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German Pages 738 [785] Year 1858
Die Weltgeschichte in
zusammenhängenden Einzelbildern nach
schul- und volkspädagogischen Grundsätzen für
VolKslrhrnnstaltrn und mr Selbstbelehrung für Jedermann
aus dem Volke
bearbeitet von
I. G. Kühner.
Erster Theil.
Das Alterthum.
Berlin. Verlag von Georg Reimer.
1858.
Vorwort. Um den geneigten Leser in Kür;e über Zweck und Inhalt der vorliegenden 5d;rift zu informiren, sei Felgendes bemerkt. Was den Zweck derselben betrifft, so giebt der Titel schon darüber Aufschluß; sie ist für Volkslehranstalten, namentlich für gehobene Notköschuten, Stadtund Bürgerschulen, Präparandenanstalten, Privatanstalten re., sowie auch zur Selbstbelehrung für den Bürger und gebildeteren Landmann bestimmt. In deß soll und wird sie auch dem Lehrer in der gewöhnlichen Volksschule, der sich auf wenige Geschichtsbilder beschränken muß, gute Dienste leisten. Um diesem Zweck zn entsprechen, ist ihr Inhalt nach felgenden pädagogischen Rück
sichten und Grundsätzen gearbeitet worden. 1. Man halte Maaß in der Auswahl des Stoffes, schränke denselben im Umfange ein und gehe dafür mehr in die Jticfe, und sorge für solide An eignung bis zur sichern Beherrschung des Stoffes. Doch übertreibe mcut es aber auch nicht mit der Einschränkung, damit nicht Dinge unerwähnt bleiben, von denen jeder einigermaaßen gebildete Mensch in unsern Tagen Kenntniß haben muß, wenn er sich in der menschlichen Gesellschaft mit Ehren bewegen, und ihr nützen soll. Man vergesse nicht, daß wir in einer Zeit leben, in welcher auch das Volk einen gewissen Antheil an der Kommunal- und Staats regierung hat, daß aus unsern Bürgerkindern dereinst Wahlmänner, Stadt verordnete, Magistratspersonen, Ortsrichter, Kirchenvorsteher, Gerichtsschreiber, Schiedsrichter rc. hervorgehen, denen doch alten ein gewisses Maaß historischer Bildung und ein einigermaßen durch historische Kenntnisse geläuterter und gereifter Geist zu wünschen ist. Oder liegt kein Grund mehr vor zur Klage über Einseitigkeit und blinden Parteibaß, der oft ganz vergißt, daß eine höhere Macht die Geschicke der ringenden Menschheit leitet und zu Gericht sitzt über Engherzigkeit, besonders wo es höhere Interessen gilt; über Starrköpfigkeit, die nicht zu belehren ist, und über Afterweisheit, die sich geberdet, als ob Alles erst von vorn angefangen werden müsse und von keinem historischen Bestände die Rede sei; wiederum auch über Kurzsichtigkeit, Unselbstständigkeit, Gesinnungslosigkeit, die den stärksten Lungen und redefertigsten Zungen den Sieg über die Wahrheit und das Recht verschafft? Und sind nicht alte diese Gebrechen großentheils die Folge einer mangelhaften Geschichtskenntniß? Blicken wir weiter, über den bürgerlichen und staatlichen Gesichtskreis hinaus, und fassen wir das höchste Ziel' des Menschen in's Ange. Ist viel leicht in dieser Hinsicht eine übermäßige Beschränkung des historischen Unter richts empfehlenswertb? Ich bezweifle es. Wenn man über materialistische Richtung, über Mangel an ideellem Streben und an Glauben u. s. w. klagt, so kann diesen Uebelständen wohl kaum bester abgehetfen werden, als wenn dem Volke und seiner Jugend Gott in der Geschichte nachgewiesen wird. Da sprechen Thatsachen, und eine einzige unleugbare Thatsache wirkt mehr, denn tausend schöne Worte. Soll aber Gott in der Geschichte mit unerschüt-
VI terlicher Gewißheit erkannt werden, so genügen einzelne Geschichtsbrocken nicht, sondern es muß auf den Entwickelungsgang der Menschheit, insbesondere der einflußreichsten Völker, wenigstens einigermaßen eingegangen werden. Man verspreche sich überhaupt nicht zu viel von eifernde!: Worten und salbungs reichen Reden; dergleichen sind wohl nicht das rechte Heilmittel gegen die be zeichneten Gebrechen; weit besser möchte einfache, klare, den Kops und das Herz zugleich treffende Belehrung helfen. Gedanken- und Empfindungsphrasen bringen höchstens Strohfeuer zuwege; echtes, anhaltendes Läuterungsfeuer ist einzig und allein die Wirkung ruhiger, den Verstand und das Gemüth ergreifender Belehrung. „ . Ueber das rechte Maaß des historischen Unterrichts in Lehranstalten müssen die Ansichten natürlich sehr verschieden sein, schon der verschiedenen Organisation der Schulen wegen, selbst derer von einerlei Bestimmung. In dessen dürfte man es doch in: Allgemeinen für zweckmäßig erachten, dem zu künftigen Bürger nicht Dinge vorzuenthalten, auf welche er im Umgänge mit Menschen, im socialen und politischen Lebensgebiete, im Geschäftsver kehr re. fast unaufhörlich so zu sagen hingestoßen wird, und mindestens als des Bürgers würdig möchte es zu bezeichnen sein, daß derselbe die in der Gegenwart noch vorhandenen Anklänge an die griechische, römische und alt germanische Welt wenigstens einigermaßen als solche erkennen lernt. Weiter dürfte es wohl zum vollen Verständnisse des Wortes „Als die Zeit erfüllet ward rc." nöthig sein, die Religionsverhältnisse des heidnischen Alterthums etwas an's Licht zu ziehen und einen Blick auf die römische Weltherrschaft zu werfen. Das Wort: „Himmel und Erde werden^ vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen," findet durch einen Blick in die Kampfes- und Siegesbahn des Christenthums die beste Erklärung und das Christenthum wird jedenfalls auch an dem Gegensatze des Wodanthum und des andern Heidenthums recht lebendig als die „köstlichste Perle", als der „Schatz im Acker" erkannt. Dies Alles zeigt wohl zur Genüge, daß wir die Grenzen des historischen Unterrichts nicht allzueng stecken dürfen. In den: vorliegenden Buche habe ich diese Grenzen nach meinem besten Wissen bestimmt. Da dasselbe nach meiner Absicht auch noch nach der Schulzeit für den Besitzer Interesse und Werth haben soll, so habe ich Manches darin ausgenommen, was Man chen als zu viel oder zu schwierig für den Schulunterricht erscheinen wird. Diese Partien möge man ruhig überschlagen, oder nur im Auszuge zur Sprache bringen. Dergleichen Stellen sind z. B. mehrere allgemeine Betrach tungen, u. a. die über die punischen Kriege, ferner mehrere Mittheilungen über die Verfassungen der Staaten, über die Philosophen Griechenlands, ins besondere auch der Rückblick am Ende dieses Bändchens. Waö endlich die sichere Aneignung des Stoffes betrifft, so kann man auch hierin leicht in ein schädliches Extrem gerathen. Wer es nämlich mit diesem Grundsatz so weit treiben will, daß er von jedem seiner Schüler ver langt, jeden Augenblick über alle Einzelheiten des Dagewesenen im Zusammen hänge frei sich aussprechen zu können, wird bei der Jugend, wie sie nun eben organisirt ist, im Laufe eines Jahres nur äußerst wenig aus der Geschichte vortragen dürfen. Erreichen läßt sich so Etwas wohl; ob aber mit solcher Pe danterie wirklich der Jugend und des Volks Bestes gefördert wird, das ist eine Frage, welche ihrer Erörterung und Entscheidung noch entgegenharrt. 2. ' Man vermeide eben so sehr systematische Vollständigkeit, strengen Pragmatismus, allgemeine Betrachtung und trockene Wissenschaftlichkeit, als übertriebene Lückenhaftigkeit, gänzliche Zusammenhangslosigkeit, . minutiöse Einzelbetrachtung und gemüthliche Unterhaltung, und halte sich vielmehr in
vn der Mitte dieser Extreme, Ein gewisses Maaß von Vollständigkeit verlangt daA praktische Leben; der zukünftige Bürger muß so weit in der allgemeinen. Geschichte orientirt sein, daß er nicht nur die Lust empfindet, sondern auch die Fähigkeit besitzt, sich in diesem Gebiete mit Erfolg weiter auszubilden. Ein gewisses Maaß von Zusammenhang aber verlangt schon der Ordnungs sinn, der, wo er vorhanden, geschont und gepflegt, und wo er fehlt, geweckt und genährt werden muß. Nicht minder liegt es in der Natur unseres Geistes begründet, daß neben dem Einzelnen auch das Allgemeine zur Be trachtung komme. Wenn wir einen Strich Landes durchwandert und im Ein zelnen kennen gelernt haben, fühlen wir das Bedürfniß, denselben auch im Ganzen zu überschauen, um einen Totaleindruck von ihm in uns aufzuneh men, und umgekehrt, haben wir von einer Höhe eine Landschaft überblickt, so zieht es uns hinab, hervorragende Einzelheiten zu betrachten. Der histo rische Unterricht befasse sich daher immerhin vorzugsweise mit Einzelbildern der bedeutendsten historischen Personen, Ereignisse und Zustände; aber er ver säume dabei nicht, den Blick auch auf das Ganze zu lenken. Allgemeine Ueberblicke über historische Gebiete, wenn auch nur in allgemeinen Umrissen, haben nicht nur einen praktischen, sondern auch einen sittlichen Werth. Oder wirken große, allgemeine Anschauungen nicht erhebend auf den Geist?— Bei dem in bloßen, zusammenhangslosen Einzelbildern bestehenden Unterricht liegt endlich auch die Gefahr nahe, daß es zu keinem festen geordneten Wis sen kommt. Ein bloßes Knochengerüst von Zahlen, Namen und Thatsachen taugt allerdings nichts, oder doch nicht viel; aber eben so wenig taugt eine bloße Fleischmasse, oder vielmehr ein Komplex von Fleischstücken, wozu ein zusammenhangsloser Geschichtsbilderunterricht leicht große Aehnlichkeit erlan gen kann. 3. Der historische Unterricht beanspruche weder das Gedächtniß noch den Verstand übermäßig, sondern habe vielmehr die Pflege einer edlen, thatkräftigen Gesinnung im Auge. Man gebe daher nicht nur zu viel Namen und Zahlen, vertiefe sich nicht in trockene Einzelheiten, namentlich nicht in politische Verwickelungen, sondern halte- sich mehr an das besonders Hervorstechende, womit dem praktischen Bedürfniß gedient ist, und wobei ein Gewinn für das Herz und den Charakter in Aussicht steht. Im Allgemeinen lege man es darauf an, die Ueberzeugung recht zu befestigen, daß eine höhere Macht mit Weisheit, Güte und Gerechtigkeit in der Welt waltet und die Geschicke des Einzelnen, wie ganzer Völker leitet. Insbesondere aber sei die Grundlage des historischen Unterrichts christlich und national, er durch dringe die Jugend mit Gedanken, welche christliches Wesen athmen, befördere frommen Sinn und christlichen Wandel., begeistere für vaterländisches Wesen und Aufrechthaltung der edelsten Volksgüter. 4. Die Geschichte des Alterthums hat ihren Mittelpunkt in der wich tigsten, nämlich der biblischen Geschichte, oder in der Geschichte des jü dischen Volks. Demgemäß bilde auch diese Geschichte den innern Mittelpunkt
der Mittheilungen aus dem Alterthum. Da die biblische Geschichte den Kin dern in ihren Hauptzügen schon bekannt ist, wenn der Geschichtsunterricht be ginnt, so schließt sich überdies auf diese Weise einem pädagogischen Grundsätze gemäß Unbekanntes an Bekanntes. In der Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit treten Deutschland und beziehungsweise Preußen in den Vordergrund. Die Geschichte der hervorragendsten Völker wird in gedrängter Kürze daran geknüpft. \ Die Geographie ziehe man nicht bloß in topischer, sondern auch in physikalischer.Hinsicht heran. So viel wie möglich eröffne man den Schülern einen Blick in den Zusammenhang des Menschenlebens mit dem Naturleben.
VIII 6. Der Lehrer gewöhne die Schüler an Wiedererzählung des Vorgetra genen. Damit diese Aufgabe den Kindern nicht unnöthigerweise erschwert werde, erzähle der Lehrer möglichst einfach. Soll sich bas Kind lang ausge sponnene oder zu hoch gehaltene Sätze erst in seine kindlich einfache Redeweise übersetzen, so muthet man ihm die Lösung einer doppelten Aufgabe zu, ein mal die Auffassung des Stoffes und dann die Umwandlung der Form. 7. Besonders halte sich der Unterricht von Phrasen jeder Art fern, seien es Gedanken- oder Empfindungsphrasen. Auch suche man weniger durch die Form, als durch den Inhalt zu fesseln. Der Inhalt aber fesselt, wenn er den Kindern u. a. Aufschluß über Dinge bringt, die in ihre Gedankenwelt hinein ragen, oder sie doch berühren, oder die sie bereits dem Namen nach kennen, oder von denen sie sofort die Ueberzeugung erlangen, daß sie einen praktischen Werth für sie haben. 8. Man vermeide möglichst die Vorführung von Bildern schlechter Charaktere. Nur wo es gilt, der Jugend die Wahrheit, „die Sünde ist der Leute Verderben", und den Glauben an Gottes strafende Gerechtigkeit tief in's Herz und Gewissen einzuprägen, ziehe man dergleichen heran. Ausführ liche Erzählungen von Schlachten unterblieben in der alten Geschichte am besten ganz. Aus dem Mittelalter, namentlich aber aus der Neuzeit, ist es jedoch nothwendig, einzelne kriegerische Thatsachen behufs Belebung thatkräf tigen Patriotismus zu erzählen. Im Allgemeinen gebe man der Kultur geschichte vor der Kriegsgeschichte entschieden den Vorrang; man verweile mehr bei dem, was der Mensch durch Arbeit und Ringen seiner geistigen Kräfte, als durch die Gewalt des Schwertes gewirkt hat. In Betreff der Mittheilungsform sei man bestrebt, die Kulturverhältnisse möglichst durch concrete Darstellung zum Verständniß zu bringen, und dagegen die bloß abstracten Besprechungen und Schilderungen zu vermeiden. Wer dergleichen Ansichten huldigt, wird sich der vorliegenden Schrift be dienen, und zu ihrer Verbreitung beitragen dürfen. Da dieselbe kein wissen schaftlich historisches, sondern ein pädagogisches Ziel verfolgt, so habe ich es unterlassen, die zahlreich benutzten Quellen anzuführen. Wörtlich entlehnte Stellen sind jedoch bezeichnet. Schließlich habe ich nur noch den Wunsch auszusprechen, daß das Buch eine freundliche Aufnahme finden und eine nachsichtige Beurtheilung erfah ren möge. Hirsch berg in Schlesien,
im Juli 1858.
Der Verfasser.
Inhalt. Seite
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Einleitung.......................................................................................... 1 Die ersten Menschen............................................................................. 4 Die Assyrer, Babylonier und Meder..................................................... 9 Die Aegypter............................................................................................. 15 Die Phönizier............................................................................... . 23 Die Israeliten . ........................................................................................... 28 Die Perser.................................................................................................. 5C> Die Griechen.................................................................................................. 63 Philipp und Alexander der Große von Makedonien.................................. 109 Die Indier................................................................................................ 128 Die Chinesen............................................................................................ 141 Die Römer................................................................................................ 145 Die christliche Kirche in den ersten fünf Jahrhunderten............................. 218 Ruck- und Ueberblick................................................................................ 242 Zeittafel................................................................................................... 247
Einleitung. Alles Wissen oder die gestimmte Wissenschaft — im Gegensatz zu dem Reich deS Glaubens und der Philosophie — zerfällt in zwei große Ge
biete, von denen daS eine die Dinge, Erscheinungen und Kräfte in der Natur, und die andere die Entwickelung des menschlichen .Geistes und
die Begebenheiten in der Menschenwelt umfaßt.
heißt daS eine, das andere Geschichte.
Naturwissenschaft
Mit letzterer wollen wir uns
beschäftigen.
Der Geschichte
gehört
also
nach
dem
Gesagten
alles
geistige
Werden und Gewordensein in der Menschenwelt an.
Das
Leben der Völker, die Thaten und Schicksale der Nationen und die Werke der Menschen während ihres irdischen Daseins, ihrer Betrachtung:
offenbar
ein Inhalt,
Ehrensache jedes Menschen ist.
sind
die Gegenstände
wovon Kenntniß zu nehmen
bloß
die Menschenwürde
fordert von unS, daß wir die Geschichte Kennen zu
lernen suchen, auch
Doch
nicht
daS Bedürfniß und der eigene Vortheil mahnt dazu.
Denn aus der
Weltgeschichte schöpft der Mensch neben angenehmer Unterhaltung nütz
liche Belehrung, Trost, Beruhigung, Hoffnung, Kraft, Warnung u. s. w. Bedenken wir,
baß wir alle,
was wir geistig, moralisch und politisch
sind, durch die Geschichte sind, d. h. durch eine Reihefolge von Begeb nissen vor unserer Zeit, welche den Stand der Gegenwart,
in der wir
leben und denken, vorbereitet haben, so leuchtet ein, daß wir durch die Geschichte die Gegenwart
lernen.
erst recht verstehen,
benutzen
und würdigen
Indem sie den Zusammenhang der Vergangenheit mit der Ge
genwart aufdeckt, schärft sie unsern Blick für die Zukunft, desgleichen schärft sie auch unser Urtheil über den Werth der Dinge und lehrt unS
dadurch bestehende Uebel beseitigen, oder drohenden vorbeugen und aus dem Wege gehen. Halten wir uns ferner vor, daß aus dem Verlaufe des Lebens ein
zelner Menschen und Völker die Wahrheit hervorleuchtet, daß
ein all
mächtiger, allweiser, allliebender Gott die Geschicke der Einzelnen wie
Kutzner Geschichte I.
1
2
Einleitung.
ganzer Völker nach einem weisen, wenn auch uncrfopschlichen Plane lei tet, so leuchtet sofort ein, welchen Trost im Unglück, welche Beruhigung im Leiden, welche Hoffnung in der Bedrängniß, welche Kraft im Kampfe
gegen Mißgeschick und Unrecht der Mensch aus der Geschichte schöpfen kann.
Und wenn aus den Schicksalen einzelner Menschen die Predigt
der göttlichen Gerechtigkeit uns
entgegentönt, wenn das Aufblühen und
der Verfall der verschiedenen Völker uns das Wort „Gerechtigkeit erhöht
ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben!" in's Gewissen redet,
welch mächtige Warnung liegt darin für den schwachen Menschen, welch kräftiger Antrieb für ihn, sich nur der Tugend
zu weihen!
Und wenn
ein vergleichender Blick von der trüberen Vergangenheit auf die freund
liche
stärkt und das
Gegenwart das Gefühl der Zufriedenheit in uns
Herz dem Gefühl der Dankbarkeit
öffnet, um
wie viel reicher müssen
wir da nicht durch die Geschichte an innern: Glück und Frieden werden! Grund genug für Jedermann, sich mit Fleiß in der Geschichte so
weit umznsehen, als es seine Kräfte und Umstände nur gestatten. wir uns dies zur Aufgabe.
Machen
Doch wollen wir die Grenzen unserer Auf Nimmt die Geschichte überhaupt nur von den
gabe nicht zu weit ziehen.
wichtigen Ereignissen Notiz, so genügt für unsern Zweck auch schon daS
Wichtigste.
Kommt es
doch auch beim Studium der Geschichte nicht
auf die Masse des Wissens an, dessen man sich bemächtigt, sondern viel mehr darauf, daß man sich davon so viel wie möglich
zu Nutze macht,
recht viel daraus lernt, und das Gelernte in's Leben überträgt.
Daran
wollen wir immer denken, wenn wir Geschichte treiben.
Doch wollen wir bei der Beschränkung
auf
das Wichtigste uns
auch so einrichten, daß wir einen allgemeine«: Ueberblick über das Gebiet
der Weltgeschichte gewinnen.
Diesen Zweck würden wir nicht erreichen,
wenn wir uns mit der Betrachtung einzelner wichtiger Begebenheiten ans der Weltgeschichte begnügen wollten; vielmehr ist dazu erforderlich, daß
wir gewisse Standpunkte einzunehmen suchen, von denen aus eS möglich
ist, eine Uebersicht über eine Reihefolge von Begebenheiten zu erhalten. Solche Standpunkte sind die Wendepunkte der Geschichte.
Wenn man
sich in einem aus einer großen Menschenzahl bestehenden Zuge befindet,
so kann man für gewöhnlich nur einen kleinen Theil desselben übersehen. Wenn jedoch der Zug auf einem großen freien Platze sich wendet, dann
gelingt es jedem Theilnehmer, das Ganze zu überschauen und einen Be
griff von seiner Größe
und Beschaffenheit zu
gewinnen.
Dergleichen
Wendepunkte hat auch die Geschichte, die ja eine fortlaufende Reihe von
Begebenheiten ist.
Die Wendepunkte
auffallenden Hauptveränderungen
der Geschichte
aber
find
in der Menschheitsentwickelung.
die Von
3
Einleitung.
ihnen aus kommt Uebersicht und Ordnung in
das Ganze.
Der bedeu
tendste Wendepunkt in der Geschichte trat mit dem Heilande der Welt ein.
Der Umschwung in dem Menschenleben wurde durch sein Erscheinen
ein so großartiger, daß man die ganze Zeit der Menschheitsentwickelung
nach diesem Ereigniß in zwei große Abschnitte theilt, in die alte und
in die neue Zeit.
Was vor Christo war und geschah, gehört in die
alte Zeit, und waS nach ihm sich ereignet hat, in die neue.
Nach der
Geburt Christi trifft man daher auch die Zeitbestimmungen; man zählt
nämlich von Christi Geburt an sowohl rückwärts als vorwärts, und redet
von Jahren vor und nach Christi Geburt.
Innerhalb der neuen Zeit
ist mit der Reformation nochmals ein wichtiger Wendepunkt eingetreten,
weßhalb man die Geschichte der neuen Zeit in eine mittlere und neue eintheilt.
Daraus ergiebt sich die Eintheilung der Geschichte in eine
alte, mittlere und neue, oder in das Alterthum, das Mittel
alter und die Neuzeit.
Jeden von diesen Haupttheilen wollen wir
nun in seinen Hauptzügen kennen lernen.
Also zunächst das Alterthum.
1. Die ersten Menschen. DaS Dunkel der Urgeschichte der Menschheit wird nur durch das Licht der heiligen Schrift, des Buches des Glaubens, einigermaßen aufgehellt. So wenig eS aber auch ist, was uns darin über den Ursprung und das Leben der ersten Menschen gesagt wird, so inhaltsschwer ist es: „Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde," so tönt es uns aus der heiligen Urkunde entgegen. Da haben wir genug des Aufschlusses über die Ent« stehung und Bestimmung des Menschen. Unmittelbar aus der Hand Gottes ging der Mensch hervor und als Ebenbild Gottes auf Erden, so wurde er von Gott geschaffen. Ein Abbild seines Schöpfers soll er fein in all seinem Thun. — Als die ersten Menschen nennt die Schrift ein Paar: Adam und Eva, und als Aufenthaltsort bezeichnet sie das Paradies, oder den Garten des Landes Eden, d. i. der Anmuth und Lust. Wo dieses gelegen war, ist unbekannt und uns zu wissen auch nicht nöthig. Genug, Adam und Eva lebten in jenen Gefilden ein glück liches Leben in Unschuld und Freude. Sie fanden ihren Lebensunterhalt, indem sie den Garten mit leichter Mühe bauten und von seinen Früch ten aßen. Dem Willen Gottes folgten sie, wie gute Kinder ihren Aeltern. Darum kannten sie auch keine Furcht vor Gott, der mit ihnen umging, wie ein lieber Vater mit seinen Kindern. Kein Schmerz, keine Krankheit, keine Noth nahte ihnen, „denn sie gedachten des Gebotes Gottes, daß sie danach thäten." DaS Leben war ihnen gewiß, denn mitten im Garten stand ja der Baum des Lebens, und so lange sie von den Früchten dieses BaumeS aßen, wußten sie nicht, was Tod und Sterben ist. So träumten sie den schönsten Traum ihres Lebens; „aber es war ein Traum der Wahrheit, die noch fort und fort im Gemüth der Völker empfunden wird, und sich ausspricht in der Sehnsucht nach dem verlornen Paradiese und in der Sage vom goldnen Zeitalter." Doch nur kurze Zeit lebten Adam und Eva dieses selige Leben; durch Ungehorsam gegen Gottes Gebot betrogen sie sich darum. Gott hatte ihnen verboten, von einem gewissen Baume zu essen, der deßhalb
Die ersten Menschen.
5
der Baum der Erkenntniß des Guten und Bösen heißt.
Sie ließen sich
durch die Schlange zur Uebertretung dieses Gebots verführen, und nah men somit das Böse in sich apf. radieses verlustig
mit
In Folge dessen gingen sie des Pa
seinen Freuden und
Das Ge
seinem Frieden.
wissen erwachte und seine strafende Stimme verscheuchte Ruhe und Frie den; Schmerz und Krankheit drangen in's Leben des Menschen ein, die
Arbeit, welche bis dahin eine Lust gewesen war, wurde nun im Schweiße des Angesichts zur Last; der Geist wurde verdunkelt und der leibliche
und geistige Tod waren andere bittere Früchte der Sünde. — Mit dem Sündenfall verschwindet das Paradies aus der heiligen Geschichte, es ist
nun hinweggerückt/ und unS nun als Ziel all unsres Strebens hingestellt.
Durch Mühen und Kämpfe soll cS wieder errungen werden, vor Allem durch Glauben, durch den Glauben an Christum, von dem Gott schon
den ersten Menschen die tröstende Verheißung gab, daß er der Schlange den Kopf zertreten werde.
Christus hat den Eingang in das Paradies
wieder geöffnet, er steht den Seinen mächtig zur Seite, er kämpft ihnen
voran,
bis sie,
siegend
durch
ihn,
den
Lebensbaum
jenseits
wieder
erblicken. Bald nach der Vertreibung aus dem Paradiese befleckt schon der erste Mord die Erde.
schreitet rasch fort. gen Morgen.
Kain erschlägt seinen Bruder Abel.
Die Sünde
Kain flieht, von seinem bösen Gewissen gejagt, ge
Seth, der dritte Sohn des ersten Menschenpaares bleibt
aber in dem alten Wohnsitz und wird der Stammvater eines zahlreichen Hirtengeschlechts.
Aber mit der Zahl der Menschen wächst ihre Sünde.
Da sendet Gott die Sündfluth und das entartete Geschlecht wird ver
tilgt, bis auf die Familie Noah, welche die Erde auf's Neue bevölkert. Von Noah's Nachkommen,
nach
und Iaphetiten unterschieden,
seinen Söhnen in Semiten,
breiteten sich
Hamiten
die Semiten im mittleren
Asien aus; (zu ihnen gehören die Hebräer, Assyrer, Babylonier, Perser, Phönizier, Lydier rc.); die Hamiten drangen in das heiße Afrika vor,
und die Iaphetiten in das nördliche Asien und Europa. Das ist das Wichtigste von dem, was die heilige Schrift über die ersten Menschen mittheilt.
Wollen wir über die Lebensweise, über die
Entwickelung der Menschen in jenen früheren Zeiten Näheres wissen, so müssen wir die Phantasie zn Hülfe nehmen.
Auf diesem Wege gelangen
wir etwa zu folgenden Vorstellungen.
Jedenfalls setzte die Sorge um Nahrung, Kleider und Obdach den
Menschen zuerst in Thätigkeit.
Da er zur Befriedigung dieser Bedürf
nisse durch keinen Instinkt geleitet wurde, so mußte er sich seines Ver standes bedienen.
Durch Anwendung desselben konnte er von den Thieren
Die ersten Menschen.
Mancherlei lernen, was ihm zur Erhaltung seines Lebens und zur Ver
Außer dem Genuß
schönerung desselben diente.
verschiedener Früchte
lernte er ihnen gewiß auch bald die Bereitnng einer Lagerstätte zum Schutz vor der Rauhheit der Nacht und der Witterung ab.
Weiter
lernte er von ihnen wahrscheinlich auch frühzeitig das Todten der Thiere und das Verzehren ihres Fleisches.
friedlichen Fruchteffer ein kühner,
der die Wälder durchstreifte. der Mensch
Dadurch wurde aus dem furchtsamen,
kräftiger und
mordlustiger Jäger,
In der Nähe von Gewässern legte sich
auf den Fischfang; er wurde ein Fischer.
Bei beiden
Beschäftigungen galt eS, nachzudenken; es mußten Jagd- und Fischgeräthe erfunden werden.
So wurde schon diese rohe Beschäftigung ein Weck
mittel geistiger Kraft.
Mit der Haut der erlegten Thiere wurde ein
haltbareres Kleid gewonnen als die Baumblätter boten, deren man sich
wahrscheinlich zuerst als Bekleidungsmittel bediente.
Sich dasselbe be
quem zu machen, erforderte Ueberlegung, und so wurde auch dadurch der Verstand geschärft.
Jagd und Fischerei mögen lange Zeit den Menschen ihren Un
terhalt gewährt haben.
Indessen zeigte eö sich doch anch bald, daß das
Jagdleben einen unsichern Erwerb bietet.
Man benutzte daher die Er
fahrungen, die man bei der Jagd über die Thiere gemacht hatte, zu an
derweitigem Erwerb von Nahrungsmitteln.
Man hatte gutmüthige und
zähmbare Thiere von wilden unterscheiden gelernt.
und gewöhnte sie an sich.
Erstere fing man ein
Das Schaf mag wohl das erste Hausthier
des Menschen gewesen sein, denn kaum folgt ein anderes Thier dem
Menschen so willig; noch heut heftet sich kein anderes so willig an seine Fersen.
Vermochte doch auch das Schaf alle Bedürfnisse des natürlichen
Lebens zu befriedigen; sein Fell gab dem Menschen Kleidung, sein Fleisch, seine Milch vortreffliche Nahrung.
War aber einmal ein Anfang mit
der Zähmung der Thiere gemacht, so schritt man darin durch Einfängen
andrer zähmbarer Thiere fort.
den Anfang.
Vielleicht machte man mit jungen Thieren
Der Mensch ließ nun von der Jagd ab und beschäftigte
sich mit der Viehzucht, er vertauschte das wilde Jägerleben mit dem friedlichen Hirtenleben.
Heimath- und obdachlos streifte der Mensch sonst als Jäger durch die Wälder
und erlegte das flüchtige Wild.
Sein blutiges Gewerbe
duldete keine Genossen; er bedurfte großer Erdstrecken, damit die Thiere
sich nähren konnten,
in deren Fell er sich hüllte, deren Fleisch seinen
Hunger stillte, aus deren Blut er neue Wildheit trank.
er lebte, so endete er auch.
wordene Mensch!
Einsam, wie
Wie ganz anders der nun zum Hirten ge
Sein Geschäft war nicht mehr der Mord; er nährte,
Die ersten Menschen.
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zähmte, erzog die Thiere und in Zelten richtete er sich mit den Seinen Die edleren Kräfte seines Gemüthes wurden wach; nach
wohnlich ein.
oben zu den ewigen Gestirnen richtete sich sein ahnendes Auge und mit der Ruhe und Gemüthlichkeit seines Daseins fand sich Zeit und Lust, die Dinge um sich her in einem Zusammenhänge zu betrachten.
Er
forschte nach dem Grunde des Vorhandenen und dies brachte ihn dem
Schöpfer aller Dinge wieder näher.
Da er indessen Gott nur aus der
Natur erkennen konnte, so mußte die Vorstellung von ihm sehr mangelhaft
Aus demselben Grunde mußten
sein. lungen
von
dem Weltenschöpfer
Menschengruppen sehr
verschieden
auch nach und nach die Vorstel
bei
den
verschiedenen Menschen und Daß, und wie dies ge
ausfallen.
schehen ist, darüber werden wir in der Geschichte der einzelnen Völker Näheres erfahren.
Aber auch daö Hirtenleben
hatte seine Mängel und Uebelstände;
der größte darunter war die Nothwendigkeit des Wohnungswechsels. Die Heerde bedurfte vieler Weide; war der Platz abgcweidet, so mußte man das Vieh nach einem andern treiben.
heimisch,
er war überall
So wurde der Hirt nirgends recht
Auch
ein Fremder.
mochte
der
eintretende
Mangel an Weide nicht selten Ursache zu Zank und blutigen Kämpfen
werden.
(Abraham, Lot.)
Das Alles mochte die Hirten bewegen,
noch auf andere Weise den Lebensunterhalt zu verschaffen. gen am weidenden Vieh wiesen sie auf einen andern Weg.
sich
Beobachtun Sie sahen,
wie die Thiere die Aehren mancher Gräser mit Vorliebe abfraßen, sie
nahmen auch wohl wahr, daß die Vögel gern nach den Körnern pickten. Die Körner wurden probirt und sie würden
rung gefunden.
nicht unpassend zur Nah
Um sie in Menge zu gewinnen, besäete man in der
Nähe des Zeltes ein Fleckchen Acker mit Getreidekörnern und hielt die
erste Ernte.
Das Kauen der harten Körner war unbequem; man ge«
rielh darauf, sie zu zerdrücken, zu zermalmen, dies bewerkstelligte man
durch Steine; das Mehl war erfunden.
Trocknes Mehl will schlecht
hinunter, man nahm daher Wasser dazu; der Teig war fertig. Teig mundet auch noch nicht sonderlich.
Roher
Man mochte schon vom Fleische
her wissen, daß es besser schmeckt, wenn man es dem Feuer ausgesetzt
hat.
Es wurde nun auch der Teig der Hitze ausgesetzt und das erste
Backwerk war fertig. und Bäcker geworden.
Der Mensch war bald
So fand sich
ein Ackerbauer, Müller
eine Entdeckung und Erfindung
zur andern und das Leben der Menschen nahm immer mehr an Genuß,
Bequemlichkeit und an Kultur zu.
Die ersten Menschen.
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Mit dem Ackerbau kamen auch die festen Wohnsitze.
Man
brauchte nur wenig Land, um sich die nöthige Getreidefrucht zu bauen, und man konnte jedes Jahr
auf
nöthigen Lebensunterhalt gewinnen.
mer der Saat
in
ein und
demselben Landstriche den
Andererseits ninßte der Eigenthü
der Nähe derselben bleiben, um sie vor Verderben
Das nöthigte
und Zerstörung zu schützen.
zu festen Niederlassungen.
Das Zelt verschwand, feste, größere und bequemere Wohnungen erstanden. Durch Ackerbau und festen Wohnsitz wurde der Mensch
erst zum Menschen.
Mit dieser Beschäftigung hatte er ein trautes
Er lernte seine Umgebung genau kennen,
Heimathsplätzchen gewonnen.
an diese und jene Stelle knüpften sich liebe Erinnerungen; es stellte sich
die Heimathsliebe ein.
Da der Ackerbauer wenig Landfläche bedarf,
so konnten sich in nicht zu großer Entfernung niederlassen.
verschiedene Familien
Diese traten nun in geselligen Verkehr.
Dadurch wur
den nicht nur gesellige Tugenden, als Gefälligkeit, Freundlichkeit, Freundschaft, Friedfertigkeit rc. erweckt und gepflegt, sondern durch den Austausch der Gedanken steigerten sich auch die Kenntnisse, erstarkten Und diese wurden vielfach in Anspruch genommen;
die geistigen Kräfte.
da mußte man darauf sinnen, den Acker möglichst fruchtbar zu machen,
man mußte Ackerwerkzeuge erfinden, mußte sich Thiere für den Ackerbau dienstbar machen, auf die Thierkrankheiten achten und auf ihre Heilung be
dacht sein u. s. w. leicht auszuweichen,
Die Unmöglichkeit, und
die
dem
streitsüchtigen Nachbar
geschmeckte Annehmlichkeit des
Friedens
drängten dahin, für die Schlichtung von Stteitigkeiten zu sorgen.
So
rief der Ackerbau Anstalten der Gerechtigkeit und der Rechtspflege hervor.
Vermehrter Wohlstand, erhöhte Geistesbildung verbunden mit
Muße, ließen die ersten künstlerischen Versuche entstehen, und in der Erforschung der Natur und ihrer Kräfte, in dem Nachdenken über
sichtbare und unsichtbare Dinge einen unaufhaltsamen Fortschritt anbah nen. Zur Sicherung des Eigenthums, des ruhigen Erwerbes, des Friedens u. f. w. ordneten sich viele Familien zu einem gemeinsamen
Ganzen, mit dessen Leitung ein Oberhaupt betraut wurde. sich Stämme,
Staaten und Reiche,
So bildeten
so entstand die Obrigkeit.
Zu den'geselligen Tugenden traten nu nauch die bürgerlichen, als da sind Gemeinsinn,
Gesetzlichkeit,
und vor Allem Vaterlandsliebe,
wozu sich die Heimathsliebe erweiterte. Kurz, durch den Ackerbau wurde der geistige Bau der Kultur der
Menschheit
errichtet.
Sitte,
durch den Ackerbau errungen
Bildung, Kunst, worden.
Wissenschaft,
Alles
ist
So ist denn der Getreidehalm
in der That einer der größten Wohlthäter der Menschheit.
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Die Assyrer, Babylonier und Meder.
Doch eS hat lange gewährt, ehe der Mensch bis auf die Höhe der heutigen Bildungsstufe gelangt ist.
vielen Stücken nur der Anfang.
Im Alterthum findet sich dazu in
Das werden wir aus den nachfolgen
den Mittheilungen über die Völler jener Zeit erfahren.
Die Assyrer, Babylonier und Meder.
2.
Unter den vielen Völkern, deren in den Büchern des A. T. er wähnt wird, gehören die Assyrer und Babylonier zu den ältesten
Diese Völker wohnten im südlichen Theile von Vor-
und bedeutendsten.
derasien, im Gebiete des großen Stromzwillingspaares Euphrat und
Tigris. Betrachten wir dieses Landgebiet vorerst etwas genauer. südlich vom Hochlande
von Armenien,
das
Es liegt
den Berg Ararat trägt
und das zu dem großen Hochlande von Vorderasien gehört.
Auf dem
armenischen Hochlande entspringt der Euphrat und Tigris; jener etwa 300 Meilen weit aufwärts von dem persischen Meerbusen, in den beide
(Unsere Oder ist nur 120 Meilen lang.)
Ströme münden.
Nördlich
vom Wan-See hat der Euphrat seine Quelle; in sehr langem und großem
Bogen läuft er um den Quellbezirk des Tigris herum;
dann
entfernt
er sich von seinem Zwillingsbruder wohl an 50 Meilen weit, worauf sie sich wieder nähern, bis sie endlich etwa 40 Meilen vor der Mün dung einander brüderlich die Hand reichen und vereint dem Meere sich
überliefern.
ersten
Die
hundert Meilen schaut sich der Euphrat im
Hochlande um; nachher tritt er in ein großes Tiefland ein, das theils zwischen den
liegt.
Strömen,
beiden
theils
ost-
und
westwärts
derselben
Die Grenzen sind im Norden: Armenien, im Osten die kurdi
schen Berge, im Süden das persisch-arabische Meer und im Westen die syrisch-arabische Wüste.
nur Gräser hervor.
Es ist ein Steppenland, d. h. es bringt meist
Im nördlichen Theile ist es graSreich und trägt
hie und da Bäume; weiter abwärts, wo
der Regen noch mehr man
gelt, ist es baumleer, oft wüst; im südlichen Theile ist es aber wieder
grünender.
Dieses Land zwischen den beiden Flüssen heißt Mesopo
tamien (auch Chaldäa), und ist gegen 4000 Q.-Meilen groß.
Darin
lag Ur, wo Abraham ursprünglich wohnte. Im Südwesten von Mesopotamien- am Ausfluß des Euphrat liegt
Babylonien.
Dieses Land ist am fruchtbarsten; namentlich trägt eS
9
Die Assyrer, Babylonier und Meder.
Doch eS hat lange gewährt, ehe der Mensch bis auf die Höhe der heutigen Bildungsstufe gelangt ist.
vielen Stücken nur der Anfang.
Im Alterthum findet sich dazu in
Das werden wir aus den nachfolgen
den Mittheilungen über die Völler jener Zeit erfahren.
Die Assyrer, Babylonier und Meder.
2.
Unter den vielen Völkern, deren in den Büchern des A. T. er wähnt wird, gehören die Assyrer und Babylonier zu den ältesten
Diese Völker wohnten im südlichen Theile von Vor-
und bedeutendsten.
derasien, im Gebiete des großen Stromzwillingspaares Euphrat und
Tigris. Betrachten wir dieses Landgebiet vorerst etwas genauer. südlich vom Hochlande
von Armenien,
das
Es liegt
den Berg Ararat trägt
und das zu dem großen Hochlande von Vorderasien gehört.
Auf dem
armenischen Hochlande entspringt der Euphrat und Tigris; jener etwa 300 Meilen weit aufwärts von dem persischen Meerbusen, in den beide
(Unsere Oder ist nur 120 Meilen lang.)
Ströme münden.
Nördlich
vom Wan-See hat der Euphrat seine Quelle; in sehr langem und großem
Bogen läuft er um den Quellbezirk des Tigris herum;
dann
entfernt
er sich von seinem Zwillingsbruder wohl an 50 Meilen weit, worauf sie sich wieder nähern, bis sie endlich etwa 40 Meilen vor der Mün dung einander brüderlich die Hand reichen und vereint dem Meere sich
überliefern.
ersten
Die
hundert Meilen schaut sich der Euphrat im
Hochlande um; nachher tritt er in ein großes Tiefland ein, das theils zwischen den
liegt.
Strömen,
beiden
theils
ost-
und
westwärts
derselben
Die Grenzen sind im Norden: Armenien, im Osten die kurdi
schen Berge, im Süden das persisch-arabische Meer und im Westen die syrisch-arabische Wüste.
nur Gräser hervor.
Es ist ein Steppenland, d. h. es bringt meist
Im nördlichen Theile ist es graSreich und trägt
hie und da Bäume; weiter abwärts, wo
der Regen noch mehr man
gelt, ist es baumleer, oft wüst; im südlichen Theile ist es aber wieder
grünender.
Dieses Land zwischen den beiden Flüssen heißt Mesopo
tamien (auch Chaldäa), und ist gegen 4000 Q.-Meilen groß.
Darin
lag Ur, wo Abraham ursprünglich wohnte. Im Südwesten von Mesopotamien- am Ausfluß des Euphrat liegt
Babylonien.
Dieses Land ist am fruchtbarsten; namentlich trägt eS
Die Assyrer, Babylonier und Meder.
10
Oestlich am und vom Tigris liegt Assy
sehr reiche Getreideernten.
rien (das heutige Kurdistan), das nach Osten hin bald, in ein üppiges
und schönes Hügelland übergeht,
dessen Höhen prächtige Eichen- und
Nußbaumwälder tragen, während die Thäler Getreide und Südfrüchte
Oestlich von Assyrien liegt Medien,
in Menge hervorbringen.
ein
Hochland.
In dem großen Tieflande deö Euphrat und Tigris mögen sich schon
sehr früh Menschen angesiedelt haben; die herrlichen Weiden luden die
Die Bibel berichtet, daß ein Enkel Hams,
Hirten gar sehr dazu ein.
Namens Nimrod, hier zuerst anfing, ein gewaltiger Herr zu sein auf
Erden und ein gewaltiger Jäger,
seines Reichs
und daß der Anfang
war Babel im Lande Sinear, d. i. Babylonien.
Das Reich Baby
lonien wurde um 2000 v. Chr. von Assyrien abhängig.
Ninus, Herr
von Assyrien (das seinen Namen von Sems Sohne, Assur, hat) bildete sich aus den tapfersten, jungen Männern, die er lange in den Waffen
geübt, ein Heer, eroberte Babylonien und Medien, und stiftete so das große assyrische Reich.
Als er von seinem siegreichen Zuge mit
reicher Beute beladen heimgekehrt war, wollte er auch eine Residenzstadt
haben, die seiner würdig sei.
Er wählte dazu ein kleines Städtchen in
Assyrien, am Tigris gelegen und baute es mit Hülfe von vielen tausend
Ueberwundenen so groß, daß die neue Stadt der Sage nach zwölf Meilen im Umfange hatte.
Ninive hieß sie.
Das ist die Stadt, in welche
später der Prophet Jonas gesandt wurde,
der
von ihr erzählt,
daß
120000 Kinder in ihr gewesen seien und zwar noch so kleine, daß sie
die rechte Hand von der
linken noch nicht zu unterscheiden wußten.
Heut ist von dieser Riesenstadt nichts übrig als ein Hügel und ein Dorf, mit Namen Nunia.
Fast noch merkwürdiger als Ninus ist seine Frau, Namens Se-
miramis, die nach dem Tode ihres Gemahls die Herrschaft antrat.
Wie dieser Ninive,
so baute
sie Babylon groß und schön.
Diese
Stadt, ein Viereck bildend, hatte vierzehn Meilen im Umfange; eS lagen nämlich in den damaligen Städten auch Felder.
Die Mauern waren
thurmhoch und so breit, daß sechs Wagen neben einander auf ihnen fahren konnten.
Hundert eherne Thore führten in die Riesenstadt, durch welche
der Euphrat strömte, dessen Bett von hohen Mauern eingeschlossen war. In der Mitte der Stadt war eine sehr lange Prachtbrücke über
Strom gebaut, mit zwei schönen Palästen an jedem Ende.
den
Jeder dieser
Paläste trug auf gewölbten und hoch aufgethürmten Terrassen die schön-
11
Die Assyrer, Babylonier und Meder.
ften Gärten; diese lustigen Anlagen nannte man die schwebenden Gärten
der Semiramis. thurm.
An der östlichen Seite der Brücke stand der Belus-
Von einer dreihundert Schritt in's Geviert haltenden Grund
fläche erhob er sich zn der schwindelndenHöhe von sechshundert Fuß und zwar so, daß acht Thürme auf einander standen, der höhere aber immer etwas
schmäler und niedriger
war,
als der untere.
Ganz
oben war eine
Kapelle für den Gott BeluS, für den hier ein goldenes Bett und an
derer goldener Hausrath aufgestellt war, im Fall er hier seine Woh nung aufschlagen wollte. Ein zweihundert Fuß hoher Trümmerhaufen, das einzige Ueberbleibsel des alten Babylon, bezeichnet noch heut den Stand ort dieses Tempels.
AuS diesen wie aus andern Ueberresten in jenen
Gegenden geht hervor, daß man sich zum Bauen würfelförmiger, an der Lust getrockneter Backsteine bediente.
Dieser Umstand erklärt die Stärke
der Mauern und auch ihre Hinfälligkeit. — Nach den in unsern Tagen von den Franzosen und Engländern bei den Ausgrabungen um die Stadt
Mosul gemachten Entdeckungen von Ueberbleibseln bilder- und inschrif tenreicher Säle, von Waffen, Gefäßen, Elfenbein- und Goldzierrathen, müssen wir von assyrischer Kunst und Luxus eine hohe Meinung ge
winnen.
Nicht
minder StaunenswertheL
haben die alten Assyrer in
ihren zahlreichen Bewässerungsanstalten und Kanalbauten geleistet, das ganze Land netzartig durchzogen und
desselben zuwege brachten.
die
die
übergroße Fruchtbarkeit
Jetzt, nach dem Verfall dieser Bewässerungs
anstalten findet man da, wo
vormals große Städte standen und herr
liche, fruchtbare Felder prangten, zumeist nur einförmige Steppen, die kaum an die ehemalige Herrlichkeit Mesopotamiens
und Babyloniens
erinnern.
Die Assyrer waren Heiden und ihre Religion war Naturdienst,
namentlich Fetischdienst,
grenztes
Vertrauen
wahrscheinlich ein
und
d. h. sie setzten auf leblose Dinge ein unbe hielten
sie
heilig.
höchstes Wesen verehrt;
Ursprünglich
haben
sie
bald aber mögen sie der
Ansicht geworden sein, daß dieses sich mit den kleinlichen Angelegenheiten der Menschen
nicht
befassen möge.
Daher dachte man sich zwischen
diesen und dem höchsten Wesen vermittelnde Gottheiten und dies führte zur Verehrung der Gestirne:
Sonne,
Mond,
Planeten re.,
in denen
man belebte, göttliche Wesen sah, die Gegenstand der Anbetung wur
den.
Baal oder Belus (d. h. Herr) entsprach der Sonne;
er er
scheint als bärtiger Gott mit vier Stierhörnern, mit einem Beil in der
rechten Hand, umgeben von weiblichen Gestalten, über deren Häuptern
12
Die Assyrer, Babylonier und Meder.
Mylitta (d.
Sterne angebracht sind.
h.
Mutter)
entspricht dem
Aber auch zwischen diesen Gottheiten und den Menschen sollte
Mond.
es noch der Vermittler bedürfen und für solche erklärten sich die Prie ster, Chaldäer genannt. Bewegungen der
Diese Leute verbreiteten die Ansicht, daß die.
Gestirne
Entscheidungen
und Willensverkündigungen
der Gottheiten seien und gaben vor, daß sie diese göttlichen Aeußerun gen aus dem Stande der Gestirne zu deuten vermöchten. den Grund zur Sterndeuterei (Astrologie).
Dies legte
Da die Gestirne zu man
chen Zeiten nicht sichtbar waren, so machte man sich von ihnen Götter
bilder aller Art und glaubte,
daß der Geist der Götter diese Bilder
So entstand der Bilderdienst.
belebe.
sollten aber
Die Götter
auch dienstbare Geister unter sich haben, die sich mit den besondern An
Diese Genien konnten, nach
gelegenheiten der Menschen beschäftigten.
der Aussage der Priester, durch ihre Beschwörungen an kleine, körper
liche Dinge: Edelsteine, Hölzchen, Bänder, Ringe rc. gefesselt werden zum Dienst der Menschen, welche jene Dinge bei sich trugen.
So ent
stand der Glaube an die Talismane. Der Gottes- oder vielmehr Götzendienst der Assyrer bestand in
Processionen, wobei die Götzenbilder umhergetragen wurden, und in Opfern, bei welchen man anfangs auch Menschen schlachtete, später opferte man Gold und Silber, wovon die Priester das meiste für sich
behielten, das Uebrige zum Ankauf von Weihrauch und Kerzen verwen Der König regierte despotisch, d. h. sein Wille war Gesetz,
deten.
das Volk mußte ihm
Sclave.
unbedingt gehorchen;
herrschte; die Jungfrauen wurden öffentlich
Putzsucht
er war Herr,
das Volk
Hinsichtlich der Sitten, ist bemerkenswerth, daß Vielweiberei
war
ein
Hauptcharakterzug
versteigert.
der Assyrer.
Ueppigkeit galten ihnen nicht als Laster.
Eitelkeit und
Schwelgerei und
Dadurch und durch Schlaff
heit des Volkes und seiner Regenten ging das große assyrische Reich 888
v. Chr. unter.
Der letzte König, der feige Sardanapal, verbrannte
sich mit allen seinen Weibern und Schätzen, als die Empörer (Meder) siegreich bis in
seine Residenz vorgedrungen waren.
ordneten sich aus
Im Jahre 876
den Trümmern deS Reichs drei neue Reiche: daS
neu-assyrische, das babylonische und das medische. Diese Reiche kamen, wie uns aus der biblischen Geschichte schon
näher bekannt ist, mit den Israeliten in Berührung; erinnern wir unS hier in Kürze daran.
Ein Charakterzug jener asiatischen Herrschaften
war maßlose Eroberungssucht; in der Größe der Masse der Gehorchen
den, in der Unermeßlichkeit der Grenzen ihrer Monarchie, in der Unter jochung jeder Freiheit, lag die Befriedigung der Lust der Beherrscher
Die Assyrer, Babylonier und Meder.
jener Völkermassen.
Alle schwachen Nachbarn
13
waren daher stets in
Gefahr, von ihnen angegriffen zu werden, und dies Unglück brach bei günstiger Gelegenheit auch
wirklich über sie herein.
Zunächst wurde
Assyrien mächtig, es unterwarf sich Babylonien und fiel dann auch über die beiden Reiche Israel und Juda her. Schon um 770 griff der assyrische König PH ul das Reich Israel an, dessen König Menahem die Gunst des wilden Eroberers, nur durch
1000 Silbertalente (ä 1500 Thaler in unserm Gelde) und durch das
Versprechen eines jährlichen Tributs erkaufen konnte. Um 750 wiederholte Tiglath Pilessar von ,Neu-Afshrien den Angriff gegen Israel,
das damals von Pekah
regiert wurde.
Der
Eroberer nahm das Ostjordanland in sein Reich auf und führte viele Das Wegführen des Volkskernes
angesehene Israeliten mit sich fort.
aus den eroberten Ländern war damals Eroberungssitte; man war nicht zufrieden mit den Abgaben der
eroberten Völker, sondern man raubte
ihnen auch jede Art von Selbstständigkeit. Im Jahre 722 machte endlich der assyrische König SalmanasHosea, der letzte König des
sar dem unglücklichen Israel ein Ende.
selben, hatte dem Salmanassar gegen den Rath des Propheten Jesaias den Tribut aufgekündigt,
worauf dieser schnell in's Land rückte, den
König gefangen setzte, nach dreizehnjähriger Belagerung die Hauptstadt Samaria eroberte und alle waffenfähigen und tüchtigen Männer so wie
auch den König mit sich fortführte in die entferntesten Theile seines
Reichs. Nicht lange darauf begannen auch die Angriffe gegen Juda. Schon
Sanherib (SalmanafsarS Nachfolger) versuchte, ihm zu bereiten, welches Israel getroffen.
dasselbe Schicksal
Mit einem großen Heere rückte
er im Jahre 710 v. Chr. in Judäa ein (2. Kön. 18), wo der fromme Hiskias regierte, dem der erhabene Prophet JcsaiaS mächtig zur Seite
stand.
Doch die Gefahr wurde diesmal von dem bedrohten Reiche ab
gewendet.
HiskiaS ermunterte Alle zum Gottvertrauen, und suchte bei
Jehova selber Rath und Hülfe.
Und er fand sie.
euch, die ihr wohnet zu Jerusalem? Hand
errettet?"
So
„Weß vertröstet ihr
Wo ist ein Gott, der aus meiner
hatte Sanherib
der Prophet JesaiaS sprach zu Hiskias:
hochmüthig
gesprochen.
Aber
„So spricht der Herr: Fürchte
dich nicht vor den Worten der Lästerung; siehe, er soll Etwas hören,
daß er heimzieht in sein Land, und ich will ihn fällen durch's Schwert
in seinem Lande."
Und so geschah eS auch.
aus der Engel des Herrn (d. i.
In derselben Nacht fuhr
eine Pest brach
185,000 Mann im Lager der Assyrer, und
aus) und
schlug
Sanherib zog weg nach
14
Die Assyrer, Babylonier und Meder.
Ninive.
„Und da er anbetete im Hguse seines Götzen,
schlugen ihn
seine Söhne mit dem Schwerte."
Sanheribs Sohn, Assarhaddon, wieder auf.
nahm den Plan seines Vaters „Der that
In Juda regierte Hiskia's Sohn, Ma nasse.
was dem Herrn übel gefiel; darum ließ der Herr die Assyrer über ihn
konimen.
Die nahmen Manasse gefangen und führten ihn in Ketten
nach Babel.
Da er nun in der Angst war,
demüthigte er sich vor
Und Gott erhörte sein Flehen
dem Gotte seiner Väter.
und
brachte
ihn wieder gen Jerusalem zu seinem Königreich." (2. Kön. 18—20.) Doch nun geschah es, daß dem Reiche Assyrien dasselbe Schicksal bereitet wurde, womit es andere Völker heimgesucht hatte:
selbst unterjocht.
es wurde
Das Nomadenvolk der Chaldäer eroberte um 630
Babylonien, das nun ein mächtiges Reich wurde, namentlich unter
Nebukadnezar,
der in kurzer Zeit alles Land bis Aegypten,
Phö-
nicien und Palästina unter seinem Scepter vereinigte. — Das Reich
Juda fiel nach mehrmaligem Angriff.
Das erste Mal griff cS Nebu
kadnezar an, als Jojakim regierte,
den er sich unterthänig machte.
Da Jojakim abtrünnig wurde,
so zog Nebukadnezar abermals herauf
gegen Juda, band ihn in Ketten, führte ihn nach Babel und setzte sei
nen acht Jahre alten Sohn Jojachin zum Könige ein.
Der regierte
nur drei Monate; denn Nebukadnezar zog wieder herauf und nahm die
Schätze im Tempel und im Palaste des Königs, führte diesen weg und alle Obersten, alle Zimmerleute und Schmiede und 10,000 Gefangene,
und ließ
nichts übrig,
als
über diese Trümmer aber
Zum Könige
geringes Volk des Landes.
setzte
der Eroberer den Zedekias.
Dies
geschah 606 v. Chr. und ist der Anfang der 70 jährigen babylonischen
Gefangenschaft. — Da aber Zedekias auch abtrünnig wurde und sich mit dem Könige von Aegypten verband, erschien Nebukadnezar zum letz
ten Male, und zerstörte, was noch übrig war vom Reiche Juda.
Alte
Schätze im Hause des Herrn und im Hause des Königs ließ er nach
Babel bringen,
und den Tempel und alle Häuser zu Jerusalem ver
brennen und die Mauern zerbrechen.
Die Kinder des Königs Zedekias
wurden vor seinen Augen getödtct und er selbst wurde mit Ketten ge bunden und nach Babylon geführt.
Was vom Volke übrig war, wurde
ebenfalls gefangen geführt in die entlegenen Theile des babylonischen Reichs. Das Glück der Waffen hatte aber den Nebukadnezar so stolz ge macht, daß er vor lauter Hochmuth in Wahnsinn verfiel, der ihn sieben
Jahre lang für die Regierung unfähig machte (Daniel 4).
Der Wahn
sinn artete sogar in völlige Raserei aus; der König geberdete sich wie
ein wildes Thier, lief zu den Ochsen auf dem Felde,
fraß Gras mit
Die Aegypter.
15
ihnen, brachte Tag und Nacht unter freiem Himmel zu, und ließ sich Haare und Nägel so lang wachsen, verlor.
daß er alles menschliche Ansehen
Er wurde zwar wieder geheilt, starb aber bald nach seiner Ge
nesung, und hinterließ sein mächtiges Reich schwachen Nachfolgern, unter
denen es schon im Jahre 537 v. Chr. an die Meder und Perser ver loren ging, worüber wir bald Näheres erfahren werden.
3. Die Aegypter. Die
heilige Schrift erzählt
uns in 1. Mose 14,
daß Abraham
durch eine Hungersnoth sich genöthigt sah, nach Aegypten (in der Bibel
auch Mizraim oder Cham genannt) zu ziehen, von wo er nach längerer Zeit reich gesegnet mit Gütern aller Art nach Kanaan zurückzog. ter lebten Joseph und Jakob in Aegypten.
Spä
Hier wurde auch das Haus
Jakobs ein großes Volk; hier wurde ferner Moses geboren und erzogen; hierher wendete sich später die vor Herodes flüchtende heilige Familie.
Grund genug, um unsern Blick auch einmal nach Aegypten zu richten.
Aegypten liegt im Nordosten Afrika'S
und ist also ein Theil
Nordafrika's, der einzigen Landstrecke des großen Erdtheils, worin ge
schichtliche Völker gelebt haben.
Im übrigen Afrika haben von jeher,
bis auf den heutigen Tag, nur
wilde
und
halbwilde Völker gehaust,
die nicht einmal dahin gekommen sind, ihre Erlebnisse und Thaten auf zuzeichnen, und der Nachwelt zu überliefern.
Sie sind ohne Geschichte
und darin nicht unähnlich den lieben Thieren, die auch von ihren Voreltern nichts wissen.
In
Aegypten
dagegen wohnte
schon in sehr
stüher Zeit ein gebildetes Volk; ja, die alten Aegypter sind überhaupt eins der
ältesten Völker der Erde.
Schon um 3600 v. Chr. hatten
sie Könige, unter denen sic staunenswerthe Bauten aufführten, so daß wir annehmen dürfen, sie haben schon um 4000 v. Chr. in geordneter Staatsregierung gelebt. Das von ihnen bewohnte Land strecken.
ist eine der wunderbarsten Erd
Man kann es als eine Schöpfung
des großen Nilstromes
bezeichnen, der in das mittelländische Meer mündet, und etwa 700 Mei len weit nach Süden hin,
Aftika seine Quellen hat. fen mit sich führte,
im Hoch- und Gebirgslande
von Mittel-
Was der Strom von hier an erdigen Stof
hat er in seinem 120 Meilen
langen Unterlaufe
Die Aegypter.
15
ihnen, brachte Tag und Nacht unter freiem Himmel zu, und ließ sich Haare und Nägel so lang wachsen, verlor.
daß er alles menschliche Ansehen
Er wurde zwar wieder geheilt, starb aber bald nach seiner Ge
nesung, und hinterließ sein mächtiges Reich schwachen Nachfolgern, unter
denen es schon im Jahre 537 v. Chr. an die Meder und Perser ver loren ging, worüber wir bald Näheres erfahren werden.
3. Die Aegypter. Die
heilige Schrift erzählt
uns in 1. Mose 14,
daß Abraham
durch eine Hungersnoth sich genöthigt sah, nach Aegypten (in der Bibel
auch Mizraim oder Cham genannt) zu ziehen, von wo er nach längerer Zeit reich gesegnet mit Gütern aller Art nach Kanaan zurückzog. ter lebten Joseph und Jakob in Aegypten.
Spä
Hier wurde auch das Haus
Jakobs ein großes Volk; hier wurde ferner Moses geboren und erzogen; hierher wendete sich später die vor Herodes flüchtende heilige Familie.
Grund genug, um unsern Blick auch einmal nach Aegypten zu richten.
Aegypten liegt im Nordosten Afrika'S
und ist also ein Theil
Nordafrika's, der einzigen Landstrecke des großen Erdtheils, worin ge
schichtliche Völker gelebt haben.
Im übrigen Afrika haben von jeher,
bis auf den heutigen Tag, nur
wilde
und
halbwilde Völker gehaust,
die nicht einmal dahin gekommen sind, ihre Erlebnisse und Thaten auf zuzeichnen, und der Nachwelt zu überliefern.
Sie sind ohne Geschichte
und darin nicht unähnlich den lieben Thieren, die auch von ihren Voreltern nichts wissen.
In
Aegypten
dagegen wohnte
schon in sehr
stüher Zeit ein gebildetes Volk; ja, die alten Aegypter sind überhaupt eins der
ältesten Völker der Erde.
Schon um 3600 v. Chr. hatten
sie Könige, unter denen sic staunenswerthe Bauten aufführten, so daß wir annehmen dürfen, sie haben schon um 4000 v. Chr. in geordneter Staatsregierung gelebt. Das von ihnen bewohnte Land strecken.
ist eine der wunderbarsten Erd
Man kann es als eine Schöpfung
des großen Nilstromes
bezeichnen, der in das mittelländische Meer mündet, und etwa 700 Mei len weit nach Süden hin,
Aftika seine Quellen hat. fen mit sich führte,
im Hoch- und Gebirgslande
von Mittel-
Was der Strom von hier an erdigen Stof
hat er in seinem 120 Meilen
langen Unterlaufe
Die Aegypter.
16
abgesetzt, und so das fruchtbare Tiefland geschaffen, daS wir Aegypten
nennen. Genau genommen ist es nur ein Tieflandstreifen, denn eS ist, ab
gesehen von dem Mündungslande, nur 3—4 Meilen breit; links und rechts von ihm ist trockener Fels und Wüste.
Der Nil ist es auch,
der des Landes Fruchtbarkeit erhält; zöge er nicht durch das regenlose
Thal,
eS würde ebenfalls eine todte Wüste sein, wie die benachbarten
Landstrecken.
Seiner Wasserfülle ist es zu verdanken, daß sich Aegyp
ten noch immer als ein langes grünes Band mitten durch die Oede des
heißen Sandes zieht, geschmückt mit reichem Pflanzenwuchs, belebt von zahlreichen Thieren,
eine einladende Wohnstätte für den Menschen.
Der Nil schafft aber die große Fruchtbarkeit des von ihm durch strömten Thales
insbesondere
durch seine Ueberschwemmungen, die er
in wunderbarer Regelmäßigkeit vollbringt, heut noch, wie vor Tausenden
von Jahren.
Im Monat März fängt
steigen, in Folge des vielen Regens,
sein Wasser
regelmäßig an zu
der in den Bergländern seines
Oberlaufes fällt; dann wächst eS immer mehr, bis es endlich aus den
Ufern tritt, und im Monat August das ganze Land in einen See ver
wandelt, so daß man dann mit Kähnen über die Felder fährt, und die menschlichen Niederlassungen, die auf erhöhten Stellen angebracht sind,
wie Inseln aus dem seichten Meer hervorragen.
Allmählig zieht sich
der Strom wieder in seine Ufer zurück, äußerst fruchtbaren Schlamm
zurücklasscnd.
Zu Anfang unsers Winters ist er in seinem Bett und
nun kann man die Saat zurichten, wozu cs aber des Pflügens kaum bedarf.
Im Dezember blüht schon der Flachs, im Januar schlägt der
Weinstock aus, tut März ist das Korn reif zum Schnitt, und im Juni
hat man reife Weintrauben.
Nach gehaltener Ernte beginnt der Nil seine
Düngungs- und Befeuchtungsgcschäft wieder und der Mensch
braucht
dies nur vorübergchen zu lassen, um dann abermals zu säen und zu ernten. — Wir begreifen, warum Abraham und später auch Jakob, wie
überhaupt alle umwohnenden Asiaten, sich nach Aegypten wendeten, wenn
Thenrung und Hungernoth sie heimsuchten.
Aegypten war die Haupt
kornkammer der alten Welt. Das ist der Boden,
auf welchem das Volk der alten Aegypter
lebte und auf dem es das wurde, was wir nun von ihm hören werden.
Daß die alten Aegypter sehr früh auf die Stufe des ackerbautrei
benden Lebens sich erhoben, ist leicht begreiflich.
Sie gehören jedenfalls
zu den ersten Ackerbauern der Erde, und sie sind wahrscheinlich auch die
Die Aegypter. Ihr frühester Pflug war (wie
Erfinder des Pfluges. Griechen)
ohne Räder,
wahrscheinlich
gar nur
nian auch schon.
17
und Streichbrett.
Segg
ein
gekrümmter Baumast.)
auch bei den
(Der Urpflug
war
Die Egge kannte
Man baute insbesondere viel Weizen und zwar pflanz
ten ihn die alten Aegypter, wie die Israeliten,
mit der Hand,
indem
sie die einzelnen Körner einen Fuß und noch weiter auseinander legten. Dadurch erhielt der Weizen Raum zu reichlicher Bestaudung und mußte sich an diese starke Bestaudung gewöhnen, wodurch ein sehr reicher Er
trag bei wenig Aussaat erzielt wurde.
Der von Aegypten zu unS ge
brachte Mumienweizen zeigt diese Eigenthümlichkeit noch jetzt.
Um die Wohlthaten des Nils allen Theilen des Thales möglichst
reichlich zukommen zu lassen, wurden Kanäle gegraben, und Schöpf räder in Anwendung
gebracht.
Kurz vor 1500 v. Chr. ließ der Kö
nig Möris einen an 60 Meilen im Umfang haltenden See ausgraben, der mit dem Nil durch einen 2 Meilen langen Kanal in Verbindung stand.
In diesem Kanal war ein großes Schleusenwerk, das geöffnet
wenn der Nil-stieg,
wurde,
um das Wasser in den See zu leiten.
War er gefüllt, so schloß man es wieder.
Trat dann Trockniß ein, so
hatte man Wasser zur Befruchtung der Felder.
Viele tausend Menschen
mußten viele Jahre lang arbeiten, um zur Herstellung dieses Kunstsee's Erde auszugraben und fortzuschaffen.
Da durch die Nilüberschwemmun
gen die Grenzmarken der Felder jedesmal unkenntlich gemacht wurden, so sahen sich die Aegypter früh genöthigt, die Feldmeßkunst zu er
Um 250 v. Chr. Geburt hatten sie auch schon Wasserpum
finden.
pen und Springbrunnen.
Doch erkannten sie noch nicht, daß der
Luftdruck bei ersterer die wirkende Ursache sei;
sie
erklärten sich das
Steigen des Wassers in die Röhre vielmehr durch die Annahme eines Abscheues der Natur gegen den leeren Raum; ein Glaube, der bis in'S
17. Jahrhundert n. Chr. fortbestanden hat. — Die Feldmessung trieb
wohl auch zum Rechnen hin, indessen rechneten die alten Aegypter nur mit Hülfe von Steinchen.
Zum eigentlichen Rechnen wurden erst die
Phönizier, die wir auch bald kennen lernen werden, durch den Handel getrieben.
Zum Handel im Großen konnten sich die Aegypter nicht verstehen,
da sie einen Abscheu vor dem Meere hatten und auch vor Verbindung mit fremden Völkern.
Um so ausgebildeter war ihre Industrie.
In
der Leinen- und Baumwollenweberei hatten sie einen hohen Grad von
Volttommenheit erreicht. Hanf.
Moses kannte schon Gewebe aus Flachs und
Aus dem Byssus
spann man die feinen Fäden zu der im
Alterthum berühmten „köstlichen Leinwand".
Kutzner Geschichte I.
Die PapyruSstaude
2
Die Aeghpter.
18
(eine Art Schilf) gab Veranlassung zur Erfindung des Papiers.
Da
älteste Schreibmaterial waren wahrscheinlich Palmenblätter, auf welche man die Buchstaben mittelst eines spitzen Instruments einritzte.
schrieb auf steinernen Tafeln; die Babylonier auf Ziegeln.
Mose-
(Die Ara
ber schrieben auf Knochen und die alten Römer auf Holz.)
Um da-
Jahr 1100 schrieben die Aeghpter schon auf Leinwand; später erfanden sie die Kunst, aus den Fasern der Papyrusstaude ein Papier zu ver
fertigen, das in sehr ausgedehnten Gebrauch kam und womit die Phö
nizier starken Handel trieben.
Der wichtigste Zweig der ägyptischen In
dustrie war aber der Bergbau.
Man fand besonders Gold, Silber
und Kupfer Und verarbeitete Letzteres zu Gefäßen.
(Aus der Inschrift
eines Grabmales vor 1500 v. Chr. geht hervor, daß der jährliche Er trag der Gold- und Silberbergwerke an 480 Mill. Thaler nach unserm
Gelde betrug.)
Das Eisen war den Aegyptern schon zu Mosis Zeit
bekannt.
Zur Aufzeichnung der Gedanken bediente man sich einer Bilder
schrift, der Hieroglyphen, die noch heut von den Denkmalen dieseVolkes theils entziffert, theils unverstanden vor uns stehen. Naturkunde mögen die Aegypter,
Kenntnisse besessen haben. nachahmen (2. Mos.).
besonders
ihre Priester,
In der
bedeutende
Konnten sie doch einige Wunder des MoseIn der Sternkunde
waren sie
um 1300
v. Chr. schon so weit gekommen, das Jahr auf 365 Tage und 6 Stun
Sie waren die ersten, welche das Jahr in 12 Mo
den zu berechnen.
nate, jeden zu 30 Tagen, eintheilten und demselben 5% Tag zur Er
(Die Chaldäer und Chinesen mögen aber wohl die
gänzung anhingen.
ersten Völker gewesen sein, welche die Länge des Jahres auf 365 Tage gesetzt haben.)
Am bekanntesten ist, was die Aeghpter in der Baukunst geleistct haben.
Wer hätte nicht schon von den Pyramiden sprechen hören,
oder davon gelesen!
ES sind dies große, vierseitige, spitzlaufeyde Ge
bäude aus riesigen Steinquadern.
Nach innen führt ein enger Gang
in einen kleinen höhlenartigen Raum, der wahrscheinlich als Gruft für eine königliche Leiche diente. ihrer Erbauung)
stehen
Noch heut (nach etwa 3000 Jahren feit
diese seltsamen Grabdenkmäler fast unversehrt
und zwar in Mittelägypten.
Der Zahl nach sind eö 40 und einige,
worunter die des Cheops die größte ist.
Die Grundfläche dieser Riesen
pyramide ist so groß, wie ein großer Marktplatz (720 Fuß jede Seite)
und höher, als unsere höchsten Thürme (422 Fuß).
100,000 Men
schen hatten 20 Jahre an diesem aus ungeheuren Kalksteinquadern auf-
gethürmten unnützen Koloß zu thun.
ES ist keine geringe Arbeit, an
Die Aegypter. der Außenseite hinaufzuklettern.
19
Die untern Quadern sind wohl 4 Fuß
hoch, so daß man oft die Kniee zu Hülfe nehmen muß, um hinaufzu Werden auch die stufenförmigen Absätze,
kommen.
je höher nach der
Spitze, desto niedriger, so muß man doch bis zuletzt die Füße bedeutend heben.
Von oben herabgesehen,
erscheinen die äußerst steilen Seiten
wände fast senkrecht, und es gehört große Sicherheit dazu,
hinab zu gehen; wer ausgleitet, ist verloren.*)
um allein
Die Ausführung dieser
Riesenbauten geschah mit Hülfe von Erdwällen, welche um den bereits
fertigen Theil der Pyramide aufgeschüttet und mit der Erhebung dersel
ben auch immer höher wurden, endlich nach Vollendung des Baues aber wieder abgetragen werden mußten. Neben den
Pyramiden
liegt
ein
kolossaler Sphinx,
d. i. ein
Steinbild von einem fabelhaften Geschöpfe mit Menschenkopf und Löwen körper.
Die
ganze Länge
dieses
Ungeheuers
beträgt 117 Fuß,
der
Umfang des Kopfes allein 81 Fuß und die Höhe vom Bauch bis zum Kopfe 51 Fuß.
Dieser Sphinx hat am Halse einen Eingang, welcher
in eine Reihe von Felsengemächern führt.
Diese Gemächer haben wahr
scheinlich mit der großen Cheops-Pyramide in Verbindung gestanden, und
dann den Zweck
der Sphinx selbst hatte
eines Einganges neben der
symbolischen Bedeutung eines Wächters. Außer dieser kolossalen Figur giebt eö noch eine Menge unterge
ordneter Sphinxe, bald mit Menschenhäuptern, bald mit Widder- oder anderen
Thierköpfen.
Sie lagen
gewöhnlich
Tempel und Pyramiden zu beiden Seiten
an
den Eingängen
der
und trugen zwischen ihren
Vorderfüßen die Statue irgend eines Gottes oder Königs. Von
der
großen
Baugeschicklichkeit
ferner die Obelisken,
d. s. viereckige,
der
alten
Aegypter
zeugen
glatt polirte Spitzsäulen aus
einem Stück Granit oder Marmor, oft von der Höhe von 150-Fuß.
Einer von ihnen wiegt über 5400 Ctr. und mußte 800 englische Mei len weit transportirt werden.
Welche Arbeit gehörte dazu, diesen Stein
block aus dem Gebirge auSzuhanen, auf ein Nilschiff zu schaffen, ihn an'S Ufer zu bringen und an Ort und Stelle aufzurichten!
So groß und gewaltig aber auch diese Bauten sind, so verschwin
den sie doch gegen die Tempel und Paläste Thebens,
an denen man
wohl ein Jahrtausend gearbeitet haben mag und die ihres Gleichen kaum
auf Erden finden. Grunde.
Die Phramidenform
lag
auch
diesen Bauten zu
Man denke sich einen ägyptischen Königspalast oder Tempel,
zunächst von einer massiven Mauer umgeben, die ein ungeheures Viereck
*) Die Seitenflächen der andem Pyramiden sind eben.
Die Aegypter.
20
einschließt. Diese Mauer ist 30—50 Fuß dick, besteht aus schweren Granitblöcken und wird der Raum nach oben zu cngeb, so daß die Mauer
einem Festungswalle gleicht.
Den Eingang
Die ganze Wand ist fcnsterloS-
hohe thurm-
bilden an 80 Fuß
Pfeiler, vor denen als Thürhüter Obelisken
stehen.
und
pyramidenartige
oder kolossale Bildsäulen
An diese Umfassungsmauer waren nach innen zu Zimmer und
Säulengänge gebaut,
ganze Raum war in
und der
eine Reihe von
Höfen abgctheilt; außerdem standen noch Sphinxe und Götterstatuen im Innern.
Der freie Theil des Hofes hatte kein Dach; die Säulenhallen
Im letzten Hofe lag das Allerhciligste,
waren mit Steinplatten bedeckt.
eine fenster-- und lichtlose Steinkammer, rechts und links um sie Priester
wohnungen.
Die ganze Gegend um das alte hundertthorige Theben (in Ober ägypten) ist mit Trümmern von Tempeln, Palästen, worin Säle mit
Säulen von 6—11 Fuß Durchmesser und 70 Fuß Höhe, und Kapita
len, auf denen an 100 Menschen Raum haben, Säulcngängen, Obelis
ken, kolossalen Sphinxen rc. wie besäet, und in den Sälen und Säulen hallen dieses ältesten Sitzes ägyptischer Baukunst finden sich noch In
schriften und Malereien, deren Farben ganz frisch erscheinen. Dem ganzen öffentlichen Leben der Aegypter lag ihre Religion
zu Grunde.
Dieselbe mag ursprünglich wohl
eine sinnvolle
gewesen
sein; was aber von ihr bekannt ist, weist nur rohen Fetischdienst auf. Sonne, Mond, Gestirne, Feuer, Wasser, Thiere, Pflanzen, ausgezeich
nete Menschen rc. waren ihnen Dinge religiöser Verehrung.
Der Nil
wurde als das sichtbare Abbild der obersten Gottheit, Ammon, betrachtet,
der in dieser Gestalt Aegypten belebte. Verehrung
des Osiris
und seiner
verstanden die gelehrten Priester die
Am ausgebreitetsten war die
Schwester Isis.
Unter jenem
befruchtende Kraft in der Natur
(die düngende Kraft des Nil), unter Isis die hervorbringende Natur (die Fruchtbarkeit des Landes).
Andere verstanden unter Osiris
die
Sonne und unter Isis den Mond. — Dankbarkeit und Furcht trieben
zur Verehrung der Thiere.
Der Ibis wurde verehrt, weil er die
im Nilschlamm nistenden Schlangen vertilgte, das Krokodil, weil es Furcht einflößte, das Ichneumon, weil es die Krokodileier verzehrte;
desgleichen war die Katze ein heiliges Thier.
Die größte Verehrung
aber genoß der Apis (Sinnbild des Ackerbaues),
mit weißem Fleck auf der Stirn.
ein schwarzer Ochse
Er hatte seine Residenz in der
Königsstadt Memphis, wo ihn Priester bedienten und ihm kniend die
Speise darreichten.
Die Aegypter waren überhaupt ein überaus reit»
Die Aegypler. giöses Volk; groß war die Ehre,
Gegenständen erwiesen.
21
die sie ihren Göttern
Starb ein geheiligtes Thier,
und heiligen
so trauerte das
ganze Haus; um eine gestorbene Katze z. B. schoren sich alle Hausbe
wohner die Augenbrauen ab.
Starb
der Apis, so trauerte das ganze
Land so lange, bis ein neuer gefunden war.
galt für das
größte Verbrechen.
Völker,
Tödtung geheiligter Thiere
die z. B. Kuhfleisch aßen,
waren den Aegyptern ein Greuel. — Der Gottesdienst selbst bestand in Trank- und Speiseopfern, d. h. man
vernichtete ein Getränk
oder
einen zur Speise dienenden Gegenstand. — Seltsam war auch die An
sicht der Aeghpter über Tod und Unsterblichkeit.
Mit der Unsterblich
keit der Seele dachten sie sich eine'Wanderung derselben verbunden.
Sie glaubten, die Seele bleibe noch
so lange im todten Körper, bis
dieser verwest sei, dann trete sie die Wanderung durch allerlei Thiere
an, bis sie nach Verlauf von etwa 3000 Jahren wieder in den Körper
eines neugebornen Menschen einkehre.
Daher waren sie gar sehr darauf
bedacht, den Leichnam durch Einbalsamirung vor Verwesung zu schützen,
wodurch die Mumien entstanden; daher kam auch die große Sorgfalt bei Herstellung von Todtenhäusern; war doch die Zeit des Lebens' so sehr kurz gegen die des Todes.
Jede Stadt hatte in ihrer Nähe eine
unterirdische Todtenstadt, die aus Gräbern bestand, welche in die Fel sen deö an das Tiefland grenzenden Gebirges eingehauen wurden.
Theben zieht sich eine solche von zn)ei Meilen Länge hin.
Bei
Diese Grüfte
und Grabmäler stachen durch Pracht unendlich von den Wohnungen der Lebenden ab.
Hat man doch auch Mumien gefunden,
Finger und Zehen, waren. — Ein
Gesicht
und Kopf in
ehrenvolles Begräbniß
bei denen alle
goldene Futterale
war der
eingefaßt
höchste Wunsch
des
AeghpterS. Aber nicht Jedem wurde die Ehre zu Theil, in die Todtenstadt
ausgenommen zu werden.
Ueber jeden Gestorbenen wurde nämlich erst
ein Todtengericht abgehaltcn, wo Kläger und Vertheidiger auftreten konnten.
Sogar mit den Königen machte man keine Ausnahme.
Fiel
das Urtheil ungünstig aus, so wurde das ehrenvolle Begräbniß unerbitt
Die Furcht vor diesem Gericht hielt Manchen auf
lich verweigert.
gutem Wege. Das Volk war in erbliche Stände oder Kasten getheilt, d. h. die Kinder eines Standes mußten in dem Stande verbleiben, in dem sie ge
boren waren.
Die
vornehmste Kaste
war die
der Priester.
Sie
waren die Erzieher und Räthe des Königs, gaben Gesetze und richteten
das Volk danach.
Sie waren die einzigen Gelehrten im Lande,
die
Pfleger der Künste und Wissenschaften, die sie sehr geheim hielten; auch
Die Aegypter.
22 als Aerzte wirkten sie, stimmte Krankheit.
doch
studirte und kurirte Jeder
nur eine be
Die nächste Kaste war die der Krieger.
Diese
bildeten nicht etwa ein stehendes Heer; sie besaßen vielmehr Ländereien,
von denen sie lebten und hatten das Vorrecht, daö Land gegen Feinde Alles Land war in drei Theile getheilt; ein Theil gehörte
zu schützen.
dem Könige, der zweite den Priestern,
der dritte den Kriegern.
Die
Kaste der Ackerbauer hatte kein eigenes Land, sondern mußte eS für
die Grundbesitzer bestellen.
Die Hirten waren die verachtetsten und
geplagtesten aller Stände; darum ging eS auch den Israeliten, die zu
den verhaßten Nomaden gezählt wurden, so übel. Sehr absonderlich waren die Aegypter in ihren Sitten. Darin war
fast Alles dem entgegen gesetzt, was bei andern Völkern die Sitte gebot.
Die Weiber besorgten die Geschäfte
Mann der Wirthschaft vorstand.
Mann mußte ihm gehorchen.
Eltern ob.
außer dem Hause,
während
der
Daö Weib war der Hausherr; der
Der Unterhalt für die Kinder lag den
Die Frau hatte nur ein Kleid,
der Mann zwei.
Man
aß auf der Gasse, knetete den Teig mit den Füßen und den Lehm mit
den Händen.
Die Schwester zu heirathen, war erlaubt.
Unter den zahlreichen Pharaonen (Königen) einen, den Necho,
der
um 600 v. Chr. lebte.
merken
wir nur
Dieser Mann
hatte
den großen Plan gefaßt, das mittelländische Meer mit dem rothen durch einen Kanal zu verbinden, also die Landenge Suez durchstechen zu las sen.
Auf den Rath eines Orakels ließ er jedoch davon ab.
dings beschäftigen sich die Franzosen, selben Plane.)
zwar
von
(Neuer
Aegypter und Türken mit dem
Dagegen wurde unter ihm Afrika schon umsegelt, und
angeworbenen,
phönizischen Seefahrern.
segelte vom rothen Meere aus,
umschiffte
Die kleine Flotte
die Südspitze von Afrika,
durchfuhr die Meerenge zwischen den Säulen des Herkules (Gibraltar) und kam nach Verlauf von drei Jahren wieder in Aegypten an.
Was
diese Umschisfung außer Zweifel setzt, ist die Nachricht der Reisenden, die Sonne auf der rechten Seite gehabt zu haben.
tende,
Der dies berich
griechische Geschichtsschreiber Herodot (um 450 v. Chr.) fügt
dieser Mittheilung die Worte bei: „waö nicht ich, sondern ein Anderer
glauben mag."
Nach dem damaligen Standpunkte der Wissenschaft hatte
er allerdings Recht, daran zu zweifeln. Necho drang auch erobernd bis an den Euphrat vor, wurde aber von Nebukadnezar geschlagen.
Unter seinen Nachfolgern sank das
Reich immer mehr, und endlich wurde es im Jahre 525 v. Chr. eine
Die Phönizier. Beute der Perser.
23
Necho und sein Vorgänger hatten zuerst das ver
schlossene, „bittere" Aegypten, wie es die Fremden nannten, dem Aus lande geöffnet und fremde Sitten mit der einheimischen gemischt.
durch war der alte ägyptische Staat nicht stärker geworden, überhaupt die Völker nur stark sind, wenn sie nach
sen und sich entwickeln können.
Da
wie denn
ihrer Weise wach
Der Sohn dcS aus der biblischen Ge
schichte unS bekannten Perserkönigs Korcs (KyroS), Namens Kamby-
seS, war es, der Aegypten zu einer persischen Provinz machte. das Land unter die Herrschaft
Später (um 330 v. Chr.) gerieth
Alexanders des Großen von Makedonien.
Nach
dieses Eroberers
Dreißig Jahre v. Chr. Geb.
Tode wurde eS wieder ein eigenes Reich.
fiel es den Römern in die Hände, von diesen eroberten eö die Ara
ber (634 n. Chr.) und seit 1517 gehört es den Türken.
4.
Die Phönizier.
Der Name dieses Volkes ist uns aus der biblischen Geschichte schon bekannt.
Ein phönizischer König toar- es, welcher dem Könige Salomo
Cedernholz und Bauleute zur Ausführung seiner Baupläne überließ; in Zarpath, einer phönizischen Stadt, fand der Prophet Elias einen Zufluchts ort zur Zeit einer Dürre und HungerSnoth in Palästina; such' Jesus
begab sich einst nach Phönizien, nämlich in die Gegend von Tyrus und
Shdon,
wie wir aus der Geschichte
vom kananäischen Weibe wissen.
Machen wir uns daher auch mit dem Lande und Volke der Phönizier
etwas näher bekannt. Von dem Hochlande von Kleinasien zieht sich nach Süden an der
Ostküste des Mittelmeeres Hochland hin,
das
entlang bis an's rothe Meer
ein
anderes
jetzt den Namen „syrisches Hochland" führt.
An
dem Ostfuße desselben beginnt die syrisch-arabische Wüste, welche es von
Mesopotamien und schmaler Küstensaum
Arabien trennt; den Westfuß am Mittelmeere.
dieses Hochlandes umfaßt das alte Syrien, Palästina.
aber begrenzt
ein
Der nördliche größere Theil der südliche kleinere Theil
Im südlichen Theile Syriens steigt das berühmte Kalkstein
gebirge des Libanon (Libanoy h. der Weiße) auf, von dem die arabi
schen Dichter sagen: er trügt den Winter auf seinem Haupte, den Früh
ling auf seinen Schultern, den Herbst in seinem Schooße und zu seinen Füßen schlummert der Sommer.
Er besteht aus zwei Theilen:
dem
Die Phönizier. Beute der Perser.
23
Necho und sein Vorgänger hatten zuerst das ver
schlossene, „bittere" Aegypten, wie es die Fremden nannten, dem Aus lande geöffnet und fremde Sitten mit der einheimischen gemischt.
durch war der alte ägyptische Staat nicht stärker geworden, überhaupt die Völker nur stark sind, wenn sie nach
sen und sich entwickeln können.
Da
wie denn
ihrer Weise wach
Der Sohn dcS aus der biblischen Ge
schichte unS bekannten Perserkönigs Korcs (KyroS), Namens Kamby-
seS, war es, der Aegypten zu einer persischen Provinz machte. das Land unter die Herrschaft
Später (um 330 v. Chr.) gerieth
Alexanders des Großen von Makedonien.
Nach
dieses Eroberers
Dreißig Jahre v. Chr. Geb.
Tode wurde eS wieder ein eigenes Reich.
fiel es den Römern in die Hände, von diesen eroberten eö die Ara
ber (634 n. Chr.) und seit 1517 gehört es den Türken.
4.
Die Phönizier.
Der Name dieses Volkes ist uns aus der biblischen Geschichte schon bekannt.
Ein phönizischer König toar- es, welcher dem Könige Salomo
Cedernholz und Bauleute zur Ausführung seiner Baupläne überließ; in Zarpath, einer phönizischen Stadt, fand der Prophet Elias einen Zufluchts ort zur Zeit einer Dürre und HungerSnoth in Palästina; such' Jesus
begab sich einst nach Phönizien, nämlich in die Gegend von Tyrus und
Shdon,
wie wir aus der Geschichte
vom kananäischen Weibe wissen.
Machen wir uns daher auch mit dem Lande und Volke der Phönizier
etwas näher bekannt. Von dem Hochlande von Kleinasien zieht sich nach Süden an der
Ostküste des Mittelmeeres Hochland hin,
das
entlang bis an's rothe Meer
ein
anderes
jetzt den Namen „syrisches Hochland" führt.
An
dem Ostfuße desselben beginnt die syrisch-arabische Wüste, welche es von
Mesopotamien und schmaler Küstensaum
Arabien trennt; den Westfuß am Mittelmeere.
dieses Hochlandes umfaßt das alte Syrien, Palästina.
aber begrenzt
ein
Der nördliche größere Theil der südliche kleinere Theil
Im südlichen Theile Syriens steigt das berühmte Kalkstein
gebirge des Libanon (Libanoy h. der Weiße) auf, von dem die arabi
schen Dichter sagen: er trügt den Winter auf seinem Haupte, den Früh
ling auf seinen Schultern, den Herbst in seinem Schooße und zu seinen Füßen schlummert der Sommer.
Er besteht aus zwei Theilen:
dem
Die Phönizier.
24
Libanon im Westen (mit Kuppen von 9000 Fuß) und dem Antili Zwischen dem Libanon und Antilibanon liegt ein
banon im Osten.
schönes Thal, Hohlshrien
zwei Flüsse:
(Cölcshricn) genannt.
Daraus kommen
(unweit
nach Norden fließend
Der Orontes,
Nach Süden
Mündung in'S Mittelmeer liegt die Stadt Antiochien). fließt der LeonteS.
Zum Antilibanon
seiner
gehört der 14000 Fuß hohe
Hermon, auf welchem der Jordan entspringt.
Oestlich vom Antili
banon liegt das uralte Damaskus, am Saume der Wüste.
Das Hoch
land von Palästina werden wir später genauer betrachten.
Südwärts
von ihm erhebt sich auf einer kleinen Halbinsel am Nordende des rothen
Meeres das Sinaigebirge, das im Mosisberge 7000, im Ho reb 8000 Fuß Höhe erreicht.
Ungefähr da, wo Syriens und Palästina's Grenzen zusammenstoßen, liegt am Mittelmeere Phönizien, ein schmaler Küstenstrich von etwa
vier Meilen Breite uud fünfundzwanzig Meilen Länge.
Die Lage des
Landes sowohl als die vielen Gebirge im Osten, welche den Ackerbau
nicht begünstigten, lenkten die Aufmerksamkeit
der Bewohner
auf das
Meer und veranlaßten sie zur Beschäftigung mit Schifffahrt.
Die
ses wichtige Verkehrsmittel wurde von den Phöniziern zuerst auf dem Die Flußschifffahrt war jedenfalls an
Meere in Anwendung gebracht.
derwärts längst
üblich.
Ein
ausgerissener auf dem Flusse dahin trei
bender Baumstamm, worauf ein Thier saß, leitete gewiß schon früh zu dem Versuche, auf Holzstämmen über den Fluß zu schiffen.
Der un
bequeme Sitz darauf führte auf den Gedanken, den Stamm auszuhöhlcn, und später schlug man
ähnliche lange,
hohle Kasten aus Balken und
Bohlen zusammen. Die Phönizier waren aber die Ersten, welche sich auf's Meer hinauswagten.
Mit ihren kleinen Fahrzeugen ruderten sie zu
nächst bis auf die nahe liegende Insel Cypern und an die Küsten Klein asiens,
später wagten sie sich auf die Inseln im Archipelagus,
Italien, Sicilien, Spanien, England. und kauften andere
ein
und so
erhoben sie
um 1200 v. Chr. ihren
Handel zum Welthandel der damaligen Zeit.
also die ersten Welthandelsleute. theils
zur See.
Sie holten
nach
Ueberall setzten sie Waaren ab,
Ihr Handel
Die Phönizier waren
ging theils
aus Syrien Wein,
zu Land,
aus Armenien
Eisen, Stahl und Pferde, aus Babylonien und Persien Sklaven, Kupfer und Putzwaren, aus Arabien Weihrauch, Myrrhen, Zimmt,
Edelsteine, Elfenbein, aus Aegypten baumwollene Zeuge, aus Spanien Gold und Silber,
von den britischen Inseln Zinn und von der
Ostseeküste Bernstein.
Auf
ihren Seereisen mußten
sie sich jedoch
ängstlich an den Küsten halten, indem sie weder Kompaß noch Seekarten
25
Die Phönizier.
besaßen.
Den Gebrauch der Segel mögen sie indeß schon gekannt ha
ben; vielleicht führte sie der Nautilus darauf, der oft in seiner Muschel
neben den Schiffen auf dem Mittelmeer segelt.
Das früheste Fortbe
wegungsmittel war das Ruder, das man wahrscheinlich auch später bei ungünstigem Winde noch in Anioendung bringen mußte. In den meisten Ländern, wo die Phönizier hinkamen, gründeten sie Städte, Töchterstädte oder Kolonien
thago,
genannt, welche mit dem Muttet-
Die wichtigste dieser Kolonien war Kar
lande in Verbindung blieben.
an der Nordküste Afrika's gelegen,
Tunis liegt. Auch als Bauleute
waren
in der Gegend,
die Phönizier berühmt.
wo jetzt
„Du
weißt
(schreibt Salomo 1. Kön. 5. 6 an den König Hiram zu ThruS), daß bei uns Niemand ist,
der Holz zu
hauen wisse,
wie die Sidonier."
Die Phönizier brachten das Cedern- und Tannenholz vom Libanon bis an die Küste, von wo eS nach Jerusalem weiter befördert wurde zum Tempelbau.
Der reiche Verkehr des kleinen Völkchens mit fast allen damals bekannten Völkern machte ihr Ländchen sehr belebt.
Längs der Küste
befanden sich in der Entfernung von etwa 4 Meilen größere Städte,
zwischen denen wieder kleinere Ortschaften lagen. jener Städte
Zarpath.
waren Thrus und Sidon.
Die
Südlich
bedeutendsten
von Sidon
lag
Das ganze Land zerfiel in mehrere kleine Gebiete, deren
oberste Vorsteher Könige genannt wurden. Die Handelsweise der Phönizier war ursprünglich ein Tausch, d. h. sie boten, wenn sie in ein fremdes Land kamen, den Einwohnern
die Waare an, welche sie mit sich führten, Dinge,
und erhielten dafür andere
die sie in einem anderen Lande wieder mit Vortheil vertausch
Dergleichen Handel trieben zuerst auch die Nomaden und Acker
ten. bauer.
Erstere tauschten für Vieh Getreide ein, uud Letztere für Ge
treide Vieh, Felle rc.
Dieser Umsatz der Waare war allerdings sehr
unbequem und man erleichterte sich daher denselben bald dadurch, daß
man Gold und Silber als Tauschmittel anwendete, einer Wage zuwog, welche man mit sich
führte.
die man sich auf
Noch später fertigte
man bestimmte Gold- und Silber-stücke, und bemerkte darauf ihr Gewicht.
So entstanden die Geldmünzen, dergleichen man sich beim Handel noch jetzt vorzugsweise bedient.
Kaufleute können ohne die Rechenkunst nicht bestehen; wahrschein
lich ist diese daher von den Phöniziern auch erfunden oder wenigstens weiter ausgebildet worden.
Desgleichen
Erfindung der Buchstabenschrift zu.
schreibt man ihnen auch die Das Aufzeichnen von Gedanken
Die Phönizier.
26
war dem Menschen schon früh zum Bedürfniß geworden.
Die erste und
roheste Art der Gedankenauföewahrung war das Ausrichten und Erbauen
Diese waren aber nur
von Denkmälern.
für die mit ihnen bekannten
Personen verständlich, überdies waren sie leicht der Zerstörung ausgesetzt. Dieser Umstand drängte dahin, die Vorfälle, deren Gedächtniß man be
wahren wollte, in Holz, Baumrinde und anderem Material abzubilden. So entstand die Bilderschrift. nur sinnliche Dinge
Mit dieser Schrift konnte man aber
für die Aufbewahrung
und Vorgänge darstellen;
von Gedanken war sie nicht geeignet.
Man war daher genöthigt, Zei
chen zu erfinden, welche Gedanken rein geistiger Art ausdrückten. das that man.
Und
So z. B. mußte eine Nase, welche Dampf sprühte, den
Begriff Zorn ausdrücken, eine geballte Faust Kraft; ein Auge bedeutete das höchste Wesen, ein Vogel die Schnelligkeit, eine Sturmleiter die Be lagerung einer Stadt, eine sich in den Schwanz beißende Schlange den Jahreölauf und die Ewigkeit.
Diese Art Schrift ist
die in der Ge
schichte der Aeghpter schon erwähnte Hieroglhphenschrift.
Bilder
und Hieroglhphenschrift waren lange in Gebrauch und wurden besonders
in Aegypten ausgebildet. Aber auch sie hatten ihre großen Mängel. Man verfiel daher darauf, für jedes Wort ein besonderes Zeichen zu erfinden.
Diese Schreibweise hat sich bis auf den heutigen Tag bei den Chinesen, die in Ostasien wohnen, erhalten.
Die Sprache dieses Volkes hat an
80000 Wörter und eben so viele Zeichen.
Wie schwer es ist, eine solche
Schrift auch nur theilweise zu erlernen, leuchtet ein.
Man verbesserte
diese Art der schriftlichen Darstellung daher dadurch, daß man für die Silben Zeichen erfand, und aus diesen die Worte zusammensetzte.
In
dessen war damit nur ein kleiner Fortschritt gemacht und das Vollkom
mene noch
nicht
erreicht.
Die Krone setzte man der Schrifterfindung
erst durch Erfindung der Buchstabenschrift auf, wozu man dadurch
gelangte,
daß man die Silben weiter in Laute
Laut ein Zeichen,
einen Buchstaben erfand.
Phönizier Taaut um
auflöste und für jeden
Diese Erfindung
1900 v. Chr. gemacht haben.
wenige Zeichen, bei uns 24,
um alle nur
Nun
soll der genügen
möglichen Worte zur Dar-
stellmkg für das Auge zu bringen.
Die Schriftzeichen derer Art.
oder Buchstaben sind fast bei jedem Volke an
So bedienten sich die Assyrer, wie aus den zu Tage geleg
ten Baudenkmälern
von
Ninive
hervorgeht,
zuerst der Keilschrift.
Diese besteht darin, daß jeder Buchstabe aus mehreren unter sich ver bundenen Keilstrichen
zusammengesetzt ist;
später
bildeten
sie sich eine
Cursiv- (d. h. fließende) Schrift. Die Aneinanderreihung der Buchstaben
in der Schrift war und ist bei den verschiedenen Völkern ungleich.
Die
Die Phönizier.
27
Phönizier (Aeghpter, Hebräer), schrieben in wagcrechter Reihe, aber von Anderwärts stellte man die Buchstaben in senkrecht
rechts nach links.
laufende Reihen; einige Völker schrieben und lasen von oben nach unten
(wie heut noch die Bewohner der Philippinen), andere von unten nach
oben, wie noch jetzt die Chinesen, Japanesen und Tataren.
Diese Ge
wohnheit rührt daher, daß man das Schreibmaterial auf'S Kniee legt,
wobei es bequem ist,
von
unten
Sogar im Kreise 'ober
anzufangen.
vielmehr in einer Spirale haben später
so
manche Völker geschrieben,
namentlich einige nordische Völker.
Eine andere Erfindung der Phönizier ist die der Pnrpurfärberei.
Die Purpurfarbe wurde aus den kleinen Purpurschnccken gewonnen, die in der Nähe des Magens eine Blase mit weißem Saft haben, der auf
Wolle aufgetragen, eine grüne Farbe annimmt, welche durch Licht und
Luft in ein Dunkelroth übergeht, das aber an Schönheit unserer Coche nille,
womit man jetzt roth färbt,
fertigten vortreffliche Zeuge,
weit nachsteht.
Phönizische Weber
und diese färbte man mit Purpur,
wegen der Kostbarkeit der Farbe, meist nur streifig.
doch
Das Tragen eines
Purpurgewandes war im Alterthum ein Zeichen der Wohlhabenheit; deß
halb heißt es auch vom reichen Manne:
(Luc. 16, 19)
„Er kleidete
sich in Purpur rc."
Endlich ist noch der Glasbereitung als einer den Phöniziern zu geschriebenen Erfindung zu erwähnen.. eines Feuers, wo Salpeterstücke
Daß diese Kunst bei Gelegenheit
auf Ufersand lagen,
erfunden worden
sei, ist eine Fabel; denn bei der Hitze des gewöhnlichen Feuers schmilzt
Kiesel mit Kali oder Natron nicht zu Glas zusammen.
Man mag das
Glas vielmehr bei Schmelzprozessen kennen gelernt haben, wobei sich meist Glasflüsse (Schlacken) bilden.
nizier Glasperlen
zu
So viel aber scheint gewiß, daß die Phö
Schmuck
zu
bereiten
Fenster- und
verstanden.
Spiegelglas kannte man indeß noch nicht; das ist eine viel spätere Er findung.
Damals fertigte man nur Metallspiegel und Glasfenster waren
ganz unbekannt; letztere sind erst seit, wenigen hundert Jahren üblich.
Der Religion nach waren die Phönizier Heiden; sie trieben eben
falls Naturdienst, indem sie Sonne und Mond verehrten.
Die Fabrik-
und Handelsthätigkeit machte
das Volk
nennt doch Hesekiel die phönizischen Kaufleute Fürsten. lockte beutegierige Eroberer herbei.
Der uns
sehr
reich;
Der Reichthum
schon bekannte assyrische
König Salmanassar eroberte Sidon, fand aber bei der Belagerung
seinen Tod.
Reichlich hundert Jahre später kam Nebukadnezar, zer
störte daö wieder erbaute Sidon und nahm nach dreizehnmonatlicher Be lagerung auch Tyrus ein (590 v. Chr.).
Er fand indessen nur leere
Die Israeliten.
28
Häuser, denn die Einwohner hatten sich mit ihrer Habe auf eine nahe Insel gefluchtet, und daselbst Ncu-ThruS gegründet, welches in der
Folge an Blüthe und Reichthum Alt-Tyrus noch übertraf.
Aber auch
diese Stadt wurde später (332 v. Chr.) durch Alexander den Großen von Makedonien zerstört und Phönizien dem Weltreiche dieses Er
oberers einverleibt.
3. Die Israeliten. Die Israeliten sind eins der merkwürdigsten Völker des AlterthnniS, insbesondere darum,
weil sie von Gott zur Förderung seines großen
Heilplans für die Menschheit ausersehen wurden. Völker des Alterthums
immer
Während die andern
tiefer in's Heidenthum
sich verstrickten,
wurde der Glaube an den einen wahren Gott in der israelitischen Nation
erhalten,
damit von ihr aus
zu Theil werden könne.
dereinst der wahre Glaube allen Völkern
Das war die Bestimmung Israels, das darum
auch besonders das „Volk Gottes" genannt wird. Der Grund zur Bildung eines Gottesvolkes, eines Volkes, in wel chem Gott der alleinige Herrscher sein sollte, wurde durch die Berufung
Abrahams gelegt.
Dieser gottbegabte
und
gottbegnadigte Mann lebte,
wie schon erwähnt wurde, ursprünglich in Mesopotamien.
Hier herrschte
aber große Abgötterei; selbst in Abrahams Familie hatte sich die Götzen
dienerei bereits eingenistet und nur in Abraham allein lebte der Glaube an den einigen Gott in voller Reinheit und Kraft. eine Offenbarung vom Herrn, der ihm befahl,
Daher wurde ihm
aus seinem Vaterlande,
ja sogar von seiner Freundschaft zu gehen in ein Land, das der Herr ihm zeigen werde, und an diesen Ruf knüpfte sich der Segen:
sollte nicht allein ein Vater der Völker werden, alle Geschlechter
der Erde einen Segen
Abraham
sondern in ihm sollten
empfangen.
Abraham glaubte
dieser Verheißung und folgte dem Rufe in ein unbekanntes Land, das nicht er, sondern Gott allein kannte.
Damit begann die Absonderung,
die zum Zweck hatte, zunächst eine Familie, dann ein ganzes Volk der
Vielgötterei zu entreißen und für den Glauben an den einigen wahren Gott zu erziehen.
Die Israeliten.
28
Häuser, denn die Einwohner hatten sich mit ihrer Habe auf eine nahe Insel gefluchtet, und daselbst Ncu-ThruS gegründet, welches in der
Folge an Blüthe und Reichthum Alt-Tyrus noch übertraf.
Aber auch
diese Stadt wurde später (332 v. Chr.) durch Alexander den Großen von Makedonien zerstört und Phönizien dem Weltreiche dieses Er
oberers einverleibt.
3. Die Israeliten. Die Israeliten sind eins der merkwürdigsten Völker des AlterthnniS, insbesondere darum,
weil sie von Gott zur Förderung seines großen
Heilplans für die Menschheit ausersehen wurden. Völker des Alterthums
immer
Während die andern
tiefer in's Heidenthum
sich verstrickten,
wurde der Glaube an den einen wahren Gott in der israelitischen Nation
erhalten,
damit von ihr aus
zu Theil werden könne.
dereinst der wahre Glaube allen Völkern
Das war die Bestimmung Israels, das darum
auch besonders das „Volk Gottes" genannt wird. Der Grund zur Bildung eines Gottesvolkes, eines Volkes, in wel chem Gott der alleinige Herrscher sein sollte, wurde durch die Berufung
Abrahams gelegt.
Dieser gottbegabte
und
gottbegnadigte Mann lebte,
wie schon erwähnt wurde, ursprünglich in Mesopotamien.
Hier herrschte
aber große Abgötterei; selbst in Abrahams Familie hatte sich die Götzen
dienerei bereits eingenistet und nur in Abraham allein lebte der Glaube an den einigen Gott in voller Reinheit und Kraft. eine Offenbarung vom Herrn, der ihm befahl,
Daher wurde ihm
aus seinem Vaterlande,
ja sogar von seiner Freundschaft zu gehen in ein Land, das der Herr ihm zeigen werde, und an diesen Ruf knüpfte sich der Segen:
sollte nicht allein ein Vater der Völker werden, alle Geschlechter
der Erde einen Segen
Abraham
sondern in ihm sollten
empfangen.
Abraham glaubte
dieser Verheißung und folgte dem Rufe in ein unbekanntes Land, das nicht er, sondern Gott allein kannte.
Damit begann die Absonderung,
die zum Zweck hatte, zunächst eine Familie, dann ein ganzes Volk der
Vielgötterei zu entreißen und für den Glauben an den einigen wahren Gott zu erziehen.
29
Die Israeliten.
Und welches war das Land, das Gott zu diesem hohen Zwecke aus
erkoren hatte? — Es war Palästina*), jener Theil des
syrischen Hochlandes,
damals Kanaan genannt,
der im Norden in Syrien,
im
int Süden an Arabien und im
Osten an die syrisch-arabische Wüste,
Westen an das Mittelmeer grenzt, etwa zweiuliddreißig Meilen lang und
acht bis zwanzig Meilen breit ist und gegen fünfhundertvierzig Q.-Meilen
Flächeninhalt
hat.
Herrn recht deutlich.
In
dieser Wahl offenbart sich
die Weisheit Ye8
Denn einmal war dieses Land durch Gebirge und
Wüsten, wie durch das Weltmeer fast abgcschnitten von der Welt,
so
lange sich die Schifffahrt in ihrer Kindheit befand, und dadurch geeignet,
die Bewohner von den umwohnenden Heiden abzusondern, was zur Fort
pflanzung
der
reinen Erkenntniß Gottes
nothwendig war;
dann aber
lag es in der Mitte dreier Erdtheile — Asien, Afrika und Europa —
und war dadurch wiederum auch ganz dazu gemacht, dereinst der Ver kündigung des Evangeliums an alle Völker Vorschub zu leisten, insbe sondere durch die Verbindung, welche das Meer so leicht herbei zu füh
ren im Stande ist.
Auch die innere Beschaffenheit Kanaans war dem
Plane Gottes förderlich,
denn obwohl reich gesegnet, so führte es den
noch seine Bewohner nicht zur Verweichlichung, wie Mesopotamien, son
dern trieb vielmehr zur Arbeit an, und lud zum Landbau ein,
als der
höhern Stufe der Bildung; endlich bot es auch in den Wundern seiner
Wüsten,
des Meeres, der Hochgebirge und der Thäler dem Gemüthe
reiche Nahrung und erhielt dadurch
die religiöse Empfindung lebendig.
Doch sehen wir uns diesen geweihten Landstrich noch etwas genauer an.
Daß Palästina ein Hochland bildet, wissen wir bereits.
Demselben
sitzen verschiedene Höhenzüge auf, wodurch der Charakter des Landes ein fast durchaus gebirgiger wird.
Die Abhänge der aus Kalkstein bestehen
den Höhenzüge enthalten viele Höhlen,
die ursprünglich zu Wohnungen,
später zu Gräbern, zu Zufluchtsörtern, zu Aufenthaltsörtern für Kranke,
zu Viehställen rc. benutzt wurden.
fast durchweg zur Bebauung; die Tiefebenen und Thäler, land unterbrechen.
von
Die hochgelegenen Ebenen eignen sich
vorzüglicher Fruchtbarkeit aber sind
welche an verschiedenen Stellen das Hoch
Der nördliche Theil des Westjordan-Landes
heißt
das Hochland von Galiläu; es schließt sich an den Libanon an, ist
wellenförmig und enthält u.- a. den Berg Tabor,
einen fast ganz mit
Eichen und Gesträuch bewachsenen, einzelnstehenden Kalksteinkegel.
*)
(Ver-
Der Name Palästina stammt von den Philistern, welcher Name derselbe ist,
wie, der der Phönizier und „Palmenvolk" bedeutet; ursprünglich hieß daher da.S Land
auch Philistäa.
Die Israeliten.
30 klärung Christi).
Südlich davon liegt die fruchtbare Ebene Jeöreel, die
sich vier Stunden breit und acht Stunden lang vom Meere nach dem
(Hier weidetm Josephs Brüder ihre Heerden
Jordan hin ausbreitet. und siegte Gideon).
Südlich davon erhebt sich das quellenreiche, mit
Obst und Weideland gesegnete Hochland von Samaria und noch weiter südlich die mehr steinige, rauhe und unfruchtbare Hochebene von Juda.
— Im Hochlande von Samaria liegen die Bergzüge des Karmel, das
Zu letzterem gehört der schön be
Gebirge Gilboa und Ephraim.
wachsene
Garizim.
(Tempel
Im Hochlande von
der Samariter.)
Juda ist das Gebirge von Juda zu nennen; dazu gehört der Berg
Quarantania (Versuchung Christi) und der Oelberg. werth ist hier auch die Wüste Juda,
Bemerkens
eine Meile südlich von Beth
lehem beginnend und bitz an das Südende, des rothen Meeres reichend. Sie ist eigentlich eine Steppe, denn sie enthält vortreffliches Weideland und leidet an Holz und Wassermangel. — Vom Gebirge Karmel süd
eine schmale fruchtbare Tiefebene
wärts zieht sich an dem Mittelmeer
südliche dagegen Sephela
deren nördlicher Theil Saron, der
hin, heißt.
In letzterer saßen die Philister. — Eine dritte Tiefebene ist die
Dasselbe zieht sich zu beiden Sei
des Jordan, oder das Jordanthal.
ten des Jordan hin, vom See Genezareth biö an's
und ist sehr fruchtbar.
todte Meer,
Weiter ist von Thä
(Loth wählte sie daher.)
lern noch besonders erwähnenswerth das Thal Kidron (östlich von Je rusalem), das Thal Hebron und das Eichthal (westlich von Jerusa-
leni, wo David den Goliath schlug.)
Die Erhebung des Bodens über das Meer ist verschieden; während
der
Karmel
ungefähr
1500 Fuß, das
Gebirge
Höhen des Gebirges Ephraim gegen 2000 Fuß sich erheben,
Gilboa
1300,
die
über daS Mittelmeer
steigt das Gebirge Juda in der Gegend von Hebron bis
auf 2400 Fuß. Das Ostjordanland ist ebenfalls Hochland.
an
dem
legen
und
schneebedeckten bis
in
die
Hermon,
Breite
Thälern durchschnitten und
des
ist
ES beginnt im Norden
hoch
gegen 2400 Fuß
See's
Genezareth
ge
vielen
von
fruchtbar; insbesondere war diese Gegend
einst durch ihre Eichenwälder und Viehweiden berühmt. dieses Plateau in die arabische Wüste über.
Ostwärts geht
Weiter nach Süden zieht
sich östlich vom Jordan bis in die Gegend des todten Meeres das Ge birge Gilead, in der Mitte vom Thale des Flusses Jabok durchbrochen;
herrliche Eichenwaldungen bedecken
einen großen Theil dieses Gebirgs
landes und die Thäler haben Ueberfluß an Korn und Oliven,
und die
Hügel tragen die Rebe; Rindvieh und Schaafe gedeihen vorzüglich.
Die
Die Israeliten. höchsten Fuß.
dieses
Gipfel
Gebirges
Noch weiter nach Süden
31
schätzt
erstreckt
man
auf
3-
sich, östlich
von
4000
bis
dem todten
Meere hin, das Gebirge Abarim, dessen höchster Berg Nebo heißt (Moses.). Die Gewässer Palästina's laufen theils dem Mittelmeere, theils dem
todten Meere zu.
Erstere sind kleine Küstenflüsse, von letzteren ist der
Jordan der Hauptfluß.
Auf dem Hermon entspringend, erst den See
Merom, dann den See Genezareth durchströmend, mündet er etwa
nach sechsunddreißig Stunden langem Laufe in das todte Meer.
Das
ganze Bett dieses Flusses liegt tiefer, als der Spiegel deS Mittelmeers;
noch tiefer
liegt
Meeresspiegel.
das todte Meer, nämlich gegen 1300 Fuß unter
dem
Die bedeutendsten Nebenflüsse deS Jordans befinden sich
auf seiner linken Seite und heißen Hieromax und Jabok.
Das Klima Palästina'S ist ein sehr mildes;
die Winterkälte ist
nie stark, der dünne Schnee bleibt keinen Tag liegen und nur eine feine Eisdecke zieht sich über das Wasser.
Unangenehmer ist die Kälte des
Nachts, die auf den heißen Tag folgt,
und- welche die Bewohner oft
nöthigt, sich am Feuer zu
In der warmen Jahreszeit ist
erwärmen.
die Hitze so groß, daß die Erde aufspringt, und Gras und Früchte ver
dorren, wenn nicht Wasser in der Nähe fließt.
Der Winter,
welcher
fast nur Regen bringt, mildert die Hitze und gewährt dem ausgetrockne
ten Lande wieder die nöthige Bewässerung.
Der Jahreszeiten sind eigent
lich nur zwei, Sommer und Winter; doch kann man in denselben sechs
kleine Abschnitte beobachten. Der erste reicht von Mitte Oktober bis Mitte Dezember.
Schon
im September fällt einiger Regen; in der Mitte des Oktobers beginnt
die Saatzeit und Ende desselben Monats der Frühregen. Ende No vember entlauben sich die Bäume und zeigt sich schon etwas Schnee.
zweite Abschnitt reicht von Mitte Dezember bis Mitte Februar.
Der
Das ist
der eigentliche Winter; häufiger Regen und wenig Schnee, Gewitter und Hagel zeichnen ihn aus;
doch werden alle Bäume und Pflanzen grün,
Mandeln, Pfirsiche, Oelbäume blühen, zumal in den Gegenden, wo die Luft oft drückend warm ist.
Der dritte Abschnitt beginnt mit Mitte
Februar und reicht bis Mitte April.
Diese Zeit ist schon wärmer, und
häufigere Gewitter verbinden sich mit dem nun eintretenden Spätregen,
der die Körner des Getreides, welches hier im Februar schon so groß
ist, als bei uns im Mai und Juni, anschwellen läßt,
und die Frucht
barkeit des Landes eben so bedingt, wie der Frühregen. Abschnitt reicht
von Mitte April bis Mitte Juni.
In
Der vierte der Mitte des
April beginnt die Ernte, die zu Anfang des Juni schon ganz beendigt ist.
Die Israeliten.
32
Mit dem Mai beginnt die sengende Hitze, die nur durch den in diesem Lande starken Thau an schädlichen Folgen verliert.
Der fünfte Ab
schnitt reicht von Mitte Juni bis Mitte August; in ihm reift das Obst; das Gras verdorret und Land und Bäche werden durch den heißen Ost
Die Hitze dieser Zeit dauert auch noch in dem letzten
wind ausgetrocknet.
Abschnitte fort von Mitte August bis Mitte September, wo der Negcn
seine belebende Wirksamkeit beginnt.
Unter den Gewächsen, welche Palästina hervorbringt, merken wir besonders die Getreidearten: Weizen,
Gerste, Spelt und Hirse; ferner
Bohnen und Linsen; weiter Flachs und Baumwolle, Gurken und Me lonen.
Von Bäumen sind hervorzuheben:
Pfirsich-, Pomeranzen-, Dattelpalm«
und
Aepfel-, Birn-,
Pflaum-,
Citronen-, Oel-, Feigen-, Mandel-, Granat-,
Maulbeerbäume;
Cypressen,
Fichten,
Terebinthen,
Myrten, Eichen, Akazien, Weiden, Balsamstauden, Weinstöcke. •— Von
nützlichen Thieren nährt das Land besonders:
Bienen, Rinder, Schafe,
Ziegen, Esel, Maulesel, wenig Pferde rind Schweine. früher Löwen, Leoparden,
Wild lebten dort
Bären, Wölfe, Schakals, Füchse, Hirsche,
Rehe, Gazellen u. a. m.
Als Abraham in das Land einzog, wohnten in
ihm
eine Menge
kleiner Völkerschaften, als Kananiter, Hethiter, Amoriter, Pheresiter, He-
viter, Jebnsiter; zusammen genommen Kananiter genannt, von Kanaan, einem Sohne Hams;
Naturdienst.
der Religion nach waren sie Heiden und trieben
Bei Sich em und dem Terebinthenhain More machte
Abraham mit seinem Neffen Lot Halt.
Hier
und
an andern Orten
baute er seine Altäre, und mit dem Bauen derselben, mit dem Predigen
vom Namen und von der Herrlichkeit des wahren Gottes begann der Held des
Glaubens
2000 v. Chr. Geb.).
die Besitzergreifung des
heidnischen Landes
(um
Für seinen Glaubenseifer und seine Glaubenstreue
wurde er mit der Verheißung belohnt: alle Völker auf Erden."
„In dir sollen gesegnet werden
Der Sohn seines Alters, Isaak, welchen er
auf Gottes Befehl selbst zu opfern bereit war, wurde mit Rebecka, der En
kelin von Abrahams Bruder Nahor in Mesopotamien,
vermählt, denn
kein Weib von den Töchtern der Kananiter sollte den reinen Stamm Abrahams fortsetzen.
Ismael aber, Abrahams Sohn von der Hagar,
wanderte aus, denn ihm war es beschieden, Stammvater der arabischen
Völkerschaften zu werden.
Jakob, Isaaks Sohn, lange Zeit mit sei
nem Zwillingsbruder Esau wegen des Betruges um das Recht der Erstgeburt
verfeindet, endlich aber wieder mit ihm versöhnt, hatte zwölf Söhne,
welche die Stammväter des jüdischen Volkes wurden. Da Jakob auch Israel hieß, so nannte sich später das ganze Volk auch daö Haus Israel, oder die Kinder Israel, auch kurz Israeliten. Joseph, Jakobs jüngster Sohn, von seinen Brüdern nach Aegypten verkauft, wurde hier nach schweren Prüfungen ein mächtiger, gewaltiger Herr und der Wohlthäter Aegyptens, wie seines Hauses, das er wegen einer Theurung und Hungersnoth nach Aegypten einlud, wo er ihm das fruchtbare Gosen anwies. Es war um 1800 v. Chr., als Jakob nach Aegypten zog. Dreihundert Jahre später, um 1500, führte Moses die zu einem zahlreichen Volke angewachsenen Israeliten aus Aegypten wieder zurück in das Land ihrer Väter. Er war der Mann, den Gott auserkoren hatte, ihm das Volk Israel zu seinem Eigenthume zu bereiten, zu einem Volke, das sich nur von ihm, dem Unsichtbaren, Gesetze vorschreiben lassen sollte. Welche Aufgabe für Moses, der Vermittler bei einem so sinnlichen, rohen, verwilderten Volke zu sein! Die Israeliten hatten bisher in ein facher Stammverfassung und nomadischer Sitte gelebt. In Aegypten hatten sie wohl einen bürgerlich geordneten Staat näher kennen gelernt, aber nicht als freie Leute, sondern als Sclaven, die den Glauben der Väter über dem Götzendienst ihrer Herren fast ganz vergessen hatten. Ein solches Volk sollte Moses zur bürgerlichen Gesellschaft bilden, gereregelt durch das Gesetz des höchsten Gottes selber; ein solches Volk, ge blendet durch den Bilder- und Thierdienst der Aegypter, sollte MoseS zur Anbetung des einigen, wahren, unsichtbaren Gottes führen, und nur im Glauben an diesen Gott sollte er ihm ein Vaterland geben. MoseS erfüllte die ihm gestellte Aufgabe durch die Gesetzgebung auf Sinai. Hier vernahm er des Herrn Wort, das er seinem Volke verkündigte. Da erscholl zuerst das erhabene Wort: „Ich bin der Herr dein Gott! Du sollst Dir kein Bildniß noch irgend ein Gleichniss machen." Damit war die Einheit und Geistigkeit Gottes ausge sprochen, und als Grundlage der wahren Religion festgestellt. Und nun offenbart MoseS dem Volke den Willen des Herrn in den zehn Geboten. Und Jehova ruft dem Volk zu: „Werdet ihr meiner Stimme ge horchen und meinen Bund halten; so sollt ihr mein Eigenthum sein vor allen Völkern." (2. Mos. 19, 5.) Das Volk aber, dankerfüllt, indem eS die Gefahren überdachte, denen es entronnen war, und sich des ge nossenen sichtbaren Schutzes Jehova'S erinnerte, rief begeistert: „Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir thun!" Somit war ein Bund zwischen Jehova und Israel geschlossen. DaS ganze Volk war nun zum Eigenthum Gottes erklärt, zu einem priesterlichen Königreich dessen Volk ein heiliges, und worin Gott der Kutzner Geschichte I.
3
alleinige Regent sein sollte. Es war eine Gottesherrschaft (Theo kratie) geschaffen. Unter dieser Herrschaft sollte daö ganze Leben des Volkes nach dem göttlichen Willen eingerichtet werden. Daher gab Mo ses außer dem Sittenge'setze auch noch daö bürgerliche Gesetz. Um dem Volk die übersinnliche Wahrheit faßbar zu machen, richtete er den Gottesdienst ein und gab gottesdienstliche Gesetze. Opfer mußten das Schuldbewußtsein rege erhalten, Waschungen und Reinigun gen deS Leibes die innere Reinigkeit des Geistes vorbereiten. Weiter errichtete er einen Priesterstand, dem die Verwaltung deS Gottesdienstes oblag. Doch hatten die Priester vor dem Volke, Gott, dem unsichtbaren Könige, gegenüber nichts voraus, wie bei den Heiden, wo die Priester zwischen dem Götzen und den Laien und höher als letztere standen. Die israelitischen Priester sollten nur das Mittel sein, das Volk zur wahren geistigen Freiheit zu führen. So entstand denn durch das Volk Israel ein schroffer Gegensatz gegen alle anderen Völker. Sowohl Israel als die Heiden wurden sich dessen bewußt; daher der gegenseitige Haß und die Verachtung. Am entschiedensten sprach sich die Gottesherrschaft im Volke Israel in der Gottesverehrung (im Kultus) aus. Daher wollen wir dar über das Wichtigste uns vorführen. Entsprechend der Einheit Gottes gab es nur ein Heiligthum, die Stiftshütte, später der Tempel*). Als ein Haus der Zusammen kunft Gottes mit seiner Gemeinde war das Allerheiligste das Zim mer für den Eintritt Gottes selber. In diesen Raum durfte kein Auge schauen; nur der Hohepriester, als Vertreter des heiligen Volkes bei Gott, durfte alljährlich ein Mal hineingehen, um ganz Israel mit Je hova zu versöhnen. Dem Allerheiligsten konnten auch die Heiligen sich bloß nahen; da dies für ein zahlreiches Volk unmöglich war, so geschah die Annäherung durch Stellvertretung von Seiten der Priester, welche den zweiten Raum, das Heilige einnahmen. Das Volk aber hielt sich im Vorhofe des Heiligen auf, und bekundete damit seinen Willen, dem Heiligen und dem Heiligsten näher zu kommen. Im Allerheiligsten befand sich die Bundeslade mit dem Gesetz. Sie war das Heiligthum im Heiligthum, der eigentliche Sitz Jehova's,
*) Die Einrichtung Leider Gebäude ist der eines Nomaden-HäuptlingSzelteS ähnlich.
Ein solches hatte drei Abtheilungen, einen Vorhof für das Vieh und die Knechte, einen zweiten Raum für den Häuptling und feine Familie, und einen dritten, das Frauen
gemach. Dem entsprechend enthielten Stiftshütte und Tempel einen Vorhof, ein Hei liges und ein AllerheiligsteS.
Die Israeliten.
35
um dessenwillen die ganze Wohnung da war. Ihr Deckel, der Gnaden stuhl, war der Thron Gottes; von diesem Sitz der Gnade und Barm herzigkeit wollte der Herr zu seinem Volke sprechen. Zn beiden Enden des Gnadenstuhls standen zwei Cherubim mit ausgebreiteten Flügeln und gesenktem Antlitz, al.s Sinnbild, daß die sichtbare Schöpfung dem unsicht baren Schöpfer huldige. — Im Heiligen stand der Tisch mit den Schaubroten, die, zwölf an der Zahl, allwöchentlich am Sabbath frisch aufgetragen werden mußten, der heilige Leuchter mit feinstem Olivenöl, und der Nauchaltar, auf welchem täglich Weihrauch geopfert wurde. Dies alles waren Sinnbilder; das Mehl bedeutete den reinen Lebensteig, das Oel das reine Lebenslicht und der Weihranch den Wohlgeruch, die Lieblichkeit des Lebens des Volkes Israel vor dem Herrn. Die Schau brote mußten stets erneuert werden und das Licht durfte nie verlöschen. So sollte auch des Volkes sittliches Leben durch Verbindung mit Je hova stets frisch und helle sein. Der Leuchter, als Träger des Lichtes, war die Gemeinde Gottes, welche mit ihrem Gotteslichte die Menschheit erleuchten sollte. — Der Vorhof erinnerte das, Volk an seinen sündebe fleckten Zustand. Seine Geräthe waren das Waschbecken (im Tempel an dessen Stelle das eherne Meer) zur leiblichen Reinigung für den Priester, uud der Br and opferalt ar zur Reinigung von der Sünden schuld des Opfernden. An seinen vier Enden war er mit Hörnern ver sehen. Diese Hörner waren ein Sinnbild der göttlichen Macht, welche das Böse abwehrt, aber auch göttlichen Segens, indem man an sie das Opferblut sprengte, zum Zeichen, daß die Sünde gesühnt sei. Diese „Hörner des Heils" ergriff der, welcher aus Uebereilung einen Todt schlag begangen hatte, um der Rache zu entgehen; denn er stellte sich damit unter den Schutz des sündenvergebenden, barmherzigen Gottes. (So Adonia. 1. Kön. 1, 15.) Zur Verwaltung des Gottesdienstes war der Priesterstand be stimmt. Die Priester waren nicht Stellvertreter Gottes, sondern Stell vertreter des Volkes in der Weise, daß sie das unheilige Volk fähig machten, sich Gott zu nahen. Weil sie berufen waren, dem Jehova das Volk zu heiligen, so hießen sie auch vorzugsweise heilig. Ihr vollständige Bestimmung war, Gott ganz anzugehören, besonders heilig zu sein und zu opfern. Wie das Opfer früher nur dem Erstgeborenen zukam, so wurde jetzt ein Stamm, der Stamm Levi besonders mit dem Priesterthum betraut, und aus diesem Stamme wurde die Familie Aarons für das Opfern ausgesondert. Die unterste Klasse des Priesterstandes, die Leviten, hatten den äußern Dienst am Heiligthum zu besorgen, die Schaubrote und anderes Backwerk zu bereiten, die heiligen Gefäße zn 3*
Die Israeliten.
36
reinigen, die gesetzliche Schau der Aussätzigen zu übernehmen, überhanpt
auf die Ausführung der Gesetze zu halten und im Gesetz zu unterrichten, den Priestern beim Opfern an die Hand zu gehen, später (im Tempel) auch den Gesang und die Instrumentalmusik beim Gottesdienst zu leiten.
In's Heilige Priester.
durften sie nicht
treten.
Dies Recht hatten
allein
die
Diese zündeten das Räucherwerk früh und spät an, reinigten
und füllten die Lampen, legten die Schaubrote auf. gab's für sie zu thun;
Anch im Vorhofe
beständige Feuer auf dem
hier mußten sie das
Brandopferaltar unterhalten, mit Blut sprengen, die Opfer und Gaben
auf dem Altar darbringen und das zu Verbrennende anzünden.
Ferner
sollten sie das Volk über das Gesetz belehren, und in schwierigen Fällen
das Recht entscheiden.
Ihre Amtskleidung
war
nach dem Muster der
ägyptischen Priesterkleidung von weißem Linnen zum Zeichen der Reinheit,
und bestand aus einem Unterkleid, einem darübergezogenen Leibrock, einem bunt gewirkten Gürtel und
einem Turban
nehmste Priester war der Hohepriester.
oder Kopfbund. Er
Der vor
allein ging am großen
Versöhnungstage in'S Allerheiligste, dort die Entsühnuckg des Volkes vor
zunehmen, und indem er sich und die ganze Gemeinde Gott zur Sühne darbrachte, stellte er das büßende Volk dar, wie es durch Gottes Gnade
An diesem Tage trat an die Stelle des Prachtschmuckes
geheiligt wird.
die einfache linnene Kleidung.
War aber die Sühnung geschehen, dann
erschien er als das heilige, vor Gott gerechtfertigte Israel im Schmuck und Ehrenkleide das ganze Jahr hindurch.
höchsten
Er trug dann ein
gewebtes, baumwollenes purpurblaues Oberkleid, das unten einen präch
tigen Saum mit baumwollenen, dreifarbigen Granatäpfeln und goldenen Glöckchen hatte.
Es war kürzer, als das weiße linnene Unterkleid, damit
der schöne Saum besser abstach. gezwirntem Byssus,
Darüber hing der kurze Leibrock von
aus purpurblauen,
und goldenen Fäden gewebt,
und aus
purpurrothen,
carmoisinrothen
zwei Hälften bestehend (wie die
katholischen Meßgewänder), die auf den Schultern durch kostbare Span
gen, an der Brust aber durch den aus gleichem Stoff gewebten Gürtel
zusammengehalten wurden.
Vorn auf der Brust befand sich das vier
eckige doppelte Brustschild, durch goldene Ringe und Ketten und purpur
blaue Schnüre befestigt, und mit zwölf in Gold gefaßten Edelsteinen ge
ziert, in denen die Namen der zwölf Stämme eingegraben waren.
Diese
kostbaren Steine sollten Israel daran erinnern, wie theuer und werth es
Jehova sei.
Dieses Brustschild
diente auch
„Urim und Thumim" (2. Mos. 28, 30),
für
um in
das
heilige Orakel:
besonders
wichtigen
Fällen, wenn menschliche Klugheit nicht ausreichte, den Willen Jehova'S zu enthüllen.
Die Israeliten.
37
Der Hohepriester durfte übrigens alle Priesterdienste verrichten.
Er
führte die Oberaufsicht über deii Gottesdienst und den Tempelschatz und war Vorsitzender des Obergerichts und später des hohen Rathes. er war, was der Papst für die katholische Christenheit ist.
Kurz
Wir werden
später hören, daß er zur Zeit der Makkabäer sogar Landesfürst war.
Die Hauptsache des israelitischen Gottesdienstes war das Opfer. Ohne Opfer war für die ganze alte Welt keine Religion denkbar. Durch
das Opfer drückte inan aus, was int Gemüthe vorging: das Gefühl der
Abhängigkeit von Gott, das Bekenntniß der eigenen Schwäche, die Dank barkeit gegen das höchste Wesen und das Bestreben,
ihm
wohlgefällig
zu werden.
Man wählte, nm dies Alles auszudrücken, die Gaben, die
Einem
theuersten
am
waren.
Brachte man
Herren Geschenke dar, wenn man sich wagen können,
vor Gott mit
doch
ihnen nahte,
leeren Händen zu
schon
auch
hohen
wie hätte man es
erscheinen?
Opferten
heidnische Völker sogar Kinder, so verabscheute Israel dagegen das Men schenopfer; denn Blutvergießen von Menschen war ausdrücklich verboten.
Ueberhaupt unterschieden sich die israelitischen Opfer von denen der Hei
den dadurch, daß bei ihnen der Zweck der Heiligung stärker hervortrat, als irgendwo. Ueberdieß erblickt der fromme Glaube in den Opfern Israels
mit Recht vorbildliche Handlungen auf den Opfertod des Erlösers.
Das vollständigste Opfer
war bei
den Israeliten
das Brand
opfer, wobei ein ganzes Thier geopfert wurde; es war der allgemeinste
Ausdruck frommer Hingebung an Jehova und
bedeutete eine allgemeine
Die Sünd- und Schuldopfer galten einzelnen, bestimmten
Sühnung.
Das Opferthier
Sünden.
Opfernden.
Dieser
brachte
mußte es
fehlerlos
sein
Gott dar mit der Bitte um gnädige Annahme. das Thier untersucht hatte,
und Eigenthum
selbst zum Heiligthume und
des
stellte es
Nachdem der Priester
näherte sich der Eigenthümer dem Altare,
legte die Hand auf den Kopf des Opferthieres, gleichsam, als wolle er
sein ganzes Gefühl und Leben auf dasselbe überleiten, und darauf schlach tete er eS selbst. Der Priester fing mit den Opferschalen das Blut
auf und sprengte eS über den Altar; damit wurde die Gnade und Er-
barmung
Jehova's
auf
den Opfernden
herabgerufen
und
verkündigt.
Darauf wurde das Thier zerlegt und alles Genießbare verbrannt.
Haut empfing
altar
Die
der Priester. — Uebrigens kamen auf den Brandopfer
auch Gaben
aus
dem Pflanzenreiche, z. B.
geröstetes Getreide,
Mehl, Backwerk mit Olivenöl; endlich wurde bei jedem Opfer Salz an
gewendet, als das erhaltende, vor Fäulniß bewahrende, allernützlichste und
nothwendigste Gewürz.
DaS waren die Speiseopfer.
Dazu gesellte
sich das Trankopfer, wozu rother Wein verwendet wurde.
Dank-
38
Die Israeliten.
Opfer waren freiwillige Opfer für empfangene Wohlthaten; dabei genoß der Opfernde und der Priester an Ort und Stelle eine Mahlzeit von dem Opferthiere, das nur theilweise verbrannt wurde. Bei der Darbrillgung des Dankopfers hatte der Priester das „Heben und Weben" vorzunehmen, d. h. die Theile zu bezeichnen, welche zur Priestermahlzeit kommen sollten. (Das Weben war eine Bewegung der Fleischstücke nackallen vier Weltgegenden, um anzudeuten, daß Jehova die ganze Erde umfasse; und das Heben war nach oben gerichtet, zum Zeichen, daß von oben der Segen und die Offenbarung komme.) — Eine Art Dankopfer waren die Nasiräeropfer. Man konnte sich nämlich Gott in ganz besonderem Sinne weihen; man enthielt sich dann von jedem geistigen Getränk und ließ das Haar lang wachsen. Jenes bedeutete das Streben nach einem nüchternen auf das Göttliche gerichteten Sinn, dieses das Ver langen nach der höchsten Lebensfülle im Sinn des Gesetzes. Nach Ab lauf der Weihezeit brachte der Nasiräer (Nasir, ein Geweiheter) ein ver einigtes Brand-, Sund- und Dankopfer.*) Andere Opfer waren die NeinigungSopfer. Wer einen Todten berührt, wer den Aussatz gehabt hatte u. s. w., war damit unrein und unheilig geworden. Um wieder als rein und heilig zu gelten, wurde eine rothe Kuh, die noch kein Joch getragen hatte, als Sündopfer außer halb dcö Lagers geschlachtet, von ihrem Blute siebenmal gegen die Stifts hütte gesprengt, und dann die ganze Knh sammt der Haut und dem Blute verbrannt. Die Asche aber wurde an einem reinen Orte aufbe wahrt, um mit ihr das Reinigungöwasser zu bereiten, das am dritten oder siebenten Tage den durch Todtenberührung rc. Verunreinigten wieder rein machen sollte. (Die Asche zum Wasser gethan, bildete eine Lauge, und diese war ein Zeichen, daß bloßes Wasser zur Reinigung nicht mehr hinreichte, und die rothe Farbe der Kuh war ein Sinnbild des Lebens.) Die besondere Stellung des Volkes Israel zu Gott wurde ferner auch durch besondere Festtage bezeichnet. Der allwöchentlich wieder kehrende Feiertag war der Sabbath, der siebente Wochentag. Der Freitag Nachmittag hieß Nüst tag; er war znr Vorbereitung bestimmt. Der Sabbath wurde durch Ruhe geheiligt, die den Menschen zn Gott führt. Man arbeitete nicht, zündete kein Feuer an und genoß nur kalte Speisen. Sabbathentheiligung wurde mit dem Tode bestraft (2. Mos. 35, 2). Ferner gab es ein Sabbathjahr, das alle sieben Jahre als Ruhejahr gefeiert wurde und worin der Boden nicht angebaut werden durfte. In diesem Jahre stärkte sich der Boden zu neuer Fruchtbarkeit und das Volk erwarb sich göttliche Kraft. Das Sabbathjahrgesetz hatte *) Bergt. Simsen. Richt. 14. Paulus. Apost. 21.
Die Israeliten.
39
einen doppelten.Zweck: erstens sollte es der Theurung und Hungersnoth vorbeugen, weil der Ueberfluß der sechs Jahre aufgespeichert werden mußte und das Eintreten deS Sabbathjahreö auch den Leichtsinnigen hierzu antrieb; zweitens aber sollte es der Armuth wehren, indem eö ihr den Genuß aller im Sabbathjahr wachsenden Früchte freigab. Waren sieben solcher Sabbathjahre (neunuudvicrzig Jahre) verflossen, so wurde ein Jubeljahr gefeiert. In diesem Jahr wurden sänimtliche Sklaven aus israelitischem Geschlecht frei (es wurde nämlich Mancher durch Ver armung ein Sklave); alle Feldarbeit ruhte, und die verkauften Grund stücke kamen ohne Kaufgeld an den ursprünglichen Eigenthümer oder seine Erben zurück. Es konnte also höchstens auf fünfzig Jahre lang eine Familie einen großen Grundbesitz haben und eine andere sehr arm sein. — So wurde der Verarmung vorgebeugt und eine allzugroße Ungleichheit im Vermögen verhindert. Man kaufte, wenn man ein Grundstück er warb, in der That auch nur den Ertrag von neunundvierzig Ernten, weßhalb auch die Felder verschiedene Preise hatten, je nachdem man sie entfernt oder nahe vom Jubeljahr erstand. Unter den Jahresfesten sind zu nennen: 1) das Passah. Eö heißt auch das Fest des ungesäuerten Brotes. Es wurde von den Ju den zum Andenken an den Auszug ihrer Vorfahren aus Aegypten ge feiert. Eö begann an dem vierzehnten Nisan oder Abib, als an dem Tage, an welchem die Erstgeburt der Aegypter getödtet war, mit Eintritt des Vollmondes, so daß es so ziemlich mit unserer Osterzeit zusammen fällt, und dauerte sieben Tage, jedoch so, daß nur der erste und siebente Tag als Sabbathstage betrachtet wurden, die dazwischenliegenden zu Ar beit jeder Art benutzt werden durften. Die häusliche Feier bestand im Genusse des ungesäuerten Brotes, d. h. Brot ohne Sauerteig und Salz gebacken, wie es die Juden bei ihrem Auszuge tvegen Mangels an Zeit gebacken hatten und in dem gemeinschaftlichen Genusse des Osterlammes, eines Lammes von einem Jahre, ohne alle Fehler, welches im Tempel geschlachtet und zerstückelt, mit bittern Kräutern, die an die Zeit der Sclaverei erinnern sollten, gebraten, von einer Tischgesellschaft nicht un ter zehn und nicht über zwanzig Personen verzehrt wurde. Die Knochen oder Beine durften nicht zerbrochen, und nichts davon durfte aufbewahrt werden. Was nicht verzehrt werden konnte, wurde daher verbrannt. Beim Essen waren alle Tischgäste wie zur Reise gekleidet, es wurden Lobgesänge angestimmt und Wein getrunken. Schon vor dem Ostertage durchsuchten die Juden ihr ganzes Hans und reinigten dasselbe von oben bis unten, damit ja kein Sauerteig im Hause bliebe; der etwa noch vor handene wurde entweder in'S Wasser geworfen oder verbrannt.
Die Israeliten.
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Da in den Tagen des Nisan zngleich die Ernte begann, so wurde
das Osterfest auch zugleich benutzt, um mit religiöser Feier dieselbe zu eröffnen,
am zweiten Ostertage im Tempel die
indem jeder Ackerbauer
erste Gabe nebst einem Brand-, Speis- und Trankopfer darbrachte. Das Pfingstfest, das Fest des fünfzigsten Tages, wurde am
2)
fünfzigsten Tage, von dem auf den Ostersabbath folgenden Tage an ge rechnet, gefeiert, und war das Erntefest, dann beendigt war.
Sünd-
und
weil die Ernte der Feldfrüchte
Der Festtag verfloß unter Darbringung von Brand-,
Dankopfern,
die
und
Ackerbautreibenden
Brote von neuem Getreide im Tempel.
übergaben
zwei
Später verband man mit dem
Pfingstfeste zugleich die Erinnerung an die Gesetzgebung auf Sinai.
3)
das schönste und deßhalb noch
Das Fest der Laubhütten,
jetzt von den Juden gefeierte Fest, ein Dank- und Freudenfest, ward zur Erinnerung an die Zeit der Wanderschaft in der Wüste, Laubhütten wohnten, gefeiert.
wo
sie unter
Man wohnte sieben Tage lang in Laub
hütten und schmückte sich mit Zweigen und Früchten, und hielt fröhliche Mahlzeiten.
Das Fest dauerte vom fünfzehnten bis einundzwanzigsten
Tisri, und wurde durch große Opfer gefeiert.
An jedem Tage wurden
dreizehn bis siebenzig Stiere, zwei Widder, vierzehn jährige Lämmer und
ein Bock als Sündopfer, außer dem täglichen Brand-, Speis- und Trank opfer geopfert,
und,
vielleicht zur Erinnerung an den die Fruchtbarkeit
befördernden Regen, das von einem Priester aus dem Teiche Silva ge schöpfte Wasser in eine am Brandopferaltar angebrachte Röhre gegossen; Priester und Volk umzogen unter Posaunenschall, so wie die Jericho er obernden
Vorfahren,
den Altar,
und
alle
sieben Jahre,
also in den
Sabbathsjahren, wurde das Gesetz verlesen.
4)
Der große VersöhnungStag,
ein Buß- und Fasttag, jetzt
auch wohl die „lange Nacht" genannt, an welchem die Juden in vier
undzwanzig Stunden Nichts genießen durften, fällt auf den zehnten des
Monats Tisri, also in die reizlose, winterliche Zeit, wo das Volk durch die erstorbene, gleichsam in Verderbniß untergegangene Natur, an den
Tod,
an
den schnellen Wechsel
des irdischen Daseins und die Sünde
erinnert wurde; an ihm wurde das ganze Volk durch den Hohenpriester entsündigt.
Zuerst mußte sich der Hohepriester durch ein Bad reinigen
und die leinene Kleidung anlegen,
für sich und sein Haus
dann
einen Stier,
schlachtete
ging
er zum Sündopfer
mit einen Napf voll Blut
und Räucherwerk in das Allerheiligste, hier zündete er das Räucherwerk an, so daß der Nebel den Deckel der Bundeslade, den man sich als den Sitz der gegenwärtigen Gottheit dachte, verhüllte und sprengte mit seinen
Fingern siebenmal von dem Blut gegen diesen Deckel.
Vorher war be-
Die Israeliten.
41
reite zwischen zwei Böcken geloost worden.
Den Beck, den das Todeö-
looS getroffen hatte, und sprengte
schlachtete er nun zum Sündopfer für das Volk,
sein Blut
ebenfalls
gegen
den
der BundeSlade.
Deckel
Darauf sprengte er von dem Blute beider Thiere
siebenmal gegen den
So war das Heiligthum versöhnt.
Nun nahm er den
Räucheraltar.
andern Bock, „bekannte auf ihn alle Missethat der Kinder Israel, legte
sie ihm auf sein Haupt", und ließ ihn durch einen Mann in die Wüste bringen, so daß also symbolisch der Bock „alle Missethat des Volkes in Den Bock ließ man im Freien davonlapfen.
die Wildniß trug".
Hier-
auf badete sich der Hohepriester wieder, zog seine gewöhnlichen Kleider an und brachte Brandopfer für sich und das Volk dar.
gänge der Sonlie durfte
kein Jude Etwas
Vor dem Unter
genießen,
eine Arbeit
oder
vornehmen.
Nach dem Tode des MoseS war Josua (um 1460 v. Chr.) der
Heerführer des Volkes Israel. Geist war dazu angethan,
das
führte nicht nur Israel siegreich
Sein starkinuthiger,
glaubenskräftiger
von Mose Gepflanzte zu
schützen.
Er
kämpfend in das von andern Völkern
besetzte Land Kanaan, sondern er zeichnete sich auch dadurch ans, daß er dem Volk das Gesetz mit Eifer an's Herz legte, und selbst in Allem mit
einem leuchtenden Beispiele voranging.
„Ich und mein Haus wol
len dem Herrn dienen!" so rief der große Schüler des großen Mei sters begeistert aus. Vollständig gelang dem Josua die Eroberung und Unterjochung Ka naans nicht, aber was menschenmöglich war, leistete er.
Der Boden des
Landes war unter alle Israeliten so getheilt, daß jeder waffenfähige Mann zwanzig Acker Land erhielt.
ließ
Einen Zehntheil
man unvertheilt für
öffentliche Zwecke und für die Leviten; diese wohnten allein in Städten, hatten kein Grundeigenthum, sondern nur das Recht auf den Zehnten von
dem Roherträge
der
Stämme vertheilt,
Felder
und Weingärten,
nach Flächenausdehnung
und
waren
unter
alle
und Bevölkerung derselben.
Für diese Leistungen von Seiten des Volkes beschäftigten sich die Leviten
mit gelehrten und religiösen Studien,
später mit Unterrichten und vor
Allem auch mit Heilkunde und zwar unentgeltlich.
Zwei und ein halber
Stamm ließen sich östlich vom Jordan nieder, die andern neun Stämme nebst dem andern halben westlich von demselben;
der Stämme sein Gebiet rein und unvermischt.
doch bewohnte keiner
So kam es denn bald
dahin, daß die Juden sich Weiber von den Heiden heiratheten, und um
gekehrt, und dadurch mehr und mehr der syrischen und kananitischen Ab-
42
Die Israeliten.
götterei anheimficlen. Indem so der Jehovadienst, der allein die Kraft des israelitischen Volkes und seine nationale Einheit bildete, kläglich in Verfall gerieth, konnten alle die Starte und kleineren Königreiche, die Josua's gewaltiger Arm niedergeworfen hatte, bald wieder sich erholen und die Oberhand gewinnen. Ja, eö kam so weit, daß Israel nicht einmal seine Ernten und Hecrden vor Feindes Hand sicher hatte. Dazu kam auch die Feindschaft der einzelnen Stämme untereinander (Richter 19).
Josua hatte keinen Nachfolger ernannt, und so zerfiel die theokratische Monarchie in einen lockern Bund kleiner Freistaaten, wodurch sie sehr in Nachtheil kam gegen die Kananiter, die von dem Willen eines Einzigen, des Königs, geleitet wurden. Hätten die kananäischen Völker schaften einmüthig zusammcngehalten, so würden sie die eingedrungencn Fremdlinge völlig unterjocht haben. Doch hier zeigte sich eben die höhere Hand einer göttlichen Vorsehung, welche gerade durch den Abfall und die Untreue des auserwählten Volkes dasselbe immer wieder zum rechten Glauben znrückführte und welche inmitten der allgemeinen Zerrüttung das GottcSbcwnßtsein doch nicht ganz ersterben ließ. Sie bewirkte dies, in dem sie einzelne Männer erweckte, die mannhaft wider die Feinde strit ten, dem Volke wieder Zutrauen zu sich selber und Vertrauen und Ge horsam gegen Jehova einflößtcu. Diese Männer waren die Richter, die in der Zeit von 1440 bis 1100 v. Chr. auftrateu. Dieselben wur den von Gott erwählt, indem ein Heldengeist der Vaterlandsliebe, des KriegSmntheS und des Zornes wider die Feinde über sie kam, der auch ihrer Umgebung Muth einflößte und die Verzagten zu Thaten der Tapfer keit fortriß. Dergleichen Heldengestalten, die rein durch den Einfluß ihres persönlichen Ansehens ihre bis zum Uebermaaß der Lust an per sönlicher Unabhängigkeit sich hiugebcnden Volksgenossen für kriegerische Thaten zu vereinigen wußten, findet man sonst nirgend in der alten Welt. Sie erließen einen Aufruf an die waffenfähigen Männer, und freiwillig schloß sich an das Oberhaupt an, wer Lust hatte. War der Feldzug beendet, so war das Ansehen des Anführers wohl so befestigt, daß auch in den Zeiten der Ruhe seine Stimme Geltung behielt und man ihn freiwillig als zum Schiedsrichter annahm für streitige Rechts fälle. Aber im Uebrigen blieb er Privatmann; auch war sein Wirkungs kreis nur auf ein kleines Stamnigebict beschränkt. Eli und Samuel waren eigentlich Priester, aber ihre Persönlichkeit verschaffte ihnen auch den richterlichen Einfluß. Von Erblichkeit des Richteramtes war nie die
Die Israeliten.
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Rede, wie denn auch Samnel'ö Söhne von Israel nicht als Richter an-erkannt wurden. Eine sehr wichtige Einrichtung zur Förderung des religiösen Lebens int Volke schuf Samuel in den Prophetenschulen, denen er bis an's Ende seines Lebens Vorstand. In diesen Schulen wurden fähige Jüng linge mit einem religiös-nationalen Geiste ausgerüstet, der sie befähigte, heilsam auf das Volk zu wirken. Die Jünglinge, darunter auch Män ner, wohnten beisammen, genossen gemeinschaftliche Kost. Durch Belehrmig über göttliche Dinge erhielten die Schüler eine Richtung auf gei stige Dinge, und Musik und Gesang beförderten die Begeisterung für das Erhabene. So wurde eine religiöse Körperschaft in's Leben gerufen, welche geeignet war, die Richtung des Volkes auf das Göttliche zu för dern. Die Prophetenschüler wurden durch die Pflege ihres Geistes empfänglich gemacht, Gottes Offenbarungen zu vernehmen, und so gingen denn aus den Prophetenschnlen viele Propheten hervor, obwohl auch Propheten aufstanden, die keine Prophetenschule besucht hatten. Denn die unmittelbar göttliche Offenbarung, die den Mann erst zum Prophe ten machte, war stets ein freies Geschenk GotteS; in der Schule konnte sie nicht erworben werden.
Mit Samuel endete die Richterzeit, nachdem das Richterthum gegen drei Jahrhunderte gewissermaßen als theokratischeö Zwischenreich, in wel chem das Faustrecht und alle Rohheit lustig emporwuchcrte, bestanden hatte. Das Volk sprach nun das Verlangen nach einem sichtbaren Könige aus, weil es gemerkt hatte, daß die umwohnenden Heiden durch die Könige ihnen im Kriege überlegen waren. Wiewohl dies Verlangen mit Samnel'ö Wünschen nicht übereinstimmte, indem eine reine Gottes herrschaft sein Wunsch war, ging er doch darauf ein, weil er erkannte, daß eine Königswahl nicht durchaus gegen die Gottesherrschaft streite. Dabei setzte er voraus, daß die Könige sich in religiösen Dingen der geistlichen Macht unterordnen würden. So kam die Wahl des Königs Saul zu Stande (1100 v. Chr.). Das jüdische Königthum unterschied sich wesentlich von den unbeschränkten Despotieen des Alterthums; ja eö bildete einen schroffen Gegensatz zu diesen, indem es auf Volkswahl beruhte und auf selbstständige Gemeindeordnung und den Beirath der Aeltesten iin Volk sich stützte. In keinem andern Volke Asiens hat sich der Geist der Freiheit so kräftig geltend gemacht, als in Israel. Saul war ein hcldenmüthiger Fürst, aber den Anforderungen, die Samuel an einen theokratischen König machte, entsprach er nicht. Erst
44
Die Israeliten.
mit dem König David (1055 v. Chr.) wurde die durch Mose begrün dete Gottesherrschaft vollkommen verwirklicht. Er war als König das irdische Abbild des himmlischen Königs in aller Größe und Herrlichkeit, und was in der Seele des Moseö und Samuel nur als Hochbild vor« Handen gewesen war, ward unter David's Regierung Wirklichkeit. Durch David wurde daö Mische Volk in Wahrheit erst eine Nation, ein Volk Gottes. Seine Herrschaft war nicht bloß eine weltliche, sondern auch eine geistliche; sein Reich war ein Priester-Königthum, er selbst ein Priesterfürst, gewissermaßen ein Stellvertreter Gottes Bei. seinem Volk. In dieser Eigenschaft ist seine Herrschaft ein Vorbild des Messiasreiches, der vollkommensten Verwirklichung der Gottesherrschaft und er selbst trotz seiner Schwächen ein Abbild des Messias, der in noch höherem Glanze unter den Völkern sein Königreich aufrichtete. Daher reihen auch an ihn die messianischen Weissagungen der Propheten sich an. JesaiaS 11, 1. 2: Es wird eine Ruthe aufgehen von dem Stamme Jsai und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen; auf welchem wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Raths und der Stärke, der Geist der Erkenntniß und der Furcht des Herrn." Welche Heldennatur David inne wohnte, sehen wir daraus, daß er binnen kurzer Zeit alles Land vom Euphrat bis zum Mittelmeer, vom Libanon bis an die Grenze von Arabien unter die Oberhoheit Israels brachte. Nicht minder glänzend waren die inneren Zustände seines Reichs; das Volk wurde wohlhabender und die Künste deö Friedens blühten frisch und kräftig empor. Sein Hauptaugenmerk jedoch richtete der theokratische Fürst auf die Ordnung und das Gedeihen des Gottesdienstes, wodurch er vollendete, was Moses begonnen. Der Jehovadienst wurde ein glanz voller, Dichtkunst und Musik verherrlichte ihn. An viertausend Ton künstler erhoben die Feierlichkeit des Gottesdienstes durch Musik und Gesang, und David selbst dichtete herrliche Psalmen zur Ehre des Höch sten. In diesen Gesängen ist ans das Deutlichste ausgesprochen, wie David zu Jehova stand. Was sein Herz auch bewegte, die höchste Freude, das tiefste Leid, — Kummer und Sorge und Sündenschmerz oder Sieg und Frohlocken über den Feind, Heldenmuth oder Zagen — das hauchte er aus in die Saiten seiner Harfe und sang es in den Tönen seiner Psalmen. Woher das? Weil er sich als Werkzeug der Gottesherrschaft fühlte. Er war ein echter theokratischer König. Mit Salomo (1015—975) beginnt der innere Verfall des Rei ches Israel. In der ersten Hälfte seiner Regierung war er zwar auch noch ein theokratischer König, ein würdiger Sohn des großen Vaters;
Die Israeliten.
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in der zweiten Hälfte aber zeigte er sich als ein weltlicher Herrscher, der nur eine selbstständige Glanzherrschast im Sinne hatte, wie sie in den heidnischen Reichen (Assyrien, Babylonien rc.) bestand, wo ein Despot die Neichseinwohner wie eine Heerde beherrschte, zu keinem andern Zwecke, als um die Begierden und Leidenschaften eines nur auf das Vergängliche gerichteten Herzens zu befriedigen. Er fing an, das Volk aus der ihm vorgezeichnetcn Bahn herauszuwerfen, indem er feine Ver mischung mit fremden Völkern und auch die Verbindung der mosaischen Religion mit den heidnischen Religionen herbeiführte, indem er das auf Ackerbau angewiesene und auf möglichsten Abschluß von der Fremde an gewiesene Volk zu einem handeltreibenden phönizisch-weltbürgerlichen Volke zu machen sich bemühte, wie er denn auch in Frohndiensten die persön liche Freiheit des Bürgers antastete. Wäre es Salomo und seinen Nach folgern gelungen, eine israelitische Despotie aufzurichten, so hätte Israel seinen Glauben an den einen wahren Gott eingebüßt und die von Gott hm bestimmte Aufgabe nicht erfüllt. Es gelang ihm aber nicht; das Volk selbst widerstrebte der eingeschlagenen Richtung; eS widerstrebte im Gegensatz zu andern asiatischen Völkern einer Weltherrschaft im Sinne der Assyrer und Babylonier, und dies führte zur Theilung des Reiches in zwei Reiche, in das Reich Juda und Israel, im Jahre 975 v. Chr. Ging dadurch auch die politische Selbstständigkeit nach und nach verloren, so wurde doch der Glaube der Väter gerettet.
Daß letzteres geschah, war insbesondere das Werk der Prophe ten. Diese gottbegabten und gottgesandteu Männer sind die großartig sten Heldengestalten Israels und der alten Welt überhaupt. Mit uner schütterlichem Muthe strebten sie die Freiheit und Nationalität zu bewahren und kämpften unermüdlich gegen jeglichen Uebermuth, Gewaltherrschaft und Ungerechtigkeit. Indem sie Achtung vor der höchsten Freiheit, der Frei heit des Geistes, für sich in Anspruch nahmen, und sie trotz aller An fechtungen und Verfolgungen erzwangen, setzten sie das jüdische Volk in Besitz der höchsten, edelsten und reinsten sittlichen Wahrheit, zu der ein Volk vor Christus sich erheben konnte. — Mit welcher Kühnheit stellte sich Eliaö (um 900) dem Könige Ahab entgegen! Mit welchem Glau benseifer und Glaubensmuthe unternimmt und vollbringt er die Aus rottung des Baaldienstes der durch Jsebel in's Reich gedrungen war! Wie unerschrocken strafen Hosea und Amos (um 800) Volk und Fürsten in Israel um der Gräuel willen! „Bekehre dich" ruft Hosea, „Israel, zu dem Herrn, deinem Gotte, so wird sein Zorn sich wieder von dir
Die Israeliten.
46 wenden!
Aber du verwirfst Gottes Wort, darum will ich dich auch ver
werfen, spricht der Herr." Zeit schon sehr tranrig
In der That sah eö in Israel zu Hosea's
aus.
Neben
dem Königthum
blieb
hier bald
nichts stehen, als ein Heer siegestrunkener Soldaten, ungerechter Richter, hochmüthiger Nebenbuhler der königlichen Macht, eine Menge reichgewor dener Kaufleute, die nichts, als sichern Genuß ihrer Schätze und unge
störte Erlaubniß,
das Volk weiter zu übervortheilen,
wünschten.
Dazu
kam, daß immer ungehemmter leichtfertige, heidnische Religionen aller Art die Kraft
des Ganzen
verzehrten.
der Hauptstadt des
In Samaria,
Reichs, stand unter Jerobeain II. (825) ein von ihm
nischer Tempel.
beschützter
heid
Besser noch stand cs um das Reich Juda, wo der Je
hovadienst von Zeit zu Zeit kräftige Pfleger fand; aber das Volk verlor auch allmählig den bessern Sinn.
Unter solchen Umständen konnte der Untergang beider Reiche nicht ausbleiben, und die Propheten waren es, die ihn mit Bestimmtheit vor
aussagten.
Sie stemmen sich dem hereinbrechenden Verderben mit der
geistigen Macht deö Wortes entgegen, können dasselbe aber nicht aufhal
ten, und im Geiste sehen sie den Untergang ihres Volkes.
Doch die Propheten sahen nicht bloß den Untergang ihres Volkes vorher, sie schauten auch die Rettung desselben.
Die Trübsale, denen
es entgegenging, erschienen ihnen als vorübergehend, als Läuterungen und Reinigungen,
als was sie sich denn auch in der That
Ja noch mehr,
erwiesen haben.
die Propheten schauten auch die durch den Messias zu
sie
bewirkende Erneuerung des Volkes Gottes;
land, die Erlösung und das Himmelreich.
weissagten den Welthei
Und zwar wurden die Weissa
gungen immer bestimmter, je näher die Zeit heraurückte, in welcher Gott
erfüllte, was er schon nach dem Sündenfall verhieß.
1. Mos. 3, 15.
JesaiaS (um 800 v. Chr.) weissagt die Geburt des Herrn von einer Jungfrau (Jes. 7, 14), das Leiden des Herrn (Jes. 53, 4—7). Micha
(750) weissagt den Geburtsort Bethlehem (Micha 5, 1), und der letzte
Prophet Maleachi (um 400) sagt:
„Siehe,
senden, der vor mir den Weg bereiten soll. seinem Tempel der Herr, den ihr suchet,
deß ihr begehret.
ich
will meinen Engel
Und bald wird kommen zu und der', Engel des Bundes,
Siehe er kommt, spricht der Herr Zebaoth."
(Ma
leachi 3, 1.)
Wie durch den Mund der Propheten verkündet worden war, so ge
schah eö auch.
Beide
Reiche
fanden ihren Untergang.
Zuerst
traf
47
Die Israeliten)
Israel daS traurige Geschick.
Wie bereits erwähnt wurde, ging es 722
durch Assyrien unter. (Wiederhole: Phul — Menahem 770.
Tiglath Pilessar — Pekah 750. Salmanassar — Hosea 722.) Im Jahre 588 folgte das Reich Juda nach. (Wiederhole: Sanherib — Hiskias 710.
Assarhaddon — Manasse.
Nebukadnezar — Jojakim. Jojachin. Zedekias. 588.)
So war denn Israel aus der Reihe der selbstständigen Völker ge strichen.
Aber die Zerstörung der beiden Reiche war der Anfang zum
Aufbau einer neuen geistigen Gemeinde,
reinern,
gesetzestreueren Verehrung
der Lebenstrieb
Jehovah's.
In
der
zu einer
Verbannnng
wurde noch entschiedener, als schon zur Zeit der Spaltung des Reiches, die Spreu vom Weizen gesondert.
Der kleine bessere Theil des Volkes
wurde nun um so fester in seinem Glauben und eine innige Vaterlands
liebe setzte sich in ihm fest.
Man erbaute sich durch das Lesen der al
ten heiligen Schriften und der Weissagungen
der Propheten und
lebte
strenger nach den Geboten Moses denn je. (Der Prophet Hesekiel wirkte in den Provinzen und Daniel in der
Hauptstadt.) Im Jahre 536 war es, als den Verbannten durch den Perserkönig
Kyros, über den wir bald ein Mehreres erfahren werden, die Erlaub niß ertheilt wurde, in ihr Vaterland heimznkehren.
Namentlich waren
es Arme und Geringe, welche von dieser Erlaubniß Gebrauch machten. Unter der Anführung des Prinzen Serubabel aus Davids Geschlecht,
und des Priesters Jesua, eines Mannes von hoherpriesterlicher Abkunft, setzte sich ein Zug von 42,000 Mann nach der Heimath in Bewegung. Wie hat sich aber das Volk verändert!
sache geworden,
und
an
Das Gesetz ist ihm nun Herzens
seiner Nationalität hält es jetzt
mit
einer
Zähigkeit fest, welche den Grimm und die Bewunderung der Heiden er regt.
Das Heidenthum wird innerhalb der
neuen Gemeinde
geradezu
unmöglich, und der Glaube an den einen unsichtbaren Gott wird so fest, daß, wie wir aus der biblischen Geschichte aus der Zeit der Makkabäer
wissen, die stärksten Drohungen,
Strafen,
Martern und Verführungen
nicht vermögen, das Volk abtrünnig zu machen. *) 2. Makkab. 6, 7.
Der Glaubenseifer der
Die Israeliten.
48 Juden,
welcher Name nunmehr an die Stelle des Namens Israeliten
tritt, weil die Treuen zumeist dem Stamm Juda
weit,
daß sie dem Mischvolk der Samariter,
angehörten,
ging so
entstanden durch Ver
bindung der einst in Israel zurückgebliebenen Einwohner mit den durch
Assarhaddon daselbst angesiedelten Assyrern, die Theilnahme am Tempel ban verweigerten, und sich überhaupt streng von ihm absonderten.
Einen großen Antheil
an dieser Vortheilhaften Umwandelung des
Volkes hatte der Schriftgelehrte Esra, der (478) den zweiten Hauptzug
heimführte.
Dieser berühmte Mann begann die Sammlung der heiligen
Schriften und gründete Synagogen
oder Rabbinerschulen,
das
waren Schulen der Schriftgelehrsamkeit, die wie einst die Samuel'schen
Prophetenschulen, die richtige Erkenntniß und den Geist des Gesetzes im
Volke wirksam erhalten sollten.
Auch steuerte er mit großer Entschieden
heit der Vermischung der Juden mit den umwohnenden Heiden.
Ne-
hemia, Mundschenk am persischen Hofe, der die Mauern Jerusalems
wieder anfbaute, wirkte in demselben Geiste.
Als man während seiner
Abwesenheit in Persien wieder in die alten Abwege
gerieth, kehrte er
wieder zurück und stellte mit Feuereifer die Ordnung wieder her. priesterliche
Esra's
Werk
unterstützte
er
kräftig
durch
Das
seine weltliche
Macht, Umsicht und Tapferkeit, durch sein fürstliches Ansehen und seine
Gunst bei Hofe.
Wie innerlich, so war auch äußerlich in dem erneuerten Jehovabunde Manches anders, als in dem alten. nicht mehr nach
So konnte z. B. das Jubeljahr
dem Wortlaut des Gesetzes eingeführt werden.
im Tempel und Gottesdienst
fehlte Manches,
so
Auch
die Bundeslade und
Solche Lücken auszufüllen, hielt
der Orakelschmuck des Hohenpriesters.
man sich nun um so eifriger an das geschriebene Gesetz sich mit Gesetzauslegung zu beschäftigen.
und fing an,
So entstand die Schriftge
lehrsamkeit und der Synagogendienst, dessen Zweck war, die Er
kenntniß des Gesetzes zu verbreiten
Gesetze zu schärfen.
und das Gewissen
gegenüber dem
Das hatte sein Gutes, aber auch seine Gefahren.
Durch das Denken, Reden und Schreiben über das Gesetz bildeten sich mancherlei Satzungen und Meinungen, die sich durch Ueberlieferungen fortpflanzten, und für die vom Volke unbedingter Glaube verlangt wurde. Ja, es kam dahin, daß der Traditionsglaube noch mehr galt, als
der Jehovaglaube selber; dadurch litt das Glaubensleben,
und an die
Stelle geistiger Freiheit trat geistige Knechtschaft; falsche Werkheiligung und Aberglaube aller Art nistete sich ein.
Die Israeliten.
49
Unter der Herrschaft der Perser ging es den Juden nach Wunsch. Sie wurden weder persönlich noch in der Verwaltung ihres Gemeinde
wesens sehr beschränkt.
oberste Gerichtsbehörde
Als
bildete sich nach
Esra der hohe Rath (Synedrium), der aus 71 Personen, Priestern, Geineindeältesten und Schriftgelehrten zusammengesetzt war.
das Volk in Frieden dahin.
durch
Alexander
den
Mit dem Sturz der persischen Monarchie
(334
Großen
unterworfen.
v.
Chr.)
brach
aber
für
sje
Zunächst wurden sie der Weltherr
wieder eine bewegte Zeit herein.
schaft Alexanders
So lebte
Nach
dem Tode
dieses Weltstürmers
wurde aber das kleine Palästina ein Zankapfel zwischen dem ägyptischen und syrischen Reiche.
Zuerst fiel es den Aegyptern anheim (von 320 bis 223 v. Chr.), später den Syrern, welche damals von Antiochus dem Großen (von
dem Sirach ein Zeitgenosse war) beherrscht wurden.
Dieser Fürst ge
währte den Juden noch volle Freiheit des Gottesdienstes; er befahl, daß ihnen Thiere, Oel und Wein zu den Opfern und Holz zur Ausbesserung
des Tempels
Auch schenkte er ihnen so viel Ver
dargereicht würde.
trauen, daß er jüdische Colonien nach Kleinasien verpflanzte,
um sich
seiner dortigen Unterthanen zu Persichern.
So entstand auch eine jüdische
aus der
nachmals die erste Christenge
Gemeinde in Antiochien selbst,
meinde hervorging, und bei welcher der Name Christen zuerst gebraucht wurde.
Um so trauriger ging es den Juden unter seinem Sohn und Nach folger Antiochns, mit dem Beinamen Epiphanes d. h. der Glänzende.
Dem war das kleine jüdische Volk ein Dorn im Auge, weil es nichts von dem griechischen Wesen wissen wollte, das der König so sehr liebte.
Er nahm sich
daher
vor,
den
Glauben und
die Nationalität dieses
Es gelang ihm aber nicht,
Volkes mit einem Schlage zu vernichten.
wie sehr auch die entarteten Hohenpriester ihn in seinem Vorhaben unter stützten.
Waren doch diese Wächter des Glaubens bereits so verdorben,
daß Einer von ihnen einen griechischen Namen annahm, Josua) und griechische Sitten, namentlich Kampfspiele,
(Jason statt
dem Könige zu
Liebe einführte! Als der Befehl erschien, jede Spur der Landeöreligion zu
tilgen, und Truppen zur Vollstreckung desselben einrückten, fügten sich nur die Jdumäer und Samariter; die Juden dagegen blieben ihrem Glauben größtentheils
treu trotz
aller Gefahren
des Tempels zu einem Zeusteinpel
und
und Leiden.
Die Einrichtung von Götzen
die Aufrichtung
altären an vielen Orten konnten sie freilich nicht hindern; ebenso wenig
konnten
sie
die Gesetzbücher Moses
vor Vernichtung bewahren;
ihren Glauben ließen sie sich nicht nehmen. Kühner Geschichte. I.
aber
Viele flohen in wüste Ge4
Die Israeliten.
50
stellten, um auf bessere Zeiten zu harren. Andere trugen standhaft alle
Der Priester Eleasar und die Mutter mit ihren sieben
Marter.
Söhnen sind ergreifende Beispiele von Glaubcnsmuth.
Solche Zeit,
wo man mit seinem Herzblut die Göttlichkeit des Gesetzes bezeugte,
hatte Israel bis dahin noch nicht erlebt. Doch man duldete nicht bloß, bald ging man auch zu thatkräftigem Handeln über.
Die Familie der Makkabäer war cs, welche sich an
die Spitze der Gleichgesinnten stellte und poten aufnahm.
den Kampf gegen den Des
Das geschah im Jahre 168 v. Chr.
bäus vertrieb die Syrer und
machte
Bund mit den
sehr mächtigen
damals schon
zum Besten
Judas Makka-
seines Volks einen
Römern.
Nach
seinem
Heldentode leiteten seine Brüder Jonathan und Simon den Befreiungs
kampf.
Unter Simon (142 v. Chr.),
der
als
unabhängiger Fürst
und Hoherpriester der Juden anerkannt wurde, stand das jüdische Volk wieder selbstständig da.
Johannes Hyrkaneö folgte ihm und verband sich auf's Neue mit
den Römern.
Mit AristobuluS, der den Königstitel annahm, stellte
sich jedoch schon wieder die Richtung auf eine blos weltliche Herrschaft
ein.
Im Jahre 70 v. Chr. Geburt entstand
zwei makkabäischen Brüdern (Hyrkan II. Herrschaft.
Das führte die Römer herbei, die (im Jahr 63) Palästina
Als Scheinrcgenten ließen sie Hyrkan II.
ihrem Reiche einverlcibten.
bestehen.
sogar ein Streit unter
und AristobuluS II.) um die
Nach dessen Tode aber wurde der Jdumäer Herodes König
von Judäa, im I. 37 v. Chr., nachdem sein Vater Antipas bereits als Statthalter dem letzten Makkabäer zur Seite gestanden hatte. So war denn auch die Herrschaft der Makkabäer zu Grunde ge
gangen. gekämpft.
Indessen hatten diese Herrscher doch nicht vergeblich gelebt und
Durch ihre Heldenkämpfe hatten sie den Glauben an Einen
Gott gerettet, die Gemeinde gereinigt und die Gefahr des Rückfalls in
den Götzendienst beseitigt.
Was die Gefangenschaft angebahnt, das hatte
jener Glaubenskampf vollendet,
nämlich die Läuterung des VollS und
die Befestigung im Glauben, und dadurch hatte Israel seine Lebensauf
gabe, den Glauben an Einen Gott unter den Völkern fest zu gründen, erfüllt.
Was anfangs nur in Wenigen lebte,
war jetzt in der ganzen
Volksgemeinde verwirklicht.
Damit hatte nun aber auch
die
alttestamentliche Gottesherrschaft
ihr Ende erreicht, und eS mußte nun eine neue Offenbarung kommen, die, worauf durch die Propheten schon längst hingedeutet worden war,
die Offenbarung durch Christum. der Heiland der Welt,
Und sie kam.
In Christo erschien
der einen Bund aller Menschen
mit Gott
Die Israeliten.
51
stiftete, der das Gesetz Moses „erfüllte", und Gnade allen nach Licht und Rettung Verlangenden verkündete und ihnen Friede und Versöhnung brachte. Verwarf auch die herrschende Partei des jüdischen Volkes — die Pharisäer, die im hohen Rathe die Mehrheit bildeten — den Heiland, so hinderte das die Durchführung des Erlösungswerkes nicht. Israel hatte seine Aufgabe erfüllt, und die neue Offenbarung konnte nun auch ohne dasselbe in die Welt dringen. Die Verwerfung des Messias führte dagegen den eigenen Untergang der Nation herbei. Ihr Stolz, das auSerwählte Volk Gottes zu sein, ihre Hoffnung auf einen andern Messias verleitete sie, wie wir später noch ausführlicher hören werden, zu einem Betragen gegen die Römer, das ihnen den Haß derselben zu zog und ihnen den Untergang brachte. Im Jahre 70 n. Chr. endete Israel als Staat; zerstreut in alle Welt leben die Nachkommen dieses wunderbaren Volkes seit jener Zeit bis auf den heutigen Tag.
Das ist in wenigen Zügen die Geschichte des Volkes Gottes. Noch bleibt uns jetzt übrig, Etwas über die Sitten und Lebensweise die ses merkwürdigsten und wichtigsten Volkes des Alterthums mitzutheilen. Zuerst über ihre Wohnungen. Nach der Einnahme Kanaans durch Josua beharrten zwei und ein halber Stamm im Ostjordanlande beim Hirtcnstande und cs wohnten da her diese Israeliten noch lange in leichten Zelten. Die andern im West jordanlande gewöhnten sich bald an ein seßhaftes Landleben. Wie an gesehen der Ackerbau war und wie selbst die Vornehmsten sich mit ihm beschäftigten, beweisen zahlreiche Stellen des alten Testaments; so drischt der Richter Gideon sein Getreide selbst; Boas ist sein eigener Feldaufscher; Saul finden wir auf dem Felde bei seinen Heerden; David hütete die Schaafe, und selbst seine Söhne und Töchter mußten die Schaafschnr vornehmen. Mit dem Ackerban sind feste Wohnsitze unzertrennlich verbunden. Die Israeliten bauten sich daher feste Häuser nach dem kananitischen Vorbilde, die späterhin immer besser und prächtiger einge richtet wurden. Man baute ein Viereck, so daß im Innern ein offener, freier Hof umschlossen wurde. Doch treten wir näher herzu und be trachten wir das Einzelne. Das meist einstöckige, selten zweistöckige Ge bäude ist aus Ziegeln oder Quadern aufgeführt und hat ein plattes und von einem Geländer umgebenes Dach, das mit Erde bedeckt ist. In der Mitte desselben erhebt sich das Obergemach (der Söller) zur Andacht und stillen Zurückgezogenheit. Vom Söller führt eine Treppe 4*
Die Israeliten.
52
in den innern Hof, auch wohl in ein Wohnzimmer.
Dorthin finden alle Zimmer ihren
Mittelpunkt des häuslichen Lebens.
oft einzigen niedrigen AuSgang.
Der Hof ist der
Von oben blickt der heitere, regenlose
Hinrmel hinein, eine ausgespannte Zeltdecke schützt vor den brennenden Im gepflasterten Hof blühen schattige Bäume und ein
Sonnenstrahlen.
frischer Brunnquell murmelt seine einschläfernde Weise.
Die ganze Fa
milie versammelt sich hier und ruht auf den ringsum Polstern.
ausgebreiteten
In den Hof hinein schauen die Stuben mit ihren glaslosen,
aus dicken Holzstäben
bestehenden Gitterfenstern.
gemächer des Hauses
haben einen
Die niedern Wohn
einfachen Fußboden von Holz oder
Im Winter,
Ziegel, über welchen reichliche Teppiche ausgebreitet sind.
wenn es draußen regnet oder schneit, erwärmt ein Feuertopf das Zim
mer.
Ihn setzt man in
ausgebrannt,
ein Loch
des Fußbodens,
so legt die Hausfrau
über ihn Teppiche.
und ist sein Feuer
einen Deckel darauf,
und
breitet
An den Seiten der Stuben laden zwei bis vier Fuß
hohe DivanS, Erhöhungen des Fußbodens, zur Ruhe ein.
Auf ihnen
werden zur Nachtzeit die Schlafdecken und Matratzen ansgebreitet. Vom innern Hofe führt ein enger, dunkler, krummer,
durch
das Haus
auf die
athmen nach frischer Luft.
Straße.
niedriger Gang quer
Wir treten gebückt heraus
Da sehen wir von rechts
und
und von links
lange, todte Mauerreihen sich ausbreiten, ohne Fensteröffnungen.
Es
sind dies die Häusermauern, welche nach der Sttaße zu meist nur von
dem niedern, kleinen Eingänge durchbrochen sind.
Straßen sind eng;
offene Plätze.
Die ungepflasterten
sie unterbrochen
von Zeit zu Zeit werden
durch
Am Thor der Stadt ist der große Versammlungsort der
Gemeinde; hier werden die Rechtsstreitigkeiten von den Aeltesten erle
digt.
Liegt der Ort auf einer Anhöhe,
geeignet,
so
umgiebt man ihn mit
zur Stadt wird
und ist er
zur Vertheidigung
einer Mauer und
durch Thürflügel und Riegel
Orte Kanaans sind aber freie, offene Dörfer.
gesichert.
der Eingang Die meisten
Oft sind die Häuser gar
nicht miteinander verbunden, so daß wirkliche Straßen mit Häuserreihen entstehen könnten.
Die Kleidung der alten Hebräer war, dem Klima des Landes entsprechend,
leicht und bestand aus Baumwolle,
Zwirn oder Wolle.
Zunächst auf dem Leibe trugen sie einen Leibrock, ein leinenes oder baum wollenes Hemde mit Aermeln, von einem ledernen oder gewebten Gür
tel zusammengehalten.
Ein Oberkleid, nach der Jahreszeit
aus wollenem oder baumwollenem Stoffe und
gewöhnlich
entweder
von
vier
eckiger Form, wurde darüber getragen und diente den Aermeren zugleich als Schlafdecke.
Den Priestern war das Tragen von Hosen gesetzlich
Die Israeliten. vorgeschrieben.
53
Sandalen d. i. mit Riemen befestigte Ledersohlen, mach
ten die Fußbekleidung aus, und ein um den Kopf geschlungenes Tuch,
ein Turban,
Der Bart war
diente als Kopfbedeckung.
ein Schmuck
der Männer, langes Haupthaar nur in verschiedenen Zeitperioden. Die Nasiräer durften ihr Haar nicht scheeren.
Beim Gottesdienst war es
Sitte, das Haupt bedeckt und die Füße entblößt zu haben. — Um der
starken, übelriechenden Transpiration in dem heißen Klima entgegenzu wirken, war neben dem häufigen Räuchern in den Zimmern das Sal ben des Haars und
den Aermern.
des Bartes
etwas sehr Gewöhnliches,
selbst bei
Bei Gastmählern gehörte das Salben mit kostbarem
Oele mit zur Toilette. — Die Trauerkleidung wird der Sack genannt,
woher der Ausdruck stammt: „in Sack und Asche trauern!" Die Kleidung der Frauen unterschied sich nur durch feineren, kostbareren Stoff.
von
der Männer
der
Das Oberkleid war länger und
weiter, der Gürtel oft von sehr hohem Werthe.
Der Schleier gehörte
nothwendig zur weiblichen Kleidung, wie er fetzt noch im Morgenlande gebräuchlich ist.
Armbänder, Nasenringe, waren gewöhnliche Schmuck
sachen. (Elieser, Rebekka).
Hinsichtlich der Speisen und Getränke bestanden bestimmte Vor
schriften.
Moses
erlaubte neben Pflanzenkost nur gewisse Thierarten
zur Nahrung, um die furchtbaren morgenländischen Krankheiten von sei
nem Volke abzuhalten.
So waren verboten Schwein, Hase, Kaninchen,
das Kameel (wohl wegen seines größeren Nutzens stande).
im lebendigen Zu
Von Fischen waren nur die mit Flossen und Schuppen erlaubt.
Muschelthiere gehörten zu den verbotenen Speisen. Von den Vögeln wa
ren
Gänse und
alle Raubthiere unrein.
Milch wurde dagegen
empfohlen;
nahrungsmittel im Morgenlande. nossen.
jetzt
Es
gab
Zwiebeln und Knoblauch
Weizen-
waren
das Haupt
Nicht minder häufig wurde Brot ge
Die Frauen kneteten den Teig in Backtrögen
Brot in Oefen.
und
erlaubt.
durfte der Hohepriester keine Bohnen essen, sollten.)
waren unbekannt.
Hühner
dieselbe ist noch
Gerstenbrot.
und buken das
Hülsenfrüchte,
(Am Versöhnungstage
aber
weil sie schläfrig machen
Außerdem genoß man Honig, Früchte, Erbsen, Linsen, Grütze.
Zur Stillung des Durstes
Wasser an,
wendete man Essig
auch mit Wasser verdünnten Wein.
wurde Mittags eingenommen.
mit etwas Oel zum Die Hauptmahlzeit
Messer und Gabeln kannte man nicht;
jeder Tischgenosse brachte mit den Fingern eine Portion Gemüse oder Fleisch aus der großen Schüssel auf seinen Brotkuchen, der zum Teller
diente. Die Hochzeit hatte keinen religiösen Charakter, sondern sie war
Die Israeliten.
54
Die beiderseitigen Eltern des neuen Paares
ein heiteres Familienfest.
schlossen den Kontrakt ab und die jungen Leute wurden verehelicht, ohne
sich auch nur näher gesehen und gesprochen zu haben.
Für die Braut
wurde vom Bräutigam an den Schwiegervater der gewogene Sklaven
preis von
dreißig Silberseckeln
(neun Thaler)
bezahlt.
Auch kam es
vor, daß Jemand ein Weib durch Heldenthaten oder fleißige Arbeit sich verdiente (David).
Die Hochzeit
selbst dauerte sieben Tage.
Jung
gesellen, oft zweihundert an der Zahl, zogen unter Fackelschein mit dem bekränzten Bräutigam in das Haus der Braut,
Behausung zu bringen.
Arme
ließen
sich an
um
sie in ihre neue
einem Weibe genügen;
Reiche dagegen fausten sich mehrere Weiber und brachten dadurch das
Unheil der Vielweiberei in ihr Haus und in ihr Familienleben. — Die Kinder standen zum Vater in strenger Unterordnung, aber ohne sklavische Starb der Vater, so vertrat der älteste Sohn dessen
Unterwürfigkeit. Stelle.
Das Familienleben, die Grundlage aller Freiheit, hat sich im
Alterthum nirgends so schön ausgebildet,
Mütter standen in einem Hausherrn.
als
in Israel.
Kinder und
patriarchalischen Verhältniß zum Vater und
Die Mütter besonders aber waren es, welche in den Kin
dern den religiösen Sinn pflegten, indem sie die Thaten Gottes an ihren
Vätern in stillen häuslichen Feierstunden den Ihrigen erzählten.
Nir
gend in Asien hatte die Frau eine würdigere Stellung int Hause, als
bei den Juden.
Während sie bei andern asiatischen Völkern nur Skla
vin war, stand sie bei den Inden dem Mann schott mehr als Freundin und Gehülfin und mehr geehrt von ihm zur Seite, wenn sie auch noch
nicht die Achtung
und Würdigmtg erfuhr,
Frauen gebracht hat.
die
das Christenthum den
Mehre Aussprüche Salomo's beweisen dies.
Er
sagt: „Wem ein tugendhaft Weib bescheert ist, die ist viel edler, denn die köstlichsten Perlen.
Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen und
Nahrung wird ihm nie mangeln.
sein Lebelang.
Sie thut ihm Liebes und kein Leid
Sie breitet ihre Hände aus zu den Armen, und reichet
ihre Hand den Dürftigen.
Lieblich und schön sein ist nichts; ein Weib,
das den Herrn fürchtet, soll man loben." —Kinderschulen gab es nicht;
man unterrichtete die Rinder daheim int elterlichen Hanse in Gottes Wort und die religiösen Vorschriften lernten sie nach und nach durch das praktische Leben
kennen.
nen
Nur die Kinder der Reichen und Vornehmen wurden int Rech
und Schreiben
unterrichtet.
Erst spät, zur Zeit Christi, gab es
Volksschulen, in' denen die Kinder im Singen heiliger Lieder unterrichtet wurden. Die Beschäftigungen der Frauen waren zum größten Theile häus
liche Arbeiten, wozu auch Spinnen und Weben gehörte.
Die Männer
Die Israeliten.
55
dagegen pflegten vorzugsweise die Feldarbeit. den
kleinen
eisenbeschlagcnen Pflug
Hinterher und trieb
mit dein
Ochsen und Esel zogen
Räder.
ohne
Der Pflüger ging
langen Stachel das Zugvieh an.
Länge nach und die Quere wurden Furchen gezogen.
Der
Die Egge ebnete
das aufgerissene Erdreich zum Empfang der Saat. Bei tiefem und weichem Nach dem ersten
Fruchtboden wurden Spaten und Hacke angewendet.
Regenfall (im November) streute
man die Wintersaat,
(Weizen, denn
Roggen kannte man nicht) reihenweis in das Land und befahl es Je hova.
Zur Regenzeit blieb das Vieh im Stalle; erst im März begann Kurz vor dieser Zeit wurde auch die Sommerfrucht
das Austreiben.
(Gerste, Spelt, Linsen, Bohnen) der Erde anvertraut; denn sie mußte
vor dem
Spätregcn
des
März
sein.
im Boden
Sommerzeit (April) war der Hausvater
Im
Beginn der
bei der Heerde oder in
den
Gärten beschäftigt, worin Wein, Oelbäuinc, Birn-, Aepfel-, Aprikosen-, Im Mai begann die Ernte.
Mandel- und Feigenbäume standen.
wurde die Gerste eingebracht, dann im Juni der Weizen.
Wochen von Ostern bis Pfingsten waren
eine anhaltende Erntezeit für
Man mähte mit Handsicheln;
das Getreide.
und stellten sie zu Haufen
zusammen.
Erst
Die sieben
Weiber banden Garben
War
das Getreide
getrocknet,
Dies war ein für die Erntezeit hart
so brachte man es auf die Tenne.
gestampftes Ackerfeld unter freiem Himmel.
Ochsen wurden über das
ausgebreitete Getreide hergetrieben, dainit die Körner ausgingen; dafür durften diese vierbeinigen Drescher auch nach Herzenslust sich satt fressen
an dem Getreideseegen.
Aber auch Dreschmaschinen wendete man an.
Durch Wurfschaufeln sonderte man die Körner von der Spreu.
Stroh
und Spreu wurden zur Fütterung benutzt; die Fruchtkörner aber wurden aufgespeichert in Erdgruben, Höhlen oder Scheuern.
Neben der Getreideernte und gleich nach ihr wurden die kleinen Sommerfrüchte eingebracht.
Flachs, Kümmel.
So
besonders
Bohnen,
Spelt,
Linsen,
Weiber und Kinder gingen in die Obstgärten und
pflückten die länglichrunden, oft die Größe eines Taubeneies erreichenden Olivenbeeren,
ehe
sie
ganz
gereift
waren.
Beeren preßte das jüdische Weib edles Oel.
Denn aus den
unreifen
Die iin September gereif
ten Beeren machte sie ein oder setzte sie der Familie roh zum Verzeh
ren vor.
Auch der Honig wurde jetzt eingebracht von zahmen und wil
den Bienen. süßt..
Das Backwerk und der Opferkuchen wurden mit ihm ver
Die Söhne aber
lebten um diese Zeit
Tage streiften sie mit dem Vieh durch Gebirg Hund
war ihr steter Begleiter.
Heerde ein und
hielten sich
wohl
Für
bei der Heerde.
Bei
der
treue
und Wald;
die Nachtzeit
pferchten sie die
selber im sichern Karren auf.
Sie
Die Perser.
56
sorgten für die Lämmer und ihre Mütter, sie schlachteten Kleinvieh und Rinder zum Gebrauch der Küche und bereiteten auch wohl in den vie
len Mußestunden das Fell zur warmen Kleidung oder zu Teppichen für
die Stube. So sah es im Hause und in der Wirthschaft des jüdischen Volkes
aus.
Nehmen wir nun auf längere Zeit von ihm Abschied.
Später
werden wir noch einmal Gelegenheit haben, auf dasselbe zurückzukommen.
6. Die Perser. Es wurde bereits erwähnt,
daß das Reich Neu-Babylonien im
Jahre 537 v. Chr. unter persische Herrschaft gerieth.
Indem das ge
schah, empfingen die Juden natürlich auch einen neuen Herrscher.
der den Juden die Rückkehr in ihr Vaterland
siebenzig Jahre im Exil geschmachtet hatten. uns auf,
Die
Dies war der Mann,
ser war Kyros, in der Bibel Kores genannt.
erlaubte,
nachdem sie
Dieser Umstand fordert
auch einen Blick in die Geschichte des persischen Volkes zu
werfen. Das alte Persien lag an d.er Nordostküste des persischen Meer
busens, südlich von Medien, und war eine medische Provinz.
In Me
dien, so berichtet die Sage, regierte (zur Zeit Nebukadnezar'S) der Kö
nig Asthages.
Von diesem wird erzählt,
er habe einst im Traume
von seiner Tochter Mandane soviel Wasser ausgehen sehen, daß ganz
Asien davon überschwemmt wurde.
Die herbeigerufenen Traumdeuter
meinten, das bedeute: ein Sohn der Mandane werde einst ganz Asien
beherrschen.
Darin erblickte Astyageö eine Gefahr für sein Reich; da
her verheirathete er seine Tochter an einen einfachen persischen Edelmann
Kambyses.
Bald darauf träumte dem Könige abermals; ersah einen
Baum von seiner Tochter ausgehen, dessen Aeste ganz. Asien überschat
teten.
Die Traumausleger wiederholten die vorige Deutung.
Als nun
Mandane einen Knaben erhielt, beschloß daher der Großvater, ihn tödten zu lassen.
Den Auftrag
dazu gab er seinem Minister HarpagoS.
Dieser übertrug den Mord des Kindes jedoch einem Rinderhirten.
Da
aber die Frau desselben eben ein todtes Knäblein geboren hatte, so wurde dieses statt des «Sohnes der Mandane ausgesetzt und letzterer am Leben
erhalten.
Er wuchs bei dem menschenfreundlichen Hirten auf, ohne daß
eS bekannt wurde, von welcher Herkunft er sei.
Erst als
das Kind
Die Perser.
56
sorgten für die Lämmer und ihre Mütter, sie schlachteten Kleinvieh und Rinder zum Gebrauch der Küche und bereiteten auch wohl in den vie
len Mußestunden das Fell zur warmen Kleidung oder zu Teppichen für
die Stube. So sah es im Hause und in der Wirthschaft des jüdischen Volkes
aus.
Nehmen wir nun auf längere Zeit von ihm Abschied.
Später
werden wir noch einmal Gelegenheit haben, auf dasselbe zurückzukommen.
6. Die Perser. Es wurde bereits erwähnt,
daß das Reich Neu-Babylonien im
Jahre 537 v. Chr. unter persische Herrschaft gerieth.
Indem das ge
schah, empfingen die Juden natürlich auch einen neuen Herrscher.
der den Juden die Rückkehr in ihr Vaterland
siebenzig Jahre im Exil geschmachtet hatten. uns auf,
Die
Dies war der Mann,
ser war Kyros, in der Bibel Kores genannt.
erlaubte,
nachdem sie
Dieser Umstand fordert
auch einen Blick in die Geschichte des persischen Volkes zu
werfen. Das alte Persien lag an d.er Nordostküste des persischen Meer
busens, südlich von Medien, und war eine medische Provinz.
In Me
dien, so berichtet die Sage, regierte (zur Zeit Nebukadnezar'S) der Kö
nig Asthages.
Von diesem wird erzählt,
er habe einst im Traume
von seiner Tochter Mandane soviel Wasser ausgehen sehen, daß ganz
Asien davon überschwemmt wurde.
Die herbeigerufenen Traumdeuter
meinten, das bedeute: ein Sohn der Mandane werde einst ganz Asien
beherrschen.
Darin erblickte Astyageö eine Gefahr für sein Reich; da
her verheirathete er seine Tochter an einen einfachen persischen Edelmann
Kambyses.
Bald darauf träumte dem Könige abermals; ersah einen
Baum von seiner Tochter ausgehen, dessen Aeste ganz. Asien überschat
teten.
Die Traumausleger wiederholten die vorige Deutung.
Als nun
Mandane einen Knaben erhielt, beschloß daher der Großvater, ihn tödten zu lassen.
Den Auftrag
dazu gab er seinem Minister HarpagoS.
Dieser übertrug den Mord des Kindes jedoch einem Rinderhirten.
Da
aber die Frau desselben eben ein todtes Knäblein geboren hatte, so wurde dieses statt des «Sohnes der Mandane ausgesetzt und letzterer am Leben
erhalten.
Er wuchs bei dem menschenfreundlichen Hirten auf, ohne daß
eS bekannt wurde, von welcher Herkunft er sei.
Erst als
das Kind
Die Perser.
57
zehn Jahre alt war, wurde diese'offenbar. Kyros — wie der Knabe später 'genannt wurde — spielte mit andern Kindern und wurde von ihnen zum Könige erwählt. In solcher Eigenschaft ließ er einst einen Ungehorsamen züchtigen. Weinend lief dieser nach Hause und klagte das Unglück seinem Vater. Dieser ging mit seinem Söhnchen zum Asthages und verklagte den Sohn des Rinderhirten. Astyageö ließ den Hirten nebst dessen vermeintlichem Sohne vor sich kommen, wobei dieser sich damit rechtfertigte, daß er zum Könige erwählt worden sei und mit dieser Wahl das Recht empfangen habe, Ungehorsam zu strafen. Astyageö erkannte in den Gesichtszügen des Kyros die Aehnlichkeit mit seiner Tochter, forschte weiter und entdeckte bald Alles. Der Minister wurde auf ächt asiatisch-despotische Weise dadurch gestraft, daß der König dessen Sohn insgeheim tödten und zurichten, und bei der Mahlzeit dem Vater versetzen ließ. Nach Tische erfuhr der unglückliche Mann, was er ge gessen hatte. Tiefer Schmerz, aber auch bitterer Groll zog in sein ver wundetes Herz; doch mußte er schweigend das harte Geschick hinnehmen. KhroS blieb indeß am Leben, denn die Traumdeuter meinten, die Träume des Königs seien bereits dadurch erfüllt, daß Kyros von seinen Spiel kameraden zum Könige erwählt worden sei. Ja der Knabe erhielt, weil er sich bei dem Könige sehr beliebt zu machen wußte, sogar die Erlaub niß, zu seinen Eltern zurückzukehren. Als Beispiele des Witzes und Verstandes des kleinen Kyros nur folgende Mittheilungen, die zugleich einen Blick in den Luxus und die Verweichlichung der asiatischen Despotieen gewähren. Als sich KyroS einst mit seiner Mutter zum Großvater nach Medien begeben hatte, er götzte er sich, als er denselben in weibischem Putze erblickte: mit bemal ten Augenbraunen, falschen Haaren und geschminkten Wangen, gehüllt in purpurne Kleider, am Halse mit schimmernden Ketten und an den Händen mit Armbändern geschmückt. Indem er ihn so betrachtete, rief er schelmisch aus: „O Mutter, wie schön ist mein Großvater!" „Welchen hältst Du denn für schöner, Deinen Großvater et er Vater?" fragte ihn die Mutter. Der Knabe antwortete rasch: „In Persis ist mein Vater der Schönste, in Medien aber mein Großvater." — Ueber die mannig faltigen und leckerhaften Gerichte der Meder hielt er sich in der Weise auf, daß er einst bei Tafel sagte: „Wie viel Mühe hast Du doch, Großvater, von allen diesen Speisen zu kosten. Wir Perser gelangen mit unserm Fleisch und Brot eher zum Zweck." — Auf die Frage des Asthages: „Berauscht sich Dein Vater nie, wenn er trinkt?" sagte der Knabe: „Nimmermehr!" —„Aber was macht er denn da?" — „Er hört auf zu trinken, weiter geschieht ihm Nichts", antwortete der kluge Knabe.
Die Perser.
58
Der Minister sah den Jüngling zu seiner Freude aufblühen, denn
ihn hatte er sich zum Werkzeuge seiner Rache ausersehen.
Als der rechte
stellte Harpagos den Kyros an die Spitze
Augenblick gekommen war,
einer Verschwörung, die er unter den vornehmsten Medern gegen den grausamen Astyagcs angestiftet hatte.
Der Plan gelang; Kyros schlug
das Heer des Königs, nahm ihn selbst gefangen und bestieg um 555
v: Chr. den Thron des medischen Reichs.
Nach andern alten Schriftstellern und nach
So berichtet die Sage.
den Berichten der Bibel ist jedoch Kyros seinem Vater in der Herr schaft über Persien gefolgt und hat als Verbündeter des medischen Kö
nigs Darius und als Führer seines Heeres die im Nachfolgenden er
zählten Eroberungen gemacht. An der Spitze eines
großen Heeres
unternahm
Kyros
zunächst
einen Zug gegen das lydische Reich, das in Kleinasien lag und da mals von dem reichen Könige Krösus beherrscht wurde.
Dieser König
wollte den Eroberungen des Kyros Schranken setzen und fing den Krieg
mit ihm an.
Bevor er dies aber that, schickte er Gesandte nach Europa
zu dem Orakel nach Delphi in Griechenland, um sich von dort Raths zu erholen und um zu
erfahren,
ob er glücklich sein werde.
(Ein
Orakel war eine Anstalt, durch welche man die Verkündigung des Wil lens der Gottheiten zu vernehmen meinte.)
Um sich das Orakel recht
geneigt zu machen, schickte ihm Krösus übermäßige Geschenke, die uns
einen Begriff von dem unerhörten Reichthum dieses Fürsten, wie der asiatischen Despoten überhaupt geben.
Es waren 117 Goldplatten, so
groß und dick wie Ziegelsteine, jede einzelne 2000 Thlr. werth, ein gol dener Löwe, ein großes goldenes und ein silbernes Trinkgeschirr, vier silberne Fässer, ein goldenes und ein silbernes Gießbecken, zwei goldene
Schüsseln, eine goldene Bildsäule und das Halsband und den Gürtel seiner Frau.
Außerdenr opferte er dem Orakel zu Hause auf einmal
3000 Stiere. — Und was antwortete ihm das Orakel? — Nun, es
ließ ihm sagen: „Geht Krösus über den Halys (das war der Grenzfluß seines Reichs im Osten), so wird er ein. großes Reich zerstören." — Erfreut über diese Antwort, beschenkte er die delphischen Priester noch
mehr, und fragte weiter an, „ob er sich auch lange in seiner Herrschaft behaupten würde?" thier einmal
„So lange", sagte das Orakel, „bis ein Maul
die Meder beherrscht."
Das
wird
gewiß niemals ge
schehen, meinte Krösus, und hielt seine Herrschaft für gesichert.
Crmuthigt durch diese Orakelsprüche ging Krösus über den Halys,
Die Perser.
59
wurde aber bald von Kyros vollständig besiegt.
540 v. Chr. Geb.
DaS geschah im Jahre
So hatte Krösus denn wirklich ein Reich zerstört,
aber nicht das fremde persische, sondern sein eigenes, und da Kyros der Sohn einer Prinzessin und eines gewöhnlichen Edelmannes war, also
allenfalls mit einem Maulthier verglichen werden konnte, so hatte sich
Krösus in der That so lange behauptet, bis ein Maulthier die Meder
beherrschte.
So paßten
denn die Antworten des Orakels
recht
wäre es umgekehrt gekommen, so hätten sie freilich auch gestimmt.
gut; Aber
das war ja eben die Kunst bei der Anfertigung der Orakelsprüche, sie zweideutig abzufassen, um in jedem Falle richtig prophezeiht zu haben.
KyroS verdammte den reichen, nunmehr recht armen Krösus zum Tode auf dem Scheiterhaufen.
der
Als
unglückliche Mann auf dem
Martergerüste stand, stieß er seufzend den Ruf auö: lon! Solon!"
Kyros fragte alsbald,
„O Solon! So-
was dieser Ruf bedeuten solle.
Krösus antwortete ihm, daß einst der griechische Weltweise Solon bei ihm gewesen sei und nach Besichtigung der königlichen Schätze zu ihm
gesagt
habe:
„Niemand
seinem Tode glücklich zu
ist vor
preisen."
Diese Worte rührten das Herz des Kyros; wer weiß, mochte er denken, ob ich
bis an «tritt Ende immer glücklich sein
befahl
er,
den Scheiterhaufen zu
löschen und
werde.
Gleich darauf
den Krösus behielt er
fortan als Freund bei sich. Nach der Unterwerfung Lydiens brach Kyros
gegen Babylonien
Das Land war bald erobert, es fehlte nur noch die Stadt Ba
auf.
bylon.
Mit Gewalt glaubte er hier nichts ausrichten zu können, daher
griff er zur List.
Er ließ nämlich den Euphrat, der mitten durch die
Stadt floß, ableiten in ein anderes vorher dazu gegrabenes Bett, und
an beiden entgegengesetzten Seiten der Stadt, unv herausfloß, Wachen aufstellen.
wo der Strom hinein-
Nun traf es sich, daß die Baby
lonier ein Fest feierten; dieses benutzte der schlaue KyroS,
ließ seine
Krieger in der Nacht, als Alles mit Spiel und Tanz vollauf zu thun
hatte, plötzlich durch das trockene Flußbett in die Stadt eindringen und
bald war dieselbe in seinen Händen.
Das geschah im Jahre 537 v.
Chr. Geb., im siebenten Jahre nach Nebukadnezar.
In dieser für die Babylonier schrecklichen Nacht geschah es,
daß
der König Nabonid (Belsazar) jene wundersame Flammenschrift sah (Daniel 5).
Er machte ein herrliches Mahl seinen tausend Gewaltigen
und Hauptleuten und soff sich voll mit ihnen; und da er trunken war,
hieß er die goldenen und silbernen Gefäße bringen, die sein Vater Ne bukadnezar aus dem Tempel zu Jerusalem weggenommen hatte, daß Alle
daraus tränken.
Und da sie so soffen, lobten sie die Götter.
Eben zu
Die Perser.
60
derselbigen Stunde gingen hervor Finger, als einer Menschenhand, die schrieben an die Wand.
Da entfärbte sich der König.
Es ward aber
geschrieben: Meneh, meneh, tekehl, upharsihn, d. h. nach Daniels Aus
legung: Gott hat Dein Königreich vollendet;
man
in einer
hat Dich
Wage gewogen und zu leicht gefunden; Dein Königreich ist zertheilet
und den Medern und Persern gegeben.
In derselben Nacht ward Bel
sazar getödtct.
Nach Darius von Medien Tode fiel
dieses Reich
Persien.
an
Somit kam nun auch Palästina unter die Herrschaft deS Kyros.
Durch
diesen Wechsel der Dinge aber war auch die Stunde der Erlösung des israelitischen Volkes aus der Gefangenschaft herangekommen.
Siebenzig
Jahre hatte es in fremden Ländern geschmachtet und sich gesehnt nach dem Lande seiner Völker.
„An den Wassern zu Babel saßen wir und
weinten, wenn wir an Zion gedachten," so klagt der Prophet Hesekiel, der die Gefangenen tröstete und sie ermahnte, sich zu beugen unter der Hand des Herrn. Befreiung.
Im
Nach langem Harren schlug endlich die Stunde der
ersten Jahre des Kyros
wurde erfüllt das Wort des
Herrn, durch Jeremias geredet: „Israel aber will ich heim zu seiner Wohnung bringen, daß sie auf Karmel und Basan weiden, Seele auf dem Gebirge Ephraim und Gilead
(3er. 50, 19).
Der Herr erweckte den Geist des Kyros, daß er aus
rufen ließ durch sein ganzes Königreich: Himmel,
und ihre
gesättigt werden soll"
hat mir befohlen,
„Der Herr,
der Gott vom
ihm ein Haus zu bauen zu Jerusalem.
Wer nun unter euch seines Volkes ist, der ziehe hinauf gen Jerusalem und baue das Haus des Herrn!" — Mit seltener Großherzigkeit gab
er dem Schatzmeister den Befehl, die von Nebukadnezar geraubten, als Siegesdenkmale in dem Belustempel aufgestellten silbernen und goldenen Gefäße des zerstörten Tempels wieder zurückzustellen, und ferner gestattete er, daß Alle, welche zurückkehren wollten, nicht nur ihre eigenen Güter und Besitzthümer in Geldeswerth umsetzen, sondern auch von den Landes
leuten und Fremden Geschenke der Prophet JesaiaS den Kyros
einsammeln durften.
Dankbar nannte
daher auch den Gesalbten des Herrn
(Jes. 45, 1).
Das große persische Reich bestand nach Kyros noch gegen zwei
hundert Jahre.
Alexander der Große von Makedonien war eS, der es
331 v. Chr. Geb. eroberte und seinem Weltreiche einverleibte. Von den Nachfolgern des KyroS werden in der Bibel einige ge
nannt, und dieser wollen wir hier noch in Kürze gedenken.
Zunächst
Xie Xcrier,
61
AhaSveros, auch Kambyscs, bet Sohn dcs Kyros, der Aegypten er oberte.
Dann Arthasasta oder der falsche Smerdis, der die Fort
setzung des Tempclbancö auf Anstiften der Samariter verbot.
Darius
«Hystaspis) erlaubte die Fortsetzung des Banes und unterstützte die Ju
den sogar mit Geld.
(Er begann
den Kampf
AhaSveros oder XcrxcS ist bekannt
gegen die Griechen.)
durch die Geschichte der Esther
und deö Mardachai, ferner durch die des Schriftgelchrten Esra, in dessen
Buche er Arthasasta heißt.
Arthasasta oder Artaxerxes Longimanus
d. i. Langhand, kommt in der Geschichte deS Nehemia vor, der bei ihm
Der letzte Perserkönig war DariuS Kodomannus.
Mundschenk war.
Er starb 331 v. Chr.
Unter den heidnischen Religionen deS Alterthums nimmt die der
Perser einen der ersten Plätze ein.
Es ist dies die Religion des Zo-
roaster, eines Weisen, der um die Zeit deS KyroS, oder doch kurz
vorher auftrat.
Die Lehre dieses Mannes steht in einem Buche, wel
ches Zend-Avesta (d. h. lebendiges Wort) genannt wird.
züge derselben sind folgende.
Die Grund
ES giebt in der Welt Gutes und Böses.
Der Schöpfer deS Guten ist Ormuzd;
er wird als der Geist deS
Lichts unter dem Sinnbilde des Feuers angebetet.
Unter ihm stehen
sieben Lichtfürsten, und unter diesen viele gute Geister.
In Ornlnzd's
Reich gehören alle reinen und nützlichen Geschöpfe und diejenigen Men scheu, welche nach ZoroasterS Lehre leben. — Dem Lichtreiche gegen
über steht das Reich der Finsterniß, in welchem Ahriman als Ober herr regiert.
Unter ihm stehen
viele böse Geister. schädlichen
sieben böse Fürsten und unter diesen
Au AhrimauS Reiche gehören alle
Geschöpfe,
sowie diejenigen Menschen,
unreinen und
welche Zoroasters
Vorschriften durch Gedanken, Worte oder Thaten verachten. — Beide Mächte leben in stetem Kampfe miteinander, aber einst wird Ormuzd
die Oberhand behalten und Ahriman's Reich unterliegen. gelangen, ist es nöthig,
Um dahin zu
daß alle Menschen sich mit Fleiß dem Reiche
des Lichts zuwenden, d. h. Zoroasters Lehren gut befolgen.
Und was
fordert Zoroaster? — Unter Anderem Folgendes: Die Menschen sollen
das Böse bekämpfen, wo sie cs finden, und das Gute nie unterlassen, wo sie Gelegenheit zu seiner Uebung haben; sie sollen ihren Körper täg
lich durch Bäder reinigen und ihre Seele durch Gebete erheben; sie sollen wohlthätig sein,
den Boden und die nützlichen Thiere pflegen,
die schädlichen vertilgen u. s. w.
Als Lohn wird dem Guten ein Platz
im Lichtreiche verheißen, während die Bösen dem Reich des Ahriman
62
Die Perser.
anheimfallen,
wo sie so lange der Qual der Finsterniß überantwortet
werden, bis sie geläutert sind und das Reich des Lichts über das Reich der Finsterniß den Sieg davon getragen hat, und dann Alles gut wird,
selbst die bösen Geister und sogar Ahriman*). Die Priester der zoroasterschen Religion hießen, wie die der me-
dischen, Magier.
Dieselben waren nicht bloß Lehrer der Religion,
sondern auch Vermittler zwischen ihrem Gott und den Menschen; außer dem wirkten sie als Gehülfen des Königs, als Richter und Räthe.
Auf die Volkserziehung hatten die Magier indeß wenig Einfluß, und dadurch unterschieden sich die Perser sehr von den andern asiatischen Völkern, bei denen die Erziehung vorzugsweise eine religiöse war und
von den Priestern besorgt wurde.
In Persien hatte man dagegen die
Erziehung zum Nationalgefühl im Auge: auf kriegerischen Geist
und sittliche Tüchtigkeit war eS abgesehen.
Vom fünften bis zum
zwanzigsten Jahre wurden die Knaben im Reiten, Bogenschießen und ehrenhafter, offener Gesinnung geübt.
Schande,
Die Lüge galt für die größte
und durch körperliche Uebung
kräftig und rein erhalten werden.
sollte auch der Geist frisch,
Die Perser sind das Volk, bei dem
am frühesten eine weltliche, sittlich-tüchtige Erziehung angestrebt wurde, damit die Jugend aufwachse in dem begeisternden Nationalgefühl, dem Perservolk anzugchören.
Der persische Knabe wurde abgehärtet durch
körperliche Anstrengungen und Entbehrungen, wie gegen sinnliche Genüsse.
Brot, Kresse und Wasser war die Kost in den Reichsschulen, in denen der persische Knabe zum Krieger, zum Eroberer und Beherrscher erzogen
Mit dem fünfundzwanzigsten Jahre wurde der Jüngling Staats
wurde.
bürger und Krieger und erst als fünfzigjähriger Mann entband man ihn
vom Kriegsdienste und übertrug ihm Belehrung und Beauffichtigung der
Jugend, welche durch eigene Gerichte sich lenkte und Schuldige strafte. Die älteren Männer dienten ihnen als Beispiel und Muster.
*)
Noch heut leben mehrere tausend Leute dieses Glaubens unter dem Namen
Parsen in Persien.
Ihre Priester unterhalten beständig das heilige Feuer als ein
Sinnbild des LichtgotteS,
und betend
brennt eine heilige Flamme.
liegen sie vor demselben.
In jedem Hause
In weißen, reinen Gewändern und mit farbigen Tur
banen warten sie täglich aus den Aufgang der Sonne, und wenn diese am Morgen himmel in strahlendem Glanze sich erhebt, lassen sie einen Freudenrnf hören.
Abend
kommen sie wieder und liegen betend auf den Knieen, bis das letzte Abendroth er
loschen ist.
Die Grieche».
63
Die Sitten des Volkes waren im Allgemeinen unverdorben.
Jede
Lüge, jeder Betrug war den Persern ein Gräuel; nicht minder verhaßt war ihnen das Schuldenmachen, weil dies zum Lugen und Betrügen verleite.
7.
Die Griechen.
Des Griechenvolkes geschieht in der Apostelgeschichte Erwähnung, wo uns erzählt wird, wie Paulus ans seiner zweiten Missionsreise über
Kleinasien nach Makedonien und von da nach Griechenland sich wendet,
und nach Athen und Korinth, worauf er wieder nach Kleinasien (Ephe sus) und dann nach Jerusalem reist.
In Athen war es, wo er von
dem Altar mit der Inschrift „dem
unbekannten Gott" Veranlassung
nahm, den heidnischen Griechen das Evangelium zu verkündigen. Korinth stiftete er während
seines
In
anderthalbjährigen Aufenthaltes (im
Jahre 53 oder 54 u. Chr.) eine Christengemeinde, an welche die in der Bibel
Später
zwei Briefe
enthaltenen
breitete
sich
an die Korinther
Christenthum auch
das
in
den
gerichtet sind. übrigen Orten
Griechenlands immer weiter aus, sowie überhaupt in allen den Ländern, welche griechische Bildung besaßen.
Letztere hat der Ausbreitung des
Evangeliums großen Vorschub geleistet.
Dies und der Umstand, daß.
die griechische Kultur in weltlichen Dingen die vollkommenste des Alter thums war,
ist Grund
genug, uns auch
mit dem Wesentlichsten aus
der Geschichte des Griechenvolks bekannt zu macheu.
Blicken wir zuerst auf das Land der Griechen.
ES bildet eine
Halbinsel, welche sich von Norden nach Süden in das Mittelmeer hinein
erstreckt.
Weiter westlich begegnen wir in Italien und Spanien dieser
Halbinselbildung noch zweimal.
die Hand reicht,
und
Während letztere, Spanien, dem Ocean
von hier ans
auch der Ocean zuerst erforscht
wurde, und während die mittlere, Italien, in das Herz Europa's führt,
wie denn auch von hier die Kultur der alten Welt nach dem europäischen Contineut sich fortpflanzte,
streckt Griechenland
seine Arme nach dem
Morgenlande hin aus, und in dieses Land ist denn auch in der That
die Bildung der asiatischen Völker und Aegyptens eingezogen, .und indem die. Griechen dieselbe mit ihrer eigenen Kultur verschmolzen und verarbei«
Die Grieche».
63
Die Sitten des Volkes waren im Allgemeinen unverdorben.
Jede
Lüge, jeder Betrug war den Persern ein Gräuel; nicht minder verhaßt war ihnen das Schuldenmachen, weil dies zum Lugen und Betrügen verleite.
7.
Die Griechen.
Des Griechenvolkes geschieht in der Apostelgeschichte Erwähnung, wo uns erzählt wird, wie Paulus ans seiner zweiten Missionsreise über
Kleinasien nach Makedonien und von da nach Griechenland sich wendet,
und nach Athen und Korinth, worauf er wieder nach Kleinasien (Ephe sus) und dann nach Jerusalem reist.
In Athen war es, wo er von
dem Altar mit der Inschrift „dem
unbekannten Gott" Veranlassung
nahm, den heidnischen Griechen das Evangelium zu verkündigen. Korinth stiftete er während
seines
In
anderthalbjährigen Aufenthaltes (im
Jahre 53 oder 54 u. Chr.) eine Christengemeinde, an welche die in der Bibel
Später
zwei Briefe
enthaltenen
breitete
sich
an die Korinther
Christenthum auch
das
in
den
gerichtet sind. übrigen Orten
Griechenlands immer weiter aus, sowie überhaupt in allen den Ländern, welche griechische Bildung besaßen.
Letztere hat der Ausbreitung des
Evangeliums großen Vorschub geleistet.
Dies und der Umstand, daß.
die griechische Kultur in weltlichen Dingen die vollkommenste des Alter thums war,
ist Grund
genug, uns auch
mit dem Wesentlichsten aus
der Geschichte des Griechenvolks bekannt zu macheu.
Blicken wir zuerst auf das Land der Griechen.
ES bildet eine
Halbinsel, welche sich von Norden nach Süden in das Mittelmeer hinein
erstreckt.
Weiter westlich begegnen wir in Italien und Spanien dieser
Halbinselbildung noch zweimal.
die Hand reicht,
und
Während letztere, Spanien, dem Ocean
von hier ans
auch der Ocean zuerst erforscht
wurde, und während die mittlere, Italien, in das Herz Europa's führt,
wie denn auch von hier die Kultur der alten Welt nach dem europäischen Contineut sich fortpflanzte,
streckt Griechenland
seine Arme nach dem
Morgenlande hin aus, und in dieses Land ist denn auch in der That
die Bildung der asiatischen Völker und Aegyptens eingezogen, .und indem die. Griechen dieselbe mit ihrer eigenen Kultur verschmolzen und verarbei«
64
Die Griechen.
teten, entstand jene klassische Bildung,
wodurch das Griechenvolk sich
für alle Zeiten berühmt gemacht hat, jene Kultur, welche später durch
das römische Schwert über den Erdboden verbreitet wurde und welche
im Verein mit dem Christenthume die beiden Hauptbestandtheile unserer heutigen Bildung ausmacht.
Wenn man Europa die gegliederte Hand Asiens genannt hat, so
kann man Griechenland mit Recht die gegliederte Hand Europas nennen, denn es ist durch zahlreiche Küsteneinschnitte so sehr zertheilt, daß eS bei nur 1800 Quadrat-Meilen Flächeninhalt eine längere Küstenlänge be sitzt, als das 10000 Q.-Meilen große Frankreich.
Und welche Küste!
wie reichlich, ja verschwenderisch mit den schönsten Meerbusen, Meer engen, Häfen, Buchten, Halbinseln und ganzen Reihen von Inseln auS-
gestattet, und dann das Meer so ruhig und schön, schöner als irgend
ein anderer Theil des Mittelmeeres, überall seine Anwohner zum Ver kehr und Austausch der Produkte und Gedanken einkadend!
War die
vielgliedrige „Thalassa", wie die Griechen das Meer nannten, das gott
gegebene Verbindungsmittel der einzelnen Stämme des griechischen Vol
kes — weßhalb auch ein griechischer Geschichtschreiber den raschen Auf schwung seiner Vaterstadt von der Nähe und dem frühzeitigen Verkehre mit dem Meere herleitete und vom Meer das Wort sprach: ist die Macht der Thalassa —,
Gewaltig
so hatte die Natur auf der andern
Seite durch die Bildung der Bodenoberfläche dafür gesorgt, daß jene Eigenthümlichkeit der griechischen Stämme, auf welcher der Reichthum
der vielseitigen griechischen Entwickelung beruhte, nicht verwischt wurde. Denn eine Menge Kettengebirge theilen Griechenland in mehr als zwan zig einzelne Landschaften,
von
denen eine jede einem eigenthümlichen
Stamme einen natürlich gesicherten Wohnort gewährte und dadurch eine Fülle eigenthümlicher Gedanken, Sitten, Staatseinrichtungen, Kunst und
Wissenschaftserscheinungen hervorrief,
wodurch gerade das zu Stande
gebracht wurde, was wir in der griechischen Bildung vorzugsweise be wundern, nämlich: eine Mannigfaltigkeit in der Einheit, wie sie kein anderes Volk auf Erden aufzuweisen hat.
darin die Germanen; die Norweger, Niederländer und die Deutschen,
Am nächsten stehen ihnen
Schweden,
sie alle sind
Dänen, Engländer,
auch
stammverwandte
Völker und jedes hat eine nationale Eigenthümlichkeit bei gewissem all-
gemein-germanischem Charakter;
aber
das Griechenvolk bot auf weit
weniger Quadratmeilen dieselbe, ja noch größere und reichere Mannig faltigkeit des Lebens dar. Indem wir die Bodenbeschaffenheit Griechenlands näher betrachten, erwähnen wir zuerst des Pindus, des Gebirgsstockes im Norden, von
65
Die Griechen.
dem nach Süden ein Kettengebirge streicht, das zwei Landschaften von einander trennt, im Westen Epirus, im Osten Thessalien, die bei
den Landschaften Nordgriechenlands.
Im Norden Thessaliens macht das
kambunische Gebirge die Grenze, im Süden tritt ein Seitenzweig der Pinduslette so nahe an das griechische Jnselmeer heran, daß der Paß von Ther-
mophlae zwischen dem Berge Oeta und dem Archipelagus so schmal ist,
daß an zwei Stellen kein Wagen dem andern ausweichen famt. Die ser Paß ist der einzige Weg aus dem schönen fruchtbaren Thessalien
(besonders berühmt darin ist das Thal Tempe) nach Mittelgriechenland, oder Hellas.
Dieses
bestand aus acht Landschaften, die sich
Meerbusen von Arta bis zum Golf von Athen hinziehen«
vom
Besonders
wichtig sind: das waldige Akarnanien, das rauhe Aetolien, Phokis, wo am Fuße des Parnaß Delphi, die Tempelstadt Apollo'S stand;
Boeotien mit der Stadt Theben, und Attika mit Athen, eine vierzehn Meilen lange als Landzunge in'S Meer sich erstreckende Gebirgsland
schaft, steinig und unftuchtbar, nur auf den Höhen mit duftenden Kräu
tern bedeckt, während Olivenwälder die von klaren Bächen durchrieselten Thäler schmücken, aber gesegnet mit einem gesunden Klima und einem
Himmel von so wunderbarer Bläue und Klarheit, daß ein griechischer
Arzt die Feinheit des athenischen Verstandes diesem Umstande beimaß,
und mit einer Lage zur Schifffahrt, wie wir sie in Europa nur noch in der Bretagne, Normandie in Frankreich und in Cornwallis in Eng land wiederfinden.
— Südwärts
von Hellas
dritte Theil
liegt der
Griechenlands, die Halbinsel Peloponnes, durch den Busen von Lepanto von jenem getrennt und durch die Landenge von Korinth mit ihm verbunden.
Die Mitte dieser wie ein Platanenblatt gestalteten Halb
insel nimmt das Hochland Arkadien ein, dessen Berge und Hochthäler
muntere Heerden bedeckten, während an den Flüssen liebliche Ortschaften lägen.
Von diesem Hochlande gehen nach allen Richtungen Bergzüge
strahlenförmig aus, zwischen denen wohl Senkungen, aber nur selten
eine Ebene oder ein breiteres Flußthal sich zeigen.
Westlich von Ar
kadien liegt die Landschaft Elis, berühmt durch die Ebene Olympia, wo alle vier Jahre festliche Spiele gefeiert wurden (worüber bald mehr),
und die zahlreichen (an dreitausend) hier Büsten.
aufgestellten Bildsäulen
und
Im Süden liegen Messenien und Lakonien, letzteres mit
der Stadt Sparta.
An der Landenge selbst liegt die Landschaft Ko
rinth mit der Stadt Korinth, „dem Auge Griechenlands", so genannt,
weil sie mit den größten See-Handelsstädten der alten Welt — Tyrus, Karthago, Athen und Alexandrien — wetteiferte. — Außerdem gehören
zu Griechenland noch mehrere Inseln, als Ithaka, Korkyra, Aegina rc.
Kutzner Geschichte I.
5
66
Die Griechen.
Durch freiwillige oder gezwungene Auswanderungen auch in Sicilien,
und in Kleinasien
Unteritalien
entstanden ferner
griechische Kolonien.
Unteritalien hieß davon auch Großgriechenland.
Als ursprüngliche Bewohner Griechenlands nennen wir die PelaSgcr, die sich besonders in Nordgriechenland angesiedelt hatten. Von ihnen wissen wir, daß sie ein ackerbautreibendes Volk waren, und daß
ihr religiöser
Mittelpunkt der
zu Dodona in EpiruS
Tempel
war.
Seltsame Bauten — die Kyklopenmauern —> erinnern an sie; dies sind achtzig bis neunzig Fuß hohe, inwendig mit Gängen versehene und ohne
allen Mörtel aus Gemäuer.
gewaltigen
vieleckigen Steinblöcken
Statt der Gerüste
zusammengesetzte
wendete man wie bei den Pyramiden
bauten Erdhäufungen an dem Mauerwerke an, die nach Vollendung des Baueö wieder weggeschafft werden mußten.
Durch Einwanderungen (von 1500 an) von Asien und Aegypten
erhielt Griechenland immer mehr Bewohner, welche den gemeinschaftli chen Namen Hellenen oder Griechen führen.
Dieselben unterschei
den sich in vier Hauptstämme: die Aeoler, Achäer, Dorer und Ioner. Jeher Stamm zerfiel in eine große Anzahl kleiner Staaten (Horden),
die von Königen beherrscht wurden, die zugleich als Opferpriester und
Heerführer eine patriarchalische Gewalt ausübten.
Die königliche Ge
walt erbte zwar fort vom Vater auf den Sohn, aber persönliche Kraft, Klugheit oder eine
stattliche Gestalt galt
als
nothwendige Eigenschaft
eines Fürsten, selbst noch mehr als das Recht der Geburt. In dieser Zeit traten die Heroen auf, von denen das erste Zeit
alter des Griechenvolkes auch den Namen „heroisches Zeitalter" führt,
das etwa bis zum Jahr 1100 v. Chr. herabreicht. — „Unter Heroen
verstanden die Griechen Männer, welche geistig und körperlich so äußet
ordentlich begabt waren nnd so ungewöhnliche Thaten verrichteten, daß
man keine andere Erklärung für sie wußte, als das Göttliche, welches jedem Menschen inne wohnt, bei ihnen als in besonders starkem Maße
vorhanden anzunehmen und dies durch eine Abstammung von Göttern oder Göttinnen zu versinnlichen.
Solche Menschen aber entstehen nicht
in der Zeit, wo der Mensch noch im schweren Kampfe mit der Natur ums tägliche Brot liegt, noch
auch,
wenn
geordnete Staaten jedem
Bürger das Maaß seiner Pflichten und Rechte genau festgesetzt haben,
sondern in den Uebcrgangszeiten, die gewaltige, kräftige Naturen bedürfen, um die Keime des zukünftigen Staates zu legen und den großen Haufen
an Gehorsam, Ordnung und Recht zu gewöhnen«
Die geistigen und
67
Die Griechen.
körperlichen Vorzüge pflanzen sich sammt dem Glanze der vollbrachten
Thaten und der durch sie erlangten herrschenden Stelle vom Vater auf Sohn und Enkel fort, und es entsteht der Stand des Adels, der nicht
etwa eine bloß äußerliche Schöpfung roher Gewalt oder verschlagener Gewandtheit, sondern das naturnothwendige Erzeugniß jeder bürgerlichen
Gesellschaft ist, sich deßhalb bei allen Nationen findet und unter irgend
einer Form bestehen wird, so lange die Menschheit besteht. — Solche
Zeiten aber, wo der Adel noch auf der körperlichen wie geistigen Per
sönlichkeit zugleich, aber vorzugsweise allen
Nationen fruchtbar
an
auf der
kühnen,
ersten beruht,
romantischen
sind bei
Unternehmungen,
Fahrten und Abenteuern Einzelner, wie ganzer Stämme und Völker ge wesen; denn dann ist die Thatkraft so groß, die Lust an kühnem Wagen
und Gewinnen bei Allen so stark — denn der große Haufe richtet sich immer nach dem Vorbilde seiner Helden — daß die Jugendkraft des Volkes sich in irgend einem großen Unternehmen Luft machm muß."
Unter den Heroen Griechenlands ragen besonders Herakles (Her kules) und Theseus, und unter den größer», gemeinschaftlichen, hel-
denmüthigen Unternehmungen der Argonautenzug (1250 v. Chr.) und der trojanische Krieg (1180 v. Chr.) hervor.
Bon Herkules (um 1250) erzählt die Sage, daß er ein Sohn
des Gottes Zeus sei, geboren von einer Thebanerin.
Bon Juno, der
Gemahlin des Zeus verfolgt, hatte er schon, als er erst acht Monate alt war, mit zwei giftigen Schlangen zu kämpfen, welche Juno geschickt hatte, die aber der junge Herkules erdrückte.
In der Einsamkeit des
Landlebens zum Manne herangereift, gelangte er einst auf seinen Wan derungen an einen Scheideweg.
Indem er noch überlegte, für welche
Richtung er sich entscheiden sollte, erschienen ihm plötzlich zwei Götttnnen.
Die eine davon, die Schönste, „das Laster", versprach ihm die höchste
Wonne und Glückseligkeit, wenn er ihr folgen wolle, die andere dage
gen, die weniger Schöne, „die Tugend", sprach: ich führe Dich in Ar beit und Gefahren,
aber ich
verheiße Dir Unsterblichkeit,
Ehre und
Ruhm bei Göttern und Menschen, wenn Du meiner Leitung Dich an
vertraust."
Herkules entschloß sich schnell und reichte der bescheidenen
Tugend seine Hand.
Diese führte ihn rauhe Pfade; in zwölffacher har
ter Arbeit prüfte sie seinen Willen und seine Kraft, aber sie machte ihn auch zum Wohlthäter des Menschengeschlechts, zum ersten Helden seines
Volkes, und weil er sich in allen Kämpfen bewährte, erstieg feilt. Geist den Himmel und wohnte als ein Gott unter den Göttern. 5*
Die Griechen.
68
Von den zwölf ihm aufgegebenen Arbeiten erwähnen wir nur einige. Er erdrosselte einen unverwundbaren Löwen, und nahm bessen undurch dringliches Fell als Mantel um; er tödtcte eine giftige Schlange mit
hundert Köpfen, die, wenn sie abgeschlagen waren, immer von Neuem wieder
zuwuchsen;
er mistete in
einem Tage die Ställe des AugiaS,
Königs von Elis, aus, worin dreitausend Rinder lange Zeit gestanden
hatten,
ohne daß auSgemistet worden wäre; Herkules riß dabei
eine
Wand des Stalles ein, leitete einen Arm deS nächsten Flusses in die
selbe, und so spülten die Fluthen den Unrath weg.
Ferner brachte er
die goldenen Aepfel der Hcsperiden und tödtete den Drachen,
bewachte.
der sie
wo die Hesperidengärten lagen,
Da Herkules nicht wußte,
so ging er auf gut Glück in's Blaue hinein, kam an das Nordwestende
Afrika's, wo der Niese Atlas auf seinen Schultern den Himmel trug. Dieser
entdeckte ihm den Aufenthalt der HeSperiden (d. s. Nymphen,
die einen Baum mit goldenen Früchten zu bewachen hatten, worunter vielleicht Orangen gemeint sind); dafür mußte aber Herkules eine Weile
das
Himmelsgewölbe ans seine Schultern nehmen.
Gibraltar und
Ceuta soll
Herkules
Meerenge beendigten Abenteuer
Säulen des Herkules.)
aufgestellt haben;
schwerste
Die
(Die Felsen bei
zum Andenken
daher
Aufgabe aber
Höllenhund Cerberus aus der Unterwelt heraufzuholen.
das dreiköpfige Ungeheuer
auch wirklich
herauf,
mußte
jener
an seine der
Name:
war die,
den
Und er brachte
es
aber bald
wieder hinabtragen.
Von Theseuö wird u. a. erzählt, daß er einen riesigen Keulenträger (Periphet) erschlug und sich dessen Keule in Zukunft bediente.
Ferner
brachte er den Prokrustus um, der zwei eiserne Bettstellen hatte, die eine kurz, die andere lang.
so schleppte er ihn in das
Fing er einen langgewachsenen Wanderer,
kurze Bett und
hieb die hervorragenden
Körpertheile ab; erwischte er einen kleinen Mann, so legte er ihn in's lange Bett, und zerrte ihn so lange auseinander, bis er die Bettstelle
ausfüllte.
ThescuS wurde
von ihm auch
ergriffen,
aber die Sache
kehrte sich um, indem TheseuS den Eigenthümer mit derselben Münze bezahlte, womit er andere bedient hatte.
Von Theseus Vater, Aegeus,
hat das griechische Jnselmeer seinen Namen ägäisches Meer,
weil der
Sage nach Aegeus in dasselbe sich stürzte, als er seines SohneS Schiff
mit schwarzem Segel von der Insel Kreta heimkehren sah, was er vor schnell auf dessen Tod deutete.
Die Griechen.
69
Der Argonautenzug (1300 v. Chr.) wurde von einer großen Anzahl Heroen unternommen, darunter auch die eben Genannten waren. Es galt, sich durch den HelleSpont in's schwarze Meer zu wagen, und in dem Lande Kolchis am Kaukasus das goldene Vließ zu holen. Die Hauptgestalt dieses Abenteuers ist Jason, ein Thessalier. Er baute ein zu diesem Zwecke eigens bestimmtes Schiff, die Argo. Nach vielen Gefahren gelang es ihm durch die Königstochter Medea, die in Zauber künsten wohl erfahrene, mit feuerschnaubenden, erzfüßigen Stieren ein Stück Landes zu pflügen und die aus den Furchen aufgestiegene Saat der Drachenzähne, eine Schaar geharnischter Männer, zu besiegen. Medea ist es auch, welche den das goldene Vließ bewachenden Drachen einschläfert und mit Jason und ihren Schätzen heimlich nach Hellas entflieht, wo sie später aus Eifersucht ihre eigenen Kinder mordet. (Die Sage vom goldenen Vließ gründet sich vielleicht entweder auf das durch Widderfelle in jenen Gegenden aus den Flüssen ausgewaschene Gold, oder auf den feurigen Wein, welcher dort seine Reben malerisch um ge waltige Bäume schlingt.)
Der trojanische Krieg ist geschichtlich vielleicht einer der vielen Kämpfe, welche die griechischen Kolonisten mit den alten Einwohnern Kleinasiens zu bestehen hatten, im Gewände der Poesie aber ist es das erste große Nationalunternehmen aller griechischen Stämme jenseits des griechischen Jnselmeeres. Die Dichtungen über diesen Zug sind von Homer (einem Zeitgenossen Davids), dem Vater des Gesanges und der Dichtkunst, etwa hundertfünfzig Jahre nach dem trojanischen Kriege in Kleinasien geboren.*) Das eine Gedicht schildert den Kampf um Troja oder Ilion, weßhalb es die Ilias heißt, und das andere hat die Rückkehr der Helden in die Heimath, insbesondere des Odysseus zum Gegenstände und führt daher den Namen die Odyssee. Wie in der Ilias das heroische Zeitalter von seiner kriegerischen Seite geschildert wird, so in der Odyssee neben den Wundererlebnissen des kühnen, das griechische Meer zuerst durchforschenden Schiffers, die friedlichen, bürger lichen, häuslichen Verhältnisse. Beide Dichtungen sind wahre Meister werke und finden ihres Gleichen nicht; insbesondere ist die liebliche Schilderung der zauberhaften Schisferinsel der Phäaken anziehend; der Dichter veranschaulicht durch dieselbe die bildende und cultivircnde Macht des Meeres, des Handels und der andern Friedensbeschäftigungen auf die reizendste Weise. *)
Man sehe:
Sagen des klassischen Alterthums v. Schwab.
Die Griechen.
70
Alls der Ilias erwähnen wir nur, daß der Streit der Griechen
gegen
die Trojaner
hervorgerufeu
wurde durch
Entführung der
die
schonen Helena, Gattin des spartanischen Königs Menelaos, Seitens des Paris, Sohn des Königs Priamos von Troja.
Auf griechischer
Seite sind als berühmte Kämpfer besonders inerkenöwerth ihr Heerführer
Agamemnon, Achilleus aus Thessalien, sein Freund Patroklos, und Odysseus, König von Ithaka.
Von den Trojanern ist Hektor, Der Kampf nm
der ältere Sohn des Priamos, der berühinteste Held. Troja endet damit,
wird.
daß
diese Stadt schließlich
durch List
Die Griechen erbauten ein hölzernes Pferd,
verbergen konnten und
in dem Bauche desselben eine Anzahl Krieger stellten dies vor eines der Stadtthore auf,
gewonnen
so groß, daß sich
indem sie zugleich das Ge
rücht verbreiteten, dasselbe sei ein gottgeheiligtes Thier, welches den Be
sitzern Ruhm und Schutz gewähren
würde.
Als
sie darauf zll den
Schiffen eilten und sich stellten, als lvollten sie die Eroberung aufgeben,
so zogen die Trojaner das
unheilschwangcre Thier in die Stadt und
überließen sich dem Jubel.
Als sich Alles sicher glaubte und in den
Armen des Schlummers lag, brachen die Krieger aus ihrem Versteck hervor und fielen mit den übrigen Griechen, welche nun von den Schif fen herbeieilten und durch die Thoröffnungen drangen,
die Trojaner her. Straßen,
mordend über
Diese kämpften verzweifelt, das Blut floß in den
aber vergebens.
Priamos
wird
aut Altar
ermordet,
seine
Söhne, worunter auch Paris, werden hingcschlachtct, Gemahlinnen und Töchter als Sklavinnen gebunden abgeführt uitd das stolze Troja wird in Asche gelegt.
Das Herocnzeitalter war eine Schöpfung der Achäer; der troja nische Krieg war auch ihr Werk.
Nach diesem Kriege war das Heroen-
thum beendet, und die Stämme und Völkerschaften begannen nun unter
Anführung
von Adeligen einen
neuen Lebensabschnitt.
In Folge der
stürmischen Aufregung der Stämme nach dein trojanischen Kriege begamt unter ihnen eine Völkerwanderung, die von 1100 bis 1000 v. Chr.
dauerte und wodurch sie nicht nur ihre ursprünglichen Wohnsitze inner halb des Landes
änderten,
sondern
sich
auch
nach allen Seiten des
Mittelmeers wandten und auf seinen gesegnete« Gestaden der Saamen
der hellenischen Kultur ausstreuten, wodurch das Griechcnvolk die große
Aufgabe erfüllte, das erste große Vereinigungsmittel der damaligen Mensch heit und dadurch ein Werkzeug zur schnelleren Verbreitung des Christen thums zu werden.
Die Griechen.
Die Achäer
verloren
71
dabei die Herrschaft des Peloponnes
und
flüchteten sich entweder in die kleine Landschaft Achaja im Norden des
Peloponnes, oder wurden politisch unebenbürtige Unterthanen der Dorer.
Die Aeoler gingen ebenfalls als Stamm zu Grunde und erhielten sich nur als Kolonien ans den Inseln
Küste selbst.
an der Küste Kleinasiens
und
der
Es blieben demnach nur noch die Jon er und Dorer Erstere, die Joner, hatten nunmehr,
als selbstständige Stämme übrig.
ihre Sitze in Attika, Euböa, auf den meisten Inseln im Archipelagus,
in den wichtigsten Kolonien auf der Küste Kleinasiens (besonders Mileund am Marmor-
tus und Ephesus),
und schwarzen Meere;
letztere,
die Dorer, saßen vorzugsweise im Peloponnes, auf der Insel RhoduS
und anderen, auf Kreta, und in den Kolonien auf Sicilien und Unter
italien, welches,
wie bereits erwähnt,
auch Großgricchenland
genannt
wurde.
Die Zersplitterung des Volkes in viele Staaten dauerte nach wie
Fast jede Stadt mit dem sie umgebenden Landgebiete bildete
vor fort.
einen selbstständigen Staat.
Indessen bestand doch auch schon früh eine
Einigung derselben durch zwei nationale Einrichtungen, nämlich in den
Amphyktionen und in dem Orakel,
ferner in der Sprache und
in den heiligen Festspielen, von denen die zu Olympia die berühm testen waren.
Der Rath der Amphyktionen (schon um 1500 vorhanden) be stand aus den Abgeordneten der verschiedenen Staaten, die jährlich zwei mal zusammentraten
und
über Frieden,
Religion
und Sittenreinheit
wachen sollten. — Unter den Orakeln war das bereits erwähnte des Apollo, des Sonnen- und Dichtcrgottes, in Delphi das berühmteste.
Die Tempelstadt Delphi lag dicht unter
nasses.
dem Gipfel des
spitzen Par
Wer das Orakel befragen wollte, besprengte sich zuvörderst mit
dem Wasser einer Quelle, die aus einer in der Nähe des Tempels be
findlichen Schlucht hervorquoll.
Außerdem brachte er Geschenke mit und
bereitete sich durch Gebete vor.
Dann nahte er dem prächtigen Apollo
tempel.
In demselben führt eine Thür nach dem Schlund, aus welchem
der begeisternde Dampf aufstieg.
Es war Schwefeldampf, der, einge
athmet, den Menschen in eine krampfhafte Verzückung versetzte, so daß
er unzusammenhängende
Worte
ausstieß.
welcher der Dampf aufstieg, stand Priesterin,
Pythia,
hinab
in
Ueber
ein Dreifuß.
wallendem
der
Oesfnung,
aus
Zu diesem stieg die
Schleppkleid.
Die
Laute,
welche sie in der Verzückung ausstieß, erlauschten die Priester und such-
Die Griechen.
72 ten sie zu deuten.
Dabei ging ihr Streben dahin, weise Rathschläge zu
geben, in und zwischen den griechischen Staaten Eintracht zu erhalten.
Da wir hiermit das Gebiet der Religion, der Griechen berührt
Die Religion dieses
haben, so wollen wir dabei noch etwas verweilen.
Volles ist in mehr als einer Hinsicht interessant; besonders beachtenswerth ist, daß sie über alle heidnischen Religionen des Alterthums er
haben dasteht und eine Vorbereitung auf die Verkündigung des Christen thums war.
Die Religion der andern alten Heidenvölker war Naturdicnst und
beschränkte sich meistens auf die Unterscheidung zweier Naturgcwalten,
einer freundlichen und einer feindlichen, einer gebenden und empfangen
den, einer männlichen und weiblichen Gottheit, und man besaß für die
des
selben einige rohe Sinnbilder aus den Naturkräften des Feuers,
Lichtes, des Wassers, oder aus dem Pflanzen- oder Thicrreiche.
Ganz
anders der Grieche; er vergöttlichte die ganze Natur, indem er die Fülle der Verschiedenheit in der menschlichen körperlichen und geistigen Ent
in der Fülle der Naturerscheinungen wiederfand,
wickelung,
einigte Natur und Menschheit zu
einer neuen Welt,
zur
und ver
Götterwelt.
Er faßte das Göttliche unter dem Bilde der veredelten Menschheit auf, während die andern Heiden sich nicht über die furchtsame und dankbare,
Verehrung der großen Naturgcwalten,
der Sonne,
Wassers, der Erde rc. erheben konnten.
der Gestirne, des
„In der griechischen Religion
dämmerte zuerst eine Ahnung von der Verwandtschaft des Menschlichen
mit dem Göttlichen, von dem biblischen Satze, daß Gott den Menschen schuf nach seinem Ebenbilde.
Wie sehr auch der Grieche die Göttlich
keit des Menschen in eine Vermenschlichung des Göttlichen verkehrte, so war doch
der
ungeheure Fortschritt,
das Göttliche nicht bloß in den
außermenschlichen Naturgewalten, sondern in dem Menschen, der Krone
der Schöpfung, erkannt zu haben, gemacht, und ist deßhalb die griechische
Götterlehre
auch
für den streng christlichen Geist ein schöner Beweis
für die ewige, zum Christenthum vorbereitende Weltregierung." Die Götterlehre (Mythologie, von Mythus, d. i. eine höhere
Wahrheit, dargestellt im Gewände der Geschichte) der Griechen ist ein
Lustgarten voll duftender Blüthen und Genüsse. und Bewegung sah,
wirkte eine Gottheit,
da sah er Leben,
wo
Wo der Grieche Kraft
er Leben wahrnahm,
die er sich mit menschlichen Eigenschaften,
und schlimmen, in erhöhetem Grade ausgestattet dachte.
gung, jeder Genuß wurde dadurch geweiht,
daß
da
guten
Jede Beschäfti
man sie unter den
Schutz einer Gottheit stellte; die ganze Natur wurde dadurch zu einem großen Tempel, wo man überall auf Götter stieß. Ringsum ist Alles, Wald und Flur, Luft und Wasser, mit Göttern erfüllt. Sie bewachen die Menschen, leiten ihre Schicksale und sehen ihre geheimsten Hand lungen. Selbst im Innern deö Menschen wohnen sie; die Gedanken und Leidenschaften, die lohnenden und strafenden Gefühle in des Men schen Brust sind Gottheiten oder Wirkung derselben. Die Liebe, der Haß, die Freude, der Schmerz, der Gesang, die Poesie, Alles sind Ga ben der himmlischen Mächte. Kurz die griechischen Götter waren mensch lich denkende, menschlich fühlende und menschlich gestaltete Wesen, welche der Menschenwelt nahestanden, warnend, strafend, schützend und helfend in die menschlichen Dinge sich mischten, und alles Thun der Sterblichen durch ihre Gegenwart ehrten. So viel aber auch der Grieche durch seine Religion die anderen Heiden überragte, so stand er darin doch noch sehr weit hinter dem Israeliten zurück; denn er konnte sich das Göttliche nur in menschlicher Beschränktheit denken und hatte noch keinen Begriff von dem heiligen Geiste Gottes, der Alles in Allem ist, und doch mit der Welt sich nicht vermischt. Diese Erkenntniß besaß Israel allein zufolge der ihm zu Theil gewordenen Offenbarung. Betrachten wir die /griechische Götterlehre nun noch etwas näher. „Das Chaos ist die Urquelle aller Dinge; die erste Bewegung des selben, die Liebe, gab ihnen ihre Gestalt; durch sie sind Götter und Menschen entstanden. Unzählige Götter, von verschiedenem Range, thei len unter sich die Herrschaft der Welt; an 30,000 hat man ihnen nachgezählt. Zeus (Jupiter) ist der höchste Gott, welcher Himmel und Erde beherrscht, den Donner schleudert, Wolken und Regen sendet. Poseidon (Neptun) beherrscht das Meer, und bändigt mit seinem Dreizack den Ungestüm der Wogen, Pluto ist der Herr der Unter welt, wo er auf schwarzem Throne mit seiner Gemahlin Proserpina über die Abgeschiedenen waltet. Apollo (Phöbus) fährt jeden Mor gen auf goldenem Wagen mit vier feuerschnaubenden Rossen, von einem Lichtkranze umstrahlt, an dem Himmelsbogen hinan, und bringt den Tag der harrenden Erde; Aurora, mit rosigen Fingern, eilt ihm hold erröthend voran, und umsäumt mit Morgenroth das Rund des Erd balls; und Nachts zieht Artemis (Diana, Luna) mit silbernem Hörne die gleiche Bahn, während ihr Bruder die heißen Glieder in des Oceans Wellen kühlt; Ceres lehrte die Menschen den Getreidebau, Bacchus den Weinbau; auf seinen weiten Zügen, von Indien her, unterwarf er seiner Gewalt alle Völker der Erde; bocksfüßige Satyrn und schwär-
74
Die Griechen.
mcnde Frauen (Bacchantinnen) begleiten ihn unter Tänzen, während der
alte trunkene Sil en sich mit Mühe auf seinem Esel daneben behauptet. Hephästos (Vulkan) ist der Gott des Feuers und der Schmiedckunst,
und verfertigt mit seinen Khklopcn das schönste Geschmeide und Waffen werk.
Er ist häßlich und hinkt, aber seine Gemahlin Aphrodite (Ve
nus) ist die Göttin des Liebreizes und der Schönheit, nichts vermag dem Lächeln ihrer Huld zu widerstehen;
zwei reizende Kinder begleiten sie,
ErvS (Amor) und Psyche, beide geflügelt und Boten der Liebe, jener mit Bogen und Pfeilen bewaffnet; man von
Gemahlin,
süßem
wenn er in das Herz trifft, fühlt
Liebesgram sein Herz verzehrt; auch Zeus hat eine
die stolze Here (Juno),
die mit Eifersucht und Zänkerei
ihrem Ehchcrrn oft manche bittere Stunde macht; stets Jungfrau blieb
Pallas (Minerva), die Göttin der Weisheit, welche dem Haupte Ju
piters entsprungen war. Ares (Mars) ist der wilde Gott des Krieges;
wie der Ruf von zehntausend Kriegern schallt sein Kriegsgeschrei, wenn er Entsetzen verbreitend
durch die Schlacht hinstürmt.
am Fuß und an der Mütze und goldenen Sohlen
an
Mit Flügeln
den Füßen eilt
der Göttcrbote Hermes (Mercur) in Blitzesschnelle zur Erde; er ist der Beschützer der Kaufleute und der Diebe.
auf dem Olymp,
wo
Die Unsterblichen wohnen
jeder seine Wohnung
und Arbeit hat.
Dort
auf jenem Berge bilden die höchsten Götter einen Götterrath, in wel Sie leben in ewiger Jugend, sonst aber
chem Zeus den Vorsitz führt.
so, wie die Menschen auf Erden; sie essen (Ainbrosia), trinken (Nektar), schlafen und lieben.
Oft auch
kommen
sie
zur Erde herab,
glücken mit ihrem Umgang die schwachen Sterblichen.
und be
Ihre von sterb
lichen Müttern geborenen Söhne rüsten sie mit höherer Kraft auö; als
Helden (Heroen) wirken diese zum Heile der Menschheit, um nach ihrenr Tode in die Versannnlung der Götter einzutretcn.
und Theseus sind die gefeiertsten unter ihnen. die Künste und Wissenschaft, drei Grazien heit;
in jedem Baume,
Nymphen,
in
jeder Quelle,
die oft den Sterblichen
Herkules, Pollux
Neun Musen pflegen alle Anmuth und Schön
in
jedem Haine lauschen
mit ihrem Anblick überraschen.
Ein ganzer Chor von Nymphen folgt Dianen, wenn sie leicht auf
geschürzt auf die Jagd
zieht.
Drei
ernste Göttinnen, die Parzen,
sind es, welche über das Leben der Menschen wachen.
Es hat geendet,
wenn die Hand der einen mit der unerbittlichen Scheere den Lebensfaden abschneidet.
Furchtbar aber sind die Eumeniden (Furien), die Räche
rinnen des Bösen, tvelche nach jedem begangenen Frevel der Unterwelt
entsteigen,
und mit geschwungener Fackel und
gezücktem Dolch,
statt
Haaren das Haupt von Nattern umzischt, den Verbrecher verfolgen und
7S
Die Griechen.
jagen,
ruhelos
bis er
derselben.
jenseits
furchtbar
dauern die Qualen
Das Schattenreich (Hades, Orkus) ist ein von schwarzen Sieben Ströme umrauschen ihn.
Schatten umhüllter Ort. die
empfängt
Ufern
Noch
Denn
gefallen.
seinem Verhängniß
waltet Nemesis über den Bösen.
bleiche,
abgeschiedenen Seelen,
An deren
luftige
Schatten,
Charon, der Fährmann, und setzt sie gegen ein Fährgeld (das der Leiche zwischen die Zähne gesteckt wurde) hinüber.
Aus
dem Lethe
trinken
sie Vergessenheit, und schwanken an dem den Eingang bewachenden drei
köpfigen Höllenhund, Cerberus, vorüber, um vor Pluto'S Thron von den unbestechlichen Richtern ihr Urtheil zu empfangen.
Fällt dies gün
stig auS, so wandern sie nach Elysium, dem Wohnsitz den Seligen;
aber selbst hier ist es so freudelos,
dem Achilles
daß
ein Tagelöhner
auf der Oberwelt beneidenswürdiger zu sein schien, als selbst der König DaS LooS der Verdammten aber ist schrecklich.
der Unterwelt.
liegt dort im Tartarus niedergestreckt,
nagen;
an seiner Leber
Einer
beständig
während zwei Geier
abgefresscne Theil wächst immer wieder
der
nach; Frauen, die ihre Männer getödtet, die Danaiden, müssen zur Strafe Wasser in ein bodenloses Faß gießen, um es zu füllen; SisyphuS wälzt
mit ungeheurer Mühe einen Felsblock den Berg hinan; ist er endlich oben angelangt, so entrollt ihm der polternde Felsblock tückisch wieder
unter den Händen. lachende Früchte
Tantalus steht bis am Kinn in den Fluthen, und
hängen
an Aesten,
ganz
nahe
über seinem Haupte.
Wüthender Dürst und Hunger verzehrt seine Eingeweide.
Er bückt sich
nach der kühlenden Welle, tückisch fließt sie zurück, daß er den trockene» Boden schaut.
Er greift
nach den
lockenden Früchten:
rasch
schnellt
sich der Ast in die Höhe." Der Gottesdienst bestand
Fett man verbrannte,
weil
sich
Fleisch
ergötzten.
Opfernden.
Das
Die Griechen
in Opfern; man opferte Thiere,
die Götter
an
dem Wohlgeruch
der Opferthiere
waren ein
dagegen
deren
desselben
verzehrten die
sehr frommes Volk,
ließen es
darum auch nicht an Opfern fehlen; Frömmigkeit war cS auch, welche
sie bewog,
in
schwierigen Lagen
den Willen
der Götter zu erfahren.
Diesen glaubten sie theils aus verschiedenen Merkzeichen der Opferthicre ersehen
oder
geradezu bei
einem Orakel
erfragen zu können.
Daher
war daS schon genannte Orakel zu Delphi ein sehr besuchter Ort und,
wie schon erwähnt, auch ein Einigungsband um alle griechischen Stämme und Staaten.
76
Die Griechen.
Als eilt nationales Bindemittel nannten wir oben auch die olym Bon ihnen behauptet die Sage, daß Zeus, dem zu
pischen Spiele.
Ehren sie gehalten wurden, selbst sie gestiftet habe.
Man
bis fast vierhundert Jahre nach Christo.
man sogar die Zeit nach ihnen eintheilte,
vier
von
eine Olympiade
Jahren
indem man einen Zeitraum
nannte.
Sprache reichte, selbst von Italien,
Sie erhielten sich
hielt sie so hoch, daß
weit die
So
griechische
Afrika kamen Gäste,
Asien,
um
die Festspiele mit anzusehen, oder wohl gar als Festkämpfer aufzutreten. In Ermangelung der Gasthöfe
bediente man sich
der Einrichtung der
Gastfreundschaft zur Erleichterung des Reisens.
Das heißt, zwei
Bürger gelobten sich Aufnahme, wenn der eine in den Ort des andern
käme.
Ein solches Bündniß galt für heilig,
auf Geschlecht.
Um
sich
als Gastfreund
und erbte von Geschlecht
auszuweisen,
zerbrach
man
irgend einen kleinen Gegenstand, etwa einen Ning; kam man dann zum Gastfreunde und paßte zu dessen Ringhälfte die des Freniden, so wurde Des Schauplatzes dieser Kampfspiele haben
er beherbergt und beschützt.
wir oben schon gedacht; eö war die Stadt Olympia in der Landschaft
Elis.
derselben
Die Zeit
heißen Sommer,
fiel in den
so daß nicht
mir die Reise eilte beschwerliche blieb, sondern auch das tagelange Zu sehen unter freiem Himmel mit unbedecktem Haupte und bloßen Sohlen
unter den
nackten,
unbehos'ten Beinen
große Abhärtung
voraussetzte.
Wer als Mitkämpfer Theil nehmen wollte, mußte einen unbescholtenen
Ruf genießen
und
sich Monate
vorher in Olympia aufgehalten
und
Die Spiele selbst bestanden im
auf das Kampfspiel vorbereitet haben.
Rennen zu Wagen und zu Fuß, im Springen, int Ringen, im Faust
kampf,
im Diskuswerfen u. s. w.
zweirädrigen Wagen mit vier
In
Rossen bespannt umfuhr man zwölfmal das Ziel,
d. i. eine Meile in
Carriere; nicht selten deckten zerbrochene Wagen,
durchgegangene Rosse
und zerfleischte Leichen
die
Höhe
die Rennbahn.
über Barrieren
mit, theils ohne Springstock.
oder
in
Das Springen fand
die
statt in
Weite über Gräben,
Beim Ringen kam es darauf an,
theils
den
Gegner, ohne ihn zu schlagen, bloß durch den Druck und die Gewalt der Muskeln zur Erde zu werfen, und ihn dort so lange niederzuhal ten, bis er sich
selbst für überwunden
dabei völlig nackt, und ihre Haut
erklärte.
Die Athleten waren
wurde durch Einreibungen mit Oel
schlüpfrig gemacht, so daß das Festhalten erschwert war.
Beim Faust
kampfe durften sich die Athleten nicht fassen, sondern mußten sich durch bloße Schläge zu Boden werfen.
Der Diskus war eine runde, flache
steinerne oder metallene Scheibe zum werfen in die Weite mittels eines
Riemens, der durch ein Loch in der Mitte ging.
77
Die Griechen.
Das fünf Tage
dauernde Fest begann mit
mit Opfern, bei denen hundert Opferthiere
wurden, darauf folgten frohe Festmahle.
auf einmal geschlachtet
oft
Nach Beendigung der Spiele
riefen die Herolde die Namen der Sieger aus.
des ganzen
versammelten
Kampfrichter umwand
Volkes
großen Processionen,
wurden
Unter den Jubeltönen alsdann
sie
im Zcustempel das
gekrönt.
Haupt des Siegers
Ein mit
wollener Opferbinde und legte einen Kranz von Oelzweigen darauf; das war der höchste Lohn, den je ein Grieche gewinnen konnte.
Sieger geehrten Vaterstädte
errichteten diesen
Die durch die
zu Olympia marmorne
Bildsäulen, womit der Ort nach und nach so reich erfüllt wurde (wir
haben schon bemerkt,
daß
und Bildsäulen
an 3000 Büsten
den Ort
Aber nicht
schmückten), daß er als das Nationalmuseum gelten konnte.
bloß die körperlichen Geschicklichkeiten fanden hier ihren Siegeskranz, son
dern auch die geistigen Talente, indem Dichter,
Schriftsteller
Redner,
und Maler den Zusammenfluß des Volkes benutzten, um ihre Geistes und Kunstproducte vor das prüfende Auge desselben zu bringen und aus seinem Munde einen verdienten Lohn zu empfangen.
Um das Jahr 1050 machte der Staat Athen den Anfang der Abschaffung
der Königswürde,
und
und
nach
mit
folgten fast
nach
sämmtliche griechische Staaten diesem Beispiele, und gestalteten sich zu
Republiken,
das sind Staaten,
in denen
vom Volk auf Zeit ge
wählte Beamte die Regierungsgewalt ausüben.
Unter den verschiedenen
griechischen Staaten ragen zwei über alle andere hervor, Sparta,
so daß die Geschichte dieser beiden Staaten
Griechenlands ist. denken.
rer.
Athen und
die Geschichte
Wir werden daher auch nur ihrer ausschließlich ge
Die Athener repräsentiren die Joner, die Spartaner die Do
Beide Stämme standen sich im Charakter grell gegenüber.
Dorer hingen streng am Herkömmlichen und Alten; beweglich,
für alles Neue empfänglich
Die Dorer waren starr,
kalt,
und
hartnäckig
der Veränderung
und
lebhaft, umgänglich, schmiegsam und leichtfertig. geschlossen in dem Staate und
Die
die Joner waren
unbeholfen;
geneigt.
die Joner
Die Dorer lebten ab
für den Staat ein kaltes,
soldatisches,
kriegerisches Leben; die Joner zerstreut, der Entwickelung des Einzelnen
nachlebend, der Kultur aus inniger Neigung zugethan, Kunst und Wissen schaft
eifrig pflegend.
Aus
dieser Charakteristik
läßt sich
das
öffentliche Leben und Wirken der griechischen Stämme erklären.
ganze
Die Griechen.
78
Betrachten wir zunächst den Staat Sparta. Durch die langen, schweren Kriege, welche die Spartaner bei der
Eroberung des Peloponnes mit den Landeöbcwohnern zu führen hatten, hatte sich bei ihnen ein sehr kriegerischer Geist ausgebildet und eine mi
litärische Organisation des Gemeinde- und Staatswesens nöthig gemacht.
DaS ganze Vanb war gewissermaßen unter Waffen stehendes Heer.
eine Kaserne und
das Volk ein
Um die vollkommenste Einheit, die Fein
den gegenüber so nothwendig war, herzustellen, wurde alle Macht und Freiheit im Staate in der Regierung vereinigt. Staat der alleinige Besitzer aller Ländereien
In Sparta war der
und
unumschränkter Ge
bieter über das Leben seiner Bürger; der einzelne Bürger hatte weder
Eigenthum, noch ein Familienleben; er erschien als das willenlose Glied
deö Staates, stets verpflichtet, alle seine leiblichen und geistigen Besitzthümer zum Besten deS Staates hinzuopfern.
Menschen, der freie «Wille,
Daö schönste Gut des
ging fast gauz verloren.
So war in der
That über das ganze Volk die vollendete Unfreiheit verhängt; dagegen bestand in den Verhältnissen der Bürger untereinander eben so die voll
endetste Gleichheit.
Diese seltsame Verbindung von vollständiger Gleich
heit bei vollkommenster Unfreiheit macht den spartanischen Staat um so
merkwürdiger, als er damit einzig in der Geschichte dasteht. gierungsform war ein Mittelding
Die Ne
zwischen Königthum und Volksregi
ment, indem nämlich dem Namen nach Könige an der Spitze der gesammten
Staatsverwaltung standen, die
eigentliche Regierungsgewalt
aber in den Händen der Volksversammlung lag, an welcher sämmt
liche Bürger theilzunehmen berechtigt waren.
Diese Versammlung war
die eigentliche gesetzgebende Körperschaft, obgleich sie nur Ja und Nein zu sagen hatte,
indem ihr die Verwaltungsbehörde Vorschläge machte,
die einfach zu bejahen oder zu verneinen waren.
Die Verwaltungs
behörde bestand auö dreißig Männern, nämlich aus den beiden Köni
gen und
auf Lebenszeit gewählten Bürgern, welche je
achtundzwanzig
doch nicht unter fechSzig Jahre alt fein durften.
Außer ihrer Stimme
in dem VerwaltungSrathe hatten die Könige nur noch die Würde eines obersten Priesters und das Amt eines Oberanführers im Kriege, in wel
chem Falle ihre Macht fast unumschränkt war. alljährlich neu
erwählt
wurden, hatten
Fünf Ephoren, welche
über die Aufrechthaltung der
Gesetze zu wachen; ihrem AuSspruche mußten selbst die Könige sich unter werfen.
Als
Schöpfer
dieser
seltsamen
Verfassung
wird Lykurg
(888 v. Chr.) genannt, obgleich eS wahrscheinlicher ist, daß er nur das
in Gesetzesform ausgesprochen hat, was bereits üblich war. Zur Aufrechthaltung
der beabsichtigten Gleichheit bestanden
eine
79
Die Griechen.
Metige Einrichtungen und Gesetze, die diesen Zweck vollständig erfüllten, aber auch die persönliche Freiheit des Einzelnen nächst die Landvertheilung.
So zu
vernichteten.
Alles Land war in neununddreißigtausend
Aecker oder Loose getheilt, und kein Eigenthümer durfte sein Grundstück
verkaufen.
Zur Bebauung des Feldes benutzte man Sklaven (Heloten),
welche der Staat lieh,
wie
die Jagdhunde zur Jagd.
auch
Andere
Gesetze griffen noch tiefer in die Freiheit des Einzelnen ein, so die über die Kleidung.
Diese war einfach und durchaus gleich; selbst der König
durfte sich durch kein besonderes Kleidungsstück auszeichnen.
Ein Rock
Gold,
Edelsteine
und ein Mantel machte die ganze Bekleidung aus.
Nur wenn eö zur Schlacht ging, war
und Schmuck waren verboten.
cs erlaubt, sich festlich zu schmücken.
Dann legte
der Spartaner ein
bekränzte sich und mar-
rothes Kleid an, kämmte sich das lange Haar,
schirte unter Flötenklang und Marschliedern gegen den Feind. — Die Nahrung war nicht minder einfach,
und
für alle Bürger gleich.
auch
Die Mahlzeiten wurden in Gemeinschaft eingenommen, und Jeder mußte
einen gleichen Beitrag an Gerstenmehl, Wein, Käse, Feigen und etwas Geld dazu liefern.
Das Hauptgericht war die „schwarze Suppe", aus
Schweinefleisch, Blut, Salz und Essig bestehend.
Je fünfzehn Männer
Das übermäßige Trinken wurde ver
aßen zusammen an einem Tisch.
abscheut, und um den Jünglingen einen Ekel gegen das Laster beizubrin
gen, machte man von Zeit zu Zeit Heloten den Jünglingen
vor.
Familien-Wohnung schleichen.
Heirathen
durften
betrunken
und führte sie
schrieb der Staat vor, und in ihre
die Männer sich nur heimlich des Nachts
Zum Bau der Wohnungen und zur Anfertigung der Möbel
waren nur Axt uud Säge als Handwerkszeug erlaubt. hatten daher nur Blockhäuser.
Die Spartaner
Gold- und Silbergeld wurde abgeschafft
und dafür eisernes Geld eingcführt.
Die Beschäftigung war auch die
gleiche: sie bestand in nichts, als in der Uebung zum Kriege; denn zur eigentlichen Arbeit, zum Betriebe der Handwerke und des Ackerbaues
wurden,
wie
erwähnt,
die Heloten
trüge« einen kriegerischen Charakter.
verwandt.
Selbst die Vollsfeste
Denn das eine bestand in einer
Art Manövre, da man draußen unter Hütten lagerte, Kriegsspiele auf
führte und musikalische Wettgesänge hielt; bei einem
andern führten
Knaben und Männer in dem Tempel und Theater Waffcntänze auf;
und bei einem dritten Hauptfeste fehlten zwischen Prozessionen, Schmau sereien und Gesängen Wett« nebst Waffenspiclen nicht. Die Erziehung war eine einfache und hafte.
Krüppelhafte Kinder
wurden ohne Weiteres gctödtet.
Bis zum siebenten Jahre dauerte die
mütterliche Erziehung.
durften nicht angewendet,
Windeln
Kopf und
80
Die Griechen.
Füße nicht bedeckt werden; häufig mußten die Kleinen im Finstern sitzen, damit sie furchtlos würden.
Vom siebenten Jahre an
Weinen und Schreien wurde oft bestraft.
und Mädchen aus dem
nahm man Knaben
älterlichen Hanse und bildete sie durch allerlei körperliche Uebungen zu
kräftigen Jünglingen und Jungfrauen heran, härtete sie gegen Anstren gung, Hunger, Kälte und Schmerz ab, machte sie listig und verschlagen, prägte ihnen sittliche Denksprüche ein, hielt sie streng in den Schranken des Herkommens und väterlicher Satzungen
und
duldete nur,
daß sie
im Lesen und Schreiben dürftig unterrichtet wurden, wogegen sie Kriegs-,
gesellige und religiöse Lieder sühreu verstanden.
lernten und Kriegstänze
kunstvoll auszu-
Erst später (nach dem peloponnesischen Kriege) lern
ten die Vornehmen Staats- und Redekunst; bis dahin wurde die Ju
gend streng einseitig nur zum Kriegs- und Staatsdienst, zum unbeding ten Gehorsam und zur Unterdrückung persönlicher Neigungen und Ge
fühle erzogen.
Wie die Aeghpter und die meisten Asiaten nur durch Gewöhnung herangebildet wurden,
Staatsgcmcinde. gekleidet.
so
für ihre Tempel
der Spartaner
Der Jüngling ging barfuß
für seine
und barhaupt und leicht
Gesenkten Blickes und schamhaft mußte er in ärmlicher Klei
dung einhergehen, während die Jungfrauen öffentlich turnten, damit sie kräftig
würden.
(das Rechnen
Je
wenniger
kam nicht
man
für Kunst
weit übers Zählen).
und Wissenschaft that
Um
so eifriger wurde
geturnt und Gymnastik getrieben, wobei die Jugend unter Aufsicht von Vorturnern und älterer Bürger stand.
Tag und Nacht stand jeder Knabe
unter strenger Aufsicht und erhielt harte Strafen, wenn er eine Vorschrift
nicht befolgte.
Die Jugend wurde auch gewöhnt, sich beim Sprechen
kurz zu fassen, mit wenig Worten viel zu sagen.
Daher kommt eö, daß
man noch heut eine wortarme aber geistreiche Rede eine „lakonische Kürze"
nennt.
Einige Beispiele solcher Aussprüche mögen angeführt werden.
Ein schlechter Mensch fragte einst einen Spartaner, wer der beste
Spartaner sei. Ein
„Der dir am wenigsten ähnlich ist", war die Antwort.
athenischer Redner
nannte die Spartaner
ungelehrig.
„Recht!"
gab man ihm zur Antwort, „denn von allen Hellenen sind wir die ein zigen, welche nichts Böses von euch lernten." König Philipp*) schrieb
einst nach Sparta, man sollte ihn in die Stadt aufnehmen. wortschreiben lautete:
verwüsten,
„Nein."
Als er
wenn er mit seinem Heer
hierauf drohte,
Das Ant
ihr Land
zu
über die Grenze gekommen sein
würde, erhielt er zur Antwort: „Wenn!"
Ein Fremder sagte einst, die
lakedämonischen Schwerter seien so kurz, daß die Gaukler sie verschlucken. *) Von Makedonien.
Dir Griechen.
81
Da erwiderte ihm ein Spartaner: „aber doch lang genug, den Feind
zu erreichen."
Auf die Frage: welche Wissenschaft am meisten in Sparta
getrieben werde, antwortete Einer: horchen."
Eine Mutter
„Die Kunst zu befehlen und zu ge
gab ihrem Sohne,
der in die Schlacht zog,
den Schild mit den Worten: „Entweder mit diesem, oder auf diesem!" Man warf dem Lyknrg vor,
habe.
er Sparta
daß
ohne Mauern
gelassen
Er antwortete: „Die Bürger von Sparta sollen unsre Mauern'
sein!" — Als man
einem
lakedämonischxn
Gesandten
in Asien
Festung zeigte, rief er ans: „Wahrhaftig, meine Freunde,
schöne Weiberwohnung." — Ein Seeräubern
geraubt,
lakedämonisches Mädchen,
auf dem Markte als Sklavin
sollte, wurde von einem reichen Manne gefragt: sein, wenn ich dich
kaufe?"
das
von
verkauft werden
„Wirst du auch brav
„Auch wenn du mich
antwortete:
Es
eine
das ist eine
nicht kaufst."
Ganz anders gestaltete sich das Leben bei den Athenern.
Hier
schaffte man, tote bereits erwähnt wurde, die Königswürde ganz ab, und
zwar geschah dies durch die heldenmüthige Aufopferung des letzten Kö Die Dorer belagerten
nigs, Kodroö, für das Vaterland. der Völkerwanderung Athen.
zur Zeit
Da ein Orakel verkündet hatte, daß die
Dorer unverrichteter Sache würden abziehen müssen, wenn der athenische König von den Feinden erschlagen würde, so begab sich Kodrus verklei
det in's Lager, fing Streit mit feindlichen Soldaten an und wurde getödtet. — An die Stelle des Königs
Amt nur ein Jahr dauerte. Staate sehr strenge Gesetze, in Kraft blieben.
Um
die
traten
nun Archonten,
624 v. Chr.
gab Drakon
deren
dem
jedoch wegen ihrer Härte nicht lange
Drakon ging von dem Gedanken aus, daß jedes Ver
gehen, gleich viel, ob klein oder groß, als Ungehorsam gegen den Staat gleiche Geltung habe, demnach wurde z. B. ein Müßiggänger eben so gut wie ein Räuber und Mörder mit dem Tode
bestraft.
Man ge
horchte den mit Blut geschriebenen Gesetzen Drakons nicht weiter und es trat ein Zustand der Anarchie ein, aus welchem der Staat durch den als Philosophen, Redner und Dichter gleich ansgezeichneten Solon ge
rettet wurde, der um das Jahr 500 v. Chr. lebte.
ES ist dies der
selbe Mann, der unS aus der Geschichte des Krösus in Lydien bekannt ist.
Er gab dem Staate eine neue Verfassung,
die
wesentlich zu der
nachmaligen Größe Griechenlands beigetragen hat.
Solon bemaß nämlich die Rechte und Pflichten des Staatsbürgers nach seinem Vermögen; die Reichen erhielten manche Vorrechte, mußten Kutzner Geschichte I.
tz
Die Griechen.
82 aber auch dafür mehr leisten.
Da sie am Meisten zu verlieren hatten, am meisten am Herzen
so mußte ihnen auch die öffentliche Wohlfahrt
liegen, und sie selbst mußten so viel Einfluß auf den Staat haben, daß sie dem unbilligen Verlangen derer mit Erfolg entgegentreten konnten,
die nicht viel zu verlieren hatten.
Die gesammte Staatsregierung war
auf vier Körper vcrtheilt: auf die Volksversammlung, den Groß
rath, die Archonten und den Areopag.
In der Volksversammlung
hatte jeder wirkliche athenische Bürger Sitz und Stimme.
Die Zahl
dieser Bürger belief sich nicht über zwanzigtausend, in deren Dienst an
Viermalhunderttausend Sklaven, und unter deren Schutz an zehntausend
Schutzverwandte standen.
Die Volksversammlung besprach die vorge-
schlagcnen Gesetze und stimmte darüber ab.
Der Großrath bestand aus
vierhundert Mitgliedern, die alljährlich durch Leos gewählt wurden, und von denen jedes wenigstens dreißig Jahre
alt sein mußte.
Ihm lag
die Verwaltung des Staates ob, und er hatte allein die Befugniß, Gcsetzvorschläge an
die Volksversammlung
etwa unsern Staatsräthen
zu
bringen.
oder Ministern zu
Die Archonten,
vergleichen,
waren die
obersten Verwaltungsbeamten. Der Areopag bestand schon von uralter Zeit her alö eine Art Gericht für Hauptverbrechcn.
Solon erweiterte seine
Befugnisse und so kam es, daß dieser oberste Gerichtshof auch die oberste
Aufsicht über die Verwaltung
des Staates hatte,
über die Geschäfts
führung der Beamten, über die Beobachtung der Gesetze, über die Sit ten.
Die Zahl der auf Lebenszeit gewählten Mtglieder des Areopag
belief sich auf dreihundert und eö wurden nur Archonten zugelassen, die
sich als tüchtig
erwiesen hatten.
Als beaufsichtigende Nevisionsbehörde
stand über der Volksversammlung der Rath der Heliasten, welche
die Beschlüsse der Volksversammlungen prüften, die Wahlen prüften und sorgfältig erwogen, ob die Gewählten des Amtes würdig und ihm ge
wachsen wären. Als ein eigenthümliches VolkSgcricht bestand
oder der OstrakismoS,
dessen Zweck es
war,
das Scherbengericht
den Staat von solchen
Männern zu befreien, die sich durch großen Reichthum oder auch große
Verdienste einen zu großen Einfluß auf das Volk verschafft hatten. Die
Verbannung geschah auf zehn Jahre.
Den Namen der zu Verbannen
den schrieb man auf Ziegeln oder Scherben, daher der Name Scherben
gericht. Jeder ehelich geborene athenische Jüngling
sechszehntcn Jahre in die Bürgerrolle
wurde nach erlangtem
eingetragen, diente zwei Jahre
als Soldat, erhielt dann auf der Volksversammlung Schild und Speer
und leistete den Bürgereid.
Vom dreißigsten Jahre ab durfte er ein
Die Griechen.
83
öffentliches Amt bekleiden, wenn er zuvor in den Prüfungen feine Be
fähigung
dazu
nachgewiesen
hatte.
In
Bezug
auf das
öffentliche
Staatsleben gab Solon das Gesetz, daß derjenige für ehrlos gehalten werde, welcher an keiner Partei im Staate Theil nehme.
Die Gesetze
Solons für das Privatleben bezogen sich auf Thätigkeit,
Reinheit der
Sitten und eine gute Erziehung
der Jugend.
Im Gegensatz zu der
Meinung der Spartaner wurde der Müßiggang für sittenverderblich ge
halten,
und jeder Athener sollte irgend eine Kunst oder ein Handwerk
lernen.
Besonders zart sind Solonö Gesetze in Hinsicht auf das weib
liche Geschlecht.
Die Ehen sollten uns Liebe, nicht aus Gewinnsucht
geschlossen werden.
Er verbot daher, den Mädchen eine Mitgift zu ge
Reine Sittsamkeit und häusliche Tugend und Geschicklichkeit gal
ben.
ten für den reichsten Brautschatz.
So unterschied sich Solons Gesetz
gebung von den Lhkurgischen dadurch, daß sie das Privatleben der Bür
ger mit größerer Milde und Humanität ordnete. Er selbst war muntrer
und sanfter Gemüthsart und liebte seine Mitmenschen; ihre Verirrungen sah er ohne Zorn, nur mit Bedauern. Die Solonische Verfassung wurde später um das Jahr 444 v. Chr. durch Perikles zu einer Demokratie (Volksherrschaft) umgebildet, indem
dieser Staatsmann alle Gewalt in die Hände
legte,
so daß die Beamten nur
hatten.
der Volksversammlung
die Beschlüsse derselben auszuführen
So lange PerikleS die Volksherrschaft durch seine hinreißende
Beredtsamkeit regelte, erfreute sich der Staat des Friedens und großen
Glückes,
ja es stand Athen zur Zeit deS Perikles trotz der eben aus
gekämpften Perserkriege auf der Mittagshöhe seines
und Ruhmes; Handel,
Glanzes
Kunst und Wissenschaft nahmen einen Auf
schwung, wie nie zuvor und nachher.
Aber, da nach seinem Tode kein
so gewaltiger Mann seine Stelle ersetzte,
so entartete das Volk; aus
der Volksherrschaft wurde eine Pöbclherrschaft, der Unverstand und die Bosheit siegte zu häufig über Einsicht und Edelsinn; die Menge wurde
geldgierig und käuflich, der Patriotismus schwand und Athen sank von seiner Höhe.
Doch mehr darüber später; jetzt erst noch ein Wort über die Sit ten und Lebensweise der Athener. der Jugend in Athen wich
wesentlich
Die Erziehung und Bildung
von der in Sparta ab.
Als
Hauptbildungsmittel galten hier Musik und Gymnastik; jene sollte
die Ausbildung des Geistes, diese die des Körpers erzielen. ziehung selbst nahm folgenden Verlauf:
Der Knabe blieb bis zum
siebenten Jahre unter Aufsicht der Wärterinnen. aber seine Ausbildung für den Staat.
Die Er
Von da ab begann
(Die Mädchen lernten im Hause
6*
Die Griechen.
84
weben, kochen, Lieder singen, Arzneien bereiten, Lebensregeln nnd sitt
sames -Benehmen der Mutter ab.)
Ein Sklave (Pädagogos genannt)
hatte ihn nun in Aufsicht und führte ihn, zu einem Elementarlehrer, bei
welchem er buchstabiren, lesen und schreiben lernte.
Man schrieb mit
einem Griffel auf Wachstäfelchen, auf welche man die Buchstaben ein
Der Griffel hieß Stylos, daher unser Wort Styl.
ritzte.
Der Lehrer
unterrichtete als Privatlehrer entweder auf offener Straße oder in einer Bude.
Konnten die Kleinen lesen und schreiben, so lernten sie beson
ders singen, und die Zither oder Flöte spielen.
Auch Rechnen an
den Fingern und Geometrie trat in. den Kreis des Unterrichts; desglei chen wurden mit
erwachsenen Knaben Deklamations- und Redeübungen
vorgenommen.
In höheren Schulen lernte man auch noch Astrononiie
und Redekunst.
Die Landesgesetze mußte jeder Knabe auswendig lernen,
an Fabeln und Erzählungen entwickelte sich
die Kinder Lebensweisheit.
der Verstand und lernten
Religionsunterricht gab es nicht, indem man
nur für die Erde, das Vaterland, erzog.
Für die Ausbildung des Leibes
sorgte der Turnlehrer auf dem Ringplatz (Palästra) oder auf dem öffent
lichen Turnplatz (Gymnasien von gymnos- nackt), wo man meist unbe kleidet turnte.
umschlossen
Die Gymnasien waren große Plätze, die mit einer Mauer
und
mit Bäumeu
bepflanzt waren,
und
an deren
einer
Seite ein Gebäude mit geräumigen Hallen lag, so daß bei jeder Jahres
zeit und Witterung geturnt'werden konnte.
Verschiedene mit Sitzen ver
sehene Hallen waren für den geistigen Unterricht bestimmt.
Diese An
stalten standen den ganzen Tag über offen und wurden von besonderen Staatsbeamten beaufsichtigt und im Stande erhalten. Gymnasien war Staatspflicht;
Der Besuch der
auch forderten Gemeingeist und öffent
liche Sitte, daß jeder Vater seine Söhne landesüblich unterrichten ließ. Die Zucht war eine sehr strenge und stand unter Aufsicht des Staates. Prügel wurden von den Lehrern in reichlichem Maaße ausgetheilt, und die Knaben befanden sich stets unter Aufsicht, damit sie durch Gewöh nung und Scheu vor der öffentlichen Meinung Selbstverleugnung und
entsagende Einordnung in das Staatsganze lernen möchten.
Anders zu
leben, zu denken und zu handeln/ als die Landessitte eS vorschrieb, war Niemand erlaubt; daher mußte sich der Grieche frühzeitig beherrschen ler
nen. Bescheidenheit, Sittsamkeit und Unterordnung verlangte man von der Jugend; auf der Straße mußten die Knaben sogar die Augen nach dein
Boden gerichtet haben und den Kopf gesenkt halten.
So wurde die Jugend bis zum achtzehnten Jahre erzogen.
Wer
sich noch weiter ausbilden wollte, ging zu Rhetoren (Nedekünstlern) oder
-Philosophen (Denkern).
Denn der Mann konnte sich nur dann Einfluß
85
Die Griechen.
und ein Amt erwerben, wenn er gewandt und kunstvoll zu reden, seinen Ansichten Geltung zu verschaffen und durch seinen Vortrag eine Volksver
sammlung für sich zu
gewinnen
verstand.
Die Rhetoren
und Philo
sophen nnterrichteten int logisch richtigen Denken, über Moral und die
höhere Gedankenwelt, aber auch in der äußern Kunst (Technik) der Beredtsamkeit, wie eine Rede zu ordnen, welcher Gebrauch von den Rede
figuren zu machen, wie Zeitmaß (Rhythmus) in die Rede zu bringen, wie das Kleid in schöne Falten zu legen und welche Bewegungen zu machen
vom Anstande gestattet sei.
„Denn die Redner agitirtcn wie die Schau
spieler, trugen sehr lebhaft vor, gestikulirten, rückwärts, um die Sinne zu fesseln.
sprangen
vorwärts
und
Hatten sie einen Angeklagten zu
vertheidigen, so suchten sie Mitleid zu erwecken, ließen die Freunde des
Angeklagten in Trauerkleidern erscheinen und weinen, und sprachen selbst mit bewegter Stimme,
so daß es große Uebung
ehe man sich
kostete,
diese äußerlichen Fertigkeiten aneignete."
Die Wohnungen der Athener waren meist einstöckige, unansehn
liche lange Vierecke ans Fachwerk mit Lehmsteinen
und
lagen mit der
Nur wenige Häuser hatten ein Giebel
schmalen Seite an der Straße.
dach, die meisten waren platt; auch lagen die Häuser bunt durcheinan der, bildeten enge, winkelige, ungepflasterte Straßen, sehr heiß und staubig,
waren, so daß man sich Pcchfackeln
antragcn lassen.
„Die
welche
mit Tage
zur Regenzeit kothig und dcS Nachts stockfinster
oder eine Hornlaterne mußte vor-
ältesten Bewohner
meistens ans einem Berge an,
dessen
Mauer aus größeren Steinblöckcn umgaben,
in dieser Burg sicher wohnten.
Griechenlands
oberen Rand
bauten
sich
sie noch mit einer
so daß sie
vor Räubern
Um diese herum bauten sich diejenigen
an, welche auf der Burg kein Unterkommen fanden, doch zu Kriegszeiten
hinaufflüchten konnten.
Die Burg hieß „Ober- oder Hochstadt," z. B.
die Akropolis
Akrokorinth,
„Unterstadt."
in Athen,
Die innere Einrichtung
die
eigentliche Stadt
war diese.
dagegen,
Das Hans schloß
zwei Höfe mit Säulenhallen ein, an welchen die Zimmer und Kammern
lagen.
Vorn am Eingang befand
sich
der Thürhüter und der Haus
hund; dann kam man in den Säulenhof mit den Männcrwohnungen. Dem Hanpteingange gegenüber führte eine zweite Thür durch ein Quer
gebäude in den Sänlenhof der Frauenwohnung.
Denn die Frauen leb
ten hier abgeschieden mit ihren Mägden, webten, spannen und besorgten
die Küche.
Die Zimmerwände waren weiß getüncht, der Fußboden ein
Estricht, seit Periklcs kamen aber gemalte Wände und Mosaikfußboden
in die Mode.
Die Fenster gingen meist in den Hof.
Hausgeräth und die Kleidung.
Einfach war das
Divans, die gepolstert und mit Decken
Die Griechen.
86
kelegt waren, Betten ans Pelzen und Decken, Oeltampen von schöner Form, auch wohl hohe Kandelaber und einige Truhen für die Kleider bildeten das Meublement.
Beim Mahl lag man auf DivanS um den
niedrigen Spcisetisch, indem man sich auf den linken Arm stützte und
mit dem rechten znlangte. Art Schlafrock an.
Das Fleisch
Um sich nicht zu beschmutzen, zog man eine
Messer, Gabel und Löffel waren unbekannte Dinge.
kam geschnitten
und man griff mit den
auf den Tisch
Fingern zu; für Suppe und Brühe riß man ein Stück Brotteig ab, schöpfte damit und warf diesen Löffel nach
dem Gebrauch
unter den
Tisch. — Alle Griechen gingen in bloßem Kopfe, nur auf Reisen trug man einen Hnt und im Kriege den ehernen Helm, ebenso fehlten Bein kleider und Stiefeln,
denn entweder trug man nur Sohlen, die man
mit bunten Bändern nach Art unserer Schlittschuhe an den Waden be
festigte, oder man ging barfuß, Personen.
und
zwar thaten dies sehr vornehme
Bei Tische lag man stets barfuß.
Den Körper deckte ein
wollenes oder ein leinenes Hemd ohne Aermel, darüber schlug man ein
großes viereckiges Tuch, welches man von der linken Schulter über oder Das Geschmackvolle der Kleider
unter dem rechten Arm hindurchzog.
bestand darin, den Ueberwurf so zu legen, daß er Falten schlug. Frauen
hatten Klange, faltige, weiße Kleider, bedeckten und einen rothen Fez. bunte Kleider mit Stickerei und
welche die Arme bloß ließen oder
Bei Festzügcn trug man dunkelfarbige
bunter Verbrämung.
Weil man auf
Haar und Bart große Pflege verwandte, so waren die Läden der Fri seure Sammelplätze der Athener,
theilte.
in denen
man sich Neuigkeiten mit»
Friseurläden und die öffentlichen Bäder ersetzten den Griechen
unsere Bierstuben und Kaffeehäuser.
lustiges Volk, welches Lärm und
Die Athener waren ein lebens
laute Lust liebte.
Auf den Märkten
ging eS daher sehr geräuschvoll zu: die Fischweiber zankten, die Brot verkäufer riefen ihre Waare aus, Blumenmädchen boten ihre zierlichen
Sträußchen feil, Kranzflechterinnen wanden unter Lachen und Scherzen Kränze und Guirlanden, auf dem Gaunermarkte feilschte man um Trödel waaren, Möbel, Karren und Wagen bot man unter Lobpreisungen feil,
Geldwechsler machten Geschäfte, dazwischen schritten die mit Bogen be waffneten Polizeidiener, die in besondern Marktbuden wohnten und des
Nachts durch die Stadt patrouillirten,
um durch Klingeln die Nacht
wächter wach zu erhalten." Nicht minder geräuschvoll waren die Volksfeste, deren cS viele gab
und bei denen außer feierlichen Prozessionen gymnastische und
lische Wettspiele nicht fehlten.
Das
musika
beliebteste Volksfest waren die
Dionhsien, zu Ehren des Dionysos, des Schützers deS Weinbaues.
Die Griechen.
Schon lange vorher rüstete man sich,
87
schaffte Verrathe
an Festspcisen
an, machte Zimmer zum Empfange der Gäste zurecht, die in zahlloser
Menge von nah und fern herbeicilten, oder man schlug Buden auf den öffentlichen Plätzen
auf,
wo
die Fremden
übernachteten.
Mit einer
großen Prozession begann das viertägige Fest, ernste und heitere Grup pen wechselten in bunter Reihe.
Hier kamen Mädchen mit Fcigcnschnü-
ren um den Hals und Körbchen mit Feigen in den Händen; dort führ
ten verkleidete Jünglinge tolle Schwänke aus, erschienen maskirte Per sonen mit Cphcugewinden um Kopf und Leib, mit Epheu umschlungenen
Stäben,
Kalb« und Pauthcrfelle um die Schulter gehängt, oder man
sah auf einem dicken Weinschlauch, Dionysos sitzend auf der Karre
schollen,
der mit Oel gerieben war, einen
Lustige Weinliedcr er
einherfahrcn.
die Theater waren den ganzen Tag gefüllt.
Puppentheater,
Seiltänzer, Bärenführer, Affentheater mit maskirten Affen, Taschenspie ler, Wachsfigurenkabinette u. f. w. unterhielten die schaulustige Menge.
Der griechische Staatsbürger gehörte sich und seiner Familie wenig an, denn er war fast immer im Staatsdienst.
selbst arbeiten, sondern hielt Sklaven,
Daher konnte
er nicht
verachtete den Handwerker und
lebte als Oekonom, Großhändler oder Fabrikant.
Alle Beamten wur
den vom ganzen Volke gewählt, erhielten aber nicht nur keinen Gehalt, sondern mußtey oft gewisse Ehrenausgaben ans eigener Kasse bestreiten.
Alle Gerichtsverhandlungen, Berathungen
über Gesetze,
alle wichtigen
Verwaltungsangelegenheiten wurden von den Bürgern auf der Pnyx, d. i. in der Bürgervcrsammlung,
verhandelt und beschlossen.
In den
Krieg mußte jeder Bürger mitziehcn, als Geschworner oder Beaufsichtiger irgend einer Anstalt ward seine Zeit in Anspruch genommen, so daß also
nur reiche Bürger von allen ihren Rechten Gebrauch machen konnten.
Am frühen Morgen aß der athenische Vollbürger
als Frühstück
Brot, welches in ungemischten Wein getaucht wurde, besorgte dann die
häuslichen Geschäfte, und ging auf den Markt, um Lebensmittel einzu kaufen, oder in den Buden der Salbenhändler, Friseure und Barbiere
mit Bekannten sich zu unterhalten.
Kinder besuchten die Schulen, Phi
losophen hielten Vorträge und Bürger fanden sich in den Gymnasien
ein oder machten Wetten bei Hahn- und Wachtelkämpfen.
Oft aber be
suchte man das Theater, welches am Vormittag begann und bis in den
Nachmittag dauerte, so daß man in Pausen etwas genoß.
Kein Gebil
deter durfte es versäumen, und Perikles gab Armen auf Staatskosten sogar Freimarken,
damit sie in'S Theater gehen konnten.
Denn im
Alterthum vertraten die Theater das, was den Christen der Kircheubcsuch ist.
Den Stoff nahmen die Dichter aus der Götter- und Heldensage
Die Griechen.
88
und wollten Achtung vor dem Gesetz, Gottesfurcht und muthiges Ertra gen des vom Schicksal Verhängten
lehren.
Die
Schauspieler
trugen
Charaktermasken, Helden hohe Korksohlen (Kothurn), um groß und er haben zu erscheinen, das Publikum saß in der Sonnenhitze mit bloßem Kopfe auf den Sitzen und schaute unverwandt nach der Bühne.
bei machte cs jedoch
oft auch großen Lärm,
Da
warf Nüsse und Feigen,
pfiff und zischte Dichter und Schauspieler aus, verlieh Meisterdichtern einen Epheukranz
ihn heraus.
oder rief
Komödiendichter stellten die
Thorheit des Volkes, die Fehler der Regierung schonungslos dar, um
bessern Ansichten Eingang zu verschaffen.
Die Frauen hatten in Griechenland eine würdigere Stellung, als im Orient.
Schon zur homerischen Zeit genossen sie größere Achtung
und Freiheit, als dies bei andern Völkern Sitte war.
„Wir sehen sie
in stiller heiterer Thätigkeit, schaffend, ordnend, in den Frauengemächern am Webestuhl die glänzenden Gewänder webend, in der Halle die Die
ner des Hauses überwachend.
Den eigentlichen Männergeschäften fern,
war die Frau doch die Vertraute, die Freundin des Mannes und mäch tig durch liebevollen Rath und Einfluß.
Nicht sklavisch in
glänzende
Gefängnisse gebannt, wie die orientalischen Frauen, nein, in anständiger
Freiheit, von ihren Dienerinnen begleitet, anmuthig in reiche faltige Ge wänder gehüllt,
Laune,
durchwandelten sie die Straßen
und zu dem kriegerischen Sinn der
nach, Geschäft
und
hellenischen Helden bildet
die Zartheit und ritterliche Galanterie den Frauen gegenüber einen lieb lichen Contrast."
Im Ganzen blieb die Stellung des weiblichen Geschlechts dieselbe bis zum Beginne des Verfalls Griechenlands.
Eine strengere Eingezo
genheit ergab sich aus dem immer großartiger sich entwickelnden Städte
leben von
selbst.
„Die Heiligkeit
hoch und werth gehalten.
an Fröhlichkeit,
Kein
der Ehe wurde
öffentliches
bei den Griechen
oder häusliches Fest kam
Würde und Aufwand den Hochzeitsfesten gleich.
Die
Verletzung dieses heiligen Bandes war ein Verbrechen, das man gleich dem Morde bestrafte, und die zweite Ehe so selten,
daß die Männer,
welche sie wagten, in der öffentlichen Meinung viel einbüßten. Oeffcntlich erschienen die Frauen nur bei Volksfesten, Opfern und Schauspie
len, wo sie mit höchstem Anstaude, ja mit Ehrfurcht behandelt wurden.
Im höchsten Glanze zeigte sich die weibliche Würde bei den Priesterin nen; in ungezierter,
zwangloser Heiterkeit
Reigen bei den Opfertänzen."
führten die Jungfrauen den
Die Griechen.
von «Solen
In dem Zeitraum
89
fällt die Blüthezeit
bis PerikleS
Griechenlands mit den ewig denkwürdigen Heldenkämpfen der Grie chen gegen die Perser.
Darius,
König von Persien,
beleidigt von den Athenern,
welche
die aufständischen jonischen Griechen Kleinasiens unterstützt hatten, beschloß, daS kleine Bölklein der Athener zu vernichten.
Er sandte eine Flotte
und ein Landheer gegen Griechenland; aber erstere wurde am Vorge birge Athos durch Sturm zerstört und das Heer kam in Thracien, nörd lich
Griechenland,
von
größtcntheils
um.
größeres
Ein
Heer
von
600,000 Mann mit einer noch größeren Flotte wurde 490 v. Chr. durch 9000 Athener und 1000 Platäer unter MiltiadeS bei Ma
rathon gänzlich geschlagen.
Die mitgebrachten Ketten, bestimmt, die
Gefangenen zu fesseln, und der weiße Marmorblock, zu einem Denkmal an den mit Gewißheit erwarteten Sieg
wurden
nebst dem Lager und
allen Kostbarkeiten eine Beute der mnthigen Sieger,
größeres Heer
auf;
sechsundfünfzig Völkerschaften
aus
von 1,700,000 Mann zusammen;
Macht
doch
der Nachfolger des Darius,
Xerxcs,
ruhten noch nicht.
mit
raffte er eine Köchen
den Dienern,
und Weibern betrug der Zug an 2^ Million Menschen. des Hellespont musterte LerxeS
die Perser
bot ein noch
seine Heeresmacht.
Am Strande
Als er das ganze
Land, so weit der Blick reichte, mit Truppen und das Meer mit Schif Da fragte
fen bedeckt sah, pries er sich glücklich und darauf weinte er.
ihn einer seiner Freunde über die Ursache seiner so plötzlich veränderten Stimmung.
wortete er,
„Denke ich an die Kürze deö menschlichen Lebens", ant „so kann ich meine Thränen
allen diesen Menschen wird
sein."
Er ahnte nicht,
nach
nicht
während
eine Flotte
von
v. Chr.). Athenern
Hier
dem
uns
von übrig
setzte die Armee über den
Den
ersten Widerstand fanden
schon bekannten Engpaß
stand der König
zu Hülfe
mehr
eintausendzweihundert Schiffen
längs der griechischen Küsten hinfuhr.
die Perser bei
keiner
daß dazu hundert Jahre nicht erforderlich sein
würden. — In sieben Tagen und Nächten Hellespont,
denn
verbergen;
hundert Jahren
gekommen
unter dreihundert Spartaner.
von Sparta,
war,
Xerxes
daß dieses Häuflein seine Million
mit
aufzuhalten
den
dar
auf,
als
er hörte,
gedächte
und
sich zum
Er schickte Boten hin mit dem
Befehle, ihm sofort die Waffen auszuliefern. lautete die lakonische Antwort.
der
achttausend Griechen,
lachte laut
Kampfe wie zu einem Feste schmückte.
Thermophlä (480
Leonidas,
„Komm und hole sie!"
Und als den Griechen
gesagt wurde,
der Feinde seien so viel, daß ihre Pfeile die Sonne verfinstern würden, erwiderte ein Spartaner: „desto besser,
so werden wir im Schatten
90
Die Griechen. Nun ließ Lerxes den Paß stürmen,
fechten."
Truppen konnten nicht durchdringen.
aber vergebens;
seine
Erst als ein Verräther (Ephialtes)
einen Perserhaufen über daS Gebirge geführt hatte,
gab Leonidas die
Hoffnung auf, die Feinde zurückznhalten; er entließ die übrigen Kampf
genossen und weihte sich nebst seinen dreihundert Spartanern dem Tode,
den sie nach der tapfersten Gegenwehr fanden.
Eine Denkfaule mit der
Inschrift: „Fremdling, melde den Lacedämonischen, daß wir hier ruhen,
weil wir die Gesetze des Vaterlandes ehrten," bezeichnete den Ort die
ses heldenmüthigen Kampfes. Xerxes drang nun verwüstend in Griechenland ein.
Die Athener
begaben sich zufolge eines Ausspruchs des Orakels auf die Schiffe und brachten Weiber und Kinder nach den Inseln Salamis und Aegina und nach
dem Peloponnes.
Mit der
Aber Themistokles
vereinigten Flotte
der Griechen
rettete
sein Vaterland.
er im Jahre 480
lieferte
v. Chr. den Persern die denkwürdige Seeschlacht bei Salamis.
persische Flotte erlitt eine große Niederlage.
Xcrxcs, der
Die
auf einem
hohen Throne saß, und vom Lande der Seeschlacht znschaute, floh, als
er die Zerstreuung seiner Schisse sah, mit solcher Eile, daß er an sein
Landheer gar nicht mehr dachte, alle Kostbarkeiten zurückließ und nicht eher ruhte, als bis er an den Hellespont kam.
Seine Schiffbrücke war
vom Sturm zertrümmert worden, die Angst vor den nachsetzenden Grie chen machte ihn kühn; er bestieg einen kleinen Fischerkahn und setzte mit
Lebensgefahr nach Asien über.
Sein großes Heer folgte ihm; aber
Krankheit und Huugersnoth raffte viele Tausende dahin und es blieben nur noch dreimalhunderttausend Mann
Grenze von Griechenland
übrig,
stehen blieben.
die
Diese
nordwärts
brachen
im
an der nächsten
Jahre abermals über Griechenland herein und verwüsteten, waö sie im letzten Jahre noch übrig gelassen hatten. ser hatte sich wieder versammelt und
Neue.
Auch die Kriegsflotte der Per
bedrohte
das Griechenvolk auf's
Beide Feinde wurden jetzt zu Land und zu Wasser so entschei
dend geschlagen, daß der stolze Perscrkönig es nie wieder wagte,
die
Griechen in Griechenland anzugreifen.
Der Krieg dauerte noch längere Zeit außerhalb Griechenland fort.
Besonders glücklich kämpfte Kimon,
Miltiadcs Sohn; dieser errang
durch die Schlacht bei Cypern 449 v. Chr., endlich einen höchst ruhm vollen Frieden, wodurch die Perser auf alle ihre Besitzungen in Europa verzichten und mußten. Tragisch
auch die Freiheit der
sind
und Themistokles.
die
asiatischen Griechen
letzten Schicksale der
anerkennen
beiden Helden MiltiadeS
Ersterer hatte die Athener zu einem Kriegszuge gc-
91
Die Griechen.
gen eine Insel (Paros) bewogen, der nnglücklich ausfiel, weshalb er zu
fünfzig
Talenten (70,000 Thlr.) Strafe verurtheilt wurde.
Da er
diese Summe nicht bezahlen konnte, so mußte er in'S Gefängniß wan
dern, wo er an einer Wunde, zu der der Brand getreten war, elend starb. — Themistokles wurde durch das Scherbengericht auf zehn Jahre von Athen verbannt, weil man seinen großen Einfluß auf das Volk fürchtete.
Nach verschiedenen Aufenthaltswechseln kam er endlich nach Susa, wo er von Lerxeö gastfrenndlich ausgenommen wurde und sein Leben beschloß.
Gegen den äußern Feind hatten die Griechen den Kampf glorreich
bestanden.
Kaum aber waren sic desselben entledigt, so regten sich die
noch gefährlicheren inneren Feinde; Herrschsucht und Eifersucht in bisher
nie dagcwesencr Heftigkeit
gegen Griechen in
hetzten Griechen
blutige
Bürgerkriege, in denen ein mächtiger Staat nach dem andern rui-
nirt wurde und endlich ganz Griechenland seinen Untergang fand. Zunächst brach der Kampf zwischen Sparta und Athen aus. Beide suchten sich gegenseitig den Vorrang und die Herrschaft in Griechenland
streitig zu machen.
macht erweiterte, scheelem Blicke an.
Sparta wollte nicht dulden, daß Athen seine See und Athen
Zu
sah
diesen
die
wachsende Macht Sparta's mit
Feindseligkeiten
zwischen den Staaten
gesellte sich auch noch innere Zwietracht; im Innern der einzelnen Staa ten standen sich auch allenthalben feindliche Parteien gegenüber, die nur
auf eine Gelegenheit warteten, einander zu unterdrücken.
Wo aber der
Geist der Eifersucht, Zwietracht, Selbstsucht, gepaart mit Gewissenlosig keit, in ein Volk seinen Einzug hält, da ist es bereits innerlich aufge löst und sein Untergang gewiß.
In kurzer Zeit standen zwei feindliche Mächte gerüstet gegeneinan Athen hatte sich durch die jonischen Kolonien und die meisten In
der.
seln verstärkt und es bestand seine Kraft hauptsächlich in seiner See macht.
Sparta dagegen hingen mehrere peloponnesische Staaten an und
es setzte seine Hoffnung auf sein tapferes Landheer.
in den griechischen Städten
und die
sympathisirten mit den Athenern
Aristokraten mit den Spartanern. auch
Die Demokraten
Wo die
letzteren siegten,
erlangten
die Aristokraten die Herrschaft und straften die Gegner mit Tod
und Verbannung, und wo die erstem, die Athener, die Oberhand behiel
ten, kamen die Demokraten an'S Ruder und behandelten ihre Widersacher mit gleicher Härte.
So zerfleischte sich das äußeren Feinde
gegenüber
edle Volk,
seine Freiheit
das
einem
weit überlegenen
und Selbstständigkeit,
seinen
92
Die Griechen.
Wohlstand und seine Kultur 31t schützen verstanden hatte, nunmehr selbst auf eine jämnlerliche Weise.
gen Kriege,
Nach einem siebenundzwanzigjährigen bluti
nur unterbrochen durch
einen Waffenstillstand,
war das
blühende Athen durch den peloponnesischen Bund für immer zu Gründe gerichtet.
führt dieser
Es
bcklagenswerthe Bürgerkrieg
Namen
den
„peloponnesischer Krieg"; derselbe dauerte von 431—404.
So lange der als Redner, Gesetzgeber und Feldherr gleich aus gezeichnete PcrikleS das Staatsruder führte, erfreute sich Athen noch
eines Mannes, der ein Herz für das Vaterland besaß. Tode (er starb
im dritten Jahre
aber kamen unbesonnene
leichtfertige Männer
nnd
Nach seinem
des Krieges an der Pest in Athen)
Staates, die meist nur sich selbst im Auge
an die Spitze des
hatten und den Untergang
desselben beschleunigten.
Am augenfälligsten spricht sich das leichtfertige Wesen der dama ligen Zeit in Griechenland in
Schwestersöhne
des
Perikles
dem Athener Alkibiades ans,
und
seiner Jugend hatte er sich durch
bemerklich gemacht. hieb
ganz Athen sprach
er
dem Hunde
Athener aufs Neue Etwas
von ihm und seinem Hunde.
den Schwanz ab,
über ihn zu
vor Schlechtigkeiten scheute er sich nicht.
durch ein
leichtfertige tolle Streiche
So kaufte er einst einen sehr schönen Hund für
fünfhundert Thaler;
Bald darauf
allerhand
einem
Schon in
Schüler des Sokrates.
lüderliches Leben,
sprechen
nur,
hätten.
damit die Aber auch
Seine Gemahlin kränkte er
so daß sie vor Gram starb.
Die Gnnst
des Volkes dagegen suchte sich der reiche junge Mann durch Geldspen den,
Festlichkeiten und Verschwendung zu
erwerben.
Es
ihm
gelang
dies um so mehr, als er gut zu reden verstand, und sich nicht scheute dem Volk auf die unverschämteste Weise zu schmeicheln.
Dabei hatte
er nichts weiter im Sinne, als geehrt zu sein, und überhaupt das Le ben recht zu genießen.
Ein solcher Mann hatte Athens und abwechselnd
auch Sparta's Geschick in seiner Hand.
Denn da er Thorheiten und
Schlechtigkeiten nicht lassen konnte, mußte er zum öfter» flüchtig werden, und suchte dann da anzukommen, wo er seinen Vortheil zu finden glaubte,
unbekümmert darum,
ob er Vaterland
oder Freunde
verrieth.
Sein
Ende fand dieser begabte, aber sittenlose Mann in der Verbannung in
Kleinasien, wo er eines gewaltsamen Todes durch die Perser starb.
Die Griechen.
Nachdem Athen
von
93
der Höhe seiner Macht gestürzt, sein Glanz
und seine Herrlichkeit dahin war, kam auch Sparta an die Reihe.
Und
zwar war es der griechische Staat Theben, der dem Staate Sparta nach einem achtjährigen Vernichtungskampfe (von 379—371) ein Ende
machte.
Sparta ließ nämlich,
es
nachdem
über Athen
als dies Athen selbst
Gewalt die kleineren Verbündeten härter fühlen,
Auch war die alte
in den Zeiten seiner größten Macht gethan hatte.
spartanische Sittencinfalt längst gewichen.
seine
gesiegt,
Der große, durch die Kriege
in das Land gekommene Reichthum erzeugte sein
ganzes
gewöhnliches
Gefolge von Lastern, und Bestechung hatte aufgehört, für ehrlos zu gel
ten, da die ersten und vornehmsten Männer des Staats schuldig machten.
sich derselben
Im Uebermuthe begannen die Spartaner den Kampf
mit Theben, das ihnen gefährlich zu werden drohte.
In der Schlacht
bei L euktra, 371, wurde jedoch ihre Macht durch das herrliche Freundes paar Pelopidas und Epaminondas vernichtet.
An diesen Helden ist es auch recht offenbar worden, wie einzelne größere Männer die Kraft und
der Segen
eines
durch sie stieg Theben, mit ihrem Tode fiel es.
ganzen Volkes sind;
Epaminondas stammte
aus einer armen edlen Familie, hatte sich aber viele Kenntnisse erwor
ben und besaß ein edles Herz.
Dies erwarb ihm allgemeine Achtung,
besonders aber auch die Freundschaft des Pelopidas.
Dieser hätte gern
seinen Reichthum mit ihm getheilt; aber nie war er zu bewegen, auch nur daS Geringste anzunehmen,
so
drückend
auch oft seine Lage war.
Man möchte ihm einen hohen oder niederen Posten anweiscn, er ver
waltete einen wie den andern mit der
größten Gewissenhaftigkeit;
gemeinem Ehrgeiz wußte seine erhabene Seele Nichts.
von
Sein Grundsatz
war, der Mann müsse seinem Amte Ehre machen, nicht aber das Amt
dem Manne.
Einem persischen Gesandten, der mit Säcken Goldes zu
ihm kam, um ihn zu bestechen,
gab er zur Antwort:
„Mein Freund,
wenn die Absichten deines Königs dem Vaterlande Vortheilhaft sind, so
bedarf es deines Goldes nicht; sind sie ihm aber schädlich, so wird dein
Gold mich nicht zum Verräther meines Vaterlandes machen. verlaß sogleich die Stadt, damit du nicht andere verführest."
Du aber
Als er
in der Folge das Heer anführte, erfuhr er, daß sein Waffenträger einem
Gefangenen für Geld die Freiheit gegeben habe. zurück", sagte er unwillig zu diesem.
fleckt hat,
kannst du nicht
„Gib mir meinem Schild
„Seitdem Geld deine Hände be
länger in Gefahren
mein Begleiter sein!"
In der Schlacht bei Leuktra befehligte dieser biedere Mann die Thebaner.
Sein Freund Pelopidas führte eine besondere Abtheilung thebani-
scher Jünglinge, die heilige Schaar genannt; diese hatten sich durch
94
Die Griechen.
einen feierlichen Eid verbunden, zu siegen oder zu sterben,
stellte CpaininondaS sein Häuflein
die
gegen
i^ustervoll
überlegenen Feinde
auf.
Um nicht von der größeren Anzahl überflügelt zu werden, ließ er eö in einer schrägen,
keilförmigen Richtung
Schlachtordnung wird der Feind auf angegriffen und doch
kann er
keine
vorrücken.
Durch
einem Punkte mit großen Heermassen
diese
schräge
aller Gewalt wirken lassen.
So durchbrach der thcbanische Keil die spartanischen Schlachtreihen; der
königliche Feldherr der Spartaner
die Schaaren seiner Getreuen.
niedergehauen und mit ihm
wurde
Durch diesen herrlichen Sieg wurden
die Thebaner auf einmal das größte
und
angesehenste Volk in Grie
chenland.
Aber lange erfreute sich auch Theben seiner Größe nicht.
Es sank
überhaupt von jetzt ab die Kraft der griechischen Staaten immer tiefer und tiefer.
In eine Menge kleiner Republiken zersplittert, welche keinen
innerlichen Zusammenhang als Haltepunkt besaßen, glich das Land einem zerrissenen Körper,
und wurde so mit leichter Mühe die Beute seines
mächtigen Nachbars, des Königreiches Makedonien.
Werfen wir schließlich noch einen Blick auf die Kultur der Grie chen,
namentlich
auf die Leistungen derselben
in Wissenschaft und
Kunst. Unter den Denkern
(Philosophen) Griechenlands ragen besonders
Pythagoras, Sokrates, Plato und Aristoteles hervor.
Philo
sophen d. h. Freunde der Weisheit sind Männer, welche über das Wesen,
die Bestimmung, den Grund der Dinge nachdenken; der Trieb nach Er kenntniß, der Trieb nach Wahrheit ist die Mutter der Philosophie.
Die
Philosophen bilden in gewisser Hinsicht einen Gegensatz zu den Priestern, welche den Gottglauben in der..Weise schützen und pflegen, wie er ihnen
gelehrt und übermacht worden ist; unabhängig
von
denn
sie nehmen sich die Freiheit,
der Religion der Priester zu
denken und zu lehren.
Da jeder Mensch seinen eigenthümlichen Gedankengang hat,
so ist es
natürlich, daß auch verschiedene philosophische Ansichten zu Tage kom men, die alle ihre Anhänger
finden;
diese
zusammengenommen bilden
eine philosophische Secte oder Schule.
ES kann nicht unsere Absicht sein, die verschiedenen philosophischen
Schulen unter den Griechen näher, kennen zu lernen, aber mit einigen
charakteristischen Lehren derselben wollen wir uns dennoch bekannt machen, weil sie beweisen, bis zu welcher Höhe sittlicherWeltanschauung sich das Grie chenvolk in seinen edelsten Gliedern erhoben hat, wie nahe die griechische
Die Grieche».
95
WeltweiShcit an das Christenthum gränzte, dadurch auf dieses vorberei tete und zu dessen Verbreitung wesentlich beitrug.
Die pythagoräische Schule erkannte die Einheit Gottes. Die erste Regel des Bundes, welcher die Schüler des Meisters verband, war die
Reinheit des Körpers und der Seele und die strengste Mäßigkeit.
Selbst
ihre Kleidung, aus blendend Weiße Linnen bestehend, mußte als äußeres Symbol derselben dienen.
Die Eingeweihten wohnten in einem Hause
beisammen, in welchem die höchste Ordnung und Stille herrschte.
„Bist du deg Morgens erwacht vom erquickenden Schlaf, so bedenke Alsobald und mit Ernst daS, was du zu thun hast des Tages." Und am Abend heißt cs:
„Eher schließe dir nicht der Schlaf die sinkenden Augen, BIS du dreimal durchdacht hast all' deine Werke des TageS;
Eher nicht, bis du gefragt, wie weit du heute gekonnnen,
Was bis gethan und was du Göttliches noch unterlassen!" Musik war den Pythagoräcrn heilig; ebenso daS-Gebot der Freund schaft. Sonst glaubten sie an eine Wanderung der menschlichen Seele durch verschiedene Körper, wie die Aegypter. — Pythagoras selbst war auch
ein vorzüglicher Mathematiker.
Von ihm rührt der wichtige pythago
In einem rechtwinklichen Dreieck ist das Quadrat
räische Lehrsatz her:
der Hypothenuse eben so groß, wie die beiden Kathetenquadrate zusammengenommen, über deren Auffindung er eine so große Freude hatte,daß erdenGöt-
tern eine Hekatombe d. i. ein Opfer von hundert Stieren, darbrachte. SokrateS, ein Athener, der um 400 v. Chr. lebte, ist vielleicht
der größte griechische Weltweise.
Schon frühzeitig lernte er einsehen,
daß eS höhere Güter gäbe, als irdischen Glanz und sinnliches Vergnü gen, und er wandte sich daher den Ursprung der Welt, Seele zu.
Durch
das Wesen
tiefsinnigen Forschungen
der Gottheit,
ernstes Nachdenken bildete
und
über
den
der
menschlichen
sich in ihm
der Glaube
an einen Gott, an die Unsterblichkeit der Seele und an eine Verge bung nach dem Tode.
wandel und
Dabei forderte er einen streng sittlichen Lebens
strebte darnach,
besten ersehen wir dies aus
seine Mitbürger sittlich zu heben. seinen
eigenen Worten,
Am
deren wir einige
anführen wollen.
„Von dem, was die Seele in diesem Leben weiß und vermag, ist das Höchste die Erkenntniß unser Dasein verdanken.
und die Anbetung
der Gottheit,
der wir
Wie wir unsere eigenen und fremden Seelen nicht
sehen, wohl aber ihr Dasein an ihren Wirkungen wahrnehmen, so kön nen ivir Gott nicht mit den leiblichen Augen sehen, wohl aber ihn aus
seinen Worten erkennen.
96
Die Griechen.
„Wenn man zu den Göttern betet, soll man ihnen nicht vorschrei ben, waS man wünsche, sondern sie nur um das Gute bitten; die Göt ter wissen am besten, WaS uns gut ist.
Auch kommt es bei den Opfern
nicht auf die Kostbarkeit derselben, sondern auf die Gesinnung allein an, mit der wir das Opfer darbringen; der beste Gottesdienst ist aber ein
frommer und rechtschaffener Lebenswandel."
„Wenn schon der Leib ein bewunderungswürdiges Werk Gottes ist,
Ivie vielmehr müssen wir über die Seele staunen, welcher der Leib als Wohnung daher,
Sie
dient!
wie Alles,
setzt den Leib in Bewegung und der Leib ist
was durch eine andere Kraft in Bewegung gesetzt
werden muß, endlich und vergänglich.
Die Seele aber, die sich durch
eigene Kraft bewegt und den Grund ihres Lebens d. h. ihrer Thätigkeit
in sich trägt, wird auch nie aufhören, sich zu bewegen, wird unsterblich
fortleben und ewig sein."
„In diesem Leben ist zwar^die Erkenntniß der Seele schwach, denn sie wird beständig von dem Leibe, mit dem sie enge verbunden ist, zur
Erde herabgezogen und kann das volle göttliche Licht der Wahrheit gar nicht vertragen.
Wenn wir aber einmal frei von den Fesseln dieser Hülle
emporschweben,
dann werden wir das Licht und die Wahrheit selbst
schauen und das gegenwärtige Leben wird uns in der Erinnerung als
ein dunkler Zustand erscheinen, in den wir unS niemals wiederzukehren wünschen." „In jedem einzelnen Menschen wohnt ein doppelter Wille:
vernünftiger und ein sinnlicher.
ein
Diese sich entgegengesetzten Willens
kräfte streiten beständig miteinander; wo nun in einer Menschenseele die
Vernünftigkeit den Sieg davon trägt, da entsteht diejenige vernunftge mäße Lebensweise, die wir Tugend nennen.
Um aber dem vernünftigen
Willen diesen Sieg zu verschaffen, brauchen wir Einsicht und Wissen
d. h. nicht Gelehrsamkeit, sondern ein Wissen, welches Jedem zu seinem
besonderen Berufe und zum Heil unserer Seele nothwendig ist.
Die
meisten Menschen aber leben wie im Traume, so daß sie nicht wissen,
waS sie thun; sie fassen nur gewisse Meinungen, und kommen nicht bis zur vernünftigen Einsicht. Darum giebt es zweierlei Menschen: sinn liche und vernünftige. Jene galten sich nur an die sinnlichen Güter des
Lebens; weil aber diese nicht von uns selbst abhängen,
sondern uns
genommen werden können, und, wie alles Sinnliche, vergänglich sind, so kann ihre Glückseligkeit nicht dauerhaft sein; die Vernünftigen hinge gen streben nach Tugend und Wahrheit, die sich jeder Mensch erwerben kann, die, einmal erworben,
nicht wieder verloren gehen, und darum
haben sie das wahre und höchste Gut erwählt.
Die Griechen.
97
Von solchen Ansichten und Grundsätzen ward daS Leben des So krates getragen.
Er bildete nicht, wie die Philosophen nach ihm, eine
abgesonderte Schule,
oder
einen geschlossenen Kreis
von Jünglingen,
sondern suchte sich vielmehr allen seinen Mitbürgern durch gelegentliche populäre und anziehende Unterredungen zu nützen.
So besuchte er die
Werkstätten der Handwerker und fing mit jedem ein Gespräch an, um ihn zur Selbsterkenntniß zu bringen, falsche Begriffe zu verbessern, Tu
gend und Wahrheit zu lehren,
und Selbstüberschätzung zu beschämen.
Wie vortrefflich er es verstand, „Menschen zu fangen", lehren folgende Beispiele.
Sokrates wünschte den Lenophon, einen schönen Jüngling von vor trefflichen Geistesgaben, in seinen Umgang zu ziehen.
Jüngling blieb stehen.
Einst begegnete
einen Stock vor.
er ihm in einer engen Gasse und hielt ihm
Der
„Sage mir doch," begann Sokrates, „wo kauft
man Mehl?" — „Auf dem Markte," war die Antwort. — „Und Oel?" — „Ebenda." — „Aber wo geht man hin, weise und gut zu werden?"
— Der Jüngling
„Folge mir,"
schwieg
sprach der Weise,
und
eine
Antwort.
„ich will es dir sagen!"
Seitdem
sann auf
schlossen die Beiden eine innige Freundschaft und Xenophon ward ein Mann,
der sich nachmals nicht nur
sondern auch
durch Tugend
als Feldherr und Schriftsteller,
und Frömmigkeit bei seinen Zeitgenossen
und bei der Nachwelt in hohe Achtung setzte. Auf die leichteste und einfachste Weise verstand es der weise Mann,
auch die Wahrheit seinen Schülern
So be
einleuchtend zu machen.
lehrte er den jungen Alkibiades, als dieser große Schüchternheit verrieth, künftig vor dem Volke als Redner aufzutreten, folgender Art:
„Wür
dest du dich wohl fürchten, vor einem Schuster zu reden?" — „O nein!" — „Oder könnte dich ein Kupferschmied verlegen machen?" — „Ge wiß nicht!" — „Aber vor einem Kaufmann würdest Du erschrecken?"
— „Eben so wenig!" — „Nun siehe" — fuhr er fort — „aus sol chen Leuten besteht das ganze athenische Volk.
Du fürchtest die Ein
zelnen nicht, warum wolltest du sie versammelt fürchten?"
Seinen Unterricht gab Sokrates
stets
unentgeltlich.
Der junge
Aeschines wünschte sehr, ein Schüler des Sokrates zu werden, scheute sich aber, zu ihm zu gehen, weil er arm war.
Wunsch merkte, fragte ihn:
Sokrates,
der seinen
„Warum scheuest du dich vor mir?" —
„Weil ich nichts habe, das ich dir geben könnte!" — „Ei," erwiderte
Sokrates, „schätzest du dich selbst so gering?
Giebst du mir nicht sehr
viel, wenn dn dich selbst mir giebst?"
Aus dem vorhin Mitgetheilten geht zur Genüge hervor, daß SoKutzner Geschichte. I. 7
Die Griechen.
98
kratcs über die Vorstellungen der griechischen Götterwelt weit hinausgeschritten war.
So sehr er und seine Schüler aber auch den Glauben
des Volks schonten, konnte er doch dem Volkshasse nicht entgehen.
wurde als Verächter der Götter angeklagt und
Er
von den Richtern zum
Seine Freunde
konnten sich gar
nicht in das Schicksal ihres geliebten Lehrers finden.
Einer derselben
Trinken des Giftbechers verurtheilt.
hatte daher den Gefängnißwärter gewonnen und dieser ließ des Abends
Für einen sichern Aufenthalt
die Thür des Gefängnisses unverschlossen.
und ein ehrenvolles Leben war bereits gesorgt; Thessalien war das Ziel einer gefahrlosen Flucht.
Als aber Kriton
znm Sokrates
eintrat und
mit aller Beredsamkeit ihn zur Flucht ermunterte, antwortete der Weise: „Lieber Kriton, sind wir nicht einverstanden, daß man in keinem Falle
Haben wir nicht das für wahr er
Unrecht mit Unrecht vergelten soll?
kannt, daß die erste Bürgerpflicht darin bestehe, den Gesetzen zu gehor Ich habe so lange unter den Gesetzen meiner Vaterstadt gelebt
chen?
und ihre Wohlthaten genossen, warum sollte ich jetzt, da einige Menschen
sie zu meinem Verderben mißbrauchen, mich ihnen entziehen?" Als er von seinem Weibe und seinen drei Kindern Abschied genom men hatte, neigte sich die Sonne zum Untergange, und der Gerichts
diener trat zu ihm in's Gefängniß, den vollen Giftbecher in der Hand. „Sage mir doch, wie habe ich mich zu verhalten?" fragte er den Die
„Du mußt" — erwiderte dieser — „nach dem Trinken auf- und
ner.
abgehen,
dann legst du dich nieder."
bis dich eine Müdigkeit befällt;
Und mit heiterer Miene nahm Sokrates den Becher, betete noch zu den Göttern, setzte ihn an den Mund und leerte ihn in einem Zuge.
fingen seine Freunde laut zu weinen an.
„Still doch!" sagte Sokrates,
„darum habe ich die Weiber fortgeschickt."
dann legte er sich nieder.
Das Gift fing
wurden schon kalt und die Glieder steif. seine Jünger umher.
Plötzlich
Da
Jetzt ging er auf und ab, an zu
wirken,
seine Füße
In trauriger Stille standen
schlug er seine Augen auf und sprach:
„Ich bin gewesen, nun opfert dem Aeskulap*) ein Dankopfer!"
Nach
diesen Worten verschied er. So
starb der
edle Sokrates
unschuldig im Jahre 399 v. Chr.
Erst nach seinem Tode sahen die Athener ihr Unrecht ein und da reucte
es sie.
Aber die Reue kam zu spät.
Antisthenes,
ein Schüler des Sokrates, baute den Satz seines
Meisters: „Nichts bedürfen ist göttlich, und wer am Wenigsten bedarf,
•)
Die Griechen pflegten dem AeSkulap, dem Schutzgott der ^Aerzte, nach glück
lich überstandener Krankheit einen Hahn zu opfern.
99
Die Griechen.
steht der Gottheit am nächsten," weiter aus.
Zeno (um 300) vervoll
kommnete diese Lehre noch weiter und wurde der Stifter der stoischen Schule (Stoa, ein Säulengang in Athen), welche die Tugend für das
einzige Gut erklärte, wissenheit und Laster.
kein Uebel zu kennen behauptete,
und
Gleichgültigkeit gegen die Wechselfälle des Lebens
pflichten der Stoiker.
als Un
Naturgemäßes Leben, strenge Tugendübung und
waren die Haupt
Die größten Männer des Alterthums bekannten
sich zu dieser erhabenen Sekte. Plato, der um 386 v. Chr. Geb. lebte,
Sokrates fortzupflauzcn.
Er
sittliche Wahrheit mit der
die
erfaßte
des
suchte die Lehre
Phantasie und dem Gefühl, lehrte und verfolgte Ideale (Hochbilder) und
gelangte dadurch nicht selten zu einer Schwärmerei, wodurch sein Name noch heutigen Tages sprichwörtlich gebraucht wird, wenn man Etwas
bezeichnen will, was sich aus dem Kreise der Wirklichkeit in das Ge
dachte,
Ueberschwengliche
verliert.
Wie Sokrates glaubte Plato
au
einen Gott. „Dieser einzige Gott," sagte er, „hat den Stoff, aus dem alles Sichtbare besteht
und
der
vor dem Anfänge
aller Dinge im wüsten
Chaos durcheinander wogte, zur Welt gemacht, indem er in die Mitte
des gesammten Stoffes eine denkende Seele, die Weltseele, setzte, welche
von dem Mittelpunkte aus nach allen Seiten wirkt.
Außer den Göt
tern erschuf der einzige Gott auch Menschenseelen von demselben Stoffe, wie die Weltseele ihn hat, und bekleidete sie mit irdischen Leibern, so
daß Sterbliches und Unsterbliches in einem Wesen vereinigt ist.
Aber
diese Menschenseele besteht aus zwei Theilen, dem reingeistigen und dem
sinnlichen Vermögen; jenes folgt der Vernunft, dieses der Begierde und Empfindung,
und unsre Aufgabe im irdischen Leben ist eö,
daß die
Vernunft in uns herrscht und die Sinnlichkeit ihr dient." Wie Sokrates lehrte er,
Philosophie die Veredlung
daß der
wahre und höchste Zweck der
des Menschen sei.
Er versammelte
seine
Zuhörer in einem Landgute bei Athen, das nach dem früheren Eigen thümer desselben, AkademoS, die Akademie hieß.
In unserer Zeit be
zeichnet man in Beziehung hierauf die Studien
auf den Universitäten
mit dem Namen akademische Studien; auch nennt man gewisse höhere
Lehr-, namentlich Kunstanstalten, Akademien. Aristoteles (um 350) war ein Zeitgenosse Md Lehrer Alexan
ders des Großen.
Bald nach Alexanders Geburt schrieb
sein Vater
Philipp an Aristoteles einen Brief, der uns am besten das Ansehn er
messen läßt, welches dieser Weise genoß. donien dem Aristoteles seinen Gruß.
„König Philipp von Make
Wisse, daß mir ein Sohn gebo7*
100 ren worden.
gegeben,
Ich danke den Göttern,
daß
als
werden lassen.
sie ihn
zur Zeit
daß sie mir ihn
sowohl,
nicht
Aristoteles
des
haben
geboren
Ich hoffe, du werdest einen König aus ihm bilden, wür
dig mir zu folgen und den Makedoniern zu gebieten." — Dieser Den ker war fast in allen Wissenschaften zu Hause und schuf daher geord
Besonders lag er der Staats- und Naturwissenschaft
nete Lehrgebäude. ob.
In letzterem Gebiete lehrte er unter Anderem:
„Es giebt drei
Arten von Stoffen: beweglich-vergängliche, wie die Thiere; beweglich ewige, wie der Himmel; und unbeweglich-ewige.
Diese letztern, an sich
unbeweglich und unvergänglich, sind die Quelle und der Ursprung aller ihnen muß es ein erstes, sich immer gleiches Wesen
Unter
Bewegung.
geben, das da wirkt, bedürfen.
Alles,
ohne zu
was ist,
Einsicht — Gott.
seinem Wirken eines andern Wesens zu
kommt von ihm,
Dieses Wesen,
glücklich
es ist die
vollkommenste
durch sich selbst,
regiert
unmittelbar nur den Himmel, den sich Aristoteles von vollkommener und
göttlicherer Art dachte,
als die
übrigen Körper.
Die Sterne,
gleich
dem Himmel, Wesen von höherer Art, aber von gröberem Stoffe, wer
den von andern körperlosen Substanzen bewegt, die der Volksglaube als Götter verehrt und wider
ihre Natur mit Körpern
umkleidet."
Im
Mittelpunkt des Himmels steht die Erde, rund und unbeweglich. Seine
Vorträge hielt Aristoteles im Haine des Gymnasiums Lyceum in Athen.
Daher kommt es, daß man manchen höhern Lehranstalten den Namen Lyceum gegeben hat.*)
Wie in der Philosophie, so haben die Griechen auch in der Ge schichtschreibung Großes
geleistet.
Vor allen ragt Herodot (nm
440 v. Chr.) hervor, der „Vater der Geschichte."
Als
derselbe einst
auf dem großen Nationalfeste in Olympia seine Bücher, den Sieg der Griechen über die Perser schildernd, vortrug, da vergoß ein edler Jüng
ling heiße Thränen und sein Genlüth
entflammte zu
die Geschichten seines Vaterlandes zu schreiben.
dem Entschlüsse,
Es war Thukydides.
Er beschrieb den peloponnesischen Krieg, dessen Augenzeuge er war, in einer bis heut noch als Muster geltenden Weise.
beginnt erst
*)
die
von Sagen und Fabeln
Mit diesem Manne
gereinigte wahre Geschichte.
Andere Philosophen kamen im Gegensatz zu den vorgenannten auf gefährliche
Irrthümer.
So erklärte Aristipp, ein Schüler des Sokrates, das Vergnügen für
das letzte Ziel des menschlichen Lebens.
Epi kur (270 v. Chr.) meinte, die sinnliche
Lust sei der Zweck alles Leben», und damit keine höhere Gewalt mehr schrecke, lehrte er, c» gebe keinen Gott, Alle» sei nur Werk de» Zufalls; durch einen zufälligen Zusamnienstvß von Atomen sei die Welt entstanden, die menschliche Seele zerstiebe bei dem Tode
durch Wiederauflösung in diese Atome.
101
Die Griechen.
Nicht minder berühmt ist der schon genannte -kenophon, der sich be
sonders durch einen musterhaften Vortrag auszeichnete. Der Trieb, das Schöne darzustcllen, gebar die Kunst, die int Alter
thum ihre edelsten Blüthen ebenfalls in Griechenland fand.
Die Kunst ist
nach den Mitteln, deren sich die schaffende Phantasie zur Darstellung
des Schönen bedient,
verschiedener Art;
bedient sie
sich des Steines
oder Holzes, die sie nach Urbildern der Schönheit umgestaltet und zu sammenfügt,
so tritt sie als Baukunst (Architektur) und
hauerkunst (Sculptur) auf;
bedient sie sich
als Bild
der Linien und Farben,
so erscheint sie als Zeichenkunst und Malerei; bedient sie sich der Töne,
so
schafft sie Musik,
ist
und
die Sprache das Mittel ihrer
Darstellung, so entsteht die Dichtkunst (Poesie).
Man unterscheidet
demnach b i l d e n d e K ü n st e (Architektur, Plastik, Malerei), T o n k u n st (Ge
sang und Musik) und redende Künste (Dichtung und Schauspiel).
In allen diesen Zweigen der Kunst finden wir Meister unter den
Griechen.
Die Baukunst wurde zwar schon bei allen alten Völkern
gepflegt, sand aber nirgends die Vollendung, wie in Griechenland.
bylonier,
Perser,
Aegypter
Fürsten prächtige Wohnsitze,
bauten auch
Ba
ihren Göttern Tempel und ihren
wendete
man
meistens Säulen bei
den Bauten an; aber es fehlte diesen die Schönheit der Form, die aus einer zweckmäßigen Zusammensetzung aller Theile, aus einem richtigen
Verhältnisse dieser Theile, aus der Genauigkeit der Bearbeitung und aus der schicklichen Anbringung der Verzierungen entsteht.
Dieses zu ent
decken, war den Griechen Vorbehalten, welche nach und nach hierin die größte Vollkommenheit erreichten und ihren Säulen die schönsten Fornteir gaben, die nachher durch keine Andern übertroffen wurden, und die noch bis jetzt bei allen gebildeten Völkern angenommen und nachgeahmt
werden.
Da eö bei der republikanischen Einfachheit der Griechen keine Pa
läste gab, so zeichnet sich ihre Architektur besonders durch den Tempelbau aus, von dem alle übrige öffentliche Gebäude, als Theater, Gym
nasien,
Akademien,
Gallerien. rc. ihre Formen
entlehnten.
chische Tempel ist aber wesentlich ein Säulenhaus.
tigen,
aus
großen Steinblöcken fest und
Der grie
Auf einem mäch
sorgfältig gefügten Unterbaue
von drei oder mehreren Stufen thront der Tempel als Rechteck, dessen
längere Seiten etwa das Doppelte der schmälern messen.
Ist er schon
seiner Lage nach abgeschieden von gemeinen Umgebungen, so heben ihn
die mächtigen Stufenschichten noch mehr
über
das
laute Treiben des
Tages empor und trage,: ihn dem Himmel entgegen, gleich wie ein hei
liges Weihgeschenk.
Ringsum oder bloß vorn oder an beiden Schmal-
102
Die Griechen.
feiten bezeichnet
die
die Bedeutung
Säulenreihe
des Tempels.
Sie
stützt das aus mächtigen Steinblöcken zusammengesetzte Gebälk, und durch
dieses das steinerne Giebeldach mit seinen Bildwerken.
Säulenhalle wird aus Steinbalkev gebildet,
Die Decke der
welche einerseits auf dem
Gebälk der Säulen, andererseits auf der Mauer des Tempelhauses auf liegen.
Die Zwischenfelder sind mit dünnen, steinernen Platten ausge dagegen ist in der Mitte
Fenster finden sich im Tempel nicht;
füllt.
der vordem Flügelseite eine mächtige von Säulen nicht verdeckte Flügel thür.
Im finstern Tempelraum steht das Götterbild, heiliges Geräth rc.
Dieses Heiligste des Tempels ist demnach eben nicht ausgezeichnet: eine
kahle, nackte Mauermasse ohne Oeffnung, Unterbrechung und Verzierung.
Um so schöner ist die Säulenhalle um den Tempel. Eine Säule besteht
(Stamm) und Kapital.
aus
drei Theilen, Basis (Fuß), Schaft
Das Gebälk besteht aus dem Architrav,
das sind mächtige Steinbalken,
die
von einer Kapitalmitte zur andern
reichen und die Säulenreihe zu einem Ganzen verbinden.
chitrav
Auf dem Ar
ruht der Fries, dessen Vorderfläche mit Bildwerken in Relief
geschmückt ist.
Dieser trägt nach außen die weit vortretende Platte des
Hauptgesimses, nach innen die Steinbalken der Hallendecke.
Das Ge
sims, welches auf den Langseiten die horizontale Dachtraufe bildet, steigt
an den Schmalseiten
giebelartig
auf und
schließt ein dreieckiges Feld
ein, in welches Bildsäulen gestellt sind. Der griechische Säulenbau schreibt sich offenbar aus der Holzbau
kunst her, die man später mit dem Steinbau, vorzugsweise aus Mar mor, vertauschte.
Aus
dem
Baumstamme
entstand
Den Gedanken zum Kapital gab der obere Theil
der Säulenschaft. des Baumstammes,
der da, wo die abgehauenen Aeste gestanden und sich auszubreiten an gefangen hatten, dicker und ausgeschwollener war, als unmittelbar dar
unter.
Die Basis fand ihren Ursprung in dem untern dickern Theile
des Baumstammes,
und die Plinte (Tafel),
worauf man die Säule
häufig stellte, war ursprünglich ein dem Stamme untergelegter Stein.
Obschon die Grundform des Tempels feststehend ist,
so
bestehen
dennoch Abweichungen im Einzelnen, namentlich in dem Bau der Säu
lenhallen.
Man nimmt danach einen dorischen und einen jonischen
Styl an, aus denen dann als eine Ableitung die korinthische Form hervorging.*)
Ernst, würdig und feierlich, wie der Charakter der Dorer, ist das
Wesen des dorischen Styls.
*) Hierher die Abbildung. —
In dichtgedrängten Reihen steigen vom
Die Griechen. Unterbau zum Architrav
103
mächtige Säulen ohne Basis und mit run
dem kannelirtcn Schafte (von zwanzig flachen Vertiefungen, die in schar
fer Kante aneinanderstoßen)
kühn in die Höhe.
Der Schaft schwillt
um ein Geringes an, und verjüngt sich dann wieder allmählig.
Das
Kapital besteht aus einem Wulst (Echinus) mit darüber liegender vier eckiger Platte (Abakus).
Auf dieser Platte ruht der Architrav.
Der
Fries ist durch viereckige kannelirte Steinplatten (Triglyphen) mit Tropfen darunter
Im dorischen Styl ließ
und durch Skulpturen geschmückt.
Perikles die Propyläen zu Athen (das Sänlenthor zur Akropolis d. i. Burg)
bauen;
das
Thor
Brandenburger
Berlin
in
ist
eine
kleine
Nachahmung davon. Die jonische Säulenart zeichnet Leichtigkeit aus.
stehend,
besitzen
Die
Säule»,
eine Basis,
in
der
durch
sich
mehr Feinheit und
Abstande
weiterem
von
einander
kannelirte Schaft ist von leichterer,
schlankerer Gestalt mit leiserer Anschwellung und mäßigerer Verjüngung.
Zwischen den
ausgchöhlten Kanülen
ist
ein
breiterer Steg
Am Kapital stellt sich der Wulst als Eierstab
dar
gelassen.
und die Platte ge
staltet sich zu beiden Seiten in Schnecken (Voluten), die sich spiralför
mig zusammenziehen und zuletzt in einem Auge enden.
Der FrieS ist
mit Skulpturen geschmückt ohne Triglyphen. Der korinthische Styl ist eine Abart und Mischung des dori schen und jonischen.
Die korinthische Säule ist am schlankesten und vor
zugsweise durch das Kapital charakterisirt, an welchem sich eine freiere,
reichere,
pflanzenartige Gestaltung
zeigt.
Ein
von Bärenklanblättern
umstandener Block mag die Idee zu diesem prächtigen Kapital gegeben
haben.
Acht Blätter dieses Gewächses (Akanthusblätter genannt) bilden
den untersten Kreis; aus ihren Zwischenräumen erhebt sich eine zweite
ähnlich gestaltete, aber höhere Blattreihe.
Zwischen den obern Blättern
steigt je ein Blumenstengel auf, welcher, von zarten Deckblättern einge faßt, sich theilt, um mit dem einen, schwächer» Stengel, sich nach der
Mitte der Platte (Abakus) emporzuwinden, während der andere zu einer kräftigen Volute (Schnecke) anschwillt.
So treffen auf den Ecken stets
je zwei Voluten der benachbarten Kapitalseiten zusammen, wodurch der Uebergang aus dem Runden in's Viereck vollkommen wird.
Wie viel vollkommener sind nicht die griechischen Bauten gegen die
der andern Völker des Alterthums!
Unterirdisch, in harte Felsengebirge
sich meilenweit hincinbohrend, bauten, wie wir später noch ausführlicher
hören werden, die alten Indier ihre Grottentempel mit niedrigen Säu len, deren Schäfte ausgeschweift sind; über die Erde hinaufragend schu
fen sie die Außenseite von Felsriesen
zu
architektonischen Denkmälern
104
Die Griechen.
um, oder legten auch eigentliche Gebäude, Pagoden, in Pyramidenform
an, wodurch Gewölbe und Säulen ausgeschlossen wurden.
Thurmhohe
Königsburgen, auf der Grundlage weiter Bodenflächen und pyramiden
ähnlich,
in vielen Stockwerken sich zuspitzend,
daß auf der
jedoch so,
obersten Fläche die umfangreiche Hofburg mit Nebengebäuden, Gärten immer noch hinreichend Platz hatte, führten die Babylonier in die Luft.
Umgekehrt dehnten die alten Aegypter ihre heiligen Bauwerke ganz in
die Breite auf gerader Ebene aus, so daß ein Hofraum, ein Säulen saal immer neben dem andern lag,
lange Alleen mit
man durch
und
steinernen Sphinxen und Widdern auf beiden Seiten, oder durch kolos sale Thore aus einem Raum in den andern gelangte,
bis endlich das
kleine dunkle Götzenhaus mit der häßlichen Fratze des vielköpfigen Got tes selbst, dem steifen Zuge der Priesterprozessionen (denn für diese wa
ren die weitläuftigen Heiligthümer bestimmt) ein Ziel setzte. anders in Ebenmaaß und Schönheit
Wie ganz
erscheint dagegen ein griechischer
Tempel, der noch heut in unsern Hauptwachen, Theatern und Museen
in mehr oder weniger veränderter Form fortbesteht,! Wie in der Baukunst, so leisteten die Griechen auch in der Bild hauerkunst das Vollendetste.
Aus Marmor gehauene Reliefs schmück
ten Tempel, öffentliche Plätze und Gärten.
Ihren Höhepunkt erreichte
diese Kunst in Phidias, einem Zeitgenossen des Perikles. fertigte die sechszig Fuß hohe Statue des Jupiter in Olympia.
Er ver Nach
dem er dieselbe vollendet hatte, betrachtete er sie lange staunend; endlich überwältigte ihn die Größe der Gottheit in diesem Steine so, daß er
Unsere Museen zeigen in den vorzugsweise so ge
anbetend niederfiel.
nannten Antiken Reste dieses Zweiges der hellenischen Kunst, in welchem
sie für alle Zeiten als Muster dienen dürften. In der Malerei brachten es die Griechen zuerst zu einer wirk
lichen Knnstleistung.
Ein Bruder des Bildhauers Phidias malte schon
ein Gemälde von der Schlacht bei Marathon; doch kannten die Grie
chen damals nur Roth,
Gelb,
erst
Weiß
die vier -von Aegypten hergekommenen Farben: und
Schwarz.
Hatte
man sich
Schwamms zum Aufträgen der Farben bedient, den Pinsel.
eines
des
Nicht lange währte es, und die Malerei erreichte unter
den Griechen einen hohen Grad von Vollkommenheit. den
Anfangs
so nahm man später
ZeuxiS,
Apelles,
Parrhasius,
Unter den Hän
welche Zeitgenossen
Alexanders des Großen waren, entstanden Gemälde, worin die Natur so treu nachgebildet war,
daß Menschen
und Thiere davon
getäuscht
wmden. In der Tonkunst oder Musik
brachten
eS
die Griechen nicht
105
Die Griechen.
Nur in eintöniger Melodie be
über die Stufen der Kindheit hinaus.
wegten sich die Weisen der Alten;
das harmonische Zusammenklingen
Die Griechen
mehrerer Stimmen und Instrumente kannte man nicht.
daß sie besonders
zeigten nur darin einen Fortschritt,
bemüht waren,
mit nicht geräuschvoller aber wohlklingender Musik die zarten Gefühle
in der menschlichen Seele zu beleben, während die andern Völker des Alterthums mehr auf ein musikalisches Geräusch, mehr auf Betäubung
der feinern Gefühle mit der Musik bedacht waren.
Die Gesänge ihrer
Dichter sangen die Griechen in Begleitung der Lyra, eines Instruments
mit sieben Saiten;
mit
wohlklingenden
Akkorden begleitete man
die
Melodien. Hoch erhaben stehen die Griechen in der Dichtkunst da, diesem
edelsten Zweige der Literatur,
d. i.
des Inbegriffs aller Schriftwerke
Die Poesie selbst tritt wieder in verschiedenen Gestalten
einer Nation.
auf, von denen jede bei den Griechen eifrige Pflege fand.
Dichter
seine
eigene innere Welt in
seine Klagen oder Freuden,
Bringt der
seinen Hoffnungen, Wünschen,
seine Betrachtungen
oder Entschlüsse
znr
Darstellnng, so heißt sein Geistesproduct lyrische Poesie, so genannt von der Lyra,
zu
deren Begleitung
mau derartige Poesien zu singen
pflegte; das Lied, die Ode, die Elegie, der Psalm und das Sonett ge
hören hierher.
Stellt der Dichter nicht seine eigene, innere Welt, son
dern die äußere, ihn in der Natur und Menschheit umgebende dar, be schreibt, schildert, erzählter, dann schafft er eine epische Poesie; Arten derselben sind das Epos (Heldengedicht), die Romanze und Ballade, das
Idyll,
das Märchen,
der Roman,
die Beschreibung.
Verbindet
der
Dichter mit seinen Darstellungen der innern und äußern Welt noch den Zweck der Belehrung, so entsteht die didaktische Poesie; dahin ge
hört das Lehrgedicht, die Fabel, die Parabel, die Satyre, das Räthsel. Stellt uns endlich der Dichter die äußere Welt nicht erzählend und be schreibend,
Poesie,
sondern
handelnd vor,
wozu das Schauspiel,
so erhalten wir die dramatische
Lustspiel und Trauerspiel (Tragödie)
gehören.
Schon die Juden leisteten in einigen Zweigen der Poesie Ausge zeichnetes.
Der
Athem ihrer
Poesie
war fromme Andacht,
wie die
Psalmen des A. T., in denen die heilige Poesie ein erhabenes Vorbild
und einen Nährenden Quell besitzt, beweisen. Meister in
dieser Kunst.
David und Assaph waren
Salomo und Jesus Sirach
stehen
dagegen
als unübertroffene Meister in Spruch- und Lehrgedichten da. — Weit
vielseitiger stellt sich aber die Poesie der Griechen dar.
Da treten uns
zunächst die schon genannten Heldengedichte, die Jliade und die Odyssee
106
Die Griechen.
entgegen, als deren Schöpfer gewöhnlich Homer genannt wird, obwohl
es richtiger ist,
sie
mehrerer von verschiedenen
als eine Sammlung
Volksdichtern herstammender Sagen aus der früheren griechischen Ge
schichte anzusehcn, weßhalb man sie auch ein Nationalepos nennt, mit
welchem Namen man ein Heldengedicht bezeichnet, das gleichsam durch ein ganzes dichtendes Volk entstanden ist. Unter den lyrischen Dichtern war Pindar (um 500 v. Chr.) der
vorzüglichste.
Von Arion, einem andern
lyrischen Dichter,
600 v. Chr. lebte, hat sich eine interessante Sage erhalten.
der um
Der Sän
ger reiste einst von Korinth nach Sicilien, wo er sich mit seiner Kunst
viele Schätze erwarb.
Auf der Rückreise wollten ihn daher die Schif
fer ermorden, um sich seiner Reichthümer zu bemächtigen.
sprach ihnen das Geld,
sie
wenn
ihm
das Leben
Arion ver
ließen;
allein die
Schiffer, welche später Rache fürchteten, stellten ihm die Wahl, entwe
der in's Meer zu springen, oder sich selbst auf dem Schiffe zu ermor
den.
Arion wählte das Erstere
und
nachdem er im vollen Sänger
ornate, auf dem Stuhl des Mastbaumcs stehend, noch ein Lied gesun gen hatte, sprang er in die See.
Aber plötzlich erschien ein Delphin,
nahm den Sänger auf seinen Rücken, und ruderte
so
mit ihm an die
griechische Küste, von wo Arion wohlgemnth nach Korinth wanderte. Das Erhabenste leisteten die Griechen in der dramatischen Poesie.
Die Anfänge des Drama's fallen in die Zeit der Pcrserkriege und wa
ren lyrische Chorgesänge bei den Bacchusfcsten.
Zur Zeit Solons ließ
Thespis zuerst zwischen den Gesängen einen recitirenden Schauspieler Auftreten; er gilt daher für den Erfinder des Drama's.
Die größten
dramatischen Dichter waren Sophokles und Euripides (um 450),
die in ihren Tragödien Muster aller Zeiten geworden sind. spiele
waren Aristophanes
und Men an der die
Im Lust
größten Meister;
Verspottung namentlich aufgeführter, und getreu in ihrem Aeußern nach
geahmter einflußreicher Männer,
sowie
satyrische Beurtheilung
öffent
licher Verhältnisse und Ereignisse war das Ziel, das sie verfolgten. — Das griechische Theater hatte jedoch eine ganz andere Einrichtung 'als das unsere.
Die Vorstellung fand am Tage in einem ungedeckten Raume
statt; von einer Verwandlung der Scene war keine Rede, sondern der
für die Handlung bestimmte Raum blieb stets derselbe. Der kurze Zeitraum der Blüthe der hellenischen Poesie war vom Ende der Perserkriege bis zum Untergange der Freiheit durch die Ma
kedonier (450—350 v. Chr.); Beweis genug, daß die Poesie nur bei freien und glücklichen Völkern gedeihen kann.
Dasselbe gilt auch von der
Beredtsamkeit, worin Griechenland ebenfalls mustergültig geworden
107
Die Griechen.
ist.
Perikles zeichnete sich unter Andern besonders in dieser Kunst
Der größte griechische Redner,
aus.
Kunst und
trat auf,
Demosthenes,
erhabensten
Wissenschaft die
als
hervorgebracht
Schöpfungen
hatten und als der Makedonier Philipp der Freiheit Griechenlands den
Todesstoß gab.
Mit dem Untergange der Freiheit verstummte auch die
Beredtsamkeit in Griechenland.
Demosthenes ist ein im höchsten Grade ermunterndes Beispiel
für Alle, welche von Natur nicht besonders begabt sind, ein hohes Ziel verfolgen wollen.
aber dennoch
Niemand hat mehr, wie er, gezeigt,
wie sehr dem Menschen selbst das unmöglich Scheinende gelingen kann, wenn er mit Ernst, Fleiß und Eifer seinen Plan verfolgt, und wie sehr der
menschliche Geist fähig ist, machen.
sich
zum Herrscher über den Körper
Denn Keinem hatte die Natur wohl weniger Anlagen
zu
zur
Redekunst verliehen, als ihm, und Keiner ist ein größerer Redner ge worden, als er. — Von Geburt schwächlich und kränklich, schon früh
eine vaterlose Weise, und von eigennützigen Vormündern nm sein väter
liches Erbtheil gebracht, zeigte sich dem Jünglinge eine traurige Aussicht in die Zukunft.
Da ereignete sich im sechszchnten Jahre seines Lebens
ein Vorfall, der über sein Leben entschied.
Ein damals sehr gefeierter
Redner hielt bei Gelegenheit eines Besitzstrcitcs
zwischen Athen und
Theben eine Rede, welche den Jüngling mit Erstaunen erfüllte über die Macht der Beredtsamkeit.
Und als er nun hörte,
wie das Volk zum
Schlüsse dem Redner jubelnden Beifall entgegenjauchzte; als er sah, wie
der Gefeierte im Triumph nach Hause geleitet wurde: da faßte die ehrgei zige Brust des Jünglings den Entschluß, nach demselben Ziele zu rin gen.
bilden.
Von Stund an dachte er auf Nichts,
als
sich zum Redner' zu
Er studirte die Werke der größten griechischen Schriftsteller, und
zwar mit einem solchen Eifer, daß er z. B. die Geschichte des Thuky-
dides acht Mal mit eigener Hand abschrieb, um sich dessen Darstellungs weise vollkommen anzucignen.
und eines berühmten Redners.
Sodann wurde er ein Schüler Plato'S
Als er nun glaubte,
liches Auftreten genug vorbereitet zu sein, fing
er,
für ein öffent
gewissermaßen zur
Probe für seine Kunst, einen Prozeß gegen seine Vormünder an.
Er
gewann denselben und faßte nun, dadurch ermuthigt, den Entschluß, vor dem Volke
als Redner aufzutreten.
Aber kaum hatte er die
ersten
Sätze gesprochen, als man ihn mit Zischen, Pfeifen und Lachen unter
brach, und auf diese Weise nöthigte, die Rednerbühne zu verlassen.
Ein
zweiter Versuch hatte denselben unglücklichen Erfolg, und Demosthenes,
Die Griechen.
108
in dem bittern Gefühle, sein halbes Leben für seine Kunst nutzlos ge opfert zu haben,
zog sich in das Privatleben
zurück
mit
ungerechten
Klagen über das Völk, dessen Unverstände er den unglücklichen Ausgang
seiner Versuche beimaß. — Ein Freund von ihm, der Schauspieler Sa-
dessen Brust er jene Klagen
throö, in
ausschüttete,
befreite
ihn
von
diesem Wahne, indem er ihm zeigte, daß nicht seine Zuhörer, sondern Er bewies ihm,
seine eigenen Mängel die Ursache seines Unglücks seien.
daß er einen kurzen Athem und eine schwache «Stimme habe, daß er den
Buchstaben r nicht aussprechen könne, daß sein Gebehrdcnspiel ungeschickt
und darum lächerlich sei und daß er
namentlich die
üble Gewohnheit
habe, eine Schulter in die Höhe zu ziehen. — Die Erkenntniß dieser vielen Mängel würde einen Andern von jedem weitern Versuche zurück
geschreckt haben; für Demosthenes aber war sie ein Sporn, die Män gel zu beseitigen überwinden.
und
die Hindernisse
der Natur
die Kunst zu
durch
Um seine Stimme zu verstärken, ging er an's Meeresufer
und bemühte sich,
das Tosen der
braüdcndcn Wellen zu überschreien;
um seine Aussprache zu verbessern, nahm er Kieselsteine in den Mund
und versuchte es, trotz dieses neuen Hindernisses deutlich zu reden; um
seinen Athem zu längerer Dauer zu gewöhnen,
stieg er steile Anhöhen
hinan, indem er dabei mit aller Anstrengung der Stimme lange Reden
sprach.
Endlich, nm sein Gcbehrdenspiel zu verbessern,
unterirdisches Gemach ein,
Monate lang in ein
schloß er sich
und schor sich — um
einer Lust zum Ausgehcn nicht nachgebcn zu können — auf einer Seite den Kopf kahl.
Auf
diese Weise an
ein
einsames Gemach
gebannt,
übte er sich vor einem großen Spiegel im Gebehrdenspicl, und als es ihm nicht gelingen wollte, das Zucken der Schulter zu unterlassen, hing
er ein Schwert über dieselbe auf, so daß er sich bei jedem Hinaufziehen der Schulter gestochen fühlte, und dadurch endlich
von seinem Fehler
befreit sah. — So ging er denn zuletzt als vollendeter Redner aus jener unterirdischen Verbannung hervor, und der Beifall des hingerisse
nen Volkes belohnte
ihn
für
die
übermenschliche Anstrengung,
durch
welche er sich den Ruhm erworben, als der größte Redner des Alter
thums gepriesen zu werden.
So hatte denn das menschliche Leben bei den Griechen die viel seitigste,
freieste
und
Jahr 350 v. Chr. war erschöpft,
schön
vollendetste Ausbildung erlangt.
Um das
war der Höhepunkt erreicht; die Kraft des Volkes
schon drohte es
wieder in
sich zusammen
zu brechen.
„Aber im Rathe der Vorsehung war es beschlossen, daß auch die übri-
Philipp und Alexander der Große von Makedonien.
109
gen Völker des damals bekannten Erdkreises noch zu der Ueberzeugung geführt werden sollten, daß eine höhere als bloß menschliche Kraft er
forderlich sei, um die Räthsel dieses Erdlebens zu lösen. hellenische Leben wieder gänzlich
erloschen war,
mußten
Und ehe da seine
edelsten
Erzeugnisse, Sprache, Bildung, Kenntnisse, Sitten und Einrichtungen zu
den noch in roher Unwissenheit versunkenen Asiaten
gebracht
werden;
und das Werkzeug hierzu war das blutige Schwert eines kühnen Welt eroberers — Alexanders von Makedonien."
8. Philipp und Alexander der Große von Makedonien. Während Griechenland seinem Untergang sich zuneigte, erstarkte im
Norden davon, das Reich der Makedonier, eines mit den Griechen ver
wandten Volkes. Thron.
Im Jahre 360 bestieg Philipp den makedonischen
Als Jüngling Geisel in dem Hause deö berühmten Epaminon-
das in Theben lebend, hatte er die Gelegenheit benutzt, sich nach dem Vorbilde dieses großen ThebanerS zum tüchtigen Feldherrn und Krieger
auszubilden,
aber auch seinen Blick auf
die Zustände
deö
griechischen
Volles gewendet, wobei ihm dessen Zerwürfnisse und Verwirrungen, so
wie auch Sittenverderbniß desselben nicht entgangen waren.
Kaum hatte
er den Thron bestiegen, so ging er an die Ausführung seines Planes,
sich die Obergewalt über Griechenland zu verschaffen.
Aber nicht mit
Gewalt, sondern mit List begann er sein Werk; theils durch Schmei chelei, theils durch Drohungen wußte er einzelne griechische Staaten für
sich zu stimmen, und so fast unbemerkt Einfluß in Griechenland zu ge winnen.
Dazu beförderte er die Uneinigkeit unter den Griechen,
so bei gelegener Zeit
in
ihre Angelegenheiten
ihrem Herrn machen zu können.
eingreifen
um
und sich zu
Und die Griechen arbeiteten ihm nur
zu willig in die Hände.
Ein griechischer Stamm, die Phokier, hatte einige dem delphischen
Apollo zugehörende Aecker bebaut.
ligion, weßhalb summe forderten.
Das war ein Frevel gegen die Re
auch die Amphyktionen von den Frevlern eine StrafZu arm, diese aufzubringen, gingen die Phokier noch
weiter und bestahlen den Tempelschatz des Apollo; Beweis genug, daß der Glaube an ihre Götter bereits
geschwunden
war und daß sie der
Religion und der Frömmigkeit baar und ledig waren.
Bei abnehmen
der Religiosität werden die Völker aber stets schlechter und es naht ihr Untergang um so sicherer und schneller. — Die gottlosen Phokier wur den nun von dem Amphhktionengericht in die Acht erklärt und Theben
Philipp und Alexander der Große von Makedonien.
109
gen Völker des damals bekannten Erdkreises noch zu der Ueberzeugung geführt werden sollten, daß eine höhere als bloß menschliche Kraft er
forderlich sei, um die Räthsel dieses Erdlebens zu lösen. hellenische Leben wieder gänzlich
erloschen war,
mußten
Und ehe da seine
edelsten
Erzeugnisse, Sprache, Bildung, Kenntnisse, Sitten und Einrichtungen zu
den noch in roher Unwissenheit versunkenen Asiaten
gebracht
werden;
und das Werkzeug hierzu war das blutige Schwert eines kühnen Welt eroberers — Alexanders von Makedonien."
8. Philipp und Alexander der Große von Makedonien. Während Griechenland seinem Untergang sich zuneigte, erstarkte im
Norden davon, das Reich der Makedonier, eines mit den Griechen ver
wandten Volkes. Thron.
Im Jahre 360 bestieg Philipp den makedonischen
Als Jüngling Geisel in dem Hause deö berühmten Epaminon-
das in Theben lebend, hatte er die Gelegenheit benutzt, sich nach dem Vorbilde dieses großen ThebanerS zum tüchtigen Feldherrn und Krieger
auszubilden,
aber auch seinen Blick auf
die Zustände
deö
griechischen
Volles gewendet, wobei ihm dessen Zerwürfnisse und Verwirrungen, so
wie auch Sittenverderbniß desselben nicht entgangen waren.
Kaum hatte
er den Thron bestiegen, so ging er an die Ausführung seines Planes,
sich die Obergewalt über Griechenland zu verschaffen.
Aber nicht mit
Gewalt, sondern mit List begann er sein Werk; theils durch Schmei chelei, theils durch Drohungen wußte er einzelne griechische Staaten für
sich zu stimmen, und so fast unbemerkt Einfluß in Griechenland zu ge winnen.
Dazu beförderte er die Uneinigkeit unter den Griechen,
so bei gelegener Zeit
in
ihre Angelegenheiten
ihrem Herrn machen zu können.
eingreifen
um
und sich zu
Und die Griechen arbeiteten ihm nur
zu willig in die Hände.
Ein griechischer Stamm, die Phokier, hatte einige dem delphischen
Apollo zugehörende Aecker bebaut.
ligion, weßhalb summe forderten.
Das war ein Frevel gegen die Re
auch die Amphyktionen von den Frevlern eine StrafZu arm, diese aufzubringen, gingen die Phokier noch
weiter und bestahlen den Tempelschatz des Apollo; Beweis genug, daß der Glaube an ihre Götter bereits
geschwunden
war und daß sie der
Religion und der Frömmigkeit baar und ledig waren.
Bei abnehmen
der Religiosität werden die Völker aber stets schlechter und es naht ihr Untergang um so sicherer und schneller. — Die gottlosen Phokier wur den nun von dem Amphhktionengericht in die Acht erklärt und Theben
110
Philipp und Alexander der Große von Makedonien.
erhielt den Auftrag,
die Acht zu vollstrecken.
fühlte sich
Dies
nicht
stark genug zur sichern Vollführung seines Auftrages, und/suchte daher Hülfe beim Könige Philipp von Makedonien, der schon darauf lauerte
und gar zu gern der Bitte nachkam.
Binnen Kurzem waren die Phokier
besiegt und Philipp hatte sich dabei noch in den Ruf eines gottbegeister
Zum Lohne für seine Dienste
ten Mannes gebracht.
erhielt er Sitz
und Stimme im Rathe der Amphyktionen, und damit das Recht in den
griechischen Angelegenheiten griechischer Volksredner
verschaffen,
auch
ein Wort mitzusprechen.
suchte
dem Könige
Ein
bestochener
immer mehr Freunde zu
schonte dieser kein Geld, wo es galt, sich beliebt zu
machen, und so kam es denn,
daß die Stimmen der wenigen und red die ihrem Vaterland in
lichen Griechen, welche die Gefahr erkannten, Philipp nahte, unbeachtet blieben.
Der große Redner Demosthenes
bot zwar alle Mittel seiner unwiderstehlichen Redekunst auf, um seine Landsleute zu vereintem Widerstande zu bewegen; seine Reden
gegen
Philipp waren wahr und so ergreifend, daß Philipp einst gesagt haben
soll:
„Bei Gott! wenn ich sie hätte halten hören, ich würde selbst zum
Kriege gegen mich gestimmt haben;" und sie sind darum so berühmt ge worden, daß man noch heut eine begeistert ausgesprochene warnende Be
schuldigung gegen eine Person
Doch war alles vergebens.
oder Gegenstand
eine Philippika
nennt.
Als man endlich dem Demosthenes glaubte
und sich zum Widerstande aufraffte, war cs zu spät.
Ein vereinigtes
warf sich nun zwar dem
schlauen Philipp
thebanisch-athenisches Heer
entgegen,
aber die geübten Kriegsschaarcn des Makedoniers waren be
reits unbesieglich geworden.
Im Jahre 338 ging die Freiheit Griechen
lands durch die Schlacht bei Chäronea verloren. Vom Schlachtfelde aus durchzog der Sieger ganz Griechenland;
dann berief er die Abgeordneten sämmtlicher griechischen Staaten nach Korinth, wo er die Erklärung abgab, daß das Ziel seiner kriegerischen Rüstungen nicht Griechenland, sondern Persien sei, daß er der freund schaftlichen Mitwirkung der Griechen bedürfe, Unterstützung rechne,
daß
daß er zum Unterpfandc
er auf Treue und
derselben
eine Anzahl
Schiffe und die nöthige Mannschaft begehre, und endlich, daß ihn die Griechen zu ihrem Oberanführer wählen sollten.
Diese Wünsche eines
Mannes, der die Macht zu befehlen besaß, erschienen so bescheiden, daß man freudig zustimmte,
und Philipp mit Freuden zum Oberfeldherrn
der Griechen erwählte.
Diesen Erfolg verdankte Philipp seiner Schlauheit, seinem Golde und seiner verbesserten Kriegskunst, namentlich der weitern Ausbildung der Phalanx.
Die Phalanx war ein massives Viereck von Truppen,
111
Philipp und Alexander der Große von Makedonien.
in welchem diese in vielen Reihen hintereinander standen.
Die Trup
pen selbst zerfielen damals in leichte und schwere; jene führten Wurf
spieße, Schleudern oder Bogen und Streitaxt oder krummes Schwert, diese Schwert, langen Spieß, Panzer, großen Schild und Gurt.
Ein
Helm mit kammartigcm Aufsatz und oft mit wehendem Noßhaarbusch
schützte das Haupt, Beinschienen den vorgesetzten Fuß.
Bei der make
donischen Phalanx standen die Truppen in scchszehn geschlossenen Glie
dern, so, daß jeder Streiter nur drei Fuß Spielraum hatte.
der schwerbewaffneten war größer Reiter.
als die der
Die Front
leichten Truppen
und
Die Hauptwaffe der Phalanx waren vicrundzwanzig Fuß lange
Speere, wodurch die Front fast unangreiflich gedeckt wurde; denn die Speere des ersten Gliedes ragten zwanzig,
die des dritten zwölf, über die Front hinaus.
die des vierten acht, Die
übrigen
die des zweiten sechszehn, die des fünften vier Fuß
eilf Glieder legten die Speere
auf die Schultern der Vordermänner, so daß sie in die Höhe standen
und ein Schirnrdach bildeten gegen die von oben herabfliegenden Pfeile und Wurfspieße. Ohne Zweifel würde auch Philipp seine Absicht gegen Persien er
reicht haben, doch der Tod ereilte ihn mitten in seinen Plänen; Hauptmann seiner Leibwache erstach ihn in Athen,
ein
wo Philipp zur
Feier der Hochzeit seiner Tochter sich aufhielt.
Doch was der Vater nicht durchzuführen vermochte, that sein Sohn Alexander.
Wie ein Komet taucht dieser gewaltige Mann plötzlich und nachdem er die ganze Welt
am Horizont der Weltgeschichte auf,
mit staunender Bewunderung erfüllt hat, verschwindet er eben so plötz
lich, wie er gekommen war. Ein seltenes Zusammentreffen wichtiger Ereignisse an dem Geburts
tage des Knaben bewirkte, daß ihn Viele schon von Anfang an für eine außergewöhnliche Erscheinung
hielten.
Der Epheser Herostrat hatte
an demselben Tage den verrückten Einfall ausgeführt, den prachtvollen Tempel der Artemis zu Ephesus,
eins der sieben Wunder der Welt,
zu verbrennen, um sich einen Namen zu machen.
Ferner hatte Philipps
Rennpferd zu Olympia gesiegt und sein Feldherr Parmenio hatte einen Sieg über die Illyrier errungen.
Wenn
die an diese Ereignisse ge
knüpften Prophezeihungen in Erfüllung gingen, so lag der Grund indeß theils in dem Kinde selbst, das mit den besten Anlagen ausgcstattct war,
theils in der Sorgfalt, welche der Vater auf die körperliche und geistige Ausbildung seines Sohnes verwendete.
Des Knaben außerordentliche
Talente verriethen sich früh durch Wort und That.
Der erste Philo-
112
Philipp und Alexander der Große von Makedonien.
soph seiner Zeit, der uns schon bekannte Aristoteles, ward sein Lehrer.
Auch in ritterlichen Uebnngen war er früh ein Meister.
Als fünfzehn
jähriger Jüngling bezähmte er das wilde, widerspenstige Roß, das Nie
mand zu besteigen wagte, welches unter dem Namen Bukephalos (d. i. Siege blieb.
der
an
von nun
Ochsenkopf)
„Mein Sohn,
seiner Schlachten und
treue Begleiter
suche
ein
dir
anderes Königreich,
denn
Makedonien ist für dich zu klein", hatte der Vater zu.ihm gesagt, als
der Sohn das wilde Thier
bändigte.
Schon
früh
regte sich in ihm
großer Thatendurst: „Mein Vater wird mir nichts zu thun übrig lassen", rief
er jedesmal
aus,
schmerzlich
wenn Siegesbotschaften
einliefen.
Aber
Interesse.
Die Homerischen Gesänge
er sie
daß
zu
können,
ter das
für
auch
des Nachts
Buch bei sich
ihm
waren
hatte
Kunst so
unter sein Kopfkissen legte,
erwachte.
sobald er
und
Wissenschaft
und
bei
Hofe
er
reges
geworden,
lieb
darin
um
lesen
Auf seinen Feldzügen trug er spä es
bewahrte
in
einem
goldenen Käst
Der mächtige Achilles war das Ideal des jungen Fürsten und
chen.
als seinen LieblingsverS nannte er die Worte:
König,
zugleich ein
tapfer mi,t in der Schlacht bei Chäronea, hauptsächlich sein Werk.
„Beides, ein trefflicher
Achtzehn Jahre alt,
tapferer Streiter."
ja
der Sieg
daselbst
war
Da ereilte der Tod seinen Vater.
Erst zwanzig Jahre alt wurde Alexander König. den jungen Herrscher der Anfang der Regierung. den die unterjochten Völker (Philipp hatte
und Illyrien ausgebrcitet;
ihm) wieder aus.
focht er
sich
Schwer war für
Rings umher stan
besonders in Thrakien
die Stadt Philippi trägt den Namen nach
Alle gedachten der Freiheit.
Die Athener spotteten
des jungen Makedoniers, nannten ihn bald einen Knaben, bald einen un
erfahrenen Jüngling,
von
dem
zu
nichts
fürchten
sei.
„Unter den
Mauern Athens", sprach Alexander, „werde ich ihnen schon zeigen, daß ich ein Mann bin!"
wirkte.
unter
Sogleich brach er mit seinem Heere ans.
Alles huldigte ihm. harten Kämpfen
Das
Jetzt eilte er zurück, und unterwarf sich
die Völker im Norden
und Westen.
verbreitete sich das Gerücht, Alexander sei umgekommen.
Plötzlich
Da war ein
Jubel'm ganz Griechenland, denn die makedonische Oberherrschaft war den freiheitslustigen Griechen verhaßt.
Feste wurden gefeiert, und Opfer
gebracht, die Thebaner tödtcten sogar den ihrer Stadt und verjagten die Besatzung. der vor ihren Thoren und zeigte ihnen,
makedonischen Befehlshaber Aber blitzschnell stand Alexan
daß er noch lebe.
Denn als
sie ihm auf seine Aufforderung, sich zu unterwerfen, eine kecke Ant wort gaben, nahm er mit stürmender Hand die Stadt und zerstörte sie
von Grund aus.
Er hatte einigen griechischen Städten den Auftrag,
Philipp und Alexander der Große von Makedonien.
113
Theben zu verwüsten, gegeben, Wohl wissend, daß er selbst nicht barba rischer gegen die eroberte Stadt verfahren könnte, als es von der Rache
ihrer Landsleute zu erlvarten war.
Rur die Tempel
und das Haus
des Dichters Piudar wurden auf Alexanders Wunsch verschont,
AlleS der Erde gleich gemacht.
sonst
Sechsunddreißigtausend Thebaner wur
den in die Sklaverei verkauft.
So war denn das Schicksal Griechenlands übermals entschieden;
denn die andern Staaten waren von den überraschenden Erfolgen des jungen Helden so bestürzt, daß sie ihm bereitwillig Gehorsam gelobten.
Alexander,
der Politik seines Vaters folgend, war weit entfernt,
sich die Herzen der Griechen zu Feinden zu machen; er verzieh allen und ging nach Korinth, um sich dort, wo eine allgemeine Griechenver
sammlung gehalten wurde,
gleich seinem Vater zum Oberanführer der
Griechen gegen die Perser ernennen zu lassen.
die einzigen,
Die Spartaner waren
die von seiner Befehlshaberschaft nichts
wissen wollten.
„Wir sind gewohnt" — ließen sie ihm sagen — „Andere zu führen,
aber nicht, uns führen zu lassen." Zuge.
Sic nahmen keinen Theil an dem
Außerdem verschmähte eS auch noch der berühmte Diogenes,
der sich gerade in Korinth aufhielt, dem neuen Sterne zu huldigen.
Den Grundsatz, der Mensch müsse so wenig als möglich bedürfen, trieb dieser Mann in'S Lächerliche.
Er trug einen langen Bart,
einen
zerrissenen Mantel, einen alten Ranzen auf dem Rücken und wohnte in Wenn Alexander Alles,
einer Tonne.
so
wollte Diogenes nichts be
sitzen, und warf sogar sein Trinkgeschirr entzwei, als er sich überzeugte,
daß man auch aus der hohlen Hand
Alexander hatte
trinken könne.
Lust, den Sonderling zu sehen und ging, von einem glänzmden Zuge begleitet, zu ihm.
Er saß
gerade vor seiner Tonne und sonnte sich.
Als er die Menge Menschen auf sich ein wenig auf. mit ihm und
zukommen
sah,
richtete er sich
Alexander grüßte ihn freundlich, unterredete sich lange
fand
seine Antworten
sehr geistteich.
ihn: „Kann ich dir eine Gunst erweisen?"
Zuletzt fragte er
„O ja" — versetzte Dio
genes — „geh mir ein wenig aus der Sonne!"
Hierüber erhoben die
Begleiter Alexanders ein lautes Hohngelächter; Alexander aber wendete sich um und sagte:
„Wenn ich nicht Alexander wäre, wollte ich Dioge
nes sein!"
ES war im Jahre 334 v. Chr., als Alexander seinen Eroberungs zug antrat:
Er selbst war dreiundzwanzig Jahre.
Sein Heer bestand
aus dreißigtausend Fußgängern und fünftausend Reitern. Jtufcncr Geschichte I.
Damit wollte 8
114
Philipp und Alexander der Große von Makedonien.
er das Perserreich erobern, das an achtzig Millionen Einwohner und eilt stehendes Heer von hunderttausend Mann hatte.
Welche Kühnheit!
war bereits im Verfall begriffen.
Doch das Perserreich
Statthalter
(Satrapen) empörten sich häufig, Bruderkriege erschütterten das Reich;
die Streitmacht bestand aus gar verschiedenen Völkern, die sich haßten, wie überhaupt im ganzen Reiche Unzufriedenheit wegen zunehmender Be
Auch hatten Luxus und despotische Regierung die
drückung herrschte.
Perser feig und weichlich
Zlvar
gemacht.
waren die Perser tüchtige
Reiter auf ihren unbändigen Schimmeln und furchtbare Bogenschützen,
aber ihre Kriegsweise war der makedonischen Phalanx nicht gewachsen. Der König Darius Kodomannus,
ein
sonst vortrefflicher Mann,
war zu schwach, das in sich zerfallene Reich zu stützen, und so verfiel
es denn dem Geschick. Alexander setzte
über den Hellespont,
zuerst an'S Ufer von Asien,
sprang in
voller Rüstung
„Mein
ist Asien,
eS werde nicht verheert, ich nehme es als erobert in Besitz!"
Auf dem
und rief freudig aus:
Schlachtfelde von Troja besuchte er die Grabniale der alten Helden,
besonders das des Achilles.
Er
schmückte
dasselbe
mit Blumen und
wünschte nichts mehr, als daß einst ein Dichter wie Homer auch seine
Thaten durch Gesänge verherrlichen möge.
„O glücklicher Achilles" —
rief er — „der du im Leben einen treuen Freund, und im Tode einen Sänger deiner Thaten gefunden hast!"
Hephästion, der Freund Alexan
ders, bekränzte des Patroklo's (so hieß der Freund Achills) Grabmal. Dann
gingS weiter bis nach dem kleinen Flusse Granikus.
Am dem jen
seitigen Ufer entlang stand ein großes persisches Heer, unter Anführung
mehrerer Satrapen, um den Makedoniern den Uegergang zu verwehren.
Alexander hielt Kriegsrath. den Abzug
der Feinde
Sein erfahrener Feldherr Parmenio rieth,
abzuwarten.
„Der Hellespont würde sich ja
schämen müssen" — rief Alexander — „wenn wir uns vor diesem Flüß chen fürchteten!"
Er sprang hinein,
seine Makedonier ihm nach,
die
Tapfern wateten durch, griffen an und schlugen die Perser in die Flucht. JmGetümmel derSchlachtwäre der allzukühneHeldcnjüngling beinaheum'S
Leben gekommen.
Zwei persische Feldherrn, die ihn an dem hochwallen
den Federbusch auf dem blinkenden Helme erkannten, sprengten aus ihn los. Kopf,
Er vertheidigte sich tapfer;
doch bekam er einen Hieb auf den
daß der Helm zersprang,
und als er sich gegen den Hauenden
wendete,
auf.
hob
schon der zweite Perser das Schwert zum Todestreiche
Aber in diesem Augenblicke eilte Klituö, ein braver Makedonier,
herbei, und schlug dem einen Perser mit einem fürchterlichen Hiebe Arm
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Philipp und Alexander der Große von Makedonien.
und Schwert
sogleich zur Erde,
während Alexander den andern nie-
derstreckte. Durch diesen Sieg ward er Herr von Kleinasien.
Mit seinem
jubelnden Heere eilte er nun von Stadt zn Stadt; welche sich ihm nicht
freiwillig
unterwarf,
genommen.
wurde mit Sturm
Um
auch
den
Volksglauben für sein Unternehmen zu gewinnen, löste er deu gordischen Knoten. ein
In dem Tempel des Zeus zu Gordium (in Phrygien) stand dessen Deichsel mit
alter Wagen,
schlungenen Knoten befestigt war.
einem künstlich in einander ge