Wahrnehmung und Realität: Vorstellungswelten des 12. bis 17. Jahrhunderts [1 ed.] 9783737002967, 9783847102960

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Wahrnehmung und Realität: Vorstellungswelten des 12. bis 17. Jahrhunderts [1 ed.]
 9783737002967, 9783847102960

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Nova Mediaevalia Quellen und Studien zum europäischen Mittelalter

Band 17

Begründet von Nikolaus Henkel und Jürgen Sarnowsky Herausgegeben von Martin Baisch, Christoph Dartmann, Philippe Depreux und Jürgen Sarnowsky

Jürgen Sarnowsky (Hg.)

Wahrnehmung und Realität Vorstellungswelten des 12. bis 17. Jahrhunderts

Mit 22 Abbildungen

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Copernicus-Vereinigung fþr Geschichte und Landeskunde Westpreußens e.V. und des Fachbereichs Geschichte der UniversitÐt Hamburg.  2018, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Italienisches Breviarum, Mantua, ca. 1465, eine Seite, Pergament, 88. Die Auszeichnung durch zweifarbige Initialen und Schmucklinien steuert die Wahrnehmung des Texts. Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-6231 ISBN 978-3-7370-0296-7

Inhalt

Jürgen Sarnowsky Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Säkulare Vorstellungswelten John Hower Vorstellungen von Herrschaft im England der mittleren Jahre Heinrichs III. (1236–1259) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Nathalie Rudolph Das Bild Richards II. in der Chronica maiora des Thomas Walsingham

.

41

Rona Ettlin Die lübische Verfassungskrise (1408–1416) im Spiegel der Chronistik . .

69

Luisa Sophia Maass Spätmittelalterliche Testamente von Frauen aus Lübeck und Hamburg . .

85

Daniel Sommer Das Verhältnis der Stände im „Oberrheinischen Revolutionär“ . . . . . . 103 Gottfried Hoffmann Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

. . . 121

6

Inhalt

Spiritualität und Orden Mats Homann Spirituelles Erleben im Angesicht der heyden. Die Wahrnehmung des Heiligen Landes und seiner muslimischen Umwelt in der Peregrinatio in terram sanctam Bernhards von Breydenbach und im Schleiertüchlein Hermanns von Sachsenheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Judith Geyer Die zisterziensischen Konversen – Leben und Arbeiten für die klösterliche Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Marlon Bäumer Eyne gute reyse hin ken Littowen – Die Litauenreisen in der Chronik des Johannes von Posilge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Katharina Wenzel Die gegenseitige Wahrnehmung des Deutschen Ordens und der Stände in Preußen in chronikalischen Quellen der Mitte des 15. Jahrhunderts . . . 301 Birgit Steude Die Wahrnehmung Hochmeister Friedrichs von Sachsen (1498–1510) in zeitgenössischen und späteren Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Ferne Welten: die europäische Wahrnehmung Südostasiens Jürgen Sarnowsky ‘Powerful Heathen and Mohammedan lords’. Early Portuguese reports on religion and society on Java and its neighboring islands . . . . . . . . . . 359 Esther Helena Arens / Maria-Theresia Leuker Ritual and Ceremony in Rumphius’ Amboinsche Rariteitkamer and Kruid-boek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

Jürgen Sarnowsky

Einleitung

Wahrnehmung und Realität stehen in einem Spannungsverhältnis. In dem Moment, in dem ich etwas wahrnehme, verändere ich es und passe es an meine eigenen Vorstellungen und Denkmuster an. Alle Quellen, mündliche wie schriftliche Überlieferung, spiegeln so nur bedingt und mit Einschränkungen die Realität. Bei Aufzeichnungen, die in gewissem Abstand von den Ereignissen erfolgen, gilt das in noch viel stärkerem Maße. Dies hat die Forschung nicht erst seit dem Aachener Historikertag von 2000 berücksichtigt, auf dem der Neurobiologe Wolf Singer den Eröffnungsvortrag zum Thema „Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen“ hielt.1 Denn das war bereits die Grundlage der Quellenkritik, die sich seit dem 18. Jahrhundert zu einem zentralen Instrument wissenschaftlicher Beschäftigung mit Geschichte entwickelte. Während man aber lange meinte, Falsches von Wahrem scheiden zu können, und sich auf die durch die Analyse erreichten Ergebnisse konzentrierte, hat die jüngere Forschung die Bedeutung der Wahrnehmung an sich herausgearbeitet, die sich in Vorstellungen und Vorprägungen verdichtet. Insbesondere der von Hans-Werner Goetz entwickelte Ansatz der Vorstellungsgeschichte hat dafür grundlegende Bedeutung gewonnen.2 Dies ist selbst für Editionen nicht ohne Konsequenzen, 1 Wolf Singer, Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen. Über Nutzen und Vorteil der Hirnforschung für die Geschichtswissenschaft: Eröffnungsvortrag des 43. Deutschen Historikertags am 26. 09. 2000 in Aachen, online: http://www.brain.mpg.de/fileadmin/user_upload/images/Re search/Emeriti/Singer/Historikertag.pdf, letzte Einsichtnahme 14. 7. 2018. 2 Dazu insbesondere Hans-Werner Goetz, „Vorstellungsgeschichte.“ Menschliche Vorstellungen und Meinungen als Dimension der Vergangenheit. Bemerkungen zu einem jüngeren Arbeitsfeld der Geschichtswissenschaft als Beitrag zu einer Methodik der Quellenauswertung, in: Archiv für Kulturgeschichte 61 (1979, erschienen 1982) S. 253–71, ND in Ders., Vorstellungsgeschichte. Gesammelte Schriften zu Wahrnehmungen, Deutungen und Vorstellungen im Mittelalter, hrsg. Anna Aurast, Simon Elling, Bele Freudenberg, Anja Lutz, Steffen Patzold, Bochum 2007, S. 3–29, hier S. 13; vgl. weiter Ders., Wahrnehmungs- und Deutungsmuster als methodisches Problem der Geschichtswissenschaft, in: Das Mittelalter, 8 (2003), S. 23–33; und den knappen Überblick bis 2007 bei Jürgen Sarnowsky, Einleitung, in: Bilder – Wahrnehmungen – Vorstellungen. Neue Forschungen zur Historiographie des hohen und späten Mittelalters (Nova Mediaevalia, 3), Göttingen 2007, S. 11–16.

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Jürgen Sarnowsky

kann man sich doch zum Beispiel bei Chroniken nicht nur auf die Textteile beschränken, die auf den eigenen Erfahrungen des Autors beruhen.3 Hatte die Geschichtswissenschaft im Historismus immer noch gehofft, so mit den Worten Rankes, zu erkunden, „wie es eigentlich gewesen“ sei,4 und stritt man sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert vehement und in weitreichenden Debatten über Echtheit und Falschheit von Urkunden,5 so wird in der neueren Forschung der eigene Wert subjektiver Darstellungen und Verfälschungen erkannt und für Untersuchungen genutzt. Die Autoren von Chroniken, Reiseberichten und verwandten Texten6 schrieben zum einen immer aufgrund ihrer eigenen Wahrnehmung und Erfahrung, zum anderen jeweils mit bestimmten Absichten und für ein zeitgenössisches Publikum, das sie erreichen und unterhalten wollten. Es bleibt zwar immer noch ein zentrales Ziel geschichtswissenschaftlicher Forschung, sich den historischen Realitäten der verschiedenen Epochen anzunähern, wie dies etwa über Rechnungen, Rechtstexten, Briefe und auch Urkunden möglich ist, die jedoch ebenso jeweils nur mit quellenkritischen Einschränkungen auszuwerten sind. Daneben eröffnet die Vorstellungsgeschichte aber weitere Möglichkeiten für Untersuchungen. So kann nach Einstellungen und Denkweisen, nach Wahrnehmungs- und Deutungsmustern gefragt werden.7 Die dreizehn Beiträge des vorliegenden Bandes sind sehr unterschiedlichen Wahrnehmungen und zugrundeliegenden „Realitäten“ gewidmet, auf verschiedener Quellenbasis. Neben der für diese Fragen zentralen Quellengattung der Historiographie, die in vielen Beiträgen herangezogen wird, werden Werke aus der Rechtsgeschichte, der Geschichte politischer Theorie, der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wissensliteratur und Reiseberichte ausge3 Wie das im 19. Jahrhundert vielfach der Fall war, vgl. zum Beispiel Cosmidromius Gobelini Person, hrsg. Max Jansen (Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Provinz Westfalen VII), Münster 1900. 4 So bei Leopold von Ranke, Geschichten der germanischen und romanischen Völker von 1494 bis 1514, Leipzig 1885 3. Aufl., Vorrede zur ersten Ausgabe. October 1824, S. vii. 5 Als z. B. Wojciech Ke˛trzyn´ski nach 1875 die Echtheit der Urkunden des Deutschen Ordens für Preußen in Frage stellte, sah man nicht nur die Grundlagen des Ordenslandes, sondern damit auch jene Preußens und Deutschlands gefährdet, vgl. Hartmut Boockmann, Ostpreußen und Westpreußen (Deutsche Geschichte im Osten Europas), Berlin 1993, S. 48–51. 6 Zu den Quellengattungen vgl. u. a. Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter, hrsg. Wolfgang Achnitz, 2: Das geistliche Schrifttum des Spätmittelalters; 3: Reiseberichte und Geschichtsdichtung; 6: Das wissensvermittelnde Schrifttum bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts; 7: Das wissensvermittelnde Schrifttum im 15. Jahrhundert, Berlin, Boston 2011–2015. 7 Vgl. u. a. die früheren Bände aus dieser Reihe: Bilder – Wahrnehmungen – Vorstellungen (wie Anm. 2); Vorstellungswelten der mittelalterlichen Überlieferung. Zeitgenössische Wahrnehmungen und ihre moderne Interpretation, hrsg. Jürgen Sarnowsky (Nova Mediaevalia, 11), Göttingen 2012; Perzeption und Rezeption. Wahrnehmung und Deutung im Mittelalter und in der Moderne, hrsg. Joachim Laczny, Jürgen Sarnowsky (Nova Mediaevalia, 12), Göttingen 2014.

Einleitung

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wertet. Dazu kommen Testamente, Briefe, Urkunden und klösterliche Gewohnheiten, aber auch eine Dichtung und das naturwissenschaftliche Schrifttum der Frühen Neuzeit, die für die Untersuchung von Einstellungen und Wahrnehmungen genutzt werden. Inhaltlich ergeben sich drei Schwerpunkte: erstens Vorstellungen aus dem weltlichen Bereich, zweitens die Spiritualität und die Wahrnehmung der Orden und ihrer Repräsentanten sowie drittens die europäische Wahrnehmung Südostasiens. Den Anfang machen bei den säkularen Vorstellungswelten zwei Beiträge zum spätmittelalterlichen England, die sich wesentlich um die Aufgaben und die Wahrnehmung der Herrscher drehen. So stellt John Hower die juristische Abhandlung Henry de Bractons über die Gesetze England und die bekannte Chronik des Matthäus Parisiensis gegenüber, um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie sich die Zeitgenossen eine ideale Königsherrschaft vorstellten und wie sie im Gegensatz dazu die problematische Herrschaft Heinrichs III. wahrnahmen. Nathalie Rudolph untersucht dann die Chronik des in Matthäus’ Tradition stehenden Thomas Walsingham auf Wandlungen in der Wahrnehmung des 1399 abgesetzten Richards II., die sich durch die Bearbeitung nach der Erhebung Heinrichs IV. ergeben könnten. Für den Hanseraum vergleicht Rona Ettlin in gewisser Parallele dazu die Berichte der Fortsetzung der auf den Franziskaner Detmar zurückgeführten Lübecker Chronik und der so genannten Rufus-Chronik für die Haltung der Chronisten zur lübischen Verfassungskrise der Jahre 1408 bis 1416 und zur Wahrnehmung des Alten und Neuen Rats. Luisa Sophia Maaß wendet sich dagegen den Verfügungen von Frauen in Lübeck und Hamburg zu, wie sie aus ihren Testamenten erkennbar sind, und fragt nach den Motiven, die die Verteilung des Nachlasses bestimmten. Bei Daniel Sommer wiederum geht es um die Wahrnehmung der Stände im Heiligen Römischen Reich durch den bis heute nicht eindeutig identifizierten so genannten „Oberrheinischen Revolutionär“ und die von ihm daraus abgeleiteten Vorstellungen. Gottfried Hoffmann leistet schließlich einen Beitrag zur zeitgenössischen und modernen Wahrnehmung Galileis als Begründer der modernen Naturwissenschaft. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Galileis Anspruch, seine Ergebnisse durch intensive Experimente und zahlreiche Messungen (insbesondere für die schiefe Ebene und den freien Fall) erreicht zu haben, der bei Zeitgenossen und in der modernen Forschung geteilte Aufnahme fand. Im zweiten Schwerpunkt wendet sich zunächst Mats Homann den Vorstellungen über das Heilige Land und die muslimische Umwelt zu, wie sie sich aus einem Vergleich zwischen dem Pilgerbericht Bernhards von Breidenbach und einer Dichtung Hermanns von Sachsenheim ergeben, die eine fiktive Reise ins Heilige Land schildert. Judith Geyer untersucht dann die Vorstellungen über die Rolle der Konversen im Zisterzienserorden, wie sie aus den Ordnungen und den Gewohnheiten für die Konversen hervorgehen, und das damit verbundene

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Jürgen Sarnowsky

Verständnis körperlicher Arbeit. Die drei letzten Beiträge im Schwerpunkt zu Spiritualität und Orden sind dem Deutschen Orden und seinem Wirken im Ordensland Preußen gewidmet. Marlon Bäumer analysiert die Wahrnehmung der Litauenreisen, die für die Selbstdarstellung des Ordens erhebliche Bedeutung hatten, in der ordensnahen Chronik des Johannes von Posilge. Katharina Wenzel vergleicht aufgrund ordensfreundlicher und städtenaher Chroniken die gegenseitige Wahrnehmung der Parteien im Ständekonflikt in Preußen, der schließlich in den zerstörerischen Dreizehnjährigen Krieg in Preußen (1454– 1466) mündete. Schließlich widmet sich Birgit Steude der Frage, wie und unter welchen Vorzeichen der erste fürstliche Hochmeister Friedrich von Sachsen durch seine Zeitgenossen wahrgenommen wurde. Der dritte Schwerpunkt, der auf einen Workshop an der Universität Hamburg zurückgeht, den Monika Arnez und Jürgen Sarnowsky im November 2015 organisierten, umfasst nur zwei Beiträge, da die Vorträge von Monika Arnez, Sebastian Kubon, Sri Margana, Edwin Wieringa, Widaratih Kamiso und Ramayda Akmal aus verschiedenen Gründen nicht in den Band aufgenommen werden konnten. Jürgen Sarnowsky fragt im ersten Beitrag nach der Wahrnehmung der Gesellschaft Javas und seiner Nachbarinseln in den frühen portugiesischen Reiseberichten, die noch durch aus dem Mittelmeerraum übernommene Vorstellungen geprägt sind. Esther Helena Arens und Maria-Theresia Leuker untersuchen dann abschließend die Vorstellungswelt des aus Hessen stammenden Kaufmanns, in VOC-Diensten stehenden Verwalters und Naturforschers Georg Everhard Rumpf, der seine Wahrnehmung von Leben und Religiosität auf der indonesischen Insel Ambon in umfangreichen Werken festhielt. Das breite Spektrum der Quellen und Themen zeigt erneut die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten des Ansatzes der Vorstellungsgeschichte. Auch wenn man sich selten dem Denken, den Wahrnehmungen und Vorstellungen der Menschen der Vergangenheit umfassend annähern kann, ergeben sich durch diese Form der Analyse immer wieder neue Perspektiven und Erklärungen für bekannte Entwicklungen. Es wird zum Beispiel deutlich, dass grundsätzliche Einstellungen die Wahrnehmung beeinflussten, wie etwa die Kritik an Königsherrschaft im Fall Heinrichs III. auch auf Vorstellungen über einen idealen Herrscher basierte, ebenso wie die Kritik an Richard II. nicht von Anfang an auf die Person des Königs zielte. Vorstellungen von Herrschaft waren auch dort konservativ, wo man es nicht unbedingt erwarten würde, etwa in der städtischen Chronistik, und Reformen oder gewaltsame Veränderungen konnten wie beim „Oberrheinischen Revolutionär“ bekanntlich die (vermeintliche) Rückkehr zu älteren Modellen einschließen. Dennoch muss man auch von einem steten Wandel der Vorstellungen ausgehen, wie die Stellung der Konversen bei den Zisterziensern ihren Aufgaben angepasst wurde, wie die Parteien im Dreizehnjährigen Krieg in Preußen trotz einer gemeinsamen Sicht der Vergangenheit

Einleitung

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die jüngste Geschichte sehr unterschiedlich wahrnahmen oder wie Hochmeister Friedrich von Sachsen zu Anfang und Ende seiner Amtszeit unterschiedliche Bewertungen erfuhr. Zudem lassen sich bewusste Umdeutungen durch die Protagonisten selbst erkennen, wenn etwa die Dichtung Hermanns von Sachsenheim eine andere Rolle der Muslime zeichnet als der polemisch gefärbte Reisebericht Breydenbachs, wenn Galilei seine Experimente auf bestimmte Weise stilisiert und wenn Georg Everhard Rumpf ein ursprünglich kultisch bestimmtes Objekt in einen kolonialen Kontext überträgt. Die Beiträge des Bandes werden mit diesen Ergebnissen hoffentlich auch auf weitere Forschungen anregend wirken.

Säkulare Vorstellungswelten

John Hower

Vorstellungen von Herrschaft im England der mittleren Jahre Heinrichs III. (1236–1259)

Das englische Königtum des späteren Mittelalters war immer wieder durch tiefe Krisen geprägt. Im 14. Jahrhundert kam es sogar zu zwei Herrscherabsetzungen (1327 und 1399). Aber bereits unter Heinrich III. gab es vielfältige Probleme. Seine Herrschaft begann im Jahre 1216 inmitten eines Bürgerkrieges und drohte in den 1260er Jahren inmitten eines erneuten Bürgerkrieges unterzugehen. Die Konflikte mit den Baronen führten zu Diskussionen und Theorien über die Aufgaben und die Stellung des Königtums. Diesen Theorien soll im Folgenden anhand zweier zentraler Texte, der Chronica Majora des Matthäus Parisiensis und Henry de Bractons Traktat De Legibus et Consuetudinibus Angliæ, nachgegangen werden. Die Schwierigkeiten Heinrichs III. gingen auf die Zeit seines Vaters zurück. 1215 unterzeichnete König Johann in Runnymede die Magna Carta. Diese war das erste offizielle englische Dokument, das das Prinzip des an Recht gebundenen König ausdrückte.1 Die Idee, dass der König an Recht gebunden war, gab es allerdings auch schon früher. Der 973 in Bath gekrönte Edgar schwur zum ersten Mal einen Krönungseid, in dem er sich verpflichtete, Königreich und Kirche zu schützen, Boshaftigkeit zu beseitigen und mit Gerechtigkeit und Gnade zu richten.2 Diese Tradition des Krönungseides wurde seitdem fortgeführt und symbolisiert eine Bindung des Königs an Recht und Gesetz. Als Vorbild galt die Krönungscarta Heinrichs I. (1100). Nachdem die Magna Carta 1215 durch den Papst annulliert wurde und König Johann sich nicht an die Carta hielt, kam es zum ersten „Krieg der Barone“, der bis 1217 andauern sollte. Ein Teil der Barone lehnte sich im offenen Bürgerkrieg gegen Johann auf und wählte den französischen Kronprinzen und zukünftigen König Ludwig VIII. als ihren Herrscher. Als Johann 1216 verstarb, folgte ihn sein neunjähriger Sohn als Heinrich III. am 28. Oktober 1216 auf den Thron.3 Der 1 So Vernon Bogdanor, The Monarchy and the Constitution, Oxford 1995, S. 3–4. 2 J. R. Maddicott, The Origins of the English Parliament, 924–1327, Oxford [u. a.] 2010, S. 34. 3 Jürgen Sarnowsky, England im Mittelalter, Darmstadt 2002, S. 115.

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Bürgerkrieg war noch nicht beendet und Ludwig VIII. war weiterhin Kronprätendent. In dieser Situation wurde entscheidend, dass sich der erfahrene William Marshall für den jungen König einsetzte und die Situation zu entschärfen suchte.4 Zur Herstellung des Friedens trug die „Erneuerung“ der Magna Carta am 12. November 1216 durch die Anhänger Heinrichs bei, die es den Rebellen erschwerte, eine rechtliche Legitimation ihrer Rebellion zu behaupten. Mit einem militärischen Sieg im August 1217 durch Hubert de Burgh wurde die Situation der Rebellen weiter verschlechtert und viele unterwarfen sich in Folge Heinrich III.5 Da Heinrich III. noch minderjährig war, übernahm William Marshal als „Regent des Königs und Königreiches“ (rector regis et regni) zusammen mit dem Justiziar Hubert de Burgh die Regierung.6 Es folgte eine langjährige Minderjährigkeit des Königs, die bis 1227 andauerte. Wahrscheinlich förderte es die Einheit des Königreichs, dass sich die Regenten während der Minderjährigkeit Heinrichs häufig mit den Baronen berieten. Auf dieser Grundlage könnte sich die Haltung der Barone entwickelt haben, dass sie an der Regierung des Königreiches beteiligt sein sollten.7 Zudem gab es eine Reihe von Unklarheiten in Bezug auf die Magna Carta. Diese wurde mehrfach erneuert, so etwa 1225 und 1237. Die Version von 1215 war vielen Menschen bekannt, nicht aber die Aufhebung durch den Papst. Auch aus anderen Gründen, so etwa aufgrund missverständlicher Formulierungen in den Fassungen nach 1215, waren die Unterschiede der Versionen schwerer nachzuvollziehen.8 Die Erneuerung der Carta im Jahr 1237 war die erste, die Heinrich selber als volljähriger König vornahm. In der Folgezeit verschob sich daher der Fokus von der Carta selbst auf die Möglichkeit, den König für deren Einhaltung verantwortlich zu machen.9 Ein zentraler Punkt der Kritik am König, der in der Magna Carta von 1215 enthalten war, aber aus nachfolgenden Erneuerungen gestrichen wurde, waren Johanns ausländische Berater. Damit verbunden war die Kritik an der – aus Sicht der Magnaten – unzureichenden Zusammenarbeit des Königs mit seinen natürlichen Beratern. Die Magnaten beanspruchten zunehmend, für die Gemeinschaft des Königreichs, für die communitas regni, zu sprechen. Nach mehreren kleineren Konflikten und Reformbemühungen kam es 1258 zur Revolution. Zuvor, im Jahr 1254, hatte Heinrich III. das Angebot des Papstes 4 Ebd., S. 125. 5 Ebd., S. 115–16. 6 Ebd., S. 115; W. L. Warren: The governance of Norman and Angevin England: 1086–1272, London [u. a.] 1987, S. 172. 7 Warren (wie Anm. 6), S. 175. 8 J. C. Holt, Magna Carta, Cambridge [u. a.] 1976, S. 289. 9 Ebd., S. 285.

Vorstellungen von Herrschaft im England der mittleren Jahre Heinrichs III.

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für die Krone von Sizilien für seinen zweiten Sohn Edmund angenommen und dem Papst hohe finanzielle Zusagen gemacht. Nachdem der englische König in Zahlungsschwierigkeiten kam, drohte der Papst mit dem Interdikt und der Exkommunikation. Die Barone hatten das Unternehmen von Anfang an abgelehnt und verweigerten ihm ihre Hilfe. Einige von ihnen schlossen sich zusammen, um ähnliche Entwicklungen in der Zukunft zu verhindern und die poitevinischen Berater des Königs auszuweisen. Unter deren Druck erklärte sich der König zu Reformen bereit, die Barone im Gegenzug zu Hilfezahlungen. Die Reformbemühungen der Barone führten zu den sogenannten „Provisions of Oxford“, die unter anderem die Bildung eines fünfzehnköpfigen Rates des Königs beinhalteten.10 Dieser Rat dominierte ab Juni 1258 die Politik.11 Die Durchsetzung der „Provisions“ hätte den Adel gegenüber dem Königtum auf dieselbe Stufe gestellt.12 1262 hatte Heinrich die Kontrolle des Königreiches für kurze Zeit wieder für sich gesichert, doch kam es 1263 zum Bürgerkrieg, nachdem Heinrich die Provisionen von Oxford abgelehnt hatte. Heinrich gab dann aber doch nach und unterwarf sich den Rebellen unter der Führung von Simon de Montfort. Die Zukunft war jedoch nicht geregelt und so wurde der französische König Ludwig IX. als Schlichter hinzugeholt. Dieser erklärte im Januar 1264 die Provisionen für Unrecht, woraufhin die Rebellen den militärischen Konflikt erneut suchten. Im Mai 1264 gelang ihnen in der Schlacht bei Lewes der Sieg über und die Gefangennahme von Heinrich III. Die Regierung wurde nunmehr von den Rebellen unter Simon de Montfort getragen, aber weiterhin unter dem Namen des Königs geführt. 1265 verloren die Rebellen an Unterstützung und wurden schließlich im August 1265 in der Schlacht von Evesham vernichtend geschlagen.13 Mit dem „Diktum von Kenilworth“ wurde 1266 der König in seiner alten Funktion und Autorität bestätigt. Scheinbar hatte die absolute Monarchie gesiegt. Dennoch erlangte die Magna Carta dauerhaften Einfluss. Sie wirkte selbst in den Sätzen des „Diktum“ fort, die von bewährten Rechten, Gesetzen und lang bestehenden Gewohnheiten sprechen.14 Die Zeit von 1215 bis 1265 markiert also eine Zeit der politischen Veränderung in England. Mit seiner Volljährigkeit im Jahr 1227 begann Heinrich III. das Königreich eigenständig zu regieren und kam in Konflikt mit seinen Baronen, ein Konflikt, der in der Zeit von 1258 bis 1265 eskalierte. *** 10 11 12 13 14

Sarnowsky (wie Anm. 3), S. 122. Warren (wie Anm. 6), S. 183. Sarnowsky (wie Anm. 3), S. 123. Sarnowsky (wie Anm. 3), S. 123–24. Warren (wie Anm. 6), S. 229.

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John Hower

Wie haben sich zeitgenössische Autoren in dieser Zeit des politischen Umbruches zu Herrschaft positioniert? Zwei Werke stehen ob ihres politischen Charakters im Vordergrund. Matthäus Parisiensis, ein Benediktinermönch aus dem Kloster von St. Alban schrieb von 1236 bis vermutlich 1259 die Chronica Majora, die unter anderem wegen der drastisch-kritischen Wortwahl des Autors und seiner Königskritik auffällt. Henricus de Bracton, ein Jurist in königlichem Dienste, schrieb vor 1260 De Legibus et Consuetudinibus Angliæ und beschäftigte sich mit den Gesetzen Englands, unter anderem in Hinblick auf die Stellung und Funktion des Königs. Diese Schriften sollen im Folgenden auf ihre Vorstellungen über das Königtum befragt werden. Der Fokus dieser Arbeit fällt daher auf die Zeit von 1236 bis 1259. Die Autorenschaft von De Legibus ist umstritten, ebenso wie die Zeit, in der es verfasst wurde. Einigkeit besteht, dass es vor 1260 geschrieben wurde, es wird jedoch kontrovers diskutiert, ob es in den frühen 1230er Jahren verfasst und später ergänzt oder in den 1250er Jahren verfasst wurde. Es wird dem Juristen Henricus de Bracton zugeschreiben, wurde möglicherweise aber auch von anderen Autoren substanziell bearbeitet. Für die vorliegende Arbeit ist dies von untergeordneter Bedeutung, denn auch wenn Uneinigkeit besteht, wer der oder die Autoren waren, so sind doch alle, die in Frage kommen, Juristen im Dienst des englischen Königs gewesen.15 Die Chronica Majora des Mönchs Matthäus Parisiensis ist eine Überarbeitung und Fortführung einer älteren Chronik, nämlich Roger Wendovers Flores Historiarum. Roger starb am 6. Mai 123616 und beendete seine Arbeit an der Chronik vermutlich bereits im Jahr 1235.17 Matthäus führte die Chronik bis 1254 oder 1259 fort – in Bezug auf Matthäus’ Autorenschaft der Einträge für diese letzten Jahre vor seinem Tod besteht Uneinigkeit unter den Forschern.18 Matthäus verfolgte mit seiner Schreibtätigkeit auch didaktische Ziele. Dem Leser sollten neben den Ereignissen der Vergangenheit auch die moralischen Lektionen daraus näher gebracht werden, um ihn zu einem moralischen Verhalten in der Zukunft zu motivieren.19 Diese moralische Interpretation von Geschichte war

15 Siehe für die Diskussion zu Urheberschaft und Schaffenszeit J. L. Barton: The authorship of Bracton: again, in: Journal of Legal History 30.2 (2009), S. 117–74; Paul Brand: The date and authorship of ’Bracton’: a response, in: Journal of Legal History 31.3 (2010), S. 217–44. 16 Richard Vaughan: Matthew Paris, Cambridge 21979 (1958), S. 21. 17 Vaughan (wie Anm. 16), S. 29–30; und J. A. Giles: Preface. In: Matthäus Parisiensis: Chronica Majora, übersetzt durch J. A. Giles mit dem Titel ,Matthew Paris’s English History‘, Bd. 1, London, 21889 (1854), S. vi. 18 Vaughan (wie Anm. 16), S. 36–7. 19 Björn K. U. Weiler : Matthew Paris on the writing of history, in: Journal of Medieval History Bd. 35 (2009), S. 254–78, hier S. 271.

Vorstellungen von Herrschaft im England der mittleren Jahre Heinrichs III.

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allerdings wohl nicht für den englischen König, sondern für die anderen Mönche bestimmt.20 Vom Leben des Mönchs ist nicht viel bekannt, so auch nicht sein genaues Geburts- oder Sterbedatum oder seine Herkunft. Vermutlich aber erblickte Matthäus um 1200 in England das Licht der Welt und starb 1259. 1217 trat er als Novize in das Kloster St. Albans ein und wurde ein oder zwei Jahre später zum Mönch.21 Den Großteil seines Lebens verbrachte er dort mit dem Verfassen von Texten.22 Neben der Chronica Majora verfasste Matthäus auch einige andere Werke, deren Urheberschaft allerdings teilweise umstritten ist.23 Beide Autoren vertreten ein teils sehr ähnliches, teils aber doch recht verschiedenes Königsbild. Anhand der Texte wird im Folgenden analysiert, wie die Autoren Herrschaft wahrnehmen und wie der ideale König für sie aussehen würde. Nach der Analyse der Vorstellung von Herrschaft beider Autoren folgt eine kurze Diskussion bezüglich des politischen Stellenwertes beider Werke, in der betrachtet wird, inwieweit die Autoren traditionelle Vorstellungen wiederholten oder neue Ideen kreierten. Dabei geht es um eine Untersuchung der Vorstellungswelten der beiden Autoren. Inwiefern die Chronica Majora verlässlich ist oder ob Heinrich III. wirklich gehandelt hat wie Matthäus es beschreibt, ist nicht Thema dieser Arbeit. Wenn in der inhaltlichen Analyse der beiden Werke von Heinrich III. die Rede ist, so handelt es sich dabei nicht um eine Diskussion über das, was wirklich geschehen ist. Vielmehr ist die Darstellung Heinrichs durch Matthäus relevant. Dass Heinrich tatsächlich so unfähig war, wie Matthäus ihn darstellt, ist stark zu bezweifeln.

Der König als Quelle des Rechts Für eine gute Herrschaft braucht der König laut Bracton zwei Dinge, nämlich Waffen und Gesetze (arma videlicet et leges). Das Königreich sei schutzlos, wenn Feinde nicht bezwungen werden können, und wenn die Gesetze nicht wirken, so würden Gerechtigkeit und gerechte Richter verschwinden.24 Bracton schreibt, 20 Antonia Gransden: Historical Writing in England Vol. I: c. 550 to c. 1307, London 1974, S. 375. 21 Vaughan (wie Anm. 16), S. 1–2 und 7. Da diese Arbeit sich nicht primär mit dem Leben des Matthäus beschäftigen soll, wird hier nicht näher auf die Debatte bezüglich Geburts- oder Todesdatum eingegangen. 22 Gransden (wie Anm. 20), S. 356. 23 Vaughan (wie Anm. 16), S. 35. 24 Henricus de Bracton, On the laws and customs of England ed. by Woodbine, George Edward, transl. by Thorne, Samuel Edmund, Cambridge, Mass 1968, S. 19.

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der König habe in seinem Reich keine ihm gleichgestellten Menschen, denn wenn seine Untertanen ihm gleichgestellt wären, hätte er keine Autorität über sie. Der König sei nur Gott und dem Gesetz untergeben, denn das Gesetz mache den König (lex facit regem). Es gäbe keinen rex, wo statt lex Willkür herrscht. Bracton führt Jesus Christus als Vorbild an, dieser habe sich freiwillig dem Gesetz untergeordnet, obwohl er auch anders hätte handeln können. Der König sollte diesem Beispiel folgen, um zu verhindern, dass seine Macht ungezügelt werde (Sic ergo rex, ne potestas sua maneat infrenata).25 Der König sollte das, was er anderen aufgrund seines Amtes (ex officio) verbieten kann und verbietet, nicht selber tun. Als Quelle der Gerechtigkeit (iuris) sollte Ungerechtigkeit (iniuriæ) nicht von ihm ausgehen. Tue es dies doch, so sei er nicht mehr Stellvertreter Gottes, denn er sei Minister von demjenigen, dessen Arbeit er durchführt. Da Ungerechtigkeit vom Teufel (diaboli) ausgehe, wäre er dann nicht länger Stellvertreter Gottes (vicarius est regis æterni), sondern Minister des Teufels (minister autem diaboli). Der König werde nämlich, schreibt Bracton, nicht wegen seiner Herrschaft (regnando) rex genannt, sondern wegen seiner guten Regierung (bene regendo). Nur wenn er gut regiere, sei er ein König. Wenn er aber seine Untertanen mit brutaler Herrschaft unterdrücke (populum sibi creditum violenta opprimit dominatione), sei er kein König, sondern ein Tyrann (tyrannus).26 Ein solcher würde sein Volk zerstören, denn wenn Verständnis und Tugend nicht im Kopf (capite) vorhanden sind folgt, dass die anderen Körperteile (membrorum) ihre Funktionen auch nicht erfüllen können.27 Diese Beschreibung gewinnt besondere Bedeutung, wenn man sie im Kontext eines älteren Werkes über Herrschaft betrachtet. Im vorangegangenen Jahrhundert hatte der Engländer Johann von Salisbury mit seinem Policraticus das Genre der spätmittelalterlichen Fürstenspiegel begründet.28 Dieser hatte eine organologische Auffassung der Ordnung des Königreichs, in der alle Teile ihren Pflichten nachkommen müssten, damit der gesamte Körper funktioniert. Er sah den König als Kopf, den Klerus als Seele, die königlichen Amtsträger und die Adeligen als Arme und den Rest der Bevölkerung, vor allem Bauern, als die Beine und Füße.29 Der König hatte zur Aufgabe, das Recht zu wahren, Ratschlägen zuzuhören und die Kirche zu beschützen, während sein Gegenstück, der Tyrann, stattdessen Ehrgeiz und Gier anheimfiel.30 Der König trägt als Vorbild die Ver25 26 27 28 29 30

Ebd., S. 33. Ebd., S. 305. Ebd., S. 306. Sarnowsky (wie Anm. 3), S. 136. Ebd., S. 136–37. Björn K. U. Weiler, ”Rex renitens” and the medieval idea of kingship, ca. 900–ca. 1250, in: Viator Bd. 31 (2000), S. 1–42, hier S. 30.

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antwortung für die anderen Körperteile, und das betrifft auch die Moral und das Seelenheil der Untertanen. Verhält sich der König unmoralisch, so würden sich auch die Untertanen unmoralisch verhalten.31 Johann von Salisbury hat argumentiert, dass ein Tyrann beseitigt werden dürfte, allerdings nicht von denen, die ihm Treue geschworen hatten.32 Nimmt Bracton in der oben beschriebenen Textstelle Bezug auf Johann’s Policraticus? Diese Antwort kann nicht eindeutig beantwortet werden. Es ist unklar, ob Bracton überhaupt mit dem Werk vertraut war, denn weit verbreitet war es im England des 13. Jahrhunderts wohl nicht.33 Auch war Johann von Salisbury nicht der einzige Autor, der eine organologische Auffassung von der Ordnung des Königreiches vertrat.34 Es wäre daher spekulativ zu behaupten, dass Bracton an dieser Stelle auf den Policraticus Bezug nimmt, auszuschließen ist es jedoch auch nicht. Die Stellen an denen Bracton von der überlegenen Stellung des Königs spricht, verwenden immer das Wort „rex“. Wenn Bracton also sagt ein rex ohne lex sei kein rex, sondern ein tyrannus, heißt das dann, dass all jene Aussagen, die Bracton über den rex macht, außer Kraft treten, wenn der rex zum tyrannus wird? Anders ausgedrückt, darf man einen tyrannus töten, da die Unantastbarkeit des rex nicht auf ihn zutrifft? Bracton gibt hierauf keine eindeutige Antwort, aber es ist anzunehmen, dass der tyrannus für Bracton legal mit dem rex identisch ist. Wie verhält es sich also mit der legalen Stellung des Königs? Bracton meint, dass Urteile nicht von Menschen, sondern von Gott gegeben werden. Allerdings sei der König Gottes Stellvertreter (rex sit vicarius dei), die Richter seien ihrerseits Stellvertreter des Königs (vice regis) und würden damit urteilen, als wären sie an Stelle von Jesus Christus (quasi vice Ihesu Christi).35 Niemand im Königreich sollte über dem König stehen, wenn es um das Geben (exhibitio) von Recht als Richter geht. Wenn es aber um das Empfangen (suscipiendo) von Recht als Kläger geht, soll er Letzter sein.36 Bracton zufolge kann keine Klageschrift gegen den König gerichtet werden – es gibt nur die Möglichkeit einer Petition an den König, um diesen zu bitten, seine Handlungen zu überprüfen und zu ändern. Wenn der König dies nicht tut, sei die Erwartung der Strafe Gottes (deum expectet ultorem) ausreichend Strafe. Niemand darf sich 31 Wilhelm Kleineke, Englische Fürstenspiegel. Vom Policraticus Johanns von Salisbury bis zum Basilikon Doron König Jakobs I., Halle 1937, ND Tübingen 1973 (Studien zur englischen Philologie, 90), S. 34–35. 32 Hans Plehn, Der politische Charakter von Matheus Parisiensis, in: Staats- und socialwissenschaftliche Forschungen 14/2 (1897), S. 31. 33 Ebd. 34 David A. Carpenter, The Struggle for Mastery. Britain 1066–1284, New York 2003, S. 371; Jean Dunbabin, Government, in: The Cambridge History of Medieval Political Thought c.350–c.1450, hrsg. J. H. Burns, Cambridge 1988, S. 477–519, hier S. 483. 35 Bracton (wie Anm. 24), S. 20. 36 Ebd., S. 33.

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anmaßen (præsumere), die Handlungen des Königs anzufechten (disputare), oder gar ihnen zuwiderhandeln (nec multi fortius contra factum suum venire).37 Der König ist also rechtlich unantastbar und urteilen über ihn darf nur Gott. Ebenso verhält es sich wohl mit dem Tyrannen, denn nur Gott kann sinnvollerweise urteilen, dass der König ein Tyrann ist – alles andere würde die geschützte Position des Königs durch den Vorwurf der Tyrannei aushebeln. Die Gesetze, die der König einhalten muss, kann dieser konsequenterweise auch nicht eigenständig ändern. Zwar gebe es in England vor allem ungeschriebene Gesetze und Gewohnheiten, doch sei es falsch, diese nicht Gesetze (leges) zu nennen, denn sie seien mit dem Rat und der Zustimmung der Magnaten (magnates) und der res publica und durch die Autorität des Königs zum Gesetz geworden, argumentiert Bracton.38 Da die Gesetze von denen, die sie benutzen, bewilligt und vom königlichen Schwur bestätigt wurden, können sie auch nur mit dem gemeinsamen Einverständnis (communi consensu) derer, die sie bewilligt haben, verändert (mutari) werden. Auch dürfen sie ohne deren Einverständnis nicht aufgehoben werden.39 Privilegien darf jedoch nur der König interpretieren, etwa wenn die Bedeutung eines Satzes mehrdeutig ist oder wenn eine Fälschung vermutet wird.40 Allerdings darf der König keine Privilegien aufheben und Rechte, die er einst abgegeben hat, de jure wieder zurücknehmen. Tut der König dies aber de facto, so darf die geschädigte Partei keine Zuwiderhandlung tätigen. Wenn etwa ein Stück Land erst an einen, dann an einen anderen gegeben wurde, so muss der Erstbesitzer den König auf seinen älteren Anspruch hinweisen, darf dem Zweitbesitzer aber nicht den Zugang verwehren. Tut er dies, so begeht er Rechtsbruch und verliert seinen Anspruch auf das Land, da der König nur per Petition zur Änderung seiner Entscheidung gebeten werden darf, Zuwiderhandlung aber ausdrücklich verboten ist.41 Bractons König ist also nur dann legitimer König, wenn er für die Einhaltung der Gesetze sorgt und diese auch selbst befolgt. Die Gesetze kann er nicht eigenständig ändern oder aufheben und auch Privilegien kann er nicht ohne Zustimmung aufheben oder die über Privilegien vergebenen Rechte zurücknehmen. Wenn er sich nicht an die Gesetze hält, ist er laut Bracton ein Tyrann, praktisch folgt hieraus aber nichts. Wie sieht dies Matthäus Parisiensis? Der König sollte ein Spiegel und Muster der Gerechtigkeit sein (rex speculum justitiæ esse teneretur et exemplum), er sollte Dunkelheit erhellen und seine Worte sollen wahrheitsgetreu (verus) und

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Ebd., S. 33. Ebd., S. 19. Ebd., S. 21. Ebd., S. 109. Ebd., S. 169.

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unveränderlich (incombutabiliter) sein.42 Der König sei nur dann König, wenn er die Gesetze befolge und würde aufhören, König zu sein, wenn er sie bräche, ermahnt ein Meister der Johanniter den englischen König.43 Bricht er das Gesetz, so solle Strafe folgen, fordert Matthäus, wie etwa im Falle des Königs von Aragon, der brutal (truculenter) einem Bischof die Zunge herausschneiden ließ. Dieser solle schwer bestraft (puniri graviter promerebat) und sein Königreich unter Interdikt gelegt werden.44 An anderer Stelle geht Matthäus auf die Rache Gottes als Strafe ein, indem er beschreibt, wie der schottische König vom Pfad der Gerechtigkeit abkam, ungerechterweise einen seiner Untertanen jagte, damit den Ärger Gottes erregte und durch eine plötzliche und tödliche Krankheit dahingerafft wurde, als sei es die Rache Gottes (quasi ultio).45 Die Gräfin von Arundel bat Heinrich III. 1252 eindringlich darum, Gerechtigkeit walten zu lassen und seiner Funktion als Vermittler zwischen seinen Untertanen und Gott (medius inter Deum) nachzukommen.46 Beide Autoren sind sich also einig, dass der König als Stellvertreter Gottes für die Aufrechterhaltung des Rechts sorgen muss und auch nicht selbst dagegen verstoßen soll. Während Bracton sich bei Verstößen durch den König auf die Rache Gottes beschränkt, fordert Matthäus Strafen, die durchaus weltlicher Natur sind – wie etwa ein Interdikt gegen das Königreich.

Rechtsprechung Der König ist also, wie geschildert, Quelle des Rechts und somit auch für die Rechtsprechung verantwortlich. Wie sehen die beiden Autoren die Rolle des Königs in der Rechtsprechung? Laut Bracton sollte kein ungebildeter (indoctus) oder unkluger (insipiens) Mann Richter werden, denn ein solcher würde statt Dunkelheit Licht und statt Licht Dunkelheit bringen (ne lucem ponat tenebras et tenebras lucem), oder anders ausgedrückt, Unschuldige bestrafen und Schuldige begnadigen. Die Richter sollen ihre Eigeninteressen in den Hintergrund stellen und sich nicht bestechen lassen.47 Gnade ist ungerecht, schreibt Bracton, wenn sie wahllos gewährt oder unverbesserlichen Übeltätern, sprich Wiederho42 Matthaei Parisiensis, monachi Sancti Albani, Chronica majora, hrsg. H. R. Luard, 7 Bde., London, 1872–1884 (Rolls Series) [künftig: CM (Luard)], V, 275; und Matthäus Parisiensis: Chronica Majora, übers. J. A. Giles unter dem Titel ,Matthew Paris’s English History‘, Bd. 1, London, 2. Aufl. 1889 [künftig CM (Giles)], II, 475–76. 43 CM (Luard), V, 339; CM (Giles), II, 531. 44 CM (Luard), IV, 578; CM (Giles), II, 189. 45 CM (Luard), V, 88–89; CM (Giles), II, 321. 46 CM (Luard), V, 336–37; CM (Giles), II, 252. 47 Bracton (wie Anm. 24), S. 21.

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lungstätern, zugestanden würde.48 Wenn es nach Bracton ginge, sollten Richter, vor allem der König, also weise und klug sein, sollten Schuldige bestrafen und Unschuldige begnadigen. Nur die Gerechtigkeit sollte in der Urteilsfindung eine Rolle spielen, nicht aber monetäre, familiäre oder vergleichbare Erwägungen. Gnade ist gut, aber nur solange sie nicht solchen Menschen gewährt wird, die sie nicht verdienen. Wenn es darum geht, sein eigenes Recht durchzusetzen, sollte sich der König zurücknehmen. Matthäus sieht dies ähnlich. Er kritisiert, dass der König Untertanen zu Unrecht inhaftiert,49 teilweise sogar, wie im Fall von Hubert de Burgh, um an ihren Besitz zu kommen.50 Der König würde Angeklagte in seiner Wut verurteilen, egal ob sie unschuldig oder schuldig seien.51 Manche Personen schließe der König vollkommen von der Strafverfolgung aus. So erlässt der König 1256, dass ihm Nahestehende von der Strafverfolgung ausgeschlossen sind – ein Erlass, der für Matthäus jeglichem Recht und dem Frieden des Königreichs entgegensteht ([…] quod manifeste patet esse omni juri et paci regni contradictorium).52 Ähnlich verhielt es sich auch mit königlichen Agenten und Sheriffs, die ohne Angst zu sündigen (peccata minime formidantes), England plünderten (deprædari).53 Der König wendet Gnade bei seinen erklärten Feinden (manifestis inimicis) an, die er vorher mit großer Mühe erst unter Kontrolle gebracht hatte, und hält sich nicht an das Gebot des Evangeliums, das besagt „Bring jene, die es nicht zulassen, dass ich über sie herrsche, und töte sie in meiner Anwesenheit“ (Adducits illos qui noluerunt me regnare super eos, er interficite coram me). Des Königs Ruhm und der ihm gezollte Respekt verginge (imarquit fama et reverentia illius), denn er unterdrücke seine natürlichen Untertanen und zeige Güte gegenüber Ausländern (qui proprios opprimit et blanditur aliensis).54 Wenn Engländer gegen das Gesetz verstoßen, würden sie stärker bestraft, als sie es verdienten, während Ausländer kaum oder gar nicht bestraft würden.55 Der König bestraft also Unschuldige und begnadigt Schuldige, vor allem ist er ungerecht zu seinen Untertanen. Auch nimmt er sich nicht zurück, wenn es darum geht, sein eigenes Recht durchzusetzen – so ordnet er die Gerechtigkeit im Fall von Hubert de Burgh dem finanziellen Gewinn unter. Der Kommentar von Matthäus macht deutlich, dass dies dem Idealbild eines Königs entgegensteht.

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Ebd., S. 306. CM (Luard), III, 543–44; CM (Giles), I, 175–76. CM (Luard), III, 620; CM (Giles), I, 237–39. CM (Luard), V, 256; CM (Giles), III, 170. CM (Luard), V, 594; CM (Giles), III, 202. CM (Luard), V, 370–71; CM (Giles), III, 20. CM (Luard), V, 396; CM (Giles), III, 41. CM (Luard), V, 398; CM (Giles), III, 42.

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Dieser sollte Unschuldige begnadigen und Schuldige bestrafen, niemanden vom Gesetz ausnehmen und seine Eigeninteressen der Gerechtigkeit unterordnen. Um Letzteres zu tun, braucht er Selbstbeherrschung. So schreibt Bracton, der König solle sich in Selbstbeherrschung (temperancia) und Moderation (moderantia) üben, um nicht zur Ungerechtigkeit (iniuria) bewegt zu werden.56 Wie kaum anders zu erwarten beschreibt Matthäus Heinrich III. als einen König, der dieser Tugend nicht mächtig ist. So bat der König 1253 die Templer um Geld, und als diese eine Schenkung ablehnten, verbannte er in Wut (iratus) einen der Templer vom Hofe.57 Oft reagiert der König zornig und unbedacht, riskiert damit teilweise auch den Landesfrieden.58 Matthäus’ Darstellung macht deutlich: Nicht nur ist der König ungerecht, wenn er seinem Ärger freien Lauf lässt, nein er riskiert auch unnötig Konflikte am Hofe und somit auch seine Machtposition. Ein guter Herrscher würde sich daher in Moderation üben und nicht vorschnell in Wut agieren.

Widerstandsrecht und Berater Matthäus ist der Meinung, dass ungerechte Akte des Königs nicht einfach ertragen werden sollen. Als Beispiel ist hier ein Ereignis aus dem Jahr 1242 zu nennen. Ralph Briton, Domherr an der St. Pauls Kirche in London, wurde nach Matthäus zu Unrecht auf Befehl des Königs festgenommen. Der Bürgermeister Londons, der den Domherrn festnahm, gehorchte statt Gott dem König ([…] cui major plus quam Deo obediens, regia præcepta præcipitanter effectui mancipavit), hätte also den Befehl verweigern sollen.59 Im selben Jahr befahl der in der Gascogne weilende König seinem Regenten, dem Erzbischof von York, die Ländereien und Besitzungen derjenigen zu beschlagnahmen, die den König in angeblich verräterischer Weise auf dem Kontinent zurückgelassen und ihn so den Ereignissen ausgesetzt hätten – ein tyrannischer Befehl (tirannicum præceptum), wie Matthäus findet. Der Erzbischof, ein weiser und bedachter Mann (providus et circumspectus), erkannte, dass die beschuldigten Engländer nach dem Friedensschluss mit dem französischen König, also nach Ende des Krieges, zurückgekehrt waren, um sich um ihre Gesundheit und Finanzen zu kümmern. Der Erzbischof würde die Größe seines Charakters nicht kompromittieren, indem er einem solchen Befehl folgt, lobt Matthäus. Der König wird also als Tyrann beschrieben, dessen Befehl keine Wichtigkeit 56 57 58 59

Bracton (wie Anm. 24), S. 305. CM (Luard), V, 304; CM (Giles), III, 15. CM (Luard), V, 223–24; CM (Giles), II, 432. CM (Luard), III, 543–44; CM (Giles), I, 175–76.

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hat und vom Erzbischof zu Recht ignoriert wird. Diese Haltung wird durch Matthäus damit begründet, dass der König die Ratschläge seiner Adeligen, dass es besser für ihn wäre, nach England zurückzukehren, nicht befolgt hatte und stattdessen zu seinem Nachteil (dampnum proprium) in der Gascogne verblieben war.60 Gehorsamsverweigerungen zu königlichen Befehlen können also Matthäus zufolge gerechtfertigt und notwendig sein. Etwas verwunderlich ist in diesem Kontext ein Beitrag Bractons zur Stellung des Königs in der addicio de cartis. Dort heißt es nämlich, dass ihm drei Instanzen übergeordnet sind – Gott, das Gesetz und die curia. Die curia, die Grafen und Barone, sollen den König ,zügeln‘ (frænare), denn wenn er ungezügelt ist, so sei er auch ohne Gesetz. Dies sei auch der Grund, warum die Grafen ,Partner des Königs‘ genannt würden ([…] quia comites dicuntur quasi socii regis) und wer einen Partner hat, habe auch einen Meister (et qui socium habet, habet magistrum). Wenn auch die curia ungezügelt ist, so würde Gottes Rache auf König und Kurie treffen und diese zerstören und von der Erde fegen (quæ destruet eos et evellet radices eorum de terra).61 Wie diese ,Zügelung‘ aussehen soll, beschreibt Bracton nicht. Die addicio de cartis wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Die Passage wurde im Nachhinein ergänzt, doch handelt es sich wohl um eine sehr frühe Ergänzung, die möglicherweise noch zu Bractons Lebzeiten hinzugefügt wurde. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine nachträgliche Ergänzung handelt und ob des bemerkenswerten Inhalts (der anderen Passagen zu widersprechen scheint), ist der Autor der Passage umstritten. Charles Radding hat argumentiert, die Passage sei nicht in genug Manuskripten enthalten, um sie Bracton sicher zuschreiben zu können. Allerdings kann man anhand der Manuskripte auch nicht sicher ausschließen, dass der Text von Bracton stammt. Analysen des Schreibstils, in denen die addicio mit anderen Stellen, die mit Sicherheit von Bracton stammen, verglichen wurden, führten nicht weiter.62 Die Diskussion dreht sich unter anderem um den Satz, qui socium habet, habet magistrum, der auf den ersten Blick wenig Sinn macht.63 Warum sollte jemand, der Partner hat, deswegen einen Meister haben? Zweifellos ist ein socius nicht mit einem magister gleichzusetzen. Radding hat versucht, diese Maxime von Bracton über das römische Recht zur Partnerschaft zu erklären. Danach konnte der Partner (socius) nicht ohne Mitsprache seiner Partner über das gemeinsame Eigentum verfügen. Seine Freiheit war auf diese Weise eingeschränkt. Zudem unterlagen die Handlungen eines socius der Prüfung seiner Partner, die ihn zur Verantwortung ziehen 60 CM (Luard), IV, 230–31; CM (Giles), I, 436. 61 Bracton (wie Anm. 24), S. 110. 62 Charles M. Radding, The Origins of Bracton’s Addicio de Cartis, in: Speculum 44, 2 (1969), S. 239–46, hier S. 240. 63 Brian Tierney, Bracton on Government, in: Speculum 38 (1963), S. 295–317, hier S. 314.

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konnten, vergleichbar mit den Baronen, die den König zur Überprüfung und Änderung seiner Akte auffordern konnten.64 Radding hat Bracton deswegen in dem Sinne verstanden, dass König und Barone eine societas, eine Partnerschaft, formten. Wenn der König entgegen den Interessen des Königreiches, also des gemeinsamen Besitzes, handelte, so sei es die Verantwortung seiner Partner, ihn zu besserem Verhalten aufzufordern.65 Diese Interpretation der Passage macht im Kontext des restlichen Textes durchaus Sinn. Es kann zwar keine abschließende Antwort auf die Autorenschaft der Passage gegeben werden, doch ist es durchaus möglich ist, dass Bracton sie selber geschrieben hat.66 Eine weitere mögliche Interpretation der addicio de cartis lässt sich bei Brian Tierney finden. Er verweist darauf, dass die curia den König beinhaltete, ja, dass dieser deren Vorsitzender war. Auch die Schriftsteller des 13. Jahrhunderts hätten dies gewusst. Die Passage bedeute nichts anderes, als dass der König mit seiner curia mehr Autorität hat als der König alleine, und damit curia und König gemeinsam dem König übergeordnet. In diesem Sinne hat Bracton wohl gemeint, dass die Mitglieder der curia den König kritisieren konnten, sie aber, sofern dieser die Kritik nicht annahm, nichts weiter tun konnten.67 Beide Interpretationen sind plausibel und widersprechen der generellen Argumentation von Bracton nicht. Schließlich schreibt er, dass das Gesetz über dem König steht, und stellt dennoch fest, dass kein Mensch ihn verurteilen kann. Ebenso schreibt er gerade in der addicio, dass bei einer ungezügelten curia die Rache Gottes abzuwarten ist. Es scheint daher plausibel, dass es sich mit der Unterordnung unter die curia ähnlich verhält. Der König soll, der guten Herrschaft wegen, den Rat seiner Grafen und Barone suchen – tut er dies nicht, ist er ein schlechter Herrscher, den außer Gott aber niemand verurteilen kann. Wie verhält es sich mit den Beratern bei Matthäus? Dieser beschreibt, wie 1258 die Adeligen im Rahmen eines Parlaments in Oxford ihrem Unmut Luft machten und unter anderem monierten, dass der König Ausländer bereichere und bevorzuge, seine natürlichen Untertanen verachte (despicit) und plündere (deprædatur) und so das gesamte Königreich zerstöre (subversionem totius regni). Der König erkannte die Wahrheit des Gesagten, begründete dies damit, dass ihm zu oft böse Ratschläge aufgedrängt (iniquo consilio fascinatum) worden waren und versprach Besserung.68 Es sei die Pflicht (deceret) des Königs, nicht den bösen Ratschlägen dieser Ausländer, sondern den Ratschlägen seiner natürlichen Untertanen zu folgen, die ihm und dem Königreich Gutes wollten (suis

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Radding (wie Anm. 62), S. 242–43. Ebd., S. 243. Ebd., S. 246. Tierney (wie Anm. 63), S. 315–16. CM (Luard), V, 689; CM (Giles), III, 279.

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benivolis regnoque ac reipublicæ utilibus).69 Matthäus macht allerdings nicht deutlich, wie sich – außer in Bezug auf die Folgen der Ratschläge und die Herkunft der Ratgeber – böse von guten Ratschlägen unterscheiden lassen. So werden von Matthäus als verwerflich interpretierte Aktionen des Königs oft auf böse Ratschläge zurückgeführt, ohne dass klar ist, ob es Ausländer waren, die den König beraten haben, oder aus welchem Grund die jeweiligen Ratschläge erteilt wurden. Anders ausgedrückt, wenn etwas Matthäus nicht gefällt, führt er es oft auf böse Ratschläge zurück, wenn er etwas gut findet, auf gute. So löste der König 1236 einen Konflikt mit dem schottischen König um Ländereien, die diesem versprochen worden waren, friedlich, da er auf Anraten seiner Adligen hin nach York reiste und sich dort mit diesen bezüglich der besten Lösung für den Konflikt absprach.70 An anderer Stelle beschreibt Matthäus, wie der französische König Ludwig IX. mit dem Rat seinen natürlichen Ratgeber (fretus consilio naturali) dem Kaiser des Lateinischen Kaiserreichs, Balduin, eine große Summe Geldes schickte. Im Gegenzug bekam der König die Dornenkrone, die das Ansehen des französischen Königreiches verbesserte (gloriam Deo dilecti regni Francorum).71 Der französische König verbesserte also aufgrund der Ratschläge seiner natürlichen Ratgeber das Ansehen seines Königreiches und profilierte sich als guter Christ. Matthäus beschreibt die Ratschläge von Beratern aus dem Königreich des jeweiligen Königs als weise und stellt sie als positiv für das Königreich dar. Ratschläge von ausländischen Ratgebern hingegen werden als böse und für das Königreich negativ dargestellt. Der König sollte also Ratgebern aus seinem eigenen Königreich zuhören und deren Rat befolgen. Matthäus zufolge ist es aber nicht nur wünschenswert, dass der König sich von seinen Untertanen beraten lässt und diese Ratschläge denen von Ausländern vorzieht, nein, es ist sogar seine Pflicht. Dies bezieht sich auch auf die Außenpolitik. 1254 stellte sich den englischen Magnaten die Frage, ob sie ihrem König in einem möglicherweise bevorstehenden Krieg gegen den König von Kastilien zur Seite stehen würden. Der Graf von Gloucester versicherte für den Fall eines Verteidigungskrieges seine Gefolgschaft, sofern nämlich der König von Kastilien Heinrich III. tatsächlich angreifen sollte. Er verweigert seine Gefolgschaft aber für einen Angriffskrieg, etwa wenn es dem englischen König bei dem Krieg tatsächlich um die Eroberung neuer Ländereien ginge.72 Die anderen Magnaten taten es ihm gleich und verweigerten ihre Gefolgschaft und finanzielle Unterstützung im Falle eines An69 70 71 72

CM (Luard), III, 410; CM (Giles), I, 67. CM (Luard), III, 372; CM (Giles), I, 36. CM (Luard), IV, 75; CM (Giles), I, 312. CM (Luard), V, 424; CM (Giles), III, 64.

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griffskrieges, erklärten aber, dass sie dem König zu Verteidigungszwecken sofort zur Seite eilen würden.73 Ob der König Hilfe brauche oder nicht, wollen die Barone selbst beurteilen. Die Gefahr des Angriffs durch den König von Kastilien sei aber nur erfunden gewesen, hebt Matthäus in einem späteren Eintrag hervor,74 und macht durch seine Wortwahl deutlich, dass er auf Seite der Magnaten steht. So nennt er den königlichen Plan, mit dem König von Kastilien Krieg zu führen, hinterhältig (subdolus) und den König einen Fallensteller (regis muscipulas).75 Auch an anderer Stelle verweigern die Magnaten dem König ihre Unterstützung, etwa als dieser für sein Vorhaben, die sizilianische Krone für seinen Sohn Edmund zu sichern, Geld braucht.76 Auch Matthäus Parisiensis scheint also die Barone als Teil des Staatsgefüges zu verstehen, in dem Sinne, dass der König nur mit ihrer Mitwirkung regieren soll.

Der König als Beschützer des Königreiches Wie eingangs bereits erwähnt, gibt es nach Bracton eine weitere zentrale Aufgabe des Königs, nämlich den Schutz des Königreiches. So umfasst der Königsschwur die Versicherung des Königs, dass er seine Macht nutzt, um Frieden für die Kirche und alle christlichen Untertanen seines Königreiches zu sichern und aufrechtzuerhalten und dass er jegliche Raubsucht (rapacitates) verbietet (und konsequent auch selbst unterlässt).77 All jenes, das mit dem Frieden (pax) zu tun hat, fällt in den Macht- und Verantwortungsbereich des Königs. Alle Menschen in seiner Obhut sollen in Ruhe und Frieden leben können. Keiner soll ungestraft andere verletzten oder misshandeln, stehlen oder rauben oder andere töten können. Hierfür kann der König auf Zwangsmittel (coertio) zurückgreifen, nämlich um Übeltäter bestrafen (punire) oder zwingen (coercere) zu können. Der König soll diese Gesetze auch selbst befolgen und für deren Einhaltung sorgen, denn Gesetzgebung sei sinnlos, wenn die Gesetze nicht auch durchgesetzt werden (nihil enim prodest iura condere, nisi sit qui iura tueatur).78 Weiter geht Bracton auf die Thematik des Schutzes vor äußeren und inneren Gefahren nicht ein, aber bei Matthäus findet sich zu dieser Thematik Einiges. Krieg kann Matthäus zufolge gerechtfertigt sein und durch Gottes Beistand unterstützt werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der König sein Königreich verteidigt oder Rebellionen niederschlägt. 73 74 75 76 77 78

CM (Luard), V, 440; CM (Giles), III, 75. CM (Luard), V, 445; CM (Giles), III, 79. CM (Luard), V, 440; CM (Giles), III, 75. CM (Luard), V, 680; CM (Giles), III, 271. Bracton (wie Anm. 24), S. 304. Ebd., S. 166.

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1236 ging der schottische König kriegerisch gegen rebellierende Einwohner von Glasgow vor, die vergewaltigend und plündernd durchs Land zogen. Die königliche Armee verfolgte die Rebellen, bis alle tot oder gefangen waren. Der König ließ die Gefangenen mit wenigen Ausnahmen hinrichten. Die Verschonten wurden eingekerkert und mitsamt ihrer Nachfahren enterbt – nicht ohne Grund (non sine ratione), wie Matthäus schreibt. Nach diesem Sieg ehrte der schottische König Gott (Deum magnificavit), als Dank für den militärischen Erfolg.79 Die Hinrichtungen werden nicht als ungerecht beschrieben, die Enterbungen der Rebellen und ihrer Familien seien begründete Akte. Durch die Ehrung Gottes, die von Matthäus nicht als unangemessen oder blasphemisch beschrieben wird, wird die militärische Handlung des Königs mit Gott in Verbindung gebracht. Es scheint, als sei es Gottes Wille, dass der König Erfolg haben solle. Da Einwohner von Glasgow gegen den König rebelliert und mit ihren brandschatzenden Aktionen für Gefahr im Land gesorgt haben, ist der Krieg berechtigt – der König ist hier seiner Fürsorgepflicht für seine Untertanen nachgekommen. Nicht jeder Krieg ist jedoch gerechtfertigt. So macht Matthäus klar, dass der König sich nicht für jeden Grund zum Krieg ermuntern lassen sollte (et hoc modo non decuit regem potentem at Martia certamina provocari), wobei er sich auf den Beginn des Krieges zwischen England und Frankreich im Jahr 1242 bezieht. Der Stiefvater des englischen Königs, Hugo X. von Lusignan, Graf von La Marche, hatte sich gegen seinen Lehnsherren, den französischen König, aufgelehnt und den englischen König animiert, dem Krieg beizutreten. Der Graf von La Marche und dessen Anhänger wollen nur das Geld des Königs und nicht dessen militärische Macht, so Matthäus, und diese Rolle als Finanzier gezieme dem König nicht. Den Krieg als Geldgeber und nicht als militärischer Anführer anzutreten, sei nicht angemessen für einen König.80 Um seiner Funktion als Beschützer des Königreiches nachzukommen, sollte der König natürlich auch in Kriegführung kompetent sein. Nie habe der König das Rittertum erlernt, nie ein Pferd geritten, ein Schwert gezogen, ein Speer geschwungen oder ein Schild gehoben, zitiert Matthäus in einem Bericht für 1252 die Magnaten mit Blick auf das Vorhaben Heinrichs III., auf Kreuzzug zu gehen – ein Vorhaben, das nach Ansicht der Barone aufgrund der mangelnden Qualitäten des Königs nicht erfolgsversprechend erschien.81 Der offensichtlich überspitzte Spott über den König macht deutlich, was dieser ausstrahlen sollte: Ritterlichkeit und kriegerisches Können. Auch Tapferkeit sollte dem König nicht fremd sein. So beschreibt Matthäus, wie der König 1244 einem Untertan die Verteidigung gegen die Waliser überlässt und sich selbst nach Westminster zurückzieht – dem 79 CM (Luard), III, 364–66; CM (Giles), I, 31–32. 80 CM (Luard), IV, 191; CM (Giles), I, 405. 81 CM (Luard), V, 335; CM (Giles), II, 528.

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weiblichen Rat (consilio muliebri) folgend, wie Matthäus abschätzig kommentiert.82 Neben dem kriegerischen Können und der Tapferkeit sollte der König aber auch strategisches und taktisches Geschick aufweisen. Im Krieg zwischen England und Frankreich ruft Ludwig IX. Streitkräfte aus dem ganzen Königreich zusammen und befiehlt deren ausreichende Versorgung und Bewaffnung, sodass sie für den Einsatz bereit sind. Ferner lässt er etwa tausend Karren vorbereiten, um die Vorräte, Zelte, Waffen etc. transportieren zu können. Danach stellt er seine Truppen in guter Ordnung (prudenter dispositis) auf und marschiert Richtung Poitou, dem Kriegsschauplatz.83 Erfolgreich gelingt es dem französischen König in der Folgezeit Burgen einzunehmen – teilweise gewaltsam, wie im Fall der Burg Frontenaye, teilweise ohne Gewalt, wie im Fall der Burg Vouvant, die dem König intakt übergeben wurde.84 Dies ist für Matthäus ein Paradebeispiel für einen strategisch und taktisch versierten König. Aus seinem Bericht geht hervor, dass sich ein König gut auf einen Krieg vorbereiten und Truppen und Logistik, wie etwa Nachschub, sicherstellen sollte. Die Schutzfunktion des Königs hat noch einen weiteren Aspekt, nämlich den Schutz der Kirche. Der Schutz der Kirche liegt Matthäus verständlicherweise am Herzen und ist deswegen auch eins der zentralen Themen seiner Chronik. Die Gefahr für die Kirche geht allerdings nicht von Kriegen aus, sondern vor allem von Habgier. So kritisiert Matthäus die unersättliche Habgier (insatiabilis cupiditiatas) des Papstes und dessen Gesandten. Deren schädliche Besitzergreifungen (injuriosas occupationes) und rechtswidrigen Raube (illicitas rapinas) fände der König endlich abscheulich (detestari), vermerkt Matthäus zu 1245.85 Denn zuvor ließ der König Papst und Gesandte schalten und walten, wie sie wollten. Der König habe sich dem Willen der Römer ergeben und nicht ohne die Erlaubnis des Papstes oder des Legaten herrschen können. Matthäus kommentiert, dass er daher als Vasall des Papstes statt als König verstanden werden könne.86 Allerdings werden nicht nur der Papst und dessen Legat als Herren des Königs dargestellt. Der englische König wird von Matthäus also als ein freiwilliger Untertan des Papstes und dessen Anhängerschaft verstanden, der seine Souveränität an den Papst und die Legaten abgibt. Diese Abhängigkeit des Königs vom Papst und dessen Anhängerschaft ist für Matthäus also nicht nur ein Zeichen von königlicher Schwäche, sondern auch eine Last für das Königreich, das hierdurch substanziell an Reichtum verliere. Eine weitere Quelle des Ärgernisses für 82 83 84 85 86

CM (Luard), IV, 385; CM (Giles), II, 27. CM (Luard), IV, 195; CM (Giles), I, 408. CM (Luard), IV, 206–08; CM (Giles), I, 417–18. CM (Luard), IV, 419; CM (Giles), II, 55. CM (Luard), III, 412; CM (Giles), I, 68.

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Matthäus ist der Umgang des Königs mit der Kirche in England. Pastorenlose Kirchen würden nicht besetzt und kanonische Wahlen neuer Pastoren nicht erlaubt, da der König sich an den Kirchenländereien bereichern wolle.87 Die Einmischung des Königs in Bischofswahlen ist ein Thema, das sich durch die gesamte Chronik zieht und eines, das Matthäus kontinuierlich kritisiert. Bracton schreibt erwartungsgemäß weniger zur Rolle der Kirche, stellt auch ganz klar fest, dass er sich in seinem Text nicht mit kirchlichem Recht befasst.88 Trotzdem gibt es einige Stellen, die Aufschluss gegenüber Bractons Sichtweise in Bezug auf das Zusammenwirkung von König und Kirche geben. Er unterscheidet klar zwischen der spirituellen und der weltlichen Hierarchie (in spiritualibus, in temporalibus). Erstere wird vom Papst angeführt, letztere vom König.89 Der König ist also nicht dem Papst unterstellt. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, sieht Bracton den König als Stellvertreter Gottes in rechtlichen Angelegenheiten und sieht ihm nur Gott und dem Gesetz (und in der addicio de cartis auch noch der curia) untergeordnet. Der Papst ist also bei Bracton nicht dem König übergeordnet und soll es auch nicht sein. Schließlich sagt Bracton ja, dass der König in seinem Königreich keine gleichgestellten oder gar übergeordneten Menschen haben soll. Auch die von Matthäus kritisierte Ausbeutung der Kirche verstößt gegen die von Bracton beschriebene Schutzfunktion, die der König innehat und mit der auch Schutz vor Raubsucht gewährt sein sollte. Bracton schreibt, dass sakrale (sacræ), religiöse (religiosæ) und heilige (sanctæ) Dinge niemandem außer Gott gehören und göttlichem Recht unterstehen. Sakrale Dinge seien solche, die von Priestern geweiht (consecrata) wurden. Hierzu zählt Bracton sakrale und religiöse Gebäude, Kirchen und Kapellen und Gegenstände, wie etwa Kreuze.90 An anderer Stelle schreibt er, es gäbe juristische Fälle, die der spirituellen Sphäre zufallen und von kirchlichen Richtern beurteilt werden müssen und solche, die der weltlichen Sphäre zugehörig sind und vom König und weltlichen Richtern beurteilt werden müssen.91 Eindeutig ist bei Bracton also, dass der König dem Papst nicht untergeordnet ist oder sein soll. Weniger eindeutig ist, wie mit pastorenlosen Kirchen oder wie mit der Ausbeutung von Kirchen umzugehen ist. Bractons Äußerungen zum Status von Kirchen und zur Schutzfunktion des Königs weisen aber darauf hin, dass eine solche Ausbeutung auch für Bracton nicht zu dem Verhalten eines guten Herrschers gehört. Auch scheint Bracton Matthäus tendenziell in Bezug auf die kanonischen Wahlen zuzustimmen, in dem Sinne, dass dies eine Angelegenheit der Kleriker und nicht des Königs sei. 87 88 89 90 91

CM (Luard), IV, 3; CM (Giles), I, 256. Bracton (wie Anm. 24), S. 304. Ebd., S. 32. Ebd., S. 40–41. Ebd., S. 304.

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Nicht nur die Kirchen sind von der Raubsucht betroffen, deren Bekämpfung ja laut Bracton zu den Aufgaben des Königs gehört. Wie auch in Bezug auf Kriegführung geht Bracton hier nicht sehr ins Detail, für Matthäus hingegen ist es ein zentrales Thema. William, Bischofelekt von Valentia verließ England 1237, laut Matthäus, weil die Adeligen Englands ihm negativ gesonnen waren – und zwar begründeter Maßen, wie Matthäus meint. Dieser William gab die Ländereien, die ihm vom König vermacht worden waren, an einen Juden aus York, der ihm als Pfand neunhundert Mark Sterling lieh. Mit diesem Geld und diversen anderen Präsenten des Königs verließ er das Land. Matthäus sieht dies kritisch. Er schreibt, dass Heinrich III. das Beispiel des Kaisers und des französischen Königs ignoriere, die sich nicht von ihren Verwandten ausnutzen ließen.92 Heinrich III. wird hier und an anderen Stellen als schwacher König dargestellt, der es nicht vermag, sich gegen seine Frau und seine ausländischen Verwandten durchzusetzen. Allerdings wird die Finanzpolitik Heinrichs III. nicht nur im Kontext von Ausländern kritisiert. So ging der König Matthäus zufolge während eines Aufenthalts in Bordeaux ungeschickt mit seinen Ressourcen um und lässt mehr Vorräte dorthin senden, als England entbehren kann.93 Auf Geheiß des Königs warteten 1243 die Adeligen an der Küste von Portsmouth täglich auf die Rückkehr Heinrichs III. aus Bordeaux und erlitten hierdurch großen Verlust.94 Durch Matthäus’ Berichterstattung wird deutlich, was er für angemessenes Verhalten eines Königs hält (und was nicht). Der König hat die Finanzen des Königreichs im Auge zu behalten und sollte es keinen Individuen gestatten, sich zu sehr am Land zu bereichern, vor allem keinen Fremden. Matthäus beschreibt den König allerdings meistens nicht als bösartig, sondern als schwach. Es ist weniger der König, der das Königreich ausbeutet, sondern vielmehr seine Verwandten und Gefolgsleute, gegen die er sich nicht durchsetzen könne und die ihm für das Königreich schädliche Ratschläge geben. Um Ausgaben tätigen zu können, braucht der König natürlich Einnahmen. So wird beschrieben, wie Heinrich III. monetäre Hilfe von den Baronen verlangte, diese das aber, da sie bereits so oft in ihren Rechten verletzt und getäuscht wurden, einstimmig ablehnten.95 Der König nötigte das Geld daraufhin den Bürgern Londons ab und zwar, ohne vorher die Gemeinschaft des Königreichs um Rat gefragt zu haben.96 Es sei aber die Pflicht des Königs, seine treuen

92 93 94 95 96

CM (Luard), III, 387–88; CM (Giles), I, 49. CM (Luard), IV, 230–31; CM (Giles), I, 436. CM (Luard), IV, 244–45; CM (Giles), I, 447. CM (Luard), IV, 395; CM (Giles), II, 36. Ebd.

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Untertanen wertzuschätzen und sie nicht auszubeuten und in die Armut zu treiben.97 Die Mönche von St. Albans stellten fest, dass das Königreich dem König zum Schutz und nicht zur Zerstörung anvertraut ist.98 Zuvor hatte ein Gesandter des Königs versucht, in St. Albans Geld einzutreiben und argumentiert, dass St. Albans nur das besäße, was der König und seine Vorfahren der Abtei zugestanden hätten, und dass alles im Königreich dem König gehöre und sie daher verpflichtet seien, ihn zu unterstützen. Matthäus beschreibt, dass der Abt und alle Mönche (folglich auch Matthäus) ob der Tyrannei und List des Königs erstaunt waren und sich letztendlich einigten, dem Gesuch nicht Folge zu leisten, da es gegen die Anordnung des Papstes, gegen das Recht und gegen die Ehre verstoßen würde.99 Matthäus ist der Meinung, dass der König das Königreich beschützen und dessen Einwohner wertschätzen und diese nicht ausbeuten sollte. Steuern (und andere Abgaben) sollten durch die Gemeinschaft des Königreichs bewilligt und nicht vom König erzwungen werden.

Darf man sich gegen den König auflehnen? Bractons Haltung in Bezug auf das Widerstandsrecht ist klar. Nur Gott kann ein Urteil über den König fällen, und nur der König selbst kann sich zu Lebzeiten freiwillig dem Gesetz unterordnen. Wenn er dies nicht tut, hält Bracton zwar den Titel tyrannus für den so agierenden König parat, aber praktische Handlungsmöglichkeiten nennt er keine. Wer also das Unglück hat, von einem Tyrannen beherrscht zu werden, muss sich laut Bracton mit der auf den Tyrannen wartenden Strafe Gottes begnügen. Wie sieht dies bei Matthäus Parisiensis aus? Als die Waliser sich 1256 gegen die englische Herrschaft auflehnen, kann Matthäus deren Ziel durchaus nachempfinden. Er beschreibt, wie sie sich gegenseitig schworen, bis zum Tode für die Freiheit ihres Landes und die Gesetze ihrer Vorfahren zu kämpfen. Sie würden lieber ehrenvoll sterben als ein elendiges Leben in Schande zu führen.100 Die Engländer sollen sich hieran ein Beispiel nehmen und sich gegen die Ausländer erheben, kommentiert Matthäus und macht deutlich, dass er den casus belli der Waliser als gerechtfertigt empfindet. Die Ausländer in England waren allerdings auf Wunsch des Königs im Lande; sollten sich die Engländer also auch gegen den König auflehnen? Die Idee von der 97 98 99 100

CM (Luard), IV, 372–74; CM (Giles), II, 17–18. CM (Luard), V, 684–87; CM (Giles), III, 276. CM (Luard), V, 684–87; CM (Giles), III, 275. CM (Luard), V, 592; CM (Giles), III, 204.

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Absetzbarkeit von Königen war nicht unbekannt, so meinte Johannes Teutonicus, dass die Absetzung von Königen zwar bedauerlich, aber manchmal politisch notwendig sei.101 England war im 13. Jahrhundert kein reines Erbkönigtum, sondern zumindest teilweise eine Wahlmonarchie.102 So kann man argumentieren, dass König Johann gewissermaßen durch eine „Wahl“ seinem Neffen Arthur vorgezogen wurde, auch, dass Ludwig (VIII.) von den Baronen Englands als König gewählt wurde und für kurze Zeit mit Heinrich III. Doppelkönig war.103 In der Konsequenz ergibt sich daraus die Vorstellung, dass König und Vasallen einander gegenseitig verpflichtet waren, und dass ein Bruch des Krönungseides den Untertaneneid nichtig mache.104 Versteht Matthäus das Königtum als ein Amt, dass dem König gegeben wird und auch wieder entzogen werden kann? Eine Textstelle in der Chronica Majora könnte hier Aufschluss geben.105 Während das Parlament zur Weihnachtszeit 1256 in Westminster tagte, berichtet Matthäus, kamen Gesandte aus dem Heiligen Römischen Reich, um dem Bruder des englischen Königs, Richard, Graf von Cornwall, von seiner Wahl zum römisch-deutschen König zu informieren. Richard erklärte sich zuerst für eine solche Last und Ehre inkompetent und unwürdig. Überzeugt, die Krone dennoch anzunehmen, wurde er von der Versicherung, dass seine zukünftigen Untertanen hinter ihm stünden. Dazu kam eine Geschichte über Robert von der Normandie, Bruder Wilhelms II. Diesem sei während eines Kreuzzuges die Krone des Königreichs Jerusalem angeboten worden. Robert hätte diese eigensinnig abgelehnt, damit den heftigen Ärger Gottes erregt und danach zu keiner Zeit mehr Wohlstand erlangt.106 Björn Weiler hat darauf hingewiesen, dass das Prinzip des rex renitens, des widerwilligen Königs, im 13. Jahrhundert verbreitet war. Dieser rex renitens wolle wie Richard zuerst nicht die Krone annehmen, da die Verantwortung so groß sei. Nachdem er die Krone doch akzeptiert, wird der rex renitens als guter, sogar idealer, König dargestellt, der nicht aus Eigeninteresse, Gier oder ähnlichen Motiven Macht ausübt, sondern für das Wohl des Königreichs.107 Die Passage bei Matthäus ist aus mehreren Gründen interessant. Zum einen wird die Widerwilligkeit eines potentiellen Königs thematisiert – ein König der besonders enthusiastisch ist oder die große Verantwortung der Königswürde nicht erkennt, wird also vermutlich eher dem Eigeninteresse frönen als dem Königreich dienen. Andererseits wird die Königswürde hier als ein Amt dargestellt, das 101 102 103 104 105 106 107

Tierney (wie Anm. 63), S. 313. Plehn (wie Anm. 32), S. 19–20. Sarnowsky (wie Anm. 3), S. 125. Plehn (wie Anm. 32), S. 20. So Weiler (wie Anm. 30), S. 2. CM (Luard), V, 603; CM (Giles), III, 207–08. Weiler (wie Anm. 30), S. 39–40.

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angenommen und abgelehnt werden kann. Wenn dies im Heiligen Römischen Reich so ist, warum sollte Matthäus dies nicht auch in England für möglich halten, vor allem in Hinblick auf die wahlmonarchische Geschichte Englands? Wenn der König also gewählt ist bzw. ein Amt bekleidet, kann er dann auch abgesetzt werden? In diesem Zusammenhang ist eine Textstelle in der Chronica Majora interessant, in der auf einen Bericht zur Erneuerung der Magna Carta im Jahr 1253 eine fiktive Erzählung folgt.108 Diese Episode findet während eines Kreuzzuges statt. Ein tapferer und edler französischer Ritter bat seinen König um Erlaubnis, die Sarazenen angreifen zu dürfen, um für die Armee Proviant zu plündern und Ruhm zu gewinnen. Der König erlaubt dies, der Ritter zieht los und ist erfolgreich. Nachdem er zum Hof des Königs zurückkehrt, werfen ihm eifersüchtige Ritter vor, gegen Befehle das Lager verlassen zu haben, woraufhin er ein Großteil der Beute an den König abgeben sollte. Der Ritter wurde vor den König beordert, gab ein Großteil seiner Beute ab, aber beschwerte sich, dass er, der sein Leben für die Beute riskiert habe, auch den Großteil davon genießen sollen dürfte. Die Beschwerden gegen ihn, so der Ritter, seien von faulen und feigen Beratern initiiert worden. Er wurde daraufhin von den ihn anklagenden Rittern der Lüge bezichtigt und als recreant beschimpft. Der Sohn des angeklagten Ritters erdolchte in Rage den Ritter, der die Beleidigung ausgesprochen hatte, und floh zum Schutz in die Kirche. Der Vater bat anschließend den König um Gnade und erklärte sich bereit, sich dem königlichen Urteil zu beugen. Der König beauftragte den Ritter, Bürgen für den Sohn zu finden. Als der Ritter sich hierfür auf den Weg machte, wurde der Sohn von königlichen Agenten aus der Kirche geholt und ohne Prozess oder Urteilsspruch gehängt. Als der Vater mit seinen Bürgen zurückkam, war der Sohn bereits tot. Der Ritter gab daraufhin alle seine Besitztümer an den König zurück, kündigte seine Hommage auf und floh zu einem Sultan der Sarazenen. Dieser empfing ihn mit offenen Armen, woraufhin der Ritter fortan gegen den französischen König kämpfte.109 Diese Passage kann als ein chanson de geste verstanden werden. Dazu passen der stilistische Aufbau mit dramatischen Szenen am Hof, die zum Entzug der Loyalität gegenüber dem Herrscher führen, und die Verwendung des französischen Worts recreant, das sich in anderen chansons de geste bei Beleidigungen wiederfindet.110 Matthäus beschreibt damit Rebellion indirekt als mögliche Antwort auf königliche Ungerechtigkeit. Wie Heather Blurton herausgearbeitet hat, wird hier wie in den chansons de geste zwischen Rebellen und Verrätern 108 Vgl. dazu Heather F. Blurton: From Chanson de Geste to Magna Carta: Genre and the Barons in Matthew Paris’s Chronica majora, in: New medieval literatures Bd. 9 (2007), S. 117–38, hier S. 117. 109 CM (Luard), V, 386–87; CM (Giles), III, 33–34. 110 So Blurton (wie Anm. 108), S. 123.

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unterschieden. Die Verräter werden der königlichen Seite zugeschrieben und begehen nicht am König Verrat, sondern an einem Rechtsideal. Die Barone hingegen stehen treu zu eben diesen Idealen und sind somit keine Verräter.111 Kurz vor dieser Episode beschreibt Matthäus, wie der König kurz nach Erneuerung der Magna Carta im Jahr 1253 beschloss, diese nicht einzuhalten.112 Die chanson de geste ist offenbar hierauf bezogen und soll ausdrücken, dass der König dem Gesetze untersteht, sich gerecht verhalten soll und ansonsten eine Gegenmaßnahme der Barone folgen muss.113 Dass Matthäus diese Episode so kurz nach einer Erneuerung der Magna Carta erwähnt, ist tatsächlich bemerkenswert. Zwar wurde die Klausel 61, in der das Widerstandsrecht der Barone erwähnt ist, nach 1215 nicht mehr in die Erneuerungen der Magna Carta aufgenommen, doch waren diese für Matthäus nur eine Fortführung der Carta von 1215. Matthäus lagen Versionen der Magna Carta von 1215 und 1253 (deckungsgleich mit der Version von 1225) vor.114 Weder Roger von Wendover noch Matthäus, der ja dessen Chronik fortführte, waren juristisch gebildet, so dass beide die verschiedenen Versionen der Carta betrachteten, als wären sie Repräsentationen eines unveränderten Privilegs. Matthäus sah offenbar die Versionen der Magna Carta nach 1215 als Carta Johanns, die nur jeweils von Heinrich III. bestätigt wurde.115 Dies wird besonders deutlich in einem Eintrag für das Jahr 1255, in dem Matthäus schreibt, Heinrich III. hätte die Magna Carta, die von König Johann gegeben worden wäre, oft bestätigt.116 Roger und vor allem Matthäus fügten so zusammen, was sie hätten trennen müssen. Anders als Roger hatte Matthäus Zugang zu authentischen Kopien der Versionen von 1215 und 1225, übertrug aber dennoch Klauseln, die nur in Version von 1215 vorhanden waren, in seine Abschrift der Magna Carta von 1225.117 Matthäus wird auch Klausel 61 gekannt haben, schließlich hatte er eine Kopie der Version von 1215, und er assoziierte sie wohl mit den Konflikten zwischen dem König und den Baronen. Hat Matthäus also die als chansons de geste beschriebene Passage absichtlich eingefügt, um auf ein Widerstandsrecht der Barone hinzuweisen? Möglich ist dies durchaus, vor allem, da Matthäus sich durchgängig auf Seite der Barone positioniert. Zur Revolution von 1258 schreibt Matthäus, dass sich einige Barone als Schutzmaßnahme (præcaventes) gegen die Verschwörungen der Ausländer 111 112 113 114 115 116 117

Ebd., S. 127. CM (Luard), V, 378; CM (Giles), III, 27. Blurton (wie Anm. 108), S. 133. J. C. Holt, Magna Carta and medieval government, London [u. a.] 1985, S. 267. Ebd., S. 276, 280. CM (Luard), V, 500; CM (Giles), III, 125. Holt, MC … government (wie Anm. 114), S. 281–82.

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und die hinterhältige Vorgehensweise des Königs (regis retiacula) verbündeten und sich zu ihrem Schutze mit Rittern und Gefolgsmännern umgaben.118 Später schreibt er, dass diese Ritter die Magnaten begleiteten, um sie vor Feinden (hostiles) zu verteidigen (defensuri).119 Die Barone, so Matthäus, hätten befürchtet, dass ein Bürgerkrieg ausbrechen könnte und dass der König und seine poitevinischen Ratgeber Ausländer ins Land holen würden, um gegen die eigene Untertanen zu kämpfen (contra suos naturales). Nachdem der König mit dieser gut vorbereiteten Rebellion konfrontiert wurde, habe er die Vernünftigkeit der Proteste anerkannt (recognoscens).120 An späterer Stelle beschreibt Matthäus wie die Poitevinen aus dem Land vertrieben wurden und einen Schatz hinterließen, der von König und Baronen (rex et barones) nützlich für das Wohl des Königreiches ausgegeben wurde (in utiles regni usus utiliter exponendus).121 Hier wird beschrieben, wie der König mit den Baronen jetzt sinnvolle Finanzpolitik betreibt, die Revolution also gewissermaßen zu einer Verbesserung der Lage geführt hat. *** Handelt es sich bei den Vorstellungen zu Herrschaft bei Matthäus Parisiensis und Henricus de Bracton um innovative Überlegungen bezüglich der Gestaltung von Herrschaft? Oder sind die Vorstellungen der Autoren eher traditionell? Bracton baut sein Werk auf dem Römischen Recht und dem englischen Gewohnheitsrecht auf, versucht also, den zu seiner Zeit vorhandenen Zustand zu beschreiben. Matthäus Parisiensis sympathisiert zwar mit den Baronen und deren Reformbemühungen, fordert vom König aber hauptsächlich, sich an – seiner Meinung nach – etabliertes Recht zu halten. Beide Autoren scheinen daher einen eher traditionellen Blick auf Herrschaft zu haben. Selbstständige theoretische Überlegungen lagen mittelalterlichen Menschen nicht unbedingt nahe,122 und die vielschichtigen Entwicklungen der Zeit werden es Bracton und Matthäus nicht leichter gemacht haben, ein zusammenhängendes und akkurates Bild von Herrschaft zu formen. Die Entwicklung einer gewissen Staatlichkeit, das zunehmende Selbstverständnis der Adligen und des Klerus als Repräsentanten der Nation, die Konsolidierung der Stände und die Entstehung des Parlaments führten zu einer neuen Ordnung des Königreiches, die diese zeitgenössischen Autoren mit traditionellen Vorstellungen zu erklären und rechtfertigen suchten, sofern sie überhaupt eine Entwicklung beobachteten. 118 119 120 121 122

CM (Luard), V, 689–90; CM (Giles), III, 279–80. CM (Luard), V, 695–96; CM (Giles), III, 285. CM (Luard), V, 695–96; CM (Giles), III, 285–86. CM (Luard), V, 704; CM (Giles), III, 293. So etwa Dunbabin (wie Anm. 34), S. 478.

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Möglicherweise war den zeitgenössischen Autoren haben die revolutionäre Bedeutung der Entwicklungen gar nicht bewusst.123 Ihnen fehlten vielfach das Vokabular und der konzeptionelle Rahmen, um die Veränderungen zu beschreiben. Erst allmählich eröffneten sich den mittelalterlichen Denkern die wesentlichen Elemente der Veränderung, und gerade die neuen administrativen Strukturen wurden in ihrer Zeit kaum adäquat gewürdigt.124 Daher war es schwierig, eine kohärente und überzeugende Theorie von Herrschaft zu formulieren, die den Vorstellungen und Strukturen der Zeit nicht gänzlich zuwiderlief. Sowohl die Chronica Majora als auch das Traktat De Legibus legen letztendlich den Krönungseid zugrunde, ergänzt durch Ideen der baronialen Mitwirkung an der Regierung. Für beide ist die zentrale Aufgabe des Königs die Aufrechterhaltung und Sicherung von Recht und Frieden. Diese Pflicht hat er als Stellvertreter Gottes inne. Beide Autoren stimmen auch überein, dass auch der König sich an die Gesetze halten sollte. Wenn ein König dies nicht tut, so vertreten Matthäus und Bracton unterschiedliche Auffassungen. Bracton zufolge, kann die curia versuchen, den König auf den rechten Weg zurückzuführen. Scheitert dies, so bleibt das Warten auf die Rache Gottes als letzter Ausweg. Bei Matthäus hingegen ist der Widerstand etwas pragmatischer – die Barone können sich dem König widersetzen und sogar gegen den König vorgehen.125 Wie aber ein König, „half feudal lord half divine ruler“126, wie Brian Tierney es treffend formuliert hat, an Recht gebunden werden soll, beantworten beide nicht mit praktikablen Theorien. Was soll passieren, wenn Bractons curia den König nicht zu zügeln vermag? Wenn die von Bracton beschriebene Rache Gottes zu lange auf sich warten lässt? Wenn der König sich nicht an Gesetze hält und die Barone gegen ihn rebellieren, wie es Matthäus anscheinend gutheißt? Wie wird die Stabilität des Königreiches aufrechterhalten, wenn der König als Garant für Gerechtigkeit und Frieden seinen Pflichten nicht nachkommt, aber auch keine legalen Mittel gegen königliche Willkürherrschaft zur Verfügung stehen? Weder Bracton noch Matthäus schlagen eine praktikable und legale Möglichkeit vor, um zu Lebzeiten eines Tyrannen zu agieren. Matthäus war kein Politiker. Er hat in seiner Chronica Majora keine neuen Ideen und politischen Theorien entwickelt,127 noch hat er für die politischen Probleme der Zeit prak123 Carpenter (wie Anm. 34), S. 359. 124 Dunbabin (wie Anm. 34), S. 482. 125 Matthäus hat die weitere Eskalation der Revolution von 1258 und den nachfolgenden Bürgerkrieg nicht mehr miterlebt – es wäre spannend, zu ergründen, wie er auf diese Entwicklung reagiert hätte. Hätte er die Barone auch im tatsächlichen Krieg mit einem de facto entthronten König unterstützt? Beantworten kann man diese Frage wohl nicht. 126 Tierney (wie Anm. 63), S. 317. 127 Plehn (wie Anm. 32), S. 47.

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tikable Lösungen gefunden oder gesucht. Er hat sich stattdessen auf tradierte Vorstellungen von Herrschaft gestützt. Auch Bractons Werk ist nicht das eines Politikers oder eines Staatsphilosophen, sondern eben das eines Juristen, der geltende – oder als geltend empfundene – Gesetze niederschreibt und erklärt, aber keine neuen Theorien von Herrschaft entwickelt. In dieser Zeit des politischen Umbruchs mag es zuerst verwunderlich erscheinen, dass die beiden Autoren keine progressiveren Werke verfasst haben, doch scheinen die geschichtlichen Entwicklungen den artikulierten Vorstellungen von Herrschaft vorausgegangen zu sein. Nichtsdestotrotz sind die Chronica Majora und De Legibus Werke mit einer starken politischen Note, die einen interessanten Einblick in die Vorstellungen von Herrschaft in der Mitte des 13. Jahrhunderts erlauben.

Nathalie Rudolph

Das Bild Richards II. in der Chronica maiora des Thomas Walsingham

„Und so wurde er zum Gegenstand des Hasses und der Verachtung seiner Untertanen“.1 So charakterisiert Thomas Walsingham in seiner Chronica maiora2 gleich zu Beginn des Jahres 1399 die Beziehung zwischen König Richard II. und seinen Landsleuten. Der König stand kurz vor der Absetzung durch seinen Cousin Heinrich Bolingbroke, dem Herzog von Hereford, und weder das einfache Volk noch der Adel unterstützten ihn zu diesem Zeitpunkt noch. Doch wie kam es zu dieser Antipathie, die schließlich noch im selben Jahr in einer Revolution mündete, und lässt sie sich anhand der Chronica maiora nachverfolgen? In der Forschung ist man sich einig, dass Walsingham jede Gelegenheit nutzt, Richard II. in seiner Chronica maiora herabzusetzen, seine negativen Seiten

1 Quondam Monachii S. Albani Historia anglicana, 2, A.D. 1381–1422, hrsg. Henry Thomas Riley, London 1864, S. 229. 2 Die Chronica maiora, die die Jahre 1376 bis 1422 behandelt, wurde mehr oder weniger zeitnah zu den Ereignissen niedergeschrieben, auf welche sie sich bezieht. Dafür spricht etwa, dass sie um 1388 bereits eine weit verbreitete Referenz für Chronisten gewesen war. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Chronik wie sie nun vorhanden ist, also ein in sich abgeschlossenes Werk, existiert haben muss. In der Forschung wird oftmals dafür plädiert, dass Teile anderer Werke, die im 14. Jahrhundert in St. Albans entstanden, in den 1390ern zu einer großen Chronik zusammengefasst und ausgearbeitet wurden, vgl. zu dieser Debatte vor allem Vivian Galbraith, Thomas Walsingham and the Saint Albans Chronicle 1272–1422, in: English Historical Review 185 (1932), S. 12–30, hier S. 16–19. Obwohl es einige Debatten bezüglich der Autorenschaft der Chronica maiora gibt, soll für den vorliegenden Aufsatz Walsingham als Autor der gesamten Chronik akzeptiert werden. Vertreter dieser Ansicht sind sowohl Wendy Childs, John Taylor und Leslie Watkiss in ihren Editionen der Chronik (The St Albans Chronicle. The Chronica Maiora of Thomas Walsingham, 2 Bde., hrsg. John Taylor, Wendy Childs, Leslie Watkiss, Oxford 2003, 2011), als auch in der Übersetzung von David Preest und James Clark (The Chronica Maiora of Thomas Walsingham 1376–1422, hrsg. James Clark, David Preest, Woodbridge 2005). Bezüglich der Debatte vgl. etwa James Clark, Introduction, in: Chronica Maiora, hrsg. Clark, Preest, S. 1–22, hier S. 5; sowie Galbraith, S. 16; ebenso George Stow, Richard II in Thomas Walsingham’s Chronicle, in: Speculum 59 (1984), S. 68–102, ab S. 71; James Clark, Thomas Walsingham Reconsidered. Books and Learning at the late-medieval St. Albans, in: Speculum 77 (2002), S. 832–60, hier S. 832–33.

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Nathalie Rudolph

hervorzuheben und seine Fähigkeiten als König in Frage zu stellen.3 Sicherlich war Walsingham ein Lancaster-freundlicher Chronist, doch lässt sich diese einseitige Beurteilung wirklich nachweisen? Der vorliegende Aufsatz ist der Frage gewidmet, wie das Bild von Richard II. bei Thomas Walsingham letztlich ausfällt. Kann man möglicherweise eine Abwärtskurve verfolgen oder gar einen erkennbaren Wendepunkt in der Betrachtung des Königs ausmachen? Vor allem auf die Existenz eines solchen Wendepunktes hin soll hier die Chronica maiora untersucht werden. Die Betrachtung wird mit dem Jahr 1386 beginnen, das sich später als einschneidend für die Regierungszeit Richards erweisen sollte. Die Zeit davor, seit der Krönung, kann keine ausführliche Betrachtung erhalten. Ebenso muss der Tod Richards in der Chronik unbeachtet bleiben, da er alleine so viele Fragen aufwirft, dass man einen weiteren Aufsatz darüber verfassen müsste. Die Untersuchung der Chronica maiora wird lediglich die Abdankung von Richard II., als Ende seiner Regierungszeit, einschließen.4 ***

Die Jahre 1386 bis 1398 Betrachtet man die Chronica maiora ab 1386, so fällt auf, dass Walsingham Verfehlungen des Königs oftmals durch die Wahl falscher Freunde entschuldigt, die einen schlechten Einfluss auf den König ausübten. Eine wesentliche Rolle spielt dabei vor allem Robert de Vere. An zahllosen Stellen in der Chronik wirft Walsingham ihm vor, den König zu seinen Gunsten manipuliert zu haben, was Richard selbst wiederum von vieler Schuld freispricht. So galt de Vere als derjenige, „der den vernarrten König verführte“.5 Walsingham behauptet sogar, dass Richard II. auf de Veres Betreiben hin von magischen Kräften gebunden gewesen wäre: „[Richard] war nicht in der Lage, seinen Wünschen irgendwelchen Widerstand entgegen zu setzen, da er ja fest von den Zaubersprüchen eines Mönchs in Robert [de

3 Vergleiche dazu Stow (wie Anm. 2), S. 68. 4 Sämtliche in der Arbeit verwendeten Quellenzitate wurden, basierend auf der annotierten Edition von Henry Thomas Riley, Chronica maiora (wie Anm. 1), und unter Zuhilfenahme der englischen Übersetzung von David Preest und James Clark (wie Anm. 2), von der Autorin ins Deutsche übersetzt. 5 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 151.

Das Bild Richards II. in der Chronica maiora des Thomas Walsingham

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Veres] Diensten eingebunden war, was es ihm komplett unmöglich machte, das Gute und das Rechte zu erkennen oder ihm zu folgen.“6

Ganz klar wird Richards Tun hier entschuldigt. Walsingham zeigt, dass Richard, wenn er eigene Entscheidungen hätte fällen können, nur gut gehandelt hätte. Erst durch das Zutun de Veres wird er zu einem schlechten Regenten, der nicht mehr auf die Gefühle anderer Rücksicht nimmt. So unterstützte er de Vere etwa auch, als dieser sich von seiner adligen Frau scheiden ließ, um eine niedrig gestellte Zofe Königin Annas zu heiraten.7 Dies war besonders prekär, da der Onkel seiner geschiedenen Frau, der Herzog von Gloucester, über die Behandlung seiner Nichte alles andere als erfreut war – und wie sich später zeigen sollte, war er ein äußerst unangenehmer Feind. Dennoch war er bei weitem nicht der einzige Adlige, der ein Problem mit dem Favoriten des Königs hatte. Viele bei Hof empfanden es geradezu als Beleidigung, dass de Vere einer niederen Adelsfamilie entsprang und für seinen Rang auf die Freundschaft zum König angewiesen war. Nachdem Richard seinem Freund den Titel des Herzogs von Irland zugesprochen hatte, wurde bei Hofe viel über die Beziehung geredet. Demnach „war seine Nähe zu Lord Robert und seine tiefe Liebe und Zuneigung für ihn nicht ohne den Makel einer obszönen Beziehung, und Lord Roberts Mitadlige und -barone sprachen flüsternd über ihre Entrüstung, dass ein so durchschnittlicher Mann ein so hohes Amt anstreben sollte.“8

Walsingham spricht hier ein Grundproblem an: die Unbeliebtheit von de Vere beim Adel und die damit einhergehende Wut auf die exklusive Freundschaft zum König.9 Um diese Freundschaft zu zerstören, war der Adel bereit, weit zu gehen. Während eines Parlaments gewährten sie de Vere sehr viel Geld, von dem er nach Irland reisen sollte, um dort seinen Verpflichtungen als Herzog nachzukommen: „Tatsächlich war der Eifer sowohl von den Adligen als auch den Bürgerlichen nach seiner Abreise so groß, dass sie es eher bevorzugten, dass das Königreich einer solchen Summe beraubt werden sollte, als dass sie unter ihnen die Anwesenheit eines Mannes hätten, der den vernarrten König verführe.“10

6 Ebd., S. 160. 7 Vgl. ebd. 8 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 148. – Walsingham ist bei Weitem nicht der einzige, der das Gerücht der Homosexualität des Königs anspricht. Ob dies der Wahrheit entspricht oder nicht, ist jedoch kaum zu sagen, vgl. hierzu Sylvia Federico, Queer Times. Richard II. in the Poems and Chronicles of the late Fourteenth Century England, in: Medium Aevum 79 (2010), S. 25–56, vor allem S. 25–28. 9 S. Nigel Saul, Richard II (Yale English Monarchs), London, New Haven 1997, S. 121. 10 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 150–51.

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Der Plan der Adligen ging allerdings nur bedingt auf. Mit großer Wahrscheinlichkeit tat Richard sein Bestes, um die Abreise von de Vere zu verzögern, von dem er sich nicht ohne Weiteres trennen wollte. Es kam schließlich dazu, dass der Robert de Vere einen Stellvertreter nach Irland schickte.11 Ebenso unbeliebt wie de Vere war Michael de la Pole, ein Bürgerlicher, der eine hohe Stellung als Berater des Königs innehatte.12 Im Rahmen dieser Position traf er diverse Entscheidungen, die Walsingham ausführlich dokumentiert und kritisiert. So hatten die Engländer 1386 einige Schiffe genuesischer Händler unter ihre Kontrolle gebracht, doch de la Pole bat den König, die Genuesen freizulassen und ihnen ihren Schaden aus der Staatskasse zu ersetzen.13 Als der König darauf einging, notiert Walsingham: „So wurde der König betrogen, hintergangen und in jede Richtung irregeführt, unser Königreich wurde von Schätzen geleert, die ihm gehörten, und unsere erbittertsten, grausamsten, gefährlichsten Feinde wurden mit Frieden und Überfluss nach Hause gesandt.“14

Der Ausgang der Situation wird klar als Katastrophe für England gedeutet, besonders vor dem Hintergrund des drohenden Krieges mit Frankreich. Trotzdem war Richard, laut Walsingham, nicht verantwortlich für das Geschehene. Obwohl er den Befehl gab, die Genuesen freizulassen, wird er durch den Betrugsvorwurf gegen de la Pole von einem Großteil der Schuld freigesprochen. Für Walsingham ist lediglich klar, dass der König de la Pole „mehr vertraute und bevorzugte, als er es hätte tun sollen“15 – ein Vorwurf zwar, aber keine Schuldzuweisung. Doch bei Hofe wurde der Ton gegen de la Pole deutlich schärfer : „Denn sie [die Lords im Parlament] legten ihm viele Akte der Täuschung und des Verrats in seinem Umgang mit dem König zu Lasten, und er war in keinerlei Weise in der Lage, diese Anklagen zu entkräften. Da wurde der König vor Scham wegen ihm ganz rot und, kopfschüttelnd, sagte er : ,Ach, ach, Michael, sieh was du getan hast‘.“16

Walsingham ist es hier sehr wichtig zu zeigen, dass der König sich seines Freundes schämt, was Unwissenheit bezüglich der Taten voraussetzt und Richard somit vor Schuld schützt. De la Pole sollte jedoch nicht so glimpflich davonkommen wie der König, denn ein Prozess gegen ihn im kommenden Parlament war selbst durch Zutun Richards unausweichlich. Das wonderful parliament, das im Oktober tagte, sollte bezeichnend für die 11 Saul (wie Anm. 9), S. 155. 12 Inga Menn, Richard II. – Der Wolf im Schafspelz oder das Lamm unter Wölfen? Ein Portrait des letzten Plantagenets (=Geschichte 99), Berlin 2011, S. 73. 13 Vgl. Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 146. 14 Ebd. 15 Ebd., S. 147. 16 Ebd., S. 149.

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gesamte folgende Regierungszeit Richards II. sein, da es das erste Mal war, dass sich diverse Lords geschlossen und offensichtlich gegen den König stellten.17 Hierfür ist entscheidend zu erwähnen, dass John of Gaunt 1386 für einen Feldzug England verließ,18 was drastische Auswirkungen auf die englische Innenpolitik hatte. Gaunt war, als Onkel des jungen Königs und nächster in der Thronfolge, als wichtiges Mitglied des Regentschaftsrates eingesetzt worden, doch mit seiner Abreise entstand ein Machtvakuum, das gefüllt werden musste.19 Michael de la Pole übernahm diese Aufgabe mit Freuden. Mit John of Gaunts Abwesenheit fehlte aber auch ein Vermittler zwischen dem König und den Lords in diversen Auseinandersetzungen. So ging es oberflächlich im Parlament zwar nur um die Verurteilung de la Poles, welcher sein Amt ausgenutzt hatte,20 jedoch war sicher allen bewusst, dass damit die gesamte Führungsriege um den König angegriffen wurde. De la Pole loszuwerden war für die Adligen zwar wichtig, aber dennoch nur ein Vorwand, um einen neuen Minister zu benennen, der für den König den Regentschaftsrat leiten würde.21 „Obwohl der König wütend wegen der Anschuldigungen gegen Michael de la Pole und die anderen Männer war, welche er törichterweise liebte, war er nach vielen Ausweichversuchen gezwungen, Juroren und Richter zu wählen.“22

Trotz des kleinen Seitenhiebes von Walsingham, zum schlechten Urteilsvermögen des Königs, handelt dieser richtig und für einen Regenten angemessen, indem er die Verhandlung gegen de la Pole zulässt. Diese fiel jedoch nicht zu seinen Gunsten aus. „[Schließlich] befanden sie Michael vieler Verbrechen und hinterlistiger Taten schuldig, befanden ihn des Todes würdig und entschieden, dass sein Vermächtnis der königlichen Schatzkammer zukommen sollte. […] Jedoch wurde er auf Kaution freigelassen, da bestimmte reiche Männer an seiner Statt eine große Summe Geld aufboten.“23

Die Tatsache, dass der Unhold de la Pole dem Gefängnis entgangen war, gefiel Walsingham sicher nicht. Trotzdem ist bezeichnend, dass es bei ihm nicht Richard ist, der seinen Freund davor bewahrt, sondern „bestimmte reiche Männer“. Sicherlich sind damit die weiteren schlechten Freunde gemeint, die Richard immer um sich hatte, doch indem er selbst nicht explizit genannt wird, fällt

17 John Smith Roskell, The impeachment of Michael de la Pole Earl of Suffolk in 1386 in the context of the reign of Richard II, Manchester 1984, S. 12. 18 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 143. 19 S. Saul (wie Anm. 9), S. 151. 20 Roskell (wie Anm. 17), S. 14. 21 Ebd. 22 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 152. 23 Ebd.

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erneut die Verantwortung für diese Sache von ihm ab. Jene Freunde des Königs, waren es allerdings, welche „so hart sie konnten, Tag und Nacht daran arbeiteten, den König gegen die Lords aufzubringen […]. Und so vergrößerte sich jeden Tag der Hass, den der König für seine loyalen, ehrlichen Lords empfand, so lange diese anderen in sein Ohr flüsterten […]. Der König glaubte seinen Kumpanen, und von da an behandelte er alle seine Lords mit ausgesprochenem Misstrauen.“24

Trotz der Verurteilung de la Poles hatte sich scheinbar nichts bei Hofe geändert: Noch immer wurde der junge, beeinflussbare König von anderen Leuten zu seinen Handlungen verleitet, und von seinen Lords entfremdet. Die einzige gute Nachricht scheint zu sein, dass de la Pole die Position des Schatzkanzlers nicht mehr innehat. Doch der Prozess hatte weit größere Auswirkungen, als es zunächst schien: „Und es geschah nicht viel später, dass der König, aus seiner Zuneigung für Lord Michael heraus, das gesamte Strafmaß des Parlaments gegen ihn annullierte, und ihn als noch besseren Freund als jemals zuvor behandelte, nicht nur im Privaten, sondern auch in der Öffentlichkeit.“25

Obwohl an dieser Stelle nicht direkt „Flüsterer“ erwähnt werden, soll durch diese Befreiungsaktion sicherlich gezeigt werden, dass der junge und naive König zu sehr in den Fängen de la Poles steckte, um vernünftig handeln zu können. Nach wie vor vertraute Richard seinem Freund zu sehr, was ihn beinahe schon zum Mitschuldigen machte. Immerhin hätte er es nach der Verurteilung durch das Parlament besser wissen müssen. Und schließlich lässt sich der König von seinem Freund wirklich zu einer Untat verführen. Um de la Pole vor der ihm zugedachten Strafe zu bewahren, planen beide zusammen die Ermordung des Herzogs von Gloucester und seiner Anhänger, welche die Drahtzieher der Verhandlung und Verurteilung gewesen waren.26 Erneut klingt die Hauptschuld de la Poles durch, schließlich versucht der König lediglich seinen Freund zu retten. Dann jedoch ist zu lesen, dass „der König entschied, dass er nur durch ihren Tod die Macht gewinnen würde, seinen eigenen Willen durchzusetzen.27 Zwar wirkt die Formulierung dem sehr ähnlich, was ihm nur wenige Zeilen zuvor von „Flüsterern“ nahegelegt wurde, trotzdem wiederholt Walsingham dies hier nicht. Dies ist eine bezeichnende Szene, lässt sich doch hier bereits ein leichter Wandel ablesen, der den König nicht mehr zu einem vollkommen unschuldigen

24 25 26 27

Ebd. Ebd., S. 149. Vgl. Chronica maiora, S. 150. Ebd.

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Zuschauer macht. Zum Pech Richards28 fand er mit seinem Plan kaum Unterstützung, stattdessen gab es überall „einen Anstieg des Hasses für diese heimtückischen Verschwörer und einen Anstieg der Zuneigung für den Herzog und die Ritter […]“.29 Dennoch lassen sich Richard und seine Kumpane nicht von weiteren Versuchen abbringen. Nur wenig später planen sie erneut gegen Gloucester und seine Freunde, zu denen nun bereits Heinrich Bolingbroke gehörte, anzugehen, doch wieder scheiterte das Komplott am Protest der erhofften Mitverschwörer : „Aber darauf antworteten die Sheriffs, dass alle einfachen Leute auf Seiten der Lords standen, so dass es nicht in ihrer Macht stand, eine Armee für diesen Zweck zusammen zu rufen“.30 Dennoch waren die Unstimmigkeiten zwischen König und Lords bezeichnend, und Walsingham besteht in seiner Darstellung oftmals darauf, dass sie ausschließlich von Richard ausgingen, und dass niemand gegen den König kämpfen wollte. So sind sich alle sicher, „dass sie [die Lords] den König sehr liebten und jede ihrer Taten und Handlungen ihren Eifer für seine Ehre zeigte“.31 Aber war dem wirklich so? Klar ist, dass die Lords irgendwann nicht mehr untätig auf Angriffe des Königs warten wollten. Um 1387 schlossen sich einige von ihnen zusammen, die Appellanten um den Herzog von Gloucester. Ausgangspunkt dieses Zusammenschlusses war, dass Richard versuchte, sich eine Armee zu organisieren, und dass er scheinbar Krieg gegen sie führen wollte: „Der starke Hass, den der König ihnen gegenüber zeigte, bestürzte sie und machte sie sehr traurig, da sie sich keinerlei Fehler bewusst waren, die sie begangen hatten“.32 Trotz aller Unstimmigkeiten versuchte der Herzog von Gloucester zunächst mit dem König zu reden. Er versicherte, dass er ihn liebte und nur mit dem Herzog von Irland und den anderen Kumpanen nichts anfangen konnten. Als Überbringer dieser Nachricht wurde der Bischof von Ely, Thomas Arundel, ausgesandt. Doch es zeigte sich laut Walsingham erneut, dass Michael de la Pole der Urheber des Zornes zwischen Richard und den Lords war, denn sobald der König sich geneigt zeigte, Gloucester zu glauben, „attackierte [de la Pole] den Herzog, in dem Versuch, das Wohlwollen des Königs gegen ihn zu wenden, denn er fürchtete, dass eine Wiederherstellung der Harmonie zwischen dem Herzog und dem König zu seinem eigenen Nachteil wäre.“33

28 Oder Glück – Walsingham Urteil wäre sicher sehr viel schneller sehr viel kritischer ausgefallen, wenn das Mordkomplott gelungen wäre. 29 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 150. 30 Ebd., S. 161. 31 Ebd. 32 Ebd., S. 162. 33 Ebd., S. 163.

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Als der Bischof daraufhin de la Pole erinnerte, dass er offiziell vom Parlament zu Tode verurteilt wurde, und nur dank des Königs noch am Leben war, wurde er vom König aufgefordert, sich zurückzuziehen. Dies half in keinerlei Weise dabei, de la Poles Stellung zu festigen, oder seine starke Unbeliebtheit bei den Lords zu bekämpfen, ganz im Gegenteil.34 Mittlerweile muss davon ausgegangen werden, dass die Lords durchaus bereit waren, Krieg gegen den König zu führen. Er hatte sie oft genug gedemütigt und ihnen Männer niedriger Geburt vorgezogen; ihr Einfluss bei Hofe und in der Politik war beinahe nicht mehr existent.35 Walsingham beteuert weiterhin, dass die Lords sich bemühen würden, den König zurück auf die richtige Bahn zu leiten. So hört der König etwa von einem Treffen der Appellanten in Harringway, welches zum Zweck hatte, „ihn zurück zu einem besseren, ergiebigeren Leben zu bringen und zu einer hilfreicheren Art der Königsherrschaft, da wurde der König plötzlich bleich und fragte sich, was er angesichts so einer Krise tun sollte.“36

Im Gefolge des Königs wurde viel über die weitere Vorgehensweise diskutiert, bis man sich schließlich zu einem Treffen entschloss.37 Obwohl es vorher Versprechen gegeben hatte, dass die Lords keinerlei Hinterhalte zu erwarten hätten, erfuhren sie kurz vor ihrem Aufbruch Gegenteiliges, weshalb sie sich entschlossen, dem Treffen nicht beizuwohnen. Als Richard hörte, dass sie nicht erscheinen würden, „wurde der König plötzlich wütend und schwor, dass er nicht Teil dieses Hinterhaltes gewesen war“.38 Schließlich kam es doch zu einem Treffen, und Walsingham legt dem Bischof von Ely, der für den König spricht, eine wortgewandte Rede in den Mund, die in erster Linie darauf abzuzielen scheint, den König in einem möglichst guten Licht erscheinen zu lassen und seine Souveränität über die Lords zu zeigen. Der König erklärte später selber, dass sich die Appellanten und die angeblichen Verschwörer, welche sie anklagten, vor dem nächsten Parlament verantworten sollten, „wo dann beiden Seiten Gerechtigkeit widerfahren sollte“.39 So fällte der König ein zunächst für beide Seiten unklares Urteil, zeigte sich aber als guter Diplomat, indem er alle unter seinen Schutz nahm. Doch vollständig war der König damit Walsinghams scharfem Urteil noch immer nicht entkommen, denn er ließ sich erneut von seiner ,schlechteren 34 35 36 37 38

S. Saul (wie Anm. 9), S. 183. Ebd., S. 177. Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 164. Ebd., S. 165. Ebd.; laut Walsingham stimmte dies auch, denn nach ihm hatten die Ritter Trivet und Brembre den Verrat geplant und ausgeführt. 39 Ebd., S. 166.

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Hälfte‘, dem Herzog von Irland, dazu überreden, vor dem Parlament eine Armee einzuberufen, mit der de Vere nach London gegen die Lords ziehen wollte. Diese reagierten prompt: „Und so statteten die Lords sofort ihre eigenen Männer mit Waffen aus und ermutigten sich gegenseitig […] die Männer zu töten, welche hinterhältig geplant hatten, sie zu töten“.40 Sobald der Herzog von Irland sah, dass die Lords sich ihm in großen Zahlen entgegenstellten, floh er und verließ seine Männer, „welche seine Feigheit verfluchten und sich darauf vorbereiteten, sich den Lords zu ergeben“.41 Obwohl de Vere entkommen konnte, fielen den Lords Briefe vom König an ihn in die Hände, „ein großartiger Beweis für die Wankelmütigkeit und Unzuverlässigkeit des Königs“.42 Walsingham hält sich mit solchen Seitenhieben gegen Richard nun kaum zurück, doch erneut muss gesagt werden, dass er ihn nicht offen angreift, oder als Drahtzieher der Verschwörung sieht – diese Rolle spielen weiterhin seine Freunde. Aufgrund der Briefe, welche Beweise für seine Pläne waren, kam der König nun aber nicht umhin, Gloucesters Wunsch nach einem Treffen mit den Lords in Westminster zuzustimmen.43 „Aber bevor der König zu Bett ging, waren Flüsterer am Werk, die ihm sagten, dass es weder richtig, noch ehrenhaft für den König wäre, nach Westminster zu gehen, weshalb er seine Meinung änderte.“44

Wieder zeigt Walsingham, dass die Streitigkeiten zwischen ihm und den Lords ohne Richards direktes Zutun immer wieder ausbrechen, da seine Beeinflussbarkeit einer Entspannung der Lage stets im Weg steht. Trotz seines Unwillens, dem Treffen wie versprochen beizuwohnen, kam der König dem Druck der Lords nach, und in seiner Anwesenheit wurden zahlreiche seiner Anhänger des Hofes verwiesen. Viele mussten sich zudem vor dem nächsten Parlament verantworten, welches im Februar stattfand, „obwohl der König es vermeiden wollte, überhaupt zu dieser Zeit ein Parlament einzuberufen“.45 Während dieses Parlaments wurden diverse Anhänger des Königs hingerichtet, und es endete damit, „dass ein Schwur vom König gefordert wurde, dass er den Entscheidungen der Lords Folge leisten müsse“.46 Danach herrschte ein Jahr lang Ruhe zwischen dem König und den Lords, doch früh im Jahre 1389 rief der König seinen Rat zusammen, und verkündete, dass er nun 20 Jahre alt sei und das Königreich selbstständig regieren könne und 40 Ebd.; die Lords konnten so schnell reagieren, da sie „aufgrund der Wankelmütigkeit des Königs“ bereits damit gerechnet hatten, dass er seine Meinung ändern würde. 41 Ebd., S. 168. 42 Ebd., S. 169. 43 Ebd., S. 172. 44 Ebd. 45 Ebd., S. 173. 46 Ebd., S. 175.

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wolle. Seine erste Amtshandlung als neuer, alleiniger Herrscher war die Auflösung des Regentschaftsrates und das Einsetzen eines neuen Kanzlers.47 Laut Walsingham war diese Kette von Ereignissen nicht von Richard selber ausgegangen, sondern wie so oft dadurch herbeigeführt, dass „der König von einem Rat bestimmter Speichellecker überredet worden war“.48 Vermutlich waren es eben jene, die ihn nur wenig später anstifteten, den Herzog von Gloucester aufgrund von Gerüchten zu attackieren. Obwohl sich diese schnell als falsch herausstellten, und sich der König seines Ausbruches schämte, konnte nicht verhindert werden, „dass Misstrauen auf allen Seiten wuchs, während die Flüsterer sich einmischten und ihr übriges taten“.49 Doch scheinbar war ihr Einfluss deutlich gemindert, denn es bleibt ruhig um den König, und laut Walsingham begeht er einige Zeit keine Verbrechen oder sonstige Schandtaten. Die Chronik berichtet in den nächsten fünf Jahren selten über Richard. Er steht, bis auf einen Streit mit den Bürgern von London 1392, in welchem Walsingham die Schuld auf Seiten der Stadt sieht,50 so gut wie nie im Vordergrund einschneidender Ereignisse. Eine der wenigen weiteren Erwähnung hängt mit der Beerdigung Königin Annas, seiner Frau, 1394 zusammen, während der Richard „zu Beginn der Trauerfeier den Ort mit dem Blut des Earls von Arundel verschmutzt“.51 Die Wortwahl ist zwar kritisch und negativ, jedoch ist dieser Satz der einzige zu der Angelegenheit, und eine wirkliche Verurteilung oder Erklärung für die Tat, gibt es nicht. Allerdings findet auch die Beerdigung von Robert de Vere Erwähnung: „So betrachtet er [der König] lange das Gesicht und berührte es mit seinem Finger, öffentlich zeigt er Robert im Tode dieselbe Zuneigung, welche er ihm auch zuvor, im Leben, gezeigt hatte.“52

Die Tatsache, dass Walsingham de Vere zuvor stets scharf kritisiert hatte und er im folgenden Satz erwähnt, dass viele Adlige ihren Hass auf ihn noch immer nicht überwunden hatten, lässt selbst diese milden Worte schärfer wirken. Kurz darauf kehrt der Herzog von Lancaster aus Aquitanien zurück. „Er 47 Ebd., S. 181. 48 Ebd. 49 Ebd., S. 182. – Ein „Flüsterer“ aber zumindest konnte den König mittlerweile nicht mehr von dessen guten Taten abbringen, Michael de la Pole, der auf der unrühmlichen Flucht vor den Appellanten umgekommen war. Walsingham nutzt seinen Tod, um noch einmal klar seine Meinung über ihn deutlich zu machen: „das Lager der Illoyalität, Spülbecken der Gier, Anstifter der Heimtücke, Kiste der Verruchtheit, Verbreiter des Hasses, Erfinder von Lügen, der niederträchtigste der Kumpane des Königs, ein fähiger Betrüger, ein talentierter Verleumder und ein Denunziant gegen sein Land“, ebd., S. 187. 50 Ebd., S. 208–11. 51 Ebd., S. 215. 52 Ebd., S. 219.

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wurde vom König mit Ehre, aber nicht, so sagen einige, mit Liebe empfangen“.53 Dies ist ein weiteres Beispiel für eine Bemerkung, die ein vollends königstreuer, loyaler Chronist sicher nicht hätte schreiben müssen. Walsingham entschied sich dennoch dazu, was bezeichnend ist. Besonders interessant ist hier auch, dass sich Walsinghams Meinung bezüglich des Herzogs von Lancaster ändert. Ist er ihm gegenüber zu Beginn der Chronik noch kritisch eingestellt, wandelt sich nun seine Ansicht, und er erkennt an, dass der Herzog eine wichtige Rolle in Richards Handeln vor 1398 innehatte und ihn positiv beeinflussen konnte.54 Und schließlich gab Richard bald auch wieder Anlass zu wirklicher Kritik: „In diesem Jahr [1397] holte Richard, König von England, entgegen dem Eid, den er geschworen hatte, die Justitiare, die seine Adligen, mit dem Einverständnis des Königs, zuvor aufgrund ihrer offensichtlichen Unzulänglichkeiten nach Irland exiliert hatten, wieder zurück.“55

Dies bedeutete, dass jene Anhänger Richards, die ihn in Walsinghams Augen so unzuverlässig und hinterlistig gemacht hatten, nun die Möglichkeit bekamen, dies wieder zu tun. Und schließlich handelte der König erneut so, wie er es früher unter Einfluss seiner Kumpane getan hatte: Es begann damit, dass der Herzog von Gloucester gefangen genommen wurde56, und diverse andere Appellanten folgten ihm. Der König behauptete, dies geschehe nicht wegen alter, sondern neuer Verbrechen der Adligen, „aber wie sich im Ausgang dieser Sache zeigte, war diese Behauptung eine Lüge“.57 Dem Parlament im September wohnten alle Adligen bei, da sie Angst vor dem König hatten, und sie stimmten in sämtlichen Punkten zu Gunsten des Königs, dazu gehörte auch die Hinrichtung vieler Missetäter.58

Die Jahre 1398 und 1399 – ein Wendepunkt? In der modernen Forschung ist man sich sicher, dass die Exilierung von Heinrich von Bolingbroke eine Art Wendepunkt in der Regierung Richards II. darstellte.59 Im Folgenden soll nun argumentiert werden, dass sich dieser Einschnitt auch in der Darstellung Richards in Walsinghams Chronik wiederfindet. Anhand der 53 54 55 56

Ebd. S. Galbraith (wie Anm. 2), S. 25. Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 222. Gloucester hätte zwar vor dem Parlament aussagen sollen, jedoch schien dies dem König zu unsicher, und laut Walsingham forderte er Thomas Mowbray, der Gloucester in Gewahrsam hatte, dazu auf, diesen zu töten, ebd., S. 226. 57 Ebd., S. 223. 58 Ebd., S. 225. 59 Louisa Duls, Richard II in the Early Chronicles, Den Haag, Paris 1975, S. 98.

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plötzlich deutlich negativ werdenden Äußerungen bezüglich des Königs wird sich dieser Wandel nachvollziehen lassen und somit der Wendepunkt im Übergang von 1398 nach 1399 verortet werden können. Gegen Ende des Jahres 1398 beginnt, laut Walsingham, ein Streit zwischen dem oben genannten Heinrich und dem Herzog von Norfolk, Thomas Mowbray. Die Beschreibung der Auseinandersetzung ist allerdings sehr kurz und eine Schilderung des Hintergrunds gibt es kaum: „Etwa zu dieser Zeit warf der Herzog von Hereford dem Herzog von Norfolk vor, bestimmte Worte gesprochen zu haben, welche Schande über den König gebracht hätten. Infolgedessen wurde ein Duell zwischen den beiden in Coventry arrangiert.“60

Was sich beim Autor der Chronik in zwei Sätzen abspielt, wird sicherlich mehrere Monate gedauert haben, in denen Richard Unterredungen mit seinem Parlamentsrat zu diesem Thema führte, und sich häufig mit beiden Parteien traf, bevor das Duell beschlossen wurde.61 Interessant ist die Frage, warum Walsingham die „bestimmten Worte“ nicht näher ausführt, obwohl er sich selten scheut, zu direkter Rede als Stilmittel zu greifen. Eine Möglichkeit dafür ist, dass nicht einmal er sicher wusste, was geschehen war. Darüber hinaus muss auch bedacht werden, dass die genauen Umstände des Streits für Walsingham vielleicht schlicht nebensächlich waren: Wie sich zeigen wird, steht er während der Auseinandersetzung ganz besonders fest auf der Seite von Heinrich, weshalb es ihm womöglich uninteressant erscheint, näher auf den Konflikt einzugehen, da die tatsächlichen Beweggründe möglicherweise auch ein negatives Licht auf den Herzog von Hereford hätten werfen können. Trotzdem ist der Hergang des Streits nicht von unerheblichem Interesse, und es gibt einige moderne und zeitgenössische Darstellungen.62 Generell kann gesagt werden, dass Mowbray, zuvor ein enger Vertrauter des Königs, der sich ebenso wie Hereford den Appellanten angeschlossen hatte, fürchtete, von Richard dafür bestraft zu werden. Er erzählte Hereford von einem Komplott, welches der König gegen sie beide und John von Gaunt plante, um sich ihrer zu entledigen.63 Bolingbroke wollte dies nicht glauben, und trat mit diesen verleumderischen Worten an den König heran, um Mowbray des Verrats zu be-

60 Chronica maiora, S. 227. 61 Vgl. Michael Bennett, Richard II and the Revolution of 1399, Gloucestershire 1999, S. 117–35. 62 Eine Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Quellen findet sich besonders ausführlich bei Duls (wie Anm. 59), S. 99–100. 63 Anthony Tuck, Richard II and the English Nobility, London 1973, S. 208; ob Mowbray dies nur vermutete, oder genauere Informationen zu einem Komplott hatte, ist unklar.

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zichtigen.64 Obwohl die Aufregung und Begeisterung in der Bevölkerung für das Duell sehr groß waren, sollte es doch letztlich nie zu dem Kampf kommen.65 Walsinghams Beschreibung ist hier erneut erstaunlich kurz: „Als sie schließlich den Turnierplatz in Pracht und Herrlichkeit betreten hatten, nahm der König die Angelegenheit in die eigenen Hände und ließ ausrufen, dass der Herzog von Hereford ehrenhaft seiner Verpflichtung nachgegangen war.“66

Warum genau Richard das Duell schließlich verhinderte, wird in der Chronik nicht sofort klar. In der Forschung wird angenommen, dass das Gerücht um das Komplott des Königs durchaus der Wahrheit entsprochen haben könnte und dass er durch die Exilierung der beiden Parteien dieses Problem, das für ihn hätte peinlich werden können, beseitigen konnte.67 Walsingham fokussiert sich allerdings überhaupt nicht auf diesen Aspekt, er sucht nicht einmal nach einer Begründung, sondern beschreibt stattdessen näher, was im Folgenden geschah: „Aber sofort danach ließ er [Richard] den Herzog von Hereford ohne legitimen Grund auf seine eigene Anweisung hin für zehn Jahre verbannen, obwohl dies gegen die Gerechtigkeit, die Gesetze des Rittertums und die Gewohnheit des Königreiches war.“68

Es ist unschwer zu erkennen, dass Walsingham mit Richards Sinneswandel in keiner Weise übereinstimmt und die Verbannung als illegitim ansieht. Zudem ist er darauf bedacht zu erklären, dass diese Tat von Richard alleine ausgeht – „auf seine eigene Anweisung hin“ – und dass er diesmal von niemandem zu dieser Entscheidung verführt wird. Dies ist einer der entscheidenden Punkte bei der Untersuchung des Wendepunktes, zeigt er doch, dass Walsingham einen Wandel in Richard sieht, der unabhängig davon ist, dass der König seine alten Kumpane wieder aus der Verbannung zu sich an den Hof geholt hat. Doch Richard war bei weitem noch nicht fertig mit den Streitenden: „Er verurteilte auch den Herzog von Norfolk zur anhaltenden Verbannung. Er fügte noch die gnadenlose Anordnung hinzu, dass niemand, unter Androhung von schwerer Bestrafung, den König bitten oder sich die Freiheit erlauben sollte ihn anzuflehen, den zwei Herzögen gegenüber Gnade zu zeigen.“69

Walsinghams Worte zeigen erneut deutlich seine Ansicht zu der Verbannung. Es ist interessant zu sehen, dass diesmal keine wörtliche Rede benutzt wird, um 64 S. Bennett (wie Anm. 61), S. 117; eine etwas längere Ausführung gibt es zudem bei Clark, Preest (wie Anm. 2), S. 303. 65 Menn (wie Anm. 12), S. 144. 66 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 227. 67 Menn (wie Anm. 12), S. 144. 68 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 227. 69 Ebd., S. 227–28.

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Richards Anweisungen wiederzugeben. Hierfür kann es diverse Gründe geben, stilistische oder auch praktische. Mit einiger Wahrscheinlichkeit war Walsingham beim Duell nicht selber anwesend, musste sich also auf die Aussagen anderer verlassen, auch wenn dies selten Chronisten davon abhielt, sich eigene wörtliche Reden zurechtzulegen. Möglich ist, dass, wenn Walsingham eine mehr oder weniger akkurate und wortwörtlich genaue Rede verfasst hätte, der Inhalt weitaus weniger scharf geklungen hätte, als er ihn indirekt wiedergeben konnte. Dennoch klingt die Verfügung des Königs ungewöhnlich nachdrücklich, ging es doch um seinen eigenen Cousin. Hierbei muss sich jedoch erneut vor Augen geführt werden, dass sowohl Hereford als auch Norfolk Teil der Appellanten waren, die Richard nur wenige Jahre zuvor diverse Schwierigkeiten bereitet hatten, weshalb die Verbannung auch als verspätete Strafe dafür angesehen werden kann.70 Schließlich gelang es dem König so, seine Feinde ohne Verhandlung vertreiben zu können.71 In diesem Licht erscheint eine schwerere Bestrafung als nachvollziehbar. Allerdings stellt sich nun die Frage, wieso der Herzog von Norfolk mit einer lebenslangen Verbannung so viel härter bestraft wurde als der Herzog von Hereford. Ein möglicher Grund könnte der Tod des Herzogs von Gloucester sein.72 Dies würde Walsinghams generell eher nebensächliche Bemerkung über den Mord an dem Herzog erklären, welcher auf die Darstellung der Verbannung folgt: „All dies geschah auf den Tag genau ein Jahr nachdem der Herzog von Norfolk den Herzog von Gloucester hatte erwürgen lassen“.73 Dieser letzte Satz legt zum einen nahe, dass Walsingham, der zumeist auf der Seite der Appellanten unter Gloucester gestanden hatte, dessen Ermordung noch immer nicht verwunden hatte und die lebenslange Exilierung Norfolks deshalb als gerechtfertigt sieht. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass Richard mittlerweile von Schuldgefühlen bezüglich des Todes vom Herzog von Gloucester geplagt wurde, der immerhin sein Onkel war, und mit der Exilierung von sich ablenken wollte. Was Walsingham angeht, sah er Norfolk bei dieser Auseinandersetzung im Unrecht, weshalb er die Verbannung Herefords umso schärfer verurteilte. Es muss zudem bedacht werden, dass Walsingham sehr wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt, zu dem er über die Auseinandersetzung schrieb, bereits um Heinrichs spätere Thronbesteigung wusste oder zumindest danach die Chronik umschrieb,

70 Vgl. hierzu Alison Gundy, Richard II and the Rebel Earl (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought), Cambridge 2013, S. 197: „Mowbray and Bolingbroke were already regarded with suspicion by the king [since 1397].“ 71 Jürgen Sarnowsky, England im Mittelalter, Darmstadt 20122, S. 171. 72 Menn (wie Anm. 12), S. 125. 73 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 228.

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um ein besonders vorteilhaftes Licht auf Heinrich fallen zu lassen.74 Walsingham war mit dieser Einstellung sicher nicht alleine, da sich in den zeitgenössischen Werken generell ein starker Hang dazu findet, Heinrich, den Herzog von Hereford, in dieser Auseinandersetzung zu favorisieren – das politische Klima ließ den meisten Chronisten kaum eine Wahl.75 Neben Heinrichs Zukunft als König spielte auch die Möglichkeit eine Rolle, dass Heinrichs Gegenspieler, der Herzog von Norfolk, ein ehemaliger Favorit des Königs, sich möglicherweise kurz vor dem Duell wieder auf dessen Seite hatte schlagen können.76 Ihn jetzt zum Schuldigen der Auseinandersetzung zu machen, bedeutete, Richard weiter zu kritisieren.77 Doch die zehnjährige Verbannung des Herzogs von Hereford sollte erst der Anfang tiefgreifender Ereignisse sein, die letztlich den Untergang Richard II. herbeiführten. „Im Jahr 1399 […] hörte ein sehr tiefer Fluss […] plötzlich auf zu fließen und teilte sich in zwei, in einer solchen Weise, dass sein ursprüngliches Bett für drei Meilen trocken blieb […]. Dieses Wunder schien vielen eine Trennung von Besitz und eine Rebellion gegen den König vorherzusagen, Dinge, welche in diesem Jahr tatsächlich geschahen.“78

So beginnt in der Chronica maiora das Jahr 1399, welches für die Politik der nächsten Jahre entscheidend werden sollte. Diese Beschreibung eines Wunders ist durchaus nicht die erste Situation, in der Walsingham Naturereignisse als Katalysator für politisches Geschehen nutzt,79 und wie in den anderen Fällen ist es schwer zu sagen, ob ein solches Ereignis tatsächlich stattgefunden hat. Interessant ist dieser Moment in der Chronik auch als Beleg dafür, dass über den Beginn des Jahres entweder nicht zeitnah geschrieben oder der Bericht rückblickend verändert wurde. Im Februar begeht Richard II. schließlich einen weiteren schweren Fehler, als er vom Tod des Earl of March erfährt: „[…] Er beschloss, dessen Tod persönlich zu rächen und die Iren zu bezwingen, er achtete dabei nicht auf das gewaltige Ausmaß an Hass, welches sich bei seinen Unter-

74 John Taylor, Richard II in the Chronicles, in Richard II. The Art of Kingship, hrsg. Anthony Goodman, James Gillespie, Oxford, New York 1999, S. 15–36, hier S. 17. 75 S. Federico (wie Anm. 8), S. 25. 76 Richard Jones, The Royal Policy of Richard II. Absolutism in the later Middle Ages (Studies in Mediaeval History, X), Oxford 1968, S. 88. 77 Vgl. Duls (wie Anm. 59), S. 99. 78 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 229. 79 S. James Wade, Abduction, Surgery, Madness. An Account of a little Red Man in Thomas Walsingham’s ,Chronica Maiora‘, in: Medium Aevum 77 (2008), S. 10–29, hier S. 12.

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tanen gegen ihn angesammelt hatte und auch nicht auf die Feindseligkeit, welche die einfachen Leute gegen ihn empfanden.“80

Zwar beschreibt Walsingham kurz vor diesem Beginn des Jahres 1399 eine wieder aufkeimende „schlechte Stimmung“ im Land gegen den König, jedoch kommen die klaren Worte bezüglich der Meinung, die das Volk von Richard hatte, überraschend. Walsingham gibt sich keinerlei Mühe, diese Auffassung zu widerlegen und zu zeigen, dass das Volk falsch lag, wie er es in der Vergangenheit in einigen Stellen in der Chronik tat. Im Gegenteil, er bestätigt das Bild Richards im nächsten Satz, indem er die Taten des Königs weiter ausführt: „[…] Bis zum Moment seiner Abreise traf er großartige Vorbereitungen, erpresste große Mengen an Geld, verlangte Pferde und Wagen, beschlagnahmte Proviant für seine Unternehmung, und bezahlte nichts dafür.“81

Dies führte schließlich zu dem bereits zitierten Satz, der deutlich zeigt, was das Volk von seinem König hielt: „Und so wurde er zum Gegenstand des Hasses und der Verachtung seiner Untertanen“.82 Dieser Hass und die Verachtung sollten in der nächsten Zeit nur noch zunehmen, denn ein weiteres Ereignis bahnte sich an, das allen die Herzlosigkeit des Königs noch stärker vor Augen sollte, der Tod von John of Gaunt.83 In der Trauerphase um seinen Onkel änderte Richard überraschend seine Meinung über die Exilierung Heinrichs, den Sohn Johns. „Nach dem Tod des Herzogs [von Lancaster] ordnete der König anhaltende Verbannung für dessen Sohn, Herzog Heinrich, an, den er vorher für zehn Jahre verbannt hatte, wodurch er seinen öffentlichen Brief widerrief, den er Heinrich zuvor gewährt hatte, und der besagte, dass in Heinrichs Abwesenheit, die durch die Verbannung bedingt war, General-Anwälte Schritte unternehmen durften, um ihm die Freiheit zu erstreiten, jegliche Erbschaften oder Rechtsnachfolgen, die ihm zu dieser Zeit zukämen, anzunehmen, und dass Heinrich selbst seinen Antritt im Gegenzug für eine annehmbare Summe hinauszögern könne.“84

Die ausführliche Beschreibung seiner vorherigen Versprechen, die der König durch die Verbannung bricht, lässt unschwer erkennen, dass Walsingham auf den Lauf der Ereignisse emotional reagierte. Diesen unrechtmäßig handelnden König konnte man nicht mehr unterstützen, denn nach Walsingham schien es für die Verbannung Heinrichs keinen nachvollziehbaren, rechtlichen Grund zu 80 81 82 83

Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 229. Ebd. Ebd. Ebd., S. 230: „Zu dieser Zeit ereignete sich der Tod von John [of Gaunt], dem Herzog von Lancaster. Sein Körper wurde in der Kirche von St. Pauls in London beerdigt“. 84 Ebd.

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geben. Er kann lediglich die Inanspruchnahme des Erbes durch Richard selbst nennen und stellt fest: „[…] dass er ihn nicht nur, wie er vorgegeben hatte, wegen des Streits, welcher zwischen seinem Haushalt und dem vom Herzog von Norfolk hätte entstehen können, verbannt hatte, sondern auch weil es eine gute Möglichkeit bot, das Eigentum des Herzogs einzuziehen.“85

Doch wieso war die Übernahme des Erbes so wichtig, und wieso durfte der Herzog von Hereford es nicht selber antreten? Schließlich hatte, folgt man Walsinghams Worten, Richard vorher Heinrich die Chance eingeräumt, sein Erbe zu erstreiten und, nach Ende seiner Verbannung, die Position seines Vaters zu übernehmen. Der Grund lag vor allem in der Person Heinrichs selbst. John of Gaunt war viele Jahre Mitglied im Rat des minderjährigen Richards gewesen und hatte dessen Politik maßgeblich beeinflusst, und es war oftmals sein Eingreifen, dass den König später, in seiner alleinigen Regierung, vor allzu törichten Entscheidungen bewahrte. John of Gaunt stützte sich dabei auf seinen umfangreichen Besitz als Herzog von Lancaster, sollte die Erbschaft auf Heinrich übergehen, würde Richard somit erheblich an Einfluss verlieren.86 Heinrich konnte er nicht vertrauen, da er sich bei mehr als einer Gelegenheit gegen ihn gestellt hatte. Richard durfte einen so starken Gegenspieler bei Hofe nicht riskieren, weshalb er Heinrichs Verbannung in eine lebenslängliche umwandelte und das gesamte Erbe selber einstrich. Mit dem Vermögen und Grundbesitz der Lancasters konnte Richard sich zudem wieder mit Geschenken bei seinen Freunden und Unterstützern beliebt machen.87 Die Hintergründe für Richards Handeln scheinen somit durchaus klar, jedoch ist unsicher, wie er seine Tat letztendlich rechtfertigte. Walsinghams kurzer Einwurf, dass es Streit zwischen den Haushalten hätte geben können,88 erklärt kaum eine lebenslange Verbannung. Eine klare Stellungnahme des Königs, wieso es nötig wurde, Heinrich offiziell lebenslänglich zu verbannen, scheint es nicht zu geben, und vielleicht hatte sich Richard auch keine tiefergehenden Gedanken darübergemacht.89 Statt dieses Thema weiter auszuführen, beschäftigt sich Walsingham damit, den Ruf des Königs weiter zu verdunkeln: „Nach diesem Sinneswandel sah jeder sehr viel klarer, dass der König keine aufrichtige Liebe für den Herzog von Hereford empfand“.90 Folgt man der Chronica maiora, war es mittlerweile praktisch unmöglich, noch Verständnis für den König aufzubringen. Diese 85 86 87 88 89 90

Ebd. S. Tuck (wie Anm. 63), S. 209. Gundy (wie Anm. 70), S. 195. Vgl. Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 229. Jones (wie Anm. 74), S. 95. Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 230.

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Sichtweise ist durchaus nachvollziehbar, schließlich musste der Chronist, da Heinrichs Thronbesteigung bereits bekannt war, alles daranlegen, Richard II. als denkbar ungeeigneten König zu zeigen, um so die Legitimation Heinrichs IV. zu betonen.91

Tyrannei und Absetzung Die lebenslängliche Verbannung Heinrich Bolingbrokes bedeute für Walsingham Richards II. endgültigen Abstieg in die Tyrannei, immerhin hatte er ausschließlich zu seinem eigenen Wohl gehandelt.92 In der Chronica maiora wird der Ton dem König gegenüber zunehmend kritischer, so wird mittlerweile schon davon gesprochen, dass dieser terroris induxit.93 Terror mag hier zunächst eine zu moderne Übersetzung sein,94 aber der Schrecken, den Richard nach Walsingham unter seinem Volk verbreitete, scheint einem Tyrannen bereits würdig, schließlich handelte er nur noch so, wie es ihm gefiel, ohne sich um die Sorgen seiner Untertanen zu kümmern.95 Nachdem Richard sich das Erbe der Lancasters angeeignet hatte, schien er es nun auch auf den Besitz seiner übrigen Untertanen abgesehen zu haben. Walsingham berichtet darüber, wie sich der König für seinen bevorstehenden Feldzug nach Irland Geld von der Bevölkerung lieh. „Er versprach ehrlich in Briefen, dass er diese Summen, die er geborgt hatte, an einem gesetzten Zeitpunkt zurückgeben würde, aber er gab das Geld später nie an seine Gläubiger zurück“.96 Doch anscheinend war ihm das auf diese Weise gestohlene Geld nicht genug, denn „im selben Jahr nötigte er mittels Todesangst siebzehn Grafschaften des Königreiches größere Summen an Geld ab. Er drängte ihnen diese Steuer auf, da sie sich mit dem Herzog von Gloucester gegen ihn gestellt hatten. […] Bei dieser Angelegenheit wurden [die Menschen] gezwungen, dem König untragbare Summen an Geld zu gewähren, um wieder seine Gefälligkeit zu erhalten.“97

Hier wird erneut klar, wie selbstsüchtig die Motive des Königs waren. Denn tatsächlich waren die Grafschaften, von denen er mehr und mehr Geld verlangte, 91 Gundy (wie Anm. 70), S. 191. 92 Bennett (wie Anm. 61), S. 135; andere argumentieren, dass bereits die Verhaftung der drei Hauptappellanten 1397 den Beginn der Tyrannei markiert, vgl. dazu Saul (wie Anm. 9), S. 366. 93 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 231. 94 Obwohl Riley selbst in den Randkommentaren von „[…] acts of tyranny on part of the king“ spricht, vgl. dazu ebd., Anm. 1. 95 Gundy (wie Anm. 70), S. 193. 96 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 231. 97 Ebd.

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nicht zufällig gewählt, im Gegenteil. Ganz gezielt ging Richard hier gegen den Teil der Bevölkerung vor, der mit den Appellanten, vor allem Gloucester, sympathisiert hatte. Bezeichnend ist hierbei auch, dass Richard das zusätzliche Geld kaum gebraucht haben kann. Nach dem Tod von John of Gaunt war auch die Herzogin von Norfolk, verstorben. Deren Erbe wäre an ihren Enkel, Thomas Mowbray, gegangen. Da dieser jedoch auch verbannt war, konnte sich der König hier ebenfalls als Erben einsetzen.98 Mit einem so großen neuen Vermögen wäre das Erpressen seiner Untertanen kaum notwendig gewesen. Walsingham zeigt somit wieder die tyrannische Seite des Herrschers, der ausschließlich aus selbstsüchtigen Motiven handelt. Doch neben Reichtümern verlangte es Richard II. noch nach etwas Anderem – strengster Loyalität. Um diese zu sichern, bediente er sich Handlangern, die seine strengen Vorgaben befolgen mussten: „Sollten die Sheriffs erfahren, dass einer ihrer Untergebenen […] irgendetwas Böswilliges sagte […], in der Öffentlichkeit oder im Geheimen, was Schande oder Skandal über den König bringen könnte, so sollten sie diese Untergebenen, bis sie weitere Anweisungen vom König erhalten würden, einsperren. […] Und so gab es eine allgemeine Angst vor der Wahrscheinlichkeit einer großen Zerrüttung des Königreiches und auch einzelner Menschen in dessen Bevölkerung.“99

Nach dieser Beschreibung konnte es keine Zweifel mehr an einer tyrannischen Herrschaft geben. Richard scheint darüber hinaus, durch das Vorgehen der Appellanten, sehr vorsichtig, beinahe schon paranoid geworden zu sein, was Verschwörungen gegen ihn anging. Aufgrund bloßer Aussagen ins Gefängnis gesteckt zu werden und auf ein Urteil durch den König selbst zu warten, schien eine allgemeine Angst im Volk zu schüren, die sich früher oder später in einer Revolution bahnbrechen musste. Und durch Heinrich Bolingbrokes Bestrebungen sollte diese nicht lange auf sich warten lassen. Als der König schließlich genug Geld von seinem Volk erpresst hatte, zog er nach Irland. Er tat dies jedoch nicht unvorbereitet und schon gar nicht allein. Neben einigen seiner Freunde „nahm [er] auch einige Jungen adliger Geburt mit sich, die Söhne der Herzöge von Gloucester und Hereford, deren Verwandte er besonders fürchtete“.100 Hier liegt ohne Zweifel die Vermutung nahe, dass Richard sich mit den Verwandten seiner Gegner absichern wollte. Im Falle einer Auseinandersetzung mit Hereford oder Gloucesters Anhängern hatte er mit deren Söhnen als potenzielle Geiseln immer ein Druckmittel, das nicht unterschätzt werden durfte. Doch der König ging noch einen Schritt weiter : 98 Bennett (wie Anm. 61), S. 145. 99 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 231. 100 Ebd., S. 231.

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„Er nahm auch […] ohne die Einwilligung der Grundbesitzer des Landes, die heiligen Reliquien aus den Schatzkammern mit sich, und auch Juwelen und Reichtümer des Landes, die seit jeher in den Gewölben des Königreiches zu Ehren des Königs verwahrt wurden.“101

Obwohl das Wort Diebstahl von Walsingham nicht offen ausgesprochen wird, ist seine Meinung über die Tat des Königs doch sehr deutlich. Richard nahm sich diverser wertvoller Stücke an, neben weltlichen Schätzen auch heiliger Reliquien, deren Rückkehr man sich in England nicht gewiss sein konnte.102 Wie kaum anders zu erwarten, „gab [es] wenig Jubel unter seinen Untertanen. Sie dachten immer schlechter über ihn und hatten größte Angst, von ihm tyrannisiert zu werden“.103 Walsingham mag sich hier mit solchen und ähnlichen Bemerkungen wiederholen, doch gerade diese Wiederholungen sind wichtig, um die Schwere und den Ernst der Situation wiederzugeben. Etwa im Juli begann schließlich die Revolution, denn Heinrich landete in England, um sich sein Geburtsrecht zu sichern. Auch ohne den König im Land konnten seine Stellvertreter dies nicht einfach hinnehmen, und man plante sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Es sollte jedoch nicht dazu kommen. „Aber der Ausgang zeigte die Gehaltlosigkeit ihrer Idee. Denn die Menschen […] sagten vehement, dass sie nicht bereit wären, dem Herzog von Lancaster zu schaden, da sie wussten, dass er schlecht behandelt worden war. Daraufhin […] verließen diese niederträchtigen Ratgeber, John Bushy, William Bagot, Henry Green, zusammen mit dem Kanzler William Scrope den Statthalter des Landes und flohen ins Schloss von Bristol.“104

An dieser Stelle zeigen sich gleich mehrere wichtige Dinge, zum einen, dass die Vertreter Richards nach Walsingham ebenso unfähig und feige waren wie er selber : Anstatt einen Kampf zu wagen, flüchten sie vor dem Herzog und überlassen es anderen, sich um die Situation zu kümmern. Zum anderen wird klar, dass bereits vor einem Zusammentreffen der Cousins kaum Zweifel bestand, wer in dieser Revolution die Oberhand hat. Scheinbar zeigt sich niemand im Land bereit, gegen den Herzog anzutreten, im Gegenteil. Allen ist bewusst, wie schlecht Heinrich vom König behandelt wurde, und die Sympathien sind auf seiner Seite. Walsingham macht dies später noch deutlicher : „Und der Herzog von Lancaster […] landete nahe dem Ort, wo früher das Dorf Ravenspur lag. Niemand versuchte ihn aufzuhalten.“105 Diverse 101 Ebd., S. 232. 102 Besonders entscheidend ist hier, dass Richard vor der Reise nach Irland sein Testament formulieren ließ, vgl. dazu MENN (wie Anm. 12), S. 232. 103 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 232. 104 Ebd., S. 232–33. 105 Ebd., S. 233.

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Städte schlossen sich Heinrich ohne jeglichen Widerstand an, er musste selten kämpfen, sondern fand im Gegenteil oftmals Ritter und Soldaten vor, die sich ihm anschlossen – auch wenn nicht immer gesagt werden konnte, ob sie dies freiwillig oder im Hinblick auf mögliche politische Entwicklungen taten.106 Walsingham berichtet darüber hinaus, dass er von „einigen Adligen begleitet wurde, welche die Tyrannei des Königs überaus fürchteten“.107 Es ist sicherlich keine Überraschung, dass sich neben der einfachen Bevölkerung auch ein Großteil des Adels schnell auf Heinrichs Seite schlug108 – sie waren es schließlich, die während Richards Regierung übergangen und ständig bekämpft wurden.109 Aber es gab auch einige Adlige, die vorher kaum starke Probleme mit dem König hatten, und sich seinem Feind anschlossen.110 Aus welchen Gründen auch immer sie sich auf die Seite des Herzog stellten, gemeinsam mit ihm bereiteten sie sich auf einen Kampf vor : „In kurzer Zeit wurde eine Armee von etwa sechstausend Soldaten zusammengestellt, die alle zusammen beschlossen, zuerst die bösartigen Ratgeber des Königs zu verfolgen. Sie gelangten schnell nach Bristol und belagerten das Schloss, wo die Ratgeber bereit waren, ihnen Widerstand zu leisten. Und dort wurden schließlich der Schatzkanzler William Scrope, John Bushy und Henry Green gefangen genommen und sofort am nächsten Tag unter den Rufen der einfachen Leute geköpft.“111

Ohne lange zu warten, begannen der Herzog und seine Armee sogleich, gegen Richards Anhänger vorzugehen, vor allem auch um für den abwesenden Richard ein Exempel zu statuieren. Und es sollte nicht lange dauern, bis auch der König selbst nach England zurückkehrte. „Als König Richard in Irland von der Landung des Herzogs hörte, unternahm er sofort Schritte um die Söhne der Herzöge von Gloucester und Lancaster im Schloss Trim einzusperren.“112 Wie zu erwarten war, machte Richard die beiden jungen Adligen sogleich zu seinen Gefangenen, um gegenüber Heinrich einen Vorteil zu haben.113 Nachdem diese

106 107 108 109 110 111 112 113

Tuck (wie Anm. 63), S. 215. Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 233. S. Menn (wie Anm. 12), S. 153. Und möglicherweise hatte Heinrich sogar von Frankreich aus bereits Korrespondenz mit einigen von ihnen geführt, um sich Anhänger für seine Revolution zu sichern, vgl. dazu Jones (wie Anm. 74), S. 101. S. ebd. Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 233. Ebd. Hier muss jedoch gesagt werden, dass in der Forschung umstritten ist, ob Richard die Jungen tatsächlich als Geiseln nahm, möglicherweise sprach Walsingham nur davon, um das Bild des Königs noch weiter negativ zu färben, vgl. dazu Menn (wie Anm. 12), S. 146–47.

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Maßnahme vollbracht war, „eilte [der König] in aller Schnelle zu seinen Schiffen“.114 Dies ist eine der Stellen der Chronik, die sich schnell als grob falsch herausstellt. In der Forschung ist man sich einig, dass Richard beinahe zwei Wochen nach Erhalt der Nachricht wartete, bevor er nach England aufbrach. Der Grund war jedoch nicht etwa Feigheit, sondern die Tatsache, dass seine Truppen noch in Irland verteilt waren und er sie erst um sich sammeln musste.115 Zudem kann er kaum erwartet haben, dass Heinrich eine so weitreichende Unterstützung in England finden würde, weshalb seine Rückkehr ihm nicht allzu dringlich erschien. Dies war jedoch eine Haltung, die sich als schwerer Fehler herausstellen sollte, denn „als er England erreichte und von den Streitkräften erfuhr, die der Herzog angesammelt hatte, verlor er den Mut für einen Kampf, da er sicher war, dass die Menschen, die sich zum Kämpfen versammelt hatten, lieber sterben würden als sich zu ergeben, vor lauter Hass und Furcht vor ihm.“116

Erstmals scheint der König nun wirklich zu begreifen, in welcher Situation er sich befindet und was für einen Ruf er sich bei seinen Untertanen mit der Zeit erworben hatte. Als Reaktion hierauf beschreibt Walsingham seit Langem erstmals wieder eine positive Tat des Königs: „Also sandte er seinen Haushalt fort und ließ ihnen durch seinen Helfer Lord Thomas Percy mitteilen, dass sie sich selber für bessere Zeiten aufsparen sollten.“117 Dies war eine noble Geste des Königs, in der bereits ein Aufgeben Richards zu erkennen ist, auch wenn er vor einem ersten Verhandlungstreffen in Conway noch halbherzig vor Heinrich zu flüchten versuchte. „Er informierte sie [die Bischöfe, die zum Verhandeln zu ihm gekommen waren], dass er willens war, sein Königreich abzugeben, wenn er einen angemessenen Unterhalt für jemanden seiner Position erhalten sollte und das ernste Versprechen, dass acht Personen, die er nennen würde, ihres Lebens sicher wären.“118

Erneut zeichnet Walsingham hier ein beinahe positives Bild von einem einsichtigen, besiegten Mann, der erkannt hatte, dass es besser sei sich zu fügen. Die Forschung ist hier jedoch bereits kritisch eingestellt, vor allem, da Walsinghams 114 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 233. 115 Vgl. hierzu Saul (wie Anm. 9), S. 409; ebenso Tuck (wie Anm. 63), S. 218; sowie Jones (wie Anm. 74), S. 102 – Jones geht zudem auch stärker darauf ein, dass Richard von seinem Cousin, dem Herzog von Aumerle, in dieser Angelegenheit schlecht beraten worden war. 116 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 233. 117 Ebd. 118 Ebd., S. 234. – Interessant ist hierbei, dass es nicht zwangsläufig der Wille Heinrichs war, die Krone zu erobern, er hatte wohl zunächst nur geplant, sein Erbe zu erstreiten, und erst im Verlauf der Ereignisse seine Meinung zur Thronbesteigung geändert, vgl. dazu Menn (wie Anm. 12), S. 156–57.

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Bericht über die Bereitschaft Richards zur Abdankung in den zeitgenössischen Chroniken nur von denen unterstützt wird, die ebenso wie er bereits im Hinblick auf Heinrichs spätere Regentschaft Lancaster-freundlich eingestellt waren.119 Was wirklich in Conway geschah, ist überaus unsicher, aber klar ist, dass sich der König schließlich ergab, ohne offiziell abzudanken:120 „Und am zwanzigsten Tag des Monats August und dem vierundsiebzigsten Tag nach der Ankunft des Herzogs in England ergab sich der König dem Herzog. […] Dann wurde der König nach London gebracht, wo man ihn bis zum nächsten Parlament im Tower behielt.“121

Obwohl Richard II. noch immer König ist, wird er im Tower verwahrt; unter welchen Bedingungen dies geschah, wird aus Walsinghams Bericht nicht klar.122 Während eines in seinem Namen einberufenen Parlaments Ende September dankte der König schließlich ab. „Vor all diesen verlas der König scheinbar mit Erleichterung und einer fröhlichen Haltung das Formular seiner Amtsenthebung.“123 Es ist stark zu bezweifeln, dass Walsinghams Beschreibung an dieser Stelle akkurat ist. Wenn bereits davon auszugehen ist, dass sein Vorschlag zur Abdankung in Conway nicht so stattgefunden hat wie berichtet, ist wahrscheinlicher, dass Richard den Umstehenden gedroht und sich gewehrt hat, und absolut nicht bereit war, abzudanken.124 Die Fachliteratur zeichnet hier ein deutlich anderes Bild, als es in der Chronica maiora erscheint, und die Gründe sind ebenso vielseitig wie offensichtlich, So muss man sich vor Augen führen, dass die Lancasters durchaus nicht vor Propaganda zu ihren Gunsten zurückschreckten.125 Ohne Frage sind die widersprüchlichen Quellen darauf zurückzuführen, dass sie jeweils von Lancasterfreundlichen oder -feindlichen Chronisten stammen und ein entsprechend konsensuales oder kontroverses Bild der Abdankung zeichnen. Ebenso anzuzweifeln ist, was Walsingham den in Ungnade gefallenen König noch sagen lässt: „Und er fügte sofort hinzu, dass er wünsche, dass der Herzog von Lancaster ihn im Königreich beerben solle.“126 Erneut kann von Propaganda für Heinrichs

119 S. Tuck (wie Anm. 63), S. 221; auch Duls (wie Anm. 59), S. 118, setzt sich länger mit der Situation auseinander. 120 Menn (wie Anm. 12), S. 158. 121 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 234. 122 Es ist davon auszugehen, dass er nur aufgrund eines Hinterhalts in die Hände von Heinrichs Anhängern gelangte, und im Tower den Status eines Gefangenen hatte, vgl. dazu John Taylor, English Historical Literature in the fourteenth Century, Oxford 1987, S. 194. 123 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 234. 124 S. Tuck (wie Anm. 63), S. 221. 125 Menn (wie Anm. 12), S. 163. 126 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 235.

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Herrschaft ausgegangen werden,127 denn es erscheint seltsam, dass Richard seinen Feind, dem er das Erbe streitig machte und den er lebenslang verbannte, so plötzlich als seinen Nachfolger sehen wollte. Selbst wenn Richard sich, aus welchen Gründen auch immer, dem Willen der Revolution beugte und abdankte, wird er es nicht zugunsten Heinrichs getan haben, sondern lediglich, um sein eigenes Leben zu schützen. Wie die Abdankung sich auch immer vollzogen hat, sie traf bei der Versammlung auf Zustimmung. „Dann stimmte einer nach dem anderen jede einzelne anwesende Person, als sie darum gebeten wurde, geschlossen und ohne Unstimmigkeiten der Abdankungen und dem Verzicht zu.“128 Hier war es besonders wichtig, die Geschlossenheit zu demonstrieren, denn wenn auch nur eine Person gegen die Absetzung gewesen wäre, hätte dies Möglichkeiten für Revolutionen gegen Heinrich als König bedeutet. Doch durch eine allgemeine Zustimmung war Heinrichs zukünftige Regentschaft abgesichert.129 Dies war wichtig, da Richard noch jung und gesund genug war, dass er dem neuen König bedrohlich werden konnte. Um schließlich „jegliche Zweifel und Verdacht auf unehrliches Verhalten aus dem Weg zu räumen, […] wurden zweiunddreißig Artikel öffentlich verlesen, welche die abschließende Erhebung all der Zuwiderhandlungen des Königs gegen seinen Schwur waren. Und das Urteil war […], dass all diese kriminellen Handlungen in genügender Anzahl vorlagen und weit genug bekannt waren, um den König abzusetzen […].“130

Die Verlesung der Deposition sollte allen nochmals die Unfähigkeit Richards II. und dadurch die Rechtmäßigkeit der Absetzung vor Augen führen. Zu den Untaten gehörten unter anderem „vielfältige Eidbrüche, die Grausamkeit, […] welche seine Regierung über seine Königreiche und Herrschaftsgebiete beschmutzt hatten. […] Darüber hinaus gibt es das Geständnis des Königs, der […] wahrheitsgemäß erklärt […], dass er hochgradig inadäquat war und ist und dass ihm die Intelligenz fehlt, um seine Königreiche [etc.] zu regieren und zu leiten, und dass er aufgrund seiner weit bekannten Schwächen eingesteht, dass er nicht zu Unrecht abgesetzt wurde. [… So gilt,] dass Richard selbst nutzlos, untauglich, vollkommen inadäquat und des Regierens und Leitens dieser genannten Königreiche [etc.] nicht würdig ist und war, und dass er deshalb verdientermaßen aller königlichen Würden und Ehren enthoben ist […].“131 127 Hier spielt sicher die „effectiveness of the Lancastrian regime in imposing its own version of events“ eine Rolle, Taylor (wie Anm. 123), S. 194. 128 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 235. 129 Wobei auch diese Einigkeit mit Vorsicht behandelt werden muss, laut Tuck (wie Anm. 63), S. 223, gab es zumindest eine Gegenstimme, die von Thomas Marke, der jedoch wenig ausrichten konnte. 130 Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 235. 131 Ebd., S. 236–37, hierbei handelt es sich um eine stark gekürzte Version der Depositionsschrift; in Walsinghams Chronik werden ihr fast drei Seiten eingeräumt, ebd., S. 235–37.

Das Bild Richards II. in der Chronica maiora des Thomas Walsingham

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Die wiederholte und deutliche Verlesung der Verfehlungen Richards war für Walsingham sehr wichtig, er selber hatte schließlich lange genug in seiner Chronik Beweise für die Unfähigkeit des Königs gesammelt. Zudem musste die Absetzung eines lebendigen, jungen Königs wohl durchdacht und lückenlos sein. Auch wenn Heinrich später als neuer Regent akzeptiert wurde, war er faktisch ein Usurpator, ein Thronräuber, und man durfte sich bei Richards Absetzung keine Fehler erlauben, die den Anspruch Heinrichs auf die Krone zunichtemachen könnten.132 Als der Herzog von Lancaster diesen Anspruch schließlich geltend machte, hatte Walsingham keine Kritik zu äußern, und berichtete, „dass auch die geistlichen und weltlichen Lords und alle Teile des Königreiches geschlossen zustimmten, dass der Herzog über sie herrschen sollte“.133 Ohne Frage hatte Heinrich durch königliches Blut von beiden Elternteilen einen stärkeren Anspruch auf den Thron als der Earl von March, den Richard Zeit seiner Herrschaft als möglichen Nachfolger betrachtet hatte134, und wenn das Manko der Absetzung Richards II. nicht gewesen wäre, wäre Heinrichs Herrschaft sicher genauso unangefochten gewesen, wie Walsingham sie beschrieb. Nun, da Heinrich als neuer König feststeht, verliert Walsingham scheinbar das Interesse an dessen Vorgänger. Tatsächlich wird Richard nur noch zweimal in der Chronik erwähnt. Zunächst gilt das für den Moment, als ihm berichtet wird, dass seine Abdankung geschlossen angenommen worden war. Seine einzige Reaktion im Tower auf diese Nachricht war nach Walsingham unerwartet, „denn er sagte: ,Nun, nach all dem hoffe ich, dass mein Verwandter bereit ist, mir ein guter Herr und Freund zu sein‘“.135 Erneut sieht Walsingham ihn als resignierten und beinahe gutmütigen Menschen, der Heinrichs Position als neuer König vollends akzeptiert. Richard soll, laut der Fachliteratur, ausschließlich um ein Auskommen gebeten haben, das ihm eine ehrenhafte Position ermöglichen würde, die ihm aufgrund seiner Geburt zustand.136 Der tyrannische König, der er laut Walsingham zuletzt war, tritt nicht mehr in Erscheinung. Mit dem neuen König wandelt sich das Bild von Richard in der Chronica maiora erneut, vom Tyrannen zur irrelevanten Nebenfigur unter Heinrichs Regentschaft. Dieses Desinteresse geht schließlich so weit, dass über Richards Tod nur noch als Nebensächlichkeit berichtet wird. Eine Auseinandersetzung damit muss aus

132 133 134 135 136

S. Gundy (wie Anm. 70), S. 226. Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 237. Tuck (wie Anm. 63), S. 223. Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 238. Saul (wie Anm. 9), S. 423.

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Platzgründen leider ebenso ausbleiben, wie das Aufkommen eines kurzfristigen Richard-Kults in den ersten Jahren der Regierung Heinrichs IV.137 *** Die Forschung ist sich größtenteils einig, dass Walsingham die Chronica maiora im Bezug auf seine Sicht von Richard II. veränderte,138 vermutlich rückwirkend kurz nach dessen Absetzung. Auf den ersten Blick könnte es scheinen, als ob die gesamte Chronica maiora dieser Veränderung unterlag und Richard von Beginn an aufgrund seiner Persönlichkeit und seines Führungsstils kritisiert wurde. Jedoch sollte sich gezeigt haben, dass dies nicht der Fall war. Zwar bringt Walsingham seit dem Regierungsantritt des Königs häufig starke Kritik an seinem Handeln an, aber durch wiederholte Verweise auf die schlechten Freunde des jungen Königs, die ihn beeinflussen und ihrem Willen unterwerfen, wird bis zur zweiten Hälfte des Jahres 1398 oft Richard nicht selbst die Schuld für dieses Handeln zugewiesen. Mit der Erklärung der Volljährigkeit des Königs im Jahre 1389 und seinem Wunsch, alleine die Regierung zu führen, beginnt ein teilweiser Wandel, da Walsingham Richard nun zum Teil alleine für seine Taten verantwortlich macht. Trotz der Rückholung einiger einflussreicher Freunde durch Richard selbst an seinen Hof wird jedoch die Beeinflussbarkeit des Königs genutzt, um ihn erneut häufig von der Hauptschuld an seinen Taten zu befreien. Doch der langsame Wandel im Bild Richards ist unaufhaltsam. In der Verbannung von Heinrich Bolingbroke, dem späteren Heinrich IV., aufgrund eines Streits mit Thomas Mowbray 1398, lässt sich ein Wendepunkt in der Betrachtung Richards II. durch Walsingham erkennen. In der Zeit nach der Verbannung von Richards Cousin übt Walsingham wiederholt starke Kritik, oftmals unverhohlen, am König selbst. An dieser Stelle spielt zweifelsohne die nachträgliche Veränderung der Chronik bereits sehr in das Bild von Richard hinein. Nach der Thronbesteigung Heinrichs IV. konnte Walsingham seine Ansichten über den früheren König ungeschönt darstellen. Dies zeigt sich besonders dadurch, dass Walsingham im Jahr 1399 nur insofern positiv gegenüber Richard eingestellt ist, als dass er ihn freiwillig zu Heinrichs Gunsten abdanken lässt – eine der Stellen der Chronik, deren Wahrheitsgehalt sich nicht eindeutig feststellen lässt. 137 Es sei lediglich erwähnt, dass sich um 1400, kurz vor dem Tode Richards, einige Earls mit dem Ziel zusammenschlossen, ihn zu befreien und wieder als König einzusetzen. Der Versuch blieb erfolglos, wie die meisten Revolutionen gegen Heinrich IV. Selbst Richards Beerdigung konnte die neu aufgekommene Begeisterung für den abgesetzten Herrscher nicht dämpfen, und 1402 plante eine Gruppe von Verschwörern, Richard zu retten, den sie am Leben und von Heinrich gefangen gehalten glaubten, vgl. dazu Chronica maiora (wie Anm. 1), S. 244, 248. 138 Taylor (wie Anm. 122), S. 17; ebenso Stow (wie Anm. 2), S. 69.

Das Bild Richards II. in der Chronica maiora des Thomas Walsingham

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Nachdem Richard schließlich abgesetzt ist, verliert Walsingham gänzlich das Interesse am ehemaligen König und richtet seine Aufmerksamkeit vollends auf Heinrich IV.

Rona Ettlin

Die lübische Verfassungskrise (1408–1416) im Spiegel der Chronistik

Unruhen in einzelnen Hansestädten hatten fast immer weitreichende Konsequenzen, weil sie nicht nur die politischen und wirtschaftlichen Strukturen einer Stadt, sondern zugleich auch die der anderen, sehr ähnlich organisierten Städte in Frage stellten.1 Dazu kam die Gefahr, dass einer der norddeutschen Landesherren die innere Schwäche der Stadt ausnutzen würde, um seinen Einfluss wieder stärker zur Geltung zu bringen. Aus der Sicht der Hansestädte bedeutete das wiederum eine Schwächung der Hanse insgesamt. Eine Stadt unter fürstlicher Kontrolle hatte ihre (relative) Autonomie verloren und musste aus der Hanse ausscheiden.2 Von besonderer Tragweite war es damit aber, wenn die Unruhen in Lübeck, dem „Haupt der Hanse“, ausbrachen. Gerade langfristige Auseinandersetzungen bedrohten die Handlungsfähigkeit und letztlich die Existenz der Hanse. Im Jahr 1408 kam es in Lübeck zu einem Aufstand und in der Folge zu einer Verfassungskrise, die erst 1416, nach langen und schweren Auseinandersetzungen, in die auch das Reich und andere Mächte einbezogen waren, beendet werden konnte.3 Diese Verfassungskrise und ihre Wahrnehmung in der zeitgenössischen Chronistik sollen im Zentrum dieses Beitrags stehen. Spannungen zwischen dem Rat und der Bürgerschaft gab es spätestens seit 1 Für einen Überblick s. Bernd-Ulrich Hergemöller, Uplop – Seditio. Innerstädtische Unruhen des 14. und 15. Jahrhunderts im engeren Reichsgebiet. Schematisierte vergleichende Konfliktanalyse, Hamburg 2012; zur Spiegelung in der Geschichtsschreibung s. Johannes Bernhard Menke, Geschichtsschreibung und Politik in deutschen Städten des Spätmittelalters, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 33 (1958), S. 1–84, und 34/35 (1959/1960), S. 85–194. 2 Ein Beispiel bieten die Ereignisse in Berlin seit 1442, vgl. Rolf Hammel-Kiesow, Stadtherrschaft und Herrschaft in der Stadt, in: Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos, 2. Aufl., hrsg. Jörgen Bracker, Volker Henn, Rainer Postel, Lübeck 1998, S. 446–79, hier S. 460. 3 Dazu insbesondere Rhiman A. Rotz, The Lubeck Uprising of 1408 and the Decline of the Hanseatic League, in: Proceedings of the American Philosophical Society, 121, 1 (1977), S. 1–45; Carl Wehrmann, Der Aufstand in Lübeck bis zur Rückkehr des alten Raths 1408–1416, in: Hansische Geschichtsblätter 1878/1879, S. 103–56, online unter http://www. hansischergeschichtsverein.de/download/hgbll1878_volltext.pdf (letzte Einsichtnahme am 5. 4. 2017).

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1403, als der Rat Lübecks Steuern auf verschiedene Produkte erheben wollte, um die Verschuldung der Stadt zu reduzieren, und als Zünfte und Bürger gegen dieses Vorhaben Widerspruch einlegten.4 Als sich die Bürger 1405 gegen die Erhebung von Gebühren auf die Stadtmühle und den erneuten Vorschlag einer Steuererhebung wandten, schlug man ihnen vor, verschiedene Personen auszuwählen, die die Situation mit dem Rat diskutieren sollten, woraus sich der Sechziger-Ausschuss bildete.5 Dieser stimmte zwar einer Erhebung von Steuern zu, verlangte jedoch mehr Mitbestimmung der Bürger bei der Regierung der Stadt. So entwickelte sich der Sechziger-Ausschuss zu einem Gegenwicht zum Rat, getragen von der Gemeinde, die er versammeln konnte, wann er wollte. Um Ostern 1407 forderte der Rat das Ende der bisherigen Beteiligung der Bürger an der Verwaltung der Stadt, stieß damit jedoch auf absoluten Widerspruch in der Bürgerschaft. Der Sechziger-Ausschuss legte ein Dokument vor, das aufführte, worin man noch Probleme sah, darunter die Ratswahl, die Verwaltung der städtischen Münzprägung, den Schutz der Bürger vor Piraterie und Anderes.6 Der Rat ging jedoch auf keinen der gemachten Vorschläge ein und lehnte jegliche Veränderung des Wahlprozesses ab. Schließlich kam es zur Eskalation, als im Januar 1408 eine wütende Menge drohte, die jährliche Prozession des Rates anzugreifen. Nach Rücksprache mit Marquard van Dame, einem der Bürgermeister, verkündete der Sechziger-Ausschuss eigenmächtig, dass die Bürger die Ratswahl hätten.7 Als Konsequenz verließen Marquard van Dame und 13 andere Ratsmitglieder die Stadt. Sie begaben sich zunächst nach Mölln, von wo aus sie sich nach Lüneburg, Hamburg und Brügge aufteilten, wo sie bei Verwandten und Geschäftspartnern Zuflucht suchten. Als Vermittlungsversuche durch Herzog Albrecht von Mecklenburg und den Bischof von Lübeck, Johann von Dulmen, scheiterten, kam es am 5. Mai 1408 zur Wahl eines Neuen Rates. Dafür wurden zwei Notare hinzugezogen wurden, um die Wahl rechtlich abzusichern,8 und es wurde eine Wahlordnung festgesetzt, nach der jährlich die Hälfte der Ratsmitglieder den Rat verlassen und zwölf neue Mitglieder gewählt werden sollten, sechs Kaufleute oder Rentner und sechs Handwerker.9 Gleich nach seiner Wahl sandte der Neue Rat eine Rechtfertigungsschrift nach Dänemark, in der er dem Alten Rat unter anderem politische Fehler vorwarf.10 4 5 6 7 8

Rotz (wie Anm. 3), S. 10. Dazu Rotz (wie Anm. 3), S. 11; Wehrmann (wie Anm. 3), S. 106. Rotz (wie Anm. 3), S. 12; Wehrmann (wie Anm. 3), S. 108–09. Wehrmann (wie Anm. 3), S. 111. Vgl. Erich Hoffmann: Lübeck im Hoch- und Spätmittelalter : Die große Zeit Lübecks, in Lübeckische Geschichte, hrsg. Antjekathrin Grassmann, 4. Aufl. Lübeck 2008, S. 81–328, hier S. 255. 9 Wehrmann (wie Anm. 3), S. 113. 10 Ebd., S. 114–15.

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Der Alte Rat war jedoch nicht bereit, offiziell zurückzutreten und die Regierung des Neuen Rats anzuerkennen, sondern bemühte sich darum, seine alte Position zurück zu gewinnen.11 Beim römisch-deutschen König Ruprecht hatte er jedoch wenig Erfolg, weil er diesen trotz mehrmaliger Aufforderung nicht anerkannt und die jährliche Reichssteuer in den letzten acht Jahren nicht gezahlt hatte. Als der Neue Rat Abgesandte nach Heidelberg schickte, die dem Kaiser huldigten und die Reichssteuer an den Hof brachten, erhielten sie die Bestätigung der Privilegien und einen kaiserlichen Gnadenbrief, der den Bürgern das Recht gab, ihren Rat selbst zu wählen.12 Auch Jordan Pleskow, einer der Bürgermeister des Alten Rats, war nach Heidelberg gekommen, und erwirkte eine Ladung an den Neuen Rat der Stadt Lübeck, der vor dem Hofgericht erscheinen sollte. Als der Neue Rat Schlichtungsversuche durch den Hof ablehnte, während der Alte Rat den König anerkannte, und als der Großteil der Hansestädte den Alten Rat unterstützte, kam es am 28. Juni 1409 zu einem Urteil des Hofgerichts, durch das der Alte Rat der Stadt als rechtmäßige Obrigkeit anerkannt wurde. Nach dem Verstreichen einer Frist zur Versöhnung mit dem Alten Rat wurde schließlich am 21. Januar 1410 durch Ruprecht die Reichsacht über die Stadt verhängt,13 doch führte der Tod des Königs im Mai desselben Jahres zu einem langen Stillstand. Sein Nachfolger Sigismund erkannte den Alten Rat im Jahr 1412 als rechtmäßig an, jedoch tat er nichts, um das Urteil durchzusetzen.14 Seine Geldnöte ließen ihn vielmehr gegen die Zusage von 25.000 rheinischen Gulden geheime Urkunden für den Neuen Rat ausstellen, die den über Lübeck verhängten Bann aufhoben und der Stadt ihre kaiserlichen Privilegien zurückgaben. Obwohl dies bis zum Frühjahr 1416 geheim bleiben sollte, erfuhr der Alte Rat davon und brachte daraufhin König von Erik von Dänemark mit der Behauptung zum Eingreifen, der Neue Rat habe sich vor Sigismund negativ über Erik geäußert.15 Erik ließ Lübecker Kaufleute, die sich zum Heringsfang in Schonen aufhielten, gefangen nehmen und versuchte, die Wiedereinsetzung des Alten Rats durchzusetzen. Die aus dem Konflikt entstehende Bedrohung für die Hanse bewegte die Städte zum Handeln, und der Neue Rat musste sich mit einer Vermittlung einverstanden erklären. 1416 sandte der Kaiser zwei Botschafter nach Lübeck, die die Urkunden, die Sigismund für den Neuen Rat ausgestellt hatte, für ungültig erklärten und den Alten Rat wieder in seine Position einsetzen, weil der Neue Rat die vereinbarte Zahlung nicht geleistet hatte.16 In der Folge kam es zur Vermittlung durch die 11 12 13 14 15 16

Hoffmann (wie Anm. 8), S. 256–57. Vgl. Wehrmann (wie Anm. 3), S. 115. Hoffmann (wie Anm. 8), S. 257. Dazu s. Wehrmann (wie Anm. 3), S. 134. Rotz (wie Anm. 3)., S. 14. Zum Kontext vgl. Hoffmann (wie Anm. 8), S. 267.

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Städte, um die Wiedereinsetzung des Alten Rats zu arrangieren.17 Die Überwindung des inneren Konflikts bedeutete für die Hansestädte ebenfalls eine Überwindung der Krise der Hanse. Lübeck nahm nun wieder seine Rolle als „Haupt der Hanse“ ein.18 Einen Höhepunkt der Erneuerung bildete der Hansetag von 1418, der auch umfangreiche Regelungen gegen städtische Unruhen verabschiedete. Auch wenn die Abläufe und Ereignisse im Wesentlichen bekannt sind, stellt sich doch die Frage nach ihrer zeitgenössischen Wahrnehmung. Als wichtiger Zugang dazu bietet sich – neben den überlieferten Briefen und Dokumenten –19 die Historiographie an, die sich besonders gut für einen vorstellungsgeschichtlichen Zugang eignet.20 Daher wurden hier zwei Chroniken ausgewählt. Die erste zu behandelnde Chronik ist die für die Jahre 1408 bis 1416 relevante, anonyme dritte Fortsetzung der Detmar zugeschriebenen Lübecker Chronik, die zweite die so genannte Rufus-Chronik, die von einem anonymen Autor verfasst wurde. Auf eine Behandlung der in ihrer Überlieferung sehr komplizierten Chronica Novella Hermann Korners, die auch über die „lübische Verfassungskrise“ berichtet, soll hier verzichtet werden, weil die dritte Fortsetzung der DetmarChronik bereits einen deutschsprachigen Auszug aus einer unbekannten Fassung der Chronica Novella darstellt, während die Rufus-Chronik wahrscheinlich auf der verlorenen C–Version der Chronica Novella beruht.21 Nach einer kurzen Vorstellung der Quellen soll eine Gegenüberstellung der Chroniken und ihrer Darstellung der Ereignisse erfolgen. ***

17 Wehrmann (wie Anm. 3), S. 146. 18 Hoffmann (wie Anm. 8), S. 260. 19 Teilweise erschlossen in den Editionen des 19. Jahrhunderts, Urkundenbuch der Stadt Lübeck, Bd. 5, hrsg. Carl Friedrich Wehrmann, Lübeck 1877; Hansisches Urkundenbuch, Bde. 5–6, hrsg. Karl Kunze, Leipzig 1899–1905; Hanserecesse. Die Recesse und andere Akten der Hansetage, hrsg. Karl Koppmann, Bd. 5–6, Leipzig 1880–1889. 20 Dazu vgl. insbesondere die Aufsatzsammlung von Hans-Werner Goetz, Vorstellungsgeschichte. Gesammelte Schriften zu Wahrnehmungen, Deutungen und Vorstellungen im Mittelalter, hrsg. Anna Aurast, Simon Elling, Bele Freudenberg, Anja Lutz, Steffen Patzold, Bochum 2007. 21 Zum komplexen Zusammenhang zwischen den Chroniken vgl. Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert. Die Chroniken der niedersächsischen Städte, 28, Lübeck, 3, hrsg. Karl Koppmann, Leipzig 1902, S. 347–52 (Detmar-Fortsetzung) bzw. XI–XX („Rufus“); zu Hermann Korner und seiner Chronica novella sowie den anderen lübischen Chroniken vgl. u. a. Sascha Möbius, Das Gedächtnis der Reichsstadt: Unruhen und Kriege in der lübeckischen Chronistik und Erinnerungskultur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit (Formen der Erinnerung 47), Göttingen 2011.

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Der Verfasser und Namensgeber der so genannten Detmar-Chronik bezeichnet sich selbst als Lesemeister des Franziskanerklosters zu Lübeck.22 Er berichtet zu Beginn seiner Chronik davon, dass er im Jahr 1385 von den Lübecker Gerichtsherren beauftragt wurde, das Werk zu verfassen.23 Bis 1386 setzte er zunächst die ältere Stadeschronik fort, die nicht erhalten ist,24 dann schrieb er eine lübische Weltchronik, die zuerst die Zeit von 1105 bis 1386 umfasste, dann, wohl in einer weiteren Bearbeitung, den Zeitraum 1105 bis 1395. Seine Arbeit wurde von verschiedenen, teilweise anonymen Autoren fortgesetzt. Ab wann und wie man Detmars Werk genau fortsetzte, also, wie lange Detmar als Urheber zu gelten hat und wie die Fortsetzungen entstanden, ist allerdings unklar.25 Aufgrund der Tatsache, dass die Nachrichten nach den Unruhen in Lübeck wieder ausführlicher werden, hat der erste Herausgeber Ferdinand Heinrich Grautoff geschlossen, dass die hier relevante dritte Fortsetzung der Chronik um 1418 kompiliert worden sein könnte,26 da aber einige wichtige Ereignisse fehlen, ist es strittig, ob die Nachrichten schon in dieser Zeit zusammengestellt wurden.27 Seit den Studien von Georg Waitz zu Hermann Korner und den lübischen Chroniken ist die enge Beziehung zwischen der Chronica novella und der dritten Fortsetzung der Detmar-Chronik (für die Jahre 1401 bis 1438) deutlich geworden,28 so dass die letzte Edition von Karl Koppmann diese Fortsetzung, die auch als erster Teil der vom Ratsschreiber und späteren Ratsherrn Johann Hertze begonnenen Lübecker Ratschronik gelten kann, als eigenes Werk auffasst, das auf einer unbekannten, wohl B oder D nahestehenden Fassung der Chronica Novella des Hermann Korner aufbaut.29 22 Klaus Wriedt, Geschichtsschreibung in den wendischen Hansestädten, in: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im späten Mittelalter, hrsg. Hans Patze, Sigmaringen 1987, (=Vorträge und Forschungen 31), S. 401–426, hier S. 403. 23 Ebd., S. 403–04. 24 Christine Putzo, Art. Detmar von Lübeck, in: Encyclopedia of the medieval chronicle, Vol. JZ, Leiden 2010, S. 519. 25 Vgl. u. a. Chronik des Franciscaner Lesemeisters Detmar nach der Urschrift und mit Ergänzungen aus andern Chroniken, hrsg. Ferdinand Heinrich Grautoff, 2, Hamburg 1830, S. VIII. 26 Die zweite Fortsetzung für die Jahre 1400 bis 1413 bietet zur „Verfassungskrise“ nur eine knappe Notiz über die Einsetzung des neuen Rats 1408, mit einer Leerstelle im Manuskript, vgl. Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert. Die Chroniken der niedersächsischen Städte, 26, Lübeck, 2, hrsg. Karl Koppmann, Leipzig 1899, S. 143, sowie ebd., S. 125–26, zur Auslassung der „Verfassungskrise“. 27 Grautoff, in: Detmar, hrsg. Grautoff (wie Anm. 25), S. VIII. 28 Georg Waitz, Über Hermann Korner und die Lübecker Chroniken, Göttingen 1851. 29 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 357–442, vgl. ebd., S. 347–56, zu Vorlagen und Verfasserfrage; zu Johann Hertze vgl. Friedrich Bruns, Die Lübecker Syndiker und Ratssekretäre bis zur Verfassungsänderung von 1851, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 29 (1938), S. 91–168, hier S. 130–31.

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Der Autor der Rufus-Chronik ist anonym. Man geht jedoch davon aus, dass es sich um einen Geistlichen gehandelt haben muss, der die Chronik höchstwahrscheinlich in Lübeck selbst verfasste.30 Der Name entstammt der Ausgabe von Helmold von Bosaus slawischer Chronik, die von Bangert im Jahr 1659 veröffentlicht wurde.31 Die Rufus-Chronik ist im 15. Jahrhundert entstanden, wohl um 1431.32 Der erste Teil der Chronik umfasst die Jahre 1105 bis 1395, wobei dieser Teil für die Jahre 1105 bis 1349 vorwiegend die Chronik von Johann Rode und für die Jahre 1350 bis 1395 die Chronik von Detmar wiederholt. Der zweite Teil der Rufus-Chronik, der die Zeit bis 1430 behandelt, gilt, wie angesprochen, als eine deutsche Bearbeitung einer nicht erhaltenen lateinischen Korner-Fassung, bei der allerdings Dinge hinzugefügt und auch weggelassen wurden.33 Dies ist der Teil der Chronik, der die Ereignisse der Jahre 1408 bis 1416 enthält, die in dieser Arbeit thematisiert werden sollen. Die Chronik fokussiert aber nicht nur auf die Geschehnisse in Lübeck in diesem Zeitraum, sondern bezieht auch den Rest Norddeutschlands ein.34 Dennoch ist eine gewisse Zentrierung auf lübeckische Ereignisse und eine ratsfreundliche Perspektive festzustellen, dies wird jedoch zu überprüfen und im späteren Verlauf der Arbeit noch einmal aufzugreifen sein.35 Im Folgenden sollen die beiden Chroniken miteinander verglichen und einander gegenübergestellt werden. *** Der Detmar-Fortsetzer führt den Leser zunächst in kurzer und knapper Weise in den Konflikt und dessen Ursprünge ein. Er verweist auf die finanzielle Situation der Stadt und darauf, dass es Probleme mit dem Erhalt des Münzwertes gab,36 wobei er deutlich macht, dass der Rat von Lübeck zum Besten der Stadt gehandelt habe.37 Detmar vertritt in seiner Darstellung ohnehin die Ansicht, dass die Bürger kein Recht hatten, den Rat auf die Art und Weise zu befragen, wie das 1407 geschah. Er geht davon aus, dass der Rat besser als die Bürger weiß, was zu tun sei.38 Die Rufus-Chronik beginnt ihre Schilderung des Jahres 1408 mit der Auf30 So schon Grautoff, in: Detmar, hrsg. Grautoff (wie Anm. 25), S. XXI. 31 Jean-Philippe Hashold, Miriam Weber, Art. Rufus-Chronik, in: Encyclopedia of the medieval chronicle, Vol. J-Z, Leiden 2010, S. 1310. 32 Möbius (wie Anm. 21), S. 219. 33 Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. XI–XX. 34 Hashold, Weber (wie Anm. 29), S. 1310. 35 Vgl. Möbius (wie Anm. 21), S. 65. 36 Rotz (wie Anm. 3), S. 12, verweist auf die Verwaltung der städtischen Münze als einen der Streitpunkte, die der Sechziger-Ausschuss Ostern 1407 dem Rat der Stadt vorlegte. 37 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 358. 38 Ebd.

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zählung der Mitglieder des Alten Rats.39 Bei „Rufus“ fällt der erklärende Teil knapper aus, vielleicht, weil er voraussetzt, dass seine Adressaten mit dem Ursprung des Konflikts vertraut waren. Er nennt dafür, ähnlich wie der DetmarFortsetzer, die Namen derjenigen, die offenbar im Vorfeld gegen den Rat intrigiert hatten.40 Beide erwähnen aber zunächst sowohl die ausziehenden Ratsmitglieder als auch diejenigen, die in der Stadt verblieben. Der Detmar-Fortsetzer fügt noch hinzu, dass die Exilanten ihren Besitz an ihre vrunde, gemeint sind hier wahrscheinlich Verwandte, gaben.41 Der Eindruck eines schnellen Aufbruchs, wie ihn die Rufus-Chronik vermittelt, wird dadurch relativiert. Der Detmar-Fortsetzer merkt an, dass die verbleibenden Ratsmitglieder ihre Häuser nicht mehr verlassen wollten. Wenn er dafür auf die eventure verweist, der diese sich gegenübersahen, was sowohl „Gefahr“ als auch „Ereignis“ bedeuten kann,42 scheint es unklar, inwieweit sich die Ratsmitglieder bedroht fühlten. Allerdings hatte es schon in der Vergangenheit Vorkommnisse gegeben hatte, bei denen Ratsleute getötet worden waren,43 so dass es in diesem Kontext nicht unwahrscheinlich ist, dass der Detmar-Fortsetzer an dieser Stelle von „Gefahr“ spricht. Dazu passt die Erwähnung von Personen, die gegen den Rat intrigiert haben sollen. Deutlich wird die Gefahr für die Ratsherren auch durch die Anmerkung, dass sie ihre Güter und Besitztümer an ihre Verwandten übergaben. Beide Chronisten erwähnen, dass der Lübecker Bischof von den Bürgern zum Rathaus gebeten wurde. Nach beiden Darstellungen wurde der Geistliche über die Situation aufgeklärt, und es wurde deutlich gemacht, dass die Stadt nicht mehr über eine Regierung verfügte. Der Detmar-Fortsetzer stellt die Ereignisse etwas kürzer dar, während sich die Rufus-Chronik der direkten Rede bedient, um die Worte des Bischofs wiederzugeben,44 was dem Leser der Chronik noch einmal ein deutlicheres Gefühl für die Situation gibt, in der sich Lübeck zum Zeitpunkt der Geschehnisse befand. In beiden Quellen tritt der Bischof als die Stimme der Vernunft auf, der die Bürger auf ihr Fehlverhalten hinweist und deutlich macht, dass sie kein Recht auf die Ratswahl hätten.45 Während der Detmar-Fortsetzer abschließend lediglich berichtet, dass der Bischof und die ihn begleitenden Domherren danach weggingen,46 hebt die Rufus-Chronik hervor, dass die Lü39 40 41 42 43 44

Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 44–45. Ebd., S. 45; dgl. Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 359. Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 358. Ebd. Vgl. Hoffmann (wie Anm. 8), S. 255. Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 45–46, Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 359. 45 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 359. 46 Ebd.

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becker Bürger den Bischof aus dem Fenster werfen wollten, als er ihnen erklärte, dass sie nicht zur Ratswahl berechtigt seien.47 Beide Chronisten machen jedoch deutlich, dass sie sich auf Seiten des Bischofs sehen. „Rufus“ betont an dieser Stelle noch einmal die Unvernunft der Bürger im Gegensatz zu der Vernunft des Bischofs und arbeitet dies stärker als der Detmar-Fortsetzer heraus.48 In beiden Darstellungen widersetzen sich die Bürger von Lübeck den Einwänden des Bischofs und leisten ihnen keine Folge. Nach diesen Ereignissen schritt man in beiden Darstellungen zur Wahl eines neuen Rates. Die Chronisten nennen dabei Hinrich Pund, der an der Durchführung der Wahl beteiligt war und den sie als einen vermessenen Geistlichen bezeichnen.49 Beim Detmar-Fortsetzer wird nicht deutlich, welche Funktion Hinrich Pund genau hatte, bei „Rufus“ findet sich der Hinweis, dass er sowohl im Rathaus als auch in der Lübecker Marienkirche den Rat „in den Stuhl des rechtmäßigen Rates setzte“.50 Wahrscheinlich ist hiermit eine rechtliche Absicherung der Wahlergebnisse gemeint. Die Rufus-Chronik erklärt, dass der Neue Rat aus Kaufleuten und Handwerkern bestand.51 Beide Chronisten nennen die Namen der vier Bürgermeister, wobei der Detmar-Fortsetzer eine Aufzählung der Ratsmitglieder ankündigt, diese fehlt jedoch.52 Bei „Rufus“ werden die neuen Bürgermeister wiederum als vermessen beschrieben, da sie sogleich ihre Ämter aufteilten und ihre Amtsgeschäfte aufnahmen, „wie das die Ratsherren des Kaisers gewöhnlich zu tun pflegen“.53 Eine solch starke Bewertung ist beim Detmar-Fortsetzer an dieser Stelle nicht zu finden, jedoch wird in beiden Quellen deutlich, dass die Chronisten das Vorgehen der Bürger und des Neuen Rates nicht gutheißen. In beiden Chronik-Fassungen wird der Bericht über den Konflikt zwischen dem Alten und dem Neuen Rat von Lübeck mit dem Jahr 1411 fortgesetzt. Der Detmar-Fortsetzer vermerkt für dieses Jahr, dass sich Jordan Pleskow und Reyner van Calven an den kaiserlichen Hof (d. h. an König Ruprecht von der Pfalz) wandten, um sich über das ihnen geschehene Unrecht zu beklagen. Er berichtet auch, dass Jordan Pleskow Briefe mit sich führte, die er von den Herren und Städten, bei denen er schon gewesen war, erhalten hatte. Graf Günther von Schwarzburg wurde daraufhin durch den König damit beauftragt, sich um den 47 48 49 50

Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 46. Ebd. Ebd.; Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 359. Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 46; Anm. 3 mit dem Hinweis auf Hermann (nicht Hinrich) Fischer genannt Punt als Notar auctoritate pretensa imperii. 51 Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 46. 52 Dazu Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 359, mit Anm. 1; vgl. ebd., S. 46, Anm. 9. 53 Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 46.

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Konflikt zu kümmern. Der Kaiser lud den Neuen Rat von Lübeck nach Heidelberg an den Hof vor, und das Hofgericht sollte sich mit der Klage beschäftigen. Nach dem Detmar-Fortsetzer wurden von den Lübeckern vier Bürger und vier Bürgermeister ausgewählt, nach Heidelberg zu gehen. Sie verloren vor Gericht, wie der Detmar-Fortsetzer knapp erwähnt, verlautbarten bei ihrer Rückkehr nach Lübeck jedoch, dass sie den Prozess gewonnen hätten.54 Ebenso wie der Detmar-Fortsetzer erwähnt die Rufus-Chronik zunächst, dass sich Jordan Pleskow und Reyner van Calven gemeinsam an den Kaiser wandten und ihn um Beistand baten. Auch in diesem Bericht wird geschildert, dass eine Ladung an den Neuen Rat von Lübeck erging, und „Rufus“ nennt ebenfalls den Namen des Hofrichters, den Grafen von Schwarzburg, der sich mit der Angelegenheit befassen sollte.55 Die Rufus-Chronik listet dann, anders als der DetmarFortsetzer, (wenn auch nicht ganz korrekt) die Namen der Abgesandten des Neuen Rates und berichtet weiter, dass das Gericht zugunsten des Alten Rats urteilte. Erwähnt ist auch, dass die Abgesandten des Neuen Rats in Lübeck berichteten, das kaiserliche Gericht habe zu ihren Gunsten geurteilt. Dieses Verhalten wird durch „Rufus“ negativ bewertet, denn er deutet an, dass dies großen Schaden und Verdruss für Lübeck zur Folge hatte.56 Dies zeigt, dass auch die Rufus-Chronik erst nach der Verfassungskrise in Lübeck entstand, da der Chronist für diese Aussage wissen musste, wie sich der Konflikt in der Zukunft weiter entwickeln würde. Beim Detmar-Fortsetzer findet sich solch eine in die Zukunft deutende Bemerkung nicht, jedoch merkt er an, dass diese Worte den Widerstand der Bürger gegen den Alten Rat nährten, der sich zu diesem Zeitpunkt immer noch im Exil befand. Deutlich wird, dass beide Verfasser hier den Neuen Rat negativ zeichnen, da er die Bürgerschaft anlog und dadurch den Widerstand gegen die Rückkehr des Alten Rats erhöhte. „Rufus“ erwähnt zudem die von Pleskow mitgebrachten Briefe nicht, die vom Detmar-Fortsetzer beschrieben werden. Entweder war ihm dieser Umstand nicht bekannt, oder er ging davon aus, dass an dieser Stelle das vom Hofgericht gefällte Urteil wichtiger war als der Umstand, dass der Alte Rat von der Mehrheit der Hansestädte unterstützt wurde. Interessant ist in beiden Fällen die kurze Zusammenfassung der Ereignisse. Die Tatsache, dass der Konflikt schon 1409 durch das Hofgericht behandelt worden und Lübeck 1410 unter die Reichsacht gefallen war, wird hier unerwähnt gelassen.57 Es scheint, als wenn die Chronisten nur die wichtigsten Ereignisse darstellen wollten. Dabei macht insbesondere die Rufus-Chronik den Eindruck, 54 55 56 57

Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 360. Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 54–55. Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 55–56. Vgl. Hoffmann (wie Anm. 8), S. 257.

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dass „Rufus“ mit dem Wissen um die weitere Entwicklung eine Auswahl der von ihm beschriebenen Ereignisse traf. Dies ist wahrscheinlich der Grund für die Auslassung der beim Detmar-Fortsetzer erwähnten Briefe und der Ereignisse der Jahre 1409 und 1410. Beide Chroniken setzen ihre Schilderungen der Ereignisse in Lübeck wiederum erst mit dem Jahr 1414 fort. Der Detmar-Fortsetzer berichtet, dass Abgesandte der Stadt Lübeck zum neuen Kaiser (römischen König) Sigismund kamen, der sich zu diesem Zeitpunkt in Konstanz aufhielt. Der Detmar-Fortsetzer erwähnt hier den Tod Ruprechts, vielleicht um zu erklären, warum dessen Urteil nicht durchgesetzt worden war, und hebt hervor, dass die Gesandten des Neuen Rats nun vor Sigismund ihre Sache vertreten sollten.58 Allerdings waren auch Jordan Pleskow und Reyner van Calven schon in Konstanz anwesend. Auch „Rufus“ weiß, dass Pleskow und van Calven schon bei Sigismund waren, als die Abgesandten aus Lübeck nach Konstanz kamen.59 Der Tod Ruprechts wird von „Rufus“ aber nicht angesprochen. Entweder setzte er voraus, dass der Leser seiner Chronik dies wusste, oder die Tatsache, dass Sigismund als neuer römischer König definiert wird, wurde als ausreichende Erklärung erachtet. In beiden Chroniken wird mitgeteilt, dass der Konflikt durch das Hofgericht untersucht werden sollte. Der Detmar-Fortsetzer gibt zudem an, dass die Gegenwart des Kaisers bei der Verhandlung für beide Parteien von großer Wichtigkeit war.60 Beide Chronisten berichten übereinstimmend, dass dem Kaiser durch den Neuen Rat Geschenke übergeben wurden – beim Detmar-Fortsetzer findet sich kein Hinweis auf die Art des Geschenks,61 aber „Rufus“ erwähnt, dass die Botschafter des Neuen Rats eine „große Summe Geld“ mit sich führten, „die für sie bitten sollte“.62 Dies war, wie aus dem Verlauf der Chronik hervorgeht, offenbar auch das Geschenk, das die Stadt Lübeck dem Kaiser an dieser Stelle machte. Die Rufus-Chronik berichtet, dass das Hofgericht ein Urteil zugunsten des Alten Rats fällte, und Lübeck und seine Einwohner sollten die Kosten tragen.63 Der Detmar-Fortsetzer äußert sich weniger deutlich zu dem Urteil, jedoch formuliert er, dass gegen die vier Bürgermeister von Lübeck entschieden und die Sache des Alten Rats gerechtfertigt wurde. In beiden Chroniken wurde die Schenkung an Sigismund bereits vor der Urteilsverkündung vorgenommen, nach dem Detmar-Fortsetzer war sie mit der Bitte um ein gnädiges Urteil ver-

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Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 361. Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 64–65. Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 361. Ebd. Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 65. Ebd.

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bunden.64 Beide zeichnen damit ein negatives Bild des Neuen Rats, der hier durch Bestechung weiterzukommen sucht. Nach der Entscheidung des Hofgerichts berichten der Detmar-Fortsetzer und „Rufus“ übereinstimmend, dass die Gesandten des Neuen Rats noch einmal vor den Kaiser traten und ihn darum baten, das Urteil nicht hart durchzusetzen. In beiden Quellen findet sich dazu die Vereinbarung zwischen Sigismund und dem Neuen Rat, dass diesem für die Zahlung von 25.000 rheinischen Gulden drei Rechte bestätigt werden sollten: Die aus der Stadt geflohenen alten Ratsherren sollten für immer aus der Stadt verbannt werden, die Vertreter der Ämter (Zünfte) Lübecks sollten künftig mit den Kaufleuten die Stadt regieren und den Rat stellen, und die über die Stadt verhängte Acht sollte keine Gültigkeit mehr haben.65 „Rufus“ erwähnt an dieser Stelle entschuldigend die Geldnot des Königs und nimmt diesen in Schutz,66 dagegen wird der Neue Rat durch das offenbare Ausnutzen der Situation noch einmal schlecht dargestellt. Beide Chroniken sind etwas undeutlich in ihrer Formulierung, jedoch wird letztlich deutlich, dass die Zahlung offenbar nicht sofort möglich war, sodass man einen Tag festlegte, den nächsten Georgstag (23. April), an dem die Angelegenheit abgeschlossen sein sollte.67 Dazu merkt der Detmar-Fortsetzer wie auch die Rufus-Chronik an, dass sich der König vorbehielt, seine Entscheidung rückgängig zu machen. Sollte es bis zu diesem Tag zu einer Rückzahlung durch den König kommen, wären die Urkunden ungültig.68 Wieder verweist „Rufus“ an dieser Stelle auf die Geldnöte des Kaisers, als eine Erklärung für dessen Verhalten gegenüber dem Alten Rat, zu dessen Gunsten das Hofgericht entschieden hatte. Der Detmar-Fortsetzer erwähnt danach, dass sich ein kaiserlicher Botschafter, ein Herr von Zydow, nach Lübeck begab, um dort die versprochene Zahlung abzuholen. Der Botschafter führte schon die Urkunden mit sich, hatte aber die ausdrückliche Anweisung, sie nicht vor dem 23. April auszuhändigen. Nachdem er das Geld vom Rat eingezogen hatte, erhielt er nach dieser Darstellung selbst 3.000 rheinische Gulden. Er übergab daraufhin die Urkunden gegen seinen Befehl an den Rat und erklärte der Gemeinde, welche Freiheiten die Bürgermeister vom Kaiser (König) für sie erwirkt hatten. Hier wird noch einmal die Haltung des Chronisten deutlich, wenn er darauf hinweist, dass diese Worte den Widerstand der Lübecker Bürger gegenüber dem Alten Rat verstärkten.69 64 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 361. 65 Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 66; Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 361. 66 Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 65–66. 67 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 362; Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 67. 68 Ebd. 69 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 362.

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Während die Darstellung beim Detmar-Fortsetzer an dieser Stelle unpräzise bleibt, nennt „Rufus“ mit dem Jakobstag, dem 25. Juli, einen konkreten Tag, an dem die königlichen Abgesandten nach Lübeck kamen. Neben dem Herrn von Zydow erwähnt er einen zweiten Botschafter des Königs, der das versprochene Geld abholen sollte. Allerdings sollten die Botschafter nicht nur das Geld an sich nehmen, sondern auch dafür sorgen, dass die Güter, Personal und Verwandten der alten Ratsmitglieder nicht zu Schaden kamen.70 Nach Darstellung der RufusChronik legte der Herr von Zydow jedoch kein ritterliches Benehmen an den Tag. Anstatt die Wahrheit zu sagen und die Bürger der Stadt zu Eintracht und Gehorsam aufzufordern, nahm er Geld von den vier Sendeboten, mit denen er gekommen war. Dann erklärte er der Gemeine, dass ihnen der römische König große Freiheiten und Privilegien gegeben habe und ihre Bürgermeister Recht erhalten hätten.71 Bei „Rufus“ findet sich keine Angabe über die Höhe der Zahlung an den Botschafter oder über die vorzeitige Übergabe der Urkunden. Auch er deutet aber an, dass sich die Dinge zum Negativen entwickeln würden, da so das Volk in seinem bösen Vorsatz bestärkt worden sei. Beide Chroniken setzen mit ihrer Darstellung der Ereignisse wieder für das Jahr 1415 ein und berichten über den Konflikt zwischen Lübeck und Erik vom Pommern, dem König von Dänemark, Norwegen und Schweden. Der DetmarFortsetzer spricht zunächst davon, dass der dänische König auf Schonen vierhundert Lübecker Kaufleute gefangen genommen und ihre Waren konfisziert hatte.72 Das gleiche findet sich bei Rufus, auch er nennt die Zahl vierhundert und ergänzt, dass die Lübecker wie gewöhnlich zum Heringsfang im Lande waren.73 Der Detmar-Fortsetzer vermerkt, dass diese Maßnahme auf Antrieb des Alten Rats stattgefunden hatte, und verurteilt die Gefangennahme der Bürger als unrechtmäßig. Er verweist dabei darauf, dass dies gegen die Freiheiten und Sicherheiten verstieß, die die Bürger vom König empfangen hatten.74 Die Verurteilung dieses Verhaltens bezieht sich beim Detmar-Fortsetzer somit eher auf den dänischen König als auf den Alten Rat. Während der Detmar-Fortsetzer keine Namen nennt, erwähnt „Rufus“ in seiner Nachricht zum Jahr 1415 Jordan Pleskow, der sich offenbar aktiv an den König wandte.75 Erik war durch ihm zugetragene Äußerungen des Neuen Rates verärgert worden und erhoffte sich vom Alten Rat ein besseres Einvernehmen.76 Entsprechend wertet der Detmar-Fortsetzer ähnlich wie „Rufus“ das Eingreifen 70 71 72 73 74 75 76

Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 68. Ebd. Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 362. Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 72. Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 362. Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 73. Vgl. Hoffmann (wie Anm. 8), S. 266–67.

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des Königs als Glück für die Stadt, weil es die Wiedereinsetzung des Alten Rats einleitete und immensen Schaden für Lübeck verhinderte.77 Beide Chroniken teilen dann auch übereinstimmend mit, dass der König erlaubte, dass die Gefangenen auf Zeit nach Lübeck zurückkehren durften, dass sie sich jedoch dort für die Wiedereinsetzung des Alten Rats engagieren sollten. Allerdings galt dabei, dass die Güter der Kaufleute an den dänischen König fallen würden, wenn der Alte Rat nicht wiedereingesetzt würde, und die Bürger hätten sich in diesem Fall in die Gefangenschaft zurück begeben müssen.78 Der Detmar-Fortsetzer und „Rufus“ fahren für das Jahr 1416 mit der Schilderung der Absetzung des Neuen und der Wiedereinsetzung des Alten Rates fort. Dazu berichten beide Chronisten übereinstimmend, dass am Palmtag (12. April 1416) zwei Sendboten des römischen Königs, der Ritter Prokop und der Basler Domherr Jost, nach Lübeck kamen und die Zahlung von 16.000 rheinischen Gulden verlangten, die die Bürgermeister dem König über die schon eingezogenen 25.000 Gulden hinaus in Konstanz versprochen hätten.79 Etwas überraschend verbanden die Sendeboten dies mit einem strikten Verbot von Versammlungen der Bürger bei Tag und Nacht, jedoch kam es nach beiden Berichten zu einer Zuwiderhandlung. Die Handwerker versammelten sich an einem Krug, um sich gegen die Bestrebungen zur Wiedereinsetzung des Alten Rates zu verbinden. Daraufhin forderten die königlichen Gesandten den noch amtierenden Neuen Rat dazu auf, die Schuldigen zu bestrafen. Beide Chroniken berichten von der Gefangennahme von achtzehn Personen. Nach dem Detmar-Fortsetzer wurden drei Personen hingerichtet, der Bürgermeister Hinrik Pöling, der Ratsherr Heyne Zobbe, beide Goldschmiede, und der Bäcker Nicolaus Rubow, als Anstifter der Versammlung. „Rufus“ nennt nur zwei zum Tode Verurteilte, den Ratsherrn Heyne Sobbe und Hermen Ruderstad.80 Der Detmar-Fortsetzer erklärt zudem, dass die 15 anderen Verurteilten, die als aufständisch angesehen worden waren, aus der Stadt vertrieben wurden, eine Bemerkung, die sich bei Rufus nicht findet.81 Der Detmar-Fortsetzer schildert in diesem Kontext, ähnlich wie die RufusChronik, dass Abgesandte des Neuen Lübecker Rats zu Erik kamen, um über die Freilassung der Kaufleute zu sprechen.82 Der dänische König bot ihnen 25.000 rheinische Gulden, wenn sie das Urteil des Hofgerichts anerkennen würden und 77 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 363. 78 Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 74; Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 363. 79 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 363; Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 79. 80 Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 80. 81 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 364. 82 Vgl. Möbius (wie Anm. 21), S. 372.

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der Alte Rat wieder seine ehemalige Stellung erlangen würde. Dies war die Summe, die die Lübecker König Sigismund für ihre Urkunden gegen den Alten Rat gezahlt hatten, die so ihre Rechtskraft verlieren sollten. Die Sendeboten nahmen das Geld aber nicht an, so dass die Gefangenen bis zur Wiedereinsetzung des Alten Rats im Gefängnis blieben.83 Es waren die innerstädtischen Ereignisse, die dann die Rückkehr des Alten Rats in die Stadt ermöglichten. Beide Chronisten datieren die Rückkehr des Alten Rates übereinstimmend auf den 16. Juni. Die Ratsherren hielten sich zunächst einige Zeit in Krummesse auf, und so begaben sich auch viele Bürger, Freunde wie Feinde, dorthin, um Geschenke zu überreichen.84 Schließlich wird geschildert, dass die alten Ratsmitglieder in die Stadt einzogen, begleitet von den beiden kaiserlichen Abgesandten. Beide Chroniken vermitteln den Eindruck einer feierlichen und möglichst offiziell gestalteten Prozession.85 Der DetmarFortsetzer erwähnt dabei ähnlich wie „Rufus“, dass die Ratsmitglieder zunächst zum Mühlentor der Stadt kamen, bevor sie mit den Botschaftern in die Stadt zogen.86 Danach wurde eine Messe gesungen, und die Mitglieder des Alten Rates wurden in Gegenwart der königlichen Sendeboten und des „gemeinen Volkes“ auf dem Rathaus wieder in ihre Positionen eingesetzt. Die Chronisten schildern zudem, dass der Neue Rat den Alten um Vergebung für das getane Unrecht bat und dieser Vergebung zusicherte.87 Beide Chronisten geben Jordan Pleskows Reaktion in wörtlicher Rede wieder und betonen, dass dessen Worte die Anwesenden zu Tränen gerührt hätten.88 Die Schilderung vermittelt den Eindruck einer Versöhnungszeremonie und der Rückkehr zu den alten Verhältnissen. Wegen der außerhalb Lübecks Verstorbenen war jedoch der Rat noch zu klein, so dass zunächst die Mitglieder des Alten Rats, die in Lübeck geblieben waren, wieder in den Rat aufgenommen wurden. Der Detmar-Fortsetzer zählt dabei die Verstorbenen auf, „Rufus“ verzichtet dagegen an dieser Stelle auf eine Aufzählung der Namen. Beide nennen dann die Namen der weiteren Ratsmitglieder, die nun den Alten Rat ergänzten, darunter auch vier aus dem Kreis des Neuen Rats. „Rufus“ nennt in den drei Gruppen 24 Namen,89 auch der Detmar-Fortsetzer spricht davon, dass der Rat nun aus 24 Personen bestand.90 83 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 364, ähnlich Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 82. 84 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 364; Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 83. 85 Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 83. 86 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 364; Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 83. 87 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 365. 88 Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 85; Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 365. 89 Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 85–86.

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Interessant ist, dass beide Chronisten fast unmittelbar im Anschluss noch vom Konflikt in Wismar berichten, wo es eine ähnliche Auseinandersetzung zwischen den Bürgern und dem Rat der Stadt wie in Lübeck gegeben hatte.91 In Verbindung mit der von beiden geschilderten Versöhnung in Lübeck wird damit die Rückkehr zu alten Verhältnissen im Hanseraum signalisiert. *** Es kann festgehalten werden, dass die Berichte von Rufus und der DetmarFortsetzer für den Zeitraum, in dem sie sich mit der „lübischen Verfassungskrise“ beschäftigen, zum Großteil übereinstimmen. Kleinere Abweichungen sind zwar auszumachen, jedoch widersprechen sich die Chroniken nicht in signifikanter Weise. Nach der Analyse der Detmar-Fortsetzung und der RufusChronik ist zudem deutlich geworden, dass es sich bei beiden Verfassern um ratsfreundliche Chronisten handelte. Die Auswahl und Darstellung der Ereignisse lässt bei beiden eine Abneigung gegen den Neuen Rat der Stadt Lübeck und die Hinwendung zum Alten Rat erkennen. Sascha Möbius kam bereits zum Ergebnis, dass die lübische Chronistik zwischen 1385 und 1485 eine „rats(freundliche) Chronistik ist“, jedoch über eine „relative Autonomie verfügt“.92 Die ratsfreundliche, hier auf den Alten Rat bezogene, Position der Chronisten ist durch die vorangegangene Analyse bestätigt worden. Wenn beide Chronisten den Eindruck zu vermitteln zu suchen, dass es sich um die Wiederherstellung alter Verhältnisse gehandelt habe, muss dies jedoch kritisch betrachtet werden. Man kann sogar davon ausgehen, dass der 1416 durchgesetzte Kompromiss zwischen Altem und Neuem Rat, von dem einige Ratsleute übernommen wurden, langfristig denjenigen nützte, die den Neuen Rat unterstützt hatten. Detmar-Fortsetzung und Rufus-Chronik sind wahrscheinlich nach den 1430er Jahren, auf jeden Fall aber nach den Ereignissen zwischen 1408 und 1416 entstanden. Dennoch erwähnt „Rufus“ im Gegensatz zum Detmar-Fortsetzer teilweise Ereignisse und Begebenheiten, die die Detmar-Fortsetzung nicht aufgreift; doch ähnlich weist die Darstellung in der Detmar-Fortsetzung Teile auf, denen der Autor der Rufus-Chronik offenbar wenig bis gar kein Gewicht beimaß. Die Chronisten treten teilweise auch an verschiedenen Stellen wertend auf, meist zugunsten des Alten Rats bzw. gegen den Neuen Rat und eine bürgerliche Beteiligung an der Regierung der Stadt kritisch. Besonderes Gewicht legen aber

90 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 365–66. 91 Dritte Fortsetzung, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 366; Rufus, in: Chroniken, hrsg. Koppmann (wie Anm. 21), S. 87–88; vgl. Hoffmann (wie Anm. 8), S. 256. 92 Möbius (wie Anm. 21), S. 69.

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beide Autoren auf den Umstand, dass es nach der acht Jahre dauernden Verfassungskrise zu einer Versöhnung aller Parteien kam.

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Spätmittelalterliche Testamente von Frauen aus Lübeck und Hamburg

Bereits im 13. Jahrhundert begannen die Bürger im deutschsprachigen Raum, ihren letzten Willen zu formulieren und darüber zu entscheiden, wem ihre Güter nach ihrem Tod zufallen sollten.1 Eine wichtige Voraussetzung dieser Entwicklung war die intensive Auseinandersetzung mit dem Tod. Dieser war wohl in keiner anderen Epoche so präsent wie im späteren Mittelalter.2 Die Vorstellung vom Purgatorium verstärkte die Furcht der Menschen vor dem „zweiten Tod“ und mündete in einer intensiven Beschäftigung mit dem Sterben und dessen Folgen. Dies ist in keiner anderen Quellenart so gut dokumentiert wie in mittelalterlichen Testamenten, denn sie lassen nicht nur in bestimmtem Rahmen die Gläubigen selbst zu Wort kommen, sondern zeigen auch die unmittelbaren Vorbereitungen der Testatoren auf den Tod.3 Diese Vorbereitungen betrafen in der Regel zwei Bereiche. Die Vorsorge für das Jenseits mit den sogenannten Seelgerätstiftungen umfasste alle Verfügungen an kirchliche und karitative Institutionen oder Personen. Den zweiten Bereich machten die privaten Verfügungen an Verwandte und Bekannte aus. Nach der Diplomatik sind Testamente „Privaturkunden“, die als reine Rechtstexte, aber auch als Ego-Dokumente betrachtet werden können.4 Auch wenn Testamente im Spätmittelalter nicht von den Erblassern selbst, sondern von professionellen Schreibern aufgesetzt wurden, zeugen die in ihnen festge1 Die ersten Testamente wurden bereits im Römischen Reich errichtet, vgl. Kathrin Pajcic, Frauenstimmen in der spätmittelalterlichen Stadt? Testamente von Frauen aus Lüneburg, Hamburg und Wien als soziale Kommunikation (Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Studien. Reihe Literaturwissenschaft, 768), Würzburg 2013, S. 46. 2 Norbert Ohler, Sterben und Tod im Mittelalter, München 1990, S. 11. 3 S. u.a. Marianne Riethmüller, To troste miner sele. Aspekte spätmittelalterlicher Frömmigkeit im Spiegel Hamburger Testamente (1310–1400) (Beiträge zur Geschichte Hamburgs, 47), Hamburg 1994, S. 3. 4 Die Frage, ob Testamente als Ego-Dokumente bezeichnet werden können, wurde in der Forschung vielfach diskutiert, vgl. u. a. Gunnar Meyer, „Besitzende Bürger“ und „elende Sieche“: Lübecks Gesellschaft im Spiegel ihrer Testamente 1400–1449 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, 48), Lübeck 2010, S. 17.

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legten Verfügungen doch vom letzten Willen der Bürger und geben damit einen Einblick in ihre Lebenswelt.5 Seit den Untersuchungen Ahasver von Brandts über die mittelalterlichen Bürgertestamente Lübecks fand die Quellengattung verstärkte Aufmerksamkeit.6 Brandt verwies dabei auch auf weiterführende Fragestellungen bei der Auseinandersetzung mit Testamenten. Neben Auskünften zur Rechts-, Wirtschafts-, Kirchen- und Kulturgeschichte enthalten sie Informationen über bestimmte Bevölkerungsgruppen und ihr Berufs- und Alltagsleben und geben damit einen Einblick in das „Denken, Fühlen und Handeln […] der Menschen einer vergangenen Zeit“.7 Im Allgemeinen sind Zeugnisse aus dem spätmittelalterlichen Alltag aufgrund der schwierigen Entstehungs- und Überlieferungsbedingungen vergleichsweise selten. In besonderer Weise gilt dies für Quellen zur Geschichte von Frauen, deren Vorkommen zwar keine Ausnahme zu sein scheint, die aber in Anzahl und Umfang deutlich geringer sind als Quellen zur Geschichte von Männern.8 Dementsprechend lässt sich die Lebenswirklichkeit von Frauen im Spätmittelalter nur schwer rekonstruieren. In diesem Beitrag soll daher auf der Grundlage von Frauentestamenten aus Lübeck und Hamburg aus einem Zeitraum von der Mitte des 14. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts eine Annäherung versucht werden. Diese Testamente sind insofern interessant, als dass sie nicht nur von vermögenden Frauen aus der Oberschicht stammen, sondern von der Begine über die einfache Magd bis zur Kauffrau ein breites Spektrum von Frauen verschiedener sozialer Schichten abdecken. Damit sind differenziertere Aussagen über die Lebenswirklichkeit von Frauen, zumindest für die Hansestädte Lübeck und Hamburg im untersuchten Zeitraum, möglich. Der Blick auf die Testierpraxis von Frauen und insbesondere auf die in den Testamenten erlassenen Verfügungen ermöglicht einen Einblick in die rechtliche Stellung und die religiösen und sozialen Bindungen der Frauen. In der bisherigen Forschung wurde die Vergabepraxis vor allem auf die Motive für Seelgerätstiftungen untersucht.9 Dabei wurde auf eine spezielle Frauenfrömmigkeit verwiesen, die sich in besonders vielen Seelgerätstiftungen ausdrücken würde.10 Die privaten Verfügungen der Testamente wurden dagegen meist völlig außer Acht gelassen. 5 Im Folgenden werden synonym für „Verfügungen“ auch die Begriffe „Stiftungen“, „Legate“ oder „Vermächtnisse“ verwendet. 6 Ahasver von Brandt, Mittelalterliche Bürgertestamente. Neuerschlossene Quellen zur Geschichte der materiellen und geistigen Kultur (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse, 3), Heidelberg 1973. 7 Riethmüller (wie Anm. 3), S. 9. 8 Vgl. Pajcic (wie Anm. 1), S. 43. 9 U. a. Riethmüller (wie Anm. 3). 10 Vgl. den Forschungsstand in: Heide Wunder, Vermögen und Vermächtnis – Gedenken und Gedächtnis. Frauen in Testamenten und Leichenpredigten am Beispiel Hamburgs, in: Frauen

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Die für die Arbeit untersuchten Frauentestamente stammen nicht nur aus zwei verschiedenen Regionen, sondern erstrecken sich auch über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrhundert. Insbesondere wurden die von Ahasver von Brandt herausgegebenen Regesten der Lübecker Testamente der Jahre 1351 bis 1363 und die in einer online-Edition verfügbaren Hamburger Testamente der Jahre 1480 bis 1501 herangezogen.11 Zur Ergänzung dienten die Ergebnisse der einschlägigen neueren Studien.12 Die neuere Forschung betont „die Notwendigkeit lokal und zeitlich differenzierender […] Untersuchungen“,13 was in der Untersuchung für die beiden Hansestädte Lübeck und Hamburg erprobt werden soll. Dabei sollen auch Verbindungslinien zwischen dem Leben von Frauen in den beiden Städten gezogen und Fragen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden beantwortet werden. Das 14. und 15. Jahrhundert gelten als „Blütezeit“ der Hanse. Die damaligen Stadtbewohner lebten in einer politisch und wirtschaftlich relativ stabilen Welt.14 Mit der „großen Pest“ des 14. Jahrhunderts und nachfolgenden Epidemien sahen sie sich jedoch einer existenziellen Bedrohung gegenübergestellt, die die Zeitgenossen völlig unerwartet traf und „eine persönliche und gesellschaftliche Katastrophe“ bedeutete.15 Ob und inwiefern sich diese „Katastrophe“ auch in den Testamenten niederschlug, wird später zu klären sein. Die Testamente sollen, wie es Marianne Riethmüller formuliert hat, zum „Denken, Fühlen und Handeln“ befragt werden,16 um so einen Einblick in das Leben von Frauen in den Hansestädten Lübeck und Hamburg zu gewinnen. Dazu

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in der Ständegesellschaft. Leben und Arbeiten in der Stadt vom späten Mittelalter bis zur Neuzeit, hrsg. Barbara Vogel, Ulrike Weckel (Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte, 4), Hamburg 1991, S. 227–40, hier S. 230–31. Regesten der Lübecker Bürgertestamente des Mittelalters, hrsg. Ahasver von Brandt, nach Vorarbeiten von Friedrich Bruns, Georg Fink, Adolf Hofmeister und anderen, II: 1351–1363, Lübeck 1973; die Regesten zu den Hamburger Testamenten Staatsarchiv Hamburg, Classis X Vol.4 Series I 1480 III. 12 / 1480 VII. 17 / 1483 VI. 7 / 1484 X. 02 / 1484 X. 12 / 1485 III. 13 / 1492 VII. 20 / 1492 VII. 29 / 1492 VIII. 26 / 1492 IX. 12 / 1493 IV. 11 / 1494 VI. 21 / 1494 X. 13 / 1501 III. 16 / (1482 III. 23), entstammen dem Virtuellen Hamburgischen Urkundenbuch (http://www.spaetmittelalter.uni-hamburg.de/hamburgisches_ub/HambUB. html, letzte Einsichtnahme am 11. 08. 2017). Neben Pajcic (wie Anm. 1), Riethmüller (wie Anm. 3) und Meyer (wie Anm. 4) insbesondere Birgit Noodt, Religion und Familie in der Hansestadt Lübeck anhand der Bürgertestamente des 14. Jahrhunderts (Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, 33), Lübeck 2000. Pajcic (wie Anm. 1), S. 30. Vgl. Noodt (wie Anm. 12), S. 33. Vgl. Jürgen Hartwig Ibs, Die Pest in Schleswig-Holstein von 1350 bis 1547/48. Eine sozialgeschichtliche Studie über eine wiederkehrende Katastrophe (Kieler Werkstücke, Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 12), Frankfurt am Main 1994, S. 66. Riethmüller (wie Anm. 3), S. 9.

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müssen verschiedene Teilfragen beantwortet werden. So wird zu fragen sein, aus welchen Gründen Frauen ein Testament erstellten und inwiefern sie überhaupt das Recht hatten, frei über ihren Besitz zu verfügen. Weiter wird das Verhältnis von privaten Verfügungen zu Seelgerätsstiftungen zu untersuchen sein, welcher Art die Stiftungen waren und an wen sie vorwiegend gingen. Weitere Fragen betreffen Hinweise auf eine spezielle „Frauenfrömmigkeit“ sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Hansestädten.

Rechtliche Handlungsmöglichkeiten Aus Lübeck sind für den Untersuchungszeitraum insgesamt 598 Testamente in den Regesten erfasst, von denen 116 von 90 Frauen stammen, die mithin teilweise mehrfach testierten.17 Damit liegt der Anteil der von Frauen überlieferten Testamente bei etwas mehr als einem Sechstel. In Hamburg sind von den 35 erhaltenen Testamenten mit 14 weniger als die Hälfte der überlieferten Dokumente von Frauen alleine oder gemeinsam mit ihrem Ehepartner erstellt worden. Da der Originalbestand sowohl in Lübeck wie in Hamburg, dort nicht zuletzt durch den Großen Brand, stark dezimiert wurde, sind quantitative Aussagen zur Verteilung der Testamente nur bedingt möglich. Fest steht, dass Frauen zwar Testamente erlassen konnten, dies jedoch in weit geringerem Maße taten als Männer, weshalb zu vermuten ist, dass sie bei der Testamentserstellung größeren Einschränkungen ausgesetzt gewesen sein müssen. Neben der Einhaltung der für alle geltenden formalrechtlichen Bedingungen, wie der Heranziehung von Zeugen, galt für Frauen beispielsweise zusätzlich, dass sie die Zustimmung ihrer Vormünder einholen mussten, um ein gültiges Testament errichten zu können.18 In beiden Städten konnten Verfügungen nur für das selbst erworbene Gut erlassen werden, für den innerhalb der Familie ererbten Besitz galten die erbrechtlichen Bestimmungen. In Lübeck (wie in Hamburg) waren diese im Stadtrecht festgehalten.19 Danach waren die nächsten Erben zunächst die aus einer Ehe hervorgegangenen Kinder. Sie erhielten nach dem Tod der Eltern den gesamten gemeinsamen Erbbesitz. Blieb eine Ehe kinderlos oder starben die 17 Von acht von ihnen liegen zwei Testamente vor, zwei Frauen ließen drei Testamente anfertigen und Margarete Croses vier innerhalb des untersuchten Zeitraums. 18 In Lübeck und Hamburg standen Frauen im Mittelalter auch nach Erreichen der Mündigkeit unter der Vormundschaft ihres Vaters, Ehemanns oder ausgewählter anderer Verwandter, Noodt (wie Anm. 12), S. 18; vgl. Roswitha Rogge, Zwischen Moral und Handelsgeist. Weibliche Handlungsräume und Geschlechterbeziehungen im Spiegel des hamburgischen Stadtrechts vom 13. bis zum 16. Jahrhundert (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main, 109) Frankfurt am Main 1998, S. 106. 19 Noodt (wie Anm. 12), S. 17.

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Kinder vor den testierenden Eltern, war die Rangfolge des Erbenkreises genau geregelt. Wie sich der Erbanspruch von Ehefrauen gestaltete, kann nicht eindeutig geklärt werden.20 Sicher ist, dass ihnen bei „unbeerbter“ Ehe die Rückgabe der Mitgift vor einer Erbteilung zustand. Zusätzlich erhielt der hinterbliebene Partner nach dem Tod des Ehegatten eine Hälfte des Erbbesitzes, die andere Hälfte ging an die Verwandten des Verstorbenen. In einer Ehe mit gemeinsamen Kindern gestaltete sich die Lage für die Witwe schwieriger. In diesem Fall wurde die Mitgift der Erbmasse zugefügt und zwischen ihr und den Kindern aufgeteilt. Vermutlich auch aufgrund dieser genau festgelegten Vergabepraxis und der Tatsache, dass der Ehemann die Entscheidungsgewalt über das gemeinsame Vermögen hatte, finden sich nur 13 Frauen in den Lübecker Testamenten, die zu Lebzeiten ihres Ehepartners testierten. Die Vermutung, dass Frauen dabei in keinem Fall über eigenes Vermögen verfügen konnten, wird durch die Tatsache widerlegt, dass sie ohne ihren Ehemann ein Testament erstellen durften. Auch der Inhalt der Testamente zeigt, dass verheiratete Frauen über einen eigenen Besitz verfügt haben müssen. Margarete Klingeberghes (24. Feb. 1358) besaß laut ihrem Testament mehrere Häuser, Gerätschaften und weitere „bewegliche und unbewegliche“ Besitztümer.21 Diese erhielten ihr Sohn aus erster Ehe sowie ihre Schwester und deren Mann. Ihr Ehemann taucht hingegen nicht als Empfänger von Legaten auf. Die Kauffrau Alheyd van Bremen (28. Nov. 1358) überließ ihrem Ehemann die Hälfte des Hauses und des zugehörigen Geräts, eine Silberschale und einen Silberlöffel.22 In allen anderen von verheirateten Frauen aufgesetzten Testamenten erhielten zwar in der Regel die Ehemänner einen Großteil des Besitzes, jedoch tauchen auch dort andere von ihnen ausgewählte Empfänger auf. Auch für Hamburg ist die Rechtsgrundlage für das Testierrecht von Frauen schwer auszumachen, da sich die Bestimmungen ständig änderten. Während kinderlose Ehefrauen im Jahr 1270 über ihre Kleider und ihre Aussteuer verfügen durften, stand dieses Recht 30 Jahre später nur noch Witwen zu. Doch erst ab dem Ende des 15. Jahrhunderts regelte ein offizieller Stadtrechtsartikel das Testierrecht von verheirateten Frauen und Witwen, für ledige Frauen gab es keine besonderen Vorschriften.23 Die Testamente zeigen, dass die Möglichkeit zu einer Testamentserstellung grundsätzlich für jede Frau, unabhängig von der Höhe des Eigentums oder des sozialen Standes, gegeben war. So finden sich unter den Testatorinnen sowohl Mägde (z. B. Grete, 27. Apr. 1351; Margarete, 12. Feb. 1362),24 die als häusliches 20 21 22 23 24

Ebd., S. 18–19. Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 661. Ebd., Nr. 746. Noodt (wie Anm. 12), S. 19. Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 436 und 923.

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Dienstpersonal eher der Unterschicht angehörten, als auch Angehörige der vermögenden Oberschicht (z. B. Alheyd Gustrowe, 28. Sep. 1353).25 Zudem testierten einige Frauen geistlichen Standes wie die zwei Beginen Hillegund Bruns (23. Apr. 1355) und Krystina Ysenberghes (24. Aug. 1358) aus dem Aegidienkloster.26 Abgesehen von diesen Beispielen finden sich in den Testamenten nur selten Angaben über den Stand oder den Beruf der Testatorinnen. Auch der Familienstand der Frauen scheint nicht von Relevanz für die Testamentserrichtung gewesen zu sein, denn es finden sind sowohl ledige, als auch verheiratete und verwitwete Frauen unter den Testatorinnen. Betrachtet man die Gesamtverteilung der Testamente bezüglich des Familienstandes, so fällt auf, dass in knapp der Hälfte der Lübecker Testamente (45) weder ein Ehemann noch Kinder als Empfänger erwähnt wurden, was vermuten lässt, dass die Testatorinnen ledig waren. Aufgrund ihres Familienstandes war es ihnen wohl am ehesten möglich, ihren Besitz frei an ausgewählte Empfänger zu verteilen. Zudem finden sich 22 Testamente von Witwen.27 In Hamburg machten verheiratete und verwitwete Frauen den größten Teil der Testatorinnen aus. Von den insgesamt 14 Frauentestamenten liegen fünf vor, in denen sich die Erblasserin selbst als wedewe bezeichnet. Vier weitere Frauen testierten gemeinsam mit ihrem Ehemann, während nur drei Frauen zu Lebzeiten ihres Partners ein eigenes Testament erstellten. Vergleicht man diese Zahlen mit denen aus dem 14. Jahrhundert, fällt auf, dass die Anzahl der alleine testierenden Ehefrauen stark abnahm, selbst wenn man die Besonderheiten der Hamburger Überlieferung in Rechnung stellt. Zuvor testierten verheiratete Frauen in etwa genauso häufig alleine wie gemeinsam mit ihrem Ehemann. In der Forschung wurde dies auf den 1497 entstandenen Rechtsartikel zur Vormundspflicht zurückgeführt, der einen Einschnitt in das Testierrecht von Ehefrauen gebracht und es ihnen unmöglich gemacht habe, alleine über ihr Vermögen zu verfügen.28 Die Testamente von Ehepaaren aus dem 15. Jahrhundert zeigen jedoch, dass Frauen auch in gemeinschaftlich verfassten Testamenten über ihren eigenen Besitzanteil verfügen konnten. Zwar veränderten sich durch die Vormundspflicht die Testiergewohnheiten dahingehend, dass Ehepaare ihre Testamente gemeinsam erließen, dies galt jedoch für beide Geschlechter, und es scheint dennoch eine individuelle Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Besitzes möglich gewesen zu sein.

25 Ebd., Nr. 514. 26 Ebd., Nr. 556 und 689. 27 Diesen Testamenten sind womöglich elf weitere Testamente zuzuordnen, bei denen sich der Familienstand der Frauen nicht eindeutig klären lässt, da zwar Kinder beerbt, aber kein noch lebender oder bereits verstorbener Ehemann erwähnt wurde. 28 So Rogge (wie Anm. 18), S. 109.

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Gründe für die Testamentserstellung In den Frauentestamenten finden sich nur selten Angaben über konkrete Gründe für die Testamentserstellung. In jedem der vierzehn Hamburger Testamente ist die Auskunft über den Gesundheitszustand der Testatorin enthalten, wobei häufig auf eine Krankheit verwiesen wurde. Deren Art oder die Schwere wird jedoch in keinem der Testamente näher ausgeführt. Auch in 24 der Lübecker Testamente wird die Testatorin als krank bezeichnet. Dass diese Auskunft keinesfalls auf einen baldigen Tod schließen lässt, beweisen beispielsweise die Testamente Margarete Croses (25. Jan. 1352, 26. Nov. 1353, 22. Juni 1356, 15. Aug. 1358).29 Sie bezeichnete sich schon im ersten ihrer Testamente im Januar 1352 als krank, lebte aber auch sechs Jahre später noch. Auch Hillegund Nossees (23. Juli 1359, 14. Apr. 1361) war knapp zwei Jahre nach ihrer ersten Testamentserstellung noch am Leben.30 In ihrem zweiten Testament fehlt dann jegliche Angabe bezüglich ihres Gesundheitszustandes, so dass sie sich eventuell von einer Krankheit erholt hatte oder ein Vermerk fehlt. Insgesamt finden sich 48 Testamente, in denen keine Begründung für die Testamentserstellung angegeben ist. Dies erklärt sich vielleicht durch den Ausbruch der verheerenden Pestepidemie in Lübeck im Jahr 1350, durch den sich die Zahl der aufgesetzten Testamente deutlich erhöhte.31 Nicht alle Testatoren waren zu diesem Zeitpunkt vermutlich wirklich an der Pest erkrankt, die Epidemie löste aber eine Furcht vor dem Tod aus und führte dazu, dass sich die Menschen stärker mit ihren Besitzverhältnissen auseinandersetzten und vermehrt Testamente aufsetzten.32 Im Untersuchungszeitraum wollten in Lübeck fünf Frauen zu einer Pilgerreise aufbrechen und nannten damit als einzige Testatorinnen einen konkreten Anlass für die Testamentserstellung. Da der Aufbruch zu einer Reise mit der Gefahr verbunden war, unvorbereitet und intestatus, also ohne Testament, zu sterben, ließen die Pilger in der Regel vor ihrer Abreise ein Testament aufsetzen.33 Auch der Aufbruch des Ehepartners konnte die zurückbleibende Ehefrau dazu veranlassen, ein Testament zu erstellen. Die Hamburgerin Wobbeke Meyger (16. März 1501) verfasste ihr Testament gemeinsam mit ihrem Ehemann, bevor dieser auf eine Pilgerreise aufbrach.34 Auch der nahende oder bereits eingetretene Tod des Ehepartners konnte demnach als Anlass einer Testamentserstellung genommen worden sein. So bezeichneten sich in Hamburg etwa ein Drittel der Erblasserinnen als wedewe. 29 30 31 32 33 34

Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 463, 517, 601 und 683. Ebd., Nr. 785 und 876. Noodt (wie Anm. 12), S. 191. Brandt, Bürgertestamente (wie Anm. 6), S. 14. Riethmüller (wie Anm. 3), S. 184. StAHH, Classis X, 4, 1 (wie Anm. 11), 1501 III. 16, ediert als HambUB1501.03.16.

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Verfügungen und Empfänger Seelgerätsstiftungen, oder auch Legate ad pias causas, sind alle Verfügungen, die zugunsten kirchlicher Institutionen oder zu wohltätigen Zwecken erlassen wurden.35 In den Testamenten Lübecks und Hamburgs finden sich mit besonderer Häufigkeit die Pfarrkirchen als Empfänger von Seelgerätsstiftungen. Daneben wurden kleinere Kirchen, Klöster, Orden und Konvente bedacht. Die höchsten Summen und meisten Stiftungen erhielten jedoch die Hospitäler. Während die Pfarrkirchen meist mit nur kleinen Beträgen zu Bauzwecken bedacht wurden, erhielten die Orden zum Teil auch größere Geldsummen. Für diese wurde in der Regel kein expliziter Verwendungszweck angegeben, es kann jedoch vermutet werden, dass die Testatorinnen auf Gebete für ihre Seelen hofften. Neben Geldbeträgen stifteten sie Kleidung, Schmuck und Hausrat, oft mit der Anweisung, diese zu verkaufen. Neben diesen zweckgebundenen Gaben finden sich Sachgüter wie Wachs und Kerzen, seltener auch Lebensmittel. Diese Stiftungen dienten hauptsächlich der Messgestaltung. Die in Forschungsarbeiten häufig erwähnten Mess- und Gebetsstiftungen finden sich in den Testamenten nur selten. Diese wurden von den Testatorinnen selbst aber offensichtlich als besonders geeignet befunden, um für das eigene Seelenheil vorzusorgen. Neben den allgemeinen Almosengaben an Bedürftige und den Kelchspenden versahen die Testatorinnen nur diese mit dem Zusatz, für das Seelenheil erlassen worden zu sein.36 Welchen Stellenwert diese heilbringenden Stiftungen bei den Testatorinnen einnehmen konnten, zeigt das Testament Gretes van Stendele (16. Apr. 1357).37 Von ihrem Besitz in Höhe von etwa 200 m. d. hinterließ sie ihrem Ehemann nicht ganz ein Viertel, die übrigen 160 m. d. sollten die Predigerbrüder für eine tägliche Messe erhalten. Die Lübecker Frauen machten sich offensichtlich nicht nur Gedanken um ihr eigenes Seelenheil, sondern auch um das anderer Menschen, weshalb Kirchen und Klöster auch Geld für Seelmessen und Gebete für nähere Verwandte und Bekannte erhielten. Heleke Vredeland (5. Jan. 1361) zahlte 3 m. d. für Messen für sich und ihren verstorbenen Ehemann,38 Grete Kusowe (30. Apr. 1351) hinterließ dem Sohn

35 Ursprünglich wurden in der Forschungsliteratur nur diejenigen Stiftungen als Seelgeräte aufgeführt, bei denen ausdrücklich auf den heilbringenden Zweck, in den Hamburger Testamenten etwa durch die Wörter pro salute animae erkennbar, verwiesen wurde. Dieser Zusatz lässt sich jedoch sowohl in den Lübecker als auch den Hamburger Testamenten nur selten finden, weshalb in neueren Untersuchungen bereits auf die zu enge Definition verwiesen wurde (vgl. u. a. Riethmüller [wie Anm. 3], S. 48–49) und alle oben beschriebenen Verfügungen unter der Kategorie Seelgeräte zusammengefasst wurden. 36 Noodt (wie Anm. 12), S. 8. 37 Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 640. 38 Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 862.

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ihres Provisors 3 m. d. und gab 20 m. d. für Seelmessen für diesen und sich selbst.39 Aus welchen Beweggründen, die Testatorinnen sich für eine bestimmte Kirche oder ein Kloster als Empfänger von Legaten entschieden, schien stark persönlich motiviert gewesen zu sein.40 Ermengard Wildeshusen (8. Mai 1351) wählte das Katharinenkloster deshalb als Begräbnisstätte aus, weil dort ihre Mutter und ihre Schwester begraben waren.41 Weil Zuwendungen an die Begräbniskirchen zwar freiwillig, aber gängig waren, erhielten die Minoriten deshalb auch 30 m. d. Eine Zuwendung an eine bestimmte Kirche oder ein Kloster aufgrund der eigenen religiösen Haltung kann dagegen nicht beobachtet werden. Die Forschung hat die Unterschiede im Testierverhalten mit dem Vermögensstand in Verbindung gebracht. Demnach hätten die Lübecker Ratsfamilien mit ihren Stiftungen für den repräsentativen Ausbau der großen Pfarrkirchen gesorgt, während Testatoren mit einem geringeren Besitz die beiden Hospitäler bedacht hätten. Diejenigen mit dem geringsten Vermögen hätten die Franziskaner unterstützt, und die reichen Kaufleute die Armen.42 Für die untersuchten Frauentestamente können zwar Unterschiede im Testierverhalten wohlhabender und weniger vermögender Testatorinnen ausgemacht werden, diese drückten sich jedoch nicht in einer Bevorzugung bestimmter Institutionen aus. Vielmehr kann beobachtet werden, dass Frauen, die über einen hohen Besitz verfügten, diesen in der Regel an verschiedene Kirchen und wohltätige Einrichtungen verteilten. Alheyd Gustrowe (28. Sep. 1353) war mit einem verfügbaren Besitz von über 1800 m. d. und etlichen Schmuck- und Kleidungsstücken die wohlhabendste der Lübecker Testatorinnen.43 In ihrem Testament tauchen alle Pfarrkirchen, beide Mendikantenorden und Hospitäler und das Johanniskloster auf. Auffällig ist, dass Alheyd den Kirchen mit Ausnahme der Marienkirche, die 20 m. d. für ihr Begräbnis erhielt, durchschnittlich etwa 5 m. d. hinterließ. Die Predigerbrüder dagegen erhielten nach ihrem Tod 20 m. d., die Minoriten sogar 40 m. d. und die Armen 60 m. d. Ähnlich wohlhabend wie Alheyd Gustrowe war Hillegund van Essende (14. Okt. 1358) mit etwa 1.500 m. d. Besitz.44 In ihrem Testament tauchen alle Kirchen Lübecks auf, doch auch diese erhielten keine höheren Stiftungen als 10 m. d. Weitere Empfänger waren die Hospitäler, alle fünf Konvente, das Johanniskloster und die Dominikaner. Die Magd Grete (27. Apr. 1351), die insgesamt über nur 22 m. d., ihre Kleidung und

39 40 41 42 43 44

Ebd., Nr. 437. Noodt (wie Anm. 12), S. 184–85. Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 438. So Noodt (wie Anm. 12), S. 403. Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 514. Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 725.

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einigen Hausrat verfügte,45 wählte dagegen nur die Marienkirche und Arme als Empfänger aus. In den Testamenten finden sich noch etliche weitere Beispiele, die zum einen verdeutlichen, dass die Anzahl der Empfänger von Seelgerätsstiftungen vom Vermögensstand der Testatorinnen abhing, dieser zum anderen aber keinen Einfluss auf eine bestimmte Auswahl an Institutionen oder die Höhe der Stiftungen nahm. Hier scheinen persönliche Vorlieben oder Beziehungen zu den jeweiligen Institutionen ausschlaggebend gewesen zu sein. Obwohl die Seelgerätsstiftungen eigentlich ein fester Bestandteil von Testamenten waren, finden sich auch elf Testatorinnen, die vollständig auf die Verfügungen zum Heil der Seele verzichteten. Dass in Testamenten gänzlich auf Seelgerätsstiftungen verzichtet wird, stellt eine Ausnahme dar. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Testatorinnen nur über einen relativ geringen Besitz verfügten. Elisabeth van der Nyenstad (16. Nov. 1362) besaß lediglich ihre Kleidung, ihr Wohnhaus und das darin befindliche Gut und überließ dies ihren zwei Nichten.46 In anderen Fällen waren womöglich Unsicherheiten über den zur Verfügung stehenden Vermögenswert dafür verantwortlich, dass keine Seelgerätsstiftungen erfolgten. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Testatorinnen in der Regel darum bemühten, zumindest einen geringen Teil an Kirchen oder soziale Einrichtungen zu vermachen. Insgesamt kann in Lübeck ein relativ ausgeglichenes Verhältnis zwischen Seelgerätsstiftungen und privaten Verfügungen festgestellt werden. In den Hamburger Testamenten zeigt sich dagegen ein anderes Bild. Während in den Testamenten aus dem 14. Jahrhundert die Seelgerätsstiftungen gegenüber den privaten Verfügungen deutlich überwogen,47 zeigt sich in den Hamburger Testamenten aus dem 15. Jahrhundert mit Frauen als Testatorinnen eine andere Verteilung. Die Anzahl und der Gesamtwert der Verfügungen spricht für eine deutliche Bevorzugung privater Empfänger. Mit privaten Verfügungen sind dabei alle Vermächtnisse an Privatpersonen wie Verwandte oder Bekannte gemeint. Während bei den Seelgerätsstiftungen Geldgaben überwogen, wurden private Empfänger meist mit Sachgütern bedacht. Dies waren in den meisten Fällen Bettzeug und Kleidungsstücke, aber auch Schmuck, Möbelstücke und Küchengegenstände. Diese Gegenstände hatten einen enormen Nutzen für die Empfänger, denn sie konnten nicht nur praktisch verwendet, sondern ebenso verkauft werden. Dies gilt insbesondere für Kleidungsstücke mit Zierschmuck, Pelze, Bettzeug aus Seide oder Küchengegenstände aus Gold und Silber, aber auch für Gegenstände eines einfachen Hausstands. 45 Ebd., Nr. 436. 46 Ebd., Nr. 957. 47 Nach den Ergebnissen von Riethmüller (wie Anm. 3), S. 43.

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In den Hamburger Testamenten tauchen in der Regel die Ehepartner als Hauptempfänger von Legaten auf.48 Dies zeigt sich insbesondere in den gemeinsam von Ehepaaren erstellten Testamenten. Rotert ten Westerick und seine Frau Gheseke (11. April 1493) verfügten in ihrem gemeinsamen Testament, dass ihr Besitz solange beim überlebenden Ehepartner bleiben sollte, bis auch dieser verstarb.49 Mit derartigen Verfügungen sicherten sich die Eheleute gegenseitig ab. Im Todesfall konnte der eheliche Hausstand vom verwitweten Partner weitergeführt werden, was diesem ermöglichen sollte, sein bisheriges Leben ohne Einschränkungen fortzusetzen.50 Wie das Testament der ten Westericks zeigt, wurde der Besitz von den Ehepaaren als gemeinsames Eigentum betrachtet, das durch vlitigemm denste unde arbeide beider Partner erworben wurde und deshalb einander auch nach dem Tod zustand. Nach dem Lübecker Recht waren die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder die nächsten Erben, wobei Söhne und Töchter erbrechtlich gleichgestellt waren. Sie erhielten nach dem Tod der Eltern den gesamten vorhandenen Erbbesitz. Da der Anspruch der Kinder gesetzlich geschützt war, ist es möglich, dass sie lediglich den vorgeschriebenen Erbteil erhielten und deshalb nicht mehr im Testament genannt sind. Dass die Eltern ihre Kinder trotz dieser Regelung als Erben präferierten, zeigt das Testament Margarete Klingeberghes (24. Feb. 1358).51 Sie sprach ihrem Sohn aus erster Ehe vor ihrer erneuten Verehelichung 20 m. d. aus ihren Grundstücken zu, die er gemeinsam mit allen sonstigen beweglichen und unbeweglichen Gütern nach ihrem Tod erhalten sollte. Margarete zog es offensichtlich vor, ihren Besitz in ihrer eigenen Familie zu wahren. Neben ihrem Sohn erhielten ihr Schwager und ihre Schwester eine mietfreie Wohnung in einem ihrer Häuser, ihr zweiter Mann erscheint im Testament nicht als Empfänger. In den Testamenten trifft man auch sonst hauptsächlich Familienmitglieder als Empfänger von Erbgütern an. Obwohl die Testatorinnen aufgrund der erbrechtlichen Bestimmungen nicht verpflichtet waren, den Verwandten Anteile am gewonnenen Gut zu vermachen, wurden diese vermutlich bevorzugt, um den Besitz in der eigenen Familie zu bewahren. In den vorliegenden Testamenten sind dies in der Regel Ehemänner, Kinder, Geschwister, Eltern, Cousins / Cousinen, Onkel / Tanten, Nichten / Neffen, Enkel, Schwiegereltern, Schwager / Schwägerin, Patenkinder und Stiefgeschwister. Gerade bei den privaten Verfügungen sind vermutlich persönliche Bindungen ausschlaggebend für die Auswahl der Empfänger. Da die Testamente von Schreibern aufgesetzt wurden, ist es

48 49 50 51

Rogge (wie Anm. 18), S. 113. StAHH, Classis X, 4, 1 (wie Anm. 11), 1493 IV. 11, ediert als HambUB1493.04.11. Rogge (wie Anm. 18), S. 113. Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 661.

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jedoch kaum möglich, subjektive Aussagen zur Auswahl der Empfänger zu treffen. In Hamburg wurde die Auswahl des Ehepartners als Empfänger oft damit begründet, dass der elike Partner den Besitz umme grotes horsames, sunderlike leve, vruntschop unde vlites willen erhalte. Da sich exakt die gleiche Formulierung in zwei Testamenten (Gelle und Alke van der Munte, 12. Sep. 1492; Rotert und Gheseke ten Westerick, 11. Apr. 1493) findet,52 kann davon ausgegangen werden, dass sie wenig über die eigentlichen Beweggründe der Testatorinnen aussagt, sondern vielmehr eine formelhafte Wendung ist. Anders verhält es sich bei der kinderlosen Cilie Stolten (12. März 1480), die ihre Nichte und ihren Neffen als Erben auswählte.53 Dabei betonte sie, dass die Nichte ihr Erbe umme eres truwen vordenstes willen bekommen sollte. Auch in den Lübecker Testamenten finden sich einige auffällige Formulierungen, die vermuten lassen, dass diese bewusst von den Frauen diktiert worden sind. Wygeke van Yden (28. Sep. 1360) vermachte ihrem Ehemann ihr gesamtes Gut.54 Die Verfügung ist mit dem Zusatz versehen, dass sie es niemandem so sehr gönne wie ihm. In der Regel verwandten die Schreiber sehr schematische Formulierungen, von denen sich dieses Beispiel deutlich unterscheidet. Insgesamt muss mit solchen Vermutungen sicherlich vorsichtig umgegangen werden, dennoch lassen diese Beispiele vermuten, dass Frauen gemäß ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen über ihren Nachlass verfügten. Damit können Testamente auch Auskunft über das Verhältnis der Testatorinnen zu ihren Angehörigen geben.55 Die Handlungen der Testatorinnen zeigen in vielen Fällen die Sorge um die Verwandten. So war es recht gewöhnlich, die unverheirateten Töchter oder andere verwandte Frauen mit Geld für die Verehelichung oder die Aussteuer auszustatten. Andere Testatorinnen sahen für ihre Empfänger den Eintritt in ein Kloster vor. Ermengard Wildeshusen (8. Mai 1351) wollte der Tochter eines Bekannten 110 m. d. bezahlen, falls diese in ein Kloster eintreten würde.56 Eine andere Art der Vorsorge waren die zahlreichen Rentenkäufe für Verwandte und Bekannte. Bei diesen Verfügungen dachten die Frauen auch daran, ihr Erbe vor dem Zugriff anderer zu schützen. Margarete Plescowes (30. Apr. 1357) Tochter und deren Sohn erhielten eine Rente, die den beiden ohne Einmischung ihres 52 StAHH, Classis X, 4, 1 (wie Anm. 11), 1492 IX. 12, ediert HambUB1492.09.12, und 1493 IV. 11, ediert HambUB1493.04.11. 53 Ebd., 1480 III. 12, ediert HambUB1480.03.12. 54 Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 844. 55 Brigitte Klosterberg, Zur Ehre Gottes und zum Wohl der Familie – Kölner Testamente von Laien und Klerikern im Spätmittelalter (Kölner Schriften zu Geschichte und Kultur, 22), Köln 1995, S. 202. 56 Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 438.

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Schwiegersohnes gehören sollte.57 Hillegund Lindowe (26. Dez. 1357) vermachte ihrer Nichte 10 m. d. und deren Kindern 100 m. d., die ausdrücklich nur von diesen verwendet und nicht von den Eltern entfremdet werden sollten.58 Diese Testamente machen deutlich, dass die Testatorinnen sich sehr gründlich mit der Auswahl ihrer Erben auseinandersetzten und sich Gedanken darum machten, wie sie sie bestmöglich versorgen konnten. Dass sie dabei auch bestimmten, in wessen Hände ihr Besitz nicht fallen sollte, offenbaren die Beschränkungen in den letztgenannten Testamenten. Die Testamente konnten damit auch als Kontrollinstanz fungieren,59 beispielsweise wenn Cecilie vam Haghene (22. Juni 1356) bestimmte, dass ihr Bruder ihr Vermächtnis von 50 m. d. nur erhalten sollte, wenn er sich gut verhielt.60 Im Mittelalter wurden nicht nur Verwandte als Familienmitglieder angesehen, sondern auch die Haushaltsfamilie als zur familia gehörig betrachtet. Dazu gehörten alle im Haus lebenden Personen, einschließlich des häuslichen Dienstpersonals.61 Entsprechend häufig sind daher auch Vermächtnisse an Mägde und Knechte, die zum Teil sehr großzügig ausfielen. Das Testament einer Magd namens Grete (27. Apr. 1351) verdeutlicht,62 dass es sich zwischen dem Dienstpersonal und den Hausherren nicht um eine einseitige Abhängigkeit handelte, sondern wirklich eine familiäre Bindung zwischen diesen bestand. Sie vermachte beinahe ihren gesamten Besitz an die acht Kinder, den Onkel und den jüngeren Bruder ihres Hausherrn Everhard Schoneweder.

Geistliche Empfänger in den Lübecker Testamenten Die in den Lübecker Testamenten bedachten geistlichen Verwandten und Bekannten nehmen eine Sonderstellung ein, die zeigt, wie schwer sich der Bereich der Seelgerätsstiftungen von den privaten Verfügungen unterscheiden lässt. Zwar sind diese Empfänger als Klosterinsassen oder Angehörige der Kirche einerseits der religiösen Sphäre zuzuordnen, andererseits standen sie meist in einer privaten Beziehung zu den Testatorinnen, wurden von diesen explizit als Empfänger hervorgehoben und waren nicht nur der Grund, weshalb die zugehörige Institution bedacht wurde. Eine eindeutige Kategorisierung müsste bei den geistlichen Empfängern von Fall zu Fall vorgenommen werden. 57 Ebd., Nr. 642. 58 Ebd., Nr. 656. 59 S. Kerstin Seidel, Freunde und Verwandte. Soziale Beziehungen in einer spätmittelalterlichen Stadt (Campus Historische Studien, 49), Frankfurt am Main 2009, S. 118. 60 Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 603. 61 Noodt (wie Anm. 12), S. 10. 62 Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 436.

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In den meisten Fällen handelte es sich um Personen aus dem engen Verwandtenkreis, wie eigene Kinder, Nichten oder Enkel. Mit dem Eintritt in ein Kloster verwirkten Kinder in Lübeck ihren gesetzlichen Erbanspruch. Dennoch lassen sich vier Kinder geistlichen Standes als Empfänger mütterlichen Besitzes in den untersuchten Testamenten finden. Das lässt vermuten, dass sie, wie ihre weltlichen Geschwister, in der Regel einen Teil des elterlichen Guts erhielten. Es lassen sich jedoch Unterschiede in der Art und im Wert des vererbten Besitzes erkennen. Auch in Fällen, in denen es sich nicht um die eigenen Kinder handelte, fällt auf, dass die weltlichen Angehörigen meist die höheren Summen erhielten. Alheyd Wessels (9. März 1354) zwei Enkelinnen im Kloster Preetz erhielten zusammen 4 m. d. Weichbildrente auf Lebenszeit, ihre vier weltlichen Enkel bekamen ihre zwei Grundstücke und zusätzlich 60 m. d.63 Dies ist insofern nachvollziehbar, als dass die Testatorinnen abwägten, welchen Angehörigen mit welchem Legat gedient war. Da die geistlichen Angehörigen in der Regel mit wenig Besitz auskamen und mit dem Nötigsten ausgestattet waren, erhielten sie eher kleinere Geldbeträge oder Kleidung. Hinzukommt, dass der Besitz der geistlichen Empfänger nach deren Tod meist den Klöstern zufiel, weshalb die Testatorinnen diesen vermutlich auch kleinere Renten zukommen ließen als ihren weltlichen Angehörigen.64 Bei weltlichen, insbesondere weiblichen, Angehörigen standen für die Verehelichung oder den eigenen Hausstand zudem deutlich höhere Kosten an, weshalb sie auch höhere Summen und wertvollen Schmuck erhielten. Eine Ausnahme hiervon bilden die Verfügungen, die an Angehörige für den Fall eines Klostereintritts oder der Übernahme eines Kirchenamtes erlassen wurden. Hier wurde in der Regel über höhere Beträge verfügt, dies aber meist unter der Bedingung, dass der Empfänger sich auch tatsächlich für den geistlichen Stand entscheiden würde. Damit versuchten die Testatorinnen offensichtlich auch, Einfluss auf die Lebensgestaltung ihrer Angehörigen zu nehmen.65 Ermengard Wildeshusen (8. Mai 1351) überließ der Tochter eines Bekannten 110 m. d., falls sie Nonne in Rehna werden wollte.66 Falls sie weltlich bleiben wollte, sollten die Provisoren über das Geld verfügen. Ermengard schien sehr 63 Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 524. 64 Dazu Olivier Richard, „Fromme Klauseln“ – „profane Klauseln“. Eine sinnvolle Unterscheidung?, in: Seelenheil und irdischer Besitz. Testamente als Quellen für den Umgang mit den „letzten Dingen“, hrsg. Markwart Herzog, Cecilie Hollberg (Irseer Schriften. Studien zur schwäbischen Kulturgeschichte, 4), Konstanz 2007, S. 69–78, hier S. 73. 65 Stefanie Rüther, Zwischen Stand und Geschlecht. Weibliches Selbstverständnis im Spiegel lübeckischer Testamente des Spätmittelalters, in: Der Blick auf sich und die anderen. Selbstund Fremdbild von Frauen und Männern in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Klaus Arnold, hrsg. Sünje Prühlen, Lucie Kuhse, Jürgen Sarnowsky (Nova Mediaevalia. Quellen und Studien zum europäischen Mittelalter, 2), Göttingen 2007, S. 67–93, hier S. 82. 66 Regesten, hrsg. von Brandt (wie Anm. 11), Nr. 438.

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daran gelegen gewesen zu sein, ihre Angehörigen für den geistlichen Stand zu gewinnen. Sie hinterließ zwei weiteren Bekannten 100 m. d., falls sie in einen Konvent eintreten wollten. Als Gegengaben für Vermächtnisse an geistliche Angehörige wurden Gebete oder liturgische Handlungen zwar nicht immer explizit eingefordert, wohl aber immer erwartet.67

Vergleich der Städte Lübeck und Hamburg In Lübeck wie in Hamburg war es somit Frauen unabhängig von ihrem Vermögen, ihrem Beruf oder ihrem Familienstand möglich, ein Testament zu erstellen. Darin konnten sie über ihr gewonnenes Gut bestimmen, nicht aber über das Erbgut, für das die gesetzliche Erbfolge in Kraft trat. Die in den unterschiedlichen Hansestädten und der entsprechenden Zeit unterschiedlichen erbrechtlichen Bestimmungen führten dazu, dass die Zusammensetzung der testierenden Frauen verschieden war. In Lübeck waren verheiratete Frauen besonderen Einschränkungen ausgesetzt. Ihnen stand nur bei kinderlos gebliebener Ehe die Rückerstattung ihrer Mitgift und eine Hälfte des Vermögens zu. Die Entscheidungsgewalt über das gewonnene Gut lag nach dem Stadtrecht vollständig beim Ehemann, weshalb Ehefrauen besonders auf freiwillige Zuwendungen angewiesen waren. Die Auswertung der Testamente konnte jedoch zeigen, dass auch verheiratete Frauen unter besonderen Umständen eigenständig über Vermögensanteile verfügen konnten. Diese Frauen waren meist berufstätig, wodurch sie relative Selbstständigkeit in finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten erlangten. Aufgrund des eingeschränkten Testierrechts von Ehefrauen testierten in Lübeck deutlich mehr ledige und verwitwete als verheiratete Frauen. Anders als in Lübeck regelte in Hamburg erst ab 1497 ein Stadtrechtsartikel das Testierrecht von Witwen und verheirateten Frauen. Schon zuvor gab es jedoch Regelungen, die beispielsweise vorsahen, dass ledige Frauen nur über ihre Kleider und Aussteuer verfügen durften. Diese wurden offensichtlich aber nicht strikt eingehalten und Entscheidungen in Testamentsangelegenheiten eher vom zuständigen Rat getroffen. Seit der Einführung des Stadtrechtsartikels testierten verheiratete Ehefrauen vermehrt gemeinsam mit ihren Ehemännern, in etwa gleicher Anzahl finden sich aber auch alleine testierende Ehefrauen. In beiden Städten ist als Hauptgrund für die Testamentserrichtung ein schlechter Gesundheitszustand der Testatorinnen anzunehmen. In keinem der Testamente wurde näher darauf eingegangen, wie schwer die angegebene Krankheit war. Hinweise darauf geben die mehrfach testierenden Lübecker Bürgerinnen. Einige von ihnen lebten auch noch Jahre nach der Erstellung ihres 67 Vgl. Rüther (wie Anm. 56), S. 72–73.

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ersten Testamentes, in dem sie sich selbst noch als krank bezeichnet hatten. Auch der nahende Tod des Partners konnte Auswirkungen auf die Testierpraxis von Ehefrauen haben. Dies verdeutlichen die gemeinschaftlich erstellten Testamente aus Hamburg. In Lübeck sind Testamente von Ehepaaren dagegen selten, im Überlieferungszeitraum findet sich nur ein gemeinschaftlich verfasstes Testament. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch der Eintritt in den Witwenstand dafür sorgte, dass Frauen ihren letzten Willen regelten, da es ihnen nun möglich war, uneingeschränkt über das ihnen hinterlassene Vermögen zu verfügen. Der einzige ausdrücklich genannte Grund für eine Testamentserstellung war der Aufbruch zu einer Pilgerreise. Das Verhältnis zwischen privaten Verfügungen und Seelgerätsstiftungen war in Lübeck relativ ausgeglichen. Seelgerätsstiftungen finden sich in unterschiedlichem Umfang an alle großen Lübecker Institutionen. Am meisten profitierten die Armen und Hospitäler von Stiftungen der Lübecker Frauen, dann die Medikantenorden gefolgt von den Pfarrkirchen. Die Auswahl der Empfänger und die Höhe der Legate waren dabei stark vom Vermögensstand der Testatorinnen abhängig. Je höher das Vermögen war, desto mehr kirchliche und karitative Einrichtungen wurden für Stiftungen ausgewählt. Die Stiftungen beinhalteten in der Regel kleinere Baulegate oder Gegenstände zur Kirchenausstattung, seltener waren Mess- und Gebetsstiftungen. In Hamburg zeigte sich im 15. Jahrhundert dagegen eine deutliche Bevorzugung der privaten Empfänger gegenüber den Seelgerätsstiftungen sowohl in der Anzahl als auch im Gesamtwert der Vermächtnisse. Auch hier bedingte der Vermögensstand der Testatorinnen vermutlich die Zahl der Seelgerätsstiftungen, wobei in der Regel weniger Einrichtungen ausgewählt wurden als in Lübeck. In Lübeck ist bereits gegen Ende des 14. Jahrhunderts zu beobachten, dass die Seelgerätsstiftungen zugunsten der privaten Verfügungen vernachlässigt und die Vorkehrungen für das Seelenheil mehr und mehr in die Hände der Angehörigen gelegt wurden.68 In keiner der beiden Städte kann eine spezielle „Frauenfrömmigkeit“ beobachtet werden. Im privaten Bereich bevorzugten sowohl die Frauen aus Lübeck als auch aus Hamburg Empfänger im näheren Familienkreis. Obwohl die erbrechtlichen Bestimmungen regelten, dass das Erbgut den nächsten Verwandten zustand und die Frauen über das gewonnene Gut frei verfügen konnten, entschied sich ein Großteil der Testatorinnen freiwillig, Verwandte als private Empfänger auszuwählen. Innerhalb dieser Verwandtschaft nahmen der Ehepartner und die Kinder als Kernfamilie eine besondere Rolle ein. Die Testamente legen nahe, dass zwischen den Ehepartnern dahingehend eine Kooperation bestand, dass sie

68 Noodt (wie Anm. 12), S. 218 u. ö.

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einander für den Todesfall versorgten, auch wenn sie dazu rechtlich nicht verpflichtet waren. Auch entferntere Verwandte erhielten teilweise großzügige Vermächtnisse. Diese lassen sich nicht mit einer gesellschaftlichen Verpflichtung erklären, sondern sprechen von einer starken Bindung der Testatorinnen auch über die Kernfamilie hinaus. Die Auswahl der Empfänger gibt Auskunft über die persönlichen Bindungen der Testatorinnen. Es lässt sich feststellen, dass sich die Testatorinnen Gedanken darüber machten, wer ihren Besitz erhalten sollte. Da die Testamente von Schreibern aufgesetzt wurden, finden sich nur in Ausnahmefällen subjektive Formulierungen, die die Auswahl der Empfänger erklären. Über die persönlichen Bindungen zu den Empfängern können aber die in den Testamenten angewiesenen Handlungen informieren, beispielsweise, wenn einige „statusgleiche“ Angehörige in unterschiedlichem Maße bedacht wurden oder der Einfluss Dritter auf das Vermögen explizit ausgeschlossen wurde. Die Testatorinnen in beiden Städten überlegten sich, wen sie mit welchen Legaten bestmöglich für die Zukunft absichern konnten. Dies galt nicht nur für den Ehemann, der oft den Großteil des Besitzes erhielt, sondern ebenso für andere Hinterbliebene. So erhielten die eigenen Kinder oft Renten oder Geld für die Brautausstattung oder den Eintritt in den geistlichen Stand. Mit Vermächtnissen, die nur einem bestimmten Zweck dienen sollten, versuchten die Testatorinnen auch Einfluss auf die Lebensgestaltung ihrer Angehörigen zu nehmen. In anderen Fällen fungierten die Testamente als Kontrollinstanz, wenn sie bestimmten, dass bestimmte Vermächtnisse nur unter der Voraussetzung umgesetzt werden sollten, dass sich die Empfänger im Sinne der Erblasserin verhielten. Die Angehörigen, die sich für die Aufnahme eines geistlichen Amtes entschieden, erhielten Vermächtnisse in geringerer Höhe als ihre Verwandten. Dies lag vermutlich weniger an einer geringeren Wertschätzung durch die Testatorin als daran, dass sie in der Regel mit weniger Kosten konfrontiert waren als ihre weltlichen Verwandten. Über andere Beziehungen als die verwandtschaftlichen klären die Testamente in der Regel nicht auf. Auf semantischer Ebene werden nur die bestehenden Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Erblasserin und Empfänger erläutert. Für offensichtlich außerverwandtschaftliche Verhältnisse verwandten die Testatorinnen bzw. Schreiber keine gesonderten Termini. Ausnahmen hiervon sind Personen, die in beruflichem Kontakt mit den Testatorinnen standen. Bei allen anderen nicht verwandten Personen wird sich meist nur auf den Namen, in einigen Fällen mit der Angabe des Berufs, bezogen.69 Es kann vermutet werden, dass die Testatorinnen zu den Personen, die in keinem verwandtschaftlichen

69 Gleiches beobachtet Seidel für Köln, Seidel (wie Anm. 60), S. 118.

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oder beruflichen Verhältnis zu ihnen gestanden haben, eine Art freundschaftlicher Beziehung unterhielten.70 In beiden Städten lassen sich somit ähnliche Beobachtungen machen. Mit dem Übergang vom 14. zum 15. Jahrhundert in Lübeck bzw. ab dem 15. Jahrhundert in Hamburg erlangten Frauen einen größeren rechtlichen Freiraum. Sie konnten unabhängig von ihrem Beruf und Vermögensstand ein Testament erstellen. Dabei gingen die Beschränkungen durch das männliche Geschlecht zurück, wenngleich keine vollkommene juristische Gleichstellung erfolgte. Zwar mussten Frauen auch noch im 15. Jahrhundert die Zustimmung ihrer Vormünder einholen, um ein Testament zu erstellen, sie konnten aber zunehmend freier über ihre Besitzanteile verfügen. Die Sorge um die Versorgung der nächsten Angehörigen führte dazu, dass sich Ehepartner untereinander immer häufiger als Universalerben einsetzten, um das Vermögen im Besitz der Kernfamilie zu wahren. Die Versorgung anderer Angehöriger und vor allem die Vorkehrungen für das Jenseits wurden nun zunehmend in die Hände des Partners gelegt. Mit dem Fokus auf der Versorgung der Familienangehörigen ging eine stete Abnahme der Seelgerätsstiftungen einher, was zu einer grundlegenden Veränderung der Testierpraxis in beiden Hansestädten führte. Anders in der Forschung vermutet, scheint es den Testatorinnen mit den privaten Verfügungen nicht lediglich um eine „Fürsprache fürs Jenseits“71 oder ein „Gedächtnis in der Welt“72 gegangen zu sein. Die Testamente bescheinigen, dass in den meisten Fällen die Sorge um nahe Angehörige und deren Absicherung für die Zukunft als Motiv hinter den privaten Legaten zu vermuten ist. Diese Sorge wurde in den meisten Fällen durch das Bewusstsein des nahenden Todes, im Krankheitsfall, oder durch den Tod des Ehemanns hervorgerufen.

70 Ebd., S. 121. 71 So Riethmüller (wie Anm. 3), S. 47. 72 Bei Wunder (wie Anm. 10), S. 238.

Daniel Sommer

Das Verhältnis der Stände im „Oberrheinischen Revolutionär“

In der Zeit des späten Mittelalters war das Wissen der einzelnen Person um den eigenen Gesellschaftsstand identitätsstiftend und das gesamte Leben bestimmend. Neben der Vorstellung, dass jeder Mensch durch den Willen Gottes an seinen Platz in der Welt gestellt war, baute die weltliche Ordnung auch auf der weitgehenden Trennung der drei Stände auf.1 Jedem der drei Stände – dem Adel, dem Klerus und dem gewöhnlichen Volk – wurde sowohl eine genau bestimmte Rolle als auch spezifische Pflichten innerhalb des Sozialgefüges zugesprochen.2 Es ist also jeweils zu untersuchen, welche Merkmale für welchen Stand galten und welche als die spezifischen Aufgaben gegenüber den anderen Ständen angesehen wurden. Unter den spätmittelalterlichen Reformschriften, die diese Fragen behandeln, kommt dem „Oberrheinischen Revolutionär“ besondere Bedeutung zu. Als ein bevölkerungsnahes, radikales Werk erlaubt er einen weitreichenden Einblick in die spätmittelalterliche Lebenswelt und in einen Ausschnitt aus den zeitgenössischen Vorstellungen zu gesellschaftlichen Strukturen. Der Autor dieses im einzigen Manuskript 400 eng beschriebene Seiten umfassenden Werkes nannte es selbst buchli der hundert capiteln mit vierzig statuten.3 In ihm beschreibt er 1 Die neuere Forschung hat die Existenz fester ständischer Strukturen im Spätmittelalter in Frage gestellt und präferiert den Terminus „Gruppe“, vgl. Alfred Haverkamp, Stände, Eliten, Gruppen. Zusammenfassung und Kommentar, in: Europa im späten Mittelalter. Politik – Gesellschaft – Kultur (Historische Zeitschrift, Beihefte, Neue Serie, 40), München 2006, S. 385–97, hier S. 394. Der Begriff „Stände“ meint hier die Kategorie der theoretischen Literatur. Grundlegend zum Begriff s. Otto Gerhard Oexle, Art. „Stand, Klasse“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, 6, Stuttgart 1990, S. 156–200. 2 Insbesondere in den Ständespiegeln der Zeit, vgl. dazu im Überblick u. a. Norbert H. Ott, Art. „Ständeliteratur“, in: Lexikon des Mitttelalters, 8 (1999), Sp. 54–55. 3 Neueste Ausgabe: Der Oberrheinische Revolutionär, das buchli der hundert capiteln mit xxxx statuten, hrsg. Klaus H. Lauterbach (Monumenta Germaniae Historica, Staatsschriften des späteren Mittelalters, VII), Hannover 2009 [hier benutzte Ausgabe, künftig zitiert als O.R.]; zum Charakter als Reformschrift ebd., Einleitung, S. 10–13; vgl. weiter Gerhard Zschäbitz: Historisches zum Buch der hundert Kapitel, in: Das Buch der hundert Kapitel und der vierzig

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die von ihm erlebte alltägliche Lebensrealität sowie die sich ihm darbietende gesellschaftliche Gesamtsituation. Er klagt dabei an, kritisiert, ermahnt, droht und schärft seiner Leserschaft, in der Hoffnung einer nahen Reform von Staat und Gesellschaft, deren Pflichten ein, nicht zuletzt geprägt durch ein starkes „deutsches Sendungsbewußstein“.4 Das Buch ist zwischen 1498 und 1510 verfasst worden, einer Zeit wachsender Unzufriedenheit im Heiligen Römischen Reich, aufkommender Revolten sowie von Versuchen der Herrschenden, deeskalierende Reformen durchzuführen.5 Geschrieben ist es, als eines der ersten Bücher in dieser Sprache, in frühneuhochdeutschem Alemannisch.6 Nach der Wiederentdeckung der Schrift durch den Historiker Hermann Haupt im Jahre 1893 in der Stadtbibliothek von Colmar im Elsass gab der Entdecker ihm seine heute gebräuchliche Bezeichnung „Oberrheinischer Revolutionär“, die gleichzeitig den Text wie auch den Verfasser meint.7 Die Titelgebung beruht auf der Heimat des Autors und darauf, dass dieser zum Widerstand gegen die Obrigkeit aufforderte und die Möglichkeit der Absetzung des Kaisers behandelte.8 Über seine Identität wird bis heute diskutiert, auch wenn die Debatte einen gewissen Abschluss gefunden hat.9 Offensichtlich ist, dass der Autor belesen und hochgebildet war, vermutet wird, dass er Jura studiert hat.10

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Statuten des sogenannten oberrheinischen Revolutionärs, hrsg. Annelore Franke (Leipziger Übersetzungen und Abhandlungen zum Mittelalter, Reihe A, Band 4), Berlin 1967, S. 11–162, hier S. 35, der die Quelle ausführlich analysiert; er verweist darauf, dass das Buch, wie sein ursprünglicher Titel angibt, in 100 längere Kapitel und 40 kürzere Statuten unterteilt war, auch wenn von Kapitel 89 bzw. 90 bis 100 nur noch die Überschriften aus dem Inhaltsverzeichnis bekannt sind. So Dietrich Kurze, Nationale Regungen in der spätmittelalterlichen Prophetie, in: Historische Zeitschrift 202 (1964), S. 1–23, hier S. 20. Zum ideengeschichtlichen Kontext vgl. Norman Cohn, The Pursuit of the Millennium: Revolutionary Millenarians and Mystical Anarchists of the Middle Ages, 2. Auf. Oxford 1970; zum Einfluss älterer Reformschriften wie der Reformatio Sigismundi vgl. Hartmut Boockmann, Zu den Wirkungen der „Reform Kaiser Siegmunds“, in: Archiv für Erforschung des Mittelalters 35 (1979), S. 514–41, hier S. 536. Zschäbitz (wie Anm. 3), S. 34. Erich Kraft: Reformschrift und Reichsreform. Studien zum Wirklichkeitsverhältnis der deutschen Reformschriften im Spätmittelalter insbesondere des sogenannten „Oberrheinischen Revolutionärs“, Darmstadt 1982, S. 122; Hermann Haupt, Ein oberrheinischer Revolutionär aus dem Zeitalter Maximilians I. Mitteilungen aus einer kirchlich-politischen Reformschrift des ersten Decenniums des 16. Jahrhunderts, in: Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst, Ergänzungsheft 8 (1893), S. 79–228, mit Auszügen aus der Schrift, die lange die Grundlage der Forschung bildeten. Kraft (wie Anm. 7), S. 123. Klaus Lauterbach hat dafür zunächst den kaiserlichen Sekretär Mathias Wurm von Geudertheim vorgeschlagen, ders., Der ”Oberrheinische Revolutionär” und Mathias Wurm von Geudertheim, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, 45 (1989), S. 109–72, hält aber inzwischen die Verfasserfrage für nicht entscheidbar, O.R., Einleitung, S. 13–19. – Für die umfangreiche weitere Literatur seien genannt: Klaus Arnold, „Oberrheinischer

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Die historische Debatte, in der insbesondere Hermann Haupt, Gerhard Zschäbitz, Erich Kraft und Klaus Lauterbach Akzente setzten, dreht sich neben der Frage, was der Autor mit seiner Schrift erreichen wollte, weitestgehend darum, wie fortschrittlich oder konservativ und wie realitätsnah oder utopisch das Werk aufgefasst werden muss. Allerdings haben bisher die Vorstellungen des „Oberrheinischen Revolutionärs“ zu den gesellschaftlichen Strukturen eher am Rande Aufmerksamkeit gefunden.11 Das Anliegen dieses vorliegenden Beitrags ist daher eine textnah gehaltene Analyse der Schrift hinsichtlich ihrer Ausführungen bezüglich der Pflichten und dem Wirkungsbereich der drei oben genannten gesellschaftlichen Gruppen, Adel, Klerus und dritter Stand. ***

Der Adel Der „Oberrheinische Revolutionär“ nennt als die Aufgaben des Adels das Regieren und Herrschen über das Volk,12 den Schutz der Armen13 und die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Landes und der Kirche. Er schreibt: Ein fursichtiger her ist by hoher pflicht schuldig, sin land mit grosser vernufft und hoher fursichtikeit bewaren. Zum ersten, sich noch sinen gebotten zehalten. Dornoch, das folk umb ir missetat zu straffen.14 Von entscheidender Bedeutung ist ihm

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Revolutionär“ oder „Elsässischer Anonymus“. Zur Frage nach dem Verfasser eine Reformschrift am Vorabend des deutschen Bauernkriegs, in: Archiv für Kulturgeschichte 58 (1976), S. 410–431; Volkhard Huth, Der „Oberrheinische Revolutionär“. Freigelegte Lebensspuren und Wirkungsfelder eines „theokratischen Terroristen“ im Umfeld Kaiser Maximilians I., in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 157 (2009), S. 79–100; Klaus Lauterbach, Der Oberrheinische Revolutionär und Jakob Merswin. Einige Anmerkungen zur neuesten Verfasserthese, in: ebd. 160 (2012), S. 183–223. Kraft (wie Anm. 7), S. 130. Dies gilt auch für die umfangreiche Analyse bei Klaus H. Lauterbach, Geschichtsverständnis, Zeitdidaxe und Reformgedanke an der Wende zum sechzehnten Jahrhundert. Das oberrheinische „Buchli der hundert capiteln“ im Kontext des spätmittelalterlichen Reformbiblizismus (Forschungen zur Oberrheinischen Landesgeschichte, XXXIII), München 1985; dagegen etwa zur Reformatio Sigismundi Franz Irsigler, Die Kleinen in der sogenannten Reformatio Sigismundi, in: Saeculum. Jahrbuch für Universalgeschichte 27 (1976), S. 248–55: ND in: Miscellanea Franz Irsigler. Festgabe zum 65. Geburtstag, hrsg. Volker Henn u. a., Trier 2006, S. 125–32. O.R., S. 175 heißt es dazu, die fursten sond … regieren, muntzen und die ubelteter straffen. An zahlreichen Stellen nennt der „Oberrheinische Revolutionär“ die Pflicht witwen und weisen, als den hilfsbedürftigsten Teil der Gesellschaft, zu schützen: O.R., S. 204, 343, 413, 438, 586, 596. Ebd., S. 407.

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auch die Pflicht den puren frig by sim pflug zu halten, dass er fricht mug buwen und sin x. pfennig geben,15 also ein Hilfe leistender Kontakt zu den Bauern. Der Adel sollte letztlich zum Nutzen der Bevölkerung eingesetzt sein.16 So übersetzt er nobilis nicht mit „die Edlen“, sondern mit uns glich17 und der unser einer.18 Er schreibt zudem, habe ein Mächtiger nit liebe zu dem land …, so het das landt kein verlangen noch im.19 Er geht noch einen Schritt weiter : Wan ein her ubel regiert, das bosß nit strofft, so verwissen man im usß dem land.20 Der adlige Stand legitimiert sich für ihn in erster Linie durch einen entsprechenden, angemessenen Lebenswandel21 und das Handeln nach besonderen Werten.22 Er darf nicht allein auf der Vererbung des Adelstitels beruhen. Wer will edel heissen, der sol sin adel mit tugend bewisen.23 Jeder Adelige muss sich bei seinem Oberherrn im gemeinsamen Kampf bewähren24 und ihm bis in den Tod treu dienen.25 Mit der Beurteilung, unser fursten zu mildt sindt und glouben den geistlichen zu vil,26 warnt der Autor vor einer Einmischung von Geistlichen in weltliche Belange. Dem Ritter misst der „Oberrheinische Revolutionär“ eine gesellschaftliche Schlüsselposition bei. Er beschreibt dessen von ethischen Werten, wie Frömmigkeit, Ehre und Gerechtigkeit27 durchdrungene Lebensweise und verherrlicht ihn als Schützer der Kirche und der Schwachen. Ein Ritter soll das land beschirmen, den aker man fryen, den armen man spissen, dar zu witwen und weisen sin gewalt der gerechtikeit mit teilen.28 Die Schrift lässt sogar die Vorstellung eines „Ritter-Priestertums“ erkennen, und der Autor zieht einen Vergleich

15 Ebd., S. 101. 16 Beim O.R. heißt es wörtlich: Es sol ein yedlicher furst sin recht setzen zu nutz dem gemein man, ebd., S. 478. 17 Ebd., S. 232. 18 Ebd., S. 418. 19 Ebd., S. 398. 20 Ebd., S. 539. 21 Nach dem O.R. gilt: Etwan so must ein man sin adel erholen in dem, wan er witwen und weisen schirmet, es wer mit kunst, vernufft, oder mit retten, do von dem gemein man nutz enston mocht. Nit als yetzen: ,min vatter ist edel‘, ebd., S. 403. 22 Wiederum O.R. wörtlich: Etwan was ein grosse schand, wan einer ein ampt an nam und wist sich nit deglich oder gnugsam darzu, ebd., S. 406. 23 Ebd., S. 496. 24 Im Text des O.R.: Der dienst man schuldig ist, fur sin hern zu stritten, ebd., S. 575. 25 Im O.R. heißt es: So er [ein Ritter] schwert, sich umb cristen gloubens willen in den tot zu geben, des glichen als ein lehen man fur sin her, ebd., S. 576–77. 26 Ebd., S. 476. 27 O.R. spricht er davon, dass wir […] von der geworen ritterschaft lesen, die all zit sond umb die gerechtikeit stritten, ebd., S. 331, oder es heißt dort, er ist ein ritter umb siner gerechtikeit willen, ebd., S. 361. 28 Ebd., S. 362.

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zwischen einem Ritter und Jesus Christus.29 Gleichzeitig fordert er aber, etwas paradox, die Abgrenzung des ritterlichen Lebens von der geistlichen Welt: Ein ritter soll all sin kunst uff ritterspil legen; er darff nit betten oder zu kilchen gon.30 Im Verhältnis zum Kaiser spricht er der Ritterschaft eine ganz enorme, aber wahrscheinlich ideell zu verstehende Macht zu: Ein ritter, erwelt usß tussenden umb siner strengen gerechtikeit willen, … der het macht, ein keisser in sim unzimlichen furnemen zu stroffen.31 Das dem Adel von Gott gegebene Recht zu herrschen geht mit der Verantwortung einher, durch sein Handeln die gottgewollte Ordnung auf Erden aufrechtzuerhalten. Der Adel hat seine machtvolle Stellung nicht als Selbstzweck, er dient vielmehr dem Allgemeinwohl.32 Immer wieder wird betont, dass die Fürsten zum Nutzen der Bevölkerung und zu deren Schutz eingesetzt sind. Es ist für den Autor ein hohes Ideal und somit Pflicht der Mächtigen jene zu beschützen, die dieser Hilfe naturgemäß bedürfen.33 Herrschaft wird beim „Oberrheinischen Revolutionär“ legitimiert, indem Herrschen gewissermaßen als Dienst am Volk verklärt wird. Der Verfasser bedauert die Unzulänglichkeit der herrschenden Schicht und den Bruch mit den in sie gesetzten Erwartungen. Er beschreibt, dass Adlige ihre Ideale und Standespflichten missachten und die Gesetze brechen, und er kritisiert den Machtmissbrauch und die gewalttätige Ausbeutung der Bauern: Aber ietz, wan ein furst kriegen will, so ist das erst, das er tut, er nimpt dem puren roß, ochssen, krug und pflug und was er hat, und dar zu verbrent er rutter, huß, schuren mit den fruchten.34 Er beschreibt adligen Hochmut und berichtet, wie sich Fürsten gegenüber der einfachen Bevölkerung äußerten: ,Ich han genug, das land ist min, si mussen tun, was ich will!‘35 Er beklagt auch das Vernachlässigen der adligen Schutzpflicht: Do ist kein furst, der do seit, ,ich will min hindersessen unbeschwert han!‘36 Er kritisiert auch mit Verweis auf eine Bibelstelle die Bereicherung: Und Iesus Cristus het uns forgeseit: ,das rich mins vatters ist allein deren, die sin willen tund‘ und nit deren, die den schweis der armen in sunden verzeren.37 Die Beziehung von Adel und Volk fasst er so zusammen, dass der mechtig nit erkent, was im der klein tut. Er meind, er musß tun, und umb ein klein 29 O.R. wörtlich: Dorumb ein groß wort ist ,her‘: Iesus ein her: er het sin leben fur unser willen dar thon; ein ritter ein her: der sin lib und leben umb witwen und weissen dar tut, sy zu beschirmen, ebd., S. 321. 30 Ebd., S. 180. 31 Ebd., S. 525. 32 Ebd., S. 478. 33 Es ist ein grosse mildikeit, zu helffen denen, die in selber nit gehelffen mugen, ebd., S. 298. 34 Ebd., S. 180. 35 Ebd., S. 536. 36 Ebd., S. 538. 37 Ebd., S. 365–66.

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sach ubergipt er in und stosset sich umb. Er sieht nit an die gutheit, sunder er hat ein froud, in zu verderben.38 Dazu kritisiert er die Adeligen dafür, Vergehen von Seiten des Klerus nicht zu unterbinden.39 Er greift besonders das Rittertum an und hebt hervor, dass die Ritter ihre Ideale missachten und den eid wentzig halten. Die ritterschaft macht yetz witwen und weisen. Sy totden den akerman und berouben witwen und weisen.40 Ein dem Stande nicht entsprechendes Verhalten auf dem Schlachtfeld oder sogar eine Flucht von diesem sei verurteilungswürdig: Wan der zu ritter geschlagen wirt, der nie kein schwert umb der gerechtikeit gebrucht hat, der ist forchtsam, do von kumpt ein flucht. Wer der ist, der flucht, verlisset sin ritterlichen namen; den soll man verschmehen.41 Er nimmt an einem Verhalten der Ritter Anstoß, bei dem es nicht mehr um kriegerisches Können gehe, und fordert für zahlreiche Ritter die Aberkennung des Titels.42 Er veranschaulicht den Missstand durch die Schilderung einer Begegnung eines Rittern und eines Bauern, bei dem die Charaktereigenschaften dem jeweiligen Stand widersprechen: Do kumpt ein arm, frum, elich geborn man fur ein feldfluchtigen ritter, ein gotschwerer, fuller, trunkender und dar zu einen, der kein bewisß dar tun oder tugend dem gemein nutz erzeugt, sunder er ist ein wucherer, ein gotz lester, ein stoltzer. Und het in der arm man nut zu schenken, so ist kein gnod oder gerechtikeit, sunder sin urtel: man sol dem armen man sin krug nehmen, im sin hus verbrennen etc.43 Ein zentrales Anliegen des „Oberrheinischen Revolutionärs“ ist es, die allmächtige, fast gottgleiche Rolle des Kaisers an der höchsten Spitze des Adels zu erläutern. Dieser sei ein her uber al her, das gantz erdrich44 und das obrist houpt der welt, den all welt soll eren.45 An seinen Hof aufnehmen soll er zum ersten alte gebrucht und erfarende frumm, wisß man von grosser vernufft, dan die mussend die flusß der wissheit arkennen; dan strenge, feste, standhafftige ritter, usserlesen von tusigen einen, dem der gemein nutz lieber sol sin, dan sin eigen gut.46 Das Kaiserschwert symbolisiert die Herrschaft des Kaisers über beide Stände, den Adel wie auch den Klerus: ”Den aller grosmechtigsten durchluchtigisten, in des 38 Ebd., S. 423. 39 Der O.R. spricht zunächst von priesterlichen Sündern und fährt dann fort: Die fursten sind blint oder unwissend, die das sehen und lond geschehen, ebd., S. 480. 40 Ebd., S. 589. 41 Ebd., S. 376. 42 Im O.R. heißt es dazu weiter : Kumpt ein wucherers sun und gipt dem fursten des bosen gutz, so frogt er nit, ob er frum sig oder nit. Man macht den selbigen edel; das ist wider die naturlichen rechten. […] Ouch eim ebrecher billich man soll die ritterschaft abnemmen, ouch die bastart oder kinder vom verfluchten somen sol man in kein stritt lon, wan sy sint nit standthafft in dem stritt, S. 376–77. 43 Ebd., S. 526. 44 Ebd., S. 314. 45 Ebd., S. 383. 46 Ebd., S. 228.

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hand stott aller gewalt im ein schwert, vom himel gesant, zu biden siten schniden, das ist beid geisthlich und weltlich stend sollende straffen.47 Der Oberrheinische Revolutionär nennt in diesem Zusammenhang die Aufgaben des Kaisers: Und sin kl. mj. mus das schwert, so im vom himel gesant, bruchen, mit namen die sund stroffen, dornoch die rechten handhaben, bosen gewalt stroffen, … und wo wie ein cristelicher furst und endpfal anderen lutten das ab zu stellen, das sy die grosse beschwernus der fursten und hern, stetten und lender.48 Der Kaiser soll außerdem die Bauern beschützen49 und den armen ein bistand zu tun wider den bosen gewalt des richen.50 In der Rolle eines ersten Ritters und eines obersten Richters51 soll er Recht und Gerechtigkeit aufrechterhalten52 und Gesetzesbruch bestrafen.53 Als der obrist pfarrer54 steht er auch an der Spitze des Klerus und soll den Schutz der Reichskirche gewährleisten,55 die Geistlichen an den Glauben binden56 und, wenn notwendig, in ihrer Macht einschränken.57 Der Autor warnt, dass wo der keisser das recht nit lott gon, do kert gott ab sin bivonen … und , wan ein keisser zu vil barmhertzig ist und lot das schwert nit schniden und stroffet die nit, die ieren eid nit halten, als beid stendt der ebrecher, der munch, priester, bischofft etc.!58 In der für diese Epoche bedeutsamen Streitfrage, ob der römische Kaiser oder der Papst in Rom über den jeweils anderen Macht habe, stellt er sich auf die Seite des Kaisers: Ein keiser sol ein babest verhoren, ob er doch glich sig, die kristhlichen kirchen zu regieren etc.59 Aber auch der Kaiser wird den Erwartungen des Verfassers nicht gerecht: Er erhebe willkürlich in den Adelsstand,60 gewähre dem Klerus zu viele Freiheiten61 47 Ebd., S. 92. 48 Ebd., S. 511–12. 49 Darumb schwert ein keisser, den akerman und was in sin pflug gehort zu schirmen, ebd., S. 513. 50 Ebd., S. 114. 51 Beim O.R. heißt es: Ein keisser [werde außerdem] genant der obrist ritter, das ist der obrist richter, welcher gewalt ist im von got geben, ebd., S. 312. 52 Dazu schreibt der O.R.: Ein keisser sol all recht wissend; die gerechtikeit ist ein muter des rechten, … Und wan ein keiser das recht handthabet, so mert er sin titel der eren, ebd., S. 175. 53 Wer wider das recht tutt, sol ein keisser stroffen, ebd., S. 558. 54 Ebd., S. 597. 55 O.R. schlussfolgert: Dor umb so ist er [der Kaiser] der obrest richter und ein beschirmer der cristenlich kilchen, ebd., S. 313. 56 Der Kaiser sol […] nit lossen die priester die ler gotz verschmehen, ebd., S. 556. 57 Im O.R.: Also mag der gros un uberwindlich Maximilianus … tun und beschnid am ersten die geistlichen, ebd., S. 231. 58 Ebd., S. 380. 59 Ebd., S. 93. 60 Aber der keisser nimpt gelt von dem wucherer, furkouffer, ebrecher etc. und macht in edel, ebd., S. 418. 61 So kritisiert er die Übertragung von Städten und Schlössern an Vertreter des hohen Klerus; der Kaiser sol nit lossen sich die geistlichen befestigen und stett und schlosser inen geben, ebd. S. 422.

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und versage hinsichtlich seiner Schutzpflichten.62 Er breche so mit den Grundsätzen der hergebrachten Ordnung und verliere Gottes Segen für Herrschaft und Reich. Der Verfasser kommt deshalb zu jenem Schluss, der seiner Schrift später zu ihrem Titel verholfen hat: Ouch wen […] ein keiser wider die gebotz gottes, so soll man in absetzen.63

Der Klerus Der „Oberrheinische Revolutionär“ erwartet von den Mitgliedern des Klerus, dem Volk die christliche Lehre zu vermitteln, christliche Ideale beispielhaft vorzuleben und den Armen gegenüber fürsorglich zu wirken.64 Dazu verweist er auf den Grundsatz selbstgewählter Armut und Demut: Wer do will an sich nemmen ein geistlich, gotlich leben, der sol lugen umb ein heimlichen platz, do schweren von der welt, nit betlen, sunder man soll in berichten wie ein kranchen menschen.65 Über die Auswahl junger Kleriker schreibt er : Ein bischofft [soll] den schuler nit allein verhoren, daß er latin verstand, sunder erkennen sin gotlich erber herkummen: elich geborn, kein klaffer, lugner, kein tummer, schlemmer oder fuller.66 Er fordert auch, dass die Kleriker innerhalb ihrer Hierarchie übereinander wachen sollen.67 Ein Geistlicher solle sich grundsätzlich von einem Adeligen unterscheiden: Den geistlichen erkendt man by siner verharrung gutter werk, die adelich natur by siner tugend und mildikeit.68 Er legt dem Klerus nahe, sich von weltlichen Dingen fernzuhalten, um nicht von diesen korrumpiert zu werden, und ergänzt dass, ein frommer Mann an keins fursten hoff ziehen [soll]; als die wissen sagen, man soll kein truw in kein fursten setzen.69 Von den Priestern, die den christlichen Glauben der Bevölkerung verkünden, fordert er, dass sie sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein sollen und sich an ein strenges Regelwerk halten. Ein priester soll ein wegwiser sin des volks, sy den cristen glouben leren, en gut exempel for tragen, den noch volger spissen mit gotlichen worten.70 Über die Anforderungen an einen Priester schreibt er, dass 62 So gelte, der keisser schirmpt weder witwen noch weisen, ebd., S. 520. 63 Ebd., S. 224. 64 O.R. wörtlich: Die geistlichen sind schuldig, uns ein gut wesen zu leren und dar zu dar legen ler halten und unß ein gut byspill vortragen, ebd., S. 225. 65 Ebd., S. 551. 66 Ebd., S. 560. 67 Darumb ein keiser sol ein babst uber horen, ob er doglich sig, der kirchen zu regieren, […] und der babest die bischoffe, und des glichen der bischoff den priester, ebd., S. 223. 68 Ebd., S. 397. 69 Ebd., S. 400. 70 Ebd., S. 291.

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dieser kusch und rein wie ein engel [sein soll], als er dan uff das ewangelium schwertt kuscheit und gehorsamlich, wie Iesus seit, ,ich bin nit in die welt kumen, daß man mir dien, sunder ich will dienen‘.71 Er verlangt von ihnen ein Auskommen mit wenigen Gütern,72 ein Leben ohne Besitz und die Abkehr vom Weltlichen: Darumb ist verbotten den priestern, daß sy sich keiner ander sach sond under ziehen, sunder gehorsam sin, den armen zu dienen und sich in tugend erzeigen, […] und allein mit got und mit werken geistlicher sachen ”.73 Ein Priester ist für ihn gleichzeitig ein gelerter man, der sich mit tugend bekleidet. Dem selben sindt gros friheit geben, von den keissern bestettiget und daruber den bischoffen bevolen, sy zu stroffen und regieren umb das ubel.74 Er beschreibt die Tätigkeit von Priestern als spirituelle Berater des Adels.75 Darüber hinaus betrachtet er die Priester als eine Art christlicher Elite, nennt sie Ritter Christi76 und Ritter Gottes77 und beschreibt die besondere spirituelle Kraft, über die ein Priester verfüge.78 Gott und die Engel würden in ihm wirken, wenn er in der Kirche seine sakralen Handlungen ausführt.79 Für die Mönche in den Klöstern nennt er insbesondere die Aufgabe der Armensorge: Die munch, nunnen und pfaffen schwerend gehorsamkeit, das ist, sy wellen gehorsam sin dem armen man.80 Allgemein fordert er die Abgrenzung von Adel und Klerus. Ursach, wan der geistlich sucht weldlich er, das ist richtum für gnod gottes, so tut er sin schult dar, dass er meineid ist, wan er hat armut geschworen und zucht den fluch uber sich und stritt wider die liebe gottes.81 Der Autor findet zwar, dass Geistliche, die dem weltlichen Bereich näherkommen, auch Aufgaben des Adels übernehmen sollen. Wenn sy [die Geistlichen] wendt weldlich gutter han, so sond sy ouch weldich recht tun, das ist das land beschirmen, dem armen zu recht helffen.82 Der Klerus in seinen unterschiedlichen Abstufungen soll sich jedoch möglichst von der Welt des Adels 71 Ebd., S. 506. 72 Ausdrücklich heißt es aber beim O.R.: Die kirchen pfleger sond […] den priestern, das sind die pfarrer, so ein zimlichs us kumen geben, ebd., S. 94. 73 Ebd., S. 595. 74 Ebd., S. 506. 75 Die priester sond sin under den kunigen und fursten, sy zu leren den gotlichen weg, ebd., S. 293. 76 Ebd., S. 551. 77 So schreibt der O.R., der wirt genant ein ritter gotz; er strit wider das fleisch; in dem wirt er erkant ein engelisch wesen mit der burgerschaft der ewigen seligkeit, ebd., S. 559. 78 Ouch so ist der selbig priester genant der ander engel, das ist ein person zwischen gott und dem menschen, ebd., S. 286. 79 O.R. wörtlich: Das sacramant des altars […] der priester tut das durch hilff des engels, als ein bot zwischen dem priester und , ebd., S. 292. 80 Ebd., S. 230. 81 Ebd., S. 380. 82 Ebd., S. 417.

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fernhalten. Er soll nach dem christlichen Wertekatalog leben, weitgehend ohne Besitz, in selbstgewählter Armut, den anderen Bevölkerungsteilen ein Beispiel für ein gottgefälliges Leben bieten und sich sakralen Aufgaben widmen. Auf diese Weise trage er seinen Teil zur Verwirklichung der Ordnung bei. Da dieses Ideal von der Alltagsrealität abweicht, ist Kritik am Klerus eines der Hauptanliegen des „Oberrheinischen Revolutionärs“. Dessen Mehrheit werde der religiösen Vorbildfunktion nicht gerecht, da sie den christlichen Werten eine eher geringe Bedeutung beimesse und dem hohen sittlichen Anspruch nicht genüge. Den Autor empört besonders die unangemessene Lebenshaltung von Priestern, denen er Missachtung ihrer Pflichten und insbesondere Völlerei,83 Alkoholismus,84 Diebstahl,85 Betrug86 und selbst sexuelle Delikte vorwirft.87 Ist es nit ellend zu scriben, daß der arm man sin sur arbeit got oppfert, und der priester verzert das in sunden mit sinen dirnen und kindern?88 Der „Oberrheinische Revolutionär“ resümiert daher : Nun so ist niergen mesleser, der weder pfar, ler, noch wegwiß dem gemein man umb das almusen tuwg, so sin fordern stifft hand, sunder er sitzet mit siner dirnen offenlich und vertript den frummen man schendlich von sim eygentum, und darzu verbutt er im alle cristenliche ordnung, er lot in umb das sin vermaledyen!89 Auch die Klöster vermehrten ihren Reichtum auf betrügerische Weise: Nun so hant die stiften und closte […] den zehen und geben weder den armen noch dem keisser nu und kouffen witter mit dem opffer korn gult, win gult und pfennig gul und verpfenden das gantz erdrich.90 Der „Oberrheinische Revolutionär“ übt besonders am hohen Klerus Kritik.91 Er macht die Bischöfe für die Zustände verantwortlich, da sie das Fehlverhalten der unter ihnen stehenden Priester nicht strafen,92 und fordert, dass die Bischöfe dafür vom hohen Adel abgestraft werden müssten.93 Der Verfasser übt auch Kritik am Verlangen des hohen Klerus, Besitz, Reichtum und Einfluss zu ver-

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Ebd., S. 368–69. Ebd., S. 483. Ebd., S. 487. Nach dem O.R. brachten die priester das land in armut, wie yetz mit yeren zinsen und gulten, ebd., S. 564. Ebd., S. 94, 238, 290, 469–70, 500, 550. Ebd., S. 480. Ebd., S. 531. Ebd., S. 460. So heißt es bei ihm: Al stroff der welt kumpt von der gittigkeit der bischoffen, ebd., S. 508. Ouch wan der priester in der unee wirt begriffen, das ist, daß er ein eeman sin wib verfur, und, wie obgerurt, strofft in sin bischofft nit, so soll man den bischofft stroffen, ebd., S. 290. So fordert der O.R. von den Bischöfen, dass sie stroffen und regieren […], und wan der bischofft das nit tut, so sol ein kunig oder landsfurst den bischofft stroffen, ebd., S. 506.

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mehren;94 deshalb fordert er, der Kaiser sol nit lossen sich die geistlichen befestigen und stett und schlosser inen geben.95 Wenn er mahnt, man dürfe die Bauern nicht durch die geistlich von husß, hoff, erb und anderi gutter lossen vertriben,96 zeigt das den Druck, dem das Volk durch geistliche Herren ausgesetzt war.97 Neben der Ämterschacherei98 kritisiert der „Oberheiner“ auch den Ablasshandel,99 ebenso, dass der hohe Klerus Wuchergeschäfte zu Lasten der einfachen Leute nicht unterbinde, sondern sie vielmehr verteidige, da auch viele aus seinen Reihen daran profitieren würden.100 Er bemängelt auch, dass hohe Geistliche bei Verbrechen keine Strafe zu fürchten haben.101 Seine Empörung darüber, wie sehr der hohe Klerus moralisch verkommen sei – si gondt nit zu kilchen umb gottes willen, sunder umb der presentz willen; sy betten das guldi kalb an,102 und sie hielten das zittlich leben hoher dan das ewig leben –,103 erklärt sich leicht aus der zeitgemäßen Vorstellung, dass übermäßiger Genuss im zeitlichen Leben zur Bestrafung im ewigen Leben führt. Er beschreibt die intrigante Bereicherung des Klerus auf Kosten des Adels.104 Um sich in ihren Machenschaften zu schützen, predigten die Geistlichen man sol kein zetodt schlahen gewaldiglich sunder ursach, und als Erklärung folgt: Das dunt sy darumb: sy furchten sich, wan sy wissen sich schuldig in irer ordnung, wie sy sollten kusch und rein sein, gehorsam, das ist frumm.105 Er warnt dringend davor, die Macht und die Zahl des Klerus nicht in Schranken zu halten: Wo man die zall der geistlichen nit verminnert, so werden sy die fursten vertriben.106 Der „Oberrheinische Revolutionär“ schreibt zur Bedeutung des Papstes, der 94 Dar uff sich dy geistlich fundieren und trachten tag und nacht, wie sy den schatz der welt an sich mugen bringen, ebd., S. 171. 95 Ebd., S. 422. 96 Ebd., S. 532. 97 Ebd., S. 288. 98 So gilt, wan der babst mit sampt sin cardinalen, bischoffen und priestern schuldig sind, zu bitten fur die leyen, und wan er das umb gelt nimpt, so ist er simoniacus, ebd., S. 294. 99 Man findet unwissend lut, die wenen, sy wendt mit gut got dem almechtigen sin himelrich ab kouffen und geben fur sich und all ir noch kummen uff ein liegendem erb ein sum geltz, vil oder wenig, eim heilgen oder versprechen, das an ein pfrundt zu ewigen zittern der selb und sin noch kummen wellen geben. Das ist wider das keissers gebotz, und wer das gipt oder nimpt, ist ewenglich vermaledigt, ebd., S. 207. 100 Nach dem O.R. sagen ouch die geistlichen […] nit, daß es wucher sig, es ist ir tegliche narung, ebd., S. 192. 101 Sy gedenkent nit, daß man sy soll oder mug landes mugen verwisen etc. Did kumt alles allein, daß man niemanß offentlich strofft, ebd., S. 301. 102 Ebd., S. 56. 103 Ebd., S. 564. 104 Der O.R. hebt hervor, nun so hant die geistlichen die fursten mit worten uber listiget, das sy handt das ir dar geben den grosten ubertrettern, ebd., S. 245, und beschreibt wiederholt die Überredungskünste von Klerikern, ebd., S. 412, 473 und 555. 105 Ebd., S. 422. 106 Ebd., S. 430.

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bobst schwert als ein hirt oder ein diener gotz, der muter der cristenlichen kilchen ein bistandt zu tun, den glouben meren, das wort Cristi durch die gantz welt verkummen.107 Der Papst sei zudem ein Beschützer des einfachen Volkes: Der babst mag vermaledyen all die yenen, wider die cristenlich ordnung tund und mit namen, die do machen beschwernus uff den gemein man.108 In der Hierarchie der Kirche steht der Papst, abgesehen vom Kaiser, an der obersten Spitze, mit der Aufgabe, über den hohen Klerus zu wachen.109 Er schränkt die päpstliche Macht nur dahingehend ein, dass das Wort der Bibel über ihm stehe, und stellt klar, dass kein babst oder keisser, […] soll friheitt geben wider gottes wort.110 Aber auch der Papst weiche in dem, was er tue, vom geforderten Ideal ab. Der Verfasser kritisiert heftig, dass die babest mit ieren iubel iorn heben gros gut uff und sagend, si weindt cristenglouben do mit bescirmen und gent das ieren kinderen, so im verfluchten somen geborn sindt; das sindt die kinder des endcrist.111 Die Missstände im gesamten Klerus beende der Papst nicht, sondern er unterstützt sie vielmehr.112 Weitere Kritikpunkte am Papst betreffen Ämterschacherei,113 den Ablasshandel114 und unrechtmäßige Bereicherung.115 Besonders problematisch ist für den Verfasser die Unmöglichkeit, den Papst und höchste klerikale Instanzen zur Rechenschaft zu ziehen: Aber so kein stroff ist mer uber babst und sin cardinalen, […] sy gedenkent nit, daß man sy soll oder mug landes mugen verwisen etc. Did kumt alles allein, daß man niemanß offentlich strofft.116 Den geistlichen Stand sieht der „Oberrheinischen Revolutionär“ im direkten Dienst Gottes und der Lehre Christi. Diese Rolle legt ihm die Pflicht zur Würde und die große Verantwortung auf, den christlichen Glauben auf Erden zu repräsentieren. Dies kommt in der Forderung nach einem besonders frommem, demütigem Lebenswandel und der Diensterfüllung an den Menschen zum Ausdruck. Besonders wichtig sei die Makellosigkeit von Klerikern, damit das Volk sie als würdig empfinden könne. Die Aufgaben des Klerus werden direkt auf

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Ebd., S. 444. Ebd., S. 468. Wie Anm. 67. O.R., S. 590. Ebd., S. 314. O.R. wörtlich: Wider das gebott hand die geistlichen ein in bruch wider all form des rechts erdocht, und das lossen ein babst bestedigen, ebd., S. 531. Ebd., S. 294. Ebd., S. 173, 222. Die bebest suchen mer das gelt des richtumbs wan die gnod gottes und liebe sins nechsten menschen, ebd., S. 468. Ebd., S. 301.

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das Wirken Jesu auf Erden zurückgeführt, der von seinen Nachfolgern ein Leben als Diener der Menschen einforderte.117 Die Forderung, Priester schon bei geringfügigen Vergehen zum Tode zu verurteilen,118 wird damit begründet, dass ein solches Verhalten nicht nur der wichtigen Vorbildfunktion unzuträglich sei; ein iung priester, der in stinkenden sunden ist und lisset also mesß, er verspott gott und im ein nue marter an.119 So seien die Verstöße gegen die Gelübde mit einem Angriff auf Jesus Christus selbst gleichzusetzen. Die Vorwürfe, die der „Oberrheinische Revolutionär“ in seiner ausgiebigen Kritik am Klerus thematisiert,120 erklären sich durch seine Überzeugung, dass Geistliche nicht nur ihre Standespflichten vernachlässigten, wenn sie ihr Amt missbrauchten und ihre Gelübde brächen, sondern auch die bestehende Ordnung direkt gefährdeten und Gottes Zorn auf die Menschen zögen.121

Der dritte Stand Der „Oberrheinische Revolutionär“ stellt sich mit seiner Schrift auf die Seite des gemeinen man, des cleinen man, des pur und des akerman, also auf die des dritten Standes, die überwiegend aus Bauern bestehende überwältigende Bevölkerungsmehrheit.122 Er stellt positive charakterliche Eigenschaften der Bauern in den Vordergrund, schreibt von der unschuld des gemeinen mans123 und 117 So schreibt er, ein frummer priester sol sin kusch und rein wie ein engel, als er dan uff das ewangelium schwertt kuscheit und gehorsamlich, wie Iesus seit, ,ich bin nit in die welt kumen, daß man mir dien, sunder ich will dienen‘, ebd., S. 506. 118 Der O.R. fordert beispielsweise, die geisthlichen, die das opfer gottes in sunden mit ieren frowen und kinder verzeren, die sol man brennen us vil ursach, ebd., S. 94. 119 Ebd., S. 508. 120 Der O.R. macht auch vor Beleidigungen nicht halt und schreibt, das hertz der geistlichen ist, wie sy als mugen uberkummen; sy sind sorglicher zu endpfohen und zu fliehen den der biß von der schlangen oder der brant des furs, ebd., S. 424. 121 Für den O.R. sindt [die Priester] in dem bann, das ist, sy sind abgeschnitten glider der kirchen; wan wer nit lept noch den worten Cristi, der heist nit cristen, sunder er ist ein endcrist, ebd., S. 291; weiter gilt, wan ein geistlicher sin gelupt nit halt; so ist er abgeseitter vind gottes. Das ist vil schwerer den het er den keisserlichen gebotten abstanden, ebd., S. 380; und wir die funff sund, so in den himel sindr scryen, die uns vor got verclagen, nit abstellen, so geistlich … ofentlich begond, so het all gluk von uns tun wenden, ebd., S. 501. 122 Ebd., S. 107. – Klaus Lauterbach, Der „Oberrheinische Revolutionär“ – der Theoretiker aufständischer Bauern?, in: Bundschuh. Untergrombach 1502, das unruhige Reich und die Revolutionierbarkeit Europas, hrsg. Peter Blickle, Thomas Adam, Stuttgart 2004, S. 140–79, hat jedoch die These zurückgewiesen, der „Oberrheiner“ greife auf ältere Bewegungen wie die des Bundschuhs zurück oder habe den Bauernkrieg direkt beeinflusst. 123 Ebd., S. 393.

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bezeichnet sie trotz großer Armut als freigiebig.124 Auch mit einem Gleichnis, bei dem er den König mit der Sonne und das Volk mit dem Mond vergleicht,125 unterstreicht er dessen Bedeutung für das gesamte Sozialgefüge. An anderer Stelle schildert er einen von allgemeinem Wohl geprägten einstigen gesellschaftlichen Idealzustand: Zu der zit, wan die selbigen ritterspil mit ieren fienden im feld mit stritten bewisen, so gieng der akerman und buwet den akker. Er und all die sinen waren fry und sicher und bekumerten sy des stritz nut, ouch so tet man in nutz.”126 Der „Oberrheinische Revolutionär“ fordert das Ende der Leibeigenschaft und mehr Selbstbestimmungsrechte für die Bauern. Einer ist sim hern verscriben, aber er ist nit sin eygen. Sunder als lang und die will der her sin hinderseß frundlich hat, so mag er by im bliben.127 Auch wenn das Volk von der politischen Macht ausgeschlossen bleibe, müsse sich der Fürst nach seinen Untertanen richten. Als Gegenleistung für die Zahlung der Abgaben und für die Beachtung der Gesetze müsse der Bauer auch den Schutz seines Herrn einfordern128 und ihn im Zweifel auch verklagen können. Mit recht mocht der hindersasß sin hern, dem er schirm gelt oder stur oder schatzung gipt, for dem keisser verclagen fur ein unteglich man, der sin gelupt sin scirms nit haltet!129 Es gilt ihm als von Gott gegebene Pflicht aller, die Armen zu schützen,130 und angemessen, dass sie Hilfe, wie das häufig zitierte ,Opfer Gottes‘,131 als eine Art Spende bekommen. Alles andere sei Diebstahl,132 denn die, die bereits genug

124 So schreibt er, der arm man gipt sin gob eim kilchen heiligen oder kirchen, und wo es not sig, eim andren armen menschen, daß es do von getrost wird, ebd., S. 587. 125 Ebd., S. 107; eine völlig neue Verwendung des seit Innozenz III. auf geistliche und weltliche Macht bezogenen Sonne-Mond-Gleichnisses, zu diesem vgl. u. a. Othmar Hageneder, Das Sonne-Mond-Gleichnis bei Innocenz III. Versuch einer teilweisen Neuinterpretation, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 65 (1957), S. 340–68. 126 O.R., S. 180. 127 Ebd., S. 487. 128 Billich ist, der des schirms des fursten geniessen will, daß er auch schirm gelt geb und den gebotten des keissers gehorsam sig, ebd., S. 430. 129 Ebd., S. 584. 130 Wörtlich stellt er fest, wir sindt vor got schulldig, den armen zu beschirmen, ebd., S. 423. 131 Nach dem O.R. solle man das ubrig [geben] zu hilff dem gemeinen nutz, zu schirmen land und lut, witwen und weisen, und wan einer nit mer werken mag, spissen und den pilgeri oder armen beherberen, wie obgemelt, ebd., S. 303; das gelte auch, dorumb so hett die mutter der heiligen cristenlichen kilchen ordiniert, die oppfer gottes den armen zu einer hilff der narung mit zu teilen, ebd., S. 553. 132 Ouch der amptman, der mer sucht sin nutz dan den gemein nutz, ist ein dieb. Ouch alle, die do beschwernis dem gemein man uffsetzet, es sy nit zoll, ungelt oder andere nuerung dem gemein man zu eim abruch siner narung, ist ein dieb. Als die munch, die on arbeit wendt leben von dem almusen und sind gesundes libs, sind dieb, ouch die ir gebet verkouffen, ebd., S. 486.

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haben, bräuchten nicht noch mehr. Er argumentiert auch, dass die Armen keine Steuern mehr zahlen könnten, wenn sie nichts mehr für sich selbst hätten.133 Dennoch muss er feststellen, dass die adligen Herren die Bauern zu so hohen Abgaben ihrer Erträge zwingen, dass größte Armut um sich greift,134 und dass sie keineswegs den für die Frondienste als Gegenleistung geforderten Schutz erbringen: Der edelknecht oder der her zwingt sin hindersessen, sy mussen fronen, das im bwen, aber kein schirm sindt sy von im wissend. Das ist diebstal und mer dan ander diebstal durch sin bossen gewalt.135 Auch von geistlichen Herren würden die Bauern getäuscht und betrogen.136 Do geistlich vertribt den armen umb des almusen willen … und so verflucht der arm sin forfarn, daß sy das erbgut beschwert hand und dem geistlichen geben, der sin sel do mit verderpt: ,ich musß min schweiß verreren, daß ich den geistlichen full!‘137 Immer wieder beschreibt der „Oberrheinische Revolutionär“ die von Armut und gewaltsamer Unterdrückung geprägte Lebensrealität und das hilflose Ausgeliefertsein des dritten Standes und erzeugt so beim Leser Mitgefühl: Aber ietz, wan ein furst kriegen will, so ist das erst, das er tut, er nimpt dem puren roß, ochssen, krug und pflug und was er hat, und dar zu verbrent er rutter, huß, schuren mit den fruchten. […] Der arm verflucht den fursten, welcher fluch vor got gehort ist, wan es ein schedlicher, bosser gwalt ist.138 Die Bauern sind auch vor den Gerichten rechtlos: Beide, veltlich und geistlich, wie sy dem armen man wellend sin vib oder sin kindt schmehen, verfellen oder zu schanden bringen. Und wem das geschicht, klagt er dem richter, so spott man sin doran. Will ers mit der hand rechen, als er billich tun mag […], so dan will der richter den in den turn legen.139 Er wünscht sich, entsprechend dem christlichen

133 So schreibt er: Dorumb so ist man schuldig, die oppfer gotz denen zu geben, die genug hand. Ursach: der gemein nutz wirt verhindert und dem armen menschen sin libs narung, der nuttes mer mag gewunnen, beroupt, und darzu dem keisser sin teil auch nit wirt geben, ebd., S. 555. 134 So schreibt er, wan ein furst rysen will, so leit er schatzung uff sin arm lut. Desglichen die trabanten uff den armen man, der in dry weg for beschwert ist: do mit zinsen, den wucheren, mit reisß gellt und uff das letst kein schirmen von sim hern, ebd., S. 383. 135 Ebd., S. 487. 136 Der O.R. nennt dafür immer wieder Beispiele, etwa, der arm man gipt sin zehend und meindt, der priester soll fur in bitten, ebd., S.443, und betont, die Geistlichen uberkummen mit iren worten pfarkilchen, die si nit solten regieren, und nemmen sy den kern von der pfar und setzen ein frowen wirt dor uff die pfar. […] Will er sin wib und kind erneren, er musß die sacrament verkouffen, deß glichen die mesß, als: ,gib mir zuen guldi, ich will dir ein xxx. lesen; gib mir acht schilling, ich mach dir ein bekentnus‘, ebd., S. 475. 137 Ebd., S. 484. 138 Ebd., S. 180. 139 Ebd., S.469; der Verfall des Gerichtswesens und der gesellschaftlichen Ordnung führt den O.R. zur Forderung nach einem Sendgericht, vgl. dazu u. a. Klaus H. Lauterbach, Sendgericht, Missat und Feme im Werk des sogenannten Oberrheinischen Revolutionärs, in:

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Leitspruch „Wie im Himmel, so auf Erden!“, dass die Gleichheit aller Menschen, wie sie vor Gott erscheine, auch im Hier und Jetzt anerkannt wird: Got, der tut glich den armen als dem richen, nit angesehen die person oder von was wirden die sig, sunder die tat, so er begangen hat.140 Er fordert, dass dem einfachen Volk seine Rechte zukommen sollen und die Unterdrückung ein Ende findet: Es ist zit, daß die beschwernus des gemeinen nutz, mans verlichtert werdt.141 Dass die Bauernschaft von jeglicher politischen Macht ausgeschlossen bleibt, stellt er nicht in Frage. Er will, dass sie die DreiStände-Ordnung, die auf ihrer Arbeitskraft aufbaut, unangetastet lässt, denn er sieht die Position der Bauern auf der untersten Stufe des Gesellschaftsgefüges als gottgewollt an. Er fürchtet allerdings, dass – wen die fursten nit ab ston von bosen gewalt und den gemein nutz handthaben, das fluchen abstellen und got for ougen han, den gotschwerer die zung hinden usß dem nakken ziehen – anders der fluch der gemein wirt des babst bann nit achten, noch des keissers och, sunder das zepter in die handt nemmen und uber die houpt gebieten.142 Der Autor fordert deshalb, dass der Kaiser die Unterdrückung des Volkes in Gottes Namen abstellt.143 Der „Oberrheinische Revolutionär“ droht letztendlich mit seiner gesamten Schrift an, dass sich die Bauern sich zum Aufstand erheben werden, wenn sie weiter durch den Adel und den Klerus so misshandelt werden. Dies ist sein schwerwiegendstes Argument für die Einhaltung der Pflichten und Aufgaben der Stände.144 *** Der „Oberrheinische Revolutionär“ beschreibt auf der einen Seite, wie man sich im späten Mittelalter die ideale Gesellschaft vorstellte, und schildert auf der anderen Seite ausführlich die Probleme seiner Zeit. Die Schrift spiegelt die Weltanschauung ihres Verfassers wider. Die gesellschaftliche Gesamtheit stellt sich danach als ein durch den christlichen Glauben und religiöse Vorstellungen fest verbundenes Ganzes dar, bei dem alle Teile spezifische Aufgaben für das Allgemeinwohl zu tragen haben. Der Maßstab des richtigen Verhaltens ist wesentlich durch das Christentum bestimmt. Gottesfurcht und der Glaube an das Leben nach dem Tod bedingen, dass der Dienst am Nächsten ebenso wie die

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Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung, 118 (2001), S. 185–221. O.R., S. 168. Ebd., S. 367. Ebd., S. 443. Der O.R. schildert die Ausbeutung der Armen und fragt: Wo belibt das schwert, das ein kaiser von got ist geben?, ebd., S. 228. Ebd., S. 408, 420.

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Anpassung an die von Gott gegebene ewige Ordnung zur gesamtgesellschaftlichen Pflicht wird. Sündigen und Nichteinhalten der Gesetze schade nicht nur der Allgemeinheit, sondern wer Unrechtes tue, handele gegen die Ordnung und somit gegen Gott.145 Wenn die Menschen dagegen sich an die Regeln der Ständeordnung hielten und das hergebrachte Recht achteten, werde Frieden und Segen vorherrschen. Dass diese Ordnung ganz offensichtlich in Gefahr scheint, begründet den Anspruch des Verfassers, seine Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen gründlich und ausführlich auszuformulieren und deutlich zur Sprache zu bringen, wie das Zusammenleben organisiert sein sollte und an welche Maximen und Richtlinien sich letztlich alle Teile der Gesellschaft zu halten haben. In seinem Fadenkreuz stehen so gut wie alle Vertreter von Adel und Geistlichkeit, vom Ritter bis zum Fürsten, vom Priester bis zum Kardinal, selbst bis hin zu Kaiser und Papst, die er aufgrund ihres ausführlich beschriebenen, vielfältigen Fehlverhaltens als die Ursache der miserablen Gesamtlage im Reich sieht. Ihr Verhalten ist von Machtmissbrauch, Gier nach Reichtum und Besitz, Heuchelei, Frevel, Sünde und Selbstgerechtigkeit geprägt. Der Adel unterdrücke das Volk und bereichere sich an diesem durch die Anwendung von Gewalt. Der Klerus tue dasselbe, aber mit subtileren Methoden, wie Rechtsbeugung und Intrigen. Die christlichen Werte und die Moral würden mit Füßen getreten, die Standesgelübde und das Gesetz oftmals gebrochen. Die einfache Bevölkerung könne der Ausbeutung durch die herrschenden Eliten nichts entgegensetzen. Statt vom Adel beschützt und geführt zu werden, würden sie in Knechtschaft und Armut gehalten, statt vom Klerus religiös erzogen, werden sie manipuliert und betrogen. Der „Oberrheinische Revolutionär“ artikuliert mit seiner Schrift wohl auch in der Bevölkerung verbreitete Vorstellungen und Wünsche und tritt in erster Linie als eine Stimme aus dem Volk für das Volk auf. Er stellt sich auf die Seite der Schwachen und Unterdrückten und droht mit einer Revolution, bei der die Bauern den Kaiser absetzen werden, wenn nicht die Übel bekämpft werden. Er strebt keinen Umsturz der Verhältnisse an, sondern will eine Wiederherstellung des Alten in einer geläuterten Zukunft. Die hergebrachte Gesellschaftsordnung will er unangetastet lassen. Im Wesentlichen geht es ihm dabei um Gerechtigkeit, um die angemessene „Handhabung des Rechts“.146 In den mittelalterlichen Denkmustern verwurzelt, gibt es für ihn trotz der Erwartung eines Aufstandes und der Forderung nach Absetzung der Mächtigen als Zukunftsvision keine gesellschaftliche Alternative zur bestehenden Drei-Stände-Ordnung und den

145 Ebd., S. 522. 146 Dazu Lauterbach, Geschichtsverständnis (wie Anm. 11), S. 212–29.

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durch diese festgelegten Rollenmustern. Der „Oberrheinische Revolutionär“ ist somit beides, konservativ wie progressiv. Trotz seiner feindlichen Haltung gegenüber den zeitgenössischen Vertretern von Adel und Klerus spiegelt die Kritik des „Oberrheiners“ auch die realen gesellschaftlichen Verhältnisse. Seine Schrift verweist so auf die enge Beziehung von Wahrnehmung und Realität. Sie eignet sich zudem gut dazu, zu ergründen, warum die mittelalterliche Welt einzelnen Instanzen bestimmte gesellschaftlichen Aufgaben zusprach und wie diese begründet wurden. Es wird durch die Reformschrift auch deutlich, weshalb dem Mittelalter die althergebrachten Standespflichten so viel bedeuteten und woher sie kamen.

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Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?1

The literature on Galileo Galilei is seemingly endless. No question seems to remain unanswered. Although some details of the Galileo Affair and Galileo’s treatment at the hands of the Roman Inquisition are still puzzling, scholars have achieved some consensus and dissipated exaggerations on both sides of the issues. There has been less consensus about the contribution of Galileo to the revolution which turned the Aristotelian physical model of the world and natural processes upside down, and which was itself eventually replaced by Newton’s mechanics that we still use today. There seems to be agreement among historians about Galileo’s role in this revolution: “According to a well-established view the work of Galileo marks the beginning of classical mechanics. His work does not yet represent the full-fledged classical theory as it emerged in the contributions of Newton and others, but, following this widespread interpretation, Galileo did take the first decisive steps: he criticized and overcame the traditional Aristotelian world picture, he introduced the experimental method, he concentrated on a systematic and concise description of single phenomena rather than searching for their causes and elaborating an overarching philosophy of nature, and he succeeded in the mathematical analysis of some of the key problems of classical mechanics.”2

In other words: “Galileo has been seen, from the philosophical point of view, alternately as a Platonist whose rationalist insights enabled him to read the book of nature because it was written in ‘the language of mathematics’, and as an experimentalist who used the hypotheticodeductive methods of modern science to establish his new results empirically. Both of 1 This project was made possible by the encouragement and support of Emeritus Professor Andr8 Goddu, Stonehill College Easton, MA, USA and Professor Jürgen Sarnowsky, Hamburg University, Hamburg, Germany. The author thanks both professors for their help, discussions, and valuable recommendations in regard to literature to be studied and structure of the project. Special thanks go to Dr. Ingeborg Braisch, Hamburg University, Hamburg, Germany, who helped to understand and compare the original writings of Galileo. 2 Peter Damerow (et. al), Exploring the Limits of Classical Mechanics, New York 22004, p. 35.

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these views present difficulties. In this essay I shall make use of recent historical research to argue that neither is correct, that the method utilized by Galileo was neither Platonist nor hypothetico-deductivist but was basically Aristotelian and Archimedean in character. This method, moreover, was not merely that of classical antiquity, but it had been emended and rejuvenated in the sixteenth century, and then not by Greek humanist Aristotelians or by Latin Averroists but rather by scholastic authors of the Collegio Romano whose own inspiration derived mainly from Thomas Aquinas. Other influences, of course, were present, and these came from other medieval and Renaissance writers, but these need not concern us in what follows.”3

The interested reader may select one of the most recent biographies to learn more about the methods and techniques used by Galileo and how he affected the development of modern physics: “Galileo did not date his manuscripts or, usually, indicate what problems they concerned, and if he published the results recorded in them, he did so decades after obtaining them. These sloppy habits vex and inspire the serious student of his mathematics of motion. Since the 1970s, when Stillman Drake proposed an ordering of the manuscripts based on watermarks, inks, and orthography, the problem of what Galileo knew and when he knew it has become deeper and darker. No single ordering uniquely makes logical and chronological sense. What has been gained is an appreciation of Galileo’s skill as an experimenter. The manuscripts contain many numbers and some diagrams that suggest the experimental arrangements that produced them: pendulums, inclined planes, water clocks, free drops. Several modern Galileians have repeated these experiments and, after much cut and try, have reproduced the numbers. Their success has only enlarged the domain of mystery. Did experiment drive theory or theory experiment? Sometimes the one and sometimes the other, but also, and not rarely, neither. Galileo could stick to an attractive theory in the face of overwhelming experimental refutation. During his period of greatest creativity in the science of motion, from 1602 to 1609, he probably jumped from theory to experiment and from one idea to another, circled back and forth, inventing the form of a descriptive mathematical physics, guided often enough by little more than his buon gusto. The principal outcome was a somber, limited, exact science, and a few striking results, advertised as more exact than they were, to serve as a replacement for one chapter of the vast, colorful, diffuse library of Aristotelian philosophy.”4

Even a second recently published biography (in German) repeats the same contrasts: “Galileo’s working sheets, not considered by Favaro but for the first time assessed by Stillman Drake, which contains solely calculations, indicate clearly that Galileo was a “real experimenter” (Segre). But that is not the way he found his new axioms. The 3 William Wallace, Prelude to Galileo. Essays on Medieval and Sixteenth-Century Sources of Galileo’s Thought (= Boston Studies in the Philosophy of Science 62), Dordrecht, Boston, London 1981, p. 129. 4 John Heilbron, Galileo, Oxford 2010, pp. 126–27.

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structure of the theoretical framework, the selection of fundamental axioms, and the proof of theorems and propositions took place analytically. Observable consequences from this theory, abstracted from everyday life, real or thought experiments, form the vital “junctions” between the theoretical framework and reality. Galileo was not the inductivist as historians of science like to see him in the 19th and beginning of the 20th century. But also he wasn’t the Platonist, deducing from pure geometric forms as the followers of Koyr8 used to see him.”5

So, eventually one turns to Stillman Drake himself, the renowned scientist on Galileo. In his speech on receiving the International Galileo Prize for History of Italian Science he states: “But that is not all. The law of fall was not found without the aid of music, another integral part of Italian culture. This fact emerges from my researches in the National Central Library of Florence. There are some writings in Galileo’s own hand there which were not published in the Edizione Nazionale of his works. One of them contains almost exact measurements of the successive positions of a ball that moved down a gently inclined plane, at the ends of eight equal times. Galileo used a musical rhythm for this. A few days later he discovered the law of fall through work noted on a page relating to the pendulum. He had measured lengths to a few millimeters, and times to one-twentieth of a second.”6

and “The Galilean concept of precise measurements in the field of physics, following the footsteps of ancient astronomers instead of the opinions of philosophers (whether ancient or contemporary with him), created modern physics. In America, where useful science is preferred over speculative philosophy, Galileo is ever more recognized as the founder of exact science. This science is a worldwide heritage from Italian culture, no less than are the great Renaissance advances in music and in art.”7

And finally, the foreword of A. Einstein to Stillman Drake’s translated edition of Galileo’s “Dialogue”: “It has often been maintained that Galileo became the father of modern science by replacing the speculative, deductive method with the empirical, experimental method. I believe, however, that this interpretation would not stand close scrutiny. There is no empirical method without speculative concepts and systems; and there is no speculative thinking whose concepts do not reveal, on closer investigation, the empirical material from which they stem. To put into sharp contrast the empirical and the de5 Klaus Fischer, Galileo Galilei. Biographie seines Denkens, Stuttgart 2015, p. 146 (translated by Gottfried Hoffmann). 6 Stillman Drake, Speech on receiving the International Galileo Prize for History of Italian Science, Italian Civilization and Non-Italian Scholars, Pisa 1986, quoted from Idem, Essays on Galileo and the History and Philosophy of Science, 1, Toronto, Buffalo, London 1999 (Selected by Noel Swerdlow and Trevor Levere), pp. 191–98. 7 Drake, Essays (as n. 6), pp. xix–xxiiii.

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ductive attitude is misleading and was entirely foreign to Galileo. Actually, it was not until the nineteenth century that logical (mathematical) systems whose structures were completely independent of any empirical content had been cleanly extracted. Moreover, the experimental methods at Galileo’s disposal were so imperfect that only the boldest speculation could possibly bridge the gaps between empirical data. (For example, there existed no means to measure times shorter than a second.) The antithesis Empiricism vs. Rationalism does not appear as a controversial point in Galileo’s work.”8

The interested reader is surprised. Many questions are unanswered. If Galileo could not measure times shorter than a second, then what of Drake’s supposed ‘discovery’? Is it possible that Galileo did not perform the experiments at all? Galileo himself testifies that he based his break with Aristotle on experiments in part: “But to say what those ancients [attacked by Aristotle] would perhaps reply, so that we may better judge the conclusiveness of Aristotle’s argument, I think it possible to go against his assumptions and deny both of them. As to the first one, I seriously doubt that Aristotle ever tested [sperimentasse] whether it is true that two stones, one ten times as heavy as the other, both released at the same instant to fall from a height, say of one hundred braccia, differed so much in their speeds that upon the arrival of the larger stone upon the ground, the other would be found to have descended no more than [n8 anco] ten braccia. Simp. But it is seen from his words that he appears to have tested this, for he says ‘We see the heavier […]’ Now this ‘We see’ suggests that he had made the experiment [fatta l’esperienza]. Sagr. But I, Simplicio, who have made the test, assure you that a cannonball that weighs one hundred pounds (or two hundred, or even more) does not anticipate by even one span the arrival on the ground of a musket ball of no more than half [an ounce], both coming from a height of two hundred braccia.”9

Further, how did he perform the experiments in the first place? What was his goal, and did he get the proof for which he was looking? In addition, the problem that the physicist Istv#n Szabj posed is still unanswered: “It is remarkable that – as far as we know – not a single of the many researchers ask the question, how Galileo came to the thesis ‘that all of the oscillations of a pendulum – the largest, middle, and the smallest – are carried out in exactly equal times’.”

Szabj continues: “The table displays that the differences in the period of pendulums of equal length account for a few hundreds of a second when the amplitude is doubled. These are time spans that could not be measured at the time of Galileo even despite the fact there were some wheel clocks and pocket watches (Nuremberg egg). The calculated differences of 8 Galileo Galilei, Dialogue Concerning the Two Chief World Systems (translated by Stillman Drake), Berkeley, Los Angeles, London 21967, pp. xvii–xix. 9 Galileo Galilei, Two New Sciences (translated by Stillman Drake), Madison, Wisconsin 1974, p. 66.

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the period for amplitudes between 58 and 608 is about 0.2 seconds – a difference imperceptible for Galileo.”10

Physicists differ from historians on this question. The whole subject seems to be a puzzle all of whose pieces possess the same shape. Because the pieces are scattered over Galileo’s writings, the puzzle is difficult to resolve. So, everyone tries different ways, leading to fuzzy pictures of Galileo’s work. This paper offers a proposal to reshuffle the pieces, put them in a different order and try to produce finally a clear, sharp picture. There are no new facts given here. All facts are well known and documented by different historians. New is the way of evaluating and judging those facts. We applied the basic principle of plausibility check and error analysis, which is often used in mathematics and physics to validate the correctness of an experimental set-up and an estimation and preliminary assessment of expected results. This especially includes the correct separation of parameters and application of boundary conditions. Therefore, modern physical principles are used to analyze and evaluate Galileo’s description of his experiments. Those results represent outcomes of the experiments which we would expect today. They are taken into context of Galileo’s world, considering his knowledge and circumstances, trying to understand what Galileo really observed and how he dealt with his discoveries.11 The paper focuses solely on Galileo’s experiments and his desire to topple Aristotle’s physics:12 Because Galileo was educated in Aristotle’s world model, it is essential to summarize Aristotle’s physics as a starting point. Galileo’s inclined-plane experiment will be described and analyzed in detail. The plausibility of Galileo’s technique and results will be checked in relation to medieval physics and with the 10 Istv#n Szabó, Geschichte der mechanischen Prinzipien, Stuttgart 31987, p. 489 (translated by Gottfried Hoffmann). 11 Readers may object that this methodology is anachronistic when applied to medieval writings. However, the laws of physics have not changed. Galileo provided us with partial descriptions of his experimental materials and observational tools. Where he failed to provide exact information, we may rely on contemporaneous description of the kind of materials that would have been available to him. It is astonishing that among the many reconstructions of Galileo’s inclined-plane experiment, no one (not even Thomas Settle or Stillman Drake) followed exactly Galileo’s descriptions and instructions, to the extent that he provided them. The point of this investigation, then, is to analyze the data that he did provide and the parameters that he stipulated to evaluate and assess the results that he could have achieved. By following his description precisely and supplying reasonable estimates for details not described based on contemporaneous evidence, we can evaluate the results that he did achieve with a high degree of confidence. 12 I beg readers’ indulgence for my use of the term ‘physics’ to describe Aristotelian, medieval, Galileian, and modern physics. It is cumbersome to repeatedly substitute ‘natural philosophy’ in those cases where the discussion touches on metaphysical principles, methodology, and the like. For purposes of this essay, which focuses on authors’ accounts of the motions of bodies, and of falling bodies in particular, I implore readers to understand ‘physics’ as referring to descriptions of motions, especially mathematical descriptions of motions.

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help of present-day physics. A critical review of how several historians have received the experiment follows. It will reveal discrepancies between their different points of view and interpretations of this experiment. It will be shown, that the inclined-plane experiment alone was not sufficient to topple Aristotle’s physics. Pendulum experiments performed by Galileo closed the gap and provided the final blow to Aristotle’s account. Therefore, pendulum experiments were an essential part of Galileo’s experimental proof of his new understanding of free fall. Galileo did not set out or intend to develop the experimental technique still in use by physicists, but it turns out that he did develop it incidentally. Finally, it will be shown that all pieces of the puzzle fall into the right places. The resulting picture depicts Galileo not only as the destroyer of the foundation of the Aristotelian universe but also as a founder of modern experimental physics. ***

Galileo Raised Doubts About the World of Aristotle Aristotle’s understanding of the physical world was basically philosophical,13 while Galileo took his physical statements literally and put them to the proof under real world conditions. In order to understand why Galileo “In his Pisan works Galileo can be seen to be firmly, even passionately, anti-Aristotelian. Aristotle, he tells us, never understood anything in physics…”,14 it is helpful to summarize certain theses of Aristotle, presented in his “Physics”15 and “On the Heavens” (De Caelo),16 and to compare them with Galileo’s point of view. The focus here is on those theses which are directly or closely connected with the subject of this paper.

1.

Aristotle’s Definition of Nature

“Some things exist, or come into existence, by nature; and some otherwise. […] And so it is with all manufactured or ‘made’ things: none of them has within itself 13 Joe SACHS, Aristotle’s Physics. A Guided Study, New Brunswick, New Jersey, 1995. 14 Alexandre Koyré, Galileo Studies (translated by John Mepham) (European Philosophy and the Human Sciences 4), Leiden 1978, p. 28. 15 Aristotle, The Physics (translated by Philip Wicksteed and Francis Cornford), Cambridge, Massachusetts; London 1957. 16 Aristotle, On the Heavens (translated by William Guthrie), Cambridge, Massachusetts; London 1939.

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the principle of its own making. […]. This, then, being what we mean by ‘nature’, anything that has in itself such a principle as we have described may be said to ‘possess a nature’ of its own inherently […] lead us to revise our definition of nature as follows: Nature is the distinctive form or quality of such things as have within themselves a principle of motion, such form or characteristic property not being separable from the things themselves, save conceptually. […] Again, nature is etymologically equivalent to genesis and (in Greek) is actually used as a synonym for it; nature, then, qua genesis proclaims itself as the path to nature qua goal. […] for that which is born starts as something and advances or grows toward something else. Toward what, then, does it grow? Not toward its original state at birth, but towards its final state or goal. It is, then, the form that is nature; but, since ‘form’ and ‘nature’ are ambiguous terms, inasmuch as shortage is a kind of form, we shall leave to further investigation whether shortage is, or is not, a sort of contrasted term (opposed to positive form) in absolute generation.”17 Aristotle defined “natural” as everything which inherently possesses the principle of motion in position, material, or form, whereby the motion is always directed towards a “final state or goal”. Every motion forced upon something from an external source he calls “artificial”, “violent”, or “constrained”. Whether Galileo accepted this definition is unclear. In some contexts Galileo seems to have adopted the distinction between naturally circular motions (the motion of heavenly bodies) and naturally rectilinear motions, yet he also concluded in the case of bodies falling freely from rest that they are the product, as it were, of independent circular and rectilinear components.

2.

Aristotle’s Subordination of Mathematics to Physics

“Now that we have determined the different senses in which ‘nature’ may be understood (as signifying either ‘material’ or ‘form’), we have next to consider how the mathematician differs from the physicist or natural philosopher ; for natural bodies have surfaces and occupy spaces, have lengths and present points, all which are subjects of mathematical studies. […] Physicists, astronomers, and mathematicians, then all have to deal with lines, figures and the rest. But the mathematician is not concerned with these concepts qua boundaries of natural bodies, nor with their properties as manifested in such bodies. Therefore, he abstracts them from physical conditions; for they are capable of being considered in the mind in separation from the motions of the bodies to which they pertain, and such abstraction does not affect the validity of the reasoning or lead to any false conclusions. […] The point is further illustrated by those sciences 17 Aristotle, The Physics (n. 15), II, 1, 192b8–193b22, 1, pp. 106–17.

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which are rather physical than mathematical, though combining both disciplines, such as optics, harmonics, and astronomy ; for the relations between them and geometry are, so to speak, reciprocal; since the geometer deals with physical lines, but not qua physical, whereas optics deals with mathematical lines, but qua physical not qua mathematical.”18 In “On the Heavens” Aristotle is even more specific, defining “natural science” as dominant and “mathematics” as subordinate: “The mathematical impossibilities will be physical impossibilities too, but this proposition cannot be simply converted, since the method of mathematics is to abstract, but of natural science to add together all determining characteristics.”19 He defines the role of the physicist: “[…] we may again raise two questions. Which of the two aspects of Nature is it that claims the attention of the physicist? Or is his subject the compositum that combines the two? In that case – if he is with the compositum – he must also inquire into its two factors; and then we must ask further whether this inquiry is the same for both factors or different for each. […] it seems to follow that physics must take cognisance both of the formal and of the material aspect of Nature. […] How far then, is the physicist concerned with the form and identifying essence of things and how far with their material? With the form primarily and essentially […]; with the material up to a certain point. […] For his main concern is with the goal, which is formal; but he deals only with such forms as are conceptually, but not factually, detachable from the material in which they occur.”20

For Aristotle mathematics is subordinate to physics, sometimes a helpful tool to describe physical phenomena, but always with physics as the dominant science. In Galileo’s words: “SALV. Simplicio will not say so, though I do not believe he is one of those Peripatetics who discourage their disciples from the study of mathematics as a thing that disturbs the reason and renders it less fit for contemplation. SIMP. I would not do Plato such an injustice, although I should agree with Aristotle that he plunged into geometry too deeply and became to fascinated with it. After all, Salviati, these mathematical subtleties do very well in the abstract, but they do not work out when applied to sensible and physical matters.”21

Galileo’s understanding of the role of mathematics and physics is different. At first, he remarks in lapidary fashion: “SIMP. […] But I still say, with Aristotle, that in physical (naturali) matters one need not always require a mathematical demonstration. SAGR. Granted, where none is to be had; but when there is one at 18 19 20 21

Ibid., II, 2, 193b22–194a13, 1, pp. 117–21. Aristotle, On the Heavens (n. 16), III, 1, 299a15–18, p. 263. Aristotle, Physics (n. 15), II, 2, 194a16–194b13, 1, pp. 120–27. Galilei, Dialogue (n. 8), p. 203.

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hand, why do you not wish to use it?”22 This was exactly what Galileo tried to do with more or less success: Mathematical solutions for several physical problems in mechanics, astronomy, the chain curve, the trajectory of projectiles, and last but not least free fall. Whenever possible, he attempted to validate his findings by experiments: “This was simply that of combining mathematics and physics in a way never attempted before to unveil the hidden causes behind nature’s operations.”23 Such a “combining” constituted a drastic break with the Aristotelian philosophical approach to Nature.

3.

Aristotle on Motion

Aristotle defines “motion” as a process for all changes in nature. This is his definition of nature. It is not a process by itself, it is the fulfillment of a determined, immanent property of something. “Since Nature is the principle of movement and change, and it is Nature that we are studying, we must understand what ‘movement’ is; for, if we do not know this, neither do we understand what Nature is. […] We must begin, then, as already said, with movement in general or progress from this to that. Now, some potentialities never exist apart, but always reveal themselves as actualized; others, while they are something actually, are capable of becoming something else than they are, that is to say, have potentialities not realized at the moment; and these potentialities may concern their substantive being (what they are) or their quantity or their qualities; and so on with the other categories of existence.”24 “Reverting, therefore, to the universal distinction already established between ‘beingat-the-goal’ in actuality and being in potentiality ‘such-as-is capable-of attaining-thegoal’, we can now define motion or change as the progress of the realizing of a potentiality, qua potentiality, e. g. the actual progress of qualitative modification in any modifiable thing qua modifiable; the actual growing or shrinking (for we have no single word to include them both) of anything capable of expanding or contracting; the process of coming into existence or passing out of it of that which is capable of so coming and passing; the actual moving of the physical body capable of changing its place.”25

There are four kinds of motions: “For, wherever anything changes, it always changes either from one thing to another, or from one magnitude to another, or 22 Ibid., p. 14. 23 William Wallace, Galileo’s Logic of Discovery and Proof, Dordrecht, Boston, London 1992, p. 295. 24 Aristotle, Physics (n. 15), III, 1, 200b12–29, 1, pp. 190–93. 25 Ibid., III, 1, 201a10–16, 1, p. 195.

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from one quality to another, or from one place to another….”26 “Motion” is not a spontaneous process, it needs something to move it from rest, a “mover” – (driving force) that itself is movable and able to initiate motion in something. “Now everything that is capable of motion and which is at rest when not moving, is itself in motion whenever it produces motion in anything else…. But this is effected by the body which has the potentiality of being in motion receiving the impact of a body which is in actual motion, so that the body that becomes active, by entering into motion, at the same time becomes passive to the impact that keeps it in motion….”27

4.

Aristotle on Free Fall

Aristotle’s model of natural motion (including free fall as a special case) can be summarized as follows: 1. Free motion is an intrinsic property of all material bodies consisting of the four elements in the world. Their natural movement is either toward the center of the universe (down) or toward the periphery (up): “Moreover the trends of the physical elements (fire, earth, and the rest) show not only that locality or position is a reality but also that it exerts an active influence; for fire and earth are borne, the one upwards and the other downwards, if unimpeded, each toward its own ‘position’….”28

2. Heavy and light material move in the correct direction because they move in the direction of their natural places; in other words, elemental motion is naturally directional: “Let ‘the heavy’ then be that whose nature it is to move toward the center, ‘the light’ that whose nature it is to move away from the center, ‘heaviest’ that will sink below all other bodies whose motion is downwards, ‘lightest’ that which rises to the top of the bodies whose motion is upwards. Thus every body which moves downwards or upwards must have either lightness or weight or both.”29

3. This movement usually would not require an external cause. The material moves because it is its natural, intrinsic property : “…we may start from this, that all natural bodies and magnitudes are capable of moving of themselves in space; for nature we have defined as the principle of motion in them.”30

26 27 28 29 30

Ibid., III, 1, 200b33–34, Wicksteed tr., 1957, Vol. 1, p. 195. Ibid., III, 2, 202a3–8, Wicksteed tr., 1957, Vol. 1, p. 205. Ibid., IV, 1, 208b8–13, Wicksteed tr., 1957, Vol. 1, p. 279. Aristotle, On the Heavens (n. 16), I, 3, 269b22–28, p. 19. Ibid., I, 2, 268b13–15, p. 11.

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4. Aristotle distinguished between ‘natural’ and ‘forced’ movements: “Of the proper subjects of motion some are moved by themselves and other by something not themselves, and some have a movement natural to themselves and others have a movement forced upon them which is not natural to them. Thus the selfmoved has a natural motion.”31

5. The problem is to understand the driving force for the natural movement of light and heavy bodies: “[…] and it is here that we come to grips with the real difficulty, viz. the question what is the agent of the natural movements of bodies heavy and light. For such bodies can be forced to move in directions opposite to those natural to them; but whereas it is obvious that light things go up and heavy ones down ‘by nature’, we have not yet arrived at any clear conception as to what is the agent of this ‘natural’ movement, as we have done in the case of the enforced and unnatural movements. For we cannot say that such bodies, when moving naturally, ‘move themselves’, for this is proper to animals that have life, and if light and heavy bodies moved themselves up and down they would be able to stop themselves also – I mean that if an animal can make itself march it can also make itself stop marching – so that if fire makes itself move upwards it should be able to make itself move downwards also. If they moved themselves there would be no sense in saying that they could only move in one direction.”32

The driving force is to be found in the “inherent potentiality” of the body : “So, then, when fire and earth are moved by some agent, whereas the motion is forcible when it is contrary to their nature, it is natural when they actually engage in their proper movements, the potentiality for which was already inherent in them.”33

And the final answer : “If the question is still pressed why light and heavy things tend to their respective positions, the only answer is that they are natured so, and that what we mean by heavy and light as distinguished and defined is just this downward or upward tendency. As we have said, here too there are different stages of potentiality.”34

6. For Aristotle “motion” requires always a “mover”: “Since then all things that are in motion either move according to their proper nature or in violation of it and under compulsion; and all things whose movement is unnatural are set in motion by some agent external to them; and things whose movement is natural are also set in motion by some agent, whether (like animals) they move themselves …, or do not move themselves, as for instance light and heavy substances, which are moved either directly by what agent so ever generates them and makes them 31 32 33 34

Aristotle, Physics (n. 15), VIII, 4, 254b13–18, 2, p. 307. Ibid., VIII, 4, 255a3–13, 2, pp. 309–311. Ibid., VIII, 4, 255a29–31, 2, p. 313. Ibid., VIII, 4, 255b14–19, 2, p. 315.

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light or heavy, or incidentally by the agent that removes the obstruction or hindrance – if all this is so, I say it follows that all things in motion are moved by some agent.”35

7. If there is a natural movement, to which point is it directed? “So the centre of the universe and the inner surface of the revolving heavens constitute the supreme ‘below’ and the supreme ‘above’; the former being absolute stable, and the latter constant in its position as a whole. And since what we mean by ‘upwards’ is the direction taken by what is buoyant, and ‘downwards’ that taken by what is heavy, the limiting surface of a body towards the centre and that centre itself are below it, and the limiting surface towards the inner periphery and that periphery itself above it.”36

And so does he define “centre”: “Thirdly, the natural motion of the earth as a whole, like that of its parts, is toward the centre of the Universe: that is the reason why it is now lying at the centre. It may be asked, since the centre of both is the same point, in which capacity the natural motion of heavy bodies, or parts of the earth, is directed toward it; whether as the centre of the Universe or of the earth. But it must be towards the centre of the Universe that they move, seeing that light bodies like fire, whose motion is contrary to that of the heavy, move to the extremity of the region which surrounds the centre. It so happens that the earth and the Universe have the same centre, for the heavy bodies do move also towards the centre of the earth, yet only incidentally, because it has its centre at the centre of the Universe. As evidence that they move also towards the centre of the earth, we see that weights moving towards the earth do not move in parallel lines but always at the same angles to it: therefore, they are moving towards the same centre, namely that of the earth. It is now clear that the earth must be at the centre and immobile. To our previous reasons we may add that heavy objects, if thrown forcibly upwards in a straight line, come back to their starting-place, even if the force hurls them to an unlimited distance.”37

8. Natural movement is uniform but is accelerated instrumentally by the force of the medium, acting on the body : “Nature is a cause of movement in the thing itself, force a cause in something else, or in the thing itself regarded as something else. All movement is either natural or enforced, and force accelerates natural motion (e. g. that of a stone downwards), and is the sole cause of unnatural. In either case the air is employed as a kind of instrument of the action, since it is the nature of this element to be both light and heavy. In so far as it is light, it produces upward movement, as the result of being pushed and receiving the impulse from the original force, and in so far as it is heavy the downward. In either case the original force transmits the motion, so to speak, impressing it on the air. That is the reason why an object set in motion by compulsion continues in motion though the mover does not follow it up. Were it not for a body of the nature of air, there could not be 35 Ibid., VIII, 4, 255b32–256a5, 2, p. 317. 36 Ibid., IV, 4, 212a20–30, 1, p. 315. 37 Aristotle, On the Heavens (n. 16), II, 14, 296b8–26, pp. 243–45.

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such thing as enforced motion. By the same action it assists the motion of anything moving naturally.”38

If the medium is the ‘instrument’ and as a property of the stationary medium (in Aristotle’s world) it is constant, then the increase of speed Dv must be proportional to the distance Ds traveled. Galileo was captivated at first by Aristotle’s thinking of a constant velocity of the falling body in the absence of a medium. So, in a letter to Sarpi (Oct. 16, 1604),39 Galileo still proposed the proportionality between velocity and distance v / s. The elimination or reduction of the effect of the air in his first inclined-plane experiment led to the still erroneous conclusion that v / s2.40 In order to establish the correct relation, Galileo had to break with the traditional thinking and to introduce time as the determining factor. 9. Air, as every medium, acts as a resistance opposing the motion and reducing the velocity of the body : “The shapes of bodies are not responsible for the actual downward or upward direction of their motion, but for making this motion faster or slower. It is not hard to see how they do this: the question at issue is why flat objects of iron or lead float on water, whereas others, smaller and less heavy, if they are round or elongated – a needle for instance – sink; and why certain bodies float on account of their smallness, like metal filings and other earthy or dust like particles in the air. […] But since some continuous bodies are more easily divided than others, and in the same way some are more efficient agents of fission than others, it is here that we must suppose the causes to lie. […] But since there exist at the same time (a) the weight possessing a certain strength of downward impulse, and (b) the continuity of the resisting body working against its cleavage, these two forces must come into conflict. If the strength exerted by the weight in the direction of cleavage and division exceeds the resistance of the continuum, then the body will force its way so much the more quickly downwards; but if it is weaker, it will keep on the surface.”41

And more specifically : “We see that the velocity of a moving weight or mass depends on two conditions: (1) the distinctive nature of the medium – water, earth, or air – through which the motion occurs, and (2) the comparative gravity or levity of the moving body itself, other conditions being equal. (1) Now the medium reduces velocity all the more if itself moving in the opposite direction, but it also reduces it, though in a lesser degree, if it is quiescent; and this impedium of motion is proportional to the resistance the medium offers to cleavage, which is to say its density. Thus, if one medium is easier to cleave than another, the time taken in travelling a given distance through it will be proportionally 38 Ibid., III, 2, 301b18–30, pp. 279–81. 39 The letter is cited in Damerow (n. 2), p. 354. 40 Winifred Wisan, The New Science of Motion. A Study of Galileo’s De motu locali, in: Archive for History of Exact Sciences 13,2 (1974), pp. 103–306, at p. 207, and Appendix I. 41 Aristotle, On the Heavens (n. 16), IV, 6, 313a14–313b22, pp. 367–69.

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less. […] (2) as to the differences that depend on the moving body themselves, we see that of two bodies of similar formation the one that has the stronger trend (i. e. […] either (to) the greater size of the one body if they are of the same texture or to its greater gravity or levity if they are of the same size – footnote a) downward by weight or upward by buoyancy, as the case may be, will be carried more quickly than the other through a given space in proportion to the greater strength of this trend. […] for when there is anything there to cleave, the body superior in force of its thrust will necessarily cleave the medium faster, since either its more suitable shape or the natural thrust it exercises, whether following its natural movement or being thrown, makes it cleave the better. Where there is nothing to cleave, therefore, all bodies will move at the same velocity ; which is impossible.”42

Galileo sees the effect of the medium simply as a resistance and denies its accelerating force: “I say, then, that a heavy body has from nature an intrinsic principle of moving toward the common center of heavy objects (that is, of our terrestrial globe) with a continually accelerated movement, and always equally accelerated, so that in equal times there are added equal new momenta and degrees of speed. This must be assumed to be verified whenever all accidental and external impediments are removed. Among these, there is one that we cannot remove, and that is the impediment of the filled medium that must be opened and moved laterally by the falling moveable. The medium, though it be fluid, yielding, and quiet, opposes that transverse motion now with less, and now with greater resistance, according as it must be slowly or swiftly opened to give passage to the moveable, which, as I said, goes by nature continually accelerating, and consequently comes to encounter continually more resistance in the medium. This means [some] retardation and diminution in the acquisition of new degrees of speed, so that ultimately the speed gets to such a point, and the resistance of the medium to such a magnitude, that the two balance each other, prevent further acceleration, and bring the movement to an equable and uniform motion, in which it always [thereafter] continues to maintain itself. Thus there is an increase of resistance in the medium, not because this changes its essence, but because of change in the speed with which the medium must be opened and moved laterally to yield passage to the falling body that is successively accelerated.”43

10. The consequences are twofold: 10.1 Natural movement is accelerated as the naturally moved body approaches its natural place (Aristotle simply did not have the tools to prove this assumption): “But a thing that is coming to a standstill seems always to be moving with a quickening velocity, whereas what is forced against its nature is always losing velocity […] Besides it is generally recognized that ‘coming to a standstill’ is either identical with a thing’s 42 Aristotle, Physics (n. 15), IV, 8, 215a25–216a21, 1, pp. 351–57. 43 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 118–119, pp. 77–78.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

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moving to its proper place or a concomitant of that motion.”44 “Further evidence for the finite character of local motion is provided by the fact that earth moves more quickly, the nearer it is to the centre, and fire, the nearer it is to the upper limit.”45

That leads to a dilemma: the accelerated thing must come to an abrupt stop when the natural place (the center) is reached, because: “[…] the centre is determined, for wherever the downward-moving body may come from, it cannot pass farther than the centre.”46

Aristotle did not elaborate this problem further, but Galileo did: “Salv. So that if the terrestrial globe were pierced by a hole which passed through its center, a cannon ball dropped through this and moved by its natural and intrinsic principle would be taken to the center, and all this motion would be spontaneously made and by an intrinsic principle. Is this right? Simp. I take that to be certain. Salv. But having arrived at the center is it your belief that it would pass on beyond, or that it would immediately stop its motion there? Simp. I think it would keep on going a long way. Salv. Now wouldn’t this motion beyond the center be upward, and according to what you have said preternatural and constrained? But upon what other principle will you make it depend, other than the very one which has brought the ball to the center and which you have already called intrinsic and natural? Let me see you find an external thrower who shall overtake it once more to throw it upward.”47 And: “Salv. …From this it seems possible to me (arguing with a certain latitude) to believe that if the terrestrial globe were perforated through the center, a cannon ball descending through the hole would have acquired at the center such an impetus from its speed that it would pass beyond the center and be driven upward through as much space as it has fallen, its velocity beyond the center always diminishing with losses equal to the increments acquired in the descent; and I believe that the time consumed in this second ascending motion would be equal to its time of descent.”48

10.2 The velocity of a freely falling body is directly correlated with its weight:49 “If a certain weight moves a certain distance in a certain time, a greater weight will move the same distance in a shorter time, and the proportion which the weights bear to one 44 45 46 47 48 49

Aristotle, Physics (n. 15), V, 6, 230b23–27, 2, pp. 79–81. Aristotle, On the Heavens (n. 16), I, 8, 277a28–30, p. 77. Ibid., I, 6, 273a11–12, Guthrie tr., 1939, p. 45. Galilei, Dialogue (n. 9), p. 236. Ibid., p. 227. Although the correlation cannot be used to calculate an actual velocity, Aristotle expresses only that velocity is rather relative (v1/v2=w1/w2) within the same medium. As we saw above, a medium resists motion yet is also instrumental in accelerating a body in motion. Because Aristotle assumed that all local motion of a body through a medium involves displacement, the relation between weight and the density of the medium is also proportional. For example, the same weight sufficiently heavy to move through media of different density moves at a certain velocity in air, more slowly in water, and even more slowly in oil.

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another, the times too will bear to one another, e. g. if the half weight cover the distance in x, the whole weight will cover it in x/2.”50 “We see that the velocity of a moving weight or mass depends on two conditions: (1) the distinctive nature of the medium – water, earth, or air – through which the motion occurs, and (2) the comparative gravity or levity of the moving body itself, other conditions being equal. (1) Now the medium reduces velocity all the more if it is itself moving in the opposite direction, but it also reduces it, though to a lesser degree, if it is quiescent; and this impedium of motion is proportional to the resistance the medium offers to cleavage, which is to say its density. Thus, if one medium is easier to cleave than another, the time taken in travelling a given distance, though it will be proportionately less. E. g., if the media are water and air, the ratio of air’s cleavableness and unsubstantiality to that of water will give the ratio of the velocity of the passage through air to that through water. Velocity in air : velocity in water = Cleavability of air: cleavability of water. So, if air is twice as easy to cleave as water, the passage through air will be twice as swift, and the time taken in covering a given distance half as long in air as in water.”51

Galileo strongly disputes these assumptions and statement: “Sagr. But I, Simplicio, who have made the test, assure you that a cannonball that weighs one hundred pounds (or two hundred, or even more) does not anticipate by even one span the arrival on the ground of a musket ball of no more than half [an ounce], both coming from a height of two hundred braccia.”52 “Salv. I have taken it as true that the speeds of naturally falling bodies follow the proportions of their weights, out of regard to Simplicio and Aristotle, who declares this in many places as an evident proposition…. Of this I adduce experiment as the proof, which will show us that a weight thirty or forty times heavier than another (for example a ball of lead and another of cork) will scarcely move more than twice as fast.”53 “Salv. Since you want to admit this, Simplicio, you must also believe that a hundred-pound ball and a one-pound ball of the same material being dropped at the same moment from a height of one hundred yards, the larger will reach the ground before the smaller has fallen a single yard. Now try, if you can, to picture in your mind the large ball striking the ground while the small one is less than a yard from the top of the tower.”54

But he is also aware of strong opposition of traditional thinkers: “Sagr. I have no doubt in the world that this proposition is utterly false, but I am not quite convinced that yours is completely true; nevertheless, I believe it because you affirm it so positively, which I am sure you would not do unless you had definite experiments or rigid proofs.”55

50 51 52 53 54 55

Aristotle, On the Heavens (n. 16), I, 6, 273b30–274a3, pp. 49–51. Aristotle, Physics (n. 15), IV, 8, 215a25–215b10, 1, pp. 351–53. Galilei, Two New Sciences (n. 9), p. 66. Galilei, Dialogue (n. 8), p. 202. Ibid., p. 223. Ibid., p. 223, Sagredo’s answer follows directly the previous statement by Salviati.

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“Salv. …Aristotle says, ‘A hundred-pound iron ball falling from the height of a hundred braccia hits the ground before one of just one pound has descended a single braccio.’ I say that they arrive at the same time. You find, on making the experiment, that the larger anticipates the smaller by two inches; that is, when the larger one strikes the ground, the other is two inches behind it. And now you want to hide, behind those two inches, the ninety-nine braccia of Aristotle, and speaking only of my tiny error, remain silent about his enormous one.”56

11. Summary : Aristotle’s physics of free fall can be treated as a three-action movement: – The ‘natural’, uniform velocity, either directed towards the center of the Universe or towards the periphery. – The acceleration by the medium, leading to Dv / Ds. – The resistivity of the medium is proportional to the density and is not valid for a vacuum. Before Galileo, it was the “‘common teaching’ (based upon Aristotle’s physics) that the velocity increases by proportional parts, corresponding to the proportional parts of the distance traversed, which would be equivalent to holding that it increases linearly with distance of fall.”57 In his early studies, when Galileo was still restrained by this ‘common teaching’, he tried to separate the three parameters. By setting up his early inclined-plane experiment, he could exclude or minimize the resistivity, but he could not separate ‘natural’ velocity and acceleration. This led him to the erroneous conclusion that v / s 2.58 Once he broke with the tradition, he defined the ‘natural’ as a uniformly accelerated velocity and introduced time as the determining factor. Now, free fall was a two-action motion: – A general downwards directed, uniformly accelerated movement. – The resistivity of the medium. Then, he repeated his experiment, using his newly invented water clock for time measurement and was able to establish the correct relation.59

56 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 109, p. 68. 57 William Wallace, The Enigma of Domingo de Soto. Uniformiter difformis and Falling Bodies in Late Medieval Physics, in: Isis 59,4 (1968), pp. 384–401, at p. 398. 58 Wisan (n. 40), p. 207, Appendix I. 59 Interestingly, Domingo de Soto’s (1494–1560) proposal that the “precise sense of motion uniformly accelerated with time”, Wallace, Enigma (n. 57), p. 399, “was, to all intents and purposes, buried under a mass of theology and Aristotelian philosophy”, Bernhard Cohen, The Birth of a New Physics, New York, London 1985, p. 104.

138 5.

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How to topple a physical world model?

Galileo grew up and was educated in a world dominated by Aristotle’s philosophy. Yet, as a student during his time at Pisa, he became critical of some of Aristotle’s theses and discovered that Aristotle’s world model in some respects is not in agreement with observable experience: “SAGR. […] I also recall that when I was studying philosophy I was not convinced by Aristotle’s proof. Indeed, I have had many experiences to the contrary.”60 But how is it possible to overturn the traditional way of thinking and what is necessary to convince and change the mind of the world? Although it will take a generation (or even several of them) until a new science is established61 in fact, a single experimental result which contradicts the predictions and perceptions of the standards can trigger the revolution. However, this result must be objective, valid, verified, and, last but not least, every time and at every place repeatable. So, the mechanistic world model was toppled by Michelson’s experiment62 and a single atomic or subatomic particle traveling with a speed faster than the speed of light (in a vacuum) would send shock waves through the physics society.63 Galileo knew that a single fact or an undeniable doubt could destroy Aristotle’s world but also that he had to develop the tools for an unassailable proof to build a new scientific world: “Salv. …Now whenever defects are seen in the foundations, it is reasonable to doubt everything else that is built upon them. I do not deny that what Aristotle has introduced up to this point, with a general discourse upon universal first principles, is reinforced with specific reasons and experiments later on in his argument, all of which must be separately considered and weighed. But what has already been said does present many and grave difficulties, whereas basic principles and fundamentals must be secure, firm, and well established, so that one may build confidently upon them. Hence before we multiply doubts, it would not be amiss to see whether (as I believe) we may, by taking another path, discover a more direct and certain road, and establish our basic principles with sounder architectural precepts.”64

***

60 Galilei, Dialogue (n. 8), p. 278. 61 E. g. Thomas Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions, Chicago 1962. 62 Albert Abraham Michelson, The Relative Motion of the Earth and the Luminiferous Ether, in: American Journal of Science 22 (1881), pp. 120–29; and Idem, Edward Morley, On the Relative Motion of the Earth and the Luminiferous Ether, in: American Journal of Science 34 (1887), pp. 333–45. 63 OPERA Collaboration. Measurement of Neutrino Velocity with the OPERA detector in the CNGS Beam, Cornell University Library, arXiv :1109.4897, 2012 (online: http://arxiv.org/abs/ 1109.4897, last accessed 01/14/2017). 64 Galilei, Dialogue (n. 8), pp. 18–19.

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139

Galileo’s Inclined-Plane Experiment 1.

The Experiment

Galileo’s goal was the rebuttal of Aristotle’s thesis that heavier bodies fall faster than lighter ones. He knew that a single falsification would eventually lead to the collapse of Aristotle’s physical model and would open up the mind for new ideas and a new understanding of the laws of nature: “Salv. What I have set forth thus far is new; especially that no difference of weight, however great, plays any part at all in diversifying the speeds of moveables, so that as far as speed depends on weight, all moveables are moved with equal celerity. At first glance, this seems so remote from probability that, if I did not have some way of elucidating it and making it clear as daylight, it would have been better to remain silent than to assert it. So now that it has escaped my lips, I must not neglect any experiment or reason that can corroborate it.”65

Galileo described the experiment that should falsify Aristotle in his “Discorsi e Dimostrazioni matematiche, intorno / due nuove scienze”66 (see Figure 1). In the translation of S. Drake, it reads: “In a wooden beam or rafter about twelve braccia long, half a braccio wide, and three inches thick, a channel was rabbeted in along the narrowest dimension, a little over an inch wide and made very straight; so that this would be clean and smooth, there was glued within it a piece of vellum, as much smoothed and cleaned as possible. In this there was made to descend a very hard bronze ball, well rounded and polished, the beam having been tilted by elevating one end of it above the horizontal plane from one to two braccia, at will. As I said, the ball was allowed to descend along [per] the said groove, and we noted (in the manner I shall presently tell you) the time that it consumed in running all the way, repeating the same process many times, in order to be quite sure as to the amount of time, in which we never found a difference of even the tenth part of a pulse-beat. This operation being precisely established, we made the same ball descend only one-quarter the length of this channel, and the time if its descent being measured, this was found always to be precisely one-half the other. Next making the experiment for other lengths, examining now the time for the whole length [in comparison] with the time of one-half, or with that of two-thirds, or of three-quarters, and finally with any other divisions, by experiments repeated a full hundred times, the spaces were always found to be to one another as the squares of the times. And this [held] for all inclinations of the plane; that is, of the channel in which the ball was made to descend, where we observed also that the times of descent for diverse inclinations maintained among themselves accurately that ratio that we shall find later assigned and demonstrated by our Author. As to the measure of time, we had a large pail filled with water and fastened 65 Galilei, Two New Sciences, 127, p. 86. 66 Galileo Galilei, Discorsi e Dimostrazioni Matematiche intorno a due nuoue scienze, Leiden 1638 (online: http://www.e-rara.ch/doi/10.3931/e-rara-3923, last accessed 01/12/2017).

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from above, which had a slender tube affixed to its bottom, through which a narrow thread of water ran; this was received in a little beaker during the entire time that the ball descended along the channel or parts of it. The little amounts of water collected in this way were weighed from time to time on a delicate balance, the differences and ratios of the weights giving us the differences and ratios of the times, and with such precision that, as I have said, these operations repeated time and again never differed by any notable amount.”67

Figure 1: The inclined-plane experiment in Galileo’s “Two New Sciences”, in the Leiden Edition of 1638.68

67 Galilei, Two New Sciences (n.9), 212–13, pp. 169–70. 68 Ibid., pp. 175–76.

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2.

Analysis

2.1

The Length of the Board

141

The actual length of one braccio varied widely in medieval Italy between 0.55 m and 0.7 m69 (according to Drake: 0.584 m70). Assuming one braccio of about 0.6 m, the total length of the board can be estimated to about 7.2 m. 2.2

The Angle of Slope

Galileo defines the ratio of height and length of the tilted board as clear ratios of 1/12 and 1/6. Everyone, even without knowledge of trigonometric functions and independently of the measuring system, can easily repeat the experiment. The resulting angles can be seen from Table 1. Table 1: Angle of the slope of Galileo’s inclined plane slope

1/12

1/6

sin a arc sin a

0.0833 4.88

0.166 9.68

2.3

The Groove

The width of the groove is given as a little more than one finger, which is about 20 mm.71 The cross section should have been less than half a circle, because it would have been easier to make it straight, smooth and polished. Galileo lined the surface with parchment in order to smooth surface irregularities even more and to reduce friction, especially between the rolling ball and the side walls of the groove. 2.4

The Sphere

Galileo used a spherical bronze ball without mentioning the diameter. Therefore, the diameter of the ball could be smaller or larger than the diameter of the groove

69 Cf. https://sizes.com/units/braccio.htm, last time visited 01/14/2017. 70 Galilei, Two New Sciences (n.9), p. xxxiii. 71 Ronald Zupko, A dictionary of weights and measures for the British Isles. The Middle Ages to the twentieth century, Philadelphia 1985, pp. 109–10 (online: https://books.google.de/ books?id=0 l_k-XMIiQIC& pg=PA109& redir_esc=y#v=onepage& q& f=false, last accessed 01/14/2017).

142

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(see 3.2.5). How precise and smooth such a sphere could be manufactured in medieval times is not known, but we cannot expect today’s standard. 2.5

Calculation of the Expected Time of Descent

Today it is simple to calculate the expected running time of the ball along the length (l) of the board. However, the minimum time would be achieved with pure, frictionless sliding which we can exclude here. Therefore, the calculation will be performed for pure and straight rolling. Effects which affect the actual rolling time such as contact with the side wall, will be discussed. Because we do not know the original diameter of the ball, we will perform the calculation with different diameters and assess the results. 2.5.1 Diameter of the ball smaller than the diameter of the groove Pure rolling, i. e. without any sliding or touching the walls of the groove, requires three conditions: – the coefficient of static friction must be great enough to prevent sliding – the angle of the slope must be great enough to overcome rolling resistivity – the ball must follow a straight line of descent. Assuming straight rolling, the minimum time (t) a ball would need to travel the length l(t) is given by72 5

It follows with

g

lðtÞ ¼ 7 ? 2 ? t 2 ? sina qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi 14?lðt Þ t ¼ 5?g?sina l(t) = straight length of rolling pass t = rolling time g = gravitational acceleration = 9.81 a = angle of the slope 5/7 = correction factor, considering the moment of inertia of the rolling sphere.

(Eq. 1). (Eq. 2) [m] [s] [m/s2] [grd]

There are some conclusions we can draw directly from the formula: – the rolling time is longer than for pure, frictionless sliding by the factor rffiffiffi 7 ¼ 1:18. 5 – the rolling time is independent of the size (diameter) of the ball. 72 Cf. http://me–lrt.de/a44-rollen-schiefe-ebene-tragheitsmoment-kugel-zylinder, last accessed 01/14/2017.

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– the rolling time is independent of the mass of the ball. l t2 – the ratio 1 ¼ 12 is identical for pure sliding and rolling. l2 t 2

143

(Eq. 3)

For Galileo’s inclined plane, the minimum rolling times calculated are listed in Table 2 (see also Figure 2). Slope = 1/12

Slope = 1/6

Time [s]

10

1 1

10

Travel Distance [m]

Figure 2: Time of descent of Galileo’s inclined-plane experiment

Table 2: Minimum time of descent of Galileo’s inclined-plane experiment slope l(t)

1/12 ~7m

1/6 ~7m

time of descent

~ 5 sec

~ 3.5 sec

Conclusions: In order to perform the tests as described by Galileo, the time must be measured within fractions of a second.73 The given data are minimum theoretical times. In reality, the ball will not follow the theoretical straight line, so the expected test data will be longer. The bigger the diameter of the ball, the greater the likelihood of contact between the wall of the groove and the ball. In this case, additional energy is removed by friction and also an additional force is applied to the ball in the direction reverse from and perpendicular to the rolling direction. The effect will reduce the rolling speed and lead to further prolonging of the time of descent. It is not possible to calculate the errors due to the effects of points 2 and 3. To minimize possible errors, the ball should be as small in diameter as 73 S. section 3.

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possible but large enough to overcome the rolling resistivity. As long as the error is not too big, the effect will be similar for all lengths measured. So, the used ratio of the square of the measured descending time will be minimally affected. 2.5.2 Diameter of the ball larger than the diameter of the groove The ball now contacts the edge of the groove. In this case, the rolling radius (x) is no longer identical with the radius (r) of the ball, which determines the moment of inertia as can be seen from Figure.3.74

Figure 3: Rolling of a ball supported by two rods.

The ball will rotate faster which causes additional rotational energy. Therefore, the time of descent is longer compared with pure rolling. The acceleration can be calculated by €z ¼

g ? sina 2r2

1 þ 5x2

(Eq. 4)

However, the edges of the groove will not be perfectly aligned, causing different rolling radii (right and left) and therefore additional friction and rotational moments. The error due to this effect cannot be calculated and has to be determined empirically.

74 Cf. http://me–lrt.de/a44-rollen-schiefe-ebene-tragheitsmoment-kugel-zylinder, last time visited 01–14–2017.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

2.6

145

What diameter would Galileo have used?

Galileo’s description (“In this [groove]”) and the use of parchment within the groove, makes it most likely that he used a diameter of the ball smaller than the diameter of the groove. Because the diameter does not affect the outcome of the experiment, the actual size of the ball is not important. As a good observer, he might be aware of the possibility of contact with the wall. Therefore, the use of parchment makes sense, not only to smoothen the surface, but also to reduce the coefficient of friction when the ball contacts the wall.

3.

Galileo’s Options for Measuring the Time

The calculation of the travel time showed that Galileo had to have a very precise clock that not only had to be started and stopped easily but also allowed the precise measuring of fractions of a second. 3.1

What was “time” in Galileo’s world?

Aristotle’s definition of time was still valid: “And not only do we measure the length of uniform movement by time, but also the length of time by uniform movement, since they mutually determine each other ; for the time taken determines the length moved over (the time taken determines the space unit), and the length moved over determines the time taken.”75 To measure the time, a standard movement was required that repeated itself and was uniform as possible: “If, then, the standard once fixed measures all dimensionality of its own order, a uniform rotation will be the best standard, since it is easiest to count.”76 The most obvious movement was the movement of the sun, i. e. the solar day77, which was divided into 24 hours, 1440 minutes, and 86400 seconds. However, the solar day varies over the course of the year78 and so the given number of seconds (and therefore the definition of a second) is exact only at the mean solar day.79 In 75 Aristotle, Physics (n. 15), IV, 12, 220b15–220b20, p. 399. 76 Ibid., IV, 14, 223b18–223b20, p. 423. 77 Ibid., IV, 14, Footnote c, p. 423: “Aristotle does not say what particular circular motion we are to take as our standard, but the commentators are probably right in supposing that for practical purposes he accepted the solar day, though on all theoretical grounds he should have taken the stellar day, as registering (in his astronomy) the prime heavenly movement and one that by the science of the day (which recognized differences in the length of the solar day, measured from one southing of the sun to another, at different seasons of the year) would seem to be demonstrably uniform.” 78 E. g. Bryan Penprase, The Power of Stars. How Celestial Observations Have Shaped Civilization, New York 2011. 79 This was done by Huygens – see 3.2.2.

146

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Galileo’s time there was no way to measure the exact length of the solar day because there was no device available which could count exactly the huge number of seconds. So the actual duration of a second was not known and there was no way to measure even fractions of a second. This was the situation Galileo was confronted with, and he was searching for solutions. 3.2

Possible solutions

3.2.1 The heart-beat In his writings, Galileo referred to the pulse-beat several times and it is obvious that he used it especially during his early works and before he invented the water clock. He knew too well that the pulse may be relatively constant only for a short period of time. As an excellent observer, he could have realized that – the pulse is not constant over time, – the pulse of different people is different, – the pulse does not allow precise measurement of fractions. So, the pulse could be used only for preliminary estimations and rough comparison of movements. Before he had the chance to measure time more precisely, this was his sole alternative which ultimately led to erroneous hypotheses which he corrected later in life.80 3.2.2 The pendulum Galileo used an almost perfect “mathematical” pendulum, consisting of a small but heavy ball and a long, flexible string. The uniform movement of a pendulum may have surprised Galileo and inspired his creativity to use it as an instrument to measure the time: “Salv. First of all, it is necessary to note that each pendulum has its own time of vibration, so limited and fixed in advance that it is impossible to move it in any other period than its own unique and natural one.”81 But he also realized that his pendulum was absolutely unusable for this purpose. He discovered that the damping of the vibration led the pendulum to a standstill in a relatively short time: “Salv. …This is clearly seen in a heavy pendulum which, drawn fifty or sixty degrees from the vertical, gains that speed and force [virtF] which precisely suffices to push it to an equal height, except for that little that is taken away by the impediment of the air.”82 “Salv. …But note that if a lead pendulum is drawn, say, fifty degrees from the vertical and released, it passes beyond the vertical and runs almost another fifty, describing an arc of nearly one 80 We will return to this point later in this paper (see Appendix I). 81 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 141, p. 99. 82 Ibid., 138, p. 96.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

147

hundred degrees. Returning of itself, it describes another slightly smaller arc; and continuing its oscillations, after a great number of these it is finally reduced to rest.”83 To keep the pendulum in motion, additional energy has to be applied directly to the ball such as blowing against the ball: “Salv. …On the other hand, we confer motion on any pendulum, though heavy and at rest, by merely blowing on it. This motion may be made quite large if we repeat our puffs; yet it will take place only in accord with the time appropriate to its oscillations. If at the first puff we shall have removed it half an inch from the vertical, by adding the second when, returned toward us, it would commence its second vibration, we confer a new motion on it; and thus successively with more puffs given at the right time (not when the pendulum is going toward us, for thus we should impede the motion and not assist it), and continuing with many impulses, we shall confer on it impetus such that much greater force than a breath would be needed to stop it.”84

However, to keep the pendulum going for days and months in order to measure the lengths of the days was practically impossible. Furthermore, Galileo’s pendulum was not designed to count the number of swings automatically. Because the string was mounted to the ceiling at a fixed point, it is not possible to transfer the movement to a mechanical device which would be necessary to record the swings over a long period of time. Despite the fact that Galileo knew about the correlation of the length of the pendulum and the period,85 it would have been extremely difficult to adjust and calibrate it according to the solar day. Huygens,86 almost 50 years after Galileo’s death, invented and treated mathematically the physical pendulum. It consists of a rigid, solid rod and a mass, that can be easily slid up and down the rod. In connection with a balance wheel it was now possible to – add the required energy at the pivoting point and keep the pendulum going; – transfer the swing of the pendulum into a rotational movement which could be easily connected to a gear train to count the number of swings; – calibrate the period in order to achieve the exact number of swings according to the solar day ; – establish the tables with the correction value for each day of the year. Galileo could have used the pendulum in order to determine the relative time of the ball rolling down the inclined plane. However, it would be very difficult to 83 Ibid., 129, p. 88. 84 Ibid., 141, p. 99. 85 “Salv. …As to the ratio of times of oscillation of bodies hanging from strings of different lengths, those times are as the square roots of the string lengths”, Galilei, Two New Sciences (n. 9), 139, p. 97. 86 Christiaan Huygens, Horologium Oscillatorium (translated by Richard Blackwell), Iowa 1986.

148

Gottfried Hoffmann

measure and correlate both movements at the same time and it would be also difficult to determine the exact position of the pendulum in order to measure fractions of a half swing. 3.2.3 The water clock The ancient clock. Since ancient times it is known that a certain time span can be measured by observing the water level in a container that flows out by a small hole in the bottom. The conical (ideal: parabolic) shape of the container takes into account the reduced flow according to the lowering of the water level.87 If manufactured with the correct angle, the water level was lowered proportionally to the time passed. It was usually used to track time spans in fractions of an hour, e. g. for limiting the time of speeches. The first self-regulating clock was invented by Ktesibios. A proportional controller with negative feedback kept the water level constant over a long period of time. Therefore, “the clock was the most accurate clock for more than 1800 years.”88 However, it cannot be used for start and stop operations. Stopping the outflow of water from the second container, leads to a rise of its water level, causing the inlet-valve that controls the feeding flow to be closed. Therefore, under those conditions, the water level in the second container that determines the volume of the outflow was not constant anymore. For Galileo, this clock could not be used, because he needed a device that could be started and stopped easily and could count seconds and even fractions of a second. Galileo’s water clock. It is plausible to assume that Galileo was inspired by the ancient water clock to invent his own, easy to operate and precise. He likely understood that the flow of water is constant as long as the water level in the container does not change significantly. Because he needed the flow only for a few seconds, the water level was almost unaffected if the reservoir was big enough. By watching carefully the water level and throwing the weighted amount of water back into the reservoir, he could make use of the constant flow for a long time. How accurate is his water clock? Galileo describes the accuracy of the time measurements thus “that the deviation between two observations never exceeded one-tenth of a pulse beat.” That can be easily determined by measuring the amount of water collected during 5 or 10 pulse beats. If his accounts are correct then we can assume an absolute error of about 0.1 s. We will now estimate the absolute and relative error using Galileo’s record.

87 E. g. Jennifer Goodenow (et. al.), Mathematical Models of Water Clocks, Rochester Institute of Technology (online: http://www.nawcc-index.net/Articles/Goodenow-WaterClocks.pdf, last accessed 01/14/2017). 88 Cf. http://en.wikipedia.org/wiki/Ctesibius, last time visited 01/14/2017.

149

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

1. The effect of the falling water level We do not know the exact dimension of his “large pail”. If we would assume a 5 Gallon (~ 20 l) bucket, the pail would be about 30 cm in diameter and 30 cm in height. First, we would estimate the amount of water flowing out of Galileo’s “pail” per second. The volume of water flowing frictionless out of an orifice at the bottom of a container can be calculated using Torricelli’s formula:89 pffiffiffiffiffiffiffiffi Q ¼ m ? A ? t ? 2gh (Eq. 5) with Q = volume of water [cm3] m = outlet loss coefficient [1] A = cross section of the outlet [cm2] t = time [s] g = gravitational acceleration = 981 [cm/s2] h = height of fluid [cm]

Figure 4: Examples of orifices

The outlet loss coefficient m is the product of friction loss number v and contraction coefficient a, which is correlated to the shape of the orifice. Examples from German DIN90 are shown in Figure 4, some values are summarized in Table 3. Table 3: Loss coefficient of different orifices Orifice

Friction Loss Number v

Contraction Coeff. a

Loss Coefficient m

sharp edges Borda orifice

0.97 0.97–0.99

0.61–0.64 1

0.59–0.62 0.97–0.99

We can ignore this factor here, because it will reduce the actual volume which would be favorable, when discussing the lowering of the water level in Galileo’s 89 See http://en.wikipedia.org/wiki/Torricelli’s_law, last time visited 01/14/2017. 90 DIN 1952, cited e. g. Peter Hakenesch, Fluidmechanik, PowerPoint slides to Lecture, Kapitel 4, slide 43, online: http://hakenesch.userweb.mwn.de/fluidmechanik/k4_folien_teil1. pdf, last time visited 01/14/2017.

150

Gottfried Hoffmann

bucket. Furthermore, it is constant and does not affect Galileo’s measurements of ratios of volumes. Figure. 5 shows the variation of the amount of water using different diameters of the orifices for a duration of 5 sec. It is obvious that without correcting the water level, between 10 and 25 tests with maximum volume could be performed before the error due to head loss becomes more than 5 %. The total volume of water in cm3 for different seconds are (m = 1) is summarized in Table 4. Table 4: The volume of water [cm3] for a water level of 30 cm Orifice diameter [mm]

Time [sec] 1.5 3

3.00 5.00

3

5 3

25 cm 71 cm3

51 cm 142 cm3

86 cm3 238 cm3

Of interest is the lowering of the water level correlated to the relative error of the measurement without refilling. Figure 6 shows that an error of 2 % would require a drop in the water level of about 1 cm. This should have been easily observed by Galileo. Therefore, it is reasonable to assume an error in his measurement due to variation of the water level by less than : 1 %. 5 mm

3 mm

1

rela!ve change of the amount of water

0,995 0,99 0,985 0,98 0,975 0,97 0,965 0,96 0,955 0,95

1

2

3

4

5

6

7

8

9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

Number of Tests

Figure 5: Variation of the amount of water without refilling – error in time measurement

151

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics? 1

rela!ve change of the amount of water

0,98 0,96 0,94 0,92 0,9 0,88 0,86 0,84 0,82 0

5

10

15

Water Level [cm]

20

25

30

Figure 6: Lowering of the water level and its correlation to the error of the measurement

2. The effect of the pipe Galileo had a “slender tube affixed” to the bottom of his pail. Orientation (horizontal or vertical), dimensions (length, inner diameter), and material (smoothness) of this tube are unknown. However, this pipe affects the outflow of the water : vertical pipe: – water level in the pail; increasing, therefore, the volume of the outflow. – The head loss due to friction between liquid and pipe wall on the other hand reduces the outflow. Factors determining the head loss are: – dimensions of the tube, amount of water flowing through the tube, surface roughness of the tube. horizontal pipe: – There is only a head loss due to friction. Because pipe flow, even when turbulent, is constant over time, Galileo’s measurements of ratios of the amount of water is unaffected by the tube. 3. Estimation of the total error Because the actual dimensions of bucket and pipe are unknown, it is not possible to estimate the experimental error on the basis of the amount and weight of the water flow. However, because the amount of water is directly related to the time, it

152

Gottfried Hoffmann

is reasonable to estimate the total error on the basis of time. Galileo had to start and stop the water flow manually. Therefore, the reaction time has to be taken into consideration. According to the literature,91 the average response time is about 0.2 sec. Assuming that start-and-stop reaction are both delayed, it seems to be reasonable to estimate the reaction time with about : 0.15 sec. Assuming all other errors to be in the total range of 0.1 sec,92 the total experimental error for using the water clock can be estimated to be : 0.2 sec. Regarding Figure 2, the absolute times measured by Galileo are between 1 and 5 seconds. Galileo used the ratio of the square of the time, therefore the relative error is twice the relative error of the individual measurement. Table 5 summarizes the relative errors and the absolute errors of Galileo’s measurements. Galileo did not have the tools to statistically evaluate his measurements. Therefore, as long as the differences in the measurements are big compared to the errors, the measurements can be accepted as valid. Table 5: Total experimental errors Time t [sec] absolute error

2 : 0.2

3 : 0.2

4 : 0.2

5 : 0.2

relative error t2 [sec2]

: 10 % 4

:7% 9

:5% 16

:4% 25

relative error absolute error [sec2]

: 20 % : 0.8

: 14 % : 1.3

: 10 % : 1.6

:8% : 2.0

4.

Conclusions

The analysis shows with a high degree of confidence that the experimental setup and the method of time measurement used by Galileo would have worked and would have yielded the result that Galileo was looking for. It should be remembered that Galileo’s goal was to determine the ratio of times and squares of the times. He did not measure the absolute time itself, which was not even defined in his era. After Galileo introduced the time as the determining factor for the accelerated free fall, he extensively studied the consequences mathematically, which covers the Third Day of his “Two New Sciences”:93 He completed his mathematical model of free fall, connecting the movement along an inclined plane and in the vertical direction: “Proposition VI. Theorem VI If, from the 91 Cf. https://en.wikipedia.org/wiki/Mental_chronometry, last time visited 01/14/2017. 92 See above “How accurate is his water clock”. 93 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 190–267, pp. 147–216.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

153

highest or lowest point of a vertical circle, any inclined planes whatever are drawn to its circumference, the times of descent through these will be equal.”94 Now, the square time-law became the key correlation which should be valid for both movements. Because Galileo could measure only relative times, effects such as the moment of inertia did not distort the results. From the viewpoint of experimental technique, Galileo could study the effect of the accelerated velocity due to gravity independent of the influence of the medium: “Salv. The experiment made with two moveables, as different as possible in weight, made to fall from height in order to observe whether they are of equal speed, labors under certain difficulties. If the height is very great, the medium that must be opened and driven aside by the impetus of the falling body will be of greater prejudice to the small momentum of a very light moveable than to the force of a very heavy one, and over a long distance the light one will remain behind. But in a small height it may be doubtful whether there is really no difference [in speeds], or whether there is a difference but it is unobservable. So I fell to thinking how one might many times repeat descents from small heights, and accumulate many of those minimal differences of time that might intervene between the arrival of the heavy body at the terminus and that of the light one, so that added together in this way they would make up a time not only observable, but easily observable. In order to make use of motions as slow as possible, in which resistance by the medium does less to alter the effect dependent upon simple heaviness, I also thought of making the moveables descend along an inclined plane not much raised above the horizontal.”95

The experimental method to study the effect of individual parameters by minimizing the influence of other parameters (separation of parameters) is an important part of experimental planning and still in use today. Therefore, the consequences of the set-up of the experiment can be summarized as – The measured time of descent represents the time of free fall. – The velocity compared to vertical free fall is drastically reduced and now measurable with the water clock. – Due to the reduced velocity, the effect of the medium (air) is minimal. – The proof that experiments (i. e. direct observation of physical effects in nature) can be used to validate mathematical predictions. – If the medium does not affect the basic principle of free fall, it is not necessary for the motion, as claimed by Aristotle. Based upon this analysis, it is plausible that Galileo validated the mathematically determined s / t2 – law of free fall experimentally.

94 Ibid., 221, p. 178. 95 Ibid., 128, p. 87.

154 5.

Gottfried Hoffmann

Did Galileo Achieve His Goal by this Experiment?

If the goal would have been to topple Aristotle’s world model, the answer is: “No, he did not”. The reason is simple: In order to topple Aristotle, a clear proof was necessary that the free fall of bodies is independent of size, shape, and density (weight) of the body. What Galileo could prove experimentally was the mathematical relation s / t2. The proportional constant, the gravitational acceleration, was not known to Galileo nor did he have the means to determine it. Therefore, the constant could still be a function of the falling bodies’ properties as constant = f (size, shape, density (weight))

(Eq. 6).

There is no record of Galileo’s tests with different materials of the spheres rolling down his inclined plane. However, there is an indication of such tests: “Salv. […] On this, no less than along the vertical, one may observe what is done by heavy bodies differing in weight. Going further, I wanted to be free of any hindrance that might arise from contact of these moveables with the said tilted plane.”96 The description indicates that Galileo may have tried to use spheres of different, most likely lighter, materials but could not successfully perform the tests. The lower the weight of the rolling sphere the easier it reacts to irregularities within the groove. Problems connected with a wooden ball rolling down an inclined-plane were confirmed by Palmieri.97 Therefore, additional experiments were required in order to prove that free fall is indeed independent of the weight of the falling body. In addition, in order to prove that the experiment represents the correct physical model, two more boundary conditions had to be validated: The first condition: “Corollary II: It is deduced, second, that if at the beginning of motion there are taken any two spaces whatever, run through in any [two] times, the times will be to each other as either of these two spaces it to the mean proportional space between the two given spaces. […] Scholium: What we have demonstrated for movements run through along verticals is to be understood also to apply to planes, however inclined; for these, it is indeed assumed that the degree of increased speed [accelerationis] grows in the same ratio; that is, according to the increase of time, or let us say according to the series of natural numbers from unity.”98

In other words: It has to be proven, that the velocity of free fall is solely affected by the vertical height and that this is also valid for inclined planes. The second condition: “[Postulate] I assume that the degrees of speed ac96 Ibid. 97 Paolo Palmieri, A History of Galileo’s Inclined Plane Experiment and Its Philosophical Implications, New York 2011. 98 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 214, pp. 170–71.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

155

quired by the same moveable over different inclinations of planes are equal whenever the heights of those planes are equal.”99 In other words: It has to be proven that the speed at the end of a path is independent of the way the body had moved and is only affected by the vertical height of the movement. Therefore, three additional tests are required in order to complete Galileo’s experimental falsification of Aristotle’s model and prove the correctness of the mathematical model and the concurrence between theory and experimental praxis. In order to prove those conditions, Galileo used the movement of the pendulum (not the laws of the pendulum). Before we turn to Galileo’s pendulum experiments, we will compare and analyze how historians received Galileo’s inclined-plane experiment. ***

How has the Inclined-Plane Experiment been Received by Historians? 1.

Reenacting the experiment

There are three major motives to reenact experiments: 1. to prove that Galileo could perform the experiment; 2. to demonstrate certain aspects of the experiment; 3. to educate students about certain physical principles. to 1.) It is impossible to reestablish exactly the conditions and circumstances of Galileo’s original experiment. It is not possible to manufacture the wood of the inclined board exactly the same way as Galileo did. The roundness and surface condition of the bronze sphere are unknown as well as the exact dimensions of the water clock. Furthermore, there is only speculation about the procedure in which Galileo performed the tests. A reenactment can give no additional information compared with the physical analysis. On the other hand, it also cannot prove that Galileo did not perform the test as described. to 2.) The theoretical analysis must be the basis for demonstration purposes. Only the analysis can show what and how something can be demonstrated. A demonstration can only be used in order to show the effect of certain test conditions. However, they never can reproduce the originals.

99 Ibid., 205, p. 162.

156

Gottfried Hoffmann

to 3.) For educational purposes it is essential to perform a thoroughly theoretical analysis in order to set up the experiment correctly and to prove what has been analyzed prior to the test. This requires a detailed and precise definition about the goal of the experiment and what should be taught. 1.1

T.B. Settle – category: reconstruction

It is the first time in modern times that Galileo’s experiment on the inclined plane was reconstructed: “To get a better appreciation for some of the problems he faced I have tried to reproduce the experiment essentially as Galileo described it.”100 Therefore, it was praised as a “vindication” of Galileo’s claim to have actually performed the experiments he described in his writings.101

Figure 7: Layout of Settle’s experimental setup (Settle, 1961, p. 20)

Table 6: Comparison of Settle’s and Galileo’s test parameters plank

length [m]

Settle 5.5

Galileo ~ 7.2

groove

shape width [mm]

rectangular 6.35

circular (?) ~ 20

slope a [8]

1.74 3.73

4.8 9.6

6.81

The setup of the experiment is shown in Figure 7. Table 6 contains the experimental parameters in comparison to Galileo’s description. Settle understood 100 Thomas Settle, An Experiment in the History of Science, in: Science 133, 6 (1961), pp. 19–23, at p. 19. 101 E. g. Stillman Drake, Galileo’s Confirmation of Horizontal Inertia: Unpublished Manuscripts (Galileo Gleanings XXII, in: Isis 64,3 (1973), pp. 290–305; James McLachlan, ATest of an ‘Imaginary’ Experiment of Galileo’s, in: ibid., pp. 374–79.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

157

that he could never completely reproduce Galileo’s experimental setup. So, he concentrated on the measurement of the equivalent of time using the water clock: “For time measurement I used an ordinary flowerpot as a water container and threaded a small glass pipe through its bottom hole for the outflow. In all the live runs this pipe was 412 inches long and had an inside diameter of about 0.18 inch. Its upper end was positioned high enough for me to cover its easily with a finger while my palm rested on the rim of the pot. Instead of collecting the water and then weighing it on a balance, I collected it in a graduated cylinder and “weighed” it by reading its volume in milliliters.”102

The results were summarized as follows: “It followed that, if I could measure a definite interval to within 2 milliliters, my apparatus would be precise to almost 1/10 second. In fact, it was very common to get sets of points well within this limit, to 1 milliliter or about 1/20 seconds.”103 On first glance the precision of Settle’s measurements is admirable and acceptable. On second thought, however, there are some important inconsistencies which will be discussed now. When flow of liquids is used as an absolute equivalent of time, then minimally two conditions have to be fulfilled: The flow should be calculable. This calls as a general rule for an undisturbed flow in all phases of the flow. By using his finger for starting and stopping the flow, there is chance for turbulence when the finger is lifted and the liquid rapidly has to fill the cavity, caused by the finger. The flow should be stationary or the time-dependent flow must be completely and correctly computable. Especially the last point is to be scrutinized. Assuming a standard flower pot (top diameter = 13 cm, bottom diameter = 10 cm, height = 11 cm, volume = 1 L = 1000 cm3 = 1000 ml), Figure 8 shows the change of the filling height and amount of outflow. Because the water level is the dominant factor in the outflow of a container, the calculated variation during the measurement will lead to a non-stationary flow which is for time measurements absolutely unacceptable, especially with Settle’s claim of accuracy of measurements. He must have been aware of this fact because (as he writes in footnote 9): “9. Each time, in filling the pot, I referred the water level to a definite mark, making it somewhat lower for the short runs and slightly higher for the longer ones. I believe, though without definite proof, that this sort of compensation was not beyond the level of Galileo’s capacities.”104 Because Settle gives the actual dimensions and material of the pipe, the actual outflow can be calculated under the assumption that the opening of the pipe is about 4 cm below the maximum water level and stationary flow.105 102 103 104 105

Settle (n. 100), p. 21. Ibid., p. 22. Ibid., p. 23. The model used for the calculation implies that the pipe is completely filled with water and

158

Gottfried Hoffmann

Lowering of Water Level [cm]

Lowering of Water Level vs. Volume Flow

2 1,8 1,6 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0

0

20

40

60

80

100

120

140

Volume Flow [ml]

Figure 8: Lowering of the water level vs. outflow

Amount of water flow without friction (q0):

with

follows

pffiffiffiffiffi [cm3] m?A?t? 2gh Q q0 ¼ t0 ¼ t m=1 for Borda orifice A = 0.164 [cm2] t=1 [sec] g = 981 [cm/sec2] h = 4 cm + 11.43 cm = 15.43 cm q0 = 28.6 [cm3/sec = ml/sec].

(Eq. 7)

Settle reports the absolute outflow: “As a matter of interest, using the secondhand on my watch and timing for 5- and 10-second intervals, I made a rough determination of the rate of flow and found it to be 19.5 milliliters per second”106 The measured rate flow is smaller than the frictionless flow; therefore, in order to estimate the absolute flow rate, friction has to be taken into consideration. Amount of water flow with friction (q1): 1. Calculation of Reynold’s number : Starting with the flow rate without friction:

that there is a continuous flow during the test. Unfortunately, Settle does not give details in this respect. Anyway, it is difficult to comprehend why Settle did not start and stop the water flow from the bottom of the pipe. 106 Settle (n. 100); unfortunately, Settle does not give an error analysis of his measurements. From the scientific point of view, a “rough determination” is absolutely insufficient.

159

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics? c ?d

with

0 [1] Re¼ p n ffiffiffiffiffiffiffiffi c0 = 2gh = outflow velocity c0 = 174 d = 0.457 = diameter of the pipe m = kinematic viscosity of water at & 20 8C m = 0.01

Re = 8000

(Eq. 8) [cm/sec] [cm/sec] [cm] [cm2/sec]107

> 3000, therefore, the flow is turbulent

Figure 9: Moody Diagram108

The flow can now be calculated by109 c

0 q1 ¼ pffiffiffiffiffiffiffi l?h

[ml/sec]

k = Friction Factor (Fig. 9) = 0.032 q1 & 21

[ml/sec].110

1þ d

with follows

(Eq. 9)

107 “Properties of Water in the Range 0–100 8C”, in: CRC Handbook of Chemistry and Physics, Internet Version 2005, ed. David R. Lide, http://www.hbcpnetbase.com, CRC Press, Boca Raton, FL, 2005, pp. 6–3 (985). 108 See https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Moody_diagram.jpg – last time visited 01/ 14/2017. 109 Ch. V. Subbarao (et. al.), Effect of Polymer Additives on the Mechanics of Slow Draining of Large Tank Under Gravity, in: ARPN Journal of Engineering and Applied Sciences 3,1 (2008), pp. 68–83. 110 The difference between the measured and the calculated value may be due to additional head losses and/or it is within the margin of error.

160

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The comparison with the frictionless flow illustrate the effect of friction. Conclusions: Did the reenactment lead to a better understanding of Galileo’s experiment? The answer is: No. Settle focused on the water clock and the accuracy of measurement. However, his water clock is not even close to the clock described by Galileo and the execution of the test raises serious questions. Furthermore, the analysis111 showed that a high accuracy of measurement of the water flow is absolutely unimportant in order to prove Galileo’s claim that “the spaces were always found to be to one another as the squares of the times.”112 Settle invented his own water clock that has some serious shortcomings with questionable results. It is usually one of the most important problems an experimenter faces, namely, to select the proper measuring device or, as Koyr8 expressed it: “For, as recently has been said: ‘What is the point of trying to measure to five decimal places, when even the second has no significance?’”.113 1.2

R.H. Naylor – category: reconstruction

Naylor breaks Galileo’s experiment down into two independent experiments: 1.) The timing – using a water clock 2.) The inclined plane experiment to 1.) Naylor describes his water clock as: “For the water clock, I had a small pipe attached to the bottom of a large tank of capacity about 10 gallons. By placing a beaker under the pipe and removing it, I found it possible to measure intervals of time to within 1/10 second. Owing to the large volume of the tank, there is really no inaccuracy due to loss of head, as suggested by Koyr8, even for quite large rates of flow (3 to 4 gm per sec).”114

He also criticizes Settle’s set up: “However, I do not feel there are any grounds to believing that Galileo would have used the kind of timing device designed by Settle, even though it may well be better in use than the method Galileo describes. It is not clear to me why Settle felt justified in using his own distinct method of time measurement. Galileo’s reference to his method is quite specific in the Discorsi….”115

Finally, he describes the results of his tests as: “In my estimation, to restrict the variation in observations to 1/10 of a pulse beat (0.08 sec) with this means of 111 112 113 114

See chapter 3.2.3. Galilei, Two New Sciences (n. 9), 213, p. 170. Koyré, Galileo Studies (n. 14), p. 107. Ron Naylor, Galileo and the Problem of Free Fall, in: The British Journal for the History of Science 7,2 (1974), pp. 105–34, at p. 128. 115 Ibid., p. 128.

161

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

timing would be a very considerable achievement.”116 Unfortunately, he did not give specifics of his set up such as diameter of the tank, height of the water level, length and diameter of the “small pipe”. Again, he pretends a precision of his measurement which, from scientific point of view, is unacceptable. His own five (!) records show a variation of more than 0.1 sec and he fails to give a standard heart frequency. Therefore, it is impossible to verify his data. to 2.) The used pine beam and the groove are described as: “For my reconstruction of this experiment, I obtained a pine beam, 20 ft. long, 10 inches wide, and 3 inches thick. Along one face I had machined a straight, near-hemispherical groove I inch wide. (Galileo states that the groove should be ‘a little more than one finger in breadth’, which implies that the groove would be something over 34 inch wide.) I lined the groove with the smoothest available vellum, using a broom handle to clamp each 3 foot length of vellum in place during the gluing process. As indicated by Galileo, the groove was made as smooth and polished as possible both before and after gluing. Since the wood was of the best quality Douglas Fir, it was relatively dense for a soft wood and free from knots.”117

An “electrical controlled timer”118 measured the time exactly to one hundredth of a second which excluded every human impact. The experimental parameters are given in Table 7, test results and calculations using equations (2), (3), and (4) are summarized in Table 8. Table 7: Comparison of Naylor’s and Galileo’s test parameter plank

length [m]

groove

shape width [mm] slope a [8]

Naylor

Galileo

6.06 circular

~ 7.2 circular (?)

25.4 3.24 6.55

~ 20 4.8 9.6

In all test runs, the measured data never reach the theoretical values as expected from the theoretical analysis. Rolling friction is affected only by the impression the rolling body induced on the board and the friction coefficient. The reduction of acceleration is almost independent of the slope of the board and can be assumed constant. So, the relative effect on acceleration and descending time is increased when the slope is reduced, which can be seen from the data. As seen by comparing the date with the theoretical data, the worst results are achieved with

116 Ibid., p. 129. 117 Ibid., pp. 127–28. 118 Ibid., p. 130.

162

Gottfried Hoffmann

the large ball and small inclination. Here, non-calculable effects of additional friction lead to greater deviation from theoretical values. Table 8: Results of Naylor’s tests, calculated values and ratios of squares of measured data119 sphere [mm]

lining slope distance of travel [m] [8] L = 6.06 L/2 = 3.03

L/4 = 1.52

31.75

no

3.24

time (meas) 6.52

time time (calc) (meas) 5.96 4.83

time tðL=2Þ time (calc) tðLÞ2 (meas) 4.22 0.55 3.52

time tðL=4Þ2 (calc) tðLÞ2 2.98 0.30

31.75 11.9

no no

6.55 3.24

4.40 5.97

4.20 5.53

3.19 4.42

2.97 3.91

0.53 2.23 0.55 3.13

2.10 2.77

0.256 0.275

11,9 11,9

no yes

6.55 6.55

3.95 4.03

3.90 3.90

2.87

2.75

0.53 2.0 2.05

1.95 1.95

0.256 0.26

2

From Galileo’s point of view, only the ratios of the square of the descending times are important. As expected, with the exception of large ball and low slope, all test runs would yield similar data. All would be in a range which would be acceptable for Galileo’s statement “spaces were always found to be to one another as the squares of the times.”120 Conclusions: Naylor’s set-up of the tests has almost nothing to do with Galileo’s experiment: Neither the groove nor the slope of the inclined board is the same as Galileo’s. The “timing experiment” was an insufficient set up for checking the validity of Torricelli’s Law. The “inclined-plane experiment” impressively showed that this experiment, even with modern time management, is unsuitable to measure gravitational acceleration. Nevertheless, we can use it in order to better understand Galileo’s experiment: For Galileo’s purpose the precision of his time measurement is absolutely sufficient. The higher the slope the lower is the effect of rolling friction. However, as long as the ratio of the descending times is the goal of the experiment and as long as the friction is not altered, it has no significant effect on the outcome of the test. As expected, by using a ball with the diameter smaller than the diameter of the groove, the data, especially at higher slope, approach the theoretical values. There is only one line of contact and additional effects due to two and possibly uneven rolling diameters (using a ball with a diameter larger than the groove) can be avoided. However, Naylor’s argument: “If Galileo had ever carried out the experiment, he would have recognized that there was nothing to be gained from lining the groove; indeed, if he could measure time as accurately as some suppose, he might

119 Ibid., pp. 130–31. 120 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 213, p. 170.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

163

even have noticed, as I did, that to line the groove slowed the sphere down”121 cannot be supported, for the following reasons: – The absolute time of the descent is in both runs within the margin of error. – However, the absolute time of the descent is not important, the ratio of time is and that is identical between runs with and without lining. By using one rolling contact (small ball) the main factor reducing the downward acceleration and therefore the descending time is rolling friction. Because parchment is softer than wood, the impression of the steel ball is larger. The rolling friction is slightly higher than a “smooth and polished” wood surface, causing the minimum “slowing down” of the ball. We do not know, how well Galileo could polish the surface, but is it faulty to assume that modern technique can do it much better than medieval tools? Lining would give Galileo a uniform surface along the whole length of the board. When parchment is rubbed, as one sees in some medieval manuscripts, it can be made as smooth as glass. Naylor is also erroneous when he states: “In his final description of the experiment, he seems to be attempting to describe the ideally frictionless plane, along which a perfectly round and smooth ball is run. But Galileo knew that such planes and spheres did not exist, any more than did the perfect balance or the perfect experimenter. For this reason, he knew that the real world was unlikely to give the precise agreement he needed.”122

Galileo’s goals are unknown but is it implausible to assume that he was aware of his shortcomings, as shown in the analyses? All he wanted to prove was his theoretically derived proportionality between distance and square of time during free fall, which could be easily achieved by his experiment. From the above, Naylor’s final conclusion: “What I do feel is that the experiment, as described in the Discorsi, represents an ideal. Galileo is describing an experiment that would avoid the effects which, as he saw it, had vitiated his past observations”123 is in no way justified. 1.3

Palmieri – demonstration

A good theoretical analysis is essential in order to correctly demonstrate what shall be shown. Palmieri describes the goal of his experiment as follows: “Since Galileo states that the experiment should give favorable evidence of the theoretical ratios expected on the basis of the times-squared law at different inclinations, we decided to determine the limits of the window of possible in121 Naylor (n. 114), p. 131. 122 Ibid., p. 133. 123 Ibid., p. 133.

164

Gottfried Hoffmann

clinations which could support his statement.”124 The parameters are given in Table 9. The diameter of the bronze balls used were 11.1 mm (7/16”) and 25.4 mm (1”). The time of descent was determined by the use of a water clock. Table 9: Comparison of Palmieri’s and Galileo’s test parameters plank

length [m]

Palmieri 6.4

Galileo ~ 7.2

groove

shape width [mm]

circular 11.1

circular (?) ~ 20

slope a [8]

1.36 3.8

4.8 9.6

12.63 16.41 21.98

The experiment should demonstrate that even if Galileo would have chosen different slopes, the experiment would have given valid data for his goal (s1/s2 = t12/t22). In inclined-plane rolling experiments there are three limits of the slope:125 Minimum slope at which the rolling friction opposes the sphere’s rotation. Slope at which slipping and rolling occurs simultaneously. Maximum slope at which pure slipping occurs. As long as no slipping occurs, Galileo’s experiment would give positive results. So, the first two slopes would define the “window of possible inclinations.” – The ball would start rolling down the track at the limiting inclination angle h whose tangent is given by 1?x (Nomenclature according to Figure 3) r=x with q = static coefficient of rolling friction = 10.6 x 10-3 [cm] for brass ball on wood. tanq ¼

(Eq. 10)

– The transition from rolling to rolling and slipping is given by mð1 þ ð2=5Þ ? ðr=xÞ2 Þ @ 1=x (Eq. 11) ð2=5Þ ? ðr=xÞ -3 with q = dynamic coefficient of rolling friction = 6.5 x 10 [cm] for brass ball on wood m = dynamic coefficient of slipping friction > 0.15 (estimation). tanqL ¼

124 Palmieri (n. 97), p. 106. 125 The following calculations and data are taken from Antonia Doménech (et. al.), Introduction to the Study of Rolling Friction, in: American Journal of Physics 55,3 (1987), pp. 213–35, at p. 231.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

165

Table 10 summarizes the results. Even if the coefficients of frictions vary, Galileo’s as well as Palmieri’s “window of possible inclination” is well within the calculated range. Table 10: Limit angles for rolling and rolling/slipping.126 Radius r [mm] 5.55 12.7

Sphere Rolling Radius [mm] 5.55 11.4

Begin Rolling 0.1 0.06

Angle [8] Rolling and Slipping > 27.6 > 26.7

Table 11: Measured time of descent, compared with theoretical values127

In order to prove the statement: “The reader can calculate the experimental ratios for all other possible combinations of the fraction of the length of the plane. There is no need to report all the results. It will be sufficient to note that there are differences, and not all experimental ratios compare well with the theoretical ones.”128 the squares of the times (in grams of water) for the first trials given by Palmieri are summarized in Table 11. In another trial, Palmieri tested different diameters of the spheres and different slopes. The results are summarized in Table 12. Palmieri explains the results as follows: “For the two balls rolling on the groove we can draw the same conclusion, that is, heavier bodies consistently travel faster on the plane. For the three balls rolling inside the groove; however, the situation is more complex, as can be appreciated by reading the table of data horizontally. It does not seem to be possible to draw a definitive conclusion in this case.”129 126 Spheres and groove according to Palmieri (n. 97). 127 The data were taken from the operator Hatleback (Palmieri [n. 97], Tables 4 [p. 108], 6 [p. 110], and 7 [p. 111]). 128 Palmieri (n. 97), p. 107. 129 Ibid., p. 104.

166

Gottfried Hoffmann

For balls rolling on the groove the weight does not play any role but the ratio of rolling diameter to sphere diameter. Inside the groove neither weight nor diameter plays a role. Therefore, we can add up those data. The data show: – The time of descent would be in the expected tolerance range for the 25.4 mm sphere (rolling on the groove). – The smaller sphere rolling on the groove shows the expected longer time of descent, however the time is longer than predicted. – The descending times of the smaller spheres rolling inside the groove are independent of the diameter of the spheres as expected. – The spheres rolling inside the groove need more time to descend, independent of the diameter but affected by the slope (the larger the slope the smaller the difference to the spheres rolling on the groove). The reasons for this unusual test result are not explained. – The ratios of the squares of the descending times varies widely for all tests and exceed the predicted margin of error,130 especially at small angles of the slope.

Table 12: Results of scenario 1131

Slope a [8]

Sphere d = 25.4 [mm]

Sphere d = 19.05

Sphere d = 11.1/9.5/7.95

[mm]

[mm]

t2(w)

t2(s)

1.14

time time time time t2 (water) (sec) (water) (sec)

t2(w)

t2(s)

5.28

1.14

0.94

time

time

1.07

150

t2 t2 t2 (water) (sec) (w25.4) (s25.4) (w25.4) (s25.4)

3.75

140.2

5.46

149.6

5.66

9.6

93.6

3.42

99.9

3.54

1.14

1.07

92.9

3.31

0.99

0.94

11.33

89.4

3.15

94.9

3.27

1.13

1.07

89

3.05

0.99

0.94

Palmieri’s conclusion regarding Galileo’s test: “Galileo’s inclined plane experiment was not an experiment primarily designed for testing a theory, though eventually it was presented to the public as serving a similar purpose”132 cannot be followed. Galileo’s goal was indeed to test his theoretical prediction that “spaces were always found to be to one another as the squares of the times.”133 Palmieri does not explain for what other reason this experiment could have been designed. Conclusions: Palmieri’s motive and goal of the experiments are difficult to comprehend. This makes it difficult to assess his tests fairly. Experiments which claim to demonstrate certain facts must be based upon a thoroughly performed 130 131 132 133

See Chapter 3.2.3. Palmieri (n. 97), p. 103. Ibid., p. 179. Galilei, Two New Sciences (n. 9), 213, p. 170.

167

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

theoretical analysis. Otherwise, it may not demonstrate the goal of the experiment. As performed by Palmieri, it is obvious that the set up did not fulfill the requirements for any demonstration. Furthermore, it has been shown that the set up does not represent Galileo’s description at all. Therefore, this demonstration does not contribute to the understanding of Galileo’s experiment. 1.4

Riess – educational

For educational purposes a theoretical analysis is essential. Especially, it must define what shall be taught and what students shall learn from the practical use of an experiment. Riess et. al. defined the goal of the reconstruction as: “Experiments with both reconstructed apparatuses are to be videotaped and will be placed online, thus enabling teachers as well as students to get an idea of those early attempts to demonstrate the laws of free fall.”134 The parameters of the set up are shown in Table 13. It must be emphasized that the paper contains only the data of test runs at a single slope (58) and a single ball size (30 mm). Figure 3 of the paper shows four different spheres. Together with the simple method of changing the slope (a cuboid was placed underneath the board, given different slopes depending on the position of the cuboid), a lot more test results should be available but are not given. Table 14 contains the data of the sole test run that is available. Riess tried to copy the inclined-plane experiment as proposed by S. Drake (see chapter 2.4) in which the “time measuring procedure” is based upon “a steady rhythm which can be compared with the musical rhythm of a lute player.”135 Table 13: Comparison of Riess’s and Galileo’s test parameters plank groove

length [m] shape width [mm] depth [mm] slope a [8]

Riess

Galileo

6.66 semicircular

~ 7.2 circular (?)

35 1.36

~ 20

5

4.8 9.6

However: “Actually, we learned that it is easier to perform the experiment without any music but to have a steady rhythm in mind and to adjust the strings 134 Falk Riess, Reconstructing Galileo’s Inclined Plane Experiments for Teaching Purposes, in: Online-Proceedings of the 8th IHPST Conference in Leeds, Leeds 2005, p. 8. 135 Ibid.

168

Gottfried Hoffmann

in a manner that the tones of the strings were in time with this rhythm.”136 This time measuring procedure is extremely subjective, i. e. it is very likely that the experimenter adjusts his “inner” rhythm in order to achieve the result he is looking for. From the scientific point of view this kind of “time measurement” is absolutely unacceptable. Table 14: Time of descent Length of descent L

1 4 1 2 3 4

L L

L

Time [ml of water] 24

tðlÞ2 =tðLÞ2 0,27

34 41

0,55 0,79

46

1

“From these results [listed in Table 14] it gets clear that it is actually possible to use an inclined plane in order to demonstrate the law of free fall.”137 It is up to the reader to decide if the results are sufficient for educational purposes.

2.

The inclined-plane experiment in the view of some historians

2.1

Emil Wohlwill

The renowned German Galileo biographer did not deal with the inclined-plane experiment in detail. However, he gives a remarkable record of Galileo’s intellectual process which eventually led to the discovery of the s / t2 – law of free fall: “There is no doubt that the decisive oldest experiments were trials with inclined planes of different slopes. As written in the solely preserved description of the experiments, they validated not only the general law of the relation between descended space and time but also the correlation between time of descent and slope of the inclined board. The Padua Fragments, which contain both laws for the first time, confirm the close connection and simultaneity of the oldest performed experiments in both directions. … The Padua Fragments retain what is not included in the letter to Sarpi. They contain the complete record of Galileo’s line of reasoning, including his assumptions which finally led to his main law of free fall. So, it is proven that the velocities at which two distances measured from rest are being passed can be correlated to the square of the distances. Galileo further deduces that the velocities are inversely proportional to the time of descent. Therefore, the time of descent of a certain distance must be proportional to the square of the distance, or the distances from rest like the squares of the times. ‘That is true and confirms what I always have claimed and observed during the 136 Ibid., p. 7. 137 Ibid., p. 7.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

169

experiments. So all truths comply with each other’, he exclaims with satisfaction.138 […] Only for a short time was Galileo satisfied with this seemingly so fruitful but erroneous conception. There is no record preserved how long this delusion lasted, a few months or even several years. Most probably, however, he had overcome the misapprehension by spring 1609. He used a similar graphic which supported his principle in 1604. As a crucial difference, however, the velocities were now plotted against the time line. Therefore, it became obvious that for motions which follow the general definition, the spaces traveled are proportional to the square of the time. As the experiments have taught, this and all other mathematical consequences of this definition describe the behavior of falling bodies correctly. It must follow that the movement of the falling body, in the strict sense of the definition, must be uniformly accelerated. … Historically significant is the change connected with the rejection of the increase of velocity as a function of the distance covered. The principle of 1604 included the case that the velocity of inclined planes having different slopes is identical when the vertical distance is also identical. The newly introduced principle, the increase of velocity as the square of time, required a new explanation for the rule that formed Galileo’s basis for applying the same theory to vertical free fall and to the fall along inclined planes. Multiple observations of swinging pendulums and several applications of his rule convinced Galileo of the truth of his theory. He found a solution by defining the theory as a principle that is simple to comprehend. As such the reader of the Discorsi of 1638 gets to know him.”139

Wohlwill gives some important information about Galileo’s line of thinking until he eventually reached one of his goals: It seems to be confirmed that Galileo performed the experiment on the inclined plane during his time at Padua. At the same time, he developed the erroneous theory of velocities proportional to the square of distances covered. The experiment supported that principle because it also led to the experimental result that distances are proportional to the square of time. This underscores the importance of a thorough theoretical analysis in order to set up the experiment correctly and put the results into the correct context. Galileo could not do the analysis because he simply had not the right tools available. But he was not satisfied with his first conclusion because it did not conform with observations of pendulum movement. So, he proceeded with his mathematical analysis and came up with the correct theory. Now, he was convinced because the new theory covered all experimental observations. From an experimental point of view, both ways are possible: To perform a test in order to find a correlation between parameters or to approve a mathematically deduced theory. Important is to check the results, if they are compatible with other 138 An explanation is given by Wisan (n. 40), p. 207, a more detailed analysis how Galileo could have derived the correct correlation from the erroneous v / s2 – law is contained in Appendix I. 139 Emil Wohlwill, Galileo und sein Kampf für die copernicanische Lehre, Hamburg, Leipzig 1909, pp. 151–57; translated by Gottfried Hoffmann.

170

Gottfried Hoffmann

observations. Wohlwill also relates the experiment on the inclined plane and the movement of the pendulum. However, he is critical about the claim that Galileo would have discovered the laws of the pendulum: “The outstanding role of (Galileo’s) research on pendulums should be removed from the history of scientific discoveries; instead the form of the trajectory of projectiles should be understood as the beginning of the science of kinematic.”140 2.2

Clavelin

Clavelin does analyze Galileo’s principles of free fall almost completely from the theoretical, mathematical, and philosophical point of view. He ignores the experimental part of Galileo’s work with the exception of one pendulum experiment.141 2.3

Alexandre Koyré

Koyr8 understands Galileo as a Platonist who performed only thought experiments but described those as if performed in reality.142 With one single exception: The inclined-plane experiment: “So the experiment which Galileo proceeds to relate – and it is a real experiment this time – would be completely incapable of supporting the body of classical physics, though many historians of science have insisted on loading this weight upon it. Galileo’s experiment is beautifully conceived; the idea of substituting a body rolling down an inclined plane for a body in free fall is truly a mark of genius. But, we are obliged to note, its execution is not of the same order as its conception.”143

Then follows the translation of the inclined-plane experiment by H. Crew. “It is fortunate that Galileo tells us (this) … because otherwise nobody could have believed that there could be such exact agreement between the experiment and the predictions! In fact, in spite of Galileo’s assertion, one is tempted to doubt this. And this for the simple reason that a strict agreement like this is strictly impossible. Perhaps in this case it can be explained by the manner in which Galileo measured time intervals.”

Then follows the translation of the use of the water clock by H. Crew.144 Koyr8 proceeds: 140 Emil Wohlwill, Über einen Grundfehler aller neueren Galileibiographien, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 50 (1903), pp. 1850–51, translated by Gottfried Hoffmann. 141 Maurice Clavelin, The Natural Philosophy of Galileo, Cambridge, Mass., London 1974, pp. 361–62. 142 Alexandre Koyré, Galileo and Plato, in: Journal of the History of Ideas 4 (1943), pp. 400–28. 143 Galileo Galilei, Dialogues concerning Two New Sciences (translated by Henry Crew and Alfonso de Salvio), New York 1914. 144 Ibid.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

171

“It is very easy to understand Descartes, who ‘denied’ all of Galileo’s experiments! How right he was! Because all of Galileo’s experiments, at least all of the real ones, those which resulted in measurements, in precise values were falsified by his contemporaries. In spite of this it is Galileo who is in the right. For, as we have seen above, he was not at all looking to found his theory on facts gained in the realm of experience: he knew perfectly well that this is impossible. And he was also aware that concrete observation – even experiment – performed, for example, in the air and not in a vacuum, or on a smooth plane and not on a geometrical plane, and so on, cannot produce results as predicted by the analysis of the abstract case. Therefore he does not expect this of them. The abstract case is an assumption. Experiment can confirm that it is a good assumption. It can do this within its limited means; or rather, within the limits of our means. For, as has recently been said: ‘What is the point of trying to measure to five decimal places, when even the second has no significance?”145

Koyr8’s argumentation is difficult to follow. Was this experiment in his opinion a real experiment this time or did it belong to all of the real ones which were falsified? And was his claim that there was an exact agreement between experiment and the predictions now strictly impossible or can (it) be explained by the type of measurement Galileo performed? Koyr8 does not explain, why Galileo’s measurements should be so exact. However, he would have had problems, because Galileo determined the ratio of two factors: length and time. So, Koyr8’s argumentation implies that Galileo could divide the length of the plane exactly in the parts he claimed which can be reasonably doubted. Koyr8 implies that the true goal of Galileo’s experiment was the proof of an abstract case, obviously the free fall of bodies of different weight in a vacuum. But this was never the intention of Galileo because he knew perfectly that this was impossible. Though he was excluding the effect of the air almost completely, he did not record any experiment with balls of different weights using the inclined plane. All he wanted to prove was the s / t2 – law and for this, as Koyr8 acknowledged, his measurements were proper enough to confirm that it is a good assumption. Koyr8’s line of argument becomes clearer, when considering another publication of his: “A bronze ball rolling in a ‘smooth and polished’ wooden groove! Avessel of water with a small hole through which it runs out and which one collects in a small glass in order to weigh it afterwards and thus measure the times of descent (the Roman water-clock, that of Ctesebius, had been already a much better instrument): what an accumulation of sources of errors and inexactitude! It is obvious that the Galilean experiments are completely worthless: the very perfection of their results is a rigorous proof of their incorrection.”146

145 Koyré, Galileo Studies (n. 14), p. 106–07. 146 Alexandre Koyré, An Experiment in Measurement, in: Proceeding of the American Philosophical Society 97,2 (1953), pp. 222–37, at p. 224.

172

Gottfried Hoffmann

And: “No wonder that Galileo who, doubtlessly, is fully aware of all that, refrains, as far as possible (thus in the Discourses), from giving a concrete value for the acceleration.”147 Koyr8 shows a remarkable misunderstanding of physical experimental techniques148 as well as Galileo’s capabilities. As shown before, the inclined-plane experiment is even today absolutely insufficient to determine the value of gravitational acceleration, and the impossibility of Galileo’s measuring the absolute time did prevent him from the beginning even considering this as his goal. Koyr8 does not explain how this experiment could be used to topple Aristotle’s world model or how it could possibly contribute to the development of modern experimental techniques or modern physics. 2.4

Stillman Drake

Stillman Drake is one of the best known and most distinguished historians, who studied Galileo in detail, translated the “Discorsi” and the “Dialogue”, published many papers, and brought to light previously unknown manuscripts of Galileo. All the more surprisingly, he never talked or even analyzed Galileo’s report about the inclined-plane experiment as described in the “Discorsi”. Instead he invented his own experiment, which he described as follows: “Place a grooved inclined plane about 612 feet long at an angle of about 1.7 degrees. Fit a stop at the higher end, against which a steel ball can be held by resting a finger on it lightly. Now sing a simple march such as “Onward, Christian Soldiers” at a tempo of about two notes per second, very crisply. When the tempo is established, release the ball at some note and mark with chalk the position of the ball at other notes (half-second intervals). In three or four runs eight positions can be marked; put a rubber band around the plane at each mark. (Galileo would have tied gut frets at these places, in the way that adjustable frets were tied around the neck of a lute, but of course todays rubber bands are easier to place and adjust.) Then, making many repeated runs, adjust the rubber bands so that the audible bump made by the ball in passing each one always coincides exactly with a note of the march. When the inclined plane has thus become a kind of metronome, measure the distance in millimeters from the resting position of the ball to the bottom of each rubber band. The figures should agree tolerably well with those in the third column on f.107v.”149

Drake derived this very detailed description of an experiment solely from a column of numbers on folio 107v.150 This description of Galileo’s inclined-plane 147 Ibid., p. 225. 148 He ignores methods of indirect measuring of relative data and his belief that “Ctesebius’s” water clock would be a better instrument is incomprehensible. 149 Stillman Drake, The Role of Music in Galileo’s Experiments, in: Scientific American 232,6 (June 1975), pp. 98–104; idem, Galileo: Pioneer Scientist, Toronto 1990, repr. 2014, pp. 9–31. 150 See Figure 10; Galileo Galilei’s Notes on Motion, Biblioteca Nazionale Centrale, Florence,

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

173

experiment is curious, taking into account that Drake is a renowned and distinguished historian and scientist. Neither could Galileo sing “two notes per second” (because he did not know the duration of a second), nor could he have “tied gut frets…(like) around the neck of a lute” (because the neck of a lute is convex, a groove is concave and the steel ball would have jumped out of the groove every time it would hit the fret). But most importantly, using a tune as a standard of time without external devices such as a metronome is a subjective method and would disregard Galileo as a physicist. There are two parameters the correlation of which had to be determined by the experiment: – The distance the sphere travels down the inclined plane – The time of descending a certain distance Therefore, there are two possible kinds of experiment that can be performed: – The time can be set and the distance traveled in that time can be determined – The distance can be set and the time of travel can be determined Drake’s set up would make sense if there were no device available to measure the time within the required margin of error. That is before Galileo invented the water clock. In this case it would be plausible that he used the beat of his pulse, let the sphere roll and mark the distance for different numbers of beats. We have confirmation that Galileo was an excellent observer,151 so it would be easy for him to perform the not-so-simple task. Once Galileo invented the water clock which gave him enough accuracy in his time measurement, it would be much easier to divide the board into equal fractions of the entire length, measure the time of descent, and calculate the ratios of length and time squared. There is no record of when Galileo invented the water clock. However, in view of Wohlwill’s readings, Galileo understood the correct role of time by 1609. Now it was time to look for a device to measure the time. There is also no record how Galileo performed the test at Padua, but Wohlwill’s reading also implies that Galileo had experimental evidence about the time-distance relation at about 1604. Galileo may have refrained from writing about this experiment because the final version was much more elegant and accurate. In this regard Drake’s description of the experiment makes sense in a more general context. However, it is astonishing how detailed Drake described the experiment based upon a column of numbers. That raises the question about the plausibility of Drake’s description. Naylor based his

Ms. Gal. 72, fols. 33–196; Instituto e Museo di Storia della Scienza, Florenz; Max Planck Institute for History of Science, Berlin; Electronic Representation of the Manuscript; http:// www.mpiwg-berlin.mpg.de/Galileo_Prototype/INDEX.HTM last time visited 01/14/2017. 151 E. g. Cohen (n. 59), pp. 194–95.

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Gottfried Hoffmann

question about the credibility of Drake’s description solely on the simple question of accuracy : “In spite of the intrinsic interest of Drake’s proposal, its credibility is impossible to assess without precise details as to the accuracy of the short inclined plane experiment. The experiment is supposed to have provided the measurements on folio 107v, which correspond to the series of values 1, 4, 9, 16, 25, 49 and 64 to within 1 %. Though there is every reason to believe the data to be empirical and related to the s / t2 law, it does not follow that they could be obtained in the manner described by Drake or that an investigation of the kind outlined by Drake would lead to the discovery of the s / t2 law.”152

The numbers written on folio 107v are given in Figure 10. Approximating the data of folio 107v by a parabolic equation yields: s ¼ 33 ? x2

(Eq. 12).

Figure 10: Section of fol. 107v containing the numbers Drake and Naylor are referring to.153

Table 15 contains the data of folio 107v, the calculated data according Equation 12, and the errors in percent. The table enhances Naylor’s critique and proves that those data could not be obtained by experiments. Naylor’s own perform152 Naylor (n. 114), p. 373. 153 Galileo Galilei’s Notes on Motion (n. 150), fol. 107v.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

175

ances of similar experiments resulted in a margin of error, which are similar to the minimum values given in Table 5, page 152. Table 15: Difference between data of fol. 107v and calculated values x 1

No of 107v 32

s = 33*x2 33

Difference [%] 3.0

2 3

130 298

132 297

1.5 0.3

4 5

526 824

528 825

0.4 0.1

6 7

1192 1620

1188 1617

0.3 0.2

8

2104

2112

0.4

There are more inconsistencies in Drake’s experiment: 1. The slope: Drake describes the selection of the slope in one publication twofold: “The plane was assumed to have an elevation of 60 points in 2000, giving a theoretical acceleration of 21 cm/s2.”154 and “A probable incline for the experiment is reasonably suggested by the length of the plane used (2100 points) and the length of Galileo’s ruler (60 points).”155 The difference is relatively small (1.78 versus 1,648). However, it would change the maximum possible acceleration. But the acceleration does not matter as far as time versus distance is considered. If we introduce the total time t into Eq. 11 as Eq. 10 becomes

t ¼ t0 ? x (Eq. 13) 33 3;3 s ¼ t2 ? t 2 ½ pointsA ’ t2 ? t2 ½cmA (Eq. 14) 0 0 (assuming 1 point of Galileo’s ruler approximately 1 mm)

Further, (sphere rolling inside the groove) €z 1 E5?g?sinaC 5?g?sina s ¼ 2 ? t2 ¼ 2 ? ? t 2 ¼ 14 ? t2 ½cmA 7 with

(Eq. 15)

g = 981 cm/s2

Therefore

3;3 t 20

and

t 20 ? sina ¼

? t2 ¼

5?g?sina 14

? t2

3;3?14 5?g

¼ 9:42 ? 10@3 ½s2 A

154 Drake, Role (n. 149), caption of table on p. 101. 155 Ibid., p. 101.

(Eq. 16) (Eq. 17)

176

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For every slope a, the time of descent and the acceleration can be calculated which gives exactly the same result of the distance traveled, i. e. the slope selection of Drake is completely arbitrary and his description of time and travel is purely the result of calculation. 2. The timing: The use of an inner rhythm as a time scale is, without calibration by a metronome, a pure subjective measurement. This is not compatible with the requirements of physical experimental praxis. Even Galileo must have been aware of this fact, especially because the second was not even defined in his time. In the absence of a better method (e. g. the water clock), the use of his pulse beat would have been the preferred and plausible alternative. Once he had invented the water clock, which gave him the possibility to measure relative time spans accurately enough, he would not have used the pulse other than for comparison. 3. The acceleration: Drake’s whole calculation does work under one condition: The acceleration must be constant over the total length of the board. This would be only possible, if there were no disturbance during the descent which would remove energy from the sphere. Therefore, there must not be any irregularity within the groove and the sphere must descend on the direct, straight path from top to bottom. But this is not possible in a real world experiment. Every deviation from the straight line, every contact with the wall of the groove, even any “audible bump” would cost energy whose only source is the descending ball. Reduction of energy, however, causes reduction of acceleration and will reduce the distance of travel within a given time period. So, the deviation between calculated and traveled distance should increase over the length of the path leading to increasing deviation between calculated and measured time of descent. Furthermore, those factors are not exactly the same when the procedure is repeated, causing an increasing margin of error. That is exactly what Naylor determined by his experiments.156 From this it is most likely that Drake’s description of the inclined-plane experiment is simply imaginary and is not supported either by a record from Galileo or reality. Drake used the experiment to underscore his claim about the accuracy of Galileo’s measurements. He states: “Galileo certainly had such a ruler, because several diagrams in his notes on motion were drawn so that a principal line contained 60 times the number of units in which all the other lines were measured. In one note he gave “180 points” as the length of a line I measured as 174 millimeters, so that we may take Galileo’s unit as being 29/30ths of a millimeter. That is almost exactly the shortest graduation (which he called a “point”) measured on his own proportional compass at the Museum of the History of Science in Florence.”157 156 Naylor (n. 114), pp. 374–75. 157 Drake, Role (n. 149), p. 101.

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177

Figure 11 shows the section of the proportional compass that shows the graduation points to which Drake refers.

Figure 11: Section of the proportional compass158

It is difficult to comprehend how Drake can deduce from this ruler an accuracy of length measurement of 29/30th mm. Length measurements at Galileo’s time had not yet been standardized and the necessary precision and repeatability, a precondition of exact measurement, was not given. Therefore, : 1 point is the best Galileo could have measured and every correlation to mm would be ridiculous. So, the question becomes: Why did Drake invent this experiment at all? He gives the answer himself by referring to Einstein’s foreword to Drake’s “Dialogue”:159 “Einstein might have been surprised at the role played by precise experiment in Galileo’s discovery of the law of free fall, although as a musician Einstein would have particularly liked its origin.”160 The question remains, what do the numbers of 107v represent? For this, we turn to 107r (Figure 12). Galileo had three mathematical problems which he tried to solve by a parabolic law: – Free fall – The trajectory of projectiles – The chain curve As analyzed by Renn,161 it is obvious that Galileo drew the picture of a hanging cord or chain. The numbers on the bottom are summarized in Table 16. The first row of numbers simply gives the values of y = x2. The second row of numbers is represented by the formula y = 2 (x2 + x), the third simply by y = x3. Together with the formula of 107v : y = 33 x2 it is most likely that Galileo tried unsuccessfully to confirm his claim that the chain curve follows a parabola.

158 159 160 161

Le Opere di Galileo Galilei, ed. Antonio Favaro, Firenze 1934. See Introduction. Drake, Role (n. 149), p. 104. Jürgen Renn, Peter Damerow, Simone Rieger, Michele Camerota, Hunting the White Elephant: When and How Did Galileo Discover the Law of Fall?, in: Galileo in Context, ed. Jürgen Renn, Cambridge 2001, pp. 299–419; Damerow (n. 2), p. 208.

178

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Figure 12: fol. 107r (Galileo Galilei’s Notes on Motion)

Table 16: Numbers and formulas of fol. 107r x

1.Row = x2

3.Row

x3

1 2

1 4

1 8

1 8

3 4

9 16

24 40

24 40

27 64

27 64

5 6

25 36

60 84

60 84

125 156

125 216

7 8

49 64

112 144

112 144

9 10

81 100

180 200

180 220

11 12

121 144

2.Row

2*(x2+x)

Therefore, it is plausible that the reference given for this folio is not to free fall, but to the chain curve: “Salv. …The other way to draw on the prism the line we seek is to fix two nails in a wall in a horizontal line, separated by double the width of the rectangle in which we wish to draw the semiparabola. From these two nails hang a fine chain, of such length that its

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

179

curve [sacca] will extend over the length of the prism. This chain curves in a parabolic shape, so that if we mark points on the wall along the path of the chain, we shall have drawn a full parabola.”162

And “Salv. …But I wish to cause you wonder and delight together by telling you that the cord thus hung, whether much or little stretched, bends in a line that is very close to parabolic. The similarity is so great that if you draw a parabolic line in a vertical plane surface but upside down – that is, with the vertex down and the base parallel to the horizontal – and then hang a little chain from the extremities of the base of the parabola thus drawn, you will see by slackening the little chain now more and now less, that it curves and adapts itself to the parabola; and the agreement will be the closer, the less curved and the more extended the parabola drawn shall be. In parabolas described with an elevation of less than 458, the chain will go almost exactly along the parabola.”163

3.

Conclusions

Neither the reenacting of Galileo’s experiment nor the analysis of philosophers or historians can help to answer our basic question. Especially astonishing is the fact that not a single historian tried to mention, to reconstruct, or to analyze the inclined-plane experiment as described specifically by Galileo. Therefore, instead of clarifying Galileo’s role in the development of experimental physics, it leads the interested reader to confusion. ***

Galileo’s Mysterious Pendulum Experiments 1.

The Necessity of Additional Experiments

As we have seen on pages 154/155, Galileo could not fulfill his desire to falsify Aristotle’s physics, especially his explanation of free fall, by his break with “common” teaching and his perception of time as the determining factor. Neither his extensively mathematical treatment nor his fundamental validation by the inclined-plane experiment yielded a theory with “…basic principles and 162 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 186, p. 143. 163 Ibid., pp. 256–57, see also http://www.mpiwg-berlin.mpg.de/Galileo_Prototype/DHTML/ D314D2.HTM, last time visited 01/14/2017.

180

Gottfried Hoffmann

fundamentals [that] must be secure, firm, and well established, so that one may build confidently upon them.”164 When Galileo realized that vertical free fall was too fast to determine the correlation between distance, time, weight, and shape of the body, he was looking for a process that was still driven by the same principle but much slower. He observed pendulums and recognized that the swinging of it resembles free fall in which the movement of the body is restricted by the string. It would be a surprise if Galileo had not attempted to find the law of the pendulum, here the time of a vibration as a function of the deflection. But he simply did not have the means for the necessary precise measurements. Later, after the break with Aristotle and the recognition of time as the determining factor, Galileo’s extensive mathematical treatment revealed that the movement of the pendulum is complex and exceeded Galileo’s capabilities. Nevertheless, the movement of pendulums could be used to complement Galileo’s inclined-plane experiment. Therefore, it turns out that the pendulum experiments are an integral and essential part of Galileo’s new physics and also essential for his new experimental technique.

2.

The Lead-Cork Experiment

2.1

The description of the experiment in the “Discorsi”

This experiment is the key for Galileo’s strenuous efforts to topple Aristotle’s world model. It will finally close the open gap and prove that free fall is independent of the mass of the falling body. Galileo understood that the driving force for free fall and the moving pendulum is identical: “Salv. …For the internal impetus of a heavy body falling along an inclined plane which is bent at the bottom and deflected upward will carry the body upward also, without interrupting its motion at all. A ball of lead hanging from a thread and moved from the perpendicular descends spontaneously, drawn by its internal tendency ; without pausing to rest it goes past the lowest point and without any supervening mover it moves upward. I know you will not deny that the principle which moves heavy bodies downward is as natural and internal to these as the principle which moves light ones upward is to those. …Thus you see how a movable body may be moved with contrary motions by the same internal principle.”165

164 Galilei, Dialogue (n. 8), pp. 18–19. 165 Ibid., pp. 236–37.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

181

Figure 13: The lead-cork pendulum experiment in Galileo’s “Two New Sciences”, in the Leiden edition of 1638.166

Galileo’s description of the background and the experiment is given in Figure 13. In the translation of S. Drake, it reads: “Salv. […] In order to make use of motions as slow as possible, in which resistance by the medium does less to alter the effect dependent upon simple heaviness, I also thought of making the moveables descend along an inclined plane not much raised above the horizontal. On this, no less than along the vertical, one may observe what is done by heavy bodies differing in weight. Going further, I wanted to be free of any hindrance that might arise from contact of these moveables with the said tilted plane. Ultimately, I took two balls, one of lead and one of cork, the former being at least a hundred times as heavy as the latter, and I attached them to equal thin strings four or five braccia long, tight high above. Removed from the vertical, these were set going at the same moment, and falling along its circumferences of the circle described by the equal strings that were the radii, they passed the vertical and returned by the same path. Repeating their goings and comings a good hundred times by themselves, they sensibly showed that the heavy one 166 Galileo, Discorsi (n. 66), pp. 84–85.

182

Gottfried Hoffmann

kept time with the light one so well that not in a hundred oscillations, nor in a thousand, does it get ahead in time even by a moment, but the two travel with equal pace. The operation of the medium is also perceived; offering some impediment to the motion, it diminishes the oscillations of the cork much more than those of the lead. But it does not make them more frequent, or less so; indeed, when the arcs passed by the cork were not more than five or six degrees, and those of the lead were fifty or sixty, they were passed over in the same times.”167

In Aristotle’s world model the lead ball should move faster than the cork ball. Galileo used this experiment to prove that both balls move with the same velocity, therefore proving that free fall is not affected by the mass (or density) of the material – closing the final gap to overturn Aristotle’s world model. 2.2

Did Galileo perform the experiment as described by the translators?

In order to understand the experiment, the present-day physics of the pendulum will be analyzed. Only the mathematical pendulum will be considered, i. e. a small point mass and an almost massless string. Galileo’s pendulum is close enough to a mathematical pendulum to be treated like one. 2.2.1 The effect of variations in the string length Galileo gives the length of the string of his pendulums: “I attached them to equal thin strings four or five braccia long, tight high above.” This is on first glance very unusual for a physicist who knows that the period is affected by the length of the string: “Salv. […] As to the ratio of times of oscillation of bodies hanging from strings of different lengths, those times are as the square roots of the string length.”168 The difference of the period between pendulums with lengths of 2.5 m and 3.0 m is about 10 %. This does not sound significant, but it is impossible to get synchronization between the two. In order to demonstrate the problem of synchronization of two pendulums with different string lengths, Figure 14 shows the difference in degrees between pendulums of different string length after only 10 seconds (& 3 complete swings). The Figure shows that even with very small changes in the length of the string there is no synchronization between the two and the difference should be easily discovered. It is not known how precisely Galileo could have cut and mounted two strings of equal lengths. However, to synchronize two pendulums with equal bobs is extremely difficult, even with present-day modern technologies.169 167 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 128–129, pp. 87–88. 168 Ibid., 140, p.97; it is remarkable that there is no record of Galileo that he ever did an experiment to prove this law. He reports it just as a fact. A more detailed analysis of Galileo’s records about the effect of the length of the string is in Appendix II. 169 See below n. 180 (Videos of Palmieri).

183

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics? 0 -10 difference between pendulums [grd]

-20 -30 -40 -50 -60 -70 -80 -90 -100 2,5

2,55

2,6

2,65

2,7

2,75

2,8

2,85

2,9

2,95

3

length of the string [m]

Figure 14: Difference in degrees of two pendulums with different strings after 10 seconds (approximately 3 completed swings)

2.2.2 The effect of damping upon synchronism To study the effect of lead and cork on damping and eventually synchronization of both pendulums, the mathematical basics of the pendulum shall be summarized here. Every modern mathematical software allows the calculation of pendulums under almost all thinkable conditions.170 Nevertheless, it may be helpful, to recall the analytic law of the mathematical pendulum as it can be found in Handbooks of Theoretical Mechanics and on the Internet:171

with

in which

qffiffi (Eq. 18) l T ¼ 4 ? g ? K ðkÞ T = Period of the pendulum [s] l = Length of the massless string [m] g = acceleration due to gravity = 9.81 [m/s2] K (k) = F (k, p/2) = complete elliptic integral of the first kind k = sin (v0/2) (v0 = initial amplitude)

The value of the elliptical integral can be achieved by tables in every mathematical handbook (e. g. Abramowitz, 1965) or can be directly calculated on the 170 E. g. Mathlab or Maple. 171 Agoston Budo, Theoretische Mechanik, Berlin 1990; an excellent summary is contained ibid., p. 109, or online: https://en.wikipedia.org/wiki/Pendulum_(mathematics), last time visited 01/14/2017.

184

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Internet.172 There are several approximations possible which can be used within certain amplitude ranges and within a certain margin of error. Using the length of Galileo’s string of approximately 2.5 m (four to five braccia=2.4 to 3 m), Figure 15 shows the calculated period for a complete swing of the pendulum as a function of the initial amplitude.

period = f (amplitude) ; l = 2.5 m 4 3,9 3,8

period [sec]

3,7 3,6 3,5 3,4 3,3 3,2 3,1 0

20

40 60 amplitude [grd]

80

100

Figure 15: Period of Galileo’s pendulum at different amplitudes (l = 2.5 m)

Despite the fact that the difference in the period is only a few tenths of a second, the effect is easy to observe because it adds up quickly over only a few total swings. Figure 16 shows the displacement of the bob within 10 seconds for two initial amplitudes (808 and 608). It is obvious that the two pendulums show observable asynchronous motion even during the first half of a swing. Therefore, as soon as the amplitudes of two pendulums differ, the asynchronous movement could not have slipped the attention of an excellent observer like Galileo. The question becomes whether and how fast a difference in the amplitude between a lead and a cork pendulum, causing asynchronism, could occur. Therefore, the time-dependent amplitude of both the pendulums has to be calculated, taking the effect of air resistance and therefore the damping of the vibration into consideration. The correct solution of this problem is not a trivial task and the

172 Cf. http://keisan.casio.com/exec/system/1180573451, last time visited 01/14/2017.

185

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

subject of intensive research.173 However, it does not help very much anyway because the exact data of Galileo’s experiment and environment are not known in order to perform a correct and valid calculation. Therefore, as it is often very helpful in physical problems, an estimation could give an idea about the behavior of the two pendulums. amplitude = 80°

amplitude = 60°

100 80 60 displacement [grd]

40 20 0 -20 -40 -60 -80 -100 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

!me [s]

Figure 16: Asynchronous behavior of two pendulums with different amplitudes

We start with the assumption that the two bobs Galileo used are of identical size, shape, and surface roughness. Because the resistance due to air is solely affected by these geometrical factors, assuming identical air conditions and velocity, it is reasonable to suppose that they were of the same magnitude for both pendulums. Eloss = f (size, shape, surface, air condition, velocity) ¼ 6 f (mass of the bob) Therefore, the relative loss of energy can be written as: Eloss Emax

with

¼

Eloss Epot

¼ Erel

(Eq. 19)

Epot = maximum potential energy of the system at maximum amplitudes =m?g?h [gcm2/s2] m = mass of the bob [g] g = acceleration of gravity [cm/s2] h = maximum vertical distance [cm].

173 E. g. Robert Nelson, The Pendulum. Rich Physics from a Simple System, in: American Journal of Physics 54,2 (1986), pp. 112–21.

186

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Because the size and shape of both bobs are identical, the mass is directly proportional to the density of the material used for the bobs: with

m¼1?V q = density of the material V = volume of the body

(Eq. 20) [g/cm3] [cm3].

The ratio of the relative energy loss of both the bobs can be written as ðErel Þcork ðErel Þlead

with

E

¼ mcorkloss?g?h ?

q lead = 11.35 q cork = 0.540

mlead ?g?h Eloss

1

¼ 1lead & 21 cork

(Eq. 21) [g/cm3]174 [g/cm3].175

However, Galileo describes the lead bob as “at least a hundred times as heavy as” the cork, the diameter of both bobs could not be identical resulting in different air resistivity. However, we can still estimate the relative loss for both bobs. 1. We calculate the ratio of the diameter of the lead and the cork bob 4p 3 4p 3 mlead ¼ ? r ? 1 ¼ 100 ? mcork ¼ 100 ? ?r ?1 (Eq. 22) 3 lead lead 3 cork cork with the above given densities of lead and cork follows r 3lead 1 100 ¼ 100 ? cork & ¼5 (Eq. 23) 1lead 20 r 3cork and pffi r lead ¼ ½3A5 ? r cork ¼ 1:71 ? r cork

(Eq. 24).

2. Next, we estimate the drag force of two identical bobs having the ratio of radii of 1.71: 1 2 F r=large 2 ? 1air ? v21 ? cw1 ? Alarge rlarge ¼1 ¼ 2 &3 (Eq. 25) F r=small 2 ? 1air ? v22 ? cw2 ? Asmall rsmall with

qair = density offfi air [g/cm3] pffiffiffiffiffiffiffi v1 = v2 = 2gh = 700 cm/s for 908 deflection of a 2,5 m pendulum cw1 = cw2 = drag coefficient [1].176

174 The Elements – Lead, in: CRC Handbook of Chemistry and Physics, ed. David R. Lide, Boca Raton, FL, 2005, pp. 4–18; online: http://www.hbcpnetbase.com, last time visited 01/14/ 2017. 175 Thermal Conductivity of Ceramics and other Insulating Material, in: ibid., pp. 12–226 (2303); online: http://www.hbcpnetbase.com, last time visited 01/14/2017. 176 According http://www.grc.nasa.gov/WWW/k-12/airplane/dragsphere.html, last accessed 01/11/2017, the drag constant is constant (= 0,5) between Re-numbers 103 to 105. With

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

187

Therefore, the larger bob loses about three times as much energy as the smaller one. 3. Now we can estimate the loss of the small bob of cork compared to the large bob of lead. ðErel Þlead=small ðErel Þcork=small ðErel Þcork=small 21 ? ¼ & ¼7 3 ðErel Þlead=large ðErel Þlead=small ðErel Þlead=large

(Eq. 26)

In other words: Even compared to the larger lead bob, the cork pendulum loses an about 7 times larger portion of its energy per swing, which reduces its potential energy. Therefore, the cork pendulum reduces its amplitude much faster than the lead pendulum and decreases its period faster. This effect was very well known by Galileo: “Salv. […] Assume, then, that lead is ten thousand times as heavy as air, but ebony only one thousand times. From the speeds of these two materials, which would be equal taken absolutely (that is, with all resistance removed), air takes from lead one degree [of speed] in ten thousand, and from ebony one degree in one thousand, or ten in ten thousand. Hence if lead and ebony fall through air from any height, and would have fallen in the same time in the absence of retardation by the air, then the air will take away from the speed of lead one degree in ten thousand, while from ebony it will take away ten degrees.”177

With the density of ebony (qebony = 1.2 g/cm3),178 Eq. 21 gives an about ten times higher relative energy loss compared with lead – an astonishing agreement with Galileo’s estimation. Applied to the swings of pendulums: “SALV. …Besides, if two strings of equal length were suspended from that rafter, with a lead ball attached to the end of one and a cotton ball to the other, and then if both were drawn an equal distance from the perpendicular and set free, there is no doubt that each would move toward the perpendicular and, propelled by its own impetus, would go beyond that by a certain interval and afterward return. Which of these pendulums do you believe would continue to move the longer before stopping vertically? SIMP. The lead ball would go back and forth a great many times; the cotton ball, two or three at most.”179

kinematic viscosity of air & 0,1 cm2/s (Viscosity of Gases, in: CRC, Handbook [n. 174], p. 1187) and v = 700 cm/s, the diameter of the sphere with the same drag constant range from 0,2 cm to 20 cm which is well within Galileo’s possible ball diameters. 177 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 119–120, p. 79. 178 Density of Various Solids, in CRC Handbook (n. 174), p. 15–29 (2449); online: http://www. hbcpnetbase.com, last time visited 01/14/2017. 179 Galilei, Dialogue (n. 8), pp. 151–52.

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As Galileo predicted, the cork pendulum loses amplitude and must become asynchronous after only a few swings,180 which could not have been overlooked by Galileo. Conclusion: It is extremely unlikely that Galileo performed the experiment by observing two pendulums, one with a lead the other with a cork ball, swinging simultaneously over a longer period of time. Even worse: If he would have observed the two pendulums simultaneously, he would have noticed the cork rushing ahead of the lead which would not only have contradicted Aristotle but also Galileo himself. 2.3

How could Galileo have performed the experiment?

Because the experiment is crucial to Galileo’s attempt to topple Aristotle’s world model, it is very plausible that he performed the test, however in a different way. The answer may be found in Galileo’s own wording: In the description of 1638 the word “tempo (i)” is used three times and Drake translates the passages as follows: – “the heavy one kept time with the light one” – “does it get ahead in time even by a moment” – “they were passed over in the same time” This indicates that Galileo, instead of swinging the pendulums simultaneously, measured the time of each swing separately, using his water clock as proposed by Ariotti: “Galileo does not say that he used water weighing in the case of the pendulum. It is, however, probable that he did…. On the other hand, the precision he claims for this method is sufficiently high for the task. In the case of a short pendulum he can time a small series of oscillations and obtain the period by dividing the mass of water by the number of oscillations. In this way he cannot be certain that each oscillation takes equal time. However, in the case of a long pendulum the precision of the method allows him to time single oscillations.”181

180 This fact is impressively demonstrated by Paolo Palmieri, Reenacting Galileo’s Experiments, New York 2008, who produced impressive videos that show the difficulties in synchronizing two pendulums even with modern technology. Videos of the experiments should be freely downloadable at http://www.exphps.org/. Unfortunately, the website was recently shut down for financial reasons and is not accessible anymore (last try : 01/14/2017). The author possesses some of the videos, especially No. 20 (lead and cork pendulum), but is not authorized to provide those to the public. 181 Piero Ariotti, Galileo on the Isochrony of the Pendulum, in Isis 59,4 (1968), pp. 414–26, at p. 425.

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Even Drake assumed that Galileo used the method of measuring single swings with the water clock: “Galileo’s skill as an experimentalist is illustrated by the pendulum length that he recorded on f. 151v as being 1590 punti. That figure can have been obtained only by finding the pendulum whose swing to the vertical through a small arc accompanied flow of 903 grains weight of water through his time device. Implied is his having started with a pendulum about five feet long, and then having patiently adjusted it until water flowed precisely to the previously marked level while the pendulum swung to the vertical.”182

Drake implies here an unlikely precision of the water clock. Why Drake did not apply this time measurement to the other experiments with pendulums and with his inclined-plane experiment is not known. If Galileo’s description is read under this assumption, the lead-cork experiment and the conclusions Galileo drew from it makes sense: – The period of a pendulum of 2.5 m length is between 3 and 4 seconds and this is also the time span Galileo had measured in his inclined-plane experiment. – The variation of the period by small differences of the length of the pendulums is within Galileo’s margin of error. So, it was not important for him to record the exact length. – The variation of the period with the amplitude is within the margin of error, also, and could not have been detected by Galileo. But it is most likely that he observed a “trend” which led him to the conclusion, that the pendulum may not be isochronous at all (see Chapter 5.3) – Galileo could measure “a hundred, … (or even) a thousand (oscillations)”, and the period at different amplitudes: “they were (all) passed over in the same time.” – The period of the pendulum is not affected by the mass of the ball. Therefore, Galileo’s measurements validated his statement that the driving force of free fall is independent of the mass of the falling body – the final conclusion that falsified Aristotle. 2.4

Why did Galileo describe the experiment this way?

The understanding of this experiment as one in which two pendulums swing simultaneously over a longer period of time and the movement of both was observed visually is based upon a single line of the Leiden – Edition of 1638 which reads in Drake’s translation: “Removed from the vertical, these were set going at the same moment….” In order to understand Galileo’s way of describing the

182 Drake, Galileo: Pioneer Scientist (n. 149), p. 15.

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experiment as he did, it is helpful to recall two other experiments: On the fourth day,183 Galileo reports the following: “Salv. […] Suspend two equal lead balls from two equal threads four or five braccia long. The threads being attached above, remove both balls from the vertical, one of them by 80 degrees or more, and the other by no more than four or five degrees, and set them free. The former descends, and passing the vertical describes very large [total] arcs of 1608, 1508, 1408, etc., which gradually diminish. The other, swinging freely, passes through small arcs of 108, 88, 68, etc., these also diminishing bit by bit. I say, first, that in the time that one passes its 1808, 1608, etc., the other will pass its 108, 88, etc. From this it is evident that the [overall] speed of the first ball will be 16 or 18 times as great as the [overall] speed of the second; and if the greater speed were to impeded by the air more than the lesser, the oscillations in arcs of 1808, 1608, etc. should be less frequent than those in the small arcs of 108, 88, 48, and even 28 or one degree. But experiment contradicts this, for if two friends shall set themselves to count the oscillations, one counting the wide ones and the other the narrow ones, they will see that they may count not just tens, but even hundreds, without disagreeing by even one, or part of one.”184

In a letter to Guidobaldo del Monte of November 29th, 1602 Galileo reports another experiment with pendulums: “Therefore take two slender threads of equal length, each being two or three braccia long; let these be AB and EF. Hang A and E from two nails, and at the other ends tie two equal lead balls (though it makes no difference if they are unequal). Then, removing both threads from the vertical, one of them very much, as by the arc CB, and the other but little, as by the arc IF, let them go free at the same moment of time. One will begin to describe large arcs like BCD, while the other describes small ones like FIG. Yet in this way the moveable B will not consume more time in passing the whole arc BCD than that which is used by the other moveable F in passing the arc FIG. Of this I rendered quite certain, as follows. The moveable B passes through the large arc BCD and returns by the same DCB and then goes back toward D, and it goes 500 or 1000 times repeating its oscillations. The other goes likewise from F to G and then returns to F, and similarly will make many oscillations; and in the time that I count, say, the first 100 large oscillations BCD, DCB, and so on, another observer counts 100 of the other oscillations through FIG, very small, and he does not count even one more – - a most evident sign that one of the large arcs BCD consumes as much time as each one of the small ones FIG. Now if all BCD is passed in as much time [as that] in which FIG [is passed], though [the latter is] 183 Galilei, Two New Sciences (n. 9). 184 Ibid., 277, pp. 226–27. – Interesting is Drake’s n. 12, which reads: “A disagreement of about one beat in thirty should occur with pendulums of the length and amplitudes described here as isochronous. Writing this passage in his old age, Galileo may have recalled his valid experiments with pendulums weighted with cork and lead as described in the First Day, and confused them with the quite different result incorrectly asserted here”. In an essay (Stillman Drake, James MacLachlan, Reply to the Shea-Wolf Critique, in: Isis 66,3 (1973), pp. 400–03), he writes: “My translation and notes have now appeared in print, but I no longer believe them to be right”, based upon tests performed by his colleague James MacLachlan.

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but one-half thereof, these being descents through unequal arcs of the same quadrant, they will be made in equal times. But even without troubling to count many, you will see that moveable F will not make its small oscillations more frequently than moveable B makes its large ones; they will always go together.”185

1. It is obvious that the descriptions of the experiments in the “Discorsi” (the lead-cork and the lead-lead as well) are simply replicas of the report given in the letter, however, with different lengths of the string. Both lead-lead tests could not be performed as written. As can be seen from Fig. 16 two “observers/friends” would discover asynchronism even after the first swing if they would count the swings at the turning points aloud. 2. The length of the string (1.2–1.8 m), given in the letter, results in a period between 2.2 and 2.7 sec. This gives 27 to 22 full or 54 to 44 half swings per minute. This corresponds with the beat of the pulse. Therefore, it is very plausible that at the time the letter was written, Galileo used his heart beat for estimating the duration of a single swing. Once he invented his water clock, he changed the length of his string and used the more objective method to determine the times relatively. 3. The similarity of all three descriptions is stunning. The report given in the letter seems to be the master, the others are just replicas. Regarding Drake, the letter is the third one, the two previous letters have been lost. So, we are unable to reconstruct Galileo’s first description of his experiment and/or idea. This was either too complicated, too confusing, or too unconvincing for the addressee to comprehend: “And since the experience by which the truth has been made clear to me is so certain – – however confusedly it may have been explained in my other [letter] – – I shall repeat this more clearly so that you, too, by making this [experiment], may be assured of this truth.”186 Did Galileo do exactly what 185 Opere, ed. Favaro (n. 158); Stillman Drake, Mathematics and Discovery in Galileo’s Physics, in: Historia Mathematica 1 (1974), pp. 129–50, at pp. 132–33. – In a letter to L. Reael (Amsterdam) Galileo repeats his records on June 5, 1637, cited in Matteo Valleriani, Galileo Engineer (Boston Studies in the Philosophy of Science 269), Dordrecht, Heidelberg, London 2010, p. 291. 186 Drake, Mathematics (n. 185), p. 133; cf. https://en.wikipedia.org/wiki/Popular_science, last time visited 01/14/2017.

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modern scientific writers do in order “… to inform and convince scientific outsiders (sometimes along with scientists in other fields) of the significance of data and conclusions and to celebrate the results”? Why he finally used the same popular science language in his “scientific” work “Discorsi” is unknown.

3.

The Validation of the Boundary Conditions of the Inclined-Plane Experiment

3.1

The first condition

Galileo has to prove that the maximum velocity is independent of the material and solely affected by the height of the fall: “Sagr. Now it happens with either pendulum that it passes now sixty degrees, now fifty, now thirty, now ten, now eight, now four, now two, and so on. And when both pass the arc of sixty degrees, they pass this in the same time; in the arc of fifty, both bodies spend the same time; so in the arc of thirty, of ten, and the rest. Thus it is concluded that the speed of the lead in the arc of sixty degrees is equal to the speed of the cork in the same arc of sixty ; and that the speeds in the arc of fifty are still equal to each other, and so on in the rest. But nobody says that the speed employed in the arc of sixty [degrees] is equal to that consumed in the arc of fifty, nor this speed to that in the arc of thirty, and so on. The speeds are always less in the smaller arcs, which we deduce by seeing with our own eyes that the same body spends as much time in passing the large arc of sixty degrees as in passing the smaller of fifty or the very small arc of ten; and in sum, that all arcs are passed in equal times. It is therefore true that the lead and the cork do go retarding their motion according to the diminution of the arcs, but their agreement in maintaining equality of speed in every arc that it passed by both of them remains unaltered.”187

3.2

The second condition

The condition has to be proved that the velocity of the falling body is affected by the height but independent of the way of the fall. This condition is important in order to show that the inclined plane represents vertical free fall. The simple test, that Galileo performed to validate the condition, shows his creativity and skills as an experimenter : “Salv. You reason from good probability. But apart from mere plausibility, I wish to increase the probability so much by an experiment that it will fall little short of equality with necessary demonstration. Imagine this page to be a vertical wall, and that from a nail driven into it, a lead ball of one or two ounces hangs vertically, suspended by a fine thread two or three braccia in length, AB. Draw on the wall a horizontal line DC, cutting 187 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 130–31, p. 89.

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at right angles the vertical AB, which hangs a couple of inches out from the wall; then moving the thread AB with its ball to AC, set the ball free. It will be seen first to descend, describing the arc CB, and then to pass the point B, running along the arc BD and rising almost up to the parallel marked CD, falling short of this by a very small interval and being prevented from arriving there exactly by the impediment of the air and the thread. From this we can truthfully conclude that the impetus acquired by the ball at point B in descent through arc CB was sufficient to drive it back up again to the same height through a similar arc BD. Having made and repeated this experiment several times, let us fix in the wall along the vertical AB, as at E or F, a nail extending out several inches, so that the thread AC, moving as before to carry the ball C through the arc CB, is stopped when it comes to B by this nail, E, and is constrained to travel along the circumference BG, described about the center E. We shall see from this that the same impetus can be made that, when reached at B before, drove this same moveable through the arc BD to the height of horizontal CD, but now, gentlemen, you will be pleased to see that the ball is conducted to the horizontal at point G. And the same thing happens if the nail is placed lower down, as at F, whence the ball will describe the arc BI, ending its rise always precisely at the same line, CD. If the interfering nail is so low that the thread advancing under it could not get up to the height CD, as would happen when the nail was closer to point B than to the intersection of AB with the horizontal CD, then the thread will ride on the nail and wind itself around it.”188

4.

Did Galileo Believe in Isochrony of the Pendulum?

It is most likely that Galileo must have assumed isochronism of the pendulum during his early study. Not only was his method of time measurement at this period too inconsistent and subjective, he was also caught in the Aristotelean thinking of constant velocity. This also led him to assume the v / s2 dependency of the free fall. Once he broke out of this cage and discovered the uniformly accelerated speed of free fall and the equivalence of inclined planes to vertical free fall, he tried to apply this principle also to the movement through an arc of a circle. His mathematical analyses finally led to the understanding that the movement along the arc of a circle must be a non-uniformly accelerated motion: 188 Ibid., 205–07, pp. 162–63.

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“Proposition XXXVI. Theorem XXII From the lowest point of a vertical circle, let an inclined plane be raised, subtending an arc no greater than one quadrant, from the ends of which two other planes are inclined, meeting at any point on the arc; descent in both these planes will be finished in a shorter time than [descent] in the first inclined plane alone, or in only the lower of these planes.”189 “Scholium. From the things demonstrated, it appears that one can deduce that the swiftest movement of all from one terminus to the other is not through the shortest line of all, which is the straight line [AC] but through the circular arc. […] Hence motion between two selected points, A and C, is finished the more quickly, the more closely we approach the circumference through inscribed polygons. What has been explained for the quadrant happens also in arcs less than the quadrant; and the reasoning is the same.”190

He tried to solve the mathematical problem to calculate the velocities along the arc but failed, because he simply did not have the tools and especially the possibility to determine the missing factor : the absolute time of the movement along the arcs. So, he tried unsuccessfully the same method that mathematicians used to determine the area of a circle – polygonization (Figure 17). Due to the margin of error of his water clock, differences in time measurement at different arcs were not conclusive. Therefore, he summarized his finding in the “Two New Sciemces” as follows: “Salv. …Now, as to descents along arcs of these chords rising from the horizontal, experience likewise shows us that all those not exceeding ninety degrees, or a quartercircle, are passed in equal times, shorter, however, than the times of passage along the chords. This effect contains something of the miraculous, since at first glance it seems that the opposite should happen. [The paths] having in common their points of beginning and ending of motion, and the straight line being the shortest that lies between the same ends, it seems reasonable that the motion made along the straight line would have to be completed in the shortest time. This is not the case; the shortest time, and

189 Ibid., 261–62, p. 211. 190 Ibid., 263–64, pp. 212–13.

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hence the swiftest motion, is that which is made along the arc of which the straight line is the chord.”191

Figure 17: fol. 166r – Calculations by polygonization of the velocities along an arc192

191 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 139, Drake tr., 1974, p. 97. 192 Cf. http://www.mpiwg-berlin.mpg.de/Galileo_Prototype/HTML/F166_R/F166_R.HTM, last accessed 01/14/2017.

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Consequently, the time of a descent along an arc must be affected by the length of the arc which would have contradicted the isochronism of the pendulum. In his “Dialogue” Galileo expressed his doubts about isochronism of the pendulum but was unable to support his doubts or even to prove it by his method of time measurement: So, he called “the difference … insensible”: “Salv. Oh, that makes no difference, for the same pendulum makes its oscillations in equal times, whether they are long or short (that is, whether the pendulum is removed a long way or very little from the perpendicular). Or, if they are not exactly equal, the difference is insensible, as experiment will show you. But even if they were quite unequal, that would help rather than hinder my case.”193

Or “very little different – almost imperceptibly”: “Salv. …The other particular is truly remarkable; it is that the same pendulum makes its oscillations with the same frequency, or very little different – almost imperceptibly – whether these are made through large arcs or very small ones along a given circumference.”194

5.

Conclusions

The plausible use of the water clock by Galileo to measure relative times not only in his inclined-plane experiment but also in his pendulum experiments may be the answer to Szabj’s question (see Introduction). It also explains Galileo’s different findings about the oscillations of pendulums. The movement of the pendulums validated the set-up of the inclined-plane experiment. Only the results of this experiment in connection with the swing of the lead-cork pendulum let eventually to Galileo’s conclusion that free fall is a uniformly accelerated motion and independent of the weight of the body – the final blow against Aristotle’s world model. Why Galileo described the lead-cork experiment in his “Discorsi” as a simultaneous swing of two pendulums is still unknown. So, the pendulum experiments are no longer “mysterious” – the description of those experiments still is. ***

193 Galilei, Dialogue (n. 8), p. 230. 194 Ibid., p. 450.

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The Puzzle Can Be Assembled As we know which experiments Galileo performed and how he measured the relative time, all pieces of the puzzle fall into place – resulting in a picture of someone who really revolutionized science. The following is not in regards to the timely sequence of events. Science, especially of new grounds, does not follow a straightforward line, it can be figured as an unknown labyrinth, following different directions and results in several turns. Nevertheless, in hindsight the general direction can be reconstructed. 1. As a student Galileo had to study Aristotle and his physics. He must have felt uncomfortable with the basics of Aristotle’s physics because it contradicted experience at first glance. As a practitioner, it did not take much to see that especially the theory of free fall is not in accordance with direct observations: “Salv. …As to the first one, I seriously doubt that Aristotle ever tested [sperimentasse] whether it is true that two stones, one ten times as heavy as the other, both released at the same instant to fall from a height, say, of one hundred braccia, differed so much in their speeds that upon the arrival of the larger stone upon the ground, the other would be found to have descended no more than [n8 anco] ten braccia.”195

2. Furthermore, he might have had doubts about the constant velocity of movable bodies, without knowing a better description at the time: “Salv. But without other experiences, by a short and conclusive demonstration, we can prove clearly that it is not true that a heavier moveable is moved more swiftly than another, less heavy, these being of the same material, and in a word, those of which Aristotle speaks. Tell me, Simplicio, whether you assume that for every heavy falling body there is a speed determined by nature such that this cannot be increased or diminished except by using force or opposing some impediment to it. Simp. There can be no doubt that a given moveable in a given medium has an established speed determined by nature, which cannot be increased except by conferring on it some new impetus, nor diminished save by some impediment that retards it.”196

3. But how should he attack the ruling philosophical doctrine? Is it not plausible that Galileo shared his observations with contemporary scientists? Maybe by using the Pisa Tower as a starting point, because not only does it have the height Galileo talks about but it would also be easy to drop bodies without hitting anything. But soon he learned that it is not enough to demonstrate something to convince people to change their minds: “Salv. …But I don’t want you, Simplicio, to do what many others do, and divert the argument from its principal purpose, attacking something I said that departs by a hair 195 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 106, p. 66. 196 Ibid., 107, p. 66.

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from the truth, and then trying to hide under this hair another’s fault that is a big as a ship’s hawser…. And now you want to hide, behind those two inches, the ninety-nine braccia of Aristotle, and speaking only of my tiny error, remain silent about his enormous one.”197

4. He understood that subjective impressions are not sufficient to overturn a ruling philosophy. So, he started thinking about objective tests by analyzing the case of free fall in more detail. Even Aristotle realized that there are two parameters affecting the motion of a freely falling body : – the natural drive towards the center of the universe – the medium, here the air, which had to be divided by the body but also pushes it farther, therefore increasing the velocity. Galileo thought about the possibility of separating those two parameters by slowing down the velocity of the falling body. If he could do that successfully, the air would not play any role anymore, the speed of the falling body would be only determined by its “natural” velocity. 5. First of all, he realized that the driving force for the swinging of a pendulum is the same as for free fall, the fall of the bobs is just restricted by the string: “Sagr. …A thousand times I have given attention to oscillations, in particular those of lamps in some churches hanging from long cords, inadvertently set in motion by someone, but the most that I ever got from such observations was the improbability of the opinion of many, who would have it that motions of this kind are maintained and continued by the medium, that is, the air. It would seem to me that the air must have exquisite judgment and little else to do, consuming hours and hours in pushing back and forth a hanging weight with such regularity.”198

He began with his own experiments, using a length of the string of about two to three braccia and his pulse-beat as time reference: “Salv. We shall see whether these pendulums of ours can bring some satisfaction to all these difficulties. As to the prior question, whether the same pendulum makes all its oscillations – the largest, the average, and the smallest – in truly and exactly equal times.”199 Due to the inaccuracy of the time measurement he may have found a positive answer to his question. Galileo must have been excited: For the first time there seemed to be a mechanical device which could be used as a timing device, better than everything else known at this time. But soon he realized: – it is almost impossible to keep the (mathematical) pendulum going for a long time 197 Ibid., 109, p. 68. 198 Ibid., 140–141, p. 98–99. 199 Ibid., 139, p. 97.

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– it is almost impossible to transfer the swings of a (mathematical) pendulum to a counting mechanism 6. So, he came up with the idea of rolling a ball down an inclined plane which was tilted against the horizontal by a small angle. The magnitude of the angle determines the speed, so Galileo could reduce the velocity of the sphere to a minimum. Whether Galileo first performed this experiment during his time in Padua, as Wohlwill and Drake assumed, is plausible but not documented. The plausibility is based upon Galileo’s erroneous assumption of v / s2. At this time, he had no conclusive theory about free fall and was still stuck in the Aristotelian understanding of constant velocities. Furthermore, when he performed the experiment, he lacked an objective measurement of time. Therefore, the only plausible way was to use the beat of his pulse and try to measure the way the ball traveled during that time. 7. But most disturbing was the incompatibility with his observations of the pendulum: If the time of a swing of different amplitudes is constant and Aristotle’s constant velocity is still valid, than v = s which is contradictory to his findings using the inclined plane. Therefore, something must have been wrong and Galileo had to start all over again. 8. During this time frame, Galileo constructed a telescope and directed it to the stars. What he observed was stunning and completely inconsistent with the Aristotelian model of the universe. Galileo did now have the proofs in his hand and nobody could deny what could be seen with his own eyes. So, he focused on his observations and began to publish his findings. Free fall became a subject of second order. But soon (in 1616) Galileo confronted restrictions on his freedom from the Catholic Church and especially the inquisition: “The finding of the panel was handed in on 24 February ; on the 25th, at the weekly meeting of the cardinals of the Inquisition, the pope instructed Bellarmine in their presence to inform Galileo of it and require him to abandon these opinions. If he resisted, then the commissary of the Inquisition was to instruct Galileo in the presence of a notary and witnesses that if he did not obey he would be jailed.”200

So, he returned to his free fall problem. 9. He started a completely new approach to the problem. After breaking with Aristotle and defining time as the determining factor, he was able to perform a thoroughly mathematical analysis and made important discoveries: – Aristotle’s constant velocity theory must be wrong. Velocities can be changed and accelerated, leading to the correct s / t2 law: “Proposition I. Theorem I 200 Documents (translated into English) e. g. in Maurice Finocchiaro, The Galileo Affair, Berkeley, Los Angeles, London 1989, pp. 143.

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The time in which a certain space is traversed by a moveable in uniformly accelerated movement from rest is equal to the time in which the same space would be traversed by the same moveable carried in uniform motion whose degree of speed is one-half the maximum and final degree of speed of the previous, uniformly accelerated motion.”201 – The inclined plane, mathematically a chord of a circle, is representative of free fall along the diameter of the same circle: “Scholium. What we have demonstrated for movements run through along verticals is to be understood also to apply to planes, however inclined; for these, it is indeed assumed that the degree of increased speed [accelerationis] grows in the same ratio; that is, according to the increase of time, or let us say according to the series of natural numbers from unity”202 and: “Proposition VI. Theorem VI If, from the highest or lowest point of a vertical circle, any inclined planes whatever are drawn to its circumference, the times of descent through these will be equal.”203 – the pendulum, that is movement along an arc instead of a chord, is a nonuniformly accelerated movement which was outside Galileo’s mathematical and physical capabilities. 10. Now, the inclined-plane experiment acquired a completely new meaning. However, Galileo needed an objective measurement of the time of descent – he invented his type of water clock, allowing him to measure relative times. This allowed him to divide the length of his board into predetermined fractions and measure the time in weights of water. This type of experiment is much simpler, objective, easy to perform and to repeat – an essential condition for every physical experiment. So, he was able to confirm the s / t2 – law. 11. In order to validate the experimental set up, Galileo needed to prove the validity of the boundary condition for which he used the movement of the pendulum. 12. Last but not least, he had to prove that free fall is independent of the weight (mass, density) of the falling body for which he used the lead and the cork pendulum together with his water clock. ***

201 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 208, p. 165. 202 Ibid., 214, p. 171. 203 Ibid., 221, p. 178.

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201

Conclusions Up to now, historians have not reproduced Galileo’s experiments as he described them. By following his descriptions as closely as possible and by making a careful analysis of the boundary conditions of what was technically possible in the 17th century, we can make sense of Galileo’s assertions and experiments. As Szabj expected, the key to understanding Galileo’s experiments regarding free fall can be found in the method he used to measure the time of the swings of his pendulums, because it solves the problems with Galileo’s writings, and shows the development of Galileo’s thinking. It becomes clear how Galileo developed his proof against Aristotle’s world model. Furthermore, it shows that Galileo’s way was not direct and straightforward, even if it looks that way in hindsight. Galileo went through a process of ‘trial and error’ because he lacked a ‘blueprint’ for physical experimental technique. Furthermore, he was confined not only by traditional Aristotelian thinking but also by his lack of proper measuring devices. Once he broke with the tradition and invented his own method for measuring time, which was sufficient for his purpose, he was able to discover the correct s / t2 – law and could prove Aristotle’s world model false. It is now also possible to answer the general question. Galileo’s contribution to the development of modern physics which opened the minds of many followers can be summarized in the plausible reconstruction of his experimental technique that has been proposed here, and which is still in use by every serious physicist today : – Make a model of the process to be studied. – Mathematically analyse the model in order to determine the governing parameters. – Find an experimental set up to separate the effects of the individual parameters. If this is not possible, try to separate the effects mathematically by using e. g. a statistical design for experiments. – Choose measurement devices that are sufficient for your expected magnitude of physical values. – Validate boundary conditions. – Validate or modify the model and the mathematical analysis. It would be implausible, however, to assume that Galileo developed this technique on purpose. Otherwise, he would not have scattered the pieces of the puzzle all over his writings. It comes to light only after an intensive analysis of his experiments and a new evaluation of the details. However, some of his contemporaries understood his principles and applied them to their own experiments. ***

202

Gottfried Hoffmann

The paper shows that an extensive analysis of the physical background of Galileo’s experiments is essential in understanding the role Galileo played in the invention of modern experimental physics. Only very few alterations of the interpretation of Galileo’s writings are necessary in order to understand previously mysterious experiments. Even more, they now make sense in connection with his famous inclined-plane experiment. It becomes clear that Galileo did not invent the pendulum experiments but used the motion of it to support his claim that the free fall is a uniformly accelerated movement, independent of size, shape, and density of the falling body. Taking all experiments in context, Galileo developed the experimental principles which are still in use today. In his era, it was a revolution, overturning a world model and a way of analyzing nature, which ruled scientific thinking for centuries. It also broke out of restricted areas of ideas and opened the door for physicists to come. So, the picture of Galileo reveals the true genius of the medieval scientist.

Appendix I: Aristotle and Galileo’s Erroneous v / s2 – Law In Aristotle’s model of free fall, acceleration occurs by cleaving and closing the medium by the falling body. Therefore, the increase of velocity is directly proportional to the distance of travel. When plotting distance s versus velocity v, it will be a straight line with the slope equal to the increase in speed Dv. Galileo in his early years began to experiment with an inclined plane in order to reduce or completely eliminate the influence of air resistance. Because he did not invent his water clock at this time, he might have used his pulse and tried to measure the rolling ball as it descended during several beats. Eventually, he found a correlation between the distance traveled and the square of time. However, in order to validate this finding, he made two fundamental mathematical errors. The first error : Galileo was still restricted by Aristotle’s physics. Therefore, he plotted Ds on the vertical and v on the horizontal. But he interpreted v as Dv and the triangle formed by the straight line as the sum of all Dv’s. Therefore, he concluded, the area of the triangle is proportional to v and can be calculated by v = s / Dv. Because Dv is proportional to s, his erroneous equation v / s2 follows. The second error : How Galileo derived from this erroneous equation the correct s / t2 – law is difficult to comprehend. A starting point may be an incorrect application of the fact that velocity is inversely proportional to time.204 He might have mixed up ‘inversely proportional’ with ‘inverse function’. Because the inverse function to v / s2 becomes s / v2 and because v is somehow proportional to t it follows that s / t2. But he was not satisfied, because his pendulum experiments 204 Wohlwill (n. 139); Wisan (n. 40).

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203

resulted in a different correlation between distance and velocity : s / v. In order to solve his problem, Galileo had to break with the ‘common teaching’ at this time and identified the time as the determining factor.205 Now, he plotted v versus t and, because s = v / t, and v / t, found the correct derivation of the s / t2 – law.

Appendix II: Galileo’s Pendulum law: Period vs. String Length In order to complete the study on Galileo’s experiments about free fall, we will summarize Galileo’s record of the only exact pendulum law to which he refers. In the “Dialogue” he still talks more in general terms about the effect of the string length: “Let equal weights be suspended from unequal cords, removed from the perpendicular, and set free. We shall see the weights on the shorter cords make their vibrations in shorter times, being things that move in lesser circles.”206 On the first day in his “Two New Sciences” he divides the laws of the pendulums into two categories: “Sagr. …Another [question] concerns the oscillations of pendulums, and it falls into two parts. One is whether all oscillations, large, medium, and small, are truly and precisely made in equal times. The other concerns the ratio of times for bodies hung from unequal threads; the times of their vibrations, I mean”207 and describes the mathematical law accurately : “Salv. …As to the ratio of times of oscillation of bodies hanging from strings of different lengths, those times are as the square roots of the string lengths; or we should say that the lengths are as the doubled ratios, or squares, of the times.”208 There is no record of any experimental proof of this correct law. Galileo reports it simply as a fact. Ernst Mach speculated, Galileo could have deduced this correlation from his mathematical treatment of free fall after he introduced time as the determining factor : “Many of the properties of pendulum motion were known to GALILEO. That he had formed the conception which we shall now give, or that at least he was on the verge of so doing, may be inferred from many scattered allusions to the subject in his Dialogues. The bob of a simple pendulum of length l moves in a circle of radius l. If we give the pendulum a very small excursion, it will travel in its oscillations over a very small arc which coincides approximately with the chord belonging to it. But this chord is described by a falling particle, moving on it as on an inclined plane, in the same time as the vertical diameter BD = 2 l. If the time of descent be called t, we shall have 2 l = 1/2 gt2,

205 206 207 208

See section 2.5. Galilei, Dialogue (n. 8), pp. 449–50. Galilei, Two New Sciences (n. 9), 136, p. 94. Ibid., 139, p. 97.

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pffiffiffiffiffiffiffi that is t ¼ 2 l=g . […] It will be seen that even from so crude a conception as this the correct form of the pendulum-laws is obtainable.”209

There is no written record of Galileo’s deduction of the law, therefore, how Galileo deduced this law is unknown. But Galileo several times applied the law for thought experiments: 1. To determine the unknown length of a string “Sagr. Then, if I understood correctly, I can easily know the length of a string hanging from any great height, even though the upper end of the attachment is out of my sight, and I see only the lower end. For if I attach a heavy weight to the string down here, and set it in oscillation back and forth; and if a companion counts a number of its vibrations, while at the same time I likewise count the vibrations made by another moveable hung to a thread exactly one braccio in length, I can find the length of the string from the numbers of vibrations of these two pendulums during the same period of time. For example, let us assume that in the time my friend has counted twenty vibrations of the long string, I have counted two hundred forty on my thread, which is one braccio long. Then after squaring the numbers 20 and 240, giving 400 and 57,600, I shall say that the long string contains 7,600 of those units [misure] of which my thread contains 400; and since my thread is a single braccio, I divide 57,600 by 400 and get 144, so 144 braccia is the length of the string.”210

In mathematical formulas: pffi 1 T¼n/ l follows n21 ? l1 ¼ n22 ? l2 0 /2 and n2 ?l n l2 ¼ n1 2 1 ¼ n12 ? l1 2 with T = period of the oscillation nx = number of swings lx = length of the threads

(Eq. AII-1) (Eq. AII-2) (Eq. AII-3) [time] [1/time] [length].

2. To explain harmonics in music “Salv. Seeing that you like these novelties so well, I must show you how the eye, too, and not just the hearing, can be amused by seeing the same play that the ear hears. Hang lead balls, or similar heavy bodies, from three threads of different lengths, so that in the time that the longest makes two oscillations, the shortest makes four and the other makes three. This will happen when the longest contains sixteen spans, or other units, of which the middle [length] contains nine, and the smallest four. Removing all these from the vertical and then releasing them, an interesting interlacing of the threads will be seen, with varied meetings such that at every fourth oscillation of the longest, all three arrive 209 Ernst Mach, Science of Mechanics (translated T. J. McCormack), Chicago, London, 1919, pp. 162–63. 210 Galilei, Two New Sciences (n. 9), 140, p. 98.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

205

unitedly at the same terminus; and from this they depart, repeating again the same period.”211

Again, Galileo gives here the results of simple calculations and describes them in the same “popular” language as he describes the two-pendulum experiments. If it is almost impossible to synchronize two pendulums with the same length, we can be certain that synchronizing three pendulums with such different threads exceeded Galileo’s capabilities. Assuming 1/4 m as the “other unit”, so Galileo proposed the length of the threads to be 4 m, 2.25 m, and 1 m. In fact, Galileo describes here two different set-ups: – The lengths of the pendulums are not determined, but they shall in the same time make 2, 3, and 4 complete oscillations. In this case, all three pendulums “arrive unitedly at the same terminus” after two swings of the longest pendulum. – The lengths of the pendulums are given as the three first terms of the geometric series (power of 1 is trivial and therefore excluded) and all three “arrive unitedly at the same terminus” after “every fourth oscillation of the longest.” Using Eq. AII-1, we can write pffiffiffi pffiffiffi pffiffiffi n1 ? l1 ¼ n2 ? l2 ¼ n3 ? l3 ¼ const

(Eq. AII-4)

If we use Galileo’s lengths, we get n1 ? 2 ¼ n2 ? 3 ¼ n3 ? 4 ¼ const

(Eq. AII-5)

The equation is fulfilled – if nx are integers – if the constant is an integer and equals the least common multiple, which in this case equals 12. Therefore n1 = 6 n2 = 4 n3 = 3 These pendulums “arrive unitedly at the same terminus” after every third oscillation of the longest pendulum. However, Galileo gives n3 = 4, so the constant equals 16. In this case is n2 = 16/3 not an integer and the equation is not fulfilled. Table AII-1 summarizes all possible swings of the three pendulums.

211 Ibid., 149, p. 107.

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Table AII-1: Possible pendulums that fulfill Galileo’s request for four swings of the longest pendulum pffi no. of swings l l 4 5

4 3 2/10

16 10.24

6 7

2 2/3 2.28

7 1/9 5.2

8

2

4

According to Drake, Viviani corrected Galileo’s data for the middle pendulum from 9 to 7 1/9.212 This pendulum would also fulfill Galileo’s first set-up, because the least common multiple becomes 8 and therefore “in the time that the longest makes two oscillations, the shortest makes four and the other makes three.” Is “[t]he mixture of oscillations (is) such that when made by [tuned] strings, it renders to the hearing an octave with the intermediate fifth”?213 Generally speaking, it may be always possible to find relations between swings of the pendulums and vibration of strings. However, Eq. AII-5 shows that for every constant there are multiple combinations of three pendulums possible that makes almost infinite combinations of three pendulums which “arrive unitedly at the same terminus; and from this they depart, repeating again the same period.” If Galileo really wanted the correlation to tuned strings, his choice of first terms of the geometric series makes sense, but in this case he should have recorded that the longest pendulum makes three instead of four swings. What intentions Galileo had and if he simply mixed the numbers up is not known.

Appendix III: Galileo and the Trajectory In the fourth day of the “Discorsi” Galileo reported his extensive mathematical analysis of the trajectory of a projectile and his deduction of the parabolic law.214 No word is given about any trial to prove his findings by experiment. However, manuscript notes of Galileo, discovered by Drake,215 show some sketches that obviously represent experimental results, together with some related calculations. Two of those folios are shown in Figures AIII-1 and AIII-2.216

212 “The correction of 9 to 7 1/9 was later noted by Viviani”, Drake in Galilei, Two New Sciences (n. 9), n. 74, p. 107. 213 Ibid., 149, p. 107. 214 Ibid., 268–313, pp. 217–60. 215 Drake, Galileo’s Confirmation (n. 101). 216 http ://www.mpiwg-berlin.mpg.de/Galileo_Prototype/HTML/F116_V/F116_V.HTM ;

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Figure AIII-1: fol. 116v und Figure AIII-2: fol. 114v

http://www.mpiwg-berlin.mpg.de/Galileo_Prototype/HTML/F114_V/F114_V.HTM, last accessed 02/14/2017.

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The unexpected discovery motivated Drake to invent an experimental set-up that could be used to explain Galileo’s data and calculations.217 Soon Shea218 and Wolf criticized Drake’s set-up and showed that the selection of Drake’s experimental parameters were arbitrary and chosen in order to get an apparently good agreement between modern theory and Galileo’s data. Nevertheless, the race went on to improve and invent new experimental set-ups in order to prove that Drake’s agreements could be topped.219 However, under all the formulas and numbers used in these papers the overall picture of the problem was buried, leaving the reader confused. Especially, Galileo’s motivations and intentions were hidden and became fuzzy. However, the picture can be restored and Galileo’s proceedings and shortcomings can be described in an easy to understand way. By applying the same methodology as before,220 methods of modern physics are used in order to check what results Galileo’s tests could have provided. Compared with the sketches and taking Galileo’s knowledge into account, it becomes obvious why Galileo’s experiment was determined to fail and why he refrained from presenting it in the “Discorsi”. In the following, any impediment by the medium (here: air) is neglected, because it is not important at the velocities in question. 1. We start with the parabolic trajectory. Using standard Cartesian Coordinates, the trajectory of a projectile entering the region of free fall at the origin with a velocity of v0 under an angle a are given in x- and y-direction as 1 x ¼ t ? v0 ? cosa and y ¼ t ? v0 ? sina @ ? g ff ? t 2 (Eq. AIII-1) 2 with gff = gravitational acceleration in unimpeded free fall = 981 m/sec2. These formulas are well established and are in principle the basis of Galileo’s model of the trajectory. Eliminating time t leads to the parabolic law: 1 1 y ¼ tana ? x @ ? g ff ? 2 ? x2 (Eq. AIII-2). 2 v0 ? cos2 a Solving for v02 and v0 yields: g ff ? x2 v20 ¼ @ 2 ? ðy @ tana ? xÞ ? cos2 a

(Eq. AIII-3)

217 Drake, Galileo’s Confirmation (n. 101); idem, James MacLachlan, Galileo’s Discovery of the Parabolic Trajectory, in: Scientific American 232,2 (February 1975), pp. 102–10. 218 William R. Shea, Neil S. Wolf, Stillman Drake and the Archimedean Grandfather of Experimental Science, in: Isis, 66,3 (1975), pp. 397–400. 219 E. g. Drake, MacLachlan, Reply (n. 184); Ron H. Naylor, An Aspect of Galileo’s Study of the Parabolic Trajectory, in: Isis 66,3 (1975), pp. 394–96; idem, Galileo: the search for the parabolic trajectory, in: Annals of Science 33,2 (1976), pp. 153–172; D. K. Hill, Dissecting Trajectories: Galileo’s Early Experiments on Projectile Motion and the Law of Fall, in: Isis 79,4 (1988), pp. 646–68; A. J. Hahn, The Pendulum Swings Again: A Mathematical Reassessment of Galileo’s Experiments with Inclined Planes, in: Archive for the History of Exact Science 56 (2000), pp. 339–61. 220 See the introduction.

Did Galileo Invent the Principles of Modern Experimental Physics?

v0 ¼

rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi g ff x ? @ cosa 2 ? ðy @ tana ? xÞ

209 (Eq. AIII-4).

Therefore, for a given drop of the projectile (-y) (e. g. from a table to the floor) and for any angle of the incoming projectile, a definite velocity exists that gives exactly the same horizontal distance x. Therefore, the recorded horizontal distances in the sketch of folio 114v can be achieved by any angle of the showed inclined plane (if one does not take the sketch to scale). Also, there is no need to reduce the drop as proposed by Drake. 2. The simplest way to accelerate a body to a predetermined velocity is fall free. In this case, the velocity is only affected by the vertical height h: qffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi v0 ¼ 2 ? g ff ? h (Eq. AIII-5) v20 ¼ 2 ? g ff ? h

(Eq. AIII-6).

Galileo had no way to determine the gravitational accelerating (see Section 3.5). He relied on ratios as he did in his inclined-plane experiment. By equating Eq. AIII-3 and Eq. AIII-6, he was able to correlate h and x for the special case of horizontal velocity v0 (a = 0, tana = 0, cosa =1) by eliminating the unknown gff. That is exactly what he did in folio 116v. Using one value as the reference, he was able to calculate the horizontal distance of the trajectory using different vertical distances of the free fall drop. 3. However, it was impossible for Galileo to redirect the body from the vertical drop into a horizontal movement. Therefore, he was using an inclined plane. The velocity is also solely affected by the vertical drop and independent of the slope of the inclined plane. Therefore, there is no need for Galileo to change his original inclined-plan set-up and the slopes given in Table 1. This set-up also allows an easy redirecting of the ball into the horizontal. However, as long as no slipping occurs (between ~18 and ~308 – see Table 9), the acceleration that has to be used in the calculation of the velocity has to take the rotating of the ball (can be calculated) and other energy losses (cannot be calculated and is the one of the reasons for scattering of the achieved distances) into account: 5 g real ¼ ? g ff @ g loss (Eq. AIII-7). 7 Therefore, the relations and ratios of above are not valid anymore and neither gff nor greal can be eliminated. The real travel distances along the inclined plane to give a certain velocity differ from the calculated, using Galileo’s ratios. But Galileo had no other choices. As said before, Galileo could not determine the gravitational acceleration, he also did not know the effect of rotation. He was, however, aware of the influence of friction when contact was made between the rolling ball and the wall of the groove. In order to minimize the effect, he used a vellum lining. Therefore, he must have been disturbed by the outcome of his

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experiment because it did not fit his expectations. It is plausible that Galileo tried to find the travel distances of the inclined plane which come close to the calculated values of the horizontal trajectory. That would explain the differences of the recorded and calculated values of folio 116v. But he could neither establish a definite correlation nor could he find a valid explanation for the differences. Conclusion: Galileo followed strictly his guideline for physical experiments as outlined in Section 7: – His model of the trajectory includes: – The unimpeded and equal velocity of the horizontal movement. – The uniformly accelerated vertical movement according the law of free fall. – He mathematically analyzed the problem in detail. – He tried to prove his model experimentally but failed to do so because he did not know the difference between gff and greal. Therefore, he did not report his failure in the “Discorsi” and left it for future physicists to find the experimental proof.

Spiritualität und Orden

Mats Homann

Spirituelles Erleben im Angesicht der heyden. Die Wahrnehmung des Heiligen Landes und seiner muslimischen Umwelt in der Peregrinatio in terram sanctam Bernhards von Breydenbach und im Schleiertüchlein Hermanns von Sachsenheim „So sprach Gott der Herr : Das ist Jerusalem, das ich mitten unter die Heiden gesetzt habe und unter die Länder ringsumher!“1 Diese Stelle beim Propheten Ezechiel bewegte den Kirchenvater Hieronymus dazu, in Jerusalem den „Nabel der Welt“ zu sehen.2 Vielfach wurde Jerusalem auch auf mittelalterlichen Weltkarten,3 meist an zentraler Position, hervorgehoben.4 Neben der mittelalterlichen Bedeutung als „Nabel der Welt“ war Jerusalem zum einen „zentraler Schauplatz der Heilsgeschichte und somit ein wichtiger Ort der Erinnerung“,5 zum anderen der Ort erwarteter künftiger Ereignisse, da mit der Apokalypse das Himmlische Jerusalem erwartet wurde.6 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich Jerusalem neben Rom und Santiago de Compostela im Mittelalter zu einem der zentralen Pilgerorte entwickelte. Das Wesen der Jerusalem-Reisen wurde seit dem Ende des 14. Jahrhunderts durch die zunehmende praktische und finanzielle Organisation der Wallfahrten durch die venezianischen Kaufleute und die Franziskaner

1 Die Bibel. Nach einer Übersetzung Martin Luthers, hrsg. der Evangelischen Kirche in Deutschland, Stuttgart 1999, Ezechiel 5,5, S. 794. 2 S. Ingrid Baumgärtner, Die Wahrnehmung Jerusalems auf mittelalterlichen Weltkarten, in: Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter. Konflikte und Konfliktbewältigung, hrsg. Dieter Bauer, Klaus Herbers, Nikolas Jaspert (Campus Historische Studien 29), Frankfurt a. M., New York 2001, S. 271–334, hier S. 275. 3 So z. B. auf der Ebstorfer Weltkarte. Vgl. dazu: Kerstin Hengevoss-Dürkop, Jerusalem – das Zentrum der Ebstorf-Karte, in: Ein Weltbild vor Columbus. Die Ebstorfer Weltkarte, hrsg. Hartmut Kugler, Weinheim 1991, S. 205–22. 4 S. Jutta Rüth, Jerusalem und das Heilige Land in der deutschen Versepik des Mittelalters (1150–1453) (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 571), Göppingen 1992, S. 153, wenngleich Baumgärtner (wie Anm. 2) betont, dass es keine Verpflichtung der Zeichner zur Darstellung Jerusalems im Zentrum gegeben habe, s. dort zusammenfassend S. 308. 5 Ursula Ganz-Blättler, „Ich kam, sah und berührte“. Jerusalem als Pilgerziel im ausgehenden Mittelalter, in: Pilgerreisen in Mittelalter und Renaissance, hrsg. Barbara Haupt und Wilhelm G. Busse (Studia humaniora 41), Düsseldorf 2006, S. 15–30, hier S. 16. 6 S. ebd.; Rüth (wie Anm. 4), S. 155.

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Mats Homann

vom Berge Sion geprägt.7 Es entstand ein „Pauschaltourismus“,8 der aufgrund der kompletten Organisation neben verlässlichen Strukturen, organisiert durch die Patrone in Venedig, wenig Zeit für Beobachtungen jenseits des Weges ließ.9 Der Weg ins Heilige Land führte meist an Porecˇ, Zadar, Dubrovnik, Durres, Korfu, Methoni, Kreta, Rhodos und Zypern vorbei nach Jaffa.10 Die Ziele der spätmittelalterlichen Pilger waren vielfältig. Vielen ging es in erster Linie um den Erwerb von Ablässen,11 für den es vor allem im Heiligen Land viele Möglichkeiten gab.12 Weiter sollte die Pilgerfahrt Heilung bewirken, besonders für zu Hause verbliebene kranke Angehörige, doch spielten auch Abenteuerlust und Ausbruch aus dem Alltag als Motive eine Rolle.13 Für die Adligen und Bürger ergab sich zudem die Möglichkeit, am Heiligen Grab zum Ritter geschlagen zu werden, was einen erheblichen Gewinn an gesellschaftlichem Ansehen nach sich zog.14 7 S. Christiane Hippler, Die Reise nach Jerusalem. Untersuchungen zu den Quellen, zum Inhalt und zur literarischen Struktur der Pilgerberichte des Spätmittelalters (Europäische Hochschulschriften. Reihe I: Deutsche Sprache und Literatur 968), Frankfurt a. M., Bern, New York 1987, S. 108. 8 Der Begriff wird verwendet bei Peter Thorau, Wo jedes Sandkorn heiliger Boden ist. Die großen Pilgerziele: Jerusalem, in: Pilgerwege im Mittelalter, hrsg. ders. u. a. in Zusammenarbeit mit DAMALS – das Magazin für Geschichte und Kultur, Darmstadt 2005, S. 27–56, hier S. 49, der jedoch nur von „Zügen eines modernen Pauschaltourismus“ spricht. – Auch Ganz-Blättler (wie Anm. 5), S. 24, nennt die Pilgerfahrt ins Heilige Land eine „durchgehend organisierte Pauschalreise“; ähnlich auch Folker Reichert, Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbewegung im späten Mittelalter, Stuttgart, Berlin, Köln 2001, S. 138. 9 S. Ganz-Blättler (wie Anm. 5), S. 24. 10 S. Reichert (wie Anm. 8), S. 142. 11 S. u.a. Andreas Klussmann, Im Namen Gottes fahren wir. Die spätmittelalterlichen Pilgerberichte von Felix Fabri, Bernhard von Breydenbach und Konrad Grünemberg im Vergleich (Historia occidentalis et orientalis 1), Saarbrücken 2012, S. 20; Hippler (wie Anm. 7), S. 201. 12 S. Reichert (wie Anm. 8), S. 138, der von „schier unendlichem Ablass“ schreibt. 13 S. Ulrich Knefelkamp, Pilgerberichte zum Heiligen Grab in Jerusalem, in: Sehnsucht nach Jerusalem. Wege zum Heiligen Grab. Ein Projekt des Klosters Stift zum Heiligengrabe und des Museums Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin im Rahmen des Föderalen Programms der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Kultur- und Museumsstandort Heiligengrabe 2; Museum Europäischer Kulturen 8), Berlin 2009, S. 43–47, hier S. 43–44; vgl. zudem zu den Motiven der Pilgerfahrer Swetlana Beloschnitschenko, Deutschsprachige Pilger- und Reiseberichte des 15. und 16. Jahrhunderts. Eine Untersuchung ihrer Themen und ihrer Sprache im mentalitätsgeschichtlichen Kontext, Osnabrück 2004, S. 23–28; Frederike Timm, Der Palästina-Reisebericht des Bernhard von Breidenbach und die Holzschnitte Erhard Reuwichs. Die Peregrination in terram sanctam (1486) als Propagandainstrument im Mantel der gelehrten Pilgerschrift, Stuttgart 2006, S. 49–50. 14 S. u.a. Andres Betschart, Zwischen zwei Welten. Illustrationen in Berichten westeuropäischer Jerusalemreisender des 15. und 16. Jahrhunderts (Würzburger Beiträge zur Deutschen Philologie 15), Würzburg 1996, S. 3; auch Claudia Zrenner, Die Berichte der europäischen Jerusalempilger (1475–1500). Ein literarischer Vergleich im historischen Kontext (Europäische Hochschulschriften. Reihe I: Deutsche Sprache und Literatur 382), Frankfurt a. M., Bern 1981, S. 133, weist darauf hin, dass besonders zwischen 1450 und 1500 der Ritterschlag

Spirituelles Erleben im Angesicht der heyden

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Einige Pilger berichteten in Pilgerberichten über ihre Erlebnisse. Im 14. Jahrhundert setzte die Entwicklung ein, diese Pilgerberichte in den Volkssprachen zu verfassen oder lateinische Berichte zu übersetzen.15 Die in großer Zahl erhaltenen Pilgerberichte bilden zwischen dem 14. und dem frühen 16. Jahrhundert „eine eigene volkssprachige literarische Gattung“.16 Allein für die Pilgerreisen nach Jerusalem lassen sich für den Zeitraum zwischen 1301 und 1540 262 Berichte nachweisen.17 Als Motive für das Verfassen solcher Berichte kommen beispielsweise die Dokumentation des erworbenen Ablasses,18 die Ermöglichung des spirituellen Nachvollzugs der Reise für Daheimgebliebene19 oder die Produktion vorbereitender Lektüre für zukünftige Pilger infrage.20 Diese Pilgerberichte offenbaren, obwohl sie häufig kompiliert sind21 und lediglich von geistlichen Instanzen geduldete Beobachtungen enthalten,22 doch einen spezifischen (im Mittelalter meist religiös geprägten) Blick des Reisenden auf das Gesehene. Zudem stellt die Gegenüberstellung des Eigenen und des Selbst mit dem Fremden und Anderen ein Merkmal der Quellengattung „Reisebericht“ dar.23 Daher eignen sie sich besonders zur Beantwortung wahrnehmungsgeschichtlicher Fragestellungen.24 So soll auch im Rahmen dieses Beitrags die Wahrnehmung (a) des Heiligen Landes und der Heiligen Stätten und (b) der dort lebenden Muslime betrachtet werden, um mit den spirituellen Erlebnissen einerseits und den Begegnungen mit den Fremden andererseits besondere Erfahrungen und ihre Verarbeitung in

15

16 17 18 19 20 21 22 23

24

am Heiligen Grab half, politische Positionen zu bekleiden und seine Bedeutung damit einen Höhepunkt erreichte; s. zudem Hippler (wie Anm. 7), S. 73. S. Dietrich Huschenbett, Diu vart hin über mer. Die Palästina-Pilgerberichte als neue Prosa-Gattung in der deutschen Literatur des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, in: Beschreibung der Welt. Zur Poetik der Reise- und Länderberichte. Vorträge eines interdisziplinären Symposiums vom 8. bis 13. Juni 1998 an der Justus-Liebig-Universität Gießen, hrsg. Xenjavon Ertzdorff, Rudolf Schulz (Chloe. Beihefte zum Daphnis 31), Amsterdam, Atlanta 2000, S. 119–51, hier S. 121. Ebd., S. 126. S. ebd., S. 122. S. Hippler (wie Anm. 7), S. 202, 209 und 213. Beloschnitschenko (wie Anm. 13), S. 34; basierend auf Ursula Ganz-Blättler, Andacht und Abenteuer. Berichte europäischer Jerusalem- und Santiago-Pilger (1320–1520) (Jakobus-Studien 4), 3. unveränderte Auflage, Tübingen 2000, S. 249. S. Beloschnitschenko (wie Anm. 13), S. 34; Ganz-Blättler (wie Anm. 19), S. 248. S. Zrenner (wie Anm. 14), S. 110. S. Hippler (wie Anm. 7), S. 149. So arbeitet es z. B. Michael Harbsmeier, Reisebeschreibungen als mentalitätsgeschichtliche Quellen. Überlegungen zu einer historisch-anthropologischen Untersuchung frühneuzeitlicher deutscher Reisebeschreibungen, in: Reiseberichte als Quellen europäischer Kulturgeschichte. Aufgaben und Möglichkeiten der historischen Reiseforschung, hrsg. Anton Maczak, Hans Jürgen Teuteberg (Wolfenbütteler Forschungen 21), Wolfenbüttel 1982, S. 1–31, hier S. 3, für die Frühe Neuzeit heraus. S. ebd., S. 8.

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den Reisedarstellungen zu untersuchen. Dazu finden zwei sehr unterschiedliche Berichte Berücksichtigung. Zum einen wird mit der Peregrinatio in terram sanctam des Mainzer Domdekans Bernhard von Breydenbach von 1486 ein „klassischer“ Reisebericht betrachtet, zum anderen mit dem Schleiertüchlein Hermanns von Sachsenheim eine Minnerede, die einen Reisebericht enthält, wobei es sich bei dem jungen Ritter um eine literarische Fiktion handelt. Gerade der Rückgriff auf den fiktionalen Reisebericht verspricht Rückschlüsse hinsichtlich des Gebrauchs der Gattung und der darin verhandelten Themen zu ermöglichen. Es ist dabei wichtig, den Reisebericht als eine Erzählung über das Heilige Land ernst zu nehmen und deshalb so zu behandeln, als habe der junge Ritter die Pilgerfahrt tatsächlich unternommen. Dies wird sich in der Sprache25 und dem Verzicht auf fortwährende Hinweise auf den Fiktionscharakter des Schleiertüchleins manifestieren. Eine Beschränkung auf das Heilige Land findet statt, weil es sich hier um den in beiden Berichten wahrgenommenen Raum handelt. Während Bernhard über das Katharinen-Kloster nach Kairo weiterzog, war der junge Ritter in Hermanns Erzählung gezwungen, die Rückreise über Jaffa anzutreten. ***

Die Autoren und ihre Werke Bernhard von Breydenbach startete seine Reise ins Heilige Land am 25. April 1483 in Oppenheim26 und beendete sie – nach eigenem Verständnis – mit dem erneuten Eintreffen in Venedig am 8. Januar 1484.27 Wie der Ulmer Dominikaner Felix Fabri in seinem Pilgerbericht vermerkt, ließ Bernhard von Breydenbach seinen Bericht durch den Dominikaner Martin Roth schreiben und fungierte selbst als Herausgeber.28 Die Editio princeps war zunächst auf Latein verfasst und

25 So wird zum Beispiel sowohl für Bernhard von Breydenbach als auch für den jungen Ritter im Schleiertüchlein die Bezeichnung „Pilger“ verwendet. 26 Isolde Mozer, Vorwort, in: Bernhard von Breydenbach, Peregrinatio in terram sanctam. Eine Pilgerreise ins Heilige Land. Frühneuhochdeutscher Text und Übersetzung hrsg. dies., Berlin, New York 2010, S. IX–XLI, hier S. XIII. Doch betont sie bereits ebd., dass sich die Gruppe der Pilger bereits vorher in Rödelheim getroffen habe. So auch Friedrich Uhlhorn, Zur Geschichte der Breidenbachschen Pilgerfahrt, in: Gutenberg-Jahrbuch 9 (1934), S. 107–111, hier S. 109. Vgl. zur Vorgeschichte der Reise ebd., S. 107–109. 27 S. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 164r-v. 28 S. Heinrich Rohrbacher, Bernhard von Breydenbach und sein Werk „Peregrinatio in Terram Sanctam“, in: Philobiblon 33/2 (1989), S. 89–113, hier S. 104.

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erschien am 11. Januar 1486,29 also etwa zwei Jahre nach der Rückkehr aus dem Heiligen Land. Besondere Popularität erlangte das Werk, das als Pilgerbericht ohnehin eine populäre Gattung repräsentierte,30 durch die Holzschnitte des Utrechter Malers Erhard Reuwich, der Bernhard auf seiner Reise begleitet hatte.31 Diese Popularität bezeugen eine Vielzahl von Übertragungen.32 Die in diesem Aufsatz verwendete Übertragung ins Frühneuhochdeutsche erschien bereits am 21. Juni 1486 und damit nur etwa ein halbes Jahr später als die Editio princeps.33 Bis 1536 belief sich die Verbreitung auf sechs deutsche, eine niederländische, eine spanische und vier französische Ausgaben.34 Aus heutiger Sicht mag dies verwundern, weil Bernhards Werk (mit Ausnahme der angesprochenen Holzschnitte) wenig Innovatives und wenig selbst Erlebtes präsentiert, sondern eine Kompilation bekannter Werke darstellt.35 Bernhard legt dies sogar hinsichtlich seiner Ausführungen zum Propheten Mohammed offen, indem er zu Beginn darauf verweist, dass der lerer Vincencius beluacensis yn Synem buoch genant Speculum hiStoriale Schribet gar vil von diSen Sachen dar vß auch diSe hiStoria des groSSern teyles iSt geno¯men vff diSe meynu¯g lutende (81v).36 Hierin und im sachlichen, tagebuchartigen Stil zeigt sich Bernhard als einer, der der Tradition verhaftet37 und nicht bereit war, der in 29 S. Mozer (wie Anm. 26), S. IX. 30 Nochmals betont bei Klaus Niehr, „als ich selber erkundet und gesehen hab“. Wahrnehmung und Darstellung des Fremden in Bernhard von Breydenbachs Peregrinationes in Terram Sanctam und anderen Pilgerberichten des ausgehenden Mittelalters, in: Gutenberg-Jahrbuch 76 (2001), S. 269–300, hier S. 272. 31 S. Timm (wie Anm. 13), S. 53. 32 S. Mozer (wie Anm. 26), S. XXX–XXXI. Darauf verweist schon Rohrbacher (wie Anm. 28), S. 109. 33 S. Mozer (wie Anm. 26), S. IX; zum Zweck besserer Vergleichbarkeit mit dem volkssprachigen Schleiertüchlein, wird auch bei Bernhard Peregrinatio in terram sanctam auf die Übertragung des lateinischen Textes ins Deutsche zurückgegriffen. Es finden die jeweils aktuellsten Editionen beider Texte Verwendung: Die des Schleiertüchleins stammt von Donald K. Rosenberg aus dem Jahr 1980, The Schleiertüchlein of Hermann von Sachsenheim. A critical Edition with Introduction and Notes, hrsg. Donald K. Rosenberg (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 260), Göppingen 1980; und die volkssprachige Ausgabe der Peregrinatio in terram sanctam von Isolde Mozer von 2010 (s. die bibliographische Angabe in Anm. 26). 34 S. Mozer (wie Anm. 26), S. XXXI. 35 Vgl. dazu Timm (wie Anm. 13), S. 80–97, wenngleich die Kompilation nichts Ungewöhnliches für Reiseberichte war, s. Gerhard Wolf, Deutschsprachige Reiseberichte des 14. und 15. Jahrhunderts. Formen und Funktionen einer hybriden Gattung, in: Deutsches LiteraturLexikon. Das Mittelalter, hrsg. Wolfgang Achnitz, Band 3: Reiseberichte und Geschichtsdichtung, Berlin, Boston 2012, S. V–XXVIII, hier S. VII. 36 Die Wiedergabe beider Quelltexte orientiert sich an den in den jeweiligen Editionen. Zur besseren Lesbarkeit sind einzig Betonungszeichen nicht übernommen und hochgestellte o Buchstaben „zurückgeholt“ worden (Bsp.: zuo statt des in der Edition verwendeten zu). Die Belegstellen werden bei Zitaten aus den jeweiligen Quellen in Klammern genannt. 37 S. Timm (wie Anm. 13), S. 80; Hippler (wie Anm. 7), S. 146.

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anderen Pilgerberichten der Zeit aufkommenden Tendenz zur stärkeren Betonung des eigenen Erlebens – wie sie auch bei Felix Fabri zu beobachten ist – nachzukommen.38 Die Frage, ob bei Bernhard die Reise überhaupt den zentralen Aspekt des Berichts darstellt, ist klar zu verneinen. Wie die Forschung bereits gezeigt hat, machen offene und implizit propagandistische Passagen einen Großteil des Werkes aus.39 So wird unter anderem der Abschnitt zu den Andersgläubigen als das ander teyl dißes erSten furnemlichen teyles (79v) bezeichnet und scheint damit der Reisedarstellung zumindest von der Bedeutung gleichgestellt. Zudem ist auf die geschickte Platzierung der Propaganda zu Beginn (Jerusalem-Preisung), in der Mitte (Abhandlung über Mohammed und die Muslime, Klagen über die Zustände im Heiligen Land, im Orient allgemein und in der Kirche im Okzident) und zum Schluss (Bericht über die osmanischen Eroberungen von Konstantinopel und Negroponte [Euböa] und die Belagerung von Rhodos) hinzuweisen. So werden die Teile des Reiseberichts in propagandistische Texte eingebettet.40 Bernhards Propaganda gegen die Muslime und ihren Propheten Mohammed verzichtet dabei fast gänzlich auf Darstellungen des eigenen Erlebens.41 Zunächst wird Mohammeds Leben beleuchtet (81r–85r) und anschließend werden Artikel des Korans und eine Erörterung dieser Artikel durch Petrus Alfonsi vorgestellt (85r–89v). Den Abschluss bildet der Abschnitt zu yren Sytten und yrrtu¯men, der diese wiederum nicht am eigenen Erleben exemplifiziert. Dass Bernhard also zeittypische Vorstellungen und Vorurteile in seinen Bericht übernahm und somit reproduzierte,42 zeigt zumindest, dass der persönliche Kontakt mit Muslimen im Heiligen Land keine positive Darstellung der Muslime bewirkte. Bisher wurde zum Vergleich zu Bernhards Peregrinatio in terram sanctam hauptsächlich der Bericht Felix Fabris herangezogen, weil beide einen Großteil ihrer Reise gemeinsam unternahmen.43 Die Forschung ist dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Andreas Klußmann stellt fest, dass Fabri ein Bild des Alltäglichen zeichne, während Bernhard „eine politische Schrift über

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S. Reichert (wie Anm. 8), S. 17–18. S. Timm (wie Anm. 13), S. 79–80. S. ebd., S. 78. Peter J. Brenner, Der Reisebericht in der deutschen Literatur. Ein Forschungsüberblick als Vorstudie zu einer Gattungsgeschichte (Sonderheft IASL 2), Tübingen 1990, S. 68. 42 S. Rohrbacher (wie Anm. 28), S. 104, und Heike Edeltraut Schwab, Das andere anders sein lassen? Zur Darstellung des Fremden in den parallelen deutschen Pilgerberichten von Felix Fabri und Bernhard von Breydenbach (1483/1484), in: Ulm und Oberschwaben 50 (1996), S. 139–65, hier S. 141, verweist darauf, dass jeder Pilger „niemals völlig vorurteilsfrei agieren wird“. 43 S. u.a. Klussmann (wie Anm. 11), S. 10. Ab Jaffa reisten sie gemeinsam, ebd., S. 77–78.

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den Nahen Osten dieser Zeit verfasst“ habe.44 Während Haydar,45 Wolf,46 Jahn (mit Einschränkung),47 Zrenner48 und auch Schwab49 den Zweck des Berichtes in der Präsentation eines Kreuzzugsaufrufes erblicken, verweist Frederike Timm darauf, dass der Kreuzzug nur ein imaginäres Ziel gewesen sei, das zum Zweck der Unterstützung kulturpolitischer, kirchenpolitischer und innenpolitischer Interessen des Mainzer Erzbischofs Berthold von Henneberg gedient habe.50 Die Motive Bernhards seien später eingehender diskutiert. Das Geburtsjahr Hermanns von Sachsenheim lässt sich nicht genau bestimmen. Es ist nur eine textimmanente Annäherung möglich, die aufgrund der 44 Ebd., S. 103. Ähnlich auch Ganz-Blättler (wie Anm. 19), S. 292, die aufgrund der unpersönlichen Wiedergabe der Reise den Bericht als ein „geradezu offizielles Nachschlagewerk zum Thema „Naher Osten“ bezeichnet; über die Wahrnehmung des Fremden in beiden Berichten forschte Schwab (wie Anm. 42), S. 164, die konstatiert, dass Fabris Zugang der weniger von Vorurteilen geprägte gewesen sei, wohingegen Bernhard „den Dogmen“ verhaftet geblieben sei. Dies widerspricht Niehrs Vermutung (wie Anm. 30), S. 277, wonach Bernhards Präferenz für das Beobachten ihn eher zu einem vorurteilsfreien Umgang mit dem Fremden prädestiniere als Fabri. Sie ist schon deshalb kaum haltbar, weil in dem Abschnitt seines Berichtes, den er den Muslimen bzw. ihrem Propheten Mohammed widmet, kaum von eigenen Wahrnehmungen berichtet. Vielfach wird stattdessen zu Recht auf die polemische Diffamierung des Islam und seines Propheten hingewiesen. In einer von starker Frömmigkeit geprägten Arbeit versucht Ahmad Haydar, Mittelalterliche Vorstellungen von dem Propheten der Sarazenen mit besonderer Berücksichtigung der Reisebeschreibung des Bernhard von Breidenbach (1483), Berlin 1971, die Fehler des Mohammed-Bildes bei Bernhard nachzuweisen, konfrontiert es dabei mit einer Vielzahl arabischer Quellen zum Leben des Propheten und urteilt abschließend, dass Bernhards Mohammed-Bild „eines der dunkelsten Merkmale des christlichen Mittelalters“ darstelle, ebd., S. 170. 45 Haydar (wie Anm. 44), S. 167 und S. 168, spricht davon, dass Bernhard (a) den „Geist der Kreuzzüge“ heraufbeschwören wolle und zudem (b) persönlich einen „bitteren Groll“ gegenüber dem Islam und seinem Propheten empfinde. 46 S. Gerhard Wolf, Die deutschsprachigen Reiseberichte des Spätmittelalters, in: Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur, hrsg. Peter J. Brenner, Frankfurt a. M. 1989, S. 81–116, hier S. 95–97. Er betont dabei den innenpolitischen Zweck der Schaffung eines Landfriedens durch den Kreuzzug. 47 S. Bernhard Jahn, Raumkonzepte in der Frühen Neuzeit. Zur Konstruktion von Wirklichkeit in Pilgerberichten, Amerikareisebeschreibungen und Prosaerzählungen (Mikrokosmos 34), Frankfurt a. M. 1993, S. 36–37. Er vermerkt dort ausdrücklich, dass ein Kreuzzug nicht Teil des politischen Konzepts des Mainzer Erzbischofs und Vorgesetzten Bernhards Berthold von Henneberg gewesen sei. Stattdessen hält er es für möglich, „daß das Kreuzzugskonzept Breytenbachs oder Martin Roths eigene Weltsicht widerspiegelt“, ebd., S. 37. 48 Zrenner (wie Anm. 14), S. 116, nutzt nicht das Wort „Kreuzzug“, meint aber wohl etwas Ähnliches: Sie nennt die Erfüllung der missionierenden Aufgabe der Kirche und die Verteidigung der Machtstellung der Kirche im Heiligen Land als Ziele von Bernhards Reisebericht, wobei die Verteidigung der Machtstellung der Kirche im Heiligen Land aufgrund der Situation im Heiligen Land allenfalls theoretisch und auf eine möglicherweise gewaltsame Rückgewinnung von Macht ausgelegt sein konnte, da eine Machtstellung de facto (spätestens) seit 1291 nicht mehr bestand. 49 S. Schwab (wie Anm. 42), S. 156. 50 Timm (wie Anm. 13), S. 329.

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Gleichsetzung von Autor und literarischer Figur zudem nicht unproblematisch ist. In seinem Werk Der Tempel heißt es Gen nunzig jaren reicht das zyl.51 Da die zweite Redaktion des Werkes – in der diese Passage erst eingefügt wurde –52 ebenfalls nicht genau datiert werden kann und dafür der Zeitraum 1455 als Jahr der Entstehung des Tempels bis zum Todesjahr 1458 infrage kommt,53 bleibt die Eingrenzung der Geburt auf die Jahre 1366 bis 1369 vage. Da es als erwiesen gilt, dass das Werk nach der Eroberung Konstantinopels entstand,54 also als Terminus post quem der Entstehung des Schleiertüchleins der 29. Mai 1453 gelten kann,55 ist festzustellen, dass das Schleiertüchlein – wie das gesamte Werk des Dichters, soweit Zuordnungen möglich sind – im hohen Alter verfasst worden ist.56 Die Frage, ob der im Schleiertüchlein integrierte Pilgerbericht auf eigenem Erleben basierte, ist im Hinblick darauf noch nicht betrachtet worden. Es erscheint überaus unwahrscheinlich, dass Hermann im hohen Alter von mehr als 85 Jahren noch eine Pilgerreise unternahm, zumal er auch in den Jahren um 1453 literarisch sehr produktiv war.57 Als Indiz dafür, dass seine körperliche Konstitution eine Pilgerreise nicht zuließ, kann zudem eine Passage aus der lediglich auf nach 1444 zu datierenden Unminne herangezogen werden, in der Hermann als alter Mann erscheint, der schon bald sterben könnte.58 Außerdem wird der Reisende im Schleiertüchlein als junger Ritter etabliert (Da ich ein jungen vant / Dort ligen unversunnen, Z. 74–75), was eine Identifizierung mit Hermann ausschließt, sofern er nicht selbst als junger Mann gereist ist. Woher Hermann seine Informationen über das Heilige Land bezog, muss offenbleiben. Die Kenntnis 51 Hermann von Sachsenheim, Der Tempel, zitiert nach Dietrich Huschenbett, Hermann von Sachsenheim. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte des 15. Jahrhunderts (Philologische Studien und Quellen 12), Berlin 1962, S. 24. 52 S. Huschenbett (wie Anm. 51), S. 24. 53 S. ebd., S. 24–25. 54 Etabliert durch Dietrich Huschenbett, ebd., S. 119; die Argumentation basiert auf folgender Textpassage: Der gut Sant Michael / Hat uch geleitet her. / Behut von grosser swer, / Als iecz der heyden dribt, / Den man den Durcken schribt / Und auch ein keyser nent (Z. 1094–1099). 55 So – fast wörtlich – Ingeborg Glier, Artes amandi. Untersuchung zu Geschichte, Überlieferung und Typologie der deutschen Minnereden (Münchener Texte und Untersuchungen zur Deutschen Literatur des Mittelalters 34), München 1971, S. 324. 56 S. ebd., S. 314; vgl. zudem zur Datierung der Werke Hermanns Huschenbett (wie Anm. 51), S. 116–20. 57 Vgl. Huschenbett (wie Anm. 51), S. 116–120. 58 Christelrose Rischer, Zur Gebrauchssituation höfischer Literatur im 15. Jahrhundert. Die Minnereden Hermanns von Sachsenheim, in: IASL 7 (1982), S. 21–64, hier S. 32. Basierend auf: So sich myn leben krenchet / und hynnen fert die sell mit schneller flucht, / als andern alten gewonlich in den merczen, / so brennent, gott zu lob, / fur mich zudrost, ein pfundig wachsen kerczen, Hermann von Sachsenheim, Die Unminne, in: Mittelhochdeutsche Minnereden II. Die Heidelberger Handschriften 313 und 355; Die Berliner Handschrift MS. Germ. fol. 922, auf Grund der Vorarbeit von Wilhelm Brauns hrsg. Gerhard Thiele (Deutsche Texte des Mittelalters 41), Berlin 1938, S. 62–74, hier Z. 416–420.

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des schriftlichen oder die Rezeption eines mündlichen Berichtes Georgs von Ehingen können weder ausgeschlossen noch bewiesen werden.59 Es ist jedoch festzustellen, dass es sich bei dem Bericht nicht um die Abschrift eines anderen Textes handelt. Wie alle Werke Hermanns von Sachsenheim gehört auch das Schleiertüchlein der Gattung der Minnerede an.60 Zu den Merkmalen der Gattung gehören u. a. die Anonymität des Verfassers, was konkrete Werkzuschreibungen oft schwierig macht, ein hoher Grad an Konventionalität und Formelhaftigkeit und „die Dominanz von – oft didaktisch vermittelten und aufzählbaren – Minnetugenden und Minneregeln“.61 Es lässt sich jedoch mit einiger Berechtigung die These vertreten, dass Hermann die Gattungskonventionen teilweise bewusst parodierte.62 Trotz ihres geringen Innovationsanteils gehörte die Minnerede zu den 59 Huschenbett (wie Anm. 51), S. 54–56, etablierte den Bericht Georgs von Ehingen als Referenz. Er weist nach, dass aufgrund inhaltlicher Ähnlichkeiten und einem ähnlichen Entstehungszeitraum der jeweiligen Berichte eine Beeinflussung durch schriftlichen oder mündlichen Bericht Georgs möglich war. Er ging zunächst davon aus, dass Hermann „höchst wahrscheinlich“ Georgs Bericht kannte (ebd., S. 55), äußerte sich später aber explizit vorsichtiger, Huschenbett (wie Anm. 16), S. 136, dort: Anm. 49. Huschenbett (wie Anm. 51), S. 55, und Donald K. Rosenberg, Introduction, in: Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), S. 1–54, hier S. 46 bzw. 53, der lediglich eine Beeinflussung Hermanns durch eine mündliche Erzählung Georgs für möglich hält, gelingt es nachzuweisen, dass sich Georg und Hermann aus ihrer Zeit am Rottenburger Hof der Gräfin Mechthild von der Pfalz gekannt haben müssen. Marjatta Wis, Zum Schleiertüchlein Hermanns von Sachsenheim. Ein gereimter Pilgerbericht des ausgehenden Mittelalters, in: Neuphilologische Mitteilungen 66 (1965), S. 1–28, hier S. 27–28, geht – ohne die Verbindung der beiden Berichte bereits zu kennen – aufgrund der genauen und wirkungsvollen Darstellung, der Schilderung nie vorher in vergleichbaren Berichten erscheinenden Vorgängen und der verwendeten Sprache von einer Pilgerreise Hermanns, also von einem authentischen Erlebnisbericht, aus und betont die Bedeutung des Textes als Quelle zum Gewinn historischer Erkenntnis bezüglich der Reisen. 60 Es sei aber darauf verwiesen, dass das Schleiertüchlein auch Elemente enthält, die einen Liebes- und Abenteuerroman ausmachen, vgl. Hans-Jürgen Bachorski, grosse vnglücke und vnsälige widerwertigkeit und doch ein guotes ende. Narrative Strukturen und ideologische Probleme des Liebes- und Reiseromans in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Fremderfahrung in Texten des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, hrsg. Günter Berger, Stephan Kohl (Literatur – Imagination – Realität 7), Trier 1993, S. 59–86. Das verwundert jedoch nicht weiter, stellen Minnereden doch eine „Mischgattung“ dar, „in der viele Komponenten aus mhd. Zeit zusammengeflossen sind“, Huschenbett (wie Anm. 51), S. 127. 61 Ludger Lieb, Otto Neudeck, Zur Poetik und Kultur der Minnereden. Eine Einleitung, in: Triviale Minne? Konventionalität und Trivialisierung in spätmittelalterlichen Minnereden, hrsg. dies. (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 40), Berlin/New York 2006, S. 1–17, hier S. 3. 62 So verweist Ralf Schlechtweg-Jahn, Eine Pilgerfahrt, oder : Was passiert, wenn die Minne unter die „Dürcken“ fällt. „Das Schleiertüchlein“ Hermanns von Sachsenheim, in: L’unite de la culture europ8enne au Moyen Age (Wodan. Greifswalder Beiträge zum Mittelalter 38, 3: Tagungsbände und Sammelschriften 21), Greifswald 1994, S. 151–64, hier S. 152, auf den Satz

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populärsten literarischen Gattungen des Spätmittelalters, was sich in der großen Anzahl von mehr als 500 überwiegend in Sammelhandschriften überlieferten Minnereden zeigt.63 Einige tauchen auch in mehr als zehn Handschriften auf, was ergänzend dazu Popularität bezeugen kann.64 Was das Publikum der Minnereden betrifft, lässt sich aufgrund der handschriftlichen Überlieferung zunächst lediglich eine enge Bindung von Publikum und Autor ausmachen.65 Betrachtet man auch den Inhalt der Minnereden, so kann ein durchaus literarisch interessierter Kreis als Publikum angenommen werden.66 Die Minnereden besaßen dabei durch eine Vielzahl von Anspielungen auf Figuren der höfischen Klassik den Charakter eines literarischen Spiels, in dem das Publikum sein Wissen beweisen konnte.67 Es musste also literarisch gebildet sein, andernfalls verstand es die zahlreichen Anspielungen in den Minnereden kaum.68 Das gilt auch für das Schleiertüchlein, in dem beispielsweise das Verhalten des jungen Ritters bei seinem Auffinden mit dem Parzivals verglichen wird: Er dett als Parczifal (Z. 100). Interessant ist, dass diese literarischen Anspielungen im Pilgerbericht fast gänzlich fehlen.69 Dies könnte darauf hindeuten, dass der Pilgerbericht selbst eine literarische Anspielung darstellte und beim Publikum bereits Kenntnisse anderer Pilgerberichte antizipierte, wenngleich sich der Bericht im Vergleich zu den übrigen Anspielungen deutlich dadurch unterschiede, dass er wesentlich ausführlicher ausfiele und somit eine Anspielung in Permanenz darstellte. Der

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des jungen Ritters Ich hancz für abentür, / Das Du mich hie hast gefunden (Z.110–11) und die Doppeldeutigkeit des Wortes Abentür, das sowohl ein zufälliges Ereignis als auch die Erzählung selbst bezeichnen könne. Wenngleich sich Lieb, Neudeck (wie Anm. 61), S. 9, schwertun, allein die Quantität der Überlieferung als Kriterium der Popularität gelten zu lassen, meinen sie doch, dass die Quantität Popularität „irgendwie indiziert“. Zur Anzahl der Minnereden s. Jacob KLingner, „Der Traum“ – ein Überlieferungsschlager? Überlieferungsgeschichtliche Beobachtungen zu einer „populären“ Minnerede des 15. Jahrhunderts, in: Triviale Minne? Konventionalität und Trivialisierung in spätmittelalterlichen Minnereden, hrsg. Ludger Lieb, Otto Neudeck (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 40), Berlin/New York 2006, S. 91–118, hier S. 91, basierend auf Tilo Brandis, Mittelhochdeutsche, mittelniederdeutsche und mittelniederländische Minnereden. Verzeichnis der Handschriften und Drucke, München 1968. S. Klingner (wie Anm. 63), S. 91. S. Lieb, Neudeck (wie Anm. 61), S. 9. S. Huschenbett (wie Anm. 51), S. 132. S. ebd. S. 45–46, 89 und 133. Rischer (wie Anm. 58), S. 34, betont die hohen Ansprüche an die literarische Bildung des Publikums im Schleiertüchlein. Dies ist bereits ebd., S. 37, festgestellt. Ausnahmen bilden zum einen der während der von Sturm geprägten Überfahrt ins Heilige Land getätigte Verweis Ich wend, ich wer Wigleis, / Der ritter mit dem rad (Z. 874–75). Hier wird auf den Ritter Wigalois aus dem gleichnamigen höfischen Roman Wirnts von Grafenberg angespielt, zum anderen wird der Amasur mit König Artus verglichen. Er sei Gelich dem kung Artus (Z. 982).

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junge Ritter offenbart in jedem Fall Wissen über (Asien-)Reiseberichte: Bevor er seinen Pilgerbericht beginnt, fragt ihn der Ich-Erzähler, ob er den Stern der Antarktis gesehen habe. Der junge Ritter antwortet, dass er ihn nicht gesehen habe, betont aber Ich hab wol sust gelesen (Z. 812) und dokumentiert damit seine eigene Gattungskenntnis. Das literarische Spiel, das sonst zwischen Publikum und Dichter stattfand, wurde in etwas anderer Form hier in die Minnerede übertragen und dort dargestellt. Diese Beobachtungen liefern allerdings allenfalls Ansätze zur Beantwortung der Frage nach dem Zweck der Integration des Reiseberichtes in die Liebesgeschichte. Die Forschung geht von einer (pragmatisch eingesetzten) grundsätzlichen Passung des Reiseberichtes aus,70 so dass er in erster Linie funktional zu betrachten sei und der Versuch unternommen werde, durch ihn Objektivität und Realismus im Hinblick auf die Liebesgeschichte zu generieren.71 Der Pilgerbericht im Schleiertüchlein ist umschlossen von einer doppelten Rahmenhandlung.72 Die erste Rahmenhandlung betrifft die Begegnung des IchErzählers, der Durch kurczwil ging spatzirn (Z. 53), mit einem jungen Ritter, der By einem claren brunnen / Im blumen, gras unnd kle (Z. 76–77) liegt und – wie sich erst später ergibt – um seine verstorbene Geliebte trauert. Im zweiten Rahmen wird die Liebe des jungen Ritters und seiner Geliebten thematisiert. Es ist die Geliebte, die den jungen Ritter auffordert, die Reise ins Heilige Land zu unternehmen und die ihm das titelstiftende Schleiertüchlein mitgibt, das sie vorher mit ihrem Blut durchtränkt hat. Es ist von einer scharpffen nadel (Z. 530) die Rede, mit der sie sich vil locher dieff (Z. 531) sticht. Der Rahmen schließt sich nach der Pilgerfahrt, die in Form eines mündlichen Berichtes dargeboten wird, mit dem Tod der Geliebten, der vom Leser mit der Selbstverletzung zum Zweck der Gewinnung des Blutes für das Schleiertüchlein assoziiert wird.73 Der andere Rahmen wird mit dem überraschenden Ende beschlossen, dass der junge Ritter nur durch das Erzählen von seinem Kummer befreit ist und, bevor sich Ich-Erzähler und junger Ritter trennen, Ye einer dem andern bot / Sin dinst bis jn den dot / By guter druw und eyd (Z. 1949–51). Der Pilgerbericht nimmt zwischen den Rahmen 801 Zeilen ein (Z. 818–161974). Das entspricht bei

70 Rischer (wie Anm. 58), spricht vom Gesamtwerk als „eine artistische Möglichkeit zur Diskussion höfisch-aristokratischer Normen und Werte“, für die „zumindest das literarische Muster des Reiseberichts“ Verwendung finde, ebd., S. 42 bzw. 37–38. 71 So Glier (wie Anm. 55), S. 333; auch Jürgen Glocker, ritter – minne – trüwe. Untersuchungen zur ,Mörin‘ Hermanns von Sachsenheim, Münster 1987, S. 254, sieht die „übergeordnete Funktion [der Pilgerreise, M.H.] doch im Zusammenhang des Minneverhältnisses und seiner Komplikationen begründet“. 72 S. Wis (wie Anm. 59), S. 2. 73 S. auch Schlechtweg-Jahn (wie Anm. 62), S. 153. 74 M. E. sind das die Grenzen. In Z. 818 beginnt er von den venezianischen Pilgerschiffen zu

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einer Gesamtlänge der Minnerede von 1984 Zeilen einem Anteil von 40,4 %. Im Unterschied zu den anderen Passagen, in denen der Ich-Erzähler ebenfalls Anteil am Gespräch hat, kommentiert er im Rahmen des Berichtes des jungen Ritters lediglich einmalig die Anrufung des Schleiertüchleins in der Seenot als abgöttery (Z. 921). Der Pilgerbericht ist hier sicherlich „Verfügungsmasse“ der Minnerede. Es geht um die Liebe, die das Hauptthema des Schleiertüchleins ist.75 Das wird u. a. daran deutlich, dass der junge Ritter wegen seiner Geliebten ins Heilige Land aufbricht und dass auch dort – sogar am Heiligen Grab –76 für den jungen Ritter die Liebe Priorität hat.77 Gleichfalls kann es darum gegangen sein, den Pilgerbericht als äußerst populäre Gattung zur Steigerung der Popularität des Schleiertüchleins einzusetzen. Freilich muss das Spekulation bleiben.78 Obwohl die Gattung der Minnerede scheinbar überaus populär war, wird diese Popularität für das Schleiertüchlein als Einzelwerk teilweise in der Forschung bestritten.79 Der literarische Text ist lediglich zwei Mal vollständig als Teil verschiedener Sammelhandschriften überliefert.80 Handschrift A ist auf das Jahr 1478 datiert und es wird angenommen, dass sie von Gräfin Mechthild von der Pfalz in Auftrag gegeben wurde,81 sind doch „the Palatine lion and the Bavarian arms“ auf der ersten Seite abgebildet.82 Bei der zweiten Handschrift geht man aufgrund der verwendeten Sprache davon aus, dass Hermann sie für seinen Patron Albrecht VI. von Österreich und somit vor dessen Tod im Jahr 1463 anfertigte.83 In das Liederbüchlein der Clara Hätzlerin (1470/71), das eine im Auftrag des Augsburger Bürgers Jörg Roggenburg zusammengestellte Sammlung überwiegend von Minnereden darstellt,84 wurden die Verse 348–417 des Schleiertüchleins

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berichten und in Z. 1620 spricht er erneut den Ich-Erzähler an, nachdem er sein Lob des Herzogs Sigmund von Österreich-Tirol beendet hat. Dass dabei die Verwendung des Pilgerberichtes dazu dient, der Minnerede einen höheren Grad an Objektivität zu verleihen, wie Glier (wie Anm. 55), S. 333, meint, ist dabei lediglich eine Interpretationsmöglichkeit. S. dazu unten die Ausführungen zu den Besuchen des Heiligen Grabes. S. Schlechtweg-Jahn (wie Anm. 62), S. 156–57. Jörn Bockmann, Symbol, Fetisch, Reliquie. Über die Zeichenhaftigkeit einer Liebesgabe in Hermanns von Sachsenheim Schleiertüchlein, in: Liebesgaben. Kommunikative, performative und poetologische Dimensionen in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hrsg. Margreth Egidi u. a. (Philologische Studien und Quellen 240), Berlin 2012, S. 181–201, hier S. 184, der glaubt, dass die Frage nach dem Grund der Verbindung der beiden Gattungen nicht beantwortbar ist. So Glier (wie Anm. 55), S. 328. S. ebd.; Bockmann (wie Anm. 78), S. 182. – Vgl. zur Überlieferung ausführlich Rosenberg (wie Anm. 59), S. 1–18. S. Rosenberg (wie Anm. 59), S. 3–4. Ebd., S. 3. S. ebd., S. 15. S. Ingeborg Glier, „Klara Hätzlerin“, in: Verfasserlexikon. Die deutsche Literatur des Mit-

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aufgenommen,85 was zumindest als Indiz dafür gelten kann, dass das Schleiertüchlein nicht gänzlich unpopulär war und rezipiert wurde. Die Auseinandersetzung mit dem Fremden im Schleiertüchlein – darauf sei vor der eigentlichen Analyse noch hingewiesen – ist bisher kaum erforscht. Lediglich Ralf Schlechtweg-Jahn hat herausgestellt, dass dort „die einfache Zuordnung von Gut-Böse-Kategorien verweigert und stattdessen ein differenziertes Bild aufgebaut“ werde.86 Das Verhalten der Fremden sei dabei wichtiger als ihr Glauben. Zudem werde der andere Glauben nicht bekämpft, sondern es gebe eine „Haltung neugieriger Koexistenz“.87

Die Motive der Pilger Bei Bernhard von Breydenbach ist zwischen den Motiven zum Antritt der Reise und den Motiven, einen Bericht über die Reise zu verfassen, zu unterscheiden. Bernhard leitet die Berechtigung zur Pilgerfahrt ins Heilige Land aus der vbertrefflikeyt der heyligen lande vber alle andere land (7r) und dabei besonders aus dem dortigen Wirken diverser Heiliger unter besonderer Betonung des Wirkens Christi ab.88 Außerdem ginge es darum, diße ding baß zuo verStan von welchen man teglichen Synget leSet vn prediget yn den kyrchen (9r). Die Predigt im Gottesdienst vermag nicht so zu bewegen und besitzt auch nicht eine vergleichbar hohe Beweiskraft wie das Sehen der Heiligen Stätten vor Ort. Hier gerät Bernhard zumindest in einen Teilwiderspruch zu einem der Ziele, das er mit dem Verfassen des Berichtes zu verfolgen vorgibt. Für die Daheimgebliebenen sollen die Beschreibungen im Pilgerbericht das Verständnis der Bibelstellen erleichtern.89 Das zentrale Seherlebnis konnte aber auch sein Bericht (selbst durch die Holzschnitte Erhard Reuwichs) nicht unmittelbar transportieren, sondern blieb auf die Rezeption durch Hören oder Lesen angewiesen, zwei Tätigkeiten, die Bernhard gerade mit Distanz zu den Dingen in Verbindung bringt. Das persönliche Motiv Bernhards, so es sich auch aus der Heiligkeit des Pilgerziels erst ergibt, ist die Gewinnung von Ablass. Betont er zunächst allgemein den Nutzen der Pilgerfahrt zur Persönlichkeitsentwicklung, nämlich daz keyner nymmer oder Selten eyner pilger gefunden vurt der nit beSSer von disSSen landen wyder heym kome dan er vor dar yn kame (8v) und verweist nur in

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telalters, 3. Band, 2., völlig neu bearbeitete Auflage, Berlin, New York 1981, Sp. 547–49, hier Sp. 548–49. S. Rosenberg (wie Anm. 59), S. 2. Schlechtweg-Jahn (wie Anm. 62), S. 160. Ebd. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 7r–9v. Ebd., fol. 4v.

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Klammern auf den follen ablaß (8v), den jeder Pilger beim Betreten des Heiligen Landes erfahre, wird er an späterer Stelle hinsichtlich seines Zieles deutlicher, wenn er bemerkt, dass er die Reise vß begird myner Selen heil zuo Schaffen vnd die arbeyt diSer Sweren reyß fur myne Sunde (10r) unternommen habe. Er begründet die Notwendigkeit dazu mit einer sündhaften Jugend und der direkten Aufforderung Gottes.90 Die im folgenden Text im Zusammenhang mit jeder heiligen Stätte verzeichneten Ablässe lassen sich also auch als Rechenschaft gegenüber dem Leser und sich selbst deuten.91 Der Anlass zum Aufbruch zur Pilgerfahrt war vermutlich die Pestepidemie in Mainz im Frühjahr 1483, auch wenn Bernhard sie in seiner Peregrinatio in terram sanctam nicht thematisiert. Eine Pilgerfahrt bot eine gute Möglichkeit, einer Epidemie zu entfliehen und sich damit selbst vor der Ansteckung zu schützen.92 Ein Hinweis für die Richtigkeit dieser Annahme ist, dass der Reisende Peter Rieter 1432 die Pestepidemie explizit als Grund dafür nannte, nach Mailand und Padua aufzubrechen.93 Bernhards Verhalten wäre also nicht singulär. Dass er die Pest nicht als Grund des Aufbruchs anführte, lag im Amt des Domdekans begründet. Keine andere Legitimierung als eine religiöse konnte für einen Domdekan als angemessen gelten. Was die Motive zum Verfassen des Berichtes angeht, muss zunächst auf die Widmung an Erzbischof Bertold von Henneberg hingewiesen werden. Es ist wahrscheinlich, dass es sich um ein Auftragswerk handelt, zumal Bernhards Bericht erst erschien, als Berthold auch Erzbischof war und er dessen politische Aktivitäten unterstützte.94 Es wurde in der Forschung bereits ausführlich und überzeugend nachgewiesen, dass Bernhards Schilderungen den Anstrengungen Bertholds von Henneberg, eine Reichsreform zu initiieren, in die Karten spielten.95 Demnach sei es Bernhard und Berthold besonders um das Zusammenrücken und die Stabilität des Reiches im Angesicht der feindlichen Bedrohung, nicht zuletzt durch die Türken, gegangen. Ein Kriegszug gegen äußere Feinde habe dabei die Möglichkeit zu einer gemeinsamen Unternehmung dargestellt und so aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit und Kooperation auch inneren Frieden garantiert.96 Bernhard selbst gibt zunächst an, dass er schreibe, da mit es deSter krefftiglicher wuord ziehen vn reitzen ander menSchen begirde zuo Sollichen reySen (2v), 90 S. Timm (wie Anm. 13), S. 321; Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 10r. 91 Auf die Verwendung eines Pilgerberichtes als „Guthabenbuch“ verweist bereits Hippler (wie Anm. 7), S. 202. 92 Dazu Timm (wie Anm. 13), S. 320. 93 S. Hippler (wie Anm. 7), S. 87. 94 Vgl. dazu Timm (wie Anm. 13), S. 328–351; s. auch Zrenner (wie Anm. 14), S. 116. 95 So insbesondere Timm (wie Anm. 13), S. 328–51. 96 Vgl. ebd., S. 336–51.

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also um Nachahmer zu gewinnen. Im Folgenden betont er, dass es ihm um ein besseres Verständnis – wie oben bereits festgestellt – einmal der Bibelstellen und zum andern der yrtum vnd verfluchte Sect (4v) der Muslime gehe. Es bleibt nicht lange offen, was das zur Folge hat. Bereits in seiner Jerusalem-Preisung deutet Bernhard an, dass er den Zustand, in dem sich das Heilige Land in muslimischer Hand befinde, nur schwer ertragen könne. Er erwähnt es hier jedoch nur nebenbei in Klammern, wenn er bezüglich der Heiligen Stätten schreibt, o mit was andacht Sy vns (ob vns der weg dar zuo offener were) zuo eren vnd heym zuoSuochen weren (8r), also seiner Hoffnung auf ihre vollständige Zugänglichkeit ohne muslimische Einschränkungen Ausdruck verleiht. Im Rahmen der Vorrede zu dem Kapitel, das sich an späterer Stelle mit den im Heiligen Land Lebenden beschäftigt, macht Bernhard deutlich, wie dieser Zustand hergestellt werden soll: Die hertzen der criStglaubigen fürSten vnd herren auch ander andechtigen menSchen deSter mee vnd mee beweget geStercket vnd an entzündet moechten werden wyder die Schnoden ynwoner ja beflecker der Selbigen heiligen landen alSo daz ob vmmer durch gottes willen vnd geSchick oder ordenu¯g der heyligen kyrchen fug vn bequemlikeyt Sich wurde geben wyder die Selben vngleubigen zuo zyehen (80v–81r).

Es soll gegen die ungläubigen Bewohner des Heiligen Landes ein Kriegszug auf die Beine gestellt werden, der entweder durch den Papst (die Kirche wird konkret angesprochen) angeordnet oder durch christgläubige Fürsten und andere Gläubige – wie auch immer koordiniert – initiiert werden soll. Die reynigu¯g der heiligen land (81r) wird dabei als Ziel des Kriegszuges ausgerufen. Ohne hier darauf näher eingehen zu können, ist mit dem Befreiungskampf um das Heilige Land gegen die Heiden doch ein zentrales Element eines Kreuzzuges angesprochen. Auch der besonders wichtige Ablass ist in Bernhards Werk ständig präsent, zumal jeder Mensch – auch der Krieger – beim Betreten des Heiligen Landes den Ablass aller Sünden erhält,97 sodass es sich vertreten lässt, von einem Kreuzzugsaufruf zu schreiben; zumal Bernhard die Berechtigung der Tötung von Ungläubigen herausstellt, weil sie Gott Ehre erweise.98 Außerdem führt er die Taten des Gottfried von Bouillon, die er mit dem religiös geprägten Begriff der Erlösung in Zusammenhang bringt, als Beispiel für die Erlangung ewigen Ruhmes an.99 Er bittet all […] criStenlichen konig vn furSten (123v) sich mit diesen Taten zu beschäftigen. Auch dies kann als Hinweis darauf gedeutet 97 Vgl. Ernst-Dieter Hehl, Was ist eigentlich ein Kreuzzug?, in: Historische Zeitschrift 259 (1994), S. 297–336. 98 So er [der Ritter, M.H.] den vngleubigen ertodt wan gott da durch wurdt geeret (123v). 99 Jtem die thatten deß criStenlichen furSten Gotfridi vo¯ bulion eyns erborne¯ hertzogen vo¯ lotrnygen halten fur augen vunder welchem vmb die zyt als man zalt von criSt geburt M vnd hundert myner ein jar JheruSalem vn das heilig land aber eyns ward erloeSet von den henden der Sarracenen […] (123v).

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werden, dass Bernhard hoffte, mit der Aussicht auf ewigen Ruhm Könige und Fürsten zu einem Kriegszug – gleich dem Gottfrieds – zu motivieren. In seiner Klage über den Zustand Jerusalems und des Heiligen Landes spricht er zudem Gott an, der ne¯me das vngleubig volck von den Selben landen (118v), und antizipiert damit das Eingreifen Gottes zugunsten der Kreuzritter. Der junge Ritter im Schleiertüchlein hat sich nach eigenen Angaben im Heiligen Land Notizen gemacht,100 kann sie jedoch in der Natur befindlich und den Ich-Erzähler zufällig treffend nicht zur Erzählung herangezogen haben, zumal vor Zeile 1563 nie von ihnen die Rede ist. Über die Gründe, vil der wunder von got (Z. 1562–63) aufgeschrieben zu haben, schweigt sich der Ritter aus. Das Motiv, die Erzählung zu beginnen, ergibt sich aus dem Gespräch des jungen Ritters mit dem Ich-Erzähler und aus der Situation, in der Letzterer den jungen Ritter in Trauer vorfindet und ihm als geduldiger Zuhörer in fast therapeutischer Weise hilft.101 Dem Aufbruch zur Reise liegen verschiedene Motive zugrunde.102 So heißt es einmal: Ich meyn die frawen myn, / Die mir das heiltumb gab, / Als ich zum heylgen grab / Wolt farn nach ritterschaft / Durch got und auch ir krafft, / Durch Zippern uber mer / Und schawen menig her / Von heyd[e]nischer diet, / Als sie mir selber riet / Und mich mit vlise bat, / Ob ich es hette Statt / Das ich den ritter wurd, / Darumb der claffer burd / Ein teil gelichtert wer (Z. 278–91)

Diese Passage betont einerseits den aktiven Part der Geliebten,103 die sich den Ritterschlag am Heiligen Grab besonders wünschte, um den Schwätzern104 entgegentreten zu können, andererseits aber auch ein Interesse am Fremden. Zudem wird auch Gott als Grund genannt, die Reise anzutreten. Allerdings erlangte das Heilige Land als Ziel der Pilgerfahrt seine Bedeutung – im Unterschied zu Bernhard – nicht primär durch das Wirken Christi, sondern durch die Möglichkeit, durch den dortigen Ritterschlag an Ansehen zu gewinnen. Diese Pluralität der Motive verdeutlicht die vom jungen Ritter wiedergegebene Rede der Geliebten: Für sie war die Reise eine Fahrt nach ritterschaft 100 Und schriben vil der wunder / Von got an einem zedel (Z. 1562–63). Ein Hinweis auf diese Stelle findet sich auch bei Rüth (wie Anm. 4), S. 139. 101 Die Initiative, die Geschichte zu erzählen, geht dabei vom jungen Ritter aus, der sagt: Wiltu, ich mach dir kunt / Myn komer und myn smercz (Z. 188–89). 102 S. Schlechtweg-Jahn (wie Anm. 62), S. 154. 103 Den auch Rosenberg (wie Anm. 59), S. 34, hervorhebt. 104 S. zur Wortbedeutung Christa Baufeld, Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Lexik aus Dichtung und Fachliteratur des Frühneuhochdeutschen, Tübingen 1996, S. 144; Beate Hennig, Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch. In Zusammenarbeit mit Christa Hepfer und redaktioneller Mitwirkung von Wolfgang BACHOFER, 5., durchgesehene Auflage, Tübingen 2007, S. 183.

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(Z. 353), doch gab sie gleichfalls dem jungen Ritter den Auftrag vil der wunder, / Da Cristus hat gewandelt (Z. 384–85) und besonders den drit, / der unverwandelt ist, / Als got der war[e] Crist / Von unns gen himel für (Z. 400–03) anzusehen. Die Geliebte erachtete eine Pilgerfahrt mit Ritterschlag am Heiligen Grab als notwendig, weil der junge Ritter sie in ungestümer und ungebührlicher Art zu früh küsste.105 Deshalb provozierte sie ihn zunächst, indem sie sagte, dass er wol noch ein knab (Z. 346) sei und forderte: Erzeug an mir din dugent / Und auch din manlich art! (Z. 348–49). Es handelt sich also gewissermaßen um einen Ablass anderer Art. Während Bernhard nach göttlichem Ablass strebte, ging es dem jungen Ritter darum, seine – sicher auch gesellschaftlich sanktionierte – Verfehlung gegenüber seiner Geliebten zu kompensieren. Das wird zudem dadurch verdeutlicht, dass es ihm überaus wichtig war, allen Forderungen der Geliebten, die somit als Gestalterin der gesamten Reise fungierte, ohne Einschränkungen nachzukommen. So reagierte er auf die Unmöglichkeit der Weiterreise zum Katharinen-Kloster, die er seiner Geliebten zugesagt hatte,106 in der Darstellung des Schleiertüchleins „bockig“.107

Der Weg ins Heilige Land Die Überfahrt ins Heilige Land gestaltete sich für den jungen Ritter im Schleiertüchlein turbulent und gefährlich. Sieben Pilger starben, als das Schiff bei einem Sturm in Seenot geriet, während die überlebenden Pilger fünf Tagesreisen vom Heiligen Grab entfernt, irgendwo an der Küste, angespült wurden.108 Dass die Überfahrt keinen schlimmeren Verlauf genommen hat, führt der Ritter auf gottes trw (Z. 887), den guten baulichen Zustand des neuen Schiffes109 und vor allem das Schleiertüchlein zurück: Sein haillikeit, Sein art / Rüfft ich jn nöten an; / Zu Stund ich da besan, / Das sich das wetter teilt. / Dem heiltum unvermeilt / Ich billich danck und nig. (Z. 914–919)

Die Darstellung der Überfahrt läuft auf den geschickt am Schluss platzierten (scheinbaren) Beweis der Heiligkeit des Schleiertüchleins hinaus und nimmt aus diesem Grund auch einen Großteil der Beschreibung der Anreise ein. An dieser Stelle findet sich die einzige Intervention des Ich-Erzählers, der darauf besteht, in einer solchen Situation die magt Mary (Z. 922) anzurufen, und in diesem Zu105 106 107 108 109

Vgl. dazu Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 305–343. S. ebd., Z. 1514–17. Schlechtweg-Jahn (wie Anm. 62), S. 161. S. Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 945–48, 952. S. ebd., Z. 886–91.

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sammenhang den Glauben des jungen Ritters an die Heiligkeit des Schleichertüchleins als abgöttery (Z. 921) bezeichnet. Bernhards Überfahrt begann am 1. Juni 1483 in Venedig, dauerte mit Stationen in Porecˇ, auf Korfu, in Methoni, auf Rhodos und auf Zypern etwa einen Monat und endete mit der Ankunft in Jaffa.110 In seinem Bericht vermerkt er auch Dinge über Städte und Inseln, die er gar nicht betreten hat. So schildert er einerseits häufiger Verbindungen der Städte zu Heiligen und verweist z. B. in Dubrovnik auf die dort liegenden Hände und das Haupt des heiligen Märtyrers Blasius,111 andererseits berichtet er auch von Kuriosem wie z. B. von den beißenden und kratzenden Frauen auf Kreta, die so Männer umbrächten.112 Zu Porecˇ macht er neben dem Verweis auf gar koStlich und wirdig heyltum (24v)113 auch historische Angaben über den Raub der Helena und erklärt, dass Paris dort seine Schiffe habe bauen lassen.114 Insgesamt bietet Bernhard also einen fast enzyklopädischen „Rundumschlag“. In Jaffa angekommen, galt es für Bernhard und seine Mitreisenden, die Erlaubnis zur Weiterreise zu erlangen. Entsprechend der üblichen Vorgehensweise entsandte der Patron seine Knechte nach Jerusalem, um die Ankunft der Pilger bekannt zu machen und damit Geleit nach Jerusalem zu erwirken.115 Nach sechs Tagen des Wartens vor der Küste qamen die mammalucken […], desß Soldanß hofflutt mit Sampt dem trutzelman116 von jheruSalem vn Rama bringende mit ynen den Gardian (43r).117 Eine Nacht mussten die Pilger von Bernhards Schiff – auch das wie üblich – zudem in einer Höhle verbringen, wo ihre Personalien aufgenommen wurden.118 Bereits mit dem Betreten des Heiligen Landes erfüllte sich Bernhards Hoffnung auf die Wiedergutmachung seiner (Jugend-)Sünden, da er als Pilger alles follen ablaß vnd gantzer vergebung aller Schuld und pyn erfuhr, So dan […] vff diß heilig land trittet (8v). Auf Eseln ritten die Pilger dann von Jaffa über Rama nach Jerusalem.119 In 110 S. zu den Datumsangaben Timm (wie Anm. 13), S. 67. Sie nimmt jedoch einen Aufenthalt nicht in Porecˇ, sondern in Rovinj an, was zumindest anhand der hier zugrunde liegenden deutschen Fassung nicht haltbar ist. Vgl. zum Verlauf der Anreise Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 17r–42v. 111 S. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 26v. 112 Ebd., fol. 36v. 113 Er führt aus, dass es sich um die Gräber der heiligen Märtyrer Demetrius und Julian und der Jungfrauen Berthe und Acolite handelt, ebd., fol. 24v. 114 Ebd. 115 S. ebd., fol. 42v ; auch Klussmann (wie Anm. 11), S. 77. 116 Klussmann (wie Anm. 11), S. 77, übersetzt „trutzelmann“ mit „Dragoman“. 117 Der Leiter des Franziskaner-Klosters am Berge Zion hatte – Rüth (wie Anm. 4), S. 149, zufolge – die „geistliche Leitung der Pilgerreise“ inne. 118 S. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 43r; Klussmann (wie Anm. 11), S. 77. 119 S. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 43r–45r.

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Rama erläuterte ein Bruder des Klosters am Berge Sion den Pilgern fünf Verhaltensregeln.120 Besonders der letzte Punkt, wonach die Pilger kein heidnisches Grab betreten sollten, diente den im fremden Land unerfahrenen Pilgern zum Schutz, da bei Zuwiderhandlung die Todesstrafe drohte.121 Dass der Besuch der Heiligen Stätten zudem mit allem fliß vn andacht (44r) zu geschehen habe, ist besonders im Vergleich zum Verhalten des jungen Ritters interessant, dessen Gedanken auch am Heiligen Grab um seine Geliebte und das von ihr gegebene Schleiertüchlein kreisten. Bei der Ankunft in Jerusalem – die allein erneut den Ablass aller Sünden stiftete – stiegen die Pilger von ihren Eseln ab und Bernhard betont, dass es ihnen nicht erlaubt sei, wie einst Christus in die Stadt einzureiten.122 Die Ankunft des jungen Ritters im Schleiertüchlein unterscheidet sich bereits durch den unbekannten, fünf Tagesreisen vom Heiligen Grab entfernt an der Küste liegenden Ankunftsort. Dort nahm ein amasur, „ein orientalischer Fürst“,123 den jungen Ritter und seine vier Mitreisenden (und nur diese) auf.124 Der amasur war, wie seine gesamte Familie, griechisch-orthodox getauft.125 Er führte die Pilger über Bethlehem nach Jerusalem.126 Bei dem Anblick der Stadt Jerusalem und des Ölbergs empfanden die Reisenden große Freude: Wir funff und unser knecht / Gancz frewden worden sat, / Da wir die heiligen stat / Jherusalem ansahen / Und auch dem berg[e] nahen, / den man nent Olivet (Z. 1052–57). Bernhard berichtet von vergleichbarer Freude lediglich im Zusammenhang mit dem Erblicken des Heiligen Landes, was die Pilger zu Lobgesängen anhielt,127 nicht aber in Bezug auf Jerusalem. Hier wird wieder die unterschiedliche Zielsetzung beider Fahrer deutlich: Während das Ziel des jungen Ritters im Ritterschlag am Heiligen Grab bestand und somit in Jerusalem verortet war, ging es Bernhard um das Heilige Land als Ganzes, wobei Jerusalem freilich eine wichtige Rolle spielte. Blickt man auf die Wahrnehmung fremder Völker und Menschen anderer Religion auf dem Weg ins Heilige Land, ist zunächst auf den genannten amasur einzugehen. Er wird als reich bezeichnet, und es wird betont, dass er nit ein schwiczer pur (Z. 974) sei. Letzteres lässt sich als Versuch des jungen Ritters verstehen, sich vom Fürsten ironisch abzugrenzen, indem er ihn wenig

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S. ebd., fol. 43v–44r. Ebd., fol. 44r. Ebd., fol. 45r. Rüth (wie Anm. 4), S. 137. S. Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 973–77. S. ebd., Z. 996–97. S. ebd., Z. 1043, 1055. S. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 42v.

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schmeichelhaft nur als nicht bäuerlich kennzeichnet.128 Dennoch wird der amasur überwiegend positiv dargestellt: Gelich dem kung Artus / Was er der eren milt (Z. 982–983). Es wird zudem mehrfach die Gastfreundschaft und Fröhlichkeit hervorgehoben, mit denen der amasur und sein Gefolge den Pilgern begegneten.129 Auch lässt sich Anerkennung hinsichtlich des Einflusses des amasurs ausmachen, wenn der junge Ritter erzählt: Gebieten mit dem stab / Mocht er mit siner crafft / Gar vil der heydenschafft (Z. 1008–10). Es überrascht also nicht, wenn der junge Ritter abschließend zur Lobpreisung des amasurs auffordert130 und darauf hinweist, dass dieser ein druwer hirt (Z. 1028) gewesen sei.131 Wesentlich negativer als der griechisch-orthodoxe amasur werden die Muslime beurteilt, die im Gefolge des amasurs auftreten. Ihnen wird zugeschrieben, dass sie arg (Z.1021) seien, ohne dass ausgeführt wird, woran sich das festmachen ließe. Schon im Kontext des Aufenthaltes auf Rhodos thematisierte der junge Ritter das Verhältnis von Christen und Muslimen am Beispiel der Dürcken: Das man den Durcken hing, / Das wer ein cleyner schad. / Er macht noch gern ein bad / Der cristenheit zu warn (Z. 850–853). Die Metapher, jemandem ein Bad zu bereiten, wurde häufig dafür benutzt, darzustellen, dass ein anderer in eine gefährliche Situation gebracht wird.132 Die türkischen Muslime erscheinen hier also als aggressive Eroberer, welche die gesamte Christenheit anzugreifen gewillt sind. Damit spricht aus dem jungen Ritter das im 15. Jahrhundert zeittypische Gefühl Europas, durch die türkische Expansion bedroht zu sein.133 Auch bei Bernhard spielt die Bedrohung durch die Türken eine große Rolle. So nennt er diese vnSeligen thurcken criStenliches bluotes StrengSte vnd SchedlichSte vind (16r) und die Hochachtung, die Bernhard den Venezianern entgegenbringt, basiert maßgeblich auf ihrem Kampf gegen die Türken.134 Wenn er betont, dass die Venezianer keyn Sect gotlichen geSatzen widerig yn yren landen dulden (16r), so gelten sie Bernhard als Vorbild hinsichtlich der Eroberung des Heiligen Landes, da dort – so eine Schlussfolgerung aus dieser Passage – auch keine Duldung Andersgläubiger zugelassen werden dürfe. Die Abhandlung über die

128 S. Schlechtweg-Jahn (wie Anm. 62), S. 158. 129 Und fürt uns frölich hin […] (Z. 978); Sin edel hoffgesind / mit frewden unns enpfing (Z. 988–989); Bracht unns mit frewden dar […] (Z. 1041). 130 S. Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 1026–27. 131 Zumal Glocker (wie Anm. 71), S. 271, hervorhebt, dass „die nicht-erotische Truwe [im Schleiertüchlein] sinnstiftende Bedeutung“ bekomme. 132 Nach Donald K. Rosenberg, Commentary, in: Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), S. 123–46, hier S. 137. 133 S. Ganz-Blättler (wie Anm. 19), S. 195. 134 S. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 16r-v.

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türkische Belagerung von Rhodos (172v–180r) trägt zudem dazu bei, die Türken zu gewalttätigen Feinden des Christentums zu stilisieren.135 Sonst berichtet Bernhard kaum oder nur sehr kurz über die Fremden. So erzählt er beispielsweise ohne eigene Anschauung von den bereits oben erwähnten Männer kratzenden und beißenden Frauen auf Kreta136 und (hier aber wohl auf Basis einer Begegnung) von den Menschen vor Methoni.137 Letztere seien arm lude Swartz vnd vngeStalt (29r) und glichen in Teilen sowohl Mohren als auch Zigeunern.138 Außerdem unterstellt Bernhard ihnen negative Eigenschaften, indem er schreibt, sie seien verSpeher vnd verreter der criSten (29r). Wenn er darauf verweist, dass diese behaupten, aus Ägypten zu stammen – was ihm freilich aufgrund der Entfernung unmöglich erscheint – stellt dies ein seltenes Zeugnis für ein Gespräch mit Fremden in seinem Bericht dar.139

Der Aufenthalt im Heiligen Land Im Unterschied zur üblichen Praxis nächtigte Bernhard während seines Aufenthaltes in Jerusalem nicht im Pilgerspital, sondern im Haus des calyn (45r) genannten Dolmetschers.140 Der junge Ritter im Schleiertüchlein hingegen hatte seinen Schlafplatz in der Taverne „Zum goldenen Stern“, die ein muslimischer Wirt führte,141 die als Hospital für verwundete Pilger diente142 und die zum zentralen Bezugspunkt für den jungen Ritter wurde.143 Ein kunsel144 brachte die Reisenden dort unter, wofür ihm der junge Ritter dankte.145 Zunächst soll die Wahrnehmung des Heiligen Grabes betrachtet werden, das für die Pilger die bedeutendste Heilige Stätte darstellte.146 Bei der Bedeutung, die das Heilige Grab für den jungen Ritter im Schleiertüchlein hat, ist es wichtig, erneut zu betonen, dass es seine Geliebte war, die ihn dazu drängte, nach ritterschaft zu fahren. Sie erneuerte diese Aufforderung – fast im Befehlston –, 135 S. ebd., fol. 180r. – Unter anderem töteten sie bei der Eroberung der Stadt Idrunt alte Menschen, indem sie mit Pferden über diese ritten. 136 S. ebd., fol. 36v. 137 S. ebd., fol. 29r. 138 Ebd. 139 Bernhard nennt hier zumindest niemanden, von dem er die Information erhalten hat, sodass ein persönliches Gespräch anzunehmen ist. 140 S. Timm (wie Anm. 13), S. 67. 141 S. Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 1227–31. 142 S. ebd., Z. 1294–95, 1470–71; s. auch Rüth (wie Anm. 4), S. 140. 143 So auch Schlechtweg-Jahn (wie Anm. 62), S. 156. 144 Nach Rüth (wie Anm. 4), S. 139, handelt es sich bei einem kunsel um einen „Weinverkäufer, Berater und Pilgerführer“. 145 S. Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 1068–69. 146 S. u.a. Hippler (wie Anm. 7), S. 101.

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unmittelbar bevor der junge Ritter aufbrach: […] Und far zum heyligen grab! (Z.716), und betonte ebenso wiederholend, dass sie der claffer spot (Z. 721) fürchte und damit den weltlichen Zweck der Pilgerfahrt. Abhängig davon, wo genau man die Grenzen von Beginn und Ende der Heiligen-Grab-Darstellung ansetzt, ergibt sich innerhalb des Pilgerberichts etwa ein Anteil von 18 %,147 der sich mit dem Besuch des Heiligen Grabes beschäftigt. Dies dokumentiert zwar einerseits die wichtige Rolle, die das Heilige Grab für den jungen Ritter einnahm, andererseits aber auch, dass es nicht der alleinige Fokus der Reise (und ihrer Beschreibung) war. Im Verhältnis zu anderen Teilen des Berichtes fällt die Darstellung des Besuches des Heiligen Grabes ausführlich aus. So berichtet der junge Ritter über die Vorbereitung, wobei er sowohl die Kleidung in swarcz und gra (Z. 1074) und die Ausstattung Und bilgersteben gut (Z. 1075) thematisiert, als auch die einleitenden und die Bedrohung der Pilger durch die Türken anmahnenden Worte des Guardians wiedergibt148 und auf die Beichte vor dem Besuch des closters (Z. 1077) verweist.149 Außerdem vermerkt der junge Ritter, dass der Guardian eine Messe Nach Römischer ordenung / Und nit jn kriechscher zung (Z. 1135– 1136) gehalten habe, was der Verständlichkeit sicherlich zuträglich war. Erst im Anschluss habe er das vorher verschlossene Heilige Grab geöffnet.150 Bei der folgenden Andacht konzentrierte sich der junge Ritter ganz auf seine Geliebte.151 Nach der Situation in Seenot geschah dies erneut an einem zentralen Punkt.152 Das Verhältnis von Gottesminne und Frauenminne ist hier jedoch keineswegs zugunsten der Frauenminne aufgelöst, ebenso wenig, wie sie mit dem Glauben konkurriert,153 da ein entsprechendes Konkurrenz-Verhältnis gar nicht besteht. Die Geliebte hat schließlich die Fahrt initiiert und deren religiöse Aspekte bereits vor der Abreise festgelegt. Dass Frauenminne und Gottesminne jedoch nicht identisch sind,154 liegt gleichfalls auf der Hand, sind sie doch grundsätzlich auf jeweils unterschiedliche Ziele ausgerichtet. Im Schleiertüchlein fallen diese Ziele allerdings zusammen. Der junge Ritter kann sein Ansehen steigern und der Geliebten seine Tugend beweisen, indem er als Pilger die religiöse Andacht vollzieht. Der folgende Ritterschlag am Heiligen Grab wird entsprechend dem üblichen 147 Nach meinem Dafürhalten sind es die Zeilen 1074–1217 und damit – ausgehend von den oben genannten Zeilenangaben – für den gesamten Bericht 17,85 %. 148 S. Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 1090–1117. 149 S. ebd., Z. 1118–21. 150 S. ebd., Z. 1138–39. 151 S. ebd., Z. 1145–47; Bockmann (wie Anm. 78), S. 190. 152 S. Glier (wie Anm. 55), S. 332. 153 Gegen Glocker (wie Anm. 71), S. 261. 154 So behauptet es Rischer (wie Anm. 58), S. 39, allerdings mit der wenig hilfreichen Einschränkung, dass sie fast identisch seien.

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Ritus155 geschildert: Der mich zu ritter schlug / Was myn gesell der alt, / Der gardion den gewalt / Dem selben ritter gab (Z. 1158–1161). Nach dem Segen des Guardians,156 der Bezahlung des trislers157 und dem Küssen des Steines, der vor dem Grab Christi lag,158 führte der Guardian die Pilger durch das FranziskanerKloster bei der Grabeskirche und unterrichtete sie hinsichtlich des Wirkens Christi und der Jungfrau Maria.159 Doch scheinen die Pilger nicht mehr gewillt gewesen zu sein, sich weiter mit religiösen Themen zu beschäftigen, nahmen sie doch eine Einladung des Guardians zum gemeinsamen Essen nicht an, sondern kehrten lieber in die Taverne zurück.160 Damit bekam der Besuch des Heiligen Grabes den Charakter einer absolvierten Pflichtübung. Mehrfach weist der junge Ritter zudem auf die Hektik hin (Man lies unns nit lang rast [Z. 1174]; Mit kurczen worten schnel […] [Z.1183]), der sich die Pilger während des Besuches ausgesetzt sahen, die sicherlich anstrengte und somit zumindest eine Erklärung für den Wunsch liefert, schnell in die Taverne zurückzukehren. Insgesamt wirkt die Passage wie eine emotionslose Aufzählung des Geschehenen und einzig während der Andacht und im Gedenken an das Schleiertüchlein findet sich eine (positive) Äußerung hinsichtlich der Vorgänge im Inneren des jungen Ritters: Alsus min in der schaw / Kund bos gedenck verdriben (Z.1154–55). Dass der junge Ritter später aus Frust über die Nicht-Fortsetzung der Reise – hatte er seiner Geliebten doch die Katharinen-Wallfahrt versprochen – mit seinem Pilgerstab durch das das Heilige Grab umschließende Gitter stieß,161 zeugt zudem nicht von großer Ehrerweisung gegenüber diesem heiligen Ort. Bei Bernhard von Breydenbach hingegen ist die Ehrerweisung dem Heiligen Grab gegenüber nicht zweifelhaft, obwohl die Schilderungen von der HeiligGrab-Kirche lediglich fünf Seiten umfassen,162 was angesichts des Umfanges des Werkes wenig ist. Zunächst beschreibt Bernhard – im Unterschied zum jungen Ritter – die Größe der Heilig-Grab-Kirche (73 Fuß = 21,9 m Diagonale)163 und vor allem der Kapelle, in der sich das Heilige Grab befindet (acht mal acht Fuß, also quadratisch).164 Auch das Grab selbst sei acht Fuß lang165 und ix ampeln vber 155 S. Rüth (wie Anm. 4), S. 146; wenngleich er offensichtlich nicht, wie es üblich war, beim dritten Besuch am Heiligen Grab durchgeführt wurde, vgl. dazu Ganz-Blättler (wie Anm. 5), S. 26. 156 Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 1166. 157 S. ebd., Z. 1169–71. 158 S. ebd., Z. 1176–77. 159 S. ebd., Z. 1194–1201. 160 S. ebd., Z. 1202–23, s. auch Schlechtweg-Jahn (wie Anm. 62), S. 157. 161 S. Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 1504–05; Schlechtweg-Jahn (wie Anm. 62), S. 161. 162 S. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 47v–49v. 163 S. ebd., fol. 47v. 164 S. ebd. 165 Ebd.

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dem grab vnSers herren geben liecht (47v). Bernhard nahm an einer Prozession teil,166 in deren Rahmen er diverse Kapellen und auch den Kalvarienberg, do vnSer herr gecrutziget ward (49r), besuchte. Zu jeder Kapelle und zu jedem Altar verzeichnet Bernhard zudem den entsprechenden Ablass, was aus heutiger Sicht überflüssig scheint, da bereits mit dem Betreten der Kirche (und bereits vorher beim Betreten des Heiligen Landes) alle Sünden vergeben werden.167 Wie der junge Ritter im Schleiertüchlein besuchte auch Bernhard von Breydenbach bereits am ersten Abend in Jerusalem, dem 11. Juli, das Heilige Grab. Er macht deutlich, dass dies mit dem Ziel geschah, vmb willen den ablaß zuo erlangen (45r). Es war aber nicht der Guardian, der den Pilgern Einlass gewähren konnte, sondern die „Heiden“ erledigten das gegen Bezahlung von fünf Dukaten.168 Der Guardian tritt hier lediglich als religiöser Begleiter auf, und sowohl sein Verhalten als auch seine Worte werden im Unterschied zum Schleiertüchlein nicht wiedergegeben. Im Anschluss an die oben genannte Prozession beichteten die Pilger, doch wird auch hier der Vorgang nicht genauer beschrieben. Nach einer Nacht in der verschlossenen Kirche, welche die Pilger im Anschluss an die Prozession mit dem Essen von Mitgebrachtem und individueller Andacht verbrachten, öffneten die „Heiden“ die Kirche.169 Im Vergleich zu dem jungen Ritter, der abends bereits wieder in der Taverne war, verbrachte Bernhard mehr Zeit am Heiligen Grab. Beim dritten Besuch der Heilig-Grab-Kirche, der schon am 15. und 16. Juli stattfand,170 wurden ettlich der edelen bilger zu ritter geSlagen (54v). Bernhard selbst nahm sehr wahrscheinlich aufgrund seines Status als Kleriker nicht am eigentlichen Vorgang teil171 und beschreibt ihn folglich nur knapp und ohne Details.172 Daran wird deutlich, dass dieser Ritterschlag, zumal er ihn selbst nicht erhielt, für Bernhard kaum Bedeutung besaß. Dass es Bernhard gelang, nach der Abreise einiger anderer Pilger, die über Jaffa zurückreisten, durch bitt vnd gabe (56v) noch zweimal in die Heilig-Grab-Kirche zu kommen, spricht für die herausragende Bedeutung, die Bernhard diesem Ort beimaß. Auch wenn Aussagen über das Empfinden Bernhards fehlen, lässt sich doch aufgrund der letztgenannten Tatsache vermuten, dass ihn das spirituelle Erlebnis zu weiteren Besuchen animierte. Zudem – das ist oben bereits betont worden – nahm Bernhard auch den Besuch am Heiligen Grab als Gelegenheit wahr, Ablässe anzuhäufen. Es ist im Rahmen dieses Beitrags nicht erforderlich und hilfreich, eine Auf166 167 168 169 170 171 172

S. ebd., fol. 48v–49v. S. ebd., fol. 47v. S. ebd. S. ebd., fol. 49v. S. ebd., fol. 54v. S. Timm (wie Anm. 13), S. 68. So auch Ganz-Blättler, (wie Anm. 19), S. 235.

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zählung der vielen Heiligen Stätten zu liefern, die Bernhard während seines Aufenthaltes im Heiligen Land besuchte, da hier die Wahrnehmung im Zentrum steht und sich die Art und Weise der Beschreibung bei den verschiedenen Orten wenig unterscheidet. Hier soll der Hinweis genügen, dass Bernhard sich nicht auf Jerusalem beschränkte, sondern auch im Umland liegende Heilige Stätten, beispielsweise im Tal Josaphat173, auf dem Ölberg174, in Bethlehem175 und auf dem Weg zum Jordan,176 besuchte. Exemplarisch sei hier nur eine typische Beschreibung herausgegriffen. In Bethanien, so schreibt Bernhard, stünde das Haus von Simon Leprosi, der Christus zum Essen eingeladen habe. Während sie zu Tisch gesessen hätten, sei Maria Magdalena gekommen und habe Christus die Füße gewaschen, diese mit ihrem Haar getrocknet, anschließend geküsst und gesalbt. Bernhard verweist, nachdem er diese Geschichte kurz dargestellt hat, auf die entsprechende Bibelstelle (Lukas 7) und teilt abschließend mit, welcher Ablass sich an dem Ort gewinnen lässt (sieben Jahre und sieben Karen).177 Er versucht also immer, die Orte in den biblischen Kontext zu setzen. Seine Wahrnehmung der Heiligen Stätten war demnach zum einen durch diese biblischen Bezüge und zum anderen durch den dort erlangbaren Ablass geprägt, der sich durch die biblischen Bezüge aber erst begründen ließ. Bernhard beschreibt auch den Fußabdruck Christi in einem Stein dar vff vnSer herr Stund do er zuo hymmel fuore (52r), den er auf dem Ölberg entdeckte. Es handelte sich dabei um den Fußabdruck, zu dessen Beschauung die Geliebte den jungen Ritter im Schleiertüchlein aufforderte. Es überrascht schon, dass die zentrale Forderung der Geliebten Besunder [!] beschaw den drit […] (Z. 400) im Folgenden nicht wieder aufgegriffen wird. Vermutlich hat der junge Ritter den Abdruck gesehen, führte doch der kunsel die Pilger On all die heyligen stet, / Da crist gewandelt het / Und ouch sin muter küsch (Z. 1237–39), und wenn er ein von der Geliebten eingefordertes Versprechen nicht einhalten konnte, hätte er dies gleich der unmöglichen Katharinen-Wallfahrt erwähnt.178 Von dem Besuch weiterer Heiliger Stätten gibt es allerdings keine Beschreibungen. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass die Pilger im Tal Josaphat waren,179 und sehr allgemein heißt es: Wir gingen widerstrit / An ieglich statt besunder (Z. 1560–61). Damit lässt sich eine Konzentration auf das Heilige Grab als einzig beschriebene Heilige Stätte und den dort erfolgten Ritterschlag konstatieren. Den Ich-Erzähler mit einer großen Menge erworbenen Ablasses zu beeindrucken und 173 174 175 176 177 178 179

Vgl. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 51v–52r. Vgl. ebd., fol. 52r. Vgl. ebd., fol. 53v. Ebd., fol. 55r–56v. S. ebd., fol. 55r. Vgl. Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 1514–17. S. ebd., Z. 1556.

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diese vorzurechnen, ist in jedem Fall nicht das Ziel des jungen Ritters, und es hätte in der Minnerede, die primär auf die Darbietung einer für das Publikum interessanten Geschichte ausgerichtet war, auch eindeutig deplatziert gewirkt. Folglich werden Ablässe im Schleiertüchlein nie thematisiert. Statt weiterer Heiliger Stätten spielte – wie bereits erwähnt – die Taverne eine wichtige Rolle für den jungen Ritter.180

Wahrnehmung der Muslime Die einzigen Muslime, deren Eigenschaften der junge Ritter in seinem Bericht über den Aufenthalt im Heiligen Land erwähnt, sind der Wirt der Taverne „Zum Goldenen Stern“ und dessen Frau: Gar dugentlich herging / Der wirt und auch sin wib. / Zwu seln und nür ein lib / Brufft wir an irm gebarn, / Wie wol sie heyden warn / Und glaubten dem Machnet. / Die fraw unns gutlich det / Und auch jr man der wirt. (Z.1226–33)

Dabei antizipiert der junge Ritter durchaus ein negatives Bild der Muslime beim Ich-Erzähler, indem er betont, dass sich der Wirt und seine Frau, Wie wol sie heyden warn, gegenüber den Pilgern gütlich verhielten. Zudem wird dem Ehepaar zugeschrieben, dugentlich zu sein. Diese Eigenschaft musste der junge Ritter in den Augen seiner Geliebten erst durch die Reise erlangen bzw. beweisen,181 und so ist das Ehepaar in gewisser Weise dem jungen Ritter sogar voraus. Indem er auf die enge Verbindung der Eheleute hinweist, die so weit reiche, dass ihre Körper (metaphorisch) verwüchsen (zwu seln und nür ein lib, Z. 1228), werden sie zum Sinnbild einer festen Liebesbeziehung und somit zum Gegenstück der letztlich gescheiterten Liebe des jungen Ritters.182 Auch nach seiner Rückkehr spricht er seiner Mutter gegenüber von dem gedruwen wirt (Z.1683) und schreibt (nur) ihm (und nicht seiner Ehefrau) somit eine weitere positive Eigenschaft zu.183 Der Wirt fungierte zudem als ortskundiger Ratgeber und riet den Pilgern vom Betreten des Felsendomes ab (Kom uwer eyner dar, / Ir müsten all verderben, Z.1254–55).184 Außerdem nahm er ausgeraubte Pilger in seiner Taverne auf185 und galt dem jungen Ritter neben einem Kaufmann aus Meran als zuverlässiger Informant hinsichtlich der Schreckens180 181 182 183

S. Schlechtweg-Jahn (wie Anm. 62), S. 156. S. Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 348. Der Bezug auf Genesis 2,24 ist offensichtlich. Auf die Bedeutung, die GLOCKER der Treue im Schleiertüchlein beimisst, ist bereits oben in Anmerkung 131 hingewiesen worden. 184 S. auch Rüth (wie Anm. 4), S. 141. 185 S. Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 1470–71.

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erlebnisse anderer Pilger.186 Der junge Ritter berichtet von Pilgern, On kappen und on hut / Sas mancher nacket blos (Z.1316–17), die so in die Herberge zurückkehrten. Sie seien Opfer Des argen heyden gall (Z. 1298) geworden. Es fällt auf, dass diese Eigenschaft den Muslimen erneut zugeschrieben wird. Erstmals geschah dies im Zusammenhang mit den Muslimen im Gefolge des amasurs. Der dem jungen Ritter bereits von einer nicht näher genannten früheren Begebenheit bekannte Kaufmann aus Meran schilderte dann die Vorkommnisse und erklärte den Überfall damit, dass Der soldan […] mit zorn / Ein wutrich ungestöm (Z. 1350–51) sei. Dies lag in einer Rebellion, in der Ein andern soldan nw / Die fursten hand geseczt (Z. 1342–43), begründet. Aufgrund mangelnder Spezifik der Darstellung ist es jedoch nicht möglich, eine Zuordnung zu konkreten historischen Ereignissen vorzunehmen.187 Der Kaufmann nimmt aber als einziger eine anti-muslimische Haltung ein. Er spricht vom Propheten Mohammed als einem, Der doch vil lannd vergifft / Mit siner valschen ler (Z. 1378–79), verweist auf die mangelnde Toleranz auf muslimischer Seite (Sie achten cristen blut / Vil ringer wan ein haß [Z. 1366–67]) und rät den Pilgern von der Katharinen-Wallfahrt zum Sinai ab (Nein, herr, das lassent sin [Z. 1340]). Nach Rücksprache mit den anderen Pilgern und nachdem eine Beratung des Guardians mit drei KlosterBrüdern zu dem Ergebnis führte, den Pilgern von einer Weiterreise zum Sinai abzuraten, entschieden sich die Pilger, dem Rat zu folgen.188 Es waren letztendlich also die Muslime, die den jungen Ritter davon abhielten, die seiner Geliebten versprochene Reise zum Sinai durchzuführen. Folglich nahm der junge Ritter die Muslime als Behinderung der Durchführung seines Liebesdienstes wahr und erwähnt das explizit, erneut mit der fast schon zementierten Charakterisierung als schlecht und heimtückisch:189 die argen heiden / Hand mir myn hercz beswert (Z. 1510–11). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Muslime den jungen Ritter nicht aufgrund ihrer religiösen Praktiken störten, sondern nur dann, wenn ihm ihr Verhalten missfiel oder es gar seinen Liebesdienst verhinderte. Grundsätzlich können so einzelne Muslime durchaus eine positive Darstellung erfahren, unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Stellung.190 Es sei noch auf die Reaktion der Mutter des jungen Ritters hingewiesen, als dieser ihr nach seiner Rückkehr das Schleiertüchlein präsentierte: Sie fragt zunächst: Wer gab das heyltum dir? […] Kompt es dir von den heyden? (Z. 1748–50), um dann zu konstatieren: Das ist ein fremde sach! (Z. 1751)191 Damit scheinen endgültig die Grenzen zwischen Heiden 186 187 188 189 190 191

S. ebd., Z. 1312–1315. S. Rosenberg (wie Anm. 59), S. 50. S. Hermann von Sachsenheim (wie Anm. 33), Z. 1380–1497. Vgl. Baufeld (wie Anm. 104), S. 13. S. Schlechtweg-Jahn (wie Anm. 62), S. 160. Ein Verweis auf diese Stelle findet sich bei Bockmann (wie Anm. 78), S. 194–95.

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und Christen zu verschwinden. Von der Mutter oder bereits vorher durch den Ich-Erzähler im Zusammenhang mit dem Anbeten des Schleiertüchleins in Seenot als typisch für die Heiden wahrgenommene Praktiken entpuppen sich als Teil des Liebesverhältnisses zwischen Geliebter und jungem Ritter. Bei Bernhard hingegen sind die Grenzen klar. Sein Werk als „antimoslemische Polemik“192 zu bezeichnen, hat, wie sich zeigen wird, durchaus seine Berechtigung. Dies lässt sich sowohl für die Wahrnehmung der Muslime im Rahmen der Beschreibung des Heiligen Landes und der Heiligen Stätten wie auch für die theoretischen, vom Erleben gelösten,193 Abhandlungen über Mohammed und den Islam zeigen. Bernhard schreibt, dass er von Arabern beraubt worden sei und 24 Dukaten habe bezahlen müssen, um sein Leben zu retten,194 und auch auf dem Weg zum Jordan müsse damit gerechnet werden, dass die Heiden die Pilger überfielen.195 Die Muslime erscheinen in diesem Zusammenhang gleichsam gewaltbereit und habsüchtig. Zwischen den Burgen Archas und Crach lebten zudem Sarraceni vaninigeri genat gar boßhafftig menSchen vnd beSunder den criSten Seer wyderig nydig vnd heSSig (61r). In welcher Art von Handlungen sich das ausdrückte, berichtet Bernhard nicht. In Bezug auf das Verhalten von Muslimen bemerkt Bernhard, dass sie keinen Wein tränken.196 Zunächst als nicht wertende Beobachtung dargeboten, machen weitere Verweise auf Wein im Libanon, der menSchlich hertz erfreuwet (79r) (wenn die Muslime ihn nicht achten, handeln sie fast unmenschlich), und im theoretischen Teil auf den ausschließlich weltlichen Grund des Weinverbots, die Angst vor der Begünstigung eines Aufstandes gegen den Propheten durch Weinkonsum,197 die negative Konnotation deutlich. Wenn Bernhard außerdem von der Verödung des Landes in den Bergen Israels berichtet, so führt er diese auf die Sund […]der ynwoner (75v) zurück, ohne darzulegen, worin die Sünde genau besteht. Offenbar glaubte er, dies seinen Lesern nicht unmittelbar erläutern zu müssen. Es finden sich, wenn auch vereinzelt und nicht dominant, auch positive Aussagen zu den Muslimen. So seien diese nach der Abreise der über Jaffa zurückkehrenden Pilger von tag zuo tag gemeyner198 vnd fruntlicher (56v) ge192 Stephen C. Williams, „Türkenchronik“. Ausdeutende Übersetzung: Georgs von Ungarn „Tractatus de moribus, condictionibus et nequicia Turcorum“ in der Verdeutschung Sebastian Francks, in: Reisen und Welterfahrung in der deutschen Literatur des Mittelalters, hrsg. Dietrich Huschenbett, John Margetts (Würzburger Beiträge zur deutschen Philologie 7), Würzburg 1991, S. 185–196, hier S. 194. 193 S. Brenner (wie Anm. 41), S. 68. 194 Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 53v. 195 Ebd., fol. 55r. 196 Ebd., fol. 59v. 197 S. ebd., fol. 89v. 198 Mozer übersetzt gemeyner mit „herzlicher“, ebd., fol. 56v.

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worden. Auch die Ehrung von Gräbern (wie beispielsweise das Grab des Lazarus) hebt Bernhard hervor, unterstellt aber den Muslimen auch in diesem Kontext explizit Unwissenheit, weil sie dort, wo er das Grab Kanaans vermute, das Grab Josuas ehrten.199 Im zweiten Teil des ersten Buches, das sich ausführlich mit Mohammed und dem Islam beschäftigt, findet – wie bereits beschrieben – lediglich eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Islam statt. In der Vorrede werden die Muslime als vngleubig, hoffertig, und verStopfft (80r), später als fleySchlich vnd viheSch menSchen (82v) bezeichnet. Weitere Charakterisierungen erfolgen implizit, wenngleich deutlich. Wenn Bernhard schreibt, dass eyn yeder vernunfftiger menSch vß diSem wolmercken mag daz machomet yn Sym Alkoran auch yn andern puncten hatt gelogen (93v), zeichnet dies ein Bild von Muslimen als Unvernünftigen, die nicht in der Lage sind, dies zu erkennen. Ihre vermeintliche Dummheit hebt er zudem hervor, indem er schreibt, wie alleyn vnwiSSenden groben luthen (96v) die Lehren des Islam gefallen könnten. Seine ganze Argumentation läuft auf eine Ablehnung des Islams hinaus. Jeder müsste seines Erachtens klug genug sein, die Unrichtigkeit dieser Lehre zu erkennen. Zu diesem Zweck beschäftigt sich Bernhard zunächst mit dem Leben und Eigenschaften des Propheten Mohammed.200 Er fasst sie wie folgt zusammen: nit anderSt iSt geweSen dan menSchen ertodten vnd fremde guot Stelen vnd rauben (82v), und zeichnet damit das Bild eines überaus gewalttätigen und ungerechten Menschen. Im Anschluss wird der Versuch unternommen, unter Rückgriff auf Petrus Alfonsi verschiedene Artikel des Korans zu widerlegen.201 Die anschließenden Kapitel konzentrieren sich jedoch im Gegensatz zur Überschrift – dort ist von Sytten und yrrtu¯men (89v) die Rede – nur auf die Irrtümer des Islams.202 Angeschlossen ist auch ein diffamierender und die Muslime äußerst negativ darstellender Abschnitt.203 Im Rahmen dieser Abhandlung findet auch die Frage Berücksichtigung, warum sich der Islam als Religion halten könne.204 Nachdem die Argumentation eines namentlich nicht genannten, vom Judentum zum Christentum konvertierten, Doktors wiedergegeben wird, wonach – stark vereinfacht – der Islam weniger schlimm sei als andere heidnische Glauben,205 antwortet Bernhard mit einer Gegenrede.206 Er 199 Ebd., fol. 60v. 200 Vgl. ebd., fol. 81r–85r. – Unter anderem lassen sich eine „in vieler Hinsicht festgestellte Gleichheit Muhammads mit Tieren“ (Haydar [wie Anm. 44], S. 163) und die „Darstellung Mohammeds als schlaue[m] Opportunisten und Lüstling“ (Williams [wie Anm. 192], S. 192) konstatieren. 201 Vgl. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 85r–89v. 202 Vgl. ebd., fol. 89v–103r. 203 S. Timm (wie Anm. 13), S. 75. 204 Vgl. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 98r–102v. 205 Vgl. ebd., fol. 98r–100r.

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verkündet dabei das Ergebnis schon vor der eigentlichen Erörterung, nämlich daz die Sarracenen […] nit beSSer Sunder erger oder zum mynSten glich arg Syen (100v). Mithilfe von Passagen wie diesen versuchte Bernhard, Unterstützung für die Idee eines Kreuzzuges zu gewinnen. Es ging ihm dabei nicht primär um das Verhalten der Muslime, ließen sich doch aus einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Glauben viel besser die Unterschiede aufzeigen. Bezeichnenderweise berichtet er an keiner Stelle über ein Gespräch, das er selbst mit Muslimen führte.207 Dass Muslime, die dem unter anderem als Mörder dargestellten Mohammed folgen,208 im Besitz des Heiligen Landes waren, kann von den zeitgenössischen Lesern Bernhards nur als Schande empfunden worden sein. *** Die Analyse der beiden Pilgerberichte hat gezeigt, dass die Wahrnehmung der Heiligen Stätten und der muslimischen Umwelt im Heiligen Land einerseits von den Motiven und Zielen zur Pilgerfahrt und andererseits von den Motiven zur Abfassung der Pilgerberichte abhing. Im fiktionalen Fall des jungen Ritters im Schleiertüchlein lag das Motiv in der Gewinnung der Ritterschaft am Heiligen Grab. Die Geliebte entsandte ihn zum Zweck der Bestätigung seiner Tugend ins Heilige Land, um nach ritterschaft zu streben und gab dabei auch die religiösen Ziele der Pilgerreise vor. Die Wahrnehmung der Überfahrt, des Heiligen Grabes und der Muslime war dabei wesentlich durch diese Tatsache beeinflusst. Auf der Überfahrt in Seenot geraten, gedachte der junge Ritter seiner Geliebten und schrieb nur dem mit ihrem Blut durchtränkten Schleiertüchlein die Macht zu, das Wetter zu verbessern. Während der Andacht am Heiligen Grab kamen gleichfalls Gedanken an seine Geliebte auf. Die Muslime werden zwar nicht grundsätzlich negativ beurteilt – so werden besonders dem muslimischen Wirt und seiner Frau positive Eigenschaften zugeschrieben –, doch sobald sie als Hindernis des Liebesdienstes erschienen und in diesem Fall den der Geliebten versprochenen Aufbruch zum Katharinen-Kloster verhinderten, wurden sie als heimtückisch und schlecht charakterisiert. Die positive Charakterisierung des Wirtes überrascht in diesem Zusammenhang nicht, war er doch dem Liebesdienst des jungen Ritters durch Beherbergung und Ratschläge behilflich. Gleiches gilt für den griechisch-orthodoxen amasur, der die Pilger nach Jerusalem führte. 206 Vgl. ebd., fol. 100r–102r. 207 Im Unterschied dazu war in der Darstellung des jungen Ritters mit dem Wirt zumindest eine muslimische Person Teil der Geschichte. 208 S. Bernhard von Breydenbach (wie Anm. 26), fol. 82v.

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Das dort befindliche Heilige Grab ist die einzige Heilige Stätte, deren Besuch der junge Ritter beschreibt. Dies geschieht jedoch ausführlich, und es werden sowohl die Vorbereitungen als auch das Procedere von den Worten des Guardians bis zum Ritterschlag detailliert geschildert. Dies bietet somit eine dichterische Ergänzung zu Bernhards eher buchhalterischer Darstellung. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass keine Beobachtungen weiterer heiliger Stätten in die Erzählung integriert werden, obwohl sie gleichfalls Teil des Liebesdienstes sein sollten. So fehlt zur Aufforderung der Geliebten, den mit dem Aufstieg in den Himmel verbundenen Fußabdruck Christi aufzusuchen, eine entsprechende Schilderung im Zuge der Reisebeschreibung. Wenngleich in einem fiktionalen Arrangement verortet, ist der historische Quellenwert des Schleiertüchleins kaum zu bestreiten. Dass offensichtlich im Detail manches durch den Autor erfunden wird (wie z. B. die in den Reisebericht integrierten Gespräche), ist keine Schwäche des Textes, wenn man ihn mit dem Wissen um diese Voraussetzungen liest. Unabhängig vom Grade der Beeinflussung durch andere Reiseberichte haben wir es mit einer geformten zeitgenössischen Vorstellung von der Reise ins Heilige Land, den dortigen heiligen Stätten und den einheimischen Muslimen zu tun. Offenbar nahm der Autor an, dass das Publikum der Minnerede für die ambivalente Darstellung von Andersgläubigen durchaus empfänglich sein werde. Bernhard von Breydenbach hingegen reiste selbst ins Heilige Land und nahm dieses primär als Gebiet wahr, in dem es eine große Menge an Ablass zu erwerben gab. Ausgehend von seinem Ziel, die Vergebung seiner Jugendsünden zu erlangen, fuhr er ins Heilige Land und verzeichnete überall, wo es sie gab, die entsprechenden Ablässe. Zu dem Motiv des Reiseantritts kam bei Bernhard auch das Motiv zum Verfassen seines Berichtes hinzu: die Initiierung eines Kreuzzuges. Zu diesem Zweck zeichnet er ein negatives Bild des Heiligen Landes in muslimischer Hand, dass durch die Sünden der Bewohner verödet sei. Die Fürsten und Könige werden angehalten, sich an Kreuzfahrern wie Gottfried von Bouillon ein Beispiel zu nehmen, um diesen Zustand zu ändern. Auch die Wahrnehmung der Muslime ist dadurch maßgeblich geprägt. Bernhard berichtet selten von persönlichen Begegnungen, liefert stattdessen einen langen theoretischen Abriss über Mohammed, den Koran und den Islam. Besonders Mohammed schreibt er viele negative Eigenschaften (wie z. B. die, ein Mörder zu sein) zu, verunglimpft ihn und rückt damit alle Gläubigen, die dem Propheten folgen, in ein schlechtes Licht. Seine Antwort auf die – dem Islam milde gegenübertretenden – Ausführungen eines vom Judentum zum Christentum konvertierten Doktors bezüglich der Frage nach Gründen für den langen Bestand des Islams belegt, dass Bernhard den Islam für den schlimmsten heidnischen Glauben hält. Dass er auch den Anhängern negative Eigenschaften wie fleySchlich und viheSch zuschreibt, überrascht deshalb nicht.

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Während Bernhard – wie erwähnt – hauptsächlich theoretische Abhandlungen hinsichtlich der Muslime vornimmt und nur selten von ihrem Verhalten berichtet, steht eben dieses Verhalten der Muslime im Mittelpunkt der Darstellung im Schleiertüchlein. Hinsichtlich des Heiligen Landes ergibt sich eine deutlich genauere Schilderung der verschiedenen Heiligen Stätten (inklusive der dort zu erlangenden Ablässe) bei Bernhard, die – wie oben genannt – im Schleiertüchlein fast gänzlich fehlt. Die Bedeutung des gesamten Heiligen Landes für Bernhard wird besonders dadurch deutlich, dass er Lobgesänge anstimmte, als er es sah. Gleiches machte der junge Ritter erst, als er Jerusalem erblickte, was den Fokus seiner Reise zusätzlich verdeutlicht. Alle diese Unterschiede liegen den oben geschilderten Motiven zugrunde, die unterschiedliche Wahrnehmungsschwerpunkte für die jeweiligen Pilger, egal, ob fiktional oder real, generierten.

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Die zisterziensischen Konversen – Leben und Arbeiten für die klösterliche Gemeinschaft

Klöster bilden seit Anbeginn des Christentums einen Kernpunkt religiösen Lebens. Während die Menschen am Anfang lediglich von dem Wunsch beseelt waren, abseits von weltlicher Ablenkung religiöse Erlösung zu finden, entwickelten sich diese Gemeinschaften schnell zu festen Institutionen, zu deren Organisation man sich gewisser Grundregeln bediente.1 Seit Anfang des 9. Jahrhunderts wurden die Konvente einheitlich nach der Regel des heiligen Benedikts von Nursia geführt.2 In seiner Regel legte Benedikt fest, dass das monastische Leben der Mönche vom Beten und Arbeiten geprägt sein sollte.3 Er griff damit die seit langem kontrovers diskutierte Frage über den genauen Stellenwert und die Bedeutung der Arbeit auf, welche zu vielen Unstimmigkeiten führte.4 Besonders im Zeitalter der monastischen Reformen des 9. und 10. Jahrhundert erlangte diese Problematik wieder neue Bedeutung. Das große Reformkloster Cluny und seine angegliederten Abteien konnten durch ein stark ausgeprägtes, grundherrschaftliches System ihre Einnahmen sichern und sich gänzlich auf das Gebet konzentrieren, wodurch die von Benedikt geforderte Handarbeit vernachlässigt wurde.5 Im ausgehenden 11. und frühen 12. Jahrhundert milderte der gestiegene materielle Wohlstand die Strenge des Klosterlebens. Zudem wurde das Aufgabenfeld der Chormönche durch deren Klerikalisierung erheblich erweitert. Das Lesen von privaten Messen ließ den Mönchen

1 Norbert Ohler, Mönche und Nonnen im Mittelalter, Düsseldorf 2008, S. 23. 2 Claudia Borgolte, Studien zur Klosterreform in Sachsen im Hochmittelalter, Diss. Braunschweig 1976, S. 48. 3 Regula Benedicti. Kapitel 48, 1; in: Die Benediktusregel, hrsg. im Auftrag der Salzburger Äbtekonferenz, Beuron 1992, S. 184–85 (deutsche Übersetzung in der Ausgabe). 4 Dietrich Kurze, Die Bedeutung der Arbeit im zisterziensischen Denken, in: Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, hrsg. Kaspar Elm, P. Joerissen, Hermann Josef Roth, Köln 1980, S. 179–202, hier S. 179. 5 Jörg Oberste, Die Zisterzienser, Stuttgart 2014, S. 184.

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immer weniger Zeit für ihre eigentlichen monastischen Aufgaben.6 Dies waren Umstände, an denen besonders die späteren Gründungsväter des Zisterzienserordens Anstoß nahmen. Für Robert von Molesme, Alberich von C%teaux und Stephan Harding entsprach diese Praxis nicht der genauen Befolgung der Regel Benedikts. Sie strebten eine andere monastische Lebensordnung an, die sie in der von ihnen neugegründeten Abtei in C%teaux 1098 umsetzen wollten.7 Der Zisterzienserorden, welcher in Folge dessen entstand, besann sich auf eine strenge Einhaltung der Regula Benedicti.8 Robert von Molesme war 1075 als Abt mit der Neugründung einer Abtei in Molesme beauftragt worden, geriet dort jedoch in einen Konflikt. Getrieben von religiösem Eifer, lehnte er es entschieden ab, als man um 1090 in der ursprünglich an Cluny orientierten Abtei Molesme begann, weltliche Güter anzuhäufen.9 Unzufrieden mit dem damals üblichen Klosterwesen,10 trachtete Robert von Molesme nach einem weltabgeschiedenen, monastischen Leben11 unter strikter und genauer Verwirklichung der Benediktsregel.12 Das Klosterleben in der Abtei entsprach daher nicht seinen Vorstellungen von der angestrebten Regeltreue und der damit einhergehenden klösterlichen Armut.13 Als seine Reformbemühungen in Molesme letztlich scheiterten,14 entschloss er sich 1098 dazu, mit etwa 20 Getreuen ein neues Kloster zu gründen.15 Unter den ausgezogenen Mönchen befanden sich auch Alberich von C%teaux und Stephan

6 Jens Rüffer, Die Zisterzienser und ihre Klöster. Leben und Bauen für Gott, Darmstadt 2008, S. 9. 7 Monika R. Dihsmaier, Carta Caritatis – Verfassung der Zisterzienser. Rechtgeschichtliche Analyse einer Manifestation monastischer Reformideale im 12. Jahrhundert (Schriften zur Rechtsgeschichte, 149), Berlin 2010, S. 33. 8 Werner Rösener, Von der Eigenwirtschaft zum Pacht- und Rentensystem: Der wirtschaftliche Strukturwandel in den niederrheinischen Zisterzienserklöstern während des Hochund Spätmittelalters, in: Die niederrheinischen Zisterzienser im späten Mittelalter. Reformbemühungen, Wirtschaft und Kultur, hrsg. Raymund Kottje (Zisterzienser im Rheinland, 3) Köln 1992, S. 21–48, hier S. 24. 9 Gudrun Gleba, Klöster und Orden im Mittelalter, Darmstadt 2008, S. 77; Rüffer (wie Anm. 6), S. 10. 10 Reinhard Schneider, Vom Klosterhaushalt zum Stadt- und Staatshaushalt. Der zisterziensische Beitrag (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 38), Stuttgart 1994, S. 97. 11 Dihsmaier (wie Anm. 7), S. 33. 12 Michael Toepfer, Die Konversen der Zisterzienser. Untersuchungen über ihren Beitrag zur mittelalterlichen Blüte des Ordens (Berliner historische Studien, 10 = Ordensstudien 4) Berlin 1983, S. 24. 13 Dihsmaier (wie Anm. 7), S. 33. 14 Ambrosius Schneider, Die Geschichte der Cisterzienser, in: Die Cistercienser : Geschichte – Geist – Kunst, hrsg. Wolfgang Bickel, Ernst Coester, Ambrosius Schneider, Adam Wienand, Köln 1986, S. 13–53, hier S. 18. 15 R. Schneider (wie Anm. 10), S. 97.

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Harding,16 die später zu Schlüsselfiguren bei der Gründung der Zisterzienser wurden. Das neue Kloster wurde in Cistercium, C%teaux,17 südlich von Dijon errichtet.18 Als Zeichen für ihren Neubeginn nannten sie das Kloster zunächst schlicht novum monasterium, das Neukloster. Nachdem Robert 1099 durch die Intervention von Papst Urban II. als Abt nach Molesme zurückkehrte,19 übernahm sein früherer Prior Alberich 1099 bis 1108 das Amt des Abtes.20 In seiner Amtszeit wurde die liturgische Reform eingeleitet und das bedeutende Skriptorium eingerichtet.21 Zudem konnte er in dem Römischen Privileg von 1100 die kirchenrechtliche Bestätigung für das Neukloster sichern. Papst Paschalis II. stellte darin die Abtei direkt unter den Schutz des Heiligen Stuhls und gewährleistete dadurch deren Unabhängigkeit. Nach dem Tod Alberichs wurde der Engländer Stephan Harding zum Abt gewählt.22 Mit großer Tatkraft trieb er das Werk seiner Vorgänger voran.23 Unter ihm entstand die erste Fassung der Carta Caritatis,24 die sicherstellen sollte, dass die Bräuche von C%teaux auch in den ersten Tochtergründungen befolgt wurden.25 Zudem fallen die Entstehung der Ecclesiastica Officia und des Gebräuchebuchs der Usus Conversorum in seine Amtszeit. Durch die schriftliche Fixierung der Bräuche gelang es ihm, eine gesetzlich fixierte Organisation für den sich ausbreitenden Orden zu schaffen.26 Die zisterziensische Reform umfasste von der Administration bis hin zur Liturgie über die Ökonomie und Architektur alle Teile des monastischen Lebens. Unter seiner Führung entwickelte sie sich von einer Strömung innerhalb des benediktinischen Mönchtums zu einem eigenständigen Orden.27 Der Reformorden entwickelte ein neues Ideal der Arbeit. Die Brüder wollten sich in klarer Abgrenzung zu Cluny verstärkt der Handarbeit widmen und sich durch eine autarke Klosterwirtschaft von weltlichen Einflüssen befreien.28 Dieses Arbeitspensum war aber von den Chormönchen aufgrund ihres sehr zeitin16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

Gleba (wie Anm. 9), S. 77. Dihsmaier (wie Anm. 7), S. 33. Toepfer (wie Anm. 12), S. 24. Guido Gassmann, Konversen im Mittelalter. Eine Untersuchung anhand der neun Schweizer Zisterzienserabteien (Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiösen Lebens im Mittelalter, 56), Berlin, Wien 2013, S. 19. Dihsmaier (wie Anm. 7), S. 33. Gassmann (wie Anm. 19), S. 19. A. Schneider (wie Anm. 14), S. 21. Gassmann (wie Anm. 19), S. 20. Dihsmaier (wie Anm. 7), S. 33. Gassmann (wie Anm. 19), S. 20. Toepfer (wie Anm. 12), S. 25. Rüffer (wie Anm. 6), S. 12. Oberste (wie Anm. 5), S. 184.

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tensiven liturgischen Programms nicht zu bewältigen, so dass man sich bereits zu Beginn des neuen Ordens der Laienbrüder bediente.29 Die Konversen entwickelten sich unter den Zisterziensern zu einer festen Institution.30 Bedingt durch das besondere Selbstverständnis des Reformordens entstand somit eine spezielle monastische Lebensform, die sich zum Teil stark von dem Leben der regulären Chormönche unterschied. Im Folgenden soll anhand der Usus Conversorum untersucht werden, wie genau sich der Tagesablauf und Lebensalltag der zisterziensischen Konversen gestaltete. Des Weiteren wird der Frage nachgegangen, welche Unterschiede sich im Vergleich zum Alltag der Mönche ergeben und welche Rückschlüsse dies über den Stellenwert der Arbeit innerhalb des Konverseninstituts liefert.31 ***

Das zisterziensische Ideal der Arbeit Die Frage nach dem Stellenwert und der Bedeutung der Arbeit wird im christlichen Mönchtum seit jeher kontrovers diskutiert. Dies ist zurückzuführen auf vermeintlich widersprüchliche Aussagen im Neuen Testament, indem es zum einen heißt „Betet ohne Unterlaß“ (I Thess. 5,17), zum anderen aber auch klargestellt wird, dass „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ (II Thess. 3,10). Im Laufe der Zeit hat sich schließlich die Anerkennung der Arbeit als monastische Pflicht durchgesetzt. Eine übereinstimmende Auffassung über den genaueren Sinn der Arbeit konnte jedoch nicht gefunden werden. Als Benedikt von Nursia sich bei der Abfassung seiner Regula im 6. Jahrhundert der Frage nach dem Stellenwert der Arbeit widmete, musste er die Problematik nicht mehr ausführlich behandeln, sondern konnte seine Position aus der Fülle älterer Argumente generieren.32 Im Kapitel 48 seiner Regula hielt er daher für die Ordnung von Handarbeit und Lesung folgendes fest: 29 Annette von Boetticher, Gütererwerb und Wirtschaftsführung des Zisterzienserkloster Riddagshausen bei Braunschweig im Mittelalter (Beihefte zum Braunschweigischen Jahrbuch, 6), Braunschweig 1990, S. 71. 30 Neuerung und Erneuerung. Wichtige Quellentexte aus der Geschichte des Zisterzienserordens vom 12. bis 17. Jahrhundert, hrsg. Hildegard Brem, Alberich Martin Altermatt (Quellen und Studien zur Zisterzienserliteratur, 6), Langwaden 2003, S. 15. 31 Besonders in der neueren Forschung gibt es vergleichsweise wenige Einzelstudien zu den Laienbrüdern; Gassmann (wie Anm. 19), bietet jedoch trotz der Konzentration auf die Schweizer Zisterzienserabteien eine Gesamtdarstellung zu den zisterziensischen Konversen, die im Folgenden immer wieder herangezogen wird. 32 Kurze (wie Anm. 4), S. 179–80.

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„Müßiggang ist der Seele Feind. Deshalb sollen die Brüder zu bestimmten Zeiten mit Handarbeit, zu bestimmten Stunden mit heiliger Lesung beschäftigt sein.“33

Wie Dietrich Kurze herausgearbeitet hat, hatte die Handarbeit der benediktinischen Mönche keinen ethischen Selbstwert, sondern stand als asketisches Mittel im Dienst eines höheren Wertes. Aus diesem Grund konnte die tägliche, praktische Arbeit zunächst keinen festen Platz im monastischen Leben des frühen und hohen Mittelalters finden. Nicht zuletzt fehlte der wirtschaftliche Druck, der die Mönche zu mehr körperlicher Arbeit zwang.34 Des Weiteren wurde in der klösterlichen Tradition schon seit geraumer Zeit der geistlichliturgische Dienst als Arbeit interpretiert und die körperliche Handarbeit zu dessen Gunsten vernachlässigt.35 Zum Ausdruck kam dies in Cluny und den cluniazensisch reformierten Klöstern, in denen man sich besonders weit von dem von Benedikt festgeschriebenen Arbeitsethos entfernte.36 Die frühen Zisterzienser hingegen waren getrieben von dem Gedanken, den Wortlaut der Regula Benedicti möglichst genau zu befolgen,37 sodass die von Benedikt geforderte Handarbeit bereits in Molesme zum Mittelpunkt des Konflikts wurde.38 Die Gründungsväter des Ordens waren von der Vorstellung überzeugt, dass sie sich nur dann dem zentralen Punkt des Mönchtums, dem officium divinum, ungestört widmen konnten, wenn die wirtschaftliche Eigenständigkeit des Klosters dauerhaft gesichert wurde.39 Sie lehnten das Modell der Herrschaft als Form der Existenzsicherung rigoros ab40 und wollten sich radikal von der praktizierten Grundherrschaft trennen.41 Sie errichteten ihre Klöster daher fernab der Welt mit dem Ziel einer möglichst autarken Eigenwirtschaft und der Ablehnung aller nicht selbst erwirtschafteten Einkünfte.42 Mit diesem Ideal der autarken Existenzsicherung distanzierten sich die frühen Zisterzienser bewusst von der Übernahme feudaler Pflichten. Sie überspitzten damit die Forderung Benedikts, der nicht verlangte, dass die Klöster autark wirtschafteten. Vielmehr billigte er sogar die Mithilfe nicht-monastischer Arbeitskräfte und setzte sie vermutlich sogar voraus.43 In seiner Regula schreibt er daher lediglich, dass die Mönche, wenn erforderlich, nicht von der Handarbeit zurückschrecken sollten: 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

Regula Benedicti, (wie Anm. 19), Kapitel 48, 1, S. 184–85. Kurze (wie Anm. 4), S. 181. R. Schneider (wie Anm. 10), S. 97. Kurze (wie Anm. 4), S. 181. Rösener (wie Anm. 7), S. 24. Oberste (wie Anm. 5), S. 183. Rösener (wie Anm. 7), S. 24. Rüffer (wie Anm. 6), S. 13. Rösener (wie Anm. 7), S. 23–24. Rüffer (wie Anm. 6), S. 13. So Kurze (wie Anm. 4), S. 181; zum Kontext s. auch Oberste (wie Anm. 5), S. 184.

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„Wenn es die Ortsverhältnisse oder die Armut fordern, daß sie die Ernte selber einbringen, sollen sie nicht traurig sein.“44

Die zisterziensischen Mönche beharrten dennoch darauf, Mönche und Arbeiter zugleich zu sein und entgegen der üblichen Gewohnheit, sich nicht nur auf ihre Gebete und Meditation zu konzentrieren und die Landarbeit von den Bauern leisten zu lassen.45 So stellen sie auch in einer im Anschluss an den Text der Carta Caritatis gesetzten Sammlung von Generalkapitelbeschlüssen genau fest, wie die Mönche ihren Lebensunterhalt verdienen sollen:46 „Womit die Mönche ihren Lebensunterhalt verdienen sollen. 15. Die Mönche unseres Ordens müssen ihren Lebensunterhalt durch Handarbeit, Ackerbau und Viehzucht verdienen. Daher ist es uns erlaubt, für den eigenen Gebrauch Gewässer, Wälder, Weingärten, Wiesen und Grundstücke zu besitzen, die abseits von den Wohnungen der Weltleute liegen; ebenso Tiere […].“47

Das neue ökonomische Modell der Eigenbewirtschaftung wurde also bereits in den frühesten Aufzeichnungen der Zisterzienser schriftlich fixiert. Gleichzeitig wird an späterer Stelle in den Capitula festgehalten, auf welche Einkünfte die Zisterzienser verzichten müssen: „Welche Einkünfte wir nicht haben. 23. Kirchen, Altäre, Begräbnisse, Zehntleistungen aus fremder Arbeit oder Viehzucht, Dörfer, Hörige, Erträge von Grundstücken, Einkünfte von Backhäusern und Mühlen und ähnliche andere sind mit der monastischen Reinheit unvereinbar. Deshalb verbieten sie unser Name und die Verfassung unseres Ordens.“48

Ausgeschlossen werden also neben den zuvor besprochenen grundherrschaftlichen Einnahmen auch Schenkungen, wie etwa Klöster und Altäre. Man wollte so verhindern, dass weltliche Machtträger Einfluss auf das monastische Leben nahmen.49 Schon in der Anfangsphase wurde jedoch deutlich, dass diese Theorie mit der Wirklichkeit nicht gänzlich übereinstimmte. Dennoch war besonders der Aspekt des Arbeitsethos zu einem wesentlichen Teil für die rasche Verbreitung des Zisterzienserordens verantwortlich. So fand die Vorstellung der Zisterzienser in allen Gesellschaftsschichten Anklang, und aus der wachsenden Bevölkerungszahl generierte sich schnell eine steigende Anzahl an Mönchen und Kon44 Regula Benedicti (wie Anm. 19), Kapitel 48, 7, S. 184–185. 45 Oberste (wie Anm. 5), S. 184. 46 Einmütig in der Liebe. Die frühesten Quellentexte von C%teaux, hrsg. Hildegard Brem, Alberich Martin Altermatt (Quellen und Studien zur Zisterzienserliteratur, 1), Langwaden 1998, S. 25, 27. 47 Capitula des Kodex von Trient, in: Einmütig (wie Anm. 46), S. 47–58, hier 15, 2, S. 50–51 (deutsche Übersetzung in der Ausgabe). 48 Capitula des Kodex von Trient, in: Einmütig (wie Anm. 46), S. 47–58, hier 23, 2, S. 54–55. 49 Gassmann (wie Anm. 19), S. 19.

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versen. Die ökonomische Idee der Zisterzienser fand besonders auch bei Landesherren und Bischöfen Unterstützung, die sie förderten, um beispielsweise die Erschließung ihrer Gebiete voran zu treiben.50

Das Konverseninstitut der Zisterzienser Für die Zisterzienser wurde schnell deutlich, dass es zeitlich kaum möglich war, die monastischen Pflichten mit der praktischen Handarbeit zu verbinden. Um dieses Problem zu lösen, bediente man sich des Instituts der Konversen beziehungsweise der Laienbrüder.51 Hierbei handelte es sich um keine eigenständige Erfindung der Zisterzienser.52 Bereits im Frühmittelalter verwendete man den Begriff conversus für Mönche, die erst im Erwachsenenalter ins Kloster eintraten.53 So waren unter anderem die Konversen in Cluny Mönche im vollen Sinne. Dies bedeutete, dass sie wie ihre Brüder am lateinischen Chorgebet teilnahmen und innerhalb der Klosterhierarchie aufsteigen konnten. Aufgrund des späten Eintrittsalters fehlte ihnen im Vergleich zu denen in jungen Jahren beigetretenen oblati oder nutriti allerdings meist eine höhere intellektuelle Bildung.54 In den italienischen Reformklöstern Camaldoli, Fonte Avellana und Vallombrosa entwickelte sich im 11. Jahrhundert zudem eine neue Ausprägung des Konversentums. Die dortigen Mönche orientierten sich am spätantiken Eremitentum und lehnten landwirtschaftliche Arbeit außerhalb des Klosters ab. Um ihre Existenz dennoch zu sichern, nahmen sie Laienbrüder in ihre Konvente auf, die sich, ohne ein Gelübde abzulegen, zu einer monastischen Lebensweise verpflichteten und für die Mönche die Handarbeit leisteten.55 Dieser Entwicklung entnahmen wohl auch die Zisterzienser die Idee für die Einrichtung des Konverseninstituts.56 Der spätere Abt Stephan Harding hatte vor seinem Eintritt in Molesme das neue Konversentum in Camaldoli sowie Vallombrosa kennengelernt.57 Es wird vermutet, dass bereits im Kloster Molesme Laienbrüder zur Klostergemeinschaft zählten.58 Spätestens seit den Anfängen 50 51 52 53 54 55 56 57 58

Boetticher (wie Anm. 9), S. 14–16. Boetticher (wie Anm. 9), S. 71. Neuerung (wie Anm. 30), S. 15. Markus Spaeth, Zisterziensische Klausurarchitektur als Mittel institutioneller Differenzierung. Eine Fallstudie zum Problem der räumlichen Dualität von Konversen und Mönchen am Beispiel der hochmittelalterlichen Klöster in Yorkshire, Krems 2000, S. 33. Toepfer (wie Anm. 12), S. 24; vgl. hierzu ebenfalls Kassius Hallinger, Woher kommen die Laienbrüder?, in: Analecta Sacri Ordinis Cisterciensis 12 (1956), S. 1–104. Oberste (wie Anm. 5), S. 188. Gassmann (wie Anm. 19), S. 33. Oberste (wie Anm. 5), S. 188. Gassmann (wie Anm. 19), S. 33.

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des Zisterzienserordens in C%teaux bediente man sich des Konverseninstituts, um die Mönche zu entlasten.59 Dies wird auch in den frühen Quellentexten des Reformordens deutlich:60 „Statuten der Mönche von C%teaux, die aus Molesme kamen. 15. Damals beschlossen sie, mit Erlaubnis des Bischofs Laien als Konversbrüder aufzunehmen, die einen Bart trugen, und sie in Leben und Tod wie ihresgleichen zu behandeln, ohne daß sie dem Mönchsstand angehörten; außerdem auch noch Tagelöhner.“61

Der Zugang zum Konversenamt stand zunächst einmal allen Schichten offen, wobei das Mindesteintrittsalter bei 18 Jahren lag.62 Die Mehrzahl der Konversen mit adeliger oder bürgerlicher Herkunft trat jedoch erst im hohen Alter ins Kloster ein. Bevor ein Mann als Konverse in ein Zisterzienserkloster eintreten konnte, musste er verschiedene Aufnahmehürden bewältigen. Im Anschluss daran legte der Bewerber vor dem Mönchskapitel Profess ab. Im Gegensatz zu den Mönchen handelte es sich hierbei nicht um die drei monastischen Gelübde, sondern um ein Gehorsamsversprechen.63 Wie bei den regulären Chormönchen wurde das Gelübde mit dem Versprechen zur Ehe- und Besitzlosigkeit verknüpft.64 In der zisterziensischen Fachsprache handelt es sich bei den monachi, den Chormönchen, und den conversi, den Laienbrüdern, um zwei strikt voneinander getrennte und in sich geschlossene Gruppen von Klosterangehörigen.65 Wie der Name bereits sagt, gehörten die Konversen als Laien nicht dem Mönchsstand an. Sie unterschieden sich daher auch in ihrer Kleidung und Haartracht.66 Zudem hatten sie nur ein reduziertes monastisches Programm zu absolvieren.67 Die Konversen waren den Mönchen jedoch, wie es auch im Exordium Parvum deutlich wird, in materiellen und spirituellen Werten gleichgestellt. Gleichzeitig wurde ihnen aber ein Aufstieg zum Chormönch verwehrt, was dem Konverseninstitut der Zisterzienser, im Vergleich zu den älteren Strukturen, eine neue Qualität verlieh.68 59 Margit Mersch, Das ehemalige Zisterzienserinnenkloster Vallis Dei in Brenkhausen im 13. und 14. Jahrhundert (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen, 45), Mainz 2007, S. 111. 60 Einmütig (wie Anm. 46), S. 16. 61 Exordium Parvum des Kodex von Ljubljana, 15, 11, in: Einmütig (wie Anm. 46), S. 61–96, hier S. 88–89 (deutsche Übersetzung in der Ausgabe). 62 Oberste (wie Anm. 5), S. 190. 63 Gassmann (wie Anm. 19), S. 37–38, 61. 64 Oberste (wie Anm. 5), S. 190. 65 Boetticher (wie Anm. 9), S. 71. 66 Gassmann (wie Anm. 19), S. 34. 67 Mersch (wie Anm. 59), S. 111. 68 Spaeth (wie Anm. 53), S. 49.

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Aufgrund des Prinzips der Eigenbewirtschaftung entwickelten sich die Konversen unter den Zisterziensern zu einer festen Institution,69 da ohne die Arbeitskraft der Laienbrüder eine derartige wirtschaftliche Expansion des Ordens kaum möglich gewesen wäre. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Zahlenverhältnisse zwischen den Konversen und Chormönchen genauer betrachtet. So gab es im 12. und 13. Jahrhunderten in den Konventen meist deutlich mehr Laienbrüder als Mönche.70 Die Mönche waren insbesondere auf die Arbeit der Konversen angewiesen, da die häufigen Unterbrechungen und die Ortsbindung durch den Chordienst mit den meisten praktischen Handarbeiten nicht vereinbar war.71 Die Konversen bildeten daher eine Art vermittelnde Schicht zwischen den Chormönchen und der Außenwelt, die es den Mönchen erlaubte, sich in die Klausur zurück zu ziehen und auf das Gebet zu konzentrieren.72 Gleichzeitig war es daher nur durch die Laienbrüder möglich, autark zu wirtschaften und dadurch die Unabhängigkeit des Ordens zu gewährleisten.73 Die Konversen übernahmen eine Vielfalt an verschiedenen Tätigkeiten und Aufgabenbereichen. Sie dienten als Spezialisten in den unterschiedlichsten Klosterbereichen und arbeiteten auf den Klosterhöfen oder als Kaufleute und Unterhändler der Klöster in den umliegenden Gebieten.74 Mit den Konversen stand den Mönchen ein sehr günstiges Potenzial an Arbeitskräften zur Verfügung, da die Laienbrüder keinen Anspruch auf Entlohnung stellten.75 Gleichzeitig waren sie klostereigen, diszipliniert und ohne eigene Familie, die versorgt werden musste.76 Das Konverseninstitut der Zisterzienser zeichnete sich durch einen außerordentlich zweckgebundenen Charakter aus. An erster Stelle stand für die Konversen die Arbeit. Die Gründe für den immensen Ausbau des Konverseninstituts unter den Zisterziensern sind jedoch nicht nur auf Seiten der Mönche zu suchen, sondern auch bei den Laien selbst. Im 11. Jahrhundert gab es eine starke religiöse Durchdringung der laikalen Gesellschaft,77 so dass den religiösen Bedürfnissen der damaligen Menschen eine große Bedeutung zuzumessen ist. Demnach wirkte sich die Annäherung zwischen den Mönchen und Laien für beide Seiten positiv aus, da diese im Kloster eine Antwort für ihre religiöse Suche fanden.78 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78

Neuerung (wie Anm. 30), S. 15. Boetticher (wie Anm. 9), S. 71. Mersch (wie Anm. 59), S. 111. Gassmann (wie Anm. 19), S. 31. Spaeth (wie Anm. 53), S. 52. R. Schneider (wie Anm. 10), S. 97–98. Gassmann (wie Anm. 19), S. 34. Rüffer (wie Anm. 6), S. 13. A. Schneider (wie Anm. 14), S. 49. Gassmann (wie Anm. 19), S. 31.

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Denn mit dem Konversenamt eröffnete sich auch erstmals für die niederen Schichten die Möglichkeit, an einer klösterlichen Gemeinschaft teilzuhaben.79 Das starke Bevölkerungswachstum im 12. und 13. Jahrhundert generierte zudem einen vermehrten Bedarf an Agrarprodukten.80 Die Zisterzienser, welche durch den Ausbau des Konverseninstituts und des Grangiensystem nun in diese Lücke traten, konnten den Arbeitssuchenden deutlich mehr bieten als nur ihren Lohn. So erhielten die Laienbrüder durch den Orden materielle Sicherheit, bekamen regelmäßige Mahlzeiten, ausreichend Kleidung und, was besonders entscheidend war, wurden auch im Alter weiterhin versorgt. Gleichzeitig wurde ihnen ein gewisser spiritueller Lohn zu Teil,81 und sie kamen in den Genuss von seelsorgerischer Betreuung sowie einem Begräbnis auf dem Klosterfriedhof.82 Gerade diese religiösen Aspekte dürfen in der überaus gläubigen Gesellschaft des Mittelalters nicht außer Acht gelassen werden, zumal der Alltag eines Laienbruders ohne jegliche religiöse Motivation wohl nur schwerlich zu bewältigen war.83 Weiterhin verbesserte sich für viele Konversen auch ihre soziale und rechtliche Stellung,84 und der Schutz vor der Willkür der Feudalherrschaft zählte ebenfalls zu den Motiven der Konversenanwärter. So fungierte das Kloster nicht selten als Zufluchtsort.85 Das Konversenamt bot zudem besonders den Laien aus niederen Bevölkerungsschichten eine Tätigkeit mit Zukunftsperspektive. Sie konnten innerhalb des Ordens ein Handwerk erlernen und es in diesem sogar zur Meisterschaft bringen. Für viele bedeutete dies einen nicht unerheblichen sozialen Aufstieg sowie ein gewisses Maß an Ansehen.86 Außerdem durften viele Konversen zwischen den einzelnen Klöstern umherreisen, für ihre Konvente Geschäfte tätigen oder als anerkannte Spezialisten in ihrem Handwerksbereich oder in der Landwirtschaft auch außerhalb des Ordens arbeiten.87 In der Forschung geht man zumeist davon aus, dass die Konversen überwiegend aus einfachen Verhältnissen stammten.88 Adlige tendierten auch weiterhin dazu, beim Eintritt ins Kloster das Mönchsamt zu wählen. Unterstützt wird diese These von einem Beschluss des Generalkapitels von 1188, der festlegte, dass adlige Männer generell als Mönche und nicht als Konversen aufgenommen werden sollten. Dies wurde jedoch nicht immer eingehalten. Ein 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88

Oberste (wie Anm. 5), S. 189. Gassmann (wie Anm. 19), S. 64. Rüffer (wie Anm. 6), S. 13. Oberste (wie Anm. 5), S. 189. Gassmann (wie Anm. 19), S. 67. Boetticher (wie Anm. 9), S. 72. Gassmann (wie Anm. 19), S. 67. Neuerung (wie Anm. 30), S. 15. Oberste (wie Anm. 5), S. 189. Neuerung (wie Anm. 30), S. 15.

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grundsätzliches Problem bei der Frage nach der Herkunft der Konversen ist die schwierige Quellenlage. Während bei den Laienbrüdern adeliger Herkunft meist Nachnamen genaueren Aufschluss liefern, erweist sich dies bei den Konversen aus dem bürgerlich-städtischen Stand als deutlich schwieriger.89

Usus Conversorum – Die Gebräuche der Konversen Bei den schriftlich fixierten Gebräuchen, den Usus Conversorum, handelt es sich um die älteste Regelung für das Leben der zisterziensischen Laienbrüder. Sie beginnen mit einem spirituell ausgelegten Prolog, von dem angenommen wird, dass Stephan Harding ihn selbst verfasst hat. Diese Einleitung sowie der Umstand, dass der Text die Gebräuche der Mönche auf angepasste Weise auf die Laienbrüder anwendet, lassen die Schlussfolgerung zu, dass es sich bei ihnen um ein speziell zusammengestelltes Dokument handelt und nicht nur um eine Sammlung von Generalkapitelbeschlüssen.90 Die älteste Fassung, überliefert im Kodex 1711 von Trient, enthält, neben dem bereits erwähnten Prolog, 15 durch Überschriften eingeleitete, nicht nummerierte Statuten. Im jüngsten Text sind dagegen bereits 23 Statuten enthalten.91 Die Kapitel lassen sich in mehrere Sinnabschnitte einteilen. So befassen sich die Nummern 1 bis 5 mit dem gemeinsamen Gottesdienst der Laienbrüder. Die Statuten 6 bis 11 regeln Fragen der Hausordnung, 12 und 13 die Aufnahme und Profess der Konversen. In Kapitel 14 bis 17 werden spezielle Einzelfragen des monastischen Lebens behandelt. Bei den Statuten 18 bis 23 ist keine inhaltliche Übereinstimmung auszumachen.92 Im Prolog wird auf die Gründe eingegangen, die eine feste, schriftliche Tradierung der Gebräuche für die Laienbrüder notwendig machte. Als erstes wird darauf verwiesen, dass die Zisterzienser „von den Bischöfen die Seelsorge für die Laienbrüder in gleicher Weise wie für die Mönche übernommen haben“.93 Es wird dadurch auch Bezug auf eine Stelle im Exordium Parvum genommen, in der es heißt, dass die Mönche die Laienbrüder im Leben und im Tod wie ihresgleichen behandeln sollen.94 Gleichzeitig wird der Vorwurf erhoben, dass dies von vielen Äbten nicht zufriedenstellend praktiziert werde. So gebe es Äbte, welche

89 90 91 92 93 94

Gassmann (wie Anm. 19), S. 38–39, 48. Neuerung (wie Anm. 30), S. 18–19. Ebd. Neuerung (wie Anm. 30), S. 20–21. Usus Conversorum, Prolog, 2, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 24–25. Exordium Parvum des Kodex von Ljubljana, 15, 11, in: Einmütig (wie Anm. 46), S. 61–96, hier S. 88–89.

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die Konversen aufgrund „der Ihnen eigenen Einfalt“95 geringer schätzten und ihnen weniger Nahrung und Kleidung zuteilten als den Chormönchen. Gleichzeitig trieben sie die Laienbrüder aber gebieterisch zur Arbeit an. Wieder andere Äbte seien zu nachlässig und gäben den Konversen mehr als ihnen zusteht. Sie erhoffen sich durch ihre Großzügigkeit ein Mehr an Arbeit. Für den Verfasser des Prologs zeigen die Verantwortlichen dadurch, „dass sie durch die Gemeinschaft der Konversen ihren Vorteil suchen und nicht die Sache Jesu Christi“.96 Er ist der Ansicht, dass man um der Gleichstellung willen in der Leitung der Konversen keinen Unterschied zu den Mönchen machen dürfe, insbesondere da die Laienbrüder aufgrund ihrer Einfachheit und mangelnden Bildung umso mehr Sorge und Betreuung benötigten. Er hält es daher für unbedingt notwendig, die Gebräuche der Konversen schriftlich zu fixieren, da nur so sichergestellt werden kann, dass sie überall befolgt und die Einheit gewahrt bleiben kann.97 Die Usus Conversorum sind somit als Produkt der allgemeinen Expansion des Zisterzienserordens zu betrachten.

Die Konversen in der Abtei Das zisterziensische Prinzip der Eigenbewirtschaftung und das damit einhergehende Ideal eines möglichst autarken Klosters machten es erforderlich, dass alle lebensnotwendigen Einrichtungen innerhalb der Klostermauern vorzufinden waren.98 Dies geht zurück auf Benedikt von Nursia, der in seiner Regel schreibt: „Das Kloster soll, wenn möglich, so angelegt werden, dass sich alles Notwendige, nämlich Wasser, Mühle und Garten, innerhalb des Klosters befindet und die verschiedenen Arten des Handwerks dort ausgeübt werden können.“99

Benedikt verfolgte damit ein konkretes Ziel. Es sollte verhindert werden, dass die Mönche zu viel Kontakt zur Außenwelt pflegen und dadurch von ihrem monastischen Leben abgelenkt werden: „So brauchen die Mönche nicht draußen herumlaufen, denn das ist für sie überhaupt nicht gut.“100

95 96 97 98 99 100

Usus Conversorum, Prolog, 2, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 24–25. Ebd. Ebd., S. 24–27. Oberste (wie Anm. 5), S. 200. Regula Benedicti. Kapitel 66, 6 (wie Anm. 3), S. 230–31. Regula Benedicti. Kapitel 66, 7 (wie Anm. 3), S. 230–31.

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Während die Umsetzung dieser Idee aufgrund des Arbeitskräftemangels häufig nicht möglich war, förderte das Erblühen des Konverseninstituts innerhalb des Zisterzienserordens und die damit einhergehenden Arbeitskräfte die handwerkliche Spezialisierung im Umfeld der Klöster.101 So wurden zum Beispiel die auf den Wirtschaftshöfen gewonnenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse in klösterlichen Betrieben weiterverarbeitet. Getreide wurde vor Ort von Mühlen und anschließend von Bäckereien verwertet, Rohstoffe aus der Viehzucht von den ansässigen Webereien, Schustereien und Gerbereien. Außerdem gab es Schmieden, die landwirtschaftliche Geräte und Werkzeuge herstellten.102 Zum Teil sind außerdem Brauhäuser und Keltereien nachgewiesen sowie Drechsler und Glasmacher. Es gab vermehrt Konversen, die als Mitarbeiter im Bauwesen tätig waren, da die rasche Expansion eine erhöhte Bautätigkeit bewirkte.103 Auch im Bereich des Ingenieurwesens entwickelten die Zisterzienser spezielle Fähigkeiten. So wurden wasserbetriebene Mühlen, Sägen und Hammerwerk von außerordentlicher Qualität entwickelt, wie durch das Skizzenbuch eines Konversen deutlich wird.104 Durch das Erstarken des Handwerks im innerklösterlichen Bereich erreichten die Konversen als Handwerker zum Teil ein so hohes Niveau, dass sie aufgrund ihrer Fähigkeiten auch außerhalb des Ordens als Spezialisten sehr gefragt waren.105 Der Tagesablauf der Konversen richtete sich, ebenso wie der aller Menschen dieser Zeit, zum einen nach den Jahreszeiten, also der Witterung, zum anderen aber auch nach den naturgegebenen Tageszeiten. Sonnenauf- und Sonnenuntergang spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Laut den Gebräuchen der Usus Conversorum mussten die Konversen in der Abtei in der Regel etwas später aufstehen als die Chormönche. In der Winterzeit, vom 13. September bis zum Hohen Donnerstag, begann ihr Tag von Montag bis Samstag, wenn die Mönche mit dem letzten Psalm der ersten Nokturn begannen.106 Diese sogenannten Nokturnen sind Teil des Gottesdienstes der Nacht, der Vigilfeier, welche sich durch ein umfangreicheres liturgisches Programm von den anderen Horen des Tages unterscheidet.107 Die Vigilien der Chormönche begannen je nach Jahreszeit zwischen etwa 1:20 Uhr im Winter und 2:50 Uhr im Sommer.108 An Festtagen, an denen die Konversen arbeiten mussten, war es 101 102 103 104 105 106 107 108

Oberste (wie Anm. 5), S. 201. Gassmann (wie Anm. 19), S. 150. Gassmann (wie Anm. 19), S. 150. Oberste (wie Anm. 5), S. 202. Ebd., S. 201–02. Usus Conversorum, 2, 2, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 30–31. Gassmann (wie Anm. 19), S. 182. Ecclesiastica Officia. Gebräuchebuch der Zisterzienser aus dem 12. Jahrhundert., hrsg. Hermann M. Herzog, Johannes Müller (Quellen und Studien zur Zisterzienserliteratur, 7), Langwaden 2003, S. 34–35.

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ihnen erlaubt, erst zu Beginn der zweiten Nokturn aufzustehen.109 Guido Gassmann hat allerdings darauf hingewiesen, dass die Mönche an diesen Tagen ohnehin früher mit den Vigilien begannen, sich am Tagesbeginn der Laienbrüder daher also nichts änderte.110 Im Sommer, von Ostern bis zum 13. September, durften die Konversen aufgrund der Vielzahl der anfallenden Arbeiten in dieser Jahreszeit keine Mittagspause machen. Es wurde ihnen daher gestattet, an Werktagen bis zu den Laudes zu schlafen.111 Dies entsprach in etwa einem Zeitpunkt zwischen 3:10 Uhr und 4:10 Uhr.112 Anhand dieser Anpassung wird deutlich, dass die Arbeit bei den Konversen einen hohen Stellenwert einnahm und die monastische Disziplin zur Erhaltung einer hohen Produktivität gelockert wurde. Dieser Ablauf änderte sich lediglich an Sonntagen und an den arbeitsfreien Festtagen. Zu diesen Zeiten sollten die Konversen zum gleichen Zeitpunkt wie die Chormönche aufstehen.113 Nachdem die Laienbrüder vom Läuten der Glocke geweckt wurden, begaben sie sich zum Gebet in die Klosterkirche. Dort verrichteten sie die Vigilfeier, die Laudes sowie die Prim.114 Dieses monastische Programm, welches zumindest der Bezeichnung nach an das der Chormönche angelehnt war, unterschied sich doch sehr in seiner Ausgestaltung. Am Beispiel der Vigilien an den Werktagen soll gezeigt werden, wie sich die Liturgie der beiden Gruppen unterschied.

Die Vigilien der Chormönche115 – Gebet – Vers: Deus in adiutorium – Vers: Domine labia mea (dreimal) – Psalm 3 mit Gloria patri – Psalm 94 mit Invitatoriumsantiphon – Hymnus – 6 Psalmen mit Antiphonen – Versikel

109 110 111 112 113 114 115 116

Die Vigilien der Konversen116 – Oration – Vers: Deus in adiutorium meum intende (Konversenprior) – Domine ad adiuuandum me festina – (Alle) – Vers (dreimal): Domine labie mea aperies (Konversenprior) – Et os meum anuntiabit laudem tuam (Alle) – 20 Pater noster (stehend und still gebetet) – Gloria patri et filio et spiritui sancto (Konversenprior)

Usus Conversorum, 2, 4, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 30/31. Gassmann (wie Anm. 19), S. 185f. Usus Conversorum, 2, 7, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 30–31. Ecclesiastica Officia (wie Anm. 108), S. 34–35. Usus Conversorum, 2, 12, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 32–33. Usus Conversorum, 2, 7, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 30–31. Ecclesiastica Officia (wie Anm. 108), S. 25–26. Gassmann (wie Anm. 19), S. 186–87.

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(Fortsetzung) Die Vigilien der Chormönche115 – 3 Lesungen mit großen Responsorien – Benediktion zu Beginn der Lesungen – 6 Psalmen mit Antiphonen – Versikel – Kurzlesung „aus dem Apostel“ – Litanei: Kyrie eleison – Pater noster (still gebetet) – Et ne nos …

Die Vigilien der Konversen116 – Sicut erat in principo et nunc et semper et in saecula saeculorum. Amen. (Alle) – Kyrie eleison (Konversenprior) – Christe eleison, Kyrie eleison (Alle) – Pater noster (laut vom Konversenprior vorgebetet) – Per dominum nostrum. Amen. (Konversenprior) – Benedicamus domino (Konversenprior) – Deo gratias (Alle)

Betrachtet man den Ablauf der Vigilien der Mönche im Vergleich zu dem der Konversen, so wird deutlich, dass der Umfang deutlich geringer ist. Durch das Ersetzen von Psalmen, Lesungen und Hymnus durch eine bestimmte Anzahl an Pater noster wurde sichergestellt, dass die Liturgie auch von ungebildeten Laien zu bewältigen war. Auch die übrigen Teile der Vigilfeier der Laienbrüder, wie die Verse zu Beginn, sind übersichtlich und lassen sich durch den täglichen Gebrauch leicht einprägen.117 Nach dem morgendlichen Gebet sollten die Konversen zur Arbeit hinausgehen und die übrigen Horen nicht in der Kirche, sondern an ihrer Arbeitsstätte verrichten.118 Sie mussten ihre Arbeit also nur kurz unterbrechen und wurden nicht weiter durch den Gang in die Kirche behindert. Das gekürzte monastische Programm der Konversen entspricht einem Statut in den Usus Conversorum, welches sich detailliert damit befasst, was die Laienbrüder der Zisterzienser lernen müssen beziehungsweise dürfen. So ist es ihnen zunächst einmal generell nicht gestattet, ein Buch zu besitzen oder etwas anderes zu lernen als das Vaterunser, das Glaubensbekenntnis, das Miserere sowie die anderen benötigten Gebete. Dies soll prinzipiell auswendig und nicht schriftlich geschehen.119 Deutlich wird hierbei, dass dem Reformorden nicht daran gelegen war, die Bildung seiner Konversen zu fördern. Sie waren im Gegensatz zu den gelehrten Mönchen letztlich primär Arbeitskräfte. An mehreren Stellen sticht dies auch in den Gebräuchen für die Laienbrüder heraus. So erfolgt bei unterschiedlichen Statuten eine Anpassung, welche die Arbeit als oberste Aufgabe vor die Liturgie stellt. So heißt es zum Beispiel, dass die Konversen selbst an den arbeitsfreien Hochfesten dann arbeiten sollen, wenn es nötig scheint.120 Nach der Arbeit wurde durch ein Zeichen zum Essen gerufen.121 Die Kon117 118 119 120 121

Vergleiche hierzu auch Gassmann (wie Anm. 19), S. 183–85. Usus Conversorum, 2, 9 und 10, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 32–33. Usus Conversorum, 9, 2, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 44–45. Usus Conversorum, 3, 24, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 34–35. Usus Conversorum, 8, 2 bis 4, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 42–43.

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versen im Kloster sollten zu den Mahlzeiten die gleichen Speisen zum gleichen Zeitpunkt erhalten wie die Mönche. Zudem konnte der Abt ihnen zusätzlich ein Mixtum verordnen, vermutlich dann, wenn sie aufgrund von körperlicher Arbeit mehr Nahrung benötigten. Dieses bestand aus einem halben Pfund Brot oder einer größeren Menge grobem Brot sowie aus Wasser.122 Im Gegensatz zu dem Mixtum der Mönche bestand es also aus doppelt so viel Brot. Verzichtet wurde hingegen auf den Wein.123 Zum Abschluss des Tages fanden sich die Konversen jeden Abend zur Komplet in der Abtei der Kirche ein.124 Als Kleidung wurde ihnen ein Mantel, Tuniken, (Werktags-) Schuhe, Sandalen sowie ein spezieller Kapuzenmantel, der nur die Schultern und die Brust bedeckte, zugeteilt. Rinder-, Fuhrknechten und Hirten wurde ein größeres Maß an Kleidung gegeben und Schmiede durften schwarze Hemden mit rundem Rand besitzen. Zudem war es den Konversen nur gestattet grobe, einfache Felle zu tragen.125 Ein späteres zusätzliches Statut in der dritten Textfassung lässt die Vermutung zu, dass man sich nicht immer an diese Regel gehalten hatte. So wird darin noch einmal explizit bestimmt, dass Felle von bestimmten Tieren sowie kostbare Pelze auf keinen Fall getragen werden dürfen.126 Auch Stiefel durften nur auf Anweisung des Abtes benutzt werden.127 An fast jedem Freitag erhielten die Konversen die Disziplin,128 wobei es sich um eine im 12. und 13. Jahrhundert geläufige Bußübung handelte, welche aus Schlägen mit einer Rute oder einem Strick bestand.129 An allen Sonntagen, mit wenigen Ausnahmen, wurde den Laienbrüdern vom Abt oder einer Vertretung ein eigenes Kapitel gehalten. In diesem Rahmen erfolgte die Aufnahme von Novizen, und darüber hinaus konnte um Verzeihung gebeten oder Anklage erhoben werden.130 Die Konversen sollten nach der älteren Fassung der Usus Conversorum zwölfmal im Jahr die Kommunion empfangen. Laut dem jüngeren Statut sollten sie jedoch nur noch siebenmal im Jahr kommunizieren.131 Im Vergleich zu den übrigen Laien war dies eine relativ hohe Zahl. So kommunizierten diese nur dreimal im Jahr und seit 1215 nur noch einmal. Die Mönche der Zisterzienser empfingen die Kommunion hingegen jeden Sonn- und Festtag.132 In dieser 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132

Usus Conversorum, 15, 2 bis 4, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 54–55. Ecclesiastica Officia, 73, 9 (wie Anm. 108), S. 280–81. Usus Conversorum, 2, 17, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 32–33. Usus Conversorum, 16, 2 bis 7, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 54–55. Usus Conversorum, 22, 2 und 3, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 60–61. Usus Conversorum, 19, 2, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 58–59. Usus Conversorum, 10, 2, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 46–47. Gassmann (wie Anm. 19), S. 191. Usus Conversorum, 11, 2, bis 10, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 47, 49. Usus Conversorum, 5, 2, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 36–37. Gassmann (wie Anm. 19), S. 189.

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Hinsicht wurde also ein deutlicher Unterschied zwischen den Chormönchen und den Konversen gemacht. Ein längeres Statut wird zudem dem Stillschweigen gewidmet. Guido Gassmann hat zu Recht betont, dass das Schweigen ein fester Bestandteil des monastischen Lebens war. Die Bestimmungen darüber dürfen daher nicht als unterdrückend oder demütigend betrachtet werden.133 Zunächst sollen die Konversen überall dort stillschweigen, wo es auch die Mönche entsprechend handhaben. Des Weiteren sollen sie in ihrem Dormitorium, Refektorium und an allen anderen Orten die Stille halten, es sei denn, es wird ihnen etwas anderes befohlen. In Bezug auf das Arbeitsumfeld der Laienbrüder wird diese Regel jedoch erneut angepasst. So wird zunächst einmal allen Handwerkern des Klosters erlaubt, an einem ihnen vom Abt zugewiesenen Ort außerhalb der Werkstätten über die Arbeit zu reden. Schmiede dürfen sogar innerhalb der Werkstatt arbeitsbedingte Gespräche führen, da andernfalls Einbußen in der Qualität ihrer Arbeit zu befürchten sind. Es wird zudem festgesetzt, dass Steinmetz-, Schneidermeister oder Meister ähnlicher Handwerke nicht außerhalb der Arbeit mit ihren Untergebenen reden dürfen134. In dem Kapitel über das Stillschweigen wird zudem ein weiterer Aspekt des monastischen Lebens der Laienbrüder aufgegriffen. So heißt es explizit: „In allen Räumen, in denen die Mönche Stillschweigen halten, tun sie es auch; sie sollen keinen von ihnen ohne Erlaubnis betreten. Darüber hinaus sollen sie in ihrem Dormitorium und Refektorium völliges Schweigen bewahren, […].“135

Diese Bestimmung lässt zwei Rückschlüsse zu: zum einen, dass es den Laienbrüdern nicht gestattet war, die Räumlichkeiten der Mönche ohne Erlaubnis zu betreten, und zum anderen, dass sie über ihre eigenen Räume innerhalb des Klosters verfügten. So lebten die Konversen innerhalb der Klostermauern in ihrem eigenen Trakt, bei dem es sich meist um den Westflügel handelte.136 Sie besaßen dort ein eigenes Refektorium, Dormitorium sowie eigene Latrinen.137 In manchen Klöstern wurden die Räumlichkeiten zudem durch einen eigenen Kapitelsaal ergänzt.138 Aufgrund der unterschiedlichen Liturgie wurde zudem eine räumliche Trennung innerhalb der Klosterkirche notwendig.139 So besaßen die Konversen einen eigenen Chorbereich im Kirchenschiff, der durch Lettner von den Mönchen getrennt war.140 133 134 135 136 137 138 139 140

So Gassmann (wie Anm. 19), S. 190. Usus Conversorum, 6, 2 bis 7, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 38–41. Usus Conversorum, 6, 2 und 3, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 38–39. Neuerung (wie Anm. 30), S. 16. Rüffer (wie Anm. 6), S. 38. Neuerung (wie Anm. 30), S. 16. Spaeth (wie Anm. 53), S. 42–43. Neuerung (wie Anm. 30), S. 16.

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Wenn man einen idealtypischen Klosterplan betrachtet,141 zeigt sich deutlich, dass die Architektur der Zisterzienser darauf ausgelegt war, möglichst wenig Berührungspunkte zwischen den Konversen und Chormönchen zu schaffen. So besaßen die Laienbrüder einen eigenen Ausgang aus dem Kirchenschiff, der sie direkt in den Westflügel und damit in ihre eigenen Räumlichkeiten führte. Ein Zusammentreffen in dem für die Mönche vorgesehenen Kreuzgang wurde somit vermieden. Bei der Untersuchung der Gebräuche für die Konversen im Kloster wird deutlich, dass diese bestimmt durch den Gebetsrhythmus zwar ein ähnliches monastisches Leben wie die Mönche führten, die praktische Handarbeit jedoch deutlich an oberster Priorität stand. Dies zeigt sich anhand vieler Anpassungen innerhalb der Usus Conversorum.

Die Konversen auf den Grangien Das Wort Grangie wird abgeleitet von dem lateinischen Wort granum für Korn und bedeutet so viel wie Kornspeicher oder Scheune. Gemeint ist damit jedoch ein Hof, einschließlich der dazugehörigen Gebäude und Ländereien.142 Im Sinne der Eigenbewirtschaftung schufen sich fast alle neu gegründeten Klöster der Zisterzienser ein Netz aus ländlichen Wirtschaftshöfen, Stadthöfen, Weinbergen, Fischteichen, Mühlen und gewerblichen Einrichtungen.143 Die Anzahl an Grangien war je nach Kloster unterschiedlich.144 In der Regel entwickelten sich aber etwa zehn bis zwölf solcher agrarischen Großbetriebe, die kranzartig um ein Kloster angesiedelt waren.145 Je nach Wirtschaftlichkeit ist in etwa eine Größe von 50 bis 400 Hektar pro Wirtschaftshof anzunehmen.146 Wenn möglich, wurde Landbesitz in Klosternähe bevorzugt,147 insbesondere da die Grangien nicht weiter als eine Tagesreise von der Abtei entfernt sein sollten, sodass es den Konversen möglich war, zumindest an Sonntagen ins Kloster zurück zu kehren.148 Aufgrund einer weiteren Streuung war dies jedoch in vielen Fällen nicht umsetzbar.149 Die größte Gewichtung bei der Arbeit auf den Grangien lag in dem Anbau von Getreide. Je nach Region und örtlichen Gege141 142 143 144 145 146 147 148 149

S. die Abbildung bei Rüffer (wie Anm. 6), S. 38. Gassmann (wie Anm. 19), S. 87. Oberste (wie Anm. 5), S. 194–95. Gassmann (wie Anm. 19), S. 87. R. Schneider (wie Anm. 10). Boetticher (wie Anm. 29), S. 77. Oberste (wie Anm. 5), S. 195. Gassmann (wie Anm. 19), S. 89. Oberste (wie Anm. 5), S. 190.

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benheiten wurde Weizen, Dinkel, Hafer, Gerste oder Roggen angebaut. Auch der Weinanbau machte einen wesentlichen Teil der Landwirtschaft aus, ebenso wie die Viehzucht. Dabei wurde Pergament, Leder und Wolle für den eigenen Bedarf hergestellt, das Fleisch und der restliche Überschuss wurden jedoch zum Verkauf angeboten.150 Zudem wurden den Grangien häufig Scheunen, Werkstätten, Ställe, Mühlen, Backöfen und Schmieden angegliedert,151 um eine optimale Produktivität sicherzustellen. Die Grangien entwickelten sich dadurch bald zu bedeutenden Faktoren wirtschaftlicher Macht, denen die Konkurrenz an grundherrschaftlichen und bäuerlichen Produzenten nicht gewachsen war.152 Erneut war es das hohe Potenzial der durch die Laienbrüder erbrachten Arbeitsleistung, das einen so starken Aufschwung der Wirtschaftshöfe und somit des zisterziensischen Ordens verursachte. Dennoch wurde auf den immer weiter wachsenden Grangien schon früh deutlich, dass die Arbeitskräfte nicht ausreichten. So erlaubte das Generalkapitel bereits in den 1130er Jahren den Einsatz von Lohnarbeitern, um etwaige Engpässe zu überbrücken.153 Da für die Konversen im Vergleich zu den Mönchen einerseits die Arbeit im Vordergrund stand, sie auf der anderen Seite aber auch ein ähnliches monastisches Leben führen sollten, waren die Grangien aufgebaut wie kleine Klöster. So gab es meist eine Kapelle, einen Schlaftrakt sowie Versammlungsräume. Hinzu kamen gelegentlich Gasträume und Hospitäler.154 Die Tätigkeitsfelder auf den Wirtschaftshöfen waren sehr unterschiedlich. Neben den Handwerkern, die auch im Kloster anzutreffen waren, gab es einen Grangienmeister,155 Hirten156 und Winzer.157 Des Weiteren wurden die üblichen landwirtschaftlichen Tätigkeiten, wie zum Beispiel Pflügen, das Führen von Zugtieren, Melken und das Einbringen der Ernte, erfüllt.158 Der Alltag der Konversen auf den Grangien gestaltete sich in vielerlei Hinsicht anders als in der Abtei. So finden sich die ersten Unterschiede bereits in den Weckzeiten. Die Konversen auf den Grangien sollten vom 1. November bis zum 22. Februar etwa ein Viertel der Nacht wachen. Von da an bis Ostern sowie vom 13. September bis zum 1. November mussten sie so aufstehen, dass sie die Vigilfeier und die Laudes noch vor Tagesanbruch vollenden konnten. Von Ostern bis zum 13. September sollten sie bei Tagesanbruch aufstehen.159 Auch bei den 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159

Gassmann (wie Anm. 19), S. 89. Oberste (wie Anm. 5), S. 191. Boetticher (wie Anm. 29), S. 77. Oberste (wie Anm. 5), S. 199. Ebd., S. 190. Gassmann (wie Anm. 19), S. 102. Ebd., S. 117. Ebd., S. 122. Ebd., S. 127. Usus Conversorum, 2, 18 bis 21, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 32–33.

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Laienbrüdern auf den Grangien richtete sich der Tagesbeginn folglich maßgeblich nach dem Sonnenaufgang. Gleichzeitig ist aber auch zu vermuten, dass die Abweichungen im Vergleich zu den Bestimmungen für die Konversen in den Klöstern auf die unterschiedlichen Jahreszeiten und die damit einhergehenden Aussaat- und Erntezeiten zurück zu führen sind. Der liturgische Tagesablauf gestaltete sich bei den Brüdern auf den Grangien ebenso wie bei denen im Kloster. Allerdings war aufgrund der räumlichen Distanz das Gebet in der Kirche nicht möglich. Wie bereits zuvor erwähnt, besaßen die meisten Grangien wohl Kapellen, die stattdessen genutzt wurden. Die weite Entfernung zum Kloster äußerte sich auch in den Bestimmungen zur Kommunion. So wurde den Brüdern auf den Grangien gestattet, diese außerhalb ihrer Abteien in anderen Ordenshäusern zu empfangen.160 Aufgrund ihrer körperlich sehr anstrengenden Arbeit gab es für die Laienbrüder auf den Grangien bezüglich der Ernährung einige Erleichterungen. So mussten sie weniger fasten, nur an den gebotenen Fastentagen, im Advent und an den Freitagen vom 13. September bis zur Fastenzeit.161 Während ihrer durch die Landwirtschaft bedingten Hauptarbeitszeiten im Frühling, Sommer und Herbst erhielten sie folglich mehr Nahrung als die Konversen in der Abtei. Zum anderen unterschied sich auch die Menge der Essensration. So bekamen alle Konversen auf den Grangien ein halbes Pfund Brot sowie so viel grobes Brot, wie sie benötigten.162 Durch das Mehr an Nahrung wurde auch für die körperlich anstrengende Tätigkeit in der Landwirtschaft eine optimale Produktivität gesichert. Dies zeigt sich auch in den Bestimmungen über das Stillschweigen. So sollen die Laienbrüder zwar auch auf den Grangien im Dormitorium, Refektorium und im Kalefaktorium Stillschweigen wahren, es ist ihnen aber erlaubt, an anderen Orten mit ihrem Magister über notwendige Dinge zu sprechen. Dies erfolgte stets stehend und nur von zwei Personen gleichzeitig. Des Weiteren soll der Magister einen Gehilfen haben, der mit den Bediensteten und Gästen notwendige Gespräche führen darf. Im Falle seiner Abwesenheit darf der Gehilfe auch mit allen anderen sprechen. Ansonsten durften die Konversen auf den Grangien ähnlich wie diejenigen innerhalb der Abtei weder unter sich noch mit anderen ohne Erlaubnis reden.163 Eine spezielle Regelung wurde darüber hinaus für die Hirten und Rinderknechte getroffen. Diesen war es erlaubt, während der Arbeit mit ihren Helfern zu sprechen. Wenn sie gegrüßt wurden, durften sie zudem zurück grüßen und Reisenden auf Fragen eine kurze Auskunft über den Weg geben. Ansonsten sollten sie sich nicht in Gespräche verwickeln lassen, selbst 160 161 162 163

Usus Conversorum, 5, 11, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 36–39. Usus Conversorum, 15, 5, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 54–55. Usus Conversorum, 15, 6, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 54–55. Usus Conversorum, 6, 10 bis 13, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 40–41.

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wenn sie jemand stört und zum Reden auffordert.164 Da die Arbeit auf den Grangien mit mehr Außenkontakt als der im Kloster verknüpft war, galt es folglich auch hier, die Bestimmungen zu variieren. Bei der Untersuchung des Lebensalltags der Konversen auf den Grangien wird deutlich, dass die körperlich sehr anstrengende, landwirtschaftliche Arbeit einige Abwandlungen in den Gebräuchen verlangte. Gleichzeitig bemühte man sich jedoch, eine monastische Lebensweise zu erhalten. So war auch der Tagesablauf der Laienbrüder auf den Wirtschaftshöfen von den Gebetszeiten geprägt. Die Architektur und die Räumlichkeiten der Grangien erinnern außerdem an kleine Klöster. Frauen waren, wie auch in den Ordenshäusern, auf den Grangien nur im Auftrag des Abtes oder Priors geduldet. Ansonsten durften sie die Wirtschaftshöfe nicht betreten und niemand durfte allein mit ihnen sprechen.165 *** Es lässt sich festhalten, dass das zisterziensische Ideal der Arbeit entscheidend für die spätere Entwicklung des Ordens war. Nach der Ansicht der Zisterzienser konnte eine vollständige und strikte Befolgung der Regula nur dann umgesetzt werden, wenn man mit einer möglichst autarken Eigenwirtschaft alle fremderwirtschafteten Einkünfte ablehnte und der von Benedikt geforderten Handarbeit mehr Beachtung schenkte. Die Mönche wollten sich so von der Außenwelt lösen und in völliger Abgeschiedenheit Gott dienen. Es wurde jedoch relativ schnell offensichtlich, dass sich dieses Wirtschaftsprinzip nicht mit der Vielzahl an liturgischen Pflichten der Mönche in Einklang bringen ließ. Um den Mangel an Arbeitskräften zu beseitigen, bedienten sich die Zisterzienser der bereits aus anderen Klöstern bekannten Praxis der Laienbruderschaft. Diese Konversen entwickelten sich unter dem Reformorden zu einer festen Institution. Während für die Mönche der liturgische Dienst im Vordergrund stand, richtete sich das Leben der Laienbrüder maßgeblich nach der Handarbeit. Anhand der untersuchten Quelle, den Usus Conversorum, wird dies an verschiedenen Stellen deutlich. So unterschied sich bereits die Weckzeit der Konversen, sodass die monastische Disziplin gelockert wurde, um sie dem harten Arbeitsalltag der Laienbrüder anzupassen. Auch die Liturgie differenzierte sich deutlich. So war der Umfang geringer als auch die Ausgestaltung deutlich einfacher. Diese simple Gestaltung deutet zum einen auf die teils fehlende höhere Bildung der Laienbrüder hin, zum anderen aber auch auf die starre Hierarchie innerhalb des Klosters. Es war den Konversen grundsätzlich untersagt, mehr zu lernen als die notwendigen Gebete. Ein Aufstieg zum Mönchsstand wurde zudem durch die 164 Usus Conversorum, 6, 14 bis 17, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 40–43. 165 Usus Conversorum, 7, 2, in: Neuerung (wie Anm. 30), S. 42–43.

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Statuten generell verboten. Diese strikte Unterteilung in zwei Gruppen spiegelt sich auch in der Architektur der Zisterzienser wieder. Innerhalb des Klosters besaßen die Konversen ihren eigenen Trakt, meist den Westflügel, sowie einen eigenen Bereich in der Klosterkirche, der ein Zusammentreffen mit den Mönchen vermeiden sollte. Auch im restlichen Tagesablauf nahm das Gebet bei den Laienbrüdern einen geringeren Stellenwert ein. So sollten sie sich für die übrigen Stundengebete nicht in der Kirche einfinden, sondern diese an ihren Arbeitsplätzen verrichten. Dieses gekürzte monastische Programm deutet klar auf eine Priorisierung der Arbeit hin. Nach getaner Arbeit fanden sich die Konversen zur gemeinsamen Mahlzeit in ihrem Refektorium ein. Aufgrund ihrer körperlichen Arbeit erhielten sie zum Teil mehr Nahrung als die Mönche, wodurch die Produktivität der Konversen auch bei physisch anstrengenden Tätigkeiten gesichert wurde. In Bezug auf die Kleidung wurden ebenso Anpassungen an die speziellen Aufgaben vollzogen. So wurde beispielsweise Rinder- und Fuhrknechten sowie Hirten ein Mehr an Kleidung zugesprochen. Auch bezüglich des Stillschweigens wurden einige Ausnahmen gemacht, die eine optimale Qualität der Arbeit gewährleistet sollten. Einige Statuten gehen zudem speziell auf die Bedürfnisse der Konversen auf den Grangien ein. So geben die Gebräuche andere Weckzeiten für die Laienbrüder auf den Wirtschaftshöfen an. Diese Anpassung erfolgte vermutlich aufgrund der Aussaat- und Erntezeit, die den Tagesablauf bestimmten. Zudem wurden wegen der Entfernung zum Kloster einige Abstriche in Bezug auf ihre monastischen Pflichten gemacht. So war es den Konversen auf den Wirtschaftshöfen beispielweise erlaubt, die Kommunion auch außerhalb der Abtei zu empfangen. Auch bezüglich der Ernährung gab es Erleichterungen. Besonders während den landwirtschaftlichen Hauptarbeitszeiten mussten die Konversen auf den Wirtschaftshöfen weniger Fasten und erhielten generell mehr Nahrung. Hierdurch sollte sichergestellt werden, dass die Laienbrüder stets bei Kräften blieben und ihrer harten Arbeit ungemindert weiter nachgehen konnten. Durch weitere Lockerungen in Bezug auf die Bestimmungen über das Stillschweigen sollte zudem eine optimale Produktivität gesichert werden. Zusammenfassend gilt es festzuhalten, dass der Lebensalltag der Laienbrüder maßgeblich daran angepasst war, eine möglichst hohe Arbeitsleistung sicherzustellen. Um dies zu gewährleisten, wurde die monastische Disziplin in vielen Punkten zu Gunsten der Handarbeit gelockert. Dennoch war der Alltag der Konversen im Wesentlichen einer monastischen Lebensweise angenähert. So wurde der Tag, wie bei den Chormönchen, durch die unterschiedliche Gebete gegliedert und die räumliche Umgebung entsprach der der Mönche. Der Unterschied zur Lebensweise der Chormönche liegt ganz deutlich in der Verschiebung des Fokus vom liturgischen Dienst hin zur Handarbeit. Die Konversen

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waren demnach zu aller erst Arbeiter, deren Leben sich erst in zweiter Linie nach der monastischen Disziplin und liturgischen Pflichten ausrichtete.

Marlon Bäumer

Eyne gute reyse hin ken Littowen – Die Litauenreisen in der Chronik des Johannes von Posilge

Die drei großen geistlichen Ritterorden, Templer, Johanniter und Deutscher Orden, entstanden im Laufe des 12. Jahrhunderts im Heiligen Land. Von ihnen konnte sich jedoch der Deutsche Orden im Zuge der Kreuzzüge im früheren 13. Jahrhundert auch im Baltikum etablieren. 1283 war die Eroberung und Christianisierung des zuvor „heidnischen“ Preußen abgeschlossen, und als nächste nicht-christliche Gegner blieben die politisch und militärisch weitaus stärkeren Litauer. Seit 1300 organisierte der Orden daher immer neue Feldzüge gegen Litauen und seine Nachbarregionen, mit der Begrifflichkeit der Zeit als reysen bezeichnet.1 Mit diesen sogenannten „Litauenreisen“ ging der Orden nunmehr seiner Stiftungsaufgabe, dem Heidenkampf bzw. der Schwertmission, in der Region nach, um so seine Existenzberechtigung unter Beweis zu stellen.2 Nachdem der Orden schon im 13. Jahrhundert gegen die Prußen Hilfe von Kriegsgästen erhalten hatte, ist davon auszugehen, dass er ab 1304 beim Adel Westeuropas für die Teilnahme an den Reisen warb, welche sich bis in die 1360er 1 Die bisher einzige umfassendere Arbeit zu den Litauenreisen bzw. Preußenfahrten ist die hochgelobte, jedoch noch immer unvollständige, auf fünf Bände angelegte Reihe von Werner Paravicini, Die Preußenreisen des westeuropäischen Adels, Bd. I–II, Sigmaringen 1989–1995. Weitere zu nennende Arbeiten sind: Eric Christiansen, The Northern Crusades, 2. Aufl. London 1999; Norman Housley, The Later Crusades, 1274–1580. From Lyons to Alcazar, Oxford 1992; ders., The Avignon Papacy and the Crusades, 1305–1378, Oxford 1986; William Urban, The Samogitian Crusade, Chicago 1989; s. auch Sven Ekdahl, Crusades and Colonisation: A Historiographic Analysis, in: XIX Rocznik Instytutu Polsko-Skandinawskiego 2003/2004, hrsg. E. W. Kruszewski, Kopenhagen 2004, S. 1–42. – Allgemein zum Deutschen Orden in Preußen vgl. u. a. Hartmut Boockmann, Ostpreussen und Westpreussen (Deutsche Geschichte im Osten Europas), Berlin 1992; Marian Biskup / Gerard Labuda, Die Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen. Wirtschaft – Gesellschaft – Staat – Ideologie (Deutsches Historisches Institut Warschau, Klio in Polen, 6) (1986, aus dem Poln. übers. Jürgen Heyde und Ulrich Kodur), Osnabrück 2000; The Teutonic Order in Prussia and Livonia. The political and ecclesiastical Structures, 13th–16th century, hrsg. Roman Czaja, ´ ski, Torun´ 2015. Andrzej Radzimin 2 Sven Ekdahl, Die Christianisierung Litauens als Dilemma des Deutschen Ordens, in: Lietuvos krikscionejimas Vidurio Europos kontekste, hrsg. Vydas Dolinskas, Vilnius 2005, S. 189–205, hier S. 189–90; Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 24.

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Jahre zu einem festen Bestandteil der Lebenswelt des (west-)europäischen Rittertums, mit Ausnahme der Iberischen Halbinsel, entwickelten.3 Der Ablauf der Feldzüge und die Wahrnehmung der Ereignisse lassen sich nicht zuletzt aus historiographischen Quellen erschließen. Zum Jahr 1378 heißt es etwa in der Johannes von Posilge zugeschriebenen Chronik des Preußenlandes: Anno domini (13)78 was der herczog von Lotringen und des pabistes bruderson Gregorii des elften ym lande czu Prusen; und dy herrin tatin mit yn eyne gute reyse hin ken Littowen und brochtin VIIC gefangen von dannen.4

Ähnlich, oft aber noch ausführlicher, berichtet diese Chronik für die Jahre 1360 bis 1419 immer wieder über die vom Deutschen Orden veranstalteten Kriegszüge. Diese zentrale Quelle soll daher im Zentrum der folgenden Studie zu den Litauenreisen stehen. Die Reisen fanden mehrmals pro Jahr statt und werden aufgrund der geographischen bzw. ökologischen Bedingungen, namentlich der vielen Flüsse, Sümpfe und der sogenannten Großen Wildnis, ein in einer Art Urzustand belassener und durch Menschenhand verstärkter bewaldeter Grenzstreifen,5 schon 3 Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 23–29; Housley (wie Anm. 1), S. 341; Joachim Ehlers, Die Ritter. Geschichte und Kultur, München 2006, S. 39–40; Jürgen Sarnowsky, Der Deutsche Orden, 2. Aufl. München 2012, S. 49. Die gesamteuropäische Bedeutung der Reisen zeigt sich letztlich auch durch den Eingang des Begriffs reysa in viele westeuropäische Sprachen. In der älteren Forschung fehlen häufig die Litauer- bzw. Preußenreisen als Teil der westeuropäischen Ritterkultur, vgl. Constantin Hruschka, Kriegsführung und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter. Eine Untersuchung zur Chronistik der Konzilszeit (=Kollektive Einstellungen und sozialer Wandel im Mittelalter, Neue Folge 5), Köln u. a. 2001, S. 107–08, Anm. 323. 4 Johannes von Posilge, Chronik des Preußenlands, hrsg. Ernst Strehlke, in: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der Preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft, Bd. 3, Leipzig 1866, hrsg. Theodor Hirsch, Max Töppen und Ernst Strehlke, S. 13–388, hier S. 107, mit dem Zitat im Titel [künftig als „Posilge“]. Die Chronik ist zusammen mit den Preußen betreffenden Passagen der Thorner Annalen sowie der Detmar zugeschriebenen Chronik von Lübeck abgedruckt bzw. diesen gegenübergestellt. Gegen Strehlkes Einteilung und Arbeitsmethode sowie für eine notwendige Neuedition setzte sich vor allem Jarosław Wenta ein, s. ders. Über die Notwendigkeit einer Neuausgabe der Annalen für das Gebiet des Deutschordenslandes, in: Ordines Militares IV. Werkstatt des Historikers der mittelalterlichen Ritterorden. Quellenkundliche Probleme und Forschungsmethoden, Torun´ 1987, S. 185–92, hier S. 189–90. 5 Hierzu: Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 94; Antanas Salys, Die zˇemaitischen Mundarten. Tl. 1, Geschichte des zˇemaitischen Sprachgebiets, Kaunas 1930, S. 74–82; Friedrich Benninghoven, Zur Technik spätmittelalterlicher Feldzüge im Ostbaltikum, in: Zeitschrift für Ostforschung. Länder und Völker im östlichen Mitteleuropa, Bd. 19 (1970), S. 631–651, hier S. 634–35; Artu¯ras Dubonis, Das Grenzgebiet zwischen Litauen und dem Deutschen Orden: soziale, wirtschaftliche, administrative, ethnische und kulturelle Kommunikation in den Jahren 1290–1422, in: Tannenberg – Grunwald – Zˇalgiris 1410: Krieg und Frieden im späten Mittelalter (DHI Warschau. Quellen und Studien, 26), hrsg. Werner Paravicini, Rymvidas Petrauskas, Grischa Vercamer, Wiesbaden 2012, S. 53–65; Sven Ek-

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von den Quellen in zwei unterschiedliche Typen eingeteilt. Zum einen gab es die Sommerreise, wenn die vielen Flüsse und Sümpfe nur wenig Wasser führten, aber das Mitnehmen von schwerem Gerät auf Schiffen ermöglichten, und zum anderen die Winterreise, wenn der Winter einerseits nicht zu stark, andererseits aber stark genug war, um die Überquerung von Flüssen und Sümpfen zu ermöglichen.6 Das mittelalterliche Litauen wird in ein eher monarchisch geprägtes Oberlitauen (Auksˇtaiten) und Niederlitauen (Samaiten) eingeteilt, wo bis ins 15. Jahrhundert hinein eine Art Häuptlingsherrschaft und weitgehende Autonomie von ersterem bestand.7 Durch die Taufe des litauischen Großfürsten Jogaila und seiner Krönung zum polnischen König Władysław II. 1386 wurden einerseits Polen und Litauen in Personalunion vereint, andererseits wurde Litauen, vormals die ,letzten Heiden Europas‘, mit Ausnahme Samaitens (erst 1417), nominell christlich.8 Dem Orden wurde damit, zumindest theoretisch, die Legitimation für seine jährlichen Kriegszüge und Präsenz in der Region entzogen. Die Reisen wurden jedoch, unter Berufung auf päpstliche und kaiserliche Privilegien aus dem 13. Jahrhundert sowie dem Vorwurf einer bloßen Scheinchristianisierung der Litauer, trotz steigender Kritik und ausgesprochener Verbote durch den römisch-deutschen König (1395) und den Papst (1403), bis 1413 fortgeführt.9 Von der bisherigen Forschung wurden die Litauenreisen

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dahl, Warfare: The Baltic Crusades, in: The Crusades. An Encyclopedia, Vol. IV: Q-Z, hrsg. A. Murray, Santa Barbara 2006, S. 1241–1249, S. 1243; ein Zeugnis hierfür sind letztlich auch Die littauischen Wegeberichte, hrsg. Theodor Hirsch, in: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der Preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft, Bd. 2, hrsg. Theodor Hirsch, Max Töppen und Ernst Strehlke, Leipzig 1863, S. 662–711. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 52–55; Sarnowsky (wie Anm. 3), S. 48; Christiansen (wie Anm. 1), S. 170–71. Hartmut Boockmann, Schemaiten, in: Lexikon des Mittelalters, 7, München 1995, Sp. 1449; Robert Krumbholtz, Samaiten und der Deutsche Orden bis zum Frieden am Melno-See, in: Altpreußische Monatsschrift 26–27 (1889–1890), S. 193–258, 461–484, und 1–84, 193–227, hier 26, S. 195–96, 204–11, 470. Wenn im Folgenden von „den Litauern“ gesprochen wird, so ist damit Oberlitauen gemeint. S. Hartmut Boockmann, Johannes Falkenberg, der Deutsche Orden und die polnische Politik. Untersuchungen zur politischen Theorie des späteren Mittelalters. Mit einem Anhang: Die Satira des Johannes Falkenberg (=Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 45), Göttingen 1975, S. 53–58; Ekdahl, Dilemma (wie Anm. 2), S. 189. Die Ordensleitung scheint sich zunächst nicht der Auswirkungen der Heirat und Christianisierung Litauens bewusst gewesen zu sein, s. Klaus Militzer, Der Wandel in der Begründung der Existenz des Deutschen Ordens und seiner Selbstrechtfertigung vor und nach der Schlacht von Tannenberg, in: ders., Zentrale und Region. Gesammelte Beiträge zur Geschichte des Deutschen Ordens in Preussen, Livland und im Deutschen Reich aus den Jahren 1368 bis 2008 (=Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens Bd. 75; Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens, Bd. 13), Weimar 2015, S. 156–75, hier S. 157–58. Boockmann, Falkenberg (wie Anm. 8), S. 79; Ekdahl, Dilemma (wie Anm. 2), S. 192; s. auch Axel Ehlers, The Crusade of the Teutonic Knights against Lithuania reconsidered, in: Cru-

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häufig als Eroberungskrieg mit dem Ziel der Schaffung einer Landbrücke von Preußen nach Livland durch das Erlangen von Samaiten gedeutet.10 Neuere Arbeiten widerlegen dies jedoch entschieden.11 Im Folgenden soll die Chronik des Preußenlandes nicht nur auf ihren generellen Informationsgehalt, sondern auch auf den Umgang mit der christlichen Identität Litauens ab 1386 und der damit einhergehenden generellen Wertung der Reisen untersucht werden. Max Töppen adelte die Chronik 1853, wenngleich er wohl eher den detailreicheren Teil der Fortsetzung meinte, zu „eine[r] der ausgezeichnetesten unter den Landeschroniken nicht bloss Preußens, sondern des ganzen Mittelalters.“12 Auch Ernst Strehlke findet in der zweiten Edition der Chronik ähnlich lobende Worte, wenn er sie „als eine der bedeutendsten Leistungen der preussischen Historiographie“ bezeichnet.13 Jedoch hat die bisherige Forschung,14 wie Arno

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sade and Conversion on the Baltic Frontier 1150–1500, hrsg. A. Murray, Aldershot 2001, S. 21–44; Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 41: „Was nach der Absetzung Heinrichs von Plauen noch an Preußenreisen folgt, ist Epilog.“ Genannt seien zum Beispiel Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 23 f; Klaus Militzer, Die Geschichte des Deutschen Ordens, 2. Aufl. Stuttgart 2012, S. 174–75; Ekdahl, Dilemma (wie Anm. 2), S. 191; Giedre˙ Micku ¯ naite˙ : Making a great ruler. Grand Duke Vytautas of Lithuania, Budapest 2006, S. 6. Arno Mentzel-Reuters, Unde den vride machten wider in dem lande – Kriegsziele in der Historiographie des Deutschen Ordens, in: Ordines Militares. Yearbook for the Study of the Military Orders XVIII (2013), S. 81–103, hier bes. S. 91–93; Sebastian Kubon, Die Außenpolitik des Deutschen Ordens unter Hochmeister Konrad von Jungingen (1393–1407) (=Nova Mediaevalia. Quellen und Studien zum europäischen Mittelalter, Bd. 15), Göttingen 2016. Töppen, Max: Geschichte der Preussischen Historiographie, Berlin 1853, S. 83. Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 14. Relevant sind: Udo Arnold, Johann von Posilge, in: Verfasserlexikon. Die deutsche Literatur des Mittelalters 2. Aufl., Bd. 4, Berlin 1983, Sp. 710–12; ders., Geschichtsschreibung im Preussenland bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittelund Ostdeutschlands, Band 19 (1970), S. 74–126; Hartmut Boockmann, Die Geschichtsschreibung des Deutschen Ordens. Gattungsfragen und ,Gebrauchssituationen‘, in: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im späten Mittelalter (Vorträge und Forschungen, Bd. 31), hrsg. H. Patz, Sigmaringen 1987, S. 447–469; Odilo Engels, Zur Historiographie des Deutschen Ordens im Mittelalter, in: Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 48 (1966), hrsg. H. Grundmann, S. 336–63; Kurt Forstreuter, Johann von Posilge, in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 566 [Onlinefassung], URL: https://www.deutsche-biogra phie.de/gnd101426259.html#ndbcontent (Stand 22.07.16); Bernhart Jähnig, Innenpolitik und Verwaltung des Deutschen Ordens in Johann von Posilges Chronik des Landes Preußen, in: Vom vielfachen Schriftsinn im Mittelalter. Festschrift für Dietrich Schmidtke, hrsg. Freimut Löser und Ralf G. Päsler, Hamburg 2005, S. 205–36; Mentzel-Reuters, Kriegsziele (wie Anm. 11); Ralf G. Päsler, Deutschsprachige Sachliteratur im Preußenland bis 1500. Untersuchungen zu ihrer Überlieferung (Aus Archiven, Bibliotheken und Museen Mittel- und Osteuropas, Bd. 2) Köln 2003; Jaroslaw Wenta, Zur Verfasserschaft der sog. Chronik des Johann von Posilge, in: Preußenland. Mitteilungen der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische Landesforschung und aus den Archiven der Stiftung Preussischer Kulturbesitz 28 (1990), S. 1–9; ders., Studien über die Ordensgeschichts-

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Mentzel-Reuters zu Recht feststellt, sich „mehr mit der Autorenfrage als mit dem Inhalt und der Programmatik der Chronik“ beschäftigt.15 Denn in der Chronik selber wird kein Autor genannt. Lediglich ein Verweis am Anfang einer Handschrift des 15. Jahrhunderts deutet auf einen Johannes, officialis von Resinburg, als Autor sowie die Fortsetzung durch einen oder mehrere Autoren, und eine spätere Übersetzung der ursprünglich lateinischen Chronik yn das Dutsche hin.16 Der vorliegende Beitrag soll nur den – nach den Thesen von MentzelReuters – von Johannes von Posilge selbst geschriebenen Teil behandeln. Für ihn ergeben der „Vertrag von Sallinwerder 1398 und [die] Taufe der Bojaren von Samaiten am 9. Januar 1401 auf der Marienburg“17 die Höhepunkte der Chronik, mit denen der originale lateinische, von Posilge geschriebene, Teil auch endete. Damit ist die Autorenfrage sicherlich noch nicht endgültig geklärt, das Konzept bietet aber eine sinnige inhaltliche Einteilung zur Untersuchung der Chronik. ***

Autor und Chronik Johannes von Posilge wurde vermutlich um 1340 im Dorf Posilge (oder auch Pusilie, heute Z˙uławka) geboren.18 Der Familienname Lindenblatt ist, ebenso wie ein pomesanischer Offizial namens Johannes Lindenblatt, noch immer nicht nachweisbar.19 Ein Studium in Prag noch vor 1367 ist möglich, die erste urkundliche Nennung Posilges erfolgt aber erst 1372, wo er als Pfarrer von (Deutsch) Eylau in der Funktion eines Schiedsrichters auftrat.20 Gemeinsam mit vier weltlichen Vertretern aus dem Ritterstand und zwei Domherren entschied er den Streit zwischen dem Deutschen Orden und dem Bischof Johann von Ermland. Schon damals muss er also ein gewisses Maß an Bekanntheit genossen

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schreibung am Beispiel Preußens, Torun 2000; Marcus Wüst, Studien zum Selbstverständnis des Deutschen Ordens im Mittelalter (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, Bd. 73), Weimar 2013; die ältere Literatur findet sich bei Arnold, VL 4 (wie Anm. 14), Sp. 710–12. Mentzel-Reuters, Kriegsziele (wie Anm. 11), S. 93; für eine Zusammenfassung der wichtigsten Forschungsbeiträge zur Autorschaft s. ebd. S. 94–95. Posilge (wie Anm. 4), S. 79; Handschrift A [Berlin, SBB-PK: Ms. Boruss. Fol. 241 (15.Jh.)], s. Päsler (wie Anm. 14), S. 284, Anm. 3. Mentzel-Reuters, Kriegsziele (wie Anm. 11), S. 93–94. Arnold, VL 4 (wie Anm. 14), Sp. 710. Päsler (wie Anm. 14), S. 288; Ursprung des Namens könnte der Übersetzungsversuch des Namens Posilge / Pusilie gewesen sein (ebd., Anm. 4). Forstreuter (wie Anm. 14), S. 566; Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 34.

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haben, und so war er es auch, der am 29. Juli 1374 in Elbing das Urteil verkündete.21 Als Pfarrer von Ladekopp und Offizial von Pomesanien ist er ab dem 4. Februar 1376 nachweisbar.22 Dem Nekrolog des Zisterzienserklosters Pelplin zufolge starb Johannes von Posilge am 15. 6. 1405; ab 1406 war ein neuer Offizial von Pomesanien im Amt, Nicolaus von Lange.23 Hauptsächlich dürfte Posilge sich, seinem Amt als Offizial des dem Orden inkorporierten Bistums Pomesanien und seinen Nennungen in Urkunden entsprechend, in der bischöflichen Residenz in Riesenburg, aber auch der Domkirche zu Marienwerder aufgehalten und zu den dortigen Bibliotheken Zugang gehabt haben.24 Somit stand er also nicht nur in räumlicher Nähe zur Ordensleitung, sondern wird durch seine politischen Tätigkeiten auch mit höherem Ordenspersonal in Kontakt gekommen sein.25 Möglicherweise übten auch die beiden Domherren Johannes von Marienwerder und Johannes Rymann, die als Lehrer der Prager Universität neues Gedankengut mit nach Preußen brachten, Einfluss auf Posilge aus.26 Die Chronik ist heute nur noch in vier deutschen Fassungen erhalten.27 Es wird davon ausgegangen, dass große Teile der Chronik um 1402 entstanden sind28 und die Übersetzung um 1420 in der Marienburger Kanzlei durch einen unbekannten Übersetzer erfolgte.29 Aufgrund von mehreren Latinismen30 und Übersetzungsfehlern31 ist eine ursprünglich lateinische Fassung des deutschen 21 Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 34–35. 22 Arnold, VL 4 (wie Anm. 14), Sp. 710; s. Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 36 für die weiteren Strehlke bekannten Nennungen Posilges in Urkunden; weiter Mario Glauert, Das Domkapitel von Pomesanien (1284–1527) (Prussia Sacra 1), Torun´ 2003, S. 468–69. 23 Arnold, VL 4 (wie Anm. 14), Sp. 711; bzw. Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 38; Mentzel-Reuters, Kriegsziele (wie Anm. 11), S. 95: Nennt ohne Begründung 1409 als Todesjahr Posilges. 24 Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 34; Engels (wie Anm. 14), S. 345; Wüst, Selbstverständnis (wie Anm. 14), S. 112; zu den Bibliotheken s. Arno Mentzel-Reuters, Arma spiritualia. Bibliotheken, Bücher und Bildung im Deutschen Orden (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, Bd. 47), Wiesbaden 2003, S. 240–44. 25 Wüst, Selbstverständnis (wie Anm. 14), S. 112; Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 46; Jähnig, Innenpolitik (wie Anm. 14), S. 208. 26 Engels (wie Anm. 14), S. 350–51. 27 Boockmann, Geschichtsschreibung (wie Anm. 14), S. 460; für eine Aufzählung der Handschriften s. Päsler (wie Anm. 14), S. 284, Anm. 3; vgl. Arnold, VL 4 (wie Anm. 14), Sp. 711. Ferner Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 48–57 für eine Beschreibung des Zustandes und der Überlieferung der verwendeten Handschrift B, ferner auch von A, S und W, sowie das Verhältnis der Handschriften untereinander. Strehlke arbeitet auch heraus, warum B den anderen überlieferten Handschriften vorzuziehen ist. 28 Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 38–41. 29 Mentzel-Reuters, Kriegsziele (wie Anm. 11), S. 95 vermutet einen Schreiber des um 1420 amtierenden Offizials, Johann von Reddin; Arnold nennt, ohne Begründung, „1422(?)“ als Jahr der Übersetzung (ders., VL 4 (wie Anm. 14), Sp. 711); Päsler (wie Anm. 14), S. 287. 30 Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 42–43. 31 Boockmann, Geschichtsschreibung (wie Anm. 14), S. 460.

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Textes nicht anzufechten. Generell ist die Chronik in einem weitgehend nüchternen, für Strehlke geradezu „merkwürdig objectiv[en]“,32 Stil geschrieben. Selbst auf die Schlichtung des Streites zwischen dem Deutschen Orden und dem Bischof von Ermland, mit Posilge als Schiedsrichter, findet sich in der Chronik lediglich ein knapper Verweis.33 Ausnahmen von der ,merkwürdigen Objektivität‘ bilden etwa Berichte über König Wenzel, vor allem aber über Polen, ebenso der Bericht über das Wunder auf der ersten Reise Hochmeisters Konrad von Jungingen. Dort versichert Johann über den plötzlich aufziehenden Nebel, der dem Ordensheer gegen die zahlenmäßig überlegenden Litauer hilft: Ich vorsee mich gentzlich, das unser herre dy sinen in deme nebil also enthild unvorseret; wend, hettin dy Littowin gewust, das deser so wening was, sy mochtin sy habin geslagen sunder schadin.34

Eines der wenigen Beispiele der Verwendung wörtlicher Rede bietet Posilges scheinbar amüsierter Bericht über einen Pelpliner Mönch, welcher kurzerhand selbst einen Ritter für dessen Untaten zur Rechenschaft zieht.35 Es kommen häufiger Sprichwörter und Vergleiche, teils ironischer Natur, zum Einsatz. So berichtet er über den Plan der Litauer, den Orden uf die vastnacht anzugreifen, da die cistin alle torecht und ungewarnit wären: Ir specht hatte nicht recht geflogen, das sie acht tage czu fru qwomen […].36 Wie schon die Reimchronik Wigand von Marburgs, weist auch Posilge keine theologisierte Geschichtsschreibung mehr auf, auch wenn sich Reste davon finden lassen.37 Die Chronik handelt – weitestgehend – chronologisch und mit geradezu annalistischem Charakter die wichtigsten Ereignisse seiner Zeit mit besonderem Fokus auf Preußen ab.38 Während vor allem der Konflikt mit Polen und Litauen, im weitesten Sinne also

32 Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 35. 33 Posilge (wie Anm. 4), S. 95. 34 Posilge (wie Anm. 4), S. 195; bemerkenswert ist hier auch, dass Posilge nicht wie andere Darstellungen die (insgesamt viermalige) Errettung des Hochmeisters auf Eingreifen der heiligen Dorothea, deren Kanonisationsprozess in Marienwerder er selber mitbekommen haben müsste, sondern allein auf die Hilfe Gottes zurückführt, vgl. Mentzel-Reuters, Kriegsziele (wie Anm. 11), S. 90–91; Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 37. 35 Posilge (wie Anm. 4), S. 159–60: Des warf der monch die kappen us und sprach: ,Do leit der monch, und hy stet noch der man!‘ und nam ym weder alle das vy, das her ym hatte genomen; vgl. Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 47. 36 Posilge (wie Anm. 4), S. 89; weitere Beispiele: Des wolde der tufel die Littowin schenden (S. 89), […] bederbten ire sporne gar wol in der flucht (S.90), […] sie weren ane houpt hinweg gelouffen (S. 166), […] das ir vil bleyb clebin an der pfannen (S. 196), Man spricht: ,Der ny gesas, deme wirt yo etwas‘ (S. 222); vgl. Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 48. 37 Wüst, Selbstverständnis (wie Anm. 14), S. 113; s. unten. 38 Vgl. etwa Arnold, VL 4 (wie Anm. 14), Sp 711; Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 46; Wenta, Ordensgeschichtsschreibung (wie Anm. 14), S. 239.

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die Litauenreisen, im Fokus stehen,39 schildert er außerdem das Wetter,40 lokale Geschehnisse41 sowie weitere in Nachbarländern, besonders in Litauen, Polen, Böhmen und Ungarn,42 sowie im Reich bzw. in Europa stattfindende Ereignisse.43 Ferner informiert er stets über die wichtigsten Vorgänge in der Kirche.44 Die besonders am Anfang recht dünne Darstellung der Ereignisse nimmt ab den 1380er Jahren an Dichte und Weite stetig zu, erreicht jedoch kaum den Umfang der Berichte der Fortsetzung. Posilge, der selber als Zeit- wenn nicht sogar Augenzeuge einige der von ihm geschilderten Ereignisse erlebt haben dürfte,45 verwendete als Vorlage bis zum Jahre 1393 vor allem die Thorner Annalen46 sowie die bereits genannten Chroniken Detmars von Lübeck, Peters von Dusburg und Nikolaus’ von Jeroschin.47 Aber auch Urkunden, Briefe und Berichte der Ordensleitung standen ihm als pomesanischen Offizial zur Verfügung,48 sodass es sich bei Posilge um den ersten Benutzer der Ordensüberlieferung handeln könnte.49 Die Nutzung spezifischer Dokumente durch Posilge ist jedoch nur schwer nachweisbar, da er diese nicht, wie es in der Fortsetzung der Fall ist, offensichtlich und Wort für Wort übernommen,50 sondern in den Text hineingearbeitet hat. Zudem ist nie sicher, ob die verwendeten Dokumente heute noch überliefert sind. Obwohl es mehrere Stellen gibt, wo sich die Verwendung von Ordensquellen 39 In der Fortsetzung, speziell nach der Schlacht von Tannenberg, steht zunehmend der Kampf gegen Polen-Litauen im Vordergrund; vgl. Wüst, Selbstverständnis (wie Anm. 14), S. 114. 40 Zum Beispiel Posilge (wie Anm. 4), S. 79–80. 41 Für eine Zusammenfassung von Posilges Berichten über Innenpolitik des Ordens in Preußen, s. Jähnig, Innenpolitik (wie Anm. 14), bes. S. 215–28. 42 S. Boockmann, Geschichtsschreibung (wie Anm. 14), S. 84. 43 Zu nennen wären vor allem auch noch die Türkenkriege s. Posilge (wie Anm. 4), S. 177, 200–01, 207–09. 44 Zum Beispiel Posilge (wie Anm. 4), S. 160–62: Tod Papst Urbans VI., sowie Wahl Bonifatius’ IX. Jedoch nicht nur die Amtswechsel hoher kirchlicher Ämter, sondern auch relativ gut informiert über die Kirchenspaltung, zum Beispiel Posilge (wie Anm. 4), S. 205, 207. 45 Päsler (wie Anm. 14), S. 289. 46 Die Ähnlichkeit der Darstellung könnte aber auch daran liegen, dass sowohl Posilge, als auch der Thorner Franziskaner eine heute nicht überlieferte Quelle genutzt haben, s. Jähnig, Innenpolitik (wie Anm. 14), S. 235. 47 Arnold, VL 4 (wie Anm. 14), Sp. 711; Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 45. 48 Besonders Jähnig, Innenpolitik (wie Anm. 14), S. 235; Päsler (wie Anm. 14), S. 289–90; vgl. Arnold, Geschichtsschreibung (wie Anm. 14), S. 84. – Einzig Engels wendet sich – ohne Begründung oder Beispiel – dagegen, da er Posilge keinen Zugang zu Ordensarchivalien, sondern lediglich zu ohnehin der Öffentlichkeit zugänglichen Quellen wie Instrumenten oder Landesordnungen unterstellt, ders. (wie Anm. 14), S. 345. Dem widersprechen nicht nur die von Jähnig, sondern auch die von Kubon, Außenpolitik (wie Anm. 11), gewonnenen Erkenntnisse, zum Beispiel ebd., S. 264. 49 Kubon, Außenpolitik (wie Anm. 11), S. 264; dies müsse jedoch erst in einer umfassenderen Arbeit überprüft werden. 50 S. etwa Posilge Fortsetzung, S. 335; Jähnig, Innenpolitik (wie Anm. 14), S. 235.

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zeigt, soll im Folgenden Posilges Schilderung über den Streit zwischen dem Orden und dem Erzbischof von Riga 1392 als ein Beispiel dienen.51 Zunächst berichtet er von diesem Konflikt, dass der Orden schließlich die Besitzungen des Erzbischofs okkupiert habe, nachdem dieser und sein Gefolge heymelich von dannen czogen.52 Daraufhin thate der ertzbischoff so grosse clage obir den orden kegen dem Romischen konige, dass dieser die Besitzungen des Ordens in Böhmen und Mähren beschlagnahmte und Boten nach Preußen schickte, auf dass man ym yn sulde gebin alle dy slos des gestichtes von Ryge.53 Genau diese Informationen gehen aus der Adresse des Gesandten Balthasar von Camentz an den Hochmeister hervor.54 Es wird eine Beschwerde des Erzbischofs an Wenzel (und andere weltliche und geistliche Fürsten), dessen Forderung der Zurückgabe und, nachdem der Orden auf einen Brief nicht reagierte, die Entsendung eben jenes Gesandten erwähnt. Über die Reaktion beziehungsweise Rechtfertigung des Ordens berichtet Posilge weiter : Do wart den botin geantwert, das der ordin dy slos ingenommen hatte uf bescheydenheyt und bemannet hette der cristenheit czu fromen, und der ertzbischoff von dannen were geczogen mit den synen, und hettin dy slos lossin sten umbemannit.55

Diese Rechtfertigung ist fast identisch mit der des livländischen Ordensmeisters in einem Brief an den Papst.56 Auch wenn sich damit durchaus nicht sicher sagen 51 Posilge (wie Anm. 4), S. 182–83; s. hierzu Boockmann, Falkenberg (wie Anm. 8), S. 62–66; ferner auch Manfred Hellmann, Der Deutsche Orden und die Stadt Riga, in: Stadt und Orden. Das Verhältnis des Deutschen Ordens zu den Städten in Livland, Preußen und im Deutschen Reich (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, 44; Veröffentlichungen der Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens, 4), hrsg. Udo Arnold, Marburg 1993, S. 1–33, hier S. 24–25, und Libor Jan, King Wenceslas and the Dissolution of the Teutonic Order’s Bohemian Bailiwick, in: Mendicants, Military Orders, and Regionalism in Medieval Europe, hrsg. Jürgen Sarnowsky, Aldershot 1999, S. 233–42, relevant hier S. 233–35. 52 Posilge (wie Anm. 4), S. 182. 53 Posilge (wie Anm. 4), S. 182–83. 54 Volltext: Liv-, Esth- und Curländisches Urkundenbuch nebst Regesten, 3, hrsg. Friedrich G. von Bunge, Reval 1857, Nr. 1327, Sp. 687–89; Regest: Das virtuelle Preußische Urkunden Buch: Regesten und Texte zur Geschichte Preußens und des Deutschen Ordens, hrsg. Jürgen Sarnowsky : http://www.spaetmittelalter.uni-hamburg.de/Urkundenbuch/pub/orden1392. html (letzte Einsicht: 06.03.18), PrUB, JH I 493 g. 55 Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 183–84; Posilge geht sogar noch weiter und berichtet, dass der Orden briffe und gancze gewisheyt hatte, dass der Erzbischof, um dem Orden zu schaden, sogar die Litauer und Russen gebeten hatte, die Besitzungen an sich zu nehmen. 56 LUB (wie Anm. 54), Nr. 1333, Sp. 705–08. Zum Vergleich Sp. 707: Wandte van dem unberotenen abeczien des egenanten erczbisschofs von sinen huesern und dem gestichte wolden wir deme lande Lieflande und dem gestichte czu Riege, als wir schuldig woren, sicherlich vorwesin, uf das nicht die vorgenanten huesere ann hute, czumole unbewaret an dem ansprunge der ungeloubigen hindergelossin, in die hende der heidenschaft, Ruessen der ungeloubigen ader anderer der lande czu Lieflande viande, den landen czu verterbinsse und deme gelouben czu

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lässt, dass Posilge genau diese Quellen benutzte, so lassen der fast identische Informationsgehalt und die Argumentationsstruktur doch zumindest auf seinen Zugriff auf ähnliche Dokumente und Briefe des Ordens schließen. Weitere Quellen Posilges dürften Augenzeugenberichte und Gerüchte, unter anderem von den nach Preußen gekommenen Gästen,57 gewesen sein. Die Chronik selber wurde vor allem in der Älteren und der so genannten Jüngeren Hochmeisterchronik sowie in der Thorner Stadtchronik als Quelle verwendet, und ging im 16. Jahrhundert in die Elbinger, Danziger und Königsberger Traditionen ein.58 Durch eine von Jan Długosz in Auftrag gegebene Übersetzung der deutschen Chronik zurück ins Lateinische fand sie auch Eingang in die polnische Tradition.59 Die Chronik scheint für Juristen und Diplomaten des Ordens geschrieben oder zumindest von ihnen genutzt worden zu sein, damit diese sich in dem „diplomatischen Dschungel der Litauerfahrten und der geschlossenen und gebrochenen Verträge zurechtfinden konnten.“60 Von der bisherigen Forschung wurden der Chronik vor allem zwei Tendenzen unterstellt: die Hervorhebung des Heidenkampfes, also der Litauenreisen, als primäre Aufgabe des Ordens und, ebenso wichtig, ein mit Preußen und dem Orden, beziehungsweise erstmals dem Hochmeister als Landesherren, verbundenes Heimatgefühl.61 Erstere gilt es im Verlauf der Arbeit zu überprüfen, letztere, also das bei Posilge zu findende Heimatgefühl, lässt sich vor allem anhand einer Stelle verdeutlichen. Während seines Berichtes über den Konflikt des Ordens mit dem Herzog von PommernStolp, als dieser den nach Preußen reisenden Herzog von Geldern gefangen genommen hatte, bemerkt er nach dem Sieg des Ordens schon fast stolz: Also wurden die Stolpener gestillet, das sie do wustin, das die von Pruszen ouch lute werin.62 Während dies wohl eher Andeutungen von einem eigenen Heimatgefühl und Stolz auf die Landesherrschaft sind, so lassen sie Strehlke sogar von einem

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widderdriesse in des erczbisschofs abewesen mochten komen. Das ofte genante gestichte, huessere und eczliche vesten und dorfere czu einer grosserer und sicherer hute haben wir ingenomen, nicht als einen roub, als die widdersachen widder uns getichtet haben […]. Direkt auf die durch Balthasar von Camentz überbrachten Forderungen antwortete der Hochmeister zunächst beschwichtigend und bat um Zeit, um sich mit dem Livländischen Ordensmeister zu beraten, s. LUB 3, Nr. 1328, Sp. 689–90. So etwa bei seinem Bericht über den brabantischen Angriff auf Geldern 1398 (Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 221), worüber die geldrischen Reisenden im Winter 1399/1400 erzählt haben dürften, s. Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 66 Anm. 169. Arnold, VL 4 (wie Anm. 14), Sp. 711–12. Ebd., Sp. 712. Mentzel-Reuters, Kriegsziele (wie Anm. 11), S. 97; s. auch Päsler (wie Anm. 14), S. 289. Wüst, Selbstverständnis (wie Anm. 14), S. 113, 116–17, 127; Mentzel-Reuters, Kriegsziele (wie Anm. 11), S. 90. Posilge (wie Anm. 4), S. 156.

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frischen „Hauch von lebendigem preussischem Patriotismus“ sprechen,63 der durch die gesamte Chronik wehe. Die Chronik steht zwar noch immer in der Tradition der Ordenshistoriographie, Ansätze zu einer Neuorientierung lassen sich aber bereits erkennen. So kann man nach Udo Arnold anhand der Chronik des Preußenlandes „den Übergang von der Ordenschronik zur Landeschronik verfolgen“.64

Die Reisen in der Chronik Posilges Berichterstattung fängt an, ohne Begründung, Hintergrund, Anfang oder Ziel des Konflikts mit Litauen (und Polen) zu nennen. Insgesamt lassen sich zwischen 1305 und 1409 307 Reisen nachweisen – in dem hier behandelten Zeitraum (1360–1401) wiederum 178, wovon in der Chronik des Preußenlandes um die 60 erwähnt werden.65 Abgesehen von den ersten ca. 15 Jahren werden die größten bzw. wichtigsten der jeweils von Preußen und Livland ausgehenden Reisen dabei zuverlässig genannt, wobei das Gewicht eher auf den preußischen Unternehmen liegt. Dem Umfang der Darstellung für die ersten Jahrzehnte entsprechend, nimmt auch die quantitative und qualitative Schilderung der Reisen im Verlauf der Chronik zu.66 In den ersten Jahrzehnten berichtet Posilge teilweise nur, dass eine Reise stattgefunden hat, beispielsweise zu 1375: Anno domini (13)75 was reyse ken Littowen, beyde von den von Pruszen und Lyfland.67 Zwischen 1370 und 1375 gibt es eine Lücke, in welcher er keine der Litauenreisen erwähnt – der Grund hierfür könnte das Fehlen der Reisen in den Thorner Annalen und bei Detmar von Lübeck sein.68 Posilge nennt mit einigen Ausnahmen verlässlich die Zielregion der einzelnen Reisen,69 und sogar Genaueres über die Heeresbewegungen70 und die Weite der Verheerung weiß er teilweise zu berichten.71 Bevor nun die Kriegsführung in der Wahrnehmung Posilges dargestellt wird, 63 Strehlke, Einleitung (wie Anm. 4), S. 48. 64 Arnold, Geschichtsschreibung (wie Anm. 14), S. 85. 65 Vgl. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 26–39, Tabelle 49: Paravicinis Aufzählung der von Posilge genannten Reisen ist unvollständig, so kommt er nur auf 53. 66 Höhepunkte bilden zum Beispiel die ausführlichen Berichte über die Reisen im August 1390, Posilge (wie Anm. 4), S. 164–67, und August 1391, ebd., S. 171–74. 67 Posilge (wie Anm. 4), S. 95. 68 S. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 29–30, Tabelle 49; Posilge (wie Anm. 4), S. 89–95. 69 Posilge (wie Anm. 4), S. 138, so heißt es etwa bei einer Reise des Hochmeisters 1385 in das land Medeniken und vort czur Aschmynne […], do vor ny kein herschilt von cristin inkomen was. 70 Posilge (wie Anm. 4), S. 137–40. 71 Posilge (wie Anm. 4), S. 145, 194.

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lohnt es sich zunächst, einen kurzen Blick auf die Akteure der Reisen zu werfen. In der Chronik trennt Posilge den Orden und die restliche Bevölkerung, welche er einheitlich Pruszen nennt, lediglich wenn es nur den ordin – die herrin – angeht.72 Er positioniert sich zwar stets auf Seiten des Ordens,73 überhöht ihn aber nicht, wie es etwa Peter von Duisburg noch tat.74 Interessant ist auch Posilges Bericht über die Wahl Konrads von Wallenrode zum Hochmeister,75 bei welchem er in für ihn untypische Schwärmereien verfällt und dabei, entgegen der späteren Historiographie, das Bild eines kompetenten, tadellosen Landesherrn entwirft.76 Die sporadisch auftauchenden Bekundungen der Hilfe und eines Wunders,77 ebenso wie teilweise die Verbindung zwischen den Handlungen des Ordens und dem Willen Gottes,78 führten Wüst wohl dazu, den Orden in Posilges Augen als Gottesstreiter zu formulieren, welchem er die Litauer, als Heiden und Knechte des Teufels, gegenüberstellt.79 Er spielt hier auf ein Zitat Posilges (des wolde der tufel die Littowen schenden) an,80 das vielmehr eher als ein Sprichwort zu verstehen ist – nicht als eine für Posilge äußerst untypische Anschuldigung, die Litauer stünden in Verbindung mit dem Teufel. Posilge versichert zwar, dass der Orden sich der Hilfe und des Wohlwollens Gottes sicher sein könne, seine Berichterstattung aber ist, wie Wüst selber feststellt,81 soweit ,enttheologisiert‘, 72 Mentzel-Reuters, Kriegsziele (wie Anm. 11), S. 90, geht fälschlicherweise davon aus, dass mit herrin stets die Gäste des Ordens gemeint sind, meist bezieht sich dies jedoch nur auf den Orden, s. zum Beispiel Posilge (wie Anm. 4), S. 162. 73 Dies zeigt sich unter anderem an dem oben behandelten Beispiel des Berichtes über den Streit zwischen dem Erzbischof von Riga und dem Orden; Posilge (wie Anm. 4), S. 215: Nach der Niederlage des Komturs von Ragnit heißt es: […] und was wol eyn clegelich schade, das got musse irbarmen! 74 Wie es z. B. Peter von Dusburg tat, s. Wüst, Selbstverständnis (wie Anm. 14), S. 127. 75 Posilge (wie Anm. 4), S. 169–70; vgl. dazu ebd., S. 120 zur Wahl von Konrad Zöllner von Rotenstein, und S. 190 zu Konrad von Jungingens Wahl. 76 Auch der Bericht Wigand von Marburgs fällt positiv aus. Die schlechte Meinung der Historiographie über Konrad von Wallenrode scheint vor allem auf einer Vision der Klausnerin Dorothea von Montau zu fußen, welche den Hochmeister in der Hölle brennen sah, s. Stefan Kwiatkowski, Der Deutsche Orden in Preussen in politischen Visionen und Prophezeiungen bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, in: Wirtschaft – Gesellschaft – Mentalitäten im Mittelalter. Festschrift zum 75. Geburtstag von Rolf Sprandel (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 107), hrsg. Hans-Peter Baum, Rainer Leng und Joachim Schneider, Stuttgart 2006, S. 629–642, hier S. 637–38; Bernhart Jähnig, Konrad von Wallenrode, in: Die Hochmeister des Deutschen Ordens. 1190–2012 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, 40; Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens, 6), hrsg. Udo Arnold, Weimar 2. Aufl. 2014, S. 93–96, hier S. 96. 77 Zum Beispiel Posilge (wie Anm. 4), S. 82, mit der hulfe unsers herren; sowie S. 88; das bereits oben erwähnte Wunder S. 193–95. 78 So bei der Belagerung von Vilnius 1390, s. unten; Posilge (wie Anm. 4), S. 167. 79 Wüst, Selbstverständnis (wie Anm. 14), S. 113–143. 80 Posilge (wie Anm. 4), S. 89. 81 Wüst, Selbstverständnis (wie Anm. 14), S. 114.

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dass zum Beispiel auch der Tod des Komturs von Memel durch heidnische Rituale nicht als Martyrium dargestellt wird.82 Die Beschreibung der Litauer durch Posilge ist vielschichtig. Sie sind zwar, das wird immer wieder deutlich, der Feind des Ordens und Preußens, gleichzeitig können sie aber auch (als noch offizielle Heiden) Verbündete, wenn nicht sogar Freunde sein.83 Beides verurteilt Posilge nicht. Es stehen auch nur zweimal, zu 1370 und 1385, den Litauern die cristin gegenüber.84 Viel eindeutiger handelt es sich bei den Samaiten um Heiden. Interessanterweise werden sie zwar als Heiden und Feinde beschrieben, die, wie oben erwähnt, Ordensleute ihren heidnischen Göttern opfern, jedoch dienen auch sie dem Orden teilweise als Verbündete, was, wie schon bei den Litauern, von Posilge nicht hinterfragt wird. Feierlich berichtet Posilge schließlich von der Einnahme Samaitens, der Taufe der vornehmsten Bojaren des Landes, ebenso, wie der Hochmeister etliche prister unde monche nach Samaiten schickte, die ir wip und kindir ouch suldin toufin und sie lernen den cristingeloubin.85 Zwar gemäßigt, jedoch klar negativ werden die Bündnisbrüche durch Vytautas86 und Jagiełło87 dargestellt. Im Kontext der Taufe Jagiełłos wird die bosheit und snodigkeit der Polen von Posilge mehrfach betont.88 Sie scheinen dem Orden stets Böses zu wollen. So verliert der Orden wegen vorretnisse der Polan Burgen,89 und auch Verhandlungen mit Vytautas werden durch sie gestört.90 Der Orden wiederum scheint besonders hart gegen die Polen vorzugehen.91 Die immer wieder besonders an der Seite der Samaiten auftauchenden russin / russen spielen hingegen nur eine eher marginale Rolle, die hier vernachlässigt werden kann.92 Posilge nennt, wie die anderen preußischen und livländischen Chronisten auch,93 bloß die vornehmsten Gäste.94 So notiert er etwa 1377: In desir reyse worin 82 Posilge (wie Anm. 4), S. 157. 83 Ebd., S. 105; Algirdas und Skirgal laden jeweils die sich auf einer Reise tief in Litauen hinein befindlichen Ordensgebietiger, den Marschall sowie weitere anwesende Gäste zu einem Gastmahl ein – ein politisches Symbol von Freundschaft, s. hierzu Rimvydas Petrauskas, Litauen und der Deutsche Orden: Vom Feind zum Verbündeten, in: Tannenberg – Grunwald (wie Anm. 5), S. 237–51, hier S. 239. 84 Posilge (wie Anm. 4), S. 91, 137. 85 Ebd., S. 235–237, 240. 86 Ebd., S. 131–34, 179–80, wobei selbst hier positives Verhalten hervorgehoben wird, da Vytautas die Gäste, die bei ihm waren, trotz seines Verrates alle fruntlich von ym czin ließ. 87 Ebd., S. 125–27: Des vorchte der homeister ir vorretnisse und bosheit. 88 Ebd., S. 142–45. 89 Ebd., S. 153, 205. 90 Ebd., S. 199, 206. 91 Ebd., S. 173, 176. 92 Ob Posilge wie andere Chronisten zwischen Russin und der samaitischen Region „Rossenia“ unterscheidet oder dies verwechselt, müsste nochmal separat untersucht werden, s. Urban (wie Anm. 1), S. 203–04. 93 Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 14.

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vil geste von rittern und knechtin; sunder von namhaftigen herrin worin nicht, wen grafe Ebirhart von Katzcinellenbogen.95 Über die anderen Gäste erfährt man lediglich, ob insgesamt besonders viele oder überhaupt keine in Preußen sind; eine genauere Menge jedoch nennt er nie.96 Besonders viele Gäste kamen zum Beispiel zur Sommerreise 1391, anlässlich der Wahl Konrads von Wallenrode zum Hochmeister und nach einer scheinbar umfassender Werbung: Ouch wart is schalbar czu Dutschin landen, das eyn nuwe meister gekorn was czu Pruszin, und das grosze reyse wurde werden. Des qwomen dy geste uf senthe Johannes Baptisten tag yn das land. Der geste was so vil, das ir ny so vil was komen uf eyne cziit by manchin joren.97

Besonders wenige Gäste hingegen erschienen 1394, da vil krig was czu Bemen; und ir worin ouch vil gereten ken Ungern uf die Torken.98 Über den Weg der Gäste nach Preußen und wieder zurück erfährt man durch Posilge, abgesehen von Heinrich von Derbys Ankunft per Schiff in Danzig,99 lediglich etwas bei Abweichungen von der Norm. Nachdem der polnische König 1390 für zehn Jahre die strosze nedir [legete], sodass niemand von oder nach Preußen durch Polen ziehen konnte, mussten die Gäste, welche wegen der Streitigkeiten mit dem Herzog von Stolp auch nicht durch Pommern ziehen konnten, alle durch die [Neu-]Marke czin.100 Die Streitigkeiten der Herzöge von Pommern-Stolp mit dem Orden hatten schon eine Vorgeschichte, fanden aber ihren Höhepunkt 1389 in der Festnahme des für eine Litauenreise nach Preußen ziehenden Herzogs 94 Posilge zu 1376, ebd., S. 99: Adolf I. von Kleve; 1377, S. 104–05, 106, 107: Eberhart V. von Katzenellenbogen, Albrecht III. von Österreich, Johann I. von Lothringen; 1385, S. 137–40: Wilhelm II. von Katzenellenbogen; 1386, S. 144: Ruprecht III. von der Pfalz, Wilhelm I. von Geldern, sowie nicht genau zu bestimmen ein Markgraf von Baden und Grafen von Henneberg und von Plauen; 1387, S. 148–49: Wilhelm von Ostrevant, ein Graf von Namur, ein Graf von Henneberg; 1390, S. 164–67: Heinrich von Derby (später König Heinrich IV. von England); 1391, S. 171–74: Friedrich IV. von Meißen, zwei Herren von Schwarzburg, sowie von Gleichen und von Plauen; 1392, S. 182: Heinrich von Derby ; 1393, S.185, 189: Wilhelm I. von Geldern, Eberhard I. von Württemberg; 1396, S. 202: Wilhelm I. von Geldern; 1400, S. 235: Wilhelm I. von Geldern, Karl II von Lothringen. – Vgl. dazu Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 147–50, Tabelle 12, für Register der bekannten fürstlichen Reiseteilnehmer. 95 Posilge (wie Anm. 4), S. 105. 96 Beispiele sind bei Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 183–84, Tabelle 25, aufgelistet. 97 Posilge (wie Anm. 4), S. 171; s. Ehlers, Crusade (wie Anm. 9), S. 43. 98 Posilge (wie Anm. 4), S. 195–96; s. auch Christiansen (wie Anm. 1), S. 166; Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 21–22. 99 Posilge (wie Anm. 4), S. 165. Zu den Seewegen nach Preußen Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 192–97. 100 Posilge (wie Anm. 4), S. 168, sowie 155; Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 197–201.

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Wilhelm I. von Geldern durch Eckart vom Walde.101 Diesen Affront konnte der Orden nicht auf sich sitzen lassen. Wollte er weiterhin die kostenlose Hilfe des westeuropäischen Adels in Anspruch nehmen,102 musste er dafür sorgen, dass zumindest prominente Reisende auch relativ sicher in Preußen ankamen.103 Besonders schwer wog, dass es sich bei Wilhelm I. um einen Freund des Ordens handelte, der insgesamt sieben Mal nach Preußen zog.104 Beim ersten Versuch des Ordens, ihn aus Falkenburg zu befreien, bei dem auch die in Königsberg verweilenden Gäste mithalfen, weigerte er sich seiner Ehre verpflichtet mitzugehen, do Eckhard vom Walde do selbir nicht was.105 Im August desselben Jahres berichtet Posilge schließlich, wart der herczoge von Gelre ledig des gefengnisses […] und der ordin gap die stad Valkenburg weder ledig und die gefangen.106 In Preußen sicher angekommen, versammelten sich die Gäste meist in Königsberg und entfalteten dort in den häufig längeren Wartezeiten bis zum Start der Reise ihre gesellschaftlichen Aktivitäten.107 Während Posilge kein Wort über diese „Königsberger Saison“ verliert,108 so ist fraglich, inwiefern er diese für selbstverständlich voraussetzt und daher nicht für erwähnenswert hielt. Den Ehrentisch beispielsweise, den vom Orden veranstalteten Höhepunkt vor und nach der Reise,109 hält er erst dann einer Nennung würdig, als dieser aufgrund 101 Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 244–51; Posilge (wie Anm. 4), S. 155–56. 102 Hierzu Werner Paravicini, Vom Kreuzzug zum Soldzug: Die Schlacht bei Tannenberg und das Ende der Preußenfahrten des europäischen Adels, in: Conflictus magnus apud Grunwald 1410. Mie˛dzy historia˛ a tradycja˛. Materiały z mie˛dzynarodowej konferencji naukowej „Grunwald-Tannenberg-Zˇalgiris“, zorganizowanej 20–24 wrzes´nia 2010 r. w Malborku i Krakowie, hrsg. Krzysztof Oz˙ óg, Janusz Trupinda, Malbork 2013, S. 119–26. 103 Es handelte sich zudem um einen Bruch des Kreuzzugsfriedens vgl. Hruschka, Kriegsführung (wie Anm. 4), S. 77. 104 Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 60–66; sowie, zwar größtenteils auf Paravicini basierend: Karlheinz Brauers, Der Ordensstaat Preußen und der Niederrhein – insbesondere Geldern, in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 209 (2006), S. 139–217, hier Anlage 2, S. 206–07. 105 Posilge (wie Anm. 4), S. 156. 106 Ebd., S. 159. – Posilge verkürzt die für den Orden recht kostspielige und sicherlich ärgerliche Affäre, denn im April gab es noch einen zweiten Versuch, bei dem man Wilhelm trotz dessen Widerstand, quasi als Kriegsbeute, mit sich nach Preußen nahm. Dieser kehrte jedoch freiwillig wieder nach Falkenburg zurück, bis er erst nach langen Verhandlungen und weiteren Bemühungen des Ordens nach insgesamt achtmonatiger Gefangenschaft freikam. Trotz allem schien dies keinen Schatten auf die Beziehung zwischen dem Orden und Wilhelm zu werfen, s. Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 249–55. 107 Ebd., S. 323; auch der Aufenthalt nach einer Reise, wie beispielsweise von Heinrich von Derby, welcher nach seiner Reise im August 1390 noch den Winter über in Preußen blieb, Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 65, wird nicht erwähnt. 108 S. Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 288–310. 109 Ebd., S. 288, 316–29; beim Ehrentisch handelte es sich um den Höhepunkt der Festmähler der Königsberger Saison, welcher nicht wie die meisten anderen Feste von den Gästen organisiert wurde, sondern vom Orden. Gastgeber war der Hochmeister, beziehungsweise in dessen Abwesenheit der Oberste Marschall, welcher das Fest unabhängig davon auch

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von Streitigkeiten zwischen den Gästen im August 1391 nicht in Königsberg, sondern im Feindesland abgehalten wurde – des glychen vor ny was geschen.110 Während optimalerweise in Preußen zwischen den Gästen Frieden herrschen sollte, was auch zumeist der Fall war, damit sich die Christen geeint gegen die Heiden stellen konnten, kam es doch, wie im angesprochenen Fall, immer wieder zu Streitigkeiten.111 Die Motivation der Gäste scheint sich bei Posilge also eher in den höfischen-ritterlichen Aspekten und dem besonders ehrenvollen Ritterschlag am Ende einer Litauenreise zu finden, wobei er die beiden Aspekte nur bei Besonderheiten erwähnt.112 Eine religiöse Motivation oder gar eine Bezeichnung der Gäste als Pilger taucht nicht auf.113 Der Bericht Wigands von Marburg macht deutlich, dass einige Aktionen lediglich durch die Hilfe der Gäste möglich waren. Posilge hingegen zeigt, abgesehen von der jährlichen Nennung der Gäste, nicht wirklich eine Abhängigkeit des Ordens von den Gästen auf.114 Bei allen höfischen Aktivitäten der Preußenfahrer war der Höhepunkt doch immer die Reise selber.115 Diese war jedoch, wie schon erwähnt, stark abhängig

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ausrichtete. Unter den Gästen wurden die, von den in Königsberg verweilenden Herolden ausgewählten, ruhmvollsten Ritter eingeladen. Eine kreisrunde, an die Tafelrunde König Arthurs angelehnte, Form hatte der in ganz Europa bekannte Ehrentisch dabei höchstwahrscheinlich nicht. Posilge (wie Anm. 4), S. 172–73; Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 325. – Damit schließt er sich den restlichen Chroniken des Deutschen Ordens an, welche ebenfalls nur 1391 und 1392 davon berichten. Zum Ehrentisch sowie zum Streit 1391 ebd., S. 315–29: Douglas Lord of Nithsdale und zwei weitere Schotten kamen dabei zu Tode und es wäre ohne die Intervention des Marschalls fast zu einer Schlacht zwischen Schotten und Franzosen auf der einen Seite, welche die Kurie in Avignon unterstützten, und Deutschen, Böhmen, Geldrern und Engländern auf der anderen Seite, welche, wie der Deutsche Orden auch, zur Kurie in Rom hielten, gekommen. Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 310–15; Posilge (wie Anm. 4), S. 182. Nicht zuletzt sorgte ein Streit, bei dem Heinrich von Derbys Männer einen Danziger Edelknecht töteten, dafür, dass er czog weder us deme lande ungereyset. Micku ¯ naite˙ , Great Ruler (wie Anm. 10), S. 36, stellt die These auf, als Grund für die Rückreise sei eher Heinrichs Unbehagen zu sehen, gegen die christlichen Litauer und Vytautas zu ziehen, nachdem er auf seiner ersten Reise Freundschaft mit Vytautas geschlossen hatte. Posilge (wie Anm. 4), S. 228. Ähnlich wie beim Ehrentisch schien er dies erst als erwähnenswert zu betrachten, als er über die Sommerreise 1399 berichtet, dass von gestin worin nicht dese reyse, sunder XIIII nuwe ritter wordin gemachet […] hy us dem lande. Zum Ritterschlag in Preußen s. Ehlers, Ritter (wie Anm. 4), S. 39–40. Neben dem Ehrentisch sei auch Posilge (wie Anm. 4), S. 201, genannt. Er erwähnt sechs französische Ritter, welche den polnischen König zum Kampf herausfordern. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber eine Beschwerde in der Fortsetzung der Chronik, wo es heißt, dass der größte Teil der Gäste nur noch umb solt gekommen seien, s. Posilge Fortsetzung, S. 324. Housley (wie Anm. 1), S. 342; Posilge (wie Anm. 4), S. 167, 194–96, nennt zwar die Nützlichkeit, bei keiner Reise ist jedoch eine Abhängigkeit zu sehen. Reisen finden nicht statt, wenn das Wetter schlecht ist, nicht, weil zu wenige Gäste im Land sind. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 13.

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von den Wetterbedingungen, sodass häufig weters halbin nicht gereist werden konnte.116 Dies war meist schon vor Aufbruch klar,117 es konnte aber auch unterwegs118 oder erst im Feindesland deutlich werden, sodass man die Reise nach kurzer Zeit bereits wieder abbrechen musste.119 Im Folgenden soll exemplarisch anhand der Sommerreise von 1390, an welcher auch Heinrich Graf von Derby (später König Heinrich IV. von England) teilnahm, der Ablauf und Aufbau einer Reise in Posilges Schilderung vorgestellt werden.120 Diese Reise stand ganz unter dem Eindruck des nach Jagiełłos Krönung zum polnischen König noch immer anhaltenden Konflikts mit dessen Vetter Vytautas.121 Bei diesen innerlitauischen Streitigkeiten diente der Orden zunächst Jagiełło, dann schließlich immer wieder Vytautas (1382–1384, 1389–1391, 1398–1401 und 1404–1409) als Bündnispartner.122 Nachdem Vytautas 1389, unzufrieden mit der Herrschaft Jagiełłos, vergeblich versuchte Vilnius einzunehmen und den Großfürstentitel für sich zu beanspruchen, musste er zum zweiten Mal nach Preußen fliehen.123 Die Reise 1390 bildete den erneuten Versuch Vytautas’, diesmal mit Hilfe des Ordens, Vilnius einzunehmen. Heinrich kam noch vor Assumpcionis Marie per Schiff mit 300 Mann in Danzig an.124 Wenn auch nicht meist auf den Tag genau eingehalten, versuchte man, den Beginn der Reise auf einen Heiligentag zu setzen, meist mit Bezug auf die Ordenspatronin Maria.125 Für die Winterreise war dies der 2. Februar, Unser 116 Posilge (wie Anm. 4), S. 149. 117 Zum Beispiel ebd., S. 129. 118 Wie 1396 mitten in der wiltnisse, als zwar vil snes was, undir deme snee was is aber ungefroren, sodass man wieder umkehren musste, s. ebd., S. 202. 119 Nachdem man vier Nächte in Samaiten verheerte, musste der Marschall im Februar 1399 bereits wieder umkehren, s. ebd., S. 225–26. 120 Posilge (wie Anm. 4), S. 164–67. Die Reise ist im Vergleich zu den meisten anderen Reisen nicht nur durch detailreichere Beschreibungen der Chroniken, sondern vor allem auch durch die erhaltenen Rechnungen besonders gut überliefert, s. Rechnungen über Heinrich von Derby’s Preussenfahrten 1390–91 und 1392, hrsg. Hans Prutz, Leipzig 1893. 121 Zugmantas Kiaupa, Gediminian Lithuania before Christianization, in: The history of Lithuania before 1795, hrsg. Zugmantas Kiaupa, Ju¯rate˙ Kiaupiene˙ , Albinas Kuncevicˇ ius, Vilnius 2000, S. 72–126, hier S. 124–26. 122 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 50. 123 Urban (wie Anm. 1), S. 200–05; Ju¯rate˙ Kiaupiene˙ , The Grand Duchy of Lithuania in the Times of Vytautas and Jogaila, in: The history of Lithuania before 1795 (wie Anm. 121), S. 127–60, hier S. 131–32. 124 Posilge (wie Anm. 4), S. 164. – Zur wahrscheinlich zu groß angegebenen Zahl s. Christopher Tyerman, England and the Crusades. 1095–1588, Chicago 1988, S. 270–71. 125 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 54–55. Auf dem Konstanzer Konzil war dies später ein weiterer Vorwurf der polnischen Seite, für die es eine Häresie des Ordens darstellte. Die Datierungen nach Marienfesten scheinen bei Posilge jedoch eher eine Ausnahme zu sein. Es dienen zwar oft christliche Feste zur Datierung, häufiger aber werden die Reisen nur durch die Jahreszahl, so Posilge (wie Anm. 4), S. 95, oder genauer noch durch die Jahreszeit, entweder Winter oder uf den herbist, bestimmt, ebd., S. 86.

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Frowen tag Lichtmesse (Purificationis Mariae),126 und für die Sommerreise, wie in diesem Beispiel, der 15. August, Assumpcionis Marie, sowie der 8. September, Nativitatis Marie.127 In Danzig koufte [Heinrich] pferd unde schickte sich dorczu, und czog reyse mit dem marschalk vor dy Wille.128 Dieser Bericht Posilges über die Vorbereitungen der Gäste ist auch schon der genaueste, den er gibt. Ausgelassen hat Posilge hier Heinrichs nächste Zwischenstation Königsberg, wo er sich mit dem Marschall Engelhard Rabe traf.129 Auch auf dieser Reise erwähnt Posilge den in Königsberg, dem Haupttreff- und Ausgangspunkt der Reisen, vom Orden veranstalteten Ehrentisch nicht.130 Die Reise unterstand in Abwesenheit des Hochmeisters, wie so oft, der Leitung des Marschalls, häufig genug leiteten aber auch andere höhere Ordensmitglieder, etwa der Komtur von Ragnit und der Pfleger von Insterburg, eine Reise.131 Während der Bündnisphasen zwischen dem Orden und Vytautas führte auch Vytautas einmal Reisen an.132 Das Ordensheer im August 1390 setzte sich aus dem preußischen Aufgebot mit den Gästen, dem Heer des livländischen Landmeisters und Vytautas mit den Samaythen und Littowen zusammen.133 Über die genauere Struktur des reisenden Heeres erfährt man aber recht wenig bei Posilge. Es gibt sporadische Erwähnungen von Bannern,134 aufgrund derer sich die Gliederung des Ordensheeres in Banner erschließen lässt,135 von Söldnern136 und von Waffenspezialisten. Posilge lobt auf dieser Reise die gute[n] bogenschutczin Heinrichs, dy gar wol totin auf der Reise.137 Auch ein berittenes Heer oder Gäste mit besonders vielen Pferden werden hervorgehoben.138 Als das Ordensheer die Memel erreichte, kam die Nachricht vom Tod des Hochmeisters Konrad Zöllner von Rotenstein, der 126 Posilge (wie Anm. 4), S. 104, 145. 127 Ebd., S. 127. 128 Ebd., S. 164. Wie genau sich Heinrich für die Reise schickte, ist durch seine Reiserechnung überliefert, hierzu Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 68–85, besonders Tabellen 54, 55; ferner Urban (wie Anm. 1), S. 203. 129 Urban (wie Anm. 1), 203. 130 S. oben zu Anm. 109. 131 Zum Beispiel Posilge (wie Anm. 4), S. 157; s. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 137, 58. Die Reisen vom Marschall oder Hochmeister hatten dabei, verständlicherweise, mehr Mittel und Leute zur Verfügung. 132 So etwa 1392: Und mit des meisters wissen tat her [Vytautas] eyne gute reyse hin ken Medeniken, und hatte vil geste mit ym […], Posilge (wie Anm. 4), S. 179. 133 Ebd., S. 165–66. Koordinierte Angriffe gleichzeitig von Preußen und Livland aus waren üblich, s. zum Beispiel ebd., S. 225–26. 134 Ebd., S. 89–90, 139; ebd, S. 135, erwähnt er sogar Kontingente aus den Nedirlanden, Crispurg, Elbing und Osterode. 135 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 137. 136 Posilge (wie Anm. 4), S. 194, 196; vgl. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 154. 137 Posilge (wie Anm. 4), S. 167. 138 Ebd., S. 106, Albrecht III. von Österreich kommt mit 2000 Pferden; ebd., S. 189, ein rytende heer.

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Marschall entschied sich aber weiterzuziehen.139 Als der Marschall davon erfuhr, dass Skirgal die Hauptfurten der Neris blockierte,140 ließ er die Schiffe auf der Memel weiterfahren, während er mit den Besten des Heeres durch die Wildnis Richtung Kaunas ritt und den nicht darauf gefassten Skirgal angriff. Skirgal kam kume dovan, erlitt große Verluste. Dry herczogen und eylff bayoren, welche man direkt nach Preußen sandte, wurden gefangen genommen und 200 gesattelte Pferde weggeführt.141 Das Heer zog weiter vor Vilnius, wo es, nach dem Bau von zwei Brücken über die Neris, am 4. September die Belagerung mit buchszen, bliden und tumeler[n] begann.142 Von den drei Burgen der Stadt konnte das Heer trotz fünfwöchiger Belagerung lediglich das obirste hus gewinnen, welches aber immerhin grose kouffenschatz enthielt.143 Von den Menschen auf der Burg wurden über 2000 gefangen und geslagen und unczelich verbrannt.144 Bei der Erstürmung der Burg taten sich besonders die englischen Gäste hervor.145 Während der Belagerung mochte man sicher von dem here rytin bynnen sechs mylen und holen, was man bedorfte, ungehindert, und es scheint sich geradezu ein Markt zwischen Belagerern und der umliegenden Bevölkerung gebildet zu haben.146 Als das pulver also gar vorschossen und ander ding vorthan waren, rückte das Heer wieder ab.147 Insgesamt stellte der Ausgang eine Niederlage für Vytautas’ Pläne dar. Posilge hingegen stellt die Reise keineswegs als einen Fehlschlag dar. Vielmehr geschah alles mit der hulfe und willen des herren.148 Denn es gab, Posilge zufolge, mit nur 30 Toten äußerst wenige Verluste zu beklagen.149 Die Dauer der einzelnen Reisen konnte nur wenige Tage, aber auch, wie bei obigem Beispiel, mehrere Wochen betragen, abhängig von den Wetterbedingungen, der Größe des Heeres und dem Ziel der Reise beziehungsweise dem Reisetyp.150 Die genaue Größe des Ordensheeres, oder auch der Litauer und Samaiten, wird nur selten genannt, typischer sind Formulierungen, in denen von 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150

Ebd., S. 165; Urban (wie Anm. 1), S. 203. Posilge impliziert Späher, erwähnt sie aber nie direkt: Nu wart yn czu wissen […], S. 165. Posilge (wie Anm. 4), S. 165; vgl. Urban (wie Anm. 1), S. 204. Posilge (wie Anm. 4), S. 166. Ebd.; Urban (wie Anm. 1), S. 204; Kiaupa (wie Anm 121), S. 88. Ebd. – Zu den Kriegsgefangenen und der Beute vgl. unten zu Anm. 202–28. Posilge (wie Anm. 4), S. 167; bei dem groszim geschefte dürfte es sich um das Lancaster Banner handeln, das durch einen englischen Soldaten als erstes auf der Mauer war, s. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 153, 162. Posilge (wie Anm. 4), S. 166; in deme here was genug futers und spyse von fleysche und mels, das dy Littowen und Samaythin czufurten; vgl. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 99. Posilge (wie Anm. 4), S. 166. Ebd., S. 167. Ebd. S. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 20–45. Tabelle 49; Benninghoven, Technik (wie Anm. 5), S. 636.

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eyme groszin here die Rede ist.151 Als Transportmittel dienten im Sommer Schiffe und, je nach Reisetyp, auch Pferde, im Winter lediglich Pferde und Wagen beziehungsweise Schlitten.152 Posilge erwähnt lediglich Pferde und Schiffe. Wagen, oder gar Schlitten tauchen bei ihm nicht auf. Wie sich an diesem Beispiel zeigt, erwähnt Posilge zwar wenig über den Aufbau der Reisen, weiß oft aber über deren genaueren Ablauf Bescheid. Die Kriegsführung während des Konflikts lässt sich am besten, wie schon von Paravicini unternommen, nach ihrem Ziel in Reisetypen einteilen.153 Diese sind jedoch nicht immer scharf voneinander zu trennen, da beispielsweise auch während einer Baureise Gebiete verheert wurden.154 Die im Konflikt des Deutschen Ordens mit Litauen, also auf den Litauenreisen, häufigste und damit wohl charakteristischste Form der Konfliktaustragung war die Verheerungsreise, beziehungsweise der Verheerungsfeldzug.155 Der Verheerungsfeldzug war jedoch keineswegs eine lediglich auf diesen Konflikt beschränkte Besonderheit, sondern eine gängige Vorgehensweise in Konflikten im gesamten (spät)mittelalterlichen Europa.156 Die Historiographie des Mittelalters, und besonders die preußische,157 hebt diese Form des Krieges dementsprechend selten hervor oder hinterfragt diese gar. Es wird stattdessen geradezu beiläufig davon berichtet, so auch bei Johannes von Posilge. Ein Beispiel hierfür ist sein Bericht über die Reise des livländischen Ordensmeisters 1386: Her [der meyster von Lyfland] vorherte achczen lendechin, und was im lande dry wochen, und quam uf die brende czur Aschmynne, do die von Pruszen geherth hatten dorvor in deme herbest, und furtin von dannen boben IIIM mensche gefangen, und bobin IIM pferd, und slugen vil lute und vorbranten czwe huser.158

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Posilge (wie Anm. 4), S. 82. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 77–78. S. ebd., S. 52–66. Posilge (wie Anm. 4), S. 129–30; ebd., S. 172–73, finden sich Verheerung, Belagerung und Bau, alles auf einer Reise. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 58. Von den von Paravicini erfassten 307 Reisen sind 127 ganz oder teilweise dem Typus Verheerungsreise zuzuordnen. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 57–58. – Aufgrund dieser aus der Sicht des 19. und 20 Jahrhunderts eher unrühmlichen Form der Kriegsführung wurden (und werden) die Verheerungsfeldzüge häufig von der Kriegsgeschichtsforschung nicht beachtet, da sie in deren vor allem durch Feldschlachten geprägtem Kriegsbild keinen Platz fanden, beziehungsweise weil man neben roher Gewalt keinen tieferen Sinn erkennen konnte, vgl. Benninghoven, Technik (wie Anm. 5), S. 634, sowie Hartmut Boockmann, Der Deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, 5. Aufl. München 2012, S. 156–57. Vgl. etwa Katrin Bourée, Gewalt gegen Bekehrte? Der Konflikt des Deutschen Ordens mit Polen-Litauen nach 1386, in: Schwertmission. Gewalt und Christianisierung im Mittelalter, hrsg. Hermann Kamp, Martin Kroker, Paderborn 2013, S. 181–204, hier S. 187, Anm. 21. Posilge (wie Anm. 4), S. 145; lendechin entspricht wohl lat. territorium, s. hierzu auch Krumbholtz, Samaiten (wie Anm. 7) 26, S. 198–99.

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Übergeordnetes Ziel der Verheerungsfeldzüge war es, durch langfristige wirtschaftliche Schwächungen dem Gegner und seinen Untertanen dessen Ohnmacht und die eigene Dominanz zu zeigen – „vornehme Bajorenfamilien sollten auswandern, oder gar überwechseln, Taufe und Herrschaft des Deutschen Ordens sollten angenommen werden“.159 Dieses Ziel sollte, wie sich am obigen Beispiel gut zeigen lässt, durch eine wiederholte Schwächung des Gegners in Form von Totschlag und Gefangennahme von Mensch und Tier, dem Zerstören und Niederbrennen von Gebäuden, Burgen, Vorräten und der Ernte geschehen.160 Diese brutale Art der Kriegsführung war für die Zeitgenossen einerseits nicht besonders, da das Mittelalter generell keine Trennung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten kannte, und andererseits so lange für die mitreisenden Ritter nicht verwerflich, wie der Krieg gegen Heiden geführt wurde, diese sich also nicht an einen ritterlichen Verhaltenskodex halten mussten.161 Nicht nur der Orden bediente sich dieser Form des Krieges, sondern auch die Litauer, denn in der baltischen Region wurde dies schon seit Jahrhunderten so praktiziert.162 Die Verheerungsreisen fanden meist, jedoch nicht ausschließlich, im Winter statt, da so die Flüsse und Sümpfe ohne Hilfe von Schiffen zu überqueren waren und dies die unkomplizierte Mitnahme von Pferden und Wagen oder Schlitten ermöglichte, auf denen die Vorräte sowie die Beute und die Gefangenen transportiert wurden.163 Vorteil eines Angriffes im Sommer war ein kleinerer Versorgungstross, da man „Getreide und Futter auf dem Halm vorfand“.164 Paravicini unterscheidet dabei zwischen den großen Verheerungsreisen mit Gästen und den kleinen, meist nur von lokalen Aufgeboten durchgeführten, Streifzügen durch die Wildnis und Angriffe auf nicht vorgewarnte Siedlungen.165 Posilge berichtet ausschließlich über die ,großen‘ Verheerungsreisen.166 Traf es den Verteidiger unvorbereitet, so musste dieser zunächst seine Truppen sammeln, bevor er etwas unternehmen konnte. Meist versuchte man den Feind auf dem Rückweg entweder zu stellen, um zumindest einen Teil der Beute abzujagen, und / oder die aufgeteilten Kräfte des Angreifers einzeln anzugreifen.167 Während des Baus der Burg Marienwerder 1384 zogen mehrere kleine Gruppen, darunter auch eine unter Leitung des Komturs von Ragnit, aus Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 57–58. Ein Beispiel hierfür findet sich bei Posilge (wie Anm. 4), S. 228. Boockmann, Der Deutsche Orden (wie Anm. 156), S. 156–57, 168. Ekdahl, Warfare (wie Anm. 5), S. 1246. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 55; Housley (wie Anm. 1), S. 339–40. Benninghoven, Technik (wie Anm. 5), S. 636. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 58–59. Vgl. hierzu die von Paravicini, ebd., Anm. 129, aufgeführten Reisen mit Tabelle 49, ebd. S. 20–41. 167 Benninghoven, Technik (wie Anm. 5), S. 639.

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und plünderten die umliegenden Dörfer.168 Die Gruppe des Komturs zog mit eyme rytendin here […] ken Wilkenberg und herto aldo; adir Wythaut was nicht mete yn.169 Dabei versäumte er es, die herannahenden Litauer zu bemerken, was zu einer Niederlage sowie zu seinem Tod und dem weiterer Ordensritter und Gäste Tod führte. Posilge ist sich sicher : Werin sie blebin mit eynander ungeteylit, yn hette nicht geschelit.170 Diese Gegenangriffe der Litauer und Samaiten erfolgten häufig in Form von Hinterhalten in Wäldern und Sümpfen, wie es Posilge auch schildert.171 Wurde das anrückende Ordensheer durch ein Art Grenzwarnsystem früh genug erkannt, versuchte man die Bevölkerung rechtzeitig zu warnen und zusammen mit den Wertsachen und dem Vieh zu evakuieren.172 Dies schlägt sich auch in den Berichten Posilges nieder. So berichtet er über eine Reise des Hochmeisters im Juni 1399, bei der kaum Gefangene gemacht wurden, dass sich die Bevölkerung bereits in dy brucher, welde und heyne in Sicherheit gebracht hatte, wo man ir nicht mochte gehabin.173 Optimalerweise sollte der Feind jedoch gar nicht erst in das Land kommen, sondern vorher schon abgefangen werden.174 Bei den von Posilge als gute reyse175 betitelten Reisen handelt es sich ausschließlich um besonders erfolgreiche Verheerungsreisen, bei denen es also viele Tote und reiche Beute, d. h. viele Gefangene und Vieh, gab.176 Sowohl der Orden als auch die Litauer und Samaiten versuchten ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die Grenzstreifen durch den Bau von Burgen zu kontrollieren und zu sichern.177 Es sollten dadurch feindliche Angriffe gestoppt sowie eigene ermöglicht und unterstützt werden. Damit die Bauarbeiten und der Transport der Baumaterialien mit Schiffen nicht durch Schnee und Eis behindert wurden, wurden die Baureisen ausschließlich im Herbst oder Sommer durchgeführt.178 Über den Bau Marienwerders 1384 berichtet Posilge, 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177

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Posilge (wie Anm. 4), S. 129–30; Urban (wie Anm. 1), S. 177–78. Posilge (wie Anm. 4), S. 130. Ebd. Benninghoven, Technik (wie Anm. 5), S. 640; Beispiele wären Posilge (wie Anm. 4), S. 196, 214. Benninghoven, Technik (wie Anm. 5), S. 639. Posilge (wie Anm. 4), S. 228. Er berichtet weiterhin immer wieder, dass es die Litauer bzw. Samaiten, aber auch den Orden, ungewarnit traf, so etwa ebd., S. 189. Ebd., S. 137. Ebd., S. 83, 107, 110, 116, 156, 157, 178–79, 206. Vgl. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 57; Bourée (wie Anm. 157), S. 187, Anm. 21. Friedrich Benninghoven, Die Burgen als Grundpfeiler des spätmittelalterlichen Wehrwesens im preußisch-livländischen Deutschordensstaat, in: Die Burgen im deutschen Sprachraum. Ihre rechts- und verfassungsgeschichtliche Bedeutung, Bd. I (=Vorträge und Forschungen, Bd. 19), hrsg. Hans Patze, Sigmaringen 1976, S. 565–601, hier S. 570, 576–77 für Aufgaben und Wirkungsweise des Burgensystems; s. auch Christiansen (wie Anm. 1), S. 162–63. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 60.

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wie man unter großen Anstrengungen czigel und kalk dorczu furte us dem lande [Preußen] und die Burg innerhalb von drei Wochen baute.179 Zu Ehren der helfenden Gäste wurden die neu gebauten Burgen teilweise nach ihnen benannt oder ihnen zu Ehren mit deren Banner ausgestattet.180 Nicht immer berichtet Posilge über die genaueren Umstände des Baus.181 Während des Baus schwärmten häufig Ordenskontingente aus und verheerten die Umgebung,182 eine kleinere Truppe blieb jedoch stets bei der Baustelle.183 Die wie Marienwerder tief in der Wildnis erbauten Burgen konnten sich jedoch meist nicht lange halten.184 Mit der Sommerreise und der Belagerung von Vilnius 1390 ist bereits die größte beziehungsweise längste Belagerung der Litauenreisen genannt und dargestellt.185 Ziel der Belagerungen des Deutschen Ordens waren die Burgen am Unterlauf der Memel und, ab den 1360er Jahren, vor allem Kaunas, Trakai, Vilnius und Garten, 1369 auch Gotteswerder, eine vom Orden erbaute, aber von den Litauern erbeutete Burg.186 Man reiste hierfür größtenteils mit dem Schiff, also meist im Sommer oder Herbst, da dies einen einfacheren Transport der Belagerungsgerätschaften ermöglichte.187 Neben blyden und tummlern setzte der Orden ab spätestens 1374, nach Posilge bereits 1362,188 auch Feuerwaffen ein. Nach der Errichtung eines sicheren Lagers wurde das hus Tag und Nacht angegriffen, bis eine Bresche in die Mauer geschlagen, die Burg eingenommen und im

179 Posilge (wie Anm. 4), S. 129–30. 180 Ebd., S. 172–77; zu Ehren des Markgrafen von Meißen werden dessen Banner 1391 auf den Mauern der neu gebauten Burgen angebracht, vgl. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 63–64. 181 Posilge (wie Anm. 4), S. 220–21, Bau der Angerburg durch den Marschall und von Lyk, durch den Komtur von Balga. 182 Wie im Fall des Komturs von Ragnit, der, wie erwähnt, von den Litauern gestellt und getötet wurde, s. Posilge (wie Anm. 4), S. 130. 183 Beim Bau von Ritterswerder hatte der Hochmeister kume IIIC man gewopent by ym uffim werder, vgl. ebd., S. 193–94. 184 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 61–63; vgl. Benninghoven, Burgen, S. 573, Abb. 5. 185 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 59. 186 Ebd.; s. Posilge (wie Anm. 4), S. 88, kurzer Bericht über Bau, anschließenden Verlust und Wiedereinnahme Gotteswerders. 187 Posilge (wie Anm. 4), S. 81, wäre ein weiteres Beispiel: Anno domini (13)62 yn der vasten czoch usz zu schiffe mit eyme groszin here, unde alle die geste die zu Kongsberg woren […]. 188 Posilge (wie Anm. 4), S. 81–82. – Der Bericht über die Belagerung von Kaunas 1362 bringt die erste Nennung von Feuerwaffen (hier lothebuchszen) im Gebrauch des Ordens, gesichert nachweisbar sind diese aber erst seit 1372, s. Volker Schmidtchen, Die Feuerwaffen des Deutschen Ritterordens bis zur Schlacht bei Tannenberg 1410. Bestände, Funktion und Kosten, dargestellt anhand der Wirtschaftsbücher des Ordens von 1374 bis 1410, Lüneburg 1977, S. 24–26; Die Litauer verwendeten Posilge zufolge dieselben Belagerungswaffen, s. etwa Posilge (wie Anm. 4), S. 135–36.

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Anschluss fast immer niedergebrannt wurde.189 Teilweise verließen die Litauer die Burgen auch gleich und verbrannten sie, wenn sie sahen, dass das Ordensheer zu groß war.190 Durch die Zerstörung der Burgen sollte der Weg in das Feindesland geöffnet beziehungsweise freigehalten191 und die Wehrfähigkeit des Landes geschwächt werden. Ähnlich gingen auch die Litauer und Samaiten vor. Die Einfälle des Ordens in Litauen hatten häufig einen direkten Vergeltungsschlag seitens der Litauer und Samaiten zu Folge.192 Bei ihren Angriffen gingen sie meist genauso vor wie der Orden.193 Die Zahl der Angriffe vom Orden und von den Litauern war annähernd gleich, wobei der Orden einige wenige mehr ausführte.194 Bei den Angriffen schildert Posilge häufig, wie geschickt, geradezu listig, die Litauer dabei vorgingen.195 Als Maßnahme gegen diese Angriffe gab es die „Landwehr“, wenn ein Angriff vermutet wurde und um das Land zu schützen, während das Ordensheer auf Reise war, und „Geschrei“, wenn ein Angriff tatsächlich oder gerüchteweise im Gange war.196 Schon oder noch in Preußen befindliche Gäste nahmen auch an diesen defensiven Aktionen teil.197 Eines der größten Beispiele ist die Schlacht von Rudau 1370, als Marschall Henning Schindekopf ein großes litauisches Heer, unter anderem auch mit Hilfe von Gästen, welche Posilge nicht erwähnte, bei Rudau stoppen, in die Flucht schlagen und somit eine größere Verwüstung des Samlands verhindern konnte.198 Ziel einer „defensiven“ Reise konnte aber auch, wie 1384, die Entsetzung einer belagerten Burg sein.199 Posilge verurteilt die Angriffe der Litauer auf Preußen ebenso wenig, wie die Angriffe des Ordens auf Litauen,200 wobei er deutlich mehr Angriffe des Ordens erwähnt. 189 Posilge (wie Anm. 4), S. 82. Als Vorsichtsmaßnahmen gegen mögliche Angriffe und Ausfälle der Belagerer, nennt Posilge hier lantweren unde […] gutin grabin, das nymant mocht uf sie gerynnen. 190 So zum Beispiel 1390 Kiernovo, Posilge (wie Anm. 4), S. 162–63. 191 Posilge (wie Anm. 4), S. 187, die Zerstörung einer vom Herzog von Masowien gebauten Burg durch den Orden begründet Posilge damit, dass dy Littowin vil warnunge dovon hettin gehat. 192 Zum Beispiel Posilge (wie Anm. 4), S. 189. 193 Ein Beispiel wäre der Angriff der Litauer im Juni 1376, s. Posilge (wie Anm. 4), S. 100–01. 194 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 111. 195 Vgl. Posilge (wie Anm. 4), S. 110–11, oder die Berichte über den ersten Verrat des Ordens durch Vytautas, ebd., S. 131–34. 196 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 66. 197 Ebd., so auch Heinrich von Derby nach seiner Reise 1390; Posilge erwähnt diese längeren Aufenthalte der Gäste nicht. 198 Posilge (wie Anm. 4), S. 88–89; s. Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 29, Tabelle 49, S. 111; Krumbholtz, Samaiten (wie Anm. 7), 26, S. 478. 199 Posilge (wie Anm. 4), S. 135–36. 200 Anders zum Beispiel Peter von Dusburg, welcher „Verrat und die Grausamkeiten der Deutschordensritter [billigt] und […] erbarmungslos die gleichen Taten der heidnischen Gegner [verurteilt]“ (Trupinda 1999 zitiert nach Ekdahl, Dilemma (wie Anm. 2), S. 192).

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Die nach Posilge auf den Reisen gewonnene Beute waren fast ausschließlich Menschen, Vieh und Pferde.201 Mit der Frage der Kriegsgefangenen während des Konflikts zwischen dem Deutschen Orden und Litauen haben sich neben Werner Paravicini202 vor allem Sven Ekdahl und Alvydas Nikzˇentaitis in zwei kleineren Aufsätzen beschäftigt.203 Die preußische Historiographie berichtet oft geradezu beflissentlich über die Zahl der während der Litauenreisen des Ordens Gefangenen, aber auch während der Angriffe auf das Ordensland durch die Litauer.204 Die meisten Gefangenen wurden während der oben bereits thematisierten Verheerungsfeldzüge (sowohl durch den Orden als auch durch die Litauer) gemacht.205 Posilge nennt meist, aber nicht immer, eine Anzahl.206 Nach Paravicini zählen die Chroniken insgesamt an die 200.000 litauische (und russische) Gefangene auf,207 zwischen den Jahren 1368–1378 alleine wurden Posilge und Hermann von Wartberge zufolge jährlich 830 Gefangene gemacht.208 Dies alles spricht für Ekdahls These, Menschen seien die wichtigste Beute der Kriegszüge des Deutschen Ordens, aber auch der Litauer gewesen.209 Während zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Mitführung von möglichst vielen Gefangenen für den Orden von geringerer Wichtigkeit war, änderte sich dies seit der Mitte des 201 Beispielhaft wäre z. B. eine Reise von Livland aus 1381, Posilge (wie Anm. 4), S. 116: Sie vingen wol VIIC mensche und irkregen wol XIIIIC pfert. 1390 hebt er hervor, dass es sich bei den erbeuteten Pferden um bereits gesattelte Pferde handelt (ebd., S. 165). 1392 erwähnte er etwa, dass die Reisenden groszin roub [nomen], um was es sich neben den danach erwähnten Gefangenen handelt erwähnt er nicht (ebd. S. 177); ebd. S. 166 im August 1390, grose kouffenschatz. 202 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 101–04, Anm. 442, 446 für Behandlung des Themas durch ältere Forschung. 203 Sven Ekdahl, The Treatment of Prisoners of War during the Fighting between the Teutonic Order and Lithuania, in: The Military Orders. Fighting for the Faith and Caring for the Sick, hrsg. M. Barber, Aldershot u. a. 1994, S. 263–69; Alvydas Nikzˇ entaitis, Prisoners of War in Lithuania and the Teutonic Order State [1283–1409], in: Ordines Militares – Coloquia Torunensia Historica X. Der Deutsche Orden in der Zeit der Kalmarer Union 1397–1521, Torun 1999, S. 193–208; auch Benninghoven, Technik (wie Anm. 5) setzt sich ein wenig mit den Gefangenen auseinander, ebenso William Urban in seinen drei Monographien zu den Baltischen Kreuzzügen. Ferner seien noch zwei Aufsätze zu den Gefangenen des Krieges zwischen Polen-Litauen und dem Orden 1409–1411 von Pelech (1987) und Jós´wiak (2010) erwähnt, die hier nicht herangezogen werden konnten. 204 Ekdahl, Prisoners (wie Anm. 203), S. 265. 205 Nikzˇ entaitis, Prisoners (wie Anm. 203), S. 198–95. 206 So zum Beispiel Posilge (wie Anm. 4), S. 185. 207 Werner Paravicini, Edelleute, Hansen, Brügger Bürger : Die Finanzierung der westeuropäischen Preußenreisen im 14. Jahrhundert, in: Hansische Geschichtsblätter, Bd. 104 (1986), S. 5–19, hier S. 11. 208 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 100. 209 Sven Ekdahl, Die preußisch-litauischen Beziehungen des Mittelalters. Stand und Aufgaben der Forschung in Deutschland, in: Deutschland und Litauen. Bestandsaufnahmen und Aufgaben der historischen Forschung, hrsg. N. Angermann und J. Tauber, Lüneburg 1995, S. 31–44, hier S. 41.

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14. Jahrhunderts.210 Der ausbleibende Strom von Siedlern aus dem Reich, die stetig wachsenden Städte und die Pest, sorgten besonders, aber nicht ausschließlich,211 in der Agrarwirtschaft für einen höheren Bedarf an human resources, und der Orden konnte diese Lücke unter anderem mit Gefangenen aus Litauen füllen.212 Ekdahl sieht daher einen Zusammenhang zwischen dem erhöhten Bedarf von Siedlern und der Intensivierung des Konfliktes zwischen Litauen und dem Orden ab der Mitte des 14. Jahrhunderts. Für ihn ermöglichte die große Zahl der Gefangenen erst das Aufblühen der Landwirtschaft im Ordensland.213 Die Gefangenen beider Seiten konnten sich zu Beginn des Konflikts nicht sicher sein, ob sie überleben würden, da beide Seiten zunächst keinen wirklichen Nutzen aus den Gefangenen ziehen konnten.214 Mit der Zeit, spätestens seit der Mitte des Jahrhunderts, änderte sich dies jedoch, einerseits durch den neuen Bedarf an Menschen in der Region, und andererseits durch eine kulturelle Annäherung an das christliche Rittertum auf Seiten des litauischen Adels.215 Ein Zeugnis für diese Veränderung sind die ab 1369 überlieferten Berichte über Gefangenenaustausche zwischen den beiden Parteien.216 Posilges erster Bericht über einen Gefangenenaustausch erfolgt 1371: In desim jare was nicht vil gescheftes, wend das man losunge machte mit Kinstod umb die gefangen.217 Über den genaueren Vorgang des Austausches, oder gar über die Summen, welche etwa durch das Tresslerbuch gut überliefert sind,218 berichtet Posilge nichts. Nicht nur aus den zu zahlenden Summen, sondern auch aus der 210 Nikzˇ entaitis, Prisoners (wie Anm. 203), S. 196. 211 Nikzˇ entaitis, Prisoners (wie Anm. 203), S. 202; auch in Städten wurden die Gefangenen als Arbeitskraft verwendet. 212 Ekdahl, Prisoners (wie Anm. 203), S. 266. 213 Ebd., s. dazu Alvydas Nikzˇ entaitis, Die friedliche Periode in den Beziehungen zwischen dem Deutschen Orden und dem Großfürstentum Litauen (1345–1360) und das Problem der Christianisierung Litauens, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, NF Bd. 41 (1993), S. 1–22; Ekdahl, Dilemma (wie Anm. 2), S. 195. 214 Nikzˇ entaitis, Prisoners (wie Anm. 203), S. 195–96. 215 Ebd., S. 196; Petrauskas, Litauen und der Deutsche Orden (wie Anm. 83), S. 240–41; s. hierzu vertiefend Werner Paravicini, Litauer: vom heidnischen Gegner zum adligen Standesgenossen, in: Tannenberg – Grunwald (wie Anm. 5), S. 253–70. 216 Ekdahl, Prisoners (wie Anm. 203), S. 267. 217 Posilge (wie Anm. 4), S. 91; Hierbei könnte es sich um einen anderen Gefangenenaustausch, oder aber um eine andere Datierung des „ersten“, laut Hermann von Wartberg, 1369 stattgefundenen Gefangenenaustausches handeln, s. Nikzˇ entaitis, Prisoners (wie Anm. 203), S. 196. 218 S. hierzu Nikzˇ entaitis, Prisoners (wie Anm. 203), S. 201–02; Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 103–04. – Es bürgerten sich „Tarife“ ein: Für einfache Leute beiderlei Geschlecht zahlte der Marschall 1404 2–4 pr. m., was dem „Wert von ein bis zwei Rindern, oder zwei bis vier einfachen Pferden“ entspricht; s. auch Jürgen Sarnowsky, Die Wirtschaftsführung des Deutschen Ordens in Preußen (1382–1454) (Veröffentlichungen aus den Archiven Preussischer Kulturbesitz, 34), Köln, Weimar, Wien 1993, S. 692 Tabelle 120, Ausgaben für Gefangene 1399–1443.

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Erwähnung in den Chroniken geht jedoch eine hohe Bedeutung der Kriegsgefangenen als Arbeitskraft hervor, von den noch höheren Summen für adlige Gefangene ganz zu schweigen.219 Während die Gefangenen also einen größeren wirtschaftlichen Wert für den Orden gehabt haben dürften, darf aber auch der mögliche Vorteil bei Verhandlungen, welchen besonders hochrangige Gefangene darstellten, nicht außer Acht gelassen werden.220 Adlige oder genauer höhergestellte Kriegsgefangene erwähnt Posilge auf der Reise im August 1390, allerdings lässt sich über ihr Schicksal und das der anderen Gefangenen nichts weiter in Erfahrung bringen.221 Die ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts überlieferte Praxis, gelegentlich gefangene Litauer, besonders im Beisein von Gästen, zu taufen,222 taucht bei Posilge nicht auf. Im Gegensatz zu anderen Chroniken sind Posilges Berichte auch unklar, was die Praxis beider Seiten betrifft, Gefangene „durch das Schwert laufen“ zu lassen,223 also zu töten, wenn diese zum Beispiel sonst einen schnellen Rückzug behindern würden.224 Das Töten der Männer und die alleinige Mitnahme von Frauen und Kindern, von denen geringerer Widerstand während der Gefangenschaft zu erwarten war, wird ebenso wenig erwähnt.225 So ist über die nach einer Belagerung im Februar 1381 gemachten Gefangenen die Rede von man und wip und kint, die das meiste allir gefangen wordin und weggefurt, und das hus wart vorbrant.226 Wie genau die Gefangenen transportiert wurden, wird nicht ersichtlich. Ekdahl geht davon aus, dass die Gefangenen auf die Städte, Burgen und landwirtschaftlichen Besitzungen des Ordens und des ländlichen Adels aufgeteilt wurden, wo sie verschiedene Aufgaben, hauptsächlich, wie erwähnt, in der Agrarwirtschaft, erfüllen sollten.227 Posilge berichtet über eine solche Aufteilung der Gefangenen, die der Orden

219 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 104 Anm. 465. 220 Hannelore Zug Tucci, Kriegsgefangenschaft im Mittelalter. Probleme und erste Forschungsergebnisse, in: Krieg im Mittelalter, hrsg. Hans-Henning Kortüm, Berlin 2001, S. 123–40, hier S. 125. 221 Posilge (wie Anm. 4), S. 165, […] und vingen dry herczogen und eylff bayoren; die santhen sy heym ken Pruszen. Interessant ist auch Posilges Erwähnung eines Ritters aus Brabant, welcher auf einer Reise im Frühjahr 1400 in Samaiten befreit wurde und wohl auf einer Reise in den vorherigen Jahren dort gefangen genommen worden war, ebd., S. 236. 222 Nikzˇ entaitis, Prisoners (wie Anm. 203), S. 195. 223 Ekdahl, Prisoners (wie Anm. 203), S. 266. 224 Nikzˇ entaitis, Prisoners (wie Anm. 203), S. 195. Dies geschah nicht nur durch den Orden, sondern wurde auch von den Litauern ausgeübt. Inwiefern die 2000 Menschen aus der Reise von 1390, Posilge (wie Anm. 4), S. 166, „gefangen und dann getötet“ oder gefangen oder getötet wurden ist m. E. nicht ganz klar. 225 Benninghoven, Technik (wie Anm. 5), S. 637–38; Ekdahl, Prisoners (wie Anm. 203), S. 266. 226 Posilge (wie Anm. 4), S. 115. 227 Ekdahl, Prisoners (wie Anm. 203), S. 266.

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nach der Schlacht bei Rudau vornahm, die gefangen brochte man in das land unde teylte sie vaste uf die huser.228 Wie deutlich wird, handelte es sich bei der genauen Buchführung der Gefangenenzahlen in der Chronik also nicht um eine „Marotte des Chronisten, sondern [um] die Dokumentation des wirtschaftlichen Gewinns, den der Feldzug dem Ordensland eingetragen hatte“.229 Neben der Beute waren vor allem die Gäste der wichtigste wirtschaftliche Aspekt der Litauenreisen. Einerseits kann man sie durchaus als kostengünstige Söldner bezeichnen,230 andererseits kam mit dem Adel aus ganz Europa ein enormes Finanzpotenzial mit nach Preußen.231 Nicht nur Königsberg, das wohl unter den preußischen Städten von den Reisen den größten Nutzen hatte, sondern auch die Zwischenstationen der Gäste auf dem Weg dorthin, Marienburg, Danzig, Elbing und Thorn, profitierten davon. Schon dort wurde Proviant eingekauft, und es wurden Anleihen bei Kaufleuten genommen.232 In Königsberg verweilten die Gäste am längsten, sie quartierten sich in Herbergen und Wirtshäusern ein, unternahmen während der „Königsberger Saison“ diverse höfische Aktivitäten und bereiteten sich auf die (hoffentlich) bevorstehende Reise vor.233 Die genaueren Summen sind dabei durch die heute noch erhaltenen, häufig sehr präzisen, Reiserechnungen der fürstlichen Gäste überliefert. Bei Posilge lässt sich dies alles nur erahnen. Die einzige Auskunft über Vorbereitungen der Gäste sind die bereits erwähnten Vorbereitungen Heinrichs von Derby 1390.234 Die Gäste selber konnten sich keinen wirtschaftlichen Gewinn aus den Reisen erhoffen. Sie kehrten nach den Reisen meist hochverschuldet in ihre Heimat zurück.235 *** Die Taufe Jagiełłos 1386 und die damit einhergehende neue christliche Identität Litauens stellten den Orden und letztlich auch seine Historiographie vor ein existenzielles Problem. Man musste sich nun mit dem Vorwurf des Einsatzes von 228 Posilge (wie Anm. 4), S. 91; ähnlich Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 102, Landmeister von Livland in einem Brief an den Hochmeister 1411. 229 Mentzel-Reuters, Kriegsziele (wie Anm. 11), S. 98. 230 Ekdahl, Dilemma (wie Anm. 2), S. 191; Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 138–39. – Abgesehen von Ehrengeschenken und Gastmählern hatte der Orden kaum Ausgaben wegen der Gäste, s. etwa ebd. I, S. 276–77. 231 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 174: Für dieselbe Summe, die Heinrich von Derby seine beiden Reisen kosteten, „erpfändete der Deutsche Orden ganz Gotland“. 232 Paravicini, Preußenreisen, I (wie Anm. 1), S. 265–72; Ekdahl, Dilemma (wie Anm. 2), S. 191. 233 Paravicini, Preußenreisen, II (wie Anm. 1), S. 68–85, 281–310. 234 S. Posilge (wie Anm. 4), S. 164: Pferde werden in Danzig gekauft, und Heinrich schickte sich dorczu zu reisen. 235 Tyerman (wie Anm. 124), S. 272.

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unrechtmäßiger Gewalt gegen Christen auseinandersetzen, also dem genauen Gegenteil der eigenen Stiftungsaufgabe.236 In Anbetracht dessen fällt Posilges knappe Darstellung der Hochzeit Jagiełłos und Hedwigs recht unspektakulär aus.237 Die Taufe wird nur kurz thematisiert und insofern negativ dargestellt, als dass einerseits hervorgehoben wird, dass Vytautas schon einmal getauft wurde – nämlich vom Orden –, und andererseits, dass die Taufe nur durch des bosen genyses willen der Polen geschieht.238 Zudem fällt Hedwig, welche auch sonst sehr positiv dargestellt wird, eine Art Opferrolle zu, wenn es heißt, dass die Polen die snodigkeit totin an irer eygenen vrowen.239 Eine unaufrichtige Konversion von Jagiełło ist jedoch nicht auszumachen. Jedenfalls spielt die nunmehr christliche Identität Litauens keine weitere Rolle in der Schilderung Posilges; einen Wendepunkt in der Darstellung der Reisen stellt das Jahr 1386 also nicht dar. So erhält der Orden laut Posilge noch immer Hilfe durch Gott, dieser greift sogar direkt gegen die Litauen ins Geschehen ein und rettet den Hochmeister.240 Auch erhalten einige Reisen noch immer die Bewertung einer guten Reise. Auch die Gäste bleiben zunächst nicht von Preußen fern – dies tun sie erst, als Krieg in Böhmen und in Ungarn gegen die Torken herrschte –,241 nicht aber, weil der Orden nun gegen christliche Feinde kämpfte. Einzig die ohnehin raren indirekten Gegenüberstellungen von cristen und Litauern finden sich nur vor 1386.242 Insgesamt könnte dies alles entweder dafür sprechen, dass Posilge die Reisen nicht als abhängig vom Glauben der Gegner ansah, oder, dass er sich schlicht nicht über die Tragweite der Taufe Litauens bewusst war. Ebenso wenig spielt das Verbot der Reisen durch Wenzel eine Rolle. Nach dem Bündnis mit Polen schrieb Wenzel 1395, wie Posilge schon zum Jahr 1394 berichtet, dem Hochmeister und gebot, das her nicht sulde herin dy lant czu Littowen und Russin.243 Nachdem man sich darüber beraten hatte, zog man jedoch weiterhin nach Litauen und das Verbot wird nicht nochmals thematisiert. Was Wenzel betrifft, schließt sich Posilge der Meinung der anderen Historiographen an, so dass das Verbot schon dadurch als nicht gerade legitim erscheint. Denn er vergleicht Wenzel mit dem römischen Kaiser Nero,244 und er spricht weiterhin von dessen smoheyt und

236 Vgl. Bourée (wie Anm. 157), S. 194–95; Boockmann, Falkenberg (wie Anm. 8), S. 50–53. 237 Posilge (wie Anm. 4), S. 144–45. 238 Ebd., S. 142; ebd., S. 145 heißt es auch abschätzig: Der koning [Jagiełło] gab den Polan grose gobin, und dorumbe nomen sie yn deste liber czu eyme herin. 239 Ebd., S. 142. 240 Posilge (wie Anm. 4), S. 194. 241 Ebd., S. 195–96. 242 Wie oben zu Anm. 84. 243 Posilge (wie Anm. 4), S. 196–97; s. hierzu Boockmann, Der Deutsche Orden, S. 173; Militzer, Wandel (wie Anm. 8), S. 158. 244 Posilge (wie Anm. 4), S. 103–04.

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bosheit.245 Dieses negative Bild könnte aber auch unmittelbar von Wenzels Bündnis mit Polen und dem daraus resultierenden Verbot der Reisen herrühren. Eine missionarische Absicht oder Aktivität des Ordens wird nur sehr zurückhaltend formuliert. Die Chronik findet zwar ihren Höhepunkt mit der Einnahme Samaitens, zuvor wird aber die Mission nur am Rande als ein Motiv des Ordens benannt. So wird beispielsweise die Taufe eines Sohnes von Kestutis erwähnt, jedoch keineswegs als ein Erfolg des Ordens hervorgehoben.246 Auf den Reisen selber spielt sie gar keine Rolle. Will man die Litauenreisen anhand der Darstellung Posilges als Kreuzzüge bezeichnen, scheint das, wenn überhaupt, nur bei einer sehr weiten Definition möglich zu sein.247 Es werden zum Beispiel bei Posilge keine Kreuzzugsprivilegien, keine Predigten auf der Reise und keine Gelübde der Gäste erwähnt, noch werden diese als Pilger charakterisiert. Auch der Heidenkampf lässt sich nur stellenweise wiederfinden, hauptsächlich gegen die Samaiten. Von einer Abwehr der Überfälle der Heiden als Kriegszweck kann nicht die Rede sein.248 Denn den Angriffen der Litauer und Samaiten wird keinerlei tiefere Bedeutung zugewiesen, und der Orden befindet sich insgesamt keineswegs in der Defensive. Die schlimmsten Feinde des Ordens scheinen nach Posilge zudem nicht die Litauer oder Samaiten, sondern vielmehr die Polen zu sein. Deutlich sind insgesamt langfristige wirtschaftliche Interessen und auch eine gewisse Abhängigkeit des Ordenslands von den Gefangenen und der Beute. Zum Teil wirken die Reisen aber auch so, als würden sie eher nur aus Gewohnheit als mit einem tatsächlich reflektierten Ziel stattfinden. Dies mag an der teils beiläufigen Erwähnung der Reisen liegen. So schildert Posilge auch Reisen, welche explizit nur auf Wunsch der Gäste stattfinden:

245 Ebd., S. 200; Kontext ist die Enthauptung von Steinmetzen in Prag sowie die Gefangennahme Jobsts von Mähren. 246 Ebd., S. 83; ebd., S. 125–27 wird die Taufe von Jagiełło und Skirgal als Bedingung für das Bündnis zwischen ihnen und dem Orden genannt; Jagiełło und Skirgal halten diese Bedingung jedoch nicht ein. Beim Bündnis zwischen dem Orden und Vytautas, ebd., S. 127, erwähnt er dessen Taufe auf den Namen Alexander nicht. Dies tut er erst bei der Taufe Jagiełłos, ebd., S. 144–45. 247 Eine grundsätzliche Definition findet sich zum Beispiel bei Philippe Buc, Heiliger Krieg. Gewalt im Namen des Christentums, Darmstadt 2015, S. 100: „In einem Kreuzzug kämpft die Christenheit gegen physische, äußere Feinde, gegen Laster im Inneren des Menschen sowie gegen heimtückische Menschen innerhalb der Christenheit, wie etwa ortsansässige Juden, falsche Glaubensbrüder (falsi fratres, siehe Galaterbrief 2, 4), verkommene Geistliche, Pervertierte und Häretiker – und gegen die Dämonen.“; Zu den verschiedenen Definitionen von Kreuzzügen nach den gängigen Forschungspositionen, s. zum Beispiel Helen Nicholson, The Crusades, Westport 2004, S. xl–xli. 248 Mentzel-Reuters, Kriegsziele (wie Anm. 11), S. 90.

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Item worin geste in desin czitin czu Pruszin, und hetten gerne gereyset; des czog der kompthur von Rangnith […] noch des meister wille und des marschalkes […] us dem lande, in dy reyse mit den gesten uf die Samaythin.249

Aus der Haltung der Gäste lässt sich ein gewisser höfisch-ritterlicher Charakter der Reisen erahnen. Posilge hebt dies jedoch nicht hervor, was daran liegen könnte, dass er das Meiste davon als selbstverständlich voraussetzt. Man könnte, wie es Bernhart Jähnig am Beispiel der Berichte über die Innenpolitik versucht hat,250 verschiedene Phasen in der Darstellung der Chronik unterscheiden und dadurch Rückschlüsse über die Autorschaft oder eine genauere Datierung der Chronik gewinnen; auch ein Vergleich mit den anderen zeitgenössischen Quellen wäre möglich. Insgesamt erweist sich die Chronik des Preußenlands von Johannes von Posilge, besonders ab 1375, jedoch schon aus der inneren Analyse als eine verlässliche, wertvolle Quelle, die die wichtigsten Litauenreisen nennt und häufig auch genauere Details bei deren Beschreibung bieten kann. So berichtet der Autor über die Ziele der jeweiligen Reise und die Beute, oft auch über die genauere Marschroute, die Weite der Verheerung und besondere Vorkommnisse. Wenig weiß er hingegen über den Aufbau und die Vorbereitungen der Reisen zu erzählen. Die Litauenreisen der Jahre 1360 bis 1401 erscheinen bei Posilge als ein gottgefälliger, primär aber weltlicher oder politischer Konflikt. Die Angriffe des Ordens und die der Litauer und Samaiten werden verlässlich zusammengestellt. Dabei verzichtet der Autor aber weitestgehend auf Wertungen, sondern erscheint fast als ein neutraler Beobachter.

249 Posilge (wie Anm. 4), S. 214–15. 250 Bei Jähnig, Innenpolitik (wie Anm. 14).

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Die gegenseitige Wahrnehmung des Deutschen Ordens und der Stände in Preußen in chronikalischen Quellen der Mitte des 15. Jahrhunderts

Was ist es nutze, es ist doch vergebens; weis ich doch wol, das sie zcusammen gewest zcur Mewe off dem schlosse und da sich vorbunden haben, welcher von in homeister wirt, der sal den bunt abbrengen, und solde man ouch das lant darumbe verlisen.1 Mit diesen pessimistischen Zukunftsvoraussagen soll Hochmeister Konrad von Erlichshausen nach der „Danziger Chronik vom Bunde“ im Jahre 1449 aus dem Leben geschieden sein. Auch die historische Forschung deutet das 15. Jahrhundert gemeinhin als Krisenzeit des Deutschen Ordens.2 Mit Hochmeister Paul von Rusdorf und dem Friedensvertrag von Melnosee habe der Abstieg begonnen.3 Sein Nachfolger, Konrad von Erlichshausen, konnte für eine kurze Periode des Friedens sorgen, weshalb er als „Friedensfürst“ in die Annalen der Geschichte einging, ehe unter Hochmeister Ludwig von Erlichshausen im Jahre 1454 der Dreizehnjährige Krieg zwischen den Ständen und dem Deutschen Orden ausbrach. Dieser Aufsatz beschäftigt sich mit der Entstehung und den Vorzeichen des Krieges, also der Zeit der Hochmeister von Paul von Rusdorf bis hin zu Ludwig von Erlichshausen. Im Zentrum des Aufsatzes soll die Frage nach der Wahrnehmung verschiedener Personengruppen anhand zweier Chroniken stehen, und zwar einer ordensnahen, nämlich der „Älteren Hochmeisterchronik“4 und 1 Peter Brambeck, Die Danziger Chronik vom Bunde, in: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft, bearb. Theodor Hirsch, Max Töppen, Ernst Strehlke, 4, Leipzig 1870, ND Frankfurt am Main 1965, S. 405–89 (künftig: DCB), hier S. 426. 2 Vgl. Hartmut Boockmann, Der Deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, 2. Aufl., München 1982, S. 180. 3 Vgl. zum Beispiel Karl Lohmeyer, Paul von Rusdorf, in: Allgemeine Deutsche Biographie (künftig: ADB), 30, München 1870 (ND Berlin 1970), S. 11–13. Er bezeichnet ihn als „einer der Schwächsten unter denjenigen, welche in dem Jahrhundert des Niederganges an der Spitze des Ordens gestanden haben; seinem inneren Wesen nach kraftlos und steter Entschlüsse nicht fähig,“ ebd., S. 11. 4 Die Ältere Hochmeisterchronik, in: Scriptores Rerum Prussicarum (wie Anm. 1), 3, Leipzig 1866, ND Frankfurt am Main 1965, S. 519–709.

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hierbei ihrer ersten Fortsetzung,5 und einer ständenahen, der „Danziger Chronik vom Bunde“. Gerade in Zeiten zunehmender Konflikte zwischen dem Deutschen Orden als Landesherrn und den preußischen Ständen, mit führender Rolle der Städte, bietet es sich an, sich der Vorstellungswelt der Zeitgenossen zu nähern, indem die unterschiedlichen Sichtweisen der Ordenshistoriographie und der städtischen Geschichtsschreibung analysiert und verglichen werden. Dazu bietet sich ein vorstellungsgeschichtlicher Ansatz an, wie er von HansWerner Goetz in den geschichtswissenschaftlichen Diskurs eingeführt wurde. Vorstellungsgeschichte fragt nach den Eindrücken, Auffassungen und Urteilen eines Autors über die eigene Vergangenheit und Gegenwart sowie nach der Stellungnahme eines in den Ereignissen und Strukturen befangenen Individuums zu seiner Umwelt.6 Sie ist also abhängig von der Reflexion der Zeitgenossen; ihr entgehen alle historischen Details, die diese verschweigen. Weiterhin wohnt den Vorstellungen vergangener Menschen ein statischer Aspekt inne: Sie sind nicht fähig zu historischem Wandel. Dieser wird nur durch den Vergleich der Vorstellungen verschiedener Menschen erkennbar.7 Erkenntnisziel der Vorstellungsgeschichte sind die autor- und zeitspezifischen Deutungen und die dazugehörigen Vorstellungen, zum anderen aber auch die Art der Wahrnehmung und ihrer Wahrnehmungs- und Deutungsmuster.8 Die mittelalterlichen Protagonisten neigen zu einem unreflektierten Theoriegebrauch, weil sie ihre Wahrnehmungs- und Ordnungskriterien für gewöhnlich nicht erklären. Eine Aufgabe des Historikers ist es daher, fremde Wahrnehmungen mit seinen eigenen Wahrnehmungsmustern in ihren Konstruktionsmechanismen und Deutungsschemata in ihren geistigen Bedingungen zu begreifen, um daraus das jeweilige Handeln zu bewerten.9 Im Fokus dieses Beitrags steht die Wahrnehmung der beiden Chronisten auf die jeweiligen Personengruppen. Daraus folgt, dass keine

5 Ebd., S. 637–700 (künftig: ÄHC, 1. Fs). 6 Hans-Werner Goetz, Vorstellungsgeschichte: Menschliche Vorstellungen und Meinungen als Dimension der Vergangenheit. Bemerkungen zu einem jüngeren Arbeitsfeld der Geschichtswissenschaft als Beitrag zu einer Methodik der Quellenauswertung, in: ders., Vorstellungsgeschichte. Gesammelte Schriften zu Wahrnehmungen, Deutungen und Vorstellungen im Mittelalter, hrsg. Anna Aurast, Simon Elling, Bele Freudenberg, Anja Lutz, Steffen Patzold, Bochum 2007, S. 3–17, hier S. 8. 7 Ebd., S. 12. 8 Vgl. Hans-Werner Goetz, Wahrnehmungs- und Deutungsmuster als methodisches Problem der Geschichtswissenschaft, in: ders., Vorstellungsgeschichte (wie Anm. 6), S. 19–29, hier S. 28. 9 Johannes Fried, Gens und regnum. Wahrnehmungs- und Deutungskategorien politischen Wandels im frühen Mittelalter. Bemerkungen zur doppelten Theoriebildung des Historikers, in: Sozialer Wandel im Mittelalter. Wahrnehmungsformen, Erklärungsmuster, Regelmechanismen, hrsg. Jürgen Miethke und Klaus Schreiner, Sigmaringen 1994, S. 73–104, hier S. 92.

Die gegenseitige Wahrnehmung des Deutschen Ordens und der Stände

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Objektivität von Ergebnissen zu erwarten ist. Die Ereignisse werden so geschildert, wie der Chronist sie perzipiert. *** Auf die Schlacht von Tannenberg 1410 und den Ersten Thorner Frieden von 1411, die für viele Historiker den Beginn des Abstiegs des Deutschen Ordens markieren,10 folgte eine Zeit andauernder Konflikte, ehe am 31. Dezember 1435 der ewige Frieden von Brest geschlossen wurde. Die Grenzen des Ordenslands Preußen blieben im Großen und Ganzen bestehen, aber der Orden durfte sich in Zukunft nicht mehr gegen den Willen des Königs von Polen mit Litauen verbünden und musste den vom polnischen König jeweils eingesetzten litauischen Großfürsten anerkennen, wodurch ihm die Bündnisfreiheit und damit auch ein Stück Souveränität verloren gegangen war.11 Darüber hinaus wurde das Widerstandsrecht der preußischen Stände, die sich von ihrem Landesherrn lossagen konnten, sofern er sich nicht friedenskonform verhielt, im Vertrag manifestiert, was de facto ein Aufsichtsrecht über die Außenpolitik des Ordens bedeutete. Die Entwicklung der preußischen Stände stellte einen Sonderfall dar. Weil die Landesherrschaft in den Händen einer geistlichen Korporation sowie der vier Bischöfe von Kulm, Pomesanien, Ermland und Samland und ihrer Domkapitel lag, sich aber bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts noch kein Adelsstand wie im Reich entwickelt hatte, formierten sich die Stände unter Ausschluss der Geistlichkeit aus den auf dem Lande lebenden Freien, Rittern und Knechten sowie den Bürgern der preußischen Städte.12 Ab 1411 bat der Orden die Stände um finanzielle Hilfe, weshalb allgemeine Ständetage einberufen wurden. Dabei wurde allgemein über die Abgabenbelastung der eingeführten Waren und Lebensmittel geklagt. Ab 1414 rückte das Pfundgeld in den Fokus.13 Michael Küchmeister schaffte es ab, Paul von Rusdorf führte es 1423 wieder ein, ohne wie zuvor die Städte zu beteiligen. Dies löste ständische Proteste aus, weshalb Rusdorf es 1440 schließlich wieder abschaffte. Konrad von Erlichshausen führte es dann 1443 wieder ein. Auch Klagen über Mühlen- und Fischereirechte blieben bis zum Ausbruch des Dreizehnjährigen Krieges auf der Agenda.14 10 Jürgen Sarnowsky, Der Deutsche Orden, München 2007, S. 93–94. 11 Dazu und zum Folgenden s. Klaus Neitmann, Die Außenpolitik des Deutschen Ordens zwischen preußischen Ständen und Polen-Litauen (1411–1454), in: Westpreußen-Jahrbuch 42 (1992), S. 49–64, hier S. 60–61. 12 Jürgen Sarnowsky, Die ständische Kritik am Deutschen Orden in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Das Preußenland als Forschungsaufgabe. Eine europäische Region in ihren geschichtlichen Bezügen, Festschrift für Udo Arnold zum 60. Geburtstag, hrsg. Bernhard Jähnig und Georg Michels, Lüneburg 2000, S. 403–422, hier S. 403. 13 Ebd., S. 414–15. 14 Ebd., S. 412.

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Prägende Erlebnisse für die Stände waren die Zerstörungen, die während der kriegerischen Auseinandersetzungen 1411, 1414 und 1422 gerade die wirtschaftlich starken Gebiete wie das Kulmer Land und das Weichselgebiet tangierten. Auch die Städte litten unter dem Krieg, denn der Handel, von dem sie lebten, kam zum Erliegen und der Landesherr, dem der Schutz des Landes oblag, war nicht mehr in der Lage, diesen zu gewähren.15 Daher forderten die Stände, dass der Hochmeister fortan keine Bündnisverträge mehr abschließen und keinen Krieg mehr beginnen dürfe ohne ihr Wissen und ohne ihren Willen. 1422 übernahm schließlich Paul von Rusdorf das Amt des Hochmeisters.16 In seinem ersten Amtsjahr drohten die Stände mit dem Abfall vom Orden, sollte sich der Landesherr nicht um Frieden bemühen.17 Im Friedensvertrag von Melnosee 1422 wurde das Widerstandsrecht der Stände erstmals vertraglich manifestiert. Bei Vertragsbruch waren die Stände von ihrer Treuepflicht entbunden, was ihrem Selbstständigkeitsbestreben Vorschub leistete. Es entstand ein Dualismus von Landesherrschaft und Ständen.18 Neben der Außenpolitik machte sich der Einfluss der Stände auch auf Steuerangelegenheiten und Fragen der inneren Gesetzgebung bemerkbar. Paul von Rusdorf versuchte nach 1422 eine innere Reform von oben durchzusetzen, ohne allgemeine Ständetage zu berufen. Doch seit 1429 verlangten die Stände die Berufung der Vertreter aller Bezirke zu gemeinsamen Beschlüssen.19 Rusdorf richtete einen geheimen Rat von vier Landesrittern unter Führung Hans von Baysens ein.20Außerdem ließ Rusdorf einen Gemeinen Gerichtstag zu, auf welchem jeder seine Rechtsbehinderungen oder strittigen Privilegien vortragen

15 Neitmann, Außenpolitik (wie Anm. 11), S. 59. 16 Zu Paul von Rusdorf: Carl August Lückerath, Paul von Rusdorf. Hochmeister des Deutschen Ordens 1422–1441 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, 15), Bad Godesberg 1969, ders., Paul von Rusdorf, in: Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190–1994, hrsg. Udo Arnold (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, 40), Marburg 1998, S. 122–28, Erich Weise, Paul von Rusdorf, in: Altpreußische Biographie (künftig: APB), 2, Marburg 1967, S. 578, Ders., Der rheinische Hochmeister Paul von Rusdorf (1422–41) und das Widerstandsrecht der preußischen Stände, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 27 (1953), S. 1–41; Lohmeyer, Rusdorf (wie Anm. 3), S. 11–13. 17 Neitmann, Außenpolitik (wie Anm. 11), S. 56. 18 Lückerath, Rusdorf – Hochmeister (wie Anm. 16), S. 47. 19 Marian Biskup, Der preußische Bund 1440–1454. Genesis, Struktur, Tätigkeit und Bedeutung in der Geschichte Preußens und Polens, in: Bürgertum – Handelskapital – Städtebünde, hrsg. Konrad Fritze, Eckard Müller-Mertens, Johannes Schildhauer (Hansische Studien, 3), Weimar 1975, S. 210–229, hier S. 214. 20 Zu Hans von Baysen: Rudolf Grieser, Hans von Baysen, in: Altpreußische Biographie, 1, Marburg 1974, S. 36, Karl Scherler, Hans von Baisen. Der erste Gubernator in Preußen, c. 1380–1459, Danzig 1911; zum Landesrat: Lückerath, Rusdorf – Hochmeister (wie Anm. 16), S. 141.

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konnte.21 Er forderte die Stände auf, ihrer Beteiligung an den fiskalischen Aufgaben nachzukommen und beschnitt darüber hinaus ihr Handlungspotenzial. Dennoch konnte er ihr Mitspracherecht auf Dauer nicht untergraben. Im nächsten Krieg des Ordens gegen Polen (1431–1435) machten die Stände von ihrem Widerstandsrecht gegen die kriegerische Politik Rusdorfs Gebrauch und zwangen den Orden unter Androhung von Gehorsamsverweigerung 1433 zum Abschluss des Beifriedens von Lentschütz.22 Im Frieden von Brest 1435 wurde das Widerstandsrecht der Stände und somit ihre Rolle als Vertragsgaranten erneut konfirmiert.23 Dies bedeutete faktisch, dass der Hochmeister in allen wichtigen Fragen die Stände konsultieren und seine Außenpolitik primär nach ihren Wünschen ausrichten musste.24 Ordensintern erwuchs Paul von Rusdorf in dem Deutschmeister Eberhard von Saunsheim ein entschiedener Gegner. Dieser stützte sich auf die gefälschten „Orselnschen Statuten“, nach denen dem Deutschmeister eine weitreichende Kontrollfunktion zukommen sollte.25 Der bis zum Konzil von Basel (1431–1449) geführte Streit kulminierte in der gegenseitigen Absetzung Rusdorfs und des Deutsch-meisters, wobei die Stände Rusdorf treublieben.26 Gleichzeitig gab es 1439/1440 im so genannten „Zungenstreit“ einen Aufstand der Konvente Balga, Königsberg und Brandenburg gegen die einseitige Personalpolitik des Hochmeisters.27 Dem Hochmeister wurde vorgeworfen, Konvente bevorzugt mit rheinischen Brüdern zu besetzen. Der Konflikt wurde dadurch gelöst, dass die Ämter des inneren und des äußeren Rates im gleichen Verhältnis unter die „Landsmannschaften“ verteilt wurden.28 Am 14. März 1440 manifestierte sich schließlich das Selbstständigkeitsbestreben der preußischen Stände in der Gründung des Preußischen Bundes, wobei sie beteuerten, dass ihr Zusammenschluss nicht gegen den Hochmeister und den Deutschen Orden gerichtet sei, sondern der Gefahrenabwehr dienen solle.29 53 Adlige und 19 Städte verbündeten sich gegen die Willkür des Ordens,

21 Dazu und zum Folgenden Lückerath, Rusdorf – Hochmeister (wie Anm. 16), S. 137–42. 22 Marian Biskup, Die Rolle der Städte in der ständischen Repräsentation des Ordensstaates Preußen im XIV. und XV. Jahrhundert, in: Preußenland 15 (1977), S. 55–69, hier S. 60. 23 ders., Bund (wie Anm. 19), S. 213–24. 24 Neitmann, Außenpolitik (wie Anm. 11), S. 61. 25 Lückerath, Rusdorf – Hochmeister (wie Anm. 16), S. 174. 26 Klaus Eberhard Murawski, Zwischen Tannenberg und Thorn. Die Geschichte des Deutschen Ordens unter dem Hochmeister Konrad von Erlichshausen 1441–1449, Göttingen 1953, S. 30; Lückerath, Rusdorf – Hochmeister (wie Anm. 16), S. 182. 27 Ders., Rusdorf (wie Anm. 16), S. 126. 28 Murawski (wie Anm. 26), S. 33–34. 29 Berta Ewald von Bockelmann, Die Loslösung der preußischen Stände vom Deutschen Orden, in: Stadt und Land in der Geschichte des Ostseeraums, Wilhelm Koppe zum 65. Geburtstag, hrsg. Klaus Friedland, Lübeck 1973, S. 121–126, hier S. 121.

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um notfalls gemeinsam Maßnahmen ergreifen zu können.30 Völlig fern lag ihnen eine Reform der Ordensherrschaft, etwa im Sinne einer Säkularisierung oder Vertreibung des Ordens. Diese Verschärfung trat erst in der letzten Phase unmittelbar vor dem ständischen Aufbruch ein.31 Aus dem ersten Punkt der Gründungsurkunde ergab sich, dass dem Hochmeister, dem Orden und den Bischöfen die Treue zu halten war.32 Getragen wurde der Bund von den politisch aktiven, selbstbewussten Elementen unter den preußischen Ständen, also den sechs großen Städten und den Ritterschaften der Gebiete Kulm, Osterode, Christburg, Elbing und Pommerellen.33 Die Tätigkeit des Preußischen Bundes zerfiel in zwei Etappen. In der ersten Phase bis Ende der vierziger Jahre gelang zeitweilig die Abschaffung des Pfundgeldes für das Versprechen des Bundes, Hochmeister Paul von Rusdorf bis zu seinem Tode zu unterstützen. Zudem setzte der Bund eine neue Huldigungsformel durch, die den Treueeid nur noch gegenüber dem Hochmeister und nicht mehr gegenüber dem gesamten Orden beinhaltete.34 Die Stände vertraten dabei ein sehr direktes, auf konkrete Treuebeziehungen zwischen Herr und Gefolgsmann aufbauendes Rechtsdenken.35 Die zweite Phase von 1450 bis 1454 beinhaltete die Eskalation und den Prozess vor Kaiser und Papst. Am 14. April 1441 wurde Konrad von Erlichshausen zum Nachfolger Pauls von Rusdorf gewählt.36 Er sah seine wichtigste Aufgabe darin, die Streitigkeiten und Differenzen innerhalb der Ordensbruderschaft zu beseitigen, was ihm anfangs gelang.37 Auch seine Ständepolitik war auf Ausgleich der Spannungen bedacht und seine Außenpolitik war auf die Stabilisierung des status quo, wie er im ewigen Frieden von Brest geschaffen war, gerichtet. Dadurch, dass er die Rechte seiner Untertanen schriftlich niederlegte, versuchte er den Bund überflüssig zu machen. Allerdings erklärten nur kleinere Städte und ein kleiner Teil des Adels Bereitschaft zum Austritt aus dem Preußischen Bund.38 1450 wurde dann schließlich Ludwig von Erlichshausen zum Hochmeister 30 31 32 33 34 35

Biskup, Bund (wie Anm. 19), S. 217–18. Murawski (wie Anm. 26), S. 79. Biskup, Bund (wie Anm. 19), S. 218. Murawski (wie Anm. 26), S. 80. Biskup, Bund (wie Anm. 19), S. 219–20. S. Cord Ulrichs, Der 13jährige Krieg zwischen dem Deutschen Orden und dem preußischen Städtebund im Spiegel der ,Geschichte von wegen eines Bundes‘ und anderer Chroniken, in: Krieg und Verbrechen nach spätmittelalterlichen Chroniken, hrsg. Christoph Heiduk, Almut Höfert, Cord Ulrichs, Köln, Weimar, Wien 1997, S. 185–241, hier S. 190. 36 Zu Konrad von Erlichshausen: Klaus Eberhard Murawski, Konrad von Erlichshausen, in: Die Hochmeister (wie Anm. 16), S. 128–30, Christian Krollmann, Konrad von Erlichshausen, in: APB 1, Marburg 1974, S. 167–68, Karl Lohmeyer, Konrad von Erlichshausen, in: ADB 6, München 1877, ND Berlin 1968, S. 223–24. 37 Murawski (wie Anm. 26), S. 129. 38 Biskup, Rolle (wie Anm. 22), S. 65; Murawski (wie Anm. 26), S. 100.

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gewählt.39 Er wurde von der konservativen Gruppe des Ordens unterstützt und drängte mit seiner Politik auf die Stärkung des Ordens auf Kosten der Untertanen und auf die Liquidierung des Preußischen Bundes.40 Seine Politik setzte verstärkt auf Druck und Drohungen. 1452/1453 gab es schließlich einen Prozess am Hofe des Kaisers, bei dem es zum endgültigen Bruch zwischen Hochmeister und Bund kam, weil der Hochmeister seine eigenen Leute vor dem Kaiser verklagte.41 Der Kaiser erklärte den Bund für nicht rechtens und löste ihn auf. 1455 ergingen gegen den Bund die Reichsacht des Kaisers und der Bann Papst Kalixts III. wegen der Rebellion gegen die Ordensherrschaft.42 Der Bund befolgte das kaiserliche Urteil nicht, sondern bemühte sich um das Wohlwollen König Kasimirs von Polen. Hans von Baysen und der Kastellan von Bromberg führten Gespräche über die Unterwerfung Preußens unter die polnische Krone.43 Am 4. Februar 1454 erhielt der Hochmeister in Marienburg die formelle Aufkündigung der Gefolgschaft seiner Untertanen, und am 3. März 1454 nahm König Kasimir die preußischen Stände in seinen Untertanenverband auf.44 *** Grundlage der folgenden Untersuchung bilden die Erste Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ und die „Danziger Chronik vom Bunde“. Die „Ältere Hochmeisterchronik“ selbst wurde zwischen den Jahren 1433 und 1440 verfasst.45 Wer der Verfasser war und ob es sich um ein Ordensmitglied handelt, bleibt unklar.46 Die Schilderung der Geschichte des Deutschordensstaates 39 Zu Ludwig von Erlichshausen s. Bernhard Jähnig, Ludwig von Erlichshausen, in: Die Hochmeister (wie Anm. 16), S. 131–38, Christian Krollmann, Ludwig von Erlichshausen, in: APB 1 (wie Anm. 36), S. 168, Karl Lohmeyer, Ludwig von Erlichshausen, in: ADB 6 (wie Anm. 36), S. 225–26. 40 Biskup, Bund (wie Anm. 19), S. 221. 41 Ulrichs (wie Anm. 35), S. 196. 42 Biskup, Bund (wie Anm. 19), S. 225. 43 Bockelmann (wie Anm. 29), S. 122f. 44 Marian Biskup, Gerard Labuda, Die Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen. Wirtschaft-Gesellschaft-Staat-Ideologie (Klio in Polen, 6), Osnabrück 2000, S. 435. 45 Odilo Engels, Zur Historiographie des Deutschen Ordens, in: Archiv für Kulturgeschichte 48 (1966), S. 336–63, hier S. 339. – Während sich ältere Chroniken durch Mahnungen zu Demut, Buße und Warnungen vor ritterlichem Hochmut zum Zwecke der Manifestation der Ordensideologie primär an Mitglieder des Ordens selbst richteten, avisiert die „Ältere Hochmeisterchronik“ auch an eine Welt außerhalb des Ordens, Ralf Päsler, Deutschsprachige Sachliteratur im Preußenland bis 1500. Untersuchungen zu ihrer Überlieferung, Köln, Weimar, Wien 2003, S. 277; Freimut Löser, Literatur im Deutschen Orden. Vorüberlegungen zu ihrer Geschichte, in: Mittelalterliche Kultur und Literatur im Deutschordensstaat in Preußen, hrsg. Jarosław Wenta (Sacra bella septentrionalia, 1), Torun´ 2008, S. 331–54, hier S. 353. 46 Über den Verfasser hat es in der Forschung Kontroversen gegeben. Edith Feistner, Michael

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Preußen wird zweigeteilt in eine erfolgreiche Anfangszeit, in welcher Ordensritter im Dienste Gottes tätig waren und eine Zeit der Niederlagen, als sie in religiösen Belangen indifferent wurden.47 Die daran anschließende Erste Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ ist vermutlich zu Beginn des Dreizehnjährigen Krieges entstanden. Sie reicht vom Jahre 1433 bis zum Jahre 1455 und gilt als wohldurchdachte und übersichtlich gegliederte Vorgeschichte des Dreizehnjährigen Krieges 1454 bis 1466. Als Verfasser geht man heute von Georg von Egloffstein aus.48 Der Chronist schildert ausführlich die Ereignisse, die zum Ausbruch des Konflikts führten und stellt dem Leser alle beteiligten Akteure vor. Als Mitglied des Ordens beschreibt er die Hochmeister und Gebietiger detailliert, wobei er die Regierungen Pauls von Rusdorf und Konrads von Erlichshausen nur kurz thematisiert, die Zeit Ludwig von Erlichshausen, die in den Krieg mündete, aber ausführlicher dargelegt. Ebenso erfolgt eine genaue Beschreibung des Kriegsverlaufs und der bedeutendsten Schlachten, die hier aber nur peripher behandelt werden. Auch der Preußische Bund und seine führenden Vertreter Hans und

Neecke, Gisela Vollmann-Profe, Krieg im Visier. Bibelepik und Chronistik im Deutschen Orden als Modell korporativer Identitätsbildung, Tübingen 2007, S. 189, glauben, dass es sich um einen Ordensbruder gehandelt habe, der ein überzeugter, aber keineswegs unkritischer Anhänger des Deutschen Ordens war ; Hartmut Boockmann, Die Geschichtsschreibung des Deutschen Ordens. Gattungsfragen und Gebrauchssituationen, in: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im späten Mittelalter, hrsg. Hans Patze (Vorträge und Forschungen, 31), Sigmaringen 1987, S. 447–69, hier S. 462–63, stellt fest, dass der Autor das Marienburger Archiv benutzt haben muss; der Editor verortet den Verfasser aufgrund seiner umfassenden Belesenheit eher im geistlichen Milieu, Max Toeppen, Einleitung, in: Scriptores Rerum Prussicarum (wie Anm. 4), S. 519–39, hier S. 531. – Zum Berichtszeitraum (1190–1433) s. Udo Arnold, Geschichtsschreibung im Preussenland bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 19 (1970), S. 74–126, hier S. 87. 47 Stefan Kwiatkowski, Der Deutsche Orden und die Gestaltung des Volkschristentums in Preußen um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert, in: Die Spiritualität der Ritterorden im Mittelalter, hrsg. Zenon H. Nowak, (Ordines Militares Colloquia Torunensia Historica, 7), Torun´ 1993, S. 97–109, hier S. 102. 48 Der Verfasser ist entschiedener Anhänger des Ordens und gut unterrichtet über das, was im Rate des Hochmeisters geschah, weshalb ihm das Ordensarchiv zur Verfügung gestanden haben muss. Die literarischen Neigungen wie auch die detaillierte Schilderung von Ereignissen, die nur Egloffstein bekannt sein konnten, sprechen eindeutig für ihn als Autor, s. Erich Weise, Georg von Egloffstein (ca. 1409–1458) und die 1. Fortsetzung der Älteren Hochmeister-Chronik, in: Preußenland und Deutscher Orden. Festschrift für Karl Forstreuter zur Vollendung seines 60. Lebensjahres dargebracht von seinen Freunden, Würzburg 1958, S. 344–73, Marie-Luise Heckmann, Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Selbstsicht der Führungsgruppe des Deutschen Ordens beim Ausbruch des Dreizehnjährigen Krieges, in: Der Blick auf sich und die anderen. Selbst- und Fremdbild von Frauen und Männern in Mittelalter und früher Neuzeit, hrsg. Sünje Prühlen, Lucie Kuhse, Jürgen Sarnowsky (Nova Mediaevalia 2), Göttingen 2007, S. 237–63, hier S. 256.

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Gabriel von Baysen49 sowie der polnische König Kasimir werden in der Chronik vorgestellt und ihre Handlungsoptionen und -potentiale eruiert. Die „Danziger Chronik vom Bunde“ beleuchtet im Gegensatz zur Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ die ständische Seite und versucht, die Rechtmäßigkeit des Preußischen Bundes zu beweisen. Die Schrift kann nur einige Zeit nach dem Thorner Frieden 1466 geschrieben worden sein, da der Verfasser darauf eingeht, dass Konrad von Erlichshausen als letzter der Hochmeister in Marienburg begraben ist, wonach der Verfasser es erlebt haben muss, dass spätere Hochmeister anderswo begraben wurden.50 Als Verfasser geht man heute von Peter Brambeck aus.51 Die Chronik verrät viel über die Stimmung, die in den preußischen Städten in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts während des Kampfes gegen den Orden und kurz danach herrschte, und ist daher von hohem Wert.52 Genau wie die Erste Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ legt sie ausführlich die Vorgeschichte und die Konflikte dar, die zwischen dem Preußischen Bund und dem Deutschen Orden bestanden und letztlich im Krieg kulminierten. Alle beteiligten Akteure des Bundes, insbesondere deren Führer Hans und Gabriel von Baysen sowie Kasimir, der König von Polen als neuer Landesherr der Preußen, werden vorgestellt. Aber auch der Orden als Korporation und die Hochmeister Paul von Rusdorf sowie Konrad und Ludwig von Erlichshausen werden von Peter Brambeck eingeführt. Der Chronist schmückt seine Darstellungen an vielen Stellen mit Rekursen auf frühere Zeiten der Ordensherrschaft aus. ***

Die Wahrnehmung des Deutschen Ordens Für den Autor der Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ ist zunächst zu konstatieren, dass er den Deutschen Orden als Korporation nicht vorstellt, sondern die Kenntnisse über die agierenden Personen beim Leser 49 Zu Gabriel von Baysen: Rudolf Grieser, Gabriel von Baysen, in: APB 1 (wie Anm. 36), S. 36. 50 Vgl. Theodor Hirsch, Danziger Chronik, Einleitung, in: Scriptores Rerum Prussicarum (wie Anm. 1), S. 405–08, hier S. 407. 51 Peter Brambeck war vermutlich mit dem Ratsherrn Otto Brambeck verwandt, der 1457 in den Rat gewählt wurde, noch während desselben Jahres zum Hauptmann von Dirschau und Administrator des Mirchauischen, Dirschauischen und Danziger Landgebietes ernannt wurde und in diesem Amt bis ins Jahr 1460 tätig war. Bis zu seinem Tod 1464 war er als Verteidiger und Anhänger des Preußischen Bundes bekannt; ebd. 52 Ebd., S. 406.

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voraussetzt. Seine Wahrnehmung des Deutschen Ordens ist durchweg eine positive. Er betont immer wieder, dass Gott auf Seiten des Ordens sei. So hätten die Bündischen Georg von Egloffstein und seine Gesellen vergiften wollen. Sie hätten es auch fast geschafft, denn die Brüder wurden von stund an sere kranck,53 aber dank Gottes Hilfe starb niemand. Auch im Krieg sei Gott immer auf der Seite des Ordens, und dank seines Eingreifens habe der Orden selbst dann gewinnen können, wenn der Feind in der Überzahl war. Als Beispiel führt der Chronist einen Streit zwischen dem Komtur von Elbing, Heinrich Reuß von Plauen, und Koske, einem böhmischen Ritter, an. Koske, der mit seinen Männern in der Überzahl war, gelang es zwar, dem Komtur ein Auge auszustechen, dennoch schaffte es die Gruppe um den Komtur, einen Großteil der Gegner zu erschlagen und ebenso wie Koske gefangen zu nehmen.54 Aber nicht nur Gott sei auf der Seite des Ordens, sondern auch die Schutzpatronin des Deutschen Ordens, die Jungfrau Maria. Nach einem Angriff, bei dem von den gnaden gotes nymant starb,55 flohen die Feinde über eine Brücke und drängten sich dort so sehr, dass viele von ihnen in den Fluss fielen und ertranken. Dies wird als große Gnade Gottes und der Jungfrau Maria gewertet, denn die Feinde waren wohl 1.800 und die Herren des Ordens nicht mehr als 500. Durch diese große Barmherzigkeit Gottes, so der Chronist, verloren die Feinde immer.56 Außerdem neigt der Chronist dazu, nur die für den Orden erfolgreichen Ereignisse des Krieges zu schildern. Zum Beispiel gelang es Reuß von Plauen, den von den Bündischen eingesetzten neuen Rat in Konitz abzusetzen und den ordenstreuen alten Rat wiedereinzusetzen.57 Der Chronist wird nicht müde, immer wieder auf den göttlichen Beistand zu rekurrieren, der dem Orden zuteilwurde. Die Feinde gaben Schüsse auf die Stadt ab, aber Gott sorgte dafür, dass den Leuten kein Schaden widerfuhr.58 An anderer Stelle konnten in einem Kampf mehr als 90 Feinde getötet werden, wohingegen der Orden nicht mehr als einen Trabanten verlor.59 Die Feinde hatten zu Wildenberg sieben Schiffe gebaut, mit Holz beladen und mit Pech und Wagenschmiere gefüllt. Eines davon zündeten sie an und ließen es stromabwärts treiben, womit sie beabsichtigten eine Brücke zu zerstören. An dieser Stelle half wieder Gott, so der Chronist, der die Fischer dazu brachte, mit kleinen Booten dort hinzufahren und das brennende Schiff an Land zu bringen,

53 54 55 56 57 58 59

ÄHC 1. Fs. (wie Anm. 5), S. 656. Ebd., S. 666. Ebd., S. 668. Ebd., S. 669. Vgl. ebd., S. 667. Vgl. ebd., S. 669. Vgl. ebd., S. 673.

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wo es verbrannte, ohne Schaden anzurichten.60 Auch die anderen Schiffe konnten mit Gottes Hilfe die Brücke nicht beschädigen. Das fünfte Schiff kam mit gar eynen erschrechelichen grawsamen fewer, aber Got gab dy gnade, das es mit der hafft durch dy brucken hyn weck lyfe an schaden.61 Danach schenkte Gott, der Allmächtige, dem Orden abermals große Gnade, sodass das sechste Schiff, welche das größte und am höchsten mit Holz beladene war, vom Feuer entflammt an die Brücke kam und dort stehen blieb.Nun kam das ebenso mächtige und große siebente Schiff, welches gefährlich gegen das äußerste Joch bei den Türmen an der Nogat trieb, auf dem sich 70 Herren und andere Leute befanden. Da begannen Jungfrauen, Frauen, Herren und Knechte zu Gott im Himmel um Hilfe zu schreien. Dieser erhörte ihr Flehen natürlich, sodass das Schiff weitertrieb und die Brücke nicht beschädigte.62 Die Schlacht um Konitz stellt einen Höhepunkt seiner Berichterstattung dar. Der König von Polen soll ein Heer von 21.000 Mann gehabt haben, wohingegen dem Orden niemand zur Hilfe kam. Nur ein Herr der Neumark, Hans Kökeritz genannt, brachte als getreuer Mann des Ordens mit hulffe des almechtigen gotes63 wohl fast 7000 Leute auf, die von gnade und schickunnge des almechtigen gotes gegen die Polen zu Felde zogen. Der Chronist beschreibt die Ordensritter als auszerwelten helde64 und glaubte, sie hätten Muttergottes in den Sinnen. Wieder einmal gewährte Gott vom Himmel seine gruntlosze barmhertzigkeit und seynen gnediglichen syeg, das des ordens geste den streytt gewunnen mit hulffe und bethe der werden junckfrawen Marien und der lieben junckfrawen sant Barbara.65 Sogar die Polen hätten die Muttergottes in einem weißen Kleid über dem deutschen Heer schweben sehen.66 Hier erscheint also Maria in personam, um dem Orden zu helfen. Diese Schlacht, so der Chronist, sei in die Annalen der Geschichte eingegangen, und kein Mann könne sich mehr daran erinnern, dass die Polen seit Gründung ihres Königreichs schon einmal mit mehr Schande und Schaden überzogen wurden.67 Weiterhin unterstreicht der Chronist nicht nur den Beistand Gottes, sondern auch die Verkörperung christlicher Ideale, wie Barmherzigkeit und Milde, durch den Orden. Zwar war den Ordensrittern bewusst, dass alle, die den Bundherren Beistand gewährten, im Bann des Papstes waren, dennoch ließen sie die in der 60 61 62 63 64 65 66

Vgl. ebd., S. 674–75. Ebd., S. 675. Vgl. ebd. Ebd., S. 678. Ebd., S. 679. Ebd. Als man manchmall von den gefangen Polen hort sagen, sy heten dy muter gotes in eynen weyssen kleytt sehen sweben ober dem tewtschen heer, ÄHC 1. Fs. (wie Anm. 5), S. 679–80. 67 Ebd., S. 680.

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Schlacht getöteten Polen vor dem Schloss bei der Stadtmauer begraben.68 Der Chronist beschwert sich zudem über die mangelnde Unterstützung aus dem Reich. Er beklagt, dass niemand dem Orden zu Hilfe eilte, der doch der cristenheytt gros gefromdt hat, das gantz landt Prewssen mit macht zu den cristen glawben bracht hat, dar zw das gantz landt Leyfflandt, Samayten und Littawen.69 Zwar gelangte die Nachricht, dass das Land Preußen bis auf Marienburg und die kleine Stadt Konitz ganz verloren war, vor den Papst, den Kaiser, alle Kurfürsten und vor geistliche und weltliche Fürsten, aber keiner wollte den wirdigen Orden retten.70 Darüber hinaus war der Orden für den ganzen deutschen Adel ein Spital gewesen, doch bekam er von niemandem Rat oder Hilfe und war komplett auf sich allein gestellt. Trotz der durchweg positiven Darstellung des Ordens darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Chronist an einzelnen Stellen durchaus kritisch mit dem Orden ins Gericht geht. So verschweigt er nicht den Streit zwischen Hochmeister Paul von Rusdorf und dem Deutschmeister Eberhard von Saunsheim, der ordensintern zu einem großen Zwiespalt führte, weil sich einige Gebietiger auf die Seite des Deutschmeisters schlugen, andere auf Pauls von Rusdorf Seite blieben.71 Derlei Streitigkeiten bezeichnet er als grossen schaden,72 der den Orden um viel Geld brachte.73 Im Gegensatz zur positiven Wahrnehmung des Deutschen Ordens in der Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ ist die Wahrnehmung des Chronisten der „Danziger Chronik vom Bunde“ eine eher negative bzw. kritisch distanzierte. Genau wie in der Hochmeisterchronik wird der Deutsche Orden nicht als Korporation vorgestellt; der Autor geht also davon aus, dass der Leser mit dem Orden und seinen Ämtern vertraut ist. Die Chronik beginnt mit der Aufzählung von Missständen und Vergehen des Ordens im Lande, wobei sie schwere Vorwürfe ihm gegenüber erhebt, indem sie ihn schwerer Gewalttaten wie Mord, Vergewaltigung und Raub bezichtigt.74 Die noch anzusprechende Gegenklage des Ordensbruders, bei dem der Kellermeister und eine Jungfrau entführt wurden, die in der Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ geschildert wird, bleibt hier unerwähnt.75 Um den negativen Ist-Zustand des Ordens zu akzentuieren, rekurriert der Chronist auf die alten, seiner Auffassung nach guten Zeiten, personifiziert in den 68 69 70 71 72 73 74 75

Ebd., S. 673. Ebd., S. 677. Ebd. Vgl. ebd., S. 639–645. Ebd., S. 645. Vgl. ebd. DCB (wie Anm. 1), S. 411. S. unten zu Anm. 127.

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Hochmeistern Heinrich Dusemer und Winrich von Kniprode, die den Armen halfen, sich bei Unrecht für ihre Untertanen einsetzten, den kouffman beschirmeten […], vrauen und juncvrauen lissen sy bey eren.76 Nun aber trachteten die Ordensbrüder nur danach, wie sie dy stete gar in dy grunt vorterben.77 Mit diesem Exkurs in die Vergangenheit verortet der Chronist das Land ganz klar unter die Herrschaft des Deutschen Ordens und nicht unter die polnische Krone. Frühere Hochmeister inszeniert er als gütige Landesväter, die sich um die Belange ihre Untertanen kümmerten, welche wiederum ihrem Herrscher treu untergeben waren. Weiterhin macht er auf den besonderen Verdienst seiner Vorfahren aufmerksam, nämlich ihrer Hilfe, das Land zu christianisieren.78 Die Zerstrittenheit des Ordens, die in der Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ nur kurz thematisiert wird, wird hier ausführlich dargelegt. Der Chronist schildert detailgetreu die Streitigkeiten zwischen den Gebietigern und dem Hochmeister. Sie seien nicht eyntrechtig,79 und er weist auch gleich einer Fraktion die Schuld dafür zu, nämlich den Swaben, Peyeren und Franken,80 denn aus diesen Gebieten stamme ein Großteil der Gebietiger. Kritisiert wird weiterhin ihre Arroganz, da sie sich selbst wie Hochmeister aufführten, und ihre Macht, einen Hochmeister einfach abzusetzen, wenn er nicht so agierte, wie sie es sich wünschten.81 Uneinigkeit herrschte auch bezüglich der Konfirmation des Preußischen Bundes. Der Hochmeister und etliche vom Orden aus den Konventen, so der Chronist, hätten den Bund gern gestattet, aber es wurde nicht beschlossen, wente dy gebittiger wolden dar nicht an.82 Wiederum verweist der Chronist auf die gute, alte Zeit, als noch ordentliche und vernünftige Männer in den Orden gewählt wurden. Er bestimmt genau, aus welcher Gegend diese Männer sein sollten: nämlich aus Westfalen, Rheinland und Sachsen. Im Gegensatz zur Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik,“ in der keine Schuldzuweisung für die Streitigkeiten seitens des Chronisten vorgenommen wird, differenziert der Verfasser der „Danziger Chronik vom Bunde“ klar zwischen Bayern, Franken und Schwaben einerseits, die grosse hoffart, hogen mut und geyrickeit, egennutcz unde gewalt83 nach Preußen gebracht hätten, und Sachsen, Westfalen und Rheinländern andererseits. Wiederholt betont er, dass der Hochmeister und 76 DCB (wie Anm. 1), S. 411. 77 Ebd. 78 Al haben ire vorfaren eyn teyl des landes zcum cristen gelouben gebrocht, mit was hulffe ist das geschen anders den mit krafft und macht unser elderen […]. Ebd. 79 Ebd., S. 413. 80 Ebd. 81 Ebd., S. 414. 82 Ebd. 83 Ebd.

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einige seiner treuen Berater aus Sachsen, Westfalen und dem Rheinland den Preußischen Bund gern gesehen hätten, aber die Gebietiger aus Schwaben, Bayern und Franken waren dagegen. Er nutzt diesen ausschweifenden Exkurs in die vergangene Zeit, um ihn mit der Gegenwart zu kontrastieren. So glaubt er, dass damals Got und Maria dy reyne jungfraue84 dem Orden dienten, nun aber plage Gott sie nur noch. Den Kulminationspunkt erreicht seine Erzählung mit der Schilderung eines großen Streits zwischen den Gebietigern und dem Marienburger Konvent.85 Gerüchte entstanden, dass sie sich untereinander ermordet hätten, und selbst Hochmeister Paul von Rusdorf ließ sich unter einer Decke versteckt nach Danzig aufs Schloss in Sicherheit bringen. Rat und Gemeinde vernahmen dies und waren sehr erschrocken. Dann wurde die Gemeinde vorgeladen, und ihnen wurde mitgeteilt, wie einstmals Bürgermeister und Ratsherren auf das Schloss gerufen waren und ihnen durch schemelichen mort ihr Leben genommen wurde.86 Auf diese Weise begründet der Chronist den Zusammenschluss der Bundherren. Diese vereinigten sich, um sich davor zu bewahren und damit der Eine dem Anderen lebendig oder tot beistand. Im weiteren Verlauf präsentiert er etliche Klagen und Gewalttaten des Ordens gegenüber seinen Untertanen.87 Der Chronist beschreibt wiederum, dass die Gebietiger Gewalt, Übermut und Unrecht getrieben und an König Christoph von Dänemark geschrieben hätten, der ihr Schreiben zum Anlass nahm, viele Güter wider Gott und ohne jedwede rechtliche Grundlage zu beschlagnahmen.88 Indirekt macht der Chronist hier also deutlich, dass der Orden gegen Gott handelte und Gott somit nicht auf Seiten des Ordens, sondern auf Seiten des Preußischen Bundes gestanden habe.

Die Wahrnehmung der Hochmeister Paul von Rusdorf, Konrad von Erlichshausen und Ludwig von Erlichshausen Paul von Rusdorf wird in der Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ äußerst positiv dargestellt. Er wird als sehr friedliebend wahrgenommen und sein großer diplomatischer Erfolg, nämlich die Etablierung eines ewigen Friedens zwischen Polen-Litauen und dem Deutschen Orden, wird an vielen Stellen betont.89 Aber nicht nur Polen-Litauen erkannte den Frieden an, sondern der Hochmeister schaffte es durch sein diplomatisches Geschick auch 84 85 86 87 88 89

Ebd. Ebd., S. 415–17. Ebd., S. 417. Ebd., S. 424–25. Ebd., S. 425. ÄHC 1. Fs. (wie Anm. 5), S. 639.

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die Gebietiger und die preußischen Lande vom Frieden zu überzeugen. Trotz positiver Gesamtdarstellung verschweigt der Chronist den Streit mit dem Deutschmeister Eberhard von Saunsheim nicht, allerdings erfolgen keine Schuldzuweisungen, wer den Streit begonnen habe.90 In der „Danziger Chronik vom Bunde“ wird Hochmeister Paul von Rusdorf ebenfalls sehr positiv wahrgenommen. So beschreibt der Chronist ihn als eyn kluger man und nicht gros der persone und eyn scharffer man.91 Sehr detailliert werden die Streitigkeiten zwischen Komturen, Gebietigern und dem Hochmeister geschildert, wobei er aber eindeutig den „hohen Zungen“, also den Bayern, Schwaben und Franken, die Schuld für die ordensinternen Auseinandersetzungen zuweist. Fast schon mitleidig wird auf die Abhängigkeit und das mangelnde Handlungspotenzial des Hochmeisters verwiesen: Seine Gebietiger hörten nicht auf ihn und wenn er anders verfahren wäre, als sie es wünschten, hätten sie einfach einen neuen Meister gewählt.92 Der Chronist glaubt sogar, Paul von Rusdorf hätte den Preußischen Bund befürwortet und seine Privilegien bestätigt, aber die Gebietiger wollten dies niemals zulassen. Kritisiert werden die Verwaltungsorgane des Ordens bis hinauf zu den Gebietigern, die Kritik tangiert aber niemals den Hochmeister selbst. Er wird als guter Landesvater beschrieben, der sich für seine Untertanen einsetzte, allerdings die falschen Berater hatte. Konrad von Erlichshausen wird in der „Älteren Hochmeisterchronik“ so beschrieben: Er wasz weysz und senfftmutig und stunde sere nach fried.93 Betont werden also seine weise und sanftmütige Art sowie sein Wunsch nach Frieden. Dieser Pazifismus macht sich in seiner Art der Konfliktlösung bemerkbar : So glaubte man, dass Markgraf Friedrich der Ältere Feind des Hochmeisters und Ordens geworden sei, aber noch ehe der Streit richtig aufblühte, vertrugen sie sich auf einem Tag in Frankfurt an der Oder. Zudem geriet Konrad von Erlichshausen in großen Streit mit dem Herzog von Mecklenburg, aber auch dieser konnte durch Herzog Bogislaw aus Pommern geschlichtet werden.94 Auf den Streit zwischen den Städten und dem Hochmeister wegen des Pfundzolls geht der Chronist nur sehr kurz ein,95 aber er betont die Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Hochmeisters, denn er schreibt, dass er den Pfundzoll mit recht verlangte.96 In der „Danziger Chronik vom Bunde“ wird Hochmeister Konrad von Er90 91 92 93 94 95

Ebd., S. 639–45. DCB (wie Anm. 1), S. 414. Ebd., S. 413–14. ÄHC 1. Fs. (wie Anm. 5), S. 645. Ebd., S. 646–47. Mit dem selbigen bunde sazten sych dy Dantzker wyder den selbigen meyster, und wolten in dem bundt zcoll zcu Danzk lang nicht geben. Ebd., S. 648. 96 Ebd.

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lichshausen ebenfalls sehr positiv charakterisiert. Er sei, so der Chronist, ein weyser fromer man, sachtmuttigk und guttigk.97 Der Chronist schildert eine Szene, die sich kurz vor seinem Tode abgespielt haben soll. Die Gebietiger und Komture kamen zu ihm, um ihn nach seinem Rat zu fragen, wen sie als neuen Hochmeister küren sollten. Konrad antwortete: Das ich euch wol riette! Nemet ir Russen von Plauen so habt ir eynen gewissen kriegk. Ouch nemet ir meinen vettern Ludwich, der mus wol als ir, und wol durste ich euch ratten zcu her Wilm von Eppingen von Osterroden, der ist sanfftmuttigk und weise.98 Er riet also zu Wilhelm Eppingen, dem Komtur von Osterode, aber sein Rat wurde von den Komturen und Gebietigern nicht befolgt, sondern sie wählten seinen Vetter Ludwig von Erlichshausen zu seinem Nachfolger. Resigniert fuhr er, wie bereits zitiert, fort: Was ist es nutze, es ist doch vorgebens; weis ich doch wol, das sie sein zcusammen gewest zcur Mewe off dem schlosse und da sich vorbunden haben, welcher von in homeister wirt, der sal den bunt abbrengen, und solde man ouch das lant darumbe verlisen, Got gebe, das es nicht geschee.99 Der Hochmeister wird hier als fatalistisch dargestellt, denn er weiß von der Verschwörung der Gebietiger und ihrem Plan, den Preußischen Bund zu beseitigen, und kann doch nichts an ihren Vorhaben ändern. Man sieht an dieser Stelle eindeutig, dass der Hochmeister nach seinem Ableben geringen Einfluss auf die Politik seines Ordens nehmen konnte und dass das politische Vermächtnis eines Hochmeisters offenbar wenig zählte.100 In dieser Darstellung wird der Hochmeister als letzter Repräsentant der guten alten Zeit verklärt. Konrad fuhr weiter fort: Sunder es henget uns ein grosse plage vor, das machen unser grossen sunde, dan wir uff Gottis gebot nicht achten und stehen alle nach grossem ubermut und gewalt. […]Got der herre kere den jamer disses armen betrubeten landes, das unsere vorfarn von den heiden mit grosser muhe und arbeitt gewonnen haben mit der hulffe Gottis und mannigen stolczen man doruber verloren, und nu wol in guttem friden halden mochtet und nicht wollet. Also, hat es uns Got gegeben, man sehe, das es uns nicht widder werde genomen.101 Er geht hier darauf ein, dass negative Kräfte die Ordensherrschaft zerstören wollen, dass die Hochmeister und Gebietiger Gottes Gebote nicht mehr achten und allesamt nach Übermut und Gewalt trachteten. Außerdem wirft er dem Orden vor, dass er das Land in Frieden erhalten könne, es aber nicht wolle. Im Vordergrund steht also seine Resignation. Dem Leser soll deutlich vor Augen 97 98 99 100

DCB (wie Anm. 1), S. 423. Ebd., S. 426. Ebd. Vgl. Jürgen Sarnowsky, Das Vermächtnis in den geistlichen Ritterorden, in: Herrscherund Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, hrsg. Brigitte Kasten, Köln, Weimar, Wien 2008, S. 635–49, hier S. 646. 101 DCB (wie Anm. 1), S. 426.

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geführt werden, dass die Welt des Ordens aus den Fugen geraten sei, nur noch der Preußische Bund das Land retten könne und daher das Heft in die Hand nehmen müsse. Auch an anderen Stellen verteidigt der Chronist Konrad von Erlichshausen, wo er nur kann. Die Gebietiger wollten die Landsleute angreifen, aber der Hochmeister, der als gütiger Landesherr beschrieben wird, wusste dies zu verhindern und verteidigte so das Land. Hochmeister Ludwig von Erlichshausen wird in der Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ sehr positiv wahrgenommen. Er sei, so der Chronist, noch ein junger und damit unerfahrener Mann.102 Betont wird seine gutmütige Art, denn er versuchte, so stellt es zumindest der Chronist dar, bis zuletzt, sich friedlich mit den Bundherren zu einigen. Während andere Würdenträger, unter anderem ein päpstlicher Legat, den Bund unter den Bann des Papstes bringen wollte, bemühte sich Ludwig von Erlichshausen noch um eine gütliche Einigung.103 Selbst als die Bundherren dem Hochmeister schon ihre Entsagebriefe zukommen ließen, sandte Ludwig von Erlichshausen noch seine Berater, um wieder Frieden zwischen ihm und dem Preußischen Bund zu schließen.104 An dieser Stelle macht der Chronist deutlich, dass die Schuld für den Ausbruch des Krieges keinesfalls beim Hochmeister zu suchen sei, denn dieser habe sich bis zuletzt um eine friedliche Einigung bemüht. Seine Vermittlungsversuche wurden aber immer von den Bundherren torpediert. Auch im Krieg wird wiederholt auf seine nahezu naive Gutgläubigkeit rekurriert. So traten die Diener auf den Schlössern mit groszer falscheyt von der Herrschaft des Ordens ab, und der Hochmeister hatte weder Rettung noch Hilfe, dan er hette sich zu sere auff ire gute wort verlassen.105 Er inszeniert den Hochmeister hier also als Opfer, der sich auf das Wort seiner Untertanen verließ und damit betrogen wurde. Betont wird weiterhin seine barmherzige Art, denn er gab sogar sechs preußische Mark aus, um die Bundherren, die unter päpstlichem Bann standen, zu beerdigen.106 Ludwig wird als einziger der vorgestellten Hochmeister in der „Danziger Chronik vom Bunde“ nicht durchweg positiv charakterisiert. Seine Person wird folgendermaßen in die Narration eingeführt: Ludowigk von Elrichshausen war der xxviij hochmeister. Her war des voryen hochmeisters noe geborner, gekoren anno Domini MIIIIcL, her war hochmuttig und egen koppisch, seyn vornemenn das dauchte ym das beste seyn, dar durch der deutczsche orden und das lant zcu Preussen in grosse not quam.107 Er wird also als hochmütig und eigensinnig 102 103 104 105 106 107

ÄHC 1. Fs. (wie Anm. 5), S. 648. Ebd., S. 649. Ebd., S. 661. Ebd. Ebd., S. 673. DCB (wie Anm. 1), S. 427.

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charakterisiert, und er glaubte seine Absicht sei die beste, weshalb der Deutsche Orden und das preußische Land in große Not und letztendlich in den Krieg gerieten. Ihm wird also eine Mitschuld für die Misere des Landes zugewiesen. Der Chronist wirft ihm vor seine Landsleute nicht so zu verteidigen, wie er es bei seiner Huldigung versprochen hatte.108 Zwar wird Ludwig von Erlichshausen als einziger Hochmeister nicht durchweg positiv dargestellt, und er wird zahlreicher Vergehen bezichtigt, dennoch wird er bei weitem nicht so kritisiert wie einige seiner Komture und Gebietiger.

Die Wahrnehmung des Preußischen Bundes Die Wahrnehmung des Preußischen Bundes in der „Älteren Hochmeisterchronik“ ist grundsätzlich eine schlechte bzw. kritisch-distanzierte. Schon vor Gründung des Preußischen Bundes habe es ein starkes Selbstständigkeitsstreben der Stände gegeben, so der Chronist. Er verdeutlicht dies anhand einer Rede des Bürgermeisters von Thorn, Hermann Reusap, der dem Hochmeister drohte, dass die Stände, sollte er nicht für Frieden und Ruhe im Land sorgen, eyn herrn suchen, der […] fryde un ruhe wirt schycken.109 Er macht an dieser Stelle deutlich, dass die Stände den Konflikt durch ihre Drohungen weiter anheizten und dass sie sich mitnichten nur aus der Not heraus dem König von Polen unterwarfen, sondern, dass dies von Anfang an ihre Absicht war. Der Chronist berichtet zwar über den Frieden von Brest, verschweigt allerdings das Widerstandsrecht der Stände, welches im Friedensvertrag festgeschrieben wurde.110 Die Gründung des Preußischen Bundes wird in einem Nebensatz abgehandelt.111 Weshalb der Bund gegründet wurde, wird von dem Chronisten nicht weiter thematisiert. Erst bei der Schilderung der Regierungszeit des Hochmeisters Ludwig von Erlichshausen macht er darauf aufmerksam, dass sie ihren Bund grosse machten und dem Meister und Brüdern viel wyderwillens erwiesen.112 Der Meister hätte den Bund gern beseitigt, aber je mehr er danach strebte, desto mehr verbündeten sie sich und stellten sich dem Meister und den Prälaten in vielen Angelegenheiten entgegen. Im Folgenden schildert der Chronist die diplomatischen Versuche, den Konflikt mit Hilfe des Papstes und des Kaisers zu lösen: So sandte der Papst einen Legaten nach Preußen, der entscheiden sollte, ob der Bund rechtens sei oder 108 109 110 111

Ebd., S. 428. ÄHC 1. Fs. (wie Anm. 5), S. 638. Ebd., S. 639. Und bey seynen gezeyten machten dy landt zw Prewssen iren bundt, und verbunden sych hart zcusamen, ebd., S. 648. 112 Ebd., S. 649.

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nicht. Die Bundherren aber wollten dem Legaten nicht rede gestehen in keynen wegk.113 Als der päpstliche Legat sie daher in den Bann des Papstes bringen wollte, bat der Hochmeister ihn darum, es nicht zu tun, denn sy hetten ihn mit nicht lebendigk aus dem lande gelaszen.114 Die Bundherren widersetzen sich also nicht nur dem Urteil des Papstes, sondern würden nicht einmal vor einem Mord an einer päpstlichen Autoritätsperson zurückschrecken. Als nun der Legat aus dem Lande zog, erwiesen die Bundherren vyll wyderwyllens, und hylten vyll tage zcusamen, also das alle stett kleyn und grosse in dem bundt kamen und ritter und knecht.115 Die Bundherren interessierten sich also nicht einmal dafür, dass sie unter päpstlichen Bann standen, sondern, im Gegenteil, stärkten ihren Zusammenhalt noch für die Zukunft. Der Chronist betont an anderer Stelle, dass der Bund auch von den Universitäten Padua, Bologna, Köln, Leipzig und Erfurt machtlos gesprochen wurde.116 Auch berichtet er von Auseinandersetzungen um eine angebliche kaiserliche Konfirmation des Bundes, aber letztlich bestätigte der Kaiser den Bund nicht, sondern verhängte über die Bundherren eine Schuld von 6.000 Gulden. 2000 Gulden waren dem Papst, 2000 dem Kaiser und 2000 dem Hochmeister und Orden, ihrem rechten Herren, zu entrichten.117 Der Chronist akzentuiert also die Unrechtmäßigkeit des Bundes, die nicht nur vom Orden, sondern auch vom Papst, den Universitäten und dem Kaiser bestätigt wurde. In der Vorkriegszeit wird das falsche Spiel des Bundes stark betont. An mehreren Stellen118 berichtet der Chronist von Treueschwüren der Untertanen gegenüber dem Hochmeister, obwohl sie nur nach einem Weg suchten, wye sye den orden aus den landen mochten vertreyben.119 Kurz vor Ausbruch des bewaffneten Konflikts präsentiert er ein ganz besonderes Beispiel arger Hinterlist. Der Hochmeister hatte vernommen, dass der Bund sich dem polnischen König unterwerfen wollte und weiterhin Söldner aufnahm, um sich für einen Krieg zu rüsten. Mit diesen Vorwürfen konfrontierte er die Bündischen auf einem Tag in Marienburg; diese entgegneten ihm, dies sei eine reine Verteidigungsmaßnahme, denn sie hätten gehört, der Komtur von Elbing brächte Truppen gegen sie ins Land. Nun schwuren sie dem Hochmeister bei Treue und Ehre, dass sie ihm nichts Übles antun wollten, sofern der Komtur keine Söldner gegen sie ins Land führte. Der Hochmeister glaubte das alles und

113 114 115 116 117 118 119

Ebd. Ebd. Ebd., S. 650. Ebd., S. 654–55. Ebd., S. 655. Ebd., S. 651, 656. Ebd., S. 651.

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verbot dem Komtur, Söldner mitzubringen.120 In dieser Zeit aber hatten die Bundherren 500 Böhmen angeworben, sich mit dem König von Polen verbündet und dem Hochmeister die Entsagebriefe zukommen lassen.121Der Chronist findet klare Worte für diesen Betrug, er bezeichnet sie als falscher untrewer vorreter, bosswicht und schelck.122 Er betont, dass sie vorretlich an iren rechten erbherrn haben gefahren,123 obwohl sie dem Hochmeister zuvor so gute und süße Worte gesagt hatten. Generell hat der Chronist nur böse Worte für die Bundherren übrig, denn er nennt sie ungetrewen man124 oder auch falschen bosswicht.125 Ihre Herzen seien falsch und voll gyfft.126 Anzumerken ist, dass der Chronist auf die Klagen der Bundherren gegenüber dem Deutschen Orden eingeht, aber er bezichtigt sie der Lüge und präsentiert eine Gegenklage eines Bruders, dessen Jungfrau und Kellermeister entführt wurden.127 Im Krieg verlor der Hochmeister, der sich zu sere auff ire gute wort verlassen128 hatte, viele Schlösser, darunter Thorn, Danzig, Elbing und Königsberg. Innerhalb von drei Wochen eroberten die Bündischen alle Schlösser bis auf Marienburg und Stuhm, weil sie entweder nicht besetzt waren oder weil die sich die Diener auf den Schlössern mit groszer falscheyt129 vom Orden lossagten. Die niederländischen Knechte und Ritter hatten dem Hochmeister und seinen Gebietigern stets glaubhaft zugesagt, dass sie sich niemals dem Bund anschließen würden, sodass der Orden vertraute den selbigen gar vyll und hette keyn sorg vor yn.130 Aber als sich das Kulmer Land erhob, erhoben sich auch die Niederländer und entsagten dem Hochmeister, nahmen alle Schlösser ein, vertrieben die Herren und verwiesen sie des Landes.131 Bei der Schilderung des Krieges geht der Chronist explizit auf die Brutalität der Bundherren ein: So ertränkten sie ihren Pfleger und ihre Gewalt machte nicht einmal vor einem bristerbruder halt.132 Gefangenen, denen sie Sicherheit zugesagt hatten, übergaben sie, entgegen aller Versprechungen, dem polnischen König. Selbst Frauen waren vor ihren Übergriffen nicht sicher : Einer Frau schlugen sie die Hand ab, eine andere wurde mit einem Spieß durchstochen und 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132

Ebd., S. 657–58. Ebd., S. 658–61. Ebd., S. 659–60. Ebd., S. 660. Ebd. Ebd., S. 661. Ebd., S. 651. Ebd., S. 652. Ebd., S. 665. Ebd. Ebd. Ebd., S. 665–66. Ebd., S. 666.

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einer dritten schlugen sie den Arm ab.133 Der Chronist nimmt die Bundherren als Teufelssöhne wahr. Zwar bezeichnet er sie an keiner Stelle direkt mit solchen Worten, aber er macht immer wieder deutlich, dass Gott auf Seiten des Ordens stehe; demzufolge musste der Bund auf Seiten des Teufels sein. Doch der Chronist findet auch positive Worte für Bündische, allerdings nur für jene, welche sich zunächst dem Bund anschlossen, dann aber geläutert wurden und zum Orden zurückkehrten. So weiß er von einem Erzbischof zu Riga zu berichten, der durch Hochmeister Konrad von Erlichshausen erzogen worden war, nun aber Krieg gegen den Meister von Livland führte. Aber der Meister und der Erzbischof wurden danach wieder gute Freunde. Der Chronist rekurriert hier auf die Hilfe Gottes, der dies umzukehren vermochte.134 Im Gegensatz zur Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ wird der Preußische Bund in der „Danziger Chronik vom Bunde“ sehr positiv wahrgenommen. Der Autor identifiziert sich so sehr mit dem Bund, dass er von ihm in der Wir-Form spricht.135 Die Gründung des Preußischen Bundes wird damit erklärt, dass dem preußischen Volk großes Unrecht seitens des Ordens widerfuhr. Der Chronist zählt etliche Missstände auf,136 die dazu führten, dass die Ritterschaft und Stände im Lande wolden beramen eyne vorbyndunge und vorschreybunge.137 Die Verbindung sollte auch gegründet werden, um Gott zu loben und auch das gutte lant zcu Preussen dester bas in grossern vrede bleiben mochte, is were zcu wasser und zcu lande, das is ouch lippich in fremden landen were zcu horen.138 Der Chronist berichtet von dem Aufstand der Konvente, der sogar Hochmeister Paul von Rusdorf zur Flucht gezwungen haben soll. Neben den Missständen im Land und dem mangelhaften Schutz des Ordens führt er dies als Hauptargument der Gründung des Preußischen Bundes an. Die Stände konnten gegen den Orden nicht allein bestehen, sondern mussten sich verbünden, damit der Eine dem Anderen tot oder lebendig beistand.139 Die Gründung des Preußischen Bundes war in den Augen des Chronisten vom römischen König bestätigt worden.140 Sogar die Gebietiger, die sich zunächst gegen eine Vereinigung der preußischen Lande aussprachen, hätten den Bundbrief besiegelt. Der Chronist weist zudem darauf hin, der Brief sei auch gesant an den Romisschen konigk, herzcog Frederik von Osterreich, der in zcu lys und mit seynem sigill an dissen eynung- ader buntbriff hyngk, der her mit rechte wol seyn 133 134 135 136 137 138 139 140

Ebd., S. 674. Ebd., S. 678. Vgl. DCB (wie Anm. 1), S. 412. Ebd., S. 409–411. Ebd., S. 412. Ebd., S. 413. Ebd., S. 417. Ebd., S. 420–21.

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mochte, wen er doch anders nicht gemacht war, alleyne ummb oberger gewalt willen, das dy nicht mehr geschege.141 Er macht also deutlich, dass der Bundbrief von allen wichtigen Instanzen legitimiert und zu dem Zweck geschlossen wurde, dass dem preußischen Volke keine Gewalt mehr widerfahre. Der Kaiser ordnete einen Richttag an, auf dem der Orden Gründe für die Auflösung des Bundes hervorbrachte, nämlich nachdem die ursachen des bundes tot weren, so sollte der bund ouch tot sein,142 und der Preußische Bund Argumente dafür lieferte, dass der Bund rechtens sei. Weil sich aber der Preußische Bund benachteiligt fühlte, erschienen seine Vertreter nicht bei der Urteilsverkündung, was von dem Chronisten als vollkommen legitimer Akt dargestellt wird. Nach dem Urteil des Kaisers, das den Bund machtlos sprach, entsagten sich die Bündischen der Herrschaft des Hochmeisters und händigten ihm den Absagebrief aus.143 Für den Chronisten war die Aufkündigung des Gehorsams gegenüber dem Orden vollkommen rechtmäßig. Weil der Kaiser den Bund hintergangen habe, sei es auch vollkommen legitim, dass sich der Bund der Herrschaft des Hochmeisters entsagte. Im Krieg fokussiert der Chronist seine Narration auf die Erfolge des Bundes und macht darauf aufmerksam, dass das lant und stete des bundes bynnen xxj tagen das gantze lant Preussen mit allesn slosseren und steten erlangeten in ire gewalt, so das der orden nicht mee bhilt wen Marienborgk slos und stadt und Stum das slos und stat.144 Nichtsdestotrotz verschweigt er die Niederlage des Bundes in der Schlacht von Konitz nicht. Kasimir zog mit einem Volk, dessen Stärke sich auf etwa 16.000 Mann belief, selbst ins Preußische Land, um es einzunehmen.145 Dass dies die verlustreichste Schlacht war, an der Polen je partizipierte, teilt er dem Leser aber nicht mit.

Die Wahrnehmung der Baysens und König Kasimirs von Polen Zur Familie der Führer des Preußischen Bundes, Hans und Gabriel von Baysen, wird in der „Älteren Hochmeisterchronik“ zusammenfassend festgehalten, dass von dem geslechte sich alle boszheytt erhoben hat in dem lande zcu Prewssen.146 Sie seien die falschen vorreter.147 Gegenüber Hans von Baysen hegt der Chronist eine besondere Abneigung, denn dieser war gar ein ungetrewen man des or-

141 142 143 144 145 146 147

Ebd., S. 422. Ebd., S. 428. Ebd., S. 431. Ebd. Ebd., S. 432. ÄHC 1. Fs. (wie Anm. 5), S. 653f. Ebd., S. 681.

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dens,148 der all sein Gut von seinen Brüdern und Freunden vom Orden hatte und trotzdem als erster dem König von Polen huldigte. Er sei, genau wie Gabriel von Baysen, ein bosze verreter.149 Die Wahrnehmung der Baysens in der „Danziger Chronik vom Bunde“ ist dagegen, wenig überraschend, insgesamt eine sehr positive. Erwähnt wird ein Streit zwischen Bischof Franz Kuhschmalz und Hans von Baysen, bei dem der Chronist eindeutig Partei für Hans von Baysen ergreift.150 Kasimir von Polen wird in der Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ sehr negativ wahrgenommen, denn der Chronist nennt ihn den meyneidig bosse konig von Pollen.151 Er wirft ihm vor, die Bündischen aufgenommen und so den Ewigen Frieden, den sein Vater, seine Brüder und er mit allen seinen Landen dem Hochmeister und Orden auf das heilige Evangelium geschworen und auch das Sakrament darauf empfangen hatten, gebrochen zu haben.152 Um seine hinterlistigen Charakterzüge zu akzentuieren, schildert er die Hochzeit Kasimirs. Während der Hochmeister noch glaubte in einem Friedensverhältnis zu dem polnischen König zu stehen und seinen obersten Tressler mit einer Gabe zu ihm sandte, nahm er die Bundherren auf und brach so den Ewigen Frieden. An späterer Stelle der Chronik beschreibt der Chronist Kasimir wiederum als schelcklich und verreterlich153 und gibt eine Wertung bezüglich seiner Ehe mit Elisabeth, der Schwester Königs Ladislaus von Böhmen und Ungarn. Er beleidigt ihn aufs schlimmste, indem er behauptet, der falsch konig von Pollen was des edeln blutes nyhe wirdig.154 Während der kriegerischen Auseinandersetzungen betont der Chronist immer wieder, dass der polnische König seine Versprechungen nicht einhielt. So gab er z. B. Herren des Ordens die Zusage, sie in die deutschen Lande ziehen zu lassen, aber er behielt dann doch alle Herren gefangen, als seyn art was.155 Im Gegensatz dazu wird Kasimir in der ständenahen Chronik äußerst positiv dargestellt. So berichtet der Chronist, dass der polnische König der eigentlichen Aufgabe des Hochmeisters, nämlich die Rechte und Privilegien seiner Untertanen zu verteidigen und ihnen Schutz zu gewähren, gewissenhaft nachging.156 Außerdem stellt er den polnischen König als sehr ehrgeizig und mutig dar. So versamelte der konig Kasymirus in Polen volk auff bey xvjM sterk wol gerustet 148 149 150 151 152 153 154 155 156

Ebd., S. 659. Ebd., S. 681. DCB (wie Anm. 1), S. 424. ÄHC 1. Fs. (wie Anm. 5), S. 660. Ebd., S. 660–61. Ebd., S. 670. Ebd., S. 671. Ebd., S. 673. DCB (wie Anm. 1), S. 431.

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reysigk zceug ouch eygener persone und zcog noch Preusser lant, das eynzcunemen.157 Der polnische König schickte also nicht etwa Söldner nach Preußen, um das Land einzunehmen, sondern bewies Heldenmut und Stärke, indem er selbst in den Kampf zog. *** Sowohl die Erste Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ als auch die „Danziger Chronik vom Bunde“ hatten wohl kenntnisreiche Leser als Zielgruppe. Die Erste Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ richtete sich wahrscheinlich in erster Linie an Ordensbrüder, wohingegen die „Danziger Chronik vom Bunde“ als Zielpublikum am ehesten mit den Ordensämtern vertraute Stadtbürger hatte, denn nur so lässt sich erklären, dass beide Chronisten sich nicht bemühen, verschiedene Ordensämter und Personen näher zu erläutern. Sie konnten wohl Kenntnisse beim Leser voraussetzen. Die Intention des Chronisten der Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ besteht eindeutig darin, seinen Orden in positivem Licht darzustellen, wohingegen der Chronist der „Danziger Chronik vom Bunde“ versucht, den Preußischen Bund möglichst positiv auf den Leser wirken zu lassen. In der „Älteren Hochmeisterchronik“ sind die himmlischen Kräfte immer auf Seiten des Ordens, und er verdankt viele seiner Kriegserfolge dem Eingreifen Gottes oder der Schutzpatronin Maria. Er wird als gerechte Korporation beschrieben, die sich mit der Unterstützung Gottes und Marias gegen ihre aufsässigen Untertanen verteidigt. Der Chronist schmäht die Bundherren, wo er nur kann. In seinen Augen sind sie Verräter, die sich ohne Grund gegen ihren Landesherrn erhoben und daher nichts als Verachtung verdient hätten. Auch widersetzen sie sich dem Befehl des Papstes und des Kaisers, den Bund aufzulösen. Schon in der Vorkriegszeit schildert der Chronist die Heimtücke und Verschlagenheit der Mitglieder des Bundes. Sie versagten dem päpstlichen Legaten und anderen Geistlichen ihren Respekt. Der Orden hingegen wird als gütiger Landesherr dargestellt, personifiziert in den Hochmeistern, die bis zuletzt versuchten, den Konflikt auf friedlichem Wege zu lösen, aber von dem polnischen König und den eigenen Landsleuten betrogen wurden. Sie werden von jeder Schuld am Kriegsausbruch freigesprochen. Auf Verletzungen und Rechtsbrüche seitens des Ordens geht er nicht ein; er schildert es so, als hätten sich die Landsleute ohne einen triftigen Grund verbündet, dem polnischen König unterstellt und gegen den Orden Krieg geführt. Selbst im Krieg zeigen sich die Hochmeister gütig und werden damit als oberste Repräsentanten

157 Ebd., S. 432.

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einer Korporation verklärt, die christliche Ideale nicht nur vertritt, sondern auch gegenüber ihrem Nächsten lebt. Auf Streitigkeiten innerhalb des Ordens, die es zweifelsohne gegeben hat, geht er nur in unzureichendem Maße ein. Der Streit zwischen Deutschmeister Eberhard von Saunsheim und Hochmeister Paul von Rusdorf wird in einem Absatz abgehandelt. Dass die beiden sich gegenseitig absetzten, wird von dem Chronisten nicht einmal erwähnt. Der Aufstand der Ordenskonvente Balga, Königsberg und Brandenburg gegen die einseitige niederdeutsche Personalpolitik des Hochmeisters bleibt ebenfalls unberücksichtigt. Auch die sich anschließende Änderung der Gebietigerämter findet in der Chronik keine Erwähnung. Nichtsdestotrotz bleibt es erwähnenswert, dass die internen Streitigkeiten überhaupt thematisiert werden. Somit präsentiert er sich als kritischer Chronist, weshalb die Erste Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ im Gegensatz zu anderen Chroniken, wie der „Geschichte wegen eines Bundes,“ nicht als reine Propagandaschrift für den Orden gesehen werden kann.158 Die Intention der Erzählung Peter Brambecks besteht zweifelsohne darin, den Preußischen Bund im positiven Licht darzustellen. Er räumt in der Eskalation des Konflikts mit dem Deutschen Orden keine Fehler seitens des Bundes ein. Der Bund habe immer versucht, den Konflikt auf friedliche Art und Weise zu lösen. Auch versucht er in seiner Darstellung, seine Legitimität zu untermauern. Der Bund habe, so stellt der Chronist es dar, auf gesetzlichen Grundlagen gefußt, wurde er doch vom Römischen König, dem Hochmeister und den Gebietigern bestätigt. Weiterhin präsentiert er die Gründung des Preußischen Bundes 1440 als einzige mögliche Handlungsoption, denn die Welt des Ordens sei aus den Fugen geraten und nicht einmal der Hochmeister war in der Lage, seine Untertanen vor den Angriffen der Gebietiger und Komture zu schützen, weshalb sie sich selbst verteidigen mussten. Wichtig ist jedoch, dass er keine Generalkritik am Orden vollzieht: Er weiß sehr wohl zu differenzieren zwischen Schwaben, Bayern und Franken, die er für die Misere des Landes verantwortlich macht, und treuen Mitgliedern des Ordens, nämlich Westfalen, Rheinländern und Sachsen. Die Hochmeister als oberste Repräsentanten des Ordens werden mit Ausnahme von Ludwig von Erlichshausen an keiner Stelle kritisiert, sondern ganz im Gegenteil als gütige Landesväter inszeniert, die den Preußischen Bund unterstützt hätten, wären da nicht die Gebietiger und Komture gewesen. Betont wird an vielen Stellen ihre Abhängigkeit und Machtlosigkeit gegenüber ihren falschen Beratern. Die Ursachen für die Missstände und die daraus resultierende Entzweiung mit dem Land sieht er in einem moralischen Verfall des Ordens, und so kontrastiert er den jetzigen Zustand mit den guten alten Zeiten, personifiziert in Gestalt der Hochmeister 158 Vgl. Ulrichs (wie Anm. 35), S. 240.

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Katharina Wenzel

Heinrich Dusemer und Winrich von Kniprode, unter deren Regierungen noch Recht und Ordnung herrschte, die Untertanen beschützt, den Armen geholfen, die Kaufleute unterstützt und die Frauen bei Ehren gelassen worden. Kritik am Preußischen Bund findet man in seiner Darstellung nicht. Er findet es vollkommen legitim, dass sich die Preußen einen neuen Landesherrn, nämlich den polnischen König, suchten. Während sich der Chronist der Ersten Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ teilweise als kritisch gegenüber seinem Orden präsentiert, dessen Mitglied er selbst war, findet sich in der Darstellung des Danziger Chronisten keinerlei Ansatz für Kritik am Preußischen Bund. Die „Danziger Chronik vom Bunde“ konnte also problemlos als Propagandaschrift für den Preußischen Bund genutzt werden, die Erste Fortsetzung der „Älteren Hochmeisterchronik“ jedoch nicht als Propagandaschrift für den Deutschen Orden, weil sich der Chronist an einigen Stellen zu kritisch verhält. *** Wie schon eingangs erwähnt, ist von Chroniken keine Objektivität der Darstellung zu erwarten. Die Chronisten lieferten uns ihre persönlichen Anschauungen und persönliche Interpretationen von Fakten, Vorgängen, Gegenständen und Abläufen, die nicht zu einer Rekonstruktion historischer Ergebnisse beitragen konnten. Kaum überraschend kann konstatiert werden, dass sowohl der Deutsche Orden als auch der Preußische Bund von ihren Chronisten eine positive Wertung erfahren. Zudem werden die führenden Vertreter des Preußischen Bundes auf Bundesseite positiv wahrgenommen und auf Seiten des Ordens negativ. Dennoch finden sich viele Nuancen, die dieses vorhersehbare SchwarzWeiß-Bild relativieren. So wird in der Danziger Chronik nicht nur die Zeit der Hochmeister Heinrich Dusemer und Winrich Kniprode als gute alte Zeit inszeniert, sondern auch für die aktuellen Landesväter wird ein positives Bild entworfen, einzig Ludwig von Erlichshausen wird nicht vollends positiv beschrieben. Den Orden als Ganzes diffamiert der Chronist nie; die Hochmeister bleiben von jeglicher Kritik verschont, denn sie treffe keinerlei Schuld an dem Ausbruch des Krieges, einzig und allein ihre Berater hätten die Misere des Landes zu verantworten. Aber auch hier differenziert er zwischen treuen Ordensmitgliedern und den Oberdeutschen, nämlich den Bayern, Franken und Schwaben, mit denen das Übel ins Land gekommen wäre. Auch die „Ältere Hochmeisterchronik“ bleibt nicht in einer starren Schwarz-Weiß-Malerei des Ordens und seiner Gegner verhaftet. Interne Streitigkeiten, die dem Orden sehr schadeten, werden, wenn auch kurz, zumindest thematisiert, wodurch sich der Chronist als durchaus kritisch präsentiert. Was die Ergebnisse dieser Untersuchung betrifft, dürfte deutlich geworden

Die gegenseitige Wahrnehmung des Deutschen Ordens und der Stände

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sein, dass sich ein vorstellungsgeschichtlicher Ansatz für die Zeit wachsender Konflikte zwischen Orden und den preußischen Ständen anbietet, um sich der Vorstellungswelt der Zeitgenossen zu nähern. Da es, mit Ausnahme eines Aufsatzes von Frauke Schmitz und einzelner Aufsätze aus den 90er bzw. 2000er Jahren,159 wenig an neuerer Forschungsliteratur gibt, bleibt zu hoffen, dass sich die historische Forschung in Zukunft wieder nachdrücklicher diesem spannenden Thema widmet.

159 Frauke Schmitz, Eine Deutschordenschronik berichtet. Beschreibung von Personen und Gruppen in der „Geschichte wegen eines Bundes“, in: Bilder – Wahrnehmungen – Vorstellungen. Neuere Forschungen zur Historiographie des hohen und späten Mittelalters, hrsg. Jürgen Sarnowsky (Nova Mediaevalia, 3), Göttingen 2007, S. 165–201, ebenfalls mit einem vorstellungsgeschichtlichen Ansatz, der dazu dient, sich mit der Darstellung des Dreizehnjährigen Krieges auseinanderzusetzen; vgl. weiter wiederum Ulrichs (wie Anm. 35); Feistner, Neecke, Vollmann-Profe (wie Anm. 46).

Birgit Steude

Die Wahrnehmung Hochmeister Friedrichs von Sachsen (1498–1510) in zeitgenössischen und späteren Quellen

Im Oktober 1466 verlor der Deutsche Orden mit dem Zweiten Thorner Frieden die wirtschaftlich stärksten Gebiete seines preußischen Territoriums, das Kulmer Land, Pommerellen, das Marienburger Gebiet und Ermland. Die Hochmeister sollten künftig einen Treueeid auf die polnische Krone leisten, und der Orden sollte polnische Brüder aufnehmen. Da der Friedensschluss im Reich auf starke Ablehnung stieß, versuchten die Hochmeister seit Heinrich Reuß von Plauen (1467–1470) mehr oder weniger intensiv den Treueeid auf die polnische Krone zu vermeiden und eine Revision des Zweiten Thorner Friedens zu erreichen, notfalls mit einem Krieg gegen Polen. Martin Truchsess von Wetzhausen (1477–1489) scheiterte, als er durch sein Eingreifen in den „Pfaffenkrieg“ um das Bistum Ermland eine Wende herbeiführen wollte.1 Sein Nachfolger Johann von Tiefen (1490–1497) hegte die Hoffnung, durch eine vorbildliche Erfüllung seiner Pflichten gegenüber Polen verloren gegangene Gebiete Preußens friedlich zurückzuerlangen und pflegte einen guten Kontakt zum römisch-deutschen König Maximilian.2 Der polnische König Johann Albrecht wollte aber Preußen in seinem Machtbereich belassen und den Deutschen Orden im östlich der Karpaten gelegenen Podolien, das noch zu Polen-Litauen gehörte, ansiedeln, um ihn im Kampf gegen die Türken einer neuen Aufgabe zuzuführen. Der ermländische Bischof Lucas Watzenrode unterstützte diesen Plan, da er meinte, dass der Deutsche Orden im Baltikum seine Aufgabe verloren habe. Maximilian und die Reichsstände waren mit dem 1494/1495 in Thorn diskutierten Plan einverstanden, auch wenn dieser nie realisiert wurde. Von diesem Vorgehen beunruhigt, schlug Johann von Tiefen den Wettiner Herzog Friedrich von Sachsen als nächsten Hochmeister vor. Dessen Bruder Georg war seit kurzem mit Barbara, 1 Klaus Militzer, Die Geschichte des Deutschen Ordens, Stuttgart 2005, S. 155. 2 Marian Biskup / Gerard Labuda, Die Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen. Wirtschaft–Gesellschaft–Staat–Ideologie (Deutsches Historisches Institut Warschau, Klio in Polen, 6) (1986, aus dem Poln. übers. Jürgen Heyde und Ulrich Kodur), Osnabrück 2000, S. 498.

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der Schwester Johann Albrechts, vermählt.3 Tiefens Vorhaben stieß bei den Ständen eher auf Zustimmung als in der Ordenskorporation. Diese Maßnahme sollte aber gegenüber dem polnischen Königreich zu mehr Gewicht verhelfen. Eigens zu diesem Zweck wurde 1498 der für den geistlichen Stand bestimmte Friedrich im Alter von 25 Jahren in den Orden „eingekleidet“ und zum Hochmeister gewählt. So wurde die Hochmeisterwürde zur Pfründe.4 Vor dem Hintergrund des skizzierten politischen Spannungsfeldes soll in diesem Beitrag die Wahrnehmung Friedrichs von Sachsen in seiner Zeit als Hochmeister näher betrachtet werden, allerdings ohne einen Vergleich mit dessen Nachfolger Albrecht von Brandenburg-Ansbach,5 der wie Friedrich aus einem der führenden fürstlichen Häuser seiner Zeit stammte.6 Über Albrecht von Brandenburg-Ansbach fand und findet ein intensiverer wissenschaftlicher Diskurs statt,7 der sich unter anderem durch die Umwandlung Preußens in ein Herzogtum unter Albrecht als ersten Herzog im Jahr 1525 erklären lässt.8 Friedrich von Sachsen wird dagegen knapper und sehr unterschiedlich behandelt. Im Jahr 1839 legte Johannes Voigt auf knapp 160 Seiten in seinem neunten und letzten Band seiner „Geschichte Preussens“ den Grundstein zur Erforschung des Hochmeisters. Er urteilte milde, fast empathisch. Mitleidend werden der nahende Tod und der „Nachruhm“, geradezu pathetisch die Beisetzung des Hochmeisters beschrieben.9 Andreas Thiel setzte sich 1858/60 mit dem Verhältnis des ermländischen Bischofs Lucas Watzenrode zum Deutschen Orden auseinander.10 Nach ihm kam es dem Bischof sehr gelegen, dass ein Fürst 3 Ebd. 4 Ebd.; Hartmut Boockmann, Der Deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, 4. Aufl. München 1994, S. 215–16. 5 Vgl. Kurt Forstreuter, Vom Ordensstaat zum Fürstentum. Geistige und politische Wandlungen im Deutschordensstaat Preußen unter den Hochmeistern Friedrich und Albrecht (1498–1525), Kitzingen 1951. 6 Jürgen Sarnowsky, Der Deutsche Orden, München 2007, S. 106. 7 Siehe: Jacek Wijaczka, Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1490–1568): ostatni mistrz zakonu krzyz˙ackiego i pierwszy ksia) z˙e) w Prusiech, Olsztyn 2010; Konrad Kressel, Albrecht, Markgraf zu Brandenburg-Ansbach, Herzog in Preußen: Ein lutherischer Politiker der Reformationszeit von europäischem Gewicht, in: Acta Borussica, Zentralarchiv für altpreußische Volkskunde und Landesforschung, hrsg. Altpreußische Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst und Literatur (Publikationsreihe der Ost- und Westpreußenstiftung in Bayern, 20), 4 (1989–1990), Oberschleißheim 1990, S. 134–155; Udo Arnold, Albrecht von Brandenburg – vom Hochmeister zum Herzog. Politisches Kalkül als Richtschnur, in: Damals. Das Magazin für Geschichte, 39, Heft 1/2007, S. 28–32. 8 Biskup / Labuda, Geschichte (wie Anm. 2), S. 534. 9 Johannes Voigt, Geschichte Preussens, von den ältesten Zeiten bis zum Untergange der Herrschaft des Deutschen Ordens, 9: Die Zeit vom Tode des Hochmeisters Ludwig von Erlichshausen 1467 bis zum Untergange der Herrschaft des Ordens unter dem Hochmeister Albrecht von Brandenburg 1525, Königsberg 1839, S. 395–96. 10 Andreas Thiel, Das Verhältnis des Bischofs Lucas von Watzelrode zum Deutschen Orden, in:

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zum Hochmeister erwählt wurde, und der Bischof habe immer wieder versucht, zwischen dem Orden und Polen zu vermitteln. Paul Oberländers Dissertation aus dem Jahre 1914 über Friedrichs Amtszeit als Hochmeister endet 1501 mit dem Tode des polnischen Königs Johann I. Albrecht von Polen.11 Oberländer wirft Friedrich Entschlussunfähigkeit und Kriegsunwilligkeit vor. Er sei ein „Schwarzseher“ gewesen, dem seine eigene Sicherheit näher gewesen sei als das Ziel, Preußen für den Orden aus Polens Händen zu befreien.12 Wolfgang Duzˇus befasste sich 1939 in seiner Dissertation mit Friedrichs Lehrer und späterem Kanzler Paulus von Watt,13 und Kurt Forstreuter näherte sich 1951 Friedrich von Sachsen und dessen Nachfolger Albrecht von Brandenburg aus der Perspektive des Übergangs „Vom Ordensstaat zum Fürstentum“.14 Ingrid Matison setzte sich dann 1957 in ihrer Dissertation mit der Politik Friedrichs auseinander.15 Sie kommt zu dem Schluss, dass sich Friedrich dem Orden gegenüber verantwortlich verhalten habe und vermutet, dass auch eine religiöse Bindung an den Orden vorlag.16 Eine kurze, differenzierte Vorstellung Friedrichs stammt auch von Marian Biskup.17 Er bescheinigt dem Hochmeister einen friedlichen Charakter. Dieser habe aber nicht nur die geänderten politischen Verhältnisse, sondern auch den Widerwillen der Stände gegen eine Restitution des Ordens übersehen.18 Wenn der Schwerpunkt dieses Beitrags auf der Frage nach der Wahrnehmung des Hochmeisters Friedrichs von Sachsen in zeitgenössischen und späteren Quellen liegen soll, schließt das an den Ansatz der Deutung und Wahrnehmung von mittelalterlichen Quellen an, der in der geschichtswissenschaftlichen Mediävistik seit den 1970er Jahren eine etablierte Methode darstellt.19 Es geht dabei

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Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 1, Jg. 1858–1860, Heft 1–3, S. 409–59. Paul Oberländer, Hochmeister Friedrich von Sachsen (1498–1510). 1. Teil. Wahl und Politik bis zum Tode König Johann Albrechts von Polen [Diss. phil. Berlin], Magdeburg 1914. Ebd. S. 113–15. Wolfgang M. P. W. Duzˇ us, Paulus von Watt. Kanzler des Hochmeisters Friedrich von Sachsen und 18. Bischof von Samland († 1505) [Dissertation Bern], Bühl in Baden 1939. Forstreuter, Ordensstaat (wie Anm. 5). Ingrid Matison, Die Politik des Hochmeisters Friedrich von Sachsen (1498–1510) [Dissertation München 1957], http://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/b/b060070.pdf, letzter Zugriff 26. 08. 2017. Ebd., S. 526–27. Marian Biskup, 36. Friedrich von Sachsen (29.IX.1498–14.XII.1510), in: Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190–2012 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, 40; Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens, 6), hrsg. Udo Arnold, 2. Aufl. Weimar 2014, S. 159–64. Ebd. S. 160, 164. Vgl. Hartmut Bleumer / Hans-Werner Goetz / Steffen Patzold / Bruno Reudenbach, Wahrnehmungen und Deutungen im Mittelalter. Eine Einführung, in: Zwischen Wort und

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nicht um die Erstellung eines Abbildes von Realität, denn wenn „Vermutungen aufgestellt werden müssen, ist auch hier wieder die Gefahr der Färbung gegeben“.20 Vielmehr soll für die zu untersuchenden zeitgenössischen und späteren historiografischen Quellen allein das von ihnen erzeugte zeitgenössische Bild relevant sein.21 In den zu untersuchenden Quellen sollen die verankerten Wahrnehmungen aus Friedrichs Umfeld erfasst werden, zu denen sowohl seine Gebietiger und Untertanen als auch weltliche Personen und Kleriker zählen. Aufgrund des großen Umfangs der Überlieferung können hier nur einige Wahrnehmungen aufgezeigt werden, welche aber eine möglichst hohe Diversität aus Friedrichs Leben wiedergeben sollen. Deshalb sollen sowohl Zeugnisse der pragmatischen Schriftlichkeit aus der Ordenskanzlei wie auch historiografische Werke herangezogen werden. Bei Letzteren sind sowohl Werke aus dem Orden und seinem Umfeld wie auch Berichte von Ordensuntertanen und ordensfremden Autoren zu berücksichtigen. Für die Jahre 1499 bis 1502 ist das Missiv- und Ratbuch des Kanzlers Paulus von Watt aufschlussreich, das heute als Ordensfoliant 23 in der XX. Hauptabteilung des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Berlin verwahrt wird. Die 368-seitige Handschrift ermöglicht vielfältige Einblicke in die täglich zu bewältigenden Themen der Ordenskanzlei.22 Auch wenn sich die Ständetage im Ordensland erschließen lassen, sind doch die Akten der Ordensrezesse aus den Jahren 1504, 1505 und 1507 untergegangen.23 Zu berücksichtigen sind daneben die ebenfalls in Berlin verwahrten Stücke auf Papier, die in den stichwortartig gestalteten Regesten zum Ordensbriefarchiv erschlossen sind.24 Einige von den dort erhaltenen Stücken über Friedrich sind im Liv-, est- und kurlän-

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Bild. Wahrnehmungen und Deutungen im Mittelalter, hrsg. dies., Köln / Weimar / Wien 2010, S. 1–10. Frauke Schmitz, Eine Deutschordenschronik berichtet: Beschreibung von Personen und Gruppen in der „Geschichte wegen eines Bundes“, in: Bilder – Wahrnehmungen – Vorstellungen. Neue Forschungen zur Historiographie des hohen und späten Mittelalters (Nova Mediaevalia. Quellen und Studien zum europäischen Mittelalter, 3), hrsg. Jürgen Sarnowsky, Göttingen 2007, S. 165–202, hier S. 165. Vgl. auch: Sarnowsky : Einleitung, in: ebd. S. 12. Duzˇ us, Watt (wie Anm. 13); Paul von Watt, Ratbuch bey Dr. Pauls v. Watt Cantzlers Gezeiten, heute der Ordensfoliant 23, im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin, XX. Hauptabteilung (Historisches Staatsarchiv Königsberg). Max Toeppen, Vorrede, in: Acten der Ständetage Preussens unter der Herrschaft des Deutschen Ordens, hrsg. Max Toeppen in fünf Bänden, Leipzig 1878–1886, ND Aalen 1973–1974, hier 5 (1458–1525), S. III–X, darin S. VII–VIII. Regesta historico-diplomatica Ordinis S. Mariae Theutonicorum 1198–1525, hrsg. Walther Hubatsch, bearb. Erich Joachim, Pars 1: Index tabularii Ordinis S. Mariae Theutonicorum: Regesten zum Ordensbriefarchiv, 2: 1455–1510, Göttingen 1950.

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dischen Urkundenbuch ediert.25 Die Akten der Stände Preußen Königlichen Anteils, gedruckt als „Akta Stanjw Prus Krjlewskich“,26 vervollständigen durch die polnische Perspektive Friedrichs gesamte Amtszeit. Hinweise zur Wahrnehmung Friedrichs im Heiligen Römische Reich der Zeit Maximilians I. liefern die „Regesta Imperii“27. Sie sind besonders hilfreich, um den ersten Abschnitt von Friedrichs Amtszeit bis 1504 zu durchleuchten. Die in den „Scriptores rerum Prussicarum“ edierten Geschichtsquellen zu Preußen betreffen an mehreren Stellen die Zeit Friedrichs von Sachsen.28 Die darin enthaltene „Jüngere Hochmeisterchronik“ des Deutschen Ordens weist allerdings nur einen kurzen Abschnitt über diesen Hochmeister auf.29 Ein Reisejournal aus dem Jahr 1512 von Hans Zerer, einem Untertanen des Deutschen Ordens, zählt als eine Art Ergänzung zur Chronik des letzten Hochmeisters Albrecht von Brandenburg-Ansbach, Friedrichs Nachfolger. Hans Zerer war Albrechts Kanzleischreiber.30 Dazu kommen historiografische Quellen. Die „Danziger Chronik vom Bunde“ spiegelt die Stimmung der Stände in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und ihr Verhältnis zum Deutschen Orden. Die Autorschaft ihrer „Fortsetzung“ (1466–1526), die Friedrich von Sachsen einen Absatz widmet, wird Bernt Stegemann zugeschrieben.31 Die wohl von 25 Liv-, est- und kurländisches Urkundenbuch (begründet F. G. von Bunge, fortgesetzt Hermann Hildebrand, Philipp Schwartz und Leonid Arbusow), hrsg. Leonid Arbusow d. Ä., II. Abteilung, drei Bände, Riga 1900, 1905, 1914. 26 Akta Stanjw Prus Krjlewskich, acht Bände, hrsg. Pan´st. Wydawnictwo Naukowe / Wydaw. Instytutu Historii Nauki, Os´wiaty i Techniki PAN, Torun´ / Warszawa 1955–1993, http:// kpbc.umk.pl/dlibra/ publication?id=12442& from=& dirids=1& tab=1& lp=2& QI=, letzter Zugriff 26. 08. 2017. 27 Regesta Imperii XIV. Ausgewählte Regesten des Kaiserreiches unter Maximilian I. 1493–1519, hrsg. Johann Friedrich Böhmer, 2, Teile 1–2: 1496–1498, bearb. Hermann Wiesflecker und Manfred Hollegger, Köln u. a. 1993; ebd. 2, 3, Teile 1–2: Register der Personen- und Ortsnamen 1496–1498, bearb. Hermann Wiesflecker und Angelika Schuh, Köln u. a. 1993; ebd. 3, Teile 1–2: 1499–1501, bearb. Hermann Wiesflecker, Christa Beer u. a., Köln u. a. 1996–1998; ebd. 4, Teile 1–2: 1502–1504, bearb. Hermann Wiesflecker, Inge Wiesflecker-Friedhuber, Manfred Hollegger, Christa Beer u. a., Köln u. a. 2002–2004. 28 Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft, hrsg. Theodor Hirsch, Max Toeppen, Ernst Strehlke, fünf Bände, Leipzig 1861–1874, Neudruck Frankfurt a. M. 1965; 6, hrsg. Walter Hubatsch, Udo Arnold, Frankfurt am Main 1968. 29 Die Jüngere Hochmeisterchronik, hrsg. Theodor Hirsch, in: ebd. 5, Leipzig 1874, S. 1–172, hier S. 148. 30 Hans Zerer, Vertzeichnus. Welcher gestalt m. g. h. marggraff. Albrecht hohmeister mit seiner f. g. herren brudern, marggrafen Casimiren und sampt mehr andern grafen, hern, freihern, rittern, edelleutten und knechten von Onnoltzbach von nachtleger zu nachtleger bisz gen Konigsperk in Preusser getzogen. Actum im jhar 1512, in: Aufzeichnungen zur Geschichte des letzten Hochmeisters, des Markgrafen Albrecht von Brandenburg, von verschiedenen Verfassern, hrsg. Max Toeppen, in: Scriptores (wie Anm. 28) 5, Leipzig 1874, S. 315–27, hier S. 317. 31 Die Danziger Chronik vom Bunde, hrsg. Theodor Hirsch, in: Scriptores (wie Anm. 28) 4,

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einem Danziger Bürger verfasste „Danziger Chronik vom Pfaffenkriege“ war im 15. und 16. Jahrhundert in Danzig verbreitet. Sie endet 1489 mit dem Tod des ermländischen Bischofs Nicolaus von Tüngen, hat aber eine Fortsetzung mit einer knappen Notiz zu Friedrich von Sachsen gefunden.32 Eine etwas spätere Quelle ist „Paul Pole’s Preussische Chronik“,33 die sich nicht ganz einfach einordnen lässt. Paul Pole war zunächst Kaplan an der altstädtischen Pfarrkirche zu Königsberg, gehörte dann zu den ersten Geistlichen, die sich der Lehre Luthers zuwandten und heirateten. Nachdem er Kaufmann geworden war, schrieb er während einer langen Krankheit seine Chronik, die 1532 endet. Dafür kompilierte er hauptsächlich „Die Jüngere Hochmeisterchronik“ und die „FerberChronik“. Paul Pole muss auch Zugang zu den Akten der Tagfahrt zu Posen 1510 gehabt haben und steht deutlich auf Seiten des Bundes.34 In den „Aufzeichnungen zur Geschichte des Bisthums Pomesanien“ finden sich ebenfalls historische Informationen über Friedrich von Sachsen.35 Sie bestehen aus vielen kleinen Texten, deren breites Spektrum auf sorgfältig zusammengetragenen Manuskripten, Beschreibungen von Bildern und Inschriften beruht sowie mit chronologischen Daten vervollständigt wurde. Das Memoriale Domini Lucae episcopi Warmiensis36, die Chronik des ermländischen Bischofs Lucas Watzenrode (1496–1512), enthält auch einen Bericht Georg Pranges, der von Oktober 1490 bis März 1496 bischöflicher Sekretär in Heilsberg war. Im Anschluss wurde er von seinem Bischof als Prokurator nach Rom geschickt, um das Bistum am päpstlichen Hof gegen den Deutschen Orden zu verteidigen. Das Bild des Bischofs Lucas Watzenrode wird in dieser Chronik gänzlich abweichend von den Ordensquellen gezeichnet, die Johannes Voigt für seine „Geschichte Preussens“ heranzog.37 Ein weiteres klerikales Werk stammt vom Dominikaner Simon Grunau. Er

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Leipzig 1870, S. 405–89; Fortsetzung, in: ebd. S. 444–48, hier S. 445; Theodor Hirsch, Einleitung, in: ebd. S. 405–08, hier S. 408. Die Danziger Chronik vom Pfaffenkriege, hrsg. Theodor Hirsch, in: Scriptores (wie Anm. 28) 4, Leipzig 1870, S. 676–92; Fortsetzung, in: ebd. S. 689; Theodor Hirsch: Einleitung, in: ebd. S. 676–79, hier S. 676. Paul Pole’s Preussische Chronik, bearb. Max Toeppen, in: Scriptores (wie Anm. 28) 5, Leipzig 1874, S. 173–288, hier S. 173–74. Max Toeppen, Einleitung, in: Pole, Chronik (wie Anm. 33), S. 173–85, hier S. 173–74, 179, 182. Aufzeichnungen zur Geschichte des Bisthums Pomesanien. Aus den hinterlassenen Papieren des verstorbenen Dr. E. Strehlke, hrsg. Max Toeppen, in: Scriptores (wie Anm. 28) 5, Leipzig 1874, S. 385–439. Memoriale Domini Lucae, episcopi Warmiensis, in: Monumenta Historiae Warmiensis oder Quellensammlung zur Geschichte Ermlands (Historische Vereine für Ermland, 8, 2. Abteilung, Scriptores rerum Warmiensium) hrsg. Carl Peter Woelky, 2, Braunsberg 1889, S. 1–171, hier S. 65–67 (fol. 140b–141). Woelky, ohne Titel, in: Memoriale (wie Anm. 36), S. 1–3; Voigt, Geschichte (wie Anm. 9).

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arbeitete mindestens 20 Jahre daran, in denen er die Chronik dreimal redigierte und durch neue Informationen ergänzte, ohne dass sie in sich abgeschlossen wurde.38 „Simon Grunaus’s Preussische Chronik“39 ist ein umstrittenes Werk, das Theodor Hirsch als Lügenchronik bewertet hat, als „ein Werk, in dem wir im Interesse der Wissenschaft nur wünschen können, dass es als Geschichtsquelle recht bald in Vergessenheit gerathe.“40 Max Perlbach erklärt den Ausschluss von Grunaus Chronik aus den Scriptores rerum Prussicarum, dass zuerst die wahre und ursprüngliche Geschichte erfasst werden müsse, bevor „abgeleitete Quellen“ betrachtet werden könnten. Aber Grunaus Werk sei für eine zeitgenössische Beurteilung „kulturgeschichtlich von bedeutendem Interesse.“41 Dem Mönch Grunau wird ein starker politischer Hass gegen den Orden sowie eine verzerrte Reflektion seiner Gegenwart attestiert, die nur noch in seiner fanatisch religiösen Ablehnung der lutherischen Lehre eine Steigerung fände.42 Über die Wahrnehmung Simon Grunaus von Friedrich von Sachsen gibt besonders das Tractat XIX. Auskunft.43 Eine als weltlich einzuordnende Quelle sind Erasmi Stellae Libonothani de Borussiae Antiquitatibus libri duo.44 Unter dem Zeitgeist des Historismus stehend, ordnete Theodor Hirsch Stellas humanistisches Werk in die „Gattung von Geschichtsfälschung [ein], wie sie seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts in Preussen um sich griff“.45 Stella sei ein „Erzlügner“ und „eitler Prahler, welcher seinen Zeitgenossen Sand in die Augen streut“,46 aber wenigstens besitze er einen eleganten Stil. Aus diesem Werk sollen einige direkte Bezugnahmen auf Friedrich von Sachsen herangezogen werden. Eine ebenfalls von einem weltlichen Autor stammende Darstellung ist die jüngere, 1592 in Zerbst publizierte Historia rerum Prussicarum von Caspar Schütz,47 der unter anderem im „Neunden Buch“ eine Denkschrift des Ordens38 Jonas Ycˇ as, Der Chronist Simon Grunau im Wandel der Jahrhunderte. Ein Beitrag zur Biographie und Kritik Grunaus, Inaugural-Dissertationen der philosophischen Fakultät der Albertus-Universität zu Königsberg in Preußen, Königsberg 1920, S. 12–15, hier S. 12. 39 Simon Grunau’s Preussische Chronik, hrsg. Max Perlbach, Rudolph Philippi, Paul Wagner, 3 Bde. (Die preußischen Geschichtsschreiber des XVI. und XVII. Jahrhunderts), Leipzig 1876–1896. 40 Hirsch, ohne Titel, in Erasmi Stellae Libonothani de Borussiae Antiquitatibus libri duo, hrsg. Theodor Hirsch, in: Scriptores (wie Anm. 28) 4, Leipzig 1870, S. 275–98, hier S. 275. 41 Perlbach, Vorbemerkung, in: Grunau, Chronik (wie Anm. 39) 1, S. I–VIII, hier S. II, VII. 42 Ebd., S. V, VII. 43 Grunau, Chronik, (wie Anm. 39) 2, S. 379–412. 44 Stella, Libri (wie Anm. 40), S. 275–98. 45 Hirsch, ohne Titel, in: ebd. S. 275–82, hier S. 275. 46 Ebd., S. 276–77. 47 Caspar Schütz, Historia rerum Prussicarum, das ist, warhaffte und eigentliche Beschreibung der Lande Preußen, darinnen auch die Erbawung der Stadt Dantzig beschrieben wird, Zerbst 1592.

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mitglieds und Sollizitators Georg Prange inhaltlich wiedergibt.48 Schütz’ Historia muss kritisch betrachtet werden, da dieser auch Teile von Simon Grunaus Chronik in sein Werk einfließen ließ.49 Die darin enthaltene Denkschrift wurde fälschlicherweise in das Jahr 1504 und nicht zu 1507 eingeordnet. Auch als „Denkschrift des Hochmeisters Friedrich“ bezeichnet, impliziert sie einen Wechsel der Mittel im Kampf um die Revision des Zweiten Thorner Friedens. Diese Denkschrift stellt den Übergang von der Diplomatie zur politischen Publizistik dar, eine Entwicklung, die im Posener Kongress 1510 ihren Höhepunkt erreichte.50 Die Forschung hat diese Zeugnisse zu einer relativ geschlossenen Biographie Friedrichs von Sachsen verdichtet.51 Wie hier dargelegt, wurden aber von den genannten Autoren recht unterschiedliche Bilder des Hochmeisters gezeichnet, mehr oder weniger vom jeweiligen Zeitgeist geprägt, so dass sich die Frage nach der Wahrnehmung Friedrichs in den zeitgenössischen und späteren Quellen stellt. Dazu sollen zunächst die Anfänge seiner Amtszeit, dann die zentralen Probleme wie der Streit um die Ableistung des Treueids und schließlich sein Weggang von Preußen und sein Tod behandelt werden. ***

Der junge Hochmeister Im April 1498 antwortete der polnische König Johann Albrecht aus Krakau den Abgesandten Herzog Georg von Sachsen durch den Erzbischof von Lemberg, dass sich der König durchaus damit einverstanden erkläre, dass sein Bruder Friedrich Hochmeister werde.52 Georg sei ein lieber Schwager aus dem löblichen Haus von Sachsen. Das Haus Wettin wurde in den höchsten Tönen gelobt. Es sei durch viele Tugenden ausgezeichnet, das es nicht andere dann togenthafftige fursten, die do in allen togenden auffwachssen, gegeben mag, an das hoemeisterampt erwelt und gesetczt sey.53 Verbunden war dieses Lob mit dem Wunsch, 48 49 50 51

Georg Prange, Denkschrift, in: ebd. fol. 431v–437r ; Matison, (wie Anm. 15), S. 340. Matison, Politik (wie Anm. 15), S. 332. Forstreuter, Ordensstaat (wie Anm. 5), S. 38. Auf erneute Darstellung seiner Vita sei hier verzichtet, zur neueren Sicht vgl. u. a. Carl August Lückerath, Art. Friedrich v. Wettin, Hochmeister des Dt. Ordens, in: Lexikon des Mittelalters, 4, Sp. 961–62. 52 Regesta (wie Anm. 24), Pars 1, 2, OBA 18028, S. 313; Liv-, est- und kurländisches Urkundenbuch (wie Anm. 25), Abteilung II, 1, Nr. 672, S. 499–501. 53 Liv-, est- und kurländisches Urkundenbuch (wie Anm. 25), ebd., S. 501.

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dass die Wahl dem lobelichen Deuczen orden zcu mercklicher erhebunge und auffnemen trostlich sein solle.54 Johann Albrecht erklärte sich bereit, seinem Schwager und dem Deutschen Orden Freundschaft, Rat, Hilfe, Förderung und Beistand zu gewähren.55 Wahrscheinlich hoffte der polnische König, dass er aufgrund der freundlichen, familiären Beziehungen mit seinem Schwager Georg auch mit Friedrich, besonders in Bezug auf die anstehende Eidesleistung, keine Probleme haben werde.56 Gleich darauf schrieb der polnische König nach Königsberg, dass er erfahren habe, dass der Deutsche Orden Friedrich zum Hochmeister wählen wolle. Er könne diese Wahl nur als durchaus geeignet empfehlen, und er bezeichnete Friedrich als illustrissimus princeps dominus.57 Der Chronist der „Jüngeren Hochmeisterchronik“ beschreibt einzig bei Friedrich von Sachsen das prunkvolle „Schauspiel“ seines Einzugs am 29. 09. 1498 in Königsberg. Die Amtsantritte seiner Vorgänger und seines Nachfolgers finden dagegen keine Erwähnung. Friedrich kam mit seinem Bruder, den Herzog Georg, mit iiijc pferden so wol gerust, also sie zcu Prewssen zcuvor nie gesehen sein worden, darunder wern vil graven und gar ein erliche ritterschaft und gute knecht und gute pferde.58 Dieser Amtsantritt hat vermutlich bei den Ordensbrüdern sehr hohe Erwartungen und Hoffnungen geweckt, dass die Zukunft des Deutschen Ordens sich zum Besseren wenden werde und der Zweite Thorner Frieden teilweise oder sogar gänzlich revidiert werden könne. „Paul Pole’s Preußische Chronik“ schildert die Ankunft Friedrichs von Sachsen am Michaelisabend (28. 09. 1498).59 Dieser Teil seines Textes gleicht fast vollständig dem der „Jüngeren Hochmeisterchronik“. Pole entnimmt der eben genannten Chronik aber weder, dass Friedrich ein „erlauchter, hochgeborener Fürst“ sei, noch nennt er seine adligen Titel Markgraf zu Meißen und Landgraf zu Thüringen. Er ergänzt aber sachlich, dass Friedrich von Sachsen ein Sohn Herzog Albrechts sei.60 Das Verschweigen der Anrede sowie der Titel Friedrichs zeugen nicht von einer Hochachtung seiner Person. „Die Danziger Chronik vom Bunde“ beginnt in ihrer „Fortsetzung“ nicht mit dem prachtvollen Einzug Friedrichs. Dieser bleibt gänzlich unerwähnt. Sie beschäftigt sich vielmehr mit der Intention von Friedrichs Wahl. Friedrichs Vater habe dem römischen König Maximilian geholfen, die Niederlande für sich zu gewinnen. Friedrich sei von den deutschen Kurfürsten nach Preußen gesandt 54 55 56 57

Ebd. Ebd. Vgl. Arbusow: Einleitung, in: ebd., S. XXIV. Regesta (wie Anm. 24), Pars 1, Bd. 2, OBA 18027, S. 313; Liv-, est- und kurländisches Urkundenbuch (wie Anm. 25), Bd. 1, Nr. 673, S. 501–02, hier S. 502. 58 Jüngere Hochmeisterchronik (wie Anm. 29), S. 148. 59 Pole, Chronik (wie Anm. 33), S. 212. 60 Ebd.

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worden, um gantcz Preusserlant widder under den Deutczschen orden zcu brengen.61 Der Orden erhoffe sich vom Vater des Hochmeisters, welcher eyn streitforste62 sei, dass Herzog Albrecht König von Polen werde. So seien sie nicht in Freundschaft, sondern mit dem Schwert gekommen, weil der König von Polen den vorherigen Hochmeister Johann von Tiefen aus Preussen gefurdert hatte und so gestorben were.63 So habe der Orden das Recht auf eine freie Wahl des Hochmeisters, das in Preußen immer vorhanden war, an die deutschen Kurfürsten weitergegeben, damit sie einen Hochmeister bestimmen, der so hogk geboren sey, das her den Polen nicht darpp undertanigk seyn.64 Der Chronist drängt in seinem Text die Person Friedrichs in den Hintergrund und richtet seine Wahrnehmung auf den herzoglichen Vater, die Kurfürsten und damit schließlich auf Maximilian. „Die Jüngere Hochmeisterchronik“ beginnt mit der Anrede Friedrichs, dem e erleuchten hochgebornen fursten65, die ebenso seinem Nachfolger Albrecht von Brandenburg-Ansbach zukommt. Friedrich wird als ein ehrliebender, sehr frommer Fürst, der immer nach Frieden strebe, beschrieben. Unabhängig von der Schuldfrage habe der Hochmeister beim Streit um den Zweiten Thorner Frieden zwischen dem polnischen König und dem Deutschen Orden unparteiische Richter hinzugezogen.66 Friedrich wird nicht nur ein frommes, sondern auch ein ausgleichendes und rechtliebendes Wesen zugeschrieben. Paul Pole übernimmt diese Ausführungen in seine Chronik und teilt damit die Beurteilung Friedrichs in der „Jüngeren Hochmeisterchronik“.67 „Die Danziger Chronik vom Bunde“ bewertet Friedrich dagegen vielschichtiger. Der Hochmeister habe gesagt, dass er keinen Krieg führen wolle, damit das Land nicht verheert und verdorben werde. Die verlorenen Gebiete seien dem Hochmeister aber von den deutschen Kurfürsten zugesagt worden. Wenn diese Zusage eingehalten werde, habe Friedrich das Land annehmen wollen, ansonsten habe er darauf verzichten wollen. Da Friedrich aber nicht freiwillig das Land in Besitz nehmen konnte, habe er gegen den König von Polen das weltliche und kirchliche Gericht angerufen.68 Friedrichs Zusage, kann es [die Rückgabe des Landes] aber so nicht geschen, wir lassen is also bleiben,69 wurde in den Augen der „Danziger“ nicht eingehalten, sondern er beging aufgrund seiner Versuche, die 61 62 63 64 65 66 67 68 69

Danziger Chronik vom Bunde. Fortsetzung (wie Anm. 31), S. 445. Ebd. Ebd. Ebd. Jüngere Hochmeisterchronik (wie Anm. 29), S. 148. Ebd. Pole, Chronik (wie Anm. 33), S. 213. Danziger Chronik vom Bunde. Fortsetzung (wie Anm. 31), S. 445. Ebd.

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verlorengegangenen Gebiete auf rechtlichem Wege zurückzuerhalten, Wortbruch. „Die Danziger Chronik vom Pfaffenkriege“ hingegen äußert nur knapp: er hatte das geruchte, das er ein fromer man was.70 Caspar Schütz verwendet für Friedrichs Charakter die Eigenschaften besonnen und verständig. Er bescheinigt dem Hochmeister ein friedfertiges Wesen.71 Auch wenn sich Grunau die folgende Episode zwischen dem ermländischen Bischof Lucas Watzenrode und dem Kanzler des Deutschen Ordens Paul von Watt nur ausgedacht hat, gewährt sie doch einen Einblick in die Vorstellungswelt des Dominikaners: Paul von Watt hätte des Öfteren mit Lucas verhandelt und ihn einmal gefragt, wie es komme, dass er im Anschreiben an den Hochmeister nicht den fürstlichen Titel verwende, sonnder im schribe, wie eim igelichen obersten in allen orden ist gewonnheit zu schreiben.72 Darauf antwortete Lucas, dass wer da geistlich sein will, der musz sich wertlich dings nit unnderwynden.73 Wenn der Hochmeister hier im Land der Herr sei, so ist er ein Hochmeister und nicht ein Markgraf von Meißen. Darum schreibe Lucas an ihn wie an den geistlichen Oberen eines Ordens. Das Geschehene wurde an Friedrich herangetragen und vorgeschlagen, dass er ein oder drei Komture schicken solle, um Lucas’ arme Leute zu „zwacken“. Danach werde Lucas ihn wohl wie einen Fürsten anschreiben. Aber der Hochmeister verneinte dieses Vorgehen; wen wir es erkennen, wie es so musz sein; wir haben seinen armen leutten keine freude gemacht, wir in auch kein betrubnus wollen machen.74 Die Worte des Hochmeisters gefielen den Seinen nicht.75 Grunau beschreibt in seiner fiktiven Geschichte Friedrich als einen Mann der Kirche. Die Ordensbrüder werden weltlicher dargestellt als der Hochmeister selbst. Friedrich liegt in dieser Darstellung nichts daran, Lucas und seine Leute zu schikanieren. Er fügt sich in die kirchliche Lebenswelt ein und verzichtet in der Position des Hochmeisters auf die fürstliche Anrede. Paul Pole schildert, dass der Hochmeister bei seinem Amtsantritt die Komtureien Balga und Brandenburg seiner Kammer unterstellte und ihr deren Einnahmen zuführte. Höhnisch sei über Friedrich gelästert worden, dass er aus großen Seen kleine Fischheller76 mache. Nach Poles Meinung sei es aber hinreichend bekannt, dass der Fischfang aus kleinen Fischweihern nicht dem großer Seen entspreche. Aufgrund dieser nur geringen Einnahmen aus der Fischerei wurde wieder eine Biersteuer eingeführt, welche zuletzt zur Zeit des „Großen 70 71 72 73 74 75 76

Danziger Chronik vom Pfaffenkriege (wie Anm. 32), S. 689. Schütz, Historia (wie Anm. 47), fol. 427r. Grunau, Chronik (wie Anm. 39), Bd. 2, S. 381–82. Ebd., S. 381. Ebd. S. 382. Ebd. Pole, Chronik (wie Anm. 33), S. 212.

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Krieges“ eingezogen wurde.77 Paul Pole betont hier die finanzielle Notwendigkeit der Maßnahmen Friedrichs.

Herausforderungen Die Stände Königlich-Preußens trugen während eines Ständetages von Ende März 1499 bis Ende Mai in Krakau zahlreiche Beschwerden beim polnischen König Johann Albrecht vor. Der ermländische Bischof Lucas Watzenrode und der Marienburger Woiwode Mikołai Baz˙yn´ski nahmen an den Beratungen nur als Privatpersonen teil. Einer von vielen Klagepunkten betraf die Raubzüge von Gregor Materna und Adam von Salen. Die Gesandtschaft des Hochmeisters gab bekannt, dass Friedrich seinen Beamten verboten hatte, Materna zu unterstützen. In Abwesenheit des kranken Johann Albrecht erhielten die Gesandten die Antwort, dass nur der polnische König in Sachen Materna der einzig kompetente Richter sein könne.78 Materna wurde vom König mit einem Bann belegt, und der Hochmeister sollte nach dem Geächteten fahnden, wie dies dem Zweiten Thorner Frieden entspreche. In der Angelegenheit von Janek, Maternas Komplizen, werde der König Gesandte an den Hochmeister schicken.79 Die Bestrafung von Landfriedensbrechern war im 28. Rechtsabschnitt des Zweiten Thorner Friedens geregelt.80 Wiederum wurde vom Hochmeister gefordert, sich einem Vertrag zu unterwerfen, dem er nie zugestimmt hatte. Der abwesende König erteilte Anweisungen, welche Maßnahmen der Hochmeister ergreifen solle. Der König pochte auf sein Recht, der Einzige zu sein, der den Danziger Kaufmann Gregor Materna richten dürfe. Anscheinend gab es unter den Ordensbrüdern offene Sympathien für die Räuber. Simon Grunau bezeichnete die „Räubereien“ als eine laidige reitterey im Lande zu Preußen.81 Er beklagt die Rechtlosigkeit der überfallenen Kaufleute in Königlich-Preußen. Die reuter hätten ihnen alles weggenommen, sie ermordeten und verbrannten die „Preußen“. In den Wäldern, Straßen, Dörfern und Städten des Ordens würden sie verhalten one wust des homeisters, aber mit verhengung etlicher amptbruder und der regennten.82 Friedrich von Sachsen wird von Grunau dabei als unwissend dargestellt. Der Mönch schreibt dem Hochmeister so 77 78 79 80

Ebd. Akta Stanjw Prus Krjlewskich (wie Anm. 26), 3, Teil 2, Nr. 418, S. 94–98, hier S. 94. Ebd. Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen im 15. Jahrhundert (im Auftrag der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung), hrsg. Erich Weise, 3 Bände, Marburg (2. Aufl.) 1970, 1955–1969, hier 2, S. 265, 281. 81 Grunau, Chronik (wie Anm. 39), 2, S. 385–386, hier S. 385. 82 Ebd.

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eine gewisse Unschuld und Reinheit zu. Nur Friedrichs Beamten und die anderen Gebietiger des Ordens hätten aus dem Ordensland heraus die Fäden für diese Straftaten gezogen. Am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde an den Hochmeister, seine Gebietiger und Amtsträger ein weites Spektrum von Klagen und Bitten herangetragen. Grunau beklagt sich über Friedrichs Hofhaltung, denn durch dessen großen Hof hätten Flüche und Schimpfworte in Preußen Eingang gefunden, welche Junge und Alte gleichermaßen beherrschten. Die Sitten und Gebräuche seien zunehmend verfallen. Der Hochmeister habe nach „Meißenischer Weise“ mit den Seinen das ganze Jahr Milchspeise und Eier in den Fastentagen gegessen. Unnd es dan unns nit wol gehen fortme in Preussen, so wir nit got vor augen haben in disen sachen; unnd werlich durch dise rette got.83 Grunaus Klage erscheint nachvollziehbar. Tendenzen der Verweltlichung setzten bereits im 14. Jahrhundert unter dem Hochmeister Winrich von Kniprode ein.84 Das Fortschreiten dieses Prozesses beschleunigte sich unter dem herzoglichen Hochmeister durch den Einzug weiterer weltlicher Sitten und Gebräuche in den Ordensalltag. Dass solche Vorgänge bei einem gläubigen Dominikaner nicht auf Gegenliebe stießen, ist verständlich. Grunaus Wahrnehmung, dass Friedrich sich mit seiner fürstlichen Lebensart bei den Ordensbrüdern unbeliebt machte, weil diese eher Grunaus fromme Einstellung zur Kirche und zum Glauben teilten, traf vermutlich nicht auf die Mehrheit der Ordensbrüder zu. Ein weiteres Beispiel für den Verfall der Sitten innerhalb des Deutschen Ordens belegt Ende November 1501 der Fall des ehemaligen Pflegers von Insterburg, Adam von Hall. Der Hochmeister empfing Hall auf dem Schloss zu Tapiau geheim allein im beiwesen des Cantzlers.85 Adam von Hall wollte Preußen verlassen. Der Ordensritter informierte den Hochmeister über seinen Besitz, den er auf der anstehenden Reise mitführen wollte. Darunter befanden sich 160 Goldgulden, auch hab er etlich nobel bei, Münzen im Wert von 40 Mark sowie Silbergeschirr für rund 400 Mark.86 Auch sollte der Kanzler ihm eine zedel ausstellen, welche gleichzeitig als Testament gelte, falls er auf dieser Reise sterbe.87 Das Gelübde der Armut war ehemals eine der wichtigsten Stützen des Deutschen Ordens. Verstöße gegen den Besitz von Eigentum wurden mit der Jahrbusse verfolgt. Der Verstoß gegen das Armutsgelübde wurde sogar noch geahndet, wenn derjenige Ordensbruder bereits gestorben war. Er wurde dann entweder

83 Ebd. S. 382. 84 Vgl. Militzer, Geschichte (wie Anm. 1), S. 102–03; vgl. Sarnowsky, Deutscher Orden (wie Anm. 6), S. 50. 85 OF 23 (wie Anm 22), S. 329; Duzˇ us, Watt (wie Anm. 13), S. 92. 86 Ebd. 87 Ebd.

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auf dem Dünger oder auf dem Acker beerdigt.88 Für Friedrich galt diese Regel nicht mehr. Er bescheinigte dem Pfleger ein stattliches Vermögen und händigte ihm das gewünschte „Testament“ aus. In Grunaus Chronik sagt der Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen über den Hochmeister, dass dieser zwar fromm sei, seine barthmonnche, die Ritterbrüder, aber seien erlose schelcke, unnd got solt in helfen, sie wolten sie zu allen teuffeln mit den reuttern ausz dem lannde jagen.89 Grunau notierte auch eine Veränderung in der Kleidung des Deutschen Ordens. Friedrich wurde „durch die Finger gesehen“, unter seinem Nachfolger Albrecht aber wandelte sich die Kleidung der Geistlichkeit.90 Bei Friedrich ließ Grunau Nachsicht walten, bei Albrecht aber nicht. Grunau schildert in seinem dritten Band den Grund allen Verderbens. Auch Friedrich weist er einen Anteil daran zu. Der eigene Willen der Menschen habe sich eingewurzelt. Von den „Livländern“ lernten zu dieser Zeit die jungen Preußen das schreckliche Fluchen, unchristliche Worte. Zudem sei Milchspeise an Fastentagen gegessen worden, eine Unsitte, die das hohe Volk mitgebracht hatte. An heiligen und anderen Tagen sollte die Messe besucht werden, doch die Preußen sahen nur Wein und Bier und keine Kirche. Schließlich wurden sogar zwei Ellen lange Messer umgegürtet und oftmals endete die Kollation, eine einfaches Mahl an Fasttagen, mit Blut, Tod und Verleumdung.91 Anfang April 1508 versammelten sich der Ermländer Bischof und die Vertreter der großen Städte Königlich-Preußens in Tolkemit. Gegenstand der Gespräche waren der Export von Salz nach Polen und Litauen sowie die Anbringung von Netzen für Störe durch Elbinger am Frischen Haff. Auf diesem Ständetag bedauerte Lucas Watzenrode das Fehlen einer Einheit unter den Ständen und betonte, dass er immer zum Wohl der Allgemeinheit handeln wolle.92 Das Schlimmste sei, dass die Stände splitterigk und nich eyntrechtigk sein, derwegen alle ordenunge und wolfart dieser lande wirt vorstoret.93 Der Danziger Gesandte Georg Mandt betonte, dass die Untertanen des Ordens beim Salzhandel gegenüber Königlich-Preußen den größeren Vorteil besitzen würden. Lucas antwortete darauf, dass es kumpt dohere, das sie eyntrechtick seyn undereinander.94 Der Bischof hob die im Ordensland herrschende Einheit hervor und mahnte, dass es 88 Gerhard Schmidt, Die Handhabung der Strafgewalt gegen Angehörige des Deutschen Ritterordens (Beihefte zum Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Preußen, 4), Kitzingen am Main 1954, S. 128–29. 89 Grunau, Chronik (wie Anm. 39), 2, S. 397. 90 Ebd. S. 451. 91 Ebd. S. 313. 92 Akta Stanjw Prus Krjlewskich (wie Anm. 26), 5, Teil 1, Nr. 104, S. 221–24. 93 Ebd. S. 223. 94 Ebd. S. 224.

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für die Stände schwer würde, wenn sie keine Einheit fänden.95 Die Aussage des Bischofs bescheinigt dem Deutschen Orden, seinen Ständen, den Regenten und damit auch Friedrich, der im Mai 1507 Preußen verließ, eine starke einheitliche Position gegenüber Preußen königlichen Anteils.

Der Treueid Der sechste Abschnitt des Zweiten Thorner Vertrages bestimmte die Rolle des Hochmeisters. Er war zum einen Fürst und ständiger Reichsrat, zum anderen einzelner oberster Gebietiger als nichtständiger Rat des Reiches Polen. Als Hochmeister und Reichsrat musste er bis spätestens sechs Monate nach seiner Wahl einen persönlichen Eid auf die Einhaltung des Friedens schwören. Zudem war er dem polnischen König zur Kriegshilfe verpflichtet. Bei auswärtigen Bündnissen und Kriegen mussten beide Seiten zustimmen. Der polnische König wurde als nächste Instanz zwischen Hochmeister und Papst geschaltet.96 Für Friedrich von Sachsen war die Leistung des Schwures in Form eines persönlichen Eides auf die Einhaltung des Zweiten Thorner Friedens keine Option. Die Ablegung des Schwures widerstrebte seiner Intention, den Orden dauerhaft zu alter Größe zu verhelfen und eine Revision des Thorner Friedens zu erreichen. Somit waren die Spannungen mit dem polnischen König, dem Königreich Polen und den Ständen Preußens königlichen Anteils vorprogrammiert. Aber auch die Beziehung zum Bistum Ermland, das dem Schutz der polnischen Krone unterstellt war, gestaltete sich schwierig. Mitte Juni 1498, vor Friedrichs Ankunft in Preußen, initiierte der polnische König eine Versammlung des preußischen Rats in Graudenz.97 Mit den dort behandelten Themen befasste sich auch der Ende Juni in Krakau verfasste Brief des Königs an den Bischof Lucas Watzenrode. Johann Albrecht teilte dem Ermländer Bischof mit, dass er sein Einverständnis zur Wahl des Fürsten Friedrich von Sachsen für die Stellung des Hochmeisters gebe. Ebenso sei er mit dem Vorschlag des Bischofs einverstanden, Ritter als Gesandte nach Preußen zu schicken. Für den Thorner Frieden solle der Eid von den Mitgliedern des Ordens entgegengenommen werden, den sie bisher nicht abgelegt hätten. In dieser Angelegenheit werde der Breslauer Bischof Krzesław Kurozwe˛cki Lucas Watzenrode beraten.98 Diese Situation beinhaltete für den polnischen König zu

95 96 97 98

Ebd. Staatsverträge (wie Anm. 80), S. 262, 265. Akta Stanjw Prus Krjlewskich (wie Anm. 26), 3, Teil 2, Kap. XX, S. 20. Ebd. Nr. 356, S. 20–21.

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diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nichts Ungewöhnliches, existierten doch verwandtschaftliche Beziehungen zwischen ihm und dem Hause Meißen. Am zweiten Weihnachtstag 1499 intervenierte der römische König Maximilian aus Köln, indem er einen Brief bezüglich der vom polnischen König erbetenen Hilfe des Deutschen Ordens gegen die Türken beantwortete.99 Er stimmte zwar Johann Albrecht zu, dass in dieser Angelegenheit die ganze Christenheit Hilfe leisten müsse, aber der Hochmeister und sein Orden seien dazu nicht in der Lage. Als Grund gab er den Vertrag an, auf den jeder Hochmeister beim Amtsantritt schwören müsse. Durch diesen Vertrag seien dem Orden einige Länder genommen worden. Außerdem zieme sich für den Hochmeister als Reichsfürsten die Eidesleistung nicht. Für Maximilian als König, das Reich und die deutsche Nation sei dieser Eid völlig inakzeptabel, daher forderte er den polnischen König auf, diesen Eid nicht zu verlangen, damit der Deutsche Orden wieder ,in seine alte ehrliche possessio und fondation komme‘ und beim Hl. Reich und der Deutschen Nation bleibe.100 Maximilian werde bald einige Räte schicken, um zwischen Johann Albrecht und dem Hochmeister wegen des ewigen Friedens und des Huldigungseides zu vermitteln. Auch wiederholte der König sein Versprechen, das er auf dem Freiburger Tag der polnischen Gesandtschaft gegeben hatte, dass auf dem nächsten Reichstag über Hilfsmaßnahmen für Polen gegen die Türken verhandelt werde.101 Dieses Schreiben benennt die zentralen Konflikte zwischen den Parteien. Nicht nur der Gebietsverlust des Ordens, nicht nur dass Friedrich ein Reichsfürst war, forderte Maximilian heraus, sondern vor allem die ausstehende Eidesleistung, die eine Unterordnung des preußischen Ordenszweiges unter die polnische Krone implizierte. Der Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation befand sich in einer direkten Konkurrenzsituation zum polnischen König. Diese Lage durchkreuzte unter anderem auch die Pläne Maximilians, „seine drei Orden“ zu vereinen.102 Der Hochmeister und sein Orden wurden zum Spielball der Machtinteressen. Durch die reichsnahe Erziehung tendierte Friedrich ohne Zweifel zu Maximilian. Der Brief des Habsburgers an Johann Albrecht wurde in seinem Sinn verfasst. Ludwig von Seinsheim berichtete dem Hochmeister über seine Gesandtschaft zu Maximilian Anfang Oktober 1500, dass der König eine Botschaft an Johann Albrecht von Polen senden wolle, in der er ihn auffordere, dem Hochmeister die Eidesleistung zu erlassen. Maximilian begründete seine Forderung mit der 99 100 101 102

Regesta Imperii (wie Anm. 27), 2, Teil 1, Nr. 6803, S. 467. Ebd. Ebd. Am Neujahrstag 1499, kurz nach dem Amtsantritt Friedrichs von Sachsen, erfuhr der Hochmeister vom Deutschmeister, dass König Maximilian überlege, den von seinem Vater gegründeten St. Georgsorden, den Johanniterorden und den Deutschen Orden zu einem Orden zusammenzuführen, Regesta Imperii (wie Anm. 27), 3, Teil 2, Nr. 12817, S. 585.

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Aussage, dass der Orden und sein Land dem Römischen Reich zugehörig seien. Der Komtur zu Königsberg sagte Maximilian auch zu, dass der Hochmeister sich gehorsam verhalten werde und sein Verbot, Polen keinen Eid zu leisten, befolgen werde.103 Mitte April 1501 verbot Maximilian dem Hochmeister noch einmal ausdrücklich, dem polnischen König den Eid zu leisten.104 Unabhängig von Friedrichs persönlicher Haltung wäre es dem Hochmeister wohl nur schwer möglich gewesen, eine andere Entscheidung im andauernden „Kampf der Könige“ um die Vorherrschaft über den Deutschen Orden zu treffen. Zudem sandte der Oberste Marschall Graf Wilhelm von Eisenberg Ende 1500 dem Kanzler ein Gutachten bezüglich eines möglichen Bündnisses zwischen Preußen, Livland und Litauen gegen die Russen. Eisenberg erläuterte die möglichen Konstellationen und Folgen für den Deutschen Orden, wenn dieser sich entscheide, Litauen zu unterstützen. Er wies auch auf die Gefahr hin, dass der Orden schutzlos sei, falls sich das Heilige Römische Reich von ihm abwende.105 Für das Jahr 1499 notiert Caspar Schütz eine vom polnischen König initiierte Tagfahrt zu Krakau, zu der auch der Hochmeister geladen war, um den Eid gleichs seinen Vorfaren / und nach inhalt des ewigen Friedens vertrage / zu leisten.106 Die Creutzherrn gestatteten ihm aber nicht, an dieser Tagfahrt teilzunehmen, stattdessen sollte Friedrich den Ewigen Frieden aufsagen. Friedrich aber hegte große Bedenken. So verzögerte sich diese Angelegenheit bis in das Jahr 1501 hinein, in dem der polnische König selbst nach Thorn zog. Er schickte nach dem Hochmeister und ließ ihn ermahnen, das er lieber gutwillig sem pflicht und gebür leisten / dann in irkeine andere gefehrliche weiterung sich stecken solte.107 Der Hochmeister schlug dieses Vorgehen nicht aus, brachte aber eine Entschuldigung nach der anderen vor, um diesen Treffen auszuweichen. Friedrich verzögerte die Eidesleistung, bis Maximilian und andere deutsche Fürsten sie ihm gänzlich untersagten und ihm Hilfe und Beistand versprachen. Sie schickten auch Gesandte zum polnischen König, zu denen auch der Bischof von Meißen gehörte. Im Juni 1501 verstarb der Jagiellone Johann Albrecht.108 Zu den erwähnten Gesandten gehörten neben dem Bischof Johannes von Meißen, Graf Heinrich der Jüngere zu Stolberg und Ulrich von Wolfersdorff, der Domdekan zu Meißen. Sie wurden von Friedrichs Bruder Georg angewiesen, beim polnischen König eine Frist für die Eidesleistung des Hochmeisters zu erbitten.109 Caspar 103 Ebd. Nr. 14462, S. 916. 104 Regesta (wie Anm. 24), Pars 1, 2, OBA 18438, S. 339. 105 Ebd. OBA 18375, S. 335; Liv-, est- und kurländisches Urkundenbuch (wie Anm. 25), 1, Nr. 1082, S. 807–10, hier S. 808. 106 Schütz, Historia (wie Anm.47), fol. 427r. 107 Ebd. 108 Ebd. fol. 427r–427v. 109 Regesta Imperii (wie Anm. 27), 3, Teil 2, Nr. 15392a, S. 1062.

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Schütz beschreibt Friedrich von Sachsen eher als etwas unentschlossen und der polnischen Seite nicht ganz abgeneigt. Nach Schütz befand sich der Hochmeister in einer Gemengelage von Interessen zwischen dem Orden und dem Reich einerseits sowie der polnischen Seite andererseits. Die Situation entschieden schließlich Maximilian und einige Reichsfürsten. Simon Grunau gibt ein frei erdachtes Gespräch zwischen dem Ermländer Bischof und dem Hochmeister wieder, in dem Lucas diesem vertraulich mitgeteilt haben soll, dass die Räte Friedrichs ihn nur vorführen würden, damit er den polnischen König, der doch sein Patron sei, verachte. Gegenstand des Gesprächs waren die vom Orden an Polen verlorenen Gebiete. Lucas versuchte Friedrich zu überzeugen, dass die Aussage der hochmeisterlichen Räte, dass das Land immer noch dem Orden gehöre, falsch sei. Dieses Land und seine Untertanen gehörten jetzt dem polnischen König und nicht mehr dem Hochmeister und dem Orden. Der homeister es gutwillig anhorte unnd schwig stille.110 Grunau stellt Friedrich somit als einen von feindlichen Räten umgebenen Hochmeister dar, der hilflos seinen Ordensbrüdern ausgeliefert und in Lethargie erstarrt gewesen sei sowie vor lauter Gutwilligkeit die Realität nicht mehr wahrgenommen habe.

Friedrich verlässt Preußen Friedrich beschloss Ende Mai 1507, Preußen zu verlassen und in seine Heimat zurückzukehren. Für den Orden setzte er auf diplomatischem Wege von Sachsen aus seine Revisionsversuche des Zweiten Thorner Friedens fort.111 Zur Verwaltung des Ordenslandes Preußen setzte er vier Regenten ein. In der Fortsetzung der „Danziger Chronik vom Bunde“ wird Friedrichs Ortswechsel mit der Tagfahrt zu Posen im Jahr 1510 verbunden. Als Friedrich das lant zcu Preussen mit sullichem rechtsgange nicht gewynnen konde und dy heren aus Polen wolden, das her irem konige huldigen und sweren solde, so wie es die vorherigen Hochmeister getan hätten, habe sich der Hochmeister geweigert und sei von Preußen in das deutsche Land gezogen.112 Es fehlt dabei eine zeitliche Einordnung des Fortgangs des Hochmeisters. Auch wird die Berufung der vier Regenten in Preußen nicht erwähnt, nur die ausstehende Huldigung wird als ein für die Chronik wichtiges Faktum notiert. Der in Königsberg lebende Paul Pole setzt den Auszug nach Rochlitz in Meißen ungefähr zwei Jahre vor Friedrichs Tod an, kann sich aber das Faktum

110 Grunau, Chronik (wie Anm. 39), 2, S. 381, vgl. Fußnote 1. 111 Vgl. Biskup, Friedrich (wie Anm. 17), S. 162. 112 Danziger Chronik vom Bunde. Fortsetzung (wie Anm. 31), S. 445.

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nicht erklären und hält fest, aus was ursachen, ist mir unbewust.113 In Königsberg und seiner Umgebung schien diesbezüglich weder ein Gerücht im Umlauf zu sein, noch schien ein Fehlverhalten Friedrichs vorzuliegen. Caspar Schütz erwähnt zwar die Regenten des Ordens114, aber nicht den Fortgang Friedrichs von Preußen. Dafür finden sich bei Simon Grunau mehrere Hinweise zu diesem Thema. In seinem Traktat IX beschreibt er einen der vier Regenten, Hiob von Dobeneck, als eysern bischoff, dem der Hochmeister in Königsberg den Orden und das Bistum gab.115 Disser Job war der, der sich mit andern auslendern, aber nit brüdern des ordens, rüsteten zcum krige Preussen zcu gewinnen.116 Seine Wahl zum Regenten empfand Grunau als eine große Fehlentscheidung Friedrichs. Nach Simon Grunau verlor der Hochmeister an Ansehen, als er Preußen verließ und vier edelmenner, sein spilgenosz, zu regennten des Ordenslandes erhob.117 Als Friedrich von Sachsen noch ein junger Mann war, erzogen im Kölner Dom, sei er gütig und unerfahren gewesen. Doch jetzt müssten die Regenten, damit die Preußen gehorchten, in virga ferrea regieren.118 Grunau berichtet weiter, dass der polnische König Alexander dem Hochmeister eine Frist zur Huldigung gesetzt hätte. Alexander verstarb aber vorzeitig. Ihm folgte Sigismund auf den Thron, der Friedrich erneut ermahnte zu schwören. So machte sich der homeister ausz Preussen mit mechtigem gelde und quam nit wider.119 Grunau erwähnt auch einen weiteren Regenten, Wilhelm von Eisenberg, den der Hochmeister als eim vitzumb ader verweser des landts zu Preussen einsetzte.120 Alle Übeltäter hätten gern gehört, dass der Oberste Marschall ihr Herr wurde.121 Grunau beurteilt den Regenten Wilhelm von Eisenberg genauso negativ wie Hiob von Dobeneck. Auf der Suche nach den Gründen für das Verderben Preußens notiert Simon Grunau in seinem Traktat XXIV, dass Friedrich bei seinem Auszug aus dem Land einen großen Schatz mitnahm. Zusätzlich bezog der Hochmeister in Rochlitz jährliche Einnahmen aus Preußen. Seine Regenten nahmen von Schlössern und Dörfern geltt im ausfuhren.122 Dazu habe der Hochmeister von seinen Komtu-

113 Pole, Chronik (wie Anm. 33), S. 213. 114 Als Beispiele dienen folgende Seiten aus Schütz, Historia (wie Anm. 47), fol. 445r, 445v, 446r. 115 Grunau, Chronik (wie Anm. 39), 1, S. 322. 116 Ebd. 117 Grunau, Chronik (wie Anm. 39), 2, S. 382. 118 Ebd. 119 Ebd. S. 388. 120 Ebd. 121 Ebd. 122 Ebd. 3, S. 285–86.

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reien das Rheinische goldtt erhalten.123 Grunau stellt sich die Frage, wieviel Geld ein Hochmeister benötigt. Mussten Friedrich so viell tausentt gulden geschickt werden, während er in Meißen weilte und versuchte durch eine Tagfahrt (nach Posen 1510) Preußen zurückzugewinnen?124 Grunau warf Friedrich die Verschwendung von vielen hunderttausend Gulden durch Zuwendungen bei Botschaften, Geschenke an die deutschen Fürsten in den Angelegenheiten Preußens sowie das Einschmelzen von Gulden für das Anfertigen von Fingerringen vor.125

Die Propaganda Erasmus Stella behandelt in seiner historischen Erzählung für Friedrich von Sachsen die Probleme der Gegenwart,126 indem er eine Kontinuität der deutschen Besiedlung vor den Prußen behauptet, um dies für die Ordenspropaganda gegen die polnischen Ansprüche zu nutzen.127 Auf dieser Grundlage sollte dem Deutschen Orden eine Zukunft gestiftet werden. Stella konstruiert eine zusammenhängende Geschichte, die einen Zeitstrahl von der Römischen Kaiserzeit bis zum Eintreffen des Deutschen Ordens in Preußen abdeckt. Das Werk wurde noch vor Friedrichs Tod, am 13. Dezember 1510, handschriftlich veröffentlicht und im Jahr 1548 bei Froben in Basel gedruckt und publiziert.128 In seinem Prolog widmet Stella sein Werk Friedrich von Sachsen; er richtet es ad illustrissimum principem Federicum sacrosanctae militiae ordinis divae virginis Teuthonicorum protomagistrum.129 Ebenso widmet Stella in seinem Epilog dem „unbesiegbaren Fürsten Friedrich“ ein Distichon, welches in seiner zweizeiligen Strophenform wie folgt beginnt: Da, Federice, tuo genio foveatur et aura [/] Hic liber et rabido qui volet ore latret.130 Das Distichon endet mit Stellas Übergabe der gesammelten Legenden Preußens an Friedrich: Haec ubi legisti Stellae Federice memento, [/] Brussica qui legenda dedit.131 Der rechtskundige Humanist Erasmus Stella legitimierte so in seinem Geschichtswerk die Versuche des Deutschen Ordens, eine Revision des Zweiten Thorner Friedens zu erreichen, unter der Leitung seines

123 124 125 126 127 128 129 130 131

Ebd. S. 291. Ebd. Ebd. Stella, Libri duo (wie Anm. 40), S. 275–98. Michael Brauer, Die Reformation in Preußen und der heilige Bock, in: Gestiftete Zukunft im mittelalterlichen Europa [Festschrift für Michael Borgolte zum 60. Geburtstag], hrsg. Wolfgang Huschner und Frank Rexroth, Berlin 2008, S. 145–64. Hirsch, ohne Titel (wie Anm. 40), S. 275–82, hier S. 278. Stella, Libri duo (wie Anm. 40), S. 283. Ebd. S. 297. Ebd. S. 298.

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Auftraggebers, dem nach seiner Meinung ausgezeichnetsten Fürsten und Hochmeister Friedrich von Sachsen. Erasmus Stellas Werk fand auch Eingang in Simon Grunaus Chronik. Danach schreibt Erasmus Stella den Brüdern Deutsches ordinis, wie er durch hülfe der loblichen fursten im kaiserreich ein landt im haben gehorsam gemacht, welches do itzundt heist Preussen, do aber his es Bructera und auch wol Brussera von vielen.132 Grunau kommt jedoch zum Ergebnis: Von deme aber dovon Erasmus Sterne schreibt zum homeister Friderico ist zu wissen, wie ich is anders gelesen hab.133 Mit seinem Urteil über das Werk Stellas bezieht sich Grunau zwar nicht direkt auf die Person des Hochmeisters, aber indirekt werden der Hochmeister und sein Orden durch die sehr freie Geschichtsdarstellung Stellas in ein schlechtes Licht gerückt. Aus dem Jahr 1501 stammt eine Denkschrift vom Ordenskanzler Paul von Watt, die nach dem Tod des polnischen Königs Johann Albrecht angefertigt wurde und im Ordensfolianten 24b überliefert ist.134 Diese beinhaltet von Artikel 51 bis 86 die Beweisführung des Deutschen Ordens gegen den Zweiten Thorner Frieden. Als Grund wurde im 50. Artikel der 1454 entstandene Streit des Ordens mit seinen Untertanen angegeben. König Kasimir, der die Aufständischen unterstützte, obwohl der Papst sie mit einem Bann belegte und der Kaiser sie ächtete, habe danach den Orden im Krieg besiegen müssen, um ihn zu zwingen, den Frieden anzunehmen. Ansonsten hätte der Orden alles verlieren können.135 Die von Georg Prange 1507 erstellte Denkschrift in deutscher Sprache sollte die Politik des Hochmeisters rechtfertigen und basiert auf Watts Denkschrift.136 Forstreuter nimmt an, „daß diese Schrift tatsächlich für die breite Öffentlichkeit eines deutschen Reichstags bestimmt war“.137 Die in Caspar Schütz’ Chronik im „Neundem Buch“ wiedergegebene Denkschrift von Georg Prange wird dort, wie erwähnt, fälschlicherweise auf das Jahr 1504 datiert und soll im Juli auf einem Reichstag zu Köln vorgetragen worden sein.138 Die Schrift entstand aber erst 1507 und wurde so auch nicht auf dem Reichstag verlesen.139 Die Wiedergabe der Denkschrift bei Schütz bildet zusammen mit den folgenden Seiten vielmehr einen Auszug aus den Akten der Tagfahrt zu Posen im Jahr 1510. Bis auf wenige

132 133 134 135 136 137 138 139

Grunau, Chronik (wie Anm. 39), 1, S. 58. Ebd. S. 59. Forstreuter, Ordensstaat (wie Anm. 5), S. 45. Ebd. S. 46. Forstreuter, Ordensstaat (wie Anm. 5), S. 51–52. Ebd., S. 52. Prange, Denkschrift (wie Anm. 48), fol. 431v–437r. Forstreuter, Ordensstaat (wie Anm. 5), S. 49–50.

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Stellen stimmen sie wortwörtlich mit Paul Poles Aufzeichnungen über die Verhandlungen überein.140 Nach einer Einführung in die Geschichte des Deutschen Ordens weist Georg Pranges Denkschrift auf den Zweiten Thorner Frieden hin. Der Orden sei zum Frieden gedrungen und gezwungen worden, obwohl darinne viel stück und Artickel sein / wider Gott und Recht.141 Als Folgen des Friedensschlusses werden der ungerechtfertigte Landverlust der vom Orden selbst christianisierten Gebiete und die fehlende Zustimmung des Papstes zum Vertrag beklagt. Die Stiftungsaufgabe des Ordens und seine Verpflichtungen gegenüber dem Reichsadel erlaubten es nicht, preußisches Land fortzugeben. Ebenso sollte dem Hochmeister nicht der polnische König als Instanz im Verhältnis zum Papst zwischengeschaltet werden. Die Privilegien des Ordens würden dem Hochmeister, der nur dem Papst untertan sei, untersagen, einem weltlichen Herrscher die Treue zu schwören. Der Orden sei vom deutschen Adel gestiftet worden, bestehe allein aus deutschen Adligen und könne daher keine Polen und auch keine Fremden aus zu Polen gehörigen Ländern aufnehmen. Auch die Leistung der Kriegshilfe sei unmöglich, da viele Ordensherren durch Verwandtschaft, Privilegien, Verschreibungen und Lehen an das Reich gebunden seien und damit sogar das Reich gefährdet werden könnte. Der Vertrag, den die Polen den Ewigen Frieden nennen würden, sollte weder durch Päpste noch durch Konzile aufgehoben werden können, was jedoch gegen Gott, jedes Recht und jede Vernunft sei.142 Die vom Hochmeister in Auftrag gegebene Denkschrift entsprach völlig seinen Vorstellungen über eine Revision. Ähnlich wie die Denkschrift von Georg Prange notierte auch der Chronist der „Jüngeren Hochmeisterchronik“ den erzwungenen Vertrag zwischen Polen und dem Deutschen Orden und die etlichen unchristlichen Artikel, die weder geiste lich oder weltlich recht erleyden konnen.143 Unparteiische Richter sollten über den Zweiten Thorner Frieden entscheiden. Friedrich von Sachsen habe nach dem Chronisten Hilfe beim Papst und Kaiser, bei den Kurfürsten und Fürsten sowie allen Ständen des Heiligen Römischen Reiches gesucht und erreicht, dass eine Tagfahrt zu Posen stattfand. Neben den eben genannten Personen erschienen auch der polnische König, Friedrich, sein Orden und alle Räte. Die Verhandlungen hätten aber trotz aller Bemühungen kein Ergebnis hervorgebracht.144 Der Chronist stellt Friedrich als sehr engagiert beim Versuch dar, den Zweiten Thorner Frieden zu revidieren. Obwohl dieses Vorhaben erfolglos blieb, äußert 140 Schütz, Historia (wie Anm. 47), fol. 431v–438v ; Toeppen, Einleitung, in: Pole, Chronik (wie Anm. 34), S. 179. 141 Prange, Denkschrift (wie Anm. 48), fol. 435v. 142 Ebd., fol. 435v–437r ; vgl. Forstreuter, Ordensstaat (wie Anm. 5), S. 52. 143 Jüngere Hochmeisterchronik (wie Anm. 29), S. 148. 144 Ebd.

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er sich nicht negativ über den Hochmeister, sondern räumt der Tagfahrt einen für diese Chronik ungewöhnlich großen Raum ein. Paul Pole betont gleich am Anfang seiner Aufzeichnungen zu den Verhandlungen zu Posen im Jahr 1510 die über alle Maßen geschickten Redner des Hochmeisters, die die Ordensangelegenheiten gegenüber der polnischen Krone vertreten hätten.145 Nachdem die Redner des Deutschen Ordens ihr Rechtsverständnis, das inhaltlich Georg Pranges Denkschrift entsprach, vorgetragen hätten, habe die polnische Seite geantwortet, dass sie nicht verstehe, warum der Hochmeister nicht in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten wolle. Polen sei beraubt, überfallen und verwüstet worden und habe bisher die Säumigkeit des Hochmeisters mit „sanftem Gemüt“ geduldet.146 Am 5./6. Juli habe die polnische Seite schriftlich unverändert ihre Vorwürfe an den Hochmeister und den Deutschen Orden wiederholt und beharrlich auf der Einhaltung des Zweiten Thorner Friedens bestanden.147 Die Widerrede der „geschickten Redner“ der hochmeisterlichen und kaiserlichen Seite vom 6. Juli habe sich unter anderem gegen den Vorwurf gewandt, der Orden komme der Stiftungsaufgabe des „Heidenkampfs“ nicht nach. Deshalb hätten sie auf die Herausforderungen verwiesen, vor denen der livländische Ordenszweig kontinuierlich stände und betont, dass der her homeister nach seinem vermogen hulff gethan hat.148 Nach diesen und vielen weiteren ordensseitig angebrachten Argumenten gegen den Thorner Frieden habe die polnische Seite am 8. Juli erwidert, das yn nichts wissentlich ist von den ankunfften, titeln, freiheitten, urkunden und rechte, welche der Orden in seinen Ausführungen vorgebracht habe.149 Am 10. Juli hätten sich die „geschickten Redner“ des Kaisers und des Hochmeisters erneut an die polnische Krone gewandt, indem sie ihren Standpunkt gegen die einzelnen Artikel des Zweiten Thorner Friedens erläuterten. Davor aber hätten sie die Bitte gesetzt, dass Sigismund sein kriegsvolck wirt halden wider die ungleubigen und heiden, seiner durchl. feinde, und nicht widder den homeister, seiner durchl. gefreundten schwoger, auch nicht widder den orden […].150 Weder der polnische König noch die Ordensseite seien bereit gewesen, einzulenken, sodass beide Seiten in ihrer Propaganda verhaftet blieben. Die letzte Eintragung datierte Paul Pole auf den 13. Juli 1510. Die Internationalisierung des Geschehens durch die Einschaltung der Gesandten des Kaisers und des Reiches half dem Hochmeister nicht weiter. Der Wunsch, die Eidesleistung abzuschaffen, führte am 20. Juli zum Abbruch der Verhandlungen durch Sigismund. Die 145 146 147 148 149 150

Pole, Chronik (wie Anm. 33), S. 271. Ebd. S. 272. Ebd. S. 273–74, hier S. 274. Ebd. S. 274–77, hier S. 277. Ebd. S. 277–79, hier S. 277. Ebd. S. 279–83, hier S. 280.

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Verzögerung der Ankunft des päpstlichen Legaten, beziehungsweise sein Fehlen, kann als Taktik interpretiert werden. Wahrscheinlich wollte sich der Legat nicht für eine Seite entscheiden müssen.151

Der Tod des Hochmeisters Ein Nachruf auf einen verstorbenen Menschen gibt Aufschluss über die Wahrnehmung und Wertschätzung seiner Person. Der Hochmeister Friedrich von Sachsen starb am 14. Dezember 1510 mit 37 Jahren in Rochlitz an der Wassersucht.152 Simon Grunau verbindet in einem Satz Friedrichs Fortgang von Preußen und dessen Tod. Auf seinem Schloss in Rochlitz habe der Hochmeister zwei ganze Jahre lang krank gelegen. Als Friedrich mitgeteilt worden sei, dass ihm vergeben werde, habe er vor seinem Tod drei Tage lang ohne Unterbrechung aus der Nase geblutet. Der Hochmeister sei dann in Meißen bei seinem Vater beigesetzt worden.153 „Nasenbluten wurde bis in das Mittelalter als natürliches Mittel der Reinigung bei inneren Krankheiten verstanden“.154 Vermutlich wogen nach Grunaus Ansicht Friedrichs Vergehen gegen die drei polnischen Könige so schwer, dass seine Reinigung drei ganze Tage andauerte, bis er endlich sterben durfte. Dass Friedrich von Sachsen aber erst 1510 erkrankte, ignoriert Grunau. Der Dominikaner vermischt ganz bewusst den Weggang von Preußen, die Krankheit und den sich anschließenden Tod. Im Weltverständnis des Klerikers muss ein Mensch „gereinigt“ werden, bevor er vor Gott tritt. Die Reinigung durch das Nasenbluten ähnelt hier im übertragenen Sinn den Sterbesakramenten der römisch-katholischen Kirche. Caspar Schütz berichtet hingegen, dass der Hochmeister erst nach der Tagfahrt zu Posen im Winter 1510 in Rochlitz erkrankte, nennt sein Sterbedatum, die Begräbnisstätte und die Dauer seines Hochmeisteramtes und fügt hinzu, dass er dem Könige zu Polen / gleichs den Vorfaren / den Hohmeistern / noch nie geschworen hatte.155 Schütz weist somit auf den nicht geleisteten Eid Friedrichs gegenüber dem polnischen König hin. Für ihn war diese Tatsache so immanent wichtig, dass er sie am Ende von Friedrichs Leben noch einmal hervorheben wollte. „Die Jüngere Hochmeisterchronik“ erwähnt über Friedrichs Ableben 151 Ebd. S. 283–88; Biskup / Labuda, Geschichte (wie Anm. 2), S. 501; vgl. Forstreuter, Ordensstaat (wie Anm. 5), S. 131–34. 152 Biskup, Friedrich (wie Anm. 17), S. 164. 153 Grunau, Chronik (wie Anm. 39), 2, S. 380. 154 H. Feldmann: Nasenbluten in der Geschichte der Rhinologie, in: Laryngo-, Rhino-, Otologie, Jg. 1996, 75, Heft 2, S. 111–20, hier https://www.thieme-connect.com/products/ ejournals/abstract/10.1055/s-2007-997547, letzter Zugriff 26. 08. 2017. 155 Schütz, Historia (wie Anm. 47), fol. 470v.

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lediglich, dass er in Rochlitz verstarb und zu Meißen in der Grablege der Herzöge von Sachsen bestattet wurde. Die Krankheit wird ausgelassen, dagegen werden aber seine Revisionsversuche hervorgehoben.156 Insgesamt wirkt der Absatz in der Chronik positiv, Friedrichs Tod wird aber weder bedauert, noch bewertet. Paul Pole war bekannt, dass sich der Hochmeister im Winter in Rochlitz eine Krankheit zuzog und im Dezember verstarb. Auch nennt er die Dauer seiner Amtszeit, den Todestag und den Ort der Grablege. Zusätzlich notiert er noch, der Hochmeister sei in got cristlich vorscheiden.157 Pole äußert keine negative Kritik an Friedrich, der Zusatz, dass Friedrich in Gott christlich verstorben sei, kann zum einen seinem kirchlichen Werdegang zugerechnet werden, zum anderen aber auch einer Wertschätzung gegenüber der Person Friedrichs. In der „Danziger Chronik vom Bunde“ schließt der Absatz über Friedrich in einem einzigen Satz: Her regirte den orden xij ior und iij monat und starpp und leyt in Deutczschlant begraben.158 Diese dürftig notierten Eckdaten über Friedrichs Tod lassen eine negative Bewertung erkennen. Keine Erwähnung der Krankheit, des Sterbeortes oder -datums, nur das Land und die Amtszeit fanden in diese Chronik Eingang. Auch die „Danziger Chronik vom Pfaffenkriege“ weist nur die Amtsdauer Friedrichs aus sowie seinen Tod im Land zu Meißen. In demselben Absatz wird geschildert, dass während der Zeit dieses Hochmeisters der König von Polen, Johann Albrecht, gestorben sei. Seine Brüder Alexander und Sigismund seien ihm auf den Thron gefolgt.159 Im Vergleich zum vorhergehenden Absatz der Chronik zum Hochmeister Johann von Tiefen erscheint die Äußerung über Friedrich in Verbindung mit den polnischen Königen irritierend. In den „Aufzeichnungen zur Geschichte des Bistums Pomesanien“ findet sich in den Abschriften eines pomesanischen Domherrn ein weiterer Hinweis auf Friedrichs Tod: Anno domini 15… obiit dux Fridericus sepultus …160 Auffällig zeigt sich an dieser Stelle das Wort dux. Hingegen wird der 1311 verstorbene Siegfried von Feuchtwangen als magister generalis161 bezeichnet. Diese kurze Notiz lässt den Rückschluss zu, dass der Verfasser Friedrich von Sachsen als Herzog und nicht als Hochmeister wahrnahm. Eine besondere Art und Weise, sich Friedrich zu nähern bietet eine kurze Sequenz aus Hans Zerers Reisejournal von 1512.162 Der Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach reiste mit seinem Bruder Kasimir und einem großen Gefolge von Ansbach nach Königsberg. Anfang 1513 trat Kasimir seine Rück156 157 158 159 160 161 162

Jüngere Hochmeisterchronik (wie Anm. 29), S. 148. Pole, Chronik (wie Anm. 33), S. 214. Danziger Chronik vom Bunde. Fortsetzung (wie Anm. 31), S. 445. Danziger Chronik vom Pfaffenkriege (wie Anm. 32), S. 689. Aufzeichnungen Pomesaniens (wie Anm. 35), S. 435. Ebd. Zerer, Vertzeichnus (wie Anm. 30), S. 326.

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reise an. Albrecht begleitete ihn und das Gesinde noch ein Stück der Strecke. Als sie in der Nähe von Heiligenbeil neben einem Weg an einen Acker gelangten, verweilten sie, do sich der negst verstorben hohmeister hochloblicher gedechtnus mit derselbigen bruder hertzog von Sachssen etc. auch gesegnet hätten.163 Die Brüder Albrecht und Kasimir taten es ihnen gleich in freuntlicheit als liebste bruder mit aynander gesegnet.164 Anschließend trennten sich ihre Wege.165 Zwei Jahre nach Friedrichs Tod wird das Verhältnis zwischen ihm und seinem Bruder Georg nicht nur als eng und vertraut beschrieben, sondern es erfüllt eine Vorbildfunktion für den ihm nachfolgenden Hochmeister und dessen Bruder. *** Der Hochmeister Friedrich von Sachsen hatte während seiner Amtszeit vielfältige Herausforderungen zu bewältigen. Im Rahmen dieser Untersuchung konnten nicht alle Hinweise auf die Wahrnehmung Friedrichs in zeitgenössischen und späteren Quellen berücksichtigt werden. Im Umbruch vom 15. zum 16. Jahrhundert bediente sich der Deutsche Orden in seiner Propaganda beim neuzeitlichen Humanismus, indem er sich in seiner Argumentation gegen den Zweiten Thorner Frieden auf die humanistischen Denkschriften von Paul von Watt und Georg Prange stützte. Das von Friedrich beauftragte und kurz vor seinem Tod veröffentlichte Werk Erasmus Stellas bot dem Orden eine konstruierte Vergangenheit an,166 mit der die Siedlung von „Deutschen“ in Preußen schon vor den Prußen belegt werden sollte. Daraus erwuchs dem Orden in der Gegenwart ein Anspruch auf die 1466 im Zweiten Thorner Frieden an Polen verloren gegangenen Gebiete. Diese Propaganda gipfelte 1510 auf der Tagfahrt zu Posen, die für den Hochmeister und den Deutschen Orden ergebnislos verlief. Die Wahrnehmung Friedrichs durch seine Umwelt veränderte sich im Laufe seiner Amtszeit. Als Fürst des Heiligen Römischen Reiches und aufgrund der Stellung seines Vaters Albrecht war die Position des Hochmeisters im Kampf um die Durchsetzung einer Revision des Zweiten Thorner Friedens von vornherein vorbestimmt. Der polnische König Johann Albrecht war zu Beginn von Friedrichs Amtszeit erfreut über dessen Wahl, nicht zuletzt aufgrund seiner familiären Verbindungen zu Friedrichs Bruder Georg. Doch im Laufe der Zeit entfernten sich die polnischen Könige und der Hochmeister immer weiter voneinander. Der Streit um die ausstehende Eidesleistung, die verlorenen Gebiete, die ausgebliebene Kriegshilfe und Friedrichs Verbindungen als Fürst ins Heilige Römische 163 164 165 166

Ebd. Ebd. Ebd. S. 327. Stella, Libri duo (wie Anm. 40).

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Reich förderten kontinuierlich den Prozess der Entfremdung zwischen den Parteien. Auch wenn der Hochmeister mit Maximilian die Jagdleidenschaft teilte und sie besonders die Liebe zur Falkenjagd verband, blieb Friedrich dennoch nur ein Spielball zwischen den Machtinteressen Maximilians und der drei aufeinanderfolgenden polnischen Könige. Da Friedrich nichts an seiner Rolle im „Kampf der Könige“ um die Vorherrschaft über den Deutschen Orden änderte, konnte er sich nie von Maximilian emanzipieren. Durch seinen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und sein frommes Wesen war Friedrich nicht nur bei Gebietigern und Untertanen seines Ordens anerkannt. Aber der Hochmeister handelte auch im Zeitgeist des frühen 16. Jahrhunderts, als er dem ehemaligen Pfleger von Insterburg, Adam von Hall, erlaubte, sein Vermögen aus Preußen auszuführen. Das Armutsgelübde der Ordensbrüder verlor so seine Bedeutung. Der Dominikaner Simon Grunau beklagt den Verfall der Sitten im Deutschen Orden und stellt Friedrich als einen Hochmeister dar, der kein Wissen um die Geschehnisse innerhalb seines eigenen Ordens besaß. Zudem kritisierte er intensiv Friedrichs Auswahl der Regenten, indem er sie als Übeltäter kennzeichnete. Eine intensive Untersuchung des Wettiners Friedrich von Sachsen innerhalb seines engeren familiären Umfeldes war an dieser Stelle nicht möglich, ist aber wünschenswert, um das Bild des Hochmeisters in der Wahrnehmung zu vervollständigen. Auch eine weitere Auswertung der relevanten Ordensfolianten könnte neue Aspekte aus dem Tagesgeschehen des Deutschen Ordens hervortreten lassen und einen weiteren Beitrag zur zeitgenössischen Wahrnehmung Friedrichs leisten.

Ferne Welten: die europäische Wahrnehmung Südostasiens

Jürgen Sarnowsky

‘Powerful Heathen and Mohammedan lords’. Early Portuguese reports on religion and society on Java and its neighboring islands

Java first appears in European traveler reports of the 13th and 14th century, namely in the reports of Marco Polo and Odorico de Pordonone. Both stress the wealth and the strength of the Javanese kings who were not subjected by the Mongolian Empire.1 This is also reflected in the representation of Java2 on the Catalan World Map of about 1375 showing a king on his throne with a lump of gold in his hand. At the beginning of the 16th century, when the power of the kings of Majapahit had vanished already for a long time, Italians like the adventurer Ludovico de Varthema or Magellan’s chronicler Antonio Pigafetta still referred to the greatness and wealth of the rulers of Java.3 Pigafetta even mentions Majapahit as one of the great towns of Java. Like in the case of the Italian Niccolk de Conti who probably visited Java already in the earlier 15th century,4 much of the information was very general and did only come from second hand sources. Marco Polo, Odorico de Pordonone, Ludovico de Varthema, and Antonio Pigafetta probably never reached Java, Niccolk de Conti may have been the only exception. But also Conti’s report – in the version by Poggio Bracciolini – is rather topical. It starts with the reference on the “two Javas”, the greater and the lesser, the first of which has 3000, the second 2000 miles in circumference, probably

1 For this and the following remarks cf. Jürgen Sarnowsky, Der mächtige König von Java. Mythen über Südostasien in frühen europäischen Reiseberichten, in: Mythen der Vergangenheit. Realität und Fiktion in der Geschichte. Jörgen Bracker zum 75. Geburtstag, ed. Ortwin Pelc, Göttingen 2012, pp. 97–109, here at pp. 98–99. 2 The reference to Taprobana, i. e. Sumatra (or Ceylon), is probably a mistake, cf. ibid., p. 100. 3 Ibid., pp. 100–02, 103–04. 4 His report in: De l’Inde. Les voyages en Asie de Niccolo de’ Conti, ed. MichHle le Pogge Guéret Laferté, Turnhout 2004; Engl. translation in: India in the Fifteenth Century, being a Collection of Narratives of Voyages to India the Century Preceding the Portuguese Discovery of the Cape of Good Hope, transl. R. H. Major (Hakluyt Society), London 1857, pp. 161–95; cf. Ingrid Baumgärtner, Conti, Niccolk dei (c. 1395–1469), in: Literature of travel and exploration. An encyclopedia, ed. Jennifer Speake, New York 2003, pp. 177–79.

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referring to Java and Bali, but maybe also to Sumatra or Borneo and Java.5 Even though he claims to have stayed on the greater Java for nine months, together with his wife and children, he mainly focuses on the immense “inhumanity” and “cruelty” of the inhabitants. According to him, killing someone is seen as a kind of sport, not punished by law. So when someone buys a new sword, he tries it out by thrusting it into the breast of anyone passing by, and the others then only discuss the quality of the strike. Creditors become the slave of their debtors, but then rather prefer to die. For this they go out to the street, killing everyone they meet, and when they are killed by someone else stronger than themselves, this one must take over the debts of the dead man. This is complemented by reports on the food – the Javanese would eat “mice, dogs, cats, and all other kind of unclean animals” –, on polygamy and on cock-fighting.6 Only the description of the cock-fighting looks quite realistic, referring to the training of the birds and the betting amongst the witnesses of the fights. Another correct information concerns the import of cloves and nutmegs from the Banda Islands which in fact do not grow on Java.7 The first Portuguese travelers at least passing by Java, Madura, and Bali were Antjnio de Abreu, Francisco Serr¼o and their crew. After the conquest of Malacca, in November 1511, Afonso de Albuquerque sent out a mission to the Spice Islands. Abreu and Serr¼o passed by Sumatra, Java, and Bali and reached Ambon and the Banda-Islands.8 After a shipwreck, Serr¼o stayed for a long time on the Moluccas and became adviser of the Sultan of Ternate, Bayanullah. A later governor of Ternate, Antonio Galv¼o, compiled a book on the different travels and discoveries up to 1555, printed in 1563,9 which may be based on original materials. There, he includes some very general information on Madura which resembles the report of Niccolk de Conti. According to Galv¼o, both men and women on Madura are very martial and fond of blood-shedding, often killing themselves and delighting in cocks fighting with spurs. These very topical remarks are only supplemented by some geographical information, giving the length of the course along the islands as about 500 miles.10 Nevertheless, the Portuguese expansion into the Indian Ocean led to changes in the contents and tendencies of the traveler reports on Java and the neighboring 5 6 7 8

India in the Fifteenth Century (n. 4), p. 15. Ibid., p. 16. Ibid., p. 17. Cf. Jürgen Sarnowsky, Die Erkundung der Welt. Die großen Entdeckungsreisen von Marco Polo bis Alexander von Humboldt, München 2015, p. 136. 9 Bilingual edition: Antonio Galvano, The Discoveries of the World from their first original unto the year of our lord 1555, corrected, quoted, and published in England by Richard Hakluyt (1601), now reprinted with the original Portuguese text, ed. Charles Drinkwater Bethune (Hakluyt Society), London 1853. 10 Ibid., p. 116.

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islands. The political and economical details became more important, also the perception of the different religions. These reports will be in the focus of this paper. They will be analyzed for their representation of religion and society in the region. *** The first important reports come already from Portuguese officials in Southwest India and Malacca who were part of a “colonial elite in formation”, according to Joan Pau Rubi8s,11 and who already had a different approach, living at least for some time in the regions they described. These were Duarte Barbosa, interpreter and for a long time scribe at the Portuguese feitorias at the Malabar Coast, who nevertheless only had second hand information on Java,12 and Tome Pires, between 1512 and 1515 administrator of the drugs and medicaments in the Portuguese base at Malacca, travelling to Java for nearly three months in 1513.13 Duarte Barbosa did not travel much beyond his post at the Malabar Coast and probably never went to Java.14 Java and the Javanese are first mentioned in his report on Portuguese Malacca. Here he describes the ships coming from Java to Malacca and their cargo like rice, beef, sheep, but also finely worked daggers and spices. The crews, according to Barbosa, live on their ships with their wives and children, having no other home.15 But there are also Jaos, probably Javanese or Malay, in Malacca who are described as Muslims, wearing only cotton garments below the waist. They are represented as evil men, as “very cunning in every kind 11 Following a term used by Joan Pau Rubiés, Travel and Ethnology in the Renaissance. South India Through European Eyes, 1250–1625, Cambridge 2000, p. 205. 12 For him see e. g. Jürgen Sarnowsky, Duarte Barbosa’s View of Religions, in: The Role of Religions in the European Perception of Insular and Mainland Southeast Asia. Travel Accounts of the 16th to the 21st Century, ed. Monika Arnez, Jürgen Sarnowsky, Cambridge 2016, pp. 13–33; editions and translations: Livro Em que d# relażo do que viu e ouviu no Oriente Duarte Barbosa, ed. Augusto Reis Machado, Lisbon 1946 (following the edition Lisbon 1812; O livro de Duarte Barbosa, ed. Maria Augusta da Veiga e Sousa (Estudos de histjria e cartografia antiga. Memjrias 26), 2 vols., Lisbon 1996–2000; (transl. from the Portuguese, Lisbon 1812) The Book of Duarte Barbosa. An Account of the Countries bordering on the Indian Ocean and their Inhabitants Written by Duarte Barbosa and Completed about the year 1518 A.D., transl. Mansel Longworth Dames, 2 vols. (Hakluyt Society 2nd ser., 44, 49), London 1918–1921; (from the Castilian) A Description of the Coasts of East Africa and Malabar in the Beginning of the Sixteenth Century by Duarte Barbosa, transl. Henry E. Stanley (Hakluyt Society), London 1866. 13 See The Suma Oriental of Tome Pires. An Account of the East, from the Red Sea to Japan, Written in Malacca and India, in 1512–1515, and the Book of Francisco Rodrigues, ed. Armando Cortesão, 2 vols., Lisbon 1944, repr. New Delhi 1990. 14 For the following see again Jürgen Sarnowsky, Duarte Barbosa (n. 12), n. 22–26. 15 See Livro Duarte Barbosa, ed. Reis Machado (n. 12), pp. 202–03; The Book, transl. Dames (n. 12), 2, p. 174; cf. A Description, transl. Stanley (n. 12), pp. 191–92.

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of work, skilled in every depth of malice”.16 If they fall severely ill, they would promise to God to seek “another more honourable death” if they become healthy again; and if this is the case, they would go out to the streets killing everyone they meet.17 Then the others would be warned, and soon the inhabitants of the town would come out with their arrows and spears to kill him. Barbosa’s description of insular South-East Asia is rather summarily. He begins with Sumatra and states its rough circumference, and then adds that Sumatra has “many very prosperous seaports, the more part of them occupied by Moors, some by Heathen, but for the most part the Heathen dwell inland”.18 This is followed by short descriptions of some of the towns and lordships, like Pedir, (Samudera) Pasai, Aceh, and Menangkabau, with geographical information and their main goods. After the chapter on Sumatra there is a short paragraph on Sunda, the Western part of Java, which is treated as a separate island. Barbosa does not mention its religion, but states that there is only a small kingdom and that its king would be willing to accept the authority of the king of Portugal.19 Coming to Java “proper”, it is said that the ‘Gentiles’ live in the interior of the island, while the seaports with their great towns and villages are populated by Muslims who have their own rulers. Barbosa then refers to the still existing, but in fact already weak Hindu empire of Majapahit. According to him, Muslims and ‘Gentiles’ “all are subject to the Heathen King, a very great Lord whom they call Pateudra who dwells in the interior ; some who rise up against him, he subdues again forthwith”.20 This is complemented by the remark that some would like to have friendship with Portugal, while others are its enemies. The remaining forces of Majapahit were finally vanquished only in about 1527, i. e. after Barbosa finished his report, by a coalition of North Javanese powers led by the Sultan of Demak,21 but it is obvious that Barbosa refers to an earlier situation. Also, the name of the alleged ruler of Java mentioned by Barbosa is misplaced and corrupted, it may refer to the Sultan of Demak, Pate Unus (or Eunus) who ruled in about 1518/1521,22 or rather to a viceroy of Java named Pate 16 See Livro Duarte Barbosa, ed. Reis Machado (n. 12), p. 205; The Book, transl. Dames (n. 12), 2, p. 177; cf. A Description, transl. Stanley (n. 12), p. 196. 17 Ibid. 18 See Livro Duarte Barbosa, ed. Reis Machado (n. 12), p. 207; The Book, transl. Dames (n. 12), 2, p. 182; cf. A Description, transl. Stanley (n. 12), p. 196. 19 See Livro Duarte Barbosa, ed. Reis Machado (n. 12), 208; The Book, transl. Dames (n. 12), 2, p. 189; cf. A Description, transl. Stanley (n. 12), p. 196. 20 Livro Duarte Barbosa, ed. Reis Machado (n. 12), pp. 208–09; The Book, transl. Dames (n. 12), 2, pp. 190–91; cf. Description, transl. Stanley (n. 12), p. 197. 21 Cf. Slametmuljana, The Story of Majapahit, Singapur 1976, p. 186, 258–60; Paul Michael Munoz, Early Kingdoms of the Indonesian Archipelago and the Malay Peninsula, Singapur 2006, p. 290. 22 Slametmuljana (n. 21), p. 259, with a reference to the later report of Antonio Pigafetta (in 1522), for the association with Barbosa cf. The Book, transl. Dames, 2, p. 291.

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Amdura mentioned in the report of Tome Pires written before 1516.23 But even though he was far away in Southwest India, Barbosa had at least some basic idea of the former greatness of the Hindu kingdom. Java is described as the “most fruitful island in the world” with “an abundance” of rice and meat,24 and its inhabitants would wear clothes only from the waist down or long silk coats. According to Barbosa, they perceive it as an insult to be touched on the head, and thus they would built only houses with one floor so that no one would walk above the other’s head. The Javanese are described as “extremely proud, passionate, and treacherous”,25 but also as gifted carpenters, masons, gunners, makers of firearms, and ship-builders. Barbosa also tells the story of magic weapons that will protect their owners against any attack by sword, for which the Javanese would spend many years for the production, waiting for a convenient date and constellation of the stars. “Skilful riders and hunters”,26 they would go hunting with their wives, who are described as beautiful and very gifted in music. For ‘Smaller Java’, probably Bali, Barbosa only denotes that it is inhabited by ‘Gentiles’ under a ‘Gentile’ King, and refers to the forms of its name as used by the Muslims, Arabs, and Persians. Even though there are still prejudices against the Javanese which already were present in the earlier reports, Barbosa has several interesting details on Javanese politics and society, on the skills of the Javanese as craftsmen, on hunting and their use of horses. One and a half years after the journey of Abreu and Serr¼o, in March 1513, Tome Pires visited Java looking for spices, as the factor of a fleet of four ships sent out from Malacca by the governor, Rui de Brito. When the ships returned in June, they brought back about 1200 quintals of cloves.27 Thus, Pires had firsthand experience of Java which he laid down in his lengthy report on the island.28 Pires starts with a short note on the contents of his report. His account on, in his terms, “the prosperous and proud and rich and chivalrous island of Java and Sunda” starts with the kingdom of Sunda and then follows the Northern coast eastwards until Blambangan, and finally he also wants to give information on “the great heathen king within the hinterland of Java and of his chief captain

23 Cf. The Suma Oriental of Tome Pires. An Account of the East, from the Red Sea to Japan, Written in Malacca and India, in 1512–1515, and the Book of Francisco Rodrigues, ed. Armando Cortesão, 2 vols., Lisbon 1944, repr. New Delhi 1990, here 1, p. 175, n. 2. 24 Livro Duarte Barbosa, ed. Reis Machado (n. 12), pp. 209; The Book, transl. Dames (n. 12), 2, p. 191; cf. Description, transl. Stanley (n. 12), p. 197. 25 Livro Duarte Barbosa, ed. Reis Machado (n. 12), pp. 209; The Book, transl. Dames (n. 12), 2, p. 193; cf. Description, transl. Stanley (n. 12), pp. 197–98. 26 Livro Duarte Barbosa, ed. Reis Machado (n. 12), p. 210; The Book, transl. Dames (n. 12), 2, p. 194; cf. Description, transl. Stanley (n. 12), p. 198. 27 See the introduction of Cortesão, Suma Oriental (n. 23), 1, pp. xxv–xxvi. 28 Suma Oriental (n. 23), pp. 166–200 (English), 412–37 (Portuguese).

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Guste Pate”,29 again a late reflection of the Empire of Majapahit. This is followed by two lists of important place names in Sunda and Java. Contrary to Barbosa, Pires knows that Sunda is the Western part of Java which would measure one third and one eighth of the whole island, with a circumference of 300 sea leagues, divided from Java by the river Cimanuk with large trees on both sides, and having its own language. The king of Sunda is described as “heathen”, as “all the lords of his kingdom”.30 This is related with a report on the burning of widows, especially for the wives of the king and his nobility. Pires states that the women are only burned if they wish to die; if not, they are allowed to live apart from others in penance and poverty. The king is always followed by his son, but if there is no son, the lords of Sunda will elect a successor. The people of Sunda are described as “chivalrous, seafaring warriors – they say more than the Javanese, taking them in all”, as “true men”, and the kingdom as “justly governed”.31 The king is supported by a viceroy and his treasurer. Like in Java, the ports and the cities are governed by pates – or paybous in the language of Sunda, probably derived from the Sanscrit word prabhu for “lord and ruler”32 –, meaning lords and governors. The king has his residence in Dayo (probably modern Bogor), and his palace has 330 very thick wooden pillars with “beautiful timberwork on the top”.33 He has two main wives and nearly one thousand other women, and he loves sports and hunting. Pires also points out the important role of the trade and mentions the ships of 150 tons coming to Malacca with many different goods, also the imports from Malacca to Sunda. According to him, Sunda has better pepper than South India, and it sells mainly rice, but has also gold, simple cloth, vegetables, fruits, and different kinds of meat. Slaves from Sunda and the Maledives are also brought to Malacca, while the Sundanese mainly buy fine cloth in Malacca. They use the Chinese cash as small money, otherwise they have gold in fixed quantities. Pires names six ports of Sunda of which the most important are Banten (today Serang) and (Sunda) Calapa (today Jakarta), always with references to the towns and their administration.34 There merchants from Sumatra, Palembang, Malacca, Macassar, Madura and many other regions offer their goods. Calapa is only a two days’ journey away from the residence of the king in Dayo, it is “well governed”

29 30 31 32

Ibid., pp. 166, 412. Ibid., pp. 167, 413. Ibid. J. Noorduyn, Concerning the reliability of Tom8 Pires data on Java, in: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde 132,4 (1976), pp. 467–471, at p. 470. 33 Suma oriental (n. 23), pp. 168, 414. 34 Ibid., pp. 170–72, 415.

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and “has judges, justices, clerks”, who decide according to “the law of the kingdom”.35 Each of the harbor towns has its own captain, and these captains are described as great lords, held in high esteem, spending “most of their time in pleasure”, often with hunting.36 One of them, the captain of Cimanuk, is explicitly described as heathen. The sense of this remark becomes clear when Pires points to the fact that the king of Sunda does only allow a few Muslims to enter his kingdom, “because it is feared that with their cunning they may do there what has been done in Java; because the Moors are cunning and make themselves masters of countries by cunning”.37 Pires probably refers to the growing power of the rulers (since about 1524 sultans) of Demak, who first established their rule still under the authority of the heathen governor of Demak under the king of Majapahit, then pushing away the local opponents, until the pang8ran (or later Sultan) Tranggana (1504–1546) finally declared himself independent from the kingdom of Majapahit.38 These observations set aside, according to Pires, the Sundanese and the Javanese stay neutral and separate from one another, trading with the others, but also fighting against them in pirate attacks. Pires then turns to “Java proper” and to the authority of the kingdom of Majapahit. He first reports that about 100 years ago the rule of Java extended to the Moluccas in the East, and to Sumatra and all the islands known to the Javanese in the West, but that the power of the kings know has now been greatly diminished. According to him, the heathen kings of Java, naming their title as Brawijaya, had a high appraisement of the Javanese nobility, having no equal elsewhere. This is confirmed by Pires, stating that “the Javanese lords are so noble and exalted that there is certainly no nation to compare with them over a wide area in these parts” and that their subjects revere them “like gods, with great respect and deep reverence”.39 Since Java is densely populated in the inner parts of the island, many people come to the court of the kings, to the capital which is named as Dayo or (later) Daha, the other name for Kediri.40 But the kings appear only rarely in public, once or twice a year, living a life of leisure in the palace, with feasts, his wives, and concubines, served by 1000 eunuchs. When the king leaves the palace, this is announced in advance, and no one else goes out, since the king comes with 35 36 37 38

Ibid., pp. 173, 415. Ibid., pp. 173, 416. Ibid. H.J. de Graaf, Islamic States in Java 1500–1700. Eight Dutch Books and Articles as summarized by Theodore G.Th. Pigeaud (Verhandelingen van het Koninklijk Instituut voor Taal-, Land- en Volkenkunde, 70), Leiden 1976, p. 7. 39 Suma Oriental (n. 23), pp. 175, 417. 40 Ibid., pp. 175, 190–91, 417, 430; cf. Noorduyn (n. 32), p. 469.

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troops of 2–3000 men, his concubines in carts, and his wives on richly decorated elephants with their own servants, like this going out for hunting. Any man older than ten years coming close to this procession is killed. The other lords of Java are going out in similar fashion, imitating the king. Since the kings lost most of their lands, they are not obeyed anymore, and the real ruler is the viceroy and captain which is named Guste Pate – or formerly Pate Amdura. “This man is known and honoured like the [real] king”, writes Pires. “All the lords of Java obey him, him they honour. This governor commands in every thing; he holds the king of Java in his hands; he orders him to be given food”.41 Guste Pate is described as “knightly”, organizing the defense of the kingdom against the Muslim lords who had established themselves at the Northern coast of Java, especially the ruler of Demak. Pires refers to an information he had received from the king of Tuban, a vassal of Majapahit, according to which the viceroy could command an army of 200.000 men, including 2000 horsemen and 4000 musketeers, but he adds: “As they are great friends and the king of Tuban is his vassal, he may exaggerate his power”.42 Pires denotes that the wealth of Java induced people from many nations to come to Java, Chinese (but not for the last 100 years), Persians, Gujaratis, and others, so that the Muslims decided to convert the people at the Northern coast of Java. When reporting about the courtesies at the courts, he also refers to the Muslim rulers: “These Moorish pates […] are great lords, and when they speak of courtesy and civility, they say that there is every thing at court, and riches; and they speak of Guste Pate’s affairs with great respect”.43 The circumference of Java is given as 400 miles, and Pires repeats some of the stories already mentioned by Conti, Barbosa and others, that the Javanese kill for being touched on the head, that some of them run “amok” (amocos), determined to die, and that the widows of the heathen kings or nobles burn themselves alive. But he also reports on the importance of dancing, stories, and theatre with masks, and of the Javanese “music of bells – the sound of them playing together is like an organ”.44 Also, no man between the ages of 12 and 80 leaves his house without his kris, carrying it on his back. Pires then focuses on the harbor cities under the control of the king, Tuban under a Muslim vassal, Blambangan and Gamda (perhaps Garuda or Pasaruhan)45 under “heathen” rulers, on the goods in the trade on Java, rice, cattle, dear, fish, fruits, gold, gemstones, pepper, other spices, and cloth, and on cur41 42 43 44 45

Suma Oriental (n. 23), pp. 175, 418; for the credibility of the report see de Graaf (n. 38), p. 8. Suma Oriental (n. 23), pp. 176, 418. Ibid., pp. 179, 421. Ibid., pp. 177, 419. For the identification see S. O. Robson, Pires’ Gamda, in: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde 133, 2/3 (1977), pp. 354–56.

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rencies, weights, and measures. He also describes the slow process of islamification at the Northern Coast of Java. According to Pires, the Muslims first came as traders, and when they became rich, they built mosques and invited mollahs from outside. When some of the Javanese lords converted to Islam, the Muslim merchants and the mollahs took over their territories, or, in some areas, the Muslims became so strong that they could kill the heathen lords and inherit their lordship. “In this way they made themselves masters of the sea coast and took over trade and power in Java”.46 Pires adds that these lords do not come from families living for a long time on Java, but are of different origin, some Chinese, Persians, or from other nations; nevertheless “these men made themselves more important in Javanese nobility and state than those of the hinterland”.47 This is followed by a comprehensive description of the lordships at the Northern coast which makes Pires’s report a first hand source for the history of Java in the early 16th century. For each lordship, he uses a kind of standard description, including the pate, the lord of the area, the harbor or town, its location and its inhabitants, the main goods, and the political situation. The first lordship and harbor described is that of Cirebon. Its lord is named Lebe UÅa, he is described as a vassal of Pate Rodim, the lord of Demak. According to Pires, the town was heathen 40 years ago, when the lord of Demak installed a slave from Gresik as lord of Cirebon who was the grandfather of Pate Rodim. Cirebon, lying about three leagues up the river, has a good harbor and about one thousand inhabitants. Its most important goods are rice, other groceries and very good wood for building junks. There are five or six important merchants, but Cirebon is also the home of Pate Quedir, who was made lord of Upeh, the Javanese suburb of Malacca, by Albuquerque, but then, in 1512, rebelled against the Portuguese. Pires remarks that all the merchants and “the lord of Cherimon [Cirebon] do honor to Pate Quedir, because they hold him to be a bold merchant and a knight”.48 Descriptions like this are also given for the other lordships and places, including Semarang, Demak, Tuban, and Gresik. This ends with the land of Blambangan (Banjuwangi). Its boundaries also touch the territories of the king of Java, and its ruler, Pate Pimtor, described as “great gentile lord” and “fearsome knight”,49 is much respected by the other heathen lords because he stopped the Muslim expansion. He is the nephew of Guste Pate, and he rules also over some neighboring territories. His lands have a great population, and the people are described as warlike and rich. He owns many small ships, trading with crops, 46 47 48 49

Suma oriental (n. 23), pp. 182, 423. Ibid. Ibid., pp. 183, 424. Ibid., pp. 198, 435.

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horses – of which are more than elsewhere on Java, including the Muslim territories –, and male and female slaves. Pires ends his report on Blambangan by mentioning the burning of the widows, with a rare critical remark: “When their lords die, they take their wives to the fire, thus they lose their bodies in this life and their souls burn in the next”.50 Pires’s report is the most detailed and extensive of all early Portuguese travelers. The later Portuguese reports are focused mainly on events, both the historiographers like Joao Barros and travelers like Fernao Mendes Pinto. Pinto e. g. has some details for a military expedition of the King (or rather Sultan) of Demak against the King of Pasaruan in 1546. He names the sultan “Emperor of all the islands of Java, […], Bali, Madura, and of the rest of all the islands of that archipelago”.51 For this expedition, the king of Sunda as a vassal of Demak also sent out his contingents, 7000 men together with 46 Portuguese warriors. According to Pinto, the whole army of Demak numbered 800.000 men, traveling on 1000 high boarded junks and 1700 other ships.52 Nevertheless, the King of Pasaruan managed to motivate his besieged population to make different successful assaults with many victims and wounded on the side of Demak; and after three months, the struggle about a platform close to the besieged town led to a severe defeat of Demak. When the Sultan decided to renew his attack, he was killed by one of his young servants whom he had slightly touched on the head and who then felt “made infamous forever”, striving for revenge.53 When the king of Pasaruan received news of the retiring army, he attacked it, causing again numerous victims, taking several kings and many pates (or dukes) as prisoners. When the defeated army had returned to Demak, bringing with it the dead Sultan, the search for a successor led to an election. According to Pinto, the eight electors were not able to agree upon a candidate, while the unclear situation led to assaults and rebellions, also to the confrontation of the governor of the town with the admiral of the fleet.54 This ended up in a complete destruction of the town, the enslavement of many of its inhabitants, and the theft of its riches. Finally Pate Sudayo, the Prince of Surabaya, was elected, and 5000 men involved in the sacking of the town were executed, though this did not bring peace, so that Pinto and his companions took leave from the King of Sunda.55 The relative silence of the later Portuguese reports on general aspects of 50 Ibid., pp. 198, 436. 51 The voyages of Fernan Mendes Pinto, transl. Henry Cogan, New York 1891, p. 375; Fernam Mendez Pinto, PeregrinaÅam, Lissabon 1614, fol. 221vb. 52 Ibid., p. 377 / fol. 222vb. 53 Ibid., p. 386 / fol. 227ra. 54 Ibid., p. 390 / fol. 228rb. 55 Ibid., p. 392 / fol. 229rb.

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religion and politics on Java may be due to the fact that the Portuguese rather focused on Malacca and the Spice Islands, not on Java. There was only a very small Portuguese settlement at Gresik, as there were only some “twenty or thirty families” living in Macassar ;56 other Portuguese only occasionally came to the towns and lordships of Java, like Pinto and his companions. Nevertheless the reports cited above show a clear development. Starting from older stereotypes, the reports on Java became more realistic and differentiated. While the earlier reports stated Javanese customs and events quite often related with tendencies to run amok, Barbosa, Pires, and Pinto describe the political situation and religious differences in more detail. Especially the report of Pires proves that the Hindu kingdom of Majapahit was still influential in the years around 1512, even though the Muslim lords at the seacoast had already gained independence; and in the report of Pinto, in 1546, the Hindu kingdom of Pasaruan is able to ward off the attack by the strong army of Demak. Both “gentile” and Muslim lords are mentioned with respect or at least impartial, and in the case of Pires, his negative remarks concern only the way the Muslims expelled the heathen lords of the North and the custom of burning the widows of kings and nobles. One constant element is the Javanese abhorrence of being touched upon the head, leading even to the death of the Sultan of Demak in the report of Pinto; another concerns the strength of the armies – though the Demak army seems largely over-estimated, and a third element is the influence of the great lords, the pates. Finally, the economic strength seems always connected with political success. Even though the reports only give brief insights and are partly biased by their European perspective, they are important sources for the history of Java in the early 16th century.

56 J. B. Harrison, Europe and Asia, in: New Cambridge Modern History, 4: The Decline of Spain and the Thirty Years War, 1609–1648/59, ed. J. P. Cooper, Cambridge 1970, pp. 644–71, at p. 644.

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Ritual and Ceremony in Rumphius’Amboinsche Rariteitkamer and Kruid-boek

The connection between ritual, material, and space One of the secular rituals of European travelers in Southeast-Asia was publishing a book after their return, oftentimes telling sensational stories to satisfy demand, for example “The Six Voyages of J. Baptista Tavernier”.1 The author related events that had taken place on Java, and the Dutch version of the book included not only the depiction of a kanjar, a large double-edge dagger, but also one of how an angry fakir, just returned from the hadj, killed 13 Dutch sailors with such a dagger.2 Artifacts and religion play an important role in these eyewitness reports, but they are often confined to the spectacular as in Tavernier and to general practical information for the public as in Valentijn’s Oud en Nieuw Oost-Indi[n.3 This is different in the books on the flora and fauna of Ambon by G.E. Rumphius: Because the merchant and naturalist worked on the island for decades, he was embedded in daily life between the beach, Fort Victoria of Kota Ambon, and the mountain gardens on the island. To make the link between cultural expressions and commercial possibilities in his texts, he documented religious rituals and ceremonies in the different communities present in the Moluccas.4 Therefore, many entries go beyond descriptions of taxonomy and materia medica to include descriptions of objects – how these were fashioned from the specific organism in question, and in which contexts they were used. 1 De zes reizen van de Heer J. Baptist Tavernier. Tweede Deel. Door J.H. Glazemaker vertaalt. Met veel kopere Platen verciert. Amsterdam 1682. 2 Cf. ibid., pp. 400–01 and 402–03. 3 Cf. FranÅois Valentijn, Oud en Nieuw Oost-Indi[n, Dordrecht 1724–1726. 4 Cf. Romain Bertrand, The Interplay of Identities in Contacts Between Europe and Insulindia in the 16th and 17th Centuries, in: Concilium 1 (2017), pp. 41–52 on the Asian perspective on the encounters and confrontations with Europeans; and Keebet von Benda-Beckmann, Ambon, a Spicy Hub. Connectivity at the Fringe of the Indian Ocean, in: Connectivity in Motion. Island Hubs in the Indian Ocean World (Palgrave Series in Indian Ocean World Studies), ed. Edward A. Alpers, Burkhard Schnepel, Cham 2018, pp. 421–46 on the colonial legacy of the spice trade.

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In the second half of the seventeenth century, the Dutch East India company had established its gewest or district of Ambon to control the lucrative trade in cloves and nutmeg between Southeast Asia and Northern Europe.5 At the same time, the company was a player in the interregional so-called “country trade” as well, negotiating other commodities than spices and access to markets with other actors like the Chinese established on the Indonesian islands, Bugis from Sulawesi, or Arab merchants.6 In the Ambonese Herbal, Rumphius mentioned many different groups – according to politics like “our nation” (onze natie) or the “Malay nations” (maleytsche natien), to religion like Christians, heathens, and Muslims, or to geographic origin, like Macassaren or Javanen.7 Especially if these groups were settled in communities on Ambon under Dutch control, Rumphius referenced their ritual objects not only in spaces of public interaction, but also in the more confined place of the household. Especially the interface between shared space and personal household could be regulated by the company, for example in (by-) laws on clothing, travel, or business8, and information on collectives could feed into this process. In Rumphius’ representation, these objects sometimes shifted between the European order of artificialia and naturalia9, depending on their perceived place of origin and their ascribed value – i. e. within the described communities themselves, and in relation to the Dutch.

5 Cf. the map and commentary “Ontwerphinge van Amboyna (1623)”, in: Grote Atlas van de Verenigde Oost-Indische Compagnie. Part III Indische Archipel en Oceani[, ed. Arend de Roever, Bea Brommer, Voorburg 2008, p. 267. 6 Cf. Heather Sutherland, On the Edge of Asia. Maritime Trade in East Indonesia, Early Seventeenth to Mid-twentieth Century, in: Commodities, Ports and Asian Maritime Trade Since 1750, ed. Ulbe Bosma, Anthony Webster, London, New York: Palgrave Macmillan 2015, pp. 59–78 on trade routes; and Jürgen Nagel, Abenteuer Fernhandel. Die Ostindienkompanien, 2nd edition with updated bibliography, Darmstadt 2011, pp. 154–59 on competitors. 7 Cf. Book VII Containing Potherbs Used For Food, Medicine, and Sport, in: Georgius Everhardus Rumphius, The Ambonese Herbal, translated, annotated, and with an introduction by Eric Montague Beekman, 6 vols. New Haven/London: Yale University Press/National Tropical Botanical Garden 2011, here vol. 4. Dutch original: Georgius Everhardus Rumphius, Het Amboinsche Kruid-boek: Dat is, Beschryving van de meest bekende Boomen, Heesters, Kruiden, Land- en Water-Planten, die men in Amboina, en de omleggende eylanden vind, Na haare gedaante, verscheide benamingen, aanqueking, en gebruik […], 6 vols., Amsterdam: FranÅois Changuion, Jan Catuffe, Hermanus Uytwerf; Den Haag: Pieter Gosse, Jean Neaulme, Adriaan Moetjens, Antony van Dole; Utrecht: Steven Neaulme, 1741–1750. 8 Cf. the collection of sources in J.A. van der Chijs, Nederlandsch-Indisch Plakkatboek, 1602–1811. Tweede Deel 1642–1677, Batavia/Den Haag 1886. 9 Cf. Horst Bredekamp, Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte, Berlin 4th edition 2012, pp. 38–39, on the order of Curiosity Cabinets.

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In the sixteenth and seventeenth centuries a nation’s level of civility was determined by examining religion, morality, type of government, material culture, manner of making war, and cultivation and preparation of food, among other things. The distinction between Christian and non-Christian was, however, the real litmus test for distinguishing ‘us’ versus ‘them’ for most Europeans.10

Even though these parts of Rumphius’ early modern texts can be characterized as ethnographic, they were (and are) still contained within the confines of zoological and botanical book publications. From a material culture perspective on rituals and ceremony, then, the relation between the taxonomical categories of the natural historian and the classifications of the historian/ethnographer comes to the foreground.11 Which kind of rituals did Rumphius record? While the books were edited by Joan Burman in contact with Linnaeus’ taxonomical system from the 1730s onwards, Rumphius wrote or dictated his texts about a hundred years before the homo sapiens was named in the 1766 edition of Systema naturae.12 How did Rumphius describe and order the ritual objects he had encountered? If “ritual practices are themselves the very production and negotiation of power relations”13, might the power asymmetry between him and the people he studied have changed rituals and spaces?

The description of rituals in the context of knowledge production in natural history Georg Everhard Rumpf or Rumphius was born in 1627 in a small town in the German territory of Hassia. He grew up in a Calvinist environment and attended the Gymnasium in Hanau. In 1653 he joined the Dutch East India Company and was stationed on Ambon in the Moluccas, first as a soldier and later as a civil servant. He stayed there until his death in 1702. Beside his administrative occupation, in the course of which he advanced to the position of koopman, merchant, he devoted himself to studying the local flora and fauna. He planted a garden and started collections of plants, shells, crustaceans and minerals. In the early 1660s he began to build a library containing the canonical literature about natural history of his time. His superiors supported his efforts. Rumphius had 10 Rebecca Parker Brienen, Visions of Savage Paradise. Albert Eckhout, Court Painter in Colonial Dutch Brazil, Amsterdam 2006, p. 80. 11 Cf. Barbara Stollberg-Rilinger, Rituale (Historische Einführungen, 16), Frankfurt/New York 2013, pp. 17–43, on the “ritual turn” in the academic discipline of history in Germany, which does not explicitly touch on questions of colonial history. 12 Cf. Jakob Tanner, Historische Anthropologie zur Einführung, Hamburg 3rd unchanged edition 2017, pp. 37–38. 13 Catherine Bell, Ritual Theory, Ritual Practice. Paperback edition Oxford et al. 2009, p. 196.

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not yet made much progress with the systematic documentation of the results of his research in texts and illustrations, when, in 1670, he went blind. The Dutch East India Company sent secretaries and draughtsmen to Ambon so that Rumphius could concentrate completely on the continuation of his research. Rumphius wrote in Dutch and reached a wide audience in the Netherlands and in South East Asia. All his texts were written or completed after 1670. Except for a few short texts, they did not appear in print during his lifetime, but were only published decades or even centuries after his death. The Amboinsche Rariteitkamer or Ambonese Curiosity Cabinet, a description of shells, crustaceans and minerals of Ambon and its surroundings, was published in Amsterdam in 1705. The six volumes of the Amboinsche Kruid-boek followed between 1741 and 1745. These books and Rumphius’ correspondence, in as far as it has been passed down to us, convey an impression of the production of knowledge in a third space in between South East Asia and Europe as well as of the knowledge transfer between South East Asia and Europe. Rumphius was not the typical traveller visiting East India for a limited period, just passing through and returning to Europe after having collected his samples. He settled down on Ambon permanently, married a local woman, started a family and lived there for many decades until his death. He also acquired knowledge of the local languages and developed into a migrant who sometimes even possessed a ‘double vision’. These circumstances not only allowed him to make precise observations of the natural environment but also granted him the possibility to become acquainted with and study the cultures of the region in which he lived. Many of his descriptions of rituals and ceremonies were not only based on observation but also on personal exchange with the actors performing them. Thus, in his descriptions of plants and animals, Rumphius did not confine himself to their appearance, names and habitat, but in many cases also detailed their ritual function and symbolic meaning in the context of local cultures. What do his descriptions reveal about his perspective on the rituals and their cultural context, as well as about his attitude towards their actors? Are his texts merely describing or are they also evaluating? In which way is the perspective implicit in the text concerning the described rituals influenced by the European and Christian background of the author and his position in the colonial hierarchy? In the section on the material culture of rituals and ceremony, the qualitative case studies are drawn from entries on shells in Book II and gold, glass, and fossilized coral in Book III of the Ambonese Curiosity Cabinet, as well as on two species of trees from Book II Containing the Aromatic Trees: Being Those That Have Aromatic Fruits, Barks or Redolent Wood in the Ambonese Herbal. The texts discussed in the section on the medial representation of rituals and ceremony come from the Ambonese History, whereas the entry on the Canna indica is taken from the Ambonese Herbal. Entries on a shell can be found in

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Book II of the Ambonese Curiosity Cabinet, while those on Ambonese quartz crystal, metal, thunder stones, bezoar stones and other concretions found in animals or plants are taken from book III of the same work.

Materials between prayer and sacrifice: Ritual objects and their colonial entanglements In the above-mentioned illustrations by J. Baptista Tavernier, the ships in the background of the illustration on the amok incident signified European trade and colonialism. In the Ambonese Curiosity Cabinet, Rumphius made the same connection in the chapter about “How they falsify gold in these countries” which starts the third book “of the Minerals, Stones, And other rare things”.14 In this chapter, he first drew an explicit connection between money and ritual, reaching deep into the Moluccan households: But no matter there be little, everyone wants to have some of it in his house, for no family counts itself happy where this House God is not present, and this is the reason why the small amount, that one can find today, is thinned, stretched, beaten, and falsified, so that it will at least resemble gold.15

With the categorization of gold as a “House God”, he then drew an implicit distinction between these locals and the Protestant Christian worshipping in a plain Church without the baroque splendor of Catholicism. While he did mention the spiritual pursuit of “happiness” as the reason for the modification of the material, the emphasis on “falsification” devalued not only the gold in question, but also the rituals around it. The discussion of a specific form of craftsmanship finally fed into the perception of local people as potentially deceptive trade partners – especially if Rumphius followed mercantilistic thought and considered coins made from precious metal served to conserve the value of work.16 This interpretation is supported by a passage on iron where he wrote about the

14 Georgius Everhardus Rumphius, The Ambonese Curiosity Cabinet. Translated, edited, annotated, and with an introduction by Eric Montague Beekman, New Haven: Yale University Press 1999, p. 231f. Dutch original: Georgius Everhardus Rumphius, D’Amboinsche Rariteitkamer, Behelzende eene Beschryvinge van allerhande zoo weeke als harde Schaalvisschen, te weeten raare Krabben, Kreeften, en diergelyke Zeedieren, als mede allerhande Hoorntjes en Schulpen, die men in d’Amboinsche Zee vindt: Daar beneven zommige Mineraalen, Gesteenten, en soorten van Aarde, die in d’Amboinsche, en zommige omleggende Eilanden gevonden worden, Amsterdam: FranÅois Halma 1705. 15 Rumphius, Ambonese Curiosity Cabinet (n. 14), p. 231. 16 Cf. Wolfgang Schivelbusch, Das verzehrende Leben der Dinge. Versuch über die Konsumtion, Frankfurt/Main 2016, p. 114.

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ignorance of the Natives, who do not know how to extract it from various iron stones.17 With plants, on the other hand, the knowledge on derivatives that could be extracted from leaves, fruits, or seeds was much more detailed on the side of the local population. Throughout the Ambonese Herbal, the entries’ last section on “use” or “uses and powers” included information on plants for food, materia medica, packaging and building materials. Sometimes Rumphius had keenly observed embodiments of rituals while researching plants and recorded the materialization of prayer in seeds. In the case of The Rarak or the Soap-Balls Tree18 (today’s Sapindus saponaria, in English soapberry or washnut), the botanical categorisation led to the use of the seeds as washing detergent and then to the prayers of imams: The black seeds remain whole in washing and are thrown away or given to Moorish Priests, who make Paternosters from them, for if they are turned and polished they are as beautifully black as Ebony, but much lighter […].19 Similarly to the text on gold, the material only resembled a valuable commodity on the outside. While Rumphius employed rhetorical devices to stress blackness and therefore otherness here, he included the Latin term paternoster for rosary that compared prayer beads to a Catholic practice as well. Put into context with the anti-Catholic passages in his Ambonese History20, this functioned not as an endorsement, but as interpretative help for his Dutch/ European audience. Similarly, in the Curiosity Cabinet, Rumphius drew a line from Chinese altars to the reveration of Christian saints in the entry on the Conchae Univalviae with the third part reading: III. Balani, Acorns, Weals, in Malay, Gindi laut, and opening Tulips, have the shape of a burst tumor, they grow together in bunches […] The Chinese take the biggest clumps, place them before their House gods, and put small candles in them, like a candelabra […].21 In the accompanying illustration, these Gindi laut (today’s Balanidae family of sessile barnacles22) can be seen in the upper left-hand corner as part of a collection of shells ordered on paper, two small feather-like tentacles alluding to the living organism. In the second book of the Curiosity Cabinet, there are no depictions of artificialia, so that the image of objects and scenes is formed in the mind of the reader, perhaps on the basis of previous studies. Comments on Chinese rituals and habits seem to be more neutral throughout all of Rumphius’ books than those on other eth17 18 19 20 21 22

Rumphius, Ambonese Curiosity Cabinet (n. 14), p. 238. Rumphius, Ambonese Herbal (n. 7), vol. 2 = Book II, chapter 51. Ibid., vol. 2, pp. 199–200. Rumphius, De Ambonse Historie (see below n. 34). Rumphius, Ambonese Curiosity Cabinet (n. 14), pp. 174–76. Cf. entry “Balanidae Leach, 1817” in World Register of Marine Species (WoRMS) at marinespecies.org, visited 17 April 2017.

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nicities. As he had a common law wife of mixed Asian-European descent, it is possible that she acted as a mediator between Rumphius and the Chinese community around Fort Victoria in Kota Ambon, making the interaction more familiar and the ritual objects less threatening.23

Illustration 1: Gindi laut from the Amboinsche Rariteitkamer, via the digitized version by the Göttinger Digitalisierungszentrum, https://gdz.sub.unigoettingen.de/id/PPN372428037, visited 17 April 2018.

On the other end of the spectrum, Rumphius portrayed the so-called mountain people living on the Western part of the neighboring island Seram as the unknown, and almost unconquerable, other.24 In different chapters of the Herbal, the Alphorese men appeared as the “wild” counterpart to the company soldiers in

23 Cf. Eric Montague Beekman, Introduction, in: The Ambonese Herbal (n. 7), vol. 1, pp. 1–169, here pp. 64–65 on Rumphius’ wife and family. 24 Cf. Gerrit Knaap, Kruidnagelen en christenen. De Verenigde Oost-Indische Compagnie en de bevolking van Ambon 1654–1696, Leiden 2004, on Seram as the “periphery” of Ambon.

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the military campaigns of the later seventeenth century. In the Curiosity Cabinet, Rumphius concentrated on a sacrifice ritual in the entry on Mamacur or Macur.25 […] a thick, lumpish Armlet […] made of glass […] The Mamakur is […] hung from a high beam in the nook of the house, because, as they say, it will not be locked down in any trunk: They take it down with the new moon, and sacrifice a chicken to it; […] when they go on war or raids, they consult it, and want to foresee good or bad luck in it […].26

Then Rumphius used a Greek compound noun to categorize the next step in the ritual as an ethnographer – “divination by means of a mirror” according to the editor27 –, probably drawing on the association of Greeks observing barbarians in the borderlands of ancient Europe. For the Alphorese, the sacral ritual of sacrifice formed the community and led to collective action. For Rumphius, the belief in the power of a glass armband separated not only the Alphorese, but also the Javanese who have become quite shrewd from dealing with Europeans for a long time28 from the producers of glass in the Dutch Fatherland and their secular outlook on demand and profit.29 Finally, the example of sandalwood (today’s Santalum album) shows how rituals lead to the categorisation of materials, especially when these are connected with smell, which is directly linked with the emotional center of the brain and the production of memories, as we know now.30 The illustration of the tree showed stem and leaves according to botanical norms and does not connect with coveted items crafted from the wood. Perusing the text the reader found out that for Rumphius, sandalwood was an object of intense scientific interest, as shown by his correspondence about the correct identification of the tree, as well as a luxurious household good serving a hygienic habit.31 For the Macassarese and Malay communities, though, it belonged solely to their funeral ceremonies: The sawdust of Sandalwood, sewn into small pillows and placed among clothes, gives the same a good and lasting smell, but the Macassarese and Malay (I don’t know why) do not want to have the pure Sandalwood or the smell near their clothes, perhaps because they sprinkle their corpses with it, wherefore they call it a dead smell.32

Here Rumphius almost casually contrasted the liminal ritual with individual consumption. It becomes clear that in his Ambonese books, the function of 25 26 27 28 29 30

Rumphius, Ambonese Curiosity Cabinet (n. 14), pp. 276–78. Ibid., pp. 276–77. Ibid., pp. 276–77, and footnote 8 on p. 493. Ibid., p. 276. Ibid., p. 277. Cf. for example Lauren Davis and Lucienne Thys-Senocak, Heritage and Scent. Research and Exhibition of Istanbul’s Changing Smellscapes, in: International Journal of Heritage Studies 23 (2017), pp. 723–41. 31 Rumphius, Ambonese Herbal (n. 7), vol. 2 = Book II, Chapter 16. 32 Ibid., vol. 2, p. 69.

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rituals as collective production of institutions33 time and again refers to religion on the side of the Asian communities and to the economy on the side of the company and its Dutch or European actors. On the one hand, Rumphius observed and recorded the use of objects in ritual performances like an ethnographer. On the other hand, as they became part of his project to classify and categorize the Moluccan environment, these field studies avant la lettre fed into his own performance as naturalist via the books as objects and the ritualistic aspects of academic publication in Northwestern Europe.

Illustration 2: Sandel-hout from the Amboinsche Kruid-boek, Book II, via the digitized version by the Göttinger Digitalisierungszentrum, https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN369546628, visited 17 April 2018.

33 Cf. Stollberg-Rillinger (n. 11), p. 41.

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Shaping identity by constructing otherness: Rumphius’ perspectives on local rituals In his texts Rumphius primarily communicates the results of his observations of nature. However, in nearly all of his descriptions he also pays attention to the cultural context of the natural objects with which he is dealing. The Ambonese Curiosity Cabinet in particular, a book that is primarily addressed to European collectors of curiosities, provides very detailed ethnographical information. The value of most of the objects described is obvious – they look beautiful and are rare. Yet many of these objects are valuable above all because of their use in their original cultural context. A great number of the stones described in the third book of the Curiosity Cabinet only acquire meaning as collector’s items through anecdotes that Rumphius tells about their use in ritual contexts. As such, the exoticism of ‘foreign magic’ changes inconspicuous stones into precious commodities or gifts. By adding narratives to certain objects, Rumphius transfers knowledge about rituals beyond cultural, national and religious borders. Nearly none of the rituals to which Rumphius refers is connected to Islam. The practices performed using shells, stones or objects made of metal are always called heathen superstitions by Rumphius. He reports that these rituals are practised by the inhabitants of the islands in spite of and in addition to their religions. In his Ambonese History (Ambonse Historie), which he wrote on behalf of the Dutch East India Company as a source of information for newcomers among the local Company staff,34 Rumphius describes the arrival of the Portuguese in the Moluccas in the early 16th century and the efforts of Portuguese missionaries to establish Christianity. Nearly at the same time, from the early 16th century onwards, Islam spread among the indigenous population of the Moluccas. The island of Ambon is subdivided into two parts: While the inhabitants of the peninsula Hitu were Muslims, governed by four leaders, and remained independent until the middle of the 17th century, the inhabitants of the peninsula Leitimor had been converted to Christianity by the Portuguese and became subjects of the Dutch immediately after the latter had taken over Fortress Victoria and other commercial settlements in 1605. Rumphius writes that, in spite of all the efforts of the Dutch, the Moluccans 34 The Ambonese History (Ambonse Historie) was written between 1675 and 1678 and covers the period 1500–1664. The Company shut the manuscript away so that the text was printed for the first time in 1910 as a historical source: Georgius Everhardus Rumphius, De Ambonse historie: Behelsende Een kort Verhaal Der Gedenkwaardigste Geschiedenissen zo in Vreede als oorlog voorgevallen sedert dat de Nederlandsche Oost Indische Comp: Het Besit in Amboina Gehadt Heeft, in: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van NederlandschIndi[ 64 (1910).

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were always prone to return to their old savageness and heathens’ superstitions.35 A consistently recurring reproach against the Moluccan Muslims in the Ambonese History is that they are not trustworthy. The deceitful manner of these local Moors,36 as Rumphius puts it in one of the first chapters, is a dominating topos in his Ambonese History. This attitude of distrust underlies his mentions of rituals and magical practices of the local people. One exceptional instance of collaboration between local Muslims and the Dutch authorities against religious practices which they unanimously regarded as improper can be found in the Ambonese Herbal. In his description of the Canna indica, Rumphius also mentions that prayer ropes are made from the seed of this plant. This reminds him of an incident with a foreign Moorish Priest whom the Dutch arrested in 1685, finding 3 incredible long Rosaries or Tassibehs on him, whereof the longest had a thousand kernels, and the middle one 300. This man had tried to establish a sect, which demanded that one must use such long Tassibehs, but it was so harmful to the People that our Magistrates had to forbid the new doctrine, even the old Moors requested it, for while these Priests were forcing the men to say those long Rosaries, while telling them to abstain [from relations with] their Women, these Priests were abusing the Wives; nor was there any time left after all that lengthy mumbling to do a day’s work, and make a living.37

In the Ambonese Curiosity Cabinet, a great number of anecdotes or reports can be found concerning objects that men tuck in their belts and tie around their waists in order to become invulnerable in war. The frequency and prominence of these references can be connected with the political circumstances in the Moluccas that were characterized by frequent military conflicts between local leaders and the Dutch. Referring to a shell called Bia Trompet by the locals and Buccinum by Rumphius, he writes: On Tombucco or Celebes’ East Coast, this kind is called Honka, and is much sought after by their champions, when they want to go to war, not without superstition (…); and then they tuck Ginger along with various other small roots in it, also little notes with char-

35 […] is het gebeurd, dat d’Inlanders allenskens tot haar oude wildigheid en Heijdensche superstitien wederom vervielen. Ibid, p. 34. 36 […] de bedriegelijke aerd dezer Inlandse Mooren […]. Ibid., p. 15. See also pp. 17, 29, 30, 32, 44, 45, 52. 37 Rumphius, Ambonese Herbal (n. 7), vol. 4, p. 80. Cf. on this Islamic movement Barbara Watson Andaya, Yoneo Ishii, Religious Developments in Southeast Asia, c. 1500–1800, in: The Cambridge History of Southeast Asia, vol. 1: From Early Times to c. 1800, ed. Nicholas Tarling, Cambridge 1992, p. 553.

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acters on them, and then they tie them into their belts which they fasten around their loins, believing, that they will henceforth be lucky and invulnerable in Battle.38

This quotation shows a typical characteristic of the way in which Rumphius speaks about these rituals. He always makes a clear distinction between the actors of the ritual and their intentions and beliefs on the one hand, and his own vision on the other hand. From his point of view, the belief in the effect of these rituals is superstition. In his effort to provide his readers in Europe as much information as he can, he does not filter it according to the criterion of credibility. Elsewhere in his book he writes: About the use of Thunder stones I will only relate what I have learned from the Natives, not disputing whether any of it is superstition.39

Illustration 3: Dondersteen from the Amboinsche Rariteitkamer, via the digitized version by the Göttinger Digitalisierungszentrum, https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN372428037, visited 22 April 2018.

38 Rumphius, Ambonese Curiosity Cabinet (n. 14), p. 135. 39 Ibid., p. 243.

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With this judgement Rumphius proves himself to be an “intellectualist” avant la lettre. In the debate about the rationality of ritual among anthropologists in the 1960s, the “intellectualists” concentrated upon the intentions of the actors in the ritual process and analysed rituals as instrumental and pragmatic action, even though they may have appeared to be ineffective and irrational. The “symbolists”, who regarded rituals as expressive and symbolic action that should be interpreted, reproached the intellectualists for judging rituals of foreign cultures as irrational on the basis of western purposive rationality.40 This allegation levelled at the intellectualists is a rather precise description of the framework within which Rumphius argues. If he thinks that these rituals are superstitious and ineffective, what then is the purpose of his mentioning them in his descriptions of natural objects? Firstly, these anecdotes serve to make the shells or stones more interesting, that is, more valuable and costly as collector’s items or gifts. Secondly, these narratives construct “otherness”. A mostly distorted picture of the other is delineated in order to function as the negative of an ideal selfportrait. In the chapter about Ambonese quartz crystal he describes Batappa or Bertappa, a withdrawal from the world to a life of austerity. This is a kind of asceticism, originally practised by Hindu recluses in India to obtain purification.41 In this case it serves as a way of obtaining magical powers: Batappa is a Godless relique of their Heathendom, which the Moors perform against their law, and, therefore, in secret: when they desire something from a Djing, that is, Daemon (which they distinguish from Satan or the Devil) […] how to be lucky and invulnerable in warfare, how to rob, steal […] they go to such distant places and high mountains, stay for a while, day and night, and bring some offerings to the Djing […] and so the Djing finally gives them a small piece of wood or a little stone, which they are supposed to wear in order to get the things they prayed for, and this is why they call these crystals Batu Djing.42

Here, Rumphius speaks as a Christian, filled with the belief that he belongs to those who are blessed with the grace of God, and looking down upon the “godless heathen”. More than once Rumphius emphasizes that, although his informants felt well protected by the stones in their belts, according to his own observation most of these magic objects turned out to be ineffective when their bearers had to fight against the Dutch. Among other examples, this holds for the iron rings, which a priest-king, who is regarded as a holy person by the local people, gives to 40 Cf. Johannes Quack, Ritus und Ritual, in: Ritual und Ritualdynamik. Schlüsselbegriffe, Theorien, Diskussionen, ed. Christiane Brosius, Axel Michaels, Paula Schrode, Göttingen 2013, pp. 197–204. 41 Rumphius, Ambonese Curiosity Cabinet (n. 14), p. 486, note 7. 42 Ibid., p. 267.

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Illustration 4: Crystallus Ambonica from the Amboinsche Rariteitkamer, via the digitized version by the Göttinger Digitalisierungszentrum, https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN372 428037, visited 22 April 2018.

all who come to visit him on the hill Giri on Java. Upon closer examination, Rumphius adds, this all proves to be superstitions and Moorish deceits, because that Priest makes them from rusty nails which he pulls from his Temple.43 Warriors wear these rings on their fingers, believing they will be lucky in war. To prove that such a ring does not develop any protective effect when their bearer is fighting against the Dutch, Rumphius includes a description of a war during which the Dutch conquered the hill Giri and killed the priest-king in 1680.44 The local people are well aware of this fact. Malay and Macassarese soldiers liked to wear ornaments of the metal Suassa on their weapons, thinking they will be lucky in war, as long as they do not encounter the Dutch, because they believe that even

43 Ibid., p. 238. 44 Ibid., p. 239, see also p. 473, note 11.

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their Devils cannot last against them.45 It is not only the military superiority of the Europeans that Rumphius stresses, but also their cultural superiority as Christians. In his article on the Thunder Stone (Ceraunia, Dondersteen, Gighi gontur), Rumphius writes: […] nor should it be unbeknownst to a Christian, that he cannot attribute his triumphs to any creature, not to mention a lifeless stone, but only to a steadfast trust in the Lord.46 In the article about Mesticae, stones found in plants, wood or other plants that serve as magical fetishes, he first calls the belief in the protective effect of these stones a superstition and a fancy. Yet he also conveys the observations of fellow Dutchmen (he calls them honest officers) that they have seen people who could not be killed with any kind of weapon, until one or more of those little stones had been cut out of their bodies, where the same had been pushed in. Then he adds explicitly and in a resentful tone: But every healthy Christian knows full well, that such powers cannot be produced naturally by a stone or a piece of wood, but only by the devilry of the children of ignorance (be they Moors or Nominal Christians): Therefore, when we proceed to write such things about some Mesticae, it does not mean that one should believe them, for it was only done to show what the Natives say about them, and why such stones of which we disapprove are so valuable to this nation […].47

After Rumphius has admitted that even trustworthy Europeans are convinced of the magical power of talismans, the text immediately re-establishes a clear distinction between “us” – healthy Christians – and “them” – the children of ignorance practising devilry. However, a few lines further Rumphius tones down his harsh verdict so that the boundary that has just been accentuated becomes fluid again: We Europeans should not mock the Natives, because we too have been infected at times by the same disease: For how else did the Bezoar come to be esteemed so highly in the past and is now so much despised.48 The bezoar stone, a concretion from the digestive tract of goats or other mammals, had been ascribed all sorts of medical effects, especially as a cure against poison, in European popular medicine since the middle ages. In the 16th century, the Portuguese started exporting bezoar stones to Europe from their trading posts in Goa. The Dutch and English trading companies expanded upon this practice.49 The Dutch East India Company, however, only traded in bezoars 45 46 47 48 49

Ibid., p. 236. Ibid., p. 244. Ibid., p. 327. Ibid., pp. 327–28. Beate Fricke, Making Marvels – Faking Matter: Mediating Virtus between the Bezoar and Goa Stones and Their Containers, in: The Nomadic Object. The Challenge of World for Early Modern Religious Art, ed. Christine Göttler, Mia M. Mochizuki, Leiden/Boston: Brill 2018, pp. 342–67, at p. 349. See also Peter Borschberg, The Euro-Asian Trade in Bezoar

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when requested because of the high risk of fraud. Although the medical effectiveness of bezoars was doubted by many authors, they remained popular as a remedy as well as collector’s items until the 18th century. In his article about the bezoar, Rumphius describes what to him is a new kind of bezoar still unknown to the Europeans, the Monkey stone Culiga kaka from Borneo.50 He writes: The Bezoar enjoyed far greater esteem in former times; today it has greatly dropped in price, partly because one did not find the great powers which had been ascribed to it, and partly because it is so often falsified.51 From the middle ages to the 17th century it was popular among European nobles, who often lived in fear of being poisoned, to wear a bezoar stone inlayed in a precious piece of jewellery around the neck.52 Certainly, this was a way to show would-be assassins that precautions against poison had been taken. Having read Rumphius’ reports on shells, metal objects and stones carried around as talismans by local people in Southeast Asia, there are striking resemblances. “Might the aesthetics of ‘marvelous’ bezoars not be understood as references to sacred objects?”, Beate Fricke asks in an article on bezoars and the precious containers in which they were kept in European collections. According to her, “these objects [the bezoars] ignite a desire and are precious because of their rarity, a quality that also incites a demand for stories that explain the objects’ mysterious origins, their use, and potential effects.”53 It is exactly this need that is fulfilled by the stories about marvels and the magic beliefs and practices of the locals in Rumphius’ Ambonese Curiosity Cabinet. At the same time, Rumphius presents himself as a scholar who rejects superstition. Although he does not believe in any protective effectiveness of stones and other fetishes, he is well aware of their psychological power. He advises several times that these objects should be taken away from the local population: I knew full well that their pretense was nonsense, nor did I see anything unusual or rare about those Stones, but I took them off their hand in order to deliver those simple folk of their superstition, while I am also well aware that in war, victory does not come from such paltry Stones, but I think it advisable to get such things out of the hands of the Natives, because it will make them bold from time to time, which often causes them to wage war on us quite easily.54

50 51 52 53 54

Stones (approx. 1500 to 1700), in: Artistic and Cultural Exchanges between Europe and Asia, 1400–1900. Rethinking Markets, Workshops and Collections, ed. Michael North, Farnham/ Burlington 2010, pp. 29–43. Rumphius, Ambonese Curiosity Cabinet (n. 14), pp. 336–38. Rumphius, Ambonese Curiosity Cabinet (n. 14), p. 337. Cf. Borschberg (n. 49), pp. 33, 42; cf. Fricke (n. 49), pp. 350–57. Cf. Fricke (n. 49), pp. 353, 361. Rumphius, Ambonese Curiosity Cabinet (n. 14), p. 363–64, see also pp. 244.

Ritual and Ceremony in Rumphius’ Amboinsche Rariteitkamer and Kruid-boek

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Here, Rumphius choses a functionalist approach towards ritual. This approach was developed systematically centuries later by Emile Durkheim based on the conviction that ritual stabilizes society and is constitutive of identity.55 Rumphius’ long-term experience with the inhabitants of the Moluccas and his keen observation of their daily life, habits and rituals enabled him to change perspectives and regard things from their point of view. Of course, when it concerned the estimation of the rituals, he remained steadfastly by his European and Christian standpoint. However, when he touches on the question of what will happen when a magical fetish becomes a commodity and is bought or sold, a question of great importance to his European readers, he reveals an ambivalent attitude towards these objects. Telling the story of an armlet made of black stone, which was supposed to have fallen from heaven and then grown, he seems to conform to the local beliefs and practices. He refers to the man who offered him the armlet, assuring me, and I completely agreed with him, that they would no longer have any powers with me, which they say of all Curiosities which one has not found oneself or that were not given as a gift, but were bought with money.56 However, this is most likely merely a sideswipe addressed to the European collectors who used to beg him constantly to continue sending them rarities for their cabinets.

From the sacred to the mundane: Rituals, trade, and colonial power In Rumphius, the role of the natural scholar and ethnographer cannot be separated from his role as merchant, because the latter gave him the power and resources to conduct his research.57 Much like imperial ethnologists in the 19th and 20th centuries58, he actively took part in the commodification of ritual objects, removing them from the performative religious context and placing them in his own value and knowledge system based on writing: In the year 1681 a Coral Rock was hauled from the Sea in Ambon Bay. […] The Natives had already hidden it in the forest and would probably have made it into some idol: […] but I cleverly got that figure out of their hands by paying them 1 Rixdollar, and it makes a fine show now in my garden […].59 55 Cf. Paul Töbelmann, Wirksamkeit, in: Ritual und Ritualdynamik (n. 40), pp. 222–28. 56 Rumphius, Ambonese Curiosity Cabinet (n. 14), p. 279, see also p. 328. 57 Cf. the dedication to the Heren XVII, that is the leaders of the Dutch East India Company in Amsterdam, at the beginning of Rumphius, Ambonese Herbal (n. 7). 58 Cf. Koentjaraningrat, Anthropology in Indonesia, in: Journal of Southeast Asian Studies 18 (1987), pp. 217–34, for an overview on European research (before the circulation of postcolonial theory). 59 Rumphius, Ambonese Curiosity Cabinet (n. 14), p. 365.

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In contrast to the later researchers, however, the framework of natural history allowed him to combine reflections on biology with those on religion and economy. While he usually did not describe objects as exotica because of his close proximity to their place of origin, he did regard people in the different communities around him as epistemic objects different from the company’s subjects.60 He did not regard the objects they used in rituals and ceremonies as “process of articulation”, as ethnology would do today, but as the expression of an essentialist identity.61 The above-mentioned coral rock had the shape of a woman, and was connected to the local story of a wife drowned when her husband’s ship sank. Making a “show” of this figure in his house is a fitting metaphor for the colonization of religious spaces in the Moluccas by way of trade. Rumphius re-ascribed the rock’s quality as a curiosity and staged it as a collector’s item in a secular setting.

60 Cf. Tanner (n. 12), p. 50, on Foucault’s work about the early modern/modern divide in disciplines and epistemologies. 61 Cf. Hans Peter Hahn, Materielle Kultur. Eine Einführung, Berlin 2005, pp. 152–53 and 155.

Autorinnen und Autoren

Esther Helena Arens ist Historikerin mit den Schwerpunkten Kolonisierung/ Dekolonisierung, Wissensproduktion und materielle Kultur. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin im interdisziplinären DFG-Projekt „Zirkulation in asiatisch-europäischen Wissensräumen: G.E. Rumphius und seine Texte, circa 1670–1755“ am Institut für Niederlandistik, Universität zu Köln hat sie die Materialität der Naturkunde zwischen Ambon und Amsterdam untersucht. Marlon Bäumer, B.A., studiert Geschichtswissenschaft an der Universität Hamburg und strebt den Masterabschluss an. Seine Forschungsinteressen liegen in der Geschichte des Spätmittelalters (die geistlichen Ritterorden, Preußische Landesgeschichte, Chronistik) sowie dessen Nachleben und Rezeption. Rona Ettlin, M.A., studierte an den Universitäten Göttingen und Hamburg Geschichte und Archäologie der Klassischen und Byzantinischen Welt. Ihre Interessen liegen auf der mittelalterlichen und der Kirchengeschichte. Judith Geyer absolvierte ein Bachelorstudium in Geschichte und MittelalterStudien an der Universität Hamburg. Zu ihren Studienschwerpunkten zählten das Leben und künstlerische Wirken in mittelalterlichen Klöstern. Derzeit absolviert sie ein Masterstudium im Fach Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Dr.-Ing. Gottfried Hoffmann ist als Rentner Gasthörer an der Universität Hamburg. Er belegte unter anderem Vorlesungen und Seminare über die Geschichte der Naturwissenschaften. Dabei wurde er mit dem Werk von Galileo Galilei vertraut. Er ist promovierter Maschinenbau-Ingenieur, mit Vertiefung in der Reaktortechnik. Sein beruflicher Werdegang führte ihn über verschiedene Managementpositionen schließlich in die USA. Hier lehrte er an mehreren Universitäten Werkstofftechnik und Grundlagen des wissenschaftlichen Managements. Daneben betrieb er experimentelle Forschung auf dem Gebiet der

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Autorinnen und Autoren

Wälzfestigkeit von Zahnrädern, die sich in einer Reihe von Vorträgen und Veröffentlichungen niederschlug. Seine besondere Vorliebe galt der Planung, Durchführung und Auswertung von physikalischen und technischen Experimenten. Mats Homann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Geschichte (Arbeitsbereich Mittelalter) an der Universität Hamburg. In seinem Dissertationsprojekt beschäftigt er sich mit dem Denken in Handlungsspielräumen im Deutschen Orden zwischen dem Ersten Thorner Frieden (1411) und dem Frieden vom Melnosee (1422). Seine weiteren Forschungsinteressen gelten vor allem dem Konstanzer Konzil und der Mittelalterrezeption. John Hower, M.A., hat 2013 mit der in diesem Band veröffentlichten Arbeit den Grad Bachelor of Arts erworben und 2015 mit einem Fokus auf Nordamerikanische Geschichte die Masterprüfung an der Universität Hamburg bestanden. Seinen Schwerpunkt bildet die Erforschung von historischen Vorstellungen von Herrschaft und Führung. Prof. Dr. Maria-Theresia Leuker ist als Professorin für Niederländische Literatur an der Universität zu Köln tätig. Sie forschte u. a. zu Literatur und Geschichte, zu Raum-Figurationen sowie zur Repräsentation von kulturellen, nationalen und Gender-Identitäten in der niederländischen Literatur des 17.–19. Jh. Ihr jüngstes Forschungsprojekt betrifft das Werk von G.E. Rumphius im Kontext frühneuzeitlicher Wissensproduktion und -zirkulation zwischen Asien und Europa. Luisa Maaß hat sich für ihre Bachelor- und Masterarbeit mit der mittelalterlichen Frauengeschichte beschäftigt. Derzeit absolviert sie ihr Zweites Staatsexamen an einem Hamburger Gymnasium. Nathalie Rudolph, B.A., studiert Geschichtswissenschaft an der Universität Hamburg und strebt den Masterabschluss an, wobei sie sich vorrangig mit dem spätmittelalterlichen England und der Geschlechtergeschichte auseinandersetzt. Prof. Dr. Jürgen Sarnowsky wirkt als Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Hamburg. Zu seinen Forschungsfeldern gehören unter anderem die vergleichende Ritterordensforschung, die Wirtschafts- und Sozialgeschichte, die Geschichte des Hanseraums, Preußens und Englands sowie die Geschichte der Entdeckungsreisen und die Geistesgeschichte des Mittelalters.

Autorinnen und Autoren

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Daniel Sommer studierte von Oktober 2010 bis März 2015 Geschichte und Geschichte der Naturwissenschaften an der Universität Hamburg mit dem Interessengebiet Mittelalterliche Geschichte, insbesondere Deutsche Mittelalterliche Geschichte, mit dem Abschluss des Bachelor of Arts. Er arbeitet zurzeit als Notarfachangestellter in einer Berliner Kanzlei. Birgit Steude, M.A. und Promotionsstudentin an der Universität Hamburg, erforscht den Zeitraum um 1500. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die Geschichte des Deutschen Ordens, insbesondere die des Hochmeisters Friedrich von Sachsen aus dem Hause Wettin, sowie die Geschichte der Entdeckungsreisen. Katharina Wenzel ist derzeit Promotionsstudentin in „Mittlerer und Neuerer Geschichte“ und zugleich Stipendiatin des Doktorandenkollegs „Geisteswissenschaften“ der Universität Hamburg. Sie studierte Geschichte (M.A.) an der Universität Hamburg und Kulturanthropologie/Geschichte (B.A.) an der GeorgAugust-Universität Göttingen.

Register B: Bischof, DO: Deutscher Orden, H : Herzog, HM: Hochmeister, K: König, O: Orden, P: Papst

Ablass 214 Abreu, Antonio de 360, 363 Aceh 362 Adam von Hall DO 341–42, 355 Adam von Salen 340 Adel, Ritter 105–12, 117, 119, 214, 220, 223, 228–29, 231–32, 236, 254–55, 269–70, 275, 294–95, 350 Ägypten 233 Alberich von C%teaux 246–47 Albrecht III. H Mecklenburg 70 Albrecht (der Beherzte) H Sachsen 337–38, 354 Albrecht VI. H Österreich 224 Albrecht von Brandenburg-Ansbach HM DO 330–31, 333, 338, 342, 353–54 Albuquerque, Afonso de 360, 367 Alexander K Polen 347, 353 Alheyd Gustrowe 90, 93 Alheyd van Bremen 89 Alheyd Wessel 98 Alke van der Munte 96 Ambon 10, 360, 371–88 Amsterdam 374 Anna K-in England 43, 50 Ansbach 353 Appellanten (England) 47–48, 50–52, 54, 59 Arabien, Araber 372 Arbeit, Theorie der 248–51, 253, 256, 259, 265–67 Archimedes 122 Ariotti, Piero 188

Aristoteles, Aristotelismus 121–22, 124–38, 145, 155, 179–80, 188, 193, 196–99, 201 Arnold, Udo 279 Arthur 35 Arundel Earl 23, 50 „Aufzeichnungen zur Geschichte des Bisthums Pomesanien“ 334, 353 Averroismus 122 Balduin II. Kaiser Lateinisches Kaiserreich 28 Balga, Haus DO 305, 325, 339 Bali 360, 363, 368 Barbara, Gemahlin Georgs von Sachsen 329–30 Balthasar von Camentz 277 Banda Islands 360 Banten (Serang) 364 Barbosa, Duarte 361–64, 366, 369 Barros, Jo¼o 368 Basel 348 Basel, Konzil 305 Bauern 106–09, 115–19 Bayanulla, Sultan Ternate 360 Benedikt von Nursia, Regel 245–46, 248–50, 256 Bernhard von Breydenbach 9, 11, 216–19, 225–33, 235–37, 240–44 Berthold von Henneberg Erz-b Mainz 219, 226 Bethlehem 237 Biskup, Marian 331

394 Blambangan (Banjuwangi) Königreich 363, 366–68 Blurton, Heather 36 Bogislaw H Pommern 315 Bogor 364 Böhmen 276–77, 282, 297 Bologna Universität 319 Bonifaz IX. P 271, 277 Bordeaux 33 Borneo (Kalimantan) 360, 386 Brambeck, Peter 309, 325 Brandenburg Haus DO 305, 325, 339 Brandt, Ahasver von 86–87 Brest, Ewiger Friede 303, 305, 318, 323 Bristol 60–61 Brito, Rui de 363 Bromberg (Bydgoszcz) 307 Brügge 70 Burgenbau 288–91 Burman, Joan 373 Camaldoli 251 Carta caritatis, Zisterzienser 247, 250 Caspar Schütz, Historia 335–36, 338, 345–47, 349, 352 Celebes (Sulawesi) 372, 382 chansons des gestes 36–37 China, Chinesen 364, 366–67, 372, 376–77 Christburg, Gebiet 306 Christoph III. K Dänemark 314 Cilie Stolten 96 Cilie vam Haghene 97 Cimanuk 364–65 Cirebon 367 C%teaux 246–47, 252 Clara Hätzlerin 224 Clavelin, Maurice 170 Cluny 245–47, 249 Colmar 104 Conway 62–63 Coventry 52 Crew, Henry 170–71 Dänemark 70 Danzig 278, 282, 285–86, 296, 340, 342

Register

Danzig Haus DO 314, 320 „Danziger Chronik vom Bunde“ 301–02, 307, 309, 312–15, 317, 321–26, 333, 337–38, 346, 353 „Danziger Chronik vom Pfaffenkriege“ 334, 339, 353 Demak 362, 365, 367–69 Descartes, Ren8 171 Detmar 73–74, 276, 279 Detmar-Chronik, 3. Fortsetzung 9, 72–84 Deutscher Orden 10, 269–355 Diktum von Kenilworth 17 Dominikaner 93, 216, 334, 339, 341, 352, 355 Drake, Stillman 122–24, 139, 141, 172–77, 181, 189, 191, 199, 206, 208–09 Dreizehnjähriger Krieg (1454–1466) 10, 301, 303, 308–09, 322 Dubrovnik 214, 230 Durkheim, Emile 386 Duzˇus, Wolfgang 331 Ebene, schiefe 122–23, 125–26, 133, 137, 139–44, 147, 152–56, 160, 162, 164, 166–74, 176, 179–81, 189, 192–94, 196, 199–200, 202–03, 209–10 Eberhard, Graf Katzenellenbogen 282 Eberhard von Saunsheim Deutschmeister DO 312, 315, 325 Eckart vom Walde 283 Edgar K England 15 Edmund von England 17, 29 Ehrentisch 283–84, 286 Einstein, Albert 123, 177 Ekdahl, Sven 293–95 Elbing 278, 296, 342 Elbing, Gebiet 306 Elbing Haus DO 320 Elisabeth von Böhmen 323 Elisabeth van der Nystenstad 94 Engelhard Rabe Oberster Marschall DO 286 England 9–10, 15–40 Erasmus Stella 335, 348–49, 354 Erbe 88–89 Erfurt Universität 319

Register

Erhard Reuwich 217, 225 Erik K Dänemark 71, 80–81 Ermengard Wildeshusen 93, 96, 98–99 Ermland, Bistum 303, 329, 342 Everhard Schoneweder 97 Eylau, (Deutsch-) 273 Falkenburg 283 Favaro, Antonio 122 Felix Fabri 216, 218 Florenz 123 Fonte Avellana 251 Forstreuter, Kurt 331 Frankfurt a. O. 315 Frankreich 25, 28, 30–31, 33, 36, 44 Franz Kuhschmalz B Ermland 323 Franziskaner 9, 73, 93 Franziskaner, im Heiligen Land 213, 230, 235–36, 239 Frauen 85–102 Freiburg 344 Fricke, Beate 386 Friedrich I. Markgraf Brandenburg 315 Friedrich III. römisch-deutscher König, Kaiser 321–22 Friedrich der Weise Kurfürst H Sachsen 342 Friedrich von Sachsen HM DO 10, 329–55 Frontenaye 31 Gabriel von Baysen 309, 322–23 Galilei, Galileo 9, 11, 121–210 Galv¼o, Antonio 360 Garten 291 Gascogne 25 Gassmann, Guido 261 Gelle van der Munte 96 Generalkapitel 250, 254–55, 263 Genua 44 Georg H Sachsen 329, 336–37, 345, 354 Georg von Egloffstein DO 308, 310 Georg von Ehingen 221 Georg Mandt 342 Georg Prange 334, 336, 349–51, 354 Gheseke ten Westerick 95–96

395 Glasgow 30 Gloucester H 28, 43, 46–47, 49–51, 54, 58–59, 61 Goa 385 Goetz, Hans-Werner 7, 302 Gotteswerder, Burg Litauen 291 Gottfried von Bouillon 227–28 Grangien, Zisterzienser 254, 262–66 Graudenz 343 Grautoff, Ferdinand Heinrich 73 Gregor XI. P 270 Gregor Materna 340 Gresik 367, 369 Grete, Magd 93 Grete Kusowe 92 Grete van Stendele 92 Guidobaldo del Monte 190 Gujarat 366 Günther Graf von Schwarzburg 76–77 Guste Pate 364, 366–67 Hamburg 70, 85–102 Hamburg, Stadtrecht von 1497 90, 99 Hanau 673 Handwerk, Handwerker 70, 76, 81 Handwerk, im Kloster 254, 256–57, 261, 263 Hans von Baysen 304, 307–09, 322–23 Hans Kökeritz 311 Hans Zerer, Reisejournal 333, 353 Hanse 69, 72, 87 Harringway 48 Haupt, Hermann 104–105 Haydar, Ahmad 219 Hedwig (Jadwiga) K-in Polen 297 Heidelberg 71, 77 Heiliges Grab 214, 224, 228–29, 231, 233–37, 242–43 Heiliges Land 9, 213–44 Heiligenbeil 354 Heilsberg 334 Heinrich I. K England 15 Heinrich III. K England 9–10, 15–40 Heinrich IV. K England, H Hereford, Derby 9, 41, 47, 51–67, 282, 285–86, 296

396 Heinrich der Jüngere Graf Stolberg 345 Heinrich Dusemer HM DO 313, 326 Heinrich Reuß von Plauen HM Komtur Elbing DO 310, 319–20, 329 Heleke Vredeland 92 Helmold von Bosau 74 Henning Schindekopf Oberster Marschall DO 292 Henry de Bracton 9, 15, 18–27, 29, 32–34, 38–40 Henry Green 60–61 Hermann Korner 72–74 Hermann Reusap, Bürgermeister Thorn 318 Hermann von Sachsenheim 9, 11, 216, 219–25, 228–40, 242–44 Hermen Ruderstad 81 Herrschaft 15–67 Hessen 373 Heyne Sobbe (Zobbe) 81 Hieronymus 213 Hildegund Nossees 91 Hillegund Bruns 90 Hillegund Lindowe 97 Hillegund van Essende 93 Hinduismus, Wahrnehmung 362, 364–65, 368–69, 372, 383 Hinrich Pund 76 Hinrik Pöling 81 Hiob von Dobeneck B Pomesanien 347 Hirsch, Theodor 335 Historismus 8 „Hochmeisterchronik, Ältere“ / Jüngere 278, 301, 307–08 „Hochmeisterchronik, Ältere“, 1. Fortsetzung 302, 308–26 „Hochmeisterchronik, Jüngere“ 278, 333, 337–38, 350, 352–53 Homosexualität 43 Hubert de Burgh 16, 24 Hugo X. von Lusignan 30 Indien 383 Insterburg, Pfleger 286 Irland 43, 47, 49, 55, 58–59, 61–62

Register

Jaffa 214, 216, 230, 236, 240 Jahn, Bernhard 219 Jähnig, Bernhart 299 Jakarta (Sunda Calapa) 364 Jan Długosz 278 Janek, Komplize Gregor Maternas 340 Java 10, 359–69, 371–72, 378, 384 Jerusalem 213–14, 218, 227–28, 230–31, 233–36, 238, 242 Jerusalem Königreich 35 Johann K England 15, 35, 37 Johann Hertze 73 Johann B Ermland 273, 275 Johann I. Albrecht K Polen 329, 331, 336–37, 340, 343–45, 349, 353–54 Johann von Dulmen B Lübeck 69, 75 Johann von Salisbury 20–21 Johann von Tiefen HM DO 329–30, 338, 353 Johannes B Meißen 345 Johannes Marienwerder 274 Johannes von Posilge Chronist 10, 269–99 Johannes Ryman 274 Johannes Teutonicus 35 Johanniter O 23 John Bushy 60–61 John of Gaunt H Lancaster 45, 50–52, 56–57, 59 Jordan 237, 240 Jordan Pleskow 71, 76–78, 80, 82 Jörg Roggenburg 224 Josaphat, Tal 237 Jost, Domherr 81 Judentum 33, 241, 243 Kairo 216 Kalixt III. P 307 Kasimir IV. K Polen 307, 309, 320, 322–24, 349 Kasimir von Brandenburg-Ansbach 353–54 Kastilien 28–29 Kaunas 287, 291 Kediri 365 Kestutis, Großfürst Litauen 294, 298

Register

Klerus 108–15, 119 Klußmann, Andreas 218 Köln 347 Köln, Universität 319 Königsberg 278, 283–84, 286, 296, 334, 337, 346–47, 353 Königsberg Haus DO 305, 320, 325, 345 Konitz 310–12, 322 Konrad von Erlichshausen HM DO 301, 303, 306, 308–09, 314–17, 321 Konrad von Jungingen HM DO 275, 290 Konrad von Wallenrode HM DO 280, 282 Konrad Zöllner von Rotenstein HM DO 286 Konstantinopel 218, 220 Konstanz 78 Konversen 9–10, 245–67 Koppmann, Karl 73 Korfu 214, 230 Koske böhmischer Söldner 310 Koyr8, Alexandre 123, 170–72 Kraft, Erich 105 Krakau 336, 340, 343 Kreta 214, 230, 233 Kreuzzug 36, 227, 243, 269 Kriegsgefangene 289–90, 293–95, 298 Krummesse 82 Krystina Ysenberghes 90 Krzesław Kurozwe˛cki B Breslau 343 Ktesibios 148 Kulm Bistum 303 Kulmer Land 304, 306, 320, 329 Kurze, Dietrich 249 Ladekopp 274 Ladislaus K Böhmen Ungarn 323 Lauterbach, Klaus 105 Leipzig, Universität 319 Lemberg (Lwiw) Erz-b 336 Lentschütz, Waffenstillstand 305 Linnaeus, Carolus 373 Litauen, Litauenreisen 269–99, 303, 312, 314, 342, 345 Livland 279, 281, 342, 345, 351 Livland, Meister 277, 286, 288, 321 London 25, 33, 49

397 Lothringen H 270 Lübeck 9, 69–102 Ludwig (VIII.) (K Frankreich) 15–16, 35 Ludwig IX. K Frankreich 17, 28, 31 Ludwig von Erlichshausen HM DO 301, 306–09, 314, 316–20, 323, 325–26 Ludwig von Seinsheim 344 Lucas Watzenrode B Ermland 329–31, 334, 339, 342–43, 346 Ludovico de Varthema 359 Lüneburg 70 Luther, Martin 334 Macassar 364, 369, 372, 378, 384 Mach, Ernst 203 Madura 360, 364, 368 Magellan (Magalh¼es), Fern¼o de 359 Magna Carta 15–17, 36–37 Mailand 226 Mainz 226 Majapahit 359, 362, 365 Malabarküste 361 Malaien 361, 372, 376, 378, 384 Malakka 360–61, 363–64, 367, 369 March Earl of 55, 65 Marco Polo 359 Margarethe, Magd 89 Margarethe Crose 91 Margarethe Klingeberghes 89, 95 Margarethe Plescow 96 Marienburg 274, 296, 307, 309, 312, 314, 319–20 Marienburg Gebiet 329 Marienwerder 274 Marienwerder, Burg Litauen 289–91 Marquard van Dame 70 Martin Roth 216 Martin Truchsess von Wetzhausen HM DO 329 Matison, Ingrid 331 Matthäus Parisiensis 9, 15, 18–19, 22–40 Maximilian I. römisch-deutscher König 329, 333, 337–38, 344–45, 355 Mechthild von der Pfalz 224 Mecklenburg H 315 Meißen 352

398

Register

Melnosee, Friede 301, 304 Memel 286, 291 Memel, Komtur 281 Memoriale Domini Luce episcopi Warmiensis 334 Menangkabau 362 Mentzel-Reuters, Arno 273 Meran 238–39 Methoni 230, 233 Mewe Haus DO 316 Michael Küchmeister HM DO 303 Michael de la Pole 44–48 Michelson, Albert Abraham 138 Mikołai Baz˙yn´ski 340 Minnerede 221–24 Möbius, Sascha 83 Mohammed 218, 239–41 Molesme 251 Mölln 70 Molukken 360, 365, 369, 371, 373, 380–81, 387–88 Mongolei 359 Muslime, Wahrnehmung 215, 217–18, 227, 232, 236, 238–44, 361–62, 365–67, 369, 372, 376, 380–81, 383–84 Naturereignisse 55 Naylor, Ron H. 160–65, 174–76 Negroponte [Euböa] 218 Neris 287 Neumark 282, 311 Newton, Isaac 121 Niccolk de Conti 359–60, 366 Nicolaus Rubow 81 Nicolaus von Tüngen B Ermland Niederlande 337, 371–87 Nikolaus von Jeroschin 276 Nikzˇentaitis, Alvydas 293 Nogat 311 Oberländer, Paul 331 „Oberrheinischer Revolutionär“ 103–20 Odorico de Pordonone 359 Oppenheim 216

334

9–10,

Osmanisches Reich, Türken 226, 232, 282, 297, 329, 344 Osterode, Gebiet 306 Padua 226 Padua, Universität 319 Palembang 364 Palmieri, Paolo 154, 163–67 Papsttum, Kurie 31–32, 34, 109, 114, 119, 227, 306, 311–12, 317–19, 324, 334, 343, 349–50, 352 Paravicini, Werner 288–89, 293 Parlament (England) 27, 35, 38, 43–45, 48–49, 63 Pasai, (Samudera) 362 Pasaruan 368–69 Paschalis II. P 247 Pate Amdura, Vize-k Majapahit 362–63, 366 Pate Pimtor, K Blambangan 367 Pate Quedir, Herr Cirebon 367 Pate Rodim, Herr Demak 367 Pate Sudayo, Fürst Surabaya 368 Pate Unus (Eunus), Sultan Demak 362 Pateudra 362 „Paul Pole’s Preussische Chronik“ 334, 337, 339–40, 346, 350–51, 353 Paul von Rusdorf HM DO 301, 303–06, 308–09, 312, 314–15, 321, 325 Paulus von Watt 331–32, 339, 349, 354 Paulus von Watt, Missiv- und Ratbuch 332 Pedir 362 Pendel 122–24, 126, 146–48, 155, 169–70, 179–96, 198–201, 203–06 Perlbach, Max 335 Persien, Perser 363, 366–67 Pest 87, 91 Peter von Dusburg 276, 280 Peter Rieter 226 Petrus Alfonsi 218, 241 Pfarrkirchen 92–93, 100 Physik, klassische 121–210 Pelplin Kloster 274–75 Pigafetta, Antonio 359 Pilgerberichte 215, 220, 222–24, 234

Register

Pilgerfahrten 213–44 Pinto, Fern¼o Mendes 368–69 Pires, Tome 361, 363–69 Platonismus 121–23, 170 Podolien 329 Poggio de Bracciolini 359 Poitou 31, 38 Polen 271, 275–76, 281–82, 297–98, 303, 311–14, 318–19, 329–31, 338, 342–43, 346, 348, 350–52, 354 Pomesanien Bistum 303, 334, 353 Pomesanien Bistum, Offizial 274, 276 Pommern-Stolp H 278, 282 Pommerellen, Gebiet 306, 329 Portsmouth 33 Portugal, Portugiesen 10, 359–69, 380, 385 Posen (Poznan´) 334, 336, 348–50, 354 Posilge (heute Z˙uławka) 273 Prag, Universität 273–74 Preetz, Kloster 98 Preußen 269–355 Preußischer Bund 305–09, 311, 313–22, 324–26, 334 Prokop, Ritter 81 Provisionen von Oxford 17 Radding, Charles 26–27 Ragnit, Komtur 286, 289–90, 299 Ralph Briton 25 Rama 230–31 Ranke, Leopold von 8 Ratgeber 27–28, 31 Ravenspur 60 Reform 104, 226, 247, 251, 306 Rehna, Kloster 98 Reich, Kaiser, Kurfürsten 33, 69, 103–20, 226, 276, 306–07, 312, 319, 321, 324–25, 329, 337–38, 344, 349–51, 354–55 Reiseberichte 359–69 Renn, Jürgen 177 Reyner van Calven 76–78 Rhodos 214, 218, 230, 232 Richard II. K England 9–10, 41–67 Richard von Cornwall 35 Riesenburg 274

399 Riess, Falk 167–68 Riethmüller, Marianne 87 Riga, Erzbistum 277, 321 Rituale, Zeremoniell 281, 371–87 Robert von Molesme 246–47 Robert von der Normandie 35 Robert de Vere 42–44, 49–50 Rochlitz 346–47, 352–53 Roger von Wendover 18, 37 Rom 213 Rotert ten Westerick 95–96 Rubi8s, Joan Pau 361 Rudau, Schlacht 292 Rufus-Chronik 9, 72, 74–84 Rumpf, Georg Everhard 10–11, 371–88 Ruprecht römisch-deutscher K 71, 76, 78 Russland 297 Samaiten 271–73, 281, 287, 290, 292, 298–99, 312 Samland Bistum 303 Santiago de Compostela 213 Schlechtweg-Jahn, Ralf 225 Schmitz, Frauke 227 Schonen 71 Schottland 28, 30 Schwab, Heike Edeltraud 219 Semarang 367 Seram 377 Seram, Bewohner (Alphoresen) 377–78 Serr¼o, Francisco 360, 363 Settle, Thomas B. 156–60 Shea, William R. 208 sheriff 59 Siegfried von Feuchtwangen HM DO 353 Sigismund römisch-deutscher K 71, 78–79 Sigismund I. K Polen 347, 351 Simon Grunau 334–36, 339–42, 346–49, 352, 355 Simon von Montfort 17 Sinai, Katharinenkloster 216, 229, 235, 237, 239, 242 Singer, Wolf 7 Sizilien 17 Skirgal 287

400

Register

St. Albans 18–19, 34 Stände 103–20, 301–27, 333, 340 Stegemann, Bernt 333 Stephan Harding 246–47, 251, 255 Sterben, Tod 85–86, 91, 95, 100, 102 Strehlke, Ernst 272 Stuhm Haus DO 320 Südostasien 359–88 Sumatra 360, 362, 365 Sunda (West-Java) 362–65, 368 Szabj, Istv#n 124, 201 Tannenberg (Grunwald), Schlacht 303 Tapiau 341 Tavernier, J. Baptista 371, 375 Templer O 25 Ternate 360 Testamente 9, 85–102 Thiel, Andreas 330 Thomas Arundel, B Ely 47–48 Thomas Mowbray H Norfolk 52–55, 59, 66 Thomas Percy 62 Thomas von Aquin 122 Thomas Walsingham 9, 41–67 Thorn 296, 329, 345 Thorn Haus DO 320 Thorner Annalen 276, 279 Thorner Friede, Erster 303 Thorner Friede, Zweiter 309, 329, 336–38, 340, 343, 345–46, 348–51, 354 Tierney, Brian 27, 39 Timm, Frederike 219 Töppen, Max 272 Tolkemit 342 Trakai 291 Tranggana Herrscher Demak 365 Tresslerbuch DO 294 Trim 61 Tuban 366–67 Tyrann 20–22, 25, 34, 39, 58, 61, 65 Ulrich von Wolfersdorff Ungarn 276, 282, 297 Urban II. P 247

345

Usus Conversorum, Zisterzienser 247–49, 255–56, 259–60, 262, 265 Valentijn, FranÅois 371 Vallombrosa 251 Venedig 213–14, 216 Verfassungskrise, lübische 69–84 Vigilien, Zisterzienser 257–59 Vilnius 285, 287, 291 Vincenz von Beauvais 217 Viviani, Vincenzo 206 VOC (Vereenigde Oostindische Compagnie) 10, 372–73, 380, 385 Voigt, Johannes 330, 334 Vorstellungsgeschichte 7, 302, 332 Vouvant 31 Vytautas, Großfürst von Litauen 281, 285–87, 290, 296–97 Wahrnehmung 7–9 Waitz, Georg 73 Wales 34 Wasseruhr 122, 137, 146, 148–53, 155, 157, 160, 164, 171, 173, 176, 188–89, 191, 194, 196, 200, 202 Weiler, Björn 35 Wenzel römisch-deutscher K 271, 275, 277, 297–98 Westminster 35, 49 Wettin, Haus 336 Wigand von Marburg 275, 284 Wildenberg 310 Wildnis, große 270–71 Wilhelm II. K England 35 Wilhelm I. H Geldern 278, 283 Wilhelm von Eisenberg Oberster Marschall 345, 347 Wilhelm von Eppingen Komtur Osterode 316 Wilkenberg 290 William Bagot 60 William Marshal 16 William Scrope Kanzler 60–61 William Elekt von Valentia 33 Winrich von Kniprode HM DO 313, 326, 341

401

Register

Wismar 83 Władysław II. Jagiełło K Polen 271, 281, 285, 296–97 Wobbeke Meyger 91 Wohlwill, Emil 168–70, 173, 199 Wolf, Gerhard 219 Wolf, Neil S. 208 Wygeke van Yden 96 York, Erz-b

25–26

York, Stadt 33 Zerbst 335 Zisterzienser 9–10, 245–67, 274 Zrenner, Claudia 219 Zschäbitz, Gerhard 105 „Zungen“ im DO 313–15, 325–26 Zydow, Herr von 79–80 Zypern 214, 230