele mit anzusehen, oder wohl gar als Festkämpfer aufzutreten. In Ermangelung der Gasthöfe

bediente man sich

der Einrichtung der

Gastfreundschaft zur Erleichterung des Reisens.

Das heißt, zwei

Bürger gelobten sich Aufnahme, wenn der eine in den Ort des andern

käme.

Ein solches Bündniß galt für heilig,

auf Geschlecht.

Um

sich

als Gastfreund

und erbte von Geschlecht

auszuweisen,

zerbrach

man

irgend einen kleinen Gegenstand, etwa einen Ning; kam man dann zum Gastfreunde und paßte zu dessen Ringhälfte die des Freniden, so wurde Des Schauplatzes dieser Kampfspiele haben

er beherbergt und beschützt.

wir oben schon gedacht; eö war die Stadt Olympia in der Landschaft

Elis.

derselben

Die Zeit

heißen Sommer,

fiel in den

so daß nicht

mir die Reise eilte beschwerliche blieb, sondern auch das tagelange Zu­ sehen unter freiem Himmel mit unbedecktem Haupte und bloßen Sohlen

unter den

nackten,

unbehos'ten Beinen

große Abhärtung

voraussetzte.

Wer als Mitkämpfer Theil nehmen wollte, mußte einen unbescholtenen

Ruf genießen

und

sich Monate

vorher in Olympia aufgehalten

und

Die Spiele selbst bestanden im

auf das Kampfspiel vorbereitet haben.

Rennen zu Wagen und zu Fuß, im Springen, int Ringen, im Faust­

kampf,

im Diskuswerfen u. s. w.

zweirädrigen Wagen mit vier

In

Rossen bespannt umfuhr man zwölfmal das Ziel,

d. i. eine Meile in

Carriere; nicht selten deckten zerbrochene Wagen,

durchgegangene Rosse

und zerfleischte Leichen

die

Höhe

die Rennbahn.

über Barrieren

mit, theils ohne Springstock.

oder

in

Das Springen fand

die

statt in

Weite über Gräben,

Beim Ringen kam es darauf an,

theils

den

Gegner, ohne ihn zu schlagen, bloß durch den Druck und die Gewalt der Muskeln zur Erde zu werfen, und ihn dort so lange niederzuhal­ ten, bis er sich

selbst für überwunden

dabei völlig nackt, und ihre Haut

erklärte.

Die Athleten waren

wurde durch Einreibungen mit Oel

schlüpfrig gemacht, so daß das Festhalten erschwert war.

Beim Faust­

kampfe durften sich die Athleten nicht fassen, sondern mußten sich durch bloße Schläge zu Boden werfen.

Der Diskus war eine runde, flache

steinerne oder metallene Scheibe zum werfen in die Weite mittels eines

Riemens, der durch ein Loch in der Mitte ging.

77

Die Griechen.

Das fünf Tage

dauernde Fest begann mit

mit Opfern, bei denen hundert Opferthiere

wurden, darauf folgten frohe Festmahle.

auf einmal geschlachtet

oft

Nach Beendigung der Spiele

riefen die Herolde die Namen der Sieger aus.

des ganzen

versammelten

Kampfrichter umwand

Volkes

großen Processionen,

wurden

Unter den Jubeltönen alsdann

sie

im Zcustempel das

gekrönt.

Haupt des Siegers

Ein mit

wollener Opferbinde und legte einen Kranz von Oelzweigen darauf; das war der höchste Lohn, den je ein Grieche gewinnen konnte.

Sieger geehrten Vaterstädte

errichteten diesen

Die durch die

zu Olympia marmorne

Bildsäulen, womit der Ort nach und nach so reich erfüllt wurde (wir

haben schon bemerkt,

daß

und Bildsäulen

an 3000 Büsten

den Ort

Aber nicht

schmückten), daß er als das Nationalmuseum gelten konnte.

bloß die körperlichen Geschicklichkeiten fanden hier ihren Siegeskranz, son­

dern auch die geistigen Talente, indem Dichter,

Schriftsteller

Redner,

und Maler den Zusammenfluß des Volkes benutzten, um ihre Geistes­ und Kunstproducte vor das prüfende Auge desselben zu bringen und aus seinem Munde einen verdienten Lohn zu empfangen.

Um das Jahr 1050 machte der Staat Athen den Anfang der Abschaffung

der Königswürde,

und

und

nach

mit

folgten fast

nach

sämmtliche griechische Staaten diesem Beispiele, und gestalteten sich zu

Republiken,

das sind Staaten,

in denen

vom Volk auf Zeit ge­

wählte Beamte die Regierungsgewalt ausüben.

Unter den verschiedenen

griechischen Staaten ragen zwei über alle andere hervor, Sparta,

so daß die Geschichte dieser beiden Staaten

Griechenlands ist. denken.

rer.

Athen und

die Geschichte

Wir werden daher auch nur ihrer ausschließlich ge­

Die Athener repräsentiren die Joner, die Spartaner die Do­

Beide Stämme standen sich im Charakter grell gegenüber.

Dorer hingen streng am Herkömmlichen und Alten; beweglich,

für alles Neue empfänglich

Die Dorer waren starr,

kalt,

und

hartnäckig

der Veränderung

und

lebhaft, umgänglich, schmiegsam und leichtfertig. geschlossen in dem Staate und

Die

die Joner waren

unbeholfen;

geneigt.

die Joner

Die Dorer lebten ab­

für den Staat ein kaltes,

soldatisches,

kriegerisches Leben; die Joner zerstreut, der Entwickelung des Einzelnen

nachlebend, der Kultur aus inniger Neigung zugethan, Kunst und Wissen­ schaft

eifrig pflegend.

Aus

dieser Charakteristik

läßt sich

das

öffentliche Leben und Wirken der griechischen Stämme erklären.

ganze

Die Griechen.

78

Betrachten wir zunächst den Staat Sparta. Durch die langen, schweren Kriege, welche die Spartaner bei der

Eroberung des Peloponnes mit den Landeöbcwohnern zu führen hatten, hatte sich bei ihnen ein sehr kriegerischer Geist ausgebildet und eine mi­

litärische Organisation des Gemeinde- und Staatswesens nöthig gemacht.

DaS ganze Vanb war gewissermaßen unter Waffen stehendes Heer.

eine Kaserne und

das Volk ein

Um die vollkommenste Einheit, die Fein­

den gegenüber so nothwendig war, herzustellen, wurde alle Macht und Freiheit im Staate in der Regierung vereinigt. Staat der alleinige Besitzer aller Ländereien

In Sparta war der

und

unumschränkter Ge­

bieter über das Leben seiner Bürger; der einzelne Bürger hatte weder

Eigenthum, noch ein Familienleben; er erschien als das willenlose Glied

deö Staates, stets verpflichtet, alle seine leiblichen und geistigen Besitzthümer zum Besten deS Staates hinzuopfern.

Menschen, der freie «Wille,

Daö schönste Gut des

ging fast gauz verloren.

So war in der

That über das ganze Volk die vollendete Unfreiheit verhängt; dagegen bestand in den Verhältnissen der Bürger untereinander eben so die voll­

endetste Gleichheit.

Diese seltsame Verbindung von vollständiger Gleich­

heit bei vollkommenster Unfreiheit macht den spartanischen Staat um so

merkwürdiger, als er damit einzig in der Geschichte dasteht. gierungsform war ein Mittelding

Die Ne­

zwischen Königthum und Volksregi­

ment, indem nämlich dem Namen nach Könige an der Spitze der gesammten

Staatsverwaltung standen, die

eigentliche Regierungsgewalt

aber in den Händen der Volksversammlung lag, an welcher sämmt­

liche Bürger theilzunehmen berechtigt waren.

Diese Versammlung war

die eigentliche gesetzgebende Körperschaft, obgleich sie nur Ja und Nein zu sagen hatte,

indem ihr die Verwaltungsbehörde Vorschläge machte,

die einfach zu bejahen oder zu verneinen waren.

Die Verwaltungs­

behörde bestand auö dreißig Männern, nämlich aus den beiden Köni­

gen und

auf Lebenszeit gewählten Bürgern, welche je­

achtundzwanzig

doch nicht unter fechSzig Jahre alt fein durften.

Außer ihrer Stimme

in dem VerwaltungSrathe hatten die Könige nur noch die Würde eines obersten Priesters und das Amt eines Oberanführers im Kriege, in wel­

chem Falle ihre Macht fast unumschränkt war. alljährlich neu

erwählt

wurden, hatten

Fünf Ephoren, welche

über die Aufrechthaltung der

Gesetze zu wachen; ihrem AuSspruche mußten selbst die Könige sich unter­ werfen.

Als

Schöpfer

dieser

seltsamen

Verfassung

wird Lykurg

(888 v. Chr.) genannt, obgleich eS wahrscheinlicher ist, daß er nur das

in Gesetzesform ausgesprochen hat, was bereits üblich war. Zur Aufrechthaltung

der beabsichtigten Gleichheit bestanden

eine

79

Die Griechen.

Metige Einrichtungen und Gesetze, die diesen Zweck vollständig erfüllten, aber auch die persönliche Freiheit des Einzelnen nächst die Landvertheilung.

So zu­

vernichteten.

Alles Land war in neununddreißigtausend

Aecker oder Loose getheilt, und kein Eigenthümer durfte sein Grundstück

verkaufen.

Zur Bebauung des Feldes benutzte man Sklaven (Heloten),

welche der Staat lieh,

wie

die Jagdhunde zur Jagd.

auch

Andere

Gesetze griffen noch tiefer in die Freiheit des Einzelnen ein, so die über die Kleidung.

Diese war einfach und durchaus gleich; selbst der König

durfte sich durch kein besonderes Kleidungsstück auszeichnen.

Ein Rock

Gold,

Edelsteine

und ein Mantel machte die ganze Bekleidung aus.

Nur wenn eö zur Schlacht ging, war

und Schmuck waren verboten.

cs erlaubt, sich festlich zu schmücken.

Dann legte

der Spartaner ein

bekränzte sich und mar-

rothes Kleid an, kämmte sich das lange Haar,

schirte unter Flötenklang und Marschliedern gegen den Feind. — Die Nahrung war nicht minder einfach,

und

für alle Bürger gleich.

auch

Die Mahlzeiten wurden in Gemeinschaft eingenommen, und Jeder mußte

einen gleichen Beitrag an Gerstenmehl, Wein, Käse, Feigen und etwas Geld dazu liefern.

Das Hauptgericht war die „schwarze Suppe", aus

Schweinefleisch, Blut, Salz und Essig bestehend.

Je fünfzehn Männer

Das übermäßige Trinken wurde ver­

aßen zusammen an einem Tisch.

abscheut, und um den Jünglingen einen Ekel gegen das Laster beizubrin­

gen, machte man von Zeit zu Zeit Heloten den Jünglingen

vor.

Familien-Wohnung schleichen.

Heirathen

durften

betrunken

und führte sie

schrieb der Staat vor, und in ihre

die Männer sich nur heimlich des Nachts

Zum Bau der Wohnungen und zur Anfertigung der Möbel

waren nur Axt uud Säge als Handwerkszeug erlaubt. hatten daher nur Blockhäuser.

Die Spartaner

Gold- und Silbergeld wurde abgeschafft

und dafür eisernes Geld eingcführt.

Die Beschäftigung war auch die

gleiche: sie bestand in nichts, als in der Uebung zum Kriege; denn zur eigentlichen Arbeit, zum Betriebe der Handwerke und des Ackerbaues

wurden,

wie

erwähnt,

die Heloten

trüge« einen kriegerischen Charakter.

verwandt.

Selbst die Vollsfeste

Denn das eine bestand in einer

Art Manövre, da man draußen unter Hütten lagerte, Kriegsspiele auf­

führte und musikalische Wettgesänge hielt; bei einem

andern führten

Knaben und Männer in dem Tempel und Theater Waffcntänze auf;

und bei einem dritten Hauptfeste fehlten zwischen Prozessionen, Schmau­ sereien und Gesängen Wett« nebst Waffenspiclen nicht. Die Erziehung war eine einfache und hafte.

Krüppelhafte Kinder

wurden ohne Weiteres gctödtet.

Bis zum siebenten Jahre dauerte die

mütterliche Erziehung.

durften nicht angewendet,

Windeln

Kopf und

80

Die Griechen.

Füße nicht bedeckt werden; häufig mußten die Kleinen im Finstern sitzen, damit sie furchtlos würden.

Vom siebenten Jahre an

Weinen und Schreien wurde oft bestraft.

und Mädchen aus dem

nahm man Knaben

älterlichen Hanse und bildete sie durch allerlei körperliche Uebungen zu

kräftigen Jünglingen und Jungfrauen heran, härtete sie gegen Anstren­ gung, Hunger, Kälte und Schmerz ab, machte sie listig und verschlagen, prägte ihnen sittliche Denksprüche ein, hielt sie streng in den Schranken des Herkommens und väterlicher Satzungen

und

duldete nur,

daß sie

im Lesen und Schreiben dürftig unterrichtet wurden, wogegen sie Kriegs-,

gesellige und religiöse Lieder sühreu verstanden.

lernten und Kriegstänze

kunstvoll auszu-

Erst später (nach dem peloponnesischen Kriege) lern­

ten die Vornehmen Staats- und Redekunst; bis dahin wurde die Ju­

gend streng einseitig nur zum Kriegs- und Staatsdienst, zum unbeding­ ten Gehorsam und zur Unterdrückung persönlicher Neigungen und Ge­

fühle erzogen.

Wie die Aeghpter und die meisten Asiaten nur durch Gewöhnung herangebildet wurden,

Staatsgcmcinde. gekleidet.

so

für ihre Tempel

der Spartaner

Der Jüngling ging barfuß

für seine

und barhaupt und leicht

Gesenkten Blickes und schamhaft mußte er in ärmlicher Klei­

dung einhergehen, während die Jungfrauen öffentlich turnten, damit sie kräftig

würden.

(das Rechnen

Je

wenniger

kam nicht

man

für Kunst

weit übers Zählen).

und Wissenschaft that

Um

so eifriger wurde

geturnt und Gymnastik getrieben, wobei die Jugend unter Aufsicht von Vorturnern und älterer Bürger stand.

Tag und Nacht stand jeder Knabe

unter strenger Aufsicht und erhielt harte Strafen, wenn er eine Vorschrift

nicht befolgte.

Die Jugend wurde auch gewöhnt, sich beim Sprechen

kurz zu fassen, mit wenig Worten viel zu sagen.

Daher kommt eö, daß

man noch heut eine wortarme aber geistreiche Rede eine „lakonische Kürze"

nennt.

Einige Beispiele solcher Aussprüche mögen angeführt werden.

Ein schlechter Mensch fragte einst einen Spartaner, wer der beste

Spartaner sei. Ein

„Der dir am wenigsten ähnlich ist", war die Antwort.

athenischer Redner

nannte die Spartaner

ungelehrig.

„Recht!"

gab man ihm zur Antwort, „denn von allen Hellenen sind wir die ein­ zigen, welche nichts Böses von euch lernten." König Philipp*) schrieb

einst nach Sparta, man sollte ihn in die Stadt aufnehmen. wortschreiben lautete:

verwüsten,

„Nein."

Als er

wenn er mit seinem Heer

hierauf drohte,

Das Ant­

ihr Land

zu

über die Grenze gekommen sein

würde, erhielt er zur Antwort: „Wenn!"

Ein Fremder sagte einst, die

lakedämonischen Schwerter seien so kurz, daß die Gaukler sie verschlucken. *) Von Makedonien.

Dir Griechen.

81

Da erwiderte ihm ein Spartaner: „aber doch lang genug, den Feind

zu erreichen."

Auf die Frage: welche Wissenschaft am meisten in Sparta

getrieben werde, antwortete Einer: horchen."

Eine Mutter

„Die Kunst zu befehlen und zu ge­

gab ihrem Sohne,

der in die Schlacht zog,

den Schild mit den Worten: „Entweder mit diesem, oder auf diesem!" Man warf dem Lyknrg vor,

habe.

er Sparta

daß

ohne Mauern

gelassen

Er antwortete: „Die Bürger von Sparta sollen unsre Mauern'

sein!" — Als man

einem

lakedämonischxn

Gesandten

in Asien

Festung zeigte, rief er ans: „Wahrhaftig, meine Freunde,

schöne Weiberwohnung." — Ein Seeräubern

geraubt,

lakedämonisches Mädchen,

auf dem Markte als Sklavin

sollte, wurde von einem reichen Manne gefragt: sein, wenn ich dich

kaufe?"

das

von

verkauft werden

„Wirst du auch brav

„Auch wenn du mich

antwortete:

Es

eine

das ist eine

nicht kaufst."

Ganz anders gestaltete sich das Leben bei den Athenern.

Hier

schaffte man, tote bereits erwähnt wurde, die Königswürde ganz ab, und

zwar geschah dies durch die heldenmüthige Aufopferung des letzten Kö­ Die Dorer belagerten

nigs, Kodroö, für das Vaterland. der Völkerwanderung Athen.

zur Zeit

Da ein Orakel verkündet hatte, daß die

Dorer unverrichteter Sache würden abziehen müssen, wenn der athenische König von den Feinden erschlagen würde, so begab sich Kodrus verklei­

det in's Lager, fing Streit mit feindlichen Soldaten an und wurde getödtet. — An die Stelle des Königs

Amt nur ein Jahr dauerte. Staate sehr strenge Gesetze, in Kraft blieben.

Um

die

traten

nun Archonten,

624 v. Chr.

gab Drakon

deren

dem

jedoch wegen ihrer Härte nicht lange

Drakon ging von dem Gedanken aus, daß jedes Ver­

gehen, gleich viel, ob klein oder groß, als Ungehorsam gegen den Staat gleiche Geltung habe, demnach wurde z. B. ein Müßiggänger eben so gut wie ein Räuber und Mörder mit dem Tode

bestraft.

Man ge­

horchte den mit Blut geschriebenen Gesetzen Drakons nicht weiter und es trat ein Zustand der Anarchie ein, aus welchem der Staat durch den als Philosophen, Redner und Dichter gleich ansgezeichneten Solon ge­

rettet wurde, der um das Jahr 500 v. Chr. lebte.

ES ist dies der­

selbe Mann, der unS aus der Geschichte des Krösus in Lydien bekannt ist.

Er gab dem Staate eine neue Verfassung,

die

wesentlich zu der

nachmaligen Größe Griechenlands beigetragen hat.

Solon bemaß nämlich die Rechte und Pflichten des Staatsbürgers nach seinem Vermögen; die Reichen erhielten manche Vorrechte, mußten Kutzner Geschichte I.

tz

Die Griechen.

82 aber auch dafür mehr leisten.

Da sie am Meisten zu verlieren hatten, am meisten am Herzen

so mußte ihnen auch die öffentliche Wohlfahrt

liegen, und sie selbst mußten so viel Einfluß auf den Staat haben, daß sie dem unbilligen Verlangen derer mit Erfolg entgegentreten konnten,

die nicht viel zu verlieren hatten.

Die gesammte Staatsregierung war

auf vier Körper vcrtheilt: auf die Volksversammlung, den Groß­

rath, die Archonten und den Areopag.

In der Volksversammlung

hatte jeder wirkliche athenische Bürger Sitz und Stimme.

Die Zahl

dieser Bürger belief sich nicht über zwanzigtausend, in deren Dienst an

Viermalhunderttausend Sklaven, und unter deren Schutz an zehntausend

Schutzverwandte standen.

Die Volksversammlung besprach die vorge-

schlagcnen Gesetze und stimmte darüber ab.

Der Großrath bestand aus

vierhundert Mitgliedern, die alljährlich durch Leos gewählt wurden, und von denen jedes wenigstens dreißig Jahre

alt sein mußte.

Ihm lag

die Verwaltung des Staates ob, und er hatte allein die Befugniß, Gcsetzvorschläge an

die Volksversammlung

etwa unsern Staatsräthen

zu

bringen.

oder Ministern zu

Die Archonten,

vergleichen,

waren die

obersten Verwaltungsbeamten. Der Areopag bestand schon von uralter Zeit her alö eine Art Gericht für Hauptverbrechcn.

Solon erweiterte seine

Befugnisse und so kam es, daß dieser oberste Gerichtshof auch die oberste

Aufsicht über die Verwaltung

des Staates hatte,

über die Geschäfts­

führung der Beamten, über die Beobachtung der Gesetze, über die Sit­ ten.

Die Zahl der auf Lebenszeit gewählten Mtglieder des Areopag

belief sich auf dreihundert und eö wurden nur Archonten zugelassen, die

sich als tüchtig

erwiesen hatten.

Als beaufsichtigende Nevisionsbehörde

stand über der Volksversammlung der Rath der Heliasten, welche

die Beschlüsse der Volksversammlungen prüften, die Wahlen prüften und sorgfältig erwogen, ob die Gewählten des Amtes würdig und ihm ge­

wachsen wären. Als ein eigenthümliches VolkSgcricht bestand

oder der OstrakismoS,

dessen Zweck es

war,

das Scherbengericht

den Staat von solchen

Männern zu befreien, die sich durch großen Reichthum oder auch große

Verdienste einen zu großen Einfluß auf das Volk verschafft hatten. Die

Verbannung geschah auf zehn Jahre.

Den Namen der zu Verbannen­

den schrieb man auf Ziegeln oder Scherben, daher der Name Scherben­

gericht. Jeder ehelich geborene athenische Jüngling

sechszehntcn Jahre in die Bürgerrolle

wurde nach erlangtem

eingetragen, diente zwei Jahre

als Soldat, erhielt dann auf der Volksversammlung Schild und Speer

und leistete den Bürgereid.

Vom dreißigsten Jahre ab durfte er ein

Die Griechen.

83

öffentliches Amt bekleiden, wenn er zuvor in den Prüfungen feine Be­

fähigung

dazu

nachgewiesen

hatte.

In

Bezug

auf das

öffentliche

Staatsleben gab Solon das Gesetz, daß derjenige für ehrlos gehalten werde, welcher an keiner Partei im Staate Theil nehme.

Die Gesetze

Solons für das Privatleben bezogen sich auf Thätigkeit,

Reinheit der

Sitten und eine gute Erziehung

der Jugend.

Im Gegensatz zu der

Meinung der Spartaner wurde der Müßiggang für sittenverderblich ge­

halten,

und jeder Athener sollte irgend eine Kunst oder ein Handwerk

lernen.

Besonders zart sind Solonö Gesetze in Hinsicht auf das weib­

liche Geschlecht.

Die Ehen sollten uns Liebe, nicht aus Gewinnsucht

geschlossen werden.

Er verbot daher, den Mädchen eine Mitgift zu ge­

Reine Sittsamkeit und häusliche Tugend und Geschicklichkeit gal­

ben.

ten für den reichsten Brautschatz.

So unterschied sich Solons Gesetz­

gebung von den Lhkurgischen dadurch, daß sie das Privatleben der Bür­

ger mit größerer Milde und Humanität ordnete. Er selbst war muntrer

und sanfter Gemüthsart und liebte seine Mitmenschen; ihre Verirrungen sah er ohne Zorn, nur mit Bedauern. Die Solonische Verfassung wurde später um das Jahr 444 v. Chr. durch Perikles zu einer Demokratie (Volksherrschaft) umgebildet, indem

dieser Staatsmann alle Gewalt in die Hände

legte,

so daß die Beamten nur

hatten.

der Volksversammlung

die Beschlüsse derselben auszuführen

So lange PerikleS die Volksherrschaft durch seine hinreißende

Beredtsamkeit regelte, erfreute sich der Staat des Friedens und großen

Glückes,

ja es stand Athen zur Zeit deS Perikles trotz der eben aus­

gekämpften Perserkriege auf der Mittagshöhe seines

und Ruhmes; Handel,

Glanzes

Kunst und Wissenschaft nahmen einen Auf­

schwung, wie nie zuvor und nachher.

Aber, da nach seinem Tode kein

so gewaltiger Mann seine Stelle ersetzte,

so entartete das Volk; aus

der Volksherrschaft wurde eine Pöbclherrschaft, der Unverstand und die Bosheit siegte zu häufig über Einsicht und Edelsinn; die Menge wurde

geldgierig und käuflich, der Patriotismus schwand und Athen sank von seiner Höhe.

Doch mehr darüber später; jetzt erst noch ein Wort über die Sit­ ten und Lebensweise der Athener. der Jugend in Athen wich

wesentlich

Die Erziehung und Bildung

von der in Sparta ab.

Als

Hauptbildungsmittel galten hier Musik und Gymnastik; jene sollte

die Ausbildung des Geistes, diese die des Körpers erzielen. ziehung selbst nahm folgenden Verlauf:

Der Knabe blieb bis zum

siebenten Jahre unter Aufsicht der Wärterinnen. aber seine Ausbildung für den Staat.

Die Er­

Von da ab begann

(Die Mädchen lernten im Hause

6*

Die Griechen.

84

weben, kochen, Lieder singen, Arzneien bereiten, Lebensregeln nnd sitt­

sames -Benehmen der Mutter ab.)

Ein Sklave (Pädagogos genannt)

hatte ihn nun in Aufsicht und führte ihn, zu einem Elementarlehrer, bei

welchem er buchstabiren, lesen und schreiben lernte.

Man schrieb mit

einem Griffel auf Wachstäfelchen, auf welche man die Buchstaben ein­

Der Griffel hieß Stylos, daher unser Wort Styl.

ritzte.

Der Lehrer

unterrichtete als Privatlehrer entweder auf offener Straße oder in einer Bude.

Konnten die Kleinen lesen und schreiben, so lernten sie beson­

ders singen, und die Zither oder Flöte spielen.

Auch Rechnen an

den Fingern und Geometrie trat in. den Kreis des Unterrichts; desglei­ chen wurden mit

erwachsenen Knaben Deklamations- und Redeübungen

vorgenommen.

In höheren Schulen lernte man auch noch Astrononiie

und Redekunst.

Die Landesgesetze mußte jeder Knabe auswendig lernen,

an Fabeln und Erzählungen entwickelte sich

die Kinder Lebensweisheit.

der Verstand und lernten

Religionsunterricht gab es nicht, indem man

nur für die Erde, das Vaterland, erzog.

Für die Ausbildung des Leibes

sorgte der Turnlehrer auf dem Ringplatz (Palästra) oder auf dem öffent­

lichen Turnplatz (Gymnasien von gymnos- nackt), wo man meist unbe­ kleidet turnte.

umschlossen

Die Gymnasien waren große Plätze, die mit einer Mauer

und

mit Bäumeu

bepflanzt waren,

und

an deren

einer

Seite ein Gebäude mit geräumigen Hallen lag, so daß bei jeder Jahres­

zeit und Witterung geturnt'werden konnte.

Verschiedene mit Sitzen ver­

sehene Hallen waren für den geistigen Unterricht bestimmt.

Diese An­

stalten standen den ganzen Tag über offen und wurden von besonderen Staatsbeamten beaufsichtigt und im Stande erhalten. Gymnasien war Staatspflicht;

Der Besuch der

auch forderten Gemeingeist und öffent­

liche Sitte, daß jeder Vater seine Söhne landesüblich unterrichten ließ. Die Zucht war eine sehr strenge und stand unter Aufsicht des Staates. Prügel wurden von den Lehrern in reichlichem Maaße ausgetheilt, und die Knaben befanden sich stets unter Aufsicht, damit sie durch Gewöh­ nung und Scheu vor der öffentlichen Meinung Selbstverleugnung und

entsagende Einordnung in das Staatsganze lernen möchten.

Anders zu

leben, zu denken und zu handeln/ als die Landessitte eS vorschrieb, war Niemand erlaubt; daher mußte sich der Grieche frühzeitig beherrschen ler­

nen. Bescheidenheit, Sittsamkeit und Unterordnung verlangte man von der Jugend; auf der Straße mußten die Knaben sogar die Augen nach dein

Boden gerichtet haben und den Kopf gesenkt halten.

So wurde die Jugend bis zum achtzehnten Jahre erzogen.

Wer

sich noch weiter ausbilden wollte, ging zu Rhetoren (Nedekünstlern) oder

-Philosophen (Denkern).

Denn der Mann konnte sich nur dann Einfluß

85

Die Griechen.

und ein Amt erwerben, wenn er gewandt und kunstvoll zu reden, seinen Ansichten Geltung zu verschaffen und durch seinen Vortrag eine Volksver­

sammlung für sich zu

gewinnen

verstand.

Die Rhetoren

und Philo­

sophen nnterrichteten int logisch richtigen Denken, über Moral und die

höhere Gedankenwelt, aber auch in der äußern Kunst (Technik) der Beredtsamkeit, wie eine Rede zu ordnen, welcher Gebrauch von den Rede­

figuren zu machen, wie Zeitmaß (Rhythmus) in die Rede zu bringen, wie das Kleid in schöne Falten zu legen und welche Bewegungen zu machen

vom Anstande gestattet sei.

„Denn die Redner agitirtcn wie die Schau­

spieler, trugen sehr lebhaft vor, gestikulirten, rückwärts, um die Sinne zu fesseln.

sprangen

vorwärts

und

Hatten sie einen Angeklagten zu

vertheidigen, so suchten sie Mitleid zu erwecken, ließen die Freunde des

Angeklagten in Trauerkleidern erscheinen und weinen, und sprachen selbst mit bewegter Stimme,

so daß es große Uebung

ehe man sich

kostete,

diese äußerlichen Fertigkeiten aneignete."

Die Wohnungen der Athener waren meist einstöckige, unansehn­

liche lange Vierecke ans Fachwerk mit Lehmsteinen

und

lagen mit der

Nur wenige Häuser hatten ein Giebel­

schmalen Seite an der Straße.

dach, die meisten waren platt; auch lagen die Häuser bunt durcheinan­ der, bildeten enge, winkelige, ungepflasterte Straßen, sehr heiß und staubig,

waren, so daß man sich Pcchfackeln

antragcn lassen.

„Die

welche

mit Tage

zur Regenzeit kothig und dcS Nachts stockfinster

oder eine Hornlaterne mußte vor-

ältesten Bewohner

meistens ans einem Berge an,

dessen

Mauer aus größeren Steinblöckcn umgaben,

in dieser Burg sicher wohnten.

Griechenlands

oberen Rand

bauten

sich

sie noch mit einer

so daß sie

vor Räubern

Um diese herum bauten sich diejenigen

an, welche auf der Burg kein Unterkommen fanden, doch zu Kriegszeiten

hinaufflüchten konnten.

Die Burg hieß „Ober- oder Hochstadt," z. B.

die Akropolis

Akrokorinth,

„Unterstadt."

in Athen,

Die innere Einrichtung

die

eigentliche Stadt

war diese.

dagegen,

Das Hans schloß

zwei Höfe mit Säulenhallen ein, an welchen die Zimmer und Kammern

lagen.

Vorn am Eingang befand

sich

der Thürhüter und der Haus­

hund; dann kam man in den Säulenhof mit den Männcrwohnungen. Dem Hanpteingange gegenüber führte eine zweite Thür durch ein Quer­

gebäude in den Sänlenhof der Frauenwohnung.

Denn die Frauen leb­

ten hier abgeschieden mit ihren Mägden, webten, spannen und besorgten

die Küche.

Die Zimmerwände waren weiß getüncht, der Fußboden ein

Estricht, seit Periklcs kamen aber gemalte Wände und Mosaikfußboden

in die Mode.

Die Fenster gingen meist in den Hof.

Hausgeräth und die Kleidung.

Einfach war das

Divans, die gepolstert und mit Decken

Die Griechen.

86

kelegt waren, Betten ans Pelzen und Decken, Oeltampen von schöner Form, auch wohl hohe Kandelaber und einige Truhen für die Kleider bildeten das Meublement.

Beim Mahl lag man auf DivanS um den

niedrigen Spcisetisch, indem man sich auf den linken Arm stützte und

mit dem rechten znlangte. Art Schlafrock an.

Das Fleisch

Um sich nicht zu beschmutzen, zog man eine

Messer, Gabel und Löffel waren unbekannte Dinge.

kam geschnitten

und man griff mit den

auf den Tisch

Fingern zu; für Suppe und Brühe riß man ein Stück Brotteig ab, schöpfte damit und warf diesen Löffel nach

dem Gebrauch

unter den

Tisch. — Alle Griechen gingen in bloßem Kopfe, nur auf Reisen trug man einen Hnt und im Kriege den ehernen Helm, ebenso fehlten Bein­ kleider und Stiefeln,

denn entweder trug man nur Sohlen, die man

mit bunten Bändern nach Art unserer Schlittschuhe an den Waden be­

festigte, oder man ging barfuß, Personen.

und

zwar thaten dies sehr vornehme

Bei Tische lag man stets barfuß.

Den Körper deckte ein

wollenes oder ein leinenes Hemd ohne Aermel, darüber schlug man ein

großes viereckiges Tuch, welches man von der linken Schulter über oder Das Geschmackvolle der Kleider

unter dem rechten Arm hindurchzog.

bestand darin, den Ueberwurf so zu legen, daß er Falten schlug. Frauen

hatten Klange, faltige, weiße Kleider, bedeckten und einen rothen Fez. bunte Kleider mit Stickerei und

welche die Arme bloß ließen oder

Bei Festzügcn trug man dunkelfarbige

bunter Verbrämung.

Weil man auf

Haar und Bart große Pflege verwandte, so waren die Läden der Fri­ seure Sammelplätze der Athener,

theilte.

in denen

man sich Neuigkeiten mit»

Friseurläden und die öffentlichen Bäder ersetzten den Griechen

unsere Bierstuben und Kaffeehäuser.

lustiges Volk, welches Lärm und

Die Athener waren ein lebens­

laute Lust liebte.

Auf den Märkten

ging eS daher sehr geräuschvoll zu: die Fischweiber zankten, die Brot­ verkäufer riefen ihre Waare aus, Blumenmädchen boten ihre zierlichen

Sträußchen feil, Kranzflechterinnen wanden unter Lachen und Scherzen Kränze und Guirlanden, auf dem Gaunermarkte feilschte man um Trödel­ waaren, Möbel, Karren und Wagen bot man unter Lobpreisungen feil,

Geldwechsler machten Geschäfte, dazwischen schritten die mit Bogen be­ waffneten Polizeidiener, die in besondern Marktbuden wohnten und des

Nachts durch die Stadt patrouillirten,

um durch Klingeln die Nacht­

wächter wach zu erhalten." Nicht minder geräuschvoll waren die Volksfeste, deren cS viele gab

und bei denen außer feierlichen Prozessionen gymnastische und

lische Wettspiele nicht fehlten.

Das

musika­

beliebteste Volksfest waren die

Dionhsien, zu Ehren des Dionysos, des Schützers deS Weinbaues.

Die Griechen.

Schon lange vorher rüstete man sich,

87

schaffte Verrathe

an Festspcisen

an, machte Zimmer zum Empfange der Gäste zurecht, die in zahlloser

Menge von nah und fern herbeicilten, oder man schlug Buden auf den öffentlichen Plätzen

auf,

wo

die Fremden

übernachteten.

Mit einer

großen Prozession begann das viertägige Fest, ernste und heitere Grup­ pen wechselten in bunter Reihe.

Hier kamen Mädchen mit Fcigcnschnü-

ren um den Hals und Körbchen mit Feigen in den Händen; dort führ­

ten verkleidete Jünglinge tolle Schwänke aus, erschienen maskirte Per­ sonen mit Cphcugewinden um Kopf und Leib, mit Epheu umschlungenen

Stäben,

Kalb« und Pauthcrfelle um die Schulter gehängt, oder man

sah auf einem dicken Weinschlauch, Dionysos sitzend auf der Karre

schollen,

der mit Oel gerieben war, einen

Lustige Weinliedcr er­

einherfahrcn.

die Theater waren den ganzen Tag gefüllt.

Puppentheater,

Seiltänzer, Bärenführer, Affentheater mit maskirten Affen, Taschenspie­ ler, Wachsfigurenkabinette u. f. w. unterhielten die schaulustige Menge.

Der griechische Staatsbürger gehörte sich und seiner Familie wenig an, denn er war fast immer im Staatsdienst.

selbst arbeiten, sondern hielt Sklaven,

Daher konnte

er nicht

verachtete den Handwerker und

lebte als Oekonom, Großhändler oder Fabrikant.

Alle Beamten wur­

den vom ganzen Volke gewählt, erhielten aber nicht nur keinen Gehalt, sondern mußtey oft gewisse Ehrenausgaben ans eigener Kasse bestreiten.

Alle Gerichtsverhandlungen, Berathungen

über Gesetze,

alle wichtigen

Verwaltungsangelegenheiten wurden von den Bürgern auf der Pnyx, d. i. in der Bürgervcrsammlung,

verhandelt und beschlossen.

In den

Krieg mußte jeder Bürger mitziehcn, als Geschworner oder Beaufsichtiger irgend einer Anstalt ward seine Zeit in Anspruch genommen, so daß also

nur reiche Bürger von allen ihren Rechten Gebrauch machen konnten.

Am frühen Morgen aß der athenische Vollbürger

als Frühstück

Brot, welches in ungemischten Wein getaucht wurde, besorgte dann die

häuslichen Geschäfte, und ging auf den Markt, um Lebensmittel einzu­ kaufen, oder in den Buden der Salbenhändler, Friseure und Barbiere

mit Bekannten sich zu unterhalten.

Kinder besuchten die Schulen, Phi­

losophen hielten Vorträge und Bürger fanden sich in den Gymnasien

ein oder machten Wetten bei Hahn- und Wachtelkämpfen.

Oft aber be­

suchte man das Theater, welches am Vormittag begann und bis in den

Nachmittag dauerte, so daß man in Pausen etwas genoß.

Kein Gebil­

deter durfte es versäumen, und Perikles gab Armen auf Staatskosten sogar Freimarken,

damit sie in'S Theater gehen konnten.

Denn im

Alterthum vertraten die Theater das, was den Christen der Kircheubcsuch ist.

Den Stoff nahmen die Dichter aus der Götter- und Heldensage

Die Griechen.

88

und wollten Achtung vor dem Gesetz, Gottesfurcht und muthiges Ertra­ gen des vom Schicksal Verhängten

lehren.

Die

Schauspieler

trugen

Charaktermasken, Helden hohe Korksohlen (Kothurn), um groß und er­ haben zu erscheinen, das Publikum saß in der Sonnenhitze mit bloßem Kopfe auf den Sitzen und schaute unverwandt nach der Bühne.

bei machte cs jedoch

oft auch großen Lärm,

Da­

warf Nüsse und Feigen,

pfiff und zischte Dichter und Schauspieler aus, verlieh Meisterdichtern einen Epheukranz

ihn heraus.

oder rief

Komödiendichter stellten die

Thorheit des Volkes, die Fehler der Regierung schonungslos dar, um

bessern Ansichten Eingang zu verschaffen.

Die Frauen hatten in Griechenland eine würdigere Stellung, als im Orient.

Schon zur homerischen Zeit genossen sie größere Achtung

und Freiheit, als dies bei andern Völkern Sitte war.

„Wir sehen sie

in stiller heiterer Thätigkeit, schaffend, ordnend, in den Frauengemächern am Webestuhl die glänzenden Gewänder webend, in der Halle die Die­

ner des Hauses überwachend.

Den eigentlichen Männergeschäften fern,

war die Frau doch die Vertraute, die Freundin des Mannes und mäch­ tig durch liebevollen Rath und Einfluß.

Nicht sklavisch in

glänzende

Gefängnisse gebannt, wie die orientalischen Frauen, nein, in anständiger

Freiheit, von ihren Dienerinnen begleitet, anmuthig in reiche faltige Ge­ wänder gehüllt,

Laune,

durchwandelten sie die Straßen

und zu dem kriegerischen Sinn der

nach, Geschäft

und

hellenischen Helden bildet

die Zartheit und ritterliche Galanterie den Frauen gegenüber einen lieb­ lichen Contrast."

Im Ganzen blieb die Stellung des weiblichen Geschlechts dieselbe bis zum Beginne des Verfalls Griechenlands.

Eine strengere Eingezo­

genheit ergab sich aus dem immer großartiger sich entwickelnden Städte­

leben von

selbst.

„Die Heiligkeit

hoch und werth gehalten.

an Fröhlichkeit,

Kein

der Ehe wurde

öffentliches

bei den Griechen

oder häusliches Fest kam

Würde und Aufwand den Hochzeitsfesten gleich.

Die

Verletzung dieses heiligen Bandes war ein Verbrechen, das man gleich dem Morde bestrafte, und die zweite Ehe so selten,

daß die Männer,

welche sie wagten, in der öffentlichen Meinung viel einbüßten. Oeffcntlich erschienen die Frauen nur bei Volksfesten, Opfern und Schauspie­

len, wo sie mit höchstem Anstaude, ja mit Ehrfurcht behandelt wurden.

Im höchsten Glanze zeigte sich die weibliche Würde bei den Priesterin­ nen; in ungezierter,

zwangloser Heiterkeit

Reigen bei den Opfertänzen."

führten die Jungfrauen den

Die Griechen.

von «Solen

In dem Zeitraum

89

fällt die Blüthezeit

bis PerikleS

Griechenlands mit den ewig denkwürdigen Heldenkämpfen der Grie­ chen gegen die Perser.

Darius,

König von Persien,

beleidigt von den Athenern,

welche

die aufständischen jonischen Griechen Kleinasiens unterstützt hatten, beschloß, daS kleine Bölklein der Athener zu vernichten.

Er sandte eine Flotte

und ein Landheer gegen Griechenland; aber erstere wurde am Vorge­ birge Athos durch Sturm zerstört und das Heer kam in Thracien, nörd­ lich

Griechenland,

von

größtcntheils

um.

größeres

Ein

Heer

von

600,000 Mann mit einer noch größeren Flotte wurde 490 v. Chr. durch 9000 Athener und 1000 Platäer unter MiltiadeS bei Ma­

rathon gänzlich geschlagen.

Die mitgebrachten Ketten, bestimmt, die

Gefangenen zu fesseln, und der weiße Marmorblock, zu einem Denkmal an den mit Gewißheit erwarteten Sieg

wurden

nebst dem Lager und

allen Kostbarkeiten eine Beute der mnthigen Sieger,

größeres Heer

auf;

sechsundfünfzig Völkerschaften

aus

von 1,700,000 Mann zusammen;

Macht

doch

der Nachfolger des Darius,

Xerxcs,

ruhten noch nicht.

mit

raffte er eine Köchen

den Dienern,

und Weibern betrug der Zug an 2^ Million Menschen. des Hellespont musterte LerxeS

die Perser

bot ein noch

seine Heeresmacht.

Am Strande

Als er das ganze

Land, so weit der Blick reichte, mit Truppen und das Meer mit Schif­ Da fragte

fen bedeckt sah, pries er sich glücklich und darauf weinte er.

ihn einer seiner Freunde über die Ursache seiner so plötzlich veränderten Stimmung.

wortete er,

„Denke ich an die Kürze deö menschlichen Lebens", ant­ „so kann ich meine Thränen

allen diesen Menschen wird

sein."

Er ahnte nicht,

nach

nicht

während

eine Flotte

von

v. Chr.). Athenern

Hier

dem

uns

von übrig

setzte die Armee über den

Den

ersten Widerstand fanden

schon bekannten Engpaß

stand der König

zu Hülfe

mehr

eintausendzweihundert Schiffen

längs der griechischen Küsten hinfuhr.

die Perser bei

keiner

daß dazu hundert Jahre nicht erforderlich sein

würden. — In sieben Tagen und Nächten Hellespont,

denn

verbergen;

hundert Jahren

gekommen

unter dreihundert Spartaner.

von Sparta,

war,

Xerxes

daß dieses Häuflein seine Million

mit

aufzuhalten

den

dar­

auf,

als

er hörte,

gedächte

und

sich zum

Er schickte Boten hin mit dem

Befehle, ihm sofort die Waffen auszuliefern. lautete die lakonische Antwort.

der

achttausend Griechen,

lachte laut

Kampfe wie zu einem Feste schmückte.

Thermophlä (480

Leonidas,

„Komm und hole sie!"

Und als den Griechen

gesagt wurde,

der Feinde seien so viel, daß ihre Pfeile die Sonne verfinstern würden, erwiderte ein Spartaner: „desto besser,

so werden wir im Schatten

90

Die Griechen. Nun ließ Lerxes den Paß stürmen,

fechten."

Truppen konnten nicht durchdringen.

aber vergebens;

seine

Erst als ein Verräther (Ephialtes)

einen Perserhaufen über daS Gebirge geführt hatte,

gab Leonidas die

Hoffnung auf, die Feinde zurückznhalten; er entließ die übrigen Kampf­

genossen und weihte sich nebst seinen dreihundert Spartanern dem Tode,

den sie nach der tapfersten Gegenwehr fanden.

Eine Denkfaule mit der

Inschrift: „Fremdling, melde den Lacedämonischen, daß wir hier ruhen,

weil wir die Gesetze des Vaterlandes ehrten," bezeichnete den Ort die­

ses heldenmüthigen Kampfes. Xerxes drang nun verwüstend in Griechenland ein.

Die Athener

begaben sich zufolge eines Ausspruchs des Orakels auf die Schiffe und brachten Weiber und Kinder nach den Inseln Salamis und Aegina und nach

dem Peloponnes.

Mit der

Aber Themistokles

vereinigten Flotte

der Griechen

rettete

sein Vaterland.

er im Jahre 480

lieferte

v. Chr. den Persern die denkwürdige Seeschlacht bei Salamis.

persische Flotte erlitt eine große Niederlage.

Xcrxcs, der

Die

auf einem

hohen Throne saß, und vom Lande der Seeschlacht znschaute, floh, als

er die Zerstreuung seiner Schisse sah, mit solcher Eile, daß er an sein

Landheer gar nicht mehr dachte, alle Kostbarkeiten zurückließ und nicht eher ruhte, als bis er an den Hellespont kam.

Seine Schiffbrücke war

vom Sturm zertrümmert worden, die Angst vor den nachsetzenden Grie­ chen machte ihn kühn; er bestieg einen kleinen Fischerkahn und setzte mit

Lebensgefahr nach Asien über.

Sein großes Heer folgte ihm; aber

Krankheit und Huugersnoth raffte viele Tausende dahin und es blieben nur noch dreimalhunderttausend Mann

Grenze von Griechenland

übrig,

stehen blieben.

die

Diese

nordwärts

brachen

im

an der nächsten

Jahre abermals über Griechenland herein und verwüsteten, waö sie im letzten Jahre noch übrig gelassen hatten. ser hatte sich wieder versammelt und

Neue.

Auch die Kriegsflotte der Per­

bedrohte

das Griechenvolk auf's

Beide Feinde wurden jetzt zu Land und zu Wasser so entschei­

dend geschlagen, daß der stolze Perscrkönig es nie wieder wagte,

die

Griechen in Griechenland anzugreifen.

Der Krieg dauerte noch längere Zeit außerhalb Griechenland fort.

Besonders glücklich kämpfte Kimon,

Miltiadcs Sohn; dieser errang

durch die Schlacht bei Cypern 449 v. Chr., endlich einen höchst ruhm­ vollen Frieden, wodurch die Perser auf alle ihre Besitzungen in Europa verzichten und mußten. Tragisch

auch die Freiheit der

sind

und Themistokles.

die

asiatischen Griechen

letzten Schicksale der

anerkennen

beiden Helden MiltiadeS

Ersterer hatte die Athener zu einem Kriegszuge gc-

91

Die Griechen.

gen eine Insel (Paros) bewogen, der nnglücklich ausfiel, weshalb er zu

fünfzig

Talenten (70,000 Thlr.) Strafe verurtheilt wurde.

Da er

diese Summe nicht bezahlen konnte, so mußte er in'S Gefängniß wan­

dern, wo er an einer Wunde, zu der der Brand getreten war, elend starb. — Themistokles wurde durch das Scherbengericht auf zehn Jahre von Athen verbannt, weil man seinen großen Einfluß auf das Volk fürchtete.

Nach verschiedenen Aufenthaltswechseln kam er endlich nach Susa, wo er von Lerxeö gastfrenndlich ausgenommen wurde und sein Leben beschloß.

Gegen den äußern Feind hatten die Griechen den Kampf glorreich

bestanden.

Kaum aber waren sic desselben entledigt, so regten sich die

noch gefährlicheren inneren Feinde; Herrschsucht und Eifersucht in bisher

nie dagcwesencr Heftigkeit

gegen Griechen in

hetzten Griechen

blutige

Bürgerkriege, in denen ein mächtiger Staat nach dem andern rui-

nirt wurde und endlich ganz Griechenland seinen Untergang fand. Zunächst brach der Kampf zwischen Sparta und Athen aus. Beide suchten sich gegenseitig den Vorrang und die Herrschaft in Griechenland

streitig zu machen.

macht erweiterte, scheelem Blicke an.

Sparta wollte nicht dulden, daß Athen seine See­ und Athen

Zu

sah

diesen

die

wachsende Macht Sparta's mit

Feindseligkeiten

zwischen den Staaten

gesellte sich auch noch innere Zwietracht; im Innern der einzelnen Staa­ ten standen sich auch allenthalben feindliche Parteien gegenüber, die nur

auf eine Gelegenheit warteten, einander zu unterdrücken.

Wo aber der

Geist der Eifersucht, Zwietracht, Selbstsucht, gepaart mit Gewissenlosig­ keit, in ein Volk seinen Einzug hält, da ist es bereits innerlich aufge­ löst und sein Untergang gewiß.

In kurzer Zeit standen zwei feindliche Mächte gerüstet gegeneinan­ Athen hatte sich durch die jonischen Kolonien und die meisten In­

der.

seln verstärkt und es bestand seine Kraft hauptsächlich in seiner See­ macht.

Sparta dagegen hingen mehrere peloponnesische Staaten an und

es setzte seine Hoffnung auf sein tapferes Landheer.

in den griechischen Städten

und die

sympathisirten mit den Athenern

Aristokraten mit den Spartanern. auch

Die Demokraten

Wo die

letzteren siegten,

erlangten

die Aristokraten die Herrschaft und straften die Gegner mit Tod

und Verbannung, und wo die erstem, die Athener, die Oberhand behiel­

ten, kamen die Demokraten an'S Ruder und behandelten ihre Widersacher mit gleicher Härte.

So zerfleischte sich das äußeren Feinde

gegenüber

edle Volk,

seine Freiheit

das

einem

weit überlegenen

und Selbstständigkeit,

seinen

92

Die Griechen.

Wohlstand und seine Kultur 31t schützen verstanden hatte, nunmehr selbst auf eine jämnlerliche Weise.

gen Kriege,

Nach einem siebenundzwanzigjährigen bluti­

nur unterbrochen durch

einen Waffenstillstand,

war das

blühende Athen durch den peloponnesischen Bund für immer zu Gründe gerichtet.

führt dieser

Es

bcklagenswerthe Bürgerkrieg

Namen

den

„peloponnesischer Krieg"; derselbe dauerte von 431—404.

So lange der als Redner, Gesetzgeber und Feldherr gleich aus­ gezeichnete PcrikleS das Staatsruder führte, erfreute sich Athen noch

eines Mannes, der ein Herz für das Vaterland besaß. Tode (er starb

im dritten Jahre

aber kamen unbesonnene

leichtfertige Männer

nnd

Nach seinem

des Krieges an der Pest in Athen)

Staates, die meist nur sich selbst im Auge

an die Spitze des

hatten und den Untergang

desselben beschleunigten.

Am augenfälligsten spricht sich das leichtfertige Wesen der dama­ ligen Zeit in Griechenland in

Schwestersöhne

des

Perikles

dem Athener Alkibiades ans,

und

seiner Jugend hatte er sich durch

bemerklich gemacht. hieb

ganz Athen sprach

er

dem Hunde

Athener aufs Neue Etwas

von ihm und seinem Hunde.

den Schwanz ab,

über ihn zu

vor Schlechtigkeiten scheute er sich nicht.

durch ein

leichtfertige tolle Streiche

So kaufte er einst einen sehr schönen Hund für

fünfhundert Thaler;

Bald darauf

allerhand

einem

Schon in

Schüler des Sokrates.

lüderliches Leben,

sprechen

nur,

hätten.

damit die Aber auch

Seine Gemahlin kränkte er

so daß sie vor Gram starb.

Die Gnnst

des Volkes dagegen suchte sich der reiche junge Mann durch Geldspen­ den,

Festlichkeiten und Verschwendung zu

erwerben.

Es

ihm

gelang

dies um so mehr, als er gut zu reden verstand, und sich nicht scheute dem Volk auf die unverschämteste Weise zu schmeicheln.

Dabei hatte

er nichts weiter im Sinne, als geehrt zu sein, und überhaupt das Le­ ben recht zu genießen.

Ein solcher Mann hatte Athens und abwechselnd

auch Sparta's Geschick in seiner Hand.

Denn da er Thorheiten und

Schlechtigkeiten nicht lassen konnte, mußte er zum öfter» flüchtig werden, und suchte dann da anzukommen, wo er seinen Vortheil zu finden glaubte,

unbekümmert darum,

ob er Vaterland

oder Freunde

verrieth.

Sein

Ende fand dieser begabte, aber sittenlose Mann in der Verbannung in

Kleinasien, wo er eines gewaltsamen Todes durch die Perser starb.

Die Griechen.

Nachdem Athen

von

93

der Höhe seiner Macht gestürzt, sein Glanz

und seine Herrlichkeit dahin war, kam auch Sparta an die Reihe.

Und

zwar war es der griechische Staat Theben, der dem Staate Sparta nach einem achtjährigen Vernichtungskampfe (von 379—371) ein Ende

machte.

Sparta ließ nämlich,

es

nachdem

über Athen

als dies Athen selbst

Gewalt die kleineren Verbündeten härter fühlen,

Auch war die alte

in den Zeiten seiner größten Macht gethan hatte.

spartanische Sittencinfalt längst gewichen.

seine

gesiegt,

Der große, durch die Kriege

in das Land gekommene Reichthum erzeugte sein

ganzes

gewöhnliches

Gefolge von Lastern, und Bestechung hatte aufgehört, für ehrlos zu gel­

ten, da die ersten und vornehmsten Männer des Staats schuldig machten.

sich derselben

Im Uebermuthe begannen die Spartaner den Kampf

mit Theben, das ihnen gefährlich zu werden drohte.

In der Schlacht

bei L euktra, 371, wurde jedoch ihre Macht durch das herrliche Freundes­ paar Pelopidas und Epaminondas vernichtet.

An diesen Helden ist es auch recht offenbar worden, wie einzelne größere Männer die Kraft und

der Segen

eines

durch sie stieg Theben, mit ihrem Tode fiel es.

ganzen Volkes sind;

Epaminondas stammte

aus einer armen edlen Familie, hatte sich aber viele Kenntnisse erwor­

ben und besaß ein edles Herz.

Dies erwarb ihm allgemeine Achtung,

besonders aber auch die Freundschaft des Pelopidas.

Dieser hätte gern

seinen Reichthum mit ihm getheilt; aber nie war er zu bewegen, auch nur daS Geringste anzunehmen,

so

drückend

auch oft seine Lage war.

Man möchte ihm einen hohen oder niederen Posten anweiscn, er ver­

waltete einen wie den andern mit der

größten Gewissenhaftigkeit;

gemeinem Ehrgeiz wußte seine erhabene Seele Nichts.

von

Sein Grundsatz

war, der Mann müsse seinem Amte Ehre machen, nicht aber das Amt

dem Manne.

Einem persischen Gesandten, der mit Säcken Goldes zu

ihm kam, um ihn zu bestechen,

gab er zur Antwort:

„Mein Freund,

wenn die Absichten deines Königs dem Vaterlande Vortheilhaft sind, so

bedarf es deines Goldes nicht; sind sie ihm aber schädlich, so wird dein

Gold mich nicht zum Verräther meines Vaterlandes machen. verlaß sogleich die Stadt, damit du nicht andere verführest."

Du aber

Als er

in der Folge das Heer anführte, erfuhr er, daß sein Waffenträger einem

Gefangenen für Geld die Freiheit gegeben habe. zurück", sagte er unwillig zu diesem.

fleckt hat,

kannst du nicht

„Gib mir meinem Schild

„Seitdem Geld deine Hände be­

länger in Gefahren

mein Begleiter sein!"

In der Schlacht bei Leuktra befehligte dieser biedere Mann die Thebaner.

Sein Freund Pelopidas führte eine besondere Abtheilung thebani-

scher Jünglinge, die heilige Schaar genannt; diese hatten sich durch

94

Die Griechen.

einen feierlichen Eid verbunden, zu siegen oder zu sterben,

stellte CpaininondaS sein Häuflein

die

gegen

i^ustervoll

überlegenen Feinde

auf.

Um nicht von der größeren Anzahl überflügelt zu werden, ließ er eö in einer schrägen,

keilförmigen Richtung

Schlachtordnung wird der Feind auf angegriffen und doch

kann er

keine

vorrücken.

Durch

einem Punkte mit großen Heermassen

diese

schräge

aller Gewalt wirken lassen.

So durchbrach der thcbanische Keil die spartanischen Schlachtreihen; der

königliche Feldherr der Spartaner

die Schaaren seiner Getreuen.

niedergehauen und mit ihm

wurde

Durch diesen herrlichen Sieg wurden

die Thebaner auf einmal das größte

und

angesehenste Volk in Grie­

chenland.

Aber lange erfreute sich auch Theben seiner Größe nicht.

Es sank

überhaupt von jetzt ab die Kraft der griechischen Staaten immer tiefer und tiefer.

In eine Menge kleiner Republiken zersplittert, welche keinen

innerlichen Zusammenhang als Haltepunkt besaßen, glich das Land einem zerrissenen Körper,

und wurde so mit leichter Mühe die Beute seines

mächtigen Nachbars, des Königreiches Makedonien.

Werfen wir schließlich noch einen Blick auf die Kultur der Grie­ chen,

namentlich

auf die Leistungen derselben

in Wissenschaft und

Kunst. Unter den Denkern

(Philosophen) Griechenlands ragen besonders

Pythagoras, Sokrates, Plato und Aristoteles hervor.

Philo­

sophen d. h. Freunde der Weisheit sind Männer, welche über das Wesen,

die Bestimmung, den Grund der Dinge nachdenken; der Trieb nach Er­ kenntniß, der Trieb nach Wahrheit ist die Mutter der Philosophie.

Die

Philosophen bilden in gewisser Hinsicht einen Gegensatz zu den Priestern, welche den Gottglauben in der..Weise schützen und pflegen, wie er ihnen

gelehrt und übermacht worden ist; unabhängig

von

denn

sie nehmen sich die Freiheit,

der Religion der Priester zu

denken und zu lehren.

Da jeder Mensch seinen eigenthümlichen Gedankengang hat,

so ist es

natürlich, daß auch verschiedene philosophische Ansichten zu Tage kom­ men, die alle ihre Anhänger

finden;

diese

zusammengenommen bilden

eine philosophische Secte oder Schule.

ES kann nicht unsere Absicht sein, die verschiedenen philosophischen

Schulen unter den Griechen näher, kennen zu lernen, aber mit einigen

charakteristischen Lehren derselben wollen wir uns dennoch bekannt machen, weil sie beweisen, bis zu welcher Höhe sittlicherWeltanschauung sich das Grie­ chenvolk in seinen edelsten Gliedern erhoben hat, wie nahe die griechische

Die Grieche».

95

WeltweiShcit an das Christenthum gränzte, dadurch auf dieses vorberei­ tete und zu dessen Verbreitung wesentlich beitrug.

Die pythagoräische Schule erkannte die Einheit Gottes. Die erste Regel des Bundes, welcher die Schüler des Meisters verband, war die

Reinheit des Körpers und der Seele und die strengste Mäßigkeit.

Selbst

ihre Kleidung, aus blendend Weiße Linnen bestehend, mußte als äußeres Symbol derselben dienen.

Die Eingeweihten wohnten in einem Hause

beisammen, in welchem die höchste Ordnung und Stille herrschte.

„Bist du deg Morgens erwacht vom erquickenden Schlaf, so bedenke Alsobald und mit Ernst daS, was du zu thun hast des Tages." Und am Abend heißt cs:

„Eher schließe dir nicht der Schlaf die sinkenden Augen, BIS du dreimal durchdacht hast all' deine Werke des TageS;

Eher nicht, bis du gefragt, wie weit du heute gekonnnen,

Was bis gethan und was du Göttliches noch unterlassen!" Musik war den Pythagoräcrn heilig; ebenso daS-Gebot der Freund­ schaft. Sonst glaubten sie an eine Wanderung der menschlichen Seele durch verschiedene Körper, wie die Aegypter. — Pythagoras selbst war auch

ein vorzüglicher Mathematiker.

Von ihm rührt der wichtige pythago­

In einem rechtwinklichen Dreieck ist das Quadrat

räische Lehrsatz her:

der Hypothenuse eben so groß, wie die beiden Kathetenquadrate zusammengenommen, über deren Auffindung er eine so große Freude hatte,daß erdenGöt-

tern eine Hekatombe d. i. ein Opfer von hundert Stieren, darbrachte. SokrateS, ein Athener, der um 400 v. Chr. lebte, ist vielleicht

der größte griechische Weltweise.

Schon frühzeitig lernte er einsehen,

daß eS höhere Güter gäbe, als irdischen Glanz und sinnliches Vergnü­ gen, und er wandte sich daher den Ursprung der Welt, Seele zu.

Durch

das Wesen

tiefsinnigen Forschungen

der Gottheit,

ernstes Nachdenken bildete

und

über

den

der

menschlichen

sich in ihm

der Glaube

an einen Gott, an die Unsterblichkeit der Seele und an eine Verge­ bung nach dem Tode.

wandel und

Dabei forderte er einen streng sittlichen Lebens­

strebte darnach,

besten ersehen wir dies aus

seine Mitbürger sittlich zu heben. seinen

eigenen Worten,

Am

deren wir einige

anführen wollen.

„Von dem, was die Seele in diesem Leben weiß und vermag, ist das Höchste die Erkenntniß unser Dasein verdanken.

und die Anbetung

der Gottheit,

der wir

Wie wir unsere eigenen und fremden Seelen nicht

sehen, wohl aber ihr Dasein an ihren Wirkungen wahrnehmen, so kön­ nen ivir Gott nicht mit den leiblichen Augen sehen, wohl aber ihn aus

seinen Worten erkennen.

96

Die Griechen.

„Wenn man zu den Göttern betet, soll man ihnen nicht vorschrei­ ben, waS man wünsche, sondern sie nur um das Gute bitten; die Göt­ ter wissen am besten, WaS uns gut ist.

Auch kommt es bei den Opfern

nicht auf die Kostbarkeit derselben, sondern auf die Gesinnung allein an, mit der wir das Opfer darbringen; der beste Gottesdienst ist aber ein

frommer und rechtschaffener Lebenswandel."

„Wenn schon der Leib ein bewunderungswürdiges Werk Gottes ist,

Ivie vielmehr müssen wir über die Seele staunen, welcher der Leib als Wohnung daher,

Sie

dient!

wie Alles,

setzt den Leib in Bewegung und der Leib ist

was durch eine andere Kraft in Bewegung gesetzt

werden muß, endlich und vergänglich.

Die Seele aber, die sich durch

eigene Kraft bewegt und den Grund ihres Lebens d. h. ihrer Thätigkeit

in sich trägt, wird auch nie aufhören, sich zu bewegen, wird unsterblich

fortleben und ewig sein."

„In diesem Leben ist zwar^die Erkenntniß der Seele schwach, denn sie wird beständig von dem Leibe, mit dem sie enge verbunden ist, zur

Erde herabgezogen und kann das volle göttliche Licht der Wahrheit gar nicht vertragen.

Wenn wir aber einmal frei von den Fesseln dieser Hülle

emporschweben,

dann werden wir das Licht und die Wahrheit selbst

schauen und das gegenwärtige Leben wird uns in der Erinnerung als

ein dunkler Zustand erscheinen, in den wir unS niemals wiederzukehren wünschen." „In jedem einzelnen Menschen wohnt ein doppelter Wille:

vernünftiger und ein sinnlicher.

ein

Diese sich entgegengesetzten Willens­

kräfte streiten beständig miteinander; wo nun in einer Menschenseele die

Vernünftigkeit den Sieg davon trägt, da entsteht diejenige vernunftge­ mäße Lebensweise, die wir Tugend nennen.

Um aber dem vernünftigen

Willen diesen Sieg zu verschaffen, brauchen wir Einsicht und Wissen

d. h. nicht Gelehrsamkeit, sondern ein Wissen, welches Jedem zu seinem

besonderen Berufe und zum Heil unserer Seele nothwendig ist.

Die

meisten Menschen aber leben wie im Traume, so daß sie nicht wissen,

waS sie thun; sie fassen nur gewisse Meinungen, und kommen nicht bis zur vernünftigen Einsicht. Darum giebt es zweierlei Menschen: sinn­ liche und vernünftige. Jene galten sich nur an die sinnlichen Güter des

Lebens; weil aber diese nicht von uns selbst abhängen,

sondern uns

genommen werden können, und, wie alles Sinnliche, vergänglich sind, so kann ihre Glückseligkeit nicht dauerhaft sein; die Vernünftigen hinge­ gen streben nach Tugend und Wahrheit, die sich jeder Mensch erwerben kann, die, einmal erworben,

nicht wieder verloren gehen, und darum

haben sie das wahre und höchste Gut erwählt.

Die Griechen.

97

Von solchen Ansichten und Grundsätzen ward daS Leben des So­ krates getragen.

Er bildete nicht, wie die Philosophen nach ihm, eine

abgesonderte Schule,

oder

einen geschlossenen Kreis

von Jünglingen,

sondern suchte sich vielmehr allen seinen Mitbürgern durch gelegentliche populäre und anziehende Unterredungen zu nützen.

So besuchte er die

Werkstätten der Handwerker und fing mit jedem ein Gespräch an, um ihn zur Selbsterkenntniß zu bringen, falsche Begriffe zu verbessern, Tu­

gend und Wahrheit zu lehren,

und Selbstüberschätzung zu beschämen.

Wie vortrefflich er es verstand, „Menschen zu fangen", lehren folgende Beispiele.

Sokrates wünschte den Lenophon, einen schönen Jüngling von vor­ trefflichen Geistesgaben, in seinen Umgang zu ziehen.

Jüngling blieb stehen.

Einst begegnete

einen Stock vor.

er ihm in einer engen Gasse und hielt ihm

Der

„Sage mir doch," begann Sokrates, „wo kauft

man Mehl?" — „Auf dem Markte," war die Antwort. — „Und Oel?" — „Ebenda." — „Aber wo geht man hin, weise und gut zu werden?"

— Der Jüngling

„Folge mir,"

schwieg

sprach der Weise,

und

eine

Antwort.

„ich will es dir sagen!"

Seitdem

sann auf

schlossen die Beiden eine innige Freundschaft und Xenophon ward ein Mann,

der sich nachmals nicht nur

sondern auch

durch Tugend

als Feldherr und Schriftsteller,

und Frömmigkeit bei seinen Zeitgenossen

und bei der Nachwelt in hohe Achtung setzte. Auf die leichteste und einfachste Weise verstand es der weise Mann,

auch die Wahrheit seinen Schülern

So be­

einleuchtend zu machen.

lehrte er den jungen Alkibiades, als dieser große Schüchternheit verrieth, künftig vor dem Volke als Redner aufzutreten, folgender Art:

„Wür­

dest du dich wohl fürchten, vor einem Schuster zu reden?" — „O nein!" — „Oder könnte dich ein Kupferschmied verlegen machen?" — „Ge­ wiß nicht!" — „Aber vor einem Kaufmann würdest Du erschrecken?"

— „Eben so wenig!" — „Nun siehe" — fuhr er fort — „aus sol­ chen Leuten besteht das ganze athenische Volk.

Du fürchtest die Ein­

zelnen nicht, warum wolltest du sie versammelt fürchten?"

Seinen Unterricht gab Sokrates

stets

unentgeltlich.

Der junge

Aeschines wünschte sehr, ein Schüler des Sokrates zu werden, scheute sich aber, zu ihm zu gehen, weil er arm war.

Wunsch merkte, fragte ihn:

Sokrates,

der seinen

„Warum scheuest du dich vor mir?" —

„Weil ich nichts habe, das ich dir geben könnte!" — „Ei," erwiderte

Sokrates, „schätzest du dich selbst so gering?

Giebst du mir nicht sehr

viel, wenn dn dich selbst mir giebst?"

Aus dem vorhin Mitgetheilten geht zur Genüge hervor, daß SoKutzner Geschichte. I. 7

Die Griechen.

98

kratcs über die Vorstellungen der griechischen Götterwelt weit hinausgeschritten war.

So sehr er und seine Schüler aber auch den Glauben

des Volks schonten, konnte er doch dem Volkshasse nicht entgehen.

wurde als Verächter der Götter angeklagt und

Er

von den Richtern zum

Seine Freunde

konnten sich gar

nicht in das Schicksal ihres geliebten Lehrers finden.

Einer derselben

Trinken des Giftbechers verurtheilt.

hatte daher den Gefängnißwärter gewonnen und dieser ließ des Abends

Für einen sichern Aufenthalt

die Thür des Gefängnisses unverschlossen.

und ein ehrenvolles Leben war bereits gesorgt; Thessalien war das Ziel einer gefahrlosen Flucht.

Als aber Kriton

znm Sokrates

eintrat und

mit aller Beredsamkeit ihn zur Flucht ermunterte, antwortete der Weise: „Lieber Kriton, sind wir nicht einverstanden, daß man in keinem Falle

Haben wir nicht das für wahr er­

Unrecht mit Unrecht vergelten soll?

kannt, daß die erste Bürgerpflicht darin bestehe, den Gesetzen zu gehor­ Ich habe so lange unter den Gesetzen meiner Vaterstadt gelebt

chen?

und ihre Wohlthaten genossen, warum sollte ich jetzt, da einige Menschen

sie zu meinem Verderben mißbrauchen, mich ihnen entziehen?" Als er von seinem Weibe und seinen drei Kindern Abschied genom­ men hatte, neigte sich die Sonne zum Untergange, und der Gerichts­

diener trat zu ihm in's Gefängniß, den vollen Giftbecher in der Hand. „Sage mir doch, wie habe ich mich zu verhalten?" fragte er den Die­

„Du mußt" — erwiderte dieser — „nach dem Trinken auf- und

ner.

abgehen,

dann legst du dich nieder."

bis dich eine Müdigkeit befällt;

Und mit heiterer Miene nahm Sokrates den Becher, betete noch zu den Göttern, setzte ihn an den Mund und leerte ihn in einem Zuge.

fingen seine Freunde laut zu weinen an.

„Still doch!" sagte Sokrates,

„darum habe ich die Weiber fortgeschickt."

dann legte er sich nieder.

Das Gift fing

wurden schon kalt und die Glieder steif. seine Jünger umher.

Plötzlich

Da

Jetzt ging er auf und ab, an zu

wirken,

seine Füße

In trauriger Stille standen

schlug er seine Augen auf und sprach:

„Ich bin gewesen, nun opfert dem Aeskulap*) ein Dankopfer!"

Nach

diesen Worten verschied er. So

starb der

edle Sokrates

unschuldig im Jahre 399 v. Chr.

Erst nach seinem Tode sahen die Athener ihr Unrecht ein und da reucte

es sie.

Aber die Reue kam zu spät.

Antisthenes,

ein Schüler des Sokrates, baute den Satz seines

Meisters: „Nichts bedürfen ist göttlich, und wer am Wenigsten bedarf,

•)

Die Griechen pflegten dem AeSkulap, dem Schutzgott der ^Aerzte, nach glück­

lich überstandener Krankheit einen Hahn zu opfern.

99

Die Griechen.

steht der Gottheit am nächsten," weiter aus.

Zeno (um 300) vervoll­

kommnete diese Lehre noch weiter und wurde der Stifter der stoischen Schule (Stoa, ein Säulengang in Athen), welche die Tugend für das

einzige Gut erklärte, wissenheit und Laster.

kein Uebel zu kennen behauptete,

und

Gleichgültigkeit gegen die Wechselfälle des Lebens

pflichten der Stoiker.

als Un­

Naturgemäßes Leben, strenge Tugendübung und

waren die Haupt­

Die größten Männer des Alterthums bekannten

sich zu dieser erhabenen Sekte. Plato, der um 386 v. Chr. Geb. lebte,

Sokrates fortzupflauzcn.

Er

sittliche Wahrheit mit der

die

erfaßte

des

suchte die Lehre

Phantasie und dem Gefühl, lehrte und verfolgte Ideale (Hochbilder) und

gelangte dadurch nicht selten zu einer Schwärmerei, wodurch sein Name noch heutigen Tages sprichwörtlich gebraucht wird, wenn man Etwas

bezeichnen will, was sich aus dem Kreise der Wirklichkeit in das Ge­

dachte,

Ueberschwengliche

verliert.

Wie Sokrates glaubte Plato

au

einen Gott. „Dieser einzige Gott," sagte er, „hat den Stoff, aus dem alles Sichtbare besteht

und

der

vor dem Anfänge

aller Dinge im wüsten

Chaos durcheinander wogte, zur Welt gemacht, indem er in die Mitte

des gesammten Stoffes eine denkende Seele, die Weltseele, setzte, welche

von dem Mittelpunkte aus nach allen Seiten wirkt.

Außer den Göt­

tern erschuf der einzige Gott auch Menschenseelen von demselben Stoffe, wie die Weltseele ihn hat, und bekleidete sie mit irdischen Leibern, so

daß Sterbliches und Unsterbliches in einem Wesen vereinigt ist.

Aber

diese Menschenseele besteht aus zwei Theilen, dem reingeistigen und dem

sinnlichen Vermögen; jenes folgt der Vernunft, dieses der Begierde und Empfindung,

und unsre Aufgabe im irdischen Leben ist eö,

daß die

Vernunft in uns herrscht und die Sinnlichkeit ihr dient." Wie Sokrates lehrte er,

Philosophie die Veredlung

daß der

wahre und höchste Zweck der

des Menschen sei.

Er versammelte

seine

Zuhörer in einem Landgute bei Athen, das nach dem früheren Eigen­ thümer desselben, AkademoS, die Akademie hieß.

In unserer Zeit be­

zeichnet man in Beziehung hierauf die Studien

auf den Universitäten

mit dem Namen akademische Studien; auch nennt man gewisse höhere

Lehr-, namentlich Kunstanstalten, Akademien. Aristoteles (um 350) war ein Zeitgenosse Md Lehrer Alexan­

ders des Großen.

Bald nach Alexanders Geburt schrieb

sein Vater

Philipp an Aristoteles einen Brief, der uns am besten das Ansehn er­

messen läßt, welches dieser Weise genoß. donien dem Aristoteles seinen Gruß.

„König Philipp von Make­

Wisse, daß mir ein Sohn gebo7*

100 ren worden.

gegeben,

Ich danke den Göttern,

daß

als

werden lassen.

sie ihn

zur Zeit

daß sie mir ihn

sowohl,

nicht

Aristoteles

des

haben

geboren

Ich hoffe, du werdest einen König aus ihm bilden, wür­

dig mir zu folgen und den Makedoniern zu gebieten." — Dieser Den­ ker war fast in allen Wissenschaften zu Hause und schuf daher geord­

Besonders lag er der Staats- und Naturwissenschaft

nete Lehrgebäude. ob.

In letzterem Gebiete lehrte er unter Anderem:

„Es giebt drei

Arten von Stoffen: beweglich-vergängliche, wie die Thiere; beweglich­ ewige, wie der Himmel; und unbeweglich-ewige.

Diese letztern, an sich

unbeweglich und unvergänglich, sind die Quelle und der Ursprung aller ihnen muß es ein erstes, sich immer gleiches Wesen

Unter

Bewegung.

geben, das da wirkt, bedürfen.

Alles,

ohne zu

was ist,

Einsicht — Gott.

seinem Wirken eines andern Wesens zu

kommt von ihm,

Dieses Wesen,

glücklich

es ist die

vollkommenste

durch sich selbst,

regiert

unmittelbar nur den Himmel, den sich Aristoteles von vollkommener und

göttlicherer Art dachte,

als die

übrigen Körper.

Die Sterne,

gleich

dem Himmel, Wesen von höherer Art, aber von gröberem Stoffe, wer­

den von andern körperlosen Substanzen bewegt, die der Volksglaube als Götter verehrt und wider

ihre Natur mit Körpern

umkleidet."

Im

Mittelpunkt des Himmels steht die Erde, rund und unbeweglich. Seine

Vorträge hielt Aristoteles im Haine des Gymnasiums Lyceum in Athen.

Daher kommt es, daß man manchen höhern Lehranstalten den Namen Lyceum gegeben hat.*)

Wie in der Philosophie, so haben die Griechen auch in der Ge­ schichtschreibung Großes

geleistet.

Vor allen ragt Herodot (nm

440 v. Chr.) hervor, der „Vater der Geschichte."

Als

derselbe einst

auf dem großen Nationalfeste in Olympia seine Bücher, den Sieg der Griechen über die Perser schildernd, vortrug, da vergoß ein edler Jüng­

ling heiße Thränen und sein Genlüth

entflammte zu

die Geschichten seines Vaterlandes zu schreiben.

dem Entschlüsse,

Es war Thukydides.

Er beschrieb den peloponnesischen Krieg, dessen Augenzeuge er war, in einer bis heut noch als Muster geltenden Weise.

beginnt erst

*)

die

von Sagen und Fabeln

Mit diesem Manne

gereinigte wahre Geschichte.

Andere Philosophen kamen im Gegensatz zu den vorgenannten auf gefährliche

Irrthümer.

So erklärte Aristipp, ein Schüler des Sokrates, das Vergnügen für

das letzte Ziel des menschlichen Lebens.

Epi kur (270 v. Chr.) meinte, die sinnliche

Lust sei der Zweck alles Leben», und damit keine höhere Gewalt mehr schrecke, lehrte er, c» gebe keinen Gott, Alle» sei nur Werk de» Zufalls; durch einen zufälligen Zusamnienstvß von Atomen sei die Welt entstanden, die menschliche Seele zerstiebe bei dem Tode

durch Wiederauflösung in diese Atome.

101

Die Griechen.

Nicht minder berühmt ist der schon genannte -kenophon, der sich be­

sonders durch einen musterhaften Vortrag auszeichnete. Der Trieb, das Schöne darzustcllen, gebar die Kunst, die int Alter­

thum ihre edelsten Blüthen ebenfalls in Griechenland fand.

Die Kunst ist

nach den Mitteln, deren sich die schaffende Phantasie zur Darstellung

des Schönen bedient,

verschiedener Art;

bedient sie

sich des Steines

oder Holzes, die sie nach Urbildern der Schönheit umgestaltet und zu­ sammenfügt,

so tritt sie als Baukunst (Architektur) und

hauerkunst (Sculptur) auf;

bedient sie sich

als Bild­

der Linien und Farben,

so erscheint sie als Zeichenkunst und Malerei; bedient sie sich der Töne,

so

schafft sie Musik,

ist

und

die Sprache das Mittel ihrer

Darstellung, so entsteht die Dichtkunst (Poesie).

Man unterscheidet

demnach b i l d e n d e K ü n st e (Architektur, Plastik, Malerei), T o n k u n st (Ge­

sang und Musik) und redende Künste (Dichtung und Schauspiel).

In allen diesen Zweigen der Kunst finden wir Meister unter den

Griechen.

Die Baukunst wurde zwar schon bei allen alten Völkern

gepflegt, sand aber nirgends die Vollendung, wie in Griechenland.

bylonier,

Perser,

Aegypter

Fürsten prächtige Wohnsitze,

bauten auch

Ba­

ihren Göttern Tempel und ihren

wendete

man

meistens Säulen bei

den Bauten an; aber es fehlte diesen die Schönheit der Form, die aus einer zweckmäßigen Zusammensetzung aller Theile, aus einem richtigen

Verhältnisse dieser Theile, aus der Genauigkeit der Bearbeitung und aus der schicklichen Anbringung der Verzierungen entsteht.

Dieses zu ent­

decken, war den Griechen Vorbehalten, welche nach und nach hierin die größte Vollkommenheit erreichten und ihren Säulen die schönsten Fornteir gaben, die nachher durch keine Andern übertroffen wurden, und die noch bis jetzt bei allen gebildeten Völkern angenommen und nachgeahmt

werden.

Da eö bei der republikanischen Einfachheit der Griechen keine Pa­

läste gab, so zeichnet sich ihre Architektur besonders durch den Tempelbau aus, von dem alle übrige öffentliche Gebäude, als Theater, Gym­

nasien,

Akademien,

Gallerien. rc. ihre Formen

entlehnten.

chische Tempel ist aber wesentlich ein Säulenhaus.

tigen,

aus

großen Steinblöcken fest und

Der grie­

Auf einem mäch­

sorgfältig gefügten Unterbaue

von drei oder mehreren Stufen thront der Tempel als Rechteck, dessen

längere Seiten etwa das Doppelte der schmälern messen.

Ist er schon

seiner Lage nach abgeschieden von gemeinen Umgebungen, so heben ihn

die mächtigen Stufenschichten noch mehr

über

das

laute Treiben des

Tages empor und trage,: ihn dem Himmel entgegen, gleich wie ein hei­

liges Weihgeschenk.

Ringsum oder bloß vorn oder an beiden Schmal-

102

Die Griechen.

feiten bezeichnet

die

die Bedeutung

Säulenreihe

des Tempels.

Sie

stützt das aus mächtigen Steinblöcken zusammengesetzte Gebälk, und durch

dieses das steinerne Giebeldach mit seinen Bildwerken.

Säulenhalle wird aus Steinbalkev gebildet,

Die Decke der

welche einerseits auf dem

Gebälk der Säulen, andererseits auf der Mauer des Tempelhauses auf­ liegen.

Die Zwischenfelder sind mit dünnen, steinernen Platten ausge­ dagegen ist in der Mitte

Fenster finden sich im Tempel nicht;

füllt.

der vordem Flügelseite eine mächtige von Säulen nicht verdeckte Flügel­ thür.

Im finstern Tempelraum steht das Götterbild, heiliges Geräth rc.

Dieses Heiligste des Tempels ist demnach eben nicht ausgezeichnet: eine

kahle, nackte Mauermasse ohne Oeffnung, Unterbrechung und Verzierung.

Um so schöner ist die Säulenhalle um den Tempel. Eine Säule besteht

(Stamm) und Kapital.

aus

drei Theilen, Basis (Fuß), Schaft

Das Gebälk besteht aus dem Architrav,

das sind mächtige Steinbalken,

die

von einer Kapitalmitte zur andern

reichen und die Säulenreihe zu einem Ganzen verbinden.

chitrav

Auf dem Ar­

ruht der Fries, dessen Vorderfläche mit Bildwerken in Relief

geschmückt ist.

Dieser trägt nach außen die weit vortretende Platte des

Hauptgesimses, nach innen die Steinbalken der Hallendecke.

Das Ge­

sims, welches auf den Langseiten die horizontale Dachtraufe bildet, steigt

an den Schmalseiten

giebelartig

auf und

schließt ein dreieckiges Feld

ein, in welches Bildsäulen gestellt sind. Der griechische Säulenbau schreibt sich offenbar aus der Holzbau­

kunst her, die man später mit dem Steinbau, vorzugsweise aus Mar­ mor, vertauschte.

Aus

dem

Baumstamme

entstand

Den Gedanken zum Kapital gab der obere Theil

der Säulenschaft. des Baumstammes,

der da, wo die abgehauenen Aeste gestanden und sich auszubreiten an­ gefangen hatten, dicker und ausgeschwollener war, als unmittelbar dar­

unter.

Die Basis fand ihren Ursprung in dem untern dickern Theile

des Baumstammes,

und die Plinte (Tafel),

worauf man die Säule

häufig stellte, war ursprünglich ein dem Stamme untergelegter Stein.

Obschon die Grundform des Tempels feststehend ist,

so

bestehen

dennoch Abweichungen im Einzelnen, namentlich in dem Bau der Säu­

lenhallen.

Man nimmt danach einen dorischen und einen jonischen

Styl an, aus denen dann als eine Ableitung die korinthische Form hervorging.*)

Ernst, würdig und feierlich, wie der Charakter der Dorer, ist das

Wesen des dorischen Styls.

*) Hierher die Abbildung. —

In dichtgedrängten Reihen steigen vom

Die Griechen. Unterbau zum Architrav

103

mächtige Säulen ohne Basis und mit run­

dem kannelirtcn Schafte (von zwanzig flachen Vertiefungen, die in schar­

fer Kante aneinanderstoßen)

kühn in die Höhe.

Der Schaft schwillt

um ein Geringes an, und verjüngt sich dann wieder allmählig.

Das

Kapital besteht aus einem Wulst (Echinus) mit darüber liegender vier­ eckiger Platte (Abakus).

Auf dieser Platte ruht der Architrav.

Der

Fries ist durch viereckige kannelirte Steinplatten (Triglyphen) mit Tropfen darunter

Im dorischen Styl ließ

und durch Skulpturen geschmückt.

Perikles die Propyläen zu Athen (das Sänlenthor zur Akropolis d. i. Burg)

bauen;

das

Thor

Brandenburger

Berlin

in

ist

eine

kleine

Nachahmung davon. Die jonische Säulenart zeichnet Leichtigkeit aus.

stehend,

besitzen

Die

Säule»,

eine Basis,

in

der

durch

sich

mehr Feinheit und

Abstande

weiterem

von

einander

kannelirte Schaft ist von leichterer,

schlankerer Gestalt mit leiserer Anschwellung und mäßigerer Verjüngung.

Zwischen den

ausgchöhlten Kanülen

ist

ein

breiterer Steg

Am Kapital stellt sich der Wulst als Eierstab

dar

gelassen.

und die Platte ge­

staltet sich zu beiden Seiten in Schnecken (Voluten), die sich spiralför­

mig zusammenziehen und zuletzt in einem Auge enden.

Der FrieS ist

mit Skulpturen geschmückt ohne Triglyphen. Der korinthische Styl ist eine Abart und Mischung des dori­ schen und jonischen.

Die korinthische Säule ist am schlankesten und vor­

zugsweise durch das Kapital charakterisirt, an welchem sich eine freiere,

reichere,

pflanzenartige Gestaltung

zeigt.

Ein

von Bärenklanblättern

umstandener Block mag die Idee zu diesem prächtigen Kapital gegeben

haben.

Acht Blätter dieses Gewächses (Akanthusblätter genannt) bilden

den untersten Kreis; aus ihren Zwischenräumen erhebt sich eine zweite

ähnlich gestaltete, aber höhere Blattreihe.

Zwischen den obern Blättern

steigt je ein Blumenstengel auf, welcher, von zarten Deckblättern einge­ faßt, sich theilt, um mit dem einen, schwächer» Stengel, sich nach der

Mitte der Platte (Abakus) emporzuwinden, während der andere zu einer kräftigen Volute (Schnecke) anschwillt.

So treffen auf den Ecken stets

je zwei Voluten der benachbarten Kapitalseiten zusammen, wodurch der Uebergang aus dem Runden in's Viereck vollkommen wird.

Wie viel vollkommener sind nicht die griechischen Bauten gegen die

der andern Völker des Alterthums!

Unterirdisch, in harte Felsengebirge

sich meilenweit hincinbohrend, bauten, wie wir später noch ausführlicher

hören werden, die alten Indier ihre Grottentempel mit niedrigen Säu­ len, deren Schäfte ausgeschweift sind; über die Erde hinaufragend schu­

fen sie die Außenseite von Felsriesen

zu

architektonischen Denkmälern

104

Die Griechen.

um, oder legten auch eigentliche Gebäude, Pagoden, in Pyramidenform

an, wodurch Gewölbe und Säulen ausgeschlossen wurden.

Thurmhohe

Königsburgen, auf der Grundlage weiter Bodenflächen und pyramiden­

ähnlich,

in vielen Stockwerken sich zuspitzend,

daß auf der

jedoch so,

obersten Fläche die umfangreiche Hofburg mit Nebengebäuden, Gärten immer noch hinreichend Platz hatte, führten die Babylonier in die Luft.

Umgekehrt dehnten die alten Aegypter ihre heiligen Bauwerke ganz in

die Breite auf gerader Ebene aus, so daß ein Hofraum, ein Säulen­ saal immer neben dem andern lag,

lange Alleen mit

man durch

und

steinernen Sphinxen und Widdern auf beiden Seiten, oder durch kolos­ sale Thore aus einem Raum in den andern gelangte,

bis endlich das

kleine dunkle Götzenhaus mit der häßlichen Fratze des vielköpfigen Got­ tes selbst, dem steifen Zuge der Priesterprozessionen (denn für diese wa­

ren die weitläuftigen Heiligthümer bestimmt) ein Ziel setzte. anders in Ebenmaaß und Schönheit

Wie ganz

erscheint dagegen ein griechischer

Tempel, der noch heut in unsern Hauptwachen, Theatern und Museen

in mehr oder weniger veränderter Form fortbesteht,! Wie in der Baukunst, so leisteten die Griechen auch in der Bild­ hauerkunst das Vollendetste.

Aus Marmor gehauene Reliefs schmück­

ten Tempel, öffentliche Plätze und Gärten.

Ihren Höhepunkt erreichte

diese Kunst in Phidias, einem Zeitgenossen des Perikles. fertigte die sechszig Fuß hohe Statue des Jupiter in Olympia.

Er ver­ Nach­

dem er dieselbe vollendet hatte, betrachtete er sie lange staunend; endlich überwältigte ihn die Größe der Gottheit in diesem Steine so, daß er

Unsere Museen zeigen in den vorzugsweise so ge­

anbetend niederfiel.

nannten Antiken Reste dieses Zweiges der hellenischen Kunst, in welchem

sie für alle Zeiten als Muster dienen dürften. In der Malerei brachten es die Griechen zuerst zu einer wirk­

lichen Knnstleistung.

Ein Bruder des Bildhauers Phidias malte schon

ein Gemälde von der Schlacht bei Marathon; doch kannten die Grie­

chen damals nur Roth,

Gelb,

erst

Weiß

die vier -von Aegypten hergekommenen Farben: und

Schwarz.

Hatte

man sich

Schwamms zum Aufträgen der Farben bedient, den Pinsel.

eines

des

Nicht lange währte es, und die Malerei erreichte unter

den Griechen einen hohen Grad von Vollkommenheit. den

Anfangs

so nahm man später

ZeuxiS,

Apelles,

Parrhasius,

Unter den Hän­

welche Zeitgenossen

Alexanders des Großen waren, entstanden Gemälde, worin die Natur so treu nachgebildet war,

daß Menschen

und Thiere davon

getäuscht

wmden. In der Tonkunst oder Musik

brachten

eS

die Griechen nicht

105

Die Griechen.

Nur in eintöniger Melodie be­

über die Stufen der Kindheit hinaus.

wegten sich die Weisen der Alten;

das harmonische Zusammenklingen

Die Griechen

mehrerer Stimmen und Instrumente kannte man nicht.

daß sie besonders

zeigten nur darin einen Fortschritt,

bemüht waren,

mit nicht geräuschvoller aber wohlklingender Musik die zarten Gefühle

in der menschlichen Seele zu beleben, während die andern Völker des Alterthums mehr auf ein musikalisches Geräusch, mehr auf Betäubung

der feinern Gefühle mit der Musik bedacht waren.

Die Gesänge ihrer

Dichter sangen die Griechen in Begleitung der Lyra, eines Instruments

mit sieben Saiten;

mit

wohlklingenden

Akkorden begleitete man

die

Melodien. Hoch erhaben stehen die Griechen in der Dichtkunst da, diesem

edelsten Zweige der Literatur,

d. i.

des Inbegriffs aller Schriftwerke

Die Poesie selbst tritt wieder in verschiedenen Gestalten

einer Nation.

auf, von denen jede bei den Griechen eifrige Pflege fand.

Dichter

seine

eigene innere Welt in

seine Klagen oder Freuden,

Bringt der

seinen Hoffnungen, Wünschen,

seine Betrachtungen

oder Entschlüsse

znr

Darstellnng, so heißt sein Geistesproduct lyrische Poesie, so genannt von der Lyra,

zu

deren Begleitung

mau derartige Poesien zu singen

pflegte; das Lied, die Ode, die Elegie, der Psalm und das Sonett ge­

hören hierher.

Stellt der Dichter nicht seine eigene, innere Welt, son­

dern die äußere, ihn in der Natur und Menschheit umgebende dar, be­ schreibt, schildert, erzählter, dann schafft er eine epische Poesie; Arten derselben sind das Epos (Heldengedicht), die Romanze und Ballade, das

Idyll,

das Märchen,

der Roman,

die Beschreibung.

Verbindet

der

Dichter mit seinen Darstellungen der innern und äußern Welt noch den Zweck der Belehrung, so entsteht die didaktische Poesie; dahin ge­

hört das Lehrgedicht, die Fabel, die Parabel, die Satyre, das Räthsel. Stellt uns endlich der Dichter die äußere Welt nicht erzählend und be­ schreibend,

Poesie,

sondern

handelnd vor,

wozu das Schauspiel,

so erhalten wir die dramatische

Lustspiel und Trauerspiel (Tragödie)

gehören.

Schon die Juden leisteten in einigen Zweigen der Poesie Ausge­ zeichnetes.

Der

Athem ihrer

Poesie

war fromme Andacht,

wie die

Psalmen des A. T., in denen die heilige Poesie ein erhabenes Vorbild

und einen Nährenden Quell besitzt, beweisen. Meister in

dieser Kunst.

David und Assaph waren

Salomo und Jesus Sirach

stehen

dagegen

als unübertroffene Meister in Spruch- und Lehrgedichten da. — Weit

vielseitiger stellt sich aber die Poesie der Griechen dar.

Da treten uns

zunächst die schon genannten Heldengedichte, die Jliade und die Odyssee

106

Die Griechen.

entgegen, als deren Schöpfer gewöhnlich Homer genannt wird, obwohl

es richtiger ist,

sie

mehrerer von verschiedenen

als eine Sammlung

Volksdichtern herstammender Sagen aus der früheren griechischen Ge­

schichte anzusehcn, weßhalb man sie auch ein Nationalepos nennt, mit

welchem Namen man ein Heldengedicht bezeichnet, das gleichsam durch ein ganzes dichtendes Volk entstanden ist. Unter den lyrischen Dichtern war Pindar (um 500 v. Chr.) der

vorzüglichste.

Von Arion, einem andern

lyrischen Dichter,

600 v. Chr. lebte, hat sich eine interessante Sage erhalten.

der um

Der Sän­

ger reiste einst von Korinth nach Sicilien, wo er sich mit seiner Kunst

viele Schätze erwarb.

Auf der Rückreise wollten ihn daher die Schif­

fer ermorden, um sich seiner Reichthümer zu bemächtigen.

sprach ihnen das Geld,

sie

wenn

ihm

das Leben

Arion ver­

ließen;

allein die

Schiffer, welche später Rache fürchteten, stellten ihm die Wahl, entwe­

der in's Meer zu springen, oder sich selbst auf dem Schiffe zu ermor­

den.

Arion wählte das Erstere

und

nachdem er im vollen Sänger­

ornate, auf dem Stuhl des Mastbaumcs stehend, noch ein Lied gesun­ gen hatte, sprang er in die See.

Aber plötzlich erschien ein Delphin,

nahm den Sänger auf seinen Rücken, und ruderte

so

mit ihm an die

griechische Küste, von wo Arion wohlgemnth nach Korinth wanderte. Das Erhabenste leisteten die Griechen in der dramatischen Poesie.

Die Anfänge des Drama's fallen in die Zeit der Pcrserkriege und wa­

ren lyrische Chorgesänge bei den Bacchusfcsten.

Zur Zeit Solons ließ

Thespis zuerst zwischen den Gesängen einen recitirenden Schauspieler Auftreten; er gilt daher für den Erfinder des Drama's.

Die größten

dramatischen Dichter waren Sophokles und Euripides (um 450),

die in ihren Tragödien Muster aller Zeiten geworden sind. spiele

waren Aristophanes

und Men an der die

Im Lust­

größten Meister;

Verspottung namentlich aufgeführter, und getreu in ihrem Aeußern nach­

geahmter einflußreicher Männer,

sowie

satyrische Beurtheilung

öffent­

licher Verhältnisse und Ereignisse war das Ziel, das sie verfolgten. — Das griechische Theater hatte jedoch eine ganz andere Einrichtung 'als das unsere.

Die Vorstellung fand am Tage in einem ungedeckten Raume

statt; von einer Verwandlung der Scene war keine Rede, sondern der

für die Handlung bestimmte Raum blieb stets derselbe. Der kurze Zeitraum der Blüthe der hellenischen Poesie war vom Ende der Perserkriege bis zum Untergange der Freiheit durch die Ma­

kedonier (450—350 v. Chr.); Beweis genug, daß die Poesie nur bei freien und glücklichen Völkern gedeihen kann.

Dasselbe gilt auch von der

Beredtsamkeit, worin Griechenland ebenfalls mustergültig geworden

107

Die Griechen.

ist.

Perikles zeichnete sich unter Andern besonders in dieser Kunst

Der größte griechische Redner,

aus.

Kunst und

trat auf,

Demosthenes,

erhabensten

Wissenschaft die

als

hervorgebracht

Schöpfungen

hatten und als der Makedonier Philipp der Freiheit Griechenlands den

Todesstoß gab.

Mit dem Untergange der Freiheit verstummte auch die

Beredtsamkeit in Griechenland.

Demosthenes ist ein im höchsten Grade ermunterndes Beispiel

für Alle, welche von Natur nicht besonders begabt sind, ein hohes Ziel verfolgen wollen.

aber dennoch

Niemand hat mehr, wie er, gezeigt,

wie sehr dem Menschen selbst das unmöglich Scheinende gelingen kann, wenn er mit Ernst, Fleiß und Eifer seinen Plan verfolgt, und wie sehr der

menschliche Geist fähig ist, machen.

sich

zum Herrscher über den Körper

Denn Keinem hatte die Natur wohl weniger Anlagen

zu

zur

Redekunst verliehen, als ihm, und Keiner ist ein größerer Redner ge­ worden, als er. — Von Geburt schwächlich und kränklich, schon früh

eine vaterlose Weise, und von eigennützigen Vormündern nm sein väter­

liches Erbtheil gebracht, zeigte sich dem Jünglinge eine traurige Aussicht in die Zukunft.

Da ereignete sich im sechszchnten Jahre seines Lebens

ein Vorfall, der über sein Leben entschied.

Ein damals sehr gefeierter

Redner hielt bei Gelegenheit eines Besitzstrcitcs

zwischen Athen und

Theben eine Rede, welche den Jüngling mit Erstaunen erfüllte über die Macht der Beredtsamkeit.

Und als er nun hörte,

wie das Volk zum

Schlüsse dem Redner jubelnden Beifall entgegenjauchzte; als er sah, wie

der Gefeierte im Triumph nach Hause geleitet wurde: da faßte die ehrgei­ zige Brust des Jünglings den Entschluß, nach demselben Ziele zu rin­ gen.

bilden.

Von Stund an dachte er auf Nichts,

als

sich zum Redner' zu

Er studirte die Werke der größten griechischen Schriftsteller, und

zwar mit einem solchen Eifer, daß er z. B. die Geschichte des Thuky-

dides acht Mal mit eigener Hand abschrieb, um sich dessen Darstellungs­ weise vollkommen anzucignen.

und eines berühmten Redners.

Sodann wurde er ein Schüler Plato'S

Als er nun glaubte,

liches Auftreten genug vorbereitet zu sein, fing

er,

für ein öffent­

gewissermaßen zur

Probe für seine Kunst, einen Prozeß gegen seine Vormünder an.

Er

gewann denselben und faßte nun, dadurch ermuthigt, den Entschluß, vor dem Volke

als Redner aufzutreten.

Aber kaum hatte er die

ersten

Sätze gesprochen, als man ihn mit Zischen, Pfeifen und Lachen unter­

brach, und auf diese Weise nöthigte, die Rednerbühne zu verlassen.

Ein

zweiter Versuch hatte denselben unglücklichen Erfolg, und Demosthenes,

Die Griechen.

108

in dem bittern Gefühle, sein halbes Leben für seine Kunst nutzlos ge­ opfert zu haben,

zog sich in das Privatleben

zurück

mit

ungerechten

Klagen über das Völk, dessen Unverstände er den unglücklichen Ausgang

seiner Versuche beimaß. — Ein Freund von ihm, der Schauspieler Sa-

dessen Brust er jene Klagen

throö, in

ausschüttete,

befreite

ihn

von

diesem Wahne, indem er ihm zeigte, daß nicht seine Zuhörer, sondern Er bewies ihm,

seine eigenen Mängel die Ursache seines Unglücks seien.

daß er einen kurzen Athem und eine schwache «Stimme habe, daß er den

Buchstaben r nicht aussprechen könne, daß sein Gebehrdcnspiel ungeschickt

und darum lächerlich sei und daß er

namentlich die

üble Gewohnheit

habe, eine Schulter in die Höhe zu ziehen. — Die Erkenntniß dieser vielen Mängel würde einen Andern von jedem weitern Versuche zurück­

geschreckt haben; für Demosthenes aber war sie ein Sporn, die Män­ gel zu beseitigen überwinden.

und

die Hindernisse

der Natur

die Kunst zu

durch

Um seine Stimme zu verstärken, ging er an's Meeresufer

und bemühte sich,

das Tosen der

braüdcndcn Wellen zu überschreien;

um seine Aussprache zu verbessern, nahm er Kieselsteine in den Mund

und versuchte es, trotz dieses neuen Hindernisses deutlich zu reden; um

seinen Athem zu längerer Dauer zu gewöhnen,

stieg er steile Anhöhen

hinan, indem er dabei mit aller Anstrengung der Stimme lange Reden

sprach.

Endlich, nm sein Gcbehrdenspiel zu verbessern,

unterirdisches Gemach ein,

Monate lang in ein

schloß er sich

und schor sich — um

einer Lust zum Ausgehcn nicht nachgebcn zu können — auf einer Seite den Kopf kahl.

Auf

diese Weise an

ein

einsames Gemach

gebannt,

übte er sich vor einem großen Spiegel im Gebehrdenspicl, und als es ihm nicht gelingen wollte, das Zucken der Schulter zu unterlassen, hing

er ein Schwert über dieselbe auf, so daß er sich bei jedem Hinaufziehen der Schulter gestochen fühlte, und dadurch endlich

von seinem Fehler

befreit sah. — So ging er denn zuletzt als vollendeter Redner aus jener unterirdischen Verbannung hervor, und der Beifall des hingerisse­

nen Volkes belohnte

ihn

für

die

übermenschliche Anstrengung,

durch

welche er sich den Ruhm erworben, als der größte Redner des Alter­

thums gepriesen zu werden.

So hatte denn das menschliche Leben bei den Griechen die viel­ seitigste,

freieste

und

Jahr 350 v. Chr. war erschöpft,

schön

vollendetste Ausbildung erlangt.

Um das

war der Höhepunkt erreicht; die Kraft des Volkes

schon drohte es

wieder in

sich zusammen

zu brechen.

„Aber im Rathe der Vorsehung war es beschlossen, daß auch die übri-

Philipp und Alexander der Große von Makedonien.

109

gen Völker des damals bekannten Erdkreises noch zu der Ueberzeugung geführt werden sollten, daß eine höhere als bloß menschliche Kraft er­

forderlich sei, um die Räthsel dieses Erdlebens zu lösen. hellenische Leben wieder gänzlich

erloschen war,

mußten

Und ehe da­ seine

edelsten

Erzeugnisse, Sprache, Bildung, Kenntnisse, Sitten und Einrichtungen zu

den noch in roher Unwissenheit versunkenen Asiaten

gebracht

werden;

und das Werkzeug hierzu war das blutige Schwert eines kühnen Welt­ eroberers — Alexanders von Makedonien."

8. Philipp und Alexander der Große von Makedonien. Während Griechenland seinem Untergang sich zuneigte, erstarkte im

Norden davon, das Reich der Makedonier, eines mit den Griechen ver­

wandten Volkes. Thron.

Im Jahre 360 bestieg Philipp den makedonischen

Als Jüngling Geisel in dem Hause deö berühmten Epaminon-

das in Theben lebend, hatte er die Gelegenheit benutzt, sich nach dem Vorbilde dieses großen ThebanerS zum tüchtigen Feldherrn und Krieger

auszubilden,

aber auch seinen Blick auf

die Zustände

deö

griechischen

Volles gewendet, wobei ihm dessen Zerwürfnisse und Verwirrungen, so­

wie auch Sittenverderbniß desselben nicht entgangen waren.

Kaum hatte

er den Thron bestiegen, so ging er an die Ausführung seines Planes,

sich die Obergewalt über Griechenland zu verschaffen.

Aber nicht mit

Gewalt, sondern mit List begann er sein Werk; theils durch Schmei­ chelei, theils durch Drohungen wußte er einzelne griechische Staaten für

sich zu stimmen, und so fast unbemerkt Einfluß in Griechenland zu ge­ winnen.

Dazu beförderte er die Uneinigkeit unter den Griechen,

so bei gelegener Zeit

in

ihre Angelegenheiten

ihrem Herrn machen zu können.

eingreifen

um­

und sich zu

Und die Griechen arbeiteten ihm nur

zu willig in die Hände.

Ein griechischer Stamm, die Phokier, hatte einige dem delphischen

Apollo zugehörende Aecker bebaut.

ligion, weßhalb summe forderten.

Das war ein Frevel gegen die Re­

auch die Amphyktionen von den Frevlern eine StrafZu arm, diese aufzubringen, gingen die Phokier noch

weiter und bestahlen den Tempelschatz des Apollo; Beweis genug, daß der Glaube an ihre Götter bereits

geschwunden

war und daß sie der

Religion und der Frömmigkeit baar und ledig waren.

Bei abnehmen­

der Religiosität werden die Völker aber stets schlechter und es naht ihr Untergang um so sicherer und schneller. — Die gottlosen Phokier wur­ den nun von dem Amphhktionengericht in die Acht erklärt und Theben

Philipp und Alexander der Große von Makedonien.

109

gen Völker des damals bekannten Erdkreises noch zu der Ueberzeugung geführt werden sollten, daß eine höhere als bloß menschliche Kraft er­

forderlich sei, um die Räthsel dieses Erdlebens zu lösen. hellenische Leben wieder gänzlich

erloschen war,

mußten

Und ehe da­ seine

edelsten

Erzeugnisse, Sprache, Bildung, Kenntnisse, Sitten und Einrichtungen zu

den noch in roher Unwissenheit versunkenen Asiaten

gebracht

werden;

und das Werkzeug hierzu war das blutige Schwert eines kühnen Welt­ eroberers — Alexanders von Makedonien."

8. Philipp und Alexander der Große von Makedonien. Während Griechenland seinem Untergang sich zuneigte, erstarkte im

Norden davon, das Reich der Makedonier, eines mit den Griechen ver­

wandten Volkes. Thron.

Im Jahre 360 bestieg Philipp den makedonischen

Als Jüngling Geisel in dem Hause deö berühmten Epaminon-

das in Theben lebend, hatte er die Gelegenheit benutzt, sich nach dem Vorbilde dieses großen ThebanerS zum tüchtigen Feldherrn und Krieger

auszubilden,

aber auch seinen Blick auf

die Zustände

deö

griechischen

Volles gewendet, wobei ihm dessen Zerwürfnisse und Verwirrungen, so­

wie auch Sittenverderbniß desselben nicht entgangen waren.

Kaum hatte

er den Thron bestiegen, so ging er an die Ausführung seines Planes,

sich die Obergewalt über Griechenland zu verschaffen.

Aber nicht mit

Gewalt, sondern mit List begann er sein Werk; theils durch Schmei­ chelei, theils durch Drohungen wußte er einzelne griechische Staaten für

sich zu stimmen, und so fast unbemerkt Einfluß in Griechenland zu ge­ winnen.

Dazu beförderte er die Uneinigkeit unter den Griechen,

so bei gelegener Zeit

in

ihre Angelegenheiten

ihrem Herrn machen zu können.

eingreifen

um­

und sich zu

Und die Griechen arbeiteten ihm nur

zu willig in die Hände.

Ein griechischer Stamm, die Phokier, hatte einige dem delphischen

Apollo zugehörende Aecker bebaut.

ligion, weßhalb summe forderten.

Das war ein Frevel gegen die Re­

auch die Amphyktionen von den Frevlern eine StrafZu arm, diese aufzubringen, gingen die Phokier noch

weiter und bestahlen den Tempelschatz des Apollo; Beweis genug, daß der Glaube an ihre Götter bereits

geschwunden

war und daß sie der

Religion und der Frömmigkeit baar und ledig waren.

Bei abnehmen­

der Religiosität werden die Völker aber stets schlechter und es naht ihr Untergang um so sicherer und schneller. — Die gottlosen Phokier wur­ den nun von dem Amphhktionengericht in die Acht erklärt und Theben

110

Philipp und Alexander der Große von Makedonien.

erhielt den Auftrag,

die Acht zu vollstrecken.

fühlte sich

Dies

nicht

stark genug zur sichern Vollführung seines Auftrages, und/suchte daher Hülfe beim Könige Philipp von Makedonien, der schon darauf lauerte

und gar zu gern der Bitte nachkam.

Binnen Kurzem waren die Phokier

besiegt und Philipp hatte sich dabei noch in den Ruf eines gottbegeister­

Zum Lohne für seine Dienste

ten Mannes gebracht.

erhielt er Sitz

und Stimme im Rathe der Amphyktionen, und damit das Recht in den

griechischen Angelegenheiten griechischer Volksredner

verschaffen,

auch

ein Wort mitzusprechen.

suchte

dem Könige

Ein

bestochener

immer mehr Freunde zu

schonte dieser kein Geld, wo es galt, sich beliebt zu

machen, und so kam es denn,

daß die Stimmen der wenigen und red­ die ihrem Vaterland in

lichen Griechen, welche die Gefahr erkannten, Philipp nahte, unbeachtet blieben.

Der große Redner Demosthenes

bot zwar alle Mittel seiner unwiderstehlichen Redekunst auf, um seine Landsleute zu vereintem Widerstande zu bewegen; seine Reden

gegen

Philipp waren wahr und so ergreifend, daß Philipp einst gesagt haben

soll:

„Bei Gott! wenn ich sie hätte halten hören, ich würde selbst zum

Kriege gegen mich gestimmt haben;" und sie sind darum so berühmt ge­ worden, daß man noch heut eine begeistert ausgesprochene warnende Be­

schuldigung gegen eine Person

Doch war alles vergebens.

oder Gegenstand

eine Philippika

nennt.

Als man endlich dem Demosthenes glaubte

und sich zum Widerstande aufraffte, war cs zu spät.

Ein vereinigtes

warf sich nun zwar dem

schlauen Philipp

thebanisch-athenisches Heer

entgegen,

aber die geübten Kriegsschaarcn des Makedoniers waren be­

reits unbesieglich geworden.

Im Jahre 338 ging die Freiheit Griechen­

lands durch die Schlacht bei Chäronea verloren. Vom Schlachtfelde aus durchzog der Sieger ganz Griechenland;

dann berief er die Abgeordneten sämmtlicher griechischen Staaten nach Korinth, wo er die Erklärung abgab, daß das Ziel seiner kriegerischen Rüstungen nicht Griechenland, sondern Persien sei, daß er der freund­ schaftlichen Mitwirkung der Griechen bedürfe, Unterstützung rechne,

daß

daß er zum Unterpfandc

er auf Treue und

derselben

eine Anzahl

Schiffe und die nöthige Mannschaft begehre, und endlich, daß ihn die Griechen zu ihrem Oberanführer wählen sollten.

Diese Wünsche eines

Mannes, der die Macht zu befehlen besaß, erschienen so bescheiden, daß man freudig zustimmte,

und Philipp mit Freuden zum Oberfeldherrn

der Griechen erwählte.

Diesen Erfolg verdankte Philipp seiner Schlauheit, seinem Golde und seiner verbesserten Kriegskunst, namentlich der weitern Ausbildung der Phalanx.

Die Phalanx war ein massives Viereck von Truppen,

111

Philipp und Alexander der Große von Makedonien.

in welchem diese in vielen Reihen hintereinander standen.

Die Trup­

pen selbst zerfielen damals in leichte und schwere; jene führten Wurf­

spieße, Schleudern oder Bogen und Streitaxt oder krummes Schwert, diese Schwert, langen Spieß, Panzer, großen Schild und Gurt.

Ein

Helm mit kammartigcm Aufsatz und oft mit wehendem Noßhaarbusch

schützte das Haupt, Beinschienen den vorgesetzten Fuß.

Bei der make­

donischen Phalanx standen die Truppen in scchszehn geschlossenen Glie­

dern, so, daß jeder Streiter nur drei Fuß Spielraum hatte.

der schwerbewaffneten war größer Reiter.

als die der

Die Front

leichten Truppen

und

Die Hauptwaffe der Phalanx waren vicrundzwanzig Fuß lange

Speere, wodurch die Front fast unangreiflich gedeckt wurde; denn die Speere des ersten Gliedes ragten zwanzig,

die des dritten zwölf, über die Front hinaus.

die des vierten acht, Die

übrigen

die des zweiten sechszehn, die des fünften vier Fuß

eilf Glieder legten die Speere

auf die Schultern der Vordermänner, so daß sie in die Höhe standen

und ein Schirnrdach bildeten gegen die von oben herabfliegenden Pfeile und Wurfspieße. Ohne Zweifel würde auch Philipp seine Absicht gegen Persien er­

reicht haben, doch der Tod ereilte ihn mitten in seinen Plänen; Hauptmann seiner Leibwache erstach ihn in Athen,

ein

wo Philipp zur

Feier der Hochzeit seiner Tochter sich aufhielt.

Doch was der Vater nicht durchzuführen vermochte, that sein Sohn Alexander.

Wie ein Komet taucht dieser gewaltige Mann plötzlich und nachdem er die ganze Welt

am Horizont der Weltgeschichte auf,

mit staunender Bewunderung erfüllt hat, verschwindet er eben so plötz­

lich, wie er gekommen war. Ein seltenes Zusammentreffen wichtiger Ereignisse an dem Geburts­

tage des Knaben bewirkte, daß ihn Viele schon von Anfang an für eine außergewöhnliche Erscheinung

hielten.

Der Epheser Herostrat hatte

an demselben Tage den verrückten Einfall ausgeführt, den prachtvollen Tempel der Artemis zu Ephesus,

eins der sieben Wunder der Welt,

zu verbrennen, um sich einen Namen zu machen.

Ferner hatte Philipps

Rennpferd zu Olympia gesiegt und sein Feldherr Parmenio hatte einen Sieg über die Illyrier errungen.

Wenn

die an diese Ereignisse ge­

knüpften Prophezeihungen in Erfüllung gingen, so lag der Grund indeß theils in dem Kinde selbst, das mit den besten Anlagen ausgcstattct war,

theils in der Sorgfalt, welche der Vater auf die körperliche und geistige Ausbildung seines Sohnes verwendete.

Des Knaben außerordentliche

Talente verriethen sich früh durch Wort und That.

Der erste Philo-

112

Philipp und Alexander der Große von Makedonien.

soph seiner Zeit, der uns schon bekannte Aristoteles, ward sein Lehrer.

Auch in ritterlichen Uebnngen war er früh ein Meister.

Als fünfzehn­

jähriger Jüngling bezähmte er das wilde, widerspenstige Roß, das Nie­

mand zu besteigen wagte, welches unter dem Namen Bukephalos (d. i. Siege blieb.

der

an

von nun

Ochsenkopf)

„Mein Sohn,

seiner Schlachten und

treue Begleiter

suche

ein

dir

anderes Königreich,

denn

Makedonien ist für dich zu klein", hatte der Vater zu.ihm gesagt, als

der Sohn das wilde Thier

bändigte.

Schon

früh

regte sich in ihm

großer Thatendurst: „Mein Vater wird mir nichts zu thun übrig lassen", rief

er jedesmal

aus,

schmerzlich

wenn Siegesbotschaften

einliefen.

Aber

Interesse.

Die Homerischen Gesänge

er sie

daß

zu

können,

ter das

für

auch

des Nachts

Buch bei sich

ihm

waren

hatte

Kunst so

unter sein Kopfkissen legte,

erwachte.

sobald er

und

Wissenschaft

und

bei

Hofe

er

reges

geworden,

lieb

darin

um

lesen

Auf seinen Feldzügen trug er spä­ es

bewahrte

in

einem

goldenen Käst­

Der mächtige Achilles war das Ideal des jungen Fürsten und

chen.

als seinen LieblingsverS nannte er die Worte:

König,

zugleich ein

tapfer mi,t in der Schlacht bei Chäronea, hauptsächlich sein Werk.

„Beides, ein trefflicher

Achtzehn Jahre alt,

tapferer Streiter."

ja

der Sieg

daselbst

war

Da ereilte der Tod seinen Vater.

Erst zwanzig Jahre alt wurde Alexander König. den jungen Herrscher der Anfang der Regierung. den die unterjochten Völker (Philipp hatte

und Illyrien ausgebrcitet;

ihm) wieder aus.

focht er

sich

Schwer war für

Rings umher stan­

besonders in Thrakien

die Stadt Philippi trägt den Namen nach

Alle gedachten der Freiheit.

Die Athener spotteten

des jungen Makedoniers, nannten ihn bald einen Knaben, bald einen un­

erfahrenen Jüngling,

von

dem

zu

nichts

fürchten

sei.

„Unter den

Mauern Athens", sprach Alexander, „werde ich ihnen schon zeigen, daß ich ein Mann bin!"

wirkte.

unter

Sogleich brach er mit seinem Heere ans.

Alles huldigte ihm. harten Kämpfen

Das

Jetzt eilte er zurück, und unterwarf sich

die Völker im Norden

und Westen.

verbreitete sich das Gerücht, Alexander sei umgekommen.

Plötzlich

Da war ein

Jubel'm ganz Griechenland, denn die makedonische Oberherrschaft war den freiheitslustigen Griechen verhaßt.

Feste wurden gefeiert, und Opfer

gebracht, die Thebaner tödtcten sogar den ihrer Stadt und verjagten die Besatzung. der vor ihren Thoren und zeigte ihnen,

makedonischen Befehlshaber Aber blitzschnell stand Alexan­

daß er noch lebe.

Denn als

sie ihm auf seine Aufforderung, sich zu unterwerfen, eine kecke Ant­ wort gaben, nahm er mit stürmender Hand die Stadt und zerstörte sie

von Grund aus.

Er hatte einigen griechischen Städten den Auftrag,

Philipp und Alexander der Große von Makedonien.

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Theben zu verwüsten, gegeben, Wohl wissend, daß er selbst nicht barba­ rischer gegen die eroberte Stadt verfahren könnte, als es von der Rache

ihrer Landsleute zu erlvarten war.

Rur die Tempel

und das Haus

des Dichters Piudar wurden auf Alexanders Wunsch verschont,

AlleS der Erde gleich gemacht.

sonst

Sechsunddreißigtausend Thebaner wur­

den in die Sklaverei verkauft.

So war denn das Schicksal Griechenlands übermals entschieden;

denn die andern Staaten waren von den überraschenden Erfolgen des jungen Helden so bestürzt, daß sie ihm bereitwillig Gehorsam gelobten.

Alexander,

der Politik seines Vaters folgend, war weit entfernt,

sich die Herzen der Griechen zu Feinden zu machen; er verzieh allen und ging nach Korinth, um sich dort, wo eine allgemeine Griechenver­

sammlung gehalten wurde,

gleich seinem Vater zum Oberanführer der

Griechen gegen die Perser ernennen zu lassen.

die einzigen,

Die Spartaner waren

die von seiner Befehlshaberschaft nichts

wissen wollten.

„Wir sind gewohnt" — ließen sie ihm sagen — „Andere zu führen,

aber nicht, uns führen zu lassen." Zuge.

Sic nahmen keinen Theil an dem

Außerdem verschmähte eS auch noch der berühmte Diogenes,

der sich gerade in Korinth aufhielt, dem neuen Sterne zu huldigen.

Den Grundsatz, der Mensch müsse so wenig als möglich bedürfen, trieb dieser Mann in'S Lächerliche.

Er trug einen langen Bart,

einen

zerrissenen Mantel, einen alten Ranzen auf dem Rücken und wohnte in Wenn Alexander Alles,

einer Tonne.

so

wollte Diogenes nichts be­

sitzen, und warf sogar sein Trinkgeschirr entzwei, als er sich überzeugte,

daß man auch aus der hohlen Hand

Alexander hatte

trinken könne.

Lust, den Sonderling zu sehen und ging, von einem glänzmden Zuge begleitet, zu ihm.

Er saß

gerade vor seiner Tonne und sonnte sich.

Als er die Menge Menschen auf sich ein wenig auf. mit ihm und

zukommen

sah,

richtete er sich

Alexander grüßte ihn freundlich, unterredete sich lange

fand

seine Antworten

sehr geistteich.

ihn: „Kann ich dir eine Gunst erweisen?"

Zuletzt fragte er

„O ja" — versetzte Dio­

genes — „geh mir ein wenig aus der Sonne!"

Hierüber erhoben die

Begleiter Alexanders ein lautes Hohngelächter; Alexander aber wendete sich um und sagte:

„Wenn ich nicht Alexander wäre, wollte ich Dioge­

nes sein!"

ES war im Jahre 334 v. Chr., als Alexander seinen Eroberungs­ zug antrat:

Er selbst war dreiundzwanzig Jahre.

Sein Heer bestand

aus dreißigtausend Fußgängern und fünftausend Reitern. Jtufcncr Geschichte I.

Damit wollte 8

114

Philipp und Alexander der Große von Makedonien.

er das Perserreich erobern, das an achtzig Millionen Einwohner und eilt stehendes Heer von hunderttausend Mann hatte.

Welche Kühnheit!

war bereits im Verfall begriffen.

Doch das Perserreich

Statthalter

(Satrapen) empörten sich häufig, Bruderkriege erschütterten das Reich;

die Streitmacht bestand aus gar verschiedenen Völkern, die sich haßten, wie überhaupt im ganzen Reiche Unzufriedenheit wegen zunehmender Be­

Auch hatten Luxus und despotische Regierung die

drückung herrschte.

Perser feig und weichlich

Zlvar

gemacht.

waren die Perser tüchtige

Reiter auf ihren unbändigen Schimmeln und furchtbare Bogenschützen,

aber ihre Kriegsweise war der makedonischen Phalanx nicht gewachsen. Der König Darius Kodomannus,

ein

sonst vortrefflicher Mann,

war zu schwach, das in sich zerfallene Reich zu stützen, und so verfiel

es denn dem Geschick. Alexander setzte

über den Hellespont,

zuerst an'S Ufer von Asien,

sprang in

voller Rüstung

„Mein

ist Asien,

eS werde nicht verheert, ich nehme es als erobert in Besitz!"

Auf dem

und rief freudig aus:

Schlachtfelde von Troja besuchte er die Grabniale der alten Helden,

besonders das des Achilles.

Er

schmückte

dasselbe

mit Blumen und

wünschte nichts mehr, als daß einst ein Dichter wie Homer auch seine

Thaten durch Gesänge verherrlichen möge.

„O glücklicher Achilles" —

rief er — „der du im Leben einen treuen Freund, und im Tode einen Sänger deiner Thaten gefunden hast!"

Hephästion, der Freund Alexan­

ders, bekränzte des Patroklo's (so hieß der Freund Achills) Grabmal. Dann

gingS weiter bis nach dem kleinen Flusse Granikus.

Am dem jen­

seitigen Ufer entlang stand ein großes persisches Heer, unter Anführung

mehrerer Satrapen, um den Makedoniern den Uegergang zu verwehren.

Alexander hielt Kriegsrath. den Abzug

der Feinde

Sein erfahrener Feldherr Parmenio rieth,

abzuwarten.

„Der Hellespont würde sich ja

schämen müssen" — rief Alexander — „wenn wir uns vor diesem Flüß­ chen fürchteten!"

Er sprang hinein,

seine Makedonier ihm nach,

die

Tapfern wateten durch, griffen an und schlugen die Perser in die Flucht. JmGetümmel derSchlachtwäre der allzukühneHeldcnjüngling beinaheum'S

Leben gekommen.

Zwei persische Feldherrn, die ihn an dem hochwallen­

den Federbusch auf dem blinkenden Helme erkannten, sprengten aus ihn los. Kopf,

Er vertheidigte sich tapfer;

doch bekam er einen Hieb auf den

daß der Helm zersprang,

und als er sich gegen den Hauenden

wendete,

auf.

hob

schon der zweite Perser das Schwert zum Todestreiche

Aber in diesem Augenblicke eilte Klituö, ein braver Makedonier,

herbei, und schlug dem einen Perser mit einem fürchterlichen Hiebe Arm

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Philipp und Alexander der Große von Makedonien.

und Schwert

sogleich zur Erde,

während Alexander den andern nie-

derstreckte. Durch diesen Sieg ward er Herr von Kleinasien.

Mit seinem

jubelnden Heere eilte er nun von Stadt zn Stadt; welche sich ihm nicht

freiwillig

unterwarf,

genommen.

wurde mit Sturm

Um

auch

den

Volksglauben für sein Unternehmen zu gewinnen, löste er deu gordischen Knoten. ein

In dem Tempel des Zeus zu Gordium (in Phrygien) stand dessen Deichsel mit

alter Wagen,

schlungenen Knoten befestigt war.

einem künstlich in einander ge