Vorlesungen über die Philosophie der Religion und Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes II: Nachschriften zu den Kollegien über Religionsphilosophie der Sommersemester 1827 und 1831 und Sekundäre Überlieferung. Nachschriften zum Kolleg über die Beweise vom Dasein Gottes des Sommersemesters 1829 9783787337354, 9783787329670

Dieser Band umfasst zum einen den Text von Hegels Kolleg zur Philosophie der Religion des Jahres 1827, in dem Hegel gege

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Polecaj historie

Vorlesungen über die Philosophie der Religion und Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes II: Nachschriften zu den Kollegien über Religionsphilosophie der Sommersemester 1827 und 1831 und Sekundäre Überlieferung. Nachschriften zum Kolleg über die Beweise vom Dasein Gottes des Sommersemesters 1829
 9783787337354, 9783787329670

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H EGE L · GE SA M M E LT E W E RK E 2 9, 2

GEORG W I L H E L M F RI E DRICH H EGE L

GE SA M M E LT E W E RK E

I N V E RBI N DU NG M I T DE M

FORSCH U NG SZ E N T RU M F Ü R K L A S SISCH E DEU T SCH E PH I L O SOPH I E /  H EGE L -A RCH I V H E RAU S G E G E BE N VON

WA LT E R JA E SCH K E

BA N D 2 9 I N DRE I T E I L BÄ N DE N

F E LI X M E I N E R V E RL AG H A M BU RG

GEORG W I L H E L M F RI E DRICH H EGE L

VORL E SU NGE N Ü BE R DI E PH I L OSOPH I E DE R RE LIGION U N D VORL E SU NGE N Ü BE R DI E BE W EISE VOM DA SEI N G OT T E S

H E RAU S G E G E BE N VON

WA LT E R JA E SCH K E

BA N D 2 9, 2 N AC H S C H RI F T E N Z U DE N KOL L E G I E N Ü BE R RE L IG ION S PH I L O S OPH I E DE R S O M M E RS E M E S T E R 18 2 7 U N D 18 31 U N D Ü BE R DI E BE W E I S E VO M DA S E I N G O T T E S VO M S O M M E RS E M E S T E R 18 2 9

F E LI X M E I N E R V E RL AG H A M BU RG

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie  ; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über 〈 http  ://portal .dnb .de 〉 abrufbar . ISBN 978-3-7873-2967-0 ISBN eBook 978-3-7873-3735-4

© Felix Meiner Verlag , Hamburg 2021 Alle Rechte vorbehalten . Dies gilt auch für Vervielfältigungen , Übertragungen , Mikroverfilmungen und die Einspei­cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen , ­soweit es nicht §§ 53 , 54 UrhG ausdrücklich gestatten . Satz  : post scriptum , Hüfingen . Druck und Bindung  : Beltz , Langensalza . Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier , hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff . Printed in Germany . www .meiner .de

INHALTSV ERZ EICH N IS

SOM M ERSEM ESTER 1827   . NACHSCH RIFT EIN ES A NON YMUS ( KÖN IGSBERG ) mit Varianten aus den Nachschriften Ignacy Boerner , Joseph Hube und eines weiteren Anonymus . . . . . . 1 [Hegel  : Vorlesungen über die Philosophie der Religion] . . . . . . . . . 3 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I . Theil der Religionsfilosofie , oder  : Der BegriV der Religion . . . . . . Zweiter Theil der Religionswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . Ite Form . Die unmittelbare Religion , die Religion , als Naturreligion Die Staatsreligion des chinesischen Reichs . . . . . . . . . . . . die Religion des Fo in China oder des Budda . . . . . . . . . . die lamaische Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [die indische Religion] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4te Form oder Stufe  : Die Resumzion zur Einheit , die Einheit in sich , konkrete Totalität ist . . . . . . . . . . . . . die ägyptische Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II .te Form . Die Erhebung des Geistigen über die Natur […] Religion der Griechen und Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . III Form oder Religion der Zweckmäßigkeit […] oder römische Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritter Theil der Religionsfilosofie . Die oVenbare Religion . . . . . . .

3 22 73 77 91 97 97 106 119 128 134 160 169

SOM M ERSEM ESTER 1831   . AUSZÜGE VON DAV I D F RI EDRICH ST RAUSS AUS EIN ER U N BEK A N N TEN NACHSCH RIFT . . . . . . . 231 Aus Hegels Religionsphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Eintheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

VI

inhaltsverzeichnis

Erster Theil . BegriV der Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweyter Theil . Die bestimmte Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . Eintheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstes Kapitel  : Natürliche Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweytes Kapitel  : Die Entzweyung des religiösen Bewußtseyns in sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I . Die chinesische Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II . Die indische Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III . Der Buddhismus und Lamaismus . . . . . . . . . . . . . . . Drittes Kapitel . Die Religion der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . A . Übergangsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I . Religion des Guten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1  . Persische Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2  . Jüdische Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II . Die Religion des Schmerzes . . . . . . . . . . . . . . . III  . Ägyptische Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B . Griechische Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C . Römische Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritter Theil . die vollendete Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235 243 244 244 246 249 250 252 253 253 253 254 254 257 258 259 266 268

SEKU N DÄ RE Ü BERLI EF ERU NG . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum BegriV der Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu »Von Gott« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum religiösen Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Kultus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Bestimmten Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur unmittelbaren Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Entzweiung des Bewußtseins in sich . . . . . . . . . . . . . . . . Zur chinesischen Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur indischen Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur buddhistischen und lamaistischen Religion . . . . . . . . . . . . . . Zum Übergang zur Religion der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . .

279 281 292 300 300 301 324 347 347 350 354 359 363 379 382



inhaltsverzeichnisVII

Zur Religion der geistigen Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur jüdischen Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur griechischen Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur römischen Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur christlichen Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

394 394 397 412 425 427

SOM M ERSEM ESTER 1829 . VORLESU NGEN Ü BER DI E BEW EISE VOM DASEIN GOT TES NACHSCH RIFT H Y PPOLITE ROLIN mit Varianten aus der Nachschrift A . Werner . . . . . . . . . . . . . . 441

A N H A NG Zeichen , Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483

VORLESU NGEN Ü BER DI E ­P HILOSOPHI E DER RELIGION SOM M ERSEM ESTER 1827 NACHSCH RIFT

EIN ES A NON YMUS ( KÖNIGSBERG ) MIT VA RI A NTEN AUS DEN NACHSCH RIFTEN

IGNACY BOERN ER , JOSEPH HU BE U N D EIN ES W EITEREN A NON YMUS



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[Hegel  : Vorlesungen über die Philosophie der Religion] Einleitung .

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Die Religion ist unser Gegenstand  ; – und was zunächst zu bemerken ist , ist die Beziehung der Religionsfilosofie auf die Filosofie überhaupt , und die Beziehung einer Religionswissenschaft besonders auf die gegenwärtigen Bedürfnisse der Zeit . – Zuerst sind diese ganz allgemeinen , mehr die Vorstellung betreVenden Verhältnisse der Religionswissenschaft zu berücksichtigen  ; vor Allem daran zu erinnern , welchen Gegenstand wir in diesem Theile der Filosofie zu betrachten haben . Der Gegenstand ist die Religion , und dieser Gegenstand ist der höchste , ab­ solute  ; die Region , worin alle Räthsel der Welt gelöst , alle Widersprüche des tiefer sinnenden Gedankens enthüllt sind , alle Schmerzen des Gefühls verstummen  ; die Region der ewigen Wahrheit , der ewigen Ruhe . – Wodurch der Mensch Mensch ist , das ist der Gedanke überhaupt , der konkrete Gedanke  ; näher dieß , daß er Geist ist . Davon gehen die anderen Gebäude aus , Religion , Wissenschaft , Kunst . – Alle Verschlingungen der menschlichen Verhältnisse , Thätigkeiten , Genüsse  ; Alles , was Werth , Achtung für den Menschen hat  ; worin er sein Glück , seine Tugenden , seinen Stolz sucht , – findet seinen letzten Mittelpunkt in der Religion , im Gedanken , Bewußtsein , Gefühl Gottes . Dieß ist so der Anfang und das Ende von Allem . Wie Alles aus diesem Punkt hervorgeht , so geht auch Alles in ihn zurück . – Eben so ist er die Mitte , die Alles belebt , beseelt , begeistert .  – Die Religion ist unser Gegenstand , und die Religion hat zum Inhalte ihrer selbst einen Gegenstand , Gott , unser Bewußtsein von Gott  ; sie ist das Bewußtsein der Beziehung auf Gott . – Der Gegenstand , den die Religion hat , ist der schlechthin unbedingte , schlechthin genügende , um sein selbst Willen seiende  ; ferner der absolute Anfang und Endzweck an und für sich . Die Beschäftigung mit diesem absoluten Endzwecke kann keinen andern Zweck haben , als nur diesen

1 [Hegel  : Vorlesungen … Religion] Bo  : Philosophie der Religion / vorgetragen von Pr . Dr . Hegel / 30 im Sommer-Semester 1827 in Berlin / I . Boerner stud . theol .  Hu  : Philosophie der Religion /

nach / den Vorlesungen des Hr . Professor Hegel / Sommer Semester 1827 Berlin / Joseph Hube  An  : Religionsphilosophie / nach dem Vortrag des Hrn Pr . Hegel / Sommersemester 1827 . | Hegels Vorlesungen über Religionsphilosophie  

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anonyme nachschrift königsberg · 1827

Inhalt , Gegenstand selbst . Alle anderen Zwecke erhalten ihre wahrhafte Bedeutung und Erledigung nur in ihm . In dieser Beschäftigung entladet sich der Geist aller Endlichkeit  ; diese Beschäf­ tigung ist die Befreiung , das absolut Freie , die Freiheit selbst . – Insofern die Religion Bewußtsein ist , ist es das Bewußtsein von der Wahrheit , und so selbst das wahrhafte Bewußtsein . Insofern diese Beschäftigung Empfindung enthält , so ist sie Seeligkeit , und die Seeligkeit ist nichts Andres als dieß . Insofern sie Thätigkeit ist , hat sie ihre Bestimmung darin , die Ehre , Herrlichkeit Gottes kund zu thun . – Diese Stellung hat die Religion bei allen Menschen und Völkern  ; ihr reli­ giöses Bewußtsein wissen sie als das , worin sie ihre wahrhafte Würde , Erleichterung haben , als den Sonntag ihres Lebens . Aller Kummer , alle Sorgen , – diese ­Sandbank der Zeitlichkeit , verschwebt in diesem Äther , es sei im gegenwärtigen Gefühle der Andacht , oder in der HoVnung . Hier wird Alles zur Vergangenheit  ; in dieser Region des Geistes ströhmen die Fluthen der Vergessenheit , aus denen Psyche trinkt , worin sie allen Schmerz und | alle Sorge versenkt , – worin alle Härten , Dunkelheiten der Zeit zu einem Traumbild werden , nur Umrisse ausmachen zur Lichtgestalt der Versöhnung , der Andacht und der Liebe . – Dieses Bild ist der Andacht nicht ein Jenseits und ferne , ist gegenwärtige Lebendigkeit , Gewißheit , Genuß . – Indem es aber auch in ein Jenseits gesetzt ist , insofern es vorgestellt wird als Ersehntes , so strahlt es auch in diese Wirklichkeit , ist konkret gegenwärtig , die in der Gegenwart wirksame Substanz . – Das ist die Vorstellung von dem , für was die Religion bei den Menschen gilt . – Diese Region , dieser Gehalt , ist der Gegenstand unserer filosofischen Betrachtung . Über diesen Ausdruck ist sogleich die Bemerkung zu machen , daß dieser Ausdruck ein Verhältniß enthält , das etwas Schiefes ist . Wenn wir von Betrachtung sprechen und Gegenstand der Betrachtung , so unterscheiden wir die Betrachtung von dem Gegenstande , daß sie gegen einander unabhängig , fest bleibende Seiten sind . – Der Raum ist zB . Gegenstand der Geometrie . Die Raumfiguren sind Gegenstand , und sind verschieden vom betrachtenden Geiste . So , wenn wir uns hier ausdrücken , daß die Filosofie die Religion zum Gegenstande habe , so scheint beides in ein Verhältniß gestellt , worin sie verschieden von einander , einander gegenüberstehend sind . – In der That ist diese Behauptung

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4–6 die Befreiung , … enthält ,] Hu  : die wahre Befreyung des Menschen , alles wird zur Vergangenheit , wie eine Sandwüste scheint das endliche Leben , sie ist das Bewustseyn der Freyheit und Wahr- 35 heit . Wenn die Beschäftigung im Gefühle ist   14–17 in dieser Region … Liebe .] Hu  : in der Religion vergehen alle Sorgen , der Mensch findet sich in ihr glücklich , alle Härte des Schicksals ist zu einem Traume | vernichtet , alles Irdische löst sich auf in Licht und Liebe .  



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zu machen , daß der Inhalt , das Bedürfniß , das Interesse der Filosofie mit der Theologie ein Gemeinschaftliches ist . – Der Gegenstand der Religion , wie der Filosofie ist die ewige Wahrheit  ; der Gegenstand der Filosofie die Wahrheit in ihrer Objektivität selbst , Gott , und Nichts als Gott und die Explikazion Gottes . – Die Filosofie explizirt nur sich , indem sie die Religion explizirt , und indem sie sich explizirt , explizirt sie die Religion . – Sie ist , wie die Religion , Beschäftigung mit diesem Gegenstande , – der denkende Geist , der diesen Gegenstand , die Wahrheit durchdringt , Lebendig­keit und Genuß , die Wahrheit und Reinigung des subjektiven Selbstbewußtseins in und durch diese Beschäftigung . – So fällt Religion und Filosofie in Eines zu­ sammen . Die Filosofie ist in der That selbst Gottesdienst  ; aber beide sind Gottesdienst auf eigenthümliche Weise . In dieser Eigenthümlichkeit der Beschäftigung mit Gott unterscheiden sie sich beide . Darin liegen die Schwierigkeiten , die so groß scheinen , daß es selbst für Unmöglichkeit gilt , daß die Filosofie Eins mit der Religion sei . – Daher kommt die Apprehension der Religion gegen die Filo­sofie  , die feindseelige Stellung beider . – In dieser feindseeligen Stellung , für was sie die Theologie aufnimmt , scheint die Filosofie auf den Inhalt der Religion verderbend , zerstörend , entheiligend zu wirken . – Das ist dieser alte Gegensatz , Widerspruch , der uns vor den Augen steht , als Anerkanntes gilt , mehr denn die eben behauptete Einheit der Religion und Filosofie . Es scheint zugleich die Zeit gekommen zu seyn , wo theils auf unbefangene Weise , theils auf eine glück­lichere , gedeihlichere , die Filosofie sich mit der Betrachtung der Religion be­fassen kann . – Neues ist aber die Verknüpfung der Filosofie und Theologie nicht  ; sie hat Statt gefunden bei denjenigen Theologen , die man die Kirchenväter nennt , bei den vorzüglichsten derselben . Sie haben sich in die neuplatonische , neupythagoräische , neuaristotelische Filosofie tief hineinstudirt , und sind theils auf Veranlassung der Filosofie selbst zum Christen­thum übergegangen , – zum Theil haben sie diese Tiefe des Geistes , die sie durch’s Studium der Filosofie erwarben , auf die Lehren des Christen­thums angewandt . – Dieser filosofischen Bildung verdankt die christliche Kirche die ersten Anfänge von einem Inhalt der christlichen Lehre , der noch nicht Dogmatik genannt werden kann . Man sagt zwar allerdings oft , | es sei mehr zum Schaden geschehen , daß das Christen­thum einen bestimmten Inhalt , eine Dogmatik erhalten habe . Später werden wir zu sprechen haben vom Verhältniß eines Systems der Lehre zur religiösen Empfindung , zum Intensiven der bloßen Andacht . – Diese Verknüpfung der Theologie und Filosofie sehen wir auch im Mittelalter  : scholastische Filosofie ist Eins und dasselbe mit der Theologie , Filosofie Theologie und Theologie Filosofie . – Man glaubte so wenig , daß das begreifende Erkennen der Theologie nach­theilig sei , daß man es für wesentlich hielt zur

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Theologie selbst . Diese großen Männer , Anselmus und Abälard , haben die Theologie von der Filosofie aus ausgebildet . cf . Anselmus  : Cum ad fidem et . c . Daß dann aber die jetzige Zeit , nachdem vornehmlich früher wieder dieser Gegensatz von Filosofie und Theologie allgemeines Vor­urtheil geworden , günstiger zu seyn scheint dem , daß die Filosofie sich mit Betrachtung der Religion befasse , – dabei ist auf zwei Umstände aufmerksam zu machen  : deren einer den Inhalt , der andre die Form betriVt . Was den I n h a l t betriVt , so ist sonst der Filosofie , im Verhältniß zur Religion , der Vorwurf gemacht worden , daß der Inhalt der Lehre der ge­oVenbarten  , po­si­ tiven Religion , ausdrücklich der christlichen , durch sie herabgesetzt werde . – Man hat der Filosofie eine sogenannte natürliche Religion zugestanden . einen ­Inhalt , den das natürliche Licht der Vernunft über Gott geben kann . – Der Vorwurf der in Beziehung auf die Lehre der christlichen Religion der Filosofie gemacht worden , – daß sie die Dogmen der christlichen Religion zerstöre , verderbe  ; – dieß Hinderniß ist aus dem Weg geräumt , und diese Wegräumung ist von Seiten der Theologie selbst in neuerer Zeit , den letzten 30–50 Jahren geschehen . – Es sind sehr wenige Dogmen von dem früheren System der kirchlichen Konfessionen mehr in der Wichtigkeit übrig gelassen worden , die ihnen früher beigelegt wurde , – und keine andre Dogmen an die Stelle gesetzt . – Leicht kann man zur Vorstellung kommen , wenn man betrachtet , was in Ansehung der Überzeugung der kirchlichen Dogmen der Fall ist , daß in der allgemeinen Religiosität des Publikums , eine weitgreifende , beinahe universelle Gleichgiltigkeit gegen sonst für wesentlich gehaltene Glaubenslehren eingetreten ist . Einige Beispiele werden dieß zeigen . – Wenn Christus zum Mittelpunkt des Glaubens gemacht wird , als Versöhner , Mittler – so hat das , was sonst Werk der Erlösung hieß , nur äußerlich psychologische Bedeutung erhalten . – Es geschah , daß von allen Kirchenlehrern grade das Wesentliche ausgelöscht wurde , wenn auch die Worte beibehalten worden . – »Große Energie des Charakters , Standhaftigkeit für die Überzeugung , für die Christus sein Leben nicht geachtet ,« – dieß sind die allgemeinen Kategorien . Christus ist so herabgezogen auf den Boden des menschlichen Handelns , nicht des gemeinen , sondern in den Kreis einer Handlungsweise , deren auch Heiden ,

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2 Anselmus] Bo  : Abelard , Anselmus etc .  Hu  : Anselmus einer der bekantesten KirchenVäter   Cum ad fidem etc .] Bo , ähnlich An  : cum ad fidem perveneris negligentiae mihi esse videtur non intelligere quod (Bo  : credis An  : in fide est)  Hu   : N e g l i g e n t i a e m i h i v i d e t u r s i p o s t q u a m c o n f i r m a t i s u m u s i n f i d e n o v i s t u d e m u s q u o d c r e d i m u s i n t e l l i g e r e (Tractatus cur Deus 35 homo) .   10 herabgesetzt werde] Hu  : vernichtet werde  Bo  : zerstört worden   12 kann] Hu  : könne , aber man hat sie immer als gegenüberstehend dem | Christen­thum betrachtet .   25 sonst] Bo  : in der orthodoxen Dogmatik   28–29 »Große Energie … geachtet«] Hu  : Moralische Lehre , grosser Character für die Überzeugung der Wahrheit bis zu dem Verachten des Todes   31–7,1



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wie Sokrates , fähig gewesen sind . – Wenn Christus auch bei Vielen der Mittelpunkt des Glaubens und der Andacht im tiefern Sinne ist , so muß es scheinen , daß die wichtigen Lehren vom Glauben der Dreieinigkeit und Wunder im alten und neuen Testament sehr an Wichtigkeit verloren . – Wenn ein großer Theil des gebildeten Publikums veranlaßt würde , die Hand auf’s Herz gelegt , zu sagen  : ob sie den Glauben an die Dreieinigkeit und Wunder für unumgänglich noth­ wendig zur Seeligkeit halten , ob sie glauben , daß Abwesenheit des Glaubens zur Verdammniß führe , – so kann man nicht fragen , was die Antwort ist . – Selbst ewige Seligkeit und ewige Verdammniß ist ein Wort , das in guter Gesellschaft nicht gebraucht werden darf  ; solche Ausdrücke gelten für ἀρρητα , für solche , die man Scheu hat , zu sagen . Wenn man es auch nicht leugnen will , so wird man sich doch genirt finden , wenn man ausdrücklich veranlaßt werden sollte , sich affirmativ zu erklären . – Wenn man eine Menge von Erbauungsbüchern , Predigtsammlungen , worin die Grundlehren der Religion vorgetragen werden sollen , vornimmt , und man die Mehrzahl dieser Schriften nach Gewissen be­ urthei­len soll , und sagen , was man in einem großen Theile dieser Litteratur | ohne Zweideutigkeit und Hinterthüre enthalten und ausgesprochen finde , so ist die Antwort ebenfalls nicht zweifelhaft . – Es scheint nicht , daß die Theologen selbst , nach der allgemeinen Bildung der Meisten , solche Wichtigkeit , die sonst auf die Hauptlehren des positiven Christen­thums gesetzt wurde , als sie noch dafür galten , – darein legen , wenn diese Lehren durch unbestimmten Schein in Nebel gestellt sind . – So fällt das eine Hinderniß weg , daß die Filosofie für die Gegnerin der Kirchenlehren gegolten . Wenn sie in ihrem Interesse gesunken sind , so kann die Filosofie sich unbefangener in Ansehung derselben verhalten . Das größte Zeichen , daß die Wichtigkeit dieser Dogmen gesunken ist , ist  : daß sie vornehmlich historisch behandelt werden , in’s Verhältniß gestellt , daß es die Überzeugungen seien , die A n d e r e n angehören , daß es Geschichten sind , die nicht in unserm Geiste selbst vorgehen , nicht das Bedürfniß unsres Geistes in Anspruch nehmen . – Was das Interesse ist , ist dieß , wie sich das bei Anderen verhält , bei Anderen gemacht hat , – die zufällige Entstehung . Die absolute Entstehungsweise aus der Tiefe des Geistes , und so die Nothwendigkeit , Wahrheit dieser Lehren , ist bei der historischen Behandlung auf die Seite geschoben  ; sie ist sehr thätig mit diesen Lehren , aber nicht mit dem Inhalt , sondern mit der Äußer­ lich­keit der Streitigkeiten darüber , den Leidenschaften , die sich angeknüpft .  – Auf solche Weise hat die Filosofie dem Vorwurf nicht mehr zu begegnen , daß deren auch Heiden , … sind] Hu  : in einen Kreis in welchem auch Socrates eine zwar der Sache nach niedrigere aber eben so wichtige | Stelle behaupten könnte   17 ohne Zweideutigkeit] Bo  : im rechtgläubigen Sinne und ohne Zweideutigkeit  

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sie die Dogmen herabsetze  ; die Filosofie erleidet eher den Vorwurf , zuviel von den Kirchenlehren in sich zu haben  : sie hat mehr Lehren in sich als die allgemein herrschende Theologie unsrer Zeit . – Der e i n e Umstand , der günstig genannt werden kann , bei der filosofischen Betrachtung der Religion , – betraf den I n h a l t   ;  – der a n d r e die F o r m  .  – Was die Form betriVt , so ist die Überzeugung der Zeit , daß die Religion , daß Gott in dem Bewußtsein des Menschen unmittelbar geoVenbart , daß die Religion eben dieß sei , daß der Mensch unmittelbar von Gott wisse . Dieß wird genannt Vernunft , auch Glaube , aber in anderm Sinne , als die Kirche den Glauben nimmt . Alle Überzeugung , daß und was Gott ist , beruhe auf diesem unmittel­baren ­Ge­oVen­bart­seyn im Menschen . – Diese Behauptung in direktem Sinne , ohne daß sie eine polemische Richtung gegen die Filosofie sich gegeben , – wovon später , – bedarf keines Beweises , keiner Erhärtung . – Diese allgemeine Vorstellung , die jetzt Vor­urtheil geworden , enthält , daß der höchste , der religiöse Inhalt sich im Geiste selbst kund giebt , daß der Geist im Geiste sich manifestiert , in diesem meinem Geiste , daß dieser Glaube in meiner tiefsten Eigenheit seine Quelle , Wurzel hat , mein Innerstes untrennbar von ihm ist  ; – dieß allgemeine Prinzip , wie der religiöse Glaube in neurer Zeit bestimmt wird , unmittelbares Anschauen , Wissen in mir . – Daß das Wissen unmittelbar in mir selbst sei , damit ist alle fremdartige Beglaubigung , alle äußere Auktorität hinweggeworfen  ;  – was mir gelten soll , muß seine Bewährung in meinem Geiste haben , – dazu gehört Zeugniß meines Geistes , daß ich glaube  : es kann wohl von Außen kommen  ; aber der äußerliche Anfang ist gleichgiltig . – Dieß Vorhandenseyn , Manifestiren von jenem Inhalte ist das einfache Prinzip des filosofischen Erkennens selbst  : daß unser Bewußtsein unmittelbar von Gott wisse , daß das Wissen vom Seyn Gottes dem Menschen schlechthin gewiß ist . – Diesen Satz verwirft nicht nur die Filosofie nicht , sondern er macht eine Grundbestimmung in ihr selbst aus . Auf diese Weise ist es überhaupt als ein Gewinn , eine Art von Glück anzusehen , daß Grundprinzipien der Filosofie selbst in der allgemeinen Vorstellung sind , allgemeine Vor­urtheile , – daß das filosofische Prinzip um so leichter die Zustimmung der allgemeinen Bildung erwarten kann . – | Aber das Prinzip bleibt nicht bei dieser einfachen Bestimmtheit , diesem unbefangenen Inhalte , spricht sich nicht bloß affirmativ aus , sondern das unmittelbare Wissen tritt polemisch gegen das Erkennen auf , und ist in’s Besondere gegen das Erkennen , Begreifen Gottes gerichtet  : – es soll nur so geglaubt , unmittelbar gewußt werden  ; – es wird nicht nur behauptet , daß mit dem Selbstbewußtseyn das Bewußtsein Gottes verknüpft sei , – sondern daß das Verhältniß zu Gott n u r ein unmittelbares ist . 35 soll] soll nicht  

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Die Unmittelbarkeit des Zusammenhangs wird ausschließend gegen die andre Bestimmung der Vermittlung genommen . – Näher soll die Unmittelbarkeit dieses Wissens zunächst dabei stehen bleiben , daß man wisse , daß Gott ist  ; nicht was er ist  ; die Ausbreitung , der Inhalt , die Erfüllung in der Vorstellung von Gott ist negirt . – Erkennen nennen wir dieß , daß von einem Gegenstande nicht nur gewußt wird , d a ß er ist , sondern auch , w a s er ist , und daß , was er ist , nicht nur überhaupt gewußt wird , daß man eine gewisse Kenntniß , Gewißheit hat , was er ist  ; sondern das Wissen von seinen Bestimmungen , seinem Inhalte , daß dieß Wissen ein erfülltes , bewährtes ist , worin gewußt wird die Nothwendigkeit des Zusammenhangs dieser Bestimmungen . – Von Gott wird behauptet , er könne nicht erkannt werden  ; sondern es werde nur gewußt , daß er ist  ; wir finden dieß in unserm Bewußtsein . – Indem wir diese polemische Richtung zunächst auf die Seite setzen , und noch ein Mal betrachten , was in der Behauptung des unmittelbaren Wissens liegt , so ist es folgendes  : daß unser Geist selbst es ist , der diesem Inhalte Zeugniß giebt  ; daß dieser Inhalt nicht von Außen kommt , nur durch Lehre  ; daß die Ueberzeugung davon auf der Zustimmung des eigenen Geistes , Bewußtseins beruht , daß er diesen Inhalt in ihm selbst fände . – Die andre Seite ist , daß das Bewußtseyn sich auf diesen Inhalt bezieht , so daß dieß Bewußtsein und dieser Inhalt , Gott , unzertrennt , untrennbar sind . – Diese Beziehung überhaupt , Wissen von Gott , und diese Untrennbarkeit des Bewußtseins von diesem Inhalte , ist das , was wir Religion überhaupt nennen . Es liegt aber auch darin , daß wir bei Betrachtung der Religion als solcher stehen bleiben sollen  ; näher  : bei der Betrachtung der Beziehung auf Gott , – und es soll nicht fortgegangen werden zum Erkennen Gottes , nicht zum göttlichen Inhalte , wie dieser Inhalt göttlich in ihm selbst wesentlich wäre . – In diesem Sinne wird weiter gesagt  : wir können nur unsre Beziehung zu Gott wissen  ; nicht , was Gott selbst ist – unsre Beziehung falle in das , was Religion überhaupt heißt . – Damit geschieht es , daß wir heutiges Tages nur von Religion sprechen hören , – nicht Untersuchungen finden , was die Natur Gottes , Gott in ihm selbst sei , wie die Natur Gottes bestimmt werden müsse . Gott , als solcher , wird nicht selbst zum Gegenstand gemacht , das Wissen breitet sich nicht innerhalb dieses Gegenstands aus  ; Gott ist nicht vor uns als Gegenstand der Erkenntniß , sondern unsre Beziehung auf Gott , die Religion als solche . – Der Ausführungen über die Natur Gottes sind immer weniger geworden  : es heißt da nur , der Mensch solle Religion haben . – Religion haben ist diese Beziehung zu Staat , menschlicher Thätigkeit , zum Leben . – Von Religion als solcher , nicht von Gott , wenigstens 35–36 Religion haben … Leben .] Hu  : Was die Religion für Beziehung zur Philosophie und Staat hat , davon wird gesprochen aber nicht von Gott .  

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nicht so sehr von Gott , ist die Rede . – Nehmen wir aber heraus , was im Satze des unmittelbaren Wissens liegt , was unmittelbar damit gesagt ist , so ist eben Gott ausgesprochen in Beziehung auf das Bewußtsein , so daß diese Beziehung ein Untrennbares sei , oder daß wir beides betrachten müssen . – Wir können allerdings unterscheiden , und dieß ist ein wesentlicher Unterschied in der ganzen Religionslehre  : einerseits s u b j e k t i ve s  ,  | Bewußtsein , und andrerseits G o t t  , als Gegenstand , Gott o b j e k t i v  . Zugleich wird gesagt , es sei eine wesentliche Beziehung zwischen beiden , und diese unzertrennliche Beziehung der Religion sei es , worauf es ankomme  ; nicht auf das , was man von Gott meine , sich einfallen lasse . – Heben wir das heraus , was diese Behauptung enthält , so ist es selbst filo­sofische Idee . Dem filosofischen BegriV nach ist Gott Geist , konkret , und , wenn wir näher fragen , was Geist ist , so ist der GrundbegriV vom Geiste der , dessen Ent­ wickelung die ganze Religionslehre ist . – Sehen wir vorläufig nach , was Geist ist , so ist Geist dieß  : sich zu manifestiren , für den Geist zu seyn . Der Geist ist für den Geist , und zwar nicht nur auf äußerliche zufällige Weise , sondern er ist nur in sofern Geist , als er für den Geist ist  ; – dieß macht den BegriV des Geistes selbst aus . – Der Geist Gottes ist in seiner Gemeine , um es mehr theologisch auszu­ drücken , Gott ist Geist wesentlich , insofern er in seiner Gemeine ist . Indem also in dem , was das unmittelbare Wissen enthält , die unzertrennliche Einheit des Bewußtseins mit Gott ausgesprochen ist , so ist in jener Untrennbarkeit enthalten , das , was im BegriV des Geistes liegt , daß der Geist für den Geist selbst ist , daß die Betrachtung nicht einseitig seyn kann  : bloß Betrachtung des Subjekts nach seiner Endlichkeit , nach seinem zufälligen Leben , sondern , insofern es den unendlichen , absoluten Inhalt zum Gegenstande hat . Wird das Subjekt für sich betrachtet , so wird es im endlichen Wissen , im Wissen von Endlichem betrachtet . – Ebenso wird auch behauptet , man solle Gott andrerseits nicht für sich selbst betrachten , – man wisse von Gott nur in Beziehung auf das Bewußtsein .  – Das , was gesagt worden , sind die Hauptbestimmungen , die wir als unmittelbare Zeitvorstellungen , Zeitüberzeugungen ansehen können , die sich ausdrücklich auf Religion , Wissen von Gott beziehen . – Wir stehen in der Einleitung  : – an jene Grundlage läßt sich daher allein anknüpfen , was Elemente , GrundbegriVe der Religionsfilosofie sind . Durch diese Übereinstimmung in Ansehung der Elemente , die bemerklich gemacht worden , ist auch äußerlich , in Rücksicht auf diese Abhandlung zunächst gewonnen , nicht nöthig zu haben , uns gegen diese Ansichten , die vermeintlich 12 Idee .] Bo  : Idee , nicht entgegengesetzt dem philosophischen BegriV .  

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der Filosofie entgegenstehen , polemisch den Weg zu unserer Wissenschaft zu bahnen . Diese Behauptungen setzen sich selbst entgegen dem filosofischen Erkennen  : Die Bewußtlosigkeit , was der Filosofie entgegengesetzt ist , geht in’s Grenzenlose . – Grade die Behauptungen , die sich dafür ansehen , das Gegen­theil zu sagen , die Filosofie zu bestreiten , und die ihr am schärfsten entgegengesetzt zu seyn meinen , – wenn man ihren Inhalt ansieht , die Bestimmtheit , die sie ausdrücken , zeigen in ihnen selbst Übereinstimmung mit dem , was sie bekämpfen . – Das Resultat des Studiums der Filosofie ist , daß diese Scheidewände , die absolut trennen sollen , durchsichtig werden , daß man , wenn man auf den Grund geht , absolute Übereinstimmung findet , wo man meint , es sei der größte Gegensatz . – In der Filosofie kann man eigentlich nicht einleitend sprechen . Wenn von einem Gegenstand gesprochen werden soll , muß filosofisch , erkennend , begreifend davon gesprochen werden , – spricht man filosofisch usw . , so ist man nicht in der Einleitung , sondern | im begreifenden Denken  ; – wird der Inhalt so behandelt , so heißt das , ihn filosofisch behandeln . – Einleitendes Sprechen kann nicht wahrhaft filosofisch seyn  : das Tiefere , das Gründliche fällt nur in die Sphäre der Wissenschaft , des begreifenden Denkens selbst . – Worauf sich der Gegensatz von diesen Zeitvorstellungen näher bezieht , so sind sie polemisch gegen die Ausbreitung des Inhalts in sich  ; es soll Gott geglaubt werden , aber man soll im Allgemeinen nicht wissen , was er ist , kein bestimmtes Wissen davon haben . Bestimmtes Wissen davon haben heißt  : erkennen . – Aus diesem Grunde ist die Theologie als solche , auf dieß Minimum von Dogmen ­reduziert , der Inhalt ist äußerst dünne , es kommt wohl viel Gerede , Gelehrsamkeit , Räsonnement vor . – Gegen diese Ausbreitung , Dogmatik genannt , kehren sich jene Sätze vornehmlich . Es kann diese Wendung verglichen werden mit dem , was zum Zweck der Re­formazion gemacht worden ist , das Christen­thum auf die Einfachheit der ersten Jahrhunderte zurückzubringen . – Diese Ausbreitung , dieß System der Lehre einerseits , andrerseits , die Hierarchie ist da bekämpft worden , und als Zweck , Bestimmung angegeben , das Christen­thum zurückzuführen auf das Einfache der ersten christlichen Zeit . – Es ist Grundbestimmung in der angeführten Zeitüberzeugung , daß die Lehren der protestantischen Kirche auf ein Minimum zurückgeführt worden sind . Ausbreitung ist allerdings noch in der Theologie genug vorhanden , – die Gelehrsamkeit , geschichtliche Vielgeschäftigkeit ist sehr ausgeführt . – Was die geschichtliche

34–35 die Gelehrsamkeit , … ausgeführt] Bo , ähnlich An  : Die Gelehrsamkeit der Theologie kann verglichen werden mit dem Geschäft der Comptoirbedienten (An  : und Cassirer) .  

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Behandlung betriVt , so hat sie es zu thun mit Gedanken , Vorstellungen , die andre gehabt , aufgebracht , bekämpft haben  ; – da hat es das Subjekt nicht mit seinem eignen Dafürhalten , einer Erkenntniß , die ihm angehörte und zu Gute käme , sondern mit der Erkenntniß von Meinungen , Vorstellungen Andrer zu thun , nicht mit der Sache selbst  ; diese käme dem sich beschäftigenden Individuum zu Gute . – Die Geschichte hat es mit Wahrheiten zu thun , die für Andre Wahrheiten waren , nicht mit solchen , die Eigen­thum wären derer , die sich damit beschäftigen . Daß es das eigenthümliche Interesse der Vernunft ist , sich auszubilden , zu einem allbefassenden , intellektuellen Reiche , – haben wir in der Abhandlung der Religionswissenschaft selbst zu sehen . Die Hauptsache ist bei dieser Ausbreitung , daß sie vernünftig geschieht , nach der Nothwendigkeit der Sache , des Inhalts selbst , nicht nach Willkühr , Zufall . – Wenn die Theologie ihr Wissen auf dieß Minimum reduzirt , so hat sie doch noch das Bedürfniß , von Mancherlei , Vielem zu wissen , vom Sittlichen , vom Verhältnisse des Menschen  ; – sie hat auch Ausbreitung des StoVs , der Materie  ; aber weil dieser sich manchfach-machende Inhalt nicht nach dem BegriV , dem Erkennen geschieht , und geschehen soll , so geschieht es nach Willkühr , Räsonnement , das entgegengesetzt ist dem vernünftigen Erkennen . – Das Raisonement macht irgend eine Voraussetzung , und geht fort nach den Verstandesverhältnissen der Reflexion , die wir durch unsre Bildung in uns entwickelt haben , ohne Kritik auf diese Verhältnisse . Die Entwicklung durch den BegriV läßt keine Zufälligkeit zu  ; – eben deswegen eifert man so dagegen , weil sie diese Fesseln anlegt , nach der Nothwendigkeit der Sache fortzugehen , nicht nach Einfällen und Meinungen . – Jenes Räsoniren hat Voraussetzungen , die selbst wieder angefochten werden können . – Aber die räsonirende Theologie giebt doch vor , einen festen Halt zu haben . Bei uns ist es die Bibel , Worte der Bibel . – Aber zugleich führt man den Spruch wesentlich an  ; »Der Buchstabe tödtet« pp  ; man versteht nicht Worte , Buchstaben drunter als solche , sondern den Geist mit dem sie aufgefaßt werden . Da weiß man historisch , daß aus diesen Worten | sehr entgegengesetzte Dogmen abgeleitet , die verschiedensten Ansichten aus dem Buchstaben herausgebracht worden sind . Bei diesen ist sich berufen worden auf den Buchstaben , – Grund ist der Geist . Die Worte der Bibel sind ein Vortrag , der nicht systematisch ist , sind das Chri­sten­thum , wie es im Anfange erschienen ist  ; es ist der Geist , der den Inhalt auffaßt , explizirt . Da kommt es darauf an , ob es der wahre , richtige Geist ist , welcher auffaßt . Dieser kann nur seyn , der in sich selbst nach der Noth­wendig­keit verfährt , nicht nach Voraussetzungen . – Dieser Geist , der auslegt , muß sich für sich selbst legitimiren , diese Legitimazion ist die Sache selbst , der Inhalt selbst , das , was der BegriV darthut . –

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Die Autorität des statutarischen Kirchenglaubens ist zum Theil gesunken , zum Theil entfernt worden  ; selbst das Symbolum , die regula fidei , gilt nicht mehr für etwas schlechthin Verbindliches , sondern als ein Solches , das ausgelegt , erklärt wird aus der Bibel . – Dieß hängt aber ab vom Geiste der erklärt . Der absolute Halt ist nur im BegriV .  – Durch die Exegese sind solche Grundlehren des Christen­thums zum Theil auf die Seite geschaVt , zum Theil sich sehr lau dagegen erklärt worden , wie die von der Dreieinigkeit , den Wundern  ; solche Dogmen sind von der Theologie selbst in Schatten gestellt worden . – Ihre Rechtfertigung , wahrhafte Behauptung , kann nur durch den erkennenden Geist geschehen , und in der Filosofie ist viel mehr Dogmatik erhalten , als in der Dogmatik , der Theologie selbst , als solcher . Die Schwierigkeiten fingen an bei der Ausbreitung , Ausdehnung dieses Wissens , indem ein Wissen eingeleitet wird , welches konkrete Bestimmungen der Religion betriVt .  – Die we i t r e F o r d e r u n g  , die an die Filosofie gemacht wird , besonders an die Religionsfilosofie , ist  : ehe man an’s Erkennen ginge müsse man die Natur des Erkennens selbst untersuchen . – Diese Forderung scheint gerecht zu seyn  : daß man seine Kraft prüfe , ehe man an’s Werk selbst geht  ; aber , so plausibel diese Forderung aussehen mag , so nichtig zeigt sie sich . – Die Vernunft soll unter­ sucht werden , ohne Zweifel doch auf vernünftige Weise  : diese Untersuchung ist also nicht bloß Untersuchung , sondern selbst Erkennen . Um das Erkennen zu untersuchen , ist kein andrer Weg möglich als das Erkennen . Wir sollen also die Vernunft erkennen , und sollen sie erkennen , ehe wir erkennen , – und was wir thun wollen , soll doch ein vernünftiges Erkennen seyn . – In der Religionsfilosofie haben wir zu unserm Gegenstande Gott , die absolute Vernunft , den Geist an und für sich . – Indem wir von Gott , der absoluten Vernunft wissen , diese untersuchen , erkennen wir diese , verhalten wir uns erkennend . – Der absolute Geist ist Wissen  ; – bestimmter  : vernünftiges Wissen seiner selbst  ; es ist also , indem wir uns mit diesem Gegenstand beschäftigen , unmittelbar , daß wir das vernünftige Erkennen behandeln und untersuchen , und dieß Erkennen ist selbst vernünftiges , begreifendes Untersuchen , Wissen . Unser wissenschaftliches Erkennen der Religion ist selbst also diese Untersuchung .

16 untersuchen .] Bo  : untersuchen […] , ob das Erkenntnisvermögen fähig seye  Hu  : untersuchen . Wir wollen aber an die Sache selbst gehen ohne uns auf weitere Vorfragen zu wenden . Wir wollen nur erstens zwey Umstände kurz erwähnen , der erste nämlich der oben angeführte / 1 . dass man 35 vorher die Erkenntniss untersuchen soll .   18 nichtig] Bo  : unstatthaft und nichtig   20–21 Um das Erkennen … Erkennen .] Bo  : wir machen hiemit also eine Forderung die sich selbst aufhebt  Hu , ähnlich Bo  : Diese Forderung erinnert uns eynen Scholasticus der eher ins Wasser nicht hereingehen wollte bis er schwimmen gelernt hätte .   30 Wissen] Hu  : Wissen . Diese Forderung also zeigt sich absolut nichtig .  

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Das Zwe i t e ist , daß die Religion überhaupt die höchste , letzte Sphäre des menschlichen Bewußtseins ist , es sei Gefühl , Wille , Vorstellen , Wissen , Erkennen , das absolute Resultat , diese Region , wohin der Mensch übergeht , als in die Region der absoluten Wahrheit . – Um dieser allgemeinen Bestimmung Willen soll es geschehen seyn , daß das Bewußtsein sich in dieser Sphäre erhoben habe über das Endliche überhaupt , über die endliche Existenz , Bedingungen , Zwecke , Interessen  ; eben so über endliche Gedanken , endliche Verhältnisse aller Art  : um in der Religion gegenwärtig zu seyn , muß man diese abgethan haben . – | Gegen diese Grundbestimmungen geschieht es gewöhnlich , wenn gegen die Filo­sofie überhaupt , ins Besondere gegen die Filosofie über Gott , über die Religion ge­ sprochen wird  ; – daß zum Behuf dieses Sprechens endliche Gedanken , Verhältnisse der Beschränktheit , Kategorien , Formen des Endlichen herbei­gebracht werden . Aus solchen Formen des Endlichen wird opponirt gegen die Filosofie überhaupt , besonders gegen die höchste Filosofie , gegen die Filosofie der Religion . – So eine endliche Form ist Unmittelbarkeit des Wissens , Thatsache des Bewußtseins  ; solche Kategorien sind die Gegensätze des Endlichen und Un­ endlichen , Subjekts und Objekts . Das sind abstrakte Formen  : Unmittelbarkeit o d e r Vermittlung , Endliches o d e r Unendliches , Subjekt oder Objekt  ; – abstrakte Formen , die nicht an ihrem Platze mehr sind in diesem absolut reichen konkreten Inhalte , wie die Religion ist . – Im Geiste , Gemüthe , das mit Religion zu thun hat , sind ganz andre Bestimmungen vorhanden , als Endlichkeit et . c . und auf solche Bestimmungen wird doch dies gestellt , worauf es in der Religion ­ankommen soll . – Sie müssen allerdings vorkommen  ; aber Hauptsache ist , daß ihre Natur vorher längst untersucht und erkannt seyn müsse . Diese zunächst logische Erkenntniß muß im Rücken liegen , wenn wir es mit Religion zu thun haben , – mit solchen Kategorien muß man längst fertig geworden seyn . – Aber das Gewöhnliche ist , daß man aus denselben opponirt gegen den BegriV , die Idee , das vernünftige Erkennen . – Diese Kategorien werden gebraucht ohne alle Kritik , auf ganz unbefangene Weise , gerade als ob die Kantische Kritik der reinen Vernunft nicht vorhanden wäre , die diese Formen angefochten und nach ihrer Weise das Resultat gehabt , daß man nur Erscheinungen erkennen könne durch diese Kategorien . – In der Religion hat man es nicht zu thun mit den Erscheinungen  ; sondern mit absolutem Inhalte . – Vollends unpassend ist , diese Kategorien herbeizubringen  : Endliches sei nicht Unendliches , als ob das ein Mensch nicht wüßte , daß Subjekt verschieden ist vom Objekt , Endliches vom Unendlichen , Unmittelbarkeit von Vermittlung . Doch entblödet man sich nicht , dergleichen herbeizubringen , als ob man damit triumfirender 2 Gefühl] Hu  : im Glauben im Fühlen   23 allerdings] Hu  : allerdings in unserer Wissenschaft  

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Weise eine Entdeckung gemacht . – Das E i n e ist , daß diese Bestimmungen ve r s c h i e d e n sind  ; ein A n d r e s  , daß sie zugleich u n t r e n n b a r sind . – Da haben wir im Fysikalischen am N . und S . Pol des Magnets ein Beispiel . – So sagt man  : sie sind verschieden , wie Himmel und Erde . Das ist richtig  ; sie sind schlechthin verschieden  ; aber untrennbar  : Erde kann man nicht zeigen ohne Himmel und umgekehrt . Es ist schwer , mit Solchen , die gegen die Religionsfilosofie opponiren , sich einzulassen  : denn sie sprechen so geradezu  : die Unmittelbarkeit sei eben doch etwas Andres als die Vermittlung . Sie versichern ganz unbefangen , ohne über diese Gegenstände nachgedacht , oder die äußere Natur , oder ihren innern Geist beobachtet zu haben , wie diese Bestimmungen darin vorhanden sind . – Über solche Formen der Reflexion muß der denkende Geist herausseyn , er muß ihre Natur , ihr wahrhaftes Verhältniß kennen , das in ihnen Statt findet , – das unendliche Verhältniß , d . i . worin ihre Endlichkeit auf­ gehoben ist . – Das unmittelbare Wissen ist , wie das vermittelte vollkommen einseitig  ; das Wahre ist ihre Einheit  : ein unmittelbares Wissen , das eben so vermittelt ist , – ein vermitteltes , das eben so einfach in sich , unmittelbare Beziehung auf | sich ist . Indem die Einseitigkeit durch solche Verbindung aufgehoben ist , ist es ein ­Verhältniß der Unendlichkeit . Da ist Vereinigung , worin ihre Verschiedenheit eben so aufgehoben ist  ; diese Verschiedenheit gehört zum Pulse ihrer Lebendigkeit , zum Triebe , Bewegung , Unruhe des geistigen wie des natürlichen Lebens . – Nach diesen Bemerkungen , die diese Vorstellungen betrafen geben wir den Konspekt , die Übersicht , die allgemeine Eintheilung unsrer Wissenschaft . – Es kann nur e i n e M e t h o d e in aller Wissenschaft , in allem Wissen seyn  : M e t h o d e ist der sich e x p l i z i r e n d e B e g r i f f  ,  – nichts Andres , – und dieser ist nur einer . Das Erste ist  : d e r B e g r i f f  , wie immer . D a s Zw e i t e   : d i e B e s t i m t h e i t d e s B e g r i f f s  , der BegriV in seinen bestimmten Formen . Diese bestimmten Formen hängen nothwendig mit dem BegriV selbst zusammen . – In filosofischer Betrachtungsweise ist es nicht der Fall ,

2 sind .] Hu  : sind . Dem BegriVe will man nicht diese Macht zuschreiben welche man schon in den phisikalischen Erscheinungen antreVen kann .   5 untrennbar  :] Hu  : untrennbar . Unmittelbares und vermitteltes Wissen sind voneinander unterschieden und doch gehört eine sehr geringe Untersuchung um zu | sehen dass sie untrennbar sind . Ehe man also zu der ReligionsPhilosophie gehen 35 will muss man aber mit solchen einseytigen Formen fertig seyn .   15 Das unmittelbare Wissen … einseitig  ;] Hu  : Und das ist das schlechteste in diesen Opositionen dass man zum Alphabete selbst gehen muss um den Leuten zu zeigen dass ihre Behauptungen sich widersprechen . Man muss wissen dass Unmittelbarkeit und Vermittlung , Subiect und Objiect , Endlichkeit und Unendlichkeit lauter einseitige Bestimmungen sind ,  

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daß das Allgemeine , der BegriV , gleichsam Ehren halber vorn hingestellt wird . BegriV von Recht , Natur , sind allgemeine Bestimmungen , die vornehin gesetzt werden , mit denen man in Verlegenheit ist , auf die es auch nicht ankommt , ­sondern auf den eigentlichen Inhalt , die einzelnen Kapitel . – Der sogenannte BegriV hat weiter keinen Einfluß auf diesen ferneren Inhalt , – er zeigt da ohngefähr den Boden an , auf dem man sich befindet , und auf dem sich diese Materien befinden , daß man nicht aus einem andern Boden her Inhalt herbeiziehe  : der Inhalt , zB Magnetismus , Elektrizität , gilt für die Sache  ; der BegriV für das Formelle . – Bei filosofischer Betrachtung ist auch der Anfang der BegriV  ; aber er ist die Sache , Substanz , wie der Keim , aus dem sich der ganze Baum entwickelt . In diesem sind alle Bestimmungen enthalten , die ganze Natur des Baums , die Art seiner Säfte , Verzweigung , aber nicht präformirt , so , daß , wenn man ein Mykro­ skop nimmt , man die Zweige , Blätter im Kleinen sähe , sondern auf geistige Weise . – So enthält der BegriV die ganze Natur des Gegenstandes , und die Erkenntniß selbst ist Nichts , als die Entwicklung des BegriVs , dessen , was an sich im BegriVe enthalten , noch nicht in Existenz getreten , explizirt , ausgelegt ist . – So fangen wir an mit dem BegriV der Religion . Die R e l i g i o n i m A l l g e m e i n e n  ,  – D i e R e l i g i o n in i h r e r B e s t i m m t h e i t  , der bestimmte BegriV . Diese Bestimmtheit nehmen wir nicht von Außen , sondern es ist der freie BegriV selbst , der sich zu seiner Bestimmtheit fort trägt . – Es ist nicht , daß wir zB das Recht empirisch abhandeln  : da bestimmt man erst das Recht überhaupt , die bestimmten Rechte (das römische , deutsche) wären anderswoher , aus der Erfahrung zu nehmen  ; – hier hat sich die Bestimmtheit aus dem BegriV selbst zu ergeben . – Der bestimmte BegriV der Religion ist die endliche Religion , ein ­Einseitiges , so beschaVen gegen Andre , Besonderes gegen andres Besondere . – Das Zweite ist die Religion in ihrer Endlichkeit , die endliche Religion . Das ist der BegriV , der aus seiner Bestimmtheit , Endlichkeit zu sich selbst kommt , der sich aus dieser seiner Endlichkeit , Beschränktheit wieder herstellt , und dieser wiederhergestellte BegriV ist der u n e n d l i c h e  , w a h r h a f t e B e g r i f f  , die a b s o l u t e I d e e  , die w a h r h a f t e R e l i g i o n  . Die erste Religion im BegriV ist noch nicht die wahrhafte Religion . Wahrhaft ist der BegriV wohl in sich selbst , aber zur Wahrheit gehört , daß der BegriV sich realisirt , wie zur Seele , daß sie sich verleiblicht habe . Diese Realisirung ist zunächst Bestimmung des BegriVs  ; die absolute Realisirung ist , daß diese Bestimmung adäquat ist dem BegriV . Dieser adäquate BegriV 1 Ehren halber] Hu  : Einleitungsweise   31 R e l i g i o n  .] Bo  : Religion . Das sind also abstracter Weise ausgedrückt diese drey Theile im allgemeinen .  

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ist die Idee , der wahrhafte BegriV . – Das sind abstrakter Weise | diese drei Theile im Allgemeinen . – Dieser Fortgang ist Entwicklung des BegriVs  ; diese Entwicklung ist erst Er­ fahren , Erkennen und Wissen dessen , was die Religion ist . Der BegriV , den wir hier vor uns haben ist ohnehin der Geist selbst  ; es ist der Geist , der das i s t  , auf diese Weise thätig ist . – Der Geist , wenn er unmittelbar , einfach , ruhend ist , ist kein Geist  ; sondern der Geist ist wesentlich das , thätig zu seyn überhaupt  ; näher  : diese Thätigkeit , sich zu manifestiren . – Der Geist , der sich nicht manifestirt , oVen­bart , ist ein Todtes . – Manifestiren heißt  : für ein Andres werden . Damit , indem es ist ein Werden für ein Andres , tritt es in Gegensatz , Unterschied überhaupt – Verendlichung des Geistes . – Etwas , das für Andres ist , ist in dieser abstrakten Bestimmung eben ein Endliches  : es hat ein Andres sich gegenüber , hat an diesem Andern sein Ende , seine Schranke . – Der Geist , der sich manifestirt , bestimmt , ins Daseyn tritt , sich Endlichkeit giebt , ist das Zwe i t e  . Das D r i t t e  , daß er sich manifestirt seinem BegriVe nach , daß er jene seine erste Manifestazion in sich zurücknimmt , aufhebt , zu sich selbst kommt , für sich wird , ist , wie er an sich ist . – Dieß ist der Rhythmus , das reine ewige Leben des Geistes selbst und kein andrer  ; und hätte er diese Bewegung nicht , so wäre er das Todte . Der Geist ist , sich zum Gegenstand zu haben . Das ist seine Manifestazion , Verhältniß der Gegenständlichkeit , Endliches zu seyn . – Das dritte ist , daß er sich Gegenstand ist , in dem Gegenstande versöhnt bei sich selbst ist , zu seiner Freiheit gekommen  : denn Freiheit ist , bei sich selbst zu seyn . – Diese Eintheilung ist so die Bewegung , Natur , das Thun des Geistes selbst , dem wir so zu sagen , nur zusehen . Diese Eintheilung ist durch den BegriV noth­ wen­d ig . Die Nothwendigkeit des Fortgangs hat sich aber erst in der Entwicklung selbst darzustellen , zu expliziren , beweisen . Die Eintheilung , deren unterschiedene Theile und Inhalt wir nun bestimmter angeben wollen , ist daher nur ­h istorisch  : Das Erste ist die R e l i g i o n i n i h r e m B e g r i f f  , der einfache BegriV der Religion . In diesem BegriV der Religion ist das , was als Inhalt erscheint , die Inhaltsbestimmtheit nur das Allgemeine  ; im Ersten ist die Bestimmtheit , Be­ sonderheit als solche noch nicht vorhanden  ; Grundbestimmung , Charakter dieses ersten Theils ist die Bestimmtheit der Allgemeinheit . – Die Religion ist die Beziehung des Subjekts , des subjektiven Bewußtseins auf Gott , der ein Geist ist , – oder  : sie ist der Geist , der seines Wesens bewußt ist . Der Geist ist bewußt , und das , dessen er bewußt ist , ist der wahrhafte , wesentliche Geist  : Dieses ist s e i n Wesen , nicht das Wesen eines Andern . Die Religion ist insofern sogleich für sich Idee , und der BegriV der Religion ist der BegriV dieser

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Idee . – Die Idee ist das Wahre , die Realität des BegriVs , so daß diese Realität identisch ist mit dem BegriV , nur durchaus durch den BegriV bestimmt ist . Nennt man den BegriV »Geist« , – so ist die Realität des BegriVs »das Bewußtsein« . Der Geist als BegriV , der allgemeine Geist realisirt sich im Bewußtsein , in einem Bewußtsein , das selbst geistig ist , in einem solchen Bewußtsein , für welches nur der Geist seyn kann . – Das Erste sind diese zwei , die Erhebung des Menschen zu Gott , das Bewußtsein , welches Gottes , des Geistes bewußt ist , der Geist der sich im Bewußtseyn realisirt . Diese 2 Seiten sind in Beziehung auf einander . – Das Erste in der Idee ist ihre Beziehung , – das worin sie identisch sind , – nicht das Gemeinsame , die oberflächliche Allgemeinheit , daß wir Mehreres mit einander vergleichen , sondern die innre Einheit beider . – Dieses Erste ist die substanzielle Einheit , das Allgemeine an und für sich , das rein Geistige , ohne weitere Bestimmung . Das Zweite zu diesem ersten Allgemeinen ist erst , das eigentlich Verhältniß genannt wird , – Auseinandertreten dieser Einheit . Da haben wir subjektives Bewußtsein , für welches ist , welches sich bezieht auf | dieß an und für sich Allgemeine , was Erhebung des Menschen erst zu Gott genannt werden kann , weil Mensch und Gott in Beziehung sind als Unterschiedne . Da tritt erst ein , was eigentlich Religion heißt . Diese Beziehung ist nach ihren besondren Bestim­ mungen zu betrachten . Diese sind  : G e f ü h l  . zum Gefühl ist die Gewißheit überhaupt der G l a u b e zu rechnen . Vo r s t e l l u n g D e n k e n a l s s o l c h e s  , Form des Denkens . – Indem wir überhaupt über Religion filosofiren , denken wir die Religion . In diesem religiösen Denken haben wir insbesondre nur zu handeln von dem , was ein verständiges Denken ist . Dieses verständige Denken zeigt sich in dem , was sonst Beweise vom Dasein Gottes ­h ießen . Der Sinn dieses Beweisens ist hier zu betrachten . – Diese Beweise sind heutiges Tages in Verfall , Verachtung gekommen  : man ist darüber hinaus . – Diese Beweise , die viele 1000 Jahre Autorität gehabt , verdienen schon deswegen näher betrachtet zu werden . – Wenn wir finden , daß sie Mängel haben , werden wir andrerseits sehen , was das Wahrhafte ist in dem Gange , den sie ausdrücken , – daß sie eben zeigen den Gang der Erhebung des Menschen zu Gott  ; nur daß dieser Gang getrübt ist durch die Verstandesform . – Wir haben die Vernunftform im Gegensatz gegen die Verstandesform zu betrachten  : was dieser fehlt , um auszudrücken , was in jedem menschlichen Geiste vorgeht , – wenn er an Gott 23 D e n k e n a l s s o l c h e s  , Form des Denkens .] Hu  : Denken als solches . Hier ist es dass wir näher zu untersuchen haben in wiefern die Religion ihren Sitz im Gefühle hat , dann in der Vorstellung dann im Denken .  

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denkt . – Enthält sein Geist diese Momente , die in diesem Gange ausgedrückt sind , so ist das zweite , das Verhältniß des Subjekts als fühlendes , vorstellendes , denkendes . – Die Religion ist für alle Menschen , ist nicht Filosofie , die nicht für alle Menschen ist . – Religion ist die Art und Weise , wie alle Menschen der Wahrheit bewußt werden . In dieser allgemeinen Weise , wie an die Menschen die Wahrheit kommt , sind die Formen der Religion zu betrachten . Das E r s t e ist also der Geist überhaupt , absolute Einheit  ; das Zw e i t e das Verhältniß des Subjekts zum Gegenstand , zu Gott , (noch nicht zu einem bestimmten Gott , Gott mit bestimmtem Inhalt , besonders bestimmte Empfindungen , Vorstellungen , Denken  ; sondern Gefühl , Vorstellung , Denken überhaupt) . Das D r i t t e ist das Aufheben dieses Gegensatzes , dieser Trennung , Entfernung des Subjekts von Gott , die Bewirkung , daß der Mensch Gott in sich fühlt , und weiß , daß er sich als dieses Subjekt zu Gott erhebt , sich die Gewißheit , den Genuß , die Freude giebt , Gott in seinem Herzen zu haben , mit Gott vereint , von Gott zu Gnaden angenommen zu seyn . – Dieß ist der K u l t u s  . Der Kultus ist nicht nur Verhältniß , Wissen , sondern Thun , Handeln , sich die Vergewisserung zu geben , daß der Mensch von Gott aufgenommen , zu Gnaden angenommen ist . – Die einfache Form des Kultus , der innre Kultus , ist die Andacht , dieß Mystische , unio mystica . – Der z we i t e T h e i l betrachtet die b e s t i m m t e Re l i g i o n  . Aus dem BegriV muß zur Bestimmheit fortgegangen werden . – Der BegriV als solcher ist der noch eingehüllte , worin die Bestimmungen , Momente enthalten , aber noch nicht ausgelegt sind , das Recht ihres Unterschieds noch nicht erhalten haben . Das ist das Ur ­t h e i l  . Gott , der BegriV , u r ­t h e i l t   : Das ist die Kategorie der Bestimmung . Da haben wir erst existirende Religion , zugleich bestimmt existirende Religion . – Der Geist ist überhaupt nicht unmittelbar , in Weise der Unmittelbarkeit  ; er ist lebendig , thätig , das , wozu er sich macht , hervorbringt . – Der Stein ist unmittelbar , ist fertig . Schon das Lebendige ist diese Thätigkeit  : der Keim der Pflanze ist noch nicht fertig , wie sie da ist  : ihre erste Existenz ist diese schwache des Keims  ; sie muß sich entwickeln , erst hervorbringen . Zuletzt resumirt sich die Pflanze in ihrer Entfaltung in den Samen  : Dieser Anfang der Pflanze ist auch ihr letztes Produkt . Ebenso ist der Mensch zuerst Kind , und durchläuft als Natürliches diesen Kreis , ein Andres zu erzeugen . – Bei der Pflanze sind es zweierlei Individuen  : dieses Samenkorn , das anfängt , ist ein Andres , als das , das die Vollendung seines Lebens ist , in welches diese Entfaltung reift . Der Geist aber 2–3 das Verhältniß … denkendes] Hu  : Die realisirung des Geistes im Bewustseyn .   14–15 von Gott zu Gnaden angenommen zu seyn .] Hu  : zu Gnade Gottes zu gelangen wie man dies in der Theologischen Sprache sagt  

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ist eben dieß , weil er lebendig überhaupt ist , nur an sich , oder in seinem BegriV zuerst zu seyn , – dann in die Existenz zu treten , sich zu entfalten , hervorzubringen , reif zu werden , den | BegriV seiner selbst hervorzubringen , was er an sich ist , so , daß das , was an sich ist , sein BegriV für sich selbst sei . – Das Kind ist noch kein vernünftiger Mensch , hat Anlage nur , ist erst nur Vernunft , Geist an sich  ; durch seine Bildung , Entwicklung ist es erst Geist . Das E r s t e ist der BegriV überhaupt , – das Zwe i t e  , sich zu bestimmen , in Existenz zu treten , für Andres zu seyn , seine Momente in Unterschied zu bringen und sich auszulegen . Diese Unterschiede sind keine andern Bestimmungen , als die sein BegriV selbst in sich enthält . Das giebt die bestimmten Religionen , die ethnischen Religionen . – Die verschiedenen Formen , Bestimmungen der Religion sind e i n e r s e i t s Momente der Religion überhaupt oder der vollendeten Religion  ; sie sind so Zustände , Inhaltsbestimmungen , Momente in Empfindung , Bewußtsein der vollendeten Religion . Aber sie haben diese Gestalt , daß die Religion in der Zeit und geschichtlich sich entwickelt . – Die Religion , sofern sie bestimmt ist , und den Kreis ihrer Bestimmtheit noch nicht durchlaufen hat , daß sie endliche Religion ist , als endliche existirt , – ist h i s t o r i s c h e Religion , eine besondre Gestalt der Religion . Indem im Stufengange , in der Entwicklung der Religion die Hauptmomente gezeigt werden , wie diese Stufen auch historisch existirten , – bildet das eine Reihe von Gestaltungen , eine Geschichte der Religion . – Der Geist ist seinem BegriVe nach an sich , entwickelt sich , tritt in Daseyn , Existenz , Veränderung . Der BegriV ist , sich zu verändern  : Damit tritt er in die Zeit . – Insofern ist diese Reihe von Bestimmungen der Religion die Reihe endlicher Religionen , der historischen Gestaltungen der Religion . – Das D r i t t e ist , daß der Geist , der an und für sich ist , in seiner Entfaltung nicht mehr einzelne Formen , Bestimmungen seiner vor sich hat , von sich nicht mehr weiß als endlichem Geist , als Geist in irgend einer Bestimmtheit , Beschränktheit , – daß er jene Beschränkungen , diese Endlichkeit überwunden hat , für sich ist , wie er an sich ist . – Dieses Wissen des Geistes , wie er an sich ist , ist das An und fürsichseyn des Geistes , die vollendete , absolute Religion , in der es oVen­bar ist , was der Geist , Gott , ist – und dieß ist dann die christliche Religion . Daß der Geist , wie in Allem , so in der Religion seine Erziehung durchlaufen muß , dieß ist im BegriV des Geistes nothwendig  : er ist nur dadurch Geist , daß er für sich ist , ist die Negazion aller endlichen Formen , diese absolute Idealität . – Ich habe Vorstellungen , Anschauungen  : das ist ein gewisser Inhalt , – dieß Haus et . c . Sie sind meine Anschauungen , stellen sich mir vor . Ich könnte sie mir aber nicht vorstellen , wenn ich diesen Inhalt nicht in mich faßte  ; dieser ganze Inhalt muß auf einfache ideelle Weise in mich gesetzt seyn . – Idealität heißt , daß dieß äußerliche Seyn , Räumlichkeit , Zeitlichkeit , Materiatur , Außereinander , aufgehoben ist  :

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indem ich es weiß , sind es nicht außereinander seiende Vorstellungen , sondern auf einfache Weise in mir . – Der Geist ist Wissen . Daß er sei das Wissen , muß der Inhalt dessen , was er weiß , diese ideelle Form erlangt haben , – es muß auf diese Weise negirt worden seyn , was er ist , muß auf solche Weise das Seinige geworden , er muß erzogen seyn , | diesen Kreislauf durchgemacht haben . – Diese Formen , Unterschiede , Bestimmungen , Endlichkeiten müssen gewesen seyn , daß er sie zu dem Seinigen mache , daß er sie negire , daß , was er an sich ist , ihm gegenständlich , aus ihm herausgetreten sei , aber zugleich das Seinige . Das ist der Weg und das Ziel , daß der Geist seinen eigenen BegriV , den BegriV von ihm selbst , das , was er an sich ist , erreicht habe , – und er erreicht es nur auf diese Weise , die in ihren abstrakten Momenten angedeutet worden . – Die ge­oVen­barte Religion ist also zu ihrer Zeit gekommen . Das ist nicht eine zufällige Zeit , ein Belieben , Einfall , sondern im wesentlichen , ewigen Rath­schluß ­Gottes gegründet , d . h . eine in der ewigen Vernunft , Weisheit Gottes bestimmte Zeit , – und nicht auf zufällige Weise bestimmt , sondern es ist BegriV der Sache , göttlicher BegriV , BegriV Gottes selbst . – |

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anonyme nachschrift königsberg · 1827 I .  T h e i l d e r R e l i g i o n s f i l o s o f i e  . oder  : D e r B e g r i f f d e r R e l i g i o n  .

In Ansehung des Anfangs , den wir zu machen haben , ist die Frage  : wie haben wir einen Anfang zu gewinnen ? – Es ist eine wenigstens formelle Forderung aller Wissenschaft , besonders der Filosofie , daß in einer Wissenschaft Nichts vorkomme , was nicht bewiesen sei . – Wenn man anfängt , hat man noch nicht bewiesen . Beweisen im oberflächlichen Sinne heißt , daß ein Inhalt , Satz , BegriV aufgezeigt werde , als resultirend aus etwas Vorhergehendem . Das gehört zur Nothwendigkeit . – Aber , wenn angefangen werden soll , ist man noch nicht bei etwas Resultirendem , bei einem Vermittelten , durch Anderes Gesetzten . Beim Anfang ist man beim Unmittelbaren . – Die anderen Wissenschaften haben dieß in ihrer Art bequem  ; in der Geometrie wird angefangen  : es giebt einen Raum , einen Punkt . Vom Beweisen ist da nicht die Rede . Das giebt man unmittelbar zu . – In der Filosofie ist es nicht erlaubt , einen Anfang zu machen mit  : »es giebt , es sind .« »Sind« ist das Unmittelbare . Es kann dieß eine Schwierigkeit ausmachen in Ansehung der Filosofie überhaupt . – Aber wir fangen hier nicht von Vorne an in der Filosofie  : Die Religionswissenschaft ist eine und zwar die letzte Wissenschaft in der Filosofie , – setzt insofern die anderen filosofischen Disziplinen voraus , ist also Resultat . Nach der filosofischen Seite sind wir hier bereits bei einem Resultat von Vordersätzen , die hinter unserm Rücken liegen . Zur Aushilfe können wir uns jedoch wenden an unser gewöhnliches Bewußtsein . Der anfängliche Inhalt , Grundlage der Religionsfilosofie ist Resultat  ; – das ist ein Lemma , Lehnsatz , daß der Inhalt , mit dem wir anfangen , wahrhafter Inhalt ist . Aber in Ansehung dieses anfänglichen Inhalts kann man sich auch auf das allgemeine Bewußtsein berufen , und einen Anfang machen , der wenigstens empirisch allgemeingiltig ist . – Was in der Wissenschaft gelten soll , das muß ein Erwiesenes seyn , ein Zugegebenes ist , was man auf subjektive Weise voraussetzt , und so von ihm den Anfang machen kann . – Der Anfang der Religion , näher , sein Inhalt ist der BegriV der Religion selbst  : daß Gott die absolute Wahrheit , die Wahrheit von Allem , und daß die Religion allein das absolut wahre Wissen ist . – Was Gott ist , ist für uns , die Religion haben , ein Bekanntes , ein Inhalt , der im subjektiven Bewußtsein vorausgesetzt werden kann . – Wissenschaftlich ist zunächst Gott ein allgemeiner abstrakter Name , der noch keinen wahrhaften Gehalt bekommen hat  : Denn die Religionsfilosofie ist erst die Entwicklung , Erkenntniß dessen , was Gott ist , wodurch man erst auf 22 Bewußtsein] Hu ergänzt  : die Wahrheit wird sich im Fortgange selbst zeigen  

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erkennende Weise erfährt , was Gott ist . – Gott ist diese sehr wohl ­b e kannte Vorstellung , aber eine wissenschaftlich noch nicht entwickelte , e r kannte Vorstellung . – Daß das , was wir überhaupt Gott heißen , Gott in unbestimmten Sinne die Wahrheit ist von Allem , ist Resultat der Filosofie . Die Filosofie betrachtet nach unsrer Eintheilung zuerst das Logische , reines Denken , das sich entschließt zur Natur , entschließt als Natur äußerlich zu seyn . Das Dritte ist der Geist , der in Beziehung auf die Natur ist , der endliche Geist , und der Gang der Filosofie führt darauf , daß von allem diesem das letzte Resultat – Gott ist . Das ist dann der Beweis , daß Gott ist , d . i . daß dieß an und für sich Allgemeine , Alles Befassende , Enthaltende , das , wodurch Alles nur ist , Bestehen hat , – daß dieß die Wahrheit ist . Dieses Eine ist Resultat der Filosofie . | Man kann die schiefe Vorstellung haben , als ob Gott so vorgestellt werde als Resultat  ; hat man nähere Kenntniß , so weiß man , daß das Resultat den Sinn hat , absolute Wahrheit zu seyn . Darin liegt , daß dieß , was als Resultat erscheint , eben weil es die absolute Wahrheit ist , aufhört Resultirendes zu seyn  ; daß diese Stellung , wodurch das Resultirende vom Andern herkomme , eben so aufgehoben , vernichtet ist . – »Gott ist das ­absolut Wahre« – ist eben so sehr dieß , daß das absolut Wahre , sofern es das Letzte , eben so sehr das Erste ist  ; – aber es ist nur das Wahre , sofern es nicht nur Anfang , sondern auch Ende , Resultat ist , sofern es aus sich selbst resultirt . – Dieß ist im Allgemeinen auch vom BegriV des Geistes angegeben worden . – An dieser Stelle ist es Versicherung , daß dieß Resultat der Filosofie ist . – In Ansehung dieser Versicherung kann man sich auf das religiöse Bewußtsein berufen . Dieses hat die Überzeugung , daß Gott das absolut Wahre überhaupt ist , von dem Alles ausgeht , und in das Alles zurückgeht , von dem Alles abhängig ist  ; – daß sonst Anderes nicht absolute , wahrhafte Selbständigkeit hat , als nur dieß . Das ist nun der Inhalt des Anfangs . Dieser Anfang ist wissenschaftlich noch abstrakt  : so voll die Brust von dieser Vorstellung seyn kann , so ist es im Wissenschaftlichen nicht darum zu thun , was in der Brust , sondern um das , was herausgesetzt ist als Gegenstand für das Bewußtsein , näher , für das denkende Bewußtsein , was die Form des Gedankens erlangt hat . Dieser Fülle die Form des Gedankens , BegriVs zu geben , ist das Geschäft unsrer Wissenschaft .  – Das ist der Anfang  ; dieser Anfang ist abstrakt als der erste Inhalt  : – so hat diese Allgemeinheit gleichsam eine subjektive Stellung , hat die Stellung , als ob das Allgemeine nur für den Anfang so allgemein wäre , und nicht in dieser Allgemeinheit bliebe . Der Anfang des Inhalts ist selbst so aufzufassen , daß bei allen weiteren Entwickelungen dieses Inhalts , indem dieß Allgemeine als ein absolut Konkretes , Inhaltsvolles , Reiches sich zeigen wird , – wir zugleich aus dieser Allgemeinheit nicht heraustreten , so daß diese Allgemeinheit , die wir der Form nach einerseits

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verlassen , indem sie zu einer bestimmten Entwicklung fortgeht , sich doch als absolute , dauernde Grundlage erhält , nicht bloß subjektiver Anfang ist . – Gott ist für uns , indem er das Allgemeine ist , in Beziehung auf die Entwicklung , das in sich Verschlossene , in absoluter Einheit mit sich selbst . – Wenn wir sagen  : Gott ist das Verschlossene , so ist das ausgedrückt in Beziehung auf eine Entwicklung , die wir erwarten  ; aber diese Verschlossenheit , was Allgemeinheit Gottes genannt worden , ist in dieser Beziehung auf Gott selbst , auf den Inhalt selbst nicht zu fassen als eine abstrakte Allgemeinheit , außerhalb welcher das Besondere , gegen welche das Besondere noch selbstständig wäre . – Gott ist das Verschlossene  : so scheint das Besondere verschieden von diesem Allgemeinen  ; aber dieß ist so zu fassen , daß die Entwicklung nicht aus dieser Allgemeinheit heraustritt  ; – so ist diese Allgemeinheit als die absolut volle , erfüllte zu fassen . – Gott als dieses Allgemeine , das in sich Konkrete , Volle , ist dieß , daß Gott nur Einer ist , und nicht im Gegensatz gegen viele Götter , sondern es ist nur das Eine , Gott . – Die Dinge , Entwicklungen der natürlichen und geistigen Welt sind manch­ fache Gestaltungen , unendlich vielgeformtes Dasein  : sie haben ein Seyn von unterschiedenem Grad , Kraft , Stärke , Inhalt  ; aber das Seyn aller dieser Dinge ist ein solches , das nicht | selbständig , sondern schlechthin nur ein Getragenes , Gesetztes ist , nicht wahrhafte Selbständigkeit . – Wenn wir den besonderen Dingen ein Seyn zuschreiben , so ist das nur ein geliehenes Seyn , nur der Schein eines Seyns , nicht das absolut selbständige Seyn , das Gott ist . Gott in seiner Allgemeinheit , dieß Allgemeine , in welchem keine Schranke , Endlichkeit , Besonderheit ist , ist das absolute Bestehen und allein das Bestehen , und was besteht , hat seine Wurzel , sein Bestehen nur in diesem Einen . – Wenn wir diesen ersten Inhalt so auffassen , so können wir uns ausdrücken  : »Gott i s t d i e a b s o l u t e S u b s t a n z  , die allein wahrhafte Wirklichkeit . Alles Andre , was wirklich ist , ist nicht für sich wirklich , hat kein Bestehn für sich  ; die einzige absolute Wirklichkeit ist allein Gott . So ist er die absolute Substanz . – Wie sich die Substanz verhält zur Subjektivität , davon später . – »Gott ist die absolute Substanz ,« – hält man das abstrakt so fest , so ist es aller­ dings Spinozismus . – Die Substanzialität , die Substanz als solche , ist noch gar nicht unterschieden von der Subjektivität . Aber es gehört zu der gemachten Voraussetzung  : Gott ist der Geist , der absolute Geist , der ewig einfache , wesentlich bei sich seiende Geist . Diese Idealität , Subjektivität des Geistes , welche Durchsichtigkeit , Idealität von allem Besonderen ist , ist eben so diese Allgemeinheit , diese reine Beziehung auf sich selbst , das absolute Bei-sich-selbst-Seyn und Bleiben , die absolute Substanz . – Das ist auch absolute Substanz  ; aber , wenn wir 31 Spinozismus] Hu  : Spinozismus Pantheismus  

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sagen  : »Substanz« , so liegt darin daß dieß Allgemeine noch nicht gefaßt ist als konkret in sich , so ist es Geist  ; dieser bleibt auch in seiner konkreten Bestimmung in sich diese Einheit mit sich , diese Eine Wirklichkeit , welche wir so eben Substanz hießen . – Eine weitere Bestimmung ist , daß die Substanzialität , die Einheit der absoluten Wirklichkeit mit sich selbst , nur Grundlage , e i n Moment in der Bestimmung Gottes , als Geistes ist . – Die Verunglimpfung der Filosofie geht vornehmlich von dieser Seite aus . Man sagt  : Die Filosofie müsse Spinozismus seyn , wenn sie konsequent sei  ; sonst sei sie Atheismus , Fatalismus . Das ist dieser Inhalt des Anfangs  : darin liegt , daß wir nur erst bei dieser Fülle , diesem Konkreten sind , insofern es noch ganz allgemein ist . Erst wenn man weiter geht , da kommt die Bestimmung , das Konkrete , d . i . Einheit unterschiedener Bestimmungen . Aber beim Anfang hat man noch nicht unterschiedene Bestimmungen , Etwas und ein Andres  : beim Anfang ist man nur beim Einen , nicht beim Andern . – Sprechen wir vom Anfang , so haben wir diese Eine Wirklichkeit als die sich auf sich beziehende , nicht auf Andres , noch nicht Fortgang , noch nicht Konkretes  : also auch der Inhalt in Form der Substanzialität . – Auch wenn wir sagen  : »Gott , Geist« , so sind das unbestimmte Worte , Vorstellungen . Es kommt darauf an , was in’s Bewußtsein getreten ist  : im Anfange tritt das Einfache , das Abstrakte in’s Bewußtsein . In dieser ersten Einfachheit haben wir Gott als Substanz , bei der wir aber nicht bleiben . – Das ist die Form des Inhalts im Anfange , und dieser Inhalt bleibt die Grundlage  : in aller Entwicklung tritt Gott nicht aus seiner Einheit mit sich selbst heraus . Indem er , wie man gewöhnlich sagt , die Welt erschaVt , entsteht nicht ein Böses , Anderes , das selbständig , unabhängig wäre  ; Gott bleibt das Eine , die Eine wahrhafte Wirklichkeit , das Eine Prinzip bleibt durch alle Besonderheit hindurch . – Diesen Anfang sprechen wir so aus als Inhalt , Gegenstand . Dieß ist Gegenstand für uns , oder Inhalt in uns , wir haben diesen Gegenstand  ; – so ist die unmittelbare Frage  : Wer sind w i r ? Wir , ich , der Geist ist selbst ein sehr Konkretes , Manchfaches  : ich bin anschauend , sehe , höre u . s . w . Alles das bin i c h  , dieß Fühlen , Sehen pp . Der nähere Sinn dieser Frage ist also  : Das i s t Gegenstand in uns , Gegenstand für uns  : – nach welcher jener Bestimmungen ist dieser Inhalt für unsere Sinne , Vorstellung , Wille , Fantasie , Gefühl ? – welches ist der Ort , wo dieser | Inhalt , Gegenstand zu Hause ist ? welches ist der Boden dieses Gehalts ? – Wenn man sich an die Gäng und Gäben Antworten erinnert in dieser Rücksicht , so ist Gott in uns als glaubend , fühlend , vorstellend , wissend . – Diese Formen , Vermögen , Seiten von uns , Gefühl , Vorstellung , Glaube , haben wir nachher näher zu betrachten , besonders in Beziehung auf selbst diesen Punkt , von dem hier die Rede ist . – Wir sehen uns nicht um nach irgend einer Antwort , irgend einer Art , – richten uns nicht nach Erfahrungen , Beobachtungen , daß wir Gott

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im Gefühl et . c . haben  ; zunächst halten wir uns an das , was wir vor uns haben , dieses Eine , Allgemeine , diese Fülle , die dieser sich selbst gleich bleibende durchsichtige Äther ist . Nehmen wir dieß eine vor uns  : für welches unsrer Vermögen , Thätigkeiten des Geistes ist dieß Eine , schlechthin Allgemeine , so können wir nur die entsprechende Thätigkeit , Weise unsres Geistes nennen als den Boden , woauf dieser Inhalt zu Hause seyn kann . Wenn wir nun uns fragen  : wie heißen wir diese Seite unsres Bewußtseyns , für welche das Allgemeine überhaupt ist , es mag abstrakt oder konkret in sich bestimmt seyn ? – Das ist das D e n k e n  . Denken ist der Boden allein dieses Inhalts , die Thätigkeit des Allgemeinen , – das Allgemeine in seiner Thätigkeit , Wirksamkeit  ; oder sprechen wir es aus als Auffassen des Allgemeinen , – so ist das , für welches das Allgemeine ist , immer das Denken . – Das Produkt des Denkens , das , was das Denken erzeugt , ist ein Allgemeines , allgemeiner Inhalt . Die Form , das , was in uns dieß Allgemeine auffaßt , ist eben so das Denken . Dieß Allgemeine , was vom Denken produzirt werden kann , was für das Denken ist , kann ganz abstrakt seyn  : So ist es das Unermeßliche , Unendliche , das Aufheben aller Schranke , Besonderheit  ; dieß negative Allgemeine hat seinen Sitz nur im Denken . – Wenn der Mensch an Gott denkt , so sprechen wir dabei diesen Gang auch aus , daß der Mensch über das Sinnliche , Äußerliche , Einzelne sich erhebt  ; es wird eine Erhebung ausgesprochen zum Reinen , mit sich Einigen  : diese Erhebung ist Hinausgehen über das Sinnliche , das bloße Gefühl , in die reine Region , und die Region des Allgemeinen ist das Denken . – Dieß ist der Inhalt des Anfangs und dieß nach subjektiver Weise der Boden für diesen Inhalt . – Der Inhalt ist dieß absolut Scheidungslose , Ununterbrochne , Bei-sich-selbstbleibende , das Allgemeine , und das Denken ist die Weise für welches dieß Allgemeine ist . So haben wir einen Unterschied zwischen dem Denken und dem Allgemeinen , das wir zunächst Gott nannten  ; es ist ein Unterschied , der zunächst unsrer Reflexion zukommt , der für sich im Inhalte noch ganz und gar nicht enthalten ist . Es ist Resultat der Filosofie , Glaube der Religion , daß Gott die Eine wahrhafte Wirklichkeit ist , sonst gar keine  : da hat so eine Wirklichkeit , die wir Denken nennen , auf diesem Standpunkt eigentlich noch keinen Platz . – Was wir vor uns haben , ist dieß Eine Absolute  : diesen Inhalt , diese Bestimmung können wir noch nicht Religion nennen  : dazu gehört subjektiver Geist ,

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16–18 So ist … Denken .] Hu , ähnlich Bo  : alle Besonderheiten aufhebend . Der Mensch hat Religion insofern er denkt . Es ist ein allgemeines (Bo  : altes) Vor­u rtheil dass die Thiere Gefühl haben aber 35 dass nur der Mensch allein denkt (Bo  : und er nur Religion hat) . Aus diesem ist zu schliessen dass die Religion ihren (Hu  : innersten Bo  : ursprünglichen) Sitz im Denken hat . Die Religion kann zwar in Gefühl und Anschauung | gesetzt werden seynen absoluten Boden hat sie doch im Denken .  



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Bewußtseyn . Das Denken ist der Ort dieses Allgemeinen , aber dieser Ort ist zunächst absorbirt in diesem Einen , Ewigen , an und für sich seienden . In dieser wahrhaften , absoluten Bestimmung , die noch nicht entwickelt , vollendet ist , bleibt Gott bei aller Entwicklung absolute Substanz . – Dieß Allgemeine ist der Anfangspunkt und Ausgangspunkt  ; aber schlechthin diese bleibende Einheit , nicht ein bloßer Boden , aus dem Unterschiede erwachsen , sondern alle Unterschiede bleiben eingeschlossen in dieses Allgemeine . Dieß Allgemeine ist aber auch nicht ein träges , abstrakt Allgemeines , sondern der absolute Schooß , unendliche Quellpunkt , aus dem alles hervor- und in den Alles zurückgeht , und ewig darin behalten ist . – In dieser Bestimmung ist Gott zunächst die Substanz . Diese Vorstellung , daß Gott ist dieß Seyende , Bei-sich-bleibende , die Eine Wahrheit , absolute Wirklichkeit , – hat man mit dem Namen des Pantheismus bezeichnen wollen  ;  – ferner sagt man  : Identitätsfilosofie sei näher Pantheismus . | Identität ist Alles , Einheit mit sich  ; diese Identität kann ganz oberflächlich seyn  ; und wenn von spekulativer Filosofie gesagt wird , sie sei Identitätssystem , so wird Identität in abstraktem Verstandessinne genommen . Richtiger würde jene Vorstellung statt »Pantheismus« Vorstellung der Substanzialität genannt . Gott ist da zunächst nur als Substanz bestimmt  ; das absolute Subjekt , der Geist , bleibt auch Substanz  ; aber er ist nicht nur Substanz , sondern in sich auch als Subjekt bestimmt . – Von diesem Unterschiede wissen d i e gewöhnlich nichts , die sagen  : spekulative Filosofie sei Pantheismus  ; sie übersehen die Hauptsache , wie immer . – Pantheismus heißt im eigentlichen Sinne , daß Alles , das All , Universum , dieser Komplex von allem Existirenden , diese unendlich vielen endlichen Dinge seien Gott , – und diese Beschuldigung wird der Filosofie gemacht , sie behaupte  : Alles sei Gott  ; d . h . diese unendliche Mannigfaltigkeit der einzelnen Dinge , nicht die an und für sich seiende Allgemeinheit , sondern die einzelnen Dinge in ihrer ­empirischen Existenz , wie sie unmittelbar sind . – Sagt man  : Gott ist d i e ß Alles , dieß Papier p . , so ist es Pantheismus , Alles , alle einzelnen Dinge . – Wenn ich sage  : Gattung , – so ist es auch eine Allgemeinheit  ; aber eine ganz andre , als Allheit  ; das Allgemeine , als Zusammenfassen aller einzelnen Existenzen , daß das Seiende , das zu Grunde liegende , der eigentliche Inhalt sind alle einzelnen Dinge . – Dieß Faktum , daß in irgend einer Religion solch ein Pantheismus da gewesen , ist ganz falsch  ; – es ist nie einem Menschen eingefallen zu sagen  : Alles ist Gott d . h . die Dinge in ihrer Einzelnheit , Zufälligkeit  ; – viel weniger ist das in irgend einer Filosofie je behauptet worden . – Den orientalischen Pantheismus , 23 Pantheismus heißt im eigentlichen Sinne] Hu , ähnlich Bo  : Fromme Leute sagen gewöhnlich von der Philosophie dass sie Pantheismus ist . Pantheismus heisst bey ihnen  

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oder richtiger , Spinozismus , werden wir später in der bestimmten Religion kennen lernen . Der Spinozismus selbst als solcher und auch der orientalische Spinozismus enthält , daß in Allem das Göttliche nur sei das Allgemeine eines Inhalts , das Wesen der Dinge , – so daß dieß aber auch vorgestellt wird als das bestimmte Wesen der Dinge . Wenn Brahma sagt  : Ich bin der Glanz , das Leuchtende in den Metallen , der Ganges unter den Flüssen , das Leben im Lebendigen et . c . so ist damit aufgehoben das Einzelne . Brahma sagt nicht  : Ich bin das Metall , die Flüsse , die einzelnen Dinge jeder Art als solche , wie sie unmittelbar existiren . Der Glanz ist nicht das Metall selbst , sondern das Allgemeine , Substanzielle herausgehoben aus dem Einzelnen , nicht mehr das πᾶν , Alles als Einzelnes . – Da ist schon nicht mehr gesagt , was Pantheismus heißt , sondern es ist gesagt  : das Wesen in solchen einzelnen Dingen . Zum Lebendigen gehört Zeitlichkeit , Räumlichkeit  ; es ist aber nur herausgehoben das Unvergängliche an dieser Einzelnheit . | Wird aber gesagt  : Alles ist Gott , so wird die Einzelnheit genommen nach allen ihren Schranken , Endlichkeit , Vergänglichkeit . – »Das Leben des Lebendigen« ist in dieser Sphäre des Lebens , das Unbeschränkte , Allgemeine . – Diese Vorstellung von Pantheismus kommt davon her , daß man die abstrakte , nicht die geistige Einheit heraushebt , – und 2 .) in einer religiösen Vorstellung , wo nur die Substanz , das Eine , als wahrhafte Wirklichkeit gilt , vergessen Jene , – daß eben gegen dieß Eine die einzelnen endlichen Dinge verschwunden sind , ihnen keine Wirklichkeit zugeschrieben wird , sondern man behält diese noch bei . – So sagten die Eleaten  : »Es ist nur das Eine« , und fügen ausdrücklich hinzu  : »und das Nichts ist gar nicht .« Alles Endliche würde Beschränkung , Negazion des Einen seyn  ; aber sie sagen  : das Nichts , die Beschränkung Endlichkeit , Grenze und das Begrenzte ist gar nicht . – Man hat dem Spinozismus Atheismus vorgeworfen  ; aber die Welt , dieß Alles , ist gar nicht im Spinozismus  ; – das erscheint wohl , man spricht von seinem Dasein , und unser Leben ist , in dieser Existenz zu seyn . – Im filosofischen Sinne aber hat die Welt gar keine Wirklichkeit , ist gar

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5 Brahma] Hu , ähnlich An  : Chrischna , Wischnu , Brama von sich selbst   6 Metallen] Bo , ähnlich 30 HuAn  : Metallen , der Verstand des Verständigen   7 das Einzelne] Bo  : das Alles   8 Glanz] Hu  : Glanz , Ganges Verstand des Verständigen   12 Dingen .] Bo  : Dingen und das ist gar nicht alles , es ist nur herausgehoben das unvergängliche an diesen Einzelheiten .   13–20 Zum Lebendigen … gilt ,] Bo  : In der Philosophie oder der religiösen Vorstellung wo nur das eine als die wahrhafte Wirklichkeit gilt , bey so einer Vorstellung   14 an dieser Einzelnheit] Hu  : aus dem einzelnen . | 35 Das Factum ist also falsch dass ein solcher Pantheismus je Statt gefunden hätte dass alles nach seynen Einzelheiten und Endlichkeiten Gott sey .   26–29,3 Man hat … Konsequenz  ;] Bo  : wenn also auf einer solchen philosophischen Bestimmung stehen geblieben wird so werden die endlichen Dinge gar keine Wirklichkeit haben . Spinozismus ist nicht Atheismus sondern Ακοσμισμος , das All erscheint wohl in seinem Daseyn aber im philosophischen Sinne hat diese Welt gar keine Wirklichkeit 40



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nicht . Diesen Einzelnheiten wird zugeschrieben keine Wirklichkeit  ; es sind Endlichkeiten , und von diesen wird gesagt , sie seien gar nicht . – Der Spinozismus , – ist die allgemeine Beschuldigung , – sei diese Konsequenz  ; wenn Alles Eins ist , so behaupte solche Filosofie  : Das Gute sei Eins mit dem Bösen , es sei kein Unterschied zwischen Gutem und Bösem , – und damit sei alle Religion aufgehoben .  – Man sagt , es gelte an sich der Unterschied des Guten und Bösen nicht  : Damit sei es gleichgiltig , ob man gut oder böse sei . – Es kann zugegeben werden , daß der Unterschied von Gutem und Bösem an sich aufgehoben sei , d . h . in Gott , der einzigen wahren Wirklichkeit . In Gott ist kein Böses  ; der Unter­schied zwischen Gutem und Bösem ist nur , wenn Gott das Böse ist  ; man wird aber nicht zugeben , daß das Böse ein Affirmatives sei , und dieß Affirmative in Gott . Gott ist gut , und allein gut  : der Unterschied von Bösem und Gutem ist in diesem Einen , dieser Substanz nicht vorhanden  ; dieser tritt erst mit dem Unterschiede überhaupt ein . – Gott ist das Eine , absolut bei sich selbst bleibende  ; in der Substanz ist kein Unter­schied . Beim Unterschied Gottes von der Welt , ins Besondre vom Menschen , da tritt der Unterschied vom Guten und Bösen ein . Im Spinozismus ist in Rücksicht auf diesen Unterschied von Gott und Mensch Grundbestimmung , daß der Mensch Gott allein zu seinem Ziel haben muß . Da ist für den Unterschied , für den Menschen Gesetz die Liebe Gottes , auf diese Liebe zu Gott allein gerichtet zu seyn , nicht seinen Unterschied gelten machen , auf ihn beharren zu wollen , sondern allein seine Richtung auf Gott zu haben . Das ist die erhabenste Moral , daß das Böse das Nichtige ist , und der Mensch diesen Unterschied , diese Nichtigkeit nicht soll gelten lassen . – Der Mensch kann 1 .) auf diesen Unterschied beharren wollen , diesen Unterschied treiben zur ­Entgegensetzung gegen Gott , das an und für sich Allgemeine  : – so ist er böse . Aber 2 .) er kann seinen Unterschied für nichtig achten , seine Wesenheit nur setzen in Gott und seine Richtung auf Gott  : – so ist er gut . – Im Spinozismus tritt allerdings die Unterschiedenheit von Gutem und Bösem ein – Gott , und der Mensch gegenüber , – und tritt ein mit dieser Bestimmung ,

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30 aber eben diese die so vom Spinozismus reden können sich nicht davon reinigen und behalten das

endliche bey und sagen alles ist Gott . Da grade das Aggregat der Endlichkeiten die Welt da verschwunden ist . Schon der Ausdruck daß alles eins ist zeigt daß das alles nicht mehr ist denn eins […] . Das Verschwundenseyn dieses vielen ist das wessen sich die nicht bemächtigen können die so vom Pantheismus sprechen .  Hu  : Wenn man also nur bey diesem stehen bleiben wollte so wird 35 schon den endlichen Dingen diesen und diesen keine Wirklichkeit zugeschrieben . Diejenigen also die so gegen die Philosophie kämpfen , können nicht das einzelne endliche von Allem abstrahiren . Das Negative des Endlichen | ist der Gedanke den sie nicht in seyner Macht halten könne . – Man sagt dann   28–30,4 Im Spinozismus … Bösem .] Hu  : Es ist ein Unglück in Ansehung dieser Polemik gegen die Philosophie , denn die Philosophie muss selbst polemisch seyn , man muss um ant40 worten zu können von allen ersten Elementen anfangen .  

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daß das Böse für das Nichtige zu achten sei . In Gott als solchem , in Gott in dieser Bestimmung als Substanz ist der Unterschied nicht  ; aber für den Menschen ist dieser Unterschied . Da tritt Unterschiedenheit überhaupt ein , und näher der Unterschied zwischen Gutem und Bösem . Diese Oberflächlichkeit mit der gegen die Filosofie polemisirt wird , sagt auch , die Filosofie sei Identitätssystem . – Es ist ganz richtig  : Substanz ist diese Eine Identität mit sich , eben so der Geist . – Spricht man von Identitätsfilosofie , so bleibt man bei der abstrakten Identität , Einheit überhaupt , stehen , und sieht ab von dem , worauf es allein ankommt , von der Bestimmung | dieser Einheit in sich , ob sie als Substanz oder Geist bestimmt ist . – Die ganze Filosofie ist Studium der Bestimmung der Einheit  ; – eben so ist die Religionsfilosofie eine Reihenfolge von Einheiten , immer die Einheit , aber wo diese immer weiter bestimmt ist . Im Fysikalischen giebt es der Einheiten viele . Wasser , und Erde hineingebracht , das ist auch Einheit , aber eine Mengung . Wenn ich eine Basis und eine Säure habe , und Salz , Krystall daraus entsteht , habe ich auch Wasser darin , kann es aber nicht sehen . Da ist die Einheit des Wassers mit dieser Materie eine ganz anders bestimmte Einheit , als wenn ich Wasser und Erde vermenge . Die Haupt­ sache ist der Unterschied dieser Bestimmung . Die Einheit Gottes ist immer Einheit , aber es kommt ganz allein auf die Art und Weise der Bestimmung dieser Einheit an . Diese Bestimmung der Einheit wird übersehen , – so daß grade das übersehen ist , worauf es ankommt . – Das E r s t e ist diese göttliche Allgemeinheit , der Geist ganz in seiner unbestimmten Allgemeinheit , für welchen durchaus kein Unterschied ist . – Das Zweite nach dieser absoluten Grundlage , ist  : der Unterschied überhaupt , und erst mit dem Unterschied fängt R e l i g i o n als solche an . Dieser Unterschied ist ein g e i s t i g e r Unterschied , ist Bewußtsein . Das geistige allgemeine Verhältniß ist überhaupt das Wissen von diesem absoluten Inhalt , Grundlage . – Es ist hier der Ort nicht , die Erkenntniß dieses absoluten Ur­theils auseinander zu setzen . Der BegriV ur­theilt  ; das Allgemeine , der BegriV , geht in Ur­theil , Diremzion , Scheidung über . Wir können es hier als factum aussprechen  : – denn es ist eine der logischen Bestimmungen , und diese sind hier vorauszusetzen – daß diese absolute Allgemeinheit fortgeht zum Unterschied seiner in sich , zum Ur­theil , dazu sich als Bestimmtheit zu setzen . – So haben wir den Standpunkt , daß Gott – Gott in dieser Unbestimmtheit behauptet – Gegenstand des Bewußtseyns ist . Da haben wir erst zwei  : Gott und das Bewußtseyn , für welches er ist . Indem wir so diese zwei haben , kann in der Vorstellung vom Einen , wie vom Andern ausgegangen werden . 12 bestimmt ist .] Bo  : bestimmt wird , was aber in solchem oberflächlichen auffassen übersehen wird .  

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Das Ur­theil geht absolut von Gott aus , der Geist ist dieß Ur­theil , und es in konkreter Weise ausgesprochen , ist ErschaVung der Welt , des subjektiven Geistes , für welchen er ist . Der Geist ist absolutes Manifestiren  ; in dieser Bestimmung des Manifestirens ist Setzen , zu seyn fürAndres  ; Manifestiren heißt SchaVen eines Andern , des subjektiven Geistes , für welchen er ist . SchaVen , Schöpfung der Welt ist das Sich-Manifestiren , OVen­baren Gottes  ; in weitrer , spätrer Bestimmung werden wir diese Manifestazion in höherer Form haben  : daß , was Gott er­schaVt , Er selbst ist , überhaupt nicht die Bestimmtheit eines Andern hat , daß Er ist Manifestazion seiner selbst , daß Er für sich selbst ist  ; – das Andre , das den leeren Schein eines Andern hat , aber unmittelbar versöhnt ist , der Sohn Gottes , der Mensch nach dem göttlichen Ebenbilde , der Adam Kadmon . Hier haben wir das Subjekt als wissend , subjektiv wissenden Geist . Gott ist , oVen­bar zu seyn , und für den Geist , und das Sich-OVen­baren ist Erzeugen des Geistes zugleich . ErschaVen heißt nichts Andres , als daß Gott sich oVen­bart  .  – Daraus geht hervor , daß Gott gewußt , erkannt werden kann  : denn Gott ist dieß , sich zu oVen­baren  , oVen­bar zu seyn . – Diejenigen , welche sagen , daß Gott nicht oVen­bar sei , daß man von Gott Nichts wissen könne , sprechen ohnehin nicht aus der christlichen Religion heraus , denn die christliche Religion heißt die ge­ oVen­barte Religion . – | Ihr Inhalt ist , daß Gott den Menschen geoVenbart sei , daß sie wissen , was Gott ist . Vorher wußten sie es nicht  ; aber in der christlichen Religion ist kein Ge­heimniß mehr  ; allerdings ein Mysterium , aber nicht in dem Sinne , daß man es nicht wisse . Mysterium ist etwas Tiefes , bei den neuplatonischen Filosofen heißt es das Spekulative  ; dem verständigen Bewußtsein , der sinnlichen Erkenntniß ist es ein Geheimniß , – der Vernunft ist es ein OVenbares .  – Wenn es Ernst ist mit dem Namen Gottes , so ist Gott schon nach Plato und Aristoteles , nicht neidisch , daß er sich nicht mittheilte . Gott oVenbart sich , giebt sich zu erkennen . Es ist also dieß Wissen Verhältniß , und das ist von Gott aus das absolute Ur­theil , daß Er ist als Geist für den Geist . Der Geist ist wesentlich , für den Geist zu seyn , und ist nur Geist , sofern er für den Geist ist . – Gehen wir vom Menschen aus , indem wir das Subjekt voraussetzen , von uns anfangen , weil unser unmittelbares erstes Wissen von-uns sei , und fragen  : wie

11 der Adam Kadmon] Bo  : ist der zum Bewustseyn seiner selbst gekommene subjektive Geist   27–29 daß er … den Geist] Hu , ähnlich An  : bey den Atheniensern wurde der mit dem Tode bestraft 35 der bey seinem Lichte anderen Feuer nicht anzünden erlauben wollte , denn er verlirt doch dabey nichts . So eben verlirt auch Gott nichts wenn er sich oVenbart . Das Subieckt also hat Erkenntniss vom Geist   30 ist .] Hu schließt an  : So können wir uns das Verhältniss des Bewußtseyns zum Inhalte vorzustellen[ ! ] wenn wir vom Geiste ausgehen  

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kommen wir zu dieser Unterscheidung , zum Wissen von einem Gegenstande , und hier zum Wissen von Gott ? wie ist von uns aus dieß Ur­theil zu fassen ? so ist die Antwort im Allgemeinen schon gegeben  : »weil wir denkende sind . Gott ist das An und für sich , schlechthin Allgemeine , und das Denken hat , macht zu seinem Gegenstande das An und für sich Allgemeine .« Dieß ist die einfache Antwort , die noch viel in sich enthält , was weiterhin von uns zu betrachten ist . So sind wir auf dem Standpunkte des Bewußtseyns von Gott , und somit erst auf dem Standpunkte der Religion überhaupt . – Dieß Bewußtseyn , diesen Standpunkt haben wir jetzt näher zu betrachten , und wir haben zunächst damit anzufangen , den Inhalt dieses Verhältnisses aufzunehmen , und zu beschreiben , wie wir dieß Verhältniß vor uns finden , und die besonderen Formen dabei . – Diese Formen sind theils psychologischer Art , die auf die Seite des endlichen Geistes fallen , die wir aber hier vorzunehmen haben , insofern wir von der Re­ ligion handeln , als ganz konkreter Wissenschaft . .  – Das Allgemeine zunächst ist das B e w u ß t s e y n von Gott . Dieß B e w u ß t s e i n ist nicht nur Bewußtsein , sondern näher auch G e w i ß h e i t   : Die näheren Formen derselben sind G l a u b e n   ; diese Gewißheit , sofern sie im Glauben ist , daß dieß Wissen von Gott Gefühl und im Gefühl ist  ; – das betriVt die s u b ­ j e k t i ve Seite . – Das Zweite ist die o b j e k t i ve Seite , die Weise des Inhalts . Die Form , in der Gott zunächst für uns ist , ist die Weise der Vo r s t e l l u n g  , und zuletzt die Form des D e n k e n s als solchen . – Das Erste ist das Bewußtseyn von Gott überhaupt , daß Gott uns Gegenstand ist , daß wir Vorstellungen überhaupt von ihm haben . Aber das Bewußtseyn ist nicht nur , daß wir einen Gegenstand haben und eine Vorstellung , sondern daß dieser Inhalt auch i s t  , nicht bloß eine Vorstellung ist . Das ist die Gewißheit von Gott . – Vorstellung , oder daß Etwas Gegenstand im Bewußtseyn ist , heißt  : daß dieser Inhalt in mir , der Meinige ist . | Ich kann Vorstellungen haben von ganz er­ dichteten fantastischen Gegenständen  ; dieser Inhalt ist hier nur der Meinige , nur in der Vorstellung  ; ich weiß von diesem Inhalt zugleich , daß er nicht i s t  . Das macht den Charakter der Vorstellung überhaupt aus , daß Etwas Gegenstand meines Bewußtseyns ist . Im Traume bin ich auch Bewußtsein , habe Gegenstände , aber sie s i n d nicht . Aber das Bewußtsein von Gott fassen wir auf so , daß Er zugleich ist , nicht bloß der meinige , im Subjekt , in mir , sondern unabhängig von mir , meinem Vorstellen und Wissen  ; Er ist an und für sich . – Das liegt in diesem Inhalte selbst  : Gott ist diese an und für sich seiende Allgemeinheit , nicht bloß für mich seiende , außer mir , unabhängig von mir , nicht bloß die meinige . Es sind da also zweierlei Bestimmungen verbunden , 1 .) daß dieser Inhalt der meinige ist  : ich weiß davon , habe die Vorstellung und 2 .) daß Er nicht bloß

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der meinige ist  ; ebenso , wie er der meinige ist , nicht der meinige ist , sondern selbständig für sich . Dieß ist in jeder Anschauung , Bewußtseyn vorhanden  : Ich habe diesen Inhalt , er ist in mir , ist der meinige  ; aber er ist auch für sich . Das ist die Gewißheit überhaupt  ; er ist unterschieden von mir , an und für sich selbst , ­selbständig  ; Gott absolut an und für sich , – und dieß An und für sich Seiende gegen mich ist zugleich das Meinige , zugleich im Ich . Dieser Inhalt ist eben so , als er selbständig ist , ungetrennt von mir . Gewißheit ist unmittelbare Beziehung des Inhalts und meiner  ; will ich diese Gewißheit intensiv ausdrücken , so drücke ich mich s o aus  : Ich weiß dieß so gewiß , als ich selbst bin . Beides , die Gewißheit dieses äußerlichen Seyns und meine Gewißheit ist Eine Gewißheit . Diese Einheit der Gewißheit ist die Ungetrenntheit dieses Inhalts , der von mir verschieden ist , die Ungetrenntheit beider von einander Unterschiedener , und diese ungetrennte Einheit ist in der ­Gewißheit  . Das ist in diesem Bewußtsein von Gott  : ein Selbständiges , an und für sich Seyendes , und ich weiß davon , es ist mir gewiß , daß er ist , es ist diese e i n e Gewißheit , diese unmittelbare Beziehung . – Man kann nun dabei stehen bleiben , und es wird auch behauptet , man müsse bei dieser Gewißheit stehen bleiben . Die Menschen machen aber sogleich diesen Unterschied , das ist bei Allem . – Es kann Etwas g e w i ß seyn , eine andre Frage ist , ob es w a h r sey? Der Gewißheit setzt man die Wahrheit entgegen  : darin daß Etwas gewiß ist , ist es noch nicht wahr . Das ist das Allgemeine von diesem Ur­theil  : Gott und wissendes Subjekt , und die Gewißheit ist ungetrennte Einheit dieser beiden zugleich . Die erste besondere Form dieser Gewißheit ist die des G l a u b e n s  . Der Glaube hat einen Gegensatz eigentlich in sich , und dieser Gegensatz ist mehr oder weniger unbestimmt . Man setzt Glauben dem Wissen entgegen  ; ist es dem Wissen überhaupt entgegen , so ist es leerer Gegensatz  : was ich glaube , weiß ich auch , das ist Inhalt in meinem Bewußtseyn  ; Glaube ist ein Wissen  ; aber man meint gewöhnlich mit Wissen ein vermitteltes , erkennendes Wissen .  – Das Nähere ist , daß man eine Gewißheit Glaube nennt , insofern diese theils nicht eine unmittelbar sinnliche ist , theils insofern dieß Wissen auch nicht ein Wissen der Nothwendigkeit eines Inhalts ist . – Man sagt in e i n e r Rücksicht  : es ist u n m i t t e l b a r e  | Gewißheit . Was ich unmittelbar vor mir sehe , das weiß

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17 Beziehung .] Hu  : Beziehung . Das ist in diesem Wissen von Gott die Gewißheit . – Das sind nun 35 die abstracte Bestimmung sie sind ganz einfach . Das ist die Gewissheit .   20 w a h r sey ? ] Hu  : wahr

ist . Das ist das Allgemeine von diesem Ur­theile .   24 Die erste] Hu  : Diese Gewissheit nimmt man nun in besonderen Formen – die erste   28–29 aber man … Wissen] Hu  : Wissen ist | das Allgemeine , Glauben ist ein Theil des Wissens  

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ich  : ich glaube nicht , daß ein Himmel über mir ist , den sehe ich . Auf der andern Seite  : wenn ich die Vernunfteinsicht habe in die Nothwendigkeit einer Sache , dann sagen wir auch nicht  : ich glaube , z . B . an den pythagoräischen Lehrsatz . Da setzt man voraus , daß Einer nicht bloß aus Autorität den Beweis davon annimmt , sondern ihn eingesehen . – Also Glauben ist eine Gewißheit , die man hat ohne unmittelbare sinnliche ­A nschauung , ohne diese sinnliche Unmittelbarkeit , oder auf der andern Seite , ohne daß man die Einsicht in die Nothwendigkeit dieses Inhalts hat . In neueren Zeiten hat man auch Glauben im Sinne der Gewißheit genommen , bloß im ­Gegensatz gegen die Einsicht in die Nothwendigkeit eines Inhalts . – Das ist besonders die Bedeutung des Glaubens , die J a ko b i aufgebracht hat . So sagt Jakobi  : wir glauben nur , daß wir einen Körper haben , – das wissen wir nicht . Da hat das Wissen diese nähere Bedeutung  : Kenntniß der Nothwendigkeit . Nämlich ich sehe dieß , dieß , sagt Jakobi , ist nur ein Glauben  : denn ich schaue an , fühle , solch ein sinnliches Wissen ist ganz unmittelbar , unvermittelt , es ist kein Grund . – Hier hat Glauben überhaupt die Bedeutung der unmittelbaren Gewißheit . Es wird nun vornehmlich von der Gewißheit , daß ein Gott ist , der Ausdruck Glaube gebraucht , insofern man nicht die Einsicht in die Nothwendigkeit dieses Inhalts hat . Der Glaube ist in sofern etwas Subjektives , in sofern man die Nothwendigkeit des Inhalts , das Bewiesenseyn das Objektive nennt , objektives Wissen , Erkennen . – Man glaubt an Gott , insofern man nicht die Einsicht hat in die Nothwendigkeit dieses Inhalts , daß er ist , was er ist . Glaube an Gott , sagt man auch deswegen nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch , weil wir keine unmittelbare sinnliche Anschauung von Gott haben . Insofern man an Gott glaubt , hat man die Gewißheit , daß Gott , dieser Inhalt , ist . Man spricht nun wohl auch von Glaubensgrund  ; aber das ist schon uneigentlich gesprochen  : habe ich Gründe , und zwar objektive , eigentliche Gründe , so wird es mir bewiesen . – Es können aber die Gründe selbst subjektiver Natur seyn , – so lasse ich mein Wissen für ein bewiesenes Wissen g e l t e n  . Insofern diese Gründe subjektiv sind , sage ich  : Glaube . Der Hauptunterschied , der e i n e Grund beim Glauben an Gott ist die A u t o r i t ä t  , daß Andre dieß wissen , die für mich gelten , daß sie in Besitz dieses Wissens sind , vor denen ich Ehrfurcht , zu denen ich das Zutrauen habe  : sie wissen das , was wahr ist . Der Glaube beruht auf dem Zeugniß , in sofern hat er Grund  ; aber der absolute Grund des Glaubens , das absolute Zeugniß von dem Inhalte einer Religion ist das Zeugniß des Geistes , nicht ­Wunder , nicht äußere , historische Beglaubigung  : Der wahrhafte Inhalt einer Religion hat zu seiner Beglaubigung das Zeugniß des eigenen Geistes , daß dieser Inhalt der Natur meines Geistes gemäß ist , die Bedürfnisse meines Geistes befriedigt sind . Mein Geist weiß von sich selbst , seinem Wesen – das ist

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unmittelbares Wissen , die einfache wahrhafte Bestimmung dieser Gewißheit , die Glauben heißt . – | Wir betrachten nun die zwei nächsten Formen bei dieser Gewißheit , G e f ü h l und Vo r s t e l l u n g  , wobei das Gefühl mehr in subjektiver Rücksicht in Betracht kommt , die Vorstellung mehr die objektive Weise des Inhalts be­triVt , die Art und Weise , in welcher der Inhalt uns Gegenstand des Bewußtseyns ist , die Bestimmung der Gegenständlichkeit . Wir haben diese zwei Formen zunächst nur zu beschreiben , und ihre Beschränktheit und Mangelhaftigkeit anzugeben . – Was die Form des G e f ü h l s betriVt , so fragen wir zunächst  : was heißt  : Ich habe dieß im Gefühl ? – Dieß will nichts Andres sagen , als daß ein Inhalt der unsrige ist , als dieses besondern Individuums , daß ein Inhalt uns angehört , daß wir diesen Inhalt haben , wissen , der Inhalt für uns ist , wir von ihm wissen in seiner Bestimmtheit , und zugleich von uns in dieser Bestimmtheit  ; es ist Gefühl eines Inhalts und zugleich Selbstgefühl  ; der Inhalt ist so , daß unsre Besonderheit zugleich mit diesem Inhalte verknüpft ist . – Im Gefühl haben wir nicht den Inhalt allein , die Sache als solche , vor uns , sondern diese Sache wissen wir im Zusammenhange mit uns , wir genießen uns dabei , unsre Erfüllung von der Sache . Das Gefühl ist darum etwas so Beliebtes  ; wenn wir fühlen , sind wir persönlich , subjektiv , nach unsrer Partikularität auch dabei , – wir machen die Sache geltend , aber zugleich uns selbst dabei . – Wenn wir denken , so vergessen wir uns , haben nicht unser Bewußtseyn dabei , sondern den objektiven Inhalt . Wir können auch Gefühl dabei haben . Insofern wir es haben , legen wir uns zugleich hinein , verbinden uns mit dem Inhalt , unsre Partikularität ist dabei . – Man spricht von Wärme des Gefühls für die Sache  ; – das heißt nicht nur das Interesse überhaupt  : ein Charakter , der einen festen Zweck hat , im ganzen Leben Einen Zweck verfolgt , kann sehr kalt dabei seyn  : er hat die Sache , nur diesen Zweck . – Wärme des Gefühls – weil ich mit meiner besondern Persönlichkeit zugleich in der Sache bin , so ist das eine anthropologische Seite . Das ist Besonderheit unserer Person , und diese Besonderheit ist die Leiblichkeit  ; das Gefühl gehört zu dieser Seite der Leiblichkeit . Der ganze Komplex des Fühlens ist , was man G e m ü t h  , H e r z nennt . – Man verlangt , daß wir von Gott , Recht p nicht nur w i s s e n  , nicht bloß Bewußtseyn haben von Gott , Recht p , davon überzeugt sind  ; sondern daß dieß auch in unserm Gefühl , Herzen sei . Das ist eine richtige Forderung  : es heißt  : daß diese Interessen wesentlich die unsrigen seien , daß wir , 16 die Sache als solche] Hu  : das Recht z . B .   29 Seite] Bo , ähnlich An  : Seite . Deshalb sagt man es ist mir warm ums Herz .   31 Der ganze Komplex] Hu , ähnlich An  : Beym Gefühl kommt auch | das Blut in die Wallung . Das ist der Carackter des Gefühls . Das ganze Complex  

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als dieß Subjekt , uns identifizirt haben mit solchem Gehalt . – Was wir so im Herzen haben , ist unsre Gesinnung , so sind wir . Das Recht zB ist einem Menschen Sitte , Gewohnheit , es gehört zum Seyn dieser Person . Gefühl im Ganzen drückt diese Identifizirung des Inhalts mit der Subjektivität , Persönlichkeit , des Individuums aus . – Zum Handeln nach Grundsätzen gehört auch , nicht daß man sie nur weiß , sondern daß sie im Herzen seien . Mit der bloßen Überzeugung kann verbunden seyn , daß andre Neigungen Kraft dagegen haben  : ist sie aber im Herzen , so i s t der Handelnde so , er hat diese Gesinnung und handelt hiernach , nach dem , was er auf diese | Weise ist . Was der Mensch im Herzen hat , gehört zum Seyn seiner Persönlichkeit , zu seinem innersten Seyn . Man kann vom Gefühl zunächst nicht sagen , daß es gut oder nicht gut , ein wahrhaftes oder falsches ist  : es ist dieß Unbestimmte , formelle . Beim Gefühl werden wir sogleich erinnert , an die Bestimmtheit des Gefühls , von welcher Art es ist . Diese Bestimmtheit ist , was auch als Inhalt erscheint , als Gegenstand des Gefühls , sofern wir uns desselben bewußt sind , Vorstellung von dieser Bestimmtheit haben  ; derselbe Inhalt ist auch der , der als Gegenstand erscheint . Der Gegenstand hat einen gewissen Inhalt , und derselbe Inhalt , der als Gegenstand ist , ist auch in mir auf subjektive Weise . – Wir fühlen zB etwas Hartes  : da ist die Bestimmtheit des Gefühls eine Härte  ; diese Härte ist da in unserm Gefühl  : Das ist der Inhalt . Von dieser Härte sagen wir 2 .) daß ein harter Gegenstand vorhanden ist . Da tritt zweierlei ein  : Bewußtsein und ein Gegenstand mit demselben Inhalte . Vom Gefühl gehen wir zum Bewußtseyn über , dieser Thei­ lung . Dieser Standpunkt be­triVt das Bewußtsein , nicht unmittelbar das Gefühl als solches . Beim S i n n l i c h e n gehen wir sogleich dazu über , daß ein äußerer Gegenstand da ist , der einen Inhalt hat , der dem entspricht , den wir im subjektiven Gefühl haben . – Wir haben aber auch Gefühl von anderm Inhalt , r e l i g i ö s e s Gefühl , Gefühl von Gott , Recht p  : hier ist ebenfalls die Form des Gefühls in einer B ­ estimmtheit , Inhalt , und dieser Inhalt ist das Objektive überhaupt . Das ist eben so ein Objektives , selbständig , an und für sich Seiendes , noch in viel höherm Sinne als das Objektive , welches wir äußerliche Gegenstände nennen . Wenn ich so von Gott weiß , religiöses Gefühl habe , weiß ich von diesem Inhalt und weiß ihn in mir und mich in ihm , und ich bin dieser Inhalt , ich weiß von der Vereinigung meiner mit diesem Inhalte , und habe zugleich Wissen darin 14–15 von welcher Art es ist] Bo  : wie Gefühl der Furcht , der Angst , niederträchtige Gefühle usw  .   17 auch der , der] auch , der der

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von mir , meiner besondern Person , daß ich mir angeeignet diesen Inhalt , und mich diesem Inhalt – ein Inhalt , der , wie Gott , Recht p , fest , an und für sich ist . – Indem wir dabei verweilen , daß im Gefühl dieser Inhalt mit uns identifizirt ist , so geschieht es , daß man die Vorstellung hat , das Gefühl sei die Quelle dieses Inhalts , religiöses , rechtliches Gefühl sei die Quelle des Wissens von Gott und Recht , und zugleich sei dieß , daß der Inhalt in unserm Herzen ist , die Be­ glaubigung und Berechtigung für diesen Inhalt , daß dieser Inhalt der wahrhafte Inhalt ist . – Wir finden das in unserm Gefühl , Herzen – dieß ist der Punkt , weshalb behauptet wird  : um zu erfahren was Recht , sittlich sei , müsse man das Herz des Menschen fragen . Was Gott ist finden wir in unserm Herzen . Dieß wird als die Quelle , Wurzel und als das Berechtigende für solchen Inhalt angegeben . – Die Frage ist nun  : wie ist das zu be­urthei­len? Diese Gefühlsreligion ist in der That wahrhafter Art  : Das Herz ist das Berechtigende , an solchen Inhalt zu glauben , | nach solchen Bestimmungen zu handeln . – Was nun zunächst das Verhältniß betriVt , nach dem das Herz der Keim dieses Inhalts ist , so kann dieß ganz zugegeben werden  ; aber damit , daß es die Wurzel , Quelle dieses Inhalts ist , ist nicht viel gesagt . Es ist die Quelle , d . h . etwa  : es ist die erste Weise , in welcher solcher Inhalt am Subjekte erscheint . – Zuerst hat der Mensch vielleicht religiöses Gefühl , vielleicht auch nicht . So ist allerdings freilich insofern das Herz der Keim , aber wie bei einem vegetabilischen Samenkorn , das die erste Weise der Existenz der Pflanze ist , so ist auch das Gefühl diese eingehüllte Weise . – Dieß Samenkorn , womit das Leben der Pflanze anfängt , ist nur in der Erscheinung , empirischer Weise das Erste  ; aber das Samenkorn ist eben so Produkt , Resultat , das Letzte  : es ist also ganz relative Ursprünglichkeit , was wir später überhaupt von der Unmittelbarkeit bemerken werden  ; – es ist Produkt , dieß Eingehülltsein der Natur des Baumes , dieß einfache Samenkorn ist Resultat des ganz entwickelten Lebens dieses Baumes . – So ist auch im Gefühl dieser ganze Inhalt auf diese eingehüllte Weise in unsrer subjektiven Wirklichkeit  ; aber ein ganz Andres ist es , daß dieser Inhalt als solcher dem Gefühl als solchem angehöre . Solcher Inhalt wie Gott , Verhältniß des Menschen zu Gott , Recht , Pflicht , ist wenigstens vom Gefühl bestimmt vor die Vorstellung gebracht . Gott ist ein an und für sich allgemeiner Inhalt , eben so der Inhalt von Recht und Pflicht , auch Bestimmungen des vernünftigen Willens . – Ich bin Wille , nicht nur Begierde , habe nicht nur Neigung  ; – Ich ist das

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und Gefühl in der That das berechtigende ?  13–15 Diese Gefühlsreligion … handeln .] Bo , ähnlich An  : Diese G e f ü h l s R e l i g i o n  , ist das Gefühl in der That das berechtigende nach solchen Inhalten zu handeln .  

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­ llgemeine – als Wille bin ich in meiner Freiheit , in meiner Allgemeinheit selbst , A in der Allgemeinheit meiner Selbstbestimmung , – und ist mein Wille vernünftig , so ist sein Bestimmen überhaupt ein Allgemeines , ein bestimmen , nach dem reinen BegriV . Der vernünftige Wille ist sehr unterschieden von dem zufälligen Willen , vom Wollen nach zufälligen Trieben , Neigungen  ; der vernünftige Wille bestimmt sich nach seinem BegriV , und der BegriV , die Substanz des Willens ist die reine Freiheit , und alle Bestimmungen des Willens , die vernünftig sind , sind Entwicklungen der Freiheit , und die Entwicklungen , die aus der Bestimmung hervorgehen , sind Pflichten . – Solcher Inhalt gehört der Vernünftigkeit an , er ist Bestimmung durch , nach dem reinen BegriV  ; dieser Inhalt gehört also ebenso dem Denken an  : der Wille ist nur vernünftig , in sofern er denkend ist . Man stellt sich vor  : Wille und Intelligenz sind zweierlei Fächer , und der Wille kann vernünftig und damit sittlich seyn , ohne Denken . – So ist auch schon von Gott so erinnert , daß dieser Inhalt eben so dem Denken angehört , der Boden , auf dem dieser Inhalt aufgefaßt , ebenso wie erzeugt wird , ist das Denken . – In Beziehung auf den Inhalt des Gefühls kommt es auf die Natur solchen Inhalts an . Insofern es die Natur | dieses Inhalts ist , nur im Denken in seiner wahrhaften Weise zu seyn , so folgt , daß solcher Inhalt , wie er im Gefühl ist , auf unangemessene Weise ist . Die Grundbestimmung des Gefühls ist  : Partikularität meiner ­Subjektivität . Die Pflicht , das Recht , die Religion , diese allgemeinen Bestimmungen sind , sofern ich religiös , rechtlich bin , identifizirt mit mir , meine Wirklichkeit ist in ihnen , und sie in meiner Wirklichkeit  ; sie machen mein Seyn aus , ich bin so . Ich als Subjekt überhaupt , als intelligentes , wollendes Subjekt kann überzeugt seyn , und mit einer Festigkeit , daß Andres , besondere Gründe gegen diese Festigkeit meiner Überzeugung Nichts vermögen oder vielmehr gar nicht vorhanden sind . Bin ich sittlicher Wille , so habe ich in mir eben diese Bestimmung , ich bin das , ohne daß diese meine Überzeugung , Wille verknüpft wäre mit dem Bewußtsein der Besonderheit meiner Person . Solcher Inhalt gehört zu meiner ­Wirklichkeit . Dann sagt man  : ich habe ihn im Herzen , mein Herz ist so , d . h . er ist in der Gewißheit meiner selbst , in meiner Intelligenz , Willen als solchen , oder daß auch das Bewußtsein meiner Person , meiner Besonderheit damit verknüpft ist . Im letztern Falle , wenn das Bewußtsein meiner Person damit verknüpft ist , ist es Gefühl . Ob das Gefühl rechter , wahrhafter Art ist , kommt auf die Be­ stimmtheit des Gefühls an , auf das , was Inhalt des Gefühls heißt . So ein Inhalt ist das Recht  ; da ist Recht entweder mein Gefühl , oder es gehört zu meinem Charakter , meinem Seyn . Derselbe Inhalt kann auch als Neigung seyn , dann auch als Gesetz , als Staats- , Sittengesetz . –

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Es entsteht nun die Frage  : Ist Etwas darum wahr , rechtlich , weil es im Gefühl ist ? ist das Gefühl die Beglaubigung oder muß dieser Inhalt an und für sich recht , wahr , sittlich seyn ? – Die erstere Behauptung können wir heut’ zu Tage oft aufgestellt finden . Wir haben Gefühl , daß ein Gott ist , Gefühl von Recht . Dieß Gefühl ist ein rechtes Gefühl , und dieser Inhalt , dieses Höhere ist darum ein Wahres , we i l wir dieß Gefühl haben . Hier wird das Gefühl zum Kriterium dessen gemacht , was wahrhaft , sittlich sei . – Dieser Behauptung , daß ein Inhalt seine Beglaubigung im Gefühl habe , widerspricht unser sonstiges Bewußtsein auf’s Bestimmteste . Aller Inhalt kann im Gefühl seyn , wie im Denken überhaupt  ; – der entgegengesetzteste Inhalt hat Platz im Gefühl . Ist das Gefühl das Berechtigende , so fällt der Unterschied zwischen Gutem und Bösem weg  : denn das Böse , mit allen seinen Schattirungen und Modifikazionen ist Alles eben so gut im Gefühl . Der Böse – seinem Gefühl geht jetzt dieser Zweck , dieß Interesse über alle anderen Bestimmungsgründe  ; Alles , was recht , sittlich ist , sein Gefühl hebt ihn darüber hinaus . In der Bibel wird ausdrücklich dem Herzen das Böse als solches zugeschrieben . Allerdings | ist das Göttliche , Religiöse auch im Gefühl  ; aber das Böse hat seinen eigenthümlichen Sitz im Herzen , das Herz ist der Sitz desselben , diese natürliche Besonderheit . – Das Gute , Sittliche ist aber nicht , daß der Mensch seine Besonderheit , Eigen­ sucht , Selbstischkeit geltend macht . Macht er seine Selbstischkeit als solche geltend , so ist er böse  ; das Selbstische ist das Subjektive , das wir Herz überhaupt heißen . Allerdings muß auch beim Guten dieß seyn , daß der Inhalt mir selbst angehört , daß ich mich selbst in ihm habe . – Das Unterscheidende , Eigen­thüm­ liche ist , daß das Gefühl eine F o r m ist , wo es auf den Inhalt ankommt , der an und für sich wahr seyn muß , wenn das Gefühl wahr seyn soll . Man sagt auch  : das Herz , Gefühl müssen gereinigt , gebildet werden . Diese Bildung heißt , daß dieser Inhalt , diese Bestimmungen , das dem Herzen Zweck , Interesse ist , – daß dieß das Wahrhafte sei und werde  : was das Wahrhafte sey , lernt man erst durch Vorstellen , Denken .  – Die Form d e r Vo r s t e l l u n g  . Die Gewißheit von Gott , die Form des Gefühls , haben wir gesehen , die s u b j e k t i ve Seite  ; die Form der Vorstellung betriVt die o b j e k t i ve  . Gewißheit ist subjektiv überhaupt , und Gewißheit von Gott , da ist Gott Inhalt , Gegenstand . Was ist nun der Inhalt der Gewißheit ? Dieser ist hier Gott . Gott ist für den Menschen zunächst in der Form der 10 seyn] Hu  : sein kann , Religion , Recht , Sitte , Verbrechen , Leidenschaften   16–17 wird ausdrücklich … zugeschrieben] Bo  : heißt es aus dem Herzen gehen die argen Gedanken hervor der Lästerung und so fort .  

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­V o r s t e l l u n g  , oder man mag’s auch A n s c h a u u n g nennen . – Von sinnlicher Anschauung ist hier nicht die Rede  : nennt man es innre Anschauung , so ist es immer Bewußtseyn von Etwas , daß man Gegenständliches vor sich hat . Daß der religiöse Inhalt in Form der Vorstellung zunächst ist , hängt mit dem Frühern zusammen , daß die Religion das Bewußtseyn der absoluten Wahrheit ist , wie sie für alle Menschen ist . So ist sie zunächst in Form der Vorstellung . Dieß ist überhaupt sehr wichtig den Unterschied von Gedanken und BegriV zu kennen , und zu wissen , was der Vorstellung eigenthümlich ist . Filosofie ist dieß , was in Form der Vorstellung ist in die Form des BegriVs zu verwandeln . Der Inhalt ist derselbe , soll derselbe seyn , die Wahrheit . Für den Geist der Welt überhaupt , des Menschen Geist ist die Wahrheit  : dieser Inhalt , dieß Substanzielle kann nicht ein Andres seyn für ihn , als vorstellend und begreifend . Derselbe Inhalt aber , der zunächst in Form der Vorstellung ist , wird , insofern der Mensch denkt , das Bedürfniß des Denkens in dem Menschen wesentlich ist , in die Form des Gedankens verwandelt . Da kommt diese Schwierigkeit vor , an einem Inhalte , zu trennen , was Inhalt als solcher , der Gedanke ist , von dem , was der Vorstellung als solcher angehört . – Die Vorwürfe , welche man der Filosofie macht , reduziren sich darauf , daß die Filosofie die Formen abstreift , die der Vorstellung gehören . Das gewöhnliche Bewußtsein hat kein Bewußtsein über diesen Unterschied  ; weil ihm an diese Bestimmungen die Wahrheit geknüpft ist , meint es , der Inhalt werde überhaupt weggenommen . Dieß ist der allgemeine Punkt . Aber es kann auch seyn , daß eine Filosofie | andern Inhalt hat , als den religiösen Inhalt einer besondern Religion . Gewöhnlich jedoch nimmt man jene Umformung , Übersetzung für Veränderung , Zerstörung . – Diese Momente haben wir näher zu betrachten  : was der Filosofie und was der Weise der Vorstellung als solcher angehört . Vor’s Erste gehören zur Vorstellung s i n n l i c h e F o r m e n  , Gestaltungen . Diese können wir dadurch unterscheiden , daß wir sie B i l d e r nennen . Diese sinnlichen Formen , wo der Hauptinhalt , die Hauptweise der Vorstellung aus der unmittelbaren Anschauung genommen ist , können Bilder überhaupt heißen . – Von diesen Bildern haben wir sogleich das Bewußtsein , daß sie nur Bilder sind , daß sie eine Bedeutung haben , die verschieden ist von dem , was das Bild als solches zunächst ausdrückt , daß es ein Symbolisches , Allegorisches ist , daß wir ein Gedoppeltes vor uns haben  : ein Mal das Unmittelbare , und dann , was damit gemeint ist , das Innre gegen das Erste , welches das Äußere ist . So sind in der Religion viele Formen , von denen wir wissen , daß sie Metafern sind  : zB Sohn , Erzeugen p ist nur ein Bild , eine Vorstellung von einem bekannten Verhältniß , von dem wir wohl wissen , daß dieß Verhältniß in seiner Un-

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mittelbarkeit nicht gemeint seyn soll , sondern daß die Bedeutung ein Verhältniß ist , das ungefähr dieß ist , – und daß dieß sinnliche Verhältniß am meisten Entsprechendes in sich habe dem Verhältniß , das bei Gott eigentlich gemeint ist . – So viele Vorstellungen , die aus sinnlicher , unmittelbarer , innrer Anschauung genommen sind . Wenn vom Zorn Gottes gesprochen wird , wissen wir bald , daß es nicht im eigentlichen Sinne genommen ist , nur Ähnlichkeit , Gleichniß , Bild  ; eben so die Empfindungen der Reue , Rache p . Dann finden wir auch ausführ­ liche Allegorien , Prometheus , der Menschen bildet , die Büchse der Pandora – Bilder , die eine Bedeutung haben . – So hören wir von einem Baum der Erkenntniß des Guten und des Bösen . Beim Essen der Frucht fängt es hier an zweideutig zu werden , ob dieser Baum zu nehmen sei als eigentlicher , geschichtlicher , als ein Historisches , – und eben so das Essen  ; oder aber , ob dieser Baum nur zu nehmen sei als ein Bild ? Spricht man von einem Baum der Erkenntniß des Guten und Bösen , so ist das so kontrastirend , daß es sehr bald auf die Erkenntniß führt , daß es keine sinnliche Frucht , daß der Baum nicht im eigentlichen Sinne zu nehmen ist . – Das ist die Weise der Vorstellung , das Bildliche . – Aber es gehört auch in Rücksicht auf das Sinnliche das der Weise der Vorstellung an , was nicht bloß als Bild , sondern auch als Geschichtliches , als solches zu nehmen ist . Es kann Etwas in geschichtlicher Weise vorgetragen seyn , aber wir machen nicht recht Ernst daraus , gehen solcher Geschichte nicht nach in unsrer Vorstellung , fragen nicht , ob das Ernst sei . Die Geschichte Jupiters , was er und die anderen Götter gethan , lassen wir uns gefallen  ; was uns Homer von ihnen erzählt , | dem fragen wir zunächst nicht weiter nach , nehmen es mit derselben Weise auf , wie etwas Geschichtliches . – Aber dann giebt es auch Geschichtliches , das eine göttliche Geschichte ist , und so daß es im eigentlichen Sinne eine Geschichte seyn soll , – die Geschichte Jesu  : diese gilt nicht bloß für einen Mythus nach Weise der Bilder , sondern als etwas vollkommen Geschichtliches . Das ist dann für die Vorstellung , ist in der Weise der Vorstellung  ; aber dergleichen hat auch eine andre Seite , als diese Weise der Vorstellung . Die Geschichte Jesu ist ein Gedoppeltes , eine göttliche Geschichte , nicht nur diese äußerliche Geschichte , die nur aufgenommen werden soll als gewöhnliche Geschichte eines Menschen , sondern es hat Göttliches zu seinem Inhalt , göttliches Thun , göttliches Geschehen , absolut göttliche Handlung . Diese absolut göttliche Handlung ist das Innre , Wahrhafte , Substanzielle dieser Geschichte , und ist eben das , was Gegenstand der Vernunft ist . Dieß Gedoppelte ist überhaupt in jeder Geschichte , so gut ein Mythus eine Bedeutung in sich hat , – Allegorie . – Es giebt allerdings Mythen , wo die äußerliche Erscheinung das Überwiegende ist , aber gewöhnlich ist ein solcher Mythus eine Allegorie enthaltend , wie die Mythen des Plato .

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Jede Geschichte überhaupt , enthält diese äußerliche Reihe von Begebenheiten und Handlungen  ; diese aber sind Begebenheit eines Menschen , Eines Geistes . Die Geschichte eines Staats ist Handlung , Thun , Schicksal eines allgemeinen Geistes , des Geistes eines Volks . Dergleichen hat an und für sich in sich schon ein Allgemeines  : nimmt man es in oberflächlichem Sinne , so kann gesagt werden , man kann aus jeder Geschichte eine Moral ziehen . – Die Moral , die daraus gezogen wird , enthält wenigstens die wesentlichen sittlichen Mächte , die dabei gewirkt , die dieß hervorgebracht haben . Diese sind das Innre , Substanzielle . Die Geschichte hat so diese vereinzelte Seite , Einzelnes , bis auf›s Äußerste hinaus Individualisirtes  ; aber darin sind auch die allgemeinen Gesetze , Mächte des Sittlichen erkennbar . Diese allgemeinen Mächte sind nicht für die Vorstellung , als solche . Für diese ist die Geschichte in dieser Weise , wie sie als Geschichte sich darstellt , wie sie in der Erscheinung ist . In solcher Geschichte ist für den Menschen , dessen Gedanken , BegriVe auch noch nicht bestimmte Ausbildung erhalten haben , diese Macht darin  ; er fühlt sie , hat ein dunkles Bewußtsein jener Mächte . Es ist also das Geschichtliche als solches andrerseits Bild , einerseits was für die Vorstellung ist . Auf solche Weise ist die Religion wesentlich für das gewöhnliche Bewußtsein , für das Bewußtsein , in seiner gewöhnlichen Ausbildung . – Es ist ein Inhalt , der sich zunächst sinnlich präsentirt  ; eine Folge von Handlungen , sinnlichen Bestimmungen , die in der Zeit nacheinander folgen , – dann im Raum neben einander . Der Inhalt ist empirisch , konkret , manchfach  ; die Verbindung ist theils im Raume neben , theils in der Zeit nach einander . – Solcher geschichtlicher Inhalt | hat aber auch ein Innres  ; es ist Geist darin , der wirkt auf den Geist  ; der subjektive Geist giebt Zeugniß dem Geist , der im Inhalte ist , zunächst durch dunkles Anerkennen , ohne daß dieser Geist heraus gebildet ist für das Bewußtsein . Diese sinnliche Gestaltung gehört der Vorstellung an . Aber zweitens gehören da auch n i c h t s i n n l i c h e Gestaltungen hin . Dergleichen ist eine Handlung Thätigkeit , Verhältniß in einfacher Weise , der geistige Inhalt in seiner ein­fachen Weise vorgestellt . zB . die Er­schaVung , Schöpfung der Welt – das ist eine Vorstellung . – Gott selbst ist diese Vorstellung , dieß Allgemeine überhaupt , auf manch­ fache Weise in sich bestimmt . Aber in der Form der Vorstellung ist Gott in dieser einfachen Weise  : wir haben da Gott einerseits und die Welt andrerseits . Die Welt ist dieser unendlich manchfache Komplex in sich , der Komplex dieses unendlich manchfachen Endlichen  : Sagen wir Welt , – so haben wir es in einfacher Weise der Vorstellung . Die Welt ist erschaVen . – ErschaVen ist eine ganz andre Weise der Thätigkeit , als sonst eine empirische . – Gebrauchen wir auch den Ausdruck »Thätigkeit« , woraus die Welt hervorging , so ist das etwas Abstraktes , aber noch kein BegriV .

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Aller geistige Inhalt , Verhältnisse überhaupt , welcher Art sie sind , Fürst , Gericht u . s . w sind Vorstellungen  ; Geist selbst ist eine Vorstellung . – Wenn sie schon aus dem Denken hervorkommen , im Denken ihren Sitz und Boden haben sind das doch Alles Vorstellungen durch die Form , daß das Bestimmungen sind , wie sie sich einfach auf sich beziehen , in Form der Selbständigkeit sind . Wenn wir sagen  : Gott ist allweise , gütig , gerecht , so haben wir gewissen Inhalt  ; jede dieser Inhaltsbestimmungen ist einzeln und selbständig , und »und« »auch« sind die Verbindungsweisen der Vorstellung . Allweise et . c . sind auch BegriVe , aber noch nicht in sich analysirt  ; es sind die Unterschiede noch nicht gesetzt , wie sie sich auf einander beziehen . Insofern der Inhalt des Vorstellens nicht ein Bildliches , Sinnliches , Geschichtliches ist , sondern ein Geistiges , Gedachtes , wird solcher Inhalt genommen in abstrakter einfacher Beziehung auf sich . – In sofern solcher Inhalt allerdings manchfache Bestimmungen in sich enthält , die Beziehung aber nur äußerlich ist , so ist äußerliche Identität damit gesetzt . – »Es geschieht Etwas , verändert sich , ist das , dann das , dann so« – es haben diese ­Bestimmungen so zunächst die Form der Zufälligkeit . Diese Bestimmungen werden deutlich , ausdrücklich betrachtet , insofern wir übergehen  : zur Form des D e n k e n s  . Indem wir die Form d e s G e f ü h l s hatten , und gegenüber die Form der Vo r s t e l l u n g  , und Gefühl die Form des s u b j e k t i ve n G l a u b e n s  , die Vorstellung das G e g e n s t ä n d l i c h e  , den Inhalt betriVt , so entsteht auch hier schon ein Verhältniß der Vorstellung | zum Gefühl . Die Vorstellung betriVt die ­objektive Weise des Inhalts  ; das Gefühl , wie der Inhalt in unsrer Partikularität , der P ­ artikularität des Bewußtseyns ist . Die Religion ist Sache des Gefühls  ; auch Sache der Vorstellung . So kann sogleich die Frage entstehen  : ist von der Vorstellung anzufangen ? und werden durch die Vorstellung die religiösen Gefühle bestimmt , erweckt , oder aber ist der Anfang im religiösen Gefühl , und gehen aus demselben die religiösen Vorstellungen hervor ? – Wird vom Gefühl angefangen , daß das das Erste , Ursprüngliche ist , so sagt man  : die religiösen Vorstellungen kommen aus dem Gefühl , – und das ist einerseits ganz richtig . Die Gefühle enthalten diese eingehüllte Subjektivität  ; aber das Gefühl ist für sich so unbestimmt , daß alles Mögliche darin seyn kann , so , daß das Gefühl nicht das Berechtigende seyn kann für den Inhalt . – Der Inhalt erscheint in seiner Gegenständlichkeit erst als Vorstellung  ; die Vorstellung ist die mehr objektive Weise dieses Inhalts . – Es ist hier nur im Allgemeinen zu erinnern , daß wir einerseits sehr wohl wissen  : was ich für wahr halten , was mir gelten soll , muß auch in meinem Gefühl seyn  ; es muß zu meinem Seyn , Charakter gehören  ; – die letzte Spitze der Subjektivität ist die Gewißheit , die

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ich von Etwas habe . Diese Gewißheit ist im Gefühl , obgleich sie noch in andrer Form seyn kann . Im Gefühl kann alles Mögliche seyn . Wenn wahr ist , was im Gefühl ist , so müßte Alles wahr seyn  : der Apisdienst u . s . f . Die Vorstellung enthält schon mehr das Objektive , was den Gehalt , Bestimmtheit des Gefühls ausmacht . – Auf diesen I n h a l t kommt es an  ; er muß sich für sich berechtigen . – So fällt es schon mehr auf die Seite der Vorstellung , daß der Inhalt sich legitimire , als wahr zu erkennen gebe . In Rücksicht auf die Nothwendigkeit der Vorstellung und auf den Weg durch die Vorstellung zum Herzen , Gemüth , fängt die religiöse Bildung von der Vorstellung an . – Durch Lehre , Unterrricht werden die Gefühle erweckt , gereinigt , gebildet in das Herz gebracht . – Dieß bringen in’s Herz hat wesentlich die andre Seite , daß die ursprüngliche Bestimmtheit in der Natur des Geistes selbst liegt . – Ein Andres ist aber , ob sie an sich in seinem Wesen liege  ; ein Andres , ob man davon wisse , was man ist . – Daß es a u c h zum Gefühl , Bewußtseyn komme , daß es herauskomme in das Bewußtseyn , daß es gefühlt werde , dazu gehört V ­ orstellung . Zum Unterricht gehört die Lehre . Von dieser Seite fängt die religiöse Bildung allenthalben an . Wo wir das eigentlich Objektive zu betrachten haben in Beziehung auf die Unmittelbarkeit des Subjekts , ist die Stufe des D e n k e n s  .  – Die Gewißheit von Gott hat auch die Form des Denkens , der Überzeugung . – Indem wir bei Überzeugung Gründe voraussetzen , – Gründe , ein Verhältniß , das dem Denken als solchem angehört , – ist hier näher von Überzeugung die Rede . – Es ist nun im Allgemeinen anzugeben , wie das Denken sich von der Form der Vorstellung unterscheidet . Vo r s t e l l e n hat allen geistigen und sinnlichen Inhalt in dieser Weise , daß dieser Inhalt in seiner B e s t i m m t h e i t i s o l i r t genommen wird . Die | Form des D e n k e n s überhaupt ist die A l l g e m e i n h e i t   ; diese spielt auch in die Vorstellung hinein , die auch die Form der Allgemeinheit an ihr hat . – Hier aber wird Denken genommen , sofern es reflektirend ist , und noch mehr  : begreifend  ; nicht nur der Gedanke überhaupt , sondern insofern er zunächst Reflexion  ; dann BegriV ist . – Das Erste ist , daß das Denken diese Form des E i n f a c h e n  , in der der Inhalt in der Vorstellung ist , a u f l ö s t  . Dieß Einfache auflösen heißt  : daß in diesem Einfachen unterschiedene Bestimmungen gefaßt , und aufgezeigt werden , daß es als ein in sich Manchfaches gewußt wird . – Dieß haben wir sogleich damit , wenn 4 der Apisdienst u . s . f .] Bo  : die Kuh und der AVe den die Indier verehren   20 D e n k e n s ] Hu  : Denkens . Wir haben unmittelbare Gewissheit von Gott , wir haben Glauben , Gefühl Vorstellungen von ihm .  

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wir fragen  : was ist das ? Blau ist eine sinnliche Vorstellung  : was ist blau ? da z e i g t man es , daß man die Anschauung erhält . In der Vorstellung ist diese Anschauung schon enthalten . – Aber mit jener Frage will man auch den BegriV wissen , will Blau wissen als Verhältniß seiner in sich selbst , unterschiedene Bestimmungen und die Einheit davon . – Blau ist nach der Götheschen Theorie , eine Einheit von Weiß und Schwarz , Hellem und Dunklem , und zwar so , daß das Dunkle der Grund sei und das Trübende , – das Andre sei ein Erhellendes , ein Medium , wodurch wir dieß Dunkle sehen . Der Himmel ist Nacht , finster  ; die Athmosfäre hell  : durch dieß helle Medium sehen wir das Dunkle – blau . – Was ist Gott ? Gerechtigkeit ? Das ist so noch in der Form der Einfachheit . Jetzt denken wir es  : da sollen unterschiedene Bestimmungen angegeben werden  ; deren Einheit , so zu sagen , die Summe , näher die Identität dieser Bestimmungen machen den Gegenstand aus . – Die Morgenländer sagen  : Gott hat eine unendliche Menge von Namen , d . h . von Bestimmungen  : man kann nicht erschöpfend aussprechen , was Er ist . – Sollen wir den BegriV von Gott fassen , so sind unterschiedene Bestimmungen zu geben  ; diese Menge von unterschiedenen Bestimmungen auf einen engen Kreis zu reduziren , daß durch diesen engen Kreis unterschiedener Bestimmungen , und die Einheit derselben , der Gegenstand vollständig erschöpft sei . Eine nähere Kategorie ist  : insofern Etwas gedacht wird , so wird es gesetzt in Beziehung auf Andres , der Gegenstand in sich selbst gewußt , als Beziehung Unterschiedener auf einander , oder als Beziehung seiner auf ein Andres , das wir außerhalb demselben wissen . – In der Vorstellung haben wir unterschiedene Bestimmungen  ; sie mögen nun einem Ganzen zugehören , oder aus einander gestellt seyn . – Im Denken wird das Einfache aufgelöst in unterschiedene Bestimmungen , oder diese unterschiedenen Bestimmungen verglichen , die aus einander liegen , daß zum Bewußtseyn kommt der Widerspruch derselben , die zugleich Eines ausmachen sollen . – Wenn sie sich widersprechen , scheint es nicht , daß sie Einem zukommen könnten  : Das Bewußtseyn über diesen Widerspruch , und die Auf­ lösung desselben gehört zum Denken . – Gott ist gütig und gerecht  : – so widerspricht die Güte der Gerechtigkeit . Eben so  : Gott ist allmächtig und weise , – er ist die Macht , vor der Alles verschwindet , nicht ist  ; welche Negazion alles Bestimmten Widerspruchs gegen die Weisheit ist . Diese will etwas Bestimmtes , hat einen Zweck , ist Beschränkung des 8 sehen] Hu  : sehen , das ist der BegriV vom Blauen . Die Vorstellung des Blauen ist ganz einfach blau , der BegriV | von Blau ist erstens eine Vorstellung verschiedener Bestimmungen , eine Einheit derer .  

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­ nbestimmten , was die Macht ist . So Vieles . In der Vorstellung hat Alles neben U einander ruhig Platz . Der Mensch ist frei , auch abhängig  ; es ist Gutes , auch Böses in der Welt . Im Denken wird das aufeinander bezogen und der Widerspruch kommt so zum Vorschein . – Die nähere Kategorie , die hereinkommt , ist die Nothwendigkeit . In der Vorstellung ist ein , giebt es einen Raum  ; das Denken verlangt die Nothwendigkeit zu wissen . – | Diese Nothwendigkeit liegt darin , daß im Denken nicht ein Inhalt als seiend , als in einfacher Bestimmtheit , in dieser einfachen Beziehung auf sich nur genommen wird , sondern wesentlich in Beziehung auf Andres , wesentlich Beziehung Unterschiedener sei . – Das heißen wir noth­wendig , daß , wenn das Eine ist , damit auch das Andre gesetzt ist . Die Bestimmtheit des Ersten ist nur , insofern das Zweite ist , und umgekehrt . – Für die Vorstellung ist das Endliche , – das i s t  . Für das Denken ist das Endliche sogleich nur ein Solches , das nicht für sich ist , sondern das erfordert zu seinem Seyn ein Andres , durch ein Andres ist . Für das Denken überhaupt , für das bestimmte Denken , näher für das Begreifen , giebt es nichts Unmittelbares . – Die Unmittelbarkeit ist die Hauptkategorie der Vorstellung , wo der Inhalt gewußt wird in seiner einfachen Beziehung auf sich . – Für das Denken giebt es nichts Unmittelbares , sondern nur Solches , in dem wesentlich die Vermittlung ist . – Das sind die abstrakten allgemeinen Bestimmungen , dieser abstrakte Unterschied religiösen Vorstellens und des Denkens . Betrachten wir das näher in Beziehung auf die Frage in unserm Felde , so gehören in dieser Rücksicht auf die Seite der Vorstellung alle Formen des unmittelbaren Wissens , der Glaube , das Gefühl p . Diese Frage fällt hieher  : Ist Religion , das Wissen von Gott , ein unmittelbares oder aber ein vermitteltes ? – Das vermittelte Wissen kommt dann näher vor in der Form von Beweisen über das Dasein Gottes . G o t t i s t  . Von diesem Satze , den wir zunächst als factum nahmen , sprechen wir bis jetzt nur als einer Form des Wissens von Gott , die wir zunächst nur beschrieben . – Religion ist Wissen von Gott , und daß Er ist . – Indem wir nun zur Bestimmung des Denkens übergegangen sind , zur Bestimmung der Nothwendigkeit , so tritt ein Wissen der Nothwendigkeit ein , der Vermittlung , ein Wissen ,

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28–49,32 G o t t i s t  . … Vermittlung .] Hu  : Diese Frage ist izt beynahe die interessanteste in unserer Bildung . Wir wissen von Gott auf eine unmittelbare Weise im Glauben , das ist eine That­sache unseres Bewußtseyns . Gott ist nur im Glauben . Es kann hier vorausbemerkt werden dass das Denken 35 das concrete Denken ein vermitteltes wissen ist . Das allein vermittelte und das allein unvermittelte wissen ist abstract . Wenn wir von beyden sprechen so soll man nicht glauben dass wir eines von dem anderen isoliren werden , und einem die Wahrheit zuschreiben , wir werden weiter sehen dass das wahre Denken beyde in sich enthallt . Wir wollen nun also jezt die Frage beantworten gibt es ein



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das schlechterdings Vermittlung fordert , und in sich enthält . – Solches Wissen tritt ein gegen das unmittelbare Wissen , gegen den Glauben , das Gefühl et . c . Es ist eine sehr allgemeine Ansicht , Versicherung  : das Wissen von Gott sei nur auf unmittelbare Weise  ; es ist Thatsache unsres Bewußtseyns  ; es ist so  : Wir haben eine Vorstellung von Gott , und d a ß d i e s e nicht bloß subjektiv , i n u n s ist , sondern auch i s t  .  – Man sagt  : die Religion , das Wissen von Gott ist nur Glaube  ; das vermittelte Wissen ist auszuschließen , es verdirbt die Gewißheit , Sicherheit des Glaubens und den Inhalt dessen , was Glaube ist . – Da haben wir diesen Gegensatz des unmittelbaren und vermittelten Wissens . – Das Denken , konkrete Denken , Begreifen , ist vermitteltes Wissen . Aber Un­ mittelbarkeit und Vermittlung des Wissens sind eine einseitige Abstraxion , die eine , wie die andre . Es ist nicht die Meinung , Voraussetzung , als ob dem Einen , mit Ausschluß des Andern , dem Einen für sich , oder dem Andern , Einem von beiden isolirt , die Richtigkeit , Wahrheit , zugesprochen werden soll . Weiterhin werden wir sehen , daß das wahrhafte Denken , das Begreifen , Beide in sich vereint , nicht Eine von Beiden ausschließt . – | Zunächst ist diese Form zu betrachten , die Un m i t t e l b a r k e i t des Wissens . – Zum vermittelten Wissen gehört das Schließen von Einem auf das Andre , die Abhängigkeit , Bedingtheit einer Bestimmung von einer Andern , die Form der Reflexion . – Das unmittelbare Wissen entfernt alle Unterschiede , diese Weisen des Zusammenhangs , und hat nur ein Einfaches , e i n e n Zusammenhang , Wissen , die subjektive Form , – und dann  : In sofern ich gewiß weiß , daß Gott ist , ist das Wissen Zusammenhang meiner und dieses Inhalts  ; das Seyn meiner – so gewiß ich bin , so gewiß ist Gott – mein Seyn und das Seyn Gottes ist e i n

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25 mittelbares und ein unmittelbares Wissen ? / Wir leugnen dies es gibt wie wir es schon gezeigt |

haben kein isolirtes vermitteltes und unvemitteltes Wissen . – Was hier zunachst die endlichen Existenzen betriVt so sind sie diese dass sie vermittelt sind , jedes endliche ist er­schaVen , ist erzeugt . Unmittelbarkeit heisst überhaupt abstracte Beziehung auf sich , sie ist insofern wir das Verhaltniss entfernen , setzen wir es aber auf der Seyte des Verhältnisses vorzuglich im Verhaltnisse der Würkung 30 so wird es erscheinen als etwas vermitteltes . Es ist also nur der schlechte Verstand , mit dem wir uns heute zu herumschlagen haben , der dieses unmittelbare für sich zu haben meint . So ist in Logik gezeigt dass das Seyn eben das Unwahre ist , dass es eben nichts ist , erstens dass das Werden die erste Wahrheit in sich hat die Vermittlung des Seyns und des Nichtseyns . Im sinnlichen Wissen z . B . in Anschauung da weiss ich mich und ein Obiekt , ich weiss nur vermittelst eines Objekts , | ich emp35 finde durch Bestimmtheit des Gegenstandes , Wissen ist zwar ganz einfach , aber wenn ich nur wissend bin so bin ich auch nichts , nur wenn ich etwas weiss so bin ich etwas bestimmtes , aber dann ist das Wissen vermittelt . So ist in jedem Wissen das Subiektive und Ob­iektive , es ist wesentlich eine Beziehung verschiedener auf sich und das ist eben eine Vermittlung .   27 dass] das

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Zusammen­hang  , und die Beziehung ist das Seyn . Dieß Seyn ist ein einfaches und zugleich ein zweifaches .  – Im unmittelbaren Wissen ist dieser Zusammenhang ganz einfach , alle Weisen des Verhältnisses sind vertilgt . – Zunächst wollen wir selbst es auf empirische Weise auffassen , d . h . uns auf denselben Standpunkt stellen , auf dem das un­ mittel­bare Wissen steht . Dieß ist im Allgemeinen , was wir das empirische Wissen nennen  : ich weiß es eben , das ist Thatsache des Bewußtseins  ; ich finde in mir die Vorstellung Gottes , und daß Er ist . – Der Standpunkt ist  : es soll nur gelten das Empirische  ; man soll nicht hinausgehen über das , was man im Bewußtseyn findet . Warum ich es finde? wie es nothwendig ist? wird nicht gefragt . – Dieß führte zum Erkennen , – und das sei eben das Übel , das abzuhalten sei . – Da ist die empirische Frage  : giebt es ein unmittelbares Wissen? Zum vermittelten Wissen gehört Wissen der Nothwendigkeit . Was noth­wen­ dig ist , hat eine Ursache  : es muß seyn – es ist wesentlich ein Andres , wodurch es ist , und indem dieß ist , ist es selbst –  : da ist Zusammenhang von Unterschiedenen . – Die Vermittlung kann nun seyn die bloß endliche , kann auf bloß endliche Weise aufgeführt werden  : Die Wirkung zB wird angenommen als Etwas auf der einen Seite , die Ursache als Etwas auf der Andern . – Das Endliche ist ein Abhängiges von einem Andern , ist nicht an und für sich , durch sich selbst  ; es gehört zu seiner Existenz ein Andres . – Der Mensch ist physisch abhängig  : dazu hat er nöthig eine äußere Natur , äußerliche Dinge . Diese sind durch ihn gesetzt , erscheinen als selbst seiend gegen ihn , und er kann sein Leben nur fristen , sofern sie sind , und brauchbar sind . – Die höhere Vermittlung des BegriVs , der Vernunft , ist eine Vermittlung mit sich selbst . Zur Vermittlung gehört diese Unterschiedenheit und Zusammenhang von Zweien , und solcher Zusammenhang , daß das Eine nur ist , in sofern das Andre . – Diese Vermittlung wird nun ausgeschlossen in der Weise der Unmittelbarkeit . – Wenn wir uns auch nur äußerlicher Weise verhalten , so giebt es gar nichts Unmittelbares  ; es ist Nichts , dem zukäme nur die Bestimmung der Unmittelbarkeit mit Ausschließung der Bestimmung der Vermittlung , sondern , was unmittelbar ist , ist eben so vermittelt , und die Unmittelbarkeit ist wesentlich selbst vermittelt . – Endliche Dinge sind dieß , daß sie vermittelt sind  : endliche Dinge sind erzeugt  : der Stern , das Thier . Der Mensch ist Vater , – ist eben so erzeugt , ist vermittelt eben so , wie der Sohn . – Fangen wir vom Vater an , so ist dieser zunächst das Unmittelbare , und der Sohn , als das Erzeugte , vermittelt . – 4 Zunächst] Bo  : Wenn wir nun näher specieller das unmittelbare Wissen betrachten so wollen wir nicht mit speculativen Betrachtungen anfangen , zunächst aber  

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Alles Lebendige , indem es ein Erzeugendes ist , als Anfangendes , | Unmittelbares bestimmt ist , ist es Erzeugtes . – Unmittelbarkeit heißt Seyn überhaupt , diese einfache Beziehung auf sich  : es ist unmittelbar , in sofern wir das Verhältniß entfernen . Wenn wir diese Existenz als solche , die im Verhältniß eine der Seiten ist , – als Wirkung bestimmen , so wird das Verhältnißlose erkannt als solches , das Vermittelt ist . – Alles , was unmittelbar ist , ist auch vermittelt , Alles , was existirt , – zunächst das Endliche  ; – wir sprechen noch nicht von Vermittlung mit sich selbst . – Aber es ist vermittelt , relativ , ­wesentlich ein Verhältniß , hat zu seinem Seyn , seiner Unmittelbarkeit ein Anderes nöthig  ; – in sofern ist es vermittelt . – Das Logische ist das Dialektische , wo das Seyn als solches betrachtet ist , daß das Unmittelbare das Unwahre ist . Die Wahrheit des Seyns ist das Werden . Werden ist e i n e Bestimmung , sich auf sich beziehend , etwas Unmittelbares , eine ganz einfache Vorstellung  ; enthält aber die beiden Bestimmungen  : Seyn und ­Nicht­seyn , in sich . – Es giebt kein Unmittelbares , das eine Schulweisheit ist  ; das giebt es nur in diesem schlechten Verstande . – Eben so ist es mit dem unmittelbaren Wissen , einer besondern Weise , einer Art der Unmittelbarkeit  ; – es gibt kein unmittelbares Wissen . – Unmittelbares Wissen ist , wo wir das Bewußtseyn der Vermittlung nicht haben , – vermittelt i s t es . – Gefühl haben wir , das scheint unmittelbar , haben Anschauung , das erscheint unter der Form der Unmittelbarkeit . – Wenn wir aber mit Gedankenbestimmungen zu thun haben , so muß man nicht dabei steh’n bleiben , wie das Einem zunächst vorkommt , – sondern , ob es in der That so ist . – Betrachten wir eine Anschauung , so 1 .) bin Ich das Wissen , Anschauen , und 2 .) ist ein Andres , ein Objekt , oder eine Bestimmtheit , wenn es nicht als Objektives genommen wird , sondern als Subjektives . Ich bin in der Empfindung vermittelt nur durch das Objekt , durch die Bestimmtheit meines Empfindens . – Es ist immer ein Inhalt  ; es gehören zwei dazu  : Wissen ist ganz einfach  ; aber ich muß Etwas wissen  ; bin ich n u r Wissen , so weiß ich gar Nichts . Eben so , bin ich reines Sehen , so sehe ich gar Nichts . – Das reine Wissen kann man unmittelbar nennen  : dieß ist einfach  ; ist aber das Wissen ein Wirkliches , so ist da Wissendes und Gewußtes  : da ist Verhältniß und Vermittlung . – Näher ist das in Ansehung des religiösen Wissens der Fall , daß es wesentlich ein Vermitteltes ist  ; aber eben so wenig dürfen wir einseitig das bloß vermittelte

35 6 Vermittelt ist] Bo  : Verhältniß ist . (Die Ursache ist nur erst in ihrer Wirkung die Ursache .) Es ist

dieses eine kahlste , trivialste Einsicht daß alles was existirt , das Endliche , das ist .   1 Lebendige] Lebendigende

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NB .

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­ issen als ein Reelles , Wahrhaftes betrachten . – Mag man in jeder Religion seyn , W so weiß Jeder , daß er in dieser Religion erzogen worden , Unterricht erhalten hat . – Dieser Unterricht , diese Erziehung ver­schaVt mir ein Wissen , ist vermittelt durch Lehre . – Spricht man ohnehin von positiver Religion , so ist sie ge­oVen­ bart , und zwar auf eine dem Individuo äußerliche Weise . Da ist der Glaube der Religion wesentlich vermittelt durch OVen­barung .  – Diese Umstände  : Lehre , OVen­barung , sind nicht zufällig , axidentell , sondern wesentlich  ; allerdings be­ treVen sie ein äußerliches Verhältniß  ; aber , daß es äußerliches ­Verhältniß ist , darum ist es nicht unwesentlich . – | Sehen wir uns nach der andern , innern Seite um , und vergessen , daß Glaube , Überzeugung so ein Vermitteltes ist , so sind wir auf dem Standpunkte , sie für sich zu betrachten . Hierher ist es vornehmlich , daß die Behauptung des unmittelbaren Wissens fällt  : »wir wissen unmittelbar von Gott , das ist eine OVen­barung in uns« . Dieß ist ein großer Grundsatz , den wir wesentlich festhalten müssen  : es liegt das darin , daß positive OVen­barung nicht Religion bewirken kann , so daß Religion ein mechanisch Hervorgebrachtes , von Außen Gewirktes und in den Menschen Gesetztes wäre . – Hierher gehört das Alte , was Plato sagt  : Der Mensch lerne Nichts  ; er erinnere sich nur  ; es sei Etwas , das der Mensch ursprünglich in sich trage . Äußerlicher , nicht filosofischer , Weise heißt es , er erinnere sich an einen Inhalt , den wir im vorhergehenden Zustand gewußt . – Dort ist es mythisch dargestellt  ; aber das liegt darin  : Religion , Recht , Sittlichkeit  ; alles Geistige wird im Menschen nur erregt  ; er ist Geist an sich und in ihm muß es zum Bewußtseyn gebracht werden . – »Der Geist giebt Zeugniß dem Geiste«  ; – dieß Zeugniß ist die eigne innre Natur des Geistes . Es ist diese wichtige Bestimmung darin , daß die Religion nicht mechanisch in den Menschen hineingebracht ist , sondern in ihm selbst , in seiner Vernunft , Freiheit überhaupt liegt . – Wenn wir von diesem Verhältniß das Erregtwerden abstrahiren , und betrachten , was dieses Wissen ist , wie dieses religiöse Gefühl , dieses sich OVen­baren im Geiste be­schaVen ist , – so ist dieß wohl Unmittelbarkeit , wie Alles Wissen  ; aber Unmittelbarkeit , die eben so Vermittlung in sich enthält . –

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10–17 Sehen wir … wäre .] Hu  : Wesentlich also ist die Erziehung und OVen­barung ein ausserlicher Umstand wodurch in uns die Religion gepflanzt wird . Man ist aber auch einer­seyts berechtigt wenn man sagt ich habe Religion von solchen Umständen zu abstrahiren , denn diese Umstände vermitteln nur ein ausserliches Verhaltniss der Religion zu uns nicht aber ein inneres , es tritt also hier auch ein 35 unmittelbares Wissen hinein . Unser reines Bewustseyn von der Religion kann weder die OVen­ barung wie die Erziehung in uns bewürken , sie sind nothwendig aber sie können nur angesehen werden als ein Reiz .   21–22 Dort ist … darin  :] Hu  : obwohl dies ein ganz unstatthaftes Verhaltniss ist so sagt es doch so viel dass ,  



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i.  der begriff der religion51

Es kann Etwas ganz die Form von Unmittelbarem haben , ohnerachtet es Resultat der Vermittlung ist . – Betrachten wir das religiöse Wissen näher , so zeigt es sich nicht nur als einfache Beziehung von mir auf den Gegenstand , sondern dieß Wissen ist ein viel Konkreteres  ; diese ganze Einfachheit , das Wissen von Gott , ist Bewegung in sich , näher  : eine Erhebung zu Gott . Die Religion sprechen wir wesentlich aus als Erhebung , Übergehen von einem Inhalte zu einem Andern , vom endlichen Inhalt , zum absoluten , unendlichen . – Dieß Übergehen , worin das Eigenthümliche des Vermittelns bestimmt ausgesprochen ist , ist von gedoppelter Art  : vo n endlichen Dingen , von Dingen der Welt , oder von der Endlichkeit unsres Bewußtseyns und dieser Endlichkeit überhaupt , die wir u n s nennen , – Ich , dieß besondre Subjekt , – z u m Unendlichen – dieß Unendliche näher bestimmt als Gott . – Die a n d r e Art des Übergehens hat abstraktere Seiten , die sich nach einem tiefern abstraktern Gegensatz verhalten  : – da ist die e i n e Seite bestimmt als Gott , das Unendliche überhaupt , als Gewußtes von uns , – und die a n d r e Seite , zu der wir übergehen , ist die Bestimmtheit als Objektives überhaupt , oder als Seiendes . – Im ersten Übergang ist das Gemeinschaftliche das Seyn , | und dieser Inhalt beider Seiten wird als endlich und unendlich gesetzt . – Im z we i t e n ist das Gemeinschaftliche das Unendliche , und dieß wird in der Form des Subjektiven und Objektiven gesetzt . – Es ist jetzt zu betrachten das Verhältniß des Wissens von Gott in sich selbst . Das Wissen ist Verhältniß in sich selbst , vermittelt  ; entweder Vermittlung durch Andres , oder in sich , Vermittlung überhaupt , weil da Beziehung von mir Statt findet auf einen Gegenstand , Gott , der ein Andrer ist . – Wo Verschiedne sind , und eine Beziehung derselben , heißt diese Beziehung Vermittlung , – wenn Eines wesentlich ist in Beziehung auf ein Andres . – Das Eine ist dieses , das Andre ein Andres , sie sind verschieden von einander , nicht unmittelbar identisch , nicht Ein und dasselbe . Ich und Gott sind von einander verschieden . Wären Beide Eins , so wäre unmittelbare , vermittlungslose Beziehung , beziehungslose , d . i . unterschiedslose Einheit . – Indem Beide verschieden sind , sind sie Eines nicht was das Andre  : wenn sie aber doch bezogen sind , bei ihrer Verschiedenheit zugleich Identität haben , so ist diese Identität selbst verschieden von ihrem Verschiedenseyn , Etwas von diesen Beiden Verschiedenes , weil sie sonst nicht verschieden wären . – Beide sind verschieden  ; ihre Einheit ist nicht sie selbst  ; das , worin sie Eins sind , ist das , worin sie nicht verschieden sind  ; sie aber sind verschieden , also ist ihre Einheit verschieden von ihrer Verschiedenheit . Die Vermittlung ist damit näher 16–17 Im ersten … Seyn] Bo  : In der ersten Form haben wir das endliche Seyn wir können es als eine Linie vorstellen , deren eine seite endlich ist und andererseits wird sie sich zum unendlichen erheben .

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in einem Dritten gegen das Verschiedene , und ein Drittes , das sie zusammenbringt , in dem sie vermittelt , identisch sind . – Damit liegt es also , nahe nicht nur , sondern in der Sache selbst , daß , insofern vom Wissen Gottes gesprochen wird , gleich von der Form eines Schlusses die Rede ist . Beide sind verschieden , und eine Einheit , worin Beide durch ein Drittes in Eins gesetzt sind  : – das ist Schluß . – Es ist also näher von der Natur des Wissens von Gott , das in sich wesentlich ve r m i t t e l t ist zu sprechen . – Die nähere Form des Wissens von Gott kommt unter der Form von B e we i s e n vo m D a s e i n G o t t e s vor . Dieß ist das Wissen von Gott , als ein vermittel­ tes vorgestellt . – Nur das ist unvermittelt , was Eins ist , abstrakt Eins . – Die Beweise vom Daseyn Gottes stellen das Wissen von Gott vor , weil es Vermittlung in sich enthält . – Das ist die Religion selbst , Wissen von Gott . Die Explikazion selbst dieses Wissens von Gott , welches vermittelt ist , ist Explikazion der Religion selbst . – Aber diese Form der Beweise hat allerdings etwas Schiefes an ihr , wenn dieß Wissen vorgestellt wird als Beweise vom Daseyn Gottes . – Gegen dieß Schiefe hat sich die Kritik gerichtet  ; aber das einseitige Moment der Form , das an diesem vermittelten Wissen ist , macht nicht die ganze Sache zu Nichts . – Es ist darum zu thun , die Beweise vom Daseyn Gottes wieder zu Ehren zu bringen , indem wir ihnen das Schiefe abstreifen . – Hören wir den Ausdruck ­»Beweise« , so leitet diese Form gleich darauf , daß etwas Schiefes darin seyn könne . – Wir haben Gott und sein Daseyn – Daseyn ist bestimmtes , endliches Seyn  ; das Seyn Gottes ist nicht auf irgend eine Weise ein beschränktes  ; Existenz wird auch in bestimmtem Sinne genommen . – Wir haben also Gott und sein Seyn , Wirklichkeit , Objek|tivität , – und das Be­ weisen hat den Zweck , uns den Zusammenhang aufzuzeigen zwischen beiden Bestimmungen , weil sie verschieden , nicht unmittelbar Eins sind . – Unmittelbar ist Jedes in seiner Beziehung auf sich , Gott als Gott , Seyn als Seyn . – Beweisen ist , daß diese zunächst Verschiedenen auch einen Zusammenhang , Identität haben  ; nicht reine Identität  ; das wäre Unmittelbarkeit , Einerleiheit . – Zusammenhang zeigen heißt Beweisen überhaupt . Dieser Zusammenhang kann von verschiedener Art seyn , und bei Beweisen ist es unbestimmt , von ­welcher Art Zusammenhang die Rede ist . Es giebt ganz äußerlichen , mechanischen Zusammenhang . Wir sehen , daß ein Dach nothwendig ist zu den Wänden , das Haus hat diese Bestimmung gegen Witterung et . c . Man kann sagen , es ist bewiesen , daß ein Haus ein Dach haben muß , der Zweck ist das Verknüpfende der Wände mit dem Dach . – Das gehört wohl zusammen , ist Zusammenhang  ; aber wir haben zugleich das Bewußtseyn , daß dieser Zusammenhang nicht betriVt das Seyn dieser Gegenstände . Daß Holz , Ziegel p ein Dach ausmachen , geht das Seyn des Holzes p Nichts an , ist für sie

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bloß äußerlicher Zusammenhang . – Hier liegt im Beweisen  ; einen Zusammenhang aufzeigen , zwischen solchen Bestimmungen , denen der Zusammenhang selbst äußerlich ist . giebt es andere Zusammenhänge , die in der Sache , dem Inhalt selbst liegen . Das ist der Fall zB bei geometrischen Lehrsätzen . Wenn ein rechtwincklichtes Dreieck ist , so ist sogleich vorhanden ein Verhältniß des Quadrats der Hypo­ thenuse zu den Quadraten der Katheten . Das ist Nothwendigkeit der Sache . Hier ist Beziehung nicht von Solchen , denen der Zusammenhang äußerlich ist  ; sondern hier kann das Eine nicht ohne das Andre seyn , mit dem Einen ist hier noch das Andre gesetzt . – Aber in dieser Nothwendigkeit ist die Art unsrer Einsicht in die Nothwendigkeit verschieden vom Zusammenhange der Bestimmungen in der Sache selbst . Der Gang , den wir im Beweisen machen , ist nicht Gang der Sache selbst , ist ein Andrer , als der in der Natur der Sache ist . W i r ziehen Hilfslinien  ; – es wird Niemand einfallen zu sagen  : damit ein Dreieck drei Winkel = 2 Rechten habe , nehme es diesen Gang , einen seiner Schenkel zu verlängern , und erst dadurch erreiche es dieß . Da ist u n s r e Einsicht , die Vermittlung , die wir durchgehen , und die Vermittlung in der Sache selbst , von einander verschieden . – Die Konstruxion und der Beweis sind nur zum Behufe unsrer subjektiven Erkenntniß  ; – das ist nicht objektive Weise , daß die Sache durch diese Vermittlung zu diesem Verhältniß gelangt  ; sondern nur w i r gelangen durch diese Vermittlung zur Einsicht  ; – das ist bloß subjektive Nothwendigkeit , – nicht Zusammenhang , Vermittlung im Gegenstande selbst . – Diese Art von Beweisen , diese Zusammenhänge sind unbefriedigend sogleich für sich selbst in Rücksicht auf das Wissen von Gott , auf den Zusammenhang der Bestimmungen Gottes in sich , und den Zusammenhang unsres Wissens von Gott und seinen Bestimmungen . – | Näher erscheint das Unbefriedigende so  : in diesem Gang der subjektiven Noth­ wendigkeit gehen wir aus von ersten gewissen Bestimmungen , von Solchem , das uns schon bekannt ist . – Da haben wir Voraussetzungen , gewisse Be­d ingungen , daß das Dreieck , der rechte Winkel i s t  . Es gehen voraus gewisse Zusammenhänge , und wir zeigen in solchen Beweisen auf  : wenn diese Bestimmung ist , so ist auch die , d . h . wir machen das Resultat abhängig von gegebenen , bereits vorhandenen Bedingungen . – Es ist das Verhältniß dieß  : das , worauf wir kommen , wird vorgestellt als ein Abhängiges von Voraussetzungen . – Das geometrische Beweisen als bloß verständiges ist allerdings das vollkommenste , – das verständige Beweisen am konsequentesten durchgeführt , daß Etwas aufgezeigt wird als abhängig von einem Andern .

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Indem wir das anwenden auf das Seyn Gottes , so erscheint da gleich die Unangemessenheit , einen solchen Zusammenhang bei Gott aufzeigen zu wollen . Es erscheint nehmlich besonders im ersten Gang , den wir Erhebung zu Gott nannten , so , daß , wenn wir dieß in der Form des Beweisens fassen , wir das Verhältniß haben , daß das Endliche die Grundlage sei , aus welcher bewiesen wird das Seyn Gottes . In diesem Zusammenhang erscheint das Seyn Gottes als Folge , als abhängig vom Seyn des Endlichen . – Da erscheint die Unangemessenheit dieses Fortgangs , den wir Beweisen nennen , mit dem , was wir uns unter Gott vorstellen , daß er grade das Nicht-abgeleitete , das schlechthin An- und- für-sich-seyende ist . – Das ist das Schiefe . – Wenn man nun aber meint , durch solche Bemerkung habe man überhaupt diesen Gang als nichtig gezeigt , so ist dieß eben so eine Einseitigkeit , die dem allgemeinen Bewußtseyn der Menschen sogleich widerspricht .  – Der Mensch betrachtet die Welt , und erhebt sich , weil er denkend , vernünftig ist  : da er in der Zufälligkeit der Dinge keine Befriedigung findet , – vom Endlichen zum absolut Nothwendigen , – und sagt  : weil das Endliche ein Zufälliges ist , muß ein An-und-für-sich-Nothwendiges seyn , welches Grund dieser Zufälligkeit ist . – Das ist Gang der menschlichen Vernunft , des menschlichen Geistes . – Ebenso werden die Menschen immer diesen konkreten Gang gehen  : Weil Lebendiges in der Welt ist , das für seine Lebendigkeit , als Lebendiges in sich organisirt ist , eine solche Zusammenstimmung seiner verschiedenen Theile ist , und diese Lebendigen eben so bedürfen äußerer Gegenstände , Luft et . c . die selbständig gegen sie sind  ; weil diese , die nicht durch sie selbst gesetzt sind , so zusammenstimmen , muß ein innrer Grund dieser Zusammenstimmung seyn . Es ist diese Zusammenstimmung an und für sich  ; diese Zusammenstimmung setzt eine Thätigkeit , die sie hervorgebracht hat , ein nach Zwecken Thätiges voraus . Das ist , was man nennt die Weisheit Gottes in der Natur bewundern , dieses Wunderbare des lebendigen Organismus , und die Zusammenstimmung äußerlicher Gegenstände zu ihm  : – von dieser erhebt sich der Mensch zum Bewußtseyn Gottes . Wenn man meint , wenn die F o r m der Beweise vom Dasein Gottes bestritten wird , diese auch ihrem I n h a l t e nach antiquirt zu haben , so irrt man sich . – Aber der Inhalt ist allerdings nicht in seiner Reinheit dargestellt . Dieser Mangel kann auch so bemerklich gemacht werden  : Man sagt , bei den Beweisen

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13–33 Der Mensch … werden  :] Bo  : Die Beweise vom Daseyn Gottes sind nur Beschreibungen der Erhebung zu Gott . Es ist die Kantische Kritik der Vernunft wodurch diese Beweise des Daseyns 35 Gottes verworfen werden , so zusagen ist es zum alten Eisen gethan . Die Menschen aber erheben sich ja doch immer vom endlichen zum absolut nothwendigen und sagen weil diese endlichen Dinge ein 12 die] das  



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bleibe man ganz kalt  ; man hat es mit gegenständlichem Inhalte zu thun  ; man kann wohl einsehen  : das und das ist  ; aber das Erkennen ist äußerlich , – dieß Einsehen beibt nur etwas Äußerliches  ; dieser gang sei zu objektiv  ; es sei kalte Über­zeugung , diese Einsicht sei nicht im Herzen , diese Überzeugung müsse im Gemüthe seyn . – | In diesem Vorwurf des Mangelhaften liegt , daß aber dieser Gang seyn soll unsre eigne Erhebung , nicht daß wir uns betrachtend verhalten gegen einen Zusammenhang von äußerlichen Bestimmungen  ; sondern es soll der fühlende , glaubende Geist , der Geist überhaupt sich erheben . Die geistige Bewegung , die Bewegung unsrer selbst , unsres Wissens soll auch darin seyn , – und d a s vermissen wir , wenn wir sagen  : es sei ein äußerlicher Zusammenhang von Bestimmungen . – Es sind zwei Bestimmungen , die verknüpft werden , Gott überhaupt , die unbestimmte Vorstellung von Gott , und Seyn . Diese 2 sind zu vereinigen , das Seyn als Seyn Gottes , und Gott als seyend . Da es 2 Bestimmungen sind , also Fortbewegung Statt findet , so können wir vom Seyn anfangen und übergehen zu Gott , oder von Gott , und übergehen zum Seyn . Indem dieser Gang als Erhebung bestimmt worden , so ist der unmittelbare Anfang das reine Seyn , und das Resultat ist die Vereinigung dieser beiden Bestimmungen , das Wissen  : G o t t i s t  .  – Wenn wir den ersten Gang betrachten , so ist in der Form des Beweises vom Dasein Gottes d e r Satz enthalten  : »Weil Endliches ist , so ist Unendliches oder ein absolut nothwendiges Wesen . Das Endliche ist , daß sein Grund nicht in sich selbst ist , zufällig ist  ; also muß ein Nicht-wieder-in-einem-Andern-Begründetes seyn .« Der Mensch geht in seinem Geiste allerdings diesen Gang  ; – das Nähere ist diese Vermittlung . Wir haben ein Bewußtseyn von der Welt und vielen endlichen Gegenständen , die für uns als zufällig sich bestimmen . Unser Bewußtseyn , Denken ist , wenn es in der Form des Gefühls , der Andacht eingehüllt ist  : das Endliche hat keine Wahrheit , ist ein Zufälliges , ist zwar ein Seyn  ; aber sein Seyn ist in der That nur Nichtseyn . Das Nichtseyn des Endlichen in positiver

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zufälliges sind so muß ein nothwendiges seyn was der Grund dieses absolut zufälligen ist . Die Zu30 sammenstimmung des endlichen setzt ein nach Zwecken thätiges .  Hu  : Dieser Gang enthällt Er-

höbung des Bewustseyns zu Gott , und nichts andres als Beschreibungen dieser Erhöbung . Man spricht schon nicht vom Beweisen Gottes , aber die Erhöbung wird überall Statt finden . Diese Erhobungen des Endlichen zum Absolut Nothwendigen sprechen | aus dass alle diese zufällige Dinge , einen absolut nothwendigen Gang haben müssen . Die Menschen sehen den Zusammenhang der 35 ausseren Sachen die nicht durch sich und durch sie gesezt sind mit dem lebendigen Organismus , dies setzt also eine Thätigkeit voraus die diese Zusammenstimmung hervorgebracht hat , eine Zweckmässige Thätigkeit . Dieser allgemeine Glaube liegt in diesem Beweise vom Daseyn Gottes , er wird nicht gestört durch das Critisiren dieser Beweise .   21 daß] das   29 sind] ist  

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Form , ist affirmativ in sich – dieß Nichtendliche affirmativ das Unendliche , das absolute Seyn , – und für Gott haben wir zunächst nur diese Bestimmung . – Hier ist also Vermittlung vom Endlichen und Unendlichen  ; aber das Wesentliche ist , daß , indem sie das Endliche zum Ausgangspunkt hat , sie in dieser Erhebung das Endliche nicht negirt , sondern bestehen läßt . – Aber das Endliche hat keine Wahrheit  ; an ihm , als Endlichem , ist wesentlich Negazion  ; das Affirmative ist das Unendliche , das absolute Seyn . – Da ist also auch Vermittlung . Es sind unterschiedne Bestimmungen , durch welche hindurchgegangen wird  ; unmittelbares Daseyn , Daseyn der weltlichen Dinge , und Gott . Der Ausgangspunkt ist das Endliche . Die nächste Bestimmung ist , daß es nicht wahrhaftes Seyn hat , das Endliche als negativ  ; – das dritte  : daß diese Negazion des Endlichen selbst Affirmazion ist  : damit Unendliches , absolutes Seyn . – Diese Vermittlung in ihren näheren Momenten betrachtet , so ist der Ausgangspunkt das Endliche , und daß das Endliche kein Wahrhaftes ist , sondern dieß , in sich selbst der Widerspruch zu seyn , nicht zu seyn , sich selbst zu zerstören , das Sich-selbst-Aufheben .  – Damit haben wir zunächst nur die Negazion des Endlichen , die negative Seite . Diese Negazion des Endlichen ist  : auch a f f i r m a t i v  .  – Es giebt nun eine schlechte Affirmazion , die Wiederholung des Endlichen wäre . Das Endliche ist ein Solches , das sich verändert , in | Andres übergeht , – und das ist wieder Endliches . 4 So haben wir das Endliche aber nicht sich verändern lassen , das Zweite ist selbst wieder ein Endliches . Das ist die langweilige Wiederholung Einer Bestimmung . – Der wahrhafte Übergang ist nicht nur in dem Wechsel , in der perennirenden Veränderung  ; sondern das wahrhaft Andere des Endlichen ist das Unendliche . – Dieß ist 2tens affirmativ , nicht bloß Negazion des Endlichen . – Das ist diese ganz einfache Betrachtung . Das Endliche ist ein Beschränktes , Negatives  ; es verändert sich , d . h . das Negative wird negirt . Negazion des Negativen ist Affirmazion , Zusammengehen des Negativen mit sich selbst , die Wiederherstellung der Affirmazion . – Das

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16–17 nicht zu seyn , … -Aufheben] Bo , ähnlich Hu  : dieser Satz in seiner speculativen Bedeutung und Form wird in der Logik betrachtet . So sind wir überzeugt daß die endlichen Dinge die Bestimmung haben zu fallen . ihr Seyn ein solches ist das sich zugleich selbst aufhebt .   20 Affirmazion] Hu  : Unendlichkeit   23 Das ist] Bo  : das ist der schlechte Progreß des endlichen , eine   24–25 in der perennirenden Veränderung] An  : Heraklit sagte  : es ist alles veränderlich , alles ein Fließen . Hier 35 wird von der Endlichkeit nur fortgegangen zu der Negation .   28–29 d . h . das Negative] Bo  : Das ist logisch betrachtet soviel das endliche negative   15 das Endliche] des Endlichen



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Endliche verändert sich , wird zu Endlichem  ; dieß erscheint als ein Andres , und dieß wird wieder zu Anderm . Was in der That darin enthalten ist , ist dieß  : ein Andres wird zu einem Andern  ; Beide sind dasselbe  ; das Eine ist das Andre , das Eine ist das Endliche , das Andre ist das Endliche  ; – so geht das Andre mit sich selbst zusammen , kommt zu sich selbst , – die Negazion wird aufgehoben . Das ist das Affirmative drin  : das Andre kommt im Andern zu sich selbst , zu seiner Gleichheit mit sich , Beziehung auf sich . Diese Beziehung auf sich ist Af­ firmazion – das Seyn . – Das Un e n d l i c h e ist zunächst ein Endliches , N e g a t i ve s  .  – Das Zweite ist , daß es ein A f f i r m a t i ve s ist . – Das ist der Gang , den unser Geist in sich macht . – Vergleichen wir diese Vermittlung mit dem Beweise vom Daseyn ­Gottes , so ist der Unterschied dieser  : daß im Beweise gesagt ist  : Weil Endliches i s t  , ist Unendliches . Das Endliche ist Ausgangspunkt , Grundlage . Hier wird ausgesprochen , daß das Endliche i s t  .  – In unserm Gange ist der Satz vielmehr dieser  : Vor’s Erste i s t das Endliche , – vor’s Andre  : weil es n i c h t ist , nicht wahr an ihm selbst ist , sondern der Widerspruch , der sich selbst aufhebt  ; – deswegen ist seine Wahrheit dieß Affirmative , welches das Unendliche heißt . Es ist da also nicht ein Verhältniß , Vermittlung zwischen Zweien , die sind  ; sondern das Unendliche ist , macht nicht nur eine Seite aus , sondern der Ausgangspunkt hebt sich selbst auf , es ist Vermittlung , die sich selbst aufhebt , Vermittlung durch Aufhebung der Vermittlung . – In der verständigen Vermittlung sind 2 Seiende  : da ist eine Welt , und Gott drüben , – und das Wissen von der Welt , ist die Grundlage vom Seyn Gottes . – Hier wird die Welt aufgegeben als ein Wahrhaftes , nicht als drüben Stehendes betrachtet . Der einzige Sinn ist  : Das Unendliche i s t allein  ; das Endliche ist kein wahrhaftes Seyn . – Das ist es , worauf es ankommt  : das Erste , von dem man ausgeht , bleibt nicht , sondern gibt sich vielmehr selbst auf , wird aufgehoben . – 11 macht] Bo  : macht ist auch eine Vermittlung es wird mit gegangen durch verschiedene Bestim-

30 mungen und zwar nicht äußerlich sondern es ist die Nothwendigkeit selbst . Diese Nothwendigkeit

ist das Thun unseres Geistes   14 Grundlage] Bo  : Grundlage und daher kommt die Einwendung gegen diese Beweise daß man sagt das endliche wird zur Grundlage gemacht zum Seyn Gottes , es ist ein stehenbleibender Ausgangspunkt . Durch dieses Seyn ist das Seyn Gottes in diesem Gange vermittelt .   22–28 In der verständigen … aufgehoben .] Bo , ähnlich Hu  : Diese letzten Abstractio35 nen sind die allgemeinsten Kathegorien in unserem Geiste . Der Haupteinwand gegen diesen Gang beruht blos auf jener schiefen Bestimmung daß das endliche ist und bleibt . Diese Kritik wird auch so ausgedrückt . Wir sind diese beschränkten Wesen , wir können das unendliche nicht fassen , das unendliche ist aber endlich und wir sind endlich , unser Wissen Gefühl Vernunft und Geist ist beschränkt und bleibt in seiner Beschränktheit . Dieses Gerede ist schon widerlegt im gesagten  ; es ist 40 richtig allerdings wir sind beschränkt , von der Beschränkung also der Natur ist nicht die Rede ,

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Bei den Beweisen vom Daseyn Gottes ist der 1te  : der ko s m o l o g i s c h e  . Das ist , was wir gehabt haben  ; nur wird das Affirmative , das absolute Seyn , das Unendliche nicht nur bestimmt als Unendliches überhaupt , sondern im Gegensatz gegen die Bestimmung der Zufälligkeit , als absolut Nothwendiges . Das Wahre ist das absolut nothwendige Wesen , nicht bloß das Seyn , Wesen . – Da kommen also schon andre Bestimmungen herein . – Überhaupt kann man diese | Beweise zu Dutzenden vermehren  : jede Stufe der logischen Idee kann dazu dienen . – Die Bestimmung absoluter Nothwendigkeit liegt im aufgezeichneten Gange . Absolut nothwendiges Wesen im Allgemeinen . Abstrakter gehalten , ist das Seyn nicht als unmittelbar , sondern als in sich reflektirt . Das Wesen haben wir bestimmt als das Nichtendliche , die Negazion des Negativen , was wir das Endliche heißen . – Das , wozu wir übergingen , ist also nicht abstraktes Seyn , das trockne Seyn , sondern Eines , das Negazion der Negazion ist . Darin liegt der Unterschied . Es ist der in die Einfachheit sich zurücknehmende Unterschied . Es liegt also in diesem Unendlichen , absoluten Seyn , Wesen , die Bestimmung des Unterschieds , – Negazion der Negazion  ; aber wie er sich auf sich selbst bezieht . – Ein Solches aber ist , das wir Selbstbestimmen nennen . Negazion ist Bestimmung  ; Negazion der Bestimmung ist selbst ein Bestimmen  ; Einen Unterschied Setzen  ; damit ist eben Bestimmung gesetzt . Wo keine Negazion ist , da ist auch kein Unterschied , keine Bestimmung . In dieser Einheit , diesem absoluten Seyn , liegt also selbst das Bestimmen überhaupt , und es liegt in i h m   ; da ist es Selbstbestimmen . So ist es bestimmt als Bestimmung in ihm selbst , nicht von Außen her . – Diese Unruhe liegt in ihm selbst – Negazion der Negazion – und diese Unruhe bestimmt sich näher als Thätigkeit . – Diese Bestimmung des Wesens in sich , ist die Nothwendigkeit in sich , Setzen des Bestimmens , des Unterschieds , und Aufheben desselben , so daß es Ein Thun ist , und dieß so sich Bestimmen in einfacher Beziehung auf sich selbst bleibt . – Das endliche Seyn bleibt nicht ein Andres  ; es ist keine Kluft zwischen dem Unendlichen und Endlichen  ; das Endliche ist das sich Aufhebende , daß seine Wahrheit ist das Unendliche , an und für sich Seiende . – Das endliche , zufällige

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sondern von der Abhängigkeit der Vernunft . ebenso richtig ist daß das endliche keine Wahrheit hat und die Vernunft ist grade das zu wissen daß das endliche nur eine Schranke ist und wenn wir etwas als eine Schranke betrachten so sind wir schon über die Schranke hinaus . | Ich , das Wissen , das Denken überhaupt , ist beschränkt aber es weiß davon und die Schranke ist also nur negativ . man 35 muß diesen abgeschmackten Respect vor dem unendlichen nicht haben . Das unendliche ist das allgemeine , das unendliche ist die Negation des beschränkten  ; ein Seyn das sich auf sich selbst bezieht , ein Ideelles wo alle Gränze aufgehoben ist . Wissen von Gott ist diese Bewegung diese Er­ hebung .



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Seyn ist das an sich sich Negirende  ; aber diese seine Negazion ist ebenso das Af­ firmative , Übergehen in die Affirmazion , – und diese Affirmazion ist das absolut noth­wendige Wesen . – Eine andre Form , wo dieselbe Bestimmung zu Grunde liegt , dasselbe in Ansehung der Formbestimmung , wo aber weitrer Inhalt ist , ist der f y s i ko t h e o ­ l o g i s c h e oder t e l e o l o g i s c h e Beweis . – Hier ist auch endliches Seyn auf einer Seite  ; aber es ist nicht nur abstrakt bestimmt , nur als S e y n   ; sondern das die gehaltreichere Bestimmung in sich hat , L e b e n d i g e s zu seyn . – Die nähere Bestimmung des Lebendigen ist , daß Zwecke in der Natur sind , und eine Einrichtung , die diesen Zwecken gemäß , zugleich nicht durch diese Zwecke hervorgebracht ist , so , daß die Einrichtung selbständig für sich hervorgeht , in andrer Bestimmung auch Zweck  ; aber daß dieß Vorgefundne sich zeigt , jenen Zwecken angemessen zu seyn . Die fysikotheologische Betrachtung kann bloß Betrachtung ä u ß e r l i c h e r Zweckmäßigkeit seyn . So ist diese Betrachtung in Mißkredit gekommen , und mit Recht  : denn da hat man endliche Zwecke  ; diese bedürfen Mittel  ; zB der Mensch zu seinem animalischen Leben braucht et . c . , das spezifizirt sich weiter . – Nimmt man solche Zwecke an , daß sie ein Erstes sind , Mittel vorhanden sind für die Befriedigung dieser Zwecke , – und daß Gott es ist , wel|cher diese Mittel für solche Zwecke hervorgehen läßt , – so scheint bald solche Betrachtung unangemessen dem , was Gott ist . Diese Zwecke , insofern sie sich gliedern , spezialisiren , werden etwas Un­ bedeutendes für sich selbst , wovor wir keine Achtung haben , uns nicht vorstellen können , daß das direkte Gegenstände des Willens und der Weisheit Gottes sind . In einer Xenie von Göthe ist dieß Alles zusammengefaßt  : Da wird Einem Preisen des Schöpfers in den Mund gelegt , daß Gott den Korkbaum geschaVen , um Stöpsel zu haben . – In Ansehung der Kantschen Filosofie ist zu bemerken , daß Kant in seiner Kritik der Ur­theils­k raft auf diesen wichtigen BegriV zurückgeführt , den wichtigen BegriV aufgestellt hat von i n n e r e n Zwecken  : – das ist der BegriV der Lebendigkeit . – Dieß ist der BegriV des Aristoteles  : Jedes Lebendige ist Zweck , der seine Mittel an sich selbst hat , seine Glieder , seine Organisazion  ; – und der Prozeß dieser Glieder macht den Zweck aus , die Lebendigkeit . Das ist die unendliche , nicht endliche Zweckmäßigkeit , – wo Zweck und Mittel sich nicht äußerlich sind , der Zweck das Mittel , und das Mittel den Zweck hervorbringt . – Die Welt ist lebendig , enthält die Lebendigkeit und Reihe der 14 fysikotheologische] Hu  : Teleologische   26 den Korkbaum] Bo  : Bouteillen er­schaVen und den Korkbaum  

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Lebendigen . Das Nichtlebendige ist in wesentlicher Beziehung zugleich auf das Lebendige , – die unorganische Natur – Sonne , Gestirne – auf den Menschen , sofern er theils lebendiger Natur ist , theils indem er sich besondre Zwecke macht . In den Menschen fällt diese endliche Zweckmäßigkeit . – Das ist die Bestimmung der Lebendigkeit überhaupt , zugleich aber als die vor­handne weltliche Lebendigkeit . Diese ist zwar Lebendigkeit in sich , innre Zweckmäßigkeit zu seyn  ; aber so , daß jene Art , Gattung des Lebens ein sehr enger Kreis , eine sehr beschränkte Natur ist . – Der eigentliche Fortgang ist nun von dieser endlichen Lebendigkeit zur absoluten , allgemeinen Zweckmäßigkeit , daß diese Welt ein κόσμος ist , ein System , worin Alles wesentliche Beziehung auf einander hat , nichts isolirt ist  ; ein in sich Geordnetes , wo Jedes seine Stelle hat , in’s Ganze eingreift , durch’s Ganze sub­sistirt  , und ebenso zur Hervorbringung , zum Leben des Ganzen thätig , wirk­ sam ist . – Die Hauptsache ist also , daß von der endlichen Lebendigkeit zu Einer allgemeinen Lebendigkeit übergegangen werde – Ein Zweck , der sich in besondre Zwecke gliedert , daß diese Besonderung eine Harmonie , in gegenseitiger ­wesentlicher Beziehung ist . – Gott ist zunächst bestimmt als das absolut nothwendige Wesen  ; aber diese ­Bestimmung , wie Kant schon bemerkt , reicht bei Weitem nicht hin für den BegriV von Gott . Gott ist allein die absolute Nothwendigkeit  ; aber diese Bestimmung erschöpft den BegriV Gottes nicht  ; – höher , tiefer ist die Bestimmung der allgemeinen Lebendigkeit , des Einen , allgemeinen Lebens . – Indem das Leben wesentlich Subjektivität , Lebendiges ist , ist dieß allgemeine Leben ein Subjektives , der νοῦς , eine Seele . So ist im allgemeinen Leben die Seele ent|halten , die Bestimmung des Einen , Alles disponirenden , regirenden , organisirenden νοῦς . In Ansehung des Formellen ist dasselbe zu erinnern , als bei den vorhergehenden Beweisen . – Es ist wieder der Übergang des Verstandes  : weil dergleichen Einrichtungen , Zwecke sind , ist eine Alles zusammenordnende , disponirende Weisheit . – Aber die Erhebung enthält ebenso das negative Moment , – was die Hauptsache ist , daß diese Lebendigkeit , Zwecke , so wie sie sind , in ihrer unmittelbaren endlichen Lebendigkeit nicht das Wahre sind . Das Wahre ist vielmehr diese Eine Lebendigkeit , dieser Eine νοῦς . Es sind nicht zwei , es ist ein Ausgangspunkt  ; aber die Vermittlung ist so , daß im Übergange nicht das Erste bleibt , als Grundlage , Bedingung , sondern die 9–10 absoluten , allgemeinen Zweckmäßigkeit] Bo  : absoluten Lebendigkeit und allgemeinen Zweckmäßigkeit  24–26 So ist … νοῦς .] Bo  : Soweit geht zunächst die Bestimmung dessen was theleologischer Beweis genannt worden ist .  

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Unwahrheit , Negazion desselben ist darin enthalten , die Negazion des von ihm Negativen , Endlichen , der Besonderheit des Lebens . Dieß Negative wird ne­ girt  ; in dieser Erhebung verschwindet die endliche Lebendigkeit  : als Wahrheit ist Gegenstand des Bewußtseyns das System Einer Lebendigkeit , der νοῦς e i n e r Lebendigkeit , die Seele , allgemeine Seele . – Hier ist wieder der Fall , daß diese Bestimmung  : Gott ist die Eine allgemeine Thätigkeit des Lebens , – die einen κοσμος hervorbringende , setzende , organisirende Seele – dieser BegriV ist noch nicht hinreichend für den BegriV von Gott . Der BegriV von Gott enthält wesentlich  : daß er Geist ist . Die dritte , wesentliche , absolute Form nach dieser Seite ist noch zu betrachten . – Der Inhalt in diesem Übergange war das L e b e n  , die endliche Lebendig­ keit , das unmittelbare Leben , das existirt .– Hier in der dritten Form ist der Inhalt , der zu Grunde liegt , der G e i s t  . In Form reines Schlusses ist dieß  : »we i l ­e n d l i c h e G e i s t e r s i n d  ,  – das ist hier das Seyn , von dem ausgegangen wird , – s o i s t d e r a b s o l u t e G e i s t  . « – Aber dieses »weil« , dieß nur affirmative Verhältniß enthält diesen Mangel , daß die endlichen Geister Grundlage wären , und Gott – Folge von der Existenz endlicher Geister . – Die wahrhafte Form ist  : »E s s i n d e n d l i c h e G e i s t e r   ; a b e r d a s E n d l i c h e h a t k e i n e Wa h r h e i t   ; d i e Wa h r h e i t d e s e n d l i c h e n G e i s t e s i s t d e r a b s o l u t e G e i s t  . « – Das Endliche der Geister ist kein wahrhaftes Seyn , ist an ihm selbst die Dialektik , sich aufzuheben , zu negiren , – und die Negazion dieses Endlichen ist die Affirmazion als Unendliches , als an und für sich Allgemeines . – Es sind 2 Bestimmungen  : Seyn und Gott . – Insofern vom Seyn angefangen wird , ist unmittelbar das Seyn nach seiner ersten Erscheinung das endliche . – Indem diese Bestimmungen sind , können wir – (beim BegriV Gottes sehen wir später , daß da nicht von Können die Rede ist , sondern er ist die absolute Noth­ wendigkeit , ) – können wir ebenso von Gott anfangen , und übergehen zum Seyn . So ist dieser Ausgangspunkt in endlicher Form gesetzt , noch nicht als seyend  : denn ein Gott , der nicht ist , ist ein Endliches , nicht wahrhaft Gott . Die Endlichkeit dieser Beziehung ist , subjektiv zu seyn . Dieß Allgemeine überhaupt , Gott , hat Existenz , aber nur diese selbst endliche Existenz in unsrer Vorstellung . – |

9 daß er Geist ist] Bo  : (denn Gott ist Geist) man kann nun sagen daß dieses Wesen das die Welt regirt eine von der Welt abgesonderte Ursache ist . Das höchste aber ist nun diese eine Allgemeinheit der Lebendigkeit .  Hu  : Man kann dies so vereinigen Gott ist Ursache und Wahrheit , das lezte ist 35 aber die allgemeine Lebendigkeit .  19 G e i s t  . «] Hu  : Geist . Es ist zu verwundern dass dieser Ueber­g ang nicht in den Beweisen Gottes aufgeführt wurde .   20–28 Das Endliche … So] Bo  : Die Negation dieses endlichen ist das affirmative , als an und für sich allgemein . | es könnte noch bemerkt werden . Ueber das Geschwätz des Pantheismus der Philosophie überhaupt nämlich werden wir später noch reden . / P a n t h e i s m u s ist ein schlechter gegebener Name , es gab nie einen

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Dieß ist einseitig . – Gott , diesen Inhalt , haben wir behaftet mit dieser Ein­ seitigkeit , Endlichkeit , welche die Vorstellung von Gott heißt . – Das Interesse ist , daß diesen Makel die Vorstellung abstreife , bloß Vorgestelltes , subjektiv zu seyn  ; daß diesem Inhalt die Bestimmung gegeben werde , zu seyn . – Diese 2te Vermittlung ist zu betrachten , wie sie vorkommt in dieser endlichen , oder Verstandes-Form , als o n t o l o g i s c h e r B e we i s  . Dieser geht aus vom BegriV Gottes , und über  : zum Seyn . Die Alten , – die griechische Filosofie , – hatten diesen Übergang nicht  ; – er wurde auch lange herein in der christlichen Kirche nicht gemacht . Erst einer der großen scholastischen Filosofen , A n s e l m u s  , der Erzbischof von Kanterbury , dieser tiefe spekulative Denker , hat diese Vorstellung gefaßt .  – Wir haben die Vorstellung von Gott  ; es ist aber nicht nur Vorstellung , sondern Er i s t  .  – Wie ist dieser Übergang zu machen ? einzusehen , daß Gott nicht nur ein Subjektives in uns ist ? wie ist diese Bestimmung , das Seyn , zu vermitteln mit Gott ? – Gegen diesen sogenannten ontologischen Beweis hat sich auch die Kantsche Kritik gewendet , – und , so zu sagen , für ihre Zeit ist sie triumfirend hervorgegangen  : bis auf die neueste Zeit gilt , daß diese Beweise widerlegt sind als nichtige Versuche des Verstandes . Die vorigen Erhebungen sind das Thun

­ antheisten . es heißt Allgötterey , es wäre die Vorstellung daß alles im einzelnen Gott ist . (die Dose , P die Prise Tabak) was man damit gemeint hat das ist ob Gott als Substanz gedacht wird und im Verhältniß des accidentellen in demselben . Ich sagte die endliche Lebendigkeit ist nicht die wahre , sondern die Wahrheit des endlichen Geistes ist der absolute Geist . […] Im Spinozismus selbst ist nur eine göttliche Substanz , und so selbst ist nur ein Gott daß die Welt gar nicht ist  ; das endliche hat darin keine wahrhafte Wirklichkeit . / Wir haben das endliche also als ein negatives überhaupt und daß dessen Wahrheit die absolute Lebendigkeit , der Geist ist . Hier haben wir noch nicht bestimmt ob er absoluter Geist seye in einem Verhältniß zu dem endlichen als Substanz nur oder als Subject ob als Ursache oder Wirkung blos endliche Dinge zu bestimmen seyen als Wirkung oder nur als Accidenzen . Die Hauptsache ist ob das absolute bestimmt wird als Subject als Geist oder nur als Substanz . Die vom Pantheismus sprechen denen fehlt es an den einfachsten Gedankenbestimmungen . Zunächst können wir so gut anfangen von Gott und übergehen zum Seyn . wenn wir so anfangen so  Hu  : Hier kann man noch in Rücksicht des Pantheismus bemerken . Bey der Spinozistischen Philosophie ist Gott Substanz , und alles endliche ist nicht wahr , dies ist also mehr Monotheismus es ist nur ein Gott so dass es Welt gar nicht ist . Aber die | welche von dem Pantheismus sprechen , können sich von dem nicht losreissen , dass das endliche eben so ist als Gott . Weiter also haben wir das Endliche als Negatives gesezt dessen Wahrheit das unendliche , die absolute Lebendigkeit Geist ist . Jezt kommt es nur noch auf die Beziehung an in welcher das Endliche zum Geist ist . Ob der Geist im Verhältniss sey mit dem Endlichen als Substanz oder als Subiekt . Ob die endlichen Dingen zu betrachten sind als Ursache oder Accidenz des Unendlichen . Das ist ein Unterschied allerdings . Das Hauptmoment ist ob Gott als Geist bekannt wird oder als Subiekt .  An  : Spinoza schon hat dies aufgestellt  : es ist nur ein Gott  : sein System ist Akosmismus und Monotheismus . Neuere Schwäzzer legten sein System als Pantheismus aus  : Es ist nun die Frage , ob die Endlichen als Wirkung des Geistes seien (Accidentalität und Substanzialität .) Aber es verdient diese Frage nicht so großen Lärm .  

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des Geistes , das eigne Thun des denkenden Geistes , das die Menschen sich nicht nehmen lassen  ; – und ebenso ist dieß ein solches Thun . Die Alten hatten diesen Übergang nicht  : denn es gehört das tiefste Hinuntersteigen des Geistes in sich dazu . – Der Geist zu seiner höchsten Freiheit , Subjektivität gediehen , faßt erst diesen Gedanken von Gott als subjektiv , und kommt erst zu diesem Gegensatze von Sub- und Objektivität . – Die Art und Weise , wie Anselmus die Vermittlung ausgesprochen , ist diese  : » b e i G o t t i s t d i e Vo r s t e l l u n g  , d a ß E r a b s o l u t vo l l ko m m e n i s t  . H a l t e n w i r n u n G o t t n u r a l s d i e Vo r s t e l l u n g f e s t  , s o i s t d a s e i n M a n g e l h a f t e s  , n i c h t d a s Vo l l ko m m e n s t e  , w a s n u r s u b j e k t i v  , n u r vo r g e s t e l l t i s t   : d e n n e s i s t d a s Vo l l ko m m e n e r  , w a s n i c h t n u r vo r g e s t e l l t i s t  , s o n d e r n a u c h i s t  , w i r k l i c h i s t  .   – A l s o i s t G o t t  , d a e r d a s Vo l l ko m m e n s t e i s t  , n i c h t n u r Vo r s t e l l u n g   ; s o n d e r n e s ko m m t i h m a u c h d i e W i r k l i c h k e i t  , R e a l i t ä t  , z u  . «  – In späterer , breiterer Ausbildung des Anselmischen Gedankens , ist gesagt worden  : » d e r B e g r i f f G o t t e s s e i  , d a ß e r d e r I n b e g r i f f a l l e r Re a l i t ä t e n  , d a s a l l e r r e a l s t e We s e n i s t  . N u n i s t d a s S e y n a u c h e i n e R e a l i t ä t  ,  – a l s o ko m m t i h m a u c h d a s S e y n z u  . « Dagegen hat man gesagt  : das Seyn ist keine Realität , gehört nicht zur Realität eines BegriVs  ;  – eine Realität des BegriVs heiße Inhaltsbestimmtheit des BegriVs  ; durch das Seyn komme zum BegriV , zum Inhalt des BegriVs Nichts hinzu . – Kant hat das so plausibel gemacht  : »100 Thaler stelle ich mir vor . Habe ich sie wirklich  ; so ist der BegriV , die Inhaltsbestimmtheit dieselbe , ob ich sie mir vorstelle , oder sie in der That habe .« – Gegen das Erste , daß aus dem BegriV überhaupt das Seyn folgen soll , ist gesagt worden  : BegriV und Seyn sind verschieden von einander  ; der BegriV also ist für sich , das Seyn ist verschieden  ; das Seyn muß von Außen her , anderswoher zum BegriV kommen , das Seyn liegt nicht im BegriV .  | Das kann man wieder mit den 100 rthl plausibel machen . –

Positiv . 1/6Bo

Antip .

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8 a b s o l u t v o l l k o m m e n ] Bo  : das absolut vollkommene (ein sehr unbestimmter Ausdruck .) Das 30 können wir so allgemein sagen das ist ganz richtig . Wenn wir also eine Vorstellung von Gott haben

und Gott nur als solchen festhalten so müssen wir sogleich sagen es ist ein mangelhaftes  ; sondern das vollkommene ist dieses das nicht nur vorgestellt ist , sondern auch ist . Gott daher ist vollkommen und so hat er auch die Wirklichkeit der Realität in sich . Das was dagegen eingewendet worden ist ist das abstracte allgemeine daß zuerst werde vorausgesetzt der BegriV Gottes , von diesem BegriVe 35 und zwar aus dem allgemeinen soll die Realität abgeleitet werden .   19–20 eine Realität … BegriVs] Bo  : es wird ein BegriV ein Inhalt wenn wir dann bestimmen z . B . daß das Gold spezifische Schwere hat , so ist das eine seiner Realitäten   27–28 Das kann … machen .] Hu  : Der BegriV von 100 Thaler macht das gar nicht aus dass sie sind . Das ist also die Kritick die man | gegen den Ontho­ logischen Beweis Gottes anführt . Das ist was bis jetzt gegolten hat . / Die Hauptsache ist also ob im 40 BegriVe das Seyn liegt , sich ableiten lässt .  

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anonyme nachschrift königsberg · 1827

Im gemeinen Leben nennt man eine Vorstellung von 100 rthl einen BegriV  ;  – das ist kein BegriV , irgend eine Inhaltsbestimmung . – Einer abstrakten sinnlichen Vorstellung , wie Blau , – oder einer Verstandesbestimmtheit , die in meinem Kopfe ist , – kann freilich das Seyn fehlen . Das ist aber nicht ein BegriV zu nennen . – Der BegriV , und vollends der absolute BegriV , der BegriV an und für sich selbst , der BegriV Gottes ist für sich zu nehmen  ; und dieser BegriV enthält das Seyn als eine Bestimmtheit des BegriVs . Dieß ist auf zwei Weisen sehr leicht aufzuzeigen .  – Erstens ist der BegriV unmittelbar  : dieß Allgemeine , welches sich bestimmt , besondert  ; – diese Thätigkeit , zu ur­theilen , sich zu besondern , zu bestimmen , eine Endlichkeit zu setzen , und diese seine Endlichkeit zu negiren , und durch die Negazion dieser Endlichkeit identisch mit sich zu seyn . – Das ist der BegriV überhaupt  ; der BegriV Gottes , der absolute BegriV  ; Gott ist eben dieses . Gott als Geist oder als Liebe ist dieß , daß Gott sich besondert , die Welt , seinen Sohn , erschaVt , ein Andres seiner , – und in diesem sich selbst hat , mit sich identisch ist . – Im BegriV überhaupt , und noch mehr in der Idee , ist dieß überhaupt  : durch die Negazion der Besonderung , die er zugleich selbst die Thätigkeit ist zu ­setzen , – identisch mit sich zu seyn , sich auf sich selbst zu beziehen . Vor’s Andre fragen wir  : was ist das Seyn? diese Eigenschaft , Bestimmtheit , Realität . – Das Seyn ist weiter Nichts , als das Unsagbare , BegriV lose , – nicht das Konkrete , das der BegriV ist  ; nur die Abstraxion der Beziehung auf sich selbst . Man kann sagen  : es ist die Unmittelbarkeit , Seyn ist das Unmittelbare überhaupt , und umgekehrt  : das Unmittelbare ist das Seyn , ist in Beziehung auf sich selbst  ; d . h . daß die Vermittlung negirt ist . – Diese Bestimmung  : Beziehung auf sich , Unmittelbarkeit ist nun sogleich für sich selbst im BegriV überhaupt , und im absoluten BegriV , im BegriV Gottes , – daß Er ist die Beziehung auf sich selbst . Im BegriV selbst liegt sogleich diese abstrakte Beziehung auf sich . – Der BegriV ist das Lebendige , mit sich selbst sich Vermittelnde  ; eine seiner Bestimmungen ist auch das Seyn . – In sofern ist seyn verschieden vom BegriV , weil Seyn nicht der ganze BegriV ist  ; nur eine seiner Bestimmungen , nur diese Einfachheit des BegriVs , daß er bei sich selbst ist , die Identität mit sich . – Seyn ist diese Bestimmung , die man findet im BegriV , verschieden vom BegriV , weil der BegriV das Ganze ist  ; das Seyn nur eine Bestimmung .

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18–33 Vor’s Andre … Bestimmung .] Hu  : Wenn wir nun fragen was ist das Seyn und dass man solche Nothwendigkeit hat dieses mit der Idee Gottes vereinigt zu wissen . So mussen wir antworten . 35 Das Seyn ist ganz abstract , seyne Beziehung auf sich selbst , es ist das unmittelbare  ; das vermittelte ist negirt . Diese Bestimmung also im BegriVe Gottes dass Er Seyn ist die Beziehung auf sich selbst ist das abstracteste allerdürftigste . Das Seyn ist also nur die eine Bestimmung des BegriVes nicht das



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Das Andre ist  : der BegriV enthält diese Bestimmung an ihm selbst , dieß ist eine seiner Bestimmungen  ; aber Seyn ist auch verschieden vom BegriV , weil der BegriV die Totalität ist . In sofern sie verschieden sind , gehört zu ihrer Vereinigung auch die Vermittlung . – Sie sind nicht unmittelbar identisch . Alle Unmittelbarkeit ist nur wahr , wirklich , insofern sie Vermittlung in sich ist , – und umgekehrt alle Vermittlung , insofern sie Unmittelbarkeit in sich ist , Beziehung auf sich selbst hat . – Der BegriV ist verschieden vom Seyn , und die Verschiedenheit ist von dieser Be­schaVen­heit , daß der BegriV sie aufhebt . – Der BegriV ist diese Totalität , die Bewegung , der Prozeß , sich zu objektiviren . Der BegriV als solcher , verschieden vom Seyn , ist ein bloß Subjektives  ; das ist ein Mangel . Der BegriV ist aber das Tiefste , Höchste  : aller BegriV ist dieß , diesen Mangel seiner Subjektivität , diese Verschiedenheit vom Seyn aufzuheben , sich zu objektiviren  ; – er ist selbst das Thun , sich als | seiend , objektiv , hervorzubringen . Man muß beim BegriV überhaupt es aufgeben , zu meinen , der BegriV sei Etwas , das w i r nur haben , in u n s machen . Der BegriV ist die Seele , der Zweck eines Gegenstandes , des Lebendigen  ; was wir Seele heißen , ist der BegriV , und im Geiste , Bewußtseyn kommt der BegriV als solcher zur Existenz , als freier BegriV , unterschieden von seiner Realität als solcher , in seiner Subjektivität . – Die Sonne , das Thier , i s t nur der BegriV , hat den BegriV nicht , der BegriV wird nicht für sie gegenständlich  : es ist nicht diese Trennung in der Sonne  ; aber im Bewußtseyn ist , was Ich heißt , der existirende BegriV , der BegriV in seiner subjektiven Wirklichkeit , und Ich , dieser BegriV bin das Subjektive . – Es ist kein Mensch aber zufrieden mit seiner bloßen Ichheit  ; Ich ist thätig , und diese Thätig­ keit ist , sich zu objektiviren , Wirklichkeit , Daseyn zu geben . – In weiterer , konkreterer Bestimmung ist diese Thätigkeit des Ich der Trieb . Jede Befriedigung ist dieser Prozeß , die Subjektivität aufzuheben , und dieß Innerliche , Subjektive , eben so als Äußerliches , Objektives , Reelles , zu setzen  ; hervorzubringen die E ­ inheit des nur Subjektiven und Objektiven , Beiden diese Einseitigkeit a­ b­zustreifen .

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30 Ganze des BegriVes , nur diese Einfachheit des BegriVes , die Identität Beziehung bloss auf sich

selbst . | Das ist die einfache Einsicht dass Seyn im BegriVe ist . Aber BegriV kann man nicht mit Vorstellungen vergleichen , denn man kann allerley Vorstellungen haben .  Bo  : Den BegriV muß man nicht verwechseln mit der Vorstellung wie man es im gemeinen Leben thut .   8 aufhebt .] Bo  : aufhebt , die Bewegung des BegriVs zu fassen ist eine Ausführung die wie erhellt der Logik ange35 hört .   13–14 er ist … hervorzubringen] Hu  : Die BegriVe als Tähtigkeit zu fassen ist eine Ausführung die der Logik angehört .   26–27 Jede Befriedigung … Prozeß] Bo  : Der Trieb ist die Bewegung das innere aufzuheben es als objectives zu setzen und beyde gemeinsam zu verbinden . In der Befriedigung des Triebes habe ich meine Wirklichkeit erlangt , bin ich im Streben aber so bin ich noch in der Subjectivität . Das ist das was über die Kritik zu nennen ist .  

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Es giebt Nichts , wovon Alles so Beispiel wäre , als das Aufheben des Ent­ gegen­gesetzten , des Subjektiven und Objektiven Einheit hervorzubringen . – Der Gedanke des Anselmus ist also seinem Inhalte nach nothwendiger wahrhafter Gedanke  ; aber die Form des daraus abgeleiteten Beweises hat allerdings einen Mangel , wie die vorigen Weisen der Vermittlung . – Diese Einheit des BegriVes und Seyns ist Voraussetzung , – und das Mangelhafte ist eben , daß es nur Voraussetzung ist . – Vorausgesetzt ist  : »der reine BegriV , der BegriV an und für sich , der Begriff Gottes , dieser ist  ; enthält auch das Seyn .« – Vergleichen wir diesen Inhalt mit dem , was Glaube , unmittelbares Wissen ist , so ist es derselbe Inhalt , mit der Voraussetzung Anselms . Es ist diese Voraussetzung allenthalben , auch bei Spinoza . Er definirt die absolute Ursache , die Substanz als das , was nicht gedacht werden kann ohne Existenz , dessen BegriV die Existenz in sich schließt  ; d . h . die Vorstellung von Gott ist unmittelbar verknüpft mit dem Seyn .  – Diese Untrennbarkeit des BegriVs und Seyns ist absolut nur der Fall bei Gott . Die Endlichkeit der Dinge besteht darin , daß der BegriV , und die Bestimmung des BegriVs , und das Seyn des BegriVs nach der Bestimmung verschieden sind . Das Endliche ist , was seinem oder vielmehr d e m BegriV nicht entspricht . – Dem Anselmus ist übrigens das Gewöhnliche entgegnet worden . Wir haben den BegriV der Seele  ; die Realität , das Seyn , ist die Leiblichkeit . Der Mensch ist sterblich . Das drücken wir auch aus  : Seele und Leib können sich scheiden . – Da ist diese Trennung  ; aber im reinen BegriV ist die Untrennbarkeit . –

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1–2 Es giebt … hervorzubringen .] Hu  : Triebe sind etwas Subiectives , bey Befriedigung des Triebes habe ich mein Selbstbewustseyn , und mache die Triebe obiectiv . Alle Thatigkeit ist Aufhobung der Subiectivitat und setzen | der Obiectivität . Einerseyts ist der BegriV Abstract unmittelbar , als Seyn , 25 insofern er aber unterschieden ist und er muss unterschieden seyn denn er ist lebendig , seyne Tattigkeit ist das Subiective zu negiren und obiectiv zu setzen .   4–5 einen Mangel , … Vermittlung] Bo  : den Mangel daß vorausgesetzt wird Gott ist das vollkommenste . das vollkommenste ist daß er so wohl im BegriVe ist aber auch daß dieser BegriV Seyn hat , das mangelhafte ist dieses daß es nur Voraussetzung ist . Nach der Vorstellung des Glaubens sagt man es ist Thatsache meines Bewußtseyn . 30 das ist eine Vorstellung , die ich habe und mit dieser Vorstellung ist das Seyn Gottes verknüpft . In diesem Satze ist aber eben dieses ausgesprochen daß ungetrennt mit der Vorstellung von Gott auch das Seyn verknüpft ist . (voraussetzen heißt weiter nichts als unmittelbar annehmen .) Das ist im Glauben dasselbe . man sagt , m a n w e i ß d a s u n m i t t e l b a r  , m a n g l a u b t d a r a n  . man ist also gar nicht weiter gekommen nach keiner Rücksicht . Das Mangelhafte ist aber wie gesagt dieses daß 35 das eine Voraussetzung ist also etwas unmittelbares und so erkennt man die Nothwendigkeit nicht dieser Einheit .   10 Anselms .] Hu  : Man ist nicht weiter von Anselm gekommen . Das Mangelhafte ist also wie gesagt die Voraussetzung  , man erkennt die Nothwendigkeit nicht .   11 die absolute Ursache] Bo  : Gott oder die absolute Ursache   12–14 dessen BegriV … Seyn] Bo  : Das ist das was 38 Voraussetzung , man] Voraussetzung man ,

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Eben so der befriedigte Trieb ist allerdings unendlich der Form nach  ; aber der Trieb hat einen Inhalt , und nach seiner Inhaltsbestimmtheit ist er endlich , beschränkt  : da entspricht er denn dem BegriV , dem reinen BegriV nicht . – Das ist die Explikazion des Standpunktes des Wissens vom BegriV . Das Letztbetrachtete war das Wissen von Gott , Gewißheit von Gott überhaupt . Die Hauptbestimmung dabei ist  : Wenn wir von einem | Gegenstande wissen , so ist der Gegenstand vor uns , wir sind unmittelbar darauf bezogen . – Aber diese Unmittelbarkeit enthält Vermittlung , was Erhebung zu Gott genannt worden , daß der Geist des Menschen das Endliche für nichtig achtet . – Vermittelst dieser Negazion erhebt er sich , schließt sich mit Gott zusammen . Dieser Schlußsatz  : » Ic h we i ß  , d a ß G o t t i s t«  , – diese einfache Beziehung ist entstanden durch diese Negazion . – Dieß negative Moment ist es was wir in einer bestimmtern Form noch zu betrachten haben , – und zwar in der Seite der Religion , die wir K u l t u s nennen . Das E r s t e war  : der B o d e n d e r R e l i g i o n überhaupt  ; das Zwe i t e   : das W i s s e n vo n G o t t   ; das Wissen , daß Gott ist  ; das D r i t t e ist  : der K u l t u s  .

Der K u l t u s  .  –

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Was dieser ist , ist an und für sich enthalten in dem , was wir im BegriV betrachtet haben . – In dem Zweiten , dem Wissen von Gott , habe ich Gott zum Gegenstande  ; bin darein vertieft  ; der Gegenstand ist mir das Gewisse , der Gegenstand ist allein vor mir , von diesem weiß ich in sofern allein . – Vom Endlichen , von dem ich anfange , weiß ich auch  ; aber von der Negazion desselben bin ich übergegangen zum Wissen der Wahrheit , zum Wissen von Gott . – In diesem Gegenstande bin ich vertieft  ; ich habe mich in diese geistige Sphäre gehoben , in diesen geistigen Boden gesetzt , welcher Gott , das Göttliche ist . – Dieß Verhältniß ist so t h e o r e t i s c h   ; es fehlt noch das P r a k t i s c h e  , und dieß kommt im Kultus zur Sprache . – Nehmlich , insofern ich im theoretischen Verhältnisse , in Gott , meinem Gegenstande vertieft bin , bin ich drein versenkt  ;

Anselm gesagt hat und was im jetzigen Glauben gesagt wird .   1–3 Eben so … nicht .] Bo  : Beym Triebe des Geistes oder des Lebendigen muß man zugleich nicht nur das Formelle nehmen sondern auch den Inhalt des Triebes . Der Trieb unbefriedigt ist endlich aber befriedigt wird er unendlich . und nach seiner Inhaltsbestimmtheit aber ist es daß er beschränkt ist und darum entspricht er dem 35 reinen BegriVe nicht .  

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ich weiß Nichts von mir . Dieser Schlußsatz ist unmittelbare Beziehung . – Dieß ist auch in geringeren Beispielen  : ich weiß vom Papier  ; – da bin ich damit erfüllt , von mir weiß ich dabei Nichts .– Aber dieß Verhältniß , dieß Wissen , oder näher  : diese verhältnißlose Beziehung , ist nicht das Ganze , das in der That vorhanden ist . – Im theoretischen Verhältniß bin ich von diesem Gegenstand erfüllt , weiß nur von diesem Gegenstand . Diesem Gegenstand aber stehe ich gegenüber . Daß Ich bin , und einen Gegenstand habe , ist Reflexion auf das Bewußtseyn  ; ich betrachte dieß Wissen vom Gegenstand , – Ich und der Gegenstand . – Insofern ich diese Reflexion habe , – Ich und der Gegenstand – sind es zwei , und diese Zwei sind verschieden . – Im Anschauen , im theoretischen Verhältniß ist nur e i n Gegenstand , mit dem ich ausgefüllt bin  ; ich weiß Nichts von m i r   ; das Wahre ist aber das Verhältniß von mir u n d diesem Gegenstande . Hiermit geht das praktische Verhältniß an , – worin Ich für mich bin , dem Gegenstand gegenüber , und jetzt hervorzubringen habe meine Einigkeit mit diesem Gegenstande , nicht nur vom Gegenstand zu wissen , vom Gegenstand erfüllt zu s e y n   ; sondern mich als erfüllt von diesem Gegenstand zu w i s s e n  , diesen Gegenstand zu wissen als in mir , und ebenso mich , als in diesem Gegenstand , der die Wahrheit ist , mich in der Wahrheit zu wissen .– Diese Einheit hervorzubringen ist das Thun , die Seite , des Kultus . Erst im praktischen Verhältniß , im Willen geht eigentlich diese Abscheidung von Subjektivität | und Objektivität an  ; im theoretischen Verhältnisse bin ich erfüllt vom Gegenstande , setze mich nicht dem Gegenstande gegenüber . – Insofern ich vom Gegenstande weiß , ist dieser Gegenstand nicht  ; im Willen erst bin ich für mich , bin frei , als Subjekt auf mich bezogen , und stehe erst dem Gegenstande gegenüber . Im Praktischen geht in sofern erst die Beschränktheit an , im theoretischen Verhältniß nicht . Im Wollen bin ich für mich  ; andre Gegenstände sind mir gegenüber  ; so sind diese Gegenstände meine Schranke . – Der Wille hat einen Zweck und geht auf diesen Zweck , ist Thätigkeit , diese Endlichkeit , diesen Widerspruch aufzuheben , daß dieser Inhalt eine Schranke für mich ist . – In der praktischen Bestimmung ist Endlichkeit , daß ich als Wille , Subjekt , für mich bin , und ein andrer Gegenstand ist , auf den ich gerichtet bin .

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26–33 Im Praktischen … bin .] Hu  : Man sagt dass im Willen die Unbeschranktheit ist , dass ich nur im Wissen beschränkt bin , aber eigentlich konnte man | das vom Willen sagen . Er hat einen Zweck 35 die Einheit zu ver­schaVen zwischen mich und dem Gegenstande , den Gegenstand mir zu assimiliren . / Gott ist das absolut vollkommene . In der Wolfischen Philosophie wurde sehr viel von der Vollkommenheit gesprochen es ist nur immer aber eine formelle Bestimmung . Wenn wir Gott nur



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– Insofern ich handle , habe ich das Bedürfniß , diesen Gegenstand mir zu assimiliren , meine Endlichkeit in Beziehung auf diesen Gegenstand aufzuheben , diesen Mangel , – und was mir äußerlich ist , ist die Weise , wie dieser Mangel erscheint . Im Praktischen hat der Mensch einen andern Gegenstand , dieser Gegenstand ist hier Gott , von dem er weiß . Indem der Mensch auf sich zurück sieht , ist dieser Gegenstand ein Andres , ein Jenseits  ; im Theoretischen reflektirt er nicht auf diesen Gegensatz . Da ist diese unmittelbare Einheit , unmittelbares Wissen , Glauben .  – I m T h e o r e t i s c h e n s c h l i e ß t d e r M e n s c h s i c h m i t d i e s e m G e g e n s t a n d z u s a m m e n  .  – So können wir das theoretische Bewußtseyn , seinem Resultate , Schlußsatze nach , ausdrücken . Im K u l t u s ist Gott auf der einen Seite , Ich auf der andern , – und die Bestimmung ist diese , m i c h m i t G o t t i n m i r s e l b s t z u s a m m e n z u s c h l i e ß e n  , mich in Gott zu wissen , und Gott in mir  ; – diese konkrete Einheit . – Für u n s r e Betrachtung ist das theoretische Bewußtseyn auch konkret  ; aber nur an sich  ; – daß es auch für das Subjekt konkret sei , ist das praktische Verhältniß . – Der Kultus ist , sich diesen höchsten , absoluten Genuß zu geben – da ist Gefühl darin , da bin ich mit meiner besondern subjektiven Persönlichkeit dabei – mich als diesen mit Gott zusammengeschlossen zu wissen , mich in der Wahrheit zu wissen , – und ich habe nur meine Wahrheit in Gott , als mich in Gott mit mir zusammenzuschließen . – Die Voraussetzung beim Kultus ist , daß die Versöhnung an und für sich vollbracht ist , – daß es nicht darum zu thun ist , diese Versöhnung absolut zu Stande zu bringen , sondern nur für mich , den Besonderen braucht hervorgebracht zu werden , weil ich im Praktischen als dieser Einzelne wirklich bin  ; dieser Versöhnung theilhaftig zu seyn , die an und für sich vollbracht ist . – Vollbracht ist diese Versöhnung im Allgemeinen  : sie ist die Grundlage alles religiösen Bewußtseyns . – Wir haben angefangen vom Boden der Religion , von dieser Substanzialität . – Es ist darin enthalten , daß Gott allein die Wahrheit ist  ; in nährer Form  : daß Gott gütig ist , den Menschen erschaVen hat pp .

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30 als Vorstellung halten so wissen wir und werden sagen , dass es noch nicht das vollkommenste ist .

Das vollkommene ist nicht dies was vorgestellt werden kann aber was ist . Das was gegen den Ontho­ logischen Beweis vom Daseyn Gottes von Kant gesagt wurde ist ein abstractes allgemeines , es soll nämlich der BegriV Gottes vorausgesetzt werden und aus diesem die Realität abgeleitet . Vorher wurde durch Anselm angegeben dass der BegriV Gottes auch zugleich | Realität ist , es komme ihm 35 Seyn zu . Gegen dies kann man sagen dass Seyn keine Realität sey . Zur Realität des BegriVs gehört eine Inhalts Bestimmtheit , durch das Seyn kommt aber dem Inhalte nichts zu . Kant hat das (Text bricht ab)  11–14 Im K u l t u s … Einheit .] Bo  : Im Cultus ist vor mir nicht mein Bewußtseyn auf einer Seite und Gott auf der andern Seite und da ist der Zweck mich mit Gott in einer Einheit zu wissen .  

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anonyme nachschrift königsberg · 1827

Es ist diese Voraussetzung , daß Gott allein die wahrhafte Wirklichkeit ist  ; sofern ich Wirklichkeit habe , daß ich sie nur in Gott habe  : weil Gott allein die Wirklichkeit | ist , soll ich in Gott meine Wahrheit , Wirklichkeit haben . – Das ist Grundlage des Kultus . Es ist vorausgesetzt , entweder daß die Ver­ söhnung vollbracht ist , oder an und für sich da , von Haus aus vorhanden . So bei den Heiden das Bewußtseyn ihrer Glückseligkeit , daß Gott ihnen nahe ist , daß die Götter ihnen freundlich sind . Heutiges Tages ist diese Seite des Kultus mehr oder weniger bei Seite geschoben , tritt nicht mehr in dieser Bestimmtheit hervor . Der Kultus ist erst innerhalb der Religion  ; innerhalb ihrer selbst ist , daß Gott ist , die wahrhafte Wirklichkeit , die Wahrheit ist , d . i . dieser Boden . – Was durch den Kultus zu Stande gebracht wird , ist , was u n i o m y s t i c a hieß , – dieß Gefühl , dieser Genuß , daß ich bei Gott in Gnade bin , daß der Geist Gottes in mir lebendig ist , das Bewußtseyn der Vereinigung , Versöhnung meiner mit Gott . – Die erste Form , das Innerste des Kultus , ist , was die A n d a c h t überhaupt heißt . Andacht ist nicht nur bloßer Glaube , daß Gott ist , sondern wenn der Glaube lebhafter ist oder wenn das Subjekt betet , wenn es nicht bloß gegenständlich beschäftigt ist mit diesem Inhalt , wenn es sich hineinversenkt – das Feuer , die Wärme der Andacht . – Da ist das Subjekt dabei , es ist die Subjektivität , die sich darin hat , die betet , spricht , Vorstellungen durchgeht , mit seiner Erhebung zu thun hat . – Andacht ist der sich bewegende Geist , in dieser Bewegung , diesem Gegenstande sich zu erhalten . Diese Innerlichkeit ist die Andacht überhaupt . Zum Kultus gehören 2tens diese äußerlichen Formen , daß das Gefühl der Versöhnung auf äußerliche , sinnliche Weise , wie bei den Sakramenten , hervorgebracht wird , daß sie zum Gefühl , zum gegenwärtigen , präsenten , zum sinnlichen Bewußtseyn gebracht wird , – und alle diese vielfachen Handlungen , die Opfer heißen . Was wir beim theoretischen Standpunkte sahen , daß das Subjekt sich über das Endliche erhebt und über das Bewußtsein des Endlichen  ; – diese Negazion wird nun mit Bewußtseyn vollbracht im Kultus  : denn da ist dem Subjekt zunächst um sich zu thun . – Schon im Eifer , in der Lebhaftigkeit der Andacht ist Entfernung der Vorstellungen , diese Energie , Gewaltsamkeit gegen das sonst zerstreute Bewußtseyn , 9 Bestimmtheit] Hu  : Wichtigkeit   9–11 Der Kultus … Boden .] Hu  : Man hat nur den Zweck den Glauben im Menschen hervorzubringen . Unterschiedene Formen von Cultus werden wir später sehen .   25 das Gefühl] Bo  : der Genuß  

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sich festzuhalten , und auf thätige Weise . Diese Negazion ist in der Andacht , – und erhält auch äußerliche Gestaltung durch Opfern . Das Subjekt verzichtet auf Etwas , negirt Etwas an ihm . Es hat Eigen­thum  ; dessen beraubt es sich , um zu beweisen , daß es in ihm Ernst sei  ; vollbringt diese Negazion theils auf intensivere Weise , nur daß etwas geopfert , verbrannt sei – auch Menschenopfer , – theils ist der sinnliche Genuß , Essen und Trinken , selbst Negazion von äußerlichen Dingen . Von dieser Negazion , dem Opfer , wird so fortgegangen zum Genuß , zum Bewußtseyn , vermittelst dieser Negazion in Einheit mit Gott sich gesetzt zu haben . | Der sinnliche verbindet sich sogleich mit dem höhern Genuß  : Bewußtseyn der Verbindung mit Gott . Das Dritte und Höchste ist , daß der Mensch seiner Subjektivität sich abthut , nicht nur in äußerlichen Dingen , in Eigen­thum  ; sondern daß er sein Herz Gott opfert , – sein Innerstes  ; daß er in diesem Innern Reue , Buße empfindet , sich bewußt wird seiner unmittelbaren Natürlichkeit . – Diese besteht in Leidenschaf­ ten , Absichten der Partikularität , daß er dieser sich entschlägt , sein Herz reinigt , und durch diese Reinigung seines Herzens auf den rein geistigen Boden sich erhebt . – Solche Empfindung der Nichtigkeit kann nur Zustand seyn , einzelne Empfindung , oder durch und durch ausgeführt . Ist Herz , Wille , ernstlich durch und durch gebildet zum Allgemeinen , Wahren , so ist dieß , was als S i t t l i c h k e i t erscheint . Das ist der wahrhafte Kultus , mit dem aber zugleich verbunden seyn muß Bewußtseyn des Wahren , Göttlichen , Gottes . – In sofern ist die Filosofie ein fortwährender Kultus  : sie hat zu ihrem Gegenstande das Wahre und das Wahre in seiner höchsten Gestalt als absoluter Geist , als Gott , und ist dieß , dieß Wahre nicht nur in der einfachen Form als Gott zu wissen , sondern auch in seinen Werken als von Gott hervorgebracht , mit seiner Vernunft begabt , das Vernünftige zu wissen . – Das Wahre zu wissen , – dazu gehört , seiner Subjektivität sich zu entschlagen , der subjektiven Einfälle , der einzelnen Eitelkeit , mit dem Wahren sich zu beschäftigen rein im Denken , nur nach dem objektiven Denken sich zu verhalten . Diese Negazion der partikulären Subjektivität ist ein wesentliches , noth­wendiges Moment . Das sind diese 3 , die zum BegriV der Religion gehören . – Religion , oberflächlich gesagt , ist Beziehung auf Gott . Es ist gesagt , daß diese Beziehung im Denken ist  : Gott ist für den Gedanken  : denn Er ist das an und für sich Allgemeine . Das Ur­theil dieses an und für sich Allgemeinen , die ErschaVung , ist das sich Besondern , dieses Unterscheiden des besondern Geistes gegen ihn , den absoluten Geist .

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Das e r s t e Verhältniß ist nun gewesen das Verhältniß des Wissens , das t h e o r e t i s c h e Ve r h ä l t n i ß  . – Das z we i t e ist das praktische , Wissen dieser Erhebung , – und die Erhebung ist selbst Wissen . Das d r i t t e Moment ist das Wissen dieses Wissens . – Das ist wirkliche Religion . – Das war der BegriV der Religion , der Religion überhaupt . |

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ii.  die bestimmte religion73 Zwe i t e r T h e i l d e r R e l i g i o n s w i s s e n s c h a f t  .

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Der zweite Theil ist die b e s t i m m t e R e l i g i o n  , die Religion in ihrer Bestimmtheit . – Das sind bestimmte , besondre , damit endliche Religionen , die ethnischen Religionen überhaupt . – (Das Dritte ist die a b s o l u t e Religion , der BegriV der Religion , die Religion in ihrer Ausführlichkeit ausgeführt .  –) Wir haben bisher von Gott überhaupt gesprochen , vom Bewußtseyn Gottes , Beziehung auf Gott , Wissen des göttlichen Geistes in sich , und sich im göttlichen Geiste . – In der b e s t i m m t e n Religion kommt erst Bestimmung in dieses allgemeine Wesen herein  ; hier erst fängt das Erkennen von Gott an  ; durch die Bestimmung hindurch wird der Gedanke von Gott erst zum BegriV . – Wie sich der Inhalt , Gott , bestimmt , so bestimmt sich auf der andern Seite der subjektive menschliche Geist , der solchen Gegenstand hat . Das Prinzip , nach welchem Gott für den Menschen bestimmt ist , ist auch das Prinzip für den Menschen an ihm , für den Menschen in seinem Geiste . – Ein schlechter Gott , ein Naturgott hat schlechte , natürliche , unfreie Menschen  ; der reine BegriV von Gott , der geistige Gott hat den freien , geistigen , wirklich von Gott wissenden Geist zu seinem Korrelate . – In der bestimmten Religion ist der Geist bestimmt , sowohl der absolute , der Gegenstand ist , als der subjektive , der sein Wesen , seine Absolutheit zum Gegenstande hat . Beide Bestimmungen erhalten hier erst ihre Bestimmtheit . – In der bestimmten Religion als solcher , in der endlichen Religion haben wir nur untergeordnete Bestimmungen des Geistes , der Religion vor uns  ; wir haben noch nicht die Religion der absoluten Wahrheit  ; – aber daß die Religion zu ihrer absoluten Wahrheit komme , der Geist für den Geist werde , das Verhältniß des Geistes zum Geiste , daß der Geist selbst seine wahrhaft unendliche Bestimmtheit erlange , – dazu ist dieser Gang eine Bedingung . – Diese bestimmten Religionen sind bestimmte Stufen des Bewußtseyns vom Geiste , des Wissens vom Geiste . Diese bestimmten Stufen sind nothwendige Bedingungen für das Hervorgehen der wahrhaften Religion , für das wahrhafte Bewußtseyn des Geistes . – Sie sind deswegen auch geschichtlich vorhanden  ; wir lernen sie in diesen bestimmten Formen auch als geschichtliche Religionen kennen . – (In der wahrhaften Wissen­ schaft , in einer Wissenschaft des Geistes , einer Wissenschaft , wo der Mensch Gegenstand ist , da ist die Entwicklung des BegriVs eines solchen konkreten

8–11 Wissen des … BegriV .] Hu  : Sie sind nur als unbestimmte Vorstellungen angegeben worden , 35 wir wollen sie aber in unserem Bewustseyn haben . Die allgemeine Vorstellung bestimmt sich wird

erkannt und kommt zum BegriVe .   30 vorhanden] Bo  : geschichtlich vorhanden in der Zeit und im Raume  

56AKö vacat 57AKö 37 Bo 55vHu

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56vHu

57rHu NB .

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­ egenstandes auch die äußerliche Geschichte desselben . – ) Diese Entwicklung G ist durch den BegriV nothwendig . Deswegen haben in der Wirklichkeit diese Gestalten der Religion existirt  ; so haben diese Gestalten existirt nach einander in der Zeit und neben einander im Raum . – Die a l l g e m e i n e E i n t h e i l u n g ist zunächst zu betrachten . – | Die e r s t e Form der Religion ist nothwendig die u n m i t t e l b a r e R e l i g i o n  ,  – was man auch N a t u r r e l i g i o n nennen kann , die n a t ü r l i c h e ­R e l i g i o n  .  – Naturreligion hat in neurer Zeit eine Zeit lang einen andern Sinn gehabt  : man hat darunter verstanden  : was der Mensch durch seine Vernunft , das natürliche Licht seiner Vernunft soll erkennen können . – Man hat die natürliche Religion in sofern der geoVenbarten entgegengesetzt . – Von diesen Gegensätzen ist theils geredet , theils sind es überhaupt Gegensätze , die wir über uns hinaussetzen können . – Die natürliche Vernunft ist ein schiefer Ausdruck . Man spricht zwar von der Natur der Vernunft , d . h . BegriV der Vernunft  ; im Ganzen aber wird unter Natürlichem verstanden , das Unmittelbare , das Sinnliche überhaupt , das Ungebildete . Die Vernunft ist vielmehr dieß , nicht zu seyn , wie es zunächst unmittelbar ist  ; – der Geist ist eben dieß , sich über die Natur zu erheben , aus dem Natürlichen sich herauszuziehen , frei zu werden , nicht nur g e g e n das Natürliche , sondern i m Natürlichen das Natürliche sich unterwerfen , sich angemessen , gehorchend zu machen . –Der wahrhafte Sinn von »natürlicher Vernunft« ist  : Geist , Vernunft , dem BegriVe nach . Wenn aber Vernunft so genommen wird , was Vernunft , Geist , wahrhaft in sich ist , so macht das keinen Gegensatz gegen die geoVenbarte Religion . – Diese ist OVenbarung Gottes , OVenbarung des Geistes , und der Geist kann sich nur dem Geiste oVenbaren , das , was der Geist in seinem BegriVe , nach seiner Wahrhaftigkeit ist . – Der Geist kann sich nicht dem Geist- , Vernunftlosen oVenbaren , sondern daß das Aufnehmen durch den Geist möglich sei , muß dieß Aufnehmende selbst Geist seyn  ; »der Geist muß Zeugniß geben dem Geiste« .  – Das ist das höchste Zeugniß , das der Geist dem Geiste giebt  ; alle andren Beglaubigungen , Autorisazionen , dienen zur Anregung auf diesem Standpunkte des Bewußtseyns . – Ist der Geist zu seinem Selbstbewußtseyn gekommen , so hat er sich erhoben über solche äußerliche Beglaubigung , die an seine Fantasie und der­

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1 Geschichte  : Hu  : Gestalltung   11 entgegengesetzt] Hu  : entgegen gesezt . Das natürliche Licht der Vernunft ist aber schon an sich ein schiefer Ausdruck .   20 gehorchend] Hu  : gehorchend und dienend  21–24 Der wahrhafte Sinn … Geistes] Hu  : Deswegen ist also der Ausdruck den wir 35 oben angestellt haben in solcher neueren Bedeutung zu vermeiden . Es ist noch hier zu bemerken dass der Geist seynem BegriVe nach wohl der ge­oVen­bar­ten Religion entgegengesezt werden kann , anderer seyts kann aber nur die oVen­barte Religion für den Geist gelten   28 Geiste«] Hu schließt an  : wie es dies religiös ausgesprochen werden pflegt  



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gleichen gerichtet ist . – Alle Religion ist in diesem Sinne , daß der Geist Zeugniß zu geben hat , n a t ü r l i c h  , d . i . sie ist dem BegriVe gemäß , spricht den Geist an . – Diese natürliche Religion in neuerer Zeit ist auch bloß m e t a p h y s i s c h e Re l i g i o n gewesen , insofern Metaphysik den Sinn gehabt  : ve r s t ä n d i g e r G e d a n k e  .  – Das ist diese moderne ve r s t ä n d i g e R e l i g i o n  , was D e i s m u s heißt , Resultat der Aufklärung , Wissen von Gott , als Abstraktum . – Das E r s t e für uns ist die n a t ü r l i c h e R e l i g i o n   ; in d i e s e r Bestimmung näher , daß der G e i s t n o c h i n d e r E i n h e i t m i t d e r N a t u r i s t  . So ist er noch nicht frei , noch nicht a l s Geist wirklich – diese Einheit , Neutralität mit der Natur , Vermischung des Geistigen mit dem Natürlichen , der Geist in seiner ganz unmittelbaren Weise . Der Geist in seiner ganz unmittelbaren Weise ist | zunächst das menschliche Individuum . – Die Religion fängt damit an , daß der Mensch gilt für die höchste , absolute Macht  ; dafür sich hält , gehalten wird . Die z we i t e Stufe der Religion ist  : die E r h e b u n g ü b e r h a u p t d e s G e i s t i g e n ü b e r d i e N a t u r  . Diese Erhebung kann auf 2erlei Weise geschehen  : diese Erhebung im Gedanken , daß Gott ist für den Gedanken , nur für den Gedanken , die Abstraxion Gottes  ; oder diese Erhebung , daß Er ist als konkrete Individualität , die nicht auf unmittel­ bare natürliche Weise nur existirt , Naturwesen überhaupt ist  ; sondern daß das Geistige das Herrschende ist , die Oberhand hat , aber noch das Natürliche zu seiner Realität , Gestaltung , noch nicht als reiner Geist ist . – Das Geistige als konkret Geistiges , als geistige Individualität so , daß das Natürliche unterworfen ist dem Geiste , und die Individualität zugleich diese partikularisirte Individualität ist . – Darin liegt zugleich , daß eine Menge solcher partikularisirter Individualitäten ist , und daß sie noch mit natürlichem Daseyn , natürlicher Gestaltung behaftet sind ,  – d i e R e l i g i o n d e r S c h ö n h e i t  .  – Die dritte Form ist die R e l i g i o n d e r Zw e c k m ä ß i g k e i t  , wo in Gott ein Zweck , Zwecke überhaupt gesetzt sind  ; aber noch nicht ein Zweck , der rein geistig ist , noch nicht der absolute Zweck . Es kann dieß die R e l i g i o n d e s F a t u m s  , S c h i c k s a l s genannt werden , weil der Zweck noch nicht freier , reiner , geistiger Zweck ist . – Es ist ein besondrer Zweck in Gott gesetzt , und dieser ist dann ein Vernunftloses gegen die anderen partikularen Zwecke , weil diese anderen Zwecke eben so das Recht hätten , als dieser , der auch nur ein besondrer ist . – 3–4 m e t a­p h y s i s c h e R e l i g i o n ] Bo  : metaphysischer Theismus  Hu  : Verstandesreligion  An  : metaphysische Religion , Gedankenreligion , Wissen von Gott als einem Abstrakten , dass er Vater der Menschen sei   9 Einheit] Hu  : ruhige Einheit   30 überhaupt] Hu  : mehr ausserliche aber  

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Was die geschichtliche Seite betriVt , in der sich diese Stufen darstellen , so ist  : die natürliche Religion vornehmlich R e l i g i o n d e s M o r g e n l a n d e s  , besonders A f r i k a’s  .  – das Zweite , daß das Geistige sich über das Natürliche erhebt , zur Freiheit , theils ü b e r die Natürlichkeit , theils i n der Natürlichkeit , daß die Vermischung aufhört , – das ist die Religion der Griechen . Das Dritte ist die r ö m i s c h e R e l i g i o n  . Wir werden auch in der orientalischen Religion , die Naturreligion im Allgemeinen ist , ein Erheben des Gedankens finden über die bloß natürlichen Mächte , Gewalt  ; aber diese Erhebung ist in der Naturreligion inkonsequent durchgeführt . – Es ist eben diese Vermischung des Geistignatürlichen diese ungeheure fürchterliche I n ko n s e q u e n z  , in welcher die unterschiedenen Mächte , die natürlichen und geistigen Mächte , mit einander gemengt sind . Das Zweite ist die Erhebung mit K o n s e q u e n z in sich gegen das Natürliche , daß das Natürliche unterworfen ist , theils ganz als Beherrschtes in der Religion der Erhabenheit , oder daß es nur zur Gestaltung , Erscheinung , Manifestazion dient . Das Dritte , die Religion der ä u ß e r l i c h e n Zweckmäßigkeit , – äußerlich , insofern der Zweck zwar | wesentlich gesetzt ist , aber nur beschränkte , selbst endliche , äußerliche Zwecke , – ist die Religion der Römer , die wir wohl von der griechischen unterscheiden müssen , und die den Übergang zur absoluten Religion macht . – Es ist diese Eintheilung durch den BegriV . Das ist der G e i s t i n s e i n e r Un m i t t e l b a r k e i t  , N a t ü r l i c h k e i t  , Wildheit , Rohheit der Begierden und Leidenschaften  ; das die R e f l e x i o n  , die das Natürliche herabsetzt unter den Geist , den Geist frei macht , theils ganz entflieht dem Natürlichen , das Natürliche nur unter der Herrschaft seyn läßt des Einen , – theils daß das Geistige sich individualisirt , das Geistige das Natürliche sich unterworfen , aber als Weise seiner Realität noch an ihm hat  ; – (der absolute Geist hat seine Realität als Geist im Geiste , ist der Geist in seiner Gemeine  : der Geist ist hier selbst das absolute Element , nicht das der Schönheit  ;) – das ist , daß der Geist in sich Zwecke setzt , in sich wollend ist , in sich sich bestimmt , Zweckmäßiges will , und das in sich Vorausbestimmte vollführt . Der Zweck aber ist zunächst endlich , beschränkt , Äußerlich . – Das sind die 3 Bestimmungen des Geistes , die 3 Formen der bestimmten Religion . – |

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6 der Griechen] Bo , ähnlich Hu  : der Erhabenheit und andererseits der Schönheit , der Juden und der 35 Griechen  7 r ö m i s c h e R e l i g i o n ] Bo  : römische Religion , die den Uebergang zur absoluten Religion macht   15 unterworfen] Hu  : dem Geistigen ganz untergeworfen   16 Manifestazion] Hu  : Manifestation , Schonheit  



ii.  die bestimmte religion77 Ite F o r m  . D i e u n m i t t e l b a r e R e l i g i o n  , die Religion , als N a t u r r e l i g i o n  .

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Ehe wir die natürliche Religion in ihrer eigenthümlichen Gestalt betrachten , ist Rücksicht zu nehmen auf eine Vorstellung die Gäng und Gebe ist , in der ­Fantasie vor uns steht , und die man auch sonst behauptet , geltend macht . – Diese ist , daß die e r s t e R e l i g i o n d i e w a h r h a f t e u n d vo r t r e f f l i c h e gewesen , und alle der Zeit nach spätere Religionen nur ein Verkommen seien dieser Religion  ; daß aus dem Untergang dieser ersten Religion sich Trümmer , Bruchstücke , Andeutungen erhalten , und daß diese d a s seien , was diesen späteren Religionen zu Grunde liegt , was sich auch erkennen lasse , was historisch zu erkennen besonders Interesse habe . Man glaubt zu dieser Vorstellung theils an und für sich , a priori , theils a posteriori berechtigt zu seyn , auf geschichtlichem Wege . – Wenn man die Geschichte der Religion , Wissenschaft , Erkenntniß , verfolge bis zu ihrem Ursprung , so finde man da Spuren , Wahrheiten , Erkenntnisse , die einen noch höhern Ursprung andeuten , und die sich erhalten haben in den späteren Zuständen der Religion , – die man nicht verstehen könne im Zusammenhang mit den bestimmten Religionen selbst , oder mit der wissenschaftlichen Bildung , Kenntniß solcher Nazionen . – Was das a priorische betriVt , so ist diese Vorstellung , daß der Mensch ursprüng­ lich geschaVen worden von Gott nach dem Ebenbilde Gottes , daß der erste Mensch seinem BegriV gemäß gewesen , in der Reinheit seines BegriVs  ; gut , ohne böse zu seyn , und als wissend auch in dieser Einheit mit Gott und der Natur , so , daß er in dieser ursprünglichen Reinheit Gott gewußt habe , wie er ist  ; daß er sich verhalten habe nach dem Wesen Gottes und seinem eignen Wesen , noch nicht in die Zweiheit herausgetreten , noch unverdorben war . – Und , indem der Blick des Geistes so noch nicht verdunkelt und getrübt , der Mensch noch nicht herabgesunken war in die Prosa der Reflexion , des Verstandes , der eben die Scheidung macht zwischen dem Subjekt und der Natur , sich nicht befunden habe in dieser Trennung von der Natur , noch nicht besondre Intressen gehabt , die er praktisch angesehen als etwas Dienliches , Nützliches , – so habe er selbst geschaut das Innre der Natur . – Eben so , wie er nach seiner Reinheit sich zum reinen Gott verhält , so habe er sich auch zur Natur verhalten , nicht als zu einem Äußern , sondern habe der Natur ins Herz geschaut , wie sie ist  ; – so habe er , wie er die wahrhafte Religion gehabt , ebenso auch absolute Wissenschaft gehabt . – Diese Vorstellung können wir uns vom Gedanken aus leicht machen  ; sie findet sich aber auch in der Religion der verschiedenen Völker . – Die meisten Religionen fangen an mit einem ursprünglichen Zustande des Menschen , Stand der

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Unschuld , Aufenthalt des Menschen im Paradiese  ; ebenso das goldne Zeitalter bei den Griechen , das saturninische bei den Römern , – diese Vorstellung , die auch der Gedanke aus sich zu rechtfertigen gesucht hat . – Das ist es nun , was man abgesehen von der meta|fysischen Bedeutung , unter Naturreligion verstand  ; diese erste , ursprüngliche OVenbarung  ;  – eine OVen­ barung , die erst gelitten hat durch den Menschen , verloren oder verdorben ist durch den Menschen , der zum Bösen überging durch die Sünde , die Leidenschaft , das Böse überhaupt . – Das erkennt sich bald , daß das Böse , die Unwissenheit , Leidenschaft , selbstsüchtige Neigung , der Wille , der sich für sich bestimmen will , in seiner Partikularität , – trübt die Einsicht in die Wahrheit , als das Wissen des Guten und Wollen des Guten . Die Frage ist nun  : ist diese Bestimmung anzusehen als ein Zustand , und zwar als der erste , ursprüngliche , wahrhafte Zustand ? Was die Grundbestimmung betriVt , so ist diese darin als richtig nicht nur zugegeben , sondern auch als wahrhafte Vorstellung zu Grunde zu legen  ; – aber davon ist die Form zu unterscheiden  : ob diese wahrhafte Vorstellung , als s o l c h e r erster Zustand zu bestimmen sei ? Die Grundbestimmung ist , daß der Mensch kein Naturwesen als solches , kein Thier ist , sondern Geist . Insofern er Geist ist , hat er diese Allgemeinheit überhaupt in sich , die Allgemeinheit der Vernünftigkeit , die Allgemeinheit des Denkens die Allgemeinheit , die Thätigkeit des konkreten Denkens ist , Vernünftigkeit , und er hat den Instinkt , das Allgemeine zu wissen , daß die Natur vernünftig ist , nicht bloße Vernunft , sondern daß die Natur Vernunft in ihr hat . Die Natur ist vernünftig eingerichtet , von einem weisen Schöpfer geschaVen , und Weisheit ist Zweck , BegriV , die freie Vernünftigkeit selbst . – So weiß der Geist auch , daß Gott vernünftig , die absolute Vernunft , die absolute Vernünftigkeit ist . So hat er instinktmäßig diesen Glauben , daß er Gott ebenso , wie die Natur erkennen , daß er in Gott ein völlig Verschiedenes , aber eben so sein Wesen finden müsse , wenn er sich vernünftig forschend zu Ihm verhalte .  – Das ist die Grundbestimmung allerdings . – Ein Andres aber ist , ob das als erster Zustand vorzustellen sei ? – Es ist die Vorstellung der meisten Völker  ; d a s ­U r s p r ü n g l i c h e  , Wa h r h a f t e s e i d a s  , wo r a u f d i e S e h n s u c h t d e s M e n s c h e n g e h e  , dessen Verlust , ein Unglück , zu bedauern sei . – Die näheren Momente der Be­urthei­lung dieser Vorstellung sind zu betrachten . – Schon dieß , daß das Paradies ein verlorenes ist , zeigt , daß es nicht wesentlicher , absoluter Zustand als Zustand sei . – Das Wahrhafte , Göttliche , seiner Bestimmung Gemäße , geht überhaupt nicht verloren , ist , und ist ewig , an und für sich bleibend . – Wenn uns diese Einigkeit des Menschen mit sich selbst , mit Gott ,

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mit der Natur als das Wahrhafte vorgestellt wird , so zeigt sogleich der höhere , richtige BegriV , daß das nicht als Zustand das Wahrhafte ist . – Es ist diese Einigkeit des Menschen mit Gott , mit der Natur im all­gemeinen Sinne , als Ansich , allerdings die substanzielle , wesentliche Bestimmung . Der Mensch ist Vernunft , ist Geist  ; – durch diese Anlage der Vernunft , daß er Geist ist , ist er an sich das Wahrhafte . Das ist aber der BegriV , das Ansich , – und indem die Menschen zur Vorstellung kommen von dem , was BegriV , Ansich ist , kommen sie gewöhnlich darauf , das als etwas Vergangnes | oder Zukünftiges vorzustellen , – nicht als etwas Innres , das an und für sich ist , sondern in Weise äußerlicher , unmittelbarer Existenz als Zustand . Der BegriV muß sich realisiren , und die Realisirung des BegriVs , die Thätig­ keiten , wodurch er sich verwirklicht , und der Gestalt , Erscheinungen dieser Verwirklichung und der Wirklichkeit , die vorhanden sind , haben einen andern Anschein als was der einfache BegriV in sich ist . – Jene Einigkeit überhaupt ist ­BegriV , Ansich , nicht Zustand Existenz , sondern die Realisirung des BegriVs macht erst Zustände , Existenz , und diese Realisirung , dieser Zustand , diese Existenz muß von ganz anderer Art seyn , als jene Beschreibung vom Paradies . – Der Mensch ist wesentlich als Geist , und der Geist ist wesentlich dieß , für sich zu seyn , frei zu seyn , das Natürliche sich gegenüber zu stellen , aus seinem Versenktseyn in die Natur sich herauszuziehen , sich zu entzweien mit der Natur und erst durch und auf diese Entzweiung sich mit ihr zu versöhnen , und nicht nur mit der Natur , sondern auch mit seinem Wesen , mit seiner Wahrheit , diese sich gegenständlich zu machen , sich gegenüberzustellen , sich zu entzweien mit ihr , und damit zu versöhnen . – Diese Einigkeit , die durch die Entzweiung hervorgebracht ist , ist erst die selbstbewußte , wahre Einigkeit . Das ist nicht Einigkeit der Natur , die nicht des Geistes würdige Einheit , nicht Einigkeit des Geistes ist . – Wenn man jenen Zustand den Zustand der Unschuld nennt , kann es verwerflich scheinen , zu sagen  : der Mensch müsse aus dem Zustande der Unschuld herausgehen und schuldig werden .  – Der Zustand der Unschuld ist , wo für den Menschen nichts Gutes und nichts Böses ist  ; der Zustand der Unschuld ist der Zustand des Thiers , der Bewußtlosigkeit , wo der Mensch nicht vom Guten und auch nicht vom Bösen weiß , – und wo das , was er will , nicht bestimmt ist als Gutes oder Böses , – und wenn er nicht vom Bösen weiß , weiß er nicht vom

35 14 einfache] Hu  : reyne   25–26 selbstbewußte , wahre Einigkeit] Hu  : geistige Einheit die aus der

Versohnung hervorkommt   26 Natur] Hu  : Natur . Der Stein die Pflanze ist unmittelbar in dieser Einheit   30 und schuldig werden] Hu  : um uns in einen schlechtern zu setzen   30–31 Der Zustand … ist] Hu  : Im Paradies ist aber weder gutes noch böses , Paradies ist erst ein Thiergarten  

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Guten . – Der Zustand des Menschen ist der Zustand der Zurechnung , der Zurechnungsfähigkeit . Schuld heißt im Allgemeinen Zurechnung . Unter Schuld versteht man gewöhnlich , daß der Mensch Böses gethan  ; nimmt es von der bösen Seite . Schuld aber im allgemeinen Sinne ist , daß dem Menschen zugerechnet werden kann , daß das sein Wissen , Wollen ist , daß er es thut als das Rechte . Da erst kann es ihm zugerechnet werden . – In der Wahrheit , Wirklichkeit ist jene erste natürliche Einigkeit als Zustand , Existenz , nicht ein Zustand der Unschuld sondern der Rohheit , ein thierischer Zustand , Zustand der Begierde , der Wildheit überhaupt . Das Thier ist nicht gut und nicht böse  ; der Mensch aber im thierischen Zustande ist wild , ist böse , ist , wie er nicht seyn soll . – Der Mensch , wie er von Natur ist , ist , wie er nicht seyn soll  ; sondern , was er ist , soll er durch den Geist seyn , durch innre Erleuchtung , durch Wissen | und Wollen dessen , was das Rechte ist . Dieß , daß , wenn der Mensch nur nach der Natur ist , er nicht ist , wie er seyn soll , ist so ausgedrückt worden , daß der Mensch von Natur böse ist . – Stellt man es als Erbsünde vor , so ist Erblichkeit eine Form , die populärer Weise für die Vorstellung ist . – Es ist darin enthalten  : der Mensch soll sich selbst betrachten , in sofern er nur nach der Natur lebt , seinem Herzen folgt , d . i . dem , was nur von selbst aufsteigt , – seinen Neigungen als einem Solchen , der nicht ist , wie er seyn soll . – Es schwebt also den Vorstellungen der Völker die Ursprünglichkeit vor , und diese ist die Einigkeit  ; aber sie drücken diese Ursprünglichkeit aus als Zustand entweder der Vergangenheit oder der Zukunft .  – Wir finden eine bekannte Vorstellung in der Bibel , – abstrakter Weise der Sündenfall genannt , – eine Vorstellung , die sehr tief , nicht nur eine zufällige Geschichte , sondern die ewige nothwendige Geschichte des Menschen ist , und zwar auf äußerliche , mythische Weise . Wird die Idee , das , was an und für sich ist , mythisch dargestellt in Weise eines Vorgangs , – so ist die Inkonsequenz unvermeidlich , und so kann es nicht fehlen , daß auch diese Darstellung Inkonsequenzen in sich hat . Die Idee in ihrer Le­bendigkeit kann nur vom Gedanken erfaßt , nur vom Gedanken dargestellt werden  ; wird die Idee ausgesprochen in sinnlicher Vorstellung , so kommt noth­ wendig desparates heraus . – Ohne Inkonsequenz ist also diese Darstellung nicht  ; aber die wesentlichen Grundzüge der Idee sind darin enthalten  : daß der Mensch , indem er an sich diese Einigkeit ist , weil er Geist ist , herausgeht aus dem Natürlichen , aus diesem An

20–21 und diese ist die Einigkeit] Hu  : Als Zustand ist diese Ursprünglichkeit die Rohheit des Menschen . Der wahrhafte Zustand ist dass der BegriV an sich realisirt seyn soll .  

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sich  ; in die Unterscheidung , das Ur­theil , Gericht , kommen muß seiner und des Natürlichen .  – So weiß er erst von Gott und dem Guten . Wenn er davon weiß , hat er es zum Gegenstande seines Bewußtseyns  ; hat er es zum Gegenstande seines Bewußtseyns , so unterscheidet sich das Individuum davon . – Der Baum in jener Erzählung Gen III . gehört der sinnlichsten Weise an  ; das sieht man sogleich . Es heißt dann , der Mensch habe sich verleiten lassen zur Erkenntniß des Guten und Bösen zu kommen . Es wird dieß der Sündenfall genannt , – als ob der Mensch nur zur Erkenntniß des Bösen gekommen , nur böse geworden  ; er hat aber eben so gut Erkenntniß des Guten dadurch erlangt . – Davon ist gesagt , das hätte nicht seyn sollen . Einerseits liegt es im BegriV des ­Geistes , daß der Mensch zur Erkenntniß des Guten und Bösen kommt  : der Mensch weiß nicht vom Guten , wenn er nicht vom Bösen weiß , – und zugleich ist das auch wesentlich . – Der Mensch ist nur Mensch , Vernünftiges , in sofern , als er dieß Bewußtseyn , diese Erkenntniß des Guten und Bösen hat . – Was nun dieß betriVt , daß er nicht hätte dazu kommen sollen , so liegt es ebenso in der Idee  : insofern in dieser Erkenntniß des Guten und Bösen die Entzweiung des Bewußtseyns , die Reflexion enthalten ist , die Entzweiung gesetzt , die Freiheit ist , das Abstraktum der Freiheit . – In sofern der Mensch für sich ist , frei , ist das Gute für ihn und das Böse , und er hat die Wahl zwischen Beiden . Dieser Standpunkt der formalen Freiheit , wo der Mensch Gutes und Böses sich gegenüber hat , und er über Beiden steht , der Herr Beider ist , das ist ein | Standpunkt , der nicht seyn soll , nicht so , daß er gar nicht seyn soll , gar nicht hervortreten , – das ist durch die Freiheit nothwendig  : sonst ist er nicht frei , nicht Geist , – aber es ist ein Standpunkt der aufgehoben werden , der sich mit der Versöhnung , in der Vereinigung mit dem Guten endigen muß . – Das Bewußtseyn enthält das Gedoppelte in sich , diese Entzweiung . Daß die Reflexion das Bewußtseyn , die Freiheit das Übel , das Böse in sich enthält , das , was nicht seyn soll , – aber eben so das Prinzip , die Quelle , der Heilung , der Freiheit , der Geist ist – Beides ist in dieser Geschichte enthalten . – Die eine Seite , daß nicht bleiben soll der Standpunkt der Entzweiung , ist damit gesagt , daß ein Verbrechen begangen worden , Etwas , das nicht seyn soll , nicht bleiben . Der Hochmuth der Freiheit ist der Standpunkt darin , der nicht bleiben soll . – Die andre Seite , daß er seyn soll , insofern er den Quell seiner Heilung enthält , ist ausgedrückt in den Worten Gottes  : »Siehe  ! Adam ist worden wie unser Eines  !« – Es ist also nicht nur keine Lüge der Schlange , sondern Gott bestätigt

35–36 unser Eines] Bo  : unsereins , er weiß , das gute wie das Böse  

NB .

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das selbst . Dieser Vers wird aber gewöhnlich übersehen , von demselben nicht gesprochen .  – Wir können also sagen  : das ist die ewige Geschichte der Freiheit des Menschen , daß er aus dieser Dumpfheit , in der der Mensch in seinen ersten Jahren ist , herausgeht , zum Licht des Bewußtseyns kommt , überhaupt näher  : daß das Gute für ihn ist und das Böse . – Einerseits enthält also dieser Standpunkt die Entzweiung , die formelle Freiheit , das Böse , den Hoch­muth , wo der Mensch hoch­müthig ist , für den die Wahl ­z wischen Gutem und Bösem vorhanden ist , so daß aus diesem Standpunkte , in­ sofern er Standpunkt der Entzweiung ist , er eben so heraus treten muß . – Insofern wir nehmen , was wirklich in dieser Darstellung ist , so ist dasselbe darin , was in der Idee  : daß der Mensch , der Geist zur Versöhnung kommen , oberflächlich ausgedrückt , daß er gut werden , seine Bestimmung erfüllen muß  ; dazu ist dieser Standpunkt des Bewußtseyns , der Reflexion , Entzweiung , eben so nothwendig . – Das ist die wahrhafte Idee gegen die bloße Vorstellung des Paradieses , dieser dumpfen , bewußt- und willenlosen Unschuld . Daß der Mensch in diesem Zustande das höchste Wissen der Natur und Gottes gehabt , auf dem höchsten Standpunkt der Wissenschaft gestanden , ist eine thörichte Vorstellung , die sich auch historisch als ganz unbegründet erwiesen .  – Was die e r s t e F o r m der Religion , die Naturreligion betriVt , – so gehört zur Religion überhaupt Wissen von Gott in allgemeinem Sinne , und von Gott können wir wenigstens soviel voraussetzen , daß er überhaupt Geist ist . – Die Naturreligion enthält so d a s g e i s t i g e M o m e n t sogleich  : daß G e i s t i g e s d e n M e n s c h e n d a s H ö c h s t e i s t  . Damit ist ausgeschlossen , daß die Naturreligion sei , daß der Mensch natürliche Gegenstände als Gott verehrt  ; | das spielt a u c h hinein , aber auf untergeordnete Weise . Doch dem Menschen in der schlechtesten Religion ist als Menschen das

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4–5 in der … ist] Hu  : wie das Kind aus Mutter Leibe   12 in der Idee] Hu  : später auch in der christlichen | Religion erschienen ist   18–19 der Natur und Gottes] Hu  : des Guten und der 30 Natur   20 die sich … erwiesen] Bo  : denn Gesetze der Natur werden nur durch Nachdenken erfunden , historische Beweise sind theils Erdichtung oder es gründet sich auf mangelhafte Naturkenntnisse heutiger Tage , da man genauer die Quellen untersucht hat weiß man Bescheid über die Kenntnisse der jüdischen Religion  An  : So hat zb Delombre in Hinsicht der Indisch-astronomischen Kenntnisse die falschen Angaben Baillys aufgezeigt .  Hu  : denn solche Vermittlung ist eben 35 das Gegentheil der Unmittelbarkeit . Die Erkenntniss der Gesetze der Natur kommt nur durchs Denken hervor , dies Bewustseyn ist aber das späteste .   33 Bescheid] gescheit   34 jüdischen lies indischen



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Geistige sogleich höher als das Natürliche  ; es ist ihm nicht die Sonne höher als ein Geistiges . – Naturreligion ist also nicht , in welcher äußerlichnatürliche , fysische Gegenstände für Gott gehalten und als Gott verehrt werden  ; sondern dieß , daß das Geistige dem Menschen das höchste ist  ; aber das Geistige in seiner unmittelbaren natürlichen Weise , d . i . der Mensch , dieser existirende Mensch . – Die Naturreligion also , in sofern sie N a t u r religion ist , hat sie Natürliches in sich  ; aber nicht bloß äußerliche , fysische Natürlichkeit  ; sie hat zugleich Geistiges , aber das natürlich Geistige – diesen Menschen . – Es ist nicht die Idee des Menschen , der Adam Kadmon , der Urmensch , der Sohn Gottes , – das sind weiter gebildete , nur durch und für den Gedanken vorhandene Vorstellungen – also nicht die Vorstellung des Menschen in seiner allgemeinen Wesenheit , sondern dieser natürliche Mensch  ; – es ist die Religion des Geistigen , aber in seiner Äußerlichkeit , Natürlichkeit , Unmittelbarkeit , also dieser präsente , unmittelbar sinnlich gegenwärtige Mensch . – Es hat auch deswegen Interesse , die Naturreligion kennen zu lernen , um auch in ihr vor das Bewußtseyn zu bringen , daß dem Menschen von jeher Gott überhaupt etwas Präsentes ist , um zurückzukommen von dem abstrakten Jenseits Gottes . – Der Weg von dieser ersten Bestimmung aus ist , daß der Geist von dieser Äußer­lich­keit , Natürlichkeit , von dieser sinnlichen Unmittelbarkeit gereinigt wird , der Mensch zur Vorstellung des Geistes als Geist in der Vorstellung , im Gedanken kommt . – Das ist die Bestimmung des Feldes der Naturreligion , von der wir unterschiedne Formen sehen  : denn der Kreis des Natürlichen ist immer das Auseinanderfallen von Unterschieden . – D i e e r s t e R e l i g i o n ist dieß , daß das Bewußtseyn von dem Höchsten das Bewußtseyn eines Menschen ist , als Gewalt , Macht , Herrschaft über die Natur . – Diese erste Religion , wenn wir sie Religion nennen wollen ist die R e l i g i o n d e r Z a u b e r e i  .  – Die z w e i t e Form , die das Höhere enthält , ist der Mensch nicht mehr in seiner unmittelbaren Natürlichkeit , seinem unmittelbaren Selbstbewußtseyn , seinen subjektiven Begierden  ; sondern der Mensch als in sich gehend , sich in sich sammelnd , daß diese Innerlichkeit das Wesentliche , Höhere , Mächtige , das Herrschende ist . Das Zweite ist der M e n s c h a l s i n s i c h s e i e n d  . Das D r i t t e  , daß das menschliche Bewußtseyn ist als in sich seiend , in sich zurück­gezogen  ; aber zugleich aus dieser Abstraxion des Insichseyns heraus , daß das Konkrete nicht in das Insichseyn als solches verlegt ist , sondern daß das Konkrete ist ein Zerfallen in unendlich viele Mächte , Gestaltungen , – Mächte , ­a llgemeine Momente , die in Beziehung stehen mit der in sich seienden Wesenheit , Einbildungen sind mehr oder weniger dieser Wesenheit .

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Die v i e r t e Form ist die b e g i n n e n d e Tr e n n u n g von dem unmittelbaren Individuum , die beginnende Entzweiung , Objektivirung dessen , was als das Höchste gewußt wird . – Diese hat 2 Gestalten  : a .)  daß in dieser Objektivirung dem Konkreten das | Einfache gegenübergesetzt wird , aber dieß Einfache noch abstrakt  ; in natürlicher Weise , – das aber ebenso geistige Bestimmung in sich enthält  ; – b) daß der BegriV der Subjektivität , des Konkreten , die Entwicklung des Konkreten , und diese Entwicklung als Totalität so für sich dem Subjekt zum Be­w ußtseyn kommt . – Das sind die 4 Formen der Naturreligion . Es sind diese Gestaltungen , Bestimmungen , wie bemerkt , existirende Gestaltungen der Religion  : der Gang dieser Formen , Bestimmungen des Geistes ist so zugleich die Grundlage einer Geschichte der Religion . – Über der Naturreligion , in der Religion der Schönheit und Erhabenheit , tritt erst Gott , in eigenthümlicher Selbständigkeit dem unmittelbaren Individuo frei gegenüber , – theils in Gedanken , theils in der Fantasie . – Was nun die e r s t e S t u f e der Naturreligion betriVt , die Re l i g i o n d e r Z a u b e r e i  , die wir des Namens der Religion nicht würdig halten können , – so muß man , um diesen Standpunkt der Religion zu fassen , die Vorstellungen , Gedanken vergessen , die uns etwa ganz und gar geläufig sind , die selbst der oberflächlichsten Weise unsrer Bildung angehören . – Wir müssen den Menschen betrachten unmittelbar für sich allein auf der Erde , und so ganz zuerst ohne alles Nachdenken , Erhebung zum Denken . – Erst mit dieser gehen würdigere BegriVe von Gott hervor . – Hier ist der Mensch in seiner unmittelbaren Kraft , Begierde , Thun , im Ver­ halten seines unmittelbaren Wollens . Er macht noch keine theoretische Frage  : wer hat das gemacht? et . c . Diese Scheidung der Gegenstände in sich , in eine zufällige und wesentliche Seite , in eine ursachliche und in die Seite eines bloß Gesetzten , einer Wirkung , ist noch nicht vorhanden für ihn . Ebenso der Wille ist auch noch nicht theoretisch  ; es ist in ihm noch nicht diese Entzweiung , noch keine Hemmung in ihm selbst gegen sich . – Das Theoretische im Wollen ist , was wir das Allgemeine , das Rechte nennen , Gesetz , feste Bestimmungen , Grenzen für den subjektiven Willen . Das sind Gedanken , allgemeine Formen , die dem Gedanken der Freiheit angehören . – Diese sind unterschieden von der subjektiven Willkühr , Begierde , Neigung  ; alles dieß wird gehemmt ,

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21–22 Erhebung zum … hervor .] Hu  : ohne Bewustseyn von etwas Allgemeinem überhaupt . Uns ist es sehr schwer in die Stelle dieser Religionen zu setzen . Wir konnen diese Religionen fassen 35 begreiVen aber nicht hineinempfinden , sie nicht wahrhaft anbethen . Diese natürliche Religion liegt uns also am fernsten von allen anderen Religionen .   25 wer hat das gemacht ? et . c .] Hu  : woher dies ? wer hat dies gemacht ? es muss eine Ursache haben ?  



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beherrscht durch das Allgemeine , diesem Allgemeinen angebildet  ; der natürliche Wille wird umgebildet zum Wollen und Handeln nach solchen allgemeinen Gesichtspunkten . – Der Mensch ist also noch ungetheilt in Rücksicht auf sein Wollen  ; – da ist es die Begierde , die das Herrschende ist . – Eben so in seiner Vorstellung , in der Vorstellung dieses Menschen , verhält er sich in dieser Ungetheilt­heit , dieser Dumpfheit . – Es ist nur das erste , wilde Beruhen des Geistes auf sich  ; eine Furcht , Bewußtsein der Negazion ist da wohl vorhanden  ; aber noch nicht des Herrn , sondern der Zufälligkeit , der Naturgewalten , die sich als Mächtiges gegen ihn zeigen . – Die Furcht des Herrn , der Weisheit Anfang , ist Furcht vor einem Geistigen , das selbständig ist gegen die Willkühr , das Thun des Einzelnen . – Die Furcht des Herrn kommt erst , insofern der Mensch in seiner Einzelnheit sich ohnmächtig weiß , seine Einzelnheit in ihm erzittert . Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang  : – es ist eben Anfang der Weisheit , | daß die partikulare Subjektivität sich nicht als die selbständige , wahrhafte , sondern als Solches , das nicht Stand hält , kein wahrhafter Halt werden kann , als Ohn­mächtiges sich empfindet , und vermittelst der Negazion seiner Partikularität übergeht zur Erhebung zum Allgemeinen , zum Wissen vom Allgemeinen , an und für sich Seienden . Diese ganz erste Form der Religion ist also das , wofür wir den Namen »Zauberei« haben . Es ist dieß , daß das Geistige die Macht über die Natur ist  ; aber dieß Geistige ist noch nicht als Geist , noch nicht in seiner Allgemeinheit , sondern es ist nur das einzelne zufällige Selbstbewußtseyn , das empirische Selbstbewußtseyn des Menschen , der sich höher weiß in seinem Selbstbewußtseyn , obgleich es nur bloße Begierde ist , als die Natur , der weiß , daß es eine Macht ist über die Natur . – Zweierlei ist hiebei zu bemerken  : Insofern das unmittelbare Selbstbewußtsein weiß , daß diese Macht in ihm liegt , es der Ort dieser Macht ist , unterscheidet es sich allerdings gleich in dem Zustande , wo es eine solche Macht ist , von seinem gewöhnlichen . – Der Mensch , der die gewöhnlichen Dinge thut , wenn er an seine einfachen Geschäfte geht , hat besondre Gegenstände vor sich  : da weiß er , daß er es nur mit diesen zu thun hat , zB Fischfang , Jagd . – Ein andres ist das Bewußtseyn von diesem gewöhnlichen Daseyn , Trieben , Thätigkeit , ein Andres ist das Bewußtsein von sich als Macht über die allgemeine Verändrung der Natur . – Es weiß sich das Individuum nicht in seinem gewöhnlichen Thun und Treiben , sondern es weiß , daß es sich , insofern es eine höhere Macht ist , in einen höhern Zustand , unterschieden vom gewöhnlichen , versetzen muß . Dieser höhere Zustand ist Zustand , 28–29 wenn er … geht] Bo  : ißt , trinkt , schläft und so fort   32 von sich] Bo  : von diesem gewöhnlichen Daseyn und Thätigkeit   die allgemeine Verändrung] Bo  : allgemeine Naturmächte , allgemeine Veränderungen  

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Gabe besondrer Menschen , die tradizionell die Arten zu lernen haben , wodurch diese Macht ausgeübt werden kann . Es ist eine Auswahl von Individuen die bei den Älteren in die Lehre gehen , die diese trübe Innerlichkeit in sich empfinden . Das zweite ist , daß diese Macht eine direkte Macht über die Natur überhaupt ist , die nicht zu vergleichen ist mit der indirekten , die wir ausüben durch Werkzeuge über die natürlichen Gegenstände in ihrer Einzelnheit . – Solche Macht , die der gebildete Mensch über die einzelnen natürlichen Dinge ausübt , setzt voraus , daß er zurückgetreten ist gegen die Welt , daß die Welt Äußerlichkeit gegen ihn erhalten hat , der er eine Selbständigkeit , eigenthümliche qualitative Bestimmungen , Gesetze einräumt gegen ihn , daß diese Dinge in ihrer qualitativen Bestimmtheit relativ gegen einander sind , in manchfachem Zusammenhange mit einander stehen . – Diese Macht übt der gebildete Mensch dadurch aus , daß er die Qualitäten der Dinge kennt , d . h . der Dinge , wie sie relativ zu Andern sind  ; da macht sich Andres in ihnen geltend , da zeigt sich ihre Schwäche . Diese Schwäche lernt er kennen und durch diese Schwäche wirkt er auf sie ein , dadurch , daß er sich bewaVnet auf eine Weise , wodurch diese Schwäche angegriVen wird . – Es ist erst der gebildete Mensch , der die äußerliche Welt in ihrer Qualität und ihrem qualitativen Zusammenhang frei entläßt . – Dazu gehört , daß der Mensch frei s e i  , daß er in sich frei ist . Erst wenn er in sich frei ist , läßt er | die Außenwelt sich frei gegenüber treten , andre Menschen und die natürlichen Dinge . – Für den , der nicht frei ist , sind auch die Anderen nicht frei .  – Erst auf diesem Standpunkte , daß der Mensch in sich frei ist , und die Welt sich gegenüber frei entläßt , findet vermittelnde Gewalt auf die Natur Statt in ihrer Macht und Ausdehnung  : das direkte Einwirken hingegen des Menschen durch seine Vorstellung , seinen Willen , setzt diese gegenseitige Unfreiheit voraus , weil die Macht über die äußerlichen Dinge zwar in den Menschen gelegt wird , als das Geistige , aber nicht als eine Macht , die sich auf freie Weise verhält , und sich eben deswegen auch nicht gegen Freie und vermittelnd verhält , sondern die Macht über die Natur verhält sich da direkt – Z a u b e r e i  . Was die äußerliche Existenz dieser Vorstellung betriVt , so ist sie in solcher Form vorhanden , daß diese Zauberei das Höchste des Selbstbewußtseyns der Völker ist  ; aber untergeordnet schleicht sich die Zauberei auch auf höhere Standpunkte , Religionen hinüber , wiewohl sie gewußt wird als etwas theils Ohnmächtiges , theils Ungehöriges , Gottloses .

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1 Menschen] Hu  : Menschen und das sind die Zauberer   30–31 in solcher Form] BoHu  : in rohen 35 und weiter gebildeten Formen   34 Gottloses] Bo , ähnlich Hu  : (in der christlichen Religion die 35 das] dass



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Man hat das Leben auch als Zauberei betrachten wollen , weil der Mensch dieß bewirken will nicht durch diese Vermittlung , sondern vom Geiste aus . Aber der Unterschied ist , daß der Mensch sich an einen absoluten Willen wendet , für den der Einzelne auch Gegenstand der Fürsorge ist , der dieß gewähren kann oder nicht , der von Zwecken des Guten überhaupt dabei bestimmt sei . – Die Zauberei ist aber im Allgemeinen grade dieß , daß der Mensch nach seiner Natürlichkeit , Begierde , es in seiner Gewalt hat . Das ist die allgemeine Bestimmung dieses ersten ganz unmittelbaren Standpunktes , daß das menschliche Bewußtseyn , dieser Mensch in seinem Willen als Macht über das Natürliche gewußt wird . Das Natürliche hat da aber ganz und gar nicht diesen weitern Umfang . Die allgemeine Form , die dieß Natürliche hat für den Wilden , ist  : d a s ist e b e n so , ohne Nachdenken darauf zu verwenden . Das im Ganzen Stabile , Jahreszeiten , Tag und Nacht , das i s t eben , das ist er gewohnt , was ihn berührt , Interesse in ihm erweckt , ist eine Störung des Stabilen , das gegen jenes Instabile ,  – Erdbeben , Ungewitter , lange Dürre , Überschwemmung , reißende Thiere , Feinde . Diese Religion der Zauberei fanden die englischen Kapitäne , Ross und Parry , bei den Eskimaux , – vornehmlich aber in Afrika ist sie das ganz Allgemeine . Schon Herodot sagt  : die Afrikaner seien alle Zauberer , und zu welcher Zeit man sie kennen lernte , hat man dieselben allgemeinen Bestimmungen bei ihnen an-

Teufelsbeschwörungen .)   16–17 Erdbeben , Ungewitter , … Feinde] Hu  : Regen , Stürme . Nun wollen wir nahere Beschreibungen anfuhren wie sich diese Zaubereyen bey den Menschen entwickelt haben   18–19 Diese Religion … Eskimaux] Bo mit Hu und An  : Die Religion der Zauberey 25 findet sich bey rohen wilden Völkern . Diese haben Zauberer Beschwörer diese sagen es stehe in ihrer Gewalt Sturm zu erheben einen Wallfisch näher kommen zu lassen und geben vor sie haben es von alten Zauberern gelernt . An ergänzt  : Antakab  | z . B . man fragte einen Eskimo wohin sie nach dem Tode kämen . Da sagte er »sie werden begraben , es sagte zwar ein alter Mann sagte sie kämen in den Mond , daran glaube aber kein gebildeter Eskimo mehr .«  Hu  : Die wissen gar nichts von andrer 30 Welt . Diese Menschen nach nachgestellten Fragen haben gezeigt dass sie keine Vorstellung hatten von Gott und Unsterblichkeit . Sonne und Mond sind sehr bey ihnen gewurdigt . Sie haben nur Zauberer die sagen sie konnen Regen und Stürme hervorbringen , (An  : Erscheinen von Wallfischen) sie sagen sie haben das gelernt von alten Zauberern . Diese Zauberer setzen sich in seinen wilden Zustand , die Gebehrden zeigen keinen Sinn , die Worte sind gar nicht gerichtet an eine hohere 35 Macht | sie gehen nur an Naturgegenstande . Sie haben keine Vorstellung von allgemeinen Wesen . Wenn man sie fragt wo gehen sie nach dem Tode , sie antworten dass sie begraben werden .   19 sie das ganz Allgemeine] Hu  : vornehmlich diese Religion . / Bey den Mongolen Chinesen ist das weiter ausgebildet .   20–90,26 Schon Herodot … angehörten .] Hu , zum Teil ähnlich Bo  : D i e A f r i k a n e r sind alle Zauberer nach Herodot . Zu welcher Zeit man sie nur kennen gelernt hat so 27 Antakab lies Angekok   34 Sinn] sind   40 1 Leben lies Beten  

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getroVen . – Hier sind eben so auch besondre Individuen , die wir Priester nennen würden , und S i n g i l l a heißen . Wie die S c h a m a n e n bei den Mongolen versetzen sich diese Menschen in einen Zustand des Außersichkommens , der Wildheit , Betäubung . Dieser Zustand ist der höhere Standpunkt , den sie erreichen , gegen das gewöhnliche Bewußtseyn , das gewöhnliche Thun . – Es sind unter den Völkerschaften besondre Individuen , die sich diesem widmen , die angesehen sind , – oder es ist eine besondre Familie , die besondre Macht über die Völkerschaft ausübt . Wo bei ihnen der Zustand ausgebildet ist , so daß sie eine Art von Staat formieren , eine Aristokratie , König­thum , da nimmt der König theils selbst solche Handlungen vor , theils trägt er sie seinen Ministern auf  ; er macht diese Individuen zu solchen | Personen , die solche Gewalt auszuüben haben . – Unter Völkerschaften , wo nicht diese Art von Ordnung ist , bleibt der Stamm , die Völkerschaft immer die Gewalt auch über diese Zauberer . Bedürfen sie ihre Hilfe , so

hat man sie so immer bestimmt . Es ist da eine Klasse von solchen Zauberern sie erregten sich in einen wilden Zustand und das ist der hohere Zustand des Bewustseyns . Die besondren Individuen sind angesehener . Wo der Staat schon besser ausgebildet ist so machen sie eine besondere Kaste aus , der König ist die oberste Gewalt die solche Handlungen vornimmt oder durch seyne Minister . Diese Zauberer werden Sinkilla genannt . Der König kann den Minister zu solchen Zaubereyen zwingen . Die Angelegenheiten in welchen man Zuflucht zu den Zaubereyen nimmt | sind die Ungewitter die lange dauern und gegen welche sie sich nicht schutzen konnen , dann in Krankheiten und dann wenn sie im BegriVe sind Krieg zu führen . Der Tode Mensch ist nicht bey ihnen der unmittelbarer Sinnlicher nur in Vorstellung , er hat schon ein Caracter von Etwas allgemeineren . Die Toden , die abgeschiedne Verwandte Väter erhalten keine Verehrung , man schreibt ihnen nur Wurkungen gegen welche man Mittel aussucht , man schreibt ihnen zu die böse Zufalle . Im allgemeinen giebt es bey ihnen keine Vorstellung vom naturlichen Zusammenhange . Die Krankheiten schieben sie einem Toden zu der Hass gegen den Kranken hat , oder anderen noch lebenden Menschen . Auch andre Unheile schreiben sie solchen zu . Die Gebeine der Toden werden sorgfältig aufbewahrt , wenn man von ihnen Hilfe braucht so macht man zu ihnen Processionen und bitten um Rath . / Das Folgende ähnlich in Bo  : Das nahere wollen wir aus den Berichten der Missionare angeben . | K i a k e n ein Volk (in Südamerika Bo  : im Süden vom Afrika) , hatten eyne Königin die ihnen Gesetze gegeben hat , sie hat die Verehrung der Toden zum Cultus gemacht . Die Singillan wenn sie Regen hervorbringen wollen so werden Opfer den Toden gemacht , sie machen Bewegungen gegen den Himmel , drohen dem Himmel zanken mit ihm , nehmen Ruthen in die Hände und schlagen und Spucken gegen den Himmel . Wenn sich eine Wolke zeigt so verdoppeln sie ihre Beschwerden , wenn Regen nicht kommen wird so schiessen sie Pfeile gegen ihn und schworen dass sie ihn übel behandeln werden . – Wenn es sich darum handelt Kranke gesund zu machen , so giebt man erst den Grund der Krankheit an , eine Feindschaft oder Abgestorbene , die mussen gezwungen werden die Rache abzulegen . Die Singilla und alle herum machen fürchterlichen Geschrey durch viele Stunden . Eine Hauptvorstellung ist dabey dass der Tode gezwungen ist in den Singilla zu fahren | und angeben muss was man in dem Falle zu machen hat . OVter sagen die Singillen dass sie ausgesprochen haben , sie brauchen zwey Menschen sie zeigen unter herumstehenden welchen sie wollen tödten sie trinken das Blut , zerreissen das Fleisch und geben es zu geniessen . Solche bluthige Opfer sind sehr gewöhnlich . Um stark zu seyn so sagt man von einem Könige dass er seynen Sohn gethodet hat und das Blut getrun-

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bringen sie ihnen Geschenke  ; weigern sie sich , so wird auch Gewalt gebraucht . Ist zB Regen , anhaltende Trockniß , so muß dieser Priester daran , muß ihnen das verschaVen , diese Zeremonie vornehmen  ; er wird mit Gewalt herbeigeschleppt und mißhandelt . – Es ist also der Wille des Königs oder der gewöhnlichen Menschen , die einen Solchen in ihrer Gewalt haben , dem sie direkte Macht zuschreiben , der Wille des Stamms . Die Angelegenheiten , in denen sie ihre Zuflucht zu ihm nehmen , sind besonders Witterung , Ungewitter pp . Diese Völker die keine Vorräthe haben , sind bei heftiger Trockniß , andauerndem Regen , Ungewittern , in großer Verlegenheit , wenn sie nicht zu gehöriger Zeit aussäen pp können . – An ihn wenden sie sich auch in Krankheiten , – vornehmlich aber , wenn sie im BegriV sind , Krieg zu führen . Es sind also hier unmittelbare Menschen , die sich diese Gewalt über die Natur zuschreiben , oder denen sie zugeschrieben wird .

ken . ( Der Mensch will sich dadurch Bewustseyn eines höheren zu geben . Bo  : Was darin liegt ist 15 dieses fürchterliche d a ß d e r M e n s c h s i c h ü b e r s e i n e n g e w ö h n l i c h e n Z u s t a n d e r ­

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h e b e n w i l l  , s i c h d a s B e w u s t s e y n e i n e s h ö h e r e n g e b e n w i l l  , e i n e E r h e b u n g d i e i n d i e s e r W i l d h e i t f o r t g e h t  , M e n s c h e n n a c h Zufall zu ermorden .) Ein Englischer Abgesandter vor 30 Jahren war dabey da man einen Krieg anfangen wollte . Man machte eine grosse Procession zum Grabe des Konigs des Feindes und da bethete man , nach diesem wurde ein Befehl ausgegeben von Seyte des Konigs um alle die man in der Nacht treVen wird zu umbringen . Das dauerte 17 Nächte . / In dem allen sehen wir eine einzige Erhobung uber das unmittelbare | Bewustseyn und die ist die Vorstellung von den Toden , sie sind Machte aber unterworfen den Lebendigen sie werden von ihnen gezwungen dieses und jenes zu thun . Sie haben mit den Toden in Träumen zu thun und werden von ihnen geplagt  ; die also die so gekwelt sind schneiden solchen Abgeschiedenen von denen sie glauben dass sie die Ursache davon sind , den Kopf die Füsse um sie dadurch zu bestrafen . Sie wollen nicht dass der Mensch als naturlich sterbender erscheine sie ermorden immer deswegen die Kranken Vorzuglich aber die Konige wenn sie krank sind so lassen sie sie nicht dazu kommen dass sie von einem feindlichen Wesen getodet werden , sie bringen sie aber selbst um . Es liegt darinn dass sie es nur wurdig finden dass die Menschen von einem anderen sterben nicht durch die That der Natur . Der Natürliche Zusammenhang ist noch nicht im Geiste dieser Menschen . Sie schreiben alles bose zu dem schlechten Willen der Menschen oder anderen nicht naturlichen Kräften , wie die bey uns die Vorstellung von Teufelln ist . | B e l z o n i ein Italiener der die grossen Schätze aus Egypten mitgebracht hat , hat auch einen collosalen Memnonskopf nach England transportirt , ein stupendes Werk . Die Egyptier sahen immer diesen Kopf ruhig an den Ufern Nils liegen , da sie aber durch Geld dazu gezwungen waren diesen grossen Kopf ins SchiV zu tragen , und da sie ihn auch beruhrt eigentlich haben so waren sie sehr erschrocken und haben es der Macht des Teufels zugeschrieben . Die Machte Fotisch übertragen sie in natürliche Gegenstände . Wenn die Machte ihnen aber das nicht leisten was sie wollen , so schaVen sie sie weg . Diese Machte sind ihnen sinnlich praesent bleiben aber unter der Gewalt dieser die ihnen diese Macht zugeschrieben haben . – Hier ist also der Mensch aus seyner Unmittelbarkeit ausgetreten .   7 Witterung , Ungewitter pp .] Bo  : W i t t e r u n g  , K r a n k h e i t e n  , Kriegsangelegenheiten   24 gekwelt lies gequält  

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denn den ­natürlichen Tod halten sie immer für eine Folge böser  Mächte . 70rHu

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Sie gehen aber auch eine geringe Stufe weiter , daß sie diese Gewalt Todten , Verstorbenen , abgeschiedenen Verwandten zuschreiben . – Der Todte ist nicht mehr eine ganz sinnliche Unmittelbarkeit , in dieser sinnlichen Einzelnheit , sondern der in die Form der Vorstellung erhoben ist , nicht ist in unmittelbarer sinnlicher Gegenwart . – Ist die Vorstellung herausgehoben , so hat er damit seine sinnliche Einzelnheit verloren , und es ist schon der Charakter , die Form von etwas Allgemeinerm , das einem Solchen zukommt . – Die Todten , abgeschiedne Verwandte , erhalten nicht eigentliche Verehrung , Todtendienst  ; sondern es werden ihnen Wirkungen zugeschrieben , die vorhanden sind , gegen welche eine Abhilfe gesucht wird . Die Hervorbringung dieser Übel wird ihnen zugeschrieben  ; aber auch um die Abwendung derselben richtet man sich an sie . – Was wir natürlich heißen , wissen diese Menschen noch nicht als Natürliches , sie wissen Nichts vom natürlichen Zusammenhange zB Krankheiten schreiben sie durchaus einem Feinde zu , einem lebenden , oder vornehmlich auch einem Todten , der einen Haß auf Solche werfe . – Eigentliche Verehrung ist nicht vorhanden , aber immer wird dieß gefordert , daß sie den Abgeschiedenen Essen und Trinken hinstellen , besonders beim Begräbniß . – Denn diese Abgeschiedenen stellen sie sich nicht vor als Verklärte , sondern ganz mit sinnlichen Bedürfnissen und Leidenschaften , die sie selbst haben . – Eben so auch andres Unheil , Miß­ rathen der Erndte p schreiben sie Solchen zu . – Die Gebeine der Todten werden häufig gewaschen , zum Theil sorgfältig auf­ bewahrt , und wenn man sie brauchen will , sie einen Dienst leisten sollen , dann wird diesen Gebeinen Verehrung erwiesen , eine Prozession hingemacht , die Gebeine gewaschen . – Diese Gebeine führen sie auch in kostbaren Kisten mit sich  ; besonders aber Schädel von Feinden  : damit habe man Gewalt in Händen gegen die Völkerschaften , denen jene angehörten . – | Die Neger haben , außer dem Kultus der Todten , eine Menge von Götzenbildern , natürlichen Gegenständen , die sie zu ihren Fetischen machen . – Der nächste beste Stein , Heuschrecke , das ist ihr Lar , von dem sie erwarten , daß er ihnen Glück bringe . Das ist so eine unbekannte , unbestimmte Macht , die sie unmittelbar selbst kreiert haben . Stößt ihnen daher Unangenehmes zu , so schaVen sie diesen Fetisch ab . – Ein Baum , Fluß , Löwe , Tiger sind allgemeine , Landes­

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9–10 gegen welche … wird] Bo  : auch wird von ihnen erwartet Abhilfe der Uebel   28 Fetischen] An  : Fetische (verdorbnes portugiesisches Wort)   29 Heuschrecke] Bo  : Heuschrecke , Käfer   30 eine] Bo  : eine Objectivirung , eine   35 14 auch] auf



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fetische . Wenn Unglück eintritt bei Überschwemmungen oder im Kriege ,– dann verändern sie ihren Gott . Es kommt wohl zur Vorstellung einer Macht außer dem empirischen Be­ wußtseyn , oder dem Willen , der Leidenschaft der Verstorbenen  ; aber diese ist nur als ein Äußerliches , Sinnliches hingestellt , und bleibt vollkommen in der Willkühr derer , die dieß zu ihrer Macht erhoben haben . – Wir haben von dieser Religion , – deren Charakter wir bezeichnet , wo der Mensch noch nicht aus seiner unmittelbaren , subjektiven Besonderheit herausgeht , wo der Mensch noch nicht in diese Trennung herausgeht , von etwas an und für sich Allgemeinem gegen seine Partikularität und die Natur , – eine noch ausgebildetere Form zu erwähnen  : die S t a a t s r e l i g i o n des c h i n e s i s c h e n R e i c h s  . Diese steht noch innerhalb dieses Prinzips  ; es ist eine ausgebildete Zauberreligion . – Im chinesischen Reich ist eine Religion des F o oder B u d d h a  . Diese wurden A . 50 p . Chr . eingeführt  ; – dann die alte chinesische Religion  : die Religion des Ta o  , ein eigenthümlicher Gott , die Ve r n u n f t  .  – Die Staatsreligion , die Religion des chinesischen Reichs , ist die Religion des Himmels , wo der Himmel Tien , als der höchste Herrscher anerkannt wird . Dieser Himmel ist nicht bloß die Naturmacht , sondern zugleich mit moralischer Bestimmung verbunden , daß diese Macht ihre Segnungen aus­theilt , oder entzieht , nach dem moralischen Verdienst , Betragen .  – So scheinen wir in eine ganz andre höhere Sfäre einzutreten . Himmel ist bei uns Gott , ohne Beimischung von irgend etwas Fysischen  ; aber doch scheinen wir bei diesem Tien , der zunächst eine fysikalische Macht ist , insofern sie sich auch moralisch bestimmt , aus dieser Sfäre der Naturreligion und des Zaubers herausgetreten zu seyn . Aber , wenn wir es näher betrachten , so stehen wir noch ganz innerhalb dieser Sfäre , wo der einzelne Mensch , der Wille , das empirische Bewußtseyn des einzelnen Menschen das Höchste ist .  – Tien ist das höchste  ; aber nicht nur in geistigem moralischen Sinne  ; Tien bezeichnet die ganz unbestimmte abstrakte Allgemeinheit  ; ist der ganz unbestimmte InbegriV fysischen und moralischen Zusammenhangs überhaupt . Nebenbei ist der Kaiser Regent auf Erden , nicht der Himmel  ; nicht dieser hat Gesetze gegeben oder giebt sie , welche die Menschen respektiren , göttliche G ­ esetze , Gesetze der

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22 So scheinen … einzutreten .] Hu  : Diese Vorstellung ist viel hoher als die vorige .   28 das Höch35 ste ist] Bo  : der höchste . Die Missionarien , Jesuiten breiteten da die christliche Religion aus und

haben den Chinesen zugelassen für Gott den Namen Thien zu gebrauchen . Kapuziner und Franziskaner verklagten sie daher hart beym Papste da T h i e n die Naturmacht bezeichne und nicht das geistige Wesen .  

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Religion , Sittlichkeit . Nicht Tien regirt die Natur , sondern der Kaiser regirt Alles , und e r n u r ist im Zusammenhang mit diesem Tien . – Er nur bringt dem Tien Opfer , an den 4 Hauptfesten des Jahrs  ; es ist nur der Kaiser , der sich unterredet mit Tien , seine | Gebete richtet an Tien  ; er steht allein in Konnexion mit ihm , und regirt Alles auf Erden . – Der Kaiser hat auch die Herrschaft über die natürlichen Dinge , und über ihre Veränderung in seinen Händen , und regiert die Mächte derselben .  – Wir unterscheiden Welt , weltliche Erscheinung , so daß außer dieser Welt auch Gott regirt . Da ist ein Himmel , der etwa bevölkert ist mit Seelen der Verstor­ benen . – Der Himmel der Chinesen , der Tien , ist etwas ganz Leeres . Die Seelen der Verstorbenen existiren zwar auch , überleben die Abscheidung vom Körper  ; aber sie gehören auch zur Welt , und der Kaiser regirt auch über diese , setzt sie in ihre Aemter ein und ab . – Es ist dieß einzelne Selbstbewußtseyn , – das auf bewußte Weise diese vollkommne Regentschaft führt . Es ist eine ganz eigne Vorstellung , die etwas Großartiges in sich hat , die aus den memoires der Jesuiten auf uns gekommen ist , aus älteren Geschichtbüchern , vom Vorgang bei Änderung einer Dynastie . – Wie die Dynastie der Tschu zur Regierung kam , wird aus­ führlich erzählt , die Etablirung dieser neuen Dynastie , wie der Fürst Unk=wang die Gesetze seiner Regierung gab , und die Administrazion seines Reichs ein­ richtete . – 1122 vor Chr . kam diese Dynastie zur Regierung  ; – (die Zeitrechnung der Chinesen geht bis 25–2700 v . Chr . , wenn man das Fabelhafte , Unbestimmte dazu nimmt  ; bis 2200 aber mit ausführlicher Geschichte , mit Dokumenten , – Geschichte der Vorgänge , Suxessionen , Handlungen der Fürsten .) – Diese Beschreibung ist sehr characteristisch , der neue Fürst kam auf den Thron . Er ließ verkünden , daß er nicht feierlich vom Throne Besitz nehmen werde , als bis Alles zwischen dem Himmel und ihm regulirt sei  ; d . h . die Gesetze und die Reichs­ administrazion in Ordnung gebracht seien . – Diese Regulirung bestand darin , daß der Kaiser die Reglemente , 2 Bücher , bekannt machen ließ . – Das eine dieser Bücher enthielt die neuen Gesetze , der Hauptsache nach die vorhergehenden , die sie also bei ihren Sitten ließen . – Das Andre Buch ist das Addreßbuch , enthält die Namen der Beamten des Reichs , der Mandarinen und höheren Beamten , nehmlich Verstorbener , welche Chen heißen . – Der Staatskalender in China hat

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7 die Mächte derselben] Bo  : die Mächte derselben regiert und so auf Erden alles ist , was ist   8–9 Wir unterscheiden … regirt .] Hu  : Bey uns regirt der Furst aber auch Gott , der Furst ist gebunden an göttliche Gebothe .   17 kam] Bo  : kam und die vorige vertrieben hat   24 Thron] Bo  : Thron . 35 Die Residenz war noch nicht Peking , der Fürst der letzten Dynastie hat sich in der Hauptstadt in seinem Palaste mit allen seinen Reichtümern Mandarinen etc . verbrannt .   28 ließ] Bo  : lassen die bisher bey einem Berge waren   29–30 die sie … ließen] Bo  : die werden promulgirt  



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noch immer diese 2 Theile . Eben so enthielt das eine jener Bücher die Namen der Chen . – Die Chen sind nicht unmittelbare Naturmächte , Naturerscheinungen , sondern unter der Form von Mächten , Kräften . Diese sind nicht nur für die Einbildungskraft vorgestellt , nicht nur personifizirt , sondern als Menschen angehörig , die abgestorben sind . Das Interesse im vorliegenden Falle war  : 1 .)  daß keine Macht unabhängig sei vom Kaiser  ; und 2 .)  daß die in der vorigen Dynastie angesehenen Männer auch Ehre erlangen , und die Familien an den neuen Kaiser geknüpft würden – also ein politischer Grund .  – 4 Chen erhielten die Aufsicht über den Regen , die Wolken , die Winde , den Donner  ; mit der ordre , Acht zu haben , daß der Regen , zu gehöriger Zeit falle und die Erde fruchtbar mache  ; und die Winde keine Stürme erregen  ; die Wolken sich zerstreuen bei Überschwemmung  ; der Donner nur rolle , um die Bösen zu schrecken , und zu nöthigen , in sich zu gehen , und wieder gut zu werden . – | Diese 4 Chen erhielten 28 Adjutanten zur Inspexion . – Es wurden ferner 5 Chen ernannt , die dem Departement des Feuers vorstehen , Feuersbrünste gegen die Bösen erwecken , und die Guten dagegen schützen sollten  ; – 5 Chen zu epidemischen Krankheiten , um die Guten zu prüfen und die Bösen zu ­strafen p . – Ebenso wurden Chen ernannt für andre Plagen , kurz für Alles , was als natürliche Macht gilt . – Das ist die Reichsorganisazion in Ansehung der unsichtbaren Welt  ; der Kaiser ist Herr über die sichtbare Welt der Mandarinen , wie über die unsichtbare der Chen . – Die Chen der Regen , Flüsse sind die allgemeinen Aufseher , die besondre , Lokalgenien , unter sich haben , die über den Regen in kleineren Bezirken wachen . Fast jeder besondre Berg , Bach , Dorf hat seinen besondern Chen . Sie werden verehrt  ; man hat aber keine große Achtung vor ihnen .

1–26 Eben so enthielt … ihnen .] Bo  : Der Abgesandte macht die Erzählung wie der General des Kaisers die Besetzung der Aemter habe vornehmen lassen . – und dieser General erzählt seine Expedition was die Hauptsache ist , er baute einen Altar auf einem heiligen Berge , setzte sich auf einen 30 Thron und ließ vor sich kommen alle Verstorbenen und ertheilte diesen die Befehle des Kaisers . – Sie sollen ehrfurchtsvoll die Dekrete des Himmels anzuhören , die ihnen durch den Kaiser und hier den General bekannt gemacht werden sollen . Weiter führt er aus , daß er diesen Genien die angestellt waren große Vorwürfe über ihre Nachlässigkeit gemacht habe und hiermit sagt er  : ihr Genien seyd hiermit entlassen , der Himmel nimmt euch eure Aemter um sie würdigeren zu vertheilen . Hu 35 schließt an  : Dann sagte er zu diesen die Ursache der Staatsverwirrungen waren ihr könnt in ein neues Leben hereintreten und seyne Fehler zu bessern . Dann hat er das Register der Kayserlichen Beforderungen vorgelesen lassen . Denen die zu Obersten ernannt wurden machte der General seynen Glückwunsch . Der General rufte auch vor den Onkel des vorigen Kaysers er wollte nicht gleich erscheinen , dann kam er aber er wollte sich nicht auf die Knieen werfen nur er blieb stehen , Der

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– Diese Chen stehen unter den Mandarinen  : bei Nachlässigkeiten , Verbrechen , Feuersbrünsten , Überschwemmungen , Hungersnoth , werden die Mandarinen gestraft oder abgesetzt  ; – dasselbe widerfährt den Chen . – Das ist diese Form der Naturreligion , daß der Kaiser allein die Befehle des Himmels weiß , allein in Verbindung steht mit dem Himmel , – und seine Herrschaft über das Sichtbare und Unsichtbare geht . – Bei dieser Reichsorganisazion ist ein besondrer Umstand zu erwähnen . Nachdem nämlich der Kaiser dieß Diplom bekannt machen lassen vor seinem Volke , das vorher den Chen für sich eröVnet worden , belohnte er seine Generale und Of­ fizire  ; nur e i n e Klasse von Menschen war von seinen Belohnungen ausgeschlossen , und diese waren diejenigen , welche sich zum besondern Glauben des Tao bekannten , Angehörige der Sekte des Tao waren . Ta o heißt der Weg überhaupt , der rechte Weg des Geistes , die Vernunft . Also schon im 12 . Jahrh . vor Chr , wo sich dieß zutrug , kommt die Sekte des Tao vor . – Diese Auszeichnung , daß angesehene Offizire übergangen waren , war auffallend . Der Kaiser hatte sie aber nicht vergessen , sondern seine Absicht war , auf eine feine Weise sie auf die Seite zu bringen , sie von seinen anderen Unterthanen zu trennen . – Unter diesen Tapfe­ ren befanden sich Meister der Lehre und Solche , die nur in einem niedern Grade Eingeweihte waren . – 7 vornehme Offizire hatten sich besonders ausgezeichnet durch Handlungen der Tapferkeit  ; diese galten in den Augen der Menge der Soldaten für Chen , die nur einen menschlichen Körper angenommen , und sie selbst gaben sich dafür aus . – An einem zeremoniösen Tage hielt der Kaiser eine Rede an sie  : er habe sie nicht vergessen , er erkenne den Werth ihrer Dienste sehr wohl . »Ihr seid Chen , fuhr er fort , die nur einen Körper haben . Die größten Handlungen , die Ihr unter meinen Augen gethan , sind mir ein genügender Beweis dafür  ; – Eure Absicht , warum Ihr zurückgekehrt auf die Erde , kann keine andre seyn , als Euch neue Verdienste zu erwerben , neue Tugenden zu enthüllen . – Ich kann nicht besser thun , als Euch in den Stand zu setzen , diese Tugenden zu üben , indem ich Euch in Sicherheit setze gegen die Verderbtheit der Zeit .« – Er habe ihnen daher die Berge zum Aufenthalt bestimmt , wo sie in vertrautem Umgang

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General sprach zu ihm Du bist schon nicht der der du zur Zeit des Lebens warst , du bist jezt nichts du sollst also mit aller Ehrerbietung die befehlenden Himmel anhören , dann warf sich dieser zu Knien , und er wurde ernannt als der oberste Inspector über die Wolken und Regen . Dann wurden Aufseher ernannt uber das Feuer uber die epileptische Krankheiten , kurz für alles was der natürliche Mensch bedurfen kann .   9–10 belohnte er … Offizire] Hu  : so hielt der Kayser seynen grossen 35 Einzug , vollbrachte einen Opfer dem Tien und erhebte seyne ganze verstorbene Familie zu Kayser würde , dadurch mussten sie besonders verehrt seyn . Dann gab der Kayser Belohnungen   34 Aufseher statt eines unlesbaren Wortes  



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mit den Chen leben könnten , die nicht menschliche Gestalt haben . – Sie sollten alle mitnehmen , die zu ihrer Sekte gehörten , die sich allein bemühten , unsterblich zu werden . Er mache diese | 7 zu chefs über die Berge , und gebe ihnen alle Rechte der Herrschaft über die Eingeweihten . Sie sollten so dem Studio des Tao und dem Streben , sich unsterblich zu machen , obliegen , und sich mit anderen Chen unterrichten über die Geheimnisse der Natur , die den anderen Menschen undurchdringlich sind . – Es gab also damals schon eine Klasse von Menschen , die sich innerlich beschäftigten , die nicht nur zur allgemeinen Staatsreligion des Tien gehörten , sondern eine Sekte , die sich dem Denken ergab , in sich , in ihrem Denken zum Bewußtseyn zu bringen suchten , was das Wahre sei . – Die n ä c h s t e S t u f e aus dieser ersten Gestaltung der natürlichen Religion , – welche eben war , daß das unmittelbare Selbstbewußtseyn sich als das Höchste , als das Regirende weiß , nach dieser Unmittelbarkeit , den unmittelbaren Willen für das Höchste zu halten , – ist die Rückkehr des Bewußtseyns in sich selbst , die Forderung , daß das Bewußtseyn in sich selbst meditirend ist , – und das ist die S e k t e d e s Ta o  .  – Damit ist verbunden , daß diese Menschen , die in den Gedanken , das Innre zurückgehen , auf die Abstraxion des Gedankens sich legen , zugleich die Absicht hatten , unsterbliche , für sich reine Wesen zu werden , theils indem sie erst eingeweiht waren , – theils , indem sie die Meisterschaft , das Ziel ­erlangt , sich selbst für höhere Wesen , auch der Existenz , Wirklichkeit nach hielten . Diese Richtung zum Innern , die den Übergang zur zweiten Form ausmacht , – zu Tao , dem abstrahirenden , reinen Denken , finden wir also schon im Alter­thum bei den Chinesen . – Eine Erneuerung , Verbesserung der Lehre des Tao fällt in spätere Zeit , und diese wird vornehmlich dem L a o - t s e zugeschrieben , etwas älter aber gleichzeitig mit K o n f u t s e und P y t h a g o r a s  . C o n f u c i u s ist durchaus moralisch , kein spekulativer Filosof . – Der Tien , diese allgemeine Naturmacht , die Wirklichkeit durch die Gewalt des Kaisers ist , ist verbunden mit moralischem Zusammenhang , und diese moralische Seite hat Konfutse vornehmlich ausgebildet . – Bei d e r S e k t e d e s Ta o ist der Anfang , in den Gedanken , das reine Element , überzugehen  ; aber damit hat keine höhere geistige Religion sich begründet . Die Bestimmungen des Tao bleiben vollkommne Abstraxionen , und die Lebendigkeit , das Bewußtsein , das Geistige , fällt , so zu sagen , nicht in den Tao

2–3 gehörten , die … werden] Bo  : gehören . So wurden sie ausgeschieden aus der wirklichen Ge… Filosof] Hu  : ganz ein moralischer Philosoph . Alle Staatsbeamten sind aus der Sekte des Confucius .   30–96,13 Bei d e r S e k t e … darin] Bo , ähnlich HuAn  : | Tao hat die Bestimmung von drey in sich . Die Vernunft hat 1 . hervorgebracht die 1 . die 2 . , die 2 , die 3 , und die drey das universum es ist das was wir bey Pythagoras sehen . Das Universum

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35 sellschaft .   26 durchaus moralisch ,

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Keine Freiheit kein Recht und Pflicht

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selbst , sondern durchaus noch in den unmittelbaren Menschen . L a o - t s e ist dann auch ein Chen , oder als B u d d a erschienen . Diejenigen , welche von der Sekte des Tao sind , sagen von Lao-tse , daß er als Budda erschienen . – Für uns ist Gott das Allgemeine , aber in sich bestimmt  ; Gott ist Geist , seine Existenz ist die Geistigkeit . – Hier ist die Wirklichkeit , Lebendigkeit des Tao noch das wirkliche unmittelbare Bewußtsein , daß er zwar ein Todtes ist , wie Lao-Tse , sich aber transformirt in andre Gestalten , in seinen Priestern lebendig und wirklich vorhanden ist . – | Wie Tien , dieses Eine , das Herrschende ist , aber diese abstrakte Grundlage  ; der Kaiser die Wirklichkeit dieser Grundlage , das eigentlich Herrschende ist , – so ist dasselbe der Fall bei der Vorstellung der Vernunft . Diese ist ebenso die abstrakte Grundlage , die erst im existirenden Menschen ihre Wirklichkeit hat . – Da das Allgemeine nur die abstrakte Grundlage ist , so bleibt der Mensch darin , ohne eigentlich immanentes , erfülltes Innres  ; er hat keinen Halt in sich . – Halt hat er erst in sich , wenn die Freiheit , Vernünftigkeit eintritt , indem er das Bewußtseyn ist , frei zu seyn , und diese Freiheit als Vernunft sich ausbildet . – Diese ausgebildete Vernunft giebt absolute Grundsätze , Pflichten , – und der Mensch , der dieser absoluten Grundsätze in seiner Freiheit , seinem Gewissen sich bewußt ist , in dem sie immanente Bestimmungen sind , – hat erst in sich , seinem Gewissen einen Halt . – Erst in sofern der Mensch von Gott weiß , als Geist , und von den Bestimmungen des Geistes , sind diese göttlichen Bestimmungen wesent­

ruht auf dem dunklen Princip und ist umfaßt vom Lichte , ein Geist , ein Athem vereinigt sie und bringt hervor und unterhält die Harmonie in ihm . Die erste Bestimmung der Triade ist J die zweite Bestimmung ist Hi (An  : Hi (Hauch)) , die dritte Wej der Boote . Diese Zeichen , sagt man , seyen (nicht chinesisch Hu  : wohl ohne Bedeutung in Chinesen) , aber das J . H . W . bringt er zusammen mit Jao was bey den Gnostikern so berühmt ist . Dieser Jao hängt mit Jehova zusammen . / Die eine die bestimmungslose die schlechte Abstraction , das erste , leere , wenn dieses seyn soll in sich , immer lebendig seyn soll in sich , so muß zur Bestimmung fortgegangen werden und die Vollendung der Totalität ist drey . Im ersten Denken ist der Inhalt der allerabstracteste , von diesem daß die absolute Macht ist wird von diesem zum allgemeinen herausgegangen so beginnt das Denken aber ganz abstract , einfach . Das Zeichen von Tao ist theils ein Dreyeck theils drey Striche übereinander wo der mittlere kürzer ist als die anderen und ein Verticalstrich vereinigt alle zu einem . (Die Kua enthalten die Elemente von der höheren chinesischen Reflexion) Das Individuum in dieser Sphäre wo Thien die Grundlage der Kaiser der Herrschende , die Wirklichkeit dieser Grundlage ist , bleibt ohne eigentlich immanentes , erfülltes inneres .  Hu schließt an  : Insofern also gesagt ist dass hier der Anfang des Denkens eingetreten hat , so muss man doch hier meinen dass hier eine höhere Religion eingetreten ist . Das Thao ist ganz abstrakt . Das unmittelbare Bewustseyn des Menschen ist doch immer die höchste Macht . Man spricht von dem Laoce dass er auch Chen geworden ist in andern Menschen . Der Mensch in dieser Sphäre , der der Thien die Grundlage , ist der Kayser Wirklichkeit dieser Grundlage , indem das allgemeine das Höhere nur diese abstracte Grundlage | ist , so hat der Mensch keinen Halt in sich ,  

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liche , absolute Bestimmungen der Vernünftigkeit überhaupt , was Pflicht in ihr ist , in ihm seiner Seits immanent ist . – Wo das Allgemeine nur diese abstrakte Grundlage überhaupt ist , hat der Mensch keinen Halt in sich , keine immanente , bestimmte Innerlichkeit . Darum ist alles Äußerliche für ihn ein Innerliches  ; Alles Äußerliche hat Bedeutung für ihn , Beziehung auf ihn , und zwar praktische ­Beziehung . – Im allgemeinen Verhältniß ist dieß die Staatsverfassung , das Regirtwerden von Außen . Mit dieser Religion ist keine eigentliche Moralität , keine immanente Ver­ nünftigkeit verbunden , wodurch der Mensch Werth , Würde in sich hätte . Alles , was eine Beziehung auf ihn hat , ist eine Macht für ihn , weil er in seiner Vernünftigkeit , Sittlichkeit keine Macht hat . Daraus folgt diese unbestimmbare Ab­ hängigkeit von allem Außerlichen , dieser höchste , zufälligste Aberglaube . – Die Chinesen sind das abergläubigste Volk der Welt , in ewiger Furcht und Angst vor Allem , weil alles Äußerliche eine Bedeutung , Macht für sie ist , das Gewalt gegen sie brauchen , sie affiziren kann . – Besonders die Wahrsagerei ist dort zu Hause . In jedem Ort sind eine Menge Menschen , die sich mit Profezeien abgeben  : die rechte Stelle zu finden für ihr Grab , die Lokalität , das Verhältniß im Raume , – damit haben sie es ihr ganzes Leben zu thun . – Wenn beim Bau eines Hauses ein Andres das Ihrige flankirt , die Fronte einen Winkel gegen dasselbe hat , so werden alle mögliche Zeremonien vorgenommen und dergleichen . Die z we i t e F o r m  ,  – die zusammenhängt mit dieser Form des Insichgehens , das noch ganz abstrakt ist , und von der unmittelbaren Persönlichkeit sich nicht trennt , – ist  : das bestimmtere , i n t e n s i ve r e I n s i c h s e y n  , daß die höchste Macht , das Absolute , die absolute Macht gefaßt wird , nicht in dieser Unmittelbarkeit des Selbstbewußtseyns , sondern als ein Wesen , als Substanz , – welches aber zugleich noch diese Unmittelbarkeit behält , | daß es existirt in einem dieser Individuen oder in mehreren , welche Substanz mit der Existenz in diesen Individuen die Macht , Herrschaft , das SchaVen und Erhalten der Welt , der Natur und aller Dinge ist , die absolute Macht . / Diese Form hat in ihrer Existenz manchfache Bestimmungen , Gestaltungen . – Es gehört hierher  : die R e l i g i o n d e s F o in China oder des B u d d a  .  – Nach China kam diese Religion von Außen , von Indien her . – Damit hängt zusammen  : die l a m a i s c h e Religion . – Budda ist auch bei den Indiern eine der göttlichen Inkarnazionen , auch eine historische Person , wie auch Fo . – Diese sind verstorbene historische Personen . – Sie werden verehrt , aber es wird zugleich vorgestellt , daß sie in ihren Bildern gegenwärtig und wirksam sind , wie in ihren Priestern . – Die Lama-Religion ist , daß Einige 25 als] Bo  : als ein Mensch als   36 Priestern] Hu  : Priesters . Diese Religion ist eine der ausgebreitetsten , in Birmanien | China , Mogolen .  

Keine Moralität keine Vernünftigkeit .

Aberglaube

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dieser Menschen der Gott sind , daß sie die Substanz sind als lebendig , hier gegenwärtig . – Das hängt sehr nahe zusammen mit dem Vorigen . Hier kommt diese Substanzialität vor , daß das Absolute ist das Insichseyende , diese Eine Substanz , die aber nicht , wie bei Spinoza , als eine Substanz für und im Gedanken nur gefaßt wird , sondern zugleich Existenz hat in der Gegenwart . Diese Gegenwärtigkeit als sinnlich in einem Menschen , ist Hauptzug .  – Was den Charakter dieser Völker betriVt , die zu dieser Religion gehören , – so enthält diese Substanzialität die Erhebung über das unmittelbare , einzelne Bewußtseyn , wie in der Zauberei sich dieß darstellt , wo das einzelne Bewußtseyn die Macht ist , die Begierde , die Rohheit noch ungebrochen . – Auf dieser Stufe wird das Eine , das Höchste gefaßt als dieß Substanzielle  : darin liegt unmittelbar die Erhebung über die Begierde , den einzelnen Willen , die Wildheit , – das Versenken in diese Innerlichkeit – Einheit . – Das Bild des Budda ist in dieser denkenden Stellung  : Füsse und Arme über einander gelegt , so daß eine Zehe in den Mund geht – dieß Zurückgehen in sich , dieß An sich selbst Saugen . – Der Character der Völker dieser Religion ist der der Stille , des Sanftmuths , Gehorsams , der über der Wildheit , der Begierde steht . – Es entstehen in diesen Völkern große religiöse Assoziazionen  ; diese leben in Gemeinsamkeit , in Ruhe des Geistes , in stiller ruhiger Beschäftigung . – Ausdrücklich wird als Ziel für den Menschen , als das Höchste angegeben , zu dieser reinen Stille in sich zu gelangen . – Insofern diese Stille auch als Prinzip ausgesprochen wird , so besonders in der Religion des Fo , – so ist das Letzte , ­Höchste – das Nichts , Nichtseyn . »Aus Nichts sei Alles hervorgegangen , – in Nichts gehe Alles zurück .« Das ist die absolute Grundlage , das Unbestimmte , | das Vernichtetseyn alles Besondern , daß alle besondre Existenzen , Wirklichkeiten , nur Formen sind , und nur das Nichts wahrhafte Selbständigkeit hat  ; alle andre Wirklichkeit aber keine hat  ; sie seien nur etwas Axidentelles , eine gleichgiltige Form . – Für den Menschen ist dann ebenso dieser Zustand der Vernichtung der höchste  ; sich zu vertiefen in dieses Nichts , die ewige Ruhe des Nichts überhaupt , das Substanzielle , wo alle Bestimmungen aufhören , keine Tugend , kein Wille , keine Intelligenz ist , alle Bestimmungen der Natürlichkeit und des Geistes verschwun­ den sind . – Durch fortwährendes Vertiefen und Sinnen in sich soll der Mensch diesem Prinzip gleich werden , er soll ohne Leidenschaft seyn , ohne Neigung , ohne Handlung , und zu diesem Zustand kommen , Nichts zu wollen , und Nichts zu thun . – 6 Hauptzug] Bo  : bleibender Hauptzug   6–7 Was den Charakter … gehören] Bo  : Die Völker die zu dieser Religion gehören sind zahlreicher als die Mohamedaner , wie diese auch ist als die Christen .   17 religiöse Assoziazionen] Bo  : Klöster   28–99,1 Für den Menschen … Rede .] Bo  : Der

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Da ist von Tugend , Laster , Versöhnung , Unsterblichkeit keine Rede . Die Heiligkeit des Menschen ist , daß er in dieser Vernichtung , in diesem Schweigen sich vereint mit Gott , dem Nichts , dem Absoluten . – Im Aufhören aller Bewegung und Regung des Körpers , aller Bewegung der Seele , besteht das Höchste . Wenn diese Stufe erlangt ist , hat der Mensch keine Wanderungen nach dem Tode zu befürchten , da ist er identisch mit Gott . – Hier ist das theoretische Moment ausgesprochen , daß der Mensch ein Sub­ stanzielles für sich ist . – Das Praktische ist , daß er will  : Wenn er will , so ist das , was ist , Gegenstand für ihn , den er verändert , dem er seine Form aufdrückt . – In dieser Religion ist dieß Theoretische , daß diese Einheit , Reinheit , das Nichts absolut selbständig gegen ihn ist , daß seine Bestimmung ist , nicht gegen das Gegenständliche zu handeln , es nicht zu bilden , – sondern , daß diese Stille in ihm ­gewähre und hervorgebracht werde . – Dieß ist das Absolute  : der Mensch hat aus sich Nichts zu machen . In seinem Seyn hat der Mensch sich auf diese negative Weise zu verhalten , sich nur zu wehren , nicht gegen das Äußerliche , sondern gegen sich selbst . Bei den Buddisten heißt dieser Zustand Nirvana . Da ist der Mensch nicht schwer  ; nicht mehr dem Gewicht , der Krankheit , dem Alter unterworfen , – dem Tod  : er ist anzusehen als Gott selbst , ist Budda geworden . – Der Hauptkultus des Menschen ist , sich zu vereinigen mit diesem Nichts , sich alles Bewußtseyns , aller Leidenschaften zu entschlagen . – Auf den ersten Anblick muß es auffallen , daß der Mensch Gott denke als Nichts , – die größte Sonderbarkeit haben  ; aber näher betrachtet heißt diese Bestimmung  : Gott ist schlechthin nichts Bestimmtes , das Unbestimmte  ; es ist keine Bestimmtheit keiner Art die Gott zukommt  : er ist das Unendliche  : denn , wenn wir sagen  : Gott ist das Unendliche , so heißt das  ; Gott ist die Negazion von allem Besondern . – Wenn wir die Formen , die heut zu Tage gäng und gebe sind , vornehmen  : »Gott ist das Unendliche , | das Wesen , das reine einfache Wesen , das Wesen der Wesen , und nur das Wesen«  ; – so ist das entweder ganz oder ziemlich gleichbedeutend mit dem , daß Gott das Nichts ist . Das heißt aber nicht , daß Gott nicht i s t  , sondern daß er das Leere , dieses Leere Gott ist . – Wenn wir sagen  : »man weiß Nichts von Gott , kann keine Vorstellung haben von Gott« , so ist dieß ein mildrer Ausdruck dafür  : Gott ist das Nichts , das Leere für uns d . h . von aller Bestimmung irgend einer Art muß man abstrahiren . Da bleibt das Nichts übrig und das Wesen  ; und nur das Wesen , ohne alle weitere Bestimmung , ist ebenso das Leere , Unbestimmte . –

35 Mensch hat sich also in diese ewige Ruhe zu versenken , um glücklich zu seyn muß er sich durch

ewiges Sinnen in sich sich bemühen nichts zu wünschen nichts zu wollen und nichts zu thun .   8 will] Bo  : will , daß er thut wo er die Macht ist  

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Das ist eine bestimmte , nothwendige Stufe  : Gott als das Unbestimmte , die Unbestimmtheit , in dem aufgehoben , verschwunden ist die erste Weise der Unmittelbarkeit .  – Mit dem Nichts , mit dieser Vorstellung ist verbunden , daß der Kultus ist , sich in diese Abstraxion , vollkommne Einsamkeit , Leerheit , diese Entsagung , das Nichts , sich zu versetzen . Hat der Mensch dieß erlangt , so sei er ununterscheidbar von Gott , ewig , identisch mit Gott . – In Beziehung auf den Menschen ist zu bemerken , daß die Vorstellung von der Seelenwanderung in der Lehre des Fo , Budda , wesentlich eintritt . – Dieser Standpunkt ist eigentlich höher , als der , auf welchem die Anhänger des Tao , sich zu Chen , unsterblich machen sollen . – Indem dieß als höchste Bestimmung des Menschen angegeben wird , durch Meditazion , Zurückgehen in sich , – so ist damit nicht ausgesprochen , daß die Seele an sich , als solche verharrend , wesenhaft , daß der Geist unsterblich ist , sondern nur , daß der Mensch sich erst durch diese Abstraxion , Erhebung , unsterblich mache , machen solle . Der Gedanke der Unsterblichkeit liegt eben darin , daß der Mensch denkend ist in seiner Freiheit , bei sich selbst  ; – so ist er schlechthin unabhängig , – ein Andres kann nicht in seine Freiheit einbrechen , er bezieht sich nur auf sich selbst , ein Andres kann sich nicht in ihm geltend machen . – Diese Gleichheit mit mir selbst , Ich , dieß Bei sich selbst Seiende , wahrhaft Unendliche , dieses ist unsterblich , ist keiner Veränderung unterworfen , es ist selbst das Unveränderliche , das nur in sich Seiende , nur in sich sich Bewegende . – Ich ist nicht todte Ruhe , sondern Bewegung , aber Bewegung , die nicht Verändrung heißt , sondern die ewige Ruhe , ewige Klarheit in sich selbst ist . – Indem Gott als das Wesenhafte gewußt , in seiner Wesenhaftigkeit gedacht wird , das Insichseyn , Beisichseyn wahrhafte Bestimmung ist , so ist in Beziehung auf das Subjekt dieß Insichseyn , diese Wesenhaftigkeit , gewußt als Natur des Subjekts , das Geistig ist in sich . – Diese Wesenhaftigkeit kommt auch dem Subjekt , der Seele , zu  : es wird gewußt , daß sie unsterblich ist , dieß rein in sich zu existiren , – daß sie dieß in sich hat , in sich rein zu seyn , aber im eigentlichen Sinne noch nicht zu existiren als diese Reinheit , d . h . noch nicht als Geistigkeit  ; sondern mit dieser Wesenhaftigkeit ist noch verbunden , daß die Weise der Existenz noch sinnliche Unmittelbarkeit ist , die aber nur axidentell ist . – Das ist Unsterblichkeit , daß die bei sich seiende Seele als wesenhaft zugleich als existirend ist . Wesen ohne Existenz ist eine bloße Abstraxion , die Wesenhaftigkeit , der BegriV muß existirend gedacht werden  : es gehört also die Realisazion auch zur Wesenhaftigkeit  ; aber die Form dieser Realisazion ist noch die sinnliche Existenz , die sinnliche Un­ mittelbarkeit . – Die Seelenwanderung ist eben , daß die Seele noch beharrt nach dem Tode , aber in einer andern sinnlichen Weise noch gewußt wird .

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Weil die Seele abstrakt gefaßt wird als Insichsein , wie Gott , so ist diese Gestaltung gleichgiltig  ; – der Geist wird nicht als Konkretes gewußt  ; es ist nur die abstrakte Wesenheit , und das Daseyn , die Erscheinung ist nur die unmittelbare , sinnliche Gestalt . – Dieß , daß der | Mensch in diese Gestalt übergeht , wird dann nun zusammengebracht mit der Moralität , mit dem Verdienst . Erreicht der Mensch aber diese Vernichtung seiner selbst , diese Abstraxion , so ist er der Seelenwanderung überhoben , dieses Annehmens dieser Existenz , dieses Ge­ bundenseyns an diese äußerliche , sinnliche Gestaltung . – Gott ist als Nichts , als Wesen überhaupt gefaßt . – Das ist näher zu erläutern  ; – besonders aber auch , daß dieser wesentliche Gott doch gewußt wird , als dieser unmittelbare Mensch , als Fo , Budda , Dalai Lama . – Die Vereinbarung kann uns am Widerwärtigsten , empörendsten unglaublichsten erscheinen  : daß ein Mensch mit allen sinnlichen Bedürfnissen als Gott angesehn wird , als der welcher die Welt ewig erschaVe , erhalte , hervorbringe . – Ein Dalai Lama ist in dieser Vorstellung von sich , und wird als Solcher von Andren verehrt . – Diese Vorstellung ist verstehen zu lernen , und indem wir sie verstehen , rechtfertigen wir sie  : wir zeigen , wie sie ihren Grund hat , ihr Vernünftiges , eine Stelle in der Vernunft  ; aber es gehört auch dazu , daß wir ihren Mangel einsehen . Wir müssen einsehen bei den Religionen , daß es nicht bloß Sinnloses ist , Unvernünf­ tiges . Das Schwere ist eben , die Wahrheit zu erkennen , wie es mit der Vernunft zusammenhängt , und das ist schwerer , als etwas für sinnlos erklären . – Das Insichseyn ist die wesentliche Stufe , daß von der unmittelbaren empirischen Einzelnheit fortgegangen wird zur Bestimmung des Wesens , der Wesenhaftigkeit zum Bewußtseyn von der Substanz , einer substanziellen Macht , die die Welt regiert , Alles entstehen , werden läßt nach vernünftigem Zusammenhange . Insofern sie substanziell , in sich seiend ist , ist sie ein bewußtlos Wirkendes  : eben damit ist sie ungetheilte Wirksamkeit , hat Bestimmung der Allgemeinheit in ihr , ist die Allgemeine Macht . – (Es ist hier zu erinnern , um uns dieß deutlich zu m ­ achen , an Naturwirksamkeit , an Naturgeist , Naturseele  : da meinen wir nicht , daß Naturgeist bewußter Geist ist , darunter denken wir uns nichts Bewußtes . – Die Naturgesetze der Pflanzen , Thiere , ihrer Organisazion , und die Thätigkeit derselben ist ein Bewußtloses . Diese Gesetze sind das Substanzielle , ihre Natur , ihr BegriV , – das sind sie an sich , die ihnen immanente Vernunft ,

2 gleichgiltig] Bo  : gleichgültig . Mensch oder Thiergestalt  Hu  : gleichgultig denn das Wesenhafte 35 wird noch abstract gewusst nicht als concreter Geist , es ist jezt also gleichgultig ob die Seele in den

Menschen oder Thier ubergeht   32 sind] ist  

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aber b­ ewußtlos . –) Der Mensch ist Geist , und sein Geist bestimmt sich als Seele , als diese Einheit des Lebendigen . – Diese seine Lebendigkeit , die in der Explikazion der Organisazion nur Eine ist , Alles durchdringend , erhaltend  ; diese Wirksamkeit ist im Menschen vorhanden , so lange er lebt , ohne daß er davon weiß oder dieß will , – und doch ist seine lebendige Seele die Ursache , die ursprüngliche Sache , welche das wirkt . – Der Mensch , eben diese lebendige Seele , weiß davon Nichts , will den Blutumlauf nicht , schreibt’s ihm nicht vor  ; – doch thut er’s , es ist sein Thun , der Mensch ist thuende , wirkende Macht von diesem , was in seiner Organisazion vorgeht . – Diese bewußtlos wirkende Vernünftigkeit , oder bewußtlos vernünftige Wirksamkeit ist , daß der νοῦς die Welt regiert , bei den Alten der νοῦς des Anaxagoras . Dieser ist nicht bewußte Vernunft . – Man hat diese vernünftige Wirksamkeit in der neuern Filosofie auch das Anschauen genannt , besonders Schelling  : Gott , als anschauende Intelligenz . Gott ist die Intelligenz  ; die Vernunft als anschauend ist das ewige ErschaVen der Natur , dieß , was Erhalten der Natur heißt  : denn ErschaVen und Erhalten ist nicht zu trennen . In dem endlichen Anschauen sind wir in die Gegenstände versenkt , sie erfüllen uns . – Dieß ist die niedrigere Stufe des Bewußtseyns , dieß Versenktseyn in die Gegenstände . Darüber reflektiren , zu Vorstellungen kommen , aus sich Gesichtspunkte hervorbringen , diese Bestimmungen halten an diese Gegenstände , Ur­thei­len , – das ist nicht mehr Anschauen als solches . – Das ist also dieser Standpunkt der Substanzialität , des Anschauens . – Dieser Standpunkt ist , was unter dem Standpunkte des Pantheismus zu verstehen ist , in seinem richtigen Sinne , dieß orientalische Wissen , Bewußtseyn , Denken von dieser absoluten Einheit , von der absoluten Substanz und von der Wirksamkeit dieser Substanz in sich , – einer höchsten Wirksamkeit , worin alles Besondre , Einzelne nur ein Vorübergehendes , Verschwindendes ist , nicht wahrhafte Selbständigkeit . – Dieß orientalische Vorstellen ist entgegengesetzt dem oxidentalischen , wo der Mensch in sich niedergeht , wie die Sonne , in seine Subjektivität . Da ist die Einzelnheit Hauptbestimmung , daß das Einzelne das Selbständige ist . – Wie im Orientalischen , daß das Allgemeine ist das wahrhaft Selbständige , so steht in diesem Bewußtsein die Einzelnheit der Dinge , der Menschen , uns obenan . Ja die oxidentalische Vorstellung kann so weit gehen , zu behaupten , daß die einzelnen Dinge selbständig , d . h . absolut sind . – Der Ausdruck »Pantheismus« hat das Zweideutiche , welches die Allgemeinheit überhaupt hat . –  Εν και πᾶν | heißt das Eine All , das All , welches schlechthin Eines bleibt  ; aber πᾶν heißt auch Alles , und s o ist’s , daß es in die gedankenlose , schlechte , unfilosofische Vorstellung übergeht . – So versteht man unter Pantheismus , daß Alles Gott sei , die Allesgötterei  ; nicht Allgötterei  : denn in der Allgötterei , wenn Gott das All wäre , ist nur Ein Gott  ; im All sind absorbirt die einzelnen Dinge , nur

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Schatten , Schemen  ; sie kommen und gehen  : ihr Seyn ist eben dieß , daß es verschwindet .  – In jenem ersten Sinn aber muthet man der Filosofie zu , daß sie Pantheismus sei . – So sprechen besonders die Theologen . Ja , sie sagen es sogar dem Spinozismus nach , da in der spinozistischen Substanz grade das Einzelne , Besondre verschwunden ist , diesem keine Wahrheit , Wirklichkeit , kein Seyn zugeschrieben wird . – Das ist eben die Zweideutigkeit der Allgemeinheit . Nimmt man es im Sinne der Reflexionsallgemeinheit , so ist es die Allheit  ; diese stellt man sich zunächst vor , daß die Einzelnheit selbständig bleibt . – Aber die Allgemeinheit des Denkens , die substanzielle Allgemeinheit , ist Einheit mit sich , worin alles Einzelne , Besondre , nur ein Ideelles ist , kein wahrhaftes Seyn hat . D i e s e ­S u b s t a n z i a l i t ä t beginnt einerseits h i e r  . Diese Substanzialität ist die Grundbestimmung , aber auch nur die Grund­ bestimmung – der Grund ist noch nicht das Wahrhafte – auch unsres Wissens von Gott . – Gott ist die absolute Macht , – das müssen wir sagen  ; allein die Macht  : Alles , was sich herausnimmt , zu sagen von sich , es sei , habe Wirklichkeit , ist nur ein Moment des absoluten Gottes , der absoluten Macht  ; nur Gott i s t  , nur Gott ist die Eine wahrhafte Wirklichkeit . – Das liegt auch in unsrer Religion der Vorstellung Gottes zu Grunde . – Die Allgegenwart Gottes , so , wie sie kein leeres Wort ist , so ist die Substanzialität damit ausgedrückt , diese liegt dabei zu Grunde . Diese Ausdrücke werden aber im Stumpfsinn , nur im Gedächtniß fortgeschwatzt , damit ist es gar nicht Ernst . – So wie man dem Endlichen wahrhaftes Seyn zuschreibt , so wie die Dinge selbständig sind , Gott von ihnen ausgeschlossen , so ist Gott gar nicht allgegenwärtig  : denn wenn Gott allgegenwärtig ist , so wird man zugleich sagen  ; er ist wirklich . – Er ist also nicht neben den Dingen , in den Poren , wie der Gott Epikurs , sondern in den Dingen wirklich  ; in den Dingen aber , wo Gott wirklich ist , sind die Dinge nicht wirklich . – Das ist die Idealität der Dinge  ; aber die Dinge sind unüberwindlich erhalten , eine unüberwindliche Wirklichkeit in diesem schwachen Denken . – Die Allgegenwart muß für den Geist , das Gemüth , den Gedanken , eine Wahrheit , er muß Interesse daran haben . Gott ist das Bestehen aller Dinge . J a ko b i hat vom Spinozismus gesagt , – er sei Atheismus , hat am meisten dagegen polemisirt  ; und eben dieser Jakobi sagt  : Gott ist das Seyn – die Substanz , das Affirmative – in Allem , in allem Dasein  ; aber eben damit , daß G o t t das Affirmative ist , ist nicht das einzelne Ding das Affirmative , sondern nur das Ideelle , das Aufgehobne .  – Pantheismus ist ein schlechter Ausdruck , weil dieß Mißverständniß darin ­möglich ist , daß πᾶν genommen wird als Allheit , nicht als Allgemeinheit . – Filo­ sofie der Substanzialität , nicht des Pantheismus ist die spinozistische gewesen . –

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Budda- und Lama-Religion .

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Gott ist in allen höheren Religionen , besonders aber in der christlichen , die absolute Eine Substanz  ; zugleich ist er aber auch Subjekt , und das ist das Weitre . – Wie der Mensch Persönlichkeit hat , tritt in Gott die Bestimmung  : Subjektivität , Persönlichkeit , Geist ein , absoluter Geist . – Das ist eine höhere Bestimmung  ; aber der Geist bleibt dennoch Substanz , die E i n e Substanz . – Diese abstrakte Substanz , die das Letzte der Spinozaschen Filosofie ist , diese gedachte Substanz , die nur für das Denken ist , kann nicht Inhalt einer Volksreligion seyn , kann nicht seyn der Glaube eines konkreten Geistes . – Der Geist ist konkret  ; es ist nur das abstrakte Denken , das in solch einseitiger Bestimmtheit der Substanz bleibt . – Der konkrete Geist supplirt den Mangel , und dieser Mangel ist , daß die Subjektivität fehlt , d . i . die Geistigkeit  ; aber hier auf der Stufe der Naturreligion ist diese Geistigkeit noch nicht als solche , noch nicht gedachte , allgemeine Geistigkeit , – sondern sinnliche , unmittelbare . Da ist es ein Mensch , als sinnliche , äußerliche , unmittelbare Geistigkeit ist es ein Mensch . – Die Substanzialität in ihrer Wahrheit gewußt , ist Subjektivität in sich , und dadurch Geistigkeit , in dieser reinen Substanzialität  ; aber auf dem Standpunkt der Unmittelbarkeit ist es noch nicht die sich selbst wissende Geistigkeit , sondern die Geistigkeit in unmittelbarer Weise , also in der Gestalt eines d i e s e n Menschen . – Wenn nun dieser Mensch uns im Kontrast bleibt von dieser Substanz , allgemeinen Substanz in sich , so muß man sich erinnern , daß der Mensch , als lebendige Substanzialität ist überhaupt diese substanzielle Wirklichkeit in sich , die durch seine Körperlichkeit bestimmt ist  ; es | muß gedacht werden können , daß diese Lebendigkeit auf substanzielle Weise wirksames Leben in ihm ist . Dieser Standpunkt enthält die allgemeine Substanzialität in wirklicher Gestalt . – Da ist die Vorstellung , daß ein Mensch in seiner Meditazion , Selbstbeschäftigung mit sich , seinem Vertiefen in sich , nicht bloß in seiner Lebendigkeit die allgemeine Substanz sei , sondern in seinem Vertiefen in sich , im Centrum des νοῦς nicht in seiner Bestimmung , Entwicklung sich bewußt wird . – Diese Substanzialität des νοῦς , diese Vertiefung , vorgestellt in einem Individuo , ist nicht die Meditazion eines Königs , der in seinem Bewußtseyn die Administrazion seines Reichs vor sich hat , sondern daß dieses Vertiefen in sich abstraktes Denken , an sich die wirksame Substanzialität ist , die ErschaVung und Erhaltung der Welt . Das ist der Standpunkt der Buddaistischen und Lamaischen Religion . – Es giebt in Asien 3 Dalai Lama’s . Daß auch die Lama Vorsteher von solchen Genossenschaften sind , die sich einem abgezognen Leben widmen , – daß diese in ähnlicher Würde gedacht werden , wie der Dalai Lama , – ebenso , daß es mehrere Dalai Lama’s giebt , thut der Sache keinen Eintrag . – Die subjektive Gestalt ist 33 Religion .] Hu  : Religion , in Klein Thibet in Gross Thibet , im südlichen Theile der Syberien  

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hier noch nicht ausschließend , erst in der Durchdringung , der Geistigkeit der ­Substanzialität und Substanz ist Gott wesentlich E i n e r  . So ist die Substanz wohl Eine , aber die Subjektivität , diese Gestaltungen sind mehrere , und es liegt unmittelbar in ihnen , daß sie mehrere sind  : denn diese Gestaltung ist selbst im Verhältniß zur Substanzialität , zwar als ein Wesentliches , doch auch zugleich als ein Axidentelles vorgestellt  : – denn Gegensatz , Widerspruch kommt erst im Bewußtseyn , Willen , in der besondern Einsicht , – darum können nicht mehrere weltliche Regenten in e i n e m Lande seyn  ; aber diese geistige Wirksamkeit , obgleich sie zu ihrem Dasein , Gestalt , geistige Form hat , ist doch nur Wirksamkeit der Substanz , nicht als bewußte Wirksamkeit , als bewußter Wille . Es ist ein Unterschied zwischen Buddaism und Lamaismus . Sie haben dieß ­Gemeinsame , welches angegeben worden , und die den F o und B u d d a verehren , verehren auch den D a l a i L a m a  . Es ist jedoch jener mehr unter der Form eines Verstorbenen , der aber auch unter seinen Nachfolgern gegenwärtig ist . – So wird auch von Fo erzählt , er habe sich 8000 Mal inkarnirt , sei vorhanden ge­ wesen in wirklicher Existenz eines Menschen . – Dieß , daß in einem Individuo die Substanz gleichsam besonders vorhanden ist , in dasselbe sich konzentrirt hat , um äußerlich sich zu zeigen , hat den Zusammenhang . Diese substanzielle Wirksamkeit ist das allgemein Wirksame der Welt , diese Substanz der allgemeine νοῦς , und dieß , daß dieser in einem Menschen besonders sein Dasein habe , daß er vor Anderen und für sie vorhanden sei auf sinnlich äußerliche Weise , liegt nicht so weit auseinander . – Wir sind noch auf dem Standpunkte der Substanzialität , die mit der Subjektivität , Geistigkeit , verbunden ist  ; aber das Geistige ist noch in unmittelbarer sinnlicher Existenz , diese Subjektivität ist noch die unmittelbare Subjektivität . Dieser Standpunkt der Substanzialität macht die fernere Grundlage aus . Wir verlassen ihn sobald noch nicht , und es ist die 3te Form der Naturreligion , zu der wir nun übergehen . Diese 3 t e F o r m oder S t u f e der Naturreligion bestimmt sich so , daß diese Substanzialität in der Totalität ihrer Äußerlichkeit ist , an ihr vorgestellt , gewußt wird die Totalität der Welt . – Das Erste ist also dieselbe Substanzialität , in der das Bestimmte , Besondre , das Subjekt , nur ein Axidentelles ist , das sogar sterblich ist . Das Zweite ist aber das Konkrete , der Reich­thum der Welt , die Besonderung jener allgemeinen Substanz , die sich auch für das Bewußtseyn vorstellt in Be-

35 15 inkarnirt] Hu  : incarnirt hat . Ein Englischer Gesandte war zum Dalay Lama eingeladen , er war

noch ein Kind in das die Seele des Verstorbenen durchgewandert hat .   2 Substanzialität lies Subjektivität  

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a .) b .) c .)

55An I nd i sche Rel ig ion . 81vHu

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b .) 82 AKö ungebundner ­Po l y t h e i s m u s  .

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ziehung auf die Substanz , – die allgemeine Macht , die Geistige und die Natur­ macht , so daß diese Unterschiede auch gewußt werden als zu dem Absoluten gehörig , – daß diese Mächte einerseits als besondre , selbständige erscheinen , aber zugleich verschwinden , aufgezehrt werden , stehen unter jener ersten Einheit , jenem allgemeinen Insichseyn der ersten Substanzialität .– Der Gesichtspunkt ist erweitert . Wir haben hier die Totalität . Der Gesichtspunkt ist konkret . Das ist der nothwendige Fortgang . Wir haben hier die Substanz als diese eine wesentliche Macht  ; das Andre ist das Konkrete , das bisher mehr nur ein Zufälliges auf diese oder jene Weise ist . – Das bestimmtre Konkrete ist  : d i e I d e e i s t E i n e  , unmittelbar identisch mit sich . Aber eben so , als das Eine Gott ist , absolute Macht , eben s o u n t e r s c h e i d e t s i c h d i e I d e e a u c h i n s i c h  , besondert sich , und diese Besonderungen geben unterschiedne besondre Gestaltun­gen  , M ä c h t e  .  – Das D r i t t e ist , daß diese geistigen , diese Naturmächte , z u r ü c k k e h r e n  , g e h a l t e n w e r d e n vo n E i n e m  .  – Wir haben hier also die Einheit , ein intelligibles Reich , das zu besonderm Bestehen , zur Er­ scheinung kommt  ; aber nicht für sich absolut frei wird , sondern eben so gehalten bleibt von dem Einen , in der Einen , allgemeinen Substanz . – In diesem Fortgange ist die Grundlage der Vernünftigkeit , der Idee , vernünftige Entwicklung vor­ handen  ; aber nur in so weit , nach diesen ganz allgemeinen Bestimmungen . – Um anzugeben , wie dieser Standpunkt vorhanden ist , in seiner Existenz erscheint , so ist dieß der Standpunkt der i n d i s c h e n R e l i g i o n  .  – Da ist eben diese Eine Substanzialität , und zwar als reines Denken , reines Insichseyn , vorhanden  ; und dieses ist unterschieden von dem besondern , außerhalb der Be­ sonderung , so , daß es an den besonderen Mächten nicht als solchen , seine Existenz , Realität hat . – Es ist nicht , wie Gott an dem Sohne seine Existenz , Dasein , hat  ; sondern dieß Insichseyn bleibt abstrakt in sich , rein für sich als abstrakte Macht , aber als Macht über Alles , und die Besondrung , der Unterschied fällt außerhalb dieses Insichseyns . – Dieß Insichseyn , weil es so abstrakt ist , muß wieder eine Existenz haben , und diese , insofern sie selbst noch unmittelbar , außerhalb des Unterschieds ist , nicht wahrhaft göttliche Existenz ist , ist wieder die unmittelbare Existenz im daseienden , unmittelbaren menschlichen Geiste . Das Zweite ist dann der Un t e r s c h i e d als v i e l e M ä c h t e  , und diese vielen Mächte | als viele Götter , – ein u n g e b u n d n e r Po l y t h e i s m u s  , der noch

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4 verschwinden] Hu  : verschweben   13–14 Naturmächte] Hu  : besondern Naturmächte   23–24 35 dieses ist … Besonderung] Bo  : Dieses reine In sich seyn außerhalb der Besonderungen   23 dem besondern so Hu  ; in AKö Platz für zwei Wörter frei gelassen  



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nicht fortgegangen ist zur Schönheit der Gestalt  ; es sind noch nicht die schönen Götter der griechischen Religion , noch ist auch die Prosa unsres Verstandes vorhanden .  – Diese Mächte sind theils Gegenstände , Sonne , Berge , Flüsse , – oder abstraktere  ; das Entstehen , Vergehen , die Verändrung , das Gestalten . – Das sind die besondren Mächte , für sich außerhalb jenes Insichseyns , und also noch nicht in den Geist aufgenommen , noch nicht wahrhaft als ideell gesetzt , aber auch noch nicht vom Geist unterschieden  ; – die Substanz ist noch nicht geistig , – sie sind aber auch noch nicht außerhalb des Geistes gesetzt  ; – sie werden nicht mit Verstand betrachtet , auch sind sie nicht Bilder einer schönen Fantasie , sondern fantastisch . – Es sind besondre Mächte , wilde Besonderheit , in der kein System ist , nur Anklänge an’s Verständige , an verständige Momente  ; aber noch keine verständige , noch weniger vernünftige Totalität , Systematisirung , sondern eine Vielheit in bunter Menge . – Diese Bestimmung ist noch nicht vorhanden , daß das Besondre mit Verstand aufgefaßt wird . – Wir sagen von einem so allgemeinen Naturdaseyn , so allgemeinen Mächten  : dergleichen i s t   ; zB die Sonne i s t  . Das sind äußerlich Seiende , Dinge  ; »Dinge« ist dieß Prädikat des reflektirenden Seyns . – Hier aber ist das reine Seyn noch konzentrirt in jenes Insichseyn , – das Denken hat , so zu sagen , noch nicht den ganzen Menschen , Geist , durchdrungen . – Der Verstand sagt  : sie sind , wir denken sie , und denken sie unterschieden von uns . Dieß ist ihr Prädikat , ihre Kategorie . – Damit werden sie prosaisch auf­ gefaßt . Erst wenn die Prosa , das Denken alle Verhältnisse durchdrungen hat , daß der Mensch überall abstrakt denkend sich verhält , so spricht er von äußerlichen Dingen . Hier hingegen ist das Denken nur diese Substanz , dieß Beisichseyn ist noch nicht angewendet , die Gegenstände werden noch nicht in der Form dieser Kategorie betrachtet , als äußerliche , als zusammenhängende , als Ursache und Wirkung . – Ferner aber wird der gegenständliche Inhalt auch nicht in der Weise der Schönheit aufgefaßt , – diese Mächte , allgemeine Naturgegenstände , oder die Mächte des Gemüths , zB die Liebe , noch nicht als schöne Gestalten . Dazu , zur Schönheit der Gestalt , gehört freie Subjektivität , die im Sinnlichen , im Daseyn zugleich frei ist und frei sich weiß . – Denn , das Schöne ist wesentlich das Geistige , das sich sinnlich äußert , sich zeigt im sinnlichen Daseyn  ; aber so , daß das sinnliche Daseyn vom Geistigen durch und durch , ganz und gar durchdrungen ist , – daß das Sinnliche nicht für sich ist , sondern durchaus Bedeutung hat im Geistigen , das Zeichen des Geistigen ist , – daß das Sinnliche nicht für sich ist , nicht sich selbst zeigt , sondern sogleich etwas Andres vorstellt , als es selbst ist , als sich selbst . – Das ist die wahrhafte Schönheit . – Am lebendigen Menschen sind 4 Sonne] Bo  : Mond Sonne Hu  : Sonne , Mond   17 Dinge] Hu  : Dinge wie Sonne , Mond etc .  

α .) nicht verständig 82rHu

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β .) nicht schön

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83AKö 2/7 Bo 56An

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viele äußerliche Einwirkungen , die die reine Idealisirung , diese Subsumzion des Leiblichen , Sinnlichen , unter das Geistige hemmen . – Hier ist dieß Verhältniß noch nicht , und darum nicht , weil das Geistige nur erst noch in dieser abstrakten Bestimmung der Substanzialität vorhanden ist , also entwickelt auch wohl zu diesen Besonderungen , besonderen Mächten , aber die Substanzialität ist noch für sich , hat noch nicht durchdrungen , überwunden diese Besonderung , diese ihre Besonderheiten , und das sinnliche , natürliche Daseyn . – Die Substanz ist , so zu sagen , ein allgemeiner Raum , der das , womit er erfüllt ist , die Besonderung , die aus ihm hervorging , noch nicht organisirt , idealisirt , sich unterworfen hat . Indem aber diese Mächte zugleich nicht vorgestellt werden in allgemeiner Weise , nicht gedacht , sondern nur für die Vorstellung als selbständig , so wird ihnen diese Selbständigkeit zugeschrieben , die der Mensch hat . – Die höchste Bestimmung , zu der gegriVen wird , ist die geistige  : sie werden personifizirt , aber auf fantastische , noch nicht auf schöne Weise . – Die Substanz ist die Grundlage , so daß die Unterschiede aus dem Einen heraustreten , erscheinen als selbständige Götter , allgemeine Mächte , aber , daß diese Götter , eben so , als sie selbständig sind , sich wieder auflösen in der Einheit . Diese ungeheure Inkonsequenz ist da vorhanden , geht durch . Selbständigkeit der Götter , und daß sie das Eine sind , wodurch ihre besondre Gestalt , Natur , ihre Besonderheit wieder verschwindet . Zugleich ist dieß Eine , diese Substanz nicht bloß objektiv gewußt , sie hat noch nicht diese Objektivität für das Denken , sondern das Eine hat wesentlich Existenz im menschlichen Bewußtseyn , als Mensch , der sich zu dieser Abstraxion erhebt , – wesentliche Existenz als menschliches Bewußtseyn . – Die Selbständigkeit der Naturmächte ist geistige Persönlichkeit , aber diese Kategorien »Selbständigkeit« , »Ding« , haben noch nicht die Gewalt , der Geist ist noch nicht zum Verstand fortgerückt , sondern | selbständig sind sie , indem sie personifizirt werden . – Das Nächste ist die Vorstellung vom objektiven Inhalt dieses Standpunkts . Der Grundinhalt ist die Eine , einfache , absolute Substanz  ; dies ist das , was die Indier B r a m nennen . B r a m a n ist das Neutrum , die Gottheit , wie wir sagen  ; B r a m drückt dieß allgemeine Wesen mehr als Person , Subjekt aus . Aber es ist ein Unterschied , der nicht konstant angewendet wird , und schon in den verschiednen casibus vermischt sich dieser Unterschied von selbst , da masculinum und neutrum viele gleiche casus haben , – und es ist auch in dieser Rücksicht kein großer axent auf diesen Unterschied zu legen , weil der Inhalt des Brama das Gesagte bleibt , 4–7 also entwickelt … Daseyn] Bo  : das Geistige ist noch als abstractes Denken , als abstracte Substanz  18 ungeheure Inkonsequenz] Hu  : das ist der grosste Widerspruch   23 Abstraxion] Hu  : Substanz  

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Bram nur oberflächlich personifizirt wird , so daß der Inhalt doch bleibt diese einfache Substanz . – An dieser einfachen Substanz treten auch , wie gesagt , die Unterschiede hervor , – und es ist merkwürdig , daß diese Unterschiede auch vorkommen so , daß sie nach dem Instinkte des BegriVs bestimmt sind . – Das 1t e ist die To t a l i t ä t überhaupt , als Eine , ganz abstrakt genommen . – Das 2 t e die B e s t i m m t h e i t  , der Unterschied überhaupt , und das 3 t e der wahrhaften Bestimmung nach , ist , daß die Unterschiede in die Einheit zurückgeführt werden , – c o n c r e t e E i n h e i t  .  – Diese Dreiheit des Absoluten , nach seiner a b s t r a k t e n Form gefaßt , wenn es formlos ist , ist es bloß B r a m  , das leere Wesen . – 2 .) nach seiner Bestimmtheit ist es eine D r e i  , aber nur in einer Einheit , so daß diese Trias nur eine Einheit ist . Bestimmen wir das näher und sprechen wir in andrer Form davon , so ist das dieß , daß Unterschiede , u n t e r s c h i e d n e M ä c h t e s i n d   ; d e r Un t e r s c h i e d h a t a b e r gegen diese Eine Substanz , die absolute Einheit , k e i n R e c h t  , und in sofern er kein Recht hat , so kann dieß die e w i g e G ü t e genannt werden , daß auch das Bestimmte existirt , diese Manifestazion des Göttlichen , daß auch das Unterschiedne dazu kommt , daß es d a i s t  .  – Zu diesem Zweiten kommt das , die G e r e c h t i g k e i t  , daß das Seiende , Bestimmte nicht ist , das Endliche sein Ende , Schicksal , Recht erlangt , dieß , verändert zu werden zu einer andern Bestimmtheit . Das ist die Gerechtigkeit überhaupt . – Dazu gehört abstrakter Weise das We r d e n  , das E n t s t e h e n  , Ve r g e h e n   ; denn auch das Nichtseyn hat kein Recht , ist abstrakte Bestimmung gegen das Seyn , und ist selbst das Übergehen in die Einheit . – Diese Totalität , die Einheit ist , ein Ganzes , ist , was bei den Indern Tr i m u r t i heißt  ;  – M u r t i (Seele , Geist , ) – dieß Höchste , unterschieden in sich , so daß es diese drei Bestimmungen in ihm hat . Das E r s t e nun , das Eine , die eine Substanz , ist was B r a m a heißt . – Es kommt auch vor  : P a r a b r a m a  , was über den Brama ist . Das geht kraus durch einander . Von Brama , sofern er Subjekt ist , werden allerhand Geschichten erzählt . – Über eine solche Bestimmung , wie Brama , indem so ein Bestimmtes gefaßt wird , geht der Gedanke , die Reflexion gleich wieder hinaus , – über das , was so eben bestimmt wurde als Eines von diesen Dreien , – und macht sich ein Höhres , das im Unterschied gegen das Andre bestimmt ist . – Insofern es ­schlechthin die Substanz ist , und wieder erscheint nur als Eines neben Anderm , so ist das Bedürfniß des Gedankens , noch ein Höheres zu haben , Parabrama , wo man nicht sagen kann , in welchem bestimmten Verhältniß dergleichen Formen stehen .  – 24 Diese Totalität] Bo , ähnlich Hu  : Diese Drey als Totalität  

C .)

α) Bram . β) 2te Güte . 84rHu 3te γ) Gerechtigkeit

50Bo Trimurti . α .) Brama . (Parabrama .)

110 Götter , Menschenund Weltschöpfung .

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β .) 2 .)  K r i s c h n a oder W i s c h n u  .

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Brama ist , was als diese Substanz gefaßt ist , aus der Alles hervorgegangen , er­ zeugt ist , diese Macht , die Alles hervorgebracht , erschaVen . Indem aber so die Eine Substanz , das Eine , die abstrakte Macht ist , erscheint es auch gleich als das Tr ä g e  , die formlose , träge Materie . Da haben wir die formirende Thätigkeit , wie wir es ausdrücken würden , besonders . – Die Eine Substanz , weil es nur die Eine ist , ist das Formlose  : so ist auch dieß eine Weise , wie es zum Vorschein kommt , daß die Substanzialität nicht befriedigt , nehmlich , weil die Form nicht vorhanden ist . – So erscheint Brama , das Eine , sich selbst gleiche Wesen , als das Träge , zwar das Erzeugende , aber zugleich passiv sich Verhaltende , gleichsam als We i b  . Krischna sagt darum von Brama  : Brama ist mein uterus , der bloß Empfangende , in den ich meinen Samen lege , und daraus alles erzeuge . (Auch in der Bestimmung  : »Gott ist das Wesen ,« – ist nicht das Prinzip des Bewegens , Hervorbringens , – keine Thätigkeit .) – Aus Brama geht Alles hervor  : Götter , Welt , Menschen  ; aber es kommt zugleich zum Vorschein , daß dieß Eine unthätig ist , das Träge . – In diesen verschiedenen Kosmogonien , Darstellungen der Schöpfung der Welt , tritt dieß Verschiedne auch hervor , aber es ist nicht so bei den Indiern , daß sie , wie wir in der christlichen und jüdischen Religion , Eine Vorstellung haben von der ErschaVung der Welt  ; sondern ein Dichter , ein Seher , ein Profet , macht dieß nach seiner Weise . – In Menu’s Gesetzbuch ist diese ErschaVung der Welt s o beschrieben  ; im Vedam und anderen religiösen Werken a n d e r s   :  – es ist dieß etwas Partikuläres . – Man kann überhaupt nicht sagen  : die Indier halten d a s von der Schöpfung  : denn das ist immer bloß die Vorstellung E i n e s Weisen  ; die angegebnen Grundzüge aber sind das Gemeinschaftliche . | In den Veda’s kommt so eine Beschreibung der ErschaVung der Welt vor  ; wo Brama so allein in der Einsamkeit ganz für sich ist , und wo ein Wesen , das dann vorgestellt ist als ein höheres , zu ihm sagt , er solle sich ausdehnen , und sich selbst erzeugen . Aber Bram sei in 1000 Jahren nicht im Stande gewesen , seine Ausdehnung zu fassen  : da sei er wieder in sich zurückgegangen . – Da ist Brama vorgestellt als Welt er­schaVend  ; aber , weil er das Eine ist , als unthätig , als ein Solches , das aufgerufen wird von einem andern Höhern , – ist Bram als das , was formlos ist . Also Bedürfniß eines Andern ist gleich da . Im Allgemeinen ist Bram diese eine absolute Substanz . – Das Zwe i t e ist dann K r i s c h n a oder W i s c h n u  , d . i . d a s I n k a r n i r e n d e s B r a m überhaupt . Dieser Inkarnazionen werden viele , verschiedne von den Indiern aufgezählt . Es ist überhaupt dieß , daß Brama da a l s M e n s c h erscheint . Man kann da aber wieder auch nicht sagen , daß es Bram ist , der als Mensch erscheint , denn diese Menschwerdung ist nicht gesetzt als bloße Form des Bram . – 9 Träge] Hu  : trage , auffassende  

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In dieß Gebiet fallen diese ungeheuern Dichtungen herein . – K r i s c h n a ist auch Brama , Wischnu . – Diese Vorstellungen von diesen Inkarnationen scheinen zum Theil Anklänge von Geschichtlichem zu enthalten  ; daß große Eroberer , die dem Zustande eine neue Gestalt gegeben , die Götter sind . Die Thaten Krischna’s sind Eroberungen , wo es ungöttlich genug zugeht . Eroberung und Liebschaft sind überhaupt die 2 Seiten , Hauptthaten der Inkarnazionen . – Das D r i t t e ist S c h i w a  , M a h a d e  . Es ist gesagt  : Die Veränderung überhaupt ist das Dritte . So ist die Grundbestimmung Schiwa’s einerseits die u n g e h e u r e L e b e n s k r a f t  , andrerseits d a s Ve r d e r b e n d e  , Verwüstende  : die w i l d e N a t u r l e b e n s k r a f t ü b e r h a u p t  .  – Sein Hauptsymbol ist darum der O c h s  , wegen seiner Stärke  ; die allgemeinste Vorstellung aber der L i n g a m  , was bei den Griechen als φάλλος verehrt worden , – dieß Zeichen , das die meisten Tempel haben . Das innerste Heilig­thum enthält diese Vorstellung . – Das Dritte ist nur die Veränderung überhaupt , das Zeugen und Zerstören . – Die w a h r h a f t e D r e i  , im tiefern BegriV , ist der G e i s t  , die Rückkehr des Einen zu sich selbst , sein Zusichkommen  ; nicht n u r die Veränderung , sondern die Veränderung , wo der Unterschied zur Versöhnung gebracht wird mit dem Ersten , die Zweiheit aufgehoben ist . – In dieser Religion , die der Natur noch angehört , ist dieß Werden aufgefaßt als b l o ß e s We r d e n  , als bloße Verändrung , – nicht als Verändrung des Unterschieds , wodurch sich die Einheit hervorbringt , – als Aufheben des Unterschieds zur Einheit . Bewußtsein , Geist ist auch Verändrung des Ersten , der unmittel­ baren Einheit . Das Andre ist das Ur­theil , ein Andres sich gegenüber haben . Ich bin wissend , so daß , indem das Andre für mich ist , ich in diesem Andern zu mir , in mich zurückgekehrt bin . – Das Dritte , statt das Versöhnende zu seyn , ist hier nur diese Wildheit des Erzeugens und Zerstörens . Dieser Unterschied ist wesentlich , und auf den ganzen Standpunkt gegründet , – ist eben auf dem Standpunkt der Naturreligion . – Diese Unterschiede werden nun als E i n h e i t  , als Tr i m u r t i gefaßt , und dieß wieder als das Höchste , nicht Brama selbst . Aber , wie dieß als Trimurti gefaßt wird , so wird jede Person auch wieder für sich allein genommen , daß sie selbst die Totalität , der ganze Gott ist . – In dem ältern Theil der Veda’s ist nicht von Wischnu , noch weniger von Schiwa die Rede . Da ist Brama , das Eine , Gott überhaupt , allein . – Die Indier sind ferner unter viele Sekten getheilt . – Unter vielen anderen Unterschieden ist vornehmlich dieser  : die Einen verehren den Wischnu , die Anderen den Schiwa . 11 wegen seiner Stärke] Hu  : Die Lebenskraft naturliche Zeugungskraft und eben das verder­bende .  

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γ .) 3 .)  S c h i w a  , ­M a h a d e  .

Ochs . Li n g a m  , φάλλος

57An Tr i m u r t i  . Einheit . 85vHu

Sekten .

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I n d r a  , Gott des Himmels

K u l t u s  .

Jobi .

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Darüber werden oft blutige Kriege geführt . Besonders bei Festen und Jahrmärkten entstehen Streitigkeiten , die Tausenden das Leben kosten . – Dies Unterschiede sind nun überhaupt so zu verstehen , daß das was Wischnu heißt , selbst wieder von sich sagt  : er sei Alles  ; Bram sei der Mutterleib , in dem er Alles erzeuge  ; er die absolute Formthätigkeit , ja er sei Bram . Da ist dieser Unterschied aufgehoben . – Wenn Schiwa redend eingeführt wird , so ist er die absolute Tota|lität , das Feuer der Edelsteine , die Kraft im Manne , die Vernunft in der Seele . Er ist auch wieder Bram . Da lösen sich in Einer Person , in Einem von diesen Unterschieden alle , auch die beiden Anderen auf , wie die anderen Mächte , Naturgötter , Genien .  – Außer diesen Unterschieden werden dann die besonderen Erscheinungen , Mächte , eben so frei und für sich vorgestellt , als seiend , aber als personifizirt . – Da werden die Sonne , der Mond , der Himmalaja , der Ganges und die anderen Ströme als Personen vorgestellt  ; eben so die besonderen subjektiven Empfindungen , die Rache oder Mächte , wie das Böse , werden personifizirt . Ihr Seyn ist eine Personifikazion auch als Thiere . In menschlicher Weise , überhaupt in lebendiger wird von ihnen gesprochen . – Auch Thiere werden verehrt , AVen , Kühe  ; daß die Substanz auch die Form der Thiere habe , ist ihnen sehr geläufig . – Der Gott des Himmels , I n d r a  , steht sehr weit unter Brama , Schiwa , Wischnu  ; er hat die Gestirne wieder unter sich . – Alle besonderen Mächte in ihrer Partikularität , kommen zu dieser Selbständigkeit , die auch eine verschwindende ist . – Das Zweite , was zu erwähnen ist , ist der K u l t u s  , das Verhältniß des Subjekts zum Absoluten , besonders zum Bram , wo näher erhellen wird , was eigentlich dieser Bram ist . Der absolute höchste Kultus ist diese vo l l ko m m n e A u s l e e r u n g  , wo sie auf alles Bewußtsein , Wollen , alle Leidenschaften , Bedürfnisse Verzicht thun ,– diese Vereinigung mit Gott , – auf diese Weise sich mit sich zu konzentriren . – Ein solcher , der nur der Beschauung lebt , der allen Begierden , der Welt , entsagt hat , heißt ein J o b i  .  – Bei den Indiern ist die Andacht , wenn er sich in sich konzentrirt , einerseits auch ein Momentanes  ; das Andre aber ist , daß der Indier diese Abstraxion , zu der er gelangt zunächst nur in einem Moment , – zu seinem Charakter , zum Charakter seines ganzen Bewußtseyns , seiner ganzen Existenz macht , – daß er sich nicht nur momentan erhebt , sondern sich auf dieser Stufe erhält , in vollkommner Gleichgiltigkeit gegen sittliche Intressen ,

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13 Himmalaja] An  : Altai   17–18 Auch Thiere … geläufig .] Hu  : Der nachste beste Vogel auf dem Zweige ist Got der Liebe . Kuh ist auch Gott für kranke Menschen | haben sie nicht Hospitale aber 35 für kranke Kühe .   28 J o b i lies Yogi



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gegen die Bande der Menschen unter einander , der Gesellschaft , gegen d a s  , was würdig ist seiner Aufmerksamkeit und Beschäftigung damit . Wenn er sich in dieser Abstraxion überhaupt hält , Allem entsagt , der Welt überhaupt abgestorben ist , ist er ein J o b i  .  – Da ist nun die wesentliche Bestimmung , daß , indem der Indier sich so in sich konzentrirt , e r B r a m i s t  .  – Fragt man den Indier  : was heißt diese Devozion , diese Meditazion , in die du dich einläßt , diese Vertiefung ? so sagt er  : »Wenn ich zur Ehre eines Gottes meine Andacht verrichte , mich auf den Grund setze , meine Beine über einander schlage , meine Augen schließe , gen Himmel schaue , meine Gedanken konzentrire , ohne daß ich die Organe des Sprechens brauche , – in dieser Konzentrazion sage ich innerlich zu mir selbst  : Ich bin Bram , ich bin das höchste Wesen .« Deswegen wird Bram nicht verehrt  : denn ich selbst , sagt der Indier , würde m i c h verehren , m i r Tempel bauen . – Der Mensch in dieser Gedankenlosigkeit , Leerheit , in sich selbst sich zusammenhaltend , diese r e i n e Ic h h e i t  , dieß r e i n e B e i s i c h s e y n ist B r a h m  . Das ist nun die höchste Weise des Kultus , daß der Indier diese Abstraxion vollkommen zu seiner Gewohnheit macht . – Hat es Einer bis zur höchsten Stufe gebracht auf der Stufenleiter der Büßungen , nehmlich sich lebendig eingraben lassen , so ist er ein vollendeter , der wirkliche Bram , | der Macht hat über alle Götter . Indra und alle Naturgötter sind ihm unterworfen . Da gilt er als das , was wir früher als Zauberer sahen , daß dies einzelne Subjekt alle Macht über die Naturgewalten ausübt . – Der B r a m i n e ist von Haus aus in dieser Würde des Jobi , ein zwei Mal Geborner , damit alle Macht über die Natur .  –

3/7 Bo 58An 87rHu 86AKö

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6 Fragt man den Indier  : Hu  : ein Englander fragt einen solchen was ist Bram diese Meditation , habt 25 ihr den Tempel für Brama so sagt er einen Brama verehren wir | keine Tempel haben wir für Brama

nur für Wischnu und Krischna . Wenn man ihn aber fragt  7 »Wenn ich] Bo  : Dem Bram sind keine Tempel in Indien gewidmet , obgleich jeder Indier sagt , wenn ich  An ergänzt  : Grade wie die Katholiken keine Kirche für Gott haben , sondern immer für einen Heiligen . Canova hatte sein großes Vermögen seiner Vaterstadt zugedacht um eine prächtige Kirche zur Ehre Gottes zu bauen  : der 30 Klerus gab es nicht zu , sie müßte einem Heiligen gehören .   16 Kultus] Hu  : Cultus . Die dies erlangt haben werden Jogi genannt , hier kommen viele StuVen vor .   18–20 eingraben lassen … Götter .] Hu  : begraben ist und so durch 3 ⅓ Stunden andauert , dann ist er vollkommen hat absolute Macht uber die Natur   22 Der B r a m i n e ] Hu  : Von Einem Epos wissen wir dass einer Visch­ vamitta zu dieser Wurde gelangen wollte . Braminen  An  : (dergl . cf . Gedicht Ramajana .)   23 35 damit alle … Natur] Bo  : 1) natürlich 2) durch die Abstraction des Geistes . Die Verehrung dieser Braminen ist von den anderen Kasten gränzenlos . Nach den indischen Gesetzbüchern gilt der Bramine für diesen hohen Menschen obgleich er nur ein Mensch ist wie jeder andere .  Hu  : erstens natürlich dann geistig . Wenn Bramin geboren wird so sagt man dass ein Machtiger Gott geboren 12 Deswegen] »Deswegen

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Das ist die höchste Spitze  : das abgesonderte Denken als Bram ganz für sich , die zur Existenz kommt , in diesem Vertiefen in Nichts , in diesen ganz leeren Bewußtseyn , Anschauen . – Der übrige Inhalt des Geistes und der Natur ist wild auseinandergelassen . Jene Einheit , die obenan steht , ist wohl die Macht , aus der Alles hervor- , in die Alles zurück geht  ; aber sie wird nicht konkret , nicht zum Band der manchfachen Mächte der Natur  ; eben so nicht konkret im Geiste , nicht zum Band der vielerlei Geistesthätigkeiten , Empfindungen . – Im ersten Fall , wenn die Einheit zum Bande der natürlichen Dinge wird , heißen wir sie Nothwendigkeit . Diese ist das Band der natürlichen Kräfte , Erscheinungen . So betrachten wir die natürlichen Eigenschaften , Dinge , daß sie in ihrer Selbständigkeit wesentlich an einander geknüpft sind . Gesetze , Verstand ist in der Natur , daß die Erscheinungen so zusammenhängen . Aber jene Einheit bleibt einsam , für sich  : daher ist jene Erfüllung eine wilde , ausgelaßene . – Eben so ist im Geistigen nicht das Konkrete  ; im Geist wird das Allgemeine , das Denken nicht ein konkretes , sich in sich bestimmendes . Daß das Denken sich in sich bestimmt , und das Bestimmte in diese Allgemeinheit aufgehoben ist , das reine Denken als konkret , ist Vernunft , – das Denken ist konkret . – Pflicht , Recht , ist nur im Denken . Diese Bestimmungen in Form der Allgemeinheit gesetzt , sind vernünftig in Ansehung der bewußten Wahrheit , Einsicht , und eben so in Ansehung des Willens . Solche konkrete Einheit , Vernunft , Vernünftigkeit wird jenes Eine , jene einsame Einheit auch nicht . – Es ist deswegen hier auch kein Recht , keine Pflicht vorhanden  : denn die Freiheit des Willens , des Geistes ist eben in der Bestimmtheit , bei sich zu seyn  ; aber dieß Beisichseyn , diese Einheit ist hier abstrakt , bestimmungslos . – Das ist die Quelle einerseits für diese fantastische Vielgötterei der Indier . – Es ist bemerkt , daß es hier nicht die Kategorie des Seyns giebt . Für das , was wir »Selbständigkeit« nennen an den Dingen , oder »sie sind« , »es giebt« , – haben sie keine Kategorie  ; sondern als Selbständiges weiß nur der Mensch zunächst s i c h  . Ein Selbständiges der Natur stellt er sich daher vor als mit seiner Selbständigkeit , in der Weise der Selbständigkeit , die er an ihm hat , in seinem Seyn , in seiner menschlichen Gestalt , Bewußtseyn .  –

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ist der Kayser muss sich hüten ihn zum Zorn zu bringen . Verehrung der Braminen ist schrankenlos . | Jezt ist das Leben der Braminen sehr verandert sie werden zu Schreibern und anderen Handlungen von Engländern genommen . Beym Letzten Aufruhr der Birmanen , unter gefangenen waren auch Braminen sie wurden erschossen wie andere – doch nach Gesetzen kann der Bramine nicht 35 vom Könige gerichtet werden .   31 Bewußtseyn] Hu schließt an  : So sind entstanden die viele Gotter die selb­stan­d ig sind  .   33 Schreibern Lesung fraglich



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Die Fantasie macht hier Alles zu Gott . Es ist dieß , was wir in seiner Weise auch bei den Griechen sehen , daß alle Bäume , Quellen , zu Dryaden , Nymfen , gemacht sind . Wir sagen  : die schöne Fantasie der Menschen beseelt , belebt Alles , | stellt alles vor als begeistet , daß der Mensch unter seines Gleichen wandle , Alles anthropomorfosire , – durch seine schöne (Fantasie Sympathie) Allem die schöne Weise ertheile , die er selbst habe . – Es ist bei den Indiern diese ausgelassene wilde Weise . – Daß sie so freigebig sind , ihre Weise des Seyns mitzutheilen , diese Freigebigkeit hat in einer schlechten Vorstellung von sich , darin ihren Grund , daß der Mensch noch nicht in sich hat den Inhalt der Freiheit , des Ewigen , wahrhaft an und für sich Seienden , daß er noch nicht weiß seinen Inhalt , seine Bestimmung höher als den Inhalt einer Quelle , eines Baums . – Bei den Griechen ist das mehr ein Spiel der Fantasie  ; bei den Indiern ist kein höhres Selbstgefühl von ihnen selbst vorhanden . Die Vorstellung , die sie vom Seyn haben ist nur die , die sie von sich haben  ; – mit allen Gebilden der Natur setzen sie sich auf gleiche Stufe . Dieß ist , weil das Denken so ganz in diese Abstraxion verfällt . – Diese Naturmächte nun , deren Seyn so vorgestellt wird als anthropomorfisch , bewußt , sind über dem konkreten Menschen , der als fysikalisches abhängig ist von ihnen , und seine Freiheit noch nicht unterscheidet , gegen diese seine natürliche Seite . – Damit hängt zusammen , daß das Leben des Menschen keinen höhern Werth hat , als das Seyn von Naturgegenständen , das Leben eines Natürlichen . Das Leben des Menschen hat nur Werth , wenn es selbst höher in sich selbst ist . Das menschliche Leben bei den Indiern aber ist ein Verachtetes , Geringgeschätztes . Werth kann der Mensch hier sich nicht geben auf affirmative , sondern auf negative Weise . – Das Leben erhält nur Werth durch die Negazion seiner selbst . Alles Konkrete ist nur negativ gegen dieses Abstrakte . – Daraus folgt diese Seite des indischen Kultus , daß Menschen sich , Eltern ihre Kinder opfern . Hierher gehört auch das Verbrennen der Weiber nach dem Tode ihres Mannes . – Diese Opfer haben einen höhern Werth , wenn sie ausdrücklich mit Rücksicht auf Bram , oder irgendeinen Gott geschehen , denn dieser ist auch Bram . – Das gilt für ein hohes Opfer , wenn sie zu den Schneefelsen des Himmalaja hinaufsteigen , wo die Quellen des Ganges sind , und sich in diese Quellen stürzen . – Das sind keine Büßungen wegen Verbrechen , keine Opferungen , um etwas Böses gut zu machen , sondern Opfer , bloß um sich Werth zu geben . Dieser Werth kann nur erlangt werden auf negative Weise . – Indem der Mensch auf diese Weise ohne Freiheit ist , keinen Werth in sich hat , so ist damit verbunden , in konkreter Ausdehnung , dieser unsagliche , unendlich viele Aberglaube , diese enormen Fesseln und Beschränkungen . – Das Verhältniß 16 deren Seyn … bewußt] Hu  : als Gotter vorgestellt  

87AKö Begeistung der Natur .

88vHu

59An Geringer Werth des menschlichen Lebens weil keine Freiheit (Daher  :  )

(Menschenopfer .)

(Aberglaube .) 89rHu

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(Keine Sittlichkeit und Recht .)

88AKö

Übergang . 89vHu

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zu äußerlichen und natürlichen Dingen , das dem Europäer unbedeutend ist , diese Abhängigkeit wird zu einem Festen , Bleibenden gemacht . Denn der Aberglaube hat eben seinen Grund darin , daß der Mensch nicht gleichgiltig ist , gegen die äußerlichen Dinge , und er ist dieß nicht , wenn er in sich keine Freiheit , nicht die wahrhafte Selbständigkeit des Geistes hat . – Hierher gehören die Vorschriften der Braminen , die sie zu beobachten haben . (vgl . auch die Erzählung von Nalas in Mahabharata .) Eben so wie der Aberglaube wegen dieses Mangels an Freiheit unabsehbar ist , folgt auch daraus , daß keine Sittlichkeit , keine Bestimmung der Freiheit , keine Rechte , keine Pflichten Statt finden , – daß das indische Volk in die höchste Unsittlichkeit versunken ist . Das Wesen ist abstrakte Einheit , Vertiefen des Subjekts in sich . Das Vertiefen in sich hat seine Existenz am endlichen Subjekt , am besondern Geist . – Zur Idee des Wahren gehört das Allgemeine , die substantielle Einheit und Gleichheit mit sich  ; aber so , daß sie nicht nur das Unbestimmte , nicht nur substanzielle Einheit ist , sondern in sich bestimmt . – Was Bram heißt , hat die Bestimmtheit außer ihm . – Die höchste Bestimmtheit des Bram ist und kann nur seyn  : das Bewußtseyn , das Wissen seine reale Existenz , und diese Bestimmtheit , diese Sub|jektivität der Einheit ist hier das subjektive Selbstbewußtseyn als solches . In andrer Form ist die Bestimmtheit , die Partikularität des Allgemeinen , die besonderen geistigen und natürlichen Mächte . – Auch dieß Besondre tritt außer der Einheit , und es ist nur das Schwanken dabei vorhanden , daß diese besonderen Mächte , die als Götter gelten , selbständig sind das eine Mal , – das andre Mal aber als verschwindende , die dieß sind , in der absoluten Einheit , dieser Substanz , unterzugehen , und ­w ieder daraus zu entstehen . – So sagen die Indier  : es waren schon viele 1000 Indras , und werden noch seyn . Eben so sind die Inkarnazionen als etwas Vorübergehendes gesetzt . – Indem die besonderen Mächte in die substanzielle Einheit zurückgehen , wird diese substanzielle Einheit nicht konkret , sondern bleibt abstrakte substanzielle Einheit , – und indem diese Bestimmtheiten aus ihr heraustreten , wird dadurch die Einheit nicht konkret , sondern es sind Erscheinungen , mit der Bestimmung der Selbständigkeit gesetzt außer ihr . – Der Ü b e r g a n g  , bei dem wir stehen , ist  : dieß Unterschiedenseyn , diese Existenz , Subjektivität , fällt in eine Kategorie , wo wir im Allgemeinen sind , zusammen . Subjektivität ist bestimmtes Daseyn , ist Seyn für Andres , Manifestazion ,

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6–7 (vgl . auch … Mahabharata .)] Hu  : So ist vorgeschrieben mit welchem Fusse er aufstehen soll , 35 wie er Wasser abschlagen soll gegen Westen oder gegen Süden .   36 Süden .] folgt gestr . In der bekannten Episode des Mahabarata  



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Erscheinung . – Der Übergang ist , daß dieß Subjekt , dieses subjektive Selbst­ bewußtseyn als identisch gesetzt wird mit jener substanziellen Einheit , die Bram heißt , – daß dieß Eine jetzt gefaßt wird als in ihm selbst bestimmte Einheit , als subjektive Einheit an ihm selbst , und damit diese Einheit als Totalität an ihr selbst .  – Diesem ersten Elemente nach , in dem diese Einheit an ihr selbst bestimmt , als subjektiv gefaßt wird , – so hat diese Einheit das an ihr , was sie zur geistigen macht , was zu ihr gehört , daß sie als geistige ist  ; weil sie an ihr selbst subjektiv bestimmt ist , hat sie d a s P r i n z i p d e r G e i s t i g k e i t an sich . – Da sie ferner Totalität ist , bedarf sie des selbstbewußten Subjekts nicht mehr . – Bei den Indiern ist sie ungetrennt , untrennbar von ihm , – und insofern sie noch das Unvollständige ist , die subjektive Einheit nicht an ihr selbst zu seyn , so hat sie das Subjekt noch außer ihr . – Als vollständige Totalität bedarf sie des Subjekts nicht mehr . – Hier aber fängt die w a h r h a f t e S e l b s t ä n d i g k e i t an , und damit diese Trennung des Bewußtseyns von dem Gegenstande , Inhalte , die O b ­ j e k t i v i t ä t d e s A b s o l u t e n  , das B e w u ß t s e y n s e i n e r S e l b s t ä n d i g k e i t f ü r s i c h  .  – Bisher hatten wir diese unmittelbare Einheit . Das Höchste in dieser Form der Religion ist bisher noch ungetrennt vom subjektiven , empirischen Selbstbewußtseyn , – diese ungetrennte Einheit . – Jetzt geht die Scheidung vor , und zwar insofern dieser Inhalt an ihm selbst als konkrete Totalität in ihm gewußt wird . – In diesem Übergange liegen 2 Bestimmungen , die zu bemerken sind , die in ihrer Entwicklung der logischen Filosofie zu überlassen sind , die hier mehr als Lehnsätze vorkommen , auf die sich hier mehr berufen wird . – Das E i n e ist , daß diese E i n h e i t  , die wir als Bram sahen , und dann diese B e s t i m m t h e i t  , n i c h t a u ß e r e i n a n d e r l i e g e n   ; diese vielen Mächte , das empirische Subjekt , dieß Hervortreten , Herausgetretenseyn der Unterschiede , welche Unterschiede das eine Mal als selbständig gelten , das andre Mal verschwunden sind , als untergegangen  ; daß diese Einheit mit dieser Unterschiedenheit zurückgeht zur konkreten Einheit  : ihre Wahrheit ist die in sich konkrete Totalität , Einheit , so , daß das nicht mehr ein Wechsel ist des Aufgehobenseyns der besonderen Mächte in der Einheit und des Herausgehens aus | ihr , ein Wechsel von Entstehen und Vergehen , wie bei den Indiern , sondern , daß die Idee , das Wahre , dieß ist , die Unterschiede in der Einheit aufgehoben , ideell , negativ gesetzt zu haben , als Unselbständige , aber eben so aufbewahrt .  – Die A n d r e eben so wesentliche Bestimmung ist , daß hiermit erst die Trennung des empirischen Selbstbewußtseyns vom Absoluten , vom Inhalt des Höchsten geschieht , daß hier erst Gott e i g e n t l i c h e O b j e k t i v i t ä t gewinnt . – In den vorigen Stufen ist es das in sich vertiefte empirische Selbstbewußtseyn , das

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Bram ist , diese Abstraxion in sich , – oder das Höchste ist als Mensch vorhanden . – Erst hier ist dieser Bruch zwischen Subjektivität und Objektivität , und die Objektivität verdient hier erst eigentlich den Namen »Gott« , und diese Objektivität Gottes haben wir hier , weil dieser Inhalt sich an ihm selbst bestimmt hat , konkrete Totalität an sich zu seyn . – Dieß ist , daß G o t t e i n G e i s t  , daß Gott in allen Religionen d e r G e i s t ist .  – Wenn man heut’ zu Tage vornehmlich von der Religion spricht , daß das subjektive Bewußtseyn dazu gehöre , so ist das eine richtige Vorstellung . Da ist der Instinkt , daß die Subjektivität dazu gehöre . – Aber wir sahen , daß man hat die Vorstellung  : das Geistige könne seyn als empirisches Subjekt , und daß man hat zu Gott ein Naturding , so daß die Geistigkeit nur in’s Bewußtseyn fallen , Gott auch als Naturwesen Gegenstand dieses Bewußtseyns seyn könne . – So ist auf der einen Seite Gott als Naturwesen  ; aber wesentlich ist Gott der Geist , – und dieß ist die absolute Bestimmung von Religion , und darum Grundbestimmung , substanzielle Grundlage in jeder Form der Religion . – Das Naturding wird vorgestellt auf menschliche Weise , auch als Persönlichkeit , als Geist , Bewußtseyn  ; aber die Götter der Indier sind noch oberflächliche Personifikazionen  ; die Personifikazion macht noch gar nicht aus , daß der Gegenstand , Gott , als Geist gewußt wird . – Es sind diese besonderen Gegenstände die Sonne , der Baum p die personifizirt werden  ; auch in der Inkarnazion  ; aber die besonderen Gegenstände haben keine Selbständigkeit , weil sie besondre sind  ; die Selbständigkeit ist nur eine angedichtete . – Das Höchste ist aber der Geist , und diese geistige Be­stimmmung kommt vom empirischen subjektiven Geist her , kommt ihm zu , entweder sofern sie angebildet ist , oder Bram seine Existenz hat in und durch Vertiefung des Subjekts in sich . – Nun aber ist dieß nicht mehr der Fall , daß der Mensch Gott oder Gott Mensch ist , daß Gott nur in empirisch menschlicher Weise ist , sondern der Gott ist wahrhaft objektiv an sich selbst , wesentlich Objekt , und dem Menschen überhaupt gegenüber . – Ihre Rückkehr dazu , daß auch Gott als Mensch , als Gottmensch erscheint , werden wir später finden . Diese Objektivität Gottes beginnt von hier an . Gott als diese konkrete Totalität ist auf gedoppelte Weise . Das ist das V i e r t e von dieser wilden Totalität  :

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ii.  die bestimmte religion119 4 .te F o r m o d e r S t u f e   : Die R e s u m z i o n z u r E i n h e i t  , d i e E i n h e i t i n s i c h  , ko n k r e t e To t a l i t ä t ist .  –

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Diese vierte Form ist b e g i n n e n d e Tr e n n u n g von dem unmittelbaren Individuum , die beginnende Entzweiung , Objektivirung dessen , was als das Höchste gewußt wird . – Diese Resumzion hat zwei Formen  : sie ist in reiner einfacher Weise , – aber zunächst in gährender  ; – eine Einheit , – die zugleich darstellt den Kampf , die Gährung dieser verschiednen Elemente zur | Einheit , – eine unreine Sub­ jektivität , – die das Streben ist zur reinen Einheit selbst . Das Vierte ist also diese Unterscheidung , Objektivirung , und diese hat 2 Gestalten  :  – die erste Form dieser Totalität ist  : die reine einfache Totalität aber eben darum selbst auch nur die abstrakte  ; Dieß ist die Form in der Gott gewußt wird als das An-und-für-sich-Seiende , und wahrhaft als das Anundfürsichseiende , so , daß er in Wahrheit das Selbständige , das in sich Bestimmte ist – und so ist er das Gute  ; – aber das Gute , das selbst noch das Daseyn auf natürliche Weise hat . Es ist das überhaupt , was R e l i g i o n d e s L i c h t s heißt .  – Die Bestimmungen darin haben wir näher zu betrachten , die Nothwendigkeit dieser Bestimmungen aufzuzeigen , die Nothwendigkeit durch den BegriV , den Gedanken ist  ; – so daß wir das Logische theils voraussetzen , – theils nur hin­ deuten auf die Art dieser Nothwendigkeit . Hier ist , daß die Resumzion das Wahrhafte ist , substanzielle Einheit , die subjektiv in sich selbst ist , damit überhaupt sich bestimmend  ; daß diese Einheit sich in sich bestimmt , aber sich nicht bestimmt so , daß die Bestimmungen wieder Äußerlichkeit , Zufälligkeit gewinnen  ; – (Aus Brama geht diese wilde , begriV lose Welt von Göttern hervor , – diese Entwicklung ist nicht angemessen der Einheit , sondern fällt heraus aus ihr , ist auseinander gefallen , –) sondern die Einheit ist an ihr selbst sich bestimmend . – Da ist die Bestimmtheit nicht eine empirische , manchfache , sondern selbst das Reine , Allgemeine , sich selbst Gleiche , ein Bestimmen der Substanz , wodurch

5 Resumzion] Hu  : Resumption der vorigen Einheit   8 Einheit] Bo  : Reinheit   26 Äußerlichkeit , Zufälligkeit gewinnen] Hu  : ausserlich sind wie im Brama die unermassliche Menge der Götter   13 abstrakte  ;] folgt in vier Zeilen gestr  : (am Rande  : oder  :) daß in dieser Objektivirung dem Konkreten das Einfache gegenübergesetzt wird , aber dieß Einfache noch abstrakt in natürlicher Weise , – das 35 aber eben so geistige Bestimmung in sich enthält . –)   17 β .)] davor mit Bleistift in anderer Schrift  : b .)  daß der Begriff der Subjektivität das Konkrete , die Entwicklung des Konkreten , und diese Entwick­ lung als Totalität so für sich dem Subjekt zu Bewußtseyn kommt . –

a .) 90AKö

α .)

β .) 91rHu

α .)  A ,

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a .) D a s G u t e

91AKö B .)

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sie aufhört , Substanz zu seyn , – die Einheit als Subjekt sich bestimmend . – Sie hat einen Inhalt , und daß dieser Inhalt das von ihr Bestimmte ist , und dieser ihr gemäß der allgemeine Inhalt ist , ist das , was Gutes heißt oder das Wahre  : denn das sind nur Formen , die den weiteren Unterschieden angehören vom Wissen und Wollen , die in der höchsten Subjektivität nur Eine Wahrheit , Besonderungen dieser Einen Wahrheit sind . – Daß dieß Allgemeine ist durch Selbstbestimmen des Geistes , von dem Geist bestimmt ist , und für den Geist , ist die Seite , nach der es Wahrheit ist . Insofern es durch ihn gesetzt , ein Selbstbestimmen seiner Einheit gemäß ist , sein Selbstbestimmen ist , wodurch er in seiner Allgemeinheit sich getreu bleibt , wodurch nicht andre Bestimmungen hervorkommen , als jene Einheit selbst  ; – darnach ist es d a s G u t e  . Es ist also der wahrhafte Inhalt , der Objektivität hat , das Gute , das dasselbe ist als das Wahre . – Dieses Gute ist zugleich Selbstbestimmen des Einen , der absoluten Substanz , bleibt damit unmittelbar die absolute Macht , – das Gute , als absolute Macht . – Das ist die Bestimmung des Inhalts . – | D a s Zwe i t e i s t  , daß eben in diesem Bestimmen des Absoluten der Zusammenhang liegt mit dem Konkreten , mit der Welt , mit dem konkret empirischen Leben überhaupt . Aus dieser Macht gehen hervor alle Dinge , und dieß , daß alle Dinge aus ihr hervorgehen ist das , was wir sahen , vorher hatten , nur als untergeordnetes Moment , daß diese Weise der Selbstbestimmung als Weise der Bestimmung abstrakte Bestimmung erhält , nicht Selbstbestimmen , in sich Zurückgegangnes , identisch Bleibendes , im Allgemeinen Wa h r e s und G u t e s  , sondern Bestimmen überhaupt ist . Dieß Moment ist auch vorhanden , aber als untergeordnet . Es ist die Welt in manchfachem Daseyn , aber das , worauf es ankommt , ist , daß im Guten , sofern als es Selbstbestimmen ist , als diese absolute Bestimmung in ihm selbst liegt , der Zusammenhang liegt des Guten mit der konkreten Welt . Die Subjektivität , Besonderheit überhaupt , ist in dieser Substanz , im Einen selbst , welches absolutes Subjekt ist . Dieß Element , das dem besondern Leben zukommt , diese Bestimmtheit ist zugleich im Absoluten selbst gesetzt , damit ein affirmativer Zusammenhang des Absoluten , des Guten und Wahren , des Un­end­ lichen , mit dem , was das Endliche heißt . – Der affirmative Zusammenhang in den früheren Formen der Religion ist theils nur in dieser reinen Vertiefung , worin das Subjekt sagt  : Ich bin Bram , aber ein absoluter , abstrakter Zusammenhang , der nur ist durch dieß Verdumpfen , dieß Aufgeben aller konkreten Wirklichkeit des Geistes , durch die Negazion  ; – dieser affirmative Zusammenhang ist nur gleichsam ein reiner Faden , sonst ist der der abstrakt negative , diese Aufopferungen – Selbsttödtungen . – Mit diesem affirmativen Zusammenhang aber ist gesagt , daß die Dinge überhaupt gut sind . Durch diesen affirmativen Zusammenhang sind die Steine , Thiere , Menschen überhaupt gut , – das Gute ist in ihnen präsente

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Substanz , und das , was gut ist , ist ihr Leben , ihr affirmatives Seyn . – Sofern sie gut bleiben , gehören sie diesem Reich des Guten an  ; – sie sind von Haus aus zu Gnaden angenommen  ; nicht daß nur ein Theil diese 2 Mal Gebornen sind , wie in Indien , sondern das Endliche ist vom Guten geschaVen und ist gut . Das D r i t t e  , was zu bemerken ist , ist , daß dieß Gute , ob es zwar in sich subjektiv ist , in sich selbst bestimmt , sich als Gutes bestimmt , der substanziellen Einheit , dem Allgemeinen selbst gemäß bestimmt , so ist diese Bestimmung doch selbst noch abstrakt . Das Gute ist konkret in sich , und doch ist diese Bestimmtheit des Konkretseyns selbst noch abstrakt . – Das Gute kann so und so angewendet werden , oder der Mensch hat gute Absichten . Da ist die Frage  : was ist gut ? Da wird noch weitre Bestimmung , Entwicklung des Guten gefordert . So haben wir das Gute als abstrakt , weil wir nur das Gute so abstrakt haben , selbst als Einseitiges , damit als absoluten Gegensatz mit einem Andern , und dieß Andre ist das B ö s e  . Das Negative ist in dieser Einfachheit noch nicht in seinem Recht enthalten . – | Wir haben so 2 Prinzipien , diesen o r i e n t a l i s c h e n D u a l i s m u s  , das Re i c h d e s G u t e n u n d B ö s e n  . Dieser große Gegensatz ist es , der hier zu ­d ieser allgemeinen Abstraxion gekommen ist . – In der Manchfaltigkeit der vorigen Göt­ ter ist allerdings Manchfaltigkeit , Unterschied  ; aber ein Andres ist , daß diese Zweiheit zum allgemeinen Prinzip geworden ist , – der Unterschied als dieser Dualismus einander gegenübersteht . – Es ist wohl das Gute , das Wahrhafte , das Mächtige , aber im Kampf mit dem Bösen , so , daß das Böse als absolutes Prinzip gegenübersteht , und gegenüberstehen bleibt  : es soll zwar das Böse überwunden , ausgeglichen werden , – aber was soll , ist nicht . Sollen ist eine Kraft , die sich nicht ausführen kann , dieß Schwache , Ohnmächtige . – Um diesen Dualismus dreht sich die Religion , die Filosofie überhaupt . – Dieser Dualismus ist Interesse der Religion und Filosofie , – der Unterschied in seiner ganzen Allgemeinheit aufgefaßt  ; in der Weise des Gedankens erhält dieser Gegensatz eben seine Allgemeinheit . – Heut’ zu Tage ist der Dualismus auch eine Form  ; aber spricht man heut’ zu Tage vom Dualismus , so sind das schwache , schmächtige Formen . Der Gegensatz des Endlichen und Unendlichen ist  : A h r i m a n n und O r m u z d  ,  – das ist derselbe Manichäismus . – So wie man das Endliche als selbständig nimmt , daß das Unendliche und Endliche einander gegenüber stehen , daß das Unendliche keinen Theil habe mit dem Endlichen , und das Endliche nicht hinüber könne zum Unendlichen , – so ist dasselbe  ; nur daß man nicht den Gedanken , das Herz hat , diese Gegensätze sich vorzustellen . – Das Endliche , in seiner weitern Bestimmung , sich als endlich behauptend , dem Unendlichen , Allgemeinen gegenüber , und damit zuwider , ist das B ö s e  .  – Nun bleibt man bei dieser Gedankenlosigkeit stehen , in der man gelten läßt das

C .) 61An

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β .)

β .) Das L i c h t  .

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Licht

Finsterniß

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­ ndliche und Unendliche . Gott ist nur Ein Prinzip , Eine Macht , und das End­ E liche , eben damit das Böse , hat damit nicht wahrhafte Selbständigkeit . – Aber weiter hat das Gute in seiner Allgemeinheit zugleich eine natürliche Weise des Daseyns , Seyns für Andres , eine reine Manifestazion . Wie das Gute das sich selbst Gleiche , die Subjektivität in ihrer reinen Gleichheit mit sich selbst , – eben so ist die Manifestazion das Reine , Einfache , d a s L i c h t  . Das Licht ist diese abstrakte Subjektivität im Sinnlichen , wie das Gute im Geistigen , – reine fysikalische Anschauung . – Raum und Zeit sind diese ersten Abstraxionen des Außereinanderseyns . – Das konkrete fysikalische in seiner Allgemeinheit ist das Licht , wie das Gute . – Wenn Bram vorgestellt werden sollte auf sinnliche Weise , würde er nur als abstrakter Raum vorgestellt werden können  ; aber Bram hat noch nicht die Kraft in sich , selbständig vorgestellt zu werden , – sondern hat zu seiner Realität das empirische Selbstbewußtseyn des Menschen . – Dieß hat etwa eine Schwierigkeit , daß das Gute , zu dem | wir gekommen sind , auch noch wesentlich an ihm haben soll die Seite der Natürlichkeit , obzwar sie die reine Natürlichkeit des Lichts ist . Aber die Natur kann vom Geiste überhaupt nicht weggelassen werden , gehört zum Geiste . – Auch Gott , als in sich Konkretes , als reiner Geist , ist zugleich wesentlich Schöpfer und Herr der Natur . Also die Idee in ihrem BegriV , Gott in seiner Wesenheit in sich , muß setzen die Realität , diese Äußerlichkeit , die wir Natur heißen . – Das Moment der Natürlichkeit kann also nicht fehlen , nur ist es hier noch auf abstrakte Weise , in dieser unmittelbaren Einheit mit dem Geistigen , dem Guten , weil eben das Gute noch dieß Abstrakte ist . – Das Gute enthält in sich die Bestimmtheit , und in der Bestimmtheit ist die Wurzel der Natürlichkeit . – Wir sagen »Gott erschaVt die Welt  ;« – ErschaVen ist diese Subjektivität , der die Bestimmtheit überhaupt angehört  ; in dieser Thä­ tigkeit Subjektivität liegt die Bestimmung der Natur , und freilich in näherem Verhältniß so , daß sie ein GeschaVenes ist . Dieß ist aber hier noch nicht vorhanden , sondern die abstrakte Bestimmtheit . – Die abstrakte Bestimmtheit hat wesentlich die Form der Natur überhaupt , d e s L i c h t s  , und der unmittelbaren Einheit mit dem Guten  : denn das Unmittelbare ist eben selbst das Abstrakte , weil die Bestimmtheit nur diese allgemeine , unentwickelte ist . Das Licht hat dann die F i n s t e r n i ß sich gegenüber  ; – In der Natur fallen diese Bestimmungen so auseinander . Das ist die Ohnmacht der Natur , daß das Licht und seine Negazion neben einander sind , obzwar das Licht die Macht ist , die Finsterniß zu vertreiben . – Diese Bestimmung in Gott ist selbst noch dieß Unmächtige , um ihrer Abstraxion Willen , den Gegensatz , Widerspruch nicht in 19–21 Also die Idee … heißen .] Hu  : Die Natur hat die Idee in sich  

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sich enthalten und ertragen zu können , sondern das Böse neben sich zu haben . D a s L i c h t i s t d a s G u t e  , u n d d a s G u t e i s t d a s L i c h t  , diese untrennbare Einheit .  – Das ist geschichtlich der Standpunkt der R e l i g i o n d e r P a r s e n  . Es wird von ihnen das Licht verehrt als Sonne  ; aber es hat unmittelbar die Bedeutung des Guten  : d a s G u t e a l s s i n n l i c h i s t d a s L i c h t  . Es ist weder bloß das fysikalische Licht , noch das Gute bloß im Geist . – Das sind die Grundbestimmungen . – Daß das Gute und Böse nebenher auch als Personifikazion vorkommt , sind oberflächliche Personen  ; es ist auch Subjekt , unentwickeltes Subjekt . Die Personifikazion ist nur Form , wenn der Gehalt noch nicht in sich entwickelte Subjektivität ist . – Bei den Indiern werden die Götter auch als Subjekte , Personen vorgestellt  : es kommt allein auf den Gehalt an , wie die Person in ihrer Substanz , in ihrem Wesen bestimmt ist . – Ist die Substanz noch nicht als entwickelte Subjektivität bestimmt , so ist die Subjektivität , die als Persönlichkeit erscheint , nur eine oberflächliche Weise . Diese kommt auch hier vor . – O r m u z d hat das Lichtreich . – Zur Subjektivität gehört der Unterschied . Es kommt auf die Art an , wie diese Unterschiede zur Einheit gebracht sind , ob sie auseinanderfallen , oder wahrhaft ideell gesetzt sind . – So unterscheidet sich auch das Licht , und Sonne , Sterne , Planeten werden auch personifizirt . – Die Sonne ist diese Macht der Lebendigkeit , von der der Kreis und Verlauf der Lebendigkeit ab- und damit zusammenhängt . – So werden die Sonne und Planeten vorgestellt als H a u p t g e i s t e r  , Himmelsvolk , Götter , die rein und groß sind , beschützen , wohlthun und segnen , – abwechselnd auch Vorsteher der Luft sind . – Im Lichtreich ist Alles gut  : alles Lebendige , Energische , alles Wachs­thum der endlichen Dinge , alles Geistige ist Licht , Ormuzd . Geist , Seligkeit gehört zum Reich des Ormuzd . Er ist die Substanz . Die Substanz und die besonderen Dinge sind gut , gehören dem Lichtreich an  ; eben so die guten Handlungen . – Die besonderen Dinge enthalten dieß Substanzielle , sind gut  ; aber sie werden auch nach ihrer besondern Existenz unterschieden vom Allgemeinen . – Es wird Alles verehrt , was lebendig ist , Sonne , Stern , Baum , als Gutes  ; aber nur das Gute , das Licht in ihm , nicht seine besondre Gestalt , seine endliche vergäng­ liche Weise  : es ist eine Trennung zwischen dem Substanziellen und dem , was der Vergänglichkeit angehört . Das ist aber ein leichter Unterschied  ; der absolute ist der Unterschied des Guten und Bösen . – 8–9 Daß das Gute … vorkommt] Hu  : Ormudz und Ariman   15–16 nur eine oberflächliche Weise] Bo  : Die oberflächliche Weise der Personification haben wir im Morgenlande .   25 Energische] Hu  : Affirmative , Geistigkeit  

Rel ig ion der P a r s e n  .

O r m u z d   : ­L i c h t r e i c h  . 62 An

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124 Staat . 94AKö Mitra .

G e n i e n  , Färver , das Höhere des Menschen . H o m  , der eine B a u m  .

K u l t u s  . 94rHu

b .)

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So wird der Staat auch vorgestellt  : der Fürst der Parsen , – und so soll es auch bei den Persern gewesen seyn , – als | Repräsentant des obersten Lichts , nicht des reinen Ormuzd selbst  ; seine Beamten als Repräsentanten der Planeten und Sterne , der Minister , Gehilfen des Ormuzd . – Einer darunter ist M i t r a  , den schon Herodot kennt , der μεσίτης , Vermittler . – Es ist eigenthümlich , daß schon Herodot diesen Mitra auszeichnet  : doch scheint in der Religion der Parsen die Bestimmung der Vermitttlung , Versöhnung noch nicht überwiegend gewesen zu seyn . – Erst später ist der Mitradienst allgemeiner ausgebildet worden , wie das Bedürfniß der Versöhnung im Menschengeiste stärker bewußt , lebendiger und bestimmter worden ist . – Der Mitradienst hat bei den Römern zur christlichen Zeit besondre Ausbildung erhalten , und noch im Mittelalter findet sich ein geheimer Mitradienst , angeblich mit dem Tempelherrnorden verbunden . – Wie Mitra dem Ochsen das Messer in den Hals stößt , ist ein wesentliches Bild , das zum Mitrakult gehört . Das hat man in Europa häufig gefunden . Auch im Menschen ist ein Unterschied gesetzt  : ein Höhres wird unterschieden von der unmittelbaren Leiblichkeit , Natürlichkeit , Zeitlichkeit , Unbedeu­ tendheit seines äußerlichen Seyns , Daseins . Das sind die G e n i e n  , F ä r ve r  .  – Unter den Bäumen wird einer ausgezeichnet  : aus H o m  , dem Baum , quillt das Wasser der Unsterblichkeit . vgl . den Baum der Erkenntniß des Guten und Bösen . – Das sind die Zusammenstimmungen , die zu bemerken , – worauf aber übrigens kein großes Gewicht zu legen ist . – Der K u l t u s dieser Religion folgt unmittelbar aus der Bestimmung dieser Religion . Das ganze Leben des Parsen soll dieser Kultus seyn . Er ist nicht etwas Isolirtes , wie bei den Indiern . – Sie sollen das Leben überall fördern , fruchtbar ­machen  , fröhlich erhalten , das Gute ausüben in Wort und That , an allen Orten alles Gute fördern unter den Menschen , wie die Menschen selbst , alles Leben  ; Kanäle graben , Bäume pflanzen , Wanderer beherbergen , Wüsten anbauen , Hungrige speisen , die Erde tränken , die selbst Subjekt und Genius andrerseits ist . – Das ist die Einseitigkeit dieser Abstraxion . Die z we i t e Form in diesem Übergange , – dieser Resumzion , dieser konkreten Einheit , die konkrete Subjektivität in sich enthaltend , ist  : das Auseinander­ gelassenseyn dieser einfachen Subjektivität , die Entwicklung der Subjektivität , aber eine Entwicklung , die noch wild zugleich ist , noch nicht zur Beruhigung , zu

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10–11 Der Mitradienst … erhalten] Hu  : Herr Rhode in Breslau behauptet dass in Zentbuchern Mitra noch nicht seyne vollkommne Ausbildung hat , das ist ganz wahr erst zur Zeit des Christen­ 35 thums wurde dieser Dienst verbreitet .  An  : (Rhode in Breslau hat darüber Streit mit Creuzer welcher den Mithra sehr erhebt .)   5 daß] das



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der eigentlich freien Geistigkeit gekommen ist . – Wie im Indischen diese Entwicklung aus einandergefallen war , so ist hier die Bestimmtheit in ihrer Losgebunden­ heit , aber so daß diese elementarischen Mächte des Geistigen und Natürlichen wesentlich bezogen sind auf die Subjektivität , so daß es e i n Subjekt ist , das diese Momente durchläuft . – Im Indischen hatten wir auch Entstehen und Vergehen , aber nicht die Subjektivität , die Rückkehr in das Eine , nicht Eines , was selbst diese Formen , Unterschiede durchläuft , und in und aus ihnen in sich zurückkehrt . Diese höhre Macht der Subjektivität ist es , welche entwickelt , ausläßt den Unterschied aus sich , aber in sich geschlossen hält , oder vielmehr denselben überwältigt . – Die Einseitigkeit dieser Form ist , daß diese reine Einheit des Guten , das Zurückgekehrtseyn , Beisichseyn fehlt , diese Freiheit nur hervorgeht , nur sich hervortreibt , hervorbringt , aber noch nicht , so zu sagen , fertig , vollendet , noch nicht der Anfang ist , woran das Ende , das Resultat hervorbricht . – Es ist also die Subjektivität in ihrer Realität , aber noch nicht in wahrhaft wirklicher Freiheit , sondern gährend in und aus dieser Realität . – Der Dualismus , den wir zunächst hatten , des Lichts und der Finsterniß , fängt hier an , sich zu vereinigen , so daß in die Subjektivität selbst fällt dieß Finstre , Negative , das in seiner | Steigerung auch zum Bösen wird . – Die Subjektivität ist dieß , die entgegengesetzten Prinzipien in sich zu vereinigen , so , daß in die Subjektivität selbst fällt dieß Finstre , Negative , das in seiner Steigerung auch zum Bösen wird . Die Subjektivität ist dieß , die entgegengesetzten Prinzipien in sich zu vereinen , die Gewalt zu seyn , diesen Widerspruch zu ertragen in sich und in sich aufzulösen .  – Ormuzd hat den Ahrimann immer sich gegenüber . Es ist zwar auch die Vorstellung , daß am Ende Ahrimann bezwungen werde , und Ormuzd allein herrsche  ; aber das ist nur als ein Zukünftiges ausgesprochen , es ist nicht als etwas Präsentes . Gott , das Wesen , der Geist , das Wahre muß präsent seyn , gegenwärtig , nicht in der Vorstellung verlegt werden in die Vergangenheit oder Zukunft .  – Diese Einheit , dieß Drama der Subjektivität , das durch diese unterschiedenen Momente , die Affirmation durch die Negazion selbst hindurchgeht und es mit sich versöhnt , – mit der Rückkehr in sich , Versöhnung , endet , – ist dieser Standpunkt , aber so , daß das Thun dieser Subjektivität mehr nur dieß Gähren der Subjektivität ist , als die Subjektivität , die sich wirklich vollkommen erreicht , und

35 14 wahrhaft wirklicher Freiheit] Hu  : freyer Wahrheit   23–24 in sich aufzulösen] Hu  : am Ende

bezwingen   30 Drama] so Hu  ; AKö  : Bram  

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vollendet hat . – Ein Subjekt ist dieser Unterschied , ein Konkretes in sich , eine Entwickelung .  – Ferner führt sich diese Subjektivität ein in die entwickelten Mächte , und vereint sie so , daß sie losgelassen werden , dieß Subjekt eine Geschichte hat , die Geschichte des Lebens , Geistes , – Bewegung in sich ist , wo es zum Unterschied dieser Mächte auseinander geht , wo dieß Subjekt sich verkehrt zum Fremdartigen gegen sich selbst . – Das Licht geht nicht unter , hier ist es ein Subjekt , das sich sich selbst entfremdet , festgehalten wird in der Negativität seiner , aber in und aus dieser Entfremdung sich selbst wiederherstellt . Das Resultat ist die Vorstellung des freien Geistes , zunächst nur das Drängen , den Hervorgang desselben hervorzubringen . Hier haben wir Gott als Subjektivität überhaupt  ; In dieser Subjektivität ist Hauptmoment , daß die Negazion nicht außerhalb , sondern schon in das Subjekt selbst fällt , und das Subjekt wesentlich Rückkehr in sich , Beisichseyn ist . – Dieß Beisichseyn enthält den Unterschied , ein Andres seiner selbst zu setzen , zu haben – Negazion , – aber ebenso in sich zurückzukehren , bei sich , identisch mit sich zu seyn in dieser Rückkehr . – Es ist Ein Subjekt . Das Moment des Negativen , insofern es als natürlich gesetzt , in Bestimmung der Natürlichkeit ist , ist der Tod . Es ist also der Tod des Gottes , welche Bestimmung hier eintritt . – Das Negative , dieser abstrakte Ausdruck , hat sehr viele Bestimmtheiten , ist Veränderung überhaupt . Auch die Veränderung enthält parziellen Tod . Am Natürlichen erscheint diese Negazion als Tod  ; insofern sie als Tod erscheint , ist es noch in der Natürlichkeit , noch nicht rein am Geist , am geistigen Subjekt als solchem . – Ist es am Geist , so erscheint diese Negazion im Menschen selbst , im Geist selbst als diese Bestimmung , daß sein natürlicher Wille für ihn ein andrer ist , er sich seinem Wesen , dem Geiste nach unterscheidet von seinem natürlichen Willen . Dieser natürliche Wille ist hier die Negazion , – und der Mensch kommt zu sich , ist freier Geist , indem er diese Natürlichkeit überwindet , indem er sein Herz , die natürliche Einzelnheit , dieses Andre der Vernünftigkeit , des Vernünf­ tigen , als versöhnt mit dem Vernünftigen hat , und so bei sich ist . – Dieses | Beisichseyn , dieses Versöhnen , ist nur durch diese Bewegung , diesen Gang vorhanden . – Von Negazion in noch höherer Form wird später die Rede seyn . – Der natürliche Wille erscheint als Böses , die Negazion als natürlicher Wille erscheint so als ein Vorgefundenes . Der Mensch , zu seiner Wahrheit sich erhebend , findet diese natürliche Bestimmung als gegen das Vernünftige vor . – Aber in andrer Hinsicht ist die Negazion das vom Geist gesetzte . So ist Gott der Geist , indem er seinen Sohn , das Andre seiner erzeugt , das Andre seiner selbst setzt , aber in ihm ist er bei sich selbst . Hier ist die Negazion ebenso das Verschwindende . Diese Negazion in Gott ist also dieß bestimmte , wesentliche

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Moment . Hier haben wir nur die Vorstellung der Subjektivität , die Subjektivität im Allgemeinen . – Das Subjekt geht selbst diese unterschiedenen Zustände als seine durch , so , daß diese Negazion ihm immanent ist . Es kommt dann diese Bestimmung , insofern diese Negazion als natürlicher Zustand erscheint , als Bestimmung des Todes herein , und der Gott , mit der Bestimmung der Subjektivität , erscheint hier als die ewige Geschichte , das absolut Affirmative zu seyn , das selbst stirbt , – Moment der Negazion , – sich entfremdet wird , verliert , aber , durch diesen Verlust seiner selbst , sich wiederfindet , – zu sich zurückkommt . – Es ist ein und dasselbe Subjekt , das diese Bestimmungen durchläuft . – Das Negative , das wir in Form des Bösen hatten , als Ahrimann , so , daß die Negazion nicht zum Selbst des Ormuzd gehört , gehört hier zum Selbst des Gottes . – Wir haben die Negazion in Form des Todes auch schon gehabt  : in der indischen Mythologie sind viele Inkarnationen , namentlich Wischnu ist die Geschichte der Welt , und jetzt , in der 11 . oder 12ten Inkarnazion  ; – eben so , daß der Dalai Lama stirbt  ; ebenso Indra , der Gott des Natürlichen , u Andre sterben und kommen wieder . – Aber dieß Sterben ist verschieden von dieser Negativität , von welcher hier die Rede ist , dem Tode , in sofern sie dem Subjekt angehört . Es kommt Alles an bei diesem Unterschiede auf die logischen Bestimmungen . Man kann in allen Religionen Analogien finden , die Menschwerdung Gottes und die Inkarnazionen  ; man betrachte sogar den Namen Krischna und Christus zusammen . Aber solche Zusammenstellungen sind , obgleich sie ein Gemeinsames , eine gleiche Bestimmung in sich haben , höchst oberflächlich . – Das Wesentliche , worauf es ankommt , ist eine weitere Bestimmung , die übersehen wird . – So ist das tausendmalige Sterben des Indra von andrer Art  : die Substanz bleibt die eine und dieselbe , sie verläßt nur diesen individuellen Körper des einen Lama , hat aber unmittelbar sich einen andern gewählt  ; da geht dieß Sterben , diese Negazion die Substanz nicht an  ; sie ist nicht im Selbst gesetzt , im Subjekt als solchem  ; die Negazion ist nicht eignes , innres Moment , immanente Bestimmung der Substanz , sie hat nicht den Schmerz des Todes . – Das Sterben Gottes haben wir also erst hier als in ihm selbst , daß die Negazion immanent in seinem Wesen , in ihm selbst ist , und dadurch wesentlich ist dieser Gott eben als Subjekt charakterisirt . – Subjekt ist dieß , daß | es in ihm dieß Andersseyn sich gibt , und durch Negazion seiner zu sich zurükkehrt , sich hervorbringt .  – 14–15 ist die Geschichte der Welt] Hu  : hat sich mehrere Mahle incarnirt auch Lama und Puta   20 Analogien] Hu  : Annalogien Gleichnisse   20–22 finden , die Menschwerdung … zusammen] Hu  : finden wie Volney den Crischna mit Christus verglichen hat  

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96vHu 64An Äg y pt ische ­R e l i g i o n  . Osiris ­ egazion) Tyfon (die N

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Die 3 t e B e s t i m m u n g zu diesem Schmerz , Tod , ist , aus diesem Tod wieder aufzuerstehen , hergestellt zu werden .  – Die Weise dieser Religion , die Religion in dieser Bestimmtheit ist d i e ä g y p ­ t i s c h e  . Dieß Angegebene ist die Seele , Hauptbestimmung , und wurde als Hauptfigur unter anderen manchfachen Gestaltungen herausgehoben . Das Bild davon ist , was O s i r i s genannt wird , der Feinde gegen sich hat , die Negazion als Äußeres , Anderes , als Ty f o n   ; aber es beibt nicht so äußerlich gegen dasselbe , daß es nur ein Kampf wäre , wie bei Ormuzd , – sondern die Negazion kehrt in das Subjekt selbst ein . – Das Subjekt wird getödtet , Osiris stirbt  ; aber er wird ewig wieder hergestellt , und ist so als eine Vorstellung , zum zweiten Mal G ­ eborner , gesetzt , – das nicht ein Natürliches ist , sondern als ein vom Natürlichen , Sinn­ lichen Abgeschiednes  ; hiermit gesetzt , – bestimmt als dem Reich des Vorstellens , dem Boden des Geistigen , das über das Endliche dauert , angehörig , nicht dem Natürlichen als solchem . – Osiris ist in der Vorstellung , Gott der Vorstellung , der vorgestellte Gott , seiner innern Bestimmung nach . – Daß er nun stirbt , aber ebenso wieder hergestellt wird , damit ist ausdrücklich ausgesprochen , daß er in dem Reich der Vorstellung vorhanden ist gegen das bloß natürliche Seyn . – Er i s t aber nicht bloß so vorgestellt , sondern wird auch als solcher gewußt . Es ist zweierlei , ob es als Vorgestelltes n u r i s t  , oder auch als Vorgestelltes g e w u ß t wird . So als Vorgestelltes ist Osiris bestimmt als der Herrscher im Reich des Amendes  : wie er des Lebendigen Herr ist , so auch der Herr des nicht mehr sinnlich Fortexistirenden , sondern der fortexistirenden Seele , die sich abgetrennt vom Leibe , dem Sinnlichen , Vergänglichen . – Tyfon , das Böse , ist überwunden  ; ebenso der Schmerz  ; – und Osiris ist der Richter nach Recht und Gerechtigkeit . Das Böse ist überwunden , ver­urtheilt ,  – damit tritt erst das Richten ein , daß das Richten das Entscheidende ist , d . h . daß das Gute die Gewalt hat , sich geltend zu machen , und das Nichtige , das Böse zu vernichten .  – Wenn wir sagen  : Osiris ist ein Herrscher der Todten , so sind die Todten eben diese , die nicht im Sinnlichen , Natürlichen gesetzt sind , sondern dauern für sich über dem Sinnlichen , Natürlichen . Hiermit steht in Verbindung , daß das einzelne Subjekt gewußt wird als dauerndes , entnommen dem Vergänglichen , für sich fest , unterschieden vom Sinnlichen ist . Es ist ein höchst wichtiges Wort Datum , was Herodot sagt von der Unsterblichkeit , daß die Ägypter zuerst gesagt ,

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6 davon] Hu  : von der Seele   16–17 in dem Reich … vorhanden] Hu  : dem geistigen Boden an- 35 gehörig   2 werden .  –] folgt versentlich nicht gestr  : )



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daß die Seele des Menschen unsterblich sei . – In Indien , China ist dieß Fortleben , dieses Metamorfosiren  ; aber dieses , wie die Fortdauer des Individui , die Unsterblichkeit der Indier ist selbst nur etwas Untergeordnetes , Unwesentliches . Das Höchste ist nicht eine Affirmative Fortdauer , sondern Nirwan , ein Zustand des Vernichtens des Affirmativen , ein affirmativ Scheinendes , identisch mit Bram zu seyn . – Diese Identität , Vereinigung mit Bram ist zugleich das Zerfließen in diese zwar affirmativ Scheinende , doch durchaus in sich Bestimmungslose , ununterschiedne Einheit . Hier aber ist konsequenter Weise dieß  : das Höchste des Bewußtseyns ist die Subjektivität als solche  ; diese ist Totalität , vermag selbständig in sich zu seyn  ; es ist die Vorstellung der wahrhaften Selbständigkeit . – Selbständig ist , was nicht im Gegensatz ist , diesen Gegensatz überwindet , nicht | ein Endliches sich gegenüberbehält , sondern diese Gegensätze in ihm selbst hat , aber zugleich in sich selbst überwunden . Diese Bestimmung der Subjektivität , die objektiv ist , dem Objektiven , dem Gott zukommt , ist auch die Bestimmung des subjektiven Bewußtseyns . Dieses weiß sich als Subjekt , als Totalität , wahrhafte Selbständigkeit , damit als unsterblich . – Das ist das Allgemeine . – Um dieß Allgemeine spielt nun eine unendliche Menge von Vorstellungen , Göttern her . – Osiris ist nur eine dieser , und sogar nach Herodot eine der späteren  ; aber Osiris , und Osiris vornehmlich im ­R e i c h e d e s A m e n d a’s  , als Herrscher der Todten , als S e r a p i s  , hat sich über alle anderen Götter erhoben , als das , worin man das höchste Interesse findet . – Wie M i t r a  , die Bestimmung , die in ihm liegt , als die interessanteste ist herausgehoben worden , und die parsische Religion ist Mitradienst geworden  : – so hier . Osiris ist aber nicht in der unmittelbaren , sondern in der geistigen , intellektuellen Welt , der Mittelpunkt geworden . – In dem Gesagten liegt , daß die Subjektivität hier zuerst in der Form der Vorstellung ist . Wir haben es mit einem Subjekt , Geistigen zu thun , das auf menschliche Weise vorgestellt wird  ; aber es ist nicht ein unmittelbarer Mensch , seine Existenz nicht gesetzt in der Unmittelbarkeit , in dem Reich des unmittelbaren Daseyns , sondern in dem des Vorstellens . Es ist ein Inhalt , welcher Subjektivität ist in seiner Bewegung , der die Momente , Bewegung , in sich hat , wodurch er Subjektivität ist  ; aber auch in der Form , im Boden der Geistigkeit , über das Natürliche erhaben . So ist die Idee in diesem Boden der Vorstellung gesetzt , und , es ist daran dieser Mangel , daß es nur die Vorstellung der Subjektivität ist , die Subjektivität nur abstrakt in ihrer Grundlage da , die Subjektivität noch in ihrer abstrakten Grundlage vorhanden ist . Es ist noch nicht die Tiefe der Allgemeinheit , des Gegensatzes darin , die Subjektivität noch nicht in ihrer absoluten Allgemeinheit , absoluten Geistigkeit . Weil die Subjektivität noch nicht in der Tiefe der Allgemeinheit gewußt wird , sondern nur in

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Serapis .

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54Bo 98vHu 99AKö Osiris , Sonne , Jahr

Osiris , Nil .

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der Vorstellung , so ist es oberflächliche , äußerliche Allgemeinheit . – Der Inhalt der in der Vorstellung ist , ist nicht an die Zeit gebunden , es ist die Allgemeinheit  ; daß Etwas in dieser Zeit ist , an diesem Raum , diese sinnliche Einzelnheit ist weggestreift . Alles hat durch die Vorstellung , indem es auf geistigem Boden ist , Allgemeinheit , wenn auch nur weniges Sinnliche abgestreift ist , wie bei der Vorstellung eines Hauses . Die Allgemeinheit ist so nur die äußerliche Allgemeinheit , Gemeinschaftlichkeit . – Das hängt damit zusammen , daß die Grundlage , diese Vorstellung der Allgemeinheit noch nicht absolut in sich vertieft , noch nicht in sich erfüllte Grundlage ist , die Alles absorbirt , wodurch die natürlichen Dinge ideell gesetzt werden . – Insofern diese Subjektivität das Wesen ist , ist die die allgemeine Grundlage , und die Geschichte , die das Subjekt ist , wird zugleich gewußt als Bewegung , Leben , Geschichte aller Dinge , der unmittelbaren Welt . So haben wir diesen Unterschied , daß diese allgemeine Subjektivität Grundlage ist auch für das Natürliche , das innere Allgemeine , das , was die Substanz des Natürlichen ist . – Da haben wir also 2  : das natürliche und die innre Substanz . Darin haben wir die Bestimmung des Symbolischen . Dem natürlichen Seyn wird zugeschrieben eine andre Grundlage , das unmittelbar Sinnliche erhält eine andre Substanz  : es ist nicht mehr es selbst unmittelbar , sondern stellt vor etwas Andres , das seine Substanz ist – seine Bedeutung . Die Geschichte des Osiris ist die innre wesentliche Geschichte , auch des Natür­ lichen , der Natur Ägyptens . Zu dieser gehört | die Sonne , der Sonnenlauf , Nil , das Befruchtende , Verändernde .  – Die Geschichte des Osiris ist also Geschichte der Sonne  : diese geht bis zu ihrem Kulminazionspunkt . Dann geht sie zurück , ihre Strahlen , ihre Kraft werden matt , aber nach diesem Matt- , Schwachwerden fängt sie an sich wieder zu erheben , sie wird wiedergeboren . Osiris bedeutet so die Sonne , und die Sonne Osiris . Die Sonne wird so aufgefaßt als dieser Kreislauf  ; das Jahr wird als das Eine Subjekt betrachtet , das an ihm selbst diese verschiedenen Zustände durchläuft . Im Osiris wird das Natürliche gefaßt , daß es Symbol des Osiris ist . – So ist Osiris der Nil , der wächst , Alles befruchtet , überschwemmt , und durch die Hitze – da spielt das böse Prinzip hinein , – klein , ohnmächtig wird , – dann wieder zur Stärke kommt . Das Jahr , die Sonne , der Nil wird als dieser in sich zurückkehrende Kreislauf gefaßt . – Die besonderen Seiten an einem solchen Lauf werden momentan als selbständig vorgestellt , die einzelne Seiten , Momente dieses Kreislaufs bezeichnen . Sagt man  : der Nil sei das Innre , die Bedeutung des Osiris sei die Sonne , der Nil  ; andre Götter seien kalendarische Gottheiten , so 1 oberflächliche , äußerliche] Hu  : schlechte   19 seine Bedeutung] Bo  : oder wenn wir seyne Bedeutung haben und das ist das Symbol   25 matt] An  : matt , c . 21 . December  

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hat dieß seine Richtigkeit . – Das Eine ist das Innre , das Andre das Darstellende , das Zeichen , das Bedeutende , wodurch sich dieß Innre äußerlich kundgibt  : Das ist da umgekehrt der Fall . – Aber der Naturlauf der Pflanze , des Samens , des Nils , geschieht auf dieselbe Weise , sein Leben ist dieselbe allgemeine Geschichte . – Man kann gegenseitig nehmen das Eine als das Innre , das Andre als Form der Darstellung , des Auf­ fassens . Was in der That das Innre ist , ist Osiris , das Subjekt , dieser in sich zurückgehende Kreislauf . – Das Symbol ist in dieser Weise das Herrschende  : ein Innres für sich , das äußerliche Weise des Daseins hat . Beides ist unterschieden von einander . Es ist das Innre , das Subjekt , was hier frei , selbständig geworden , daß das Innre die Substanz sei vom Äußerlichen , nicht im Widerspruch sei mit dem Äußerlichen , nicht ein Dualismus – die Bedeutung , Vorstellung für sich gegen die sinnliche Weise des Daseyns , in dem sie den Mittelpunkt ausmacht . – Die Subjektivität in dieser Bestimmtheit , als vorgestellt , – damit hängt zusammen der Trieb , die Vorstellung zur Anschaubarkeit zu bringen . Die Vorstellung als solche muß sich aussprechen , und es ist der Mensch , der diese Bedeutung aus sich zur Anschaubarkeit produziren muß . – Das Unmittelbare ist verschwunden  ; wenn es zur Anschauung , zur Weise der Unmittelbarkeit gebracht werden soll , – und die Vorstellung hat das Bedürfniß , sich auf diese Weise zu vervollstän­ digen . Wenn sich die Vorstellung integrirt , so muß diese Unmittelbarkeit ein Ver­m itteltes , Produkt des Menschen seyn . – Früher hatten wir die Anschaubarkeit , Unmittelbarkeit auf natürliche , selbst unvermittelte Weise , daß Brama im Denken , in dieser Versinkung des Menschen in sich , seine Existenz , die Weise seiner Unmittelbarkeit hat , oder das Licht ist diese Form der Unmittelbarkeit , die auf unmittelbare Weise ist . – Indem hier von der Vorstellung ausgegangen wird , so muß diese sich zur Anschauung , Unmittel­ bar­keit bringen , aber es ist eine vermittelte , gesetzte . Es ist das Innre , was zur Unmittelbarkeit gebracht werden soll  : der Nil , der Jahreslauf sind unmittelbare Existenzen , | aber sie sind nur Symbol des Innern . – Ihre natürliche Geschichte ist in der Vorstellung zusammengefaßt . Dieses Zusammengefaßtseyn , dieser Verlauf als Ein Subjekt , und das Subjekt selbst ist in sich diese zurückkehrende Bewegung  ; dieser Kreislauf ist das Subjekt , was Vorstellung ist , und was als Subjekt soll anschaubar gemacht werden . – Dieser Trieb kann im allgemeinen als der K u l t u s der Ägypter angesehen werden , dieser unendliche Trieb , zu arbeiten , darzustellen , was noch erst innerlich , in der Vorstellung enthalten ist , und deswegen sich noch nicht klar geworden . Die 24–25 das Licht … Unmittelbarkeit] Hu  : Wie in Persien Gott unmittelbar in Sonne manifestirt  .   34 Trieb] Hu  : Trieb zur Anschaubarkeit  

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Kultus .

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Ägypter haben Jahrtausende fortgearbeitet , ihren Boden sich zunächst zurecht gemacht  ; aber die Arbeit in religiöser Beziehung ist das Staunenswertheste , was je hervorgebracht worden , – sowohl über als unter der Erde – Kunstwerke , die nur noch in dürftigen Ruinen vorhanden sind , die aber Alle wegen ihrer Schönheit und der Mühe der Ausarbeitung angestaunt haben . Das ist das Geschäft , die That dieses Volks gewesen , diese Werke immer hervorzubringen . Es ist kein Stillstand in dieser Hervorbringung gewesen – der Geist , als arbeitend , seine Vorstellung sich anschaubar zu machen , zur Klarheit , zum Bewußtseyn zu bringen , was er innerlich ist . – Diese Werke sind begründet unmittelbar in der Bestimmtheit , welche der Gott in dieser Religion hat . – Diese Arbeitsamkeit eines ganzen Volks ist noch nicht an und für sich reine , schöne Kunst gewesen  ; aber der Drang zur schönen Kunst . Die schöne Kunst enthält diese Bestimmung . Der Geist muß frei geworden seyn von der Begierde , von der Natürlichkeit überhaupt , vom Unterjochtseyn durch die innre und äußre Natur , – muß in sich frei geworden seyn , muß das Bedürfniß haben , sich zu wissen als frei , so als Gegenstand seines Bewußtseyns zu seyn . – Insofern der Geist noch nicht angekommen ist auf der Stufe , sich f r e i z u d e n k e n  , muß er sich f r e i a n s c h a u e n  , sich als freien Geist in der Anschauung vor sich haben . Daß er so zum Gegenstande werde für die Anschauung in Weise der Unmittelbarkeit , welche Produkt ist , darin liegt , daß dieß sein Daseyn , seine Unmittelbarkeit ganz durch den Geist bestimmt ist , durchaus den Charakter hat , daß hier dargestellt ist ein freier Geist . – Dieses aber nennen wir eben das Schöne , wo alle Äußerlichkeit durchaus charakteristisch bedeutsam ist , vom Innern , als Freiem , bestimmt . Es ist ein natürliches Material , so daß die Züge darin nur Zeichen sind des in sich freien Geistes . Das natürliche Moment muß überhaupt überwunden seyn , daß es nur diene zur Äußrung , OVenbarung des Geistes . – Indem der Inhalt in der ägyptischen Bestimmung diese Subjektivität ist , so ist der Drang hier vorhanden zur schönen Kunst , der Drang , der vornehmlich architektonisch gearbeitet hat , und zugleich überzugehen gesucht hat zur Schönheit der Gestalt . Insofern er aber nur Drang gewesen , so ist die Schönheit selbst noch nicht als solche hier hervorgegangen . – Der Drang enthält diesen Kampf der Bedeutung mit dem Material , der äußerlichen Gestalt überhaupt  : es ist nur der Versuch , | das Streben , der äußern Gestaltung den innern Geist einzuprägen . – Die Pyramide ist ein Krystall für sich , worin ein Todter  : – im Kunstwerk , das zur Schönheit dringt , wird eingebildet die innre Seele der Äußerlichkeit der Gestaltung . – Es ist hier nur der Drang , weil die Bedeutung und Darstellung , die Vorstellung und das Dasein von 4 Schönheit] Hu  : Grosse , Schönheit   9 innerlich ist] Hu  : in der Vorstellung hat , und deswegen auch nicht ganz klar hat   15 das Bedürfniß] Hu  : den Willen   32 der Versuch] Hu  : ein Trieb  

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diesem Unterschied überhaupt gegen einander sind , und dieser Unterschied ist , weil die Subjektivität nur erst die allgemeine , abstrakte , noch nicht die konkrete erfüllte Subjektivität ist . – Die Gestalt ist noch nicht zur freien , schönen erhoben , noch nicht zur Klarheit vergeistigt  ; das Sinnliche , Natürliche ist noch nicht zum Geistigen vollkommen verklärt , – so , daß es nur Ausdruck des Geistigen sei , daß diese Organisazion und die Züge dieser Organisazion nur Zeichen sind , nur Bedeutung des Geistigen . – Es fehlt dem ägyptischen Prinzip diese Klarheit , Durchsichtigkeit des Natürlichen , des Äußerlichen der Gestaltung  : es bleibt nur die Aufgabe , sich klar zu werden . – Die Stufe des ägyptischen Prinzips kann überhaupt als Räthsel gefaßt werden  : die Bedeutung ist ein Innres , das sich drängt , sich äußerlich zu machen  ; aber noch nicht zur Vollendung seiner Darstellung in der Äußerlichkeit gekommen ist . Die Inschrift der Göttin N a i t in Unterägypten wird vollständig so angegeben  : »Ich bin , was war , ist , und seyn wird  ; meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gehoben . Die Frucht meines Leibes ist Helios pp« – Dieses noch verborgne Wesen spricht die Klarheit , die Sonne , das sich selbst Klarwerden , die geistige Sonne aus als den Sohn , der aus ihr geboren werde . Diese Klarheit ist es , die erreicht ist in den Formen der Religion die wir nun zu betrachten haben , – in d e r Re l i g i o n d e r S c h ö n h e i t  ,  – die g r i e c h i s c h e  – und d e r ­R e l i g i o n d e r E r h a b e n h e i t  , die j ü d i s c h e  .  – Das Räthsel ist gelöst , die Sphynx ist nach einem bedeutungs- und bewundrungsvollen Mythus von einem Griechen ­getödtet  , und das Räthsel so gelöst worden  : »der Inhalt sei der Mensch , der freie , sich wissende Geist .« |

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anonyme nachschrift königsberg · 1827 II .te Form . D i e E r h e b u n g d e s G e i s t i g e n ü b e r d i e N a t u r  . wo das Geistige sich über das Natürliche erhebt , z u r F r e i h e i t  , theils über die Natürlichkeit , theils in der Natürlichkeit , – daß die Vermischung aufhört  : R e l i g i o n d e r G r i e c h e n u n d J u d e n  .

Das ist die zweite Stufe der ethnischen Religionen . Die e r s t e war die Naturreligion . – Einerseits ist diese am schwersten zu fassen , weil es unsrer Vorstellung am weitesten entfernt liegt , und das Roheste , Unvollkommenste ist . Aber das Natürliche hat so vielerlei Gestalten in sich , daß der allgemeine , absolute Inhalt in der Form der Natürlichkeit , Unmittelbarkeit auseinander fällt .  – Das Höhere ist das Tiefere , wo diese unterschiednen Momente in der Idealität der subjektiven Einheit zusammengefaßt werden  ; dieß Auseinanderfallen der Unmittelbarkeit aufgehoben , in die subjektive Einheit zurück gebracht ist . Darum ist es nothwendig , daß , was in der Bestimmung der Natürlichkeit ist , solche Vielheit von Gestaltungen zeige , die als gleichgiltig außereinander als eigenthümliche Selbständige sich zeigen . Die allgemeine Bestimmung ist die freie Subjektivität , die ihren Drang , Trieb befriedigt hat . Die freie Subjektivität ist es , die die Herrschaft erlangt hat über das Endliche überhaupt , das Natürliche und das Endliche des Bewußtseyns , über das Endliche , ob es fysisch oder geistig ist , so daß jetzt das Subjekt , der Geist , als geistiges Subjekt gewußt wird – Verhältniß zum Natürlichen und Endlichen , daß es nur dienend ist , nur die Bestimmung hat der Verherrlichung , Manifestazion , OVenbarung des Geistes , daß der Geist in dieser Freiheit , Macht , Versöhnung mit sich selbst , im Natürlichen , Endlichen , für sich , frei , heraus ist , unterschieden von diesem Endlichnatürlichen und Geistigen , von der Stätte des empirischen , veränderlichen Bewußtseyns , so wie des Äußerlichseyns . – Das ist die allgemeine Grundbestimmung dieser Stufe . Indem der Geist frei ist , das Endliche nur ideelles Moment an ihm , so ist er in sich konkret gesetzt , und indem wir ihn als konkret betrachten , die Freiheit des Geistigen als in sich konkret , so ist dieß der ve r n ü n f t i g e G e i s t   ; der Inhalt macht das Vernünftige des Geistes aus . Diese Bestimmtheit , die wir soeben sahen , nach Verhältniß des Inhalts , ist formell diese  : daß das Natürliche , Endliche nur Zeichen des Geistes sei , nur dienend seiner Manifestazion . Hier haben wir | die Religion , innerhalb welcher der vernünftige Geist der Inhalt ist . – Diese freie Subjektivität hat nun sogleich eine gedoppelte Bestimmung , die wir zu unterscheiden haben  :

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daß das Natürliche , Endliche verklärt ist im Geiste , in der Freiheit des Geistes  ; seine Verklärung besteht darin , daß es Zeichen ist des Geistigen , wobei in dieser Verklärung des fysisch- oder Geistig-Natürlichen das Natürliche selbst als Endliches gegenüber steht , als andre Seite zu jener Wesentlichkeit , jenem Substanziellen , dem Gotte . – Dieser ist freie Subjektivität , an der das Endliche nur als Zeichen gesetzt ist , in dem er , der Geist , erscheint . Das ist die Weise der präsenten Individualität , der Schönheit , – g r i e c h i s c h e R e l i g i o n  . Die andre Form ist die der R e l i g i o n d e r E r h a b e n h e i t  , daß das Sinn­ liche , Endliche , Natürliche , geistig und fysisch Natürliche nicht aufgenommen ist , verklärt ist , in der freien Subjektivität  ; Wenn dieß Endliche verklärt ist in dieser freien Subjektivität , so hat es zugleich eine natürliche äußerliche Weise  ; obgleich sie erhoben ist zum Zeichen des Geistes , ist sie doch nicht gereinigt von der Äußerlichkeit , Sinnlichkeit . – Die andre Bestimmung ist , daß die freie Subjektivität erhoben ist in die Reinheit des Gedankens , dieß andre Extrem . Dieses haben wir in der Form , die dem Inhalt angemeßner ist , als das Sinnliche . Da wird auch das Natürliche beherrscht von dieser freien Subjektivität , in der das Andre ein Ideelles ist , kein wahrhaftes Bestehen gegen die freie Subjektivität hat .  – Im Ersten ist die Versöhnung geschehen des Geistigen und Natürlichen , daß das Natürliche nur Zeichen , Moment des Geistigen ist  ; aber das Geistige bleibt behaftet mit dieser Äußerlichkeit .  – Im Zweiten erst ist das Endliche beherrscht vom Geist  ; der Geist sich erhebend , erhoben über die Natürlichkeit , Endlichkeit , – die Religion der Erhabenheit . – Die e r s t e F o r m oder Stufe ist  : d i e R e l i g i o n d e r S c h ö n h e i t  ,  – und diese hatte ihre Existenz in der g r i e c h i s c h e n R e l i g i o n  .  – Die griechische Religion ist nach ihrer innern Seite , nach ihrer Bedeutung , BegriV , Idee , ist ein unendlicher StoV  ; wie nach ihrer Äußerlichkeit – ein StoV , bei dessen Lieblichkeit und Schönheit man gern verweilt . – Der I n h a l t  , der uns unmittelbar drin anspricht , im Gegensatz gegen die früheren Religionen , ist  : daß es Religion der Menschlichkeit ist , der Mensch zu seinem Rechte kommt , in seiner Affirmazion sich erhält  ; wo der konkrete Mensch nach seiner Affirmazion gilt , wo das , was dem konkreten Menschen gilt ,

13 daß] Hu  : dass das natürliche nicht verkehrt ist in die freye Subiectivität , das Geistige hat hier nicht eine äusserliche Seyte   14 Reinheit] Bo  : Freyheit   15–16 Form , die … beherrscht] Bo  : Religion der Erhabenheit wo das Endliche beherrscht wird   16–17 in der … hat] Bo  : die an sich 35 eine Macht ist   18 daß] Bo  : aber nur darin daß   20 behaftet mit dieser Äußerlichkeit] Hu  : von dem äusserlichen befangen  26 unendlicher] Bo  : unendlicher unerschöpflicher  30 in seiner Affirmazion sich erhält] Bo  : zu seiner Affirmation sich erhebt   32 verkehrt lies verklärt

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Inhalt  : Religion der Menschlichkeit .

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A . 102vHu B .) 104AKö A .) A .  O b j e k t i v i t ä t des Gottes B .) 12/7 Bo a .) b .) c .) a .) a .)  G e h a l t a l s s o l c h e r  . Grundlage  : Ve r n ü n f t i g k e i t   ; (Freiheit , als sich selbst bestimmend .) S i t t l i c h k e i t  .} 103rHu

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anonyme nachschrift königsberg · 1827

vorgestellt ist nach seinem Wesen , seinen Leidenschaften , Pflichten , Rechten  ; der Mensch nach Allem , was Werth hat , was wesentlich ist , ist sich hier gegenwärtig in den Göttern . – In dem Wesentlichen dieser Religion ist uns nichts unverständlich , unbe­ greiflich  ; es ist kein wesentlicher Inhalt , der dem Menschen nicht bekannt wäre , den er nicht in sich fände . – Plato sagt  : »Aus deinen παθη , (Mächte , wesentliche Seiten des Geistes) – o , Mensch , hast du deine Götter gemacht  ! « Das E r s t e  , was wir zu betrachten haben , ist das O b j e k t i ve  , der Gott in seiner Objektivität , Darstellung  ; – das Andre ist aber der Kultus . Von diesen beiden in sich höchst | reichhaltigen Materien haben wir jedoch nur den Mittelpunkt herauszuheben . – Auf der Seite d e r O b j e k t i v i t ä t d e s G o t t e s i s t z u e r s t der Inhalt als solcher zu betrachten  ; und 2 .) die Erscheinung , Gestaltung dieses Inhalts . Was den I n h a l t a l s s o l c h e n betriVt , so haben wir 3erlei Seiten zu unterscheiden  : Das G e h a l t vo l l e a l s s o l c h e s  , das w a h r h a f t G ö t t l i c h e  , das Göttliche in seiner Wesentlichkeit . über diesem Göttlichen ein Höheres , – dieß ist das F a t u m  . das andre Extrem , ein Niedres ist die Einzelnheit , die Seite der Z u f ä l l i g k e i t  .  – Was für’s Erste den G e h a l t a l s s o l c h e n vom Inhalt betriVt , so ist die ­substanzielle Grundlage , wie im Zusammenhang aufgezeigt ist , die Ve r n ü n f ­ t i g k e i t überhaupt , die Freiheit des Geistes , die wesentliche F r e i h e i t  . Diese Freiheit ist nicht W i l l k ü r  , muß von derselben wohl unterschieden werden , ist die wesentliche Freiheit in ihrer Bestimmung , die Freiheit , die sich selbst bestimmt . Indem die Freiheit , als sich selbst bestimmend , die Grundlage dieses Verhältnisses ist , so ist das die Vernünftigkeit , näher die Sittlichkeit . – Wie dieß zusammenhängt , ist hier als Lehnsatz aufzunehmen  : Die Freiheit ist das Sich-bestimmen , das Formelle  ; daß dieß Formelle die Sittlichkeit ist , Prinzip des Sittlichen , daß dieß Formelle umschlägt in diesen Inhalt , den wir Sittlichkeit nennen . – Die konkrete Vernünftigkeit ist wesentlich sittliche Prinzipien . – Daß die Freiheit dieß ist , nichts zu wollen als sich , die Freiheit  ; daß dieß das Sittliche ist , daraus die sittlichen Bestimmungen sich ergeben , – kann hier nicht näher ausgeführt werden . – Indem die Sittlichkeit die wesentliche Grundlage ­ausmacht , ist dieß die erste Sittlichkeit , die Sittlichkeit in ihrer Unmittelbarkeit . 1 Leidenschaften] Hu  : Bedürfnisse Leidenschaften Trieben   19 die Einzelnheit] Hu  : die äusserlichen Einzelnheiten   35 ihrer Unmittelbarkeit] Hu  : Unmittelbarkeit , Allgemeinheit in ihrer substantiellen Form  

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Es ist diese Vernünftigkeit , und diese Vernünftigkeit , Sittlichkeit ist ganz allgemein , so in ihrer substanziellen Form . Die Vernünftigkeit ist noch nicht als Ein Subjekt , hat sich aus dieser gediegenen Einheit , in welcher sie Sittlichkeit ist , noch nicht zur Einheit des Subjekts erhoben , oder sich in sich vertieft .  – Deswegen erscheinen die geistigen , wesentlich sittlichen Bestimmungen als außereinander , es ist der gehaltvollste Inhalt , aber als außereinander . – Es ist zu unterscheiden die Sittlichkeit überhaupt , und die griechische Sittlichkeit und Moralität , die Subjektivität des Sittlichen , die sich in sich Rechenschaft zu geben weiß , den Vorsatz , die Absicht , den Zweck hat des Sittlichen . – Die Sittlichkeit ist das substanzielle Seyn , das wahrhafte Seyn des Sittlichen , aber noch nicht das Wissen dieses Sittlichen . – Dieß ist im objektiven Gehalt so , daß noch nicht Eine Subjektivität , diese Reflexion in sich , vorhanden ist . – Um dieser Bestimmung willen fällt der sittliche Inhalt auseinander , dessen Grundlage die πάθη aus­ machen , die wesentlich geistigen Mächte , die allgemeinen Mächte des sittlichen Lebens , – vornehmlich politisches Leben , Staatsleben  ; außerdem Gerechtigkeit , Tapferkeit , Familie , Eid , Ackerbau , Wissenschaft u . s . w . – Damit , daß das Sittliche in diese seine besonderen Bestimmungen aus einander fällt , ist verbunden , daß diesen geistigen Mächten gegenüber auch das Natürliche auftritt . Diese Bestimmung der Unmittelbarkeit , die zur Folge hat dieß Zerfallen , enthält die Bestimmung , daß gegenüber die natürlichen Mächte treten , die Erde , Flüsse , Zeiteintheilung .  – Das sind die allgemeinen Grundlagen . So sehr dieß Zerfallen Statt findet , worin die natürlichen Mächte als | für sich erscheinen , eben so tritt die Einheit des Geistigen und Natürlichen , – und das ist das Wesentliche , – immer mehr hervor , die aber nicht Neutralisazion beider , sondern wo das Geistige nicht nur das Überwiegende , sondern auch das Herrschende , Bestimmende ist , – das Natürliche ideell , unterworfen . – Dieß erscheint einerseits so , daß es Naturgötter gibt , K r o n o s  , die Zeit , so ein abstractum , – Ur a n o s  , O k e a n o s  , H e l i o s  , S e l e n e  . In den Kosmogonien , die zugleich im Ganzen Theogonien sind , kommen allgemeine Naturmächte , Naturbildungen , Naturgestaltungen vor , was wir zusammen unter die T i t a n e n rechnen . – Sie sind auch personifizirt . Die Per­ sonifikazion ist aber in ihnen oberflächlich , n u r Personifikazion  : denn der Inhalt von Helios ist ein Natürliches , nicht ein Geistiges , eine geistige Macht . – Daß Helios auf menschliche Weise vorgestellt wird , auf menschliche Weise thätig ist , ist leere Form der Personifikazion . – Helios ist nicht der Gott der Sonne , – so 16 Tapferkeit] Bo  : Tapferkeit Kunst   18 auftritt] Bo  : tritt … auf (und so sehen wir das Zerfallen)   20–21 Erde , Flüsse , Zeiteintheilung] Hu  : Himmel , Erde , Tageseintheilungen   27 unterworfen] Hu  : überwunden das Geistige als herrschend  

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A l t e G ö t t e r   : Kronos , Uranos , Okeanos ,   69An Helios , Selene . I .) Naturmächte II . T i t a n e n  . 104rHu

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Götterkrieg .

Dike , Eumeniden , Erinnyen , Eid , Styx . – Erinnyen . Eid , Gewissen gegen das (Gesetzliche im Z e u s  .) 106AKö

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anonyme nachschrift königsberg · 1827

drücken sich die Griechen nie aus , – der Okeanos ist der Gott  : es ist nicht eine Sonne , und ein Gott in der Sonne . Das sind diese Naturmächte . – Das Zweite ist , daß diese Naturmächte auch unterworfen sind dem Geistigen , und dieß ist nicht bloß unser Bewußtseyn über die griechischen Götter  : das haben die Griechen selbst vorgestellt , darüber hatten sie selbst ein Bewußtseyn . Nach dieser Seite braucht man nur zu sagen , was die Griechen selbst von ihren Göttern gesagt haben  ; so ist der BegriV , das Wesentliche , darin ausgedrückt . – Eine Hauptbestimmung ist in der Mythologie , daß die Götter , Zeus , durch einen Krieg , durch Gewalt sich die Herrschaft errungen , daß das geistige Prinzip , die Giganten , Titanen vom Throne gestürzt  ; die bloße Naturmacht ist vom Geiste besiegt worden  ; über sie hat sich das Geistige erhoben , und das Geistige habe jetzt geherrscht . In dem Götterkriege ist die ganze Geschichte der griechischen Götter ausgedrückt . Wenn sie sich weiter eines Individuums , Troja’s , annehmen , so ist dies nicht ein Thun der Götter unter einander . – Daß das geistige Prinzip sich erhoben , das natürliche sich unterworfen , – das ist dieser G ö t t e r k r i e g  . Die natürlichen Götter sind an den Saum der Welt , jenseits der selbstbewußten Welt verwiesen , aber sie haben auch ihre Rechte behalten . Sie sind als Naturmächte vorgestellt in oberflächlicher Personifikazion  ; aber zugleich als ideell , unterworfen gesetzt dem Geistigen , so daß sie am Geistigen , an den geistigen Göttern e i n e Bestimmung ausmachen , in den geistigen Göttern selbst dieß natürliche Moment enthalten ist , aber nur als Anklang an das Naturelement , als nur eine Seite an ihnen . – Zu diesen alten Göttern gehören aber nicht nur die Naturmächte , sondern auch die D i k e  , die E u m e n i d e n  , E r i n n ye n   ; auch der E i d  , der S t y x werden zu den alten Göttern gerechnet . – Sie unterscheiden sich von den neuen dadurch , daß sie die Seite des Geistigen sind als einer nur in sich seienden Macht  : die E r y n n i e n nur die innerlich Richtenden  ; – der E i d  , diese Gewißheit in meinem Gewissen  ; seine Wahrheit liegt , ob ich ihn schon äußerlich ablege , in mir  ; wir können den Eid mit dem Gewissen vergleichen . Dagegen Z e u s ist der politische Gott , der Gott der Gesetze , der Herrschaft , aber der bekannten Gesetze , nicht der | Gesetze des Gewissens . – Das Gewissen hat im Staat kein Recht  ; – (Wenn der Mensch auf sein Gewissen sich beruft , so kann der Eine

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10 gestürzt] Hu  : sich unterworfen . | Ueber die Naturmächte hat sich das Geistige erhoben . Das ist nicht leere Fabeley , das ist das Wesen der Griechischen Religion , mehr haben die Griechischen 35 Götter nicht gethan .  Bo  : gestürzt , sonst haben ja die griechischen Götter nichts gethan   22 An­ klang an das Naturelement] Bo  : Anschauung der Naturmomente   24–25 Zu diesen … S t y x ] Hu  : Unter den natürlichen alten Göttern waren auch solche die eine Geistige Seyte hatten , aber nur als einen untergeordneten Theil z . B . Stix .  



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d i e ß Gewissen , der Andre ein andres haben , –) sondern das Gesetzliche . Damit sein Gewissen rechter Art sei , muß das , was es als recht weiß , objektiv , dem objek­tiven Rechte angemessen seyn  ; – muß nicht nur innerlich hausen . Ist das Gewissen richtig , so ist es ein vom Staat Anerkanntes , wenn der Staat eine sittliche Konstituzion hat . –Die N e m e s i s ist das Formelle , das Hohe , sich Erhebende herabzusetzen , das bloße Niveliren , der Neid , das Vorzügliche herunter­ zusetzen , so daß es mit dem Andern auf gleicher Stufe steht . – In der D i k e ist nur das strenge , abstrakte Recht enthalten . – Orest ist verfolgt von den Eumeniden , und wird von Athene , vom sittlichen Rechte , dem Staate , freigesprochen . Das sittliche Recht ist ein Andres , als das bloß Strenge . Die neuen Götter sind die Götter des sittlichen Rechts . – Ein Beispiel von dieser Vereinigung des Natürlichen und Geistigen , ist sub Iove f r i g i d o  . Da ist Jupiter das Firmament , die Athmosfäre , das Donnernde , die Verändrung der Athmosfäre  ; aber außer diesem Naturprinzip ist er der Vater der Götter und Menschen  ; er ist der politische Gott , das Recht und die Sittlichkeit des Staats , diese höchste Macht auf Erden . Sonst ist er eine vielseitige sittliche Macht , der Gott der Gastfreundschaft in Beziehung auf die alten Sitten , wo das Verhältniß unterschiedner Staaten noch nicht bestimmt war , die Gastfreund­ schaft wesentlich das sittliche Verhältniß betraf von Bürgern , die unterschiedenen ­Staaten angehörten . – Po s e i d o n  , ist d a s M e e r  , wie Okeanos , Pontos  : Er behält diese Wildheit des Elements , ist aber auch aufgenommen unter die neuen Götter . – F ö b o s ist der w i s s e n d e Gott . Schon der Analogie , der substanziellen , logischen Bestimmung nach , entspricht er dem Licht , und Föbos ist der Nachklang der Sonnenmacht . – Föbos ist nicht nur das Wissende , OVenbaren , der Orakel­ spruch  ; schon an und für sich korrespondirt sich Licht und Wissen , – ist die logische Bestimmung im Geistigen und Natürlichen dieses Manifestiren . Der l y k i s c h e A p o l l   ; λῦκος hat unmittelbaren Zusammenhang mit dem Licht . Das kommt aus dem Kleinasiatischen her . Gegen Morgen kommt das Natürliche , das Licht , mehr hervor . – Föbos verhängt die Pest im griechischen Lager  ;  – das hängt sogleich mit der Sonne zusammen  ; diese Wirkung des heißen Sommers , der Sonnenhitze . – Auch die Abbildungen des Föbos haben Attribute , Symbole ,

5–6 N e m e s i s ist … herabzusetzen] Hu  : Eben so ist die Nemesis , sie ist mit dem Phtonos mit Liebe verwandt   9 Rechte , dem Staate] Hu  : Leben   27–30 Der l y k i s c h e A p o l l   ; … Lager] An  : | 35 Müller in seinem Werk über die Dorer leugnet zwar diesen Anklang des Phöbus an die Sonne  : aber es schickt auch schon gleich im Anfang der Ilias Phöbus eine Pest (stets als eine Wirkung des Phöbus gedacht und als Wirkung der Sonne) ins hellenische Lager   33 Liebe Lesung fraglich  

N e m e s i s  . Neid . 105rHu D i k e das strenge Recht , (gegen das sittliche Recht in Athene) Jupiter frigidus

Po s e i d o n F ö b o s  .

(Lykischer A p o l l )

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105vHu γαια θέμις 107AKö

P r o m e t h e u s  . lehre opfern

106rHu Thiere essen

giebt Feuer

anonyme nachschrift königsberg · 1827

die mit der Sonne zusammenhängen . – Dieß ist das Allgemeine , wenn es auch bei den einzelnen Göttern nicht besonders bemerklich wäre . In den Eumeniden des Äschylos gehen die ersten Szenen vor vor dem Tempel Apolls . Da wird zur Verehrung aufgerufen  : Zuerst sei zu verehren die Orakelgeberin die γαια , das Naturprinzip  ; dann die θέμις , schon eine geistige Macht , – aber wie die δικη gehört sie zu den alten Göttern  ; dann kommt die N a c h t   ; dann | F ö b o s   – an die neuen Götter sei das Orakel übergegangen . – P i n d a r macht die Nacht zum Ersten . – Im Kreis der Dichtkunst , des Erzeugens dieser Lehren , ist dieß nicht historisch zu nehmen . – So ist auch das Geräusch , Säuseln der Blätter , aufgehängter Becken die erste Weise des Orakelgebens , bloß Naturlaute . Erst später erscheint eine Priesterinn , die in Lauten Orakel gibt  ; aber nach der Weise der Orakel nicht klare Laute von sich gibt . – Eben so sind die Musen zuerst Nymphen , Quellen , die Wellen , das Geräusch , Gemurmel der Bäche , – allenthalben Anfang von der natürlichen Weise , von Naturmächten , welche verwandelt werden in einen Gott geistigen Inhalts . – P r o m e t h e u s  , der auch zu den Titanen gerechnet wird , ist eine wichtige , intressante Figur . Prometheus hat den Menschen opfern gelehrt  : nicht den Menschen hätten die Thiere gehört , sondern einer geistigen Macht , d . h . sie haben kein Fleisch gegessen . Er habe dem Zeus das ganze Opfer genommen , 2 Figuren gemacht , Knochen und Beine mit Fleisch überzogen , und eine Figur von Fleisch . Zeus habe nach der ersten gegriVen .  – Opfern heißt ein Gastmahl halten , – und die Eingeweide , Knochen , bekommen die Götter . – Dieser Prometheus hat die Menschen gelehrt , daß sie zugriVen und die Thiere zu ihren Nahrungsmitteln machten  ; – dagegen es bei den Indiern , Ägyptern verpönt ist , Thiere zu schlachten . Das ist ein großer Schritt . – Diana nimmt sich heraus , Thiere zu jagen , als göttliche Macht . – Hierher gehören einzelne Mythen , die sich auf diesen Überschritt in Rücksicht auf das Verhältniß des Menschen zu den Thieren beziehen . – Es wird dankbar erwähnt , daß Prometheus den Menschen das Leben erleichtert , ihnen Feuer gegeben . Ohngeachtet dieß aber menschliche Verstandesmächte sind , gehört er doch zu den Titanen  : denn diese Künste beziehen sich nur auf die Bedürfnisse des Menschen , sind keine Gesetze , keine sittliche Gewalt . – In einer Vorstellung von Plato , wo er von Prometheus spricht , heißt es  : er habe das Feuer geholt aus der Akropolis  ; aber die πολιτεῖαν , das Sittliche unter den Menschen , habe sich Zeus vorbehalten . – Bei Äschylos sagt Prometheus  : er habe seinen Trotz , Trost , Satisfaxion darin , daß dem Zeus ein Sohn geboren werden würde , der ihn vom Throne würfe – 9 nehmen] Hu  : nehmen nur geistig   9–10 aufgehängter Becken] Hu  : durch Mettalne Stimme   16–17 den Menschen] Bo  : den Menschen das Feuer gegeben und sie   21 und die Eingeweide , Knochen] Hu  : das Fleisch assen die Menschen  ; die Knochen  

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Her­kules . – Eben so bei Aristofanes auf lustige Weise . Da sagt Bacchus  ; wenn Zeus mit Tod abgehe , komme e r auf den Thron . – H e r a k l e s ist der einzige Gott , der vorgestellt ist als Mensch , der unter die Götter versetzt worden . Damit ist gesagt , daß er die Herrschaft des Zeus erlangen werde , was als Profezeiung angesehen werden kann , die eingetroVen ist . – Die Mitte dieser Religion ist der Gedanke des Gottes in seiner konkreten Bestimmung .  – Die beiden anderen Momente sind die abstrakten Momente . Es ist eine Mehrheit von Göttern , | der Gehalt an und für sich der wahrhafte , der geistige , sittliche . Dieser Gehalt ist aber noch außereinanderfallend , noch viele Besonderheiten , und sie zusammen machen eine Einheit . – Zeus beherrscht sie auf hausväterliche , patriarchalische Weise , wo der Regent am Ende thut , was die Anderen auch wollen . – Die höhere absolute Einheit in Form absoluter Macht , steht über ihnen als ihre reine Macht . Diese Macht ist das S c h i c k s a l  , die einfache Nothwendigkeit . Diese Einheit ist ohne Inhalt , die leere Nothwendigkeit , die leere Macht , die unverstandne , begriV lose Macht , nicht weise  ; – die Weisheit fällt in den Götterkreis , enthält konkrete Bestimmungen , die in das Besondre , die einzelnen Götter fallen , – blinde Nothwendigkeit , die über Allen steht , auch über den Göttern , – unbegriVne , insofern trostlose Nothwendigkeit . – Das Abstrakte kann nicht begriVen werden . Begreifen heißt Etwas in seiner Wahrheit wissen . Das Schlechte , Abstrakte ist unbegreiflich , das Vernünftige ist begreiflich , weil es konkret in sich ist . Was das Verhältniß des endlichen Selbstbewußtseyns betriVt , so unterliegt Alles , Gott und Mensch , dieser Nothwendigkeit  ; es ist eine eiserne Macht – ein blindes Gehorchen ohne Freiheit . – Allein e i n e Form der Freiheit ist wenigstens auch von Seiten der Gesinnung vorhanden . Der Grieche , der die Gesinnung der Nothwendigkeit hat , beruhigt sich damit  : es ist so  ; da ist Nichts dagegen zu machen , – das muß ich mir gefallen lassen . – Darin liegt , daß es mir gefällt . So ist die Freiheit auch darin vorhanden , daß es das Meinige ist . – Diese Gesinnung enthält , daß der Mensch diese einfache Noth­wendig­keit vor sich hat . Indem er auf diesem Standpunkt steht  : »es ist so« , – hat er alles Besondre auf die Seite gesetzt , Verzicht geleistet auf , abstrahirt von allen besonderen Zwecken , Interessen . Die Verdrießlichkeit , Unzufriedenheit der Menschen ist eben , daß sie an einen bestimmten Zweck festhalten , diesen nicht aufgeben , und wenn es diesem nicht angemessen oder gar zuwider ist , sind sie unzufrieden . Da ist keine Übereinstimmung zwischen dem , was da ist , und dem , was man seyn will , weil sie das Sollen in sich haben  : »das soll seyn .« – So 14 S c h i c k s a l ] Bo  : Schicksal f a t u m   Hu  : Fatum Schicksal   34 wenn es … ist] Bo  : kein Frieden ist zwischen dem was sie wollen und was ist  

Herakles 13/7 Bo

106vHu b .) 108AKö

107rHu 71An

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C .) C .)  Ä u ß e r e ­E i n z e l n h e i t Z u f a l l  .

56Bo

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ist Entzweiung in sich , Unfriede , Unzufriedenheit vorhanden  ; aber auf diesem Standpunkt ist kein Zweck , kein Intresse festgehalten gegen die Verhältnisse , wie sie sich nun machen . Unglück , Unzufriedenheit ist nichts Andres als Widerspruch gegen das , was ich seyn will . Ist das besondre Intresse aufgegeben , so habe ich mich zurückgezogen in diese reine Ruhe , in dieses reine Seyn , in dieses »Ist« . – Da ist einerseits kein Trost für den Menschen vorhanden . Trost bedarf er , als er Ersatz für den Verlust verlangt . Hier hat er die innre Wurzel dessen , was er verloren , aufgegeben . Das ist die Seite der Freiheit  ; aber der abstrakten , | nicht konkreten Freiheit  ; die Freiheit , die nur steht über dem Konkreten , Besondern , aber nicht in wahrhafte Harmonie mit dem Bestimmten gesetzt ist  ; – reines Denken , Seyn , Insichseyn , das Aufgeben des Besondern . Die Noth­wendig­keit ist das eine Extrem . Zu dieser Allgemeinheit ist das andre Extrem , die äußerliche Einzelnheit . Diese tritt eben so für sich heraus , als jenes Abstrakte des Denkens , des Zurückgehens in sich . Heraus treten sie aus demselben Grunde , derselben allgemeinen Bestimmtheit , daß die Vernünftigkeit , der vernünftige Inhalt noch in Form der Unmittelbarkeit ist , – diese logische Bestimmung , von der die weiteren Bestimmungen abhängen . – Es ist noch nicht unendliche Subjektivität gesetzt . Da ist aufgehoben die äußerliche Einzelnheit . Ein Andres ist äußerliche Einzelnheit , ein Andres Subjektivität als in sich unendlich  : hier ist die Einzelnheit , weil eben noch nicht unendliche Subjektivität , äußerliche Einzelnheit , und auf diese Seite fällt der manchfache , zufällige Inhalt , der an den Göttern herumspielt . – Es tritt die Zufälligkeit des Inhalts in diesen Kreis von Göttern , zB . die 12 Haupt­götter des Olympos sind nicht durch den BegriV geordnet , machen kein System aus . Außerdem sind sie konkrete Geistigkeit , noch aber nicht absolute Subjektivität , damit individuelle Gestalten . – Als konkrete Geistigkeit haben sie nicht abstrakten Inhalt  : es ist nicht Eine Eigenschaft in ihnen , sondern mehrere als konkrete . Wäre es nur Eine Eigenschaft , so wären es Allegorien , nur als konkret Vorgestelltes , so , daß das Innre , die Bedeutung nur Eine Eigenschaft ist . Es ist subjektive Geistigkeit , aber noch nicht unendliche Subjektivität . – Das Naturelement tritt noch ein in diese Bestimmung des Konkreten , macht eine der Seiten des Gegensatzes aus  ; das Jahr , die Monateintheilung spielt herzu , und man hat die Götter zu Kalendergöttern gemacht , insofern solche Naturbestimmungen , Bestimmungen der Zeit herumspielen . – Ein andres Moment in dieser Zufälligkeit ist  : sogenannte Filosofeme und Solches , das in den Mysterien ursprünglich seinen Sitz hat . Die Mysterien verhalten sich zu der oVenbaren Religion der Griechen , wie die Naturelemente zum 37 oVen­baren] Bo  : öVent ­l ichen Hu  : oVen­barten  

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geistigen Gehalt  : es ist alte Religion  : wie die alten Götter nur Naturelemente vornehmlich sind , so ist der Inhalt der Mysterien ein solcher roher , den der Geist noch nicht durchdrungen . Dieß ist das an und für sich nothwendige Verhältniß , und auch das Geschichtliche . – Aber , wie man glaubte , besondre Tiefen der Religion seien in Indien zu Hause , so hier . – Die Mysterien enthalten Ahndungen , wo die Naturkräfte versucht sind , auf allgemeine Weise gefaßt zu werden . Aus diesem Alten spielt auch Einiges herein in diese konkrete Vorstellung der darüber erhobenen , geistigen Götter . – Im Indischen ist Entstehen und Vergehen als Inhalt aufgefaßt und als eine allgemeine Macht besonders gewußt worden . Indem dergleichen in den griechischen Kreis herübergehoben worden , finden sich noch Anklänge hieran . So , wo Zeus eine unendliche Menge von Liebschaf­ ten zugeschrieben wird , – wozu solche Mythen , die sich auf Naturverhältnisse , Naturkräfte bezogen , die Veranlassung gaben . – | Außerdem kommt in Betracht die Lokalität , wo anfing das Bewußtseyn eines Gottes , und die Heiterkeit der Griechen . Dieß Moment der Produxion hat eine Menge anmuthiger Geschichten erfinden können . Die andre Seite vom Inhalt ist die S e i t e d e s E r s c h e i n e n s  , d e r G e s t a l t  . Auf dieser Stufe ist das Schöne überhaupt herrschend . – Der Gott erscheint . Diese Mächte , diese absoluten , sittlichen , geistigen Bestimmungen , werden gewußt , sind für das empirische Selbstbewußtseyn . So sind sie für Andres , und die nähre Art , wie sie für ihr Andres , das subjektive Selbstbewußtseyn sind , soll uns jetzt beschäftigen . Das Eine ist , daß dieser Inhalt sich oVenbart im Innern , im Geist sich hervorthut  ; aber dieser sittliche , wahrhafte Inhalt kann sich nur oVenbaren in einem Geiste , der selbst an sich ist zu dieser geistigen Freiheit erhoben . Diese allgemeinen Bestimmungen kommen zum Bewußtseyn , manifestiren , oVenbaren sich innerlich . – Das Andre ist , indem diese Stufe nur die Stufe der ersten Freiheit , Vernünftigkeit , ist , daß dieß , was eine Macht im Geiste ist , als äußerliche Weise erscheint . Das ist die natürliche Seite , mit der dieser Standpunkt noch behaftet ist . Diese ganz äußerliche Seite ist das Rauschen der Bäume , die Stille des Waldes , worin Pa n ist , die Erscheinungen in der Natur , die als Höheres genommen werden . Dieß Erscheinen betriVt nur die erste Ankündigung für das Bewußtseyn , für welches

2 so ist … roher] Hu  : sie sind der älteste Cultus der rohe natürliche Cultus   20 empirische Selbst35 bewußtseyn] Hu  : empirische endliche Selbstbewustseyn   25–27 Diese allgemeinen … innerlich .]

Bo  : Dieser Inhalt oVen­bart sich dem Bewustseyn als an und für sich existirender im Bewustseyn .   31 der Bäume] Bo  : der Bäume zu Dodona   32 Erscheinungen] Hu  : äusserlichen Erscheinungen   33 Ankündigung] BoHu  : Manifestation  

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B .) G e s t a l t  . ­Erscheinen  .

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diese Bestimmungen sind . Diese Gewalten , Gesetze sind , und man weiß nicht , von wannen es kam , – es ist ewig , oder es ist ein Äußerliches , Donner und Blitz . Das Andre zu diesem Unmittelbaren , diesem Seyn , daß es innerlich i s t  , oder äußerlich , ist das Auffassen dieses zunächst Abstrakten . Das ist Sache des Selbst­ bewußtseyns  ; das Organ , womit das Selbstbewußtseyn dieß Seiende oder substanziell Wesenhafte auffaßt , ist die F a n t a s i e  , welche dieß zunächst Abstrakte , innerlich Seiende oder äußerlich bildet , produzirt zu dem , was als Gott gilt . – Es ist die Erklärung , es vorstellig zu machen , Vorstelligkeit für das Bewußtseyn zu geben von einem Göttlichen . Die Bestimmung dieser Fantasie sahen wir  : weil dieser Inhalt noch diese Endlichkeit an ihm hat , unmittelbare Vernünftigkeit zu seyn , damit sich als Besondres darzustellen , der noch nicht in unendlicher Subjektivität ist , – so hat er die Endlichkeit an sich , ist mit der natürlichen Seite behaftet . – Die Fantasie ist , das innerlich Abstrakte oder das Äußerliche , das erst ein unmittelbar Seiendes ist , dieses beides zu gestalten , als Konkretes zu setzen , wovon das Eine das Geistige , das Andre das Natürliche ist , so , daß das äußerliche Seyn nicht mehr selbständig ist , sondern herabgesetzt , nur Zeichen zu seyn vom inwohnenden Geist , nur diesen an sich erscheinen zu machen . – Sie sind von menschlicher Fantasie gemacht , oder plastische Gottheiten , von Menschenhänden gebildet  : sie entstehen so auf endliche Weise , vom Dichter , von der Muse produzirt zu seyn . Diese Endlichkeit haben sie , weil sie ihrem Gehalt nach zugleich endlich sind , die Endlichkeit haben , das Auseinanderfallen , die Besonderheit der geistigen Mächte . – Diese Endlichkeit des Inhalts hat die Bestimmung , Folge , daß sie entstehen | als Produkte der Menschen . – Weder ist hier das Göttliche mit dem reinen Denken gefaßt , noch im reinen Geist  : es ist Wahrheit in dieser Vernünftigkeit , daß dieses nur ein das Geistige Manifestirendes ist . – Es wird auch nicht aufgefaßt mit äußerlichem Verstande , abstrakten Kategorien des Verstandes . Diese machen die Prosa aus . Diese Götter haben Menschen erfunden , nicht ihren an und für sich vernünftigen Inhalt , aber sie , wie sie Götter sind . – Herodot sagt  : Homer und Hesiod haben den Griechen ihre Götter gemacht , – jeder Priester , alte erfahrene Mann . – Wie die Griechen das Rauschen des Meeres hörten bei der Leiche des Achill , ist Nestor aufgetreten  : das sei Thetis , die Theil nehme – So Kalchas bei der Pest sagt  : daß Apollo , erzürnt über die Griechen , es gethan . – Diese Auslegung heißt

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2 Donner] An  : herabfallende Steine , Donner   13–14 das Äußerliche , … beides] Hu  : das blos natürliche z . B . das Donnern rauschen   14 unmittelbar Seiendes] Bo  : abstract bestimmendes   17 35 nur diesen … machen] Hu  : ist zum OVen­barer des Geistes   17–18 von menschlicher Fantasie gemacht] Bo  : Producte der Menschen   23 entstehen als … Menschen] Hu  : auf endliche Weise entstehen  24 im reinen Geist] Hu  : im reinen Geiste wird Gott noch nicht angebethet  



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eben  : es gestalten , die Gestalt des Thuns eines Gottes geben . – Eben so dem Innern  : Pallas hemmt den Achill . Diese innre Besonnenheit , Hemmung des Zorns , spricht der Dichter als Pallas aus . – Wir erklären ganz anders . Hier ist das Erklären , dieß für das Bewußtseyn vorstellig zu machen . Dieß geschieht , indem eine Gestalt gegeben wird , die ein Bild ist , von der Fantasie produzirt , und für die Fantasie . Wenn es Gestalt haben muß , so kann es keine seyn , als die menschliche . Das ist die Gestalt des Geistes , der Daseyn hat . Insofern er natürliches , sinnliches Daseyn hat , ist dieß die einzige Weise , in der er sie hat . Aber nicht , daß der Geist ein Sinnliches , Materielles ist , sondern die Weise seiner Unmittelbarkeit , Realität , sein Seyn für Andres , sein Angeschautwerden , ist in menschlicher ­Gestalt . – Dieß hat man den Griechen übel genommen . Ein alter Filosof sagt  : wenn die Löwen Götter hätten , sie hätten sie sich als Löwen vorgestellt . – Es ist nicht , weil das ihre Gestalt sei , als ob damit die Sache erschöpft wäre , sondern sie thun Recht daran , weil dieß die einzige Gestalt ist , in der der Geist existirt . – Das ist nicht ein Zufälliges . In der Seelenwandrung nimmt man an , wie Aristoteles bezeichnet hat , daß die Seele des Menschen und die Organisazion seiner Leiblichkeit zufällig gesetzt sei . – Die Organisazion des Menschen ist nur die Gestalt des Geistigen . – Das sind die Hauptmomente , der allgemeine Charakter , Gott in dieser Bestimmtheit zu wissen . Das Zwe i t e hiezu ist der K u l t u s  ,  – etwas sehr Weitschichtiges . Der Kultus ist nach seiner Bestimmung , daß das empirische Bewußtseyn sich erhebt , sich das Bewußtseyn , Gefühl gibt der Einwohnung des Göttlichen in ihm , seiner Einheit mit dem Göttlichen . Der allgemeine Charakter dieses Kultus ist , daß das Subjekt ein wesentlich affirmatives Verhältniß zu seinem Gott hat . – Es gehört zum Kultus das Anerkennen , die Verehrung dieser substanziellen Mächte , des wesentlichen Gehalts des natürlichen und geistigen Universum , – dieselben entnommen der Zufälligkeit , wie diese wesentlich geltenden geistigen Mächte im empirischen Bewußtseyn vorhanden sind . – Diese Mächte aber sind zugleich das eigne Sittliche des Menschen , die Vernunft der Freiheit , die sittlichen Bestimmungen des Menschen . Darin liegt es , daß er dem Inhalt nach dieses affirmative Verhältniß zu seinen Göttern hat  : dieß Substanzielle , das als Gott verehrt wird , ist zugleich die eigne Wesentlichkeit | des Menschen . – Pallas , die die Ausbrüche des Zorns bei Achill zurückhält , ist seine eigne Gewohnheit . – Athene ist der Geist dieses Volks , nicht ein äußerlicher Geist , Schutzgeist , sondern der

… Geistigen .] Hu  : Diesen Zusammenhang der menschlichen Gestalt mit dem Geistigen darzuthun , gehört dem Gebiete der Physiologie , der Naturphilosophie an , und ist ein schwieriger , in der That noch zu wenig erörterter Punkt .   17 Gestalt] Hu  : Organisation   34 nicht ein äußerlicher Geist , Schutzgeist] Hu  : nicht Göttin der Stadt  

35 17–18 Die Organisazion

110rHu

B .) B .) K u l t u s  . 73An} a .) 57 Bo 16/7 Bo G e h a l t  .

112 AKö 110vHu

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b) Nothwend ig keit 111rHu α .)

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l­ebendige , g­ egenwärtige , wirklich im Volk lebende , dem Individuo immanente Geist , der als Pallas vorgestellt wird nach seinem Wesentlichen . – Die ­E r i n n ye n sind nicht die Furien äußerlich vorgestellt , sondern es ist die eigne That des Menschen und das Bewußtseyn , was ihn plagt , peinigt , insofern er diese That als Böses in ihm weiß . Sie sind die Gerechten und eben darum die Wohlmeinenden , E u m e n i d e n  . Das ist nicht ein Eufemismus , sondern sie sind , die das Recht wollen , und , wer es verletzt , hat die Eumeniden in ihm selbst  : es ist das , was wir G e w i s s e n nennen . – In Ödipos Kolonos sagt Ödip zu seinem Sohn  : die Eumenide des Vaters wird dich verfolgen .  – E r o s  , die Liebe , als Macht , ist die subjektive Empfindung des Menschen . So ist der Mensch im Anerkennen des Subjektiven zugleich bei sich selbst  ; so ist er frei . Da ist nicht dieß negative Verhältniß , wo das Verhältniß des Subjekts , wenn es das Höchste ist , nur diese Aufopferung , Negazion ist seines Bewußtseyns . – Das Subjekt ist in diesem Kultus frei . Das macht seine Heiterkeit aus . In diesem Kultus wird dem Gott Ehre angethan , aber diese Ehre wird zur eignen , daß der Mensch eben das Bewußtseyn seines affirmativen Verhältnisses , seiner Einheit mit dem Göttlichen an ihm selbst zeigt , daß es sich im Menschen geltend macht  : Der Mensch feiert da seine eigne Subjektivität . – Insofern aber der Gott nur eine äußerliche , natürliche Seite hat , so hat diese Vereinung weitre Modifikationen . – Bacchus und Demeter , Wein und Brod , sind dem Menschen äußerlich . Die Art , sich identisch damit zu machen , ist , sie zu verzehren , sie sich zu assimiliren . – Dieses Einzelne , die Gaben der Götter , bleiben doch zugleich außer dieser Naturmacht . – Diese Naturkräfte , Produktivitäten sind ferner auch geistige Wesenheiten  : Bacchus und Zeres sind die mystischen Gottheiten . Zeres ist Stifterin des Ackerbaus , Eigen­thums , der Ehe . Überhaupt sind beide die Vorsteher der Mysterien . – An den Festen , wo der Gott geehrt wird , zeigt der Mensch sich selbst , er läßt an ihm selbst das Göttliche sehen , in seiner Fröhlichkeit , Heiterkeit , im Aufzeigen seiner Geschicklichkeit . Am Feste der Pallas war ein großer Aufzug . Diese Pallas ist das Volk selbst . Das Volk ist der belebte Geist selbst , diese Athene , die ihrer selbst genießt . – Außer dem Inhalt , diesem Mittelpunkt der Götter , sahen wir auch die Extreme der Noth­wendig­keit und Zufälligkeit . Zunächst tritt auch ein Verhältniß ein zu der N o t h­w e n d i g ­k e i t  . Die Gesinnung der Noth­wendig­keit ist diese Ruhe , die sich in der Stille hält , in dieser Freiheit , die aber noch eine abstrakte ist . Inso10 der Mensch] Hu  : Der Grieche   11–12 dieß negative Verhältniß] Bo , ähnlich Hu  : die negative Seite wie bey den Indiern   28–29 im Aufzeigen seiner Geschicklichkeit] Hu  : | Die Productionen der Kunst , gehören auch zu diesen Festen .  

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fern ist es eine Flucht  ; aber es ist zugleich die Freiheit , insofern der Mensch vom äußerlichen Unglück nicht überwunden , gebeugt wird . Wer dieß Bewußtseyn der Unabhängigkeit hat , ist äußerlich wohl unterlegen , aber nicht besiegt , überwun­ den . β .) Außer diesem Verhältniß zur einfachen Nothwendigkeit ist im Bewußtseyn des Göttlichen und seiner Beziehung auf den Menschen , und umgekehrt , eine andre Seite , diese  : daß auch vom Göttlichen gewußt wird , daß es Theil hat am Loos des Endlichen , an der abstrakten Nothwendigkeit des Endlichen . – Zur abstrakten des Endlichen gehört der Tod , die natürliche Negazion des Endlichen . Die Endlichkeit , wie sie am Göttlichen erscheint , ist die Untergeordnetheit der sittlichen Mächte  : weil sie besondre sind , haben sie an ihnen die Vergänglichkeit , einseitig zu seyn und das Loos der Einseitigkeit zu erfahren . – Dieß ist das Bewußtseyn , das vornehmlich in Tragödien vorgestellt , zur Anschauung gebracht worden , – die Nothwendigkeit , als eine sich erfüllende , Gehalt , Inhalt habende . – Der eine Theil , der C h o r  , ist dem tragischen Schicksal entnommen  : er bleibt im | gewöhnlichen Gange der sittlichen Ordnung , im gewöhnlichen Lebenskreise beschränkt , erregt nicht das Sittliche selbst zu einer feindlichen Macht gegen sich . – β .) Die H e r o e n dagegen sind , die eigenthümlich wollen und handeln  ; sie stehen über dem Chor , dem ruhigen , stetigen , unentzweiten sittlichen Verlauf . Die Heroen handeln , bringen Ordnung hervor , und so , daß eine Entzweiung eintritt , und die höhere , eigentlich interessante Entzweiung für den Geist ist , daß es die sittlichen Mächte selbst sind , die als entzweit , in Kollision gerathend erscheinen . – Die Auflösung dieser Kollision ist , daß die sittlichen Mächte , die nach ihrer Einseitigkeit in Kollision sind , sich der Einseitigkeit des selbständigen Gottes abthun , – und die Erscheinung dieses Abthuns der Einseitigkeit ist , daß die Individuen , die sich zur Verwirklichung einer einzelnen sittlichen Macht aufgeworfen haben , zu Grunde gehen . – In dem absoluten Exempel der Tragödie , der Antigone , kommt die Familienliebe , das Heilige , Innre , der Empfindung Angehörige , weshalb es auch das Gesetz der unteren Götter heißt , mit dem Recht des Staats in Kollision . – Kreon ist nicht ein Tyrann , sondern das ebenso eine sittliche Macht ist , Kreon hat nicht Unrecht  : er behauptet , daß das Gesetz des Staats , die Autorität der Regierung geachtet werde , und Strafe aus der Verletzung folgt .  – Jede dieser beiden Seiten verwirklicht nur die eine derselben , hat nur die eine derselben zum Inhalt . Das ist die Einseitigkeit , und der Sinn der ewigen Gerechtigkeit ist , daß Beide Unrecht erlangen , weil sie einseitig sind , aber damit auch Beide Recht  : Beide werden als geltend anerkannt im ungetrübten Gange der Sittlichkeit  ; hier haben sie Beide ihr Gelten , aber ihr ausgeglichenes 24 Gottes] Hu  : Denkens   27 Innre] Hu  : Sittliche   32 Jede dieser beiden Seiten] Hu  : Beyde sind diese hohen sittlichen Mächte und sind die Colision . Jeder  

β .)

α 113AKö β .)

111vHu

Antigone .

148 112rHu 74An

Orest .

114AKö Ödipos Kolonos .

c .) Z u f ä l l i g k e i t  . 112vHu

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Gelten . Es ist nur die Einseitigkeit , gegen die die Gerechtigkeit auftritt . – Der Schluß der Tragödie ist die Versöhnung , die vernünftige Nothwendigkeit , die Nothwendigkeit , die hier anfängt , sich zu erfüllen  ; es ist die Gerechtigkeit , die auf solche Weise befriedigt wird  ; aber es bleibt unbefriedigte Trauer darin . – Die höhere Versöhnung wäre , daß im Subjekt die Gesinnung der Einseitigkeit auf­ gehoben würde , – das Bewußtseyn seines Unrechts , und daß es sich in seinem Gemüthe seines Unrechts abthut . Diese seine Schuld , Einseitigkeit zu erkennen , und sich derselben abzuthun ist aber nicht in dieser Sfäre einheimisch . Dieß Höhere macht überflüssig die äußere Bestrafung , den natürlichen Tod . – Anfänge , Anklänge dieser Versöhnung treten allerdings auch ein  ; aber diese innre Umkehrung erscheint doch mehr als äußerliche Reinigung . – Ein Sohn des Minos war in Athen erschlagen worden , – deswegen Reinigung  ; diese That ist für ungeschehen erklärt worden . Es ist der Geist , der das Geschehene ungeschehen machen will . – Orest in den Eumeniden wird losgesprochen vom Areopag . Hier ist einerseits der höchste Frevel gegen die Pietät  ; auf der andern Seite hat er seinem Vater Recht verschaVt . Er war Oberhaupt der Familie und auch des Staats . In Einer Handlung hat er gefrevelt , und ebenso vollkommne , wesentliche Nothwendigkeit ausgeübt . Lossprechen heißt eben dieß  : Etwas ungeschehen machen . –| Ödippos Kolonus spielt an die Versöhnung , und näher an die christliche Vorstellung der Versöhnung an  : er kommt bei den Göttern zu Ehren , die Götter berufen ihn zu sich . – Heut zu Tage fordern wir mehr , weil die Vorstellung der Versöhnung bei uns höher ist , – das Bewußtseyn , daß im Innern diese Umkehrung geschehen kann , ­wodurch das Geschehene ungeschehen gemacht wird . – Der Mensch der sich bekehrt , seine Einseitigkeit aufgibt , hat sie ausgerottet in sich , seinem Willen , wo die bleibende Stätte , der Platz der That wäre , d . i . in ihrer Wurzel die That vernichtet . Es ist unserm Gefühl entsprechender , daß die Tragödien Ausgänge haben , die versöhnend sind . – Das ist das Verhältniß zur Noth­wendig­keit  .  – Das Andre ist das Verhältniß zum andern Extrem , zur Einzelnheit , die wir auch an diesem göttlichen Wesen selbst herumspielen sehen , – am Menschen vorhanden ist , und zur Frage kommt . Dieser Einzelne ist zufällige Subjektivität , und der Mensch auf der Stufe dieser Religion ist noch nicht frei , noch nicht allgemeines Selbstbewußtseyn , – wohl Selbstbewußtseyn der Sittlichkeit , aber der Substanz überhaupt , und die sittliche Substanz ist noch nicht die in sich allgemeine Subjektivität . – Das , was der Mensch zu thun hat , in Ansehung des 2 die vernünftige Nothwendigkeit] Hu  : Nicht blinde Nothwendigkeit . Das Individuum geht äusserlich zu Grunde   14–15 Hier ist … Pietät] Hu  : es ist auch eine Collision , er hat seyne Mutter ge­thödet höchste Unpietät   15 Seite] Hu  : Seyte als Mitbürger des Staates   18 Lossprechen heißt

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Zufälligen , fällt außerhalb der sittlichen Pflicht . Dieß Zufällige , weil Gott noch nicht als absolute Subjektivität bestimmt ist , ist noch nicht in die Hand einer Vorsehung gelegt , sondern in die des Schicksals . Damit weiß sich der Mensch nicht als frei , er ist nicht die entschließende Subjektivität . – Damit hängt zusammen , daß er die Entschließung von Außen her sich geben läßt . Daher fällt diese Seite der Religion , welche die O r a k e l heißt . – Diese Orakel haben einen natürlichen Anfang , sind äußerliche Bestimmungen für den Menschen . und die Manifestazion ist irgend eine äußere natürliche Veränderung , Geräusch durch Säuseln der Blätter , Töne . – Bei Orakeln wurden keine artikulirte Antworten gegeben . In Delfi war es der Wind , der aus der Schlucht hervorging , ein Sausen hervorbrachte . – Anderseits sind es Geschichte , das Befragen der Opfer­thiere  , zufällige Äußerlichkeiten , die einen zufälligen , natürlichen Anfang haben , oder Äußerlichkeiten als solche sind , die der Mensch braucht , um entschlossen zu seyn . – Der freie Grieche ist nicht frei , wie wir , im Selbstbewußtseyn , bei Reisen , Häuserbauen et . c . Der Feldherr , der eine Schlacht liefern will , der Staat , der eine Kolonie ausschickt , – diese Demokratie hatte noch nicht diese Kraft , Energie des Selbstbewußtseyns , daß das Volk sich bestimmt , entschließt . – Der Geist , die Vernunft ist der Inhalt , aber die Vernunft noch als Substanz ihrem Inhalte nach  ; – deshalb sind die Besondrungen auseinanderfallend . Der Form nach ist es die geistige , die menschliche Gestalt , die das Natürliche an ihm hat , so daß es nur Ausdruck des Geistes , nicht mehr ein Selbständiges sey . – | Die a n d r e R e l i g i o n  , die in diese Sfäre gehört , ist d i e R e l i g i o n d e r E r h a b e n h e i t  . Das Gemeinsame ist eben diese Idealität des Natürlichen , daß es dem Geistigen unterworfen wird , daß der Geist gewußt wird als Geist für sich , zunächst als Geist , dessen Bestimmungen vernünftig , sittlich sind . Aber dieser Gott hat noch einen besondern Inhalt , oder er ist n u r eine sittliche Macht , und seine Er­scheinung war die der Schönheit  ; aber diese ist im natürlichen Material , im Boden des sinnlichen , äußerlichen StoVs oder der sinnlichen Vorstellung . Der Boden ist nicht der reine Gedanke . – Die Nothwendigkeit dieser Erhebung zur Religion der Erhabenheit liegt im Gesagten , daß die besonderen geistigen

Orakel .

115AKö 2 .)  2 .) R e l i g i o n der Erhaben heit der Juden

… machen .] Hu  : Dies Lossprechen ist Vereinigung dieser Einseytigkeiten .   8–9 Geräusch durch … Töne] Hu  : Tonen der Mettalle , Rauschen der Bäume , Sausen des Windes   18 Der Geist , die Vernunft] Hu  : Das sind die Hauptmomente der Religion der Schönheit . | Vernunft   21 sey .] Bo 35 schließt an  : Die Endlichkeit dieser Religion ist nach den verschiedenen Seiten bemerkbar gemacht

worden .   24 Gemeinsame] Bo  : Gemeinsame mit dem vorigen   30–31 dieser Erhebung … Erhabenheit] Hu  : des Uebergangs von Griechenland zu jener Religion   30 Erhebung] Bo  : Erhebung 1 Geschichte lies Gesichte  ; so auch An  

113rHu

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113vHu

Subjekt ive ­E i n h e i t  . 75An A b s o l u t e M a c h t  .

konkret in sich bestimmt  : d ie absolute We i s h e i t  . H e i l i g k e i t  .

114rHu

116AKö 17/7 Bo

A .) A .) E i n h e i t ­G o t t e s   : Gott ist  : E i n e r  , die E i n e  , ­a llgemeine ­Subjektivität  .

anonyme nachschrift königsberg · 1827

Mächte , die sittlichen zusammen gefaßt werden aus der Besonderheit in Eine geistige Einheit . – Die Wahrheit des Besondern ist die allgemeine Einheit , die Subjektivität ist , – konkret in sich , sofern sie das Besondre in sich hat , aber so das Besondre in sich hat , daß sie wesentlich als Subjektivität ist . – Für diese Vernünftigkeit , die als Subjektivität ist , und zwar ihrem Inhalte nach als allgemeine Subjektivität , ihrer Form nach frei ,  – für die reine Subjektivität ist der Boden der reine Gedanke . Diese reine Subjektivität ist dem Natürlichen entnommen , damit dem Sinnlichen , es sei in äußerlicher Sinnlichkeit oder die sinnliche Vorstellung . Es ist die g e i s t i g e s u b j e k t i ve E i n h e i t  , und diese verdient erst für uns den Namen »Gott« . – Diese subjektive Einheit ist nicht die Substanz , sondern die subjektive Einheit  ; sie ist die a b s o l u t e M a c h t  ,  – das Natürliche nur ein Gesetztes , Ideelles , nicht Selbständiges . Erscheinend ist sie nicht im natürlichen Material , sondern im ­Gedanken  : der Gedanke ist die Weise ihres Daseyns , Erscheinens . Absolute Macht ist auch im Indischen  ; aber die Hauptsache ist , daß sie konkret in sich bestimmt sei . So ist sie die a b s o l u t e We i s h e i t  . Die vernünftigen Bestimmungen der Freiheit , die sittlichen Bestimmungen , vereint in Einer Bestimmung , Einen Zweck , Eine Bestimmung dieser Subjektivität , – ist die H e i l i g­k e i t  . Die Sittlichkeit bestimmt sich so als Heiligkeit . – Die höhere Wahrheit der Subjektivität Gottes ist nicht nur eine schöne , – wo der Gehalt , der absolute Inhalt noch in Besonderheiten aus einander gelegt ist , – ein Verhältniß , wie vom Thier zu Mensch  : die Thiere haben besondre Charaktere , der Charakter der Allgemeinheit ist der menschliche . Sittliche Vernünftigkeit der Freiheit , und die für sich selbst seiende Einheit dieser Vernünftigkeit ist die wahrhafte Subjektivität , sich in sich bestimmende Subjektivität . – | Das ist die Weisheit und Heiligkeit . Der Inhalt der griechischen Götter , die sittlichen Mächte , sind nicht heilig , weil sie noch besondere , beschränkte sind . – Die näheren Bestimmungen sind  : Das Absolute , Gott , ist hiemit bestimmt als die E i n e Subjektivität , reine Subjektivität , eben damit in sich Allgemeine Subjektivität  ; oder umgekehrt  : diese Subjektivität , die in sich die allgemeine ist , ist schlechthin nur E i n e  .  – Es ist die E i n h e i t Gottes , daß das Bewußtseyn von Gott als Einem ist , von unendlicher Wichtigkeit . – Es ist nicht darum zu thun , daß an sich die Einheit

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von der Religion der Schönheit   4 Subjektivität] Hu  : reine Subiectivität   6 allgemeine Subjektivität] Bo  : allgemeine freye Subjectivität   12–13 ein Gesetztes , … Selbständiges] Hu  : Schein   15 35 Absolute Macht … ist] Hu  : Diese absolute Macht haben wir schon öVter gesehen , der Unterschied ist   27 noch besondere , beschränkte] Bo  : einander fremde  31 allgemeine] Bo  : allgemeine und reine  



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ii.  die bestimmte religion151

aufgezeigt werde , daß die Einheit zu Grunde liege , wie in der indischen und chinesischen Religion  ; – aber da ist Gott nicht als unendliche Subjektivität gesetzt , – wenn seine Einheit nur an sich ist , und sie wird nicht gewußt , ist nicht für’s Be­w ußtsein , als Subjektivität . – Diese Einheit Gottes enthält in sich Eine , damit absolute Macht , und in dieser ist alle Äußerlichkeit , sinnliche Gestaltung , Bild , aufgehoben . Gott ist hier gestaltlos , nicht nach äußerlicher , sinnlicher Gestalt  ; bildlos , nicht für die sinnliche Vorstellung  ; sondern er ist nur für den Gedanken . – Die in sich unendliche , reine Subjektivität ist die Subjektivität , die wesentlich denkend ist . Als denkend ist sie nur für das Denken , in ihrem Ur­theil . – Das Denken ist der wesentliche Boden für diesen Gegenstand . – Das Zw e i t e ist die B e s t i m m u n g d e r g ö t t l i c h e n B e s o n d e r u n g  , des göttlichen Ur­theils . Gott ist die We i s h e i t  , darin ist enthalten sein SichBestimmen , sein Ur­thei­len  ; näher damit sein ErschaVen . Die Weisheit ist , daß Zweck in ihr , sie bestimmend ist . – Aber diese Subjektivität ist zunächst nur abstrakt , es ist die erste Subjektivität , Weisheit  ; darum ist sie noch abstrakt  : darum die Besonderung Gottes noch nicht gesetzt als in ihm selbst , sondern das Ur­theil ist so , daß er setzt , und dieß Gesetzte , Bestimmte , ist zunächst in Form eines unmittelbar Andern . – Wenn die Weisheit nicht abstrakt wäre  ; (insofern sie konkret ist , ist Gott das Selbstbestimmen seiner so , daß Gott sich in sich selbst schaVt , und das ErschaVen in sich erhält , so daß es gewußt wird als in ihm selbst enthalten bleibend , als sein Sohn  ; –) so würde Gott , als konkreter Gott , wahrhaft als Geist gewußt . Da die Weisheit also abstrakt ist , ist das Ur­theil , das Gesetzte ein Seiendes , aber auch nur als Form  : dieß ist d i e s e i e n d e We l t  . Gott ist S c h ö p f e r der Welt . Sie ist ein Unmittelbares , aber so , daß dieß Unmittelbare nur ein Vermitteltes ist , die Welt nur Geschöpf . – Das S c h a f f e n Gottes ist sehr unterschieden vom H e r vo r g e h e n  , daß die Welt hervorging aus Gott . Aus Brama gehen | die Götter hervor . In den Kosmogonien der Griechen sind die höchsten , geistigen Götter zuletzt hervorgegangen  : die letzten . – Dieses Hervorgehen ist nicht das Verhältniß des GeschaVenen . Das Hervorgegangne ist das Existirende , Wirkliche so , daß der Grund , aus dem es hervorging , als das Aufgehobne , Unwesentliche gesetzt ist , das Hervorgegangne nicht als Geschöpf , sondern als Selbständiges , nicht als Solches , das nicht in ihm selbständig ist  : es i s t wohl , hat Seyn , aber nicht Selbständigkeit . –

1–2 wie in … Religion] Hu  : Man kan sie wohl schon in Griechenland zeigen   3 an sich] Hu  : an sich als Grund   17 die Besonderung] BoHu  : das Ur­theil   28–29 die Götter] Bo  : die Welten  

Gott ist gestaltlos  ; bildlos  ; n u r f ü r d a s   D e n k e n  .

114vHu B .) B .) B e s o n d e r u n g G o t t e s  . Gott ist  : die ­W e i s h e i t   ; abstrakt  : 58Bo

a .) Gott ist  : S c h ö p f e r der seienden We l t  . 115rHu 117AKö

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Gott ist d a s ­a b s o l u t  E r s t e  . –

115vHu b .) 76An b .)  E i g e n s ch a f t e n G o t t e s .

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anonyme nachschrift königsberg · 1827

Gott ist gegen die Welt , die Totalität seines Bestimmtseins , seiner Negazion , die Totalität des unmittelbaren Seyns – das Vorausgesetzte , das Subjekt , welches absolut Erstes bleibt . – Hier ist die Grundbestimmung Gottes , s i c h a u f s i c h b e z i e h e n d e S u b j e k t i v i t ä t   ; als in sich seiende , bleibende Subjektivität ist sie die erste . – Die geistigen Götter sind bei den Griechen die letzten im Hervor­ gehen . Dieß Hervorgegangenseyn der griechischen Götter , die das Geistige sind , gehört zu ihrer Endlichkeit . Das ist ihre Bedingtheit , wonach sie ihre Natur voraussetzen , wie beim endlichen Geist die Natur vorausgesetzt ist . – Diese Sub­ jektivität aber ist das absolut Erste , Anfangende , die Bedingtheit aufgehoben  ; aber nur das Anfangende  ; nicht so , daß diese Subjektivität auch als Resultat bestimmt wäre . Wäre sie als Resultat bestimmt , als sich erschaVend , so wäre sie als konkreter Geist bestimmt . Wäre das vom absoluten Subjekt ErschaVne es selbst , so wäre in diesem Unterschied der Unterschied ebenso aufgehoben ,  – das letzte Subjekt wäre das Erste , das sich Resultirende . Diese Bestimmung haben wir noch nicht  ; nur diese , daß dieß absolute Subjekt das schlechthin Anfangende , Erste ist . – Das sind diese Grundbestimmungen des BegriVs , als solchen . – Das Zweite sind die Bestimmungen Gottes in Beziehung auf die Welt , Geschöpfe , – dieß was »E i g e n s c h a f t e n G o t t e s « heißt . Diese sind seine Bestimmtheit , – d . h . indem wir so die Besondrung Gottes sahen , das sich Bestimmen Gottes , und dieß sich Bestimmen Gottes sahen als ErschaVen der Welt , das Bestimmte als seiende Welt  ; so ist damit gesetzt eine Beziehung Gottes auf die Welt , oder die Eigenschaften sind das Bestimmte selbst , aber gewußt im BegriV Gottes . – Das Eine , ist das Bestimmte , gewußt als s e i e n d  , als nicht gehörend in Gott  ; – das Andre ist Bestimmtseyn Gottes als B e s t i m m t h e i t G o t t e s  . Das sind , was man Beziehungen Gottes auf die Welt heißt , – und es ist ein schlechter Ausdruck , daß wir nur von dieser Beziehung Gottes auf die Welt wissen . Aber das ist seine eigne Bestimmtheit , damit seine eigne Eigenschaften .  – Schon nach der sinnlichen Vorstellung ist Etwas , und | Etwas ist für sich  ; da­ von sind unterschieden seine Beziehung auf Andres , seine Eigenschaften  ; aber diese machen eben seine eigenthümliche Natur aus . Die Art der Beziehung des Menschen auf die Andern , das ist seine Natur . Die Säure ist Nichts , als diese Art und Weise der Beziehung der Säure auf die Basis  ; das ist die Natur der Säure selbst  ; Erkennt man die Beziehung eines Gegenstandes , so erkennt man die Natur des Gegenstandes selbst . – Das sind schlechte Unterschiede , die sogleich zusam­ menfallen , als Produkt eines Verstandes , der sie nicht kennt , nicht weiß , was er hat an diesen Unterschieden . – Diese Bestimmtheit als Äußres , Unmittelbares , 2 das Subjekt] Bo  : das absolute Subjekt   9 die Bedingtheit] Bo  : diese Endlichkeit   13–14 das letzte … Erste] Hu  : Das erste Subiekt wäre zugleich auch das Lezte .  

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als Bestimmtheit Gottes selbst ist seine absolute Macht , die Weisheit ist , deren nähere Momente die Güte und Gerechtigkeit sind . – Die G ü t e ist , daß die Welt ist – das Seyn kommt ihr nicht zu , das Seyn , das wahrhaft Wirkliche ist nur Gott  ; das Seyn außereinander , außer Gott , da sind keine Ansprüche – diese Entäußerung seiner , daß er sich von sich selbst entläßt , seinen Inhalt auch frei läßt , diese Bestimmtheit von der absoluten Subjektivität . – Gott kann nur im wahrhaften Sinne Schöpfer seyn als unendliche Subjektivität . So ist er frei , so kann seine Bestimmtheit , sein sich selbst Bestimmen frei entlassen werden  ; nur das Freie kann seine Bestimmungen als Freies sich gegenüber haben , als Freies entlassen . – Dieses Auseinandergehen , dessen Totalität die Welt ist , – dieses Seyn ist die Güte . – Die Manifestation der Nichtigkeit , Idealität dieses Endlichen , daß das Seyn nicht wahrhafte Selbständigkeit ist , – diese Manifestazion als Macht , ist die G e r e c h t i g k e i t  . Darin wird den endlichen Dingen ihr Recht angethan . – Güte und Gerechtigkeit sind nicht Momente der Substanz  ; in der Substanz sind diese Bestimmungen als seiend , eben so unmittelbar als nicht seiend , als werdend . – Hier ist das Eine nicht als Substanz , sondern als der Eine , als Subjekt  ; hier ist Bestimmung des Zwecks , eigne Bestimmtheit des BegriVs . Die Welt soll sein . Eben so soll sie sich umwandeln , vergehen – Da ist die Gerechtigkeit als Bestimmung des Zwecks , als Subjekt , in seinem sich Unterscheiden von diesen seinen Bestimmungen , dieser seiner Welt . – Das Zweite sind diese Bestimmungen . – Das D r i t t e ist die Form der Welt , daß die Welt jetzt prosaisch ist , wesentlich als eine Sammlung von Dingen entgegentritt . – Im Orient , und besonders am griechischen Gott wird man erfreut durch die Freundlichkeit | und das Verhältniß zur Natur und zum Göttlichen , – daß der Mensch , indem er sich zur Natur verhält , er sich zum Göttlichen verhält  ; seine Freigebigkeit begeistet das Natürliche , macht es zum Göttlichen und Natürlichen . Identität des Ideellen und Reellen ist eine abstrakte Bestimmung . Die wahre Identität ist die , welche in der unendlichen Subjektivität ist , die gefaßt wird , nicht als Neutralisazion , gegenseitige Abstumpfung , sondern als unendliche Subjektivität . – Indem die unendliche Subjektivität sich bestimmt , und ihre Bestimmungen als Welt frei entläßt , sind sie Dinge , Unselbständige , wie sie wahrhaft sind , nicht Götter ,

6 frei] Bo  : frey von der absoluten Subjektivität   10–11 Dieses Auseinandergehen , … Güte .] Bo  : Dieses Entlassen seines Inhalts zu diesem Auseinandergehen wo es die Totalität der Endlichkeit , die 35 Welt ist , ist Güte .   23 Sammlung] Hu  : Ein ­h äuVung   von Dingen] Bo  : von Dingen und entgöttert  24 Freundlichkeit] Bo  : Heiterkeit   27–28 Identität des … Bestimmung .] Hu  : Diese Einheit des Ideelen und Reellen ist hier noch abstract , eine Identität die Wohlfeil zu haben ist .   5 daß] das

Güte .

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Gerecht ig keit

c .) 77An 117rHu 119AKö

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Natürlicher ­Zusammenhang . Wunder .

59Bo 118rHu

Erhabenheit . 120AKö

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sondern Naturgegenstände . – Diese besonderen sittlichen Mächte , die die oberen Götter wesentlich sind , haben Selbständigkeit nur der Form nach , weil der Inhalt unselbständig ist als besondrer . – Das ist eine falsche Form  : die unselbständigen Dinge , die unmittelbar sind , ihr Seyn wird nun gewußt als etwas Formelles , ein Unselbständiges , dem so Seyn zukommt , nicht absolutes , göttliches Seyn , sondern als abstraktes Seyn , als einseitiges Seyn  ; – und indem ihm die Bestimmung des abstrakten Seyns zukommt , kommen ihm die Kategorien des Seyns zu , und als endlichen , die Verstandeskategorien . – Sie sind prosaische Dinge , wie die Welt für uns ist  : äußerliche Dinge in manchfachem Zusammenhange des Verstandes , von Grund und Folge , Qualität , Quantität , nach allen diesen Kategorien des Verstandes . – Hier nun ist , was wir natürlichen , nothwendigen Zusammenhang nennen  ; hier ist auch erst gegen den natürlichen Zusammenhang der Dinge , daß die Bestimmung »Wunder« vorkommen kann . – In den früheren Religionen gibt’s keine Wunder . In der Indischen ist Alles schon verrückt von Haus aus . Erst im Gegensatz gegen die Ordnung der Natur , die Naturgesetze , Gesetzlichkeit der Natur , wenn diese Gesetze auch nicht erkannt werden , sondern nur ein Bewußtseyn ist eines natürlichen Zusammenhangs , – erst da tritt die Bestimmung von Wunder ein , was vorgestellt wird so , daß Gott an einem Einzelnen sich manifestirt . – Das wahrhafte Wunder in der Natur ist die Erscheinung des Geistes , und die wahrhafte Erscheinung des Geistes ist in gründlicher Weise der Geist des Menschen und sein Bewußtseyn der Welt . – Das ist relativ ein Wunder , daß in dieser Zerstreuung , zufälligen Mannigfaltigkeit , durchaus Gesetzmäßigkeit , Vernunft ist . – Die Welt erscheint in dieser Religion als endliche Dinge , die auf natürliche Weise auf einander wirken , in verständigem Zusammenhange stehen . – Das Wunder wird gefaßt als zufällige Manifestazion Gottes  ; – die wahrhafte Manifestazion Gottes an die Welt ist die absolute , ewige , und die Art und Weise dieser Manifestazion , die Form derselben erscheint als die E r h a b e n h e i t  . Darum » R e l i g i o n d e r E r h a b e n h e i t  . « – Das endliche Subjekt in sich kann man nicht erhaben nennen  ; das Subjekt hier ist das absolute , an und für sich , es ist heilig . – Die | Erhabenheit ist erst Erscheinung , Beziehung dieses Subjekts , auf die Welt , – daß diese als Manifestazion dieses Subjekts gefaßt wird , aber als Manifestazion die nicht affirmativ ist , oder die , indem sie affirmativ zwar i s t  , doch den Hauptcharakter hat , daß das Natürliche , Weltliche negirt wird als ein Unangemeßenes , so , daß zugleich das Natürliche , indem er sich manifestirt , gewußt wird als ein ihm Unangemeßnes . Es ist die Erscheinung , Manifestazion Gottes in der Welt so , daß dieses Erscheinen sich zugleich zeigt als erhaben über diese Erscheinung in der Realität . – In 35 indem vielleicht zu lesen  : in dem  

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ii.  die bestimmte religion155

der Religion der Schönheit ist Versöhnung der Bedeutung mit dem Material , der sinnlichen Weise , dem Seyn für Andres . Das Geistige erscheint ganz in dieser äußerlichen Weise  : diese ist ein Zeichen des Innern , und dieß Innre wird ganz erkannt in seiner Äußerlichkeit . – Die Erhabenheit hingegen vertilgt zugleich den StoV , das Material , an dem das Erhabne erscheint . Es wird ausdrücklich als unangemessen zugleich gewußt , – es ist nicht bewußtlose Unangemessenheit . Diese ist im Grotesken , Wilden des Indischen . Das ist keine Erhabenheit , sondern dieß , und daß diese Unangemessenheit zugleich gesetzt ist darin . – Gott ist a) das Eine für sich , die E i n e M a c h t als in sich bestimmt , der Weise . – b) Er manifestirt sich in der Natur  ; aber auf erhabne Weise . Die natürliche Welt ist nur ein Gesetztes , Beschränktes , nur Manifestazion des Einen so , daß Gott zugleich über dieser Manifestazion ist , zugleich in ihr sich von ihr unterscheidet , und nicht , wie in der Religion der Schönheit , von dieser Äußerlichkeit sein Fürsichseyn , wesentliches Daseyn hat . – Das sind diese Beschreibungen in den Psalmen und Profeten  : »Du hast die Winde zu deinen Boten«  ; – die Natur ist gehorchend , manifestirt nur ihn , aber so , daß er zugleich heraus ist aus seiner Manifestazion .  – Das D r i t t e ist der Zwe c k Gottes . Die Zweckbestimmung ist hier als die wesentliche – d a ß G o t t we i s e i s t  , weise i n d e r N a t u r ü b e r h a u p t  .  – Die Natur ist sein Geschöpf , und er gibt darin seine Macht zu erkennen , – aber nicht nur seine Macht , sondern auch seine We i s h e i t  . Diese giebt sich kund in ihren Produkten durch z we c k m ä ß i g e E i n r i c h t u n g  .  – Diese , der Zweck ist mehr ein Unbestimmtes , Oberflächliches , mehr äußerliche Zweckmäßigkeit  ;  : »Du giebst dem Vieh sein Futter .« – Der wahrhafte Zweck und die wahrhafte Realisazion des Zwecks fällt nicht in die Natur als solche , sondern wesentlich in das Bewußtseyn . Er manifestirt sich in der Natur  ; aber seine wesentliche Erscheinung ist , im Bewußtseyn zu erscheinen  ; seinem Widerschein , so daß er im Selbstbewußtseyn widerscheint , daß dieß sein Zweck sei , gewußt zu werden vom Bewußtsein , und daß er dem Bewußtsein Zweck ist . – Das Anerkennen und Preisen Gottes ist die Bestimmung , die hier eintritt , – die Ehre Gottes , die allgemeine Ehre  : nicht bloß das jüdische Volk , sondern die ganze Erde , alle Völker , Heiden , sollen den Herrn loben . – Dieser Zweck , vom Bewußtseyn anerkannt , gewußt zu werden , kann zunächst | der t h e o r e t i s c h e Zweck genannt werden , – der bestimmtere ist der p r a k t i s c h e  , der sich in der Welt , und zwar in der geistigen realisirt . Dieser wesentliche Zweck ist der sittliche Zweck , d i e S i t t l i c h k e i t  , daß der Mensch in dem , was er thut , das Gesetzliche , Rechte vor Augen habe  : dieß Gesetzliche , Rechte ist das Göttliche  ; insofern es ein Weltliches , ein endliches Bewußtseyn ist , ist es ein Gesetztes von Gott . – Gott ist das Allgemeine . – Der Mensch , der sich bestimmt , seinen Willen , ist der freie – damit der allgemeine

C .) 19/7 Bo

C .)  Zw e c k ­G o t t e s  .

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a .)  t h e o r e t i s c h e r Zw e c k  .

121AKö b .)  p r a k t i s c h e r Zw e c k S i t t l i c h k e i t  .

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Wille . Nicht seine besondre Sittlichkeit , Recht­thun , ist hier Grundbestimmung  ; der Wandel vor Gott , das Freiseyn von selbstsüchtigen Zwecken , die Gerechtigkeit , die vor Gott gilt . – Dieß Rechte thut der Mensch in Beziehung auf Gott , zur Ehre Gottes . Dieß Rechte hat im Willen , im Innern seinen Sitz  ; – und diesem Wollen in Rücksicht auf Gott gegenüber steht die Natürlichkeit des Daseyns , des Menschen , des Handelnden , – dieses Gebrochenseyn , daß Gott für sich ist , und die Natur ein Seiendes , aber Beherrschtes . – Im M e n s c h e n g e i s t ist eben dieser Unterschied  : α .) das Re c h t t h u n a l s s o l c h e s  ,  – und β .) das n a t ü r l i c h e D a s e y n d e s M e n s c h e n  . Dieses ist aber eben so ein durch das geistige Verhältniß des Willens Bestimmtes , als die Natur überhaupt ein Gesetztes ist vom absoluten Geist . Das natürliche Daseyn des Menschen , seine äußerliche , weltliche Existenz , ist in Beziehung gesetzt auf das Innre . Wenn dieser Wille ein wesentlicher Wille , das Thun – Rechtthun ist , soll auch entsprechen die äußerliche Existenz des Menschen diesem Innerlichen , Rechten  ; es soll dem Menschen gut gehen , nur nach seinen Werken , und er soll sich überhaupt nicht nur sittlich benehmen , die Gesetze seines Vaterlandes beobachten , sich dem Vaterlande aufopfern , es mag ihm dabei gehen , wie es wolle  ; sondern es tritt die bestimmte Forderung ein , daß es dem , der Recht thut , auch wohl ergehe . – Es ist hier ein Verhältniß , daß die reelle Existenz , das äußerliche Daseyn angemessen sei , unterworfen , bestimmt nach , dem Innerlichen , Rechten . Dieß Verhältniß tritt hier ein zufolge und auf dem Grund des Grundverhältnisses von Gott zur natürlichen , endlichen Welt . – Es ist hier ein Zweck , dieser soll vollführt seyn – diese Unterscheidung , die zugleich in Harmonie seyn soll , so daß das natürliche Daseyn sich beherrscht zeige vom Wesentlichen , vom Geistigen . Eben so soll es im Menschen bestimmt seyn , beherrscht vom wahrhaften Innern , vom Rechtlichen . – Auf diese Weise ist das Wohlseyn des Menschen göttlich berechtigt , aber es hat nur diese Berechtigung , sofern es dem Göttlichen gemäß ist , dem sittlichen , göttlichen Gesetz . – Das ist das Band der Nothwendigkeit , die aber nicht mehr blind ist , wie wir in der vorhergehenden Religion sahen , nur die leere , begriV lose , unbestimmte Nothwendigkeit , so , daß außer ihr das Konkrete war . Die Götter , sittlichen Mächte , stehen unter der Nothwendigkeit , aber die Nothwendigkeit hat nicht das Sittliche , Rechte in ihrer Bestimmung . Hier ist die Nothwendigkeit konkret , daß das an und für sich Seiende gibt Gesetze , will das Rechte , das Gute , und dieß hat zur Folge ein ihm angemessenes , affirmatives Daseyn , eine Existenz , die ein Wohlseyn , Wohlgehn ist . Diese Harmonie ist es , die der Mensch weiß in dieser Sfäre . – | 5 Wollen in Rücksicht auf Gott] Hu  : Innerlichen   20 Innerlichen , Rechten] Hu  : Geistigen   26 göttlich berechtigt] Bo  : affirmativ , göttlich berechtigt  

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ii.  die bestimmte religion157

Es ist Bedingtheit , daß es ihm wohlergehen darf , ja soll  ; er ist Zweck für Gott , er als Ganzes . Aber er als Ganzes ist selbst ein in ihm Unterschiedenes , daß er Willen hat und äußerliches Daseyn . – Das Subjekt weiß nun , daß Gott das Band dieser Nothwendigkeit ist , diese Einheit , welche das Wohlseyn hervorbringt , angemessen dem Rechtthun , – daß dieser Zusammenhang – der göttliche , allgemeine Wille und das Göttliche ist die Macht dazu , aber auch dieser in sich bestimmte Wille – ist . – Daß dieß zusammengeknüpft ist , dieß Bewußtseyn ist , dieser Glaube , Zuversicht , diese ist im jüdischen Volke eine Grundseite , bewunderswürdige Seite . – Von dieser Zuversicht sind die alttestamentlichen Schriften voll , besonders die Psalmen . – Dieser Gang ist es auch , was im Hiob dargestellt ist , das einzige Buch , von dem man den Zusammenhang mit dem Boden des jüdischen Volks nicht genau kennt . Hiob ist unschuldig , findet sein Schicksal ungerecht  ; er ist unzufrieden , d . h . es ist ein Gegensatz in ihm  : das Bewußtseyn der Gerechtigkeit , die absolut ist , und die Unangemessenheit seines Zustandes mit dieser Gerechtigkeit . Es ist als Zweck Gottes gewußt , daß er es dem Guten gut gehen lasse . – Die Wendung ist , daß diese Unzufriedenheit , dieser Mißmuth sich der absoluten , reinen Zuversicht unterwerfen soll . Hiob fragt  : »Was gibt mir Gott für Lohn von der Höhe  : sollte nicht der Ungerechte so verstoßen werden ? « Seine Freunde antworten in demselben Sinne  ; nur daß sie es umkehren  : »weil du unglücklich bist , draus schließen wir , daß du nicht recht bist . Gott thut dieß , daß er den Menschen beschirme vor Hoffarth .« – Gott spricht endlich selbst  : »Wer ist’s , der so redet mit Unverstand ? Wo warst du , da ich die Erde gründete ? « – Da kommt eine sehr schöne , prächtige Beschreibung von Gottes Macht , und Hiob sagt  : »Ich erkenne es , es ist ein unbesonnener Mensch , der seinen Rath meint zu verbergen . (letztes cap .) Diese Unterwürfigkeit ist das Letzte . Einerseits , diese Forderung , daß es dem Gerechten wohlgehe , – andrerseits soll selbst diese Unzufriedenheit weichen . Dieß Verzichtleisten , Anerkennen der Macht Gottes , bringt Hiob wieder zu seinem Vermögen , zu seinem vorigen Glück  ; – auf dieß Anerkennen folgt die Wiederherstellung seines Glücks , cp XLII ,10–12 . Doch soll vom Endlichen zugleich dieß Glück nicht als ein Recht gegen die Macht Gottes angesprochen werden . – Diese Zuversicht zu Gott , diese Einheit , und das Bewußtsein dieser Harmonie , der Macht und zugleich der Weisheit und Gerechtigkeit Gottes , daß Gott als Zweck in sich bestimmt ist , und Zweck hat . – Es ist zu beachten dieß Innerlichwerden des Geistes , das Bewegen seiner in sich selbst . Der Mensch soll recht thun , – | das ist das absolute Gebot , und dieß Rechtthun hat seinen Sitz in seinem Willen  ; der Mensch ist dadurch auf sein Innerliches angewiesen , und er 11 Dieser Gang] Bo  : Die Zuversicht   34 Zweck] Hu  : ein Endzweck   37 Willen] Hu  : Inneren

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60Bo NazionalGott .

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muß beschäftigt seyn mit dieser Betrachtung seines Innern , ob es im Rechten , sein Wille gut ist . – Diese Untersuchung und Bekümmerniß über das Unrecht , das Schreien der Seele nach Gott , dieß Hinabsteigen in die Tiefen des Geistes , diese Sehnsucht des Geistes nach dem Rechten , der Angemessenheit zum Willen Gottes ist ein besonders Charakteristisches . Weiter erscheint dieser Zweck zugleich als ein beschränkter  ; es ist der Zweck , daß die Menschen Gott wissen , anerkennen  ; was sie thun , zur Ehre Gottes thun sollen , – was sie wollen , dem Willen Gottes gemäß ihr Wille wahrhafter Wille seyn soll . Dieser Zweck hat zugleich eine Beschränktheit , und es ist zu betrachten , inwiefern diese Beschränktheit liege in der Bestimmung Gottes , inwiefern der BegriV , die Vorstellung Gottes noch eine Beschränktheit enthält . – Wenn die Vorstellung Gottes beschränkt ist , so sind diese weiteren Realisazionen des göttlichen BegriVs im menschlichen Bewußtseyn auch beschränkt . Dieß ist immer das Wesentliche , aber auch das Schwerste , die Beschränktheit in Einem zu erkennen , wie sie noch Beschränktheit der Idee ist , so , daß sie noch nicht als absolute Idee ist . – Gott , das sich Bestimmende in seiner Freiheit und nach seiner Freiheit so , daß das Geistige das Freie sei , das ist die Weisheit . Aber diese Weisheit , dieser Zweck ist nur erster Zweck , Weisheit im Allgemeinen . Die Weisheit Gottes , das sich Bestimmen , hat noch nicht seine Entwicklung . Diese Entwicklung in der Idee Gottes ist erst in der Religion , wo die Natur Gottes oVenbar ist . – Der Mangel dieser Idee ist , daß Gott das Eine ist , aber so in sich selbst auch nur in der Bestimmtheit dieser Einheit , nicht das in sich selbst ewig sich Entwickelnde ist . Es ist noch nicht entwickelte Bestimmung  ; – was wir Weisheit nennen , ist insofern auch ein Abstraktes , abstrakte Allgemeinheit .– Damit ist in der Religion , insofern sie Bewußtseyn ist von Gott , diese Beschränktheit vorhanden , die zum Theil so aufgefaßt wird , daß der jüdische Gott nur N a z i o n a l g o t t sei , sich auf diese Negazion eingeschränkt habe . Dieß ist allerdings der Fall , aber auch mit dem Gott der Christen . Wir wissen wohl von einer Christenheit , stellen sie aber auch als eine Familie vor , eine Nazion , Volk zusammen . – So ist das Bewußtseyn von Gott auch als einem Nazionalgotte . Er ist beschränkt auf diese Familie , wenn wir uns so als Familie vorstellen . Im Bewußtseyn dieser Familie , die von Gott weiß , ist dieß nicht nur , daß Gott der allgemeine Herr und Schöpfer der Welt ist  ; sondern er soll allgemein verehrt werden , alle Völker sollen zur Erkenntniß kommen , so daß nicht die Völker das Wissen von Gott als ein Besondres für sich behalten . – Nach der Natur dieser Einheit ist als Zweck ausgesprochen , daß die Willen   4 nach dem Rechten] BoHu  : nach der Gerechtigkeit   5 ein besonders Charakteristisches] Hu  : Caracter des Judentums  Bo , ähnlich An  : was in den Psalmen und Propheten herrschend ist   20 oVenbar] Hu  : oVenbart  27 allerdings] Bo  : mit anderen Göttern  

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Erkenntniß des wahrhaften Gottes allen Völkern zukommen , auf der ganzen Erde sich verbreiten soll . – Es ist nur eine Beschränkung – nach dieser Seite , die nicht eine Beschränkung der Religion ist , – aber es ist auch die Beschränkung auf andre Weise . – Weil nehmlich der Zweck noch abstrakt ist , so ist die Folge , daß die Gebote , sowohl die , welche als eigenthümlich religiös gelten , als auch | die des Kultus nur erscheinen als ein Gegebenes von Gott , als ein Vorgeschriebnes Unveränderliches , auf ewig festgesetztes . Der Zweck ist noch abstrakt . Was Abstraxion im Zweck heißt , heißt im Daseyn , in der Existenz ein Unmittelbares , nur so auf diese eine Weise Seiendes und Unveränderliches . – Im Kultus ist , was Zeremoniendienst genannt wird , ein Thun , weil es so geboten ist , so vorgeschrieben , – ein Thun eines Abstrakten , eines Weisen zwar und Allgemeinen , aber eben deßwegen , was so gethan wird , die Handlungen sind ein Besondres , enthalten also die Forderung , daß sie verstanden werden , daß die Weisheit derselben gewußt werde , daß sie Beziehung auf die Besonderheit der Menschen , ihre Empfindungen , und zwar auf ihre berechtigte Besonderheit haben . – Die Weisheit ist nicht eine entwickelte . Hier sind Besonderheiten  ; in diesen wird die Weisheit nicht erkannt , sie wird nicht entwickelt . – Insofern ist es nur abstrakte Vorschrift der Weisheit  : so wird sie nicht verstanden , – so wird sie gethan als etwas Äußerliches . – Derselbe Zusammenhang findet Statt in weiteren Geboten . Was die politische Verfassung und sonstige Einrichtungen betriVt , ist ebenso als ein von Gott nur abstrakt Vorgeschriebnes , nur zu Beobachtendes , für immer Unveränderliches . – Das Politische , gesetzliche Einrichtungen , sind ihrer Natur nach als Weltliches überhaupt veränderlich  ; hier aber werden sie genommen als Etwas , das unveränderlich sei . – Damit hängt zusammen , daß der Boden , den dieß Volk in Besitz hat , als unveränderlicher Besitz gilt . – Es ist eine Familie  ; der Zustand ist im Ganzen patriarchalisch , die politische Verfassung ist unvollkommen . Das Volk besitzt ein Land  ; die besondre Familie hat ihr besondres Loos , Theil , Familiengut  ; dieß ist ein eiserner Besitz , der auf immer der Familie angehört . Im Jubeljahr , wenn er verkauft oder Schulden darauf gemacht sind , kehrt er zurück zur Familie . – Es ist nicht vorhanden Erhebung , Gleichgiltigkeit gegen weltliche Existenz , gegen Eigen­thum .  – Das macht die Beschränktheit in der Idee und in der Realisazion der Idee im Selbstbewußtseyn aus . |

35 5 Gebote] Hu  : Gebote Gesetze   7 Der Zweck ist noch abstrakt .] Bo  : weil der Zweck noch abstract

ist   16 Hier sind Besonderheiten] Bo  : diese Handlungen sind ein besonderes wir fordern daß sie verstanden werden .   30 Im Jubeljahr] Hu  : nach 50 Jahren   32 gegen Eigen­thum] Bo  : Eigen­thum im rechtlichen Sinne ist noch nicht vorhanden  

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122vHu γ .)  K u l t u s  .

123rHu

160 125AKö 20/7 Bo

A .)

80An

A .) Allgemeine ­ estimmung  . B 123vHu

anonyme nachschrift königsberg · 1827 III Form oder R e l i g i o n d e r Zwe c k m ä ß i g k e i t  , der äußerlichen Zweckmäßigkeit  ; – oder r ö m i s c h e R e l i g i o n  .  –

Die Naturreligion war die erste  ; die zweite die Religion der Schönheit und Erhabenheit , das geistige Fürsichseyn  ; – die dritte der bestimmten Religionen ist  : die Religion der Zweckmäßigkeit , die Totalität in dieser Sfäre , zunächst die Vereinigung der Religion der Schönheit und Erhabenheit . – In der Religion der Schönheit haben wir die leere Nothwendigkeit , in der Re­ ligion der Erhabenheit die Einheit als subjektive Einheit . In jener fällt außer der Nothwendigkeit die sittliche Substanzialität , das Rechte , das gegenwärtige Wirkliche im empirischen Selbstbewußtseyn . – Diese Mächte sind zugleich vorgestellt als Individuen , als geistige , als konkrete Subjekte , als besondre Volksgeister , als lebendige Geister . – Diese Besonderheit nun als reduzirt unter Eines ist die nähere Bestimmtheit .  – Die nächste Forderung des Gedankens ist , daß die abstrakte Noth­wendig­keit erfüllt werde mit der Besonderheit , mit dem Zweck in ihr selbst . Das hatten wir in der Religion der Erhabenheit  ; aber da ist der Zweck theils die abstrakte Weisheit , theils in seiner Realität nur ein vereinzelter Zweck , als einzelne Familie , die auf einem natürlichen Boden beschränkt ist . – Das Höhere ist nun , daß dieser Zweck erweitert werde zum Umfang der Besonderheit , – diese entwickelt . Die ausführliche manchfache Besonderheit hatten wir in der Religion der Schönheit  : daß sie nun auch in die Einheit gesetzt wird , dieß kann nicht die wahrhaft ­geistige seyn  , wie in der Religion der Erhabenheit .  – Es ist zunächst die relative Totalität dieser Bestimmungen , – eine Totalität , in der beide Religionen ihre Einseitigkeit zwar verlieren , aber jedes der Prinzipien wird zugleich durch die Aufnahme in sein Gegentheil verdorben . – Die Religion der Schönheit verliert die konkrete Individualität ihrer Götter , auch den Inhalt , den sittlichen , selbständigen Inhalt  : die Götter werden nur zu Mitteln herabgesetzt . – Die Religion der Erhabenheit verliert die Richtung auf das Eine , Ewige , Überirdische  ; aber verbunden werden sie zugleich  : ein Zweck , aber ein ausführlicher , ein äußerlich allgemeiner , zunächst empirisch allgemeiner Zweck . – In der Religion der Zweckmäßigkeit ist der Zweck dieß Umfassende , aber ein äußerlicher , der dann in den Menschen fällt . – Dieser Zweck soll realisirt

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24 wie in … Erhabenheit] Bo  : die für den Gedanken ist   26–27 aber jedes … verdorben] Bo  : 35 gerade dieses einseitige interessirte uns an ihnen   30–31 verliert die Richtung … Überirdische] Hu  : verlirt ihre hohe heilige Einheit   31–32 ein Zweck , … ausführlicher] Hu  : Der Zweck ist das



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werden , und der Gott ist die Macht , ihn zu realisiren . Es ist affirmative Einheit Gottes und des Menschen , – und Gott ist die Macht , jenen Zweck zu realisiren . Das Verhältniß der äußern Zweckmäßigkeit hat diesen Mangel , daß das ein von Menschen gesetzter , äußerlicher , empirischer Zweck ist . – Dieser Mangel aber hat in höherem Mangel | seinen Grund , in diesem , daß Gott diesen Zweck hat , dieser soll realisirt werden . Seinem Inhalt nach ist er ein äußerlicher  ; – so ist seine Realisazion eine äußerliche , im Endlichen , auf der Welt . – Die wahrhafte Zweckmäßigkeit wäre , daß der Zweck , der BegriV realisirt würde , und durch diese Realisazion des Zwecks wird gesetzt Einheit des BegriVs , Gottes , des göttlichen Subjekts und dessen , in dem dieser realisirt wird , der Objektivität , seiner Realisazion , – und das ist denn die Natur Gottes selbst , das ist dann die innre Zweckmäßigkeit , wo die Seite der Realität selbst ist am BegriV , identisch ist mit dem BegriV – dieser Prozeß , Bewegung , daß der Zweck sich objektivirt , und dieß Objektive mit sich identisch setzt , der absolute Zweck , der absolute Endzweck ist . Hier ist die absolute Idee noch nicht als dieser Kreislauf , diese Beziehung auf sich vorhanden  : deswegen ist der BegriV das Substanzielle , was objektivirt werden soll , ein äußerlicher  ; der Inhalt , der realisirt werden soll , ist ein solcher , der in die Welt , das menschliche Bewußtseyn fällt , insofern er realisirt werden soll . – Das Nähere worin dieser Zweck besteht , ist dieß  : der Zweck in der Religion der Erhabenheit , insofern er auch ein beschränkter ist , ist er zugleich als wesentlicher Zweck  ; aber als noch nicht entwickelt . So ist sein Innres die Familie , die natürliche Sittlichkeit als solche . Hier ist dieser Zweck der erweiterte  ; der be­ fassende , wesentliche Zweck ist der S t a a t überhaupt . Dieser Staat ist ein äußerlicher Zweck , so daß der Zweck noch nicht in Gott selbst fällt  ; er fällt in ihn , ist aber nicht Gottes eigne Natur . – Der Staat ist dieser Zweck  ; aber dieser Staat ist auch nur erst der abstrakte Staat , die Vereinigung der Menschen unter ein Band , aber so , daß diese Vereinigung noch nicht in sich vernünftige Organisazion ist , und der Staat ist noch nicht vernünftige Organisazion in sich selbst , weil Gott noch nicht die vernünftige Organisazion in ihm selbst ist . – Die Zweckmäßigkeit ist die äußerliche  ; als innerliche gefaßt wäre sie die eigne Natur Gottes . Weil Gott noch nicht diese konkrete Idee , noch nicht wahrhafte Erfüllung seiner durch sich selbst ist , so ist dieser Zweck , der Staat , noch nicht diese vernünftige Organisazion , vernünftige Totalität in sich , und verdient darum auch den Namen »Staat« nicht , sondern Herrschaft , die Vereinigung der Individuen , Völker in Ein Band , unter Eine Macht , und indem wir hier den Unterschied haben zwischen Zweck und Realisirung , so ist dieser Zweck zunächst vorhanden als nur subjektiv , nicht umfassende   8 Zweckmäßigkeit] BoHu  : Realisation   23–24 äußerlicher] Bo  : weltlicher  Hu  : äusserlicher weltlicher  

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Zweck ist S t a a t  . 124vHu

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127AKö B .) B .  Äußerliche ­Erscheinung der römischen Religion

a .) Unterschied von der griechischen . 125vHu 61Bo

α .) E r n s t der Römer

Heiterkeit der ­Griechen  . 126rHu

anonyme nachschrift königsberg · 1827

als ausgeführter , – und die Realisirung ist Erwerbung der Herrschaft , Realisirung eines Zwecks , der a priori ist , der erst über die Völker kommt , und erst sich vollbringt . Dieß liegt in der Bestimmung des Zwecks  ; dieser Unterschied ist sehr wesentlich . – Es wurde schon angegeben  : Athene ist der Geist des Volks . Da ist das Wohlseyn der Stadt Athen , ihr Glück nicht Zweck der Athene , da ist nicht ein Verhältniß von einem Zweck , der realisirt werden soll  ; sondern Athene ist die substanzielle Einheit , der Geist des Volks , und Athen ist das äußerliche Daseyn dieses Geistes , ist unmittelbar identisch . Das ist nicht Verhältniß von Zweck zur Realisirung des Zwecks . – Pallas ist nicht die Göttinn Athens , die zum Zweck hatte Athen  ; aber hier ist diese Kategorie der äußerlichen Zweckmäßigkeit , die Hauptsache , auf die es ankommt . – Das ist die allgemeine Bestimmung dieser Sfäre . – | Das Zwe i t e ist die Angabe der ä u ß e r l i c h e n E r s c h e i n u n g dieser Religion , – wo sie gewesen ist , und wie ? – es ist die r ö m i s c h e Religion . – Die äußerliche Erscheinung wird immer angeführt , um einerseits zu zeigen , daß die Religion dieser Bestimmtheit des BegriVs entspricht , – und dann ist da Gelegen­ heit auf konkretere Weise die näheren Bestimmungen , die im BegriV selbst enthalten sind , zu entwickeln . Die römische Religion nimmt man in oberflächlicher Weise mit der griechischen zusammen  ; aber es ist ein wesentlich ganz andrer Geist in der einen als in der andern . Wenn sie auch Gestaltungen mit einander gemein haben , so haben diese doch ganz andre Stellung hier , und das Ganze der Religion , und die religiöse Gesinnung ist ein wesentlich Verschiednes , was schon aus der äußerlichen , oberflächlichen Betrachtung sich ergibt . – Man gibt im Allgemeinen zu , daß der Staat , die Staatsverfassung , das politische Schicksal eines Volks abhängt von seiner Religion , – diese die Basis , Substanz vom Geiste , von dem was Politik ist , die Grundlage sei . Aber griechischer und römischer Geist , Bildung und Geschichte sind wesentlich von einander unterschieden . Das E r s t e in Ansehung der abstrakten Gesinnung , der Richtung des Geistes , ist die E r n s t h a f t i g k e i t der Römer . – Wo ein Zweck ist , ein wesentlich fester Zweck , der realisirt werden soll , – da tritt dieser Ve r s t a n d  , damit die Ernsthaf­ tigkeit ein , die an diesem Zweck festhält gegen manchfaches Andre im Gemüth oder in äußerlichen Umständen . – Die H e i t e r k e i t der griechischen Religion , der Grundzug in Ansehung der Gesinnung derselben , hat darin ihren Grund , daß auch wohl ein Zweck ist , ein Verehrtes , Heiliges  ; aber es ist diese Freiheit zugleich vorhanden vom Zweck , – unmittelbar darin , daß die griechischen Götter viele sind . Jeder griechische Gott hat eine mehr oder weniger substanzielle 2 kommt] Bo  : als ein fremder kommt  Hu  : vollbringen soll und das sind die Eroberungen   29 der Römer] Hu  : des bestimmten Zweck  

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Eigenschaft , sittliche Wesentlichkeit  ; aber eben weil es viele Besonderheiten sind , so steht das Bewußtseyn , der Geist zugleich über diesem Manchfachen , ist aus seiner Besonderheit heraus  ; es verläßt das , was als wesentlich bestimmt ist , auch als Zweck betrachtet werden kann  ; es ist selbst dieß Ironisiren . – Dagegen , wo Ein Prinzip , ein oberstes Prinzip , ein oberster Zweck ist , da kann diese Heiterkeit nicht Statt finden . – Dann ist der griechische Gott eine konkrete Individualität  ; an ihm selbst hat jedes dieser vielen besonderen Individuen selbst wieder viele unterschiedne Bestimmungen , es ist eine reiche Individualität , die deßwegen noth­ wendig den Widerspruch an ihr haben und zeigen muß , weil der Gegensatz noch nicht absolut versöhnt ist . – Indem die Götter an ihnen selbst diesen Reich­thum an äußerlichen Bestimmungen haben , ist diese Gleichgiltigkeit vorhanden gegen diese Besonderheiten , und der Leichtsinn kann mit ihnen spielen . – Das Zufällige , das wir an ihnen bemerken in diesen Göttergeschichten , gehört hieher . – | Der Charakter der römischen Gesinnung ist diese Ernsthaftigkeit des Verstandes , die einen bestimmten Zweck hat . Dieser Zweck ist der Zweck der Herrschaft , und der Gott ist die Macht , diesen Zweck zu realisiren , die oberste , allgemeine Macht , diese Herrschaft zu realisiren . – Den römischen Gott als diese Herrschaft sehen wir als Fortuna publica , diese Nothwendigkeit , die für Andre eine kalte Nothwendigkeit ist . Die eigentliche Nothwendigkeit , die den römischen Zweck selbst enthaltende Nothwendigkeit , ist Roma , ist das Herrschen , ein heiliges , göttliches Wesen , – und diese herrschende Roma in der Form eines herrschenden Gottes ist der Iupiter Capitolinus , ein besondrer Iupiter  : denn es gibt viele Iupiter . Dieser Iupiter Capitolinus , der den Sinn des Herrschers hat , der seinen Zweck in der Welt hat , und das römische Volk ist es , für das er diesen Zweck vollbringt . – Das Erste war diese Ernsthaftigkeit . Das Zweite ist , daß dieser Gott nicht der wahrhafte geistig Eine ist  ; eben deßhalb fällt auch das Besondre außerhalb dieser Einheit des Herrschens . – Die Macht ist nur abstrakt , nur Macht  ; es ist nicht eine vernünftige Organisazion , Totalität in sich . Eben deßwegen erscheint auch das Besondre als ein außer dem Einen , dem Herrscher Fallendes . – Dieses Besondre sind Erscheinungen von Göttern , die auch griechische Götter in der That etwa sind , oder von einer Nazion nur gleichgestellt werden mit Göttern der Andern . – So finden die Griechen ihre Götter in Persien , Syrien , Babylon , was zugleich doch ein Verschiednes war von der eigenthümlichen Anschauung , Bestimmtheit ihrer Götter , nur oberflächliche Allgemeinheit . – Im Allgemeinen , oder viele davon sind dieselben . Diese Götter , die aber nicht die schöne freie Individualität sind , erscheinen gleichsam grau  ; 10 absolut versöhnt] Hu  : aufgehoben  13 gehört hieher] Hu  : ist Ursache davon   23–24 der den Sinn … hat] Hu  : ist der Hauptgott . er macht Rom herrschend   33 Persien] Hu  : Egypten  

81An

128AKö 126vHu

Fortuna publica Roma Iupiter Capitolinus

β .)

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Familiengötter . 23/7 Bo

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man weiß nicht , wo sie herkommen , außer daß sie bei bestimmten Gelegenheiten eingeführt worden . – Die römischen Götter haben keinen rechten Sinn . Wie sie von Virgil , Horaz aufgenommen sind , ist es nur leblose Nachahmung griechischer Götter . – Es ist nicht in ihnen dieß Bewußtseyn , diese Humanität , was das Substanzielle im Menschen , wie in den Göttern , und in den Göttern wie im Menschen ist . – Sie zeigen sich als geistlose Maschinen , als Verstandesgötter , die nicht einem schönen freien Geist , einer schönen freien Fantasie angehören . – Außer diesen besonderen Göttern , die erscheinen als gemeinschaftlich mit den griechischen , haben die Römer viel eigenthümliche Götter und Gottesdienste . – Die Herrschaft ist der Zweck des Bürgers  ; aber in diesem ist das Individuum noch nicht erschöpft  ; es hat auch seine besonderen Zwecke .  – Diese partikularen Zwecke fallen außer diesem abstrakten Zweck . – Aber die besonderen Zwecke werden vollkommen prosaisch partikulare Zwecke , es ist die gemeine Partikularität des Menschen nach den vielfachen Seiten seines Bedürf­ nisses oder Zusammenhangs mit der Natur , die hier hervortritt . – Der Gott | ist nicht diese konkrete Individualität , – Jupiter , das Herrschen , – die besonderen Götter sind todt , leblos , geistlos , mehr entlehnt . – Die Partikularität von jener Allgemeinheit verlassen , so für sich , ist ganz gemein prosaische Partikularität des Menschen . Diese aber ist Zweck für den Menschen  : er braucht dieß und jenes . Was Zweck aber ist für den Menschen , ist in dieser Sfäre Bestimmung des Göttlichen . – Der Zweck des Menschen und der göttliche ist Einer  ; aber ein der Idee äußerlicher Zweck . So gelten die menschlichen Zwecke für göttliche Zwecke , damit für göttliche Mächte . Da haben wir diese vielen besonderen , höchst prosaischen Gottheiten . – Gegen das Allgemeine der Herrschaft ist ein Besondres , die menschlichen Zwecke , Intressen , diese partikulären Zwecke , das Leben und die Bedürfnisse des Menschen . – Wir sehen so einerseits diese allgemeine Macht , die das Herrschen ist  ; in dieser sind die Individuen aufgeopfert , nicht als solche geltend  ; die andre Seite , das Bestimmte , fällt , weil jene Einheit , der Gott , das Abstrakte ist , außerhalb desselben , und das Menschliche ist wesentlich Zweck , die Erfüllung des Gottes mit einem Inhalt ist das Menschliche . – Der Zweck ist  : 1 .) der allgemeine , die Herrschaft  ; und 2 .) der partikuläre . So erscheinen die partikulären Zwecke , Bedürfnisse , Mächte , auch als Götter , weil die Erfüllung des Gottes das Menschliche ist . Der Inhalt dieser Götter ist praktische Nützlichkeit  ; sie dienen der praktischen gemeinen Nützlichkeit . – Die F a m i l i e n g ö t t e r ge-

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4 Bewußtseyn] Bo  : Gefühl  Humanität] Hu  : Humanität , Subjektivität   6 geistlose Maschinen] 35 Hu  : sinnlose Maschinerien . In | Frankreich hat man auch solche Maschinen Gottes eingeführt   9 eigenthümliche] Hu  : Einheimische   11 Zwecke] Hu  : Zwecke , prosaisch particulaire Zwecke   33 Der Inhalt … Nützlichkeit] Hu  : Dies ist der Grundzug der Römischen Religion .  



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hören dem partikulären Bürger an , die L a r e n dagegen beziehen sich auf die natürliche Sittlichkeit , Pietät , auf die sittliche Einheit der Familie . – Andre Götter haben einen Inhalt , der der bloßen partikulären Nützlichkeit angehört . – Indem dieß Leben , dieß Thun der Menschen auch eine Form erhält , die wenigstens ohne das Negative des Bösen ist , so ist die Befriedigung dieser Bedürfnisse ein einfacher , ruhiger , ungebildeter Naturzustand . – Dem Römer schwebt die Zeit Saturns , die Zeit der Unschuld vor , und die Befriedigung der Bedürfnisse , die diesem angemessen sind , erscheinen als eine Menge von Göttern . – So hatten die Römer viele Feste und eine Menge Götter , die sich auf die Fruchtbarkeit der Erde beziehen , so wie auf die Geschicklichkeit der Menschen , die Naturbedürfnisse sich anzueignen . – So finden wir einen Iupiter Pistor , die Kunst zu backen gilt als ein Göttliches , und die Macht derselben als ein Wesentliches . Fornax , der Ofen , worin das Getreide gedörrt wird , ist eine eigne Göttinn . Vesta ist das Feuer zum Brodbacken . Dann als ῾ Εστία hat sie eine höhere Bedeutung erhalten , die sich auf die Familienpietät bezieht . – Palilia , die Göttinn des Viehfutters . – Dann andre Künste , die Beziehung haben auf den Staat . Iuno Moneta , da die Münze im Zusammenleben ein Wesentliches ist . – Auch gewisse partikuläre Zustände der Menschen sind angesehen als göttliche Macht  ; insofern sie schädlich oder nützlich sind , freundlich oder feindlich erscheinen  : die Götter Pax | Tranquillitas , ­Vacuna , die Göttinn des Nichtsthuns  ; dann Febris , Rubigo , der Brand im Getreide , Aerumna . – Die Götter sind ferner Geschicklichkeit , Arten von Thätig­ keit , die sich ganz auf die unmittelbaren Bedürfnisse und deren Befriedigung beziehen , – höchst prosaische , fantasielose Götter . Es ist Nichts fantasieloser als ein Kreis von solchen Göttern . Diese vielen Götter machen einen sehr weitläuftigen Götterkreis aus  ; aber es ist unmittelbar die Bestimmung der Allgemeinheit , des römischen Schicksals , des herrschenden Iupiter , daß alle diese Götter überhaupt , die individuellen Götter versammelt werden in Eins zusammen . – Daß die weltliche Herrschaft der Römer sich ausdehnte , bestand darin , daß die vielen Individuen und Völker unter Eine Macht und Herrschaft gebracht worden , und eben so sind die göttlichen Volksgeister , ihre sittlichen Mächte , unter Einer Macht , Herrschaft erdrückt worden . – Rom ist ein Pantheon , wo die Götter neben einander stehen , und sich gegenseitig auslöschen , und dem Einen Iupiter Capitolinus unterworfen sind . – Die Römer erobern Großgriechenland , Ägypten u . s . w  ; sie plündern die Tempel  ; alle Götter werden nach Rom geschleppt . Rom wurde eben so die Versammlung aller Religionen , der griechischen , persischen , ägyptischen , christlichen , des Mithradienstes . Nach allen Religionen greifen sie , 1 L a r e n ] HuAn  : Laaren Penaten   36 Versammlung] Hu  : Vermischung  

Lares

82 An

Gesch ick l ich keit der Menschen über Naturbedürfnisse Iupiter Pistor . Fornax Vesta Palilia Künste in Beziehung auf Staat 62 Bo Iuno Moneta . Pa r t i ku lä re ­Z u s t ä n d e d e r M e n s c h e n  . Pax . 130AKö Tranquillitas , ­ Vacuna  ; Febris , ­Rubigo . Aerumna . 128vHu

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B .)  B .) Kultus .

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Verehrung der ­Götter , weil und wann man sie b r a u c h t  .

131AKö Orakel sibyllinischen ­Bücher 129vHu

Virtus Negativität der In­ dividuen ­wesentlicher Zug in den religiösen Spielen . 83An

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und der Gesammtzustand macht so eine Verwirrung aus , indem jede Art von Kultus durcheinander geht . – Das Zwe i t e ist d e r C h a r a k t e r d e s K u l t u s  . Die Bestimmung von diesem liegt im Vorhergehenden  : es wird Gott gedient nur um eines Zweckes willen , und dieser Zweck ist ein menschlicher  ; der Inhalt fängt , so zu sagen , nicht von Gott an  ; es ist der Inhalt nicht dessen , was seine Natur ist , sondern er fängt vom Menschen an , von dem , was menschlicher Zweck ist . – Zizero rühmt die Römer als die frömmste Nazion , die überall an die Götter denke , Alles mit Religion thue , den Göttern für Alles danke . Dieß ist in der That vorhanden . Diese abstrakte Innerlichkeit , diese Allgemeinheit des Zwecks , welche das Schicksal ist , in welchem das besondre Individuum und die Sittlichkeit , Menschlichkeit des Individuum erdrückt wird , nicht konkret vorhanden seyn , sich nicht entwickeln darf , – diese Allgemeinheit , Innerlichkeit ist die Grundlage , und damit , daß Alles bezogen wird auf diese Innerlichkeit , ist in Allem Religion . – Aber diese Innerlichkeit , dieses Höhere , Allgemeine , ist zugleich nur Form  ; der Inhalt , der Zweck dieser Macht ist der menschliche Zweck , ist durch den Menschen angegeben . Die Römer verehren die Götter weil und wann sie sie brauchen , – besonders in der Noth des Kriegs . – Die Einführung neuer Götter geschieht zur Zeit der Nöthe und Angst , oder aus Gelübde . – | Die Noth ist im Ganzen die allgemeine Theogonie bei ihnen . Es gehört hierher auch , daß das Orakel , die sibyllinischen Bücher , ein Höheres ist , wodurch dem Volke Kund gethan wird , was zu thun ist , oder was geschehen soll , um ­Nutzen zu haben . Dergleichen Anstalten sind in den Händen des Staats , Ma­ gistrats .  – Das Individuum geht einerseits im Allgemeinen , in der Herrschaft , Fortuna publica , unter  ; andrerseits gelten die menschlichen Zwecke , hat das menschliche Subjekt ein selbständiges , wesentliches Gelten . – Diese Extreme und der Widerspruch derselben ist’s , worin sich das römische Leben herumwirft . – Die römische Tugend , die Virtus , ist dieser kalte Patriotismus , daß dem , was Sache des Staats , der Herrschaft ist , das Individuum ganz dient . Dieser Untergang des Individuum im Allgemeinen , diese Negativität , haben sich die Römer auch zur Anschauung gebracht  ; sie ist es , was in ihren r e l i g i ö s e n S p i e l e n einen wesentlichen Zug ausmacht . – Die intressanten religiösen Schauspiele bestanden in Nichts Anderm , als in Schlachten , Vertilgung von Menschen , in Vergießung von Strömen Bluts . – Es ist kein sittliches Intresse , keine tragische Umwendung und Umwälzung , die zum Inhalte ein sittliches Intresse hätte , mit sittlichen Bestimmungen verknüpft wäre  ; sondern die Vorstellung ist die trockne , kalte Konversion des Todes . Tau14 diese Innerlichkeit] Bo  : das Allgemeine  

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ii.  die bestimmte religion167

sende standen gegeneinander über , um zu fechten , bis alle sich ermordet . – Es ist dieß kalte Morden , welches zur Augenweide dient , das die Nichtigkeit mensch­ licher Individualität , und , weil sie keine Sittlichkeit in sich hat , die Werth­losig­keit des Individuum anschauen läßt , das Anschauen des hohlen , leeren Schicksals , das als ein Zufälliges , als blinde Willkühr sich zum Menschen verhält . Daran kann geknüpft werden eine weitre Bestimmung , die den Inhalt des ­Gesagten zusammennimmt , ohngeachtet es nicht der Religion angehört , aber in die Religion hineingezogen werden kann . – Indem so das kalte , vernunftlose Schicksal das Herrschende ist , die bloße Herrschaft , so erscheint über den Individuen , in der Vollendung des römischen Reichs , so steht über Allen die gemeinsame gegenwärtige Macht , eine Macht der Willkühr , und diese ist der Kaiser , – die ohne alle Sittlichkeit tobend verfahren , sich auslassen kann . – Es ist ganz konsequent , daß der Kaiser , diese Macht , göttlich verehrt worden  : nehmlich er ist allerdings diese grundlose Macht über die Individuen und deren Zustand . – Dieß ist die e i n e S e i t e   : das Untergehen des Individuums im Allgemeinen . – Dieser einen Seite steht gegenüber  : d a s a n d r e E x t r e m  . Nehmlich es ist zugleich auch ein Zweck der Macht vorhanden  ; die Macht ist einerseits blind , der Geist ist noch nicht versöhnt , in Harmonie gebracht  : | darum stehen beide einseitig gegen einander über . Diese Macht ist ein Zweck , und dieser Zweck , der menschliche , endliche , ist die Herrschaft der Welt , und die Realisazion dieses Zwecks ist Herrschaft der Menschen , der Römer . – Dieser allgemeine Zweck hat im reellen Sinne seinen Grund , Sitz im Selbstbewußtseyn  : damit ist gesetzt , diese Selbständigkeit des Selbstbewußtseyns , da der Zweck in das Selbstbewußtseyn fällt . – Auf der einen Seite ist diese Gleichgiltigkeit gegen das konkrete Leben  ; andrerseits diese Sprödigkeit , diese Innerlichkeit , die auch Innerlichkeit des ­Göttlichen und ebenso des Individuum ist , aber eine ganz abstrakte Innerlichkeit des Individuum . – Darin liegt das , was den Grundzug bei den Römern ausmacht , daß die abstrakte Person solches Ansehen gewinnt . Die abstrakte Person ist die rechtliche . Ein wichtiger Zug ist dann die Ausbildung des Rechts , der Eigen­thums­bestimmung . Dieses Recht beschränkt sich auf das juristische Recht , Recht des Eigen­thums . – Es gibt höhere Rechte  : Das Gewissen des Menschen hat sein Recht . Dieß ist eben so ein Recht , aber ein noch weit höheres ist das Recht der Sittlichkeit , Moralität . Dieß ist hier nicht mehr in seinem konkreten , eigentlichen Sinne vorhanden , sondern das abstrakte Recht , der Person , das besteht nur in der Bestimmung des Eigen­thums . – Es ist die Persönlichkeit , aber nur die abstrakte , die Subjektivität in diesem abstrakten Sinne , die diese hohe Stellung erhält . – Das sind die Grundzüge dieser Religion der Zweckmäßigkeit . Es sind darin die Momente enthalten , deren Vereinigung die Bestimmung der nächsten und letzten

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Stufe der Religion ausmacht . – Die Momente , die vereinzelt in der Religion der äußerlichen Zweckmäßigkeit , aber in Beziehung , eben darum in Widerspruch sind , – diese Momente , auf geistlose Weise hier vorhanden , – nach ihrer Wahrheit vereint , so entsteht die Bestimmung der Religion des Geistes . – Hiermit treten wir in den Kreis der oVenbaren Religion ein , der 3ten Bestimmung im Ganzen . –

4 der Religion] Bo  : des Geistes und der Religion  

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iii.  die offenbare religion169 D r i t t e r T h e i l der R e l i g i o n s f i l o s o f i e  . D i e o f f e n b a r e R e l i g i o n  .

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Das E r s t e war der BegriV der Religion , der Religion im Allgemeinen  ; – das Zwe i t e   : die Religion in ihrer Besonderheit , bestimmte Religion , und die letzte dieser bestimmten Religionen , die religiöse Totalität war die Religion der Zweckmäßigkeit , – Das D r i t t e ist die vo l l e n d e t e R e l i g i o n  , die Religion , d i e f ü r s i c h i s t  , d i e s i c h s e l b s t o b j e k t i v i s t  .  – Das ist immer der Gang in aller Wissenschaft  : zuerst der BegriV  ; dann die Bestimmtheit des BegriVs , die Realität , Objektivität  ; und endlich , daß der erste BegriV sich selbst Gegenstand ist , für sich selbst ist , sich selbst gegenständlich wird , sich zu sich selbst verhält . – Das ist der Gang der Filosofie . Zuerst der BegriV der begreifenden Wissenschaft . Diesen BegriV haben w i r  . Das Letzte ist , daß die Wissenschaft selbst ihren BegriV faßt  ; dieser BegriV für sich selbst ist . – So ist diese Sfäre der B e g r i f f d e r R e l i g i o n  , d e r f ü r s i c h s e l b s t ist , d . h . dann eben die o f f e n b a r e R e l i g i o n  .  – Dann erst ist die Religion das OVen­bare  , ist manifestirt , wenn der BegriV der Religion für sie selbst ist , oder die Religion , der BegriV der Religion ist sich selbst objektiv geworden , nicht in beschränkter , endlicher Objektivität , sondern so , daß sie nach ihrem BegriV sich objektiv ist . – Näher kann man dieß so ausdrücken  : die Religion nach dem allgemeinen BegriV ist Bewußtseyn des absoluten Wesens . Bewußtsein ist aber unterscheidend  : so haben wir 2 , Bewußtseyn und absolutes Wesen . Diese Zwei sind zunächst Entäußerung in endlichem Verhältniß , das empirische Bewußtseyn , und das Wesen in anderm Sinn . – Sie sind in endlichem Verhältniß zu einander . In sofern sind beide endlich . So weiß das Bewußtseyn vom absoluten Wesen nur als von einem Endlichen , nicht als Wahrhaftem . – Gott ist selbst Selbstbewußtseyn , Unterscheiden seiner in sich  ; und als Bewußtseyn , indem er Unterscheiden seiner in sich ist , Bewußtseyn , – ist er dieß , daß er sich als Gegenstand gibt für das , was wir die Seite des Bewußtseyns nennen . – Da haben wir immer zwei im Bewußtseyn , die sich endlich , äußerlich zu einander verhalten . Wenn nun aber jetzt die Religion sich selbst erfaßt , so ist der Inhalt und der Gegenstand der Religion selbst dieß Ganze , das sich zu seinem Wesen verhaltende Bewußtseyn , das Wissen seiner als des Wesens und des Wesens als seiner , d . h . der Geist ist so Gegenstand in der Religion , und dieser Gegenstand – (in der Religion haben wir zwei , das Bewußtseyn und das Objekt  ; aber in der Religion , die mit sich selbst erfüllt , die oVen­ bare ist , die sich erfaßt hat , ist die Religion , der Inhalt selbst der Gegenstand , –) 16 o f f e n b a r e ] Hu  : oVenbarte  23 Verhältniß] Bo  : Zusammenhange und Verhältnisse  

133–134AKö vacat 135AKö 63Bo

131vHu 84An

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Die absolute ­Religion ist 1 .) die oVenbare 2 .) die geoVenbarte . 24/7 Bo 132rHu 2 . oder p o s i t i v e Religion

A . Was i s t d a s Po s i t i v e ? 1 .)

137AKö

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und dieser Gegenstand , das sich wissende Wesen , das ist d e r G e i s t  . – Hier ist er der G e i s t  , a l s s o l c h e r  , Gegenstand | Inhalt der Religion , und der Geist ist nur für den Geist . Indem er Inhalt , Gegenstand ist , ist er als Geist das sich Wissen , Unterscheiden , gibt er sich selbst die andre Seite des subjektiven Bewußtseyns , was als Endliches erscheint . – Es ist die R e l i g i o n  , d i e m i t s i c h s e l b s t ­e r f ü l l t i s t  . Das ist die abstrakte Bestimmung dieser Idee , – oder  : wo die Religion in der That Idee ist . Denn Idee im filosofischen Sinne ist der BegriV , der einen Gegenstand hat , Daseyn , Realität , Objektivität hat , die nicht mehr das Innre oder Subjektive ist , sondern sich objektivirt , dessen Objektivität aber zugleich seine Rückkehr in sich selbst ist , oder insofern wir den BegriV Zweck nennen , der erfüllte , ausgeführte Zweck , der ebenso objektiv ist . – Die Religion hat das , was sie ist , das Bewußtseyn des Wesens , selbst zu ihrem Gegenstande  ; sie ist darin objektivirt , sie ist , wie sie zunächst als BegriV war und nur als der BegriV , oder wie es zuerst u n s e r BegriV war . Die absolute Religion ist d i e O f f e n b a r e  ,  – die Religion , die sich selbst zu ihrem Inhalt , Er­ füllung hat . Diese Religion , die sich selbst oVenbar ist , ist nicht nur die oVenbare , sondern die , die g e o f f e n b a r t e genannt wird , – und darunter versteht man ­einerseits , daß sie von Gott geoVenbart ist , daß Gott sich selbst den Menschen zu wissen gegeben , was er ist , daß Gott sich selbst darin geoVenbart habe , und bei diesem , daß sie ge­oVen­bart ist , ist sie eine p o s i t i ve Religion , in dem Sinne , daß sie dem Menschen von Außen gekommen , gegeben worden ist . – Um dieser Eigenthümlichkeit Willen , die man beim Po s i t i ve n vor der Vorstellung hat , ist es intressant zu sehen , was das Po s i t i ve ist ? Die absolute Religion ist allerdings eine positive , in dem Sinne , wie Alles , was für das Bewußtseyn ist , ist für das Bewußtseyn , ist dem Bewußtseyn ein Gegenständliches . Alles muß auf äußerliche Weise an uns kommen . Das Sinnliche ist so ein Positives . Zunächst gibt es Nichts so Positives , als was wir in der u n m i t t e l b a r e n A n s c h a u u n g vor uns haben . – Alles Geistige kommt auch so an uns , das Geistige überhaupt  : Endlichgeistiges , Geschichtlichgeistiges . Diese Weise der äußerlichen Geistigkeit und der sich äußernden Geistigkeit ist eben so positiv . – Aber ein höheres Geistiges , reineres Geistiges ist das Sittliche , die Gesetze der Freiheit . Das ist seiner Natur nach nicht ein solches äußerlich Geistiges , nicht ein Äußerliches , Zufälliges , sondern die Natur des reinen Geistes selbst  ; aber es hat auch die Weise äußerlich an uns zu kommen , zunächst in Erziehung , Unterricht , Lehre  : da wird es uns gegeben , daß das so gilt . – Die Gesetze , bürgerlichen Gesetze , die Gesetze des Staats , | sind eben so ein Positives  : sie kom1 d e r G e i s t ] Hu  : die geistige Religion   8 einen Gegenstand] Hu  : sich zum Gegenstande   33 reinen] Bo  : vernünftigen  

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iii.  die offenbare religion171

men an uns , sind für uns , gelten , sie s i n d  , nicht so , daß wir sie stehen lassen , an ihnen vorübergehen können , sondern daß sie in dieser ihrer Äußerlichkeit , auch für uns , subjektiv ein Wesentliches , ein subjektiv Bindendes seyn sollen . – Wenn wir das Gesetz fassen , erkennen , vernünftig finden , daß das Verbrechen bestraft wird , so ist es nicht ein Wesentliches für uns , gilt es uns nicht darum , weil es positiv ist , weil es so i s t   ; sondern es gilt auch innerlich , unsrer Vernunft ein Wesentliches , weil es auch innerlich , vernünftig ist . – Daß es positiv ist , die Positivität benimmt seinem Charakter vernünftig , unser eignes zu seyn , ganz und gar Nichts . Die Gesetze der Freiheit haben immer eine positive Seite , eine Seite der Realität , Äußerlichkeit , Zufälligkeit in ihrer Erscheinung . Gesetze müssen bestimmt werden . Schon in der Bestimmung , Qualität der Strafe tritt Äußerlichkeit ein  ; noch mehr in der Quantität . – Das Positive kann bei Strafen gar nicht wegbleiben , ist ganz nothwendig , diese letzte Bestimmung des Unmittelbaren . Dieses Unmittelbare ist ein Positives , das ist nichts Vernünftiges . In Strafen ist zB die runde Zahl das Entscheidende . Das ist durch Vernunft nicht auszumachen , was da das schlechthin Gerechte sei . – Was seiner Natur nach das Positive ist , ist das Vernunftlose . Es muß bestimmt seyn , und wird auf eine Weise bestimmt , die Vernünftiges hat , in sich enthält . – Nothwendig ist bei der oVen­baren Religion auch diese Seite  ; – indem da Geschichtliches , äußerlich Erscheinendes vorkommt , ist da auch Positives , Zufälliges vorhanden , das so seyn kann , oder auch so . Auch bei der Religion kommt also dieß vor . Um der Äußerlichkeit Willen , die damit gesetzt ist , der Erscheinung , ist Positives immer vorhanden . – Aber es ist zu unterscheiden  : 1 .)  das Positive als solches , – abstrakt Positives  ; und 2 .)  das Gesetz , vernünftige Gesetz . Das Gesetz der Freiheit soll nicht gelten , weil es ist , sondern weil es die Bestimmung unsrer Vernünftigkeit selber ist . So ist es nichts Positives , nichts Geltendes , wenn es so gewußt wird . – Auch die Religion erscheint positiv in dem ganzen Inhalte ihrer Lehren  ; aber das soll sie nicht bleiben , – nicht Sache der bloßen Vorstellung , des bloßen Gedächtnisses . – Das Zweite ist das Positive in Rücksicht der Beglaubigung der Religion , daß dieß Äußerliche die Wahrheit einer Religion bezeugen , als Grund der Wahrheit einer Religion angesehen werden soll . – Da hat die Beglau|bigung einmal die Gestalt eines Positiven als solchen  ; da sind Wunder , und die Beglaubigung , daß das Individuum diese Lehren gegeben . – α .) Da ist Po s i t i ve s   : Wu n d e r  , 15–16 Das ist … sei .] Hu  : die Unterscheidung zB . nach Tagen gehört gar nicht der Vernunft an   20 Positives] Hu  : äusserliche Erziehung , positives   34 Wunder] Bo  : Wunder , und Zeugnisse   35 Wu n d e r ] Hu  : Wunder und Zeugnisse dass das Individuum dies und dies gethan hat  

132vHu

85An

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2 .) 138AKö α .) Positives der ­Wunder zur ­Beglaubigung

172

Verstand zu ­Wunder

Vernunft zu­ Wunder 133vHu Zeugniß des ­Geistes  . Moses gegen ­Wunder als Zeugniß 64Bo Christus gegen Wunder als­ Zeugniß .

b .) Zeugniß des ­Geistes , das ­wahrhafte Cri­ terium der Wahrheit . α .) 139AKö α .)  als Anklang der Sympathie . β .)  (β .) mit ­Einsicht , Denken .) 134rHu

‫ ב‬.) ‫ ב‬.)  auf Voraus­ setzungen

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sind sinnliche Veränderungen , Veränderungen im Sinnlichen , die wahrgenommen werden , und dieß Wahrnehmen selbst ist sinnlich , weil es eine sinnliche Veränderung ist . In Ansehung dieses Positiven , der Wunder , ist früher bemerkt worden , daß dieß allerdings für den sinnlichen Menschen eine Beglaubigung hervorbringen kann  : aber es ist das nur der Anfang der Beglaubigung , die ungeistige Beglaubigung , durch die das Geistige nicht beglaubigt werden kann . – Das Geistige als solches kann nicht direkt durch das Ungeistige , Sinnliche , beglaubigt werden . – Die Hauptsache in dieser Seite der Wunder ist , daß man sie auf diese Weise a u f d i e S e i t e stellt .  – Der Verstand kann versuchen , die Wunder natürlich zu erklären , viel Wahrscheinliches gegen sie vorbringen , d . h . an das Äußerliche , Geschehene als solches sich halten , und gegen dieß sich kehren . – Der Hauptstandpunkt der Vernunft in Ansehung der Wunder ist , daß das Geistige nicht äußerlich beglaubigt werden kann  : denn das Geistige ist höher als das Äußerliche  ; es kann nur durch sich und in sich beglaubigt werden , nur durch sich und an sich selbst sich bewähren . Das ist das , was das Z e u g n i ß d e s G e i s t e s genannt werden kann . – In den Geschichten der Religion ist dieß selbst ausgesprochen  : Moses thut Wunder vor Farao  : die ägyptischen Zauberer machen es ihm nach . Damit ist selbst gesagt , daß kein großer Werth darauf zu legen ist . – Die Hauptsache aber ist  : Christus schmäht die Farisäer , die dergleichen Be­g laubigung verlangen  ; er sagt selbst  : »Nach meiner Auferstehung werden viele kommen , die in meinem Namen Wunder thun  : – ich habe sie nicht erkannt .« – Hier ve r w i r f t C h r i s t u s s e l b s t d i e Wu n d e r a l s w a h r h a f t e s K r i t e r i u m d e r Wa h r h e i t  .  – Das ist der Hauptstandpunkt , und dieß ist festzuhalten  : Die Beglaubigung durch Wunder , wie das Angreifen derselben , ist eine niedre Sfäre , die uns nicht angeht  ;  – d a s Z e u g n i s d e s G e i s t e s i s t d a s Wa h r h a f t e  .  – Dieses kann mannichfach seyn  : es kann unbestimmt , allgemeiner seyn , was dem Geist überhaupt zusagt , was einen tiefern Anklang in ihm erregt , in seinem Innern hervorbringt . – In der Geschichte spricht | das Edle , Hohe , Göttliche in uns an , ihm gibt unser Geist Zeugniß . Dieß Zeugniß nun kann dieser allgemeine Anklang bleiben , dieß Zustimmen des Innern , diese Mitempfindung , Sympathie . – Es kann dieß Zeugniß des Geistes auch mit Einsicht , Denken , verbunden seyn . Diese Einsicht , insofern sie keine sinnliche ist , gehört sogleich dem Denken an  : es seien Gründe , Unterscheidungen u . s . w . , es ist Thätigkeit mit und nach den Denkbestimmungen und Kategorien . Dieß Denken kann nun ausgebildeter , oder wenig ausgebildet erscheinen  ; es kann ein solches seyn , das die Voraussetzung macht seines Herzens , seines Geistes überhaupt , – die Voraussetzung von allge­ 23 w a h r h a f t e s K r i t e r i u m ] Hu  : das höchste Criterium  

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iii.  die offenbare religion173

meinen Grundsätzen , die ihm gelten , die das Leben des Menschen dirigiren , – seine Maximen . – Diese Maximen brauchen nicht bewußte Maximen zu seyn , sondern sie sind die Art und Weise , wie sein Charakter gebildet ist , das Allgemeine , das in seinem Geiste festen Fuß gefaßt . Dieß ist ein Festes in seinem Geiste , dieß regiert ihn dann . – Von solchen festen Grundlagen , von solchen Voraussetzungen kann sein Räsonniren , Bestimmen anfangen , – dem Sittlichen . Da sind der Bildungsstufen , Lebenswege der Menschen sehr verschiedne , die Bedürfnisse sind sehr verschieden . – Das höchste Bedürfniß des menschlichen Geistes ist das Denken , so , das Zeugniß des Geistes , daß es nicht vorhanden nur sei auf solche nur anklingende Weise der ersten Sympathie , als Anklänge , – noch auf die zweite Weise , daß solche feste Grundlagen im Geiste sind , auf welche Betrachtungen gebaut werden , feste Voraussetzungen , aus denen Schlüsse , Herleitungen gemacht werden . Das Zeugniß des Geistes in seiner höchsten Weise , ist die We i s e d e r F i l o ­ s o f i e  , daß der BegriV , rein als solcher , ohne Voraussetzung , aus sich die Wahrheit entwickelt , und entwickelnd erkennt , und in und durch diese Entwicklung die Nothwendigkeit derselben einsieht . – Man hat oft den G l a u b e n dem ­D e n k e n so entgegengesetzt , daß man gesagt hat  : von Gott , von den Wahrheiten der Religion kann man auf keine andre Weise ein Bewußtseyn haben , als auf d e n k e n d e Weise . So hat man die Beweise vom Daseyn Gottes als die einzige Weise angegeben , von der Wahrheit zu wissen , überzeugt zu seyn . – Aber das Zeugniß des Geistes kann auf manchfache , verschiedne Weise vorhanden seyn  ; es ist nicht zu fordern , daß bei allen Menschen die Wahrheit auf filosofischem Wege hervorgebracht werde . Die Bedürfnisse der Menschen sind nach ihrer Bildung , der freien | Entwicklung ihres Geistes verschieden , und es gehört zu dieser Verschiedenheit nach dem verschiednen Stande der Entwicklung Vertrauen , daß auf Autorität geglaubt wird . – Auch Wunder haben da ihren Platz , und es ist intressant , daß die Wunder auf dieß Minimum eingeschränkt werden , die Wunder , die in der Bibel erzählt sind . – In dieser Form des Zeugnisses des Geistes ist auch noch Positives . Diese Sympathie , daß der Geist , das Gemüth ausspricht  ; ja , das ist die Wahrheit , – das ist eine so umittelbare Gewißheit , – diese kann ganz fest seyn , – etwas so Unmittelbares , daß es eben dieser Unmittelbarkeit wegen ein Positives , grade diese Unmittelbarkeit die Form des Positiven ist .  – So in einem Räsonnement , das eine feste Grundlage , Voraussetzung hat , ist auch die Grundlage ein Positives , Gesetztes , Gegebnes , – und das raisonnement hat eine solche Grundlage , die sich nicht untersucht , nicht durch den BegriV 28 intressant] Hu  : wichtig   32–33 etwas so Unmittelbares , … ist] Hu  : für einen Menschen als für den anderen das Denken  

(‫ ב‬.) (‫ ב‬.) We i s e d e r F i l o s o f i e  . 134vHu refutatio daß nur filosofisches Denken zur Wahrheit führt . 86An

Verschiedene Wege nach verschiedner Geistesbildung . 140AKö Glaube auf ­A u t o r i t ä t   ; Wu n d e r   ; Diß Zeugniß des Geistes hat auch Positives . α .)

‫ א‬.

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141AKö ‫ ב‬.) T h e o l o g i e  . – f a l s che s ­V e r ­f a h r e n  : ­refutatio Bloß an Bibel halten . 135vHu b .) Mit Erklärung ­denken  . ist das richtig ?

Voraussetzung von Menschennatur et .c . Positives zum ­Erklären  .

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hervorgebracht ist . Nur muß man wissen , daß nur der Mensch Religion hat  : die Religion hat ihren Sitz , Boden , im Denken . – Das Herz , Gefühl , ist nicht das Herz , Gefühl eines Thiers , sondern das Herz des denkenden Menschen , denkendes Herz , Gefühl , – und was in diesem Herzen , Gefühle , von Religion ist , ist ein Denken dieses Herzens , Gefühls . Insofern man anfängt zu schließen , zu räsonniren , Gründe anzugeben , an Gedankenbestimmungen fortzugehen , ist das immer denkend . – Indem die Lehren der christlichen Religion in der Bibel vorhanden sind , sind sie hiemit auf positive Weise gegeben , und , wenn sie subjektiv werden , wenn der Geist ihnen Zeugniß gibt , so kann das auf ganz unmittelbare Weise seyn , daß des Menschen Innerstes , sein Geist , sein Denken , seine Vernunft davon getroVen ist , und diesem zusagt . So ist die Bibel für den Christen diese G ­ rundlage , die Hauptgrundlage , die diese Wirkung auf ihn hat , in ihm anschlägt , diese Festigkeit seinen Überzeugungen gibt . – Das We i t r e ist aber , daß der Mensch , weil er denkend ist , nicht bei diesen unmittelbaren Zusagen , Zeugniß , stehen bleibt , sondern sich auch ergeht in Gedanken , Nachdenken , Betrachtungen darüber . Diese Gedanken , diese Betrachtung gibt eine ausgebildete Religion , – und in der höch|sten ausgebildeten Form ist es die T h e o l o g i e  , die wissenschaftliche Religion , – dieser I n h a l t a l s Z e u g n i ß d e s G e i s t e s a u f w i s s e n s c h a f t l i c h e We i s e g e w u ß t  .  – Da tritt etwa dieser Gegensatz ein , daß die Theologen sagen  : »man solle sich bloß an die Bibel halten« . Das ist einerseits ein ganz richtiger Grundsatz . Es gibt Menschen , die sehr religiös sind , Nichts thun , als die Bibel lesen und Sprüche daraus hersagen , eine hohe Frömmigkeit , Religiosität haben  ; aber Theologen sind sie nicht  ; – das ist keine Wissenschaftlichkeit , Theologie . – So wie sie nicht bloß ist Lesen und Wiederholen der Sprüche , so wie das sogenannte Erklären anfängt , Schließen , Exegesiren , was es zu bedeuten habe , – so tritt der Mensch in’s Räsonniren , Reflektiren , ins Denken über , – und da kommt es darauf an , ob sein Denken richtig ist , oder nicht , wie er sich in seinem Denken verhalte . – Es hilft Nichts zu sagen  : diese Gedanken seien auf die Bibel gegründet . Sobald sie nicht mehr bloß die Worte der Bibel sind , ist diesem Inhalte eine Form ge­geben , bekommt der Inhalt eine logische Form , oder es werden bei diesem Inhalte gewisse Voraussetzungen gemacht , und mit diesen an die Erklärung gegangen  ; sie sind das Bleibende für die Erklärung , – man bringt Vorstellungen mit , die das Erklären leiten . – Die Erklärung der Bibel zeigt den Inhalt der Bibel in der Form jeder Zeit  : das erste Erklären war ganz anders , als das jetzige . – Solche Voraussetzungen sind die Vorstellungen von der Natur des Menschen , daß er von 12 die diese … hat] Bo  : an der er sich erbaut   32 Voraussetzungen] Bo  : Vorstellungen Grundsätze   35 das erste Erklären] Hu , ähnlich An  : Die Erklärung vor tausend Jahren  

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iii.  die offenbare religion175

Natur gut ist , oder von Gott , daß man Gott nicht erkennen kann . Das bringt man hinzu , obgleich die christliche Religion grade dieß ist , Gott zu erkennen , – worin Gott sogar sich geoVenbart hat , gesagt , was er ist . – Da kann nun eben wieder das Po s i t i ve auf eine andre Weise eintreten in solche Vorstellungen , Sätze  ; der Mensch habe diese Gefühle , sei so und so beschaVen , das bringt man herbei , Da kommt es darauf an , ob dieser Inhalt , Vorstellungen , Sätze , wahrhafte sind . – Das ist nicht mehr die Bibel , das sind die Worte , die der Geist innerlich auffaßt . Spricht der Geist sie aus , so ist das schon eine Form , die der Geist gegeben , Form des Denkens . Diese Form , die man jenem Inhalte gibt , ist zu untersuchen . – Da kommt das Positive wieder herein . Das Po s i t i ve hat hier den Sinn , daß zB die formelle Logik des Schließens vorausgesetzt worden , Gedankenverhältnisse des Endlichen . Da kann nach dem gewöhnlichen Verhältniß des Schließens nur Endliches gefaßt , erkannt werden , nur Verständiges  ; Göttlichem Inhalte ist es nicht adäquat , – dieser Inhalt wird verdorben . – Die Theologie , so wie sie nicht ein Hersagen der Bibel ist , – über die Worte der Bibel hinausgeht , sie es darauf ­ankommen läßt , was im Innern für Gefühle sind , gebraucht For|men des ­Denkens , tritt in’s Denken .  – Gebraucht sie diese Formen nun nach Zufall , daß man Voraussetzungen hat , Vor­urtheile , – so ist dieß etwas Zufälliges , Willkührliches , und die Untersuchung dieser Denkformen ist allein die Filosofie . – Die Theologie gegen die Filosofie sich kehrend , ist entweder bewußtlos darüber , daß sie solche Formen braucht , daß sie selbst denkt , und es darauf ankommt , nach dem Denken fortzugehen  ; oder es ist bloß Täuschung  : sie will das beliebige , zufällige Denken , das hier das Positive ist , sich vorbehalten . – Diesem willkührlichen Denken thut das Erkennen der wahrhaften Natur des Denkens Eintrag . Dieß zufällige , beliebige Denken ist das Positive , das hereinkommt  : c .) nur d e r B e g r i f f f ü r s i c h befreit sich wahrhaft durch und durch vom Positiven  : denn in der Filosofie und Religion ist diese höchste Freiheit , die das Denken selbst als solches ist . – Die Lehre , der Inhalt erhält auch die F o r m des Positiven  ; er ist ein Giltiges , gilt in der Gesellschaft . Alle Gesetze , was gilt , hat diese Form , daß es ein Seiendes ist , und als solches für Jeden das Wesentliche , ein Geltendes . Das ist aber nur die Form des Positiven  ; der Inhalt muß der wahrhafte Geist seyn . – Die Bibel ist diese Form des Positiven , aber es ist selbst einer ihrer Sprüche  : d e r B u c h s t a b e t ö d t e t  , d e r G e i s t m a c h t l e b e n d i g  . Da kommt es darauf

35 6 Vorstellungen , Sätze] Hu  : Schlüsse   11 formelle Logik] Bo  : vollständigen formellen Logik   13

Endliches] Bo  : das Menschliche   17–19 Gebraucht sie … Filosofie .] Hu  : sie braucht Formen des Denkens , diese sind aber nicht zufällig  ; nur wahrhafte nach der Nothwendigkeit logisch entwickelte Formen können es seyn  

ist das richtig ?

87An

logisches Schließen Positives zu Prüfung dieser neuen Form des biblischen Inhalts , dieser ­Voraussetzungen . 136rHu b .) 142 AKö

c .)  Filosofische Theologie , der ­BegriV für sich , ist f r e i vom ­P o s i t i v e n  . Die Lehre hat nur F o r m des Positiven .

Bibel diese Form . Bibel selbst dagegen . 65Bo 26/7 Bo

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137rHu Fi losof ie ­o r t h o d o x  .

1 .) Betracht ung der chr istl ichen Religion n i c h t h istor isch Anfang vom ­B e g r i f f

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an , welchen Geist man herbeibringt , welcher Geist dieß belebt . Man muß wissen , daß man einen konkreten Geist mitbringt , einen denkenden , reflektirenden , empfindenden Geist , und muß Bewußtseyn haben über diesen Geist , der thätig ist , diesen Inhalt auffaßt .  – Das Fassen ist nicht ein passives Aufnehmen , sondern , indem der Geist auffaßt , ist dieß Fassen zugleich seine Thätigkeit . – Nur beim Mechanischen verhält sich die eine Seite beim Aufnehmen passiv . – Der Geist also kommt daran hin , dieser Geist hat seine Vorstellungen , BegriVe , ist ein l­ogisches Wesen , ist denkende Thätigkeit . Diese Thätigkeit muß der Geist kennen . Dieß Denken kann in diesen oder jenen Kategorien der Endlichkeit hingehen . – Es ist der Geist , der auf solche Weise anfängt vom Positiven , aber wesentlich dabei ist . Er soll seyn der wahrhafte , rechte , der heilige Geist , der das Göttliche und diesen Inhalt als göttlich auffaßt und weiß . – Das ist das Zeugniß des Geistes , das mehr oder weniger entwickelt seyn kann . – Das ist also in Hinsicht des Positiven die Hauptsache , d a ß d e r G e i s t s i c h d e n k e n d ve r h ä l t  , T h ä t i g k e i t i s t i n d e n K a t e g o r i e n  , D e n k b e s t i m m u n g e n  ,  – daß der Geist da thätig ist , empfindend , räsonnirend . Dieß wissen Einige nicht , haben kein Bewußtseyn über das Aufnehmen , daß sie dabei thätig sind . – Viele Theologen , indem sie sich | exegetisch verhalten , und , wie sie meinen , passiv aufnehmend , – wissen dieß nicht , daß sie dabei thätig sind , reflektiren . Ist dieß Denken nur ein zufälliges Denken , so überläßt es sich den Kategorien endlichen Inhalts , der Endlichkeit , des endlichen Denkens , und ist unfähig , das Göttliche im Inhalt aufzufassen  : es ist nicht der göttliche , sondern der endliche Geist , der in solchen Kategorien sich fortbewegt .  – Durch solch endliches Erfassen des Göttlichen , dessen , was an und für sich ist , durch dieß endliche Denken des absoluten Inhalts ist es geschehen , daß die Grundlehren des Christen­thums größten Theils aus der Dogmatik verschwunden sind . Nicht allein , aber vornehmlich die Filosofie ist jetzt wesentlich orthodox  : die Sätze , die immer gegolten , die Grundwahrheiten des Christen­thums werden von ihr erhalten und aufbewahrt . Indem wir diese Religion betrachten , gehen wir nicht historisch zu Werke nach der Weise des Geistes , der vom Äußerlichen anfängt , sondern wir gehen vom BegriV aus . – Jene Thätigkeit , die vom Äußerlichen anfängt , erscheint nur nach e i n e r Seite als auffassend , – nach der andern ist sie Thätigkeit . – Hier verhalten wir uns wesentlich als solche Thätigkeit mit Bewußtseyn des Denkens

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4 Das Fassen … Aufnehmen] Hu  : Die Tode Buchstaben muss man mit dem Geiste fassen   5 Thä- 35 tigkeit] Bo  : wesentliche Thätigkeit  Hu  : Thätigkeit des Geistes   16–17 haben kein Bewußtseyn … sind] Hu  : Man hat oft kein Bewustseyn uber seyn Denken so wie der Engländer der nicht gewusst hat dass er Prosa sprach   25–26 die Grundlehren] Hu  : viele Grundlehren  



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iii.  die offenbare religion177

über sich , über den Gang der Denkbestimmungen , – eines Denkens , das sich geprüft hat , erkannt  ; das weiß , wie es denkt , und weiß , was die endlichen und was die wahrhaften Denkbestimmungen sind . – Daß wir auf der a n d e r n Seite vom Po s i t i ve n anfingen , ist in der Erziehung geschehen , und auf der Seite zu lassen , sofern wir wissenschaftlich verfahren .  – Das D r i t t e  , was zu erörtern ist , ist der R ü c k b l i c k a u f d e n b i s h e r i g e n G a n g  , und das Verhältniß desselben zur letzten Stufe der Religion , und hier erst können wir den Gang , seinen Sinn fassen . – Es ist gesagt  : d i e R e l i g i o n i s t d e r G e i s t a l s B e w u ß t s e y n s e i n e s We s e n s  . Da ist ein Geist auf der einen Seite , der Geist des Unterschieds  ; der andre Geist ist der Geist als wahrhafter , nicht endlicher Geist , – diese Trennung , Diremzion , die zugleich Vereinigung enthält . Diese Trennung , Diremzion , dieses Unterscheiden , was im BegriV des Geistes liegt , ist das , was wir genannt haben die E r h e b u n g d e s G e i s t e s vo m E n d l i c h e n z u m Un e n d l i c h e n  .  – So wie sich der Geist als endlich bestimmt , bestimmt er sich gegenüber dem Geist als unendlich . – Diese Erhebung erscheint metafysisch in den Beweisen vom Daseyn Gottes . Der endliche Geist macht sich den unendlichen zu seinem Gegenstande , weiß ihn als sein Wesen . – Wenn wir uns so ausdrücken , so ist dieß Endliche ein unbestimmtes , abstraktes Wort , so wie das Unendliche nur ist als Unbestimmtes , und der Geist als unendlich bestimmt ist nur unbestimmt gesagt , und nicht nur unbestimmt , sondern auch einseitig .  – Über die logische Bestimmung vom Endlichen und Unendlichen muß man klar seyn . – | Wenn wir sagen , der »unendliche Geist« , so ist dieß »unendlich« selbst in einseitiger Bestimmung gefaßt , weil es das Endliche sich gegenüber hat . Daß er nicht einseitig sei , muß der Geist die Endlichkeit in sich selbst befassen , und die Endlichkeit heißt überhaupt Nichts weiter , als das sich Unterscheiden , eben Bewußtseyn ist die Weise der Endlichkeit des Geistes  : da ist Unterschied  : das Eine ist auf der einen , das Andre auf der andern Seite  ; Eins hat seine Grenze , sein Ende am Andern . – Die Endlichkeit ist nur dieß Unterscheiden , und dieß Unterscheiden im Geist ist das Bewußtseyn . Der Geist muß Bewußtseyn , Unterscheiden haben , sonst ist er kein Geist  : dieß ist das Moment der Endlichkeit an ihm . – Der Geist muß die Bestimmung der Endlichkeit an sich selbst haben  ; – das kann blasfemisch aussehen  ; hat er sie aber nicht an ihm , so hat er die Endlichkeit sich gegenüber 17–20 Wenn wir … nicht nur] Hu  : 1 . Zuerst zeigt sich der Endliche Geist dem Unendlichen ge… seyn .] Hu  : Die logische Bestimmungen vom Endlichen und Unendlichen muss man haben , wenn man sie aber aussereinander hällt so sind wir im Endlichen Denken .   32 blasfemisch] Hu  : als widersprechend der Natur Gottes  

35 genüber , aber beyde sind deswegen noch   21–22 Über die

8 können] kennen  

2 .) Der Positive Anfang in der Erziehung . 3 .) 137vHu

144AKö 138rHu

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auf der andern Seite , und das ist eine schlechte Unendlichkeit . – Wenn man die Bestimmung der Endlichkeit ansieht als Etwas , das Gott widersprechend ist , so nimmt man das Endliche als etwas Fixes , Selbständiges , nicht als Vorübergehendes , sondern als ein Solches , das wesentlich selbständig ist , eine Beschränkung , die schlechthin Beschränkung bleibt . – Das Endliche ist nicht das Absolute , weder die endlichen Dinge , noch die logische Bestimmung , die Gedankenbestimmung der Endlichkeit , ist absolut  ; sondern diese Bestimmung ist eben dieß , nicht wahrhaft an ihr selbst zu seyn . – Gott ist selbst endlich und beschränkt , wenn er das Endliche sich gegenüber hat . So muß das Endliche in Gott selbst gesetzt werden , aber nicht als dieß Unüberwindliche , Absolute , Selbständige  ; sondern als dieß Unterscheiden überhaupt , das wir am Geist , Bewußtseyn haben , – ein Unterscheiden , das , weil es ein vorübergehendes Moment ist , die Endlichkeit keine Wahrheit ist , ist es auch nur dieß , sich ewig aufzuheben .  – Das ist der Mangel  : der unendliche Geist ist in dieser einseitigen Abstraxion gesetzt , wenn wir sprechen  : das Endliche erhebt sich zum Unendlichen . Dieser Mangel des Unendlichen , diese Abstraxion des Unendlichen ist aufzuheben und eben so die Abstraxion des Endlichen , in der wir dasselbe zunächst unmittelbar nehmen . – Die Betrachtung nun der Endlichkeit ist es , die uns die Entwicklung , Fortbestimmung gibt . – Wir fingen an vom BegriV der Religion – die Religion , der Geist , der sich zu sich , aber zu seinem Wesen , dem wahren Geist verhält , mit diesem ebenso versöhnt ist , sich in demselben findet . | Dieser BegriV der Religion , weil er nur der BegriV ist , ist endlich  : denn er ist noch nicht die Idee , die Realisirung , Verwirklichung des BegriVs . – Der BegriV ist a n s i c h das Wahre , noch nicht f ü r s i c h  . Der Geist ist wesentlich dieß , für sich zu seyn , was er an sich , was sein BegriV ist . – Die Endlichkeit bestimmt sich nun so , daß dieß nur der Geist in seinem BegriV , die Religion in ihrem BegriV ist  ; und es erscheint der Fortgang so , den BegriV , die Einseitigkeit , den Mangel , das nur Abstrakte des BegriVs , aufzuheben  : dieß mag nun als Endlichkeit gefaßt seyn , oder als jene abstrakte Unendlichkeit . Unser Fortgang hatte also diesen Sinn , diese Bestimmung , jene Abstraxion aufzuheben .  – Das Zwe i t e ist  : was als BegriV zunächst ist , nur der BegriV , das Subjektive , so , daß es nur der Inhalt ist an sich , ist aber ebenso das Erste , das Unmittelbare . Was nur an sich , seinem BegriVe nach ist , ist in der Existenz , als Daseyn nur erst

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4–5 sondern als … bleibt] Hu  : so hat man noch nicht gut die Natur des Endlichen und Unendlichen erkannt   10–11 als dieß Unterscheiden … haben] Hu  : Das Endliche ist bloss zunächst das Unter- 35 scheiden im Geiste , das Bewustseyn .   13–15 Das ist … Unendlichen .] Hu  : Es ist ein schlechter Ausdruck deswegen das Erhöben sich vom Endlichen zum Unendlichen .   32 Unmittelbare] Hu  : unmittelbare , an sich wie der Mensch als Kind  



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iii.  die offenbare religion179

Unmittelbares , und das Unmittelbare ist daher die Endlichkeit , die als erste zu betrachten ist . – Diesen Gang haben wir also genommen  : z u e r s t den BegriV des Geistes oder der Religion , – und dieß Ansich oder nur der BegriV als solcher ist nur die unmittelbare Weise dieses BegriVs , das unmittelbare Seyn , und dieß haben wir in d e m N a t ü r l i c h e n  . – Das Natürliche ist , was umittelbares Seyn ist , die Endlichkeit ist das umittelbare Seyn , der Geist in seinem unmittel­ baren Seyn ist das empirische Bewußtseyn , das unmittelbare Selbstbewußtseyn , das sich als das Wesen betrachtet , sich , das unmittelbare Selbstbewußtseyn , als M a c h t d e r N a t u r weiß . – Dieser unmittelbare Geist ist erfüllt , bestimmt in sich , konkret , aber nur empirisch konkret  : dieser Inhalt der Begierde , Triebe , Leidenschaften , das ist seine Erfüllung , – und diese erste Erfüllung ist Erfüllung der bloßen Natürlichkeit des Geistes . Das macht die Endlichkeit aus des Geistes , dieß natürliche , empirische Selbstbewußtseyn . – Der Geist ist erfüllt , aber nur empirisch , noch nicht mit seinem BegriV , – und um das ist’s zu thun , daß er , was er an sich ist , f ü r s i c h we r d e  , d a ß e r z u s e i n e m B e g r i f f e ko m m e  .  – Der Fortgang ist logisch . Es liegt in der Natur der Bestimmung selbst , sich so fort zu bestimmen , das ist logische Nothwendigkeit . – Die weitre Form dieser Endlichkeit haben wir ferner zu sehen . – Diese Endlichkeit , die unmittelbares Seyn ist , kann auch so bestimmt werden  : das Einsseyn dieses unmittelbaren , endlichen Geistes mit sich , der Geist , der noch nicht zu dieser Trennung gekommen ist , diese Natürlichkeit , Begierde von sich zu unterscheiden , noch nicht in sich selbst zu seyn , der die Bestimmung der Freiheit noch nicht erlangt hat , – der Geist , daß er frei ist , muß entfernen dieß Unmittelbare , das Natürliche , Empirische , davon abstrahiren . – Das N ä c h s t e ist also der Unterschied , sein I n s i c h g e h e n von seinem Versenktseyn in die Natürlichkeit . – Davon haben wir verschiedene Formen ge­se­ hen , wir hatten besonders die ausgezeichnete Form , – die i n d i s c h e Religion ,  | dieß Insichseyn , Brama , das reine Selbstbewußtseyn , diese Scheidung , wo von allem Konkreten , allem Natürlichen und aller Lust , Vorstellung , abstrahirt ist , das Insichseyn des reinen Selbstbewußtseyns gesetzt ist . – Aber diese Trennung ist zugleich abstrakt  ; dieß Denken ist einerseits noch leer , andrerseits unmittelbares Selbstbewußtseyn , das sich nicht von sich unterscheidet , das kein Objekt hat , was das subjektive , abstrakte Wissen ist . – Die erste Einheit aus dieser Entzweiung , die erste Versöhnung ist , daß diese Innerlichkeit

… N a t ü r l i c h e n ] Hu  : Dies haben wir als Natur Religion bestimmt .   10–11 Begierde , Triebe , Leidenschaften] Hu  : Neigungen und Triebe   18 zu sehen] Hu  : gesehen . Der Fortgang war logisch nothwendig .   20 ist] Hu  : ist , war der Anfang   32 unmittelbares Selbst­ bewußtseyn] Hu  : unmittelbares Wissen   34 erste Versöhnung] Bo  : erst rohe Versöhnung  

35 5 dieß haben

I .) I .  Naturreligion .

1 .) 1 .)  Zauberei

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i n d i s c h e R e l i g i o n  . 146AKö

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II .)  II .) E ­ rhebung des Geistigen ü b e r d i e Natur 89An 1 .)  Religion der Schönheit –

140vHu 2 .)  Religion der Erhabenheit –

147AKö III  III Religion der äußerlichen ­Zweckmäßigkeit  .

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sich erfüllt mit der Äußerlichkeit , daß diese Innerlichkeit sich nicht mehr als ­abstractum , sondern als Konkretes zeigt , daß diese Innerlichkeit die Äußerlichkeit in sich aufnimmt . Das ist dieß rohe Verhältniß , wo das Innerliche nur die Be­deutung ist eines Äußern , das noch in seiner ganzen Natürlichkeit ist . – Die z we i t e Stufe war der Anfang einer geistigen Religion , des Insichgegangenseyns , der Freiheit des Geistes , so daß das Natürliche , die vorhergehende Erfüllung , nicht als selbständiger Inhalt ist , der auf unmittelbare Weise die Erfüllung ausmacht , sondern nur die Erscheinung ist eines Innern , welches das Sittliche ist , welches vernünftige Innerlichkeit zur Bestimmung hat . – Diese Innerlichkeit ist also konkret in sich so , daß das Konkrete ihr angehört , ihre eigne Bestimmung , Natur ist , ist das Sittliche überhaupt . Aber dieß Sittliche hat das Natürliche zwar zu seiner Manifestazion , Erscheinung  ; aber dieß konkrete Innre , das Sittliche , ist noch nicht als Subjektivität in sich gesetzt . Daher diese Endlichkeit , daß das Sittliche in besondre sittliche Mächte sich unterscheidet , nur eine Sammlung ist dieser besonderen sittlichen Mächte , der Inhalt ein besondrer ist , zwar um­ fassende Totalität  ; daß dieser Inhalt vollständig ist , aber nicht Subjektivität . – Die andre Weise der Endlichkeit ist , daß die Erscheinung noch eine sinnliche Weise ist , der Geist als sinnliches Ding vorhanden ist , oder wegen der Besonderheit , die nicht in absolute Harmonie , Einheit aufgenommen ist , kann man sich darüber lustig machen . In dieser zweiten Sfäre des Insichgegangenseyns haben wir dieser Religion der Schönheit gegenüber die R e l i g i o n d e r E r h a b e n h e i t  , so daß diese Besonderheiten , sittlichen Mächte , in einem Zweck zusammen­ gefaßt sind , wodurch das Eine , der Geist , als in sich seiender bestimmt wird als we i s e r  . Da haben wir also den Geist in seiner Freiheit , in sich konkret zugleich und in sich bestimmt , d . i . daß er als weiser ist . – Dieser Geist verdient erst für uns den Namen »Gott« . – Der Geist hat so einen Zweck in sich , er ist in sich bestimmt  ; aber der Inhalt seiner Subjektivität , seine unendliche Bestimmung , der Inhalt als in ihm , das , was Zweck heißt , ist noch abstrakt . – | Das d r i t t e ist , daß der Zweck einen umfassenden , allgemeinen Inhalt erhält , aber zunächst in der Welt auf äußerliche Weise . – Weisheit ist ein Zweck , aber in Form der Abstraxion . Dieser Zweck entwickelt , so ist seine Weise die Äußerlichkeit . Es ist ein Zweck in der Welt , eine Einheit , aber noch abstrakte Einheit , die selbst nur in dieser Realität abstrakt ist  ; deswegen Herrschaft überhaupt , – der Zweck , die Subjektivität mit umfassender Realität , aber so , daß das Subjekt das Umfassende , aber nur der Endlichkeit ist . – 8–9 welches das Sittliche … hat] Hu  : welches Sinnliches zu seyner concreten Seyte hat   23–24 wodurch das Eine , … w e i s e r ] Hu  : das absolute Wesen ist deswegen als Weises   28 noch abstrakt] Hu  : weise  

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iii.  die offenbare religion181

Der Übergang ist nun der in sich gegangne Geist , der BegriV , der nur sich zum Zweck hat , dieser in sich seiende Weise , mit einem Zweck , der er selbst ist , der Gott selbst ist . – Die Idee hat nur sich zum Zweck , und jetzt ist dieser BegriV dazu gereinigt , einen Zweck zu haben , der umfassender , aber auch in die Subjektivität zurückgenommener Zweck ist . Es ist der Geist , der seinen BegriV , sein konkretes Wesen selbst zu seinem Endzweck hat , und diesen Zweck ewig realisirt , objektivirt , und darin frei , die Freiheit ist , weil dieser Zweck seine Natur selbst ist . Damit ist die Endlichkeit aufgehoben . – Dieser Fortgang hat diese nähere Bestimmung , das sich in sich Bestimmen , die Bestimmtheit des Geistes zu enthalten . – Dieser Gang enthält , daß der Geist , als in sich gesetzt , sich zeigt . Der Geist ist eben dieß , als das sich selbst unendlich Bestimmende zu seyn . Die Reihe der Formen , die wir durchlaufen , ist eine Reihe  ; aber diese Formen fassen sich in der unendlichen , absoluten Form zusammen , in der absoluten Subjektivität , – und der Geist erst so als absolute Subjektivität bestimmt , ist Geist . Wir haben gesehen einerseits das Abstreifen dieser Bestimmtheiten , Weisen der Endlichkeit , der endlichen Formen  ; aber das Andre ist , daß der Geist , der BegriV selbst es ist , sich so zu bestimmen , daß der BegriV erst diese Formen durchlaufen muß , um Geist zu seyn  ; erst , indem dieser Inhalt durchlaufen hat diese Be­stimmungen , erst so ist er Geist . – Der Geist ist das Wesen  ; aber nur der Geist , indem er aus sich selbst zu sich selbst zurückgekehrt ist , nur als der Zurückkehrende , Bei-sich-selbst-Seiende , als dieß aus sich bei sich zu seyn sich Setzende . – Das Setzen ist die unterschiedene Bestimmungen dieser Thätigkeit , und diese unterschiednen Bestimmungen sind die Formen , die der Geist zu durchlaufen hat . – Wir haben gesagt  : der Geist ist unmittelbar , – das ist eine Weise der Endlichkeit  ; ebenso ist es der Geist , der BegriV , der sich bestimmt . – Die erste Form , | wozu er sich bestimmt , ist dieß  : als sich dirimirend in sich , und nach dieser Form der Endlichkeit umittelbar zu seyn . Der BegriV bestimmt sich , setzt sich als Unmittelbares  ; er , der BegriV , für den der Geist sich so bestimmt , sich setzt als Unmittelbares , das sind w i r noch .  – Das Letzte ist aber , daß dieß , für das der Geist ist , dieser BegriV , Subjektivität dem Geist nicht als Äußerliches sei , sondern selbst die absolute , unendliche Subjektivität ist , die unendliche Form , und die unendliche Form ist der Kreislauf dieses Bestimmens  ; er ist Geist nur , in sofern er sich durch diesen Kreislauf hindurch bestimmt hat , diesen Kreislauf durchlaufen . – So ist er erst das Konkrete . – 3 Die Idee] Bo  : Der BegriV  7 realisirt , objektivirt] Bo  : vollführt , realisirt   frei] Hu  : frey bey sich   11 als] Hu  : in dieser Sphäre als  

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Einerseits hat es den Sinn , die Weise der Endlichkeit abzustreifen  ; das Andre ist das sich dirimiren und aus der Diremzion zurückzukehren zu sich selbst  : so nur ist er gesetzt als Geist . – Zuerst ist der Geist nur eine Voraussetzung  ; daß er als Geist ist , als Geist gefaßt wird , ist nichts Unmittelbares , kann nicht auf unmittelbare Weise geschehen  ; er ist nur Geist als dieß sich Dirimirende und Zurückkehrende , erst nach durchlaufnem Kreislauf .  – Was wir durchlaufen sind in unsrer Betrachtung ist  : das Werden , das Hervorbringen des Geistes selbst , und erst als solcher , der sich so ewig hervorbringt , ist er Geist . – Dieser Gang ist also das Erfassen , Begreifen des Geistes . – Der BegriV ist es , der sich bestimmt , und diese Bestimmungen in sich , den BegriV , zurücknimmt . Dadurch ist das ebenso die absolute Objektivirung des Geistes , daß der BegriV sich bestimmt , erfüllt , aber sich erfüllt mit seinem BegriV , mit sich . – Der Kreislauf dieser Formen ist das Gesetzwerden , das sich Setzen des BegriVs . Diese Formen zusammengefaßt in ihrer Einheit sind der BegriV . Das Resultat ist der BegriV , der sich gesetzt , sich zu seinem Inhalt hat . Das ist dann die a b s o l u t e I d e e  . Idee ist Einheit des BegriVs und Realität , BegriV und Objektivität , Gegenständlichkeit . – Die Wa h r h e i t ist , daß die Objektivität dem BegriV adäquat ist  ; aber dem BegriV ist nur adäquat der BegriV selbst , der sich selbst zu seinem Gegenstand , Objekt hat . Der Inhalt als Idee ist die Wahrheit . – Die Freiheit an der Idee ist diese Seite  : der BegriV , indem er im BegriV bei sich selbst ist , so ist er frei . Die Idee ist allein das Wahre  ; aber ebenso die Freiheit . Die Idee ist das Wahre , das Wahre ist der absolute Geist . Das | i s t der Geist , das i s t die wahrhafte Definizion des Geistes . – Der BegriV , der sich bestimmt , zu seinem Gegenstand gemacht , damit Endlichkeit an ihm gesetzt , aber seine Endlichkeit mit sich selbst erfüllt , seine Endlichkeit ebenso aufgehoben hat , – das ist der Geist . Wir sind gewohnt von Gott zu sagen  : Gott ist Schöpfer der Welt , allgerecht , allwissend , allweise . In der Filosofie ist es darum zu thun , zu erkennen , was Gott , die absolute Wahrheit ist ? Das gewöhnliche , geläufige Verfahren ist außer den Beweisen vom Dasein Gottes , von Gott dieß und das auszusagen , Gott durch Prädikate zu bestimmen , und was er ist , sagen seine Eigenschaften , das ist das Bestimmte . – Dieß aber ist nicht das wahrhafte Erkennen dessen , was die Wahrheit , was Gott ist  ; es ist die Weise der Vorstellens , des Verstandes . Es ist dieß nothwendig , auch durch Prädikate zu bestimmen  ; aber es ist ein reflektirendes , unvollkommnes Denken , nicht Denken durch den BegriV , Denken des BegriVs Gottes , der Idee . Prädikate heißen besondre Bestimmungen , – Eigenschaften sind besondre Bestimmungen  ; diese Bestimmungen aber sind besondre , ver­schieden 10–11 zurücknimmt] Hu  : zurücknimmt | und so ist er unendliche Subjektivität   21 frei] Hu  : frey , wahr  

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von einander . Wenn man diese Verschiedenheit bestimmt denkt , so gerathen sie in Widersprüche , sind entgegengesetzt , – und dieser Widerspruch ist nicht auf­ gelöst , oder löst sich nur in eine Abstraxion auf , entweder durch Temperiren der Eigenschaften durch einander , oder auf abstrakte Weise , wo von ihrer Besonderheit abstrahirt ist . – Sie widersprechen sich , der Widerspruch ist nicht aufgelöst . Das Andre ist , daß dadurch , auf diese Weise Gott nicht als lebendig gefaßt ist , indem er so durch Prädikate bestimmt ist . – Dieß ist eigentlich dasselbe , was eben gesagt ist , daß die Widersprüche nicht aufgelöst sind , oder nur abstrakt . – Die Lebendigkeit Gottes , oder des Geistes ist Nichts weiter , als sich zu bestimmen , – was auch als Prädikate erscheinen kann – , in die Endlichkeit , den Unterschied , Widerspruch sich zu setzen , aber diesen Widerspruch ewig aufzuheben . – Das ist das Leben , das Thun , die Thätigkeit Gottes  ; er ist absolute Thätigkeit , Actuosität , und seine Thätigkeit ist , den Widerspruch ewig zu versöhnen  : das ist er selbst . – Die Bestimmung durch Prädikate ist nach dieser Seite das Unvollkommne , daß es nur Bestimmungen sind , der Widerspruch nicht aufgelöst , daß dabei die Vorstellung ist , als sei nicht Gott selbst das Auflösen dieses Widerspruchs , der diese Widersprüche auflöse , so daß es scheint , als ob nur unsre Besonderheit Seiten an ihm auffasse , daß diese Bestimmungen nur unsre wären . – Aber die Besondrung kommt nicht bloß unsrer Reflexion zu , sondern ist seine Natur , BegriV selbst . Ebenso ist er dieß , den Widerspruch aufzulösen  ; aber nicht durch Abstraxion , sondern | auf konkrete Weise . – Das ist dann der lebendige Gott . Dieß heißt Lebendigkeit Gottes , daß es nicht bloß äußerliche Weise ist , nicht bloß von unsrer Seite aufzufassen .  – Nachdem wir nun also die Stellung des Bisherigen angegeben haben zur Idee Gottes selbst , daß der BegriV selbst es ist , der diese Unterschiede macht , und worin er sich selbst gewinnt , – erst hierin ist die Idee – , so ist es , daß wir d i e I d e e in ihrer Entwicklung , Ausführlichkeit selbst betrachten . – Da ist zuerst die Ein­thei­lung zu betrachten . – Da haben wir die Unterschiede , daß Gott die absolute Idee ist  : f ü r u n s  , den G e d a n k e n  , d a s D e n k e n  . Dieser Inhalt , in sofern er für den Gedanken , Boden des Denkens ist , kann und muß auch in Weise der Vorstellung gefaßt werden . Indem die ewige Idee für das Denken aller Menschen ist , und das Denken aller Menschen außer dem filosofischen ist , das sich versetzt in die Form des Denkens selbst , so muß auch dieß Denken in der Weise der Vorstellung seyn . Zuerst ist die Idee Gottes für das Denken , an sich , oder , es ist dieß die ewige Idee Gottes für sich selbst , was Gott für sich selbst ist , d . h . die ewige Idee auf dem Boden des Denkens überhaupt . – 13 Thätigkeit] Bo  : Lebendigkeit  

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d ie Idee i n i h rer E n t w i c k l u n g  . 143rHu E i n t h e i l u n g  .  A .) 1 .)

184 2 .)

a .) b .) 143vHu

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3 .) 144rHu

anonyme nachschrift königsberg · 1827

Das Zwe i t e ist , daß Gott die Idee ist , nicht für uns als denkend , sondern für den endlichen äußerlichen , empirischen Geist , für die sinnliche Anschauung , für die Vorstellung . Da ist nun die e i n e We i s e  , wie Gott ist für die Vorstellung , – das Daseyn  ; das er sich für die Vorstellung gibt , – ist zunächst die Natur , – daß der endliche empirische Geist Gott aus der Natur erkennt . – b .) Das A n d r e aber ist , daß er für den endlichen Geist als endlichen Geist ist . So ist er für den endlichen Geist , und der endliche konkrete Geist wird nothwendig selbst verwickelt in das , wie Gott für ihn ist , für ihn oVenbar ist . Nehmlich für den Geist als endlichen kann Gott eigentlich nicht seyn , – sondern , indem , insofern er für den endlichen Geist ist , liegt darin , daß dieser endliche Geist nicht seine Endlichkeit festhält , sie nicht als Seiendes , Festes hält , sondern eben dieß ist , sich mit Gott zu versöhnen . – Als endlicher Geist ist er gestellt in Trennung , Abfall von Gott , Außer-Gott-seyn  ; indem er sich als solcher doch zu Gott verhält , in diesem Außer-Gott-seyn , – ist da dieser Widerspruch des Entzweitseyns gegen Gott , der Trennung von Gott . – Das Zweite ist also der konkrete Geist , der endliche als endlicher bestimmt . Da ist er im Widerspruch gegen dieß sein Objekt , Inhalt . Da ist zunächst das Bedürfniß , diesen Widerspruch aufzuheben , der im endlichen Geist als solchem erscheint , das Bedürfniß der Versöhnung , – diese Getrenntheit aufzuheben . – | Das Bedürfniß ist der Anfang , und das Zweite dazu ist , daß Gott für ihn werde , daß er zum Wissen und zur Gewißheit des göttlichen Inhalts komme , daß sich der göttliche Inhalt ihm vorstelle , ihm , der aber zugleich der vorstellende Geist , der Geist in endlicher empirischer Weise ist , daß ihm also auch der Geist , aber auf äußerliche Weise erscheine , daß er zu seinem Bewußtseyn auf äußerliche Weise bringe , was Gott ist . – Gott in der ersten Sfäre des Denkens überhaupt , zweitens die Vorstellung , – das Dritte ist , daß er werde für die Empfindung , kann man sagen , für die Sub­ jektivität , und in der Subjektivität des Geistes , im Innersten des subjektiven Geistes , – daß die Versöhnung , das Aufheben dieser Trennung wirklich gemacht werde , daß Gott als Geist in seiner Gemeinde sei , die Gemeinde von diesem Gegensatze frei werde , und das Bewußtseyn , die Gewißheit habe ihrer Freiheit in Gott . – Das sind die dreierlei Verhältnißweisen des Subjekts zu Gott , die 3erlei Weisen des Daseins für den subjektiven Geist . Indem wir diesen Unterschied , diese Scheidung machten , haben wir es mehr empirisch gethan , ihn empirisch aufgenommen von uns . – Wir wissen von unserm Geist , daß wir denkend sind , ohne diesen Gegensatz , Entzweiung in uns  ; 8–9 wie Gott … ist] Hu  : wie er sich Gott vorstellt   14 verhält] Hu  : verhält und ewig mit ihm sich versöhnen will  

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iii.  die offenbare religion185

der endliche Geist , der Geist in seiner Entzweiung , Trennung . der Geist in der Empfindung , Subjektivität , in der Rückkehr zu sich , die Versöhnung , das innerste Gefühl .  – Diese Drei – das E r s t e ist der B o d e n d e r A l l g e m e i n h e i t  , das Zwe i t e der B e s o n d e r h e i t  , das D r i t t e der E i n z e l n h e i t  . Diese verschiedenen Boden sind eine Voraussetzung , die wir so aufgenommen haben , als unsre Bestimmung  : aber wir haben sie nicht zu betrachten als auf äußerliche Weise verschiedne vorhandne Boden , oder als gegen Gott äußerlich seiende Weisen , sondern es ist die Idee selbst , die diese Unterscheidung macht . – Die absolute ewige Idee ist aber  : an und für sich , G o t t i n s e i n e r Ew i g k e i t  , vo r E r s c h a f f u n g d e r We l t  , außerhalb der Welt . – daß Gott die Welt erschaVt , daß er die Trennung setzt . Da erschaVt er die Natur , theils den endlichen Geist . Dieses ErschaVen , dieß Andersseyn spaltet sich an ihm selbst in diese 2 Seiten  ; die fysische Natur und den endlichen Geist . – Dieses so GeschaVne ist so ein Andres , zunächst gesetzt außer Gott . Gott ist aber wesentlich , dieß Fremde , dieß Besondre , von ihm Getrenntgesetzte sich zu versöhnen , so wie die Idee sich dirimirt hat , abgefallen ist von sich selbst , diesen Abfall zu seiner Wahrheit zurückzubringen . Das ist der Weg , der P r o z e ß d e r Ve r s ö h n u n g  .  – | Das D r i t t e ist , daß durch diesen Prozeß der Versöhnung , der Geist , was er von sich unterschieden , in seiner Diremzion , seinem Ur­theil , mit sich versöhnt hat , und so der h e i l i g e G e i s t ist , der Geist in seiner Gemeine . – Das sind also nicht Unterschiede nach äußerlicher Weise , die wir machen  ; – sondern das Thun , die entwickelte Lebendigkeit des absoluten Geistes selbst  ; das ist selbst sein ewiges Leben , das eine Entwicklung und Zurückführung dieser Entwicklung in sich selbst ist , – und diese Lebendigkeit in der Entwicklung , Verwirklichung des BegriVs haben wir nun zu betrachten . – D a s E r s t e ist also , daß wir Gott betrachten , in seiner ewigen Idee , wie er an und für sich ist , aber noch , so zu sagen , vor oder außer ErschaVung der Welt . – In sofern er so in sich ist , ist dieß die ewige Idee , die noch nicht in ihrer Realität gesetzt ist , selbst nur noch die abstrakte Idee . Gott ist Schöpfer der Welt . Es gehört zu seinem Seyn , Wesen , Schöpfer zu seyn  ; in sofern er nicht Schöpfer ist , wäre er mangelhaft aufgefaßt . – Daß er Schöpfer ist , ist nicht ein actus , der ein Mal vorgenommen wäre  ; was in der Idee ist , ist ewiges Moment ewiges Bestimmen derselben . – 7 als unsre] Bo  : aus unserer   19 zu seiner Wahrheit] Bo  : zur Freyheit und zur Wahrheit   32 selbst nur … Idee] Bo  : er ist nur Gott im abstracten Elemente des Denkens überhaupt  Hu  : So ist die Idee noch mangelhaft .  

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I .)  Gott in seiner ewigen Idee , vor Erschaffung der Welt .

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67 Bo Dreieinigkeit . 145rHu

153AKö

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anonyme nachschrift königsberg · 1827

Gott in seiner ewigen Idee ist so noch im abstrakten Elemente des Denkens . abstrakte Idee des Denkens , nicht des Begreifens . Diese reine Idee ist es , was wir schon kennen .  – Diese ewige Idee ist dann ausgesprochen als das , was die heilige Dreieinigkeit heißt , – das ist Gott selbst , e w i g  , d r e i e i n i g  . Der Geist ist dieser Prozeß , Bewegung , Leben . Dieß ist , sich zu unterscheiden , bestimmen , und die erste Unterscheidung ist , daß er ist als diese allgemeine Idee selbst . Dieß Allgemeine enthält die ganze Idee , aber e n t h ä l t sie auch nur , ist nur Idee an sich . – In diesem Ur­theil ist das A n d r e  , das dem Allgemeinen Gegenüberstehende , das Besondre , Gott als das von ihm Unterschiedne , aber so , daß dieß Unterschiedne seine ganze Idee ist , an und für sich , so daß diese zwei Bestimmungen auch für einander dasselbige , diese Identität , das Eine , sind  ; daß dieser Unterschied nicht nur an sich aufgehoben ist , daß nicht nur w i r dieß wissen , sondern daß es gesetzt ist , daß sie dasselbe sind , daß insofern diese Unterschiede sich aufheben , als dieß Unterscheiden eben so ist , den Unterschied als keinen zu setzen , das Eine in dem Andern bei sich selbst ist . – Dieß , daß es so ist , ist der G e i s t s e l b s t  , oder , nach Weise der Empfindung ausgedrückt , die ewige Liebe . Der heilige Geist ist die ewige Liebe . – | Wenn man sagt  : Gott ist die Liebe , so ist es sehr groß , wahrhaft gesagt  ; aber es ist sinnlos , dieß nur so einfach , als einfache Bestimmung aufzufassen , ohne es zu analysiren , was die Liebe ist . – Denn die Liebe ist ein Unterscheiden zweier , die doch für einander schlechthin nicht unterschieden sind . Das Bewußtsein , Gefühl dieser Identität ist die Liebe , dieses Außer mir zu seyn  : ich habe mein Selbstbewußtseyn nicht in mir , sondern im Andern  ; aber dieß Andre , in dem ich nur befriedigt bin , meinen Frieden mit mir habe , – und ich bin nur , indem ich Frieden mit mir habe  ; habe ich diesen nicht , so bin ich der Widerspruch , der aus einander geht . Dieß Andre , indem es eben so außer sich ist , hat sein Selbstbewußtseyn nur in mir , und Beide sind nur dieß Bewußtseyn ihres Außersichseyns und ihrer Identität , – dieß Anschauen , dieß Fühlen , dieß Wissen der Einheit , – das ist die Liebe . – Gott ist die Liebe , – d . i . dieß Unterscheiden und die Nichtigkeit dieses Unterschieds , ein Spiel dieses Unterscheidens , mit dem es kein Ernst ist  ; der Unterschied eben so als aufgehoben gesetzt , d . i . die einfache , ewige Idee . – Wir betrachten die einfache Idee Gottes , daß sie ist im einfachen Elemente des Denkens , die Idee in ihrer Allgemeinheit  : es ist dieß die wesentliche Bestimmung der Idee , diese Bestimmung , wodurch sie Wahrheit hat . – B e m e r k u n g e n über diese Idee , den Inhalt und die Form . 3 kennen] Hu schließt an  : wir werden also hier kurz seyn  

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iii.  die offenbare religion187

Wenn von Gott gesprochen wird , was Gott ist , so werden zunächst die Eigenschaften angegeben  : das ist Gott  ; – er wird durch Prädikate bestimmt  : dieß ist die Weise der Vorstellung , des Verstandes . Prädikate sind Bestimmtheiten , Besondrungen  : Güte , Allmacht pp .  – Indem die Morgenländer das Gefühl haben , daß dieß nicht die wahrhafte Weise sei , die Natur Gottes auszusprechen , so sagen sie er sei  : πολυώνυμος , lasse sich nicht erschöpfen durch Prädikate  : denn Namen sind in diesem Sinne dasselbe als Prädikate . – Das eigentlich Mangelhafte dieser Weise , durch Prädikate zu bestimmen , besteht darin , wodurch eben diese unendliche Menge von Prädikaten kommt , daß diese Prädikate nur besondre Bestimmungen sind , und viele solche besondre Bestimmungen , deren Träger das Subjekt ist . Indem es besondre Bestimmungen sind , und man diese Besonderheiten nach ihrer Bestimmtheit betrachtet , man sie denkt , kommen sie in Entgegensetzung , Widerspruch , und diese Widersprüche sind dann nicht aufgelöst . – Dieß erscheint auch so , daß diese Prädikate ausdrücken sollen Beziehung Gottes auf die Welt , | die Welt ist ein Andres als Gott . – Als Besonderheiten sind sie seiner Natur nicht angemessen  : darin liegt die andre Weise , sie zu betrachten als Beziehungen Gottes auf die Welt , Allgegenwart , Allweisheit Gottes in der Welt . – Sie enthalten nicht die wahrhafte Beziehung Gottes auf sich selbst , sondern auf Andres , die Welt . So sind sie beschränkt  : dadurch kommen sie in Widerspruch . Wir haben das Bewußtseyn , daß Gott so nicht lebendig dargestellt wird , wenn so viele Besonderheiten nach einander aufgezählt werden . – Dieß auf andre Weise ausgedrückt , ist dasselbe , was vorher gesagt worden  : die Widersprüche der unterschiednen Prädikate sind nicht aufgelöst . Die Auflösung des Widerspruchs ist in der Idee enthalten  ; das sich Bestimmen Gottes zum Unterschiednen seiner von sich selbst  ; aber das ewige Aufheben des Unterschieds . – Der belassene Unterschied wäre Widerspruch . Wenn der Unterschied fest bliebe , so entstünde die Endlichkeit . Beide sind selbständig gegen einander und auch in Beziehung . – Dadurch entstünde der unaufgelöste Widerspruch . – Die Idee ist nicht , den Unterschied zu belassen , sondern ihn eben so aufzulösen  : Gott setzt sich in diesen Unterschied und hebt ihn eben so auch auf . – Wenn wir nun von Gott Prädikate angeben , so , daß sie besondre sind , sind wir zunächst bemüht , diesen Widerspruch aufzulösen . Das ist ein äußerliches Thun , unsre Reflexion , – und damit , daß es äußerlich ist , in uns fällt , nicht Inhalt der götlichen Idee ist , so ist darin enthalten , daß die Widersprüche nicht aufgelöst werden können . Die Idee ist selbst dieß , den Widerspruch aufzuheben . Das ist ihr eigner Inhalt ,

13 denkt] BoHu  : denkt , entwickelt   20–21 Bewußtseyn] Hu  : selbst im Gefühle  

1 .) 30/7 Bo

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anonyme nachschrift königsberg · 1827

Bestimmung , diesen Unterschied zu setzen und absolut aufzuheben , und das ist die Lebendigkeit der Idee selbst . – Das Zweite ist , zu erinnern an eine F o r m  , die wir früher gehabt . – In den metafysischen Beweisen vom Daseyn Gottes sahen wir den Gang , vom BegriV zum Seyn zu kommen  ; daß der BegriV nicht nur BegriV ist , auch i s t  , Realität hat . – Auf dem Standpunkte , den wir jetzt haben , entsteht das Intresse , vom BegriV zum Seyn überzugehen . – Der göttliche BegriV ist der reine BegriV , der BegriV ohne alle Beschränkung . Die Idee enthält , daß der BegriV sich bestimmt , damit als das Unterschiedne seiner sich setzt  : das ist Moment der göttlichen Idee selbst , – und weil der denkende , reflektirende Geist diesen Inhalt vor sich hat , so liegt darin das Bedürfniß dieses Übergangs , dieser Fortbewegung . – Das Logische des Übergangs haben wir schon früher gehabt  : Es ist in jenen sogenannten Beweisen enthalten  : es soll am BegriV selbst , vom BegriV aus , und zwar durch den BegriV zur Objektivität , zum Seyn übergegangen werden im Elemente des Denkens . Dieß , was als subjektives | Bedürfniß erscheint , als subjektive Forderung , ist Inhalt , ist das e i n e Moment der göttlichen Idee selbst . – Wenn wir sagen  : Gott hat eine Welt erschaVen , so ist das auch ein Übergang vom BegriV zur Objektivität  ; allein die Welt ist da bestimmt als das wesentlich Andre Gottes , die Negazion von Gott , außer , ohne Gott , gottlos seiend . Insofern die Welt als dieß Andre bestimmt ist , haben wir nicht vor uns den Unterschied als am BegriV selbst , im BegriV gehalten , d . h . das Seyn , die Objektivität soll am BegriV aufgezeigt werden , als Thätigkeit , Folge , Bestimmen des BegriVs . Es ist damit also aufgezeigt , daß dieß derselbe Inhalt an sich ist , der Bedürfniß ist in der Form jener Beweise vom Daseyn Gottes . In der absoluten Idee , – im Elemente des Denkens , ist Gott dieß schlechthin konkrete Allgemeine , d . i . sich als Andres zu setzen  ; so aber , daß dieß Andre unmittelbar sogleich bestimmt ist , daß dieß Andre Gott selbst sei , – der Unterschied nur ideell , unmittelbar aufgehoben ist , nicht die Gestalt der Äußerlichkeit gewinne , und das heißt eben , daß das Unterschiedne am und im BegriV aufgezeigt werden soll . – Es ist das Logische , in dem es sich zeigt , daß aller bestimmte BegriV , dieß ist , sich selbst aufzuheben , als der Widerspruch seiner zu seyn , und so ist der BegriV selbst noch mit dieser Einseitigkeit , Endlichkeit behaftet , daß er ein Subjektives ist , die Bestimmungen des BegriVs nur als ideell gesetzt , die Unterschiede nur als ideell , nicht in der That als Unterschiede gesetzt sind . Das ist der BegriV , der sich objektivirt . –

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7–8 Der göttliche … BegriV ] Bo  : die göttliche Idee ist der allgemeine BegriV   11 Übergangs] 35 Bo  : Ueberganges zum Seyn   13 Beweisen] Hu  : Beweisen vom Daseyn Gottes   3 ist] ist ist  



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iii.  die offenbare religion189

Wenn wir sagen  : »Gott« , so haben wir nur sein abstractum gesagt , – oder Gott der Vater , das Allgemeine , so haben wir ihn nur abstrakt nach der Endlichkeit gesagt . Seine Unendlichkeit ist eben dieß , daß er diese Form der abstrakten Allgemeinheit , der Unmittelbarkeit aufhebt , wodurch der Unterschied gesetzt ist  ; aber er ist ebenso , diesen Unterschied aufzuheben . Damit ist er erst wahrhafte Wirklichkeit , Wahrheit , Unendlichkeit . Diese Idee ist die s p e k u l a t i ve I d e e  , d . h . das Vernünftige , insofern es gedacht wird , das Denken des Vernünftigen . Das nicht Spekulative , das ve r s t ä n d i g e D e n k e n ist , wo stehen geblieben wird beim Unterschied als Unterschied , so Endliches und Unendliches  : es wird den beiden Absolutheit zugeschrieben  ; doch auch Beziehung auf einander  ; insofern Einheit , damit Widerspruch . – Diese spekulative Idee ist dem Sinnlichen entgegengesetzt  ; auch dem Verstande  ; sie ist daher ein Geheimniß für die sinnliche Betrachtungsweise , und auch für den Verstand . Für Beide ist sie ein μυστέριον d . h . was das Vernünftige ist . Ein Geheimniß im gewöhnlichen Sinne ist die Natur Gottes nicht  ; in der christlichen Religion am wenigsten . Da hat sich Gott zu erkennen | gegeben , was er ist , da ist er oVen­bar . Aber ein Geheimniß ist es für das sinnliche Wahrnehmen , Vorstellen , für die sinnliche Betrachtungsweise und für den Verstand . Das Sinnliche überhaupt hat zu seiner Grundbestimmung die Äußerlichkeit , das Außereinander  : im Raume sind sie neben , in der Zeit nach einander  : das ist auch Äußerlichkeit . Raum und Zeit ist die Äußerlichkeit , in der sie sind . Die sinnliche Betrachtungsweise ist gewohnt , so Verschiednes vor sich zu haben , das außer einander ist . Da liegt zu Grunde , daß die Unterschiede so für sich , außer einander bleiben . Für sie ist so das , was in der Idee ist , ein Geheimniß  : denn da ist eine ganz andre Weise , Verhältniß , Kategorie , als die Sinnlichkeit hat . Die Idee ist dieß Unterscheiden , das eben so kein Unterschied ist , das nicht beharrt bei diesem Unterschiede . – Gott schaut in dem Unterschiednen sich an , ist in seinem Andern nur mit sich selbst verbunden , ist darin nur bei sich selbst , nur mit sich zusammengeschlossen  : er s c h a u t sich im Andern an . – Das ist dem Sinnlichen ganz zuwider . Im Sinnlichen ist Eines hier und das Andre da  ; Jedes gilt als ein Selbständiges , es gilt dafür , nicht so zu seyn , daß es ist , indem es sich selbst in einem Andern hat . Im Sinnlichen können nicht 2 Dinge an einem und demselben Orte seyn  : sie schließen sich aus . In der Idee sind die Unterschiede gesetzt nicht sich ausschließend , daß sie nur sind in diesem sich Zusammenschließen des Einen mit dem Andern . Das ist das wahrhaft Übersinnliche , nicht das gewöhnliche 14–16 Ein Geheimniß … am wenigsten .] Hu  : In heidnischen Religionen ist Gott kein Geheimniss nur erst im Christen­thume wo es am wenigsten vorkommen sollte .   17 sinnliche] Hu  : äusserliche sinnliche  30 zuwider] Bo  : zu wider , ein übersinnliches  

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anonyme nachschrift königsberg · 1827

Übersinnliche , das drüben seyn soll  : denn das ist ebenso ein Sinnliches , d . h . Außereinander und gleichgiltig . – Ebenso ist diese Idee über den Verstand , ein Geheimniß für den Verstand  : denn der Verstand ist dieß Festhalten , Perenniren bei den Denkbestimmungen , als schlechthin außereinander , verschieden , selbständig gegen einander bleibender , feststehender  ; das Positive ist nicht was das Negative , Ursache nicht Wirkung . – Aber eben so wahr ist es auch für den BegriV , daß diese Unterschiede sich aufheben . Weil sie Unterschiedne sind , bleiben sie endlich , und der Verstand ist , beim Endlichen zu beharren  : und beim Unendlichen selbst hat er auf der e i n e n Seite das Unendliche und auf der Andern das Endliche . – Das Wahre ist , daß das Endliche , und das Unendliche , das dem Endlichen gegenübersteht , keine Wahrheit haben , sondern selbst nur Vorübergehende sind . Insofern ist dieß ein Geheimniß für die sinnliche Vorstellung und für den Verstand , und sie sträuben sich gegen das Vernünftige der Idee . Der Verstand kann eben so wenig irgend etwas Andres | die Wahrheit von irgend Etwas fassen . – Das thierische Lebendige existirt auch als Idee , als Einheit des BegriVs , der Seele und der Leiblichkeit . Für den Verstand ist jedes für sich . Allerdings sind sie unterschieden , aber ebenso dieß , den Unterschied aufzuheben  ; die Lebendigkeit ist nur dieser perennirende Prozeß . – Das Lebendige ist , hat Triebe , Bedürfnisse  : damit hat es den Unterschied in ihm selber , daß er in ihm entsteht . So ist es ein Widerspruch , und der Verstand faßt solche Unterschiede so auf , der Widerspruch löse sich nicht auf  : wenn sie in Beziehung gebracht werden , so sei eben nur der Widerspruch , der nicht zu lösen sei . – Das ist so , er kann nicht aufhören , wenn die Unterschiednen festgehalten werden als perennirend Unterschiedne , eben weil bei diesen Unterschieden verharrt wird . Das Lebendige hat Bedürfnisse und ist so Widerspruch  ; aber die Befriedigung ist Aufheben dieses Widerspruchs . – Im Trieb , Bedürfniß bin ich mir selbst von mir unterschieden . Aber das Leben ist dieß , den Widerspruch , das Bedürfniß zu befriedigen , zum Frieden zu bringen  ; aber daß der Widerspruch auch wieder entsteht  : es ist die Abwechselung des Unterscheidens , des Widerspruchs und des Aufhebens des Widerspruchs . – Beides ist der Zeit nach verschieden  ; das Nacheinander ist da vorhanden  ; es ist deshalb endlich . Aber für sich Trieb und Befriedigung betrachtet , faßt der Verstand auch dieß nicht , daß im Affirmativen , im Selbstgefühl selbst ist zugleich die Negazion des Selbstgefühls , die Schranke , der Mangel  ; ich aber als Selbstgefühl greife zugleich über diesen Mangel über . – Das ist die bestimmte 9 beim Endlichen] Hu  : bey den selbständigen   13 Vorstellung] Hu  : Wahrnehmung   26 und ist so Widerspruch] Hu  : es hat also Negation bey sich selbst , es ist in ihm selbst ein Widerspruch gesetzt  Aufheben] Hu  : Auflösung  

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iii.  die offenbare religion191

Vorstellung von μυστήριον . mysterium heißt man auch das Unbegreifliche . Was unbegreiflich heißt , ist eben der BegriV selbst , das Spekulative , daß das Vernünf­ tige gedacht wird . Durch’s Denken ist es eben , daß der Unterschied bestimmt aus einander tritt . – Das Denken des Triebs ist nur die Analyse dessen , was der Trieb ist  : die Affirmazion und drin die Negazion , das Selbstgefühl , die Befriedigung und der Trieb . Ihn denken heißt das Unterschiedne erkennen , was darin ist . Ist nun der Verstand dazu gekommen , so sagt er  : dieß ist ein Widerspruch , – und er bleibt dabei , bleibt bei ihm stehen gegen die Erfahrung , daß das Leben selbst es ist , den Widerspruch aufzuheben . – Wenn nun der Trieb analysirt wird , erscheint der Widerspruch , und da kann man sagen  : der Trieb ist etwas Unbegreifliches . Die Natur Gottes ist so das Unbegreifliche . Dieß Unbegreifliche ist eben nichts Andres , als der BegriV selbst , der dieß in sich enthält , zu unterscheiden , – und der Verstand bleibt bei diesem Unterschiede stehen . – So sagt er  : | Das ist nicht zu fassen  : denn das Prinzip des Verstandes ist die abstrakte Identität mit sich , nicht die konkrete , daß diese Unterschiede in Einem sind . Nach der abstrakten Identität sind das Eine und das Andre selbständig für sich , und ebenso beziehen sie sich auf einander  : – also ist der Widerspruch da . – Das heißt nun das Unbegreifliche . Das Auflösen des Widerspruchs ist der BegriV  ; zur Auflösung des Widerspruchs kommt der Verstand nicht , weil er von seiner Voraussetzung ausgeht  : sie sind und bleiben schlechthin selbständig gegen einander . – Dazu , daß man sagt , die göttliche Idee sei unbegreiflich , trägt bei , daß , indem die Religion die Wahrheit für alle Menschen ist , der Inhalt der Idee erscheint in sinnlicher Form oder in Form des Verständigen . In sinnlicher Form  : – so haben wir die Ausdrücke Vater und Sohn , ein Verhältniß , das im Lebendigen Statt findet , eine Bezeichnung die vom Sinnlich lebendigen hergenommen ist . Es ist in der Religion die Wahrheit dem Inhalte nach geoVenbart , – aber ein Andres ist , daß er in Form des BegriVs , des Denkens , der BegriV in spekulativer Form ist . – Eine weitre Form der Verständigkeit ist , daß , – wenn wir sagen  : »Gott in seiner ewigen Allgemeinheit ist dieß , sich zu unterscheiden , zu bestimmen , ein Andres seiner zu setzen , und den Unterschied ebenso aufzuheben , darin bei sich zu seyn , und nur durch dieß Hervorgebrachtseyn ist der Geist« , – der Verstand herzukommt und zählt  : 1 . 2 . 3 . – Eins ist zunächst ganz abstrakt . Diese Eins werden noch vertiefter auf geistige Weise ausgesprochen , indem sie als Personen bestimmt werden . Die Persönlichkeit ist dieß , was sich auf die Freiheit gründet  ; die erste , tiefste , innerste Freiheit  ; aber auch die abstrakte Weise , wie die Freiheit sich im Subjekt kund thut . Daß es weiß  : Ich bin Person , ich bin für mich , – das ist das schlechthin Spröde . – Indem also diese Unterschiede so bestimmt sind , Jedes als Eins oder gar als Person , – durch diese Bestimmung der Person scheint noch

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93An 158AKö

Sinnliche Form  : Vater und Sohn .

Verstandesform  : 1 . 2 . 3 . Personen .

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Anklang der ­Dreiheit bei Indiern

anonyme nachschrift königsberg · 1827

unüberwindlicher gemacht zu seyn , was die Idee fordert , diese Unterschiede so zu betrachten , als solche , die nicht unterschieden , sondern schlechthin Eins sind , das Aufheben dieses Unterschieds . – Zwei können nicht Eins seyn , jede Person ist ein Starres , Sprödes , Selbständiges , Fürsichseyn . – Die Kategorie des Eins , zeigt die Logik , daß sie eine schlechte Kategorie ist – ganz abstraktes Eins . Was aber die Persönlichkeit betriVt , so ist der Charakter der Person , des Subjekts , seine Isolirung , Abgesondertheit aufzuheben . Die Sittlichkeit , Liebe ist , seine Besonderheit , besondre Persönlichkeit , aufzugeben , zur Allgemeinheit zu erweitern  ; – eben so Freundschaft . Indem ich recht handle gegen den Andern , betrachte ich ihn als identisch mit mir . In der Freundschaft , Liebe , gebe ich meine abstrakte Persönlichkeit auf , und gewinne sie dadurch , die konkrete . – | Das Wahre der Persönlichkeit ist eben dieß , sie durch dieß Versenken , Versenktseyn in das Andre zu gewinnen . Solche Formen des Verstandes zeigen sich unmittelbar in der Erfahrung als solche , die sich selbst aufheben . Wir betrachten die Idee in ihrer Allgemeinheit , wie sie im reinen Denken , durch das reine Denken bestimmt ist . Diese Idee ist alle Wahrheit , und die Eine Wahrheit  : eben darum muß alles Besondre , was als Wahrhaftes aufgefaßt wird , nach der Form dieser Idee aufgefaßt werden . – Die Natur und der endliche Geist ist Produkt Gottes  : es ist also Vernünftigkeit in ihnen . Daß es von Gott gemacht ist , enthält , daß es in sich Wahrheit , die göttliche Wahrheit überhaupt , d . i . die Bestimmung dieser Idee überhaupt hat . Die Form dieser Idee ist nur in Gott als Geist  ; die göttliche Idee in Formen der Endlichkeit , da ist sie nicht gesetzt , wie sie an und für sich ist , – nur im Geist ist sie so gesetzt , – sie existirt da auf endliche Weise  ; aber die Welt ist ein von Gott Hervorgebrachtes , also macht die göttliche Idee immer die Grundlage aus dessen , was sie überhaupt ist . Die Wahrheit von Etwas erkennen heißt  : es nach der Form dieser Idee überhaupt erkennen , bestimmen . In früheren Religionen haben wir Anklänge an diese Dreiheit , als die wahrhafte Bestimmung , daß die Bestimmung der Dreiheit die wahrhafte ist , besonders in der indischen Religion . Es ist zwar zum Bewußtseyn gekommen diese Dreiheit , daß das Eine nicht als Eines bleiben kann , nicht ist , wie es Wahrhaftes seyn soll  ; daß das Eine nicht das Wahrhafte ist , sondern als diese Bewegung , dieß Unterscheiden überhaupt , und die Beziehung auf einander . – Das Dritte ist aber nicht der Geist , nicht wahrhafte Versöhnung , sondern Entstehen und Vergehen , die Verändrung  ; – eine Kategorie , die Einheit

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5 ganz abstraktes Eins] Hu  : wenn ich sage eins so sage ich dies von Jedem anderen   10 Freund­ 35 schaft] Hu  : Sittlichkeit Freundschaft   17 muß] Bo  : kann und muß   19–20 es ist … ihnen] Hu  : so muss sie auch die Bestimmung der Idee in sich enthalten   33 ist aber] Hu  : aber in der Drimurti ist   34–193,1 die Einheit dieser Unterschiede ist] Hu  : die zwar als Cathegorie der Versöhnung



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iii.  die offenbare religion193

dieser Unterschiede ist , aber eine sehr untergeordnete Vereinigung .  – Nicht in der unmittelbaren Erscheinung , sondern erst , indem der Geist eingekehrt ist in die Gemeine , der Geist , der unmittelbarer , glaubender Geist ist , sich zum Denken erhebt , – ist die Idee vollkommen . – Es hat Interesse , die Gährungen dieser Idee zu betrachten , und in den wunderbaren Erscheinungen , die vorkommen , ihren Grund erkennen zu lernen . – Bei den P y t h a g o r ä e r n und P l a t o findet sich die abstrakte Grundlage der Idee , aber die Bestimmungen sind ganz in dieser Abstraxion geblieben , theils in der Abstraxion von Eins , 1 , 2 , 3  ; bei Plato etwas konkreter  : die Natur des Einen , des Andern , und das in sich Verschiedne , θάτερον , und das Dritte , das die Einheit von Beiden ist . – Es ist hier nicht in der Weise der Fantasie der Indier , sondern in der bloßen Abstraxion . Das sind Gedankenbestimmungen , besser als Zahlen , als die Kategorie der Zahl , aber noch ganz abstrakte Gedankenbestimmungen . An Verwundrungswürdigsten ist dieß bei F i l o  , der sich in pythagoräische und platonische Filosofie einstudirt hat , d e n A l e x a n d r i n i s c h e n J u d e n und in Sy r i e n  . Besonders waren es H ä r e t i k e r  , vornehmlich die G n o s t i k e r  , in denen dieß Bewußtseyn | der Wahrheit aufgegangen ist – die Idee , das Dreieinige , – die aber diesen Inhalt gebracht haben zu trüben , fantastischen Vorstellungen . – Da kann eine ganz unzählbare Menge von Formen bemerklich gemacht werden  : d a s E i n e  , der Vater , das ῎ Ον , was als Abgrund , Tiefe , d . i . eben das noch Leere , das Unfaßbare , Unbegreifliche ausgesagt worden , das über alle BegriVe ist . – Denn allerdings das Leere , Unbestimmte , ist das Unbegreif­ liche , ist das Negative des BegriVs , und es ist seine BegriVsbestimmung , dieß Negative zu seyn , da es nur die einseitige Abstraxion ist , nur ein Moment des BegriVs ausmacht . Das Eine für sich ist noch nicht der BegriV , das Wahre . – Das Zw e i t e  , das Andersseyn , das Bestimmen , überhaupt die Thätigkeit , sich zu bestimmen , ist die allgemeinste Bestimmung als λόγος , die vernünftig bestimmende Thätigkeit , auch das Wort . Das Wort ist dieß einfache sich vernehmen lassen , das keinen festen Unterschied macht , kein fester Unterschied wird , s­ ondern

Abstrakte Grundlage der Idee bei den Pythagoräern und Plato .

Trinität bei F i l o  , Alexandrinern , Gnost i ker n 160AKö 151rHu 1 .)

2 .) λόγος

30 angesehen werden kann   1 eine sehr untergeordnete Vereinigung] Hu  : aber auf einer untergeord-

nete | Weise , eine Versöhnung die noch abstract ist   1–2 Nicht in der unmittelbaren Erscheinung] Hu  : Auch in der Christlichen Religion erscheint die heilige Dreieinigkeit nicht im Anfange ihres Entstehens .   7–8 Bei den P y t h a g o r ä e r n … Idee] Hu  : Es ist auch bekannt dass die Dreyeinigkeit bei den Pythagoräern eine wesentliche Rolle gehabt hat   8 Abstraxion] Hu  : blossen Abstrac9 etwas konkreter] Hu  : sind auch Gedankenbestimmungen der Dreyheit aber auch ganz 35 tion   abstract vorhanden   14 bei F i l o ] Bo  : bey den Juden wie bey Philo   20 werden] Hu  : werden in denen der Inhalt der Dreyeinigkeit verschieden und in verschiedenen Religionen zum Vorschein kam . Dieses gehört aber eigentlich zur Kirchen Geschichte .   21 Unfaßbare , Unbegreifliche] Hu  : Unsagbare  

150vHu

194 σοφία , Adam ­K admon

151vHu

Diese Idee be­ trachtet als jenseits des Menschen .

Jacob Böhm .

152rHu

Durch Kant , in neuerer Zeit 3heit als typus . 69Bo

anonyme nachschrift königsberg · 1827

­ nmittelbar vernommen ist  ; das , so unmittelbar es ist , eben so in die Innerlichkeit u aufgenommen , zu seinem Ursprung zurückgegangen ist . Denn als σοφία , die Weisheit , der ursprüngliche , ganz reine Mensch , ein Existirendes , Andres als jene erste Allgemeinheit , ein Besondres , Bestimmtes . – Damit ist es bestimmt worden als U r b i l d d e r Menschen , Adam Kadmon , der Eingeborene . Das ist nicht ein Zufälliges , sondern ewige Thätigkeit , nicht zu einer Zeit bloß  : in Gott ist nur Eine Geburt , die Thätigkeit , als ewige Thätigkeit , eine Bestimmung , die zum Allgemeinen wesentlich selbst gehört . – Das Wesentliche ist , daß diese σοφία , der Eingeborene , eben so im Schooße Gottes bleibt , der Unterschied keiner ist . – In solchen Formen hat die Idee gegohren . Die Hauptsache ist , daß man diese Erscheinungen , so wild sie sind , als vernünftig wisse , zu wissen , daß sie in der Vernunft ihren Grund haben , und welche Vernunft darin ist . Aber man muß zugleich zu unterscheiden wissen die Form der Vernünftigkeit , die vorhanden und noch nicht adäquat ist dem Inhalt . – Diese Idee ist eigentlich jenseits des Menschen , des Gedankens , der Vernunft gestellt worden , so gegenüber , daß diese Bestimmung , welche alle Wahrheit und allein die Wahrheit ist , betrachtet worden ist , als Etwas nur Gott Eigen­thüm­ liches , jenseits stehen bleibendes , das nicht sich reflektirt im Andern , das als Welt , Natur , Mensch erscheint . – Insofern ist diese Grundidee nicht betrachtet worden als allgemeine Idee .  – J a ko b B ö h m ist dieß Geheimniß der Dreifaltigkeit auf eine andre Weise aufgegangen . Die Weise seines Vorstellens , seines Denkens ist mehr fantastisch und wild  ; er hat sich nicht erhoben in reinen Formen des Denkens  ; aber dieß ist die herrschende Grundlage seines Gährens , seines ­K ampfes gewesen  : die Dreieinigkeit in Allem , überall zu erkennen . zB  : »sie muß im Herzen des Menschen gebohren werden .« – Sie ist die allgemeine Grundlage von Allem , was nach der Wahrheit betrachtet wird , zwar als Endliches , aber in seiner Endlichkeit als die Wahrheit , die in ihm ist . So hat Jakob Böhm die Natur und das Herz , den Geist des Menschen in dieser Bestimmung sich vorstellig zu machen versucht . – In neurer Zeit ist durch die Kantsche Filosofie diese Dreiheit als typus gleichsam , als Schema wieder in Anregung gebracht worden , schon in sehr bestimmten Gedankenformen . – Das ist aber die eine Seite , daß , indem dieß als die we­ sentliche und Eine Natur Gottes gewußt wird , es nicht drüben gehalten ­werden

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11 In solchen Formen] Hu  : In einer Menge von solchen Formen   21 allgemeine Idee] Bo  : wahre 35 Idee   21–22 ist dieß Geheimniß … aufgegangen] Hu  : ist der erste der die Dreyfaltigkeit auf eine andere Weise aufgefasst hat   29 in dieser Bestimmung] Hu  : nach den Bestimmungen der Drey­ einigkeit  32 schon] Hu  : Auf keine ausgedehnte Weise zwar aber schon   34–195,1 werden muß]



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muß , diese Idee nicht als ein Jenseits gehalten , sondern daß es das Ziel des Erkennens ist , die Wahrheit auch im Besondern zu erkennen  ; – und , wird diese erkannt , so enthält Alles , was im Besondern das Wahre ist , diese Bestimmung . – »Erkennen« heißt  : in seiner Bestimmtheit Etwas wissen  ; seine Natur ist aber die Natur der Bestimmtheit selbst , und die Natur der Bestimmtheit selbst ist diese , die in der Idee exponirt worden ist . – Daß diese Idee das Wahre ist überhaupt , alle Gedankenbestimmungen diese Bewegung des Bestimmens sind , – ist die logische Exposizion . – | 152vHu Das Weitre ist , daß wir diese ewige Idee jetzt betrachten im zweiten Element , 161AKö 94An in der Form des Bewußtseyn , des Vorstellens überhaupt , – oder diese Idee , inso- II .) fern sie aus dieser Allgemeinheit , Unendlichkeit heraustritt in die Bestimmung der Endlichkeit . – Diese erste Weise ist die Weise , Form der Allgemeinheit der Idee ihrem Inhalte nach , aber eben so auch die allgemeine in diesem Sinne . Gott ist gegenwärtig , überall , allenthalben , die Gegenwart Gottes ist eben diese Wahrheit , die in Allem ist . Zuerst war die Idee im Element des Denkens  ; – dieß ist die Grundlage , und wir haben damit angefangen . Das Allgemeine , damit das Abstrakte muß in der Wissenschaft vorangehen  ; damit muß wissenschaftlicher Weise angefangen werden . In der That aber ist es das Spätere in der Existenz  ; es ist das Ansich  ; aber was im Wissen später erscheint , zum Bewußtseyn und zum Wissen später kommt . – Die Form der Idee kommt zur Erscheinung als Resultat , das aber wesentlich das Ansich ist  ; wie der Inhalt der Idee so ist , daß das Letzte das Erste und das Erste das Letzte ist , so ist , was als Resultat erscheint , die Voraussetzung , das Ansich , die Grundlage . Diese Idee ist nun im z we i t e n Element , i m E l e m e n t d e r ­E r s c h e i n u n g II .  I d e e i m ü b e r h a u p t zu betrachten . Wir können von 2 Seiten diesen Fortgang betrach- ­E l e m e n t d e r E r s c h e i n u n g  . ten , auffassen . – Die e r s t e ist  : das Subjekt , für welches diese Idee ist , ist das 153rHu denkende Subjekt . Auch die Formen der Vorstellung nehmen der Natur der 1 .) Grundform Nichts , – daß diese Grundform für den Menschen als denkend ist . Das Subjekt verhält sich überhaupt denkend , denkt diese Idee  ; das Subjekt aber ist konkretes Selbstbewußtseyn . Diese Idee muß für das Subjekt seyn , als konkretes Selbstbewußtseyn , als wirkliches Subjekt . Oder  : Jene Idee ist die absolute Wahrheit  ; die absolute Wahrheit ist für’s Denken  ; aber für das Subjekt muß die Idee nicht nur Wahrheit seyn , sondern das Subjekt muß auch die Gewißheit der Idee haben , die diesem Subjekt , als solchem , als endlichem , dem empirisch-konkreten , dem sinnlichen Subjekt angehört . – Gewißheit hat die Idee für das Subjekt , hat Hu  : werden wie es früher der Fall war   6 diese Idee] Hu  : die Dreyeinigkeit   23 die Voraussetzung , das Ansich] Hu  : zunächst die sogenannte Voraussetzung das Ganze  

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153vHu

162 AKö

S o h n  .

154rHu

anonyme nachschrift königsberg · 1827

das Subjekt nur , insofern sie für das Subjekt ist . Von dem ich sagen kann  : »das ist« , – das hat Gewißheit für mich , das ist unmittelbares Wissen , das ist Gewißheit . Zu beweisen , daß das , was ist , auch nothwendig , daß es wahr ist , was gewiß ist , – das ist die weitre Vermittlung . Das ist dann der Übergang in’s Allgemeine . Indem wir von der Form der Wahrheit angefangen haben , ist zu dieser Bestimmung überzugehen , daß diese Form Gewißheit erhält , daß sie mir ist . – Die andre Weise des Fortgangs ist von Seiten der Idee . – Das ewige an und für sich Seyn ist dieß , sich aufzuschließen , zu bestimmen , zu ur­thei­len , als Unterschiednes seiner zu setzen  ; aber der Unterschied ist eben so ewig aufgehoben  ; das an und für sich Seiende ist ewig drin in sich zurück­ gekehrt  : nur in sofern ist es Geist . – Das Unterschiedne ist so bestimmt , daß der Unterschied unmittelbar verschwunden sei , daß dieß ein Verhältniß Gottes , der Idee , nur sei zu sich selbst . | Es ist dieß Unterscheiden nur eine Bewegung , ein Spiel der Liebe mit sich selbst , wo es nicht zur Ernsthaftigkeit des Andersseyns kommt , der Trennung und Entzweiung .  – Das Andre ist bestimmt als S o h n  , die Liebe , der Empfindung nach  ; in höherer Bestimmung der Geist , der bei sich selbst , der frei ist . In der Idee , in dieser Bestimmung ist die Bestimmung des Unterschieds noch nicht vollendet  ; es ist nur der abstrakte Unterschied im Allgemeinen , wir sind noch nicht beim Unterschied in seiner Eigenthümlichkeit , der Unterschied ist nur E i n e Bestimmung . – Die Unterschiednen sind als dasselbe gesetzt , sind noch nicht zur Bestimmung gekommen , daß die Unterschiednen verschiedne Bestimmung hätten . – Von dieser Seite ist das Ur­theil der Idee so zu fassen , daß der Sohn die Bestimmung erhält des Andern als solchen , daß es ist als ein Freies für sich selbst , daß es erscheint als ein Wirkliches außer , ohne Gott , als ein Solches , das ist . – Seine Idealität , sein ewiges Zurückgekehrtseyn in das an und für sich Seiende ist unmittelbar identisch gesetzt in der ersten Idee . Daß der Unterschied sei , so ist erforderlich das Andersseyn , daß das Unterschiedne sei das Andersseyn als Seiendes . – Es ist nur die absolute Idee , die sich bestimmt , und die , indem sie sich bestimmt , als absolut frei in sich in ihr selbst sicher ist  ; So ist sie dieß , indem sie sich bestimmt , dieß Bestimmte als Freies zu entlassen , daß es als Selbständiges

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1 insofern] Bo  : insofern sie eine Erscheinung ist , insofern   1–3 Von dem … Gewißheit .] Hu  : Die Dinge haben Gewissheit für mich .   4 Vermittlung] Hu  : ist eine weitere Vermittlung , ist nicht mehr Etwas unmittelbares aufgenommenes  15–16 der Trennung und Entzweiung] Hu  : wahren 35 Entzweyung   17 die Liebe] Hu  : und das an und für sich seyende als Liebe und Geist   22–23 zur Bestimmung … hätten] Hu  : zum Unterschiede in seyner Eigenthümlichkeit gekommen   28 sei] Hu  : gesetzt sey  



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ist als selbständiges Objekt . – Das Freie ist nur für das Freie vorhanden , nur für den freien Menschen ist ein Andrer auch als frei . – Es ist die absolute Freiheit der Idee , daß sie in ihrem Bestimmen , Ur­theil , das Andre als ein Selbständiges entläßt . Dieß Andre als ein Selbständiges entlassen , ist die We l t überhaupt .  – Die Wahrheit der Welt ist nur ihre Idealität , nicht daß sie wahrhafte Wirklichkeit hätte  : sie ist dieß , zu seyn  ; aber nur ein Ideelles , nicht ein Ewiges an ihm selbst , sondern ein Er­schaVnes  ; sein Seyn ist nur ein Gesetztes . – Das Seyn der Welt ist dieß , einen Augenblick des Seyns zu haben  ; aber diese ihre Trenung , Entzweiung von Gott aufzuheben  ; nur dieß zu seyn , zurückzukehren zu ihrem Ursprung  ; in das Verhältniß des Geistes , der Liebe zu treten , das Verhältniß des Geistes , der Liebe zu seyn , was das Dritte ist . – Das Zweite ist der Prozeß der Welt an ihr  ; aus dem Abfall , der Trennung zur Versöhnung überzugehen . Das ist das zweite Element , d . i . die ErschaVung der Welt . – Das Erste in der Idee ist nur das Verhältniß vom Vater zum Sohn  ; aber das Andre erhält auch die Bestimmung des Andersseyns , des Seienden . – | Es ist am Sohn , an der Bestimmung des Unterschieds , daß die Fortbestimmung fortgeht zu weiterem Unterschiede , daß der Unterschied sein Recht erhält , sein Recht der Verschiedenheit . – Diesen Übergang am Moment des Sohns hat J a ko b B ö h m so ausgedrückt  : daß der Erste , Eingeborne , Lucifer , der Licht­ träger , das Helle , das Klare gewesen  ; aber sich in sich hineinimaginirt , d . h . sich für sich gesetzt habe , zum Seyn fortgegangen und so abgefallen sei  ; aber unmittelbar sei an seine Stelle gesetzt , getreten , der ewig Eingeborne . – Dieß Andre haben wir auf diesem Standpunkt nicht als Sohn , sondern als äußerliche Welt , als die endliche Welt , die außer der Wahrheit ist , Welt der Endlichkeit , wo das Andre hat die Form zu seyn , und doch ist es seiner Natur nach nur das ἕτερον , das Bestimmte , das Unterschiedne , Beschränkte , Negative . – Die endliche Welt ist die Seite des Unterschieds , gegen die Seite , die in ihrer Einheit bleibt . So zerfällt sie in die natürliche Welt , und in die Welt des endlichen Geistes . Die Natur tritt nur in das Verhältniß zum Menschen , nicht für sich in das Verhältniß zu Gott  : denn die Natur ist nicht Wissen  ; Gott ist der Geist  ; die Natur weiß nicht vom Geist . – Sie ist von Gott geschaVen  ; aber sie tritt nicht von sich aus in das Verhältniß zu Gott , in dem Sinne , daß sie nicht wissend ist . Sie ist nur im Verhältniß zum Menschen . In diesem Verhältniß zum Menschen ist sie das , was die Seite seiner Abhängigkeit heißt . – Insofern sie vom Denken erkannt wird , daß sie von Gott geschaVen , Verstand , Vernunft in ihr ist , wird sie vom ­denkenden M ­ enschen 2 ein Andrer auch als frei] Hu  : das Freye . Der Mensch als frey verhällt sich nicht nach den Begierden er lässt sie bestehen .   13–14 die Er­schaVung der Welt] Bo  : die Er­schaVung der Welt , endlichen Welt d . h . die das ausser der Wahrheit ist  Hu  : der Abfall  

Welt .

154vHu

163AKö

Jacob Böhm

155rHu

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155vHu vacat 156rHu 95An 1 .) Bedürfniß nach Versöhnung . 2/8Bo

164AKö

Das Subjekt ist Böse .

Natur des ­Menschen  .

a .)  Der Mensch von Natur gut .

b .)  Der Mensch von Natur böse . a .)  a .) b .)  b .) 156vHu

a .)  a .) 70Bo

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gewußt , insofern wird sie in Verhältniß zum Göttlichen gesetzt , indem ihre Wahrheit erkannt wird . – Die absolute Idee muß für das Bewußtsein und in demselben , die Wahrheit für das Subjekt und in demselben werden . – 1 .) Das Erste ist das Bedürfniß der Wahrheit  ; 2 .) das Zweite die Art und Weise der Erscheinung der Wahrheit . – Für’s E r s t e  , was das Bedürfniß betriVt , so ist dieß vorausgesetzt , daß im subjektiven Geist die Forderung vorhanden ist , die absolute Wahrheit zu wissen . Dieß Bedürfniß enthält unmittelbar dieß in sich , daß das Subjekt in der Un­ wahrheit sei , als Geist aber steht es zugleich an sich über dieser seiner Unwahrheit , und deswegen ist seine Unwahrheit ein Solches , das überwunden werden soll . Die Unwahrheit ist näher so , daß das Subjekt in der Entzweiung seiner gegen sich selbst sei , – | und das Bedürfniß drückt sich insofern so aus , daß diese Entzweiung in ihm und eben damit die Entzweiung von der Wahrheit aufgehoben werde , daß es somit versöhnt werde , und diese Versöhnung in sich kann nur Versöhnung seyn mit der Wahrheit . Das ist die nähere Form des Bedürfnisses . Die Bestimmung ist diese , daß die Entzweiung überhaupt im Subjekt ist , daß das Subjekt böse ist , daß es die Entzweiung in sich ist , der Widerspruch , nicht der auseinanderfallende , sondern das zugleich sich Zusammenhaltende , erst dadurch ist es entzweit , als Widerspruch in ihm . – Dieß erfordert zu erinnern daran , zu bestimmen , was die Natur , Bestimmung des Menschen ist , und wie sie zu betrachten ist , wie sie der Mensch betrachten soll . was er von sich wissen soll . Hier kommen wir gleich auf die entgegengesetzten Bestimmungen  : a .) der Mensch ist von Natur gut , ist nicht entzweit in sich , sondern sein Wesen , sein BegriV ist , daß er von Natur gut , das mit sich Harmonische , der Frieden seiner in sich ist , und – b .) der Mensch ist von Natur böse . die erste Bestimmung heißt also  : der Mensch ist von Natur gut , sein allgemeines , substanzielles Wesen ist gut  ; – ihr entgegen ist die zweite . – Das sind die Gegensätze zunächst für uns , für die äußere Betrachtung . – Das Weitre ist , daß es nicht nur eine Betrachtung ist , die wir machen  ; sondern daß der Mensch das Wissen seiner von sich selbst habe , wie er beschaVen , was seine Bestimmung ist . Der Mensch ist von Natur gut . – Mehr oder weniger ist das in unsren Zeiten das Überwiegende . Bei der Gemeine ist zu betrachten , wie sich die religiöse Anschauung , das religiöse Verhältniß in der Gemeine ausbildet , bestimmt . Zunächst ist der eine Satz  : der Mensch ist von Natur gut , das Unentzweite  ; so hat 1 Verhältniß zum Göttlichen] Hu  : in das Göttliche in die Vernunft   27 b .) der Mensch ist von Natur böse .] Hu  : die andere dass  

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er nicht das Bedürfniß der Versöhnung . Hat er keine Versöhnung nöthig , so ist dieser Gang , den wir hier betrachten , dieß Ganze etwas Überflüssiges . – Daß der Mensch von Natur gut ist , ist wesentlich zu sagen . Der Mensch ist Geist an sich , Vernünftigkeit , er ist mit , nach dem Ebenbild Gottes geschaVen  ; Gott ist das Gute , und er ist als Geist der Spiegel Gottes , er ist das Gute an sich . – Grade auf diesen Satz gründet sich allein die Möglichkeit seiner Versöhnung . Die Schwierigkeit , Zweideutigkeit liegt aber im Ansich . – Der Mensch ist gut an sich . Man meint damit Alles gesagt zu haben  ; aber dieß Ansich ist eben die Einseitigkeit  ; damit | ist gar nicht Alles gesagt . Der Mensch ist gut an sich , d . h . er ist es nur auf innerliche Weise , seinem BegriV nach , darum nicht seiner Wirklichkeit nach . – Der Mensch , insofern er Geist ist , muß , was er wahrhaft ist , wirklich , für sich seyn . Die fysische Natur bleibt beim Ansich stehen , ist an sich der BegriV  ; in ihm aber kommt der BegriV nicht zu seinem Fürsichseyn . Grade dieß , daß der Mensch an sich gut ist , dieß Ansich enthält diesen Mangel . Das Ansich der Natur sind die Gesetze der Natur , die Natur bleibt ihren Ge­ setzen treu , tritt nicht aus ihnen heraus  ; das ist ihr Substanzielles  ; sie ist eben damit in der Nothwendigkeit . – Die andre Seite ist , daß der Mensch für sich selbst seyn soll , was er an sich ist , daß er das für ihn werden soll . – Von Natur gut , d . i . u n m i t t e l b a r  , und der Geist ist eben , nicht ein Natür­ liches zu seyn  ; sondern als Geist ist der Mensch dieß , aus der Natürlichkeit herauszutreten , in diese Trennung überzugehen seines BegriVs und seines unmittelbaren Daseyns . – In der fysikalischen Natur tritt diese Trennung nicht ein eines Individui von seinem Gesetz , seinem substanziellen Wesen , eben weil es nicht frei ist . – Der Mensch ist dieß , daß er dieser seiner Natur , seinem Insichseyn sich gegenübersetzt , in diese Trennung tritt . Der Mensch ist von Natur gut – das ist richtig  ; aber dieß ist sogleich der Mangel  : da hat man nur ein Einseitiges gesagt , und diese Einseitigkeit macht den Mangel aus . – Die andre Behauptung entspringt unmittelbar aus dem , was gesagt worden , daß der Mensch nicht bleiben soll , wie er unmittelbar ist  ; er soll über seine Unmittelbarkeit hinausgehen , – das ist der BegriV des Geistes . Dieß Hinausgehen über seine Natürlichkeit , sein Ansichseyn , ist , was zunächst die Entzweiung begründet , womit die Entzweiung unmittelbar gesetzt ist . – Diese Entzweiung ist Heraustreten aus dieser Natürlichkeit , Unmittelbarkeit  ; aber dieß ist nicht so zu nehmen , als ob nur erst das Heraustreten das Böse sei , sondern dieß Heraustreten ist in der Natürlichkeit schon selbst enthalten . – Das Ansich ist das Unmittelbare  : 5–6 Grade auf diesen Satz] Hu  : Das ist ein richtiger Satz . Auf den grade   8 ist eben die Einseitigkeit] Bo  : enthält diesen Mangel   29–30 Unmittelbarkeit] Hu  : Natürlichkeit   34 dieß Heraustreten] Bo  : das böse  

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b .)  b .) Der Mensch von Natur böse .

157vHu

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b .)

166AKö 96An

Stand der Unschuld . 158rHu

(Mensch soll Schuld seyn)

Mensch ist ­selbstsüchtig

anonyme nachschrift königsberg · 1827

weil es aber der Geist ist , so ist er in seiner Unmittelbarkeit das Heraustreten aus seiner Unmittelbarkeit , der Abfall von seiner Unmittelbarkeit , seinem Ansichseyn . – Darin liegt der z we i t e Satz  : der M e n s c h i s t vo n N a t u r b ö s e   : sein Ansichseyn , sein Natürlichseyn ist das Böse . In diesem seinen Natürlichseyn ist sein Mangel sogleich vorhanden  : weil er Geist ist , ist er von demselben unter|schieden , die Entzweiung . Die Einseitigkeit ist in dieser Natürlichkeit unmittelbar vorhanden . Wenn der Mensch nach der Natur nur ist , ist er böse . – Natürlicher Mensch heißen wir , der an sich , seinem BegriV nach ist  ; natürlich im konkreten Sinn ist der Mensch , der seinen Leidenschaften und Trieben folgt , der in der Begierde steht , dem seine natürliche Unmittelbarkeit das Gesetz ist . – Er ist natürlich , aber in diesem seinen Natürlichseyn ist er zugleich ein Wollendes , – und indem der Inhalt des Wollens nur ist der Trieb , die Neigung , so ist er böse . – Der Form nach , daß er Wille ist , ist er nicht mehr Thier  ; aber der Inhalt , die Zwecke seines Wollens sind noch das Natürliche . – Das ist dieser Standpunkt , und dieser höhere Standpunkt , daß der Mensch von Natur böse ist , als er ein Natürliches ist . – Der Zustand , den man sich leerer Weise vorstellt , daß der erste Zustand der Stand der Unschuld gewesen , ist der Stand der Natürlichkeit , des Thiers . Der Mensch soll schuldig seyn  ; sofern er gut ist , soll er nicht sein wie ein natürliches Ding gut ist , sondern es soll seine Schuld , sein Wille seyn , er soll imputabel seyn . Schuld heißt überhaupt Imputabilität . – Der gute Mensch ist es mit und durch seinen Willen  ; insofern mit seiner Schuld . Unschuld heißt willenlos seyn , ohne böse und damit eben ohne gut zu seyn . – Die natürlichen Dinge , die Thiere sind alle gut  ; aber dieß Gutseyn kann dem Menschen nicht zukommen  ; insofern er gut ist , soll er es mit seinem Willen seyn . – Die absolute Anforderung ist , daß der Mensch nicht als Naturwesen beharre – der Mensch hat zwar sogleich Bewußtseyn , aber er kann doch Naturwesen als Mensch seyn , insofern das Natürliche den Zweck , Inhalt , die Bestimmung seines Wollens ausmacht . – Näher muß man diese Bestimmung vor Augen haben  : der Mensch ist Mensch als Subjekt , und als natürliches Subjekt ist er dieß einzelne Subjekt , und sein Wille ist dieser einzelne Wille , sein Wille ist erfüllt mit dem Inhalt der Einzelnheit , d . h . der natürliche Mensch ist selbstsüchtig . – Der Mensch , der gut heißt , von dem verlangen wir wenigstens , daß er sich nach allgemeinen Bestimmungen , Gesetzen richte . – Die Natürlichkeit des Willens ist näher die Selbstsucht des Willens , unterschieden von der Allgemeinheit des Willens , und entgegengesetzt der Vernünftigkeit des zur Allgemeinheit gebildeten Willens . – | 21 gute] Hu  : wirklich gute   26 als Naturwesen] Bo  : als natürlicher Wille als Naturwesen   31 Einzelnheit] Bo  : Einseitigkeit  

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iii.  die offenbare religion201

Wenn wir nur betrachten , was der Mensch an sich ist , so liegt sogleich darin die Mangelhaftigkeit des Ansichseyns . Aber damit , daß der Mensch , in sofern er natürlicher Wille ist , böse ist , damit ist nicht die andre Seite aufgehoben , daß er an sich gut ist . Das bleibt er immer seinem BegriVe nach  ; aber der Mensch ist Bewußtseyn , damit Unterscheiden überhaupt , damit ein wirklicher , – dieser , Subjekt , unterschieden von seinem BegriV , und indem dieß Subjekt zunächst nur unterschieden ist von seinem BegriV , noch nicht zurückgekehrt zur Einheit seiner Subjektivität mit dem BegriV , zu dem Vernünftigen , so ist seine Wirklichkeit die natürliche Wirklichkeit , und diese ist die Selbstsucht . Das Böseseyn setzt sogleich die Beziehung der Wirklichkeit auf den BegriV voraus  : es ist damit nur gesetzt der Widerspruch des Ansichseyns , des BegriVs und der Einzelnheit , des Guten und des Bösen . – Es ist falsch zu fragen  : ist der Mensch gut von Natur oder nicht , das ist eine falsche Stellung . Eben so oberflächlich ist zu sagen  : er sei ebensowohl gut als böse . Ansich , seinem BegriV nach , ist er gut  ; aber dieß Ansich ist eine Einseitigkeit , diese Einseitigkeit hat die Bestimmung , daß die Wirklichkeit , das Subjekt , als dieses , ein nur natürlicher Wille ist . Es ist somit das Eine sowohl als das Andre gesetzt , aber wesentlich im Widerspruch , so , daß eine der beiden Seiten die andre voraussetzt  ; nicht daß die eine nur sei , sondern es sind beide in dieser Beziehung , daß sie entgegengesetzt sind . – Das ist diese erste Grundbestimmung , die wesentliche BegriVsbestimmung Kürzlich ist zu erwähnen , die Art und Weise der Gestalt , wie dieß in der Vorstellung als eine Geschichte erscheint , – dargestellt ist für das Bewußtseyn auf eine vorstellende , sinnliche Weise , in der Weise , daß es als ein Geschehenes ­betrachtet wird . – Es heißt  : Gott habe die Menschen geschaVen nach seinem Bilde . Das ist sein BegriV . – Er lebte im Paradiese  : das wird der Stand der Unschuld genannt . Dieser BegriV wird vorgestellt auch als seiend . Es sei vorhanden gewesen der Baum der Erkenntniß des Guten und Bösen , und der Mensch habe davon gegessen . Einerseits ist es formell vorgestellt , daß es das Übertreten eine Gebots gewesen . Der Inhalt ist das Wesentliche , daß die Sünde darin bestanden , daß er vom Baum der Erkenntniß | aß , des Guten und Bösen , – und zwar kommt die Vorspiegelung der Schlange dabei vor , daß der Mensch Gott gleich seyn werde , wenn er die Erkenntniß des Guten und Bösen habe . – Daß die Frucht eine äußerliche Vorstellung ist , ergibt sich am Inhalt . Jenes gehört nur zur sinnlichen Darstellung . – Zur Erkenntniß des Unterschieds , heißt es , habe der Mensch sich erhoben  ; diese Erkenntniß sei die Quelle des Bösen , das Böse selbst . – Es wird 24 Es heißt  : Gott] Hu  : Da ist dann also die bekannte Geschichte des ersten Buches von Mo­ ses .  Gott   25 Bilde] Hu  : Ebenbilde   Paradiese] Hu  : Paradiese  ; dies kann man ein Thiergarten nennen  

167AKö 158vHu

Der Mensch ist Gut und böse , im Widerspruch . 71Bo

159rHu

Im Moses das .

168AKö der Mensch ißt vom Baum der Erkenntniß des Guten und Bösen .

97An

202

159vHu

Adam – i . e . der Mensch als Mensch

Erbschaft der Sünde , Correctur der Mangelhaftigkeit des e r s t e n Menschen .

169AKö

160rHu Schlange .

Böses Prinzip 6/8Bo

anonyme nachschrift königsberg · 1827

in den Akt des Erkennens das Böseseyn gelegt , das Bewußtseyn . – Im Erkennen liegt allerdings das Böse , das Erkennen ist die Quelle des Bösen  : denn Erkennen , Bewußtseyn überhaupt heißt dieß Ur­thei­len , dieß sich in sich selbst Unterscheiden . – Die Thiere haben kein Bewußtseyn , haben nicht dieß Unterscheiden ihrer in sich selbst , kein freies Fürsichseyn gegen die Objektivität überhaupt . – Die Entzweiung ist das Böse  ; die Entzweiung ist Widerspruch und sie enthält 2 Seiten , das Gute und das Böse  ; in dieser Entzweiung nur ist das Böse enthalten . Es ist also ganz richtig , daß das Bewußtseyn es ist , in welches das Gute und Böse fällt .  – Es wird vorgestellt , der e r s t e Mensch habe dieß gethan . Das ist auch wieder diese sinnliche Weise zu sprechen . »Der erste Mensch« will dem Gedanken nach heißen  : »der Mensch als Mensch , nicht irgend ein Einzelner , Zufälliger , Einer von den Vielen  ; sondern der absolut Erste , der Mensch seinem BegriVe nach . Der Mensch als solcher ist Bewußtseyn  ; eben damit tritt er in diese Entzweiung , – das Bewußtsein , das in seiner weitern Bestimmung Erkennen ist . – Insofern der allgemeine Mensch als erster vorgestellt wird , ist er als von Anderen unterschieden . Dadurch entsteht die Frage  : es ist nur dieser , der dieß gethan hat , wie ist es an die Anderen gekommen ? Da ist dann die Vorstellung  : E r b s c h a f t  . Durch diese wird korrigirt diese Mangelhaftigkeit , daß der Mensch als solcher vorgestellt ist als ein Erster . – Die Entzweiung liegt im BegriV des Menschen überhaupt  : die Einseitigkeit also , daß es vorgetellt wird als das Thun eines Einzelnen , wird integrirt durch die Vorstellung der Mittheilung , der Erbschaft .  – W i r haben Beides nicht nöthig , nicht jene erste Vorstellung , und nicht diese Korrektur , sondern es ist der Mensch , das Bewußtseyn , das in diese Entzweiung tritt . – Aber wie in dieser Entzweiung das Böse liegt , so ist sie auch dieser Mittelpunkt der Konversion , in welchem liegt , daß diese Entzweiung auch aufgehoben ist . – | Die Entzweiung , die höchste Entzweiung , die Unterscheidung des Bösen vom Guten – (Gut als solches in seiner Bestimmung ist nur im Gegensatz gegen das Böse , – und das Böse nur im Gegensatz gegen das Gute –) ist allerdings das Erkennen , und der Mensch als Mensch , als Geist , ißt vom Baume der Erkenntniß des Guten und des Bösen . – Die Erzählung fährt fort  : die Schlange , ein Fremdes , habe Adam und Eva verführt , und zwar unter der Vorstellung , daß der Mensch dadurch Gott gleich werde , wenn er das Gute und Böse zu unterscheiden wisse . – Es ist vorgestelt , daß dieß hergekommen vom bösen Prinzip  ; aber Gott ist selbst die Bestätigung in den Mund gelegt , daß das Erkennen des Guten und Bösen zum Göttlichen des Menschen gehört . Es war also gar nicht eine Täuschung . – »Siehe , Adam et . c .« Dieß übersieht man gewöhnlich nach dem Vor­urtheil , das man ein11 der Mensch als Mensch] Hu  : der Mensch an sich   23 Mensch] Bo  : Mensch überhaupt   36 Adam et . c .] Hu  : Adam ist gleich einem unser geworden  

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iii.  die offenbare religion203

mal hat , oder sagt , es sei Ironie von Gott , Gott habe eine Satyre gemacht . – Das Erkennen , Entzweien , ist es , was den Menschen als Menschen auszeichnet . – Als Strafe der Sünde ist ausgesprochen  : die Arbeit et . c . Das ist im Allgemeinen eine noth­wendige Konsequenz . – Das Thier arbeitet nicht , nur gezwungen , nicht von Natur  ; es ißt nicht sein Brod im Schweiße seines Angesichts , bringt sein Brod sich nicht selbst hervor  ; von allen Bedürfnissen , die es hat , findet es unmittelbar in der Natur Befriedigung . – Der Mensch findet auch das Material dazu  ; aber , kann man sagen , das Material ist das Wenigste für den Menschen  ; die unendliche Vermittlung der Befriedigung seiner Bedürfnisse geschieht nur durch Arbeit . – Die Arbeit im Schweiße des Angesichts , die körperliche , und die Arbeit des Geistes , bei der es saurer wird als bei jener , ist in unmittelbarem Zusammenhange mit der Erkenntniß des Guten und Bösen . Daß der Mensch sich zu dem machen muß , was er ist , daß er im Schweiße seines Angesichts sein Brod ißt , hervorbringen muß , was er ißt , dieß gehört zum Wesentlichen , zum Ausgezeichneten des Menschen , und hängt nothwendig zusammen mit der Erkenntniß des Guten und Bösen . – Es wird weiter vorgestellt  : auch der Baum des Lebens habe darin gestanden , – es ist dieß in einfacher , kindlicher Vorstellung gesprochen . – Es gibt 2 Glieder für die Wünsche des Menschen  ; der eine ist  : in ungestörtem Glück , in Harmonie mit sich selbst und der äußern Natur , zu leben  ; und das Thier bleibt in dieser Einheit . Der Mensch hat darüber hinaus zu gehen . Der andre Wunsch ist etwa der  : ewig leben . Nach diesen Wünschen ist diese Vorstellung gemacht . – Wenn wir dieß näher betrachten , so zeigt es sich | sogleich , daß es eine nur kindliche Vorstellung ist . – Der Mensch als einzelnes Lebendiges , seine einzelne Lebendigkeit , Natürlichkeit , muß sterben . – Aber , wenn man die Erzählung näher ansieht , so wäre dieß das Wunderbare darin  ; das sich Widersprechende . – Einerseits wird gesagt , der Mensch im Paradiese ohne Sünde wäre unsterblich , – (die Unsterblichkeit auf Erden und die Unsterblichkeit der Seele wird in dieser Erzählung nicht getrennt , –) er würde leben ewiglich . – Wenn dieser äußerliche Tod nur eine Folge der Sünde seyn soll , so wäre er an sich unsterblich . – Auf der andern Seite wird dann auch vorgestellt  : erst , wenn der Mensch vom Baume des Lebens äße , würde er unsterblich seyn . – Die Sache ist überhaupt diese  : daß der Mensch durch das Erkennen ist unsterblich  ; denn nur denkend ist er keine sterbliche , thierische Seele , eine freie , reine Seele . Das Erkennen , Denken ist die Wurzel seines Lebens , seiner Unsterblichkeit , als Totalität in sich selbst . – Die 3 die Arbeit et . c .] Hu  : die Arbeit und das Gebehren der Frauen   4 nothwendige] Bo  : natürliche   18 es ist … gesprochen] Hu  : Gott wollte Adam ausjagen(?) damit er nicht unsterblich wäre   19 in ungestörtem Glück] Hu  : Es ist ein kindisches | Bedürfniss  

Strafe

Baum des Lebens

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161rHu 72 Bo

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161vHu

1 .) 2 .)

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thierische Seele ist in die Körperlichkeit versenkt , dagegen der Geist ist Totalität in sich selbst . Dieß ist der erste Punkt , der hier zu Grunde liegt , insofern der Mensch von Natur gut und in wiefern er böse ist . Gut ist des Menschen nur Ansichseyn , böse seine Natürlichkeit . Er soll eben nicht Naturwesen bleiben . Insofern er nach der Natur ist , in der Natürlichkeit bleibt , ist das das Böse . – Der zweite Punkt ist , daß diese Ansicht , die wir in Gedanken gefaßt haben als die wesentliche Ansicht , in dem Menschen überhaupt wirklich werden soll , d . h . daß der Mensch zu der Unendlichkeit dieses Gegensatzes in sich komme , von Gut und Böse , und daß er , – er ist ein Natürliches , – als Natürlichkeit sich wisse böse , daß er dieses Gegensatzes in sich bewußt werde , daß er der ist , der böse ist  ; daß aber ebenso das Böse zugleich auf das Gute sich bezieht , die Forderung des Guten , des Gutseyns vorhanden ist , – daß er kommt zum Bewußtseyn dieses Widerspruchs und zum Schmerz über diesen Widerspruch , diese Entzweiung . Die Form des Gegensatzes haben wir in allen Religionen gehabt , aber der Gegensatz gegen die Macht der Natur , gegen das sittliche Gesetz , den sittlichen Willen , die Sittlichkeit , das Schicksal –  ; Alles das sind untergeordnete Gegensätze , die nur ein Besondres enthalten . Es ist da  : der Mensch , der ein Gebot übertritt , | ist böse , aber nur in diesem partikularen Falle  ; er ist nur im Gegensatze gegen dieß besondre Gebot . – Das Gute und das Böse sahen wir im allgemeinen Gegensatz gegenüberstehen im Persischen  : hier ist der Gegensatz außer dem Menschen , der selbst ist außer ihm  ; es ist nicht dieser abstrakte Gegensatz innerhalb seiner selbst . – Es ist darum die Forderung , daß der Mensch diesen abstrakten Gegensatz , nicht daß er nur dieß oder jenes Gebot übertrete , sondern daß er böse ist an sich , böse im Allgemeinen , in seinem Innersten , einfach böse , böse in seinem Inneren ist , daß diese Bestimmung des Bösen Bestimmung seines BegriVs ist , daß er dieß sich zum Bewußtseyn bringe . – Um diese Tiefe ist es zu thun . Tiefe heißt die Abstraxion des Gegensatzes , die reine Verallgemeinerung des Gegensatzes , daß seine Seiten diese ganz allgemeine Bestimmung gegeneinander gewinnen . – Dieser Gegensatz hat nun überhaupt 2 Formen  : e i n e r s e i t s ist es der Gegensatz vom Bösen als solchen , daß er selbst es ist , der böse ist . Dieß ist der G e g e n s a t z g e g e n G o t t   ;  – a n d r e r s e i t s ist er der G e g e n s a t z g e g e n d i e We l t  , daß er in Entzweiung mit der Welt ist , – das ist das Un g l ü c k  , – die Entzweiung nach der andern Seite .  – Daß das Bedürfniß der allgemeinen Versöhnung , und , darin liegt , der göttlichen Versöhnung , der absoluten Versöhnung im Menschen sei , – dazu gehört , 16 untergeordnete] Hu  : einseytige   20 im Persischen] Hu  : in Persien in Gutem und Bösem , in Licht und Finsterniss   22 Forderung] Hu  : Nothwendigkeit  

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iii.  die offenbare religion205

daß der Gegensatz diese Unendlichkeit gewonnen , daß diese Allgemeinheit umfaßt das Innerste , daß Nichts ist , das Außer diesem Gegensatz wäre , der Gegensatz nicht etwas Besondres ist . Das ist die tiefste Tiefe . Zuerst betrachten wir das Verhältniß der Entzweiung zum einen Extrem , zu Gott . Der Mensch , der dieß Bewußtseyn in sich hat , daß er im Innersten dieser Widerspruch ist , – hat darin den unendlichen Schmerz über sich selbst . Schmerz ist nur vorhanden im Gegensatze gegen ein Sollen , ein Affirmatives  ; was nicht ein Affirmatives mehr in sich ist , hat auch keinen Widerspruch , keinen Schmerz . Schmerz ist eben die Negativität im Affirmativen , daß dieß Affirmative in sich selbst dieß sich Widersprechende , Verletzte ist . – Dieser S c h m e r z ist das e i n e Moment des Bösen . – Das Böse bloß für sich ist eine Abstraxion  ; es i s t nur | im Gegensatze gegen das Gute , und indem es in der Einheit des Subjekts ist , ist diese Entzweiung der unendliche Schmerz . – Wenn im Subjekt selbst nicht ebenso das Bewußtseyn des Guten , die unendliche Forderung des Guten ist in seinem Innersten , so ist kein Schmerz da , so ist das Böse selbst nur ein leeres Nichts  : – es ist nur in diesem Gegensatz . – Das Böse und dieser Schmerz kann nur unendlich seyn , indem das Gute , Gott , gewußt wird als Ein Gott , als reiner geistiger Gott , und nur indem das Gute diese reine Einheit ist , beim Glauben an Einen Gott , und in Beziehung auf diesen , kann auch , und muß das Negative fortgehen zu dieser Bestimmung des Bösen , die Negazion ebenso fortgehen zu dieser Allgemeinheit . – Die eine Seite , dieser Entzweiung ist auf diese Weise vorhanden , durch die Erhebung des Menschen zur reinen , geistigen Einheit Gottes . Dieser Schmerz und dieß Bewußtseyn ist die Vertiefung des Menschen in sich , und eben damit in das negative Moment der Entzweiung , des Bösen . – Dieß ist die objektive , innerliche Vertiefung in das Böse . – Die innerliche Vertiefung affirmativ ist die Vertiefung in die reine Einheit Gottes . Auf diesem Punkt ist vorhanden , daß Ich , als natürlicher Mensch , unangemessen ist dem , was das Wahrhafte ist , und ebenso unendlich fest ist die Wahrheit des Einen Guten in mir , – so bestimmt sich diese Unangemessenheit zu dem , was nicht seyn soll . – Die Aufgabe , Forderung ist unendlich . Man kann sagen  : indem ich natürlicher Mensch bin , habe ich einerseits Bewußtseyn über mich  ; aber die Natürlichkeit besteht in der Bewußtlosigkeit in Ansehung meiner , in der Willenlosigkeit  ; ich bin ein Solches , das nach der Natur handelt , und insofern bin ich nach dieser Seite , sagt man oft , schuldlos , insofern ich kein Bewußtseyn darüber habe , was ich thue , mich durch Triebe überraschen lasse . – Aber die Schuldlosigkeit verschwindet hier in diesem Gegensatze . Denn eben das natürliche , das bewußt- und willenlose Seyn des Menschen ist es , was nicht seyn soll , – und es ist damit zum Bösen bestimmt vor der reinen Einheit , 37 vor der reinen Einheit] Hu  : vor Gott vor dem allgemeinen Einen  

1 .) zu Gott . unendlicher S c h m e r z  .

172 AKö

162rHu

162vHu 99An

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173AKö

Demüthigung Zerknirschung

2 .)  2 .) gegen die We l t  . Unglück .

163rHu

gibt Welt auf . und sucht Glück und Einheit mit sich .

1 .) Juden . 2 .) Römer .

anonyme nachschrift königsberg · 1827

vor der vollkommnen Reinheit , die ich als Wahrheit , Absolute weiß . – Es liegt in dem Gesagten , daß das Bewußtlose , Willenlose wesentlich selbst als das Böse zu betrachten ist . – Aber der Widerspruch bleibt immer , mag man ihn | so wenden oder so  ; in­dem sich diese sogenannte Schuldlosigkeit als Böses bestimmt , bleibt die Unange­ messenheit meiner gegen das Absolute , gegen mein Wesen , und nach der einen oder andern Seite weiß ich mich immer als das , was nicht seyn soll . – Das ist das Verhältniß zu dem einen Extrem , – und das Resultat , die bestimmtere Weise dieses Schmerzes ist die D e m ü t h i g u n g m e i n e r  , die Zerknirschung , daß es Schmerz über mich ist , daß ich als Natürliches unangemessen bin demjenigen , was ich zugleich selbst weiß , was in meinem Wissen , Wollen ist , daß ich sei . – Was das Verhältniß zum andern Extrem betriVt , so erscheint hier die Trennung als Un g l ü c k  , daß der Mensch nicht befriedigt wird in der Welt . Seine Befriedigung als Naturbedürfnisse haben weiter kein Recht , keine Ansprüche . Als Naturwesen verhält sich der Mensch zu Anderm , und Andres verhält sich zu ihm als Mächte , und er ist in sofern zufällig , wie die Anderen . – Aber seine For­derungen in Ansehung der Sittlichkeit , die höheren sittlichen Anforderungen sind Forderungen , Bestimmungen der Freiheit . Insofern diese an sich berechtigten , in seinem BegriV , – (er weiß vom Guten und das Gute ist in ihm , ) – insofern dieß nicht seine Befriedigung findet im Daseyn , in der äußerlichen Welt , so ist er im Unglück . – Das Unglück ist es , das den Menschen in sich zurücktreibt , und indem diese feste Forderung der Vernünftigkeit der Welt in ihm ist , gibt er die Welt auf , und sucht das Glück , die Befriedigung , die Zusammenstimmung seiner mit sich selbst , die Zusammenstimmung seiner affirmativen Seite mit dem Daseyn . Daß er diese erlangt , gibt er die äußerliche Welt auf , verlegt sein Glück in sich selbst , befriedigt sich in sich selbst . Wir hatten diese 2 Formen  ; – jenen Schmerz , der von der Allgemeinheit , von Oben kommt , sahen wir im jüdischen Volke  ; dabei bleibt die unendliche Forderung der absoluten Reinheit in meiner Natürlichkeit , meinem empirischen Wollen und Wissen . – Das Andre , das Zurücktreiben aus dem Unglück in sich , ist der Standpunkt , in dem die römische Welt geendet hat – dieß allgemeine Unglück der Welt . – Wir sahen diese formelle Innerlichkeit , die in der Welt sich befriedigt , diese Herrschaft , der Zweck Gottes , der vorgestellt , gewußt , wird als weltliche Herrschaft . – Beide Seiten haben ihre Einseitigkeit . Die erste kann als Empfindung der Demuth ausgeprochen werden , – die andre ist die abstrakte Erhebung des Menschen in sich , der Mensch , der sich in sich konzentrirt . – So 24 die Welt] Hu  : die äusserliche Welt  

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ist es der Stoizismus oder Skeptizismus . – Der stoische , | skeptische Weise war auf sich gewiesen , sollte in ihm selbst befriedigt seyn , in dieser Unabhängigkeit , Starrheit des Beisichseyns sollte er das Glück haben , die Zusammenstimmung mit sich selbst , – in dieser seiner abstrakten , ihm gegenwärtigen , selbstbewußten Innerlichkeit sollte er beruhen . – Es sind die höchsten , abstraktesten Momente , der Gegensatz ist der ­höchste . – Beide Seiten sind der Gegensatz in seiner vollkommensten Allgemeinheit , im Innersten , im Allgemeinen selbst , – der Gegensatz in der größten Tiefe . Beide Seiten sind aber einseitig . Die erste Seite enthält diesen Schmerz , diese abstrakte Demüthigung  : da ist das Höchste schlechthin diese Unangemessenheit des Subjekts zum Allgemeinen , diese Entzweiung , Zerreißung , die nicht ausgefüllt , nicht ausgeglichen ist , – der Standpunkt des Gegensatzes vom Unendlichen einerseits und von einem festen Endlichen andrer Seits . Diese Endlichkeit ist die abstrakte Endlichkeit . Was mir hiebei als das Meinige zukommt , das ist auf diese Weise nur das Böse . – Ihre Ergänzung hat diese Abstraxion im Andern , das ist das Denken in sich selbst , – die Angemessenheit meiner , daß ich befriedigt bin in mir selbst , befriedigt seyn kann in mir selbst . Aber für sich ist diese zweite Seite eben so einseitig , nur das Affirmative , die Affirmazion meiner in mir selbst . – Die erste Seite , die Zerknirschung ist nur negativ , ohne Affirmazion in sich  ; die zweite soll seyn diese Affirmazion , Befriedigung seiner in sich . Aber diese Befriedigung meiner in mir ist eine nur abstrakte Befriedigung durch die Flucht aus der Welt , aus der Wirklichkeit , durch diese Thatlosigkeit . Indem es die Flucht aus der Wirklichkeit ist , ist es auch die Flucht aus m e i n e r Wirklichkeit , nicht aus der äußerlichen Wirklichkeit , sondern aus der Wirklichkeit meines Wollens . Die Wirklichkeit meines Willens , Ich , als dieses Subjekt , der erfüllte Wille bleibt mir nicht , aber es bleibt mir die Unmittelbarkeit meines Selbstbewußtseyns , dieses Selbstbewußtseyn , zwar ein vollkommen abstraktes , aber diese letzte Spitze des Tiefen ist darin enthalten und habe ich drin erhalten . Es ist nicht diese Abstraxion von meiner abstrakten Wirklichkeit in mir , oder von meinem unmittelbaren Selbstbewußtseyn , die Unmittelbarkeit meines Selbstbewußtseyns . Auf dieser Seite ist also die Affirmation das Überwiegende ohne jene Negazion der Einseitigkeit des Unmittelbarseyns . Dort ist die Negazion das Einseitige . Diese 2 Momente sind es , die das Bedürfniß enthalten zum Übertritt .  –

… selbst] Hu  : diese Abstraction hat Erfüllung in der anderen Seyte , die Befriedigung in mir selbst   19 Affirmazion] Hu  : einseytige Affirmation   34 Übertritt] Hu  : Übergange , und dass dies Bedürfniss wirklich ist  

35 3 das Glück] Hu  : nur seine Beruhigung   16–17 Ihre Ergänzung

163vHu 174AKö Stoiker und ­Skeptiker .

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175AKö 164rHu

73Bo 100An 7/8Bo

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Der BegriV der vorhergehenden Religion hat sich gereinigt zu diesem Gegensatze , und indem dieser Gegensatz sich als existirendes Bedürfniß gezeigt , und dargestellt hat , ist dieß so ausgedrückt worden  : Als die Zeit erfüllt , gekommen war , d . h . der Geist , das Bedürfniß des Geistes ist vorhanden , der die Versöhnung zeigt . – | Das tiefste Bedürfniß des Geistes ist , daß der Gegensatz im Subjekt selbst zu seinem allgemeinen , d . h . abstraktesten Extrem gesteigert ist . Dieß ist diese Entzweiung , dieser Schmerz . Dadurch , daß diese beiden Seiten nicht auseinander­ fallen , sondern dieser Widerspruch sind in Einem , beweist sich zugleich das Subjekt als unendliche Kraft der Einheit , es kann diesen Widerspruch aushalten . Das ist die formale , abstrakte , aber unendliche Energie der Einheit , die es besitzt . – Das wodurch das Bedürfniß befriedigt wird , ist das Bewußtseyn der Aussöhnung , des Aufhebens , der Nichtigkeit des Gegensatzes  ; daß dieser Gegensatz nicht ist die Wahrheit , sondern vielmehr dieß , die Einheit durch die Negazion dieses Gegensatzes zu erreichen , d . i . den Frieden , die Versöhnung , die das Bedürfniß fordert . Diese Versöhnung ist die Forderung des Bedürfnisses des Subjekts , und es liegt in ihm als unendlichem Einen , mit sich Identischen . – Dieß Aufheben des Gegensatzes hat 2 Seiten  : Es muß dem Subjekt das Bewußtseyn werden , daß diese Gegensätze nicht an sich sind , sondern die Wahrheit , das Innre ist das Aufgehobenseyn des Gegensatzes . Weil er an sich , der Wahrheit nach aufgehoben ist , kann das Subjekt als solches in seinem Fürsichseyn erreichen , erlangen das Aufheben dieses Gegensatzes , den Frieden , die Versöhnung . Daß der Gegensatz an sich aufgehoben ist , macht die Bedingung , Voraussetzung aus , die Möglichkeit , daß das Subjekt auch für sich ihn aufhebe . Sofern wird gesagt , das Subjekt gelange nicht aus sich , d . i . aus sich als d i e s e m S u b j e k t e  , durch seine Thätigkeit , sein Verhalten zur Versöhnung  ; es ist nicht sein Verhalten als des Subjekts , wodurch die Versöhnung zu Stande gebracht wird , und zu Stande gebracht werden kann . Sein Verhalten ist nur das Setzen , das Thun nur der einen Seite  ; die andre ist die substanzielle , zu Grunde liegende , welche die Möglichkeit enthält . – Dieß ist , daß an sich dieser Gegensatz nicht vorhanden ist . – Näher ist’s , daß der Gegensatz ewig entsteht , eben so sich ewig aufhebt , ist ebenso das ewige Versöhnen . – Daß dieß die Wahrheit ist , sahen wir in der ewigen , göttlichen Idee , daß Gott dieß ist , als lebendiger Geist , sich von sich zu unterscheiden , ein Andres zu setzen und in diesem Andern mit sich identisch zu bleiben , in diesem Andern die Identität seiner mit sich selbst zu haben . – Das ist die Wahrheit . Diese Wahrheit ist es , die die eine Seite dessen ausmachen muß , was dem Menschen zu Bewußtseyn kommen muß , die an sich seiende , substan-

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iii.  die offenbare religion209

zielle Seite . – Näher kann’s so ausgedrückt werden  ; daß der Gegensatz die Unangemessenheit überhaupt ist . Der Gegensatz , das Böse , ist die Natürlichkeit des m e n s c h l i c h e n Seyns und Wollens , die Unmittelbarkeit . Das ist eben die Weise der Natürlichkeit  ; – mit der Unmittelbarkeit ist eben die Endlichkeit gesetzt und diese Endlichkeit oder Natürlichkeit | ist unangemessen der Allgemeinheit ­Gottes , der in sich schlechthin freien , bei sich seienden , unendlichen , ewigen Idee . Diese Unangemessenheit ist der Ausgangspunkt . – Die nähere Bestimmung ist nicht , daß die Unangemessenheit von beiden Seiten verschwinde für das Bewußtseyn . Die Unangemessenheit ist , liegt in der Geistigkeit . Der Geist ist das sich Unterscheiden , das Setzen von Unterschieden . Wenn sie unterschieden sind , nach diesem Moment , daß sie unterschieden sind , sind sie nicht das Gleiche  ; sie sind verschieden , einander unangemessen . Die Unangemessenheit kann nicht verschwinden . Wenn die Unangemessenheit verschwände , so verschwände das Ur­theil des Geistes , seine Lebendigkeit , so hörte er auf , Geist zu seyn . – Die Bestimmung ist diese , daß beide Seiten nicht nur unangemessen seien , sondern daß dieser Unangemessenheit ungeachtet die Identität beider sei , daß das Andersseyn , die Endlichkeit , die Schwäche , die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur keinen Eintrag thun solle jener Einheit , die das Substanzielle der Versöhnung ist . – Daß diese Unangemessenheit keinen Eintrag thue , sahen wir , in der göttlichen Idee  : denn der Sohn ist ein Andres als der Vater  ; das Andersseyn ist Verschiedenheit , – sonst ist’s kein Geist . Aber das Andre ist Gott , hat die ganze Fülle der göttlichen Natur in sich . Diesem , daß dieser Andre der Sohn Gottes und damit Gott ist , thut die Bestimmung des Andersseyns keinen Eintrag . Dieses Andersseyn ist das ewig sich Setzende , ewig sich Aufhebende , – und dieß sich Setzen und Aufheben des Andersseyns ist die L i e b e  , der G e i s t  .  – Das Böse , die eine Seite , ist abstrakt bestimmt worden , als nur das Andre , Endliche , Negative , – und Gott als das Gute , Wahrhafte auf die andre Seite gestellt . – Aber dieß Andre , Negative enthält in sich selbst auch die A ­ ffirmazion , und das muß zum Bewußtseyn kommen , daß das Prinzip der ­A ffirmazion drin enthalten ist , daß in diesem Prinzip der Affirmazion das Prinzip der Identität liegt mit der andern Seite  : so wie Gott nicht nur als das Wahre die abstrakte Identität mit sich ist , sondern das Andre , die Negazion , das sich Anderssetzen seine eigne wesentliche Bestimmung , die eigne Bestimmung des Geistes ist . – Dieß A ­ nsichseyn muß dem unendlichen Schmerz zu Bewußtseyn kommen , daß dem Menschen zu Bewußtseyn kommt die ansichseiende Einheit der göttlichen und menschlichen Natur , aber nur dem Ansichseyn , der Substanzialität nach , – so , daß diese Endlichkeit , Schwäche , dieß Andersseyn 34 Dieß Ansichseyn] Hu  : Bedürfniss  

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keinen Eintrag thut dieser substanziellen Einheit beider . Oder , es ist dieß , daß dem Menschen zu Bewußtseyn kommt die Substanzialität der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur , so , daß der Mensch ihm als Gott , und Gott ihm als Mensch erscheine . – Das ist die Nothwendigkeit dieses Bedürfnisses , dieser Erscheinung . – Weiter soll das Bewußtseyn der absoluten Idee , die wir in der Filosofie im Denken haben , hier hervorgebracht | werden nicht auf dem Standpunkte filosofischer Spekulazion , des spekulativen Denkens , sondern in der Form der Gewißheit , nicht daß sie es denken , seine Nothwendigkeit einsehen und erkennen , sondern daß es ihnen gewiß ist , d . h . daß dieser Inhalt der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur zu Gewißheit komme , für die Menschen erhalte die Form unmittelbarer , sinnlicher Anschauung , äußerliches Daseyn , daß dieser Inhalt erscheine als auf der Welt gesehen , und erfahren . Diese Form des nicht spekulativen Bewußtseyns muß man wesentlich vor sich haben , muß wesentlich vor mir seyn , – es soll dem Menschen g e w i ß werden . – Gewiß ist nur was in innrer und äußrer Anschauung ist , auf unmittelbare Weise . – Daß es dem Menschen gewiß werde , mußte Gott im Fleisch , auf der Welt erscheinen . Die Nothwendigkeit dessen , daß Gott im Fleisch erschien auf der Welt , ist eine wesentliche Bestimmung  ; es ist nothwendig abgeleitet nach dem Vorhergehenden , bewiesen aus dem Vorigen  : so nur kann es dem Menschen zur Gewißheit werden , – die Wahrheit in Form der Gewißheit . – Zugleich ist hinzuzufügen , daß die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur , daß der Mensch – der Mensch ist das Allgemeine , der Gedanke des Menschen . Hier auf diesem Standpunkte ist es nicht um den Gedanken des Menschen zu thun – also ist es Ein Mensch , der Mensch als Einzelner , der Mensch in der Bestimmtheit von Einzelnheit , Partikularität . – Ferner kann es nicht bleiben bei der Bestimmung der Einzelnheit überhaupt  : denn die Einzelnheit überhaupt wäre selbst wieder allgemeine . Diese ist im abstrakten Denken als solchem . Hier aber ist es um die Gewißheit des Anschauens , des Empfindens zu thun . – Diese substanzielle Einheit ist das Ansich des Menschen  ; indem es das Ansich für den Menschen ist , so ist es Etwas jenseits des unmittelbaren Bewußtseyns , des gewissen Bewußtseyns , Wissens . Damit muß es drüben stehen für das subjektive Bewußtseyn , das sich als gewisses Bewußtseyn verhält , als gewisses Bewußtseyn bestimmt ist . – Hierin liegt eben , daß dieß als einzelner , ausschließender Mensch erscheinen müsse für die Anderen , sie nicht alle einzeln , sondern Einer , von dem

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15 in innrer … Weise] Hu  : in der unmittelbaren Anschauung ist   26 Einzelnheit überhaupt1] Hu  : 35 Einzelnheit im Allgemeinen   32 das] daß  



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iii.  die offenbare religion211

sie ausgeschlossen sind  : – so ist es ihnen drüben als das Ansich , – und Einzelnheit für den Boden der Gewißheit . – Das sind die 2 Bedingungen dieser Erscheinung . Das E i n e ist , daß das Bewußtseyn diesen Inhalt , seine Versöhnung erlangen kann , diese substanzielle Einheit , deren Bewußtseyn zugegeben ist  ; das 2 t e ist das Bewußtseyn , die Bestimmung , Form dieser ausschließenden Einzelnheit . Christus ist in der Kirche »Gottmensch« genannt worden , diese ungeheure ­Zusammensetzung , die dem Verstande schlechthin widerspricht  ; – aber die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur ist dem Menschen da zum Bewußtseyn , zur Gewißheit gebracht worden , – daß das Andersseyn , oder , wie man es auch ausdrückt , die Endlichkeit , Schwäche , Gebrechlichkeit der menschlichen Natur keinen Ein|trag thue dieser Einheit , wie in der ewigen Idee das Andersseyn keine Eintrag thue der Einheit , die Gott ist . Es ist die Erscheinung eines Menschen in sinnlicher Gegenwart  ; Gott in sinnlicher Gegenwart kann keine andere Gestalt haben , als die Gestalt des Menschen . Im Sinnlichen , Weltlichen ist der Mensch aber das Geistige . Soll also das Geistige in sinnlicher Gestalt seyn , so muß es in menschlicher Gestalt seyn . – Diese Erscheinung ist nun sogleich auf 2erlei Weise zu betrachten  : 1 .) als Mensch , seinem äußerlichen Zustande nach , nach der irreligiösen Betrachtung , wie er als gewisser Mensch erscheint  ; – und 2 .) die Betrachtung im Geiste , die Betrachtung mit dem Geiste , der zu seiner Wahrheit dringt  ; darum , weil er diese unendliche Entzweiung , diesen Schmerz in sich hat , die Wahrheit will , das Bedürfniß der Wahrheit und der Gewißheit der Wahrheit haben will und soll . – Dieß 2te erst ist das Religiöse . – Wenn man Christus betrachtet wie Sokrates , so betrachtet man ihn als gewissen Menschen , wie die Mahomedaner Christum betrachten als Gesandten Gottes , wie alle große Menschen Gesandten , Boten Gottes im allgemeinen Sinne sind . Wenn man von Christus nicht mehr sagt , als , daß er Lehrer der Menschheit , Martyrer der Wahrheit ist , so steht man nicht auf religiösem Standpunkte .  – Die e i n e Seite ist diese menschliche Seite , diese Erscheinung als lebendiger Mensch . – Von dieser Erscheinung sind die Momente kurz zu erwähnen . Ein unmittelbarer Mensch ist er in aller äußerlicher Zufälligkeit , in allen zeitlichen Verhältnissen , Bedingungen  : er wird geboren , hat Bedürfnisse als Mensch aller anderen Menschen  ; aber daß er nicht eingeht in das Verderben , die Leiden­schaften ,

11 dieser Einheit] Hu  : dem Geiste   24–25 gewissen] Hu  : gewöhnlicher   25 wie die Mahome… Gottes] Hu  : das ist die menschliche Betrachtung , die andere Seyte ist die Betrachtung dieser Erscheinung durch den Geist der die Gewissheit haben will das ist das Religiöse . | Wenn man Socrates betrachtet da ist dies keine Religiöse Betrachtung .   28 Standpunkte] Hu  : Standpunkte , man spricht von ihm nicht mehr als von Socrates  

166vHu Gottmensch . 101An

178AKö Gott sinnlich kann nur Mensch seyn .

1 .)  1 .) Χριστος als gewisser Mensch

menschliche Seite  :

35 daner

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2 .) Χριστι Lehramt

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179AKö Polemische Seite gegen das ­Vorhandne .

Forderung höchster Abstraxion von der Wirklichkeit

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die bösen Neigungen derselben , in die besonderen Interessen des W ­ elt­l ichen , bei denen auch Recht­schaVen­heit und Lehre Statt finden kann  ; sondern daß er nur der Wahrheit , der Verkündigung der Wahrheit lebt , seine Wirksamkeit nur sei , das höhere Bewußtseyn der Menschen auszufüllen .  – Das 2te ist sein Lehramt . – Die Frage ist nun  : wie kann diese Lehre seyn , wie ist sie beschaVen ? Die erste Lehre muß Eigenthümlichkeiten an ihr haben , – sie kann nicht beschaVen seyn , wie nachher die Lehre in der Kirche ist , – Eigen­ thüm­lich­keiten , die in der Kirche zum Theil eine andre Bestimmung erhalten , zum Theil auf der Seite bleiben . – Wenn die Gemeine etablirt ist , das Reich Gottes seine Wirklichkeit , sein Daseyn erlangt hat , so haben diese Lehren mehr andre Bestimmungen , und man läßt sie auf der Seite liegen . – Indem es um ein neues Bewußtseyn der Menschen , um eine neue Religion zu thun ist , ist das Bewußtseyn der a b s o l u t e n Ve r s ö h n u n g ein neues Bewußtseyn  ; – damit ist bedingt eine neue Welt , eine | neue Religion , eine neue Wirklichkeit , ein andrer Weltzustand  : denn das äußerliche Daseyn , Existenz , hat zu ihrer Substanzialität die Religion . – Dieß ist die negative , polemische Seite gegen die Be­stimmt­heiten in dieser Äußerlichkeit , in dem Bewußtseyn und Glauben der Menschen . Die neue Religion spricht sich aus als ein neues Bewußtseyn , Bewußtsein der Versöhnung des Menschen mit Gott . Diese Versöhnung als Zustand ausgesprochen , ist das Reich Gottes , eine Wirklichkeit  ; die Geister , Herzen , in denen Gott herrscht , sie sind versöhnt mit ihm , und so ist es Gott , der zur Herrschaft gekommen ist . – Dieß ist insofern der allgemeine Boden . – Dieses Reich Gottes , die neue Religion , hat also an sich die Bestimmung der Negazion gegen das Vorhandene  : – das ist die revolutionäre Seite . – Das Vorhergehende verändert sich , das vorige Verhältniß , der Zustand der Religion , der Welt , kann nicht bleiben , wie vorher  ; es ist darum zu thun , die Menschen , denen das Bewußtseyn der Versöhnung werden soll , die das Bewußtseyn der Versöhnung haben sollen , daraus herauszuziehen , zu verlangen diese Abstraxion von der vorhandenen Wirklichkeit . – Diese neue Religion ist selbst noch konzentrirt , nicht als Gemeine vorhanden , sondern in dieser Energie , welche das einzige , eigne Intresse des Menschen ausmacht , der zu kämpfen , zu ringen hat , sich dieß zu erhalten , weil es noch nicht in Übereinstimmung ist mit dem Weltzustande , noch nicht im Zusammenhange mit dem Weltbewußtseyn . – Das erste Auftreten enthält die polemische Seite , die Forderung , sich von den endlichen Dingen zu entfernen  :

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13 Ve r s ö h n u n g ] Bo  : Versöhnung des Menschen mit Gott   16 die Bestimmtheiten] Hu  : das Be- 35 stehen   34 von den endlichen Dingen] Bo  : vom weltlichen , irdischen Denken  Hu  : von der Welt   1 des Weltlichen] (1) der Weltlichkeit (2) des (Ms  : der) Weltlichen (aus Weltlichkeit)  



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iii.  die offenbare religion213

es ist gefordert eine Erhebung zu einer unendlichen Energie , der alle anderen Bande gleichgültig zu werden haben , was sonst sittlich , recht , ist , für die alle andre Bande auf die Seite zu setzen sind . – Christus ist unter seinen Jüngern . Seine Mutter und Brüder verlangen , ihn zu sprechen . Er aber sagt  : »Wer ist meine Mutter und Brüder ? Ihr meine Freunde seid es  : wer Gottes Willen thut , der ist meine Mutter und meine Schwester und mein Bruder .« Wie Einer zu ihm kann , Beruhigung für seinen Geist zu suchen , und zu finden , sprach Christus  : »Folge mir nach .« Jener erwiederte  : »Erlaube , daß ich zuerst hingehe und meinen Vater begrabe .« – Christus antwortete  : »Laß die Todten pp . gehe du hin und verkündige das Reich Gottes .« – Ein Andrer sprach  : »Herr , erlaube , daß ich Abschied nehme von denen , die in meinem Hause sind .« und Christus antwortete  : »Wer seine Hand legt an den Pflug , und sieht zurück , ist nicht geschickt zum Reich Gottes . Ich bin gekommen , Krieg zu stiften pp .« – Wir sehen hierin das Polemische ausgesprochen gegen die sittlichen Verhältnisse . – »Sorge nicht für den andern Tag  ; gibt deine Güter den Armen .« Wenn aber allgemein die Armen die Güter erhielten , – so | würden diese die Reichen , – und da wäre dann wieder das alte Verhältniß . – Das Alles sind Lehren , Bestimmungen , die dem ersten Auftreten angehören , wo die neue Religion nur das einzige Intresse ausmacht , was der Mensch noch zu verlieren sich in Gefahr glauben muß . – Die eine Seite ist  : diese Entsagung , dieses Aufgeben , diese Zurücksetzung alles wesentlichen Intresses und der sittlichen Bande , ist im konzentrirten Erscheinen der Wahrheit eine wesentliche Bestimmung , die in der Folge , wenn die Wahrheit sichre Existenz hat , von ihrer Wichtigkeit verliert .– Es ist die Verkündigung des Reichs Gottes . In dieses Reich Gottes , in dieß Reich der Liebe hat sich der Mensch zu versetzen , so daß er sich unmittelbar in diese Wahrheit werfe . Dieses ist mit der reinsten , ungeheuersten Parrhesie aus­gesprochen .vgl . den Anfang der Bergpredigt  : »reines Herzens zu seyn , – so werden sie Gott schauen« pp . Für diese Erhebung , und damit diese im Menschen hervorkomme , ist von keiner Vermittlung gesprochen , – sondern dieß unmittelbare Seyn , dieß unmittelbare sich Versetzen in die Wahrheit , in das Reich Gottes , ist damit ausgesprochen . Dieser intellektuellen , geistigen Welt , dem Reiche Gottes ist es , dem der Mensch angehören soll . In der Sprache der Begeisterung , in

10 Reich Gottes .«] Hu  : Reich Gottes – ich bin nicht gekommen Frieden auf der Welt zu schliessen   14 sittlichen Verhältnisse] Hu  : bisherigen sittlichen Verhältnisse   27 »reines Herzens zu seyn] Hu  : 35 selig sind die da geistig sind denn für die ist das Reich Gottes , selig sind die reynes Herz haben   31 geistigen] BoHu  : reinen   16 so] am Rande mit Bleistift  : schlecht  !  

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74Bo 8/8Bo

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Besondre Lehren  : Liebe

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102 An Χριστος  : P r o f e t  .

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Schicksal Χristi . 169rHu (Tod , gerecht ? cf . Geschichte des ­L ebens Socratis .)

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solchen durchdringenden Tönen , die die Seele durchbeben , die sie ziehen aus den leiblichen Intressen , ist dieß vorgetragen  : »Trachtet am Ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit .« – Was das besondre betriVt , so wären dieß nähere Lehren , worunter die Lehre der Liebe einen Hauptmittelpunkt ausmacht . »Liebe Gott über Alles , und den nächsten als dich selbst .« – Doch diese Gebote sind schon im A . T . Was als moralische Gebote angesehen werden kann , ist theils auch in anderen Religionen , theils in der jüdischen Religion . – In diese Lehren tritt nun auch dieß Moment , diese Bestimmtheit ein  : Indem dieß so unmittelbar ausgesprochen ist  : »Trachtet nach dem Reich Gottes , – werft Euch in die Wahrheit ,« – dieß so unmittelbar ­gefordert ist , so tritt dieß gleichsam als subjektiver Ausspruch hervor , und in sofern kommt die Pe r s o n in Betracht . – Nach dieser Beziehung spricht Christus nicht als Lehrer nur , der aus sich subjektive Einsicht vorträgt , der das Bewußtseyn hat seines Produzirens , seiner Thätigkeit , – sondern als P r o f e t  . Er ist es , der , wie diese Forderung unmittelbar ist , unmittelbar aus Gott dieß spricht , und aus welchem Gott dieß spricht . – Dieses Leben des Geistes in der Wahrheit zu haben , | daß ohne Vermittlung es ist , spricht sich so profetisch aus , daß Gott es ist , der dieß sagt . Es ist um die absolute , göttliche , an und für sich seiende Wahrheit zu thun , dieß Aussprechen und Wollen der an und für sich seienden Wahrheit , und die Bethätigung dieses Aussprechens , wird als Thun Gottes ausgesprochen  : es ist das Bewußtseyn der reellen Einheit des göttlichen Willens , seiner Übereinstimmung damit . – Bei der Form dieses Aussprechens ist aber der Axent darauf gelegt , daß der , welcher dieß sagt , zugleich der Mensch wesentlich ist , der Menschensohn es ist , der dieß ausspricht , in dem dieß Aussprechen , diese Bethätigung des An und für sich Seienden , das Wirken Gottes wesentlich ist , als in einem Menschen , nicht als etwas Übermenschliches , als Etwas , das in Gestalt einer äußerlichen OVen­barung kommt , daß diese göttliche Gegenwart wesentlich identisch ist mit dem Menschlichen . – Was noch hinzuzufügen ist , ist das S c h i c k s a l  , das dieß Individuum gehabt . – Daß dieß Individuum Martyr der Wahrheit geworden , ist in nahem Zusammenhange mit solchem Auftreten . Indem die Stiftung des Reichs Gottes mit dem vorhandnen Staat , der auf eine andre Weise , Bestimmtheit der Religion gegründet ist , durchaus in gradem Widerspruche ist , – so ist das Schicksal , menschlich ausgedrückt , Martyr der Wahrheit zu seyn , im Zusammenhange mit jenem Auftreten .  – Das sind die Hauptmomente in der Erscheinung des Menschen , in der menschlichen Betrachtung . Aber das ist nur eine Seite , und keine religiöse . – 13 der aus sich … vorträgt] Hu  : das ist nicht seyne subiective Thätigkeit   17 Vermittlung] Hu  :

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Die 2te Betrachtung ist erst das Religiöse als solches , wo das göttliche selbst wesentliches Moment ist . In den Freunden , Bekannten , die gelehrt worden sind , ist diese Ahnung , Vorstellung , dieß Wollen eines neuen Reichs , eines neuen Himmels und einer neuen Erde , einer neuen Welt vorhanden . Diese HoVnung , diese Gewißheit hat die Wirklichkeit ihrer Herzen durchschnitten , in die Wirklichkeit ihrer Herzen sich gesenkt . – Nun aber das Leiden , der Tod Christi , hat das menschliche Verhältniß Christi aufgehoben , – und an diesem Tode eben ist es , daß sich der Übergang macht in das Religiöse . – Es ist der Sinn , die Art der Auffassung dieses Todes . Einerseits ist es der natürliche Tod , durch Ungerechtigkeit , Haß und Gewaltsamkeit bewirkt  ; – aber es ist nun fest in den Herzen , Gemüthern , daß es sich nicht handelt um Moralität , überhaupt um Denken und Wollen Subjekts in sich und aus sich , sondern das Intresse ist ein unendliches Verhältniß zu Gott , zum gegenwärtigen Gott , die Gewißheit des Reichs Gottes , eine Befriedigung nicht in einer Moralität , noch auch Sittlichkeit , in dem Gewissen , sondern eine Befriedigung , außerhalb | welcher nichts Höheres ist , Verhältniß zu Gott selbst . – Alle andren Weisen der Befriedigung enthalten , daß sie noch irgend eine Bestimmung untergeordneter Art sind , so daß das Verhältniß zu Gott als ein Drüben , als ein Fernes , ja gar nicht Vorhandnes liegen bleibt . – Die Grundbestimmung in diesem Reich Gottes ist die Gegenwart Gottes , so daß den Mitgliedern dieses Reichs nicht nur empfohlen wird Liebe zum Menschen , sondern das Bewußtseyn , daß Gott die Liebe ist . – Darin ist eben gesagt , daß Gott präsent ist , daß dieß als eignes Gefühl , Selbstgefühl seyn muß . – Das Reich Gottes , die Gegenwart Gottes , ist diese Bestimmung . – Zu dieser gehört die Gewißheit der Gegenwart Gottes . – Indem es im Bedürfniß , Gefühl ist einerseits , muß das Subjekt sich andrerseits auch davon unterscheiden , muß es auch von sich unterscheiden diese Gegenwart Gottes , aber so daß diese Gegenwart Gottes gewiß ist , und diese Gewißheit kann hier nur vorhanden seyn in der Weise sinnlicher Erscheinung . Indem der Inhalt sich auch auf diese Weise verhält , so ist das die religiöse Seite , und hierin fängt die Entstehung der Gemeinde an . Es ist dieser Inhalt dasselbe , was die Aus­ gießung des heiligen Geistes genannt wird  ; es ist der Geist , der dieß ge­oVen­bart hat  ; das Verhältniß des bloßen Menschen verwandelt sich in ein Verhältniß , das vom Geiste auch verändert , umgewandelt wird , so daß die Natur Gottes sich drin aufschließt , daß diese Wahrheit unmittelbare Gewißheit nach der Weise der Erscheinung erhält . – Darin erhält dann dieser , der zunächst als Lehrer , Freund , Vermittlung und Trübung   3 dieß Wollen eines neuen Reichs] Bo  : die HoVnung und Gewißheit   4 vorhanden] Hu  : in absoluter Wahrheit vorhanden   8 in das Religiöse] Bo  : zu dem Geistigen   29 verhält] BoHu  : verändert  

2 .) Betrachtung im Geiste 2 .)  das Religiöse , – 2 .)  das Göttliche .

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Gemeine entsteht . Ausgießung des heiligen Geistes .

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Tod Χριστι .

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183AKö 103An

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als Martyr der Wahrheit betrachtet worden , eine ganz andre Stellung . – Es ist bisher nur der Anfang , der durch den Geist zum Resultat , zum Ende , zur Wahrheit geführt wird . – Der Tod Christi ist einerseits der Tod eines Menschen , eines Freundes , der durch Gewalt gestorben pp  ; aber er ist es , der geistig aufgefaßt , selbst zum Heile , zum Mittelpunkt der Versöhnung wird . Die Anschauung der Natur des Geistes , auf sinnliche Weise die Vorstellung , Anschauung von der Natur des Geistes und der Befriedigung des Bedürfnisses des Geistes vor sich zu haben , ist es dann , was nach dem Tode Christi erst seinen Freunden aufgeschlossen worden . Vor seinem Tode war er ein sinnliches Individuum vor ihnen . Den eigentlichen Aufschluß hat ihnen der Geist gegeben , von dem Christus sagt , daß der sie in alle Wahrheit leiten werde , – das wird erst die Wahrheit seyn , in die Euch der Geist leiten wird . – Damit bestimmt sich dieser Tod nach dieser Seite hin als der Tod , der der Übergang zur Herrlichkeit , Verherrlichung ist , die aber nur Wiederherstellung der ursprünglichen Herrlichkeit ist . – Der Tod , das Negative ist das Vermittelnde , daß gesetzt ist die | ursprüngliche Hoheit als erreicht . Es geht damit die Geschichte der Auferstehung und Erhebung Christi zur Rechten Gottes an , wo die Geschichte geistige Auffassung gewinnt . Das ist die religiöse Geschichte , wo geistiges Auffassen ist der Geschichte ­Christi vor dem Tode , wie auch die Evangelien n a c h der Ausgießung des Geistes geschrieben sind . – Es ist damit dann geschehen , daß die kirchliche Gemeine die Gewißheit gehabt , daß die Gemeine die Gewißheit hat  : Gott ist als Mensch erschienen . – Diese Menschlichkeit in Gott , und die abstrakteste Weise der Menschlichkeit , die höchste Abhängigkeit , die letzte Schwäche , die letzte Stufe der Gebrechlichkeit , ist eben der natürliche Tod . – »Gott selbst ist tod« , heißt es in einem lutherschen Liede . Dieß Bewußtseyn drückt dieß aus , daß das Menschliche , das Endliche , Gebrechliche , die Schwäche , das Negative göttliches Moment selbst ist , in Gott selbst ist , daß das Andersseyn , die Endlichkeit , das Negative , nicht außer Gott ist , nicht hindert als Andersseyn die Einheit mit Gott  ; es ist gewußt das Andersseyn , das Negative als Moment der göttlichen Natur selbst . Die höchste Idee des Geistes ist hierin enthalten . – Dieses Äußerliche , Negative , schlägt auf diese Weise in das Innre um . – Der Tod hat einer Seits diesen Sinn , diese Bedeutung , daß damit das Menschliche abgestreift wird , und die göttliche Herrlichkeit wieder hervortritt , ein Abstreifen des Menschlichen , des Negativen . – Aber der Tod ist selbst zugleich auch das Negative , diese höchste Spitze dessen , dem die Menschen als natürliches Dasein ausgesetzt sind . Dieß ist hiemit Gott selbst . 37 Gott selbst] Hu  : als ein Moment Gottes  

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In dieser ganzen Geschichte ist dem Menschen zum Bewußtseyn gekommen , – das ist die Wahrheit , zu der sie gelangt sind , – daß die Idee Gottes für sie Gewißheit hat , daß der Mensch die Gewißheit erlangt habe der Einheit  ; daß das Menschliche unmittelbar , präsenter Geist ist , und zwar so , daß in dieser Geschichte , wie sie der Geist auffaßt , selbst die Darstellung des Prozesses ist , was der Mensch , der Geist ist . – An sich Gott und todt – diese Vermittlung , wodurch das Menschliche abgestreift wird , – andrer Seits das An sich seiende zu sich zurückkommt , und so erst Geist ist . – Das Bewußtseyn der Gemeine , das so den Übergang macht vom bloßen Menschen zu einem Gottmenschen , zum Anschauen , zum Bewußtseyn , zur Gewißheit der Vereinigung , der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur , ist es , womit die Gemeine beginnt , und was die Wahrheit ausmacht , worauf die Gemeine gegründet ist . – Es ist dieß die Explikazion der Versöhnung , daß Gott versöhnt ist mit der Welt , oder vielmehr , daß Gott sich gezeigt hat als mit der Welt versöhnt z u s e y n  , daß das Menschliche eben ihm nicht ein Fremdes ist , sondern , daß dieß Andersseyn , sich Unterscheiden , die Endlichkeit , wie es ausgedrückt wird , ein Moment an ihm selbst ist , aber allerdings ein verschwindendes  ; aber er hat in diesem Moment sich der Gemeine gezeigt . – Dieß ist für die Gemeine die Geschichte der Erscheinung Gottes , – diese Geschichte ist göttliche Geschichte , – daß sie dadurch zum Bewußtseyn der Wahrheit gekommen ist . | Daraus bildete sich das Bewußtseyn , daß gewußt wird , daß Gott der D r e i e i n i g e ist . Die Versöhnung , an die geglaubt wird in Christo , hat keinen Sinn , ohne daß Gott als der dreieinige gewußt wird  : daß er ist , aber auch als das Andre , als das sich Unterscheidende , Andre so , daß dieß Andre Gott selbst ist , an sich die göttliche Natur in ihm hat  ; – und daß das Aufheben dieses Unterschieds , Andersseyns , diese Rückkehr der Liebe , der Geist ist . – In diesem Bewußtseyn ist , daß der Glaube , das Bewußtseyn , nicht Verhält­ niß zu etwas Untergeordnetem , sondern Verhältniß zu Gott selbst ist . Das sind die Momente , auf die es hier ankommt , daß den Menschen zum Be­w ußtseyn ­ gekommen ist , die ewige Geschichte , die ewige Bewegung , die Gott selbst ist .  – Andre Formen , zB vom Opfertode , reduziren sich von selbst auf das , was gesagt worden . »Opfer« heißt , das Natürliche , das Andersseyn aufheben . – Es heißt  : »Christus ist für Alle gestorben .« Das ist nicht etwas Einzelnes , sondern

… ist] Hu  : Diese Geschichte ist Geschichte des Lebens | des Geistes selbst .   21 zum Bewußtseyn] Bo  : zur Gewißheit   31–32 die ewige Bewegung , … ist] Hu  : des ewigen Prozesses , des Göttlichen Prozesses  

75Bo

184AKö Dreieiniger .

172rHu

Opfertod p

35 4 Geist] BoHu  : Gott   5–6 Darstellung des

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185AKö III .)  III .) Idee im Element der ­G e m e i n e A .)  A . E n t s t e h u n g d e r G e m e i n e  . Beg rif f der ­G e m e i n e  . Wa s i s t G e m e i n e ? 172vHu Glaube .

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die göttliche ewige Geschichte  ; in der Natur Gottes ist dieß selbst ein Moment , dieß ist in Gott selbst vorgegangen . An Christo ist diese Versöhnung für alle vorgestellt worden , wie dieß auch der Apostel mit dem Anschauen der ehernen Schlange vergleicht . – Das ist die Darstellung der zweiten Idee , als Idee in der Erscheinung , wie die ewige Idee für die unmittelbare Gewißheit des Menschen geworden , d . h . erschienen ist . Daß sie Gewißheit für den Menschen wurde , ist nothwendig sinnliche Gewißheit , aber die zugleich übergeht in das geistige Bewußtseyn , und eben so in unmittelbare Sinnlichkeit verkehrt ist , – aber daß man darin sieht die Bewegung , Geschichte Gottes , das Leben , das Gott selbst ist . – | Es ist noch das 3te Element übrig , das E l e m e n t d e r G e m e i n e  . Das Erste ist die E n t s t e h u n g d e r G e m e i n e unmittelbar selbst , die A u s g i e ß u n g d e s G e i s t e s  , der Geist der diese in der Erscheinung vorgehende Geschichte geistig auffaßt , drin erkennt die Idee Gottes , sein Leben , seine Bewegung , – diese haben wir gesehen . – Die G e m e i n e sind die Subjekte , die einzelnen empirischen Subjekte , die im Geiste Gottes sind , von denen aber zugleich unterschieden ist , denen gegenübersteht dieser Inhalt , diese Geschichte , die Wahrheit . – Der Glaube an diese Geschichte , an die Wahrheit ist einerseits ein unmittelbares Wissen , ein Glauben  ; das Andre ist , daß die Natur des Geistes an ihr selbst ist dieser Prozeß , der in der allgemeinen Idee und in der Idee , als in der Erscheinung betrachtet worden , daß das Subjekt selbst nun Geist , damit Bürger des Reichs Gottes wird , dadurch , daß es an ihm selbst diesen Prozeß durchlauft . Es ist bestimmt worden , daß das Subjekt , das menschliche Subjekt , der Mensch , an welchem dieß ge­oVen­bart wird , – was wird durch den Geist für den Menschen zur Gewißheit der Versöhnung , – ist als Einzelnes , ausschließendes , von Andren Verschiedenes bezeichnet worden . So ist die Darstellung der göttlichen Geschichte für die anderen Subjekte , eine für sie objektive . – Sie haben nun an ihnen selbst diese Geschichte , diesen Prozeß zu durchlaufen . Dazu gehört aber z u e r s t dieß , daß sie voraussetzen  : die Versöhnung ist möglich , – oder näher , daß diese Ve r s ö h n u n g i s t a n u n d f ü r s i c h g e s c h e h e n  , und daß sie g e w i ß i s t  . – (Durch den sinnlichen , leiblichen Tod ist das Absterben der Sünde , die Negazion der Unmittelbarkeit bezeichnet .) – An und für sich ist dieß die allgemeine Idee Gottes  ; daß sie aber gewiß ist für den Menschen , nicht durch spekulatives Denken diese Wahrheit für ihn ist , sondern g e w i ß  , – das ist die andre Bestimmung der Voraussetzung , – diese  : es ist gewiß , daß die Versöhnung vollbracht ist , d . h . es muß vorgestellt seyn als etwas Geschichtliches , als Eines , 18 Wahrheit] Bo  : Versöhnung   30 g e s c h e h e n ] Hu  : geschehen ist , Wahrheit an und für sich ist   31 sie] Bo  : sie die Wahrheit an und für sich ist und daß die Versöhnung  

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iii.  die offenbare religion219

das vollbracht ist für die Erde , in der Erscheinung . Denn eine andre Weise ist nicht das , was Gewißheit genannt wird . – Das ist diese Voraussetzung , die wir z u n ä c h s t g l a u b e n  .  – Die Entstehung der Gemeine ist , was als Ausgießung des heiligen Geistes vorkommt . Die Entstehung des Glaubens ist 1 .)  ein Mensch , eine menschliche , sinnliche Erscheinung , und 2 .)  die geistige Auffassung , Bewußtseyn des Geistigen  ; es ist geistiger Inhalt , Verwandlung des Unmittelbaren zu geistiger Bestimmung . Die Beglaubigung ist geistig , liegt nicht im Sinnlichen , kann nicht auf unmittelbare sinnliche Weise vollbracht werden . Gegen die sinnlichen facta kann daher immer Etwas ein­ gewandt werden . Die Verwandlung des Unmittelbaren in einen geistigen Gehalt ist ein Übergang , welchen wir sahen in der Form der Beweise vom Daseyn Gottes  ; daß auch eine sinnliche Welt ist , aber die Wahrheit nicht ist das Sinnliche , die unmittelbare Welt der Endlichkeit , sondern das Unendliche . – Diese Konversion , die schon anfängt bei der Aufer|stehung , Himmelfahrt , ist das , was wir die E n t s t e h u n g d e r G e m e i n e nannten . – Was die empirische Weise betriVt , so thut die Kirche in sofern Recht daran , wenn sie solche Untersuchungen nicht annehmen kann  : denn solche Untersuchungen , welche Bewandniß es habe mit dem Erscheinen Christi nach seinem Tode , gehen von dem Gesichtspunkte aus , als ob es auf das Sinnliche der Erscheinung ankäme , auf dieß Historische , als ob in solchen Erzählungen von einem als historisch Vorgestellten nach geschichtlicher Weise , die Beglaubigung des Geistes liege . – Man sagt , man müsse die heiligen Schriften behandeln wie profane Autoren . Was das bloß Geschichtliche , Endliche , Äußerliche betriVt , so kann man sie wie profane Schriften betrachten . Das Andre aber ist das Auffassen mit dem Geiste  : jenes Profane ist nicht die Beglaubigung des Geistes . – Das ist die Entstehung der Gemeine . – Das 3te ist die Gemeine selbst , der existirende Geist , der Geist in seiner Existenz , G o t t  , a l s G e m e i n e existirend . – Das 1te ist die Idee in ihrer einfachen Allgemeinheit für sich , die zum Ur­theil , Andersseyn noch nicht aufgeschloßen ,  – d e r Va t e r   ; Das 2te ist das Besondre , die Idee in der Erscheinung , d e r S o h n  .  – Sofern das Erste konkret ist , ist allerdings das Andersseyn schon darin enthalten . Die Idee ist ewiges Leben , ewige Hervorbringung . –

35 1 für die Erde] Hu  : auf Erden   4–5 vorkommt] Hu  : Von einem Sinnlichen also war ein Übergang

zum Geistlichen gemacht .   9 unmittelbare] Bo  : sinnliche   24 Was das … betriVt] Hu  : es ist ganz richtig , als Erzählung äusserlicher Sachen  

173rHu

9/8Bo

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187AKö 174rHu

anonyme nachschrift königsberg · 1827

Das 2te war die Idee in der Äußerlichkeit , so , daß die äußerliche Erscheinung umgekehrt wird zum Ersten , gewußt wird , als göttliche Idee , die Identität des Göttlichen und Menschlichen . – Das 3te ist dieß Bewußtseyn Gottes , als Geist . – Dieser Geist als existirend , sich realisirend ist die Gemeine . – Die Gemeine fängt damit an , daß die Wahrheit vorhanden ist , gewußte , vorhandne Wahrheit ist , und diese Wahrheit ist , was Gott ist , daß er der Dreieinige ist , daß er das Leben , dieser Prozeß seiner in sich ist , dieß Bestimmen seiner in sich . – Das 2te ist dann , daß dieß auch erschienen ist , Beziehung hat auf das Subjekt , für das Subjekt ist , und daß das Subjekt wesentlich Beziehung darauf hat , daß das Subjekt seyn soll Bürger des Reichs Gottes . – Dieß , daß das Subjekt selbst ein Kind Gottes werden soll , enthält , daß die Versöhnung an und für sich vollbracht ist in der göttlichen Idee , – und daß sie dann auch 2tens erschienen ist , daß die Wahrheit gewiß ist den Menschen . Eben das Gewißseyn ist die Erscheinung , die Idee , wie sie in der Weise der Erscheinens an das Bewußtseyn kommt . – Das 3te ist das Verhältniß des Subjekts zu dieser Wahrheit , daß das Subjekt , sofern es im Verhältniß zu dieser Idee , dieser Wahrheit ist , eben zu dieser bewußten Einheit kommt , sich dieser gewußten Einheit würdigt , sie in sich hervorbringt , erfüllt wird vom göttlichen Geiste . Dieß geschieht durch Vermittlung an sich selbst , und diese Vermittlung ist , daß es diesen Glauben hat  : | denn der Glaube ist die Wahrheit , die Voraussetzung , daß an und für sich und gewiß die Versöhnung vollbracht ist . Nur vermittelst dieses Glaubens , daß die Versöhnung an und für sich und gewiß vollbracht ist , ist das Subjekt fähig , im Stande , sich selbst in diese Einheit zu setzen . Diese Vermittlung ist absolut nothwendig . In dieser Beseligung vermittelst dieses Ergreifens ist die Schwierigkeit aufgehoben , die unmittelbar drin liegt , daß das Verhältniß der Gemeine ist zu dieser Idee ein Verhältniß der einzelnen , besonderen Subjekte . Diese Schwierigkeit ist gehoben in dieser Wahrheit selbst . – Die Schwierigkeit ist , daß das Subjekt verschieden ist vom absoluten Geist . Dieß ist gehoben , und daß es gehoben ist , liegt darin , daß Gott das Herz des Menschen ansieht , den substanziellen Willen , die innerste , Alles befassende Subjektivität des Menschen , das innre , wahre , ernstliche Wollen . – Außer diesem innern Willen , verschieden von dieser inner­ lichen substanziellen Wirklichkeit , ist vom Menschen noch sein Äußerliches , seine Mangelhaftigkeit , daß er Fehler begehen , daß er existiren kann auf eine Weise , die dieser innerlichen , substanziellen Wesentlichkeit , dieser substanziellen wesentlichen Innerlichkeit nicht angemessen ist . Diese Schwierigkeit ist dadurch gehoben , daß Gott das Herz ansieht , auf das Substanzielle sieht . Daß diese 4 Dieser Geist] Hu  : Gott  

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iii.  die offenbare religion221

Schwierigkeit gehoben ist , liegt darin , daß die Äußerlichkeit , das Andersseyn überhaupt , die Endlichkeit , Unvollkommenheit , wie sie sich weiter bestimmt , dennoch keinen Eintrag thue der absoluten Einheit , daß das Endliche zu einem Unwesentlichen herabgesetzt ist , und als das Unwesentliche gewußt wird . Denn in der Idee ist das Andersseyn des Sohnes ein Vorübergehendes , verschwindendes , kein wahres , wesentlich bleibendes , absolutes Moment . – Das ist der BegriV der Gemeine überhaupt , die Idee , die insofern der Prozeß des Subjekts an ihm selbst ist , welches Subjekt in den Geist aufgenommen , geistig ist , so daß der Geist Gottes in ihm wohnt . – Dieß sein reines Selbstbewußtseyn , ist zugleich Bewußtsein der Wahrheit , und dieß reine Selbstbewußtseyn , das die Wahrheit weiß und will , ist eben der göttliche Geist in ihm . – Das Zwe i t e ist die R e a l i s i r u n g d e r G e m e i n e  .  – Das Erste war der BegriV der Gemeine . Die Gemeine realisirt sich dann auch . – Die reale Gemeine ist das , was wir im Allgemeinen die K i r c h e nennen . | Das ist nicht mehr das Entstehen der Gemeine , sondern die b e s t e h e n d e Gemeine , d i e s i c h e r h ä l t  .  – In der bestehenden Gemeine ist die Kirche die Veranstaltung überhaupt , daß die Subjekte zu der Wahrheit kommen , die Wahrheit sich aneignen , und dadurch der heilige Geist in ihnen auch real , wirklich gegenwärtig werde , in ihnen seine Stätte habe , daß die Wahrheit in ihnen sei , und sie im Genusse , in der Bethätigung der Wahrheit , des Geistes seien , daß sie als Subjekte das Bethätigende des Geistes seien . – Das Erste was in der Kirche vorhanden ist , ist die Allgemeinheit der Kirche , dieß , daß die Wahrheit hier vorausgesetzt ist , nicht wie im Entstehen der heilige Geist erst ausgegossen , erst erzeugt wird , sondern daß die Wahrheit als vorhandne Wahrheit ist . – Das ist ein verändertes Verhältniß des Anfangs für die Subjekte , für die Subjekte in ihrem Anfange . Diese Wahrheit die so vorausgesetzt , vorhanden ist , ist die Lehre der Kirche , die Glaubenslehre , und den Inhalt dieser Lehre kennen wir , die Lehre von der Versöhnung . Es ist nicht mehr , daß dieser Mensch zu der absoluten Bedeutung erhoben wird durch das Ausgießen , Dekretiren des Geistes , sondern daß diese Bedeutung eine gewußte , anerkannte ist  ; – diese absolute Befähigung des Subjekts ist es , sowohl in ihm selbst als objektiv An­theil zu nehmen an der Wahrheit , zur Wahrheit zu kommen , in der Wahrheit zu seyn , zum Bewußtseyn der Wahrheit zu gelangen . – Dieß Bewußtseyn der Lehre ist hier vorausgesetzt , vorhanden . – So als Vorausgesetztes , Fertiges ist es , daß sie erst in der Gemeine selbst ausgebildet wird . – Der Geist , der ausgegossen ward , ist erst der Anfang , das Anfangende , die Erhebung . – Die Gemeine ist das Bewußtseyn dieses Geistes , das Aussprechen dessen , was der Geist gefunden hat , wovon er getroVen wurde , daß Christus für den Geist ist . Die Lehre wird wesentlich in der Kirche hervor­

174vHu

B .  B .) R e a l i ­ sirung der ­G e m e i n e  . Kirche 188AKö

1 .) 175rHu

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175vHu 105An

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2 .)

176rHu

Taufe .

anonyme nachschrift königsberg · 1827

gebracht , in der Kirche ausgebildet . Sie ist zuerst als Anschauen , Gefühl , als gefühltes , blitzähnliches Zeugniß des Geistes . – Aber die Wahrheit soll vorhanden , vorausgesetzt seyn  : so muß sie aus der Konzentrazion , Innerlichkeit des Gefühls entwickelt seyn in die Vorstellung . Die Glaubenslehre ist daher wesentlich erst in der Kirche gemacht worden , und es ist dann das Denken , das gebildete Bewußtseyn , das auch darin seine Rechte behauptet , und was es sonst gewonnen an Bildung der Gedanken , an Filosofie nach , für diese Gedanken , und zu Behuf dieser Gedanken , dieser sonst gewußten Wahrheit , bildet es dieß | zuerst nur mit anderm Unreinen vermischte Bewußtseyn aus . So bildet sich aus anderm konkreten , mit Unreinem vermischten Inhalte die Lehre aus . – Diese Lehre ist vorhanden . Sie muß dann auch erhalten werden . Sie wird erhalten in der Kirche . Das , was Lehre ist , muß auch gelehrt werden . Es ist , existirt , gilt , ist anerkannt , unmittelbar , ist vorausgesetzt , vorhanden , aber vorhanden nicht auf eine sinnliche Weise , daß das Auffassen dieser Lehre durch die Sinne geschähe , wie die Welt auch ein Vorausgesetztes , Sinnliches ist , zu dem wir uns äußerlich , sinnlich verhalten . Die geistige Wahrheit ist nur als gewußt vorhanden  ; daß sie dann auch erscheint , die Weise ihres Erscheinens ist , daß sie gelehrt werde . – Die Kirche ist wesentlich die L e h r e n d e  , die Veranstaltung , daß ein Lehrstand sei , dem aufgetragen ist , diese Lehre vorzutragen . – In dieser Lehre wird das Subjekt geboren  ; es fängt an in diesem Zustande der geltenden , vorhandenen Wahrheit , in dem Bewußtseyn der geltenden Wahrheit . – Das ist das 2te , das Verhältniß zu dieser an und für sich vorausgesetzten , vorhandenen Wahrheit . – Das Individuum , indem es so in der Kirche geboren ist , ist es sogleich als noch Bewußtloses bestimmt , an dieser Wahrheit Theil zu nehmen , der Wahrheit theilhaftig zu werden  ; seine Bestimmung ist für diese Wahrheit . – Die Kirche spricht dieß aus , und das ist das S a k r a m e n t d e r Ta u f e   ; daß der Mensch , das Individuum in der Gemeinschaft der Kirche ist , worin das Böse an und für sich überwunden , Gott an und für sich versöhnt ist . – Zu diesem Individuum verhält sich die Lehre als ein Äußerliches . Das Kind ist nur erst Geist an sich , noch nicht realisirter Geist , nicht als Geist wirklich  ; hat nur die Fähigkeit , das Vermögen , Geist zu seyn , als Geist wirklich zu werden . So ist die Wahrheit ihm ein Äußerliches , und kommt an ihn zunächst als ein Vorausgesetztes , Anerkanntes , Geltendes , d . h . für den Menschen kommt die Wahrheit noth­wendig zuerst als Autorität . – Alle Wahrheit , auch die sinnliche , – aber dieß ist keine eigentliche Wahrheit , – kommt zunächst in der Weise der Autorität an den Menschen , d . h . es ist ein Geltendes , Vorhandenes , und dieß kommt an mich als ein für sich Existirendes , Vorhandnes . In unserm sinnlichen Wahrnehmen 4 Vorstellung] Hu  : Vorstellung als unmittelbar vorhandene  

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iii.  die offenbare religion223

kommt so die Welt als Autorität an uns , sie ist , wir finden es so , wir nehmen es auf als Seiendes , und wir verhalten uns dazu als zu einem Seienden . – Das ist so , und wie es ist , so gilt es . – Die Lehre , das Geistige , ist nicht als solche sinnliche Autorität vorhanden , sondern muß gelehrt werden , wird gelehrt als geltende Wahrheit . Sitte ist ein Geltendes , eine bestehende Überzeugung . Weil es aber ein Geistiges ist , sagen wir nicht  : es ist , – sondern  : es gilt . – Weil es jedoch an uns kommt so als Seiendes , es ist , – und wie es an uns kommt , so als Geltendes , so nennen wir diese Weise , Autorität . – | Dieser Inhalt , – wie der Mensch den sinnlichen zu lernen hat auf Autorität  ; weil es da ist , weil es i s t  , hat er sich’s gefallen zu lassen  ; die Sonne ist da , und weil sie ist , muß ich mir’s gefallen lassen , – so die Lehre , die Wahrheit . Sie kommt aber nicht durch sinnliches Wahrnehmen , durch Thätigkeit der Sinne , sondern durch Lehre an uns , als ein Seiendes , durch Autorität . – Das ist zu lernen  ; dieß so Gelernte ist in sich aufzunehmen , sich zu assimiliren , anzueignen . Der innre Geist ist die absolute Möglichkeit , er entspricht diesem Inhalte . Was im menschlichen Geiste , d . i . in seinem vernünftigen Geiste ist , wird ihm damit zu Bewußtseyn gebracht als ein Gegenständliches  ; oder was in ihm ist , wird entwickelt , so daß er es weiß als die Wahrheit , in der er ist . – Das ist E r z i e h u n g  , Übung , Bildung . – Bei dieser Erziehung , Aneignung , handelt es sich nur um Angewöhnung an das Gute und Vernünftige . Es ist insofern da nicht darum zu thun , das Böse zu überwinden  ; denn das Böse ist an und für sich überwunden . Das Kind , sofern es in der Kirche geboren ist , ist in der Freiheit und zur Freiheit geboren . Es ist kein absolutes Andersseyn mehr für dasselbe  ; dieß Andersseyn ist als ein Überwundnes , Besiegtes gesetzt . Es ist bei diesem Hineinbilden nur darum zu thun , das Böse nicht aufkommen zu lassen , wozu die Möglichkeit im Allgemeinen im Menschen liegt  ; aber sofern das Böse aufkommt , wenn der Mensch Böses thut , so ist dieß zugleich vorhanden als ein an sich Nichtiges , über das der Geist mächtig ist , so daß der Geist die Macht hat , das Böse ungeschehen zu machen . Die Reue , Buße , hat diesen Sinn , daß das Verbrechen durch die Erhebung des Menschen zur Wahrheit , durch die Reue , daß er die Wahrheit gegen sein Böses anerkennt , das Gute will gegen sein Böses . So ist das Böse gewußt als ein An und für sich Überwundenes , das keine Macht für sich hat . Daß das Geschehene ungeschehen gemacht wird , das kann nicht auf sinnliche Weise geschehen  ; aber auf geistige Weise , innerlich , kann das Geschehene ungeschehen gemacht werden . Es wird ihm verziehen , er gilt als ein vom Vater Angenommener unter den Menschen . – 19–20 Angewöhnung an … Vernünftige] Bo  : Aneignung des Guten wahrhaften  Hu  : Angewöhnung des Guten  

190AKö 176vHu

Erziehung .

177rHu

224 106An

191AKö 3 .) unio mystica

Hostie . 1 .) katholisch 10/8Bo 2 .) lutherisch 177vHu

3 .) reformirt

C .)

anonyme nachschrift königsberg · 1827

Das ist das Geschäft der Kirche , daß diese Angewöhnung , Erziehung des Geistes immer innerlicher , diese Wahrheit mit seinem Selbst , mit dem Willen des Menschen identischer wird , daß diese Wahrheit sein Wollen , sein Gegenstand wird . Der Kampf ist vorbei , und es ist das Bewußtseyn , daß es nicht ein Kampf ist , wie in der persischen Religion , oder wie in der Kantschen Filosofie , wo das Böse überwunden seyn soll , aber an und für sich dem Guten gegenüber steht , dem Höchsten , der unendliche Prozeß ist . – Hier wird im Geiste das Böse als an und für sich überwunden gewußt , und vermittelst dessen , daß es an und für sich überwunden ist , hat das Subjekt nur seinen Willen gut zu machen  ; – so ist das Böse , die böse That verschwunden . – | Das Dritte ist der G e n u ß d i e s e r A n e i g n u n g der Gegenwart Gottes . Es handelt sich eben um die b e w u ß t e Gegenwart Gottes , Einheit mit Gott , unio mystica , das Selbstgefühl Gottes , Gefühl der unmittelbaren Gegenwart Gottes im Subjekt . Indem dieß Selbstgefühl ist , ist es auch eine Bewegung , setzt dieß auch voraus eine Bewegung , ein Aufheben Unterschiedner , damit diese negative Einheit herauskommt . Diese Einheit fängt an von der Hostie . Darüber sind nun dreierlei Vorstellungen . – Nach der e i n e n Vorstellung ist die Hostie dieß Äußerliche , dieß sinnliche Ding , – durch Konsekration der gegenwärtige Gott , Gott als ein Ding , in der Weise eines empirischen Daseins . Die 2te Vorstellung ist die luthersche , daß die Bewegung anfängt von einem Äußerlichen , das ein gewöhnliches , gemeines Ding ist , – daß aber der Genuß , das Selbstgefühl der Gegenwart Gottes zu Stande kommt , soweit und sofern das Äußerliche verzehrt wird , nicht bloß leiblich , sondern im Geiste und Glauben . Im Geist und Glauben nur ist der gegenwärtige Gott . Da ist keine Transsubstan­ ziazion  ; allerdings eine Transsubstanziazion , aber wodurch das Äußerliche auf­ gehoben wird , – daß die Gegenwart Gottes schlechthin eine geistige ist  ; – die Konsekrirung ist im Glauben des Subjekts , Die dritte Vorstellung ist , daß der gegenwärtige Gott in der Vorstellung nur , in der Erinnerung ist , also nicht insofern diese unmittelbare , subjektive Gegenwart habe .  – Das Subjekt soll sich die Wahrheit , die Lehre aneignen , und das 3te ist der Ge­ nuß der Gegenwart Gottes . – Dieß war das sich Erhalten der Gemeine . Das d r i t t e ist noch die R e a l i s i r u n g d e s G e i s t i g e n d e r G e m e i n e zur allgemeinen Wirklichkeit , und dieß enthält zugleich die U m w a n d l u n g  , U m f o r m u n g d e r G e m e i n e  . In der Religion ist das Herz versöhnt . Diese Versöhnung ist so im Herzen , ist geistig  ; das reine Herz , das diesen Genuß der Gegenwart Gottes in ihm und damit die Versöhnung , den Genuß seines Versöhntseyns erlangt . Diese Versöhnung ist aber zugleich abstrakt , sie hat gegenüber die Welt

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iii.  die offenbare religion225

überhaupt . Das Selbst , das in der Versöhnung in diesem religiösen Genuße ist , ist das reine Herz , das Herz überhaupt , die allgemeine Geistigkeit  ; aber das Selbst des Subjekts ist dann zugleich die Seite dieser geistigen Gegenwart , nach welcher eine entwickelte Weltlichkeit in ihm vorhanden ist , und das Reich Gottes , die Gemeine , hat so ein Verhältniß zum Weltlichen . Daß nun die Versöhnung real sei , dazu gehört , daß in dieser Entwicklung , in dieser Totalität eben so die Versöhnung gewußt werde , vorhanden , hervorgebracht sei . – Für diese Weltlichkeit sind die Prinzipe vorhanden in diesem Geistigen , das Prinzip , die Wahrheit für das Weltliche ist das Geistige . – | Die Wahrheit des Weltlichen ist das Geistige näher so , daß das Subjekt als Gegenstand der göttlichen Gnade , als Solches , das versöhnt ist mit Gott , hat unendlichen Werth , schon seiner Bestimmung nach , die dann ausgeführt ist in der Gemeine . Nach dieser Bestimmung ist dann das Subjekt gewußt als die Gewißheit des Geistes seiner selbst , als die Ewigkeit des Geistes . Dieses so in sich unendliche Subjekt , seine Bestimmung zur Unendlichkeit ist seine F r e i h e i t  , daß es freie Person ist , und als freie Person verhält es sich zum Weltlichen , Wirklichen , als bei sich selbst seiende , in sich versöhnt seiende , schlechthin feste und unendliche Subjektivität . Das ist die Substanz  : diese seine Bestimmung soll zu Grunde liegen , indem es sich auf das Weltliche bezieht . Das ist die Vernünftigkeit , diese Freiheit des Subjekts , daß das Subjekt das befreite ist , diese Befreiung erlangt hat durch die Religion , es nach seiner religiösen Bestimmung wesentlich frei ist , und diese Freiheit , die den Trieb und die Bestimmtheit , sich zu realisiren , hat , ist die Vernünftigkeit . Es ist darum zu thun , daß diese Versöhnung in dem Weltlichen sich versöhnt . – Die 1te Form der Versöhnung ist die unmittelbare , und eben darum nicht die wahrhafte Weise der Versöhnung . Diese Versöhnung erscheint so , daß zuerst die Gemeine , das Versöhntseyn , das Geistige , dieß Versöhntseyn mit Gott , in sich sich erhält abstrakt vom Weltlichen , – das Geistige selbst der Weltlichkeit entsagt , sich ein negatives Verhältniß gegen die Welt gibt , und eben damit gegen sich  : denn die Welt ist im Subjekt der Trieb zur Natur , zum geselligen Leben , zu Kunst und Wissenschaft . – Das Konkrete des Selbst , die Leidenschaften p kann nicht gerechtfertigt werden dadurch , daß es natürlich ist  ; aber die mönchische Abstraxion enthält dieß , daß das Herz nicht konkret entfaltet , als ein nicht Entwickeltes seyn soll , – oder daß die Geistigkeit , das Versöhntseyn , das Leben für diese Versöhnung , für dieß Versöhntseyn , ein in sich konzentrirtes , un­ent­ wickeltes seyn soll und bleiben soll . – Der Geist aber ist dieß , sich zu entwickeln , zu unterscheiden bis zur Weltlichkeit . 13–14 als die Ewigkeit des Geistes] Hu  : hier ist die wahrhafte Stellung der Unsterblichkeit   24 Versöhnung] Bo  : Versöhnung mit der Weltlichkeit   27 das Geistige] Bo  : daß die Gemeinde  

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3 .)

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anonyme nachschrift königsberg · 1827

Die 2te Form dieser Versöhnung ist , daß die Weltlichkeit und Religiosität einander äußerlich bleiben und doch in Beziehung kommen sollen . So kann die Beziehung , in der Beide stehen , nur eine äußerliche seyn , und eine solche , wo Eins über das Andre herrscht und die Versöhnung nicht da ist . Das Religiöse soll das Herrschende seyn , das Versöhnte , die Kirche soll über das Weltliche herrschen , das unversöhnt ist . Es ist eine Vereinigung mit dem Weltlichen , | die unversöhnt ist  ; die Weltlichkeit roh in sich und die als roh in sich nur beherrscht wird . Aber das Herrschende nimmt diese Weltlichkeit in sich selbst auf , eine geistlose Weltlichkeit tritt an der Kirche durch diese Herrschaft selbst hervor , weil das Weltliche nicht an ihm selbst versöhnt ist . Da ist eine Herrschaft gesetzt vermittelst des Geistlosen , wo das Äußerliche das Prinzip ist , wo der Mensch in seinem Verhältniß zugleich außer sich ist . Es ist das Verhältniß der Unfreiheit überhaupt . In Allem , was menschlich heißt , allen Trieben , Verhalten in Be­ziehung auf Familien , Thätigkeit im Staatsleben , ist die Entzweiung hineingesetzt , und das Nichtbeisichseyn des Menschen ist das Prinzip . – Der Mensch ist in Knechtschaft überhaupt in allen diesen Formen , – und alle diese Formen gelten als nichtige , unheilige , und er ist , indem er in denselben ist , wesentlich ein Endliches , ein Entzweites , daß dieß ein Nichtgeltendes , das Geltende ein Andres sei . – Es ist diese Versöhnung mit dem Weltlichen , mit dem eignen Herzen des Menschen so zusammengebracht , daß diese Versöhnung grade das Gegen­theil ist . – Die weitre Ausführung dieses Zerrissen­seyns in der Versöhnung selbst , ist dann das , was als Verderben der Kirche erscheint , der absolute Widerspruch des Geistigen in sich selbst . Die 3te Bestimmung ist , daß dieser Widerspruch sich auflöst im Sittlichen , daß das Prinzip der Freiheit eingedrungen ist in das Weltliche , und indem das Welt­liche so gebildet ist dem BegriV , der Vernunft , der Wahrheit , der ewigen Wahrheit selbst gemäß , ist es die konkret gewordne Freiheit , der vernünftige Wille . Die Instituzionen der Sittlichkeit sind göttliche Instituzionen , nicht heilige in dem Sinne , wie Ehelosigkeit heilig seyn soll gegen die Ehe , die Familienliebe , – oder freiwillige Armuth gegen thätigen Selbsterwerb , gegen das Rechtliche  ; eben so der blinde Gehorsam gilt als heilig , während das Sittliche ist ein Gehorsam in der Freiheit , frei , vernünftiger Wille , nicht Gehorsam des Subjekts gegen das Sitt­liche . – In dem Sittlichen ist die Versöhnung der Religion mit der Wirklichkeit , Weltlichkeit vorhanden und vollbracht . Das sind die realen Stufen dieser Versöhnung . 1 .) die unmittelbare Versöhnung , mehr Abstraxion als Versöhnung . 2 .) die Herrschaft der Kirche , der Kirche , die außer sich ist  ; – und 3 .) die Sittlichkeit . – 12 außer sich] Hu  : äusserlich   28 Wille] Hu  : Wille , Sittlichkeit   35 realen] Hu  : drey realen  

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Das Zweite ist , daß die i d e e l l e Seite nun darin für sich sich heraushebt . In diesem Versöhntseyn des Geistes mit sich , weiß sich eben das Innre als bei sich selbst seiend , bei sich selbst zu seyn , und dieß Wissen , bei sich selbst zu seyn , ist eben das D e n k e n  , daß das Versöhntseyn , bei sich selbst seyn , in Frieden mit sich , aber in ganz abstraktem , unentwickeltem Frieden mit sich ist . Das Denken ist die allgemeine Thätigkeit des Allgemeinen , und steht dem Konkreten überhaupt , wie dem Äußerlichen gegenüber . – Es ist | die Freiheit der Vernunft , die in der Religion erworben worden , die nun im Geist sich für sich selbst weiß . Diese Freiheit wendet sich nun gegen die bloße geistlose Äußerlichkeit , die Knechtschaft  : denn die Knechtschaft ist dem BegriVe der Versöhnung , der Befreiung schlechthin gegenüber , und so tritt das Denken ein , das der Äußerlichkeit , in welcher Form sie auch erscheine , Trotz bietet und sie zerstört . – Es ist dieß das negative und formelle Thun , das in seiner konkreten Gestalt die A u f k l ä r u n g genannt worden , daß das Denken sich gegen die Äußerlichkeit gewandt , und die Freiheit des Geistes behauptet wird , die in der Versöhnung liegt . Dieß Denken , sofern es zuerst auftritt , tritt es als diese abstrakte Allgemeinheit überhaupt auf , ist gegen das Konkrete überhaupt gerichtet , und damit auch gegen die Idee Gottes , – daß Gott der dreieinige , nicht ein todtes abstractum ist , sondern dieß , sich zu sich selbst zu verhalten , bei sich selbst zu seyn , zu sich selbst zurückzukehren . In diesem Konkreten sind Bestimmungen , Unterschiede . Indem das abstrakte Denken sich gegen die Äußerlichkeit überhaupt kehrt , wendet es sich auch gegen den Unterschied als solchen , weil im Unterschiede wohl ein gegen einander Äußerlichseyn vorhanden ist  ; – aber in der Idee Gottes , in der Wahrheit , ist diese Äußerlichkeit eben so auch aufgelöst . Die Regel ist dem Verstande , diesem abstrakten Denken , die abstrakte Identität . Dieß Denken geht also daran , alles Konkrete , alle Bestimmung , allen Inhalt in Gott aufzuheben . Wenn so alles Konkrete in Gott getilgt ist , so spricht es etwa dieß aus  : Man kann Gott nicht erkennen  ; denn Gott erkennen , heißt Gott nach seinen Bestimmungen kennen  ; er soll aber das reine abstractum bleiben . In diesem Formellen ist das Prinzip der Freiheit , der Innerlichkeit , der Religion selbst , aber zunächst nur abstrakt aufgefaßt . Das Andre , wodurch Bestimmung hereinkommt in diese Allgemeinheit , bei dieser Abstraxion , ist die , die in den natürlichen Trieben und Neigungen des Subjekts sind . Auf diesem Standpunkt wird dann gesagt  : der Mensch sei von Natur gut . Indem aber diese reine Subjektivität , diese Identität , reine Freiheit , ist , so

25 Identität] Hu  : Identität . Wahrhafte Identität ist Wahrheit des Concreten .   33–34 des Subjekts] Hu  : der Menschen . Das macht das Besondere aus .   35 Identität] Bo  : Idealität  

77 Bo

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180vHu Aufklärung . 1 .)

181rHu

2 .)

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195AKö 108An Pietismus . 181vHu

1 .) 2 .) 3 .)

Filosofie . 182rHu

anonyme nachschrift königsberg · 1827

hält sie sich wohl an die Bestimmung des Guten , aber das Gute selbst muß eben so auch ein abstractum bleiben . Die Bestimmung des Guten ist die Willkühr , die Zufälligkeit des Subjekts überhaupt , und so ist das die Spitze dieser Subjektivität , Freiheit , die Verzicht thut auf die Wahrheit und die Entwicklung der Wahrheit , in sich so webt und weiß , daß das , was sie gelten läßt , nur ihre Bestimmungen sind , daß sie Meister ist über das , was gut und böse ist . Das ist ein innres Weben in sich , das Heuchelei , höchste Eitelkeit ebensowohl seyn kann , als auch mit ruhigen , edlen ,  | frommen Bestrebungen zusammen  ; es ist das , was man das fromme G ­ efühlsleben nennt , worauf der Pietismus sich auch einschränkt , der keine objektive Wahrheit annimmt , gegen die Dogmen , den Inhalt der Religion sich gewendet hat , der zwar auch noch beibehält eine Vermittlung , Beziehung auf Christum , aber diese Beziehung soll nur Gefühl , in der innern Empfindung bleiben . – Die Frömmigkeit , wie diese Eitelkeit der Subjektivität , und das Gefühl , sind dann auch polemisch gegen die Filosofie . So ist das Resultat dieser Subjektivität , daß im Subjekt alles verblasen ist , ohne Objektivität , ohne feste Bestimmung , Entwicklung Gottes . – Die erste bestimmte Weise ist die letzte Spitze der formellen Bildung unsrer Zeit . Das sind die 2 Extreme gegen einander in der Fortbildung der Gemeine  : 1 .) diese Unfreiheit , Knechtschaft des Geistes in der absoluten Region der Freiheit  ; und die abstrakte Subjektivität , die Subjektivität ohne Inhalt . – Das Dritte ist , daß die Subjektivität aus sich entwickelt den Inhalt , aber nach der Nothwendigkeit , einen Inhalt , als nothwendig , und diesen als objektiv , an und für sich seiend weiß und anerkennt . – Das ist der Standpunkt der Filosofie , daß der Inhalt in den BegriV sich flüchtet , und durch das Denken seine Rechtfertigung erhält . – Dieß Denken ist nicht bloß das Abstrahiren und Bestimmen nach dem Gesetz der Identität  ; dieß Denken ist selbst wesentlich konkret , und so ist es Begreifen , daß der BegriV sich zu seiner Totalität , zur Idee bestimmt . Das ist die für sich seiende , freie Vernunft , die den Inhalt entwickelt nach der Noth­wendig­keit , und rechtfertigt den Inhalt der Wahrheit . Es ist der Standpunkt ein Wissen , das eine Wahrheit anerkennt und erkennt . – Der reine subjektive Standpunkt , die Verflüchtigung alles Inhalts , und die Aufklärung des Verstandes erkennt keinen Inhalt , und damit keine Wahrheit an . – Der BegriV produziert aber die Wahrheit  ; das ist die subjektive Freiheit , – aber anerkennt diesen Inhalt als ein zugleich nicht Produzirtes , als an und für sich Seiendes Wahres . Dieser objektive Standpunkt ist aber fähig , auf gebildete , denkende Weise

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14 Filosofie] Hu  : Philosophie die das Erkennen will   24 Rechtfertigung] Bo  : Bestimmung   25– 35 26 dieß Denken … konkret] Hu  : es hat nicht jenseyts das concrete aber in sich selbst   15 verblasen] verglasen  



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iii.  die offenbare religion229

das Zeugniß des Geistes auszusprechen und abzulegen . Dieser Standpunkt ist damit die Rechtfertigung der Religion , besonders der christlichen , wahrhaften Religion  : er erkennt eben den Inhalt nach seiner Nothwendigkeit , nach seiner Vernunft . Eben so erkennt er auch die Formen in der Entwicklung dieses Inhalts . – Diese Formen , die Erscheinung Gottes , diese Vorstellungen für das sinnliche geistige Bewußtseyn , das zur Allgemeinheit , zum Denken gekommen ist , diese vollständige Entwicklung für den Geist haben wir gesehen . – Der | Inhalt rechtfertigt sich durch das Zeugniß des Geistes , sofern es denkend ist . Das Zeugniß des Geistes ist das Denken , und es erkennt auch die Form , die Bestimmtheit der Erscheinung , und damit auch die Schranken der Form . – Die Aufklärung weiß nur von der Negazion , Schranke , von der Bestimmtheit als solcher , und thut deswegen damit dem Inhalt schlechthin Unrecht . Die Form , die Bestimmtheit ist nicht nur Endlichkeit , die Schranke , sondern die Form als Totalität der Form ist sie selbst der BegriV , und diese Formen sind nothwendig , wesentlich . – Von der Filosofie aus erhält , von der Filosofie empfängt die Religion ihre Rechtfertigung , vom denkenden Bewußtseyn aus . Die unbefangne Frömmigkeit bedarf dessen nicht  ; sie nimmt die Wahrheit als Autorität auf , und empfindet die Befriedigung , Versöhnung , vermittelst dieser Wahrheit . Aber , sofern das Denken anfängt den Gegensatz zu setzen gegen das Konkrete , sofern das Denken sich in Gegensatz gegen das Konkrete setzt , so ist der Prozeß des Denkens , diesen Gegensatz durchzumachen , bis er zur Versöhnung kommt . – Diese Versöhnung ist die Filosofie . Die Filosofie ist insofern Theologie  : sie stellt dar die Versöhnung Gottes mit sich selbst und mit der Natur , daß die Natur , das Andersseyn an sich göttlich ist , und daß der endliche Geist theils an ihm selbst dieß ist , sich zur Versöhnung zu erheben , theils in der Weltgeschichte zu dieser Versöhnung kommt , diese Versöhnung hervorbringt . – Diese Versöhnung ist dann der Friede Gottes , der nicht höher ist als alle Vernunft , sondern der durch die Vernunft erst gewußt , gedacht , und als wahr erkannt wird . – Diese Versöhnung durch den BegriV ist auch der Zweck dieser Vorlesung . – Die Filosofie hat besonders 2 Gegner  : gegen sie steht die Eitelkeit des Verstandes , der es der Filosofie Übel nimmt , daß die Filosofie in der Religion noch Wahrheit aufzeigt , daß Vernunft drin ist . Diese Aufklärung will nichts mehr von diesem Inhalte haben , und nimmt es der Filosofie daher übel , daß die Filosofie , als bewußtes , methodisches Denken ein Ziel setzt der Zufälligkeit , Will­kühr , den Einfällen des Denkens . – Der erste Standpunkt ist die unbefangene Religiosität ,

10 Form] Hu  : Formen dieser Religion . Beydes gehört zusammen der Inhalt und Form   35 unbefangene Religiosität] Hu  : unmittelbare Religion  

196AKö 182vHu 78Bo

Filo­sofie =Theo­logie  .

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anonyme nachschrift königsberg · 1827

Frömmigkeit  ; der 2te der des Verstandes , der Aufklärung , der Reflexion , oder , wie man auch sagt , der Bildung  ; – der 3te das vernünftige Denken , | Erkennen der Religion  ; – und zu diesem vernünftigen Erkennen der Religion , wie überhaupt zu Beförderung der Religiosität , mögen diese Vorlesungen Anleitung geben und beitragen .  – 10/8 – 29/8 28

3–5 und zu … beitragen] Hu  : Dieses habe ich in diesen Vorlesungen aufzuzeigen versucht . 6 10/8 – 29/8 28] 10/8 nachträglich mit blasser Tinte

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VORLESU NGEN Ü BER DI E ­P HILOSOPHI E DER RELIGION SOM M ERSEM ESTER 1831 AUSZÜGE VON

DAVID FRI EDRICH STRAUSS AUS EIN ER U N BEK A N NTEN ­N ACHSCH RIFT



einleitung233

Aus H e g e l s R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e  .

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E i n l e i t u n g  .

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Diese soll handeln von dem Verhältniß der Philosophie zu den Principien der Religion . Von der Religion haben wir die Vorstellung , daß wir uns in dieser der Zeitlichkeit entrücken , daß sie die höchste Befriedigung und Selbstzweck sey . Die Religion ist das Bewußtseyn der Wahrheit , der Genuß der Seligkeit  ; als Thätigkeit ist sie Verherrlichung Gottes . Die Religion ist das point d’honneur aller Völker . Indem wir diese Region zum Gegenstand philosophischer Betrachtung ma­ chen , so beschäftigen wir uns mit der ewigen Wahrheit . Die Philosophie ist ebenso Gottes­d ienst wie die Religion selbst , als Versenken des subjektiven Gei­ stes in den absoluten – aber auf eigenthümliche Weise . Jezt herrscht ein Gegensaz von ­Glauben und Wissen , Theologie und Philosophie . In der Theologie sind 2 Richtungen , die a u f g e k l ä r t e  , r a t i o n a l i s t i s c h e  , und die o f f e n b a r u n g s g l ä u b i g e  , s u p r a­n a t u­ra ­l i s t i s c h e  . Was den I n h a l t der Religion betriVt , so ­treVen , mit Ausnahme etwa der Person Christi beide Richtungen in Zurückstellung der Grunddogmen , zB von der Trinität , überein  ; So hat die Philosophie hier freye Sphäre , ja sie ist es jezt , welche die Dogmen der Kirchenlehre gegen die Theologen in Schutz nimmt . In Beziehung auf die F o r m wird der Glaube und die Frömmigkeit jezt darauf gestellt , daß im Geiste mit dem Selbst­Bewußt­seyn unmittelbar das Gottesbewußtseyn verbunden sey . Darin liegt das Günstige für die Philosophie , daß gefordert wird , alles , was als Wahrheit gelten wolle , müsse sich im Geiste selbst bewähren , – der Irrthum ist nur , daß diese Bewährung nur die unmittelbare des Gefühls seyn soll und die vermittelte der Philosophie als blos endliche verschmäht wird . In der christlichen Religion ist der religiöse Inhalt ausgebreitet , aber in der Form der Vorstellung  ; diese Form übersezt die Philosophie in die Form des Wissens . Die Einthei lung

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ist nun diese . Sie kann ganz formell gefaßt werden , daß wir betrachten 1) den ­BegriV der Religion , 2) ihr Urtheilen d . h . den sich unterscheidenden und damit sich beschränkt sezenden BegriV , 3) den Schluß , d . h . die Rückkehr | des BegriVs

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aus seiner Beschränktheit zu sich . – Diß ist aber zugleich die objective Entwiklung des Gegenstands . Nämlich 1) der BegriV der Religion ist der Geist der für den Geist ist . 2) Der Geist ist aber ferner das Urtheilen , der BegriV ist unterschieden von sich als Gegenstand , sich noch nicht adäquat . Hier ist Beschränktheit , Endlichkeit , Verhältniß vorhanden , und hieher fallen die endlichen Religionen . 3) Der Schluß endlich ist , daß der Geist mit seinem Gegenstande sich in sich zusammen­ schließt , daß der BegriV sich adäquat geworden ist – diß ist die oVenbare Religion . Es muß also I .  D e n B e g r i f f d e r R e l i g i o n betreVend 1) der a b s t r a c t e B e g r i f f derselben gegeben werden , welcher ist , daß sie das Wissen des Geistes von sich ist , aber im Unterscheiden des unendlichen und endlichen Geistes . 2) Die F o r m e n  , in welchen dieses Wissen des Geistes von sich als Religion erscheint , sind G e f ü h l und Vo r s t e l l u n g  . 3) Das einzelne Bewußtseyn , welches sich in der Religion seiner Endlichkeit entschlägt ist auch vorhanden als Bewußtseyn aller , in der G e m e i n d e und tritt hervor im C u l t u s  . 4)  kann noch hinzugesezt werden eine Untersuchung über die Beziehung der Religion zum we l t l i c h e n L e b e n des Menschen . II .  D i e b e s t i m t e R e l i g i o n  . Der BegriV , das Ansich muß sich ­realisiren , und darin treten seine Bestimmungen auseinander , aber es tritt auch nichts heraus , was nicht im BegriV der Religion an sich enthalten war . In dem Laufe dieser Entwiklung aber , so lange sie noch nicht zum Ziele gekommen ist , treten nur einzelne Momente des BegriVs hervor , der BegriV ist noch nicht sich selbst gegenständlich , – es ist diß die Sphäre der ethnischen Religionen . 1)  Die erste Religion ist die u n m i t t e l b a r e  , wo der Geist auch schon sich als das Wesen weiß , aber sich als empirisch von dem allgemeinen Geiste noch nicht unterscheidet . 2) Das einzelne Bewußtseyn und das Wesen treten auseinander , und dieses wird als die M a c h t gewußt über den endlichen Geist . Diese Macht ist zunächst a)   S u b s t a n z  , in welcher die Endlichkeiten verschwinden . Indem hier von der Zufälligkeit der endlichen Dinge zu Gott aufgestiegen wird , so ist diß die StuVe des cosmologischen Beweises . | b) Die Substanz bestimmt sich aber zur C a u s a l i t ä t  , in welcher die Endlichkeiten nicht verschwinden , sondern als von ihr gesezte , ihr dienende sind  ; so ist die Substanz der H e r r  .  – In diese beiden Formen fallen die orientalischen Religionen . 3)  Gott wird nun 3tens als der nach Zwecken , als der harmonisch wirkende gewußt in der Religion der S c h ö n h e i t und Zwe k m ä ß i g k e i t  . Diß ist der Standpunkt des teleologischen Beweises . Der Gott hat eine Realität die ganz bestimmt

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ist durch den BegriV oder den Zwek , diß ist die Schönheit , eine unmittelbare , natürliche Versöhnung des Geistes . III .  Die o f f e n b a r e Religion ist die Versöhnung im Geiste selbst vollbracht , das Bewußtseyn von dem ganzen und entwikelten BegriV des Geistes , in welchem nichts Dunkles , nichts Inadäquates mehr ist .

E r s t e r T h e i l  . B e g r i f f d e r R e l i g i o n  . E r s t e s K a p i t e l  . A l l g e m e i n e r B e g r i f f  . 10

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In der ReligionsPhilosophie sezen wir das Daseyn Gottes voraus  ; aber die Philosophie soll keine blose Voraussezung gelten lassen . Daher fing die natürliche Theologie mit Beweisen für das Daseyn Gottes an , und es scheint als wäre auch hier damit zu beginnen . Allein wir betrachten hier nicht , wie die natürliche Theologie , Gott für sich sondern Gott ungetrennt von dem Wissen desselben in der Reli­ gion , und so haben wir nur diß , daß die Religion ist , zu beweisen . Aber nicht in der ReligionsPhilosophie , sondern der Beweis ist in den vorangehenden Theilen der Philosophie geführt , welche die Religion als nothwendiges Resultat herbeyführen . Gott und die Religion , als das Substanzielle des menschlichen Geistes , sind freylich insofern das Allererste und nicht Resultat  ; aber daß sie Resultat sind , heißt nur , daß sie vermittelt sind | und sich selbst vermitteln , aber so daß in der absoluten Vermittlung die Vermittlung sich aufhebt . Vermittlung und Unmittelbarkeit sind abstracte Formen , die nur in ihrer Einheit Wahrheit haben . Die Wahrheit der Natur ist der Geist , und die Wahrheit des Geistes ist , von seiner natürlichen Existenz sich zu befreien , und im absoluten Geiste zu seyn und sich zu wissen , – was die Religion ist . So ist also der BegriV der Religion ein nothwendiger . Aber was ist nun dieser BegriV  ? – Was zunächst den Ort , den Boden der Religion betriVt , so ist dieser das D e n k e n  . Jeder gibt zu , daß Gott nur durch das Denken zu erreichen sey , ferner daß die Thiere keine Religion haben weil sie nicht denken  : Dennoch wird hier zum Theil geleugnet , daß der Boden der Religion das Denken sey . Das Denken ist Thätigkeit des Allgemeinen , hat zu seinem Inhalte blos das Allgemeine  ; insofern ist es nur der abstracte Boden der Religion , denn Gott ist nicht blos das Allgemeine , sondern das Concrete . Dieß wird den BegriV der Religion geben . Gott ist nicht blos Substanz im Allgemeinen , sondern sich wissende Substanz , Subject . Das Sichwissende enthält 2erley , Wissendes und Ge­ wußtes , welches beides sowohl eins ist , als auseinandertritt . Setzen wir nun ihn ,

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der s i c h we i ß  , im Unterschied von ihm der e r i s t  , so ist jenes Nur w i s s e n  , nicht zugleich S e y n der Substanz – das e n d l i c h e Bewußtseyn . Das absolute SelbstBewußtseyn ist nur sofern es auch Bewußtseyn ist  ; so tritt es in 2 Seiten auseinander , die eine das schlechthin bey sich bleibende Subject , die andre auch Subject , aber unterschieden als Endliches . So weiß Gott sich im Menschen , und der Mensch sofern er sich als Geist und in seiner Wahrheit weiß , weiß er sich in Gott . Diß ist der BegriV der Religion , daß Gott sich weiß im Geiste , und der Geist sich in Gott . Die Religion liegt wesentlich in dem BegriVe Gottes , insofern dieser wesentlich für sich ist . Dasselbe sagt der Ausdruk , daß Gott die Liebe ist , d . h . in einem Andren seiner sich bewußt . Er fühlt sich in der Einsamkeit seines Fürsichseyns bedürftig und negirt , und dieser Mangel ist erst ergänzt , indem er im Andern sich selbst weiß . Dieser BegriV Gottes und der Religion ist erst in der oVenbaren Religion erreicht .

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Zwe y t e s K a p i t e l  . D i e e i n f a c h e n F o r m e n d e r R e l i g i o n  .

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1)  Die erste Form der Religion ist das G e f ü h l  . Das Gefühl ist es , woraus alle Anschauung , Vorstellung p hervorgeht  ; das Gefühl ist die Affection , in welcher die Verdoppelung in fühlendes Subject und den Gegenstand der das Gefühl | erregt , noch nicht geschehen ist . Ich fühle Härte  ; sage ich aber , dieser Gegenstand ist hart , so ist diß schon nicht mehr Gefühl , sondern Vorstellung  ; erst das Bewußtseyn macht jene Verdopplung . – Wenn wir von Gefühlen sprechen , so sagen wir , daß ein Inhalt in uns als diesen particulären Subjecten ist . Das Gefühl als einzelnes ist vorübergehend . Der Complex des Fühlens , die constante Weise desselben nennt man Herz . Daher sagt man nun  : Die Religion soll überhaupt von dem Gefühl , und zwar dem Herzen angehen . Allerdings , was ich blos vorstelle , einsehe , das kann mir ein Fremdes bleiben  ; aber wenn ich diese religiösen Lehren in meinem Herzen habe , dann sind sie mit mir identisch , dann bin ich dauernd so bestimmt . Sofern soll allerdings die Religion im Gefühl , im Herzen seyn . Aber der Gefühle sind nun viele  ; von dem Gefühl ist daher seine Bestimmtheit oder sein I n h a l t zu unterscheiden . Man glaubt nun aber gewöhnlich , daß schon die blose Form des Fühlens und im Herzen Habens einen Inhalt berechtige , oder die Wahrheit der Religion sey , daß man sie im Herzen habe . Aber das Herz ist die Quelle von Allem und dem Verschiedensten  ; auch Schlechtes , Neid , Haß pp ist im Gefühle . Auch diejenige Religiosität , welche Hunde , Kühe , Katzen verehrte , ist im Gefühl . Durch die Form des Gefühls ist etwas noch nicht berechtigt  ; auf den Inhalt kommt es an .

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2) Weil der Mensch kein Thier ist , so bleibt er nicht beym Gefühle stehen , sondern macht sich den Inhalt des Gefühls gegenständlich . So ist die 2te Form der Religion die Vo r s t e l l u n g  . Das Gefühl ist die Concentration der Bestimmtheit in mir . Davon gehe ich zum Theilen , zum Urtheilen , zur Verdopplung dieses Inhalts über . Mein Auge fühlt , ist so und so afficirt  ; diese Affection werfe ich hinaus , und sehe nun vor mir ein Papier . Ebenso wird in der Religion das Gefühl zur bewußten Vorstellung . Die Vorstellung ist die Weise , wie der religiöse Inhalt zum allgemeinen Bewußtseyn kommt . Aber die wahre Form des Gehalts ist sie noch nicht  ; diese ist erst der BegriV . Einerseits klagen die in der Vorstellung Be­ fangenen , daß bey deren Verwandlung in den BegriV der Gehalt zu Grunde gehe , andrerseits verwirft die Aufklärung mit der Vorstellungsform auch das Dogma . Beide wissen von der Form den Gehalt nicht abzutrennen . a)  Zur Vorstellung gehört zuerst das B i l d l i c h e  , wobey wir dann gleich wissen , daß diß nicht eigentlich zu nehmen , sondern vom Bild seine Bedeutung zu unterscheiden ist . Z . B .  : Gott hat einen Sohn gezeugt . | b) Zur Vorstellung gehört aber nicht blos das Bildliche , sondern auch das ­U n b e s t i m m t e  , Einfache , nicht weiter Analysirte ist ihr Wesen . ZB . Gott hat die Welt erschaVen – hier ist SchaVen der unbestimmte Ausdruck für absolutes Hervorbringen . c)  Der Vorstellung eigenthümlich ist auch die G e s c h i c h t l i c h e Form . Gott hat die Welt geschaVen , hat seinen Sohn gesandt  : diß ist hier als Geschehenes . Der noth­­wendige innere Zusammenhang der BegriVe wird in der Vorstellung zum äusse­ren Zusammenhang des Geschehens . 3)  Die 3te Form der Religion ist der G l a u b e  . Das Gefühl in der Religion tritt in Vorstellungen auseinander , und diese fassen sich wieder zusammen im Gefühl , und diß Gefühl ist A n d a c h t  . Diesen Umweg den das religiöse Gefühl zu machen hat , um bestimmtes , zB christliches Gefühl zu seyn , übersieht man gewöhnlich , und doch ist gewiß , ohne daß uns durch den christlichen Unterricht diese religiösen Vorstellungen beygebracht worden wären , würden wir auch dieses christliche religiöse Gefühl nicht haben . – Daß wir nun überhaupt diese Vorstellungen als etwas Wahres und Gewisses haben , diß ist das G l a u b e n  . Zum Glauben kommen wir zuerst durch die Auctorität , dann auch durch Gründe , indem wir zum räsonnirenden Denken angehalten werden . Diese Gründe führen aber auf eine andre Auctorität zurük , auf die Auctorität Gottes . Aber sofern wir nicht selbst dabey gewesen sind , wie Gott dem Moses die Geseze gab pp , so gründet sich diese göttliche Auctorität selbst wieder auf die Auctorität der Geschichtsschreiber . Aber zu diesem trüben Gemische von G r ü n d e n  , Gedanken und Auctorität kommt um den Glauben zu bilden noch ein wichtiges Moment , das Zeugniß unsres eignen Geistes . Sofern das Göttliche Geistige auch geschichtlich

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erscheint , so kommt es uns durch ein Medium zu , und es kommt darauf an , wie dieses Medium be­schaVen ist , es fragt sich ob die Erzähler den Willen und die Fähigkeit , das richtige Bewußtseyn hatten . Diß versteht sich keineswegs schon von selbst , sondern es gehört dazu eine Bildung des prosaischen Verstandes , die erst auf einer gewissen Bil­dungs­stuVe eines Volkes eintritt . Bey den Alten ist aber Prosa und Poesie , Verstand und Phantasie noch nicht so geschieden . Daher , wenn wir das Göttliche nur aus der Geschichte nehmen wollen , so fallen wir in das Wankende und Unstete was aller Geschichte eigen ist . Die geschichtliche Begründung ist also dem religiösen Inhalt nicht angemessen  ; namentlich reichen Wunder nicht hin zur Grundlage des Glaubens . Mit dem wahrhaft geistigen und religiösen Inhalt der Geschichte kommt das Subject nur durch das Zeugniß des Geistes zusammen . | In diesem Zeugniß des Geistes liegt die Autonomie des Geistes auch beym Glauben . Dieses Zeugniß tritt in verschiedenen Formen hervor , als platonische Erinnerung , d . h . daß , was ich von außen empfange , eigentlich schon das Meinige ist . Im Glauben sind also drei Verhältnisse zu unterscheiden a)  das Verhalten des G e i s t e s z u m G e i s t  , oder das Zusammengehen dessen was im Geglaubten wesentlich ist , mit dem innern Wesen des Glaubenden . b)  Zum Geist als b e s o n d e r e n  , dieses Volks , dieser Zeit pp verhält sich auch die Wahrheit als besondre , ist für ihn nur in bestimmter Weise vorhanden . Auf den verschiedenen Ent­w iklungs­stuVen des Geistes modificirt sich dann der Glaube . Im VolksGeist hat der einzelne Geist seine Substanz und somit seine Auctorität , das Individuum wird im Glauben seiner Väter geboren und erzogen . c) Daß nun ein Volk zum Bewußtseyn seines substanziellen Geistes kommt , das ist die Stiftung seiner Religion , und diß ist etwas Geschichtliches . Es geht von unbedeutenden Anfängen aus , vollendet sich dann , wie bey den Griechen durch Homer und wird wohl auch einer eigenen Priesterkaste in Verwahrung gegeben . Im Dufte dieses Geistes wird nun das Individuum erzogen , und die folgenden Generationen bekommen den Glauben durch natürliche Auctorität von den früheren . Aus diesem Geiste kann kein Individuum heraus weil er sein Substanzielles ist . Nun gibt es aber mehrere solche Religionen , die in Collision kommen , und daraus sind Religionskriege entstanden , indem die Völker ihren Glauben behaupten und ausbreiten wollten . Gegen diesen Zwang aber macht sich die Forderung der Glaubensfreiheit geltend . Hier soll also ganz abgesehen vom Inhalt des Glaubens nur eben das , daß d a s S u b j e c t dieses oder jenes glaubt , erstritten werden , die formelle Freiheit wird gefordert . Diß ist eine wesentliche Forderung , worin das Bewußtseyn seiner Freiheit im Menschen entsteht . Indem aber die Glaubensfrei­ heit im vollsten Sinne diß ist , daß was mir wahr ist , auch von mir producirt 34 erstritten statt eines unlesbaren Wortes  

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sey , – so tritt das D e n k e n in seiner Selbständigkeit gegen den Glauben auf , und entsteht der Bruch des Denkens mit dem Glauben . Aber auch das Denken folgt der A ­ uctorität seiner Zeit und sezt deren Principien voraus  ; nur die Philosophie entfernt alle vorausgesezten Principien .

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D r i t t e s K a p i t e l  . F o r m e n d e s C u l t u s  . Die Gewißheit des Glaubens als Empfindung ist die Andacht , und die Andacht ist die allgemeine Bestimmung des Cultus . Im Cultus erhebe ich mich zum Bewußt­seyn | von Gott , während ich sonst mit irdischen Zwecken zu thun habe . Der Cultus ist aber nicht ein Hervorrufen des besonderen Bewußtseyns von Gott , sondern des Bewußtseyns meines Aufgenommenseyns in Gott und der Genuß dieses Aufgenommenseyns . Die Voraussezung des Cultus ist die Gewißheit , daß die Versöhnung an sich vollbracht sey , d . h . daß Gott das Beste der Menschen wolle , und ihnen zu ge­ nießen gebe . Nach den verschiedenen Umständen wird diese Versöhnung als eine von Hause aus stattfindende Einheit vorausgesezt oder als eine erst aus der Ent2ung wiederhergestellte und erst herzustellende . Der Nationalgeist der Völker ist ihr Schutzgott mit dem sie sich in ursprünglicher Einheit wissen . Der Cultus hat nun das Bewußtseyn , d . h . nicht blos die Vorstellung , sondern den wirklichen Genuß dieser Einheit hervorzubringen . Sofern ist der Cultus festlich , es wird gegessen , getrunken , getanzt – und der Genuß ist die Hauptsache weil eben ihr Cultus wesentlich Genuß ist . Dieser Genuß ist verbunden mit Opfer . Darin liegt eine Negation  ; man ent­ äußert sich einer Sache und bringt sie einem Anderen dar , um ihm seine Devotion zu zeigen . Aber bey den Opfern der Alten . wo das Meiste verspeißt worden ist das Opfer keine Entsagung , ausser sofern diß Aufgeben dem Subject selbst zu Gute kommt . Aber sie verspeisten diß zur Ehre Gottes , mit Anerkennung seiner Macht , sie gaben sich in diesem Schmause das Gefühl ihrer Einigkeit mit Gott , und dieses Gefühl ist , wie höchstes Glück , so höchste Pflicht . Diß Bewußtseyn aber ist Bewußtseyn der Einheit mit dem absoluten Geist als dem allgemeinen Geiste des Volkes  ; und das Subject wird sich so seiner Einheit mit dem Volke bewußt . Der Einzelne weiß sich so in innigster Einheit mit den Volksgenossen und findet seinen persönlichen Genuß in dem Genuß der Substanz . So ist der Cultus die höchste Garantie der Individuen untereinander , er ist die Grundlage des Glücks der Völker , wenn sie ihn unterlassen so folgt Unheil , das

35 14 Umständen in anderer Schrift über gestr  : Entwicklungsstufen der Völker  

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Individuum verschließt sich in sein particuläres Bewußtseyn , und das Ganze fällt auseinander . Der Cultus geht aber auch von der Trennung des Göttlichen und Menschlichen aus und sucht die Einheit wiederherzustellen , doch auch hierbey ist die Voraus­ sezung des Anundfürsich Versöhntseyns , d . h . des göttlichen Wohlwollens gegen den Menschen . Die aufzuhebende Trenung hat 2 Seiten . Erstlich eine n a t ü r ­ l i c h e  , äußeres Unglück , Mißwachs , Pest p | wobey der substanzielle Geist als die Macht auch des Natürlichen versöhnt wird . Dabey findet wohl auch die Voraussezung statt , daß das Unglück göttliche Strafe für begangenes Böse sey . Dann werden Büßungen und Sühnen vorgenommen zum Beweiß , daß es dem Menschen Ernst damit ist , seine Besonderheit aufzugeben . Bey dem Betrachten von Unglük als Strafe fürs Böse liegt die Voraussezung zu Grunde , daß die Macht der Natur nicht bloß natürlich ist , sondern Zwecke des Guten in sich hat . Das Allgemeine ist ein richtiger und religiöser Gedanke , daß Glück und Unglück der Menschen von ihrem guten und bösen Verhalten abhänge  : aber die Anwendung aufs Particuläre führt zu Mißverständnissen . – Das Zweite aber ist die rein geistige Trennung des subjectiven Willens vom göttlichen , die Trennung von gut und böse  ; damit sind wir auf rein geistigem Boden  ; das Böse ist ein Geistiges , und sein Unglück ist nur auf­zu­heben im Geist , indem der Mensch das Bewußtseyn erlangt sich im Zwecke Gottes , in Einigkeit mit ihm zu wissen . Diß wird dadurch vollbracht , daß der Mensch Buße thut , den bösen Willen in sich abthut und verwirft . Hiebey wird ausgegangen von dem Bösen was in der Natur des Menschen selbst liegt . Der Wille soll frei seyn aber er ist natürlich  ; dieser natürliche Wille wird als das Böse vorgestellt – der Mensch von Natur böse . Schuldig ist der Mensch wenn er bey diesem natürlichen Wollen stehen bleibt . Dieses allgemeine Böse nun soll auf­ge­ hoben werden . Wir wissen , daß es aufzuheben ist durch Erziehung . Was aber durch diese bewußtlos geschieht , soll in diesem Cultus mit Bewußtseyn und Willen geschehen . Der Mensch muß das Böse negiren , um der Versöhnung , die in Gott an sich vollbracht wird , für seine Person sich bewußt zu werden . Er muß entsagen der Besonderheit des Willens , wozu Naturtriebe , Neigungen pp gehören . Das Wahre ist nun hier , daß der Inhalt dieser Triebe dem vernünftigen Willen angemessen werde . Aber abstrakt genommen wird Ausrottung dieser Triebe , damit Tödtung der Lebendigkeit des Willens verlangt . Zu dem was der Mensch vermöge seiner Triebe will , gehört das Eigenthum  : er muß es aufgeben können  ; ebenso gehört

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8–9 Dabey … Dann am Rande  ; ( Dann über der Zeile  ; zuerst (gestr .)  : Zweitens ist Diese Trennung eine 35 m o r a l i s c h e  , welche der Mensch verdient hat , daß es ihm übel ergehe . Dann ist erforderlich , wie­ der­herzustellen die Einigkeit des göttlichen Willens mit dem , was Zweck des Menschen ist , mit seiner Glückseligkeit . Es)  



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der begriff der religion241

zu seiner Eigenthümlichkeit sein freyer Wille  : er muß sich zum vollendeten Willen machen . Ferner muß ich die bösen Handlungen ungeschehen machen durch eine Buße , Strafe , ebenso die bösen Gedanken p . durch Reue . | Die Versöhnung ist dann die Vergewisserung , daß der Mensch wenn er seiner Ent2ung entsagt , mit Gott versöhnt ist .

Viertes Kapitel . Verhältniß der Religion zum Staate .

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Der Staat ist die höchste wahrhafte Weise der Wirklichkeit des Geistes . Mit dem Staate kommt die Religion äußerlich identisch vor in den patriarchalischen Völkern  ; aber sie müssen auch als verschieden auseinandertreten . – Das Wahre ist , daß die Religion die Grundlage des Staates ist . In der Religion ist der Mensch frey in Gott , und die verschiedenen Religionen unterscheiden sich nach dem Grade in welchem dieser BegriV der Freiheit des Geistes in ihnen zum Bewußtseyn gekommen ist . Diß Bewußtseyn seiner Freiheit aber ist es was ein Volk in seinem Staate realisirt . Ein Volk was von der Freiheit des Geistes kein Bewußtseyn hat ist Sklave in Verfassung und Religion . Der Zusammenhang zwischen der religiösen und sittlichen (Staats-)Freiheit kommt dem Menschen zu Bewußtseyn in der Vorstellung , daß die Geseze von Gott stammen – eine Vorstellung , die sich bey allen Völkern findet . Das Wahre ist diß , daß die Geseze Entwicklungen des Frei­heits­begriVs sind , welcher seine Wahrheit hat in der Religion . Aber Gott verlangt andre Pflichten von Seiten der Religion von uns als diejenigen Pflichten und Geseze sind , welche im Staate gelten , und diß geht bis zum Gegen­ saz und Widerspruch fort . Das Erste ist , daß man Gott gehorcht , indem man der Obrigkeit und dem Gesetz gehorcht . Diß ist so zunächst ganz formell , indem die Geseze und die Obrigkeit dabey seyn können , wie sie wollen , und Alles in die Willkühr des Regenten gelegt ist , welcher , wie man sagt , vor Gott Rechenschaft zu geben habe . Die Voraussezung dabey ist , daß der Regent , indem er von Gott ist , auch wisse was im Staate wesentlich ist . Diese Ansicht trat besonders in dem protestantischen England hervor . Aber sie schlug in ihr Gegenteil um , in das Princip der göttlichen Autorisation des Volkes zum Regiren  ; es kam eine Sekte auf welche behauptete , es sey ihr von Gott eingegeben , wie regirt werden müsse , und nach dieser Eingebung schlug sie Karl  II . den Kopf ab . Das Wahre ist , daß allerdings der göttliche Wille das Gesez ist , dessen Erkenntniß aber nichts Particuläres , sondern Allgemeines . Es muß bestimmt werden , welche Geseze es sind , denen es zukommt , göttliches Wollen zu seyn ? – Aber wie gesagt , Religion und

35 31 Karl II . lies Karl I .  

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Staat können unterschiedene Geseze haben , weil der Boden beider verschieden ist | und weil der Boden beider doch wieder derselbe ist , das Subject , so können sie sogar in Widerspruch geraten . Die Religion fordert Heiligkeit , der Staat Sittlichkeit  : so wird der sittlichen Ehe gegenüber von der Kirche die heilige Ehelosigkeit ver­ langt  ; statt recht­schaVnen Erwerbs – müßige Armuth  ; statt vernünftiger Freiheit blinder Gehorsam . Wenn so die Religion dem Menschen Dinge zumutet , die dem Vernünftigen im Staate zuwider sind , so tritt das vernünftige Bewußtseyn dagegen in Kampf und zwar im eigentlichsten Sinn als Weltweisheit , d . h . Erkenntniß , was in der Wirklichkeit und Gegenwart das Vernünftige ist . Eine solche Religion verhält sich zu dem Wirklichen blos negativ , und alle positiven Einrichtungen der Sittlichkeit sind dann rechtlos , und auch der Wille des Menschen nicht als frey und mündig anerkannt . In dieser Beziehung ist der ungeheure Unterschied zwischen protestantischen und katholischen Staaten . In der protestantischen Religion ist der Mensch als frei erkannt , von der Wahrheit muß er sich selbst überzeugen . Diese Religionsform stimmt also mit einem liberalen Staate zusammen . Aber in katholischen Staaten ist das Princip der Religion die Unfreiheit , was mit liberalen Institutionen im Wider­ spruch steht . Der Mensch ist frei seinem BegriV nach – diß ist ein unendlich werth­volles Prin­ cip . Wird es aber in dieser Abstraction belassen , so läßt es keine Organisation des Staates zu , denn diese bringt Ungleichheit mit sich , aber die abstracte Freyheit fordert Gleichheit . Solche Grundlagen müssen daher concret entwickelt werden . Ein nach denselben gebildeter Staat aber muß mit einer Religion der Unfreiheit in Conflict kommen , welche seine freien Institutionen nicht anerkennt . Es entsteht ein Kampf , aber wenn von Seiten der Religion nachgegeben wird , eine innre Unwahrheit . So in Frankreich . Man behauptet dann wohl , die StaatsVerfassung habe sich nicht um die Religion zu bekümmern , – die Principien des Staates seyen aus der Vernunft klar  ; aber für die Wahrheit derselben hat die Vernunft keine andre Gewähr , als daß sie sie zurükführt auf die lezte absolute Wahrheit , welche Gott ist . Läßt man Staat und Religion , den einen auf dieser , die andre auf der andren Seite stehen so sind gewiß die StaatsGrundsäze schief , weil aus einem Denken entstanden das nicht bis zu seinem lezten Grunde zurükgeführt ist . Ein andrer Gegensaz des Staates und der Religion ist dieser . Der Staat ist ein System von Gesezen , welche juridisch exequirt werden , also auf formelle äusserliche Weise . Diesem Äusserlichen steht gegenüber das Innre , welches der Boden zugleich der Religion ist . Das moderne System nun will den ganzen Bau der Freiheitsbestimmungen im Staate auf formell rechtliche Weise erhalten  ; anders das griechische | und namentlich platonische System , in welchem Alles auf Ge­ sinnung , Erziehung , Philosophie gegründet wird . In unsren Zeiten herrscht die

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Meinung , die Constitution solle sich selbst tragen , Religion , Gesinnung und Gewissen gleichgültig seyn . Man sagt  : das Gesez soll herrschen , aber diß herrscht durch Menschen , und diese sind nicht blose Anwendungsmaschinen , sondern es kommt auf ihre Einsicht und Gewissenhaftigkeit an . – Die Gesinnung aber blos für sich zu nehmen , ist ebenso einseitig , denn diese gibt keinen allgemeinen Maßstab der Beurtheilung an die Hand wie das Gesez .

Zwe y t e r T h e i l  . Die best i m mte Relig ion

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Die Religion ist Gattung , und die Religionen Arten . Diese dürfen aber nicht empirisch aufgenommen , sondern müssen aus dem Allgemeinen hergeleitet werden . Wir haben angefangen von dem BegriV der Religion , d . h . von dem was sie an sich , oder für uns ist  ; das andre ist nun zu sehen , wie dieser BegriV der Religion sich an und für sich realisirt . Die Religion hat ihre Realität im Bewußtseyn . Erst in der wahrhaften Religion ist das Bewußtseyn dem BegriV der Religion angemessen  ; in den niedrigeren Religionen ist wohl auch der BegriV der Religion vorhanden , aber nur erst an sich , – was er in Wahrheit ist , ist noch nicht im Bewußtseyn vorhanden . Deswegen sind diß unwahre Religionen , wenn sie gleich an sich den BegriV der Religion in sich haben  ; denn es kommt hierbey ganz auf das Bewußtseyn an , wie es zB dem Africaner nichts hilft daß der Mensch an sich frei ist , weil er es nicht im Bewußtseyn hat . Die Religion ist das Verhältniß von Geist zu Geist  ; aber dieses Verhältniß dieser BegriV ist zuerst in seiner Unmittelbarkeit und Natürlichkeit  ; und das Thun des Gei­ stes , der Fortschritt ist nun der , diese Unmittelbarkeit aufzuheben . Wir haben also Zuerst die n a t ü r l i c h e R e l i g i o n zu betrachten . In ihr ist das Bewußtseyn noch sinnlich , noch nicht in sich selbst ent2t . Das 2te ist , daß sich das Bewußtseyn über diese Natürlichkeit erhebt – und hier sind die verschiedenen Formen dieser Erhebung welche dann auch zu verschie­ denen Bestimmungen des | Göttlichen werden , entsprechend den verschiedenen Beweisen für das Daseyn Gottes , zu bemerken . Diese Fortbestimmung der Religion hat nun die geschichtliche Seite , daß diese Bestimmungen der Religion die Religionen der verschiedenen Völker sind . Diese Religionen sind nicht unsre Religion , doch aber in dieser alle als Momente ­enthalten .

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auszüge von strauss · 1831 E i n t h e i l u n g  .

I .  Die Religion in ihrer Un m i t t e l b a r k e i t  , oder n a t ü r l i c h e Religion . Der Mensch ist da erst natürliches Wissen und ebenso natürliches , d . h . thierisches Wollen . Diß ist also eigentlich keine Religion – es fällt hieher die sogenannte Zauberey . II .  Die E n t 2 u n g des Bewußtseyn in sich eröVnet erst die eigentliche Reli­ gion . Gott als absolute Macht , das Subject als vorübergehendes Accidens . III .  Die Versöhnung innerhalb dieser Sphäre ist die Religion der S c h ö n h e i t  . Das Subject hat sich gereinigt von seiner Natürlichkeit zum Sittlichen , und so be­ zieht sich das Göttliche nicht mehr negativ auf es , sondern affirmativ . Aber weder ist hier das Subject schon durch den unendlichen Gegensaz von Gutem und Bösem hindurchgegangen , noch sind die Götter schon der unendliche Geist , sondern noch mit der Natürlichkeit behaftet .

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Erstes Kapitel  : Natürliche Religion .

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1 .  Natürliche Religion hat man wohl auch das genannt , was der Mensch durch das Licht s e i n e r Ve r n u n f t von G o t t e r k e n n e n k a n n  ,  – Deismus . Diß ist aber nicht Religion der Natürlichkeit , sondern der Abstraction . 2 .  Ein andrer Sinn der Natürlichen Religion ist , daß sie die p r i m i t i ve  , wa h r h a f t e R e l i g i o n d e s M e n s c h e n g e i s t e s gewesen . Von dieser Religion sollen sich Fragmente in allen andren Religionen finden (Fr . v . Schlegel) . In den hebräischen und griechischen Sagen von einem Stand der Unschuld und goldenem Zeitalter ist aber nur von Einfachheit der Bedürfnisse und Mangel der Leidenschaften , nicht aber von einer Erkenntniß der Gottheit die Rede . In jedem Falle aber stellten diese Völker dasjenige , was an sich , oder das Wesen des Menschen ist , als einen Zustand der Vergangenheit und auch wieder der Zukunft dar . Daß es wirklich ein zeitlicher , und zwar der erste zeitliche Zustand gewesen , dagegen ist der BegriV des Geistes , welcher nur ist , zu was er sich macht , also nicht schon unmittelbar als Geist hervortritt sondern diß Anfangs nur an sich , d . h . als Anlage ist . Unmittelbar kann | weder Wissen noch Wollen vollkommen seyn . Das Wissen als Wissen des Allgemeinen entsteht erst aus der Negation der Wahrnehmung  ; ebenso das Wollen des Guten aus der Negation des unmittelbaren , blos natür­ lichen Willens . So ist beides ein Vermitteltes . Noch viel mehr um zur Erkenntniß ­Gottes zu gelangen , muß der Mensch sich seine natürliche Besonderheit abgearbeitet haben . – Was man von historischen Beweisen einer solchen UrReligion hat beybringen wollen , ist vollends unhaltbar .

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3 . Unter natürlicher Religion als tiefster Religionsform versteht man nun gewöhnlich eine Religion , worin NaturGegenstände verehrt werden  : Sonne , Mond , Berge , Flüsse p . Diß ist aber falsch . Auch auf der frühesten StuVe seines SelbstBewußtseyns empfindet der Mensch das Geistige , sich selbst , als ein Höheres gegen die Natur  ; denn Religion hat nur Statt im Reiche des Geistes . Aber in der unmittelbaren Religion ist der Geist unmittelbar noch der natürliche , welcher die Unterscheidung des Geistes als allgemeiner Macht von sich als Einzelnem Zufälligen , Accidentellen noch nicht gemacht hat . Der Mensch ist ganz in Abhängigkeit von äusserlichen Dingen und von ebenso endlichen Zwecken getrieben . Als Macht über diese Natürlichkeiten weiß er den Geist , aber nur so , daß sie die Macht sey , dieses Uebel abzuwenden , diesen sinnlichen Genuß herbey­zu­schaVen . Diese Macht ist noch keine wesenhafte  : so fällt sie unmittelbar in den Menschen selbst . Das Weitere ist aber dann dieses , daß doch der Mensch nicht so unmittelbar , also nicht jeder und nicht ohne Vorbereitung diese Macht sey  : es gehört eine Vermittlung dazu durch Exaltation . Der Mensch in diesem äusseren Zustand nun wird gewußt als die Macht über diesen Kreis der natürlichen Umstände . Diß ist die Religion der Z a u b e r e y  , wie wir sie noch bey vielen Völkern finden . Darin liegt einerseits das Moment der Freiheit , aber noch sehr unvollkommen , weil nur auf natürliche Zwecke gerichtet , andrerseits herrscht die Furcht in dieser Religion . Diß ist die einzige Religion die man unter den E s k i m o’s findet . Sie haben Zauberer , die Wallfische herbeyführen , Sturm erregen pp , sie heißen Angekoks und gebrauchen auch den Tanz bey ihren Beschwörungen . Ganz ähnlich sind in der M o n g o l e i p die Schamanen . Diß sind Menschen mit einer Anlage zu magnetischem Somnambulismus , die sich durch Getränke und Sprünge p betäuben , zu Boden fallen und dann in diesem Zustand Worte ausstoßen . Von den N e g e r n sagt schon Herodot  : sie sind alle Zauberer . So auch noch jezt . Der Vorsteher des Dorfs soll Regen bewirken , – aber man bindet und zwingt ihn . Sie gehen dann auf einen Hügel , in phantastischem Anzuge , reden , heulen und speyen gegen den Himmel . Die Hauptsache ist auch hier die Ekstase . In die­ sem | Zustand ist der Mensch aus seinem gewöhnlichen beschränkten Zustand heraus , und daher die Macht über die Natur . Aber noch mehr ist diß der Mensch wenn er t o d t ist  ; daher schreiben sie den Verstorbenen eine Gewalt über die Lebenden zu . Uebel und Tod bewirkt ein verstorbener Feind  ; auch wohl ein noch Lebender , denn den Tod sehen sie nicht als That der Natur , sondern immer nur des Menschen an . – Die Todten werden durch Beschwörungen gezwungen  ; sind sie noch nicht lang begraben , so werden sie ausgegraben , ihnen der Kopf abgehauen pp . Auch die Beschwörungen werden angewandt  ; sie versezen sich in Wuth , und geben dann an , womit der Todte zu

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versöhnen sei . Besonders liegt die Macht im Blut und in den Gebeinen , daher werden Gebeine aufbewahrt , mit Blut bestrichen pp . Sie hängen auch Gebeine an sich als Macht über die wilden Thiere . – Der Religiöse Glaube ist auf dieser StuVe die Zauberey . Die Neger machen sich auch Götter , die F e t i s c h e  . Sie creiren irgend ein Ding , einen Baum , ein Thier zu ihrem Fetisch , ihrem Dämon . Geschieht ihnen etwas , so wird der Fetisch vernichtet . Diese niedrigste Religionsform ist weit verbreitet , besonders in Africa , dem Mit­ telpunkt der Erniedrigung des Bewußtseyns , die sich auch im weltlichen Leben durch Menschenfressen und Sklaverey zeigt . Würde hat der Mensch nicht als natürlicher , unmittelbarer Wille , sondern nur dadurch , daß er von einem an und für sich seyenden Substanziellen wenigstens überhaupt weiß , und dann ferner das natürliche Seyn an dasselbe aufgibt .

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Zweytes Kapitel  : Die Entzweyung des religiösen Bewußtseyns in sich

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Das Bewußtseyn ent2t sich in sich , und stellt sich als dem natürlichen und zu­ fälligen eine substanzielle Macht gegenüber , gegen welche es selbst als einzelnes sich nur als Accidentelles , Nichtiges , verhält . Diese Macht ist das Bestehen von Allem , aber ebenso das Vergehen desselben  ; diß ist die Form welche Pantheismus genannt wird . Diese Macht ist zwar etwas Gedachtes , aber sie wird noch nicht gewußt als geistig in sich . Dabey haben wir verschiedene Seiten zu betrachten . 1) Die E r h e b u n g des Bewußtseyns . Diese ist nicht blos unser Gedanke , son­ dern sie gehört dem Bewußtseyn dieser Religionsform selber an , welches sich als Denken erhebt , aber ohne Gedanken darüber zu haben . Die denkende Betrachtung | dieser denkenden Erhebung ist unsre Zuthat . 2)  ist aber auch das Verhältniß dieser Macht zum Zufälligen zu betrachten . Da dieses für sich nichts ist , so ist die Substanz unmittelbar gegenwärtig , was die Bestimmung des Pantheismus ist . 3)  Indem der Substanz noch fehlt als Geist bestimmt zu seyn , so sucht sie sich diese Gestaltung zu geben , aber so , daß diese nur äusserlich hinzutritt und nicht als Bestimmung des Wesens gewußt wird . Hier schweift die Phantasie in vielfache Formen aus . 4)  Der lezte Punkt der Bestimmtheit ist das Eins , das dieses  ; die Bestimmung des Einzelnen gehört zum Character der Subjectivität . Diß wird aber äusserlich so gewußt daß ein sinnlich präsenter Mensch als die allgemeine Macht gewußt wird . 5) Was der Mensch zu thun hat um sich in Einigkeit mit seinem Wesen zu halten , das ist der Cultus .

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Von diesen Punkten sollen nur die 2 ersten allgemeinen für sich , die übrigen bey den concreten Religionsformen betrachtet werden .

1)   D i e E r h e b u n g d e s B e w u ß t s e y n s vo m E n d l i c h e n z u m Un E n d l i c h e n  . 5

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Diß ist die wesentlichste Bewegung des Geistes  ; ausgesprochen ist sie im ko s m o l o g i s c h e n B e we i ß  . Nicht als ob die Menschen , indem sie in dieser Weise sich zu Gott erheben , diesen förmlichen Schluß machten , oder als ob die Ueber­ zeugung der Menschen auf diesem Schluß beruhte . Das Bewußtseyn über die einzelnen ­Theile dieses Schlusses gehört dem gebildeten Bewußtseyn an . Allerdings geht diese Erhebung im Denken vor , aber es kann nicht oft genug gesagt werden  : ein andres ist Denken , ein andres ein Bewußtseyn darüber haben . Der Mensch ist sich seiner und der Welt bewußt  ; aber indem er beide nur als zufällige findet , so genügen sie ihm nicht , und er erhebt sich zu einem Anundfürsich­ seienden , Nothwendigen , was die Macht ist über diese Zufälligkeit . Diß kann in der einfachsten Form des Gefühls geschehen , wie wenn der Mensch gen Himmel blickt . Die ganz förmliche Beschreibung dieses Ganges nun ist der kosmologische Beweiß als Schluß  : Alles Zufällige muß ein Nothwendiges zu seiner Voraussezung haben  ; nun aber ist diese Welt ein Zufälliges , ein bloses Aggregat  : folglich hat sie ein Nothwendiges zu ihrer Voraussezung . Dieser Beweiß geht vom Zufälligen zum Nothwendigen  ; | man kann aber statt dessen auch das Endliche und UnEndliche , das Eine und Viele sezen . Die gemeine Fassung dieses Schlusses ist nun diese  : weil es das Zufällige gibt , so muß es a u c h ein Nothwendiges geben . Die Wahrheit aber ist , daß das Zufällige , Viele p nicht in Wahrheit ist , sondern nur das Eine . Man kann diß abstrakt auch so fassen  : die Wahrheit in allem Daseyn ist das Seyn . Das einzelne Endliche ist das UnEndliche indem es wesentlich bezogen ist auf das Negative seiner (der Mensch auf Luft , Wasser p) , und damit hebt es sich auf zum UnEndlichen . In dem gewöhnlichen Bewußtseyn über diese Beweise fehlt das Moment des Negativen  : das Endliche , der Ausgangspunkt wird stehen gelassen , und so erscheint das UnEndliche als Vermitteltes , Bedingtes . Indem aber das Viele vielmehr als Nichtseyendes gesezt wird wird auch das Uebergehen und die Vermittlung zu einem Scheine herabgesezt . Eine andre Seite ist nun 12 bewußt  ;] folgt gestr  : aber in der Welt fühlt er das Zufällige , daher Unzureichende und ebenso weiß

35 er sich  

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auszüge von strauss · 1831 2)   D a s Ve r h ä l t n i ß d e r S u b s t a n z z u d e n A c c i d e n z e n  .

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Die Substanz kehrt sich zu den in der Erhebung vergessenen Accidenzen um . Der Geist bleibt nicht beym Resultate stehen , sondern faßt das Ganze auf . Das an und für sich Nothwendige ist schlechthin , es hat aber an sich Accidenzen , welche bestimmt sind als ein Seyendes das Nichts ist , als ein Nichtiges . Diese Accidenzen sind in beständigem Wechsel und Umschlagen von Seyn in Nichts p  ; Geburt ist Tod und Tod Geburt . Was besteht , ist nur dieser Wechsel , und diß als Einheit gedacht , ist das Substanzielle . Diß ist die orientalische spinozistische Substanz . Der Mangel ist nun dieser  : wir haben nur Entstehen und Vergehen , nicht Selbstthätigkeit der Substanz , diese ist noch nicht Subject , noch in sich bestimmungslos . Die Gestalten kommen und gehen , aber ohne Zweck . Es geht Alles in die Substanz hinein , aber nichts wieder heraus , d . h . nichts Bestimmtes , sondern nur ein Taumelndes (ein Bilderinhalt bey den Indern) . Diß System wird gewöhnlich ­Pantheismus genannt . Die Substanz verhält sich positiv und negativ zu den Dingen  : sie besteht einerseits nur durch sie , und andrerseits ist die Substanz die Reinigung des Seyns von dieser Beschränkung , d . h . die Vernichtung des Endlichen . Pantheismus als Allesgötterey zu deuten ist ebendeswegen absurd . – In erhabenster Gestalt erscheint der Pantheismus bey den orientalischen Dichtern , besonders bey den persisch-mohamedanischen , zB Dschelaleddin Rumi von Rückert . Das wesentliche Verhältniß der Substanz zu dem Accidentellen ist , dessen Macht | zu seyn . Das abstracte Denken der Substanz kann etwa einseitig dabey stehen bleiben , aber der Religion , als der vollendeten Idee , darf das in der blosen Substanz noch fehlende Moment des Geistes nicht fehlen , selbst auf ihren untergeordneten Stufen nicht . Da nun die Substanz selbst nicht Geist ist , so ist der Geist ausserhalb der Substanz , und zwar als endlicher Geist , ein Mensch , der Executor jener Macht der Substanz ist . Diß ist aber nur die eine Seite , daß der Mensch in diesem oder diesem Individuum als Gewalthabender vorhanden ist  ; die andre Seite bleibt , daß der Mensch ein Nichtiges ist gegen die Substanz  : so kommt er nur durch Unterwerfung und Entsagung zur Identität mit jener Macht . Die Substanz ist also einerseits als endlicher Geist wirklich , aber diesem gegenüber stehen Andre , Unselbstständige . Dieß das Allgemeine über diese Religionsform . Bestimmt in die Existenz getreten ist sie in 3 Formen orientalischer Religionen  :

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14 Bilderinhalt Lesung unsicher   27 ist .] folgt gestr  : Indem aber der Mensch doch als Nichtiges , 35 Akzidentelles gegen die Substanz bestimmt ist , so kommt er nur durch  



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1)   c h i n e s i s c h e Religion . In ihr wird die Substanz gewußt aber als in sich bestimmte Grundlage , als Maaß . 2)   i n d i s c h e R e l i g i o n  . Die Substanz als abstracte Einheit , dem Geiste verwandt  ; der Mensch erhebt sich zu dieser abstracten Einheit . 3)   l a m a i s c h - b u d d h i s t i s c h e R e l i g i o n  , findet in einem besonderen Individuum diese Concentration der Substanz , zu der sich auch andre Menschen erheben , was dann Vernichtung ist .

I .  Die chinesische Religion .  |

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Die chinesische StaatsReligion ist ihrer Grundlage nach ebenfalls ein solcher Pantheismus . Die Substanz wird gewußt als das Maaß , und diese festen Bestimmun­ gen heißen Vernunft . Diese Geseze und Maaße sind zunächst Figurationen , – dann abstracter gefaßt Kategorien , zB – Ja , – – Nein . Ihre concrete Bedeutung haben diese Kategorien in Beziehung auf die Natur , in Weltgegenden , Elementen , auch in Beziehung auf den Menschen , in den 5 Grundgesezen  : Verhältniß zu den Eltern , Voreltern , dem Kaiser , Geschwistern , Eheleuten und allen Menschen . Dem Studium dieser Vernunft widmen viele ihr ganzes Leben  ; die Hauptsache aber ist , daß diese Geseze für das tägliche Leben im Reiche gehandhabt werden , sonst be­triVt den Staat Unglück als Strafe . Die Aufrechterhaltung dieser Maaße kommt dem Kaiser zu dem Sohne des Himmels , des Tian , d . h . des sichtbaren Himmels mit seinen Maaßen . Der Kaiser allein verehrt und opfert dem Gesez , dem ­H immel  ; die Andren verehren den Kaiser . Wenn öVent­liches Unglück eintritt , Kriege , Über­ schwemmung , Cholera , so büßt der Kaiser daß er die Zügel des Reichs nicht gehörig angezogen habe , und fordert auch seine Beamten auf , in sich zu gehen . Alles in der chinesischen Religion reducirt sich auf ein moralisches Leben , man kann sie daher einen moralischen Atheismus nennen . Diese Pflichten und Maaßbestimmungen sind , wiewohl älteren Ursprungs , besonders in dem Werk des Confucius enthalten . Diese festen Bestimmungen aber sind ein Aggregat vieler besondrer Bestimmun­ gen , welche ebenfalls als Thätigkeiten und Mächte gewußt werden , aber unterworfen dem Kaiser . Sie werden besonders als abgeschiedene Voreltern vorgestellt , aber auch als Gebilde der Phantasie , Genien . Eine neue Dynastie setzt einen neuen Kreis von Genien ein  ; dabey werden die Gräber der Ahnen zerstört , die bis dahin Mächte gewesen waren , und den Genien wird durch einen General die neue Organisation vorgelesen , wobey die Abgesezten wacker ausgescholten werden . So bey der Absezung der Dynastie Tschu 1142 ante Christum . – Die besonderen Bestimmungen des Individuums werden auch durch besondere Mächte bestimmt ,

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vorzüglich durch die Chen oder Genien . Damit öVnet sich ein weites Reich des Aberglaubens  ; die Menschen sind ohne Freiheit , indem sie alles was ihnen wider­ fährt , nicht sich , sondern diesem Genius imputieren . Die Chinesen machen sich auch Fetische , haben Wahrsager , und die Profezeyung geschieht mittels des Wurfs von Stäbchen , welche jenen allgemeinen Linien entsprechen .  |

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II .  Die indische Religion Wenn in der chinesischen Religion die Macht gewußt wird als Aggregat von Grundbestimmungen , also nicht als Vernunft , als Princip , als Geist  : so wird in der indischen Religion diese Vielheit in die Einheit resumirt , und diese Concentration ist der Anfang der Geistigkeit , ist Denken , welches das Eine sich selbst Bestimmende ist . Der Anfang des indischen Pantheismus ist , daß die Substanz ein Denken ist , und in unserem Denken existirt . Aber der Geist ist damit dieses Absolute noch nicht . Das Denken bleibt in sich eingeschlossen  ; es ist wohl die Quelle aller Macht , aber es bleibt bey dieser Vorstellung . An und für sich ist 2tens das Denken die Ausbildung des Unterschieds zum System der Erscheinung  ; weil aber das indische Princip noch nicht soweit gediehen ist , so fällt diese Entwiklung ausser jenes Princip und ist wilder UnEndlichkeit preißgegeben . Die Geistigkeit der Idee wird 3tens dadurch vollendet durch die Zurücknahme der Unterschiede in die Einheit  ; diese Zurückführung ist in der indischen Religion vorhanden , aber auf geistlose Weise . – Es sind alle Momente der Geistigkeit vorhanden , und doch machen sie nicht den Geist aus . Es ist nun zuerst dieses abstracte Eine , sodann die Wildheit der ausgelassenen Phantasie , und dann 3tens die Zurücknahme in das Eine , woran sich der Cultus knüpft , zu betrachten . 1 .  Hier ist ein bestimmtes und sich selbst bestimmendes Allgemeine das Princip , aber bey diesem formellen Wissen bleibt es . Dieses erste heißt Brahm , von dem es heißt , wir denken dieses Allgemeine , und unser Denken selbst ist dieses Allgemeine . Brahm kommt zur Existenz als dieses Denken . Dieses Princip , und unser abstractes Denken , ist die Macht . Diese reine Macht hat die Welt er­schaVen  ; diß wird in den indischen Darstellungen sehr verschieden dargestellt , doch immer mit dem Grundzug , daß die reine sich auf sich beziehende Thätigkeit des Denkens Erzeugen seiner selbst ist . Diese reine Thätigkeit wird auch das Wort genannt . Die eine Darstellung ist , daß Brahm das Wasser erschuf , in dieses einen Samen legte , aus welchem ein Ey sich bildete  ; in diesem Ey wird Brahma geboren , theilte es durch seinen Gedanken und schuf durch sein Wort die übrigen Kräfte . Eine andre Darstellung ist , daß im Anfang nichts als der Eine war , welcher durch die Kraft des Denkens zuerst das Verlangen p erschuf .

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Dieses Denken wird aber gewußt als Denken in den selbstbewußten Wesen , in den Menschen , nämlich Brahm hat seine Existenz in der Kaste der | Brahminen , ihr Lesen der Vedas ist Gott selbst . Indem das Selbstbewußtseyn in seiner Abstraction Brahm selbst ist , so fällt der Cultus des Brahm mit Brahm selbst zusammen , und er hat keinen erscheinenden Cultus . Im Cultus erfüllt sich der Mensch mit dem Inhalt des göttlichen Wesens , das er aber sehr wohl noch von sich unterscheidet  : Bey Brahm fällt diese Unterscheidung , und damit auch der Cultus weg . Die ­Brahminen haben dieses abstracte SelbstBewußtseyn hervorzubringen . Wenn der Inder zur Ehre irgend eines Gottes betet , die Augen verschlossen , die Hände gefaltet und ohne Gedanken , so ist diß Brahm . Das Höchste des Cultus ist eben diß , nicht affirmative , sondern rein negative Erlösung von der Endlichkeit , Ver­ dumpfung und Vernichtung des Bewußtseyns , statt Befreyung nur die Flucht vor der Besonderheit . Die Brahminen nun sind aus Brahma’s Mund geboren , sie sind unmittelbar diese absolute Macht . Die übrigen Kasten können sich nur durch Vermittlung unendlicher Büßungen zu dieser Höhe erheben . Aber Büßungen ist übrigens nicht im christlichen Sinne zu nehmen  ; sie sind hier der Weg der Vollkommenheit ohne Voraussezung der Sünde . Ebenso abstract ist die indische Philosophie , ihr Zweck ist nicht , wie bey uns , die concrete Einsicht in Gott , Welt pp , sondern die Ab­ ziehung vom concreten Inhalt . Das abstracte SelbstBewußtseyn wird nun aber als die absolute Macht gewußt . Wer es durch jene Strengigkeiten erlangt hat , heißt Yogi . Der Yogi , der Brahmin , kann Wetter machen , Könige vernichten , fliegen p . Dieses SelbstBewußtseyn wird aber überhaupt als die Macht der Natur gewußt , der Brahmine erhält die Welt , – aber auf bewußtlose Weise , wie ja überhaupt dieses absolute Denken ein bewußtloses ist . Bey den Indern findet sich auch Thierdienst , besonders ist die Kuh sehr verehrt  : der Mensch in jener Verdumpfung des Bewußtseyns , welche das Göttliche ist , steht ja nicht weit vom Thier . Indem die bestimmte Thätigkeit des Menschen als Nichtiges gilt , so ist auch keine Freiheit in Indien  ; denn zu dieser gehört , daß die besonderen Zwecke des Menschen als wesentlich geachtet werden . 2 .  Indem die Einheit als nur abstracte gewußt wird , so fällt hiermit die V i e l h e i t a u s s e r d e r s e l b e n  . Hier fängt die Mythologie an . Wie das Erste das Gestaltlose ist , so ist dieses 2te eine Manchfaltigkeit von Gestalten . In dieser Mytho­ logie zeigt sich das doppelte , 1) dieser manchfache Inhalt , welcher nicht gewußt wird als Entfaltung des Ersten in sich , sondern ausser demselben fällt . | Aber 2) wer­ den diese Manchfaltigkeiten nicht nach ihren bestimmten Kategorien als Dinge auf prosaische Weise betrachtet , sondern es wird ihnen geistigkeit überhaupt , Seele , durch die Phantasie geliehen . Indem der Inhalt ein ganz beschränkter ist , zB der Himmalaya oder Ganges , so ist das Subjective an ihm leere Form . In der Religion

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der Schönheit hat die geistige Form des Subjects immer auch einen geistigen Inhalt , in der indischen Religion einen natürlichen . Von dieser Unangemessenheit des Inhalts zu der Form kommt dann die Unförmlichkeit der mythologischen Gestalten her , Gott mit ElefantenKopf p . Die Hauptsache in der indischen Mythologie ist die Tr i m u r t i  , B r a h m a  , V i s c h n u und S h i v a  . Hierbey ist V i s c h n u die Hauptbestimmung , er ist der auf Erden Thätige durch seine Incarnationen . Seine Incarnationen sind beschrieben , wie er kommt als liebender Hirte pp mit aller indischen vegetativen Leiblichkeit ausgemahlt . Shiva oder Mahadeva (magnus deus) . Dieses 3te Moment müßte die Rückkehr des Ganzen in sich seyn , wenn es Geist seyn , und die Dignität der christlichen Dreyeinigkeit haben wollte . Die erste abstracte nur an sich seyende Einheit des Brahm müßte dadurch eine concrete , gesezte werden . Aber statt dessen ist dieses 3te nur die geistlose Bestimmung des Entstehens und Vergehens . Besonders im Symbol der Erzeugung , als männliches und weibliches , wird Shiva vorgestellt . Die Trimurti findet sich dann auch mit 3 Köpfen dargestellt . So hat ihre Gestaltung den Anklang des Geistigen , aber auf geistlose Weise  ; es ist nur ein wildes ­Herumwerfen in diesem Aussersichseyn . Crischna und Shiva sind erst spätere Productionen der von Vernunft und Instinkt getriebenen Phantasie , in den ältesten Büchern der Veda’s finden sie sich nicht . Ein Theil der Inder verehrt Crishna , der andre Shiva , und so kommt es oft zu Religionskriegen . Beyde sind an sich Brahm . Ausser diesen allgemeinen Grundlagen wird aber auch alles Mögliche auf so oberflächliche Weise Personificirt  : der Ganges , der Himmalaya , die Liebe , die Diebeslist pp . An der Spize dieser untergeordneten Götterwelt steht Indra , der Gott des Himmels . Diese Götter sind vergänglich  ; sie zittern vor Wiswamitra . Der Cultus besteht aus Gebräuchen , Sprüchen – deren Abzweckung die Ver­ dumpfung ist . ZB die verschiedene Manier , die Vedas zu lesen , von hinten , jedes 2te Wort doppelt pp . Das Höchste ist diese Vernichtung , auch als leibliche  ; Ertränken im Ganges , Radernlassen vom Wagen des Shiva – auch Betäubung durch ausschweifenden sinnlichen Genuß . |

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I I I  .   D e r B u d d h i s m u s u n d L a m a i s m u s  . Diese Religionen sind der indischen sehr verwandt . Der L a m a i s m u s ist ebenfalls Pantheismus , doch tritt die allgemeine Gegenwart der Substanz schon hinter der concreten des Individuums zurück , welches als absolute Macht verehrt wird . Dieses Individuum ißt und stirbt wie Andere , doch

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ist es die Macht der Substanz , welche etwas Bewußtloses ist . Es gibt 3 Lamas der höchste ist der D a l a i L a m a in Lahsa unter chinesischer Herrschaft  ; der 2te in Tischu Lombu war , als ihn die Engländer besuchten , ein Kind von 3 Jahren  ; der 3te in der nördlichen Tartarey . Stirbt der Lama , so muß ein neuer gesucht werden , wozu es Kennzeichen in den Falten des Gesichts gibt . Die b u d d h i s t i s c h e Religion hat nicht mehr ein Lebendes wie die indische und Lamaische sondern einen verstorbenen Lehrer Buddha zum Gegenstand , den auch die Inder als Incarnation des Vishnu verehren . Seine sinnliche Gegenwart wird aber durch Religion festgehalten . Diese Religion ist sehr ausgebreitet , in Ceylon , China , unter den Birmanen p . Das Höchste in dieser Religion ist ähnlich wie in der indischen die Vereinigung mit Buddha , welche Vernichtung Nirvan heißt . Hat aber der Mensch diesen Nirvana während dieses Lebens nicht erlangt , so ist er einer Seelenwanderung unterworfen .

Drittes Kapitel . D i e R e l i g i o n d e r F r e i h e i t  . Das Wesen dieser StuVe ist , daß die Substanz sich in sich selbst bestimmt . Indem diese Bestimmtheit , weil Selbstbestimmung , keine endliche , sondern eine der Allgemeinheit angemessene ist , so ist die Substanz zunächst als das Gute bestimmt . Dieses ist nun aber für sich , verschlossen , und da tritt es in Kampf gegen das Böse , was den Dualismus giebt . Dieß ist aber erst eine der A .  Ü b e r g a n g s f o r m e n   : 1 .  D u a l i s m u s   : Das Weitere Moment ist dann 2 .  daß dieser Kampf als Moment in die Substanz selbst hereingenommen wird , als S c h m e r z   – der Gott stirbt . – Das 3te ist dann der sich auflösende Kampf , das Ringen , aus diesem Kampfe zu sich und zur Freiheit zu kommen . Hieraus geht endlich B .  die g r i e c h i s c h e R e l i g i o n hervor . C .  Römische Religion .  |

A  .   Ue b e r g a n g s f o r m e n  . I  .   R e l i g i o n d e s G u t e n  . Die Religion des Guten ist in 2 Formen vorhanden gewesen , 1 , als p e r s i s c h e  , wo aber die Persönlichkeit nur die Oberfläche einer natürlichen Gestaltung war , und 2 , als j ü d i s c h e  , wo das Gute für sich ist , schaVend die Natur .

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auszüge von strauss · 1831 1 .   Pe r s i s c h e R e l i g i o n  .

Brahm war die bestimmungs- und daher bewußtlose Einheit  : Das Weitere ist nun das sich selbst bestimmende Eine , Die hohe Stufe der Selbstthätigkeit und Bestimmung des Geistes aber ist in der Seite des Wissens die Wahrheit , in der Seite des Willens das Gute , und Beydes ist dasselbe . Die Macht ist auch bestimmend aber nur bestimmend überhaupt , 1 zufälliges , weil das Bestimmen ohne Zweck . Nun tritt die wesentliche Bestimmung , die Bestimmung nach dem absoluten Zweck ein , und diß ist das Gute . Dieses Gute ist aber zunächst erst abstract und deßwegen in der Form reiner Unmittelbarkeit des noch nicht besonderten Physikalischen , d e s L i c h t e s  . Weil aber dieses Gute und Selbstbestimmende erst abstrakt ist , so ist ferner ein Andres als es  ; das reine Licht ist nicht oVen­bar ohne die Finsterniß , das abstracte Gute nicht ohne das Böse . Diß ist der D u a l i s m u s  . Licht und Gutes sind hier ganz identisch , jenes nicht blos Symbol . Das Feuer verehren die Parsen nicht sofern es brennt , sondern nur das Leuchtende darin . Oberflächlich personificirt heißt das Licht O r m u z d  . Wie seine Erscheinung , das Licht , so ist auch diese Personi­ fication selbst ein Besondres , ein Genius , er ist selbst einer der Amschaspands , der Sterngeister . Ein Abbild des Lichtreichs war der persische Staat , wo der König an der Spize und ihm zunächst 7 Große standen . Ormuzd ist das Belebende  ; Alles was Leben hat und mittheilt , gehört zu seinem Reiche . Der Cultus hat besonders den Zweck , Ormuzd in seiner Schöpfung zu verherrlichen durch Förderung des Lebens , Landbau pp . Neben diesem Lichtreich aber wird das Reich der Finsterniß , des Ahriman vorgestellt , und beyde im Kampf mit einander , welcher Kampf auch als der Kampf von Iran und Thuran dargestellt wird .

2  .   J ü d i s c h e R e l i g i o n  .

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Während das Gute als Licht die Persönlichkeit nur als etwas Oberflächliches an ihm hatte , ist das Gute in der hebräischen Religion für sich , und zwar so daß diß zum Wesen der Substanz gehört , wogegen | von dem persischen Licht die Bestimmung der Persönlichkeit leicht auch hinweg gelassen werden konnte . Zugleich ist diese absolute freye Subjectivität als ausschließende Einzelheit – Gott wesentlich als der Eine . Es ist nun a) dieses absolute Subject , dann b) das vom Einen unterschieden Gesezte , die Welt , und c) das Verhältniß des Menschen zu ihm zu betrachten . 3 Eine] folgt gestr  : und die Bestimmung des Einen an sich selbst ist in höchster geistiger Form das Gute  

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a)  Indem hier in Beziehung auf G o t t jede natürliche Daseynsweise verschwindet , weil er gesezt ist nur für den Gedanken zu seyn , so fängt hier die Religion des Geistes an . Der Fortschritt gegen die persische Religion ist eben diese Subjectivität  : die persische Lichtmacht ist nur Ei n e s  , der jüdische Gott ist Ei n e r  . Als Subject ist Gott das mit sich selbst Vermittelte , somit nicht mehr das Unmittelbare , natürliche , und es darf kein Bild von ihm gemacht werden  ; er kann nicht unmittelbar und sinnlich , sondern nur vermittels des Denkens erkannt werden . b) Hier erst wird Gott wahrhaft als S c h ö p f e r und Herr der We l t gewußt . Denn das Subject erst , als das sich mit sich vermittelnde ist das urtheilende , – und diß ist die Schöpfung der Welt . SchaVen ist nicht ein unmittelbares Seyn , sondern die Welt ist gemacht aus Nichts , d . h . aus ihrem Nichts , und dieses Negative ist selbst wieder das Affirmative , die Machtfülle des Guten . In den früheren Reli­ gionen ist die Kosmogonie immer auch Theogonie , und die Grundbestimmung ist die schiefe Kategorie des Hervorgehens , der Emanation  : erst mit der Subjectivität verschwindet diese , und tritt die der Schöpfung ein , als die Kategorie des Urtheils . Dieses Urtheil ist die ewige Güte Gottes , denn das Unterschiedene als ausser dem Einen , hat eigentlich kein Recht zu existiren . Dieser negative Character manifestirt sich auch an ihm , es vergeht , und bestimmt sich hiemit als Erscheinung . c) Was das Ve r h ä l t n i ß d i e s e r S c h ö p f u n g z u d e m E i n e n  , G u t e n   anlangt , so ist das Hervorbringen der absoluten Subjectivität nicht ein wildes Ent­ lassen , sondern sie ist in dem Hervorgebrachten bey sich selbst , die Schöpfung ist ein Ebenbild des Schöpfers . Dabey ist die Welt als ausserliche zu dem herabgesezt , was wir prosaische Dinge nennen , sie ist entgöttert , nur noch die Manifestation Gottes . Dieser Spiegel der Gottheit zu seyn ist der Zweck der Welt . So ist diese Religion die Religion der Erhabenheit . Ganz anders als die Natur ist d e r M e n s c h als der Wissende , das Ebenbild Gottes . In der persischen Religion kommt auch der Gegensaz des Guten und Bösen vor , | aber hier fällt das Böse nicht in die Einheit des Geistes selbst herein , son­ dern ausser den Gott in ein andres Wesen . In der jüdischen Religion tritt nun das Böse als Ent2ung in die Einheit des Geistes selbst herein , freilich nicht als absoluten Geistes , denn dieser ist in seinem absoluten Urtheil , in der Welt , bey sich  ; sie ist gut . Der Geist aber als endlicher ist der Ort des Guten und Bösen und ihr Kampf . Die Frage  : wie ist das Böse in die Welt gekommen , hat erst hier einen Sinn  ; in der persischen Religion w a r e n eben beyde  ; hier aber , wo Gott als d i e Subjectivi­tät bestimmt ist und alles gesezt durch ihn , da widerspricht das Böse dieser ganzen Grundlage . Hierüber wird in Form einer Parabel oder eines Mythos Auskunft gegeben , Mose 3 , wo durch die geschichtliche Form auch unpassende Züge­ 28 vor ,] folgt gestr  : aber es war die Gottheit selbst darin  

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hineingekommen sind . Es ist in dieser Geschichte ein tief speculativer Zug  : Adam ist der Mensch überhaupt , und was mit ihm vorgeht , be­triVt die Natur des Menschen . Nun ist verboten vom Baum der Erkenntniß des Guten und Bösen zu essen , welche Erkenntniß eben das Wesen des Geistes , das Ebenbild Gottes ausmacht . Aber das Wissen ist dieses 2seitige , die Freyheit , sich zur Willkühr oder zum Guten zu bestimmen . Das Ziel des Menschen ist nun , diese Ent2ung zu überwinden , wieder in Harmonie mit sich und Gott zu kommen , wieder unschuldig zu wer­ den  ; diß stellt sich hier so vor , daß die Ent2ung nie hätte eintreten sollen . Das Urtheil ­Gottes ist nun einerseits , daß wirklich der Mensch wie Gott geworden sey , andrerseits aber tritt als Strafe die Vertreibung aus dem Paradiese ein , wovon Tod und Arbeit die Folgen sind . Hier ist nun der Mangel dieses Bewußtseyns sichtbar , denn daß der Mensch selbstthätig sich schaVt was er braucht und so seine Hoheit über die Natur zeigt , gehört zu seinen Vorzügen , und der Tod ist nur demjenigen fürchterlich und eine Strafe , der von dem Geiste in seiner Wesentlichkeit noch kein Bewußtseyn hat . Der wahre Gehalt dieser Geschichte ist also das nothwendige Heraustreten des Menschen aus der Natürlichkeit zu fassen , aber auch die Aufgabe der Umkehr des Geistes in die absolute Einheit mit sich selbst . Diese Geschichte vom Sündenfall hat in der jüdischen Religion brach gelegen und ist erst in der christ­l ichen zu ihrer wahren Bedeutung gelangt . – Der Kampf des Guten mit dem Bösen erscheint zwar als wesentliche Bestimmung der jüdischen Religion , aber so , daß das Böse vorgestellt wird als nur zufällig bey einzelnen Individuen eintretend , welchen gegenüber die Gerechten gestellt werden , in denen ein solcher Kampf gar nicht , oder doch nicht als wesentliches Moment ist . Die Gerechtigkeit wird in den Dienst Gottes und Erfüllung seiner Gebote gesezt  ; der Kampf und Schmerz des Bösen ist besonders ergreifend in den Psalmen dargestellt , aber mehr nur als dem Individuum angehörig .  | Gott wird in der hebräischen Religion wesentlich als Herr gewußt . Wohl auch als Liebe und Gerechtigkeit , aber im Hiob zB unterwirft sich die Anforderung an Gottes Gerechtigkeit resignirend seiner Macht . – Gott ist der Herr des israelitischen Volkes und n u r dieses Volkes . Nun sind die übrigen orientalischen Religionen von der Art daß sie sich an die Natürlichkeit binden , weil bey ihnen Gott immer noch in einer particulairen Bestimmung gewußt wird . Aber bey den Hebräern wird Gott in seiner vollen Allgemeinheit gewußt . Daher ist von objectiver Seite Gott der allgemeine Herr , aber subjectiv betrachtet ist das jüdische Volk allein sein auserwähltes Eigenthum weil es allein ihn anerkennt und verehrt . Aber auch die Erweiterung dieses subjectiven Verhältnisses ist vielfach besonders in den Profeten ausgesprochen , daß auch die Heiden Verehrer Jehovas werden sollen . Auch wir können sagen  : Gott ist nur der Gott derer die ihn verehren , denn er ist diß , sich zu wissen in seinem Gegenbilde dem subjectiven Geiste . Objectiv ist Gott Schöpfer des

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Himmels und der Erde . Freilich erscheint auch hier das Schiefe , daß gesagt wird  : er sey mächtiger als andre Götter . Gott hat Allem sein Maaß und Ziel gesezt , so auch dem Menschen . Die Geseze erscheinen noch nicht als Vernunftgeseze sondern als Vorschriften des Herrn und da treten dann auch alle politischen Vorschriften bis in Kleinste herab in ausserlichen Kategorien , so daß die an und für sich seienden ewigen Geseze des Rechts und der Sittlichkeit in gleicher Form stehen mit Gesezen über blaue oder gelbe Vorhänge . Alles diß fließt aus der Bestimmung Gottes als des Herrn , dessen Cultus ein Dienst ist , in welchem der subjective Geist nicht zur Freyheit kommt , daher keine Unterscheidung göttlicher und menschlicher Geseze . In dieser abstracten Richtung auf den Einen Herrn ist der Formalismus der Beharrlichkeit gegründet , den wir an dem jüdischen Geiste in Beziehung auf seine Religion finden – wie bey den Mohamedanern den Formalismus der Verbreitung . Eben weil der subjektive Geist darinn zu keiner Freyheit kommt so findet sich auch keine Unsterblichkeit , sondern das Individuum geht auf in den Zwecken des J­ ahwedienstes der Erhaltung der Familie und des langen Lebens im Lande . Hier haben wir also den Kampf und Schmerz im endlichen Subjecte zusammen  : Das nächste ist die Objectivirung dieses Schmerzes  ; denn soll die Macht und Substanz zum Geiste werden , so kann dieses Moment des Gegensazes und seiner Auflösung nicht fehlen . Für sich , und noch nicht zurükgenommen in die Einheit erscheint nun jener Schmerz der Unfreiheit in einigen Religionen , die wir

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nennen können , in einigen vorderasiatischen , besonders phönicischen Religionen . In der hebräischen Religion hatten wir den Geist als Herrn und als Diener , also sich selbst entfremdet , | um wirklicher Geist zu seyn muß er aus dieser Entfremdung zu sich zurückkehren . Diß fällt aber noch in das Element der Natürlichkeit , als ein symbolisch bedeutungsvoller Verlauf . Hieher gehört die Vorstellung vom Ph ö n i x  , ein Tod , welcher Wiedereintritt in ein verjüngtes Leben ist , – diß ist eben der Geist . Hier ist nicht mehr der Kampf 2er verschiedener Prinzipien , sondern der Verlauf an einem Subjecte selbst und nicht dem menschlichen , sondern dem göttlichen . Eine nähere Form dieses Verlaufs ist der A d o n i s  . Im Frühling wird das Trauer­ fest gefeyert , wo Adonis gesucht wird mit großer Klage – und am dritten Tag ein Freudenfest über seine Auferstehung . Diß hat einerseits des Character des

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… Geseze . am Rande mit Verweiszeichen

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­ ewußtseyns von dem Verlaufe der Natur , aber es ist auch symbolisch zu nehmen , B daß dieser Uebergang eine allgemeine Bestimmung , ein Moment des Absoluten sey . Der eigentliche Uebergang zur griechischen Religion ist nun in der

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gegeben , oder vielmehr in den ägyptischen Kunstwerken . Hier ist auch Phantasie , wie bey den Indern , aber nicht leere Phantasterey , sondern alles ist symbolisch , und das Äussere drückt nur aus das Ringen des Geistes , sich selbst zu verstehen , welches Ringen als das Thun Gottes selbst gefaßt wird . Die ägyptische Religion ist die Religion der Gährung . Hauptfigur ist O s i r i s zwar einer von den 4 jüngeren Göttern , von welchen 8 ältere unterschieden werden nach Herodot  ; aber das höhre Bewußtseyn hat sich eben später aufgeschlossen . Dem Osiris als dem Befeuchtenden steht Ty p h o n gegenüber , das Princip der Wüste . Zur Seite steht dem Osiris die Isis , als das weibliche Princip , als die Erde , wenn er die Sonne ist . Hier haben wir wieder einen natürlichen Verlauf der Sonne , des Nil und der jährlichen Fruchtbarkeit . So ist Sonne und Nil das Symbol des höheren Gedankens , welcher Osiris ist , und auch umgekehrt diese Personificirung des Osiris ist das Symbol für Nil und Sonne . Osiris wird von Typhon getödtet , Isis sucht und begräbt seine Gebeine  ; aber mit seinem Tode ist es nicht zu Ende , er ist der Herrscher des Todtenreichs . Hier überwiegt zwar das NaturMoment – aber indem dieser Kreislauf auch dem BegriVe zukommt , so ist das Natürliche Symbol des Geistigen , aber auch umgekehrt . Ausserdem gibt es noch andre Gottheiten , die nur einzelne Momente in diesem Verlauf ausdrüken . Osiris ist auch Gesezgeber , Stifter der Ehe p . was ein geistiger Gehalt ist . Besonders kommt aber das Todtenreich , das Reich des Amenthes in Betracht . Von den Ägyptern sagt Herodot , daß sie zuerst die Unsterblichkeit der Seele gelehrt hätten . Man könnte sich daher wundern , daß sie auf Erhaltung des todten Körpers so viele Sorgfalt verwandten . Allein die Achtung vor der Seele hängt genau mit der | vor dem Körper zusammen . Andre Völker suchen , wenn der Körper todt und der NaturMacht anheimgefallen ist , doch diß zu verhüten , daß die Natur als solche unmittelbar ihre Macht an ihm ausübe , sondern sie legen den Körper in das Feuer , in die Erde , was dann als Thun des Menschen , des Geistes erscheint . So wußten die Ägypter den Menschen samt seinem Körper erhaben über die Natur , und daher ehrten sie den Körper . In dem ägyptischen Geiste ist das Göttliche einerseits zum Gegenwärtigen gemacht , andrerseits hat sich das Bewußtseyn zum Geistigen hervorgearbeitet . In der Sage daß die Ägypter früher von einem Rabengeschlecht beherrscht worden liegt

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die Anspielung auf die Natur . Der König der Ägypter wird nicht blos als Liebling des Gottes , besonders des Ammun oder Ammon , des SonnenGottes , sondern als dieser Gott selbst gewußt . (Alexander Magnus .) Ebenso gelten die Priester auch wieder selbst als Götter . Eigenthümlich ist den Ägyptern der T h i e r d i e n s t  , der übrigens auch schon bey den Indern vorkommt , in Ägypten aber die größte Härte hatte . Die verschiedenen Districte verehrten verschiedene Thiere . Ihre Verlezung zog Mord und Todtschlag nach sich . Besonders wurde der Apis verehrt in welchem die Seele des Thiers gedacht wurde . Ist Gott noch nicht als Geist erkannt sondern nur als be­ wußtlose Macht , als Naturstreben , so tritt diese Macht in der Gestalt des Thiers hervor . Indem Thierköpfe oft , zB bey Mumien , als Masken erscheinen , so liegt darin diß , daß von dieser thierischen Gestaltung getrennt und hinter ihr das Geistige erkannt wird . In Ägypten sehen wir zuerst einen Kampf der Kriegerkaste mit der Priesterkaste . Hier tritt also der politische menschliche Wille heraus gegen den Cultus und seine Substanzialität . Das Heiligthum der Neith hatte die Auf­ schrift  : meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet – ich gebäre einen Sohn , Helios = d . h . die Natur sey ein Verborgnes , aber es geht aus ihr ein Andres hervor , das OVenbare . Alles ist in Ägypten symbolische Andeutung von etwas Unausgesprochenem . Der Geist dieses Volkes ist das Räthsel . Der Übergang von diesem Räthsel des Natürlichen zum Geistigen ist die Sfinx , mit dem Thierleib und Menschenkopf . Den Uebergang von diesem Räthsel zum klaren Bewußtseyn des Geistes machen die Griechen und drüken denselben aufs Naivste aus durch die Erzählung von der Sfinx , deren Räthsel der Grieche Oedipus dahin löste , daß es der Mensch sey . Griechenland macht den Uebergang dazu , daß Gott als Geist gewußt werde , indem es in ihm wesentlich das Moment der Menschlichkeit weiß . |

B .  G r i e c h i s c h e R e l i g i o n  .

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Das Erste war die Macht als Substanz , dann als Schöpfer und Herr der Ge­ schöpfe . Das Weitere ist nun daß dieses Andre der Substanz ein freies ist , daß die Menschen nicht blos gehorsam sind dem Gebot des Gottes , sondern in diesem Gehorsam zugleich , frei für sich . Diese Bestimmung scheint zunächst nur auf die Seite des Subjects , des Menschen zu fallen  ; aber sie fällt ebenso in die Natur Gottes  : Gott ist nur Geist indem er sich ewig zum Andren entäussert und aus diesem Andren in sich zurückkehrt . Als Schöpfer sezt er sich zwar ein Andres gegenüber was sein Ebenbild ist , er stellt sich hiemit sich selbst gegenüber  ; aber diß ist noch keine Entäusserung , sondern er bleibt noch als Herr das Gegenüberstehende als

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Dienendes bestimmt . Das weitere Moment in dem Fortschritt zur Befreiung des Geistes ist nun wesentlich dieses , daß Gott sich selbst verliert , daß er stirbt , und nur ist vermittelst dieser Negation seiner selbst . Diese Negation , dieses Andersseyn des Göttlichen ist das Ge­schaVene Seyn  ; aber indem der Gott aus jener Negation ebenso in sich zurückkehrt , so ist dieß Andere ein Moment des Göttlichen und wesentlich mit demselben versöhnt . So weiß der Mensch die Menschlichkeit als ein Moment Gottes  ; in dem Gehorsam gegen Gott verhält er sich nun zwar eines­ theils negativ , aber indem er einem Gott gehorcht , in welchem das Menschliche eine wesentliche Bestimmung ist , so verhält er sich darin als frei . In dem Sterben des Gottes , im Endlichen erstirbt dieses Sterben selbst wieder und geht das Göttliche daraus hervor  ; in dieser Erhebung über die Natürlichkeit liegt die Freiheit . Die erste Form dieser Religion der Kunst ist sie noch in der Bestimmung der Unmittelbarkeit und Natürlichkeit . Das Göttliche hat der Mensch erst auf un­ mittelbare , daher auch endliche und vielfache Weise an ihm – diß ist die Religion der Schönheit , die griechische Religion  ; welche insofern , obgleich die Grundlage der wahre Gedanke , doch zu den endlichen Religionen gehört . Was nun die abstracte Grundlage dieser Religion der Freyheit in ihrer ersten Gestalt be­triVt , so tritt hier zuerst der Gedanke des Zweckes , der zweck­mäßigen Thätigkeit , der Weisheit Gottes hervor . Denn freie Thätigkeit ist Thätigkeit nach Zwecken . Die Macht ist wohl schaVend , aber es wird nicht gewußt , daß das ­SchaVende in dem Ge­schaVe­nen sich erhält , in ihm mit sich zusammen geht . Wogegen zweckmäßiges Thun ein solches ist , in welchem kein Andrer Inhalt herauskommt als der vorher schon gesezt war – ein Thun , welches nur Selbsterhaltung | des Thätigen ist . Diß ist die freie Thätigkeit  ; die freie Macht ist die sich selbst bestimmende und ihre Selbstbestimmungen heißen Zwecke . Gott in dieser Bestimmung zweckmäßiger , weiser Thätigkeit herausgehoben , so entsteht der t e l e o l o g i s c h e B e we i ß vo m D a s e y n G o t t e s  . In diesem Beweiß werden die Extreme der Welt (als Ausgangspunkt) und Gottes (als Endpunkt) mittelst der Bestimmung des Zweckes zusammengehalten . Dieser Beweiß ist wesentlich eine Fortbildung des kosmologischen  : zuerst wird Gott als die Macht , dann erst als die Weisheit gewußt . Dieser Beweiß kommt eigentlich erst in dem Geiste des freien Griechen vor . Sokrates sagte  : Gott hat den Menschen Augen gegeben zu sehen , Augenlieder um die Augen zu decken , und Augenbrauen , um den von der Stirn fließenden Schweiß abzuhalten . – Es wird in der Welt wahrgenommen eine Reihe von Dingen , die zufällig gegeneinander sind , aber doch zeigt sich eine Einheit , der sie schlechthin angemessen sind . ZB der Mensch braucht Licht , Luft , Wasser , Nahrungsmittel  ; aber diese Dinge entstehen und sind selbstständig für sich , ihre Beziehung auf den Menschen ist ihnen eine aussere . Ebenso die Thiere sind vollkommen und geschlossen in sich , sie drücken es nicht an ihnen

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aus , Mittel für den Menschen zu seyn , und doch sind sie es . Da auf diese Weise die Dinge Beziehungen an ihnen haben , welche sie nicht selbst setzen , so muß eine diese Bestimmungen oder Zwecke sezende Thätigkeit vorhanden seyn welche die Macht dieser Dinge ist . Kant’s K r i t i k dieses Beweises ist , 1) daß die Zwekbeziehung sich blos auf die F o r m der Dinge beziehe , nicht auf die Materie – so daß Gott als der Zweck­ sezende nur der Weltbildner oder Demiurg wäre . D . h . in der Beziehung der Dinge auf Andres , welche sich in dem Zweckverhältniß darstelle , sey nicht auch schon die Beziehung derselben auf sich enthalten – diese wird als Materie von jener als Form abgesondert . Da fragt sich  : ist diese Unterscheidung richtig ? Diese Beziehung auf sich , dieses ruhige Bestehen , diese continuirliche Einheit in sich , was die Materie ist , gehört selbst auch zu den Formbestimmungen , oder die Materie ist nichts andres als die ruhige Beziehung auf sich welche die Form in aller ihrer Thätigkeit doch hat . SchaVt also Gott die Form der Welt , so braucht er die Materie nicht erst anderswoher zu nehmen . Das 2te , was Kant an diesem Beweise aussezt , ist , daß wir von vieler und großer aber nur relativer Weisheit , die wir in der Welt wahrnehmen , auf eine absolute Weisheit schließen , also der Endpunkt des Schlusses dem Anfangspunkt nicht adäquat sey . Dieß ist zuzugeben – aber der Geist hat die Be|rechtigung , die Wahrnehmungen zu d e n k e n  , d . h . sie aus ihrer Zufälligkeit zur Allgemeinheit zu erheben . Ein weiterer Mangel dieses Beweises den Jacobi vorzüglich hervorgehoben hat , ist der , daß in dieser Form des Schließens der AusgangsPunkt , die Welt , als Grundlage für Gott und dieser somit als ein Bedingtes erscheint . Diß ist aber nur ein falscher Schein am Schlusse , er ist nur Gang des subjectiven Erkennens , und in dem Schlusse selbst kehrt sich dasjenige , was als das Bedingende erschien , zum Bedingten um . Das Resultat spricht es selbst aus , daß der Ausgangspunkt ein mangelhafter war . Es liegt in dem Schlusse das negative Moment , daß das Daseyn der endlichen Zweckeinrichtungen nicht für das an und für sich seyende Subject ausgegeben wird , sondern daß die ewige Vernunft das Wahre ist . Die wahre Zweck­ mäßigkeit ist nicht die , wo Zweck , Material und Mittel auseinanderfallen , sondern der Zweck der sich durch und in sich selbst vollbringt . Diese Unendlichkeit der Form des Zwecks existirt in der Lebendigkeit  ; der lebendige Organismus bringt sich selbst hervor , hat sich selbst zum Zweck . Das Endliche dabey aber ist , daß das Lebendige Material von aussen braucht . Und zwar bedarf jedes Lebendige seiner eigenthümlichen Nahrung als seiner unorganischen Natur . Da nun das Organische so sein Unorganisches bedarf , aber doch das Unorganische nicht durch das Organische gesezt ist , so muß ein 3tes seyn , was beyde sezt . Ferner ist die Zweckmäßige Thätigkeit des Organismus , der Instinkt der Thiere ein Bewußtloses , nicht durch

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sie selbst gesezt , und erfordert eine Ursache , ausser dessen Seyn . Denkt man die Natur als eine blind producirende Kraft , welche zuerst das Unorganische hervor­ gebracht , hierauf das Organische  : so bleibt es zufällig , daß dieses die Bedingungen seiner Existenz gefunden , es hätte sie ebenso auch nicht finden können , wie die Alten von Ungeheuern sagten , die deßwegen wieder zu Grunde gegangen . Diese alte Vorstellung hat eine neuere sogenannte NaturPhilosophie wieder aufgewärmt . Vielmehr weiß sich der Mensch wesentlich als Zweck gegen die übrige Natur und weiter das Organische als Zweck gegen das Unorganische . Immer aber hat der Organismus hiemit noch ein Verhältniß nach aussen , es sind 2 , die einander gegen über stehen – ihre Wahrheit ist ihre Einheit , und diese ist in einem 3ten , welches jenes Urtheil sezt . Dieses 3te können wir im Allgemeinen Gott nennen , und zu ihm erhebt sich von jener Zweckbeziehung aus der Geist . Aber um den BegriV Gottes zu vollenden | fehlt hier noch Vieles , Gott ist erst als Lebendigkeit gesezt als νους der die Welt regirt , als Weltseele , welche aber nicht getrennt von ihrem Leibe ist . So erhalten wir den BegriV eines organischen Lebens des Universums , in welchem die selbstständig scheinenden Gebilde zu Momenten herabgesezt sind . Bisher war aber nur von der Form der Zweckbeziehung die Rede , – nun auch von dem Inhalte . Hier contrastirt der endliche Gehalt der Zwecke erstens sehr mit Gott auf den sie bezogen werden zB diese Pflanze ist um dieses Thierchen zu ernähren , von Gott so eingerichtet . Viele dieser Zwecke werden auch gar nicht erfüllt  : Der Zweck der Thiere ist befriedigtes Lebensgefühl , aber sie werden ge­ schlachtet  ; der Zweck des Keims ist sich zu entfalten – aber er geht unentwickelt unter . Noch mehr werden im geistigen Gebiete solche Zwecke durch die Leiden­ schaften des Menschen , durch das Böse vereitelt , ganze Völker gehen unter . Hier sehen wir also theils kleinliche Zwecke sich vollbringen , theils wesentliche unerfüllt bleiben . Dadurch zeigen sich aber diese Zwecke als beschränkte , und wir müssen zu einem a l l g e m e i n e n Zweck aufsteigen , den wir aber nicht mehr in der Erscheinung finden , sondern vernünftig erschließen . Diesen höchsten Zweck faßt Kant als das Gute , und dem höchsten Zweck sollte nun die Welt entsprechen . Aber da hat schon die Natur ihre eignen Geseze und Zwecke , noch mehr die Leidenschaften des Menschen , und es käme darauf an zu untersuchen , ob die Summe des Guten oder Bösen in der Welt größer wäre ? Nun bleibt Kant dabey stehen , daß das Gute nur realisirt werden s o l l  , und indem es nicht selbst die Macht seiner Verwirklichung ist , so wird hier ein 3tes gefordert – und auf diesem Wege kommt Kant zu Gott . Diß sind also die Mangel des physikotheologischen Beweises  : 1)  in formaler Hinsicht , was die Form der Zweckthätigkeit betriVt – kommt er nur bis zum Leben , 2) in materieller Hinsicht zeigen sich , wenn vom Daseyn ausgegangen wird , endliche Zwecke , (und wenn vom BegriV des Guten ausgegangen wird , bleibt es nur beym Sollen) .

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Diese Mängel des physikotheologischen Beweises zeigen sich auch in der entsprechenden Religionsform , der griechischen . Die Freyheit hat die griechische Religion mit der Zweckbestimmung erreicht , aber es ist die erste Freyheit und daher mit Natürlichkeit behaftet , eine endliche Freyheit . Das Natürliche ist wohl unter|worfen gesezt und damit Gott als Subject gesezt aber noch nicht zur absolu­ ten Unendlichkeit erhoben , sondern Gott ist noch endlicher Geist . Er ist einerseits von Menschen gemacht andrerseits seinem Inhalte nach anthropopathisch . Eben deßwegen ist diese Religion Religion der Humanität , des heiteren Genusses der Freyheit . Alles menschlich Große wird als göttlich gewußt . Was also das N a t ü r l i c h e betriVt , so ist es einerseits überwunden , der Geist hat sich aus demselben hervorgerungen  ; aber andrerseits ist es auch noch darin enthalten , nur untergeordnet . Deutlich ist in der griechischen Mythologie der Ueber­ gang von den n a t ü r l i c h e n zu den g e i s t i g e n Göttern ausgedrükt , jene haben nur oberflächliche Persönlichkeit , nur eine Maske von Geistigkeit – sie heißen alte Götter oder Titanen Uranos p . Dieser Zug des Natürlichen geht aber weit durch die griechische Mythologie hin , in dem elementarischen Boden eines Phöbus pp . Die alten Götter sind Naturgötter  ; sie gehören zwar auch dem Geistigen an , aber wie die einen abstracte Äusserlichkeit , so sind die Andren abstracte Innerlichkeit , wie zB die nur innerlich richtenden Erinnyen . Aber diese alten Götter , die Titanen sind von den neuen gestürzt und an den Saum der Erde , in die Finsterniß gebannt , und im hellen Tage des Bewußtseyns der Menschen haben die neuen Götter ihre Herrschaft aufgeschlagen . Die neuen Götter sind geistige , sittliche , nur noch mit einem Anklang des Natürlichen . Aus dem Helios geht Apollo hervor , aus dem Leuchtenden der Wissende , aber er behält die SonnenStrahlen an seinem Haupte  ; aus Kronos wird Poseidon , der Gründer der Städte . Der HauptGott aber ist Z e u s  , der Gott des Staats – seinem natürlichen Anklang nach der Gott des Donners und Blitzes . Was die Anfänge des menschlichen Bewußtseyns und der Bildung betriVt , so ist besonders P r o m e t h e u s zu bemerken . Der NaturZustand wird von den Grie­ chen öfters so geschildert , daß die Menschen von Vegetabilien lebten , die heiligen Rinder des Helios durften sie nicht essen . Prometheus nun lehrte die Menschen , die Thiere bekriegen und besonders ein Feuer anmachen . Er lehrte sie dann , das Fleisch für sich zu verzehren , und dem Zeus nur Haut und Knochen zu opfern . Es könnte nun Wunder nehmen , daß dieser Lehrer des Menschengeschlechts zu den Titanen gezählt und an den Kaukasus angeschmiedet ist . Aber die Geschicklichkeiten , die er lehrte , beziehen sich nur auf Befriedigung der natürlichen Bedürf­ nisse , und hier hat die Unersättlichkeit der Begierde ihre Stellung die (als Leber des Prometheus) immer wieder wächst , so oft sie befriedigt wird . Plato sagt von

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Prometheus die Politik habe er den Menschen nicht bringen können , diese sey in der Burg des Zeus | verborgen gewesen . Ein gleicher Uebergang vom Natürlichen zum Geistigen stellt sich in der Artemis dar  : als Ephesische ist sie bedekt mit Brüsten und Thiergestalten , als er­ zeugende und ernährende Kraft der Natur  ; umgekehrt ist die griechische Artemis die Jägerin . So hatte auch Hercules seinen Ruhm in der Tödtung wilder Thiere  ; das Tödten der Thiere tritt als ein Hauptmoment in diesem Uebergang hervor . Demeter ist nicht blos Lehrerin des Ackerbaues , sondern auch Stifterin des sitt­l ichen Bandes der Ehe und des Grundeigenthums . Grundeigenthum ist für den Nomaden wie für den Sklaven der reelle Anfang der persönlichen sittlichen ­Freyheit . Pallas Athene ist besonders bemerkenswerth als der Athenische Volksgeist , als das sittliche geistige Leben Athens . In diesen Göttern allen werden die Grundbestimmungen des vernünftigen freien Willens verehrt . Aber der Geist welcher in ihnen ist , ist noch zersplittert in seine Besonderheit , – daher Vielgötterey . Die eine Seite der Endlichkeit dieser Götter war ihre Natürlichkeit , die andre Seite ihrer Endlichkeit ist nun diese , daß sie noch nicht gedacht , sondern nur erst vorgestellt , daher noch nicht zu einem Gotte zusammengefaßt , sondern noch viele Götter sind . Der Mensch findet diese Wesenheiten nicht äusserlich vor , sondern bringt sie durch seine Vorstellung , als Phantasie , hervor  ; daher sind sie sinnlich gestaltet  ; aber weil sie zugleich als Wesenheiten hervorgehen , so ist das Sinnliche in voller Angemessenheit zum Geist – Religion der Schönheit . Indem es aber die Vorstellung und Phantasie ist , aus welcher die Götter hervorgehen , so erscheinen sie hiemit als gemachte  ; ποιηται heißen Macher  ; Herodot sagt  : Homer und Hesiod haben den Griechen ihre Götter gemacht  ; durch das Bild des Phidias bekamen die Griechen die absolute Vorstellung vom Vater der Götter . Die griechische Religion ist wesentlich Religion der Schönheit . Denn für die freie Geistigkeit , zu welcher die Griechen sich erhoben hatten , wenn sie sich in sinnlicher Form darstellen soll , gibt es keine andre Gestalt als die menschliche , welche die wesentliche und nothwendige Gestalt des Geistes ist . Die menschliche Gestalt ist aber zugleich die ideale . – Die frühere Kunst war symbolisch , nämlich sie wollte irgend eine abstracte Vorstellung äusserlich machen , wobey aber das Äussere dem Inneren nicht entsprechen konnte  ; erst der concrete BegriV und Geist findet auch seine adäquate Gestaltung . In dem nicht Schönen | ist eine Ent2ung zwischen dem inneren BegriV und dem , was in der Ausserlichkeit da ist z . B . bey dem Gesicht eines Sokrates hat noch etwas andres gewirkt als der innere BegriV . Aber das Körperliche dargestellt als ganz von der geistigen Seele ausgeboren , ist die Schönheit . Das Geistige aber stellt sich nur durch die Züge des Angesichts und die Stellung und Gebärde des Körpers dar , was auch in bekleideten Figuren

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dargestellt werden kann  ; der übrige Körper ist nur ein organisch Lebendiges , und seine nackte Darstellung gehört nur der sinnlichen Schönheit an . Indem der griechische Gott zwar die geistige Freyheit zur Grundlage hat , aber auch noch die Endlichkeit als Zufälligkeit an ihm trägt – so treten hier eine Menge lokaler und geschichtlicher Züge , natürlicher und symbolischer Anklänge verschiedner Art bey den einzelnen Göttern hinein . Es kommen untergeordnete Kategorien herein , die nicht der freien Geistigkeit angehören , zB die der Zeugung , und der unzähligen Verheurathungen des Zeus . Diese Geschichten haben oVen­bar in einem andren Gebiete ihren Anfang . Die griechischen Götter sind nicht mehr Abstracta , sondern Subjecte und als solche individuell , sie vereinigen mehrere Züge in sich . So auch die Heroen  : Achill ist nicht blos dieses Abstractum von Tapferkeit , sondern auch Liebe pp . Eben­deßwegen machen auch die griechischen Götter kein System aus . Dieß ist das Anthropo­ pathische der griechischen Götter . Aber immer ist zu sagen , daß die griechischen Götter nicht zu viel , sondern zu wenig Anthropopathisches haben  ; der GottMensch im Christen­thum hat weit mehr anthropopathisches , er ist existirender sinnlicher Mensch , aber in der Gottheit aufgehoben . Über diesen vielen endlichen Göttern ist dann Eine Macht . Weil das Concrete ein Endliches , Besondres ist , so steht über ihm diese Allmacht  ; aber weil das Endliche das Concrete ist , so ist diese Allgemeinheit eine abstracte . Diß ist das fatum , die BegriV- und Zwecklose Macht . Diesem gegenüber rettet der Mensch seine Freyheit nur durch entsagende Unterwerfung , so daß es ihn äusserlich , aber nicht innerlich besiegt . Weil das äussere Daseyn seinem Zweck unangemessen ist , so gibt er allen Zweck auf . Diß ist eine abstracte Freyheit . Die Ansicht der absoluten ­Religion ist , daß auch im Unglück ein absoluter Inhalt erreicht werde , so daß das Negative wieder ins Affirmative umschlägt . Aber der griechische Geist hatte dieser äusseren Nothwendigkeit noch keinen absoluten Inhalt entgegenzu­ sezen . | Ebenso gegen die äussre Zufälligkeit hat das griechische Volk in seinem politischen Leben noch nicht die Unendlichkeit des subjectiven Willens gehabt , sich rein aus sich zu entscheiden  ; seine Freyheit als erste Freyheit war mit Endlichkeit behaftet , daher waren die O r a k e l noth­wendig . Ob man ein Haus bauen , sich verheurathen , eine Schlacht liefern solle , diß wurde aus dem Rauschen der Blätter , dem Reden betäubter Priester p vernommen . Die innre Entscheidung aus sich selbst beginnt des Sokrates Daimonion , was jezt jeder Mensch in sich hat . Auf die wahrste und erhabenste Weise aber kommt das Schiksal als sittliche Gerechtigkeit zur Darstellung in der Tr a g ö d i e  , besonders der Sophokleischen . Da wird das Schiksal zum Theil ausgesprochen als etwas Unbegreifliches , näher aber zeigt es sich als wahrhafte Gerechtigkeit . Es ist die Collision sittlicher Mächte , welche , gleich berechtigt aber auch gleich einseitig , an einander zu Grunde gehen .

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Der Schluß ist dann daß nur Zeus das Wahrhafte ist . Dieses Bewußtseyn hatte Griechenland in seinem Homer noch nicht , sondern erreichte es erst auf dem höchsten Gipfel seiner Bildung . Die collidirenden Mächte sind Familie und Staat , Bewußtes und Bewußtloses . Im Cultus der Griechen ist der G e n u ß daher Moment , weil der griechische Geist im Cultus unmittelbar bey sich selbst ist . Näher gehört dazu die A n e r k e n n u n g dieser Mächte , und zwar aller , nicht blos einseitig dieser und jener . Ein weiteres Moment ist die B e l e h r u n g  . Die Rhapsoden lehrten die Griechen ihren Homer . Bey den Festen gaben die Tragödien tiefe Belehrungen . In den Mysterien wurden Vorstellungen mitgetheilt , die dem Geschwäz und Räsonnement entzogen wurden  ; der klare griechische Geist hatte doch die Ahnung , daß noch etwas über seiner Sphäre sey , daher auch der Altar dem unbekannten Gott . Es wurden in den Mysterien bildliche Darstellungen von Reinigung der Seele , von Aufnehmen der Seele in das höhere Wesen gegeben  ; ein Hauptmoment war die Lehre von der Unsterblichkeit . Aber Sokrates , der Weiseste der Griechen , ließ sich nicht einweihen – es stand also dieses Alles tief unter dem , was Sokrates geleistet hat . – Insofern im griechischen Cultus der Mensch sich als identisch mit den wesentlichen Mächten weiß ist das Gepräge des Cultus Heiterkeit , er selbst ein Spiel worinn der Mensch sich zeigt , in seiner höchsten Schönheit und Geschicklichkeit sich selbst genießt . Hier ist keine Unangemessenheit des Menschen zum Göttlichen , sondern von Hause aus die Versöhnung . | Um was es nun zu thun ist , ist , daß dieser freie Geist sich von seiner Endlichkeit reinige . Diß geschieht dadurch , daß das Fatum über das griechische Leben ­hereinbricht , daß diese Völkergeister in ihrer Besonderheit und Natürlichkeit unter­gehen und nun der Gott als reiner Geist , der Mensch als an und für sich frey (nicht blos mehr einige Bürger) gewußt wird . Einer dieser besonderen Geister erhebt sich zum Fatum aller andren , welche dadurch in ihrem politischen Leben erdrückt , zur Bewußtheit der Schwäche ihrer Götter kommen . Diß fatum der Griechenwelt war die Römerwelt .

C  .   Rö m i s c h e R e l i g i o n Die römische Religion ist mit der griechischen nicht zu verwechseln . Ihr Princip ist nicht Schönheit , sondern äussere Zweckmäßigkeit . Der Gott wird als ein zweckmäßig Wirksames gewußt , und der absolute Zweck ist der römische Staat als die abstracte Macht über alle andren Staaten . Der römische Geist ist die Macht der abstracten Allgemeinheit – so haben sie ihn verehrt als Fortuna publica , als Jupiter Capitolinus .

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Die Römer galten für das religiöseste Volk , – aber die Religion war für sie ein Anbindendes und Beherrschendes . Ihre virtus besteht darin , ganz dem Staate zu dienen . Diesem Interesse dienen auch die besonderen Seiten der Religion  ; die Auspicien in der Hand der Aristokraten  ; die meisten Götter zur Zeit einer Noth eingeführt auf abergläubische Weise . Götter wie Minerva , Apollo sind bey einem Virgil p todte Maschinerie  ; das Eigen­thüm­liche , Freie , Sittliche fehlt ihnen auf diesem fremden Boden . Ferner haben die Römer eine Menge von Mächten prosaischer Nützlichkeit ohne sittliche Bestimmung , Fornax = die Geschicklichkeit Korn zu dörren , Pax , pestis . Ausserdem ein Element der Ländlichkeit mit Festen , wie die Palilien . Von ähnlicher Art die Saturnalien . Diß ist die eine Seite der römischen Religion , daß die Götter ganz beschränkte äusserliche Naturmächte sind . Die andre Seite aber ist eine abstracte Innerlichkeit , ein Schauder vor einem ­unbestimmten Innerlichen , gleichsam einem innerlichen Fatum . Dahin gehört Roms geheimer Name  : Amor und Eros oder Valentia . Wie die Griechen aus allem etwas Schönes , eine Mythe p herauszubilden wußten , so beharrten die Römer in dieser dumpfen Innerlichkeit , welche sich als Scheu an Alles heftete . Daher hatten die Römer eine Menge Bestimmungen , zB wenn eine Mißgeburt geboren wurde . Sie selbst haben keine schönen Gebilde producirt , sondern sie den Griechen geraubt . In ihrer Tragödie zB bey Seneca ist kein sittliches Princip , nur Sklaven , liederliche Diener p . | Bey den Griechen war in den Schauspielen die Sprache und die plastische Stellung die Hauptsache die Mimik war durch die Maske ge­h indert – bey den Römern wurde die Pantomime ausgebildet , dann aber wurden zur Haupt­ sache die blutigen Thiergefechte . Der prosaische Tod wurde da angeschaut , kalt zu sterben war das Höchste bey den Römern , zB Seneca – abstracte Größe . Diese abstracte Macht des römischen Geistes hat sich dann personificirt in dem K a i s e r  . Dieser war der Gott , und insofern mit Recht als er noch eine ganz andre Macht war als der Brand im Korn , die Pest pp . Dieser Zustand vernichtete das heitere Glück der vorhergehenden Religion . Diese abstracte Macht brachte das ungeheure Unglück , den Schmerz in die Welt , welche die Geburtswehen für die Religion der Wahrheit wurden . Die Resignation auf Befriedigung in dieser Welt war die Bereitung des Bodens für die wahrhafte Religion . Als die Zeit erfüllet war , d . h . als in dem Geiste der Welt diese Verzweiflung hervorgebracht war , da sandte Gott seinen Sohn .

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Der Inhalt der Religion ist , daß Gott sich schlechthin Gegenstand ist , aber in diesem Unterschiede schlechthin mit sich identisch , und so Geist , der absoluter Geist ist . In diesen Inhalt weiß das Bewußtseyn sich verflochten , weiß sich als Moment dieser Bewegung , es weiß Gott nur in sofern als Gott in ihm sich weiß . So ist Gott als Geist in seiner Gemeinde , es ist die oVen­bare Religion vorhanden . Der Ueber­ gang hiezu war so vorhanden , daß in der griechischen Religion der Mensch Gott wußte als freien Geist , der aber noch mit der Endlichkeit behaftet war , daß aber in der römischen Welt diese Endlichkeit abgearbeitet wurde auf Seiten des subjectiven Geistes , so daß von dieser Seite der Uebergang zum Bewußtseyn dieses absoluten , freien Geistes vorbereitet war . Die a b s t r a c t e G r u n d l a g e dieses Standpunkts ist nun der BegriV Gottes . In den bisherigen Religionen hatten wir das Aufsteigen zu Gott vom Seyn als zufälligen und zweckmäßigen . Diese Beweise fallen auf die Seite der Endlichkeit indem sie von einem | Gegebenen ausgehen . Der Religion der Unendlichkeit des freien BegriVs gehört der o n t o l o g i s c h e Beweiß an und macht die Grundlage dieser Stufe aus . Es wird hiebey vom BegriV Gottes , aber noch als subjectivem BegriV ausgegangen , und das Interesse ist , aufzuzeigen , daß ihm auch Daseyn zukomme . Gott ist das vollkommenste  ; vollkommener aber ist das dem auch Seyn zukommt , als dem nicht  ; also kommt Gott auch das Seyn zu . Oder  : Gott ist der In­begriV aller Realitäten p . K a n t hat diesen Beweiß kritisirt  : das Seyn sey keine Realität  ; es füge nichts zu dem Inhalt eines BegriVs hinzu  ; 100 gedachte Thaler seyen derselbe Inhalt als 100 wirkliche , aber damit daß ich sie denke , habe ich sie noch nicht . Dabey ist der Unterschied übersehen zwischen Endlichem und Unendlichem  ; das End­ liche entspricht seinem BegriV nicht , das Individuum ist nicht identisch mit seiner Gattung , daher vergeht es , – aber im UnEndlichen ist diese Differenz aufgehoben . Aber das Unvollkommene dieses Beweises ist , daß die Einheit von BegriV und Ge­ genstand in Gott , oder daß das allervollkommenste Wesen auch Seyn müsse , – blos vorausgesezt wird . Es ist also aufzuzeigen , daß der BegriV das Seyn schon in sich schließt . Seyn ist diese einfache vermittlungslose Beziehung auf sich  ; der BegriV ist aber selbst diß , in welchem alle Unterschiedenheit nur ideell ist , die vollkommene Durchsichtigkeit und Identität mit sich – diese ist aber eben die Unmittelbarkeit . So hat der BegriV das Seyn an ihm selbst . Auch indem wir , die Denkenden , stre­ ben , unsre BegriVe zu realisiren , zeigt sich dieses Streben des Ideellen , sich seiner Einseitigkeit abzuthun und sich zur Realität überzusezen . Der BegriV weiß sich selbst als nicht Wahres wenn er nicht auch gesezt ist . Wir haben aber hier nicht

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die abstracte logische Identität von BegriV und Seyn als Unmittelbarem , sondern wir haben in diesem Verhältniß der beyden Seiten des ontologischen Beweises Gott als Geist selbst . Geist ist der an und für sich seyende BegriV  ; dieser dirimirt , ur­ theilt sich  ; das so Unterschiedne vom Geist ist Geistloses , ist Seyn , aber in diesem Unterschiede ist der Geist schlechthin identisch mit sich , diß reine Licht . So hat sich Gott ge­oVen­bart , so ist er der OVen­bare  . Als oVenbare Religion ist sie aber für alle Menschen . Nicht blos für die Speculirenden , welche Gott wissen im reinen Element des Denkens , sondern weil das Denken nicht blos reines ist , sondern auch in Vorstellen und Anschauen sich manifestirt , so muß die absolute Wahrheit auch für die Menschen als Fühlende , Anschauende , Vorstellende seyn – und diß ist dann die Form , nach welcher sich die Religion unterscheidet von der Philosophie . Auch das Vorstellen ist Denken , aber nicht in seiner freien Form . Der religiöse Inhalt wie der speculative geht über den Verstand hinaus  ; für diesen | gibt es zB keine Identität von Denken und Seyn  ; sondern sein Urtheil lautet  : Denken ist Denken , und Seyn ist Seyn . Diese Idee , diesen Inhalt haben wir in 3 Sphären zu betrachten , 1) diese Idee in der freien Allgemeinheit , oder das reine Wesen Gottes , das Reich des Vaters . 2)  die Diremtion der Idee in sich , momentan festgehalten in ihrem Unterschied , das Reich des Sohns . 3)  die Versöhnung dieses endlichen Geistes mit dem an und für sich seyenden – das Reich des Geistes . Näher verhält es sich mit dieser Eintheilung so  : Die Idee ist in allen drei Sphären göttliche SelbstoVenbarung . Diese ist nun 1) im Element der reinen I d e a l i t ä t und A l l g e m e i n h e i t  , in der unbe­ wegten Stelle des denkenden Geistes . Hier ist sie der einfache Schluß , daß Gott durch seinen Unterschied , der aber hier noch nicht zur Äusserlichkeit kommt , unmittelbar bey sich ist – eine Bewegung , durch welche Gott Geist ist . Hierher , obgleich es das Reich des Vaters vorzugsweise heißt , fällt also dennoch die Lehre von der 3einigkeit . 2)  Das 2te Element ist das der B e s o n d e r h e i t  , der Vo r s t e l l u n g  . Was in der ersten Sphäre das Andre als ununterschieden vom ersten war , der Sohn , wird hier als Äusseres als Welt und Natur bestimmt , zu welcher der endliche Geist als natürlicher gehört . Aber weil in der Religion , so ist diß religiöse Betrachtung der Natur und des Menschen , oder die Einheit mit Gott macht sich wieder geltend , und so tritt in der Natur der Sohn hervor , was der Beginn des Glaubens ist . Zunächst hat der Sohn als Mensch eine äussre natürliche Geschichte , aber diese verliert diesen Character und wird göttliche Geschichte , Geschichte der Manifestation Gottes – was den Übergang von diesem Reich des Sohns in

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3)  das Reich des G e i s t e s macht . Dessen Element ist das Selbstbewußtseyn des Menschen mit Gott versöhnt zu seyn und die Vollbringung dieses Bewußtseyns in Kirche und Cultus . I .  Gott ist also zuerst für den Menschen als denkenden . Diese Erkentniß kommt an den Menschen als Dogma , so daß er es , sofern er’s nicht begreift , als Vorstellung in den Glauben aufnehmen kann . Diß ist das Dogma von der 3einigkeit . Gott ist als Geist bey sich selbst seyende Thätigkeit des freien Wissens  ; als Thätigkeit muß sie in Momente sich setzen , als BegriV muß sie sich urtheilen , doch so , daß das Unterschiedene unmittelbar das ist , von welchem es unterschieden worden ist . | Diß ist bildlich so ausgedrückt , daß Gott als Vater ewig seinen Sohn erzeuge . Wir sagen  : Gott thut das , sich einen Sohn zu erzeugen  : aber dieses ganze Thun ist Gott selbst , er ist nur die Totalität , und abstract als Vater genommen , ist er nicht der wahre Gott . Diß ist nur die abstracte Wahrheit  ; sie wird geglaubt in der Religion , begriVen in der Philosophie . Da bringt aber der Verstand seine Kategorien heran  ; die Bestimmung der Zahl , das aller be­griV­loseste , oder die Identität als unterschiedslose  ; man sagt es sey ein Ur­theil darinn  : allerdings kann dieses Unterscheiden des Geistes in sich zum Ur­ theil fortgehen , was aber erst in der 2ten Sphäre geschieht . Spuren des Bewußtseyns , daß in der 3heit nur eine Totalität ist , kommen in abstracter Weise auch früher vor , in der pythagoräischen τριὰς , das 3malheilig , Kantische Trichotomie . Gott als Vater ist die erste Allgemeinheit das Unbestimmte , Unerkennbare daher ihn die Gnostiker βῦθος nannten  ; weiter aber ist er das sich Unterscheiden , oder der λόγος der Sohn , das Moment der Manifestation , daher ihn die Gnostiker wohl auch πρώτη κατὰληψις ἑαυτου nannten . Zu weiteren Bestimmungen geht es in dieser ersten Idee nicht hinaus , nur daß Gott als Subject gefasst wird , von vielen Eigenschaften . Diese als unterschieden gehen unfehlbar zum Urtheil fort  ; der Ver­ stand ergreift die Ausflucht , daß er von der Bestimmtheit abstrahirt , so daß nur die abstracte Realität übrig bleibt . Aber in der angegebenen Idee Gottes ist das ewige Sezen und Auflösen des Urtheils gegeben , nicht als unsre subjective Thätigkeit , sondern die objective oder vielmehr absolute des Geistes selbst . Das einfache Resultat dieser ersten reinen Form ist , daß die Idee die Wahrheit ist in dieser Bestimmung des sich mit sich Vermittelns . 2 .  Der Unterschied , der in der ersten Idee nur ein Schein war , kommt jezt zu seinem Rechte . Diese Sphäre ist in der Bestimmung des Sohnes . Das Unterschiedene ist in der Form des Andersseyns  ; der Geist verhält sich zum Andern , damit ist nicht mehr der absolute , sondern der endliche Geist gesezt , und indem das Unterschiedne selbst ein in sich Unterschiedenes ist , in Natur und endlichen Geist , so ist damit die Schöpfung der Welt vorhanden , die Form in welcher der

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Sohn wirklich zum Anderen wird . Gott ist Schöpfer , aber als λόγος , als sich Äussernder . Die Welt ist dem Menschen erstlich ein Vorausgeseztes , ein unmittelbares Seyn und Manchfaltigkeit , aber fürs 2te erkennt er auch Gott in ihr , wie wir in den früheren Religionen und Beweisen für das Daseyn Gottes gesehen haben .  | Aber diese Erkenntniß Gottes aus der Natur hat immer etwas Unangemessenes , indem die Beschränktheit der Erscheinung von welcher man ausgeht , auch auf Gott sich überträgt . Gott donnert mit seinem Donner gräulich und wird doch nicht erkannt . Gott muß sich auf geistige , nicht blos auf natürliche Weise oVen­ baren . Damit er sich so als Geist für den endlichen , empfindenden , anschauenden Menschen oVen­bare , muß er im Fleisch erscheinen , muß Mensch werden . Die Möglichkeit davon liegt nur in der Einheit der göttlichen und menschlichen Natur . Eine Menschwerdung Gottes haben wir schon in den indischen Incarnationen , im Dalailama , auch in den Vergötterungen griechischer Heroen und römischer Kaiser  : in all diesem ein Ringen nach dieser Bestimmung an sich seyender Einheit der göttlichen und menschlichen Natur . Aber in jenen orientalischen Formen ist die Menschheit nur Maske , nichts Wesentliches , es liegt die Vorstellung zu Grunde , daß der Geist herabgestoßen sey in die fremdartige ὑλη , und seine Verkörperung eine Einkerkerung sey . Darinn liegt etwas Wahres , aber andrerseits ist die Bestimmung in solcher Subjectivität die lezte Zuspitzung des Geistes , welches Moment im göttlichen Leben nicht fehlen darf , da der Geist in seiner unendlichen Beziehung auf sich selbst die Bestimmung der Unmittelbarkeit an ihm hat , so muß , wenn Gott als Geist dem Menschen ge­oVen­bart werden soll , auch dieses Moment der Unmittelbarkeit darinn vorkommen . Aber nicht mehr in natürlicher Unmittelbarkeit , in welcher er übrigens nicht einmal recht immanent war , wie im feurigen Busch , – sondern in geistiger Unmittelbarkeit , in menschlicher Gestalt erscheint Gott . Während aber im Pantheismus , wo die Subjectivität nur accidentell ist , unzählige Incarnationen vorkommen , so kann die Erscheinung Gottes als Geist , da der Geist das Moment der Einzigkeit enthält – nur eine einzige seyn . Nachdem wir im BegriV so weit gekommen , so ist das Andre , daß die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur auch allgemeines Bewußtseyn werde , indem ein einzelner Mensch als GottMensch gewußt wird . Da ist also fürs Erste ein einzelner Mensch , von diesen Eltern geboren , der ißt , trinkt u . s . w . Das Andre ist aber daß dieser Mensch als Gott gewußt wird und das Jenseits Gottes in dieser Bestimmung aufgehoben . Jene Betrachtung für sich ist die irreligiöse , diese da­ gegen ist der Glaube und von jener muß zu dieser geführt werden . Geht man von der äusserlichen Erscheinung Christi aus , so kann man fortgehen bis zu seinem Tod , aber hier scheidet sich dann bestimmt der Glaube und Unglaube . Das erste ist also die Betrachtung der m e n s c h l i c h e n S e i t e  , aber sofern sie schon der Beginn des Überführens zum Höheren ist . Dahin gehört die L e h r e

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Christi  ; | sie ist noch ein Menschliches , aber sie hat den Glauben auf den Boden der inneren Geistigkeit zu führen . Auch die Wu n d e r gehören hieher . Zunächst ist die Geschichte Christi eine blos äussere . Christus ist ein Lehrer zunächst überhaupt . Näher auf den I n h a l t seiner L e h r e gesehen , ist sie eine m o r a l i s c h e Lehre , besonders der L i e b e gegen die Menschen . Diß ist zunächst eine Abstraction  ; Menschen die mich nichts angehen , kann ich nicht lieben . Richtiger ist die Nächstenliebe . Auch findet sich dieses Gebot noch sonst in andren Religionen  ; weiter ist in der Lehre Christi die Verkündigung des H i m m e l r e i c h s  , d . h . das Erwecken des Bewußtseyns zur Innerlichkeit , diesem wahrhaften Boden des Menschen , diesem absoluten Werth , gegen welchen alle irdischen Dinge werthlos erscheinen . Diese Erhebung zur Innerlichkeit ist ein ausgezeichneter Zug in der Lehre Christi , und sie ist in ihr mit unendlicher Energie vor die Vorstellung gebracht . So gleich beym Auftreten Christi in der B e r g p r e d i g t  . Selig sind , die reines Herzens sind , denn sie werden Gott schauen . Diß ist das Größte was gesagt werden kann . Ferner wird in dieser Rede alle Unfreiheit , Ausserlichkeit , Aberglaube aufgehoben . Daher ist es von unendlichem Werth , daß das Volk die Bibel in der Hand hat  ; sie ist das absolute Volksbuch . Ferner wird ausgeführt daß die absolute Gesinnung (aber nicht eine abstracte Meynung) allein Werth hat . Nach dem Reich Gottes ist am Ersten zu trachten , gegen diese Erhebung in die reine Innerlichkeit ist Talent , Macht , Mangel an Bildung , alles Nebensache , der unendliche Werth dieser Innerlichkeit , dieses Abziehens von allem Äusserlichen spricht sich auch aus wenn Christus zum reichen Jüngling sagt  : gib deine Habe den Armen und folge mir  ; oder wenn er sagt  : die den Willen meines Vaters thun , die sind meine Mutter und meine Brüder . Wenn Christus sich den Gottes- und Menschensohn nennt , wenn er sagt  : Niemand kennt den Vater als der Sohn , und wem es der Sohn will oVen­baren , so hat diß hier zunächst den allgemeinen Sinn , daß die Menschen Kinder Gottes sind und sich zu Kindern Gottes machen sollen . Dieser Lehrer hat Freunde um sich versammelt , und sie in seiner Lehre gebildet . Da aber seine Lehre revolutionär war , so wurde er angeklagt und besiegelte seine Lehre mit dem Tode . – So weit geht der Unglaube . Da ist dann Christus ähnlich dem Sokrates , auch dieser ist mit der Innerlichkeit seiner Lehre entgegengestanden den Göttern seines Volkes und daher zum Tode verurtheilt . Aber nicht nur hat Christi Lehre , weil er einem andren Volk angehörte , eine andre Färbung als die des Sokrates , sondern Christi Lehre vom Himmelreich ist eine unendlich größere Tiefe als die Innerlichkeit des Sokrates . Diß ist also die äusserliche Geschichte | Christi , wie sie für den Unglauben ist . Aber mit dem Tode Christi beginnt die Umkehrung , und es tritt die Be­ trachtung des Glaubens , des heiligen Geistes , die g ö t t l i c h e B e t r a c h t u n g ein , daß in Christo ge­oVen­bart sey die göttliche Natur . Dieses glaubige Bewußtseyn

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reflectirt sich dann auf Aussprüche wie die obigen  : wer mich sieht der siehet den Vater . Zunächst haben solche Aussprüche eine unbestimmte Allgemeinheit , aber der Glaube ist die rechte Exegese dieser Aussprüche so wie besonders auch des Todes Christi . Der Glaube heißt nämlich nichts andres , als das Bewußtseyn von der absoluten Wahrheit , das Bewußtseyn dessen was Gott ist . Gott ist die 3einigkeit , d . h . dieser Lebensverlauf , das an und für sich Allgemeine zu seyn , sich zu unter­ scheiden und sich gegenüberzusezen , aber darinn mit sich identisch zu seyn  ; kurz  : dieser Schluß zu seyn . Der Glaube nun , daß Gott in Christo sey , ist die Gewißheit , daß dieser Verlauf des göttlichen Lebens angeschaut wird und worden sey in dem Verlaufe dieses Lebens . Daß diß darinn angeschaut werden könne , dazu gehören Bedingungen zB die Lehre Christi , besonders seine Aussprüche von sich welche zunächst seine Versicherungen sind , und ihrem Inhalt nach von der Art , daß sie auch in die allgemeine Sphäre des Vorstellens herab exegesirt werden können . Das andre Kriterium ist , daß wir an diesem Individuum göttliche Macht sehen , die Wu n d e r  . Gegen diese kann der Mensch , alles Mögliche einwenden  : es ist diß die Zeit des Wunderglaubens gewesen , auch andre haben Wunder gethan pp . Die andre Betrachtung ist aber die des Glaubens . Wenn Christus der Gottmensch ist , so haben die Wunder keine Schwierigkeit mehr . Andrerseits sind die Wunder immer nur für den Glauben , für welchen sie aber hinwiederum , als sich von selbst verstehend , etwas Geringfügiges werden . Es ist überhaupt der Glaube beruhend auf dem Zeugniß des heiligen Geistes , welcher der Erscheinung Christi ihre volle Bedeutung gibt . Die Jünger hatten mit Christo gelebt , alle seine Lehren gehört , alle seine Thaten gesehen , und dennoch will ihnen Christus den heiligen Geist erst senden , d . h . daß die Ueberzeugung , die sie während seines Lebens von ihm be­ kommen hatten , noch nicht die rechte Wahrheit sey . Diese Ergießung des Geistes wird dann am Pfingstfest vorgestellt . – Das Zeugniß des Geistes ist eine Disposition auf der subjectiven Seite , es ist das unendliche Bedürfniß in dem Geist jener Zeit , der durch die Zertrümmerung der besonderen Volksgeister und ihrer natürlichen Götter erzeugte Trieb , Gott als geistigen in allgemeiner Form zu wissen . Dieser Trieb ist die Forderung einer solchen Erscheinung , einer Manifestation des unendlichen ­Geistes in der Form eines wirklichen Menschen . – Die unendliche Subjectivität Got­ tes ist für das anschauende | Bewußtseyn , in der Form der Einzelheit . Der Glaube nun explicirt sich das Leben Christi , wie es auch schon erzählt ist von solchen , über die dieser Geist gekommen war . Besonders aber ist es der Tod Christi , welcher nur von diesem Zeugniß des Geistes verstanden wird  ; der Tod ist der Prüfstein an welchem sich der Glaube bewährt . Er hat f ü r s E r s t e den Sinn daß Christus der Gott war , der die menschliche Natur an ihm hatte und zwar bis zum Tode , also in absoluter Endlichkeit , und zwar bis zum Tod des Verbrechers – so ist der Tod das Zeugniß , daß die Menschlichkeit bis auf den äussersten Punkt an Christo ist .

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Dann tritt aber die 2 t e B e s t i m m u n g ein  : Gott selbst ist todt  ; die Verzweiflung an aller höheren Wahrheit . Aber dann tritt sogleich 3 t e n s die Umkehrung ein  : es ist unendliche Negation , der Tod Gottes , der sich darinn erhält , so daß dieser Proceß vielmehr ein Tödten des Todes ist , ein Wiederauferstehen ins Leben . Es wird erzählt , Christus selbst sey seinen Jüngern nach seinem Tode wieder erschienen , wozu dann die Himmelfahrt und das Sitzen zur Rechten Gottes kommt . – Diese Geschichte ist dieselbe Explication der göttlichen Natur selbst , wie sie in der ersten Sphäre vorhanden war , nur anfangend in der Unmittelbarkeit für die Anschauung , und an der Einzelheit verlaufend . Die Abstraction des Vaters wird in dem Sohn aufgehoben – diß ist dann der Tod . Aber die Negation dieser Negation ist die Einheit des Vaters und Sohnes , die Liebe , der Geist . So ist also hier derselbe Verlauf der göttlichen Natur wie zuvor , nur für das Bewußtseyn explicirt . Am Tode Christi ist noch wesentlich diß zu betrachten . Diese Erniedrigung und Menschlichkeit ist an Christo ein Fremdes , Angenommenes , da er Gott und von Ewigkeit . Dieses Fremde an Christo ist als solches das Andren angehörige , und diese Andren sind die Menschen , also ihre Endlichkeit in allen ihren Formen – und die Hauptform ist das Böse – hat Christus an und auf sich genommen . So wird einerseits die Menschlichkeit als ein Moment im göttlichen Leben gewußt , aber indem Christus sie tödtet , wird sie ebenso als etwas Gott nicht angehöriges ­erkannt . Diß ist dann das  : Christus hat die Sünde der Welt getragen und ge­tödtet . – Diß ist gegen die juridisch-moralische Imputation , wo jeder für sich selbst zu stehen hat  ; aber diese Imputation hat ihre Stelle nur auf dem Felde der Endlichkeit , nicht auf dem Felde des freien Geistes an ihm selbst . Schon in der Moral , noch mehr in der religiösen Sphäre wird der Geist als f r e i gewußt , so daß die Schranke die das Böse enthält , ein Nichtiges für ihn ist , daß er das Geschehene ungeschehen machen kann . | So ist es die Endlichkeit überhaupt , das Böse überhaupt , welche für den Glauben in diesem Tode gestorben ist  ; er hat somit allgemeine Bedeutung , ist die Versohnung der Welt . Aber hier hört das blose Betrachten auf  ; das Subject wird selbst mit hineingezogen in diesen Schmerz der eignen Entfremdung , und diß ist der Uebergang zum 3ten Theil .

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3 .   D a s R e i c h d e s G e i s t e s  , d i e G e m e i n d e Dieser Theil enthält nun das Verhältniß des Subjects zu dieser ganzen Sphäre . Das Subject hat an ihm selbst diesen Kreis , diese 3 Momente zu durchlaufen , sich selbst mit seiner ursprünglichen geistigen Natur , mit dem göttlichen Ebenbilde in ihm zusammenzuschließen . Dieser Verlauf fängt mit dem Bewußtseyn an , daß der Mensch von Natur nicht so ist , wie er soll , d . h . daß er von Natur böse ist .

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Der Boden dieser Bewegung ist die Gemeinde , Gott , der sich selber weiß in diesem Andren . Die Stiftung der Gemeinde durch Etablirung des Glaubens haben wir gesehen . Das Individuum ist Mitglied der Gemeinde durch die Taufe und soll in ihr das geistige Leben durchleben , was wir als die Bewegung des Wahren ge­ sehen haben . Somit ist der eigentliche Anfang der Gemeinde , und das ­Subject in der­selben  . Indem es in diesem Glauben erzogen wird , ist es damit schon im Ele­ ment des besiegten Bösen im Reiche der Versöhnung . Dadurch aber ist ihm der un­end­liche Schmerz und Kampf nicht erspart , nur gemildert . Der Glaube kommt , indem er dem Individuum gelehrt wird , als ein Äusserliches , bereits Fertiges , als positive KirchenLehre an das Subject . – Das Subject ist also von Natur nicht wie es seyn soll  ; zugleich ist aber die Möglichkeit vorhanden , so zu werden , von Gott zu Gnaden angenommen zu werden . Zu diesem Behufe ergreift das Indivi­ duum die Wahrheit der an sich seyenden Einheit der göttlichen und menschlichen Natur – im Glauben und in der Vorstellung . In diesem Glauben , dieser Voraussezung ist es dann , daß sich das Subject seine Natürlichkeit abarbeitet , mit die­ ser kämpft . Diß ist einerseits Thun des Subjects , andrerseits des heiligen Geistes . Dieser Geist ist ihm aber nichts Ausserliches , sondern sein eigner Geist an welchen er glaubt . – Das dritte ist nun , daß das Subject die Versicherung seiner Einheit mit Gott , seiner Versöhnung erhält . Diß hat zur Bedingung das eben ausgeführte 2te , die Reue und Buße , daß nämlich der Mensch seinen natürlichen Willen entfernt . Wenn diese Bedingung erfüllt ist , so wird dem Menschen jene Einigkeit versichert in dem 2ten Sacramente , dem N a c h t m a h l  , welches der Genuß dieser Einheit ist . In diesem lezten Mittelpunkt der Religion treten Differenzen ein , welche allen übri­ gen Dif­ferenzen in der Religion ihre Bedeutung | geben . Indem das Nachtmahl nicht blose Versicherung der Einheit mit dem Göttlichen ist , sondern wirkliche Ge­währung , so wird dieses als leiblicher Genuß genossen . Nun ist nach der einen Lehre das Göttliche zunächst unterschieden vom Subject als ein Andres , als die Hostie , als dieses Ausserliche gesezt , welches vom Menschen genossen werden soll . Diß ist die k a t h o l i s c h e Religion , und von dieser Ausserlichkeit des Gottes in ihr hängt ihre ganze Äusserlichkeit und Unfreiheit ab . Das lutherische Verhalten ist nun diß , daß nur in dem Verzehren des Sinnlichen und dem Glauben diese Ver­ einigung des Subjects mit Gott ist – ausser dem Genusse ist die Hostie ein gemeines Ding . Das 3te , Zwinglisch Calvinische ist dann , daß diß eine blose Vorstellung und Erinnerung ist , ein blos moralisches Verhältniß . Diß ist also die Gemeinde , und 1) Unmittelbarkeit , 2) Aufhebung derselben und 3) die Versicherung der Versöhnung sind die 3 Stadien des Prozesses Gottes in der­ selben . Die Gemeinde ist , daß für jeden dieser Glaube als Voraussezung vorhanden ist , – so ist der Geist als allgemeiner vorhanden . Die entgegengesezte Vorstellung

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ist , daß jeder seine Lehre für sich habe  ; aber diß ist nur zufällig  ; in der Religion ist diese Particularität aufgezehrt . Diß ist die absolute Wahrheit in ihrer ganzen Explication  : z u e r s t Gott als das ewige Leben der Liebe in sich  ; s o d a n n diese absolute Wahrheit dargestellt als Subject für den vorstellenden endlichen Geist , so daß die sinnliche Gestalt jenes Subjects durch den Geist interpretirt wird . Das d r i t t e ist dann die Explication desselben Lebens der Liebe , desselben Processes , welcher Gott ist und welcher an Christo vorgestellt wird im SelbstBewußtseyn der Gemeinde . Indem aber neben der Religion noch das Feld der Weltlichkeit vorhanden ist , so muß sich die Religion auch in dieser realisiren . Da tritt die katholische Kirche , wie das Subject in ihr ein äusserliches von der Kirche beherrschtes ist , mit der For­ derung auf , auch die Weltlichkeit so äusserlich zu beherrschen . Da aber diese Weltlichkeit auch die Freiheit des Menschen ist , so tritt sie hiegegen wild und rebellisch auf . Die wahre Realisirung der Religion in der Weltlichkeit ist dann die innre , daß sich ein sittliches und rechtliches Staatsleben organisire . Indem nun aber ein solches Staatsleben sich etablirt , so absorbirt es , als selbst die Göttlich­ keit in diesem Felde , jene ganze Expansion des Göttlichen so daß der ganze Inhalt ­zusammenschrumpft . Wie die StaatsGeseze als allgemeine gewußt werden , so macht sich das Denken auch gegen den Inhalt des Glaubens auf | daß er sich dem Denken bewähre . Das Denken ist jezt der Geist , der Zeugniß geben will . Im Glauben ist der wahrhafte Inhalt , aber in der Form der Vorstellung  ; es muß ihm nun die Form des Denkens gegeben werden . Die Philosophie welche diß vollzieht , stellt sich damit nicht über die Religion , sondern nur über die Form des Glaubens als Vorstellung . Fin . 5 . Februar .

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VORLESU NGEN Ü BER DI E ­P HILOSOPHI E DER RELIGION SEKU N DÄ RE Ü BERLI EFERU NG durch Georg Wilhelm Friedrich Hegel  : Werke . Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten . Bde XI und XII  : Vorlesungen über die Philosophie der Religion . Zweite Auflage . Hrsg . von Philipp Marheineke . Berlin 1840 .



vorbemerkung279

VORBEM ERKU NG Den Herausgebern der ersten und der zweiten Ausgabe von Hegels Vorlesungen über die Philo­ sophie der Religion , Philipp Marheineke und – de facto – Bruno Bauer ,1 haben viele Quellen zur Verfügung gestanden , die heute verschollen sind . Dazu gehört vor allem ein Convolut von Manuskripten , das Hegel sich neben seinem – noch erhaltenen – Manu­skript von 1821 (ediert in GW 17) angelegt hat  ; es gehören dazu ferner zahlreiche Nachschriften dieser Vorlesungen , ins­ besondere zum Kolleg von 1831 , das heute nur noch durch die oben mitgeteilten Auszüge von David Friedrich Strauß bruchstückhaft überliefert ist ,2 sowie eine Nachschrift des Kollegs von 1824 durch von Griesheim , die nicht mit der heute noch erhaltenen identisch ist . Nach dem Vorwort zur ersten Ausgabe von Marheineke hat Hegel sich dieses Heftes im Jahr 1827 auf dem Katheder zum Nachschlagen bedient und es auch mit eigenen Zusätzen und Verbesserungen , meist auch nur in einzelnen Worten und Sätzen zu weiteren Ausführungen im mündlichen Vortrage , bereichert . Gleiches gilt für die Nachschrift des Kollegs von 1827 durch einen Hörer aus der Schweiz namens Meyer , die Hegel mit neuen Skizzen für den mündlichen Vortrag versehen hat .3 In den beiden genannten Ausgaben der religionsphilosophischen Vorlesungen lassen sich Partien , die auf solche Materialien zurückgehen , nur noch negativ identifizieren , soweit sie durch die heute überlieferten Manuskripte nicht belegt sind . Eine Zugehörigkeit zum Convolut oder zu einer Nachschrift des Kollegs von 1831 kann im Einzelfall vermutet oder wahrscheinlich gemacht werden , aber sie läßt sich nicht mit Sicherheit vornehmen , zumal bei längeren Passagen nicht gesichert ist , daß sie der gleichen Quelle entstammen . Eine derartige Zuweisung wird deshalb lediglich bei den Passagen vorgeschlagen , die eine ausschließende Beziehung zu den hier edierten Exzerpten von David Friedrich Strauß aufweisen . Solche Partien der zweiten Ausgabe der Werke , deren Quellen heute nicht mehr überliefert sind , werden im Folgenden als Sekundäre Überlieferung mitgeteilt , sofern sie mindestens die Länge eines Satzes haben , so daß ihnen eine eigene Aussagekraft zukommt . Eine Mitteilung von Satz­ teilen oder einzelner eingestreuter Wörter ist nicht möglich . Nicht aufgenommen sind hier ferner solche Partien , die deutlich als redaktionelle Überleitungen der Herausgeber erkennbar sind .

Georg Wilhelm Friedrich Hegel  : Werke . Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten . Bde XI und XII  : Vorlesungen über die Philosophie der Religion . Erste Auflage . Hrsg . von Philipp Marheineke . Berlin 1832 . – Zweite Auflage . Hrsg . von Philipp Marheineke [de facto  : von Bruno Bauer] . Berlin 1840 . 2 Für eine umfassende Information siehe künftig den Editorischen Bericht in GW 29,3  : Vorlesungen über die Philosophie der Religion […] . Anhang . 3 W XI . XII . 2 1

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Die sekundär überlieferten Passagen werden im Folgenden mit der Band- , Seiten- und Zeilen­ zahl der zweiten Auflage der Werke (W2 ) gekennzeichnet . Danach wird in Klammern mitgeteilt , welcher Passage der vorliegenden Ausgabe dieses sekundär überlieferte Material zuzuordnen ist .



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W2 XI . 4 ,10–15 (statt GW 29 ,1 . 115 ,20–22 )  : In der Religion setzt sich der Mensch in Verhältniß zu dieser Mitte , in welche alle seine sonstigen Verhältnisse zusammengehen , und er erhebt sich damit auf die höchste Stufe des Bewußtseyns und in die Region , die frei von der Beziehung auf Anderes , das schlechthin Genügende , das Unbedingte , Freie und Endzweck für sich selber ist . W2 XI . 4 ,21–27 (statt GW 29 ,1 . 115 ,27 –116 ,1)  : In der Region , wo sich der Geist mit diesem Zweck beschäftigt , entladet er sich aller Endlichkeit und gewinnt er die letzte Befriedigung und Befreiung  ; denn hier verhält sich der Geist nicht mehr zu etwas Anderem und Beschränktem , sondern zum Unbeschränkten und Unendlichen und das ist ein unendliches Verhältniß , ein Verhältniß der Freiheit und nicht mehr der Abhängigkeit  ; W2 XI . 7 ,3 v . u . –8 ,14 (Einschub in GW 17 . 13 ,14–15)  : In diesem Verhältniß liegt die Quelle der Entzweiung gegen den ursprünglichen , absoluten Drang des Geistes zur Religion und haben sich | überhaupt die mannigfachsten Formen des Bewußtseyns und die verschiedenartigsten Beziehungen derselben zu dem Interesse der Religion gebildet . Ehe die Religionsphilosophie sich zu ihrem eigenen BegriVe sammeln kann , muß sie sich durch alle jene Verschlingungen der Zeitinteressen , die sich in dem großen Kreise des religiösen Gebiets gegenwärtig concentrirt haben , hindurcharbeiten . Zunächst steht die Bewegung der Zeitprincipien noch außerhalb der philosophischen Einsicht , aber sie treibt sich selbst dahin , daß sie mit der Philosophie in Berührung , Kampf und Gegensatz tritt und diesen Gegensatz und seine Auflösung haben wir zu betrachten , wenn wir den Gegensatz , wie er noch außerhalb der Philosophie sich hält , untersucht und zu seiner Vollendung , wo er die philosophische Erkenntniß in sich hineinzieht , sich entwickeln gesehen haben . W2 XI . 14 ,3–1 v . u . (statt GW 17 . 21 ,23 –22 ,1)  : So liegt eine E n t z w e i u n g i n s i c h s e l b s t darin , daß der ewigen Wirkungsweise Gottes zuwider endliche Dinge zu wesentlichen Zwecken erhoben werden . W2 XI . 15 ,18–25 (statt GW 17 . 22 ,9–12 )  : Damit entwickelt sich zugleich voll­ ends das Princip des Selbstischen . Ich , als einfach , allgemein , als Denken , bin Beziehung überhaupt  ; indem ich für mich , Selbstbewußtseyn , bin , sollen die Beziehungen auch für mich seyn . Den Gedanken , Vorstellungen , die ich mir zu eigen mache , denen gebe ich die Bestimmung , die ich selber bin . Ich bin dieser einfache Punkt und das , was für mich ist , will ich in dieser Einheit erkennen .

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W2 XI . 18 ,2–15 (statt GW 17 . 24 ,17 –25 ,3)  : Es fürchtet seine Freiheit zu verlieren , wenn es der Forderung des Gefühls Folge leistete und unbedingt eine Wahrheit anerkennte , die es nicht bestimmt einsieht . Und wenn das religiöse Gefühl aus seiner Allgemeinheit heraustritt , sich Zwecke giebt , zum B e s t i m m t e n übergeht , so kann das Erkennen darin nur w i l l k ü r l i c h e B e l i e b i g k e i t sehen und würde es sich , wenn es ebenso zum Bestimmten übergehen sollte , dem Z u f a l l preisgegeben sehen . Wenn daher die Reflexion als gebildete sich in die Religion hineintragen muß , so kann sie es in ihr nicht aushalten und wird sie gegen alle Bestimmungen derselben ungeduldig . / c . Ist nun der Gegensatz zu dieser Ausbildung gekommen , wo immer die eine Seite , wenn die andere sich ihr nähert , diese als ihren Feind von sich abstößt , so tritt das B e d ü r f n i ß e i n e r A u s g l e i c h u n g ein , W2 XI . 23 ,4–10 (nach GW 29 ,2 . 6 ,2 )  : Das Erkennen , wie es sich der Religion gegenüber seine Welt erbaute , hatte sich nur den e n d l i c h e n I n h a l t zu eigen gemacht , wie es sich aber zur wahrhaften Philosophie fortgebildet hat , so hat es mit der Religion denselben Inhalt . / Suchen wir nun aber den Un t e r s c h i e d der Religion und Philosophie , wie er sich in dieser E i n h e i t d e s I n h a l t s hervorthut , vorläufig auf , so ist es folgender . W2 XI . 24 ,4 v . u . –25 ,15 (nach GW 17 . 48 ,16 )  : B e w u ß t s e y n s  , dessen Seiten nicht e i n f a c h e D e n k b e s t i m m u n g e n  , sondern c o n c r e t e r f ü l l t e sind . Diese Momente können keine anderen seyn , als das M o m e n t d e s D e n k e n s  , t h ä t i g e A l l g e m e i n h e i t  , Wirksamkeit des | Denkens und die Wirklichkeit als u n m i t t e l b a r e s  , b e s o n d e r e s S e l b s t b e w u ß t s e y n  .  / Während sich nun in der Philosophie die Härte dieser beiden Seiten durch die Ve r s ö h n u n g i m G e d a n k e n verliert , weil b e i d e S e i t e n G e d a n k e n  , nicht die eine reines a­ llgemeines Denken und die andere empirischer , einzelner Charakter sind , kommt die Religion zum Genuß der Einheit nur dadurch , daß sie diese beiden harten Extreme aus der Entzweiung heraushebt , bearbeitet und zusammenschließt . Dadurch aber , daß die Religion ihren Extremen die Form der Entzweiung abstreift , den Gegensatz im Element der Allgemeinheit flüssig macht , und zur Versöhnung bringt , dadurch bleibt sie immer dem Gedanken auch der Form und der Bewegung nach verwandt und ist ihr die Philosophie als das schlechthin thätige und den Gegensatz vereinigende Denken unmittelbar nahe gerückt . W2 XI . 25 ,16–20 (vor GW 29 ,1 . 118 ,1)  : Die denkende Betrachtung der Religion hat nun die bestimmten Momente derselben selbst zu Gedanken erhoben und es fragt sich , wie diese d e n k e n d e B e t r a c h t u n g d e r R e l i g i o n als e i n G l i e d i m Sy s t e m d e r Ph i l o s o p h i e sich zu dieser überhaupt verhalte . W2 XI . 27 ,17–22 (Einschub in GW 29 ,1 . 27 ,17)  : Wir sagen populär , Gott ist der Herr der natürlichen Welt und des Geisterreiches  ; er i s t die absolute Harmonie

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beider und das Hervorbringende und Bethätigende dieser Harmonie , es fehlt hierin weder der Gedanke und BegriV , noch auch die Manifestation desselben , sein Daseyn . W2 XI . 29 ,8–3 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 121 ,23–24 )  : Es sey aber , daß die Bibel mehr nur Ehren halber oder in der That mit völligem Ernst zu Grunde gelegt worden , so bringt es die Natur des interpretirenden Erklärens mit sich , daß der Gedanke dabei mitspricht  ; der Gedanke enthält für sich Bestimmungen , Grundsätze , Voraussetzungen , die sich dann in dem Geschäft des Interpretirens geltend machen . W2 XI . 30 ,14–18 (Einschub in GW 29 ,1 . 122 ,9 )  : Ist es doch selbst bei der Darstellung eines in sich schon entwickelten philosophischen Systems , z . B . des Plato oder Aristoteles der Fall , daß die Darstellungen nach der schon in sich bestimmten Vorstellungsweise derjenigen , die sie unternehmen , verschieden ausfallen . W2 XI . 30 ,11 v . u . –34 ,4 (vgl . GW 29 ,1 . 122 ,13–125 ,19 )  : b . Die Vernunfttheologie , die so entstanden ist , blieb aber nicht dabei stehen , daß sie sich nur als Exegese noch auf dem Boden der Bibel hielt , sondern als f r e i e s E r k e n n e n gab sie sich ein Verhältniß zur Religion und zu deren Inhalt überhaupt . In diesem allgemeineren Verhältnisse kann die Beschäftigung und das Resultat kein anderes seyn , als daß das Erkennen sich alles dessen bemächtigt , was auf Seiten der Religion ein B e s t i m m t e s ist . Die Lehre von Gott geht nämlich zu Bestimmungen , zu Eigenschaften , Handlungen Gottes fort . Dieses bestimmten Inhalts bemächtigt sich die Erkenntniß und zeigt , daß er i h r a n g e h ö r e  . Sie faßt das Un e n d|l i c h e einerseits n a c h i h r e r e n d l i c h e n We i s e als ein B e s t i m m t e s  , als ein a b s t r a c t Unendliches und findet dann andererseits , daß alle besonderen Eigenschaften diesem Unendlichen u n a n g e m e s s e n sind . Sie macht dadurch den religiösen Inhalt auf ihre Weise zu nichte und den absoluten Gegenstand vollkommen arm . Das Endliche und Bestimmte , das sie in ihren Kreis gezogen hat , weist für diese Erkenntniß zwar auf ein J e n s e i t s hin , aber dieses faßt sie selbst auf e n d l i c h e Weise , als ein a b s t r a c t e s  , h ö c h s t e s We s e n  , dem gar kein Charakter zukommt . Die Aufklärung – diese ist nämlich die so eben geschilderte Vollendung des endlichen Erkennens – meint Gott recht hoch zu stellen , wenn sie ihn das Unendliche nennt , für welches alle Prädicate unangemessen und unberechtigte Anthropomorphismen seyen . In Wirklichkeit aber hat sie Gott , wenn sie ihn als das höchste Wesen faßt , hohl , leer und arm gemacht . / c . Scheint es nun , daß die Religionsphilosophie sich mit dieser Vernunfttheologie der Aufklärung auf gleichem Boden und somit in demselben Gegen­satze gegen den Inhalt der Religion befinde , so ist das ein Schein , der sich sogleich auflöst .  / α . Denn von jener vernünftigen Betrachtung der Religion , die nur abstracte Verstandesmetaphysik war , wurde Gott als ein Abstractum gefaßt ,

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welches leere Idealität ist , und dem das Endliche äußerlich gegenübersteht und so machte auch auf diesem Standpuncte die M o r a l als besondere Wissenschaft das Wissen von dem aus , was auf die Seite des wirklichen S u b j e c t s fiel in Rücksicht des Handelns und Verhaltens . Die Seite der Beziehung des Menschen zu Gott stand abgesondert für sich da . Hingegen die denkende Vernunft , die sich nicht mehr abstract hält , sondern vom Glauben des Menschen an die Würde seines Geistes ausgeht und vom Muth der Wahrheit und Freiheit getrieben wird , faßt die Wahrheit als ein C o n c r e t e s  , als Fülle von Inhalt , als Idealität , in welcher die B e s t i m m t|h e i t  , das Endliche als Moment enthalten ist . Gott ist ihr daher nicht das Leere , sondern Geist und diese Bestimmung des Geistes bleibt ihr nicht nur ein Wort oder eine oberflächliche Bestimmung , sondern die Natur des Geistes entwickelt sich für sie , indem sie Gott wesentlich als den Dreieinigen erkennt . So wird Gott gefaßt , wie er sich zum Gegenstande seiner selbst macht und dann der Gegenstand in dieser Unterscheidung seiner mit Gott identisch bleibt , Gott sich darin selbst liebt . Ohne diese Bestimmung der D r e i e i n i g k e i t wäre Gott nicht Geist und Geist ein leeres Wort . Wird aber Gott als Geist gefaßt , so schließt dieser BegriV die s u b j e c t i ve Seite in sich ein , oder entwickelt sich selbst zu derselben und die Religionsphilosophie als denkende Betrachtung der Religion umspannt den gesammten b e s t i m m t e n Inhalt der Religion . / β .  Was aber jene Form der denkenden Betrachtung betriVt , welche sich an das Wo r t d e r h e i l i g e n S c h r i f t hält und dasselbe mit Vernunft zu erklären behauptet , so steht auch mit dieser die Religionsphilosophie nur scheinbar auf gemein­ samem Boden . Denn jene Betrachtung legt aus eigener Machtvollkommenheit i h r e Räsonnements der christlichen Lehre zu Grunde und wenn sie auch die biblischen Worte noch bestehen läßt , so bleibt doch die particuläre Meinung die Hauptbestimmung , der sich die vorausgesetzte biblische Wahrheit unterwerfen muß . Es b e h ä l t daher jenes Räsonnement s e i n e Vo r a u s s e t z u n g e n und bewegt sich in den Verstandesverhältnissen der Reflexion , ohne daß diese einer Kritik unterworfen werden . Die Religionsphilosophie ist aber als das vernünf­ tige Erkennen der Willkür dieses Räsonnements entgegengesetzt und ist die ­V e r n u n f t d e s A l l g e m e i n e n  , welche auf Einheit dringt . / Die Philosophie ist daher so weit entfernt , sich auf der allgemeinen Heerstraße jener Vernunfttheologie und dieses exegetischen Räsonnements zu befinden , daß diese Richtungen sie vielmehr am meisten bestreiten und zu verdächtigen suchen . Sie | protestiren gegen die Philosophie , aber nur , um sich die Willkür ihres Räsonnements vorzubehalten . Sie nennen die Philosophie etwas P a r t i c u l a r e s  , während dieselbe doch nichts als das vernünftige , wahrhaft allgemeine Denken ist . Sie betrachten die Philosophie als etwas Gespensterartiges , von dem man nicht wisse , was es sey , bei dem es überhaupt nicht geheuer sey , aber mit dieser Vorstellung zeigen sie

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nur , daß sie es bequemer finden , bei ihren regellosen , willkürlichen Reflexionen , welche die Philosophie nicht gelten läßt , stehen zu bleiben . Haben es doch jene Theologen , die sich mit ihren Räsonnements in der Exegese bewegen , sich bei allen ihren Einfällen auf die Bibel berufen , wenn sie gegen die Philosophie die Möglichkeit des Erkennens läugnen , so weit gebracht und so sehr das Ansehen der Bibel herabgesetzt , daß , wenn es so wäre und nach richtiger Erklärung der Bibel keine Erkenntniß der Natur Gottes möglich wäre , der Geist sich nach einer andern Quelle umsehen müßte , um eine inhaltsvolle Wahrheit zu gewinnen . / γ . In der Weise wie jene Verstandesmetaphysik und die räsonnirende Exegese kann daher die Religionsphilosophie der positiven Religion und der Lehre der Kirche , die ihren Inhalt noch bewahrt hat , nicht entgegenstehen . Es wird sich vielmehr zeigen , daß sie der positiven Lehre unendlich näher steht , als auf den ersten Anblick scheint , ja daß die Wiederherstellung der vom Verstande auf das Minimum reducirten Kirchenlehre so sehr ihr Werk ist , daß sie gerade um dieses ihres wahrhaften Inhalts wegen von der nur verständigen Vernunfttheologie als Verdüsterung des Geistes verschrieen wird . Die Angst des Verstandes und sein Haß gegen die Philosophie kommt aus der Besorgniß her , daß er sieht , sie führe sein Reflectiren auf den Grund zurück , d . h . zum Affirmativen , worin es zu Grunde geht und komme doch zu einem Inhalte , zu einer Erkenntniß der Natur Gottes , nachdem aller Inhalt bereits aufgehoben zu seyn schien . Jeder Inhalt erscheint dieser negativen Richtung | als Verfinsterung des Geistes , während sie doch nur in der Nacht , die sie Aufklärung nennt , bleiben will und da allerdings den Strahl des Lichts der Erkenntniß für feindselig halten muß . W2 XI . 34 ,18 –36 ,14 (nach GW 29 ,1 . 126 ,7)  : Der Ausdruck , daß Gott die Welt als Ve r n u n f t regiert , wäre ve r n u n f t l o s  , wenn wir nicht annehmen , daß er sich auch auf die Religion beziehe und der göttliche Geist in der Bestimmung und Gestaltung derselben wirke . Zu diesem Geist steht aber die im Denken vollbrachte Ausbildung der Vernunft nicht in Gegensatz und sie kann somit auch nicht von seinem Werk , das er in der Religion hervorgebracht hat , schlechthin verschieden seyn . Je mehr der Mensch im vernünftigen Denken die Sache selbst in sich walten läßt , auf seine Particularität Verzicht leistet , sich als a l l g e m e i n e s Bewußtseyn verhält , seine Vernunft nicht das Ihrige im Sinne eines Besonderen sucht , um so weniger wird sie in jenen Gegensatz fallen  ; denn sie , die Ve r n u n f t  , ist selbst die S a c h e  , der Geist , der göttliche Geist . Die Kirche oder die Theologen mögen diesen Succurs verschmähen oder es übelnehmen , wenn ihre Lehre vernünftig ge|macht wird , sie können sogar mit stolzer Ironie die Be­ mühungen der Philosophie , wenn sie nicht feindlich gegen die Religion gerichtet sind , sondern vielmehr deren Wahrheit ergründen wollen , zurückweisen und die »gemachte« Wahrheit bespotteln  ; aber dieß Verschmähen hilft nichts mehr

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und ist Eitelkeit , wenn einmal das Bedürfniß der Erkenntniß und der Zwiespalt derselben mit der Religion erwacht ist . Da hat die Einsicht ihre Rechte , die auf keine Weise mehr verweigert werden können , und ist der Triumph der Erkenntniß die Versöhnung des Gegensatzes . / Obwohl sich nun die Philosophie als Religionsphilosophie so sehr von den verständigen Richtungen , die der Religion im Grunde feindlich entgegen sind , unterscheidet und keineswegs ein so Gespensterartiges ist , als das man sie gewöhnlich sich vorstellt , so sehen wir doch noch heutiges Tages den stärksten Gegensatz der Philosophie und Religion als Schibboleth der Zeit gesetzt . Alle Principien des religiösen Bewußtseyns , die sich gegenwärtig ausgebildet haben , – mögen ihre Formen sich gegen einander noch so sehr unterscheiden – kommen doch darin überein , daß sie die Philosophie befeinden , von der Beschäftigung mit der Religion auf jeden Fall abzuhalten suchen , und so ist es noch unser Geschäft , die Philosophie in ihrem Verhältniß zu diesen Z e i t p r i n c i p i e n zu betrachten . Wir haben uns von dieser Betrachtung um so mehr Glück zu versprechen , weil sich zeigen wird , daß bei aller jener Befeindung der Philosophie , mag sie auch von noch so vielen Seiten , ja von fast allen Seiten des gegenwärtigen Bewußtseyns herkommen , dennoch jetzt die Zeit gekommen ist , wo die Philosophie theils auf eine unbefangene , theils auf eine glückliche und gedeihliche Weise sich mit der Religion beschäftigen kann . Denn jene Gegner sind entweder jene Formen des entzweiten Bewußtseyns , das wir oben betrachtet haben . Sie stehen theils auf dem Standpunkt der Verstandes­ meta­physik  , für welche Gott ein Leeres | und der Inhalt verschwunden ist , theils auf dem Standpunkt des Gefühls , welches nach dem Verlust des absoluten Inhalts sich in seine leere Innerlichkeit zurückgezogen hat , aber mit jener Metaphysik in dem Resultate übereinstimmt , daß jede Bestimmung dem ewigen Inhalt – denn er ist ja nur ein Abstractum – unangemessen sey . Oder wir werden sogar sehen , wie die Behauptungen der Gegner der Philosophie nichts Anderes enthalten , als was die Philosophie für ihr Princip und als Grundlage für ihr Princip enthält . Dieser Widerspruch , daß die Gegner der Philosophie die von ihr überwundenen Gegner der Religion sind und daß sie doch an sich das Princip der philosophischen Erkenntniß in ihren Reflexionen besitzen , ist darin begründet , daß sie das geschichtliche E l e m e n t sind , aus welchem heraus das vollendete philosophische Denken sich gestaltet hat . W2 XI . 37 ,5–3 v . u . (statt GW 17 . 9 ,18 )  : Und was , müssen wir weiter fragen , was wäre denn sonst der Mühe werth zu begreifen , wenn Gott unbegreiflich ist ? W2 XI . 38 ,9 –39 ,4 (nach GW 17 . 10 ,7)  : obwohl dieser Standpunkt also ebenso mit dem Inhalt , den die OVenbarung von der göttlichen Natur giebt , als mit dem Vernünftigen fertig geworden ist , so hat er sich doch nach allen seinen niedrigen Verzweigungen in der blinden Anmaßung , die ihm eigen ist , nicht gescheut , sich

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gegen die Philosophie zu kehren , die doch die B e f r e i u n g d e s G e i s t e s aus jener schmachvollen Erniedrigung ist und die Religion aus der Stufe des tiefsten Leidens , das sie auf jenem Standpunkt hat erfahren müssen , wieder hervor­ge­ zogen hat . Selbst die Theologen , die noch in jenem Stadium der Eitelkeit nur zu Hause sind , haben es gewagt , die Philosophie ihrer z e r s t ö r e n d e n Tendenz wegen anzuklagen , Theologen , die n i c h t s vo n d e m G e h a l t e m e h r b e s i t z e n  , d e r z e r s t ö r t we r d e n kö n n t e  . Um diese nicht nur unbegründeten , sondern noch mehr leichtfertigen und gewissenlosen Einwürfe zurückzuweisen , brauchen wir nur kurz zuzusehen , wie die Theologen vielmehr Alles gethan haben , um das B e s t i m m t e der Religion aufzulösen , indem sie 1) die Dogmen in den Hintergrund geschoben oder für g l e i c h g ü l t i g erklärt haben – oder dieselben 2) nur als f r e m d e B e s t i m m u n g e n A n d e r e r und als b l o ß e E r ­ s c h e i n u n g e n e i n e r ve r g a n g e n e n G e s c h i c h t e betrachten . Wenn wir so auf die Seite des I n h a l t s reflectirt und gesehen haben , wie diesen die Philo­ sophie wiederherstellt und vor den Verwüstungen der Theologie sicher stellt , werden wir 3) auf die F o r m jenes | Standpunktes reflectiren und hier sehen , wie die Richtung , die von der Form aus die Philosophie befeindet , über sich selbst so u n w i s s e n d ist , daß sie nicht einmal weiß , wie sie an sich gerade das P r i n c i p der Philosophie in sich enthält . W2 XI . 40 ,7–20 (Einschub in GW 29 ,2 . 7 ,4 )  : Die Gottheit Christi , das Dogmatische , das der christlichen Religion Eigene wird bei Seite gesetzt oder auf etwas nur Allgemeines zurückgeführt . Ja , nicht nur auf der Seite der Aufklärung ist das geschehen , sondern es geschieht selbst von Seiten der f r ö m m e r e n T h e o l o g e n  . Die Dreieinigkeit sey von der alexandrinischen Schule , von den Neuplatonikern in die christliche Lehre hereingekommen , sagen diese mit jener . Wenn aber auch zugegeben werden muß , daß die Kirchenväter die griechische Philosophie studirt haben , so ist es zunächst doch gleichgültig , woher jene Lehre gekommen sey  ; die Frage ist allein die , ob sie a n u n d f ü r s i c h w a h r ist  ; aber das wird nicht untersucht und doch ist jene Lehre die Grundbestimmung der christlichen Religion . W2 XI . 40 ,1 v . u . –41 ,3 (Einschub in GW 29 ,2 . 7 ,13)  : In den Glaubenslehren die­ser Theologen wird man finden , | daß die Dogmen bei ihnen sehr dünne geworden und zusammengeschrumpft sind , wenn auch sonst viel Worte gemacht werden . W2 XI . 42 ,18 –43 ,5 (Einschub in GW 29 ,1 . 125 ,2 )  : Solche Theologie befindet sich gar nicht mehr auf dem Felde des Gedankens , hat es nicht mehr mit dem unendlichen Gedanken an und für sich , sondern mit ihm nur als einer e n d l i c h e n T h a t s a c h e  , Meinung , Vorstellung u . s . f . zu thun . Die Geschichte beschäftigt sich mit Wahrheiten , die Wahrheiten w a r e n  , nämlich für A n d e r e  , nicht mit

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solchen , welche Eigenthum wären derer , die sich damit beschäftigen . Mit dem wahrhaften Inhalt , mit der Erkenntniß Gottes haben es jene Theologen gar nicht zu thun . So wenig der Blinde das Gemälde sieht , wenn er auch den Rahmen betastet , so wenig wissen sie von Gott . Sie wissen nur , wie ein bestimmtes Dogma von diesem oder jenem Concil festgesetzt ist , welche Gründe die Beisitzer eines solchen Concils dazu hatten , wie diese oder jene Ansicht zur Herrschaft kam . Man hat es dabei immer wohl mit der Religion zu thun , und doch ist es nicht die Religion selbst , was dabei in | Betracht kommt . Sie erzählen uns viel von der Geschichte des Malers eines Gemäldes , von dem Schicksal des Gemäldes selber , welchen Preis es zu verschiedenen Zeiten hatte , in welche Hände es gekommen ist , aber von dem Gemälde selbst lassen sie uns nichts sehen . W2 XI . 43 ,7–13 (nach GW 29 ,1 . 125 ,3)  : darum zu thun , daß der Geist mit dem aller­höchsten Interesse s e l b s t in innere Beziehung trete , sich nicht nur mit etwas ihm Fremden beschäftige , sondern aus dem Wesentlichen seinen Inhalt ziehe und sich der Erkenntniß für würdig halte . Da ist es dem Menschen dann um den Werth seines e i g e n e n Geistes zu thun und darf er sich nicht demüthig draußen halten und in der Entfernung herumdrücken . W2 XI . 43 ,16–27 (vor GW 29 ,2 . 8 ,6 )  : Könnte es wegen der I n h a l t s l o s i g k e i t des betrachteten Standpunktes scheinen , daß wir seine Vorwürfe , die er gegen die Philosophie erhebt , nur e r w ä h n t e n  , um ausdrücklich gegen ihn aus­ zusprechen , daß wir den Zweck haben und nicht aufgeben , das Gegentheil von dem zu thun , was er für das Höchste hält – nämlich Gott zu erkennen , so hat er doch an seiner F o r m eine Seite an sich , wo er für uns wirklich ein ve r n ü n f ­ t i g e s I n t e r e s s e haben muß , und nach dieser Seite ist die neuere Stellung der Theologie noch günstiger für die Philosophie . Damit nämlich , daß alle objective Bestimmtheit in die I n n e r l i c h k e i t d e r S u b j e c t i v i t ä t zusammengefallen ist , ist die Ueberzeugung verbunden , W2 XI . 44 ,5 v . u . –45 ,5 (Einschub in GW 29 ,2 . 8 ,31)  : In dieser allgemeinen Disposition des Geistes der Zeit hat die Philosophie daher nicht nur eine äußerlich günstige Stellung gewonnen – um das Aeußerliche ist es ihr nie zu thun , am wenigsten da , wo sie und die Beschäftigung mit ihr selbst als Staatsanstalt existirt – sondern | innerlich ist sie begünstigt , wenn ihr Princip schon von selbst im Geiste und in den Gemüthern als Voraussetzung lebt . Denn das ist ihr mit jener Bildung g e m e i n s c h a f t l i c h  , daß die Vernunft der Ort des Geistes sey , wo Gott sich dem Menschen oVenbart . W2 XI . 46 ,15–24 (statt GW 29 ,2 . 9 ,32 –10 ,1)  : und zeigt in ihm nicht unter­ schiedene Bestimmungen auf , so daß er selbst als das Verhältniß dieser Bestimmungen und als Ve r h ä l t n i ß i n s i c h s e l b s t gefaßt würde . Gott ist nicht vor uns als Gegenstand der Erkenntniß , sondern nur unsre Beziehung auf Gott ,

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u n s e r Ve r h ä l t n i ß z u i h m  , und während der Ausführungen über die Natur Gottes immer weniger geworden sind , wird jetzt nur gefordert , der Mensch solle Religion haben , bei der Religion bleiben und es solle nicht zu einem göttlichen Inhalt fortgegangen werden . W2 XI . 47 ,18–20 (statt GW 29 ,2 . 10 ,20–23)  : Man hat gesagt , die Welt , das sinnliche Universum , müsse Zuschauer haben und für den Geist sein , so muß Gott noch viel mehr für den Geist seyn . W2 XI . 47 ,5 v . u . –48 ,22 (statt GW 29 ,2 . 10 ,30 –11 ,3)  : so setzt die E i n h e i t u n d Un z e r t r e n n t h e i t b e i d e r B e s t i m m u n g e n  , des Wissens von Gott und des Selbstbewußtseyns , selbst voraus , was in der Identität ausgesprochen ist , und ist eben darin die gefürchtete I d e n t i t ä t enthalten . / In der That sehen wir so in der Bildung der Zeit als | allgemeines E l e m e n t den philosophischen Grund­begriV vorhanden und es zeigt sich auch hier , wie die Philosophie nicht in der Form über ihrer Zeit stehe , daß sie etwas von deren allgemeiner Bestimmt­ heit schlechthin Verschiedenes wäre , sondern E i n G e i s t geht durch die Wirklichkeit und durch das philosophische Denken , nur daß dieses das w a h r h a f t e S e l b s t ve r s t ä n d n i ß d e s W i r k l i c h e n ist . Oder es ist Eine Bewegung , von der die Zeit und die Philosophie derselben getragen wird , der Unterschied ist nur der , daß die Bestimmtheit der Zeit noch als z u f ä l l i g vorhanden erscheint , nicht g e r e c h t f e r t i g t ist und so auch gegen w a h r h a f t we s e n t l i c h e n Gehalt noch i n e i n e m u n ve r s ö h n t e n  , f e i n d l i c h e n Ve r h ä l t n i s s e stehen kann , während die Philosophie als Rechtfertigung des Princips auch die a l l g e m e i n e B e r u h i g u n g u n d Ve r s ö h n u n g ist . Wie die lutherische Reformation den G l a u b e n auf die ersten Jahrhunderte zurückführte , so hat das Princip des unmittelbaren Wissens die christliche E r k e n n t n i ß auf die e r s t e n E l e m e n t e zurückgeführt  ; wenn aber diese Reduction zunächst noch den we s e n t l i c h e n I n h a l t ve r f l ü c h t i g t  , so ist es die Philosophie , welche dieß P r i n c i p des unmit­telbaren Wissens selbst als I n h a l t erkennt und als solchen zu seiner w a h r h a f t e n A u s b r e i t u n g i n s i c h s e l b s t fortführt . W2 XI . 49 ,1–23 (statt GW 29 ,1 . 126 ,14 –127 ,2 )  : B .  Vo r f r a g e n  .  / Ehe an die Abhandlung unseres Gegenstandes selbst gegangen werden könne , scheint es unerläßlich zu seyn , mehrere Vo r f r a g e n zu erledigen , oder vielmehr Untersuchungen über dieselben in dem Sinne anzustellen , daß es erst von dem Ergebniß dieser Untersuchungen abhängig gemacht werde , ob überhaupt eine solche Abhandlung , eine Vernunfterkenntniß der Religion m ö g l i c h sey . Es scheint die Untersuchung dieser Fragen und ihre Beantwortung deshalb unumgänglich nothwendig zu seyn , weil sie das philosophische und populare Interesse des Nachdenkens unsrer Zeit vornemlich beschäftigt haben und weil sie die Prin­ cipien betreVen , auf welchen die Ansichten der Zeit über den religiösen Inhalt

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wie über die Erkenntniß desselben beruhen . Wenigstens wird es nothwendig seyn , wenn wir solche Untersuchung u n t e r l a s s e n  , zu zeigen , daß diese Unterlassung nicht z u f ä l l i g geschieht , und daß wir das R e c h t dazu haben , weil das Wesentliche jener Untersuchung i n u n s r e W i s s e n s c h a f t s e l b s t f ä l l t und alle jene Fragen nur in ihr erledigt werden können . / Wir haben daher hier nur den Hindernissen in das Auge zu sehen , welche die bisher betrachtete Bildung und Ansicht der Zeit der Berechtigung , die Religion begreifend zu erkennen , entgegenstellt . W2 XI . 50 ,21–51 ,5 (Einschub in GW 29 ,1 . 128 ,1)  : Ist der Zwist zwischen der Einsicht und Religion entstanden , so führt er , wenn er nicht i n d e r E r k e n n t n i ß geschlichtet wird , zur Ve r z w e i f l u n g  , welche an die Stelle der Ver­ söhnung tritt . Die Verzweiflung ist die e i n s e i t i g d u r c h g e f ü h r t e Ve r s ö h ­ n u n g  . Man wirft die eine Seite weg , hält die andere allein fest , gewinnt aber dabei nicht wahrhaften Frieden . Entweder wirft dann der in sich entzweite Geist d i e F o r d e r u n g d e r E i n s i c h t weg und will zum unbefangenen , religiösen Gefühl zurückkehren . Das kann aber der Geist nur , wenn er sich G e w a l t anthut  ; denn die Selbständigkeit des Bewußtseyns verlangt Befriedigung , läßt sich nicht gewaltsam hinwegstoßen und dem selbständigen Denken entsagen zu wollen , vermag der gesunde Geist nicht . Das religiöse Gefühl wird | S e h n s u c h t  , H e u c h e l e i und behält d a s M o m e n t d e r N i c h t b e f r i e d i g u n g  . Die andere Einseitigkeit ist G l e i c h g ü l t i g k e i t g e g e n d i e R e l i g i o n  , die man entweder dahingestellt seyn und auf sich beruhen läßt oder endlich bekämpft . Das ist die Consequenz seichter Seelen . W2 XI . 52 ,11 v . u . –53 ,2 (Einschub in GW 29 ,1 . 129 ,16 )  : daß sie des Beweises vom Seyn des Inhalts überhoben sind . Bei der Arithmethik werden Zahlen , bei der Geometrie Raum , in der Medicin menschliche Körper , Krankheiten von vornherein zugestanden und es wird ihnen nicht zugemuthet , zu erweisen , daß es z . B . einen Raum , Körper , Krankheiten giebt . Die Philosophie überhaupt hat daher scheinbar den Nachtheil , vorher , ehe sie beginnt , ihren Gegenständen ein Seyn sichern zu müssen  ; wenn man es ihr allenfalls passiren läßt , daß es eine Welt g i e b t  , so wird sie dagegen sogleich in Anspruch genommen , wenn sie ebenso die Wirklichkeit des Unkörperlichen überhaupt , eines von der Materie | freien Denkens und Geistes , noch mehr Gottes voraussetzen wollte . W2 XI . 53 ,7–1 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 130 ,12–13)  : Denn gewöhnlich , wenn die Leute einen Einfall haben , den sie für recht gescheut halten , sind sie am thörigsten daran und die Satisfaction besteht darin , daß sie für ihre Thor­heit und Unwissenheit sich eine vor­treV­liche Wendung gefunden haben . Ueber­haupt sind sie unerschöpflich in Wendungen , wenn es darauf ankommt , sich ein gutes Gewissen wegen ihrer Trägheit zu machen und von der Sache wegzukommen .

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W2 XI . 56 ,4–1 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 14 ,33)  : Die Kantische Philosophie scheint aber für jenes Räsonnement nur darum dagewesen zu seyn , damit man desto ungescheuter mit jenen Kategorien verfahren dürfe . W2 XI . 57 ,4 v . u . –58 ,7 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 15 ,11)  : Die W i r k l i c h k e i t ist ihnen nicht präsent , sondern fremd und unbekannt . Ihr gegen die Philosophie feindlich gerichtetes Gerede ist daher S c h u l g e s c h w ä t z  , das sich in leere , inhaltslose Kategorieen einhängt , | während wir mit der Philosophie nicht in der sogenannten Schule , sondern i n d e r We l t d e r W i r k l i c h k e i t sind und an dem Reichthum der Bestimmungen derselben nicht ein Joch , in das wir gebannt wären , sondern in ihnen freie Bewegung haben . Und dann sind Diejenigen , welche die Philosophie bekämpfen und verunglimpfen , durch ihr endliches Denken sogar unfähig , einen philosophischen Satz zu fassen , und selbst indem sie seine Worte etwa wiederholen , haben sie ihn verkehrt , denn sie haben seine Unendlichkeit nicht gefaßt , sondern ihre e n d l i c h e n Ve r h ä l t n i s s e hineingetragen . Die Philosophie ist so u n ve r d r o s s e n und giebt sich die große Mühe , daß sie sorgfältig untersucht , was an ihrem Gegner ist . Das ist freilich nach ihrem BegriVe nothwendig und sie befriedigt nur den inneren Drang ihres BegriVes , wenn sie beides , sich und das ihr Entgegengesetzte , erkennt (verum index sui et falsi) , aber sie sollte doch als Vergeltung den Gegendienst erwarten können , daß nun auch der Gegensatz von seiner Feindschaft lasse und ruhig ihr Wesen erkenne . Das erfolgt nun freilich nicht und die Großmuth , den Gegner anerkennen zu wollen und feurige Kohlen auf sein Haupt zu sammeln , hilft ihr nichts , denn der Gegner hält nicht still und beharrt auf sich . Allein wenn wir sehen , daß der Gegensatz wie ein Gespenst zerstäubt und sich in Nebel auflöst , so wollen wir dabei nur uns und d e m b e g r e i f e n d e n D e n k e n R e c h e n s c h a f t g e b e n  , nicht bloß g e g e n d e n A n d e r n Recht behalten . Und ihn gar zu überzeugen , diese persönliche Einwirkung auf ihn ist unmöglich , da er in seinen beschränkten Kategorieen stehen bleibt . W2 XI . 59 ,10–17 (Einschub in GW 29 ,2 . 15 ,22 )  : Da wir mit der Religion , dem Höchsten und Letzten , in der folgenden Abhandlung anfangen , so müßten wir nun voraussetzen können , daß die Eitelkeit jener Verhältnisse längst überwunden sey . Aber zugleich , weil wir die Wissenschaft überhaupt nicht von vorn anfangen , sondern die Religion eigens betrachten , so muß auch innerhalb derselben auf das Rücksicht genommen werden , was bei ihr vornemlich für Verstandesverhältnisse in Betracht zu kommen pflegen .

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Zur Einteilung W2 XI . 59 ,9 v . u . –60 ,2 (nach GW 29 ,2 . 15 ,26 )  : Nach den Momenten des BegriVs wird daher die Darstellung und Entwickelung der Religion in drei Theilen geschehen . Wir werden den BegriV der Religion betrachten zuerst im A l l g e m e i n e n  , dann in seiner B e s o n d e r h e i t als sich theilenden und unterscheidenden BegriV , welches die Seite des Ur-theils , der Beschränktheit , der Differenz und der Endlichkeit ist , und drittens den BegriV , der sich mit sich zusammenschließt , den S c h l u ß oder die Rückkehr des BegriVs aus seiner Bestimmtheit , worin er sich ungleich ist , zu sich selbst , so , daß er zur | Gleichheit kommt mit seiner Form und seine Beschränktheit aufhebt . W2 XI . 60 ,11–27 (Einschub in GW 29 ,2 . 17 ,23–24 )  : Dieser Rhythmus , in dem sich das G a n z e unsrer Wissenschaft und die gesammte Entwickelung des BegriVs bewegt , kehrt aber auch i n j e d e m d e r d r e i a n g e g e b e n e n M o m e n t e w i e d e r  , da jedes derselben in seiner Bestimmtheit a n s i c h d i e To t a l i t ä t ist , bis diese im letzten Momente a l s s o l c h e g e s e t z t i s t  . Wenn daher der BegriV zuerst in der Form der Allgemeinheit , sodann in der Form der Besonderheit und zuletzt in der Form der Einzelheit erscheint oder wenn die Gesammtbewegung unsrer Wissenschaft die ist , daß der BegriV zum Urtheil wird und sich im Schluß vollendet , so wird in jeder Sphäre dieser Bewegung dieselbe Entwickelung der Momente auftreten , nur daß sie in der e r s t e n Sphäre i n d e r B e s t i m m t h e i t d e r A l l g e m e i n h e i t z u s a m m e n g e h a l t e n w i r d  , in der z we i t e n Sphäre , in der der Besonderheit , die M o m e n t e s e l b s t ä n d i g e r s c h e i n e n l ä ß t und erst in der Sphäre der Einzelheit zum wirklichen , sich in der To t a l i t ä t d e r B e s t i m m u n g e n vermittelnden Schluß zurückkehrt . W2 XI . 62 ,1–63 ,23 (vor GW 17 . 51 ,18 )  : 1 .   D a s M o m e n t d e r A l l g e m e i n h e i t  . / Das Erste im BegriV der Religion ist selbst wieder das rein A l l g e m e i n e  , das Moment des Denkens in seiner vollkommenen Allgemeinheit . Nicht dieß oder jenes wird gedacht , sondern d a s D e n k e n d e n k t s i c h s e l b s t  , der Gegenstand ist das Allgemeine , welches als thätig das Denken ist . Als Erhebung zu dem Wahren ist die Religion ein Ausgehen von sinnlichen , endlichen Gegenständen  ; wird dieß bloß ein Fortgehen zu einem Andern , so ist es der schlechte Proceß ins Unendliche und das Gerede , das nicht von der Stelle kommt . Das Denken aber ist Erhebung von dem Beschränkten zu dem schlechthin Allgemeinen und die Religion ist nur durch das Denken und im Denken . Gott ist nicht die höchste Empfindung , sondern d e r h ö c h s t e G e d a n k e   ; wenn er auch in die Vorstellung herabgezogen wird , so gehört doch der Gehalt dieser Vorstellung dem Reiche des Gedankens an . Der thörigtste Irrwahn unsrer Zeit ist die Meinung , daß das Denken der Religion nachtheilig sey und diese um so sicherer besteht , je mehr jenes aufgegeben werde . Dieser Mißverstand kommt

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daher , weil man die höheren geistigen Verhältnisse von Grund aus mißkennt . So nimmt man in Ansehung des Rechts den guten Willen für sich als etwas , das der Intelligenz gegenüberstehe , und traut dem Menschen einen um so mehr wahrhaf­ ten guten Willen zu , je weniger er denke . Vielmehr sind Recht und Sittlichkeit allein darin , daß ich ein Denkendes bin , d . h . meine Freiheit nicht als die meiner empirischen Person ansehe , die mir als diesem B e s o n d e r e n zukäme , wo ich dann den Andern durch List oder Gewalt unterwerfen könnte , sondern daß ich die Freiheit als ein a n u n d f ü r s i c h S e ye n d e s  , A l l g e m e i n e s betrachte .  / Sagen wir nun , die Religion hat d a s M o m e n t d e s D e n k e n s i n s e i n e r vo l l ko m m e n e n A l l g e m e i n h e i t in sich und das Unbeschränkt-allgemeine sey der h ö c h s t e  , a b s o l u t e G e d a n k e  , so machen wir hier noch nicht den Un t e r|s c h i e d z w i s c h e n s u b j e c t i ve m u n d o b j e c t i ve m D e n k e n  . Das Allgemeine ist Gegenstand und ist Denken schlechthin , aber noch nicht in sich entwickelt und fortbestimmt . Alle Unterschiede sind in ihm noch abwesend und aufgehoben , in diesem Aether des Denkens ist alles Endliche vergangen , Alles verschwunden , wie zugleich umfaßt . Aber dieses Element des Allgemeinen ist noch nicht näher bestimmt , aus diesem Wasser und in dieser Durchsichtigkeit hat sich noch nichts gestaltet . / Der Fortgang besteht nun darin , daß dieß Allgemeine sich für sich bestimmt und dieses Sichbestimmen macht dann die Entwickelung der Idee Gottes aus . In der S p h ä r e der A l l g e m e i n h e i t ist zunächst d i e I d e e s e l b s t d e r S t o f f d e s B e s t i m m e n s und der Fortgang erscheint in göttlichen Gestalten , aber das Andere , die Gestaltung , wird in der göttlichen Idee , die noch in ihrer Substantialität ist , gehalten und in der Bestimmung der Ewigkeit bleibt es im Schooße der Allgemeinheit . / 2 .  D a s M o m e n t d e r B e s o n d e r h e i t o d e r d i e S p h ä r e d e r D i f f e r e n z  .  / Die Besonderung , die in der Sphäre des Allgemeinen noch zurückgehalten wird , macht daher , wenn sie wirklich als solche zur Erscheinung kommt , d a s A n d e r e g e g e n d a s E x t r e m d e r A l l g e m e i n h e i t aus W2 XI . 64 ,6–13 (Einschub in GW 17 . 52 ,14 )  : Einmal z . B . lege ich den Accent auf mein empirisches , endliches Bewußtseyn und stelle mich der Unendlichkeit gegenüber , das andere Mal schließe ich mich von mir aus , verdamme mich und gebe dem unendlichen Bewußtseyn das Uebergewicht . Die Mitte des Schlusses enthält nichts Anderes als die Bestimmung beider Extreme selbst . Es sind nicht die Säulen des Herakles , die sich hart einander gegenüberstehen . W2 XI . 65 ,3 –69 ,1 (vgl . GW 17 . 34 ,17 –37 ,22 )  : Als Formen dieser Beziehung beider Extreme werden wir aber kennen lernen / 1 )   d a s G e f ü h l  ,   / 2 )   d i e A n s c h a u u n g  ,   / 3 ) d i e Vo r s t e l l u n g  .  / Den gesammten Kreis dieser Beziehungen , insofern er überhaupt als Erhebung des endlichen Bewußtseyns zum Absoluten die Formen des religiösen Bewußtseyns enthält , werden wir , ehe wir

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sekundäre überlieferung

ihn betreten , in seiner N o t h we n d i g k e i t erkennen müssen . Indem wir diese Nothwendigkeit der Religion aufsuchen , so werden wir dieselbe als g e s e t z t d u r c h A n d e r e s fassen müssen . / Zwar wird in dieser Vermittlung schon , wenn sie uns den Eingang in den Kreis jener Formen des Bewußtseyns öVnet , die Religion sich als e i n R e s u l t a t darstellen , welches sich eben a u f h e b t  , R e s u l t a t z u s e y n  , sie wird sich mithin als das Erste darstellen , durch das Alles vermittelt ist und an dem alles Andere hängt . Wir werden so in dem Vermittelten den Gegenstoß der Bewegung und der Nothwendigkeit sehen , die vorwärtsgeht und ebenso zurückstößt . Aber diese Vermittlung der Nothwendigkeit ist nun auch i n n e r h a l b d e r R e l i g i o n selbst zu setzen , so daß nämlich d i e B e z i e h u n g u n d d e r we s e n t l i c h e Z u s a m m e n h a n g der beiden Seiten , welche der religiöse Geist umschließt , als n o t h we n d i g gewußt wird . Die Formen des Gefühls , der Anschauung und Vorstellung , wie sie nothwendig eine aus der andern hervorgehen , treiben sich nun auch zu jener Sphäre fort , in welcher die i n n e r e Ve r m i t t l u n g i h r e r M o m e n t e sich als nothwendig beweist , d . h . zur S p h ä r e d e s D e n k e n s  , in welcher das r e l i g i ö s e B e w u ß t s e y n sich in seinem B e g r i f f erfassen wird . Diese b e i d e n Ve r m i t t l u n g e n d e r N o t h we n d i g k e i t  ,  | deren eine zur Religion h i n f ü h r t  , die andere i n n e r h a l b d e s r e l i g i ö s e n S e l b s t b e w u ß t s e y n s selbst geschieht , umschließen daher die Formen des religiösen Bewußtseyns , wie es als Gefühl , Anschauung und Vorstellung e r s c h e i n t  .  / 3 .  D i e A u f h e b u n g d e r D i f f e r e n z o d e r d e r C u l t u s  .  / Die Bewegung in der vorhergehenden Sphäre ist überhaupt die Bewegung des BegriVs von Gott , der Idee , sich selbst objectiv zu werden . Diese Bewegung haben wir sogleich in dem Ausdruck der Vorstellung  : Gott ist ein Geist . Dieser ist nicht ein Einzelner , sondern ist nur Geist , insofern er sich selbst gegenständlich ist und im Andern sich als sich selbst anschaut . Die höchste Bestimmung des Geistes ist S e l b s t b e w u ß t s e y n  , welches diese G e g e n s t ä n d l i c h k e i t in sich schließt . Gott ist als Idee ein Subjectives für ein Objectives und Objectives für ein Subjectives . Wenn sich das Moment der Subjectivität weiter bestimmt , so daß der Un t e r s c h i e d gemacht ist zwischen Gott als Gegenstand und dem wissenden Geiste , so bestimmt sich in diesem Unterschiede die subjective Seite als diejenige , welche auf die Seite der Endlichkeit fällt und beides steht sich zunächst so gegenüber , daß die Trennung den Gegensatz von Endlichkeit und Unendlichkeit ausmacht . Diese Unendlichkeit ist aber , weil sie noch mit dem Gegensatz behaftet ist , nicht die wahrhafte  ; der subjectiven Seite , welche für sich ist , ist der absolute Gegenstand noch ein A n d e r e s und die Beziehung auf denselben ist nicht Selbstbewußtseyn . Es ist in diesem Verhältnisse aber auch die B e z i e h u n g vorhanden , daß das Endliche in seiner Absonderung sich als das N i c h t i g e weiß und seinen Gegenstand als das Absolute , als seine S u b s t a n z  .

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Hier findet zunächst das Verhältniß der Furcht gegen das absolute Object statt , da sich gegen dieses die Einzelheit nur als Accidenz oder als ein Vorübergehendes , Verschwindendes weiß . Dieser Standpunkt der Trennung ist aber nicht das Wahrhafte , sondern das sich selbst als nichtig Wissende und deshalb Aufzuhebende und sein Ver|hältniß ist nicht nur ein n e g a t i ve s  , sondern in sich selbst p o s i t i v  . Das Subject weiß die absolute Substanz , in die es sich aufzuheben hat , zugleich als s e i n Wesen , als s e i n e Substanz , worin das Selbstbewußtseyn also an sich erhalten ist . Diese E i n h e i t  , Ve r s ö h n u n g  , Wiederherstellung des Subjects und seines Selbstbewußtseyns , das positive Gefühl des Theilhabens , der Theilnahme an jenem Absoluten und die Einheit mit demselben sich auch wirklich zu geben , diese Aufhebung der Entzweiung macht die Sphäre des Cultus aus . Der Cultus umfaßt dieses gesammte innerliche und äußerliche Thun , welches diese Wiederherstellung zur Einheit zum Zwecke hat . Gewöhnlich faßt man den Ausdruck »Cultus« nur in der beschränktern Bedeutung , daß man darunter nur das ä u ß e r l i c h e  , ö f f e n t l i c h e H a n d e l n versteht und das innere Handeln des Gemüths nicht so sehr hervorhebt . Wir werden aber den Cultus als dieses die I n n e r l i c h k e i t  , wie die äußerliche Erscheinung umspannende Thun fassen , welches überhaupt die Wiederherstellung der Einheit mit dem Absoluten hervorbringt und damit auch wesentlich eine i n n e r e U m k e h r u n g d e s G e i s t e s u n d G e m ü t h s ist . So enthält der christliche Cultus z . B . nicht nur die Sacramente , kirchlichen Handlungen und Pflichten , sondern er enthält auch die sogenannte Heilsordnung als eine schlechthin innere Geschichte und als eine Stufenfolge von Handlungen des Gemüths , überhaupt eine Bewegung , die in der Seele vorgeht und vorgehen soll . / Diese Seite des Selbstbewußtseyns , also des Cultus und die Seite des Bewußtseyns oder der Vorstellung werden wir aber immer auf jeder Stufe der Religion sich e n t s p r e c h e n d finden . Wie der Inhalt des BegriVes von Gott oder das B e w u ß t s e y n bestimmt ist , so ist auch das Verhältniß des Subjects zu ihm oder so ist auch das S e l b s t b e w u ß t s e y n im Cultus bestimmt  ; das eine Moment ist immer der Abdruck des andern , eines weist auf das andere hin . Beide Weisen | von denen die eine nur das objective Bewußtseyn festhält , die andere das reine Selbstbewußtseyn , sind einseitig und heben sich jede an sich selbst auf . / So war es einseitig , wenn die vormalige natürliche Theologie nur Gott a l s G e g e n s t a n d d e s B e w u ß t s e y n s faßte . Diese Betrachtung der Idee Gottes , für welche Gott eigentlich nur das Wesen seyn konnte , wenn sie auch zu den Worten Geist oder Person kam , war inconsequent , denn wirklich durchgeführt hätte sie zu der andern , zur subjectiven Seite , zu der des Selbstbewußtseyns führen müssen . / Eben so einseitig ist es , die Religion nur als etwas S u b j e c t i ve s zu fassen und so die subjective Seite eigentlich zur einzigen zu machen . Hier ist dann der Cultus vollkommen kahl , leer , sein Thun eine Bewegung , die nicht

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von der Stelle kommt , seine Richtung auf Gott eine Beziehung auf eine Null und ein Schießen in das Blaue . Aber auch dieses nur subjective Thun ist in sich inconsequent und muß sich auflösen . Denn soll die subjective Seite auch nur irgendwie bestimmt seyn , so liegt es im BegriV des Geistes , daß er Bewußtseyn ist und s e i n e B e s t i m m t h e i t i h m G e g e n s t a n d wird . Je reicher das Gemüth wäre , je mehr bestimmt , desto reicher müßte ihm dann auch der Gegenstand seyn . Die A b s o l u t h e i t jenes Gefühls , das s u b s t a n t i e l l seyn soll , müßte ferner gerade das enthalten , daß es s i c h vo n s e i n e r S u b j e c t i v i t ä t l o s m a c h t  , denn das Substantielle , das ihm eigen seyn soll , ist gerade gegen das Accidentelle des Meinens und der Neigung gerichtet und ist vielmehr das an und für sich Feste , von unserm Gefühl , unsrer Empfindung Un a b h ä n g i g e und das Objective , das an und für sich besteht . Bleibt das Substantielle nur im Herzen eingeschlossen , so ist es nicht als das Höhere anerkannt und Gott ist selbst nur etwas Subjectives und die Richtung der Subjectivität bleibt höchstens ein Linienziehen ins Leere . Denn das Anerkennen eines Höheren , das dabei noch ausge|sprochen werden mag , W2 XI . 69 ,8 v . u . –70 ,20 (Einschub in GW 17 . 38 ,23–24 )  : Erst wenn die Religion wirklich Verhältniß ist , den Unterschied des Bewußtseyns enthält , dann ist der Cultus als Aufhebung des Entzweiten wirklich gestaltet und lebendiger Proceß . Diese Bewegung des Cultus beschränkt sich aber nicht nur auf die Innerlichkeit , in welcher das Bewußtseyn sich von seiner Endlichkeit befreit , Bewußtseyn seines Wesens ist und das Subject als sich in Gott wissend in den Grund seines Lebens einge|gangen ist , sondern dieses sein unendliches Leben entwickelt sich nun auch n a c h a u ß e n  , denn auch das weltliche Leben , welches das Subject führt , hat jenes substantielle Bewußtseyn zu seiner Grundlage , und die Art und Weise , wie das Subject im weltlichen Leben seine Zwecke bestimmt , hängt von dem Bewußtseyn seiner wesentlichen Wahrheit ab . Dieß ist die Seite , nach welcher die Religion sich in die We l t l i c h k e i t reflectirt und das W i s s e n vo n d e r We l t zur Erscheinung kommt . Dieß Hinausgehen in die wirkliche Welt ist der Religion wesentlich und in diesem Uebergange in die Welt erscheint die Religion als die M o r a l i t ä t i n B e z u g a u f d e n S t a a t und dessen gesammtes Leben . Wie die Religion der Völker beschaVen ist , so ist auch ihre Moralität und Staatsverfassung beschaVen  ; diese richten sich ganz danach , ob ein Volk nur eine beschränkte Vorstellung von der Freiheit des Geistes gefaßt oder das wahrhafte Bewußtseyn der Freiheit hat . / Als die näheren Bestimmungen des Cultus werden sich uns ergeben das Moment der vo r a u s g e s e t z t e n E i n h e i t  , die Sphäre der Tr e n n u n g und die i n d e r Tr e n n u n g s i c h w i e d e r h e r s t e l l e n d e F r e i h e i t  . W2 XI . 71 ,13 –73 ,20 (vgl . GW 17 . 39 ,11–26 )  : Dieß ist das Moment der vo r a u s g e s e t z t e n E i n h e i t  , die im BegriV Gottes liegen muß , so daß der Gegenstand

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des Bewußtseyns (Gott) den ganzen BegriV der Religion an seinem Inhalt zeigt und selbst die Totalität ist . Die Momente des ReligionsbegriVs kommen hier also in der Bestimmung der Vereinigung vor . Die Seiten der wahrhaften Idee sind jede selbst dieselbe Totalität , welche das Ganze ist . Die Inhaltsbestimmungen in beiden Seiten sind mithin nicht an sich verschieden , sondern nur ihre Form . Das absolute Object bestimmt sich mithin für das Bewußtseyn als mit sich einige Totalität . / b . Diese Totalität kommt nun auch vor in der Form der Tr e n n u n g und E n d l i c h k e i t  , welche jener in sich einigen Totalität als die andere Seite gegenübersteht . Die Inhaltsmomente des ganzen BegriVs sind hier gesetzt in der Weise des Auseinandertretens , der Verschiedenheit , mithin als Abstracta . Das erste Moment auf dieser Seite der Verschiedenheit ist das des A n s i c h s e y n s  , des Mitsichidentischseyns , des Formlosen , der Objectivität überhaupt . Dieß ist die M a t e r i e als das Indifferente , gleichgültige Bestehen . An dieses kann auch die Form gebracht werden , aber noch im abstracten Fürsichseyn . Dann heißen wir es We l t  , die in Beziehung auf Gott | theils als dessen Gewand , Kleid , Gestalt erscheint , oder ihm gegenübertritt . / Diesem Moment des indifferenten Ansichseyns steht nun gegenüber das F ü r s i c h s e y n  , überhaupt das N e g a t i ve  , die Form . Dieses Negative nun , in seiner zunächst unbestimmten Form , erscheint als das Negative in der Welt , während diese das Positive , das Bestehen ist . Die Negativität gegen dieses Bestehen , gegen dieß Sichselbstempfinden , Daseyn , Erhalten ist das Ue b e l  . Gott gegenüber , dieser versöhnten Einheit des Ansichseyns und Fürsichseyns , tritt der Unterschied auf , die Welt als das positive Bestehen und in ihr Zerstörung und Widerspruch und da fallen die Fragen herein , die allen Religionen mit mehr oder weniger entwickeltem Bewußtseyn angehören , wie das Uebel mit der absoluten Einheit Gottes zu vereinigen sey und worin der Ursprung des Bösen liege . Dieses Negative erscheint zunächst als das Uebel an der Welt  ; aber es nimmt sich auch zurück zur Identität mit sich , in welcher es das F ü r s i c h s e y n d e s S e l b s t b e w u ß t s e y n s  , der e n d l i c h e G e i s t ist .  / Das sich in sich sammelnde Negative ist nun selbst wieder ein Positives , weil es einfach sich auf sich bezieht . Als Uebel erscheint es i n Ve r w i c k e l u n g mit dem positiven Bestehen . Aber die Negativität , die für sich , nicht an einem andern , das bestehen soll , vorhanden ist , die , s i c h i n s i c h r e f l e c t i r e n d  , i n n e r l i c h e  , u n e n d l i c h e N e g a t i v i t ä t  , die sich selbst Gegenstand ist , ist Ic h überhaupt . In diesem Selbstbewußtseyn und in seiner innern Bewegung selbst thut sich die E n d l i c h k e i t hervor und in es fällt der W i d e r s p r u c h mit sich selbst . So ist in ihm die Störung , das Böse kommt in ihm zum Vorschein und dieß ist d a s B ö s e d e s W i l l e n s  .  / c . Ich aber , das Freie , kann von Allem abstrahiren , diese Negativität und Abscheidung ist es , die mein Wesen constituirt . Das Böse ist nicht das Ganze des Subjects  ; dieß hat vielmehr auch d i e E i n h e i t m i t s i c h

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s e l b s t  , welche die p o s i t i ve Seite | (das Gutseyn) und die Absolutheit , Un e n d l i c h k e i t d e s S e l b s t b e w u ß t s e y n s ausmacht . Es ist dieß das wesentliche Moment der Abgeschiedenheit des Geistes , daß ich von allem Unmittelbaren , allem Aeußerlichen abstrahiren kann . Diese Abgeschiedenheit ist der Zeitlichkeit , der Veränderung und dem Wechsel des Weltwesens , dem Uebel und der Entzweiung entnommen , und als die Absolutheit des Selbstbewußtseyns ist sie in dem Gedanken von der Un s t e r b l i c h k e i t d e r S e e l e vorgestellt . Zunächst ist darin die hervorstechende Bestimmung die F o r t d a u e r i n d e r Z e i t  , dieses Enthobenseyn über die Macht und über den Wechsel der Veränderung , ist aber als schon a n s i c h u r s p r ü n g l i c h dem Geiste angehörig , nicht erst d u r c h d i e Ve r s ö h n u n g ve r m i t t e l t vorgestellt . So kommt die andere Bestimmung hinzu , daß das Selbstbewußtseyn des Geistes e w i g e s  , a b s o l u t e s M o m e n t i n d e m e w i g e n L e b e n ist , in welches es über die Zeit , dieses Abstractum der Veränderung und über das Reale der Veränderung , über die Entzweiung hinaus entrückt wird , wenn es i n d i e E i n h e i t u n d Ve r s ö h n u n g a u f g e n o m m e n ist , die in dem Gegenstand des Bewußtseyns als ursprünglich vorhanden vo r a u s g e s e t z t ist . W2 XI . 74 ,6–16 (Einschub in GW 29 ,1 . 133 ,17)  : In dieser seiner Thätigkeit ist er aber w i s s e n d und ist er das , was er ist , nur als wissender . So ist es der Religion wesentlich , nicht in ihrem B e g r i f f e nur zu seyn , sondern das B e w u ß t s e y n dessen zu seyn , was der BegriV ist , und das Material , worin sich der BegriV , gleichsam als der Plan , ausführt , das er sich zu eigen macht , sich gemäß bildet , ist das menschliche Bewußtseyn , wie z . B . das Recht auch nur ist , indem es im Geiste existirt , den Willen der Menschen einnimmt und sie von ihm als der Bestimmung ihres Willens wissen . So erst realisirt sich die Idee , während sie vorher zunächst selbst nur als Form des BegriVs gesetzt ist . W2 XI . 75 ,9–12 (vor GW 29 ,1 . 133 ,21)  : Dieß heißt also s i c h b e s t i m m e n  , in Existenz treten , für Anderes seyn , seine Momente in Unterschied zu bringen und sich auszulegen . Diese Unterschiede sind keine anderen Bestimmungen , als die der BegriV selbst in sich enthält . W2 XI . 76 ,20 –77 ,5 (vgl . GW 17 . 40 ,1–19 , vor GW 17 . 35 ,8 )  : Die we s e n t l i c h e n M o m e n t e des ReligionsbegriVs erscheinen und treten hervor auf jeder Stufe , wo er nur existirt hat  ; nur dadurch kommt der Unterschied von der wahrhaften Form des BegriVs herein , daß sie noch nicht i n d e r To t a l i t ä t desselben gesetzt sind . Die bestimmten Religionen sind zwar nicht u n s r e Religion , aber als wesentliche , wenn auch als untergeordnete Momente , die der absoluten Wahrheit nicht fehlen dürfen , sind sie in der unsrigen enthalten . Wir haben es also in ihnen nicht mit einem Fremden , sondern m i t d e m Un s r i g e n zu thun und die Erkenntniß , daß es so sey , ist die Versöhnung der wahrhaften Religion

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mit der falschen . So erscheinen auf niederen Stufen der Entwickelung die Momente des ReligionsbegriVs noch als Ahndungen und als wie natürliche Blumen und Gebilde zufällig hervorgesprossen . Aber die | durchgehende Bestimmtheit dieser Stufen ist d i e B e s t i m m t h e i t d e s B e g r i f f s s e l b s t  , die auf keiner Stufe fehlen kann . Der Gedanke der Menschwerdung z . B . geht durch alle Religionen hindurch . Auch in anderen Sphären des Geistes machen sich solche allgemeine BegriVe geltend . W2 XI . 77 ,7–17 (vor GW 17 . 34 ,22 )  : die in der Subjectivität liegende letzte Entscheidung über das , was für das Ganze zu thun ist , das ist auch in einer unausgebildeten Gesellschaft so vorhanden , wie im vollendeten Staate , nur die bestimmte Form dieses Substantiellen ist auf den Stufen seiner Ausbildung verschieden . Worauf es aber hier besonders ankommt , ist , daß der BegriV i n s e i n e r To t a l i t ä t auch wirklich gewußt werde , und je nachdem dieß Wissen vorhanden ist , danach ist auch eine Stufe des religiösen Geistes höher oder niedriger , reicher oder ärmer . Der Geist kann ein Gut in seinem Besitz haben , ohne daß er davon ein entwickeltes Bewußtseyn hat . W2 XI . 78 ,17–20 (Einschub in GW 17 . 41 ,26 )  : Diese Gerechtigkeit müssen wir ihnen widerfahren lassen , denn das Menschliche , Vernünftige in ihnen ist auch das Un s e r e  , wenn auch in unserm höhern Bewußtseyn n u r a l s M o m e n t  . W2 XI . 79 ,5 –80 ,6 (nach GW 29 ,1 . 136 ,10 )  : In der Entwickelung nun als solcher , insofern sie noch nicht zum Ziele gekommen ist , sind die Momente des BegriVs noch auseinanderfallend , so daß d i e R e a l i t ä t d e m B e g r i f f n o c h n i c h t g l e i c h geworden ist , und die geschichtliche Erscheinung dieser M o m e n t e sind die e n d l i c h e n R e l i g i o n e n  . Um diese in ihrer Wahrheit aufzufassen , muß man sie nach den zwei Seiten betrachten , einer Seits wie Gott gewußt wird , wie er bestimmt wird und andrer Seits wie das Subject sich damit selbst weiß . Denn für die Fortbestimmung beider Seiten , der objectiven und subjectiven , ist Eine Grundlage und durch beide Seiten geht E i n e B e s t i m m t h e i t hindurch . Die Vorstellung , welche der Mensch von Gott hat , entspricht der , welche er von sich selbst , von seiner Freiheit hat . Indem er sich in Gott weiß , weiß er damit sein unvergängliches Leben in Gott , er weiß von der Wahrheit seines Seyns , hier tritt also die Vorstellung von der Un s t e r b l i c h k e i t d e r S e e l e als ein wesentliches Moment in die Geschichte der Religion ein . Die Vorstellungen von Gott und von der Unsterblichkeit haben eine nothwendige Beziehung aufeinander  : wenn der Mensch wahrhaft von Gott weiß , so weiß er auch wahrhaft von sich  : beide Seiten entsprechen einander . Gott ist zunächst etwas ganz Unbestimmtes  ; in dem Gange der Entwickelung bildet sich aber das B e w u ß t s e y n dessen , was Gott ist , allmälig weiter aus , verliert immer mehr die anfängliche Unbestimmtheit und damit schreitet auch die Entwickelung des wirklichen S e l b s t b e w u ß t s e y n s

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weiter fort . In die Sphäre dieser Fortentwickelung fallen auch die B e w e i s e vo m D a s e y n G o t t e s  , welche die nothwendige Erhebung zu Gott zu zeigen den Zweck haben . Denn die Verschiedenheit der Bestimmungen , die in dieser Erhebung Gott zugeschrieben werden , sind | durch die Verschiedenheit des Ausgangspunktes gesetzt und diese wiederum ist in der Natur der jedesmaligen geschichtlichen Stufe des wirklichen Selbstbewußtseyns begründet . Die verschiedenen Formen dieser Erhebung werden uns immer den m e t a p h y s i s c h e n G e i s t jeder Stufe geben , dem die w i r k l i c h e Vo r s t e l l u n g von Gott und die Sphäre des C u l t u s entsprechen . W2 XI . 83 ,3–11 (vor GW 29 ,2 . 20 ,25)  : Die Manifestation , Entwickelung und das Bestimmen geht nicht i n’s Un e n d l i c h e fort und hört nicht z u f ä l l i g auf  ; der wahrhafte Fortgang besteht vielmehr darin , daß diese Reflexion des BegriVs in sich sich abbricht , indem sie w i r k l i c h i n s i c h z u r ü c k g e h t  . So ist die ­E r s c h e i n u n g selbst d i e u n e n d l i c h e  , der Inhalt dem BegriV des Geistes gemäß und die Erscheinung so , wie der Geist an und für sich selbst ist . Der ­BegriV der Religion ist in der Religion s i c h s e l b s t g e g e n s t ä n d l i c h geworden . W2 XI . 84 ,10–15 (Einschub in GW 29 ,2 . 21 ,11)  : Die geoVenbarte Religion ist die o f f e n b a r e  , weil in ihr Gott ganz oVenbar geworden . Hier ist alles dem BegriV angemessen  ; es ist nichts Geheimes mehr an Gott . Es ist hier das Bewußtseyn von dem entwickelten BegriV des Geistes , von Versöhntseyn , nicht in der Schönheit , Heiterkeit , sondern i m G e i s t e  .

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Zum Begrif f der Religion Zu »Von Gott« W2 XI . 88 ,16–20 (statt GW 29 ,2 . 23 ,3–21)  : Mit der Hinweisung auf diese in unsrer Wissenschaft sich selbst rechtfertigende Entwickelung nehmen wir es z u n ä c h s t als eine Versicherung auf , daß es Resultat der Philosophie ist , daß Gott das a b s o l u t Wa h r e  , das a n u n d f ü r s i c h A l l g e m e i n e  , Alles Befassende , Enthaltende und Allem Bestandgebende ist . W2 XI . 93 ,16–23 (statt GW 29 ,2 . 27 ,10–11)  : Das Allgemeine tritt also aus diesem Aether der Gleichheit mit sich selbst und des Beisichselbstseyns nie heraus . Gott kann als dieses Allgemeine nicht dazu kommen , bei einem Andern in der That zu seyn , dessen Bestehen mehr als ein Spiel des Scheines wäre . Gegen diese reine Einheit und klare Durchsichtigkeit ist die Materie nichts Un­durch­d ring­ liches und hat der Geist , das Ich nicht die Sprödigkeit , daß er für sich wahrhafte Substantialität besäße .

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Zum religiösen Verhältnis W2 XI . 98 ,9 –99 ,14 (vor GW 17 . 42 ,15)  : In der Lehre von Gott haben wir Gott als Object schlechthin nur für sich vor uns  : freilich kommt dann auch die Beziehung Gottes auf die Menschen hinzu , und während dieß nach der frühern gewöhnlichen Vorstellung nicht wesentlich dazu gehörig erschien , handelt dagegen die neuere Theologie mehr von der Religion als von Gott  : es wird nur gefordert , der Mensch soll Religion haben , dieß ist die Hauptsache und es wird sogar als gleichgültig gesetzt , ob man von Gott etwas wisse oder nicht  ; oder man hält dafür , es sey dieß nur ganz etwas Subjectives , man wisse eigentlich nicht , was Gott sey . Dagegen hat man im Mittelalter mehr das Wesen Gottes betrachtet und bestimmt . Wir haben die Wahrheit anzuerkennen , die darin liegt , daß Gott nicht betrachtet wird getrennt vom subjectiven Geiste , aber nur nicht aus dem Grunde , daß Gott ein Unbekanntes ist , sondern deswegen , weil Gott wesentlich G e i s t  , als w i s s e n d e r ist . Es ist also eine Beziehung von Geist zu Geist . Dieses Ve r h ä l t n i ß von Geist zu Geist liegt der Religion zu Grunde . / Wenn wir nun dessen überhoben wären , mit dem Beweise , daß Gott ist , anzufangen , so hätten wir doch zu beweisen , daß die Religion i s t  , und daß sie n o t h­w e n d i g ist  : denn die Philosophie hat den Gegenstand nicht als einen gegebenen . | / Man könnte nun zwar sagen , jener Beweis sey nicht nöthig , und sich darauf berufen , daß a l l e Völker Religion hätten . Aber dieß ist nur etwas Angenommenes und mit dem Ausdruck «Alles» geht man überhaupt nicht besonders gut um . Sodann giebt es doch auch Völker , von denen man schwerlich sagen dürfte , daß sie Religion haben  : ihr Höchstes , das sie etwa verehren , ist Sonne , Mond , oder was ihnen sonst in der sinnlichen Natur auffällt . Auch giebt es die Erscheinung eines Extrems von Bildung , daß das Seyn Gottes überhaupt geläugnet worden ist und ebenso , daß die Religion die Wahrhaftigkeit des Geistes sey  : ja man hat in diesem Extrem mit Ernst behauptet , die Priester seyen nur Betrüger , indem sie den Menschen eine Religion eingäben , denn sie hätten dabei nur die Absicht gehabt , sich die Menschen unterwürfig zu machen . W2 XI . 102 ,6–11 (nach GW 17 . 46 ,3)  : aber diese Willkür fällt dann ­a u ß e r h a l b auf die Seite des Ichs , das sich als frei auf die Spitze seines Fürsichseyns stellen kann , und gehört nicht mehr der Nothwendigkeit selbst an und ist nicht mehr die e i g e n e s i c h ve r k e h r e n d e N a t u r derselben , wie es der Fall ist , so lange sie nur als N ü t z l i c h k e i t gefaßt wird . W2 XI . 102 ,20–25 (vor GW 17 . 46 ,17)  : nicht w i r setzen diese Nothwendigkeit in Bewegung , sondern es ist das T h u n d e s I n h a l t s selbst , oder der Gegenstand bringt sich selbst hervor . Die subjective Ableitung und Bewegung des Erkennens kommt z . B . in der Geometrie vor  : das Dreieck geht nicht selbst den Weg , den wir im Erkennen und Beweisen zurücklegen .

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W2 XI . 103 ,8 v . u . –119 ,22 (nach GW 17 . 61 ,6 )  : Was den Beweis dieser Noth­ wen­d ig­keit betriVt , so möge Folgendes hinreichen . / Darin , daß Etwas als nothwendig gezeigt werden soll , liegt also , daß von einem A n d e r n ausgegangen werde . Dieses Andere hier des wahrhaften , göttlichen Seyns ist das u n g ö t t ­ l i c h e S e y n  , die e n d l i c h e We l t  , das e n d l i c h e B e w u ß t s e y n  . Wenn nun von diesem als dem Unmittelbaren , Endlichen , Unwahren und zwar von ihm als einem Gegenstande | unsers Wissens und wie wir es unmittelbar als das , was es in seiner bestimmten Qualität ist , auffassen – wenn also in dieser Weise vom Ersten angefangen wird , so zeigt es sich im Fortgange , n i c h t das zu s e y n  , als was es sich unmittelbar giebt , sondern als sich selbst zerstörend , we r d e n d  , sich fortschickend zu einem Andern . Von dem Endlichen , mit dem wir anfangen , sagt uns daher nicht u n s r e Reflexion und Betrachtung , unser Urtheil , daß es ein Wahres zu seinem Grunde habe , nicht w i r bringen seinen Grund herbei , sondern es zeigt an ihm selbst , daß es sich in ein Anderes , in ein Höheres , als es selber ist , auflöse . Wir folgen dem Gegenstande , wie er zur Quelle seiner Wahrheit für sich selbst zurückgeht . / Indem nun der Gegenstand , von dem angefangen wird , in seiner Wahrheit zu Grunde geht und sich selbst aufopfert , so ist er damit nicht ve r s c h w u n d e n  , sein Inhalt ist vielmehr in der B e s t i m m u n g s e i n e r I d e a l i t ä t gesetzt . Ein Beispiel dieser Aufhebung und Idealität haben wir am Bewußtseyn  : Ich beziehe mich auf einen Gegenstand und betrachte denselben dann , wie er ist . Der Gegenstand , den ich zugleich von mir unterscheide , ist selbständig , ich habe ihn nicht gemacht , er hat nicht auf mich gewartet , damit er sey , und er bleibt , wenn ich auch von ihm hinweggehe . Beide , Ich und der Gegenstand , sind also zwei Selbständige  ; aber das Bewußtseyn ist zugleich die Beziehung dieser beiden Selbständigen , in welcher Beide als Eins gesetzt sind  ; indem ich vom Gegenstande weiß , so sind in meiner einfachen Bestimmtheit diese zwei , Ich und das Andere , in Einem . Wenn wir dieß wahrhaft auffassen , so haben wir nicht nur das n e g a t i ve R e s u l t a t  , daß das Einsseyn und das Selbständigseyn Zweier sich aufhebe . Die Aufhebung ist nicht nur die leere Negation , sondern das Negative derer , von denen ich ausgegangen bin . Das Nichts ist also nur d a s N i c h t s d e r S e l b s t ä n d i g k e i t B e i d e r  , das Nichts , worin beide Bestimmungen aufgehoben und ideell enthalten sind . | / Wollten wir nun in dieser Weise sehen , wie das natürliche und geistige Universum in ihre Wahrheit , in den religiösen Standpunkt zurückgehen , so würde die ausführliche Betrachtung dieses Rückganges den ganzen Kreis der philosophischen Wissenschaften bilden . Wir hätten hier anzufangen mit der Natur  ; diese ist das Unmittelbare  ; der Natur stände dann der Geist gegenüber und beide sind endlich , insofern sie einander gegenüberstehen . / Es könnten hier nun z we i ­B e t r a c h t u n g s we i s e n unterschieden werden . / Z u n ä c h s t könnten wir betrachten , was die Natur und

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der Geist a n s i c h sind . Diese Betrachtung würde zeigen , daß sie an sich i n d e r E i n e n I d e e i d e n t i s c h und beide nur die Abspiegelung von Einem und demselben sind , oder daß sie in der Idee ihre Eine Wurzel haben . Dieß würde aber selbst noch eine a b s t r a c t e Betrachtung seyn , die sich auf das beschränkt , was jene Gegensätze a n s i c h sind , und sie nicht nach der I d e e und R e a l i t ä t auffaßt . Die Un t e r s c h i e d e  , die wesentlich zur Idee gehören , wären unbeachtet gelassen . Diese absolute Idee ist das Nothwendige , ist das We s e n beider , der Natur und des Geistes , worin , was ihren Unterschied , ihre Grenze und Endlichkeit ausmacht , wegfällt . Das We s e n des Geistes und der Natur ist Eines und dasselbe , und in dieser Identität sind sie nicht mehr , als was sie in ihrer Trennung und Qualität sind . Bei dieser Betrachtung ist es aber u n s r e e r k e n n e n d e T h ä t i g ­k e i t  , welche diesen beiden ihren Unterschied abstreift und ihre Endlichkeit aufhebt . Es fällt a u ß e r diese begrenzten Welten , daß sie begrenzte sind und daß ihre Grenze in der Idee , die ihre Einheit ist , verschwindet . Dieses Hinwegfallen der Grenze ist ein Wegsehen , das in unsre erkennende Thätigkeit fällt . W i r heben die Form ihrer Endlichkeit auf und kommen zu ihrer Wahrheit . Diese Weise zu fassen ist insofern mehr s u b j e c t i ve r Art , und was sich als die Wahr|heit dieser Endlichkeit darstellt , ist die an sich seyende Idee – die Spinozistische S u b s t a n z oder das A b s o l u t e  , wie es Schelling gefaßt hat . Man zeigt von den natürlichen Dingen , wie von der geistigen Welt , daß sie endlich sind , daß das Wahre das Ve r s c h w i n d e n i h r e r G r e n z e in der absoluten Substanz und daß diese die absolute Identität beider , des Subjectiven und Objectiven , des Denkens und des Seyns ist . Aber sie i s t nur diese Identität . Die Formbestimmtheit und Qualität ist von uns hinweggethan und fällt nicht in die Substanz , die deshalb starre , kalte , b e we g u n g s l o s e N o t h­we n d i g­k e i t ist , in der das Erkennen , die Subjectivität sich nicht befriedigen kann , weil es seine Lebendigkeit und seine Unterschiede in ihr nicht wiederfindet . Auch in der gewöhnlichen Andacht findet sich diese Erscheinung  : man erhebt sich über die Endlichkeit , vergißt dieselbe , aber darum , daß man sie vergessen hat , ist sie noch nicht wahrhaft aufgehoben . / Das Zwe i t e ist die Auffassung der Noth­wendig­keit , daß das Sich-aufheben des Endlichen und das Setzen des Absoluten o b j e c t i ve r Natur ist . Es muß von der Natur und dem Geist gezeigt werden , daß sie sich s e l b s t nach ihrem BegriV aufheben und ihre Endlichkeit darf nicht nur durch subjective Wegnahme ihrer Grenze entfernt werden . Dieß ist dann die Bewegung des ­Denkens , die ebenso Bewegung der Sache ist , und es ist der Proceß der Natur und des Geistes selbst , aus dem das Wahre hervorgeht . So wird / a . die N a t u r betrachtet als das , was sie an ihr selbst ist , als der P r o c e ß  , dessen letzte Wahrheit der Uebergang zum Geist ist , so daß der Geist sich als die Wahrheit der Natur beweist . Das ist die eigene Bestimmung der Natur , daß sie sich aufopfert ,

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v­ erbrennt , so daß aus diesem Brandopfer die Psyche hervorbricht und die Idee sich in ihr eigenes Element , in ihren eigenen Aether sich erhebt . Diese Aufopferung der Natur ist ihr Proceß und hat näher die Bestimmung , daß sie | als Fortgang durch eine Stufenleiter erscheint , wo die Unterschiede in der Form des A u ß e r­e i n­a n d e r­s e y n s da sind . Der Zusammenhang ist nur ein Inneres . Die Momente , die die Idee im Kleide der Natur durchläuft , sind eine Reihe von selbständigen Gestalten . Die Natur ist die Idee an sich und n u r an sich und die Weise ihres Daseyns ist , a u ß e r s i c h z u s e y n in vollkommener Aeußerlichkeit . Die nähere Weise ihres Fortgangs ist aber die , daß der in ihr verschlossene BegriV durchbricht , die Rinde des Außersichseyns in sich zieht , idealisirt und , indem er die Schaale des Krystalls durchsichtig macht , selbst in die Erscheinung tritt . Der innerliche BegriV wird äußerlich oder umgekehrt  : die Natur vertieft sich in sich und das Aeußerliche macht sich zur Weise des BegriVs . So tritt eine Aeußerlichkeit hervor , welche selbst ideell und in der Einheit des BegriVs gehalten ist . Dieß ist die Wahrheit der Natur , das B e w u ß t s e y n  . Im Bewußtseyn bin ich der BegriV , und das , was für mich ist , wovon ich ein Bewußtseyn habe , ist mein Daseyn überhaupt . Dieß ist in der Natur nicht Gewußtes , nur ein Aeußer­li­ches und der Geist erst weiß die Aeußerlichkeit und setzt sie mit sich identisch . In der E m p f i n d u n g  , der höchsten Spitze und dem Ende der Natur , ist schon ein Fürsichseyn enthalten , so daß die Bestimmtheit , die Etwas hat , zugleich ideell und in das Subject zurückgenommen ist . Die Qualitäten eines Steines sind einander äußerlich und der BegriV , den wir davon auffassen , ist nicht in ihm . In der Empfindung hingegen sind nicht äußerliche Qualitäten als solche , sondern sie sind in sich reflectirt , und hier fängt Seele , Subjectivität an . Da ist die Identität , die als Schwere nur Trieb und Sollen ist , in die Existenz getreten . In der Schwere bleibt immer noch ein Außereinander , die verschiedenen Punkte repelliren einander und dieser Eine Punkt , der die Empfindung ist , das Insichseyn , kommt nicht hervor . Das ganze Drängen und Leben der Natur geht aber nach der Empfindung und nach | dem Geiste hin . Indem nun der Geist in diesem Fortgange als nothwendig durch die Natur , als durch sie vermittelt erscheint , so ist diese Vermittlung eine solche , die sich selbst zugleich aufhebt . Das aus der Vermittlung Hervorgehende zeigt sich als den Grund und die Wahrheit desjenigen , woraus es hervorgegangen ist . Dem philosophischen Erkennen ist der Fortgang ein Strom mit e n t g e g e n g e s e t z t e r R i c h t u n g fortleitend zum Andern , aber so zugleich rückwirkend , daß dasjenige , was als das Letzte , als im Vorhergehenden begründet erscheint , vielmehr als das Erste , als der Grund erscheint . / b .  Der G e i s t selbst ist zunächst u n m i t t e l b a r  , für sich ist er dadurch , daß er zu sich selbst kommt , und seine Lebendigkeit ist es , durch sich selbst für sich zu werden . In diesem Proceß sind wesentlich zwei Seiten zu unterscheiden  : einmal

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was der Geist a n u n d f ü r s i c h ist und zweitens s e i n e E n d l i c h k e i t  . Erst ist er ve r h ä l t n i ß l o s  , ideell , verschlossen in der Idee , in dem Zweiten , in seiner Endlichkeit , ist er B e w u ß t s e y n und steht er , da Anderes für ihn ist , im Verhältnisse . Die Natur ist nur Erscheinung , Idee ist sie für uns in der denkenden Betrachtung , also diese ihre eigene Verklärung , der Geist , fällt außer ihr . Die Bestimmung des Geistes ist dagegen , daß die Idee in ihn selbst falle und das Absolute , das an und für sich Wahre für ihn sey . In seiner Unmittelbarkeit ist der Geist noch endlich und diese Endlichkeit hat die Form , daß zunächst , was er a n u n d f ü r s i c h ist , von dem , was in sein B e w u ß t s e y n fällt , u n t e r s c h i e d e n ist . Seine B e s t i m m u n g und seine Unendlichkeit ist nun aber , daß sein Bewußtseyn und seine Idee sich a u s g l e i c h e n  . Diese Vollendung des Geistes und die Ausgleichung der Unterschiede jenes Verhältnisses kann nach dieser doppelten Seite des An- und Fürsichseyns und des Bewußtseyns desselben gefaßt werden . Beides ist zunächst unterschieden  : es ist nicht für das Bewußtseyn , was an und für sich ist , und dieses hat noch die Gestalt des Andern | für den Geist . Beides steht aber auch so in Wechselwirkung , daß der Fortgang des Einen zugleich die Fortbildung des Andern ist . In der Phänomenologie des Geistes ist dieser in seiner Erscheinung als Bewußtseyn und die Nothwendigkeit seines Fortgangs bis zum absoluten Standpunkt betrachtet . Da sind die Gestalten des Geistes , die Stufen , die er producirt , so betrachtet , wie sie in sein Bewußtseyn fallen . Das aber , was der Geist weiß , was er als B e w u ß t s e y n ist , das ist nur das Eine , das Andere ist die N o t h we n d i g k e i t dessen , was der Geist weiß und was für ihn ist . Denn das Eine , daß für den Geist seine Welt i s t  , i s t eben nur und erscheint als zufällig  ; das Andere , die Nothwendigkeit , daß diese Welt für ihn g e wo r d e n ist , ist nicht für den Geist auf dieser Stufe des Bewußtseyns , geht im Geheimen gegen ihn vor , ist nur für die philosophische Betrachtung und fällt in die Entwickelung dessen , was der Geist seinem B e g r i f f nach ist . In dieser Ent­w ickelung kommt es nun zu einer Stufe , wo der Geist zu seinem a b s o l u t e n B e w u ß t s e y n gelangt , auf welcher die Ve r n ü n f t i g k e i t als eine We l t für ihn ist , und indem er auf der andern Seite nach der Weise des Bewußtseyns sich zum Bewußtseyn des An- und Fürsichseyns der Welt ausbildet , so ist hier der Punkt , wo die beiden Weisen , die erst verschieden waren , zusammenfallen . Die Vollendung des Bewußtseyns ist , daß der w a h r h a f t e G e g e n s t a n d für es sey , und die Vollendung des Gegenstandes , des Substantiellen , der Substanz ist die , daß sie für sich sey , d . h . sich von sich unterscheide , und sich selbst zum Gegenstand habe . Das Bewußtseyn treibt sich fort zum Bewußtseyn des Substantiellen und dieses , der BegriV des Geistes , treibt sich fort zur Erscheinung und zum Verhältniß , für sich zu seyn . Dieser letzte Punkt , wo die Bewegung beider Seiten zusammentriVt , ist die s i t t l i c h e We l t  , der Staat . Da ist die Freiheit des Geistes , die in ihrem Wege

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selbständig , wie die Sonne fortgeht , ein vorhandener , vorge|fundener Gegenstand , als eine Nothwendigkeit und daseyende Welt . Ebenso ist hier das Bewußtseyn vollendet und Jeder findet sich in dieser Welt des Staates fertig und hat in ihr seine Freiheit . Das Bewußtseyn , das Fürsichseyn und das substantielle Wesen haben sich ausgeglichen . / c . Diese Erscheinung des göttlichen Lebens ist aber selbst noch in der Endlichkeit , und die Aufhebung dieser Endlichkeit ist der ­r e l i g i ö s e S t a n d p u n k t  , auf welchem Gott als die absolute Macht und Substanz , in welche der ganze Reichthum der natürlichen wie der geistigen Welt zurückgegangen ist , Gegenstand des Bewußtseyns ist . Der religiöse Standpunkt , als Entwickelung des natürlichen und geistigen Universum , ergiebt sich in diesem Fortgange als a b s o l u t Wa h r e s u n d E r s t e s  , das nichts hinter sich zu liegen hat als eine b l e i b e n d e Voraussetzung , sondern den ganzen Reich­thum in sich aufgezehrt hat . Die Nothwendigkeit ist vielmehr , daß dieser gesammte Reich­ thum sich in seine Wahrheit versenkt hat , nämlich in das an und für sich seyende Allgemeine . Aber indem dieß Allgemeine a n u n d f ü r s i c h bestimmt und als concret , als Idee selbst dieß ist , sich von sich abzustoßen , so entwickelt es aus sich die B e s t i m m t h e i t und setzt es sich für das B e w u ß t s e y n  . W2 XI . 111 ,16 –112 ,5 (vgl . GW 17 . 67 ,20–25 und GW 29 ,1 . 25 ,16–23)  : In Gott kommt auch das Andere der einfachen Idee , die noch in ihrer Substantialität ist , vor , da aber behält es die Bestimmung seiner Ewigkeit und bleibt in der Liebe und in der Göttlichkeit . Dieses im Stande des A n - u n d F ü r s i c h s e y n s bleibende Andere ist aber die Wa h r h e i t d e s A n d e r n  , wie es als endliche Welt und als e n d l i c h e s B e w u ß t s e y n erscheint . Der StoV , dessen Nothwendigkeit wir betrachtet haben , ist daher an und für sich selbst derselbe , wie er in der göttlichen Idee , als an und für sich vorkommt und wie er als der Reich­thum der endlichen Welt erscheint , denn diese hat ihre Wahrheit und Verklärung nur in jener Welt der Idee . / Die Nothwendigkeit , die dem religiösen Standpunkt , wenn er aus den vorhergehenden Stufen der natürlichen und geistigen Welt abgeleitet wird , im Rücken zu liegen schien , liegt also , wie wir nun sehen , in ihm selbst und ist so als seine innere Form und Entwickelung zu setzen . Indem wir nun zu dieser Entwickelung übergehen , fangen wir selbst wieder mit der Form | der ­E r s c h e i n u n g an und betrachten wir zunächst das B e w u ß t s e y n  , wie es auf diesem Standpunkt in Ve r h ä l t n i ß e r s c h e i n t und die F o r m e n dieses Verhältnisses b e a r b e i t e t und entwickelt , bis sich die i n n e r e Noth­wendig­keit im B e g r i f f selbst entwickelt und vollendet . W2 XI . 115 ,6–12 (vor GW 29 ,1 . 139 ,12 )  : Die erste , einfachste und noch abstracteste Form dieser subjectiven Begründung ist die , daß im S e y n d e s Ic h auch das S e y n d e s G e g e n s t a n d e s enhalten ist . Diese Begründung und diese Erscheinung des Gegenstandes ist als die erste und unmittelbare im G e f ü h l

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gegeben . / 1 .  D i e F o r m d e s G e f ü h l s  .  / In dieser gelten zunächst folgende Bestimmungen . W2 XI . 116 ,11–19 (statt GW 29 ,1 . 141 ,4–5)  : Dieß Seyn ist freilich nicht das leere Seyn , ich weiß auch von näheren Bestimmungen , BeschaVenheiten desselben , aber auch von ihnen nur , daß sie s i n d  . Man gebraucht Wissen auch als Vorstellung haben , aber es liegt immer nur darin , daß der Inhalt i s t  . Wissen ist also abstractes Verhalten und unmittelbare Beziehung , während der Ausdruck »Wahrheit« an ein Auseinandertreten der Gewißheit und der Objectivität und an die Vermittlung beider erinnert . W2 XI . 116 , 6–1 v . u . (statt GW 29 ,1 . 141 ,13–19 )  : während das Bewußtseyn eigentlich schon weitere Inhaltsbestimmungen enthält und diese als Gegenstand von sich unterscheidet . Dieß Wissen ist also bloß dieß , daß irgend ein Inhalt i s t und es ist somit die abstracte Beziehung des Ich auf den Gegenstand , der Inhalt mag seyn , welcher er will . W2 XI . 117 ,13–5 v . u . (statt GW 29 ,1 . 142 ,10–18 )  : Das Denken ist in Wahrheit erst vollendet als ve r m i t t e l n d e B e we g u n g  , indem es von Anderm anfängt , durch dasselbe hindurchgeht und es in dieser Bewegung in Allgemeines ver­ wandelt . Hier aber hat das Denken das bloß Allgemeine , u n b e s t i m m t A l l g e m e i n e zum Gegenstand , d . h . eine Bestimmung , einen Inhalt , der es s e l b s t i s t  , wo es eben unmittelbar , d . h . abstract bei sich selbst ist . Es ist das Licht , welches leuchtet , aber eben keinen andern Inhalt hat , als eben das Licht . W2 XI . 119 ,10–12 (Einschub in GW 29 ,1 . 144 ,3)  : Auch nach jener ärmsten Bestimmung des unmittelbaren Wissens gehört die Religion dem Gedanken an . W2 XI .119 ,18–21 (Einschub in GW 29 ,1 . 144 ,8 )  : als das angegebene Seyn . Daß man Gott nicht erkennen könne , ist der Standpunkt der Aufklärung und dieß fällt mit dem unmittelbaren Wissen von Gott zusammen . W2 XI . 122 ,14 –123 ,2 (vgl . GW 17 . 53 ,14 –54 ,20 )  : Ich aber , der ich im Gefühl bestimmt bin , verhalte mich darin u n m i t t e l b a r  , ich bin im Gefühl als dieses e i n z e l n e e m p i r i s c h e Ic h und die B e s t i m m t h e i t gehört d i e s e m empirischen Selbstbewußtseyn an . / A n s i c h ist also im Gefühl ein Un t e r s c h i e d enthalten . Auf der einen Seite bin Ich , das Allgemeine , das Subject , und diese klare , reine Flüssigkeit , diese unmittelbare Reflexion in mich wird durch ein A n d e r e s getrübt  ; aber in diesem Andern erhalte ich mich vollkommen bei mir selbst , die fremde Bestimmung wird in meiner Allgemeinheit flüssig und das , was mir ein Anderes ist , ve r m e i n i g e ich . Wenn in das Leblose eine andere Qualität gesetzt wird , so hat dieses Ding auch eine andere Qualität bekommen  ; Ich aber als fühlend erhalte mich in dem Andern , das in mich eindringt und bleibe in der Bestimmtheit Ich . Der Un t e r s c h i e d des Gefühles ist zunächst ein i n n e r e r i m Ic h selbst , es ist der Unterschied zwischen mir in meiner r e i n e n

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F l ü s s i g k e i t und mir in meiner B e s t i m m t h e i t  . Dieser innere Unterschied wird aber auch ebensosehr , indem die R e f l e x i o n hinzutritt , als solcher gesetzt  ; ich nehme mich aus meiner Bestimmtheit zurück , stelle sie als A n d e r e s   | mir gegenüber und die Subjectivität ist für sich i n B e z i e h u n g auf die Objectivität . W2 XI . 123 ,4–8 (statt GW 17 . 54 ,21–24 )  : aber subjectiv bin ich doch erst gegen ein Object der Anschauung oder Vorstellung , indem ich ein Anderes mir gegenüberstelle . Es scheint somit das Gefühl , weil in ihm der Unterschied der Subjectivität und Objectivität noch nicht eingetreten , nicht ein subjectives genannt werden zu können . W2 XI . 123 ,12–17 (Einschub in GW 17 . 54 ,27)  : Indem ich mich zu einem Andern verhalte und im Anschauen , Vorstellen den Gegenstand von mir unterscheide , bin ich nämlich die Beziehung dieser beiden , meiner und des Andern , und ein Unterscheiden , worin eine Identität gesetzt ist , und ich verhalte mich zu dem Gegenstande ü b e r g r e i f e n d  . W2 XI . 123 ,23–28 (statt GW 17 . 55 ,15 –56 ,8 )  : Wenn nun das wesentliche religiöse Verhältniß im Gefühl ist , so ist dieß Ve r h ä l t n i ß identisch mit meinem e m p i r i s c h e n S e l b s t  . Die Bestimmtheit als das unendliche Denken des Allgemeinen und ich als ganz empirische Subjectivität , sind zusammengefaßt im Gefühl in mir , ich bin die unmittelbare Einigung und Auflösung des Kampfes beider . W2 XI . 124 ,16–19 (Einschub in GW 17 . 57 ,5)  : Denn der Gehalt des religiösen Verhältnises ist einmal das Denken des Allgemeinen , welches selbst schon Re­ flexion ist , sodann das andere Moment meines empirischen Bewußtseyns und die Beziehung beider . W2 XI . 124 ,22–25 (Einschub in GW 17 . 57 ,7)  : die dagegen als ein Nichtiges , das nur im Allgemeinen seine Wahrheit hat , erscheint . Das religiöse Verhältniß ist Einigkeit , aber enthält die Kraft des Urtheils . W2 XI . 125 ,5–11 (Einschub in GW 17 . 59 ,6 )  : und ist darnach unterschieden , wie sich nach der b e s o n d e r n We i s e meines Interesses , in dem ich gerade existire , das Verhältniß meiner Subjectivität zum Allgemeinen bestimmt . Die Beziehung des Allgemeinen und des empirischen Selbstbewußtseyns kann danach sehr verschiedener Art seyn  : höchste Spannung und Feindseligkeit der Extreme und höchste Einigkeit . W2 XI . 127 ,6 v . u . –128 ,2 (nach GW 29 ,1 . 148 ,23)  : und sehen nur zu , wie die Sache sich da vorfindet . In dieser Sphäre macht dann jeder die Sache zu s e i n e r Sache , zu seiner Particularität und wenn der eine fordert  : du sollst solche Gefühle haben , so kann der andere antworten  : ich h a b e sie einmal nicht , ich b i n eben nicht so , denn es ist ja bei jener Forderung | nur von meinem zufälligen Seyn die Rede , das so und so seyn kann .

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W2 XI . 129 ,7–4 v . u . (nach GW 29 ,1 . 150 ,17)  : Eine Theologie aber , die nur Gefühle beschreibt , bleibt in der Empirie , Historie und derselben Zufälligkeiten stehen , hat es mit Gedanken , die einen Inhalt haben , noch nicht zu thun . W2 XI . 130 ,8 v . u . –131 ,2 (nach GW 17 . 58 ,18 )  : Ja , das Gefühl ist so weit da­ von entfernt , daß wir darin allein und wahrhaft Gott finden könnten , daß wir diesen Inhalt , wenn wir ihn darin f i n d e n sollten , sonst woher schon k e n n e n ­müßten . Und heißt es , daß wir Gott nicht erkennen , nichts von ihm wissen können , wie sollen wir denn sagen , daß er im Gefühl sey ? Erst müssen wir uns sonst im Bewußtseyn nach Bestimmungen des Inhalts , der vom Ic h unterschieden ist , umgesehen haben , dann erst können wir das Gefühl als | religiös nachweisen , insofern wir nämlich diese Bestimmungen des Inhalts darin w i e d e r f i n d e n  . W2 XI . 133 ,11 v . u . –134 ,10 (vor GW 17 . 69 ,19 )  : Von der Bestimmtheit des Ich , die den Inhalt des Gefühls ausmacht , sahen wir aber bereits , daß sie nicht nur von dem reinen Ich unterschieden sey , sondern auch von dem Gefühl in seiner eignen Bewegung so unterschieden werde , daß das Ich s i c h a l s g e g e n s i c h s e l b s t b e s t i m m t findet . Dieser Unterschied ist nun auch als solcher zu setzen , so daß die T h ä t i g k e i t des Ich eintritt , seine Bestimmtheit als nicht die seinige zu entfernen , hinauszusetzen und o b j e c t i v zu machen . Das Ich , sahen wir ferner , ist an sich im Gefühl s i c h s e l b s t e n t ä u ß e r t und hat in der Allgemeinheit , die es enthält , an sich die N e g a t i o n s e i n e r b e s o n d e r n e m p i r i s c h e n E x i s t e n z  .  | Indem nun das Ich seine Bestimmtheit aus sich heraussetzt , so entäußert es sich selbst , hebt es überhaupt seine Unmittelbarkeit auf und ist es in die Sphäre des Allgemeinen eingetreten . / Zunächst ist aber die Bestimmtheit des Geistes , der Gegenstand als ä u ß e r e r überhaupt und in der vollständigen objectiven Bestimmung der Aeußerlichkeit in der R ä u m l i c h k e i t und Z e i t l i c h k e i t gesetzt und das Bewußtseyn , das ihn in dieser Aeußerlichkeit s e t z t und sich auf ihn bezieht , ist A n s c h a u u n g  , die wir hier in ihrer Vollendung als K u n s t ­ a n s c h a u u n g zu betrachten haben . W2 XI . 134 ,15–33 (statt GW 17 . 69 ,19 –70 ,3)  : Gesetz und Inhalt der Kunst ist die Wahrheit , wie sie im Geist erscheint , also g e i s t i g e Wa h r h e i t ist , aber so zugleich , daß sie eine s i n n l i c h e für die u n m i t t e l b a r e A n s c h a u u n g ist . So ist die Darstellung der Wahrheit von dem Menschen hervorgebracht , aber äußerlich gesetzt , so daß sie von ihm in sinnlicher Weise gesetzt ist . Wie die Idee in der Natur unmittelbar erscheint und auch in geistigen Verhältnissen und in der zerstreuten Mannigfaltigkeit das Wahre da ist , so ist die Idee noch nicht in Ein C e n t r u m der Erscheinungen gesammelt und erscheint sie noch in der Form des Außereinanderseyns . In der unmittelbaren Existenz ist die E r s c h e i n u n g des BegriVs noch nicht mit der Wa h r h e i t h a r m o n i s c h gesetzt . Hingegen die sinnliche Anschauung , welche die Kunst hervorbringt , ist nothwendig ein

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vo m G e i s t P r o d u c i r t e s  , ist nicht unmittelbare , sinnliche Gestaltung und hat die Idee zu ihrem belebenden Centrum . / In demjenigen , was wir zum Umfang der Kunst rechnen , kann auch Anderes enthalten seyn als dasjenige , was wir so eben angaben . W2 XI . 135 ,15 –137 ,8 v . u . (statt GW 17 . 70 ,14 –71 ,2 )  : Der Künstler hat die Wahrheit nun darzustellen , so daß die Realität , worin der BegriV seine Macht und Herrschaft hat , zugleich ein Sinnliches ist . Die Idee ist so in sinnlicher Gestalt und in einer Individualisirung , für welche die Zufälligkeiten des Sinnlichen nicht entbehrt werden können . Das Kunstwerk ist i m G e i s t d e s K ü n s t l e r s empfangen und in diesem ist a n s i c h die Vereinigung des BegriVs und der Realität geschehen  ; hat aber der Künstler seine Gedanken in die Aeußerlichkeit entlassen und ist das Werk vollendet , so tritt er von demselben z u r ü c k  .  / So ist das Kunstwerk als für die Anschauung gesetzt zunächst ein ganz gemein ä u ß e r l i c h e r G e g e n s t a n d  , der sich nicht selbst empfindet und sich nicht selbst weiß . Die Form , die Subjectivität , die der Künstler seinem Werke gegeben hat , ist nur ä u ß e r l i c h e  , nicht die absolute Form des sich Wissenden , des S e l b s t b e w u ß t s e y n s  . Die vollendete Subjectivität fehlt dem Kunstwerke . Dieses Selbstbewußtseyn fällt in das s u b j e c t i ve B e w u ß t s e y n  , in das anschauende Subject . Gegen das Kunstwerk , das nicht in sich selbst das Wissende ist , ist da|her das Moment des Selbstbewußtseyns das A n d e r e  , aber ein Moment , das schlechthin zu ihm gehört und welches das Dargestellte we i ß und als die s u b s t a n t i e l l e Wa h r h e i t vorstellt . Das Kunstwerk als sich selbst nicht wissend , ist in sich unvollendet und bedarf , weil zur Idee Selbstbewußtseyn gehört , der Ergänzung , die es durch die Beziehung des Selbstbewußten zu ihm erhält . In dieses Bewußtseyn fällt ferner der P r o c e ß  , wodurch das Kunstwerk aufhört , nur Gegenstand zu seyn , und das Selbstbewußtseyn dasjenige , das ihm als ein Anderes erscheint , mit sich i d e n t i s c h setzt . Es ist dieß der Proceß , der die Aeußerlichkeit , in welcher im Kunstwerk die Wahrheit erscheint , aufhebt , diese todten Verhältnisse der Unmittelbarkeit tilgt und bewirkt , daß das anschauende Subject sich das bewußte Gefühl , im Gegenstand s e i n Wesen zu haben , giebt . Da diese Bestimmung des Insichgehens aus der Aeußerlichkeit in das Subject fällt , so ist zwischen diesem und dem Kunstwerke eine Tr e n n u n g vorhanden , das Subject kann das Werk ganz äußerlich betrachten , kann es zerschlagen oder vorwitzige , aesthetische und gelehrte Bemerkungen darüber machen – aber jener für die Anschauung we s e n t l i c h e Proceß , jene nothwendige Ergänzung des Kunstwerks hebt diese prosaische Trennung wieder auf . / In der morgenländischen Substantialität des Bewußtseyns ist noch nicht zu dieser Trennung fortgegangen und ist daher auch nicht die Kunstanschauung vollendet , denn diese setzt die höhere Freiheit des Selbstbewußtseyns voraus , das sich seine Wahrheit und Substantialität frei ge-

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genüberstellen kann . Bruce zeigte in Abyssinien einem Türken einen gemalten Fisch , dieser sagte aber  : Der Fisch wird dich am jüngsten Tage verklagen , daß du ihm keine Seele gabst . Nicht nur die Gestalt will der Orientale , sondern auch die Seele  ; er verbleibt in der Einheit und geht nicht zur Trennung und zu dem Proceß fort , in welchem die Wahrheit als körperlich ohne Seele auf der einen Seite | steht und auf der andern das anschauende Selbstbewußtseyn , das diese Trennung wieder aufhebt . / Sehen wir nun zurück auf den Fortschritt , den in der bisherigen Entwickelung das religiöse Verhältniß gemacht hat , und vergleichen wir die Anschauung mit dem Gefühl , so ist zwar die Wahrheit in ihrer O b j e c t i v i t ä t hervorgetreten , aber der Mangel ihrer Erscheinung ist der , daß sie in der sinnlichen , u n m i t t e l b a r e n S e l b s t ä n d i g k e i t sich hält , d . h . in derjenigen , die sich selbst wieder aufhebt , nicht an und für sich seyend ist und sich ebenso als vom S u b j e c t p r o d u c i r t erweist , als sie die Subjectivität und das Selbstbewußtseyn erst in dem anschauenden Subject gewinnt . In der Anschauung ist die To t a l i t ä t d e s r e l i g i ö s e n Ve r h ä l t n i s s e s  , der Gegenstand und das Selbstbewußtseyn a u s e i n a n d e r g e f a l l e n  . Der religiöse Proceß fällt eigentlich nur in das anschauende S u b j e c t und ist in diesem doch nicht vo l l s t ä n d i g  , sondern bedarf des sinnlichen angeschauten Gegenstandes . Andrer Seits ist der G e g e n s t a n d die Wa h r h e i t und bedarf doch , um wahrhaft zu seyn , des a u ß e r i h m fallenden Selbstbewußtseyns . / Der Fortschritt , der nun nothwendig ist , ist der , daß die Totalität des religiösen Verhältnisses wirklich als solche und als E i n h e i t gesetzt wird . Die Wahrheit gewinnt die O b j e c t i v i t ä t  , in der ihr Inhalt als an und für sich seyend nicht ein n u r G e s e t z t e s  , aber wesentlich in der Form der S u b j e c t i v i t ä t selbst ist und der gesammte Proceß im Element des Selbstbewußtseyns geschieht . W2 XI . 137 ,6 v . u . –140 ,6 v . u . (vgl . GW 17 . 71 ,14 –73 ,1 und GW 29 ,1 . 27 ,25 – 28 ,19 )  : 3 .  D i e Vo r s t e l l u n g  .  / Wir unterscheiden sehr wohl , was Bild und was Vorstellung ist , es ist etwas Anderes , ob wir sagen  : wir haben eine Vorstellung oder ein Bild von Gott  ; derselbe Fall ist es bei sinnlichen Gegen­ständen . Das B i l d nimmt seinen Inhalt aus der Sphäre des Sinnlichen und stellt ihn in der un­m ittel|baren Weise seiner Existenz , in seiner Einzelnheit und in der Willkürlichkeit seiner s i n n l i c h e n E r s c h e i n u n g dar . Da aber die unendliche Menge des Einzelnen , wie es im unmittelbaren Daseyn vorhanden ist , auch durch die ausführlichste Darstellung in einem Ganzen nicht wiedergegeben werden kann , so ist das Bild immer nothwendig ein b e s c h r ä n k t e s und in der religiösen Anschauung , die ihren Inhalt nur im Bilde darzustellen weiß , zerfällt die Idee in eine M e n g e vo n G e s t a l t e n  , in denen sie sich beschränkt und verendlicht . Die allgemeine Idee , die im Kreise dieser endlichen Gestalten , aber nur in ihnen erscheint , ihnen nur zu Grunde liegt , bleibt deshalb a l s ­s o l c h e verborgen .  /

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Die Vorstellung ist dagegen das Bild , wie es in die F o r m d e r A l l g e m e i n h e i t  , des Gedankens erhoben ist , so daß die E i n e G r u n d ­b e s t i m m u n g  , welche das Wesen des Gegenstandes ausmacht , festgehalten wird und dem vorstellenden Geiste vorschwebt . Sagen wir z . B . Welt , so haben wir in diesen Einen Laut das Ganze dieses unendlichen Reichthums versammelt und vereinigt . Wenn das Bewußtseyn des Gegenstandes auf diese einfache Gedankenbestimmtheit re­ ducirt ist , so ist es Vorstellung , die zu ihrer Erscheinung nur noch des Wo r t e s bedarf , dieser einfachen Aeußerung , die in sich selbst bleibt . Der mannigfache Inhalt , den die Vorstellung vereinfacht , kann aus dem Inneren , aus der Freiheit stammen , so haben wir Vorstellungen von Recht , Sittlichkeit , vom Bösen , oder er kann auch aus der äußeren Erscheinung genommen seyn , wie wir z . B . von Schlachten , Kriegen überhaupt eine Vorstellung haben . / Wenn die Religion in die Form der Vorstellung erhoben ist , so hat sie sogleich etwas Po l e m i s c h e s an sich . Der Inhalt wird nicht im sinnlichen Anschauen , nicht auf bildliche Weise unmittelbar aufgefaßt , sondern m i t t e l b a r auf dem Wege der A b s t r a c t i o n und das Sinnliche , Bildliche wird in das Allgemeine erhoben und mit dieser Erhebung ist dann | nothwendig das negative Verhalten zum Bildlichen verknüpft . Diese negative Richtung betriVt aber nicht nur die Form , so daß nur in dieser der Unterschied der Anschauung und Vorstellung läge , sondern sie berührt auch den I n h a l t  . Für die Anschauung hängt die I d e e und die We i s e d e r D a r s t e l l u n g so eng zusammen , daß Beides als E i n s erscheint , und das Bildliche hat die Bedeutung , daß die Idee an dasselbe wesentlich geknüpft und von ihm nicht getrennt werden könne . Die Vorstellung hingegen geht davon aus , daß die absolut wahrhafte Idee durch ein Bild nicht gefaßt werden könne und die bildliche Weise eine Beschränkung des Inhalts sey  ; sie hebt daher jene Einheit der Anschauung auf , verwirft die Einigkeit des Bildes und seiner Bedeutung und hebt diese für sich heraus . / Endlich hat die religiöse Vorstellung die Bedeutung der Wahrheit , des o b j e c t i ve n I n h a l t s und ist so gegen a n d e r e We i s e n d e r S u b j e c t i v i t ä t  , nicht bloß gegen die bildliche Weise gerichtet . Ihr Inhalt ist das , was an und für sich gilt , substantiell festbleibt gegen mein Dafürhalten und Meinen und gegen das Hin- und Hergehen meiner Wünsche , meines Beliebens starr ist . / Dieß betriVt das Wesen der Vorstellung überhaupt . Was ihre nähere Bestimmtheit betriVt , so ist Folgendes zu merken . / a . Wir sahen , in der Vor­ stellung sey der wesentliche Inhalt in die Form des Gedankens gesetzt , aber damit ist er noch nicht a l s Gedanke gesetzt . Wenn wir daher sagten , die Vorstellung sey polemisch gegen das Sinnliche und Bildliche gerichtet und verhalte sich dagegen n e g a t i v  , so ist darin noch nicht enthalten , daß sie sich a b s o l u t vo m S i n n l i c h e n b e f r e i t und dasselbe in vollendeter Weise i d e e l l gesetzt hätte . Dies wird erst im wirklichen Denken erreicht , welches die sinnlichen Bestim-

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mungen des Inhalts zu allgemeinen Gedankenbestimmungen , zu den inneren Momenten oder zur eignen Bestimmtheit | der Idee erhebt . Da die Vorstellung diese concrete Erhebung des Sinnlichen zum Allgemeinen nicht ist , so heißt ihr negatives Verhalten gegen das Sinnliche Nichts Anderes als  : sie ist von demselben nicht wahrhaft befreit , sie ist mit ihm noch we s e n t l i c h ve r w i c k e l t und sie bedarf desselben und dieses Kampfes gegen das Sinnliche , um selbst zu seyn . Es gehört also wesentlich zu ihr , wenn sie es auch n i e a l s s e l b s t ä n d i g gelten lassen darf . Ferner das Allgemeine , dessen sich die Vorstellung bewußt ist , ist nur die a b s t r a c t e A l l g e m e i n h e i t ihres Gegenstandes , ist nur das unbestimmte We s e n oder das O h n g e f ä h r desselben . Um es zu bestimmen , bedarf sie wieder des Sinnlich-Bestimmten , des Bildlichen , aber giebt diesem , als dem Sinnlichen die Stellung , daß es ve r s c h i e d e n ist von der B e d e u t u n g und daß bei ihm nicht stehen geblieben werden darf , daß es nur dazu diene , den eigentlichen von ihm verschiedenen Inhalt vorstellig zu machen . / Daher steht nun die Vorstellung in beständiger Unruhe zwischen der unmittelbaren sinnlichen Anschauung und dem eigentlichen Gedanken . Die Bestimmtheit ist sinnlicher Art , aus dem Sinnlichen genommen , aber das Denken hat sich hineingelegt oder das Sinnliche wird auf dem Wege der Abstraction in das Denken erhoben . Aber Beides , das Sinnliche und Allgemeine durchdringen sich nicht innerlich , das Denken hat die sinnliche Bestimmtheit noch nicht vollständig überwältigt und wenn der Inhalt der Vorstellung auch Allgemeines ist , so ist er doch noch mit der Bestimmtheit des Sinnlichen behaftet und bedarf er der Form der Natürlichkeit . Aber das bleibt dann immer , daß dieß Moment des Sinnlichen nicht für sich gilt . W2 XI . 143 ,20 –144 ,16 (nach GW 29 ,2 . 43 ,16  ; vgl . GW 29 ,1 . 194 ,10 –195 ,2 )  : Oder enthält die Vorstellung Ve r h ä l t n i s s e  , die dem Gedanken schon näher sind , z . B . daß Gott die Welt geschaVen habe , so wird von ihr das Verhältniß noch in der Form der Z u f ä l l i g k e i t und A e u ß e r l i c h k e i t gefaßt . So bleibt in der Vorstellung von der Schöpfung Gott einer Seits für sich , die Welt auf der andern Seite , aber der Zusammenhang beider Seiten ist nicht in die Form der Noth­ wendig­keit gesetzt  ; er wird entweder nach der Analogie des natürlichen Lebens und Geschehens ausgedrückt , oder , wenn er als Schöpfung bezeichnet wird , als ein solcher bezeichnet , der für sich ganz eigenthümlich und unbegreiflich seyn soll . Gebraucht man aber den Ausdruck »Thätigkeit« , aus der die Welt hervorgegangen sey , so ist der wohl etwas Abstracteres , aber noch nicht der BegriV . Der wesentliche Inhalt steht fest für sich in der Form der einfachen | Allgemeinheit , in die er eingehüllt ist , und s e i n Ue b e r g e h e n d u r c h s i c h s e l b s t i n A n d e r e s  , seine Identität mit Anderem fehlt ihm , er ist nur m i t s i c h i d e n t i s c h  . Den einzelnen Punkten fehlt das Band der Nothwendigkeit und die Einheit

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ihres Unterschiedes . / Sobald daher die Vorstellung den Ansatz dazu macht , einen wesentlichen Z u s a m m e n h a n g zu fassen , so läßt sie ihn in der Form der Z u f ä l l i g k e i t stehen und geht hier nicht zum wahrhaften Ansich desselben und zu seiner ewigen sich durchdringenden Einheit fort . So ist in der Vorstellung der Gedanke der Vorsehung und die Bewegungen der Geschichte werden im ewigen Rathschluß Gottes zusammengefaßt und begründet . Aber da wird der Zusammenhang sogleich in eine Sphäre versetzt , wo er für uns unbegreiflich und unerforschlich seyn soll . Der Gedanke des Allgemeinen wird also nicht in sich bestimmt und , so wie er ausgesprochen ist , sogleich wieder aufgegeben . W2 XI . 144 ,17 –145 ,23 (vgl . GW 17 . 73 ,11–22  ; GW 29 ,1 . 28 ,20 –29 ,7)  : Nachdem wir die allgemeine Bestimmtheit der Vorstellung gesehen haben , so ist hier der Ort , die pädagogische Frage der neueren Zeit zu berühren , ob die Religion g e l e h r t werden könne . Lehrer , die nicht wissen , was sie mit den Lehren der Religion anfangen sollen , halten den Unterricht in derselben für ungehörig . Allein die Religion hat einen I n h a l t  , der auf gegenständliche Weise vorstellig seyn muß . Darin liegt es , daß dieser vorgestellte Inhalt mitgetheilt werden kann , denn Vorstellungen sind mittheilbar durch das Wort . Ein Anderes ist es , das Herz erwärmen , Empfindungen aufregen  ; das ist nicht lehren , das ist ein Interessiren meiner Subjectivität für Etwas und kann wohl eine rednerische Predigt geben , aber nicht Lehre seyn . Wenn man zwar vom G e f ü h l ausgeht , dieses als das Erste und Ursprüngliche setzt und dann sagt , die religiösen Vorstellungen kommen aus dem Gefühl , so ist das einer Seits richtig , insofern die u r s p r ü n g l i c h e B e s t i m m t h e i t in der Natur des Geistes selbst liegt . Aber andrer Seits | ist das Gefühl so unbestimmt , daß Alles darin seyn kann und das W i s s e n dessen , was im Gefühl liegt , gehört nicht diesem selbst an , sondern wird nur durch die Bildung und Lehre gegeben , welche die Vorstellung mittheilt . Jene Erzieher wollen , daß die Kinder und überhaupt die Menschen in ihrer subjectiven Empfindung der Liebe bleiben , und die Liebe Gottes stellen sie sich so vor , wie die der Eltern zu den Kindern , die sie lieben und lieben sollen , wie sie sind , rühmen sich , in der Liebe Gottes zu bleiben , und treten alle göttliche und menschliche Gesetze mit Füßen und meinen und sagen , sie hätten die Liebe nicht verletzt . Soll aber die Liebe rein seyn , so muß sie sich vorher der Selbstsucht begeben , sich befreit haben , und befreit wird der Geist nur , indem er a u ß e r s i c h gekommen ist und das Substantielle einmal als e i n g e g e n i h n A n d e r e s  , Höheres angeschaut hat . Erst dadurch kehrt der Geist wahrhaft zu sich zurück , daß er gegen die absolute Macht , gegen das u n g e h e u r e O b j e c t sich verhalten hat , in diesem außer sich gekommen , und sich von sich befreit und sich aufgegeben hat . D . h . die F u r c h t G o t t e s ist die Voraussetzung der wahren Liebe . Was das an und für sich Wahre ist , muß dem Gemüth als ein Selbständiges erscheinen , in welchem

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es auf sich Verzicht leistet und erst durch diese Vermittlung , durch die Wiederherstellung seiner selbst die wahre Freiheit gewinnt . W2 XI . 146 ,2–20 (nach GW 17 . 74 ,25)  : so daß ich in dem absoluten Gegenstand die Freiheit habe , die wesentlich das Verzichtleisten auf mein Gutdünken und auf die particuläre Ueberzeugung enthält . / Da nun im Vergleich mit dem Gefühl , in welchem der Inhalt als Bestimmtheit des Subjects und darum zufällig ist , für die Vorstellung der Gehalt zur Gegenständlichkeit erhoben ist , so fällt es schon mehr auf ihre Seite , daß einer Seits der I n h a l t s i c h f ü r s i c h b e r e c h t i g e und andrer Seits die Nothwendigkeit der we s e n t l i c h e n Ve r k n ü p f u n g desselben mit dem S e l b s t b e w u ß t s e y n entwickelt werde . / Allein was zunächst den Inhalt für sich betriVt , so gilt dieser in der Vorstellung als ein G e g e b e n e s  , von dem nur gewußt wird , daß es s o i s t  . Dieser abstracten , unmittelbaren Ob­ jectivität gegenüber erscheint dann auch die Ve r k n ü p f u n g des Inhalts mit dem Selbstbewußtseyn zunächst als eine solche , die noch rein s u b j e c t i ve r Natur ist . Der Inhalt , heißt es dann , sagt mir an sich zu und das Z e u g n i ß d e s G e i s t e s lehrt mich , ihn als Wahrheit , als meine wesentliche Bestimmung anzuerkennen . W2 XI . 146 ,23–28 (nach GW 17 . 75 ,24 )  : Aber so ist der Zusammenhang meiner mit dem Inhalt noch nicht wahrhaft entwickelt und er erscheint nur als etwas I n s t i n c t­m ä ß i g e s  . Das Ich , das sich so dem Inhalt zuwendet , braucht nicht bloß dieses einfache und unbefangene zu seyn , es kann in sich selbst schon mehrfach bearbeitet seyn . W2 XI . 147 ,5–9 (nach GW 17 . 76 ,14 )  : Doch ist diese Rückkehr zum Inhalt nicht durch die Form der inneren Nothwendigkeit vermittelt und nur eine Folge der Ve r z we i f l u n g  , daß ich nicht aus noch ein und mir nicht anders als durch jenen Schritt zu helfen weiß . W2 XI . 147 ,9–19 (vgl . GW 17 . 75 ,14–19 )  : Oder es wird darauf reflectirt , wie die Religion wundervoll sich ausgebreitet hat und wie Millionen in ihr Trost , Befriedigung und Würde gefunden haben  : von dieser Autorität sich abzusondern erklärt man für gefährlich und stellt dagegen die Autorität der eignen Meinung zurück . Allein auch dieß ist noch eine schiefe Wendung , daß so die eigne Ueber­ zeugung der Autorität des Allgemeinen unterworfen und gegen sie beschwichtigt wird . Die Beruhigung liegt nur in der Ve r m u t h u n g  , so wie es Millionen ansehen , so müsse es wohl recht seyn , und es bleibt die Möglichkeit , daß die Sache , wenn man sie n o c h e i n m a l ansieht , sich anders zeigt . W2 XI . 147 ,26–29 (nach GW 17 . 76 ,4 )  : und die Wahrheit , statt sie in ihrem An- und Fürsichseyn zu betrachten , nur i m Z u s a m m e n h a n g e mit a n d e r e n Umständen , Begebenheiten und Zuständen aufzufassen vermag . W2 147 ,5 v . u . –149 ,17 (nach GW 17 . 76 ,4 )  : Ohnehin aber , obwohl die Apologetik mit ihren Räsonnements zum D e n k e n und S c h l i e ß e n übergeht und

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sekundäre überlieferung

G r ü n d e aufstellen will , die von der Autorität verschieden seyn sollen , ist ihr Hauptgrund doch nur wieder eine A u t o r i t ä t  , nämlich die g ö t t l i c h e  , daß Gott das Vorzustellende | den Menschen geoVenbart habe . Ohne diese Autorität kann sich die Apologetik nicht einmal Einen Augenblick bewegen und ihrem Standpunkt ist dieses beständige D u r c h e i n a n d e r s p i e l e n des Denkens , Schließens und der Autorität wesentlich . Aber wie es denn auf diesem Standpunkt unvermeidlich ist , daß das Räsonnement i n s Un e n d l i c h e gehen muß , so ist auch jene höchste , göttliche Autorität wieder eine solche , die selbst erst der Begründung bedarf und auf einer Autorität beruht . Denn wir sind nicht dabei gewesen und haben Gott nicht gesehen , als er oVenbarte . Es sind immer nur A n d e r e  , die es uns erzählen und versichern , und eben die Z e u g n i s s e dieser Andern , die das Geschichtliche erlebt oder es zunächst von Augenzeugen erfahren haben , sollen nach jener Apologetik die Ueberzeugung mit dem zeitlich und räumlich von uns getrennten Inhalt zusammenschließen . Doch auch diese Vermittlung ist nicht absolut sicher  ; denn es kommt hier darauf an , wie das M e d i u m  , das zwischen uns und dem Inhalt steht , die Wahrnehmung Anderer beschaVen ist . Die Fähigkeit wahrzunehmen verlangt p r o s a i s c h e n Ve r s t a n d und die Bildung desselben , also Bedingungen , die bei den Alten nicht vorhanden waren , denn diesen fehlte die Fähigkeit , die Geschichte nach ihrer E n d l i c h k e i t aufzufassen und was darin die i n n e r e B e d e u t u n g ist , herauszunehmen , da für sie der Gegensatz des Poetischen und Prosaischen noch nicht in seiner ganzen Schärfe gesetzt war . Und setzen wir das Göttliche in das Geschichtliche , so fallen wir immer in das Schwankende und Unstäte , das allem Geschicht­lichen eigen ist . Den Wundern , von denen die Apostel berichten , setzt sich der prosaische Verstand und der Unglaube entgegen und nach der objectiven Seite die Unverhältnißmäßigkeit des Wunders und des Göttlichen . / Wenn nun aber auch alle jene Weisen , den Zusammenhang des Inhalts der Vorstellung mit dem Selbstbewußtseyn zu vermitteln , e i n m a l ihren Zweck erreichen , wenn das apo­ logetische | Räsonnement mit seinen Gründen m a n c h e n zur Ueberzeugung gebracht hat , oder ich mit den Bedürfnissen , Trieben und Schmerzen meines Herzens in dem Inhalt der Religion Trost und Beruhigung gefunden habe , so ist das nur z u f ä l l i g  , daß es so geschehen ist , und hängt davon ab , daß gerade dieser Standpunkt der Reflexion und des Gemüthes noch nicht beunruhigt war und noch nicht die Ahnung eines Höheren in sich erweckt hatte . Es ist also von einem zufälligen M a n g e l abhängig . / Ich bin aber nicht blos dieses Herz und Gemüth oder diese gutmüthige , der verständigen Apologetik willfährige und unbefangen entgegenkommende Reflexion , die sich nur freuen kann , wenn sie die ihr entsprechenden und zusagenden Gründe vernimmt , sondern ich habe noch andere , höhere Bedürfnisse . Ich bin auch noch concret bestimmt auf eine

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ganz e i n f a c h e a l l g e m e i n e Weise , so daß die Bestimmtheit in mir die r e i n e e i n f a c h e B e s t i m m t h e i t ist . W2 XI . 149 ,17 –150 ,1 (vgl . GW 17 . 78 ,13–23 und GW 29 ,1 . 30 ,26 )  : D . h . ich bin absolut concretes Ich , sich in sich bestimmendes Denken – ich bin als d e r B e g r i f f  . Dieß ist eine andere Weise , daß ich concret bin , da suche ich nicht nur Beruhigung für mein Herz , sondern der BegriV sucht Befriedigung und gegen diesen ist es , daß der religiöse Inhalt in der Weise der Vorstellung die Form der Aeußerlichkeit behält . Wenn auch manches große und reiche Gemüth und mancher tiefe Sinn in der religiösen Wahrheit Befriedigung gefunden hat , so ist es doch der BegriV , dieses in sich concrete Denken , was noch nicht befriedigt ist und sich zunächst als der Trieb der vernünftigen Einsicht geltend macht . Wenn sich das an sich noch unbestimmte Wort »Vernunft , vernünftige Einsicht« nicht bloß darauf reducirt , daß in mir irgend etwas als äußerliche Bestimmung gewiß sey , sondern das Denken sich dahin bestimmt hat , daß der Gegenstand mir für sich selbst feststehe und i n s i c h g e g r ü n d e t sey , so ist es der BegriV als das a l l g e m e i n e D e n k e n  , das sich in sich besondert und in | der Besonderung mit sich identisch bleibt . W2 XI . 150 ,11 v . u . –151 ,18 (vgl . GW 29 ,1 . 31 ,15–27)  : Der innere Zusammenhang und die absolute Nothwendigkeit , in welche der Inhalt der Vorstellung im Denken versetzt wird , ist nichts Anderes als der BegriV in seiner F r e i h e i t  , so daß aller Inhalt Bestimmung des BegriVs und mit dem Ich selbst ausgeglichen wird . Die Bestimmtheit ist hier schlechthin die meinige , der Geist hat darin s e i n e We s e n t l i c h k e i t selbst zum Gegenstand und das Gegebenseyn , die Autorität und die Aeußerlichkeit des Inhalts gegen mich verschwindet . / Das Denken giebt somit dem Selbstbewußtseyn das abso|lute Verhältniß der Freiheit . Die Vorstellung hält sich noch in der Sphäre der ä u ß e r n N o t h­we n d i g ­k e i t  , da alle ihre Momente , indem sie sich auf einander beziehen , dieß so thun , daß sie ihre Selbständigkeit nicht aufgeben . Das Verhältniß dieser Gestaltungen im Denken hingegen ist das Verhältniß der I d e a l i t ä t  , so daß keine Gestaltung selbständig für sich abgesondert steht , jede vielmehr die Weise eines S c h e i n e s gegen die andere hat . Jeder Unterschied , jede Gestaltung ist so ein Durchsichtiges , nicht finster und undurchdringlich für sich bestehend . Damit sind die Unter­ schiedenen nicht solche , die für sich selbständig eines dem Andern Widerstand leisten , sondern sie sind in ihrer Idealität gesetzt . Das Verhältniß der Unfreiheit , sowohl des I n h a l t s wie des S u b j e c t s  , ist nun verschwunden , weil die absolute Angemessenheit des I n h a l t s und der Form eingetreten ist . Der I n h a l t ist i n s i c h f r e i und sein Scheinen in sich selbst ist seine absolute Form und im Gegenstand hat das S u b j e c t das Thun der Idee , des an und für sich seyenden BegriVs , das e s s e l b e r ist , vor sich .

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W2 XI . 151 ,4 v . u . –152 ,8 (Einschub in GW 29 ,2 . 44 ,33)  : und das ist eben der Vorwurf , den man gewöhnlich der Philosophie macht , wenn man sagt , sie lasse die Form der Vorstellung nicht bestehen , sondern ändere sie oder streife sie von dem Inhalt ab . Und weil dann für das gewöhnliche | Bewußtseyn an jene Form die Wahrheit geknüpft ist , so meint es , wenn die Form verändert werde , verliere es den Inhalt und die Sache und erklärt es jene Umformung für Zerstörung . Wenn die Philosophie das , was in Form der Vorstellung ist , in die Form des BegriVs umwandelt , so kommt freilich die Schwierigkeit hervor , an einem Inhalt zu trennen , was Inhalt als solcher , der Gedanke ist , von dem , was der Vorstellung als solcher angehört . W2 XI . 153 ,23 –155 ,6 (vgl . GW 17 . 79 ,20 –80 ,23  ; GW 29 ,1 . 31 ,32 –32 ,10 )  : Ei­ gen­thümlich ist das Thun des reflectirenden Denkens , wenn es als a b s t r a c t e r Ve r s t a n d erscheint und sich auf die Vorstellung richtet , wie sie die inneren Bestimmungen und Verhältnisse auf sinnliche , natürliche oder überhaupt ä u ß e r l i c h e We i s e bezeichnet . Wie der reflectirende Verstand sonst immer Voraussetzungen der E n d l i c h k e i t hat , diese absolut gelten läßt , zur Regel oder zum Maaßstab macht und die Idee und absolute Wahrheit , dagegen gehalten , umstößt  : so macht er auch die sinnlichen und natürlichen Bestimmtheiten , in denen aber die Vorstellung doch zugleich den G e d a n k e n d e s A l l g e m e i n e n anerkannt wissen will , zu ganz bestimmten , e n d l i c h e n Ve r|h ä l t n i s s e n  , hält diese Endlichkeit fest und erklärt nun die Vorstellung für einen Irr­thum . Zum Theil ist in dieser Thätigkeit des Verstandes noch die e i g n e D i a l e k t i k d e r Vo r s t e l l u n g enthalten und darin liegt die ungeheure Wichtigkeit der Aufklärung , welche jenes verständige Thun war , für die Aufklärung des Gedankens . Zum Theil ist aber auch die Dialektik der Vorstellung damit über ihren wahren Umfang hinausgetrieben und in das Gebiet der f o r m e l l e n W i l l k ü r versetzt .  / So ist z . B . in der Vorstellung der Erbsünde das innere Verhältniß des Gedankens zugleich in der Bestimmtheit des Natürlichen gefaßt  ; wenn aber die Vorstellung so spricht , so will sie doch mit dem Ausdruck »Sünde« das N a t ü r l i c h e  , das in der Bestimmung des Erbes liegt , in die Sphäre des Allgemeinen erhoben wissen . Hingegen der Verstand faßt das Verhältniß in der Weise der Endlichkeit und denkt n u r an das natürliche Besitzthum oder an Erbkrankheit . In dieser Sphäre giebt man allerdings zu , es sey für die Kinder zufällig , daß die Eltern Vermögen hatten oder mit Krankheit behaftet waren  ; da erben die Kinder den Adel , das Vermögen oder das Uebel ohne Verdienst und Schuld . Wird dann weiter darauf reflectirt , daß die Freiheit des Selbstbewußtseyns über dieß Verhältniß der Zu­fälligkeit erhaben ist und daß im absolut geistigen Gebiet des Guten Jeder in dem , was er thut , s e i n Thun , s e i n e Schuld hat , so ist es leicht , den Widerspruch zu zeigen , daß das , was absolut meiner Freiheit angehört , anderswoher

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auf natürliche Weise unbewußt und äußerlich auf mich gekommen seyn soll . / Aehnlich ist es , wenn der Verstand sich gegen die Vorstellung der Dreieinigkeit richtet . Auch in dieser Vorstellung ist das innere Gedankenverhältniß in der Weise der Aeußerlichkeit gefaßt , denn die Zahl ist der Gedanke in der abstracten Bestimmung der Aeußerlichkeit . Aber der Verstand hält nun | die Aeußerlichkeit a l l e i n fest , bleibt beim Zählen stehen und findet jeden der Drei vollkommen äußerlich gegen den Andern . Wenn man nun diese Bestimmtheit der Zahl zur Grundlage des Verhältnises macht , so ist es allerdings wieder vollkommen wider­ sprechend , daß diese einander vollkommen Aeußerlichen doch zugleich Eins seyn sollen . W2 XI . 167 ,5–27 (nach GW 29 ,2 . 55 ,12 )  : Die E r h e b u n g und die B e we g u n g d e s g e g e n s t ä n d l i c h e n I n h a l t s fällt aber in der That in Eines , in das D e n k e n  . Ich selbst als denkend bin dieses Uebergehen , diese geistige Bewegung , und als diese Bewegung ist jetzt das Denken zu betrachten . Zunächst aber ist es die e m p i r i s c h e B e o b a c h t u n g u n d d i e R e f l e x i o n  .  / b . D a s ve r m i t t e l t e W i s s e n a l s B e o b a c h t u n g u n d a l s R e f l e x i o n  .  / Dieser Standpunkt , der überhaupt unsrer Zeit eigenthümlich ist , verfährt nach empirischer Psychologie , nimmt dasjenige auf , was und wie es sich im gewöhnlichen Bewußtseyn findet , b e o b a c h t e t d i e E r s c h e i n u n g und setzt a u ß e r h a l b derselben , was das Un e n d l i c h e darin ist . / Religion ist auf diesem Standpunkt das Bewußtseyn des Menschen von einem Höheren , Jenseitigen , außer ihm und über ihm Seyenden . Das Bewußtseyn findet sich nämlich abhängig , e n d l i c h und in diesem seinem Empfinden ist es insoweit Bewußtseyn , daß es ein A n d e r e s vo r a u s s e t z t  , von dem es abhängt und welches ihm als das Wesen gilt , weil es selbst als das Negative , Endliche bestimmt ist . / Diese Beobachtung und Reflexion entwickelt sich , wenn wir sie zunächst in ihrer a l l g e m e i n e n F o r m betrachten , in folgender Gestalt . W2 XI . 169 ,9–15 (statt GW 29 ,1 . 154 ,13–16 )  : Das Object ist das Nichtseyn ­desselben  ; daß es so als verschieden vom Ich gesetzt sey , dazu gehört , daß es n i c h t das , was Ich ist , sey . Ich bin das Endliche . So ist das Un e n d l i c h e  , was über die Schranken hinaus ist  ; es ist ein A n d e r e s  , als das Beschränkte  ; es ist das Unbeschränkte , Unendliche . So haben wir E n d l i c h e s u n d Un e n d ­ l i c h e s  . W2 XI . 170 ,11–17 (Einschub in GW 29 ,1 . 155 ,16 )  : Das Beobachten kann nur auf das Subject gehen und nicht weiter kommen , weil es nur empirisch zu Wer­ ke gehen , sich nur an das unmittelbar Vorhandene , Gegebene halten will , und Gott nicht ein solches ist , das sich beobachten läßt . Hier kann daher nur das ­Gegenstand seyn , was in u n s als solchen ist und was wir als die E n d l i c h e n sind

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W2 XI . 170 ,2 v . u . –171 ,1 (Einschub in GW 29 ,1 . 156 ,5)  : ä u ß e r l i c h halten  ; dieß Aeußerliche , Beschränkte ist aber das E n d l i c h e  , das g e g e n e i n A n d e r e s ä u ß e r l i c h ist , | und dieß Andere ist als das Unendliche das J e n s e i t s desselben . W2 XI . 171 ,11–12 (Einschub in GW 29 ,1 . 156 ,12 )  : Und das ist die ganze Weisheit unsrer Zeit . W2 XI . 171 ,9–8 v . u . (statt GW 29 ,1 . 157 ,2 )  : und wir sind in ihr fertig , befriedigt und mit derselben versöhnt . W2 XI . 174 ,14–19 (statt GW 29 ,1 . 160 ,8–9 )  : ist somit ein eitles , leeres Schaukel­ system . Ich nämlich schaukle mich in mir hinüber in die Sehnsucht und in die Richtung nach dem Jenseits oder in das Erkennen meiner begangenen Fehler und ich schaukle mich in jener Sehnsucht und in der Rührung , die nur in mir vorgehen , zu mir herüber , bin unmittelbar darin bei mir selbst . W2 XI . 178 ,11–23 (statt GW 29 ,1 . 163 ,10–14 )  : Dingen , aber immer nur von e i n z e l n e n  . Als wollend ist der Geist nach p a r t i c u l ä r e n Zwecken und Interessen bestimmt . In beiden Beziehungen aber als vorstellend und wollend verhält sich der Geist als ausschließende Besonderheit und steht also im Zusammenhang mit selbständigen anderen Dingen . Auch hier tritt der Gegensatz ein , indem der Geist seine d a s e ye n d e Einzelnheit mit seiner als a l l g e m e i n bestimmten , vorgestellten Einzelnheit vergleicht . Den Reich­thum der Kenntnisse , die ich b e s i t z e  , vergleiche ich mit der vo r g e s t e l l t e n Masse von Kenntnissen , finde beides , meine Wirklichkeit und die vorgestellte Allgemeinheit , unangemessen und es wird gefordert , daß die wirkliche Vielheit weiter gefördert , vervollständigt , erschöpft W2 XI . 178 ,5 v . u . –179 ,3 (Einschub in GW 29 ,1 . 163 ,18 )  : Allein die To t a l i t ä t ist hier nur als V i e l h e i t und A l l h e i t gedacht und sie bleibt daher der Endlichkeit , die nicht A l l e s besitzen kann , gegenüberstehen . Ich ist so noch Ausschließendes gegen Ausschließendes , also Vieles ist als schlechthin ausschließend gegen anderes Vieles , und A l l e s ist nur eine äußerlich bleibende | Abstraction an dem Vielen . So wird nun gefunden , daß die Kenntnisse keine Grenze haben , so ist der Flug von Sternen zu Sternen unbegrenzt und man kann W2 XI . 179 ,6–8 (Einschub in GW 29 ,1 . 163 ,21)  : viele Interessen und Zwecke kann der Mensch erreichen , aber alle , oder die Glückseligkeit selbst nicht  ; die Allheit ist W2 XI . 179 ,14–17 (statt GW 29 ,1 . 164 ,3)  : Der Zweck ferner und das Ideal , diesseits dessen man stehen bleibt , ist selbst ein wesentlich Endliches und eben deswegen muß ich diesseits desselben stehen bleiben , denn in der Erreichung desselben würde ich doch nur Endliches erreichen . W2 XI . 180 ,2 v . u . –181 ,2 (statt GW 29 ,1 . 165 ,9–12 )  : Eben in der a b s o l u t e n E n t g e g e n s e t z u n g verschwindet der Gegensatz selbst , beide Seiten des Ver-

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hältnisses verschwinden zu | leeren Momenten und das , was ist und bleibt , ist die E i n h e i t beider , worin sie aufgehoben sind . W2 XI . 182 ,3 v . u . –184 ,3 (statt GW 29 ,1 . 167 ,5–16 )  : das Ich , das absolut idealisirende , als für welches aller Unterschied , Bestimmung , Inhalt aufgehoben und als ein nur durch es gesetzter | ist . Das Bestimmende bin Ich und n u r Ich und bin es als d i e s e s Einzelne , als das unmittelbare Selbst , als Ich , der ich unmittelbar bin . / Ich bin in allem Inhalt die u n m i t t e l b a r e B e z i e h u n g a u f m i c h d . i . S e y n und bin es als E i n z e l h e i t  , als die Beziehung der Negativität auf sich selbst . Das von mir Gesetzte ist als von mir unterschieden gesetzt – das N e g a t i ve und so als negirt , als n u r gesetzt . Ich bin somit die u n m i t t e l b a r e N e g a t i v i t ä t  . So bin Ich , dieser ausschließende , wie ich unmittelbar bin d . h . nach meinen Gefühlen , Meinungen , nach der Willkür und Zufälligkeit meiner Empfindung und meines Wollens , das A f f i r m a t i ve ü b e r h a u p t  , gut . Aller objective Inhalt , Gesetz , Wahrheit , Pflicht , verschwindet für mich , ich anerkenne Nichts , nichts Objectives , keine Wahrheit  ; Gott , das Unendliche ist mir ein Jenseits , abgehalten von mir . Ich allein bin das Positive und kein Inhalt gilt an und für sich , er hat keine Affirmation mehr an sich selbst , sondern nur insofern ich ihn setze  ; das Wahre und das Gute ist nur m e i n Ue b e r­z e u g t­s e y n  , und dazu , daß etwas gut ist , gehört nur dieß mein Ueberzeugtseyn , diese meine Anerkennung . In dieser Idealität aller Bestimmungen bin ich allein das Reale . Dieser Standpunkt giebt sich nun zunächst an als den der Demuth , und diese seine Demuth besteht darin , daß das Ich das Unendliche , das Wissen und Erkennen Gottes von sich ausschließt , Verzicht darauf leistet und sich als Endliches dagegen bestimmt . Aber diese Demuth widerlegt sich damit selbst , ist vielmehr Hochmuth , denn ich s c h l i e ß e e b e n d a s Wa h r e vo n m i r a u s so daß ich a l s d i e s e r im Diesseits a l l e i n das Affirmative und das an und für sich Seyende bin , wogegen alles Andere verschwindet . Die wahre Demuth thut vielmehr auf sich , auf D i e s e n a l s d a s A f f i r m a t i ve Verzicht und anerkennt nur das Wahre und An- und Fürsichseyende als das Affirmative . Hingegen jene falsche De|muth macht , indem sie das Endliche als das Negative , Beschränkte anerkennt , dasselbe zugleich zum einzigen Affirmativen , Unendlichen und Absoluten  : W2 XI . 185 ,12–15 (Einschub in GW 29 ,1 . 168 ,15)  : Ich allein bin selbst noch positiv , da doch alles nur durch Negation soll affirmativ werden . Der Standpunkt widerspricht sich so selbst . Er setzt die Idealität als Princip , und das die Idealität vollführende ist selbst nicht ideal . W2 XI . 187 ,11–4 v . u . (statt GW 29 ,1 . 170 ,19–21)  : War nun das erste Verhältniß des Endlichen zum Unendlichen das n a t ü r l i c h e und unwahre , weil die Menge und Vielheit der Besonderheit der Allgemeinheit gegenüber festgehalten wurde , sehen wir ferner als das zweite Verhältniß das in der R e f l e x i o n  , wo die

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­ ndlichkeit in der ganz vollendeten Abstraction des reinen Denkens liegt , das sich E nicht wirklich als allgemeines faßt , sondern als Ich , als Dieser bleibt , so ist jenes Verhältniß zu betrachten , wie es sich in der Ve r n u n f t oVenbart . W2 XI . 188 ,7–13 v . u . (statt GW 29 ,1 . 171 ,4–6 )  : aber diese Aufhebung ist doch wohl nicht vollbracht , wenn diese u n m i t t e l b a r e E i n z e l n h e i t zugleich b l e i b t und so bleibt , daß n u r dieß Ich das Affirmative wird , wie es der Standpunkt der Reflexion angiebt . Das Endliche , das sich zum Unendlichen steigert , ist nur a b s t r a c t e I d e n t i t ä t  , l e e r in sich selbst , die höchste Form der Unwahrheit , die Lüge und das Böse . W2 XI . 188 ,13–9 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 171 ,11–12 )  : Die Freiheit der Reflexion ist eine solche , die nichts in sich entstehen läßt und da sie doch entstehen lassen muß , in diesem Setzen ohne Gesetz und Ordnung verfährt , d . h . nichts Objectives entstehen läßt . Soll wirklich ein Objectives anerkannt werden , so gehört dazu , W2 XI . 190 ,3–6 (Einschub in GW 29 ,1 . 172 ,22–23)  : Auf diesem letzteren Standpunkt findet nur G e w i ß h e i t  , aber keine Wa h r h e i t statt und ich kann dabei noch ganz als Dieses , Endliches bestimmt bleiben . Die Objectivität ist dann nur Schein . W2 XI . 191 ,4–1 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 174 ,17)  : denn ich habe m i c h auf­ zu­geben  : darin liegt das Bewußtseyn m e i n e r und sofern ich nur Andacht habe als mich gegen Gott aufgebend , bin ich nur als Reflexion zugleich aus Gott in mich . W2 XI . 193 ,8–11 (Einschub in GW 29 ,1 . 175 ,21)  : Dies nun könnte uns zunächst ungöttlich scheinen  : aber wir haben es auch in den gewöhnlichen Vorstellungen von Gott schon  ; denn wir sind gewohnt , an ihn als Schöpfer der Welt zu glauben . W2 XI . 193 ,14–21 (Einschub in GW 29 ,1 . 176 ,3)  : Gott schaVt die Welt aus Nichts , d . h . außer der Welt ist nichts Aeußerliches da  : denn sie ist die Aeußerlichkeit selbst . Nur Gott ist  ; Gott aber nur durch Vermittlung seiner mit sich  ; er will das Endliche  ; er setzt es sich als ein Anderes und wird dadurch selbst zu einem Anderen seiner , zu einem Endlichen  ; denn er hat ein Anderes sich gegenüber . Dieß Andersseyn aber ist der Widerspruch seiner mit sich selbst . W2 XI . 193 ,8–1 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 176 ,8 )  : Denn es ist Gottes  ; es ist s e i n Anderes , und ist dennoch in der Bestimmung des A n d e r e n Gottes . Es ist das Andere und n i c h t Andere  ; es löst sich selbst auf  ; es ist nicht es selbst , sondern ein Anderes  ; es richtet sich zu Grunde . Dadurch aber ist das Andersseyn ganz in Gott verschwunden , und Gott erkennt darin sich selbst , wodurch er sich als Resultat seiner durch sich sich selbst erhält . / Nach dieser Betrachtung sind wohl zu unterscheiden

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W2 XI . 195 ,15–19 (statt GW 29 ,1 . 177 ,13)  : Wer dieses Phantoms sich nicht ent­schlägt , der versenkt sich in die Eitelkeit  : denn er setzt das Göttliche als die Ohnmacht , zu sich selbst kommen zu könnnen , während er seine eigne Subjectivität festhält und aus dieser die Ohnmächtigkeit seines Erkennens versichert . Dieß ist dann erst recht die subjective Unwahrheit , die Heuchelei , W2 XI . 195 ,5 v . u . –196 ,5 (statt GW 29 ,1 . 177 ,19 –178 ,7)  : Thun in der Wissenschaft . / Das n e g a t i ve Verhältniß des Bewußtseyns zum Absoluten stützt man auf die B e o b a c h t u n g  . Für das Bewußtseyn sey nur Endliches , das Unendliche dagegen sey nur bestimmungslos (an sich damit , wie wir gesehen haben , nur subjectiv) und | das Bewußtseyn habe nur ein negatives Verhältniß zu demselben . Weil sich , sagt man nun , in der Beobachtung nur solches Verhältniß f i n d e  , so sey es u n m ö g l i c h  , vom Absoluten , von der Wahrheit zu wissen . Ueber diese Wendung ist noch einiges zu bemerken . W2 XI . 196 ,17–23 (statt GW 29 ,1 . 178 ,16–19 )  : Aber dieser Standpunkt giebt vor , daß eben , was ist , d . h . was in dieses wahrnehmende Bewußtseyn fällt , das sey , was den M a a ß s t a b der M ö g l i c h k e i t und daraus den BegriV dafür abgebe  ; unmöglich sey das , was wider die Erfahrung gehe . / Hiegegen ist zu bemerken , daß dieses Beobachten sich w i l l k ü r l i c h a u f d i e S p h ä r e d e s e n d l i c h e n B e w u ß t s e y n s b e s c h r ä n k t  . Es giebt W2 XI . 201 ,6–26 (statt GW 29 ,1 . 184 ,12 –187 ,21)  : Der B e we i s d e r N o t h ­ we n­d i g ­k e i t  , daß so dieser Inhalt der Religion die absolute Wahrheit ist , insofern er vom Un m i t t e l b a r e n anfängt und jenen Inhalt als Resultat eines andern Inhalts zeigt , liegt vor unsrer Wissenschaft und uns bereits im Rücken . Als wir oben an seiner Stelle diesen Beweis lieferten , sahen wir bereits , wie die E i n s e i t i g k e i t s e i n e s G a n g e s  , daß der Inhalt nicht als absolut , sondern als Resultat erscheint , s i c h s e l b s t a u f h e b t  . Denn eben das Erste , entweder die logische Abstraction des Seyns oder die endliche Welt , dieß Erste , Un m i t t e l b a r e  , nicht gesetzt Erscheinende , wird in dem Resultat selbst gesetzt als ein G e s e t z t e s  , nicht Unmittelbares und degradirt vom Unmittelbaren zum Gesetzten , so daß der absolute Geist vielmehr das Wahre ist , das Setzen der Idee , wie der Natur und des endlichen Geistes . Oder der absolute , seiner selbst sich bewußte Geist ist das Erste und einzige Wahre , in welchem die endliche Welt , die so ein Gesetztes ist , als Moment ist . / Jener Gang also , der sich zunächst als ein Gang vo r der Religion zeigte , wo vom Unmittelbaren begonnen wird , ohne Bezug auf Gott , so daß Gott dadurch erst w i r d  , ist nun vielmehr Moment W2 XI . 203 ,4–9 (statt GW 29 ,1 . 189 ,16–17)  : b .  Das Un t e r s c h e i d e n des ­Geistes in sich selbst , so daß er nun sich setzt als seyend für dieß von ihm – durch ihn selbst gesetzte – Unterschiedene . c . Indem dieß Unterscheiden selbst i n

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j e n e r E i n h e i t der Affirmation gesetzt ist , so wird es Negation der Negation , die Affirmation als unendlich , als a b s o l u t e s F ü r s i c h s e y n  . W2 XI . 203 ,8–5 v . u . (statt GW 29 ,1 . 190 ,2–3)  : e r s c h e i n e n d   ; aber wesentlich ist er als die g e i s t i g e E i n h e i t in seiner Substantialität nicht nur bestimmt als erscheinend , sondern als s i c h erscheinend , also dem Andern so erscheinend , daß er d a r i n s i c h s e l b s t erscheint . W2 XI . 204 ,1–25 (nach GW 29 ,1 . 190 ,5)  : Wenn wir zunächst die substantielle Einheit von dem Unterscheiden selbst unterschieden und dann als das d r i t t e die Rückkehr des zweiten Moments in das erste bestimmt haben , so sind aber nun nach der Bestimmung des Inhalts des Verhältnisses jene beiden Bestimmungen selbst nur als eine Seite des Verhältnisses zu nehmen , so daß sie beide nur die E i n e Bestimmtheit desselben ausmachen und das z w e i t e Moment ist dann das , welches als das dritte erschien . Diese beiden Bestimmungen sind es , welche nach dem BegriV das ausmachen , was überhaupt zur R e a l i t ä t d e r I d e e zu rechnen ist . Die eine als das Ve r h ä l t n i ß  , in welches der BegriV sich dirimirt , das B e w u ß t s e y n  , die E r s c h e i n u n g G o t t e s und die andere als d a s S i c h a u f h e b e n d i e s e r n u r r e l a t i ve n  , i m G e g e n s a t z s t e h e n d e n B e z i e h u n g  . In dem Ersten , dem Ve r h ä l t n i ß  , ist das endliche Bewußtseyn die eine Seite und die Art und Weise , wie seine Endlichkeit bestimmt ist , ist die an ihm zu Tage kommende Weise , wie ihm sein G e g e n s t a n d bestimmt ist . Hieher fällt die Art der göttlichen Erscheinung , die Vorstellung oder die t h e o r e t i s c h e Seite . Hingegen in der andern Beziehung , der p r a k t i s c h e n  , als der T h ä t i g k e i t d e s A u f h e b e n s d e r E n t z we i u n g  , ist es an dem Bewußtseyn , daß die Thätigkeit erscheint . Auf diese Seite fällt dann die Form der F r e i h e i t  , die S u b j e c t i v i t ä t als solche und ist das S e l b s t b e w u ß t s e y n in seiner Bewegung zu betrachten . Dieß ist d i e E r s c h e i n u n g a l s C u l t u s  . Zum Kultus W2 XI . 206 ,1–212 ,1 (vgl . GW 29 ,1 . 196 ,3 –202 ,6 )  : Das Wissen fällt so dem Cultus anheim und die allgemeine Form , in der es demselben angehört , ist der G l a u b e  .  / I . / D e r G l a u b e  .  / 1 . Der Glaube gehört diesem praktischen Verhältniß nach seiner subjectiven Seite an , dem Wissenden , insofern das Selbstbewußtseyn darin nicht nur als theoretisch von seinem Gegenstand weiß , sondern dessen g e w i ß ist , und zwar als des absolut Seyenden und allein Wahren , hiermit sein Fürsichseyn , als welches die Wahrheit an seinem formellen Wissen von sich habe , darin aufgegeben hat . Indem der Glaube bestimmt werden muß , als das Zeugniß des Geistes vom absoluten Geist , oder als e i n e G e w i ß h e i t vo n d e r Wa h r h e i t  , so enthält dieß Verhältniß , in Rücksicht auf den Unterschied des Gegenstandes und des Subjects , e i n e Ve r m i t t l u n g   – aber i n s i c h s e l b s t   –

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denn in dem Glauben , wie er sich hier bestimmt , ist bereits die äußere Vermittlung und jede besondere Art derselben verschwunden . Diese Vermittlung gehört also der Natur des Geistes an und für sich an und ist die s u b s t a n t i e l l e Einheit des Geistes mit sich , welche wesentlich ebenso die u n e n d l i c h e F o r m ist . Dieß in concreteren Bestimmungen ausgedrückt , so ist die Gewißheit des Glaubens von der Wahrheit , oder diese Einigung des absoluten Inhalts mit dem Wissen , d e r a b s o l u t e g ö t t l i c h e Z u s a m m e n h a n g selbst , nach welchem das Wissende , das Selbstbewußtseyn , insofern es von dem wahrhaften Inhalt weiß , als f r e i  , als aller Eigenthümlichkeit seines besondern Inhalts sich abthuend , von sich , aber nur von s e i n e m We s e n weiß . In dieser freien , absoluten Gewißheit seiner hat es selbst die Gewißheit der Wahrheit  ; – als wissend hat es einen G e g e n s t a n d  , und dieser als das Wesen ist der absolute G e g e n s t a n d  , und er ist zugleich kein f r e m d e r  , kein anderer , jenseitiger Gegenstand des Bewußtseyns , sondern er ist s e i n Ansich , sein Wesen , – denn er ist als absolut gewiß eben | identisch mit dieser Gewißheit . – Es ist dieser Inhalt das A n s i c h des Selbst­ bewußt­seyns , und diese Bestimmung ist für uns , und insofern sie nur das Ansichseyn ist , hat sie für das Selbstbewußtseyn Gegenständlichkeit , oder sie macht die Seite seines B e w u ß t s e y n s aus . – Es ist dieß der innerste , abstracte Punkt der Persönlichkeit – die nur speculativ als diese Einheit des Selbstbewußtseyns und des Bewußtseyns , oder des Wissens und seines Wesens , der unendlichen Form und des absoluten Inhalts gefaßt werden kann , welche Einheit schlechthin nur ist als das Wissen dieser Einheit in gegenständlicher Weise , als des Wesens , welches m e i n Wesen ist . / Es kommt bei dieser Exposition so sehr auf jedes einzelne Moment und zugleich auf die wesentliche Vereinigung derselben an , daß , wenn entweder nur eines derselben mit Abstraction von dem andern , oder sie auch vollständiger , aber ohne ihre Identität festgehalten werden , dieser BegriV leicht nur auf früher betrachtete einseitige Reflexionsformen hinauszulaufen scheinen und mit ihnen verwechselt werden kann . Dieser Schein erzeugt sich um so leichter , als eben jene Reflexionsformen nichts anderes sind , als die einzeln und einseitig festgehaltenen Momente des exponirten BegriVs  ; die Auseinandersetzung dieses Unterschiedes wird zur näheren Erläuterung des wahrhaften BegriVs wie jener Reflexionsformen dienen . / Wenn also gezeigt worden ist , daß in der Gewißheit des geistigen reinen Selbstbewußtseyns die Wahrheit selbst enthalten und untrennbar identisch mit ihr ist , so kann leicht diese Bestimmung dieselbe scheinen mit der Vorstellung des u n m i t t e l b a r e n W i s s e n s von Gott , in welchem als unmittelbarem das Seyn Gottes mir so gewiß sey , als Ich , meine Gewißheit von mir . Allein dieser Behauptung ist wesentlich , bei der Un m i t t e l b a r k e i t des Wissens als solcher zu beharren , ohne die Einsicht zu haben , daß das Wissen überhaupt als solches Vermittlung in ihm selbst ist , eine unmittelbare A ­ ffirmation ,

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welche | dieß schlechthin nur ist als Negation der Negation . Damit hängt dann zusammen , daß die Unmittelbarkeit des wissenden Subjects nicht verschwindet , sondern dieses in seinem e n d l i c h e n F ü r s i c h s e y n beharrt , also sowohl dasselbe geistlos bleibt , als auch der Gegenstand desselben , daß nur die speculative Natur beider Momente und der geistigen Substanz nicht gefaßt wird und nicht zur Sprache kommt . In der glaubenvollen Andacht vergißt das Individuum sich und ist erfüllt von seinem Gegenstand , es giebt sein Herz auf und behält sich nicht als unmittelbar . Wenn das Subject im Feuer und in der Wärme der Andacht sich in seinen Gegenstand versenkt , so ist es zwar noch s e l b s t dabei  ; das Subject eben ist es , das sich in dieser andächtigen Beschäftigung selbst hat , es ist es , das da betet , spricht , Vorstellungen durchgeht , mit seiner Erhebung zu thun hat . Aber das Subject erhält sich in der Andacht nicht in seiner Particularität , sondern nur in seiner Bewegung im Gegenstand und nur a l s d i e s e r s i c h b e we g e n d e G e i s t  .  – Die weitere Entwickelung der nicht aufgehobenen Unmittelbarkeit giebt dann die Unendlichkeit des eiteln Subjects als eines solchen , diese eitele Spitze bleibt  ; wenn diese gleichfalls d i e E i n h e i t der Gewißheit seiner selbst mit dem Inhalt ist , so ist diese Einheit eine solche , in welcher das Eitele als solches zum Wahren , Absoluten bestimmt ist . Jene Subjectivität ist dagegen bestimmt , nur die wahrhafte zu seyn , insofern sie von der Unmittelbarkeit , ebenso als von dem sich gegen die Substanz in sich reflectirenden und festhaltenden Fürsichseyn befreites , freies Wissen , nur diese gegen ihre particulare Eigenheit negative Einheit der unendlichen Form mit der Substanz ist . / Bei dem angegebenen BegriVe kann man auch an eine andre Vorstellung oder die kahle Beschuldigung des P a n t h e i s m u s erinnert werden , welche selbst von Theologen jenem BegriVe gemacht wird . Denn es giebt auch Theologen , welche selbst oft , wenn sie sonst meinen , sich sehr weit davon entfernt | zu haben , so sehr nur in die Heerstraße der gemeinen Reflexionsbildung unsrer Zeit eingebannt sind , daß , wenn sie von Gott nicht in der Stellung gesprochen sehen , daß er als ein absolutes Jenseits bestimmt wird , ihr Gedanke nicht weiter zu kommen weiß , als solche affirmative Beziehung nur als gemeine , abstracte Identität aufzufassen . Man weiß nicht Gott als Geist zu erkennen  : Geist ist eine leere , mit der starren , abstracten Substanz nur gleichbedeutende Vorstellung . Der Pantheismus sieht und kennt Gott in der Sonne , dem Steine , dem Baume , dem Thiere , nur insofern die Sonne als Sonne , der Baum als Baum , das Thier als solches in dieser unmittelbaren , natürlichen Existenz ist und beharrt . Die Sonne , die Luft u . s . f . sind in der That auch allgemeine Materie , noch mehr die Pflanze , das Thier sind Leben , und wenn man keine höhere Bestimmung von Gott kennt als die des allgemeinen Seyns , des allgemeinen Lebens , der allgemeinen Substanz und dergleichen , so enthalten solche Existenzen dieß sogenannte göttliche Wesen , und zwar als ein geistloses

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Allgemeines . Ebenso wenn das einzelne Selbstbewußtseyn als ein natürliches , einfaches D i n g  , in welcher Bestimmung die Seele gewöhnlich verstanden wird , bestimmt wird , so tritt es gleichfalls in die pantheistische Ansicht ein , sie als göttliche Existenz zu nehmen  ; aber ebenso wenn das Selbstbewußtseyn , wenn zwar nicht als natürliches Ding , doch als ein nach der Un m i t t e l b a r k e i t Wirkliches , so daß es als u n m i t t e l b a r Wissendes , wie es seiner nur ursprünglichen Bestimmtheit nach Denkendes ist , wahrhaft sey , wenn es also in diesem Sinne für eine göttliche Wirklichkeit genommen wird , ist es auch noch in jene pan­ theistische Ansicht aufgenommen . Und von solcher Bestimmung des einzelnen Selbstbewußten kann sich diese Vorstellung nicht losmachen . Ich b i n  , Ich b i n denkend  : diese Form des unmittelbaren Seyns faßt jenes Vorstellen als das , was die letzte Definition und die beharrende Gestalt des Denkenden aus|macht . Wenn dasselbe auch Geist genannt wird , so bleibt es ein sinnloses Wort , indem jenes nur s e ye n d e Ic h  , jenes nur u n m i t t e l b a r e Wissen – unmittelbar wissend , es sey von was es wolle , auch von Gott – nur erst der geistlose Geist ist . Aus diesem Auffassen des Geistes als eines geistlosen ist es , daß die zwei Behauptungen fließen , daß der Mensch nur u n m i t t e l b a r von Gott w i s s e n könne , und daß er , als u r s p r ü n g l i c h  , vo n N a t u r g u t sey . Oder umgekehrt , wenn diese zwei Behauptungen gemacht werden , so folgt daraus , daß der Geist nur als ­s e ye n d e s Ich und dies s e ye n d e Ich als die letzte wahrhafte Bestimmung des Selbstbewußtseyns , und selbst als das absolute ewige Seyn genommen werde . Der Geist ist nur erst Geist als concrete Freiheit , als der seine Natürlichkeit oder Unmittelbarkeit in seiner A l l g e m e i n h e i t überhaupt , oder bestimmter in seinem Wesen als seinem Gegenstande zerfließen läßt , seine natürliche , sich als endlich bestimmende , Einzelnheit in die S a c h e  , d . i . hier den absoluten , sich als Gegenstand bestimmenden Inhalt versenkt . Wird bei der aufzugebenden Unmittelbarkeit nur an die leibliche gedacht , so stellt sich das Aufgeben derselben theils als der n a t ü r l i c h e To d vor , durch welchen der Mensch mit Gott vereinigt werden könne , – theils aber als das Denken , welches von dem sinnlichen Leben und den sinnlichen Vorstellungen abstrahirt und ein Zurückziehen in die freie Region des Uebersinnlichen ist  ; aber wenn es hier bei sich als a b s t r a c t e m Denken stehen bleibt , so behält es sich die reflectirte Eitelkeit des einfachen , unmittelbaren Fürsichseyns , des spröden Eins des seyenden Ich , welches sich als a u s s c h l i e ß e n d gegen sein Wesen verhält und dasselbe i n s i c h selbst negirt . Mit Recht wird von diesem Ich gesagt , daß in ihm Gott nicht wäre und es nicht in Gott , und daß es mit Gott nur auf eine äußerliche Weise zu thun hätte  ; so wie daß es die pantheistische und Gottes unwürdige Ansicht wäre , wenn dasselbe als eine actuale Existenz Gottes genommen würde , | indem Gott wenigstens abstract als das schlechthin allgemeine Wesen bestimmt werden muß . Aber von

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dieser pantheistischen Art ist das Verhältniß des Selbstbewußtseyns zu Gott als zum Geist ganz verschieden , indem es in solchem Verhalten selbst Geist ist , und durch das Aufgeben seiner a u s s c h l i e ß e n d e n Bestimmung , welche es als unmittelbares Eins hat , sich in affirmative Beziehung , in geistig-lebendes Verhältniß zu Gott setzt . Wenn Theologen Pantheismus in diesem Verhältniß sehen , somit unter das A l l e s  , a l l e D i n g e  , zu denen sie selbst noch die Seele und das in sein Fürsichseyn reflectirte Ich zu zählen , und die sie dann nach ihrer individuellen Wirklichkeit , in der sie endlich sind , von Gott auszuschließen berechtigt sind , auch noch den G e i s t rechnen , und auch denselben nur als Negation Gottes kennen , so vergessen sie nicht nur die Lehren , daß der Mensch nach dem Ebenbilde Gottes geschaVen worden , sondern vornehmlich die Lehre von der Gnade Gottes , der Rechtfertigung durch Christus , und am nächsten die Lehre von dem heiligen Geist , welcher die Gemeinde in alle Wahrheit leitet und in seiner Gemeinde ewig lebt . Das jetzige Schlagwort dagegen ist  : Pantheismus . Ist aber das Ich Wissen des unendlichen Inhalts , so , daß diese Form selbst zum ­unendlichen Inhalt gehört , so ist der Inhalt der Form schlechthin angemessen  ; er ist nicht in endlicher Existenz , sondern in absoluter Erscheinung seiner selbst da , und das ist nicht Pantheismus , welches die Existenz des Göttlichen in einer besonderen Form vor sich hat . Ist der Mensch vielmehr u n m i t t e l b a r Gott , d . h . weiß er als d i e s e r von Gott , so ist das pantheistisch . Die Kirche dagegen sagt , nur durch Aufhebung dieser Natürlichkeit (welches Aufheben , als natürlich vorgestellt , der natürliche Tod ist) werde der Mensch mit Gott vereinigt . Wenn wir , was die Kirche lehrt , im BegriV auffassen , in Gedanken , so liegen darin die ­angegebenen , speculativen Bestimmungen , und wenn es Theologen giebt , die solchen Lehren , welche allerdings die inner|sten Tiefen des göttlichen Wesens be­treVen , W2 XI . 216 ,11 v . u . –221 ,10 (nach GW 29 ,1 . 200 ,3)  : Ich , diese empirische Existenz , von der das Wesen allerdings noch verschieden ist , ist das Wesenlose . / Das subjective Bewußtseyn selbst ist aber ein beschränktes , bestimmtes Bewußtseyn  : b e s o n d e r e r G e i s t  . Für diesen besondern Geist , den Geist mit der Bestimmtheit , ist auch die Wahrheit nur in dieser b e s t i m m t e n Weise . Wie der subjective Geist beschaVen ist , ist auch für ihn die objective Wahrheit . / In Gott liegt aber selbst Bewußtseyn und Wissen . Es ist ein Inhalt und von ihm ist untrennbar die Form , daß dieser | Inhalt Gegenstand des Bewußtseyns ist . Da sind wir bei dem besondern Geist und auf den Entwickelungsstufen des Geistes modificirt sich der Glaube und bestimmt er sich zu anderem Inhalt . So spricht man mit Recht schon mit dem Kinde von Gott , seinem Schöpfer und es bekommt dadurch eine Vorstellung von Gott , von einem Höheren  : das wird frühzeitig vom Bewußtseyn gefaßt , aber nur auf eingeschränkte Weise und solche Grundlage bildet sich dann

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weiter aus . Der Eine Geist ist die substantielle Grundlage überhaupt  ; es ist dieß der Geist eines Volkes , wie er in den einzelnen Perioden der Weltgeschichte bestimmt ist – der Nationalgeist  : dieser macht die s u b s t a n t i e l l e G r u n d l a g e im Individuum aus  ; ein Jeder ist in seinem Volke geboren und gehört dem Geiste desselben an . Dieser Geist ist das Substantielle überhaupt und das Identische gleichsam von Natur  : er ist der a b s o l u t e G r u n d des Glaubens . Nach ihm ist bestimmt , was als Wahrheit gilt . Dieß Substantielle ist in dieser Weise für sich im Unterschiede gegen die Individuen und ist ihre M a c h t in Beziehung auf sie als Einzelne und in diesem Verhältniß zu ihnen ist er ihre absolute A u t o r i t ä t  . Jedes Individuum als seinem Volksgeiste angehörend wird so im Glauben seiner Väter geboren ohne seine Schuld und ohne sein Verdienst und der Glaube der Väter ist dem Individuum ein Heiliges und seine Autorität . Dieß macht den von der geschichtlichen Entwickelung gegebenen Glaubensgrund aus . / Es entsteht hier die Frage  : wie eine Religion gegründet wird , d . h . auf welche Weise der substantielle Geist zum Bewußtseyn der Völker kommt ? Es ist dieß etwas Geschichtliches  ; die Anfänge sind unscheinbar  : diejenigen , die diesen Geist aus­ zusprechen wissen , sind die Propheten , die Poeten  ; Herodot sagt  : Homer und Hesiod haben den Griechen ihre Götter gemacht . Homer und Hesiod haben hier eine Autorität , aber es ist nur darum , weil ihre Aussprüche dem griechischen Geiste | angemessen waren . Auch sind diesen Dichtern noch frühere Anfänge , die der erste Schimmer des Göttlichen waren , vorangegangen  ; denn in der Ausbildung , wie es bei Homer erscheint , kann man nicht sagen , daß es von Anfang an gewesen sey . Der Schauder vor dem Uebersinnlichen hat sich im Anfang noch auf ungebildete Weise ausgedrückt . Die Furcht ist der Anfang und um sie zu entfernen und jene übersinnliche Macht sich günstig zu machen , wurden Zauber­ formeln angewendet und in Hymnen gebetet . So entwickelt sich nach und nach das Bewußtseyn  ; und die Wenigen , die da wissen , was das Göttliche ist , sind die Pa t r i a r c h e n  , die P r i e s t e r  , oder es kann auch eine K a s t e oder eine besondere F a m i l i e dazu bestimmt seyn , die Lehre und den Gottesdienst zu verwalten . Jedes Individuum lebt sich in diese Vorstellungen und Empfindungen hinein und so ist eine geistige Ansteckung im Volke verbreitet und die Erziehung macht sich darin , daß das Individuum im Dufte seines Volkes lebt . So gehen die Kinder geschmückt und geputzt mit zu dem Gottesdienst , machen die Functionen mit oder haben ein Geschäft dabei , in jedem Fall lernen sie die Gebete , hören die Vorstellungen der Gemeinde , des Volkes , stellen sich in dieselben hinein und nehmen sie in derselben unmittelbaren Weise an , wie dieselbe Art , sich zu kleiden , und die Sitten des täglichen Lebens sich fortpflanzen . / Das ist die n a t ü r l i c h e A u t o r i t ä t  , aber ihre Macht ist die größte im Geistigen . Das Individuum mag sich auf seine Selbständigkeit noch so viel einbilden , es kann diesen Geist

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nicht überfliegen , denn er ist das Substantielle , seine Geistigkeit selbst . / Zunächst ist diese Autorität ganz u n b e f a n g e n und steht unmittelbar fest in dem Volke o h n e Ve r b o t d e s G e g e n t h e i l s  . Die Einzelnen sind darin weder frei noch unfrei , da gar kein Gegensatz der Reflexion und des subjectiven Denkens vorhanden ist . W i r sagen , die Völker haben dieß g e g l a u b t   ;  | sie selbst heißen es nicht »Glauben« , insofern dieses das Bewußtseyn eines Gegensatzes in sich enthält . / Nun giebt es aber ve r s c h i e d e n e Formen des Glaubens , verschiedene Religionen , die in Collision mit einander kommen können . Was dieses Zu­sam­ men­treVen anbetriVt , so kann es auf dem Boden der Vo r s t e l l u n g und der Reflexion geschehen und die Vertheidigung sich auf Gründe und B e we i s e d e r Wa h r h e i t stützen , aber es kann auch die Form annehmen , daß die Völker andere zwingen , sich ihrem Glauben zu fügen , der Glaube wird so z w i n g e n d e S t a a t s g e w a l t  , theils im Inneren des Staates selbst , theils auch nach außen . Diese Collision hat unzählige Kriege verursacht . Hieher fallen z . B . die Kriege der Muhamedaner , die Religionskriege zwischen Katholiken und Protestanten , auch die Ketzergerichte , ferner die Schlachten unter den Indern zwischen den Verehrern Schiwa’s und Wischnu’s . Es ist die Ehre Gottes , für welche in solchen Collisionen gekämpft wird , daß Gott im Bewußtseyn anerkannt werde , und die Wahrheit des Volkes zur Anerkennung komme . Gegen solchen Zwang erhebt sich die F r e i h e i t d e s G l a u b e n s überhaupt  ; diese Freiheit kann sich dann aber näher auch die Stellung geben , daß sie ü b e r dem verschiedenen Inhalt stehe , der sich als Wahrheit behauptet . So f o r m e l l ist sie das , was Glaubensfreiheit als solche ist , wo es außer dem Spiele bleiben soll , was geglaubt wird . Das ist dann die formelle Forderung der Freiheit , die nicht auf die Wahrheit des Glaubens sieht und sich nur auf die subjective Freiheit bezieht  ; der Inhalt mag von einer Be­schaVen­heit seyn , wie er wolle . Da tritt der Unterschied ein zwischen dem Inneren , dem Orte des Gewissens , worin ich bei mir selbst bin , und zwischen dem wesentlichen Inhalt . Das Innere ist das Heilige , der Ort meiner Freiheit , welcher respectirt werden soll , das ist eine wesentliche Forderung , die der Mensch macht , insofern das Bewußtseyn der Freiheit in ihm erwacht . Der Grund ist | hier nicht mehr der substantielle Inhalt des Glaubens , sondern das Formelle des Glaubens . / Glaubensfreiheit erscheint aber sogleich als ein W i d e r s p r u c h a n i h r s e l b s t  , wenn man die Sache vom a b s t r a c t e n Denken aus betrachtet , denn indem man eben glaubt , so nimmt man etwas G e g e b e n e s  , Vorhandenes an  : die Freiheit aber verlangt , daß dieß von mir gesetzt , producirt sey . Aber der Glaube ist in jener Forderung der Freiheit in der That als mein persönlicher Glaube , als m e i n e eigenste und innerste Gewißheit gefaßt . In dieser Gewißheit meiner selbst , in der m e i n e Ueberzeugung , m e i n Glaube seine Quelle und seinen Ort hat , bin ich frei für mich gegen Andere , der Glaube selbst mag seyn ,

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welcher Art er wolle , oder die bestimmten Gründe , Reflexionen und Gefühle , auf die er gebaut wird , sind hier gleichgültig . Allerdings ist der Glaube in ihm selbst , was den I n h a l t betriVt , noch unfrei , und das D e n k e n erst ist es , das auch in Rücksicht auf den Inhalt frei zu seyn sucht . / Hier nun , wo die Freiheit auch auf den I n h a l t sich bezieht , hier ist es nun , wo der B r u c h z w i s c h e n D e n k e n u n d G l a u b e n hervortritt , dieser Bruch , den wir schon in Griechenland zur Zeit des Sokrates sehen . Das Denken ist eine neue Beziehung gegen den Glauben . Die Seite der Form tritt nämlich gegen das Substantielle der Wahrheit in Beziehung . In der christlichen Religion ist von Anfang an dieß Princip vorhanden , sie fängt zwar einer Seits von einer äußerlichen Geschichte an , die geglaubt wird , aber zugleich hat diese Geschichte die Bedeutung , daß sie die Explication der Natur Gottes ist . Christus ist nach der Unterscheidung , die da sogleich eintritt , nicht nur ein Mensch , der dieses Schicksal gehabt hat , sondern er ist auch der Sohn Gottes . Die Explication der Geschichte Christi ist dann das Tiefere  ; sie ist im Gedanken geschehen und hat die D o g m a t i k  , die Lehre der Kirche hervorgebracht . Damit ist die Forderung der Innerlichkeit , des | Denkens vorhanden . Der Bruch des Denkens und des Glaubens entwickelt sich dann ­weiter . Das Denken weiß sich frei , nicht nur der Form nach , sondern auch in Rücksicht auf den Inhalt . Im Denken ist die Freiheit aber nicht ohne Autorität  ; es hat gewisse Principien , die zwar seine eigenen sind und auf die es Alles re­ ducirt  : diese Principien gehören aber selbst der Entwickelung an  ; eine Zeit hat gewisse Principien und insofern ist darin auch A u t o r i t ä t   : die letzte Analyse , wo keine vorausgesetzte Principien mehr sind , ist erst das Fortschreiten zur ­Philosophie  . W2 XI . 222 ,3 v . u . –223 ,3 (statt GW 29 ,1 . 204 ,9–10 )  : In der Religion hingegen ist das Gute , die Versöhnung a b s o l u t vo l l b r a c h t und an und für sich selbst  ; es ist vo r a u s g e s e t z t die göttliche Einheit der | geistigen und der natür­ lichen Welt – zu der letzteren gehört das besondere Selbstbewußtseyn – und es handelt sich nur u m m i c h und g e g e n m i c h  , W2 XI . 223 ,8–21 (Einschub in GW 29 ,1 . 204 ,12–13)  : Ebenso wenn man heut zu Tage nur immer Noth hat , den Glauben an die Menschen heranzubringen und das Gerede nur immer darauf ausgeht , in ihnen Jammer und damit den Glauben , daß Gott sey , hervorzubringen , so ist das nicht nur nicht Cultus , sondern dieß , nur immer erst R e l i g i o n h e r vo r b r i n g e n z u wo l l e n  , ist außer der Religion . Der Cultus ist vielmehr innerhalb der Religion und das Wissen , daß Gott ist und die Wirklichkeit ist , ist da der Boden , dem ich mich nur zu assimiliren habe . Unglückselige Zeit , die sich damit begnügen muß , daß ihr immer nur vorgesagt wird , es sey ein Gott  ! / Da vielmehr der Cultus das An- und Fürsichseyn des letzten Endzwecks der Welt voraussetzt , aber von dieser Voraussetzung

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aus gegen das empirische Selbstbewußtseyn und gegen die besondern Interessen desselben gerichtet ist , W2 XI . 224 ,13–18 (statt GW 29 ,1 . 205 ,10–13)  : Der wahrhafte Glaube nach der bisherigen Bestimmung setzt aber das Selbstbewußtseyn der absoluten Freiheit des Geistes voraus , das Bewußtseyn , daß der Mensch nach seiner Grundbestimmung a n u n d f ü r s i c h f r e i s e y und sich als unendliche Persönlichkeit weiß . W2 XI . 225 ,5 v . u . –233 ,10 (vgl . GW 29 ,1 . 42 ,2 –45 ,6 )  : eine Welt absoluter Endlichkeit hat sich einer Unendlichkeit noch nicht gegenüber gestellt . So herrscht bei den Heiden das Bewußtseyn ihrer Glückseligkeit , daß Gott ihnen nahe ist als der Gott des Volkes , der Stadt , dieß Gefühl , daß die Götter ihnen | freundlich sind und ihnen den Genuß des Besten geben . Wird in dieser Weise Athene von den Athenern als ihre göttliche Macht gewußt , so wissen sie sich mit derselben ursprünglich einig und wissen sie die Gottheit als die geistige Macht ihres Volkes selbst . / Auf der ersten Stufe der unmittelbaren Einheit des End­ lichen und Unendlichen ist das S e l b s t b e w u ß t s e y n noch nicht zur To t a l i t ä t ausgebildet  ; es ist insofern mit dem Unterschiede nicht Ernst . Zwar muß die N e g a t i v i t ä t überhaupt vorkommen , aber da sie nicht die eigne Einbildung des Selbstbewußtseyns ist , so ist das Negative ausgeschlossen aus dem innern Ver­ hältniß der Subjectivität , es steht drüben und ist als ein Reich der Finsterniß und des Bösen a u s d e r u n m i t t e l b a r e n E i n h e i t a u s z u s c h e i d e n  . Es kann auch Kampf und Streit mit jenem Negativen entstehen , aber so , daß er mehr als ein ä u ß e r l i c h e r K r i e g vorgestellt wird und die Feindschaft und die Rückkehr aus derselben nicht als wesentliches Moment des Selbstbewußtseyns ist . In diese Stufe fällt deshalb auch keine eigentliche Versöhnung , denn diese setzt die absolute Entzweiung des Gemüths voraus . / Der Cultus hat also hier wesentlich die Bestimmung , daß er n i c h t e i n E i g e n t h ü m l i c h e s  , ein vom übrigen Leben Abgesondertes , sondern ein beständiges Leben im Lichtreiche und im Guten ausmacht . Das z e i t l i c h e L e b e n d e r B e d ü r f t i g k e i t  , dieses unmittelbare Leben , ist s e l b s t C u l t u s und das Subject hat sein wesentliches Leben noch nicht von der Unterhaltung seines zeitlichen Lebens und von den Verrichtungen für die unmittelbare , endliche Existenz unterschieden . / Es muß auf dieser Stufe wohl vorkommen ein a u s d r ü c k l i c h e s B e w u ß t s e y n seines Gottes als solches , ein Erheben zu dem Gedanken des absoluten Wesens und ein Anbeten und Preisen desselben . Dieses ist aber zunächst ein a b s t r a c t e s Ve r h ä l t n i ß f ü r s i c h  , in welches das concrete Leben nicht | eintritt . Sobald das Verhältniß des Cultus sich c o n c r e t e r gestaltet , so nimmt es die g a n z e ä u ß e r e W i r kl i c h k e i t d e s I n d i v i d u u m s in sich auf , und der ganze Umfang des gewöhnlichen , täglichen Lebens , Essen , Trinken , Schlafen und alle Handlungen für die Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse stehen in Beziehung auf den Cultus

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und der Verlauf aller dieser Handlungen und Verrichtungen bildet ein heiliges Leben . / Indem gleichwohl diesen Verrichtungen die A e u ß e r l i c h k e i t und B e d ü r f t i g k e i t eigen ist , so muß auf sie , wenn sie in jene wesentliche Einheit erhoben werden , b e s o n d e r e A u f m e r k s a m k e i t gerichtet werden und mit Ausschließung der Willkür werden sie auf besonnene , gesetzte Weise ausgeübt . So herrscht in den gemeinsten Handlungen des Lebens Feierlichkeit und Würde . Die concrete Existenz des endlichen Lebens ist noch nicht als gleichgültig ge­ achtet , durch die Freiheit noch nicht zur Aeußerlichkeit herabgesetzt , weil die Freiheit des Inneren sich noch nicht eine selbständige Sphäre gegeben hat . Das Thun des täglichen und gewöhnlichen Lebens ist also durchaus noch in Beziehung auf das Religiöse gesetzt und gilt als ein substantielles Thun . Damit nun dieses , was wir als ein zufälliges Thun betrachten , der Form der Substantialität angemessen sey , so gehört dazu , daß es mit Feierlichkeit , Ruhe und geziemender Regelmäßigkeit und Ordnung geschehe . Alles dieß ist somit auf eine allgemeine Weise durch Vorschriften bestimmt und der Schein der Zufälligkeit ist nicht vorhanden , da die Verendlichung sich noch nicht für sich losgerissen und sich ihren Spielraum gegeben hat . Seinen Leib und die endlichen Geschäfte und deren Ausführung betrachtet der Orientale , der auf diesem Standpunkt steht , nicht als sein eigen , sondern als e i n e n D i e n s t g e g e n e i n e n A n d e r n  , gegen den allgemeinen , wesentlichen Willen  ; er muß deshalb in den geringfügigsten Ver­ rich|tungen Würde und Besonnenheit haben , damit er sie geziemend , wie es jenem allgemeinen Willen gemäß ist , vollbringe . / Jene Feierlichkeit ist jedoch nur eine F o r m und der Inhalt ist doch T h u n u n d S e y n d e s E n d l i c h e n und der Gegensatz ist deshalb in Wahrheit nicht aufgehoben . Da somit die Ordnung , mit der die Handlungen des täglichen Lebens gethan werden , nur eine äußerliche Form an jeném endlichen Inhalt ist , so ist die w i r k l i c h e Ve r s c h i e d e n h e i t des äußerlichen Lebens und dessen , was der absolute Gegenstand für das Bewußtseyn ist , noch vorhanden . Die subjective Existenz muß deshalb a u s d r ü c k l i c h aufgehoben werden und die Weise , wie dieß hier geschieht , betriVt d ie Ref lex ion au f d ie End l ich keit u nd au f deren Gegen sat z z u m Un e n d l i c h e n  . Die Negativität des Endlichen kann jedoch auch nur a u f e n d l i c h e We i s e geschehen . Dieß ist nun dasjenige , was das O p f e r im Allge­ meinen genannt wird . / Das Opfer enthält unmittelbar das A u f g e b e n e i n e r u n m i t t e l b a r e n E n d l i c h k e i t im Sinne der Bezeugung , daß sie mir n i c h t e i­g e n­t h ü m ­l i c h seyn solle und daß ich solche Endlichkeit nicht für mich haben will  ; das Opfer ist also auf diesem Standpunkt des religiösen Selbstbewußtseyns eigentliches Opfer . Es kann hier nicht , weil noch nicht die Tiefe des Gemüths vorhanden ist , die Negativität sich in einem i n n e r l i c h e n P r o c e ß oVenbaren . Das Opfer besteht nicht in einer Umkehrung des Gemüths , des Herzens und der

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natürlichen Neigungen , daß diese gebrochen werden . Sondern was das Subject f ü r s i c h ist , das ist es i m u n m i t t e l b a r e n B e s i t z und indem es im Cultus seine Endlichkeit aufgiebt , so ist das nur ein Aufgeben eines unmittelbaren Besitzes und eines natürlichen Daseyns . In diesem Sinne ist in einer geistigen Religion kein Opfer mehr vorhanden , sondern was dort Opfer heißt , kann es nur im bildlichen Sinne seyn . / Das Opfer kann nun näher seyn ein bloßes O p f e r d e r   | Ve r e h r u n g  , d e s P r e i s e s  , die Bezeugung , daß ich nichts Eigenthümliches habe , sondern es aufgebe , indem ich mich im Verhältniß zum Absoluten denke . Der , an den der Besitz aufgegeben wird , soll dadurch nicht reicher werden , sondern das Subject giebt sich dadurch nur das Bewußtseyn der aufgehobenen Trennung und sein Thun ist insofern schlechthin f r e u d i g e s T h u n  . Dieß ist auch der Sinn der Geschenke im Orient überhaupt  ; so bringen die Unter­ thanen und Besiegten dem Könige Gaben , nicht daß er reicher werden soll , denn es wird ihm ohnehin Alles zugeschrieben und es gehört ihm Alles . / Das Opfer kann sich dann weiter bestimmen als O p f e r d e r R e i n i g u n g in Rücksicht auf eine b e s t i m m t e Verunreinigung . Eine S ü n d e i m e i g e n t l i c h e n S i n n e wird auf diesem Standpunkt nicht gethan  ; die bestimmten Opfer der Reinigung gesellen sich vielmehr zu allem endlichen Thun überhaupt . Sie sind auch k e i n e B u ß e  , k e i n e S t r a f e  , haben auch nicht eine geistige Bekehrung zum Zweck und sind überhaupt kein Verlust und kein Schaden , der erlitten würde . Es wird nicht so angesehen , daß man etwas Uebles gethan habe und dafür wieder ein Uebel erleiden müsse . Alle diese Bestimmungen würden die Vorstellung einer Berechtigung des Subjects einschließen , das ist aber eine Vorstellung , die hier noch gar nicht sich einmischt . Nach unserm Standpunkt würden solche Opfer als ein Verlust betrachtet werden , indem dadurch ein Eigenthum aufgegeben wird . Solche Ansicht findet indeß auf jenem Standpunkt nicht statt  ; das Opfer ist hier vielmehr wesentlich etwas Sy m b o l i s c h e s  . Es ist eine Verunreinigung geschehen und diese muß auf ebenso unmittelbare Weise abgethan werden  ; allein das Subject kann das Geschehene nicht ungeschehen machen und auch nicht bereuen , daß es so gehandelt habe . Es muß deshalb nothwendig eine Ve r t a u s c h u n g geschehen und etwas Anderes aufgegeben werden als diejenige Existenz , um die es eigentlich zu thun war . Das Geopferte | kann dem Werth nach viel geringer seyn , als was ich erhalte , was ich mir erworben habe . So die Erndte , die ich gewonnen , das Thier , das ich geschlachtet habe , diese nehme ich in Besitz , und soll nun gezeigt werden , daß es mir nicht Ernst sey mit diesem Besitz , so geschieht das auf symbolische Weise . Es ist nicht so , als ob das , was ich thue , n i c h t geschehen sollte , denn diese Handlungen sind n o t h­w e n d i g   ; durch das Opfer wird nur diese Ve r e n d l i c h u n g ü b e r h a u p t  , dieses F ü r m i c h s e y n wieder aufgehoben . / Der allgemeine Charakter , den dieses gottesdienstliche Handeln

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hat , ist dasjenige , was wir das C e r e m o n i ö s e heißen . Dieses Ceremoniöse besteht darin , daß alltägliche , gemeine Handlungen – wie wir sie ansehen – zugleich nothwendige Handlungen und durch Vorschrift bestimmt sind . Wir haben das Recht , uns hiebei willkürlich zu verhalten oder bewußtlos der Gewohnheit zu folgen  ; ebenso halten wir eine Reinigung nicht für nöthig , insofern solche Handlungen , wie das Erndten und das Schlachten eines Thieres nothwendig sind . Da ferner bei jenen Opfern und Reinigungen eine Beziehung auf die religiöse Seite stattfindet , so ist kein Unterschied vorhanden , dem nicht eine Wichtigkeit beigelegt würde . So werden die verschiedenen Lebensmittel nicht bloß in Be­ ziehung auf den Geschmack und die Gesundheit betrachtet . Ebenso tritt in Ansehung der Reinigung und des Opfers d i e Ve r s c h i e d e n h e i t d e r C o m ­ b i n a t i o n ein  : diejenige Handlung , wodurch die Reinigung von einer andern Handlung vollbracht wird , kann k e i n e n o t h w e n d i g e B e z i e h u n g auf ­d ieselbe haben und die Combination kann deshalb nur eine z u f ä l l i g e und ä u ß e r­l i c h e seyn . Daraus entsteht das Pe i n l i c h e dieses Cultus . Wenn in jenen Ceremonieen und Combinationen ein S i n n liegt oder gelegen hat , so ist es ein t r i v i a l e r und o b e r f l ä c h l i c h e r  , und indem solche Handlungen zur G e wo h n h e i t werden , so ve r l i e r e n sie auch noch den wenigen Sinn , der darin gelegen haben mag . | / Es tritt nun auf diesem Standpunkt auch die bestimmte S t r a f e ein , insofern ein Thun , das einer bestimmten Vorschrift entgegengesetzt ist , aufgehoben werden soll und es sich um eine Uebertretung handelt . Die Strafe gegen eine solche Verletzung ist wieder eine Ve r l e t z u n g und es wird etwas aufgegeben , Leben , Eigenthum u . s . f . Aber diese Strafe hat hier den Sinn einer ganz trockenen  , f ö r m l i c h e n S t r a f e in der Weise der b ü r g e r l i c h e n S t r a f e  . Diese bekümmert sich aber nicht unmittelbar um die Besserung des Verbrechers , während die kirchliche Buße in unserm Sinne eine Strafe ist , deren wesentlicher Zweck die Besserung und Bekehrung des Bestraften ist . Einen solchen moralischen oder vielmehr religiösen Sinn kann auf diesem Standpunkt die Strafe nicht haben . B ü r g e r l i c h e u n d S t a a t s g e s e t z e sind hier überhaupt i d e n t i s c h m i t d e n r e l i g i ö s e n G e s e t z e n  . Das Staatsgesetz ist Gesetz der Freiheit , setzt die Persönlichkeit , die Menschenwürde voraus und bezieht sich wesentlich auf den Willen  ; es bleibt dabei eine Sphäre der W i l l k ü r übrig für die Entscheidung über zufällige , gleichgültige Dinge . Auf diesem Standpunkt jedoch ist diese Abscheidung noch nicht vorhanden und es findet im Allgemeinen ein Zustand der b l o ß e n N o t h we n d i g k e i t statt . / Von dem endlichen Seyn und Thun , welches der dargestellte Cultus zu dem An- und Fürsichseyenden in Beziehung setzt , scheidet sich nun auch ein weiter bestimmtes Thun ab , welches z we c k m ä ß i g ist . Während das Verrichten der Handlungen , die sich auf unser Bedürfniß unmittelbar beziehen , nicht nach einem Zweck geschieht , sondern

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unmittelbar regulirt ist , so ist dagegen das zweckmäßige Thun nicht bloß das bedürftige Thun nach Gewohnheit , sondern es bestimmt sich nach Vo r s t e l l u n g e n  . So ist es nun zwar auch noch endliches Thun , insofern es endlichen Zweck hat  ; aber indem hier zunächst das Princip ist , daß d a s E n d l i c h e z u m Un e n d l i c h e n e r h o b e n werde , so sind die endlichen Zwecke auch zu einem u n e n d l i c h e n  | Zwe c k zu erweitern . So tritt das religiöse A r b e i t e n ein , welches Werke der Andacht hervorbringt , die nicht zu einem endlichen Zweck bestimmt sind , sondern Etwas seyn sollen , das an und für sich ist . Dieß Arbeiten ist hier selbst Cultus . Seine Werke und Productionen sind nicht wie unsere Kirchenbauten anzusehen , die nur unternommen werden , weil man ihrer eben bedarf , sondern das Arbeiten als r e i n e s H e r vo r b r i n g e n und als p e r e n n i r e n d e s Arbeiten ist der Zweck für sich selbst und ist somit nie fertig . / Diese Arbeit ist nun von verschiedener Art und von verschiedenem Grade , von der bloß körperlichen Bewegung des Tanzes bis zu den ungeheuren colossalen Bauwerken . Die letzteren Werke haben dann vornehmlich den Sinn von Monumenten , deren Errichtung endlos ist , da immer wieder von vorn angefangen werden muß , wenn eine Generation mit einem Werke fertig ist . / Bei solchen Werken ist das Bestimmende noch nicht die f r e i e Ph a n t a s i e  , sondern das Hervorgebrachte hat den C h a r a k t e r des Un g e h e u e r n und Colossalen . Das Hervorbringen ist noch wesentlich an das N a t ü r l i c h e und G e g e b e n e gekettet und was der Thätigkeit freisteht , das ist nur darauf beschränkt , daß die M a a ß e übertrieben und die gegebenen Gestalten ins Ungeheure geführt werden . / Auch alle diese Arbeiten fallen noch in die Sphäre des O p f e r s  . Denn wie bei diesem ist der Zweck das Allgemeine , gegen welches sich die Eigenheit und die Interessen des Subjects im Thun aufgeben müssen . Alle Thätigkeit ist überhaupt ein A u f g e b e n  , aber nicht mehr eines nur äußerlichen Dinges , sondern der i n n e r l i c h e n S u b j e c t i v i t ä t  . Dieses Aufgeben und Opfern , das in der Thätigkeit liegt , ist als Thätigkeit zugleich objectivirend , bringt Etwas zu Stande , aber nicht so , daß das producirte Seyn überhaupt nur aus mir kommt , sondern nach einem i n h a l t s vo l l e n Zwe c k geschieht . Die Arbeit | des Menschen , wodurch die Einheit des End­ lichen und Unendlichen nur insofern zu Stande kommt , als sie durch den Geist hindurchgegangen und aus seinem Thun herausgerungen ist , ist aber schon ein tieferes Opfer und ein Fortschritt gegen das Opfer , wie es ursprünglich nur als Aufgeben einer unmittelbaren Endlichkeit erscheint . Denn in jenem Produciren ist das Opfer g e i s t i g e s T h u n und die Anstrengung , die als Negation des besondern Selbstbewußtseyns den im Innern und in der Vorstellung lebenden Zweck festhält und äußerlich für die Anschauung hervorbringt . W2 XI . 233 ,9 v . u . –235 ,14 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 207 ,19–20 )  : Da ist die Tr e n n u n g d e s G ö t t l i c h e n u n d M e n s c h l i c h e n  , und der Sinn des Cultus

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nicht dieser , diese Einigkeit zu genießen , sondern die Entzweiung aufzuheben . Auch da ist noch die Voraussetzung der an und für sich seyenden Versöhnung . / 2 .  Diese Tr e n n u n g ist zunächst eine solche , die im N a t ü r l i c h e n eintritt , und sie erscheint dann als ein ä u ß e r e s Un h e i l  , das einem Volke begegnet  : Gott ist da die substantielle Macht , die Macht des Geistigen wie des Natürlichen  : wenn nun Mißwachs , Kriegsunglück , Pest und andere Cala|mitäten das Land bedrücken , so ist die Richtung des Cultus diese , das Wohlwollen der Götter , das ursprünglich vorhanden ist , wieder zu erlangen . Das Un g l ü c k macht hier die Trennung aus , es betriVt nur die natürliche Sphäre , den äußerlichen Zustand hinsichtlich des körperlichen Daseyns , daß diese äußerlichen Umstände nicht so sind , wie die Forderungen an das Glück verlangen . Da ist die Voraussetzung , daß dieser natürliche Zustand n i c h t e i n z u f ä l l i g e r ist , sondern von einer höhern Macht abhängt , die sich als Gott bestimmt  ; Gott hat ihn gesetzt , hervorgebracht . Eine weitere Bestimmung ist , daß dieser Wille , der das Unglück verhängt , in dem m o r a l i s c h e n Z u s a m m e n h a n g stehe , daß es einem Menschen oder einem Volke wohl oder übel gehe , w e i l der Mensch oder das Volk es durch seine S c h u l d ve r d i e n t habe . Darum wird der Gang der Natur gestört gegen die Zwecke der Menschen , so daß er ihrem Nutzen und ihrer Glückseligkeit feindlich entgegentritt . In dem Falle dieser Trennung ist erforderlich , die Einigkeit des göttlichen Willens mit den Zwecken der Menschen wieder herzustellen . Der Cultus nimmt so die Gestalt der S ü h n u n g an  : Diese wird vollbracht durch Handlungen der Reue und Buße , durch Opfer und Ceremonieen , wodurch der Mensch zeigt , daß es ihm Ernst sey , seinen besondern Willen aufzugeben . / Es liegt hier überhaupt die Anschauung zu Grunde , daß Gott die Macht über die Natur ist , daß diese von einem höhern Willen abhängt . Die Frage , die sich hier aufwirft , ist nur , inwiefern der göttliche Wille sich in den natürlichen Ereignissen darstelle , wie er in diesen zu erkennen sey ? Es gilt auf diesem Standpunkt die Voraussetzung , daß die Naturmacht nicht nur n a t ü r l i c h e ist , sondern Zwecke in sich enthält , die ihr als solcher fremd sind , nämlich Zw e c k e d e s G u t e n  , die das Wohl der Menschen betreVen und von denen dasselbe abhängig ist . Dieß erkennen wir auch als wahr an  ; aber das | Gute ist das A b s t r a c t e  , Allgemeine  : wenn die Menschen von ihrem Guten sprechen , so haben sie ganz p a r t i c u l a r e Zwe c k e für sich und so fassen sie es im beschränkten , natürlichen Daseyn . Wenn man aber so vom göttlichen Willen zu den besondern Zwecken herabsteigt , so steigt man in das Reich der E n d l i c h k e i t und Z u f ä l l i g k e i t hinein . Die Frömmigkeit , der fromme Gedanke , daß das einzelne Unglück vom Guten abhängig sey , steigt zwar auch vom Einzelnen auf zu Gott , zum Allgemeinen  ; damit wird die Hoheit des Allgemeinen über das Besondere anerkannt . Das Weitere aber ist die Anwendung dieses Allgemeinen auf’s Besondere und hier tritt

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das Mangelhafte in die Vorstellung ein . Völker , die von Calamitäten heimgesucht werden , suchen nach einem Vergehen , das die Veranlassung davon sey  ; es wird dann weiter Zuflucht gesucht bei einer Macht , die sich nach Zwecken bestimmt  : wenn nun auch dieß Allgemeine zugegeben wird , so führt dagegen die An­ wendung auf’s Particulare zu einem Mißverhältniß . / In den Störungen , die wir auf dieser ersten Stufe finden , erscheint d i e E i n h e i t a l s e i n B e s c h r ä n k t e s   ; sie kann zerrissen werden  ; sie ist n i c h t a b s o l u t   : W2 XI . 237 ,4 v . u . –240 ,3 (Einschub in GW 29 ,1 . 209 ,14 )  : Einer Seits sind es auch w i r k l i c h e S ü n d e n  , die der Mensch zu bereuen hat , also Sünden , die als einzelne etwas Zufälliges sind und nicht die menschliche Natur als solche betreVen  : andrer Seits aber gilt in der Abstraction der Endlich|keit und Unendlichkeit , in diesem a l l g e m e i n e n G e g e n s a t z e das Endliche überhaupt als böse . Die Trennung , die ursprünglich im Menschen liege , soll aufgehoben werden . Und allerdings ist der natürliche Wille nicht der Wille , wie er seyn soll , denn er soll frei seyn und der Wille der Begierde ist nicht frei . Der Geist ist von Natur nicht wie er seyn soll , erst durch die Freiheit ist er dieß  : dieß wird hier so vorgestellt , daß der Wille vo n N a t u r b ö s e ist . Aber Schuld hat der Mensch nur , indem er bei seiner Natürlichkeit stehen bleibt . Recht , Sittlichkeit ist nicht der natürliche Wille , denn in diesem ist der Mensch selbstsüchtig , will nur seine Einzelnheit als solche . Durch den Cultus nun soll das Böse aufgehoben werden . Der Mensch soll nicht unschuldig seyn in dem Sinne , daß er weder gut noch böse sey  ; solche natürliche Unschuld kommt nicht aus der Freiheit des Menschen  : sondern der Mensch wird erzogen zur Freiheit , die nur dann wesentlich ist , wenn sie den wesentlichen Willen will und dieß ist auch das Gute , Rechte , Sittliche .  / F r e i soll der Mensch werden , d . h . ein rechter und sittlicher Mensch und zwar durch den Weg der Erziehung . Diese Erziehung ist in jener Vorstellung als die Ueberwindung des Bösen ausgedrückt und ist damit a u f d e n B o d e n d e s B e w u ß t s e y n s gesetzt , während die Erziehung auf bewußtlose Weise geschieht . – In dieser Form des Cultus ist das Aufheben des Gegensatzes von gut und böse vorhanden  ; der natürliche Mensch wird als böse dargestellt , das Böse ist aber die Seite der Trennung und Entfremdung und diese Entfremdung ist zu negieren . Dabei ist die Voraussetzung , daß die Versöhnung an sich vollbracht sey  ; im Cultus bringt der Mensch sich diese Vergewisserung hervor und ergreift er die an sich vollbrachte Versöhnung . Vollbracht aber ist sie in und durch Gott und diese göttliche Realität soll der Mensch sich zu eigen machen . / Diese Aneignung der Versöhnung geschieht aber vemittelst der Negation der Entfremdung , also durch E n t s a g u n g und | es fragt sich nun  : was ist es näher , dem der Mensch entsagen soll ? Man soll seinem besonderen Willen , seinen Begierden und Naturtrieben entsagen . Es kann dieß so verstanden werden , als sollten die Naturtriebe

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ausgerottet werden , nicht bloß gereinigt , als sollte die Lebendigkeit des Willens getödtet werden . Dieß ist ganz unrichtig  : das Wahre ist , daß nur der u n r e i n e G e h a l t geläutert , d . h . ihr Gehalt dem sittlichen Willen angemessen gemacht werden soll  ; dagegen wird fälschlich gefordert , wenn die Entsagung auf abstracte Weise gefaßt wird , daß der Trieb der Lebendigkeit in sich solle aufgehoben werden . Zu dem , was dem Menschen eigen ist , gehört auch der Besitz , sein Eigen­ thum  : es ist mit seinem Willen sein  ; so könnte nun auch gefordert werden , daß der Mensch seinen Besitz aufgäbe  ; die Ehelosigkeit ist eine ähnliche Forderung . Dem Menschen gehört auch Freiheit , Gewissen  : man kann in demselben Sinne auch verlangen , daß der Mensch seine Freiheit , seinen Willen aufgebe , so daß er zu einem dumpfen , willenlosen Geschöpf herabsinkt . Dieß ist das Extrem jener Forderung . – Hieher gehört weiter auch , daß ich meine Handlungen ungeschehen mache und die Regungen des bösen Thuns unterdrücke  : die Entsagung heißt dann , daß ich gewisse Handlungen , die ich vollbracht habe , nicht als die meinigen betrachten wolle , daß ich sie als ungeschehen ansehen , d . h . b e r e u e n wolle  : in der Zeit ist zwar die Handlung vorübergegangen , so daß sie durch die Zeit vernichtet ist , aber nach ihrem inneren Gehalt , insofern sie m e i n e m W i l l e n angehört , ist sie im Innern noch aufbewahrt , und das Vernichten derselben heißt dann , die Gesinnung , in der sie ideell existirt , aufgeben . Wenn die Strafe die Vernichtung des Bösen in der Wirklichkeit ist , ist diese Vernichtung im Innern die B u ß e und R e u e  , und der Geist kann diese Entsagung leisten , da er die Energie hat , sich an sich zu verändern und die Maximen und Intentionen seines Willens in sich zu vernichten . Wenn der Mensch in dieser Weise seiner Selbstsucht und der Ent|zweiung mit dem Guten entsagt , dann ist er der Versöhnung theil­haftig geworden und durch die Vermittlung in sich zum Frieden gelangt . W2 XI . 240 ,17–25 (nach GW 29 ,1 . 209 ,19 )  : Der Mensch weiß sich wesentlich in dieser Geschichte enthalten , in sie verflochten , indem er sich als anschauend in sie versenkt , ist sein Versenktseyn in dieselbe das Mitdurchlaufen dieses Inhalts und Processes und giebt er sich die Gewißheit und den Genuß der darin enthaltenen Versöhnung . / Diese Bearbeitung der Subjectivität , diese Reinigung des Herzens von seiner unmittelbaren Natürlichkeit , wenn sie durch und durch ausgeführt wird und einen bleibenden Z u s t a n d schaVt , der ihrem a l l g e m e i n e n Zwecke entspricht , vollendet sich als S i t t l i c h k e i t und auf diesem Wege geht die Religion hinüber in die S i t t e  , den S t a a t  .  / So tritt jener Zusammenhang ein , der auch Ve r h ä l t n i ß d e r R e l i g i o n z u m S t a a t heißt , und über ihn ist noch ausführlicher zu sprechen . W2 XI . 240 ,8 v . u . –251 ,16 (vgl . GW 29 ,2 . 241,6 –243,6 )  : III . / Das Verhältniß der Religion zum Staat . / 1 . Der Staat ist die wahrhafte Weise der Wirklichkeit  ; in ihm kommt der wahrhafte , sittliche Wille zur Wirklichkeit und lebt der Geist

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in seiner Wahrhaftigkeit . Die Religion ist das göttliche Wissen , das Wissen des Menschen von Gott und Wissen seiner in Gott . Dieß ist die göttliche Weisheit und das Feld der absoluten Wahrheit . Nun giebt es eine zweite | Weisheit , die Weisheit der Welt und um deren Verhältniß zu jener göttlichen Weisheit fragt es sich . / Im Allgemeinen ist die Religion und die Grundlage des Staates Eins und dasselbe  ; sie sind a n u n d f ü r s i c h i d e n t i s c h  . Im patriarchalischen Verhältniß , in der jüdischen Theokratie ist beides noch nicht unterschieden und noch äußerlich identisch . Es ist aber beides auch verschieden und so wird es im weiteren Verlauf streng von einander getrennt  ; dann aber wieder wahrhaft identisch gesetzt . Die an und für sich seyende Einheit erhellet schon aus dem Gesagten  ; die Religion ist Wissen der höchsten Wahrheit und diese Wahrheit näher bestimmt ist der f r e i e G e i s t   ; in der Religion ist der Mensch frei vor Gott  ; indem er seinen Willen dem göttlichen gemäß macht , so ist er dem höchsten Willen nicht entgegen , sondern er hat sich selbst darin  ; er ist frei , indem er im Cultus das erreicht hat , die Entzweiung aufzuheben . Der Staat ist nur d i e F r e i h e i t i n d e r We l t  , in der Wirklichkeit . Es kommt hier wesentlich auf den BegriV der Frei­ heit an , den ein Volk in seinem Selbstbewußtseyn trägt , denn im Staat wird der FreiheitsbegriV realisirt und zu dieser Realisirung gehört wesentlich das Bewußtseyn der an sich seyenden Freiheit . Völker , die nicht wissen , daß der Mensch an und für sich frei sey , diese leben in der Verdumpfung sowohl in Ansehung ihrer Verfassung , als ihrer Religion .– Es ist Ein BegriV der Freiheit in Religion und Staat . Dieser Eine BegriV ist das Höchste , was der Mensch hat , und er wird von dem Menschen realisirt . Das Volk , das einen schlechten BegriV von Gott hat , hat auch einen schlechten Staat , schlechte Regierung , schlechte Gesetze . / Diesen Zusammenhang zwischen Staat und Religion zu betrachten , dieß gehört in seiner ausgebildeten Ausführlichkeit eigentlich der Philosophie der Weltgeschichte an . Hier ist er nur in der bestimmten Form zu betrachten , wie er der Vorstellung erscheint , in dieser sich in Widersprüche verwickelt und | wie es endlich zu dem Gegensatze beider kommt , der das Interesse der modernen Zeit bildet . Wir betrachten daher jenen Zusammenhang zunächst . / 2 . wie er vo r g e s t e l l t wird . Die Menschen haben über ihn ein Bewußtseyn , aber nicht wie er der a b s o l u t e Z u s a m m e n h a n g ist , und in der Philosophie gewußt wird , sondern sie wissen ihn überhaupt und stellen ihn sich vor . Die Vorstellung des Zusammenhangs spricht sich nun so aus , daß die Gesetze , die Obrigkeit , die Staatsverfassung vo n G o t t stammen  : dadurch sind diese autorisirt und zwar durch die höchste Autorität , die der Vorstellung gegeben ist . Die Gesetze sind die Entwicklung des FreiheitsbegriVes , und dieser , so sich reflectirend auf das Daseyn , hat zu seiner Grundlage und Wahrheit den FreiheitsbegriV , wie er in der Religion gefaßt ist . Es ist damit dieß ausgesprochen , daß diese Gesetze der Sittlichkeit , des Rechts

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ewige und unwandelbare Regeln für das Verhalten des Menschen , daß sie nicht willkürlich sind , sondern bestehn , so lange als die Religion selbst . Die Vorstellung dieses Zusammenhangs finden wir bei allen Völkern . Es kann dieß auch in der Form ausgesprochen werden , daß man Gott gehorcht , indem man den Gesetzen und der Obrigkeit folgt , den Mächten , welche den Staat zusammenhalten . Dieser Satz ist einer Seits richtig , ist aber auch der Gefahr ausgesetzt , daß er ganz abstract genommen werden kann , indem nicht bestimmt wird , wie die Gesetze explicirt sind und welche Gesetze für die Grundverfassung zweckmäßig sind  ; so formell ausgedrückt heißt jener Satz  : man soll den Gesetzen gehorchen , s i e m ö g e n s e y n w i e s i e wo l l e n  . Das Regieren und Gesetzegeben ist auf diese Weise der W i l l k ü r der Regierung überlassen . Dieses Verhältniß ist in p r o ­ t e s t a n t i s c h e n Staaten vorgekommen , und auch nur in solchen kann es Statt haben , denn da ist jene Einheit der Religion und des Staates vorhanden . Die Gesetze des Staates gelten als vernünftige und als ein Gött|liches wegen dieser vo r a u s g e s e t z t e n u r s p r ü n g l i c h e n H a r m o n i e und die Religion hat nicht ihre eigenen Principien , die denen widersprechen , welche im Staate gelten . Indem aber beim Formellen stehen geblieben wird , so ist damit der Willkür , der Tyrannei und der Unterdrückung oVener Spielraum gegeben . In England ist dieß besonders zum Vorschein gekommen (unter den letzten Königen aus dem Hause Stuart) , indem eine p a s s i ve O b e d i e n z gefordert wurde und der Satz galt , der Regent sey nur Gott über seine Handlungen Rechenschaft schuldig . Dabei ist die Voraussetzung , daß nur der Regent auch bestimmt w i s s e  , was dem Staate wesentlich und nothwendig sey  ; denn in ihm , in seinem Willen liegt die nähere Bestimmung , daß er eine u n m i t t e l b a r e O f f e n b a r u n g Gottes sey . Durch weitere Consequenz ist aber dieß Princip dahin ausgebildet , daß es i n s G e g e n ­ ­t h e i l umgeschlagen ist  ; denn der Unterschied der Priester und Laien ist bei den Protestanten nicht vorhanden und die Priester sind nicht privilegirt , die göttliche OVen­barung zu besitzen , noch weniger giebt es ein solches P r i v i l e g i u m  , das einem Laien ausschließlich zukomme . Gegen das Princip der göttlichen Autorisation des Regenten ist daher das Princip derselben Autorisation gesetzt , die auch dem Laien überhaupt zukomme . So ist in England eine protestantische Secte aufgestanden , welche behauptete , ihr sey durch OVenbarung eingegeben , wie regiert werden müsse  ; nach solcher Eingebung des Herrn haben sie eine Em­ pörung aufgeregt und ihren König enthauptet . – Wenn also wohl im Allgemeinen feststeht , daß die Gesetze durch den göttlichen Willen sind , so ist es eine eben so wichtige Seite , diesen göttlichen Willen zu erkennen , und dieß ist nichts Particulares , sondern kommt Allen zu . / Was nun das Vernünftige sey , dieß zu erkennen ist die Sache der Bildung des Gedankens und besonders die Sache der Philosophie , die man in diesem Sinne wohl Weltweisheit nennen kann . Es ist

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ganz gleichgültig , in welcher äußerlichen | Erscheinung die wahren Gesetze sich geltend gemacht haben , (ob sie den Regenten abgetrotzt sind oder nicht ,) die Fortbildung des BegriVs der Freiheit , des Rechts , der Humanität bei den Menschen ist für sich nothwendig . – Bei jener Wahrheit , daß die Gesetze der göttliche Wille sind , kommt es also besonders darauf an , daß bestimmt wird , we l c h e s d i e s e G e s e t z e s i n d   : Principien als solche sind nur abstracte Gedanken , die ihre Wahrheit erst in der Entwickelung haben , in ihrer Abstraction festgehalten sind sie das ganz Unwahre . / 3 . Endlich können auch Staat und Religion e n t z we i t seyn und u n t e r s c h i e d e n e G e s e t z e haben . Der Boden des Weltlichen und Religiösen ist ein verschiedener und da kann auch ein Unterschied in An­ sehung des Princips eintreten . Die Religion bleibt nicht bloß auf ihrem eigen­ thüm­l ichen Boden , sondern sie geht auch an das Subject , macht ihm Vorschriften in Beziehung auf seine Religiosität , und damit in Beziehung auf seine Thätigkeit . Diese Vorschriften , welche die Religion dem Individuum macht , können verschieden seyn von den Grundsätzen des Rechts und der Sittlichkeit , die im Staate gelten . Dieser Gegensatz spricht sich in der Form aus , daß die Forderung der Religion auf die H e i l i g k e i t gehe , die des Staates auf R e c h t u n d S i t t l i c h k e i t   ; auf der einen Seite sey die Bestimmung für die Ew i g k e i t  , auf der andern für die Z e i t l i c h k e i t und das zeitliche Wohl , welches für das ewige Heil auf­ geopfert werden müsse . Es wird so ein r e l i g i ö s e s I d e a l aufgestellt , ein Himmel auf Erden , d . h . die A b s t r a c t i o n d e s G e i s t e s gegen d a s S­ u b s t a n t i e l l e d e r W i r k l i c h k e i t   ; E n t s a g u n g der Wirklichkeit ist die Grundbestimmung , die hervortritt , und damit Kampf und Fliehen . Der substantiellen Grundlage , dem Wahrhaften wird etwas Anderes , das höher seyn soll , entgegengesetzt . / Die e r s t e Sittlichkeit in der substantiellen Wirklichkeit ist die E h e  . Die Liebe , die Gott ist , ist in der Wirklichkeit die | eheliche Liebe . Als die erste Erscheinung des substantiellen Willens in der daseyenden Wirklichkeit hat diese Liebe eine natürliche Seite , sie ist aber auch eine sittliche Pflicht . Dieser Pflicht wird die Entsagung , die E h e l o s i g k e i t  , als etwas Heiliges gegenübergestellt . / Zwe i t e n s  . Der Mensch als einzelner hat sich mit der Naturnothwendigkeit herumzuschlagen  ; es ist für ihn ein sittliches Gesetz , sich durch seine Thätigkeit und Verstand selbständig zu machen , denn der Mensch ist natürlicher Weise von vielen Seiten abhängig  ; er wird genöthigt , durch seinen Geist , durch seine Rechtlichkeit sich seinen Unterhalt zu erwerben und sich so frei von jener Natur­noth­ wendig­keit zu machen , das ist die R e c h t s c h a f f e n h e i t des Menschen . Eine religiöse Pflicht , die dieser weltlichen entgegengesetzt worden ist , verlangt , daß der Mensch nicht auf diese Weise thätig seyn , sich nicht mit solchen Sorgen bemühen solle . Der ganze Kreis des Handelns , aller Thätigkeit , die sich auf den Erwerb , die Industrie u . s . w . bezieht , ist somit verworfen , der Mensch soll sich

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nicht mit solchen Zwecken abgeben  ; die Noth ist aber hier vernünftiger , als solche religiöse Ansichten . Die Thätigkeit des Menschen wird einer Seits als etwas Unheiliges vorgestellt , andrer Seits wird von dem Menschen sogar verlangt , wenn er einen Besitz hat , so soll er diesen nicht nur nicht vermehren durch seine Thätigkeit , sondern ihn an die A r m e n  , und besonders an die Kirche , d . h . an solche , die nichts thun , nicht arbeiten , verschenken . Was also im Leben als Recht­ schaVen­heit hoch gehalten ist , wird somit als unheilig verworfen .  / D r i t t e n s  . Die höchste Sittlichkeit im S t a a t e beruht darauf , daß der vernünftige allgemeine Wille be­thä­t igt werde  ; im Staate hat das Subject seine F r e i h e i t  , diese ist darin verwirklicht . Dagegen wird eine religiöse Pflicht aufgestellt , nach welcher nicht die Freiheit der Endzweck für den Menschen seyn darf , sondern er soll sich einer strengen O b e d i e n z unter|werfen , in der Willenlosigkeit beharren  ; ja noch mehr , er soll selbstlos seyn auch in seinem Gewissen , in seinem Glauben , in der tiefsten Innerlichkeit soll er Verzicht auf sich thun und sein Selbst wegwerfen . / Wenn die Religion in dieser Weise auf die Thätigkeit des Menschen Beschlag legt , so kann sie ihm eigenthümliche Vorschriften machen , die der Vernünftigkeit der Welt entgegengesetzt sind . Dagegen ist die We l t w e i s h e i t aufgetreten , welche das Wahrhafte in der Wirklichkeit erkennt , im Bewußtseyn des Geistes sind die Principien seiner Freiheit erwacht und da sind die Ansprüche der Freiheit mit den religiösen Principien , die jene Entsagung forderten , in Kampf gerathen . In den katholischen Staaten stehen Religion und Staat so einander gegenüber , wenn die subjective Freiheit sich in dem Menschen aufthut .  / In diesem Gegensatz spricht sich die Religion nur auf eine negative Weise aus und fordert von dem Menschen , daß er aller Freiheit entsage  ; dieser Gegensatz ist näher dieser , daß der Mensch in seinem wirklichen Bewußtseyn überhaupt an sich r e c h t l o s sey und die Religion in dem Gebiet der wirklichen Sittlichkeit keine absoluten Rechte anerkennt . Das ist der ungeheure Unterschied , der damit in die moderne Welt eingetreten ist , daß überhaupt gefragt wird , ob die Freiheit der Menschen als etwas an und für sich Wahrhaftes anerkannt werden soll , oder ob sie von der Religion verworfen werden darf . / Es ist schon gesagt worden , daß die Uebereinstimmung der Religion und des Staates vorhanden seyn kann  ; dieß ist im Allgemeinen dem Princip nach , aber in abstracter Weise der Fall in den protestantischen Staaten  ; denn der Protestantismus fordert , daß der Mensch nur glaube , was er wisse , daß sein Gewissen als ein Heiliges unantastbar seyn solle  ; in der göttlichen Gnade ist der Mensch nichts Passives  ; er ist mit seiner subjectiven Freiheit wesentlich dabei und in seinem Wissen , Wollen , Glauben ist das Moment der subjectiven Freiheit aus|drücklich gefordert . In den Staaten anderer Religion kann es dagegen seyn , daß beide Seiten nicht übereinstimmen , daß die Religion von dem Princip des Staates unterschieden ist  ; dieß sehen wir in einem

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weit ausgebreiteten Kreise , einer Seits eine Religion , die das Princip der Freiheit nicht anerkennt , andrer Seits eine Staatsverfassung , die dasselbe zur Grundlage macht . Wenn man sagt , der Mensch ist seiner Natur nach frei , so ist das ein Princip von unendlichem Werthe  ; bleibt man aber bei dieser Abstraction , so läßt sie keinen Organismus der Staatsverfassung aufkommen , denn dieser fordert eine Gliederung , worin die Pflichten und Rechte beschränkt werden  ; jene Abstraction läßt keine Ungleichheit zu , welche eintreten muß , wenn ein Organismus und damit wahrhafte Lebendigkeit Statt haben soll . / Dergleichen Grundsätze sind wahr , dürfen aber nicht in ihrer Abstraction genommen werden  ; das Wissen , daß der Mensch der Natur , d . h . dem BegriV nach frei ist , gehört der neuern Zeit an  ; mag nun aber bei der Abstraction stehen geblieben werden oder nicht , so kann es seyn , daß diesen Grundsätzen die Religion gegenübersteht , welche dieselben nicht anerkennt , sondern sie als rechtlos betrachtet und nur die Willkür für rechtmäßig . Es tritt also nothwendig ein Kampf ein , der sich nicht auf wahrhafte Weise ausgleichen läßt . Die Religion fordert das Aufheben des Willens , das weltliche Princip legt ihn dagegen zu Grunde  ; wenn jene religiösen Principien sich geltend machen , so kann es nicht anders geschehen , als daß die Regierungen mit Gewalt verfahren und die entgegenstehende Religion verdrängen oder die , welche derselben angehören , als Parthei behandeln . Die Religion als Kirche kann da wohl klug seyn und äußerlich nachgiebig , aber es tritt dann I n c o n s e q u e n z in den Geistern ein . Die Welt hält fest an einer bestimmten Religion und hängt zugleich an entgegengesetzten Principien  : insofern man diese ausführt und doch noch zu jener Religion | gehören will , so ist das eine große Inconsequenz . So haben die Franzosen z . B . , die das Princip der weltlichen Freiheit festhalten , in der That aufgehört , der katholischen Religion anzugehören , denn diese kann nichts auf­ geben , sondern sie fordert consequent in Allem unbedingte Unterwerfung unter die Kirche . Religion und Staat stehen auf diese Weise im Widerspruch  : die Religion läßt man dann auf der Seite liegen , sie soll sich finden , wie sie mag  ; sie gilt nur als Sache der Individuen , um welche der Staat sich nicht zu bekümmern habe , und dann wird weiter gesagt , die Religion sey nicht einzumischen in die Staatsverfassung . Das Setzen jener Grundsätze der Freiheit giebt vor , daß sie wahrhafte seyen , weil sie mit dem innersten Selbstbewußtseyn des Menschen zusammenhängen . Wenn es aber in der That die Vernunft ist , die diese Principien findet , so hat sie die Bewahrheitung derselben , sofern sie wahrhaft sind und nicht formell bleiben , nur darin , daß sie dieselben zurückführt auf die Erkenntniß der absoluten Wahrheit , und diese ist nur der Gegenstand der Philosophie  ; diese muß aber vollständig und bis auf die letzte Analyse zurückgegangen seyn  ; denn wenn die Erkenntniß sich nicht in sich vollendet , so ist sie der Einseitigkeit des ­Formalismus ausgesetzt , geht sie aber bis auf den letzten Grund , so kommt sie zu dem , was als

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Höchstes , als Gott anerkannt ist . Es läßt sich also wohl sagen , die Staatsverfassung solle auf der einen Seite stehen bleiben , die Religion auf der andern , aber da ist diese Gefahr vorhanden , daß jene Grundsätze mit Einseitigkeit behaftet bleiben . Wir sehen so gegenwärtig die Welt voll vom Princip der Freiheit , und dasselbe besonders auf die Staatsverfassung bezogen  : diese Principien sind richtig , aber mit dem Formalismus behaftet sind sie Vorurtheile , indem die Erkenntniß nicht bis auf den letzten Grund gegangen ist  ; da allein ist die Versöhnung mit dem schlechthin Substantiellen vorhanden . – / Das Andere nun , was bei jener Trennung in Betracht | kommt , ist diese Seite , daß , wenn nun die Principien der wirklichen Freiheit zu Grunde gelegt sind und diese sich zu einem Systeme des Rechts entwickeln , daraus gegebene , p o s i t i ve G e s e t z e entstehen und diese die Form von juridischen Gesetzen überhaupt in Beziehung auf die Individuen erhalten . Die Erhaltung der Gesetzgebung ist den Gerichten anheimgegeben , wer das ­Gesetz übertritt , wird vor Gericht gezogen , und die Existenz des Ganzen wird in solche j u r i d i s c h e F o r m überhaupt gesetzt . Ihr gegenüber steht dann die G e s i n n u n g  , das Innere , welches gerade der Boden der Religion ist . Es sind so zwei Seiten sich einander entgegen , die der Wirklichkeit angehören , – die positive Gesetzgebung und die Gesinnung in Ansehung derselben . / In Bezug auf die Verfassung giebt es hier zwei Systeme  : das moderne System , worin die Bestimmungen der Freiheit und der ganze Bau derselben auf f o r m e l l e Weise aufrecht erhalten werden , ohne die Gesinnung zu beachten . Das andere System ist das der G e s i n n u n g   – das griechische Princip überhaupt , das wir besonders in der platonischen Republik entwickelt finden . Wenige Stände machen hierin die Grundlage aus , das Ganze beruht sonst auf der E r z i e h u n g  , auf der Bildung , welche zur Wissenschaft und Philosophie fortgehen soll . Die Philosophie soll das Herrschende seyn und durch sie soll der Mensch zur Sittlichkeit geleitet werden  : alle Stände sollen der σωφροσύνη theilhaftig seyn . / Beide Seiten , die Gesinnung und jene formelle Constitution , sind u n z e r t r e n n l i c h und können sich gegen­ seitig nicht entbehren  ; aber in neuerer Zeit ist die E i n s e i t i g k e i t zum Vorschein gekommen , daß einer Seits die Constitution sich selbst tragen soll und Gesinnung , Religion , Gewissen andrer Seits als gleichgültig auf die Seite gestellt seyn sollen , indem es die Staatsverfassung nichts angehe , zu welcher Gesinnung und Religion sich die Individuen bekennen . Wie einseitig das aber | ist , erhellt daraus , daß die Gesetze von Richtern gehandhabt werden , und da kommt es auf ihre Rechtlichkeit , so wie auf ihre Einsicht an , denn das Gesetz herrscht nicht , sondern die Menschen sollen es herrschen machen  : diese Bethätigung ist ein Concretes  ; der Wille des Menschen , so wie ihre Einsicht , müssen das Ihrige dazu thun . Die Intelligenz des Subjects muß auch deshalb oft entscheiden , weil die bügerlichen Gesetze das Bestimmen sehr weit führen und doch noch nicht jedes

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Besondere berühren können . Ebenso ein Einseitiges ist aber auch die Gesinnung für sich , an welchem Mangel die platonische Republik leidet . In jetzigen Zeiten will man sich gar nicht auf die Einsicht verlassen , sondern man will Alles nach positiven Gesetzen geleitet wissen . Ein großes Beispiel dieser Einseitigkeit haben wir in der neuesten Tagesgeschichte erlebt  : an der Spitze der französischen Regierung hat man eine religiöse Gesinnung gesehen , die von der Art war , daß ihr der Staat überhaupt für ein Rechtloses galt , und daß sie feindselig gegen die Wirklichkeit , gegen Recht und Sittlichkeit auftrat . Die letzte Revolution war nun die Folge eines religiösen Gewissens , das den Principien der Staatsverfassung widersprochen hat , und doch soll es nun nach derselben Staatsverfassung nicht darauf ankommen , zu welcher Religion sich das Individuum bekenne  : Diese Collision ist noch sehr weit davon , gelöst zu seyn . / Die Gesinnung nimmt nicht noth­wendig die Form der Religion an  ; sie kann auch mehr beim Unbestimmten stehen bleiben . Aber in dem , was man das Volk nennt , ist die letzte Wahrheit nicht in Form von Gedanken und Principien , sondern was dem Volke als Recht gelten soll , kann das nur insofern , als es B e s t i m m t e s  , Besonderes ist . Dieß Bestimmte des Rechts und der Sittlichkeit hat nun für das Volk seine letzte Bewährung nur in der Form einer vo r h a n d e n e n R e l i g i o n  , und wenn diese nicht mit den Principien der Freiheit | zusammenhängt , so ist immer die Spaltung und eine unaufgelöste Entzweiung vorhanden , ein feindseliges Verhältniß , das gerade im Staate nicht stattfinden soll . Unter Robespierre hat in Frankreich der Schrecken regiert und zwar gegen die , welche nicht in der Gesinnung der Freiheit waren , weil sie ve r d ä c h t i g gewesen sind , d . h . um der Gesinnung willen . So ist auch das Ministerium Karl’s X . verdächtig gewesen . Nach dem Formellen der Constitution war der Monarch keiner Verantwortlichkeit ausgesetzt  ; aber dieß Formelle hat nicht Stand gehalten  ; die Dynastie ist vom Thron gestürzt worden . So zeigt es sich , daß in der formell ausgebildeten Constitution der letzte Nothanker doch wieder die Gesinnung ist , die in ihr bei Seite gestellt war und nun mit Verachtung aller Form sich geltend macht . An diesem Wi­ derspruch und an der herrschenden Bewußtlosigkeit desselben ist es , daß unsere Zeit leidet . – W2 XI . 251 ,16 v . u . –252 ,7 (statt GW 29 ,1 . 210 ,7–21)  : des absoluten BegriVs von Gott aus , der als die absolute Einheit dieser seiner beiden Momente der absolute Geist ist . Die Bestimmtheit in einer dieser Seiten entspricht der andern Seite , sie ist die durchgehende allgemeine Form , in der die Idee steht und die wieder eine Stufe in der Totalität der Entwickelung derselben ausmacht . / Was nun die S t u f e n d e r R e a l i s i r u n g betriVt , so ist im Bisherigen schon der allgemeine Unterschied festgesetzt , daß nach der einen Form der Realität der Geist in e i n e r   | B e s t i m m t h e i t s e i n e s S e y n s u n d s e i n e s S e l b s t ­b e w u ß t ­s e y n s

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b e f a n g e n i s t  , nach der andern aber seine a b s o l u t e R e a l i t ä t ist , in welcher er den entwickelten Inhalt der Idee des Geistes zu seinem Gegenstand hat . Diese Form der Realität ist die wahrhafte Religion . / Nach diesem Unterschied ist es nun die b e s t i m m t e Religion , die zunächst in der folgenden Ab­thei­lung betrachtet wird . Zur B estimmten Religion

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Zur Einteilung W2 XI . 255 ,1 –257 ,18 (vgl . GW 29 ,2 . 243,9–23)  : E i n t h e i l u n g  .  / Der nächstliegende Sinn der b e s t i m m t e n R e l i g i o n ist der , daß die Religion überhaupt als Gattung genommen sey , und die bestimmten Religionen als Arten  : dieses Verhältniß von Gattung zu Arten ist einer Seits ganz richtig , wenn in anderen Wissenschaften vom Allgemeinen zum Besonderen übergegangen wird  : das Besondere ist aber da nur empirisch aufgenommen , e s f i n d e t s i c h  , daß es diese und jene Thiere , dieses und jenes Recht giebt . In der philosophischen Wissenschaft darf nicht so verfahren werden , das Besondere darf nicht zu dem Allgemeinen hinzutreten , sondern das Allgemeine selbst entschließt sich zum Bestimmen , zum Besonderen  ; der BegriV theilt sich , er macht eine ursprüngliche Bestimmung aus sich . Mit der Bestimmtheit überhaupt ist sogleich D a s e y n und Zusammenhang mit Anderem gesetzt  ; was bestimmt ist , ist f ü r A n d e r e s und das Unbestimmte ist gar nicht da . Das , wofür die Religion ist , das Daseyn derselben , ist das B e w u ß t s e y n  . Die Religion hat ihre Realität als Bewußtseyn . Dieß ist unter Realisirung des BegriVs zu verstehen  : der Inhalt wird dadurch bestimmt , daß und wie er für das Bewußtseyn ist . Unser Gang ist folgender  : wir haben damit angefangen , den BegriV der Religion , die Religion a n s i c h zu betrachten  ; das ist sie f ü r u n s  , wie wir sie gesehen haben , ein Anderes ist es , daß sie sich zum Bewußtseyn bringt . Oder mit anderen Worten  : Als wir den B e g r i f f der Religion betrachteten , war dieser u n s e r Gedanke , er hat in diesem Medium unsers Gedankens existirt , w i r haben den BegriV gedacht und er hatte seine Realität in unserm Denken . | Aber die Religion ist nicht nur dieses Subjective , sondern ist an und für sich objectiv , sie hat eine Weise der Existenz für sich und die erste Form derselben ist die der Unmittelbarkeit , wo die Religion in ihr selbst noch nicht zum Gedanken , zur Reflexion fortgegangen ist . Diese Unmittelbarkeit treibt sich aber selbst zur Vermittlung fort , weil sie an sich Gedanke ist und erst in der wahrhaften Religion wird es gewußt , was sie an und für sich ist , was ihr BegriV ist  ; die wirkliche Religion ist dem BegriV angemessen . Wir haben jetzt den Gang zu betrachten , wie die wahrhafte Religion entsteht  ; die Religion ist in ihrem BegriV ebenso noch keine Religion , denn sie ist wesentlich nur im

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Bewußtseyn als solche vorhanden . Diesen Sinn hat das , was wir hier betrachten , das sich Realisiren des BegriVs . Der Fortgang des Realisirens ist im Allgemeinen angegeben worden  : der BegriV ist als Anlage im Geist , er macht die innerste Wahrheit desselben aus , aber der Geist muß dazu kommen , diese Wahrheit zu wissen  : dann erst ist die wahrhafte Religion wirklich . Man kann von allen Religionen sagen , sie seyen Religionen , und entsprechen dem BegriV der Religion , zu gleicher Zeit aber , indem sie noch beschränkt sind , entsprechen sie dem BegriV nicht  : doch aber müssen sie ihn enthalten , sonst wären sie nicht Religionen  ; der BegriV aber ist auf verschiedene Weise in ihnen vorhanden , sie enthalten ihn nur zuerst an sich . Diese b e s t i m m t e n Religionen sind nur b e s o n d e r e Momente des BegriVs und eben damit entsprechen sie dem BegriV nicht , denn er ist nicht wirklich in ihnen . So ist der Mensch zwar an sich frei , die Africaner , Asiaten aber sind es nicht , weil sie nicht das Bewußtseyn dessen haben , was den BegriV des Menschen ausmacht . Die Religion ist nun in ihrer Bestimmtheit zu betrachten  ; das Höchste , das erreicht wird und werden kann , ist , daß die Bestimmtheit der BegriV selbst ist  ; wo also die Schranke aufgehoben und das religiöse Bewußtseyn nicht vom BegriV unterschieden ist – dieß ist die Idee , der vollkommen realisirte BegriV , davon kann aber erst im letzten Theil die Rede seyn . / | Es ist die Arbeit des Geistes durch Jahrtausende gewesen , den BegriV der Religion auszuführen und ihn zum Gegenstand des Bewußtseyns zu machen . Der Durchgang in dieser Arbeit ist , daß von der Un m i t t e l b a r k e i t und N a t ü r l i c h k e i t ausgegangen wird , und diese muß überwunden werden . Die Unmittelbarkeit ist das Natürliche  : das Bewußtseyn ist aber Erheben über die Natur  ; das natürliche Bewußtseyn ist das sinnliche , wie der natürliche Wille die Begierde ist , das Individuum , das sich will nach seiner Natürlichkeit , Besonderheit – sinnliches Wissen und sinn­ liches Wollen . Die Religion aber ist das Verhältniß von Geist zu Geist , das Wissen des Geistes vom Geist in seiner Wahrheit , nicht in seiner Unmittelbarkeit , Natür­ lichkeit . Das Bestimmen der Religion ist der Fortgang von der Natürlichkeit zum B e g r i f f   : dieser ist zunächst nur das Innere , das Ansich , nicht das Heraus des Bewußtseyns . – Ueber diese Zweideutigkeit , daß der BegriV ursprünglich ist , daß aber seine erste Existenz nicht seine wahrhafte Ursprünglichkeit ist , darüber ist später noch ein Wort zu sagen . W2 XI . 257 ,12 v . u . –259 ,10 v . u . (vgl . GW 29 ,2 . 243,24 –244,7)  : Die Sphäre , die wir zunächst haben , enthält also die b e s t i m m t e Religion , die dem Inhalt nach über die Bestimmtheit noch nicht hinauskommt . In der Thätigkeit , über die Unmittelbarkeit herauszukommen , liegt noch nicht die errungene Freiheit , sondern nur das F r e i m a c h e n  , das noch mit dem , von welchem es sich freimacht , ve r w i c k e l t ist . / Das Erste ist nun , daß wir die Form der n a t ü r l i c h e n  , u n m i t t e l b a r e n Religion betrachten . In dieser ersten , natürlichen Religion ist das

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Bewußtseyn noch natürliches und sinnlich begehrendes Bewußtseyn . So ist es unmittelbar . Es ist da noch nicht E n t z we i u n g des Bewußtseyns in ihm selbst , denn diese hat die Bestimmtheit , daß das Bewußtseyn seine | s i n n l i c h e Natur von dem We s e n h a f t e n unterscheidet , so daß das Natürliche nur als vermittelt durch das Wesenhafte gewußt wird . Hier ist es , wo erst Religion entstehen kann . / Bei dieser Erhebung zum Wesenhaften haben wir d e n B e g r i f f d i e s e r E r h e b u n g ü b e r h a u p t zu betrachten . Hier wird der Gegenstand auf gewisse Weise bestimmt und dieß Wahre , von dem sich das Bewußtseyn unterscheidet , ist Gott . Diese Erhebung ist dasselbe , was abstracter in den B e w e i s e n vo m D a s e y n G o t t e s vorkommt . In allen diesen Beweisen ist Eine und dieselbe Erhebung  ; nur ist der Ausgangspunkt und die Natur dieses Wesens verschieden . Das aber , diese E r h e b u n g zu Gott , so und so bestimmt , ist nur die Eine Seite . Das Andere ist die U m k e h r u n g   : Gott , so und so bestimmt , verhält sich zum Subject , das sich erhoben hat . Da tritt dann ein , wie das S u b j e c t bestimmt ist  ; es weiß sich aber so , wie Gott bestimmt ist . / Ebenso ist die b e w u ß t e R i c h t u n g des Subjects zu diesem Wesen anzugeben und das bringt die Seite des C u l t u s herein , das Zusammenschließen des Subjects mit seinem Wesen . / Die Eintheilung ist also folgende . / 1 .  D i e n a t ü r l i c h e R e l i g i o n  , sie ist Einheit des Geistigen und Natürlichen und in dieser noch natürlichen Einheit ist hier Gott gefaßt . Der Mensch in seiner Unmittelbarkeit ist nur sinnliches , natürliches Wissen und natürliches Wollen . Insofern das Moment der Religion darin ist und das Moment der Erhebung noch in die Natürlichkeit eingeschlossen ist , so ist da Etwas , das doch ein Höheres seyn soll als nur ein Unmittelbares . Das ist die Z a u b e r e i  .  / 2 .  D i e E n t z we i u n g d e s B e w u ß t s e y n s in sich selbst , so daß es sich weiß als bloßes Natürliches und davon unterscheidet das Wahrhafte , Wesenhafte , in welchem diese Natürlichkeit , Endlichkeit nichts gilt und gewußt wird als ein Nichtiges . Während in der natürlichen Religion der Geist noch in Neutralität mit der Natur lebt , ist nun Gott als die a b s o l u t e M a c h t und S u b s t a n z bestimmt , in welcher der natür|liche Wille , das Subject nur ein Vorübergehendes , A c c i d e n z  , ein Selbst- und Freiheitsloses ist . Die höchste Würde des Menschen ist hier , sich als ein Nichtiges zu wissen . / Diese Erhebung des Geistes über das Natürliche ist aber zunächst noch nicht consequent durch­ geführt  ; es ist vielmehr noch eine fürchterliche I n c o n s e q u e n z vorhanden , mit der die verschiedenen geistigen und natürlichen Mächte untereinander gemengt sind . Diese in sich noch inconsequente Erhebung hat ihre geschichtliche Existenz in den d r e i o r i e n t a l i s c h e n R e l i g i o n e n d e r S u b s t a n z  .  / 3 . Die Verwirrung des Natürlichen und Geistigen führt aber zu dem K a m p f e d e r S u b j e c t i v i t ä t  , die sich in ihrer Einheit und Allgemeinheit herzustellen sucht und dieser Kampf hat seine geschichtliche Existenz wieder in d r e i Religionen

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gehabt , welche die R e l i g i o n e n d e s Ue b e r g a n g s zur Stufe der freien Subjectivität bilden . Da aber auch in ihnen , wie auf den vorhergehenden Stufen , der Geist noch nicht vollständig das Natürliche sich unterworfen hat , so machen sie mit jenen überhaupt die Sphäre / A . der N a t u r r e l i g i o n aus . / Gegen sie ist d i e z we i t e S t u f e d e r b e s t i m m t e n R e l i g i o n  , auf welcher die Erhebung des Geistes mit C o n s e q u e n z gegen das Natürliche durchgeführt ist , / B . die Religion d e r g e i s t i g e n I n d i v i d u a l i t ä t oder d e r f r e i e n S u b j e c t i v i t ä t  . W2 XI . 260 ,7 v . u . –261 ,7 (vgl . GW 29 ,2 . 244,8–13)  : In der Religion der Erhabenheit ist der Eine Gott der H e r r und die Einzelnen verhalten sich als D i e n e n d e zu ihm . In der Religion der Schönheit hat sich das Subject auch gereinigt von seinem nur unmittelbaren Wissen und Wollen , hat aber auch seinen Willen behalten und weiß sich als f r e i und so weiß es sich , weil es die Negation seines na­­­­türlichen Willens vollbracht hat und als s i t t l i c h e s  , freies affirmative Beziehung | auf Gott hat . Das Subject ist aber noch nicht durch das Bewußtseyn und durch den G e g e n s a t z des Guten und Bösen hindurchgegangen und so noch mit der Natürlichkeit afficirt . Bildet die Religion der Schönheit daher die Stufe d e r Ve r s ö h n u n g gegen die Sphäre der Erhabenheit , so ist diese Versöhnung noch die u n m i t t e l b a r e  , weil sie noch nicht durch das Bewußtseyn des ­Gegensatzes vermittelt ist . Zur unmittelbaren Religion W2 XI . 264 ,17–24 (Einschub in GW 29 ,1 . 214 ,20 )  : Man sagt , der Mensch habe eine wahrhafte , ursprüngliche Religion gehabt , im Stande der Un s c h u l d  , ehe noch jene Trennung in seine Intelligenz gekommen sey , die der Abfall genannt wird . A priori begründet man das in der Vorstellung , daß von Gott , als dem schlechthin Guten , Geister geschaVen seyen als Ebenbilder seiner selbst und dieses Gott Gemäße habe mit ihm in a b s o l u t e m Z u s a m m e n h a n g e gestanden . In diesem Zusammenhange habe der Geist W2 XI . 265 ,5–9 (Einschub in GW 29 ,1 . 215 ,4–5)  : aber eben diese Reflexion und Absonderung sey ursprünglich nicht vorhanden und die Freiheit mit dem Ge­setz und dem vernünftigen Willen so identisch gewesen , wie das Pflanzen-Individuum mit seiner Natur identisch ist . W2 XI . 265 ,1 v . u . –266 ,7 (Einschub in GW 29 ,1 . 216 ,1)  : kurz , der Geist habe das Allgemeine im Besondern in | seiner reinen Gestaltung und das Besondere , Individuelle in seiner Allgemeinheit als eine göttliche , göttergleiche Lebendigkeit vor sich gehabt und angeschaut . Und indem der Mensch die Natur in ihrer innersten Bestimmtheit erfaßt und deren wahrhafte Beziehung auf die e n t s p r e ­ c h e n d e n Seiten seiner selbst erkannt habe , so habe er sich zur Natur als zu einem entsprechenden die Organisation nicht zerstörenden Kleide verhalten .

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W2 XI . 266 ,5 v . u . –267 ,3 (Einschub in GW 29 ,1 . 216 ,18 )  : So haben die Menschen die Vorstellung , daß das An- und Fürsichseyn eine Harmonie sey , die noch nicht in die Entzweiung übergegangen ist , weder in die von Gut und Böse , noch in die untergeordnete Entzweiung , in die Vielheit , Heftigkeit und Lei|denschaft der Bedürfnisse . Diese Einheit , dieses A u f g e l ö s t s e y n d e r W i d e r s p r ü c h e enthält allerdings das Wahrhafte und ist ganz übereinstimmend mit dem BegriV . W2 XI . 268 ,3–11 (vgl . GW 29 ,2 . 244,23–29 )  : Es handelt sich also nur um die F o r m d e r E x i s t e n z oder die Weise des Zustandes . Der BegriV ist das Innere , das Ansich , aber als noch nicht in die Existenz getreten . Es ist also die Frage , was steht dem entgegen , zu glauben , daß das Ansich von vornherein als wirkliche Existenz vor­handen gewesen sey ? Es steht ihm entgegen d i e N a t u r d e s G e i s t e s  . Der Geist ist nur das , wozu er sich macht . Dieß Hervorbringen dessen , was an sich ist , ist das S e t z e n d e s B e g r i f f s in die Existenz . W2 XI . 271 ,3 v . u . –272 ,2 (Einschub in GW 29 ,1 . 217 ,10 )  : Daß das Paradies verloren ist , zeigt uns , daß es nicht absolut als Zustand wesentlich ist . Das wahrhaft Göttliche , seiner Bestimmung | Gemäße geht nicht verloren , ist ewig und an und für sich bleibend . W2 XI . 275 ,13 –276 ,17 (vgl . GW 29 ,2 . 244,29–34 )  : Jene Erkenntniß der Natur er­k lärt man als A n s c h a u e n   : dieß ist nichts Anderes als unmittelbares Bewußtseyn  ; fragen wir  : was ist angeschaut worden ? nicht die sinnliche Natur oberflächlich betrachtet (was auch den Thieren zugeschrieben werden kann) , sondern das We s e n d e r N a t u r   ; das Wesen der Natur als System der Gesetze derselben ist aber nichts Anderes als d a s A l l g e m e i n e   ; die Natur nach ihrer Allgemeinheit , das System der sich entwickelnden Lebendigkeit und diese Entwickelung in ihrer wahrhaften Form , nicht die Natur in ihrer Einzelnheit , in der sie für die sinnliche Wahrnehmung ist oder für die Anschauung . Die Form des Natürlichen ist die Natur , als durchdrungen von dem Gedanken . Das Denken ist aber nicht ein Unmittelbares  : es fängt an vom Gegebenen , erhebt sich aber über die sinnliche Mannigfaltigkeit desselben , n e g i r t die Form der Einzelnheit , vergißt das sinnlich Geschehene und producirt das Allgemeine , Wahrhafte  ; dieß ist nicht ein unmittelbares Thun , sondern die Arbeit der Vermittlung , das Herausgehen aus der Endlichkeit . Es hilft nichts , den Himmel noch so fromm , unschuldig und gläubig anzuschauen  ; die Wesenheit kann doch nur g e d a c h t werden . Jene Behauptung von einem Schauen , von einem unmittelbaren | Bewußtseyn zeigt sich daher sogleich in ihrer Nichtigkeit , wenn man nach dem fragt , was geschaut werden soll . Das Wissen der wahrhaften Natur ist ein vermitteltes Wissen und nicht das unmittelbare  ; ebenso ist es mit dem W i l l e n   ; der Wille ist gut , insofern er das Gute , Rechte und Sittliche will  : dieß aber ist etwas ganz Anderes als der u n m i t t e l b a r e Wille  : dieser ist der Wille , welcher in der Einzelnheit und

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Endlichkeit stehen bleibt , der d a s E i n z e l n e a l s s o l c h e s will . Das G u t e dagegen ist das A l l g e m e i n e   ; daß der Wille dazu komme , das Gute zu wollen , dazu ist die Vermittlung nothwendig , daß er sich von solchem endlichen Willen gereinigt habe . Diese Reinigung ist die Erziehung und Arbeit der Vermittlung , die nicht ein Unmittelbares und Erstes seyn kann . Zu der E r k e n n t n i ß G o t t e s gehört dieß ebenso  ; Gott ist das Centrum aller Wahrheit , das rein Wahre ohne alle Schranke , um zu ihm zu gelangen , muß der Mensch noch mehr seine n a t ü r­l i c h e B e s o n d e r h e i t des Wissens und Wollens abgearbeitet haben . W2 XI . 278 ,11–1 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 221 ,21 mit Variante 17–18 )  : Man hat bei der ersten Entdeckung der indischen Literatur von den ungeheuren chronologischen Zahlen gehört  : sie deuten auf eine sehr lange Dauer hin und scheinen ganz neue Aufschlüsse zu geben . In neueren Zeiten aber hat man sich gezwungen gesehen , diese Zahlen der Indier ganz aufzugeben , denn sie drücken gar keine prosaischen Verhältnisse der Jahre oder der Erinnerung aus . Ferner sollen die Indier große astronomische Kenntnisse besitzen , sie haben Formeln , um die Sonnen- und Mondfinsternisse zu berechnen , die sie aber nur ganz mechanisch gebrauchen , ohne die Voraussetzungen , oder die Art , die Formel zu finden , zu kennen . In jetziger Zeit hat man aber auch die astronomischen und mathematischen Kenntnisse der Indier genauer untersucht  : man erkennt darin allerdings eine originelle Ausbildung , aber in diesen Kenntnissen sind sie lange noch nicht so weit gekommen als die Griechen , die astronomischen Formeln sind so un­ nöthig verwickelt , daß sie der Methode der Griechen , noch mehr der unsrigen , sehr nachstehen  : gerade die wahrhafte Wissenschaft sucht die Aufgaben auf die einfachsten Elemente zurückzuführen . Jene verwickelten Formeln weisen aller­d ings auf eine verdienstliche Beschäftigung , auf eine Bemühung mit diesen Aufgaben hin , aber mehr ist darin auch nicht zu finden  : lang fortgesetzte Be­ obachtungen führen auf diese Kenntnisse . W2 XI . 279 ,5–8 (Einschub in GW 29 ,1 . 221 ,25 –222 ,1)  : So hat sich nun aber auch diese ganze Vorstellung des paradiesischen Anfangs als ein Gedicht bewiesen , dem der BegriV zu Grunde liegt , nur daß dieser als unmittelbare Existenz genommen wird , anstatt , daß er erst als Vermittlung ist . – W2 XI . 280 ,5 v . u . –281 ,20 (vgl . GW 29 ,2 . 245,1–12 )  : Für das natürliche Be­ wußt­­seyn , das wir hier vor uns haben , gelten noch nicht die prosaischen Kategorieen , wie Ursach und Wirkung , und die natürlichen Dinge sind noch nicht zu äußerlichen herabgesetzt . / Die Religion hat nur ihren Boden im Geist . Das Geistige | weiß sich als die M a c h t über das Natürliche , daß die Natur nicht das An- und Fürsichseyende ist . Das sind die Kategorieen des Verstandes , in welchem die Natur als das A n d e r e d e s G e i s t e s und der Geist als das Wahrhafte gefaßt ist . Von dieser Grundbestimmung fängt erst die Religion an . / Die un-

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mittelbare Religion ist dagegen die , wo der Geist noch natürlich ist , worin er die Un t e r s c h e i d u n g des Geistes als allgemeiner Macht von sich als Einzelnem , Zufälligem , Vorübergehendem und Accidentellem noch nicht gemacht hat . Diese Unterscheidung , der Gegensatz vom allgemeinen Geist als der allgemeinen Macht und dem Wesen gegen das subjective Daseyn und dessen Zufälligkeit ist noch nicht eingetreten und bildet erst die zweite Stufe innerhalb der Naturreligion . / Hier in der ersten unmittelbaren Religion , in dieser Unmittelbarkeit hat der Mensch noch k e i n e h ö h e r e M a c h t a l s s i c h s e l b s t  . Ueber dem zufälligen Leben , dessen Zwecken und Interessen ist wohl eine Macht , aber diese ist noch keine wesenhafte , als an und für sich allgemeine , sondern fällt in den Menschen selbst . Das Geistige ist auf e i n z e l n e u n m i t t e l b a r e Weise . W2 XI . 281 ,9 v . u . –282 ,2 (nach GW 29 ,1 . 235 ,2 )  : Denn Empfinden hieße , die Totalität des Subjects ganz mit einer solchen einzelnen Bestimmung erfüllen , so daß sie unsre Bestimmtheit würde . Selbst in Religionen , die unserm Bewußtseyn schon näher stehen , können wir uns nicht so hineinempfinden , sie können nicht Einen Augenblick so sehr unsre Bestimmtheit werden , daß wir z . B . ein griechisches Götterbild , so schön es auch seyn möge , anbeteten . Und jene Stufe der unmittelbaren Religion liegt uns noch dazu am fernsten , da wir schon , um sie uns ver|ständlich zu machen , alle Formen unsrer Bildung vergessen müssen . W2 XI . 283 ,5–16 (statt GW 29 ,1 . 233 ,15–22 )  : Sie kommt erst in den Menschen , wenn derselbe in seiner Einzelnheit sich ohnmächtig weiß , wenn seine Einzelnheit in ihm erzittert und wenn er nun diese Abstraction an sich vollbracht hat , um als freier Geist zu seyn . Wenn so das Natürliche im Menschen erzittert , erhebt er sich darüber , entsagt er ihm , hat er sich einen höheren Boden gemacht und geht er zum Denken , Wissen über . Aber nicht nur die Furcht in diesem höhern Sinne ist hier nicht vorhanden , sondern selbst die F u r c h t vo r d e r N a t u r m a c h t  , so weit sie hier eintritt , schlägt in diesem Anfange der Naturreligion in ihr Gegen­ theil um und wird die Z a u b e r e i  . W2 XI . 307 ,12–22 (vgl . GW 29 ,2 . 246,10–13)  : Auch deßhalb sollte man ­meinen , der Mensch , weil er als diese M a c h t so viel gilt , sey hier hoch geehrt und habe das Gefühl seiner Wü r d e  . Aber im Gegentheil vollkommenen Unwerth hat hier der Mensch – denn Würde hat der Mensch nicht dadurch , was er als u n m i t t e l b a r e r W i l l e ist , sondern nur indem er von einem A n - u n d F ü r s i c h s e y e n d e n  ,  einem Substantiellen weiß und diesem seinen natürlichen Willen unterwirft und gemäß macht . Erst durch das Aufheben der natürlichen Unbändigkeit und durch das Wissen , daß ein Allgemeines , An- und Fürsichseyendes , das Wahre sey , erhält er eine Würde und dann ist erst das Leben selbst auch etwas werth . W2 XI . 308 ,4–10  : (nach GW 29 ,1 . 253 ,19 )  : Der Weg von dieser ersten Form der Religion aus ist , daß der Geist von der Aeußerlichkeit , der sinnlichen Unmit­

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telbarkeit gereinigt wird und zur Vorstellung des Geistes als Geist in der Vorstellung , im Gedanken kommt . / Das Interesse des Fortgangs ist überhaupt die O b j e c t i v i r u n g d e s G e i s t e s  , d . h . daß der Geist rein gegenständlich wird und die Bedeutung des a l l g e m e i n e n G e i s t e s erhält . / II . / D i e E n t z we i u n g d e s B e w u ß t s e y n s i n s i c h  . Zur Entzweiung des Bewußtseins in sich W2 XI . 308 ,13 –311 ,19 (vgl . GW 29 ,2 . 246,14 –249,7)  : Der nächste Fortschritt ist der , daß das Bewußtseyn einer substantiellen Macht und der Ohnmächtigkeit des unmittelbaren Willens eintritt . Indem Gott nun als die a b s o l u t e M a c h t gewußt wird , so ist dieß noch nicht die Religion der Freiheit . Denn der Mensch erhebt sich zwar , indem jenes Bewußtseyn eintritt , über sich und die we s e n t l i c h e Un t e r s c h e i d u n g d e s G e i s t e s wird vollzogen , aber indem dieß Hohe als M a c h t gewußt wird und noch nicht weiter b e s t i m m t ist , so ist das Besondere ein nur A c c i d e n t e l l e s  , ein bloß Negatives , Nichtiges . Durch diese Macht besteht Alles , oder sie ist selbst d a s B e s t e h e n von Allem , so daß die Freiheit des Für­sich­bestehens noch nicht anerkannt ist . Das ist der P a n t h e i s m u s  .  / Diese Macht , die etwas Gedachtes ist , wird noch n i c h t g e w u ß t a l s G e d a c h t e s  , als geistig in sich . Da sie nun eine geistige Existenz haben muß , aber dieß , für sich frei zu seyn , noch nicht in sich selbst hat , so hat sie das M o m e n t d e r G e i s t i g k e i t auch nur wieder a n e i n e m M e n s c h e n  , d e r a l s d i e s e M a c h t g e w u ß t w i r d  .  / In der Erhebung des Geistes , mit der wir es hier zu thun haben , wird vom Endlichen , Zufälligen ausgegangen , | dieses als das Negative bestimmt und das allgemeine , an sich seyende Wesen als das , in dem und durch welches dieß Endliche ein Negatives , ein Gesetztes ist . Die Substanz hin­gegen ist das Nichtgesetzte , Ansichseyende , die Macht in Beziehung auf das Endliche . / Das Bewußtseyn nun , das sich erhebt , erhebt sich als D e n k e n  , aber ohne ein Bewußtseyn über diesen allgemeinen Gedanken zu haben , ohne es in Form des Gedankens auszusprechen . Die Erhebung ist aber zunächst nur ein H i n a u f  . Das Andere ist die U m k e h r u n g  , daß dieß Nothwendige gekehrt ist zu dem Endlichen . Im Ersten vergißt sich das Endliche . Das Zweite ist d a s Ve r h ä l t n i ß d e r S u b s t a n z z u m E n d l i c h e n  . Indem hier Gott nur die Bestimmtheit hat , die Substanz und Macht des Endlichen zu seyn , ist er selbst noch u n b e s t i m m t  . Er ist noch nicht gewußt als in sich selbst für sich bestimmt zu seyn , ist noch nicht als Geist gewußt . / Auf dieser allgemeinen Grundlage gestalten sich m e h r e r e F o r m e n  , welche fortschreitende Versuche sind , die Substanz als sich selbst bestimmend zu fassen . / 1 . Zunächst (in der c h i n e s i s c h e n Religion) wird die Substanz als e i n f a c h e G r u n d l a g e gewußt und so ist sie unmittelbar gegenwärtig im Endlichen , Zufälligen . / Der Fortschritt des Bewußtseyns kommt

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dadurch herein , daß der G e i s t  , wenn auch die Substanz noch nicht als Geist gefaßt wird , dennoch die Wahrheit ist , die allen Erscheinungen des Bewußtseyns an sich z u G r u n d e l i e g t  , daß also auch auf dieser Stufe nichts von dem fehlen darf , was zum BegriV des Geistes gehört . So wird sich auch hier die Substanz zum Subject bestimmen , aber es kommt darauf an , wie sie es thut . Hier nun treten die Bestimmungen des Geistes , die an sich vorhanden sind , auf ä u ß e r l i c h e We i s e h i n z u  . Die vollkommene Bestimmtheit , der letzte Punkt der Gestalt , dieser letzte Punkt des Eins , des Fürsichseyns ist nun auf äußerliche Weise | gesetzt , daß ein p r ä s e n t e r M e n s c h als die allgemeine Macht gewußt wird . / Dieß Bewußtseyn erscheint schon in der chinesischen Religion , wo der Kaiser wenigstens das B e­t h ä­t i­g e n d e der Macht ist . / 2 . In der i n d i s c h e n Religion ist die Substanz als a b s t r a c t e E i n h e i t  , nicht mehr als bloße Grundlage gewußt , und diese abstracte Einheit ist dem Geiste auch verwandter , da er als Ich selbst diese abstracte Einheit ist . Hier erhebt sich nun der Mensch , indem er sich selbst zu seiner innern abstracten Einheit erhebt , zur Einheit der Substanz , i d e n t i f i c i r t sich mit ihr und g i e b t i h r s o E x i s t e n z  . Einige sind von Natur die Existenz dieser Einheit , andere können sich dazu erheben . / Die Einheit , welche hier das Herrschende ist , macht zwar auch den Versuch , sich zu e n t f a l t e n  . Die wahre Entfaltung und die Negativität des Zusammenfassens der Unterschiede wäre der Geist , der sich in sich bestimmt und in seiner Subjectivität sich selbst erscheint . Diese Subjectivität des Geistes gäbe ihm einen Inhalt , der seiner würdig und auch selbst geistiger Natur wäre . Hier bleibt aber die Bestimmung der N a t ü r l i c h k e i t  , insofern n u r zum Unterscheiden und Entfalten fortgegangen wird und die Momente ve r e i n z e l t n e b e n e i n a n d e r sind . Die Entfaltung  , noth­wendig im BegriV des Geistes , ist hier somit selbst g e i s t l o s  . Man wird daher in der Naturreligion zuweilen in der Verlegenheit seyn , den Geist entfaltet zu finden (so die Vorstellung von der Incarnation , die Dreiheit in der indischen Religion) , man wird Momente finden , die dem Geist angehören , aber sie sind so ausgelegt , daß sie ihm zugleich nicht angehören . Die Bestimmungen sind vereinzelt und treten auseinanderfallend hervor . Die Dreiheit in der indischen Religion wird so nicht zur Dreieinigkeit , denn nur der absolute Geist ist die Macht über seine Momente . / Die Vorstellung der Naturreligion hat in dieser Rücksicht | große Schwierigkeiten , sie ist allenthalben i n c o n s e q u e n t und der Widerspruch in sich selbst . So ist einer Seits das G e i s t i g e gesetzt , was wesentlich frei ist , und andrer Seits ist dann dieß in n a t ü r l i c h e r B e s t i m m t h e i t  , in einer Einzelnheit vorgestellt , mit einem Inhalte , der feste Besonderheit hat , der also dem Geiste ganz unangemessen ist , da dieser nur als der freie wahrhaft ist . / 3 . In der letzten Form , die zu dieser Stufe der Entzweiung des Bewußtseyns gehört , ist und lebt die C o n c r e t a t i o n und Gegenwart der Substanz in E i n e m Individuum , und

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ist die haltungslose Entfaltung der Einheit , welche der vorhergehenden Form eigen war , insofern wenigstens aufgehoben , als sie ve r n i c h t e t und verflüchtigt ist . Das ist der L a m a i s m u s  , oder B u d d h a i s m u s  .  / Ehe wir nun die geschichtliche Existenz dieser Religionen näher betrachten , haben wir die allgemeine Bestimmtheit dieser ganzen Stufe und ihren metaphysischen BegriV . Es ist hier näher der BegriV der Erhebung und das Verhältniß der Substanz zum Endlichen zu bestimmen . W2 XI . 314 ,15–17 (Einschub in GW 29 ,1 . 225 ,3–4 )  : Dieß Ve r h ä l t n i ß  , in das sie mit einander gesetzt sind , ist in ihrer Natur ebenso sehr , als in der Religion vorhanden und nach dieser Seite zunächst aufzunehmen . W2 XI . 314 ,16–6 v . u . (vgl . GW 29 ,2 . 247 ,12–24 )  : Indem er die Welt vor sich hat , so fühlt er darin das Unzureichende (das Fühlen fühlt auch das Gedachte oder das zu Denkende) . Es genügt ihm nicht als ein Letztes und er findet die Welt als ein Aggregat von endlichen Dingen . Ebenso weiß sich der Mensch als ein Zufälliges , Vergängliches und in diesem Gefühl geht er über das Einzelne hinaus und erhebt er sich zu dem Allgemeinen , zu dem Einen , das an und für sich ist , einem Wesen , dem diese Zufälligkeit und Bedingtheit nicht zukommt , das vielmehr schlechthin die Substanz gegen dieß Accidentelle und die Macht ist , daß dieses Zufällige i s t und n i c h t i s t  . W2 XI . 315 ,8–17 (vgl . GW 29 ,2 . Einschub in GW 29 , 1 . 225 ,16 )  : daß in ihr irgend eine e i n z e l n e  , unmittelbare Existenz , eine natürliche oder geistige , ein Endliches über diesen seinen Umfang unendlich erweitert wird , und in der be­ schränkten Anschauung solches Gegenstandes zugleich unendliches Wesen , freie Substantialität gewußt wird . Was überhaupt darin vorhanden , ist  : daß in dem endlichen Dinge , der Sonne oder dem Thier u . s . f . zugleich Unendlichkeit , in der äußerlichen Mannigfaltigkeit derselben zugleich die innere unendliche Einheit , göttliche Substantialität angeschaut wird . W2 XI . 315 ,7–3 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 225 ,24 )  : Das Bewußtseyn des Allgemeinen , des Unendlichen ist D e n k e n  , als welches Vermitteln in sich selbst ist , Hinausgehen , überhaupt Aufheben des Aeußerlichen , Einzelnen . Dieß ist die Natur des Denkens überhaupt . W2 XI . 316 ,8 –317 ,4 (Einschub in GW 29 ,1 . 226 ,6–7)  : Die Erhebung braucht nicht nur von der Z u f ä l l i g k e i t der Welt ihren Ausgangspunkt zu nehmen , um bei der N o t h­we n d i g ­k e i t des an und für sich seyenden Wesens anzukommen , sondern wir können die Welt noch anders bestimmen . Die Noth­wendig­keit ist das Letzte vom Seyn und Wesen , es gehen also viele Kategorieen vorher . Die Welt kann seyn ein V i e l e s  , Mannigfaltiges , die Wahrheit desselben ist dann das E i n s  . So wie vom Vielen zum Eins , vom Endlichen zum Unendlichen , so kann auch vom S e y n überhaupt zum We s e n übergegangen werden . / Der Ueber­

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gang vom Endlichen zum Unendlichen , vom Accidentellen zum Substantiellen u . s . f . gehört der Wirksamkeit des D e n k e n s i m B e w u ß t s e y n an und ist die eigne Natur dieser Bestimmungen selbst , dasjenige , was sie in Wahrheit sind . Das Endliche ist nicht das Absolute , sondern es ist nur dieß , zu vergehen und zum Unend­l ichen zu werden , das Einzelne ist nur dieß , ins Allgemeine , das Accidentelle nur dieß , in die Substanz zurückzugehen . Dieser Uebergang ist insofern Vermittlung , als er die Bewegung von der anfangenden , unmittelbaren Bestimmtheit in ihr Anderes , in das Unendliche , Allgemeine , und die Substanz schlechthin nicht ein Unmittelbares , sondern ein durch dieses Uebergehen Werdendes , Sichsetzendes ist . Daß dieß die wahrhafte Natur dieser Bestimmungen selbst ist , wird in der Logik erwiesen , und es ist wesentlich , dieß in seinem ­eigentlichen Sinn festzuhalten , daß nämlich nicht w i r  , in bloß äußerer Reflexion , es sind , welche von einer | solchen Bestimmung zu der ihr andern übergehen , vielmehr so , daß sie es an ihnen selbst sind , so überzugehen . Dieß Dialektische an der Bestimmung , um die es sich handelt , an dem Endlichen , will ich noch mit wenigen Worten darstellen . W2 XI . 319 ,4–22 (vgl . GW 29 ,1 . 227 ,24 –228 ,6 )  : Erst diese beiden Momente zusammen machen die Natur des Unendlichen und dessen wahrhafte Identität aus  ; dieß Ganze ist erst der BegriV des Unendlichen . Es ist dieß Unendliche von dem früher genannten zu unterscheiden , dem Unendlichen im unmittelbaren Wissen oder als Ding an sich , welches das negative , bestimmungslose Unendliche ist , das Nicht-Endliche nur in der Kantischen Philosophie . Es ist nun kein jenseitiges mehr , hat Bestimmtheit in sich . / Schon die Naturreligion , so unvollkommen die Einheit des Endlichen und Unendlichen ist nach der Bestimmung derselben , enthält dieß Bewußtseyn des Göttlichen als des S u b s t a n t i e l l e n  , welches zugleich b e s t i m m t sey und so die Form einer natürlichen Existenz hat . Was in ihr als Gott angeschaut wird , ist diese göttliche Substanz in natürlicher Form . Hier ist also der Inhalt concreter , mithin besser , enthält mehr Wahrheit als der im unmittelbaren Wissen , welches Gott nicht erkennen will , weil er unbestimmt sey . Die natürliche Religion steht schon höher als diese Ansicht der Neueren , die dabei noch an oVenbare Religion glauben wollen . W2 XI . 322 ,3 –323 ,3 v . u . (vgl . GW 29 ,2 . 248 ,2–17)  : Der Mangel an der Vermittlung dieses Beweises ist der , daß das Unbedingte ausgesprochen wird als be­d ingt durch ein anderes Seyn . Die einfache Bestimmung der Negation ist fortgelassen . In der wahrhaften Vermittlung wird auch von dem Vielen zu dem Einen übergegangen und auch so , daß das Eine als vermittelt ausgesprochen wird . Aber dieser Mangel wird in der wahrhaften Erhebung des Geistes verbessert , und zwar dadurch , daß gesagt wird , nicht das Viele sey , sondern das Eine . Durch diese Negation wird die Vermittlung und Bedingung aufgehoben und das an und für sich

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Nothwendige ist nun vermittelt durch Negation der Vermittlung . Gott erschaVt  : da ist das Verhältniß von Zweien und Vermittlung . Das ist aber ein Ur­theil  : Gott ist nicht mehr das dunkle , in sich verdumpfte Wesen , er manifestirt sich , öVnet sich , setzt einen Unterschied und ist für ein Anderes . Dieser Unterschied ist in seinem höchsten Ausdruck der Sohn . Der Sohn ist vermittelst des Vaters und umgekehrt  : Gott ist nur in ihm oVenbar . Aber Gott ist in diesem Andern bei sich selbst , bezieht sich auf sich und , indem dieß nicht mehr ein Verhalten zu Anderm ist , ist die Vermittlung aufgehoben . / Gott ist also das a n u n d f ü r s i c h N o t h­we n d i g e  , diese Bestimmung ist schlechthin die Grundlage . Gott muß , wenn das auch noch nicht genug ist , als die S u b s t a n z gefaßt werden . / D a s A n d e r e ist nun das Umgekehrte , das Ve r h ä l t n i ß d e r S u b s t a n z z u m E n d l i c h e n  . In der Erhebung vom Endlichen zur Substanz ist eine Vermittlung , die im Resultate aufgehoben , als nichtig gesetzt war . Im Herumwenden der Substanz gegen das Viele , Endliche u . s . w . ist diese aufgehobene Vermittlung w i e d e r a u f z u n e h m e n  , aber so daß sie in der Bewegung des Resultats als n i c h t i g gesetzt wird  ; d . h . nicht bloß das Resultat muß aufgefaßt werden , sondern in diesem | das G a n z e und d e r P r o c e ß d e s s e l b e n  . Wird nun in dieser Weise das Ganze aufgefaßt , so wird gesagt  : die Substanz hat Accidenzen , die unendliche Mannigfaltigkeit , die an dieser Substanz als ein Seyendes ist , das vorübergeht . Was i s t  , das ve r g e h t  . Der Tod ist aber eben so sehr wieder der Anfang des Lebens , das Vergehen ist der A n f a n g d e s E n t s t e h e n s und es ist nur Umschlagen vom Seyn in das Nichtseyn und umgekehrt . Das ist der Wechsel der Accidentalität und die Substanz ist nun die E i n h e i t d i e s e s We c h s e l s s e l b s t  . Was perennirend ist , ist dieser Wechsel und dieser als Einheit ist das Substantielle , die Nothwendigkeit , welche das Uebersetzende ist des Entstehens in das Vergehen und umgekehrt . Die Substanz ist die absolute Macht des Seyns . Ihr kommt das Seyn zu , aber sie ist ebenso die Einheit des Umschlagens , daß das Seyn umschlägt in das Nichtseyn , aber sie ist wieder die Macht des Vergehens , so daß das Vergehen vergeht . / Der Mangel an dieser orientalischen Substanz wie an der Spinozistischen liegt in den Kategorieen des Entstehens und Vergehens . Die Substanz ist nicht gefaßt als das T h ä t i g e i n s i c h s e l b s t  , als Subject und als zweckmäßige Thätigkeit , nicht als Weisheit , sondern nur als Macht . Sie ist ein Inhaltsloses , das Bestimmte , der Zweck ist nicht darin enthalten , das Bestimmte , das sich in diesem Entstehen und Vergehen hervorbringt , ist nicht gefaßt . Es ist nur die taumelnde , in sich z we c k l o s e  , l e e r e M a c h t  . Dieß System ist das , was man Pa n t h e i s m u s nennt . Gott ist da die absolute Macht , das Seyn in allem Daseyn , die Reinigung seiner selbst von der Bestimmtheit und Negation . Daß die Dinge s i n d  , ist die Substanz , daß sie n i c h t s i n d  , ist ebenfalls die Macht der Substanz und diese Macht ist den Dingen u n m i t t e l b a r i m m a n e n t  .

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W2 XI . 324 ,12–6 v . u . (statt GW 29 ,1 . 229 ,1–8 )  : So kann man selbst von der Substanz des Spinoza vielleicht nicht sagen , daß sie so genau pantheistisch sey , als jener Ausdruck , denn die einzelnen Dinge bleiben bei ihm so wenig noch ein Affirmatives , als das Daseyn bei Parmenides , welches bei ihm unterschieden vom Seyn nur Nichtseyn ist und so ist , daß dieß Nichtseyn gar nicht ist . W2 XI . 325 ,7 –326 ,5 (vgl . GW 29 ,2 . 248 ,21–32 )  : Dieser Pantheismus ist das Erzeugniß der denkenden Reflexion , welche die natürlichen Dinge zu A l l e m und J e d e m erweitert und hiermit die Existenz Gottes sich nicht als w a h r h a f t e A l l g e m e i n h e i t des Gedankens , sondern als eine A l l h e i t  , d . i . in allen einzelnen natürlichen Existenzen vorstellt . / Beiläufig kann noch bemerkt werden  : auch die Bestimmung der neueren Philosophie , daß der G e i s t die Einheit mit sich selbst ist und die Welt als Ideelles in sich faßt , nennt man Pantheismus oder näher Pantheismus des S p i r i t u a l i s m u s  . Aber da faßt man nur einseitig die Bestimmung der E i n h e i t auf und setzt ihr gegenüber die Bestimmung der S c h ö p f u n g  , wo Gott Ursache und die Trennung so vorhanden ist , daß die Schöpfung gegen ihn selbständig ist . Aber dieß ist gerade die G r u n d b e s t i m m u n g d e s G e i s t e s  , daß er dieß Un t e r s c h e i d e n und Setzen des Unterschiedes ist  : das ist die Schöpfung , die sie immer haben wollen . Das Weitere ist dann freilich , daß die Tr e n n u n g n i c h t b l e i b t  , sondern aufgehoben wird , denn sonst stehen wir im Dualismus und Manichäismus . – / Wir kehren nun zu der Bestimmung zurück , daß die Substanz als allgemeine Macht vom Gedanken für sich herausgehoben ist . / Diese Erhebung , dieses Wissen ist aber noch nicht R e l i g i o n  , dazu fehlt nämlich noch das Moment , das in der Religion als der vollendeten Idee nicht fehlen darf – das Moment des G e i s t e s  . Die Stellung dieses Moments ergiebt sich daraus , daß die Substanz in ihr selbst noch nicht als Geist , der Geist noch nicht als Substanz bestimmt ist . So ist der | Geist a u ß e r h a l b der Substanz und zwar als ve r s c h i e d e n von ihr . – / Wir haben nun die Grundbestimmung des Pantheismus , wie er sich als Religion bestimmt hat , in ihren näheren Formen zu betrachten . Zur chinesischen Religion W2 XI . 326 ,6 –327 ,4 (Einschub in GW 29 ,1. 225 ,15)  : 1 .  D i e c h i n e s i s c h e R e l i g i o n oder d i e R e l i g i o n d e s M a a ß e s  .  / a .  D i e a l l g e m e i n e B e s t i m m t h e i t d e r s e l b e n  .  / Zunächst wird die Substanz noch in derjenigen Bestimmung des S e y n s gedacht , die zwar dem Wesen am nächsten steht , aber doch noch der Un m i t t e l b a r k e i t d e s S e y n s angehört und der Geist , der von ihr verschieden ist , ist ein besonderer , endlicher Geist , der M e n s c h  . Dieser Geist ist einer Seits der G e w a l t h a b e n d e  , der Ausführer jener Macht , andrer Seits als jener Macht unterworfen , das A c c i d e n t e l l e  . Wird der Mensch als

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diese Macht vorgestellt , so daß sie in ihm als wirkend angesehen wird oder daß er durch den Cultus dazu komme , sich mit ihr identisch zu setzen , so hat die Macht die Gestalt des Geistes , aber des endlichen , menschlichen Geistes und da tritt die Trennung von Andern ein , über die er mächtig ist . / b .  D i e g e s c h i c h t l i c h e E x i s t e n z d i e s e r R e l i g i o n  .  / Aus jener unmittelbaren Religion , welche der Standpunkt der Z a u b e r e i war , sind wir zwar herausgetreten , da der besondere Geist sich jetzt von der Substanz unterscheidet und zu ihr in Verhältniß steht , daß er sie als die allgemeine Macht betrachtet . In der c h i n e s i s c h e n Religion , ­welche die nächste geschichtliche Existenz dieses substantiellen Verhältnisses ist , wird die Substanz als d e r U m f a n g d e s w e s e n t l i c h e n S e y n s  , als das M a a ß gewußt , das Maaß gilt als das An- und Fürsichseyende , Unveränderliche und T h i ä n  , der Himmel , ist die objective Anschauung dieses An- und Fürsichseyenden . Dennoch zieht sich auch die Bestimmung der Z a u b e r e i noch in diese Sphäre herein , insofern i n d e r W i r k l i c h k e i t der e i n z e l n e   | Mensch , der Wille und das empirische Bewußtseyn desselben das Höchste ist . Der Standpunkt der Zauberei hat sich hier sogar zu einer organisirten Monarchie , deren Anschauung etwas Großartiges und Majestätisches hat , ausgebreitet . W2 XI . 327 ,7 v . u . –331 ,10 v . u . (Einschub in GW 29 ,2. 92 ,13)  : Wenn die Todten als Vorsteher der natürlichen Reiche vorgestellt werden , so könnte man sagen  : sie sind damit erhoben  ; in der That aber werden sie herunter­gesetzt zu Genien des Natürlichen und da ist es Recht , daß der selbstbewußte Wille diese Genien bestimmt . / Der Himmel der Chinesen ist daher nicht eine Welt , die ü b e r der Erde ein s e l b s t ä n d i g e s R e i c h bildet und für sich | das Reich des Idealen ist , wie wir uns den Himmel mit Engeln und den Seelen der Verstorbenen vorstellen , oder wie der griechische Olymp vom Leben auf der Erde unterschieden ist , sondern Alles ist a u f E r d e n und Alles , was Macht hat , ist dem Kaiser unterworfen und es ist dieß einzelne Selbstbewußtseyn , das auf bewußte Weise diese vollkommene Regentschaft führt . / Was das M a a ß betriVt , so sind es feste Bestimmungen , die Vernunft ( Ta o ) heißen . Die Gesetze des Tao oder die Maaße sind Bestimmungen , Figurationen , nicht das abstracte Seyn oder abstracte Substanz , sondern Figurationen der Substanz , die a b s t r a c t e r aufgefaßt werden können , aber auch d i e B e s t i m m u n g e n f ü r d i e N a t u r u n d f ü r d e n G e i s t d e s M e n s c h e n  , Gesetze seines Willens und seiner Vernunft sind . – Die ausführ­ liche Angabe und Entwickelung dieser Maaße begriVe die ganze Philosophie und Wissen­schaft der Chinesen . Hier sind nur die Hauptpunkte hervorzuheben . – / Die Maaße in der abstracten Allgemeinheit sind ganz einfache K a t e g o r i e e n   : Seyn und Nichtseyn , das Eins und Zwei , welches denn das Viele überhaupt ist . Diese allgemeinen Kategorieen sind von den Chinesen mit Strichen bezeichnet worden  : der Grundstrich ist die L i n i e   ; ein einfacher Strich (–) bedeutet das

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Eins und die Affirmation  : ja , der gebrochene (– –) Zwei , die Entzweiung und die Negation  : nein . Diese Zeichen heißen K u a (die Chinesen erzählen , sie seyen ihnen auf der Schale der Schildkröte erschienen) . Es giebt vielfache Verbindungen derselben , die dann concretere Bedeutungen von jenen ursprünglichen Bestimmungen haben . Unter diesen concreteren Bedeutungen sind besonders die vier Weltgegenden und die Mitte , vier Berge , die diesen Weltgegenden ent­sprechen , und einer in der Mitte , fünf Elemente  : Erde , Feuer , Wasser , Holz und Metall . Ebenso giebt es fünf Grundfarben , wovon jede einem Element angehört . Jede chinesische regierende Dynastie | hat eine besondere Farbe , Element u . s . w .  ; so giebt es auch fünf Grundtöne in der Musik  ; fünf Grundbestimmungen für das Thun des Menschen in seinem Verhalten zu Anderen . Die erste und höchste ist das Verhalten der Kinder zu den Eltern , die zweite die Verehrung der verstorbenen Voreltern und der Todten , die dritte der Gehorsam gegen den Kaiser , die vierte das Verhalten der Geschwister zu einander , die fünfte das Verhalten gegen andere Menschen . / Diese Maaßbestimmungen machen die Grundlage , die Vernunft , aus . Die Menschen haben sich denselben gemäß zu halten  ; was die Naturelemente betriVt , so sind die Genien derselben vom Menschen zu verehren . – / Es giebt Menschen , die sich dem Studium dieser Vernunft ausschließend widmen , sich von allem praktischen Leben fern halten und in der Einsamkeit leben  : doch ist es immer die Hauptsache , daß diese Gesetze im praktischen Leben gehandhabt werden . Wenn sie aufrecht gehalten sind , wenn die Pflichten von den Menschen beobachtet werden , so ist Alles in Ordnung , in der Natur wie im Reiche  ; es geht dem Reiche und den Individuen wohl . Dieß ist ein m o r a l i s c h e r Z u s a m m e n h a n g zwischen dem Thun des Menschen und dem , was in der Natur geschieht . BetriVt das Reich Unglück , sey es durch Ueberschwemmung oder durch Erd­ beben , Feuersbrünste , trockene Witterung u . s . w . , so kommt dieß allein daher , daß der Mensch nicht die Vernunftgesetze befolgt hat , daß die Maaßbestimmungen im Reiche nicht gut aufrecht erhalten worden sind . Dadurch wird das allgemeine Maaß zerstört und es bricht solches Unglück herein . – Das Maaß wird hier also als das An- und Fürsichseyende gewußt . Dieß ist die allgemeine Grundlage . / Das Weitere betriVt nun die B e t h ä t i g u n g d e s M a a ß e s  . Die Aufrecht­erhal­ tung der Gesetze kommt dem K a i s e r zu , dem Kaiser als dem S o h n e d e s ­H i m m e l s  , welcher das Ganze , die Totalität der Maaße ist . Der Himmel als das sichtbare | Himmelsgewölbe ist zugleich die Macht der Maaße . Der Kaiser ist unmittelbar der Sohn des Himmels (Thiän-Dszö) , er hat das Gesetz zu ehren und demselben Anerkennung zu verschaVen . In einer sorgfältigen Erziehung wird der Thronfolger mit allen Wissenschaften und den Gesetzen bekannt gemacht . Der Kaiser erzeigt allein dem Gesetze die Ehre  ; seine Unter­thanen haben nur ihm die Ehre zu erweisen , die er dem Gesetz erweist . Der Kaiser bringt Opfer .

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Dieß ist nichts Andres , als daß der Kaiser sich niederwirft und das Gesetz verehrt . Ein Hauptfest unter den wenigen chinesischen Festen ist das des A c k e r b a u e s  , der Kaiser steht demselben vor  ; an dem Festtage pflügt er selbst den Acker  ; das Korn , welches auf diesem Felde wächst , wird zum Opfer gebraucht . Die Kaiserin hat den S e i d e n b a u unter sich , der den StoV zur Bekleidung hergiebt , wie der Ackerbau die Quelle aller Nahrung ist . – Wenn Ueberschwemmungen , Seuchen und dergl . das Land verwüsten und plagen , so geht das allein den Kaiser an  ; er bekennt als Ursache des Unglücks seine Beamten und vorzüglich sich selbst , wenn er und seine Magistratspersonen das Gesetz ordentlich aufrecht erhalten hätten , so wäre das Unglück nicht eingetreten . Der Kaiser empfiehlt daher den Be­amten , in sich zu gehen und zu sehen , worin sie gefehlt hätten , so wie er selbst der Meditation und Buße sich hingiebt , weil er nicht recht gehandelt habe . – Von der Pflichterfüllung hängt also die Wohlfahrt des Reiches und der Individuen ab . Auf diese Weise reducirt sich der ganze Gottesdienst für die Unter­thanen auf ein moralisches Leben  : die chinesische Religion ist so eine m o r a l i s c h e Religion zu nennen (in diesem Sinne hat man den Chinesen Atheismus zuschreiben können) . – Diese Maaßbestimmungen und Angaben der Pflichten rühren meistentheils von C o n f u c i u s her  : seine Werke sind überwiegend solchen moralischen Inhalts . / Diese Macht der Gesetze und der Maaßbestimmungen ist ein Aggregat von vielen b e s o n d e r n B e s t i m m u n g e n und | Gesetzen  : diese besonderen Bestimmungen müssen nun auch als T h ä t i g k e i t e n gewußt werden  ; als Besondres sind sie der allgemeinen Thätigkeit unterworfen , nämlich dem K a i s e r  , welcher d i e M a c h t d e r g e s a m m t e n T h ä t i g k e i t e n i s t  . Diese besonderen Mächte werden nun auch als Menschen vorgestellt , besonders sind es die a b g e s c h i e d e n e n Vo r e l t e r n der existirenden Menschen  ; denn der Mensch wird besonders als Macht gewußt , wenn er abgeschieden , d . h . nicht mehr in das Interesse des täglichen Lebens verwickelt ist . Derjenige kann aber auch als abgeschieden betrachtet werden , der sich selbst von der Welt ausscheidet , indem er sich in sich vertieft , seine Thätigkeit bloß auf das A l l g e m e i n e  , auf die Erkenntniß dieser Mächte richtet , dem Zusammenhange des täglichen Lebens entsagt und sich von allen Genüssen fern hält  ; dadurch ist der Mensch auch dem concreten menschlichen Leben abgeschieden und er wird daher auch als besondre Macht gewußt . – Außerdem giebt es auch noch G e s c h ö p f e d e r Ph a n t a s i e  , welche diese Macht inne haben  : dieß ist ein sehr weit ausgebildetes Reich von solchen besonderen Mächten . Sie stehen sämmtlich unter der allgemeinen Macht , unter der des Kaisers , der sie einsetzt und ihnen Befehle ertheilt . – Dieses weite Reich der Vorstellung lernt man am besten aus einem Abschnitt der chinesischen Geschichte kennen , wie er sich in den Berichten der Jesuiten , in dem gelehrten Werke  : M é m o i r e s s u r l e s C h i n o i s  , findet .

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W2 XI . 333 ,6–9 (statt GW 29 ,1 . 255 ,14–15)  : zur größten Ueberraschung und Satisfaction des Volkes fand es sich , daß sie ganz so waren , wie die vorigen . Ueber­haupt bleiben bei einem Dynastieenwechsel mit wenigen Abänderungen die alten Gesetze . W2 XI . 334 ,1–6 (vor GW 29 ,1 . 256 ,6 )  : Der Generalissimus gratulirte ihm , daß seine Tugenden diese Anerkennung erhalten hätten . Es war ein alter General . Sodann wurden die andern aufgerufen , theils solche , die im Interesse der neuen Dynastie umgekommen waren , theils solche , die im Interesse der frühern Dynastie gefochten und sich aufgeopfert hatten . W2 XI . 337 ,5–14 (Einschub in GW 29 ,2 . 96 ,12–13)  : Cultus ist in der Religion des Maaßes eigentlich i h r e g a n z e E x i s t e n z  , da die Macht der Substanz sich in ihr selbst noch nicht zu fester Objectivität gestaltet hat und selbst das Reich der Vorstellung , soweit es sich in dem Reiche der Schin entwickelt hat , der Macht des Kaisers unterworfen ist , welcher selbst nur die wirkliche Bethätigung des Substantiellen ist . / Fragen wir daher nach dem Cultus im engern Sinne , so ist nur noch d a s Ve r h ä l t n i ß d e r a l l g e m e i n e n B e s t i m m t h e i t d i e s e r R e l i g i o n z u r I n n e r l i c h k e i t u n d z u m S e l b s t b e w u ß t s e y n zu untersuchen . W2 XI . 338 ,11–21 (vgl . GW 29 ,2 . 249 ,35 –250 ,2 )  : Diese äußere Abhängigkeit ist überhaupt darin begründet , daß alles Besondere mit dem Allgemeinen , das nur abstract bleibt , nicht in inneres Verhältniß gesetzt werden kann . Die Interessen der I n d i v i d u e n liegen a u ß e r h a l b der a l l g e m e i n e n Bestimmungen , die der Kaiser in Ausübung bringt . In Rücksicht auf die besonderen Interessen wird vielmehr eine Macht vorgestellt , die für sich vorhanden ist . Das ist nicht die allgemeine Macht der Vorsehung , die sich auch über die besonderen Schicksale erstreckt , das Besondere ist vielmehr einer b e s o n d e r n M a c h t unterworfen . Das sind die Schin und es tritt damit ein großes Reich des Aberglaubens ein . Zur indischen Religion W2 XI . 339 ,1 – 341 ,9 (vgl . GW 29 ,2 . 250 ,6–23)  : 2 .  D i e Re l i g i o n d e r Ph a n t a ­ s i e  .  / a .  D e r B e g r i f f d e r s e l b e n  .  / Die zweite Hauptform des Pantheismus , wie er als Religion zur Erscheinung gekommen ist , steht noch innerhalb des­ selben Princips der Einen substantiellen Macht , in der das Vorhandene , auch die Freiheit des Menschen , nur ein Negatives , Accidentelles ist . In der ersten Form der substantiellen Macht sahen wir , daß sie als die Menge und als der Umfang der wesentlichen Bestimmungen und nicht an ihr selber als geistig gewußt wird . Es ist nun sogleich die Frage  : wie ist diese Macht a n i h r s e l b e r b e s t i m m t und was ist ihr I n h a l t ? Das Selbstbewußtseyn in der Religion kann nicht wie der abstract denkende Verstand bei der Vorstellung jener Macht stehen bleiben , die nur als ein Aggregat von Bestimmungen gewußt wird , welche nur s i n d  . So

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wird die Macht noch nicht gewußt als reelle , für sich seyende Einheit , noch nicht als P r i n c i p  . Das Entgegengesetzte dieser Bestimmung ist nun die Rücknahme des vielen Bestimmtseyns in d i e E i n h e i t d e s S i c h s e l b s t b e s t i m m e n s  . Diese Concentration des Sichselbstbestimmens enthält den Anfang der Geistigkeit . / 1 . Das Allgemeine als sich selbst bestimmend , nicht nur als eine Menge von Regeln , ist das D e n k e n  , existirt als Denken . Die Natur , die Macht , die Alles gebiert , existirt als das Allgemeine , als dieß Eine Wesen , als diese Eine Macht für sich nur in unserm Denken . Was wir in der Natur vor uns haben , ist dieß Allgemeine , aber nicht a l s Allgemeines . Das Wahre der Natur ist als Idee , oder abstracter als Allgemeines in unserm Denken für sich herausgehoben . Die Allgemeinheit ist aber a n i h r s e l b s t Denken und als sich selbst bestimmend die Quelle alles Bestimmens . Aber auf der Stufe , wo wir jetzt stehen und wo das Allgemeine zuerst als das Bestimmende , als Princip hervortritt , ist es noch nicht der Geist , sondern a b s t r a c t e A l l g e m e i n h e i t überhaupt . Indem das | Allgemeine so gewußt wird als Denken , bleibt es als solches in sich eingeschlossen . Es ist die Quelle aller Macht , die aber nicht selbst sich a l s s o l c h e äußert .  / 2 . Zum Geiste gehört nun das Un t e r s c h e i d e n und die Ausbildung des Unter­ schiedes . In das System dieser Ausbildung gehört die concrete Entwickelung des Denkens für sich selbst und diejenige Entwickelung , welche als Erscheinung die Natur und die geistige Welt ist . Da nun aber das Princip , das auf dieser Stufe auftritt , noch nicht so weit gediehen ist , daß diese Entwickelung i n i h m s e l b s t geschehen könnte , da es vielmehr nur in der einfachen , abstracten Concentration festgehalten wird , so fällt die Entwickelung , der Reichthum der wirklichen Idee a u ß e r h a l b d e s P r i n c i p s und damit ist die Unterscheidung und die Mannigfaltigkeit in die wildeste Aeußerlichkeit der Phantasie ausgelassen . Die Besonderung des Allgemeinen erscheint in einer Vielheit s e l b s t ä n d i g e r Mächte .  / 3 . Dieses Viele , das wild Auseinandergelassene , wird wieder zurückgenommen in die erste Einheit . Diese Z u r ü c k n a h m e  , diese Concentration des Denkens würde der Idee nach das Moment der Geistigkeit vollenden , wenn das erste , allgemeine Denken sich in sich selbst zum Unterschiede erschlösse und wenn es i n   s i c h als das Zurücknehmen gewußt würde . Auf der Grundlage des abstracten Denkens bleibt aber die Zurücknahme selbst eine g e i s t l o s e  . Es fehlt hier nichts von den Momenten der Idee des Geistes , es ist in diesem Fortgang die Idee der Vernünftigkeit vorhanden  ; aber doch machen diese Momente den Geist nicht aus , die Entwickelung vollendet sich nicht zum Geist , weil die Bestimmungen nur allgemein bleiben . Es wird immer nur zurückgekehrt zu jener A l l g e m e i n h e i t  , die selbstthätig ist , aber in der A b s t r a c t i o n d e s S e l b s t b e s t i m m e n s festgehalten wird . Wir haben also das abstracte Eine , und die Wildheit der ausgelassenen Phantasie , welche zwar wieder gewußt wird als identisch bleibend mit

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dem Ersten , | aber nicht zur concreten Einheit des Geistigen erweitert wird . Die Einheit des intelligiblen Reiches kommt zum besondern Bestehen , aber dieses wird nicht absolut frei , sondern bleibt in der allgemeinen Substanz gehalten . / Eben damit aber , daß die Entwickelung noch nicht wahrhaft in den BegriV zurückkehrt , noch nicht innerlich vom BegriV zurückgenommen wird , behält sie bei aller Rückkehr in die Substanz noch ihre Un m i t t e l b a r k e i t  , ist sie noch der Naturreligion angehörig W2 XI . 343 ,1 – 345 ,14 (nach GW 29 ,1 . 267 ,6 )  : Der Geist , indem er t h e o r e t i s c h ist , ist z we i s e i t i g  , er verhält , als in sich , sich z u s i c h s e l b s t  , und verhält sich zu d e n D i n g e n  ,  – welche die allgemeine Selbständigkeit für ihn sind  ; und so brechen sich ihm die D i n g e s e l b s t entzwei , in ihre u n m i t t e l b a r e äußerliche , bunte Weise , und in ihr für sich seyendes , f r e i e s We s e n  . Indem dieß noch nicht ein D i n g  , noch überhaupt die Kategorieen des Verstandes sind , nicht die g e d a c h t e  , abstracte Selbständigkeit , so ist sie die vorgestellte , freie Selbständigkeit , und diese ist die Vorstellung des M e n s c h e n  , oder wenigstens des L e b e n d i g e n  , welche somit überhaupt die O b j e c t i v i t ä t d e r Ph a n t a s i e genannt werden kann . Sich die Sonne , den Himmel , den Baum als seyend , selb­ ständig vorzustellen , dazu bedarf es für uns nur , es sey dessen s i n n l i c h e A n s c h a u u n g oder dessen B i l d  ,  – zu dem nichts heterogen scheinendes hinzuzutreten habe , um es uns als selbständig vorzustellen . Dieser Schein ist aber eine Täuschung , das Bild , wenn es als s e l b s t ä n d i g  , als s e ye n d vorgestellt ist , uns als solches gilt , so hat es für uns eben die Bestimmung des Seyns , einer K r a f t  , einer U r s a c h l i c h k e i t  , W i r k s a m k e i t  , einer S e e l e   ; es hat seine Selbständigkeit in diesen Kategorieen . Aber insofern die Selbständigkeit noch nicht zur Prosa des Verstandes fortgegangen ist , für welchen die Kategorie der Kraft , Ursache , überhaupt die Bestimmung der Objectivität ist , so ist Fassen und Aussprechen jener Selbständigkeit diese Poesie , welche die Vorstellung der menschlichen Natur und Gestalt , etwa der thierischen noch , oder der menschlichen in einer Verbindung mit der thierischen , zum Träger und Wesen der äußerlichen Welt macht . Diese Poesie ist das in der That Vernünftige der Phantasie , denn dieß ist festzuhalten , wenn das Bewußtseyn , wie gesagt , noch nicht zur Kategorie fortgegangen ist , so ist das Selbständige aus der vorhandenen Welt und zwar eben im Gegensatze des Unselbständigen , des als äußerlich Vorgestellten zu nehmen , und hier ist allein das thie|rische und menschliche Wesen die Gestalt , Weise und Natur des Freien unter den Dingen . Sonne , Meer , Baum u . s . w . sind in der That unselbständig gegen das Lebendige , Freie und diese Formen des Selbständigen sind es , die in diesem Element der Selbständigkeit die Träger der Kategorie für irgend einen Inhalt ausmachen . Dem StoV wird so eine s u b j e c t i ve S e e l e ge­ geben , die aber nicht eine K a t e g o r i e ist , sondern c o n c r e t e G e i s t i g k e i t

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u n d L e b e n d i g k e i t  .  / Die nächste Folge ist , daß , so wie die Gegenstände überhaupt und die allgemeinen Gedankenbestimmungen solche freie Selbständigkeit haben , der ve r s t ä n d i g e Z u s a m m e n h a n g der Welt aufgelöst ist  ; – diesen Zusammenhang bilden die Kategorieen der Verhältnisse des Nothwendigen , oder die Abhängigkeit der Dinge von einander nach ihrer Qualität , ihrer we­sent­ lichen Bestimmtheit bildet diesen Zusammenhang  ; alle diese Kategorieen sind aber nicht vorhanden , und so taumelt die Natur h a l t u n g s l o s vor der Vorstellung . Irgend eine Einbildung , irgend ein Interesse des Geschehens und Erfolgens , die Bewegung eines Verhältnisses ist durch nichts gebunden und beschränkt  ; alle Pracht der Natur und der Einbildung steht zu Gebot , den Inhalt damit zu schmücken , und die Willkür der Einbildung hat völlig ungebundenen Weg , sich dahin oder dorthin , hiedurch oder dortdurch gehen zu lassen . / Die ungebildete Begierde hat wenig Interesse und das , für welches sie Interesse hat , negirt sie , gegen alles Interesselose hingegen ist sie unaufmerksam . Auf diesem Standpunkt der Einbildung aber werden a l l e Un t e r s c h i e d e b e s o n d e r s b e a c h t e t und festgehalten und alles , was Interesse hat für die Einbildung , wird frei , selbständig und zum Grundgedanken erhoben . / Durch diese e i n g e b i l d e t e S e l b ­ s t ä n d i g ­k e i t selbst ist es aber ebenso , daß umgekehrt die Haltung des Inhalts und der Gestaltungen verschwindet  ; denn da sie bestimmten , endlichen | Inhalts sind , so hätten sie ihren objectiven Halt , ihre Wiederkehr und bleibende Erneuerung allein in dem verständigen Zusammenhange , der verschwunden ist , wodurch ihre Selbständigkeit , statt eine Wirklichkeit zu seyn , vielmehr zu einer vo l l ko m m e n e n Z u f ä l l i g k e i t wird . Die erscheinende Welt ist daher in den D i e n s t d e r E i n b i l d u n g gesetzt . Die göttliche Welt ist ein Reich der Einbildung , die um so mehr unendlich und mannigfaltig wird , als sie dem Local einer üppigen Natur angehört , und dieses Princip begierdelosen Einbildens , der auf dem t h e o r e t i s c h e n Boden gestellten Phantasie eben einen Reich­thum des Gemüths und seiner Gefühle erzeugt hat , – Gefühle , die in dieser ruhig brütenden Wärme besonders von dem Tone wollüstiger , süßer Lieblichkeit , aber auch schwächlicher Weichheit durchdrungen sind . W2 XI . 346 ,8 –348 ,7 (nach GW 29 ,2 . 108 ,9 )  : Auch deshalb kann die Form der Schön­heit hier noch nicht geschaVen werden , weil der Inhalt , diese Besonderungen der Substanz , noch nicht der w a h r h a f t e I n h a l t d e s G e i s t e s ist .  / Indem nun der beschränkte Inhalt die Grundlage ist und als geistiger gewußt wird , dadurch wird das Subject , dieß Geistige , eine leere Form . In der Religion der Schönheit macht das Geistige als solches die Grundlage aus , so daß auch der Inhalt der geistige ist . Die Bilder als sinnlicher StoV sind da nur Ausdruck des Geistigen . Hier aber ist der Inhalt nicht geistiger Art . / So ist die Kunst die s y m b o l i s c h e  , die zwar Bestimmungen ausdrückt , aber nicht Bestimmungen

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des Geistigen . Daher kommt das Unschöne , Verrückte , P h a n t a s t i s c h e der Kunst , die hier eintritt . Das Symbol ist nicht das reine Schöne , weil da noch ein a n d e r e r Inhalt zu Grunde liegt als die geistige Individualität . Die freie Subjectivität ist nicht das Durchdringende und nicht wesentlich ausgedrückt durch die Gestalt . In dieser Phantasie ist nichts Festes , nichts gestaltet sich zur Schönheit , die erst das Bewußtseyn der Freiheit giebt . Ueberhaupt ist hier vorhanden die völlige A u f l ö s u n g d e r G e s t a l t  , das Hin- und Hergehen und A u f s p r e i z e n des Einzelnen . Das Innere geht haltungslos über in die äußerliche Existenz und die Auslegung des Absoluten , die in dieser Welt der Einbildung vor sich geht , ist nur eine unendliche Auflösung des Einen in das Viele und ein haltungsloser Taumel alles Inhalts . / | Den durchgreifenden Halt allein bringt in diese Willkür , Verwirrung und Schwächlichkeit , – in diese maaßlose Pracht und Weichheit , das durch den BegriV an und für sich bestimmte System der allgemeinen Grund­ bestimmungen , als der a b s o l u t e n M ä c h t e  , auf welche Alles zurückgeht , und die durch Alles hindurchdringen , und dieses System ist es , welches zu betrachten , das wesentlichste Interesse ist , sie einer Seits durch die verkehrte sinnliche Weise des willkürlichen , äußerlich bestimmten Gestaltens hindurch zu erkennen und i h r e r z u G r u n d e l i e g e n d e n We s e n h e i t G e r e c h t i g k e i t w i d e r f a h r e n z u l a s s e n  , andrer Seits die D e g r a d a t i o n zu bemerken , welche sie durch die Weise theils der Gleichgültigkeit derselben gegen einander , theils will­kür­ licher menschlicher und äußerlicher localer Sinnlichkeit erfahren , wodurch sie in den Kreis des Alltäglichsten versetzt sind , – alle Leidenschaften , locale Züge , – Züge individueller Erinnerung , sind daran geheftet  ; es ist kein U r ­t h e i l  , keine Schaam , – nichts von höherer Angemessenheit der F o r m und des I n h a l t s   ; das alltägliche Daseyn als solches ist nicht verschwunden , zur Schönheit fortgebildet . Die Unangemessenheit von Form und Inhalt ist näher die , daß die Grundbestimmungen herabgewürdigt werden , indem sie den Schein erhalten , dem Auseinanderseyn gleich zu seyn und daß durch ihre Form wiederum die äußerlich sinnliche Gestalt verdorben wird . / Es wird aus dem Bisherigen schon erhellen , daß diese Bestimmungen des göttlichen Wesens in der i n d i s c h e n R e l i g i o n ihre Existenz haben . Von ihrer weitschichtigen , ihrer Natur nach endlosen Mythologie und mythologischen Formen haben wir hier zu abstrahiren , um uns nur an die Hauptgrundbestimmungen zu halten , welche einer Seits barok , wild , und greuliche , widerliche , ekelhafte Verzerrungen sind , zugleich aber sich erweisen , zur innern Quelle den BegriV zu haben , und um der E n t w i c k e l u n g willen , die er in diesem theoretischen Boden gewinnt , – an das Höchste der Idee erinnern , aber auch zu|gleich die bestimmte Verkümmerung ausdrücken , welche die Idee erleidet , wenn diese Grundbestimmungen nicht wiederum zur geistigen Natur zurückgebracht sind . – Die Entwickelung , das Auseinander­legen

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der Form macht das Hauptinteresse aus , gegen eine abstract monotheistische Religion , ebenso als gegen die griechische – gegen eine nämlich , welche geistige Individualität zum Princip hat . W2 XI . 349 ,3 –350 ,16 v . u . (nach GW 29 ,1 . 270 ,22 )  : Die Subjectivität ist Macht in sich als die Beziehung der unendlichen Negativität auf sich  ; aber sie ist nicht nur Macht a n s i c h  , sondern mit der Subjectivität ist Gott erst als Macht g e s e t z t  . Diese Bestimmungen sind wohl von einander zu unterscheiden , und sind in Beziehung sowohl auf die folgenden BegriVe von Gott , als auch auf die Verständigung über die vorhergehenden vornemlich wichtig und darum näher in Betracht zu ziehen . / Nämlich die M a c h t überhaupt ist sogleich in der Religion überhaupt , und in der ganz unmittelbaren , der rohesten Naturreligion die Grundbestimmung , als die Unendlichkeit , welche das Endliche als aufgehobenes in sich setzt , und insofern dieses als außer demselben , als existirend überhaupt vorgestellt wird , so wird es doch nur als ein aus jenem als s e i n e m G r u n d e h e r vo r g e g a n g e n e s gesetzt . Die Bestimmung , auf welche es nun hierbei ankommt , ist , daß diese Macht zunächst eben nur als G r u n d der besonderen Gestaltungen oder Existenzen gesetzt ist , und das Verhältniß des in sich seyenden Wesens zu denselben das S u b s t a n t i a l i t ä t s -Ve r h ä l t n i ß ist . So ist sie nur Macht a n s i c h  , Macht als das I n n e r e der Existenzen , und als in sich seyendes Wesen , oder als Substanz ist sie nur als das Einfache und Abstracte gesetzt  ; so daß die Bestimmungen oder Unterschiede als eigends vorhandene Gestaltungen a u ß e r i h r vorgestellt werden . Dieß in sich seyende Wesen mag wohl auch als f ü r s i c h seyend vorgestellt werden , wie B r a h m das S i c h - Denken ist ,  – B r a h m ist die allgemeine Seele , als schaVend geht er selbst als ein Hauch aus sich hervor , er betrachtet sich und ist nunmehr für sich selbst . Aber dadurch verschwindet nicht zugleich seine abstracte Einfachheit , denn die Momente , die Allgemeinheit des B r a h m als solche und das Ic h  , für welches sie ist , beide sind gegen einander nicht be|stimmt , und ihre Beziehung ist daher selbst einfach . B r a h m ist so als abstract f ü r s i c h s e l b s t seyend , zwar die Macht und der Grund der Existenzen und alle aus ihm hervorgegangen , so wie in ihm , – im Zusichselbstsprechen  : Ich bin B r a h m  , alle in ihm zurückgegangen , in ihm verschwunden sind . Entweder a u ß e r h a l b s e i n e r  , als selbständig existirende , oder i n i h m  , verschwundene  ; nur Verhältniß dieser zwei Extreme . – Aber a l s u n t e r s c h i e d e n e Bestimmungen gesetzt , erscheinen sie als Selbständigkeiten außer ihm , weil er erst abstract , nicht concret in ihm selbst ist . / Die Macht , auf diese Weise nur a n s i c h gesetzt , wirkt i n n e r l i c h  , ohne als Wirksamkeit zu erscheinen . Ich e r s c h e i n e als Macht , insofern ich Ursache und bestimmter , insofern ich Subject bin – indem Ich einen Stein werfe u . s . f . Aber die a n s i c h seyende Macht wirkt auf eine a l l g e m e i n e Weise , ohne daß diese Allgemein-

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heit für sich selbst Subject ist . – Diese allgemeine Wirkungsweise in ihrer wahrhaften Bestimmung aufgefaßt , sind z . B . die N a t u r g e s e t z e  . W2 XI . 351 ,3 v . u . – 352 ,5 (Einschub in GW 29 ,2 . 109 ,26–27)  : Das Auf­fallendste und Größeste in der indischen Mythologie ist unstreitig diese Dreieinigkeit . Wir können sie nicht Pe r s o n e n nennen  : denn es fehlt ihnen die geistige Sub­ jecti|vität als Grundbestimmung . Aber es hat die Europäer aufs höchste verwundern müssen , dieses hohe Princip der christlichen Religion hier anzutreVen  : wir werden dasselbe später in seiner Wahrheit kennen lernen und sehen , daß der Geist als concreter nothwendig als dreieiniger gefaßt werden muß . W2 XI . 353 ,14 v . u . – 358 ,13 (nach GW 29 ,2 . 110 ,32 )  : Die Macht als diese ein­ fache Thätigkeit ist das D e n k e n  . In der indischen Religion steht diese Bestimmung an der Spitze , sie ist die absolute Grundlage und das Eine , B r a h m  .  – Diese Form ist der logischen Entwickelung gemäß  : das erste war die Vielheit der Bestimmungen , der Fortschritt besteht in der Resumtion des Bestimmens zur Einheit . Dieß ist die Grundlage . Was weiter noch zu geben ist , ist theils bloß historisch , theils aber die nothwendige Entwickelung aus jenem Princip . / Die einfache Macht , als das Thätige , hat die We l t e r s c h a f f e n   : dieses SchaVen ist wesentlich ein Ve r h a l t e n d e s D e n k e n s z u s i c h s e l b s t  , eine sich auf sich beziehende Thätigkeit , keine endliche Thätigkeit . Dieß ist auch in den indischen Vorstellungen ausgesprochen . Die Indier haben eine Menge K o s m o g o n i e e n  , die alle mehr oder weniger wild sind , und | aus denen sich nichts Festes herausfinden läßt  ; es ist nicht E i n e Vorstellung von der ErschaVung der Welt , wie in der jüdischen und christlichen Religion . Im Gesetzbuch des M a n u  , in den Ve d a s und P u r a n a s sind die Kosmogonieen immer verschieden aufgefaßt und dargestellt  ; jedoch ein Zug ist immer wesentlich darin , daß dieß bei sich selbst seyende Denken E r z e u g e n s e i n e r s e l b s t ist . / Dieser unendlich tiefe und wahre Zug kehrt in den verschiedenen Weltschöpfungsdarstellungen immer wieder . Das Gesetzbuch M a n u’s fängt so an  : das Ewige hat mit Einem Gedanken das Wasser erschaVen u . s . w . Es kommt auch vor , daß diese reine Thätigkeit das Wo r t genannt wird , wie Gott im Neuen Testament . Bei den späteren Juden , P h i l o  , ist die σοφία das ErsterschaVene , das aus dem Einen hervorgeht . Das Wort wird bei den Indiern sehr hoch gehalten , es ist Bild der reinen Thätigkeit , ein äußerlich physikalisch Daseyendes , das aber nicht bleibt , sondern das nur ideell ist , unmittelbar in seiner Aeußerlichkeit verschwunden ist . Das Ewige schuf das Wasser , heißt es also , und legte fruchtbringenden Samen darein  ; der wurde ein glänzendes Ei und darin wurde es selbst wiedergeboren , als B r a h m a  . B r a h m a ist der Ahnherr aller Geister , von dem Existirenden und nicht Existirenden . In diesem Ei , heißt es , saß die große Macht unthätig ein Jahr  ; am Ende desselben theilte sie das Ei durch den Gedanken , und schuf den einen Theil

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männlich , den andern weiblich  : die männliche Kraft ist selbst gezeugt und wird wieder zeugend und wirksam , nur wenn sie sich in strenger Andacht geübt hat , d . h . wenn sie zur Concentration der Abstraction gelangt ist . Der Gedanke ist also das Hervorbringende und was hervorgebracht wird , ist das Hervorbringende selbst , nämlich d i e E i n h e i t d e s D e n k e n s m i t s i c h  . Die Rückkehr des Denkens zu sich selbst ist ebenso in anderen Darstellungen . In einem der Ve d a s (woraus zuerst von C o l e b r o o k e Bruchstücke übersetzt worden sind) findet | sich eine ähnliche Beschreibung des ersten Schöpferactus  : Es war weder Seyn noch Nichts , weder Oben noch Unten , weder Tod noch Unsterblichkeit , sondern nur das Eine eingehüllt und dunkel  : außer diesem Einen existirte Nichts und dieses brütete einsam mit sich selbst , durch die Kraft der Contemplation brachte es aus sich eine Welt hervor  ; in dem Denken bildete sich zuerst das Verlangen , der Trieb und dieß war der ursprüngliche Samen aller Dinge . / Hier wird ebenso das Denken in seiner auf sich eingeschlossenen Thätigkeit dargestellt . – Das Denken wird aber weiter auch gewußt als Denken im selbstbewußten Wesen , im M e n s c h e n  , der dessen Existenz ist . Man könnte den Einwurf machen , die Indier hätten dem Einen eine zufällige Existenz zugeschrieben , da es dem Zufall überlassen bliebe , ob das Individuum sich zu dem abstract Allgemeinen , zu dem a b s t r a c t e n S e l b s t b e w u ß t s e y n erhebe . Allein die Kaste der Brahmanen ist unmittelbar das Vorhandenseyn B r a h m’s   ; ihre Pflicht ist es , die Ve d a s z u l e s e n  , sich in sich zurückzuziehen . Das Lesen der Ve d a s ist das Göttliche , ja Gott selbst , ebenso das Gebet . Die Ve d a s können auch sinnlos , in vollkommener Verdumpfung gelesen werden  ; diese Verdumpfung selbst ist die abstracte Einheit des Denkens  ; das Ich , das reine Anschauen desselben ist das vollkommen Leere . Die Brahmanen sind es also , in denen B r a h m existirt , durch das Lesen der Ve d a s ist B r a h m und d a s m e n s c h l i c h e S e l b s t b e w u ß t s e y n i n d e r A b s t r a c t i o n i s t B r a h m s e l b s t  .  / Die angegebenen Bestimmungen des B r a h m scheinen mit dem Gott anderer Religionen , mit dem wahren Gott selbst , so viele Uebereinstimmung zu haben , daß es nicht unwichtig scheint , einer Seits den Unterschied , der stattfindet , bemerklich zu machen , andrer Seits anzugeben , warum die dem indischen reinen Wesen consequente Bestimmung der subjectiven Existenz im Selbstbewußtseyn bei diesen anderen Vorstellungen nicht statt hat . Der | jüdische Gott nämlich ist dieselbe Eine , unsinnliche Substantialität und Macht , welche nur für das Denken ist  ; er ist selbst das objective Denken , gleichfalls noch nicht der in sich concrete Eine , wie er als Geist ist . Der indische höchste Gott ist aber viel mehr nur d a s E i n e  , als d e r E i n e  , er ist nur an sich , nicht für sich seyend  ; – er ist B r a h m  , das Neutrum , oder die allgemeine Bestimmung  ; B r a h m a a l s S u b j e c t ist dagegen sogleich einer unter den drei Personen , wenn man sie so nennen könnte , was in Wahrheit nicht möglich ist ,

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da ihnen die geistige Subjectivität als wesentliche Grundbestimmung fehlt[ .] Es ist nicht genug , daß aus jenem ersten Einen die Trimurti h e r vo r g e h t  , und in ihm dieselbe auch zurückgeht  ; er ist damit doch nur als Substanz , nicht als Subject vorgestellt . Der jüdische Gott hingegen ist der Eine a u s s c h l i e ß e n d  , der keine anderen Götter n e b e n ihm hat  ; hierdurch ist es , daß er nicht nur als das Ansich , sondern auch als das f ü r s i c h seyende , schlechthin verzehrende bestimmt ist  ; als ein Subject , mit zwar noch abstracter , unentwickelt gesetzter , ­jedoch wahrhafter Unendlichkeit in sich . Seine Güte und seine Gerechtigkeit bleiben insofern auch nur E i g e n s c h a f t e n  , oder , wie die Hebräer sich mehr ausdrücken , N a m e n desselben , die nicht besondere Gestaltungen werden , – obgleich sie auch noch nicht zu dem Inhalt werden , wodurch die christliche Einheit Gottes allein die geistige ist . Der jüdische Gott kann deswegen die Bestimmung einer s u b j e c t i ve n E x i s t e n z i m S e l b s t b e w u ß t s e y n nicht erhalten , weil er vielmehr a n i h m s e l b s t S u b j e c t ist , für die Subjectivität daher nicht e i n e s A n d e r e n bedarf , in welchem er erst diese Bestimmung erhielte , aber damit , weil sie in einem Anderen wäre , auch n u r eine subjective Existenz hätte . / Dagegen muß dieß , was der H i n d u in und zu sich selbst sagt  : Ich bin B r a h m  , seiner wesentlichen Bestimmung nach mit der modernen , subjectiven und objectiven E i t e l k e i t  , mit dem als identisch erkannt werden , zu was das Ich durch die | oft erwähnte Behauptung , daß wir von Gott nicht wissen , gemacht wird . Denn damit , daß Ich keine affirmative Beziehung zu Gott hat , der­ selbe f ü r Ich ein Jenseits , ein inhaltsloses Nichts ist , so ist für Ich nur Ich für sich das Affirmative . Es hilft nichts , zu sagen , Ich anerkenne Gott als ü b e r m i r  , a u ß e r m i r  , Gott ist eine inhaltslose Vorstellung , deren einzige Bestimmung , alles , was von ihr erkannt , gewußt werden , alles , was sie für mich seyn soll , ganz allein darauf beschränkt ist , daß dieß schlechthin Unbestimmte i s t  , und daß es das Negative meiner sey . Im Indischen  : Ich bin B r a h m  , ist es freilich nicht als N e g a t i ve s meiner gesetzt , im Gegentheil . Aber jene scheinbar affirmative Bestimmung Gottes , daß er s e y  , ist theils für sich nur die vollkommen leere Abstraction des S e y n s  , und daher nur eine subjective Bestimmung – eine solche , die allein in meinem Selbstbewußtseyn Existenz hat , die darum auch dem B r a h m zukommt – theils insofern sie eine objective Bedeutung noch haben sollte , so wäre sie schon , nicht nur in concreteren Bestimmungen , wie , daß Gott ein Subject an und für sich selbst sey , etwas , w a s von Gott gewußt würde , eine K a t e g o r i e desselben , und selbst schon zu viel  ; das Seyn reducirt sich somit von selbst auf das bloße  : A u ß e r m i r  , und es soll auch ausdrücklich nur das N e g a t i ve m e i n e r bedeuten , in welcher Negation in der That mir nichts übrig bleibt , als Ich selbst – es heißt leeres Stroh dreschen , jenes Negative meiner , das Außer oder über mir , für eine behauptete oder wenigstens geglaubte , anerkannte

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Objectivität ausgeben zu wollen , denn es ist damit nur ein N e g a t i ve s ausgesprochen , und zwar ausdrücklich durch mich  ; – weder diese abstracte Negation aber , noch die Qualität , daß sie durch mich gesetzt ist , und ich diese Negation und sie nur als Negation weiß , ist eine Objectivität  ; auch ist es nicht etwa wenigstens der Form nach , wenn auch nicht dem Inhalt , eine Objectivität , – denn vielmehr ist eben die inhaltlose Form der Objectivität , ohne Inhalt , eine leere | Form , ein bloß s u b j e c t i v - g e m e i n t e s  .  – Vormals hat man in der christlichen Welt das , was bloß die Bestimmung des Negativen hatte , – den Te u f e l genannt . – Affirmatives bleibt somit nichts , als nur dieß subjectiv-meinende Ich . Es hat skeptisch mit einseitiger Dialektik sich allen Inhalt sinnlicher und übersinnlicher Welt verflüchtigt , und ihm die Bestimmung eines für dasselbe Negativen gegeben  ; indem ihm alle Objectivität eitel geworden , ist das , was vorhanden , diese positive Eitelkeit selbst , – das objective Ich , welches allein die Macht und das Wesen ist , in welchem Alles verschwunden , aller Inhalt überhaupt als endlich versenkt ist , so daß das Ich das Allgemeine , der Meister aller Bestimmungen und der ausschließende , affirmative Punkt ist . W2 XI . 358 ,14 –359 ,17 (vgl . GW 29 ,1 . 278 ,7 –279 ,16 )  : Das Indische  : Ich bin B r a h m und die sogenannte Religion , das Ich des modernen Reflexions-Glaubens , sind nur in dem äußern Verhältnisse von einander unterschieden , daß jenes das erste , unbefangene Erfassen ausdrückt , in welchem für das Selbstbewußtseyn die reine Substantialität seines Denkens wird , so daß es d a n e b e n noch allen andern Inhalt überhaupt gelten läßt , und als objective Wahrheit anerkennt . Wogegen der alle Objectivität der Wahrheit leugnende Reflexions-Glauben jene Einsamkeit der Subjectivität allein festhält und nur sie allein anerkennt . In dieser ausgebildeten Reflexion ist die göttliche Welt , wie aller Inhalt nur ein durch mich Gesetztes . / Dieß erste Verhältniß des Hindu zum B r a h m ist nur im einzelnen Gebete gesetzt , und indem es selbst die Existenz des B r a h m ist , erscheint das M o m e n t a n e d i e s e r E x i s t e n z sogleich dem Inhalt unangemessen , und es tritt somit die Forderung ein , diese Existenz selbst zur allgemeinen , wie ihr Inhalt ist , zur d a u e r n d e n zu machen  ; denn nur das M o m e n t a n e d e r Z e i t ist das , was als der nächste Mangel jener Existenz erscheint , denn es ist allein das , was mit jener abstracten Allgemeinheit in der Beziehung steht , sich daran vergleicht und | als ihm nicht angemessen erscheint  ; denn sonst ist die subjective Existenz desselben , das abstracte Ich ihm gleich . Jenen noch e i n z e l n e n B l i c k aber zu einem f o r t d a u e r n d e n S e h e n e r h e b e n  , heißt nichts anderes , als den Ueber­gang aus dem Momente solcher stillen Einsamkeit in die erfüllte Gegenwart des Lebens , seiner Bedürfnisse , Interessen und Beschäftigungen abzuschneiden und sich fortwährend in jenem b e we g u n g s l o s e n  , a b s t r a c t e n S e l b s t ­ b e w u ß t s e y n zu erhalten . Dieß ist’s denn auch , was viele Indier , welche nicht

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Brahmanen sind , – wovon nachher – an sich vollführen . Sie geben sich mit der ausdauerndsten Verhärtung dem Einerlei jahrelanger , vornemlich zehnjähriger Thatlosigkeit hin , in welcher sie allem Interesse und Beschäftigung des gewöhnlichen Lebens entsagen , und den Zwang irgend einer widernatürlichen Haltung oder Stellung des Leibes damit verbinden  ; – immerfort zu sitzen , mit über dem Kopf zusammengelegten Händen zu gehen oder zu stehen , niemals , auch zum Schlaf nicht , zu liegen u . s . f .  – W2 XI . 359 ,1 v . u . –360 ,9 (vgl . GW 29 ,2 . 252 ,9–11)  : Das Dritte ist S i v a  , M a h a­d e v a  , der große Gott , | oder R u d r a   : dieß müßte die R ü c k k e h r i n s i c h seyn  ; das Erste nämlich , B r a h m  , ist die entfernte , in sich verschlossene Einheit  ; das Zweite , V i s c h n u  , die Manifestation (die Momente des Geistes sind insoweit nicht zu verkennen) , das Leben in menschlicher Gestalt . Das Dritte müßte die Rückkehr zum Ersten seyn , damit die Einheit gesetzt wäre als in sich zurückkehrende  : aber gerade dieß ist das Geistlose  ; es ist die Bestimmung d e s We r d e n s ü b e r h a u p t oder des Entstehens und Vergehens . W2 XI . 360 ,17–19 (vgl . GW 29 ,2 . 252 ,16 )  : Dieß sind die drei Grundbestimmungen . Das Ganze wird in einer Figur mit drei Köpfen dargestellt , wiederum symbolisch und unschön . W2 XI . 361 ,2–3 (vgl . GW 29 ,2 . 252 ,17–18 )  : Die Entwickelung geht also nur aus in ein wildes Herumwerfen in dem Außersichseyn . W2 XI . 361 ,15 –362 ,8 v . u . (vgl . GW 29 ,2 . 252 ,23–26 )  : Außer dieser Hauptgrundlage und Grundbestimmung in der indischen Mythologie wird dann a l l e s A n d e r e durch die Phantasie oberflächlich personificirt . Große Naturgegenstände , wie der Ganges , die Sonne , der Himalaja , (welcher besonders der Aufenthalt des Siva ist , ) werden mit B r a h m selbst identificirt  : die Liebe , der Betrug , der Diebstahl , die List , so wie die sinnlichen Naturkräfte in Pflanzen und Thieren , so daß die Substanz die Form der Thiere habe u . s . w . – alles dieß wird von der Phantasie aufgefaßt als frei für sich vorgestellt , und so entsteht eine unendliche G ö t t e r we l t der b e s o n d e r e n M ä c h t e u n d E r s c h e i n u n g e n  , welche jedoch als untergeordnete gewußt wird  : an der Spitze derselben steht I n d r a  , der Gott des sichtbaren Himmels . Diese Götter sind veränderlich und vergänglich und dem höchsten Einen unterworfen , die A b s t r a c t i o n a b s o r b i r t s i e   : die Macht , welche der Mensch durch diese erhält , setzt sie in Schrecken , ja  ! V i s v a m i t r a schaVt selbst einen andern Indra und andere Götter . / So sind diese besonderen , geistigen und natürlichen Mächte , die als Götter gelten , das eine Mal selbständig , das andere | Mal als verschwindende , die dieß sind , in der absoluten Einheit , der Substanz unterzugehen und wieder daraus zu entstehen . / So sagen die Indier  : es waren schon viele tausend Indra und werden noch seyn  ; ebenso sind die Incarnatio­nen als Vorübergehendes gesetzt . Indem die besonderen Mächte

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in die substantielle Einheit zurückgehen , wird diese n i c h t c o n c r e t  , sondern bleibt abstracte Einheit , und sie wird auch nicht concret , indem diese Bestimmtheiten aus ihr heraustreten , sondern es sind Erscheinungen mit der Bestimmung der Selbständigkeit gesetzt außer ihr . / Von einer Anzahl und Schätzung dieser Gottheiten kann gar nicht die Rede seyn  : da ist nichts , was zu einem Festen gestaltet wäre , indem dieser Phantasie überhaupt alle Bestimmtheit mangelt . Jene Gestaltungen verschwinden wieder auf dieselbe Weise , wie sie erzeugt sind  : die Phantasie geht über von einer gemeinen äußerlichen Existenz zur Gottheit  : diese aber kehrt dann ebenso wieder zu dem , was ihr zu Grunde lag , zurück . Von Wundern kann man gar nicht sprechen , denn Alles ist ein Wunder , Alles ist verrückt , und nichts durch einen vernünftigen Zusammenhang der Denkkategorieen bestimmt . Allerdings ist sehr vieles symbolisch . / Die Indier sind ferner in viele Secten getheilt , unter vielen anderen Unterschieden ist vornemlich dieser  : die Einen verehren den Vischnu , die Anderen den Siva . Darüber werden oft blutige Kriege geführt , besonders bei Festen und Jahrmärkten entstehen Streitigkeiten , die Tausenden das Leben kosten . W2 XI . 366 ,16 v . u . –369 ,12 (nach GW 29 ,1 . 275 ,16 )  : c .  D e r C u l t u s  .  / Dem Charakter der göttlichen Welt entspricht die subjective Religion , das Sichselbst‑erfassen des Selbstbewußtseyns im Verhältniß zu seiner göttlichen Welt . / Wie in dieser die Idee sich zum Hervortreten ihrer Grundbestimmungen ent­ wickelt hat , aber diese sich einander äußerlich bleiben , und ebenso die empirische Welt gegen sie und gegen sich äußerlich und unverständig , und daher der Willkür der Einbildung überlassen bleibt , – so kommt auch das nach allen Richtungen ausgebildete Bewußtseyn nicht dazu , sich zur wahrhaften Subjectivität zu fassen . Obenan steht in dieser Sphäre die r e i n e G l e i c h h e i t d e s D e n k e n s  , welche zugleich als i n s i c h seyende , schöpferische Macht bestimmt ist . Diese Grundlage ist aber rein t h e o r e t i s c h   ; sie ist noch die Substantialität , aus welcher wohl a n s i c h alles hervorgeht und darin gehalten ist , aber a u ß e r welcher aller Inhalt selbständig getreten , und nicht | nach seiner b e s t i m m t e n Existenz und Verhalten , durch jene Einheit zu einem objectiven und allgemeinen gemacht ist . Das nur theoretische , formelle Denken erhält den I n h a l t  , wie er als zufällig bestimmt erscheint , es kann wohl von ihm abstrahiren , aber ihn nicht zum Zusammenhang eines Systems und somit zu einem gesetzmäßigen Zusammenseyn erheben . Das Denken erhält daher hier überhaupt nicht p r a k t i s c h e Bedeutung , d . h . die Wirksamkeit und der Wille giebt seinen Bestimmungen nicht die allgemeine Bestimmung , und die Form entwickelt sich – zwar a n s i c h nach der Natur des BegriVs , aber tritt nicht in der Bestimmung hervor , durch ihn gesetzt , in s e i n e r E i n h e i t g e h a l t e n z u s e y n  . Die Wirksamkeit des Willens kommt daher nicht zur Willensfreiheit , – nicht zu einem Inhalt , der durch die Einheit

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des BegriVs bestimmt , eben damit vernünftiger , objectiver , rechtmäßiger wäre . Sondern diese Einheit bleibt die der Existenz nach abgeschiedene , nur an sich seyende , substantielle Macht , – der Brahma , – der die Wirklichkeit als Zufällig­ keit entlassen hat , und sie nun wild und willkürlich für sich gewähren läßt . / Der C u l t u s ist z u e r s t ein Verhältniß des Selbstbewußtseyns zum B r a h m a  , dann aber zu der ü b r i g e n  , außer ihm seyenden , g ö t t l i c h e n We l t  .  / I . Was das erste Verhältniß , das zu B r a h m a betriVt , so ist dasselbe für sich ebenso aus­ gezeichnet und eigenthümlich , als insofern , daß es sich isolirt von der übrigen concreten , religiösen und zeitlichen Lebenserfüllung hält . / 1 .  B r a h m ist Denken , der Mensch ist denkend , B r a h m hat also im menschlichen Selbstbewußtseyn wesentlich eine Existenz . Der Mensch aber ist überhaupt hier als denkend bestimmt , oder das Denken hat als solches , und zunächst als reine Theorie , hier allgemeine Existenz , weil das Denken selbst als solches , als Macht i n s i c h  , bestimmt ist , hiermit die Form überhaupt , nämlich abstract , oder die Bestimmung des Daseyns überhaupt an ihm hat . / | Der Mensch überhaupt ist nicht nur denkend , sondern er ist hier f ü r s i c h Denken , er wird seiner als reines Denken bewußt  ; denn es ist so eben gesagt worden , daß das Denken hier als solches zur Existenz kommt , der Mensch hier die Vo r s t e l l u n g desselben in sich hat . Oder er ist f ü r s i c h Denken , denn das Denken ist a n s i c h d i e M a c h t  , aber eben die Macht ist diese unendliche , die sich auf sich beziehende Negativität , welche F ü r s i c h s e y n ist . Das Fürsichseyn aber in die Allgemeinheit des Denkens überhaupt gehüllt , in ihr zur freien Gleichheit mit sich erhoben , ist Seele nur eines Lebendigen , nicht das mächtige , in der Einzelnheit der Begierde befangene Selbstbewußtseyn , sondern das s i c h i n s e i n e r A l l g e m e i n h e i t w i s s e n d e S e l b s t d e s B e w u ß t s e y n s  , welches so als sich denkend , in sich vorstellend , sich als B r a h m weiß . / Oder gehen wir von der Bestimmung aus , daß Brahm das Wesen ist als abstracte Einheit , Vertiefen in sich , so hat er auch als diese Ve r t i e f u n g i n s i c h seine Existenz am endlichen Subject , am besondern Geist . Zur Idee des Wahren gehört das Allgemeine , die substantielle Einheit und Gleichheit mit sich , aber so daß sie nicht nur das Unbestimmte , nicht nur substantielle Einheit , sondern in sich bestimmt ist . Brahm aber hat die Bestimmtheit außer ihm . So kann die höchste Bestimmtheit des Brahm , nämlich das Bewußtseyn , das Wissen seiner realen Existenz , diese Subjectivität der Einheit nur das subjective Bewußtseyn als solches seyn . / Dieß Verhältniß ist nicht ein Cultus zu nennen , denn es ist keine B e z i e h u n g auf die denkende Substantialität als auf ein G e g e n s t ä n d l i c h e s  , sondern es wird unmittelbar mit der Bestimmung meiner Subjectivität , als Ic h s e l b s t  , gewußt . In der That bin Ich dieß reine Denken , und Ich selbst ist sogar der Ausdruck desselben , denn Ich als solches ist diese abstracte , bestimmungslose Identität meiner in mir , – Ich als Ich bin nur das ­Denken

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als das mit der Bestimmung der | subjectiven , in sich reflectirten Existenz Gesetzte , – das D e n k e n d e  . Gleichfalls ist daher das Umgekehrte zuzugeben , daß das Denken als dieses abstracte Denken eben diese Subjectivität , welche Ich zugleich ausdrückt , zu seiner Existenz hat , denn das wahrhafte Denken , welches G o t t ist , ist nicht dieß abstracte Denken , oder diese einfache Substantialität und Allgemeinheit , sondern das Denken nur als die concrete , absolut erfüllte Idee . Das Denken , welches nur das A n s i c h der Idee ist , ist eben das abstracte Denken , welches nur diese endliche Existenz , nämlich im subjectiven Selbstbewußtseyn , und gegen dieses nicht die Objectivität des concreten An- und Fürsichseyns hat , daher mit Recht von diesem nicht verehrt wird . W2 XI . 370 ,17–4 v . u . (vor GW 29 ,1 . 279 ,3)  : Das Höchste , was so im C ­ ultus erreicht wird , ist diese Vereinigung mit Gott , welche in der Vernichtung und Verdumpfung des Selbstbewußtseyns besteht . Es ist das nicht die affirmative Befreiung und Versöhnung , sondern vielmehr nur die ganz negative , die vollkommene Abstraction . Es ist diese vollkommene Ausleerung , welche auf alles Be­ wußtseyn , Wollen , Leidenschaften , Bedürfnisse Verzicht thut . Der Mensch , so lange er in seinem eignen Bewußtseyn verbleibt , ist nach indischer Vorstellung das Ungöttliche . Die Freiheit des Menschen aber besteht gerade darin , nicht im Leeren , sondern im Wollen , Wissen , Handeln bei sich zu seyn . Dem Indier ist dagegen die vollkommene Versenkung und Verdumpfung des Bewußtseyns das Höchste und , wer sich in dieser Abstraction hält und der Welt abgestorben ist , heißt ein Yogi . W2 XI . 371 ,16 –374 ,9 v . u . (nach GW 29 ,1 . 279 ,16 )  : Im Ramajuna ist eine Episode , die uns ganz auf diesen Standpunkt versetzt  : Es wird die Lebensgeschichte des V i s v a m i t r a  , des Begleiters des R a m a (eine Incarnation des Vischnu) erzählt . Er sey ein mächtiger König gewesen und habe als solcher von dem Brahmanen Vasischtha eine Kuh (welche in Indien als die zeugende Kraft der Erde verehrt wird) verlangt , nachdem er die wunderbare Kraft derselben erkannt hatte  ; Vasischtha verweigert sie , darauf nimmt sie der König mit Gewalt , aber die Kuh entflieht wieder zum Vasischtha , macht ihm Vorwürfe , daß er sie sich habe nehmen lassen , da die Macht eines Kschatrias (wie der König war) nicht größer sey als die eines Brahmanen . Vasischtha giebt dann der Kuh auf , ihm eine Macht gegen den König aufzustellen  ; dieser stellt dagegen wiederum sein ganzes Heer  : die Heere von beiden Seiten werden wiederholt geschlagen  ; Visvamitra erliegt aber doch endlich , nachdem auch seine 100 Söhne durch einen Wind , den Vasischtha aus seinem Nabel hatte fahren lassen , umgekommen waren  ; er überläßt voll Verzweiflung die Regierung | seinem einzigen noch übrigen Sohne und begiebt sich mit seiner Gemahlin ins Himalajagebirge , um die Gunst des Mahadeva (Siva) zu erlangen  ; durch seine strengen Uebungen bewogen , läßt sich Mahadeva

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bereit finden , seine Wünsche zu erfüllen , Visvamitra bittet um die Wissenschaft des Bogens in seiner ganzen Ausdehnung , was ihm auch gewährt wird  ; damit ausgerüstet will Visvamitra den Vasischtha bezwingen  ; durch seine Pfeile zerstört er den Wald des Vasischtha , dieser aber greift zu seinem Stabe , der Brahma­waVe , und erhebt sie  ; da werden alle Götter mit Bangigkeit erfüllt , denn diese Gewalt drohte der ganzen Welt den Untergang  ; sie bitten den Brahmanen , abzulassen , Visvamitra erkennt die Macht desselben an , und beschließt nun selbst , sich den härtesten Uebungen zu unterwerfen , um zu dieser Macht zu gelangen  ; er begiebt sich in die Einsamkeit und lebt da 1000 Jahre , in der Abstraction allein mit seiner Gemahlin . Brahma kommt zu ihm und redet ihn an  : Ich erkenne dich nun als den e r s t e n kö n i g l i c h e n We i s e n  . Visvamitra , damit nicht zufrieden , fängt seine Büßungen von neuem an . Unterdeß hatte sich ein indischer König an den Vasischtha gewendet mit dem Begehr , er möge ihn in seiner Körpergestalt in den Himmel erheben , es war ihm aber als einem Kschatrias abgeschlagen worden , da er aber trotzig darauf bestand , wurde er vom Vasischtha zur Klasse der Tschandala herabgesetzt  ; darauf begiebt sich derselbe zum Visvamitra mit demselben Verlangen  ; dieser richtet ein Opfer zu , wozu er die Götter einladet , diese schlagen es jedoch aus , zu einem Opfer zu kommen , das für einen Tschandala gebracht würde  ; Visvamitra , vermittelst seiner Kraft , erhebt aber den König in den Himmel , auf’s Gebot des Indra fällt er jedoch herab , Visvamitra aber erhält ihn dann zwischen Himmel und Erde und erschaVt darauf einen andern Himmel , andere Plejaden , einen andern Indra und einen andern Kreis von Göttern . Die Götter wurden mit Erstaunen erfüllt , sie wendeten sich demüthig | zum Visva­ mitra und vereinigten sich mit ihm über eine Stelle , die sie jenem Könige im Himmel anwiesen . Visvamitra wurde nach Verlauf von 1000 Jahren belohnt und Brahma nannte ihn das Haupt der Weisen , aber erklärte ihn noch nicht für einen Brahmanen . Da beginnt Visvamitra seine Büßungen von neuem  ; den Göttern im Himmel wurde es bange , Indra versucht es , seine Leidenschaften zu erregen (zum vollendeten Weisen und Brahmanen gehört , daß er seine Leidenschaften unterworfen habe)  : er schickt ihm ein sehr schönes Mädchen , mit welchem Visvamitra 25 Jahre lebt  ; dann aber entfernt sich Visvamitra von ihr , indem er seine Liebe überwindet  ; vergeblich suchen die Götter ihn auch noch zum Zorn zu reizen . Es muß ihm zuletzt die Brahmakraft zugestanden werden . – / Zu bemerken ist , daß dieß keine B u ß e für Verbrechen ist , es wird nichts dadurch gut gemacht . Diese Entsagung hat nicht das Bewußtseyn der Sünde zur Voraussetzung . Dieß ist hier nicht der Fall , sondern es sind Strengigkeiten (austereties) , um den Zustand des B r a h m zu erreichen . Es ist nicht Büßung in der Absicht angestellt , daß dadurch irgend ein Verbrechen , Versündigung oder Beleidigung der Götter versöhnt werden soll  ; diese setzt ein Verhältniß voraus zwischen dem Werk des Menschen ,

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seines c o n c r e t e n Seyns und seiner Handlungen und zwischen dem Einen Gott – eine inhaltsvolle Idee , an welcher der Mensch den Maaßstab und das Gesetz seines Charakters und Verhaltens habe und der er sich in seinem Willen und Leben angemessen machen soll . Allein das Verhältniß zum B r a h m enthält noch nichts Concretes , weil er selbst nur die Abstraction der substantiellen Seele ist  ; alle weitere Bestimmung und Inhalt fällt außer ihm  ; ein Cultus als ein erfülltes , den concreten Menschen bethätigendes und dirigirendes Verhältniß findet daher nicht in der Beziehung zum B r a h m statt , sondern wenn ein solches überhaupt vorhanden wäre , so würde es in der Verehrung der anderen Götter zu suchen seyn . Wie | B r a h m aber als das einsame , in sich verschlossene Wesen vorgestellt wird , so ist auch die Erhebung des einzelnen Selbstbewußtseyns , das durch die angeführten Strengigkeiten sich seiner eignen Abstraction zu einem Perennirenden zu machen strebt , vielmehr eine F l u c h t aus der concreten Wirklichkeit des Gemüths und lebendiger Wirksamkeit  ; es verschwinden in dem Bewußtseyn  : Ich bin Brahm , alle Tugenden und Laster , alle Götter , und endlich die Trimurti selbst . Das concrete Bewußtseyn seiner selbst und des objectiven Inhalts , das in der christlichen Vorstellung der Buße und Bekehrung des a l l g e m e i n e n sinnlichen Lebens hierin aufgegeben wird , ist nicht als ein S ü n d l i c h e s  , Negatives bestimmt , – wie in dem Büßungsleben von Christen und christlichen Mönchen und in der Idee der Bekehrung , sondern es umfaßt theils , wie so eben angegeben , den sonst für heilig geachteten Inhalt selbst , theils ist eben dieß der Charakter des religiösen Standpunkts , den wir betrachten , daß alle Momente auseinanderfallen , und jene höchste Einheit keinen Reflex in die Erfüllung des Gemüths und Lebens wirft . / Wenn das Absolute als das Geistig-freie , Concrete in sich gefaßt ist , so ist das Selbstbewußtseyn nur als Wesentliches im religiösen Bewußtseyn , insofern es in sich c o n c r e t e B e we g u n g  , inhaltsvolle Vorstellung und Empfindung erhält . Ist aber das Absolute das Abstractum des Jenseits oder des höchsten Wesens , so ist auch das Selbstbewußtseyn , weil es D e n k e n d e s vo n N a t u r ist , vo n N a t u r g u t  , das , was es seyn soll . W2 XI . 376 ,9–6 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 281 ,10–11)  : Das ganze Leben der Brahmanen drückt die Existenz Brahm’s aus , ihr Thun besteht darin , Brahm hervorzubringen , ja sie haben durch die Geburt das Vorrecht , die Existenz Brahm’s zu seyn . W2 XI . 380 ,6–16 (nach GW 29 ,1 . 284 ,5)  : Die Weichheit und Lieblichkeit der z a r t e s t e n G e f ü h l e und die u n e n d l i c h e H i n g e b u n g d e r Pe r s ö n l i c h k e i t muß noth­wendig unter solchen Verhältnissen , wie sie diesem Standpunkte eigen sind , die höchste Schönheit haben , weil n u r dieses Gefühl auf einer so vernunftlosen Grundlage ausschließend zur Schönheit ausgebildet ist . Aber weil dieses Gefühl der Hingebung o h n e R e c h t l i c h k e i t ist , so stellt es eben des-

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wegen eine Abwechselung mit der allergrößesten H ä r t e dar und das Moment des Fürsichseyns der Persönlichkeit geht so in Wildheit , in Vergessenheit aller festen Bande und in Zertretung der Liebe selbst über . W2 XI . 383 ,4–15 (Einschub in GW 29 ,2 . 115 ,34–35)  : Mit der Stellung , die hier dem Menschen gegeben wird , hängt auch der T h i e r d i e n s t der Indier zusammen . Das Thier ist nicht ein bewußter Geist , aber der Mensch ist eben in der C o n c e n t r a t i o n d e r B e w u ß t l o s i g k e i t auch nicht weit vom Thiere entfernt . Das Wirken ist bei den Indiern nicht vorgestellt als bestimmte Thätigkeit , sondern als einfache , durchwirkende Kraft . Die besondere Thätigkeit wird gering geachtet , nur die Verdumpfung gilt , bei der dann allerdings bloß die L e b e n d i g k e i t d e s T h i e r e s übrig bleibt . Und ist keine Freiheit , keine Moralität , Sittlichkeit vorhanden , so ist die Macht nur als innerliche , dumpfe Macht gewußt , die auch dem Thiere und diesem in der vollendetsten Dumpfheit zukommt . Zur buddhistischen und lamaistischen Religion W2 XI . 384 ,2 –385 ,3 (nach GW 29 ,2 . 116 ,11  : Da keine vernünftige Bestimmung sich bis zur Solidität hat ausbilden können , so konnte auch der gesammte Zustand dieses Volkes nie ein rechtlicher und in sich b e r e c h t i g t e r werden und war er nur ein ve r g ö n n t e r  , zufälliger und verwirrter . / 3 .  D i e R e l i g i o n d e s I n s i c h s e y n s  .  / a .  D e r B e g r i f f d e r s e l b e n  .  / Die allgemeine Grundlage ist noch dieselbe mit derjenigen , die der indischen Religion eigen ist  ; der Fortschritt ist nur derjenige , welcher in der Nothwendigkeit liegt , daß die Bestimmungen der indischen Religion aus ihrem wilden , ungebändigten Aus­ einanderfallen und aus ihrer natürlichen Zerfahrenheit z u s a m m e n g e b r a c h t  , in ihr i n n e r e s Ve r h ä l t n i ß versetzt werden und ihr haltungsloser Taumel b e r u h i g t wird . Diese Religion des Insichseyns ist die Sammlung und Beschwichtigung des Geistes , der aus der wüsten Unordnung der indischen Religion i n s i c h und in die wesentliche Einheit zurückkehrt . / Die wesentliche Einheit und die Unterschiede fielen bisher noch so sehr auseinander , daß die letzteren für sich s e l b s t ä n d i g waren und nur in der Einheit verschwanden , um sogleich wieder in aller Selbständigkeit hervorzutreten . Das Verhältniß der Einheit und der Unterschiede war ein u n e n d l i c h e r P r o g r e ß  , ein beständiger Wechsel des Verschwindens der Unterschiede in der Einheit und in ihrer für sich seyenden Selbständigkeit . Dieser Wechsel wird jetzt a b g e s c h n i t t e n  , indem dasjenige , was in ihm an sich enthalten ist , wirklich gesetzt wird  : d a s Z u s a m m e n f a l l e n d e r Un t e r s c h i e d e i n d i e K a t e g o r i e d e r E i n h e i t  .  / Als dieses I n s i c h s e y n  , für welches d i e B e z i e h u n g a u f A n d e r e s nun abgeschnitten ist , ist das Wesen i n s i c h s e ye n d e We s e n t l i c h k e i t  , Reflexion der Negativität in sich und so das in sich R u h e n d e und Beharrende . / | So mangelhaft diese

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Bestimmung auch seyn mag , denn das Insichseyn ist noch nicht concret , ist nur das Ve r s c h w i n d e n der selbständigen Unterschiede , W2 XI . 385 ,10–11 (Einschub in GW 29 ,1 . 258 ,28 )  : Is colit Deum , qui eum novit – pflegt ein Exempel in der lateinischen Grammatik zu seyn . W2 XI . 385 ,11–9 v . u . (statt GW 29 ,1 . 258 ,6–11)  : Die Substanz ist a l l g e m e i n e G e g e n w ä r t i g k e i t  , aber als i n s i c h seyende Wesentlichkeit muß sie auch concret in einer i n d i v i d u e l l e n C o n c e n t r a t i o n gewußt werden . W2 XI . 385 ,6 v . u . –386 ,3 (nach GW 29 ,1 . 259 ,12 )  : Im Vergleich mit der vorhergehenden Stufe ist also fortgegangen von der phantastisch in zahllose Mengen zerfallenden Personification zu einer solchen , die bestimmt umschlossen und gegenwärtig ist . Ein Mensch wird verehrt und er ist als solcher der Gott , der individuelle Gestalt annimmt und sich darin zur Verehrung hingiebt . Die Substanz | in dieser individuellen Existenz ist die Macht , Herrschaft , das SchaVen und die Erhaltung der Welt , der Natur und aller Dinge , die absolute Macht . W2 XI . 387 ,3–13 (nach GW 29 ,2 . 98 ,27)  : 2 . Da die R e f l e x i o n i n s i c h als das Unbestimmte (auch wieder dem Standpunkte der Naturreligion gemäß) nur die u n m i t t e l b a r e ist , so ist sie in dieser Form als Princip ausgesprochen , d a s N i c h t s und das Nichtseyn ist das Letzte und Höchste . Nur das Nichts hat wahrhafte Selbständigkeit , alle andre Wirklichkeit , alles Besondere hat keine . Aus Nichts ist Alles hervorgegangen , in Nichts geht Alles zurück . Das Nichts ist das Eine , der Anfang und das Ende von Allem . So verschiedenartig die Menschen und Dinge sind , so ist nur das Eine Princip , das Nichts , wor­aus sie hervorgehen , und nur die Form macht die Qualität , die Verschiedenheit aus . W2 XI . 388 ,7–19 (statt GW 29 , 2 . 101 ,14–15)  : Wenn in der christlichen Religion Gott in Gestalt eines Menschen verehrt wird , so ist das unendlich unterschieden  ; denn das göttliche Wesen wird da angeschaut in dem Menschen , der gelitten hat , g e s t o r b e n  , auferstanden und gen Himmel gefahren , ist . Das ist nicht der Mensch im sinnlichen , u n m i t t e l b a r e n D a s e y n  , sondern der , der die G e s t a l t d e s G e i s t e s an sich trägt . Aber als der ungeheuerste Contrast erscheint es , wenn in der unmittelbaren Endlichkeit des Menschen das Absolute verehrt werden soll  ; diese ist eine noch sprödere Vereinzelung , als das Thier ist . Die menschliche Gestalt hat ferner in sich selbst die F o r d e r u n g d e r E r ­ h e b u n g und darum scheint es widrig , wenn diese Forderung zum Beharren bei gemeiner Endlichkeit niedergeschlagen wird . W2 XI . 393 ,7–3 v . u . (vgl . GW 29 ,2 . 253 ,1–4 )  : So giebt es denn mehrere , nämlich d r e i Hauptlama’s  : der erste , Dalailama , befindet sich in Lassa , nördlich vom Himalaja . Ferner ist ein anderer Lama in Klein-Thibet in Tischu-Lombu , in der Gegend von Napul . In der Mongolei endlich ist noch ein dritter Lama .

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W2 XI . 394 ,4 v .u . –395 ,18 (nach GW 29 ,2 . 105 ,16 )  : Das sind die Grund­be­ stimmungen , die aus dem , was hier die göttliche Natur ist , folgen und allein daraus folgen , da diese selbst noch ganz bei der unentwickelten Abstraction des ruhigen , bestimmungslosen Insichseyns stehen bleibt . Deswegen | ist alle weitere Gestaltung und Vorstellung theils empirisch-geschichtlicher , theils eingebildeter Z u f ä l l i g k e i t preisgegeben  ; das Detail davon gehört einer Beschreibung der zahllosen , verworrenen Einbildungen über Begebenheiten , Schicksale jener Gottheiten , ihrer Freunde und Schüler an und giebt eine Materie , die ihrem Gehalt nach nicht viel Interesse noch Werth und überhaupt aus dem angegebenen Grunde nicht das Interesse des BegriVes hat . / Auch in BetreV des Cultus haben wir es hier nicht mit den äußeren Ceremonieen und Gewohnheiten zu thun , sondern nur das Wesentliche ist hier zu beschreiben , wie nämlich das Insich­seyn , das Princip dieser Stufe im w i r k l i c h e n S e l b s t b e w u ß t s e y n erscheint . / c .  D e r C u l t u s  .  / Auf den Charakter der Völker , die ihr angehören , hat diese Religion der Substantialität besonders insofern gewirkt , als sie die Er­ hebung über das unmittelbare , einzelne Bewußtseyn zur durchgehenden For­ derung machte . W2 XI . 397 ,4 –398 ,8 (nach GW 29 ,2 . 99 ,9 )  : Der praktische Werth der reli­ giösen Empfindung bestimmt sich nach dem Inhalt dessen , was als das Wahre gilt . In dieser Religion ist aber erst noch dieses T h e o r e t i s c h e vorhanden , daß diese Einheit , Reinheit , das Nichts absolut selbständig gegen das Bewußtseyn ist , daß seine Bestimmung ist , nicht gegen das Gegenständliche zu handeln , es nicht zu bilden , sondern es g e w ä h r e n z u l a s s e n  , so daß diese Stille in ihm hervorgebracht werde . Dieses ist das Absolute  : der Mensch hat aus sich Nichts zu machen . Des Menschen Werth besteht darin , daß sein Selbstbewußtseyn ein a f f i r m a t i ve s Verhältniß zu jener theoretischen Substantialität hat , – das Gegentheil desjenigen Verhältnisses , welches , da der Gegenstand keine Bestimmung für dasselbe hat , nur n e g a t i ve r Natur ist , eben deswegen n u r affirmativ ist , als Beziehung des Subjects zu seiner eignen Innerlichkeit , welche die Macht ist , alle Objectivität in ein Negatives zu verwandeln , – d . h . affirmativ nur in seiner E i t e l k e i t  .  – Jener stille , sanfte Sinn hat im Cultus zunächst momentan das Bewußtseyn solcher ewigen Ruhe als des wesentlichen , göttlichen Seyns , und für das übrige Leben giebt diese Bestimmtheit den Ton und Charakter  ; aber es steht dem Selbstbewußtseyn auch frei , sein ganzes Leben zu einem f o r t d a u e r n d e n Z u s t a n d e jener Stille und existenzlosen Betrachtung zu machen , und diese wirkliche Zurückgezogenheit aus der Aeußerlichkeit der Bedürfnisse und Wirksamkeit des Lebens in das stille Innere und so die Einigung mit dieser theoretischen Substantialität muß für die höchste Vollendung gelten . So entstehen unter diesen Völkern große religiöse Associationen , die in Gemeinsamkeit in Ruhe des

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Geistes und in stiller Beschauung des Ewigen leben , ohne an weltlichen Inter­ essen und Geschäften Theil zu nehmen . / | Wenn der Mensch in seinem Sinn sich auf diese negative Weise verhält , sich nur wehrt nicht gegen das Aeußer­l iche , sondern gegen sich selbst und sich mit dem Nichts vereint , sich alles Bewußtseyns , aller Leidenschaft entschlägt , dann ist er in den Zustand erhoben , der bei den Buddhisten Nirvana heißt . Da ist der Mensch nicht schwer , nicht mehr dem Gewicht , der Krankheit , dem Alter unterworfen , dem Tod  ; er ist anzusehen als Gott selbst , ist Buddha geworden . W2 XI . 400 ,12–13 (nach GW 29 ,1 . 263 ,10 )  : Die Seele ist in die Region des Nichts erhoben und so aus dem Gebundenseyn an die äußerliche , sinnliche Gestaltung erlöst . Zum Übergang zur Religion der Freiheit W2 XI . 401 ,15 v . u . –403 ,4 (nach GW 29 ,2 . 117 ,36 )  : Dieser Uebergang ist seiner Nothwendigkeit nach darin begründet , daß die Wahrheit , die in den vorher­ gehenden Stufen an sich , als Grundlage , da ist , wirklich hervorgezogen und gesetzt wird . In der Religion der Phantasie und des Insichseyns ist dieses Subject , dieses subjective Selbstbewußtseyn identisch , aber in unmittelbarer Weise , mit jener substantiellen Einheit , die Brahm heißt oder das bestimmungslose Nichts ist  ; dieß E i n e wird jetzt gefaßt als i n i h m s e l b s t b e s t i m m t e E i n h e i t  , als subjective Einheit an ihm selbst und damit diese Einheit a l s To t a l i t ä t a n i h r s e l b s t  . Wenn die Einheit an ihr selbst subjectiv bestimmt ist , so enthält sie das Princip der Geistigkeit an ihr selbst und dieß Princip ist es , das sich in den Religionen , die auf diesem Uebergang stehen , entwickelt . / Ferner , in der indischen Religion standen das Eine , die Einheit des Brahm , und die Bestimmtheit , die vielen Mächte | des Besondern , dieses Hervortreten der Unterschiede in dem Verhältniß , daß die Unterschiede das eine Mal als selbständig galten , das andere Mal in der Einheit verschwunden und untergegangen sind . Das Herrschende und Allgemeine war der Wechsel des Entstehens und Vergehens , der We c h s e l des Aufgehobenseyns der besonderen Mächte in der Einheit und des Herausgehens aus ihr . In der Religion des Insichseyns war nun zwar dieser Wechsel beruhigt , insofern die besonderen Unterschiede in die Einheit des Nichts zurückfielen , aber diese Einheit war l e e r und abstract und die Wahrheit ist vielmehr d i e i n s i c h c o n c r e t e E i n h e i t und Totalität , so daß selbst jene abstracte Einheit mit der Unterschiedenheit in die wahrhafte Einheit tritt , in welcher die Unterschiede aufgehoben , ideell , negativ gesetzt sind als Unselbständige , aber ebenso aufbewahrt . / Das Entfalten der Momente der Idee , das Sich-Unterscheiden des Denkens der absoluten Substanz war also bisher mangelhaft , insofern die Gestalten einer Seits sich in harte Festigkeit verloren , andrer Seits es nur die Flucht war ,

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die zur Einheit kam , oder die Einheit nur das Verschwinden der Unterschiede war . Jetzt aber tritt die Reflexion der Mannigfaltigkeit in sich ein , daß das Denken selbst Bestimmung in sich erhält , so daß es S i c h - B e s t i m m e n ist und das Bestimmen nur Werth und Gehalt hat , insofern es in diese Einheit reflectirt ist . Hiemit ist der BegriV der F r e i h e i t  , O b j e c t i v i t ä t gesetzt und der göttliche BegriV wird so Einheit des Endlichen und Unendlichen . Das nur in sich seyende Denken , die reine Substanz ist das Unendliche , und das Endliche sind der Ge­d ankenbestimmung nach die vielen Götter und die Einheit ist die negative ­Einheit , die Abstraction , die die Vielen versenkt in dieß Eine  ; aber dieses hat dadurch nichts gewonnen , ist unbestimmt , wie vorher und affirmativ ist das Endliche nur außer dem Unendlichen , nicht in diesem und es ist daher , so wie es affirmativ ist , ve r n u n f t l o s e E n d l i c h k e i t  . Hier ist | aber nun das Endliche , das Bestimmte überhaupt , i n d i e Un e n d l i c h k e i t a u f g e n o m m e n  , die Form ist der Substanz angemessen , die unendliche Form ist identisch mit der Substanz , die sich in sich bestimmt , nicht bloß abstracte Macht ist . W2 XI . 404 ,9 v . u . –406 ,11 (nach GW 29 ,2 . 118 ,30 )  : Wenn nun das Allgemeine als Sich-in-sich-selbst-bestimmen gefaßt wird , so tritt es in G e g e n s a t z g e g e n A n d e r e s und ist ein Kampf mit dem Andern seiner . In der Religion der Macht ist kein Gegensatz , kein Kampf , denn das Accidentelle hat keinen Werth für die Substanz . / Die Macht jetzt an ihr selbst sich bestimmend hat zwar diese Bestimmungen nicht als ein Endliches , sondern das Bestimmte ist in seiner an und für sich seyenden Wahrheit . Hierdurch ist Gott bestimmt als das G u t e   ; es ist hier gut nicht | gesetzt als Prädicat , sondern er ist das Gute . In dem Bestimmungslosen ist kein Gutes , noch Böses . Hingegen das Gute ist hier das Allgemeine , aber mit einem Zweck , einer B e s t i m m t h e i t  , die angemessen ist der A l l­g e ­ m e i n h e i t  , in der sie ist . / Zunächst aber ist auf dieser Stufe des Uebergangs das Sichselbstbestimmen a u s s c h l i e ß e n d  . So tritt das Gute in Beziehung auf A n d e r e s  , das Böse und diese Beziehung ist der K a m p f   : Dualismus . Die Versöhnung (hier nur ein Werden oder Sollen) ist noch nicht gedacht in und an diesem Guten selbst . / Hiemit ist als nothwendige Consequenz gesetzt , daß der Kampf als B e s t i m m u n g d e r S u b s t a n z selbst gewußt wird[ .] Das Negative ist im Geist selbst gesetzt , und dieß ve r g l i c h e n m i t s e i n e r A f f i r m a t i o n  , so daß diese Vergleichung in der Empfindung da ist , macht den S c h m e r z aus , den To d  . Der Kampf , der sich auflöst , ist hier endlich d a s R i n g e n d e s G e i s t e s  , zu sich selbst , zur Freiheit zu kommen . / Aus diesen Grundbestimmungen ergiebt sich folgende E i n­t h e i ­l u n g dieser Uebergangsstufe . / 1 . Die erste Bestimmung ist die der p e r s i s c h e n Religion  ; hier ist das Fürsichseyn des Guten noch ein oberflächliches , daher hat es natürliche Gestalt , aber eine g e s t a l t l o s e N a t ü r l i c h k e i t – das Licht . / 2 . Die Form , wo der Kampf , Schmerz , Tod selbst i n d a s

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We s e n gesetzt wird – die s y r i s c h e Religion . / 3 . Das S i c h h e r a u s r i n g e n aus dem Kampf , das Fortgehen zur eigentlichen ­Bestimmung freier Geistig­keit  , das Ueberwinden des Bösen , vollendeter Uebergang zur Religion freier Geistigkeit – die ä g y p t i s c h e Religion . / Ueberhaupt aber ist das Gemeinsame dieser drei Religionsformen die R e s u m t i o n der wilden , ausgelassenen Totalität in concrete Einheit . Dieser Taumel , wo die Bestimmungen | der Einheit in die Aeußerlichkeit und Zufälligkeit stürzen , wo aus der Einheit , wie aus Brahm , diese wilde , begriV lose Welt von Göttern hervorgeht und die Entwickelung , weil sie der Einheit nicht angemessen ist , auseinanderfällt  : d i e s e H a l t u n g s l o s i g k e i t h a t j e t z t a u f g e h ö r t  .  / Diese Resumtion in die substantielle Einheit , die an ihr selbst subjectiv ist , hat aber z we i Formen . Die erste Resumtion ist die im Parsismus , die in reiner , einfacher Weise geschieht . Die andere ist die gährende in der syrischen und ägyptischen Religion , wo die Gährung der Totalität zur Einheit sich vermittelt und die Einheit im Kampf ihrer Elemente wird . W2 XI . 407 ,17–13 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 120 ,23  : Die Macht als solche ist weder gut noch weise , sie hat keinen Zweck , sondern ist nur bestimmt als Seyn und Nichtseyn  ; es ist darin die Wildheit , das Außersichkommen des Thuns überhaupt  : darum ist die Macht an ihr selbst das Bestimmungslose . W2 XI . 408 ,3 v . u . –409 ,4 (Einschub in GW 29 ,2 . 121 ,9  : Dazu , daß das Gute nicht abstract sey , gehört die E n t w i c k e l u n g der Form , das G e s e t z t­s e y n der Momente des BegriVs . Um als | ve r n ü n f t i g e Idee zu seyn , um als Geist ge­w ußt zu werden , müssen seine Bestimmungen , das Negative , d i e U ­ nter sch iede als seine Mächte durch den Gedanken in ihm g e s e t z t  , gewußt werden . W2 XI . 410 ,13–7 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 122 ,10 )  : Wenn daher das in sich Gute um seiner Abstraction willen in die Form der Unmittelbarkeit und damit der Natürlichkeit fällt (denn Unmittelbarkeit ist das Natürliche) , so ist dieses ­unmittelbar Gute , das sich noch nicht gereinigt und zur Form ab­soluter Geistigkeit erhoben hat , das L i c h t  . Denn das Licht ist im Natürlichen die reine Mani­ festation , das Sichselbstbestimmen , aber auf ganz einfache , allgemeine Weise . W2 XI . 412 ,4–15 (Einschub in GW 29 ,1 . 286 ,9–10 )  : Das Licht ist eine un­end­ liche Expansion , es ist so schnell als der Gedanke  ; damit aber seine Manifestation r e a l sey , muß sie auf ein D u n k l e s treVen . Durch das reine Licht wird Nichts manifestirt , erst an diesem A n d e r n tritt die b e s t i m m t e M a n i f e s t a t i o n ein und damit tritt das Gute in Gegensatz zum Bösen . Diese Manifestation ist ein Bestimmen , aber noch nicht concrete Entwickelung des Bestimmens  ; das Concrete des Bestimmens ist daher außer ihm , es hat um seiner Abstraction willen seine Bestimmung am Andern . Ohne den Gegensatz ist der Geist nicht , es kommt nur in der Entwickelung darauf an , in welche Stellung dieser Gegensatz zur Vermittlung und zur ursprünglichen Einheit tritt .

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W2 XI . 413 ,16 –414 ,13 (nach GW 29 ,1 . 287 ,6 )  : Diese Religion des Lichts oder des unmittelbar Guten ist die Religion der alten Pa r s e n  , von Z o r o a s t e r gestiftet . Noch jetzt giebt es einige Gemeinden , die dieser Religion anhängen , in Bombay und am schwarzen Meer in der Gegend von Baku , wo besonders viele Naphtaquellen sich vorfinden , aus welcher zufälligen Localität man es sich hat erklären wollen , daß die Parsen das Feuer zum Gegenstand ihrer Verehrung gemacht haben . Durch H e r o d o t und andere griechische Schriftsteller haben wir Nachrichten über diese Religion erhalten , doch zur näheren Kenntniß derselben ist man erst in neueren Zeiten gekommen durch die Entdeckung der Haupt- und G r u n d b ü c h e r (Zend-Avesta) jenes Volkes durch den Franzosen A n q u e t i l d ü Pe r r o n   : diese Bücher sind in der alten Z e n d sprache geschrieben , einer Schwestersprache des Sanskrit . – / Das Licht , welches in dieser Religion verehrt wird , ist nicht etwa Symbol des Guten , ein B i l d  , unter welchem dasselbe vorgestellt wäre  ; sondern ebenso gut könnte man sagen , das Gute sey das Symbol des Lichts  : es ist keines die Be|deutung , noch das Symbol , sondern sie sind u n m i t t e l b a r i d e n t i s c h  .  / Hier bei den Parsen tritt Ve r e h r u n g ein  ; die Substantialität ist hier als Gegenstand für das Subject in seiner Besonderheit  : der Mensch als b e s o n d e r e s Gutes steht dem a l l g e m e i n e n Guten gegenüber , dem Lichte in seiner reinen , noch ungetrübten Manifestation , welche das Gute als natürliches Daseyn ist . / Man hat die Parsen auch F e u e r a n b e t e r genannt  : dieß ist insofern unrichtig , als die Parsen ihre Verehrung nicht an das Feuer als das verzehrende , materielle wenden , sondern nur an das Feuer als Licht , welches als die Wahrheit des Materiellen zur Erscheinung kommt . W2 XI . 414 ,11 v . u . –415 ,10 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 287 ,23)  : Die Sterne sind einzelne erscheinende Lichter . Indem das Erscheinende ein B e s o n d e r e s  , N a t ü r l i c h e s ist , so entsteht damit der Un t e r s c h i e d von dem , was erscheint , und von dem , was an sich ist , und das Ansichseyende ist dann auch ein B e s o n d e r e s  , ein G e n i u s  . Wie das allgemeine Licht personificirt ist , so werden es auch die besonderen Lichter . So sind die Sterne als G e n i e n personificirt , ein Mal sind sie Erscheinung , und dann auch personificirt  ; sie sind nicht aber unterschieden in das Licht und in das Gute , sondern die gesammte Einheit ist personificirt  : die Sterne sind Geister des Ormuzd , des allgemeinen Lichts und des an und für sich Guten . / | Diese Sterne heißen die A m s c h a d s p a n  , und O r m u z d  , der das allgemeine Licht ist , ist auch einer der Amschadspan . Das R e i c h d e s O r m u z d ist das Lichtreich , es giebt darin s i e b e n A m s c h a d s p a n   : man könnte hierbei etwa an die Planeten denken , aber sie werden im Z e n d a ve s t a und in allen , auch sogar an jeden einzelnen , gerichteten Gebeten nicht näher charakterisirt . Die Lichter sind die Gefährten des O r m u z d und regieren mit ihm . Auch der persische Staat ist , wie dieses Lichtreich , als das Reich der Gerechtigkeit und

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des Guten dargestellt  : der König war auch mit sieben Großen umgeben , die seinen Rath bildeten , und die als Repräsentanten der A m s c h a d s p a n  , wie der König als Stellvertreter des O r m u z d  , vorgestellt wurden . Die A m s c h a d s p a n ­regieren , jeder einen Tag abwechselnd , im Lichtreich mit O r m u z d   : es ist so­ mit hier nur ein oberflächlicher Unterschied der Zeit gesetzt . / Zu dem Guten oder dem Lichtreich gehört Alles , was Leben hat  ; was in allen Wesen gut ist , das ist O r m u z d   : er ist das Belebende durch Gedanke , Wort und That . Es ist insofern hier auch noch Pantheismus , als das Gute , das Licht – die S u b s t a n z i n A l l e m ist  ; alles Glück , Segen und Seligkeit fließt darin zusammen  ; was existirt als liebend , glücklich , kräftig u . s . w . , das ist O r m u z d   : er giebt allen Wesen Lichtschein , dem Baum wie dem edlen Menschen , dem Thiere wie dem A m s c h a d s p a n  . W2 XI . 416 ,2 v . u . –417 ,5 (statt GW 29 ,2 . 123 ,34–35)  : Auch im Menschen ist ein Un t e r s c h i e d gesetzt , ein Höheres wird unterschieden von der | unmittel­baren Leiblichkeit , Natürlichkeit , Zeitlichkeit , Unbedeutendheit seines äußer­lichen Seyns , Daseyns  ; das sind die Genien , F e r ve r s  . Unter den Bäumen wird einer ausgezeichnet  : aus H o m  , dem Baum , quillt das Wasser der Unsterblichkeit . So ist der Staat Erscheinung des Substantiellen , des Lichtreichs , W2 XI . 417 ,7–1 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 124 ,23)  : Er hat den Zweck , Ormuzd in seiner Schöpfung zu verherrlichen und die Verehrung des Guten in Allem ist Anfang und Ende . Die Gebete sind einfach , einförmig und ohne ei­ genthüm­liche Nüancen . Die Hauptbestimmung des Cultus ist , daß der Mensch sich selbst rein halten soll im Innern und im Aeußern und dieselbe Reinheit überall erhalten und verbreiten . W2 XI . 418 ,9 –421 ,16 (vor GW 29 ,2 . 124 ,31  ; vgl . GW 29 ,2 . 257 ,22 –258 ,2 )  : 2 .   D i e s y r i s c h e R e l i g i o n o d e r d i e R e l i g i o n d e s S c h m e r z e s  .  / Die Bestimmung des Kampfes und des Sieges über das Böse ist von uns so eben betrachtet worden  ; diesen Kampf als S c h m e r z nun haben wir als nächstes Moment zu betrachten . Der Kampf als Schmerz scheint ein oberflächlicher Ausdruck zu seyn , es liegt aber darin , daß der Kampf nicht mehr nur ä u ß e r e r G e g e n s a t z  , sondern in E i n e m S u b j e c t und in dessen S e l b s t e m p f i n d u n g ist . Der Kampf ist dann die Objectivirung des Schmerzes . Der Schmerz ist aber überhaupt der Verlauf der Endlichkeit und subjectiv die Zerknirschung des Gemüths . Dieser Verlauf der Endlichkeit , des Schmerzes , Kampfes , Sieges ist ein Moment in der Natur des Geistes und es kann nicht fehlen in dieser Sphäre , in welcher sich d i e M a c h t z u g e i s t i g e r F r e i h e i t fortbestimmt . Der Verlust seiner selbst , der Widerspruch des Beisichseyns mit dem Anderen , der sich zur u n e n d l i c h e n E i n h e i t (es kann hier nur von der w a h r h a f t e n Unendlichkeit die Rede seyn) aufhebt , das Aufheben des Gegensatzes , – das sind wesentliche Bestimmungen

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in der Idee des Geistes , welche jetzt eintreten . W i r sind uns nun zwar der Ent­ wickelung der Idee bewußt , ihres Ganges wie ihrer Momente , deren Totalität den Geist constituiren  : aber diese Totalität ist noch nicht g e s e t z t  , sondern ausgelassen in Momente , die sich nacheinander in dieser Sphäre darstellen . / | Da der Inhalt noch nicht in den freien Geist gesetzt ist , indem die Momente noch nicht in die subjective Einheit resumirt sind , so ist er in u n m i t t e l b a r e r Weise und in die F o r m d e r N a t ü r l i c h k e i t hinausgeworfen  : er wird in einem n a t ü r l i c h e n Ve r l a u f dargestellt , der aber wesentlich als symbolisch gewußt wird , und somit nicht nur Verlauf der äußerlichen Natur , sondern a l l g e m e i n e r Ve r l a u f ist . Gegen den Standpunkt , auf dem wir bisher noch standen und wo nicht der Geist , sondern die abstracte Macht das Herrschende ist , ist das Nächste in der Idee das Moment des Conflicts . Der Geist ist wesentlich dieß , aus seinem Andersseyn und aus der Ueberwindung dieses Andersseyns , durch die Negation der Negation zu sich selbst zu kommen  ; der Geist bringt sich hervor  : er macht die Entfremdung seiner selbst durch . Da er aber noch nicht als Geist gesetzt ist , so ist dieser Verlauf der Entfremdung und der Rückkehr noch nicht ideell , als Moment des Geistes gesetzt , sondern unmittelbar und darum in der Form der Natürlichkeit . / Diese Bestimmung , wie wir sie gesehen , hat die Gestaltung erhalten in der p h ö n i z i s c h e n und den vo r d e r a s i a t i s c h e n R e l i g i o n e n überhaupt . In diesen Religionen ist der angegebene Prozeß enthalten  : das Unterliegen , die Entfremdung Gottes und das Wiederauferstehen desselben ist vornemlich in der phönizischen Religion herausgehoben . Die Vorstellung vom P h ö n i x ist bekannt  : es ist ein Vogel , der sich selbst verbrennt und aus seiner Asche geht ein junger Phönix in neuer Kräftigkeit hervor . / Diese Entfremdung , dieses Andersseyn als natürliche Negation bestimmt , ist der To d  , aber der Tod , der ebenso aufgehoben wird , indem daraus ein verjüngtes Aufleben eintritt . Der Geist ist ewig dieß , sich abzusterben , sich endlich zu machen in der Natürlichkeit , aber durch die Vernichtung seiner Natürlichkeit kommt er zu ihm selbst . Der Phönix ist dieß bekannte | Symbol , es ist nicht der Kampf des Guten mit dem Bösen , sondern ein g ö t t l i c h e r Ve r l a u f  , welcher der Natur Gottes selbst angehört und der Verlauf an E i n e m Individuum . Die nähere Form , in welcher dieser Verlauf gesetzt ist , ist der A d o n i s  , welche Gestalt auch nach Aegypten und Griechenland übergegangen ist , auch in der Bibel wird er unter dem Namen  : T h a m m u s (‫ )ַתּמּּוז‬Ezech . 8 , 14 erwähnt  : »und siehe daselbst saßen Weiber , die weineten über den Thammus .« Im Frühling wurde ein Hauptfest des Adonis gefeiert  ; es war eine Todtenfeier , ein Fest der Klage , welches mehrere Tage dauerte . Zwei Tage hindurch wurde Adonis mit Klagen gesucht  ; der dritte Tag war das Freudenfest , wo der Gott wieder auferstanden war . Das ganze Fest hat den Charakter einer Feier der Natur , die im Winter erstirbt und im Frühling wieder erwacht . Einer

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Seits ist dieß also ein Naturverlauf , andrer Seits aber ist er symbolisch zu nehmen als ein Moment des Gottes , das Absolute überhaupt bezeichnend . / Der Mythus des Adonis ist selbst mit der griechischen Mythologie verbunden . Nach dieser war Aphrodite die Mutter des Adonis , sie hielt ihn als zartes Kind in einem Kästchen verborgen und brachte dieses zur Ais  ; Persephone wollte dann das Kind , wie es die Mutter verlangte , nicht wieder herausgeben . Zeus entschied den Streit also , daß jede der beiden Göttinnen den Adonis ein Drittheil des Jahres behalten durfte  ; das letzte Drittheil war seiner eignen Wahl überlassen  ; er zog es vor , auch diese Zeit bei der allgemeinen Mutter und der seinigen , Aphrodite , zuzubringen . Es bezieht sich zwar dieser Mythus nach seiner nächsten Auslegung auf den Samen unter der Erde , der dann heraufwächst . Der Mythus von Kastor und Pollux , die abwechselnd sich in der Unterwelt und auf der Erde aufhalten , bezieht sich auch darauf . Seine wahre Bedeutung ist aber nicht bloß die Veränderung der Natur , sondern der Uebergang überhaupt von der Lebendigkeit , dem affir­ mativen | Seyn zum Tode , der Negation und wiederum die Erhebung aus dieser Negation – die a b s o l u t e Ve r m i t t l u n g  , die wesentlich zum BegriV des Geistes gehört . / Dieses Moment des Geistes ist also hier zur Re l i g i o n geworden .  / 3 .   D i e R e l i g i o n d e s R ä t h s e l s  .  / Die Form der Vermittlung des Geistes mit sich , in der das Natürliche noch überwiegend ist , die Form des Ue b e r­g e h e n s  , wo vom A n d e r n a l s s o l c h e m angefangen wird , das die Natur überhaupt ist , und das Uebergehen noch nicht als Z u s i c h ko m m e n d e s G e i s t e s erscheint , diese Form ist es , die den vorderasiatischen Religionen eigen ist . Das Fernere ist nun , daß dieses Uebergehen als ein Zusichkommen des Geistes erscheint , aber noch nicht so , daß dieses eine Versöhnung wäre , sondern daß der Kampf , das R i n g e n der Gegenstand ist , aber als Moment des Gottes selbst . W2 XI . 422 ,13–11 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 125 ,29–30 )  : Das Gute , das ist die nächste Forderung , muß auch in der That als r e a l e M a c h t in sich gesetzt und wie als allgemeine , so als die reale Subjectivität gefaßt werden . W2 XI . 424 ,8–13 (nach GW 29 ,1 . 290 ,11)  : es sind sogenannte reine Vorstel­ lungen von Gott (z . B . bei F r i e d r i c h vo n S c h l e g e l ’s Weisheit der Indier) , die als Ueberreste der vollkommenen ursprünglichen Religion betrachtet werden . Auch in der Lichtreligion sehen wir das einzelne Böse schon überall aufgehoben . W2 XI . 425 ,15–12 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 291 ,6 )  : In der Lichtreligion war diese Bestimmung abstracte allgemeine Personification , weil in der Person die absoluten Momente nicht entwickelt enthalten sind . W2 XI . 436 ,10–8 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 128 ,23–24 )  : Das Todtenreich ist das Reich , wo das natürliche Seyn überwunden ist , das Reich der Vorstellung , wo eben das erhalten ist , was nicht natürliche Existenz hat .

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W2 XI . 438 ,15 v . u . –440 ,3 (Einschub in GW 29 ,2 . 129 ,20 )  : Herodot giebt , nach den Aussagen der Priester eine Reihefolge der ägyptischen Götter , und darunter findet sich O s i r i s unter den späteren  : aber die F o r t b i l d u n g d e s r e l i g i ö s e n B e w u ß t s e y n s findet auch i n n e r h a l b einer Religion selbst statt  ; so schon haben wir in der indischen Religion gesehen , daß der Cultus des Vischnu und Siva später ist . In den heiligen Büchern der Parsen ist Mithra unter den anderen Amschadspan aufgeführt und steht mit diesen auf gleicher Stufe  : schon bei H e r o d o t aber wird Mithra hervorgehoben und zur Zeit der Römer , als alle Religionen nach Rom gebracht wurden , ist der Mithradienst eine der Hauptreligionen , während der Dienst des O r m u z d nicht diese Bedeutung erhielt . / So soll auch bei den Aegyptern O s i r i s eine spätere Gottheit seyn  ; bekanntlich ist zur Zeit der Römer der S e r a p i s  , eine besondere Gestaltung des O s i r i s  , die Hauptgottheit der | Aegypter , dennoch ist er immer , wenn er auch später dem Geist aufgegangen ist , die Gottheit , in welcher sich die To t a l i t ä t d e s B e w u ß t s e y n s aufgeschlossen hat . / Der G e g e n s a t z der ägyptischen Anschauung tritt dann auch aus seiner Tiefe heraus und wird ein o b e r f l ä c h l i c h e r  . Ty p h o n ist das p h y s i k a l i s c h B ö s e und O s i r i s das b e l e b e n d e P r i n c i p   : jenem fällt die unfruchtbare Wüste zu und er wird als Gluth­w ind , sengende Sonnenhitze vorgestellt . Ein anderer Gegensatz ist der natürliche von O s i r i s und I s i s  , der Sonne und der Erde , welche als Princip der Zeugung überhaupt angesehen wird  ; so stirbt auch O s i r i s  , von Ty p h o n überwunden , und I s i s sucht überall seine Gebeine  : der Gott stirbt , das ist wieder diese Negation . Die Gebeine des O s i r i s werden dann begraben , er selbst aber ist nun H e r r s c h e r d e s To d t e n ­r e i c h e s geworden . Dieß ist der Verlauf der lebendigen Natur , ein nothwendiger Kreislauf in sich zurück  : derselbe Kreislauf kommt auch der Natur des Geistes zu  ; den Ausdruck desselben stellt das Schicksal des O s i r i s dar . Das Eine b e d e u t e t hier wiederum das Andere . / An den O s i r i s schließen sich die anderen Gottheiten an  ; er ist aber ihr Vereinigungspunkt und sie sind nur einzelne Momente der Totalität , die er vorstellt . So ist A m m u n das Moment der Sonne , welche Bestimmung auch dem O s i r i s angehört . Außerdem giebt es noch eine Menge Gottheiten , die man c a l e n d a r i s c h e genannt hat , weil sie sich auf die natürlichen Revolutionen des Jahres beziehen  ; einzelne Abschnitte des Jahres , wie das Frühlings-Aequinoctium , der junge Sommer und dergleichen sind in den calendarischen Gottheiten herausgehoben und personificirt . / O s i r i s bedeutet aber G e i s t i g e s  , nicht nur Natürliches  ; er ist Gesetzgeber , er hat die Ehe eingesetzt , den Ackerbau und die Künste gelehrt  ; es finden sich in diesen Vorstellungen geschichtliche Anspielungen auf alte Könige  : O s i r i s enthält somit | auch geschichtliche Züge . So scheinen auch die Incarnationen des V i s c h n u  , die Eroberung von Ceylon auf die Geschichte Indiens hinzuweisen .

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W2 XI . 444 ,4 –448 ,13 v . u . (nach GW 29 ,2 . 132 ,10 )  : Zunächst können wir uns dessen erinnern , wie im Osiris auch geistige Momente verehrt sind , wie Recht , Sittlichkeit , Einsetzung der Ehe , die Kunst u . s . w . Besonders aber ist Osiris Herr des Todtenreiches , Todtenrichter . Man findet eine unzählige Menge von Abbildungen , wo Osiris als Richter dargestellt wird und vor ihm ein Schreiber , der ihm die Handlungen der vorgeführten Seele aufzählt . Dieses Todtenreich , das Reich des Amenthes , macht einen Hauptpunkt in den religiösen Vorstellungen der Aegypter aus . Wie Osiris , das Belebende , dem Typhon , dem vernichtenden Princip gegenüber war , und die Sonne der Erde , so tritt nun hier d e r G e g e n s a t z d e s L e b e n d i g e n u n d d e s To d t e n herein . Das Todtenreich ist eine so feste Vorstellung als das Reich des Lebendigen . Das Todtenreich schließt sich auf , wenn das natürliche Seyn überwunden ist , es beharrt daselbst das , was nicht mehr natürliche Existenz hat . / Die ungeheuren Werke der Aegypter , die uns noch übrig geblieben , sind fast nur solche , die für die To d t e n bestimmt waren . Das berühmte Labyrinth hatte so viel Gemächer über der Erde als unter der Erde . Die Paläste der Könige und der Priester sind in Schutthaufen verwandelt  : die Gräber derselben haben der Zeit Trotz geboten . Tiefe , mehrere Stunden lang sich hindehnende Grotten findet man für die Mumien in Felsen gehauen , und alle Wände derselben sind mit Hieroglyphen bedeckt . Die größte Bewunderung erregen aber besonders die P y r a m i d e n  , Tempel für die Todten , nicht sowohl zu ihrem Andenken , als um ihnen zum Begräbnisse und zum Gehäuse zu dienen . Herodot sagt  : die Aegypter seyen die ersten gewesen welche gelehrt haben , daß die S­ e e l e n u n s t e r b l i c h seyen . Man kann sich verwundern , daß , obschon die Aegypter an die | Unsterblichkeit der Seele geglaubt haben , sie dennoch so große Sorgfalt auf ihre Todten verwendeten  : man könnte glauben , daß der Mensch , wenn er die Seele für unsterblich halte , seine Körperlichkeit nicht mehr besonders achte  : allein es sind gerade die Völker , welche nicht an eine Unsterblichkeit glauben , die den Körper gering achten nach seinem Tode und für die Aufbewahrung desselben nicht sorgen . Die Ehre , welche dem Todten erwiesen wird , ist durchaus abhängig von der Vorstellung der Unsterblichkeit . Wenn der Körper in die Gewalt der Naturmacht fällt , die nicht mehr von der Seele gebändigt wird , so will der Mensch doch wenigstens nicht , daß die Natur a l s s o l c h e es ist , die ihre Macht und physikalische Nothwendigkeit auf den entseelten Körper , dieß edle Gefäß der Seele , ausübe , sondern daß der Mensch dieß mehr oder weniger vollbringe  ; sie suchen ihn daher dagegen zu schützen , oder geben ihn selbst , gleichsam mit ihrem freien Willen , der Erde wieder oder vernichten ihn durch’s Feuer . In der ägyptischen Weise , die Todten zu ehren und den Körper aufzubewahren , ist nicht zu verkennen , daß man den Menschen erhoben wußte über die Naturmacht , seinen Körper daher vor dieser Macht zu erhalten suchte , um auch ihn darüber zu er­

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heben . Das Verfahren der Völker gegen die Todten hängt durchaus mit dem re­ ligiösen Princip zusammen , und die verschiedenen Gebräuche , die beim Begräbnisse üblich sind , sind nicht ohne bedeutungsvolle Beziehungen . – / Sodann , um den eigenthümlichen Standpunkt der Kunst auf dieser Stufe zu fassen , haben wir uns daran zu erinnern , daß die Subjectivität hier wohl hervorgeht , aber nur erst ihrer Grundlage nach und daß ihre Vorstellung noch in die der Substantialität übergeht . Die wesentlichen Unterschiede haben sich demnach noch nicht ver­ mittelt und geistig durchdrungen , sie sind vielmehr noch vermischt . Es können mehrere merkwürdige Züge aufgeführt werden , die diese Ve r m i s c h u n g u n d Ve r b i n d u n g d e s G e g e n w ä r t i g e n u n d d e s L e b e n d i g e n m i t d e r I d e e  | d e s G ö t t l i c h e n erläutern , so daß entweder das Göttliche zu einem Gegenwärtigen gemacht wird , oder auf der andern Seite menschliche , ja selbst thierische Gestalten heraufgehoben werden zum göttlichen und geistigen Moment . Herodot führt den ägyptischen Mythus an , die Aegypter seyen von einer Reihe von Königen , welche Götter gewesen , beherrscht worden . Hierin ist schon die Vermischung , daß der Gott als König und der König wiederum als Gott gewußt wird . Ferner sehen wir in unzählig vielen Kunstdarstellungen , welche die Einweihungen von Königen vorstellen , daß der Gott als der weihende erscheint und der König als der Sohn dieses Gottes  ; der König selbst findet sich denn auch als Ammun vorgestellt . Es wird von Alexander dem Großen erzählt , daß ihn das Orakel des Jupiter Ammon für den Sohn dieses Gottes erklärt habe  : es ist dieß ganz dem ägyptischen Charakter gemäß  ; von ihren Königen sagten die Aegypter dasselbe . Die Priester gelten auch ein Mal als Priester des Gottes , dann aber auch als Gott selbst . Noch aus den späteren Zeiten der Ptolomäer haben wir viele Denkmäler und Inschriften , wo der König Ptolomäus immer nur der Sohn des Gottes oder Gott selbst heißt  : ebenso die römischen Kaiser . / Auffallend zwar , aber bei der Vermischung der Vorstellung der Substantialität mit der der Subjectivität nicht mehr unerklärlich ist der T h i e r­d i e n s t  , der von den Aegyptern mit der größten Härte ausgeübt wurde . Die verschiedenen Districte Aegyptens haben besondere Thiere verehrt , als Katzen , Hunde , AVen u . s . w . , und darum sogar Kriege mit einander geführt . Das Leben solches Thieres war durchaus geheiligt , und der Todtschlag desselben wurde hart gerügt . Ferner räumte man diesen Thieren Wohnungen und Besitzungen ein und sammelte ihnen Vorräthe  : ja  ! es geschah sogar , daß man in einer Hungersnoth lieber die Menschen sterben ließ , als daß man jene Vorräthe angegriVen hätte . Am meisten wurde der A p i s verehrt , denn man glaubte , daß dieser Stier die Seele des Osiris | repräsentire . In den Särgen einiger Pyramiden hat man Apisknochen aufbewahrt gefunden . Alle Formen und Gestaltungen dieser Religion haben sich im Thierdienst vermengt . Gewiß gehört dieser Dienst zum Widrigsten und Gehässigsten . Aber schon oben bei der Religion der

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Indier haben wir gezeigt , wie der Mensch dazu kommen könne , ein Thier zu verehren  : wenn Gott nicht als Geist , sondern als die Macht überhaupt gewußt wird , so ist solche Macht bewußtloses Wirken , etwa das allgemeine Leben  : solche bewußtlose Macht tritt dann heraus in eine Gestaltung , zunächst in die Thier­ gestaltung  : das Thier ist selbst ein Bewußtloses , führt ein dumpfes Stillleben in sich , gegenüber der menschlichen Willkür , so daß es scheinen kann , als habe es diese bewußtlose Macht , die im Ganzen wirkt , in sich . – Besonders eigen­thüm­lich und charakteristisch ist aber die Gestaltung , daß die Priester oder Schreiber in den plastischen Darstellungen und Malereien häufig mit Thiermasken erscheinen , ebenso die Einbalsamirer der Mumien  : dieses Gedoppelte einer äußerlichen Maske , welche unter sich eine andere Gestalt verbirgt , giebt zu erkennen , daß das Bewußtseyn nicht bloß in die dumpfe , thierische Lebendigkeit versenkt ist , sondern auch sich getrennt davon weiß und darin eine weitere Bedeutung erkennt . – / Auch im p o l i t i s c h e n Zustande Aegyptens findet sich das Ringen des Geistes , der aus der Unmittelbarkeit sich herauszuarbeiten sucht  ; so spricht die Geschichte oft von Kämpfen der Könige mit der Priesterkaste , und Herodot erwähnt deren auch von den frühesten Zeiten  ; der König Cheops habe die Tempel der Priester schließen lassen , andere Könige haben die Priesterkaste gänzlich unterworfen und ausgeschlossen . Dieser Gegensatz ist nicht mehr orientalisch , wir sehen hier den menschlich freien Willen sich empören gegen die Religion . Dieses Heraustreten aus der Abhängigkeit ist ein Zug , der wesentlich mit in Anschlag zu bringen ist . – / | Besonders aber ist dieses Ringen und Hervorgehen des Geistes aus der Natürlichkeit in naiven und sehr anschaulichen Darstellungen in den K u n s t ­ g e s t a l t e n ausgedrückt . Es braucht z . B . nur an das Bild der Sphinx erinnert zu werden . An den ägyptischen Kunstwerken ist überhaupt Alles symbolisch , die Bedeutsamkeit geht darin bis ins Kleinste  ; selbst die Anzahl der Säulen und der Stufen ist nicht nach der äußer­lichen Zweckmäßigkeit berechnet , sondern sie ­bedeutet entweder die Monate oder die Fuße , die der Nil steigen muß , um das Land zu überschwemmen u . dgl . Der Geist des ägyptischen Volkes ist überhaupt ein R ä t h s e l  . In griechischen Kunstwerken ist Alles klar , Alles heraus  ; in den ägyptischen wird überall eine Aufgabe gemacht , es ist ein Aeußerliches , wodurch hingedeutet wird auf etwas , das noch nicht ausgesprochen ist . / Wenn aber auch der Geist auf diesem Standpunkt noch in der Gährung begriVen und noch in der Unklarkeit befangen ist , wenn auch die wesentlichen Momente des religiösen Bewußtseyns theils mit einander vermischt , theils in dieser Vermischung oder vielmehr um dieser Vermischung willen mit einander in Kampf liegen  : so ist es doch immer die f r e i e S u b j e c t i v i t ä t  , die hier hervorgeht , W2 XI . 454 ,15 v . u . –455 ,19 (Einschub in GW 29 ,2 . 133 ,3–4 )  : Die ägyptische Religion ist so für uns in den K u n s t we r k e der Aegypter vorhanden , in dem ,

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was dieselben uns sagen , verbunden mit dem Geschichtlichen , was uns alte Geschichtschreiber aufbehalten haben . – In neueren Zeiten besonders hat man die Ruinen Aegyptens vielfach untersucht und die stumme Sprache der Steingebilde , so wie der räthselhaften Hieroglyphen studiert . / Müssen wir den Vorzug eines Volkes anerkennen , das seinen Geist in Werke der Sprache niedergelegt hat , vor solchem , das der Nachwelt nur stumme Kunstwerke zurückgelassen hat , so müssen wir zugleich bedenken , daß hier , bei den Aegyptern deshalb noch keine schriftlichen Documente vorhanden sind , weil der Geist sich noch nicht abgeklärt hatte , sondern sich im Kampfe abarbeitete und zwar äußerlich , wie es in den Kunstwerken erscheint . Man ist zwar durch lange Studien endlich in der | EntziVerung der Hieroglyphensprache weiter gekommen , aber theils ist man noch nicht ganz zum Ziele gelangt , theils bleiben es immer Hieroglyphen . Bei den Mumien hat man viele Papyrusrollen gefunden , und glaubte daran einen rechten Schatz zu haben und wichtige Aufschlüsse zu erhalten  : sie sind aber nichts anderes als eine Art von Archiv , und enthalten meist Kaufbriefe über Grundstücke , oder Gegenstände , die der Verstorbene erworben hat . – Es sind demnach hauptsächlich die vorhandenen Kunstwerke , deren Sprache wir zu entziVern haben und aus denen diese Religion zu erkennen ist . / Betrachten wir nun diese Kunstwerke , so finden wir , daß Alles wunderbar und phantastisch ist , aber immer mit einer bestimmten Bedeutung , wie es nicht der Fall war bei den Indiern . Wir haben so hier die Un m i t t e l b a r k e i t d e r A e u ß e r l i c h k e i t  , und die B e d e u t u n g  , den G e d a n k e n  . Dieß haben wir zusammen in dem ungeheuren Conflict des Innern mit dem Aeußern  ; es ist ein ungeheurer Trieb des Innern , sich ­herauszuarbeiten , und das Aeußere stellt uns dieß Ringen des Geistes dar . W2 XI . 455 ,7 v . u . –456 ,4 v . u . (statt GW 29 ,2 . 133 ,10–14 )  : das geistige Be­ wußt­seyn sucht sich erst als das Innere aus der Natürlichkeit herauszuringen . / Die Hauptdarstellung , welche das Wesen dieses Ringens vollständig anschaulich macht , können wir in dem Bilde der Göttin zu Sais finden , die verschleiert dargestellt war . Es ist darin symbolisirt und in der Ueber­schrift ihres Tempels (ich bin , was war , ist und seyn wird , meinen Schleier hat noch kein | Sterblicher gehoben) ausdrücklich ausgesprochen , daß die Natur e i n i n s i c h Un t e r s c h i e d e n e s sey , nämlich e i n A n d e r e s g e g e n i h r e u n m i t t e l b a r s i c h d a r b i e t e n d e E r s c h e i n u n g  , ein R ä t h s e l   ; sie habe ein Inneres , Verborgenes . / Aber , heißt es in jener Inschrift weiter , die Frucht meines Leibes ist Helios . Dieses noch verborgene Wesen spricht also die Klarheit , die Sonne , das sich selbst Klarwerden , die geistige Sonne aus als den S o h n  , der aus ihr geboren werde . Diese Klarheit ist es , die erreicht ist in der griechischen und jüdischen Religion , dort in der Kunst und in der schönen Menschengestalt , hier im objectiven Gedanken . Das R ä t h s e l ist gelöst  ;

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Zur Religion der geistigen Individualität Zur Einleitung W2 XII . 12 ,5–3 v . u . (statt GW 29 ,1 . 312 ,21–22 )  : Jetzt ist das göttliche Wesen für sich selbst Wesen und die Unterschiede sind die e i g e n e R e f l e x i o n desselben in sich . W2 XII . 14 ,1–23 (vor bzw . nach GW 29 ,1 . 313 ,17–20 )  : Diese drei Punkte stellen sich demnach so . Indem das Wesen absolute Negativität ist , so ist es die reine I d e n t i t ä t mit sich , das Eine  ; es ist ebenso die N e g a t i v i t ä t d e r E i n h e i t  , welche aber mit der Einheit in B e z i e h u n g ist und durch dieß Durcheinanderseyn beider sich als N o t h­we n d i g ­k e i t erweiset  ; drittens geht das Eine mit sich selbst zusammen aus der Bezogenheit seiner Unterschiedenheit , welche Einheit jedoch als dieß Zusammengesunkenseyn der Form mit sich einen endlichen Inhalt hat und somit diese in die Formunterschiede als Totalität entwickelnd den BegriV der Zwe c k m ä ß i g k e i t  , aber endlicher Zweckmäßigkeit giebt . / […] Wo Einer das Wesen ist , da ist auch Nothwendigkeit , aber nur an sich , nicht in seiner Bestimmung  ; ebenso bestimmt sich der Eine nach Zwecken , da er weise ist . Die Nothwendigkeit ist auch Eine , und auch die Zweckmäßigkeit ist hier vorhanden , nur fällt sie außerhalb der Nothwendigkeit . Ist die Zweckmäßigkeit die Grundbestimmung , so ist damit auch die Macht für die Zwecke vorhanden , und der Zweck selbst ist das Fatum . W2 XII . 15 ,2–24 (vgl . GW 17 , 111 ,19 –112 ,8 )  : Das Seyn geht über zum Wesen , dieses ist als in sich reflectirt das , was man oft ein Ens genannt hat , Individuum . Wenn wir sagen  : Gott ist der Eine , so hat dieß einen andern Sinn , als wenn früher gesagt wurde , das Absolute , das Seyn ist E i n e s  , το ἕν . P a r m e n i d e s sagte so  : das Sein nur ist , oder nur das Eine ist . Dieses Eine ist aber nur das a b s t r a c t e  , nicht in sich reflectirte Unendliche , und so ist es vielmehr das Maaßlose und Unmächtige  ; denn es ist nur ve r g l i c h e n mit dem unendlich mannigfachen Daseyn das Unendliche und besteht nothwendig in dieser Beziehung . Erst die Macht als der Eine aufgefaßt ist in der That das Allgemeine als die Macht gesetzt . Das Eine ist die Eine Seite und ihr gegenüber steht die Mannigfaltigkeit des Weltwesens . Der Eine dagegen ist die Einzelnheit , das A l l g e m e i n e  , das i n s i c h r e f l e c t i r t ist , dessen andere Seite selbst alles Seyn in sich befaßt , so daß dasselbe in seine Einheit zurückgegangen ist . / Die Reflexion faßt nun die Bestimmung der Einheit Gottes auf und sucht dieselbe zu beweisen . Dieß gibt aber nicht die Form eines Beweises vom D a s e y n Gottes . Eines wird unterschieden vom Substrate und das Interesse ist nur die Bestimmung des E i n e s - Seyns aufzuzeigen . Die Reflexion fällt darauf , weil Eins überhaupt die Reflexion in sich ist . W2 XII . 15 ,9 v . u . –16 ,3 (nach der vorigen Notiz  ; vgl . GW 17 . 112 ,9–13)  : Diese Bestimmung nun , daß Gott nur Einer ist , geht zunächst nur gegen die V i e l e n

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überhaupt und in so fern auch gegen die andere Form , die wir als die zweite Form auf dieser Stufe betrachten werden . Die Widerlegung der spätern Bestimmung geht also hier voraus . Allerdings ist diese zweite Form in sich , in der BegriVsbestimmung concreter  ; aber als die Nothwendigkeit ist das a n u n d f ü r s i c h B e s t i m m t s e y n nur S o l l e n  , und weil es nur Sollen ist , so ist es V i e l h e i t  , hat es noch nicht die absolute Reflexion in sich und fehlt ihm | die Bestimmung Eines zu seyn . Freilich ist auch die Bestimmung des Einen noch einseitig , da sie nur die abstracte Form für sich ist , nicht die als Inhalt entwickelte Form . W2 XII . 16 ,4 –17 ,14 v . u . (nach der vorigen Notiz , vgl . GW 17 . 113 ,3 –114 ,5)  : Die Entwickelung der Nothwendigkeit dieser Bestimmung des Einen , die Erhebung zu diesem Einen Subjecte als dem Einen , wird nun so geführt , daß das Einsseyn als Prädicat gefaßt , Gott a l s S u b j e c t vo r a u s g e s e t z t und nun gezeigt wird , daß die Bestimmung der Vielheit der Voraussetzung jenes Subjects zuwider ist . Das Verhältniß der Vielen kann nun so betrachtet werden , daß sie sich auf einander beziehen  : dann berühren sie sich einander und treten sie mit sich in Conflict . Dieser Conflict ist aber unmittelbar die E r s c h e i n u n g d e s W i d e r s p r u c h e s s e l b s t   ; denn die unterschiedenen Götter sollen sich nach ihrer Qualität erhalten und hier kommt ihre Endlichkeit zum Vorschein . Insofern Gott als das Allgemeine , das Wesen vorausgesetzt wird , so ist jene Endlichkeit , welche in der Vielheit liegt , dieser Voraussetzung nicht angemessen . / Bei endlichen Dingen stellen wir uns zwar vor , daß Substanzen in Conflict seyn können , ohne ihre Selbstständigkeit zu verlieren . Es scheint dann , daß sie nur ihre Oberfläche in den Conflict hinausschicken und sich selbst dahinter erhalten . Es wird demnach zwischen dem I n n e r n und zwischen den B e z i e h u n g e n des Subjects , der Substanz auf Andere unterschieden und die Substanz als passiv betrachtet , unbeschadet ihrer sonstigen Activität . Diese Unterscheidung ist jedoch unbegründet . Was die Vielen sind an Inhalt und an Macht , sind sie nur im G e g e n s a t z  , ihr Reflectirtseyn in sich ist nur das Inhaltsleere  : sind sie daher auch der Form nach selbstständig , so sind sie doch dem I n h a l t e nach endlich , und dieser erliegt derselben Dialektik , der das endliche Seyn unterliegt . Gegen die Voraussetzung der absoluten Macht , der allgemeinen Negativität alles Seyenden verschwindet daher die Vielheit sol|cher formell endlichen unmittelbar . In der Voraussetzung des Allgemeinen liegt sogleich dieses , daß Form und Inhalt nicht so getrennt seyn können , daß dem einen eine Qualität zukomme , die dem andern fehlt . Durch ihre Qualitäten heben also die Götter unmittelbar einander auf . / Die Vielheit wird dann aber auch im Sinne der bloßen Ve r s c h i e d e n h e i t genommen , die sich n i c h t b e r ü h r t  . So spricht man von einer Vielheit der Welten , die nicht in Conflict und in Widerspruch mit einander kommen . Die Vorstellung hängt hartnäckig daran , in der Meinung , man könne eine solche Voraussetzung nicht

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widerlegen , weil in ihr kein Widerspruch liege . Es ist aber überhaupt eine der gewöhnlichen schlechten Reflexionsformen  : man könne sich Etwas vorstellen . Vorstellen freilich kann man sich Alles und dasselbe als möglich auffassen  ; das will aber gar nichts sagen . Fragt man nun , worin die Verschiedenheit bestehe , und wird geantwortet , eines sey so mächtig als das andere , keines soll Qualitäten haben , die nicht das andere auch habe , so ist die Verschiedenheit ein l e e r e r A u s d r u c k  . Die Verschiedenheit muß nothwendig sogleich zu b e s t i m m t e r Verschiedenheit fortgehen , W2 XII . 17 ,7 v . u . –18 ,3 (vgl . GW 17 . 114 ,10–13)  : So räsonnirt also die Re­ flexion und ihr Räsonnement ist richtig , allein eben so sehr zugleich unangemessen . Das Allgemeine das Wesen wird als Macht vorausgesetzt und es wird gefragt , ob ihm das P r ä d i c a t des Einen zukomme . D i e B e s t i m m u n g d e s E i n e n f ä l l t jedoch schon m i t d e r Vo r a u s s e t z u n g z u s a m m e n  , denn die absolute Macht ist unmittelbar in der Bestimmung der E i n z e l n h e i t oder des | Einen . Der Beweis ist also ganz richtig , aber überflüssig , und es ist dabei übersehen , daß die absolute Macht selbst schon in der Bestimmung des Einen ist . W2 XII . 19 ,6–22 (vgl . GW 17 . 109 ,9–19 )  : Indem das Absolute so als der Eine und als die Macht bestimmt ist , so ist das S e l b s t b e w u ß t s e y n nur Schein desselben  : es ist ein solches wohl , für welches das Absolute sich manifestirt und zu dem es ein positives Verhältniß hat  ; denn die Reflexion der Macht in sich ist unmittelbar A b s t o ß e n und dieß ist das Selbstbewußtseyn . Also die Persönlichkeit , das Selbstbewußtseyn beginnt hier zu gelten , aber nur noch in abstracter Bestimmung , so daß das Selbstbewußtseyn nach seinem concreten Gehalte sich nur als S c h e i n weiß . Es ist unfrei , ohne Breite in sich , ohne Spielraum , Herz und Geist sind verengt , sein Gefühl besteht nur darin , den Herrn zu fühlen , sein Daseyn , und sein Glück hat es nur in dieser engen Befangenheit . Wenn somit auch der Unterschied hervorgebrochen ist , so ist er doch nur g e b u n d e n  , nicht wirklich los , nicht frei gelassen , das Selbstbewußtseyn concentrirt sich nur in diesen Einen Punkt und es weiß sich zwar als wesentlich (es wird nicht ertödtet wie im Brahm) aber zugleich ist es das Un we s e n t l i c h e am Wesen . W2 XII . 26 ,6–1 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 321 ,1–2 )  : die Bestimmtheit , Besonderung s o l l überhaupt nur seyn , damit die Bestimmtheit wirklich sey , dazu gehört , daß die Besonderung und der Unterschied im Zusammengehen mit sich als a u s h a l t e n d gegen das Uebergehen im Proceß als sich erhaltend in der Noth­wendig­keit gesetzt sey  . W2 XII . 35 ,5–7 (Einschub in GW 29 ,1 . 328 ,17)  : Sodann haben die L ­ ebendigen Verhältniß nach außen und jedes verhält sich zu seiner eigenen organischen Natur . W2 XII . 38 ,10–12 (Einschub in GW 29 ,1 . 331 ,13)  : Die nach Zwecken wirkende Macht ist nur die L e b e n d i g k e i t  , noch nicht der Geist , die Persönlichkeit Gottes .

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W2 XII . 39 ,3–2 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 332 ,28 –333 ,1)  : Der Untersatz bleibt aber beim Seyn der Dinge stehen , statt auch ihr Nichtseyn zu beachten . W2 XII . 43 ,11–5 v . u . (vgl . GW 17 . 111 ,1–5)  : Das Erhabene ist übrigens nicht das M a a ß l o s e  , das , um sich zu bestimmen und zu g e s t a l t e n  , sich nur des u n m i t t e l b a r Vo r h a n d e n e n bedienen kann und der fratzenhaften Verzerrungen desselben , um eine Angemessenheit mit dem Innern herbeizuführen . Die Erhabenheit dagegen ist mit der unmittelbaren Existenz und mit dem Wesen derselben f e r t i g  , und fällt nicht mehr in diese Bedürftigkeit herab , daß sie nach ihnen greife , um sich darzustellen , sondern sie spricht dieselben als S c h e i n aus . W2 XII . 44 ,8–1 v . u . (vgl . GW 17 . 109 ,21–110 ,2 )  : Die Nothwendigkeit ist zwar diejenige Entwickelung des Wesens , welches seinen Schein zur Form selbstständiger Realitäten auseinanderschlagen läßt und die Momente des Scheines zeigen sich als u n t e r s c h i e d e n e Gestalten . Aber a n s i c h sind diese Momente i d e n t i s c h  , es ist daher kein Ernst mit ihnen und Ernst ist es nur mit dem Schicksal , mit der innern Identität der Unterschiede . Zur jüdischen Religion W2 XII . 48 ,7–12 (Einschub in GW 29 ,2 . 151 ,4–5)  : Gott ist jetzt vielmehr g e w u ß t als Einer , nicht als Eines , wie im Pantheismus . Es verschwindet so die unmittelbar natürliche Weise , wie sie noch in der parsischen Religion als Licht gesetzt ist . Die Religion ist als die des Geistes , aber nur in ihrer Grundlage , nur auf ihrem eigenthümlichen Boden , dem des Gedankens , gesetzt . W2 XII . 50 ,8 v .u . –51 ,1 (Einschub in GW 29 ,2 . 151 ,14 )  : Der Geist ist schlecht­ hin sich in sich vermittelnd , das Thätige  ; diese Thätigkeit ist ein von sich Unter­ scheiden , Urtheilen (ursprüngliche Theilung)  ; die Welt ist das vom Geist Gesetzte , sie ist gemacht aus i h r e m N i c h t s   ; das Negative der Welt aber ist das Affirmative , der Schöpfer  ; in ihm ist das Nichts das Natürliche  ; in ihrem Nichts ist also die Welt entstanden aus der absoluten Fülle der Macht des Guten  ; sie ist aus dem Nichts ihrer selbst geschaVen , welches (ihr Anderes) | Gott ist . W2 XII . 51 ,6–9 (Einschub in GW 29 ,2 . 151 ,19 )  : Das Höhere ist freilich das SchaVen Gottes in sich selbst , daß er in sich Anfang und Ende ist und somit das Moment der Bewegung , die hier noch a u ß e r ihn fällt , in sich selbst , in seiner Innerlichkeit hat . W2 XII . 51 ,17 –52 ,15 (statt GW 29 ,2 . 151 ,25–27)  : das Urtheil hat noch die Form der Un m i t t e l b a r k e i t  , aber nur als Form , denn Gott schaVt absolut aus Nichts . Nur Er ist das Seyn , das positive . Aber er ist zugleich das Setzen seiner Macht . Die Nothwendigkeit , daß Gott Setzen seiner Macht sey , ist die Geburtsstätte alles Er­schaVe­nen  . Diese N o t h we n d i g k e i t ist das M a t e r i a l  , woraus Gott schaVt  ; dieses ist G o t t s e l b s t  , er schaVt daher aus nichts Materiellem  ; denn er ist das

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Selbst und nicht das Unmittelbare , Materielle . Er ist nicht Einer gegen ein anderes schon Vorhandenes , sondern das Andere ist er selbst als die B e s t i m m t h e i t  , die aber , weil er n u r Einer ist , außer ihm fällt , als seine negative Bewegung . Das Setzen der Natur fällt nothwendig in den BegriV des geistigen Lebens , des Selbstes und ist das Fallen von der Intelligenz in den Schlaf . Indem die Macht als absolute Negativität vorgestellt ist , so ist zuerst das Wesen , d . h . d a s m i t s i c h Id e n t i s c h e in seiner Ruhe , ewigen Stille und Verschlossenheit . Aber eben diese Einsamkeit | in sich selbst ist nur ein M o m e n t der Macht , nicht das Ganze . Die Macht ist zugleich n e g a t i ve B e z i e h u n g a u f s i c h s e l b s t  , Vermittelung in sich , und indem sie sich negativ auf sich bezieht , so ist dieß Aufheben der abstracten Identität das Setzen des Unterschiedes , der Bestimmung , d . h . die ErschaVung der Welt . Das Nichts aber , aus welchem die Welt erschaVen ist , ist die Un t e r s c h i e d s l o s i g k e i t  , in welcher Bestimmung zuerst die Macht , das Wesen gedacht wurde . Wenn man daher fragt , wo Gott die Materie hergenommen , so ist es eben jene einfache Beziehung auf sich . Die Materie ist das Formlose , das mit sich Identische  ; dieß ist nur ein M o m e n t des Wesens , also ein A n d e r e s als die absolute Macht und so ist es das , was Materie genannt wird . Das ErschaVen der Welt heißt also die negative Beziehung der Macht auf sich , insofern sie zunächst als das nur mit sich Identische bestimmt ist . W2 XII . 52 ,17–14 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 151 ,28 )  : Alle Völker haben Theogonien oder , was damit zusammenfällt , Kosmogonien  : in diesen ist die Grundkategorie immer das H e r vo r g e h e n  , nicht das GeschaVenwerden . W2 XII . 52 ,11–10 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 151 ,30 )  : Diese schlechte Kategorie des Hervorgehens verschwindet jetzt , denn das Gute , die absolute Macht , ist Subject . W2 XII . 53 ,2–3 (statt GW 29 ,1 . 336 ,22 )  : Die Besonderung fällt , weil Gott Einer ist , auf die andere Seite . W2 XII . 55 ,10–4 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 153 ,3)  : das Seyn ist hier herabgesetzt zu einem Moment , und ist nur ein G e s e t z t s e y n  , ErschaVenseyn . Dieses Ur‑theilen ist die ewige Güte Gottes  : das Unterschiedene hat kein Recht z u s e y n  , es ist außer dem Einen , ein Mannigfaltiges und dadurch ein Beschränktes , Endliches , dessen Bestimmung ist , nicht zu seyn  ; daß es aber ist , das ist die Güte Gottes  ; als Gesetztes vergeht es aber auch , ist nur Erscheinung . W2 XII . 56 ,6–19 (Einschub in GW 29 ,2 . 153 ,11–12 )  : Das Seyn der Welt ist aber nur das S e y n d e r M a c h t  , oder die positive Wirklichkeit und Selbstständigkeit der Welt ist nicht ihre e i g e n e Selbstständigkeit , sondern d i e S e l b s t s t ä n d i g k e i t d e r M a c h t  . Die Welt muß daher in Beziehung auf die Macht als ein i n s i c h G e b r o c h e n e s vorgestellt werden  : die eine Seite ist die Mannigfaltigkeit der Unterschiede , der unendliche Reichthum des D a s e y n s  , die andere Seite

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ist dann die S u b s t a n t i a l i t ä t der Welt , diese kommt aber nicht der Welt selber zu , sondern ist die I d e n t i t ä t d e s We s e n s m i t s i c h s e l b s t  . Die Welt erhält sich nicht für sich selbst , sondern ihr Fürsichseyn ist die Macht , die sich in den Unterschieden erhält , wie es Fürsichseyn bleibt und so die Seite des Seyns der Welt ist . So ist die Welt in sich geschieden  : einer Seits ist sie unselbstständiger , selbstloser Unterschied , anderer Seits ihr Seyn . W2 XII . 56 ,1 v . u . –57 ,10 (vgl . GW 17 . 117 ,1–15)  : SchaVen , Erhalten und Vergehen fallen in der Vorstel|lung zeitlich auseinander , aber im BegriV sind sie wesentlich nur Momente E i n e s P r o c e s s e s  , nämlich des Processes der Macht . Die Identität der Macht mit sich ist ebenso das N i c h t s  , aus dem die Welt geschaVen , wie die S u b s i s t e n z der Welt und die A u f h e b u n g i h r e r S u b ­ s i s t e n z  . Diese Identität der Macht , die sich auch im Seyn der Dinge erhält , ist das Seyn der Dinge , wie ihr Nichtseyn . In der Güte ist die Welt nur als n i c h t i n s i c h b e r e c h t i g t  , als zufällig getragen und erhalten und ist somit zugleich ihre N e g a t i v i t ä t enthalten , die in der Gerechtigkeit gesetzt wird . W2 XII . 60 ,4–10 (Einschub in GW 29 ,1 . 340 ,4–5)  : Doch die theoretische Ausbildung dieses Bewußtseyns zur Wissenschaft hat hier noch nicht ihren Platz . Denn dazu gehörte ein c o n c r e t e s Interesse für die Dinge und müßte das Wesen nicht nur als allgemeiner , sondern auch als b e s t i m m t e r BegriV gefaßt seyn . Bei der Vorstellung der abstracten Weisheit und bei dem Einen be­ schränkten Zweck kann die bestimmte theoretische Anschauung noch nicht Statt haben . W2 XII . 60 ,4 v . u . –61 ,5 (vgl . GW 29 ,1 . 340 ,14–19 )  : das Bedürfniß der Wunder ist so lange vorhanden , als jener Zusammenhang nicht als die o b j e c t i ve Natur der Dinge gefaßt , d . h . so lange nicht Gottes Erscheinung an ihnen als e w i g e  ,  | a l l g e m e i n e N a t u r g e s e t z e und seine Wirksamkeit nicht wesentlich als die allgemeine gedacht ist . Der verständige Zusammenhang , der auf dieser Stufe erst gefaßt ist , ist nur der o b j e c t i ve  , daß das Einzelne als solches in der Endlichkeit f ü r s i c h und damit in einem ä u ß e r l i c h e n Ve r h ä l t n i ß ist . W2 XII . 61 ,4 v . u . –62 ,2 (statt GW 29 ,2 . 155 ,6–8 )  : Der Eine hat also an der Aeußerlichkeit der Erscheinung nicht wie die Götter der Religion der Schönheit sein Fürsichseyn und wesentliches Daseyn und die Unangemessenheit der Erscheinung | ist nicht bewußtlose , sondern ausdrücklich mit Bewußtseyn als solche gesetzt . W2 XII . 69 ,14–12 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 343 ,17–18 )  : Oder mit andern Worten  : das A n s i c h  , in welchem sich die Weisheit noch hält , ist s e l b s t die Un m i t t e l b a r k e i t  , die N a t ü r l i c h k e i t  . W2 XII . 70 ,6–12 (Einschub in GW 29 ,1 . 343 ,29 –344 ,1)  : Die Allgemeinheit ist so noch die natürliche . Der Zweck ist so nur menschlich und so die Familie . So ist

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die Religion die patriarchalische . Die Familie ist es dann , die sich zum Volke erweitert . N a t i o n heißt ein Volk , weil es zunächst durch die N a t u r ist  ; dieß ist der beschränkte Zweck und ist ausschließend gegen Anderes der göttliche Zweck . W2 XII . 72 ,1–77 ,12 v . u . (Einschub in GW 29 ,1 . 345 ,10–11  ; vgl . GW 29 ,2 . 255– 256)  : D r i t t e B e s t i m m u n g  .  / In der ganzen Schöpfung ist vor Allem der M e n s c h erhaben , er ist das Wissende , Erkennende , D e n k e n d e   ; er ist so in einem ganz andern Sinne das E b e n b i l d G o t t e s  , als dieß von der Welt gilt . Was empfunden wird in der Religion ist Gott , der der Gedanke ist , nur im Gedanken wird Gott verehrt . – / In der Religion der Parsen haben wir den D u a l i s m u s gehabt  : diesen Gegensatz haben wir auch in der jüdischen Religion , aber er fällt nicht i n G o t t  , sondern in den a n d e r n G e i s t   : Gott ist Geist und sein Product , die Welt , ist auch Geist  : hierein fällt dieses , an ihm selbst das Andere seines Wesens zu seyn . Die E n d l i c h k e i t enthält dieß , daß darin der Unterschied als Zw i e s p a l t fällt . In der Welt ist Gott bei sich , sie ist gut , denn das Nichts ihrer selbst , aus dem die Welt geschaVen worden , ist das Absolute selbst  ; als dieses erste Ur­theil Gottes geht aber die Welt nicht zum absoluten Gegensatz , nur der Geist ist dieses absoluten Gegensatzes fähig und das ist seine Tiefe . Der Gegensatz fällt in den anderen Geist , der somit der e n d l i c h e G e i s t ist  : dieser ist der Ort des Kampfes des Bösen und des Guten , der Ort , worin auch dieser Kampf ausgekämpft werden muß . Alle diese Bestimmungen ergeben sich aus der Natur des BegriVs . Dieser Gegensatz ist ein schwieriger Punkt , denn er macht den Widerspruch aus  ; das Gute ist durch sich selbst nicht widersprechend , sondern erst durch das Böse kommt der Widerspruch herein , er fällt allein ins Böse . Da tritt nun die Frage ein  : W i e i s t d a s B ö s e i n d i e We l t g e ko m m e n ? Diese Frage hat hier Sinn und Interesse . In der Religion der Parsen kann diese Frage keine Schwierigkeit machen , denn da i s t das Böse , so wie das Gute i s t   ; beide sind hervorgegangen aus dem Bestimmungslosen . Hier hingegen , wo Gott die Macht und das Eine Subject ist , wo alles nur durch ihn gesetzt ist , da ist das Böse widersprechend , denn Gott | ist ja nur das absolut Gute . Hierüber ist uns eine alte Vorstellung , der S ü n d e n f a l l  , in der Bibel aufbewahrt . Diese bekannte Darstellung , wie das Böse in die Welt gekommen , ist in die Form eines Mythus , einer Parabel gleichsam eingekleidet . Wenn nun das Speculative , das Wahrhafte , so in sinnlicher Gestaltung , in der Weise vom Geschehenseyn dargestellt wird , so kann es nicht fehlen , daß unpassende Züge darin vorkommen . So geschieht es auch bei Plato , wenn er bildlich von den Ideen spricht , daß ein unangemessenes Ver­hält­ niß zum Vorschein kommt . Es wird also erzählt  : Nach ErschaVung Adam’s und Eva’s im Paradiese , habe Gott den ersten Menschen verboten , von einem gewissen Baume zu essen  ; die Schlange verleitet sie aber dennoch dazu , indem sie sagt  : »Ihr werdet Gott gleich werden .« Gott legt ihnen dann eine schwere Strafe auf ,

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sagt aber dennoch  : S i e h e  , A d a m i s t wo r d e n w i e u n s e r E i n e r  , d e n n e r we i ß  , w a s g u t u n d b ö s e i s t   ; von dieser einen Seite ist der Mensch , nach Gottes Ausspruch , Gott geworden , von der anderen aber heißt es , habe Gott dem Menschen den Weg abgeschnitten , indem er ihn aus dem Paradiese verjagt habe . – Diese einfache Geschichte kann etwa zunächst auf folgende Weise genommen werden . Gott habe ein Gebot gemacht , und der Mensch , angetrieben von einem unendlichen Hochmuth , Gott gleich zu werden (ein Gedanke , der ihm von Außen gekommen) , habe dieses Gebot übertreten  ; für seinen erbärmlichen , einfältigen Hochmuth sey er dann aber hart bestraft worden . Jenes Gebot habe Gott nur formell gemacht , um ihn in den Fall zu setzen , seinen Gehorsam zu be­weisen . – / So geht nach dieser Erklärung Alles in der gemeinen endlichen Consequenz zu . Allerdings ve r b i e t e t Gott das Böse  : solches Verbot ist ein ganz anderes , als das Verbot , von einem bloßen Baume zu essen  ; was Gott will und nicht will , muß w a h r h a f t e r  , e w i g e r N a t u r seyn . Solches Verbot soll ferner nur an ein e i n z e l n e s Individuum ergangen seyn  : mit | Recht empört sich der Mensch dagegen , daß er für fremde Schuld gestraft werde  ; er will nur für das stehen , was er selbst gethan . Es liegt vielmehr im Ganzen ein tief speculativer Sinn . Es ist Adam oder der M e n s c h ü b e r h a u p t  , der in dieser Geschichte erscheint  ; es betriVt , was hier erzählt wird , die N a t u r d e s M e n s c h e n s e l b s t und es ist nicht ein formelles , kindisches Gebot , das Gott ihm auferlegt , sondern es heißt der Baum , von dem Adam nicht essen soll , der B a u m d e r E r k e n n t n i ß d e s G u t e n u n d B ö s e n  , da fällt die Aeußerlichkeit und die Form eines Baumes hinweg . Der Mensch ißt davon , und er kommt zur Erkenntniß des Guten und Bösen . Das Schwierige ist aber , daß gesagt wird , Gott habe dem Menschen verboten , zu dieser Erkenntniß zu gelangen  : denn diese Erkenntniß ist gerade das , was den Charakter des Geistes ausmacht  ; der Geist ist nur Geist durch das Bewußtseyn , und das höchste Bewußtseyn liegt gerade in jener Erkenntniß . Wie hat nun dieß verboten werden können ? Die Erkenntniß , das Wissen ist dieses doppelseitige , gefährliche Geschenk  : der Geist ist frei  ; dieser Freiheit ist das Gute wie das Böse anheimgestellt  : es liegt darin ebenso die Willkür , das Böse zu thun  : dieß ist die negative Seite an jener affirmativen Seite der Freiheit . Der Mensch , heißt es , sey im Zustande d e r Un s c h u l d gewesen  : dieß ist überhaupt der Zustand des natürlichen Bewußtseyns , er muß aufgehoben werden , sobald das Bewußtseyn des Geistes überhaupt eintritt . Das ist die ewige Geschichte und die Natur des Menschen . Er ist zuerst natürlich und unschuldig und damit keiner Zurechnung fähig , im Kinde ist keine Freiheit , und doch ist es die Bestimmung des Menschen , wieder zur Unschuld zu gelangen . Was die letzte Bestimmung ist , wird hier als primitiver Zustand vorgestellt , – die Harmonie des Menschen mit dem Guten . Das ist das Mangelhafte in dieser bildlichen Vorstellung , daß diese

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Einheit als unmittelbar seyender Zustand dargestellt wird  ; aus diesem Zustande der ursprünglichen Natürlich|keit muß herausgegangen werden , aber die Trennung , welche dann entsteht , soll auch wieder zur Versöhnung kommen  : dieses Versöhntwerden stellt sich hier so vor , daß jener erste Zustand nicht hätte übertreten werden sollen . – In der ganzen bildlichen Darstellung ist das , was innerlich ist , als äußerlich , was nothwendig , als zufällig ausgesprochen . Die Schlange sagt , Adam werde Gott gleich werden und Gott bestätigt , daß es wirklich so sey , daß diese Erkenntniß die Gottähnlichkeit ausmache . Diese tiefe Idee ist in die Erzählung niedergelegt . / Es wird aber dann weiter dem Menschen eine S t r a f e auf­ erlegt , er wird aus dem Paradiese vertrieben und Gott sagt  : »Verflucht sey die Erde um deinetwillen , im Schmerz sollst du , was sie dir bringt , essen , Dornen und Disteln soll sie dir tragen und das Kraut des Ackers wirst du essen . Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brodt essen , und du sollst wieder zur Erde werden , da du von ihr genommen bist , denn Staub bist du und zum Staube wirst du zurückkehren .« / Wir haben anzuerkennen , daß dieß die F o l g e n d e r E n d l i c h k e i t sind , aber anderer Seits ist das gerade die H o h e i t des Menschen , im Schweiße des Angesichts zu essen , durch seine Thätigkeit , Arbeit , Verstand sich seinen Unterhalt zu erwerben . Die Thiere haben dieß glückliche Loos (wenn man es so nennen will) , daß die Natur ihnen , was sie brauchen , darreicht  : der Mensch dagegen hebt selbst das , was ihm natürlicher Weise noth­ wendig ist , zu einer Sache seiner F r e i h e i t empor . Das ist gerade die Anwendung seiner Freiheit , wenn auch nicht das Höchste , welches vielmehr darin besteht , das Gute zu wissen und zu wollen . Daß auch nach der natürlichen Seite der Mensch frei ist , das liegt in seiner Natur , ist nicht a n s i c h als Strafe zu betrachten . Die Tr a u e r d e r N a t ü r l i c h k e i t ist allerdings an die Hoheit der Bestimmung des Menschen geknüpft . Dem , der die höhere Bestimmung des Geistes noch nicht kennt , ist es ein trauriger Gedanke , daß der Mensch sterben müsse , diese na|türliche Trauer ist gleichsam für ihn das Letzte  : die hohe Bestimmung des Geistes ist aber die , daß er ewig und unsterblich ist  : doch diese Hoheit des Menschen , diese Hoheit des Bewußtseyns ist in dieser Geschichte noch nicht enthalten  ; denn es heißt  : Gott sprach  : »Nun aber , daß er nicht ausstrecke seine Hand , und breche auch von dem Baum des Lebens und esse , und lebe ewiglich .« 3 ,22 . Ferner (V . 19)  : »Bis daß du wieder zur Erde werdest , davon du genommen bist .« Das Bewußtseyn der Unsterblichkeit des Geistes ist in dieser Religion noch nicht vorhanden . / In der ganzen Geschichte des Sündenfalls sind diese großen Züge vorhanden in scheinbarer Inconsequenz , wegen der bildlichen Vorstellung des Ganzen . Der Austritt aus der Natürlichkeit , die Noth­wendig­keit des Ein­ tretens des Bewußtseyns über das Gute und Böse ist das Hohe , was Gott hier selbst ausspricht . Das Fehlerhafte ist , daß der Tod so dargestellt wird , als sey für

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ihn kein Trost vorhanden . Die Grundbestimmung der Darstellung ist , daß der Mensch nicht natürlicher seyn soll  : darin liegt , was in der wahrhaften Theologie gesagt ist , daß der Mensch von Natur böse sey  ; das Böse ist das Stehenbleiben in dieser Natürlichkeit , der Mensch muß heraustreten mit Freiheit , mit seinem Willen . Das Weitere ist dann , daß der Geist wiederum zur absoluten Einheit in sich selbst , zur Versöhnung gelangt und die Freiheit eben ist es , die diese Umkehrung des Geistes in sich selbst , diese Versöhnung mit sich enthält  ; aber diese Um­ kehrung ist hier noch nicht geschehen , der Unterschied noch nicht in Gott auf­ genommen d . h . noch nicht versöhnt . Die Abstraction des Bösen ist noch nicht verschwunden . / Zu bemerken ist noch , daß diese Geschichte im jüdischen Volke geschlafen und ihre Ausbildung in den Büchern der Hebräer nicht erhalten hat  : einige Anspielungen in den späteren apokryphischen Büchern abgerechnet kommt sie darin überhaupt nicht vor . Lange Zeit ist sie brach gelegen und erst im Chri|sten­thume sollte sie zu ihrer wahren Bedeutung gelangen . Doch ist keineswegs der K a m p f d e s M e n s c h e n i n s i c h s e l b s t in dem jüdischen Volke nicht vorhanden gewesen , vielmehr macht er eine wesentliche Bestimmung des religiösen Geistes unter den Hebräern aus  ; aber er ist nicht in der speculativen Bedeutung aufgefaßt worden , daß er aus der N a t u r d e s M e n s c h e n selbst herkomme , sondern nur als z u f ä l l i g  , bei e i n z e l n e n Individuen ist er vorgestellt . Gegen den Sündigen und Kämpfenden ist dann auf der andern Seite das Bild des G e r e c h t e n entworfen , in welchem das Böse und der Kampf nicht als we s e n t l i c h e s Moment vorgestellt ist , sondern die Gerechtigkeit wird darein gesetzt , daß man den Willen Gottes thue und im Dienste Jehova’s beharre durch die Beobachtung der sittlichen Gebote sowohl als der rituellen und staatsrechtlichen Vorschriften . Doch erscheint der Kampf des Menschen in sich selbst überall , besonders in den Psalmen David’s  ; es schreit der Schmerz aus den in­ nersten Tiefen der Seele im Bewußtseyn ihrer Sündhaftigkeit und es folgt die schmerzlichste Bitte um Vergebung und Versöhnung . Die Tiefe des Schmerzes ist so allerdings vorhanden , aber mehr als dem einzelnen Individuum angehörig als daß er als ewiges Moment des Geistes gewußt würde . W2 XII . 78 ,3 –79 ,8 (vgl . GW 17 . 133 ,15 –134 ,10 )  : 1 . Das Selbstbewußtseyn verhält sich zu dem Einen , so ist es zunächst Anschauen , r e i n e s D e n k e n d e s r e i n e n We s e n s  , als der reinen Macht und des absoluten Seyns , neben welchem nichts Anderes in gleicher Würde i s t  . Dieses reine Denken nun als R e f l e x i o n i n s i c h  , als Selbstbewußtseyn ist S e l b s t b e w u ß t s e y n in der Bestimmung des u n e n d l i c h e n F ü r s i c h s e y n s oder der F r e i h e i t  – aber der Freiheit o h n e a l l e n c o n c r e t e n I n h a l t  . Dieses Selbstbewußtseyn ist also noch unterschieden vom w i r k l i c h e n B e w u ß t s e y n   ; von allen concreten Bestimmungen des geistigen und natürlichen Lebens , von dem erfüllten Bewußtseyn , den Trie-

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ben , Neigungen , dem Reichthume der geistigen Verhältnisse , von alle dem ist noch nichts in das Bewußtseyn der Freiheit aufgenommen . Die Realität des Lebens fällt noch außer dem Bewußtseyn der Freiheit und diese ist noch nicht vernünftig , ist noch abstract und es ist noch kein e r f ü l l t e s  , g ö t t l i c h e s B e w u ß t s e y n vorhanden . / Indem nun aber das Selbstbewußtseyn n u r i s t a l s B e w u ß t s e y n  , als Gegenstand aber für die E i n f a c h h e i t des Denkens noch kein e n t s p r e c h e n d e r G e g e n s t a n d vorhanden und die B e s t i m m t h e i t des Bewußtseyns noch nicht aufgenommen ist , so ist Ich sich Gegenstand nur in seinem a b s t r a c t e n E i n s s e y n m i t s i c h  , als u n m i t t e l b a r e E i n z e l n h e i t  . Das Selbstbewußtseyn ist somit ohne Ausbreitung und Ausdehnung , ohne alle concrete Bestimmung , Gott als unendliche Macht ist in sich auch unbestimmt und es ist kein D r i t t e s  , kein Daseyn , in dem sie sich zusammenfänden . Es ist insofern u n ve r m i t t e l t e B e z i e h u n g und die Gegensätze – die Beziehung auf den Einen im reinen Denken und Anschauen und abstracte Rückkehr in sich , das Fürsichseyn – sind u n m i t t e l b a r ve r e i n i g t  . Da nun das Selbstbewußtseyn i m Un t e r s c h i e d e von seinem Gegenstande , der der reine Gedanke ist und | nur im Gedanken gefaßt werden kann , leeres , f o r m e l l e s S e l b s t b e w u ß t s e y n  , nackt und ohne Bestimmung in sich selbst ist , da ferner alle reelle , erfüllte Bestimmung nur d e r M a c h t angehört , so ve r k e h r t sich in diesem absoluten Gegensatze die reine Freiheit des Selbstbewußtseyns in a b s o l u t e Un f r e i h e i t  , oder d a s S e l b s t b e w u ß t s e y n ist d a s d e s K n e c h t s z u m H e r r n  . Die F u r c h t d e s H e r r n ist die Grundbestimmung des Verhältnisses . W2 XII . 80 ,13 v . u . –81 ,8 (vor GW 17 . 135 ,3)  : das Selbstbewußtseyn hat sich hier in den E i n e n z u ve r s e n k e n  , dieser aber als das Andre vorgestellt ist wieder das P r i n c i p d e r A b s t o ß u n g  , in welcher das Selbstbewußtseyn seine S e l b s t g e w i ß h e i t wieder gewinnt . Dieser Proceß ist auch in folgender Form zu fassen . Die Knechtschaft ist nämlich Selbstbewußtseyn , R e f l e x i o n i n s i c h und Freiheit , die aber ohne allgemeine Ausdehnung und Vernünftigkeit ist und zu ihrer Bestimmtheit , zu ihrem Inhalte das u n m i t t e l b a r e  , s i n n l i c h e S e l b s t b e w u ß t s e y n hat . Ich als D i e s e r  , in der unmittelbaren Einzelnheit ist daher Zweck und Inhalt . In der Beziehung auf den Herrn hat der Knecht sein ­absolutes , wesentliches Selbstbewußtseyn , gegen ihn ve r n i c h t e t er Alles an sich  ; aber | eben so wird er absolut für sich wiederhergestellt und seine Einzelnheit , weil sie als die c o n c r e t e S e i t e in jene Anschauung aufgenommen ist , wird durch dieses Verhältniß a b s o l u t b e r e c h t i g t  . Die Furcht , in der der Knecht sich als N i c h t s betrachtet , giebt ihm die W i e d e r h e r s t e l l u n g seiner Berechtigung . Weil nun das knechtische Bewußtseyn hartnäckig auf seiner Einzelnheit beruht , weil seine Einzelnheit unmittelbar in die Einheit aufgenommen ist , so ist es a u s s c h l i e ß e n d

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W2 XII . 81 ,8 –84 ,7 (vgl . GW 29 ,2 . 256 ,27 –257 ,8 )  : Gott ist / 2 . der a u s s c h l i e ß e n d e H e r r u n d G o t t des jüdischen Volkes . Es kann uns nicht Wunder nehmen , daß eine orientalische Nation die Religion auf sich beschränkt und daß diese ganz an ihre Nationalität geknüpft erscheint , denn wir sehen dieß bei den Morgenländern überhaupt . Erst die Griechen und die Römer haben fremde Gottesdienste aufgenommen und bei den letzteren dringen alle Religionen ein und gelten nicht als Nationelles  ; aber bei den Morgenländern ist die Religion durchaus an die Nationalität geknüpft . Die Chinesen , die Perser haben ihre Staatsreligion , die nur für sie ist  ; bei den Indern weist die Geburt sogar jedem Individuum seinen Rang und sein Verhältniß zu Brahm an  : daher machen diese keineswegs die Forderung an Andere , sich zu ihrer Religion zu bekennen , bei den Indiern hat solche Forderung durchaus keinen Sinn  : nach ihren Vorstellungen gehören alle Völker der Erde zu ihrer Religion , die fremden Völker werden sämmtlich zu einer besonderen Kaste gezählt . Dennoch fällt mit Recht diese Ausschließung bei dem jüdischen Volke mehr auf  : denn solches Gebundenseyn an die Nationalität widerspricht durchaus der Vorstellung , daß Gott nur im allgemeinen Gedanken gefaßt werde und nicht in einer particularen Bestimmung . Bei den Persern ist Gott das Gute  ; das ist auch eine a l l g e m e i n e Bestimmung , aber sie ist selbst noch in der Un m i t t e l b a r k e i t  , deswegen ist Gott identisch mit dem Lichte und das ist eine Particularität . Der jüdische Gott ist nur für den Gedanken , | das macht einen Contrast gegen die Beschränkung auf die Nation . Es erhebt sich zwar auch das Bewußtseyn im Jüdischen Volke zur Allgemeinheit , wie das an mehreren Stellen ausgesprochen ist . Ps . 117 ,1  : »Lobet den Herrn , alle Heiden  ; preiset ihn , alle Völker  ; denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit .« Die Ehre Gottes soll bei a l l e n Völkern oVenbar werden  ; besonders bei den späteren Propheten tritt diese Allgemeinheit als eine höhere Forderung auf  : Jesajah läßt sogar Gott sprechen  : »Von den ­Heiden , welche Verehrer Jehovas werden , will ich Priester und Leviten machen ,« und es gehört dahin auch  : »Wer Gott fürchtet und Recht thut in allem Volke , der ist ihm an­genehm .« Alles dieß ist aber s p ä t e r   ; nach der h e r r s c h e n d e n G r u n d i d e e ist das jüdische Volk das auserwählte , die Allgemeinheit ist so auf die Particularität reducirt . Sahen wir aber bereits oben in der Entwicklung des göttlichen Zweckes , wie die ­Beschränktheit desselben in der Beschränktheit begründet ist , die in der Bestimmung Gottes noch liegt , so hat sich uns nun diese Beschränktheit aus der N a t u r d e s k n e c h t i s c h e n S­ e l b s t b e w u ß t s e y n s erklärt und wir sehen nun auch , wie diese Particularität auch von der s u b j e c t i ve n Seite herkommt . Ihnen , diesen Dienern ist dieß Verehren und Anerkennen des Jehovah eigen und es ist ihr Bewußtseyn , daß es ihnen eigen ist . Das hängt auch mit der Geschichte des Volks zusammen  : der jüdische Gott ist der Gott

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Abraham’s , Isaak’s und Jakob’s , der Gott , der die Juden aus Aegypten führte , und es ist nicht die geringste Reflexion vorhanden , daß Gott auch Anderes gethan , auch bei andern Völkern ­a f f i r m a t i v gehandelt habe . Es tritt also hier von der subjectiven Seite , von der Seite des C u l t u s her die Particularität ein und allerdings kann man sagen , Gott ist der Gott derer , die ihn verehren , denn Gott ist dieß , im subjectiven Geiste gewußt zu werden und sich selbst darin zu wissen . Dieß Moment gehört wesentlich zur Idee Gottes . Das Wissen , Anerkennen ge|hört wesentlich zu dieser Bestimmung . Es erscheint dieß oft auf eine für uns schiefe Weise , wenn nämlich von Gott gesagt wird , er sey mächtiger und stärker als die anderen Götter , gleich als ob noch Götter neben ihm wären  : es sind diese den Juden aber die f a l s c h e n Götter . / Es ist d i e s e s Volk , das ihn verehrt , und so ist er der Gott dieses Volkes und zwar der H e r r desselben . Er ist es , der als Schöpfer Himmels und der Erden gewußt wird , er hat Allem Ziel und Maaß gesetzt , – ihm seine eigenthümliche Natur er­theilt , so hat er auch dem Menschen sein Maaß , Ziel und Recht gegeben . Das ist die Be­stimmung , daß er als Herr seinem Volke G e s e t z e giebt , Gesetze in ihrem ganzen Umfange , sowohl die allgemeinen Gesetze , die z e h n G e b o t e  , welche allgemeine , sittliche , rechtliche Grundbestimmungen der Gesetzgebung und ­Moralität sind und die nicht als Vernunftgesetze gelten , sondern als vorgeschrieben von dem Herrn , als auch alle übrigen Staatsgesetze und Einrichtungen . M o s e s wird Gesetzgeber der Juden genannt , aber er ist den Juden nicht gewesen , was den Griechen S o l o n und Ly k u r g (diese gaben als Menschen i h r e Gesetze)  ; er hat nur die Gesetze Jehovah’s bekannt gemacht , Jehovah selbst hat sie , nach der Erzählung , in den Stein gegraben . Allen noch so geringfügigen Verordnungen , die Einrichtung der Stiftshütte , die Gebräuche beim Opfer und alles sonstige Ceremoniel be­t reVend , ist in der Bibel die Formel beigesetzt  : Jehovah spricht . Alles Gesetz ist vom Herrn gegeben , es ist somit durchaus positives Gebot . Es ist darin eine formelle , absolute Autorität . Das Besondere der politischen Verfassung ist überhaupt nicht aus dem allgemeinen Zweck entwickelt , auch ist es nicht dem Menschen zur Bestimmung überlassen , denn die Einheit läßt nicht die menschliche Willkühr , die ­menschliche Vernunft neben sich bestehen und eine politische Aenderung ist jedesmal ein Abfall von Gott genannt  : sondern das Besondere als ein von Gott Gegebenes ist als ewig festgesetzt . Und hier | stehen die ewigen Gesetze des Rechts , der Moralität in gleichem Rang , in gleicher positiver Form mit den geringfügigsten Verordnungen . Das bildet einen starken Contrast mit dem BegriV , den wir von Gott haben . – Der C u l t u s nun ist der Dienst Gottes  ; der Gute , Gerechte ist es , der diesen Dienst leistet , indem er ­sowohl die sitt­lichen Gebote als auch die Ceremonialgesetze hält und be­ obachtet . Das ist d e r D i e n s t d e s H e r r n  .

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W2 XII . 84 ,8 –85 ,5 (vgl . GW 17 . 135 ,3 –136 ,6 )  : Unter der Bedingung der Furcht und des Dienstes ist nun das Volk Gottes ein durch Bund und Vertrag a n g e n o m m e n e s  . Nämlich die selbstbewußte Gemeinde ist nicht mehr eine u r s p r ü n g l i c h e u n d u n m i t t e l b a r e E i n h e i t m i t d e m We s e n  , wie dieß in der Naturreligion der Fall ist . Die äußerliche Gestalt des Wesens in der Naturreligion ist nur Naturvorstellung , eine Rinde , welche die beiden Seiten des religiösen Verhältnisses n i c h t w a h r h a f t s c h e i d e t  , also nur eine u n we s e n t l i c h e Tr e n n u n g  , nur ein oberflächlicher Unterschied . Der gegenwärtige Standpunkt dagegen geht von der a b s o l u t e n R e f l e x i o n i n s i c h a l s a b s t r a c t e m F ü r s i c h s e y n aus , es tritt daher hier die Ve r m i t t l u n g d e s Ve r h ä l t n i s s e s zwischen dem Selbstbewußtseyn und seinem absoluten Wesen ein . Das Selbstbewußtseyn ist aber nicht der Mensch als Mensch im Sinne der Allgemeinheit . Das religiöse Verhältniß ist eine B e s o n d e r h e i t  , die man nach der Seite des Menschen z u f ä l l i g nennen kann , denn a l l e s E n d l i c h e ist der absoluten Macht äußerlich und enthält in ihm keine p o s i t i ve B e s t i m m u n g  . Diese Besonderheit des religiösen Verhältnisses ist aber nicht eine Besonderheit n e b e n a n d e r n  , sondern ein a u s g e s c h i e d e n e r u n e n d l i c h e r Vo r z u g  . Um dieser Bestimmungen willen stellt sich das Verhältniß so , daß jenes Volk unter der Bedingung des Grundgefühles seiner Abhängigkeit , d . h . seiner Knechtschaft angenommen ist . Dieses Verhältniß zwischen der unendlichen Macht und dem Fürsichseyenden ist daher nicht ein solches , das a n s i c h u r s p r ü n g l i c h oder nur durch die | L i e b e G o t t e s zu den M e n s c h e n gesetzt ist , sondern auf äußerliche Weise , im Ve r t r a g e ist diese Einheit gestiftet . Und zwar ist diese A n n a h m e des Volkes ein für allemal geschehen und sie nimmt die Stelle dessen ein , was in der oVenbaren Religion in der vollendeten Form die E r l ö s u n g und Ve r s ö h n u n g ist . W2 XII . 85 ,6 –85 ,1 v . u . (nach der vorigen Notiz)  : Mit der Vorstellung Gottes als des Herrn hängt es zusammen , daß sich das jüdische Volk dem Dienste des­selben ganz hingegeben hat  : daraus erklärt sich auch diese bewunderungswürdige Fe­ stigkeit , die nicht Fanatismus des Bekehrens war , wie der Muhamedanismus , der schon von der N a t i o n a l i t ä t gereinigt ist und nur G l ä u b i g e anerkennt , ­sondern F a n a t i s m u s d e r H a r t n ä c k i g k e i t   ; sie beruht allein auf der Abstraction des Einen Herrn  ; ein Schwanken tritt im Geiste nur dann ein , wenn verschiedene Interessen und Gesichtspuncte neben einander zu stehen kommen , man kann in solchem Kampfe das Eine oder das Andere ergreifen  ; in dieser Concentration aber des Einen Herrn ist der Geist vollkommen festgehalten . Es folgt daraus , daß gegen dieses feste Band k e i n e F r e i h e i t vorhanden ist  ; der Gedanke ist schlechthin gebunden an diese Einheit , die die absolute Autorität ist . Damit hängt weiter noch Vieles zusammen . Auch bei den Griechen haben

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gewisse Institutionen als göttlich gegolten , aber von Menschen waren sie eingesetzt worden , die Juden aber haben nicht so den Unterschied des Göttlichen und Menschlichen gemacht . Wegen des Mangels der Freiheit haben sie auch nicht an die Un s t e r b l i c h k e i t geglaubt  ; wenn man vielleicht davon auch einige , wenige Spuren nachweisen wollte , so bleiben doch solche Stellen immer sehr beim Allgemeinen stehen und haben nicht den geringsten Einfluß auf religiöse und moralische Gesichtspunkte . Die Unsterblichkeit der Seele ist noch nicht anerkannt  : es ist daher kein höherer Zweck als der Dienst des Jehovah , und für sich hat der Mensch den Zweck , sich und seiner Familie das Leben so lange als möglich zu erhalten . W2 XII . 85 ,1 v . u . –86 ,10 (vgl . GW 17 . 136 ,18–22 )  : Z e i t l i c h e r B e s i t z nämlich erfolgt für den Dienst , | nicht Ew i g e s  , nicht e w i g e S e l i g k e i t  . Die Anschauung und das Bewußtseyn von der Einheit der Seele mit dem Absoluten , oder von der Aufnahme der Seele in den Schooß des Absoluten ist noch nicht erwacht . Der Mensch hat noch keinen i n n e r n R a u m  , keine innere Ausdehnung oder eine Seele von dem Umfange , die i n s i c h befriedigt sein wollte , sondern die Erfüllung und Realität derselben ist das Zeitliche . Nach dem Gesetz erhielt jede Familie ein Grundstück , das nicht veräußert werden dürfe  ; so sollte für die Familie gesorgt seyn . Der Zweck des Lebens war somit hauptsächlich die Erhaltung desselben . W2 XII . 88 ,1–3 (Einschub in GW 29 ,1 . 350 ,14 )  : Weil Gott absolute Macht ist , so sind die Handlungen an sich unbestimmt , und deswegen ganz äußerlich , will­ kührlich bestimmt . W2 XII . 88 ,7–12 (statt GW 29 ,1 . 350 ,17)  : das ist aber nur eine Abweichung von den Geboten und vom Ceremoniendienst , nicht eine Abweichung vo m U r ­ s p r ü n g l i c h e n  , denn dieses gilt als solches , wie es seyn soll . Demnach ist auch die Strafe , die an den Ungehorsam geknüpft ist , nicht die absolute Strafe , sondern nur ein ä u ß e r e s Unglück , W2 XII . 89 ,2 v . u . –90 ,17 (Einschub in GW 29 ,1 . 351 ,27–28 )  : Wir haben schon gesehen , daß bei den Juden das Böse in den subjectiven Geist fällt und der Herr ist nicht im Kampf | mit dem Bösen , aber er s t r a f t das Böse  : es erscheint so­ mit dasselbe als ein ä u ß e r l i c h e r Z u f a l l  , wie es in der Vorstellung des Sündenfalls von außen herkommt , indem der Mensch von der Schlange verführt wird . / Gott straft das Böse , als welches nicht seyn soll , es soll nur das Gute , das der Herr gebietet , seyn . Es ist da noch keine Freiheit vorhanden , auch nicht die Freiheit zu untersuchen , was göttliches und ewiges Gesetz sey . Die Bestimmungen des Guten , die allerdings auch Bestimmungen der Vernunft sind , gelten als Festsetzungen des Herrn und der Herr straft die Uebertretung derselben  : das ist der Zorn Gottes . In diesem Verhältniß des Herrn ist nur ein S o l l e n   : was er

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gebietet , das soll seyn , ist Gesetz . Dem Herrn fällt die strafende Gerechtigkeit anheim  : in das Subject als Endliches fällt der Kampf des Guten und Bösen  : es ist so in ihm der Widerspruch vorhanden und es tritt damit die Zerknirschung , der Schmerz ein , daß das Gute nur Sollen ist . W2 XII . 90 ,8–2 v . u . (vgl . GW 17 . 136 ,11–16 )  : Das O p f e r hat hier nicht nur den einfachen Sinn , seines Endlichen symbolisch sich abzuthun , sich in der Einheit zu erhalten , sondern näher den Sinn der A n e r k e n n u n g d e s H e r r n  , der Bezeugung der F u r c h t gegen ihn und dann die weitere Bedeutung , daß dadurch das Uebrige a b g e k a u f t und ausgelöst wird . Der Mensch kann die Natur nicht als ein Solches betrachten , dessen er sich nach seiner Willkühr bedienen kann , er kann also hier nicht unmittelbar zugreifen , sondern er muß , was er haben will , d u r c h Ve r m i t t l u n g vo n e i n e m F r e m d e n empfangen . Alles ist des Herrn und muß ihm abgekauft werden , so wird der Zehnte entrichtet , die Erstgeburt ausgelöst . W2 XII . 91 ,4 v . o . –10 v . u . (nach GW 29 ,1 . 351 ,36 )  : Dieß ist das Opfer . Das Individuum manifestirt die Nichtigkeit seines Geltens . Dadurch kommt die Anschauung herein , daß die verdiente Manifestation der Nichtigkeit des Sünders auf das Opfer übertragen wird , indem Gott das Opfer anerkennt und somit das Selbst wieder positiv oder in ihm seyend setzt . / Diese Aeußerlichkeit des Opfers kommt daher , weil die Entsündigung als Strafe nicht als Reinigung als solche , sondern als Ve r l e t z u n g d e s b ö s e n W i l l e n s unter der Bedeutung des S c h a d e n s gedacht wird . Damit hängt es auch zusammen , daß besonders das Blut geopfert , an den Altar gesprengt wird . Denn soll die L e b e n d i g k e i t als das H ö c h s t e d e s B e s i t z e s aufgegeben werden , so muß w i r k l i c h L e b e n d i g e s hingegeben werden und das Blut , in dem das Leben des Thieres sey , wird dem Herrn zurückgegeben . Bei den Indiern wurde noch das ganze Thier verehrt  ; hier ist nun diese Verehrung zurückgenommen , aber das Blut ist noch als ein Unantastbares , Göttliches geachtet , respectirt und darf vom Menschen nicht verzehrt werden . Der Mensch hat noch nicht das Gefühl seiner concreten Freiheit , vor welcher das bloße Leben als Leben etwas Untergordnetes ist . W2 XII . 91 ,9 v . u . –95 ,5 v . u . (vor GW 29 ,1 . 352 ,6 )  : Ue b e r g a n g z u r f o l g e n d e n S t u f e  .  / Wir befinden uns zwar hier überhaupt in der Sphäre der freien Subjectivität , aber diese Bestimmung ist in der Religion der Erhabenheit noch nicht durch die To t a l i t ä t d e s r e l i g i ö s e n B e w u ß t s e y n s hindurchgeführt . Gott war als die substantielle Macht für den Gdanken bestimmt und als der Schöpfer , aber als dieser ist er zunächst nur der H e r r seiner Geschöpfe . Die Macht ist so die Ursache , die sich theilt , das aber , worin sie sich theilt , nur beherrscht . / | Der weitere Fortschritt besteht nun darin , daß dieß A n d e r e ein F r e i e s  , Entlassenes ist und Gott der Gott f r e i e r M e n s c h e n wird , die auch

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in ihrem Gehorsam gegen ihn für sich frei sind . Dieser Standpunkt , wenn wir ihn abstract betrachten , enthält folgende Momente in sich  : G o t t ist der freie Geist für sich und manifestirt sich , indem er sein Anderes sich gegenüber setzt . Dieß von ihm Gesetzte ist sein Ebenbild , denn das Subject schaVt nur sich selbst und dasjenige , zu dem es sich bestimmt , ist wieder nur es selbst  ; damit es aber wirklich als Geist bestimmt sey , muß es dieß Andere negiren und z u s i c h s e l b s t z u r ü c k ko m m e n  , denn erst , indem es im Andern sich selbst weiß , ist es frei . Weiß sich aber Gott im Andern , so ist damit ebenso das Andere für sich und weiß es sich frei . / Es ist dieß die Entlassung des Andern als eines Freien , Selbstständigen  : die Freiheit fällt so zunächst in d a s S u b j e c t und Gott bleibt in derselben Bestimmung der M a c h t  , die für sich ist und das Subject entläßt . Der Unterschied oder die weitere Bestimmung , die hinzugekommen ist , scheint demnach nur darin zu bestehen , daß die Geschöpfe nicht mehr bloß dienend sind , sondern im Dienste selbst ihre Freiheit haben . / Dieß Moment der Freiheit der Subjecte , für welche Gott ist , welches dem betrachteten Standpunkte der Religion der Erhabenheit fehlt , haben wir bereits auf einer niedriger stehenden Stufe , in der Sphäre der Naturreligion , nämlich in der s y r i s c h e n R e l i g i o n gesehen und auf der h ö h e r n Stufe , zu der wir nun übergehen , ist dasjenige , was dort noch in n a t ü r l i c h e r  , unmittelbarer Weise angeschaut wurde , in den r e i n e n B o d e n d e s G e i s t e s und in dessen innere Vermittlung umzusetzen . Dort , in der Religion des Schmerzes sahen wir , daß Gott sich selbst verliert , daß er stirbt und nur ist vermittelst der N e g a t i o n s e i n e r s e l b s t  . Diese Vermittlung ist das Moment , das hier wieder aufzunehmen ist  : der Gott stirbt und aus diesem Tode steht er wieder auf . Das ist die Negation seiner , | die wir einer Seits fassen als das A n d e r e s e i n e r  , als die Welt und er stirbt s i c h  , welches diesen Sinn hat , daß er in diesem Tode zu sich selbst kommt . Dadurch aber ist nun das Andere als frei für sich gesetzt und die Vermittlung und Auferstehung fällt demnach auf die andere Seite , auf die des GeschaVenen . / So scheint sich nun der BegriV Gottes selbst nicht zu verändern , sondern nur die Seite des Andern . Daß hier nämlich die Freiheit eintritt , daß diese Seite frei wird , ist darin enthalten , daß im Endlichen dieß A n d e r s s e y n G o t t e s e r s t i r b t und also das Göttliche im Endlichen wieder für sich hervorgeht . So wird das Weltliche als solches gewußt , d a s d a s G ö t t l i c h e a n i h m h a b e  , und das Andersseyn , welches zunächst nur die Bestimmung der Negation hat , wird wiederum negirt und ist N e g i r e n d e r N e g a t i o n a n i h m s e l b s t  . Das ist die Vermittlung , die zur Freiheit gehört  : Freiheit ist nicht bloße Negation , eine Flucht und Aufgeben , das ist noch nicht die wahre und affirmative , sondern nur die negative Freiheit . Erst die Negation der Natürlichkeit , insofern diese selbst schon als das Negative ist , ist die affir­ mative Bestimmung der Freiheit . Indem das Andere , nämlich die Welt , das end-

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liche Bewußtseyn und die Knechtschaft und Accidentalität desselben negirt wird , so liegt in dieser Vermittlung die Bestimmung der Freiheit . Die Erhebung des Geistes ist nun diese Erhebung über die Natürlichkeit , aber eine Erhebung , in der , wenn sie Freiheit seyn soll , der subjective Geist auch für sich frei ist . Dieß erscheint also zunächst nur am Subject  : »Gott ist der Gott f r e i e r Menschen .«  / Aber die Fortbestimmung fällt auch eben so sehr in die N a t u r G o t t e s  . Gott ist Geist , aber er ist dieß wesentlich nur , indem er so gewußt wird , daß er an ihm selber die Diremtion seiner ist , das ewige ErschaVen , so daß eben diese Er­ schaVung des Andern eine Rückkehr zu sich ist , in das Wissen seiner | selbst  : so ist Gott ein Gott freier Menschen . Indem dieß zur Bestimmung Gottes selbst gehört , daß er a n i h m dieß ist , d a s A n d e r e s e i n e r s e l b s t zu seyn , und daß dieß Andere eine Bestimmung an ihm selbst ist , so daß er darin zu sich selbst zurückkehrt und dieß Menschliche mit ihm versöhnt ist  : so ist damit die Be­ stimmung gesetzt , daß d i e M e n s c h l i c h k e i t i n G o t t s e l b s t i s t und so weiß der Mensch das Menschliche als ein Moment des Göttlichen selbst und ist nun in seinem Verhalten zu Gott frei . Denn das , zu dem er sich als zu seinem Wesen verhält , hat die Bestimmung der Menschlichkeit in ihm selbst und darin verhält sich der Mensch einer Seits als zur N e g a t i o n s e i n e r N a t ü r l i c h k e i t  , anderer Seits zu einem Gott , in dem das Menschliche selbst a f f i r m a t i v eine we s e n t l i c h e B e s t i m m u n g ist . Also ist der Mensch in diesem Verhalten zu Gott frei . Was im concreten Menschen ist , das ist vorgestellt als etwas Göttliches , Substantielles und der Mensch ist nach allen seinen Bestimmungen , nach Allem , was Werth für ihn hat , in dem Göttlichen gegenwärtig . Aus seinen Leidenschaf­ ten , sagt ein Alter , hat der Mensch seine Götter gemacht , d . h . aus seinen geistigen Mächten . / In diesen Mächten hat das Selbstbewußtseyn seine Wesenheiten zum Gegenstande und weiß es sich in ihnen frei . Aber es ist nicht die b e s o n d e r e Subjectivität , welche sich in diesen Wesenheiten zum Gegenstande hat und darin das Wo h l ihrer Besonderheit begründet weiß , wie in der Religion des Einen , wo nur dieß u n m i t t e l b a r e D a s e y n  , diese natürliche Existenz dieses Subjects Zweck ist und das Individuum , nicht seine Allgemeinheit das Wesentliche ist , der Knecht daher seine selbstsüchtigen Absichten hat , sondern seine G a t t u n g  , seine A l l g e m e i n h e i t hat hier das Selbstbewußtseyn in den göttlichen Mächten zum Gegenstande . Damit ist das Selbstbewußtseyn über die absolute Forderung für seine unmittelbare Einzelnheit gehoben , über die Sorge dafür hinaus und seine wesentliche | Befriedigung hat es in einer substantiellen , objectiven Macht  : es ist nur das Sittliche , das Allgemeinvernünftige , was als das an und für sich Wesentliche gilt , und die Freiheit des Selbstbewußtseyns besteht in der Wesentlichkeit seiner wahrhaften Natur und seiner Vernünftigkeit . / Dieß ist das Ganze dieses Verhältnisses , welches jetzt in den religiösen Geist einge­treten

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ist  : G o t t i s t a n i h m s e l b e r d i e Ve r m i t t l u n g  , d i e d e r M e n s c h i s t  , der Mensch weiß sich in Gott und Gott und der Mensch sagen von einander  : das ist Geist von meinem Geist . Der Mensch ist Geist wie Gott  ; er hat zwar auch die Endlichkeit an ihm und die Trennung , aber in der Religion hebt er seine Endlichkeit auf , da er das Wissen seiner in Gott ist . / Wir treten nun also zur Religion der Menschlichkeit und Freiheit . Aber die e r s t e Form dieser Religion ist selbst mit der Un m i t t e l b a r k e i t und Natürlichkeit behaftet und so werden wir das Menschliche an Gott selbst noch auf natürliche Weise sehen . Das Innere , die Idee ist zwar an sich das Wahrhafte , aber noch nicht aus der ersten , unmit­telbaren Gestalt der Natürlichkeit herausgehoben . Das Menschliche an Gott macht nur seine Endlichkeit aus und es gehört so diese Religion ihrer Grundlage nach noch zu den e n d l i c h e n R e l i g i o n e n  . Sie ist aber eine Religion der G e i s t i g k e i t  , weil die Ve r m i t t l u n g  , die in ihre Momente auseinandergelegt und zerfallen die vorhergehenden Uebergangsstufen bildete , nun als To t a l i t ä t zusammengefaßt ihre Grundlage ausmacht . Zur griechischen Religion W2 XII . 96 ,6 v . u . –97 ,14 (Einschub in GW 29 ,1 . 352 ,27)  : Die Subjectivität als Zweck ist die Selbstbestimmung und somit hat sie die Besonderung an ihr , und zwar die Besonderung als solche , als eine Welt d a s e ye n d e r Un t e r s c h i e d e  , welche als göttliche Gestaltungen sind . Die Subjectivität in der Religion der Erhabenheit hat schon einen bestimmten Zweck , die Familie , das Volk . | Aber dieser Zweck wird nur erfüllt , insofern der Dienst des Herrn nicht versäumt wird . Durch diese Forderung , welche die A u f h e b u n g des subjectiven Geistes für den bestimmten Zweck ist , wird derselbe ein allgemeiner . Wenn also einer Seits durch das Auseinanderschlagen der Einen Subjectivität in eine Vielheit der Zwecke die Subjectivität zur Besonderheit herabgesetzt wird , so ist anderer Seits die Besonderheit der Allgemeinheit entgegengehoben und diese Unterschiede werden dadurch hier göttliche , a l l g e m e i n e Un t e r s c h i e d e  . Diese Besonderheit der Zwecke ist so das Zusammenkommen der abstracten Allgemeinheit und Einzelnheit des Zweckes , i h r e s c h ö n e M i t t e  . Diese Besonderheit macht also den Inhalt der allgemeinen Subjectivität aus und insofern er in dieß Element gesetzt ist , subjectivirt er sich selbst zum Subject . W2 XII . 104 ,9 –104 ,5 v . u . (vgl . GW 29 ,1 . 355 ,5–25)  : Die neuen Götter sind aber auch wieder das Gedoppelte selbst und ve r e i n i g e n i n s i c h d a s ­N a t ü r l i ­c h e u n d G e i s t i g e  . Für die wesentliche Anschauung des Griechen war allerdings das Naturelement oder die Naturmacht nicht das wahrhaft Selbstständige , sondern nur die geistige Subjectivität . Die inhaltsvolle Subjectivität als solche , die sich nach Zwecken bestimmt , kann nicht einen bloßen Naturgehalt in sich tra-

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gen . Die griechische Phantasie hat daher auch nicht die Natur mit Göttern bevölkert , wie den Indern aus allen natürlichen Gestalten die Gestalt eines Gottes hervorspringt . Das griechische Princip ist vielmehr die subjective Freiheit und da ist das Natürliche allerdings nicht mehr würdig , den Inhalt des Göttlichen auszumachen . Andererseits ist aber diese freie Subjectivität noch nicht die a b s o l u t f r e i e  , nicht die I d e e  , die sich als Geist wahrhaft realisirt hätte , d . h . sie ist noch nicht a l l g e m e i n e u n e n d l i c h e S u b j e c t i v i t ä t  . Wir sind nur auf der Stufe , die dahin führt . Der Inhalt der freien Subjectivität ist noch b e s o n d e r e r   ; er ist zwar geistig , aber da der Geist sich nicht selbst zum Gegenstande hat , so ist die Besonderheit noch natürliche und selbst als die eine Bestimmung an den geistigen Göttern noch vorhanden . W2 XII . 105 ,13–6 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 140 ,1)  : Dieselben Gottheiten , die vorher titanisch und natürlich waren , erscheinen nachher mit einer geistigen Grundbestimmung , welche die herrschende ist , ja man hat sogar gestritten , ob im A p o l l o noch etwas Natürliches sey . Im Homer ist allerdings Helios die Sonne , aber unmittelbar zugleich die Klarheit , das geistige Moment , das Alles bescheint und erleuchtet . Aber auch noch später ist dem A p o l l immer noch etwas von seinem Naturelement geblieben  : er ward mit strahlendem Haupte dargestellt . W2 XII . 106 ,14 –107 ,6 (Einschub in GW 29 ,2 . 140 ,15–16 )  : Eine solche Umwand­ lung zeigt sich auch in der D i a n a  . Die Diana von Ephesus ist noch asiatisch und wird vorgestellt mit vielen Brüsten und bedeckt mit Bildwerken von Thieren . Sie hat überhaupt das Naturleben die erzeugende und ernährende Kraft der Natur zur Grundlage . Hingegen die Diana der Griechen ist die Jägerin , die die Thiere tödtet  ; sie hat nicht den Sinn und die Bedeutung der Jagd überhaupt , sondern der Jagd auf die wilden Thiere . Und zwar werden durch die Tapferkeit der geistigen Subjectivität die Thiere erlegt und getödtet , die in den früheren Sphären des religiösen Geistes als absolut geltend betrachtet wurden . […] P r o m e t h e u s ist Natur|macht  ; aber er ist auch Wohlthäter der Menschen , indem er sie die ersten Künste gelehrt hat . Er hat ihnen das Feuer vom Himmel geholt  ; das Feuer­ anzünden gehört schon einer gewissen Bildung an  ; es ist der Mensch schon aus der ersten Rohheit herausgetreten . Die ersten Anfänge der Bildung sind so in den Mythen in dankbarem Andenken aufbewahrt worden . W2 XII . 107 ,16–13 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 140 ,23)  : die Thiere durften sonst von dem Menschen nicht angerührt werden  ; sie waren ein von ihm zu Respectirendes  ; noch im Homer werden Sonnenrinder des Helios erwähnt , die von den Menschen nicht berührt werden durften . W2 XII . 107 ,9–2 v . u . (vgl . GW 29 ,2 . 140 ,27–31)  : Aber P r o m e t h e u s ist ein Titan , wird an den Kaukasus geschmiedet und ein Geier nagt beständig an seiner immer wachsenden Leber – ein Schmerz , der nie aufhört . Was P r o m e t h e u s

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die Menschen gelehrt , sind nur solche Geschicklichkeiten , welche die Befriedigung natürlicher Bedürfnisse angehen . In der bloßen Befriedigung dieser Bedürfnisse ist nie eine Sättigung , sondern das Bedürfniß wächst immer fort und die Sorge ist immer neu – das ist durch jenen Mythus angedeutet . W2 XII . 108 ,4 v . u . –109 ,5 (vor GW 29 ,2 . 140 ,34 )  : Indem so die geistigen Götter das Resultat durch Ueberwindung der Naturmacht , aber nur erst durch diese sind , so haben sie ihr Werden an ihnen selbst und zeigen sich als concrete Einheit . Die Naturmächte sind in ihnen als ihre Grundlage | enthalten  ; wenn auch dieß Ansich in ihnen verklärt ist . In den Göttern somit ist dieser Nachklang der Naturelemente , ein Nachklang , den H e r a k l e s nicht hat . Daß dieser Unterschied auch den Griechen selbst zum Bewußtseyn gekommen ist , davon giebt es mehrere Zeichen . W2 XII . 109 ,12 v . u . –110 ,18 (vgl . GW 17 . 124 ,3–19 )  : Diese Einheit als die a b s o l u t e N o t h­w e n d i g ­k e i t hat die allgemeine Bestimmtheit in ihr , sie ist die Fülle aller Bestimmungen , aber sie ist nicht i n s i c h e n t w i c k e l t  , da der Inhalt vielmehr auf besondere Weise an die vielen aus ihr heraustretenden Göt­ ter ver­theilt ist . Sie selbst ist leer und ohne Inhalt , verschmäht alle Gemeinschaft und Gestaltung und thront furchtbar über Allem , als blinde , unverstandene , begriV­lose Macht . BegriV los ist sie , weil nur das Concrete begriVen werden kann , sie selbst aber noch abstract ist und sich noch nicht zum ZweckbegriV , zu b e s t i m m t e n B e s t i m m u n g e n entwickelt hat . / Die Nothwendigkeit bezieht sich nun wesentlich a u f d i e  | We l t  . Denn die Bestimmtheit ist Moment der Nothwendigkeit selbst und die concrete Welt ist die e n t w i c k e l t e ­B e s t i m m t h e i t  , das Reich der Endlichkeit , des bestimmten Daseyns überhaupt . Die Nothwendigkeit hat zunächst nur eine abstracte Beziehung auf die concrete Welt und diese Beziehung ist die äußerliche Einheit der Welt , die G l e i c h h e i t überhaupt , die ohne weitere Bestimmung in ihr selbst , begriV los – die N e m e s i s ist . Sie macht das Hohe und Erhabene niedrig und stellt so die Gleichheit her . Diese Gleichmachung ist aber nicht so zu verstehen , daß , wenn das sich Her­ vorthuende und das zu Hohe erniedrigt wird , nun auch das Niedrige erhoben werde . Sondern das Niedrige ist , wie es seyn soll , es ist das Endliche , welches keine besonderen Ansprüche und noch keinen unendlichen Werth in sich hat , an den es appelliren könnte . Es ist also nicht z u niedrig  ; aber es kann über das gemeine Loos und über das gewöhnliche Maaß der Endlichkeit heraustreten und wenn es so gegen die Gleichheit handelt , wird es von der Nemesis wieder herabgedrückt . W2 XII . 112 ,4–18 (vgl . GW 17 . 139 ,25 –140 ,2 )  : Hier ist eine äußerliche Verbindung von Ursache und Wirkung , wodurch am Individuum ein Erbübel , ein alter Fluch , der auf dem Hause ruht u . s . w . ausbricht . In solchen Fällen hat also das

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Schicksal den Sinn , daß irgend ein G r u n d sey , aber ein Grund , der zugleich ein j e n s e i t i g e r ist , und das Schicksal ist dann Nichts als ein Z u s a m m e n h a n g vo n U r s a c h e n u n d W i r k u n g e n  , von Ursachen , welche für den , welchen das Schicksal triVt , endliche Ursachen seyn sollen und wo doch ein verborgener Zusammenhang ist zwischen dem , was der Leidende für sich ist , und dem , was unverdienter Weise über ihn kommt . / Die Anschauung und Verehrung der Noth­wendig­keit ist vielmehr gerade das Gegentheil , in ihr ist jene Vermittelung und das R ä s o n n e m e n t ü b e r U r s a c h e u n d W i r k u n g a u f g e h o b e n  . W2 XII . 112 ,3 v . u . –113 ,2 (statt GW 29 ,2 . 142 ,11–12 )  : Dagegen in der höhern Religion ist der Trost der , daß der absolute Endzweck auch im Unglück erreicht werde , so daß das Ne|gative in das Affirmative umschlägt . »Die Leiden dieser Zeit sind der Weg zur Seeligkeit .« W2 XII . 113 ,14–19 (vor GW 17 . 126 ,19 )  : Der BegriV ist noch nicht enthüllt und die Seite seines Daseyns enthält noch nicht den Inhalt der Nothwendigkeit . Damit ist es aber auch gesetzt , daß die Freiheit des Besondern nur der Schein der Freiheit ist und daß die besondern Mächte in der E i n h e i t und M a c h t der Nothwendigkeit gehalten werden . W2 XII . 113 ,2 v . u . –114 ,2 (vgl . GW 17 . 126 ,29 )  : Weil nun aber die Besonder­ heit noch nicht durch die Idee gemäßigt und die Nothwendigkeit nicht das inhaltsvolle Maaß | der Weisheit ist , so tritt die unbeschränkte Z u f ä l l i g k e i t d e s I n h a l t s in den Kreis der besondern Götter ein . W2 XII . 114 ,11–15 (statt GW 17 . 127 ,3–7)  : Aber sie bleiben auch g e h a l t e n von der Noth­wendig­keit und so ist die Natürlichkeit an ihnen a u f g e h o b e n  . Bliebe es dabei , daß diese Mächte nach natürlicher , unmittelbarer Existenz die göttlichen Wesenheiten wären , W2 XII . 114 ,12 v . u . –115 ,4 (vgl . GW 29 ,1 . 359 ,32 –360 ,10 )  : Wenn aber auch aufgehoben ist das N a t u r e l e m e n t doch noch eine Bestimmtheit der besondern Mächte und indem es in die Gestalt der selbstbewußten Individuen aufge­ nommen ist , ist es ein reichhaltiger Quell z u f ä l l i g e r B e s t i m m u n g e n geworden . Die Zeitbestimmung , das Jahr , die Monatseintheilung spielt noch so sehr an den concreten Göttern herum , daß man es sogar , wie Dupuis , versucht hat , sie zu Calendergöttern zu machen . Auch die Anschauung vom E r z e u g e n der Natur , vom Entstehen und Vergehen ist noch in mannigfachen Anklängen im Kreis der geistigen Götter wirksam gewesen . Aber als erhoben in die selbstbewußte Gestalt dieser Götter erscheinen jene natürlichen Bestimmungen als zufällig und sind sie zu | B e s t i m m u n g e n s e l b s t b e w u ß t e r S u b j e c t i v i t ä t verwandelt , wodurch sie ihren Sinn verloren haben . Das große Recht ist zuzugeben , daß in den Handlungen dieser Götter nach sogenannten Philosophemen gesucht wird .

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W2 XII . 116 ,3–16 (nach GW 29 ,2 . 143 ,16 )  : Endlich ist die f r e i e I n­d i­v i d u a ­ l i­t ä t der Götter der Hauptquell des mannigfachen zufälligen Inhalts , der ihnen zugeschrieben wird . Sie sind nämlich , wenn auch noch nicht unendliche , absolute Geistigkeit , doch c o n c r e t e  , subjective Geistigkeit . Als solche haben sie nicht abstracten Inhalt und es ist nicht nur Eine Eigenschaft in ihnen , sondern sie vereinigen mehrere Bestimmungen in sich . Besäßen sie nur Eine Eigenschaft , so wäre diese nur ein abstractes Innere oder einfache Bedeutung und sie selbst wären nur A l l e g o r i e n  , d . h . nur als concret vo r g e s t e l l t  . Aber im concreten Reichthum ihrer Individualität sind sie nicht an die beschränkte Richtung und Wirkungsweise Einer ausschließlichen Eigenschaft gebunden , sondern sie können sich nun frei in beliebigen , aber damit auch w i l l k ü h r l i c h e n und zufälligen Richtungen ergehen . W2 XII . 117 ,8 v . u . –118 ,2 (nach GW 29 ,1 . 362 ,12 )  : Die Gnade erleuchtet das Herz des Menschen , sie ist der Geist Gottes im Menschen , so daß der Mensch bei ihrem Wirken als passiv vorgestellt werden kann , so daß es nicht seine eigne Thätigkeit ist . Im BegriV ist aber diese gedoppelte Thätigkeit als E i n e zu fassen . Hier auf der gegenwärtigen Stufe ist diese Einheit des BegriVs noch nicht gesetzt und die Seite der productiven Thätigkeit , die auch dem Subjecte zukommt , erscheint als selbstständig für sich in | der Art , daß das Subject die Erscheinung des Göttlichen m i t B e w u ß t s e y n als s e i n Werk hervorbringt . W2 XII . 118 ,6 v . o . –4 v . u . (nach GW 29 ,2 . 144 ,7)  : Die Naturerscheinungen oder dieß Unmittelbare , Aeußerliche sind aber nicht Erscheinung in dem Sinne , daß das Wesen nur ein G e d a n k e i n u n s wäre , wie wir von K r ä f t e n der Natur sprechen und von deren Aeußerungen . Hier ist es nicht an den Natur­ gegen­ständen selbst , nicht objectiv an ihnen als solchen , daß sie als Erscheinungen des Innern existiren  ; als Naturgegenstände existiren sie nur für unsre sinnliche Wahrnehmung und für diese sind sie nicht E r s c h e i n u n g d e s A l l g e m e i n e n  . So ist es z . B . nicht am Lichte als solchem , daß sich der Gedanke , das Allgemeine kund gibt , beim Naturwesen müssen wir vielmehr erst die Rinde durchbrechen , hinter welcher sich der Gedanke , das Innere der Dinge verbirgt . / Sondern das Natürliche , Aeußerliche soll a n i h m s e l b s t zugleich , soll in seiner Aeußerlichkeit als a u f g e h o b e n e s und a n i h m s e l b s t als E r s c h e i n u n g g e s e t z t seyn , so daß sie nur Sinn und Bedeutung hat als A e u ß e r u n g und Organ des Gedankens und des A l l g e m e i n e n  . Der G e d a n k e soll für die A n s c h a u u n g seyn , d . h . was geoVenbart wird , ist einerseits die sinnliche Weise , und dasjenige , was wahrgenommen wird , ist zugleich der Gedanke , das Allgemeine . Es ist die N o t h­w e n d i g ­k e i t  , die auf göttliche Weise e r s c h e i n e n  , d . h . in dem Da­ 19 das] daß

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seyn als Nothwendigkeit in unmittelbarer Einheit mit demselben seyn soll . Das ist die g e s e t z t e Noth­wendig­keit , d . h . die d a s e ye n d e  , die als e i n f a c h e R e f l e x i o n i n s i c h existirt . W2 XII . 119 ,1–12 (nach GW 29 ,2 . 144 ,14 )  : In diesem Prozeß verliert das Natürliche seine Selbstständigkeit und wird es zum Zeichen des inwohnenden Geistes herabgesetzt , so daß es nur diesen an sich erscheinen läßt . / Die Freiheit des Geistes ist hier noch nicht die unendliche des D e n k e n s  , die geistigen Wesenheiten sind noch nicht gedacht  ; wäre der Mensch denkend , so daß das reine Denken die Grundlage ausmachte , so gäbe es nur Einen Gott für ihn . Eben so wenig aber findet der Mensch seine Wesenheiten als vorhandene , u n m i t t e l b a r e Naturgestalten vor , sondern bringt sie für die Vorstellung hervor und dieß H e r vo r b r i n g e n als die Mitte zwischen dem reinen Denken und der unmittelbaren Naturanschauung ist die Phantasie . W2 XII . 119 ,17–23 (statt GW 29 ,2 . 144 ,22–28 )  : Erfunden sind sie vom menschlichen Geiste nicht ihrem a n u n d f ü r s i c h ve r n ü n f t i g e n I n h a l t e nach , aber so , wie sie G ö t t e r sind . Sie sind gemacht , gedichtet , aber nicht erdichtet . Sie gehen zwar im Gegensatze gegen das Vorhandene aus der m e n s c h l i c h e n Phantasie hervor , aber als we s e n t l i c h e Gestalten und das Produkt ist zugleich als das Wesentliche gewußt . W2 XII . 120 ,5–18 (nach GW 29 ,2 . 145 ,3)  : Aus dieser Deutung entstanden jene unzähligen anmuthigen Geschichten und die unendliche Menge der griechischen Mythen . / Von allen Seiten her , nach denen wir das griechische Princip nur betrachten können , dringt in dasselbe das Sinnliche und Natürliche ein . Die Götter , wie sie aus der Noth­wendig­keit heraustreten , sind beschränkt und haben auch deshalb noch den Anklang des Natürlichen an sich , weil sie ihren Hervorgang aus dem Kampf mit den Naturgewalten verrathen  : ihre Erscheinung mit der sie sich dem Selbstbewußtseyn ankündigen , ist noch äußerlich und auch die Phantasie , welche diese Erscheinung bildet und gestaltet , erhebt ihren Ausgangspunkt noch nicht in den reinen Gedanken . Wir haben nun zu sehen , wie dieß natürliche Moment vollends zur schönen Gestalt verklärt wird . W2 XII . 121 ,9 –123 ,6 v . u . (vgl . GW 17 . 128 ,19 –129 ,27)  : Dieser Zusammenhang ist nicht leicht zu fassen , daß die Grundbestimmung und die Seite des B e g r i f f s die a b s o l u t e N o t h we n d i g k e i t und die Seite der R e a l i t ä t  , wodurch dieser BegriV Id e e ist , die m e n s c h l i c h e G e s t a l t ist . Der BegriV muß überhaupt wesentlich Realität haben . Diese Bestimmung liegt dann näher in der Nothwendigkeit selbst , da sie nicht das abstracte Seyn , sondern das an und für sich Bestimmte ist . Die Bestimmtheit nun , weil sie zugleich n a t ü r l i c h e  , ä u ß e r ­ l i c h e R e a l i t ä t ist , ist nun ferner zugleich z u r ü c k g e n o m m e n i n d i e e i n f a c h e N o t h­we n d i g ­k e i t  , so daß diese es ist , die an diesem Bunten , Sinnlichen

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sich darstellt . Erst wenn es nicht mehr die Nothwendigkeit , sondern der Geist ist , welcher das Göttliche ausmacht , wird dieses ganz im Elemente des Denkens angeschaut . Hier aber bleibt noch das Moment der äußerlichen Anschaubarkeit , an welcher sich jedoch die einfache Nothwendigkeit darstellt . Dieß ist allein der Fall an der menschlichen Gestalt , weil sie Gestalt des Geistigen ist und nur in ihr die Realität für das Bewußtseyn in die Einfachheit der Nothwendigkeit zurückgenommen werden kann . / Das L e b e n ü b e r h a u p t ist diese Unendlichkeit des freien Daseyns und als Lebendiges diese Subjectivität , welche gegen die unmittelbare Bestimmtheit reagirt und sie in der Empfindung mit sich identisch setzt . Aber die Lebendigkeit des T h i e r e s  , d . h . das Daseyn und die Aeußerung seiner Unendlichkeit hat schlechthin einen nur b e s c h r ä n k t e n Inhalt , ist nur in ein|zelne Zustände versenkt . Die Einfachheit , zu der diese Bestimmtheit zurückgenommen ist , ist ein beschränktes und nur formell , und der Inhalt ist dieser seiner Form nicht angemessen . Hingegen am denkenden Menschen ist auch in seinen e i n z e l n e n Zuständen das G e i s t i g e ausgedrückt  ; dieser Ausdruck gibt zu erkennen , daß der Mensch auch in diesem oder jenem beschränkten Zustande zugleich darüber hinaus , f r e i ist und b e i s i c h b l e i b t  . Man unterscheidet sehr wohl , ob ein Mensch in der Befriedigung seiner Bedürfnisse sich thierisch verhält oder menschlich . Das Menschliche ist ein feiner Duft , der sich über alles Thun verbreitet . Außerdem hat der Mensch nicht nur solchen Inhalt der bloßen Lebendigkeit , sondern zugleich einen unendlichen Umfang von höheren Aeuße­ rungen , Thätigkeiten und Zwecken , deren Inhalt selbst das Un e n d l i c h e  , A l l g e m e i n e ist . So ist der Mensch die absolute Reflexion in sich , die wir im BegriVe der Nothwendigkeit haben . Der Physiologie käme es eigentlich zu , den menschlichen Organismus , die menschliche Gestalt als die für den Geist einzig wahrhaft angemessene zu erkennen  ; sie hat aber in dieser Hinsicht noch wenig gethan . Daß nur die Organisation des Menschen die Gestalt des Geistigen sey , hat schon A r i s t o t e l e s ausgesprochen , wenn er es als Mangel der Vorstellung von der Seelenwanderung bezeichnet , daß nach ihr die leibliche Organisation des Menschen nur eine zufällige sey . / Der einzelne wirkliche Mensch aber hat in seinem unmittelbaren Daseyn noch die Seite der u n m i t t e l b a r e n N a t ü r l i c h k e i t an sich , die als ein Zeitliches und Vergängliches erscheint , das aus der Allgemeinheit herabgefallen ist . Nach dieser Seite der Endlichkeit tritt eine ­D i s h a r m o n i e dessen ein , was der Mensch an sich ist und was er in der Wirklichkeit ist . Nicht in allen Zügen und Theilen des einzelnen Menschen ist das Gepräge der einfachen Noth­wendig­keit ausgedrückt  : die empirische Einzelnheit und der Ausdruck einfacher Innerlichkeit sind | vermischt und die Idealität des Natürlichen , die Freiheit und Allgemeinheit sind durch die Bedingungen des bloß natürlichen Lebens und durch eine Menge von Verhältnissen der Noth

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verdüstert . Nach dieser Seite , daß ein A n d e r e s in den Menschen scheint , entspricht die Erscheinung der Gestalt , der einfachen Nothwendigkeit nicht  : sondern dieß , daß seinem Daseyn in allen seinen Zügen und Theilen das Gepräge der Allgemeinheit , der einfachen Nothwendigkeit aufgedrückt sey , (was Goethe passend die B e d e u t s a m k e i t als den Charakter der classischen Kunstwerke nannte)  : dieß macht die Nothwendigkeit aus , daß die G e s t a l t nur im G e i s t e concipirt , nur aus ihm erzeugt , unter seiner Vermittlung hervorgebracht , d . h . I d e a l und K u n s t we r k sey . Dieß ist höher als ein Naturproduct  : man sagt zwar ein Naturproduct vielmehr sey vorzüglicher , weil es von Gott gemacht sey , das Kunstwerk aber n u r von Menschen . Als ob die Naturgegenstände nicht auch den unmittelbar natürlichen , endlichen Dingen , dem Saamen , der Luft , dem Wasser , dem Licht ihr Daseyn verdankten und die Macht Gottes nur in der Natur , nicht auch im Menschlichen , im Reiche des Geistigen lebe . Wenn vielmehr die Naturproducte nur unter der Bedingung für sie ä u ß e r l i c h e r und z u f ä l l i g e r U m s t ä n d e und unter dem von außen kommenden Einfluß derselben gedeihen , so ist es im Kunstwerk d i e Noth­wendig­keit , welche als die innere Seele und als der BegriV der Aeußerlichkeit erscheint . D i e Noth­wendig­keit nämlich heißt hier nicht , daß Gegenstände nothwendig sind und die Noth­wendig­keit zu ihrem P r ä d i c a t e haben , sondern die Nothwendigkeit ist das S u b j e c t  , das in seinem Prädicate , im äußerlichen Daseyn e r s c h e i n t  . W2 XII . 123 ,5 v . u . –124 ,16 (vgl . GW 29 ,2 . 264 ,23 –265 ,17)  : Fällt nun in diesem Proceß die Manifestation auf die subjective Seite , so daß der Gott als ein von Menschen Gemachtes erscheint  : so ist das nur e i n Moment . Denn dieß Gesetzt­seyn des Gottes ist vielmehr d u r c h d i e A u f h e b u n g d e s e i n z e l n e n S e l b s t e s ve r m i t t e l t und so war es den Griechen mög|lich , im Z e u s des P h i d i a s ihren Gott anzuschauen . Der Künstler gab ihnen nicht abstract s e i n Werk , sondern die eigne Erscheinung des Wesentlichen , d i e G e s t a l t d e r d a ­ s e ye n d e n N o t h­we n d i g­k e i t  .  / Die Gestalt des Gottes ist also die i d e a l e   : vor den Griechen ist keine wahrhafte Idealität gewesen und sie hat auch in der Folge nicht mehr vorkommen können . Die Kunst der christlichen Religion ist zwar schön  : aber die Idealität ist nicht ihr letztes Princip . Damit kann man den Mangel der griechischen Götter nicht treVen , wenn man sagt , sie seyen a n t h r o p o ­ p a t h i s c h  , unter welche Bestimmung der Endlichkeit man dann auch das Unmoralische z . B . die Liebesgeschichten des Zeus rechnet , die in ältern Mythen der noch natürlichen Anschauung ihren Ursprung haben mögen  : der Hauptfehler ist nicht der , daß zu viel Anthropopathisches in diesen Göttern sey , sondern z u we n i g  . W2 XII . 125 ,1 v . o . –8 v . u . (nach GW 29 ,1 . 363 ,21)  : Wie der Gott , obwohl geistige , allgemeine Macht , von der Natürlichkeit herkommt , so muß er auch zum

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Elemente seiner Gestaltung das Natürliche haben und es muß zur Erscheinung kommen , daß eben das Natürliche die Weise des Ausdrucks des Göttlichen ist . Der Gott erscheint so im Stein und das Sinnliche gilt noch als angemessen für den Ausdruck des Gottes als Gottes . Erst wenn der Gott selbst als d i e s e r E i n z e l n e erscheint und oVenbart , der Geist , das subjective Wissen vom Geist als Geist sey die wahrhafte Erscheinung Gottes , dann erst wird die Sinnlichkeit frei  : d . h . sie ist nicht mehr dem Gotte vermählt , sondern zeigt sich seiner Gestalt als unangemessen  : die Sinnlichkeit , unmittelbare Einzelnheit wird ans Kreuz geschlagen . In dieser Umkehrung zeigt sich aber dann auch , daß diese Entäußerung Gottes zur menschlichen Gestalt nur Eine Seite des göttlichen Lebens ist  ; denn diese E n t ä u ß e r u n g und Manifestation wird in dem E i n e n  , der so erst als Geist für den Gedanken und für die Gemeinde ist , z u r ü c k g e n o m m e n  , dieser einzelne , existirende , wirkliche Mensch wird a u f g e h o b e n und als M o m e n t  , als eine der Personen Gottes in Gott gesetzt . So erst ist der Mensch als dieser Mensch wahrhaft in Gott , so ist die Erscheinung des Göttlichen absolut und ihr Element der Geist selbst . Die jüdische Vorstellung , daß Gott wesentlich aber nur für den Gedanken ist und die Sinnlichkeit der griechischen schönen Gestalt sind in diesem Proceß des göttlichen Lebens gleicherweise enthalten und als aufgehoben von ihrer Beschränkung befreit . W2 XII . 125 ,7 v . u . –126 ,3 (vgl . GW 17 . 130 ,10 –131 ,12 )  : Auf dieser Stufe , auf welcher das Göttliche zu seiner wesentlichen Darstellung noch des Sinnlichen bedarf , erscheint es als eine V i e l h e i t von Göttern . An dieser Vielheit ist es zwar , daß die Nothwendigkeit als die einfache Reflexion in sich sich darstellt  ; aber diese E i n f a c h h e i t ist nur F o r m  , denn der StoV , an welchem sie sich darstellt , ist noch Unmittelbarkeit , Natürlichkeit , n i c h t d e r a b s o l u t e S t o f f   : der Geist . Es ist | also nicht der Geist als Geist , der hier dargestellt wird  : das g e i s t i g e D a s e y n eilt vielmehr dem B e w u ß t s e y n d e s I n h a l t s voraus , denn dieser ist noch nicht selbst Geist . W2 XII . 127 ,8–23 (Einschub in GW 29 ,1 . 365 ,21)  : Das griechische ist daher das menschlichste Volk  : alles Menschliche ist a f f i r m a t i v b e r e c h t i g t  , entwickelt und es ist M a a ß darin . / Diese Religion ist überhaupt eine Religion der M e n s c h l i c h k e i t  , d . h . der concrete Mensch ist nach dem , was er ist , nach seinen Bedürfnisse , Neigungen , Leidenschaften , Gewohnheiten , nach seinen sittlichen und politischen Bestimmungen , nach Allem , was darin Werth hat und wesentlich ist , s i c h g e g e n w ä r t i g i n s e i n e n G ö t t e r n  . Oder es hat sein Gott diesen Inhalt des Edlen , Wahren , der zugleich der des concreten Menschen ist . Diese Menschlichkeit der Götter ist das , was das Mangelhafte , aber zugleich auch das Bestechende ist . In dieser Religion ist nichts unverständlich , nichts unbegreiflich , es ist kein Inhalt in dem Gotte , der dem Menschen nicht bekannt

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ist , den er in sich selbst nicht finde , nicht wisse . Die Zuversicht des Menschen zu den Göttern ist zugleich seine Zuversicht z u s i c h s e l b s t  . W2 XII . 129 ,9–23 (vgl . GW 17 . 141 ,14 –142 ,13)  : Weil nun in der unbefangenen Sittlichkeit die Unendlichkeit der formellen Subjectivität nicht anerkannt ist , daher kommt dem Menschen als solchem nicht die absolute Geltung zu , daß er an und für sich gelte , mag er in seiner innern Erfüllung seyn , wie er will , da oder dort geboren , reich oder arm , diesem oder jenem Volke angehörig . Die Freiheit und Sittlichkeit ist noch eine b e s o n d e r e und das Recht des Menschen mit einer Zufälligkeit behaftet , so daß auf dieser Stufe wesentlich Sclaverei stattfindet . Es ist noch zufällig , ob der Mensch Bürger dieses Staates , ob er frei ist oder nicht . Weil ferner der u n e n d l i c h e G e g e n s a t z noch nicht vorhanden ist und die a b s o l u t e R e f l e x i o n d e s S e l b s t b e w u ß t s e y n s i n s i c h  , diese Spitze der Subjectivität fehlt , so ist auch die M o r a l i t ä t als eigne Überzeugung und Einsicht noch nicht entwickelt . W2 XII . 130 ,11 v . o . –7 v . u . (vgl . GW 17 . 142 ,28 –143 ,6 )  : Bestimmter aber wird dieß Bewußtseyn , wenn die Moralität hervorbricht , das Selbstbewußtseyn sich in sich vertieft und dazu kommt , nur das als gut , wahr und recht anzuerkennen , was es sich und seinem Denken gemäß findet . Bei Socrates und Plato ist daher sogleich ausdrücklich von der Unsterblichkeit der Seele die Rede , während diese Vorstellung vorher mehr bloß als allgemeine galt und als solche , die nicht ab­ soluten Werth an und für sich selber habe . / Wie dem Selbstbewußtseyn noch die unendliche Subjectivität , der a b s o l u t e E i n h e i t s p u n k t d e s B e g r i f f s fehlt , so mangelt sie auch noch s e i n e n We s e n h e i t e n  . Diese Einheit fällt in das , was wir als seine N o t h we n d i g k e i t haben kennen lernen  ; dieses liegt aber außerhalb des Kreises der besondern , substantiellen Wesenheiten . Gleich dem Menschen als solchem haben auch die besondern Wesenheiten keine a b s o l u t e B e r e c h t i g u n g  , W2 XII . 133 ,12–26 (Einschub in GW 29 ,2 . 147 ,26 )  : Das Fatum ist das BegriVlose , wo Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in der Abstraction verschwinden  : in der Tragödie dagegen ist das Schicksal innerhalb eines Kreises s i t t l i c h e r G e r e c h t i g ­k e i t  . Am erhabensten finden wir das in den Sophokleischen Tragödien . Es wird daselbst vom Schicksal und von der Nothwendigkeit gesprochen  ; das Schicksal der Individuen ist als etwas Unbegreifliches dargestellt , aber die Noth­wendig­keit ist nicht eine blinde , sondern sie ist erkannt als die wahrhafte Gerechtigkeit . Dadurch eben sind jene Tragödien die unsterblichen Geisteswerke des sittlichen Verstehens und Begreifens , die ewigen Muster des sittlichen BegriVs . Das blinde Schicksal ist etwas Unbefriedigendes . In diesen Tragödien wird die Gerechtigkeit begriVen . Auf eine plastische Weise wird die Collision der beiden höchsten sittlichen Mächte gegen einander dargestellt

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W2 XII . 134 ,8–16 (nach GW 29 ,2 . 148 ,1)  : Eine andere Collision ist z . B . im O e d i p u s dargestellt . Er hat seinen Vater erschlagen , ist scheinbar schuldig , aber schuldig , weil seine sittliche Macht einseitig ist . Er fällt nämlich b e w u ß t l o s   in diese gräßliche That . Er ist aber der , der das Räthsel der Sphinx gelöst hat  : dieser hohe W i s s e n d e  . So stellt sich als Nemesis ein Gleichgewicht her  : der so wissend war , steht in der Macht des Bewußtlosen , so daß er in tiefe Schuld fällt , als er hoch stand . Hier ist also der Gegensatz der beiden Mächte der des Bewußtseyns und der Bewußtlosigkeit . W2 XII . 136 ,9–16 (vor GW 29 ,1 . 367 ,19 )  : Kommt es nun darauf an , daß die Subjectivität sich m i t B e w u ß t s e y n die Identität mit dem gegenüberstehenden Göttlichen gebe , so müssen b e i d e T h e i l e vo n i h r e r B e s t i m m t h e i t a u f g e b e n   : Gott steigt herab von seinem Weltenthron , giebt sich selber Preis und der Mensch muß beim Empfang der Gabe die Negation des subjectiven Selbstbewußtseyns leisten , d . h . den Gott anerkennen oder die Gabe mit der Anerkennung der Wesentlichkeit , die darin ist , in Empfang nehmen . W2 XII . 136 ,5–2 v . u . (vgl . GW 17 . 145 ,1–5)  : Wenn sich nun die göttlichen Mächte als Naturgaben preisgeben und freundlich zum Gebrauche darbieten , so hat der Dienst , in dem sich der Mensch das Bewußtseyn der Einheit mit seinen Mächten giebt , folgenden Sinn . W2 XII . 137 ,11–19 (vgl . GW 17 . 145 ,14–21)  : Es verschwindet insofern das Verhältniß der N o t h   : die Nothdurft dankt den Göttern für das Empfangen und sie setzt eine Tr e n n u n g voraus , welche aufzuheben nicht in der Gewalt des Menschen steht . Die eigentliche Noth tritt erst ein durch Eigenthum und Festhalten eines Willens  : zu den Naturgaben steht aber der Mensch nicht in solchem Verhältnisse der Noth , sie haben es ihm im Gegentheil zu danken , daß Etwas aus ihnen wird  ; ohne ihn würden sie verfaulen , vertrocknen und unnütz vergehen . W2 XII . 139 ,11–6 v . u . (vor GW 17 . 145 ,22 )  : 2 . Auch der Dienst als Verhalten zu den Göttern nach ihrer g e i s t i g e n Seite hat nicht den Sinn , sich diese Mächte erst a n z u e i g n e n  , sich der Identität mit ihnen erst bewußt zu werden . Denn diese Identität ist bereits vorhanden und der Mensch findet diese Mächte in seinem Bewußtseyn bereits realisirt . W2 XII . 139 ,1 v . u . –140 ,18 (vgl . GW 17 . 146 ,9–11)  : Es bleibt somit für den Cultus nur übrig , | diese Mächte anzuerkennen , sie zu ehren und somit die Identität in die Form des B e w u ß t s e y n s zu erheben und zur t h e o r e t i s c h e n Gegenständlichkeit zu machen . / Vergleichen wir diese Gegenständlichkeit mit unserer Vorstellung , so heben wir auch das Allgemeine aus unserm unmittelbaren Bewußtseyn heraus und denken dasselbe . Wir können auch dazu fortgehen , diese allgemeinen Mächte zum Idealen zu erheben und ihnen geistige Gestalt zu geben . Aber solchen Gebilden Gebet zu weihen , Opfer zu bringen , das ist der Punkt ,

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wo wir uns von jener Anschauung trennen  ; bis dahin können wir nicht gehen , jenen Bildern , welche jedoch keine Einbildungen , sondern wesentliche Mächte sind , vereinzelte Selbstständigkeit zu geben und ihnen Persönlichkeit gegen uns zuzuschreiben . Unser Bewußtseyn der unendlichen Subjectivität als einer allgemeinen zehrt jene Besonderheiten auf und setzt sie zu schönen Phantasiebildern herab , deren Gehalt und Bedeutung wir wohl zu würdigen wissen , die uns aber nicht als wahrhaft selbstständig gelten können . W2 XII . 141 ,7–14 (nach GW 17 . 149 ,21)  : So lange aber noch die productive Kraft dieses Standpunktes frisch und thätig ist , besteht die h ö c h s t e A s s i m i l a t i o n d e s G ö t t l i c h e n darin , daß das Subject den Gott d u r c h s i c h gegen­ wärtig macht und ihn a n s i c h s e l b s t zur Erscheinung bringt . Indem dabei die bewußte Subjectivität des Gottes zugleich auf einer Seite als Jenseits bleibt , so ist diese Darstellung des Göttlichen zugleich seine A n e r k e n n u n g und die Ve r e h r u n g s e i n e r s u b s t a n t i e l l e n We s e n h e i t  . W2 XII . 142 ,16–24 (statt GW 29 ,1 . 370 ,6–9 )  : So sehr sich nun aber auch der Mensch der unmittelbaren Identität mit den wesentlichen Mächten gewiß wird , sich die Göttlichkeit aneignet und ihrer Gegenwart in sich und seiner selbst in ihr sich erfreuet , mag er immer jene natürlichen Götter verzehren , die sittlichen in der Sitte und im Staatsleben darstellig machen oder mag er praktisch göttlich leben und die Gestalt und Erscheinung der Göttlichkeit in dem Festdienste in seiner Subjectivität hervorbringen  : so bleibt für das Bewußtseyn doch noch ein J e n s e i t i g e s z u r ü c k  , W2 XII . 144 ,9–23 (nach GW 17 . 157 ,10 )  : Dieß ist s e i n Thun , seine Entschließung , die er aber auch wieder als z u f ä l l i g weiß . Nach den Umständen , die ich k e n n e  , kann ich mich zwar entschließen , aber außer diesen mir bekannten können auch a n d e r e vorhanden seyn , durch welche die Realisirung meines Zweckes zunichte gemacht wird . Bei diesen Handlungen bin ich also in der Welt der Zufälligkeit . […] Die Entschließung kann somit insofern nichts Festes , nichts in sich Begründetes seyn , sondern indem ich mich entschließe , weiß ich zugleich , daß ich von A n d e r e m  , Un b e k a n n t e m abhängig bin . Da nun weder im Göttlichen , noch im Individuum das Moment der unendlichen Subjectivität vorhanden ist , W2 XII . 145 ,14–18 (vor GW 17 . 159 ,9 )  : Indem nun also der Mensch etwas will , so fordert er , um seinen Entschluß wirklich zu fassen , eine äußere , objective Bestätigung , daß er seinen Entschluß als einen solchen wisse , der eine Einheit des Subjectiven und Objectiven , ein b e s t ä t i g t e r und b e w a h r h e i t e t e r sey . W2 XII . 146 ,12 v . u . –147 ,9 (nach GW 29 ,1 . 371 ,25)  : Aber auch als concreter Ausspruch des Gottes sind die Orakel d o p p e l s i n n i g  . Nach ihnen handelt der Mensch , indem er sich e i n e S e i t e herausnimmt . Dagegen tritt denn die andere auf  ; der Mensch geräth in C o l l i s i o n  . Die Orakel sind dieß , daß der Mensch

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sich als unwissend , den Gott als wissend setzt  ; unwissend nimmt der Mensch den Spruch des wissenden Gottes auf . Er ist somit nicht Wissen des OVen­baren  , sondern Nichtwissen desselben . Er handelt nicht wissend nach der OVen­barung des Gottes , welcher als allgemein die Bestimmtheit nicht in sich hat und so , in der Möglichkeit beider Seiten , doppelsinnig seyn muß . Sagt das Orakel  : gehe hin und der Feind wird überwunden , so sind Beide Feinde »der Feind .« Die | OVen­ba­r ung des Göttlichen ist allgemein und muß allgemein seyn  ; der Mensch deutet sie als unwissend  ; er handelt danach  ; die That ist die seinige  ; so weiß er sich als schuldig . Der Vogelflug , das Rauschen der Eichen sind allgemeine Zeichen . Auf die bestimmte Frage giebt der Gott als der allgemeine eine allgemeine Antwort  : denn nur das Allgemeine , nicht das Individuum als solches ist der Zweck der Götter . Das Allgemeine aber ist unbestimmt , ist doppelsinnig  : denn es enthält beide Seiten . W2 XII . 148 ,9–15 (nach GW 29 ,1 . 372 ,21)  : Soll aber für die Anschauung dieser Gang des sich Umkehrens , sich Negirens und Absterbens als a b s o l u t und we s e n t l i c h gegeben werden , so muß er i n d e n g ö t t l i c h e n G e g e n s t ä n d e n selbst angeschaut werden . Diesem Bedürfniß wird nun in der That durch einen P r o c e ß abgeholfen , der i n d e r A n s c h a u u n g d e r G ö t t e r we l t sich in fol­ gender Weise ausgeführt hat . W2 XII . 148 ,18–27 (statt GW 17 . 151 ,5)  : Die Beschränktheit der Götter führt selbst unmittelbar zur Erhebung über dieselben und zum Versuch , sie in E i n e c o n c r e t e A n s c h a u u n g  , nämlich nicht nur in die abstracte Nothwendigkeit , denn diese ist nichts Gegenständliches , zu vereinigen . Diese Erhebung kann hier noch nicht die absolute in sich concrete Subjectivität als Geist , aber auch nicht der Rückfall zu der Anschauung von der Macht des Einen und zu dem negativen Dienste des Herrn seyn , sondern das Eine , welches dem Selbstbewußtseyn auf diesem Standpunkte Gegenstand wird , ist W2 XII . 150 ,13–16 (nach GW 17 , 153 ,9 )  : Diese Vorstellung ist schon in vielen exoterischen Anschauungen der Mythologie vorhanden . Schon der Götterkrieg und die Besiegung der Titanen ist dieß göttliche Hervorgehen des Geistigen aus der Ueberwindung der rohen Naturmächte . W2 XII . 154 ,15–20 (vgl . GW 29 ,2 . 266 ,15–16 )  : S o k r a t e s ist vom Orakel für den weisesten Griechen erklärt worden , von ihm aus schreibt sich die eigent­ liche Umkehrung des Selbstbewußtseyns der Griechen  : dieser Angel des Selbst­ bewußt­seyns war aber nicht in die Mysterien eingeweiht , sie standen tief unter dem , was er zum Bewußtseyn der denkenden Welt gebracht hat . W2 XII . 155 ,6–13 (statt GW 29 ,1 . 347 ,29 –348 ,2 )  : Als die Griechen wollten von Aulis abfahren und ungünstige Winde sie zurückhielten , erklärte K a l c h a s den Sturm für den Zorn des Po s e i d o n  , der A g a m e m n o n s Tochter als Opfer fordere . A g a m e m n o n ist sie dem Gott hinzugeben bereit . D i a n a rettet die

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Jungfrau . Im O e d i p u s Tyrannus des Sophokles wird eine Krankheit verhängt , durch welche die That des Vatermörders enthüllt wird . W2 XII . 155 ,17–19 (Einschub in GW 29 ,1 . 375 ,4–5)  : Dieß Appelliren an ­O r a k e l enthält das Antiquiren solches Opfers in sich . Wird nämlich das Orakel um Rath gefragt , so wird der Erfolg als vom Gott selbst bestimmt angesehen . Zur römischen Religion W2 XII . 161 ,6–10 (Einschub in GW 17 . 167 ,5–6 )  : Dieß ist nämlich die wahrhafte Zweckmäßigkeit , in welcher die Einheit des BegriVs , Gottes , des göttlichen Subjects und dessen , in dem sich der BegriV realisirt , der Objectivität und der Realisation gesetzt wird und die Natur Gottes selbst es ist , die sich in der Objectivität ausführt und so in der Seite der R e a l i t ä t m i t s i c h i d e n t i s c h ist . W2 XII . 168 ,11–14 (Einschub in GW 29 ,2 . 163 ,25–26 )  : Das r ö m i s c h e Vo l k ist die a l l g e m e i n e F a m i l i e  , während in der Religion der Schönheit v i e l e Familien der göttliche Zweck waren , in der Religion des Einen dagegen nur Eine Familie . W2 XII . 175 ,8–11 (vor GW 29 ,1 . 381 ,25)  : Auf der andern Seite war es aber auch ein allgemeineres religiöses Bedürfniß und zugleich die erdrückende Macht des römischen Schicksals , was die individuellen Götter in eine Einheit versammelte . W2 XII . 176 ,4 v . u . –177 ,3 (vor GW 29 ,2 . 166 ,8 )  : So hat die Römer immer der Schauer vor einem Unbekannten , Bestimmungs- und Bewußtlosen begleitet , überall haben sie etwas G e h e i m n i ßvo l l e s gesehen und einen unbestimmten Schauder empfunden , der sie bewog , ein Unverstandenes vorzu|schieben , das als ein Höheres geachtet wurde . Die Griechen haben dagegen Alles klar gemacht und über alle Verhältnisse einen schönen , geistreichen Mythus ausgebildet . W2 XII . 177 ,13–16 (Einschub in GW 29 ,2 . 166 ,15)  : So leitet auch Cicero vollkommen im Sinne des r ö m i s c h e n G e i s t e s die Religion von religare ab , denn in der That ist für diesen die Religion in allen Verhältnisses ein Bindendes und Beherrschendes gewesen . W2 XII . 179 , 10–4 v . u . (GW 29 ,2 . 267 ,21–23)  : Im griechischen Schauspiel , war das , was gesprochen wurde , die Hauptsache , die spielenden Personen behielten eine ruhige , plastische Stellung und die eigentliche Mimik des Gesichts war nicht vorhanden , sondern das Geistige der Vorstellung war das Wirkende . Bei den Römern dagegen wurde die Pantomime die Hauptsache , ein Ausdruck , der dem nicht gleichkommt , der in die Sprache gelegt werden kann . W2 XII . 180 ,3 v . u . –181 ,2 (nach GW 29 ,2 . 167 ,5)  : Zu diesem Extrem des leeren Schicksals , in dem das Individuum untergeht , des Schicksals , das endlich in der willkürlichen und ohne Sittlichkeit sich austobenden Macht des Kaisers |

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seine persönliche Darstellung gefunden hat , ist das andre Extrem die Geltung der r e i n e n E i n z e l n h e i t der Subjectivität . W2 XII . 182 ,5 v . u . –183 ,1 (nach GW 17 . 199 ,10 )  : Dieses G e s e t z t s e y n ist es nun , welches s i c h f ü r s i c h a u c h z u r To t a l i t ä t e n t w i c k e l n muß , so erst ist es fähig , in die Allgemeinheit aufgenommen zu werden . Diese Fortbildung der Bestimmtheit zur Totalität ist es nun , die in der römischen Welt geschehen ist , denn hier ist die Bestimmtheit das | Concrete , W2 XII . 186 ,8 –187 ,9 (nach GW 17 . 203 ,7)  : Der Olymp , dieser Götterhimmel und dieser Kreis der schönsten Gestaltungen , die je von der Phantasie gebildet worden sind , hatte sich uns zugleich als freies , sittliches Leben , als freier , aber noch beschränkter Volksgeist gezeigt . Das griechische Leben ist in viele , kleine Staaten zersplittert , in diese Sterne , die selbst nur beschränkte Lichtpunkte sind . Damit die f r e i e G e i s t i g k e i t erreicht werde , muß nun diese Beschränktheit aufgehoben werden und das Fatum , das über der griechischen Götterwelt und über diesem Volksleben in der Ferne schwebt , an ihnen sich geltend machen , so daß die Geister dieser freien Völker zu Grunde gehen . Der freie Geist muß sich als den r e i n e n G e i s t a n u n d f ü r s i c h erfassen  : es soll nicht mehr bloß der freie Geist der G r i e c h e n  , der Bürger dieses und jenen Staates gelten , sondern der Mensch muß a l s M e n s c h frei gewußt werden und Gott ist der Gott aller Menschen , der umfassende , allgemeine Geist . Dieses Fatum nun , welches die Zucht über die b e s o n d e r n F r e i h e i t e n ist und die beschränkten Volksgeister unterdrückt , so daß die Völker den Göttern abtrünnig werden und zum Bewußtseyn ihrer Schwäche und Ohnmacht kommen , indem ihr politisches Leben von der Einen , allgemeinen Macht vernichtet wird – dieses Fatum war die römische Welt und ihre Religion . Der Zweck in dieser Religion der Zweckmäßigkeit ist kein anderer , als der römische Staat gewesen , so , daß dieser die abstracte Macht über die anderen Volksgeister ist . Im römischen Pantheon werden die | Götter aller Völker versammelt und vernichten einander dadurch gegenseitig , daß sie vereinigt werden . Der römische Geist als dieses Fatum hat jenes Glück und die Heiterkeit des schönen Lebens und Bewußtseyns der vorhergehenden Religionen vernichtet und alle Gestaltungen zur Einheit und Gleichheit herabgedrückt . Diese abstracte Macht war es , die ungeheures Unglück und einen allgemeinen Schmerz hervorgebracht hat , einen Schmerz , der die Geburtswehe der Religion der Wahrheit seyn sollte . W2 XII . 187 ,9 v . o . –5 v . u . (vgl . GW 17 . 203 ,17 –204 ,6 )  : Die Unterschiede vo n f r e i e n M e n s c h e n u n d S c l a ve n verschwinden durch die Allmacht des Kaisers , innerlich und äußerlich ist aller Bestand zerstört und E i n To d d e r E n d l i c h k e i t eingetreten , indem die Fortuna des Einen Reiches selbst auch unterliegt . / Die w a h r h a f t e A u f n a h m e d e r E n d l i c h k e i t i n d a s A l l -

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g e m e i n e und die Anschauung dieser Einheit konnte sich nicht innerhalb dieser Religionen entwickeln , nicht in der r ö m i s c h e n und g r i e c h i s c h e n Welt entstehen . Die Buße der Welt , das Abthun der Endlichkeit und die im Geiste der Welt überhand nehmende Verzweiflung , in der Zeitlichkeit und Endlichkeit Befriedigung zu finden , – das Alles diente zur B e r e i t u n g d e s B o d e n s für die wahrhafte , geistige Religion , einer Bereitung , die von Seiten des M e n s c h e n vollbracht werden mußte , damit »die Zeit erfüllet werde« . Wenn schon das Princip des D e n k e n s sich entwickelt hatte , so war das Allgemeine doch noch nicht in seiner R e i n h e i t Gegenstand des Bewußtseyns , wie selbst im philosophischen Denken sich die Verbindung mit der gemeinen Aeußerlichkeit sich zeigte , wenn die S t o i k e r die Welt aus dem Feuer entstehen ließen .

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W2 XII . 191 ,1–192 ,13 (vgl . GW 29 ,2 . 268 ,4–13)  : Wir sind nun zum realisirten BegriV der Religion , zur vollendeten Religion , worin der BegriV es selbst ist , der sich Gegenstand ist , gekommen . – Wir haben die Religion näher bestimmt als Selbstbewußtseyn Gottes  ; das Selbstbewußtseyn hat als Bewußtseyn einen Gegenstand und ist sich seiner in diesem bewußt  ; dieser Gegenstand ist auch Bewußtseyn , aber Bewußtseyn als Gegenstand , damit endliches Bewußtseyn , ein von Gott , vom Absoluten verschiedenes Bewußtseyn  ; es fällt darein die Bestimmtheit und damit die Endlichkeit  ; Gott ist Selbstbewußtseyn , er weiß sich in einem von ihm verschiedenen Bewußtseyn , das a n s i c h das Bewußtseyn Gottes ist , aber auch f ü r s i c h  , indem es seine Identität mit Gott weiß , eine Identität , die aber vermittelt ist durch die Negation der Endlichkeit . – Dieser BegriV macht den Inhalt der Religion aus . Gott ist dieß  : sich von sich selbst zu unterscheiden , sich Gegenstand zu seyn , aber in diesem Unterschiede schlechthin mit sich identisch zu seyn – der Geist . Dieser BegriV ist nun realisirt , das Bewußtseyn weiß diesen Inhalt und in diesem Inhalt weiß es sich schlechthin verflochten  : in dem BegriV , der der Proceß Gottes ist , ist es selbst Moment . Das endliche Bewußtseyn weiß Gott nur insofern , als Gott sich in ihm weiß  ; so ist Gott Geist und zwar der Geist seiner Gemeinde , d . i . derer , die ihn verehren . Das ist die vollendete Religion , der sich objectiv gewordene BegriV . Hier ist es oVenbar , was Gott ist  ; er ist nicht mehr ein Jenseits , ein Unbekanntes , denn er hat den Menschen kund gethan , | was er ist und nicht bloß in einer äußerlichen Geschichte , sondern im Bewußtseyn . Wir haben also hier die Religion der Manifestation Gottes , indem Gott sich im endlichen Geiste weiß . Gott ist schlechthin oVenbar . Dieß ist hier das Verhältniß . Der Uebergang war dieser , daß wir gesehen haben , wie

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dieses Wissen Gottes als freien Geistes dem Gehalte nach noch mit Endlichkeit und Unmittelbarkeit behaftet ist  ; dieß Endliche mußte noch durch die Arbeit des Geistes abgethan werden  ; es ist das Nichtige  ; wir haben gesehen , wie diese Nichtigkeit dem Bewußtseyn oVenbar geworden ist . Das Unglück , der Schmerz der Welt war die Bedingung , die Vorbereitung der subjectiven Seite auf das Bewußtseyn des freien Geistes , als des a b s o l u t freien und damit u n e n d l i c h e n Geistes . W2 XII . 221 ,13 –223 ,4 (vgl . GW 29 ,2 . 269 ,23 –270 ,3)  : Wir haben überhaupt die Idee zu betrachten als g ö t t l i c h e S e l b s t o f f e n b a r u n g und diese OVenbarung ist in den drei angegebenen Bestimmungen zu nehmen . / Nach der e r s t e n ist Gott für den endlichen Geist rein nur als Denken  : dieß ist das t h e o r e t i s c h e B e w u ß t s e y n  , worin das denkende Subject sich ganz ruhig verhält , noch nicht in dieß Verhältniß selbst , in den Proceß gesetzt ist , sondern in der ganz unbewegten Stille des denkenden Geistes sich verhält , da ist Gott gedacht für ihn und dieser ist so in dem einfachen Schlusse , daß er sich durch seinen Unterschied , der aber hier nur noch in der r e i n e n I d e a l i t ä t ist und nicht zur Aeußerlichkeit kommt , mit sich selbst zusammenschließt , unmittelbar bei sich selbst ist . Dieß ist das erste Verhältniß , das nur für das denkende Subject ist , welches von dem reinen Inhalt allein eingenommen ist . Dieß ist d a s Re i c h d e s Va t e r s  .  / Die z we i t e Bestimmung ist das R e i c h d e s S o h n e s  , worin Gott für die Vorstellung im Elemente des Vorstellens überhaupt ist – das Moment der B e s o n d e r u n g überhaupt . In diesem zweiten Standpunkt erhält jetzt das , was im ersten das A n d r e Gottes war , ohne aber diese Bestimmung zu haben , die B e s t i m m u n g des Andern . Dort auf dem ersten | Standpunkte ist Gott als der Sohn , nicht unterschieden vom Vater , aber nur in der Weise der E m p f i n d u n g ausgesprochen  : im zweiten Elemente erhält aber der Sohn die Bestimmung als Anderes , und aus der reinen Idealität des Denkens wird so in die Vorstellung hinübergetreten . Wenn nach der ersten Bestimmung Gott nur einen Sohn erzeugt , so bringt er hier die N a t u r hervor  ; hier ist das Andere die Natur , der Unterschied kommt so zu seinem Rechte  : das Unterschiedene ist die Natur , die Welt überhaupt und der Geist , der sich darauf bezieht , der natürliche Geist  ; hier tritt das , was wir vorhin S u b j e c t geheißen haben , selbst als I n h a l t ein  : der Mensch ist hier verflochten mit dem Inhalt . Indem der Mensch sich hier auf die Natur bezieht und selbst natürlich ist , so ist er dieß nur innerhalb der Religion  : es ist somit die r e l i g i ö s e B e t r a c h t u n g der Natur und des Menschen . Der Sohn tritt in die Welt , dieß ist der Beginn des G l a u b e n s   ; es ist schon im Sinne des Glaubens gesagt , wenn wir vom Hereintreten des Sohnes sprechen . Für den e n d l i c h e n G e i s t a l s s o l c h e n kann Gott eigentlich nicht seyn , denn insofern er für ihn ist , so liegt unmittelbar darin , daß der endliche Geist seine Endlichkeit nicht als

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ein Seyendes festhalte , sondern daß er im Verhältniß zum Geist ist , sich mit Gott versöhne . Als endlicher Geist ist er gestellt als Abfallen , als Trennung gegen Gott  ; so ist er in Widerspruch gegen dieß sein Object , seinen Inhalt und dieser Widerspruch ist zunächst das Bedürfniß seiner Aufhebung . Dieß Bedürfniß ist der Anfang und das Weitere ist , daß Gott für den Geist werde , daß sich der göttliche Inhalt ihm vorstelle , aber dann zugleich der Geist in e m p i r i s c h e n d l i c h e r Weise ist , so e r s c h e i n t es ihm in e m p i r i s c h e r Weise , was Gott ist . Aber indem das Göttliche in dieser Geschichte für ihn hervortritt , so verliert sie den Character äußerliche Geschichte zu seyn , sie wird g ö t t l i c h e Geschichte , die Geschichte der Manifestation Gottes selbst . – Dieß macht den Ueber|gang zum R e i c h e d e s G e i s t e s  , welches das Bewußtseyn enthält , daß der Mensch an sich mit Gott versöhnt ist , und daß die Versöhnung für den Menschen ist  ; der Proceß der Versöhnung selbst ist im Cultus enthalten . W2 XII . 253 ,17–19 (Einschub in GW 17 . 232 ,18 )  : Die Welt ist eben die R e g i o n d e s W i d e r s p r u c h e s  , in ihr ist die Idee in einer ihr unangemessenen Bestimmung . W2 XII . 255 ,14 v . u . –257 ,9 (vgl . GW 29 ,2 , 270 ,34 –271 ,8 )  : Die mannigfaltigen Formen des Verhältnisses des endlichen Geistes zur Natur gehören nicht hierher , ihre wissenschaftliche Betrachtung fällt in die Phänomenologie des Geistes oder die Geisteslehre . – Hier ist dieses Verhältniß innerhalb der Sphäre der Religion zu betrachten , so daß die Natur für den Menschen nicht nur diese unmittelbare , äußerliche Welt ist , sondern eine Welt , worin der Mensch Gott erkennt  ; die Natur ist so für den Menschen eine OVenbarung Gottes . – Dieses Verhältniß des Geistes zur Natur haben wir schon früher in den ethnischen Religionen gesehen , wo wir die Formen des Aufsteigens des Geistes vom Unmittelbaren , indem die Natur als zufällig genommen wird , zum Nothwendigen und zu einem weise und zweckmäßig Handelnden gehabt haben . – Also ist das Bewußtseyn des endlichen Geistes von Gott durch die Natur vermittelt . | Der Mensch sieht durch die Natur Gott  ; die Natur ist nur noch die Umhüllung und unwahre Gestaltung . – / Das von Gott Unterschiedene ist hier wirklich ein Anderes und hat die Form eines Andern  : es ist die Natur , die für den Geist und für den Menschen ist . Dadurch soll die Einheit vollbracht und das Bewußtseyn bewirkt werden , daß das Ende und die Bestimmung der Religion die Versöhnung ist . Das Erste ist das abstracte Bewußtwerden Gottes , daß der Mensch sich an der Natur zu Gott erhebt  : das haben wir in den Beweisen vom Daseyn Gottes gesehen  ; hierin fallen auch die frommen Betrachtungen , wie herrlich Gott Alles gemacht , wie weise er Alles eingerichtet habe . Diese Erhebungen gehen einfach zu Gott und können mit diesem oder jenem StoVe anfangen . Die Frömmigkeit macht solche erbauliche Betrachtungen , fängt mit dem Besondersten und Geringsten an und erkennt

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darin überhaupt ein Höheres . Sehr häufig mischt sich darein die schiefe Ansicht , daß man das , was in der Natur geschieht , als etwas Höheres ansieht als das Menschliche . Diese Betrachtung selbst aber , indem sie vom Einzelnen anfängt , ist unangemessen  ; es kann ihr eine andere Betrachtung entgegengesetzt werden  : die Ursache nämlich soll der Erscheinung angemessen seyn , sie soll selbst die Beschränktheit , die die Erscheinung an ihr hat , enthalten  : wir verlangen einen besonderen Grund , der dieses Besondere begründet habe . Die Betrachtung einer besondern Erscheinung hat immer dieß Unangemessene . Ferner sind diese besonderen Erscheinungen natürliche  ; Gott soll aber als Geist gefaßt werden , und das , worin wir ihn erkennen , muß also auch Geistiges seyn . »Gott donnert mit seinem Donner , sagt man , und wird doch nicht erkannt  ;« der geistige Mensch fordert aber etwas Höheres als bloß Natürliches . Um als Geist erkannt zu werden , muß Gott mehr thun als donnern . / Die höhere Betrachtung der Natur und das tiefere Verhältniß , in das sie zu Gott zu stellen ist , besteht vielmehr | darin , wenn sie selbst als G e i s t i g e s  , d . h . als die N a t ü r l i c h k e i t d e s M e n s c h e n gefaßt wird . Erst wenn das Subject nicht mehr auf das unmittelbare Seyn des Natürlichen gerichtet ist , sondern als das gesetzt ist , was es an sich ist , nämlich als Bewegung und wenn es i n s i c h gegangen ist , erst dann ist die E n d l i c h k e i t a l s s o l c h e gesetzt und zwar als Endlichkeit in dem Processe des Verhältnisses , in welchem für sie das Bedürfniß der absoluten Idee und die Erscheinung derselben wird . W2 XII . 281 ,17–9 v . u . (vgl . GW 29 ,2 . 271 ,10–23)  : Die Möglichkeit der Versöhnung ist nur darin , daß gewußt wird die a n s i c h s e ye n d e E i n h e i t d e r g ö t t l i c h e n u n d m e n s c h l i c h e n N a t u r   ; das ist die nothwendige Grundlage  ; so kann der Mensch sich aufgenommen wissen in Gott insofern ihm Gott nicht ein Fremdes ist , er sich zu ihm nicht als äußerliches Accidenz verhält , sondern wenn er nach seinem Wesen , nach seiner Freiheit und Subjectivität in Gott aufgenommen ist  ; dieß ist aber nur möglich , insofern i n G o t t s e l b s t d i e s e S u b j e c t i v i t ä t d e r m e n s c h l i c h e n N a t u r i s t  . W2 XII . 282 ,4–7 (statt GW 17 . 254 ,1–10 )  : Der Schmerz , den das Endliche in dieser seiner Aufhebung empfindet , schmerzt nicht , da es sich dadurch zum Moment in dem Proceß des Göttlichen erhebt . W2 XII . 283 ,1 v . u . –284 ,2 (Einschub in GW 17 . 253 ,16 )  : Dieses Ist vertilgt alle Spur der | Vermittlung , es ist die letzte Spitze , der letzte Lichtpunkt , der noch aufgetragen wird . W2 XII . 284 ,6–13 (nach GW 17 . 253 ,18 )  : Das Göttliche ist nicht zu fassen nur als ein allgemeiner Gedanke , oder als ein Inneres , nur Ansichseyendes , die Ob­ jectivirung des Göttlichen nicht nur eine solche , die in allen Menschen ist , zu fas­sen , so ist sie dann nur als die V i e l h e i t d e s G e i s t i g e n ü b e r h a u p t gefaßt

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und die Entwicklung , die der a b s o l u t e G e i s t a n i h m s e l b s t hat und die bis zur Form des I s t  , der Unmittelbarkeit fortzugehen hat , ist darin nicht ent­ halten . W2 XII . 285 ,6 –286 ,11 (vgl . GW 29 ,2 . 271 ,16–28 )  : Diese Bestimmung , daß Gott Mensch wird , damit der endliche Geist das Bewußtseyn Gottes im ­End­lichen selbst habe , ist das schwerste Moment in der Religion . Nach einer gewöhnlichen Vorstellung , die wir besonders bei den Alten finden , ist der Geist , die Seele , in diese Welt als in ein ihm Fremdartiges herabgestoßen  : dieses Inwohnen im Körper und die Vereinzelung zur Individualität sey eine Erniedrigung des Geistes . Darin liegt die Bestimmung der Un w a h r h e i t d e r b l o ß m a t e r i e l l e n S e i t e  , der unmittelbaren Existenz . Aber anderer Seits ist die B e s t i m m u n g d e r u n m i t t e l b a r e n E x i s t e n z zugleich auch eine we s e n t l i c h e  , die letzte Zuspitzung des Geistes in seiner Subjectivität . Der Mensch hat geistige Interessen und ist geistig thätig , er kann sich daran gehindert fühlen , indem er sich in physischer Abhängigkeit fühlt , indem er für seine Nahrung sorgen muß u . s . w . , er fällt von seinen geistigen Interessen ab durch die Gebundenheit an die Natur . Das Moment der unmittelbaren Existenz ist aber im Geiste selbst enthalten . Es ist die Bestimmung des Geistes , zu diesem Momente fortzugehen . Die Natürlichkeit ist nicht bloß eine äußerliche Noth­wendig­keit , sondern der Geist als Subject in seiner unendlichen Beziehung auf sich selbst hat die Bestimmung der Unmittelbarkeit an ihm . Insofern nun dem Menschen geoVenbart werden soll , was die Natur des Geistes ist , die Natur Gottes in der ganzen Entwickelung der Idee oVenbar werden soll , so muß darin diese Form auch vorkommen , und das ist eben die Form der Endlichkeit . Das Göttliche muß in der Form der Unmittelbarkeit erscheinen . Diese unmittelbare Gegenwart ist nur Gegenwart des Geistigen in der g e i s t i g e n  | G e s t a l t  , welche die m e n s c h l i c h e ist . Auf keine andere Weise ist diese Erscheinung wahrhaft , nicht etwa als Erscheinung Gottes im feurigen Busch u . dgl . m . Gott erscheint als einzelne Person , an welche Unmittelbarkeit sich alle physische Bedürftigkeit anknüpft . Im indischen Pantheismus kommen unzählig viele Incarnationen vor , da ist die Subjectivität , das menschliche Seyn nur accidentelle Form , in Gott sie ist nur M a s k e  , die die Substanz annimmt und in zufälliger Weise wechselt . Gott aber als Geist enthält das Moment der Subjectivität , der Einzigkeit an ihm  ; seine Erscheinung kann daher auch nur eine einzige seyn , nur einmal vorkommen . W2 XII . 290 ,11–3 v . u . (vgl . GW 29 ,2 . 272 ,14–17)  : Solche Worte sind vom Größesten , was je ausgesprochen ist , sie sind ein letzter Mittelpunkt , der allen Aberglauben , alle Unfreiheit des Menschen aufhebt . Es ist unendlich wichtig , daß dem Volk durch die Lutherische Bibelübersetzung ein Volksbuch in die Hand gegeben ist , worin sich das Gemüth , der Geist auf die höchste , unendliche Weise

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zurechtfinden kann  ; in katholischen Ländern ist darin ein großer Mangel . Dort ist die Bibel das Rettungsmittel gegen alle Knechtschaft des Geistes . W2 XII . 291 ,4–8 (Einschub in GW 29 ,2 . 213 ,32 )  : die Gesinnung allein ist es , die einen Werth giebt , aber nicht die abstracte Gesinnung , nicht diese oder jene Meinung , sondern die a b s o l u t e G e s i n n u n g  , die im Reiche Gottes ihre Basis hat . Der unendliche Werth der Innerlichkeit ist damit zuerst aufgetreten . W2 XII . 294 ,4–21 (vgl . GW 17 . 262 ,3–10 )  : Christus nennt sich Gottessohn und Menschensohn  : dieses ist eigentlich zu nehmen . Die Araber bezeichnen sich gegenseitig als Sohn eines gewissen Stammes  ; Christus gehört dem menschlichen Geschlecht an  : dieses ist sein Stamm . Christus ist auch der Sohn Gottes  : den wahren Sinn dieses Ausdrucks , die Wahrheit der Idee , was Christus für seine Gemeinde gewesen , und die höhere Idee der Wahrheit , die in ihm in seiner Gemeinde gewesen , kann man auch wegexegisiren , sagen  : alle Menschenkinder seyen Kinder Gottes oder sollen sich selbst zu Kindern Gottes machen u . dergl . / Da die Lehre Christi aber für sich allein nur die Vo r s t e l l u n g  , das innere Gefühl und Gemüth betriVt , so wird sie e r g ä n z t durch die D a r s t e l l u n g d e r g ö t t l i c h e n Id e e a n s e i n e m L e b e n u n d S c h i c k s a l  . Jenes Reich Gottes als Inhalt der L e h r e ist erst die noch vo r g e s t e l l t e  , a l l g e m e i n e I d e e  , durch dieß Individuum tritt es aber in die W i r k l i c h k e i t hinein , so daß die , welche zu jenem Reich gelangen sollen , es nur durch jenes Eine Individuum können . W2 XII . 295 ,1–296 ,16 (vgl . GW 29 ,2 . 272 ,28 –273 ,10 )  : Dieser Lehrer hat Freunde um sich versammelt . Christus , insofern seine Lehren revolutionär waren , ist angeklagt und hingerichtet worden  ; er hat so die Wahrheit der Lehre mit dem Tode versiegelt . – So weit geht auch der Unglaube in dieser Geschichte mit  : sie ist ganz der des Sokrates ähnlich , nur auf einem anderen Boden . Auch Sokrates hat die Innerlichkeit zum Bewußtseyn gebracht , sein δαιμονίον ist nichts Anderes , auch er hat gelehrt , der Mensch müsse nicht bei der gewöhnlichen Autorität stehen bleiben , sondern sich selbst die Ueberzeugung davon verschaVen und nach seiner Ueberzeugung handeln . Dieß sind ähnliche Individualitäten und ähn­ liche Schicksale . Die Innerlichkeit des Sokrates ist dem religiösen Glauben seines Volkes zuwider gewesen , so wie der Staatsverfassung desselben , und er ist darum hingerichtet worden , auch er ist für die Wahrheit gestorben . / Christus lebte nur in einem andern Volke und seine Lehre hat insofern eine andere Farbe  ; aber das Himmelreich und die Reinigkeit des Herzens enthält doch eine unendlich größere Tiefe als die Innerlichkeit des Sokrates . – Dieß ist die äußerliche Geschichte Christi , die auch für den Unglauben ist , wie die Geschichte des Sokrates für uns . / Mit dem To d e Christi beginnt aber die U m k e h r u n g d e s B e w u ß t s e y n s  . Der Tod Christi ist der Mittelpunkt , um den es sich dreht , in seiner Auffassung liegt der Unterschied äußerlicher Auffassung und des G l a u b e n s  ,

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d . h . der Betrachtung mit dem Geiste , aus dem Geiste der Wahrheit , aus dem heiligen Geiste . Nach jener Vergleichung ist Christus Mensch wie Sokrates , ein Lehrer , der in seinem Leben tugendhaft gelebt und das in dem Menschen zum Bewußtseyn gebracht hat , was das Wahrhafte überhaupt sey , was die Grundlage für das Bewußtseyn des Menschen ausmachen müsse . Die höhere Betrachtung ist aber die , daß in Christus die g ö t t l i c h e N a t u r ge­oVen­bart worden sey . Dieses Bewußtseyn reflectirt sich | auf die angeführten Aussprüche , daß der Sohn den Vater kenne u . s . w . – Aussprüche , die zunächst für sich eine gewisse Allgemeinheit haben , und welche die Exegese in das Feld allgemeiner Betrachtung herüberziehen kann , die aber der Glaube durch die Auslegung des Todes Christi in ihrer Wahrheit auffaßt  ; denn der Glaube ist wesentlich das Bewußtseyn der absoluten Wahrheit , dessen , was Gott an und für sich ist  : was aber Gott an und für sich ist , das haben wir gesehen , er ist dieser Lebensverlauf , die Dreieinigkeit , worin das Allgemeine sich sich selbst gegenüberstellt , und darin identisch mit sich ist . Gott ist in diesem Elemente der Ewigkeit das Sichzusammenschließen mit sich , dieser Schluß seiner mit sich . Der Glaube nur faßt auf und hat das Bewußtseyn , daß in Christo diese an und für sich seyende Wahrheit in ihrem Verlauf angeschaut werde und daß durch ihn erst diese Wahrheit geoVenbart worden sey . W2 XII . 297 ,13 v . u . –298 ,10 (vgl . GW 29 ,2 . 273 ,32–39 )  : Die ewige Idee selbst ist dieß , die Bestimmung der Subjectivität als w i r k l i c h e r vom bloßen Gedanken unterschiedener unmittelbar erscheinen zu lassen . Andererseits ist es der aus dem Schmerz der Welt erzeugte und auf dem Zeugniß des Geistes beruhende Glaube , der sich dann das Leben Christi explicirt . Die Lehre , die Wunder desselben sind in diesem Zeugnisse des Glaubens aufgefaßt und verstanden . Die Geschichte Christi ist auch von solchen erzählt , über die der Geist schon ausgegossen war . Die Wunder sind in diesem Geiste aufgefaßt und erzählt und der Tod Christi ist von demselben wahrhaft so verstanden worden , daß in Christus Gott ge­oVen­baret sey und die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur . Der Tod ist dann der P r ü f s t e i n  , so zu sagen , an dem sich der | Glaube bewährt , indem hier wesentlich sein Verstehen der Erscheinung Christi sich darthut . Der Tod hat nun zunächst diesen Sinn , daß Christus der Gottmensch gewesen ist , der Gott , der zugleich die menschliche Natur hatte , ja bis zum Tode . Es ist das Loos der menschlichen Endlichkeit , zu sterben  ; der Tod ist so der höchste Beweis der Menschlichkeit , der absoluten Endlichkeit  : und zwar ist Christus gestorben den gesteigerten Tod des Missethäters  ; nicht nur den natürlichen Tod , sondern sogar den Tod der Schande und Schmach am Kreuze  : die Menschlichkeit ist an ihm bis auf den äußersten Punkt erschienen . W2 XII . 298 ,15–6 v . u . (statt GW 17 . 269 ,1–4 )  : Aber im A u f g e b e n d e s n a t ü r l i c h e n W i l l e n s ist zugleich dieß Endliche , das A n d e r s s e y n ve r k l ä r t  .

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Das Andersseyn hat nämlich außer der unmittelbaren Natürlichkeit noch einen weiteren Umfang und weitere Bestimmung . Zum Daseyn des Subjects gehört wesentlich , daß es auch für Andere sey  ; das Subject ist nicht nur für sich , sondern ist auch i n d e r Vo r s t e l l u n g d e r A n d e r n und i s t  , gilt und ist objectiv , soviel als es sich bei andern geltend zu machen weiß und gilt . Sein Gelten ist die Vorstellung der Andern und beruht auf der Vergleichung W2 XII . 300 ,3 –302 ,6 (vgl . GW 29 ,2 . 274 ,1–12 )  : Es tritt nun aber auch eine weitere Bestimmung ein . Gott ist gestorben , Gott ist todt – dieses ist der fürchterlichste Gedanke , daß alles Ewige , alles Wahre nicht ist , die N e g a t i o n s e l b s t i n G o t t ist  ; der höchste Schmerz , das Gefühl der vollkommenen Rettungslosigkeit , das Aufgeben alles Höheren ist damit verbunden . – Der Verlauf bleibt aber nicht hier stehen , sondern es tritt nun die U m k e h r u n g ein  ; Gott nämlich erhält sich in diesem Proceß und dieser ist nur der To d d e s To d e s  . Gott steht wieder auf zum Leben  : es wendet sich somit zum Gegentheil . – Die A u f e r s t e h u n g gehört ebenso wesentlich dem Glauben an  : Christus ist nach seiner Auf­ erstehung nur seinen Freunden erschienen  ; dieß ist nicht äußerliche Geschichte für den Unglauben , sondern nur für den Glauben | ist diese Erscheinung . Auf die Auferstehung folgt die Verklärung Christi und der Triumph der Erhebung zur Rechten Gottes schließt diese Geschichte , welche in diesem Bewußtseyn die Explication der göttlichen Natur selbst ist . Wenn wir in der ersten Sphäre Gott im reinen Gedanken erfaßten , so fängt es in dieser zweiten Sphäre mit der Un m i t t e l b a r k e i t f ü r d i e A n s c h a u u n g und für die sinnliche Vorstellung an . Der Proceß ist nun dieser , daß die u n m i t t e l b a r e E i n z e l n h e i t a u f g e h o b e n wird  : wie in der ersten Späre die Verschlossenheit Gottes aufhörte , seine erste Unmittelbarkeit als abstracte Allgemeinheit , nach der er das Wesen der Wesen ist , aufgehoben wurde , so wird hier nun die Abstraction der Menschlichkeit , die Unmittelbarkeit der seyenden Einzelnheit aufgehoben und dieß geschieht durch den Tod  ; der Tod Christi ist aber der Tod dieses Todes selbst , die Negation der Negation . Denselben Verlauf und Proceß der Explication Gottes haben wir im Reiche des Vaters gehabt  : hier ist er aber , insofern er Gegenstand des Bewußtseyns ist . Denn es war der Trieb des Anschauens der göttlichen Natur vorhanden . – Am Tode Christi ist dieses Moment zuletzt noch hervorzuheben , daß Gott es ist , der den Tod getödtet hat , indem er aus demselben hervorgeht  ; damit ist die E n d l i c h k e i t  , M e n s c h l i c h k e i t und E r n i e d r i g u n g als ein Fremdes an Christo gesetzt als an dem , der schlechthin Gott ist  : es zeigt sich , daß die Endlichkeit ihm fremd und vo n A n d e r e m h e r a n g e n o m m e n ist  ; dieses Andere nun sind die Menschen , die dem göttlichen Proceß gegenüber stehen . Es ist ihre Endlichkeit , die Christus angenommen hat , diese Endlichkeit in allen ihren Formen , die in ihrer äußersten Spitze das B ö s e ist  ; diese Menschlichkeit ,

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die selbst Moment im göttlichen Leben ist , wird nun als ein Fremdes , Gott nicht Angehöriges bestimmt  : diese Endlichkeit aber in ihrem Fürsichseyn gegen Gott ist das Böse , ein ihm Fremdes  ; er hat es aber angenommen , um es durch seinen Tod zu tödten . Der schmachvolle Tod als | die ungeheure Ve r e i n i g u n g ­d i e s e r a b s o l u t e n E x t r e m e ist darin zugleich die u n e n d l i c h e L i e b e  .  / Es ist die unendliche Liebe , daß Gott sich mit dem ihm Fremden identisch gesetzt hat , um es zu tödten . Dieß ist die Bedeutung des Todes Christi . Christus hat die Sünde der Welt getragen , hat Gott versöhnt , heißt es . W2 XII . 304 ,7 v . u . –305 ,12 v . u . (vgl . GW 29 ,2 . 274 ,21–30 )  : Das Leiden und Sterben in solchem Sinne ist gegen die Lehre von der moralischen I m p u t a t i o n  , wonach jedes Individuum nur für sich zu stehen hat , Jeder der Thäter seiner ­Thaten ist . Das Schicksal Christi scheint dieser Imputation zu widersprechen  ; aber diese hat nur ihre Stelle auf dem F e l d e d e r E n d l i c h k e i t wo das Subject als e i n z e l n e Pe r s o n steht , nicht auf dem Felde des freien Geistes . In dem Felde | der Endlichkeit ist die Bestimmung , daß Jeder bleibt , was er ist  ; hat er Böses gethan , so ist er böse  : das Böse ist in ihm als seine Q u a l i t ä t  . Aber schon in der Moralität , noch mehr in der Sphäre der Religion wird der Geist als frei gewußt , als affirmativ in sich selbst , so daß diese S c h r a n k e an ihm , die bis zum Bösen fortgeht , f ü r d i e Un e n d l i c h k e i t d e s G e i s t e s e i n N i c h t i g e s ist  : der Geist kann das Geschehene ungeschehen machen  ; die Handlung bleibt wohl in der Erinnerung , aber der Geist streift sie ab . Die Imputation reicht also nicht an diese Sphäre hinan . – In dem Tode Christi ist für das wahrhafte Bewußtseyn des Geistes die Endlichkeit des Menschen getödtet worden . Dieser Tod des Natürlichen hat auf diese Weise allgemeine Bedeutung , das Endliche , Böse überhaupt ist vernichtet . Die Welt ist so versöhnt worden , der Welt ist durch diesen Tod ihr Böses a n s i c h abgenommen worden . In dem wahrhaften Verstehen des Todes tritt auf diese Weise die B e z i e h u n g d e s S u b j e c t s a l s s o l c h e n ein . Das bloße B e t r a c h t e n der Geschichte hört hier auf  ; das Subject selbst wird in den Verlauf hineingezogen  ; es fühlt den Schmerz des Bösen und seiner eigenen Entfremdung , welche Christus auf sich genommen , indem er die Menschlichkeit angezogen , aber durch seinen Tod vernichtet hat . W2 XII . 309 ,6 v . u . –310 ,3 (vgl . GW 17 . 275 ,1–3)  : An die Individuen in der Gemeinde ist nun die Forderung gestellt , die g ö t t l i c h e I d e e i n d e r We i s e d e r E i n z e l n h e i t z u ve r e h r e n u n d s i c h a n z u e i g n e n  . Für das weiche liebende Gemüth , das Weib , ist das leicht  ; aber die andere Seite ist selbst , daß das Subject , an welches diese Zumuthung der Liebe geschieht , i n u n e n d l i c h e r F r e i h e i t i s t   | und die Substantialität seines Selbstbewußtseyns erfaßt hat  ; für den s e l b s t s t ä n d i g e n B e g r i f f  , den Mann , ist daher jene Zumuthung unendlich hart .

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W2 XII . 311 ,14–24 (Einschub in GW 29 ,1 . 431 ,6–7)  : Es kann auch einen Standpunkt geben , wo man beim Sohne und dessen Erscheinung stehen bleibt . So der Katholicismus , wo zur versöhnenden Macht des Sohnes Maria und die Heiligen hinzukommen und der Geist mehr nur i n d e r K i r c h e a l s H i e r a r c h i e  , nicht in der G e m e i n d e ist . Aber da bleibt das Zweite in der Bestimmung der Idee mehr in der Vo r s t e l l u n g  , als daß es vergeistigt würde . Oder der Geist wird nicht sowohl o b j e c t i v gewußt , sondern nur als diese s u b j e c t i ve We i s e  , wie er in sinnlicher Gegenwart die Kirche ist und in der Tradition lebt . Der Geist ist in d i e s e r G e s t a l t d e r W i r k l i c h k e i t gleichsam die dritte Person . W2 XII . 313 ,6 v . u . –314 ,1 (statt GW 17 . 278 ,16–17)  : Auf der andern Seite hat diese Subjectivität zugleich diese Weise ihrer Realität a n i h r s e l b s t  , daß sie eine V i e l h e i t von Subjecten und Individuen ist , da sie aber a n s i c h a l l g e m e i n  , n i c h t a u s s c h l i e ß e n d ist , so ist die Vielheit der Individuen durchaus zu setzen als nur ein S c h e i n und eben dieses , daß | sie sich selbst als diesen Schein setzt , W2 XII . 315 ,4–1 v . u . (statt GW 17 . 280 ,24–27)  : D i e Ve r l e t z u n g d e r a b s o l u t e n Wa h r h e i t  , d e r I d e e vo n j e n e r Ve r e i n i g u n g d e s u n e n d l i c h e n G e g e n s a t z e s ist damit als das h ö c h s t e Ve r g e h e n ausgesprochen . W2 XII . 316 ,5–2 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 218 ,22–23)  : Das Andere , das für die Subjecte ist , ist also für sie in diesem göttlichen Schauspiele in dem Sinne gegenständlich , wie im Chor der Zuschauer sich selbst gegenständlich hat . W2 XII . 319 ,9 v . u . –320 ,4 (Einschub in GW 17 . 284 ,6–7)  : Wir haben den Gott als Gott freier Menschen , aber zunächst noch in subjectiven , beschränkten Volksgeistern und in zufälliger Phantasiegestaltung gesehen  ; ferner den Schmerz der Welt nach der Zerdrückung der Volksgeister . Dieser S c h m e r z war die G e b u r t s s t ä t t e f ü r d e n Tr i e b d e s G e i s t e s  , Gott als geistigen zu wissen in allgemeiner Form mit abgestreifter Endlichkeit . Dieses Bedürfniß ist durch den Fortgang der Geschichte , durch die Heraufbildung des Weltgeistes erzeugt worden . Dieser unmittelbare Trieb , diese Sehnsucht , die etwas | Bestimmtes will und verlangt , gleichsam der Instinct des Geistes , der darauf hingetrieben wird , hat eine solche Erscheinung , die Manifestation Gottes als des unendlichen Geistes in der Gestalt eines wirklichen Menschen gefordert . W2 XII . 330 ,15–18 (Einschub in GW 29 ,2 . 221 ,11–12 )  : Oder dieses Selbstbe­ wußt­seyn als Glaube ausgesprochen , der auf dem Geiste , d . h . auf einer Vermittlung beruht , die alle endliche Vermittlung aufhebt , ist der von Gott gewirkte Glaube . W2 XII . 332 ,1–19 (Einschub in GW 29 ,2 . 221 ,39 )  : Der Unterschied , ob die Gemeinde auf den Grund einer g e s c h r i e b e n e n U r k u n d e ihr Bewußtseyn ausspricht oder ihre Selbstbestimmungen an die Tr a d i t i o n knüpft , ist k e i n

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we s e n t l i c h e r   ; die Hauptsache ist , daß sie d u r c h d e n i n i h r g e g e n w ä r t i g e n G e i s t die unendliche Macht und Vollmacht zur Fortbildung und Fort­ bestimmung ihrer Lehre ist . Diese Vo l l m a c h t beweist sich auch in jenen beiden unterschiedenen Fällen . Die E r k l ä r u n g einer zu Grunde liegenden Urkunde ist immer selbst wieder E r k e n n t n i ß und entwickelt sich zu n e u e n Bestimmungen und wenn auch in der Tradition an ein Gegebenes , Vo r a u s g e s e t z t e s angeknüpft wird , so ist die Tradition selbst in ihrer geschichtlichen Fortbildung wesentlich ein S e t z e n  . […] Aber jene Bestimmung des H e r vo r b r i n g e n s ist selbst nur eine e i n s e i t i g e Bestimmung , denn die Wahrheit ist zugleich a n s i c h vorhanden , vorausgesetzt  ; d a s S u b j e c t i s t i n d e n I n h a l t s c h o n a u f g e n o m m e n  . W2 XII . 335 ,3–14 (Einschub in GW 29 ,2 . 223 ,21–22 )  : Es handelt sich nur um die zufällige Subjectivität . Mit der einen Bestimmung des Glaubens , daß das Subject nicht ist , wie es seyn soll , ist zugleich die absolute Möglichkeit verknüpft , daß es seine Bestimmung erfülle , von Gott zu Gnaden angenommen werde . Dieß ist die Sache des Glaubens . Das Individuum muß die Wahrheit der an sich seyenden Einheit der göttlichen und menschlichen Natur ergreifen und diese Wahrheit ergreift es im Glauben an Christum  ; Gott ist so nicht mehr ein Jenseits für dasselbe und das Ergreifen jener Wahrheit ist der ersteren Grundbestimmung entgegengesetzt , daß das Subject nicht sey , wie es seyn soll . W2 XII . 336 ,2 v . u . –337 ,6 (vgl . GW 29 ,2 . 275 ,16–18 )  : Das Thun im Glauben an die an sich seyende Versöhnung ist einer Seits | das Thun des Subjects , anderer Seits das Thun des göttlichen Geistes  ; der Glaube selbst ist der göttliche Geist , der im Subjecte wirkt  ; aber so ist dieses nicht ein passives Gefäß , sondern der heilige Geist ist ebenso des Subjectes Geist , indem es den Glauben hat  ; in diesem Glauben handelt es gegen seine Natürlichkeit , thut sie ab , entfernt sie . W2 XII . 338 ,6 v . u . –339 ,17 (vgl . GW 29 ,2 . 224 ,17–20 )  : Das ewige Opfer ist hier dieß , daß der absolute Gehalt , die Einheit des Subjects und des absoluten Objects dem Einzelnen zum unmittelbaren Genuß dargeboten wird und indem der Einzelne versöhnt ist , so ist diese vollbrachte Versöhnung die Auferstehung Christi . Daher ist auch das Abendmahl der Mittelpunkt der christlichen Lehre und von hier aus | erhalten alle Differenzen in der christlichen Kirche ihre Farbe und Bestimmung . […] Indem Gott so als Aeußerliches im Abendmahl , diesem Mittelpunkt der Lehre gewußt wird , ist diese Aeußerlichkeit die Grundlage der ganzen k a t h o l i s c h e n Religion . Es entsteht so die Knechtschaft des Wissens und Handelns  ; durch alle weiteren Bestimmungen geht diese Aeußerlichkeit , indem das Wahre als Festes , Aeußerliches vorgestellt ist . Als so Vorhandenes außerhalb des Subjectes kann es in die Gewalt Anderer kommen  ; die Kirche ist im Besitz desselben , so wie aller Gnadenmittel  ; das Subject ist in jeder Hinsicht

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das passive , empfangende , das nicht wisse , was wahr , recht und gut sey , sondern es nur anzunehmen habe von Andern . W2 XII . 339 ,10–2 v . u . (vgl . GW 29 ,2 . 224 ,21–28 )  : Die sinnliche Gegenwart ist für sich nichts und auch die Consecration macht die Hostie nicht zu einem Gegenstand der Verehrung , sondern der Gegenstand ist allein im Glauben , und so im Verzehren und Vernichten des Sinnlichen die Vereinigung mit Gott und das Bewußtseyn dieser Vereinigung des Subjects mit Gott . Hier ist das große Bewußtseyn aufgegangen , daß außer dem Genuß und Glauben die Hostie ein gemeines , sinnliches Ding ist  : der Vorgang ist allein im Geiste des Subjects wahrhaft . W2 XII . 343 ,3 v . u . –344 ,5 (vgl . GW 29 ,2 . 226 ,24–34 )  : In der Organisation des Staates ist es , wo das Göttliche in die Wirklichkeit eingeschlagen , diese von je­ nem durchdrungen und das Weltliche nun an und für sich berechtigt ist , | denn ihre Grundlage ist der göttliche Wille , das Gesetz des Rechts und der Freiheit . Die wahre Versöhnung , wodurch das Göttliche sich im Felde der Wirklichkeit realisirt , besteht in dem sittlichen und rechtlichen Staatsleben  : dieß ist die wahre Subaction der Weltlichkeit . W2 XII . 344 ,12–10 v . u . (Einschub in GW 29 ,2 . 227 ,5)  : Es entsteht so die unendliche Forderung , daß der Inhalt der Religion sich auch d e m D e n k e n b e w ä h r e  , und dieß Bedürfniß ist nicht abzuwenden . W2 XII . 346 ,11–6 v . u . (nach GW 29 ,2 . 228 ,13)  : Es hat da jeder s o s e i n e n Gott , Christus u . s . f . Particularität , worin jeder so seine individuelle Religion , Weltanschauung u . s . w . hat , ist allerdings im Menschen vorhanden , aber in der Religion , durch das Leben in der Gemeinde wird sie aufgezehrt , hat für den wahrhaft frommen Menschen keine Geltung mehr , wird bei Seite gestellt . W2 XII . 349 ,5–23 (statt GW 29 ,1 . 447 ,13–19 )  : Das Christenthum gilt nur als L e h r e und Christus als Gottgesandter , als g ö t t l i c h e r L e h r e r  , also als Lehrer wie Sokrates , nur noch vorzüglicher als dieser , da er ohne Sünde gewesen sey . Das ist aber nur eine Halbheit . Entweder war Christus n u r ein Mensch oder der »Menschensohn« . Von der göttlichen Geschichte bleibt also nichts übrig und von Christo wird eben so gesprochen , wie es im Koran geschieht . Der Un t e r s c h i e d dieser Stufe und des Muhamedanismus besteht nur darin , daß der letztere , dessen Anschauung sich im Aether der Unbeschränktheit badet , als diese unendliche Unabhängigkeit , alles Besondere , Genuß , Stand , eigenes Wissen , a l l e E i t e l k e i t s c h l e c h t h i n a u f g i e b t  . Hingegen der Standpunkt der verständigen Aufklärung , da für sie Gott jenseits ist und kein affirmatives Verhältniß zum Subject hat , stellt den Menschen abstract f ü r s i c h hin , so daß er das affirmative All­gemeine , nur insofern es in ihm ist , anerkannt , aber es nur abstract in ihm hat und daher die Erfüllung desselben nur aus der Zufälligkeit und Willkür entnimmt .

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W2 XII . 353 ,14 –354 ,2 (Einschub in GW 29 ,2 . 229 ,18 )  : Im Glauben ist wohl schon der wahrhafte Inhalt , aber es fehlt ihm noch die Form des Denkens . Alle Formen , die wir früher betrachtet haben  : Gefühl , Vorstellung , können wohl den Inhalt der Wahrheit haben , aber sie selbst sind nicht die wahrhafte Form , die den wahrhaften Inhalt nothwendig macht . Das Denken ist der absolute Richter , vor dem der Inhalt sich bewähren und beglaubigen soll . – / Der Philosophie ist der Vorwurf gemacht worden , sie stelle sich ü b e r d i e R e l i g i o n   : dieß ist aber schon dem Factum nach falsch , denn sie hat n u r d i e s e n und keinen anderen Inhalt , aber sie giebt ihn in der Form des Denkens  ; sie stellt sich so nur ü b e r d i e F o r m d e s G l a u b e n s  , der Inhalt ist derselbe . / Die Form des Subjects als fühlenden Einzelnen u . s . f . geht das Subject als Einzelnes an  : aber d a s G e f ü h l als solches ist nicht von der Philosophie ausgestoßen . Es ist die Frage nur , ob der I n h a l t des Gefühls die Wahrheit sey , sich im Denken als der wahrhafte erweisen kann . Die Philosophie d e n k t  , was das Subject als solches f ü h l t und überläßt es demselben , sich mit seinem Gefühl darüber abzufinden . Das | Gefühl ist so nicht durch die Philosophie verworfen , sondern es wird ihm durch dieselbe nur der wahrhafte Inhalt gegeben .

VORLESU NGEN Ü BER DI E BEW EISE VOM DASEIN GOTTES SOM M ERSEM ESTER 1829 NACHSCH RIFT

HIPPOLYTE ROLIN MIT VA RI A NTEN AUS DER NACHSCH RIFT

A   . W ERN ER



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Beweise vom Dasein Gottes  Prof Hegel .

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Die Beweise vom Dasein Gottes sind nichts anderes , als eine eigenthümliche Weise von Hauptmomenten die in der Logik vorkommen  ; und daher werden diese Vorlesungen nur für die jenigen klar sein , die sich auf die Logik gelegt haben  : nur für diese sind sie bestimmt . Schon der name unseres gegenstandes G o t t erhebt an sich das Gemüth . Diese Spannung lässt aber bald wieder ab , wenn man betrachtet dass es sich handelt um die B e we i s e des daseyn Gottes . Diese überhaupt sind in verruf gekommen als etwas antiquirtes , als ein überbleibsel der alten Metaphysik . Man ist darauf zurück gekommen , und man hat gesucht sich von den Bestimmungen des trocknen Verstandes zu einem wahren und warmen gefühl wieder zu erheben . Es ist nicht nur etwa eine einzelne form des beweises die zu bessern , oder eine lücke die auszufüllen wäre  : sondern das beweisen überhaupt der religiösen Gegenstände ist ausser Curs gekommen . Es werden so gar die früheren beweise historisch fast nicht gewust , und es kann Theologen geben denen sie unbekannt sind . Das Beweisen geht von dem Bedürfnisse aus , die Vernunft zu befriedigen . Dieses Bedürfniss hat in der neuern bildung eine andre Stellung erhalten . Die beiden standpuncte sind hier kurz anzugeben , an welche der beweis sich knüpft , und zwar in der gestalt wie sie innerhalb des Christenthums erst entstanden sind . Die

20 1 Beweise vom Dasein Gottes   Prof Hegel .] Vorlesungen / über die Beweise des Daseins Gottes . /

gehalten / im Sommersemester 1829 / auf der Universität zu Berlin / vom / P r o f  . H e g e l  . / A .  Werner .   6 Schon der … Gemüth .] Der Gegenstand nun unserer Vorträge ist der würdigste , ist Gott , ein Gegenstand , der an sich , dessen bloßer Name unser Gemüth zu erheben fähig ist .   9 alten] abgestorbenen  9–13 Man ist … wäre  :] Wir , als Christen , haben ja das Bewußtsein , daß wir uns 25 von der todten Metaphysik zum lebendigen Glauben gerettet , aus dem trocknen und kalten Verstande zum warmen Gefühl der Religion erhoben haben . – Da kann es nun scheinen , daß wir die morsch­ gewordnen Stützen unserer Überzeugung vom Dasein Gottes durch neue Kunststücke eines scharf­ sinnigen Verstandes wieder zu unterstützen , daß wir die Stellen , die am Gottesbeweise morsch geworden sind , durch neue Gründe zu verstärken gesonnen sind .   14 ausser Curs] in Mißkredit   30 15 und es … sind] ja , sie sind selbst Theologen , die von den Wahrheiten der Religion eine wissenschaftliche Kenntniß haben sollen , unbekannt   17 bildung] Bildung , die von der Philosophie ausge­ gangen ist ,   17–19 Die beiden … sind .] H i e r s i n d z w e i S t a n d p u n k t e z u e r w ä h n e n  , die uns nothwendig begegnen . Sie sind im Ganzen bekannt , und wir wollen sie nicht in ihre Grundlagen verfolgen und die verschiedenen Seiten an ihnen betrachten , es ist uns mehr darum zu thun , an sie zu 35 erinnern . Auch nehmen wir sie beide in der bekanntesten Gestalt auf , nämlich in der , welche sie auf dem Boden des Christen­thums erhalten haben .  

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christliche Religion ist der Boden der Zweifel . Da tritt erst der Gegensatz von Glauben und Denken ein  : der gegensatz zwischen Positiver Religion und selbstständigem Denken . In den Phantasie-Religionen musste sich das denken auch an die sinnlichsten der selben kehren , und die wiedersprüche daran zeigen  ; welche verfolgungen damit verknüpft worden sind , lehrt die Geschichte der Philosophie .  – Die gegensätze die nur gedeihen zu streitigkeiten , nicht zu einem innern Zwiespalt der menschen in sich selbst . Dies kann nur erst im Christenthum geschehen , wo diese gegensätze die höchste tiefe des Geistes zu ihrer gemeinschaftlichen Wurzel haben . Da berühren sie sich . – In ihrem unaufgelösten wiederspruch zusammen gebunden , vermögen sie das innere des menschen zu zerrütten . Glücklicher Weise ist das nicht das | allgemeine , noch weniger das nothwendige verhältniss , wie G l a u b e n und D e n k e n sich zu einander verhalten . sondern das verhältniss kann auch ein friedliches sein , indem man sich vorstellt (wie das früher gewesen ist) , dass beide nicht wesentlich und nothwendig im widerspruch sein müssen , sondern dass sie auch in übereinstimmung sein können . Ja , es kann diese vorstellung so weit steigern dass man überzeugt ist , e s m ü s s e s o s e i n   : nämlich wenn man betrachtet dass Gott sich unmöglich in seinen werken so widersprechen kann , dass das wesentliche des menschen , das d e n k e n  , dem Glauben ursprünglich entgegengesetzt sey . – In dieser Vorstellung sehen wir das ganze Mittelalter . Die Theologie ist eine wissenschaftliche erkenntniss der Christlichen wahrheiten  ; und die Philosophie ist nichts anderes als die Wissenschaft . Zwar ist das historische auch eine Seite der Wissenschaft , aber nur der äusserlichen Wissen­ schaft , der Kenntniss der äusserlichen vorgänge . Wenn wir historisch lernen was andre sich gedacht haben , so sind wir nicht dabei , sondern nur mit unseren Vorstellungen . Da ist es nicht darum zu thun , was wahrheit für uns , sondern was andre für wahr gehalten haben . Also im Mittelalter waren Philosophie und Theologie sich einander gleich  : d . h . selbst auf die abstrusesten lehren der Religion hat man die Philosophie ange­wandt  ; auch die hat man vernünftig zu begreifen gesucht . Ja so gar hat Anselm von Canterbury gesagt dass man sich der Nachlässigkeit schuldig mache , wenn man nicht

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1–3 Da tritt … Denken] Erst durch das Christenthum ist der Gegensatz zwischen Glauben und Vernunft , zwischen positiver Religion und selbständigem Denken innerhalb des Menschen selbst zu stehen gekommen  ; erst im Christenthume trit der Zweifel so im Menschen auf , daß er diesem alle Ruhe zu rauben vermag .   3 Phantasie-Religionen] vorhergehenden Phantasiereligionen   4 die wiedersprüche daran zeigen] und feindseelig gegen sie auftreten  18 Glauben] was zu ihm durch 35 höhere Mittheilung gekommen sei ?  21 wahrheiten  ; und … Wissenschaft] Wahrheit , im engsten Zusammenhange mit der Philosophie  27–29 d . h . selbst … gesucht] Auf alle Weise wurde der Versuch gemacht , die christliche Lehre durch vernünftige Gründe zu beweisen .   30–445,1 dass man … glaube] negligentiae mihi videtur , si non studemus , quod credimus , i n t e l l i g e r e  .  



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sucht zu begreifen was man glaube . Auch so in der Protestantischen Theologie findet neben der Theologie eine denkende erkenntniss der Religion statt . Man hat das Interesse zu sehen wie weit die Vernunft es bringen kann , jedoch mit dem Vorbehalt dass die Religion höhere wahrheiten lehre . Das resultat ist dann gewesen , dass die Positive Religion höher , aber nicht wider die vernunft sei . Ausserlich ist dann das dadurch bestätigt , dass der Geist erst in der Christlichen Religion tief in die Natur geblickt hat , und auf das Daseyn Gottes gekommen ist , auf die reine Idee Gottes , nicht mit sinnlichem gemischt , auf die unsterblichkeit der seele , u . s . w . Ein solches verhältniss der gleichgültigkeit des Glaubens und des Denkens gegen einander , welches Gedankenlos ist , oder trügerisch vorgibt , dass beide Seiten neben einander bestehen können ohne sich zu berühren , hat dann durch den Trieb des Denkens gestört werden müssen . | Oft ist dieses vorgeben nur nach aussen geschehen . Man hat nämlich gezeigt dass die Religion der vernunft widerspreche  ; aber , ungeachtet dessen , hat man gesagt , begebe man sich unter die Fahne des Glaubens . so konnte man dem räsonniren freien raum geben , wenn man nur nicht im Glauben schwanke . Es ist also nichts anderes als ein trügerisches Vorgeben , um sich nach aussen sicher zu stellen . Der Trieb der Vernunft hat dann dahin geführt , dass der Glauben sich auf sich zurück zog , und so auch das Denken . Beide sind wesentlich vermischt und verbunden mit einander , und zwar so dass es kein Denken ohne Glauben geben kann , und andererseits dass es keinen Glauben gibt , worin sich nicht ein denken , räsonniren , ein reflectiren befindet . Der Mensch ist nur Mensch durch das Denken . Es ist das was ihn von dem Thiere unterscheidet  ; und wie sehr sich auch

… seele , u . s . w .] Zu dieser wissenschaftlichen Erkenntniß rechnete man a u c h d i e G e s c h i c h t e   ; man betrachtete , was man über christliche Wahrheit vorher schon gedacht hatte , und was das Denken überhaupt interessirt . Da ist die Erkenntniß an Andere gebunden , ist erkennen , was Andere gedacht und empfunden haben  ; ich selbst bin nicht dabei , ich selbst werde mit meinem Den­ ken nicht in Anspruch genommen . Um das , was für mich selbst Wahrheit ist , ist es nicht zu thun . 30 Auch in der p r o t e s t a n t i s c h e n K i r c h e findet man solch eine vernünftige Erkenntniß der religiösen Wahrheit . Man gab zu , daß die Vernunft bis zu einem gewissen Grade die religiöse Wahrheit erkennen könne  ; aber durch die Religion werden dem Menschen doch noch höhere Wahrheiten oVen­bart  , die die Vernunft für sich zu erkennen nicht im Stande sei . D i e p o s i t i v e R e l i g i o n s t e h t s o ü b e r d e r Ve r n u n f t  , a b e r n i c h t w i d e r d i e Ve r n u n f t  . Zum Beispiel hat man gemeint , daß die 35 außer­christlichen Völker , sich selbst überlassen , doch auch tiefe Blicke in die Grundwahrheiten der Religion getan haben .   13 Denkens] D e n k e n s z u r E i n h e i t    13–16 Oft ist … Glaubens .] Auch war diese Einheit ganz oberflächlich , denn wenn man durch Hin- und Herräsonnieren über die Religion , erkannt hatte , daß die Vernunft anders statuire , als der Glaube , so zog man sich zu seiner persönlichen Sicherheit , doch unter die Fahne des Glaubens zurück .   19 Der Trieb der Vernunft] 40 D a s B e d ü r f n i ß d e r E i n h e i t   25 1–9 Auch so

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die Religion am Gefühle halte , so ist sie wesentlich in demselben , und somit im Glauben ein Denken . – Eben so im Denken ist ein Glauben , wenn es auch nur momentan ist . Glaube überhaupt ist die form irgend einer voraussetzung , einer annahme die zu grunde liegt , woher es auch komme . Dieser Glaube kann nur momentan sein , so dass nachher (oder vorher kann es auch geschehen sein) diess zum Resultat gemacht wird , dass es kein zu grunde liegender gelassen wird . In dieser Operation , in der verwandlung des unmittelbaren in einen vermittelten , in einem solchen Erkennen , ist immer ein Moment , welches die Stelle eines ausgangspunktes , eines geglaubten nimmt . In allem Denken ist also das Moment des Glaubens vorhanden . Diese Verbindung ist an und für sich da  ; und daher kommt es , dass es lange gedauert hat , bis das denken sich in das bewustseyn seiner absoluten freiheit zurück gezogen hat . In dieser Stellung wird für die Vernunft nichts mehr gelten , was sich nicht vor ihrem Richterstuhl gerechtfertigt hat . Sie verwirft alle auctorität , alles unmittelbar angenommene . Diess treibt den Glauben sich selbst eben so abstract für sich zu setzen . Der Glauben zieht sich dann in die Bewustlosigkeit des Denkens zurück  ; und glaubt des Denkens ganz entledigt zu seyn , und erklärt endlich das Denken für unfähig und Gefährlich , für etwas was nur seine eigene nichtigkeit aufzufassen vermöge . In der folge der Zeit ist es endlich so weit gekommen , dass einerseits | behauptet wird , der Glaube sey die einzige weise wie die Wahrheit gefasst werden kann  ; wo gegen das Denken sich nur mit dem jenigen befriedigt was durch das bewustseyn als wahrheit sich bewähre . Die gegensätze kommen in grossem umfang vor  ; aber sind in keinem Gegenstand mächtiger als eben in der Erkenntniss von Dasein Gottes . Das erkennen des Daseyns Gottes hängt von der natur des erkennens überhaupt ab  ; und in der neuern Philosophie Epoche ist es hauptsache geworden , dass vor dem wirklichen erkennen , die art und weise des erkennens untersucht wird .  – Wenn wir die Foderung so gleich näher betrachten die uns aufgelegt ist das erkennen zu untersuchen , damit sehen wir dass die Sache nicht verändert seyn wird . Denn auch in diesem falle haben wir einen gegenstand  : das ist das erkennen und zu diesem erkennen werden wir uns erkennend verhalten  : wir kommen also aus dem erkennen nicht heraus . Es zeigt sich also dass es etwas widersinnig ist , das erkennen untersuchen zu wollen vor dem wirklichen erkennen . Wir können also das erste aus dem Spiele lassen .

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12 hat] hat , ehe sich das Denken in das abstrakte Bewußtsein seiner Freiheit zurückgezogen hat  ; und der Glaube sich vom Denken befreit hat . Das ist jetzt schon geschehen .   14 alles unmittelbar ange- 35 nommene] und will abstrakt , konsequent in sich sein   20–22 wo gegen … vor] Wie vorher die allgemeine Vorstellung war , daß der Mensch nur im Denken die Wahrheit , und seine Beruhigung finden kann , so ist es jetzt die , daß der Glaube allein seelig mache . – An diese Gegensätze werden wir erinnert   26 wird] werde . Da ist Gefahr , daß wir für diese Vorlesungen zu weit ausholen



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Es wird sich ferner zeigen , dass in unserem wirklichen erkennen das erkennen sich rechtfertigen wird  ; und dass der andre Weg ein überflüssiger seyn wurde können wir auch voraus wissen wenn wir nicht die falsche vorstellung mit bringen dass das erkennen eine ausserliche richtung gegen das object ist . Wenn wir uns das erkennen so vorstellen , dann ist es freilich eine Sache für sich  ; und dann kann es wohl seyn dass die bestimmungen die dem erkennen zu kommen verschieden sind von dem gegenstande . auf diese weise hätten wir freilich es nur mit den Bestimmungen des erkennens zu thun . Dass aber die Verhältnisse so Sein , der gegenstand ein object für sich und das erkennen eine thätigkeit , das ist eine durch nichts gerechtfertigte voraussetzung des verstandes . Es ist blos eine solche voraussetzung die es nothig scheinen lasst die natur des erkennens für sich zu untersuchen . Das wirkliche erkennen muss nicht ausser den bestimmungen des gegenstands bleiben es nimmt keine andern Bestimmungen in sich selbst auf als die des gegenstandes selbst . Aber die bestimmungen der gegenstände sind in dem erkennen nur in der form der gedanken enthalten . | Unsere aufgabe ist die betrachtung der erhebung des menschen geistes zu Gott . Diese erhebung ist nicht etwas grundloses in sich . Diese erhebung ist ferner er­ hebung der gedanken und zwar im Reich der gedanken . Der mensch ist wesentlich bewustseyn . Der Inhalt den die empfindung hat ist im bewustseyn  : denn es ist ein bewustes das empfindet  : und das empfindende verhält sich zugleich als bewust­seyendes . Indem er bewustseyn von etwas hat , so ist das eine vorstellung , ein wissen . Aber das bewustseyn kann seyn sinnliche anschauung oder sinnliche vorstellung . Dieser inhalt aber ist seiner natur nach , kein sinnlicher inhalt  : er ist allein für den Gedanken . Wir haben es nicht mit den Gottern der Phantasie zu thun . Unser Gott ist für den reinsten Gott des geistes  : das ist für den Gedanken . Wenn sich weiterhin sinnliche anschauung zugesellt , und in materieller Hinsicht bekleidet wird , so ist das wesentliche immer doch nur für den Gedanken . Wenn der inhalt auch empfunden wird , so ist die bestimmtheit der empfindung etwas dessen Wurzel der Gedanke ist .

… untersuchen .] zu thun hätten , den Gegenstand selbst aber nicht erreichten  13–15 es nimmt … enthalten .] sondern sich mit dem Gegenstande selbst zu thun machen , und die Bewegung wissenschaftlich nur betrachten . E i n d e n k e n d e s E r k e n n e n i s t a l s o d a s d i e I n h a l t s b e s t i m m u n g e n p r o d u c i r t i n F o r m d e s G e d a n k e n s  .  – Was über diesen Aspekt des Erkennens zu bemerken , folgt unten , und folgt aus dem Sinn unserer Aufgabe .   25–27 Unser 35 Gott … wird] Der Geist ist nur für den Geist , und zwar auch nicht für den empfindenden Geist , son­ dern für die reinste Art des Geistes , für den Gedanken . Wesentlich ist Gott für den Gedanken . – Wenn dann auch die Einbildungskraft dazu kommt , wenn Gott von der Phantasie bekleidet und außerlich dargestellt wird  

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Diese erhebung des denkenden Geistes ist das was wir betrachten wollen . Es ist noch hinzu zu setzen dass diese erhebung nicht eine willkührliche oder zufallige ist  ; sondern dass sie in der natur unsres Geistes begründet ist . Wir haben also die nothwendigkeit dieser erhebung  : und die betrachtung dieser nothwendigkeit ist das was wir B e we i s e n nennen . Indem wir die erhebung betrachten , sehen wir dass sie nothwendig ist . nicht wir haben diese nothwendigkeit dar zu stellen  ; sondern sie ist für sich in dieser erhebung  ; und wir betrachten nur die thätigkeit dieser erhebung selbst Die erhebung zu Gott ist auch nicht eine erhebung zu einer blosen vorstellung von Gott , subjectiv gebildet  ; sondern das was wir uns vorstellen , i s t auch . Damit fallt schon eines der vorurtheile weg , welche man gewohnlich gegen die Beweise vom Daseyn Gottes mitbringt . – Weil die vorstellungen die man gewohnlich hat nur im weg stehen , so sind hier noch einige erörterungen über die natur des beweisens mit zu theilen . Das beweisen was hier nicht statt finden soll , ist das was allgemein gilt . Es gibt 2 arten der beweise  : die eine art die man | gewohnlich für beweisen selbst hält , schliessen wir an . Das ist die art der beweise welche wir gebrauchen zu unseren subjectiven erkenntnissen . Diese art ist die jenige welche statt findet in den Wissenschaften von den endlichen Dingen . sie hat darin ihre eigentliche form , was man das strenge beweisen nennt , wie in den Mathematischen Wissenschaften . In einem Geometrischen satz muss jeder theil des Satzes seine Rechtfertigung haben . und der gang des verfahrens rechtfertigt sich durch den Zweck den ich dabei habe  : und dass durch dieses Verfahren mein Zweck erreicht wird . – Bei diesem ver­ fahren ist man sich sehr wohl bewust  : bei einem Algebraischen satz , haben wir ein unbekanntes das x , wir wissen sehr wohl dass dies x nicht die ganze operation durch gemacht hat durch welche wir durchgegangen sind um seine grösse zu erreichen[ .] Diess beweisen zeigt auch die Nothwendigkeit des Satzes . Aber die einzelnen Bestimmungen in dem gange müssen auch gerechtfertigt werden . Diese Bestimmungen die wir durchlaufen kommen dem objectiven inhalt zu  ; aber wir haben das bewustseyn dass das fortschreiten in uns selbst liegt . Das verhaltniss der seiten der Rechteckigen 3ecke wird nicht so zu stande gebracht , wie unser

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3–8 Wir haben … selbst] Diese Nothwendigkeit wollen nicht wir beweisen  ; sie beweist sich selbst , wir betrachten nur den Beweis und wir bringen die Nothwendigkeit hervor . Nicht unser subjek­tives Gebilde ist sie , sondern diese Nothwendigkeit ist für sich in dieser Erhebung  ; wir betrachten nur den Prozeß . Das ist der eigentliche Beweis .   16–18 die eine … erkenntnissen .] Die erste 35 (die wir ­sogleich ausschließen) ist die , die wir gebrauchen z u m B e h u f e u n s e r e r s u b j e k t i v e n E r­k e n n t n i ß   ; d a l i e g t d e r G a n g d e s B e w e i s e s n u r i n u n s  , nicht in der betrachteten Sache selbst .  



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erkenntniss davon . Da ist der gang unsrer erkenntniss ganz verschieden von dem gang der Genesis der objecte . Als eine andre form des beweises in den endlichen Dingen , wird auch genannt was nur ein weisen ist . Das historische beweisen ist wiederum von andrer art . Das historische wissen beruht auf erfahrung oder wenigstens auf wahrnehmung . Es wird dann wieder durch rasonnemt zu wege gebracht . Dies hat zum gegenstand die Data der wahrnehmung und die Zeugnisse derselben . Das ist alles eine subjective thätigkeit . Da bestimmt sich das sogleich für sich selbst , dass die thatigkeit der Geschichtsschreiber eine ganz andre geschaftigkeit ist als der gang der res gestæ , der begebenheiten selbst . Was nun aber beweisen auch heisst , das weisen , und zwar durch eigene erfahrung , findet statt wenn man zeigt dass es solche gattungen in der Natur gibt . Das nimmt man wahr . Das wird auch beweisen genannt . In diesem weisen kommt zunächst ein gewisser StoV vor . Wahrnehmen geschieht durch den äussern , oder durch den innern Sinn , über Zustande , thatigkeiten , veranderungen im Geiste . Der Sinn selbst wird auch anerkannt | als etwas Subjectives . Indem wir aber dieses bei seite setzen , so wissen wir so gleich , in ansehung des weitern verhaltens zu dem StoV , dass der StoV nicht so in die Wissenschaft eindringt . Den StoV der in der wahrnehmung ist , nennen wir erscheinung  ; er wird dann erst durch analyse zu etwas Wissenschaftlichem gemacht . Durch die weglassungen dessen was unwesentlich ist , und die aufnehmung dessen was wesentlich ist . auch hier findet dann dieser unterschied statt , auf dem sich das ganze dreht , dass die wahrnehmung sich nicht selbst abstrahirt , sondern dass ein grosser theil der wissenschaft der erkennenden thatigkeit zukommt  ; Wir sagen es müssen die merkmale des gegenstandes aufgefasst werden um ihn zu erkennen . Das zeigt eben die Subjectivität des erkennens . Was man erkennt ist nur ein äusseres . Bei dem Subjectiven erkennen ist eine hauptseite das analysiren und abstrahiren . Wir lassen dabei alle unwesentlichen bestimmungen

2 der objecte .] Objekts . Die einzelnen Bestimmungen des Ganges werden nur gerechtfertigt durch 30 ihre Zwecke .   11–14 Was nun … vor .] Dies ist eigentlich kein Beweisen , sondern nur ein Weisen ,

ein Aufzeigen eines Satzes in der Erfahrung , ein historisches Wissen . B e i m h i s t o r i s c h e n W i s s e n ist die Grundlage  : die Zeugnisse anderer von ihren Wahrnehmungen . Diese Wahrnehmungen sind aber ein ganz subjektives Thun , das sieht man aus der verschiedenen Wahrnehmung Einer Sache , da sieht man sogleich , daß die Thätigkeit des Geschichtschreibers eine ganz andere ist , als die Thätig35 keit der Handlungen selbst , die res gestae als Objekt werden vom subjektiven Erkennen sogleich unterschie­den  .   15–24 über Zustande , … zukommt  ;] der Sinn ist aber etwas ganz subjektives . Dieses Erkennen hat also einen subjektiven Zweck , geht durch subjektive Bestimmungen hindurch   26–27 Das zeigt … äusseres .] ein Merkmal ist nicht an der Sache sondern ist nur da zum Behufe unseres Merkens  

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weg . Aber die weise wie wir hier abstrahiren , ist eine andere als die welche im objectiven geschieht . Das was wir durch diese abstraction hervorbringen , das sind Gattungen . Die Gattung existirt zwar auch objectiv . Es ist eine f r a g e ob die gattungen gemacht sind , oder ob sie auch objectiv sind . Wenn wir die frage von der Seite lassen , so existiren doch die Gattungen nicht wie wir sie uns denken . Das worauf es ankommt ist diess , dass das erkennen ein gang ist unserer subjectiven thätigkeit . Die bewegung der Sache ist nicht die selbe wie der gang unseres subjectiven thuns . Daraus können wir unmittelbar die folgerung ziehen dass diese subjective thätigkeit an sich erörtert werden kann , und erörtert werden muss . Ihre ansprüche müssen für sich vorgenommen werden um das selbstbewust­ seyn zu prüfen . Die weitere folge die daraus zu ziehen ist , ist dass diess erkennen nur relationen auffasst , beziehung auf unsere thätigkeit , und beziehungen unserer thatigkeiten auf einen gegenstand überhaupt . Wir können dabei untersuchen , ob diese relationen nur subjectiv , oder ob sie auch objectiv sind  : ob sie realität haben , oder nur idealität . auf allen Fall sind es nur bezuglichkeiten und verhaltnisse von endlichem . Diese relation ist entgegengesetzt der an und für sich seyenden . Das relative ist | das Endliche . – Diese einsicht ist die grosse einsicht die die neuere Philosophie gewonnen hat , die durch die Kantische und Jacobische Philosophie hervorgehoben ist  ; und das resultat ist dass diese art des erkennens , unfähig ist das unendliche zu erreichen , das ewige zu fassen . Man hat dieses erkennen auch das vermittelte genannt und Man hat behauptet es sei die einzige Weise zu erkennen . Das wozu wir nun übergehen ist der standpunkt zu dem die Zeit von dieser einsicht übergegangen ist  : und das ist das andere extrem . Das unmittelbare wissen , der erkenntnisslose glaube , das gedankenlose gefühl . Man hat behauptet diess sey die einzige Weise die Gottliche Wahrheit zu fassen , und die erkenntniss habe keine andre Weise als die vorher beschriebene .

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3–6 Die Gattung … denken .] aber diese Gattungen existiren in der Natur nicht  ; da existiren Individuen  ; die Gattungen kommen nur unserem subjektiven Denken zu  ; wenigstens existiren die Gattungen in der Natur ganz anders , als wie wir sie uns machen .   6–11 Das worauf … prüfen .] So 30 muß nun hier die subjektive Thätigkeit besonder von dem Gegenstande erörtert werden . – Wir wollten das Erkennen für sich rechtfertigen , das Erkennen vor dem wirklichen Erkennen kennen lernen  ; hieraus sieht man , daß es überflüssig ist . Hier bei dem Erkennen von endlichen Dingen , wo der Gang des Beweises unterschieden ist von dem Gange der Sache selbst , ist das Erkennen fähig für sich , ohne den Inhalt , erörtert zu werden  ; ja dies muß hier geschehen , um die Ansprüche des Erkennens zu 35 prüfen .   15 oder nur idealität .] dem Gegenstande selbst zukommen   17–18 Diese relation … Endliche .] Bei Relationen weiß man , daß das An und für sich noch unterschieden ist von unserer Erkenntniß .   25 gefühl] F ü h l e n u n d e r k e n n t n i ß l o s e G l a u b e n    27 beschriebene] er­ örterte . Dieser Standpunkt trit uns mit großer Prätension in den Weg , wenn wir das Dasein Gottes denkend fassen wollen .   40



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Welche bewandtniss hat es mit diesem unmittelbaren wissen . In der Einleitung zu der Encyclopedie ist davon gehandelt und hier ist es nicht die Zeit und der Ort dies zu erklären . Es ist zweckmassig die hauptmomente an zu geben . Diese angabe kann nur eine reihe von Betrachtungen sein . – Der gegenstand auf den wir uns zunachst noch einlassen ehe wir uns zu dem inhalt selbst wenden . Gewöhnlich spricht man von dem gegensatz von Wissen und glauben . Uber diesen abstracten gegensatz können wir sehr leicht hinweg kommen durch die bemerkung dass der glaube dem bewustseyn angehört  : es ist also schlechterdings ein wissen mit dem Glauben verbunden  : man weiss nicht nur von dem gegensatze  : aber man weiss ganz gewiss dass er so ist . Das 2te was zu bemerken ist ist dass der gegensatz näher bestimmt wird . Man bezeichnet den glauben als unmittelbares wissen und man unterscheidet es von vermittelten und vermittelnden Wissen . hier ist es auch nicht der ort uns in die speculative erörterung dieser begriVe einzulassen  : Wir wollen uns zunachst an die vorstellung halten . Das factum ist dass es gar kein wissen , kein empfinden , gibt das nicht vermittelt und ebenso auch vermittelnd wäre . Es gibt keinen gegenstand in der natur worin nicht die bestimmung der vermittelung enthalten wäre .  – Wenn wir Gott uns vorstellen , so wissen wir diess von Gott  : wir können appelliren darauf dass es allgemein angenommen ist , dass Gott die freie thätigkeit ist , dass er er selbst ist , als vermittelung seiner mit sich selbst .  | Wenn wir thätigkeit in concreter vorstellung nehmen , so sagen wir , Gott ist der schöpfer des Himmels und der Erden . Die schöpfung ist nur durch das erhalten von Gott . Darin bleibt er also in beziehung auf sich selber . Das ist also auch vermittelung . Der Schöpfer ist nur vermittelst der menschen und der Welt . Wäre die Welt und die menschen nicht , so wäre er nicht Schöpfer  : und wenn Gott nicht Schöpfer wäre , so wäre er eine leere abstraction . Wenn wir uns so ausdrucken , so ist leicht eine verdrehung möglich , indem man sagt Gott bedarf der Welt und der menschen . Diese consequenz verwerfen wir . Gott ist nicht bedürftig . Wenn

4 Betrachtungen] Betrachtungen der verschiedenen Gesichtspunkte   7 abstracten] absoluten   8 30 angehört] a n g e h ö r t   : was man glaubt , das weiß man , das weiß man gewiß , das Thier glaubt nicht  

9 verbunden] v e r b u n d e n  . Es ist also ein leerer Gegensatz , mit dem man sich herumquält .   15 dass es … gibt] d a ß e s n i c h t s  , w e d e r i m H i m m e l  , n o c h a u f d e r E r d e  , n o c h u n t e r d e r E r d e g i b t    16–17 vermittelnd wäre … wäre] u n m i t t e l b a r    19–20 dass er … selbst] Als solche bleibt sie bei sich , bezieht sich auf sich  ; Gott selbst ist die Vermittlung seiner mit sich , nur das 35 Todte , das Abstrakte ist thatlos)   22–24 Die schöpfung … Welt .] Die Schöpfung ist nicht ein ­bloßes Hinauswerfen , sondern sie ist ein von Gott Gesetztes , nicht ein selbständig Gewordenes , sondern das die Beziehung Gottes an sich hat . So hat Gott die Beziehung auf sich , und auch auf die Welt , auf den Menschen als den Seinigen und von ihm unterschiedenen . So ist Gott Schöpfer vermittelst der Welt und der Menschen .  

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wir diese consequenz , so haben wir ganz unmerkbar etwas hineingeschlichen was nicht darin liegt . Denn indem man diess sagt , sagt man dass die Welt und die menschen an sich waren , und dass Gott also von einem andern abhängig ist . Die Schöpfung enthält also eine vermittlung in sich  ; und man muss dabei sehr wachsam seyn über seinen Verstand . Das andre ist nicht selbstständig . noch mehr ist vermittelung in dem was in der Christlichen erlösung vorhanden ist . Die vermittelung ist also Gott selbst . aber nicht durch ein anderes selbstständiges , sondern seiner mit sich selbst . Wenn nun das bewustseyn Gott zum gegenstande hat so hat es ihn nur als vermittelt zum gegenstand . – Der Glaube in so fern er betrachtet wird als existirend in dem Individuum , so ist er durch menschliche und noch mehr durch Göttliche erziehung oder belehrung vermittelt Was endliche gegenstände betriVt , so sind diese selbst vermittelt Wenn wir auf der andren seite betrachten was unmittelbarkeit ist , so können wir ganz einfach sagen dass es das ist was ist ohne beziehung auf ein anderes . Die unmittelbarkeit ist abstracte beziehung auf sich selber . Diese unterschiedslosigkeit ist das was wir S e i n nennen , und eben in so fern alles wissen wie alles andere das was i s t  . Weitere Bestimmungen sind schon verschieden von dem blossen prädicate des S e i n s  . Es gibt also nichts worin nicht vermittelung ist , und eben so auch nichts worin nicht die reine unmittelbarkeit vorhanden ist . Wenn man daher an einem solchen gegensatz etwas zu haben glaubt , so ist das nichts wirkliches , sondern blosse meinung . Mit dem Wissen verbindet sich näher die gewissheit  : aber es ist ein unterschied von gewissheit | und wahrheit . – Zum Beispiel haben die menschen lange gewiss gewusst dass die Sonne um die Erde geht , dass der Apis Gott ist u . s . f . Ein mensch kann wohl sagen  : ich glaube es gewiss  : damit aber gesteht er jedem gleiches Recht zu . Unmittelbar liegt hierin dass dieses unmittelbare Wissen den verschiedensten inhalt hat  : ob er wahr ist ist eine weitere foderung , zu deren erhärtung es der weiteren Zurüstung bedarf .

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2–5 dass die … selbstständig .] daß die Welt selbstständig wäre , und Gott auch . Aber beide sind hie­ durch vermittelt .   7–11 Die vermittelung … vermittelt] Gott selbst ist ein leeres Abstraktum , wenn 30 man ihn nicht im Unterschiede von sich selbst faßt , als Vermittlung seiner mit sich selbst . – So ist Gott unmittelbar und vermittelt . – So muß auch der Glaube Gott in der Vermittlung auffassen , wenn er nicht will ein leeres Abstraktum auffassen , damit nur das ganz Allgemeine , das keiner Vermittlung bedarf . D e r G l a u b e s o l l a l s o u n m i t t e l b a r e s W i s s e n s e i n  . a b e r i n s o f e r n d e r G l a u b e a l s e x i s t i r e n d a m I n d i v i d u u m b e t r a c h t e t w i r d  , i s t e r v e r m i t t e l t d u r c h E r z i e h u n g  , 35 d u r c h m e n s c h l i c h e B e l e h r u n g  , n o c h m e h r d u r c h g ö t t l i c h e E r z i e h u n g  , d u r c h d e n G e i s t G o t t e s  .    15 abstracte] einfache abstrakte  unterschiedslosigkeit] einfache Beziehung   23–25 Zum Beispiel … ist u . s . f .] Die Griechen haben von ihren Phantasiegöttern gewußt , die Indier wissen noch heute , daß die Kuh der Gott sei .  



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Es ist jetzt in der Philosophie besonders darum zu thun , den gesunden menschen Verstand gegen die reflexion zu haben . So vornehmlich ist diess hinsichtlich der gefühle der fall . Was hierüber desorientiren kann , ist gleichfalls die reflexion . Die form des gefühls ist nämlich mit dem unmittelbaren Wissen verwandt . Ich weiss unmittelbar von einem gegenstande , so dass er so gewiss als ich ist , und zwar in der form der vollkommenen einfachheit  : denn im gefühl ist keine gegenständlichkeit . Diese tritt erst mit dem bewustseyn , mit dem Wissen ein . Hinsichtlich der Religion , sagt man nun , sie müsse im gefühl seyn  : glauben ohne Gefühl sey keine Religion  : und diess muss zugegeben werden  : denn Gefühl ist meine subjectivität in ihrer unmittelbarkeit , als seyende persönlichkeit , als diese . Wenn wir den inhalt der Religion nur in der vorstellung haben , ist er mir gegenstand , und eine trennung vorhanden . Er ist noch nicht mit mir als einfach gesetzt . Sagen wir aber Gefühl , so stellen wir uns dabei vor , dass diess ein einzelnes vorüber­ gehendes ist . Das herz dagegen bezeichnet das umfassende der Gefühle nach ihrer mannchfaltigkeit und dauer . Daher , sagt man , Religion müsse im herzen seyn  : damit ist sie fest begründet und dauernd . So richtig diess beides ist , so machen wir auch hier sogleich einen unterschied . Nämlich die bestimmtheit im Herzen ist eine 2te Seite . die Religion ist nun eben so wenig die wahre weil sie im herzen ist  : denn auch bei den unwürdigsten Religionen sind Gefühle der herzen . ferner gibt es unsittliche Gefühle . Also kommt es auf die bestimmtheit im herzen an . Ist das gefühl Religios , so ist die Religion seine bestimmtheit  : ist es etwas arges , so ist das arge seine bestimmtheit .  – Also das herz ist eine gemeinsame form für den verschiedensten inhalt . Daher muss dieser auf seinen eigenen Werth gestellt werden  ; und dieser ist , was wir das objective des herzens nennen .  | Der inhalt nämlich muss unabhängig von dem gefühl wahrhaft seyn . Der wahrhafte inhalt nun , können wir sagen , ist der substantielle inhalt , das an und für sich allgemeine und nothwendige . Diess ist die sache , und diess als inhalt ist die

1–2 Es ist … haben .] Dies ergibt der gesunde Menschenverstand , und eben diesen will die Philosophie wieder einsetzen gegen die vielen Reflexionen des Verstandes .   9–10 Gefühl ist … diese] G e f ü h l 30 i s t d i e E i n h e i t m e i n e r u n d d e s G e g e n s t a n d e s i n d e r e i n f a c h e n U n m i t t e l b a r k e i t  .   | N u n f o r d e r t m a n   : d i e R e l i g i o n m u ß i n d e m G e f ü h l s e i n  .    12 Er ist … gesetzt .] sie ist nicht identisch mit mir , aber i m G e f ü h l b i n i c h d u r c h d r u n g e n vo n d e m I n h a l t e d e r R e l i g i o n  , da ist der Inhalt der Religion eine qualitative Bestimmung von mir . – Diese Einheit wird mit Recht in der Religion gefordert , daß sie unser eigen sei .   19–20 ist  : denn … an .] ist , als weil 35 sie unmittelbar gewiß ist . Auch das Falsche ist im Herzen , und es gibt sittliche und sinnliche Gefühle . (Aus dem Herzen gehen hervor alle Lüste cet , sagt die Schrift .)   21 bestimmtheit] Bestimmtheit  ; diese Bestimmtheit muß man vom Gefühle selbst unterscheiden   22–23 Also das herz … inhalt .] Dieser Inhalt ist unabhängig vom Herzen selbst   24 dieser ist , … nennen] er muß besonders hin­ gestellt werden und dann beurtheilt werden  

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summe der Religiösen und sittlichen wahrheiten . Die Gesetze haben einen letzten grund , Gott , welcher der reichste inhalt in sich selbst ist . nach diesem inhalt beurtheilt sich erst das Gefühl und das herz . Wir ziehen aus dem gesagten jetzt einige folgen . Wenn es zum princip gemacht wird , das herz als solches mache den Werth aus , so ist der inhalt unbestimmt gelassen . das herz aber muss etwas wollen . ein inhalt muss seyn . Soll dieser nicht von sonst bestimmt seyn , so ist damit gesagt dass es gleichgültig ist was das herz für einen inhalt hat , und somit entscheidet die Zufälligkeit über den inhalt , oder die Zufalligkeit im subjectiven Sinn , d . h . die willkühr . Was wahr , sittlich , recht ist , ist für dieses abstracte gefühl nicht durch seinen absoluten grund entschieden . Eine 2te Seite und Folge soll uns über die stellung der menschen zu andern auf diesem standpuncte belehren . Die sache , das allgemeine ist für alle  ; und der gedanke , der gemeinschaftliche boden  ; und die gedanken form die der gemeinschaftlichkeit unter den menschen . Es ist diess dasselbe was dem andern gründe geben heisst . Ich kann auch gefühle mit­ theilen  ; aber sollen sie nicht unbestimmt seyn und bleiben , so kann es nur in der form des Gedankens geschehen . Wer sich auf sein Gefühl , auf sein herz beruft , bricht die Gemeinschaftlichkeit mit den andren ab  : und daher muss man ihn stehen lassen . Er will den inhalt seiner Gefühle nur für sich haben . Ist dieses ächter natur , so ist es der Gedankenform fähig  ; und kann alsdann mitgetheilt werden . Eine weitere bestimmung ist mit dem vorhergehenden zusammenhängend . Wir haben von gefühl und herz gesprochen , welches so sehr es sich abschliesst doch in sich hinein sehen lässt , und von diesem herzen , wenn es sich zum princip macht , ist die rede . Das unbefangene herz muss unterschieden werden von dem welches Glaubt , die gedankenform müsse ausgeschlossen sein . Jenes will auch von der wahrheit durchdrungen seyn  : anders ist es , wenn diese form princip ist  : dann wird es vom inhalte unterschieden gehalten . Die Stellung , die das herz , das Gefühl | im unterschiede vom inhalt erhält ist diese  : Ich habe dies herz und den inhalt unterschieden , und ich bin so mir gegenstand  : bin mir wesentlich Zweck . Diess kommt in dem ausdruck vor , dass es mir Zweck ist , selig zu sein . Hier ist mir mein herz wesentlich Zweck  ; und ich weiss dass dieser nur erreicht werden kann durch den glauben an die Wahrheit , – so dass ich von ihr durchdrungen bin . Hier unterscheidet sich also der inhalt und ich , dieses Herz . Wenn ich mich

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9–10 ist für … entschieden] er muß besonders hingestellt werden und dann beurtheilt werden   14 heisst] (d . h . den Inhalt des Gedankens und ihn gemeinschaftlich machen)   15 bleiben] bleiben soll , wie etwa die Musik , wenn der Inhalt des Gefühls nach seinem Gehalte untersucht werden soll   35 15–16 es nur … geschehen] dies nur geschehen , wenn der Gehalt an sich , d . h . wie er für Andere ist , untersucht werde   16 herz] u n m i t t e l b a r e s W i s s e n   17–18 stehen lassen] stehen lassen , – es schadet auch nicht , denn   31 durch] durch Vermittlung , durch  



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nun als dieses besondre , abstracte , als Herz festhalte , so kann ich meinen Zweck nicht erreichen , nicht mit dem wahren inhalt mich erfüllen  ; besonders wenn ich mich von verschiedenen regungen durchdrungen fühle , dann bin ich noch mehr in quälendem Wiederspruche , und dieser kann perennirend bleiben , wenn ich bei dieser subjectiven Reflexion auf mein herz verharre . Indem ich mich selbst vor augen habe , hindere ich mich hier . Wenn ich mich in den wahren inhalt vertiefe , so verschwindet dieser Ich  : und ich bin in der sache . – Das wahre mittel des wahren ist sich so zu vertiefen , und nicht sein herz als gegenstand vor sich zu behalten . Diese hohlheit ist oft bei der frommen bekümmerniss um seine Seele vorhanden , und auch mit engherzigkeit verbunden . Dieses princip die gefühle aufs höchste getrieben kann in der existenz vorkommen mit den besten absichten . Diese Zurückführung auf sich kann abhalten sich in die sache zu vertiefen , und sich selbst zu vergessen  : und diese vertiefung in die sache allein kann die befriedigung gewähren . Das herz bleibt leer  : es ist mit nichts als mit sich selbst erfüllt  : Wenn sich dann auch das herz mit einem weiteren inhalt erfüllt , so erscheint diess immer als ein besonderer gewinn . Die sache nun ist das gemeinschaftliche  : als wesentliche sache ist sie an und für sich das allgemeine . Der Göttliche inhalt hat seinen grund im herzen . Wenn diess princip in der form ausgesprochen wird , dass es die liebe Gottes sein soll , die das herz erfüllen soll , so ist mit dieser liebe das herz wesentlich in anspruch genommen . Aber die Liebe überhaupt ist schon in ablassen der beschränktheit des herzens auf sich selbst . Die Liebe Gottes ist ein inhalt der den ganzen reichthum des Gottlichen Geistes in sich enthalt , und die entfaltung dieses inhalts ist die versöhnung , die das herz zum intensivsten , aber zugleich zum allgemeinsten bewustsein erweitert . – Der inhalt des herzen auf diesem standpunkt ist das leere . Diess zusammen ziehen hat sich dann ausgedehnt auf das wesen | und die verflachung des inhaltes ist es , die sich ausdrückt in der form des unmittelbaren Wissens . Indem der Geist in dieser Beschrankung aber ist , so ist mit der reduction auf die unmittelbarkeit auch die reduction des inhalts verbunden . Ein concreter , wahrhafter inhalt ist manchfaltig . Was wir objectivität des inhaltes nennen , so ist ein solcher inhalt es nur in so fern als er eine einheit ,

9–10 Diese hohlheit … vorhanden] Es sind von dieser Qual , wo das Herz nur an sich feststeht , die fürchterlichsten Beispiele vorhanden   13–14 befriedigung] B e r u h i g u n g   14–18 Das herz … princip] denn die Sache selbst ist weit  ; das Herz erweitert sich nur in sich selbst , und nur , wenn das Herz Gott zum Inhalte hat erweitert es sich in seinem Interesse . Wenn dieser Inhalt   24–25 Der 35 inhalt … standpunkt] Nur das Prinzip des Herzens soll dem Herzen für sich der Inhalt sein  ; aber dieser Inhalt   25–456,10 Diess zusammen ziehen … einzulassen  .] D a s H e r z w i l l a b e r a u c h e t w a s w i s s e n  , u n d w i r d i n s e i n e r S o r g e d a r a u f g e f ü h r t  , d a ß e s s e i n e B e f r i e d i g u n g n u r e r l a n g e n k a n n v e r m i t t e l s t e i n e s I n h a l t s  , den es sich zu eigen macht und der der wahre sein soll . Aber in seiner Beschränktheit kann es den Inhalt , insofern er denkend gewußt werden kann ,

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die mit dem reichthum der entwickelung erfüllt ist . Das bewustseyn eines solchen inhaltes ist verbunden mit dem bewustseyn der vermittelung . Ein solcher inhalt wird verschmäht von dem unmittelbaren Wissen . In diesem Zusammenhange mit der form der unmittelbarkeit hängt die erscheinung zusammen . sie beschäftige sich ausführlicher mit Gott . Eine ausführliche beschaftigung kann nicht eine Phantastische seyn . Der gedanke ist zu weit gekommen . Ein Phantastisches , und ein blos erbauliches kann nicht mehr Interesse erwecken . Wenn man sich mit dem gedanken nicht beschaftigt , so wird freilich zugegeben , dass man an Gott und an die Christliche Religion glaube . Aber über die allgemeinheiten hinaus , da scheut man sich nicht nur mit andern , aber auch mit sich selbst darüber einzulassen . Man kann so gar unangenehm berührt sein wenn andre sich weiter damit beschäftigen . Das Herz und der Gedanke unterstutzen sich da einander . – In diesem Standpunct beruft man sich wie in dem vorigen auf das herz , auf das gefühl  : aber man erkennt die unzulanglichkeit der Vernunft . Um alles vorige zusammen zu fassen , werden wir sagen dass das herz und der gedanke sich von Gott erfüllen soll . Die sache ist wesentlich an sich gedanke und im Gedanken . Der gedanke ist mehr als ein nothwendiges gewusstseyn . d . h . er muss sich von den Beweisen überzeugen . Es soll aber nicht ein subjectives ergehen der gedanken ausserhalb der sache seyn sondern der gedanke soll nur der sache folgen . Die nothwendigkeit des inhaltes , das ist dann das erkennen selbst . Das sind die puncte von denen wir bisher gesprochen haben . Der gegenstand der ausgesprochen ist die erhebung des Geistes zu Gott . Die blose nennung dieses gegenstandes ist geeignet jenes wieder zurück zu drangen  : oder das was wir bisher gesagt haben , kann scheinen nicht zu erschopfen

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nicht aufnehmen , und es bleibt nur bei dem Allgemeinsten stehen . So weiß es von Gott nur überhaupt  ; das konkrete Wissen hat konkreten Inhalt , und der konkrete Inhalt mannigfaltige Bestimmungen  ; objektiver Inhalt ist eine Einheit , die mit dem Reichthum der Entwicklung erfüllt ist . Damit geht aber das Bewußtsein in den Frevel , in das Unglük des vermittelten Wissens über  ; das unmittelbare Wissen verscheucht jeden objektiven Inhalt . Hiemit hängt die Scheu vor ausführlichen Betrachtungen 30 (z . B . der Erkenntniß Gottes) zusammen , denn beim Ausführlichen kann man bei bloßen Erbaulichkeiten , bei Dichterischem nicht stehen bleiben . So kommt man über die Vorstellung von Gott überhaupt nicht hinaus  ; Niemand will ein Atheist sein , aber Jeder scheut sich über das Allgemeine hinauszugehen , besonders seiner selbst willen ,   12–18 Das Herz … überzeugen .] man ergeht sich selbst un­w ill­kühr­l ich in Reflexionen . Unser Herz soll sich vor dem Erkennen nicht scheuen , unser Herz 35 soll von dem Inhalte erfüllt sein . Wenn der Gedanke aber als nothwendig gewußt werden soll , so muß er sich beweisend ausbreiten , sich des Zusammenhangs , der Nothwendigkeit bewußt werden .   20–21 folgen . Die … selbst .] ihre Nothwendigkeit exponiren   24–457,14 Die blose … aufzeigen .] 7–8 mit dem gedanken nicht] nicht mit dem gedanken (nicht über der Zeile)  



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was zu sagen ist , und über den Standpunct unseres gegenstandes . wir haben zwar das endliche erkennen entfernt  : wir haben das erkennen als ein solches bestimmt was sich nicht ausser der sache halte . Es ist auch anerkannt worden dass das herz einen wahren inhalt haben soll . Aber das alles macht nur die subjective sphäre aus  ; und diese sphäre fällt ausser sich heraus | unter dem höchsten inhalte , Gott . Die betrachtung einer Seite ist einseitig . Die andre seite muss gleichfalls betrachtet werden  : es muss gesagt werden dass Gott dem erkennen auch entgegen komme . Das scheint eine forderung zu seyn welche nicht befriedigt wäre durch das bisherige . über diese foderung ist folgendes zu bemerken . Wenn das was wir die subjective seite genannt haben , wahrhaft in seiner entwickelung betrachtet wird , so kann die betrachtung nur darin bestehen dass das erkennen seine Subjectivität aufgeben musse  ; und somit fuhrt sich durch solche betrachtung die erkennung der andren seite in jener betrachtung von selbst herbei  ; und unsere weitere vorhabene Abhandlung wird sich als ein theil dieser erkenntniss aufzeigen . Es ist ein mangel der einleitenden und vorläufigen unter anderem auch diess dass es überflussig ist durch die weitere Abhandlung , und doch ist es ein bedurfniss . Wir werden unsern gegenstand nicht so weit fuhren bis zu dem selbstbewustseyn Gottes . Blos vorläufig lasst sich darüber nicht sprechen , ohne zu provociren auf andre schriften  : Aphorismen uber nicht wissen und absolutes wissen von G . L . Diese schrift nimmt rücksicht auf die Philosophie von Hegel , enthalt eben so grundlichen festen Christlichen Glauben . Besonders hat diese Schrift auch den missverstand und den widerspruch der frommheit hervorgehoben (Cicilie und Octavian von demselben Verfasser) . Was der verfasser in der angeführten Schrift vorträgt behandelt den Gesichtspunct auf welchem wir stehen auf die gründlichste Weise .

Hier scheint es , daß wir durch all das Vorige noch keinen festen Standpunkt erlangt haben , denn hier trit uns d a s Ve r h ä l t n i ß d e s M e n s c h e n z u G o t t a l s e i n e u n ü b e r s t e i g b a r e K l u f t e n t g e g e n  , eine Kluft , die durch das im Vorigen aufgestellte Erkennen nicht ausgefüllt werden kann . | Die subjektive Seite unseres Erkennens fällt bei dem Namen Gottes tief hinunter in ihre Nied30 rigkeit . H i e r s i n d 2 S e i t e n z u b e t r a c h t e n   : d e r M e n s c h  , d a s E r k e n n e n  , u n d G o t t d e r s i c h d e m E r k e n n e n d a r b i e t e t  . Die wahrhafte Betrachtung des ersten besteht darin , daß das Einseitige des Erkennens , die Subjektivität aufgehoben wird , denn das Erkennen als wahrhaftes ist nicht einseitig . Durch solche Betrachtung ergibt sich die andere Seite , das Verhaltniß Gottes zu dem Erkennen von selbst . Diese beide Seiten wären also zu betrachten .   17–18 selbstbewustseyn Gottes] 35 was das S e l b s t b e w u ß t s e i n G o t t e s  , an sich , nicht im Verhältniß zu dem Wissen des Menschen von Gott ist   18–25 Blos vorläufig … Weise .] Aber ich kann hier auf eine Schrift verweisen , die diesen Gegenstand mit tiefster Gründlichkeit und philosophischem Geiste , mit Beleuchtung des falschen Verstandeswissen gegen die Philosophie und das Christenthum behandelt . Es ist » G …… l  , A p h o r i s m e n ü b e r d a s W i s s e n u n d a b s o l u t e s W i s s e n « , Berlin 1829 bei Frank­l in , wo sonst 40 nur Schriften von Tholuck erscheinen . Diese Schrift nimmt Rüksicht auf meine philosophische Dar-

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Es ist hier an eine ganz einfache vorstellung zu erinnern . Wir sollen von den beweisen Gottes reden . Es ist also vorausgesetzt dass wir an Gott glauben , und 2tens dass wir auch glauben dass Gott nicht neidig ist . Die Alten haben den Neid zum Gott gemacht . Plato und Aristoteles haben sich dagegen widersetzt  : und die Christliche Religion thut das noch mehr . sie lehrt dass Gott sich zum Knechten Zustand herabgelassen hat , dass er sich gewurdigt hat sich zu ver­oVen­ baren . Wenn wir also voraussetzen dass Gott nicht neidig ist , so wollen wir die frage aufstellen  : wenn Gott nicht neidig ist , wie soll er sich den menschen nicht mittheilen . Man erzahlt dass in Athen ein gesetz die todesstrafe gegen den fällte der sich weigerte das licht eines anderen an zu zunden . Schon von dem Physischen Licht hat man diese vorstellung . Wie soll also Gott sich entwurdigen sich nicht mit zu theilen . wie soll er dadurch verlieren . Der Geist erweitert sich desto mehr , je mehr er sich mittheilt . Es ist eine ungereimtheit zu sagen dass die | Christliche Religion eine geoVenbarte ist , wenn der Gott nichts andres geoVenbart hat als dass er sich nicht oVen­baren will . Dies sind die Gesichtspuncte die wir beruhren wollen , die sich in der atmosphäre unserer bildung vorfinden . Nun gehen wir an unseren gegenstand , an die erhebung des Geistes zu Gott , d . h . an das beweisen vom Daseyn Gottes . Denn die explication dieser Erhebung ist eben nichts anderes . In dem was gesagt ist ist entfernt worden dass das resultat unsrer Critik nur ein negatives seyn soll , wie von der Critik von Kant . Man muss sich auch vor dem vorurtheil bewahren als wäre die Vernunft erst neu erfunden . Dieser Stolz hat die Wuth dagegen hervorgebracht dass in den fremdartig erscheinenden den alten Religionen auch ein vernunftiges gestellt worden sey . Damit ist auch diess abgeschnitten dass unsere Betrachtung eine blos negative seyn soll . sie soll auch

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stellung  ; sie enthält den christlichen Glauben mit tiefer Einsicht , beleuchtet alle Gesichtspunkte , die 25 der Verstand gegen das Christenthum aufbringt , besonders den Mißverstand , daß das Nichtwissen mit dem aufklärenden Verstande gemeinschaftliche Sache macht gegen das absolute Wissen .   1 erinnern] erinnern . Gott weiß sich absolut selbst .   4 gemacht] gemacht , der alles Große und Hohe zerstöre  5–6 zum Knechten Zustand herabgelassen hat] zu dem Menschen herabgelassen habe bis zur Knechtsgestalt   7–9 Wenn wir … mittheilen .] daß Gott dem Menschen selbst das Höchste 30 gönne , es ihm zum höchsten Gebote macht , Gott zu erkennen .   12 verlieren] verlieren ? Diese Vorstellung paßt nicht für den Geist .   16 unserer bildung] als philosophische Ergebnisse   19 In dem … worden] Es ist also jetzt von den metaphysischen Beweisen selbst zu sprechen . Zu bemerken ist noch   20 Critik von Kant] Kantische Philosophie , sondern auch einen affirmativen Inhalt geben wird . Es ist das blose Kritisieren ein trauriges Geschäft , das sehr leicht zu Eitelkeit führen kann . Diese 35 Eitelkeit entfernt man durch Angabe eines wirklichen Inhalts .   21 erfunden] erfunden sei , und alles , was in der christlichen Kirche und in andern Denkweisen mit dieser Vernunft nicht übereinstimmt , auf die Seite zu werfen   21–24 Dieser Stolz … soll .] Ein Vorurtheil , das besonders Einfluß 12 Der Geist] D Geistat  



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nicht eine blos historische seyn . Jede Philosophie hat es mit den grundfragen oder was damit in beziehung steht zu thun . Es hat Zeiten gegeben wo das bedurfniss den Atheismus zu widerlegen ein besonderes gewicht auf die beweise vom Daseyn Gottes hat legen machen . Der letzte berühmte in dieser Hinsicht ist der in Mendelssohn Morgenstunden . Aber durch die Kantische Philosophie haben diese Beweise ihre Bedeutung verloren . Die geschaftigkeit mit dem blos historischen ist häufig nur eine Vorspiegelung dass man es da mit der sache zu thun habe  ; das allererste aber ist , dass man sich nicht darum bekummere wie andere sich dazu verhalten haben , sondern dass man sich selbst zu dem verhalte . Ein erster beweis ist bekannt unter dem ausdruck  : ex consensu gentium . Das ist eine sehr bekannte Categorie , die Cicero hervorgehoben hat . Das was wir darüber zu bemerken haben , ist erstens dass allerdings eine allergrosste auctorität darin liegt . Wenn wir von der Kraft dieses beweises absehen , und die factische grundlage betrachten , so zeigt sie sich selbst unbestimmt und unversichert . Mit dieser berufung auf den consensus gentium verfahrt man so wie die berufung auf alle überhaupt  : man geht sehr leicht damit zu wege . Betrachten wir diese redensart näher , so kann geschichtlich von allen menschen nicht die rede seyn , die existirt haben , die existiren und die noch nicht existiren . Es kann geschichtlich auch von allen völkern nicht die rede seyn , wenn die geschichtliche grundlage wahr ist , soll aber diese nicht nur von allen völkern , sondern von allen Individuen gelten müssen . – Die neueren reisen | haben von den menschen die sie gefunden haben sagen müssen , sie haben nicht die vorstellung von Gott  : abgesehen davon dass es menschen gegeben hat , die man Atheisten nennt . Ausserdem besteht bei einer sehr grossen menge von volk eine sehr bestimmte , ungewisse erklärung ob sie eine Religion haben  : ferner ist eine grosse menge von völkern die eine sehr bestimmte Religion haben  : wo aber das was sie sich unter Gott denken eine solche be­schaVen­heit hat , dass wir sehr zweifeln müssen ob sie die Vorstellung eines Gottes haben . Z B In der Staat Religion von China darüber was als das höchste verehrt ist zwischen Catholischen missionaren der bitterste streit geführt worden ,

30 gehabt auf die Behandlung der alten Religionen , und das die Wuth gegen K r e u z e r  , als er in dem

Bizarren der alten Religionen Vernünftigkeit nachzuweisen sich bemühte , erregt hat . – Uns ist es also um einen affirmativen Inhalt zu thun , was auch schon darin liegt , daß wir das denkend aussprechen wollen , was die Erhebung des Menschen zu Gott ist .   1 Jede] Man kann der Geschichte dieser Beweise große Ausdehnung geben , denn jede   2 wo] wo gerade diese Materie ausschließlich und in 35 ausdrücklicher Form ist behandelt worden , z . B . wo   4 Der letzte … der] Bis auf die kritische Philo­ sophie wurden diese Beweise so behandelt von Anselm , Leibnitz und zuletzt noch   6 ihre Bedeutung verloren] ihr Interesse verloren . – Das Historische soll auch erst ein Interesse haben , wenn man mit der Sache im Reinen ist , und vor allem erfordert es die Erkenntniß Gottes , daß sie an sich vorgenommen wird .  

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ob dieser name Tien für den Christlichen Gott gebraucht werden konnte , oder ob sie eine vorstellung von Gott ausdrucken die gar nicht mit dem Christlichen Gott übereinstimmt . In der Bibel finden wir »die Heiden die von Gott nichts wissen« , und doch von denen wissen wir sehr wohl dass sie die Gotzen angebetet haben . Wir werden wohl bedenken tragen einem Götzen den namen Gott bei zu legen . – Oder Gott wird zu einer vollig unbestimmten vorstellung , nicht einmal als ein übersinnliches , als der Schöpfer der Himmel und der Erde  ; und für den ausdruck Gott fodern wir doch etwas genaueres . Das also was man den consensus gentium genannt hat , ist also ganz unsicher . Auch dem gehalte nach , bleibt die vorstellung eben so unvollkommen . Die Kraft der beweise selbst aber ist sie auch nicht bindend . denn der beweis liegt nicht in dem bewustseyn . Die überzeugung nimmt ihren anfang von uns . Alle menschen werden erzogen  ; und mit ihrer erziehung fangt die auctorität an . – Die nöthigung durch beweise ist dem Gefühle zu wider . – Aber sie kann auch auf dem gefuhle beruhen dass in den verhaltnissen welche diese beweise betreVen noch ein ausserliches seyn . Aber für eine solche überzeugung wie der Religiöse glaube , wird der inhalt selbst in anspruch genommen . Das Metaphysische beweisen , das ist denken des beweises . Der gegenstand gehort dem denken an  ; und das denken ist das reine selbst des Geistes  : es ist der empyrische Geist . so bald das denken aus seiner sinnlichen hülle erhoben ist , so ist ihm bald Gott zu bewustseyn gekommen , und damit hat sich der subjective Geist selbst verinnert . Es ist auch frühe bemerkt worden dass wenn der Geist da sich zu Gott erhebt , fühlen anschauen denken Phantasie darin sind . | Eben so haben wir die innere erfahrung dass die Zufalligkeit und die willkuhr sich darin mischt . Dies gibt uns zugleich eine formelle bestimmung für die weise auf welche man in dem beweisen vom Daseyn Gottes bis jetzt verfahren ist . Der erste punct ist das Daseyn Gottes . der 2te wird der seyn dass es mehrere Beweise vom Daseyn Gottes gibt .

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19–25 Geistes  : … mischt .] Geistes . Der Gegenstand muß aber auch ins Fühlen aufgenommen wer- 30 den , das Gefühl ist das bestimmte , empirische Sein . Denken und Gefühl sind so vermischt doch ist auch , sobald sich das Denken aus seiner Sinnlichkeit , aus dem Anschauen , aus dem Verhülltsein in der Phantasie erhoben hat , dem Denken Gott zum Bewußtsein gekommen als Objektivität . Wenn sich der Geist in einem oder dem andern Elemente , im Denken , Fühlen cet zu Gott erhebt , so ist dieses Element so konkret , daß alle andern Elemente auch darin sind . So mischt sich in die Nothwendigkeit des 35 Denkens leicht Zufälligkeit und Willkühr . Hierauf gründet sich das Bedürfniß  : n u r d u r c h N a c h d e n k e n w i r d d a s Wa h r h a f t e g e w o n n e n  .   1 für den … werden konnte] konnte für den … werden konnte  



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Das unterscheiden von den momenten dessen was wir in einem schlag thun zerlegt die betrachtung in ihre bestimmungen . Dies leitet den Geist darauf zu unterscheiden dass Gott ist und dann w a s er ist . Gott ist zunächst eine vorstellung , ein nahme . G o t t i s t enthält 2erlei Gott und ist . Das erste ist also das subject zu bestimmen desto mehr dass das prædicat das ganz arme sein ist . Die prädicate geben uns gewöhnlich den inhalt , die bestimmung des subjects . Aber hier in diesem satze ist das prædicat nur das arme  : I s t  . Gott erscheint zunachst als ein reicher inhalt . und eben weil dieser inhalt sich verschieden zeigt von dem prädicat seyn , so zeigt sich die nothwendigkeit die bestimmung näher an zu geben . In der naturlichen Theologie hat man immer Gott zunächst genauer zu bestimmen gesucht , indem man das was in der vorstellung liegt genauer aus einander gesetzt hat . Der BegriV bringt gleich eine weitere foderung mit , nämlich dass er für sich selbst wahr ist  : als begriV soll er logische Wahrheit haben . Worin besteht diese logische Wahrheit . In dieser Metaphysik ist die logische wahrheit nur darin gesetzt dass ein begriV sich nicht widerspreche , dass er mit sich identisch sey  : d . h . die möglichkeit des begriVes . Das ist das erste was bei diesem beweisen bestimmt werden soll . Das 2te ist dass man von diesem BegriVe zeige dass er ist  : das ist das eigentliche Beweisen vom Daseyn Gottes  : endlich das 3te reducirt sich auf sehr abstracte Bestimmungen . Der BegriV Gottes ist reducirt auf das abstracteste . Es wird also 3tens gehandelt von den eigenschaften Gottes von den Beziehungen Gottes auf die Welt . Wir haben allerdings diese unterscheidung zu machen , und die momente davon bestimmter anzugeben . Ein andres aber ist sie durch zu machen , und ein andres sie als wahrhaft fest zu halten . Diese momente einzeln für sich genommen sind nichts reelles , und die betrachtung kann sich nicht auf die eine oder die | andre beschranken .

1–2 Das unterscheiden … bestimmungen .] Die denkende Betrachtung ist eine Exposition  ; sie legt auseinander , unterscheidet das , was wir in der nächsten Erfahrung auf einmal erhalten , auf einen 30 Schlag vollbringen . Was ich sonst auf Einen Schlag zu thun gewohnt war , muß ich jetzt nach dem Kommando , eins , zwei , drei thun , sagt G o e t h e  , daß wir diese formelle Bestimmung hier zunächst zu betrachten haben .   8 ein reicher] der reichste , wahrste   10–12 hat man … hat] ist der Anfang damit gemacht , den BegriV Gottes zu exponiren , und zwar so , daß man zusieht , was in unserer Vorstellung von Gott enthalten ist , wo vorausgesetzt ist , daß wir alle dieselbe Vorstellung von Gott haben , 35 und selbst empfinden werden , was die Definition aussagt   23–27 Wir haben … beschranken .] Diese Unterscheidungen finden wir in unserem Verstande . Es ist aber die Frage , ob sie an sich etwas Wahres sind , ob sie sich als Unterscheidungen festhalten und behandeln lassen . E s z e i g t s i c h l e i c h t  , d a ß s i e n i c h t s R e e l l e s s i n d  , s o l c h e s U n t e r s c h e i d e n w i d e r s p r i c h t j a s o g a r 2 ihre] seine  

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Das resultat des begreiVens Gottes soll seyn , dass diesem begriV wirklich das seyn zukomme  : wenn nun diess der Fall ist , dass der begriV nur wahrhaft betrachtet ist mit dem seyn , so ist die betrachtung des begriVes allein unwahrhaft . Es ist ein widerspruch den begriV für sich betrachten zu wollen . Diese trennung festhalten zu wollen widerspricht dem resultate des verstandes selbst . Eine andere trennung die darin vorkommt , ist die des begriVs und der eigenschaften . Der begriV Gottes macht den ganzen inhalt des seyns aus , und dieser inhalt kann nichts anders seyn , als der in­begriV der realitäten Gottes . Die eigen­ schaften können nun nichts anders seyn als Realitäten . Die Eigenschaften Gottes als beziehungen auf die welt lassen sich durch die Welt bestimmen . Es sind arten der thatigkeit Gottes an einem andern . Der begriV Gottes fuhrt mit sich dass er eine absolute unabhängigkeit für sich habe . und sein thun kann nicht ein andres seyn als ein auf seinen begriV geschlossenes , ein seiner selbstständigkeit wesentlich angehörendes . Die eigenschaften können also nichts anderes seyn als die Bestimmungen des begriV . Die Welt ist nur durch Gott bestimmt  ; und seine actionen sind in so fern nur solche welche sich beziehen auf ein solches was durch ihn bestimmt ist . Die unterscheidung von dem begriV Gottes und von den eigenschaften ist also eben so wenig eine wahrhafte . Diese unterscheidungen sind ganz etwas formelles . sie können nicht verschiedene Sphären bilden , die für sich betrachtet werden sollen . Das beweisen Gottes ist die bestimmung seiner eigenschaften und seines seyns . moglichkeit ist zu nächst das ganz unbestimmte . sie löst sich auf in Die abstracte identität . Wenn nun der begriV Gottes sich so bestimmt als dieser in der that unbestimmte , so ist er erst wenn wir aus dieser unbestimmtheit heraustreten dass das bestimmtseyn eintritt . Es ist also auch nach dieser Seite betrachtet durch das seyn dass die bestimmtheit hineintritt .

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d e m R e s u l t a t e s e l b s t  , nämlich dieses soll sein , daß der BegriV Dasein erhalte , daß der BegriV als seiend gedacht werde , d . h . aber , er wird nur wahrhaft gedacht , wenn er die Bestimmung des Seins hat , die Betrachtung des BegriVs allein ist Betrachtung von etwas Unwahrem . So ist diese Trennung dem Resultate , nämlich daß der BegriV Wirklichkeit erhalte , entgegen .   6–7 Eine andere … ei- 30 genschaften .] Eine ebenso unwahre Tr e n n u n g i s t d i e d e r E i g e n s c h a f t e n G o t t e s vo n s e i n e m We s e n  .   9 Realitäten] Realitäten sein , und so ist kein Unterschied da zwischen den Eigenschaften und dem Wesen Gottes   11–13 Der begriV … geschlossenes] Die Vorstellung sagt  : Gott ist absolut selbstständig , ihm gegenüber ist die Welt , die Eigenschaften Gottes sind also Beziehungen auf die Welt . – Wie sollten aber diese Beziehungen von dem BegriV Gottes unterschieden 35 sein   14–15 Die eigenschaften … begriV .] Dies Verhalten , wenn es auch Verhalten zu Anderm ist , kann doch nur Verhalten zu sich selbst sein , ein Verhalten in seinem BegriV .   17–18 Die unterscheidung … wahrhafte .] diese Beziehungen aber können nur aus seinem BegriV hervorgehen   21–26 moglichkeit ist … hineintritt .] Wenn man von dem BegriV Gottes anfängt , so ist dieser zunächst das ganz Unbestimmte , das blos Mögliche , Abstrakte . Der Verstand lößt diesen BegriV Gottes auf in der 40 absoluten Identität , in der Einheit mit sich selbst , mit schrankenloser Realität , und damit unbestimm­



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In einem theile der beweise sprechen wir von dem zufälligen Seyn , und wir schliessen zu Gott . Die erhebung zu Gott ist ein bestimmen seines seyns . Diess wozu übergegangen wird bekommt auch eine bestimmtheit die mit der übereinkommt von welcher wir ausgegangen sind . Mit den betrachteten unterschieden , die nicht als wahrhaft angesehen werden können , | hängt eine andre bestimmung zusammen die wir zu betrachten haben . Es tritt uns nämlich zugleich entgegen , dass es mehrere Beweise vom Daseyn Gottes gebe  : und es kann noch mehrere geben . Diese mehrheit ist es de­ ren natur nun zu betrachten ist . Diese mehrheit kann gleich dadurch mistrauen erregen . Denn da wir nicht mit einem endlichen zu thun haben , so soll auch unser beweis nicht ein zufälliger seyn  : Eine mathematische figur enthalt mehrere Beziehungen in sich und nach aussen  : und es kann eine derselben aufgefasst werden . – Ein geschichtliches factum , je bedeutender es ist , je mehr beweise hat es für und gegen sich  : eben so in der Rechtspflege  : Von diesen verschiedenen Seiten aus ergibt sich ein ganzes für die annahme des factums  : Da gibt es nothwendig der beweisen mehrere . Man kann zwar glauben dass ein wahrhafter hinreiche . Aber es ist die natur dieses factum dass es in den manchfaltigsten berührungen steht . In dem felde des Sinnlichen überhaupt , kommt durch die wiederholung eine art von allgemeinheit hervor , eine objectivität die sich daraus ergibt . Die seite der Zeugnisse ist bei der constatirung eines solchen factums vorhanden . hier wissen wir von verschiedenen arten von subjectivem Irrthum  : Die Zeugnisse benehmen diese Subjectivität . Diess ist allerdings der fall bei endlichen gegenständen . Bei Gott vermehrt sich das beweisen vielmehr ins unendliche . Gott über­triVt unendlich alle gegenstände . es muss also eine unendliche menge von ausgangspuncten geben  ; und jeder von denselben ist ein beweis . Gott ist für den gedanken oder für das innere überhaupt . Da schwebt nun gleichfalls vor die Zufalligkeit des

ter Realität . Die erste Bestimmung ist also die Möglichkeit , unbestimmte Realität , geht man zum Sein fort , so trit erst damit eine Bestimmtheit überhaupt ein . Und so kommen die Bestimmungen erst durch das Sein herein . So würde sich auch auf dieser Seite , auf dem Boden der Metaphysik ergeben , 30 daß ein bestimmter BegriV von Gott erst mit dem Sein hervortrit .   11 seyn] sein  ; Mehrheit ist aber Zufälligkeit   Eine mathematische figur] ein endlicher Gegenstand  12–13 werden] werden von einer jeden solchen Beziehung . Solche Mehrheit finden wir in der Mathematik  ; der pythagoräische Lehrsatz hat 21 Beweise .   14–17 Von diesen … steht .] Je größer und wichtiger da das Faktum ist , in desto mehreren Beziehungen steht es  ; je verschiedener also der Zusammenhang ist , desto mehr wird 35 die Nothwendigkeit des Faktums erkannt . So bedarf es bei jedem Faktum mehrerer Zeugnisse   19 eine objectivität … ergibt] wodurch die Einzelheit des Faktums verschwindet   22 Subjectivität] Subjektivität , die Möglichkeit der Täuschung   24 gegenstände] Gegenstände in dem Umfange seiner Wirksamkeit   25 geben] geben , von denen zu Gott übergegangen werden kann   26–464,2 Da schwebt … nothwendig] da kann uns leicht vor der Zufälligkeit des Denkens , der Vorstellung , 40 der Empfindung , der Phantasie , die sich in das Denken immer mischen , also vor Täuschungen bange

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­ enkens  , besonders der Phantasie . Diese Zufälligkeit ist höchst manchfaltig  ; und D zur Sicherung dieser manchfaltigkeit ist die menge der beweise nothwendig In dem einzelnen Subject tritt dieses nothwendig ein . seine überzeugung verstarkt sich durch das wiederholte erkennen der eigenschaften Gottes , in beziehung auf ereignisse und Begebenheiten . Das geben wir allerdings zu dass diess der fall ist . Aber indem wir davon gesprochen haben , finden wir uns in einer andern stellung als der des wissenschaftlichen Erkennens . für die einzelnen menschen sind die widerholten beweise nothwendig , um den glauben in sich lebendig zu machen . Die Wissenschaft aber ist der boden des gedankens überhaupt . auf diesem boden ergibt sich gleich dass die wiederholung im gedanken sich auf einmal reducirt . eine gedanken bestimung umfasst all jene | besonderheiten der einzelnen zustande . Das wiederholen setzt voraus ein eines in aller dieser manchfaltigkeit . Der ausgangspunct ist überhaupt das endliche seyn . Diess endliche hat selbst unterschiedene bestimmungen  ; und die unterschiedenen bestimmungen sind die Categorien . – sie haben sich in beziehung auf das daseyn Gottes zu 2en bestimmt  : 1 Die Zufälligkeit der weltlichen Dinge als einzelner . Dieser beweis ist genannt worden e c o n t i n g e n t i a m u n d i  . Die andere Categorie ist die Zweckmässig­ keit der endlichen bestimmungen oder existenz  : Die zufällige Bestimmung derselben und dann auch die zweckmässigen bestimmungen der vielen Dinge auf einander . – Es gibt dann noch mehrere Categorien . Ein ausgangspunct ist dann der begriV Gottes . Dieser begriV ist auch zunächst ein endlicher , indem er blos von dem subjecte ausgeht . Die ausgangspuncte haben verschiedenen inhalt . Der gang des Geistes zu Gott ist ein nothwendiger , den man den gang des schliessens nennt . Das resultat desselben ist bestimmt durch die bestimmtheit des ausgangspunctes . Daraus ergibt

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werden . Diese Möglichkeit der Täuschung kann wegfallen durch die Menge der Beweise . So glaubt man , durch das wiederholte Erkennen der Weisheit , Macht cet Gottes in den Gegenständen und den Ereignissen des Lebens , durch die wiederholte Erhebung des Geistes , erst des Gottes recht gewiß zu sein . So scheint es , daß , so unerschöpflich das Bedürfniß des Menschen ist aus seinem Versenktsein in die Endlichkeit der äußern Umgebung sich zu erheben , wir auch immer neue und andere Beweise 30 werden nöthig haben .   8–9 den glauben … machen] das Gemüth durch solche Wiederholungen immer von Neuem zu befestigen  9 Die Wissenschaft … überhaupt .] auf dem wissenschaftlichen Felde gilt aber nicht das empirisch bestimmte Individuum . sondern der Gedanke  :   10 auf einmal] das Vielmal und Allemal auf Einmal   11–12 all jene … zustande] das Allgemeine , das Zerspitterte , Einzelne des empirischen Zustandes   12 Das wiederholen … manchfaltigkeit .] Sehen wir auf den 35 Ausdruk wiederholte Erhebung zum Sein Gottes , so setzt schon dies ein Eins in all dem Vielfachen voraus , ein Eins für den Gedanken . S o r e d u c i r t s i c h d i e V i e l h e i t a u f a l l g e m e i n e B e s t i m m u n g e n d u r c h d e n G e d a n k e n  .   14 bestimmungen1] mehrere Bestimmungen in sich , und daher gibt es mehrere Beweise   18 der endlichen … existenz] besonders des Organischen   23– 465,2 Die ausgangspuncte … geben .] Freilich geben aber diese Ausgangspunkte verschiedene ­Resultate  , 40



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sich dass die unterschiedenen beweise vom daseyn Gottes auch verschiedene Bestimmungen von Gott geben . Zunachst geht das bedurfniss nicht hierauf  : und es geht nicht aus dem ausdrücklichen Beweise vom Daseyn Gottes hervor . Das Daseyn soll das resultat von allen diesen beweisen seyn  : es scheint nicht der Zweck zu seyn bestimmungen von Gott dadurch zu gewinnen . Aber , da der ausgangspunct bestimmt ist , so folgt auch ein bestimmtes resultat  : es erfolgen nothwendig mehrere inhaltsbestimmungen in ansehung der BegriVe Gottes . Da tritt wieder das bedürfniss der frage ein , was es für eine bewandtniss hat mit der mehrheit der Beweise vom daseyn Gottes . Gott ist Einer und er scheint durch diese mehrheit von beweisen als das subject mehrerer prädicate gesetzt  : wir sind auch daran von Gott gewohnt , dessen eigenschaften aufgezählt werden  : Die morgenländer nennen Gott den vielnamigen  ; es ist von den vielen ausgangspuncten gesagt worden dass sie sich auf wenige Categorien reduciren lassen . Von unendlichen gegenstanden haben wir die vorstellung dass es ein Subject sey , aber dass die einheit des Subjectes in sich mannichfaltig seye  : und dass ein 3tes das subject von dem allen sey . Von Gott dagegen haben wir die vorstellung dass er der e i n e sey .  | Es tritt also das bedürfniss ein die mehrheit auf eine einheit zu reduciren . Diese stellt sich der verstand so dass eine höhere und abstractere einheit gestellt wird , die die untergeordnete umfasst  ; wie in der NaturWissenschaft . Wenn wir auf diese weise verfahren , so ergäbe sich für die bestimmung Gottes nur dieses dass er die abstracteste einheit ist , oder dass er der eine ist (um ihn den vielen entgegen zu setzen) . Wenn wir das so verständen , so würden wir bei der Abstraction bleiben . Diese stellt sich der concreten vorstellung Gottes gegenüber und die vorstellung ist nicht durch das abstractum befriedigt . Der BegriV ist auch nicht befriedigt durch diese Subsumtion der untergeordneten einheiten unter einer höheren .

v e r s c h i e d e n e B e s t i m m u n g e n vo n G o t t s e l b s t  .   3–4 Zunachst geht … resultat] Zunächst ist das Bedürfniß des Beweisens nur auf das Dasein Gottes gerichtet , das soll das gemeinschaftliche Resultat  5–7 es scheint … resultat] dies eben scheint aber kein Bedürfniß zu sein , denn es ist ja 30 vorausgesetzt in der Vorstellung  ; da ist der ganze Inhalt schon enthalten , wo vom BegriVe Gottes ausgegangen ist , scheint das Bedürfniß nur auf die einfache Bestimmung des Daseins zu gehen  .   11–12 wir sind … werden] Bei endlichen Gegenständen sind wir das wohl gewohnt , nicht aber bei Gott .   19–23 die die untergeordnete … setzen)] so ist Gott der Eine , | allem andern gegenüber , oder auch das Sein . Da kommen wir auf ganz abstrakte Bestimmungen und auf den Satz Jakobis  : Gott 35 ist das Sein in allem Dasein .   24–26 die vorstellung … höheren .] diese wird durch solche Art der Zurükführung der Mehrheit auf die Einheit , solches Zusammenfassen in Eins nicht befriedigt , eben so wenig als der BegriV . Was der BegriV selbst ist , ist hier nicht auseinanderzusetzen  ; das gehört der logischen Betrachtung an .   5 seyn] zu seyn  

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Wir müssen lemmatisch angeben was die natur des BegriVs fodert . Daraus wird sich ergeben was es für eine bewandtniss mit dieser mehrheit von beweisen hat . In dieser rücksicht ist anzugeben nicht eine abstracte einheit , sondern eine concrete , nicht eine unbestimmte , sondern eine bestimmte . Ohne ihre bestimmung , ist die einheit nicht  : sie ist ein leeres abstractum . Indem also in dem begriV diess angegeben , dass die bestimmungen eins sind , dass sie untrennbar von einander sind , und dass die eine keinen Sinn ohne die andre hat , so Constituiren sie selbst diese einheit  : aber diese einheit Constituirt selbst ihre grundlage . Schon aus diesen bestimmungen folgt dass die als prädicat nur einem Subject zukommen  ; sie müssen nicht nur als prädicate gestellt werden  : sondern sie müssen wesentlich sich zu einander verhalten  : nicht in der Weise einer Litanei . Indem diess concret überhaupt ist , so folgt daraus dass die vorhandenen inhalts bestimmungen selbst nur als concret genommen werden müssen . Das weitere ist dann , dass wir Concrete bestimmungen haben , aber immer noch eine mehrheit von Concreten bestimmungen . Gott ist wesentlich nur e i n e r  . Diese Concreten begriVe müssen also sich wesentlich zu einander beziehen , so dass sie untrennbar von einander sind . Der unterschied vom begriV ist , dass der begriV die einheit von bestimmungen überhaupt  ; und die allgemeinen bestimmungen , wie sie uns zu nächst erschienen sind , sind nur das allgemeine der concreten bestimmungen die seine seite ausmachen . nach dem gesagten muss also die mehrheit von bestimmungen genommen werden als ein fortbestimmen der einen und derselben  ; und dieser reichthum ist | und nicht blos eine mehrheit  ; sondern er liegt darin dass die bestimmungen concreter werden . In dem einen begriV sind sie nun wesentliche Elemente . Wie nun die Concreten begriVe in dem subject , so nennen wir das die Ideelle seite seines Seyns . Von der einheit selbst muss gesagt werden dass sie um so intensiver ist als die bestimmungen der selben Concreter sind . Die höchste intensität der Idealität ist das was wir den Geist nennen . Dadurch ist das was gesagt worden ist , von der Idealität Reichthum und den bestimmungen vorstellbarer , wenn wir noch einige erlauterungen hinzu fügen . Wir wissen und sagen die natur ist das ganze sie ist vom Geiste er­schaVen  ; die selbststandige wirklichkeit die sich uns zeigt ist nur ein Schein , eine gesetzte – Wenn nun in der Philosophie dieses vorkommt dass von der natur zu dem geiste fortgegangen wird , so wird die natur dazu herabgesetzt nur ein moment des geistes zu seyn . Die Idee ist allerdings die Substanz der natur  ; aber sie ist da nicht in ihrer natürlichen weise vorhanden . Die natur hat also den

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1 Daraus] Aus dem aber , was die Natur des BegriVs fordert   3–4 nicht eine … bestimmte] daß der 35 BegriV ein konkreter ist , keine abstrakte Einheit (Text bricht ab) 15 begriVe] begriVen   24 begriVe] begriVen  



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inhalt als die Idealität in sich  : es ist die Idee die reicher geworden ist , durch ihre vertiefung zum geist . Es kann noch diess hinzugefügt werden dass an den beweisen eine reihe von Be­g riVen von Gott auftrete  ; und das ist dann die Vernunft , die diese mehrheit hervorbringt . Bei dieser gestalt aber ist ein bewustseyn vorhanden über den Zusammenhang dieser bestimmungen selbst . Die mehrheit erhält so nur eine ganz andere bestimmung  : sie sind nothwendige momente für den begriV Gottes . sie hängen unter sich wesentlich zusammen . Der weitere punct den wir in beziehung auf diese mehrheit zu betrachten ha­ ben ist dass wir unter dieser einen wesentlichen unterschied finden . Ein theil der beweise nämlich geht von einem bestimmten seyn aus zu dem gedanken Gottes . Der andre theil fangt an von dem Gedanken Gottes , zu dem Seyn dieser wahrheit . Indem wir den accent darauf legen  : es ist ein G o t t  , so ist es der erste gang  : indem wir den accent darauf legen  : Gott i s t  , so ist es der 2te . Es scheint nicht gleichgültig zu seyn mit welchem wir anfangen . In so fern diess nicht gleichgültig ist das ist es wovon wir heute uns rechenschaft geben wollen . Es ist so gleich zu bemerken dass diese 2heit der beweise in einer hohern tie­ fern nothwendigkeit liegt , so dass keiner von 2den überflüssig ist . | Es hängt dieser unterschied . Das allgemeine ist , dass die einheit der Idee Seiten r e s u l t i r e n soll . Indem sie die einheit beider ist , so muss sie wesentlich das resultat von beiden seyn . Hierüber ist ein bestimmtes bewustseyn zu haben . Es sind 3 grundweisen des Zusammenhang zu unterscheiden . Die eine ist das ubergehen einer bestimmung in eine andere  : Die 2te weise ist die relativität beider seiten so dass die eine seite in die andere scheint . Die 3te weise ist der Zusammenhang be­g riVen . Diese einheit des begriVs muss zu nachst gefasst werden als die an sich seyende einheit der beiden seiten , so dass beide zusammen die totalität ihres Scheines ausmachen . Wir haben hier zu nachst nur rücksicht zu nehmen auf die 2 ersten Seiten des Zusammenhangs  ; Diese 2 ersten Weisen sind die unvollkommensten , indem sie einseitig sind . Die einseitigkeit erscheint so in ihnen , dass in jeder von einer seite ausgegangen wird . Die erste weise des Zusammenhangs ist ein übergang . Die eine ist d i e I d e e G o t t e s   : die andre die n a t u r überhaupt , was zu den natürlichen Dingen gehört . Wenn wir von der Idee Gottes anfangen , so haben wir einen übergang von der selben zu der natur  : Als übergang ist das eine vergehen oder verbergen der Idee in der Natur  : die natur auf eine unmittelbare weise , es ist dass die natur von dem Gott gesetzt ist , oder dass Gott in der natur erscheine , In beiden fällen , wäre die einheit von beiden oder die 3te nur für uns . Wir sollten das 3te seyn welche den schein zu dem wesen , die natur zu Gott zurück führten . Ein solches wissen aber dass wir dieses 3te wären , das wäre selbst eine einseitig­ keit , die in dem andern gange der beweise enthalten ist . Indem wir von dem Seyn

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in ­concreter gestalt sprechen , so ist diess seyn die natur und darunter gehort auch unser bewustseyn . Die erhebung aus dieser naturlichkeit schliesst in sich die er­ hebung zum bewustseyn von Gott . – Dieses erheben ist dann das jenige was wir Religion überhaupt nennen oder frommigkeit , aber eine solche Religion oder frommigkeit die sich nur subjectiv zu Gott erhebt . Diese kann wieder in 2 formen vorkommen die eine ist ein schein  : so setzt sich dann das endliche bewustseyn dem Gott wohl gegenüber , aber als sein schein . Nach der ersten bestimmung des übergangs verschwindet das wovon ausgegangen , nur in dem in welches es übergeht . Das worin es verschwindet ist das was wir absolute substanz nennen . Indem wir uns diese vorstellen , so sind diese vorstellungen | zu viel . Es ist eine Subjective Religion in so fern als das Subjective ein selbstständiges daseyn bleibt . Diess gegenüber gestellte wäre nur ein schein . Diess fallt nur in das fromme Subject . Es ware also dabei nicht anerkannt dass Gott der geist ist , der das subjective thun in den menschen bewirkt . Der schein kann dann auch weiter bestimmt werden , so dass er gleichfalls als selbststandig und thätig bestimmt wird , als ein Seyn . Er bleibt aber immer nur eine relative oder halbe bestimmung . Er wäre nur die oberflache nach welcher beide sich zu einander verhielten . Diess ist das concrete gestalten der einseitigkeiten bei denen wir stehen . Das was wir angegeben haben enthält die concreten gestalten dieser einseitigkeiten ihrer verhalten . Die allgemeinen bestimmungen schliessen das concreteste in sich . Wir haben gesagt dass die erganzung der einseitigkeit ist in der forderung des begriVes . Die einheit der beiden momente ist ein resultat . Die einseitigkeiten haben wir als solche ausgesprochen , und bestimmt im gegensatz gegen die totalität des begriVes . Da wir jetzt diesen doppelten gang betrachtet haben , so wollen wir die einzelnen beweise durchgehen um sie zu berichtigen und zu critisiren . Der erste beweis geht von dem bestimmten daseyn aus , und schliesst von diesem zufalligen auf ein wahrhaftes , auf ein selbststandiges seyn . Das ist was man ex contingentia mundi nennt . Das ganze ist die welt . Diese können wir unterscheiden von den Dingen der Welt  ; und diese hat allerdings einen vorzug vor den einzelnen theilen . Aber wenn wir sagen Welt , so verstehen wir nur darunter das aggregat der Weltlichen Dinge . sie begreift den menschen eben so sehr in sich als die naturlichen dinge . sie unterscheidet sich von der natur welche wir uns als eine systematische ordnung , einen Zusammenhang von gesetzen u . s . w . denken . Die dinge , die Welt ist eine unwahre , und dieser entgegengesetzt ist Gott ewig , unendlich , granzenlos  ; Die erhebung von den endlichen Dingen zu Gott ist ein factum  : und dies factum ist die Religion . – Diese erhebung ist aber nur eine allgemeine grundlage der Religion . – ein factum ist das nun wohl  : aber dabei können

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wir nicht stehen bleiben . Dieses eine factum , das ist nur eine versicherung  ; und die versicherung ist factisch vollkommen | falsch . es ist eben so vollkommen factisch falsch dass diese erhebung ein unmittelbares wissen ist . sie ist vermittelt durch den anfang , und ist nur dadurch erhebung dass der anfang verlassen worden ist . sie ist also in sich selbst vermitteltes wissen . Es ist auch zu bemerken dass der inhalt dieser erhebung nicht ein sinnlicher ist  : sondern es sind abstracte bestimmungen der unendlichkeit , der nothwendigkeit . – Nach dieser seite ist es gesagt worden , dass die allgemeinheit des factum dieser erhebung falsch ist . Bei den Griechen gehörte sie nur den Philosophen an , und der Gott war von dem volk nur in concreten gestalten angebeten . unserer bildung sind diese gedankenformen vollkommen geläufigkeit . Aber diese bildung selbst ist nicht eine unmittelbare . Man hat wesentlich denken gelernt , und die gedanken zur geläufigkeit eingebildet . Diese bildung ist ein unendlich manchfaltig in sich vermitteltes . Daraus folgt dass die erhebung zu Gott überhaupt eine vermittelte ist . Diese natur der vermittlung ist es was dazu veranlasst diese erhebung in der form des beweises zu fassen , wobei aus einander gelegt sind die einzelnen momente in diesem processe des Geistes . Gegen diese exposition ist es dass einerseits der verstand , und andrer seits der Glaube sich erklären  : der verstand als critisirend die denkende exposition als solche ihrer bestimmtheit nach , der glaube gegen die explication der beweise im Gedanken . Die beweise möchten in ihrer explication mangelhaft seyn , der Geist des menschen lasst sich diese erhebung nicht nehmen  ; und in so fern diese erhebung von dem verstand verkümmert worden ist , ruft der Glaube den menschen an sich nicht zu bekümmern um die beweise . In diesem Interesse gegen das beweisen überhaupt hat sich der glaube auf die seite des historischen verstandes geschlagen , der diese beweise zu nichte gemacht hat . Dass der mensch sich der erhebung nicht berauben lasst , das kann nun der fall seyn wenn die erhebung nothwendig , wenn sie nicht ein bloses factum ist . In den einzelnen geistern gibt es eine menge facta der entgegengesetztesten art  ; und um sie als facta des Geistes als solchen zu fassen , muss die nothwendigkeit gezeigt werden  : nur diese auffassung der erhebung in ihrer nothwendigkeit ist die gewehr für das rechte auffassen . Die noth­­wendig­­keit bürgt gegen die willkührlichkeit der vorstellungen den gedanken . – | Weil es aber abstractionen sind , so ist es schwer sie zu fassen  : und nicht nur ist es schwer sondern die abstraction ist die gefahr selbst  ; und sie ist das princip des unmittelbaren Wissens selbst . Indem dies princip das princip des Glaubens ist , so ist der Glauben nur ein Glauben an Gott überhaupt , d . h . an die Gottheit , an ein abstractes , an ein seyn in allem daseyn , wie Jakobi gesagt hat . durch das bewustseyn bestimmt sich das resultat  ; und indem also das wesen gewust wird , als ein in 30 gewehr lies gewähr  

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sich vermitteltes , so liegt darin der trieb , in der vermittelung weiter zu gehen als in jenem unmittelbaren Wissen zunächst liegt . Wir haben auch gesagt dass die erscheinung der mehrheit der beweise vom daseyn Gottes zu grunde hat die nicht befriedigung von einzelnen concreten bestimmungen .  – Es ist die bestimmtheit des ausgangspunctes der das resultat nach sich zieht Zu bemerken . Der erste ausgangspunct ist die mehrheit der Dinge , und zwar als zufällige dinge . Nun muss bemerkt werden dass die weltlichen Dinge noch ganz anders bestimmt werden können . Die dinge überhaupt sind seyend , und daseyend . von dem daseyn kann gezeigt werden , dass die mehrheit derselben den Gott als seyn bestimmen würde . Weiter können die Dinge als endliche bestimmt werden , und Gott ist der unendliche . sie kann auch bestimmt werden als reales Seyn  : so erhebte sich also der Geist zum ideellen . oder sie kann bestimmt werden als unmittelbare erscheinung  : dann ist Gott das wesen oder sie kann als theil bestimmt werden , und dann ist die erhebung zu Gott als zum ganzen bestimmt . wird sie als wirkung bestimmt , so hat die erhebung den Character von erhebung zur ursache  : endlich auch Kraft dem selbstlosen entgegen gesetzt . Also es werden dem Gott diese prädicate beigelegt  : Gott ist das unendliche , das Ideelle , das ganze , u . s . f . – So vermehrt sich die zahl der beweise bedeutend über die angeführte mehrheit . Aus welchem gesichtspunct haben wir sie zu betrachten . Es ist in dieser hin­ sicht nur zu betrachten in dieser mehrheit der beweise nur eine reihe von fortbestimmungen der begriVe . Die eine seite ist die mehrheit  : die andere die wahrheit . Diesen fortgang entwickelt die Logik in seiner noth­wendig­keit . Jede stufe , jede categorie der Logik enthält eine erhebung des endlichen zum | unendlichen  ; und in ihrem fortgang geht sie zur concreteren wahrheit beständig fort . In so fern muss gesagt werden , dass die Logik die metaphysische theologie ist . sie enthält die evolution der Idee Gottes . und zwar im reinen Aether des gedanken . hier wollen wir nur die Geschichtlichen beweise an geben . der allgemeine grund der unvollständigkeit der beweise ist nur ein mangel an bewustseyn über die natur der bestimmungen überhaupt , des Zusammenhangs und des ursprungs . Ein naherer grund ist , dass die Categorie der verhaltnisse der Zufalligkeit und der absoluten nothwendigkeit die ist welche alle categorien der endlichkeit und unendlichkeit in sich umfasst . Die concreteste bestimmung ist die an und für sich seyende nothwendigkeit . Das Seyn in seiner Wesentlichkeit ist die Wirklichkeit  : d . h . das verhaltniss von Zufalligkeit und nothwendigkeit . Die nothwendigkeit hat dann weiter ihre wahrheit in der freiheit , und da thut sich die sphäre des begriVs auf . Der begriV hat dann die bestimmung des Zweckmassigen , und des absoluten 9 mehrheit] wahrheit   28 grund] gründ  

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Zweckes überhaupt  : Diese Categorie hat einen weiteren beweis vom Daseyn Gottes veranlasst . Nach dieser erörterung über die bezeichnung der beweise haben wir die beweise in ihrer expliciten form zu betrachten . Die form ist ein schluss  : so . Das Zufällige besteht nicht durch sich selbst  : sondern es hat ein schlechthin nothwendiges zur voraussetzung . 2ter satz Die dinge sind zufällig und so auch die welt als das aggre­gat der dinge . S c h l u s s   : also hat die Welt ein nothwendiges zur allgemei­ nen voraussetzung . Wir können sagen  : in der erfahrung begeht es sich dass der mensch die Dinge als zufällig , d . h . bestimmt zu fallen betrachtet . sie entstehen nicht durch sich und sind durch anderes bedingt . sie sind im raume neben einander ohne dass eine weitere bestimmung der natur sie zusammen stellt . sie sind endliche dinge überhaupt , obgleich sie selbstständig erscheinen . sie sind wirklich aber ihre wirklichkeit gilt nur als eine möglichkeit  : sie sind  : sie können aber auch nicht seyn . Es findet sich dann in den dingen ein weiterer Zusammenhang von ursache und wirkung  : regelmassigkeit in ihrem verlauf  : Gesetzmassigkeit überhaupt auch in dem verlaufe der dinge die wir zufallig nennen . und diese Gesetzmassigkeit erhebt uns uber die | Zufalligkeit zur nothwendigkeit . Aber wenn wir auch zu der bestimmung der nothwendigkeit übergehen , so fallen wir in eine andere Categorie namlich diese dinge die so bedingt sind , sind somit ausgesprochen als unselbstständige Dinge , bedingt durch andere , nicht durch sich selbst . Dieser Zusammenhang von ursache und wirkung ist ein wechselseitiges bedingen und bedingtseyn . Eben so die Gesetze selbst  : deren gibt es eben so wieder viele und so dass sie zufallig gegen einander sind , und dass ihr Zusammenhang fahig ist unterbrochen zu seyn durch andere . sie sind gegenseitig aufgehoben und gestört . Diese Zusammenhänge sind also eben so bedingt , in so fern wir sie uns als unbedingt vorstellen . Wir haben abstractionen von Kräften die gar keine wirklichkeit und keine wirkung haben . mehren sie sich aber , so fallen sie in das bedingtseyn von anderen . – Diese nothwendigkeiten sind also Zufalligkeiten gegen einander  : d . h . sie sind nur äusserlich  : In diesen Zusammenhangen von ursache und wirkung finden wir allerdings befriedigung , mehr als in der blosen zufälligkeit als solchen . aber indem sie sich in dem Kreise der endlichkeit finden , so sind sie selbst endlich . sind sie vereinzelt , so sind sie zufallig stellen wir sie in beziehung auf einander , so sind sie abhangig von einander . – Wir haben dann weiter zu gehen von einer ursache zu einer andern  : aber wir gehen damit fort vom bedingten zu bedingten , und so bleiben wir immer im endlichen  : wir kommen nicht weiter , sagt man , man soll ins unendliche fortgehen , so ist das was wir vor uns haben einerseits diese eine reihe von endlichkeiten  ; und jenseits ist Die unendlichkeit nur ein negatives als solches  : wir haben sie nicht prasent  : sie ist nicht affirmativ . – Andererseits haben wir aber auch die

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nothwendig­keit die wir eine ausserliche nennen  : beides gehört zu der Zufalligkeit überhaupt . Diesen haufen der endlichkeiten haben wir vor uns  ; und der Geist erhebt sich dann über diesen haufen , wie auch über das unendliche in so fern es sich nur als ein negatives bestimmt . Es erhebt sich der Geist zu einer nothwendigkeit , die in sich geschlossen und vollkommen bestimmt , affirmative beziehung auf sich ist , von der alles andere abhängt . Das sind wesentliche gedanken in dem menschen Geist . Diesen gedanken die in dem beweise enthalten sind werden wir zustimmen . Er ist darin nicht methodisch ausgedruckt . Die frage ist nun , ob dieser sich ganz | entspricht , ob diese bestimmung , diese erhebung in dem methodischen verfahren aufgefasst ist  : und umgekehrt ob diese methodischen bestimmungen sich durch den gedanken rechtfertigen und belehren . Das was wir also zu thun haben ist dass wir den gedanken untersuchen . diese untersuchung der gedanken gehort aber zur Logik und Metaphysik . Der inhalt der Metaphysik als solcher ist der gedanke . Wir haben also diese bestimmungen des gedanken hier nicht formlich vor zu nehmen  : sondern wir können sie aufnehmen , wie sie sich in unserem gewohnlichen gebildeten bewustseyn finden . Ein solcher vereinzelter gegenstand (die Beweise von daseyn Gottes) kann nicht vollkommen für sich erörtert werden . Es ist eine begrenzte darstellung  : d . h . bei zu gewissen puncten der analyse geht sie fort  : und ihr horizont , ihre peripherie ist das vorausgesetzte . jede schrift enthält solche selbst voraussetzungen , obgleich der schriftsteller sich nicht davon bewust ist . Die Philosophie als solche muss das ganze system entwickeln  : aber hier müssen wir gewise bestimmungen als letzte gelten lassen , weil wir sie in unserem bewustseyn finden . Die gedanken enthalten diese hauptbestimmung  : Innerste Zufalligkeit durch die vermittelung  : d . h . es hängt nichts daran ob sie ist oder nicht ist . Er halt an die andern Dinge nicht  : aber eben so die andern Dinge haben daran keinen halt . Zu der nothwendigkeit dagegen wird gefordert dass die Dinge zusammen hangen mit andern . Alle seiten einer existenz müssen so vollkommen bestimmt seyn . Wenn eine nicht bestimmt ist , so sagen wir von dieser seite , sie ist zufallig . Diese umstände müssen nicht widersprechen der existenz der Dinge . Ist der gegenstand vereinzelnt , so ist er zufallig wegen des mangels an Zusammenhang . Gegen die vorstellung der Zufalligkeit setzen wir die der nothwendigkeit . – Wenn aber umgekehrt eine existenz so betrachtet ist , dass sie nothwendig ist , weil sie nach allen seiten vollkommen bestimmt ist , so werden wir auf der andern seite von ihr sagen durch diese bestimmtheit von allen seiten , ist sie abhangig . Denn das noth­ wendige muss selbstandig seyn . Das nothwendige ist weil es ist . – Nehmen wir 25 Innerste Lesung fraglich   36 abhangig] unabhangig  

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die selbststandigkeit für sich , so ist die existenz vereinzelt . Stellen wir sie darin dass sie von allen seiten | bezogen , so ist die existenz unselbstandig . wir finden uns also in einem Widerspruch . Die vorstellungen von nothwendigkeit und zufalligkeit sind zunachst ganz bekannt . Aber so wie wir sie näher betrachten und fragen was zur nothwendigkeit erfordert ist , so verwirren wir uns , und kommen in den gegensatz . Das ungebildete bewustseyn weiss von dieser verwirrung nicht  ; und noch weniger wie sie auf zu lösen . Was wir in unserer vorstellung zunachst finden , ist dass weder die bestimmung der selbststandigkeit noch die des Zusammenhangs für die nothwendigkeit hinreicht , aber diese beide dazu erforderlich sind . Wir fodern die vermittelung dessen was wir nothwendig heissen durch den Zusammenhang . sie widersprechen sich also  : aber sie gehören einer nothwendigkeit an . sie mussen daher vereinigt und aufgehoben seyn  ; was nur so geschehen kann dass die vermittelung in die selbstständigkeit fallen muss , und die beziehung auf sich muss innerhalb ihrer selbst die beziehung vermittelung auf andres haben . Beides ist also vereinigt . Vermittelung mit anderem wird also aufgehoben in die vermittelung mit sich selbst . So ist dann die nothwendigkeit indem sie diese entgegengesetzte Bestimmun­ gen in sich fasst , nicht mehr ein einfaches . Das aufheben ist nicht blos unsere Sache  : sondern die bestimmungen sind in der nothwendigkeit  : Es ist ihre natur in dieser einheit enthalten zu seyn . Beide vermittelung mit sich selbst und ver­ mittelung mit anderem sind nicht unterschiedene acte  ; sondern sind nur ein einziger momentaner . Diess nur ist die absolute nothwendigkeit  : nicht eine ruhige vorstellung  ; sondern ein fortwirkender process . Die aussere nothwendigkeit ist diess dass etwas verursacht ist durch ein anderes . Die absolute nothwendigkeit aber ist weder nur selbststandig , weder nur vermittelt , sondern beides zugleich . – Man muss nicht von der nothwendigkeit überhaupt sprechen , sondern man muss diesen unterschied machen . In der absoluten nothwendigkeit findet der Geist die nächste befriedigung . Er ist die einfache vermittelung mit sich . Darin ist alle sehnsucht alles verlangen nach einem jenseitigen verschwunden . Die schranken der endlichkeit sind hier nicht mehr vorhanden . Diese befriedigung des Geistes ist nicht in der erhebung als erhebung  ; | erst das resultat als solches ist das befriedigende . Das was wir nun zu thun haben ist dass wir damit vergleichen die form der erhebung des Geistes in den beweisen . Der formliche ausdruck der beweise enthalt einen unterschied der zu nachst nur gering scheint , der aber der grund ist , warum das beweisen unzulänglich ist . Wesen das ist für sich etwas unbestimmtes , eine leere abstraction . Es ist der begriV dieses Wesens sein inhalt , seine absolute nothwendigkeit . Wesen ist noch nicht Subject , noch nicht geist . Subject , Geist , das sind Concretere bestimmungen als das Wesen . – Das wichtigere ist , dass wir

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im satze angegeben dass das wodurch das zufällige ist , eine absolute nothwendigkeit ist . Wir haben da 2 Seyende die im verhaltniss mit einander stehen . beide stehen aber in dem verhaltniss dessen was wir die aussere nothwendigkeit genannt haben . Diese aber ist eine untergeordnete und einseitige . Weil nun diess ein ­solches verhältniss , so ist es gegen diesen Zusammenhang dass alle protestationen erhoben worden sind die man gegen die beweise erregt hat . Wir haben einerseits die beziehung  ; und anderer seits die beiden Seiten . beide sind . beide sind daher qualificativ für sich  : sie sind ausser der beziehung . Diese beiden Seiten , das seyn des Zufälligen , und das seyn des absolut noth­ wendigen sind das eine durch das andre vermittelt . Das absolut nothwendige seyn ist dadurch als bedingt durch das zufällige Seyn ausgesprochen . Jacobi hat besonders diese weise an­ge­g riVen . Erkennen , sagt er , heisst nichts andres als die Sache aus ihrer ursache heraus zu leiten . Das unbedingte be­g reiVen heisse es zu einem bedingten machen , zu einer folge , zu einer wirkung . Diess aber entfernt sich aber bald selbst . Der widerspruch ist zu unmittelbar , als dass das nothwendige als wirkung ausgesprochen wird . Dieses verhaltniss wird also nicht angebracht seyn  : aber das verhaltniss schleicht leider ein , und diess ist allerdings vorhanden . Dass nun ein solches verhaltniss der abhangigkeit , der bedingtheit nicht statt finde  : dies ist ohne weiteres zu zu geben , und der mangel des satzes zu zu gestehen . Allein gegen dieses auffassen des satzes kann man diese einwendung machen . Namlich man wird so gleich sagen diess verhaltniss dieser ubergang ist nur im subjectiven Sinn zu nehmen . Der objective Sinn wäre dieser dass das absolute Seyn durch das Zufallige bedingt wäre . Diess soll der satz nicht ausdrücken . – | nur unsere subjective erhebung ist durch das Zufallige bedingt . Der anschein den man gegen diese form des beweises angebracht ist allerdings dadurch beseitigt . Wir haben also zufalliges erkennen statt des zufalligen Seyns . Bei dieser wendung aber thut sich wieder folgende unangemessenheit auf . einen inhalt erkennen , d . h . einen inhalt in sich haben  : nur die form seiner thatigkeit zu seyn . Das erkennen ist also bestimmt nach dem inhalt , und wie es bestimmt ist , so ist es nach dem inhalt . Das erkennen in so fern es einen absolut nothwendigen inhalt hat muss selbst ein absolut notwendiges seyn . Die form muss bestimmt seyn durch den inhalt . Wir haben also wieder den selben gegensatz von endlichem und unendlichem erkennen . Die ununterschiedenheit dieser beiden Weisen liegt den schlüssen zu grunde die gemacht werden , die daraus dass das erkennen endlich ist folgern dass das endliche nicht vermöge das unendliche zu erkennen  : so wie umgekehrt gefolgert wird , wenn das erkennen unendlich ist , dass das erkannte auch ein unendliches ist . unendliches erkennen ist zunächst stöhrender als das 17 leider] leiter  ; Lesung fraglich  

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blose nackte unendliche . – unendliches und endliches erkennen bringt die scheidung oVen­barer hervor . Vom unendlichen erkennen sagt man leichter dass es unmöglich sey . Die form der vermittlung fällt damit überhaupt weg . auf diese weise befinden wir uns bei dem was als das 2te angegeben worden ist , dass die beiden seiten in ihrer beziehungslosigkeit bleiben . – Das endliche und das unendliche bleiben von einander getrennt . so ist dann bei dieser vorstellung diess dass diess ihre wahrhafte bestimmung gegen einander ist , dass sie beziehungslos auf einander seyn . Diess ist dann dieser satz über den so gepocht wird dass es keinen übergang gebe von dem endlichen zu dem unendlichen  : es sey schlechthin eine kluft zwischen beiden . Die behauptung dieses Dogmatismus über die begriVe des endlichen und des unendlichen wird in der Logik betrachtet . Bei diesem Dualismus ist zu erwähnen dass als das resultat nicht angenommen werden muss dass das endliche das selbe sey , was das unendliche . Die identität von beiden ist gar nicht so zu verstehen . Der ausdruck Identität , einheit ist ein vollkommen schiefer ausdruck . Mit solchen abstractionen lasst sich der speculative begriV nicht auffassen , und es ist deswegen eine factisch falsche versicherung wenn man behauptet dass Hegel sagt dass beide das selbe seyen . Um auf die Logik nicht zurück zu gehen können wir uns auf das factum berufen | der erhebung des menschen von dem endlichen zu Gott . für den Geist ist diese Kluft also nicht vorhanden . Der Geist macht den übergang . Er füllt die Kluft aus . Die menschliche brust lässt sich das nicht rauben , diesen übergang zu machen . Es ist diess wohl ein factum des Geistes überhaupt , sagt man , aber nicht ein factum des erkennens . Die hauptsache ist diese , dass diese erhebung i m Geiste ist , und zwar im innersten des Geistes und dieses innerste des Geistes ist das denken . Gott in seinem wesen ist gedanke , denken  : diese vorstellung möge weiter beschaVen seyn wie sie will . – Zur Religion gehört freilich auch empfindung , Glaube , Phantasie . Aber das sind gleichsam nur Concrete Bestimmungen zu dem Geiste , und das erkennen thut nichts anderes als das innerste des Geistes zum bewustseyn zu bringen . Zur bestimmung Gottes gehört allerdings mehr zu als dass er das denken ist  : aber diess ist die grundlage . Die ganze antwort ist dann diese . Eben der Religiose glaube besteht darin unmittelbar von Gott zu wissen , nicht durch vermittelung , kein Übergang sondern ein Sprung zu machen . – Das endliche und das unendliche , setzt man voraus , bleiben durchaus getrennt . Das erkennen des endlichen ist das erkennen eines besondern . Das unendliche dagegen kann nur gegenstand der empfindung seyn . Wenn man aber das auch zugeben wollte , so wird von dem endlichen zum unendlichen fortgeschritten . Wenn also behauptet wird , dass es keinen übergang gebe vom endlichen zum unendlichen , sondern nur diesen act der oVen­barung , so ist viel mehr dieser act selbst der übergang .

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Das unrichtige was in diesem Zusammenhange liegt ist nicht darin zu setzen dass es keinen Zusammenhang gebe . Diese einwendung dass es keinen Zusammen­ hang gebe , haben wir zu betrachten . Es ist nun die natur dieses Zusammenhangs zu betrachten . Es wäre diess allerdings der erhabenste gegenstand  : aber er ist auch der schwerste . Die denkvorstellungen die wir im gemeinen leben haben sind formen des bedingten Zusammenhangs . Diese passen aber nicht auf diesen Boden , den wir als den boden des absolut nothwendigen unbedingten bestimmt haben . Die gemeinschaft des menschen mit Gott , des geistes mit dem geiste wäre zu expliciren  : – | Gott als der absolute Geist wäre von dem endlichen geiste zu unterscheiden und es wäre zu zeigen dass er nicht vorübergehend sey . Diese Gemeinschaft abstract ausgesprochen ist die Identität . Diese bestimmtheit der Identität und ihrer unterschiedenen wäre zu fassen . Das können wir im allgemeinen darüber sagen . Der mensch weiss von Gott . Diess wesen ist ein gemeinschaftliches wesen . D . h . Der mensch weiss nur in so fern von Gott als Gott im menschen von sich selber weiss . Er ist nicht ein fremdes  : er weiss nicht von einem fremden als solchen . wäre diess das verhaltniss , so wären wir nicht . Diess wissen Gottes ist zugleich selbstbewustseyn aber zugleich auch das wissen Gottes vom menschen und diess wissen Gottes vom menschen ist das wissen des menschen vom Gott . In diesem unterschied tritt die einheit heraus . Das sind also die allgemeinen bestimmungen dieses verhaltnisses . Bei der nahe­ ren explication fallen wir auf den fall von der freiheit des menschen , von sei­nem individuellen Wesen , und seinem zeitigen bewustseyn . Dieser fall aber des verhaltnisses ist nicht unser Gegenstand . Wir haben diesen nur in seiner abstractesten weise aufgefasst , als den Zusammenhang des endlichen mit dem unendlichen . Diese bestimmungen Contrastiren , ihrer abstractheit und trockenheit willen , mit diesem andern inhaltsvollen . Aber auch in dieser Fülle sind die letzten bestimmungen diese Logischen . In so fern sind wir einerseits ganz im äusserlichen gegen den Reichthum dieser Gestaltung . was wir nun hier auf zu nehmen haben ist dass wir zu dem Zusammenhange zurück kehren , der im erwähnten Satze enthalten ist . Der eine Satz war  : weil es Zufälliges gibt , muss es eine absolute nothwendigkeit geben  : Es ist ein hypothetischer Satz . Es ist der weitere satz . Nun ist aber eine zufällige Welt . Da haben wir dass das zufällige Seyn ist . In diesen Sätzen liegt das mangelhafte dieses schlusses . wenn wir den satz für sich betrachten , so zeigt er sich als eine einseitigkeit . – Das endliche wird ausgesprochen als ein seyendes . Die bestimmung aber des endlichen ist ein ende zu haben , nur den werth eines möglichen habenden , ein Seyn was so gut als ein nicht seyn ist . Das ist der grundfehler in diesem Schluss . Es ist diess ein fehler der in der form eines gewöhnlichen schlusses liegt . Diese | form einer prämisse die als ein festes ausgesprochen wird . Wenn wir die bestimmung betrachten die das resultat des schlusses

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seyn soll , das absolut nothwendige , so drückt diess resultat diess aus , dass es das einzig wahrhafte ist . Wenn das absolut nothwendige ausgesprochen wird als das einzig wurdige , das nicht vermittelte , so ist diesem resultate eben so widersprechend dass das zufällige ein Sein hat . Das Zufällige ist diess nicht zu seyn  : seyn kommt dem zufalligen wohl zu  : aber ein Seyn was nicht mehr ist als ein nicht Seyn . Der mangel der exposition des schlusses besteht also darin dass mit dem Seyn angefangen wird , aber dass im fortgange diess Seyn gelassen wird . Es muss vielmehr gesagt werden  : weil das Zufällige nicht ist , ist seine wahrheit die absolute nothwendigkeit . Diess moment der negativität ist also das was diesem verstandes schlusse fehlt . Der gang dieses erkennens ist nicht der gang des vernunftigen , nicht dem be­ griV gemäss . In dem absolut nothwendigen ist die vermittelung enthalten , in so fern auch eine beziehung auf ein anderes , auf ein sein , aber so dass diess Seyn gesetzt wird , als ein nicht sein , als blose erscheinung . dass aber dann dieser mangel nicht vorhanden ist in der erhebung zu Gott liegt in dem was das resultat ist . Denn diese erhebung ist eben dieses , ihre befriedigung nur zu haben in dem resultate , nicht das zufallige als ein Sein bestehen zu lassen . Der himmel ist zwar einerseits  : und die endlichen Dinge anderer seits aber es kommt darauf an welchen werth diese Welt haben soll . Der werth aber ist eben darin ausgedrückt , dass diese welt die welt des scheines ist , nicht die welt der wahrheit .  – für die Zufalligkeit ist also nichts anderes übrig gelassen als dass sie der anfangspunct für die abstraction ist . Der ewigen welt allein kommt das sein zu . Was in der erhebung noch ubrig bleibt , ist dass sie noch immer ein ausgangspunct ist , oder dass sie nicht das verhaltniss enthalt wo der schein zur erscheinung kommt . In so fern diese rückkehr darin noch nicht enthalten ist , ist diese er­ hebung selbst für sich noch nicht vollständig . – Diese unvollständigkeit hat dann auch diese form dass der ausgangspunct auch für sich | etwas zufälliges ist . Dieser äusserliche anfang ist eine voraussetzung . Dass diese voraussetzung vorhanden ist , kann wieder dargestellt werden in dem erwahnten Satz . Weil eine zufallige Welt ist , ist ein absolut nothwendiges . In diesem Zusammenhange wird vorausgesetzt dass die zufallige welt ist . Diese beiden Sätze haben etwas gemeinschaftliches  : und dieses gemeinschaftliche ist ein seyn . Seyn aber ist eine ganz einfache bestimmung . In so fern wir auf diese Identität des Seyns in beiden reflectiren ist der übergang nicht von einem Seienden zu einem andern , sondern er ist ein ubergang von einer bestimmung des Seins zu einer andern . Die eine bestimmung ist die Zufalligkeit  : die andere , die absolute nothwendigkeit . Das Sein reinigt sich und erhält seine absolute beziehung auf sich selbst . Sein ist die einfache beziehung auf sich . Das endliche aber ist wesentliche beziehung auf anderes . Also haben wir diesen übergang auch so zu fassen dass das sein das eine ist , und diese seine bestimmung

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der endlichkeit in die der unendlichkeit sich verwandelt . Diese bestimmung ist die seite wodurch sich dieser gang unterscheidet von dem andern . In dem andern wird vom begriV angefangen und übergegangen zum Seyn . In diesem Satz ist das seyn nicht das zu beweisende . Sondern diess hat in und seine bestimmungen sind angegebene . Der ubergang vom begriV zum Sein scheint schwieriger zu seyn . Dieses aber ist die unvollstandigkeit dieser Seite der bewegung überhaupt dass ein ausgangspunct und daher ein zufälliges ist . Diese Zufalligkeit hat dann auch die form die angegeben worden ist dass das Sein vorausgesetzt ist . Nach dieser seite ist diess eben so ein nicht bewiesenes  : Die andere seite ist der ubergang vom begriV zum seyn , ist nothwendig zur indication der mangelhaftigkeit dieser seite . Lassen wir diese mangelhaftigkeit noch bei Seite . Der weitere mangel ist dann dieser , dass die bestimmung der absoluten nothwendigkeit nicht entspricht unserm begriVe vom Gott . Damit hätten wir diesen beweis von allen Seiten betrachtet  ; und es ist nun eben so die andere zu betrachten . Das was wir noch hin zu zu fügen haben zu der betrachtung dieses beweises , ist einerseits die formen theils der Religiösen besonders aber der Philosophischen systeme , denen die absolute nothwendigkeit | zu grunde liegt . Der standpunct der absoluten nothwendigkeit ist für sich mangelhaft . Religion und Philosophische Systeme , die nicht über diesen standpunct hinausgegangen sind , sind daher mangelhaft . Die Religionen jedoch halt man für nicht so abstract wie Philosophische Systeme  : sondern sie gehen immer von Concretem aus , sie sind in so fern consequent . Die absolute Nothwendigkeit ist als das Schicksaal bekannt , was in der Griechischen Religion als das höchste gestellt ist  ; aber darüber erhebt sich noch der Kreis der Götter , der geistiger natur ist  : Es gibt eine menge von heroen , faunen , nymphen die von einem höhern princip sind  : theils sind die natürlichen existenzen durch die form der geistigkeiten belebt . Die absolute nothwendigkeit ist die abstracte macht die sich über diese existenzen erhebt . In den Philosophischen systemen die von diesem prinzip ausgehen , ist das System Consequent verfolgt , und die Consequenz derselben lasst es nicht kommen zu einem Concreteren seyn . Es kommt dann darauf an in welches verhaltniss die natur­lichen dinge zu der nothwendigkeit gesetzt sind  : die geistigen realitäten , Aller dieser Reichthum ist als welt der Zufalligkeit bestimmt . Diese zufalligen dinge sind zunachst unterschieden von der substanz als solcher . Aber sie haben keine selbstständigkeit . Alles seyn ist nur seyn der Substanz . Diese Substanz ist dann das abstractum überhaupt . Ueber die zufälligen dinge ist die Substanz die macht nach ihrer endlichkeit , nach ihrer bestimmtheit . Die Substanz ist das seyn 4 in] folgt ein unbekanntes Zeichen

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der Dinge , aber nur ihr abstractes seyn , und in so fern sie concret ist , ist die Substanz nur die negative seite . Die substanz als macht stellt dar dass die Welt nur eine erscheinung ist  ; Als macht kann es scheinen dass die substanz bedingt ist , von den dingen . Die macht ist nur macht in so fern etwas ist was sie verzehren kann . Die macht ist also macht nur an ihnen . Aber dabei wird unterschieden dass indem die nothwendigkeit das an und für sich ist , sie zwar als macht zwar bestimmt ist , in beziehung auf die Weltlichen dinge . sie ist gegen diese nur als negativ . unterschieden | von dieser stellung ist  : Die nothwendigkeit enthalt die vermittelung als moment in ihr . sie ist so die vermittelung ihrer mit sich selbst . Das ist der begriV der absoluten nothwendigkeit . Wenn sie aber so gefasst wird , so liegt darin dass sie das zurück kehren in sich ist . Das ist aber davon unterschieden dass die negation der zufalligen dinge , die negation der negation , die rückkehr in sich ist . Aber dies zu sich selbst kommen , die freiheit wird nicht bestimmt als Substanz . Sondern was als substanz gesetzt ist , ist dass sie nur als ihre einheit nur erhaltend gesetzt ist . – Dieser unterschied ist klein , aber wesentlich . – Es ist dieser Standpunkt , der Pantheismus genannt zu werden pflegt . In Religionen ist er bestimmter aufgetreten , aber wiederum mit der inconsequenz des Concreten . Am Consequentesten erscheint der Pantheismus in der Indischen Religion – in welcher die substanz bestimmt ist als das in sich einigende , das Denken . Die bestimmung der Substanz hat also in der Indischen Religion die bestimmung des reinen Denken  : und dieses Denken wird weiter allerdings vorgestellt , als das Welten schaVende und zerstorende  : und es wird dargestellt als das selbstbewustseyende Denken . Diese einheit existirt also im selbstbewustseyn . Das ist Brama und der existirt im bewustseyn der Braminen , und als selbstbewustseyn in andern die durch büssungen ihr bewustseyn von allen besonderen einzelnen leer gemacht haben . Diese einheit wie sie in den Braminen durch die Geburt oder in Diesen anderen durch die bussungen existirt ist ihnen B r a h m  . Das ist der Welten schaVende und die welten zerstörende . Den Braminen und den bussenden wird die absolute Gewalt zugeschrieben . Ausser diesem selbstbewustseyn formirt die Phantasie noch besondere Gewalten zu Gottern , die aber zeitlich und verganglich sind . Da ist dann wieder diese verkehrung vorhanden  : einmal die ganz reine einheit , und dann wieder die Concrete existenz  ; und die Indische vorstellung ist dieser sprung der einheit in die gemeinste endlichkeit die uns eine verrücktheit scheint . Der vischna , der Wischnu , Schiwa , die Braminen , die Bussenden besonders  ; aber sie sind auch Bram  : die allgemeinste Gottlichkeit schliessen sie in sich . Sonst ist die Orientalische | Weltanschauung die erhabenheit , die alle personliche gestaltung so gleich in Zweifel zieht , und das E i n e mit aller pracht bekleidet  ; aber so dass die pracht nur accidentell an diesem einen ist . Die Indische verrücktheit erscheint nicht mehr in dieser Religion . In diesem Ocean der einheit scheint die pracht der

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Orientalischen Poesie , wo alles Schöne in der Welt als ein bloser schmuck dieser einheit vorgestellt wird . – Wenn der Pantheismus als all-Götterei übersetzt ist , da ist dann diess darin enthalten , dass alles in seinem besonderen Daseyn Gott ist . Dann werden in der vorstellung von Gott die besonderen bestimmungen in der Gottheit als b l e i b e n d übertragen . Eine solche vorstellung herrscht in keiner Religion , sondern es hat nur in dem Kopf derer platz , die die Philosophie solcher vorstellungen beschuldigen . Die Philosophischen Systeme , die auf diesem standpunct stehen , sind wiederum Consequenter als die Religionen . Das Eine , gegen welches alles andere nur ac­ cidentel ist , ist nicht jeder gegenstand in seiner besonderen existenz . Unter den Pantheistischen Philosophien oder um Richtiger zu sprechen , unter den s­ ystemen der Substantialität , ist bei den alten der Eleatismus , bei den neueren der Spinozismus . – Das Eine wird bestimmt als die absolute substanz . In ansehung dieser bestimmung ist zu bemerken dass diese die grundlage aller Religion und aller Philosophien ist . Das eine ist das an und für sich nothwendige Daseyn , die grundbestimmung Gottes in aller Religion . Es thut sich dann sogleich dieser unterschied hervor  : Man sagt Gott ist der allein wahrhaft Seyende  : oder er ist der selbststandige , oder er ist das selbe seyn  : oder wenn man sagt Selbststandigkeit ist sein prädicat  : bei diesem letzten setzt man nur sein prädicat voraus Die 2te ist diese bestimmung  : das e i n e  . Die weitere ausbildung ist dann nichts anderes als die subjective Reflexion , die zeigt dass diese abstracte bestimmung nur eine nichtige sey . Spinoza sagt  : Gott hat unendliche attribute  : das sind Denken und ausdehnung . Beide unterscheidet der verstand . Die ausdehnung enthalt den ganzen inhalt der substanz und eben so das denken enthalt den gan­ zen inhalt der Substanz . Es ist nur der verstand , der Intellectus  ; der | den unterschied macht . Die substanz ist also darin noch nicht als sich entwickelnd gesetzt . Es fehlt also kann man sagen das princip der bewegung  : es fehlt darin das was nachher als die Platonische Idee erschienen ist , die der Göttlichen gleichheit . Die einheit ist also die grundlage  : und die entwickelung ist nur eine äusserliche . Ausser diesem einen findet sich das Reich der beschrankungen . die Welt , die nur gefasst wird als ein Reich der beschrankungen . Das seyn , das affirmative darin ist die substanz . Spinoza nimmt seine bestimmungen aus der wahrnehmung . Diese Welt wird also vorgestellt als ein Reich der Zufalligkeit . Diese kann nachher explicirt werden . Spinoza hat keine natur Philosophie aufgestellt  : aber er hat eine Ethik gemacht , die die mangelhaftigkeit weniger erkennen lasst . Denn er setzt als princip , das wahrhafte , die übereinstimmung mit Gott , die Liebe Gottes . – wie der Zusammenhang zu Stande kommt , das ist nicht angegeben worden . Denn die substanz nicht als entwickelung , nicht als schöpferisch gestellt fallt aus sich heraus

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Weitere formen die noch hieher gezogen werden können , sind der materialismus und der naturalismus . Aber hier tritt eine weitere bestimmung ein , da die natur als lebendig gestellt ist . Das formelle ist in dem bisherigen entwickelt worden . Das allgemeine resultat in ansehung dieses ist dass die so genannten beweisen nichts anderes Seyn als die explication der erhebung zu Gott  : und diese ist durch den ausgangspunct unterschieden . Es ist dann die mangelhaftigkeit da zunachst was als ein subjectives thun erscheint , zeigt sich nachher als mangelhaftigkeit des princips . Ende am 19 Aug . 1829 .



zeichen und siglen483

Z EICH EN   , SIGLEN

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